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German Pages 361 Year 2006
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1021
Die Lehrfreiheit – ein verlorenes Grundrecht? Zu Eigenständigkeit und Gehalt der Gewährleistung freier Lehre in Art. 5 Abs. 3 GG
Von Ann-Katrin Kaufhold
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
ANN-KATRIN KAUFHOLD
Die Lehrfreiheit – ein verlorenes Grundrecht?
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1021
Die Lehrfreiheit – ein verlorenes Grundrecht? Zu Eigenständigkeit und Gehalt der Gewährleistung freier Lehre in Art. 5 Abs. 3 GG
Von Ann-Katrin Kaufhold
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-11942-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Wintersemester 2004/2005 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten im Wesentlichen bis Mai 2005 berücksichtigt werden. Für die große Unterstützung, die ich während der Arbeit an diesem Buch erhalten habe, bin ich sehr dankbar: Mein Doktorvater, Herr Prof. Dr. Andreas Voßkuhle, hat mir auch über das Wissenschaftliche hinaus unermüdlich mit Anregungen, Kritik und Rat zur Seite gestanden. Ich danke ihm für sein Vertrauen, den großzügig gewährten Freiraum und seine fortwirkende Förderung. Dank gebührt auch Herrn Prof. Dr. Thomas Würtenberger für die rasche Erstellung seines Zweitgutachtens. Die Mitarbeiter des Instituts für Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie haben eine Atmosphäre geschaffen, die für jede Diskussion offen war und an die ich mich stets gerne erinnern werde. Insbesondere Stefanie Günthner, Franz Reimer und Wolfram Spelten haben mich zu jeder (Un-)Zeit mit fachlichem und persönlichem Rat unterstützt; hierfür danke ich ihnen herzlich. Nicht nur ihre kritische Durchsicht des Manuskripts war mir eine große Hilfe. Am engsten begleitet hat die Entstehung dieser Arbeit Jörg Niewöhner – sein Zuspruch, seine verständnisvolle Geduld und seine Aufheiterungen sind unersetzlich. Gewidmet ist dieses Buch meinen Eltern, die mich immer wieder ermutigt und bedingungslos gefördert haben. Berlin, im August 2005
Ann-Katrin Kaufhold
Inhaltsübersicht § 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil 1 Der Abschied von der Wissenschaftsfreiheit
34
§ 2 Zur Differenzierung von Schutzbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
§ 3 Die Eigenständigkeit von Forschungs- und Lehrfreiheit – Praktizierter Methodensynkretismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
§ 4 Die strukturellen Konzeptionen des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 § 5 Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
Teil 2 Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
176
§ 6 Die Unabhängigkeit des Grundrechtsschutzes von der persönlichen oder institutionellen Verbindung des Lehrenden zur Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 § 7 Die Wissenschaft als materielle Determinante der grundrechtlich geschützten Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 § 8 Die thematische, inhaltliche und methodische Freiheit wissenschaftlicher Lehre als Gewährleistungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 § 9 Die funktionalen Dimensionen der Lehrfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 § 10 Ergebnis und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355
Inhaltsverzeichnis § 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Glanz vergangener Tage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wissenschaftsfreiheit als Mitteilungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Grundrecht der wissenschaftlichen Hochschulen . . . . . . . . . . . . . . 3. Lehrfreiheit versus Lernfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das verlorene Grundrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auf der Suche nach dem verlorenen Grundrecht – Erkenntnisleitende Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ein eigenständiges Grundrecht der Lehrfreiheit ist funktionslos . . . . . 2. Die Garantie freier Lehre hat für die Grundrechtsträger keinen Wert 3. Die Realisierung der Lehrfreiheit birgt keine Konflikte . . . . . . . . . . . . III. Gegenstand und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19 20 20 21 22 23 27 29 29 30 31
Teil 1 Der Abschied von der Wissenschaftsfreiheit § 2 Zur Differenzierung von Schutzbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die staatliche Definition differenzierter Schutzbereiche . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Definitionsverbot – Anfang und Ende der Auslegung? . . . . . . . . . a) Schutzbereichsdefinition durch die Grundrechtsträger? . . . . . . . . . b) Das staatliche Definitionsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die differenzierte Ordnung des Grundrechtsabschnitts . . . . . . . . . . . . . a) Nivellierung der Grundrechtsgehalte durch das Übermaßverbot? . . b) Das Erfordernis grundrechtsspezifischer Dogmatik . . . . . . . . . . . . . II. Methodische Vorklärungen – Über die (Un-)Möglichkeit, eine Grundrechtsarbeit zu schreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Dilemma grundrechtsdogmatischer Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3 Die Eigenständigkeit von Forschungs- und Lehrfreiheit – Praktizierter Methodensynkretismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Identität von Wissenschaft und Forschung – Die Wortlautanalyse . . . . . . 1. Ambivalenz als Ausschlusskriterium – Die Aussagekraft der Grammatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Differenz von Intension und Definition – Die Wortbedeutungen . . . .
34 34 34 35 36 37 39 40 41 43 43 45 49 49 51 52
12
Inhaltsverzeichnis a) Die theoretischen und praktischen Schwierigkeiten semantischer Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die „Lehnstuhl-Methode“ als Antwort auf praktische Schwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erkenntnis durch Kontrast – Theoretische Schwierigkeiten als Erkenntniserleichterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der entstehungszeitliche Sprachgebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der geltungszeitliche Sprachgebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Maßgeblichkeit des geltungszeitlichen Sprachgebrauchs . . . . . 3. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Systemkonforme Eigenständigkeit – Die systematische Interpretation . . . 1. Der systematische Standort im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 5 GG als Grundrecht der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . b) Art. 5 Abs. 3 GG als „Grundrecht der Kultur“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Schutzbereichsverständnisse anderer Verfassungsvorschriften . . . a) Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG – Die Sonderstellung der Lehre . . . . . . . . . b) Art. 18 S. 1 GG – Die Begrenzung der Missbrauchsfolge als Indiz der Eigenständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Art. 7 Abs. 1 GG – Keine Determinante von Art. 5 Abs. 3 GG . . d) Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 Alt. 2, 91b GG – Eigenständigkeit der Förderung, Eigenständigkeit des zu Fördernden? . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die „Referenzgrundrechte“ – Keine übergreifende Tendenz zur Vereinheitlichung oder Ausdifferenzierung grundrechtlicher Schutzbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Gewährleistungsstrukturen der europäischen Garantien freier Wissenschaft, Forschung und Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zur Unterscheidung von Theorie und Praxis – Die historische Analyse . . 1. Das „vorverfassungsmäßige Gesamtbild“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wissenschaftsfreiheit als Idee, Lehrfreiheit als Grundrecht – Die Entwicklung bis 1848/49 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Parallelität von Forschungs- und Lehrfreiheit in den Begründungen der Wissenschaftsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Lehrfreiheit als alleiniges Schutzgut des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Lehrfreiheit in den Grenzen der allgemeinen Gesetze – Vom Kaiserreich bis zur Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54 54 55 56 56 58 59 60 60 61 63 63 65 67 68 68 69 71 71 73 74 75
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Inhaltsverzeichnis c) Die Aufnahme der Forschung in das rechtliche Bewusstsein – Die Entwicklungen unter der Weimarer Reichsverfassung . . . . . . . aa) Bewusstseinserweiterung bei gleich bleibendem Fokus – Die Entwicklung der Wissenschaftsfreiheit als Individualrecht . . . bb) Verfassungsrechtlicher Schutz der Einheit von Forschung und Lehre – Die Wissenschaftsfreiheit als institutionelle Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wissenschaft in innerer Verbundenheit mit der völkischen Gemeinschaft – Die ideologische Perversion der Freiheitsidee im Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rezeption des „vorverfassungsmäßigen Gesamtbildes“? – Die Genese des Art. 5 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die textlichen Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Aufnahme der „Forschung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Entwicklung der grammatischen Struktur . . . . . . . . . . . . . cc) Der Wegfall des Pronomens „ihre“ sowie der Schutz- und Pflegeklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Diskussionsverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Funktionale Differenzierung von Forschungs- und Lehrfreiheit – Die teleologische Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Im Dienste der Wissenschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Sicherung der Publizität wissenschaftlicher Erkenntnis . . . . . . b) Die Gewähr von Stabilität und Kontinuität der wissenschaftlichen Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der inhaltlich und thematisch begrenzte Beitrag der Lehre . . bb) Die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses als Aufgabe der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Lehre als Quelle der Inspiration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Garantie freiheitlicher (Aus-)Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der kritische Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die kulturstaatliche Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Garantie individueller Entfaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 6. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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103 103 104 104 105 106 106 107 108 111 111 115 116 116 119 121 126 130 132 137 138
§ 4 Die strukturellen Konzeptionen des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 I. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG garantiert (neben der Kunstfreiheit) zwei weitere Grundrechte mit divergenten Schutzbereichen und -funktionen (Hailbronner) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 II. Neben der Kunstfreiheit sind in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG drei weitere, selbständige Grundrechte verankert, deren sachliche Schutzbereiche divergieren: die Wissenschafts-, die Forschungs- und die Lehrfreiheit (Perschel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
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Inhaltsverzeichnis III. Wissenschaft, Forschung und Lehre sind eigenständige Normbereiche der Wissenschaftsfreiheitsgarantie mit unterschiedlichen Handlungsrationalitäten und gemeinsamem Fluchtpunkt (Trute) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gewährleistet neben der Kunstfreiheit die Wissenschaftsfreiheit, deren Schutzbereich die wissenschaftliche Forschung und die hierauf aufbauende wissenschaftliche Lehre umfasst (herrschende Meinung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die „wissenschaftliche Tätigkeit“ als Anknüpfungspunkt (Rechtsprechung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Junktim von Forschung und Lehre als Konsequenz ihrer Wissenschaftlichkeit (herrschende Lehre) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Wissenschaftsbegriff als Grundlage der Interpretation von Art. 5 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Binnenstruktur der Wissenschaftsfreiheitsgarantie . . . . . . . . . . aa) Zwischen Forschung und Lehre besteht ein doppeltes Junktim (1) Die Lehre als Bedingung und Konsequenz der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Verpflichtung des Forschers zur Lehre als Folge der Strukturen des Wissenschaftssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kritik – Die Zweifel an der Begrenzung des Grundrechtsschutzes auf die „wissenschaftlich aktive“ Lehre . . bb) Zwischen Forschung und Lehre besteht ein einseitiges Junktim (1) Die erweiternde Auslegung des Forschungsbegriffs . . . . . (2) Die Verknüpfung von Forschung und Lehre in der Person des Lehrenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kritik – Die Zweifel an der Begründung und den Konsequenzen eines einseitigen Junktims . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Art. 5 Abs. 3 GG verlangt die institutionelle Verbindung von Forschung und Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 5 Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 I. Die Lehrfreiheit als eigenständiges Grundrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 II. Die Ablösung der Wissenschaftsfreiheit durch Forschungs- und Lehrfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
Teil 2 Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
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§ 6 Die Unabhängigkeit des Grundrechtsschutzes von der persönlichen oder institutionellen Verbindung des Lehrenden zur Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 I. Die eigene Forschungstätigkeit als Bedingung der Schutzwürdigkeit wissenschaftlicher Lehre? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 1. Die (Aus-)Bildungsfunktion wissenschaftlicher Lehre . . . . . . . . . . . . . . 177
Inhaltsverzeichnis
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a) Die Vermittlung aktueller Fachkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Vermittlung von „Schlüsselqualifikationen“ . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Befähigung zum kritischen Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die kulturstaatliche Bedeutung wissenschaftlicher Lehre . . . . . . . . . . . 4. Die Selbstverwirklichung in der Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die institutionelle Verbindung zur Forschung als Bedingung der Schutzwürdigkeit wissenschaftlicher Lehre? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Nähe zum Objekt der Kritik als abwägungsrelevanter Belang . . . 2. Die institutionelle Erweiterung der Selbstverwirklichungsoptionen . . 3. Der direktere Zugang zu wissenschaftlichen Entwicklungen . . . . . . . . III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 7 Die Wissenschaft als materielle Determinante der grundrechtlich geschützten Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die thematische Bindung der durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wissenschaftliches Wissen als Lehrinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Abhängigkeit des Schutzumfangs der Lehrfreiheit vom verfassungsrechtlichen Wissenschaftsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die funktionalen Erweiterungen des Schutzbereichs . . . . . . . . . . . . 2. Kunst als Inhalt grundrechtlich geschützter Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Orientierung am Lernenden als prozessuale Determinante wissenschaftlicher Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die lehrtätigkeitsbezogenen Qualifikationsanforderungen . . . . . . . . . . . . . IV. Die Unabhängigkeit des Grundrechtsschutzes von Medium und Ort der Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Der Wille zur Selbständigkeit als Bedingung des Grundrechtsschutzes . . VI. Die Lernfreiheit als „Spiegelbild der Lehrfreiheit“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 8 Die thematische, inhaltliche und methodische Freiheit wissenschaftlicher Lehre als Gewährleistungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zur Differenzierung von Grundrechtstatbestand und Gewährleistungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die thematische, inhaltliche und methodische Freiheit als Gewährleistungsinhalt der Lehrfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Keine Bedingung der Freiheit durch die Pflicht zur autonomen Geltendmachung gesellschaftlicher Belange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 9 Die funktionalen Dimensionen der Lehrfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Frage nach den funktionalen Dimensionen eines Grundrechts als Frage nach der Grundrechtstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Bedeutung der Grundrechtstheorie für die Entfaltung der funktionalen Dimensionen eines Grundrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Doppelcharakter der Grundrechte als Auslegungshypothese . . . .
186 186 187 187 187 188 188 189 190 191 193 195 198 199 200 201 205 206 206 214 220 221 222 223 224 227
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Inhaltsverzeichnis II. Die subjektiv-rechtlichen Gehalte der Lehrfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Lehrfreiheit als Abwehrrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Lehrfreiheit als Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Lehrfreiheit als originärer Leistungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . b) Die Lehrfreiheit als derivativer Leistungsanspruch auf Teilhabe an den öffentlichen Bildungseinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Lehrfreiheit als Schutzanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die objektiv-rechtlichen Gehalte der Lehrfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Garantie der selbstverwalteten Universität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Wirkung der Lehrfreiheit als Sachbereichsgarantie . . . . . . . . . . . . a) Die Sachbereichsgarantie als Konsequenz der fremdnützigen telæ der Lehrfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das institutionelle Grundrechtsverständnis als grundrechtstheoretischer Vergleichs- und Kontrastpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rundfunk- und Wissenschaftsfreiheit als dogmatische Vergleichsund Kontrastordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die relative Bedeutung der Garantie- und Gewährleistungsdimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Sachbereichsgarantie als verfassungsrechtlicher Maßstab . . . . f) Zum Beispiel – Die Ersetzung von Rahmenprüfungsordnungen durch ein Akkreditierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Die Vermutung zugunsten parlamentarischer Gestaltungsfreiheit . . 3. Die aktualisierten und latenten Leistungspflichten des Staates . . . . . . a) Die Ressourcenabhängigkeit wissenschaftlicher Lehre . . . . . . . . . . b) Die Finanzierungsoptionen zweckfreier und zweckgebundener wissenschaftlicher Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die staatliche Pflicht zur Förderung mündlicher und schriftlicher bildender Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Keine Resubjektivierung der Leistungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Lehrfreiheit als Pflicht zur Vergabe bereitgestellter Mittel . . . . . . a) Die staatliche Pflicht zur vollständigen Vergabe der für die Lehre bereitgestellten und für den Bestand des Sachbereichs erforderlichen Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine derivativen Leistungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Pflicht des Staates zum Schutz ausbildender Lehre . . . . . . . . . . . . a) Art. 5 Abs. 3 GG als Pflicht zum Schutz des „maßgebenden Einflusses“ der Lehrenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Gefährdung des Sachbereichs durch nicht grundrechtsverpflichtete Dritte als tatbestandliche Voraussetzung einer Schutzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die staatliche Pflicht zur Disziplinierung privater Gestaltungsbereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Keine Resubjektivierung der Schutzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Die Ausstrahlungs- und Drittwirkung der Lehrfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . 294 V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 § 10 Ergebnis und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Funktion der Lehrfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Wert der Lehrfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Konfliktpotential der Lehrfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355
§ 1 Einführung Zu den wenigen unumstrittenen Aussagen über die Garantie freier Wissenschaft, Forschung und Lehre in Art. 5 Abs. 3 GG gehört die Feststellung, dass das einschlägige Schrifttum kaum mehr zu überblicken ist.1 Gleichwohl haben Rechtsprechung und Literatur das Grundrecht der Lehrfreiheit weitgehend aus dem Blick verloren. Warum die Lehrfreiheit derzeit ein Schattendasein führt und ob dies berechtigt ist, sind die beiden zentralen Fragen dieser Arbeit. Sie macht sich auf die Suche nach dem verlorenen Grundrecht. Hans Peter Bull klagte im Jahr 1971: „Ein ,Herr vom anderen Stern‘, der nur die Literatur zu Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG läse, könnte – wenn er nicht sorgfältig vorginge – meinen, außerhalb der Universitäten gebe es keine Probleme der Wissenschaftsfreiheit“2, und Wolfgang Schrödter fügte 1974 moderierend hinzu: „Die meisten Autoren verkennen zwar nicht, dass die Wissenschaft kein Monopol der Hochschulen bildet; sie verzichten aber darauf, den Einfluss des Art. 5 Abs. 3 GG auf die Rechtsstellung des Wissenschaftlers zu untersuchen, der außerhalb einer Hochschulkorporation [. . .] wissenschaftlich wirkt.“3 Das Monopol der Hochschulen in der verfassungsrechtlichen Diskussion der Wissenschaftsfreiheitsgarantie ist mittlerweile gebrochen.4 Nun ist jedoch zu konstatieren: Die meisten Autoren verkennen zwar nicht, dass Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG auch von Lehre spricht; nichtsdestotrotz beziehen sie sich ganz überwiegend allein auf die Strukturen und Bedingungen der Forschung, ihre Gefährdungen und die von ihr ausgehenden Gefahren, wenn sie Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG dogmatisch entfalten.5 Auch die Gerichte lösen Konflikte, die sich aus freier Lehre und 1 So schon 1956 Thieme, Hochschulrecht, 1956, S. 43 Fn. 1; bestätigend ders., Hochschulrecht, 2004, Rn. 107 Fn. 11; siehe ferner bspw. W. Weber, Freiheit von Forschung und Lehre, S. 232; Ridder, Soziale Ordnung, S. 134; Lerche, Bundesstaatlichkeit, S. 215; Wagner, Wissenschaftsfreiheit, S. 129, und A. Blankenagel, Ratlosigkeit, S. 70 mit Fn. 3. Die vorliegende Arbeit erhebt insoweit keinen Widerspruch und daher auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. 2 Bull, Staatlich geförderte Forschung, S. 35. Ähnlich vorwurfsvoll Laaser, Lehrfreiheit in der Schule, S. 15; distanzierter und mit Blick auf das gesamte Wissenschaftsrecht auch Trute, Institutionalisierung, S. 6. 3 Schrödter, Wissenschaftsfreiheit des Beamten, S. 17. 4 Vgl. nur die eingehenden Untersuchungen von Thieme, Nichtuniversitäre Forschungseinrichtungen, S. 150 ff.; Classen, Wissenschaftsfreiheit außerhalb der Hochschule, 2.–4. Teil; Meusel, Außeruniversitäre Forschung, Rn. 135 ff., und Kamp, Forschungsfreiheit und Kommerz; siehe auch unten Fn. 41, S. 26. 5 Der juristische Diskurs unterscheidet sich damit deutlich vom politischen, in dem die Lehre an Schulen und Universitäten in den letzten Jahren „zum Modethema avan-
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ihrer verfassungsrechtlichen Garantie ergeben, nur selten unter Rückgriff auf das Grundrecht der Lehrfreiheit. In der Regel werden die Entscheidungen in der dogmatischen Sprache der Wissenschaftsfreiheit getroffen. Wer die Lehrfreiheit vor diesem Hintergrund als verlorenes Grundrecht untersucht, behauptet damit zugleich ihre vormalige Präsenz im juristischen Diskurs. Tatsächlich kontrastiert ihr derzeitiges Schattendasein mit einer Konzentration auf die Garantie freier Lehre in den Geburtsstunden des Grundrechts ,freier Wissenschaft und ihrer Lehre‘ sowie während der folgenden gut einhundert Jahre. Ein knapper Rückblick soll an dieser Stelle nicht die Hintergründe wechselnder Fokussierungen in der Vergangenheit aufklären. Doch bildet er die Grundlage für Vermutungen über den oder die Anlässe für die heute nur mehr geringe Beachtung der Garantie freier Lehre.
I. Der Glanz vergangener Tage 1. Wissenschaftsfreiheit als Mitteilungsfreiheit Die ersten verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre richteten sich bekanntlich gegen die erneute Unterdrückung der Geistesfreiheit während der Restauration, die die Wissenschaft an christliche Gehalte und Fundamente rückzubinden suchte.6 Die Wissenschaftsfreiheit wurde in dieser Situation maßgeblich auf Betreiben der „politischen Professoren“ kodifiziert, deren vornehmliches Interesse unter dem Eindruck insbesondere der Karlsbader Beschlüsse aus dem Jahre 1819 und der sich anschließenden Demagogenverfolgungen dem Schutz ihrer Lehrfreiheit galt. Der Schwerpunkt der ersten verfassungsrechtlichen Gewährleistungen in der oktroyierten wie in der revidierten preußischen Verfassung7 sowie der Frankfurter Reichsverfassung8 lag dementsprechend auf dem Schutz der Mitteilungsvorgänge. Die Forschung spielte als eigenständige Handlungsform für die Freiheitsciert ist“, wie Kuhlen, Evaluation, S. 183, zutreffend feststellt. Man denke nur an die intensiven Diskussionen, die seit Erscheinen der PISA-Studie über die Gestaltung des Schulunterrichts geführt werden, oder an die Erörterungen nicht zuletzt der Qualität der Hochschullehre, die durch den Vorschlag ausgelöst wurden, eine begrenzte Anzahl der Universitäten als „Elite-Universitäten“ zu fördern. 6 Vgl. hierzu etwa die anschaulichen Darstellungen von W. A. E. Schmidt, Freiheit der Wissenschaft, S. 26 ff., und Zwirner, Wissenschaftsfreiheit, S. 314 ff.; ausführlich zur Geschichte der Wissenschafts- und der Lehrfreiheit unten § 3 III. 7 In den deutschen Ländern wurde die Wissenschaftsfreiheit erstmals in der insoweit an der belgischen Verfassung von 1831 orientierten oktroyierten Verfassung Preußens vom 05.12.1848 verbürgt, deren Art. 17 lautete: „Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.“ Eine entsprechende Normierung enthielt die revidierte Preußische Verfassung vom 31.01.1850 in ihrem Art. 20. 8 Die Frankfurter Reichsverfassung vom 28.03.1849 übernimmt in § 152 die Garantie der Wissenschaftsfreiheit aus der oktroyierten Verfassung Preußens.
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garantie praktisch keine Rolle.9 Auch als sich das Wissenschaftssystem im Laufe des 19. Jahrhunderts zunehmend ausdifferenzierte und die moderne experimentelle naturwissenschaftliche Forschung zentrale Bedeutung erlangte, blieben die juristischen Diskussionen auf die Lehrfreiheit konzentriert.10 Hintergrund dieser Fixierung des Problembewusstseins dürfte nicht zuletzt das besondere, zumindest besonders augenfällige Konfliktpotential der Lehre gewesen sein, wie es etwa in den viel diskutierten Fällen Arons, Michels, Spahn und Bernhard zum Ausdruck kam.11 2. Das Grundrecht der wissenschaftlichen Hochschulen Nach Inkrafttreten des Grundgesetzes stand zunächst die Frage nach Umfang, Inhalt und Grenzen einer Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zu entnehmenden institutionellen Gewährleistung im Vordergrund.12 Das Bemühen, den Hochschulen nach der nationalsozialistischen Vereinnahmung wieder Selbständigkeit zu verleihen und das Hochschulrecht zugleich aus einem diffusen Zustand administrativer Ordnungen, autonomer Satzungen und ungeschriebener Traditionen in ein durchsichtigeres Regelungssystem zu überführen, verlangte nach einer ausdifferenzierten dogmatischen Sprache der institutionellen Dimension.13 Diese wurde dabei nicht zuletzt als Element der Lehrfreiheit entfaltet14 – im Gegensatz zur heutigen Übung, welche die objektiven Wirkungen regelmäßig mit Blick auf „die Wissenschaftsfreiheit“ oder das besondere Bedürfnis der Forschung nach 9
Vgl. hierzu eingehend unten § 3 III. 1. a). Vgl. unten § 3 III. 1. b), c). 11 Ausführlich zu diesen Prüfsteinen für die Lehrfreiheit E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. IV, S. 949 ff.; zu den Fällen Arons und Spahn auch Mast, Wissenschaftliche Freiheit, S. 101 ff., 191 ff.; aus der Perspektive des Historikers Siemann, Chancen und Schranken, S. 336 f. – L. Arons wurde die venia legendi entzogen, nachdem er außerhalb der Universität für die sozialdemokratische Partei geworben hatte. Der katholische Privatdozent M. Spahn erhielt vor allem aufgrund seiner Konfessionszugehörigkeit vom Ministerium einen Lehrstuhl an der Straßburger Universität zugewiesen, wogegen sich die Mehrheit der Straßburger Professoren mit der Forderung nach voraussetzungsloser Wissenschaft wehrte. Die Verweigerung der Habilitationszulassung an R. Michels aufgrund von ihm vertretener Lehrmeinungen zum Sozialismus und der Ausschluss L. Bernhards von den wirtschaftswissenschaftlichen Hauptvorlesungen zeigen jedoch, dass die Wissenschaftsfreiheit nicht mehr allein gegenüber dem Staat, sondern auch gegenüber den Universitäten und der Professorenschaft errungen und durchgesetzt werden musste. 12 Vgl. insoweit v. a. die einflussreichen Beiträge von Köttgen, Grundrecht der Universität, S. 17 ff., 23 ff.; ders., Freiheit der Wissenschaft, S. 302 ff., 320 ff.; aber auch H. H. Klein, Entwicklungen im Hochschulrecht, S. 132 ff., und W. Weber, Rechtsstellung, S. 26 ff.; des Weiteren die Nw. unten in Fn. 166, S. 222 und Fn. 167, S. 222. 13 Ähnlich die Deutung des frühen Schrifttums zu Art. 5 Abs. 3 GG durch W. Weber, Forschung und Lehre, S. 230. 14 Insbes. von Köttgen, Grundrecht der Universität, S. 20; ders., Freiheit der Wissenschaft, S. 303 f. 10
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organisatorischer Umhegung erarbeitet.15 Noch 1954 sah Arnold Köttgen „das Schwergewicht der Freiheit der Wissenschaft [. . .] im Bereich wissenschaftlicher Lehre“16. Die Forschung rückte als eigenständige Handlungspraxis ins Blickfeld, verdrängte die Lehrfreiheit aber zunächst nicht. Als verfassungsrechtliche Neuerung lenkte in dieser Zeit zudem die Treueklausel des Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG die Aufmerksamkeit der Rechtswissenschaft auf die Garantie freier Lehre und ihre Grenzen.17 Unbefriedigend verlaufene Konflikte boten sich hingegen zunächst kaum als Ansatzpunkte für die dogmatische Entfaltung der Lehrfreiheit etwa durch die Rechtsprechung. Unter den Gesichtspunkten der Freiheit von Forschung und Lehre „[trug] keiner der zur Entscheidung gestellten Streitfälle [. . .] existentielle Spannkraft in sich“18. Obwohl die Wiederherstellung der traditionellen Hochschulautonomie durch die Gegenüberstellung von Hochschule und Staat betrieben wurde, befanden sich beide in der Nachkriegszeit in seltener Übereinstimmung.19 3. Lehrfreiheit versus Lernfreiheit Im Zuge der in den 60er Jahren in ganz Europa beginnenden, unter dem Schlagwort der „Demokratisierung“ betriebenen Hochschulreformen und der Studentenunruhen 1968 traten dann Interessenkollisionen zu Tage, zu deren Lösung Art. 5 Abs. 3 GG auch wieder als subjektives Recht bemüht wurde.20 Die „repersonalisierte“21 Lehr- und Forschungsfreiheit wurde von den Professoren 15 Vgl. statt vieler Lüthje, in: Denninger, HRG, Vor § 3 Rn. 43 ff.; Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 125 ff.; Schulze-Fielitz, Freiheit der Wissenschaft, Rn. 7 f.; Trute, Institutionalisierung, S. 265 ff. sowie Teil III, dabei insbes. S. 420 ff. 16 Köttgen, Freiheit der Wissenschaft, S. 299. 17 Eröffnet wurde die Diskussion der Treueklausel durch Friesenhahn, Staatsrechtslehrer und Verfassung, 1950, und Thoma, Lehrfreiheit, 1952. Vgl. aus der sich hieraus entwickelnden Diskussion etwa Voigt, Lehrfreiheit, S. 259 ff., sowie W. O. Schmitt, „Verfassungstreue“, und ferner die Nw. unten in Fn. 160, S. 71. 18 W. Weber, Freiheit von Forschung und Lehre, S. 236; ebenso Freundlich, Wissenschaftsfreiheit, S. 173; mit Blick auf den Ertrag der Rspr. für organisationsrechtliche Fragen auch Oppermann, Praktische Konsequenzen, S. 433. Eine ausführliche Darstellungen der Rechtsprechung auf dem Gebiet des Hochschulrechts bis 1965 findet sich bei Waibel, Hochschulrecht; zur bundesverfassungsgerichtlichen Rspr. auch Freundlich, a. a. O., S. 132 ff. 19 So auch das Resümee von Richter, Bildungsverfassungsrecht, S. 162; i. Erg. ebenso W. Weber, Freiheit von Forschung und Lehre, S. 230. 20 Die „Demokratisierung“ der Universität hat dabei zugleich Anlass zu weiterer Auseinandersetzung mit der objektiven Dimension von Art. 5 Abs. 3 GG gegeben, vgl. hierzu unten § 9 mit Fn. 167, S. 222. Den institutionellen Folgerungen wird jetzt jedoch schon vielfach nur noch „akzessorische“ Bedeutung (W. Weber, Diskussionsbeitrag, S. 197) beigemessen; ebenso beobachtet von Pieroth, Störung, S. 85. 21 In Anlehnung an H. P. Ipsen, Diskussionsbeitrag, S. 198 f.
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gegen die studentischen Forderungen nach Mitbestimmung in den Selbstverwaltungsgremien der Hochschulen, gegen die Einführung der Gruppenuniversität und insbesondere gegen eine Drittelparität in Stellung gebracht.22 Die demgegenüber von den Studenten und dem wissenschaftlichen Mittelbau erhobenen Forderungen stützten sich überwiegend auf eine ebenfalls Art. 5 Abs. 3 GG entnommene Lern- oder Studienfreiheit als Korrelat der Lehrfreiheit.23 Die Lehrfreiheitsgarantie wurde in dieser Zeit insbesondere in Abgrenzung zur studentischen Lern- und Ausbildungsfreiheit (neu) bestimmt. Das Bemühen um eine rechtliche Bewältigung studentischer Störungen und Streiks von Vorlesungen bildete vielfach den Anlass für ihre dogmatische Entfaltung.24 Forschungsund Lehrfreiheit sollten die entscheidenden Koordinaten sowohl für das Außenverhältnis der Hochschule zum Staat als auch für den Ausgleich der unterschiedlichen, zumeist gegenläufigen Interessen im Inneren entnommen werden. 4. Das verlorene Grundrecht Die Struktur der Gruppenuniversität, in der Studenten, wissenschaftliche Mitarbeiter und sonstige Hochschulangehörige neben den Professoren in den Selbstverwaltungsorganen der wissenschaftlichen Hochschulen stimmberechtigt vertreten sind, war denn auch Streitgegenstand des Hochschulurteils im Jahre 1973, in dem sich das Bundesverfassungsgericht erstmalig grundsätzlich mit der Garantie freier Wissenschaft, Forschung und Lehre und den ihr zu entnehmenden Vorgaben für die Wissenschaftsorganisation auseinandergesetzt hat. Die 22 Besonders vehement W. Weber, Freiheit von Forschung und Lehre, S. 241 f.: „eklatante, um nicht zu sagen zynische“ Verletzung von Lehr- und Forschungsfreiheit; in der Sache ähnlich Geck, Stellung der Studenten, S. 172, 186; H. H. Klein, „Demokratisierung“, S. 43; Wolf, Freiheit der Wissenschaft, S. 217; Fries, Rechtsstellung, S. 124. 23 Maßgeblich insoweit Hauck/Lüthje, Wissenschaftsfreiheit durch Mitbestimmung, insbes. S. 15, 17 f., 25 ff.; vgl. exemplarisch für die (z. T. sehr weitgehenden) Folgerungen aus Art. 5 Abs. 3 GG Bartsch, Studentenschaften, S. 201 ff., 222a ff.; zurückhaltender etwa Rinken, Status des Studenten, S. 261 f.; Nitsch u. a., Hochschule in der Demokratie, S. 202 ff., 204 ff. Zusammenfassend zu diesen Entwicklungen Richter, Bildungsverfassungsrecht, S. 164 f. 24 Vgl. aus der Lit. einerseits etwa Geulen/Stuby, „Ordnung als Repression“, S. 141 ff.; Stuby, Disziplinierung der Wissenschaft, S. 150 ff., und Homfeld, Ordnungsverstoß, die studentische Kampfmaßnahmen unter Berufung auf Art. 5 Abs. 3 GG als zulässig oder doch jedenfalls gerechtfertigt erachten; andererseits z. B. Geck, Stellung der Studenten, S. 161 f.; Quaritsch, Der DADA-Fall, S. 472 f.; Fries, Rechtsstellung, S. 93, die dem Dozenten aufgrund seiner Lehrfreiheit eine absolute Bestimmungsbefugnis im Hörsaal zusprechen; siehe aus der Rspr. v. a. BVerfGE 55, 37, 67 ff., zur Vereinbarkeit des § 6 Abs. 4 S. 2 BremHG vom 14.11.1977, der den Studenten u. a. das Recht einräumte, ihre Meinung zu Inhalt, Gestaltung und Durchführung einer Lehrveranstaltung im Rahmen derselben zu äußern, mit Art. 5 Abs. 3 GG. Ausführlich zur Rechtmäßigkeit studentischer Störungen unter Aufarbeitung der in Lit. und Rspr. vertretenen Positionen Pieroth, Störung.
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Wissenschaft wird hier als Oberbegriff für Forschung und Lehre und die Wissenschaftsfreiheit als das neben der Kunstfreiheit in Art. 5 Abs. 3 GG verbürgte einheitliche Grundrecht bestimmt.25 Das Gericht unterscheidet zwar zwischen Forschung und Lehre als wissenschaftlichen Betätigungsformen und entfaltet differenzierte verfassungsrechtliche Anforderungen an die Binnenorganisation der Hochschulen in den beiden Bereichen. Gleichwohl sind es die Ausführungen zur „Wissenschaftsfreiheit“, die die Rechtsprechung fortan maßgeblich prägen. So werden die gesetzlichen Regelungen der Prüfungsbefugnisse von Hochschullehrern,26 des Prüfungsablaufs27, der Pflicht zu unentgeltlicher Titellehre28 und der Lehrevaluation29 an der Wissenschaftsfreiheit gemessen, obwohl primär Aspekte der Lehrfreiheit betroffen zu sein scheinen.30 Selbständige Ausführungen zur Lehrfreiheit finden sich in jüngerer Zeit nur noch vereinzelt,31 und soweit die Gerichte ihren Entscheidungen das Grundrecht der Lehrfreiheit zugrunde legen, konkretisieren sie es regelmäßig mit den knappen Definitionen der Lehre durch das Bundesverfassungsgericht im Hochschulurteil bzw. im Urteil über das Bremer Universitätsgesetz32 oder greifen auf die Bestimmung des einfachen Gesetzgebers in § 4 Abs. 3 HRG bzw. den entsprechenden landes25 BVerfGE 35, 79, 112 f. Diesem Strukturverständnis entsprechend stehen die Definition von „Wissenschaft“ und Ausführungen zu den funktionalen Dimensionen der Wissenschaftsfreiheit am Anfang der Entscheidung, BVerfGE 35, 79, 112 f., 114 ff. 26 BVerfGE 88, 129, 136 ff. 27 BVerfGE 93, 85, 94 ff. 28 BVerwGE 96, 136, 139, 146. 29 BVerfG, DVBl. 2005, S. 109, 112 f. 30 Ähnlich bspw. BVerfGE 90, 1, 11 ff. (Aufnahme einer Publikation in die Liste jugendgefährdender Schriften); OVG Berlin, 19.11.1996, 8 B 107.96 (Festsetzung von Prüfungsvoraussetzungen); VG Hannover, NdsVBl. 2002, S. 80, 82 (Einrichtung einer „Schattenprofessur“); VGH München, 28.11.2001, 16 D 00.2077 (Verbreitung der „Auschwitz-Lüge“). Häufig werden Lehr- bzw. Forschungsfreiheit zwar als verfassungsrechtliche Maßstäbe benannt, zur Prüfung aber wird auf die vom BVerfG entwickelte Dogmatik der Wissenschaftsfreiheit zurückgegriffen, besonders augenfällig in BVerwGE 102, 304, 307 f.; vgl. aber auch VGH München, NVwZ-RR 1989, S. 549, 550; VGH Kassel, NVwZ-RR 1991, S. 80, 81; VGH Kassel, DÖV 1994, S. 392, 393. Ausführlich zum Verhältnis von Wissenschafts- und Lehrfreiheit in der Rspr. unten § 4 IV. 1. 31 Etwa im Urteil des VGH Mannheim, DÖV 2003, S. 379 ff., und z. T. in den Entscheidungen über einen studentischen Anspruch auf tierversuchsfreie Lehrveranstaltungen, vgl. insbes. BVerwGE 105, 73, 79 f., 82 ff., die in jüngster Zeit viel Aufmerksamkeit erhalten haben. Doch kommt auch die Mehrzahl der zu diesem Problemkomplex ergangenen Urteile ohne eine eingehendere dogmatische Entfaltung der Lehrfreiheit aus, siehe bspw. VGH München, NVwZ-RR 1989, S. 549 f.; VG Frankfurt, NJW 1991, S. 768 ff.; VGH Kassel, NJW 1992, S. 2373 f.; VGH München, WissR 26 (1993), S. 143, 145 f.; VGH Mannheim, VBlBW 1996, S. 357 f.; OVG Koblenz, DVBl. 1997, S. 1192; ähnlich knapp mit Blick auf die Lehrfreiheit bleibt etwa die Entscheidung des VGH München, NJW 2003, S. 1618, 1619 f., zum Schutz der Präsentation von Plastinaten durch Art. 5 Abs. 3 GG. 32 BVerfGE 35, 79, 113: „wissenschaftlich fundierte Übermittlung der durch die Forschung gewonnenen Erkenntnisse“; BVerfGE 55, 37, 68: „Es gehört zu seiner [sc.
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rechtlichen Regelungen zurück.33 Überprüft oder weiterentwickelt werden die tradierten Kategorien in der Rechtsprechung heute, soweit ersichtlich, nicht mehr. Mit Blick auf die Literatur zu Art. 5 Abs. 3 GG kann man zwar von einer „fortdauernden Konzentration auf die akademische Lehrfreiheit“34 in der Zeit nach 1970, in der trotz der klärenden Wirkung des Hochschulurteils weiterhin die universitäre Forschung und Lehre im Zentrum des Interesses stehen,35 nicht sprechen. Doch behauptete das Grundrecht bis Ende der 70er Jahre neben der Garantie freier Wissenschaft und Forschung seine Stellung als ein zentraler topos im rechtswissenschaftlichen Diskurs. Insbesondere die Fragen nach der Geltung des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG für Lehrer an allgemeinbildenden Schulen sowie nach der Bedeutung des Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG lenkten weiterhin Aufmerksamkeit auf die Lehrfreiheit.36 Ihr Abgang von der Bühne des verfassungsrechtlichen Schrifttums ist dann ein stiller. 1977 widmete Kay Hailbronner seine Habilitationsschrift noch der „Freiheit von Forschung und Lehre als Funktionsgrundrecht“, und Tomas Bauer hat in seiner Dissertation aus dem Jahre 1978 die Zulässigkeit und Erforderlichkeit rechtlicher Regelungen von Lehre und Studium in der entstehenden „Massenuniversität“ am Maßstab der Lehrfreiheit geprüft.37 Seit den 1981 erschienenen Dissertationen von Almuth Schulz-Prießnitz zum verfassungsrechtlichen Gebot der Einheit von Forschung und Lehre und von Andreas Laaser zur Geschichte der Lehrfreiheit in der Schule38 hat die Garantie freier Lehre nicht mehr zu den wesentlichen Gegenständen einer rechtswissenschaftlichen Monographie oder selbständigen Abhandlung gehört.39
des Hochschullehrers] Lehrfreiheit [. . .], selbst über Inhalt und Ablauf der Lehrveranstaltung bestimmen zu können.“ 33 Vgl. bspw. VGH München, NVwZ-RR 1989, S. 550; VGH München, NVwZ-RR 1993, S. 192; BVerwG, NVwZ-RR 1994, S. 94; BVerwG, NVwZ 2000, S. 909; VGH München, NVwZ-RR 2002, S. 839. 34 So die Charakterisierung der Zeit bis zur WRV durch Trute, Institutionalisierung, S. 34. 35 Vgl. exemplarisch Hailbronner, Funktionsgrundrecht, insbes. S. 73 ff., 161 ff., 256 ff.; T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit, insbes. S. 52 ff., 124 ff.; Knemeyer, Hochschulautonomie, der die „Freiheit von Forschung und Lehre“ 1982 noch weitgehend mit der „Hochschulautonomie“ identifiziert, sowie die Gewichtung in Flämig u. a., Handbuch des Wissenschaftsrechts, 1982. In seiner Literaturauswertung wie hier Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 8. 36 Vgl. zu diesen Fragen aus der Literatur der 70er Jahre v. a. die Monographien von Dietze, Schulverfassung; Rennert, Die Bindung der Hochschullehrer; Beck, Lehrfreiheit an Schulen; Weiler, Wissenschaftsfreiheit des Lehrers, und den Beitrag von Perschel, Lehrfreiheit des Lehrers. 37 Hailbronner, Funktionsgrundrecht, zur Lehrfreiheit insbes. S. 161 ff. (vgl. hierzu auch unten § 4 I.); T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit, zur Freiheit der Lehre v. a. S. 52 ff. 38 Schulz-Prießnitz, Einheit; Laaser, Lehrfreiheit in der Schule.
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Den Platz der Lehrfreiheit hat im verfassungsrechtlichen Schrifttum – anders als in der Rechtsprechung – nicht die Wissenschafts-, sondern die Forschungsfreiheit eingenommen. Die neue Fokussierung wird Anfang der 90er Jahre deutlich, als die Janusköpfigkeit der Wissenschaft auch zum rechtswissenschaftlichen Paradigma avanciert40 und man die qualitative und quantitative Bedeutung der Wissenschaftseinrichtungen außerhalb der Hochschulen, insbesondere der industriellen Forschung, erkennt.41 Im Zentrum des Interesses stehen nun Umfang und Grenzen der Forschungsfreiheit, speziell im außeruniversitären Bereich.42 Zwar spricht man weiterhin vielfach nicht von der „Forschungs-“, sondern allgemeiner von der „Wissenschaftsfreiheit“. Verhandelt werden unter dieser Überschrift jedoch fast ausschließlich Forschung und Forschungsfreiheit betreffende Fragestellungen. Die Lehrfreiheit findet in der Regel nur der Vollständigkeit halber Eingang in wissenschaftsrechtliche Veröffentlichungen.43 Für die Literatur scheint mittlerweile allgemein zu gelten: „Wie Wissenschaft zu allererst Forschung ist, so ist Wissenschaftsfreiheit zu allererst Forschungsfreiheit“44.
39 Nur eine scheinbare Ausnahme stellt der Beitrag von Schatzschneider, Lehrfreiheit im Professorenamt, dar. Denn im Zentrum stehen hier einfachgesetzliche Regelungen der fachlichen Disponibilität von Professoren. Ihr verfassungsrechtlicher Hintergrund wird kurz referiert, aber nicht erörtert, wobei Schatzschneider kaum zwischen Wissenschafts- und Lehrfreiheit differenziert. 40 Insbes. die Entwicklungen im Bereich der Gentechnologie haben den Charakter freier Forschung als zugleich gefährdet und gefährdend deutlich hervortreten lassen. Der Rechtswissenschaft haben sich damit v. a. die Fragen nach den Grenzen des Schutzbereichs der Wissenschaftsfreiheit und nach einer Folgenverantwortung von Wissenschaftlern gestellt, vgl. hierzu statt vieler Lerche, Gentechnologie, S. 89 ff.; Flämig, Genetische Manipulation, S. 49 ff.; Dickert, Forschungsfreiheit, S. 21 ff., 251 ff., 360 ff.; Trute, Institutionalisierung, S. 149 ff., 158 ff.; Kleindiek, Wissenschaft in der Risikogesellschaft, S. 129 ff., 191 ff., und mit Blick auf die Lehrfreiheit eingehend unten § 8 II., III. 41 S. o. Fn. 4, S. 19 sowie z. B. Meusel, Rechtsprobleme, und Schuster, Außeruniversitäre Forschung. Die Wahrnehmung ist dabei freilich eine verzögerte, denn schon 1981 betrug der Anteil der Forschungseinrichtungen außerhalb der Hochschulen am Gesamtbudget FuE rund 83%, Faktenbericht 1981, S. 9/Schaubild 2; im Jahr 2002 lag er wiederum bei rund 83%, Bundesbericht Forschung 2004, S. 605, Tabelle 3. Von rund 122.000 Forschern waren 1979 etwa 92.000 außerhalb der Hochschulen beschäftigt, Faktenbericht 1981, S. 405, 2001 waren dies ca. 196.000 von rund 265.000 Forschern, Bundesbericht Forschung 2004, S. 704, Tabelle 29. 42 Vgl. die umfangreichen Nw. der neueren Veröffentlichungen zum Thema „Wissenschaft“ bei Trute, Innovationssteuerung, S. 211 Fn. 1, und A. Blankennagel, Ratlosigkeit, S. 70 Fn. 3, welche fast durchgängig die Forschung und die Forschungsfreiheit zum Gegenstand haben. 43 So insbes. in Grundgesetz-Kommentare, Handbücher des Wissenschaftsrechts und Kommentare der Hochschulgesetze des Bundes bzw. der Länder sowie in rechtswissenschaftliche Gutachten. Den zentralen Untersuchungsgegenstand verfassungsrechtlicher Beiträge bildet sie jedoch nicht mehr. 44 Schmidt-Aßmann, Ordnungsrahmen, S. 207 (Herv. i. Orig.).
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II. Auf der Suche nach dem verlorenen Grundrecht – Erkenntnisleitende Hypothesen Die juristische Zurückhaltung gegenüber der Lehrfreiheit kontrastiert heute mit grundlegenden Strukturveränderungen in jenem Lebensbereich, auf den der Begriff der Lehre verweist. Lehrevaluation und leistungsorientierte Bezahlung, die Qualitätssicherung in der Lehre, der Bologna-Prozess, die Trennung von berufs- und forschungsorientierten Studiengängen und die virtuelle Lehre seien hier nur als Stichworte genannt für jene Umbrüche, die das Hochschulwesen – nicht selten als der einzige Ort grundrechtlich geschützter Lehre genannt, jedenfalls aber wesentliches Element ihres Normbereichs – derzeit erlebt. Zugleich ist der gesamtgesellschaftliche Kontext, in dem Lehre stattfindet, grundlegenden Wandlungen unterworfen. Dass die Rede von der globalisierten Wissensgesellschaft45 mittlerweile zur politischen Phrase geworden zu sein scheint, beeinträchtigt ihren Geltungsanspruch nicht. Wissenschaftliches Wissen tritt als zentrale Produktivkraft neben, wenn nicht an die Stelle von Arbeit und Eigentum, der Anteil wissensbasierter Berufe und ihre Diffusion in immer neue Bereiche der Gesellschaft nehmen zu.46 Wissenschaftliche Bildung und Ausbildung erhalten damit entscheidende Bedeutung für das Leben des Einzelnen und die gesamtgesellschaftliche Entwicklung. Nimmt man an, dass der Gewährleistungsgehalt eines Grundrechts von den Strukturen seines Regelungsbereichs jedenfalls nicht unbeeinflusst bleibt,47 so legen diese Veränderungen eine intensive Auseinandersetzung mit der Garantie freier Lehre nahe, mit ihren subjektiv-rechtlichen Gehalten ebenso wie mit ihrer objektiven Dimension. Von einem allgemeinen Desinteresse der (Verfassungs-) Rechtswissenschaft an den Modernisierungsprozessen im Bildungswesen und an 45 Grundlegend für die derzeitige, in erster Linie sozialwissenschaftlich geführte Diskussion der „Wissensgesellschaft“ Stehr/Böhme, The Knowledge Society; Stehr, Knowledge Societies. Der Begriff ist freilich älter als diese, die heutige Debatte prägenden Beiträge. Schon 1966 hat Lane, Decline of politics, S. 650, von der „knowledgeable society“ gesprochen; zur Begriffsgeschichte Stehr, a. a. O., S. 26 ff. 46 Über diese Charakteristika der Wissensgesellschaft besteht, trotz aller Unterschiede i. Ü., weitgehende Einigkeit, vgl. Kreibich, Wissenschaftsgesellschaft, S. 70 ff.; Stehr/Böhme, Growing Impact of Scientific Knowledge, v. a. S. 7 f.; Stehr, Knowledge Societies, S. 7 ff., S. 121 ff., 160 ff. und passim; ders., Wissen und Wirtschaften, S. 45 ff.; Drucker, Social Transformation, S. 8 ff.; Willke, Wissensgesellschaft, S. 265, 269; prinzipiell a. A. ist etwa Luhmann, Beobachtungen, S. 172, der davon ausgeht, dass wissenschaftliche Erkenntnisse grds. nicht zu ökonomischen Produktionsfaktoren werden können. Umstritten ist die Qualifikation des aktuellen Status gesellschaftlicher Entwicklung: Leben wir schon in der Wissen(schafts)gesellschaft oder befinden wir uns nur auf dem Weg in dieselbe? Siehe hierzu unten § 3 IV. 2. mit Fn. 376 ff., S. 122. 47 Der nachfolgenden Untersuchung liegt ein dem Regelungsbereich noch weiter geöffnetes Normverständnis zugrunde, wonach die grundrechtliche Anordnung und das durch sie Geordnete prinzipiell gleichrangige Momente der Verfassungskonkretisierung sind, näher hierzu unten § 3 IV.
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den sie begleitenden gesellschaftsstrukturellen Wandlungen kann denn auch heute keine Rede sein; man nimmt durchaus regen Anteil, geht es doch stets auch um die „eigene Sache“. Überwiegend fragen Rechtswissenschaftler in ihren Stellungnahmen jedoch nicht nach den verfassungsrechtlichen Koordinaten der Reformen, ergänzen den Diskurs also nicht um eine zweite Ebene, sondern beteiligen sich unmittelbar an der wissenschaftspolitischen Auseinandersetzung.48 Jedenfalls die Lehrfreiheit wird weder als Motor noch als Korrektiv der Veränderungen aktiviert.49 Scheinbar unbeeinflusst von den Impulsen aus dem Normbereich hält man ganz überwiegend an den vor 1970 entwickelten dogmatischen Kategorien fest. Die rechtswissenschaftliche Frage nach Ursachen und Berechtigung dieses Schattendaseins der Lehrfreiheit ergibt sich aus der Bedeutung, die der dogmatischen Entfaltung eines Grundrechts für die Verwirklichung seines Freiheitsversprechens zukommt. Ein Grundrecht, das über keine adäquate dogmatische Sprache verfügt und daher die Grundstrukturen des zu ordnenden Lebensbereichs verfehlt, vermag die von der Verfassung garantierte Freiheit nicht zu gewährleisten.50
48 So beobachtet auch von Roellecke, Wissenschaft, S. 491, und Loschelder, Freiheit von Forschung und Lehre, S. 81. Vgl. beispielhaft für diese gleichermaßen bei Anhängern wie Gegnern von Reformprojekten zu verzeichnende Tendenz aus jüngerer Zeit Erhardt, Hochschulfinanzierung, S. 307 ff.; ders., Mehr Wettbewerb, S. 1 ff.; Thieme, Leistungsbezahlung, S. 603; Hahnelt, Finanz- und Haushaltsreformen, sowie die Beiträge in Anderbrügge/Epping/Löwer, Dienst an der Hochschule. Auf Rechtsgutachten aufbauende Veröffentlichungen – z. B. Hufen, Lehrevaluation, oder Battis/ Grigoleit, Leistungsorientierte Besoldung – belegen angesichts ihrer spezifischen Funktion und ihrer Fremdinitiierung nicht das Gegenteil. (Knappe) Auseinandersetzungen mit Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG finden sich aber etwa bei Battis/Grigoleit, Privatrechtliche Stiftung, S. 65 ff.; v. Brünneck, Stiftungshochschule, S. 24 ff.; Battis/Kersten, Rahmenbedingungen, S. 351 ff., und Görisch, Hochschulmanagement, S. 584 ff. Bull/ Mehde, Reform der Hochschulorganisation, S. 650 ff., stecken zwar den verfassungsrechtlichen Rahmen der Hochschulreform ab, überprüfen aber keine einzelnen Projekte; ähnlich Hoffacker, Universität des 21. Jahrhunderts, S. 42 ff. Anders aber z. B. Detmer, Zielvereinbarungen und Leistungsverträge, S. 605 ff.; Fehling, Neue Herausforderungen, passim; P. M. Huber, Habilitation, S. 9 ff. Demgegenüber schenkt man den klassischen Elemente des Hochschulwesens vielfach auch verfassungsrechtliche Aufmerksamkeit, vgl. etwa Hartmer, Beamtete Hochschullehrer, S. 163 ff.; Würtenberger/Fehling, Verfassungswidrigkeit des Curricularnormwertes, S. 175 ff.; Kluth, Promotionsrecht, S. 569 ff. 49 Allein die Einführung von Lehrevaluationen durch Studenten und Evaluationsagenturen hat hierzu Anlass gegeben, vgl. einerseits etwa Mußgnug, Lehrevaluationen, S. 255 f.; Schachtschneider/Beyer, Verfassungsmäßigkeit einer Lehrevaluation, S. 171 ff., die hierin einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 3 GG erblicken; andererseits T. Bauer, Evaluation wissenschaftlicher Lehre, S. 460 f.; Schlink, Evaluierte Freiheit, S. 7 ff.; Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 169, 238, die eine Lehrevaluation als eine grds. rechtfertigungsfähige Freiheitseinschränkung qualifizieren. Vgl. zu den mit einer Lehrevaluation verbundenen datenschutzrechtlichen Problemen Tinnefeld, Evaluation der Lehrenden, S. 27 ff.
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Die Entwicklung des juristischen Diskurses in der Vergangenheit legt drei Hypothesen zur Erklärung der geringen Aufmerksamkeit für die Lehrfreiheit nahe, von denen jede einzelne zur Begründung geeignet scheint, die jedoch ebenso kumulativ heranzuziehen sein könnten: die Funktions-, Wert- und Konfliktlosigkeit der Lehrfreiheit. 1. Ein eigenständiges Grundrecht der Lehrfreiheit ist funktionslos Die Interpretation von Lehre und Lehrfreiheit als Elemente der Wissenschaftsfreiheit durch die Rechtsprechung legt zunächst die Vermutung nahe, dass eine eigenständige Entfaltung der Lehrfreiheit angesichts der ausdifferenzierten Dogmatik der Wissenschaftsfreiheit funktionslos, also entbehrlich ist. Die Garantie freier Lehre begründet in dieser Vorstellung kein eigenständiges Grundrecht, sondern ist lediglich ein Aspekt der Wissenschaftsfreiheit und wird durch diese gewährleistet. Die Literatur bestätigt diese Hypothese insoweit, als auch sie die Wissenschaft als Oberbegriff für Forschung und Lehre und die Wissenschaftsfreiheit als einheitliches Grundrecht versteht, das alle wissenschaftlichen Tätigkeiten, also auch die Lehre schützt. Freiheitseinbußen sind als Folge der geringen Beachtung für die Lehrfreiheit aus dieser Perspektive nicht zu befürchten, da die Wissenschaftsfreiheit umfassenden Schutz garantiert. 2. Die Garantie freier Lehre hat für die Grundrechtsträger keinen Wert Besondere Aufmerksamkeit erhielt die Lehrfreiheit während der Geburtsstunden der verfassungsrechtlichen Garantie freier Wissenschaft und ihrer Lehre aufgrund ihrer Bedeutung für die politischen Professoren. Ihre Entfaltung als Lehr- und Lernfreiheit während der 60er und 70er Jahre ist Konsequenz der Begünstigungen, die sich sowohl Studenten als auch Professoren von diesem Grundrecht versprachen. Hintergrund der aktuellen Zurückhaltung könnte mithin auch die Wertlosigkeit des Grundrechts für seine Träger sein. Die Rechtsprechung des letzten Jahrzehnts deutet auf ein geschwundenes Interesse der 50 Theoretisch mag die Inanspruchnahme nicht rechtsgeprägter Grundrechte von weiterer Ausgestaltung unabhängig sein, faktisch jedoch hat sie eine angemessene dogmatische Entfaltung, die Entwicklung „der Regeln zur Anwendung der Regeln“ (v. Arnaud, Freiheitsrechte, S. 11), zur Voraussetzung. Sie beeinflusst die Verwirklichung des Freiheitsversprechens unmittelbar; ebenso allgemein für die Grundrechtsdogmatik v. Arnaud, ebd.; vgl. ferner Suhr, Entfaltung der Menschen, S. 19 ff. (S. 19: „Dogmatik tut not“), und speziell mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 GG Trute, Institutionalisierung, S. 16. Vgl. zu den weiteren Funktionen der Dogmatik statt vieler Wieacker, Rechtsdogmatik; Esser, Dogmatik; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 22 ff., und jüngst Hain, Ockham’s Razor, S. 1037 m. w. N.
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Grundrechtsinhaber an der freien Gestaltung ihrer Lehre hin. Im Vergleich zur Präsenz anderer Grundrechte kennt sie nur wenige Fälle, in denen sich Lehrende unter Berufung auf Art. 5 Abs. 3 GG gegen Einschränkungen ihrer Freiheit gewehrt haben.51 3. Die Realisierung der Lehrfreiheit birgt keine Konflikte Schließlich wird ein Grundrecht aus dem Fokus des Interesses der Literatur und vor allem der Rechtsprechung treten, wenn sein Gewährleistungsgehalt ohne weiteres realisiert werden kann, also insbesondere nicht mit anderen verfassungsrechtlich geschützten Gütern in Konflikt gerät. Das mit freier Lehre verbundene Potential zum Konflikt mit gegenläufigen staatlichen oder privaten Interessen war lange Zeit der Grund für die ihr zuteil werdende, im Vergleich zur Forschung gesteigerte Aufmerksamkeit. Zunächst waren es die Versuche der Kirche und der Landesherren, die Lehre an ihre Bekenntnisse zu binden, später der Konflikt von Rechten und Interessen der Lehrenden und Lernenden in der Universität, die dazu führten, dass der Schutzbereich und der Gewährleistungsinhalt52 der Lehrfreiheit in Rechtswissenschaft und -praxis ausgelotet wurden. Das heute geringe Interesse für die Lehrfreiheit könnte mithin Ausdruck ihrer im Grundsatz konfliktfreien Gewährleistung sein. Spannungen, wie sie sich etwa aus der Kollision mit der Gewissensfreiheit der Lernenden53 oder der Einführung von Lehrevaluationen54 ergeben können, sind dann lediglich Ausnahmen, die den Grundsatz der umfassenden, konfliktfreien Realisierung bestätigen und keine grundsätzliche Rekonstruktion erfordern, sondern unter Rückgriff auf die tradierte Dogmatik gelöst werden können.
51 Soweit ersichtlich sind während der letzten fünfzehn Jahre keine zwanzig Fälle zur gerichtlichen Entscheidung gelangt, in denen sich Lehrende unter Berufung auf ihre Lehrfreiheit gegen Einschränkungen bei der Gestaltung von Lehrveranstaltungen gewehrt haben: BVerwG, WissR 1990, S. 175 ff.; BVerwG, NVwZ 1991, S. 1082 f.; VGH München, 05.05.1993, 7 CE 92.3896; BVerwG, NVwZ-RR 1993, S. 621 ff.; BVerwG, NVwZ-RR 1994, S. 93 f.; VGH Kassel, DÖV 1994, S. 392 ff.; VG Gießen, FuL 1995, S. 697; BVerfGE 93, 85 ff.; OVG Berlin, 19.11.1996, 8 B 107.96; OVG Koblenz, DVBl. 1997, S. 1242 ff.; BVerwG, 18.08.1997, 6 B 15/97; OVG Koblenz, NVwZ-RR 2000, S. 371 ff.; VGH München, NVwZ-RR 2002, S. 839 ff.; VGH München, NJW 2003, S. 1618 ff.; BVerfG, NVwZ 2004, S. 974 f.; VG Freiburg, 20.09. 2004, 1 K 1910/03, sowie VGH Mannheim, 08.03.2005, 9 S 2290/03, i. V. m. VGH Mannheim, VBlBW 2005, S. 147 f. Vgl. in diesem Zusammenhang auch unten § 3 IV. 5. 52 Zur Unterscheidung von Gewährleistungsgehalt, Schutzbereich und Gewährleistungsinhalt unten § 8 I. mit Fn. 127, S. 211. 53 Vgl. insoweit die Nw. der zum studentischen Anspruch auf tierversuchsfreie Lehrveranstaltungen ergangenen Entscheidungen oben in Fn. 31, S. 24. 54 Hierzu jüngst BVerfG, DVBl. 2005, S. 109, 112 f.
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III. Gegenstand und Gang der Untersuchung Die vorliegende Arbeit ist der Untersuchung dieser Hypothesen gewidmet. Ihr Anliegen ist dabei ein zweifaches: Zum einen sollen überkommene dogmatische Kategorien zu Art. 5 Abs. 3 GG, insbesondere das Verständnis der Wissenschaftsfreiheit als einheitliches Grundrecht, auf den Prüfstand gestellt werden. Soweit sie sich als mit den Ergebnissen einer normbereichsorientierten Verfassungsinterpretation unvereinbar erweisen, soll zum anderen ein Beitrag zu ihrer Erneuerung geleistet werden. Dabei wird das Hauptaugenmerk stets der Freiheit der Lehre gelten. Wissenschafts- und Forschungsfreiheit werden nur insoweit Gegenstand der Untersuchung sein, wie sie die dogmatische Konzeption der Lehrfreiheit beeinflussen. Dementsprechend werden sie etwa bei der Überprüfung der in Rechtsprechung und Literatur entwickelten strukturellen Konzeptionen des Art. 5 Abs. 3 GG eine weitaus größere Rolle spielen, als im Rahmen der Entfaltung der Lehrfreiheit als eigenständiges Grundrecht. Ausgeklammert bleiben die speziellen Fragen der konfessionsgebundenen Lehre und der kirchlichen Hochschulen.55 Die Untersuchung versteht sich zu keiner Zeit als wissenschaftspolitische Stellungnahme. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Hochschulurteil vorsichtig formuliert, im Laufe der intensiven Diskussionen über die Hochschulreform sei „nicht immer der Versuchung widerstanden worden, Art. 5 Abs. 3 GG mit hochschulpolitischen Forderungen der verschiedensten Art aufzuladen“56. Die vorliegende Arbeit versucht sich dieser Verführung zu widersetzen. Wenngleich sie auch rechtspolitische Implikationen bergen mag, ist es jedenfalls nicht ihre Absicht, einen Beitrag zur Diskussion des Wissenschaftsstandorts Deutschland, der Modernisierung der Universitäten oder der Qualitätssicherung in Forschung und Lehre zu leisten. Besonderer Nachdruck ist dem mit Blick auf die Untersuchung der Einheit von Forschung und Lehre zu verleihen. Auch in diesem Zusammenhang sollen allein die verfassungsrechtlichen Koordinaten ausgelotet werden, innerhalb derer sich die Hochschulpolitik frei entfalten kann. Vor einer Divergenz von Intention und Ergebnis ist damit freilich auch der nachfolgende Beitrag nicht gefeit. Doch wird es ihm vermutlich insofern leichter fallen, beide zur Deckung zu bringen, als die relative Gewichtung der Lehrfreiheit, die Möglichkeiten ihrer Einschränkung und die verfassungsrechtliche Bewertung einzelner Rechtsgüterkollisionen nicht zu den Untersuchungsgegenständen gehören. Die Arbeit fragt nach dem Konfliktpotential, das die Lehrfrei55 Siehe zur Einführung statt vieler Hollerbach, Theologische Fakultäten; Baldus, Kirchliche Hochschulen, und aus jüngster Zeit Thieme, Hochschulrecht, 2004, 7. Kapitel, Rn. 262 ff., jeweils m. w. N. 56 BVerfGE 35, 79, 112.
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heit heute birgt. Ihre Absicht ist es jedoch nicht, in die Abwägung im Einzelfall einzutreten und die einzelnen Kollisionen verfassungsrechtlich zu bewerten. Das primäre Anliegen bildet die Entfaltung der Schutzwirkungen der Lehrfreiheit, d.h. ihres Tatbestands, ihres Gewährleistungsinhalts und ihrer subjektiven und objektiven Dimensionen. Dem entspricht die Schwerpunktsetzung der Untersuchung, welche die Überprüfung von Funktion und Wert des Grundrechts in den Mittelpunkt rückt. Insofern korrespondiert sie mit jenen Positionen in der Literatur, die auf die Bedeutung einer präzisen Bestimmung des Gewährleistungsprogramms, der „gewährleistungsspezifischen Vorgaben“57, verweisen und diese zunächst ohne Blick auf mögliche Eingriffe und ihre eventuelle Rechtfertigung vornehmen58. Der Gang der Untersuchung wird dirigiert durch die Thesen der Funktions-, Wert- und Konfliktlosigkeit der Lehrfreiheit. Der erste Teil verfolgt primär die Annahme der Funktionslosigkeit und fragt nach der Erforderlichkeit einer eigenständigen dogmatischen Entfaltung des Grundrechts. Wesentliche Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist es insoweit, Art. 5 Abs. 3 GG mit den Mitteln der Verfassungsinterpretation (§ 2 II.) daraufhin zu untersuchen, ob er – wie ganz überwiegend angenommen – ein einheitliches Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit gewährleistet, das die Freiheit der Lehre als unselbständigen Teil umfasst, schützt und garantiert, oder ob er mit Forschungs- und Lehrfreiheit je eigenständige und unabhängige Grundrechte normiert, deren Selbständigkeit auch dogmatischen Ausdruck finden muss (§ 3). Dabei ist davon auszugehen, dass Inhalt und Reichweite der Grundrechte autoritativ und allgemein bestimmt werden können und die Definitionskompetenz auch im Falle der Wissenschafts- und Lehrfreiheit nicht in den Händen der Grundrechtsträger selbst liegt (§ 2 I.). Die Ergebnisse der Grundrechtsinterpretation bilden die Grundlage für eine kritische Rekonstruktion der von Rechtsprechung und Literatur in der Vergangenheit entwickelten strukturellen Konzeptionen der Gewährleistungen von Art. 5 Abs. 3 GG (§ 4). Diese werden sich als mit den grundrechtlichen Konkretisierungsparametern nicht (mehr) vereinbar erweisen, und es wird sich zeigen, dass die Lehrfreiheit als eigenständiges Grundrecht neuer, spezifischer dogmatischer Kategorien bedarf (§ 5). Der Entfaltung der Lehrfreiheit als eigenständiges Grundrecht ist der zweite Teil der Arbeit gewidmet, der damit zugleich der Frage nachgeht, für wen sie heute (noch) von welchem Wert ist bzw. sein kann und welches Konfliktpotential sie birgt. Im Schwerpunkt sind dabei jene Aspekte zu untersuchen, die das 57 Begriffsprägend Bumke, Grundrechtsvorbehalt, S. 57, 98 ff., 230 ff. und passim; ders., Publikumsinformation, S. 25. 58 Siehe hierzu aus jüngster Zeit v. a. Bumke, Grundrechtsvorbehalt, insbes. S. 55 ff., 98 ff., 226 ff.; ders., Publikumsinformation, S. 23 ff.; Böckenförde, Schutzbereich, S. 174 f.; Hoffmann-Riem, Gewährleistungsgehalte, S. 71 ff.; ders., Grundrechtsanwendung.
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eigenständige Grundrecht der Lehrfreiheit von der Garantie freier Lehre als Element der Wissenschaftsfreiheit unterscheiden. Auf tatbestandlicher Ebene ist insoweit insbesondere nach dem Verhältnis der grundrechtlich geschützten Lehre zu Forschung (§ 6) und Wissenschaft (§ 7) zu fragen. Vom Grundrechtstatbestand zu unterscheiden ist der Gewährleistungsinhalt der Freiheitsgarantie, den es zu bestimmen gilt (§ 8), bevor ihre funktionalen Dimensionen ausgelotet werden können (§ 9). Die dabei erkennbar werdende Dominanz objektiv-rechtlicher Gehalte wird wesentlich zur Erklärung der scheinbaren Wertlosigkeit der Lehrfreiheit beitragen und zugleich eine neue Perspektive auf die aktuellen Veränderungen im Hochschulbereich und ihre grundrechtliche Relevanz eröffnen. Die Arbeit schließt mit einer zusammenfassenden Bewertung von Funktion, Wert und Konfliktpotential des eigenständigen Grundrechts der Lehrfreiheit (§ 10).
Teil 1
Der Abschied von der Wissenschaftsfreiheit § 2 Zur Differenzierung von Schutzbereichen Jede wissenschaftliche Arbeit baut auf Voraussetzungen auf, die sie selbst nicht beweisen kann. So dienen die nachfolgenden Auseinandersetzungen mit dem Verbot staatlicher Schutzbereichsdefinition, dem Erfordernis differenzierter Grundrechtsanwendung und der zu diesem Zweck zu wählenden Methode der Verfassungsinterpretation, denn auch weniger der Beweisführung als der Grundlegung.
I. Die staatliche Definition differenzierter Schutzbereiche Eine rechtswissenschaftliche Arbeit, die sich der Untersuchung grundrechtlicher Schutzbereiche widmet, akzeptiert schon mit der Wahl ihres Gegenstandes zwei nicht unumstrittene Prämissen. Zum einen unterstellt sie die Befugnis staatlicher Funktionsträger, die Reichweite des durch die Grundrechte vermittelten Schutzes autoritativ zu bestimmen. Denn nur in diesem Fall bleibt ihre eigene Aufgabe, die Verfassung anwendende Staatsorgane bei ihrer Interpretation wissenschaftlichen anzuleiten, sinnvoll.1 Sie erledigt sich in dem Moment, in dem die Definitionskompetenz gänzlich in die Hände der Grundrechtsträger gelegt wird. Zum anderen baut die Frage nach der Funktion eines von Wissenschafts- und Forschungsfreiheit unterschiedenen Grundrechts der Lehrfreiheit auf der Annahme einer differenzierten Ordnungsstruktur des Grundrechtsabschnittes auf und misst der Unterscheidung spezifischer Freiheitsrechte grundsätzlich verfassungsrechtliche Bedeutung bei. 1 Zu dieser wesentlichen, freilich nicht alleinigen Aufgabe dogmatischer Verfassungsrechtswissenschaft etwa R. Dreier, Verfassungsinterpretation, S. 20 f.; ähnlich Lerche, Schutzbereich, Rn. 2; speziell zur Bedeutung der Staatslehre für die Rechtsanwendung Möllers/Voßkuhle, Staatsrechtswissenschaft, S. 327 f. Die Kontrollfunktion dogmatischer Rechtswissenschaft gegenüber der Gesetzgebung betont Achterberg, Kontrolle der Gesetzgebung, S. 152; zum Verhältnis von Rechtswissenschaft und Verfassungsrechtsjudikatur differenziert zuletzt Lerche, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 649 ff.
§ 2 Zur Differenzierung von Schutzbereichen
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Beide Prämissen sind bereits in der Vergangenheit umfänglich und kontrovers diskutiert worden.2 Die vorliegende Arbeit kann sich daher auf kurze Erörterungen und eine Stellungnahme beschränken. 1. Das Definitionsverbot – Anfang und Ende der Auslegung? Unter dem Stichwort des Definitionsverbots wird in der Literatur eine Vielzahl von Ansätzen zur Bewältigung des „Definitionsdilemmas“3 verhandelt, welches sich aus dem Bemühen um eine staatliche Bestimmung grundrechtlicher Schutzbereiche ergibt, die entwicklungsoffen ist und den Pluralismus etwa der Wissenschafts-, Kunst- und Religionsverständnisse sowie die eigengesetzlichen Strukturen und Rationalitäten der geschützten Lebensbereiche achtet. Die einheitliche Chiffre überspielt dabei die Disparität der Konzeptionen und eine in der Vergangenheit vielfach unzureichende Differenzierung.4 So sind von einem Definitionsverbot, das seinen Namen verdient, weil es die „Urfrage der Staatsrechtslehre: Quis iudicabit?“5 neu stellt und ein privates Konkretisierungsmonopol postuliert, vor allem jene Ansätze zu unterscheiden, die Art und Umfang einer Berücksichtigung des Selbstverständnisses der Grundrechtsträger im Rahmen staatlicher Interpretationsprozesse thematisieren.6 Letztere beschäftigen 2 Das Verbot einer staatlichen Definition des Schutzbereiches von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG erörtern eingehend etwa Schumacher, Wissenschaftsbegriff, S. 5 ff.; Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 25 f.; Dickert, Forschungsfreiheit, S. 168 ff., und Trute, Institutionalisierung, S. 56 ff., die sich i. Erg. und mit Differenzierungen in Einzelfragen alle für eine staatliche Definitionskompetenz aussprechen; allgemein zu Grundrechtssubjektivismus und privater Konkretisierungskompetenz Isensee, Freiheitsrechte, und Höfling, Grundrechtsinterpretation, insbes. S. 88 ff.; zum vergleichbaren Problem im Rahmen von Art. 4 GG Isak, Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften; Kästner, Religions- und Weltanschauungsfreiheit, S. 409 ff. m. w. N. Morlok, Selbstverständnis, S. 428, anerkennt das Selbstverständnis der Grundrechtsträger als Maßstab für die Beurteilung der Schwere eines Eingriffs; nur für die von der Verfassung „privilegierten“ Selbstverständnisse zustimmend Britz, Kulturelle Rechte, S. 249 ff. – Zum Erfordernis einer Differenzierung grundrechtlicher Gewährleistungen statt aller Wendt, Garantiegehalt; Bumke, Grundrechtsvorbehalt, S. 218 ff., jeweils m. w. N. 3 Das „Definitionsdilemma“ ist in diesem Zusammenhang bereits ein geflügeltes Wort, vgl. nur Dickert, Forschungsfreiheit, S. 168; Morlok, Selbstverständnis, S. 92, und Kästner, Religions- und Weltanschauungsfreiheit, S. 409. 4 So missversteht bspw. Schrödter, Wissenschaftsfreiheit des Beamten, S. 41 f., 44, das echte (oder absolute) Definitionsverbot, das Preuß, Politische Mandat, S. 105, und Leibfried, Submissive Wissenschaft, S. 182, vertreten, wenn er erläutert, dieses verlange „bei der Auslegung von Art. 5 Abs. 3 GG alle ,relevanten‘ Wissenschaftsauffassungen mit dem in Art. 5 Abs. 3 GG vorgesehenen Schutz auszustatten“, a. a. O., S. 44. Ein staatliches Definitionsverbot untersagt, im Gegenteil, jedwede ,Ausstattung‘ und verpflichtet den Staat in der Theorie gerade nicht zur Auswahl von Wissenschaftsbegriffen. 5 Isensee, Freiheitsrechte, S. 10. 6 Ähnlich Trute, Institutionalisierung, S. 61 ff., der zwischen der staatlichen Konkretisierungskompetenz und der Aktualisierungskompetenz der Grundrechtsträger un-
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1. Teil: Der Abschied von der Wissenschaftsfreiheit
sich nicht mit der Zuordnung der Definitionskompetenz, sondern erörtern, in welchem Umfang und auf welche Weise private Grundrechtsverständnisse in die autoritative amtliche Grundrechtsinterpretation eingebunden werden können. An dieser Stelle ist zunächst allein eine Auseinandersetzung mit dem Postulat eines echten Definitionsverbots erforderlich. a) Schutzbereichsdefinition durch die Grundrechtsträger? Gemeinsamer Ausgangspunkt aller Vertreter eines staatlichen Definitionsverbots7, das für die Begriffe der Kunst, Wissenschaft und Religion und angesichts der mit ihnen verbundenen Definitionsschwierigkeiten8 diskutiert wird, ist das Bemühen, die Eigengesetzlichkeit der grundrechtlichen Lebensbereiche bei der Bestimmung des Schutzbereichs angemessen zu berücksichtigen. Staatlichen Amtsträgern ist es ihrer Ansicht nach schlicht unmöglich, die Entwicklungen der Normbereiche begrifflich einzufangen, sie damit zu ermöglichen und zu sichern. Im Gegenteil, mit jeder wie auch immer gearteten staatlichen Definition der Tatbestandselemente etwa von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG sei eine Beeinträchtigung der verfassungsrechtlichen Freiheitsgarantie verbunden.9 Der freiheitsterscheidet; im Prinzip skeptisch gegenüber dieser Differenzierung, i. Erg. jedoch vergleichbar Höfling, Grundrechtsinterpretation, S. 43 ff. Die von Lüthje, in: Denninger, HRG, Vor § 3 Rn. 30, eingeführte Differenzierung zwischen der dem Staat obliegenden verbindlichen „Beschreibung“ von Normbereichen und einer „Definition“ von Schutzbereichen bleibt hingegen unklar. 7 Zu nennen sind insbes. Bettermann, Universität, S. 66, 69; Leibfried/Preuß, Mandat der Studentenschaft, S. 348; Preuß, Politische Mandat, S. 105; Azzola, Freiheit der Wissenschaft, S. V, 3 ff., zitiert nach Schlink, Abwägung, S. 202; Leibfried, Submissive Wissenschaft, S. 182; Ridder, Soziale Ordnung, S. 135 f., sowie die Hess. Landesreg., Schriftsatz, S. 40; dem eigenen Anspruch nach auch Denninger, Bildungsreform, S. 62, 74 f.; ders., in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 18, der seinem Postulat freilich nicht treu bleibt, wenn er etwa selbst über die Wissenschaftlichkeit des Marxismus befindet (a. a. O., Rn. 19) oder davon spricht, dass „Wissenschaft und das Äußern wissenschaftlicher Meinungen [. . .] per definitionem über die Beliebigkeit subjektiven Meinens“ hinaus führten, a. a. O., Rn. 27, Herv. AK. In der Judikatur des BVerfG findet sich ein echtes Definitionsverbot nicht. Zwar stellt das Gericht in einigen Entscheidungen entscheidend auf das Selbstverständnis der Grundrechtsträger ab, so etwa in BVerfGE 24, 236, 247 f.; 33, 23, 28; ähnlich BVerfGE 35, 366, 376. Auf die (potentiellen) Grundrechtsinhaber übertragen wird die Definitionskompetenz dabei jedoch nicht. 8 Isensee, a. a. O., S. 26, beschreibt bspw. die Interpretationsgeschichte des Kunstbegriffs mit dem viel zitierten Diktum: „Die Geschichte richterlicher Bemühungen um die Kunst ist eine Geschichte richterlicher Blamagen.“ Zu ähnlich unzulänglichen Versuchen einer Kunstdefinition durch den „Großen Brockhaus“ Knies, Schranken der Kunstfreiheit, S. 129; Hufen, Freiheit der Kunst, S. 62. Die Rspr. hält diesen Schwierigkeiten zum Trotz an der staatlichen Definitionspflicht fest, vgl. etwa BVerfGE 67, 213 (225): „Die Unmöglichkeit, Kunst generell zu definieren, entbindet indessen nicht von der verfassungsrechtlichen Pflicht, die Freiheit des Lebensbereichs Kunst zu schützen, also bei der konkreten Rechtsanwendung zu entscheiden, ob die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vorliegen.“
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sichernden Funktion des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG könne daher allein Rechnung getragen werden, indem die Begriffs- und Schutzbereichsbestimmung „der Wissenschaft“ überlassen bleibe: „Den wissenschaftswissenschaftlichen Streit um die ,Enge‘ oder ,Weite‘ des Wissenschaftsbegriffs können keine politischen Instanzen entscheiden; ihn ,entscheidet‘ die Wissenschaft selbst“10. b) Das staatliche Definitionsgebot So wie sich die Frage nach der Kompetenz zur Definition des Wissenschaftsbegriffs als allgemeine formulieren lässt, so beanspruchen auch die gegen ein staatliches Definitionsverbot vorzutragenden Argumente nicht allein für Art. 5 Abs. 3 GG Geltung. Auszugehen ist von Art. 1 Abs. 3, 19 Abs. 2 GG. Sie begründen die Annahme, dass Reichweite und Umfang der Gewährleistungsgehalte in den Grundrechten selbst jedenfalls angelegt sind und nicht zur Disposition der Grundrechtsträger stehen.11 Die differenzierte Ordnungsstruktur des Grundrechtsabschnitts12 stützt diese Annahme. Denn sie drohte ausgehöhlt zu werden, überließe man die Schutzbereichsbestimmung den Grundrechtssubjekten.13 Der 9 Ausdrücklich Leibfried/Preuß, Mandat der Studentenschaft, S. 348; ähnlich Schumacher, Wissenschaftsbegriff, S. 6, der hieraus jedoch nicht auf ein staatliches Definitionsverbot schließt; der Sache nach auch Ridder, Soziale Ordnung, S. 134 f. 10 Ridder, Soziale Ordnung, S. 135. Ebenso Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 18, sowie Preuß, Politische Mandat, S. 105, und Leibfried, Submissive Wissenschaft, S. 182, die von Dickert, Forschungsfreiheit, S. 168 m. Fn. 1, bzw. Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 25 f., zu Unrecht als Vertreter einer streng subjektivistischen Position zitiert werden, wonach dem einzelnen Grundrechtsträger die Definitionskompetenz zustehen soll. Leibfried spricht zwar von einer Delegation an „den Grundrechtsadressaten“, doch ist diese Äußerung im Zusammenhang mit seinen in zeitlicher und inhaltlicher Nähe veröffentlichten Beiträgen zu verstehen, in denen er insoweit vom „Wissenschaftsprozess“ spricht, vgl. ders., Wissenschaftsprozeß, S. 40 Fn. 41; ders./Preuß, Mandat der Studentenschaft, S. 348. Vgl. zur Übertragung der Definitionskompetenz auf intermediäre Gewalten wie Kirchen, Gewerkschaften oder Rundfunkanstalten ferner Isensee, Freiheitsrechte, S. 38 ff., sowie BVerfGE 24, 236, 247: „Bei der Würdigung dessen, was im Einzelfall als Ausübung von Religion und Weltanschauung zu betrachten ist, darf das Selbstverständnis der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften nicht außer Betracht bleiben.“ Für eine Schutzbereichsbestimmung durch den einzelnen Grundrechtsinhaber hat sich bisher soweit ersichtlich lediglich Hirsch in seinem Sondervotum zur Wehrdienstverweigerungs-Entscheidung, BVerfGE 48, 185, 188 f., mit Blick auf den Begriff des „Gewissens“ in Art. 4 Abs. 3 GG ausgesprochen. 11 So mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG auch Dickert, Forschungsfreiheit, S. 171; allgemein etwa Lerche, Schutzbereich, Rn. 3, und Dürig, Wertsystem der Grundrechte, S. 136 ff. 12 Hierzu sogleich § 2 I. 2. 13 Wie hier Höfling, Grundrechtsinterpretation, S. 88 f.; ihm folgend Dickert, Forschungsfreiheit, S. 171; ebenso H. H. Klein, Grundrechte am Beginn, Rn. 57; ähnlich Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 26.
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1. Teil: Der Abschied von der Wissenschaftsfreiheit
in den Auseinandersetzungen mit einem staatlichen Definitionsverbot wiederholt gerügte Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG14 hingegen kann einer Übertragung auf eine oder die Gruppe der Grundrechtsträger bzw. ein gesellschaftliches (Sub-)System nicht entgegen gehalten werden, wird die Rechtsanwendungsgleichheit auf diese Weise doch nicht gefährdet. Auch verlöre das freiheitsbeschränkende Gesetz nicht seine Legitimation aus der Idee der Allgemeinheit,15 denn es würde ein zwar zeitlich, aber nicht interindividuell variabler Maßstab für die Freiheit angelegt. Gegen eine Überantwortung der Definitionskompetenz an gesellschaftliche Teilsysteme wie etwa die Wissenschaft spricht jedoch entscheidend, dass sie ihre eigenen Ziele nicht zu erreichen vermag. Entgegen der vermuteten Sicherung von Freiheit und Offenheit drohen eine Verfestigung des Etablierten und damit Innovations- und Kreativitätsverluste. Denn in das begriffsprägende System werden sich nur die seinen Strukturen und Rationalitäten entsprechenden Handlungen und Kommunikationen einfügen. Individualität, ungewöhnliche Fragestellungen und Methoden finden kaum Platz. Die private Definitionsmacht wird damit zur Gefahr für den Wissenschaftspluralismus, den sie zu gewährleisten beansprucht.16 Schließlich wird der Staat durch eine Verlagerung der Kompetenz nicht aus seinem Definitionsdilemma befreit. Denn soll das Grundrecht weiterhin in der Lage sein, seine freiheitssichernden Funktionen zu erfüllen, muss der Richter, Gesetzgeber oder Verwaltungsbeamte den „perpetuierlichen [Definitions]prozess“ des Wissenschaftssystems17 an einer Stelle unterbrechen und eine Aussage darüber treffen, was den wissenschaftlichen Kommunikationszusammenhängen zuzuordnen ist.18 Einen Verfassungsverstoß kann er nur feststellen, wenn er gegenüber dem nahe liegenden Einwand, es handle sich gar nicht um 14 Vgl. Isensee, Freiheitsrechte, S. 36; Dickert, Forschungsfreiheit, S. 172; aus der Rspr. etwa BVerfGE 12, 45, 54. 15 Zu diesem Einwand gegen ein echtes Definitionsverbot Isensee, Freiheitsrechte, S. 36. 16 Vgl. Isensee, Freiheitsrechte, S. 39 f.; Dickert, Forschungsfreiheit S. 175 f. m. w. N. Zu den mit einer Definitionskompetenz des Wissenschaftssystems verbundenen Missbrauchsgefahren T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit, S. 26 f.: Der Wettbewerb zwischen Wissenschaftlern um knappe staatliche Leistungen lässt an der Objektivität von Entscheidungen über die Arbeit der Kollegen zweifeln; der Vorwurf der „Unwissenschaftlichkeit“ ist im Disput zudem keine Ausnahme. Skeptisch gegenüber diesen Einwänden aber Trute, Institutionalisierung, S. 62. 17 Ridder, Soziale Ordnung, S. 135. 18 So auch Schumacher, Wissenschaftsbegriff, S. 6 f., 25 f.; T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit, S. 27 f.; Lüthje, in: Denninger, HRG, Vor § 3 Rn. 31; vgl. ferner Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 26. Weitergehend Pieroth, Störung, S. 112 f., der die grundrechtssichernde oder -ermöglichende gewährende Staatstätigkeit notwendig mit der Identifikation mit einer oder mehreren Wissenschaftskonzeption(en) verbunden sieht. In gleicher Weise kehrt das Definitionsproblem zum Staat zurück, überlässt er die „Anerkennung“ als Wissenschaftler bzw. als wissenschaftliche
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grundrechtlich geschützte Wissenschaft, den betroffenen Sachverhalt zumindest für den Einzelfall subsumiert. In diesem Moment aber stellt sich ihm das Definitionsproblem lediglich in anderer Gestalt: Wer oder was konstituiert das zur Entscheidung berufene „Wissenschaftssystem“?19 Welche Kommunikationszusammenhänge sind dem Wissenschafts- und nicht etwa dem politischen System zuzurechnen? Daher ist R. Scholz zuzustimmen, wenn er von einem staatlichen „Definitionsgebot“ spricht.20 Damit ist freilich noch keine Aussage getroffen über die Berücksichtigungsbedürftigkeit privater Grundrechtsverständnisse im Rahmen der Grundrechtsinterpretation. Aus der amtlichen Befugnis zur Schutzbereichsbestimmung folgt kein Monopol des Staates bei der Grundrechtsexegese, das private Verfassungsverständnis wird hiermit nicht zur ,quantité négligeable‘.21 Allein das ,quis iudicabit‘ ist zugunsten des Staates beantwortet.22 2. Die differenzierte Ordnung des Grundrechtsabschnitts Eine Untersuchung von Art. 5 Abs. 3 GG mit dem Ziel, die Funktion der Garantie freier Lehre zu ermitteln, ist entbehrlich, wenn sich ihre Funktionslosigkeit bereits aus einer generellen Nivellierung der Grundrechte ergibt. Kann Arbeit den „Anerkannten“. Zu den aus der leistungsrechtlichen Dimension resultierenden besonderen Schwierigkeiten in diesem Falle Dickert, Forschungsfreiheit, S. 175 f. 19 In eben dieser Weise kehrt das Definitionsproblem auch zum Staat zurück, wenn er die „Anerkennung“ als Wissenschaftler bzw. als wissenschaftliche Arbeit den „Anerkannten“ überlässt. Zu den besonderen Schwierigkeiten, den diese Konzeption der Realisierung einer leistungsrechtlichen Grundrechtsdimension bereitet, Dickert, Forschungsfreiheit, S. 175 f. 20 Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 88. 21 Vgl. zur Berücksichtigungspflichtigkeit privater Grundrechtsverständnisse im Prozess der Verfassungsinterpretation statt vieler Höfling, Grundrechtsinterpretation, S. 88 ff. m. w. N., und allgemeiner zur Relevanz individueller Selbstverständnisse im Recht Morlok, Selbstverständnis. Von der Berücksichtigung privaten Rechtsverständnisses im Rahmen von bewusst und intentional auf das Verstehen einer Norm gerichteten Interpretationsprozessen ist die tagtägliche Auslegung durch die „offene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten“, d.h. durch all jene, die in und mit dem von der Norm geregelten Sachverhalt leben, zu unterscheiden, hierzu grundlegend Häberle, Offene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten; ders., Verfassungsinterpretation als öffentlicher Prozeß. 22 Für Art. 5 Abs. 3 GG ebenso ausdrücklich Schumacher, Wissenschaftsbegriff, S. 6; Schmitt Glaeser, Freiheit der Forschung, S. 116 f.; Pieroth, Störung, S. 112; T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit, S. 28; Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 26; Freundlich, Wissenschaftsfreiheit, S. 89; Dickert, Forschungsfreiheit, S. 176; Trute, Institutionalisierung, S. 62 f.; Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 61; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 26, und allgemein für die Grundrechte Isensee, Freiheitsrechte, S. 40; Höfling, Grundrechtsinterpretation, S. 90 f., mit der regelbestätigenden Ausnahme des Widerstandsrechts gem. Art. 20 Abs. 4 GG, sowie H. H. Klein, Grundrechte am Beginn, Rn. 57.
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der Schutz von Freiheit und von sonstigen Gütern der Person – mit wenigen Ausnahmen – auch über eine einzige Garantienorm gewährleistet werden,23 so ist eine Differenzierung von Wissenschafts-, Forschungs- und Lehrfreiheit bedeutungslos. a) Nivellierung der Grundrechtsgehalte durch das Übermaßverbot? Ohne Relevanz ist die Zuordnung eines Lebenssachverhalts zu einer Grundrechtsnorm, wenn alle Freiheitsrechte in gleicher Weise durch den Staat begrenzt werden können und die einzelne Grundrechtsgarantie darüber hinaus keinen spezifischen Gewährleistungsgehalt mehr kennt. Dass die Zuordnung eines Lebenssachverhalts zu einzelnen Grundrechtsnormen infolge der Karriere des Übermaßverbots mittlerweile ohne praktische Relevanz ist für die Verwirklichung grundrechtlicher Freiheit, ist eine im Schrifttum vielfach vertretene,24 insbesondere in den Arbeiten von Bernhard Schlink und Jürgen Schwabe25 entwickelte These. Schlink beobachtet die Entdifferenzierung der Freiheitsrechte vor allem in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,26 sucht ihr mit seinem eigenen Grundrechtsmodell jedoch entgegenzutreten. Zwar befürwortet er ein für alle Grundrechte einheitlich geltendes Abwägungsmodell, das Freiheit als allgemeine Abwehr- und Ausschlussregel begreift.27 Doch soll dieses nur den Ausgangspunkt für die Entwicklung einer differenzierten Grundrechtsdogmatik bilden, die auch die unterschiedlichen Schrankenvorbehalte aufgreift.28 Demgegenüber spricht sich Schwabe für die Nivellierung der Grundrechte aus, wie er sie in Rechtsprechung und Literatur beobachtet. Angesichts der umfassenden und einheitlichen Anwendung des Übermaßverbots sei es tatsächlich weitgehend ohne Belang, durch welches Grundrecht eine in die Abwägung einzustellende Position geschützt werde.29 Die Zusammenführung zweier oder 23
So Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 445 f. Vgl. die Übersicht bei Berg, Konkurrenzen, S. 9 ff., sowie die Darstellung als „Nivellierungsthese“ bei Bumke, Grundrechtsvorbehalt, S. 219 ff. 25 Schlink, Abwägung, S. 17 ff., und Schwabe, Grundrechtsdogmatik, §§ 19 ff., haben die Nivellierung als allgemeine Tendenz in Lit. und Rspr. herausgearbeitet. 26 Schlink, Abwägung, S. 17 ff., S. 51: Es „wird aufzuzeigen sein, wie die vom BVerfG zu verschiedenen Grundrechten entwickelten Auslegungs- und Abwägungsstrategien im Fortgang der Rechtsprechung konvergieren und wie sich dabei die verschiedenen [. . .] Grundrechte in ein allgemeines Freiheitsrecht entdifferenzieren.“ 27 Schlink, Abwägung, S. 192 ff. 28 Schlink, Abwägung, S. 193, 195, 199 ff. Missverständlich insoweit Wendt, Garantiegehalt, S. 418, 421 f., und Stern, Staatsrecht III/2, § 84 III 9 b, S. 812, die Schlink als Befürworter einer generellen Entdifferenzierung der Freiheitsrechte zu zitieren scheinen. 29 Schwabe, Grundrechtsdogmatik, insbes. S. 304 ff., 443 ff. 24
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mehrerer Grundrechte zu einem einzigen „müsse nicht zu Schutzminderungen oder sonstigen Nachteilen führen“30. Solange Wertigkeit, Funktion und Bedeutung eines Lebenssachverhalts bzw. einer speziellen Handlung zutreffend erfasst würden, sei ihre Zuordnung zu einzelnen Grundrechtsartikeln „ziemlich nebensächlich“31. Insbesondere den unterschiedlichen Schrankenvorbehalten komme nur mehr „nominelle“ Bedeutung32 zu, auch die Unterscheidung zwischen geschriebenen und ungeschriebenen Vorbehalten bleibe ohne Auswirkung auf das Abwägungsergebnis33. b) Das Erfordernis grundrechtsspezifischer Dogmatik Die vorliegende Arbeit geht demgegenüber mit der herrschenden Meinung in der Literatur und dem Bundesverfassungsgericht von einer differenzierten Ordnungsstruktur des Grundrechtsabschnitts der Verfassung aus, die sowohl in divergenten Schranken und Begrenzungsmöglichkeiten als auch in spezifischen Gewährleistungsgehalten zum Ausdruck kommt. Tendenzen der Nivellierung ist diese Struktur grundsätzlich entgegenzuhalten. Aus ihr ergibt sich das Erfordernis grundrechtsspezifischer Dogmatik sowie die Notwendigkeit der Zuordnung von Lebenssachverhalten zu den einzelnen Artikeln der Verfassung.34 Dass der Verfassungsgeber weder ein allgemeines Freiheitsrecht noch einen Pauschalvorbehalt, sondern spezifische Freiheitsgarantien mit je eigenen Schrankenvorbehalten normiert hat, muss Ausgangspunkt jeder strukturellen Konzeption des Grundrechtsabschnitts sein.35 Wenngleich die im Grundgesetz normierten Schrankenvorbehalte angesichts ihrer vielfachen inneren Unstimmigkeiten kaum als Schrankensystem bezeichnet werden können,36 zeigen sie doch deutlich die Intention der Verfassung, zwischen den Grundrechtsgarantien zu 30
Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 445. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 407. 32 Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 420. 33 Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 307 ff. 34 Wie hier mit unterschiedlichen Argumenten Berg, Konkurrenzen, S. 99 ff., S. 134 ff.; Blaesing, Grundrechtskollisionen, S. 141 ff.; Wendt, Garantiegehalt, S. 424 ff.; Jeand’Heur, Schutzgebote, S. 220 ff.; des Weiteren F. Müller, Positivität, S. 83, und Stern, Staatsrecht III/2, § 84 III 9 b, S. 812 f.; speziell zu Art. 5 GG etwa Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 266; mit Einschränkungen hinsichtlich der Grundrechtsvorbehalte Bumke, Grundrechtsvorbehalt, v. a. S. 218 ff., 226 ff.; bedingt auch K. Hesse, Grundzüge, Rn. 316. 35 Nicht zu erörtern ist an dieser Stelle die Frage nach dem Systemcharakter des Grundrechtsabschnitts und seiner Dogmatik, die der Differenzierung verschiedener Freiheitsrechte nachgeordnet ist, vgl. hierzu aus der Fülle der Lit. die grundlegenden Beiträge von Dürig, Wertsystem der Grundrechte; ders., in: M/D, GG, 1976, Art. 1 Rn. 5 ff., sowie die Darstellung von Stern, Staatsrecht III/2, § 96, S. 1747 ff. m. w. N. 36 So aber z. B. Berg, Konkurrenzen, S. 20 ff., 99 ff.; Blaesing, Grundrechtskollisionen, S. 144, 147; Dickert, Forschungsfreiheit, S. 415, 475; Waechter, Fortschrittsver31
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differenzieren.37 Ebenso wenig wie die Unterscheidung verschiedener Gewährleistungsgehalte wird diese Differenzierung durch das Übermaßverbot aufgehoben. Zwar kann die Normierung von vorbehaltlosen Grundrechten, Grundrechten mit qualifiziertem und Grundrechten mit einfachem Gesetzesvorbehalt nicht zwingend als Stufenfolge der Intensität möglicher Freiheitseingriffe und des Umfangs der gewährleisteten Freiheit verstanden werden. Der qualifizierte Gesetzesvorbehalt allein ist nicht Beweis der „Stärke“ eines Grundrechts.38 Denn die Schranken selbst geben allein über die Eingriffsmöglichkeiten Aufschluss, die verfassungsrechtlichen Grenzen zulässiger Einschränkungen sind zuvorderst dem Übermaßverbot zu entnehmen, das für alle Grundrechte dieselben Anforderungen aufstellt. Gleichwohl indizieren qualifizierte Anforderungen eines Vorbehalts eine intensivere Verteidigung der Freiheit, als sie ein Grundrecht mit einfachem Gesetzesvorbehalt leistet. In jedem Fall prägen sie die Grundrechtsprüfung in spezifischer Weise. Denn jede Grundrechtseinschränkung ist sowohl am Übermaßverbot als auch am Schrankenvorbehalt zu messen, beide Maßstäbe haben ihre eigene Funktion, sie wirken in „arbeitsteilige[m] Zusammenspiel“39. Die Qualifizierung einer Schranke kann dabei Anforderungen aufstellen, die im Rahmen des Übermaß- und Abwägungsgebots nicht zu begründen sind, so dass die Zuordnung eines Lebenssachverhalts zu einer Grundrechtsnorm unentbehrlich ist. Auch die spezifischen Gewährleistungsgehalte der Grundrechtsartikel vermag die Verhältnismäßigkeitsprüfung – unabhängig davon, ob sie eine Güterabwägung einschließt40 – nicht zu überspielen. Vielmehr wird sie umgekehrt durch deren unterschiedliche normative Vorgaben geprägt, insbesondere durch den mit
trauen, S. 22. Wie hier hingegen etwa Bettermann, Grenzen, S. 3: „Schrankenwirrwarr“; Friauf, Schranken, S. 216; Bumke, Grundrechtsvorbehalt, S. 37. 37 Ebenso Wendt, Garantiegehalt, S. 424; Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 361; Stern, Staatsrecht III/2, § 84 III 9 b, S. 812; Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, § 80 V 2 a, S. 462 f. 38 In diese Richtung als erster und noch zu den Grundrechten der WRV aber Thoma, Grundrechte; ders., in: Nipperdey, Grundrechte, Bd. 1, S. 33 ff.; für das GG ebenso Berg, Konkurrenzen, S. 99 ff., 134 ff.; Blaesing, Grundrechtskollisionen, S. 144 ff.; Dickert, Forschungsfreiheit, S. 417; Jeand’Heur, Schutzgebote, S. 220 ff.; mit Einschränkungen K. Hesse, Grundzüge, Rn. 316; zur „Stärke“ der Wissenschaftsfreiheit Losch, Wissenschaftsschranken, S. 166 ff. Dezidiert a. A. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 304 ff., 310 ff. 39 Wendt, Garantiegehalt, S. 425. Die Beschränkungsvorbehalte erfüllen dabei eine „Filterfunktion“, Wendt, ebd.; zustimmend Stern, Staatsrecht III/2, § 84 III 9 b, S. 812; Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, § 80 V 2 b, S. 464. 40 Von der Unmöglichkeit einer Interessen- und Güterabwägung geht anders als die ganz h. M. Schlink, Abwägung, S. 154 ff., aus; grds. zustimmend Goerlich, Optimierungsaufgaben, S. 231 ff.; Roellecke, Besprechung, S. 888 f.; differenzierend Lerche, Besprechung, S. 449 ff.
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einem Freiheitsrecht verfolgten telos. Denn nur mit Blick auf diesen kann im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung die Schwere eines Eingriffs beurteilt werden, nur mit Blick auf die Funktion einer Freiheitsgarantie können ihr relatives Gewicht bestimmt und die Sachgerechtigkeit einer Regelung bewertet werden.41 Diese spezifischen Gewährleistungsvorgaben sind nun nicht ausschließlich dem Sachzusammenhang zu entnehmen, wie es die Annahme eines einheitlichen Grundrechts nahe legt.42 Die sprachliche Fassung jedes einzelnen Artikels, seine systematische Stellung und seine Geschichte sind als Konkretisierungselemente zu berücksichtigen. Sie ermöglichen erst die Bestimmung des Normbereichs, dessen Strukturen dann mitentscheidende Bedeutung im Prozess der Grundrechtsinterpretation erhalten. Allein auf diesem Weg können die Differenzierungsvorgaben der Verfassung aufgegriffen, kann ihre Normativität ernst genommen werden. „Dass es im Ergebnis oftmals gleichgültig ist, welche Gewährleistung zum Maßstab genommen wird, sagt vielleicht etwas über die Qualität der Gesetze und über die Unterentwicklung gewährleistungsspezifischer Maßgaben aus.“43 Das Erfordernis grundrechtsspezifischer Dogmatik aber bleibt hiervon unberührt.
II. Methodische Vorklärungen – Über die (Un-)Möglichkeit, eine Grundrechtsarbeit zu schreiben Mit seiner These, Grundrechtsarbeiten, die sich nicht auf Spezialprobleme beschränken, seien angesichts der verworrenen und zerklüfteten Grundrechtslandschaft „unschreibbar“ geworden,44 verweist Herbert Bethge u. a. auf ein Dilemma, in das jede grundrechtsdogmatische Arbeit geraten muss, die sich die Gretchenfrage stellt: Wie hältst du es mit der Methode?45 Als Ausweg bleibt allein die Setzung. 1. Das Dilemma grundrechtsdogmatischer Arbeit Angesichts der viel zitierten, gerühmten und beklagten sprachlichen Offenheit der Verfassungs- und insbesondere der Grundrechtsartikel46 muss eine Beschäf41
Vgl. Wendt, Garantiegehalt, S. 468 ff.; Bumke, Grundrechtsvorbehalt, S. 221 ff. In diese Richtung auch Schwabe, Grundrechtsdogmatik, z. B. S. 320, 407. 43 Bumke, Grundrechtsvorbehalt, S. 223. 44 Bethge, Grundrechtsdogmatik, S. 382. 45 Von der „Gretchenfrage“ spricht treffend Voßkuhle, Methode und Pragmatik, S. 172. 46 Vgl. etwa Böckenförde, Verfassungsinterpretation, S. 2091; ders., Grundrechtstheorie, S. 1529: „Lapidarformeln [. . .], die aus sich selbst inhaltlicher Eindeutigkeit weithin entbehren“; ähnlich Opp, Soziologie im Recht, S. 124; Ossenbühl, Verfassungsrechtliche Probleme, S. 55; ders., Grundrechtsinterpretation, Rn. 4; beobachtend 42
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tigung mit dem insoweit geradezu prototypischen Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG schon nach kurzer Zeit zu grundlegenden Fragen der juristischen Methodenlehre, speziell der Verfassungsinterpretation, zurückführen. Sie zu negieren, hieße, nicht methodisch geleitet zu arbeiten und damit zugleich den eigenen Anspruch an Wissenschaftlichkeit ein Stück weit aufzugeben.47 Sich ihrer anzunehmen, hieße, eine andere Arbeit zu schreiben. Denn auf einen allseits akzeptierten Konsens über die Handhabung der Freiheitsrechte des Grundgesetzes – auf eine zumindest praktische Übereinstimmung über die Methode der Grundrechtsinterpretation – kann nicht zurückgegriffen werden. Im Gegenteil, ein „Chaos von Altem und Neuem, eine [. . .] nur jeweils im Einzelfall durch Entscheidung pragmatisch zu klärende Verworrenheit rechts(norm)theoretischer und methodischer Ansätze, Elemente und Einsprengsel verschiedenster theoretischer Herkunft kennzeichnet [. . .] den Diskussionsstand in der Literatur.“48 Dieser unterscheidet sich insoweit nicht von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die durch einen pragmatischen, am Einzelfall orientierten Methodenwechsel gekennzeichnet ist.49 Methodische Vielfalt prägt dabei nicht nur das Menger, Gesetzgebung durch das BVerfG, S. 398; mit positivem Unterton hingegen Bethge, Grundrechtsdogmatik, S. 356 f., und in Gegenüberstellung mit den wortreichen Verfassungsänderungen der jüngeren Zeit Voßkuhle, Verfassungsstil, S. 36; zum Zusammenhang zwischen Normierungsstil, Regelungsinhalt und Verfassungsfunktion eingehend ders., a. a. O., S. 43 ff., 46 ff. Als zweischneidiges Schwert versteht Isensee, Stil der Verfassung, S. 14 ff., die „lapidar[e]“ sprachliche Fassung des Grundrechtsteils. Die „Reduktion auf das semantische Minimum“ verleihe den Grundrechten zwar „stählernen Glanz“ und „rhetorische Stoßkraft“, mache sie aber zugleich „sinnvariabel“ und übertrage die Bestimmung ihres Inhalts in weitem Maße dem Gesetzgeber. 47 Vgl. zum Erfordernis eines rationalen und kontrollierbaren Verfahrens der Verfassungsinterpretation nur R. Dreier, Verfassungsinterpretation, S. 15 m. w. N.; allgemeiner für die juristische Entscheidungsfindung Koch/Rüßmann, Begründungslehre, S. 5 f., 112 ff., und Hoffmann-Riem, Verwaltungsrechtswissenschaft, passim. Siehe zu den unterschiedlichen Facetten des Methodenbegriffs Hoffmann-Riem, a. a. O., S. 11 ff. 48 So der Befund von F. Müller, Juristische Methodik, S. 114; in der Sache ebenso jetzt Müller/Christensen, Juristische Methodik, Rn. 68; ähnlich Böckenförde, Grundrechtstheorie, S. 1530; Höfling, Offene Grundrechtsinterpretation, S. 47, sowie jüngst Ossenbühl, Grundrechtsinterpretation, Rn. 66. Zacher, Besprechung, S. 128, bezeichnet die Auseinandersetzungen um die Interpretation der Grundrechte als das „spektakulärste und wohl auch der Sache nach wichtigste Kriegstheater im Kampf um die Interpretation des Grundgesetzes“. Vgl. zum Stand der Methodendiskussion im Verfassungsrecht die grundlegenden Staatsrechtslehrerreferate von Schneider, Verfassungsinterpretation, und Ehmke, Verfassungsinterpretation, sowie die Darstellungen etwa von Böckenförde, Verfassungsinterpretation, S. 2090 ff.; R. Dreier, Verfassungsinterpretation, S. 22 ff.; Schlink, Stand der Methodendiskussion, und Müller/Christensen, a. a. O., Rn. 68 ff.; zu den Besonderheiten der Grundrechtsinterpretation Stern, Staatsrecht III/2, § 95 V, S. 1716 ff. m. w. N. Den Zusammenhang zwischen Methodenwahl und Interpretationsergebnis analysiert treffend Schuppert, Rigidität und Flexibilität, S. 68 ff. 49 Noch als Vermutung formuliert von Böckenförde, Verfassungsinterpretation, S. 2090 m. einzelnen Nw. in Fn. 4; im Wege der Rechtsprechungsanalyse bestätigt von Müller/Christensen, Juristische Methodik, Rn. 27 ff.; vgl. des Weiteren K. Hesse, Grundzüge, Rn. 58 f.; Kriele, Grundrechte, Rn. 20 ff.
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Gesamtbild grundrechtlicher Argumentation in Literatur und Rechtsprechung, auch der auf die Garantie freier Wissenschaft, Forschung und Lehre begrenzte Blick findet kein einheitliches Bild.50 Das Dilemma, in das jede grundrechtsdogmatische Arbeit geraten muss, liegt damit auf der Hand: Sie kann sich auf keine gesicherte methodische Grundlage stützen, zugleich keinen eigenen (Begründungs-)Ansatz entwickeln, ohne ihren Gegenstand aus den Augen zu verlieren oder in Dilettantismus zu verfallen, und ist doch auf eben diese Grundlage angewiesen.51 2. Auswege Mangels „methodischen Zauberstabs“52 bleibt einer grundrechtsdogmatischen Arbeit als Ausweg daher allein eine Setzung, die unbegründet bleibt und allenfalls mit einer Erläuterung der Auswahlmotive verbunden wird.53 Die vorliegende Arbeit wählt die herkömmlichen Interpretationsmethoden als Ausgangspunkt. Hierzu zählen die Wortlautanalyse, die systematische, historische und teleologische Interpretation.54 Diese Auslegungsschritte erfassen unterschiedli50 Hailbronner, Funktionsgrundrechte, S. 30, etwa schenkt den „herkömmlichen Auslegungsmethoden“ sein Vertrauen; ähnlich z. B. Schmitt Glaeser, Forschungsfreiheit, S. 109. Trute, Institutionalisierung, S. 57 f., begreift Art. 5 Abs. 3 GG in Anlehnung an F. Müller, Strukturierende Rechtslehre, demgegenüber als „sachgeprägtes Ordnungsmodell“, dessen Bedeutung v. a. den Strukturen des zu ordnenden Lebensbereichs zu entnehmen sei; ebenso Kleindiek, Risikogesellschaft, S. 204 f. Dickert, Forschungsfreiheit, S. 131 ff., wiederum entscheidet sich für eine „in der Mitte der Extrempositionen angesiedelte“, „pragmatische“ Auslegungsmethode und ergänzt die klassischen canones insbes. um den Blick auf die soziale Wirklichkeit. Das BVerfG erschließt die Bedeutung der Garantie freier Wissenschaft, Forschung und Lehre nach eigenem Bekenntnis aus „Wortlaut und Sinngehalt“ (BVerfGE 35, 79, 112), wobei zu Recht auf die (auch) insoweit bestehenden erheblichen Unterschiede zwischen dem methodischen Credo und der Praxis der Entscheidungsfindung hingewiesen wird, hierzu Pieroth, Störung, S. 92 f.; Freundlich, Rechtsprechung, S. 74. Vgl. allgemein zu dieser Divergenz in der Rspr. des BVerfG Müller/Christensen, Juristische Methodik, Rn. 27 ff.; Stein, in: Denninger u. a., GG, Einl. II Rn. 35 ff., und generell zum „Theorie/Praxis-Bruch“ im Rechtsalltag aus der Perspektive unterschiedlicher methodischer Konzeptionen die Beiträge in Morlok/Krawietz, Scheitern und Wiederbelebung. 51 Ähnliche Schwierigkeiten bereitet die Frage nach einer materialen Grundrechtstheorie. Da ihr jedoch in erster Linie bei der Bestimmung der funktionalen Dimensionen eines Grundrechts interpretationsleitende Kraft zukommt (a. A. v. a. Böckenförde, Grundrechtstheorie, S. 1529 f., demzufolge die grundrechtsdogmatische Arbeit generell auf eine materiale Grundrechtstheorie angewiesen ist), soll sie erst im Rahmen der Entfaltung der subjektiven und objektiven Wirkungen der Lehrfreiheit erörtert werden, vgl. unten § 9 I. 1. 52 Freundlich, Rechtsprechung, S. 73. 53 Das Schrifttum löst das Dilemma demgegenüber vielfach durch Schweigen, vgl. etwa Knemeyer, Lehrfreiheit; Losch, Wissenschaftsschranken; Classen, Wissenschaftsfreiheit; zur allgemeinen „Methodenmüdigkeit“ im Öffentlichen Recht Voßkuhle, Methode und Pragmatik, S. 172 ff.
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che Aspekte derselben Problematik und stehen daher zueinander in einem Verhältnis wechselseitiger Ergänzung. Ihre Ergebnisse sind miteinander zu kombinieren.55 Sie werden ergänzt und erweitert um Gesichtspunkte und Argumentationsfiguren anderer Methoden der Verfassungsinterpretation, insbesondere der Topik56 und der strukturierenden Rechtslehre57. Vor allem die Eigenrationalität des von Art. 5 Abs. 3 GG geregelten Normbereichs58 soll auf diesem Weg 54 Zu diesen „klassischen Auslegungscanones“ statt vieler Stern, Staatsrecht III/2, § 95 II 2, S. 1656 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 320 ff.; vgl. auch BVerfGE 11, 126, 130. Schwierigkeiten und Besonderheiten bei der Anwendung dieser Auslegungsregeln auf das Verfassungsrecht zeigen Karpen, Auslegung, S. 44 f.; K. Hesse, Grundzüge, Rn. 53 ff., und Müller/Christensen, Juristische Methodik, Rn. 154 ff., auf. Zur Ergänzung der klassischen canones um die Rechtsvergleichung als „fünfte Auslegungsmethode“ Häberle, Grundrechtsgeltung, S. 913 ff.; ders., Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 121. 55 Allgemeine Ansicht seit F. C. v. Savigny, System, S. 215; vgl. nur Larenz, Methodenlehre, S. 343; Stein, in: Denninger u. a., GG, Einl. II Rn. 8. Für eine feste Rangordnung der Auslegungskriterien sprechen sich z. B. Canaris, Systemdenken, S. 91 f. Fn. 23; Müller/Christensen, Juristische Methodik, Rn. 433 ff., und wohl auch Forsthoff, Verfassungsauslegung, S. 39, sowie mit Einschränkungen Engisch, Einführung, S. 100 ff., aus; a. A. etwa Koch/Rüßmann, Begründungslehre, S. 176 ff.; Larenz, a. a. O., S. 343 ff.; entschieden gegen jedwede Rangfolge Kriele, Rechtsgewinnung, S. 88 ff.; einen Überblick über den Meinungsstand in Rspr. und Lit. gibt z. B. Gern, Rangfolge, S. 421 ff. Siehe aber auch unten § 3 I. 2. d) m. w. N. 56 Grundlegend Viehweg, Topik und Jurisprudenz; weiterentwickelt etwa von Kriele, Rechtsgewinnung; „demokratisiert“ von Häberle, Offene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten; zur Anwendung im Rahmen der Verfassungsinterpretation z. B. Ehmke, Verfassungsinterpretation, S. 55 ff., 61 f.; Böckenförde, Verfassungsinterpretation, S. 2091 ff., welcher ihr auch den Eingang in die Rspr. des BVerfG attestiert; als „hermeneutisch-konkretisierende Verfassungsinterpretation“ bei K. Hesse, Grundzüge, Rn. 67; resümierend Otte, Topik-Diskussion, S. 183 ff. m. w. N. Krit. zur topischen Methode v. a. Forsthoff, Umbildung des Verfassungsgesetzes, S. 35 ff.; ders., Bindung an Gesetz und Recht, S. 41 ff.; vgl. des Weiteren aus der Fülle der Lit. etwa Diederichsen, Topisches Denken, S. 697 ff.; Klenner, Juristenoptik; Alexy, Juristische Argumentation, S. 39 ff.; Müller/Christensen, Juristische Methodik, Rn. 118 ff.; siehe auch Böckenförde, a. a. O., S. 2093, und in Abwendung von der „reinen“ Topik K. Hesse, a. a. O., Rn. 67, 77 ff. 57 Die strukturierende Rechtslehre, die vor allem durch die Differenzierung zwischen Norm und Normtext und die Annahme gekennzeichnet ist, dass sich ein normativer Gehalt erst aus dem Zusammenspiel von Normtext, Normprogramm und Normbereich ergeben kann, wurde entwickelt von F. Müller, Strukturierende Rechtslehre; zuletzt ders./Christensen, Juristische Methodik, Rn. 162 ff. Vgl. zur Anwendung auf die Artikel des Grundgesetzes am Bsp. von Art. 6 Abs. 2 GG Jeand’Heur, Schutzgebot, passim. 58 Den Begriff „Normbereich“ hat F. Müller geprägt, vgl. ders., Normstruktur und Normativität, v. a. S. 184 ff. und passim; ders., Strukturierende Rechtslehre, S. 142, 156, 323 ff., und jetzt Müller/Christensen, Juristische Methodik, Rn. 235 ff., 481 ff. Er hat mittlerweile jedoch auch unabhängig von dem normtheoretischen und methodologischen Konzept der strukturierenden Rechtslehre Aufnahme in den allgemeinen juristischen Sprachgebrauch gefunden, vgl. etwa Lüthje, in: Denninger, HRG, Vor § 3 Rn. 30 ff.; Stern, Staatsrecht III/2, § 95 V 2 a, S. 1720 f.; Kleindiek, Wissenschaft in der Risikogesellschaft, S. 138, der sich nachfolgend jedoch wohl nicht strikt an seine
§ 2 Zur Differenzierung von Schutzbereichen
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bereits im Prozess der Verfassungsinterpretation Berücksichtung finden. Die Grundrechtsauslegung wird dabei als strukturierter, aber schöpferischer Prozess verstanden, der nicht Suche nach einem vorgegebenen Ziel ist, sondern gerade das bestimmt, was als Inhalt der Verfassung noch nicht eindeutig ist.59 An ihrem Ende steht nicht das richtige, sondern ein begründetes Ergebnis. Eine Analyse des Wortlauts von Art. 5 Abs. 3 GG, die sowohl grammatische als auch semantische Aspekte einbezieht, steckt den äußeren Rahmen des NochMöglichen einer Verfassungskonkretisierung ab.60 Die systematische Betrachtung berücksichtigt neben jenen Vorschriften, die der Garantie freier Wissenschaft, Forschung und Lehre begrifflich, aufgrund ihrer Stellung in der Verfassung oder thematisch nahe stehen auch die zu strukturell vergleichbaren Referenzgrundrechten entwickelte Dogmatik sowie die europäische Grundrechtsordnung. Die historische Analyse wird sich sowohl der geschichtlichen als auch der genetischen Entwicklung widmen. Besonderes Gewicht kommt der abschließenden Untersuchung der telæ der Freiheitsgarantie(n) zu. Denn ihr vor allem obliegt es, strukturelle Veränderungen des geregelten Lebensbereichs in die Auslegung einzubeziehen.61 Dies ist insbesondere bei nicht rechtserzeugten eigene Begriffsexplikation gebunden fühlt. Der Begriff verweist insoweit regelmäßig auf den Ausschnitt aus der Lebenswirklichkeit, den eine Norm ihrer Regelung unterstellt, und betont dabei besonders nachdrücklich die Bedeutung von Sachelementen für die Normkonkretisierung, vgl. zu dieser Bedeutung auch Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 259, und Lerche, Grundrechtsprägung, Rn. 13. Die Grenzen des Normbereichs sind normtextorientiert, v. a. mittels der Interpretation des Wortlauts zu bestimmen, vgl. Müller/Christensen, Juristische Methodik, Rn. 235, 445, 447. 59 Wegweisend mit Blick auf das Verfassungsrecht K. Hesse, Grundzüge, Rn. 60: „Verfassungsinterpretation ist Konkretisierung“, und Müller/Christensen, Juristische Methodik, Rn. 248: „Konkretisierung (Normkonstruktion) statt Auslegung“; vgl. i. Ü. statt vieler speziell zu Art. 5 Abs. 3 GG Trute, Institutionalisierung, S. 57 f.; allgemein Stern, Staatsrecht III/2, § 95 IV 4, S. 1712 ff.; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 520 f.; Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, S. 135 ff.; Ossenbühl, Grundrechtsinterpretation, Rn. 4; Hoffmann-Riem, Grundrechtsanwendung, S. 206 ff., 208 ff. (S. 212: „Auch Grundrechte sind im Prozess der Auslegung und Anwendung als ,lernendes Recht‘ zu verstehen“), und grundsätzlicher zur nur relativen Richtigkeit allen Rechts ders., Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 28 ff. m. w. N.; speziell gegen die Vorstellung des Richters als „Subsumtionsautomat“ Cremer, Verfassungsauslegung, S. 274 ff. Siehe demgegenüber aber auch Canaris, Richtigkeit, S. 23 ff., und die vor dem Hintergrund seines Verständnisses der Verfassung als Rahmenordnung formulierte Kritik von Wahl, Vorrang der Verfassung, S. 505 ff. – Der Begriff der „Konkretisierung“ verweist auch im Folgenden speziell auf das schöpferische Moment der Verfassungsauslegung, „Interpretation“ bezeichnet demgegenüber allgemeiner den Auslegungsprozess. 60 Ausführlich zu den einzelnen Auslegungskriterien im Fortgang der Untersuchung, zur Grenzfunktion des Wortlauts bspw. unten § 3 I. mit Fn. 70, S. 50. 61 Die Verfassungsinterpretation ist insoweit auf die Erkenntnisse anderer Disziplinen angewiesen; allgemeiner zur Angewiesenheit der Wissenschaft vom Öffentlichen Rechts auf interdisziplinäre Kommunikation Möllers/Voßkuhle, Staatsrechtswissenschaft, S. 329. Dass die Einführung von Ergebnissen anderer Disziplinen und ihre Umwandlung in juristische Dogmatik besonderer Vorsicht bedarf exemplifiziert am Beispiel der Ökonomik Voßkuhle, Methode und Pragmatik, S. 182 ff.; vgl. zum methodi-
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Lebensbereichen wie Wissenschaft, Forschung und Lehre von Bedeutung, soll die dogmatische Sprache ihrer Freiheitsgarantie in der Lage sein, die Gefährdungen und Bedingungen des Normbereichs zu beschreiben. Alle vier Interpretationsschritte haben zudem die Ausgestaltungen der Freiräume durch den einfachen Gesetzgeber und sein darin zum Ausdruck kommendes Grundrechtsverständnis zu berücksichtigen.62 Prinzipien der Verfassungsinterpretation, etwa einem Prinzip der „Einheit der Verfassung“ oder dem Maßstab „integrierender Wirkung“, soll daneben zunächst kein eigenständiges Gewicht zukommen.63 Die Präjudizien des Bundesverfassungsgerichts finden als Argumentationslastverteilungen Berücksichtigung,64 was bedeutet, dass sie zum einen anzuführen sind, wenn sie für oder gegen eine Entscheidung angeführt werden können, und dass zum anderen die Argumentationslast trägt, wer von ihnen abweichen will.65 Dies entspricht dem Selbstverständnis der Arbeit, soweit es um ihr Verhältnis zur (Verfassungs-)Gerichtsbarkeit geht. Sie sieht ihre Aufgabe insoweit primär im „Voraus-Denken“ im Sinne eines Entwerfens von Optionen für ein zukünftiges Grundrechtsverständnis.66 Das „Nach-Denken“, also das nachträgliche Überdenken von Entschen Defizit, das die trans- und interdisziplinäre Kommunikation der Rechtswissenschaft erschwert, und zu möglichen Ansätzen einer „Brückenbildung“ Hoffmann-Riem, Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 58 ff., 60 ff. 62 Grundlegend zur Interdependenz von einfachem Recht und Verfassungsrecht und zur Grundrechtsprägung durch den einfachen Gesetzgeber ausgehend von seinem institutionellen Grundrechtsverständnis Häberle, Wesensgehaltsgarantie, 1983, v. a. S. 126 ff., 202 ff.; eingehend auch Lerche, Übermaß, S. 106 ff.; ders., Stiller Verfassungswandel, S. 286; ders., Grundrechtsprägung, Rn. 2 ff., 38 ff., und zuletzt Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, S. 22 ff. und passim, sowie Gellermann, Grundrechte, v. a. S. 47 f., 288 ff., der die grundrechtskonkretisierende Rolle des einfachen Gesetzgebers jedoch auf die objektiv-rechtliche Dimension der Grundrechte begrenzt. Für eine „einseitige Gerichtetheit von der Verfassung zum Gesetz“ hingegen etwa Wahl, Vorrang der Verfassung, S. 513 ff.; in diese Richtung auch Leisner, Gesetzmäßigkeit der Verfassung, S. 48 ff., mit Verweis auf die Gefahr einer Manipulation der Grundrechte durch den einfachen Gesetzgeber. 63 Hierfür aber bspw. Ehmke, Verfassungsinterpretation, S. 72 ff.; K. Hesse, Grundzüge, Rn. 70 ff. Das Bestreben um „Einheit und Harmonie der Verfassung“ (Scheuner, VVDStRL 22, S. 53) als „regulatives Interpretationsprinzip“ (Leibholz, Diskussionsbeitrag, S. 120) wird freilich die systematische Auslegung maßgeblich prägen. 64 Dies in Anlehnung an Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 504 ff.; vgl. auch Kriele, Rechtsgewinnung, S. 160 f., 195 ff., 258 ff., 299 ff., und insbes. seine Abgrenzung der „präjudiziellen Kraft der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts“ von den Wirkungen ihrer Rechtskraft und ihrer Bindungswirkung und Gesetzeskraft nach § 31 Abs. 1 und 2 BVerfGG, S. 504 f. m. w. N. 65 Vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 505; Kriele, Rechtsgewinnung, S. 243. 66 Zum „Voraus-Denken“, „Nach-Denken“ und „Hinaus-Denken“ als den Aufgaben der Rechtswissenschaft im Verhältnis zur Judikatur Lerche, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 650 ff. Vgl. allgemein zum Verhältnis von Staatsrechtswissenschaft und Verfassungsgerichtsbarkeit Schlink, Entthronung, dessen Kritik beispielhaft steht für viele Stimmen aus der Wissenschaft; optimistischer mit Blick auf die Eigenständigkeit der
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scheidungen oder die Verdeutlichung systematischer Linien in der Vielfalt der Einzeljudikate, hat vorbereitende Funktion. Erkenntnisse vergangener Urteile ändern daher „nur“ die Begründungsanforderungen. Dieser pragmatischen Verbindung unterschiedlicher methodischer Ansätze liegt die Annahme zugrunde, dass eine Ergänzung der klassischen Auslegungscanones und eine möglichst weitgehende Ausschöpfung der sich anbietenden hermeneutischen Mittel die grundsätzlich begrenzte Rationalität juristischer Argumentation erhöht.67 Der Vorwurf des Methodensynkretismus oder Methodenfreistils,68 der auf der Hand liegt, ist vor diesem Hintergrund in Kauf zu nehmen.
§ 3 Die Eigenständigkeit von Forschungs- und Lehrfreiheit – Praktizierter Methodensynkretismus Gewährleistet Art. 5 Abs. 3 GG ein Grundrecht der Lehrfreiheit, das aufgrund seines eigenständigen Schutzgehalts einer selbständigen dogmatischen Entfaltung bedarf, oder stellen Lehr- und Forschungsfreiheit nur unselbständige Elemente eines einheitlichen Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit dar, wovon die herrschende Meinung in der Literatur sowie die Rechtsprechung ausgehen? Diese Frage wird im ersten Teil der Untersuchung zu beantworten sein. Mit den Mitteln der skizzierten pragmatischen Methodenverbindung sucht sich die Arbeit der Struktur von Art. 5 Abs. 3 GG zu nähern. Damit wird zugleich die zur Erklärung des aktuellen Schattendaseins der Lehrfreiheit aufgestellte Hypothese ihrer Funktionslosigkeit überprüft.
I. Identität von Wissenschaft und Forschung – Die Wortlautanalyse Trotz der ,lapidaren‘ Kürze der ,Grundrechtsformeln‘ und ihrer weitgehenden sprachlichen Offenheit hat auch eine Interpretation dieser Verfassungssätze mit der Analyse ihres Wortlauts zu beginnen.69 Zwar wird auf diesem Weg in der (Verfassungs-)Rechtswissenschaft jetzt aber Lerche, a. a. O., S. 649, der insoweit Zustimmung erhält von Möllers/Voßkuhle, Staatsrechtswissenschaft, S. 328 Fn. 27. 67 So insbes. R. Dreier, Verfassungsinterpretation, S. 26, 37, in Anlehnung an Larenz, Bindung des Richters, S. 305 f.; ähnlich K. Hesse, Grundzüge, Rn. 66 ff.; speziell mit Blick auf die Interpretation von Art. 5 Abs. 3 GG zustimmend Dickert, Forschungsfreiheit, S. 131 f. 68 Vgl. zu dieser und ähnlicher Kritik etwa Böckenförde, Staatsrechtswissenschaft, S. 331: „anarchisch anmutender Methodenpluralismus“, und Suhr, Geselligkeit, S. 531: „Methodenfreistil“. 69 So für Art. 5 Abs. 3 GG ausdrücklich Freundlich, S. 76; implizit etwa Roellecke, Institutionelle Garantie, S. 727; Dickert, Forschungsfreiheit, S. 118, 132; a. A. Hail-
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Regel keine positive Bestimmung des Grundrechtsinhalts zu erreichen sein, doch ist der sprachlichen Fassung der Konkretisierungsrahmen zu entnehmen. Die Wortlautinterpretation „steckt gleichsam das Feld ab, auf dem sich die weitere Tätigkeit der Auslegung vollzieht“70. Sie umfasst eine grammatikalische Untersuchung sowie die Analyse der Wortbedeutungen.71 Die Mehr- oder Vieldeutigkeit eines Wortlauts steht seiner Bindungswirkung dabei nicht entgegen,72 sie eröffnet lediglich einen weitergehende Spielraum für die verfassungsrechtliche Schutzbereichsdefinition. Ebenso wenig vermag der Hinweis auf den politischen Ursprung jeder Verfassungsnorm und den Kompromisscharakter ihrer Formulierung den Wert einer Wortlautanalyse in Frage zu stellen.73 So berechtigt diese Einwände sind und so sehr sie einer Ableitung konkreter, positiver Grundrechtsinhalte allein aus dem Normtext entgegen stehen mögen, so wenig können sie der sprachlichen Fassung ihre begrenzende – vielfach freilich zugleich begrenzte – Aussagekraft nehmen. Andernfalls müsste der (Verfassungs-) Gesetzgeber gänzlich verstummen. Denn allein „das Wort ist das dem Gesetz zur Verfügung stehende Mittel, Sinngehalte mitzuteilen“ 74, die dann normative Wirkung entfalten.
bronner, Funktionsgrundrecht, S. 32 f., der die historische Auslegung angesichts ihrer „großen Bedeutung [. . .] für die Auslegung des Art. 5 Abs. 3 GG“ an den Anfang stellt. Vgl. generell zur Wortlautinterpretation im Rahmen der Verfassungsauslegung nur K. Hesse, Grundzüge, Rn. 68, und Müller/Christensen, Juristische Methodik, Rn. 351 ff. m. w. N. Allgemein zur semantischen Interpretation von Rechtsnormen etwa Koch/Rüßmann, Begründungslehre, S. 126 ff., und Wank, Begriffsbildung. 70 Larenz, Methodenlehre, S. 324, vgl. auch S. 343, 345. Für eine begrenzende Funktion des Wortlauts sprechen sich ferner etwa Schenke, Verfassung und Zeit, S. 588 f.; K. Hesse, Grundzüge, Rn. 47, 77; Müller/Christensen, Juristische Methodik, Rn. 445, 447, und ausführlich Depenheuer, Wortlaut, m. w. N., aus. A. A. etwa Wank, Rechtsfortbildung, S. 72, und Canaris, Systemdenken, S. 91 Fn. 23: Höherrangigkeit von „Sinn und Zweck“. Das BVerfG versteht den Wortlaut als prinzipielle, nicht aber absolute Grenze der Interpretation, vgl. ausdrücklich BVerfGE 97, 186, 196; ähnlich, wenngleich weniger eindeutig BVerfGE 32, 54, 72. Mit der Bestimmung des Wortlauts als Auslegungsgrenze ist freilich nicht gesagt, dass es dem Richter stets verwehrt wäre, diese Grenze zu überschreiten. Nur gelten für die jenseits des Wortlauts liegende Rechtsfortbildung andere Anforderungen, vgl. hierzu statt aller Larenz, Methodenlehre, S. 366 ff. m. w. N. Das BVerfG versteht die Verfassungsfortbildung als eine seiner vornehmsten Aufgaben, BVerfGE 6, 222, 240. 71 Für die Auslegung des Verfassungsrechts R. Dreier, Verfassungsinterpretation, S. 25; allgemein Bydlinski, Methodenlehre, S. 437; Engisch, Einführung, S. 94 Fn. 31. 72 Skeptisch gegenüber der Bindungswirkung des Verfassungswortlauts aufgrund seiner spezifischen Offenheit aber Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 267 ff. 73 So aber mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 GG Knies, Schranken der Kunstfreiheit, S. 65 f.; ihm folgend Knemeyer, Lehrfreiheit, S. 11 f.; ähnlich Thoma, Lehrfreiheit, S. 21; allgemein für den Grundrechtsabschnitt Losch, Wissenschaftsschranken, S. 180 f. m. w. N. 74 Menger/Erichsen, Höchstrichterliche Rechtsprechung, S. 80; ähnlich Koch/Rüßmann, Begründungslehre, S. 166 f., 179.
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1. Ambivalenz als Ausschlusskriterium – Die Aussagekraft der Grammatik75 Eine erste, unbefangene Betrachtung der Formulierung „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei“ mag die Annahme nahe legen, dass Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG die Freiheitlichkeit von vier unterschiedlichen Lebensbereichen schützt.76 Denn es ist grundsätzlich zu vermuten, dass die Verfassung mit der Verwendung mehrerer Begriffe jeweils besondere Regelungsbereiche erfassen will und keine entbehrlichen Normierungen enthält.77 Dem wird zu Recht entgegengehalten, dass die Aufteilung der vier Begriffe in zwei jeweils durch die Konjunktion „und“ verbundene Gruppen, die durch ein Komma voneinander getrennt sind, der Annahme einer rein additiven Verknüpfung entgegen steht. Denn eine solche Verbindung wird gemeinhin dadurch zum Ausdruck gebracht, dass allein das letzte Glied einer Aufzählung durch die Konjunktion „und“ angeschlossen ist und zwischen den übrigen Kommata stehen.78 Der Vermutung, die gegen Redundanz in der Verfassung spricht, kann zudem nicht allein über eine Differenzierung in vier Schutzbereiche Rechnung getragen werden. So hat man die Bedeutung der gesonderten Nennung von „Forschung und Lehre“ in der Vergangenheit beispielsweise in der Verankerung des Organisationsprinzips wissenschaftlicher Hochschulen im Sinne der idealistischen Universitätskonzeption gesehen und die Formel lediglich als Freiheitsgarantie für entbehrlich gehalten.79 75 Auch über den Gehalt der klassischen Auslegungscanones wurde bis heute keine Einigkeit erzielt. So verstehen manche Autoren Überlegungen, wie sie hier unter dem Stichwort der grammatischen Untersuchung ausgeführt werden, als Ergebnisse systematischer Interpretation, vgl. bspw. Knemeyer, Lehrfreiheit, S. 10 ff.; Beck, Lehrfreiheit an Schulen, S. 2 ff.; Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 54; Dickert, Forschungsfreiheit, S. 280 f. Inhaltliche Unterschiede folgen hieraus jedoch nicht. Nach Koch/Rüßmann, Begründungslehre, S. 166 ff., können die über die tradierten Auslegungsregeln weiterhin bestehenden Differenzen gar generell vernachlässigt werden. 76 So Perschel, Lehrfreiheit des Lehrers, S. 36, und Doehring, Staatsrecht, S. 316. Den bloßen Schein der Nebenordnung betont demgegenüber v. Münch, in: v. M/K, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 79: „fehlerhafter“ Eindruck, mithin „unguter“ Wortlaut. 77 Zu dieser interpretationsleitenden Vermutung gegen Redundanz in der Verfassung mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 GG Küchenhoff, Hochschulreform, S. 603; ihm folgend z. B. W. O. Schmitt, „Verfassungstreue“, S. 7, und jüngst A. Blankenagel, Ratlosigkeit, S. 103. 78 Vgl. Küchenhoff, Hochschulreform, S. 603; Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 23. Demgegenüber sieht Thoma, Lehrfreiheit, S. 21, die Verknüpfung durch eine Konjunktion statt durch ein Komma durch den sprachlichen Rhythmus begründet. 79 Köttgen, Grundrecht der Universität, S. 29; ders., Freiheit der Wissenschaft, S. 296; zustimmend Küchenhoff, Hochschulreform, S. 603; H. H. Klein, „Demokratisierung“, S. 29. Dezidiert gegen diese Interpretation des Wortlauts, i. Erg. – wonach Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG auch die Einheit von Forschung und Lehre garantiert – aber zustimmend Wussow, Einheit, S. 2 f. Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 22, 125 ff., hingegen stimmt der Bewertung des Wortlauts zu, differenziert aber i. Erg.; siehe zur Garantie der klassischen Organisationsform wissenschaftlicher Hochschulen durch Art. 5
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Die von den Verfassungsvätern für Art. 5 Abs. 3 GG gewählte grammatische Form ist mithin mehrdeutig.80 Sie gestattet in gleicher Weise die Interpretation als Garantie eines einheitlichen Freiheitsrechts wie die Differenzierung von zwei (Freiheit wissenschaftlicher Forschung und Freiheit wissenschaftlicher Lehre) oder drei unabhängigen Grundrechten (Wissenschafts-, Forschungs- und Lehrfreiheit81) – bzw. vier, wenn man die Kunst in die Betrachtung mit einbezieht. Ein Hinweis auf die innere Verbindung von Wissenschaft, Forschung und Lehre ist ihr nicht zu entnehmen. Sie erlaubt eine Deutung im Sinne der gegenseitigen Bedingtheit von Forschung und Lehre ebenso wie eine Auslegung im Sinne ihrer vollständigen Unabhängigkeit. Die gesonderte Nennung von „Forschung und Lehre“ kann als Evokation des idealistischen Universitätsverständnisses oder lediglich als Präzisierung des vorangestellten Begriffs der Wissenschaft verstanden werden, die Grammatik belegt oder widerlegt weder die eine noch die andere Interpretation. Mit der Bestätigung der Ambivalenz ist jedoch keine Bestätigung der wiederholt betonten82 Unergiebigkeit des Wortlauts verbunden. Aus seiner Mehrdeutigkeit auch hinsichtlich der Struktur der Freiheitsgarantie(n) können im Gegenteil zwei Schlussfolgerungen gezogen werden: Erstens verleiht die Weite des Konkretisierungsrahmens den verbleibenden Interpretationshilfen besonderes Gewicht. Zweitens und vor allem begründet sie erhebliche Zweifel an all jenen Konkretisierungsansätzen, die sich zur Begründung maßgeblich auf die grammatische Fassung von Art. 5 Abs. 3 GG berufen.83 2. Differenz von Intension und Definition – Die Wortbedeutungen Lässt die grammatische Verknüpfung der Begriffe Wissenschaft, Forschung und Lehre weiten Raum sowohl für eine Differenzierung wie für eine Integration der Schutzbereiche, so ist in einem nächsten Schritt zu fragen, ob eine semantische Interpretation84 diesen Konkretisierungsspielraum begrenzt. Abs. 3 GG ausführlich unten § 9 III. 1. J. Ipsen, Verfassungsrecht und Biotechnologie, S. 1382, wiederum interpretiert die Nennung von Forschung und Lehre als Hervorhebung der Bedeutung der Wissenschaftsfreiheit. 80 So auch Schlink, Grundgesetz, S. 246; Beck, Lehrfreiheit, S. 2 ff.; Dickert, Forschungsfreiheit, S. 164, und hinsichtlich der Verbindungen zwischen Forschung und Lehre Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 23. 81 Dass die Lehrfreiheit auch auf die Kunst bezogen ist, wie Mallmann, Kunsthochschulen, S. 264, vermutet, ist grammatisch ebenfalls nicht ausgeschlossen. Vgl. zur Kunst als materielle Determinante der Lehre i. Ü. aber unten § 7 I. 2. 82 Vgl. etwa Knemeyer, Lehrfreiheit, S. 10; Dickert, Forschungsfreiheit, S. 118, 216. Wie hier differenzierend zwischen Unklarheit und Offenheit hingegen Pieroth, Störung, S. 92. 83 So etwa Köttgen, Freiheit der Wissenschaft, S. 295 f.; ders., Grundrecht der Universität, S. 29, und Küchenhoff, Hochschulreform, S. 603.
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Wodurch ein sprachliches Zeichen seine Bedeutung, also seine Intension,85 erhält und wie diese festgestellt werden kann, ist in der Sprachphilosophie bis heute umstritten. Der semantische Intentionalismus, der wesentlich darauf abstellt, was ein Sprecher mit einem Zeichen meint,86 und der Konventionalismus, der den Gebrauch eines Zeichens in einer Sprachgemeinschaft als maßgeblich erachtet,87 markieren die beiden Pole der Auseinandersetzung.88 Im Folgenden soll mit der überwiegenden Meinung in der juristischen Literatur davon ausgegangen werden, dass sich die Intension eines Begriffes über seine Verwendung, also in Sprachkonventionen erschließt.89 „[D]ie Bedeutung eines Zeichens ist sein von der Sprachgemeinschaft als richtig akzeptiertes Verständnis. Was der Sprecher mit seiner Äußerung sagt, hängt davon ab, wie er nach Auffassung jeden potentiellen Zuhörers zu verstehen ist.“90
84 Einen semantischen Gehalt der Grundrechte als Rechtsregeln negiert generell Schlink, Abwägung, S. 195 ff., in Fortführung der von Podlech, Gehalt, S. 90, zu Art. 3 GG entwickelten These. Schlink stellt dabei jedoch nicht die Bedeutung der einzelnen sprachlichen Zeichen in Abrede, um die es an dieser Stelle der Untersuchung allein geht. 85 Während mit „Intension“ die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks bezeichnet wird, ist die Klasse der Gegenstände, auf die das sprachliche Zeichen qua seiner Intension anzuwenden ist, seine „Extension“. Hierzu grundlegend Carnap, Meaning and necessity, und Frege, Bedeutung; vgl. zur Geschichte dieser Unterscheidung etwa Weingartner, Wissenschaftstheorie, S. 117 ff. Zu Bedeutung und Anwendung der Differenzierung für den bzw. im juristischen Diskurs Koch/Rüßmann, Begründungslehre, S. 126 ff., S. 188 ff.; Wank, Begriffsbildung, S. 35 ff. 86 Siehe insbes. Grice, Intendieren; ders., Sprecher-Bedeutung, sowie die modifizierende Ausarbeitung seines Ansatzes durch Benennt, Bedeutungs-Nominalismus, und zur Einführung und Erläuterung die Beiträge in Grewendorf, Sprechakttheorie. 87 Grundlegend Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, Ziff. 509; hierzu z. B. E. v. Savigny, Normale Sprache, 1993, S. 15 ff., 24 ff., 36 ff., der sich zugleich eingehend mit den Einwänden des Intentionalismus auseinandersetzt. 88 Diese Auseinandersetzung kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht aufgegriffen werden, siehe zur Einführung etwa Koch/Rüßmann, Begründungslehre, S. 158 ff.; Prechtel, Sprachphilosophie, S. 59 ff., 163 ff., sowie den knappen Überblick bei Scholz, Verstehen, S. 258 ff. 89 Vgl. etwa Koch/Rüßmann, Begründungslehre, S. 162 f.; Stern, Staatsrecht III/2, § 95 II 2 b a, S. 1659 f.; Larenz, Methodenlehre, S. 320 ff.; Vogel, Methodik, S. 114 ff., und Zippelius, Methodenlehre, S. 19 ff., 46 f.; krit. etwa Wank, Begriffsbildung, S. 12 ff. – Die Etymologie der Begriffe ist demnach im vorliegenden Zusammenhang nicht relevant, vgl. insoweit etwa die Studien von Diemer, Wissenschaftsbegriff; Nischik, „Forscher“, und Boeters, Lehrer. 90 E. v. Savigny, Normale Sprache, 1974, S. 275. v. Savignys zwischenzeitliche Revision seiner Auffassung darüber, was eine „normale Sprache“, eine Gebrauchssprache ist (vgl. hierzu ders., Begriff der Sprache; ders., Normale Sprache, 1993), bleibt wohl ohne Einfluss auf sein Verständnis der Sprachkonvention, weshalb hier auf eine frühe, besonders prägnante Definition zurückgegriffen wird.
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a) Die theoretischen und praktischen Schwierigkeiten semantischer Interpretation Die Ermittlung der für den Konkretisierungsprozess relevanten Intensionen stellt den Juristen vor praktische wie theoretische Schwierigkeiten, die – entgegen ihrem grundsätzlichen Charakter, entsprechend der Bewältigung des methodischen Dilemmas – pragmatischen Lösungen zugeführt werden sollen. aa) Die „Lehnstuhl-Methode“ als Antwort auf praktische Schwierigkeiten Erhalten sprachliche Zeichen ihre Bedeutung über ihren Gebrauch, so sieht sich der Jurist regelmäßig dem praktischen Problem gegenüber, weder über das erforderliche theoretische Fundament noch über die finanziellen und personellen Ressourcen zu verfügen, die für eine empirische Bedeutungsforschung erforderlich wären.91 Als Ausweg soll hier die zum Teil als „Lehnstuhl-Methode“92 gebrandmarkte Vorgehensweise gewählt werden. Denn sie allein scheint es dem Juristen zu ermöglichen, den Wortsinn mit vertretbarem Aufwand zu ermitteln, ohne gleichzeitig den Rationalitätsanspruch ganz aufzugeben: Es sind danach Behauptungen über den geltenden Sprachgebrauch aufzustellen, ohne dass umfassende empirische Untersuchungen zu ihrer Fundierung durchgeführt wurden. Als Hilfsmittel zur Feststellung des allgemeinen Sprachgebrauchs dienen Wörterbücher und der aufgrund der eigenen Sprachkompetenz vermutete Gebrauch. Die juristischen Konventionen sind im Wege einer exemplarischen Untersuchung der Begriffsverwendungen in fachwissenschaftlichen Veröffentlichungen und Urteilen zu ermitteln.93 Dabei werden Definitionen von „Wissenschaft“, „Forschung“ und „Lehre“ i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG freilich keine Berücksichtigung finden. Denn diese sind Ergebnis eines Konkretisierungsprozesses nach juristischer Methode, der neben der semantischen Bedeutung etwa auch die Ergebnisse einer systematischen und historischen Analyse einbezieht. Sie können nicht zugleich seine Grundlage bilden.94 Die Intension ist demgegenüber das 91 Zu erkenntnistheoretischen Zweifeln an der Möglichkeit objektiver Bedeutungsforschung vgl. Zimmermann, Rechtsanwendung als Rechtsfortbildung, insbes. S. 35 ff. 92 Mates, Verifikation, S. 159 Fn. 5, in Auseinandersetzung mit Ryles und seiner Methode. Ausführlich zu Möglichkeiten, „Feststellung über die normale Sprache“ zu treffen, E. v. Savigny, Normale Sprache, 1993, S. 364 ff. 93 Zu dieser Vorgehensweise Koch/Rüßmann, Begründungslehre, S. 190 f.: „Die Willkürlichkeit, die ohne Zweifel in einem solchen Vorgehen steckt, wird durch die Möglichkeit gegenseitiger Korrektur im juristischen Meinungsaustausch und durch die Möglichkeit des Gesetzgebers [bzw. des Verfassungsgebers] gegebenenfalls [. . .] zu intervenieren, abgemildert.“ Krit. insoweit Wank, Begriffsbildung, S. 21 f. m. w. N. 94 Von der Definition ist wiederum die wissenschaftliche Begriffsexplikation zu unterscheiden, bei der es auf die intendierte Bedeutung ankommt, die damit ad hoc geschaffen werden kann und nur den Charakter eines Vorschlags hat. Ihr Ziel besteht
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Resultat der kulturellen Entwicklung in einer Sprachgemeinschaft.95 Sie bildet nur ein Element des Definitionsprozesses und ist nicht mit Hilfe der rechtswissenschaftlichen Auslegungscanones, sondern gemäß der Losung „Frage nicht nach der Bedeutung, frage nach dem Gebrauch“96 festzustellen. Sprachliche Intension und rechtliche Definition können mithin divergieren. Solange sich letztere im Rahmen der möglichen Bedeutungen bewegt,97 hat diese Divergenz nicht notwendig das Verdikt der Verfassungswidrigkeit zur Konsequenz. Doch bedarf die Definition in diesem Fall der besonderen Begründung und Rechtfertigung durch Erkenntnisse, die der sprachlichen Bedeutung widerstreiten und im Prozess der Verfassungskonkretisierung erheblich sind. bb) Erkenntnis durch Kontrast – Theoretische Schwierigkeiten als Erkenntniserleichterung Theoretische Schwierigkeiten bereitet die Ermittlung der für die Grundrechtsauslegung relevanten Intension(en) im Fall intertemporal inkonsistenter Bedeutungen oder bei einer Divergenz zwischen der Verwendung eines sprachlichen Zeichens in der Allgemeinheit und in einzelnen Personengruppen oder Kontexten. Die Bestimmung der für die Auslegung relevanten Konvention soll hier dahinstehen bis Differenzen festgestellt werden, die für die erkenntnisleitende Frage von Bedeutung sind. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass der Kontrast unterschiedlicher Verwendungen zu ihrer Klärung und Präzisierung beiträgt. Zugleich ermöglicht es dieses gutachterliche Vorgehen, auf vergangenen Intensionen aufbauende dogmatische Strukturen als solche zu identifizieren und auf ihre fortdauernde Berechtigung hin zu beleuchten. Konventionen der Entstehungszeit und der Geltungszeit sollen daher vergleichend betrachtet werden. Da der Verfassungsgeber mit „Wissenschaft“, „Forschung“ und „Lehre“ Begriffe des allgemeinen Sprachgebrauchs aufgreift und grundrechtliche Schutzbenicht in der Zusammenführung von gesetzlichen Normformulierungen und Sachverhaltsbeschreibungen, sondern in der Erschließung erkenntnistheoretischer Potentiale mittels der Ersetzung eines gängigen, aber unscharfen Konzepts durch ein neues, wissenschaftlich exakt definiertes, vgl. hierzu Carnap, Meaning and Necessity, § 2. 95 Aphoristisch insoweit Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, Ziff. 43, 509; ausdrücklich E. v. Savigny, Normale Sprache, 1993, S. 73 ff. 96 E. v. Savigny, Normale Sprache, 1974, S. 257. 97 Eine Pluralität von Bedeutungen kann sich aus der Mehrdeutigkeit eines Begriffes oder aus der Inkonsistenz von in der Zeit oder innerhalb der Gesellschaft variierenden Sprachkonventionen ergeben. „Im Rahmen des möglichen Wortsinns“ bewegt sich die definitorische Konkretisierung eines Verfassungsbegriffs, die jedenfalls eine der nach Abschluss der Wortlautanalyse als einschlägig verbliebenen Wortbedeutungen wählt, vgl. Koch/Rüßmann, Begründungslehre, S. 194. Mit dem Wortlaut vereinbare, aber rechtfertigungsbedürftige Diskrepanzen zwischen Intension und Definition entstehen so bspw., wenn eine juristische Definition nur einen Teil der Wortbedeutungen erfasst.
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1. Teil: Der Abschied von der Wissenschaftsfreiheit
reiche stets Ausschnitte realer Lebensverhältnisse beschreiben, ist zum einen ihre Verwendung im allgemeinen gesellschaftlichen Diskurs zu untersuchen. Jede Konvention jedoch ist kontextabhängig.98 Es ist also denkbar, dass ein der allgemeinen Sprache entlehnter Begriff im juristischen Kontext eine besondere Bedeutung erhält.99 Neben der allgemeinen entstehungs- und geltungszeitlichen Verwendung ist daher zum anderen der Gebrauch der drei Begriffe im juristischen Diskurs100 zu analysieren. b) Der entstehungszeitliche Sprachgebrauch Zur Zeit der Entstehung des Grundgesetzes und während der ersten Jahre nach seinem Inkrafttreten erhalten die Begriffe Wissenschaft, Forschung und Lehre im juristischen Diskurs eine andere Bedeutung als im allgemeinen Sprachgebrauch, wobei vor allem ihre Berührungspunkte differieren. aa) Wissenschaft In den Beratungen zum Grundgesetz, aber auch in den ersten Urteilen zu Art. 5 Abs. 3 GG bezeichnete „Wissenschaft“ (wenigstens) ein Zweifaches: die Gesamtheit der im Laufe der Zeit gewonnenen und strukturierten Erkenntnisse und das so errichtete Gedankengebäude einerseits101 und die beruflichen Tätigkeiten eines Universitätsprofessors andererseits102. In diesem letzteren Sinne wurde „Wissenschaft“ als Äquivalent sowohl für „Forschung“ als auch für 98 Auch der „allgemeine Sprachgebrauch“, der hier mit Hilfe der Wörterbücher der deutschen Sprache festgestellt werden soll, ist daher letztlich eine Fiktion, denn auch insoweit wäre nach Kontexten zu differenzieren. Der Verzicht hierauf ist, wie schon die „Lehnstuhl-Methode“, den praktischen Grenzen grundrechtsdogmatischer Arbeit geschuldet. 99 Vgl. zu den sich daraus ergebenden Anforderungen an eine semantische Interpretation Larenz, Methodenlehre, S. 321 ff.; Vogel, Methodik, S. 114 ff., und eingehend Wank, Begriffsbildung, S. 27 ff. m. w. N. 100 Dabei ist der „juristische Diskurs“ freilich ebenso wenig wie mit den rechtswissenschaftlichen oder gerichtlichen Bemühungen um Begriffsdefinitionen mit dem „Diskurs der Juristen“ zu verwechseln. Entscheidend ist allein die Verwendung im rechtswissenschaftlichen Kontext. 101 Diese Bedeutung legt die Rede von der „Lehre der Wissenschaft“ (vgl. etwa Greve in der 43. Sitzung des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 547) oder der „Wissenschaft und ihrer Lehre“ (vgl. die Formulierungen des Grundrechts im Herrenchiemseer Entwurf [Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, S. 63] bis zur 3. Lesung im HA [Parlamentarischer Rat, Entwürfe, S. 2, 18, 43, 87, 121]; des Weiteren Friesenhahn, Staatsrechtslehrer, passim; Thoma, Lehrfreiheit, v. a. S. 28) nahe, aber auch die Formulierung von BVerfGE 5, 85, 145: „Soweit es sich hierbei um wissenschaftliche Erkenntnisse, um Wissenschaft im Sinne des Art. 5 Abs. 3 GG handelt, ist diese Wissenschaft selbstverständlich frei, sie kann vorgetragen, gelehrt, weiterentwickelt, allerdings auch diskutiert und bekämpft werden. [. . .] ihr [. . .] Wahrheitsgehalt kann der Beurteilung eines Gerichts nicht unterliegen.“
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„Lehre“ sowie zur Bezugnahme auf beide Tätigkeiten verwendet.103 Begrenzung und Kontur erhielt der Begriff in erster Linie über das Bild der Universität, das seine Erwähnung grundsätzlich evozierte.104 Insgesamt aber blieb „Wissenschaft“ als sprachliches Zeichen innerhalb des juristischen Diskurses schillernd und verwies auf keinen fest umrissenen Tätigkeits- oder Gegenstandsbereich. Auch der allgemeine Sprachgebrauch nahm mit der „Wissenschaft“ zum einen auf die Einheit bzw. die geordnete Gesamtheit der Erkenntnisse Bezug.105 Zum anderen wurde der Begriff zur Bezeichnung einer Vielzahl nicht genauer bestimmter Tätigkeiten und Institutionen verwendet, denen als Ziel die Erkenntnis „gesetzmäßiger Zusammenhänge“106 gemeinsam ist.107 Dieser letzteren Charakterisierung entsprechend wurden „Wissenschaft“ und „Forschung“ im allgemeinen, anders als im juristischen Diskurs bereits während der ersten Jahre der Bundesrepublik weitgehend identifiziert, jedenfalls als sinnverwandte Zeichen gebraucht.108 Eine Verbindung zwischen „Wissenschaft“ und „Lehre“, wie 102 Dies lassen etwa die Beiträge von Heuss und Menzel im Zusammenhang der Diskussionen des Parlamentarischen Rates erkennen, Stenographische Berichte, S. 176, 204; diese Intension aufgreifend Kimminich, Gruppenuniversität, S. 198 ff. 103 Vgl. zur Identifikation mit der Forschung etwa BVerfGE 5, 85, 146; zur Ineinssetzung von Wissenschaft und Lehre z. B. den Beitrag von Schmidt in den Diskussionen des Parlamentarischen Rates, Stenographische Berichte, S. 176, und Köttgen, Freiheit der Wissenschaft, S. 304, sowie die Beobachtungen von Beck, Lehrfreiheit an Schulen, S. 23 ff., S. 34; exemplarisch für den Sprachgebrauch der Zeit auch Raiser, Universität im Staat, insbes. S. 17. In seiner Analyse des Sprachgebrauchs i. Erg. wie hier Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 55. 104 Zur Hochschulzentrierung des Wissenschaftsverständnisses im ersten Jahrzehnt nach Erlass des Grundgesetzes Bull, Staatlich geförderte Forschung, S. 35, und Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 56. Die Treueklausel etwa, die mit der Lehre nach damaligem Verständnis ein Element der Wissenschaft aufgreift, wurde dementsprechend mit den besonderen Loyalitätspflichten des beamteten Hochschullehrers begründet, obwohl sie keine ausdrückliche Begrenzung auf die Universität enthielt, vgl. etwa Thoma, Lehrfreiheit, S. 26 f. Zu den Hintergründen dieser Begrenzung z. B. Beck, Lehrfreiheit an Schulen, S. 23 ff. 105 Brockhaus, Sprach-Brockhaus, S. 734: „geordnetes, folgerichtig aufgebautes, in sich zusammenhängendes Gebiet von Erkenntnissen“; Köster, Lexikon der deutschen Sprache, S. 986; weniger eindeutig Grebe/Streitberg, Duden, S. 737. Diemer, Wissenschaft, S. 20, hat insofern vom allgemeinen „theoretischen Wissenschaftsbegriff“ gesprochen. 106 So die Formulierung der Akademie der Wissenschaften, Deutsches Wörterbuch, S. 797. 107 Vgl. Köster, Lexikon der deutschen Sprache, S. 986: „[. . .] Erkenntnisse auf einem Wissensgebiet und entsprechende Institutionen, Personen, Methoden; Gesamtheit aller entsprechenden Bestrebungen, Forschungen“; vergleichbar Grebe/Streitberg, Duden, S. 737; Akademie der Wissenschaften, Deutsches Wörterbuch, S. 797. Diemer, Wissenschaft, S. 20, erkennt in der allgemeinen Begriffsverwendung eine genauere Differenzierung zwischen dem „Kulturbegriff“ der Wissenschaft, der auf das Gesamt des wissenschaftlichen Betriebes, also auf die institutionelle Dimension verweist, und dem „anthropologischen Begriff“, mit dem spezifische menschliche Tätigkeiten bezeichnet werden.
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sie der juristische Diskurs kannte, weisen die Wörterbücher demgegenüber nicht nach. Auch der enge Bezug zur Universität fehlte.109, 110 bb) Lehre Wie der Wissenschaftsbegriff, so besaß auch der Begriff der Lehre in beiden Sprachkonventionen mehrere Bedeutungen. Die juristischen Beiträge der Entstehungszeit lassen wenigstens zwei Verwendungsmöglichkeiten erkennen. So bezeichnete „Lehre“ einerseits ein bestimmtes Dogma, eine These, ein wissenschaftliches Lehrgebäude.111 Andererseits verwies der Begriff auf die Tätigkeit der Übermittlung, Darstellung, Verkündung der Wissenschaft i. S. d. Gesamtheit aller gewonnenen Erkenntnisse, vor allem an der Universität.112 Die pädagogische Aufbereitung, die spezielle Axiomatisierung von Lehrinhalten und -formen, die man heute als ein wesentliches Kennzeichen von „Lehre“ versteht,113 wurde damit jedoch nicht angesprochen.114
108 Vgl. Akademie der Wissenschaften, Deutsches Wörterbuch, S. 797; Köster, Lexikon der deutschen Sprache, S. 986, und umgekehrt zur Wissenschaft als Synonym der Forschung Brockhaus, Sprach-Brockhaus, S. 188; A. Weber, Treffender, Nr. 527. 109 Ein insoweit abweichendes Sprachempfinden liegt der Argumentation von Schumacher, Wissenschaftsbegriff, S. 51 ff., zugrunde. 110 Daneben sind zwei weitere Unterschiede zwischen dem allgemeinen und dem juristischen Gebrauch von „Wissenschaft“ auszumachen, die im vorliegenden Zusammenhang aber kaum Relevanz entfalten: Zum einen hat der Begriff in den allgemeinen Konventionen, seiner Etymologie entsprechend, noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts die Bedeutung „erworbene Kenntnis“, „erlangtes Wissen“ bewahrt, vgl. etwa Brockhaus, Sprach-Brockhaus, S. 734; Köster, Lexikon der deutschen Sprache, S. 986. Zum anderen hat „sich wissenschaft [. . .] in raschem anstieg von der einstigen bedeutung einer bloszen kunde, kenntnis zur jetzigen würde erhoben“, Akademie der Wissenschaften, Deutsches Wörterbuch, S. 798. Mit „Wissenschaft“ und „wissenschaftlich“ werden im allgemeinen Sprachgebrauch auch bestimmte Qualitäten benannt: „wissenschaft ist masz für den wahrheits- und wertgehalt eines Erkenntniszusammenhangs geworden“, Akademie der Wissenschaften, a. a. O., S. 797. Wissenschaftliche Sachverhalte zeichnen sich durch einen besonderen Schwierigkeitsgrad aus, wissenschaftliches Arbeiten ist ernsthaft, gewissenhaft, exakt und fachmännisch, vgl. A. Weber, Treffender, Wörterverzeichnis „wissenschaftlich“ i. V. m. Nr. 474; Klappenbach/ Steinitz, Wörterbuch, Bd. 2, S. 1349; Köster, ebd. 111 Dies macht insbesondere die alternative Verwendung von „Lehrmeinung“ als sprachliches Zeichen deutlich, so etwa BVerfGE 3, 58, 151; 5, 85, 146; vgl. auch Thoma, Lehrfreiheit, S. 13. 112 Vgl. insoweit die oben in Fn. 101, S. 56, nachgewiesenen Formulierungen „Lehre der Wissenschaft“ sowie „Wissenschaft und ihre Lehre“; zum universitätszentrierten Verständnis speziell der Lehre Hufen, Freiheit der Kunst, S. 156. 113 S. u. § 3 I. 2. c) bb) mit Fn. 128, S. 62. 114 So unterscheidet etwa Thoma, Lehrfreiheit, S. 21, zwischen dem Lehramt und dem Erziehungsamt des Hochschullehrers, wobei der letztere Begriff u. a. auf die Anleitung zum wissenschaftlichen Arbeiten verweist. Diese hält er zwar für mit der Lehre vereinbar oder z. T. sogar verbunden, aber doch für grds. von ihr unterschieden;
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Im allgemeinen Sprachgebrauch wurde „Lehre“ demgegenüber schon zur damaligen Zeit als Bezeichnung für eine Ausbildung, eine Unterweisung oder Unterrichtung verwendet, also für eine an den Interessen und Bedürfnissen der Lernenden orientierte Aufbereitung von Lehrinhalten.115 Zudem bezeichnete der Begriff wie im juristischen Kontext eine bestimmte inhaltliche Position.116 Anders als die „Wissenschaft“ assoziierte man die „Lehre“ überdies auch im allgemeinen Diskurs mit der Universität – wenngleich nur vereinzelt und an nachgeordneter Stelle.117 cc) Forschung Vom Begriff der Lehre wurde in beiden Sprachkonventionen die „Forschung“ klar unterschieden. Hiermit bezeichnete man alle Tätigkeiten im Dienste der Erkenntniserweiterung.118 Die Verbreitung forschend gewonnener Erkenntnis unterfiel in der juristischen Sprachkonvention hingegen dem Begriff der Lehre, unabhängig von Adressat und Medium.119 „Lehre“ und „Forschung“ sind damit in ihrer Abgrenzung zueinander eindeutig, ihr Verhältnis zum Begriff der Wissenschaft jedoch bleibt im juristischen Diskurs unklar.
ähnlich Köttgen, Grundrecht der Universität, S. 29, der „Lehre“ und „Ausbildung“ als Antonyme verwendet. 115 Vgl. etwa A. Weber, Treffender, Nr. 833: Anleitung, Einführung, Anweisung, Lehrzeit; ähnlich Grebe/Streitberg, Duden, S. 353; Klappenbach/Steinitz, Wörterbuch, Bd. 3, S. 2337. 116 Vgl. z. B. Grebe/Streitberg, Duden, S. 353; Klappenbach/Steinitz, Wörterbuch, Bd. 3, S. 2337; Köster, Lexikon der deutschen Sprache, S. 554 f. – Für den vorliegenden Zusammenhang bleibt es ohne Bedeutung, dass unter einer „Lehre“ überdies eine Erfahrung verstanden wurde, vgl. A. Weber, Treffender, Nr. 833; Grebe/Streitberg, ebd.; Klappenbach/Steinitz, ebd. 117 So werden etwa „Dozent, Professor“ als Synonyme für „Lehrer“ aufgeführt, „dozieren, lesen“ entsprechend als Synonyme für „lehren“, vgl. A. Weber, Treffender, Nr. 835, 834, oder der Begriff Lehrer mit „akademischer Lehrer“ erläutert, Klappenbach/Steinitz, Bd. 3, Wörterbuch, S. 2337. 118 Vgl. zum juristischen Sprachgebrauch insofern etwa Gerber, Lehrfreiheit, S. 313; Thieme, Hochschulrecht, 1956, S. 14; Raiser, Universität im Staat, S. 14; Köttgen, Freiheit der Wissenschaft, S. 296 f.; zum allgemeinen Sprachgebrauch Klappenbach/ Steinitz, Wörterbuch, Bd. 2, S. 1349; Köster, Lexikon der deutschen Sprache, S. 333. Im juristischen Kontext denkt man dabei lediglich an die Erweiterung der Erkenntnisse in einer der wissenschaftlichen Disziplinen, im allgemeinen Sprachgebrauch findet das Verb „forschen“ darüber hinaus eine dem Verb „suchen“ vergleichbare Verwendung, vgl. etwa A. Weber, Treffender, Nr. 526; Grebe/Streitberg, Duden, S. 210 f. Vgl. zur Bedeutungsentwicklung von „Forschung“ auch Bode, Zuständigkeit, S. 5 f. 119 Vgl. die Verwendung des Lehrbegriffs in den Diskussionen der Treueklausel, hierzu Matz, Entstehungsgeschichte, S. 89 ff., und etwa bei Thoma, Lehrfreiheit, z. B. S. 26; Wehrhahn, Verfassungstreue, S. 12 f. und passim; Köttgen, Freiheit der Wissenschaft, S. 299.
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Der allgemeine Sprachgebrauch war insoweit präziser: „Forschung“ und „Wissenschaft“ identifizierte man weitgehend,120 während „Lehre“ und „Wissenschaft“ grundsätzlich zur Bezeichnung unterschiedlicher Handlungen oder Sachverhalte verwendet wurden.121 c) Der geltungszeitliche Sprachgebrauch Einen grundlegenden Bedeutungswandel haben die drei Begriffe während der vergangenen fünfzig Jahre weder im juristischen noch im allgemeinen Sprachgebrauch erfahren. Doch haben sich die Verwendungen soweit angenähert, dass man jetzt von im Grundsatz einheitlichen Konventionen sprechen kann. aa) Wissenschaft Das Bild der Universität ist heute nur noch eine von vielen institutionellen Vorstellungen, die vor dem inneren Auge erscheinen, wenn im juristischen Diskurs von der „Wissenschaft“ die Rede ist. Der Begriff behält seine organisatorische Komponente, doch wird er als Verweis auf ein komplexes Geflecht unterschiedlicher privater und staatlicher Einrichtungen verwendet.122 Dies gilt im Prinzip auch für den allgemeinen Sprachgebrauch, wenngleich hier mit der „Wissenschaft“ primär Forschungsinstitutionen angesprochen werden.123 Im juristischen Kontext ist heute zudem die Identifikation der handlungsbezogenen Dimensionen von „Wissenschaft“ und „Forschung“ zu beobachten, die in der Vergangenheit nur der allgemeine Sprachgebrauch kannte. Die rechtswissenschaftliche Literatur verwendet den Begriff der Wissenschaft beinah regelmäßig als Synonym für „Forschung“, nicht länger jedoch als Entsprechung für „Lehre“.124 Vor diesem Hintergrund erscheint es nur folgerichtig, dass zwar weiterhin von „wissenschaftlicher Lehre“, aber nur noch wesentlich seltener 120
Vgl. die Nw. oben in Fn. 108, S. 58. Siehe etwa Brockhaus, Sprach-Brockhaus, einerseits S. 396, andereseits S. 770; Köster, Lexikon der deutschen Sprache, einerseits S. 554 f., andererseits S. 986. 122 Vgl. etwa Groß, Autonomie der Wissenschaft, S. 23; ders., Wissenschaftsrecht, S. 312, 321; Schulze-Fielitz, Freiheit der Wissenschaft, Rn. 19 f.; Schmidt-Aßmann, Wissenschaftsplanung, S. 658. 123 Die Wörterbücher des allgemeinen Sprachgebrauchs weisen diese Bedeutung nicht nach. Dem von der Verfasserin vermuteten Sprachgebrauch entspricht jedoch die Verwendung bspw. in den Veröffentlichungen des BMBF (vgl. etwa die Pressemitteilungen 154/2000, 175/2001 oder 138/2004) sowie der Landesministerien für Wissenschaft und Forschung (vgl. z. B. das Strategiepapier zur Forschungspolitik des MWK BW vom März 2000, insbes. S. 91, die Rede der Thüringer Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst vor dem Thür. Landtag am 23.08.2002 oder die Pressemitteilungen des MWF NRW vom 11.04.2003 und 24.11.2003). Der engere Bezug zu Forschungseinrichtungen ist wohl Konsequenz der schon in der Vergangenheit synonymen Verwendung von „Wissenschaft“ und „Forschung“. 121
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von „wissenschaftlicher Forschung“ gesprochen wird.125 In beiden Konventionen verweist die Wissenschaft zudem weiterhin auch auf eine Gesamtheit von Erkenntnissen.126 Wesentliche Differenzen zwischen der Verwendung im allgemein gesellschaftlichen und im rechtswissenschaftlichen Sprachgebrauch bestehen mithin nicht mehr.127 bb) Lehre Der Begriff der Lehre kennzeichnet heute im juristischen Kontext die didaktisch aufbereitete und an Ausbildungszielen orientierte Vermittlung von Kennt124 Besonders augenfällig bei Oppermann, Freiheit, Rn. 10, der von dem „Wissenschafts(Forschungs)begriff“ spricht, und A. Blankenagel, Ratlosigkeit, S. 94 („jene methodische Suche nach Wahrheit, die wir Forschung oder Wissenschaft nennen“); vgl. des Weiteren statt vieler Schmidt-Aßmann, Organisationsgrundrecht, S. 698; Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 104; Ossenbühl, Wissenschaftsfreiheit und Gesetzgebung, S. 507. Eine entsprechende Verwendung findet sich auch schon im Sondervotum zum Hochschulurteil, vgl. BVerfGE 35, 79/148, 157. Siehe zur Verwendung im allgemeinen Sprachgebrauch etwa Dudenredaktion, Wörterbuch, Bd. 10, S. 4538 i. G. z. S. 4539; Weber/Morell, Treffender, Nr. 636, Nr. 1919 i. G. z. Nr. 1033 ff.; Görner/ Kempcke, Synonyme, S. 296, 784 i. G. z. S. 459. 125 Vgl. etwa Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 28 einerseits, Rn. 47 andererseits; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 30 einerseits, Rn. 32 andererseits, sowie § 4 Abs. 2, 3 HRG, der zwar von „wissenschaftlichen Lehrmeinungen“ spricht, die Forschungsergebnisse aber nicht als „wissenschaftliche“ qualifiziert. Auch die Kommentierungen der Art. 74 Abs. 1 Nr. 13, 91b GG, welche die Bundeskompetenzen zur Förderung „der wissenschaftlichen Forschung“ begründen, verwenden diese Formel in ihren Erläuterungen überwiegend nicht und setzen „wissenschaftliche Forschung“ mit „Forschung“ gleich, siehe statt vieler Stettner, in: Dreier, GG, Art. 74 Rn. 70; Heun, in: Dreier, GG, Art. 91b Rn. 11. „Folgerichtig“ ist diese Verwendung der Begriffe insofern, als sich die Wendung „wissenschaftliche Forschung“ mit der semantischen Annäherung ihrer Elemente zur Tautologie entwickelt. Anwendung findet sie vereinzelt noch bei der Abgrenzung verschiedener Forschungstypen, vgl. etwa Maunz, in: M/D, GG, Art. 74 Rn. 178 f.; ders., in: M/D, GG, Art. 91b Rn. 32; Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 326 f. Für den allgemeinen Sprachgebrauch weisen die Wörterbücher die Wendung „wissenschaftlich arbeiten“ nach, nur ausnahmsweise aber findet sich die „wissenschaftliche Forschung“, vgl. etwa Dudenredaktion, Wörterbuch, Bd. 10, S. 4539, Bd. 3, S. 1288; dies., Stilwörterbuch, S. 935; Weber/Morell, Treffender, Nr. 636. 126 Siehe für den allgemeinen Sprachgebrauch Dudenredaktion, Wörterbuch, Bd. 10, S. 4539; dies., Stilwörterbuch, S. 935; Weber/Morell, Treffender, Nr. 1918; zur Verwendung im juristischen Kontext etwa Schulze-Fielitz, Freiheit der Wissenschaft, Rn. 13; Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 18; BVerfGE 90, 1, 13; vgl. auch Bleckmann, Staatsrecht II, Rn. 123. 127 Den Wörterbüchern der deutschen Sprache zufolge bestehen Unterschiede zwischen juristischem und allgemeinem Sprachgebrauch insofern fort, als letzterer das Wort „Wissenschaft“ weiterhin auch zur Bezeichnung persönlicher Kenntnisse, „jemandes Wissen in einer bestimmten Angelegenheit“ (Dudenredaktion, Wörterbuch, Bd. 10, S. 4538; vergleichbar Weber/Morell, Treffender, Nr. 1918) verwendet. Insofern divergieren das institutionalisierte und das Sprachempfinden der Verfasserin, demzufolge der Begriff mit dieser Bedeutung heute praktisch nicht mehr verwendet wird.
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nissen und Fertigkeiten. Hochschulausbildung und Hochschullehre verweisen auf denselben Gegenstand: die Vermittlung von wissenschaftlichen Inhalten und Arbeitstechniken durch Professoren an Studenten.128 Der Verkündung oder Verbreitung von Ergebnissen eigener Forschung werden hingegen „Veröffentlichung“, „Publikation“ oder „Vortrag“ als von der „Lehre“ zu differenzierende sprachliche Zeichen zugeordnet.129 Hat sich der juristische Diskurs dem allgemeinen insoweit angenähert, so zeigt doch auch letzterer Veränderungen, welche die zur Entstehungszeit existierenden Divergenzen zwischen beiden Konventionen praktisch aufheben:130 Der zuvor nur im juristischen Sprachgebrauch enge Bezug der „Lehre“ zur Hochschule ist heute auch im allgemeinen Diskurs zu beobachten. Das Substantiv „Lehre“ erläutern die Wörterbücher u. a. als „das Lehren (besonders an Hochschulen)“131, für das Verb weisen sie sogar in erster Linie die Vermittlung von Kenntnissen an einer Hochschule als Bedeutung nach132. Demgegenüber wird an Schulen regelmäßig nicht mehr „gelehrt“, sondern „unterrichtet“.133 Beide Sprachgemeinschaften verwenden den Begriff der Lehre überdies weiterhin zur Kennzeichnung einer These oder Theorie.134
128 Dass die pädagogische Aufbereitung zu den Kennzeichen der „Lehre“ gehört, zeigt etwa die implizite Anerkennung der Vermittlungsleistung als Maßstab für die Qualität der Lehre: Zwar erheben sich viele Stimmen gegen die Evaluation der Lehre. Sie wenden sich gegen die Messbarkeit der Vermittlungsleistung, sehen sie durch Art. 5 Abs. 3 GG der Bewertung entzogen, oder bestreiten die studentische Beurteilungskompetenz, vgl. etwa Kuhlen, Evaluation, v. a. S. 186 ff.; Krüger, Lehre, S. 319 ff.; Schachtschneider/Beyer, Verfassungsmäßigkeit einer Lehrevaluation, S. 171 ff. Doch stellen ihre Beiträge nicht in Frage, dass die didaktischen Regeln folgende Auswahl von Inhalten und Methoden der „Lehre“ inhärent ist, dass die Ausbildungseignung also aus semantischer Perspektive einen ihrer konstitutiven Bestandteile bildet. Eine entsprechende Intension hat „Lehre“ auch in BVerwGE 105, 73, 82 f. 129 Vgl. etwa Steinfort, Veröffentlichungsfreiheit, neben dem Titel etwa S. 23; Classen, Wissenschaftsfreiheit, z. B. S. 89, 160; zu Publikation und Veröffentlichung als von Forschung und Lehre zu unterscheidende spezifische wissenschaftliche Handlungsformen auch Trute, Institutionalisierung, S. 113. 130 Eine Abweichung besteht insofern, als die „Lehre“ im allgemeinen, anders als im juristischen Diskurs auch auf die „Ausbildung für einen handwerklichen Beruf“ verweist, vgl. Dudenredaktion, Wörterbuch, Bd. 5, S. 2389; dies., Stilwörterbuch, S. 507. 131 Dudenredaktion, Wörterbuch, S. 2389; ebenso dies., Stilwörterbuch, S. 507. 132 Dudenredaktion, Wörterbuch, Bd. 5, S. 2391; Görner/Kempcke, Synonyme, S. 459; vgl. auch Weber/Morell, Treffender, Nr. 1035. 133 Zur Zeit der erstmaligen Verbürgung des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit waren beide Begriffe demgegenüber noch synonym verwendet worden: Die mit dem Entwurf der Grundrechte von der Nationalversammlung beauftragte „Vorcommission“ hatte die „Freiheit der Wissenschaft und ihre Verbreitung durch den Unterricht“ gefordert. Mehr als eine stilistische Änderung war mit der Formulierung des § 152 FRV, der die Freiheit „der Wissenschaft und ihrer Lehre“ verbürgte, wohl nicht verbunden, so auch Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 4.
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cc) Forschung Verglichen mit „Wissenschaft“ und „Lehre“ erweist sich die „Forschung“ im allgemeinen wie im juristischen Sprachgebrauch als Begriff mit konstanter Bedeutung. Er bezeichnet alle Bemühungen um Erkenntniserweiterung.135 Eine institutionelle Komponente kennt er hingegen nicht. Die im allgemeinen Sprachgebrauch bereits in der Vergangenheit zu beobachtende weitgehende Austauschbarkeit mit dem Begriff der Wissenschaft in seiner handlungsbezogenen Dimension ist nun auch in juristischen Beiträgen zu verzeichnen.136 Sie ist jedoch nicht Ergebnis einer Veränderung der Intensionen von „Forschung“, sondern Folge einer Eingrenzung der Bedeutungen von „Wissenschaft“. d) Die Maßgeblichkeit des geltungszeitlichen Sprachgebrauchs Die damit offen gelegte Inkonsistenz von entstehungszeitlichem und zeitgenössischem Sprachgebrauch, die insbesondere das Verhältnis von „Wissenschaft“ zu „Forschung“ und „Lehre“ sowie die Handlungsdimension von „Lehre“ betrifft, gestattet der Frage nach dem Zeitpunkt, auf den für die Bestimmung der Intensionen abzustellen ist, keinen weiteren Aufschub. Hinter ihr steht der Streit zwischen subjektiver und objektiver Theorie,137 also die Frage, ob Ziel der Gesetzesauslegung „der vormalige und einmalige ,Wille‘ des histo134 Vgl. für den allgemeinen Sprachgebrauch etwa Dudenredaktion, Wörterbuch, Bd. 5, S. 2389; dies., Stilwörterbuch, S. 507; Weber/Morell, Treffender, Nr. 1033; für den juristischen Sprachgebrauch etwa H. Dreier, Dimensionen, S. 47; Trute, Institutionalisierung, z. B. S. 131; Kahl, Vom weiten Schutzbereich, S. 177, Überschrift zu III. 135 Siehe exemplarisch für den allgemeinen Sprachgebrauch Dudenredaktion, Wörterbuch, Bd. 3, S. 1288; Weber/Morell, Treffender, Nr. 635, und für den juristischen Sprachgebrauch nur Schulze-Fielitz, Freiheit der Wissenschaft, Rn. 14; Kleindiek, Risikogesellschaft, S. 109. – Die Publikation der Forschungsergebnisse hingegen erfasst der Begriff nicht. Seine semantische Bedeutung unterscheidet sich damit v. a. von jenen Definitionen der Forschung i. S. d. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG, die ihr auch die Veröffentlichung der Ergebnisse zurechnen, vgl. etwa BVerfGE 35, 79, 113; Scholz, in: M/ D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 110; Steinfort, Veröffentlichungsfreiheit, S. 22 f.; Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 75. 136 Vgl. die Nw. oben in Fn. 124, S. 61. 137 Entgegen Koch/Rüßmann, Begründungslehre, S. 178 f., erübrigt sich eine Entscheidung dieser Streitfrage nicht mit der Etablierung einer Rangordnung der Auslegungsmittel. Denn wie der vorliegende Fall zeigt, entkommt auch die Anwendung hierarchisierter Auslegungsmittel der Gegenüberstellung Subjektivismus – Objektivismus nicht grundsätzlich. Freilich führt der Vorrang einer Position nicht zur vollständigen Ausblendung der Argumente der Gegenseite. Innerhalb eines Konkretisierungskorridors bleiben sie sowohl berücksichtigungsfähig wie -pflichtig, so dass zusätzlich eine Gewichtung der einzelnen für die Konkretisierung relevanten Aspekte erforderlich werden kann, vgl. R. Dreier, Verfassungsinterpretation, S. 25; Engisch, Einführung, S. 124 f.; i. Erg. ähnlich auch Bydlinski, Methodenlehre, S. 430 f., 436; a. A. Müller/ Christensen, Juristische Methodik, Rn. 429 ff. Insoweit wurde oben, § 2 II. 2., bereits auf die besondere Bedeutung der teleologischen Auslegung hingewiesen.
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rischen Gesetzgebers [ist], [. . .] oder [. . .] der sachliche Gehalt des Gesetzes in ihm selbst und in seinen ,Worten‘ [ruht], als ,Wille des Gesetzes‘, als objektiver Sinn, der [. . .] notfalls frei beweglich, entwicklungsfähig [ist]“.138 Das der Arbeit zugrunde gelegte Verständnis der Verfassungsauslegung als strukturierter, aber schöpferischer Prozess lässt bereits erkennen, dass es nicht Ziel der Interpretation ist, die Absichten der Verfassungsväter zu ermitteln und festzuschreiben. Die Konkretisierung der Grundrechtsnormen soll vielmehr deren objektiven Gehalt unter gewandelten Problemlagen sowie Wert- und Ordnungsvorstellungen zur Geltung bringen.139 Von den zur Begründung dieser objektivistischen Positionen regelmäßig vorgetragenen Argumenten wird hier dem so genannten „Ergänzungsargument“140 maßgebliche Bedeutung beigemessen: Als Bestandteil einer sich ständig wandelnden Rechtsordnung, als Regelung von im Fluss befindlichen und dem historischen Gesetzgeber unbekannten Lebenssachverhalten wächst die Regelung über den Willen des Gesetzgebers hinaus.141 Die 138 So die Formulierung der „zentralen Problematik der juristischen Auslegungstheorie“ durch Engisch, Einführung, S. 112; ebenso mit Blick auf die Auslegungspraxis, theoretisch aber weiter differenzierend R. Dreier, Verfassungsinterpretation, S. 24; beobachtend Bydlinski, Methodenlehre, S. 428 f. – Der Streit zwischen objektiver und subjektiver Theorie kann an dieser Stelle weder aufbereitet noch ausgetragen werden. Angesichts seiner bereits umfänglichen Erörterungen in der Lit. und seiner konstitutionellen Unabgeschlossenheit scheint dies jedoch auch nicht erforderlich; vgl. zur Einführung bspw. Engisch, a. a. O., S. 108 ff. m. w. N., und ergänzend Stein, in: Denninger u. a., GG, Einleitung II Rn. 9 ff. 139 Dies entspricht der h. M. in Lit. und Rspr., vgl. für die Verfassungsinterpretation etwa Schneider, Verfassungsinterpretation, S. 6 ff. sowie Leitsatz II. 2; K. Hesse, Grundzüge, Rn. 60 ff.; v. Münch, in: v. M/K, GG, Vorb. Art. 1–19 Rn. 50; Stein, in: Denninger u. a., GG, Einleitung II Rn. 10; allgemein für die Gesetzesauslegung etwa Bydlinski, Methodenlehre, S. 436; Zippelius, Methodenlehre, S. 24 ff.; beobachtend Würtenberger, Zeitgeist und Recht, S. 171 ff. A. A. bspw. Larenz, Methodenlehre, S. 316 ff.; Engisch, Einführung, S. 123 Fn. 47, und aufbauend auf dem Verständnis des Rechts als autopoietisches System, auf der Positivität des Rechts und der daraus abgeleiteten „Allmacht des rechtsetzerischen Willens“ Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, S. 332 ff., 349 ff. Das BVerfG vertritt ebenfalls eine objektivistische Position, st. Rspr. seit BVerfGE 1, 299 (312), vgl. etwa BVerfGE 11, 126 (130); 28, 243 (259); 33, 265 (294), und jüngst BVerfG, NVwZ-RR 2002, S. 118; zu den Zweifeln, die sich insoweit aus der Wortwahl des BVerfG ergeben könnten, Koch/Rüßmann, Begründungslehre, S. 177 f. 140 Heck, Gesetzesauslegung, S. 77. In Verteidigung der subjektiven Theorie hat Heck, a. a. O., S. 77 ff. m. w. N., vier „klassische“ Argumente objektivistischer Positionen identifiziert und kritisiert: Neben das „Ergänzungsargument“ treten das „Formargument“ (Nur der dem Gesetz selbst innewohnende Geist, nicht die den Rechtssatz begleitende Vorstellung, ist formgerecht in Erscheinung getreten und damit legalisiert), das „Vertrauensargument“ (Die Adressaten eines Rechtssatzes müssen dem ihnen einzig erkennbaren Wortlaut vertrauen dürfen), und das – freilich wenig überzeugende, vgl. etwa die insoweit in vielem berechtigte Kritik von Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, S. 315 ff. – „Willensargument“ (Moderne Gesetzgebungskörperschaften haben keinen einheitlichen Willen). Diesem Resümee des Streitstandes stimmen etwa Koch/ Rüßmann, Begründungslehre, S. 180; Engisch, Einführung, S. 116 f., und unausgesprochen Bydlinski, Methodenlehre, S. 430 ff., zu.
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demgegenüber als „Wahrheit der subjektiven Theorie“ vorgetragene Eigenschaft des Rechtsgesetzes, im Gegensatz zum Naturgesetz Ausdruck eines menschlichen Willens zu sein, der auf die Errichtung einer gerechten, den Bedürfnissen der Gesellschaft entsprechenden Ordnung gerichtet ist, vermag den Objektivismus nicht zu einer „Teilwahrheit“142 herabzustufen. Im Gegenteil, gerade das damit benannte, hinter jeder (verfassungs-)gesetzlichen Regelung stehende Bemühen um eine gerechte Bewältigung gesellschaftlicher Konflikte unter sich wandelnden Rahmenbedingungen stellt das entscheidende Argument für ein fortdauerndes Ringen um die Bestimmung des objektiven Gewährleistungsgehalts einer Grundrechtsnorm dar.143 Diesem Bemühen um den in der Zeit wandelbaren Gehalt eines Grundrechts entspricht es, den zeitgenössischen Sprachgebrauch als maßgeblichen Rahmen zu erachten und sich damit ggf. über Begriffsvorstellungen des Verfassungsgebers hinwegzusetzen. Bindung an den Wortlaut bedeutet dann Bindung an seine grammatischen Vorgaben und die Bedeutungen seiner sprachlichen Zeichen, so wie sie sich gesellschaftlich und kulturell entwickeln.144 Einer „staatsphilosophischen Entscheidung“145 über den Vorrang der Konventionen des allgemeinen oder des juristischen Diskurses bedarf es damit nicht mehr. Denn heute stimmen diese in den wesentlichen Punkten überein. 3. Resümee Die im Wege semantischer Interpretation gewonnenen Einzelerkenntnisse lassen sich zu fünf Strukturvorgaben für den weiteren Konkretisierungsprozess zu141 Dieses Argument anerkennen auch Vertreter der subjektiven Theorie, so etwa Larenz, Methodenlehre, S. 316, und Vogel, Methodik, S. 129 f. 142 Larenz, Methodenlehre, S. 316. Vermittelnde Positionen vertreten ferner z. B. Esser, Vorverständnis, S. 128 ff.; Engisch, Einführung, S. 123 f. Fn. 47; vgl. zur Verteilung der Positionen Fikentscher, Methoden, Bd. III, S. 662 ff. 143 Ebenso mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 GG ausdrücklich z. B. Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 31; Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 21; implizit, indem sie maßgeblich auf die sachspezifischen Strukturen des Lebensbereichs abstellen, BVerfGE 35, 79, 112 f.; Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 65, 88 ff.; Trute, Institutionalisierung, S. 54 ff.; Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 322, sowie Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 24, 26. Demgegenüber vertritt Dickert, Forschungsfreiheit, S. 133 ff., mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 GG eine der „Vereinigungstheorie“ von Larenz, Methodenlehre, S. 316 ff., entsprechende Position. 144 Beide Entwicklungen stehen nicht zur Disposition der Rspr., so dass mit der Lösung von den Regelungsabsichten oder Wertvorstellungen des historischen Gesetzgebers keineswegs das letzte, die verfassungsmäßige Bindung des Richters an das Gesetz sichernde Element preisgegeben wird, so aber die Befürchtung von Larenz, Methodenlehre, S. 318; ähnlich Koch/Rüßmann, Begründungslehre, S. 182, 189; ausdrücklich gegen eine Lösung vom entstehungszeitlichen Sprachgebrauch ferner Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, S. 352 f. 145 In Anlehnung an Zippelius, Methodenlehre, S. 23.
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sammenführen, die zwar weder die Annahme eines einheitlichen noch eines differenzierten Schutzbereichs ausschließen, aber Begründungsanforderungen für bestimmte Auslegungsvarianten definieren. 1. Ein Verständnis von „Wissenschaft“ als Oberbegriff für „Forschung“ und „Lehre“ bedarf der besonderen Rechtfertigung. Denn allenfalls in ihrer institutionellen Bedeutungsvariante, d.h. als Verweis auf die Gesamtheit der Forschungseinrichtungen und Universitäten, erfasst „Wissenschaft“ heute noch Forschung und Lehre. Auch insoweit ist jedoch die ehemals unmittelbare Verbindung zur „Lehre“ zu einer nur mehr mittelbaren geworden. Während vordem die Intensionen der Begriffe Überschneidungsbereiche aufwiesen, verbindet „Wissenschaft“ und „Lehre“ jetzt nur noch eine Schnittmenge ihrer Extensionen146: der Lebensbereich Universität. Insoweit „Wissenschaft“ jedoch als Verweisbegriff auf bestimmte Tätigkeiten verwendet wird, berühren auch seine Extensionen die der „Lehre“ praktisch nicht mehr. Damit ist zwar weder eine Interpretation von „Wissenschaft“ i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG als Oberbegriff noch die Annahme eines einheitlichen Schutzbereichs durch den Wortlaut prinzipiell ausgeschlossen. Doch würden sie eine Asymmetrie zwischen den Intensionen der Begriffe und den rechtswissenschaftlichen Definitionen festschreiben, die der Rechtfertigung durch systematische, historische oder teleologische Argumente bedarf. 2. Die semantische Interpretation spricht gegen eine Differenzierung von Wissenschafts- und Forschungsfreiheit. Denn „Wissenschaft“ und „Forschung“ haben in ihrer Handlungsdimension, die den Anknüpfungspunkt für die dogmatischen Entfaltung eines Freiheitsgrundrechts bildet, dieselbe Bedeutung. 3. Die klare sprachliche Unterscheidung der Handlungsdimensionen von „Wissenschaft“ und „Lehre“, die anders als zur Entstehungszeit des Grundgesetzes heute sowohl die allgemeine als auch die juristische Sprachkonvention vornehmen, indiziert demgegenüber eine Trennung von Wissenschafts- und Lehrfreiheit. Gleichzeitig begründen die Überschneidungen im Bereich der Extensionen jedoch Zweifel an einer vollständigen Entkoppelung. Denn nicht nur die „Wissenschaft“ kennt über den Verweis auf die Universität eine mittelbare Verbindung zur „Lehre“. Auch die Extensionen der „Lehre“ erfassen die „Wissenschaft“, soweit diese als Gesamtheit der Erkenntnisse verstanden wird und somit Bestandteil der Hochschulausbildung ist, auf die der Begriff Lehre verweist. Die Semantik spricht mithin für eine Differenzierung von Wissenschafts- und Lehrfreiheit und zugleich gegen die vollständige Unabhängigkeit von Wissenschaft und Lehre i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG. 4. Die semantische Unterscheidung zwischen der „Publikation“ von Forschungsergebnissen einerseits und der „Lehre“ andererseits hat die schon zuvor 146
Vgl. zum Begriff der Extension oben Fn. 85, S. 53.
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bestehende sprachliche Trennung von „Forschung“ und „Lehre“ vertieft. Beide Begriffe haben derzeit, anders als in ihrer entstehungszeitlichen Verwendung, auch im Bereich ihrer Extensionen keinen Überschneidungsbereich mehr. Damit ist es nicht ausgeschlossen, ihre Verbindung beispielsweise in der Person des Grundrechtsträgers zur Voraussetzung grundrechtlichen Schutzes zu erklären, etwa aufgrund teleologischer oder historischer Erwägungen. Die Wortlautgrenze würde damit nicht überschritten, denn der Begriff der Lehre erfasst auch die Lehre des Forschers, die „Forschung“ auch das Forschen des Lehrers. Die Intensionen der Verfassungsbegriffe legen eine solche Begrenzung des Grundrechtsschutzes jedoch nicht nahe, sondern deuten vielmehr in Richtung einer Unabhängigkeit der durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Lehr- und Forschungstätigkeiten. 5. Sowohl im juristischen wie im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet der Begriff Lehre heute den Prozess der Ausbildung, also eine Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden, im Rahmen derer Inhalte und Fertigkeiten vermittelt werden, welche der Lehrende zu diesem Zweck aufbereitet hat. Soll die Definition der „Lehre“ i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG den Aspekt der Vermittlung und didaktischen Aufbereitung ausklammern, so bedarf es hierfür rechtfertigender Gründe.
II. Systemkonforme Eigenständigkeit – Die systematische Interpretation Funktion allen Rechts ist es nicht zuletzt, eine widerspruchsfreie und damit orientierungssichere Verhaltensregulierung zu schaffen. Unter mehreren, dem Wortsinn nach möglichen Auslegungen einer Verfassungsnorm verdient daher grundsätzlich diejenige den Vorzug, die sich in den Kontext der Bestimmungen einfügt und vor allem logische Widersprüche vermeidet. Ein Grundrecht ist in seinem systematischen Zusammenhang zu verstehen.147 147 Vgl. zur systematischen Interpretation des Verfassungsrechts etwa Karpen, Anwendung und Auslegung, S. 44 f.; Stein, in: Denninger u. a., GG, Einleitung II Rn. 39, 64 f. Allgemein zur systematischen Auslegung von Gesetzen statt vieler Larenz, Methodenlehre, S. 324 ff., und ausführlich Canaris, Systemdenken, insbes. S. 90 ff.; vor dem normtheoretischen Hintergrund der Strukturierenden Rechtslehre Müller/Christensen, Juristische Methodik, Rn. 365 ff. Das BVerfG hat die systematische Auslegung gar als „vornehmstes Interpretationsprinzip“ hervorgehoben, BVerfGE 19, 206, 220; ähnlich BVerfGE 1, 14, 32 f.; 34, 165, 183. Siehe zur systematischen Auslegung von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG etwa Beck, Lehrfreiheit an Schulen, S. 5 ff.; Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 37 ff., und Dickert, Forschungsfreiheit, S. 136, 165, 199, jeweils m. w. N. – Jede logisch-systematische Auslegung eines Grundrechts findet ihre Grenzen freilich insbesondere im primär politischen Charakter des Verfassungsrechts, hierzu Karpen, Auslegung, S. 42 mit Fn. 190, und speziell für Art. 5 Abs. 3 GG Knies, Schranken der Kunstfreiheit, S. 66 ff., der den politischen Charakter der verfassungsgebenden Arbeiten aber wohl überbewertet. Die Grenzen systematischer Auslegung, die aus der histo-
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Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ist insoweit aus vier Perspektiven zu betrachten: Erstens sind die Verbindungen zu den Kommunikationsgrundrechten des Art. 5 Abs. 1 GG und zur Kunstfreiheit zu beleuchten (unten 1. a), b)). Zweitens ist zu untersuchen, ob, und wenn ja, welche Rückschlüsse aus jenen Normen gezogen werden können, die begriffliche Überschneidungen mit Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG aufweisen (Art. 5 Abs. 3 S. 2, Art. 18, Art. 74 Nr. 13 und Art. 91b GG) oder dem Grundrecht thematisch nahe stehen (Art. 7 Abs. 1 GG) (unten 2. a)–d)). Neben diese systematische Auslegung im engeren Sinne tritt sodann eine Untersuchung von „Referenzgrundrechten“, deren Text ebenfalls eine Pluralität von nicht zweifelsfrei abgrenzbaren Schutzgegenständen nennt (unten 3.); übergreifende Tendenzen der dogmatischen Entfaltung sind als systematische Argumente im weiteren Sinne in den Konkretisierungsprozess einzustellen. Schließlich wird im Sinne der Kohärenz von nationaler und europäischer Grundrechtsordnung nach entsprechenden Garantien im Gemeinschaftsrecht sowie der EMRK und ihren Gewährleistungsstrukturen zu fragen sein (unten 4.). 1. Der systematische Standort im engeren Sinne a) Art. 5 GG als Grundrecht der Kommunikation Dem Grundrecht freier Wissenschaft, Forschung und Lehre einerseits und den Garantien der Meinungs-, Informations-, Presse- und Rundfunkfreiheit andererseits ist die konstitutive Bedeutung der Kommunikation für die geschützten Tätigkeiten gemeinsam.148 Alle in Art. 5 GG als freiheitlich garantierten Betätigungen besitzen eine kommunikative Komponente, die Meinungsäußerung unterscheidet sich insoweit nicht von Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre. rischen Bedingtheit der Grundrechte folgen, stellt Lerche, Grundrechtsprägung, Rn. 18, heraus. 148 Besondere Bedeutung hat der Nähe von Wissenschafts-, Forschungs- und Lehrfreiheit zu den Kommunikationsgrundrechten des Art. 5 Abs. 1 GG als erster Roellecke, Institutionelle Garantie?, insbes. S. 727, 729, beigemessen. Sein Verständnis von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG als besondere Meinungsfreiheit der im staatlichen Wissenschaftsbetrieb Bediensteten ist zwar im Ganzen nicht haltbar, wie die Lit. mehrfach überzeugend nachgewiesen hat, vgl. etwa die eingehende Kritik von Knemeyer, Wissenschaftsfreiheit, S. 781 ff.; Rupp, Wissenschaftsfreiheit; Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 33 ff., und Kimminich, Hochschule, S. 127 f.; eingeschränkt zustimmend hingegen Schlink, Grundgesetz, S. 249 f. Mittlerweile hat sich Roellecke selbst von seiner Position distanziert, vgl. ders., Wissenschaftsfreiheit, insbes. S. 696. Im Ausgangspunkt aber, also in der Annahme, dass die systematische Nähe der Freiheitsgarantien bei ihrer Auslegung zu berücksichtigen ist, verdient Roellecke Zustimmung, so auch Mallmann/Strauch, Verfassungsgarantie, S. 13; Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 13; Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 35, und Krüger, Wissenschaftsfreiheit, S. 1, 14 ff. Als verfehlt bewertet diesen Interpretationsansatz hingegen Friesenhahn, Staatsrechtslehrer, S. 10, 11 f., und einen lediglich „redaktionellen“ Hintergrund sehen Köttgen, Freiheit der Wissenschaft, S. 302, und Knemeyer, a. a. O., S. 781.
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Gleichwohl unterscheidet das Grundgesetz verschiedene Freiheitsrechte und unterstreicht die Differenzierung zwischen den Garantien der Abs. 1 und 3 noch durch eine Schrankendivergenz149. Verständlich wird diese differenzierte Regelung angesichts der unterschiedlichen Kommunikationsstrukturen und -inhalte, die Art. 5 GG schützt. Der systematische Kontext legt es daher nahe, auch bei der Konzeption des bzw. der Schutzbereiche von Art. 5 Abs. 3 GG auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Kommunikationen in Wissenschaft, Forschung und Lehre, ihre Strukturen und Inhalte, abzustellen.150 Er gestattet also zwar keine unmittelbaren Aussagen über die Eigenständigkeit der Lehrfreiheit, vermittelt aber einen Maßstab für die Bewertung der Normbereichsstrukturen151. b) Art. 5 Abs. 3 GG als „Grundrecht der Kultur“152 Die Verbindung der Garantie freier Wissenschaft, Forschung und Lehre mit dem Grundrecht der Kunstfreiheit lässt unterschiedliche Schlussfolgerungen hinsichtlich der Struktur der Freiheitsrechte zu und vermag den Konkretisierungskorridor nur wenig zu begrenzen. Denkbar ist zum einen, dass Art. 5 Abs. 3 GG als Element des Kulturverfassungsrechts die schöpferische Kraft schützen will, die sich gleichermaßen in den Sachbereichen Kunst und Wissenschaft entwickelt und realisiert.153 Forschung und Lehre wären dann nicht mehr als die Normierungen des Werk- und Wirkbereichs der Wissenschaft,154 entsprechend der auch für die Kunstfreiheits149 Vgl. zur Unanwendbarkeit der in Art. 5 Abs. 2 GG enthaltenen Schranke auf die Garantien des nachfolgenden Absatzes statt aller Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 266; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 39 m. w. N. 150 Ausgehend von seinem Verständnis der Wissenschaft als Kommunikations- und Handlungszusammenhang bewertet auch Trute, Institutionalisierung, insbes. S. 110 ff., die Strukturen und Inhalte der Kommunikationen als entscheidend für die dogmatische Entfaltung des Art. 5 Abs. 3 GG. Zu seiner Interpretation ausführlich unten § 4 III. 151 Hierzu eingehend im Rahmen der teleologischen Interpretation, unten § 3 IV. 152 A. Blankenagel, Wissenschaftssoziologie, S. 38 Fn. 15; ähnlich Schulze-Fielitz, Freiheit der Wissenschaft, Rn. 1; BVerfGE 35, 79,114; 36, 321, 331. 153 Siehe Mallmann, Kunsthochschulen, S. 262 ff.; auf die Ähnlichkeiten künstlerischer und wissenschaftlicher Tätigkeiten verweisen auch Dickert, Forschungsfreiheit, S. 136, 162 Fn. 224, und A. Blankenagel, Ratlosigkeit, S. 97, der jedoch zugleich die „gewaltigen“ Unterschiede zwischen den gesellschaftlichen Subsystemen Kunst und Wissenschaft betont. Zur strukturellen Vergleichbarkeit von Kunst und Wissenschaft aus soziologischer Perspektive etwa Crane, Invisible Colleges, S. 129 ff. 154 So v. Münch, Staatsrecht, Rn. 427; wohl auch Losch, Wissenschaftsschranken, S. 115 ff., der die Lehrfreiheit dann aber ein weiteres Mal in einen Werk- und einen Wirkbereich unterteilen möchte, und Hufen, „Körperwelten“, S. 612; auch BVerfGE 47, 327, 369, weist in diese Richtung, wenn das Gericht feststellt, dass „zwischen der Kunst- und der Wissenschaftsfreiheit [. . .] zwar nicht unerhebliche Unterschiede [bestehen]“, beide Freiheiten aber doch „in gleicher Weise garantiert sind“; ähnlich ferner
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garantie anerkannten,155 insoweit nur textlich nicht verankerten Unterscheidung von Gewährleistungsbereichen. Art. 5 Abs. 3 GG enthielte demnach zwei Grundrechte, die Kunst- und die Wissenschafts-(= Forschungs- + Lehr-)Freiheit. Nimmt man an, dass Art. 5 Abs. 3 GG den Werk- und Wirkbereich künstlerischen Schaffens schützt, ohne dass es hierzu der ausdrücklichen Erwähnung im Verfassungstext bedarf, so liegt es andererseits nahe, diese Interpretation auf den zweiten schöpferischen Bereich zu übertragen, den der Grundrechtsartikel als freiheitlich gewährleistet, d.h. auf Wissenschaft und Forschung.156 Die Lehrfreiheit stünde dann als zusätzliche, unabhängige „dritte Säule“ neben Kunstund Wissenschaftsfreiheit und könnte z. B. als Grundrecht künstlerischer und wissenschaftlicher Bildung verstanden werden. Art. 5 Abs. 3 GG enthielte demnach drei Grundrechte, die Kunst- und die Wissenschafts-(= Forschungs-)freiheit sowie die Lehrfreiheit. Schließlich scheint es möglich, Wissenschaft und Forschung als einen Werkbereich neben der Kunst zu begreifen und die Lehre als Gewährleistung des Wirkbereichs sowohl der Kunst als auch der Wissenschaft (= Forschung) zu verstehen.157 Auch in dieser Auslegung wären Art. 5 Abs. 3 GG drei Grundrechte zu entnehmen, die Kunst- und die Wissenschafts-(= Forschungs-)Freiheit sowie die Freiheit künstlerischer und wissenschaftlicher Lehre. Fernliegend erscheint lediglich eine Differenzierung zwischen Wissenschaftsund Forschungsfreiheit. Denn diese beschreiben gemeinsam jenen Lebensbereich, in dem sich eine schöpferische Kraft frei entfalten können soll, welche Trute, Institutionalisierung, S. 146, wenngleich er eine Übertragung der Kategorien „Werk- und Wirkbereich“ auf die Garantie freier Wissenschaft, Forschung und Lehre ablehnt. 155 Grundlegend zur Unterscheidung von Werk- und Wirkbereich der Kunst F. Müller, Freiheit der Kunst, S. 97 ff. Als innere Gliederung des Schutzbereichs der Kunstfreiheit ist sie heute weithin anerkannt, vgl. nur BVerfGE 30, 173, 189; 67, 213, 224: „Die Kunstfreiheitsgarantie betrifft in gleicher Weise den ,Werkbereich‘ und den ,Wirkbereich‘ des künstlerischen Schaffens.“, und ferner statt vieler Hufen, Freiheit der Kunst, S. 115 ff., 120 ff.; Denninger, Freiheit der Kunst, Rn. 18; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Kunst) Rn. 24 f.; krit. etwa Trute, Institutionalisierung, S. 145. 156 Eine Übertragung der Werk-/Wirkbereich-Struktur hätte freilich die trotz aller Gemeinsamkeiten bestehenden Unterschiede zwischen Wissenschaft und Forschung einerseits und Kunst andererseits zu berücksichtigen, hierzu etwa BVerfGE 47, 327, 369, sowie Mallmann, Kunsthochschulen, S. 262; Hufen, Freiheit der Kunst, S. 66. Grds. Skepsis gegenüber den Kategorien „Werk- und Wirkbereich“ und vor allem gegenüber ihrer Anwendung auf die Wissenschaftsfreiheit äußern etwa Trute, Institutionalisierung, S. 145 f., und Waechter, Fortschrittsvertrauen, S. 33 f. 157 In diese Richtung deutet Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 52, wenn er die Treueklausel des Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG auf die Kunstfreiheit erstreckt, „soweit auch die Freiheit der Kunst in die Lehre eingeht“. Dem damit unterstellten doppelten Bezug der Lehre auf Kunst und Wissenschaft zum Trotz hält Scholz jedoch an einem einheitlichen Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit fest, ders., a. a. O., Rn. 81.
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das strukturelle Äquivalent zu den durch das einheitliche Grundrecht der Kunstfreiheit geschützten kreativen Potentialen bildet. Insoweit bestätigt die systematische Auslegung ein Ergebnis der semantischen Interpretation.158 2. Die Schutzbereichsverständnisse anderer Verfassungsvorschriften a) Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG – Die Sonderstellung der Lehre Die Auslegung der in Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG normierten Treuepflicht der Lehre, die bereits in den parlamentarischen Beratungen Anlass heftiger Auseinandersetzungen war,159 ist noch immer in allen maßgeblichen Punkten umstritten.160 Unabhängig von den noch offenen Fragen ihrer Interpretation kann die Treueklausel aber als Indiz für eine von der Lehre ausgehende Gefährdung bewertet werden, die Wissenschaft und Forschung nicht, jedenfalls nicht in gleicher Weise begründen.161 Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG weist mit seiner Differenzierung zwischen dem Gefährdungspotential der Tatbestandselemente auf eine besondere, von Wissenschaft und Forschung unterschiedene Struktur der Lehre hin. Dies gilt unabhängig davon, ob man die Treueklausel als bloße Warnung162 158
S. o. § 3 I. 3. und dort Nr. 2. Vgl. zur Entstehungsgeschichte der Treueklausel Matz, Entstehungsgeschichte, S. 89 ff., sowie die Analysen mit abweichenden Schlussfolgerungen von Thoma, Lehrfreiheit, S. 22 ff.; Roellecke, Institutionelle Garantie, S. 728 f., mit der Replik von Knemeyer, Wissenschaftsfreiheit, S. 781; Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 246 ff., und vor dem Hintergrund der Diskussion allgemeiner Grundpflichten Luchterhandt, Grundpflichten, S. 404 f. 160 Uneinigkeit besteht schon über ihre Wirkung als Schranke oder rein deklaratorische Warnung. Daneben bleibt umstritten, wer durch Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG verpflichtet wird und in welchem Umfang: Bindet die Treueklausel nur (verbeamtete) Hochschullehrer oder jedermann, der lehrt? Liegt den Sätzen 1 und 2 des Art. 5 Abs. 3 GG also ein einheitlicher Begriff der Lehre zugrunde oder ist die „Lehre“ im Sinne der Treuepflicht auf die „Kathederlehre“ beschränkt? Wird ein Lehrer in all seinen Tätigkeiten gebunden oder nur, wenn er lehrt? Verpflichtung auf alle Verfassungsnormen oder nur auf die freiheitlich demokratische Grundordnung? Pflicht allein zur Mäßigung oder zu positivem Bekenntnis? Formale oder inhaltliche Mäßigung? Rechtsfolgen? Vgl. zu diesen Fragen die ausführlichen Untersuchungen mit Überblicken über Rspr. und Lit. von Rennert, Bindung der Hochschullehrer; Schrödter, Wissenschaftsfreiheit des Beamten, S. 115 ff.; Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 234 ff., und T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit, S. 84 ff. 161 Ebenso Trute, Institutionalisierung, S. 130. 162 Hierfür etwa Wehrhahn, Verfassungstreue, S. 50; unter Berufung auf diesen, aber mit anderer Begründung OVG Berlin, NJW 1972, S. 2100; ferner bspw. Knemeyer, Wissenschaftsfreiheit, S. 781; Lüthje, in: Denninger, HRG, Vor § 3 Rn. 71; Zwirner, Politische Treuepflicht, S. 254 f.; K. Hesse, Grundzüge, Rn. 403; Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 386; Wendt, in: v. M/K, GG, Art. 5 Rn. 114; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 41; Thieme, Hochschulrecht, 2004, Rn. 124; Kempen, Grundfragen, Rn. 93. T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit, S. 97, nimmt 159
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oder als zusätzliche Schranke163 versteht. In beiden Fällen legt sie die Eigenständigkeit der Lehrfreiheit nahe.164 Weitgehend entwertet wird dieses systematische Argument freilich, wenn man von zwei divergenten Lehrbegriffen in Art. 5 Abs. 3 S. 1 und 2 GG ausgeht und annimmt, dass Satz 2 nur einen kleinen Ausschnitt der durch Satz 1 geschützten Lehrtätigkeiten erfasst.165 Denn das besondere Gefährdungspotential einzelner Lehrformen kann kaum als Argument für eine Verselbständigung der Lehrfreiheit gewertet werden. Mit Blick auf die systematische Konsistenz macht es zudem keinen Unterschied, ob Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG einzelne Betätigungsformen aus einem einheitlichen Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit oder aus einem selbständigen Grundrecht der Lehrfreiheit ausschneidet und seiner speziellen Schranke unterstellt. In beiden Fällen würden unterschiedliche Schrankenvorbehalte für ein einheitliches Grundrecht gelten. Doch enthält der Wortlaut keinerlei Anhaltspunkte für diese Differenzierung zwischen den Lehrbegriffen der Sätze 1 und 2 des Art. 5 Abs. 3 GG. Der ausdrückliche Bezug der Treueklausel auf Hochschulen und Schulen in den Beratungen des Grundgesetzes166 spricht insbesondere gegen eine Begrenzung ihrer Geltung auf die Lehre von (verbeamteten) Professoren, wie sie in der Literatur167 vorgeschlagen wurde. Zudem legt das Ziel des Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG, eine Unterwanderung der Demokratie unter Rückgriff auf wissenschaftliche Inhalte zu verhindern,168 eine umfassende Bindung aller Lehrenden nahe.169 Es ist an, dass Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG nur aus Gründen der „verfassungspolitischen Optik“ eingefügt wurde; zustimmend Dickert, Forschungsfreiheit, S. 165. 163 So Krüger, Wissenschaftsfreiheit, S. 17; Bleckmann, Staatsrecht II, S. 869; Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 181, und wohl auch Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 44 f., wenn er von „verfassungsgefährdender ,vollgültiger‘ Lehre“ spricht. Sie stehen damit in der Tradition insbes. von Thoma, Lehrfreiheit, S. 24 ff.; Köttgen, Wissenschaft und Selbstverwaltung, S. 315, und Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 198. 164 Hingegen hält T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit, S. 97 f., die Treueklausel für prinzipiell unbrauchbar im Rahmen einer systematischen Auslegung des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG; ähnlich Dickert, Forschungsfreiheit, S. 165. 165 So insbes. Schrödter, Wissenschaftsfreiheit, S. 48 ff., 62, 133 f., der Satz 2 auf verbeamtete Lehrende beschränkt. 166 Bis zur dritten Lesung des Hauptausschusses erfasste die Treueklausel ausdrücklich „die Lehrer an Schulen und Hochschulen“, Parlamentarischer Rat, Hauptausschuss, Stenographischer Bericht, 43. Sitzung (Zweite Lesung der Grundrechte), S. 547. Vgl. zur Begründung dieser Formulierung durch Thoma im Grundsatzausschuss Matz, Entstehungsgeschichte, S. 89. Den Berichten über die parlamentarischen Beratungen sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass mit der Kürzung mehr als eine stilistische Änderung vorgenommen werden sollte. Angesichts der i. Ü. ausführlichen Diskussionen der Treueklausel darf angenommen werden, dass eine mit der sprachlichen Veränderung beabsichtigte inhaltliche Modifikation in den Erörterungen thematisiert worden wäre. 167 Vgl. Schrödter, Wissenschaftsfreiheit, S. 48 ff., 62, 133 f.
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daher davon auszugehen, dass die Treueverpflichtung alle grundrechtlich geschützten Lehrtätigkeiten gleichermaßen erfasst. Sie kann mithin als Indiz für eine spezifische Struktur und Rationalität der grundrechtlich geschützten Lehre bewertet werden, der mit einer eigenständigen Dogmatik Rechnung zu tragen ist. b) Art. 18 S. 1 GG – Die Begrenzung der Missbrauchsfolge als Indiz der Eigenständigkeit In der Regel wird Art. 18 S. 1 GG kaum Bedeutung für das Verständnis von Art. 5 Abs. 3 GG beigemessen. Diese Zurückhaltung ist im Hinblick auf die Frage nach dem inneren und strukturellen Zusammenhang der Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre nicht gerechtfertigt. Denn tatsächlich sind Art. 18 GG, dieser Absage an eine „selbstmörderische Demokratie“170, wenigstens zwei Argumente für einen selbständigen Schutzbereich der Lehrfreiheit zu entnehmen. Dass allein der Missbrauch der Lehrfreiheit mit der Verwirkung sanktioniert wird, bekräftigt erstens die Differenzierung der Verfassung zwischen der Freiheit der Lehre einerseits und der Garantie freier Wissenschaft und Forschung andererseits, die wie die Unterscheidung durch Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG auf den unterschiedlichen Gefährdungspotentialen aufbaut. Eine Erstreckung der Missbrauchsregelung auf Wissenschafts- und Forschungsfreiheit, welche diese Differenzierung nivellieren würde, kommt nicht in Betracht.171 Denn hiermit setzte 168 Siehe etwa Voigt, Lehrfreiheit, S. 265; Rennert, Bindung der Hochschullehrer, S. 105 f.; Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 III Rn. 198 mit Verweis auf C. Schmid, der die Treueklausel im Hauptausschuss als Schutzschild gegen „hinterhältige Politik“ bezeichnete (vgl. Matz, Entstehungsgeschichte, S. 92), und T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit, S. 88. 169 Die Literatur legt Art. 5 Abs. 3 S. 1 und 2 GG ganz überwiegend und unausgesprochen einen einheitlichen Begriff der Lehre zugrunde, vgl. nur Wehrhahn, Verfassungstreue, S. 49 ff.; Rennert, Bindung der Hochschullehrer, S. 24 f.; Starck, in: v. M/ K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 386 ff.; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 41. 170 Matz, Entstehungsgeschichte, S. 172; eingehend zum historischen Hintergrund von Art. 18 GG Schmitt Glaeser, Verwirkung von Grundrechten, S. 21 ff. 171 Die Interpretationen von Art. 18 GG sprechen bemerkenswerterweise ohne weiteres von dem ,Grundrecht der Lehrfreiheit‘, vgl. etwa Schmitt Glaeser, Verwirkung von Grundrechten, S. 117; Stettner, Grundrechtsverwirkung, S. 804; Brenner, in: v. M/K/S, GG, Art. 18 Rn. 47, 49; Krebs, in: v. M/K, Art. 18 Rn. 7; Klein, in: Maunz u. a., BVerfGG, § 39 Rn. 4. Mit den Schwierigkeiten einer Differenzierung zwischen Wissenschaft, Forschung und Lehre und evtl. Rückwirkungen eines Entzugs der Lehrfreiheit auf Wissenschafts- und Forschungsfreiheit setzen sie sich nicht auseinander. Angesichts der herrschenden Interpretation von Art. 5 Abs. 3 GG, die hier ein einheitliches Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit verankert sieht und damit einen Zusammenhang zwischen den geschützten Handlungen suggeriert, hätte dies aber doch nahe gelegen. Selbst Dürig/Klein, in: M/D, Art. 18 Rn. 30 ff., die weitgehende Zweifel an
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man sich nicht nur über den Wortlaut von Art. 18 S. 1 GG, sondern auch über § 39 Abs. 1 S. 3 BVerfGG172 hinweg, der einfachgesetzlich wohl den erschöpfenden, nicht exemplarischen Charakter der Verfassungsregelung bestätigt.173 Zweitens ist zu beachten, dass alle neben der Lehrfreiheit in Art. 18 S. 1 GG genannten Freiheitsrechte als selbständige Grundrechte mit eigenständigen, unabhängigen Schutzbereichen anerkannt werden.174 Das schließt zwar nicht aus, die Lehrfreiheit insoweit als Ausnahme zu verstehen. Näher liegt aber ihr „systemkonformes“ Verständnis als ebenfalls eigenständiges und also von der Wissenschafts- und Forschungsfreiheit unabhängiges Grundrecht.175 c) Art. 7 Abs. 1 GG – Keine Determinante von Art. 5 Abs. 3 GG Die in Art. 7 Abs. 1 GG festgeschriebene Aufsicht des Staates über das gesamte Schulwesen einerseits und die Garantie freier Wissenschaft, Forschung und Lehre in Art. 5 Abs. 3 GG andererseits werden überwiegend als Gegensatzpaar konzipiert,176 so dass sich beide Vorschriften als Begrenzung der jeweils anderen darstellen. Hinweise auf die Beziehung zwischen Wissenschafts-, Forschungs- und Lehrfreiheit enthält diese Gegenüberstellung jedoch nicht. Zwar der Isolierbarkeit der in Art. 18 GG genannten Grundrechte äußern, beziehen diese nicht auf die Lehrfreiheit. 172 § 39 Abs. 1 S. 3 BVerfGG lautet: „Es [sc. das BVerfG] kann dem Antragsgegner auch nach Art und Dauer genau bezeichnete Beschränkungen auferlegen, soweit sie nicht andere als die verwirkten Grundrechte beeinträchtigen.“ [Herv. AK]. 173 Art. 18 GG enthält nach ganz überwiegender Auffassung eine abschließende Enumeration der Rechte, die der Verwirkung zugänglich sind, vgl. statt vieler Schmitt Glaeser, Verwirkung von Grundrechten, S. 116 f., 118 f., 123; Gallwas, Missbrauch von Grundrechten, S. 138 ff.; Stern, Staatsrecht III/2, § 87 III 2 d, S. 957, und jüngst Gusy, in: Denninger u. a., GG, Art. 18 Rn. 14; krit. Dürig/Klein, in: M/D, Art. 18 Rn. 30 ff. Das BVerfG anerkennt nur in Ausnahmefällen eine „Ausstrahlung“ der Grundrechtsverwirkung auf nicht in Art. 18 GG genannte Rechte, wenn dies für einen vollständigen Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung unerlässlich ist, vgl. BVerfGE 10, 118 (122); 25, 88, 97; ebenso etwa Brenner, in: v. M/K/S, GG, Art. 18 Rn. 90; Klein, in: Maunz u. a., BVerfGG, § 39 Rn. 14. – Mit einer Beschränkung der möglicherweise verwirkten Grundrecht auf die ausdrücklich genannten ist noch keine Aussage darüber getroffen, ob der Betroffene allein das missbrauchte Grundrecht oder in Anlehnung an den Wortlaut („verwirkt diese Grundrechte“, Herv. AK) alle in Art. 18 GG aufgezählten Rechte verliert, vgl. zu dieser umstrittenen Frage die Nachweise bei Brenner, a. a. O., Rn. 63 ff. m. w. N. 174 Dies gilt trotz der begrifflichen Überschneidungen der Schutzgegenstände insbes. auch für das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG), vgl. hierzu näher sogleich § 3 II. 3. mit Fn. 198, S. 79. 175 Als Indiz für die Eigenständigkeit der Lehrfreiheit bewertet Art. 18 GG auch Perschel, Lehrfreiheit des Lehrers, S. 37. 176 Vgl. die krit. Rekonstruktion dieser h. M. von Laaser, Lehrfreiheit in der Schule, S. 22 ff.; aus jüngerer Zeit des Weiteren etwa Robbers, in: v. M/K/S, GG, Art. 7 Rn. 4; Richter, in: Denninger u. a., GG, Art. 7 Rn. 35 m. w. N., und Gröschner, in: Dreier, GG, Art. 7 Rn. 119.
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könnte die Unterscheidung von „Lehre“ und „Unterricht“ auf die Zugehörigkeit der „Lehre“ i. S. d. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zum Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit oder doch jedenfalls auf ihren inhaltlichen Bezug zu Wissenschaft, Forschung oder Kunst zurückzuführen sein, der in dieser Vorstellung ihre Befreiung von der staatlichen Aufsicht rechtfertigen würde. Ebenso gut kann Art. 7 Abs. 1 GG jedoch als Ausnahmevorschrift verstanden werden, die nicht an den Inhalt der Lehre oder ihre Zugehörigkeit zur Wissenschaft, sondern an Ort, Zeitpunkt oder Funktion einer Lehrveranstaltung anknüpft.177 Dann aber enthält die Anordnung der staatlichen Schulaufsicht keinerlei Hinweis auf Inhalt und Struktur der Gewährleistungen von Art. 5 Abs. 3 GG. d) Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 Alt. 2, 91b GG – Eigenständigkeit der Förderung, Eigenständigkeit des zu Fördernden? Die Kompetenzvorschriften der Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 Alt. 2 und Art. 91b S. 1 GG ermächtigen den Bund zur gesetzlichen Regelung sowie – in Kooperation mit den Ländern – zur Umsetzung von Fördermaßnahmen zugunsten der „wissenschaftlichen Forschung“178. 179 Ihnen können Anhaltspunkte zum einen für eine Differenzierung der Schutzbereiche von Forschungs- und Lehrfreiheit und zum anderen für eine nicht handlungsbezogene Bedeutung des Wissenschaftsbegriffs in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG entnommen werden.180 177
In diesem Sinne unten § 7 IV. Da Art. 91b GG in Ergänzung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 Alt. 2 GG in das Grundgesetz eingefügt wurde, kann von einer einheitlichen Begrifflichkeit in den beiden Vorschriften ausgegangen werden. Mit Art. 91b GG sollte die zuvor praktizierte Methode vertraglicher Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Forschungsförderung verfassungsrechtlichen Bedenken enthoben werden, vgl. die Begründung der Regierungsvorlage in BT-Drs. V/2861, Tz. 106, S. 29, sowie Oppermann, Forschungsfinanzierung, S. 595. 179 Siehe zur Handhabung dieser Kompetenzen durch den Bund Köstlin, Kulturhoheit, S. 77 ff., 237 ff., sowie Mager, in: v. M/K, GG, Statistische Angaben im Anhang zu Art. 91b. Bis heute hat der Bund aufgrund Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG allein das Graduiertenförderungsgesetz (vom 22.1. 1976, BGBl. I, S. 208) erlassen, i. Ü. wird die öffentliche Forschungsförderung durch Verwaltungsvereinbarungen nach Art. 91b GG geregelt; krit. zu dieser Praxis Schulze-Fielitz, Freiheit der Wissenschaft, Rn. 25, 26 f. m. w. N.; für eine restriktive Anwendung der Bundeskompetenzen zur Forschungsförderung Lerche, Bundesstaatlichkeit, S. 225 f. 180 Gegenüber der systematischen Interpretation eines Kompetenztitels und eines Artikels des Grundrechtsabschnitts bestehen in diesem Zusammenhang – unabhängig von der generellen Berechtigung spezifischer Auslegungsmaximen für die Kompetenzregelungen des GG, hierzu z. B. Stettner, Kompetenzlehre, S. 383 ff., und Jakob, Forschungsfinanzierung, S. 539 ff.; differenzierend Ossenbühl, Grundrechtsinterpretation, Rn. 17 ff. – keine Bedenken. Denn Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 Alt. 2 GG steht in historischer Kontinuität zu Art. 142 S. 2 WRV (vgl. nur Stettner, in: Dreier, GG, Art. 74 Rn. 68; Oeter, in: v. M/K/S, GG, Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 Rn. 131), der den Staat in unmittelbarem Anschluss an die Freiheitsgewährleistungen für ,Kunst, Wissenschaft und ihre Lehre‘ zu Schutz und Pflege dieser Lebensbereiche verpflichtete. Angesichts 178
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Die von den Kompetenztiteln unterstellte Möglichkeit einer separaten Forschungsförderung spricht erstens gegen eine gleichsam existentielle Verknüpfung von Forschung und Lehre. Das Grundgesetz geht offenbar davon aus, dass jedenfalls die von ihm geschützte Forschung181 auch ohne Lehre denk- und förderbar ist.182 Die Begrenzung der Regelungs- und Ausführungskompetenzen des Bundes auf die als „wissenschaftlich“ qualifizierte Forschung zwingt zu keiner anderen Bewertung. Zwar ist es nicht gänzlich ausgeschlossen, dass auf diese Weise eine Verknüpfung der Forschung mit der Lehre zur Voraussetzung der Anwendbarkeit von Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 Alt. 2, 91b S. 1 GG gemacht wird.183 Angesichts des Sprachgebrauchs der Verfassung scheint diese Auslegung jedoch wenig plausibel. Denn es ist kaum erklärlich, warum das mit den Begriffen Forschung und Lehre vertraute Grundgesetz nicht auch in Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 Alt. 2, 91b S. 1 GG von der Lehre sprechen sollte, wollte es die Kompetenzen des Bundes auf diejenige Forschung beschränken, die in Verbindung zur Lehre steht.184 In der Praxis ist die isolierte (Regelung der) Forschungsförderung durch den Bund denn auch gang und gäbe.185 ihrer gemeinsamen Genealogie sind Art. 74 Abs. 1 Nr. 13, Art. 91b und Art. 5 Abs. 3 GG daher ihrer disparaten Stellung zum Trotz einer systematischen Betrachtung zugänglich, so implizit auch die ganz h. M., vgl. statt vieler Oeter, a. a. O., Rn. 133; Volkmann, in: v. M/K/S, GG, Art. 91b Rn. 8 Fn. 25; Mager, in: v. M/K, GG, Art. 91b Rn. 17; Bothe, in: Denninger u. a., GG, Art. 74 Rn. 31, jeweils m. w. N. A. A. Bode, Zuständigkeit, S. 4 ff., dessen „kompetenzspezifische“ Bestimmung der „wissenschaftlichen Forschung“ sich dann jedoch letztlich weder methodisch noch inhaltlich wesentlich von den Definitionen der „Wissenschaft“ und „Forschung“ i. S. d. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG durch die h. M. unterscheidet; ähnlich in Ansatz und Ergebnis Jakob, Forschungsfinanzierung, S. 543 ff. – Dass Art. 142 S. 2 WRV zur Weimarer Zeit überwiegend als bloße Symbolik, als „guter Vorsatz“ verstanden wurde (vgl. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, 1933, S. 665 f.), bleibt im vorliegenden Zusammenhang, da allein die Einheitlichkeit der Begriffsverwendung in Frage steht, ohne Bedeutung. 181 Keinen Aufschluss geben Art. 74 Abs. 1 Nr. 13, 91b S. 1 GG freilich darüber, ob die Verfassung umgekehrt auch die Lehre ohne Forschung als denk- und förderbar betrachtet. 182 Ebenso Bode, Zuständigkeit, S. 16; a. A. Küchenhoff, Hochschulreform, S. 602 Fn. 22, der eine Korrektur des Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG und die Erstreckung der Bundeskompetenz auf die Universitäten für erforderlich hält, da die Förderung der Forschung (an Hochschulen) nicht geregelt werden könne, ohne dass zugleich die Förderung der Lehre mitgeregelt werde. Die seiner These zugrunde liegende empirische Behauptung ist jedoch mittlerweile widerlegt, man denke nur an die Einrichtung von Sonderforschungsbereichen oder die „Förderung der Forschung im Rahmen von Forschungsnachwuchsgruppen durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung“, abrufbar unter www.blk-bonn.de/juniorprofessuren.htm (Stand: 24.05.2005). 183 Die „Wissenschaftlichkeit“ der Forschung würde damit entsprechend einer vielfach befürworteten Interpretation der „Wissenschaftlichkeit“ der Lehre i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG ausgelegt, wonach diese die eigene Forschungstätigkeit des Lehrenden voraussetzt, vgl. unten § 4 IV. 2. 184 Überwiegend wird die „Wissenschaftlichkeit“ der Forschung denn auch als Abgrenzung zur Forschung in Vorbereitung industrieller Fertigungen verstanden, vgl.
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Vor dem Hintergrund der Annahme, die Verfassung enthalte weder Tautologien noch überflüssige Normierungen,186 spricht die sprachliche Kombination von „Wissenschaft“ und „Forschung“ zweitens gegen eine Interpretation der „Wissenschaft“ als Oberbegriff für Forschung und Lehre und, allgemeiner, gegen eine Definition, welche die Handlungsdimension des Begriffs in den Vordergrund rückt.187 Die adjektivische Verwendung und die Verbindung mit dem ausschließlich tätigkeitsbezogenen Begriff der Forschung legen vielmehr das Verständnis als Verweis auf die Gesamtheit der Erkenntnisse nahe. Die „wissenschaftliche Forschung“ wäre dann durch ihre (alleinige oder primäre) Ausrichtung an diesem Erkenntnisgebäude – im Gegensatz etwa zur Orientierung an der technischen oder ökonomischen Verwertbarkeit einer Entdeckung – gekennzeichnet. 3. Die „Referenzgrundrechte“ – Keine übergreifende Tendenz zur Vereinheitlichung oder Ausdifferenzierung grundrechtlicher Schutzbereiche Wer die Verfassung als einheitliche, nicht spannungs- aber widerspruchsfreie Ordnung der politischen und gesellschaftlichen Realität zu entfalten sucht, muss sich schließlich die Frage stellen, ob die zum Grundrechtsabschnitt entwickelte Dogmatik eine übergreifende Tendenz zur Entwicklung einheitlicher oder ausdifferenzierter Schutzbereiche in den Fällen erkennen lässt, in denen der Text einer Grundrechtsnorm eine Pluralität von Schutzgegenständen nennt, deren Trennung oder Verknüpfung – etwa begrifflich oder mit Blick auf den Normbereich – nicht zweifelsfrei ist. Gefragt wird damit nach einer induktiv zu ermittelnden Vermutungsregel zugunsten einer Differenzierung oder einer Vereinheitlichung grundrechtlicher Schutzbereiche, die als systematisches Argument im weiteren Sinne in den Prozess der Konkretisierung von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG einfließen müsste.188
Maunz, in: M/D, GG, Art. 74 Rn. 178; i. Erg. ebenso Bode, Zuständigkeit, S. 9 f. Volkmann, in: v. M/K/S, GG, Art. 91b Rn. 8, will demgegenüber den gesamten Bereich der Industrieforschung in den Anwendungsbereich des Art. 91b GG einbeziehen. 185 Vgl. oben Fn. 179, S. 75, sowie die Nachweise im Förderkatalog des BMBF, abrufbar unter http://oas2.ip.kp.dlr.de/foekat/foekat/foekat (Stand: 24.05.2005). 186 S. o. § 3 I. 1. 187 Als „mehr oder weniger tautologische“ Wendung qualifiziert die „wissenschaftliche Forschung“ i. S. d. Art. 91b GG jedoch Heun, in: Dreier, GG, Art. 91b Rn. 11; ähnlich für Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 Bode, Zuständigkeit, S. 6: „sprachlich entbehrlich“. 188 A. Blankenagel, Ratlosigkeit, S. 97, spricht von einem „gewissen Konsistenzdruck“ bei der dogmatischen Entfaltung von Referenzgrundrechten. – Einer grundrechtsspezifisch motivierten Abweichung steht eine solche Vermutungsregel freilich nicht entgegen.
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Von besonderem Interesse ist insoweit die dogmatische Ausgestaltung von Art. 2 Abs. 2 S. 1, 4 Abs. 1–3, 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 und 2, 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GG. Sie alle sind Art. 5 Abs. 3 GG insoweit vergleichbar, als sie in ihren Normtexten mehrere Schutzgegenstände nennen, die schon begrifflich, also im Bereich ihren Intensionen,189 oder doch jedenfalls tatsächlich, also im Bereich ihrer Extensionen,190 mehr oder weniger große Schnittmengen aufweisen, aber auch als Einzelelemente gedacht werden können. So stehen etwa der in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG gewährleistete Schutz des Lebens und der Schutz der körperlichen Unversehrtheit in engstem Zusammenhang – „das Recht auf Leben [ist] ein Recht auf körperliche Unversehrtheit“191. Ebenso sind jedoch die Unterschiede der beiden Schutzgegenstände augenfällig.192 Gleiches gilt für die Freiheit des Glaubens, des Gewissens, des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses und der Religionsausübung (Art. 4 Abs. 1 GG) oder das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG). Auch Konnex und Differenz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) oder Pflege und Erziehung (Art. 6 Abs. 2 GG) bedürfen der Erläuterung nicht. Der dogmatische Umgang mit der Ambivalenz dieser „Referenzgrundrechte“193 ist uneinheitlich.194 So steht einerseits die dogmatische Selbständigkeit der zwei in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG geschützten Bereiche außer Zweifel.195 189 Vgl. BVerfGE 24, 236, 245 f.: das Grundrecht der ungestörten Religionsausübung ist „an sich im Begriff der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit enthalten“; zustimmend etwa Frhr. v. Campenhausen, Religionsfreiheit, Rn. 36; Preuß, in: Denninger u. a., GG, Art. 4 I, II Rn. 12c; a. A. Herzog, in: M/D, GG, Art. 4 Rn. 5 ff. Für Art. 6 Abs. 2 GG etwa Coester-Waltjen, in: v. M/K, GG, Art. 6 Rn. 63; Zacher, Elternrecht, Rn. 65; Badura, in: M/D, GG, Art. 6 Abs. II Rn. 24. 190 So für Art. 12 Abs. 1 GG das BVerfG in st. Rspr., vgl. BVerfGE 7, 377, 401: „die Aufnahme der Berufstätigkeit [stellt] sowohl den Anfang der Berufsausübung dar wie die gerade hierin [. . .] sich äußernde Betätigung der Berufswahl; ebenso sind der in der laufenden Berufsausübung sich ausdrückende Wille zur Beibehaltung des Berufs und schließlich die freiwillige Beendigung der Berufsausübung im Grunde zugleich Akte der Berufswahl“ [Herv. i. Orig.]; ebenso etwa BVerfGE 9, 338, 345; 17, 269, 276; 92, 140, 151; ihm folgend die h. M., vgl. nur Manssen, in: v. M/K/S, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 2; Gubelt, in: v. M/K, GG, Art. 12 Rn. 40, sowie Breuer, Freiheit des Berufs, Rn. 32 f. Krit. Lücke, Berufsfreiheit, S. 8 ff., und Rittstieg, in: Denninger u. a., GG, Art. 12 Rn. 49 ff. Für Art. 10 Abs. 1 GG bspw. Löwer, in: v. M/K, GG, Art. 10 Rn. 11; Gusy, in: v. M/K/S, GG, Art. 10 Rn. 26; Rohlf, Privatsphäre, S. 164 f. 191 Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 2 Abs. 2 Rn. 174. Den historisch, systematisch und tatsächlich engen Zusammenhang betonen ferner bspw. Lorenz, Recht auf Leben, Rn. 6 f.: „konzentrische Kreise“; Corell, in: Denninger u. a., GG, Art. 2 Abs. 2 Rn. 10; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 2 II Rn. 1, 21, und eingehend Seewald, Gesundheit, S. 52 f. 192 Ausgehend von der Unterscheidung zwischen der physischen Integrität und der Existenz unterscheiden daher alle oben in Fn. 191, S. 78, Genannten trotz des engen Zusammenhangs, der zwischen den beiden Schutzgütern besteht, zwei Schutzbereiche. 193 Diesen Begriff verwendet A. Blankenagel, Ratlosigkeit, S. 72, 97, zur Bezeichnung „wesensverwandter Grundrechte“, deren Analyse den „juristischen Sinn“ habe, wechselseitige Anleihen bei der Entscheidung von Problemen zu ermöglichen und zu
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„Pflege und Erziehung“ des Kindes (Art. 6 Abs. 2 GG) andererseits sollen gemeinsam das Elternrecht formen und werden ganz überwiegend als „einheitlicher Begriff“ verstanden.196 Während die fünf in Art. 4 GG genannten Freiheiten regelmäßig zu zwei oder drei Grundrechten zusammengefasst werden,197 sollen die ebenso eng miteinander verknüpften Sachbereiche, die das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis erfasst, durch drei getrennte Freiheitsgarantien geschützt werden.198 Auch die Meinungs-, Informations-, Presse-, Rundfunkund Filmfreiheit werden überwiegend als jeweils eigenständige Grundrechte erachtet, selbst „wenn sie z. T. in einem inneren Zusammenhang stehen und sich überschneiden“199. Ungelöst und damit besonders anschaulich bleibt die Ambivalenz schließlich in der zu Art. 12 Abs. 1 GG entwickelten Dogmatik. Der rechtfertigen und Konsistenz zu gewährleisten. Mit eben dieser Bedeutung findet der Terminus in der vorliegenden Arbeit Verwendung. 194 A. A. A. Blankenagel, Ratlosigkeit, S. 103, der in seine kurze (oder jedenfalls nur in aller Kürze präsentierte) Analyse allerdings nur Art. 4 und 12 Abs. 1 GG einbezieht und offenbar nicht zwischen der Vermutung gegen Redundanz in der Verfassung und der Differenzierung von Schutzbereichen unterscheiden will, vgl. zur Notwendigkeit dieser Unterscheidung aber unten Fn. 207, S. 81. 195 S. o. Fn. 192, S. 78. 196 Vgl. nur Coester-Waltjen, in: v. M/K, GG, Art. 6 Rn. 63; Zacher, Elternrecht, Rn. 65; Badura, in: M/D, GG, Art. 6 Abs. II Rn. 24; in der Sache ebenso Robbers, in: v. M/K/S, GG, Art. 6 Abs. 2 Rn. 143; Jestaedt, in: Dolzer u. a., BK, Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 103; a. A. Gröschner, in: Dreier, GG, Art. 6 Rn. 109, der unter „Erziehung“ die ideellen, unter „Pflege“ die „materiellen“ Aspekte des Erziehungsrechts versteht. 197 Vgl. neben den oben in Fn. 189, S. 78, Genannten etwa Fleischer, Religionsbegriff, S. 8 ff., 162 ff.; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 4 Rn. 54; Rspr. und Lit. resümierend Kunig, in v. M/K, GG, Art. 4 Rn. 9 ff. Aus der Rspr. etwa BVerfGE 32, 98, 106; 41, 20, 49; 52, 223, 240 f. Für ein einheitliches „Grundrecht der Religionsfreiheit“ hingegen P. Badura, Schutz von Religion, S. 24. 198 Vgl. Gusy, in: v. M/K/S, GG, Art. 10 Rn. 25; Löwer, in: v. M/K, GG, Art. 10 Rn. 9; Schmitt Glaeser, Schutz der Privatsphäre, Rn. 62 ff.; Bizer, in: Denninger u. a., GG, Art. 10 Rn. 45, 51 ff.; Hermes, in: Dreier, GG, Art. 10 Rn. 25; für ein einheitliches Grundrecht, das die Vertraulichkeit individueller Kommunikation schützt, sprechen sich hingegen Gramlich, Postreform, S. 105, und Jarass, in: J/P, Art. 10 Rn. 1, aus. Groß, Fernmeldegeheimnis, S. 327 f., zweifelt an dieser Entdifferenzierung insbes. angesichts der Deregulierung im Post- und Telekommunikationswesen. 199 Wendt, in: v. M/K, GG, Art. 5 Rn. 1. Ebenso Bullinger, Rundfunk, Rn. 1, 5, 7; Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 5, und das BVerfG, vgl. etwa BVerfGE 10, 118, 121 (Pressefreiheit kein Unterfall der Meinungsfreiheit); 27, 71, 81 (Informationsfreiheit steht gleichwertig neben der Meinungs- und Pressefreiheit), und 83, 238, 295 f. (Charakter der Rundfunkfreiheit); der Sache nach auch Degenhart, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 6 ff. Demgegenüber fasst Hoffmann-Riem, Kommunikations- und Medienfreiheit, Rn. 22; ders., in: Denninger u. a., GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 24, 138, die Garantien des Art. 5 Abs. 1 GG zu drei Grundrechten zusammen, der Kommunikator-, Rezipienten- und Medienfreiheit, differenziert also insbesondere nicht mehr zwischen der Freiheit der Presse und der Berichterstattung durch Rundfunk und Film; Schmidt-Jortzig, Informationsfreiheit, Rn. 12, führt Meinungs- und Informationsfreiheit zu „einem umfassenden Grundrecht der Kommunikationsfreiheit“ zusammen, „um die Geschlossenheit des Schutzes zu sichern.“
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schon fast sprichwörtlichen „Einheitlichkeit des Grundrechts der Berufsfreiheit“200 – Konsequenz des ,faktischen Zusammenhangs‘ und der ,Unmöglichkeit einer trennscharfen Unterscheidung‘ von Berufswahl und -ausübung – steht hier die ,notwendige‘ Differenzierung auf der Rechtfertigungsebene gegenüber.201 Eine generelle Vermutungsregel, etwa im Sinne eines ,im Zweifel für einen einheitlichen Schutzbereich‘, ist im Wege systematisch-induktiver Betrachtung mithin nicht zu erschließen. Aus begrifflichen, systematischen oder faktischen Verbindungen und Überschneidungen von Schutzgegenständen leitet man unterschiedliche Gewährleistungsstrukturen ab. Damit stellt sich die weitere Frage, ob hinter dem divergierenden dogmatischen Umgang mit der strukturellen Ambivalenz von Grundrechtsgarantien eine einheitliche Argumentationslinie steht. Vorstellbar wäre etwa eine (wenigstens faktisch) allgemein konsentierte Regel, wonach übereinstimmende bzw. divergente Schranken die Vereinheitlichung bzw. Differenzierung von Schutzbereichen indizieren. Das herrschende Verständnis von Art. 4 und 12 Abs. 1 GG202 zeigt aber, dass man gerade diese Korrelation nicht als eine notwendige betrachtet.203 Doch lässt sich die allgemeine Aussage formulieren, dass jedenfalls die klare Trennung der geschützten Lebensbereiche grundsätzlich zur Annahme von zwei eigenständigen Grundrechten führt.204 Hiermit scheint zunächst wenig 200 Seit BVerfGE 7, 377, 401. Vgl. nur Scholz, in: M/D, GG, Art. 12 Rn. 11 ff.; Manssen, in: v. M/K/S, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 2; Breuer, Freiheit des Berufs, Rn. 32 f.; Gubelt, in: v. M/K, GG, Art. 12 Rn. 40; Kluth, Berufsfreiheit, S. 372; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 2004, Rn. 808. Krit. etwa Ridder, Soziale Ordnung, S. 119 ff.; Gusy, Berufswahl, S. 259 f.; Lücke, Berufsfreiheit, S. 8 ff., und Rittstieg, in: Denninger u. a., GG, Art. 12 Rn. 49 ff., die für eine Differenzierung zwischen der Berufswahl und der Berufsausübung bereits auf der Ebene des Schutzbereichs plädieren. 201 In Anlehnung an die „Stufentheorie“ des BVerfG (vgl. BVerfGE 7, 377, 405 ff.) ist dies h.A. auch in der Lit., vgl. nur Manssen, in: v. M/K/S, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 138; Breuer, Freiheit des Berufs, Rn. 33. Auf den „dogmatischen Bruch“, den die gleichzeitige Betonung der Einheitlichkeit des Schutzbereichs und der Notwendigkeit einer Differenzierung auf der Rechtfertigungsebene begründet und „über den sich die h. M. ohne weitere Worte hinwegsetzt“, weist Wieland, in: Dreier, GG, Art. 12 Rn. 74, hin, ohne sich jedoch von der h.A. zu distanzieren; ähnlich Gubelt, in: v. M/K, Art. 12 Rn. 46; krit. ferner etwa Ridder, Soziale Ordnung, S. 120 ff., und Lücke, Berufsfreiheit, S. 5 ff., die als Konsequenz die Annahme eines einheitlichen Grundrechts als mit dem Verfassungstext unvereinbar verabschieden; vgl. zu den Schwächen der Drei-Stufen-Theorie auch Ossenbühl, Freiheiten des Unternehmers, S. 10 ff. Die Modifikationen, welche die Drei-Stufen-Theorie in der Spielbankenentscheidung des BVerfG (BVerfGE 102, 197 ff.) erfährt, analysieren etwa Thiel, Spielbankenmonopol, S. 98 ff., und Sodan, Verfassungsrechtsprechung im Wandel, S. 259 f. 202 Vgl. oben Fn. 197, S. 79, und Fn. 199, S. 80. 203 Der oben deduktiv ermittelte Grundsatz, wonach divergierende Schranken im Prinzip auf zu unterscheidende Schutzbereiche hinweisen, vgl. oben § 2 I. 2. b), steht damit in einem Spannungsverhältnis zur herrschenden Grundrechtsdogmatik.
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gewonnen. Bemerkenswert ist diese vermeintliche Selbstverständlichkeit jedoch angesichts der Tatsache, dass ihr Umkehrschluss nicht gilt. Weder aus der begrifflichen Überschneidung zweier Schutzgegenstände noch aus der Verknüpfung ihrer Normbereiche wird prinzipiell auf einen einheitlichen Schutzbereich geschlossen. Allein unüberbrückbare Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zweier Realbereiche rechtfertigen eine Vereinheitlichung. 205 Diese letzte Beobachtung erlaubt einen weiteren Rückschluss. Offenbar bauen die Konkretisierungen der Grundrechtsartikel auf der Grundannahme auf, dass einem sprachlichen Zeichen bzw. einer Zeichenkombination206 ein selbständiges Grundrecht zuzuordnen ist.207 Denn um die Unmöglichkeit einer Trennung von Begriffen oder Lebensbereichen feststellen zu können, muss man sich zuvor um ihre Differenzierung bemüht haben.208 204 Vgl. insbes. die Auseinandersetzungen um die Verselbständigung von „Ehe“ und „Familie“ i. S. d. Art. 6 Abs. 1 GG, einerseits Coester-Waltjen, in: v. M/K, GG, Art. 6 Rn. 4, die aus der fortschreitenden Auflösung des Zusammenhangs zwischen Ehe und Familie folgert: „Eheschutz und Familienschutz können, ja müssen heute getrennt gesehen werden“. A. A. Frhr. v. Campenhausen, Ehe und Familie, S. 25 ff.; Steiger, Ehe und Familie, S. 74 ff.; Robbers, in: v. M/K/S, GG, Art. 6 Abs. 1 Rn. 17; Badura, in: M/D, GG, Art. 6 Rn. 36 ff. Vgl. aber auch die Argumentationen von Starck, in: v. M/ K/S, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 10; Bizer, in: Denninger u. a., GG, Art. 10 Rn. 45, und Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 5 I, II Rn. 39, 89. 205 Vgl. insoweit insbes. die dogmatischen Ausführungen in Rspr. und Lit. zu Art. 4 GG (z. B. BVerfGE 24, 236, 245 f.; Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rn. 10 ff.; Mikat, Staat, Kirchen, Rn. 7; Frhr. v. Campenhausen, Religionsfreiheit, Rn. 36) und zu Art. 12 Abs. 1 GG (z. B. BVerfGE 7, 377, 401; in enger Anlehnung an diese Rspr. Scholz, in: M/D, GG, Art. 12 Rn. 14; Manssen, in: v. M/K/S, GG, Art. 12 Abs. 1 Rn. 2). 206 Unter „Zeichenkombination“ wird hier die Verbindung Adjektiv – Substantiv verstanden, z. B. „weltanschauliches Bekenntnis“, „ungestörte Religionsausübung“ (Art. 4 Abs. 1, 2 GG) oder „körperliche Unversehrtheit“ (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG). 207 Diese Annahme ist nicht inhaltsgleich mit der Vermutung gegen Redundanz in der Verfassung. Denn mit der Zusammenfassung der durch unterschiedliche sprachliche Zeichen benannten Bereiche zu einem einheitlichen grundrechtlichen Schutzbereich werden die begrifflichen Differenzierungen nicht automatisch als redundant entlarvt oder gebrandmarkt. Exemplarisch sei insoweit auf Art. 9 Abs. 1 GG hingewiesen. Es ist unstreitig, dass dieser ein einheitliches Grundrecht der Vereinigungsfreiheit normiert, vgl. nur Scholz, in: M/D, GG, Art. 9 Rn. 1, 33; Rinken, in: Denninger u. a., GG, Art. 9 Abs. 1 Rn. 46. Gleichwohl behält die beispielhafte Nennung von „Vereinen“ und „Gesellschaften“ ihre Bedeutung. Sie verdeutlicht, dass das gesamte Spektrum des Assoziationswesens erfasst wird, „von der lose geführten Bürgerinitiative bis zum hoch aggregierten Spitzenverband“, Rinken, ebd.; ebenso Bauer, in: Dreier, GG, Art. 9 Rn. 38. 208 Nun wird sich Naivität vorwerfen lassen müssen, wer übersieht, dass die Vereinheitlichung oder Differenzierung grundrechtlicher Schutzbereiche nicht selten als „Mittel zum Zweck“ in einer konkreten Entscheidungssituation gewählt wird. Man könnte daher geneigt sein, die identifizierten Übereinstimmungen der Argumentationen als rein zufällig und also für die Interpretation von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG unerheblich zu verwerfen. Ist man jedoch an einer (möglichst weitgehenden) Konsistenz der Grundrechtsdogmatik interessiert, so sollte jedenfalls dem kleinsten gemeinsamen
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Als Ergebnis der Untersuchung der „Referenzgrundrechte“ von Art. 5 Abs. 3 GG ist damit festzuhalten: 1. Es gibt keine übergreifende Tendenz zugunsten oder gegen eine Differenzierung der Schutzbereiche jener Grundrechtsnormen, die in ihrem Normtext eine Pluralität von Schutzgegenständen nennen, deren Gewährleistungsstruktur angesichts begrifflicher oder faktischer Überschneidungen jedoch nicht eindeutig ist. 2. Die Interpretationen der so charakterisierten Referenzgrundrechte bauen auf der Grundannahme auf, dass unterschiedlich bezeichneten Schutzgegenständen eigenständige Grundrechte korrespondieren. 3. Soweit eine trennscharfe Unterscheidung von Normbereichen, also eine faktische Differenzierung möglich ist, schlägt sich dies grundsätzlich in einer Differenzierung der Schutzbereiche nieder. Überschneidungen hingegen führen nicht notwendig zur Vereinheitlichung. 4. Die Gewährleistungsstrukturen der europäischen Garantien freier Wissenschaft, Forschung und Lehre Wenngleich die nationale und die europäische Grundrechtsordnung rechtlich unabhängig nebeneinander stehen, zählt die Gewährleistung ihrer Kohärenz, die Vermeidung von Widersprüchen und wesentlichen Divergenzen, im Interesse von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit doch zu den Zielen dogmatischer Arbeit und der systematischen Auslegung im weiteren Sinne.209 Unstimmigkeiten sind dabei freilich nicht prinzipiell im Wege der Anpassung nationaler Dogmatik zu beseitigen, vielmehr stehen die Rechtsordnungen in einem Verhältnis wechselseitiger Beeinflussung.210 Das europäische Gemeinschaftsrecht verfügt bisher über keinen Grundrechtskatalog. Dementsprechend fehlt auch eine positivrechtliche Verankerung einer Art. 5 Abs. 3 GG entsprechenden Garantie freier Wissenschaft, Forschung und Lehre. Die im Dezember 2000 proklamierte Grundrechtecharta der EU, deren Art. 13 lautet: „Kunst und Forschung sind frei. Die akademische Freiheit wird geachtet.“, besitzt heute noch keine Rechtsverbindlichkeit. Ihre Gewährleistungen können aber als Sichtbarmachung und Bestätigung der mitgliedstaatlichen Vielfachen der dogmatischen Strukturen grundrechtsübergreifende Relevanz zugesprochen werden. Vgl. allgemein zu Möglichkeiten und Grenzen grundrechtsdogmatischer Systembildung die Nw. oben in Fn. 35, S. 41 209 Siehe hierzu etwa Hoffmann-Riem, Kohärenz der Anwendung, v. a. S. 473 f., 482 f.; Dreier, in: ders., GG, Vorb. Rn. 54, der von „Anpassungs- und Amalgierungsprozessen bei der Fixierung von Grundrechtsstandards“ spricht; vgl. ferner die frühen Analysen von Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 209 ff., 239 f., und Häberle, Gemeineuropäisches Verfassungsrecht, S. 261 ff. 210 Vgl. zur Wechselbeziehung zwischen nationalen und inter- bzw. supranationalen Grundrechtsgarantien etwa Hesse, Grundzüge, Rn. 113; Sommermann, Menschenrechte als Maßstab, S. 417 ff., und Bethge, Grundrechtsdogmatik, S. 379 ff., sowie unten § 8 I. a. E. mit Fn. 134, S. 213.
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Verfassungstradition in die nach Art. 6 Abs. 2 EUV notwendige Ermittlung eines gemeineuropäischen Standards einbezogen werden.211 Eine Begrenzung des Korridors für die Konkretisierung der Gewährleistungsstruktur von Art. 5 Abs. 3 GG ergibt sich hieraus jedoch nicht. Denn die Struktur des Art. 13 GRC ist nicht eindeutig und lässt der dogmatischen Ausgestaltung einen weitgehenden Spielraum.212 Dass die Forschung „frei“ ist, die „akademische Freiheit“ – d.h. die Freiheit der Lehre, die nur zum Zwecke der Abgrenzung gegenüber den Gewährleistungen des Art. 14 GRC in Art. 13 GRC als „akademische Freiheit“ bezeichnet wird213 – dagegen lediglich „geachtet“ wird, deutet zunächst auf zwei unabhängige Grundrechte hin. Offenbar differenziert die GRC hinsichtlich der Einschränkbarkeit zwischen Forschungs- und Lehrfreiheit.214 Dem entspricht die Entstehungsgeschichte insoweit, als im Konvent lange Zeit eine getrennte Verbürgung der Freiheitsrechte in unterschiedlichen Artikeln und Regelungsabschnitten der Charta gefordert wurde.215 Andererseits entschied man sich für ihre Zusammenführung in einem Grundrecht schließlich nicht zuletzt aufgrund der „Verschränkungen“, die zwischen Forschungs- und Lehrfreiheit bestünden.216 Demgemäß könnte der Begriff Wissenschaft in der Überschrift des Artikels als Oberbegriff und damit als Ausdruck der Einheitlichkeit des 211 Vgl. bspw. Alber, Selbstbindung, S. 351; Hilf, Charta der Grundrechte, S. 24 f.; Dreier, in: ders., GG, Vorb. Rn. 45, sowie Europäisches Parlament, Wirkung der Grundrechtecharta, und speziell mit Blick auf Art. 13 GRC Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 282; zurückhaltender etwa Callies, Charta der Grundrechte, S. 267; Grabenwarter, Charta der Grundrechte, S. 11. Zurückhaltung erscheint bzgl. der Art. 27 ff. GRC geboten, die nicht ohne weiteres als Ausdruck der gemeinsamen Verfassungsüberlieferung bezeichnet werden können. – Siehe zur Begründung einer gemeinschaftsrechtlichen Garantie der Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre vor der Proklamation der Grundrechtecharta bspw. Groß, Autonomie der Wissenschaft, S. 173 ff.; Trute/Groß, Europäische Forschungspolitik, S. 236, und Wagner, Wissenschaftsfreiheit, S. 132 ff.; skeptisch im Hinblick auf die objektive Dimension der Wissenschaftsfreiheit v. Bogdandy/Westphal, Rahmen eines Europäischen Wissenschaftsrates, S. 240 f. Der EuGH hat bis heute nicht darüber entschieden, ob das Gemeinschaftsrecht die Wissenschaftsfreiheit gewährleistet. 212 Vgl. zu den spezifischen Methoden einer Interpretation der Grundrechtecharta etwa Dorf, Interpretation der Grundrechtecharta, S. 127 ff. m. w. N. 213 Siehe Caspar, EU-Charta und Bildungsrecht, S. 173; Grabenwarter, Charta der Grundrechte, S. 5; Bernsdorff, in: Meyer, Charta der Grundrechte, Art. 13 Rn. 15. 214 Zweifeld aber Bernsdorff, in: Meyer, Charta der Grundrechte, Art. 13 Rn. 13; Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 286. 215 Vgl. die ausführliche Dokumentation der Diskussionen im Konvent von Bernsdorff, in: Meyer, Charta der Grundrechte, Art. 13 Rn. 6 ff., sowie Bernsdorff/Borowsky, Sitzungsprotokolle, S. 188 ff., 286 f. 216 Siehe Bernsdorff/Borowsky, Sitzungsprotokolle, S. 362 ff.; Berndsdorff, in: Meyer, Charta der Grundrechte, Art. 13 Rn. 11. Den (kurzen) Anmerkungen des Konventspräsidiums zu Art. 13 GRC sind denn auch keine Anhaltspunkte für eine Differenzierung zu entnehmen, Europäischer Konvent, Aktualisierte Erläuterungen. Die Erläuterungen sind jedoch unverbindlich und sollen lediglich die Interpretation der Charta erleichtern, vgl. Dorf, Interpretation der Grundrechtecharta, S. 130.
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Grundrechts gewählt worden sein.217 Angesichts dieser gegenläufigen Hinweise bleibt letztlich jedoch der Ausbau der europäischen Grundrechtsjudikatur und -dogmatik abzuwarten. Die EMRK, deren Bedeutung für die Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes das Bundesverfassungsgericht wiederholt betont hat, obwohl die Konvention innerhalb der deutschen Rechtsordnung nur den Rang eines einfachen Gesetzes einnimmt,218 enthält gleichfalls keine ausdrückliche Garantie der Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre. Die Tätigkeiten von Forschern und Lehrern werden zwar in vielen Hinsichten durch andere Freiheitsrechte, vor allem durch die Meinungs- und Kommunikationsfreiheit des Art. 10 Abs. 1 S. 1 EMRK,219 geschützt. Rückschlüsse auf das Verhältnis von Wissenschafts-, Forschungs- und Lehrfreiheit erlaubt diese Form der Gewährleistung aber nicht. Das Bemühen um die Kohärenz von nationaler und europäischer Grundrechtsordnung zieht der dogmatischen Ausgestaltung der Gewährleistungsstrukturen von Art. 5 Abs. 3 GG mithin keine Grenzen. 5. Resümee Zusammenfassend können aus der systematischen Betrachtung von Art. 5 Abs. 3 GG zwei Vorgaben für den Prozess der Konkretisierung und Strukturierung seiner Gewährleistungen destilliert werden: 1. Während die Verfassung eine Vielzahl von Anzeichen für eine Verselbständigung der Lehrfreiheit enthält, gibt es keine Hinweise für eine Differenzierung von Wissenschafts- und Forschungsfreiheit; insbesondere eine Unterscheidung ihrer Handlungsdimensionen scheint fernliegend. 2. Besondere Bedeutung kommt bei der Entscheidung über die Differenzierung oder Vereinheitlichung der Schutzbereiche einer vergleichenden Betrachtung der Normbereiche von Wissenschaft, Forschung und Lehre zu, ihrer Selbstständigkeit oder Interdependenz und speziell der Identität oder Andersartigkeit ihrer Kommunikationsstrukturen und -inhalte.
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Hiervon geht Bernsdorff, in: Meyer, Charta der Grundrechte, Art. 13 Rn. 15,
aus. 218 Siehe insbes. BVerfGE 74, 358, 370; ferner BVerfGE 82, 106, 115; 83, 119, 128, und hierzu aus der Lit. etwa Sommermann, Menschenrechte als Maßstab, S. 410 ff., und Kirchhof, Verfassungsrechtlicher und internationaler Schutz der Menschenrechte, S. 31 f. Zum Einfluss der EMRK auf die Auslegung der Grundrechtecharta Dorf, Interpretation der Grundrechtecharta, S. 128 f. 219 Siehe etwa Fink, Wissenschaftliche Hochschulen, S. 198; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, § 23 Rn. 11; Meyer-Ladewig, Konvention, Art. 10 Rn. 17; Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 280; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 7.
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III. Zur Unterscheidung von Theorie und Praxis – Die historische Analyse Die „Doppelaufgabe der Verfassung, gleichzeitig als Stabilitätssicherung und als ein für Veränderungen offener Zukunftsentwurf zu fungieren“,220 erfordert die Analyse der Vorgängerregelungen und der Entstehungsgeschichte einer Norm des Grundgesetzes im Rahmen jedes Verfassungsinterpretationsprozesses. Jede Verfassung ist „Verfassung in der Zeit“221 und als „Reaktion auf einen Verfassungszustand“222 zu verstehen. Auch eine dem ,objektivierten Willen‘ des Verfassungsgebers verpflichtete Auslegung hat Geschichte und Genese einer Norm zu berücksichtigen.223 Denn nur und erst im Konfliktfall kommt den objektivierenden Auslegungsgesichtspunkten der Vorrang zu. Innerhalb eines Konkretisierungskorridors aber verschieben historische Argumente die Begründungslast. Über die Bedeutung der historischen Auslegung für das Verständnis von Art. 5 Abs. 3 GG besteht weitgehend Einigkeit,224 wobei die (Entstehungs-)Geschichte als Beleg durchaus unterschiedlicher, bisweilen entgegengesetzter Positionen angeführt wird.225 Die nachfolgende Untersuchung wird von zwei erkenntnislei220 Schuppert, Rigidität und Flexibilität, S. 35. Zum Spannungsverhältnis zwischen Stabilität und Dynamik im Verfassungsrecht eindringlich ferner Lerche, Stiller Verfassungswandel, S. 293; P. Badura, Verfassung, insbes. S. 33 ff.; Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 19 f. und passim, und K. Hesse, Verfassung, Rn. 13 ff., insbes. Rn. 22. Siehe zu Möglichkeiten und Grenzen eines Verfassungswandels die Nw. unten in Fn. 331, S. 109. 221 K. Hesse, Verfassung, Rn. 22. 222 Dürig, Tragweite, S. 44. 223 Vgl. zur Relevanz von Geschichte und Genese einer Norm im Rahmen objektiver Verfassungsauslegung aus der Lit. etwa K. Hesse, Grundzüge, Rn. 68; v. Münch, in: v. M/K, GG, Vorb. Art. 1–19 Rn. 50 („subsidiäre Bedeutung“); Stein, in: Denninger u. a., GG, Einleitung II Rn. 10, 58 ff. Das BVerfG will zwar der Entstehungsgeschichte für die Auslegung des Grundgesetzes keine „ausschlaggebende Bedeutung“ zukommen lassen (vgl. insbes. BVerfGE 51, 97, 110, sowie BVerfGE 6, 389, 431; 41, 291, 309), „Regelungstradition und Entstehungsgeschichte“ aber gleichwohl „berücksichtigen“, vgl. nur BVerfGE 62, 1, 45; 74, 51, 57; 74, 102, 116. Die Rolle der historischen Auslegung in der Rspr. des BVerfG analysiert Sachs, Entstehungsgeschichte, S. 73 ff. 224 Besonders betont wird sie etwa von Bettermann, Universitätstage, S. 66 f.: „konstitutive Bedeutung für das Verständnis der Wissenschaftsfreiheit“; ähnlich Knemeyer, Lehrfreiheit, S. 12, und Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 30 f. Breiten Raum nahm die historische Analyse bereits bei Smend, Meinungsäußerung, S. 57 ff., und Rothenbücher, Meinungsäußerung, S. 32 ff, ein. Allein die Untersuchung der Genese von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG hält man überwiegend für „unergiebig“, vgl. nur H. H. Klein, Entwicklungen im Hochschulrecht, S. 133; Hailbronner, a. a. O., S. 51; Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 39; Trute, Institutionalisierung, S. 41. Krit. zur (Über-) Bewertung der Entstehungsgeschichte bei der Auslegung von Art. 5 Abs. 3 GG Schrödter, Wissenschaftsfreiheit des Beamten, S. 120; Laaser, Lehrfreiheit in der Schule, S. 16 ff.
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tenden Fragen dirigiert. Sie rufen die beiden Elemente jeder historischen Interpretation – die Analyse der Entwicklungsgeschichte einerseits und der Entstehungsgeschichte andererseits226 – auf den Plan: Gingen die Vorgängerregelungen des Art. 5 Abs. 3 GG von einem einheitlichen Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit, möglicherweise sogar von der Einheit von Forschung und Lehre, aus, oder wurde zwischen Wissenschafts-, Forschungs- und Lehrfreiheit differenziert? Hat man das „vorverfassungsmäßige Gesamtbild“227 mit Art. 5 Abs. 3 GG in das Bonner Grundgesetz übernommen? 1. Das „vorverfassungsmäßige Gesamtbild“ Die seit dem 17. Jahrhundert erhobene Forderung nach libertas philosophandi; die Begründung der freien forschenden Weltbetrachtung und der freien Gedankenmitteilung als im Naturgesetz und Sozialkontrakt verankerte „natürliche Rechte“ des „Gelehrten“ in den Naturrechtssystemen der deutschen Aufklärung; die Befreiung wissenschaftlich-rationalen Denkens aus den Bindungen theologischer Dogmatik; die Einführung der akademischen Lehrfreiheit an den im 18. Jahrhundert neu gegründeten Universitäten; das Aufbegehren gegen die Maßnahmen der Metternich’schen Restauration – diese Wurzeln der modernen Wissenschaftsfreiheit wurden wie die historische Entwicklung des Grundrechts bereits vielfach und ausführlich beschrieben.228 Diesen Darstellungen soll hier keine weitere hinzugefügt werden. Der Blick soll allein und selektiv auf jene Aspekte gelenkt werden, die über das Strukturverständnis der Wissenschaftsfreiheit(en)229 und darüber Aufschluss geben, in welchem inhaltlichen Zusammen225 Siehe nur einerseits Roellecke, Institutionelle Garantie, S. 727 ff. (Entstehungsgeschichte zeigt Wissenschaftsfreiheit als Unterfall der Meinungsfreiheit), andererseits Knemeyer, Wissenschaftsfreiheit, S. 781 (Entstehungsgeschichte stützt die Annahme des Sondernormcharakters der Wissenschaftsfreiheit); einerseits Beck, Lehrfreiheit an Schulen, S. 10 (Geschichte zeigt, dass der Gehalt des Art. 142 WRV ins Grundgesetz übernommen wurde), andererseits Perschel, Lehrfreiheit des Lehrers, S. 36 f. (Genese zeigt, dass das Grundgesetz von Art. 142 WRV abweichen will). 226 In Rspr. und Lit. finden i. d. R. beide Aspekte Berücksichtigung, ohne dass sie stets klar unterschieden würden, vgl. bspw. BVerfGE 74, 51, 57; 74, 102, 116; 77, 1, 45 f.; aus der Lit. etwa Stein, in: Denninger u. a., GG, Einleitung II Rn. 56 ff.; Zippelius, Methodenlehre, S. 50 f. Für eine strikte Trennung beider Aspekte, die den Bezug auf das gemeinsame „Verstehensobjekt“ (Schroth, Theorie und Praxis, S. 78 ff.) aber wohl nicht hinreichend berücksichtigen würde, Müller/Christensen, Juristische Methodik, Rn. 360 ff. 227 Begriffsprägend BVerfGE 2, 380, 403; vgl. zur Figur des vorverfassungsmäßigen Gesamtbildes und ihrer verfassungsrechtlichen Bedeutung etwa Ehmke, Verfassungsinterpretation, S. 78; Schick, Bonner Grundgesetz, S. 356. 228 Vgl. statt vieler die insbes. in ihrer Stoffauswahl überzeugenden Darstellungen von Zwirner, Wissenschaftsfreiheit, S. 314 ff., und Trute, Institutionalisierung, S. 17 ff.; zur Entwicklung bis zur Weimarer Reichsverfassung v. a. die detaillierte, viel beachtete Analyse von W. A. E. Schmidt, Freiheit der Wissenschaft, S. 23 ff.
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hang man Wissenschaft, Forschung und Lehre sah. Insofern ist insbesondere die Diskrepanz zwischen den zunächst philosophischen, später auch rechtswissenschaftlichen Konzeptionen und Begründungen der Wissenschaftsfreiheit einerseits und der praktischen Wirkung des Grundrechts andererseits bemerkenswert: Der theoretisch zweigliedrigen Wissenschaftsfreiheit stand eine in der Grundrechtspraxis stets nur einseitige Schutzrichtung gegenüber. a) Wissenschaftsfreiheit als Idee, Lehrfreiheit als Grundrecht – Die Entwicklung bis 1848/49 Der Unterschied zwischen freiheitsrechtlicher Theorie und Praxis zeigte sich bereits in der Geburtsstunde des Grundrechts. Philosophen und Naturrechtler begründeten die Wissenschaftsfreiheit als das Recht, über jeden beliebigen Gegenstand nachzudenken und zu jedem Thema Gedanken auszutauschen. Schutzgut der in § 152 der Frankfurter Reichsverfassung erstmals verfassungsrechtlich gewährleisteten Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre waren in der Praxis dann jedoch einzig Lehr- und Lernfreiheit. aa) Die Parallelität von Forschungs- und Lehrfreiheit in den Begründungen der Wissenschaftsfreiheit Dem zunächst von Baruch de Spinoza formulierten, dann vielfach aufgegriffenen und nicht selten als die Wurzel der Wissenschaftsfreiheitsgarantie zitierten Gedanken der libertas philosophandi zufolge, gewährleistet „nichts die Sicherheit im Staat besser, als wenn [. . .] jedem das Recht zugestanden wird, zu denken, was er will, und zu sagen, was er denkt.“230 Neben der Forderung nach freier (philosophischer) Forschung steht hier gleichberechtigt die Forderung nach freier (philosophischer) Lehre.231 Die Naturrechtssysteme der deutschen Aufklärung begründeten die Wissenschaftsfreiheit mit vergleichbarem Inhalt als unveräußerliches Menschenrecht.232 Die „freie Untersuchung jedes möglichen Objekts des Nachdenkens, 229 Mit der Frage nach der „Grundrechtsstruktur“ und dem „Schutzbereich“ werden v. a. an die Zeit bis 1848/49 ihr fremde Kategorien herangetragen. Ziel der Analyse kann daher natürlich nur das Verständnis der historischen Vorstellungen und die anschließende Übertragung in aktuelle grundrechtliche Kategorien sein. 230 Spinoza, Tractatus Theologico-Politicus, Kap. XX a. E., S. 362. 231 Erst im 19. Jahrhundert wurde die zunächst auf die philosophische Fakultät begrenzte Forderung auch für die „oberen Fakultäten“ (Theologie, Jurisprudenz, Medizin) erhoben, vgl. Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 1. Noch 1798 ist sie etwa bei Kant, Streit der Fakultäten, auf die Philosophie begrenzt. 232 Vgl. etwa Fichte, Zurückforderung, S. 10 ff.: Der Fürst besitze seine Rechte nur infolge ihrer Übertragung von der Gesellschaft. Das Recht der Menschen zu denken aber könne die Gesellschaft nicht übertragen, denn auf dieses bei Eintritt in den Ge-
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nach jeder möglichen Richtung hin, und ins Unbegrenzbare hinaus, ist ohne Zweifel ein Menschenrecht.“233 Wer aber das Recht zum Zwecke habe, der habe es auch zu den Mitteln. Eines der „vortrefflichsten Mittel“ sich weiterzubringen, sei nun aber, wenn man von anderen belehrt werde; „folglich hat jeder ein unveräußerliches Recht, frei gegebene Belehrungen ins Unbegrenzte hinaus anzunehmen. Soll dieses Recht nicht aufgehoben werden, so muss auch das Recht des anderen, dergleichen Belehrungen zu geben, unveräußerlich sein.“234 Forschungs-, Lern- und Lehrfreiheit stehen auch hier Seite an Seite und machen als Gesamtheit die Freiheit der Wissenschaft aus. Dabei besteht zwischen Forschung und Lehre, zwischen Forschungsfreiheit und Lehrfreiheit ein enger Zusammenhang: Die Verbindung von Forschung und Lehre ist logisch zwingende Voraussetzung jeder Erstveröffentlichung.235 Die Freiheit, Gedanken zu äußern, wird in dem Moment zu einem wertvollen Gut, da in Freiheit neue Erkenntnisse gewonnen wurden. Dementsprechend muss dem Schutz des forschenden Lehrers aus Sicht des am wissenschaftlichen Fortschritt Interessierten besondere Bedeutung zukommen. Doch ist weder dem Traktat Spinozas noch den Überlegungen der deutschen Naturrechtler ein Umkehrschluss in dem Sinne zu entnehmen, dass sich allein derjenige auf die Mitteilungsfreiheit sollte berufen können, der selbst zu neuen philosophischen Erkenntnissen gelangt ist. Im Gegenteil, die Verbreitung neuer, nicht an den überlieferten Wissensstand gebundener Lehren sollte generell freigestellt werden. Zur historischen Begründung einer notwendigen Verknüpfung von Forschung und Lehre verweist man denn auch zumeist nicht auf die Ursprünge der Wissenschaftsfreiheit, sondern auf ,den Deutschen Idealismus‘,236 worunter man in diesem Zusammenhang in der Regel vornehmlich die zur Wissenschaftsorganisation verfassten Beiträge von Friedrich Wilhelm J. Schelling, Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Schleiermacher, Henrik Steffens und Wilhelm von Humboldt versteht.237 Auch sie konzipierten Forschungs-, Lehr- und Lernfreiheit als Elesellschaftsvertrag zu verzichten, hieße: „Wir versprechen Tiere zu werden, damit es Euch weniger Arbeit mache, uns zu bändigen“, ders., a. a. O., S. 14. 233 Fichte, Zurückforderung, S. 23. 234 Fichte, Zurückforderung, 24 (Herv. i. Orig.); vgl. auch die naturrechtliche Begründung der Wissenschaftsfreiheit durch Chr. Wolff, Natur- und Völkerrecht, S. 735, der die Lehr- und Lernfreiheit dann jedoch für die Universitäten als ökonomisch unvertretbar ablehnt; hierzu Hoffmann, Anschauungen Chr. Wolffs, S. 98. 235 Soweit man Veröffentlichung i. w. S. als jede Form der mündlichen oder schriftlichen Bekanntgabe versteht. 236 Vgl. etwa Küchenhoff, Hochschulreform, S. 603; Schelsky, Einsamkeit, S. 54, 74 ff., sowie die Analyse von Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 43 ff. m. w. N. 237 Vgl. zum Begriff des „Deutschen Idealismus“ als historisch-thematischem Doppelbegriff mit fließenden Grenzen Zeltner, in: Ritter/Gründer, Wörterbuch der Philosophie, Bd. 4, S. 35 ff. m. w. N.
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mente der Wissenschaftsfreiheit, auch sie verstanden die Verbindung von Forschung und Lehre jedoch nicht als generelles Funktionsprinzip der Wissenschaft oder als Bedingung des Freiheitsschutzes. Dies bestätigt ein exemplarischer Blick auf die Beiträge Schleiermachers und v. Humboldts. Schleiermacher verzichtet in seinen „Gelegentliche[n] Gedanken über die Universitäten im deutschen Sinn“ nicht nur auf das Postulat einer notwendigen Einheit von Forschung und Lehre, sondern fordert, im Gegenteil, ihre Trennung. In seiner Konzeption bleibt die Forschung den wissenschaftlichen Akademien vorbehalten.238 Der Universität ist der Forschungsauftrag entzogen, sie ist „Nachschule“ des Gymnasiums und „Vorakademie“ und bildet „den Übergangspunkt zwischen der Zeit, wo durch eine Grundlage von Kenntnissen, durch eigentliches Lernen die Jugend erst bearbeitet wird für die Wissenschaft, und der, wo der Mann in der vollen Kraft und Fülle selbst forschend das Gebiet der Erkenntnis erweitert oder schöner anbaut“239. Zwischen freier Forschung und freier Lehre besteht mithin weder ein personelles240 noch ein institutionelles Junktim. In den Reformvorschlägen v. Humboldts erhält die Einheit von Forschung und Lehre demgegenüber eine zentrale Stellung.241 Doch ist seine Konzeption insoweit auf die Universität beschränkt. Die Verbindung von Forschung und Lehre gehört bei v. Humboldt zu den wesentlichen Elementen der inneren Universitäts-, nicht aber allgemein der Wissenschaftsorganisation.242 Ihre Einheit ist zudem auch für ihn eine zwar wünschenswerte, aber nicht notwendige.243 Er formulierte entsprechend vorsichtig, das Geschäft des Forschers ginge ohne die Gegenwart der Schüler „nicht gleich glücklich“ vonstatten.244 238
Schleiermacher, Gelegentliche Gedanken, S. 235 f. Schleiermacher, Gelegentliche Gedanken, S. 241, 238, und ausführlich zum Wesen der Universität S. 237 ff., 246 ff. 240 Zwar soll der Universitätslehrer „nicht erzählen, was er weiß, sondern sein eigenes Erkennen, die Tat selbst, reproduzieren“, Schleiermacher, Gelegentliche Gedanken, S. 252 (Herv. AK). Hierin liegt jedoch nur scheinbar ein Hinweis auf eine eigene Forschungstätigkeit des Lehrenden verborgen. Dies zeigt zum einen die Funktionsbestimmung für Universitäten und Akademien, s. o. Fn. 238, S. 89, und Fn. 239, S. 89, und zum anderen die Gegenüberstellung von Forscher und Universitätslehrer als zwei Personen, die „sehr verschiedene Beschäftigungen“ pflegen, Schleiermacher, Gelegentliche Gedanken, S. 243. 241 v. Humboldt, Über die innere und äußere Organisation, S. 378; hierzu etwa Riedel, Forschung und Bildung, S. 425 ff., und Kopetz, Forschung und Lehre, S. 42 ff. Vgl. zur Notwendigkeit forschenden Lernens auch Fichte, Deduzierter Plan, S. 132 f. 242 Ähnlich Schelling, Vorlesungen, S. 19 ff. – Schelsky, Einsamkeit, S. 60, weist zutreffend darauf hin, dass das „viel zitierte Prinzip der Einheit von Forschung und Lehre“ überhaupt nur an „sehr seltenen Stellen [. . .] mit einiger Klarheit in bezug auf die Universität formuliert wird.“ 243 So auch Martin, Idee und Wirklichkeit, S. 16 ff. 244 v. Humboldt, Über die innere und äußere Organisation, S. 378 (Herv. AK). An späterer Stelle bezeichnet er die Vorlesung dementsprechend als bloßes „Hilfsmittel“ 239
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Die idealistischen Konzeptionen enthielten mithin kein generelles Postulat der Verknüpfung von Forschung und Lehre als Funktionsbedingung der Wissenschaft bzw. als Grundlage oder Voraussetzung ihres Freiheitsschutzes. Soweit sie ein Junktim vorsahen, war dieses auf die akademische philosophische Lehre und Forschung begrenzt und auch insoweit nur als einseitiges, also als Anbindung der Lehre an die Forschung, gedacht. Friedrich C. von Savigny ging 1832 insofern einen Schritt weiter, als er die Einheit von Forschung und Lehre als einen dem Sachgebiet Wissenschaft innewohnenden Grundsatz entfaltete.245 Doch leitete er aus diesem Grundsatz nicht die Notwendigkeit ihrer Verbindung in der Person des Lehrers bzw. Forschers, auch nicht des akademischen, ab: Denn wie ein trefflicher Lehrer gedacht werden könne, welcher niemals die Wissenschaft durch neue Entdeckungen bereichert hat, so könne einem Anderen die Wissenschaft viel verdanken, welcher als Lehrer wenig leistet.246 In den theoretischen Konzeptionen der Wissenschaftsfreiheit stehen Forschungs- und Lehrfreiheit als ihre Elemente also nebeneinander. Die Einheit von Forschung und Lehre bildet dabei keine Voraussetzung des Freiheitsschutzes. Auch die idealistischen Philosophen fordern in ihren Schriften zur Wissenschaftsorganisation allenfalls ein einseitiges Junktim in der Person des Universitätslehrers. bb) Die Lehrfreiheit als alleiniges Schutzgut des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit Mit der prinzipiellen Gleichrangigkeit von Forschungs- und Lehrfreiheit in den theoretischen Entwürfen der Wissenschaftsfreiheit kontrastiert die faktische Begrenzung des Schutzinteresses und der durch dieses Schutzinteresse gesteuerten (grund-)rechtlichen Vorstöße auf die Lehrfreiheit. Diese einseitige Ausrichtung lag zunächst in den Freiheitsgefährdungen der Zeit begründet. Hoheitlicher und kirchlicher Unterdrückung oder Bevormundung sah sich in erster Linie die Lehre ausgesetzt.247 Die Statuten der Universifür den Forscher (a. a. O., S. 383) und geht zudem davon aus, dass es an jeder großen Universität immer Männer geben werde, die „nur einsam für sich studieren und forschen“. 245 F. C. v. Savigny, Wesen und Werth, S. 281 ff. 246 F. C. v. Savigny, Wesen und Werth, S. 278. 247 Bes. prominent sind insoweit die Amtsenthebung Chr. Wolffs durch König Friedrich Wilhelm I. wegen angeblicher atheistischer und staatsgefährdender Lehren (hierzu Kaufmann, Lehrfreiheit, S. 15; W. A. E. Schmidt, Freiheit der Wissenschaft, S. 33), und die Verpflichtung Kants durch seinen Landes- und Dienstherrn, sich zukünftig aller Stellungnahmen zur Religion zu enthalten, nachdem „Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ publiziert worden war, hierzu Kant, Streit der
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täten banden die Lehre regelmäßig an den territorialen Bekenntnisstand, womit sie unter die Aufsicht der theologischen Fakultäten und der jeweiligen landeskirchlichen Orthodoxie gestellt wurde. Das Kollegium war durchgängig berechtigt, den Inhalt der Vorlesungen entsprechend den religiösen Bekenntnissen des Herrschers vorzugeben.248 Universitäre Lehre bestand damit ausschließlich in der bewahrheitenden Tradierung überlieferten Wissens.249 Die Freiheit der Forschung – in erster Linie verstanden als freies Denken, als freie philosophische Reflexion – schien demgegenüber wesentlich weniger gefährdet. Man ging offenbar davon aus, dass auch ohne eine grundrechtliche Gewährleistung frei geforscht werden könne und auch tatsächlich geforscht werde.250 Andernfalls wäre kaum verständlich, dass man sich allein von einer Garantie der Lehrfreiheit die „Vermittlung des als wahr Erkannten“251 versprechen konnte. Von der Möglichkeit der Wahrheitserkenntnis ging man aus. Tatsächlich waren die modernen Wissenschaften begründet worden, ohne dass es hierzu einer besonderen Freiheitssicherung bedurft hätte.252 Galilei etwa hatte man nicht die Erkenntnis, sondern allein die Artikulation derselben verboten und verbieten können.253 Fakultäten, Vorrede. Zur Erinnerung an die gegen die freie Lehre gerichteten Maßnahmen der Metternich’schen Restauration genügen Stichworte wie Demagogenverfolgung, Karlsbader Beschlüsse oder „Göttinger Sieben“; vgl. dazu E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. I, S. 732 ff., Bd. II, S. 96 ff.; mit Blick auf die Entwicklung der Wissenschaftsfreiheitsgarantie Rothenbücher, Meinungsäußerung, S. 33; W. A. E. Schmidt, a. a. O., S. 50 ff.; Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 3. 248 Vgl. hierzu Kaufmann, Lehrfreiheit, S. 15 f.; Kitzinger, in: Nipperdey, Grundrechte, Bd. 2, S. 451; zur Zensur, die bis ins 19. Jahrhundert von Kollegien an den Universitäten ausgeübt wurde, Siemann, Chancen und Schranken, S. 319 ff. 249 Noch Kant bspw. hat an der Universität Philosophie stets nach den gebräuchlichen Lehrbüchern anderer gelesen, Zwirner, Wissenschaftsfreiheit, S. 317; siehe zum Ganzen ferner Schindling, Universität, S. 61 ff., 68 ff. 250 Paradigmatisch sind insoweit die Erläuterungen Hofferichters zu seinem Entwurf eines deutschen Reichsgrundgesetzes aus dem Jahr 1848, ders., Entwurf, S. 42: „Die Wissenschaft ist allezeit frei gewesen, sie kann sowenig als die Freiheit des Gedankens durch ein Gesetz beschränkt werden, aber ein anderes ist die Freiheit der Lehre. Sie ist bisher und namentlich in der letzten Zeit gar sehr beschränkt worden. [. . .] Wir begehren also nicht bloß Freiheit der Wissenschaft, sondern volle Lehrfreiheit.“; ähnlich zuvor schon Fichte, Zurückforderung, S. 14 f.: „ja ihr [Fürsten Europens] erlaubt uns zu denken, da ihr es nicht hindern könnt; aber ihr verbietet uns, unsere Gedanken mitzuteilen“ (Herv. i. Orig.); vergleichbar noch 1929 W. A. E. Schmidt, Freiheit der Wissenschaft, S. 56, obwohl er selbst die Forschung schon als Schutzgegenstand des Art. 142 WRV benennt, ders., a. a. O., S. 112 f. 251 Thomasius, Teutsche Schrifften, S. 680. 252 In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts war die moderne Wissenschaft in allen Wissenschaftszweigen als geistig autonome Vernunfterkenntnis begründet worden, durch Galilei in den Naturwissenschaften (1610/38), durch Descartes in der Erkenntnistheorie (1637) und durch Hobbes in der Soziallehre (1642). Ausführlich zur Geschichte der modernen Wissenschaft in Europa Rossi, Geburt der modernen Wissenschaft.
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Vor diesem Hintergrund galt das Interesse der Verfechter einer rechtlichen Umsetzung der libertas philosophandi vor allem der Ermöglichung freier Lehre. Der Schwerpunkt des erstrebten Schutzes lag eindeutig auf den Mitteilungsvorgängen.254 Siemann spricht von der Lehrfreiheit als „der Form der praktischen öffentlichen Anwendung“ der Wissenschaftsfreiheit255. Das von v. Rotteck/ Brandt bzw. Welcker herausgegebene Staatslexikon enthält zwar in allen Auflagen eine ausführliche Erläuterung der Lehrfreiheit, jedoch keine Einträge zu Wissenschaft bzw. Wissenschaftsfreiheit oder Forschung bzw. Forschungsfreiheit.256 Wie heute die Begriffe „Forschungsfreiheit“ und „Wissenschaftsfreiheit“ vielfach synonyme Verwendung finden,257 so werden im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert „Lehr-“ und „Wissenschaftsfreiheit“ nicht selten gleichbedeutend verwendet.258 In die Märzprogramme des Jahres 1848 findet der Gedanke der Wissenschaftsfreiheit denn auch als Forderung nach Lehr- und Lernfreiheit Eingang.259 Die vom Vorparlament im April 1848 veröffentlichte Fassung des Grundrechts253 Hieran anknüpfend formulierte Schierenberg als einer der ersten Redner in der deutschen Nationalversammlung der Paulskirche von 1848 als das „große Prinzip“ des Grundrechts, „dass künftig keinem Galilei mehr geboten werden soll, die Umdrehung der Erde zu leugnen [. . .]“, Wigard, Stenographischer Bericht, S. 2177. 254 Ebenso Richter, Bildungsverfassungsrecht, S. 156; Waechter, Fortschrittsvertrauen, S. 19 f.; Groß, Autonomie der Wissenschaft, S. 22; Trute, Institutionalisierung, S. 17 ff.; Kleindiek, Risikogesellschaft, S. 144 f. 255 Siemann, Chancen und Schranken, S. 315. Er bezeichnet die Universität Göttingen daher mit Hinweis auf ihre Statuten, welche die „verantwortungsbewusste Freiheit der Lehre und der Überzeugung“ gewährleisteten, als „Vorbild bei der Befestigung der Wissenschaftsfreiheit“, ders., a. a. O., S. 316 (Herv. AK). 256 Vgl. v. Rotteck/Brandt, Staatslexikon, 1837; v. Rotteck/Welcker, Staatslexikon, 2. Aufl. 1847; v. Rotteck/Welcker, Staatslexikon, 3. Aufl. 1864. 257 Vgl. oben § 3 I. 2. c) aa), cc) mit Fn. 124, S. 61. 258 Vgl. den Bericht über die Verhandlungen der „Siebzehn Männer des öffentlichen Vertrauens“ von Droysen, Aktenstücke, S. 76 ff., sowie seinen Bericht über die Beratungen des Verfassungsausschusses, ders., Verhandlungen, S. 19 f.; vgl. ferner die Begrifflichkeit in den dieser Zeit gewidmeten Analysen von W. A. E. Schmidt, Freiheit der Wissenschaft, S. 64 ff., und Siemann, Chancen und Schranken, S. 317. – Dass der Kampf um die Wissenschaftsfreiheit im Kern ein Ringen um die Freiheit der Lehre war, zeigen überdies die Bestrebungen der neu gegründeten Universitäten, die libertas philosophandi – von Spinoza als Lehr- und Forschungsfreiheit verstanden – in ihren Statuten umzusetzen, indem sie „die verantwortungsbewusste Freiheit der Lehre und der Überzeugungen“ gewährten (so das Statut der 1734 gegründeten Universität Göttingen, abgedr. bei Ebel [Hrsg.], Privilegien und Statuten, S. 180, Herv. AK), oder ihren Lehrern die „Freyheit der Lehren“ zuerkannten, vgl. das Statut der 1694 gegründeten Universität Halle, zitiert nach Thomasius, Teutsche Schriften, S. 680. Zur tatsächlichen Gewährleistung der universitären Lehrfreiheit bis ins 19. Jahrhundert, die in vielem von den Versprechen der Statute abwich, Spranger, Wesen der Universität, S. 2 ff. 259 Während in den Debatten des Jahres 1847 neben der Freiheit der Lehre bisweilen auch noch die Freiheit der Forschung gefordert wird (vgl. die Darstellung von Zwirner, Wissenschaftsfreiheit, S. 320), findet letztere in den Märzprogrammen und in
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katalogs nennt ausschließlich die „Lehr- und Lernfreiheit“260, und auch in den Beratungen der Professorenparlamente261 stehen allein die personelle und sachliche Reichweite der Freiheit der Lehre zur Diskussion.262 Als Friedrich C. Dahlmann im Ausschuss der „Siebzehn Männer des öffentlichen Vertrauens“ schließlich von der „Freiheit der Wissenschaften“ spricht und ihre Aufnahme in die Verfassung fordert, steht hinter seiner sprachlichen Variation nicht das Anliegen, das Grundrecht um die Forschungsfreiheit zu erweitern. Sein Ziel ist es vielmehr, zwischen den Vertretern einer umfassenden, Elementarschulen und Universitäten in gleichem Maße begünstigenden Lehr- und Unterrichtsfreiheit und den Verfechtern einer Begrenzung des Freiheitsrechts auf die akademische Lehre zu vermitteln.263 Den genauen Bedeutungsgehalt des schließlich in der Fassung „Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei“ als § 152 der Frankfurter Reichsverfassung angenommenen Grundrechts lassen die Beratungen nicht erkennen. Es bleibt unklar, ob „Wissenschaft“ in einem ,technisch, professoralen‘ Sinn oder in einem weiten, ,populären‘ Sinn verwendet wurde, ob sich die Freiheit der Wissenschaft in der Freiheit der wissenschaftlichen Meinungsäußerung erschöpfte oder zudem das Organisationsprinzip der Unterrichtsfreiheit erfasste.264 Unzweifelhaft aber war der Schutz des freien Erkenntnisprozesses nicht Ziel der Verfassungsväter.265 Die Freiheit der Forschung, der ,Untersuchung jedes beliebigen Objekden Verfassungsberatungen keine Erwähnung mehr, vgl. W. A. E. Schmidt, Freiheit der Wissenschaft, S. 63 f.; Zwirner, a. a. O., S. 323. 260 Verhandlungen des Deutschen Parlaments, S. 134 f. 261 Zur Nationalversammlung als Parlament (juristischer) Professoren Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. II, S. 271 ff.; allgemein zur (in keiner Weise repräsentativen) Zusammensetzung der Nationalversammlung Willoweit, Verfassungsgeschichte, S. 262 f. 262 Die Sicherung der Lehrfreiheit war zu einer Grundforderung der politischen Professoren geworden, sie betrachteten das Freiheitsrecht als Voraussetzung ihres Wirkens, Schnabel, Deutsche Geschichte, S. 208. 263 Der Begriff der Wissenschaft sollte der Freiheitsforderung ihre politische Gefährlichkeit nehmen, indem er das niedere und das höhere Schulwesen mindestens zum Teil von der Gewährleistung ausschloss, Droysen, Aktenstücke, S. 105. Auch die anschließenden Beratungen des Verfassungsausschusses der Nationalversammlung über die Freiheit der Wissenschaft stehen im Zeichen dieses Konfliktes zwischen der Lehrfreiheit im engeren und im weiteren Sinne, Droysen, Verhandlungen, S. 19 f.; vgl. ferner die ausführliche Darstellung von W. A. E. Schmidt, Freiheit der Wissenschaft, S. 66 ff. Zudem wurde das Recht, Unterricht zu geben und Unterrichtsanstalten zu gründen, mit der Frage der Wissenschaftsfreiheit verknüpft, W. A. E. Schmidt, a. a. O., S. 67. 264 I. Erg. wie hier W. A. E. Schmidt, Freiheit der Wissenschaft, S. 67 f. Laaser, Lehrfreiheit in der Schule, S. 179 ff., 230 f., und Kühne, Reichsverfassung, S. 501 f. m. w. N., schließen eine Beschränkung auf den akdemischen Bereich hingegen aus. Hierauf könnte die Ablehnung eines Antrags, die Lehrfreiheit ausdrücklich auf die Universitäten zu beschränken, durch das Plenum der Nationalversammlung (vgl. Wigard, Stenographischer Bericht, S. 2228) hindeuten. Ebenso könnte dieser jedoch als überflüssig verworfen worden sein. Eine abschließende Klärung scheint nicht möglich.
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tes‘, findet in keiner der Versammlungen Erwähnung. Als Voraussetzung der wissenschaftlichen Lehre wurde sie wohl mitgedacht, denn Bedeutung und Brisanz erhielt die Möglichkeit freier Lehre vor allem bei der Vermittlung von neuen Erkenntnissen, die überkommene Wissensbestände ergänzten, relativierten oder widerlegten. Als Schutzobjekt aber fasste man sie nicht ins Auge.266 Anhaltspunkte für eine Begrenzung der somit allein geschützten Freiheit der Lehre auf die Vermittlung eigener Erkenntnisse, also für ein implizites grundrechtliches Junktim zwischen Forschung und Lehre, finden sich weder in den Protokollen der Verfassungsberatungen noch in den Debatten und Forderungskatalogen, die der Einsetzung des Nationalparlaments vorausgingen. Weder auf das idealistische Bildungskonzept noch auf das Prinzip der Einheit von Forschung und Lehre wurde ausdrücklich Bezug genommen. Dass ein einseitiges Junktim im Sinne einer idealistischen Universitätsvorstellung dennoch als selbstverständlich in der Verfassungsgarantie verankert wurde, ist nicht anzunehmen.267 Denn ihr zentrales Anliegen war die Ermöglichung der freien Verbreitung aller Gedanken, Lehren und Forschungsergebnisse. Es sollten all jene geschützt werden, die ihrer Lehre eine den tradierten Wahrheiten widersprechende Auffassung zugrunde legen wollten, unabhängig davon, ob sie diese selbst entwickelt hatten. Mag man die Mitteilungsfreiheit des Forschers auch als besonders schutzwürdig bewertet haben,268 so wurde sie doch nicht als die einzig schützenswerte Form der Lehre betrachtet. Festzuhalten ist damit ein Zweifaches: Anders als in ihren (philosophischen bzw. rechtswissenschaftlichen) Begründungen erfasste die Wissenschaftsfreiheit als grundrechtliche Verbürgung in der Praxis zunächst nur die Lehre. Voraussetzung des Schutzes durch die Lehrfreiheit war nicht die eigene Forschungstätigkeit des Lehrenden, § 152 FRV gewährleistete nicht das Prinzip der Einheit von Forschung und Lehre.
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So auch Rothenbücher, Meinungsäußerung, S. 32, 34. A. A. Zwirner, Wissenschaftsfreiheit, S. 323; Kühne, Reichsverfassung, S. 500 f.; für Art. 20 Preuß. Verf., der § 152 FRV unmittelbar nachgebildet war, E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. III, S. 118 f.; wie hier W. A. E. Schmidt, Freiheit der Wissenschaft, S. 68; Trute, Institutionalisierung, S. 19; wohl auch Köttgen, Freiheit der Wissenschaft, S. 292; ähnlich Laaser, Lehrfreiheit in der Schule, S. 229 ff. 267 Ebenso Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 7: Eine Verständigung auf eine bestimmte Wissenschafts- oder Universitätskonzeption wurde nicht erzielt. 268 Die vom Wissenschaftler selbst unmittelbar verkündete Lehre wurde insbesondere im Vorfeld der Verfassungsberatungen als besonders schutzwürdiges Gut hervorgehoben, vgl. Dahlmann, Politik, S. 323; v. Mohl, Polizei-Wissenschaft, S. 513 f. 266
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b) Die Lehrfreiheit in den Grenzen der allgemeinen Gesetze – Vom Kaiserreich bis zur Weimarer Republik Obwohl die liberale Reichsverfassungsbewegung scheiterte, blieb die Wissenschaftsfreiheit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und bis zum Erlass der Weimarer Reichsverfassung wenn auch nicht vollständig, so doch dem Grunde nach zumindest gewohnheitsrechtlich anerkannt.269 Die oktroyierte preußische Verfassung vom 5. Dezember 1848 garantierte sie in der Formulierung der Frankfurter Reichsverfassung in ihrem Art. 17. Die von den konservativen Fraktionen in den Verhandlungen der Verfassungsrevision vorgetragenen Bedenken270 verhinderten die Beibehaltung des Grundrechts in Art. 20 der revidierten preußischen Verfassung vom 31. Januar 1850 nicht. Sowohl in den Beratungen als auch in den wissenschaftlichen Bearbeitungen wurde das Grundrecht dabei wie bisher vor allem als Garantie der wissenschaftlichen Mitteilungsfreiheit verstanden.271 Der Hallenser Professor Burmeister etwa verteidigte als Sinn des Artikels nicht den Schutz der Freiheit der forschenden Wissenschaft, die eine Gesetzgebung gar nicht berühren, weder beschränken noch garantieren könne, sondern die Gewährleistung „der objektiven Freiheit der Wissenschaft, der Freiheit der Lehre“272. Auch die sich in der Staatsrechtswissenschaft vollziehende Wende hin zum Positivismus erweiterte diese eindimensionale Schutzrichtung nicht.273 Die Anschütz’sche Kommentierung von Art. 20 der preußischen Verfassung, die im Wesentlichen die herrschende positivistische Auslegung bestätigte, scheint ihrer Zeit daher doch insofern voraus, als sie bereits einen zweifachen Garantiegehalt andeutete, indem sie die Frage, „inwieweit die bei den Hochschulen angestellten und zugelassenen Lehrer in ihrer forschenden und lehrenden Berufstätigkeit frei oder unfrei sind“, dem Beamtenrecht zuordnete274. Bis 269 Rothenbücher, Meinungsäußerung, S. 33 ff.; ausführlich W. A. E. Schmidt, Freiheit der Wissenschaft, S. 74 ff. 270 Hierzu Andernach, Einfluß der Parteien, S. 8 ff. – In jenen deutschen Staaten außerhalb Preußens, die die Lehrfreiheit nicht in ihren Verfassungen garantierten, erlangte sie als gemeindeutsches Gewohnheitsrecht Geltung, vgl. hierzu Rothenbücher, Meinungsäußerung, S. 34 f.; W. A. E. Schmidt, Freiheit der Wissenschaft, S. 75 f. m. w. N. 271 Nur vor diesem Hintergrund wird der Einwand der konservativen Fraktionen, Meinungs- und Pressefreiheit gewährleisteten dasselbe, verständlich, hierzu Andernach, Einfluß der Parteien, S. 9. 272 Stenographische Berichte über die Verhandlungen der Ersten preußischen Kammer, S. 1038. 273 Die jetzt nur mehr eingeschränkt geltende „Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre“ kommt auch weiterhin nur aus Anlass von Begrenzungen der Lehr- und Unterrichtsfreiheit zur Anwendung. Zu denken ist insoweit v. a. an die Fälle Arons, Spahn und Michels, vgl. hierzu oben Fn. 11, S. 21. 274 Anschütz, Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat, S. 96 f. (Herv. AK).
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in die Weimarer Republik bleibt es jedoch bei bloßen Anzeichen für eine um die Forschungsfreiheit erweiterte Bedeutung der Wissenschaftsfreiheit in der grundrechtlichen Praxis.275 c) Die Aufnahme der Forschung in das rechtliche Bewusstsein – Die Entwicklungen unter der Weimarer Reichsverfassung Die Weimarer Reichsverfassung übernahm die Garantie freier Wissenschaft und ihrer Lehre aus der Frankfurter Reichsverfassung in ihren Art. 142. Das äußere Erscheinungsbild der Vorschrift änderte sich zwar insofern, als die Wissenschaftsfreiheit erstmalig in systematischer Verbindung mit der Kunst garantiert276 und der Staat in Satz 2 zudem zu ihrem Schutz und ihrer Pflege verpflichtet wurde.277 Konsequenzen für das Verständnis der Vorschrift hatten diese Änderungen jedoch nicht.278 In den Beratungen der Weimarer Nationalversammlung stand die Lehrfreiheit weiterhin eindeutig im Vordergrund.279 Pro275 In den Beratungen des preußischen Landtags etwa kommt die Forschung innerhalb und außerhalb der Universitäten praktisch nicht zur Sprache, so das Ergebnis der Untersuchung hochschul- und wissenschaftspolitischer Debatten im preußischen Landtag zwischen 1848 und 1918 von Andernach, Einfluß der Parteien, S. 164. 276 Hieraus erklärt sich auch die Flexion des Verbs: Während die Wissenschaft und ihre Lehre „frei ist“ (§ 152 FRV; Art. 20 Rev. Preuß. Verf.), „sind“ Kunst, Wissenschaft und ihre Lehre frei (Art. 142 WRV). Diese sprachliche Veränderung kann daher nicht als Hinweis auf ein gewandeltes Verständnis des Garantiegehalts der Wissenschaftsfreiheit gedeutet werden. 277 Art. 142 WRV lautete: „Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei. Der Staat gewährt ihren Schutz und nimmt an ihrer Pflege teil.“ Die praktische Bedeutung von Satz 2 bleibt insgesamt gering, vgl. W. A. E. Schmidt, Freiheit der Wissenschaft, S. 86 Fn. 2. 278 A. A. Trute, Institutionalisierung, S. 36 f., der zum einen durch die systematische Verbindung mit der Kunst den Bezug zur Unterrichtsfreiheit gelockert sieht. Diese Interpretation ist angesichts der von Reichsminister Preuß präsentierten Vorentwürfe (vgl. hierzu W. A. E. Schmidt, Freiheit der Wissenschaft, S. 85), worin die Lehrfreiheit noch als ein insbes. das höhere Schulwesen beherrschender Grundsatz angesehen wurde und die insoweit in den Beratungen nicht in Frage gestellt wurden (zu den Beratungen des Verfassungsausschusses ausführlich W. A. E. Schmidt, a. a. O., S. 83 ff.), jedoch wohl nicht haltbar. Zum anderen versteht Trute, ebd., die Pflege- und Schutzpflicht als Spiegel und Anerkennung der zunehmenden personellen, organisatorischen und damit vor allem finanziellen Abhängigkeit der Wissenschaft, v. a. der Forschung. Die Verhandlung der sozialen Komponente der Wissenschaft in den Verfassungsberatungen einerseits (hierzu W. A. E. Schmidt, a. a. O., S. 87) und die bereits in § 157 FRV enthaltene Regelung der Unentgeltlichkeit des Unterrichts an allen öffentlichen Schulen legen hingegen auch insoweit eine andere Auslegung nahe. Hiernach scheint zumindest die Pflicht zur „Pflege“ der Wissenschaft in erster Linie der sozioökonomischen Tatsache Rechnung zu tragen, dass überwiegend erst die staatliche Unterstützung dem Einzelnen den Zugang zur Bildung eröffnete. 279 So führt etwa Stier-Somlo in der Begründung seines Vorschlags für ein Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit aus, „dass durch den Artikel reichsverfassungsrechtlich jede Beeinflussung und disziplinarische Verfolgung strafrechtlich einwandfreier Lehren
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gramme und Entwürfe, in denen die Forschung ausdrücklich als Schutzgut benannt wurde, blieben vereinzelt und konnten sich nicht durchsetzen.280 Für die Folgezeit ist mit Blick auf die Grundrechtsstruktur zwischen der Entwicklung der Wissenschaftsfreiheit als Individualrecht und ihrer Entwicklung als institutionelle Garantie zu unterscheiden. Als Individualrecht blieb die Wissenschaftsfreiheit in erster Linie eine Garantie freier Lehre, wenngleich erste Hinweise für eine Berücksichtigung der Forschungsfreiheit erkennbar sind. In den Vordergrund aber trat die institutionelle Dimension. Sie ebnete den Weg für die Interpretation des Art. 142 WRV als Garantie der Einheit von Forschung und Lehre. aa) Bewusstseinserweiterung bei gleich bleibendem Fokus – Die Entwicklung der Wissenschaftsfreiheit als Individualrecht Obwohl sich die Verfassungsväter weiterhin allein auf die Lehre konzentriert hatten, finden sich in der Weimarer Zeit erste Ansätze für eine Übernahme der theoretischen Zweigliedrigkeit der Wissenschaftsfreiheit auf die dogmatische Ebene und in die grundrechtliche Praxis. So stellte etwa Friedrich Giese in seinem Kommentar zu Art. 142 WRV das wissenschaftliche Forschen und die wissenschaftlichen Forschungsergebnisse als Schutzobjekte neben die zu „Lehr-, Erbauungs- und Aufklärungszwecken erfolgende [. . .] Veröffentlichung und Verbreitung wissenschaftlicher Arbeitsweisen und Arbeitsergebnisse“281. Das Staatsrechtslehrerreferat, das Rudolf Smend auf der Münchener Tagung 1927 hielt, bestätigte in seinen individualbezogenen Teilen282 bereits die prinzipielle Gleichrangigkeit von Forschungs- und Lehrfreiheit als Elemente des Art. 142 WRV. Sie zeigt sich insbesondere in der dort geprägten, wirkmächtigen Definition des wissenschaftlichen Arbeitens283 und in der Bestimmung der akademischen Freiheit284. Im Ganzen blieben die individualrechtlichen Ausführungen gegenüber Lehrern der Wissenschaft, die Überwachung der Vorlesungen und die Bevorzugung bestimmter Lehrmeinungen verboten sei“, ders., Verfassungsurkunde, S. 35, 99 f. Die Freiheit der Forschung wird in den Verhandlungen einzig vom Berichterstatter Weiß berücksichtigt, Stenographische Berichte, S. 1673 f. 280 Vgl. etwa das Programm des „Rates der geistigen Arbeiter“, abgedruckt bei Buchner, Revolutionsdokumente, S. 193; den Entwurf von Bredt, Das Werk des Herrn Preuß, Anhang § 39, sowie den bei Technites, Entwurf eines Stammgesetzes, § 29, abgedruckten, anonymen Entwurf. Bezeichnenderweise finden die Vorschläge für eine Aufnahme der Forschung in den Verfassungstext auch in der i. Ü. überaus detaillierten Analyse von W. A. E. Schmidt, Freiheit der Wissenschaft, S. 84 f., keine gesonderte Beachtung. 281 Giese, Verfassung des deutschen Reiches, Art. 142, S. 372; ähnlich Stier-Somlo, Reichs- und Landesstaatsrecht, S. 503. 282 Smend anerkennt die individuelle Schutzrichtung nur als Konsequenz der institutionellen Garantie, ders., Meinungsäußerung, insbes. S. 62 ff.; zu Smends Konzeption der Wissenschaftsfreiheit als institutionelle Garantie näher sogleich § 3 III. 1. c) bb).
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Smends aber doch auf die Lehre fokussiert,285 vor allem hob er als die „wesentlichen rechtlichen Auswirkungen des Grundrechts“ fast ausschließlich die Lehre betreffende Konsequenzen hervor286. Auch Walter A. E. Schmidt bezeichnete die Lehrfreiheit bei seiner Auslegung von Art. 142 WRV noch als die „klassische Freiheit der Wissenschaft“287. Hinzu trete aber die „praktisch wenig scharf umrissene“ Forschungsfreiheit, „denn von der Erörterung scheidet man zweckmäßig die Forschung“288. Resümierend prohpezeit Schmidt jedoch wiederum, die Lehrfreiheit werde „stets in dem Mittelpunkt der Erörterungen über die wissenschaftliche Freiheit steh[en]“289. Als „Lehre“ i. S. d. Art. 142 WRV verstand man übereinstimmend die Mitteilung von wissenschaftlichen Inhalten, ohne dass der grundrechtliche Schutz auf die Verkündung der Ergebnisse eigener Forschung begrenzt gewesen wäre. Allein die Eigenart des zu vermittelnden Inhalts, Ergebnis methodischer Wahrheitssuche zu sein, sollte über die Schutzwürdigkeit entscheiden.290 283 Smend, Meinungsäußerung, S. 67: „Was sich als ernsthafter Versuch zur Ermittlung oder zur Lehre der wissenschaftlichen Wahrheit darstellt, ist Forschung und Lehre im Sinne des Art. 142 WRV.“ Das Bundesverfassungsgericht hat diese Definition später in Teilen übernommen, vgl. BVerfGE 35, 79, 113. Sie bildet bis heute die Grundlage der dogmatischen Annäherungen an Art. 5 Abs. 3 GG in der Rspr., siehe hierzu auch unten § 4 IV. 1. 284 Smend, Meinungsäußerung, S. 66 f.: „Das eigentliche Problem der akademischen Freiheit besteht aber im Verhältnis des Hochschullehrers zur Hochschulverwaltung [. . .]. Der Gegenstand dieser Freiheit ist die Forschungs- und Lehrtätigkeit.“ 285 Mit Blick auf Art. 142 WRV spricht er dementsprechend weiterhin vom „Lehrfreiheitsartikel“, Smend, Meinungsäußerung, S. 58, 59. 286 Smend, Meinungsäußerung, S. 65 ff. Die Zulässigkeit legislativer oder exekutiver Beschränkungen wird zwar im Grundsatz für Lehre und Forschung erörtert, im Einzelnen untersucht Smend dann jedoch allein die Lehrfreiheit betreffende Regelungen, ders., a. a. O., S. 67 einerseits und S. 68 f. andererseits. 287 W. A. E. Schmidt, Freiheit der Wissenschaft, S. 109. Ähnlich 1925 auch Holstein, Selbstverwaltungsschutz, S. 35: Art. 142 WRV sichert nur die Lehrfreiheit; anders dann aber 1930 unter dem Eindruck der Institutionalisierung der Freiheitsgarantie ders., Hochschule und Staat, S. 127 ff.: Art. 142 WRV enthält Organisationsrecht eigener Art. 288 W. A. E. Schmidt, Freiheit der Wissenschaft, S. 112 f. Den Hintergrund dieses erweiterten Problembewusstseins bildet wohl seine Anerkennung des Experiments als Bestandteil der Forschungstätigkeit, vgl. ders., ebd.; a. A. war insoweit noch 1933 etwa Köttgen, Universitätsrecht, S. 113, der die Forschung als rein geistigen Vorgang und das Experiment als wissenschaftliche Hilfstätigkeit verstand, welche nicht durch Art. 142 WRV geschützt werde, ders., a. a. O., S. 114. 289 W. A. E. Schmidt, Freiheit der Wissenschaft, S. 114. Unausgesprochene Bestätigung erhält er insoweit zunächst von Häntzschel, Recht der freien Meinungsäußerung, S. 670 ff. 290 Vgl. Giese, Verfassung des deutschen Reiches, Art. 142, S. 372; Smend, Meinungsäußerung, S. 67, 71 f.; W. A. E. Schmidt, Freiheit der Wissenschaft, S. 112 f., 114 f.; auch Rothenbücher, Meinungsäußerung, S. 37 f. Vgl. aber zur Einheit von Forschung und Lehre als Element der von Smend entfalteten institutionellen Dimension sogleich § 3 III. 1. c) bb).
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Unter der Weimarer Reichsverfassung setzte sich mithin eine Entwicklung fort, welche die gegenwärtige einseitige Ausrichtung der Interpretationen von Art. 5 Abs. 3 GG in einem neuen Licht erscheinen lässt. Es bestand jene Diskrepanz zwischen der Idee der Wissenschaftsfreiheit und ihrer grundrechtlichen Realisierung fort, die bereits in der Geburtsstunde des Grundrechts 1848/49 zu beobachten war. Obwohl stets als zweigliedrige Gewährleistung konzipiert, hat mithin keine der Vorgängerregelungen von Art. 5 Abs. 3 GG als Individualgrundrecht zugleich und in gleichem Maße Lehr- und Forschungsfreiheit geschützt. Mitte des 19. Jahrhunderts mag die alleinige Gefährdung der Lehrfreiheit diese Eindimensionalität des Schutzes gerechtfertigt haben. Spätestens am Ende des 19. Jahrhunderts jedoch hatte die Forschungsfreiheit ihre Selbstverständlichkeit verloren. Neben die reflektierende Erschließung der Wahrheit war die experimentelle naturwissenschaftliche Forschung getreten,291 deren Abhängigkeit von aufwendigen Apparaturen und erheblichen Finanzmitteln grundrechtliches Konfliktpotential barg. Gleichwohl blieb der Schutz der Wissenschaftsfreiheit auf die Lehre beschränkt. Angesichts dieser Tradition verlieren die derzeitige einseitige Fokussierung auf die Forschungsfreiheit und das gleichzeitige Schattendasein der Lehrfreiheit ein Stück weit ihr überraschendes Moment. Vielmehr bekräftigen sie eine Skepsis, die in der historischen Entwicklung ihren Ursprung hat: In Anbetracht der in der Vergangenheit stets einseitigen Schutzrichtung bestehen Zweifel daran, dass Lehr- und Forschungsfreiheit mit einem einheitlichen Grundrecht und einer einheitlichen Dogmatik der Wissenschaftsfreiheit zugleich und gleichermaßen gewährleistet werden können. Vor dem Hintergrund der Entwicklungsgeschichte scheint es, im Gegenteil, sogar möglich, dass die Konzeption einer einheitlichen Freiheitsgarantie effektivem Schutz im Wege steht. Der Schein umfassender Gewährleistung könnte den Blick verstellen für die einseitige Ausrichtung der Dogmatik und daraus resultierende Unzulänglichkeiten bei der Verarbeitung von Freiheitsbedrohungen.292 291 Ihre Wurzeln hat die experimentelle Naturwissenschaft in den Denkformen und Einstellungsmustern der Renaissance. Im 17. Jahrhundert war sie in die Akademien eingebunden, hierzu Krohn, „Neue Wissenschaft“, S. 13 ff.; zur Entwicklung der Akademien van den Daele, Soziale Konstruktion, S. 130 ff. Angesichts des deutschen Sonderwegs der Naturphilosophie, seiner Frontstellung gegenüber dem französischen Materialismus und der damit verbundenen Geringschätzung der empirischen Wissenschaften (hierzu Hans v. Mangoldt, Universität, S. 26 ff.; Schnädelbach, Philosophie, S. 100 ff.) erlangte sie in Deutschland jedoch erst im Laufe des 19. Jahrhunderts auch institutionell eigenständige Bedeutung. 292 Trute, Institutionalisierung, S. 35, weist zu Recht darauf hin, dass die geringe Aufmerksamkeit für die Gefährdungen der Forschungsfreiheit in der Weimarer Zeit auch damit zusammenhing, dass man noch keine Grundrechtsdogmatik entwickelt hatte, welche die für die Forschung relevanten indirekten Steuerungsformen der Finanzierung und Organisation hätte erfassen können. Grundrechtsdogmatische Entwicklungen entspringen aber doch regelmäßig konkreten Bedürfnissen, so dass es nahe liegt,
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Jedenfalls verbieten die Ergebnisse der historischen Analyse einen Rückschluss allein aus der momentan geringen Aufmerksamkeit für die Lehrfreiheit auf ihre konfliktfreie Realisierung. bb) Verfassungsrechtlicher Schutz der Einheit von Forschung und Lehre – Die Wissenschaftsfreiheit als institutionelle Garantie Der juristische Positivismus, der die Staatsrechtswissenschaft seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beherrschte, hatte der Wissenschaftsfreiheit die Geltung an den staatlichen Universitäten abgesprochen. Auf Art. 142 WRV sollte sich nur der Privatmann im Rahmen des „allgemeinen Gewaltverhältnisses“ berufen können, nicht aber der in einem öffentlichen Dienstverhältnis stehende Wissenschaftler.293 Im Wege der institutionellen Interpretation wurde die Bedeutung von Wissenschafts- und Lehrfreiheit für das Leben an den Universitäten nach 1927 neu erschlossen. Mit der Zusammenführung des institutionellen Grundrechtsverständnisses Smends und der von Carl Schmitt entwickelten Lehre von den institutionellen Garantien erhob man die Einheit von Forschung und Lehre anschließend zum verfassungsrechtlichen Postulat. Im Lichte der Integrationslehre Smends sind Grundrechte nicht länger primär individuelle liberale Abwehrrechte, sondern Gewährleistungen der grundlegenden Elemente eines auf Integration angelegten Kultursystems. Sie garantieren bestimmte Kulturgüter in ihrer geschichtlich bedingten, folglich dynamischen Konstellation.294 Die Wissenschaft verstand Smend dementsprechend als „eine große öffentliche Institution“295, als einen wichtigen Teil des geistigen Lebens, der durch die institutionelle Garantiewirkung des Art. 142 WRV gesichert werde. Eine in diesem Sinne institutionalisierte Betrachtungsweise musste die Erstreckung der Geltungskraft des Grundrechts auf den universitären Bereich und die dem Beamtengesetz unterstellten Hochschullehrer zu Folge haben, die man zuvor praktisch aus dem Grundrechtsschutz ausgenommen hatte.296 Denn die fehlende Beachtung der Forschungsfreiheit, umgekehrt, als (mit)ursächlich für diese Begrenzung der dogmatischen Figuren zu verstehen – zumal die leistungs- und organisationsrechtliche Dimension der Grundrechte später u. a. anhand der Wissenschafts- und Forschungsfreiheit entfaltet wurden. So hat das BVerfG etwa die organisationsrechtlichen Wirkung der Grundrechte besonders im Hochschulurteil deutlich herausgearbeitet, vgl. BVerfGE 35, 79, 114 f., 120 ff., und auch die Anerkennung einer originär leistungsrechtlichen Dimension findet in der Wissenschafts- und Forschungsfreiheit einen ihrer seltenen Beispielsfälle, vgl. BVerfGE 35, 79, 115 f. 293 Vgl. nur Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, 1926, Art. 142 Anm. 1, sowie die Nw. unten in Fn. 296, S. 101. 294 Smend, Meinungsäußerung, S. 46 ff.; ders., Verfassung und Verfassungsrecht, S. 189 (Bezugspunkt der verfassungsrechtlichen Garantie ist dynamisch und den Einflüssen „soziologischer Kräfte“ ausgesetzt), S. 217, 264 ff. (Grundrechte gewährleisten „Elemente eines Wert- oder Kultursystems“). 295 Smend, Meinungsäußerung, S. 64.
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insbesondere im Bereich der Lehre fand der wesentliche Teil des geschützten wissenschaftlichen Lebens an den Universitäten statt. Die Individualrechte der Lehr- und Forschungsfreiheit sind in der Konzeption Smends Konsequenzen der institutionellen Garantie. Die von Smend geprägte Formel der „unlöslichen Einheit“ von „Wissenschaft und ihrer akademischen Lehre“297 ist vor dem Hintergrund seiner Integrationslehre und daher nicht als Postulat einer im Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit angelegten notwendigen Verbindung von Forschung und Lehre zu verstehen. Zwar nahm Smend auch auf die idealistischen Universitätsreformen Bezug.298 Kontext, Zielrichtung und Wortwahl zeigen jedoch, dass er hiermit nicht beabsichtigte, etwa die humboldtsche Universitätskonzeption zum generellen Prinzip der Wissenschaftsfreiheit aufzuwerten.299 Vielmehr sollte auch dieser Verweis die Ausweitung der Geltungskraft auf die Universitäten und ihre Mitglieder stützen. Er bezieht sich auf die Überzeugung der deutschen Idealisten, wonach sich die Universitäten nur im Geiste der Freiheit zu produktiven Stätten der Wissenschaft entwickeln können, weshalb die Wissenschaftsfreiheit auch und insbesondere an den Hochschulen und für die Hochschullehrer gewährleistet sein müsse. Smend verfocht die Einheit des freiheitlichen Lebensbereichs, nicht aber die Einheit von Forschung und Lehre. Zum verfassungsrechtlichen Grundsatz wurde Letztere erst mit der Identifikation seines institutionellen Grundrechtsverständnisses und Schmitts Lehre von den institutionellen Garantien. Nachdem sich große Teile der ehedem dem Positivismus zugeneigten Staatsrechtslehre Smends Interpretation angeschlossen hatten,300 dominierte die insti296 Obwohl die Väter der Weimarer Reichsverfassung unzweifelhaft von „richtigen“ Grundrechten ausgegangen waren, die sowohl die Verwaltung als auch den Gesetzgeber binden sollten, blieben bis 1927 alle wissenschaftlichen Bearbeitungen des Art. 142 WRV dem positivistischen Grundrechtsverständnis treu, vgl. etwa Thoma, Grundrechte, S. 196: „leer laufende“ Grundrechte; Giese, Verfassung des Deutschen Reiches, Art. 142 Anm. 1, S. 372; Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 142 Anm. 2, bis zur 8. Auflage von 1928. Die Münchener Staatsrechtslehrertagung und das Referat Smends markieren insoweit einen Wendepunkt; vgl. zu dem durch Smend (mit)veranlassten Verfassungswandel statt vieler eingehend Richter, Bildungsverfassungsrecht, S. 156 ff.; krit. Zwirner, Wissenschaftsfreiheit, S. 330 f. Wie Smend wandte sich auch der erste Berichterstatter Rothenbücher gegen den Leerlauf der Grundrechte, als wirkmächtiger hat sich jedoch das zweite Referat erwiesen. 297 Smend, Meinungsäußerung, S. 60. 298 Smend, Meinungsäußerung, S. 59 ff. 299 I. Erg. ähnlich Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 60; unklar insoweit Zwirner, Wissenschaftsfreiheit, S. 330 f., der zwar wie hier nicht die Begründung des Einheitspostulats, sondern die Wiedererstreckung der Wissenschaftsfreiheit auf die Universität als Anliegen Smends betrachtet, seine Interpretation aber gleichwohl als Konservierung der humboldtschen Universität und damit als Einschränkung des Freiheitsschutzes auf die ,Lehre aus der Forschung‘ versteht. 300 Siehe etwa Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, 1928, Art. 142 Anm. 1; Poetzsch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung, 3. Aufl. 1928, Art. 142
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tutionelle Deutung die Auslegungen der Wissenschaftsfreiheit. Smends Diktum vom „Grundrecht der Universität“301, mit dem er die Geltung des Freiheitsrechts auch innerhalb der Hochschulen auf den Begriff zu bringen suchte, wurde dabei schon bald als Verweis auf eine institutionelle Garantie im Sinne Schmitts verstanden.302 Dieser verstand hierunter jedoch nicht mehr wie Smend die Gewährleistung eines bestimmten, aber wandelbaren Lebensbereichs, sondern die Garantie von etwas „Gegenwärtige[m], formiert und organisiert Bestehende[m]“303, einer rechtlich anerkannten Institution, die bestimmten Aufgaben und Zwecken dient.304 Die der Wissenschaftsfreiheit von Smend entnommene institutionelle Garantie eines Lebensbereichs wurde zur institutionellen Garantie der Universität humboldtscher Prägung. Das „Grundrecht der Universität“ verwies jetzt auf die Gewährleistung einer bestimmten Einrichtung und der sie kennzeichnenden Strukturprinzipien.305 Auch die Verbindung von Forschung und Lehre in der Person des Hochschullehrers wurde auf diesem Weg zum Gegenstand der verfassungsrechtlichen Gewährleistung. Auf die Wissenschaftsfreiheit als Individualgrundrecht hat man das Einheitsprinzip, das Junktim von Forschung und Lehre, jedoch erst unter der Geltung des Grundgesetzes übertragen. Dass diese Interpretation nicht mit einem Verweis auf das vorverfassungsmäßige Gesamtbild, speziell seine Entwicklung in der Weimarer Zeit, begründet und gerechtfertigt werden kann, hat die historische Analyse gezeigt.
Anm. 2; Thoma, in: Nipperdey, Grundrechte, Bd. 1, S. 24 f.; Kitzinger, in: Nipperdey, Grundrechte, Bd. 2, S. 465 f., 482 ff. 301 Smend, Meinungsäußerung, S. 57, 73, nach einem Wort von Paulsen, Lehrfreiheit, S. 199 f.: „Die Lehrfreiheit ist das Grundrecht“ – ,Grundrecht‘ i. S. v. „Lebensprinzip“ – „der deutschen Universität“. 302 Prägend Holstein, Hochschule und Staat, S. 137 ff.; Stier-Somlo, Universitätsrecht, S. 375 ff. Vgl. zu diesem Bedeutungswandel, der kein bewusster war, Zwirner, Wissenschaftsfreiheit, S. 331 ff.; Trute, Institutionalisierung, S. 38 f., und Mager, Einrichtungsgarantien, S. 267 ff. (Unbewußt) deutlich beschreibt ihn H. H. Klein, Entwicklungen, S. 132: „Seit Rudolf Smends Referat [. . .] und Carl Schmitts zustimmender Äußerung hatte sich [. . .] die Meinung durchgesetzt, [Art. 142 WRV] enthalte [. . .] das ,Grundrecht der deutschen Universität‘, in der Terminologie Carl Schmitts: eine institutionelle Garantie.“ 303 C. Schmitt, Freiheitsrechte und institutionelle Garantien, S. 155. 304 C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 170 f.; vgl. hierzu statt vieler F. Klein, Institutionelle Garantien, S. 50 ff.; Abel, Einrichtungsgarantien, S. 46 ff., und Stern, Staatsrecht III/1, § 68 I 2, S. 756 ff. 305 Zentrales Anliegen der wissenschaftlichen Beiträge während der Folgezeit war daher die Ausarbeitung der Strukturprinzipien der Universität, vgl. etwa C. Schmitt, Reichsverfassung, S. 595; Gerber, Rechtsgestalt der Universität, S. 347 ff.; Holstein, Hochschule und Staat, S. 132 ff.; Letzterem weitgehend folgend Stier-Somlo, Universitätsrecht, S. 388 ff.; ähnlich auch Köttgen, Universitätsrecht, v. a. S. 108 ff.
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d) Wissenschaft in innerer Verbundenheit mit der völkischen Gemeinschaft – Die ideologische Perversion der Freiheitsidee im Nationalsozialismus Zu den bestürzenden Erfahrungen der nationalsozialistischen Zeit gehörte die Überzeugungskraft, welche die pervertierte Freiheitsidee auch bei zahllosen gelehrten (Rechts-)Wissenschaftlern zu entfalten vermochte.306 An die Stelle des idealistisch-liberalen, trat ein neuer Begriff der Wissenschaftsfreiheit, dem „die innere Verbundenheit mit der völkischen Gemeinschaft“ selbstverständlich war und der deshalb nicht ausschloss, „dass Ziele, Formen und Einrichtungen der Wissenschaft und Kunst unter politischer Führung gestaltet werden“307. In der Praxis führte er zur Propagierung einer „Deutschen Physik“ und zur Zwangsentfernung jüdischer Wissenschaftler aus dem öffentlichen Dienst308. Forschung und Lehre hatten Dienst zu leisten am „völkisch-politischen Gemeinwesen der Deutschen“309. Die parlamentarischen Beratungen der Garantie freier Wissenschaft in den Jahren 1948/49 und die Entwicklung unter dem Grundgesetz werden immer auch vor diesem Hintergrund zu betrachten sein. 2. Rezeption des „vorverfassungsmäßigen Gesamtbildes“? – Die Genese des Art. 5 Abs. 3 GG Ausdrücklich haben sich die Mitglieder der parlamentarischen Ausschüsse 1948/49 nicht mit den Vorgängerregelungen der Wissenschaftsfreiheit auseinandergesetzt. Die Beratungen des zukünftigen Art. 5 Abs. 3 GG fallen insgesamt kurz aus, weshalb seine Genese überwiegend als für die Grundrechtsauslegung unergiebig bezeichnet wird.310 Auch die hier interessierende Frage vermag sie nicht abschließend zu klären. Doch können aus den textlichen Veränderungen und dem Verlauf der Diskussionen einzelne Rückschlüsse auf die Vorstellungen des Verfassungsgebers von der Gewährleistungsstruktur gezogen werden.
306 Vgl. etwa die Aufarbeitungen von Jakobs, Larenz und der Nationalsozialismus, S. 805 ff., und die Debatte zwischen Prölss und Jakobs, dies., Erwiderung, S. 33 f., ferner Rüthers, Entartetes Recht, v. a. S. 101 ff. (zu C. Schmitt) sowie Stolleis, Recht im Unrecht, S. 306 ff. (über Th. Maunz). 307 E. R. Huber, Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches, S. 481 f. 308 Vgl. das Gesetz über die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 07.04. 1933. Zur Entwicklung der Wissenschaft und ihrer Freiheitsgarantie im Nationalsozialismus eindrucksvoll Jaspers, Volk und Universität; Bleuel, Deutschlands Bekenner; zur Umgestaltung der Universitäten im Sinne von Gleichschaltung und Führerprinzip ferner etwa Kahl, Hochschule und Staat, S. 56 ff. 309 Krieck, Erneuerung der Universität, S. 12; Meyer-Erlach, Universität und Volk, S. 24 f. 310 Vgl. die Nachw. oben in Fn. 224, S. 85.
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a) Die textlichen Veränderungen Die textlichen Veränderungen des Art. 5 Abs. 3 GG gegenüber der Vorgängerregelung in Art. 142 WRV – die Aufnahme der „Forschung“, die Entwicklung der grammatischen Struktur und der Wegfall des Pronomens „ihre“ – sprechen im Ganzen für eine vorsichtige Distanzierung der Grundgesetzväter vom vorverfassungsmäßigen Gesamtbild. aa) Die Aufnahme der „Forschung“ Ins Auge fällt zunächst die Erweiterung des Wortlauts von Art. 5 Abs. 3 GG um den Begriff der Forschung. Da diese textliche Veränderung ohne nähere Erläuterung vorgenommen wurde, ist man in der Literatur bisweilen geneigt, sie gänzlich zu übergehen oder als bedeutungslos einzustufen, als bloße Bestätigung der ohnehin und schon vordem anerkannten Tatsache, dass die Garantie der Wissenschaftsfreiheit auch die Freiheit der Forschung schütze.311 Angesichts der andauernden Konzentration auf die Freiheit der Lehre seit der erstmaligen grundrechtlichen Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit erhält die Aufnahme der „Forschung“ jedoch eine eigenständige Bedeutung: Sie betont die zweifache Schutzrichtung der Wissenschaftsfreiheit und stellt klar, dass man die Forschung keineswegs als „von Natur aus“ dem staatlichen Zugriff entzogen sah. Damit offenbart sie ein gewachsenes Problembewusstsein für mögliche Bedrohungen der Forschungsfreiheit. Diese neue Sensibilität zeigt sich auch in den Erörterungen zu Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG. Sie wurden in dem Bewusstsein der Abhängigkeit der Forschung von finanziellen und personellen Mitteln und der Notwendigkeit staatlicher Förderung geführt.312 Die Ergänzung der „Forschung“ im Grundgesetztext ist daher als Ausdruck des Bemühens zu verstehen, der Forschungsfreiheit zukünftig über die theoretische Anerkennung hinaus auch praktische Bedeutung zukommen zu lassen. In der Literatur wurde die Aufnahme des Forschungsbegriffs demgegenüber vielfach als Evokation der idealistischen Universitätskonzeption und insbesondere der Einheit von Forschung und Lehre bewertet.313 Hiervon ist in den Verhandlungen jedoch an keiner Stelle die Rede, organisatorische Fragen bleiben insgesamt unerwähnt.314 Zudem widerspricht der ausdrückliche Bezug der 311 Vgl. etwa Küchenhoff, Hochschulreform, S. 603; Roellecke, Institutionelle Garantie, S. 727 f.; Perschel, Lehrfreiheit des Lehrers, S. 37 ff.; differenzierend aber Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 39 f., und Trute, Institutionalisierung, S. 41 f. 312 Parlamentarischer Rat, Hauptausschuss, Stenographischer Bericht, 30. Sitzung (Zweite Lesung Abschnitt III [Bund und Länder], Abschnitt IV [Bundestag]), S. 361 f., 403. 313 Vgl. etwa W. Weber, Rechtsstellung des Hochschullehrers, S. 26 ff.; Thieme, Hochschulrecht, 1956, S. 49; Köttgen, Freiheit der Wissenschaft, S. 291, 296, sowie die oben in Fn. 79, S. 51 Genannten.
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Treueklausel auf die Lehre an Hochschulen und Schulen bis zur dritten Lesung des Hauptausschusses315 einer solchen Interpretation.316 Schließlich wurde die Bundeskompetenz zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung ohne jede Bezugnahme auf die Lehre beraten.317 Hätte man mit Art. 5 Abs. 3 GG auch die Einheit von Forschung und Lehre, möglicherweise sogar im Sinne eines doppelten Junktims, garantieren wollen, so hätte es aber doch nahe gelegen, die Auswirkungen der Forschungsförderung auf die Lehre und die insoweit vorgesehenen Länderkompetenzen zu erörtern. bb) Die Entwicklung der grammatischen Struktur Beachtung verdient des Weiteren, dass die Begriffe Wissenschaft, Forschung und Lehre bis zur dritten Lesung des Hauptausschusses jeweils durch die Konjunktion „und“ getrennt und verbunden waren.318 Zur Kürzung des Textes haben dann wohl stilistische Erwägungen geführt.319 Dass Wissenschaft als Oberbegriff von Forschung und Lehre konzipiert wurde, scheint vor diesem Hintergrund wenig wahrscheinlich.
314 Insbes. an das gegen Ende der Weimarer Republik dominierende institutionelle Verständnis der Wissenschaftsfreiheit knüpfen die Beratungen des Grundgesetzes nicht an, so auch Trute, Institutionalisierung, S. 41. Die ersten wissenschaftlichen Arbeiten zu Art. 5 Abs. 3 GG lassen sich von dieser Zurückhaltung freilich nicht beeindrucken und verstehen das Grundrecht weiterhin primär als institutionelle Garantie. Eine Wende bringt erneut eine Staatsrechtslehrertagung, diesmal mit den 1968 in Bochum zur „Stellung der Studenten in der Universität“ gehaltenen Referaten von Rupp, Stellung der Studenten, S. 113 ff., und Geck, Stellung der Studenten, S. 143 ff. 315 S. o. Fn. 166, S. 72. 316 Auch das BVerfG hat sie ausdrücklich ausgeschlossen, BVerfGE 35, 79, 116: „Die Garantie der Wissenschaftsfreiheit hat [. . .] weder das überlieferte Strukturmodell der deutschen Universität zur Grundlage, noch schreibt sie überhaupt eine bestimmte Organisationsform des Wissenschaftsbetriebs an den Hochschulen vor.“ Die Lit. hat diesem Urteil sehr unterschiedliche Aussagen über den institutionellen Gehalt von Art. 5 Abs. 3 GG entnommen, siehe unten Fn. 251, S. 243. 317 Parlamentarischer Rat, Hauptausschuss, Stenographischer Bericht, 30. Sitzung (Zweite Lesung Abschnitt III [Bund und Länder], Abschnitt IV [Bundestag]), S. 361; 33. Sitzung (Zweite Lesung Abschnitt III [Bund und Länder], Abschnitt VI [Bundespräsident], Abschnitt VII [Bundesregierung]), S. 403; 49. Sitzung (Dritte Lesung [Gesetzgebung]), S. 647. 318 Matz, Entstehungsgeschichte, S. 91; Parlamentarischer Rat, Hauptausschuss, Stenographischer Bericht, 47. Sitzung (Dritte Lesung der Grundrechte), S. 614. 319 Die Kürzung erfolgte im Zuge der Zusammenführung der Wissenschaftsfreiheit mit Meinungs- und Pressefreiheit in einem Artikel durch den Redaktionsausschuss, ohne dass dieser hierdurch eine inhaltliche Veränderung indiziert wissen wollte, vgl. Parlamentarischer Rat, Entwürfe, S. 197; in seiner Bewertung der sprachlichen Änderung wie hier Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 13.
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cc) Der Wegfall des Pronomens „ihre“ sowie der Schutz- und Pflegeklausel Demgegenüber ist der Wegfall des Wortes „ihre“, über das die Lehre vormals mit der Wissenschaft verknüpft war, im vorliegenden Zusammenhang ebenso wenig aufschlussreich wie der Verzicht auf eine Art. 142 S. 2 WRV entsprechende Schutz- und Pflegeklausel. Letzterer entspricht und entspringt der Zurückhaltung des Bundesstaates in kulturstaatlichen Angelegenheiten.320 Dass nicht länger „ihre“ Lehre garantiert wird, ist hingegen auf ein redaktionelles Versehen zurückzuführen.321 Denn der von Heinrich v. Brentano vorgetragene Vorschlag des Fünferausschusses, in dem diese Anbindung erstmals fehlt, versteht sich selbst als unveränderte Wiederaufnahme der in der zweiten Lesung des Hauptausschusses angenommenen Fassung.322 Diese aber hatte noch gelautet: „Die Kunst, die Wissenschaft und Forschung und ihre Lehre sind frei.“323 b) Der Diskussionsverlauf Im Zentrum der Diskussionen über Art. 5 Abs. 3 GG stand die Treueklausel. Während ihre Befürworter, geprägt durch die Ereignisse in den Hörsälen vor 1933, einem möglichen Missbrauch der freien Lehre zum Kampf gegen die Demokratie und zur Verbreitung ,hinterhältiger Politik‘ vorbeugen wollten,324 sahen ihre Gegner in der Beschränkung der Lehrfreiheit einen unangemessenen Spiegel der nationalsozialistischen Zeit, eine „Rachebedrohung für Gewesenes“, derer es angesichts der Eingriffsmöglichkeiten des Ministers und der Regelung der Verwirkung nicht bedürfe, ja die sogar geeignet sei, die Garantie der Lehrfreiheit in ihr Gegenteil zu verkehren.325 Für den vorliegenden Zusammenhang 320 So auch Knies, Kunstfreiheit, S. 212 f., der als weitere Gründe die im Vergleich zur WRV ungleich knappere Fassung des Grundrechtsteils des GG und die vorangegangene Aufnahme von Schutz- und Förderklauseln in die Landesverfassungen benennt. Möglicherweise hielt man einen entsprechenden Programmsatz angesichts der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Förderung der wissenschaftlichen Forschung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG) auch für überflüssig, so Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 14. 321 I. Erg. ebenso Trute, Institutionalisierung, S. 130 Fn. 93, und Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 13. 322 Parlamentarischer Rat, Hauptausschuss, Stenographischer Bericht, 47. Sitzung (Dritte Lesung der Grundrechte), S. 614. 323 Parlamentarischer Rat, Entwürfe, S. 43. 324 So insbesondere Schmid, Parlamentarischer Rat (9. Sitzung, 1949), Stenographische Berichte, S. 176, sowie Bergsträßer und v. Mangoldt; zu ihren Stellungnahmen Matz, Entstehungsgeschichte, S. 89; zum Verlauf der Diskussionen Matz, a. a. O., S. 89 f. 325 Vgl. insbesondere die Stellungnahme von Heuss (Parlamentarischer Rat [9. Sitzung, 1949], Stenographische Berichte, S. 176) in Reaktion auf die Wortmeldung von Schmidt, die Äußerungen von Thoma (Matz, Entstehungsgeschichte, S. 89) und von
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sind die bisweilen leidenschaftlichen Erörterungen in zweierlei Hinsicht aufschlussreich: Zum einen weisen sie auf eine Prädominanz der Lehrfreiheit auch noch in den Vorstellungen der Verfassungsväter hin, die im Gegensatz steht zu ihrem Bemühen, Forschung und Forschungsfreiheit stärker ins Bewusstsein zu rufen. Zum anderen spricht der schon erwähnte ausdrückliche Bezug der Treueklausel auf Hochschule und Schule326 bis zur dritten Lesung gegen eine enge Anbindung der Lehre an die Forschung. Zumindest eine notwendige personelle Verknüpfung von Lehr- und Forschungstätigkeiten scheint der Verfassungsgeber nicht beabsichtigt zu haben. 3. Resümee Das vorverfassungsmäßige Gesamtbild zeichnet sich mithin durch zwei für die vorliegende Untersuchung relevante Charakteristika aus, von denen sich die Grundgesetzväter vorsichtig distanzierten: 1. Im Prinzip wurde die Wissenschaftsfreiheit stets als zweigliedriges Grundrecht verstanden, das die Lehr- und die Forschungsfreiheit umfasst. Die Vorgängerregelungen des Art. 5 Abs. 3 GG haben jedoch zu keiner Zeit zugleich und gleichermaßen Lehr- und Forschungsfreiheit geschützt. Der in der Theorie zweifachen Schutzrichtung stand in der Praxis stets eine einseitige Fokussierung auf die Lehrfreiheit gegenüber, obwohl die Forschungsfreiheit spätestens Ende des 19. Jahrhunderts ihre Selbstverständlichkeit verloren hatte. Die historische Entwicklung lässt damit daran zweifeln, dass ein Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit geeignet ist, Lehr- und Forschungsfreiheit zu gewährleisten – ein Zweifel, den die gegenwärtige Dominanz von Forschung und Forschungsfreiheit in den Interpretationen von Art. 5 Abs. 3 GG, mit der eine nur sehr geringe Aufmerksamkeit für die Lehrfreiheit einhergeht, weiter nährt. 2. Die Vorgängerregelungen des Art. 5 Abs. 3 GG normierten kein personelles Junktim von Forschung und Lehre als Voraussetzung des Grundrechtsschutzes. Lediglich die idealistischen Universitätskonzeptionen sahen zum Teil eine einseitige Anbindung der Lehre an die Forschung vor. Das Grundrecht der Lehrfreiheit jedoch wurde unabhängig von einer eigenen Forschungstätigkeit des Lehrenden gewährleistet. Die Forderung nach der Einheit von Forschung und Lehre als Bedingung des Schutzes durch Art. 5 Abs. 3 GG kann folglich nicht mit dem Verweis auf die historische Entwicklung des Grundrechts begründet werden.
Renner (Parlamentarischer Rat, Hauptausschuss, Stenographischer Bericht, 47. Sitzung [Dritte Lesung der Grundrechte], S. 614). 326 S. o. § 3 II. 2. a) mit Fn. 166, S. 72.
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1. Teil: Der Abschied von der Wissenschaftsfreiheit
3. Mit der Aufnahme der Forschung in den Wortlaut des Grundrechts distanzierte sich der Verfassungsgeber von der einseitigen Fokussierung der Vorgängerregelungen auf die Lehrfreiheit und bekräftigte die Zweigliedrigkeit des Schutzbereiches. Gleichwohl stand die Freiheit der Lehre in den Beratungen weiterhin im Vordergrund, es zeigte sich mithin erneut ein Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Die Genese der Treueklausel deutet darauf hin, dass auch die Grundgesetzväter die Einheit von Forschung und Lehre nicht als Voraussetzung des Freiheitsschutzes ansahen, das vorverfassungsmäßige Gesamtbild also insoweit übernahmen.
IV. Funktionale Differenzierung von Forschungs- und Lehrfreiheit – Die teleologische Interpretation Die bisherigen Interpretationsergebnisse – die Analyse des Wortlauts, der Systematik und der historischen Entwicklung von Art. 5 Abs. 3 GG – legen die Unterscheidung der Schutzbereiche von Lehr- und Forschungsfreiheit zwar nahe, doch schließen sie auch die Fortentwicklung einer einheitlichen Dogmatik der Wissenschaftsfreiheit nicht grundsätzlich aus. Insbesondere der Wortlaut als Auslegungsgrenze steht weder der Verselbständigung von zwei Grundrechten noch der kontinuierlichen Interpretation als einheitliches Grundrecht prinzipiell im Wege. Die teleologische Auslegung erhält damit innerhalb des verbleibenden Konkretisierungskorridors maßgebliche Bedeutung.327 In der Vergangenheit waren die übereinstimmenden Funktionen von Forschungs- und Lehrfreiheit, insbesondere ihre gemeinsame Ausrichtung an der Sicherung von Bestand und Weiterentwicklung der Wissenschaft, vielfach zentrales Argument für ihre Zusammenführung in einem Grundrecht.328 Diese Ar327 Von einer besonderen Bedeutung der teleologischen Auslegung für die Interpretation von Art. 5 Abs. 3 GG gehen ausdrücklich auch Schmitt Glaeser, Freiheit der Forschung, S. 109, und Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 21, aus; ebenso implizit Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 7 ff.; Lüthje, in: Denninger, HRG, Vor § 3 Rn. 27 ff., und Dickert, Forschungsfreiheit, S. 261 ff., 286 f., 304 f.; zurückhaltender hingegen Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 30, 32. Siehe allgemein zur Rolle der teleologischen Interpretation im Rahmen der Verfassungsauslegung etwa Karpen, Auslegung, S. 44, und Stein, in: Denninger u. a., GG, Einleitung II Rn. 11; nur begrenzte Aussagekraft spricht ihr K. Hesse, Grundzüge, Rn. 68, zu; Müller/Christensen, Juristische Methodik, Rn. 364, anerkennen sie nicht als Element der Normkonkretisierung. 328 Vgl. etwa Wehrhahn, Verfassungstreue, S. 13 f.; Raiser, Universität im Staat, S. 14; Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 103; Lüthje, in: Denninger, HRG, Vor § 3 Rn. 23 ff., 27 ff.; Bleckmann, Staatsrecht II, S. 852 f.; seiner Entkoppelung der Normbereiche zum Trotz auch Trute, Institutionalisierung, S. 130, und aus der Rspr. etwa BVerfGE 35, 79, 113; 47, 327, 367. Siehe aber auch die Nw. der in der Lit. ebenfalls anzutreffenden umgekehrten Argumentationsstruktur, die aus der Einheitlichkeit der Wissenschaftsfreiheit auf die Identität der Funktionen der grundrechtlich geschützten Forschung und Lehre schließt, unten in Fn. 338, S. 111.
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gumentation wird im Folgenden insofern aufgegriffen, als die Übereinstimmung bzw. Divergenz der telæ als gewichtiges Indiz für die Notwendigkeit einer einheitlichen bzw. differenzierten Dogmatik gewertet wird. Die Funktionen von Forschungs- und Lehrfreiheit sind demnach vergleichend zu betrachten. Dabei wird vor allem zu berücksichtigen sein, dass eine Verfassungsnorm „kein gegenüber ihrem Regelungsbereich isolierbares hypothetisches Urteil ist, keine der Wirklichkeit autoritativ übergestülpte Form, sondern eine ordnende und anordnende Folgerung aus der Sachstruktur des geregelten Sachbereichs. [. . .] Die Anordnung und das durch sie Geordnete sind prinzipiell gleichrangig wirksame Momente der Konkretisierung von nur relativer Unterscheidbarkeit“329. Eine sachgemäße, objektiv-teleologische Auslegung muss daher die sich wandelnden Strukturen und Gegebenheiten des Normbereichs und die Besonderheiten des konkreten gesellschaftlichen Kontextes einbeziehen.330 Sie öffnet die Verfassungsnorm auf diese Weise der Dynamik der Lebensverhältnisse und ermöglicht im gegebenen Fall eine Änderung des Norminhalts ohne Änderung des Normtextes, also den Verfassungswandel.331 329 Müller/Christensen, Juristische Methodik, Rn. 233; siehe ferner F. Müller, Normstruktur, S. 168 ff., sowie die Nw. der durch dieses normtheoretische Verständnis entfachten Debatte bei Müller/Christensen, a. a. O., Rn. 226 Fn. 144. – Zwischen der normbereichsorientierten Auslegung einerseits und der Anerkennung einer „normativen Kraft des Faktischen“ (begriffsprägend Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 337 ff.; hierzu statt vieler instruktiv Grimmer, „Normativität des Faktischen“) ist dabei freilich nur ein schmaler Grat. Trennscharfe Abgrenzungskriterien für die dogmatische Arbeit sind kaum denkbar, vgl. Lerche, Grundrechtsprägung, Rn. 16. Soweit ersichtlich haben jedenfalls die (Verfassungs-)Rechtswissenschaft und die juristische Methodenlehre bisher keinen „verfassungsrechtlichen Filter“ bereitgestellt, der die Auswahl der interpretationsprägenden Normbereichselemente bestimmen würde. Hier soll daher eine pragmatische Lösung gewählt und dem für den Ausgleich wechselseitig wirksamer Werte bewährten „Hin- und Herschweifen“ des Blickes vertraut werden. 330 Vgl. zur Notwendigkeit einer normbereichsorientierten Auslegung von Art. 5 Abs. 3 GG v. a. Pieroth, Störung, S. 92 ff., und Trute, Institutionalisierung, S. 58 f.; zur Berücksichtigung der Normbereichsstrukturen in der bundesverfassungsgerichtlichen Interpretation von Art. 5 Abs. 3 GG Müller/Christensen, Juristische Methodik, Rn. 43. Allgemein zur Notwendigkeit, die Strukturen des geregelten Sachbereichs als Konkretisierungselement bei der Verfassungsauslegung zu berücksichtigen, insbes. Müller/Christensen, a. a. O., Rn. 225 ff.; vgl. aber auch K. Hesse, Grundzüge, Rn. 45, 67 f.; Lerche, Grundrechtsprägung, Rn. 12 ff.; Kirchhof, Grundrechtsinhalte, Rn. 20, sowie zusammenfassend Karpen, Auslegung, S. 51 ff.; der Sache nach ebenso BVerfGE 12, 205, 260 ff.; 30, 173, 188 ff.; 73, 118, 154 f. Krit. zu dieser Form der Verfassungskonkretisierung bspw. Böckenförde, Verfassungsinterpretation, S. 2094 ff. Siehe allgemein zur Notwendigkeit, den Realbereich und seine Wandlungen bei der Ermittlung von Normgehalten zu berücksichtigen, sowie zur methodischen Disziplinierung dieses Prozesses etwa Voßkuhle, Methode und Pragmatik, S. 191 f., und Hoffmann-Riem, Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 53 ff. 331 Zum juristischen Verständnis des Begriffs „Verfassungswandel“ einführend statt vieler Voßkuhle, Verfassungswandel, S. 451 f. Siehe zu den Möglichkeiten und Grenzen eines Verfassungswandels aus der seit Laband, Wandlungen der Reichsverfassung, und Jellinek, Verfassungswandlungen, erschienen Fülle der Lit. etwa Lerche, Stiller
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Die telæ von Forschungs- und Lehrfreiheit sind folglich unter Berücksichtigung der Strukturen sowie der individuellen, sozialen und wirtschaftlichen Funktionen von Forschung und Lehre im gegenwärtigen sozio-kulturellen Rahmen zu bestimmen und zu vergleichen. Entsprechend dem Anliegen der vorliegenden Arbeit und dem Stand der rechtswissenschaftlichen Literatur, die sich in der Vergangenheit bereits vergleichsweise intensiv mit den Rationalitäten der Forschung und den Funktionen der Forschungsfreiheit auseinandergesetzt hat,332 wird der Schwerpunkt dabei auf der Analyse der telæ von Lehre und Lehrfreiheit liegen. „Lehre“ soll dabei zunächst in einem weiten, den Ergebnissen der Wortlautanalyse entsprechenden Sinn verstanden werden,333 in dem sie zwar insbesondere auf die Lehre an Universitäten verweist, daneben aber auch die nicht institutionalisierte sowie die Lehre etwa an Fach- und Verwaltungshochschulen erfasst.334 Der Unterricht an allgemeinbildenden Schulen wird demgegenüber regelmäßig nicht mehr den Extensionen der „Lehre“ zugeordnet,335 weshalb auf ihn nur ein Seitenblick zu werfen ist. Mit einem so abgesteckten Untersuchungsrahmen soll insbesondere ein Zirkel vermieden werden, der aus einer auf die Universitäten begrenzten Analyse des Normbereichs auf die Notwendigkeit einer personalen und institutionelle Verbindung von Lehre und Forschung und damit wiederum auf die Anwendbarkeit von Art. 5 Abs. 3 GG allein im universitären Bereich schließt. Ziel der Untersuchung ist nicht die dogmatische Unterfütterung der „Wissenschaftlichkeit“ der Lehre nach herkömmlichem Verständnis, vielmehr stehen gerade ihr Wissenschafts- und Forschungsbezug auf dem Prüfstand.
Verfassungswandel, S. 285 ff.; Fiedler, Sozialer Wandel, S. 22 ff.; K. Hesse, Grenzen der Verfassungswandlung, S. 126 ff.; Richter, Bildungsverfassungsrecht, S. 19 ff.; Schenke, Verfassung und Zeit, S. 585 ff.; Bryde, Verfassungsentwicklung, v. a. S. 254 ff., 299 ff.; Häberle, Zeit und Verfassungskultur, S. 289 ff.; P. Badura, Verfassungsänderung, Rn. 13 ff., und jüngst Walter, Hüter oder Wandler, S. 521 ff., 540 ff., jeweils m. w. N. Krit. zum methodischen und dogmatischen Mehrwert einer Lehre vom Verfassungswandel zuletzt Voßkuhle, a. a. O., S. 454 ff. 332 Vgl. insbes. die eingehende Analyse von Trute, Institutionalisierung, S. 96 ff., 139 ff.; hierauf aufbauend Kleindiek, Risikogesellschaft, S. 32 ff., der vor allem die Besonderheiten der Forschung in der „Risikogesellschaft“ (U. Beck) in den Blick nimmt; zuvor bereits Dickert, Forschungsfreiheit, S. 21 ff.; unter Ausklammerung der Hochschulforschung Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 22 ff.; übersichtlich Losch, Wissenschaftsschranken, S. 19 ff. 333 Vgl. zur Eingrenzung des Normbereichs auch Müller/Christensen, Juristische Methodik, Rn. 232 f. 334 Vgl. oben § 3 I. 2. c) bb). 335 S. o. § 3 I. 2. c) bb).
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1. Im Dienste der Wissenschaft? Die funktionale Ausrichtung der durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Lehre an Forschung und wissenschaftlichem Fortschritt ist als Grundsatz bis heute weithin konsentiert,336 bisweilen sieht man gar die „grundlegende Legitimation“ der Lehrfreiheit in einer Verbindung der Lehre zur Forschung, versteht die Lehrfreiheit „als Konsequenz“ der Forschungsfreiheit337. Im Dienste der Wissenschaft soll sie in erster Linie die Publizität der Forschungsergebnisse sichern, durch die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses zudem die Stabilität und Kontinuität des Wissenschaftssystems gewährleisten und zugleich im Wege produktiver Rückkoppelung neue Forschung anregen.338 a) Die Sicherung der Publizität wissenschaftlicher Erkenntnis Nicht selten hat man in der Vergangenheit die Lehre mit der Publizität von Wissenschaft identifiziert und die primäre Funktion der Lehrfreiheit darin gesehen, die freie Verbreitung und Vermittlung von Forschungsergebnissen zu ermöglichen.339 Vor allem eine historische Perspektive legt diese Auslegung 336 Vgl. etwa Beck, Lehrfreiheit an Schulen, S. 61; Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 103; Wussow, Einheit, S. 7; Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 103; SchmidtAßmann, Ordnungsrahmen, S. 208; Trute, Institutionalisierung, S. 130 ff.; Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 328, 339; BVerfGE 35, 79, 113. Hingegen differenzieren Perschel, Lehrfreiheit des Lehrers, S. 37 f., und Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 85 f., zwischen verschiedenen grundrechtlich geschützten Lehrtypen mit je unterschiedlichen Funktionen. 337 Oppermann, Freiheit, Rn. 30; ähnlich deutlich Küchenhoff, Hochschulreform, S. 603: „Art. 5 Abs. 3 GG sichert die Lehre [. . .] allein wegen ihres unmittelbaren Bezugs zur Forschung als deren Komplementärfunktion.“; Bleckmann, Staatsrecht II, S. 853: „der letzte Zweck der Wissenschaftsfreiheit [ist] die Entwicklung der Forschung [. . .]. Forschung und Lehre [stehen damit] nicht auf demselben Niveau“. 338 Speziell der intentionale Bezug grundrechtlich geschützter Lehre auf Wissenschaft und Forschung wird jedoch vielfach nicht aus einer Analyse der Strukturen und Funktionen gefolgert, welche die mit „Lehre“ bezeichneten Tätigkeiten in der Gesellschaft übernehmen, sondern aus der unterstellten Zugehörigkeit der Lehrfreiheit zur Wissenschaftsfreiheit; aus der Einheitlichkeit des Grundrechts schließt man auf die Identität der Funktionen von Forschung und Lehre, vgl. z. B. Rupp, Stellung der Studenten, S. 114 f.; Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 103; Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 328; Wendt, in: v. M/K, GG, Art. 5 Rn. 102; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 32. Die vorliegende Untersuchung hinterfragt hingegen eben diese Ausgangshypothese. 339 So schon Köttgen, Freiheit der Wissenschaft, S. 299; Knemeyer, Lehrfreiheit, S. 31 ff.; Hauck/Lüthje, Mitbestimmung, S. 16 f.; Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 103, und BVerfGE 35, 79, 113. Ebenso in jüngerer Zeit Dickert, Forschungsfreiheit, S. 289; Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 76; Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 29, sowie ex negativo Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 86; zwischen den allgemeinen Kommunikationszusammenhängen der Wissenschaft, die auf die Forschung und die Validierung der Forschungsergebnisse bezogen seien, und der Lehre, die als Wissensspeicher diene und die perso-
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nahe, wandten sich die Väter der Lehrfreiheit doch in erster Linie gegen das Verbot, der kirchlichen Lehre widersprechende oder als staatsfeindlich eingestufte (eigene oder fremde) Forschungsergebnisse zu veröffentlichen.340 Geht man zutreffend davon aus, dass die moderne Wissenschaft nicht zuletzt als Kommunikationszusammenhang zu modellieren und die Forschung auf die Publizität der Ergebnisse angewiesen ist,341 so ist eine als Veröffentlichungsfreiheit verstandene Lehrfreiheit zugleich wesentliche Voraussetzung eines freiheitlichen Wissenschaftsbetriebs. Lehre geht in dieser Auslegung also nicht nur auf den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess zurück, sie ist zugleich seine Bedingung. Die Lehrfreiheitsgarantie hat demnach denselben telos wie die Forschungsfreiheit und das moderne Unternehmen Wissenschaft: „das Wissen über die natürliche und soziale Welt sowie über den Menschen selbst zu erweitern, zu vertiefen und zu präzisieren“342. Doch nicht nur der Blick auf die Lehre an allgemeinbildenden Schulen und Fachhochschulen, die man ohnehin vielfach und vielfach mehr oder weniger bedenkenlos dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG entzieht,343 lässt Zweifel nelle Kontinuität sichere, differenziert hingegen Trute, Institutionalisierung, S. 128 f. Dabei sieht man die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen häufig freilich zugleich durch die Forschungsfreiheit geschützt, vgl. die Nw. oben in Fn. 135, S. 63. 340 S. o. § 3 III. 1. a) bb). 341 Siehe hierzu aus rechtswissenschaftlicher Perspektive insbes. Dickert, Forschungsfreiheit, S. 277 ff., und Trute, Institutionalisierung, v. a. S. 80 ff.; ferner etwa Pieroth, Störung, S. 126 ff. m. Nw. der wissenschaftstheoretischen Diskussion; Kimminich, Veröffentlichungsrecht, S. 117, 123, und Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 16. Zur zentralen Bedeutung der Kommunikation für die Wissenschaft aus soziologischer Sicht etwa Garvey, Communications; Stichweh, Autopoiesis der Wissenschaft, S. 62 ff.; implizit Merton, Normative Struktur, S. 86, 93 ff., dessen Normensystem die Strukturen der Wissenschaft i. Ü. freilich nicht (mehr) angemessen beschreibt, vgl. zur Kritik unten § 4 IV. 2. b) aa) (3). 342 So die Aufgabenbeschreibung von Trute, Institutionalisierung, S. 122, der damit zutreffend auf den Wahrheitsbegriff verzichtet; vgl. zu den Schwierigkeiten einer Definition der wissenschaftlichen Tätigkeit unter Bezugnahme auf „die Wahrheit“ unten § 4 IV. 2. a) mit Fn. 524, S. 155. Zur Vertiefung und Präzisierung gehört freilich auch die rationale Absicherung alter Erkenntnisse, worauf Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 323, mit Recht hinweist. In der Sache besteht über die Ziele wissenschaftlicher Arbeit in Lit. und Rspr. weitgehend Einigkeit, s. u. § 4 IV. 1., 2. a). 343 Den Schulunterricht nimmt man ganz überwiegend aus dem Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 GG aus, vgl. mit abweichenden Begründungen etwa Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 107; Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 151; Schulze-Fielitz, Freiheit der Wissenschaft, Rn. 5; Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 330; Wendt, in: v. M/K, GG, Art. 5 Rn. 103; Oppermann, Freiheit, Rn. 30; Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 86; Jarass, in: J/P, GG, Art. 5 Rn. 123; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 32; Thieme, Hochschulrecht, 2004, Rn. 125; nach den vermittelten Inhalten differenzierend hingegen Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 31. Demgegenüber sprechen etwa Staff, Schulaufsicht, S. 628 ff.; Perschel, Lehrfreiheit des Lehrers, S. 36 ff., und Laaser, Lehrfreiheit in der Schule, auch den Lehrern an allgemeinbildenden Schulen den Schutz durch Art. 5 Abs. 3 GG zu. Eine h. M. zur Geltung von Art. 5 Abs. 3 GG
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an dieser Funktionsbestimmung aufkommen. Auch eine nähere Betrachtung der Lehre an deutschen Universitäten, der Lehrbeiträge in Ausbildungszeitschriften sowie aktueller Lehrbücher lässt das Verständnis der Lehrfreiheit als Veröffentlichungsfreiheit im Dienste von Wissenschaft und Forschung als mit dem Normbereich kaum mehr kompatibel erscheinen. Die Ergebnisse (eigener) aktueller Forschung bilden nur noch selten den Gegenstand der Lehre; die Inhalte der Lehre entsprechen den zwischen Forschern kommunizierten regelmäßig nicht.344 Vielmehr werden weitgehend konsentierte Grundlagenkenntnisse und Arbeitsmethoden in speziell axiomatisierter Form vermittelt. Forschungsergebnisse finden nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung Eingang in Lehrveranstaltungen oder schriftliche Lehrbeiträge. Publiziert, verbreitet und zur Diskussion gestellt werden sie vielmehr in der an andere Mitglieder der scientific community adressierten Fachliteratur, in Fachzeitschriften, Büchern und Reports sowie auf wissenschaftlichen Tagungen und Kongressen.345 Während letztere Studenten in der Regel schon grundsätzlich nicht offen stehen, ist den Lernenden der Zugang zur Fachliteratur zwar nicht prinzipiell verwehrt, bleibt ihnen während des Studiums aber doch häufig mangels hinreichender Vorkenntnisse verschlossen. Freilich richten sich die Publikationen von Forschungsergebnissen weder ausschließlich an Forscher noch werden sie ausschließlich von diesen zur Kenntnis genommen. Doch ist der für die weitere Forschung relevante Diskurs im Wesentlichen auf die Mitglieder der scientific community beschränkt, sie sind in der Regel die Adressaten wissenschaftlicher Veröffentlichungen.346 für die Lehre an Fachhochschulen lässt sich kaum ausmachen, vgl. einerseits etwa Scholz, a. a. O., Rn. 106; Pernice, ebd., wonach sich Fachhochschullehrer regelmäßig nicht auf die Lehrfreiheit berufen können; andererseits Oppermann, a. a. O., Rn. 38; Denninger, a. a. O., Rn. 30; Fehling, a. a. O., Rn. 85, sowie nach der übertragenen Aufgabe differenzierend Zöbeley, Wissenschaftsfreiheit an Fachhochschulen, S. 76 ff., und Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 207. Die Rspr. ist ebenfalls nicht eindeutig: Während Fachhochschullehrern nach BVerwG, DVBl. 1986, S. 1109, und OVG Hamburg, NVwZ 1995, S. 1135, 1136, die Freiheit der Lehre nur „nach Maßgabe ihrer dienstlichen Aufgaben“ anvertraut ist, scheint BayVGH, DÖV 1985, S. 496, 497, von einer uneingeschränkten Geltung auszugehen; BVerfG, NVwZ 1987, S. 675, hat die Frage ausdrücklich offen gelassen. 344 Vgl. Krohn/Küppers, Selbstorganisation, S. 96 ff.; ebenso Trute, Institutionalisierung, S. 128 f. Als Indiz ist insofern auch die Tatsache zu werten, dass die in den Hochschulen vermittelten Kenntnisse von Unternehmen nicht länger als wichtige innovative Informationen nachgefragt werden, vgl. KOM(2003) 58, Universitäten im Europa des Wissens, S. 7. Grds. a. A. aber Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 166. 345 So auch Trute, Institutionalisierung, S. 113, 129; in dieselbe Richtung deutet Bleckmann, Staatsrecht II, S. 860. 346 Vgl. zu den Formen der Kommunikation zwischen Forschern Krohn/Küppers, Selbstorganisation, S. 80 ff., und zu ihren multiplen Funktionen Trute, Institutionalisierung, S. 112. – Die Konsequenzen von Forschungsergebnissen sind häufig für eine breitere Öffentlichkeit von Interesse und werden daher auch an diese kommuniziert, etwa in den Wissenschaftsteilen der Tageszeitungen. Die Forschungsergebnisse als solche und ihre Herleitungen aber werden regelmäßig nur in der Fachpresse veröffentlicht und richten sich praktisch ausschließlich an den Kreis der selbst Forschenden.
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Dementsprechend hat sich ein eigenständig für die Lehre verfasstes Schrifttum herausgebildet, das Lehrbücher und Überblickswerke ebenso umfasst wie Textbücher, Aufgabensammlungen, Vorlesungsskripten und Repetitorien,347 für den Forscher jedoch weitgehend bedeutungslos ist.348 Die in diese Werke einfließenden Fachkenntnisse sind dabei in der Regel allenfalls zu einem kleinen Teil Ergebnisse eigener Forschung des Autors. Es handelt sich vielmehr um Kompilationen und Strukturierungen der Grundlagen eines Gebietes, die von der Gemeinschaft der Forscher über einen längeren Zeitraum erarbeitet wurden. Lehr- und Forschungsdiskurs haben sich also sowohl inhaltlich als auch institutionell weitgehend ausdifferenziert und voneinander gelöst.349 In der Person des Universitätsprofessors gehen sie häufig eine nur mehr formale, keine materiale Verbindung ein. Die Eigenständigkeit des Lehrdiskurses kommt in der Ausbildung einer eigens dieser Kommunikationsform gewidmeten Forschungsrichtung, der Wissenschafts- und Hochschuldidaktik,350 ebenso zum Ausdruck wie in der sprachlichen Differenzierung von „Lehre“ einerseits und „Publikation“ und „Veröffentlichung“ andererseits.351 „Lehre“ i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG Auch insoweit hat sich der Diskurs also inhaltlich und institutionell ausdifferenziert, wie sich etwa am Beispiel der Stammzellenforschung verfolgen lässt. 347 Vgl. Krohn/Küppers, Selbstorganisation, S. 96 ff. 348 A. A. Krohn/Küppers, Selbstorganisation, S. 97 ff., die in der Disziplinbildung eine Konsequenz der Lehre und eine Hilfestellung für die Forschung erblicken. Zutreffend analysiert demgegenüber Stichweh, System wissenschaftlicher Disziplinen, S. 7 ff., die Entstehung der Disziplinen als Folge der beschleunigten Entwicklung in den (experimentellen) Naturwissenschaften und der damit verbundenen Explosion des Wissens, welche Spezialisierungen und Ausdifferenzierungen erforderlich machte; vgl. zur disziplinären Struktur der Wissenschaft ferner etwa Ellwein, Das disziplinäre System, S. 12 ff., und Mittelstraß, Flug der Eule, S. 67 ff. 349 Zur inhaltlichen Differenzierung eindringlich schon Nitsch u. a., Hochschule in der Demokratie, S. 96 ff.; weitsichtig auch Schelsky, Abschied von der Hochschulpolitik, S. 139 ff. Berghoff u. a., CHE-Forschungsranking, S. 150, kommen zu dem Ergebnis, dass „die für deutsche Universitäten postulierte Einheit von Forschung und Lehre [. . .] eher Definition denn Realität“ ist; noch weitergehend Tenbruck, Funktion der Wissenschaft, S. 63, dem zufolge eine Kommunikation von Forschungsinhalten an Lernende prinzipiell „unmöglich“ ist. A. A. Seiffert, Hochschuldidaktik, S. 23, der Überschneidungen im Bereich der Grundlagenforschung sieht. Dem liegt jedoch die jedenfalls heute nicht mehr zutreffende Annahme zugrunde, dass die Entkoppelung von Forschung und Lehre lediglich auf einer thematischen, nicht auch inhaltlichen Spezialisierung der Forschung beruht. Mögen die in Grundlagenforschung und Lehre behandelten Themenkomplexe auch identisch sein, so unterscheiden sich doch die jeweils behandelte Fragestellungen. 350 Die unter dem Begriff Hochschuldidaktik betriebene Forschung ist Ende der 60er Jahre aus der Kritik an Form und Inhalt des schnell wachsenden Universitätsund Hochschulbetriebs hervorgegangen. Ihre Entstehung analysiert die Senatskommission der DFG für Hochschuldidaktik, Lage der Hochschuldidaktik, insbes. S. 10 ff. Wie hier bewerten Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 94, und Trute, Institutionalisierung, S. 129, die Entwicklung hochschuldidaktischer Forschung im Rahmen ihrer Interpretationen von Art. 5 Abs. 3 GG. 351 S. o. § 3 I. 2. c) bb).
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kann daher nicht länger primär als die Veröffentlichung von Ergebnissen durch den Forscher definiert werden.352 Funktion der Lehrfreiheit ist mithin nicht mehr – jedenfalls nicht mehr an erster Stelle – die Sicherung der Publizität der Wissenschaft.353 b) Die Gewähr von Stabilität und Kontinuität der wissenschaftlichen Entwicklung Neben der freien Veröffentlichung von Forschungsergebnissen sollen Lehre und Lehrfreiheit auch die Stabilität und Kontinuität der wissenschaftlichen Entwicklung in sachlicher wie in personeller Hinsicht gewährleisten.354 Die Tradierung des erreichten materiellen und methodischen Erkenntnisstandes im Rahmen der Lehre, so die Vorstellung, sichert den Fortbestand wissenschaftlichen Wissens als Grundlage weiterer Forschungstätigkeiten; die Lehrfreiheit schützt vor wissenschaftsfremder Selektion der zu vermittelnden Kenntnisstände.355 Auch in dieser Interpretation stehen Lehre und Lehrfreiheit also im Dienste der Wissenschaft, sie verfolgen mittelbar denselben telos wie Forschung und Forschungsfreiheit, i. e. die Generierung neuen Wissens. Dabei werden die veränderten Strukturmerkmale des Normbereichs jedoch nur unzureichend berücksichtigt. Aufgrund der dargestellten Trennung von Forschungs- und Lehrdiskurs vermag die Lehrfreiheit heute nur noch eingeschränkt zur Kontinuität eines freiheitlichen Wissenschaftssystems beizutragen.
352 Gleichwohl schützt die Lehrfreiheit ggf. auch die Publikation von Forschungsergebnissen, vgl. hierzu unten § 7 I. 1. Als Bedingung wissenschaftlicher Forschung fällt die Veröffentlichung von Forschungsresultaten zudem in den Schutzbereich der Forschungsfreiheit, so auch die ganz h. M., vgl. die Nw. oben in Fn. 135, S. 63 sowie Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 264; Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 331; Oppermann, Freiheit, Rn. 42; Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 72; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 28, 30. Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 47, begrenzt den Schutz durch die Forschungsfreiheit auf die erstmalige Veröffentlichung; Beck, Lehrfreiheit, S. 61 f., sieht die Darstellung ohne individualisierten Empfänger durch die Forschungsfreiheit geschützt, die an einen konkreten Adressaten gerichtete Veröffentlichung hingegen allein durch die Lehrfreiheit. Demgegenüber nehmen Dickert, Forschungsfreiheit, S. 274 f., und BVerwGE 29, 77, 89, die Publikationstätigkeit prinzipiell aus dem Schutzbereich der Forschungsfreiheit aus. 353 I. Erg. insoweit wie hier Trute, Institutionalisierung, S. 129; skeptisch gegenüber der Publizitätsfunktion der Lehre auch schon Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 94, 96 f. 354 Siehe etwa Wehrhahn, Verfassungstreue, S. 14; Trute, Institutionalisierung, S. 129, 130, und aus soziologischer Sicht bspw. Klüver, Realität Wissenschaft, S. 59 f.; ders., Universität und Wissenschaftssystem, S. 121; vgl. des Weiteren die Nw. unten in Fn. 358, S. 116. 355 Vgl. Trute, Institutionalisierung, S. 130: „Die Autonomie der Lehre sichert ein Stück der Autonomie der Wissenschaft“; ähnlich Hufen, Freiheit der Kunst, S. 173.
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aa) Der inhaltlich und thematisch begrenzte Beitrag der Lehre Infolge der Differenzierung von Forschungs- und Lehrdiskurs können Lehre und Lehrfreiheit die Stabilität der Wissenschaft zunächst in sachlicher Hinsicht nur noch eingeschränkt gewährleisten. Denn finden Forschungsergebnisse nur mit zeitlicher Verzögerung Aufnahme in die Lehrzusammenhänge, so übermittelt und sichert die Lehre einen anderen, niedrigeren als den erreichten Erkenntnisstand. Da das explosionsartige Anwachsen und die Ausdifferenzierung wissenschaftlichen Wissens356 überdies eine Begrenzung der Lehrinhalte auf die Kernbereiche der Disziplinen erforderlich machen,357 garantiert die Lehrfreiheit die Kontinuität dieses niedrigeren Erkenntnisstandes zudem nicht in allen bereits erforschten Gebieten. Die Funktion der sachlichen Stabilitäts- und Kontinuitätsgewähr freier Wissenschaft erfüllt daher heute in wesentlichen Bereichen der vom Lehrdialog zu unterscheidende mündliche und schriftliche Diskurs zwischen Forschern. bb) Die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses als Aufgabe der Forschung Die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses, die man ebenfalls als eine wesentliche Aufgabe der Lehre benennt,358 gewährleistet die personelle Kontinuität der Wissenschaft in der Zeit. Auch insoweit ist jedoch ein Prozess der Ausdifferenzierung zu beobachten, der daran zweifeln lässt, dass die Anleitung von Nachwuchsforschern weiterhin als Lehre und die Gewährleistung ihrer 356 Die qualitativen und quantitativen Entwicklungen des Wissensstandes während der letzten Jahrhunderte sind anschaulich dargestellt bei Stock u. a., Bildungsprozesse und Bildungsstrukturen, S. 8 f.; eindrucksvolles Zahlenmaterial für diesen Zeitraum findet sich ferner bei Kreibich, Wissenschaftsgesellschaft, S. 26 ff. Die historische Entwicklung von Spezialisierung und Differenzierung in den Wissenschaften untersucht Bahrdt, Arbeitsteilung in der Wissenschaft, S. 26 ff.; vgl. hierzu auch Nitsch u. a., Hochschule in der Demokratie, S. 87 ff. Nach Einschätzung der Europäischen Kommission werden Spezialisierung und Differenzierung auch in den kommenden Jahrzehnten die Erweiterungen des Wissensbestandes prägen KOM(2003) 58, Universitäten im Europa des Wissens, S. 8. 357 Kuwan/Waschbüsch, „Bildungs-Delphi“, S. 45, prognostizieren eine Intensivierung dieser Entwicklung während der nächsten zwei Jahrzehnte. Zu dem „Kern an fortschreibbaren Inhalten“ wird sich, so vermuten sie aufgrund der Ergebnisse ihrer Delphi-Befragung von Bildungsexperten, ein „Mantel aus stetig auszutauschenden Informationen“ legen, dies., a. a. O., S. 48. 358 Vgl. Trute, Institutionalisierung, S. 129; Bleckmann, Staatsrecht II, S. 852 f.; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 32, und zustimmend zuletzt Finger/Müller, „Körperwelten“, S. 1075; wohl auch K. Hesse, Grundzüge, Rn. 402, und Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 83; andeutungsweise Oppermann, Freiheit, Rn. 30; aus soziologischer Sicht Krohn/Küppers, Selbstorganisation, S. 95; beobachtend für die Vergangenheit, fordernd für die Zukunft Wissenschaftsrat, Zehn Thesen, S. 20.
§ 3 Die Eigenständigkeit von Forschungs- und Lehrfreiheit
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Freiheitlichkeit als telos der Lehrfreiheit benannt werden können. Der Werdegang des Nachwuchswissenschaftlers vereint vielmehr Elemente der Normbereiche von Lehr- und Forschungsfreiheit. Er teilt sich im Wesentlichen in zwei Abschnitte.359 Zunächst sind die methodischen und fachlichen Basiskenntnisse zu vermitteln, die die unverzichtbare Grundlage jeder Forschungstätigkeit bilden. In dieser Phase unterscheidet sich die Ausbildung von Nachwuchsforschern nicht, zumindest nicht wesentlich, von der allgemeinen oder berufsvorbereitenden wissenschaftlichen Bildung und Ausbildung, die jedenfalls dem Normbereich der Lehre zuzuordnen ist.360 Dies kommt heute institutionell insofern zum Ausdruck, als Studenten, die einen für nicht wissenschaftliche Berufe qualifizierenden Abschluss anstreben, an den Universitäten zunächst gemeinsam mit den an eigener Forschung interessierten Lernenden unterrichtet werden.361 Die in diesem ersten Ausbildungsabschnitt vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten sind jedoch regelmäßig nicht ausreichend für eine erfolgreiche eigene wissenschaftliche Tätigkeit. Erforderlich ist darüber hinaus eine Spezialausbildung, die grundsätzlich in einem Anlernprozess im Wege der Beteiligung an Forschungsprojekten oder der Betreuung erster eigener Forschungsarbeiten etwa in Form der Unterstützung bei der Auswahl von Gegenstand, Methode oder Literatur besteht.362 Beide Ausbildungsabschnitte sind bereits jetzt überwiegend klar getrennt. Die Einführung gestufter Studienabschlüsse aufgrund der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes vom 20.08.1998363 beispielsweise erschöpft sich nicht in 359 Eingehend zur Gestalt der Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern auch Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 128 ff. Die strukturellen Defizite des traditionellen Systems der Doktorandenausbildung in Deutschland analysiert der Wissenschaftsrat, Struktur des Studiums, S. 42 ff. 360 So i. Erg. auch Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 130; zweifelnd Thieme, Hochschulrahmengesetz, S. 203. Zur Berufsvorbereitungsfunktion der ausbildenden Lehre sogleich § 3 IV. 2. 361 Die insoweit etwa vom Wissenschaftsrat, Zehn Thesen, S. 11, geäußerte Kritik richtete sich nicht prinzipiell gegen eine gemeinsame Ausbildung während der Anfangsjahre, sondern gegen ihre konkrete Ausgestaltung im deutschen Hochschulsystem. Eine Differenzierung hat auch der Wissenschaftsrat erst für die Zeit nach einer „bestimmten Stufe des Studiums“ gefordert, Wissenschaftsrat, Neuordnung des Studiums, S. 12; bestätigend ders., Struktur des Studiums, S. 38. 362 Zu diesen Erfordernissen, insbes. der Notwendigkeit eigener (Beteiligung an) Forschungsprojekte(n) Wissenschaftsrat, Zehn Thesen, S. 36, 42 ff.; ders., Struktur des Studiums, S. 36, 38, der die Forderung nach einer „Einheit von Forschung und Lehre“ dementsprechend auf die postgraduale Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Verbindung von ,Forschung‘ und ,Anleitung zur Forschung‘ begrenzt, ders., Struktur des Studiums, S. 34 f. 363 4. HRGÄndG v. 20.08.1998, BGBl. I, S. 2190. Die Vorgaben des HRG sind mittlerweile in allen Landeshochschulgesetzen umgesetzt worden. Mit der Einführung gestufter Studienabschlüsse wurde eine u. a. vom Wissenschaftsrat wiederholt erhobene Forderung erfüllt, vgl. etwa Wissenschaftsrat, Struktur des Studiums, S. 9 ff., 60 ff.; ders., Zehn Thesen, S. 36 ff., 42 ff.
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einer neuen äußerlichen Aufteilung des Studiums in mehrere Abschnitte, sondern ist mit einer inhaltlichen Differenzierung verbunden, im Zuge derer die forschungsbezogene Ausbildung in Graduiertenstudiengänge ausgegliedert wird. Zu einer Festigung und Vertiefung dieser Differenzierung wird der „BolognaProzess“ führen, dem sich auch die Bundesrepublik angeschlossen hat und der die europaweite Einführung eines in zwei Zyklen gegliederten Studiensystems vorsieht.364 Der Abschluss des ersten Zyklus, der für alle Studenten verpflichtend ist, soll eine für den europäischen Arbeitsmarkt relevante Qualifikation verleihen. Die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses bleibt dem hierauf aufbauenden zweiten Zyklus vorbehalten.365 Sie ist damit nicht länger integriert in das allgemeine System wissenschaftlicher (Aus-)Bildung.366 Soweit wissenschaftliche Bildung und Ausbildung auf (berufliche) nicht wissenschaftliche Tätigkeiten vorbereiten, erfolgen sie andererseits regelmäßig nicht mehr durch Wissenschaft und unter Eigenbeteiligung der Studierenden an der Forschung, sondern lediglich anhand von bzw. unter Bezugnahme auf wissenschaftliche Erkenntnisse.367 Eine normbereichsorientierte Interpretation von Art. 5 Abs. 3 GG muss diese Differenzierung aufgreifen: Die Vermittlung methodischer und fachlicher Grundlagenkenntnisse als notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung einer eigenen Forschungstätigkeit ist weder inhaltlich noch institutionell von der Lehre zu unterscheiden, die im Dienste allgemeiner wissenschaftlicher Bildung und Berufsvorbereitung steht. Sie wird daher wie diese durch die Lehrfrei364 Vgl. die Gemeinsame Erklärung der Europäischen Bildungsminister, Der Europäische Hochschulraum, sog. „Bologna-Erklärung“, sowie einführend Wissenschaftsrat, Einführung neuer Studienstrukturen, S. 15 ff., und Heß, Bologna-Prozeß, S. 288 ff. Des Weiteren stellen die beteiligten Bildungsministerien und die nationalen Rektorenkonferenzen im Internet umfangreiche Materialien zur Verfügung. Siehe zu den Auswirkungen des Bologna-Prozesses auf die Strukturen der Lehre und die telæ der Lehrfreiheit auch sogleich § 3 IV. 5. 365 Zur bisherigen Realisierung dieser Zielvorgaben in den am Bologna-Prozess beteiligten Staaten Eurydice, National Trends, S. 13 ff., 36 ff.; zur Umsetzung in Deutschland ferner KMK/BMBF, Nationaler Bericht 2004. Eine prägnante Zusammenfassung der Entwicklung von der Bologna-Erklärung im Juni 1999 bis zur Berlin-Konferenz im September 2003 gibt Friedrich, Erscheinungen und Perspektiven des Bologna-Prozesses. 366 Das Universitätsstudium ist mithin nicht mehr generell „auf die aktive Teilnahme am Wissenschaftsprozess hin angelegt“, so aber noch BVerfGE 35, 79, 125; 55, 37, 67. Die Entwicklung der Universität zu einer „polaren oder zwiegespaltenen Organisationsform“ – gespalten durch ihre Aufgaben in der Berufsvorbereitung einerseits und ihre Funktionen in der Forschung und der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses andererseits – antizipierte Schelsky, Abschied von der Hochschulpolitik, S. 143. 367 Der Wissenschaftsrat hat Bildung durch Wissenschaft schon 1993 als „Illusion“ gebrandmarkt und forschungsbezogene Lehre als für das Studienziel in Diplom-, Staatsexamens- und Magisterstudiengängen „nicht sachdienlich“ bezeichnet, vgl. Wissenschaftsrat, Zehn Thesen, S. 14, 42.
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heit geschützt. Nur insoweit ist die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses telos der Lehrfreiheit. Demgegenüber weist die nachfolgende Spezialausbildung eine enge inhaltliche und institutionelle Verbindung zur Forschung und den Funktionen der Forschungsfreiheit auf: Zum einen besteht die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses selbst zu wesentlichen Teilen in (der Beteiligung an) Forschung. Sie verfolgt damit zum anderen unmittelbar und mittelbar dasselbe Ziel wie eine durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützte Forschungstätigkeit: Unmittelbar geht es um die Generierung neuer Erkenntnisse, mittelbar um die (vor allem personelle) Sicherung der Kontinuität und Stabilität eines freiheitlichen Wissenschaftssystems im Dienste von Wirtschaft und Gesellschaft. Beide Funktionen prägen Lehre und Lehrfreiheit indessen nicht bzw. nicht mehr. Die Aufbauphase, durch die sich die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses von einem allgemeinen akademischen Studium unterscheidet, ist daher dem Schutzbereich der Forschungsfreiheit zuzuordnen. Wer zur Forschung anleitet, kann sich gegen staatliche Einflussnahme unter Berufung auf das Grundrecht der Forschungs-, nicht aber der Lehrfreiheit wehren. Zur Gewährleistung von Stabilität und Kontinuität des Wissenschaftssystems in sachlicher und personeller Hinsicht beizutragen, kann nach allem zwar weiterhin als eine Funktion der Lehrfreiheit bezeichnet werden. Insoweit hat sie wie die Forschungsfreiheit den Schutz freier wissenschaftlicher Arbeit und Erkenntnis zum Ziel. Doch prägt dieser telos den Normbereich nicht, er kann nicht mehr als eines der strukturgebenden Ziele der Lehrfreiheit benannt werden, zumal Lehre und Lehrfreiheit zur Kontinuitätsgewähr eben nur beitragen, sie aber keineswegs umfänglich gewährleisten. c) Die Lehre als Quelle der Inspiration Die humboldtsche Vorstellung von der Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden im Hinterkopf wird man überdies nicht müde, die Bedeutung der Lehre als Quelle der Inspiration für den Forscher zu betonen.368 In der „Verbindung der geübten, aber eben darum auch leichter einseitigen und schon weniger lebhaften Kraft mit der schwächeren und noch parteiloser nach allen Richtungen mutig hinstrebenden“369, mithin im Lehrdiskurs, soll der Forscher Anregungen für seine Forschungsarbeit finden. Die Lehre ist auch aus dieser Perspektive
368 Siehe Krüger, Lehre, S. 318; Bleckmann, Staatsrecht II, S. 851; Wissenschaftsrat, Entwicklung des Wissenschaftssystems, S. 64; Reich, HRG, § 7 Rn. 3; wohl auch Löwer, Beruf des Staates, S. 255; vgl. ferner BVerfGE 35, 79, 113: „Das in der Lehre stattfindende Gespräch [befruchtet] wiederum die Forschungsarbeit.“ 369 So die Charakterisierung des Dialogs zwischen lehrenden Forschern und Lernenden durch v. Humboldt, Über die innere und äußere Organisation, S. 378.
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funktional auf den Erkenntnisfortschritt bezogen. Sie wird als wichtige, zuweilen notwendige Voraussetzung der Forschung konzipiert. Da die Inhalte der Lehre heute selbst an den Universitäten nicht selten nur entfernte Verbindungen zur Forschungsarbeit der Professoren aufweisen,370 erscheint die Lehrfreiheit jedoch auch in dieser Interpretation als eine ,der Wirklichkeit autoritativ übergestülpte Form‘ und nicht als die ,ordnende und anordnende Folgerung aus der Sachstruktur des geregelten Sachbereichs‘. Die Rolle des Lehrers ist heute ebenso von der Rolle des Forschers zu trennen wie Lernen und lernendes Forschen auf der Seite der Studenten. Freilich ist es nach wie vor denkbar, dass ein Lehrer, so er denn parallel als Forscher arbeitet, in der Vorbereitung einer Lehrveranstaltung oder in der Auseinandersetzung mit den Lernenden Ideen entwickelt, die ihn in seiner Forschungstätigkeit weiterführen. Doch wird hiermit angesichts der curricularen Durchbildung der Lehre, der unterschiedlichen Gegenstände von Lehr- und Forschungstätigkeiten und nicht zuletzt angesichts der großen Zahl der Lernenden mit heterogenen Studieninteressen jedenfalls nicht länger ein speziell die Lehrtätigkeit charakterisierender Sachverhalt beschrieben. Es handelt sich vielmehr um das allgemein die Forschungstätigkeit kennzeichnende Phänomen, dass Anregungen und Problemlösungen häufig nicht während der eigentlichen Arbeit am Forschungsgegenstand, sondern bei Beschäftigungen und in Gesprächen gefunden werden, die nur in entferntem Zusammenhang mit dem Forschungsthema stehen oder zu diesem (scheinbar) keinen Bezug aufweisen.371 Insofern besteht aber kein struktureller Unterschied zwischen den potentiellen produktiven Rückwirkungen auf die Forschung, die von der Lehre ausgehen, und jenen Anregungen, die sich etwa aus einer Tätigkeit als Richter oder Anwalt für den Rechtswissenschaftler, aus der klinischen Arbeit für den Mediziner oder allgemein aus der Diskussion mit dem „interessierten Laien“ für den Forscher ergeben. Eine funktionale Ausrichtung an Wissenschaft und Forschung ist den zuletzt genannten Tätigkeiten gleichwohl nicht zuzusprechen. Bedingt durch die Ausdifferenzierung und Spezialisierung des wissenschaftlichen Erkenntnisgebäudes sowie der Lehr- und Forschungsdiskurse ist die Lehre demnach zusammenfassend als weitgehend forschungsinaktiv zu qualifizieren: Sie gewährleistet nicht länger die Publizität der Wissenschaft, leistet nur noch einen begrenzten Beitrag zur Sicherung ihrer Kontinuität, und die aus ihr folgen370 Vgl. Wissenschaftsrat, Struktur des Studiums, S. 36: „Selbstverständlich muss ein Hochschullehrer die meisten Lehraufgaben in seinem Fachbereich auf Gebieten wahrnehmen, in denen er selbst nicht forscht“; siehe zur inhaltlichen Differenzierung von Lehr- und Forschungsdiskurs ferner oben § 3 IV. 1. a). 371 Siehe hierzu statt vieler M. Weber, Wissenschaft als Beruf, S. 590, und Patzelt, Forschungslogik, S. 317. Eingehend zum Wesen der Forschung als „Wechselschritt aus Reflexion und Intuition“ (Schmitt Glaeser, Freiheit der Forschung, S. 116) auch Klages, Rationalität. Zur Anerkennung der Intuition als Element wissenschaftlichen Arbeitens durch die Rechtswissenschaft unten § 4 IV. 2. a) mit Fn. 529, S. 156.
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den Anregungen für die Forschung rechtfertigen eine Qualifikation als Bestandteil des Erkenntnisprozesses nicht. Damit soll keineswegs jedweder Einfluss des Lehrdiskurses auf die wissenschaftliche Entwicklung geleugnet werden. Doch prägen diese Verbindungslinien die Strukturen des Normbereichs der Lehrfreiheit nicht, jedenfalls nicht mehr. Es verbietet sich daher eine Auslegung der Garantie freier Lehre i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG, die ihren telos in erster Linie in der Ermöglichung freier Erkenntniserweiterung und -verbreitung sieht und Forschungs- und Lehrfreiheit auf dieser Grundlage zu einem einheitlichen Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit zusammenführt. 2. Die Garantie freiheitlicher (Aus-)Bildung Bis heute versteht man die (Aus-)Bildung für andere als wissenschaftliche Tätigkeiten überwiegend als eine Aufgabe, die von außen an die Lehre i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG herangetragen wird und diese für ihrer Natur nicht entsprechende, fremde Zwecke instrumentalisiert.372 Funktion der Lehrfreiheit muss es dann sein, eine unverhältnismäßige Indienstnahme der Lehre zu verhindern und dem Lehrer einen Freiraum zu erhalten, in dem er nicht durch eine Ausbildungsorientierung beeinflusst wird.373 Vor historischem Hintergrund verwundert diese generelle Entgegensetzung von grundrechtlich geschützter Lehre und (Aus-)Bildung. Schließlich gehörte zu den Aufgaben der unzweifelhaft durch die Lehrfreiheit geschützten universitären Lehre traditionell auch die Berufsvorbereitung, insbesondere von Staatsdienern,374 und zur Zeit ihrer erstmaligen 372 Deutlich Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 32, der zwischen der auf „(Allgemein-)Bildung bzw. Berufspraxis bezogenen“ Lehre und der Lehre i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG differenziert; ähnlich etwa Köttgen, Grundrecht der Universität, S. 29; Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 99 f. i. V. m. S. 103 f.; Lorenz, Hochschulautonomie und Staatsintervention, S. 116, und Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 85. Vgl. ferner Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 136, der Berufsausbildung und Lehre (i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG) als universitäre Aufgaben gegenüberstellt; in diesem Sinne sind wohl auch Lüthje, in: Denninger, HRG, Vor § 3 Rn. 64, und BVerfGE 35, 79, 121, zu verstehen. Grundsätzlich a. A. Beck, Lehrfreiheit des Lehrers, S. 52 ff. 373 Dementsprechend bewertet die Rspr. Ausbildungsregelungen als Einschränkungen, nicht Ausgestaltungen der Lehrfreiheit, so zuletzt etwa BVerfGE 93, 85, 95 f.; VGH Mannheim, DÖV 2003, S. 379, 380; ebenso die ganz h. M. in der Lit., vgl. nur Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 34 ff.; Oppermann, Freiheit, Rn. 27, 39; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 33, und ausführlich T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit, S. 62 ff.; a. A. Hailbronner, Funktionsgrundrecht, v. a. S. 79, 158, der staatliche Regelungen von Forschungs- und Lehraufgaben auf der Grundlage seines Verständnisses von Forschungs- und Lehrfreiheit als Funktionsgrundrecht (hierzu ausführlich unten § 4 I.) als Ausgestaltungen grundrechtlicher Freiheit qualifiziert. 374 Für die „unteren Fakultäten“ (Theologie, Jurisprudenz und Medizin) war es selbstverständlich, sich den entsprechenden Berufsgruppen zuzuordnen, vgl. Filtner, Berufsschule oder Bildungsstätte, S. 9 ff.; Thieme, Hochschulrecht, 2004, Rn. 336.
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grundrechtlichen Verbürgung wurde die Lehrfreiheit auch als Unterrichts- und Ausbildungsfreiheit verstanden.375 Vor aktuellem Hintergrund scheint eine Gegenüberstellung von Lehre und Ausbildung kaum haltbar. Denn während die Lehre zu Bestand und Fortentwicklung der Wissenschaft nur noch einen begrenzten Beitrag zu leisten vermag, ist die Bedeutung ihrer (Aus-)Bildungsfunktion seit den siebziger Jahren stetig gewachsen und kann heute kaum überschätzt werden. Ob man die Bereitschaft zur Infragestellung eingelebter Wahrnehmungs- und Handlungsmuster als ein konstitutives Merkmal der Moderne begreift und daher davon ausgeht, dass die moderne Gesellschaft immer auch als Wissensgesellschaft begriffen wurde;376 ob man demgegenüber annimmt, dass die deutsche Gesellschaft erst heute infolge eines evolutiven Wandels die Merkmale einer Wissensgesellschaft aufweist;377 oder ob man die Entwicklung einer Wissensgesellschaft lediglich für die Zukunft erwartet378 – weitgehende Einigkeit besteht jedenfalls über die zunehmende Wissensbasierung aller Funktionsbereiche und über die hieraus folgende Bedeutung von Information, Wissen und Expertise als Ressourcen gesellschaftlicher Reproduktion.379 Die Gesellschaft ist vor diesem Hintergrund existentiell und in praktisch allen Bereichen auf das mit einer umAber auch die Lehre an der philosophischen Fakultät orientierte sich an einem Berufsziel, dem des philosophisch ausgebildeten Lehrers, vgl. Gerber, Lehrfreiheit, S. 313; Filtner, a. a. O., S. 11 f. Auf die historische (Aus-)Bildungsfunktion der Lehre deutet auch der (undatierte, wohl dem Jahr 1848 zuzuordnende) „Entwurf für ein Reichsgesetz über die Universitäten“ (abgedruckt bei Kühne, Reichsverfassung der Paulskirche, S. 615 f.) hin, in dem er die universitäre Lehre auf die Vollständigkeit der Lehrinhalte verpflichtet. 375 Vgl. für § 152 FRV etwa Kühne, Reichsverfassung, S. 501: doppelter Sinn der Lehrfreiheit, „der Wissenschaftsvermittlung des Forschers wie auch der Ausbildung zu bestimmten Berufen zu dienen“; ebenso E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. IV, S. 931; siehe auch Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 2 ff., 8. 376 So Heidenreich, Debatte; ders., Merkmale, S. 29 ff. – Zur Einführung in Positionen und Protagonisten der in erster Linie soziologisch und sozialwissenschaftlich geführten Diskussion der Wissensgesellschaft siehe Maasen, Wissenssoziologie, S. 59 ff. 377 In diesem Sinne insbes. Stehr/Böhme, The Growing Impact of Scientific Knowledge, v. a. S. 19 ff.; Stehr, Knowledge Society; ders., Wissen und Wirtschaften, S. 117 ff.; allgemeiner für die Industrienationen Drucker, Social Transformation, S. 11 ff.; ders., Die Zukunft bewältigen, v. a. S. 331 ff.; der Sache nach auch Kreibich, Wissenschaftsgesellschaft, S. 70 ff. und passim, der jedoch primär auf die wissenschaftliche Methode als Produktivkraft abstellt und daher nicht von einer Wissens-, sondern von einer „Wissenschaftsgesellschaft“ spricht. Dabei beschreibt er jedoch im Wesentlichen eben jene Phänomene, die auch die „Wissensgesellschaft“ prägen sollen. 378 So insbesondere Willke, Wissensgesellschaft, S. 265 und passim. 379 Vgl. die Übersicht über die Definitionen der Wissensgesellschaft bei Maasen, Wissenssoziologie, S. 59 f., und Heidenreich, Merkmale, S. 38, sowie oben § 1 II. mit Fn. 46, S. 27. Die verschiedenen Konzeptionen teilen des Weiteren die Annahme einer gesteigerten Wahrnehmung von Risiko und Kontingenz.
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fassenden Bildung und Ausbildung ihrer jungen Generation verbundene Problemlösungspotential angewiesen. Die im Rahmen der Lehre an Universitäten, Fachhochschulen aber auch an allgemeinbildenden Schulen vermittelte Bildung und Ausbildung übernimmt heute eine „Schlüsselfunktion für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung“, wie sie das Bundesverfassungsgericht 1973 allgemein „der Wissenschaft“ zugeschrieben hat.380 Die gesellschaftliche Relevanz der Lehre geht nicht in der Bedeutung des wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts auf, sondern tritt an ihre Seite. Aus Arbeitgebersicht besteht der Wert des Studiums – weitgehend unabhängig davon, an welcher Institution es absolviert wurde – in der Vorbereitung auf die speziellen Anforderungen des Arbeitsmarktes der Wissensgesellschaft.381 Mit der Zunahme wissensbasierter Berufe und ihrer Diffusion in immer neue Bereiche382 wächst die qualitative und quantitative Bedeutung akademischer Qualifikationen, die neben spezifischen Fachkompetenzen insbesondere die Fähigkeit zu selbständiger Problemlösung und schneller Einarbeitung in neue Sachbereiche vermitteln sollen.383 Das kaum mehr bestrittene Erfordernis lebenslangen Lernens und fortlaufender akademischer Weiterbildung384 ist nur ein Ausdruck der konstitutiven Bedeutung wissenschaftlicher Bildung für die Mehrzahl der beruflichen Tätigkeiten. Doch ist nicht allein das Interesse der Gesellschaft und ihrer Wirtschaft an qualifizierter (Aus-)Bildung auf wissenschaftlicher Grundlage gewachsen.385 380 381
BVerfGE 35, 79, 114; vglbar jüngst BVerfG, DVBl. 2005, S. 109, 110 f. Siehe Konegen-Grenier/Winde, Public Private Partnership in der Hochschullehre,
S. 8. 382 Vgl. etwa OECD, Knowledge-based Economy, S. 7; zu den hierdurch bedingten Strukturveränderungen des Arbeitsmarktes Willke, Wissensgesellschaft, S. 269, 272 f. Frühe quantitative Analysen für die USA finden sich bei Machlup/Krohnwinkler, Workers, S. 752 ff. Drucker, Social Transformation, S. 8, hat den Anteil wissensbasierter Berufe in den USA für das Jahr 2000 auf 30% geschätzt. 383 Ausführlich zu den Auswirkungen der „Wissensgesellschaft“ auf Bildungsprozesse und -strukturen aus Expertensicht Kuwan/Waschbüsch, „Bildungs-Delphi“, S. 11 ff., zur Veränderung der Lerninhalte insbes. S. 51 ff.; zum Wandel der Qualifikationsanforderungen Wissenschaftsrat, Hochschulausbildung und Beschäftigungsstruktur, S. 12 ff. m. w. N. 384 Vgl. etwa Wissenschaftsrat, Hochschulentwicklung, S. 116 ff.; ders., Hochschulausbildung und Beschäftigungsstruktur, S. 14; ders., Entwicklung des Wissenschaftssystems, S. 27 f., und für die europäische Ebene KOM(2003) 58, Universitäten im Europa des Wissens, S. 9, sowie die Gemeinsame Erklärung der Europäischen Bildungsminister, Der europäische Hochschulraum („Bologna-Erklärung“). Zur für das kommende Jahrzehnt zu erwartenden, weiter wachsenden Bedeutung lebenslangen Lernens Kuwan/Waldbüsch, „Bildungs-Delphi“, S. 13, 45, 49. Die Schwierigkeiten der Integration wissenschaftlicher Weiterbildung in die universitäre Ausbildung analysiert Dallinger, Erstausbildung und Weiterbildung, S. 62 ff. 385 Für die Zukunft erwartet man einen weiter steigenden Bedarf an Hochschulabsolventen auf dem deutschen Arbeitsmarkt, vgl. etwa Wissenschaftsrat, Reform des Hochschulzugangs, S. 7, 14 f.; ders., Entwicklung des Wissenschaftssystems, S. 21:
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Der Wunsch nach einer Qualifikation, die Zutritt zu einer Vielzahl attraktiver Berufe verschafft, bildet heute gleichzeitig die wichtigste Motivation der Lernenden. Das ,ursprüngliche Wissenwollen‘386 oder das Streben nach Selbstverwirklichung treten als Antriebskräfte deutlich dahinter zurück. Die Mehrzahl betrachtet ein Studium als Vorbereitung auf eine Tätigkeit außerhalb des Wissenschaftssystems. Das Interesse an einer Hochschulausbildung ist insbesondere angesichts ihrer Bedeutung für den individuellen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolg gestiegen.387 Die Einführung der berufsqualifizierenden Bachelor- und Master-Abschlüsse im Zuge der Studienreform bei gleichzeitiger Ausgliederung der wissenschaftlichen Ausbildung in Graduiertenstudiengänge388 spiegelt diese zentrale Bedeutung der Ausbildungsfunktion der Lehre ebenso wie grundlegende Reformprozesse in einzelnen Studiengängen, etwa den Ingenieurswissenschaften und der Chemie,389 die sich um eine Anpassung der Lehrangebote an berufliche TätigNach einer Schätzung aus dem Jahr 2000 werden 2015 ca. 30% der bestehenden Arbeitsplätze in Deutschland mit Hochschulabsolventen besetzt werden müssen. Dem steht eine „Akademikerquote“ von 16% im Jahr 1998 gegenüber. Wie spätestens seit der viel diskutierten sog. „Green Card“-Initiative der Regierung Schröder allgemein bekannt, ist speziell in ingenieurs- und naturwissenschaftlichen Fächern mit einer Unterbesetzung an Akademikern in naher Zukunft zu rechnen, vgl. hierzu die von Egeln/ Heine, Hochschulabsolventen, S. 28 f., vorgestellten Prognosen des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS). Auch für den gesamteuropäischen Raum prognostiziert KOM(2003) 58, Universitäten im Europa des Wissens, S. 6, eine steigende Nachfrage nach Hochschulabsolventen. 386 Vgl. nur Bleckmann, Staatsrecht II, S. 859: „Die Erkenntnis der Wahrheit [ist] ein wesentlicher Trieb des Menschen.“; für Losch/Radau, Forschungsverantwortung, S. 391, ist das Erkenntnisstreben gar „als angeborene Eigenschaft Ausdruck menschlicher Eigenart und Würde“. 387 Wissenschaftsrat, Zehn Thesen, S. 9; ders., Hochschulausbildung und Beschäftigungssystem, S. 43 f., 58 f., und jüngst ders., Reform des Hochschulzugangs, S. 8 m. w. N. Sinnbild dieser Entwicklung ist die Einrichtung von sog. „Career Centers“ an den Hochschulen (bspw. an den Universitäten Freiburg, Frankfurt/Oder, Kiel sowie der HU- und auch der UdK-Berlin), welche die unterschiedlichen Aktivitäten einer Hochschule bei der Stärkung des Praxisbezugs des Studiums, der Vermittlung arbeitsmarktrelevanter Qualifikationen und der Unterstützung von Absolventen beim Übergang in den Beruf bündeln und koordinieren sollen, vgl. hierzu auch HRK, Jahresbericht 2002, S. 13 f.; Wissenschaftsrat, Hochschulausbildung und Beschäftigungssystem, S. 71 f. 388 Vgl. §§ 12, 19 HRG sowie § 29 LHG BW; Art. 86a BayHG; § 8 Abs. 3, 5 Bbg HG; §§ 58, 64a BremHG; §§ 54, 56 HmbHG; §§ 28, 30 LHG M-V; § 6 Abs. 3, 4 NdsHG; §§ 84, 84a, 97 HG NW; §§ 19 Abs. 4, 35 Abs. 2 HG Rh.-Pf.; §§ 50, 52 UG Saarl.; §§ 26–28 SächsHG; § 9 Abs. 4, 6 HG LSA; §§ 81 Abs. 2a, 85a HG Schl.-H.; §§ 13a Abs. 3, 14 ThürHG. Siehe zur Erläuterung und zum „Bologna-Prozess“, der den Anlass für die Einführung von BA-/MA-Studiengängen bildete, die Nw. oben in Fn. 364, S. 118, und Fn. 365, S. 118. 389 In ingenieurswissenschaftlichen Studiengängen sollen zukünftig in wachsendem Maße wirtschaftswissenschaftliche Kenntnisse und kommunikative Fähigkeiten eine Rolle spielen. Damit reagiert man auf die steigende Kundenorientierung der Tätigkei-
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keitsprofile bemühen. Als Grundlage gesellschaftlicher Problemlösung, als Vorbereitung der jungen Generation auf die Anforderungen beruflicher Tätigkeiten und als Fundament einer persönlichen Entwicklung der Lernenden müssen Bildung und Ausbildung heute nach alldem als zentrale und integrale Funktionen der Lehre begriffen werden.390 Als telos der Lehrfreiheit kann daher nicht länger sinnvoll der Schutz vor einer Inanspruchnahme der Lehre zu Ausbildungszwecken benannt werden. Damit würde der Lehrfreiheit die Aufgabe zugesprochen, die Lehre an der Erfüllung ihrer zentralen Funktion zu hindern. Wenngleich sich die Verfassung selbstverständlich nicht jeder gesellschaftlichen Wandlung beugt und stets ein kontrafaktisches Element in sich trägt, kann die Verfassungsauslegung doch von strukturellen gesellschaftlichen Veränderungen wie den unter dem Stichwort der Wissensgesellschaft zusammengefassten Entwicklungen nicht unbeeinflusst bleiben. Wie die Lehre so zeigt sich auch die Lehrfreiheit nicht immun gegenüber den gewandelten Vorstellungen der Gesellschaft und der Grundrechtsträger391 bzw. Grundrechtsbegünstigten. Die Normativität der Lehrfreiheit ist insoweit nicht zu verwechseln mit der völligen Freistellung von den Entwicklungen der Gesellschaft, welche die unverzichtbaren, existentiellen Aufgaben der Lehre in einer „wissensbasierten Zivilisation“ begründen.392 Die Entscheidung der Verfassung für die Lehrfreiheit ist damit heute nicht mehr als Entscheidung gegen den (Aus-)Bildungsbezug der Lehre, sondern, im Gegenteil, als Entscheidung für die Möglichkeit von Bildung und Ausbildung in Freiheit zu verstehen, mithin als Garantie eines (Aus-)Bildungswesens, das weder den gesellschaftlichen noch den staatlichen Interessen preisgegeben ist.393 Dabei ist ausbildende Lehre freilich nicht zu verwechseln mit einer „Berufsten eines Ingenieurs, die Ausbreitung der Teamarbeit im internationalen Kontext und die veränderten Beziehungen zwischen Produktion und Vertrieb, vgl. HIS, Ingenieursstudium, 0. und 5. Die Konferenz der Fachbereiche Chemie (KFC) plant als Reaktion auf die Arbeitsmarktsituation eine Neustrukturierung des Chemiestudiums, im Rahmen derer anwendungsorientierte Studiengänge sowie nichtchemische Aufbaustudien mit einem Abschluss etwa als Diplomwirtschaftschemiker eingeführt werden sollen, vgl. KFC, Würzburger Denkschrift, S. 859 ff. Siehe zu diesen Entwicklungen und weiteren Maßnahmen der Hochschulen zur Stärkung des Berufs- und Arbeitsmarktbezugs im Studium ferner Wissenschaftsrat, Hochschulausbildung und Beschäftigungssystem, S. 14 f., S. 44 ff. 390 So jetzt andeutungsweise auch der VGH Mannheim, DÖV 2003, S. 379, 380; ähnlich auf der Grundlage seines Verständnisses der Lehrfreiheit als Funktionsgrundrecht Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 151 f. 391 Vgl. zum Einfluss des Selbstverständnisses der Lehrenden auf die Interpretation der Lehrfreiheit unten § 3 IV 5. 392 So für Wissenschaft und Wissenschaftsfreiheit ausdrückl. auch Hauck/Lüthje, Mitbestimmung, S. 12 f.; ähnlich Lüthje, in: Denninger, HRG, Vor § 3 Rn. 29. Vgl. allgemeiner zur Prägung der Garantie freier Wissenschaft, Forschung und Lehre durch die Entwicklungen des Normbereichs Pieroth, Störung, S. 92 ff., sowie die Nw. oben in Fn. 330, S. 109.
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ausbildung“: Während Erstere durch die Orientierung an Tätigkeitsfeldern gekennzeichnet ist und insbesondere die Auswahl von Themen und Inhalten durch die berufliche Zukunft der Studenten geprägt wird, vermittelt Letztere einzelne berufliche Fertigkeiten.394 Als Garantie freier (Aus-)Bildung ist die Lehrfreiheit somit zugleich Konsequenz von und Schutz vor gesellschaftlichen (An-)Forderungen. Sie sichert den Lehrenden einen Freiraum bei der Gestaltung ihrer Lehre, in dem sie sich allein von den Sachgesetzlichkeiten der Materie und ihren eigenen wissenschaftlichen Positionen leiten lassen können. Dieser Freiraum wird ihnen jedoch vor allem aufgrund der Überzeugung gewährt, dass dergestalt freiheitliche Lehre ihrer Bildungs- und Ausbildungsfunktion aus gesellschaftlicher Perspektive am besten gerecht wird. Eine funktionale Ausrichtung an Wissenschaft und Forschung und dem diese charakterisierenden Streben nach Erkenntniserweiterung weisen Lehre und Lehrfreiheit insoweit nicht (mehr) auf, jedenfalls ein unmittelbarer Bezug fehlt. Als Gewährleistung freiheitlicher (Aus-)Bildung ist die Lehrfreiheit der Forschungsfreiheit zwar insofern strukturell vergleichbar, als beide Grundrechte individuelle Freiräume nicht zuletzt in der Annahme garantieren, dass die geschützten Personen und Tätigkeiten ihre Aufgaben in und für Staat und Gesellschaft einzig oder doch jedenfalls am einträglichsten in Freiheit zu erfüllen vermögen. Doch divergieren die Funktionen, die Forschung und Lehre in der Gesellschaft übernehmen, ebenso wie die korrespondierenden telæ von Forschungs- und Lehrfreiheit: Der Erkenntniserweiterung steht die (Aus-)Bildung auf der Grundlage und anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse gegenüber. 3. Der kritische Auftrag Auf einen weiteren telos der Lehrfreiheit verweist § 7 HRG, der seine Entsprechung in den Hochschulgesetzen der Länder findet.395 Lehre und Studium sollen fachliche Kenntnisse, Fähigkeiten und Methoden danach so vermitteln, 393 Dieser (Aus-)Bildungsbezug der Lehre i. S. v. Art. 5 Abs. 3 GG entspricht der Begriffsbedeutung im allgemeinen wie im juristischen Sprachgebrauch, vgl. oben § 3 I. 2. c) bb). – Wenngleich die Rspr. an der Eingriffsqualität aller Ausbildungsregelungen festhält (s. o. Fn. 373, S. 121), hat sie diesen Regelungen während der letzten zehn Jahre in der Abwägung mit der Lehrfreiheit doch regelmäßig und ohne großen argumentativen Aufwand den Vorrang eingeräumt, vgl. etwa VGH Mannheim, DÖV 2003, S. 379, 380 f.; OVG Koblenz, DVBl. 1997, S. 1242 ff.; BVerwG, NVwZ 1991, S. 1082 f. Diese Entwicklung zeigt nicht nur die besondere Bedeutung der durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Lehre für das (Aus-)Bildungswesen. Sie deutet zugleich darauf hin, dass der Lehrfreiheit nicht länger die Funktion zukommt, Lehre und Lehrende vor der Inanspruchnahme für Ausbildungszwecke zu bewahren. 394 Siehe zu dieser Differenzierung auch Wissenschaftsrat, Struktur des Studiums, S. 53, und Schnellenbach, Studium, Rn. 15.
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dass die Studierenden „zu verantwortlichem Handeln in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat befähigt“ werden. Das Hochschulrahmengesetz greift hier den kritischen Auftrag der Lehre auf. Denn verantwortliches Handeln setzt die kritische Auseinandersetzung mit Intention und Auswirkung der beabsichtigten Handlung voraus. § 7 HRG normiert mithin einfachgesetzlich das Ziel der Lehre, Kritikfähigkeit zu vermitteln.396 Zu den Aufgaben der verfassungsrechtlich geschützten Lehre zählt die Anleitung zur kritischen Betrachtung aufgrund der Schlüsselstellung, die Lehre und Lehrende bei der Bildung und Ausbildung und damit bei der Prägung der jungen Generation einnehmen. Da eine freie Gesellschaft existentiell auf die Kritik und die Kritikfähigkeit des Einzelnen angewiesen ist,397 trägt die Lehre mit an der Verantwortung für die Zukunft eines freiheitlichen gesellschaftlichen Lebens. Die Erfüllung des sich hieraus ergebenden kritischen Auftrags der Lehre verlangt ihre relative Unabhängigkeit von Staat und Gesellschaft. Funktion der Lehrfreiheit ist es daher, die erforderliche Distanz, die keine Immunität bedeutet, zu gewährleisten. Die Unabhängigkeit vom Staat ist auch hier Voraussetzung der Erfüllung eines Dienstes im und für den Staat. Der Begriff der Kritik nun ist, zumal als philosophischer, beinah so vielgestaltig wie seine potentiellen Objekte.398 Insbesondere angesichts der Tatsache, 395 Vgl. § 2 LHG BW; Art. 71 Abs. 1 S. 1 Bay HG; § 21 Abs. 1 BerlHG; § 6 Abs. 1 BbgHG; § 52 Abs. 1 BremHG; § 49 Abs. 1 S. 1 HmbHG; § 16 HessHG; § 28 Abs. 1 LHG M-V; § 81 HG NW; § 16 Abs. 1 HG Rh.-Pf.; § 48 S. 2 UG Saarl.; § 7 Abs. 1 S. 1 SächsHG; § 6 S. 1 HG LSA; § 9 ThürHG. Lediglich § 83 Abs. 1 HG Schl.-H. benennt die Anleitung zu verantwortlichem Handeln bzw. kritischem Denken nicht ausdrücklich als Ziel von Lehre und Studium. Das NdsHG schließlich enthält keine Bestimmung der Studien- und Lehrziele. – Vgl. zur Interdependenz von einfachem Recht und Verfassungsrecht die Nw. oben in Fn. 62, S. 48. 396 Vgl. Reich, HRG, § 7 Rn. 3: „Fähigkeiten zur kritischen Reflexion vermitteln“; Epping, in: H/G, HRG, § 7 Rn. 15 f. („Dieses [Erziehungs- und Bildungs-]Ziel ist nur dadurch zu erfüllen, dass die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und die wissenschaftlichem Denken immanente Kritikbereitschaft in die Lehre [. . .] integriert werden“), der die ausdrückliche Normierung dieser Aufgabe jedoch für entbehrlich hält; die politische Dimension betonend auch Reuhl, Kulturstaatsprinzipien, S. 249 f.; vgl. ferner Schnellenbach, Studium, Rn. 17; krit. Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 85 ff. – Noch deutlicher als § 7 HRG sind etwa § 21 Abs. 1 BerlHG: Befähigung zu „kritischem Denken“ als Ziel von Lehre und Studium; § 81 HG NW: Befähigung „zur kritischen Einordnung wissenschaftlicher Erkenntnis“, und § 16 HHG: „Lehre und Studium vermitteln wissenschaftlich-kritisches Denken“. 397 Kritik und Kritikfähigkeit bilden die Grundlagen eines öffentlichen Meinungsbildungsprozesses, den das BVerfG in st. Rspr. als „Lebenselement“ einer freiheitlichen Demokratie bezeichnet, vgl. etwa BVerfGE 7, 198, 208; 62, 230, 247; siehe exemplarisch für die fast einhellige Zustimmung der Lit. Scheuner, Pressefreiheit, S. 18 ff.; Hoffmann-Riem, Kommunikations- und Medienfreiheit, Rn. 1 ff., und Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 5 I, II Rn. 40; krit. aber Bull, Grenzen des Meinungskampfes, S. 163 f. 398 Vgl. einführend die Beiträge von v. Bormann, Kritik, und v. Bormann/Tonelli, Kritik I.
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dass auch Wissenschaft und Forschung eine „kritische Funktion“ übernehmen,399 stellt sich daher die Frage, welches Verständnis von Kritik ins Auge gefasst wird, wenn hier von einem „kritischen Auftrag“ der Lehre die Rede ist. Zur Unterscheidung der kritischen Funktion der Forschung einerseits und der Lehre andererseits ist die Differenzierung von zwei Formen der Kritik ausreichend:400 Die Kritik des allgemein Gebildeten, das abgewogene Urteil, zu dem die Lehre befähigen soll, steht der wissenschaftlichen Kritik gegenüber, die sich auf die in Anwendung wissenschaftlicher Methoden bzw. im Diskurs der scientific community gewonnene und geprüfte (vorläufige) Gewissheit – zumindest via negationis – stützt und zu den Aufgabe der Forschung zählt.401 Die von der Lehre geleistete und initiierte Kritik, die auf allgemeiner Bildung und einem für die einzelne Person gültigen Wertemaßstab aufbaut, ist thematisch ungebunden und hinterfragt die in die Bewertung eingestellten Erkenntnisse als solche nicht mehr. Sie tritt nicht in die Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Positionen und Fragestellungen ein. Anliegen der Garantie freier Lehre ist es vielmehr, eine kritische Begleitung der gesellschaftlichen Entwicklung im umfassenden Sinn und eine verantwortungsbewusste Beteiligung an gesellschaftlichen Fragen und Aufgaben durch Lehrende, insbesondere aber durch Lernende zu ermöglichen.402 Der kritische Auftrag der Lehre korrespondiert insoweit mit ihrer Bildungs- und Ausbildungsfunktion, denn die Basis seiner Erfüllung bilden grundlegende Kenntnisse der Geschichte, der Gesetzlichkeiten und der Problemstellungen eines Sachbereichs.403
399 Vgl. zur kritischen Funktion von Wissenschaft und Forschung etwa Hauck/ Lüthje, Mitbestimmung, S. 12; Lüthje, in: Denninger, HRG, Vor § 3 Rn. 29 m. w. N., und Dickert, Forschungsfreiheit, S. 263 ff. 400 Angesichts der Vielschichtigkeit des Kritikbegriffs ist diese Unterscheidung in vielen Hinsichten vereinfachend. Eine weitergehende Differenzierung scheint jedoch für die vorliegende verfassungsrechtliche Betrachtung nicht ertragreich. 401 Zu dieser seit alters bekannten Unterscheidung v. Bormann, Kritik, S. 807. 402 Besonders deutlich sind insoweit die einfachgesetzlichen Aufgabenbestimmungen in § 21 Abs. 1 BerlHG („Lehre und Studium sollen [. . .] fachlich[e] Kenntnisse, Fähigkeiten und Methoden so vermitteln, dass sie [sc. die Studierenden] zu [. . .] kritischem Denken und zu freiem verantwortlichem, demokratischem und sozialem Handeln befähigt werden“), § 6 Abs. 1 BbgHG („Lehre und Studium sollen [. . .] fachlich[e] Kenntnisse so vermitteln, dass sie [sc. die Studierenden] zu selbständigem Denken und zu verantwortlichem Handeln [. . .] befähigt werden.“) und § 81 HG NW („Lehre und Studium vermitteln den Studierenden [. . .] die [. . .] fachlichen Kenntnisse [. . .] so, dass sie [. . .] zur kritischen Einordnung der wissenschaftlichen Erkenntnis und zu verantwortlichem Handeln [. . .] befähigt werden.“). 403 Der kritische und der sogleich zu erörternde kulturstaatliche telos der Lehrfreiheit könnten auch als spezielle Ausformungen oder Konsequenzen der (Aus-)Bildungsfunktion gewertet werden. Da die Kategorisierung jedoch ohne Einfluss auf die Ergebnisse der Verfassungsinterpretation bleibt, soll ihr keine weitere Aufmerksamkeit gewidmet werden.
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Demgegenüber geht es wissenschaftlicher Kritik um das Infragestellen der einer gesellschaftlichen Entwicklung und Diskussion zugrunde gelegten Erkenntnisse über die natürliche und soziale Welt. Funktion der Forschung ist es nicht (primär), wertend Stellung zu beziehen, sondern wertenden Stellungnahmen und Entscheidungen eine Argumentationsgrundlage zu verschaffen und ihnen „den Spiegel der Erkenntnis vorzuhalten“404. Die Gegenüberstellung der kritischen Funktionen von Forschung und Lehre zeigt, dass Ziel der grundrechtlich geschützten Lehre allein die Vermittlung von Kritikfähigkeit, nicht aber die Überzeugung von materialer Kritik auf der Grundlage eines bestimmten Wertesystems sein kann.405 Anders als die Forschungsfreiheit, die den für materialen Zweifel und inhaltliche Korrekturen erforderlichen Freiraum eröffnen soll, ist es nicht Ziel der Lehrfreiheit, den Lehrenden Gelegenheit zu auf dem eigenen Wertmaßstab aufbauenden Stellungnahmen zu geben. Diese können nur exemplarischen Charakter haben. Denn im Gegensatz zur Forschung, die ihre kritische Aufgabe allein im Wege inhaltlicher Auseinandersetzung lösen kann, vermag die Lehre, welche die Auffassung des Lehrenden über die beispielhafte Erläuterung hinaus zum Lehrinhalt macht, ihren kritischen Auftrag in der Gesellschaft auf Dauer nicht zu erfüllen. Damit wird nicht die inhaltliche und thematische Freiheit der Lehre in Frage gestellt.406 Diese gewährleistet die Unabhängigkeit bei der Auswahl der zu vermittelnden wissenschaftlichen Inhalte, nicht aber die Freiheit, persönliche Wertungen zu Lehrinhalten zu erheben.407 404
Raiser, Universität im Staat, S. 17. Hierauf deuten auch die Landeshochschulgesetze hin, wenn sie als Ziele von Lehre und Studium die Befähigung zu „kritischem“ bzw. „selbständigem Denken“, zur „kritischen Einordnung der wissenschaftlichen Erkenntnis“ oder allgemeiner zu „verantwortlichem Handeln“ benennen, vgl. die Nw. oben in Fn. 395, S. 127. Dem entsprechen ferner die Aufgaben, die Experten der Lehre im Bildungssystem der Zukunft zuschreiben, siehe hierzu Kuwan/Waschbüsch, „Bildungs-Delphi“, S. 63. 406 Ausführlich hierzu unten § 8 II. 407 Freilich ist jede Auswahl von Lehrgegenständen und -inhalten untrennbar mit einer Wertung verbunden. An dieser Stelle werden denn auch nur jene Stellungnahmen als grds. nicht schutzwürdig i. S. d. Lehrfreiheit qualifiziert, die auf den ausgewählten wissenschaftlichen Grundlagen aufbauen, sie gewichten und ihre Folgen nicht abschätzen, sondern bewerten. Damit wird die für Wissenschaft und Forschung v. a. von M. Weber, Sinn, S. 492 ff., entwickelte Forderung nach „Wertfreiheit“ aufgegriffen, vgl. hierzu aus der umfangreichen Lit. etwa Albert, Wissenschaft, S. 16, und Wohlgenannt, Wissenschaft, S. 47, 65; aus verfassungsrechtlicher Sicht BVerfGE 5, 85, 146; 25, 44, 63; Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 95 ff. m. w. N.; einschränkend z. B. Schrödter, Wissenschaftsfreiheit, S. 70, und Lüthje, in: Denninger, HRG, Vor § 3 Rn. 36. Hingegen lehnen etwa Ridder, Wissenschaft und Politik, S. 42, und jüngst Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 66, jedes Wertfreiheitspostulat als logische Unmöglichkeit bzw. unzulässige Verkürzung des Wissenschaftspluralismus ab. Eine der vorliegenden Differenzierung zwischen der (wertenden) Auswahl von Lehrgegenständen und wertenden Stellungnahmen entsprechende Unterscheidung trifft Classen, a. a. O., S. 95 f., für den Bereich der Forschung. 405
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Auch mit Blick auf die kritischen Funktionen, die sie in der Gesellschaft übernehmen, unterscheiden sich Lehre und Forschung, Lehrfreiheit und Forschungsfreiheit mithin wesentlich. Sie dienen beide einer freiheitlichen gesellschaftlichen Diskussionskultur, tragen zu ihrem Bestand jedoch auf grundsätzlich verschiedene Weise bei. 4. Die kulturstaatliche Funktion Obwohl das Grundgesetz den Staat nicht ausdrücklich als Kulturstaat qualifiziert,408 darf doch angenommen werden, dass er nach Staatsziel und Verfassungsauftrag freiheitlicher Kulturstaat ist.409 Als normübergreifende Konzeption des Grundgesetzes ist die Kulturstaatlichkeit zugleich Ursprung und Absicht des Art. 5 Abs. 3 GG, sie rechtfertigt Lehre und Lehrfreiheit und verpflichtet sie zugleich intentional.410 Als Kultur soll in diesem Zusammenhang – mit allen Vorbehalten, die gegenüber jedem allgemeinen Kulturbegriff anzubringen sind411 – alles bezeichnet werden, „was sich auf Weltdeutung, Sinnstiftung, 408 Die Einführung einer „Kulturklausel“ wurde v. a. Anfang der 80er Jahre intensiv diskutiert, vgl. insoweit einerseits die Plädoyers der eigens einberufenen Sachverständigenkommission BMI/BMJ, Staatszielbestimmungen, S. 13, 118 ff., und ihres ehemaligen Vorsitzenden Oppermann, Kultur(Staats)-Klausel?, S. 14 ff., die sich für eine Ergänzung von Art. 20 Abs. 1 GG um eine staatliche Verpflichtung zu ,Schutz und Pflege der Kultur‘ aussprechen, sowie andererseits aus der überwiegend krit. Lit. statt vieler Steiner, Kulturauftrag, S. 38 ff.; Wienholtz, Staatszielbestimmungen, S. 543 ff., und eingeschränkt befürwortend Häberle, Bundesstaat, S. 49 ff. 409 Insoweit besteht im Grundsatz Einigkeit in Rspr. und Lit., vgl. aus der Rspr. etwa BVerfGE 10, 20, 41; 35, 79, 114; 36, 321, 331; aus der Lit. den grundlegenden Beitrag von Häberle, Kulturstaat, S. 36 ff., sowie z. B. Steiner, Kulturauftrag, S. 12 ff. und Leitsatz Nr. 7, und Stern, Staatsrecht Bd. III/1, § 68 VII 3 b, S. 884 ff. m. w. N.; zur Geschichte des Kulturstaatsbegriffes ausführlich O. Jung, Kulturstaatsbegriff. 410 Ähnlich für die Wissenschaftsfreiheit Losch, Wissenschaftsschranken, S. 125. 411 Nahezu alle Geisteswissenschaften haben sich der Definitionsaufgabe angenommen und eine Vielfalt von Deutungen erarbeitet, vgl. zur Einführung in die Begriffsbestimmungen der verschiedenen Disziplinen etwa Perpeet, Kultur; Rudolph, Kulturanthropologie, sowie die Beiträge in Brackert/Wefelmeyer, Bestimmungen. In der jur. Lit. stehen sich im Wesentlichen zwei Ansätze gegenüber: eine additive Definition in der Tradition Ernst Rudolf Hubers, die „Kultur“ im Wege der Aufzählung bestimmter Bereiche geistig-schöpferischer Tätigkeiten „eng“ bestimmt, vgl. etwa Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 8 f., und besonders deutlich Steiner, Kulturauftrag, S. 8 ff., 42, Leitsatz I.1.; und eine funktionale, „weite“ Definition im Anschluss v. a. an die Arbeiten Peter Häberles (siehe nur ders., Bundesstaat, S. 13 ff.; ders., Kulturstaat, S. 27 ff.; ders., Kulturwissenschaft, S. 2 ff.), die sich an anthropologischen und soziologischen Bestimmungen orientiert, siehe bspw. A. Blankenagel, Tradition, S. 329 ff., 341 ff.; Maihofer, Kulturelle Aufgaben, Rn. 37 ff., 47 ff.; Richter, Multikulturelle Gesellschaften, S. 645, sowie die auch der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegte Definition von Grimm, Kulturauftrag, S. 59 ff. Die Rspr. lässt den Begriff der Kultur zumeist undefiniert und verwendet ihn in Anlehnung an sozialwissenschaftliche Begriffbestimmungen, vgl. insoweit die Analysen von Britz, Kulturelle Rechte, S. 9 ff., 68, und Droege, Staatsleistungen, S. 268 f.
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Wertbegründung, -tradierung und -kritik sowie deren symbolischen Ausdruck bezieht“412. Für den Einzelnen, und dabei keineswegs nur für den kulturschaffenden Grundrechtsträger selbst, besteht ihre Bedeutung in der Sicherung eines Grundvorrats an Wissen, Sinnerleben, Werten und Ausdrucksformen, der ihm „Orientierungsweisen und Vorzugsregeln“ zur Verfügung stellt, „auf die er in Kommunikations- und Entscheidungssituationen zurückgreifen kann“413 und der ihm zugleich seine Selbstverwirklichung ermöglicht. Für die Gesamtheit der Bürger stellt die Kultur die Grundlage kollektiver Identität und sozialer Integration bereit und wirkt als sinnvermittelnder Teil menschlicher Gemeinschaft.414 „Davon zehren die integrationswirksamen sozialen Institutionen einschließlich der staatlichen, und zwar hinsichtlich ihrer Genese nicht weniger als hinsichtlich ihres Bestandes und ihrer Funktionsfähigkeit.“415 Die Lehrfreiheit hat ursprünglich als Publizitäts- und Bestandsgarantie der Wissenschaft zur Verwirklichung des so verstandenen Kulturstaates beigetragen. Diese kulturstaatliche Bedeutung hat sie zwar eingebüßt.416 Doch stellt die über die Lehre vermittelte Bildung weiterhin einen wesentlichen Faktor bei der Sozialisation, Umweltorientierung und Einstellungsbildung des Einzelnen dar und fördert zugleich die Vielfalt und Offenheit des geistigen Lebens in der Gesellschaft. Die Garantie freier Lehre steht insofern im Zusammenhang derjenigen Grundrechte, die die Freiheit des intellektuellen Austauschs unabhängig von seiner konkreten Nützlichkeit sichern sollen. Sie hat also auch weiterhin die Aufgabe, zum Erhalt des Kulturstaates in seiner Bedeutung für den Einzelnen und für die Gemeinschaft beizutragen. Für den Vergleich mit der Forschungsfreiheit und ihrem telos gilt das zur kritischen Funktion Ausgeführte entsprechend: Beide Freiheitsgarantien dienen der Verwirklichung des Kulturstaates als übergeordnetem Ziel.417 Doch unter412 So die Definition von Grimm, Kulturauftrag, S. 60; ähnlich A. Blankenagel, Tradition, S. 342 f. 413 Grimm, Kulturauftrag, S. 61. 414 Vgl. Grimm, Kulturauftrag, S. 62; A. Blankenagel, Tradition, S. 344 f. 415 Grimm, Kulturauftrag, S. 62. Siehe zu den Funktionen der Kultur im und für den Staat ferner bspw. Richter, Multikulturelle Gesellschaften, S. 638 ff., aber auch E. R. Huber, Problematik, S. 298, der auf der Grundlage seines elitären, additiven Verständnisses von Kultur als „Inbegriff von autonomen Bildungsgütern“ (ders., ebd.), die sich nur dort entwickeln, „wo sich der Mensch zu einem über die animalisch-biologische Existenz erhobenen Dasein entfaltet hat“ (ders., Kulturverfassung, S. 344), zur Grundannahme einer gegenseitigen Verwiesenheit von Kultur und Staat gelangt: „Es gibt weder Kultur noch Staat ohne ihre gemeinsame Selbstentfaltung im und zum Kulturstaat“. Vgl. des Weiteren zur Angewiesenheit des Verfassungsrecht auf die „Kultur“ Häberle, Kulturwissenschaft, S. 19 f. 416 Vgl. hierzu oben § 3 IV. 1. a). 417 Siehe zur kulturstaatlichen Funktion der Forschungsfreiheit etwa Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 31 ff., und unter dem Stichwort der Wissenschaftsfreiheit Lüthje, in: Denninger, HRG, Vor § 3 Rn. 28.
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scheiden sich ihre Beiträge und damit ihre unmittelbaren Zielsetzungen grundlegend. Dass es möglich und angemessen ist, Forschungs- und Lehrfreiheit mit einer einheitlichen Dogmatik der Wissenschaftsfreiheit Rechnung zu tragen, erscheint damit zunehmend zweifelhaft. 5. Die Garantie individueller Entfaltungsmöglichkeiten Das Bundesverfassungsgericht hat Wissenschaft und Wissenschaftsfreiheit eine Schlüsselfunktion nicht allein „für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung“, sondern auch „für die Selbstverwirklichung des Einzelnen“ zugesprochen.418 Die Gewährleistung eines individuellen Freiraums, in dem sich der Einzelne entfalten und verwirklichen kann, ist als eine der wesentlichen Funktionen eines jeden Freiheitsrechts des Grundgesetzes weithin konsentiert, wenngleich Rechtsprechung und Literatur für die einzelnen Grundrechte eine Vielzahl weiterer, spezifischer telæ ausgearbeitet haben. Die Lehrfreiheit hier erst an letzter Stelle als Garantie der Möglichkeit individueller Selbstverwirklichung zu untersuchen, mag vor diesem Hintergrund auf Verwunderung und Widerspruch stoßen. Doch spiegelt diese Einordnung die aktuelle Bedeutung des telos: Als Instrumente zur freien Persönlichkeitsentfaltung haben Lehre und Lehrfreiheit heute, wenn überhaupt, geringe Relevanz. Für die Grundrechtsträger scheinen sie von nur mehr begrenztem Interesse. Als Indiz kann insoweit die geringe Zahl jener innerhalb der letzten fünfzehn Jahre zur gerichtlichen Entscheidung gelangten Fälle gewertet werden, in denen sich ein (potentieller) Grundrechtsträger unter Berufung auf die Lehrfreiheit gegen thematische oder organisatorische Vorgaben von Seiten der Hochschulen oder des Staates gewehrt hat, durch die er in der Gestaltung seiner Lehrveranstaltung eingeschränkt wurde.419 Angesichts der hohen und zunehmenden Regelungsdichte im Bereich der Hochschullehre420 liegt es nicht nahe, dies auf eine grundsätzliche Zufriedenheit mit den umfangreichen Möglichkeiten persönlicher Entfaltung zurückzuführen. Vielmehr scheint die Zurückhaltung Ausdruck eines 418
BVerfGE 35, 79, 114. Auch die Lit. anerkennt ganz überwiegend diese Funktion der Wissenschaftsfreiheit für den Grundrechtsträger, vgl. etwa Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 89 f.; Lüthje, in: Denninger, HRG, Vor § 3 Rn. 27; Häberle, Freiheit der Wissenschaften, S. 361; ebenso für die Forschungsfreiheit Wehrhahn, Verfassungstreue, S. 15 f.; Dickert, Forschungsfreiheit, S. 262. 419 Soweit ersichtlich wurden in diesem Zeitraum keine zwanzig derartigen Fälle vor die Gerichte getragen, vgl. oben Fn. 51, S. 30. 420 Vgl. hierzu etwa die beeindruckende Aufzählung von „erforderlichen“ Regulierungen einer Lehrveranstaltung des OVG Koblenz, DVBl. 1997, S. 1242, 1243, sowie die krit. Stellungnahme von Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 36 mit Fn. 128, der insbes. auf die indirekte Aushöhlung der Lehrfreiheit durch die zunehmenden Verkürzung der Studienzeiten und die „mehr oder minder totale Regulierung der [studentischen] ,Nachfrage‘“ hinweist.
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gesunkenen Interesses an der Umsetzung eigener Ideen und Konzepte im Rahmen der Hochschullehre und damit zugleich der geringen Bedeutung, die die Grundrechtsträger der Freiheit der Lehre für ihre persönliche Entfaltung beimessen. Zwar ist im historischen Vergleich mit dem engagierten Kampf der Lehrenden zu Beginn des 19. Jahrhundert auch ein Wandel des Konfliktpotentials in Rechnung zu stellen. Inhaltliche421 Vorgaben vergleichbar jenen der ehemaligen Landesherren, mit denen die Lehrenden auf bestimmte Lehrmeinungen verpflichtet wurden, existieren heute praktisch nicht mehr. Die Annahme, dass diese Veränderung nicht die einzige und wohl auch nicht die wesentliche Ursache des gewandelten Einsatzes der Lehrenden ist, wird aber durch die aktuellen Reformbestrebungen im Hochschulbereich insoweit bestätigt, als sich diese um eine Verbesserung des Stellenwerts der Lehre bemühen.422 Ausdrücklich beschrieb zudem die im Rahmen eines „Bildungs-Delphis“423 1996/1998 befragte Expertengruppe ein „krasses Ungleichgewicht“ des Engagements von Hochschulprofessoren, das zu Lasten der Lehre und zugunsten der Forschung gehe.424 Den Hintergrund der nur noch geringen Bedeutung, die der Lehre als Instrument der Selbstverwirklichung zukommt, bildet zum einen die Entkoppelung von Lehr- und Forschungsdiskurs. Sie führt dazu, dass im Rahmen der Lehre in der Regel keine persönlichen wissenschaftlichen Interessen und Neigungen mehr verfolgt werden bzw. verfolgt werden können, der Lehrende hier also nicht mehr durch sein ,ursprüngliches Wissenwollen‘ motiviert wird. Damit verliert die Lehrfreiheit jenen Reiz, den sie als Bestandteil der libertas philosophandi auf die Väter der Grundrechtsidee ausgeübt hat. Mit ihrer Bedeutung für die Entwicklung der Wissenschaften hat sie mithin zugleich an Relevanz für die Selbstverwirklichung der Grundrechtsträger eingebüßt. In einem Verhältnis der Interdependenz zum geringen Interesse der Grundrechtsträger an einer persönlichen Entfaltung in der Lehre stehen zum anderen die institutionellen Rahmenbedingungen, innerhalb derer heute gelehrt wird. Sie 421 Im Folgenden wird der Gegenstand einer Lehrveranstaltung als ihr „Thema“ bezeichnet und als „Inhalt“ die über diesen Gegenstand bzw. zu diesem Themenkomplex zu treffenden Aussagen. Vgl. zur thematischen, inhaltlichen und methodischen Freiheit als Gewährleistungsinhalt der Lehrfreiheit unten § 8 II. 422 Zu denken ist insoweit v. a. an die weitergehende Berücksichtigung von Engagement und Erfahrungen in der Lehre i. R.v. Berufungsverfahren, an die leistungsorientierte Bezahlung von Professoren, vgl. § 33 Abs. 1 BBesG, und die u. a. zu diesen Zwecken eingeführten Lehrevaluationen, vgl. § 6 HRG und z. B. § 5 LHG BW; § 7 BbgHG. 423 Als „Delphi-Verfahren“ bezeichnet man eine Expertenbefragung auf der Grundlage vorgegebener Thesen, die längerfristige Prognosen zu gesellschaftlichen Entwicklungen ermöglichen soll, grundlegend hierzu Linstone, Delphi Technique, S. 273 ff.; vgl. ferner etwa Steinmüller, Zukunftsforschung, und Cuhls/Blind, Delphi-Methode, S. 545 ff. 424 Kuwan/Waldbüsch, „Bildungs-Delphi“, S. 73.
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setzen den individuellen Gestaltungsmöglichkeiten vielfach enge Grenzen.425 Da sie jedoch überwiegend Konsequenzen allgemeiner, kaum reversibler Veränderungen in Wissenschaft und Gesellschaft und nur begrenzt auf revidierbare, politische Entscheidungen des Gesetzgebers zurückzuführen sind,426 muss eine normbereichsorientierte Grundrechtsinterpretation diese veränderten Bedingungen in die Auslegung einstellen und kann ihnen die Selbstverwirklichungsfunktion der Lehrfreiheit nicht schlicht als Schranke und Aufforderung zur Korrektur entgegenhalten. In ihrer Gesamtheit wohnt den institutionellen Strukturen der Lehre heute eine Tendenz der Entindividualisierung inne, im Zuge derer Kompatibilität und Austauschbarkeit als Qualitätsmerkmale der Lehre an die Stelle von individueller Gestaltung und Prägung durch die Person des Lehrenden treten.427 Von besonderem Einfluss ist insoweit der 1999 mit der gemeinsamen Erklärung von 29 europäischen Bildungsministern eingeleitete „Bologna-Prozess“.428 Er hat die Schaffung eines europäischen Hochschulraums und die Konvergenz der einzelstaatlichen Hochschulsysteme zum Ziel. Hierzu sollen die „Einführung eines Systems leicht verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse“, die „Förderung größtmöglicher Mobilität der Studierenden durch Einführung eines Leistungspunktesystems ähnlich dem ECTS“ und die Modularisierung der Lehre einen wesentlichen Beitrag leisten.429 Wenngleich die nationalen und hochschulspezi425 Vgl. zu den insoweit bestehenden Differenzen zwischen den Staatsexamensstudiengängen und den Studiengängen, an deren Ende eine Hochschulprüfung steht, unten § 9 III. 2. f). 426 So beschreibt Heß etwa den „Bologna-Prozess“, auf den sogleich näher einzugehen ist, zutreffend als „eine Mischung aus aktiv gestaltender Tatkraft einerseits und dem Kanalisieren eines Flusses andererseits, dessen Vorwärtsschub man ohnehin nicht hätte aufhalten können“, als „zwangsläufige Folge verschiedener Tendenzen“, die in ihrer Gesamtheit als „Internationalisierungsdruck“ bezeichnet werden können, ders., Bologna-Prozeß, S. 273. 427 Auch insofern weitsichtig Nitsch u. a., Hochschule in der Demokratie, S. 76. Indirekt bestätigen diese Entwicklung OVG Koblenz, DVBl. 1997, S. 1242, 1243 f. (Ersetzbarkeit einer Lehrveranstaltung als Voraussetzung ihrer Eignung zur Ausbildung) und BVerwGE 105, 73, 82 f. (Verpflichtung des Lehrenden, andere Lehrmethoden zu akzeptieren, soweit diese zur Erreichung des Ausbildungszweckes gleich geeignet sind). 428 Siehe hierzu die Nw. oben in Fn. 364, S. 118. 429 Vgl. die Gemeinsame Erklärung der Europäischen Bildungsminister, Der europäische Hochschulraum, sowie ihre Umsetzung in § 15 Abs. 3 HRG und z. B. § 29 Abs. 2–5 LHG BW. Siehe zur Funktionsweise des innerhalb eines Modellversuchs zwischen 1989 und 1997 entwickelten European Credit Transfer System (ECTS), das heute praktisch allein als „Leistungspunktesystem“ i. S. d. „Bologna-Erklärung“ in Betracht kommt, sowie zur Modularisierung der Studiengänge Wissenschaftsrat, Einführung neuer Studienstrukturen, S. 15 ff.; Heß, Bologna-Prozeß, S. 290 ff., und KMK/ BMBF, Nationaler Bericht 2004, S. 9. Das ECTS soll zukünftig die Grundlage nicht nur für die Übertragung, sondern auch für die Kumulierung von Leistungspunkten bilden, vgl. das Kommuniqué der Konferenz der europäischen Hochschulministerinnen und -minister, Den Europäischen Hochschulraum verwirklichen, S. 5. Neu einzurich-
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fischen Besonderheiten im Verlaufe dieses Prozesses erklärtermaßen nicht eingeebnet werden sollen,430 bauen die Mobilität der Studierenden, die Anerkennung ausländischer Studienabschlüsse und auch das Leistungspunktesystem aber doch in erheblichem Maße auf der Vergleichbarkeit, Austauschbarkeit und Kompatibilität von Lehreinheiten auf. Sie erfordern damit letztlich die Unabhängigkeit einer Lehrveranstaltung von der konkreten Person des Lehrenden und intensivieren eine Tendenz, die bereits in § 9 Abs. 2 HRG und der Möglichkeit eines innerstaatlichen Hochschulwechsels angelegt ist. Gleiches gilt im Prinzip für die Verknüpfung von universitärem Abschluss und Berufszulassung431 sowie für die Verteilung von Studienplätzen durch die ZVS oder vergleichbare zentrale Vergabestellen432. Die Selbstverwirklichung des Lehrenden tritt mithin auch angesichts der Anforderungen, die Internationalisierung und Europäisierung sowie die gewachsenen Mobilitäts- und Flexibilitätserfordernisse an die Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen stellen, als Zweck von Lehre und Lehrfreiheit in den Hintende BA- oder MA-Studiengänge sind gem. dem Beschluss der KMK v. 10.10.2003, Ländergemeinsame Strukturvorgaben gemäß § 9 Abs. 2 HRG für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen, 7., grds. nur zu genehmigen bzw. zu akkreditieren, wenn der Studiengang modularisiert und mit einem ECTS-Punktesystem versehen ist. 430 Siehe die Gemeinsame Erklärung der Europäischen Bildungsminister, Der europäische Hochschulraum („Bologna-Erklärung“), a. E.; vgl. ferner den Beschluss der KMK vom 3.12.1998 zur Einführung eines Akkreditierungsverfahrens für BA- und MA-Studiengänge, Nr. 1. In der auf die „Bologna-Erklärung“ folgenden „Berliner Erklärung“ (Kommuniqué der Konferenz der europäischen Hochschulministerinnen und -minister, Den Europäischen Hochschulraum verwirklichen, S. 2), finden die „Vielfalt der nationalen Bildungssysteme“ und die „Autonomie der Universitäten“ dann jedoch (schon) keine Erwähnung mehr, besonderer Schutz wird dort lediglich dem „kulturellen Reichtum“ und der „sprachlichen Vielfalt Europas“ zugesagt; in das jüngste Bergen-Kommuniqué (Kommuniqué der Konferenz der für die Hochschulen zuständigen europäischen Minister, Der europäische Hochschulraum, S. 6) hat nur noch das Bekenntnis zu der Verpflichtung Eingang gefunden, „unsere kulturelle Vielfalt in Ehren [zu] halten“. 431 Insoweit zwingen Art. 3 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG zu einer Vereinheitlichung von Lehre und Prüfung, vgl. BVerfGE 33, 125, 158, 163; 52, 380, 388 f., und Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 38. 432 Zum Erfordernis vergleichbarer Lehrinhalte als Konsequenz der Verteilung von Studienplätzen durch die ZVS Cirsovius, Abwehrrecht, S. 40; als im Wandel begriffene Voraussetzung einer zentralen Studienplatzvergabe versteht die weitgehende Identität der Studieninhalte hingegen Hailbronner, Hochschulzugang, S. 216. – Der Einfluss dieses Entindividualisierungsfaktors wird dabei freilich in dem Maße abnehmen, in dem den Hochschulen die Auswahl der Studierenden übertragen wird, vgl. insoweit § 31 Abs. 3 i. V. m. § 32 Abs. 3 HRG, wonach die Hochschulen derzeit bis zu 60% der Studienplätze in einem internen Auswahlverfahren vergeben können. Der Wissenschaftsrat hat empfohlen, die Vergabe der Studienplätze in NC-Studiengängen in Zukunft vollständig den Hochschulen zu überlassen, Wissenschaftsrates, Reform des Hochschulzugangs, S. 42 ff., v. a. S. 46; zur damit einhergehenden Umgestaltung der ZVS ders., a. a. O., S. 51 ff.
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tergrund. Zwar ist die Lehrfreiheit auch weiterhin als Gegenspieler der Entindividualisierung zu begreifen. Doch kann sie die zugrunde liegenden gesellschaftlichen Wandlungsprozesse nicht umkehren. Die Gewährleistung individueller Entfaltung der Lehrenden ist daher – zumal bei Berücksichtung des gesunkenen Interesses der Grundrechtsträger auf der einen Seite und der zunehmenden Bedeutung der Lehre für die Lernenden auf der anderen Seite – nur noch als sekundärer Zweck zu qualifizieren.433 Da die Anordnung und das zu Ordnende prinzipiell gleichrangige Elemente der Konkretisierung einer Verfassungsnorm sind, ist die damit entstehende Bedeutungshierarchie der telæ eine intertemporal flexible. Wie die Veränderungen des Normbereichs zum Bedeutungsverlust der Lehrfreiheit für die Grundrechtsträger geführt haben,434 so können zukünftige Wandlungen des Realbereichs – beispielsweise eine „Reindividualisierung“ der Lehre im Zuge der Profilbildung an Hochschulen, an Fakultäten sowie im Rahmen einzelner Studiengänge und mittels der hochschulinternen Auswahl der Studierenden – freilich grundsätzlich auch umgekehrt ihre erneute Aufwertung bewirken.435 Für eine zu den Veränderungen von Lehre und Lehrfreiheit parallele Entwicklung im Bereich der Forschungsfreiheit gibt es derzeit keine Anhaltspunkte. Insbesondere eine vergleichbare Tendenz zur Standardisierung und Entpersonalisierung von Forschungsleistungen, aus der auf einen Bedeutungsverlust der Selbstverwirklichungsfunktion auch der Forschungsfreiheit geschlossen werden könnte, ist nicht zu verzeichnen. Gewiss ist eine „Entindividualisierung“ der Forschung insoweit zu beobachten, als vor allem in den Naturwissenschaften die Arbeit im Team mittlerweile zur Regel geworden ist436 und neue Er433 Hiervon scheint jetzt auch der VGH Mannheim auszugehen, wenn er ausführt, dass Lehre kein „wissenschaftlicher Selbstzweck“ sei und es eine „grundlegend fehlgeleitete Sicht der Lehrfreiheit“ offenbare, Lehrveranstaltungen ohne Rücksicht auf das Gesamtlehrangebot anbieten zu wollen, VGH Mannheim, DÖV 2003, S. 379, 380, 381. Zu weitgehend hingegen T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit, S. 131, der die individuelle Selbstverwirklichung als Funktion der Lehrfreiheit gänzlich ausschließt; ebenso für die Wissenschaftsfreiheit Fink, Hochschulverfassungsstreit, S. 134. 434 Dieser Bedeutungsverlust hat nicht nur die Nachrangigkeit der Selbstverwirklichungsfunktion, sondern auch der abwehrrechtlichen Wirkungen gegenüber den objektiven Grundrechtsgehalten zur Konsequenz, vgl. zum relativen Gewicht der abwehrrechtlichen Dimension ausführlich unten § 9 III. 2. d). 435 Vgl. in diesem Zusammenhang aber Wissenschaftsrat, Reform des Hochschulzugangs, S. 32, wonach die Hochschulen bspw. die ihnen eröffnete Möglichkeit der Profilbildung mittels der eigenen Auswahl von Studenten größtenteils nicht nutzen. 436 Zwar hat es Arbeitsteilung im Bereich der Forschung schon immer in Form der Auseinandersetzung mit den Gedanken und Erkenntnissen anderer Wissenschaftler gegeben. Die Arbeitsteilung in dem Sinne, dass mehrere Forscher zugleich und miteinander an einem Forschungsprojekt arbeiten, ist jedoch eine Entwicklung der jüngeren Wissenschaftsgeschichte, vgl. Hauck/Lüthje, Mitbestimmung, S. 9; Schmitt Glaeser, Forschungsfreiheit, S. 110; als „Industrialisierung der Wissenschaft“ beschrieben von Nitsch u. a., Hochschule in der Demokratie, S. 41 ff.
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kenntnisse seltener einzelnen Forschern zugeordnet werden können. Doch handelt es sich hierbei um eine qualitativ andere Form der Entindividualisierung als im Falle der Lehrfreiheit, geht es doch nicht um eine Austauschbarkeit der Forschungsprojekte, die jener der Lehreinheiten vergleichbar wäre. An die Stelle des Einzelnen tritt die Forschungsgruppe, die als solche jedoch ihre Individualität, ihre spezifischen Begabungen, Neigungen und Leistungspotentiale behält. Forschungsprojekte bleiben subjektbezogen, nur besteht das Subjekt heute häufig aus einer Personenmehrheit. Es zeigt sich mit Blick auf ihre ,Schlüsselfunktion für die Selbstverwirklichung des Einzelnen‘ damit zwar kein prinzipieller, wohl aber ein beachtlicher gradueller Unterschied zwischen Forschungs- und Lehrfreiheit. Ein funktionaler Zusammenhang zwischen beiden wurde durch diesen telos ohnehin zu keiner Zeit begründet.
6. Resümee Als Ergebnis der teleologischen Interpretation bleibt mit Blick auf die Ausgangsfrage nach Einheitlichkeit oder Differenzierung des Schutzbereichs der Wissenschaftsfreiheit festzuhalten: 1. Lehre und Lehrfreiheit sind nicht länger funktional auf die Forschung oder allgemein das Wissenschaftssystem, verstanden als kommunikatives und institutionelles System zur Generierung neuer Erkenntnisse über die natürliche und soziale Welt, bezogen. Dass die in der Lehre vermittelte Bildung auch zum Fortbestand und zur Entwicklung der Wissenschaften beitragen kann, steht außer Zweifel. Infolge struktureller Veränderungen in Wissenschaft und Gesellschaft kann die Garantie eines freiheitlichen Wissenschaftssystems – die Gewährleistung der Erweiterung, Publizität und Kontinuität wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts – jedoch nicht mehr als der die Grundrechtsauslegung bestimmende telos der Lehrfreiheit benannt werden. 2. Während die Lehrfreiheit und der Ausbildungsauftrag der Hochschulen früher als Gegenspieler konzipiert wurden, ist die Gewährleistung eines freien Bildungs- und Ausbildungswesens heute als zentrale Funktion der Lehrfreiheit zu verstehen. Die Lehrfreiheit wird in der Annahme garantiert, dass eine der freien Gestaltung der Grundrechtsträger überlassene Lehre ihre (Aus-)Bildungsaufgabe am besten erfüllt. Neben diesen zentralen telos treten eine kritische und eine kulturstaatliche Funktion der Lehrfreiheit. Den Lehrenden die Möglichkeit wissenschaftlicher Selbstverwirklichung zu gewährleisten, stellt hingegen nur mehr einen sekundären Zweck von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG dar. Die Garantie freier Lehre verfolgt heute demnach primär fremdnützige Ziele und besteht nicht in erster Linie im Interesse der Grundrechtsträger. Bei der Beurteilung des Wertes der Lehrfreiheit sind mithin vor allem die Drittbegünstigten ins Auge zu fassen.
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3. Es zeigt sich eine Divergenz der telæ von Lehr- und Forschungsfreiheit in wesentlichen Punkten; die allseits beobachtbare funktionale Differenzierung macht auch vor Forschungs- und Lehrfreiheit nicht Halt. Insbesondere eine „dienende Funktion“ der Lehre gegenüber der Forschung und ihren Zwecken, die sich im intentionalen Bezug der Lehrfreiheit auf die Forschungsfreiheit äußern müsste und in der Vergangenheit nicht selten den Hintergrund für die Annahme eines einseitigen Junktims zwischen Lehr- und Forschungsfreiheit bildete, ist heute nicht mehr zu verzeichnen. Geht man wie hier davon aus, dass sich die dogmatische Entfaltung einer Norm an ihrem telos und den Strukturen des zu regelnden Sachbereichs zu orientieren hat, so sprechen die unterschiedlichen telæ von Forschungs- und Lehrfreiheit für eine Differenzierung von zwei selbständigen Grundrechten, deren Dogmatik je eigenen, normbereichsspezifischen Rationalitäten folgt.
V. Fazit Die im Wege der Verfassungsinterpretation gewonnenen Erkenntnisse über die Struktur der Garantie freier Wissenschaft, Forschung und Lehre in Art. 5 Abs. 3 GG legen durchgängig eine Trennung von Lehr- und Forschungs- bzw. Wissenschaftsfreiheit nahe. Die Differenzierung der Normbereiche von Forschungs- und Lehrfreiheit, welche im Rahmen der teleologischen Auslegung festgestellt wurde, erhält dabei zusätzliches Gewicht angesichts der systematischen Erkenntnis, wonach das Verhältnis der grundrechtlichen Realbereiche und vor allem der sie prägenden Kommunikationsstrukturen und -inhalte für die Auslegung von Art. 5 Abs. 3 GG von maßgeblicher Bedeutung ist. Auch ein intertemporaler Rechtsvergleich spricht für die Verselbständigung von Lehrund Forschungsfreiheit als eigenständige Grundrechte. Der Wissenschaftsfreiheit käme danach als Freiheitsrecht neben der Forschungsfreiheit keine Bedeutung mehr zu, die Lehrfreiheit jedoch hätte sich als Grundrecht mit eigenständiger Funktion für die Freiheitsverwirklichung erwiesen. Die Vermutung, ihr Schattendasein basiere auf einer weitgehenden Funktionslosigkeit, wäre damit widerlegt. Doch bevor die Ergebnisse der semantischen, systematischen, historischen und teleologischen Auslegung abschließend gewichtet und gegebenenfalls zu einem neuen dogmatischen Verständnis von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zusammengeführt werden, ist zu fragen, ob, und wenn ja, inwieweit die in Rechtsprechung und Literatur entwickelten strukturellen Konzeptionen mit diesen Erkenntnissen zu vereinbaren sind, ob und inwieweit also eine bereits entfaltete Dogmatik bestätigt und (teilweise) übernommen werden kann. Dies ermöglicht zugleich eine Auseinandersetzung mit den weiteren zur Begründung der Einheitlichkeit der Wissenschaftsfreiheitsgarantie vorgetragenen Argumenten.
§ 4 Die strukturellen Konzeptionen des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG
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§ 4 Die strukturellen Konzeptionen des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG in Rechtsprechung und Literatur Soweit ersichtlich haben bisher einzig Kay Hailbronner und Wolfgang Perschel der Garantie freier Wissenschaft, Forschung und Lehre mehrere selbständige Grundrechte entnommen und damit das Rechtsprechung und Literatur zu Art. 5 Abs. 3 GG prägende Paradigma von der Einheitlichkeit des Schutzbereichs der Wissenschaftsfreiheit in Frage gestellt. Hans-Heinrich Trute entkoppelt die Tatbestandselemente des Art. 5 Abs. 3 GG zwar weitgehend, konzipiert sie aber gleichwohl weiterhin als Binnendifferenzierungen der Wissenschaftsfreiheitsgarantie. Ganz überwiegend geht man von einem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit aus, lediglich über dessen innere Struktur ist man unterschiedlicher Ansicht. Im Folgenden sollen die in Literatur und Rechtsprechung erarbeiteten Konzeptionen zur Struktur der durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gewährleisteten Freiheit kritisch rekonstruiert werden. Den Maßstab der Kritik bilden dabei in erster Linie die bis zu diesem Punkt im Wege der Grundrechtsinterpretation gewonnenen Erkenntnisse. Die Reihenfolge der Darstellung orientiert sich am Grad der Differenzierung von Forschungs- und Lehrfreiheit, der Fokus des Interesses liegt auf den Interpretationen der Lehrfreiheit.
I. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG garantiert (neben der Kunstfreiheit) zwei weitere Grundrechte mit divergenten Schutzbereichen und -funktionen (Hailbronner) Hailbronner sieht in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG neben der Kunstfreiheit zwei getrennte Grundrechte mit eigenständigen Norm- und Schutzbereichen verankert, gekennzeichnet durch eine „grundsätzliche Andersartigkeit von Inhalt und Schranken“437. „Die allgemeine Wissenschaftsfreiheit für jedermann ist von der Freiheit von Forschung und Lehre zu trennen“438, auf die sich allein staatliche Amtsträger berufen können.439 437 Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 74; siehe ferner etwa S. 29, 83 ff., 148. Ebenso Schiedermair, Selbstverwaltungskörperschaft, S. 12 f. 438 So die erste von vier Grundthesen der Habilitationsschrift von Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 74 (Herv. AK). 439 Insoweit Hailbronner in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG (auch) ein funktionsgebundenes Sondergrundrecht für Amtsträger verankert sieht, stimmt er mit einer ehemals von Gerd Roellecke vertretenen Positionen überein, vgl. Roellecke, Institutionelle Garantie, S. 727 ff.; jetzt aufgegeben in ders., Wissenschaftsfreiheit als Rechtfertigung von Relevanzansprüchen, insbes. S. 696. Abgesehen von dieser Gemeinsamkeit bestehen freilich erhebliche Differenzen: So versteht Roellecke die Wissenschaftsfreiheit bspw. an-
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Das allgemeine Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit gewährleistet die Freiheit von staatlicher Einwirkung für jede nicht staatlich organisierte Form wissenschaftlicher Betätigung. Es wirkt lediglich als subjektives Abwehrrecht und kennt keine objektive Dimension, beinhaltet insbesondere keine institutionelle Garantie. Diese erscheint Hailbronner nicht nur „entbehrlich“, sondern als Dimension des Jedermann-Grundrechts auch „verfassungsrechtlich bedenklich“440. Mögliche Eingriffe in den individuellen, vorstaatlichen Freiraum, den die Wissenschaftsfreiheit zu gewährleisten sucht, sind nur gerechtfertigt, soweit sie dem Schutz kollidierender Verfassungsgüter dienen.441 Zentrale Funktion der Freiheit von Forschung und Lehre ist es demgegenüber, als institutionelle Garantie zu gewährleisten, „daß sich bestimmte Kernbereiche der staatlich betriebenen Forschung und der Berufsausbildung in den ,akademischen‘ Berufen frei, d.h. unabhängig von staatlicher und gesellschaftlicher Macht entwickeln und entfalten können“442. Auf diese Weise soll das Grundrecht die Erfüllung der wissenschaftlichen Bedürfnisse der Gesellschaft garantieren, die eine ihrer Eigengesetzlichkeit überlassene und nur insoweit freie private Wissenschaft nicht in der Lage ist zu befriedigen.443 Forschungs- und Lehrfreiheit verpflichten den Staat daher nicht zur Abstinenz, sondern im Gegenteil zur Schaffung und Erhaltung der „spezifischen Bedingungen eines freien Forschungs- und Lehrbetriebes“444. Individuellen Grundrechtsschutz gewähren sie nur zur Wahrnehmung der durch die institutionelle Garantie bestimmten staatlichen Aufgaben in Forschung und akademischer Berufsausbildung.445 Als subjektives Recht wird die Freiheit von Forschung und Lehre mithin durch den Inhalt der institutionellen Garantie determiniert.446 Sie ist nicht Schutz einer vorstaatlichen Freiheitssphäre, sondern „Funktionsgrundrecht“.447 ders als Hailbronner als bloßen Unterfall der allgemeinen Meinungsfreiheit. Er kennt zudem keine „Wissenschaftsfreiheit jedermanns“, diese wäre in seiner Konzeption mit der Meinungsfreiheit identisch. Da Roellecke das Verhältnis der Elemente Wissenschaft, Forschung und Lehre als solches nicht problematisiert, vielmehr in der Annahme der Einheitlichkeit des Schutzbereichs der Wissenschaftsfreiheit mit der h. M. übereinstimmt, wird seine vormalige Position im Folgenden nicht gesondert betrachtet. 440 Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 79. 441 Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 146 ff., insoweit in Übereinstimmung mit der Schrankenbestimmung durch die ganz h. M., vgl. hierzu statt aller ausführlich Losch, Wissenschaftsschranken, S. 55 ff., 65 ff., 83 ff. m. w. N. 442 Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 86, vierte Grundthese (Herv. AK). – Hailbronner entfaltet die Freiheit von Forschung und Lehre als Funktionsgrundrecht durchgängig am Beispiel der Universität; jedoch „bedeutet das nicht die Unanwendbarkeit der [. . .] Überlegungen auf andere Typen staatlicher Forschungs- und Lehreinrichtungen“, ders., a. a. O., S. 3. 443 Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 84; zustimmend mit lediglich begrifflicher Differenzierung Burmeister, „Dienende“ Freiheitsgewährleistungen, S. 867 ff. 444 Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 83. 445 Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 74 f., zweite Grundthese. 446 Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 86.
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Dementsprechend variiert der individuelle Freiraum mit der übertragenen Funktion.448 Staatliche Regelungen, die der Realisierung von Forschungs- und Lehraufgaben dienen, beeinträchtigen nicht die individuelle Freiheit, sondern eröffnen und gestalten den grundrechtlichen Freiraum.449 Begrenzt wird die Regelungskompetenz des Staates insoweit allein durch die institutionellen Garantiegehalte.450 Das Funktionsgrundrecht der Freiheit von Forschung und Lehre ergänzt mithin die allgemeine Wissenschaftsfreiheit: Da diese als subjektives Abwehrrecht allein nicht sicherstellt, dass die für die Entwicklung der Gesellschaft unentbehrlichen wissenschaftlichen Dienste erbracht werden, garantiert das Funktionsgrundrecht die staatliche Organisation der hierfür erforderlichen freien Forschung und freien akademischen Berufsausbildung.451 Verbindendes Kennzeichen der beiden Elemente des Funktionsgrundrechts, d.h. von Lehr- und Forschungsfreiheit, ist nicht in erster Linie eine wie auch immer definierte ,wissenschaftliche Eigengesetzlichkeit‘ der tatbestandlichen Handlungen, sondern die Verpflichtung der Freiheitsausübung auf das Gemeinwohl und die Abhängigkeit des Grundrechtsschutzes von der Funktionsübertra447 Dieses kann „durch das Instrumentarium einer auf den Schutz privater Sphäre vor staatlichen Eingriffen angelegten Grundrechtstheorie nicht erfas[st]“ werden, Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 74. 448 „Es gibt also nicht schlechthin eine für alle Forschenden und Lehrenden in gleicher Weise geltende Freiheit der Forschung und Lehre, sondern es gibt entsprechend der übertragenen Funktion abgestufte Freiheitsrechte“, Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 77, dritte Grundthese; zustimmend Murswiek, Grundrechtsdogmatische Fragen, S. 661; ders., Teilhaberechte, Rn. 84. 449 Hailbronner, Funktionsgrundrecht, insbes. S. 79, 158; krit. zu den sich hieraus ergebenden Konsequenzen für die Schrankensystematik Waechter, Fortschrittsvertrauen, S. 32 f. Als „Elemente der Funktionsgebundenheit von Forschungs- und Lehrfreiheit“ benennt Hailbronner die Zuordnung und Abgrenzung von Kompetenzen, die Pflicht zur unabhängigen Ausübung wissenschaftlicher Forschung und Lehre, die Pflicht zur effektiven Durchführung der Aufgaben der Universität in der akademischen Berufsausbildung und Forschung, die Pflicht zu Kooperation und Koordination sowie die mit der Amtsausübung verbundene Verantwortlichkeit der Funktionsträger, ders., Funktionsgrundrecht, S. 160. 450 Hailbronner, Funktionsgrundrecht, insbes. S. 79, 148 f., 158 f. Von einem Primat staatlichen Handelns gegenüber der grundrechtlichen Gewährleistung könne daher trotz allem nicht gesprochen werden, ders., a. a. O., S. 148. – Die Einzelergebnisse Hailbronners bewegen sich trotz ihrer speziellen theoretischen Fundierung innerhalb des von den Vertretern eines einheitlichen Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit abgesteckten Rahmens, vgl. etwa seine grundrechtliche Bewertung der Zuweisung bestimmter Lehrveranstaltungen (ders., a. a. O., S. 179 f.), die Ausführungen zur Berücksichtigungspflicht wissenschaftlicher Interessen des Lehrenden (ders., a. a. O., S. 181) oder seine Einschätzung der Bedeutung didaktischer Freiheit (ders., a. a. O., S. 197). Daher kommt Häberle in seiner Besprechung trotz Ablehnung im Grundsatz zu einer Zustimmung im Detail und bewertet die Ausführungen zutreffend als „für die Praxis [. . .] ergiebig“, ders., Besprechung, S. 170. 451 Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 83 ff.
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gung.452 Unterschieden werden Forschungs- und Lehrfreiheit aufgrund ihrer spezifischen Freiheitsgewährleistungen und -bindungen, die sich aus den divergierenden Funktionsbezügen ergeben. Die Lehrfreiheit schützt alle der akademischen Berufsausbildung verpflichteten Tätigkeiten. Hierzu gehören neben der Abhaltung von Lehrveranstaltungen etwa auch die Betreuung von Studenten und Doktoranden, die Weiterbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Lehre mit Hilfe des schriftlichen Wortes in Lehrbüchern und Skripten.453 Entscheidend ist nicht der wissenschaftliche Inhalt, sondern die funktionale Zuordnung zu einer der Lehrfunktionen des Ausbildungsbetriebs.454 Maßgeblich für die Qualifikation einer Tätigkeit als Forschung ist in objektiver Hinsicht die Beachtung jener Anforderungen, die allgemein oder von der speziellen Disziplin an die Wissenschaftlichkeit gestellt werden und von allen Wissenschaftlern als unerlässlich angesehen werden,455 in subjektiver Hinsicht die Ausrichtung an der Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse im übergeordneten, gesellschaftlichen Interesse.456 Eine notwendige Verbindung zwischen Forschung und Lehre als Voraussetzung des grundrechtlichen Schutzes besteht nicht.457 „Vielmehr handelt es sich um zwei Funktionen, die ebensogut unabhängig voneinander wahrgenommen werden können“458. Dementsprechend enthält Art. 5 Abs. 3 GG auch keine institutionelle Garantie der Einheit von Forschung und Lehre im staatlichen Wissenschaftsbetrieb.459 Die Bestimmung der divergierenden Schutzbereiche und Funktionen von Lehr- und Forschungsfreiheit durch Hailbronner korrespondiert in manchem mit den Ergebnissen der teleologischen Auslegung der vorliegenden Arbeit. Insbesondere spiegelt sie, soweit es um das Funktionsgrundrecht geht, die Entkoppelung von Lehr- und Forschungsdiskurs, indem sie die Lehre nicht länger mit der Publizität der Wissenschaft identifiziert, sie zudem nicht als der Erweiterung wissenschaftlichen Wissens verpflichtet begreift und stattdessen die akademische Berufsausbildung als ihre wesentliche Funktion anerkennt.460 Diese Diffe452 Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 81 ff., 164 ff. (Lehre), 259 ff. (Forschung). 453 Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 166. 454 Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 171. 455 Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 261. Als Beispiele nennt Hailbronner, ebd., die Grundregeln der Logik und die Nachvollziehbarkeit des Gedankengangs. 456 Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 262: Da die Forschungsfreiheit dem Grundrechtsträger nicht um seiner individuellen Selbstverwirklichung willen gewährt werde, gehe es nicht um die Vermehrung des individuellen Einzelwissens, sondern um die Vermehrung des Wissensstandes in dem betreffenden Gebiet. 457 Insbes. ist der grundrechtliche Schutz der Lehre nicht auf die Vermittlung eigener Forschungsergebnisse begrenzt, Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 164, 166 und passim. 458 Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 91. 459 Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 91.
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renzierung beansprucht jedoch nicht allein für den Bereich staatlich organisierter Forschung und Lehre Geltung, sondern in gleicher Weise für den nichtstaatlichen Bereich, dem Hailbronner jedoch weiterhin ein einheitliches Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit zuordnet. Seine Interpretation des Forschungsbegriffs als Verweis ausschließlich auf die akademische Forschung steht zudem im Widerspruch zum derzeit maßgeblichen Sprachgebrauch, der die „Forschung“ als sprachliches Zeichen für das privat wie staatlich organisierte, akademische wie außeruniversitäre Bestreben um Erkenntniserweiterung verwendet. Mit der Unterscheidung von Jedermann-Wissenschaftsfreiheit und Funktionsgrundrecht sucht Hailbronner die Probleme staatlicher Institutionalisierung von Freiheit grundrechtsdogmatisch zu verarbeiten. Sein Lösungsansatz greift jedoch zu kurz. Denn er verkennt, dass die Angewiesenheit auf finanzielle und organisatorische Mittel heute Kennzeichen jeder Forschungs- und Lehrtätigkeit ist und sich die mit der Institutionalisierung verbundenen Probleme daher in vergleichbarer Weise für alle Bereiche wissenschaftlichen Arbeitens stellen.461 Sein Grundrechtsverständnis erscheint ferner systematisch insofern zweifelhaft, als nicht allein Forschung und Lehre das Problem der Institutionalisierung von Freiheit kennen, das Grundgesetz aber gleichwohl an keiner (anderen) Stelle zwischen einem privaten und einem Funktionsgrundrecht unterscheidet. Die historische Auslegung schließlich, auf die sich Hailbronner zur Begründung der Differenzierung maßgeblich stützt, kann zwar Anhaltspunkte für die Unterscheidung von Forschungs- und Lehrfreiheit geben,462 nicht aber für die Unterscheidung von Freiheitsrechten innerhalb und außerhalb staatlicher Organisationszusammenhänge, wenn man von der Möglichkeit einer Rückkehr zu einem positivistischen Grundrechtsverständnis absieht.463 Im Ergebnis genügt der Vorschlag Hailbronners den an die strukturelle Konzeption des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zu stellenden Anforderungen daher nicht. 460 Dabei bleibt freilich unklar, wodurch sich die „akademische“ Ausbildung auszeichnet und von anderen Lehrveranstaltungen an Universitäten unterscheidet, die jedenfalls nicht umfänglich durch die Lehrfreiheit geschützt werden sollen, Hailbronner, Funktionsgrundrecht, z. B. S. 174 f. 461 Umfassend zum Zusammenhang zwischen Forschungsfreiheit und staatlicher Institutionalisierung Trute, Institutionalisierung, v. a. S. 173 ff.; siehe zum Organisationsbezug der Wissenschaft ferner Schmidt-Aßmann, Organisationsgrundrecht; ders., Wissenschaftsplanung, S. 652 f. und passim, sowie so unterschiedliche Autoren wie Kirchhof, Verfaßte Freiheit, und Roellecke, Wissenschaftsfreiheit, S. 688 ff. Dass die Wissenschaft kein individualzentrierter Vorgang des Erkenntnissubjekts in Einsamkeit und Freiheit ist, hat die neuere Wissenschaftstheorie gezeigt, vgl. Kuhn, Struktur wissenschaftlicher Revolution, sowie Teil 2 der Aufsatzsammlung von dems., Entstehung des Neuen; des Weiteren Toulmin, Kritik der kollektiven Vernunft, und die Beiträge in Bonß/Hartmann, Entzauberte Wissenschaft; vgl. zur kommunikativen Struktur der Forschung ferner die Nw. oben in Fn. 341, S. 112. 462 S. o. § 3 III. 3. 463 So auch Dickert, Forschungsfreiheit, S. 164; Trute, Institutionalisierung, S. 135 f.; Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 58.
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1. Teil: Der Abschied von der Wissenschaftsfreiheit
II. Neben der Kunstfreiheit sind in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG drei weitere, selbständige Grundrechte verankert, deren sachliche Schutzbereiche divergieren: die Wissenschafts-, die Forschungs- und die Lehrfreiheit (Perschel) Perschels kritische Überprüfung der herrschenden Interpretation von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG wird motiviert durch die aus seiner Sicht nur unzureichende Gewährleistung der pädagogischen Freiheit der Lehrer an allgemeinbildenden Schulen in und durch die Schulgesetze der Länder.464 Sie wird dementsprechend angeleitet von der Frage nach Hintergrund und Rechtfertigung der Ausnahme des Schulunterrichts aus dem Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit. Perschels Weg zur Begründung einer durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gewährleisteten „Lehrfreiheit des Lehrers“465 führt über die Trennung der Lehrfreiheit von der Wissenschafts- und der Forschungsfreiheit und die Verselbständigung der drei Grundrechte.466 Die Wissenschaftsfreiheit schützt nach seinem Verständnis auch weiterhin Forschung und Lehre, soweit sie aufeinander bezogen sind, und garantiert zugleich ihr „unbehindertes Zusammenspiel“467. Die Wissenschaftsfreiheit gewährleistet die Freiheit der „internen“ Lehre, die „in der Kommunikation von Forschungsergebnissen besteht“468. Daneben treten in der Konzeption Perschels die selbständigen Grundrechte der Forschungs- und der Lehrfreiheit. Der spezifische Grundrechtsbereich der Lehrfreiheit gewährleiste dabei eine freie „externe, wissenschaftlich inaktive Lehre“, also den „instrumentalen“ wie „problematisierenden“ Unterricht.469
464 Perschel, Lehrfreiheit des Lehrers, S. 34 f. Zur pädagogischen Freiheit des Lehrers eingehend zuletzt Wißmann, Pädagogische Freiheit, der sie jedoch nicht in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG verankert sieht, ders., a. a. O., S. 83 ff. 465 So der Titel von Perschels Beitrag; krit. zu dieser Interpretation etwa Beck, Lehrfreiheit an Schulen, S. 123 ff. 466 Perschel, Lehrfreiheit des Lehrers, S. 37. – Anders als Perschels Beitrag wenden sich die juristischen Bemühungen um eine Einbeziehung der Schullehre in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG überwiegend nicht grds. gegen ein Verständnis der Wissenschaftsfreiheit als einheitliches Grundrecht, sondern bauen auf dieser herrschenden Interpretation auf und erklären den Schulunterricht zum Gegenstand der tradierten Freiheitsgewährleistung, so etwa Staff, Schulaufsicht, S. 628 ff., deren Ansatz bisweilen unzutreffend mit dem Perschels gleichgesetzt wird; vgl. des Weiteren Clevinghaus, Lehrerrecht, S. 26 f.; Laaser, Lehrfreiheit in der Schule, und die kritischen Rekonstruktionen der in der Lit. entfalteten Argumentationen bei Beck, Lehrfreiheit an Schulen, S. 123 ff.; Weiler, Wissenschaftsfreiheit des Lehrers, S. 225 ff., 305 ff., der auch einen Überblick über die bis 1977 ergangene Rspr. zu diesem Problemkreis gibt, und zuletzt Wißmann, Pädagogische Freiheit, S. 83 ff., jeweils m. w. N. Vgl. ferner oben Fn. 343, S. 112. 467 Perschel, Lehrfreiheit des Lehrers, S. 37. 468 Perschel, Lehrfreiheit des Lehrers, S. 37.
§ 4 Die strukturellen Konzeptionen des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG
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Anders als etwa im Modell Hailbronners schützen Wissenschafts-, Forschungs- und Lehrfreiheit bei Perschel dem klassischen Grundrechtsverständnis entsprechend vorstaatliche Freiheitsräume. Nicht unterschiedliche funktionale Dimensionen bilden den Ausgangspunkt der Differenzierung, sondern divergierende sachliche Schutzbereiche und -ziele. Dem selbständigen Grundrecht der Lehrfreiheit kommt dabei nach Ansicht Perschels die Funktion zu, die Erziehung zu Freiheitlichkeit und freier Persönlichkeitsentfaltung zu ermöglichen. Denn „dass Druck von oben als Druck nach unten weitergegeben wird, dass also ein sich unfrei fühlender Lehrer kaum zur Freiheit erziehen kann“, ist „eine inzwischen kaum noch neue psychologische Erkenntnis“470. Wie Hailbronner so greift auch Perschel die Existenz eines von der Publizität der Wissenschaft zu unterscheidenden Lehrdiskurses auf. Doch tritt dieser in seiner Konzeption nicht an die Stelle, sondern neben die bisherige, auf die Erweiterung wissenschaftlichen Wissens gerichtete und aus der Veröffentlichung eigener Forschungsergebnisse bestehende Lehre, von deren im Grundsatz unverändertem Fortbestand Perschel ausgeht und die er auch weiterhin durch die Wissenschaftsfreiheit geschützt sieht. Kennzeichnend für die Entwicklung der letzten Jahrzehnte ist jedoch gerade der Wandel dieses „wissenschaftlichen“ Lehrdiskurses, der heute in seiner ursprünglichen Form praktisch nicht mehr geführt wird und an dessen Stelle die (aus)bildende Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte getreten ist.471 Dass Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG einer hiervon zu unterscheidenden und von der Wissenschaft völlig unabhängigen Lehre Schutz gewährt, kann nicht, wie von Perschel angenommen, aus den Veränderungen des Wortlautes im Vergleich zu Vorgängerregelungen, insbesondere nicht aus der Aufhebung des Wortes „ihre“ geschlossen werden. Denn insoweit handelt es sich um nicht mehr als eine redaktionelle Änderung, der enge Bezug der Lehre zu den anderen in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG genannten Schutzgegenständen sollte hiermit nicht aufgehoben werden.472 Die Treueklausel, deren Genese Perschel neben den Modifikationen im Wortlaut als zentralen Beleg seiner Interpretation anführt, wurde zwar bis zur dritten Lesung auf die Lehre an Hochschulen und Schulen bezogen.473 Aber 469 Perschel, Lehrfreiheit des Lehrers, S. 38. Als dritte Dimension des Begriffs Lehre benennt Perschel das von dem einzelnen Forscher gewonnene System wissenschaftlicher Erkenntnisse, das jedoch nicht Anknüpfungspunkt einer eigenständigen grundrechtlichen Gewährleistung ist. Den Schutzbereich und die Bedeutung des selbständigen Grundrechts der Forschungsfreiheit erläutert Perschel nicht näher. Dem Zusammenhang ist jedoch zu entnehmen, dass es die Freiheitlichkeit des mit der Lehre weder institutionell noch personell verknüpften Forschungsprozesses garantieren soll, der nicht in den Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit fällt. 470 Perschel, Lehrfreiheit des Lehrers, S. 38. 471 Vgl. oben § 3 IV. 1., 2. 472 S. o. § 3 III. 2. a) cc). 473 S. o. § 3 II. 2. a) mit Fn. 166, S. 72.
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1. Teil: Der Abschied von der Wissenschaftsfreiheit
wenngleich dieses historische Argument für eine Lockerung der Verbindung zwischen Lehre, Wissenschaft, Forschung und evtl. Kunst spricht, so kann es doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Lehre und Lehrfreiheit in ihrer Geschichte verfassungsrechtlich stets zu wissenschaftlichen Inhalten in Beziehung gesetzt wurden.474 Nahe liegt daher nicht eine Ausweitung der Lehrfreiheit auf jede Form des Unterrichts, sondern die Erstreckung ihres Schutzbereichs auf alle Formen lehrender Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte unabhängig vom Ort der Lehre. Die Privilegierung der nur den verfassungsimmanenten Schranken unterworfenen Lehre gegenüber den Kommunikationsgrundrechten des Abs. 1 ist zudem kaum anders als mit ihrer inhaltlichen Prägung durch die übrigen Schutzgegenstände des Abs. 3 zu erklären.475 Die von Perschel entfaltete dogmatische Konkretisierung des Art. 5 Abs. 3 GG ist vor diesem Hintergrund nicht haltbar.
III. Wissenschaft, Forschung und Lehre sind eigenständige Normbereiche der Wissenschaftsfreiheitsgarantie mit unterschiedlichen Handlungsrationalitäten und gemeinsamem Fluchtpunkt (Trute) Ausgehend von einem Verständnis der Grundrechte als sachgeprägte Ordnungsmodelle476 fordert Trute eine weitgehende Entkoppelung der Tatbestandselemente des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG als Binnenstruktur der Wissenschaftsfreiheit und benennt diese relative Verselbständigung als einen der „Leitaspekte“ seiner Konzeption der Wissenschaftsfreiheitsgarantie 477. Wissenschaft wird von Trute entfaltet als das Zusammenspiel zweier interdependenter Ebenen: der Makroebene des sozialen Systems und der Mikroebene der individuellen Handlungen.478 Makro- und Mikroebene und ihre Freiheitlich474
Vgl. oben § 3 III. 1. Hierzu ausführlich unten § 7 I. 476 Trute, Institutionalisierung, S. 57 ff. 477 Trute, Institutionalisierung, S. 110. 478 Trute, Institutionalisierung, S. 64 ff., insbes. S. 80 ff. – Trute beschreibt das Wissenschaftssystem in Anlehnung v. a. an die soziologischen Studien von einerseits N. Luhmann, dessen systemtheoretische Perspektive er jedoch um einen handlungsbezogenen Ansatz ergänzen will, und die Analysen gesellschaftlicher Teilsysteme von R. Mayntz andererseits. Zur Grundlage ihrer eigenen Überlegungen haben sein Wissenschaftsverständnis nun etwa Schmidt-Aßmann, Organisationsgrundrecht, S. 698; Röhl, Wissenschaftsrat, S. 106; Kleindiek, Risikogesellschaft, S. 25, und zuletzt Groß, Wissenschaftsadäquates Wissenschaftsrecht, S. 310, genommen; ähnlich für die 1999 erstmals als selbständiges Grundrecht in die Schweizer Verfassung eingefügte Wissenschaftsfreiheit Schwander, Spannungsfeld, S. 106 ff.; zustimmend auch A. Blankenagel, Ratlosigkeit, S. 75 f. Krit. hingegen Löwer, Beruf des Staates, S. 251 f., der die Vernachlässigung des Individuums und seiner individuellen Freiheit auch und gerade innerhalb der scientific community befürchtet. 475
§ 4 Die strukturellen Konzeptionen des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG
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keit stehen zueinander in einem Verhältnis der Gleichordnung und der gegenseitigen Abhängigkeit:479 „Die freiheitliche Verfassung der Kommunikations- und Handlungszusammenhänge sichert die individuelle Freiheit, wie erstere ohne letztere nicht zu denken ist“480. Wissenschaftliche Handlungsfreiheit entfaltet sich über die Teilnahme an einem institutionalisierten Handlungszusammenhang, der über eben diese Handlungen konstituiert und reproduziert wird. Ziel des so verstandenen „kollektiven Vernunftunternehmens“ Wissenschaft ist die Generierung neuen Wissens.481 Der Bezug auf wissenschaftliches Wissen ist der gemeinsame Fluchtpunkt aller individuellen Betätigungen in Wissenschaft, Forschung und Lehre.482 Als wissenschaftliches Wissen gilt dabei, was in den wissenschaftlichen Kommunikationszusammenhängen als solches anerkannt oder zumindest diskutiert wird.483 Die „Binnendifferenzierung“484 setzt auf der Handlungs-, also der Mikroebene an. Zwei Handlungstypen sind dabei grundlegend zu unterscheiden, wenngleich sie eng zusammenhängen, dem Grundsatz nach aufeinander bezogen sind und in Grenzbereichen auch verschmelzen mögen: die Kommunikation und die Konstitution wissenschaftlichen Wissens.485 Die Kommunikationen sind wiederum zu untergliedern in die allgemeine wissenschaftliche Kommunikation und die Lehre als spezifischen Kommunikationstyp.486 Die damit differenzierten drei Handlungs- bzw. Kommunikationstypen korrespondieren mit den drei Tatbestandsmerkmalen des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG: Wissenschaft, Forschung und Lehre. Sie bilden je eigenständige Normbereiche, die 479 Trute, Institutionalisierung, S. 72 f., 81 f., 84 und passim. Diese Gleichordnung von Mikro- und Makroebene unterscheidet den Wissenschaftsbegriff Trutes von der i. Ü. vergleichbaren Konzeption Blankenagels, in der jedoch sozialbezogene Aspekte Vorrang haben vor handlungsbezogenen, vgl. A. Blankenagel, Wissenschaftssoziologie, S. 48, und unten § 4 IV. 2. b) aa) (2); hierzu Trute, a. a. O., S. 72 ff. 480 Trute, Institutionalisierung, S. 82. 481 Trute, Institutionalisierung, S. 82. 482 Trute, Institutionalisierung, S. 83: Wissenschaftliches Wissen ist „zugleich Produkt, Speicher, Anknüpfungspunkt und Material des Kommunikations- und Handlungszusammenhangs“. So zuvor auch Lüthje, in: Denninger, HRG, Vor § 3 Rn. 25. 483 Mit dieser Konzeption sucht Trute die drei traditionell unterschiedenen Leitbegriffe der Wissenschaft zu vereinen (ders., Institutionalisierung, S. 64 ff., 82 ff.): Der anthropologische Ansatz, der Wissenschaft als menschliche Arbeit versteht, findet sich auf der Mikroebene; den Kulturbegriff, der Wissenschaft als ein kulturelles Subsystem neben anderen versteht und mit „Wissenschaft“ die institutionellen, sozialen und personalen Elemente dieses Systems bezeichnet, greift die Makroebene auf, und der propositionale Begriff, der Wissenschaft als ein System von Aussagen begreift, markiert das Ziel der integrierten Ebenen. 484 Trute, Institutionalisierung, S. 132. 485 Trute, Institutionalisierung, S. 83. 486 Trute, Institutionalisierung, S. 83, 112 ff., 128 ff.; krit. gegenüber dieser Differenzierung Löwer, Beruf des Staates, S. 255.
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durch je eigenständige Handlungsrationalitäten gekennzeichnet sind, aber durch das übergreifende Ziel der Generierung neuen wissenschaftlichen Wissens verbunden werden. Da Mikro- und Makroebene untrennbar miteinander verwoben sind, entsprechen der Differenzierung auf der Handlungs- und Kommunikationsebene je eigene Normbereiche auf der Systemebene. Unter Forschung ist nach Trute das „Handeln in der Absicht der Erzeugung neuen Wissens“487 zu verstehen, unter Lehre die Kommunikation wissenschaftlichen Wissens von Lehrenden an den spezifischen Adressatenkreis der Lernenden in der Absicht der Kontinuitätssicherung der Disziplin und allgemein mit dem Ziel, die Stabilität der wissenschaftlichen Entwicklung mittels der Nachwuchsausbildung zu sichern und wissenschaftliche Kenntnisse für die zukünftige Berufsausübung zu vermitteln.488 Die Lehre ist „zweifellos“ „Teil der Wissenschaft“489. Zwar ist sie von den allgemeinen wissenschaftlichen Kommunikationszusammenhängen zu unterscheiden, da insbesondere die Auswahl des kommunizierten Wissen und die Darstellungsformen divergieren.490 Gleichwohl steht die Lehrfreiheit in Trutes Konzeption als „Kontinuitäts- und Stabilitätsgewähr in sachlicher, personeller und zeitlicher Hinsicht“491 im Dienste der Wissenschaft. Sie ist „nicht um ihrer selbst willen, sondern um der Wissenschaft willen gewährleistet“492. Dem Begriff der Wissenschaft schließlich sind „all diejenigen Handlungen zuzuweisen, die für die Entfaltung der Eigengesetzlichkeit der Kommunikations- und Handlungszusammenhänge der Wissenschaft funktional unabdingbar sind und nicht schon von der spezifischen Handlungspraxis der Forschung und Lehre umfasst sind“493. 494 Dieser Binnendifferenzierung zum Trotz hält Trute an der Rede von der Wissenschaftsfreiheit fest, obschon er hieraus keine eigenständigen dogmatischen Konsequenzen gezogen wissen will.495 Den Hintergrund der Zusammenführung der drei Normbereiche zu ei487 Trute, Institutionalisierung, S. 122; ausführlich S. 121 ff. – Hier wie in der Bestimmung des „wissenschaftlichen Wissens“ zeigt sich das Anliegen Trutes, den Wahrheitsbegriff aus der Definition der Wissenschaft zu verabschieden, vgl. hierzu ders., a. a. O., S. 113 ff. 488 Trute, Institutionalisierung, S. 129 f. 489 Trute, Institutionalisierung, S. 128. 490 Trute, Institutionalisierung, S. 129 f.; ähnlich Lüthje, in: Denninger, HRG, Vor § 3 Rn. 24. 491 Trute, Institutionalisierung, S. 130. 492 Trute, Institutionalisierung, S. 130. 493 Trute, Institutionalisierung, S. 111, ausführlich S. 112 ff. 494 Von besonderer Relevanz ist die Unterscheidung der wissenschaftlichen Handlungs- und Kommunikationstypen bei der Bestimmung der leistungsrechtlichen Dimension der Wissenschaftsfreiheit: Während Trute eine staatliche Leistungspflicht im Bereich der allgemeinen wissenschaftlichen Kommunikationen und der Lehre nicht, jedenfalls nicht durch Art. 5 Abs. 3 GG begründet sieht, soll sie für die Forschung besondere Bedeutung erlangen, ders., Institutionalisierung, S. 420 ff. Krit. hierzu Löwer, Beruf des Staates, S. 255 f.
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nem Grundrecht bildet wohl die Zugehörigkeit von Wissenschaft, Forschung und Lehre zu dem einen gesellschaftlichen Teilsystem der Wissenschaft, ihre Ausrichtung auf das dieses System kennzeichnende Ziel der Generierung neuen Wissens und ihre hieraus folgende Wechselbezüglichkeit. Zuzustimmen ist Trute, insoweit er die Lehre von den übrigen wissenschaftlichen Kommunikationen und der Forschung unterscheidet. Auch seine Charakterisierung des Lehrdiskurses – die Beschreibung seiner von der Forschung gesonderten institutionelle Einbettung in Lehrpublikationen und -veranstaltungen sowie der spezifischen Auswahl und Axiomatisierung der zu kommunizierenden Inhalte496 – stimmt in vielem mit den Ergebnissen der Grundrechtsinterpretation dieser Arbeit überein. Angesichts der oben identifizierten telæ der Lehrfreiheit, zu denen heute weder die Erweiterung wissenschaftlicher Erkenntnisse noch die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses gehören497, erscheint die Zuordnung der Lehre zum Wissenschaftssystem jedoch zweifelhaft. Ihr unspezifischer Beitrag zur Vermittlung grundlegender Fachkenntnisse auch an Nachwuchsforscher rechtfertigt es nicht, die Gewähr von Stabilität und Kontinuität des Wissenschaftssystems als handlungsanleitend und -prägend zu bezeichnen. Diese Aufgaben werden heute vielmehr von Handlungen und Kommunikationen übernommen, die der Forschung zuzuordnen sind.498 Die Lehre wird durch andere Rationalitäten gekennzeichnet als Wissenschaft bzw. Forschung, die Lehrfreiheit verfolgt andere telæ als Wissenschafts- bzw. Forschungsfreiheit. Zweifelsohne steht der Lehrdiskurs nicht beziehungslos neben den an der Erkenntniserweiterung ausgerichteten Strukturen, Handlungen und Kommunikationen ist aber eben doch nicht Teil derselben. Eine Binnendifferenzierung des Grundrechts genügt der Ausdifferenzierung der Normbereiche daher wohl nicht (mehr). Zweifel bestehen überdies an der Differenzierung zwischen den eigentlichen Forschungsund Lehrtätigkeiten einerseits und den Handlungen und Kommunikationen, die ihre Voraussetzungen schaffen oder unterstützend wirken, andererseits. Denn Letztere folgen keiner eigenständige Handlungslogik, sondern werden durch die Strukturen der Normbereiche von Forschung und Lehre geprägt, in die sie sich einfügen und deren Erhalt sie dienen.499
495 496 497 498 499
Trute, Institutionalisierung, S. 132, 139, 171, 245 ff. und passim. Trute, Institutionalisierung, S. 129. S. o. § 3 IV. b) bb), c). S. o. § 3 IV. b) bb). Vgl. hierzu auch unten § 5 II.
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IV. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gewährleistet neben der Kunstfreiheit die Wissenschaftsfreiheit, deren Schutzbereich die wissenschaftliche Forschung und die hierauf aufbauende wissenschaftliche Lehre umfasst (herrschende Meinung) Allen Unterschieden und Differenzierungen in Einzelfragen zum Trotz kann man mit Blick auf die Struktur der durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gewährleisteten Freiheit von einer herrschenden Meinung sprechen.500 Sie versteht die Wissenschaftsfreiheit neben der Kunstfreiheit als einheitliches Grundrecht501 mit einem übergreifenden, die wissenschaftlichen Handlungsformen verbindenden Ziel. Die hier als „herrschende Meinung“ zusammengefassten Stimmen aus Literatur und Rechtsprechung werden sich selbst vermutlich nicht als eine Einheit wahrnehmen, denn sie stellen in der Regel nicht oder wenigstens nicht ausdrücklich die Frage, ob mit der Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre ein einziges oder mehrere Grundrechte gewährleistet werden. Vielmehr gehen ihre Interpretationen regelmäßig wie selbstverständlich von der Einheitlichkeit der Wissenschaftsfreiheit aus. 1. Die „wissenschaftliche Tätigkeit“ als Anknüpfungspunkt (Rechtsprechung) In der Rechtsprechung findet dieses Verständnis heute502 seine konsequenteste Verwirklichung. Hier bilden der Wissenschaftsbegriff und seine dogmatische 500 Ihre Analyse und Beschreibung soll jedoch nicht die eingangs zitierte Klage über die Flut der Literatur zum Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit relativieren. Insbes. die zum verfassungsrechtlichen Wissenschaftsbegriff und dem Begriff der Forschung publizierten Stellungnahmen sind schon rein bibliographisch kaum aufzuarbeiten. An dieser Stelle steht dementsprechend nicht das Bemühen um eine vollständige Erfassung der einschlägigen Lit. und Rspr. im Vordergrund. Vielmehr sollen gerade die Literaturauswahl, die Rückführung der Stellungnahmen auf große Linien und damit verbunden die „Unterschlagung“ von (für die Frage der Struktur der Wissenschaftsfreiheitsgarantie nicht erheblichen) Divergenzen den Blick auf die dem Diskurs zugrunde liegenden Hypothesen sowie seine unbenannten Grenzen ermöglichen. 501 Dies zeigen schon die Gliederungen der Grundgesetz-Kommentare, vgl. nur Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 16 ff., 81 ff.; Kannengießer, in: S-B/K, GG, Art. 5 Rn. 27 ff. und 30 ff.; Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 275 ff., 321 ff.; Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I und Abs. 3 II; Wendt, in: v. M/ K, GG, Art. 5 Rn. 89 ff., 100 ff., oder Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. III (Kunst) und Abs. III (Wissenschaft). Auch die Rspr. ist insoweit eindeutig, vgl. nur BVerfGE 35, 79, 112; 47, 327, 369; a. A. jetzt aber wohl der VGH Mannheim, DÖV 2003, S. 379, 380, der von „sachlich zwar eng zusammenhängenden, gleichwohl aber eigenständigen Bereichen ,Forschung‘ und ,Lehre‘“ spricht. 502 Eine ausführliche Aufarbeitung der Entwicklung bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung zu Art. 5 Abs. 3 GG findet sich bei Freundlich, Wissenschaftsfreiheit; Waibel, Rechtsprechung auf dem Gebiet des Hochschulrechts, S. 28 ff. und passim, analysiert die Rspr. zu Art. 5 Abs. 3 GG bis 1965 umfassend.
§ 4 Die strukturellen Konzeptionen des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG
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Entfaltung regelmäßig den Anknüpfungspunkt für die Lösung des Einzelfalls, weitgehend unabhängig davon, ob eine die Forschung oder die Lehre betreffende Frage zu entscheiden ist. Wenngleich das Bundesverfassungsgericht in seinem die Anwendung des Art. 5 Abs. 3 GG in der Rechtsprechung bis heute prägenden Hochschulurteil auch „Forschung“ und „Lehre“ definiert503 und sie bei der Entfaltung der funktionalen Dimensionen gesondert berücksichtigt hat,504 arbeiten die Gerichte seither doch fast durchgängig mit den Bestimmungen von „Wissenschaft“ und „wissenschaftlicher Tätigkeit“ dieser Entscheidung.505 Forschung und Lehre sind zwar als Erscheinungsformen wissenschaftlichen Arbeitens anerkannt, die Schutzbereiche von Forschungs- und Lehrfreiheit jedoch werden nur in seltenen Fällen einzeln entfaltet und zur Prüfung herangezogen.506 Soweit die Rechtsprechung von „der Lehrfreiheit“ oder den „durch die Lehrfreiheit geschützten verfassungsrechtlichen Positionen“ spricht, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie ihren Schutz- und Gewährleistungsgehalt dann gleichwohl überwiegend unter Rückgriff auf die Dogmatik der Wissenschaftsfreiheit bestimmt.507 Diese wird in Anlehnung an zwei – z. T. alternativ, z. T. kumulativ – verwendete Definitionen von „Wissenschaft“ entwickelt, die beide in erster Linie die Prozesse der Erkenntnisgewinnung beschreiben. Die Freiheit der Wissenschaft, verstanden als „alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist“508, scheint sogar ausschließlich For503
BVerfGE 35, 79, 113. Besonders deutlich wird dies bei der Bestimmung des grundrechtlich gebotenen Einflusses der Hochschullehrer in den universitären Entscheidungsgremien, vgl. BVerfGE 35, 79, 131 f.: „maßgebender“ Einfluss im Bereich der Lehre, „ausschlaggebender“ Einfluss im Bereich der Forschung. 505 Vgl. aus jüngster Zeit z. B. BVerfG, DVBl. 2003, S. 323, 324; des Weiteren etwa BVerfGE 90, 1, 11 ff., und BVerfG, NJW 1993, S. 916 f., die mit den Definitionen von „Wissenschaft“ arbeiten, obgleich primär wohl Lehre und Lehrfreiheit betreffende Fragen zu entscheiden waren. Siehe ferner BVerwGE 102, 304, 307 f.; BVerfG, NVwZ-RR 1998, S. 175, in denen über die Forschungsarbeit betreffende Maßnahmen zu befinden war. 506 So zuletzt vom OVG Koblenz, NVwZ-RR 2000, S. 371, 373, und vom VGH Mannheim, DÖV 2003, S. 379 ff., sowie z. T. in den Entscheidungen über den studentischen Anspruch auf tierversuchsfreie Lehrveranstaltungen, vgl. insoweit oben Fn. 31, S. 24; sehr knapp und aufbauend auf der Definition der „wissenschaftlichen Tätigkeit“ auch BVerwGE 62, 45, 51 f. 507 Vgl. bspw. VGH München, NVwZ-RR 1989, S. 549, 550; VGH Kassel, NVwZRR 1991, S. 80, 81; VGH Kassel, DÖV 1994, S. 392, 393; VGH München, BayVBl. 2003, S. 339, 340, und in Teilen auch BVerfGE 55, 37, 68. Gleiches gilt im Grundsatz für die Forschungsfreiheit, auch sie wird in der Sache zumeist nicht von der Wissenschaftsfreiheit unterschieden, vgl. etwa BVerfG, BayVBl. 1998, S. 591, 592; BVerwGE 102, 304, 307 f.; BVerfG, AfP 2000, S. 555, 556; BVerfG, NJW 2000, S. 3635. 508 Grundlegend BVerfGE 35, 79, 113; seither st. Rspr., vgl. etwa BVerfGE 47, 327, 367; BVerwGE 102, 304, 308, und jüngst VGH München, BayVBl. 2003, S. 339, 504
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1. Teil: Der Abschied von der Wissenschaftsfreiheit
schungshandlungen zu schützen, wird von der Rechtsprechung jedoch als Verweis auf Forschung und Lehre verwendet.509 Demgegenüber erfasst die Freiheit aller „auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen bei der Suche nach Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe“510 auch mit „Lehre“ assoziierte Handlungen. Die Kennzeichen und Rationalitäten der durch die Wissenschaftsfreiheit geschützten ,Weitergabe von Erkenntnissen‘, insbesondere ihr Verhältnis zur Forschung, aber bleiben hier wie insgesamt in der Rechtsprechung zu Art. 5 Abs. 3 GG weitgehend im Dunkeln. Die Definition der Lehre als „wissenschaftlich fundierte Übermittlung der durch die Forschung gewonnenen Erkenntnisse“511 hilft insoweit ebenso wenig weiter wie die Benennung der Forschung als ihre „notwendige Voraussetzung“512. Hiernach könnte der Schutz des Art. 5 Abs. 3 GG auf die „Weitergabe“ der eigenen Forschungsergebnisse begrenzt sein, aber auch jede Veröffentlichung eines selbst Forschenden unabhängig von der Urheberschaft der wissenschaftlichen Erkenntnis erfassen oder noch allgemeiner jede Verbreitung wissenschaftlicher Inhalte.513 Wenn Wissenschaft als ernsthafter Versuch der Wahrheitsermittlung definiert und zugleich als Oberbegriff für Forschung und Lehre verstanden wird, so deutet dies freilich darauf hin, dass sich die ,Weitergabe der Erkenntnisse‘ in den Prozess der Generierung neuen wissenschaftlichen Wissens eingliedern muss. Dann würde durch Art. 5 Abs. 3 GG derzeit allein oder doch jedenfalls in erster Linie die Kommunikation von Forschern geschützt.514 Vergleichsweise eindeutig sind Umfang und Voraussetzungen des Schutzes von Handlungen, die mit der Absicht wissenschaftlicher Wahrheitsfindung vorgenommen werden: Ihre Freiheitlichkeit wird umfassend und unabhängig von einer Lehrtätigkeit oder Publikationsabsicht des Forschenden garantiert. Die
340. Zu Bedenken gegenüber der Anknüpfung an den Wahrheitsbegriff unten § 4 IV. 2. a), insbes. Fn. 524, S. 155. 509 Vgl. nur BVerfGE 35, 79, 113; 47, 327, 367; BVerfG, NJW 1993, S. 916; BVerfG, NJW 1994, S. 1784 f. 510 Grundlegend auch insoweit BVerfGE 35, 79, 112, seither st. Rspr., vgl. etwa BVerfGE 43, 242, 267; 47, 327, 367; 90, 1, 11 f.; BVerfG, AfP 2000, S. 555, und jüngst BVerfG, DVBl. 2005, S. 109, 111. Ähnlich zuvor schon BVerfGE 5, 85, 146. 511 BVerfGE 35, 79, 113. 512 BVerfGE 35, 79, 113. 513 Eindeutiger ist BVerwGE 62, 45, 52, die den Schutz durch Art. 5 Abs. 3 GG auf solche Lehrveranstaltungen beschränkt, „die von einer auf dem fraglichen Fachgebiet ausgewiesenen, auch als Forscher tätigen Lehrperson abgehalten werden“. Die Entscheidung hat insofern jedoch Ausnahmecharakter. 514 In dieselbe Richtung weist die im Hochschulurteil formulierte, später freilich (soweit ersichtlich) nicht wiederholte Annahme, das in der Lehre stattfindende wissenschaftliche Gespräch werde „wiederum die Forschungsarbeit [befruchten]“, BVerfGE 35, 79, 113 (Herv. AK).
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Verbindung zur Lehre ist mithin keine Bedingung des Grundrechtsschutzes einer Forschungstätigkeit. Die zumeist unspezifische Anwendung „der Wissenschaftsfreiheit“ durch die Rechtsprechung trägt dem differenzierten Umgang des Grundgesetzes mit der Forschungsfreiheit einerseits und der Lehrfreiheit andererseits nicht hinreichend Rechnung.515 Die unterschiedlichen Strukturen und Rationalitäten von Forschung und Lehre erfasst und schützt sie nur ungenügend. Insbesondere verkennt sie die Divergenz der telæ von Forschungs- und Lehrfreiheit und die spezifischen Funktionen freier Lehre,516 wenn sie allein oder primär auf das Erkenntnisstreben als wissenschaftliche Handlungsrationalität abstellt. Konsequenz ist eine nicht gerechtfertigte Verkürzung des Grundrechtsschutzes in Form der Identifikation der Lehre mit der Publizität der Wissenschaft.517 Das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit erweist sich in der Auslegung durch die Judikatur im Wesentlichen als Garantie freier Forschung. Das entspricht den Ergebnissen der semantischen Interpretation, die Forschung und Wissenschaft in ihrer Handlungsdimension als Zeichen mit weitestgehend identischen Intensionen gezeigt hat. Vernachlässigt wird dabei jedoch, dass Art. 5 Abs. 3 GG nicht allein die Freiheit von Wissenschaft und Forschung, sondern auch die Lehrfreiheit verspricht. Dass mit „Lehre“ assoziierte Tätigkeiten heute – anders als es diese Defizite vielleicht erwarten lassen – gleichwohl dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG zugeordnet werden, ist Konsequenz „großzügiger“ Subsumtion. So werden insbesondere die von Professoren an Hochschulen abgehaltenen Lehrveranstaltungen (auch) von der Rechtsprechung grundsätzlich und weitgehend unabhängig davon dem Schutz des Art. 5 Abs. 3 GG unterstellt, ob sie sich als Übermittlung eigener Forschungsergebnisse erweisen oder dem Prozess der Erkenntnisgewinnung zuzuordnen sind.518 2. Das Junktim von Forschung und Lehre als Konsequenz ihrer Wissenschaftlichkeit (herrschende Lehre) Im Gegensatz zur Rechtsprechung knüpft die herrschende Meinung in der Literatur ihre Bestimmung des Schutzbereichs von Art. 5 Abs. 3 GG nicht an eine Definition von „Wissenschaft“, sondern an Interpretationen von „For515
Siehe hierzu oben § 3. II. 2. a), b), d). S. o. § 3 IV. 517 Siehe zur Unterscheidung von Lehre und wissenschaftlichen Publikationen oben § 3 IV. 1. a). 518 Vgl. aus jüngerer Zeit etwa OVG Koblenz, DVBl. 1997, S. 1242 ff.; BVerfGE 93, 85, 97; BVerwGE 105, 73, 79 ff.; VGH Mannheim, DÖV 2003, S. 379, 380 f., die alle ohne weiteres davon ausgehen, dass Professoren bei ihren Lehrtätigkeiten an der Hochschule durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützt werden. 516
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schung“ und „Lehre“ i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG.519 Die Grundrechtsstruktur wird in Anlehnung an das Verhältnis dieser beiden Handlungsformen konzipiert. Da sie als Elemente der Wissenschaft verstanden werden und nur als solche grundrechtlichen Schutz genießen sollen,520 bilden Forschung und Lehre auch nach der in der Literatur ganz überwiegenden Auffassung ein einheitliches Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit. Ihre Zugehörigkeit zur Wissenschaft und die daraus abgeleitete Einheitlichkeit des Freiheitsrechts sind Ausgangspunkt und Grundlage der Interpretationen. Trotz der zweigliedrigen Bestimmung des Schutzbereichs ist die „Wissenschaft“ als Oberbegriff und qualifizierendes Kennzeichen daher Gegenstand intensiver Auseinandersetzungen.521 Angesichts der (mittelbaren) Auswirkungen des Wissenschaftsbegriffs auf die Definitionen von Forschung und Lehre i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG und die hier interessierenden strukturellen Konzeptionen des Grundrechts sei ihm ein kurzer Inkurs gewidmet. a) Der Wissenschaftsbegriff als Grundlage der Interpretation von Art. 5 Abs. 3 GG Anders als es die vielfach betonte Unmöglichkeit einer Definition erwarten lässt, besteht über die Merkmale der Wissenschaft im verfassungsrechtlichen Sinn ein (unausgesprochen) weitgehender Konsens.522 Er verbindet eine mate519 Vgl. etwa Köttgen, Freiheit der Wissenschaft, S. 296 ff.; Losch, Wissenschaftsschranken, S. 104; Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 331 ff.; Oppermann, Freiheit, Rn. 38 ff.; Kempen, Grundfragen, Rn. 6; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 30 ff. Anders aber Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 206 ff., dessen Kommentierung sich weitgehend an der Rspr. orientiert. 520 Besonders nachdrücklich wird dies für die Lehre betont, die nur „als wissenschaftliche“ schutzwürdig sein soll, vgl. insbes. Wehrhahn, Verfassungstreue, S. 12; Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 104; Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 339; Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 29. – Mit Forschung und Lehre sind die grundrechtlich geschützten wissenschaftlichen Handlungsformen nach h. M. in der Lit. abschließend benannt, so ausdrücklich etwa Köttgen, Freiheit der Wissenschaft, S. 296; Hauck/Lüthje, Mitbestimmung, S. 10 f.; Meusel, Außeruniversitäre Forschung, Rn. 151; Kempen, Grundfragen, Rn. 6. Daher wird Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG als „sprachlich missglückt“ bewertet und seine redaktionelle Neufassung als „Wissenschaftliche Forschung und wissenschaftliche Lehre sind frei.“ vorgeschlagen, vgl. etwa Wendt, in: v. M/K, GG, Art. 5 Rn. 100, und v. Münch, Staatsrecht, Rn. 427. A. A. aber Lüthje, in: Denninger, HRG, Vor § 3 Rn. 24, der neben Forschung und Lehre weitere „wissenschaftliche Handlungsformen“ wie bspw. die wissenschaftliche Kooperation und Organisation durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützt sieht. 521 Vgl. einführend etwa die Beiträge von Schrödter, Wissenschaftsfreiheit, S. 24 ff.; T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit, S. 21 ff.; Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 86 ff.; A. Blankenagel, Wissenschaftssoziologie, S. 38 ff., 48 ff.; Dickert, Forschungsfreiheit, S. 168 ff.; Losch, Wissenschaftsschranken, S. 104 ff.; Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 77 ff., oder Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 14 ff. Den Referenzpunkt der Diskussionen bilden i. d. R. die Definitionen, die das BVerfG im Hochschulurteil entwickelt hat, s. o. § 4 IV. 1.
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riale Bestimmung des Handlungsziels mit einer formalen Kennzeichnung der Handlungsweise. Als kognitives Ziel der wissenschaftlichen Tätigkeit benennt man die Erkenntniserweiterung, -bestätigung oder -falsifikation. Darüber hinaus werden heute, soweit ersichtlich, keine inhaltlichen Merkmale mehr zur Definition herangezogen.523 Trotz der von Philosophie und Soziologie seit langem erhobenen Zweifel an den Möglichkeiten der Wahrheitserkenntnis und insbesondere am Wahrheitsanspruch wissenschaftlicher Theorie524 wird jedoch nicht selten anstatt der Erkenntnis an sich, die Wahrheit als Ziel der Wissenschaft bestimmt.525 Die überdies bisweilen geforderte Beschränkung auf diejenige Er522 Die verbleibenden Meinungsverschiedenheiten betreffen in erster Linie die Bedeutung des Urteils der scientific community bzw. des Selbstverständnisses des einzelnen Wissenschaftlers bei der Anwendung von Art. 5 Abs. 3 GG. Die zu diesem Punkt von der h. L. entwickelten Positionen oszillieren zwischen der Befürwortung einer „autonomen“ Bestimmung der Wissenschaft, die nicht die Definition, wohl aber die Subsumtion dem Wissenschaftssystem überlässt (in diese Richtung z. B. Denninger, Bildungsreform, S. 62, 77; ders., in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 18; Pieroth, Störung, S. 122; Häberle, Freiheit der Wissenschaften, S. 357), und einer formalen, aber rein staatlichen Grundrechtsprüfung, die Definition und Subsumtion dem Staat vorbehält, so etwa Schrödter, Wissenschaftsfreiheit, S. 47 ff.; Dickert, Forschungsfreiheit, S. 176; mit Einschränkungen auch Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 323. Diese letzte Position entspricht der Auffassung der Rspr., ausdrücklich zuletzt BVerfGE 90, 1, 12 f. Vgl. zur staatlichen Definitionspflicht auch oben § 2 I. 1. m. w. N. 523 Einen „materialen (qualitativen) Wissenschaftsbegriff“ hat zuletzt 1977 Scholz gefordert, ders., in: M/D, GG, Art. 5 III Rn. 87, 91. Zuvor hatte sich insbes. Köttgen, Freiheit der Wissenschaft, S. 294, 295 ff., 301, für eine inhaltlich qualitative Definition der Wissenschaft ausgesprochen. Waechter, Fortschrittsvertrauen, S. 34, fordert zwar „die Wiederbelebung inhaltlicher zu Lasten rein formeller Auffassungen“; seine nachfolgende Schutzbereichsbegrenzung aber knüpft doch an formale Kriterien an. Vgl. zur Kritik an materialen Definitionen bspw. Schumacher, Wissenschaftsbegriff, S. 28 ff., und T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit, S. 22 ff. Zum entsprechenden Problem bei der Interpretation der Kunstfreiheit Knies, Schranken der Kunstfreiheit, S. 214 ff. 524 Zur Einführung Falkenburg, Wert der Wissenschaft, S. 24 ff. m. w. N. Vgl. aus der frühen deutschen Tradition etwa Mannheim, Soziologie des Wissens, und Fleck, Wissenschaftliche Tatsache; aus jüngerer Zeit v. a. Popper, Objektive Erkenntnis, Kapitel I, und Kuhn, Struktur wissenschaftlicher Revolutionen; noch weitergehend insbes. Feyerabend, Methodenzwang; Elkana, Erkenntnis, und Rorty, Kontingenz; vgl. ferner Knorr-Cetina, Erkenntnis, und zur konstruktivistischen Perspektive etwa Watzlawik, Wirklichkeit. Die daraus resultierenden Bedenken gegenüber einer grundrechtsdogmatischen Anknüpfung an den Wahrheitsbegriff formuliert Trute, Institutionalisierung, S. 113 f.; vgl. zu weiteren Vorbehalten Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 64. 525 In jüngerer Zeit etwa von Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 74, 79, 82 f.; Schulze-Fielitz, Freiheit der Wissenschaft, Rn. 2; Meusel, Außeruniversitäre Forschung, Rn. 151; Oppermann, Freiheit, Rn. 10; Jarass, in: J/P, GG, Art. 5 Rn. 121; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 17, 26; Kannengießer, in: S-B/ K, Art. 5 Rn. 30, und Thieme, Hochschulrecht, 2004, Rn. 110. Den Erkenntnissen der Wissenschaftstheorie und der Soziologie trägt man dann zumeist mit einer Relativierung des Wahrheitsbegriffes Rechnung, vgl. bspw. Pernice, a. a. O., Rn. 17 mit Fn. 46,
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kenntnissuche, die eine Einordnung ihrer Ergebnisse in ein übergeordnetes System anstrebt,526 hat sich angesichts der mit ihr verbundenen Beeinträchtigung des Wissenschaftspluralismus527 nicht durchzusetzen vermocht. Wesentliches Charakteristikum des wissenschaftlichen Arbeitsprozesses soll seine Anleitung durch eine (beliebig geartete) Methode sein,528 wobei die in den Reflexionsprozess eingebettete Intuition als zur Wissenschaft gehörig anerkannt und nur das reine Dafürhalten, fraglose Hinnehmen oder Glauben ausgegrenzt wird.529 Der mit der „Lehre“ assoziierte Prozess der Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte findet wie in der Rechtsprechung als Annex – als „Weitergabe“, „Ver-
Rn. 26: „ohne Anspruch auf objektive Wahrheit“, „eher als Plausibilität“; ähnlich Classen, a. a. O., S. 83; Schulze-Fielitz, ebd. 526 Hierfür z. B. Heldrich, Freiheit der Wissenschaft, S. 21; Püttner/Mittag, Kooperation zwischen Hochschule und Wirtschaft, S. 23; Dickert, Forschungsfreiheit, S. 223 f.; Mayen, Informationsanspruch, S. 103; Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 323; Thieme, Hochschulrecht, 2004, Rn. 110. P. Badura u. a., Universitätsreform, S. 9, werden hingegen wohl zu Unrecht für diese Position in Anspruch genommen, fordern sie doch nicht die Einordnung in ein System, sondern allein in einen Begründungszusammenhang. Damit heben sie auf die sich auch aus den Erfordernissen der „Planmäßigkeit“ bzw. der „methodischen Anleitung“ (vgl. unten Fn. 528, S. 156) ergebende Voraussetzung der Nachvollziehbarkeit eines wissenschaftlichen Prozesses, nicht aber auf den Systemcharakter wissenschaftlicher Erkenntnisse ab. Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 63, verlangt zwar die „Einordnung in ein größeres Ganzes“, versteht hierunter jedoch nicht die Integration in ein System von Erkenntnissen, sondern lediglich das In-Bezug-Setzen zum bisherigen Stand der Forschung bzw. das zumindest ansatzweise Auseinandersetzen mit Gegenpositionen. 527 So würden bspw. Ansätze, die den systematischen Charakter historischer Entwicklung grundsätzlich negieren, von vornherein aus dem Schutzbereich ausgegrenzt, vgl. Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 74 Fn. 11. 528 Vgl. nur Kirchhof, Verfasste Freiheit, S. 2; Dickert, Forschungsfreiheit, S. 224; Losch, Wissenschaftsschranken, S. 105; Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 78; Bleckmann, Staatsrecht II, S. 854 f.; v. Münch, Staatsrecht, Rn. 427; Thieme, Hochschulrecht, 2004, Rn. 110, 126. Eine „planmäßige“ Erkenntnissuche verlangen hingegen Schmitt Glaeser, Freiheit der Forschung, S. 116; Schulze-Fielitz, Freiheit der Wissenschaft, Rn. 2; Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 47, sowie Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 27. Von einer „systematischen“ Suche spricht T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit, S. 31. Die Erfordernisse „methodischen“, „planmäßigen“ oder „systematischen“ Arbeitens erweisen sich jedoch als Synonyme. 529 Deutlich Schmitt Glaeser, Freiheit der Forschung, S. 116; Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 78 f.; Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 63; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 27; zu den Schwierigkeiten der Wissenschaftsplanung angesichts der Intuition als integralem Bestandteil der Forschung Schmidt-Aßmann, Wissenschaftsplanung, S. 663 f. – Zur Bedeutung der Intuition für die Erkenntnisgewinnung aus soziologischer Perspektive etwa M. Weber, Wissenschaft als Beruf, S. 589 ff.; Patzelt, Forschungslogik, S. 317, der zudem das Zufallselement betont, und umfassend Klages, Rationalität; skeptisch Herzog, Muße, S. 462.
§ 4 Die strukturellen Konzeptionen des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG
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breitung“ oder „kommunikative Vermittlung“ der gewonnenen Erkenntnisse – Berücksichtigung.530 b) Die Binnenstruktur der Wissenschaftsfreiheitsgarantie Ausgehend von diesem Verständnis der Wissenschaft konzipiert man das Verhältnis von Forschung und Lehre und damit die Binnenstruktur des einheitlichen Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit. Überwiegend sieht man allein die Wissenschaftlichkeit der Lehre durch ihre personelle Anbindung an die Forschung bedingt. Demgegenüber geht eine kleinere Zahl von Autoren von einer wechselseitigen Dependenz der beiden Handlungsformen als Voraussetzung ihrer Wissenschaftlichkeit und damit als Bedingung ihrer Schutzwürdigkeit aus. Weitgehend unabhängig von der Entscheidung über das Erfordernis eines Junktims in der Person des Grundrechtsträgers beurteilt man die Garantie der institutionellen Verbindung von Forschung und Lehre. aa) Zwischen Forschung und Lehre besteht ein doppeltes Junktim Auf eine wechselseitige Dependenz von Forschung und Lehre i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG schließt man aus der Identifikation der Lehre mit der Kommunikation zwischen Forschern sowie aus der Struktur des Wissenschaftssystems. (1) Die Lehre als Bedingung und Konsequenz der Forschung Versteht man wie Helmut Ridder/Ekkehart Stein als Lehre i. S. d. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG die Kommunikation der Forscher untereinander und die Verbreitung der Forschungsergebnisse innerhalb der Wissenschaftlergemeinschaft,531 so ist nicht nur die Bedingtheit der Lehre durch die Forschung offensichtlich. Auch die Abhängigkeit der Forschung von der Lehre liegt auf der Hand: „Forschung ohne Lehre wäre in doppeltem Sinne Leerlauf: Sie müsste längst Erforschtes ständig neu erarbeiten und könnte es doch nicht für die Mitund Nachwelt verwerten“532. Zwischen Forschung und Lehre besteht demnach ein doppeltes Junktim. In dieser Verbindung machen sie die Wissenschaft aus. Die „externe“ Lehre hingegen, also das Lehren von Forschern für Lernende, 530 Vgl. etwa Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 III Rn. 101: „kommunikative Vermittlung“ von „Erkenntnissen sachbezogen-objektiver Wahrheit“; T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit, S. 31: „Weitergabe“ von „Aussagen über die Wahrheit von Aussagen“; Schulze-Fielitz, Freiheit der Wissenschaft, Rn. 3: „Verbreitung“ des Forschungsergebnisses; Jarass, in: J/P, GG, Art. 5 Rn. 121: „wechselseitige Kommunikation und Publizität“. 531 Ridder/Stein, Schutz von Staatsgeheimnissen, S. 363. 532 Ridder/Stein, Schutz von Staatsgeheimnissen, S. 363.
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rückt nach Ansicht von Ridder/Stein als ,wissenschaftlich inaktiv‘ „immer deutlicher vom spezifischen Grundrechtsbereich der Wissenschaftsfreiheit ab“533. Zu einem ähnlichen Bedingungsverhältnis gelangt Ulrich Wussow, indem er die Forschung als auf die Veröffentlichung, also auf die Lehre, angelegtes Erkenntnisstreben versteht.534 Als „Lehre“ i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG anerkennt er dabei auch die Vermittlung von Forschungsergebnissen an Lernende,535 als Forschungshandlung auch die wertende Zusammenstellung fremder Forschungsergebnisse für die Lehre.536 (2) Die Verpflichtung des Forschers zur Lehre als Folge der Strukturen des Wissenschaftssystems Als Spielart dieser Konzeptionen stellt sich die von Thomas Dickert in seiner Dissertation ausgearbeitete These dar, wonach Forschungsaktivitäten nur dann und insoweit den Schutz des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG verdienen, wie ihre Ergebnisse der Diskussion und Kritik der scientific community und einer interessierten Öffentlichkeit in engem zeitlichen Zusammenhang zur Erkenntnis zugänglich gemacht werden oder doch wenigstens die Bereitschaft hierzu besteht.537 Wie Wussow so begreift auch Dickert „Lehre“ als die Einführung eigener wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Systeme wissenschaftsvermittelnder Kommunikation, wobei auch systematische und selektive Zusammenstellungen des Lehrstoffes als Ergebnisse in diesem Sinne verstanden werden sollen.538 Anders als bei Wussow und Ridder/Stein bildet den Hintergrund des doppelten Junktims bei Dickert jedoch nicht in erster Linie die funktionale Abhängigkeit der Forschungs- bzw. Lehrtätigkeit von der Freiheitlichkeit der jeweils anderen wissenschaftlichen Handlungsform, sondern die Bedingung der Wissenschaft als soziales System durch die Publikation und Diskussion von Forschungsergebnissen, also die dialogische Struktur der Wissenschaft.539 Erst die Veröffentlichung eröffne der scientific community die Möglichkeit, die gefundenen Ergebnisse zu überprüfen, zu verwerfen oder weiterzuführen, und die wissenschaftliche Entwicklung damit voranzutreiben. In der demokratischen Gesellschaft müsse Wissenschaft überdies der öffentlichen Kontrolle unterworfen sein. Aus diesen 533
Ridder/Stein, Schutz von Staatsgeheimnissen, S. 363. Wussow, Einheit, S. 6 f.; krit. hierzu Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 94 f. 535 Wussow, Einheit, S. 5 f. 536 Wussow, Einheit, S. 5. 537 Dickert, Forschungsfreiheit, S. 271, 288, 294; ähnlich jetzt M. Blankenagel, Information und Geheimhaltung, S. 78 f., 88 ff.; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 28. 538 Dickert, Forschungsfreiheit, S. 288 ff. 539 Dickert, Forschungsfreiheit, S. 270 f.; krit. Trute, Institutionalisierung, S. 137 f., der hierin die Hypostase eines bestimmten Typus von Wissenschaft erblickt. 534
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strukturellen Voraussetzungen schließt Dickert auf die Notwendigkeit einer wechselseitigen Verknüpfung von Forschung und Lehre. Da eine von der Lehre losgelöste Forschungshandlung nicht zu Fortbestand und Entwicklung der Wissenschaft beitrage, genieße sie nicht den Schutz des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG.540 Ein Forschungsinstitut, das seine Ergebnisse nicht zu veröffentlichen plant, werde daher in seiner Tätigkeit allein durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt.541 In Ansatz und Ergebnis stimmt die Interpretation der Wissenschaftsfreiheitsgarantie von Alexander Blankenagel mit der Dickerts überein. Auch für ihn folgt die wechselseitige Abhängigkeit von Forschung und Lehre aus der Struktur und dem „Funktionsmodus“ freier Wissenschaft.542 Auch er betrachtet das doppelte Junktim „zumindest in bestimmtem erheblichen Umfang“ als Voraussetzung und damit konstitutives Element von Wissenschaft.543 Seine Begründung unter Rückgriff auf die Ergebnisse der Wissenschaftssoziologie und einen daraus abgeleiteten „primär sozialbezogen[en] und erst in zweiter Linie kognitiv[en]“ Wissenschaftsbegriff544 geht dabei jedoch einen anderen Weg. Aus Sicht Blankenagels hat die Wissenschaftssoziologie zwei Charakteristika als Bedingungen freier Wissenschaft und folglich als durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG geschützt nachgewiesen, aus denen sich die Notwendigkeit der Einheit von Forschung und Lehre ergibt: Zum einen gingen alle Theorien ausgesprochen oder unausgesprochen davon aus, dass sich die Wissenschaftsentwicklung äußerlich durch Schulenbildung vollziehe. Diese aber werde vor allem durch das Junktim von Forschung und Lehre ermöglicht und gewährleistet.545 Zum anderen sei aller fundamentalen Kritik zum Trotz weiterhin die normative Gültigkeit der von Robert K. Merton entwickelten vier grundlegenden, zunächst rein so540 Dickert, Forschungsfreiheit, S. 291 ff.: „kein Recht auf Schweigen“ (S. 291); für den Hochschullehrer, nicht aber den Industrieforscher zustimmend Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 74. Nicht mit der Lehre verbundene Forschung stellt für Dickert denn auch nicht wie für Ridder/Stein einen „Leerlauf“ dar. Doch ist eine sich nicht in die dialogische Struktur der Wissenschaft einfügende oder dies jedenfalls beabsichtigende Forschungshandlung seiner Ansicht nach nicht schutzwürdig i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG. 541 Dickert, Forschungsfreiheit, S. 273, 289 f., 294. Weiterhin wäre wohl an den Schutz durch Art. 12 Abs. 1 GG zu denken, auf den Dickert jedoch nicht eingeht. 542 A. Blankenagel, Wissenschaftssoziologie, S. 48, sowie S. 47 ff., S. 67 ff. 543 A. Blankenagel, Wissenschaftssoziologie, S. 68 f., 70 ff. 544 A. Blankenagel, Wissenschaftssoziologie, S. 48; ebenso ders., Freiheit und Verantwortung, S. 144. Als „kognitiv“ bezeichnet Blankenagel einen Wissenschaftsbegriff, der – wie jener der h. M. – die Tätigkeiten der Wissenschaftler zum Anknüpfungspunkt wählt, ders., Freiheit und Verantwortung, S. 144; ein „sozialer“ Begriff hingegen bestimmt die Wissenschaft mit Hilfe der Wissenschaftssoziologie primär bereichsbezogen, beschreibt also die Strukturen des Wissenschaftssystems, ders., Wissenschaftssoziologie, S. 48; ders., Freiheit und Verantwortung, S. 144. 545 A. Blankenagel, Wissenschaftssoziologie, S. 68 f. Vgl. zur Bedeutung der Schulenbildung für die Wissenschaft etwa Ben-David, Scientist’s Role, S. 164, und Crane, Invisible Colleges, S. 35 ff.; grds. a. A. etwa Schelsky, Einsamkeit und Freiheit, S. 258.
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ziologisch zu verstehenden Normen des Sozialsystems Wissenschaft546 anzuerkennen. Diese seien daher in den verfassungsrechtlichen Wissenschaftsbegriff zu übernehmen.547 Der Grad der Erfüllung dieser Normen soll über die Zugehörigkeit einer Handlung zum Sozialsystem Wissenschaft und damit über den durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG vermittelten Schutz entscheiden.548 Aus der Norm des Kommunalismus549 folgt die Verpflichtung des Wissenschaftlers, seine Forschungsergebnisse frei zugänglich zu machen,550 und damit die notwendige Bindung derjenigen Forschung, die wissenschaftliche sein will, an die Lehre.551 (3) Kritik – Die Zweifel an der Begrenzung des Grundrechtsschutzes auf die „wissenschaftlich aktive“ Lehre Gegenüber der Ableitung der Schutzbereichsdefinition aus soziologischen Erkenntnissen über die Wissenschaft als soziales System, die Blankenagel vor546 Siehe Merton, Wissenschaft und demokratische Sozialstruktur, S. 45 ff.; ders., Normative Struktur, S. 90 ff. Die grundlegenden Normen wissenschaftlichen Handelns sind danach: Universalismus (Internationalität der Wissenschaft; Wahrheit und Wert einer Aussage gelten unabhängig von ihrem Autor); Kommunismus (Gebot der freien und nicht diskriminierenden Mitteilung der Forschungsergebnisse); Desinteressiertheit (Verbot, aus den Forschungsergebnissen in irgendeiner Weise zu profitieren); organisierter Skeptizismus (Gebot der eigenverantwortlichen Überprüfung jener Forschungsergebnisse, die der eigenen Arbeit zugrunde gelegt werden). 547 A. Blankenagel, Wissenschaftssoziologie, S. 61 ff., 69 f.; als Alternative zur verfassungsgerichtlichen Begriffsdefinition anerkennt auch Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 65, Mertons Beschreibung von Wissenschaft. Blankenagels Untersuchung der Funktionsmechanismen von Wissenschaft beschränkt sich nicht auf eine Auseinandersetzung mit der Theorie Mertons. Die Theorien Kuhns (vgl. ders., Struktur wissenschaftlicher Revolutionen) und Toulmins (vgl. ders., Human Understanding, insbes. S. 323, 329 f.) zur Wissenschaftsentwicklung finden ebenso Berücksichtigung wie auf Parsons AGIL-Schema aufbauende systemtheoretische Analysen (insbes. Bühl, Wissenschaftssoziologie, S. 65 ff.) und Analysen des faktischen Funktionsmodus der Wissenschaft als Markt- oder Tauschmodell, vgl. A. Blankenagel, Wissenschaftssoziologie, S. 56 ff. Maßgebliches Gewicht erhält bei der Definition der Wissenschaft i. S. d. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG aber letztlich lediglich die Theorie Mertons. Krit. zu dieser Auswahl etwa Trute, Institutionalisierung, S. 73. 548 A. Blankenagel, Freiheit und Verantwortung, S. 145 f. 549 Merton selbst spricht nicht vom „Kommunalismus“, sondern bezeichnet das Gebot der „Vergemeinschaftung“ wissenschaftlicher Erkenntnisse als „Kommunismus“, vgl. ders., Normative Struktur, S. 93. Hier soll gleichwohl der zur Kennzeichnung der mertonschen Norm mittlerweile gebräuchliche Begriff des Kommunalismus (vgl. etwa A. Blankenagel, Wissenschaftssoziologie, S. 63; Dickert, Forschungsfreiheit, S. 278; Trute, Institutionalisierung, S. 73) verwendet werden. 550 Merton, Wissenschaft und demokratische Sozialstruktur, S. 51 f. 551 Der Schutz des Industriewissenschaftlers durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG etwa ist daher für Blankenagel zweifelhaft, da dieser infolge der Geheimhaltungsinteressen des ihn finanzierenden Wirtschaftsunternehmens voraussichtlich die Norm des Kommunalismus verletzen und zudem mit dem Gebot der Desinteressiertheit in Konflikt geraten wird, A. Blankenagel, Wissenschaftssoziologie, S. 71 Fn. 179; ders., Freiheit und Verantwortung, S. 146,
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schlägt und von der auch Dickert ein Stück weit ausgeht, bestehen prinzipiell Bedenken. Denn sie lässt den Selbstdefinitions- und Veränderungsprozessen der Wissenschaft und vor allem des einzelnen Wissenschaftlers kaum Raum. Sie baut auf den zu einem bestimmten Zeitpunkt gemachten Beobachtungen auf und perpetuiert mit deren Erhebung zur verfassungsrechtlichen Kategorie eine Momentaufnahme. Damit bindet sie den einzelnen Wissenschaftler an das bestehende System und wirkt mithin innovationsfeindlich.552 Neben diese grundsätzlichen Zweifel an einer systembezogenen soziologischen Bestimmung des Wissenschaftsbegriffs tritt die bereits vielerorts ausgeführte Kritik an der Beschreibung wissenschaftlichen Erkenntnisstrebens speziell durch die mertonschen Normen.553 Diese charakterisieren die Funktionsweise der akademischen Grundlagenforschung,554 welche heute jedoch nur mehr einen von vielen Forschungstypen darstellt, die alle zur Erweiterung wissenschaftlicher Erkenntnisse beitragen. Räumte man Mertons Normen verfassungsrechtlichen Status ein, so wäre damit also nicht nur ein Rückschritt zum überkommenen universitätszentrierten Wissenschaftsbild verbunden, sondern zugleich eine ungerechtfertigte Verkürzung des verfassungsrechtlichen Schutzes. Dem Schluss aus der Norm des Kommunalismus auf ein doppeltes Junktim schließlich liegt die Annahme zugrunde, dass der verfassungsrechtliche Schutz von Art. 5 Abs. 3 GG auf die „wissenschaftlich aktive“ Lehre begrenzt und die Lehre mit der Publikation eigener Forschungsergebnisse zu identifizieren ist. Auf dieser Grundlage beruhen im Wesentlichen auch die Konzeptionen von Ridder/Stein, Wussow und Dickert. Ridder/Stein gehen (zutreffend) davon aus, dass sich das Lehren für Lernende deutlich und in zunehmendem Maße von der Kommunikation zwischen Forschern unterscheidet. Dass Art. 5 Abs. 3 GG allein Letztere als freiheitlich gewährleistet, ergibt sich ihrer Ansicht nach aus dem Gebot der Einheit von Forschung und Lehre, welches sie aus dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ableiten. Dass die ambivalente sprachliche Fassung eine derart eindeutige Schlussfolgerung nicht erlaubt, hat die Wortlautanalyse jedoch gezeigt.555 Dickert geht mit Recht davon aus, dass Wissenschaft und Forschung heute auf die Publikation von Forschungsergebnissen angewiesen sind. Im Grundsatz zutreffend schließt er aus der funktionalen Bedingtheit einer grundrechtlichen 552 Mit Recht krit. Trute, Institutionalisierung, S. 73, 75. Obwohl auch Trutes Interpretation wesentlich auf den Strukturen des Wissenschaftssystems aufbaut, erweist sie sich angesichts des Vorrangs der Handlungs- vor der Strukturebene (s. o. § 4 III.), der in Blankenagels Konzeption keine Entsprechung findet, doch als deutlich entwicklungsoffener. 553 Ausführlich Spinner, Methode, S. 85 ff.; des Weiteren statt vieler Barnes/Dolby, Ethos, S. 267 ff.; Mulkay, Wissenschaftsentwicklung, S. 48 ff. 554 Vgl. Barnes/Dolby, Ethos, S. 266; Zuckermann, Sociology of Science, S. 519 f. 555 S. o. § 3 I. 1.
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Tätigkeit auf die Begrenzung des Schutzbereichs. Die Notwendigkeit einer wechselseitigen Verbindung von Forschung und Lehre i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG kann er hieraus jedoch nur ableiten, indem er die Lehre als Bestandteil der Wissenschaft begreift und mit der Publikation von Forschungsergebnissen identifiziert. „Lehre“ und „Lehrfreiheit“ verweisen jedoch nicht, jedenfalls nicht länger ausschließlich auf die Diskurse innerhalb des Wissenschaftssystems. Ihre Funktion ist nicht (mehr) die Gewährleistung der Publizität der Wissenschaft.556 Die Abhängigkeit der Forschung und des wissenschaftlichen Fortschritts von der freien Veröffentlichung der Forschungsergebnisse mag also zwar den Schutzbereich von Wissenschafts- und Forschungsfreiheit einschränken: Aus der Norm des Kommunalismus und der Abhängigkeit der Wissenschaftsentwicklung von der Schulenbildung könnte die Publikationsverpflichtung als eine die Forschungsfreiheit begrenzende Bedingung folgen; die Abhängigkeit der scientific community von der Veröffentlichung und Diskussion der Forschungsergebnissen mag es rechtfertigen, den grundrechtlichen Schutz des Forschers von seiner Bereitschaft zur Veröffentlichung neuer Erkenntnisse abhängig zu machen. Eine notwendige Verbindung der Forschung zur Lehre folgt hieraus jedoch nicht. Die von Wussow und Dickert „zur Rettung“ der Identifikation der Lehre mit der Publizität der Wissenschaft vorgeschlagene Erweiterung des Forschungsbegriffes557 um die Zusammenstellung wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Zwecke der Lehre trägt zwar der Entkoppelung von Lehr- und Forschungsdiskurs Rechnung. Sie verdunkelt jedoch die Rationalität einer Forschungshandlung, welche die grundrechtliche Dogmatik prägen muss. Denn diese besteht nicht in der Ausrichtung am Kommunikationsprozess zwischen Lehrenden und Lernenden, sondern im steten Bezug auf die Erweiterung wissenschaftlichen Wissens. Dieser inneren Logik folgt die Zusammenstellung von Forschungsergebnissen nur, wenn und soweit sie mit einer eigenen Systembildung verbunden ist. In diesem Falle aber wird ihre Veröffentlichung regelmäßig nicht an die Lernenden, sondern an andere Forscher adressiert,558 mithin nicht als Vorbereitung von Lehre zu qualifizieren sein. bb) Zwischen Forschung und Lehre besteht ein einseitiges Junktim Die Zugehörigkeit der „Lehre“ i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG zur Wissenschaft ist Ausgangspunkt, nicht Ergebnis, auch jener von Vertretern der herrschenden Meinung entwickelten Konzeptionen, welche die Lehre durch ein einseitiges 556
S. o. § 3 I. 2. c) bb) und § 3 IV. 1. a). Zu dieser dem Erhalt der Einheit von Forschung und Lehre dienenden „Technik“ ausführlich sogleich § 4 IV. 2. b) bb) (1). 558 So auch Möllers/Voßkuhle, Staatsrechtswissenschaft, S. 326. 557
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Junktim an die Forschung gebunden sehen, den Grundrechtsschutz des Forschers also nicht von seiner Lehrtätigkeit abhängig machen. Sie sind sich der Sache nach einig, dass als wissenschaftliche Lehre „eigentlich“ nur die Verkündung eigener Forschungsergebnisse anzuerkennen wäre.559 Behielte man die Bewertung als „wissenschaftlich“ jedoch tatsächlich jenen (schriftlichen oder mündlichen) Publikationen vor, in denen (einzig oder überwiegend) die in eigener Forschung gewonnenen Erkenntnisse vorgestellt werden, so würde der Schutzbereich der Lehrfreiheit nur mehr einen sehr kleinen Ausschnitt jener Lebensbereiche erfassen, die die Vertreter der h. L. selbst als schutzwürdig erachten.560 Vor allem ein Großteil der Lehrveranstaltungen an Universitäten würde nicht mehr durch die Lehrfreiheit geschützt, obwohl die Hochschulen nach allgemeiner Ansicht weiterhin den zentralen Anwendungsbereich des Grundrechts bilden bzw. bilden sollen.561 Daher geht man übereinstimmend davon aus, dass das Junktim zwischen Lehre und Forschung gelockert und die Wissenschaftlichkeit der Lehre neu definiert werden müssen.562 Uneinigkeit besteht jedoch hinsichtlich der Realisierung dieser Vorgabe.563 (1) Die erweiternde Auslegung des Forschungsbegriffs Zum Teil erweitert man den Forschungsbegriff und anerkennt auch die wertende, kritische und methodisch angeleitete Zusammenstellung von fremden Forschungsergebnissen als Basis wissenschaftlicher Lehre.564 Damit bleibt bei 559 Bes. deutlich Knemeyer, Lehrfreiheit, S. 35 ff.; Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 103; Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 29; Oppermann, Freiheit, Rn. 30; in der Sache ebenso Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 104; Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 75; Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 328. 560 Offenkundig bei Knemeyer, Lehrfreiheit, S. 35 ff.; Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 103; Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 30, und Oppermann, Freiheit, Rn. 30. 561 So ausdrücklich Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 108; Starck, in: v. M/ K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 329; Oppermann, Freiheit, Rn. 38. 562 Nur selten werden diese dogmatischen Erfordernisse jedoch ausdrücklich auf Veränderungen des Normbereichs zurückgeführt, explizit aber Knemeyer, Lehrfreiheit, S. 35 f., und Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 97 f. 563 Ihrem gemeinsamen Anlass und Ziel entsprechend führen die unterschiedlichen Ansätze überwiegend zu vergleichbaren, nicht selten übereinstimmenden Ergebnissen, insbes. für den universitären Bereich: Hochschullehrer sind danach bei ihren Forschungs- bzw. Lehrtätigkeiten umfassend geschützt, gleiches gilt für Privatdozenten und Lehrbeauftragte; die von wissenschaftlichen Assistenten oder Angestellten angebotenen Lehrveranstaltungen hingegen werden grds. nicht als „Lehre“ i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG anerkannt, vgl. statt aller Knemeyer, Lehrfreiheit, S. 42 ff.; Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 30 f.; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 33. Uneinigkeit besteht insbes. hinsichtlich des Schutzes der Lehre an allgemeinbildenden Schulen, vgl. hierzu die Nw. oben in Fn. 343, S. 112. 564 So als erster F. Klein, in: v. Mangoldt/Klein, GG, 1957, Art. 5 Anm. X.4.a; ebenso jetzt Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 76; Bleckmann, Staatsrecht II, S. 852;
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1. Teil: Der Abschied von der Wissenschaftsfreiheit
formal-begrifflicher Betrachtung eine sachlich-inhaltliche Verknüpfung von Forschung und Lehre gewährleistet, das Junktim aber wird dennoch gelockert. Insofern behält zum einen die bereits gegenüber den in diesem Punkt vergleichbaren Interpretationen von Wussow und Dickert geäußerte Kritik ihre Berechtigung: Es wird das bislang zentrale Charakteristikum der Forschung geopfert, die Intention der Erkenntniserweiterung.565 Diese wird einer Zusammenstellung wissenschaftlichen Wissens nur zugrunde liegen, wenn und soweit sie eine eigenständige Systematisierung erarbeitet. Der Ergebnisorientierung der Argumentation ist überdies die Einheitlichkeit der Interpretation erlegen. Denn soweit ersichtlich, soll die Forschungsfreiheit auch weiterhin prinzipiell nicht den Überblick über fremde Forschungsergebnisse erfassen, wenn dieser nicht mit dem primären Ziel der (evtl. späteren, darauf aufbauenden) Erkenntniserweiterung erstellt wurde. Es variiert also der Begriff der Forschung i. S. d. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG je nachdem, ob er zur Umschreibung des Schutzbereichs der Forschungsfreiheit oder im Rahmen einer Entscheidung über die Wissenschaftlichkeit der Lehre Anwendung findet. (2) Die Verknüpfung von Forschung und Lehre in der Person des Lehrenden Mehrheitlich sucht man eine Erweiterung des Schutzbereichs denn auch nicht mittels einer Variation des Forschungsbegriffs zu erreichen. Vielmehr verzichtet man gänzlich auf eine inhaltliche Verknüpfung der einzelnen Lehrbeiträge mit der Forschung. Stattdessen sollen der kontinuierliche Kontakt des Lehrenden zur Forschung und seine Einbindung in wissenschaftliche Zusammenhänge als Beleg für die Wissenschaftlichkeit seiner Lehre ausreichen.566 Ob in den einzelnen Lehrveranstaltungen eigene oder fremde Forschungsergebnisse vermittelt Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 29, und Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 83, der jedoch als zusätzliche notwendige Voraussetzung die Absicht, zum eigenen kritischen wissenschaftlichen Denken anzuleiten, benennt; im Rahmen ihrer Forderung eines doppelten Junktims, wie gesehen (s. o. § 4 IV. 2. b) aa) [1], [2]), auch Wussow, Einheit, S. 6, und Dickert, Forschungsfreiheit, S. 290. 565 S. o. § 4 IV. 2. b) aa) (3). Eine Interpretation des erweiterten Forschungsbegriffs, wonach auch dieser allein die mit der Absicht der Erkenntniserweiterung erstellten Übersichten und Einführungen erfasst, wäre sinnwidrig. Denn Anlass der gesonderten Bestimmung eines für die Wissenschaftlichkeit der Lehre relevanten Forschungsbegriffes war gerade das Bestreben, jene große Gruppe von Veranstaltungen in den Schutzbereich einzubeziehen, in denen „lediglich“ fremde Erkenntnisse übermittelt werden. 566 Eingehend Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 103 f.; ebenso Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 328; wohl auch K. Hesse, Grundzüge, Rn. 402; Kempen, Grundfragen, Rn. 64, 86; thesenhaft Losch, Wissenschaftsschranken, S. 55, 119; mit Einschränkungen Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 32.
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werden, bleibt dann ohne Einfluss auf den Grundrechtsschutz. Die ursprünglich sachliche Anbindung der Lehre an die Forschung wird hiermit durch eine personale ersetzt, von der man freilich mittelbar auch eine inhaltliche Verknüpfung erwartet. Zum Teil wird dieses einseitige personale Junktim formalisiert und beispielsweise jede von einem Professor an einer wissenschaftlichen Hochschule abgehaltene Lehrveranstaltung als wissenschaftliche Lehre i. S. d. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG qualifiziert.567 Auf diese Weise sollen die mit einer Differenzierung nach materiellen Kriterien verbundenen praktischen Schwierigkeiten umgangen werden,568 und es soll den Gefahren für die Wissenschaftskommunikation vorgebeugt werden, die jede Beeinträchtigung eines freien akademischen Unterrichts birgt. Die Bindung des Grundrechtsschutzes an formale Kriterien wie den Typus der Bildungseinrichtung oder die Erteilung der Lehrbefugnis überantwortet dem einfachen Gesetzgeber freilich eine verfassungsrechtlich bedenkliche Verfügungsmacht über den Geltungsbereich der Lehrfreiheit.569 Daher spricht man dem Hochschullehrer heute überwiegend lediglich eine Leitbildfunktion zu und 567 Ausdrücklich zuerst Knemeyer, Lehrfreiheit, S. 35 ff., 42 ff.; andeutungsweise zuvor schon Kimminich, Rechtsstellung der Studenten, S. 683; anschließend T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit, S. 33 f.; Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 105; ähnlich zuletzt Oppermann, Freiheit, Rn. 30, 38; unausgesprochen wohl auch schon Thoma, Lehrfreiheit, S. 11 f.; Schrödter, Wissenschaftsfreiheit des Beamten, S. 63 ff., der ebenfalls eine formale Betrachtung wählt, unterscheidet demgegenüber zwischen der Lehre an Hochschulen und Fachhochschulen einerseits und an Verwaltungsschulen andererseits. Zutreffende Kritik insoweit von Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 95 ff. Eine formale Qualifikation als Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Wissenschaftsfreiheit verlangen Kirchhof, „Mittelbares“ Einwirken, S. 221 f., und i. Erg. auch Murswiek, Grundrechtsdogmatische Fragen, S. 661; krit. hierzu Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 108. 568 Da die Hochschullehrereigenschaft vom BVerfG nach materiellen Kriterien bestimmt wird (grundlegend auch insoweit BVerfGE 35, 79, 118, 133 f., seither st. Rspr., vgl. BVerfGE 39, 247, 255 f.; 43, 242, 269; 88, 129, 137, sowie BVerwGE 100, 347, 351; aktuell stellt sich insofern insbes. die Frage, ob der „Juniorprofessor“ als Hochschullehrer zu qualifizieren ist, verneinend Epping, Konstruktionsprobleme, S. 283 ff.; a. A. Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 [Wissenschaftsfreiheit] Rn. 198), versteht Schulz-Prießnitz auch eine auf die Tätigkeit als Hochschullehrer abstellende Definition als materielle, dies., Einheit, S. 100 Fn. 47. Hierbei würde es sich um einen zutreffenden Einwand handeln, stellten die Vertreter eines formalisierten Qualifikationszusammenhanges i. Erg. auf die vom BVerfG entwickelten materiellen Kriterien ab. Dann wäre die Formalisierung mittels des Hochschullehrerbegriffes tatsächlich nur eine scheinbare. Dass dies indes nicht der Fall ist, wird besonders deutlich bei Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 105, der an die Erteilung einer Lehrbefugnis, die Berufung als Hochschullehrer oder die Erteilung eines Lehrauftrages anknüpft, und bei Schrödter, Wissenschaftsfreiheit, S. 63 ff., der nach den formalen Typen von Bildungseinrichtungen differenziert. Überdies kann von einer „formalisierten Betrachtung“ insoweit gesprochen werden, als nicht mehr auf den Einzelfall abgestellt wird, es also nicht mehr entscheidend ist, inwieweit tatsächlich kontinuierlicher Kontakt zur Forschung besteht.
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1. Teil: Der Abschied von der Wissenschaftsfreiheit
beurteilt die Wissenschaftlichkeit der Lehre unabhängig von der institutionellen Einbindung des Lehrenden.570 Maßgeblich sollen allein seine aufgrund der eigenen Forschungsleistungen in der Vergangenheit vermutete Fähigkeit, wissenschaftliche Erkenntnisse erläuternd darzustellen, und die Annahme sein, dass in diese Darstellungen in der Regel auch eigene Forschungserfahrungen einfließen werden. Alternativ wird die Notwendigkeit der Verknüpfung von Forschung und Lehre in der Person des Lehrenden unter Hinweis auf die Aufgabe der Lehre, zu wissenschaftlichem Denken und Arbeiten anzuleiten und insbesondere den wissenschaftlichen Nachwuchs auszubilden, begründet.571 Allein die selbst forschende Persönlichkeit sei hierzu in der Lage, nur ihre Lehre könne daher zum Bestand der Wissenschaft beitragen und sich damit als Element der Wissenschaft erweisen. (3) Kritik – Die Zweifel an der Begründung und den Konsequenzen eines einseitigen Junktims Die zuletzt genannte funktionale Begründung eines einseitigen Junktims verdient im Prinzip Zustimmung. Sollte allein die eigene Forschungstätigkeit eine Lehre ermöglichen, welche mit Blick auf die telæ der Lehrfreiheit schutzwürdig ist, so wäre die grundrechtliche Freiheitsgarantie auf den selbst forschenden Lehrer zu begrenzen. Diesen Bedingungszusammenhang aber gilt es für die gewandelten Funktionen der Lehrfreiheit noch zu untersuchen.572 Die Schutzwürdigkeit des nicht selbst forschenden Lehrers wird dabei freilich für jeden einzelnen telos gesondert zu prüfen sein. Denn nur wenn seine Lehrtätigkeit keine der Funktionen grundrechtlich geschützter Lehre zu erfüllen vermag, kann die mit einer Qualifizierung des persönlichen Schutzbereichs verbundene Verkürzung des Grundrechtsschutzes gerechtfertigt sein. Die Anforderungen, welche die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses stellt, erfordern jedenfalls kein Junktim. Denn die Anleitung zur Forschung gehört zu den Aufgaben der Forschung, die Gewährleistung ihrer Freiheitlichkeit zu den telæ der Forschungsfreiheit. 569 Vgl. zur Prägung der Freiheitsrechte durch den einfachen Gesetzgeber aber oben Fn. 62, S. 48. 570 Vgl. statt vieler Schulze-Fielitz, Freiheit der Wissenschaft, Rn. 5; Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 76; Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 328; Denninger, in: ders. u. a., Art. 5 Abs. 3 I Rn. 27; Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 108. 571 Siehe etwa K. Hesse, Grundzüge, Rn. 402; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 32, und Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 104, 125 ff., die jedoch nicht nur die Ausbildung von Nachwuchsforschern, sondern auch die akademische Berufsausbildung und allgemein die Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte durch den kontinuierlichen Kontakt des Lehrenden zur Forschung bedingt sieht. Hiergegen ausführlich unten § 6 I. 1. 572 S. u. § 6.
§ 4 Die strukturellen Konzeptionen des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG
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Soweit die Konzeptionen eines einseitigen Junktims auf der Annahme aufbauen, Lehre sei lediglich als Teil der Wissenschaft schutzwürdig i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG, gilt das oben zu den entsprechenden Begründungen einer wechselseitigen Bedingtheit Ausgeführte: Sie gründen auf einer Hypothese, die vor dem Hintergrund der gewonnenen Interpretationsergebnisse nicht haltbar ist. Gegenüber einem einseitigen Junktim, welches lediglich eine personale Verbindung verlangt, bestehen jedoch auch unabhängig von seiner Begründung erhebliche Bedenken, denn es hätte eine vollständige inhaltliche Freistellung der Lehre i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG zur Konsequenz. Eine Abgrenzung von Meinungsäußerungen oder politischen Aktivitäten des Forschenden wäre kaum mehr möglich. Insbesondere die engen historischen Verbindungen zwischen Lehre und Wissenschaft, verstanden als Gesamtheit der Erkenntnisse, und die Tatsache, dass die Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte – unabhängig von den Veränderungen des Adressatenkreises und der Zielrichtung – auch heute noch zu den wesentlichen Kennzeichen des Normbereichs der Lehrfreiheit gehört, sprechen gegen eine umfassende inhaltliche Entkoppelung. Die eigene Forschungstätigkeit kommt mithin allenfalls als notwendige, nicht aber als hinreichende Bedingung der grundrechtlichen Schutzwürdigkeit einer Lehrtätigkeit in Betracht. Schließlich ist zweifelhaft, ob aus einem einseitigen Junktim zwischen Lehrund Forschungsfreiheit auf einen einheitlichen Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit zu schließen ist. Unabhängig von seiner konkreten Ausgestaltung scheint dieses, im Gegenteil, mit der Annahme eines einheitlichen Grundrechts kaum vereinbar. Denn es begründet eine Divergenz der persönlichen Schutzbereiche von Forschungs- und Lehrfreiheit. Sie stehen hiernach in einem Stufenverhältnis: Nur wer zuvor selbst geforscht hat, kann die Lehrfreiheit als Grundrecht geltend machen. Anders als die Forschungsfreiheit kann die Lehrfreiheit dann kaum mehr als „Jedermanngrundrecht“573 bezeichnet werden.574 Eine Zusammenführung zu einem Grundrecht scheint angesichts dieser Differenz nicht plausibel. cc) Art. 5 Abs. 3 GG verlangt die institutionelle Verbindung von Forschung und Lehre Mehrheitlich sieht das Schrifttum in Art. 5 Abs. 3 GG lediglich ein personelles, kein institutionelles Junktim verankert, versteht das Grundrecht also nicht 573 Art. 5 Abs. 3 GG wird üblicherweise als „Jedermanngrundrecht“ beschrieben, vgl. nur Bleckmann, Staatsrecht II, Rn. 131; Oppermann, Freiheit, Rn. 34; Denninger, in: ders. u. a., Art. 5 Abs. 3 I Rn. 27; Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 108. 574 Krit. zur dieser Bezeichnung der Wissenschaftsfreiheit Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 119 f., und Kimminich, Gruppenuniversität, S. 201 f., 204.
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1. Teil: Der Abschied von der Wissenschaftsfreiheit
als Garantie der Verbindung von Forschung und Lehre an den Einrichtungen der Wissenschaft, speziell den Universitäten.575 Dabei betrachtet man beide Problemkreise überwiegend differenziert, um nicht zu sagen isoliert. Michael Fehling hingegen entnimmt Art. 5 Abs. 3 GG die Garantie einer institutionellen Verbindung der wissenschaftlichen Handlungsformen in Parallele zu ihrer personellen Verknüpfung576. Die Hochschulstruktur müsse der Verklammerung von Forschung und Lehre Rechnung tragen, indem sie ihre „wechselseitige Befruchtung“ möglich mache und fördere577. Verfassungsrechtlich verbürgt sei jedoch weder ein idealistisches Universitätsleitbild noch eine Zusammenführung von Forschung und Lehre in einzelnen amtlichen Funktionen oder wissenschaftlichen Einrichtungen. Wie reine Forschungsinstitute zulässig seien und grundrechtlich geschützt würden, so sei auch die Einführung reiner Lehrprofessuren grundsätzlich verfassungsgemäß, „solange der Forschungsbezug der Lehre insgesamt gewährleistet bleibt“578. Demgegenüber schließt Schulz-Prießnitz aus den Funktionen freier Lehre und aufbauend auf dem Verständnis der Wissenschaftsfreiheit als Sachbereichsgarantie auf die grundrechtliche Gewährleistung einer Verbindung der Lehre mit der Forschung an den Universitäten.579 In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geht sie davon aus, dass Art. 5 Abs. 3 GG den Staat verpflichtet, die für freiheitliche Wissenschaft, Forschung und Lehre erforderlichen Mittel bereitzustellen.580 Damit werde er auch verpflichtet, die für die Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen, denn die Anleitung von Nachwuchsforschern sei Voraussetzung des wissenschaftlichen Lebens.581 Da die „Aufbauphase“ der wissen575 Vgl. mit im Einzelnen unterschiedlichen Begründungen Mallmann/Strauch, Verfassungsgarantie, S. 4 f.; Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 131 ff.; Lüthje, in: Denninger, HRG, Vor § 3 Rn. 43 ff.; Dickert, Forschungsfreiheit, S. 147 ff.; Losch, Wissenschaftsschranken, S. 161 ff.; Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 128 ff., 231 ff.; Schulze-Fielitz, Freiheit der Wissenschaft, Rn. 8; Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 344 ff.; Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 59 ff.; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 52 ff.; wohl auch Oppermann, Freiheit, Rn. 19. 576 Vgl. oben Fn. 564, S. 163. 577 Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 94. 578 Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 95 (Herv. AK). Nicht eindeutig ist, ob Fehling auch den ,Lehrbezug der Forschung insgesamt‘ gewährleistet sieht. Hierauf deutet die Aussage hin, der Staat werde durch die „in Art. 5 Abs. 3 GG zum Ausdruck kommende Wertentscheidung“ verpflichtet, die „wechselseitige Befruchtung“ von Forschung und Lehre zu fördern, ders., a. a. O., Rn. 94. Dagegen spricht jedoch der nicht durch einen Verweis auf den ,Lehrbezug der Forschung‘ an anderen Wissenschaftseinrichtungen relativierte Hinweis auf außeruniversitäre Forschungsinstitute, die „deutlich machen, [dass] auch ohne Lehraufgaben wissenschaftlich geforscht werden kann“, ders., a. a. O., Rn. 95. 579 Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 125 ff.; ähnlich Wussow, Einheit, S. 8 f. 580 Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 123, 125.
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schaftlichen Ausbildung die Beteiligung der Nachwuchswissenschaftler an Forschungsprojekten unter Anleitung von qualifizierten Lehrpersonen voraussetze, werde mit der Wissenschaft als Sachbereich zugleich die institutionell-organisatorische Einheit von Forschung und Lehre an all jenen Einrichtungen garantiert, denen der Staat die Aufgabe der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses überträgt, was bis auf weiteres die Universitäten seien.582 Köttgen und Dieter Küchenhoff, die Art. 5 Abs. 3 GG ebenfalls die Garantie einer institutionellen Einheit von Forschung und Lehre entnehmen, gehen diesen „Umweg“ über die Funktionssicherung nicht. Sie entnehmen das verfassungsrechtliche Gebot der Verbindung von Forschung und Lehre in den Universitäten unmittelbar dem Wortlaut und der Genese von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG.583 Diese sind in ihren Augen nicht nur zentrale Argumente dafür, dass „unter Lehre nur eine durch eigene Forschung kontrollierte und disziplinierte Lehre, also nicht auch ein Tradieren anderweiter Forschungsergebnisse zu verstehen ist“. Zugleich zeigten sie, „dass die institutionelle Verknüpfung von Lehre und Forschung als Leitbild nicht angetastet werden soll“.584 Köttgen und Küchenhoff haben wohl schon bei der Ausarbeitung ihrer Interpretationen, 1959 bzw. 1964, die Aussagekraft des Wortlauts von Art. 5 Abs. 3 GG überschätzt. Berücksichtigt man den Bedeutungswandel der Begriffe Wissenschaft, Forschung und Lehre seit dieser Zeit, so finden sie in der sprachlichen Fassung des Grundrechts jedenfalls heute keine Stütze mehr.585 Auch die Genese vermag die Annahme einer institutionellen Garantie der Einheit von Forschung und Lehre nicht zu tragen, denn in den Beratungen des Parlamentarischen Rates fanden organisatorische Fragen keinerlei Erwähnung.586
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Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 125 f., 128 f. Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 131 ff. Unter der „Aufbauphase“ der wissenschaftlichen Ausbildung versteht Schulz-Prießnitz den Ausbildungsabschnitt, der sich an die mit der akademischen Berufsausbildung zusammenfallende Grundausbildung anschließt und der die „zu irgendeinem relativ spät anzusetzenden Zeitpunkt unmittelbar forschungsbezogene[n] Ausbildungsteile“ umfasst, dies., a. a. O., S. 131. Unklar bleibt, ob auch die Grundausbildung neben der personalen Verknüpfung von Forschung und Lehre eine institutionelle Verbindung erfordert, vgl. dies., a. a. O., S. 131: Einheit in einem „engen, personal verstandenen, aber doch auf die Institution ausgeweiteten Sinne“. 583 Köttgen, Grundrecht der Universität, S. 29; ders., Freiheit der Wissenschaft, S. 296; Küchenhoff, Hochschulreform, S. 602 ff.; zustimmend Kimminich, Hochschule, S. 137. Ebenso Ridder/Stein, Schutz von Staatsgeheimnissen, S. 362; H. H. Klein, Demokratisierung, S. 28 f.; Zacher, Hochschulrecht, S. 42, und ohne Begründung auch Bleckmann, Staatsrecht II, S. 861. Zurückhaltender W. Weber, Freiheit von Forschung und Lehre, S. 233: „Vermutung“ für die Garantie der klassischen Universitätsstrukturen. 584 Köttgen, Grundrecht der Universität, S. 29. 585 S. o. § 3 I. 2. c). 586 S. o. § 3 III. 2. b). 582
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1. Teil: Der Abschied von der Wissenschaftsfreiheit
Schulz-Prießnitz hingegen ist in Ansatz und Argumentationsstruktur zuzustimmen, nicht aber im Ergebnis. Entnimmt man Art. 5 Abs. 3 GG wie das Bundesverfassungsgericht eine Garantie der Sachbereiche Wissenschaft, Forschung und Lehre, so muss hieraus ein institutionelles Junktim von Forschung und Lehre folgen, wenn nur dieses den Bestand der Lebensbereiche gewährleisten kann. Zutreffend beschreibt Schulz-Prießnitz auch die Voraussetzungen einer Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern, insbesondere das Erfordernis einer Beteiligung an Forschungsprojekten. Doch hat dieses nicht die Notwendigkeit einer institutionellen Verbindung von Forschung und Lehre zur Konsequenz. Denn infolge der Ausdifferenzierung von Zielen und Strukturen wissenschaftlicher (Aus-)Bildung wird die Anleitung von Nachwuchsforschern heute als Element der Forschung, mithin durch die Forschungsfreiheit geschützt. Aus der Wirkung von Art. 5 Abs. 3 GG als Sachbereichsgarantie kann sich daher angesichts der Abhängigkeit der wissenschaftlichen Entwicklung von den Fähigkeiten des wissenschaftlichen Nachwuchses allenfalls die staatliche Pflicht ergeben, Institutionen bereitzustellen, an denen geforscht und im Wege der Beteiligung an den dort durchgeführten Forschungsprojekten zum wissenschaftlichen Arbeiten angeleitet wird, nicht aber die Pflicht, ein institutionelles Junktim von Forschung und Lehre zu sichern. Auch Fehling ist im Prinzip, d.h. in der Annahme einer Parallelität von personellem und institutionellem Junktim, zuzustimmen: Wenn Art. 5 Abs. 3 GG die Einheit von Forschung und Lehre in der Person des Lehrenden bzw. Forschenden verlangt und den Staat in seiner Funktion als objektive Wertentscheidung zugleich zu Schutz und Förderung der grundrechtlichen Tätigkeiten auffordert587, so wird hiermit zugleich die staatliche Pflicht begründet, die ,wechselseitige Befruchtung‘ von Forschung und Lehre zu ermöglichen und zu fördern. Dies ist insbesondere gegenüber der isolierten Betrachtung von personalem und institutionellem Junktim durch den überwiegenden Teil des Schrifttums einzuwenden. Doch ist die personelle Verbindung von Forschung und Lehre nicht, wie Fehling annimmt, im Begriff der Wissenschaft angelegt.588 Die Voraussetzungen des von ihm konzipierten institutionellen Junktims sind also nicht erfüllt.
V. Fazit Die in Rechtsprechung und Literatur entwickelten strukturellen Konzeptionen der durch Art. 5 Abs. 3 GG garantierten Freiheitsrechte erweisen sich als mit den Resultaten der Grundrechtsinterpretation nicht vereinbar. Die Vorschläge 587 Vgl. Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 24, mit Verweis auf BVerfGE 35, 79, 112, 115. 588 S. o. § 3 I. 2. c) aa).
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Hailbronners, Perschels und Trutes zur Strukturierung und Differenzierung der gewährleisteten Grundrechte korrespondieren zwar in wesentlichen Punkten mit den Interpretationsergebnissen, insbesondere indem sie die Existenz eines von der Forschung unterschiedenen Lehrdiskurses aufgreifen. Voll umfänglich werden sie ihnen jedoch nicht gerecht: Hailbronner beruft sich zur Begründung seiner Differenzierung zwischen der Wissenschaftsfreiheit als Jedermanngrundrecht einerseits und Forschungs- und Lehrfreiheit als Funktionsgrundrecht andererseits zu Unrecht auf die historische Entwicklung, die keine Anhaltspunkte für diese Unterscheidung gibt. Sein Verständnis der „Forschung“ i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG steht zudem im Widerspruch zum derzeitigen Sprachgebrauch, der den Begriff nicht der staatlichen Forschung vorbehält. Die Interpretation Perschels verkennt vor allem den historisch und auch heute noch engen Bezug der Lehre zur Wissenschaft, verstanden als Gesamtheit von Erkenntnissen. Trute berücksichtigt nicht hinreichend den funktionalen Wandel der Lehre und sieht ihre Aufgabe daher unzutreffend im Dienste an der Wissenschaft. Das herrschende Verständnis der Wissenschaftsfreiheit als einheitliches Grundrecht, das Forschung und Lehre nur als Elemente der Wissenschaft schützen will und weitgehend auf der Identifikation der Lehre i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG mit der wissenschaftlichen Kommunikation aufbaut, widerspricht den gewandelten Intensionen, telæ und Normbereichen von Forschung und Lehre bzw. Forschungs- und Lehrfreiheit in wesentlichen Hinsichten. Die hier formulierten Bedenken richten sich dabei grundsätzlich weder gegen die Definitionen der Wissenschaft oder die Analysen des Wissenschaftssystems noch stellen sie die vielfach betonte Bedeutung der freien Kommunikation zwischen Forschern für die wissenschaftliche Entwicklung in Frage. Doch sind die Ergebnisse der semantischen, systematischen, historischen und teleologischen Interpretation von Art. 5 Abs. 3 GG gegen die ganz überwiegend unterstellte Zugehörigkeit jeder verfassungsrechtlich geschützten Lehre zur Wissenschaft einzuwenden, gegen die Begrenzung des Grundrechtsschutzes auf die „wissenschaftlich aktive“ Lehre und gegen eine darauf aufbauende Verbindung von Forschungs- und Lehrfreiheit zu einem einheitlichen Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit. Zustimmung verdient demgegenüber im Prinzip die Ableitung eines ein- oder wechselseitigen Junktims von Forschungs- und Lehrfreiheit aus der ein- oder wechselseitigen funktionalen Bedingtheit der im Sinne des Art. 5 Abs. 3 GG schutzwürdigen Forschung bzw. Lehre. Für ein einheitliches Grundrecht spricht jedoch auch eine solche Verknüpfung nicht in jedem Fall. Im Gegenteil, einem einseitigen Junktim, das unterschiedliche persönliche Schutzbereiche von Forschungs- und Lehrfreiheit zur Konsequenz hat, wird eine Differenzierung von zwei Freiheitsrechten eher gerecht. Als Argument für eine einheitliches Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit kommt lediglich eine wechselseitige und mit Blick auf alle telæ bestehende589 funktionale Bedingtheit in Betracht. Angesichts der weitgehenden Forschungsinaktivität der Lehre kann eine solche um-
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1. Teil: Der Abschied von der Wissenschaftsfreiheit
fassende gegenseitige Abhängigkeit jedoch ausgeschlossen werden. Denn bei der Generierung neuer Erkenntnisse ist die Forschung nicht auf den durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Lehrdiskurs angewiesen. Folglich kann die Einheitlichkeit der Wissenschaftsfreiheit jedenfalls nicht mit einem Verweis auf ein Junktim zwischen Forschung und Lehre bzw. Forschungs- und Lehrfreiheit begründet werden. Ex negativo legen die in Rspr. und Lit. entfalteten Konzeptionen eines einheitlichen Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit und ihre Begründungen somit die Entfaltung der Lehrfreiheit als eigenständiges Grundrecht nahe.
§ 5 Zwischenergebnis Die Lehrfreiheit steht als selbständiges Grundrecht neben der Forschungsfreiheit. Daneben hat die „Wissenschaftsfreiheit“ keine Funktion mehr, von einem „Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit“ sollte nicht mehr gesprochen werden.
I. Die Lehrfreiheit als eigenständiges Grundrecht Schon als einzelne haben die Interpretationen des Wortlauts, der systematischen Stellung, der Geschichte und der telæ von Art. 5 Abs. 3 GG eine Trennung von Lehr- und Forschungsfreiheit nahe gelegt. Ihre Zusammenführung und vergleichende Betrachtung bekräftigt dieses Ergebnis. So hat die Untersuchung der Normbereiche von Forschungs- und Lehrfreiheit gezeigt, dass in der Lehre andere Inhalte kommuniziert werden als im Forschungskontext und dass an diesen Kommunikationen in der Regel andere Personen beteiligt sind. In Verbindung mit den Ergebnissen der systematischen Auslegung wird diese Beobachtung zu einem gewichtigen Indiz für die Differenzierung der korrespondierenden Freiheitsrechte. Denn die systematische Betrachtung hat ergeben, dass unterschiedlichen Kommunikationsstrukturen und -inhalten verschiedene grundrechtliche Schutzbereiche entsprechen sollten. Die zu den Referenzgrundrechten entwickelte Dogmatik begründet insoweit keine 589 Mit der Annahme eines Junktims ist stets eine Begrenzung des Grundrechtsschutzes verbunden. Denn nicht länger werden alle Forschungs- bzw. Lehrtätigkeiten geschützt, die Freiheitsgewährleistung erfasst nur mehr einen Ausschnitt derselben. Die aus einem wechselseitigen Junktim folgende Verkürzung ist nur gerechtfertigt, wenn Forschung, die nicht mit der Lehre verbunden ist, keinen der telæ der Forschungsfreiheit zu erfüllen vermag und nicht mit der Forschung verknüpfte Lehre zugleich keinem der telæ der Lehrfreiheit entspricht, vgl. oben § 4 IV. 2. b) aa) (3). Daraus folgt, dass eine umfassende gegenseitige funktionale Bedingung grundrechtlich schutzwürdiger Forschung und Lehre Voraussetzung eines wechselseitigen Junktims ist, das als Argument für eine Zusammenführung von Forschungs- und Lehrfreiheit zu berücksichtigen wäre.
§ 5 Zwischenergebnis
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gegenläufige Vermutung; tatsächliche Überschneidungen der Normbereiche bewertet man nicht als Anhaltspunkt für die Grundrechtsstruktur. Die spezifischen Kommunikationsstrukturen und -inhalte sowie die verschiedenen telæ von Forschungs- und Lehrfreiheit bekräftigen zudem, dass hinter der Begrenzung der Treueklausel und der Regelung über die Grundrechtsverwirkung auf die Lehre eine bewusste Differenzierung des Grundgesetzes steht, die sich in der grundrechtlichen Dogmatik wiederfinden sollte. Denn sie begründen die Annahme eines im Vergleich zur Forschung gesteigerten Gefährdungspotentials der Lehre, welches den Hintergrund der Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG, 18 GG bildet. Der Lehrdiskurs ist durch die strukturelle Unterlegenheit des einen Kommunikationspartners gekennzeichnet, der aufgrund seines geringeren Wissensstandes – möglicherweise auch aufgrund seines in vielen Fällen geringeren Lebensalters – in besonderer Weise beeinflussbar und manipulierbar ist. Die Gefahr des Freiheitsmissbrauchs für verfassungsfeindliche Zwecke ist hier von einer grundsätzlich anderen Qualität als im Fall der Forschungsfreiheit. Darauf reagiert das Grundgesetz mit den speziellen Bindungen der Lehrfreiheit. Dass Forschungs- und Lehrfreiheit bis zum Erlass des Grundgesetzes zu keiner Zeit durch eine einheitliche Dogmatik realisiert wurden, muss schließlich mit Blick auf die heutige Divergenz ihrer telæ als Aufforderung zu ihrer unabhängigen und selbständigen dogmatischen Entfaltung bewertet werden. Denn wenn ein einheitliches Grundrecht schon in der Vergangenheit, als die Publizität der Wissenschaft noch zu den Hauptaufgaben der Lehre gehörte und sich diese also in den Prozess der Erkenntnisgewinnung eingliederte, nicht in der Lage war, zugleich die Freiheit der Forschung und der Lehre zu schützen, so können die funktional ausdifferenzierten Freiheitsrechte „erst recht“ nicht mehr mit denselben dogmatischen Kategorien entfaltet und verwirklicht werden. Lehr- und Forschungsfreiheit müssen heute folglich als selbständige Grundrechte konzipiert werden. Ihre Zusammenfassung zur einem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit entbehrt der erforderlichen Grundlage in Form gemeinsamer Strukturen oder Rationalitäten und verstellt damit den Blick auf die spezifischen dogmatischen Anforderungen. Angesichts der Tatsache, dass sich die verfassungsrechtliche Literatur in den vergangenen zehn Jahren auch unter dem Stichwort der Wissenschaftsfreiheit intensiv nur mit Forschung und Forschungsfreiheit beschäftigt hat, folgt aus dem Erfordernis sachbereichsspezifischer Dogmatik heute vor allem die Notwendigkeit einer den Sachstrukturen angemessenen Entfaltung der Lehrfreiheit. Die geringe Aufmerksamkeit für die Lehrfreiheit ist mithin nicht Ausdruck ihrer Funktionslosigkeit für die Freiheitsverwirklichung. Die fehlende Beachtung ihrer eigenständigen Funktion könnte jedoch Ursache dafür sein, dass die Rechtswissenschaft die Lehrfreiheit weitgehend aus dem Blick verloren hat. Hierüber werden die Untersuchung des Konfliktpotentials der eigenständigen
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1. Teil: Der Abschied von der Wissenschaftsfreiheit
Garantie freier Lehre sowie ihres Wertes für die Grundrechtsinhaber weiteren Aufschluss geben.
II. Die Ablösung der Wissenschaftsfreiheit durch Forschungs- und Lehrfreiheit Forschungs- und Lehrfreiheit treten damit als Grundrechte selbständig und unabhängig nebeneinander. Ein Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit besteht daneben nicht. Auch als Oberbegriff für Forschungs- und Lehrfreiheit kann die „Wissenschaftsfreiheit“ nicht länger Verwendung finden, denn dies suggerierte eine nicht mehr bestehende Identität der Bezugspunkte von Forschung und Lehre und ihrer daraus folgenden Handlungsrationalitäten. Freilich könnte man das Grundrecht der Forschungsfreiheit bei gleichem Schutzgehalt auch als Wissenschaftsfreiheit bezeichnen. Doch gingen hiermit sprachlich sowohl der eindeutige Handlungsbezug als auch der Bezug zur strukturprägenden Handlungsintention, der Erweiterung wissenschaftlicher Erkenntnis, verloren. Ein Abschied vom Begriff der „Wissenschaftsfreiheit“ zugunsten der „Forschungsfreiheit“ bringt überdies die inhaltliche Veränderung der Grundrechtsgehalte auch sprachlich auf den Punkt. Er indiziert, dass das so bezeichnete Freiheitsrecht nicht länger die Komponenten Forschung und Lehre vereint. Die anthropologische Dimension von Wissenschaft, i. e. die Bedeutung als Verweis auf bestimmte Handlungen, erfasst das Grundgesetz also mit dem Begriff der Forschung. Der Begriff der Wissenschaft i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG verweist heute „nur“ noch auf das System wissenschaftlicher Erkenntnisse, das die Lehre inhaltlich determiniert590 und dessen Erweiterung Ziel jeder Forschungshandlung ist. Auch jene Tätigkeiten, die für Forschung und Lehre unerlässliche Voraussetzungen schaffen, sich aber nicht selbst als Forschung oder Lehre darstellen, wie etwa die Errichtung und Erhaltung von Bibliotheken, die Mitarbeit in Forschungsförderungsorganisationen oder die Schul- und Hochschulorganisation, werden nicht durch ein von Forschungs- und Lehrfreiheit zu unterscheidendes Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit geschützt.591 Denn ihre Zusammenführung in einem Grundrecht würde den unterschiedlichen Rationalitäten, welche die Strukturen der beiden Normbereiche prägen und in die sich die unterstützenden Tätigkeiten einfügen, nicht hinreichend Rechnung tragen. Art und Umfang sowie die Intensität ihres grundrechtlichen Schutzes können überdies nur mit Rücksicht auf ihre Bedeutung für die Verwirklichung von Forschungs- und 590
Hierzu ausführlich sogleich § 7 I. Dies aber legen die Interpretationen von Lüthje, in: Denninger, HRG, Vor § 3 Rn. 24, und Trute, Institutionalisierung, S. 110 ff., nahe; a. A. die ganz h. M., vgl. oben Fn. 520, S. 154. 591
§ 5 Zwischenergebnis
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Lehrfreiheit bestimmt werden. Eine gesonderte Erfassung durch ein Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit würde diesen engen Bezügen nicht gerecht. Lehre und Forschung ermöglichende oder fördernde Handlungen werden mithin je nach Zielrichtung durch die neben der Kunstfreiheit in Art. 5 Abs. 3 GG verankerten selbständigen Grundrechte der Lehr- und Forschungsfreiheit geschützt.
Teil 2
Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit Der Wert der Lehrfreiheit für die Grundrechtsträger sowie ihr Konfliktpotential können nur mit Blick auf ihren (persönlichen und sachlichen) Schutzbereich, ihren Gewährleistungsgehalt und ihre funktionalen Dimensionen beurteilt werden. Im Folgenden sollen daher die insoweit wesentlichen dogmatischen Bausteine des Grundrechts entfaltet werden. Dabei werden jene Elemente im Vordergrund stehen, die das eigenständige Grundrecht der Lehrfreiheit von der klassischen Konzeption der Lehrfreiheit als Bestandteil der Wissenschaftsfreiheit unterscheiden.
§ 6 Die Unabhängigkeit des Grundrechtsschutzes von der persönlichen oder institutionellen Verbindung des Lehrenden zur Forschung Zu den Grundpfeilern des traditionellen Verständnisses der Lehrfreiheit gehört die Begrenzung des Schutzbereichs auf jene Lehre, die mit der Forschung verbunden ist. Grundlage eines solchen Junktims kann heute, wie gesehen, nur eine funktionale Abhängigkeit der i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG schutzwürdigen Lehrtätigkeiten von einem personellen oder institutionellen Kontakt zur Forschung sein.1 Die Untersuchung dieses Bedingungsverhältnisses steht mit Blick auf die gewandelten telæ der Lehrfreiheit und jene Lehrtätigkeiten, die danach i. S. d. eigenständigen Grundrechts freier Lehre schutzwürdig sind, noch aus. Die Verselbständigung des Freiheitsrechts wirkt insoweit nicht präjudizierend. Denn sie ist End-, nicht Ausgangspunkt der interpretatorischen Entfaltung von Art. 5 Abs. 3 GG. Sie dirigiert die dogmatische Arbeit nicht, sondern gehört zu ihren Ergebnissen. Lediglich mittels der Gebote der Konsequenz und der inneren Widerspruchsfreiheit vermag sie den weiteren Interpretationsprozess zu beeinflussen. Insofern steht sie der Annahme eines einseitigen Junktims jedoch nicht entgegen. Der sich aus einer solchen Verknüpfung ergebende Unterschied zwischen den Schutzbereichen der Lehr- und Forschungsfreiheit würde die Trennung der zwei Grundrechte vielmehr bestätigen.2 1 2
S. o. § 4 IV. 2. b) bb) (3). Vgl. oben § 4 IV. 2. b) bb) (3).
§ 6 Die Unabhängigkeit des Grundrechtsschutzes
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Im Folgenden ist mithin zu untersuchen, ob die telæ der Lehrfreiheit nur zu erfüllen in der Lage ist, wer in Verbindung zur Forschung steht. Dann wäre der Schutzbereich der Lehrfreiheit auf diesen Kreis der Lehrenden begrenzt. Der Kontakt im Wege einer eigenen Forschungstätigkeit ist dabei zu unterscheiden von der Einbindung in Einrichtungen, an denen auch Forschung betrieben wird.
I. Die eigene Forschungstätigkeit als Bedingung der Schutzwürdigkeit wissenschaftlicher Lehre? Für den grundrechtlichen Schutz des nicht selbst forschenden Lehrers ist entscheidend, ob seine Lehrtätigkeit einem der telæ der Lehrfreiheit zu genügen vermag, also entweder ihrer (Aus-)Bildungsfunktion, ihrer kritischen oder ihrer kulturstaatlichen Bedeutung gerecht wird oder ein i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG schutzwürdiges Instrument der Selbstverwirklichung darstellen kann. 1. Die (Aus-)Bildungsfunktion wissenschaftlicher Lehre Wichtigste Funktion der Lehrfreiheit ist es heute, ein freiheitliches Bildungsund Ausbildungssystem zu gewährleisten. Eine wissenschaftliche3 „Ausbildung“ unterscheidet sich dabei von der wissenschaftlichen „Bildung“ im Wesentlichen durch ihre Orientierung an den Erfordernissen bestimmter beruflicher Tätigkeitsfelder und die hierdurch angeleitete Auswahl von Themen- und Methoden.4 Die Lehrfreiheit schützt grundsätzlich sowohl die zweckfreie als auch die zweckorientierte Vermittlung von Lehrinhalten.5 Auf das Erfordernis einer Verbindung von Forschung und Lehre in der Person des Lehrenden hat diese Differenzierung jedoch keinen Einfluss.6 Insoweit sind jedoch die Anforderungen, die die dynamische Entwicklung des zu vermittelnden wissenschaftlichen Wissens an den Lehrenden stellt, von den Voraussetzungen einer Lehrtätigkeit zu unterscheiden, die sich aus ihrer Aufgabe ergeben, sogenannte „Schlüsselqualifikationen“ zu vermitteln.
3 Das selbständige Grundrecht der Lehrfreiheit schützt ausschließlich die Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte, ausführlich hierzu unten § 7 I. 4 Vgl. zur Unterscheidung der berufsbezogenen Lehre von der Berufsausbildung oben § 3 IV. 2. a. E. – Für die Zukunft erwarten die im Rahmen des „Wissens-Delphi“ 1996/1998 befragten Experten eine weitergehende Funktionalisierung aller Bildungsinhalte, vgl. Stock u. a., Bildungsprozesse und Bildungsstrukturen, S. 147 ff., 175 ff.; H. Wolff, Ergebnisse aus dem „Wissens-Delphi“, S. 14 f. 5 Die Differenzierung zwischen Bildung und Ausbildung liegt quer zur Unterscheidung von Allgemein- und Fachwissen. Beide können Gegenstand sowohl der bildenden, zweckfreien als auch der ausbildenden, berufsorientierten Lehre sein. 6 Bedeutung erlangt sie hingegen im Rahmen der Konkretisierung staatlicher Gewährleistungspflichten, s. u. § 9 III 3., 4., 5.
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2. Teil: Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
a) Die Vermittlung aktueller Fachkenntnisse Bildung und Ausbildung haben zunächst zur Aufgabe, den Lernenden fachliche (Spezial-)Kenntnisse zu vermitteln. Das Grundrecht der Lehrfreiheit schützt insoweit vor inhaltlicher und thematischer Einflussnahme des Staates oder der Gesellschaft und ermöglicht damit zugleich inhaltliche und thematische Pluralität. Ist auch die zukünftige relative Bedeutung von spezifischem Fachwissen im Verhältnis zu Qualifikationen wie Einarbeitungs- und Problemlösungsfähigkeit einerseits und Basiskenntnissen andererseits noch weitgehend offen, besteht doch kein Zweifel, dass Fachkenntnisse auch weiterhin einen zentralen Bestandteil von Bildung und Ausbildung und damit der diese vermittelnden Lehrtätigkeiten bilden werden.7 Gleichzeitig bestehen jedoch auch an der Entwicklungsdynamik dieses Fachwissens, seiner kurzen Halbwertszeit und seinem eher exponentiellen denn linearen Wachstum in praktisch allen Bereichen, insbesondere in den Natur- und Ingenieurswissenschaften, keine Zweifel.8 Hieraus könnte sich die Notwendigkeit einer eigenen Forschungstätigkeit des Lehrenden ergeben, falls es ihm allein die Beteiligung am Forschungsprozess ermöglicht, diese Entwicklung zu verfolgen und die in der Lehre zu vermittelnden Kenntnisse zu aktualisieren.9 Das Erfordernis einer solchen Aktualisierung kann nicht mit dem Hinweis auf die inhaltliche Entkoppelung von Forschungs- und Lehrdiskurs bestritten werden. Ebenso wenig stellt es den Versuch dar, diese Differenzierung rückgängig zu machen. Denn es handelt sich insoweit um eine Trennung zu einem bestimmten Zeitpunkt, eine retardierte Verbindung des Lehrdiskurses mit den Kommunikationen zwischen Forschern besteht selbstverständlich und ist als solche Voraussetzung schutzwürdiger Lehre10. Neue Erkenntnisse der Forschung finden zwar nur mit deutlicher Verzögerung Aufnahme in den Lehrdiskurs, werden aber doch rezipiert. Dabei trifft die Lehrenden freilich nicht die Pflicht, früher gewonnene Erkenntnisse stets zu ersetzen und sich immer der aktuellsten Theorie zu verschreiben. Im Gegenteil, die Lehrfreiheit stellt es dem Lehrenden gerade frei, darüber zu entscheiden, ob er einen Wechsel mitvollzieht. Ebenso
7 Die Ergebnisse des „Wissens-Delphis“ lassen für die Zukunft eine „Dualität von Allgemein- und Spezialwissen“ i. S. einer gegenseitigen Bedingtheit erwarten, vgl. Stock u. a., Bildungsprozesse und Bildungsstrukturen, S. 175 f.; ähnlich Kuwan/Waschbüsch, „Bildungs-Delphi“, S. 48, 52, und aus rechtswissenschaftlicher Sicht Bleckmann, Staatsrecht II, S. 860. Vgl. zu den Charakteristika dieses „Allgemeinwissens“ auch die Nw. unten in Fn. 18, S. 180. 8 Vgl. hierzu das beeindruckende Zahlenmaterial bei Kreibich, Wissenschaftsgesellschaft, S. 26 ff.; ferner etwa Stock u. a., Bildungsprozesse und Bildungsstrukturen, S. 8 f., und zur zukünftigen Entwicklung in den verschiedenen Disziplinen ausführlich S. 40 ff. 9 So z. B. Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 104. 10 Vgl. hierzu auch unten § 7 I. 1.
§ 6 Die Unabhängigkeit des Grundrechtsschutzes
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verbietet sie grundsätzlich jeden heteronomen Einfluss auf die Gewichtung und Einordnung der Einzelinformationen. Doch muss der Lehrende zumindest die Fähigkeit und den Willen haben, sich mit den im gegebenen Moment11 neuen Entwicklungen auseinanderzusetzen. Dass in Lehrveranstaltungen überwiegend Kenntnisse vermittelt werden, die die Lehrenden nicht selbst erarbeitet haben, deutet bereits darauf hin, dass die eigene Beteiligung an der Forschung jedenfalls nicht die einzige Möglichkeit ist, sich Zugang zu und einen Überblick über wissenschaftliche Entwicklungen zu verschaffen. Insoweit könnte man zwar darauf verweisen, dass Hochschulprofessoren stets nur im Rahmen ihrer Lehrbefugnis lehren, also in Fächern, die wenigstens ihrem Forschungsbereich im weiteren Sinne zuzuordnen sind. Doch zum einen ist diese Verbindung heute nur mehr eine lockere.12 Zum anderen ist die eigene Forschungstätigkeit nur eine der denkbaren Ursachen für die Befähigung der Hochschullehrer zur passiven Teilnahme an der wissenschaftlichen Entwicklung. Ebenso könnte sie auf die im Rahmen der besonders intensiven und anspruchsvollen Qualifikationsphase erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse zurückzuführen sein. Für eine entscheidende Bedeutung der Qualifikation und nicht der eigenen Forschungstätigkeit spricht die Organisation der Lehre an allgemeinbildenden Schulen.13 Wenngleich sich die dort vermittelten Grundlagen seltener und weniger schnell ändern mögen, sehen sich Schullehrer doch einer im Grundsatz vergleichbaren Akzeleration des Wissens gegenüber.14 Dennoch denkt niemand ernsthaft darüber nach, auch Schullehrer zukünftig im Dienste der Aktualität ihrer Lehrinhalte zu eigener Forschungstätigkeit zu verpflichten. Stattdessen werden Weiterbildung und lebenslanges Lernen als Rezepte gegen eine Überalterung der Lehrinhalte gehandelt;15 man geht also davon aus, dass Lehrende 11 Aus der Begrenzung auf den „gegebenen Moment“ folgt, dass Lehrbeiträge nicht mit der Zeit mangels Aktualität ihre Schutzwürdigkeit verlieren. Auch ein 1926 erschienenes Lehrbuch genießt im Jahr 2005 den Schutz des Art. 5 Abs. 3 GG. 12 Schon 1986 beobachtete der Wissenschaftsrat eine nur mehr „punktuelle“ Verbindung der Lehre eines Hochschulprofessors zu seinem Forschungsbereich. „Selbstverständlich muß ein Hochschullehrer die meisten Lehraufgaben in seinem Fachbereich auf Gebieten wahrnehmen, in denen er selbst nicht forscht“, Wissenschaftsrat, Struktur des Studiums, S. 36; bestätigend ders., Entwicklungen des Wissenschaftssystems, S. 64 f.; ebenso Richter, in: Denninger u. a., GG, Art. 7 Rn. 35; ähnlich aus europäischer Perspektive KOM(2003) 58, Universitäten im Europa des Wissens, S. 20. 13 In dieselbe Richtung weist die Einbindung von Lehrbeauftragten und Honorarprofessoren in die Hochschullehre, die erfoglreich verläuft, obwohl diese Lehrenden häufig keine eigene Forschung mehr betreiben. 14 Hiermit sollen selbstverständlich nicht die unterschiedlichen Anforderungsprofile von Schul- und Hochschullehre negiert werden. Doch sind beiden im Grundsatz sowohl die Aufgabe der Vermittlung fachlicher Kenntnisse als auch die hieran anknüpfenden und mit der Dynamik der wissenschaftlichen Entwicklung verbundenen Herausforderungen gemein.
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2. Teil: Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
aufgrund ihrer Qualifizierung in der Lage sein werden, sich über den für ihre Lehrtätigkeit relevanten Stand der Entwicklung zu informieren.16 Die bisherigen Überlegungen werden bestätigt durch einen Blick ins Ausland, wo schon seit geraumer Zeit Universitäten zu finden sind, an denen ausschließlich gelehrt wird und deren Professoren zu eigener Forschung jedenfalls nicht mehr verpflichtet sind, die aber gleichwohl der Entwicklungsdynamik des Wissens nicht erliegen. So handelt es sich beispielsweise bei nur 125 der mehr als 4000 Universitäten in den USA um „forschende Universitäten“ („research universities“).17 Es zeigt sich damit, dass für die Lehrenden in modifizierter Form zutrifft, was die im Rahmen des 1996/1998 durchgeführten Wissens-Delphis befragten Experten allgemein für den Zugang zu (Spezial-)Wissen formuliert haben: Die Grundlage für die Aneignung von und den Umgang mit spezialisierten Fachkenntnissen in einem immer heterogener werdenden Spektrum des Wissens bildet Allgemeinwissen, verstanden als Kombination aus fachlichen Basiskenntnissen und methodischen sowie sozialen Kompetenzen.18 Dies gilt entsprechend für die Vorbereitung einer Lehrtätigkeit unabhängig davon, ob diese an Universitäten, Fachhochschulen oder Schulen stattfindet. Die Qualifikation des Lehrenden, i. e. sein fachbezogenes Allgemeinwissen, wird damit zum entscheidenden Faktor. Es ist Voraussetzung und Gewährleistung einer den Anforderungen der Wissensgesellschaft entsprechenden Bildungs- und Ausbildungstätigkeit, indem 15 Siehe etwa den Nationalen Hintergrundbericht der Kultusministerkonferenz zur internationalen Lehrerstudie der OECD „Attracting, Developing and Retaining Effective Teachers“, Sekretariat der KMK, Nationaler Hintergrundbericht, S. 42 ff., insbes. 49 f., sowie die Stellungnahmen der Länder, insbes. der Länder Brandenburg und Hamburg, zum Thema „Lehrerfortbildung“ in ihren Ergänzungen zum Bericht der KMK, abrufbar unter http://www.oecd.org/ (Stand: 24.05.2005). 16 Nun wird man einwenden, die Aktualität der Schullehre werde durch die Vorgaben in Lehrplänen sichergestellt. (Forschenden) Kontakt zu aktuellen wissenschaftlichen Entwicklungen brauche daher nur zu halten, wer die Lehrpläne erstelle. Dem ist zum einen zu entgegnen, dass Lehrpläne grds. als Ministerialverordnungen ergehen und durch Richtlinien der Schulverwaltung konkretisiert werden (vgl. hierzu Wißmann, Pädagogische Freiheit, S. 136 ff.); selbst wenn man die Aktualisierungsleistung also gänzlich dem Verfasser der Lehrpläne zuschreiben wollte, müsste man doch zur Kenntnis nehmen, dass auch dieser in der Regel keine eigene Forschung betreibt. Zum anderen bedürfen auch die Lehrpläne der weiteren Konkretisierung (zur Unzulässigkeit einer Bestimmung der Lehrinhalte an Schulen bis in letzte Einzelheiten vgl. BVerfGE 47, 46, 83, sowie Wißmann, a. a. O., S. 137), die nur zu leisten vermag, wer die Neuerung selbst erfasst. 17 KOM(2003) 58, Universitäten im Europa des Wissens, S. 5. 18 Vgl. Stock u. a., Bildungsprozesse und Bildungsstrukturen, S. 147 f., 175 ff.; H. Wolff, Ergebnisse aus dem „Wissens-Delphi“, S. 15 f.; ebenso Wissenschaftsrat, Hochschulausbildung und Beschäftigungssystem, S. 65. Das „Allgemeinwissen“ des Wissens-Delphis ist dem „Verfügungswissen“ bei Mittelstraß, Flug der Eule, S. 33, und dem soziologischen Wissensbegriff von Stehr verwandt, ders., Knowledge Societies, S. 95.
§ 6 Die Unabhängigkeit des Grundrechtsschutzes
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es den Kontakt und Zugang zu den Entwicklungen eines Fachbereichs und seinen in stetem Wandel begriffenen Spezialkenntnissen eröffnet. Die eigene Forschungsarbeit ist dann ein denkbarer, aber nicht der einzige Weg, diesen Kontakt herzustellen bzw. zu erhalten. Ebenso kann er rein rezeptiv gestaltet sein und sich etwa auf die Lektüre einschlägiger Veröffentlichungen beschränken.19 Für die Schutzwürdigkeit i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG ist allein erforderlich, dass der Lehrende die Entwicklung zu verfolgen vermag. Damit soll nicht in Abrede gestellt werden, dass der selbst forschende Lehrer in der Regel in besonderer Weise dafür qualifiziert ist, neue wissenschaftliche Ergebnisse und Methoden aus seinen eigenen Forschungsgebieten in die Lehre aufzunehmen. Doch rechtfertigt allein die Möglichkeit einer Verbesserung der Lehrqualität nicht die Schutzbereichsbegrenzung, die mit der Voraussetzung eines personellen Junktims einhergehen würde. Eine Einschränkung des Grundrechtsschutzes ist vielmehr nur insoweit legitimiert, wie sich die zusätzlichen tatbestandlichen Anforderungen als notwendige Bedingungen für die Erfüllung der grundrechtlichen telæ darstellen. Aus der Funktion der grundrechtlich geschützten Lehre, im Rahmen eines freiheitlichen (Aus-)Bildungssystems Fachkenntnisse zu vermitteln, ergibt sich demnach nicht die Notwendigkeit einer Verbindung von Forschungs- und Lehrtätigkeiten in der Person des Lehrenden. b) Die Vermittlung von „Schlüsselqualifikationen“ Macht die Vermittlung von Fachkenntnissen, von Spezial- sowie „transferfähigem Basiswissen“20, auch einen wesentlichen Teil der Bildungs- und Ausbildungstätigkeit eines i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG schutzwürdigen Lehrenden aus, so erschöpft sie sich hierin doch nicht. Hinzu kommt die Aufgabe, bestimmte Arbeitstechniken für das spätere Berufsleben zu vermitteln, mit Blick auf die Hochschullehre spricht man insoweit in der Regel von der Fähigkeit, nach wissenschaftlicher Methode zu arbeiten.21 Im vorliegenden Zusammenhang stellt 19
Hiervon geht offensichtlich auch der Wissenschaftsrat aus, wenn er von „exzellenten Hochschullehrern“ spricht, die „nicht oder wenig forschen“, aber „im engsten Kontakt mit der Spitzenforschung“ bleiben sollen, ders., Entwicklungen des Wissenschaftssystems, S. 65; ähnlich zuvor schon ders., Struktur des Bildungswesens, S. 95: Die aktive Teilnahme an der Forschung ist für Hochschullehrer in Studiengängen, in denen keine Nachwuchswissenschaftler ausgebildet werden, eine Möglichkeit, aber keine Notwendigkeit. A. A. Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 130 f.; P. M. Huber, Habilitation, S. 17. 20 Wissenschaftsrat, Einführung neuer Studienstrukturen, S. 23. 21 Vgl. § 2 Abs. 1 S. 2 HRG, sowie § 2 Abs. 1 LHG BW; Art. 2 Abs. 1 S. 2 BayHSchG; § 3 Abs. 1 S. 2 Bbg HG; § 4 Abs. 1 S. 2 BremHG; § 3 Abs. 1 S. 2 HmbHG; § 3 Abs. 2 HessHG; § 3 Abs. 1 S. 3 LHG M-V; § 3 Abs. 1 S. 2 HG NRW; § 2 Abs. 1 S. 2 HG Rh-Pf; § 48 S. 1 Saarl. UG; § 4 Abs. 1 S. 2 SächsHG; § 3 Abs. 1
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2. Teil: Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
sich damit die Frage, ob dieser Aufgabe nur der forschende Lehrer gerecht werden kann. Eine Antwort setzt die Konkretisierung der in der Lehre zu vermittelnden Arbeitstechniken und Qualifikationen voraus. Den Ausgangspunkt bildet dabei die Abgrenzung zwischen der wissenschaftlichen Vorbereitung auf berufliche Tätigkeiten außerhalb des Wissenschaftssystems, die die Lehre übernimmt, und der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses, die der Forschung obliegt. Des Weiteren sind die intellektuellen „Schlüsselqualifikationen“22, welche die wissenschaftliche23 Lehre vermittelt, von Persönlichkeitsmerkmalen und sozialen Kompetenzen – wie etwa der allseits geforderten Flexibilität, Leistungsbereitschaft und Kommunikationsfähigkeit – oder generell erlernbaren Fähigkeiten, bspw. Fremdsprachen oder Fertigkeiten am Computer, zu unterscheiden. Die von Art. 5 Abs. 3 GG geschützte Lehre soll die Lernenden zum selbständigen Umgang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und Methoden befähigen. Die Studierenden sollen lernen, die ihnen vermittelten fachlichen Kenntnisse – Fakten ebenso wie Methoden – auf fremde Sachverhalte anzuwenden und zum Zwecke selbständiger Problemlösung einzusetzen. Diese eigenständige Problemlösung in Anwendung wissenschaftlicher Methoden unterscheidet sich von einer Forschungstätigkeit entscheidend dadurch, dass sie nicht das Erkennen einer Gesetzmäßigkeit, die Formulierung allgemeiner Aussagen über die natürliche oder soziale Welt zum Ziel hat, sondern an der Behandlung eines konkreten, unwiederholbaren Geschehensablaufs interessiert ist.24 Ihre Grundlagen sind die Fähigkeit zu analytischem Denken, das die Orientierung in bisher unbekannten Situationen ermöglicht, und der sichere Umgang mit den fachspezifischen wissenschaftlichen Methoden. Die Lernenden zu beidem zu befähigen, ist – neben der Vermittlung fachlicher Kenntnisse – Aufgabe einer mit Blick auf die (Aus-)
S. 2 HG LSA; § 2 Abs. 1 S. 2 HG Schl-H; § 4 Abs. 1 S. 2 ThürHG. Allgemein für die durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützte Lehre K. Hesse, Grundzüge, Rn. 402; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 32; auf der Grundlage seines Verständnisses der Lehrfreiheit als Funktionsrecht Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 164. 22 Vgl. hierzu die Analysen der unter dem Stichwort „key skills“ im wissenschaftlichen Diskurs bzw. in den Formulierungen von Anforderungen der Wirtschaft zusammengefassten Qualifikationen von Evers u. a., Bases of Competence, und dem Wissenschaftsrat, Hochschulausbildung und Beschäftigungssystem, S. 66 ff.; ders., Einführung neuer Studienstrukturen, S. 21 f. Siehe auch Stock u. a., Bildungsprozesse und Bildungsstrukturen, S. 151 ff. 23 Siehe zur Begrenzung des grundrechtlichen Schutzes auf die wissenschaftliche Lehre unten § 7 I. 24 Zu dieser Differenzierung Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 322; vgl. ferner Wissenschaftsrat, Entwicklung des Wissenschaftssystems, S. 25 f. Deutlich wird der Unterschied zudem, wenn man mit Trute, Institutionalisierung, S. 126, zur Schutzbereichsbestimmung an Rollen und Institutionen anknüpft. Denn die Arbeit nach wissenschaftlicher Methode im beruflichen Alltag ist regelmäßig personell und institutionell klar unterschieden von der Forschung.
§ 6 Die Unabhängigkeit des Grundrechtsschutzes
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Bildungsfunktion der Lehrfreiheit schützenswerten Lehre. Dem entspricht die einfachgesetzliche Aufgabenbestimmung in § 2 Abs. 1 S. 2 HRG. Vermag nun allein ein Lehrender, der selbst aktiv an der Forschung beteiligt ist, diese Anforderung zu erfüllen?25 Die rechtswissenschaftliche Literatur hat dies wiederholt angenommen, ohne den Zusammenhang jedoch näher zu beleuchten.26 Auch die (hochschul-)didaktische und die soziologische Forschung halten insoweit keine Erkenntnisse bereit. Eine eingehendere Untersuchung des Einflusses einer eigenen Forschungstätigkeit auf die Leistungen in der Lehre steht, soweit ersichtlich, trotz oder aufgrund der wiederholt betonten Interdependenz noch aus.27 An dieser Stelle kann sie nicht geleistet werden. Im Rahmen einer verfassungsrechtlichen Untersuchung ist eine umfassende Analyse jedoch auch nicht zwingend erforderlich. Lediglich die notwendigen Bedingungen für eine im genannten Sinne Erfolg versprechende Lehre sind zu ermitteln. Den Ausgangspunkt soll dabei die allgemeingültige Feststellung bilden, dass man nur Tätigkeiten lehren kann, die man selbst beherrscht und, von äußeren Hindernissen abgesehen, jederzeit in der Lage wäre, selbst wieder auszuführen. Die fortdauernde eigene Übung hingegen scheint entbehrlich, es sei denn, sie wird erforderlich, um die eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht verblassen zu lassen bzw. zu aktualisieren, so etwa im Falle eines methodischen Paradigmenwechsels28. Die Eignung, das Arbeiten nach wissenschaftlicher Methode zu vermitteln, ist also allein bedingt durch die Fähigkeit des Lehrers, selbst mit der disziplinspezifischen Methode zu arbeiten. So kann etwa auf juristische Berufe nur vorbereiten, wer die juristischen Methoden und Arbeitstechniken beherrscht. Dass er diese auch zum Zwecke der Forschung anwendet, ist hingegen keine Erfolgsbedingung seiner ausbildenden Lehrtätigkeit. Denn die Anwendung von und der Umgang mit den Erkenntnissen und Methoden eines Faches im berufspraktischen Umfeld sind hinsichtlich ihrer Ziele und Anforderungen von den Arbeitsweisen der Forschung zu unterscheiden. Dies bestätigt nicht zuletzt die zunehmende Differenzierung von berufs- und forschungsbezogenen Studiengängen.
25 Der Erfolg einer Lehrveranstaltung ist selbstverständlich keine Voraussetzung ihrer Schutzwürdigkeit, vgl. unten § 7 II. Doch muss der Lehrende neben der Absicht auch das Potential besitzen, ausbildend zu lehren i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG. Eingehend zu den Qualifikationsanforderungen an den Grundrechtsträger der Lehrfreiheit unten § 7 III. 26 Vgl. etwa K. Hesse, Grundzüge, Rn. 402, dem zufolge nur der forschende Lehrer „zu kritischer Klarheit und geistiger Selbständigkeit“ erziehen kann; in der Sache ebenso Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 137 f.; P. M. Huber, Habilitation, S. 17. 27 Vgl. die Bestandsaufnahme von L. Huber, Forschendes Lehren, S. 8 f., der zudem an der Möglichkeit einer entsprechenden empirischen Untersuchung zweifelt. 28 Begriffsprägend Kuhn, Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, S. 10.
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2. Teil: Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
Aus der Bildungs- und Ausbildungsfunktion der Lehrfreiheit kann daher eine funktionale Bedingtheit der Lehre durch die Forschung und eine dementsprechende Begrenzung des grundrechtlichen Schutzbereichs auf den selbst forschenden Lehrer nicht abgeleitet werden. 2. Die Befähigung zum kritischen Urteil Der kritischen Funktion der Lehrfreiheit entspricht die Aufgabe der Lehre, die Fähigkeit zum eigenständigen Urteil zu vermitteln. Wie gesehen, ist die Kritik, zu der Lehre i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG befähigen soll, zu unterscheiden von jener, die der Forschung als Aufgabe obliegt.29 In der Lehre sollen die Grundlagen für einen von den Lernenden getragenen Reflexionsprozess gelegt werden, der die gesellschaftliche Entwicklung und insbesondere den wissenschaftlichen Fortschritt und das Fortschreiten der wissenschaftlich-technischen Zivilisation kritisch begleitet. Dieser erfordert die in der Lehre zu vermittelnde fachbezogene Allgemeinbildung, wozu etwa Kenntnisse über die Geschichte, die Grundproblematik, die Gesetzlichkeiten und die maßgebenden Werke eines Sachbereichs zählen, ferner eine persönliche Wertordnung, die als Beurteilungsmaßstab dienen kann,30 sowie die Fähigkeit und Bereitschaft, beides – Sachkenntnisse und Wertvorstellungen – in Bezug zueinander und zu einem (natürlichen, gesellschaftlichen oder staatlichen) Phänomen zu setzen. Aus der Aufgabe des Lehrers, in die fachlichen und methodischen Grundlagen einzuführen, ergibt sich die Notwendigkeit eigener Forschung nicht. Insoweit gilt das zur Erfüllung des Bildungs- und Ausbildungsauftrags Ausgeführte entsprechend. Eine Lehrveranstaltung, die zu eigenständigem Urteilen ermutigen und befähigen will, wird sich darüber hinaus in der Regel dadurch auszeichnen, dass sie eine Pluralität von Argumenten, denkbaren Abwägungsprozessen und -ergebnissen vorstellt. Hierzu qualifiziert nicht die eigene Forschung, sondern eine intensive Auseinandersetzung mit dem Sachbereich. Versteht man den kritischen Auftrag der Lehre auch als gesellschaftliches Korrektiv von Forschung und Forschungsfreiheit, so könnte die fehlende Beteiligung des Lehrenden am Forschungsprozess angesichts des damit einhergehenden Abstands zum Gegenstand der Betrachtung der Aufgabenerfüllung sogar zuträglich sein. Die Distanz zu Forschung und wissenschaftlichem Fortschritt steht der Anleitung zur kritischen Betrachtung demnach jedenfalls nicht entgegen.
29
S. o. § 3 IV. 3. „Wert“ und „Wertordnung“ sind dabei im weitesten Sinne zu verstehen, so dass sie auch die Negation jeder (materiellen) Wertvorstellung und insbes. Wertrangordnung erfassen. 30
§ 6 Die Unabhängigkeit des Grundrechtsschutzes
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3. Die kulturstaatliche Bedeutung wissenschaftlicher Lehre Betrachtet man die Lehre aus kulturstaatlicher Perspektive, so nimmt man ihre Beiträge zur gesellschaftlichen Integration und zum Sinnerleben des Einzelnen in den Blick. Die in der Lehre vermittelten Inhalte sind zugleich Bestandteile eines Sozialisationsprozesses und Grundlage der freien individuellen Selbstverwirklichung. Die Pluralität der in der Lehre vermittelten Inhalte gewährleistet dabei die in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft für beide Prozesse unabdingbare Vielfalt und Offenheit des geistigen und künstlerischen Lebens. Ihre dergestalt umrissene kulturstaatliche Funktion erfüllt die Lehre im Wege allgemeiner, zweckfreier Bildung, wobei sie ihre Inhalte allein entsprechend den Sachgesetzen der Materie und ihrer Bedeutung in und für eine kulturelle, geistige und künstlerische, Tradition wählt. Dass eine Beteiligung des diesem Auftrag verpflichteten Lehrers an der Forschung nicht erforderlich ist, wurde zuvor dargelegt.31 4. Die Selbstverwirklichung in der Lehre Schließt man aus der Funktion der Lehrfreiheit, dem Lehrenden Freiraum zur Verwirklichung seiner selbst zu eröffnen – so begrenzt dieser Freiraum und das Interesse der Lehrenden an dieser Form der Selbstverwirklichung heute auch sein mögen –, auf das Erfordernis einer Beteiligung des Lehrers an der Forschung, so verkehrt man das mit dem Begriff der Selbstverwirklichung benannte Konzept in sein Gegenteil.32 Denn sein zentraler Topos ist die Befreiung von Fremdbestimmung, die Unabhängigkeit von Urteilen und Erwartungen der Umwelt. Eine Grundrechtsvoraussetzung eigener Forschung, mit der eine bestimmte Form der Annäherung an die zu vermittelnden Lehrinhalte wenn auch nicht zwingend vorgegeben, so doch jedenfalls gefördert und nahe gelegt wird, kann sich aus der Selbstverwirklichungsfunktion der Lehrfreiheit daher nicht ergeben. Aus dieser kann allenfalls auf das Erfordernis geschlossen werden, dem Lehrenden auch die Möglichkeit eigener Forschung zu eröffnen und damit seinen Spielraum zu erweitern. Die Erfüllung der telæ der Lehrfreiheit setzt folglich keine eigene Forschungstätigkeit des Lehrenden voraus. Die personelle Anbindung an die Forschung
31
S. o. § 6 I. 1. In jüngerer Zeit wurde das Konzept der Selbstverwirklichung insbes. in der Psychologie entfaltet, vgl. hierzu den Überblick von R. Huber, Psychologie der Selbstverwirklichung. Zentrale Bedeutung kommt insoweit den Arbeiten zunächst von C. G. Jung und anschließend von A. H. Maslow und C. R. Rogers zu, vgl. C. G. Jung, Beziehungen; Rogers, Entwicklung der Persönlichkeit, und Maslow, Psychologie des Seins. Eine knappe Einführung in die philosophische Tradition findet sich bei Hsu, Selbstverwirklichungsrecht, S. 41 ff. 32
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2. Teil: Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
stellt demnach keine Bedingung des Grundrechtsschutzes dar. Die Lehrfreiheit schützt auch den nicht selbst forschenden wissenschaftlichen Lehrer.
II. Die institutionelle Verbindung zur Forschung als Bedingung der Schutzwürdigkeit wissenschaftlicher Lehre? Von dem Erfordernis einer Einheit von Forschung und Lehre in der Person des Lehrenden, nach dem bis zu diesem Punkt gefragt wurde, ist die Notwendigkeit einer zumindest institutionellen Verbindung der i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG schutzwürdigen Lehre zur Forschung zu unterscheiden. Auch insoweit ist maßgeblich auf die telæ der Lehrfreiheit und die daraus folgenden Anforderungen an schützenswerte Lehre abzustellen. In Betracht kommen die Ableitung eines institutionellen Junktims aus dem kritischen Auftrag der Lehrfreiheit, aus ihrer Selbstverwirklichungsfunktion sowie aus ihrem telos, ein freiheitliches Bildungs- und Ausbildungssystem zu gewährleisten.33 1. Die Nähe zum Objekt der Kritik als abwägungsrelevanter Belang Die zuvor formulierte Überlegung, persönliche Distanz zum Forschungsprozess könne es dem Lehrenden erleichtern, zu kritischer Betrachtung anzuleiten, ist auf die institutionelle Verbindung von Forschung und Lehre nicht übertragbar. Lehre kann ihre Aufgabe, als Korrektiv zu wirken, im Gegenteil vielleicht sogar effektiver erfüllen, wenn sie dem Forschungsalltag begegnet. Angesichts der weitgehenden, nicht allein inhaltlichen Entkoppelung der Diskurse scheint jedoch zweifelhaft, dass die Zusammenführung von Lehrern und Forschern in einer Einrichtung zu einer Begegnung und nicht zu einem bloßen Nebeneinander führt. Zudem beansprucht auch an dieser Stelle der Grundsatz Geltung, dass allein eine mögliche Optimierung der Lehre nicht die Schutzbereichsbegrenzung zu rechtfertigen vermag, die mit dem Erfordernis einer institutionellen Anbindung der Lehre an die Forschung verbunden ist.34 Dies gilt umso mehr, als es sich bei der kritischen Begleitung von Forschung und wissenschaftlichem Fortschritt um nur einen Aspekt des Reflexionsprozesses handelt, zu dem Lehre ermuntern und befähigen soll und zu welchem Zweck sie durch Art. 5 Abs. 3 GG als freiheitliche gewährleistet wird. Soweit es um Stellungnahmen zu Entwick33 Anhaltspunkte dafür, dass die Lehre ihrer kulturstaatlichen Funktion einzig oder auch nur erfolgreicher im institutionellen Zusammenspiel mit der Forschung gerecht werden könnte, sind nicht ersichtlich. Mit Blick auf den Beitrag, den sie zu Entwicklung und Fortbestand des Kulturstaates leistet, unterscheidet sich die universitäre, also in Verbindung mit der Forschung stehende Lehre nicht prinzipiell von der Lehre an allgemeinbildenden Schulen, die keine institutionelle Anbindung an die Forschung kennt. 34 Siehe auch § 6 I. 1. a).
§ 6 Die Unabhängigkeit des Grundrechtsschutzes
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lungen in anderen gesellschaftlichen Bereichen geht, erscheint der institutionelle Kontakt zur Forschung hingegen weder erforderlich noch in besonderer Weise förderlich. Aus der kritischen Funktion ergibt sich daher lediglich die Pflicht des Gesetzgebers, mögliche positive Effekte, die sich aus einer Verbindung von Forschung und Lehre an öffentlichen Bildungseinrichtungen ergeben können, als abwägungsrelevante Belange in Entscheidungen über die Gestaltung des Bildungswesens einzustellen. 2. Die institutionelle Erweiterung der Selbstverwirklichungsoptionen Ähnliches folgt aus dem telos der Lehrfreiheit, den Lehrenden einen Freiraum zur Selbstverwirklichung zu eröffnen. Dieser Freiraum wird erweitert, wenn Lehrende wählen können zwischen der Tätigkeit an einer allein der Lehre verpflichteten Einrichtung und der Arbeit an einer Institution, an der auch geforscht wird. Eine Begrenzung des Schutzes auf Lehrtätigkeiten an Institutionen der letzteren Art erfordert dieser telos damit jedoch ebenso wenig wie eine personelle Einheit von Forschung und Lehre. 3. Der direktere Zugang zu wissenschaftlichen Entwicklungen Auch im Hinblick auf die Funktion des Art. 5 Abs. 3 GG, ein freiheitliches (Aus-)Bildungssystem zu gewährleisten, kann die institutionelle Verbindung zur Forschung nur als Erleichterung, nicht aber als notwendige Voraussetzung der geschützten Lehrtätigkeiten begriffen werden: Sie mag den Lehrenden einen direkteren oder schnelleren Zugang zu wissenschaftlichen Entwicklungen eröffnen. Doch ist der Erfolg einer Lehrveranstaltung nicht abhängig von dieser Form der Unterstützung. Sonst könnte nicht gelehrt werden, was nicht an der eigenen Hochschule erforscht wurde – eine bei Betrachtung der bestehenden Verhältnisse nicht haltbare Behauptung. In die Lehre fließen, freilich mit der beschriebenen Verzögerung, nicht nur die Ergebnisse der an anderen Hochschulen betriebenen Forschung ein, sondern auch die an reinen Forschungsinstituten gewonnenen Erkenntnisse.
III. Fazit Keine der i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG schutzwürdigen Lehrtätigkeiten ist funktional abhängig von der eigenen Forschungstätigkeit des Lehrenden oder seiner Einbindung in eine Einrichtung, an der auch Forschung betrieben wird. Daher ist weder die persönliche noch die institutionelle Verbindung des Lehrenden zur Forschung Voraussetzung des grundrechtlichen Schutzes seiner Lehrtätigkeit.35 Dass die eigene Forschungstätigkeit des Lehrers oder seine Einbindung in Insti-
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tutionen, die auch mit der Forschung betraut sind, zu einer effektiveren, intensiveren oder umfassenderen Verwirklichung der mit der Lehrfreiheit verfolgten Ziele führen kann, bleibt in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Denn die Ausarbeitung von optimalen Lehrbedingungen ist nicht Anliegen einer verfassungsrechtlichen Untersuchung. Ihr kann es allein um die Bestimmung der notwendigen Voraussetzungen grundrechtlichen Schutzes gehen. Die vorliegenden Ausführungen sind daher nicht als hochschulpolitisches Plädoyer gegen eine Verbindung von Forschung und Lehre zu missverstehen. Sie verweisen insoweit vielmehr auf den gesetzgeberischen Freiraum und fordern lediglich ein aktualisiertes und gewandeltes Verständnis der Lehrfreiheit i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG.
§ 7 Die Wissenschaft als materielle Determinante der grundrechtlich geschützten Lehre Wenngleich die Lehrfreiheit heute als selbständiges Grundrecht zu verstehen ist, dessen Schutzbereich auch die Lehre erfasst, die weder in der Person des Lehrenden noch institutionell mit der Forschung verbunden ist, so kann hieraus doch nicht auf das Fehlen jeglicher Verbindung zur Wissenschaft i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG geschlossen werden. Im Gegenteil, wissenschaftliches Wissen bildet den materiellen Kern der Lehre, die durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützt wird.
I. Die thematische Bindung der durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Lehre Der Begriff der Lehre ist in seiner anthropologischen, handlungsbezogenen Dimension, die das Freiheitsrecht in den Blick nimmt, ein prozeduraler.36 Er verweist auf die Vermittlung von Kenntnissen oder Fähigkeiten einer mit überlegenem Wissen ausgestatteten Person an eine oder mehrere Personen mit unterlegenen Kenntnisständen oder Fähigkeiten.37 Welcher Art die zu lehrenden Inhalte sind, bleibt dabei zunächst völlig offen. Sie könnten grundsätzlich ebenso gut religiöser, politischer oder wissenschaftlicher wie sportlicher oder künstleri35 Der Einrichtung einer Lehrprofessur steht Art. 5 Abs. 3 GG daher keinesfalls im Wege, diese würde vielmehr durch die Lehrfreiheit geschützt; a. A. Starck, in: v. M/K/ S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 339; Kempen, Grundfragen, Rn. 86, die den „Lehrprofessor“ für grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig halten. – Ob der nicht selbst forschende Hochschullehrer dienstrechtlich zur Kategorie der Professoren zu rechnen oder bspw. einem Akademischen Rat gleichzustellen ist, kann in dem der vorliegenden Untersuchung gezogenen Rahmen nur als weiterführende Frage aufgeworfen, nicht aber erörtert werden. 36 Vgl. oben § 3 I. 2. c) bb). 37 Siehe zu den Strukturen der als „Lehre“ bezeichneten Kommunikationsprozesse auch unten § 7 II.
§ 7 Die Wissenschaft als materielle Determinante
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scher Natur sein. Fertigkeiten könnten im Prinzip ebenso den Lehrinhalt bilden wie Informationen. Die Geschichte der Lehrfreiheit lässt jedoch kaum Zweifel daran, dass Lehre, die keinerlei Bezug zur Wissenschaft hat, nicht Schutzgut des Art. 5 Abs. 3 GG ist.38 Auch die semantische Analyse, die Überschneidungen der Begriffe im Bereich ihrer Extensionen aufgezeigt hat, weist auf Verbindungen der grundrechtlich geschützten Lehre zur Wissenschaft hin, wenngleich ihr keine eindeutigen Anhaltspunkte über die Qualität des Zusammenhangs zu entnehmen sind.39 Die Untersuchung der Lehrtätigkeiten, die i. S. d. telæ der Lehrfreiheit schutzwürdig sind, hat ergeben, dass die Berührungspunkte nicht auf der Handlungsebene liegen.40Aus der Differenzierung des Grundgesetzes zwischen den Kommunikationsgrundrechten des Art. 5 Abs. 1 und 3 GG folgt, dass der Zusammenhang ein thematischer sein muss. Nur die besondere thematische Bindung der Lehre vermag zu erklären, warum die Lehrfreiheit anders als die Meinungsund Informationsfreiheit nicht dem Vorbehalt der allgemeinen Gesetze unterliegt. Die unterschiedlichen Strukturen der geschützten Kommunikationen kommen als Grundlage dieser Unterscheidung nicht in Betracht. Denn die strukturelle Besonderheit der als Lehre bezeichneten Interaktionen besteht in der Unterlegenheit eines Kommunikationspartners. Diese jedoch hätte die Eröffnung weitergehender Einschränkungsmöglichkeiten etwa zum Schutze der Lernenden nahegelegt, nicht aber eine Privilegierung mittels der Freistellung von dem in Art. 5 Abs. 2 GG normierten Schrankenvorbehalt. Der spezielle Schutz der Lehre ist daher einzig durch eine thematische Begrenzung der Lehrinhalte zu rechtfertigen. Geschichte, Systematik und sprachliche Fassung des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG erweisen die im selben Satz genannte Wissenschaft und die Kunst als mögliche Inhalte. 1. Wissenschaftliches Wissen als Lehrinhalt Die „Wissenschaftlichkeit“ der Lehre i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG kommt mithin allein in ihrem Inhalt, nicht in einer besonderen Modalität der Lehrhandlung, etwa der Anleitung durch eine (wissenschaftliche) Methode,41 zum Ausdruck.42 Maßgeblich ist, dass sich der Lehrinhalt in das Gesamt der objektiven Sätze 38
Vgl. oben § 3 III. 1. S. o. § 3 I. 3. und dort Nr. 1, 3. 40 Vgl. oben § 6 I. 41 Demgegenüber sind Forschungshandlungen dadurch gekennzeichnet, dass sie einer wissenschaftlichen Methode folgen, vgl. oben § 4 IV. 2. a). 42 In diese Richtung mit anderer Begründung auch Hufen, Freiheit der Kunst, S. 178 f. mit Fn. 259, und andeutungsweise jüngst ders., „Körperwelten“, S. 612. Außerhalb der verfassungsrechtlichen Definitionsbemühungen hat man „wissenschaftliche Lehre“ in der Vergangenheit schon ähnlich verstanden, vgl. Wissenschaftsrat, Neuord39
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einordnet, die von der Gemeinschaft der Forscher als wissenschaftliche Erkenntnisse – zustimmend oder ablehnend – diskutiert werden,43 dass er also der Wissenschaft in einem theoretischen Verständnis zugehörig ist.44 Die wissenschaftliche Methode kann Inhalt einer Lehrveranstaltung sein, sie kennzeichnet aber nicht die Vermittlungstätigkeit des durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Lehrers. Auch die Publikation eigener Forschungsergebnisse wird durch die Lehrfreiheit geschützt, soweit sich die Veröffentlichung nicht allein an die Gemeinschaft der Forschenden, sondern auch an Lernende wendet, also an Personen, deren Kenntnisstände sich grundlegend von denen der publizierenden Person unterscheiden.45 Doch ist der Schutzbereich der Freiheit wissenschaftlicher Lehre hierauf eben nicht beschränkt. a) Die Abhängigkeit des Schutzumfangs der Lehrfreiheit vom verfassungsrechtlichen Wissenschaftsbegriff Wenn für die Qualifikation von Inhalten als „wissenschaftlich“ auf ihre Diskussion in der Gemeinschaft der Forscher abgestellt wurde, so sollte damit nicht der Streit um den theoretischen Wissenschaftsbegriff entschieden werden.46 Die hier gewählte Definition fand vielmehr exemplarische Verwendung, denn im Rahmen der vorliegenden Untersuchung kann der verfassungsrechtliche Wissenschaftsbegriff nicht näher beleuchtet werden. Die dogmatische Konkretisierung der Lehrfreiheit setzt seine Bestimmung jedoch auch nicht zwingend voraus. Die Definition der Lehre nimmt zwar auf den theoretischen Wissenschaftsbegriff Bezug, so wie er zu einem bestimmten Zeitpunkt durch die Rechtswissenschaft und die Rechtsprechung interpretiert wird. Wandelt er sich, so wandelt
nung des Studiums, S. 11, 34; ders., Hochschulentwicklung, S. 78; BAK, Kreuznacher Hochschulkonzept, S. 39 ff.; Nitsch u.a., Hochschule in der Demokratie, S. 77 f. 43 So die Definition „wissenschaftlichen Wissens“ von Trute, Institutionalisierung, S. 115. 44 Dabei kann die institutionelle Einbettung ein wichtiger Orientierungspunkt sein; zu den Elementen der Schutzbereichsdefinition, um die es hier geht, gehört sie jedoch nicht. So ist denn letztlich wohl auch Trute, Institutionalisierung, S. 131, zu verstehen, der sich zwar krit. gegenüber der hier vorgeschlagenen Bestimmung der Wissenschaftlichkeit äußert und stattdessen institutionelle Aspekte als maßgeblich erachtet, aber gleichwohl vorsichtig formuliert: „Vor dem Rückgriff auf abgrenzungsschwache Kriterien der Wissenschaftlichkeit des Wissens“ kann daher „vor allem auf Organisation, Funktion, Rolle als Kriterien“ abgestellt werden (Herv. AK). 45 Die Lehrfreiheit verdrängt in diesem Fall als lex specialis die Forschungsfreiheit, welche die Freiheit zur Veröffentlichung der Ergebnisse umfassend und unabhängig vom Adressaten gewährleistet. 46 Vgl. hierzu aus verfassungsrechtlicher Sicht bspw. Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 78 ff., und Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 13 ff.; aus philosophischer Perspektive einführend Diemer, Wissenschaft, v. a. S. 20 f., 22 ff., sowie Wohlgenannt, Wissenschaft, S. 37 ff.
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sich mit ihm die Summe der Inhalte, deren Vermittlung als Lehre durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützt wird. Seine konkrete Gestalt aber gehört nicht zu den Kennzeichen der grundrechtlich geschützten Lehre. Für die Anwendung des selbständigen Grundrechts der Lehrfreiheit im Einzelfall ist die Qualifikation einzelner Erkenntnisse hingegen unentbehrlich. Daher ist für die Zukunft eine intensivere rechtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem theoretischen Wissenschaftsbegriff des Art. 5 Abs. 3 GG zu erhoffen. Bisher nehmen die Erörterungen – ausgehend von der Konzeption der Wissenschaftsfreiheit als umfassendes Grundrecht – primär die handlungsbezogene Dimension der Wissenschaft in den Blick und widmen sich dabei zuvorderst der Frage, welche Kriterien eine Forschungshandlung i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG erfüllen muss.47 Mit der Verselbständigung von Forschungs- und Lehrfreiheit und der Verabschiedung der Wissenschaftsfreiheit als Grundrecht verliert dieser Fokus jedoch seine Berechtigung. Wird von der „Wissenschaft im verfassungsrechtlichen Sinne“ gesprochen, so wird zukünftig zu verhandeln sein, wodurch sich wissenschaftliches Wissen auszeichnet.48 Nun wird man erwidern, dies ergebe sich ohne weiteres aus der Bestimmung des Forschungsbegriffs: Jede Erkenntnis, die im Wege der Forschung erlangt wurde, sei Bestandteil des Systems wissenschaftlichen Wissens. Nach einer Entkoppelung von wissenschaftlicher Lehre und Forschung jedoch muss über die Qualifikation eines Inhalts losgelöst vom Zusammenhang der Erkenntnisgewinnung entschieden werden können. Denn jede Erkenntnis zu ihrer Quelle und ihrem Entstehungsprozess zurückzuführen, scheint jedenfalls im modernen Wissenschaftssystem kaum möglich, keinesfalls praktikabel und damit effektivem Grundrechtsschutz abträglich. Eine Konkretisierung des verfassungsrechtlichen theoretischen Wissenschaftsbegriffs ist mithin unerlässlich; an dieser Stelle kann sie jedoch nicht geleistet werden. b) Die funktionalen Erweiterungen des Schutzbereichs Regelmäßig erfordert die Lehre über den eigentlichen wissenschaftlichen Inhalt hinausgehende Erläuterungen, Beispiele und Übungen. Dies gilt insbesondere für die Vermittlung wissenschaftlicher Methodik, deren Bedeutung und Funktionsweise sich vielfach erst erschließt, wenn sie anhand konkreter Beispiele eingeübt wird. Diese auf die Vermittlung bezogenen und für ihren Erfolg 47 Vgl. exemplarisch die Überlegungen von Schmitt Glaeser, Forschungsfreiheit, S. 110 ff.; Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 86 ff., und Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 24 ff., sowie BVerfGE 35, 79, 112 f.; 90, 1, 11 f. 48 Damit soll keineswegs einem materiellen Wissenschaftsbegriff das Wort geredet werden, wie er klassischerweise mit der theoretischen Dimension assoziiert wird. Dass auch die Bestimmung des „wissenschaftlichen Wissens“ eine formale sein kann, zeigt die in dieser Arbeit verwendete Definition von Trute, s. o. Fn. 43, S. 190.
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mitentscheidenden Tätigkeiten und Inhalte werden ebenfalls durch die Lehrfreiheit geschützt. Das Grundrecht könnte seine Schutzwirkung kaum entfalten, nähme man sie aus dem Schutzbereich aus. Gleiches gilt, soweit wissenschaftliches Wissen mit anderen Inhalten, etwa Meinungsäußerungen oder Glaubensbekenntnissen, so eng verbunden ist, dass eine Differenzierung nicht ohne Sinnentleerung möglich scheint. Auch in diesem Fall schützt Art. 5 Abs. 3 GG umfassend. Maßgeblich ist allein, dass es im Kern um die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse oder Methoden an Personen geht, von denen der Lehrende annehmen darf, sie verfügten über einen relativ geringeren Kenntnisstand.49 Die Äußerung von ausgesprochenen Lehrmeinungen, die nicht zum Ziel hat, wissenschaftliche Erkenntnis für die Lernenden verständlich zu machen, kommt folglich im Rahmen der durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Lehre allein als exemplarische in Betracht. Nur soweit sie der Erziehung zum kritischen Umgang mit wissenschaftlichem Wissen dient und damit der kritischen Funktion der Lehrfreiheit entspricht, fällt sie in den Schutzbereich. Ohne diesen Bezug ist sie grundsätzlich nicht geschützt. Aus dem telos der Lehrfreiheit, dem Lehrenden Raum zur Selbstverwirklichung zu eröffnen, ergibt sich in dieser Hinsicht keine zusätzliche Weiterung. Die thematische Bindung der Lehre durch die Wissenschaft erfordert auch insofern einen funktionalen Bezug zur Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte. Auch die Lehre von Schlüsselqualifikationen, wie etwa der Fähigkeit analytischen Denkens und selbständiger Problemlösung, wird nur innerhalb des so abgesteckten Rahmens geschützt, also insbesondere als Ausfluss der Darstellung und Einübung wissenschaftlicher Methoden. Selbstverständlich ist es als gesetzgeberische oder universitäre Entscheidung grundsätzlich denkbar, die Berufsvorbereitung in weiterem Umfang zum Inhalt der Lehre zu machen, etwa mit der Vorgabe eines Pflichtangebots von Fremdsprachenunterricht, der Einführung von Studienmodulen zur Vermittlung von Medienkompetenzen oder der Einübung sozialer Kompetenzen wie Kommunikations- und Teamfähigkeit50. Doch
49 Krit. gegenüber einem „Lehrer-Schüler-Verhältnis“, also der strukturellen Inkongruenz der Kenntnisstände, als Voraussetzung der Lehrfreiheit Köttgen, Freiheit der Wissenschaft, S. 318. 50 Neben dem inhaltlichen Basiswissen und methodischen Fähigkeiten werden v. a. diese Kompetenzen als „Schlüsselqualifikationen“ für den Arbeitsmarkt benannt, vgl. etwa Wissenschaftsrat, Hochschulausbildung und Beschäftigungsstruktur, S. 66 ff.; Weinert, Schlüsselqualifikationen, S. 23 ff.; Evers u. a., Bases of Competence, passim, und Stock u. a., Bildungsprozesse und Bildungsstrukturen, S. 152 ff. Vgl. aber auch die Konkretisierung der speziell im juristischen Studium zu vermittelnden „Schlüsselqualifikationen“ von H. Jung, Schlüsselqualifikationen, S. 1049 m. w. N. – Die Universität Freiburg bspw. hat 2003 ein eigenes „Zentrum für Schlüsselqualifikationen“ (www.zfs.uni-freiburg.de) eingerichtet, das sich um die Integration von Lerneinheiten, die diese Kompetenzen vermitteln, in das fachwissenschaftliche Studium bemüht.
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wird der Unterrichtende insoweit nicht durch Art. 5 Abs. 3 GG, sondern durch die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG geschützt. In seine Lehrfreiheit greift eine Inanspruchnahme in diesem Bereich nur und erst ein, wenn er sich aufgrund der Arbeitsbelastung nicht mehr in der von ihm gewünschten Weise seiner wissenschaftlichen Lehrtätigkeit widmen kann. 2. Kunst als Inhalt grundrechtlich geschützter Lehre Angesichts des systematischen Zusammenhangs der Lehre nicht nur zur Wissenschaft, sondern auch zur ebenfalls in Art. 5 Abs. 3 GG genannten Kunst51 liegt es nahe anzunehmen, dass das zum Verhältnis von Wissenschaft und Lehre Ausgeführte entsprechend für die Verbindung von Kunst und Lehre gilt, so dass durch die Lehrfreiheit auch die Vermittlung künstlerischer Inhalte geschützt wird.52 Hierauf deutet auch die Formulierung des einfachen Gesetzgebers in § 4 Abs. 3 S. 1 HRG hin, wonach die Freiheit der Lehre insbesondere „die Abhaltung von Lehrveranstaltungen und deren inhaltliche und methodische Gestaltung sowie das Recht auf Äußerung von wissenschaftlichen und künstlerischen Lehrmeinungen“ (Herv. AK) umfasst.53 Während § 4 Abs. 2 HRG ausdrücklich die entsprechende Anwendung der Regelungen über die Forschungsfreiheit auf die Kunstfreiheit anordnet, fehlt es an einer vergleichbaren Anordnung in dem der Lehrfreiheit gewidmeten Absatz 3. Dies scheint mit der Annahme erklärbar, die Lehrfreiheit beziehe sich ohnehin auf wissenschaftliche und künstlerische Inhalte.54 Die in der Vergangenheit gegen eine grundrechtliche Verbindung von künstlerischer und wissenschaftlicher Lehre angeführte Unvereinbarkeit der Handlungsorientierungen – das Schöne hier, die Wahrheit dort –55 steht einer 51
Vgl. oben § 3 II. 1. b). Angeregt wurde die Diskussion einer ,künstlerischen Lehrfreiheit‘ in der Lit. erst Ende der 60er Jahre durch einen Beitrag von Mallmann, Kunsthochschulen, v. a. S. 258 ff., 261 ff., der die Erstreckung der Lehrfreiheit auf den künstlerischen Bereich forderte. Vgl. aus der sich nur zögerlich entfaltenden Debatte zustimmend bspw. Kilian, Hochschulen für bildende Künste, S. 130 f.; Hufen, Freiheit der Kunst, S. 157 ff., und Kimminich, Hochschule, S. 148. Ganz überwiegend geht man bis heute davon aus, dass Art. 5 Abs. 3 GG allein die Freiheit der wissenschaftlichen, nicht auch der künstlerischen Lehre gewährleistet. Wie in der älteren Lit. kommt dies jedoch weiterhin in der Regel nur implizit in dem Hinweis auf die Zugehörigkeit der Lehre zur Wissenschaft zum Ausdruck; ausdrücklich aber Bettermann, Universität, S. 69. 53 Die bundesrechtliche Rahmenregelung findet ihre Entsprechung in den Landeshochschulgesetzen, vgl. § 3 Abs. 3 S. 1 LHG BW; § 3 Abs. 3 S. 1 Bay HG; § 4 Abs. 1 S. 1 Bbg HG; § 7 Abs. 3 S. 1 BremHG; § 11 Abs. 1 S. 1 HmbHG; § 7 Abs. 1 HessHG; § 5 Abs. 3 LHG M-V; § 4 Abs. 4 S. 1 HG NW; § 3 Abs. 3 S. 1 HO Rh.Pf.; § 3 Abs. 3 UG Saarl.; § 4 Abs. 4 S. 1 HG LSA; § 5 Abs. 3 S. 1 SächsHG; keine Konkretisierung der geschützten Lehrinhalte enthält § 3 Abs. 4 S. 1 HSG Schl.-H. Die Hochschulgesetze aus Berlin und Niedersachsen umschreiben die sich aus der Lehrfreiheit ergebenden Rechte nicht. 54 Ähnlich Hufen, Freiheit der Kunst, S. 157 Fn. 189. 52
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thematischen Erweiterung, wie sie hier erörtert wird, zudem nicht im Wege. Denn die traditionelle Differenzierung hatte die Zuordnung der Lehre zu den Bereichen Kunst und Wissenschaft zur Grundlage. Eine durch die Lehrfreiheit geschützte Lehre teilt die Eigengesetzlichkeit dieser Normbereiche heute jedoch nicht mehr, sondern folgt ihrer eigenen Handlungsrationalität und scheint insoweit grundsätzlich für eine thematische Definition sowohl durch die Wissenschaft als auch durch die Kunst offen. Einer Freiheit künstlerischer Lehre verbleibt jedoch neben der Kunstfreiheit einerseits und der Freiheit wissenschaftlicher Lehre andererseits kein eigenständiger Anwendungsbereich. Wie die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses durch die Forschungsfreiheit geschützt wird, so gewährleistet die Freiheit der Kunst die Ausbildung des künstlerischen Nachwuchses. Es gilt insoweit im Wesentlichen das zum grundrechtlichen Schutz der Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern Ausgeführte56 entsprechend: Die Beteiligung am schöpferischen Gestaltungsprozess und die individuelle künstlerische Arbeit sind für den Lernprozess eines angehenden Künstlers vielleicht noch wesentlicher als die Beteiligung an der Forschung im Rahmen der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses.57 Neben Ausstellung, Konzert und ähnlichen Kontakten mit dem Publikum gehört die Ausbildung von Nachwuchskünstlern und -musikern überdies zu den wesentlichen Bereichen künstlerischen Wirkens des Lehrenden selbst.58 Sie stellt sich damit sowohl für den Lehrenden als auch für den Lernenden als Kunstausübung dar und wird daher durch die Kunstfreiheit geschützt.59 Somit kann einer „Freiheit künstlerischer Lehre“ eigenständige Bedeutung nur zukommen, wenn die künstlerischen Inhalte, deren Vermittlung sie zu schützen sucht und die nicht der Ausbildung für eine eigene künstlerische Tätigkeit dienen, nicht zugleich als wissenschaftliche Inhalte zu qualifizieren sind. Denn 55 Vgl. zur Entwicklung der Gegenüberstellung „Wahrheit – Schönheit“ und der hierauf aufbauenden Trennung von künstlerischer und wissenschaftlicher Lehre Hufen, Freiheit der Kunst, S. 156 f.; krit. hierzu v. a. Mallmann, Kunsthochschulen, S. 263. 56 S. o. § 3 IV. 1. b) bb). 57 Dies zeigt ein Blick auf die Studienpläne an Kunst- und Musikhochschulen, die das eigene künstlerische bzw. musikalische Arbeiten als zentralen Bestandteil ausweisen, vgl. bspw. die Curricula der Universität der Künste in Berlin (www.udkberlin.de/studium/ [Stand: 24.05.2005]) oder der Folkwang Hochschule Essen (www. folkwang-hochschule.de [Stand: 24.05.2005]). Wie hier Mallmann, Kunsthochschulen, S. 265; Hufen, Freiheit der Kunst, S. 159 ff. 58 Vgl. Hufen, Freiheit der Kunst, S. 163; aus historischer Perspektive Pevsner/Morris, Künstlerausbildung. Unter „künstlerischem Wirken“ ist dabei die „Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks“ als Ergänzung zum Prozess des künstlerischen Schaffens zu verstehen, vgl. BVerfGE 30, 173, 189. 59 Mallmann, Kunsthochschulen, S. 264 f., und Hufen, Freiheit der Kunst, S. 163 f., sehen die Ausbildung des künstlerischen Nachwuchses demgegenüber sowohl durch die Freiheit der Kunst als auch durch die künstlerische Lehrfreiheit geschützt.
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deren freiheitliche Lehre ist bereits durch die wissenschaftliche Lehrfreiheit gewährleistet. Klassisch ist jedoch seit der Renaissance eben diese Zweiteilung in die eigentliche künstlerische Tätigkeit einerseits und die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Kunst andererseits.60 Für einen dritten Bereich, auf den die Freiheit der künstlerischen Lehre Bezug nehmen könnte und der ihr eigenständige Bedeutung verleihen würde, sind weder empirische noch theoretische Anhaltspunkte ersichtlich.61 Die Lehre der Kunst an Schulen, Hochschulen und speziell Kunsthochschulen stellt sich vielmehr weiterhin als Ausbildung des künstlerischen Nachwuchses oder als Vermittlung die Kunst betreffender wissenschaftlicher Inhalte dar. Der Bezug zur Kunst erweitert oder verändert den Schutzbereich der Lehrfreiheit demnach nicht. Mangels eines eigenen Anwendungsbereichs kommt der Freiheit künstlerischer Lehre als Element der Lehrfreiheit keine selbständige Bedeutung zu. Sie kann allenfalls deklaratorische Wirkung haben und insofern unterstreichen, dass die Lehre über die Begrenzung auf die Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte hinaus keine thematischen Einschränkungen kennt.
II. Die Orientierung am Lernenden als prozessuale Determinante wissenschaftlicher Lehre Aus der Struktur der sprachlich als „Lehre“ gekennzeichneten Vorgänge und den telæ der Lehrfreiheit ergibt sich jedoch die Intention der Vermittlung an Lernende als zusätzliche Anforderung an eine durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützte Lehre. Der Begriff der Lehre bezeichnet den Prozess der Vermittlung von Kenntnisständen oder Fähigkeiten. Er verweist nicht auf eine bloße Transmission, sondern auf einen Kommunikationsprozess, zu dessen konstitutiven Elementen die Rezeption gehört, also der Vollzug der Bedeutungsvermittlung, die Mit-Teilung 60 Die im 19. Jahrhunderts eingeführte dementsprechende institutionelle Trennung (hierzu eingehend E. R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 86 ff.) ist heute aufgehoben, wissenschaftliche Disziplinen wurden in Kunst- und Musikhochschulen eingegliedert. Eine inhaltliche Reintegration von Kunst und Wissenschaft steht jedoch weiterhin in vielen Studiengängen aus, vgl. hierzu Hufen, Freiheit der Kunst, S. 170 f., sowie die Studienordnungen der Kunst- und Musikhochschulen in der Bundesrepublik. 61 Eine Zweiteilung liegt auch den einfachgesetzlichen Bestimmungen der Aufgaben und Ziele eines Kunsthochschulstudiums sowie der Einstellungsvoraussetzungen für die an Kunsthochschulen lehrenden Professoren (Befähigung zu künstlerischer oder wissenschaftlicher Arbeit) zugrunde, vgl. etwa §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 47 Abs. 1 HG BW; §§ 4 Abs. 3, 4, 15 Abs. 1, 5 HmbHG; § 4 Abs. 2 HessHG; §§ 46 Abs. 1, 2, 81 HG NW. Sie kommt überdies in der neben „Kunsthochschule“ gebräuchlichen Bezeichnung „künstlerisch-wissenschaftliche Hochschule“ zum Ausdruck, vgl. Krüger, Grundtypen, S. 217, schließlich in den Bestimmungen betreffend das neben den Professoren an den Hochschulen tätige „künstlerische und wissenschaftliche“ Personal, vgl. etwa §§ 44 ff. HG BW; §§ 48 ff. Bbg HG; §§ 11 ff. HmbHG; §§ 59, 61 HG NW.
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durch Verstehen des Gemeinten seitens des Adressaten.62 Der Lehrende übermittelt nicht lediglich Informationen, verstanden als bloße Daten und Fakten, sondern ermöglicht Personen mit unterlegenem Kenntnisstand die persönliche Aneignung und Verarbeitung wissenschaftlicher Inhalte, stellt den Lernenden also zusätzliches Wissen zur Verfügung.63 Dies folgt auch aus den Funktionen des Art. 5 Abs. 3 GG: Ist primäres Ziel der Lehrfreiheit nicht, den Lehrenden einen weiteren Freiraum zur Selbstverwirklichung zu eröffnen, sondern die freie Vermittlung wissenschaftlichen Wissens zugunsten der Lernenden und der Gesellschaft – zum Zwecke der Berufsvorbereitung, im Dienste einer kritischen Begleitung gesellschaftlicher Entwicklungen und in kulturstaatlichem Interesse – zu ermöglichen, so muss es Ziel einer geschützten Lehrtätigkeit sein, den Wissensstand der Lernenden zu erweitern. Lehrende Kommunikation muss den besonderen Anforderungen gerecht werden, die sich aus den divergierenden Kenntnisständen der Kommunikationspartner ergeben. Als „Lehre“ i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG wird daher nicht jede Form der Veröffentlichung wissenschaftlicher Inhalte geschützt, sondern allein die am lernenden Adressaten und seinem Verständnispotential ausgerichtete Darstellung.64 Der Vermittlungserfolg hingegen kann nicht Bedingung des grundrechtlichen Schutzes sein. Art. 5 Abs. 3 GG schützt nicht nur die erfolgreiche Kommunikation. Denn weder während der Vorbereitung eines Lehrbeitrags noch während der Lehre selbst kann über diesen Erfolg entschieden werden. In eben diesen Momenten aber muss das Grundrecht seine Wirkung entfalten, will es Schutz gewähren und nicht nur die nachträgliche Kompensation von Freiheitsverlusten ermöglichen.65 Die Gewährleistung eines Individualrechts kann zudem nicht 62 Siehe zu dieser Kommunikationsstruktur etwa Reimann, Kommunikations-Systeme, S. 89 ff., und zu möglichen Störungen S. 99 f., 107 ff.; des Weiteren B. Badura, Sprachbarrieren, S. 14 ff., der Produktion, Transmission und Rezeption als die drei Stadien der Kommunikation unterscheidet; vgl. ferner aus rechtswissenschaftlicher Perspektive Pieroth, Störung, S. 126 ff., und Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 169: „gute Lehre ist nicht nur eine Frage fachlicher Qualität [. . .], sondern auch eine solche der Wirkung auf die Adressaten“. 63 Wenngleich die Definitionen des Wissens erheblich variieren und durchaus unterschiedliche Dimensionen in den Blick nehmen (bis heute wegweisend Scheler, Wissensformen, S. 200 ff.; vgl. des Weiteren z. B. Bell, Die nach-industrielle Gesellschaft, S. 176 f.; Bourdieu, Kulturelles Kapital, S. 186 ff.; Stehr, Knowledge Societies, S. 95), so ist ihnen doch i. d. R. ein persönliches Moment gemeinsam: „Wissen“ bezeichnet Kenntnisse oder Potentiale, über die eine Person verfügt, mit denen sie umzugehen, die sie einzuordnen und einzusetzen weiß, die sie durchdrungen und sich angeeignet hat. Demgegenüber sind „Informationen“ unabhängig von Verständnis und Rezeption. Weitergegebenes Wissen stellt zunächst stets eine Information dar. Vgl. zur Unterscheidung von Information und Wissen auch Schoch, Informationsordnung, S. 167 Fn. 32. 64 In eine ähnliche Richtung weist die Definition von Scholz, in: M/D, Art. 5 Abs. III Rn. 108 (Lehre ist die „pädagogisch-didaktische Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse“); im Anschluss an diesen VGH München, BayVBl. 2003, S. 339, 340.
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von der Mitarbeit und der Bereitschaft Dritter, hier der Lernenden, abhängig sein. In den Händen der Lehrenden aber liegt es, Lehrinhalte und -methoden mit Blick auf die Lernenden auszuwählen. Ihre Absicht, Wissen zu vermitteln und nicht bloß Informationen zu übermitteln, kann bereits im Moment der Schutzbedürftigkeit beurteilt werden. Sie ist daher Voraussetzung des Schutzes durch die Lehrfreiheit. Ein Blick auf mögliche Indizien für die erforderliche Intention bzw. ihr Fehlen erschließt die praktische Relevanz des Kriteriums, das auf den ersten Blick sehr vage und allzu selbstverständlich erscheinen mag. So müssen etwa die Auswahl der Inhalte sowie die Struktur und Form der Darstellung erkennen lassen, dass der Lehrende die zu vermittelnde wissenschaftliche Materie mit Blick auf die Lernenden aufbereitet hat. Fehlt erkennbar die grundsätzliche Bereitschaft, das Verständnispotential der Adressaten in die Gestaltung einzubeziehen, auftretende Verständnisprobleme zu berücksichtigen oder auf Nachfragen66 einzugehen, so sind dies Hinweise auf eine fehlende Vermittlungsintention und damit auf die fehlende Schutzwürdigkeit der Lehrtätigkeit.67 Aufschlussreich, wenngleich nicht maßgeblich, kann ferner die institutionelle Einbettung sein, also etwa die Eingliederung des Lehrenden in Bildungseinrichtungen oder die Einordnung eines Beitrags in eine Lehrbuchreihe.68 Von einem externen Urteil über die Eignung der gewählten Methoden muss der grundrechtliche Schutz freilich unabhängig sein, insoweit spricht die Lehrfreiheit gerade den Lehrenden die Entscheidungskompetenz zu.69 Als Anzeichen fehlender Vermittlungsbemühungen kann die Auswahl von Lehrinhalten und -methoden daher nur gewertet werden, wenn sie offensichtlich jeden Bezug zur Adressatengruppe vermissen lässt.
65 Aus diesem Grund versteht auch die h. M. den Erfolg von Forschungs- und Lehrtätigkeiten nicht als Bedingung ihres Schutzes durch die Wissenschaftsfreiheit, deutlich Dickert, Forschungsfreiheit, S. 219; Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 323. 66 Ob die Lernenden aus Art. 5 Abs. 3 GG ein Recht auf Nachfragen ableiten können, ist insbes. aus Anlass der studentischen Diskussionsverlangen im Rahmen der Studentenbewegung erörtert worden, vgl. hierzu einerseits Denninger, Bildungsreform, S. 84 f.; ders., in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 42; Pieroth, Störung, S. 127 ff., die den Studenten dieses Recht zusprechen; andererseits Quaritsch, Der DADA-Fall, S. 472; differenzierend Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 343. Zur Verfassungsmäßigkeit einer einfachgesetzlichen Regelung, wonach die Freiheit des Studiums auch das Recht auf Meinungsäußerungen zu Inhalt, Gestaltung und Durchführung einer Lehrveranstaltung umfasst, BVerfGE 55, 37, 67 ff. 67 I. Erg. ähnlich Oppermann, Freiheit, Rn. 40; Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 99. 68 S. auch oben Fn. 44, S. 190. 69 S. u. § 8 II.
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2. Teil: Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
III. Die lehrtätigkeitsbezogenen Qualifikationsanforderungen Angesichts der Struktur des Lehrprozesses und der telæ der Lehrfreiheit zählt die Vermittlungsleistung zu den wesentlichen Kennzeichen der grundrechtlich geschützten Lehre. Neben der Schutzbedingung, Lehrinhalte und Darstellungsformen nach den Lernenden auszurichten, folgt hieraus, dass sich auf Art. 5 Abs. 3 GG nur berufen kann, wer über die für die beabsichtigte Lehrtätigkeit erforderlichen Fähigkeiten, d.h. den überlegenen Wissensstand, verfügt. Denn ihre Berufsvorbereitungsfunktion, ihren kritischen und kulturstaatlichen Auftrag kann freie wissenschaftliche Lehre nur erfüllen, wenn die Grundrechtsträger in der Lage sind, die Lehrinhalte zu systematisieren und aufzubereiten. Insbesondere muss es den Lehrenden möglich sein, die für ihre Tätigkeit relevanten wissenschaftlichen Entwicklungen zu verfolgen und ihre Lehre ggf. zu aktualisieren. Auch an dieser Stelle kommt die erfolgreiche Bewältigung der Aufgaben nicht als Beleg ausreichender Kompetenzen und damit als Voraussetzung des Grundrechtsschutzes in Betracht. Abgesehen davon, dass hierüber in den Momenten der Schutzbedürftigkeit regelmäßig noch kein Urteil gefällt werden kann,70 würde eine Erfolgskontrolle staatlichem Wissenschaftsrichtertum Tür und Tor öffnen. Jede unerwünschte Lehre könnte als verfälschende Vermittlung gebrandmarkt und dem Lehrenden damit die Berufung auf Art. 5 Abs. 3 GG verwehrt werden. Der Grundrechtsschutz kann jedoch an eine mit Blick auf die (beabsichtigte) Lehrtätigkeit hinreichende Qualifikation des Lehrenden geknüpft werden. Regelmäßig wird dies ein Kenntnisstand in der oder den relevanten wissenschaftlichen Disziplin(en) sein, der wesentlich über die zu vermittelnden Inhalte hinausgeht. Es können also keine für „die wissenschaftliche Lehre“ allgemein geltenden, absoluten Qualifikationserfordernisse, sondern nur an der einzelnen Lehrtätigkeit orientierte, relative Anforderungen bestimmt werden.71 Für die Lehre in institutionalisierten Zusammenhängen, also vor allem für die Hochschullehre, entfalten die einfachgesetzlich normierten Voraussetzungen insoweit indizielle Bedeutung. Die aus der venia legendi, oder allgemeiner aus dem geforderten Ausbildungsstand, folgenden thematischen Begrenzungen der Lehrmöglichkeiten an Hochschulen, die in der Vergangenheit bisweilen als Eingriffe in die Lehrfreiheit gewertet wurden,72 können demnach in der Regel nicht als Beschränkun70
S. o. § 7 II. Die von Teilen der h. M. entwickelten formalisierten Qualifikationserfordernisse (vgl. hierzu oben § 4 IV. 2. b) bb)) sollen demgegenüber unabhängig von den Anforderungen der konkreten Lehrveranstaltung gelten. Sie werden jedoch in der Regel als hinreichende, nicht als notwendige Voraussetzungen des grundrechtlichen Schutzes verstanden. 71
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gen der grundrechtlichen Freiheit qualifiziert werden. Sie verdeutlichen vielmehr die Grenzen des Grundrechtstatbestandes.73
IV. Die Unabhängigkeit des Grundrechtsschutzes von Medium und Ort der Lehre Sind für die Schutzwürdigkeit einer Lehrtätigkeit ihr wissenschaftlicher Inhalt, die Vermittlungsintention und die lehrtätigkeitsbezogene Qualifikation des Lehrenden entscheidend, so folgt daraus ex negativo, dass Medium und Ort der Lehre ohne Relevanz bleiben. Schriftliche Lehre in Büchern, Skripten, (Ausbildungs-)Zeitschriften oder Tageszeitungen ist ebenso geschützt wie die mündliche im Rahmen einer Vorlesung, eines Vortrags oder im Einzelgespräch.74 Auch die Freiheit der virtuellen Lehre wird grundrechtlich gewährleistet.75 Da Voraussetzung der wissenschaftlichen Lehre i. S. d. eigenständigen Grundrechts der Lehrfreiheit zudem nicht die eigene Forschungstätigkeit des Lehrenden ist,76 fällt die Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte im Grundsatz unabhängig davon in den Schutzbereich der Freiheitsgarantie, ob sie an einer Hochschule – einer Universität, einer Kunst-, Verwaltungs- oder Fachhochschule –, an einer allgemeinbildenden Schule oder im Rundfunk stattfindet. Wenngleich der institutionalisierten Vermittlung wissenschaftlichen Wissens an der Hochschule praktisch überragende Bedeutung zukommt, ist der Schutzbereich der Lehrfreiheitsgarantie doch weder rechtlich noch faktisch auf die akademische Lehre begrenzt.77 Dass sich Lehrer an allgemeinbildenden Schulen gegenüber der Schul72 In diesem Sinne etwa Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 341, und wohl auch Lüthje, in: Denninger, HRG, § 3 Rn. 38; a. A. jedenfalls mit Blick auf die Privatdozenten bspw. Kimminich, Hochschule, S. 138. 73 Siehe zur Differenzierung von Tatbestand und Gewährleistungsinhalt eines Grundrechts unten § 8 I. mit Fn. 115, S. 209 und Fn. 127, S. 211. 74 So für die Lehrfreiheit als Element der Wissenschaftsfreiheit auch die ganz h. M. in der Lit., vgl. aus jüngerer Zeit nur Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 340; Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 88, und Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 32; siehe des Weiteren z. B. Knemeyer, Lehrfreiheit, S. 35; Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 161, und Hufen, „Körperwelten“, S. 612. A. A. noch Köttgen, Freiheit der Wissenschaft, S. 299 f., der nur der mündlichen Lehre den Schutz des Art. 5 Abs. 3 GG zuspricht und die schriftliche Lehre „gleich allen anderen Druckerzeugnissen“ den allgemeinen Gesetzen des Art. 5 Abs. 2 GG unterstellt. 75 So ausdrücklich auch Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 88; für die hinsichtlich der Kommunikationsstrukturen vergleichbare Lehre an einer Fernuniversität Thieme, Fernsehuniversität, S. 129; Scholz, in: M/ D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 109; vgl. hierzu ferner Scholz/Pitschas, Fernlehrsysteme, S. 17 ff. Siehe zu den Bedingungen virtueller Lehre außerdem unten § 9. III. 3. a). 76 S. o. § 6 I., § 7 I. 77 I. Erg. spricht auch die Lit. der akademischen Lehre überwiegend (nur) eine Leitbildfunktion für die durch die Wissenschaftsfreiheit als Lehre geschützten Tätigkeiten
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2. Teil: Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
aufsicht gleichwohl nicht auf die Lehrfreiheit berufen können, ist lediglich Konsequenz der insoweit spezielleren Regelung des Art. 7 Abs. 1 GG.78 Mit dieser Ausnahme korrespondiert die sprachliche Differenzierung zwischen der „Lehre“ und dem „Unterricht“ an allgemeinbildenden Schulen.79
V. Der Wille zur Selbständigkeit als Bedingung des Grundrechtsschutzes In der Vergangenheit hat man zudem bisweilen die „Selbständigkeit“ des Lehrenden als Voraussetzung der grundrechtlichen Schutzwürdigkeit seiner Tätigkeit benannt und aus diesem Grund nicht nur studentischen Tutoren, sondern auch wissenschaftlichen Mitarbeitern und Assistenten den Schutz durch die Lehrfreiheit versagt.80 Dadurch werden Tatbestand und Rechtsfolge der Lehrfreiheit jedoch konfundiert. Denn die Freiheitsgarantie soll die Möglichkeit weisungsunabhängiger Lehre erst eröffnen. Wird die Selbständigkeit zugleich zu ihrer Voraussetzung erklärt, so nähert sich nicht nur die Argumentation dem Zirkel. Vor allem wird der Schutzbereich bedenklich eingeschränkt. Seit Jahr und Tag in Abhängigkeit befindliche Lehrende hätten keine Chance, sich von ihren Ketten unter Berufung auf die Lehrfreiheit zu befreien. Und auch vor neuen, weitergehenden Eingriffen würde sie die Freiheitsgarantie angesichts ihrer Unselbständigkeit nicht schützen. Mit den Schutzzielen der Lehrfreiheit sind
zu, ohne den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG prinzipiell auf die universitäre Lehre zu begrenzen, s. o. § 4 IV. 2. b) bb) (2). 78 Als lex specialis gegenüber Art. 5 Abs. 3 GG qualifizieren Art. 7 Abs. 1 GG auch Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 107; Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3, Rn. 330, und Gröschner, in: Dreier, GG, Art. 7 Rn. 119; nicht eindeutig Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 86, der Art. 7 Abs. 1 GG zwar ebenfalls als lex specialis versteht, die Lehre an allgemeinbildenden Schulen zuvor jedoch bereits prinzipiell aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG ausgenommen hat. Für eine Begrenzung der staatlichen Aufsichtsbefugnisse durch die Lehrfreiheit der Lehrer sprechen sich hingegen Beck, Lehrfreiheit, S. 175 ff., und Bleckmann, Staatsrecht II, S. 865, aus. Vgl. zu Inhalt und Grenzen der Schulaufsicht bspw. BVerfGE 26, 228, 238; 34, 165, 182; 59, 360, 377; aus der Lit. etwa Eiselt, Schulaufsicht, S. 824 ff., und Heckel/Avenarius, Schulrechtskunde, S. 177 ff. 79 S. o. § 3 I. 2. c) bb). 80 Vgl. BVerwGE 62, 45, 51 f.; BayVerfGE 24, 1, 25, und aus der Lit. etwa Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 105, 108; Schulze-Fielitz, Freiheit der Wissenschaft, Rn. 4; Wendt, in: v. M/K, GG, Art. 5 Rn. 102; zuletzt Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 93, 109, und Kempen, Grundfragen, Rn. 29 f.; implizit Knemeyer, Lehrfreiheit, S. 43 f.; Oppermann, Freiheit, Rn. 38. Als bloßes Indiz für die „Wissenschaftlichkeit“ der Lehre bewertet die Selbständigkeit Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 30. Unklar bleibt, ob Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 329, die an den Hochschulen unselbständig Lehrenden aus dem Schutzbereich der Lehrfreiheit ausnimmt oder ihre Bindung als gerechtfertigte Eingriffe in Art. 5 Abs. 3 GG betrachtet.
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diese Ergebnisse nicht zu vereinbaren. Die Unabhängigkeit einer Lehrtätigkeit kann daher nicht Voraussetzung ihrer Schutzwürdigkeit sein.81 Anderes gilt jedoch für die Absicht und den Willen, selbständig, also frei von Drittbestimmung, zu lehren. Diese sind notwendige Bedingung des grundrechtlichen Schutzes. Denn die Lehrfreiheit wird gewährleistet, um den Lehrenden die unbeeinflusste Entscheidung über Thema, Inhalt und Methode einer Lehrveranstaltung zu ermöglichen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass freie Lehre die staatlichen und gesellschaftlichen Bedürfnisse am ehesten bzw. am besten erfüllt. Das Freiheitsrecht wird den Lehrenden nicht gewährleistet, damit sie staatliche durch gesellschaftliche Einflussnahme ersetzen können.82 Der Wille, eigenbestimmt zu lehren, ist daher Voraussetzung des Schutzes durch die Lehrfreiheit.83 Mögliche Nachweise dieser Absicht sind zwar kaum vorstellbar. Doch können freiwillig eingegangene Bindungen umgekehrt Indiz für den fehlenden Wunsch nach Eigenständigkeit sein. Aus dem Gesagten folgt nun freilich nicht, dass alle Assistenten, wissenschaftlichen und studentischen Mitarbeiter von ihren Bindungen an die Weisungen des Lehrstuhlinhabers oder Projektleiters zu befreien sind. Es bedeutet lediglich, dass ihnen die Berufung auf die Lehrfreiheit jedenfalls nicht mit Hinweis auf ihre Weisungsabhängigkeit versagt werden kann, sondern dass umgekehrt die diese Abhängigkeit begründenden Vorschriften als Freiheitseingriffe an der Lehrfreiheit zu messen sind, soweit alle anderen Schutzbereichsmerkmale erfüllt sind.
VI. Die Lernfreiheit als „Spiegelbild der Lehrfreiheit“84? Ist die Vermittlungsleistung wesentliches Charakteristikum der Lehre und ist der Lernende daher notwendig an der Lehre beteiligt, so stellt sich die Frage, ob auch er aus Art. 5 Abs. 3 GG Freiheitsrechte ableiten kann. Besonders eingehend wurden die grundrechtliche Verankerung und der Inhalt des damit angesprochenen Grundrechts der Lern- und Studienfreiheit in den (verfassungs-) rechtlichen Bewertungen, Begründungen und Verwerfungen, von hochschulpolitischen Forderungen und Aktivitäten der Studentenbewegung erörtert.85 Mit 81 I. Erg. wie hier Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 33 Fn. 149, und für die Wissenschaftsfreiheit Bleckmann, Staatsrecht II, S. 857, der in der Beschränkung auf selbständige Tätigkeiten einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz sieht. 82 Vgl. in diesem Zusammenhang auch unten § 9 III. 5. b), c). 83 Ähnlich für die Forschungsfreiheit Trute, Institutionalisierung, S. 106, der den Grundrechtsschutz jedoch nicht nur versagt, wo die Eigengesetzlichkeit „zugunsten heteronomer Zwecke aufgegeben wurde“, sondern auch dort, wo sie „niemals errungen worden ist“. 84 Köttgen, Grundrecht der Universität, S. 66.
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2. Teil: Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
der Intensität der Auseinandersetzungen in den 60er und 70er Jahren kontrastiert die derzeitige Ruhe des Diskurses (auch) in dieser Hinsicht, aus der jedoch nicht auf eine abschließende Klärung aller relevanten (Verfassungs-) Rechtsfragen geschlossen werden darf.86 Zwar bestehen heute kaum mehr Zweifel daran, dass die Studienfreiheit verfassungsrechtlich verankert ist.87 Weiterhin uneinig ist man sich aber nicht nur über ihren Gewährleistungsinhalt, also hinsichtlich der den Lernenden verbürgten Einzelrechte,88 sondern auch über den Ort der verfassungsrechtlichen Verankerung, den man teilweise in Art. 5 Abs. 3 GG, zum Teil in Art. 12 Abs. 1 GG sieht.89 Angesichts des Er85 Vgl. einerseits etwa Nitsch u. a., Hochschule in der Demokratie, S. 202 ff.; Preuß, Wissenschaftliche Lernfreiheit, S. 353 ff.; Hauck/Lüthje, Mitbestimmung, S. 14 f., 17, die aus Art. 5 Abs. 3 GG weitgehende Rechte der Studenten abgeleitet haben; andererseits bspw. Geck, Stellung der Studenten, S. 156 ff.; Mallmann/Strauch, Verfassungsgarantie, S. 88 ff. Vgl. ferner die Nw. oben in Fn. 23, S. 23. Krit. Rekonstruktionen dieser Auseinandersetzungen finden sich bei Pieroth, Störung, S. 136 ff., und Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 199 ff., die v. a. die Politisierung der Beiträge überzeugend darlegen. 86 Insbes. das Hochschulurteil des BVerfG, das in vielen anderen Punkten die Auseinandersetzungen (wenigstens zeitweilig) beendet hat, bezieht zur Frage der Lernfreiheit nicht ausdrücklich Stellung, vgl. BVerfGE 35, 79 ff., v. a. S. 125. Den Hintergrund des derzeit geringen Interesses bilden angesichts dessen wohl die anderweitige Fokussierung der Hochschulpolitik und des studentischen Engagements sowie die einfachgesetzliche Verankerung der Studienfreiheit in § 4 Abs. 4 HRG; vgl. insoweit aber auch die im Grundsatz weiterhin gültige Bestandsaufnahme der nur geringen Freiheiten, die den Studenten real verbleiben, von Pieroth, Störung, S. 138 f. 87 Nur einfachgesetzlich garantiert sieht die Lernfreiheit jetzt jedoch Oppermann, Freiheit, Rn. 11; a. A. noch ders., Kulturverwaltungsrecht, S. 80 f.; nicht eindeutig insoweit Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 33. Offen gelassen von BVerfGE 55, 37, 67, und BVerfG, NJW 1999, S. 1728, 1729. 88 Siehe aus jüngerer Zeit etwa die unterschiedlichen Bestimmungen von Krause, Rechtsverhältnis, S. 552 f.; Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 343; Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 42; Kempen, Grundfragen, Rn. 96, und Thieme, Hochschulrecht, 2004, Rn. 137 ff., die insbes. die Rechte der Studenten auf aktive Beteiligung an der Lehre unterschiedlich beurteilen. Ähnliche Differenzen trennten schon Rupp, Stellung der Studenten, S. 123, und Hauck/Lüthje, Mitbestimmung, S. 17. Ausführlich zu den Einzelrechten der Lernfreiheit T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit, S. 136 ff. – Zur Unterscheidung des „Gewährleistungsinhalts“ vom „Grundrechtstatbestand“ sogleich § 8 I. 89 Für eine Verankerung in Art. 5 Abs. 3 GG sprechen sich etwa Kimminich, Rechtsstellung der Studenten, S. 683; ders., Hochschule, S. 140; T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit, S. 133; Bleckmann, Staatsrecht II, S. 864 f.; Bethge, Wissenschaftsrecht, Rn. 18; ders., in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 208, und Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 98, 121, 270, aus. Demgegenüber entnehmen Geck, Stellung der Studenten, S. 157 f., und Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 113, 179, die Studienfreiheit Art. 12 Abs. 1 GG. W. Schmidt, Berufsfreiheit, S. 588, wiederum leitet sie „als Kern [der] Berufsausbildungsfreiheit“ aus Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 5 Abs. 3 GG ab; für eine „doppelte grundrechtliche Verankerung“ auch Lüthje, in: Denninger, HRG, § 3 Rn. 45. Ausdrücklich offen lassen den Ort der verfassungsrechtlichen Verbürgung Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 41, und Thieme, Hochschulrecht, 2004, Rn. 137 ff., der der Bestimmung „nur theoretische“ Bedeutung beimisst; nicht eindeutig Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5
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fordernisses einer grundrechtsspezifischen Konkretisierung des Gewährleistungsinhalts90 und der Schrankendivergenz, die zwischen den beiden Freiheitsrechten besteht, entfaltet auch diese letztere Frage praktische Relevanz. Im vorliegenden Zusammenhang soll allein die Ableitung der Lernfreiheit aus dem Grundrecht der Lehrfreiheit erörtert werden. Da die Lernfreiheit in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG nicht ausdrücklich genannt wird, kann sie in der Lehrfreiheit nur verankert sein, wenn sich das subjektive Recht der Lernenden denklogisch oder wertend als notwendiger Bestandteil oder erforderliche Ergänzung freier Lehre darstellt. Die Vorstellung der klassischen idealistischen Philosophie, wonach Lehren und Lernen untrennbar miteinander verknüpft sind und die freie Lehre von der Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden lebt,91 vermag einen zweigliedrigen Schutzbereich jedenfalls heute nicht mehr92 zu begründen. Denn die Strukturen und Funktionen der Lehre haben sich so grundlegend gewandelt, dass das Verhältnis von Professoren und Studenten regelmäßig nicht mehr als Partnerschaft im Ringen um Erkenntnis bezeichnet werden kann.93 Lehren und Lernen sind heute nur mehr zwei Pole einer interpersonalen Handlung. Die fortbestehende faktische Angewiesenheit der Lehre auf die Lernenden hat Michael Kloepfer zum Ausgangspunkt der Erweiterung des Grundrechtsschutzes von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG auf die Lernenden genommen.94 Soweit die Verfassung einen Vorgang unter ihren Schutz stelle, ohne alle notwendig daran Beteiligten ausdrücklich als geschützte Personen zu benennen und alle sachlichen Teilaspekte des Vorgangs zu erfassen, handle es sich um „ergänzungsbedürftige Entsprechungsrechte“95. Das zur Vervollständigung der Sinneinheit erforderliche
Abs. 3 Rn. 343. Die Rspr. entnimmt die Studienfreiheit, so sie zu ihrer verfassungsrechtlichen Gewährleistung Stellung bezieht, überwiegend Art. 12 Abs. 1 GG, vgl. zuletzt BVerwG 17.01.1994, 6 B 55/93; OVG Saarlouis, 17.03.1998, 8 V 6/98; VG Karlsruhe, 17.12.2003, 7 K 735/03; anders aber VGH Kassel, ESVGH 24, S. 35, 40; VGH Mannheim, VBlBW. 1996, S. 356, 357: „durch Art. 5 Abs. 3 GG verfassungsmäßig garantierte Lernfreiheit“. 90 Eingehend hierzu sogleich § 8 I. 91 Vgl. insbes. v. Humboldt, Über die innere und äußere Organisation, S. 378; hierzu Fries, Rechtsstellung, S. 17, und Schelsky, Einsamkeit und Freiheit, S. 72 ff. 92 v. Mohl hat die Lernfreiheit 1866 vor diesem Hintergrund als „notwendiges Correlat“ der Lehrfreiheit bezeichnet, ders., Polizei-Wissenschaft, S. 574; ebenso im Jahr 1911 M. Müller, Lehr- und Lernfreiheit, S. 252. Aus Art. 5 Abs. 3 GG haben die Lernfreiheit mit Verweis auf das Prinzip des „forschenden Lernens“ etwa Hauck/ Lüthje, Mitbestimmung, S. 14 f., und Denninger, Bildungsreform, S. 83 f., abgeleitet; ähnlich auch BGH, DVBl. 1960, S. 741 f. 93 Ähnlich argumentieren schon Ende der 60er Jahre Geck, Stellung der Studenten, S. 157 f., und Fries, Rechtsstellung, S. 54 ff.; später auch Hufen, Freiheit der Kunst, S. 315. 94 Kloepfer, Entstehenssicherung, S. 91. 95 Kloepfer, Entstehenssicherung, S. 46 f.
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2. Teil: Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
Recht sei dem Grundrecht dann im Wege der Interpretation zu entnehmen. Im Fall des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG handelt es sich bei dem von Kloepfer entwickelten Modell um eine (begriffliche) Variation des in der Literatur zur Begründung des Freiheitsschutzes der Lernenden erwogenen Arguments der notwendig dialogischen Struktur der Lehre.96 An dieser Struktur der geschützten Tätigkeiten bestehen keine Zweifel. Doch ändert sie für sich genommen die subjektiven Rechte der Beteiligten nicht. Allein aus der Tatsache, dass der Lehrende sein Grundrecht dialogisch ausübt, erwächst dem Lernenden noch kein eigenständiges subjektives Recht.97 Dies bestätigt eine systematische Betrachtung: Auch die in Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS 1 GG geschützte Meinungsäußerung ist ein interpersonaler Vorgang, der seine Sinnhaftigkeit erst über die Kombination von Transmission und Rezeption erhält. Gleichwohl beinhaltet die Meinungsfreiheit kein Grundrecht auf „Rezeptionsfreiheit“. Ein eigenständiges subjektives Freiheitsrecht steht den Rezipienten vielmehr nur und erst aufgrund der ausdrücklichen Gewährleistung in Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS 2 GG und nur innerhalb des dort abgesteckten Rahmens zu.98 Auch mögliche Rückwirkungen aus Einschränkungen der Lern- und Studienwahlmöglichkeiten auf die Lehrfreiheit haben nicht die Ableitung eines eigenständigen Grundrechts der Lernfreiheit zur Konsequenz. Zwar können Vorgaben für die Lernenden die Lehrfreiheit unter Umständen erheblich beeinträchtigen. Doch sind sie dann als mittelbare Eingriffe an diesem Grundrecht zu messen. Angesichts der Bedingtheit der Kommunikation durch die Rezeption kann die Lehrfreiheit den Staat überdies gegebenenfalls verpflichten, den Rezipienten einfachgesetzlich Freiheitsrechte einzuräumen.99 Der grundrechtliche Schutz der Lernenden aber ist nicht mehr als ein Rechtsreflex.100 96 Vgl. etwa Denninger, Bildungsreform, S. 81, 84 f.; ders., in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 41; T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit, S. 128 f.; Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 108 f. 97 Ebenso Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 113. 98 Grundlegend Ridder, Meinungsfreiheit, S. 275 f.; deutlich auch Starck, in: v. M/ K/S, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 GG Rn. 39; siehe ferner etwa Herzog, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. I, II Rn. 81 f., und Hoffmann-Riem, in: Denninger u. a., GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 99 f. Ebenso BVerfGE 27, 71, 81; 27, 104, 108 f.; 57, 295, 319. Das Recht, sich aus einer nur Einzelnen oder einem bestimmten Personenkreis zugänglichen Quelle zu unterrichten, wird dementsprechend nicht als eigenständiges subjektives Recht, sondern „nur“ reflexartig als Bestandteil der Meinungsfreiheit geschützt, vgl. BVerfGE 27, 71, 81, und Hoffmann-Riem, a. a. O., Rn. 100; anders aber noch ders., Kommunikations- und Medienfreiheit, Rn. 23. 99 So für den Parallelfall der Meinungsfreiheit und der Information aus nicht allgemein zugänglichen Quellen Hoffmann-Riem, in: Denninger u. a., GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 101. 100 Damit wird die Lehrfreiheit nicht automatisch zur „Freiheit gegen Dritte“ wie T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit, S. 132 f., annimmt. Denn zum Gewährleistungsinhalt der Lehrfreiheit gehört unabhängig von der grundrechtlichen Verbürgung der Lernfreiheit nicht das Recht, die eigene Lehrmeinung „für die Studenten verbindlich zu machen“
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Schließlich ergibt sich eine Erweiterung des Schutzbereichs der Lehrfreiheit auch nicht aus ihrer Funktion, die Freiheit von Bildung und Ausbildung zugunsten der Lernenden zu gewährleisten. Denn allein aus der Begünstigung eines Dritten durch ein Grundrecht101 folgen weder denk- noch sachnotwendig darüber hinausgehende eigenständige Rechte. Das gilt für die Lehrfreiheit wie für die Rundfunkfreiheit, die die Rundfunkempfänger ebenfalls nicht schützt, obwohl sie zumindest auch zu ihren Gunsten besteht und der Rundfunkbetreiber – wie auch der Lehrende – auf die Empfänger angewiesen ist.102 Die Lernfreiheit ist mithin kein Bestandteil der Lehrfreiheit. Bei den Freiräumen, die sich aus der Lehrfreiheit für die Lernenden ergeben, handelt es sich um bloße Rechtsreflexe.103 Aus der Garantie freier Lehre in Art. 5 Abs. 3 GG können die Lernenden folglich keine eigenen subjektiven Freiheitsrechte ableiten.104
VII. Fazit Obwohl die Lehrfreiheit heute als eigenständiges Grundrecht gewährleistet ist, wird sie materiell doch durch die Wissenschaft im theoretischen Sinne, also verstanden als Verweis auf das Gesamt der Erkenntnisse, determiniert. Allein die Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte ist schutzwürdig i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG. Bedingung des grundrechtlichen Schutzes einer Lehrtätigkeit sind ferner (T. Bauer, a. a. O., S. 132). Ausführlich zum Gewährleistungsinhalt der Lehrfreiheit sogleich § 8 II. 101 Siehe zur „dienenden Funktion“ der Lehrfreiheit unten § 9 III. 2. a). 102 Das ist trotz der i. Ü. in vielerlei Hinsicht unklaren Grundrechtsträgerschaft der Rundfunkfreiheit unzweifelhaft, vgl. nur Hoffmann-Riem, Kommunikations- und Medienfreiheit, Rn. 33; Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 GG Rn. 104 ff.; Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, S. 116 ff., jeweils m. w. N., und ausführlich Marko, Rundfunkempfang, S. 202 ff. 103 So ausdrücklich auch Geck, Stellung der Studenten, S. 175; Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 113; Schulz-Prießnitz, Einheit, S. 110; Krause, Rechtsverhältnis, S. 553. – Durch Art. 5 Abs. 3 GG wird das Lernen nur ausnahmsweise geschützt, wenn und insoweit es der Vorbereitung einer Lehrtätigkeit dient. Damit wird jedoch der persönliche Schutzbereich nicht erweitert, er bleibt auf die (in absehbarer Zukunft) Lehrenden begrenzt. 104 Auch der einfache Gesetzgeber geht offenbar nicht von der Verankerung einer Lern- oder Studienfreiheit in Art. 5 Abs. 3 GG aus, denn in § 4 Abs. 4 HRG fehlt der Hinweis auf diesen Grundrechtsartikel, den die vorangehenden Bestimmungen zu Forschungs- und Lehrfreiheit jeweils enthalten, so auch die Interpretation von SchulzPrießnitz, Einheit, S. 110 Fn. 69, und Thieme, Hochschulrecht, 2004, Rn. 136. A. A. noch ders., Wissenschaftsfreiheit, S. 203 (Art. 5 Abs. 3 GG schützt das Studium, soweit es wissenschaftlich ist, der einfache Gesetzgeber aber gewährt mit § 4 Abs. 4 HRG einen weitergehenden Schutz), und Lüthje, in: Denninger, HRG, § 3 Rn. 45, dem zufolge der einfache Gesetzgeber mit § 4 Abs. 4 HRG lediglich keine Position beziehen wollte im wissenschaftlichen Meinungsstreit zur Auslegung der Art. 5 Abs. 3, 12 Abs. 1 GG.
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2. Teil: Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
ihre Ausrichtung an den Verständnispotentialen der Lernenden und eine mit Blick auf die konkrete Lehraufgabe hinreichende Qualifikation des Lehrenden. Die gesetzlich fixierten Einstellungsvoraussetzungen können insoweit als Orientierungspunkte dienen. Die Selbständigkeit des Lehrenden ist demgegenüber ebenso wenig Voraussetzung der Schutzwürdigkeit wie es Medium und Ort der Lehre sind. Doch muss der Lehrende die Absicht haben, in Unabhängigkeit über das wissenschaftliche Thema, den Inhalt und die Lehrmethode zu entscheiden. Ein eigenes Freiheitsrecht der Lernenden kann aus der Gewährleistung der Lehrfreiheit nicht abgeleitet werden.
§ 8 Die thematische, inhaltliche und methodische Freiheit wissenschaftlicher Lehre als Gewährleistungsinhalt Mit der Konkretisierung der von Art. 5 Abs. 3 GG geschützten wissenschaftlichen Lehre sind die Sachverhalte identifiziert, die die Lehrfreiheit aus der Lebenswirklichkeit ausschneidet und ihrem Schutz unterstellt. Nicht beantwortet ist damit jedoch die Frage, welche Regelungen sie für die so bestimmten Lebenssachverhalte trifft, d.h. welche spezifischen Freiheitsrechte sie den wissenschaftlich Lehrenden verbürgt. Ungeklärt ist mithin noch der Gewährleistungsinhalt der Lehrfreiheit.
I. Zur Differenzierung von Grundrechtstatbestand und Gewährleistungsinhalt Der Wortlaut des Art. 5 Abs. 3 GG ordnet ohne nähere Bestimmung die „Freiheit“ als Rechtsfolge an. Ob diese und entsprechende Anordnungen anderer Grundrechtsartikel als Gewährleistungen von Freiheit im umfassenden Sinn zu verstehen sind, also als Rechte der Grundrechtsträger, sich nach ihrem Belieben zu verhalten, so dass jede Regelung zum Schutze Dritter oder im Interesse der Allgemeinheit als Freiheitsbeschränkung zu verstehen ist, wird in der Literatur unter den Stichwörtern „enge“ und „weite Tatbestandslehre“ diskutiert. Dabei sprechen sich die als „weit“ bezeichneten Grundrechtsmodelle vor allem im Sinne eines lückenlosen Grundrechtsschutzes für eben diese umfassende Freiheitsgewährleistung aus und erörtern die zur Verhinderung eines „wildwüchsigen Freiheitsgebrauchs“105 erforderlichen begrenzenden Regelungen auf den Ebenen des Eingriffs und der Eingriffsrechtfertigung.106 Demgegenüber verbürgen die Grundrechte nach Auffassung der „engen“ Tatbestandstheorien 105
Schlink, Rekonstruktion, S. 457. So in jüngerer Zeit v. a. Höfling, Grundrechtsinterpretation, S. 175 ff.; LübbeWolff, Eingriffsabwehrrechte, S. 87 ff.; Morlok, Selbstverständnis, S. 400 ff.; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 278 ff.; Ziekow, Freizügigkeit, S. 429 ff.; Bleckmann, 106
§ 8 Die Freiheit wissenschaftlicher Lehre als Gewährleistungsinhalt
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nur bestimmte Verhaltensweisen als frei,107 so dass eine Vielzahl der nach der Gegenauffassung auf der Rechtfertigungsebene zu diskutierenden Rechtskollisionen gar nicht erst entsteht. Dabei bestehen zwischen den verschiedenen Ansätzen zur Begrenzung des Schutzumfangs im Einzelnen erhebliche Unterschiede in Konstruktion und Ergebnis. So möchte man zum Teil beispielsweise all jenen Handlungen als Formen des Grundrechtsmissbrauchs den Schutz entziehen, die dem grundrechtlichen Tatbestand zwar grundsätzlich unterfallen, aber eine bestimmte Schädlichkeitsgrenze überschreiten, also unfriedlich, gefährlich oder sozial unverträglich sind.108 Andere Autoren betrachten alle „allgemeinen Gesetze“ als Begrenzungen grundrechtlicher Schutzbereiche.109 „Enge“ Tatbestandslehren nehmen dabei in gleicher Weise wie ihre „weiten“ Gegenspieler eine weitergehende Nachvollziehbarkeit, Berechenbarkeit und größere Transparenz des Subsumtionsprozesses, mithin die rechtsstaatliche Überlegenheit für sich in Anspruch.110
Staatsrecht II, S. 403 ff.; v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 84 ff.; Calliess, Rechtsstaat, S. 545 ff., und Kahl, Vom weiten Schutzbereich, S. 184 ff., 199 ff. 107 Hierfür zuletzt insbes. Bumke, Grundrechtsvorbehalt, S. 226 ff.; Enders, in: F/H, GG, Vor Art. 1 Rn. 98; ders., Versammlungsfreiheit, S. 37; Böckenförde, Schutzbereich, S. 174 f., und Hoffmann-Riem, Gewährleistungsgehalte, S. 71 ff. Vgl. i. Ü. die Überblicke über die in der Lit. entwickelten „engen Tatbestandslehren“, die sich v. a. durch ihre Kriterien für die Auswahl der geschützten Verhaltensweisen unterscheiden, bei Höfling, Offene Grundrechtsinterpretation, S. 176; Dickert, Forschungsfreiheit, S. 238 ff.; Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, § 81 IV 3, S. 525 ff., und für die älteren Ansätze Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 154 ff., sowie van Nieuwland, Theorien der immanenten Grundrechtsschranken, v. a. S. 85 ff. Über die Qualifikation der Rspr. des BVerfG besteht – begründete – Uneinigkeit, vgl. einerseits Kahl, Vom weiten Schutzbereich, S. 170 ff., der in den neueren Urteilen, insbes. den Osho- und GlykolEntscheidungen (BVerfGE 105, 279; 105, 252), die Abkehr von einem ehemals weiten Schutzbereichsverständnis erkennt; als Anzeichen für eine dogmatische Neuorientierung jenseits des Abwehrrechts bewertet auch Bumke, Publikumsinformation, S. 23 ff., diese Entscheidungen; a. A. Hoffmann-Riem, a. a. O., S. 72 f., der hierin „keine grundsätzlich grundrechtsdogmatische Kehrtwendung“ sieht. 108 So insbes. Gallwas, Mißbrauch, S. 99 ff.; Blaesing, Grundrechtskollisionen, S. 132 ff., und speziell für die Wissenschaftsfreiheit Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 186, 61. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt, wer die Schrankentrias des Art. 2 Abs. 1 GG als immanente Grenze aller Grundrechte begreift, so insbes. Dürig, Generalermächtigung, S. 81 ff.; ders., in: M/D, 1958, Art. 2 Abs. 1 Rn. 69 ff.; F. Klein, in: v. Mangoldt/Klein, 1957, Vorb. B XV und Art. 2 Anm. III 5 b. 109 Siehe Rüfner, Grundrechtskonflikte, S. 456 ff., 474 f., mit bes. plakativen Beispielen; ferner etwa Selmer, Individueller Grundrechtsschutz, S. 557 f.; Schwäble, Versammlungsfreiheit, S. 176 ff., und wohl auch Scheuner, Funktion der Grundrechte, S. 510 f.; für einzelne Grundrechte, insbes. jene, die bestimmte Personengruppen privilegieren, auch Bettermann, Grenzen der Grundrechte, S. 25 ff. 110 So sieht einerseits bspw. Böckenförde, Schutzbereich, S. 174, in der präzisen Bestimmung des Gewährleistungsinhalts den Weg, um „das Schrankenproblem von Beliebigkeitseffekten“ zu entlasten. Demgegenüber betrachtet etwa Kahl, Vom weiten Schutzbereich, S. 189 ff., 194 ff., die Schutzbereichsbegrenzung als „Quelle von mehr Irrationalität“ (S. 190) und plädiert daher für eine weite Auslegung, mit der „die
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2. Teil: Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
Die in Literatur und Rechtsprechung in der Vergangenheit entfalteten Konzeptionen eines engen oder weiten Grundrechtstatbestands sind an anderer Stelle ausführlich dargestellt und eingehend kritisiert worden,111 so dass hierauf im Rahmen der vorliegenden Untersuchung verzichtet werden kann. Doch hat die Auseinandersetzung jüngst wieder an Intensität gewonnen.112 Ergänzend sei hier daher in der gebotenen Kürze das in diesem Zusammenhang (erneut) entfaltete und ins Zentrum der Diskussion gerückte Grundrechtsmodell erörtert. Es kann der Gruppe der engen Tatbestandstheorien zugeordnet werden.113 Mit ihnen teilt es die Intention und im Grundsatz auch das Ergebnis: Es soll die Grundrechtsanwendung rationalisieren, indem es den grundrechtlichen Freiheitsschutz auf einzelne ausgewählte Verhaltensweisen begrenzt und die Grundrechtsprüfung damit auf der Rechtfertigungsebene entlastet. Auf diese Weise soll zugleich der Nivellierung der Schrankendifferenzen und der ausufernden Berufung auf verfassungsimmanente Schranken114 entgegengetreten und eine übermäßige Beschränkung von nur noch scheinbar umfassenden Freiheitsgarantien verhindert werden. Die Begründung und der konstruktive Weg jedoch sind andere. Begrenzungen des Schutzgehaltes werden nicht mehr aus allgemeinen Prinzipien, sondern aus den einzelnen Grundrechten abgeleitet, aus ihrer Geschichte, ihrem ideengeschichtlichen Hintergrund und ihren telæ. Die grundrechtliche Freiheit wird mithin im Wege der Verfassungsinterpretation bestimmt. Auf Schutzbereichsebene größtmögliche Wahrscheinlichkeit eines [. . .] rational-nachvollziehbaren Grundrechtsschutzes gewährleistet“ (S. 199 f.) werde. 111 Vgl. nur Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 154 ff.; Höfling, Grundrechtsinterpretation, S. 176 ff.; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 249 ff., 278 ff.; Bleckmann, Staatsrecht II, S. 403 ff.; v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 67 ff., und speziell mit Blick auf die Interpretation von Art. 5 Abs. 3 GG Dickert, Forschungsfreiheit, S. 231 ff. 112 Siehe insbes. die Beiträge von Böckenförde, Schutzbereich; Hoffmann-Riem, Gewährleistungsgehalte; ders., Grundrechtsanwendung; Kahl, Vom weiten Schutzbereich, und Bumke, Publikumsinformation, S. 23 ff. 113 Hoffmann-Riem, Grundrechtsanwendung, S. 229, betont mit Recht, dass die „präzise“ und grundrechtsspezifische Bestimmung des Gewährleistungsinhalts eines Grundrechts nicht notwendig ein Weniger an Freiheitsschutz bedeutet und auch nicht notwendig, wenngleich regelmäßig eine Begrenzung der geschützten Freiheitsbetätigungen zur Folge hat. Insofern mag die Bezeichnung als „enge Tatbestandstheorie“ missverständlich sein. Gleichwohl wird hier am überkommenen Stichwort festgehalten. Damit sollen die lange Tradition der Auseinandersetzung und die Gemeinsamkeiten betont werden, die zu jenen Interpretationsansätzen bestehen, welche den Freiheitsschutz auf der Schutzbereichsebene allgemeinen Einschränkungen unterwerfen. 114 Die Kritik an einem extensiven Rekurs auf verfassungsimmanente Schranken, der die vorbehaltlos geschützten Grundrechte zur „kleinen Münze“ werden zu lassen droht, ist in jüngerer Zeit wieder lauter geworden, vgl. Bamberger, Vorbehaltlose Grundrechte, S. 362 ff.; Böckenförde, Schutzbereich, S. 168 ff.; Hoffmann-Riem, Gewährleistungsgehalte, S. 54 f., 64; siehe aber auch die frühe Kritik etwa von Mahrenholz und Böckenförde in ihrem Sondervotum zur Kriegsdienstverweigerer-Entscheidung, BVerfGE 69, 1, 57 ff.
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führt man zum Teil zugleich eine weitere Differenzierung ein, die vor allem angesichts der Strukturierungsleistung ihres begrifflich-analytischen Instrumentariums Zustimmung verdient: Man unterscheidet zwischen dem Grundrechtstatbestand, der „den gegenständlichen Einzugsbereich des Grundrechts“ beschreibt,115 und dem „Gewährleistungsinhalt“, der normativ bestimmt, welche dem Tatbestand zuzuordnenden Handlungen als „frei“ garantiert werden, der also die Rechtfolge der „Freiheit“ und damit die normative Stoßrichtung definiert.116 Die bisher dreistufige Grundrechtsprüfung wird durch eine vierstufige ersetzt.117 Wesentliche der gegenüber den engen Tatbestandslehren in der Vergangenheit vorgetragenen Kritikpunkte treffen diese Konstruktion nicht: Da sie grundrechtsspezifisch arbeitet, hat sie keine generelle Verkürzung des grundrechtlichen Schutzes zur Konsequenz, die dem Einzelfall kaum gerecht werden könnte. Anders als etwa die Lehre von den immanenten Missbrauchsgrenzen118 hebt sie zudem die Unterscheidung von Schutzbereich und Rechtfertigung nicht auf, sondern ergänzt sie um eine weitere Differenzierung. Es kommt im Ergebnis also nicht zu einer „Alles-oder-Nichts-Entscheidung“119, die Abwägungsent115 Während Böckenförde, Schutzbereich, S. 174, insoweit vom „Sach- oder Lebensbereich“ des Grundrechts spricht, wird im Folgenden der Begriff des „Grundrechtstatbestandes“ gewählt und dem „Gewährleistungsinhalt“ als dem normativen Element der Schutzbereichsbestimmung gegenüber gestellt. Damit soll vor allem eine auch begrifflich klare Abgrenzung zum „Sachbereich“ im Sinne der Sachbereichsgarantie, hierzu unten § 9 III. 2., und zum Sach- bzw. Realbereich i. S. d. Normbereichs gewährleistet werden. 116 Diese Differenzierung hat erstmals Wahl, Freiheit der Wissenschaft, S. 32, vorgeschlagen; siehe auch ders., Forschungs- und Anwendungskontrolle, S. 8. Eine vergleichbare Strukturierung hatte für die Forschungsfreiheit zuvor schon Lerche, Gentechnologie, S. 91 ff., befürwortet, ohne jedoch ausdrücklich zwischen dem Grundrechtstatbestand und dem Gewährleistungsinhalt zu unterscheiden; ähnlich auch schon Köttgen, Freiheit der Wissenschaft, S. 298, und für Art. 142 WRV W. A. E. Schmidt, Freiheit der Wissenschaft, S. 117 ff., der etwa den Zugriff auf fremdes Eigentum nicht durch die Wissenschaftsfreiheit geschützt sah. Aufgegriffen haben die Differenzierung Wahls jetzt insbes. Böckenförde, Schutzbereich, S. 174, und Hoffmann-Riem, Grundrechtsanwendung, S. 215 ff.; zustimmend wohl auch Kirchhof, Grundrechtsinhalte, Rn. 12; siehe ferner etwa Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 1990, Rn. 709 f., und Waechter, Fortschrittsvertrauen, S. 44 f. 117 Der Differenzierung zwischen Grundrechtstatbestand und Gewährleistungsinhalt kommt dabei lediglich heuristische Funktion zu, sie unterscheidet sich mit Blick auf die Freiheitsverwirklichung im Prinzip nicht von jenen Grundrechtsmodellen, die die „Freiheit“ grundrechtsbezogen definieren, aber den dreigliedrigen Prüfungsaufbau beibehalten. Böckenförde, Schutzbereich, S. 174, trennt zwar zwischen dem Sach- bzw. Lebensbereich und dem Gewährleistungsinhalt, zieht aber Eingriff und Rechtfertigung auf einer Ebene zusammen, so dass er im Ergebnis wiederum dreistufig prüft. 118 S. o. Fn. 108, S. 207. 119 So charakterisiert Dickert, Forschungsfreiheit, S. 240 f., die Modelle einstufiger Grundrechtsprüfung; Kahl, Vom weiten Schutzbereich, S. 193, spricht von „In-Out-Ansätzen“.
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scheidung wird weder aufgehoben noch vorweggenommen, so dass rechtsstaatliche Schutz- und Sicherheitsmechanismen, wie das Übermaßverbot, das Bestimmtheitsgebot oder die Anforderungen des Art. 19 Abs. 1 und 2 GG, weiterhin ihre Wirkung entfalten können. Soweit die erforderliche grundrechtsspezifische Argumentation in der Praxis nicht durch bloße Dezision ersetzt wird,120 steht auch eine Entwicklung zum „Richterstaat“, die über die bereits infolge der im Grundgesetz angelegten Kompetenzfülle des Bundesverfassungsgerichts bestehende Tendenz121 hinausgeht, nicht zu befürchten. Schließlich verbieten auch die Menschenwürdegarantie in Art. 1 Abs. 1 GG und das dort verankerte Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen nicht die präzise Definition des Gewährleistungsinhalts.122 Geht man zutreffend davon aus, dass die Garantie der Menschenwürde eingriffs- und abwägungsresistent ist,123 so kann nicht zwischen „größeren“ und „kleineren“ Autonomieverlusten durch die Definition von Freiheitsrechten unterschieden werden. Sieht man in der engen, grundrechtsspezifischen Bestimmung nun eine Beeinträchtigung der Selbstbestimmung, so muss konsequenterweise jede autoritative Schutzbereichsbestimmung als verfassungswidrig verworfen werden, denn jede Abgrenzung von Freiräumen ist mit Autonomieverlusten der Grundrechtsträger verbunden.124 Mit den Normierungen 120 Diese tatsächliche Entwicklung erwartet Kahl, Vom weiten Schutzbereich, S. 195 f. Er befürchtet gar, ein enges Tatbestandsverständnis leiste der schleichenden Ersetzung der pouvoir constitué durch das BVerfG Vorschub. 121 Vgl. hierzu aus der Fülle der Lit. statt vieler die Problemübersicht bei Schlaich/ Korioth, Bundesverfassungsgericht, Rn. 501 ff., und Voßkuhle, in: v. M/K/S, Art. 93 Rn. 31 ff., sowie einerseits Böckenförde, Grundsatznormen, S. 24 ff., und in Anlehnung an diesen Knies, Jurisdiktionsstaat, S. 1159 ff., sowie andererseits H. Dreier, Dimensionen, S. 60 ff., und Schuppert/Bumke, Konstitutionalisierung, S. 48 ff., 79 ff.; zu den Möglichkeiten einer Kompetenzabgrenzung den Überblick bei Voßkuhle, a. a. O., Rn. 35 ff., sowie insbes. zur funktionell-rechlichen Kompetenzabgrenzung Schuppert, Funktionell-rechtliche Grenzen, S. 10 ff., und jetzt Heun, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 11 ff., 19 ff.; zur Abgrenzung speziell gegenüber den Kompetenzen des Gesetzgebers Schlaich/Korioth, a. a. O., Rn. 505 ff. Siehe ferner zum Verhältnis zwischen BVerfG und Staatsrechtswissenschaft statt vieler einerseits Schlink, Entthronung, der einen „Bundesverfassungsgerichtspositivismus“ (S. 163 und passim) konstatiert, andererseits und differenzierter Lerche, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 649 ff. 122 In diese Richtung aber Kahl, Vom weiten Schutzbereich, 184 f., dem zufolge eine Lehre, welche „sachliche Schutzbereiche durch Richterhand a priori verkürzt“, „tendenziell“ mit den in Art. 1 Abs. 3 GG fundierten Grundentscheidungen der Verfassung „kollidieren“ muss. 123 So nach wie vor die ganz h. M., vgl. statt vieler Starck, in: v. M/K/S, Art. 1 Abs. 1 Rn. 30; Lerche, Grundrechtsprägung, Rn. 19; Classen, Stammzellen, S. 144; Dürig, in: M/D, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 28 (Stand: Okt. 02); Robbers, in: U/C, GG, Art. 1 Rn. 34; H. Dreier, in: ders., GG, Vorb. Rn. 44, 131 ff.; deutlich auch BVerfGE 93, 266, 293 und jüngst BVerfG, JZ 2003, S. 622, 623. A. A. aber etwa Kloepfer, Humangenetik, S. 420 f., 422 f.; Brugger, Menschenwürde, S. 23 ff.; Herdegen, Menschenwürde, S. 774 f.; ders., in: M/D, Art. 1 Abs. 1 Rn. 69 (Stand: Feb. 05), wo er die Menschenwürde zwar als unabwägbar qualifiziert, gleichzeitig aber annimmt, dass ihre „Konkretisierung“ für die Berücksichtigung anderer hochrangiger Verfassungsbelange Raum lasse.
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spezieller Freiheitsrechte in Art. 2 ff. GG ist dieses Ergebnis jedoch kaum vereinbar. Gleichzeitig teilt das vierstufige Grundrechtsmodell mit den engen Tatbestandslehren die entscheidenden Vorzüge gegenüber einem weiten Verständnis grundrechtlicher Freiheit als Beliebigkeit: Es vermittelt den immanenten Schranken wieder den Ausnahmecharakter, den ihnen das Grundgesetz zugedacht hat,125 und bewahrt die Freiheitsgewährleistungen damit zugleich davor, zu unhaltbaren Versprechungen des Verfassungsstaates zu werden.126 Die präzise Ermittlung des Gewährleistungsinhalts127 mit Hilfe der Methoden der Grundrechtsinterpretation128 entlastet zudem die Abwägung und nimmt der Ein124 Kahl müsste daher konsequenterweise noch weitergehend ein absolutes Definitionsverbot fordern; vgl. hiergegen bereits § 2 I. 1. 125 Der Rückgriff auf verfassungsimmanente Schranken wird durch die Unterscheidung von Grundrechtstatbestand und Gewährleistungsinhalt nicht ausgeschlossen, a. A. wohl Böckenförde, Schutzbereich, S. 191. Doch wird das Rechtfertigungsbedürfnis und damit der Rekurs auf kollidierende Verfassungswerte angesichts der Begrenzung der grundrechtlich gewährleisteten Freiheiten wesentlich eingeschränkt. 126 Siehe zu dieser Gefahr eines weiten Tatbestandsverständnisses Grimm, Sondervotum zum BVerfG-Beschluss „Reiten im Walde“, BVerfGE 80, 137, 164, 168; Isensee, Schutzpflicht, Rn. 174; J. Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 488; Hoffmann-Riem, Gewährleistungsgehalte, S. 54 f. 127 Den Begriff des „Gewährleistungsinhalts“ wählt Böckenförde, Schutzbereich, S. 174. Doch ist die Terminologie insoweit, wie so oft im Bereich der allgemeinen Grundrechtsdogmatik, nicht einheitlich. Wahl, Freiheit der Wissenschaft, S. 33, etwa spricht vom „Gewährleistungsumfang“, Hoffmann-Riem, Grundrechtsanwendung, S. 215, vom „Schutzgehalt“. Im Folgenden soll weiterhin vom „Gewährleistungsinhalt“ die Rede sein, soweit es um die vom Grundrechtstatbestand zu unterscheidende Rechtsfolge der Freiheit geht. Der „Gewährleistungsgehalt“ (vgl. zu Entwicklung und Vieldeutigkeit dieses Begriffes Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/2, § 77 II 4, S. 27 Fn. 75) verweist demgegenüber als Oberbegriff weitergehend auf alle Elemente des grundrechtlichen Normprogramms, also auf den Gewährleistungsinhalt wie auf den Grundrechtstatbestand und die funktionalen Dimensionen. Er hat mithin einen anderen Gehalt als der Begriff „Schutzbereich“ und tritt folglich nicht an seine Stelle; für diese Ersetzung aber Hoffmann-Riem, a. a. O., S. 226 ff., dem zufolge mit der Anerkennung einer staatlichen Verantwortung für die Freiheitsrealisierung alle „Bilder ausgedient haben, die zum einen auf einen ,Bereich‘ zielen und die zum anderen (nur) auf ,Schutz‘ hin ausgerichtet sind“. 128 Insoweit gilt das oben, § 2 II. 2., Ausgeführte. Insbes. ist auch in diesem Zusammenhang – abweichend vom Plädoyer Böckenfördes, Schutzbereich, S. 186 ff., implizit S. 178 ff., für eine verstärkte Rückbesinnung auf die historisch-genetische Methode – der objektiv-teleologischen Interpretation maßgebliches Gewicht einzuräumen. – Dass es derzeit an einem allgemein anerkannten methodischen Kanon für die Verfassungsauslegung fehlt, kann der Forderung nach einer präzisen Definition der grundrechtlichen Freiheit im Wege der Grundrechtsinterpretation nicht entgegen gehalten werden, so aber Kahl, Vom weiten Schutzbereich, S. 191 f. Denn damit würde zugleich jeder Grundrechtsauslegung, also auch der Schutzbereichsbestimmung ,im traditionellen Sinne‘, die Berechtigung abgesprochen und es müsste von einem allgemeinen Freiheitsrecht ausgegangen werden, hiergegen aber schon oben § 2 I. 2. b). Ebenso wenig begründen die unterschiedlichen Ergebnisse, die sich aus der Anwendung ein und derselben Auslegungsmethode ergeben können, Zweifel an Möglichkeit
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2. Teil: Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
zelfallentscheidung damit ein Stück Beliebig- und Zufälligkeit.129 Sie erleichtert überdies die Bestimmung der objektiven Grundrechtswirkungen, indem sie vor allem staatlichen Gewährleistungspflichten ein konkretes Ziel vorgibt. Insbesondere der gegenüber diesen staatlichen Pflichten vielfach erhobene Einwand der Überforderung verliert an Gewicht, wenn das Aufgabenfeld von vornherein eng abgesteckt wird. Schließlich ergibt sich aus dem Gewährleistungsinhalt der Maßstab für die Prüfung der Rechtsmäßigkeit von Grundrechtsausgestaltungen, der dem Lebensbereich allein nicht entnommen werden kann.130 Dass sich die deutsche Grundrechtsdogmatik mit dieser engen Definition grundrechtlicher Freiheit möglicherweise von der dogmatischen Entwicklung auf europäischer Ebene entfernt, spricht als solches nicht gegen sie.131 Zwar ist die Kohärenz der (Grund-)Rechtsordnungen als ein „Desiderat von Rechtssicherheit“132 ein unbestreitbares Ziel dogmatischer Arbeit auf nationaler und europäischer Ebene.133 Doch bedeutet Kohärenz zum einen nicht Identität. Das europäische Recht lässt Raum für eine gewisse Vielfalt und für Besonderheiten der nationalen Grundrechtsordnungen, die zu ständiger wechselseitiger Beobachtung und Kontrolle, zur Übernahme neuer Lösungswege und damit zu einer Verbesserung der Funktionstüchtigkeit grundrechtlicher Sicherungen anregen können. Zum anderen sind Inkonsistenzen nicht prinzipiell im Wege der Anpassung nationaler Dogmatik aufzulösen.134
und Notwendigkeit der Definition von Gewährleistungsinhalten, wie Hoffmann-Riem, Grundrechtsanwendung, S. 206 ff., mit Recht betont. Sie verweisen lediglich auf die Tatsache, dass Normgehalte kontingent sind und die Grundrechtsinterpretation mithin kein nachvollziehender, sondern ein schöpferischer Prozess ist, s. o. § 2 II. 2. 129 A. A. zuletzt Kahl, Vom weiten Schutzbereich, S. 193 f., mit Verweis auf die Abhängigkeit der Grundrechtsinterpretation von den (wechselnden) Richtern des BVerfG, ihren Vorverständnissen und wissenschaftlichen Standpunkten. Selbst wenn man Kahl im Grundsatz zustimmen wollte, wären mit einer engen Definition des Gewährleistungsinhalts doch keine im Vergleich zu einem auf die Abwägung setzenden weiten Tatbestandsverständnis weitergehenden Einbußen an Rechtssicherheit verbunden. Denn die Verhältnismäßigkeitsprüfung, v. a. die Prüfung der Angemessenheit, die anders als eine Definition des Gewährleistungsinhalts schon ihrem Anspruch nach auf den Einzelfall abstellt, ist trotz ihrer „hohen theoretischen Durchdringung“ (Kahl, a. a. O., S. 193) wenn nicht anfälliger, so doch keineswegs resistenter gegenüber den persönlichen Wertvorstellungen der zur Grundrechtsanwendung berufenen Richter. Warum dann „abstrakt-genereller Dezisionismus auf der Schutzbereichsebene [. . .] noch das größere Übel als konkret-individueller Abwägungsdezisionismus auf der Rechtfertigungsebene“ sein soll, bleibt unklar und leuchtet, etwa mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz, auch nicht ohne weiteres ein. 130 Siehe Hoffmann-Riem, Grundrechtsanwendung, S. 223 f. 131 So aber Kahl, Vom weiten Schutzbereich, S. 196 ff., der auf europäischer Ebene eine „generelle Tendenz zur extensiven Grundrechtsbestimmung“ (S. 198) beobachtet und einen deutschen „Sonderweg“ (S. 199) mittels der Lehre vom engen Gewährleistungsgehalt als Gefahr betrachtet. 132 Hoffmann-Riem, Kohärenz der Anwendung, S. 473. 133 S. o. § 3 II. 4. mit Fn. 209, S. 82.
§ 8 Die Freiheit wissenschaftlicher Lehre als Gewährleistungsinhalt
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Die von Art. 5 Abs. 3 GG garantierte Freiheit ist daher im Ergebnis nicht als Recht zur Beliebigkeit zu verstehen. Das Interpretationsprinzip in dubio pro libertate kann jedenfalls für die Definition spezieller135 grundrechtlicher Freiheitsgewährleistungen keine Geltung beanspruchen.136 Der Gewährleistungsin134 So hat der EuGH in der Vergangenheit auch Errungenschaften etwa der deutschen Grundrechtsdogmatik übernommen, wie Zuleeg, Im Lichte des Grundgesetzes, S. 236 ff.; ders., Grundrechte, S. 512, mit Recht betont, bspw. die dreigliedrige Struktur der Grundrechtsprüfung (vgl. nur Storr, Bonität des Grundrechtsschutzes, S. 558 ff.; Streinz, Europarecht, Rn. 364 f., mit gleichzeitigem Hinweis auf die aus anderen Mitgliedstaaten übernommene Dogmatik) und die Schrankenschranke der Verhältnismäßigkeit (hierzu statt vieler Kischel, Verhältnismäßigkeit, S. 380 ff., der auch die Modifikationen analysiert, welche der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei seinem Eingang in die Gemeinschaftsrechtsordnung erfahren hat). 135 Die Forderung nach einem engen Gewährleistungsinhalt ist auf die Spezialgrundrechte beschränkt. Art. 2 Abs. 1 GG behält im Sinne der Grundentscheidung des Jahres 1949 für einen möglichst umfassenden Grundrechtsschutz (in den Beratungen des Grundgesetzes gewährleistete Art. 2 Abs. 1 GG zeitweilig die Freiheit „zu tun und zu lassen, was die Rechte anderer nicht verletzt“, vgl. Matz, Entstehungsgeschichte, S. 59, 62; die endgültige Formulierung wurde aus stilistischen Gründen gewählt, nicht mit der Absicht inhaltlicher Begrenzung, Matz, a. a. O., S. 61) seine Auffangfunktion auch im Falle thematischer, nicht aber bei tatbestandlicher Einschlägigkeit eines spezielleren Grundrechts, ebenso v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 53 ff.; Pieroth/Hartmann, Grundrechtsschutz, S. 423 f.; Enders, in: F/H, Vor Art. 1 Rn. 97; Böckenförde, Schutzbereich, S. 188 f., und wohl auch H. H. Klein, Grundrechte am Beginn, Rn. 54; zweifelnd Hoffmann-Riem, Gewährleistungsgehalt, S. 66 ff.; ders., Grundrechtsanwendung, V. 2.; a. A. etwa Erichsen, Staatsrecht, S. 141 f.; Lerche, Grundrechtsprägung, Rn. 14; Degenhart, Allgemeine Handlungsfreiheit, S. 169; Kahl, Schutzergänzungsfunktion, S. 19 f., die einen Rückgriff auf Art. 2 Abs. 1 GG ausschließen, soweit der Regelungsbereich eines speziellen Grundrechts betroffen ist. So auch das BVerfG in st. Rspr., vgl. etwa BVerfGE 6, 32, 36 ff.; 23, 50, 55 f.; 64, 208, 213; 89, 48, 61. – Zutreffend weist Kahl, Vom weiten Schutzbereich, S. 188, darauf hin, dass mit einer engen Definition der durch die speziellen Grundrechte vermittelten Freiheit in einigen Bereichen eine „substanzielle Schwächung“ des Grundrechtsschutzes verbunden ist, „da das System der speziellen Schranken und Schrankenschranken zugunsten des eher schwachen [. . .] Art. 2 I GG relativiert wird“. Dieser Hinweis ist jedoch nicht als Argument gegen, sondern für eine präzise Bestimmung des Gewährleistungsinhalts zu verstehen. Denn er verdeutlicht, dass auf diese Weise ein System differenzierten Grundrechtsschutzes entfaltet wird, wie es die Verfassung mit der Garantie spezieller Freiheitsrechte mit unterschiedlichen Beschränkungsmöglichkeiten vorsieht, vgl. hierzu auch § 2 I. 2. 136 Hierfür aber v. a. Schneider, In dubio pro libertate, S. 263 ff.; ders., Im Zweifel, S. 298 ff.; vgl. ferner etwa Bleckmann, Staatsrecht II, S. 478, 482, und Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 708, der Zweifel über den Umfang der Kompetenzen eines Amtsträgers gemäß dem „in dubio pro libertate“-Grundsatz als Kompetenzgrenzen versteht. I. Erg. wie hier z. B. Ehmke, Verfassungsinterpretation, S. 86 ff.; Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 63 f.; Kriele, Grundrechte, Rn. 2; Stern, Staatsrecht III/2, § 95 I 4 d, S. 1653 f., 1740; K. Hesse, Grundzüge, Rn. 72; v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 272 ff., und Ossenbühl, Grundrechtsinterpretation, Rn. 23. Das BVerfG hat sich in der Vergangenheit zwar in Anlehnung an Thoma für den Grundsatz der „Grundrechtseffektivität“ ausgesprochen, vgl. z. B. BVerfGE 6, 55, 72; 32, 54, 71; 51, 97, 110, nicht jedoch für das verwandte, aber keineswegs identische (vgl. Ehmke, a. a. O., S. 87; v. Münch, in: v. M/K, GG, Vorb. Art. 1–19 Rn. 51) Interpretationsprinzip in dubio pro
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2. Teil: Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
halt der Lehrfreiheit ist vielmehr nach Maßgabe der im ersten Teil dieser Arbeit gewonnenen Interpretationsergebnisse präzise zu bestimmen. Von der Ermittlung des geschützten Verhaltens ist – wenngleich in den Diskussionen zur Tatbestandsauslegung vielfach eng verknüpft oder gar identifiziert – die Frage nach den funktionalen Dimensionen eines Grundrechts zu unterscheiden und zu trennen. Ob ein Grundrecht als Abwehr- oder Leistungsrecht, als institutionelle Garantie oder Schutzpflicht wirkt, kann erst beurteilt werden, nachdem das von ihm als „frei“ Verbürgte definiert wurde. Die Bestimmung der Handlungen oder Unterlassungen, zu denen der Staat durch die Lehrfreiheit verpflichtet wird, setzt die vorhergehende Ermittlung ihres Gewährleistungsinhalts voraus.137
II. Die thematische, inhaltliche und methodische Freiheit als Gewährleistungsinhalt der Lehrfreiheit Rechtsprechung und Literatur sind sich weitgehend einig, dass Art. 5 Abs. 3 GG neben dem elementaren Recht, Lehrveranstaltungen abhalten zu dürfen, jedenfalls die Freiheit verbürgt, Inhalt und Ablauf der Lehrveranstaltung zu bestimmen und wissenschaftliche Lehrmeinungen zu äußern.138 Dem entspricht die einfachgesetzliche Umschreibung der Lehrfreiheit in § 4 Abs. 3 HRG und in den Hochschulgesetzen der Länder139. Mehrheitlich versteht man zudem die Abnahme studienbegleitender oder -abschließender Prüfungen – die Bestimmung des Prüfungsgegenstandes, die Durchführung und die Bewertung der Prüfungsleistungen – als durch die Lehrfreiheit geschütztes Recht des Lehrenden,140 nicht hingegen die Bestimmung der Prüfungsform (Klausur, Hausarbeit, libertate; unklar insoweit jedoch BVerfGE 6, 32, 42; 32, 54, 72. Auch die Effektivität der Grundrechte ist jedoch seit den 80er Jahren in der Rspr. des BVerfG nicht mehr als Argumentationsfigur verwendet worden, vgl. Ossenbühl, a. a. O., Rn. 20. 137 Vgl. Hoffmann-Riem, Gewährleistungsgehalte, S. 71 f.; anders aber Trute, Institutionalisierung, S. 151 und 155 ff., der beide Aspekte verknüpft. 138 St. Rspr., siehe etwa BVerfGE 35, 79, 113 f.; 55, 37, 68, und jüngst BVerwGE 105, 73, 80. Vgl. aus der Lit. bspw. Pieroth, Störung, S. 135; Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 111; Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 177; T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit, S. 52 f.; Lüthje, in: Denninger, HRG, § 3 Rn. 26; Krüger, Lehre, S. 314 f.; Kimminich, Hochschule, S. 138; Starck, in: v. M/K/S, Art. 5 Abs. 3 Rn. 340; Oppermann, Freiheit, Rn. 38; Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 33; v. Münch, Staatsrecht, Rn. 432; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 33. 139 § 3 Abs. 3 S. 1 LHG BW; Art. 3 Abs. 3 S. 1 Bay HG; § 4 Abs. 1 S. 1 Bbg HG; § 7 Abs. 3 S. 1 BremHG; § 11 Abs. 1 S. 1 HmbHG; § 5 Abs. 3 LHG M-V; § 4 Abs. 4 S. 1 HG NW; § 3 Abs. 3 S. 1 HO Rh.-Pf.; § 4 Abs. 4 S. 1 HG LSA; § 5 Abs. 3 S. 1 SächsHG; § 3 Abs. 4 S. 1 HSG Schl.-H.; § 6 Abs. 3 S. 1 ThürHG. Die Hochschulgesetze von Berlin, Bremen, Hessen, Niedersachsen und dem Saarland enthalten keine Umschreibungen der Lehrfreiheit.
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mündliche Prüfung).141 Wilhelm K. Geck zählt darüber hinaus auch die freie Wahl von Zeit und Ort der Lehre zum Gewährleistungsinhalt.142 Dies wirft ebenso wie die Annahme, die Lehrfreiheit vermittle dem Lehrenden das Hausrecht für die Dauer seiner Lehrveranstaltung,143 die weitere Frage auf, ob und inwieweit das Grundrecht zur Inanspruchnahme von Rechtsgütern Dritter berechtigt. Aufschluss über den Gewährleistungsinhalt der Lehrfreiheit geben ihre telæ. Der Systematik hingegen sind insoweit ebenso wenig wie dem Wortlaut Anhaltspunkte zu entnehmen. Die Geschichte kann Ausgangspunkt der Überlegungen sein und als Kontrastfolie dienen. Im Ursprung richtete sich das Grundrecht gegen die Bindungen der Lehre an den territorialen Bekenntnisstand, gegen die Aufsicht des Landesherrn und der jeweiligen landeskirchlichen Orthodoxie. Es sollte thematische und inhaltliche Freiheit gewährleisten, verstanden als das Recht, sowohl den Gegenstand der Lehre als auch die hierüber zu treffenden Aussagen frei zu bestimmen. Lehre sollte nicht länger allein in der bewahrheitenden Tradierung überlieferten Wissens bestehen, sondern in der freien Verkündung von Gedanken und Erkenntnissen.144 Die thematische und inhaltliche Freiheit gehören auch heute zu den 140 Vgl. aus der Rspr. etwa VGH München, DÖV 1985, S. 496 f.; OVG Koblenz, DVBl. 1997, S. 1191 f., und aus der Lit. z. B. Wolf, Freiheit der Wissenschaft, S. 218; Krüger, Lehre, S. 317; Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 38; Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 89; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 32; mit Einschränkungen auch Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 166 f., der die Bestimmung des Prüfungsgegenstandes und der Prüfungsmaßstäbe dem Staat vorbehält. A. A. bspw. OVG Berlin, DVBl. 1985, S. 1088 f.; Cirsovius, Abwehrrecht, S. 39 f. Das BVerwG und das BVerfG haben diese Frage bisher nicht ausdrücklich entschieden, implizit wird die Prüfungsfreiheit aber wohl in BVerfGE 88, 129, 139 ff., v. a. 141, anerkannt. 141 Siehe VGH Kassel, NVwZ-RR 1991, S. 81 f.; BVerwG, NVwZ 1991, S. 1082, und aus der Lit. z. B. Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 166; Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 33; wohl auch v. Münch, Staatsrecht, Rn. 432. 142 Geck, Stellung der Studenten, S. 161. Zustimmend Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 111; Oppermann, Freiheit, Rn. 30; Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 33, und zuletzt Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 88. Das BVerwG hat in einer frühen Entscheidung ebenfalls die Ortswahl zum Gewährleistungsinhalt der Lehrfreiheit gezählt, vgl. BVerwG, NJW 1965, S. 1099 ff. Noch weitergehend T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit, S. 52 f., der in der Lehrfreiheit auch einen Anspruch auf die benötigten Hilfsmittel und das Recht verankert sieht, Lehrveranstaltungen durchzuführen, deren Besuch i. R. d. Studiengangs (durch Schein) anerkannt wird; ebenso Kimminich, Grundrechtssystem, S. 138. 143 Hierzu eingehend Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 217 ff.; siehe ferner Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 342; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 Abs. III (Wissenschaft) Rn. 33. Die Rspr. hat diese Frage bisher, soweit ersichtlich, nicht entschieden; vgl. aber VGH München, NVwZ-RR 2002, S. 839, wonach Hochschullehrer aus der Lehrfreiheit einen Anspruch auf die für ihre Lehre benötigten Personal- und Sachmittel ableiten können. 144 S. o. § 3 III. 1. a) bb).
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wesentlichen Elementen des Gewährleistungsinhalts. Doch steht dahinter nicht mehr das Ziel, die Verbreitung wissenschaftlicher Inhalte zu gewährleisten, denn hierzu trägt die Lehre heute nur noch eingeschränkt bei.145 Die Lehrfreiheit kann ein von staatlichen und gesellschaftlichen Bedürfnissen und Einflussnahmen prinzipiell unabhängiges Bildungs- und Ausbildungssystem jedoch nur gewährleisten, wenn sie den Lehrenden die freie Entscheidung über das (wissenschaftliche) Thema146 und den Inhalt einer Lehrveranstaltung garantiert.147 Aus der (Aus-)Bildungsfunktion der Lehrfreiheit und der spezifischen Struktur der geschützten Interaktionen148 folgt zudem das Recht der Grundrechtsträger, die Lehrmethode frei zu bestimmen.149 Denn der Erfolg einer Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte an Lernende wird maßgeblich durch die Wahl der Methode beeinflusst. Eine Freiheitsgarantie, die speziell die lehrende Kommunikation schützen will, muss es den Lehrenden also auch vorbehalten, die Lehrmethode unbeeinflusst zu wählen. Ein generelles Recht, Gegenstand und Ablauf der Prüfungen zu bestimmen, findet in den Funktionen der Freiheitsgarantie, speziell ihrer (Aus-)Bildungsfunktion, hingegen nicht seinen Grund. Insoweit ist vielmehr zwischen den von Hochschule oder Staat organisierten Examina einerseits und den auf Initiative der Lehrenden durchgeführten Prüfungen andererseits zu differenzieren. In der Vergangenheit hat man den Lehrenden die Prüfungsfreiheit bei der Durchführung der in den Prüfungsordnungen vorgesehenen Examina zugesprochen, um ihnen eine Einschätzung des eigenen Vermittlungserfolgs und darauf aufbauend eine Überprüfung des gewählten didaktischen Konzepts zu ermöglichen.150 Voraussetzung hierfür ist jedoch lediglich die Kenntnis der Prüfungsergebnisse; die Gestaltung der Prüfung und ihre Abnahme sind nicht erforderlich. Die Lehrfreiheit kann den Lehrenden auf dieser Grundlage also allenfalls ein 145
S. o. § 3 IV. 1. a), b) aa). Da sich auf diese Freiheit lediglich die von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG allein geschützten wissenschaftlich Lehrenden berufen können, beinhaltet sie „nur“ das Recht zur unbeeinflussten Auswahl wissenschaftlicher Gegenstände. 147 Zu eng daher etwa Krüger, Lehre, S. 315, der die Lehrfreiheit nur innerhalb des durch die Studien- und Prüfungsordnungen vorgegebenen thematischen Rahmens gewährleistet sieht. 148 Hierzu näher oben § 3 IV. 2., § 7 II. 149 In der Geschichte hat dieses Element des Gewährleistungsinhalts praktisch keine Rolle gespielt. Dies ist wohl in erster Linie Folge eines an Freiheitsgefährdungen der Zeit orientierten Grundrechtsverständnisses, vgl. hierzu auch § 3 III. 1. a) bb). Die „Göttinger Sieben“ etwa sind nicht des Amtes enthoben und des Landes verwiesen worden, weil sie sich einer anderen Lehrmethode als der Vorlesung bedient oder hochschuldidaktische Vorgaben nicht eingehalten hätten, sondern weil sie als „politische Professoren“ gegen die Aufhebung der Verfassung protestierten. 150 Siehe hierzu z. B. Denninger, in: ders., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 38; Pernice, in: Dreier, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 32; auf der Grundlage seiner Konzeption der Lehrfreiheit als Funktionsgrundrecht auch Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 166 f. 146
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Recht auf Einsicht der Prüfungsleistungen vermitteln. Examina stehen heute jedoch zudem in einer Vielzahl der Fälle nicht am Ende einer einzelnen Lehrveranstaltung, so dass ihre Indizwirkung hinsichtlich der Kommunikationsleistungen der Lehrenden nicht eindeutig ist.151 Das Einsichtsrecht der Lehrenden ist daher auf jene Fälle begrenzt, in denen die Inhalte einer einzigen Lehrveranstaltung den Gegenstand einer Klausur, Hausarbeit oder mündlichen Prüfung bilden. Im Übrigen bleibt die Lehrfreiheit zwar Maßstab für die (staatliche) Gestaltung und Durchführung von Examina, da Prüfungen in erheblichem Maße (freiheitsbeschränkend) auf sie zurückwirken können. Sie vermittelt den Lehrenden aber keine eigenen Prüfungsrechte.152 Insbesondere die in der Vergangenheit übliche Differenzierung zwischen der Bestimmung von Prüfungsinhalt, -durchführung und -bewertung einerseits und der Festlegung der Prüfungsformen andererseits entbehrt der erforderlichen grundrechtlichen Fundierung. Dass der alte Grundsatz „Wer lehrt, prüft“ gleichwohl in vielen Fällen Geltung beanspruchen kann, ist Konsequenz des allgemeinen rechtsstaatlichen Prinzips sachgerechter Verwaltung. Vor allem Prüfungen zum Abschluss einzelner Lehrveranstaltungen, in denen nicht ein allgemein definierter Kenntnisstand, sondern speziell die in einer konkreten Lehrveranstaltung erzielten Lernerfolge getestet bzw. die in diesem Rahmen erbrachten Leistungen bewertet werden sollen, werden in der Regel allein die Lehrenden selbst sachangemessen gestalten und beurteilen können. Von den Rechten auf Beteiligung an heteronom initiierten Leistungstests zu unterscheiden ist das aus der methodischen Freiheit der Lehrenden folgende Recht, am Ende ihrer Lehrveranstaltungen selbständig und ggf. neben anderen Examina Prüfungen durchzuführen, wenn sie diese als Bestandteil ihrer Lehrmethode begreifen. Durch die Organisation des (Aus-)Bildungsbetriebs bedingte Einschränkungen dieser Prüfungsfreiheit sind wahrscheinlich, bleiben aber rechtfertigungsbedürftig. Aus der kulturstaatlichen und kritischen Funktion der Lehre ergeben sich darüber hinaus keine Weiterungen des Gewährleistungsinhalts. Beide verlangen lediglich die thematische und inhaltliche Freiheit der Lehrenden. Nicht zum Gewährleistungsinhalt der Lehrfreiheit zählt nach allem also das Recht, an einem bestimmten Ort oder zu einer bestimmten Zeit zu lehren. Regelungen, die die örtlichen, räumlichen oder zeitlichen Lehrmöglichkeiten be151 Soweit es sich hierbei um sog. „Zulassungsprüfungen“ (H. A. Hesse, Prüfungsunwesen, S. 232, und zur Unterscheidung von den „Abschlussprüfungen“ S. 232 f.) handelt, die am Anfang eines neuen Ausbildungsabschnittes stehen, spricht auch ihre Funktion, die Voraussetzungen für die zukünftigen Tätigkeiten zu testen, gegen eine Prüfungsfreiheit der Lehrenden der abgeschlossenen Veranstaltungen. 152 I. Erg. wie hier, allerdings mit zweifelhafter Begründung Cirsovius, Abwehrrecht, S. 39 f.
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grenzen, sind daher jedenfalls nicht als unmittelbare Eingriffe in die Lehrfreiheit zu qualifizieren. Erst in dem Moment, in dem sie die Lehre eines wissenschaftlichen Themas, einer wissenschaftlichen Theorie oder die Wahl einer bestimmten Methode erschweren oder gar unmöglich machen, werden sie als mittelbare Grundrechtseingriffe rechtfertigungsbedürftig. Nur insoweit wird etwa die Hochschulverwaltung bei der Vergabe der Räumlichkeiten an die Lehrenden und einer hierbei eventuell erforderlichen Auswahl auch durch Art. 5 Abs. 3 GG gebunden.153 Gleiches gilt im Ergebnis für die Inanspruchnahme fremder Rechtsgüter zum Zwecke der wissenschaftlichen Lehre. Ob und inwieweit ein grundrechtliches Freiheitsrecht den Zugriff auf Rechtsgüter Dritter legitimiert, ob zu seinem Gewährleistungsinhalt auch die Beschaffung der materiellen Grundrechtsvoraussetzungen durch den Grundrechtsträger selbst gehört, ist in der Vergangenheit intensiv für die Kunst- und Forschungsfreiheit diskutiert worden.154 Aus dem Grundrecht der Lehrfreiheit ergeben sich insoweit keine prinzipiellen Besonderheiten, so dass im Grundsatz auf die eingehenden Auseinandersetzungen an anderer Stelle verwiesen werden kann. Entscheidend muss dort wie hier die spezifische normative Stoßrichtung des Freiheitsrechts sein. Sie allein bestimmt Inhalt und Umfang der gewährleisteten Rechte, die darüber hinaus weder durch eine allgemeine Nichtstörungsschranke begrenzt werden, noch generell auf „erlaubte Tätigkeiten“ beschränkt sind155. 153 Zur staatlichen Pflicht, für die Lehre ausgewiesene Mittel auch an die Lehrenden zu vergeben, unten § 9 III. 4. 154 Vgl. für die Kunstfreiheit BVerfG, NJW 1984, S. 1293, 1294; BVerwG, NJW 1995, S. 2648 f., wonach das Freiheitsrecht nicht zur Inanspruchnahme grundrechtlich geschützter Positionen Dritter berechtigt; zustimmend etwa Isensee, Kunstfreiheit, S. 625 f.; vgl. ferner z. B. Henschel, Kunstfreiheit, S. 22 f., und krit. Denninger, Freiheit der Kunst, Rn. 38 ff. Ein aus Art. 5 Abs. 3 GG abgeleitetes Recht des Forschers, auf Rechte und Güter Dritter zuzugreifen, bestreiten etwa Lerche, Gentechnologie, S. 90 ff.; Lorenz, Rechte anderer als Grenze, v. a. S. 274 f.; ebenso bereits für Art. 142 WRV W. A. E. Schmidt, Freiheit der Wissenschaft, S. 117 und Kitzinger, in: Nipperdey, Grundrechte, Bd. 2, S. 477; a. A. bspw. Dickert, Forschungsfreiheit, S. 251 ff.; Trute, Institutionalisierung, S. 151 ff., dem zufolge es Handlungen, die andere Rechtsgüter verletzen, jedoch regelmäßig an der Erkenntnisrelevanz fehlt, welche Forschungshandlungen auszeichnet; Kleindiek, Risikogesellschaft, S. 196 ff., und jüngst Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 146 ff. Nach H. H. Klein, Schutzpflichten, S. 491, liegt die Verletzung fremder Rechtsgüter „prinzipiell nicht im Schutzbereich der grundrechtlich gewährleisteten Freiheit“. Eben diese Fragestellung war überdies Anlass für die grundsätzliche Forderung nach einer engen Bestimmung grundrechtlicher Tatbestände, vgl. nur Wahl, Freiheit der Wissenschaft, S. 32 f.; Böckenförde, Schutzbereich, S. 175 f., 183 ff. 155 So aber für die Kunstfreiheit Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 2004, Rn. 617, und für die Berufsfreiheit Rn. 810 f., in Anlehnung an BVerfGE 7, 377, 397; 81, 70, 85; BVerwGE 87, 37, 40 f. Überzeugende Kritik etwa von Voßkuhle, Glücksspiel, S. 408 f., der – in Übereinstimmung mit BVerwGE 96, 293, 296; 96, 302, 308 – das Erlaubtheitskriterium i. R. d. Art. 12 Abs. 1 GG generelle verabschieden möchte; ebenso Breuer, Freiheit des Berufs, Rn. 43 f.
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Ziel der Lehrfreiheitsgarantie war und ist es nicht, die umfassende Inanspruchnahme von Rechten und Gütern für die wissenschaftliche Lehre zu ermöglichen; ihr Ziel ist nicht etwa die Öffnung privater und öffentlicher Bibliotheken für die wissenschaftlich Lehrenden. Lediglich die unbeeinflusste Entscheidung über die thematische, inhaltliche und methodische Gestaltung will sie den Grundrechtsträgern vorbehalten, zur Verwirklichung dieser spezifischen Freiheitsrechte entfaltet sie ihre subjektiven und objektiven Dimensionen. Die zur Vorbereitung und Durchführung einer Lehrveranstaltung benötigten Mittel – Räume, Bücher, Laborutensilien etc. – muss der Lehrende mithin grundsätzlich nach Maßgabe der allgemeinen Rechtsordnung erwerben.156 Insoweit privilegiert ihn die Lehrfreiheit nicht gegenüber anderen Bürgern.157 Erst wenn und soweit Regelungen der allgemeinen Rechtsordnung den Zugriff auf bestimmte Rechtsgüter erschweren und zugleich die thematische, inhaltliche und methodische Freiheit der Lehrenden steuernd begrenzen, können sie die Grundrechtswirkungen des Art. 5 Abs. 3 GG auslösen. Da der Erwerb der für die Lehre erforderlichen Güter nicht zu den spezifischen Freiheitsgarantien der Lehrfreiheit zählt, sondern mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 GG lediglich als ,Mittel zum Zweck‘ Relevanz erlangen kann, stellen allein insoweit wirkende Einschränkungen noch keine Grundrechtseingriffe dar.158 Welche Grundrechtswirkungen die Lehrfreiheit zur Realisierung ihres so begrenzten Gewährleistungsinhalts entfaltet – ob und in wie weit sie als Abwehrrecht wirkt und/oder eine staatliche Pflicht begründet, die Lehrenden bei der Ausübung der durch Art. 5 Abs. 3 GG garantierten Rechte zu unterstützen, ihnen etwa die benötigten Mittel zur Verfügung zu stellen159 –, ist damit freilich nicht entschieden. Insoweit handelt es sich jedoch nicht um Aspekte des an dieser Stelle untersuchten grundrechtlichen Gewährleistungsinhalts, sondern um Fragen zu den funktionalen Dimensionen der Lehrfreiheit.
156 Zu weitgehend daher T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit, S. 52 f., und Kimminich, Grundrechtssystem, S. 138. 157 Dem Lehrenden steht daher auch nicht schon aufgrund der Lehrfreiheit während seiner Lehrveranstaltung das Hausrecht an den für seine Tätigkeit benötigten Räumen zu, siehe zur a. A. oben Fn. 143, S. 215. Das Landesrecht überträgt das Hausrecht regelmäßig der Hochschulleitung, dem Präsidenten oder dem Rektor. 158 Regelungen der allgemeinen Rechtsordnung sind daher grundsätzlich nicht als Eingriffe in die Lehrfreiheitsgarantie zu qualifizieren; ebenso Pieroth, Störung, S. 135; in diese Richtung wohl auch BVerfGE 3, 58, 151. Eine Ausnahme stellt, wie gesehen, das Recht dar, Prüfungsarbeiten und -ergebnisse der Lernenden einzusehen, soweit der Leistungstest den Abschluss einer Lehrveranstaltung des Grundrechtsträgers bildet. 159 Siehe hierzu unten § 9 II. 2. a), b), III. 3., 4.
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III. Keine Bedingung der Freiheit durch die Pflicht zur autonomen Geltendmachung gesellschaftlicher Belange Mit der Pflicht zur Achtung der Rechtsgüter Dritter wurde eine erste Grenze der durch Art. 5 Abs. 3 GG garantierten Freiheit aufgezeigt. Fraglich ist, ob der Gewährleistungsinhalt der Lehrfreiheit des Weiteren durch die Verpflichtung des Grundrechtsträgers begrenzt ist, den mittelbaren Zugriff auf Rechte und Güter Dritter zu berücksichtigen, also die möglichen Folgen einer Lehrtätigkeit – d.h. die denkbaren Konsequenzen wissenschaftlicher Erkenntnisse für den einzelnen Lernenden und die Gesamtgesellschaft – in die Entscheidung über ihre Gestaltung einzustellen.160 Insoweit es um die Lehre wissenschaftlicher Erkenntnisse geht, deren Verwendung „erhebliche Gefahren für die Gesundheit, das Leben oder das friedliche Zusammenleben der Menschen“161 begründen könnte, ist auch diese Frage bereits ausführlich mit Blick auf die Forschungsfreiheit diskutiert worden.162 Mit überzeugenden Argumenten hat man eine Reflexions- oder Informationsverpflichtung insoweit als Voraussetzung des Grundrechtsschutzes abgelehnt,163 für 160 Anders als bei der Pflicht zur Berücksichtigung des Verständnispotentials der Adressaten, s. o. § 7 II., handelt es sich hier nicht um ein Element der Tatbestandsdefinition, sondern um eine den Gewährleistungsinhalt begrenzende Pflicht. Denn sie kann sich erst aufgrund der thematischen, inhaltlichen und methodischen Freiheitsgarantie ergeben. Die Abgrenzung zwischen den Grundrechtstatbestand und den Gewährleistungsinhalt betreffenden Fragen wird freilich nicht immer eindeutig sein. Für die Freiheitsverwirklichung kommt dieser Unterscheidung jedoch keine Bedeutung zu. Denn angesichts der Auffangfunktion von Art. 2 Abs. 1 GG (s. o. Fn. 135, S. 213) bleibt ein Rückgriff auf die allgemeine Handlungsfreiheit unabhängig davon möglich, ob ein Verhalten nicht dem Tatbestand zugeordnet werden kann oder nicht als frei gewährleistet wird. 161 Auf diese Gefahren war die Informationspflicht „aller an Forschung und Lehre beteiligten Mitglieder und Angehörigen der Universitäten“ gegenüber den Organen der Universität begrenzt, die § 6 S. 2 Hess. UG in der Neufassung von 1974 normierte und die das BVerfG nach verfassungskonformer Auslegung für mit Art. 5 Abs. 3 GG vereinbar hielt, BVerfGE 47, 327, 366 ff.; siehe aus den heftigen Diskussionen über die Zulässigkeit dieser Regelung in der Lit. nur Schmitt Glaeser, Forschungsfreiheit, S. 113 ff., und Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 297 ff. 162 Vgl. aus verfassungsrechtlicher Perspektive bspw. Dickert, Forschungsfreiheit, S. 360 ff.; Losch, Wissenschaftsschranken, S. 254 ff.; Trute, Institutionalisierung, S. 158 ff.; Kleindiek, Risikogesellschaft, S. 194 f., 198 ff. Die philosophische Lit. zur Wissenschaftsethik ist mittlerweile nicht mehr zu überblicken; vgl. bspw. die einflussreichen Arbeiten von Jonas, Prinzip Verantwortung; ders., Technik, Medizin und Ethik, ferner die Beiträge in Ströker, Ethik der Wissenschaften?, und Lenk, Wissenschaft und Ethik, m. umfangreichen w. N. sowie jüngst in Mieth, Ethik und Wissenschaft. 163 Vgl. z. B. Trute, Institutionalisierung, S. 158 f.; Kleindiek, Risikogesellschaft, S. 195 ff., und Losch, Wissenschaftsschranken, S. 276 ff., der dem „überschießenden Freiheitsgehalt“ jedoch mittels einer „Begleitpflicht“ zur Reflexion der Folgen wissen-
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eine abweichende Beurteilung im Bereich der Lehre gibt es insoweit keine Anhaltspunkte. Aus der kulturstaatlichen, der kritischen und vor allem der (Aus-)Bildungsfunktion der Lehrfreiheit könnte jedoch als Bedingung des Grundrechtsschutzes die hiervon zu differenzierende Pflicht der Lehrenden abzuleiten sein, bei der Ausübung des Freiheitsrechts die Bedürfnisse der Lernenden und der Gesellschaft in den Blick zu nehmen. Denn aus den genannten telæ folgt, dass die Lehrfreiheit primär zu ihren Gunsten gewährleistet wird.164 Der thematischen, inhaltlichen und methodischen Freiheit begäbe sich demnach ein Lehrender, der die Interessen der Drittbegünstigten nicht in seine Entscheidung einbezieht. Damit würde jedoch verkannt, dass die Erträge, die sich aus der Gewährleistung der Lehrfreiheit für die Lernenden und die Gesellschaft ergeben sollen, gerade aufgrund der Befreiung der Lehre von jeglicher Beeinflussung durch nicht wissenschaftliche Kriterien erwartet werden.165 Eine Pflicht, die Bedürfnisse Dritter zu berücksichtigen, liefe den grundrechtlichen Zielen mithin zuwider und begrenzt die Freiheitsausübung folglich nicht.
IV. Fazit Die Freiheitsrechte des Grundgesetzes vermitteln den Grundrechtsträgern kein Recht auf beliebiges Verhalten. Vielmehr ist ihr vom grundrechtlichen Tatbestand zu unterscheidender Gewährleistungsinhalt, d.h. die Rechtsfolge der Freiheit, mit den Methoden der Verfassungsinterpretation präzise zu definieren. Art. 5 Abs. 3 GG gewährleistet den wissenschaftlich Lehrenden thematische, inhaltliche und methodische Freiheit, also das Recht, den Gegenstand ihrer Lehre, die wissenschaftliche Position und das didaktische Konzept frei zu wählen. Eine generelle Prüfungsfreiheit ist dem Grundrecht hingegen nicht zu entnehmen. Aus der Lehrfreiheit können die Grundrechtsträger lediglich ein Recht auf Einsicht der Prüfungsergebnisse in den Fällen entnehmen, in denen ein fremdinitiiertes Examen ihre Lehrveranstaltung abschließt. Im Übrigen wird die Prüfungsfreiheit nur als Konsequenz der methodischen Freiheit gewährleistet. Ein Recht zur Inanspruchnahme fremder Rechtsgüter vermittelt die Lehrfreiheit ebenfalls nicht. Andererseits wird sie nicht durch die Pflicht begrenzt, die mitschaftlicher Erkenntnis für die Allgemeinheit entgegenwirken möchte, die strukturell der Sozialbindung des Eigentums, Art. 14 Abs. 2 GG, vergleichbar sein soll. Demgegenüber versteht Dickert, Forschungsfreiheit, S. 400 ff., die Folgenverantwortung als negatives Tatbestandsmerkmal und den Wissenschaftsbegriff dementsprechend als „ethisch limitiert“. 164 Siehe zum dienenden Charakter der Lehrfreiheit unten § 9 III. 2. a). 165 S. o. § 3 IV. 2. und unten § 9 III. 2. a): Wie hinter der Forschungsfreiheit, so steht auch hinter der Gewährleistung der Lehrfreiheit die Annahme, dass eine von jeder Fremdbestimmung befreite Lehre ihre Aufgaben am besten erfüllen wird.
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2. Teil: Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
telbaren Folgen der Lehrtätigkeit für die Lernenden oder die Gesamtgesellschaft zu berücksichtigen.
§ 9 Die funktionalen Dimensionen der Lehrfreiheit Als Klassiker der rechtswissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit kann die Frage nach einer Garantie der Universität (humboldtscher Prägung) durch Art. 5 Abs. 3 GG bezeichnet werden,166 die im Zuge der Auseinandersetzungen um die Demokratisierung der Universität in den 60er und 70er Jahren zur Frage nach der Gewährleistung einer bestimmten Universitätsbinnenstruktur – i. e. der Ordinarienuniversität im Gegensatz zur Gruppenuniversität – erweitert wurde.167 Sie verweist auf die weitergehende Frage nach den funktionalen Dimensionen der in Art. 5 Abs. 3 GG verbürgten Freiheitsrechte, der an dieser Stelle mit Blick auf die Lehrfreiheit als eigenständiges Grundrecht nachzugehen ist. Die „(funktionalen) Dimensionen“ bezeichnen dabei die Gebote, die ein Grundrecht an den Staat richtet und die diesen verpflichten, eine bestimmte Handlung zu unterlassen oder vorzunehmen. Gleichbedeutend werden die Begriffe „(Grundrechts-)Wirkung“, „Gehalt“, „Bedeutung“ oder „Bedeutungsschicht“ verwendet.168 Nachdem in den vorange166 Die Lit. hat sich v. a. während der ersten Jahrzehnte nach 1949 intensiv mit der institutionellen Dimension von Art. 5 Abs. 3 GG auseinandergesetzt und dem Grundrecht eine Garantie der klassischen Universität entnommen, prägend insoweit Köttgen, Grundrecht der Universität, S. 23 ff.; ders., Freiheit der Wissenschaft, S. 303 ff., 320 ff.; vgl. ferner etwa Thieme, Hochschulrecht, 1956, S. 43 f., und H. H. Klein, Entwicklungen im Hochschulrecht, S. 132 ff. Gegen eine institutionelle Deutung schon früh Roellecke, Institutionelle Garantie, S. 729 ff., vgl. zu seiner Interpretation von Art. 5 Abs. 3 GG auch oben Fn. 148, S. 68. Der Aufruf zur „Repersonalisierung der Wissenschaftsfreiheit“ (H. P. Ipsen, Diskussionsbeitrag, S. 198 f.) auf der Staatsrechtslehrertagung 1968 und das Hochschulurteil aus dem Jahre 1973 (BVerfGE 35, 79, 116 ff.) haben die Wende zu einer stärker subjektiv-rechtlich orientierten Interpretation eingeleitet, siehe zu dieser Veränderung auch Pieroth, Störung, S. 85; vgl. zudem aber unten Fn. 240, S. 240. 167 Vgl. hierzu aus der umfangreichen Lit. etwa die Beiträge einerseits von H. H. Klein, „Demokratisierung“; W. Weber, Freiheit von Forschung und Lehre, v. a. S. 237 ff., und Zacher, Hochschulrecht, die die Gruppenuniversität und insbes. die Drittelparität für mit Art. 5 Abs. 3 GG unvereinbar halten, und andererseits mit unterschiedlichen Differenzierungen Geck, Stellung der Studenten, v. a. S. 156 ff., 187; Rupp, Stellung der Studenten, insbes. S. 134 ff.; Kimminich, Rechtsstellung der Studenten, S. 679; ders., Gruppenuniversität, insbes. S. 211 ff. 168 So auch das terminologische Resümee von Richter/Schuppert/Bumke, Casebook Verfassungsrecht, S. 7; ähnlich Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, S. 72; vgl. exemplarisch die Terminologie von Stern, Staatsrecht III/1, § 69 I 1, S. 890 ff., oder von H. Dreier, Dimensionen; ders., in: ders., GG, Vorb. Rn. 82 ff. – Der Begriff „Funktion“ soll demgegenüber im Rahmen der vorliegenden Untersuchung allein zur Bezeichnung der Ziele des Grundrechts, also synonym mit „telos“ oder „Zweck“ verwendet werden.
§ 9 Die funktionalen Dimensionen der Lehrfreiheit
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gangenen Abschnitten der persönliche und sachliche Grundrechtstatbestand sowie der Gewährleistungsinhalt der Lehrfreiheit beleuchtet wurden, gilt es nun also zu untersuchen, welche Wirkungen die Freiheitsrechte der Lehrenden gegenüber dem Staat entfalten. In seiner grundsätzlichen Mehrdimensionalität, seinem Doppelcharakter169 als subjektives Recht mit objektiv-rechtlichen Gehalten, unterscheidet sich das Grundrecht der Lehrfreiheit nicht von der Wissenschaftsfreiheit nach herkömmlichem Verständnis. Doch haben die spezifischen Verwirklichungsbedingungen freier Lehre und die abweichenden telæ der Lehrfreiheitsgarantie sowohl materielle als auch strukturelle Divergenzen insbesondere der objektiven Gehalte zur Folge.
I. Die Frage nach den funktionalen Dimensionen eines Grundrechts als Frage nach der Grundrechtstheorie Jede Untersuchung der Wirkungsweisen eines Grundrechts ist notwendig verknüpft mit einer Stellungnahme zu Bestand und Inhalt einer Grundrechtstheorie,170 verstanden als „systematisch orientierte Auffassung über den allgemeinen Charakter, die normative Zielrichtung und die inhaltliche Reichweite der Grundrechte“171. Sie wird ausdrücklich oder implizit, bewusst oder unbewusst durch eine dergestalt übergreifende Theorie angeleitet oder spricht sich ausdrücklich oder implizit gegen eben diesen die Grundrechtskonkretisierung normativ lenkenden Systemcharakter des Grundrechtsabschnitts bzw. die Möglichkeit seiner Erkenntnis aus. Während die Entscheidung über die verfassungsgemäße Grundrechtstheorie im ersten Fall der grundrechtsdogmatischen Arbeit vorgeschaltet sein muss, trägt die Entfaltung einzelner Grundrechte im letzteren Fall zur gleichsam induktiven Ermittlung allgemeiner Aussagen über Charakter Der schnelle Blick mag diese Unterscheidung zwischen der „funktionalen Dimension“ und der „Funktion“ verwischen, angesichts der Eindeutigkeit des Kontextes scheint eine Verwechslung dennoch fernliegend. 169 Vom „Doppelcharakter“ der Grundrechte hat als erster Häberle, Wesensgehaltgarantie, 1962, S. 70, gesprochen und hiermit die Koexistenz der individuellen und der institutionellen Seite der Grundrechte bezeichnet. In der neueren Grundrechtsdogmatik wird der Begriff demgegenüber allgemeiner zur Kennzeichnung des Nebeneinanders von subjektiven und objektiven Grundrechtsgehalten verwendet, vgl. etwa H. Dreier, Dimensionen, S. 41 f.; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 122 ff.; K. Hesse, Bedeutung der Grundrechte, Rn. 14; ders., Grundzüge, Rn. 279. 170 Eingehend zum Zusammenhang zwischen Grundrechtstheorie und dogmatischer Entfaltung von Grundrechtsfunktionen mit einem Überblick über die in der Lit. vertretenen Konzeptionen Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, S. 72 ff., der i. Erg. wie hier von einem Verhältnis der Interdependenz ausgeht. 171 So die wegweisende Definition der „Grundrechtstheorie“ von Böckenförde, Grundrechtstheorie, S. 1529, die er fast identisch auch für die „Verfassungstheorie“ verwendet, vgl. ders., Verfassungsinterpretation, S. 2098.
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2. Teil: Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
und Wirkungsweisen der Grundrechte bei, die dann als „Regelhaftigkeitshypothesen“172 fungieren und die Interpretation strukturieren. 1. Die Bedeutung der Grundrechtstheorie für die Entfaltung der funktionalen Dimensionen eines Grundrechts Angestoßen durch eine zunehmend expansive Entfaltung (vor allem der objektiven Dimensionen) der Grundrechte – nicht zuletzt der Wissenschaftsfreiheitsgarantie wurden schon früh weit über ihre abwehrrechtliche Bedeutung hinausgehende Gehalte entnommen173 – und einen Beitrag Ernst-Wolfgang Böckenfördes174 werden diese Alternativen einer Annäherung an Wesen und Wirkung der Grundrechte seit den 70er Jahren diskutiert, ohne dass bis heute ein Konsens über Inhalt oder Status der Grundrechtstheorie erreicht werden konnte.175 Dabei kommt dem Beitrag Böckenfördes aus dem Jahre 1974 auch weiterhin zentrale, die Debatte strukturierende Bedeutung zu.176 Er unterschei172
Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, S. 134. Dies überwiegend in Anknüpfung an Interpretationen der Wissenschaftsfreiheit, die schon vor 1933 entwickelt worden waren, vgl. neben den oben in Fn. 166, S. 222 Genannten etwa Thoma, Lehrfreiheit, S. 14; W. Weber, Rechtsstellung, S. 27 f., 29 f.; Gerber, Hochschule und Staat, S. 13 ff. 174 Böckenförde, Grundrechtstheorie. 175 Für die Entfaltung einer interpretationsleitenden Grundrechtstheorie haben sich im Anschluss an Böckenförde etwa Kröger, Grundrechtstheorie; Grimm, Grundrechte und soziale Wirklichkeit, S. 51 ff.; Brugger, Grundrechtstheorie, S. 633 f.; Vesting, Grundrechtstheorie; Alexy, Theorie der Grundrechte, insbes. S. 28 ff., und jüngst Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, S. 49 ff., 68 ff., ausgesprochen und jeweils eigene Theorieentwürfe vorgelegt; mit Einschränkungen auch Höfling, Grundrechtsinterpretation, S. 71 ff.; für eine Verfassungstheorie als oberste Steuerungsinstanz bei der dogmatischen Konkretisierung der Verfassung Morlok, Verfassungstheorie, v. a. S. 145 ff. Demgegenüber zeigt sich die Mehrheit des Schrifttums skeptisch gegenüber dem von einer Grundrechtstheorie zu erwartenden Erkenntnisgewinn, vgl. insoweit statt vieler Ossenbühl, Grundrechtsinterpretation, Rn. 41; ders., Interpretation der Grundrechte, S. 2100, dessen Plädoyer, „den gelehrten Stapel von Grundrechtstheorien beiseite zu legen“, mittlerweile zum geflügelten Wort geworden ist; ferner R. Dreier, Verfassungsinterpretation, S. 37 ff.; Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 5 ff. Krit. zu dieser Abwendung von der Grundrechtstheorie W. Schmidt, Theorie und Dogmatik, S. 202 ff., 208 ff. Begrifflich z. T. verdeckt wurde der Streit um die Grundrechtstheorie vorweggenommen in den Diskussionen der Referate von Martens, Leistungsstaat, und Häberle, Leistungsstaat, auf der Staatsrechtslehrertagung 1971 in Regensburg, vgl. insbes. Scheuner, Diskussionsbeitrag, S. 143; K. Hesse, Diskussionsbeitrag, S. 145, und Böckenförde, Diskussionsbeitrag, S. 162. Eine krit. Bestandsaufnahme der Grundrechtstheorien findet sich etwa bei Willke, Stand und Kritik, und Dolderer, a. a. O., S. 58 ff. Siehe zur Vielgestaltigkeit des Theoriebegriffs R. Dreier, Theoriebildung, S. 70 ff., und zu den unterschiedlichen Strukturen der Grundrechtstheorien Alexy, a. a. O., S. 21 ff. 176 Praktisch jede Auseinandersetzung mit der Grundrechtstheorie bezieht auch zum Beitrag Böckenfördes Stellung, vgl. etwa Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 5 ff.; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 29 ff., 514 ff.; Dolderer, Objektive Grundrechtsge173
§ 9 Die funktionalen Dimensionen der Lehrfreiheit
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det fünf die Auslegung der Grundrechte bestimmende Theorien177 – die liberale, die institutionelle, die demokratisch-funktionale, die sozialstaatliche und die Werttheorie der Grundrechte. Diese würden von Gerichten und Wissenschaft jedoch fallbezogen und ergebnisorientiert der Grundrechtsinterpretation zugrunde gelegt. Angesichts dieser Ergebnisbezogenheit der theoretischen Argumentation in der Praxis und der zugleich weittragenden Folgen, die das theoretische Fundament für den konkreten Grundrechtsinhalt habe,178 stellt Böckenförde die Frage nach der Zulässigkeit einer freien Wahl der Grundrechtstheorie, um sie mit der Forderung nach der Ermittlung der verfassungsgemäßen Theorie zu beantworten179. In der sich anschließenden wissenschaftlichen Diskussion ist insbesondere das Postulat einer verfassungsgemäßen Grundrechtstheorie, die die Menge zulässiger Argumente über die anerkannten methodischen Einschränkungen hinaus begrenzen und vor allem die Entfaltung der funktionalen Dimensionen eines Grundrechts präjudizieren würde, vielfach auf Skepsis gestoßen.180 Immer wieder wurde dabei auf den hermeneutischen Zirkel verwiesen, in den jede Suche nach einer Grundrechtstheorie, die an den Text der Verfassung rückgebunden ist, geraten muss:181 Eine die Grundrechtsinterpretation mit normativer Kraft dirigierende Theorie müsste der Verfassung im Wege der Interpretation entnommen werden, die Auslegung des Grundrechtsabschnitts jedoch soll bereits theoretisch angeleitet sein – durch eben die zu ermittelnde Grundrechtstheorie. „Der Theoretiker entnimmt dem Text die Theorie, die ihm nach seiner Theorie zu entnehmen ist.“182 Doch selbst wenn sich der Theoretiker zum Zwecke der Ermittlung einer Grundrechtstheorie auf die Anleitung durch die Methoden der Verfassungsinterpretation beschränkte, sie insbesondere „aus Verfassungstext halte, S. 58 ff., und die Beiträge in Hand- und Lehrbüchern des Staats- und Verfassungsrechts, bspw. Stern, Staatsrecht III/2, § 95 III 2, 3, S. 1679 ff., 1689 ff.; Bleckmann, Staatsrecht II, S. 110 ff.; Richter/Schuppert/Bumke, Casebook, S. 4 f.; Pieroth/ Schlink, Staatsrecht II, 2004, Rn. 79 ff. 177 Vgl. aber auch die jüngste alternative Bezeichnung als „Freiheitskonzepte“, durch Böckenförde, Grundrechte im Verfassungsrecht, S. 600 f. 178 Böckenförde, Grundrechtstheorie, S. 1529 f.; ähnlich, wenngleich nur thesenhaft Brugger, Grundrechtstheorie, S. 633. Einen eindeutigen Ursache-Wirkungszusammenhang zwischen grundrechtstheoretischem Ansatz und grundrechtsdogmatischer Arbeit bezweifeln demgegenüber mit überzeugenden Argumenten Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, S. 13 ff., und Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, S. 105 ff. Nur begrenzte Erwartungen an die interpretationsleitende Kraft einer materialen Grundrechtstheorie hegt auch Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 519 f. 179 Böckenförde, Grundrechtstheorie, S. 1536 ff. Als solche bewertet er die durch den Sozialstaatsauftrag modifizierte liberale Grundrechtstheorie, ders., a. a. O., S. 1537 f. 180 Vgl. die Nw. oben in Fn. 175, S. 224. 181 Erstmals formuliert von R. Dreier, Verfassungsinterpretation, S. 42; ebenso dann etwa Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 514 f.; Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, S. 129 f., und speziell mit Blick auf die Interpretation von Art. 5 Abs. 3 GG Trute, Institutionalisierung, S. 247.
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und Verfassungsentstehung mit rationalen Erkenntnismitteln“ entnehmen wollte,183 verspricht sein Unternehmen kaum Erfolg. Denn er wird sich hierbei mit eben jener Offenheit und Unbestimmtheit der Verfassungsnormen konfrontiert sehen, die Ausgangspunkt seiner Suche nach einer interpretationsleitenden Theorie war.184 Ein Blick auf die Vielfalt und Komplexität der von den Grundrechten geregelten Lebensbereiche lässt schließlich daran zweifeln, dass eine einzelne Theorie die Wirkung der Grundrechte steuern könnte. Eine solche theoretische Grundlage müsste einen Abstraktionsgrad erreichen, der ihr die Kraft zur Steuerung dogmatischer (Fein-)Arbeit nehmen würde.185 Die verfassungsgemäße Grundrechtstheorie, der normative Kraft zukommt und die die Konkretisierung der Einzelrechte lenkt, kann dem Grundgesetz demnach nicht entnommen werden. Die Grundrechtstheorie kann dem Auslegungsprozess weder ein verbindliches Ziel noch verbindliche Regeln vorgeben. Sie ist vielmehr Forum und Ergebnis verfassungsgeschichtlicher, staatstheoretischer oder philosophischer Überlegungen, sowie Ort der übergreifenden Reflexion grundrechtsdogmatischer Entwicklungen. Grundrechtstheoretische Erkenntnisse fungieren daher als Auslegungshypothesen und als Auslegungshilfen. „Eine Grundrechtstheorie stellt im Rahmen der Grundrechtsauslegung das grundrechtseigentümliche Vorverständnis dar. [. . .] Dagegen kommt ihr keine oder doch nur nachrangige Bedeutung im Begründungszusammenhang zu.“186 Sie formuliert Fragerichtungen und Lösungsmöglichkeiten, ist Folie und Impulsgeber für die Entfaltung der Grundrechte. Normative Wirkung aber erhalten ihre Ergebnisse erst mittels der methodisch geleiteten Verortung in den Einzelgrundrechten, deren Entfaltung wiederum die grundrechtstheoretische Reflexion stimulieren und prägen und auf diese Weise zur (Fort-)Entwicklung immer präziserer und stabilerer Auslegungshypothesen beitragen wird.187
182 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 515. Zum entsprechenden Problem beim Versuch, der Grundrechtstheorie die Methoden der Verfassungsinterpretation zu entnehmen, Kriele, Rechtsgewinnung, S. 31 ff. 183 So das Petitum Böckenfördes als Entgegnung auf den Einwand, der Rekurs auf eine Grundrechtstheorie verfalle dem hermeneutischen Zirkel, ders., Methoden der Verfassungsinterpretation, S. 2098. 184 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 515. 185 Zur fehlenden Direktionskraft bspw. des Rahmen- oder Werttheorems im Prozess der Verfassungsinterpretation Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, S. 105 ff. 186 Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, S. 132 f. 187 Überzeugend herausgearbeitet zuletzt von Trute, Institutionalisierung, S. 247 ff., und Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, S. 131 ff., jeweils m. w. N. Gegen die Beschränkung auf eine einzige verfassungsgemäße Grundrechtstheorie wendet sich Häberle, Grundrechtsgeltung, S. 918: „Die Wissenschaft hat [. . .] ,Vorratspolitik‘ mit Hilfe eines phantasiereichen Theorienpluralismus zu leisten, um dem Grundrechtsinterpreten zu Hilfe zu kommen.“
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2. Der Doppelcharakter der Grundrechte als Auslegungshypothese Zentrale grundrechtstheoretische Auslegungshypothese, die der Entfaltung der Lehrfreiheit zugrunde gelegt werden soll und durch sie erneut bestätigt werden wird, ist der Doppelcharakter der Freiheitsgrundrechte. Rechtsprechung und Literatur haben ihn vielfach am einzelnen Grundrecht nachgewiesen,188 so dass er heute bereits eine vergleichsweise stabile, an die grundrechtsdogmatische Arbeit gerichtete Erwartung darstellt. Grundrechte sind hiernach einerseits subjektive Rechte des Einzelnen, andererseits Grundelemente der objektiven Ordnung des Gemeinwesens. Die Konkretisierungen dieser subjektiven und objektiven Dimensionen für die einzelnen Grundrechte divergieren dann jedoch bisweilen erheblich.189 Die von der Grundrechtstheorie insoweit formulierten Hypothesen sind anders als die Grundannahme der Mehrdimensionalität weitgehend instabil. Hier werden also die spezifischen Strukturen der Lehrfreiheit, ihre Ziele und Verwirklichungsbedingungen, besondere Beachtung finden und Bedeutung erhalten müssen.
II. Die subjektiv-rechtlichen Gehalte der Lehrfreiheit Als subjektives Recht könnte die Lehrfreiheit Abwehrrecht sein und einen Anspruch – ein (originäres und derivatives) Leistungsrecht und einen Schutzanspruch – vermitteln. 188 So für das einheitliche Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit BVerfGE 35, 79, 112; 47, 327, 367 f.; 88, 129, 136, st. Rspr.; vgl. aus der Lit. neben den einschlägigen Kommentaren nur Zwirner, Wissenschaftsfreiheit, S. 337 ff., und Häberle, Freiheit der Wissenschaften, insbes. S. 349 ff., 357 ff. Für die Kunstfreiheit BVerfGE 30, 173, 188; 36, 321, 331; 81, 108, 116, st. Rspr., und Knies, Kunstfreiheit, S. 177 ff., 195 ff. Lange umstritten waren hingegen die subjektiven Gehalte und damit der Doppelcharakter der Rundfunkfreiheit, vgl. nur Bullinger, Rundfunk, Rn. 118 ff. m. w. N. Allgemein zum Doppelcharakter der Grundrechte verstanden als Koexistenz von subjektiven und objektiven Gehalten statt aller K. Hesse, Grundzüge, Rn. 279 ff. m. umfangreichen w. N. A. A. etwa Schlink, Rekonstruktion, insbes. S. 462 ff.; Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 106 ff.; ausgehend von einer Neubestimmung des Grundrechtseingriffs Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, insbes. S. 69 ff., 205 ff., und, die Konzeption Schlinks, ebd., aufgreifend, zuletzt Poscher, Abwehrrechte. Sie alle führen im Prinzip jede grundrechtsdogmatische Figur auf das Abwehrrecht zurück und gehen daher von der Ausschließlichkeit subjektiver Grundrechtsgehalte aus, vgl. hierzu die eingehende Kritik zuletzt von Gellermann, Grundrechte, S. 57 ff. Auch Hain, Ockham’s Razor, S. 1041 ff., glaubt gänzlich auf objektive Gehalte verzichten zu können, erkennt neben dem Abwehr- jedoch auch ein Schutzrecht an. 189 Erinnert sei nur an die unterschiedlichen Konkretisierungen der subjektiven und objektiven Dimensionen, v. a. ihres wechselseitigen Verhältnisses, von Meinungs-, Presse- und Rundfunkfreiheit, vgl. hierzu etwa Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 8 ff.; Ladeur/Gostomzyk, Rundfunkfreiheit, S. 1145 f., oder an die mit den Grundrechten variierende Anerkennung originärer Leistungsrechte, hierzu z. B. Müller/ Pieroth/Fohmann, Leistungsrechte, S. 29 ff.; Trute, Institutionalisierung, S. 414 ff., 418.
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2. Teil: Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
1. Die Lehrfreiheit als Abwehrrecht Aus historischer Perspektive kann kein Zweifel daran bestehen, dass das Grundrecht freier Lehre (zumindest auch) ein subjektives Abwehrrecht verbürgt.190 Denn die ersten verfassungsrechtlichen Garantien hatten ebenso wie das Prinzip der libertas philosophandi die Abwehr staatlichen und kirchlichen Einflusses zum Ziel. Die Freiheit der Lehre sollte im Wege der Ausgrenzung von Staat und Kirche gesichert werden.191 Heute entspricht die abwehrrechtliche Wirkung dem telos der Lehrfreiheit, den Lehrenden Raum zur Selbstverwirklichung zu eröffnen, denn die Ausgrenzung staatlicher Einflüsse trägt hierzu jedenfalls wesentlich bei. Doch kommt sie nicht mehr allein den Grundrechtsträgern zugute. Die Abwehr staatlicher Eingriffe wird diesen auch und in erster Linie in der Annahme ermöglicht, dass die von staatlicher Seite unbeeinflusste Lehre ihrer bildenden und ausbildenden Aufgabe, ihrer kulturstaatlichen und kritischen Funktion am besten gerecht wird. Ihre abwehrrechtliche Wirkung entfaltet die Lehrfreiheit mithin auch zugunsten der Lernenden und der Gesamtgesellschaft. 2. Die Lehrfreiheit als Anspruch Weniger eindeutig ist demgegenüber, ob die Freiheit der Lehre dem Grundrechtsträger auch einen Anspruch auf staatliche Leistungen (im weitesten Sinne) vermittelt. Die zur Systematisierung und Kennzeichnung möglicher grundrechtlicher Ansprüche verwendeten Kategorien und Begrifflichkeiten, die als Auslegungshypothesen zugrunde gelegt werden können, variieren erheblich, ohne dass diese Divergenzen jedoch als solche stets materielle Unterschiede bei der Beurteilung von Inhalt und Existenz grundrechtlicher Ansprüche indizieren oder zur Folge haben.192
190 Für die Lehrfreiheit als Element der Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG steht dies denn auch in Rspr. und Lit. außer Frage, vgl. nur grundlegend BVerfGE 35, 79, 112, und bspw. Scholz, in: ders., M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 115; Oppermann, Freiheit, Rn. 17; Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 27 f.; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 36. 191 S. o. § 3 III. 1. a). 192 Ausführlich zum (uneinheitlichen) Sprachgebrauch Murswiek, Teilhaberechte, Rn. 5 ff. Zur Systematisierung stellt man auf den Leistungsgegenstand (so bspw. Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/1, § 67 II 1, S. 698 f., und Trute, Institutionalisierung, S. 413), die der staatlichen Handlungspflicht zugrunde liegende Sachverhaltskonstellation (siehe z. B. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 241; E. Klein, Schutzpflichten, S. 1633; vgl. auch Hermes, Schutz von Leben, S. 119) oder das Anspruchsziel (Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 410, 432, der für die Qualifikation als „Leistungsrecht im engeren Sinne“ dann aber doch den Leistungsgegenstand als maßgeblich erachtet, vgl. ders., a. a. O., S. 454) ab, ohne dass diese Kriterien stets offen gelegt würden. Siehe auch unten Fn. 194, S. 229.
§ 9 Die funktionalen Dimensionen der Lehrfreiheit
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Hier soll zwischen (originären und derivativen)193 Leistungsrechten einerseits und Schutzansprüchen andererseits unterschieden werden.194 Anknüpfungspunkt der Differenzierung ist dabei das primäre, übergeordnete Ziel des Anspruchstellers, mit dem strukturell verschiedene Sachverhaltskonstellationen korrespondieren. Ohne Relevanz für die Systematisierung bleiben hingegen der Leistungsgegenstand und die Tatsache, dass mit der Erfüllung eines Begehrens vielfach zugleich weitere Ziele erreicht werden, die die Zuordnung des Anspruchs zu einer anderen Kategorie rechtfertigen könnten.195 Ziel eines originären Leistungsanspruchs ist die Ermöglichung der grundrechtlichen Tätigkeit. Er würde den Staat im Falle des Art. 5 Abs. 3 GG verpflichten, jene materiellen und rechtlichen Strukturen zu schaffen, ohne die Lehre nicht möglich ist. Demgegenüber ist ein derivatives Leistungsrecht lediglich auf die Beteiligung an vorgängigem leistungsgewährenden, die Grundrechtsausübung ermöglichenden oder erleichternden, Handeln des Staates gerichtet. Es bindet keine Mittel, die von den staatlichen Organen noch nicht ihrem Verwendungszweck zugeführt wurden. Sowohl das originäre als auch das derivative Leistungsrecht haben die Zweierbeziehung zwischen Grundrechtsträger und Staat zur Grundlage. Ein Schutzanspruch hingegen vermittelt ein Recht auf staatliche Vorkehrungen zur Abwehr von Beeinträchtigungen grundrechtlicher Tätigkeiten durch (vor allem private)196 nicht grundrechtsverpflichtete Dritte und entsteht in Sach193 Vgl. zu dieser Differenzierung Sachs, in: Stern, Staatsrecht Bd. III/1, § 67 II 1, S. 697 ff.; K. Hesse, Bestand und Bedeutung, S. 433 f.; Murswiek, Teilhaberechte, Rn. 80 ff. Begrifflich ist die Unterscheidung zwischen originären und derivativen Leistungsrechten wohl auf Martens, Leistungsstaat, S. 21, zurückzuführen. 194 Die den Schutzansprüchen zugrunde liegenden Schutzpflichten sind bisweilen als „Prototyp“ (Gersdorf, Funktionen, S. 403) bzw. als Klammer oder zentraler Begriff der objektiv-rechtlichen Dimension der Grundrechte qualifiziert worden, siehe H. H. Klein, Schutzpflicht, S. 491, und fragend Böckenförde, Grundsatznormen, S. 12. Andererseits hat man alle Rechte auf staatliche Handlungen, auch die Ansprüche auf Schutzgewähr, als „Leistungsrechte“ bezeichnet, vgl. etwa Kloepfer, Grundrecht, S. 20, 28 ff.; Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/1, § 65 IV 3, S. 569; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 402; Trute, Institutionalisierung, S. 413. Die Entfaltung der spezifischen Voraussetzungen und Inhalte staatlicher Handlungspflichten verlangt jedoch zumindest im ersten Schritt eine Differenzierung, so denn auch Alexy, a. a. O., S. 405; Trute, a. a. O., S. 414; treffende Kritik an der Gleichsetzung von Leistungs- und Schutzpflicht bei Hermes, Schutz von Leben, S. 131 ff.; Robbers, Sicherheit, S. 126 f. Diese Differenzierung zum Zwecke dogmatischer Entfaltung steht einer anschließenden Zusammenführung unter einem anderen Oberbegriff als dem der „objektiven Gehalte“ freilich nicht im Wege. Doch ist hiermit nur wenig zu gewinnen. 195 So wird etwa ein Leistungsanspruch auf Bereitstellung der zur Grundrechtsausübung benötigten Mittel nicht dadurch zum Schutzbegehren, dass die Schaffung der Grundrechtsvoraussetzungen zugleich vor den Grundrechtsbedrohungen durch private Dritte schützt. Umgekehrt kann ein Schutzbegehren den Staat verpflichten, die materiellen Voraussetzungen des Freiheitsgebrauchs zur Verfügung zu stellen, ohne dass es dadurch zu einem Leistungsanspruch würde; vgl. hierzu auch § 9 III. 5. c).
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2. Teil: Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
verhaltskonstellationen, in denen ohne staatlichen Schutz keine freie Lehre möglich ist. Es sind hier also drei Personen beteiligt, der Staatsgewalt stehen in der Regel197 zwei Grundrechtsträger mit gegensätzlichen Interessen gegenüber.198 Gemeinsam ist Leistungs- und Schutzansprüchen die Inanspruchnahme des Staates als Garant, nicht als Widersacher der Freiheit.199 Da vor allem das Recht der Hochschulen und die Wissenschaftsfreiheit neben dem Rundfunkrecht und der Rundfunkfreiheit als Beispiele für die organisations- und verfahrensrechtliche Dimension der Grundrechte, d.h. die wechselseitige Beeinflussung von grundrechtlicher Freiheit einerseits und der Ausgestaltung staatlicher Organisationen und Verfahren andererseits, genannt werden,200 mag es zunächst verwundern, dass Ansprüche auf eine der Lehrfreiheit gemäße organisatorische und verfahrensrechtliche Gestaltung der staatlichen Lehreinrichtungen hier gleichwohl nicht als eigenständige funktionale Dimension neben Abwehr-, Leistungs- und Schutzrechten201 untersucht werden. Dies ist Konse196 Ob grundrechtliche Schutzpflichten auch zur Verhinderung von Rechtsgutverletzungen durch ausländische Staaten verpflichten, ist umstritten; für diesen weiten Geltungsbereich Hermes, Schutz von Leben, S. 74 f.; Robbers, Sicherheit, S. 205 f.; Dietlein, Schutzpflichten, S. 122 f.; Unruh, Schutzpflichten, S. 75 f.; jetzt wohl auch das BVerfG, vgl. BVerfGE 48, 127, 161; 55, 349, 364; 66, 39, 61; für eine Ableitung aus der Staatsangehörigkeit hingegen Isensee, Sicherheit, S. 30; ders., Schutzpflicht, Rn. 123. 197 Robbers, Sicherheit, S. 124, weist zutreffend darauf hin, dass Beeinträchtigungen grundrechtlicher Schutzgüter nicht nur durch andere Menschen, sondern auch durch die Natur drohen, etwa in Form von Sturmfluten, Waldbränden oder Seuchen, und eine Schutzpflicht daher nicht auf das Verhältnis von Rechtssubjekten zu beschränken ist; ebenso etwa Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/1, § 67 V 2 a b, S. 734 f.; Dietlein, Schutzpflichten, S. 103; a. A. Isensee, Sicherheit, S. 30 f.; ders., Schutzpflicht, Rn. 89, 112. Ferner kommt eine Schutzpflicht gegenüber ihrerseits grundrechtsverpflichteten ausländischen Staaten in Betracht, vgl. oben Fn. 196, S. 230. 198 Vgl. zu dieser Struktur der den Schutzansprüchen zugrunde liegenden Sachverhaltskonstellationen bspw. Isensee, Schutzpflicht, Rn. 5; ders., Sicherheit, S. 34 ff.; Jarass, Bausteine, S. 351; H. Dreier, Dimensionen, S. 47 f. 199 Zu diesem „kühn anmutenden ,Rollenwechsel‘“ (Dietlein, Schutzpflichten, S. 18) etwa Ossenbühl, Kernenergie, S. 4 f.; Stern, Staatsrecht III/1, § 69 IV 5 a x, S. 946; Isensee, Sicherheit, S. 52 f., sowie Rupp-v. Brünneck/Simon in ihrem Sondervotum, BVerfGE 39, 68, 73. Siehe zur Interdependenz von gesellschaftlichen Entwicklungen und Grundrechtswirkungen und speziell zur wachsenden Bedeutung aktiven staatlichen Freiheitsschutzes im Zeitalter der Globalisierung Hoffmann-Riem, Gewährleistungsgehalte, S. 75 f. 200 Siehe etwa Bethge, Organisation und Verfahren, S. 3 f.; Ossenbühl, Verfahrensrecht, S. 187 f.; H. Dreier, Dimensionen, S. 43 f.; Denninger, Verfahren, Rn. 18, 28; Geis, Selbstbestimmungsrecht, S. 12 ff. Wegweisend für die Anerkennung der organisations- und verfahrensrechtlichen Dimension der Grundrechte Häberle, Leistungsstaat, S. 86 ff. („status activus processualis“); wirkmächtig anschließend Rupp, Wandel der Grundrechte, S. 183 ff.; K. Hesse, Bestand und Bedeutung, S. 434 ff.; Goerlich, Verfahrensgarantien; Ossenbühl, Kernenergie, S. 5 ff.; Bethge, a. a. O., S. 1 ff., und Lerche/Schmitt Glaeser/Schmidt-Aßmann, Verfahren. Vgl. zur Rspr. des BVerfG insoweit die zusammenfassende Darstellung im Sondervotum der Richter Simon und Heuser zum Mühlheim-Kärlich-Urteil, BVerfGE 53, 69, 71 ff.
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quenz der systematisierenden Anknüpfung nicht an die Natur der begehrten staatlichen Handlung, sondern an das übergeordnete Anspruchsziel. Denn Organisation und Verfahren sind Mittel zur Ermöglichung oder zum Schutz einer grundrechtlichen Tätigkeit, als solche aber kein diesen Zwecken strukturell vergleichbares Anspruchsziel. Werden sie nicht als eigene Grundrechtsdimension aufgeführt, so wird damit also keinesfalls ihre erhebliche Bedeutung für die Verwirklichung allgemein der Grundrechte und speziell auch der Lehrfreiheit geleugnet. Doch liegt eine entsprechende Kategorie quer zur hier gewählten Systematisierung und ist aus diesem Grund in die Entfaltung der Abwehr-, Leistungs- und Schutzdimension integriert:202 Auch Organisation und Verfahren werden also als grundrechtsrelevant und möglicherweise freiheitseinschränkend berücksichtigt; ihre Ausgestaltung kann die Lehrfreiheit beeinträchtigen und ist dann als Eingriff zu qualifizieren, der die abwehrrechtliche Dimension des Grundrechts aktiviert. Ein Anspruch auf Bereitstellung der materiellen und rechtlichen Voraussetzungen einer Grundrechtsausübung kann auch die Schaffung organisations- und verfahrensrechtlicher Regelungen zum Inhalt haben, und auch die Freiheitsbeeinträchtigung durch private Organisations- und Verfahrensregelungen kann die staatliche Schutzpflicht auslösen bzw. letztere kann auf den Erlass entsprechender freiheitsschützender Regelungen gerichtet sein. a) Die Lehrfreiheit als originärer Leistungsanspruch Die Interpretation eines Freiheitsrechts als Leistungsrecht kann ihren Ausgang nur in der Verfassung nehmen, im Grundrecht selbst oder in einer dessen leistungsrechtliche Auslegung begründenden anderen Verfassungsnorm. Die Auslegung der Lehrfreiheitsgarantie hat bis hierher keine Anhaltspunkte für ihr Verständnis als Leistungsrecht ergeben. Während der offene Wortlaut keine Hinweise auf eine originär leistungsrechtliche Dimension enthält, eine solche aber auch nicht ausschließt, deuten Geschichte und Genese eine Beschränkung auf die abwehrrechtliche Wirkung an. Auch die heute in erster Linie fremdnützigen telæ der Lehrfreiheit sprechen nicht für eine Erweiterung der Rechte der Lehrenden über das ursprüngliche Abwehrrecht hinaus.
201 So aber die Mehrzahl der Systematisierungen in der Lit., vgl. nur Rupp, Wandel der Grundrechte, S. 187 ff.; Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, § 69 V, S. 953 ff.; Bleckmann, Staatsrecht II, S. 243 ff., 301 ff.; Richter/Schuppert/Bumke, Casebook, S. 7 ff., 36 ff.; auch H. Dreier, Dimensionen, S. 43 f.; ders., in: ders., GG, Vorb. Rn. 105 f., der dabei jedoch ausdrücklich auf die enge Verbindung zu den anderen Grundrechtsdimensionen, insbes. zum leistungsrechtlichen Gehalt verweist. 202 I. Erg. ähnlich Bethge, Organisation und Verfahren, S. 2 f.; K. Hesse, Bestand und Bedeutung, S. 433 ff.; Steinbeiß-Winkelmann, Freiheitsordnung, S. 539 ff., und Denniger, Verfahren, Rn. 7.
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2. Teil: Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
In der vor allem in den 70er und 80er Jahren intensiv geführten Debatte über Existenz und Umfang grundrechtlicher Ansprüche auf staatliche Leistungen203 war der Rekurs auf das Sozialstaatsprinzip und ein sozialstaatlich inspiriertes Freiheitsverständnis zum Zwecke der Begründung einer leistungsrechtlichen Dimension generell aller Freiheitsrechte besonders prominent.204 Hiernach wäre auch der Lehrfreiheit in dem Moment ein originärer Leistungsanspruch zu entnehmen, in dem mit der bloßen Abwesenheit staatlicher Eingriffe die Möglichkeit der Grundrechtsausübung noch nicht garantiert ist.205 Aber wenngleich heute wohl unbestritten ist, dass es zu den wesentlichen Aufgaben des Sozialstaates gehört, die materiellen Voraussetzungen der Freiheitsausübung zu sichern, herzustellen oder zu verbessern, besteht jetzt doch zu Recht zugleich weitgehende Einigkeit, dass das Sozialstaatsprinzip allein keine Auslegung allgemein der Grundrechte trägt, wonach diese dem Einzelnen einen staatsgerichteten Anspruch auf leistende Freiheitssicherung vermitteln.206 Eine derart generelle Erweiterung der Grundrechtswirkung steht vor allem im Widerspruch zum 203 Vgl. aus der Diskussion, die vielfach als grundrechtstheoretische geführt wurde, die maßgebenden Beiträge von einerseits Häberle, Leistungsstaat; Willke, Stand und Kritik, S. 216 ff., und Rupp, Wandel der Grundrechte, S. 176 ff., die sich mit Variationen und Einschränkungen im Einzelnen für die Anerkennung originärer Leistungsrechte – häufig auch als Teilhaberechte bezeichnet – aussprechen, und hiergegen andererseits Martens, Leistungsstaat; H. H. Klein, Grundrechte, S. 58 ff.; Grabitz, Freiheit, S. 41 ff.; Haverkate, Leistungsstaat, S. 71 ff., und Bethge, Grundrechtsdogmatik, S. 371 ff. Für ein Leistungsrecht als Anspruch auf den „unabdingbaren Minimalstandard“ Breuer, Anspruchsnormen, S. 93 f.; zustimmend Schmidt-Aßmann, Grundrechtswirkungen, S. 230; ähnlich Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 465 ff. Siehe zur abwehrrechtlichen Konstruktion von Leistungsrechten die Nw. in Fn. 188, S. 227, sowie hierauf aufbauend zuletzt Wild, Grundrechtseingriff. Schon die als Voraussetzung von Leistungsrechten unterstellte Abhängigkeit individueller Freiheit von staatlichen Vorkehrungen bestreitend Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 249 ff. Einen Überblick über die Anerkennung von Leistungsrechten durch das BVerwG bzw. das BVerfG findet sich bei Sendler, Teilhaberechte, bzw. Haverkate, a. a. O., S. 83 ff., und Trute, Institutionalisierung, S. 414 ff. 204 Vgl. etwa Friauf, Leistungsstaat, S. 677 f.; Häberle, Leistungsstaat, S. 91 ff., 109 f.; Erichsen/Krebs, Verwaltung, S. 375; Breuer, Anspruchsnormen, S. 93 ff.; Erichsen, Staatsrecht, S. 80 f., 84; Seewald, Gesundheit als Grundrecht, S. 30 ff., sowie die krit. Analysen dieses Begründungsansatzes von Grabitz, Freiheit, S. 41 ff., und Müller/Pieroth/Fohmann, Leistungsrechte, S. 55 ff. 205 Dass es für die Grundrechtsausübungen in der modernen Gesellschaft regelmäßig mehr bedarf als der Abwehr staatlicher Eingriffe, ist vielleicht schon Gemeinplatz, jedenfalls allgemein und auch von den Gegnern grundrechtlicher Leistungsrechte, z. B. von Martens, Leistungsstaat, S. 41; Bethge, Grundrechtsdogmatik, S. 375 f., anerkannt, vgl. hierzu statt vieler etwa Rupp, Wandel der Grundrechte, S. 172 ff., und Murswiek, Teilhaberechte, Rn. 87 ff., sowie BVerfGE 33, 303, 330 ff.; 35, 79, 115 f.; 43, 291, 313 ff. Unzutreffend Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 249 ff., der seine These vom Fortbestand der „Grundrechtsautarkie“ (a. a. O., S. 257) auf Fiktionen stützt und damit gerade nicht die Problematik realer Freiheit erfasst. 206 Vgl. statt vieler Martens, Leistungsstaat, S. 31; Grabitz, Freiheit, S. 45 ff.; Scholz, Recht auf Arbeit, S. 241 f.; Breuer, Anspruchsnormen, S. 94; K. Hesse, Grundzüge, Rn. 212 ff., 289; Murswiek, Teilhaberechte, Rn. 90 f.
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Erfordernis einer differenzierten Betrachtung der einzelnen Grundrechte207 und ihrer dogmatischen Entfaltung mit Blick auf ihren Wortlaut, ihre Geschichte, systematische Stellung und telæ. Sie würde zudem nicht nur die grundgesetzliche Funktionenordnung erheblich – und mangels Differenzierung wohl an mancher Stelle ungerechtfertigt – verschieben.208 Die begründeten Pflichten würden die Leistungsfähigkeit des Staates außerdem regelmäßig übersteigen, wären also notwendig unter den Vorbehalt des Möglichen und politisch Erwünschten zu stellen,209 womit sie wiederum nur mehr einem Auftrag gleichkämen.210 Einer Normierung eben dieses Typus „sozialer Grundrechte“ als Versprechen aber hat man im Parlamentarischen Rat in Reaktion auf das Schicksal der Sozialrechtsartikel der Weimarer Verfassung ausdrücklich eine Absage erteilt.211 Nicht bindende Grundrechtsnormen, die nicht vom Bundesverfassungsgericht kontrolliert werden können und deren Einhaltung der Politik weitgehend freigestellt ist, sind überdies mit Art. 1 Abs. 3 GG unvereinbar.212 Das Sozialstaatsprinzip vermag 207 S. o. § 9 I. 1.; ebenso BVerwGE 52, 339, 342 ff.; für eine grundrechtsspezifische Begründung von Leistungspflichten auch Breuer, Anspruchsnormen, S. 94. 208 Siehe zu diesem Bedenken etwa Grabitz, Freiheit, S. 43, 46; Müller/Pieroth/ Fohmann, Leistungsrechte, S. 82; Jarass, Wertentscheidungen, S. 389; Heun, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 67 f.; K. Hesse, Grundzüge, Rn. 208, 289, 298, und speziell im Hinblick auf die Interpretation von Art. 5 Abs. 3 GG Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 41; ähnlich auch schon Martens, Leistungsstaat, S. 30: Grundrechte als Leistungsrechte können „sinnvoll nur als leges imperfectae aufgefaßt werden“. 209 Eingehend Murswiek, Teilhaberechte, Rn. 57 ff.; zuvor etwa Zacher, Sozialpolitik, S. 29; Isensee, Verfassung ohne soziale Grundrechte, S. 381; Böckenförde, Die sozialen Grundrechte, S. 13; vgl. auch BVerfGE 33, 303, 333. 210 Diese Einwände sind auch gegenüber dem von Scherzberg, „Eingriffsintensität“, insbes. S. 211 ff.; ders., „Objektiver“ Grundrechtsschutz, S. 1135, entwickelten, einer sozialstaatlichen Auslegung i. Erg. verwandten Verständnis zu erheben, wonach die Grundrechte einen individuellen status gewährleisten, der umfassend das rechtliche Dürfen garantiert und zu diesem Zwecke auch das Recht verbürgen soll, den Staat zur Durchsetzung seiner Pflichten zu zwingen. Zu weiteren Bedenken gegenüber Scherzbergs Konzeption Dietlein, Schutzpflichten, S. 157 ff. 211 Vgl. Matz, Entstehungsgeschichte, S. 43 f., und ausführlich W. Weber, Grenzen sozialstaatlicher Forderungen, S. 412 ff. Ausnahmen bilden allein die Garantie des Mutterschutzes (Art. 6 Abs. 4 GG) und der Gesetzgebungsauftrag zur Gleichstellung unehelicher Kinder (Art. 6 Abs. 5 GG). Die Landesverfassungsgeber haben sich vom Schicksal der Sozialrechtsartikel in der Weimarer Verfassung hingegen nicht schrecken lassen, vgl. etwa die Verbürgungen eines Rechts auf Arbeit in Art. 48 Abs. 1 Bbg. Verf.; Art. 49 S. 2 Brem. Verf.; Art. 28 Abs. 2 Hess. Verf.; Art. 45 S. 2 Saarl. Verf., oder die Gewährleistungen eines Rechts auf Bildung in Art. 11 Abs. 1 BW Verf.; Art. 128 Abs. 1 Bay. Verf.; Art. 29 Abs. 1 Bbg. Verf.; Art. 27 Abs. 1 Brem. Verf.; Art. 7 Abs. 1, 102 Abs. 1 Sächs. Verf.; Art. 25 Abs. 1 Verf. S.-A. Siehe hierzu Lange, Soziale Grundrechte, S. 54 ff., und Dietlein, Grundrechte, S. 121 ff.; zu den Garantien sozialer Grundrechte im internationalen Recht Murswiek, Teilhaberechte, Rn. 41 ff. 212 Vgl. H. H. Klein, Grundrechte, S. 35 ff.; v. Mutius, „Teilhaberechte“, S. 193; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 462 ff., der die Ableitung originärer Leistungsrechte aus den Grundrechten dann aber doch nicht prinzipiell ausschließt, siehe unten Fn. 372, S. 277.
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2. Teil: Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
mithin zwar die Aufforderung an den Staat zu begründen, die Voraussetzungen einer grundrechtlichen Tätigkeit zu schaffen. Es trägt jedoch keine Auslegung der Grundrechte als originäre Leistungsrechte. Gleiches gilt im Ergebnis für das Kulturstaatsprinzip.213 Als Grundlage der funktionalen Erweiterung eines Grundrechts ist es – wie auch das Sozialstaatsprinzip – zu vage. Sieht man das Kulturstaatsprinzip in den kulturellen Grundrechten verankert, so kann es deren Interpretation zudem nicht ohne Zirkelschluss anleiten.214 Ist eine originär leistungsrechtliche Dimension der Lehrfreiheit folglich auch im Wege ihrer sozial- oder kulturstaatlichen Interpretation nicht zu begründen, so kann ein Leistungsanspruch nur das Ergebnis einer Resubjektivierung von aus Art. 5 Abs. 3 GG folgenden objektiv-rechtlichen Pflichten des Staates sein.215 Seine Herleitung hat dann jedoch jenem Zweischritt zu folgen, der auch die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts bei der Begründung subjektiver Leistungsrechte im Hochschulurteil strukturiert hat:216 Zunächst ist eine objektive staatliche Leistungspflicht zu ermitteln, bevor im Anschluss nach einem mit dieser Pflicht korrespondierenden subjektiv-öffentlichen Recht gefragt werden kann.217 b) Die Lehrfreiheit als derivativer Leistungsanspruch auf Teilhabe an den öffentlichen Bildungseinrichtungen Wird die Lehrfreiheit auf ihre Wirkung als derivatives Teilhaberecht hin untersucht, so wird vor allem nach einem Anspruch der Lehrenden auf Einbindung in die staatlichen Hochschulen und auf Beteiligung an den vom Staat für die Lehreinrichtungen bereitgestellten Mitteln gefragt. Die Grundrechtsinterpretation hat bis zu diesem Punkt keine Hinweise auf ein solches Recht erbracht. Insbesondere kann der Freiheitsgarantie ein entsprechender Anspruch nicht als Konsequenz ihrer abwehrrechtlichen Dimension entnommen werden.218 Denn 213
Siehe zur Qualifikation des grundgesetzlichen Staates als Kulturstaat § 3 IV. 4. Das BVerfG hat das Kulturstaatsprinzip im Hochschulurteil dementsprechend bei der Begründung staatlicher Einstandspflichten für die Verwirklichung von Forschungs- und Lehrfreiheit nur unterstützend herangezogen und sich maßgeblich auf die in den Grundrechten verkörperte objektive Ordnung gestützt, BVerfGE 35, 79, 114 ff.; missverständlich daher Trute, Institutionalisierung, S. 419. 215 So allgemein für die Ableitung von Leistungsansprüchen aus den grundrechtlichen Garantien bspw. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 204 ff., und Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/1, § 65 IV 4, S. 570; 67 II 2, S. 706; speziell für Art. 5 Abs. 3 GG Trute, Institutionalisierung, S. 425 f. 216 BVerfGE 35, 79, 114 ff.; ebenso zuletzt BVerfG, DVBl. 2005, S. 109, 110. 217 S. u. § 9 III. 3. a)–c. sowie § 9 III. 3. d). 218 A. A. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 244 ff.; Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/1, § 67 II 1, S. 701 ff., jeweils m. w. N., die aus der abwehrrechtlichen Dimension 214
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sowohl die Entscheidung über die Beteiligung eines Grundrechtsträgers an staatlichen Leistungen als auch der Gebrauch öffentlicher Sachen betreffen den status negativus des Grundrechts nicht. Hierzu müsste die Lehrfreiheit im Ausgangspunkt auch zur Nutzung staatlicher Mittel und Einrichtungen berechtigen. Wie gesehen, gehört die Inanspruchnahme fremder Rechtsgüter jedoch nicht zu ihrem Gewährleistungsinhalt.219 Da auch die Annahme eines derivativen Leistungsanspruchs der konstitutiven Vermittlung durch die Verfassung bedarf, müsste eine entsprechende Auslegung der Lehrfreiheit also durch eine andere Verfassungsnorm gerechtfertigt werden. Nahe liegend ist erneut der Rekurs auf das Sozial- oder Kulturstaatsprinzip, zumal die oben gegenüber einer sozialstaatlichen Interpretation der Lehrfreiheit als originäres Leistungsrechte erhobenen Einwände nicht ohne weiteres auf die sozialstaatliche Begründung einer derivativen Leistungsdimension übertragen werden können. So stehen insbesondere eine Verschiebung der verfassungsrechtlichen Funktionenordnung und eine Überforderung der staatlichen Leistungsfähigkeit nicht zu befürchten, da jedes derivative Leistungsrecht von einer vorangegangenen staatlichen Entscheidung über die Verwendung einer bezifferten Summe öffentlicher Mittel abhängig ist. Doch trifft auch eine allgemeine Interpretation der Freiheitsrechte als derivative Leistungsrechte der Vorwurf mangelnder Differenzierung mit Blick auf die Normziele, den Gewährleistungsinhalt und die Verwirklichungsbedingungen der Einzelgrundrechte.220 Ein sozial- oder kulturstaatlich inspiriertes generelles Verständnis der Freiheitsrechte als Ansprüche auf Beteiligung an staatlichen Mitteln und auf Nutzung öffentlicher Einrichtungen würde zudem faktisch die eigentumsrechtliche Zuordnung der Gemeinschaftsgüter in Frage stellen. Auch ein derivatives Leistungsrecht kann der Lehrfreiheit demzufolge nicht unmittelbar als subjektiv-rechtlicher Gehalt entnommen werden.221 Es kann sich lediglich aus einer objektiv-rechtlichen Pflicht des Staates zur Öffnung bzw. der Freiheitsrechte das Recht auf Gebrauch vorhandener, ohne weitere Aufwendungen nutzbarer öffentlicher Einrichtungen ableiten. Ebenso Herbig, Öffentliche Einrichtungen, S. 139 ff., der Art. 2 Abs. 1 GG ein Recht auf Benutzung von Friedhöfen und Art. 5 Abs. 1 GG das Recht auf Benutzung öffentlicher Büchereien entnimmt. Brehm, Benutzungsregelungen, S. 202, 209 ff., sieht in Art. 12 Abs. 1 GG das Recht auf Inanspruchnahme von zur Berufsausübung benötigten staatlichen Einrichtungen verankert. 219 S. o. § 8 II. 220 Vgl. § 9 I. 1., II. 2. a). 221 Die der Wissenschaftsfreiheit in der Vergangenheit entnommenen derivativen Leistungsrechte wurden ebenfalls als Konsequenzen ihrer objektiven Grundrechtsgehalte entfaltet, bspw. als Folge ihrer institutionellen Dimension von Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 116, als Konsequenz ihrer Wirkung als Garantienorm von Trute, Institutionalisierung, S. 421 f., 425 f., oder aufgrund ihrer Bedeutung als objektive Wertentscheidung von BVerfGE 35, 79, 114 f. und BVerfG, DVBl. 2005, S. 109, 113 f.
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Vergabe seiner Einrichtungen, Sachen und Mittel ergeben, soweit diese Pflicht zugunsten individualisierbarer Grundrechtsträger besteht.222 c) Die Lehrfreiheit als Schutzanspruch Für die Ableitung eines Schutzanspruchs aus dem Grundrecht der Lehrfreiheit gilt im Ausgangspunkt das zur (originären und derivativen) leistungsrechtlichen Dimension Ausgeführte entsprechend: Weder der Wortlaut noch die Geschichte oder die telæ des Art. 5 Abs. 3 GG vermögen einen solchen zu begründen. Im Gegenteil, dass die Eröffnung von Freiräumen für die individuelle Entfaltung der Lehrenden heute nur mehr sekundäre Funktion des Freiheitsrechts ist und dieses in erster Linie im Dienste gesellschaftlicher Interessen und Bedürfnisse und vor allem zugunsten der Lernenden steht, spricht gegen seine Auslegung als Anspruch der Lehrenden auf Schutz vor nichtstaatlichen Beeinflussungen. Wie die leistungsrechtliche, so wird in der Literatur zum Teil auch die schutzrechtliche Dimension der Grundrechte im Wege sozialstaatlicher Interpretation begründet.223 Schutzansprüche sollen den Grundrechten danach in dem Moment entnommen werden können, in dem die „Schädlichkeitsgrenze“ überschritten wird. Insoweit behalten jedoch die oben gegenüber einer sozialstaatlichen Auslegung der Grundrechte als Leistungsrechte erhobenen Bedenken ihre Bedeutung, allein die Überforderung der staatlichen Leistungsfähigkeit steht nicht in gleichem Ausmaß zu befürchten. Zusätzliche Zweifel ergeben sich jedoch angesichts der Struktur des Schutzrechts, dem ein Dreipersonenverhältnis zugrunde liegt. Denn sozialstaatliche Förderung vollzieht sich grundsätzlich im zweiseitigen Staat-Bürger-Verhältnis.224
222 S. u. § 9 III. 4. a), b). Unabhängig davon kann sich ein Anspruch auf Einräumung der Möglichkeit, an staatlichen Bildungseinrichtungen zu lehren und zu diesem Zwecke bei der Verteilung der Haushaltsmittel angemessen berücksichtigt zu werden, freilich aus dem allgemeinen oder einem speziellen Gleichheitssatz des Art. 3 GG ergeben. Insoweit gelten die allgemein für die Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen entwickelten Grundsätze, hierzu statt vieler Martens, Leistungsstaat, S. 21 ff.; Breuer, Anspruchsnormen, S. 100 ff.; Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/1, § 67 V 6, S. 749 f., sowie bspw. BVerfGE 8, 28, 36 f.; 49, 192, 208; 52, 369, 379; 74, 9, 28. Hiernach lösen die willkürliche Verweigerung einer Leistung, die anderen gewährt wird, oder der Verstoß gegen ein spezielles Differenzierungsverbot einen Gleichbehandlungsanspruch aus, der zum derivativen Leistungsanspruch wird, wenn die Gewährung der Leistung die einzige Möglichkeit ist, den Verstoß gegen Art. 3 GG zu vermeiden, eine Gleichbehandlung also insbesondere nicht durch Wegfall der Leistungen insgesamt erreicht werden kann. 223 Siehe Seewald, Gesundheit als Grundrecht, S. 64 ff.; Robbers, Sicherheit, S. 193; ähnlich Scherzberg, „Eingriffsintensität“, S. 211 ff.; vgl. für Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG auch Scholz, Nichtraucher, S. 236, der eine objektive Schutzpflicht sozialstaatlich begründet.
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Schutzpflichtspezifisch ist im Unterschied zu diesem Versuch einer allgemeinen Umdeutung der Freiheitsgrundrechte die Ableitung von Schutzansprüchen aus der Friedens- und Sicherheitspflicht des Staates. Der Verzicht auf private Gewalt sei, so argumentiert man, rational überhaupt nur nachvollziehbar, wenn mit ihm die Rechtsmacht der Bürger korreliere, die Achtung ihrer Rechte und Freiheiten zumindest mittelbar über die Inanspruchnahme staatlicher Hilfe durchzusetzen, wenn der Gewaltverzicht also mit einem Schutzanspruch verbunden sei.225 Damit vernachlässigt man jedoch, dass das staatliche Gewaltmonopol zentrale Voraussetzung aller Staatlichkeit als Alternative zu Anarchie und Selbstjustiz ist, mithin nicht allein die Zuerkennung subjektiv-öffentlicher Schutzansprüche seine Anerkennung zu motivieren und rechtfertigen vermag. Die unterstellte Korrelation zwischen Gewaltverzicht und subjektivem Recht auf Schutz ist folglich keine notwendige und kann daher allenfalls Indiz für Schutzansprüche sein.226 Ihre Begründung sucht Johannes Dietlein daher in vorgängigem staatlichen Handeln. So verwandle sich zum einen der ursprüngliche Abwehranspruch in einen kompensatorischen Anspruch auf Schutz, soweit der Staat durch rechtmäßiges Handeln die Beeinträchtigung oder Gefährdung grundrechtlicher Positionen durch Dritte verursacht habe.227 Dem ist zu entgegnen: Zieht staatliches Handeln notwendig oder regelmäßig die Grundrechtsbeeinträchtigung durch private Dritte nach sich, so ist dieses Verhalten Privater dem Staat zuzurechnen und aktiviert die abwehrrechtliche Dimension des betroffenen Grundrechts.228 224 Ebenso Dietlein, Schutzpflichten, S. 160; der Sache nach auch Stern, Staatsrecht III/1, § 69 IV 5, S. 948; siehe zu den strukturellen Unterschieden zwischen sozialstaatlichen Leistungen und grundrechtlichen Schutzpflichten ferner Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 123. 225 Vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 414 f., und Robbers, Sicherheit, S. 192, der in mangelnden Selbstschutzmöglichkeiten jedoch nur „Hinweise“ auf „Schutzpflicht und Schutzrecht“ sieht. Zur Begründung objektiver Schutzpflichten verweisen auf das staatliche Gewaltmonopol etwa Dietlein, Schutzpflichten, S. 26 f.; Isensee, Schutzpflicht, Rn. 83 ff., und Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 102 ff., der den korrespondieren Schutzanspruch dann jedoch der abwehrrechtlichen Grundrechtsdimension entnimmt. 226 Eingehend zu den Schwächen einer Ableitung von Schutzansprüchen aus der Friedenspflicht des Staates Dietlein, Schutzpflichten, S. 161 ff. 227 Dietlein, Schutzpflichten, S. 163 ff. 228 Die Rspr. ist insoweit uneinheitlich, wie hier BGHZ 64, 220, 222; wohl auch BVerfGE 55, 349, 363; zustimmend Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 214 f.; differenzierend Hermes, Schutz von Leben, S. 82 ff. Anders aber BVerfGE 53, 30, 58; 56, 54, 73 ff. Intensiv diskutiert wurde und wird die Zurechnung privaten Verhaltens aufgrund staatlicher Genehmigung, ausführlich hierzu etwa Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 89 ff., und Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, S. 178 ff., die sich für eine Zurechnung aussprechen; ebenso bspw. Schmidt-Aßmann, Anwendungsprobleme, S. 215, und Isensee, Sicherheit, S. 50; a. A. z. B. Rauschnig, Umweltschutz, S. 182, 184; Steiger, Verfassungsrechtliche Grundlagen, S. 42 f. In den besonders bedeutsamen Fällen staatlich genehmigter umweltbelastender Tätigkeiten resultieren die Grund-
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Zum anderen entsteht ein Schutzanspruch nach Ansicht Dietleins, wenn und soweit der Staat die Aufgabe des Grundrechtsschutzes übernimmt und damit das Vertrauen des Grundrechtsträgers begründet, er werde diese Aufgabe auch erfüllen.229 Dem ist zwar im Ergebnis, nicht aber in der grundrechtlichen Verankerung zuzustimmen. Aus der staatlichen Übernahme der Schutzaufgabe können sich tatsächlich Schutzansprüche ergeben, doch sind diese dann im Grundsatz des Vertrauensschutzes als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips oder einfachrechtlich in den die Übernahme der Schutzaufgabe regelnden Normen begründet und folgen nicht unmittelbar aus den Grundrechten. Ein Genehmigungsregime etwa vermittelt Schutzrechte, wenn und soweit es zumindest auch dem Schutz des von der zu genehmigenden Tätigkeit potentiell Gestörten dient. Aus der Lehrfreiheit kann mithin nicht unmittelbar ein Anspruch auf staatlichen Schutz vor Freiheitsbeeinträchtigungen durch nicht grundrechtsverpflichtete Dritte abgeleitet werden. Er ist weder dem Grundrecht selbst noch einer anderen Verfassungsnorm zu entnehmen.230 Damit ist freilich noch nichts über in der Freiheit wissenschaftlicher Lehre verankerte objektiv-rechtliche Schutzpflichten und die Möglichkeit ihrer Resubjektivierung ausgesagt, wie sie das Bundesverfassungsgericht im Hochschulurteil für die Wissenschaftsfreiheit anerkannt hat.231
III. Die objektiv-rechtlichen Gehalte der Lehrfreiheit Als objektiv-rechtliche Gehalte232 der Lehrfreiheit sind all jene ihrer funktionalen Dimensionen zu bezeichnen, die nicht unmittelbar ein subjektives Recht begründen, den Staat aber doch zu einer Handlung oder Unterlassung verpflichten und als zusätzliche Normgehalte neben das Abwehrrecht treten.233 Die obrechtsbelastungen freilich i. d. R. nicht aus einer einzelnen, sondern erst aus der Summe der genehmigten Handlungen, so dass der abwehrrechtliche Grundrechtsschutz leerläuft, siehe bspw. Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, § 1 Rn. 156 m. Fn. 319. 229 Dietlein, Schutzpflichten, S. 166 ff. 230 Vgl. zur Begründung eines subjektiven Rechts auf Schutz als vorstaatliches, „echtes“ Menschenrecht aber insbes. Robbers, Sicherheit, v. a. S. 1 ff., 27 ff.; Hermes, Schutz von Leben, S. 166 ff., und Bethge, Staatszwecke, S. 848; ablehnend mit überzeugenden Argumenten Dietlein, Schutzpflichten, S. 149 ff. 231 Siehe BVerfGE 35, 79, 114, 115; hierzu auch unten § 9 III. 5. a). 232 Zu den unterschiedlichen Bezeichnungen der nicht-subjektiven Grundrechtsgehalte in Rspr. und Lit. Stern, Staatsrecht III/1, § 69 II 4, S. 918 ff. 233 Siehe zum Verhältnis zwischen der abwehrrechtlichen Wirkung der Lehrfreiheit und ihren objektiven Gehalten unten § 9 III. 2. a). Allg. zum Verhältnis subjektiv-abwehrrechtlicher und objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalte, das überwiegend als hierarchisches verstanden wird, wobei die objektiven Gehalte der Unterstützung des Abwehrrechts dienen sollen, statt vieler Böckenförde, Grundsatznormen, S. 17 ff.; K. Hesse, Grundzüge, Rn. 290 ff., und jüngst Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte,
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jektiv-rechtliche Seite der Grundrechte vereint eine Vielzahl von Grundrechtsfunktionen, mittels derer vor allem gesellschaftlicher Wandel grundrechtsdogmatisch verarbeitet werden kann. Sie bringt also insbesondere nicht lediglich die als Geltungsbedeutung zu umschreibende Selbstverständlichkeit zum Ausdruck, dass Grundrechtsnormen objektives Recht sind.234 Die von Bundesverfassungsgericht und Literatur in der Vergangenheit erarbeiteten generellen Aussagen über die objektive Dimension235 werden wie auch schon die allgemeinen Überlegungen zu den subjektiven Grundrechtsgehalten und entsprechend der theoretischen Vorgabe nur als Auslegungshypothesen eingeführt, die offen sind für grundrechtsspezifische Korrekturen und Erweiterungen. Demgemäß sind hier der institutionelle Gewährleistungsgehalt der Lehrfreiheit, ihre Wirkung als Sachbereichsgarantie und die sich daraus ergebenden Leistungs- und Schutzpflichten zu untersuchen, wobei die Differenzierung zwischen Leistungspflichten zur Bereitstellung bzw. Vergabe staatlicher Mittel einerseits und Schutzpflichten andererseits mit der oben236 zur Systematisierung subjektiver Gehalte gewählten Unterscheidung zwischen (originären und derivativen) Leistungs- und Schutzansprüchen korrespondiert. Ebenso werden staatliche Pflichten zur Bereitstellung grundrechtsermöglichender oder -schützender Organisationen und Verfahren auch hier nicht als eigenständige Kategorie, sondern als spezifische Ausprägungen von Leistungs- und Schutzpflichten erörtert.237 Ob und inwieweit die objektiven Wirkungen der Lehrfreiheit resubjektiviert werden können, so dass ihnen einklagbare subjektive Rechte entsprechen, kann nicht pauschal, sondern nur mit Blick auf jede einzelne Dimension beantwortet werden.238 S. 264 ff, jeweils m. w. N. Das BVerfG geht im Grundsatz ebenfalls vom Vorrang subjektiv-rechtlicher Gehalte aus, BVerfGE 50, 291, 337; 57, 295, 320; anders aber etwa BVerfGE 74, 297, 323, und auch BVerfGE 35, 79, 114 ff., vgl. hierzu § 9 III. 2. c). – Der theoretischen Vorgabe dieser Arbeit entsprechend kann freilich auch die dienende Funktion der objektiven Dimension nur eine Hypothese sein, ebenso Gellermann, Grundrechte, S. 46 f. 234 Subjektive und objektive Gehalte bestehen selbstverständlich nur, wenn und weil die Grundrechte Teil der objektiven Ordnung des öffentlichen Rechts sind, hierzu eingehend Stern, Staatsrecht III/1, § 69 II 2, S. 908 ff. m. w. N. Ob und inwieweit die Grundrechte als Elemente der objektiven Rechtsordnung subjektive und/oder objektive Wirkungen entfalten, ist aber eine zusätzliche, diese Geltung voraussetzende Frage, vgl. Böckenförde, Grundsatznormen, S. 5 Fn. 12. 235 Vgl. hierzu die Überblicke von Stern, Staatsrecht III/1, § 69 I 3, S. 897 ff.; Böckenförde, Grundsatznormen, S. 3 ff., sowie ausführlich zuletzt Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, §§ 3–7. Zur Kritik an der Blüte objektiv-rechtlicher Gehalte statt vieler Schlink, Rekonstruktion, 457 ff.; Böckenförde, a. a. O., insbes. S. 21 ff. (hiergegen H. Dreier, Dimensionen, S. 50 ff.), und jüngst Hain, Ockham’s Razor, S. 1039 ff., sowie die grundsätzliche Ablehnung objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalte verbunden mit einer „Totalisierung des Abwehrrechts“ durch die oben in Fn. 188, S. 227 Genannten. 236 § 9 II. 2. 237 Vgl. § 9 II. 2.
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1. Keine Garantie der selbstverwalteten Universität Die Geschichte der Wissenschaftsfreiheit als Einrichtungsgarantie beginnt mit ihrer Kennzeichnung als „Grundrecht der Universität“ durch Smend im Jahre 1927, wenngleich dieser hiermit nicht die grundrechtliche Garantie der Universität, sondern lediglich die Geltung der Wissenschaftsfreiheit auch innerhalb der staatlichen Einrichtung zum Ausdruck zu bringen suchte.239 Bis heute wurde jedoch keine Einigkeit über den institutionellen Gewährleistungsgehalt von Art. 5 Abs. 3 GG erreicht.240 Dabei sind die Unterschiede zwischen den Stellungnahmen in Rechtsprechung und Literatur zum Teil auf divergierende Konzeptionen einer „institutionellen Garantie“ zurückzuführen; denn mit diesem Begriff wird nach wie vor eine breite Vielfalt objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalte gekennzeichnet, insbesondere die Abgrenzung zu staatlichen Gewährleistungspflichten und der Grundrechtsdimension von Organisation und Verfahren ist häufig nicht eindeutig.241 An dieser Stelle soll unter einer grundrechtlichen Einrichtungsgarantie die Auszeichnung bestimmter Normbereichselemente – Or238 So auch Stern, System der Grundrechte, Rn. 63, und ausführlich ders., Staatsrecht III/1, § 69 VI, S. 978 ff.; ferner H. Dreier, in: ders., GG, Vorb. Rn. 95. In Lit. und Rspr. besteht keine Einigkeit über Möglichkeit und Umfang der Subjektivierung objektiver Grundrechtsgehalte. Für ihre generell auch subjektiv-rechtliche Qualität etwa Robbers, Sicherheit, S. 150 f.; Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 213 ff.; eine dementsprechende Vermutung begründet Alexy, Subjektive Rechte, S. 60 ff.; a. A. z. B. H. H. Klein, Grundrechte, S. 65; zurückhaltender aber ders., Saubere Umwelt, S. 651 f.; Steinberg, Nachbarrecht, S. 461; R. Schmidt, Umweltrecht, S. 49 ff. Vgl. aus der Rspr. des BVerfG einerseits die Subjektivierungen objektiver Gehalte in BVerfGE 7, 198, 206 f.; 35, 79, 116; 84, 192, 195, und andererseits BVerfGE 39, 1, 41; 46, 160, 164. 239 S. o. § 3 III. 1. c) bb). 240 Vgl. einerseits etwa Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 131 ff.; ebenso Stern, Staatsrecht III/1, § 68 IV 4 f, S. 811 ff.; ferner Schulze-Fielitz, Freiheit der Wissenschaft, Rn. 8; Bleckmann, Staatsrecht, S. 861; Oppermann, Freiheit, Rn. 18, 52; Kempen, Grundfragen, Rn. 118 ff., und ausführlich Sterzel/Perels, Hochschulmodernisierung, S. 102 ff., die Art. 5 Abs. 3 GG mit Abweichungen in Einzelfragen eine institutionelle Garantie der universitären Grundstrukturen entnehmen. Demgegenüber gehen bspw. Dickert, Forschungsfreiheit, S. 149 f.; Losch, Wissenschaftsschranken, S. 161 ff.; Trute, Institutionalisierung, S. 265 ff., v. a. S. 275 f.; ders., Zielvereinbarungen, S. 139, 141 und passim; Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 26, 192 f., und wohl auch Schmidt-Aßmann, Organisationsgrundrecht, S. 710 f., von einem weitgehenden verfassungsrechtlichen Spielraum für die organisatorische Gestaltung von Hochschulen und Universitäten aus; vgl. ferner die ebenso frühe wie radikale Kritik an jeder institutionellen Deutung der Wissenschaftsfreiheit von Asche, Hochschulautonomie, S. 113 ff., und zur entsprechenden Debatte betreffend Art. 17 Abs. 1 österr. StGG Holoubek, Gewährleistungspflichten, S. 202 ff. Einigkeit besteht darüber, dass die einzelne Universität keinen Bestandsschutz genießt, vgl. hierzu eingehend Pitschas, Hochschulauflösung, S. 252 ff. Ausnahmsweise will Meusel, Außeruniversitäre Forschung, Rn. 157, diesen Schutz einzelnen Forschungseinrichtungen zuerkennen; ähnlich Friauf, Rechtsgutachten, S. 103 ff.; die ganz h. M. ist auch insoweit a. A., vgl. nur BVerfGE 85, 360, 384 f.; Fehling, a. a. O., Rn. 34; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 35.
§ 9 Die funktionalen Dimensionen der Lehrfreiheit
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ganisationen oder rechtlicher Grundfiguren – mit besonderen Garantiewirkungen verstanden werden.242 Nicht unter den Begriff der Einrichtungsgarantie als Oberbegriff für öffentlich-rechtliche institutionelle Garantien und privatrechtliche Institutsgarantien fällt damit vor allem die grundrechtliche Gewährleistung eines Lebenssachverhalts,243 eines gesamten Normbereichs, die den Bestand der ihn konstituierenden Einrichtungen als einzelne und im einzelnen nicht verbürgt. Im Gegensatz zu den übrigen objektiv-rechtlichen Grundrechtswirkungen, die in der Regel allein das Ziel staatlichen Handelns, nicht aber die Mittel vorgeben,244 hat eine Einrichtungsgarantie einen über die Zielvorgabe hinausgehenden Gehalt. Sie gewährleistet die Stabilität eines bestimmten Regelungskomplexes aufgrund seiner historischen Kontinuität und seiner Bedeutung für die Grundrechtsverwirklichung.245 Diesen Vorgaben entsprechend ist die Annahme einer Einrichtungsgarantie von zwei Voraussetzungen abhängig: Zum einen muss es sich bei der als Inhalt in Betracht kommenden Institution um eine vorgefundene, historisch kontinuierliche Einrichtung handeln. Zum anderen müssen der verfassungsrechtlichen Vorschrift, in diesem Fall dem Grundrecht der Lehrfreiheit, Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, dass diese Einrichtung in ihrer historischen Form garantiert werden soll. Dass sie einer Grundrechtsausübung zuträglich, also „freiheitsrechtlich bewährt“246 ist, reicht nicht aus. Auch „verfestigt“ sich eine 241 Vgl. insoweit mit Bsp. aus den Interpretationen von Art. 5 Abs. 3 GG Rupp, Stellung der Studenten, S. 115 ff., 120 f.; Stern, Staatsrecht III/1, § 68 IV 4 c b, S. 808 f.; Dickert, Forschungsfreiheit, S. 147 ff. Ossenbühl, Interpretation der Grundrechte, S. 2103, spricht mit Blick auf die institutionelle Dimension der Grundrechte von einer „babylonischen Sprachverwirrung“. 242 In Anlehnung an C. Schmitt, Freiheitsrechte und institutionelle Garantien, S. 155; ders., Verfassungslehre, S. 170 f. Ein dergestalt enges, klassisches Begriffsverständnis scheint am besten geeignet, die Untersuchung zu strukturieren, die erkenntnisleitenden Fragen zu präzisieren und damit dazu beizutragen, den schon (zu) oft beklagten „Nebel des Institutionellen“ (Bettermann, Rundfunkfreiheit, S. 42) zu lichten. 243 Hierzu sogleich § 9 III. 2. – Für eine Erweiterung des Begriffs der Einrichtungsgarantie um die Bedeutung der Garantie von gesellschaftlichen Sachverhalten, von „Einrichtungen im natürlichen Sinn“ oder von „Erscheinungsformen des gesellschaftlichen Lebens“ hat sich insbes. F. Klein, in: v. Mangoldt/Klein, GG, 1957, Vorb. A VI 3 b, S. 84 ff., eingesetzt. Demgegenüber wurde die Rückbesinnung auf Funktion und Gehalt nach klassischem Verständnis etwa von Abel, Einrichtungsgarantien, S. 46 ff.; Dürig, in: M/D, GG, 1976, Art. 1 Abs. 3 Rn. 97 f., 70 ff., und Schmidt-Jortzig, Einrichtungsgarantien, S. 28 f., forciert. 244 Vgl. § 9 III. 3. c), 5. c). 245 Vgl. Stern, Staatsrecht III/1, § 68 II 4 c a, S. 791; speziell für Art. 5 Abs. 3 GG Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 134; siehe zum Erfordernis historischer Kontinuität C. Schmitt, Staat als Begriff, S. 385: Die institutionelle Garantie soll „auf dem Weg in den Abgrund restloser Funktionalisierung [. . .] die Institutionen wahren, die noch Träger einer geschichtlichen Kontinuität und Substanz sein können“; vgl. ferner Abel, Einrichtungsgarantien, S. 48, 71, und zum Zusammenhang von Einrichtungsgarantie und Freiheitsverwirklichung Schmidt-Jortzig, Einrichtungsgarantien, S. 27.
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2. Teil: Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
der Freiheitsverwirklichung dienende Einrichtung nicht ohne weiteres zur institutionellen Garantie.247 Hierzu bedarf es vielmehr positiver Anhaltspunkte, die dem Grundrecht selbst zu entnehmen sind. Dass die „Lehre“ als solche keine Einrichtung im genannten Sinne sein kann, liegt auf der Hand, ist sie doch weder Organisation noch rechtliche Grundfigur, im Ausgangspunkt vielmehr von rechtlicher Umhegung gänzlich unabhängig. Als durch die Lehrfreiheit garantierte Einrichtungen kommen jedoch die wissenschaftliche Hochschule und die akademische Selbstverwaltung in Betracht, auf die sich die Auseinandersetzungen um den institutionellen Gehalt von Art. 5 Abs. 3 GG in der Vergangenheit denn auch konzentriert haben.248 An ihrer historischen Kontinuität besteht aller vergangenen und aktuellen Wandlungen zum Trotz im Grundsatz kein Zweifel. Doch schon bei traditioneller Interpretation des Art. 5 Abs. 3 GG als einheitliches Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit sind Anhaltspunkte für eine Garantie dieser konkreten Einrichtungen kaum ersichtlich. So ist insbesondere dem Wortlaut kein Hinweis auf eine verfassungsrechtliche Gewährleistung der Universität oder der akademischen Selbstverwaltung zu entnehmen. Insoweit kontrastiert das Grundgesetz insbesondere mit zahlreichen Landesverfassungen, die überwiegend ausdrückliche Gewährleistungen an die Seite der Wissenschaftsfreiheit stellen.249 Mag die Zurückhaltung der Verfassung in dieser Hinsicht auch allein auf bundesstaatliche Erwägungen zurückzuführen sein, so ist sie doch als solche zu berücksichtigen und kann nicht mit einem Verweis auf die historische Bedeutung der wissenschaftlichen Hochschule und ihren Beitrag zur Grundrechtsverwirklichung überspielt werden. Dies umso mehr, als sich weder der Geschichte noch der Genese der Wissenschaftsfreiheit entnehmen lässt, dass dem Grundrecht eine bestimmte Organisationsstruktur zugeordnet werden soll.250 Das Bundesverfassungsgericht sieht 246 Nach Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 134, gehören die „typus- und kernbereichsbestimmenden“, „freiheitsrechtlich bewährten Strukturelemente“ zum Inhalt der in Art. 5 Abs. 3 GG verbürgten institutionellen Garantie. 247 In diese Richtung aber Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 134: „Der gestaltungspolitische Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers bemißt sich [. . .] umso enger, desto mehr sich traditionelle Institutionselemente grundrechtlich bewährt haben.“ 248 Vgl. die Nw. oben in Fn. 166, S. 222, und Fn. 167, S. 222. 249 Siehe Art. 20 Abs. 2 BW Verf.; Art. 138 Abs. 2 Bay. Verf.; Art. 32 Abs. 1 Bbg. Verf.; Art. 60 Abs. 1 Hess. Verf.; Art. 7 Abs. 3 Verf. M-V; Art. 5 Abs. 2, 3 Nds. Verf.; Art. 16 Abs. 1 Verf. NW; Art. 39 Abs. 1 S. 1 Rh.-Pf. Verf., Art. 33 Abs. 2 S. 1 Saarl. Verf.; Art. 31 Verf. S.-A., und hierzu Tettinger, Universitäre Selbstverwaltung, S. 547 ff., mit einem Überblick über die einschlägige Judikatur der Landesverfassungsgerichte. Vgl. auch BVerfGE 35, 79, 119 f., wonach die insoweit bestehende Divergenz zwischen den Landesverfassungen und dem Grundgesetz als Indiz gegen eine Garantie bestimmter Strukturelemente durch Art. 5 Abs. 3 GG zu bewerten ist. 250 Ausführlich hierzu BVerfGE 35, 79, 117 ff., sowie Dickert, Forschungsfreiheit, S. 149 f., der mit Recht die Unterschiede zwischen dem vielfach als Einrichtungsgarantie verstandenen Art. 142 WRV und Art. 5 Abs. 3 GG betont: Zum einen wies
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in Art. 5 Abs. 3 GG denn auch weder eine Garantie des überlieferten Strukturmodells der Universität noch „überhaupt einer bestimmten Organisationsform des Wissenschaftsbetriebs an den Hochschulen“ verankert.251 Angesichts der Verselbständigung des Grundrechts der Lehrfreiheit, seines Bedeutungswandels, vor allem aber der (funktionalen) Lösung der Lehre bzw. Lehrfreiheit von Forschung und Forschungsfreiheit kann ihm heute weniger denn je die Garantie einer Institution entnommen werden, deren prägendes Kennzeichen die Pflege von Forschung und Lehre in personaler und institutioneller Verknüpfung ist. Hinsichtlich der Selbstverwaltung als Organisationsstrukturvorgabe gilt im Ergebnis Gleiches. Zwar bleibt die Entkoppelung von Forschung und Lehre insoweit unmittelbar ohne Auswirkungen, da das Recht zur selbständigen Regelung der eigenen Angelegenheiten als Kennzeichen einer Selbstverwaltungsgarantie im Prinzip von den Aufgaben der Einrichtung unabhängig ist. Die für eine Qualifikation als institutionelle Garantie erforderliche materielle normative Substanz erhält es jedoch erst mit seinem Bezug auf ein konkretes Phänomen,252 wenn es den Kreis der eigenen Angelegenheiten bestimmt und die Grenzen der staatlichen Interventionsmöglichkeiten zieht. Losgelöst von der wissenschaftlichen Hochschule entbehrt die Selbstverwaltung des konkretisierten rechtlichen Gehalts, dessen sie als Gegenstand einer Einrichtungsgarantie bedarf. Die Verselbständigung der Lehrfreiheit führt also mittelbar dazu, dass in Art. 5 Abs. 3 GG jedenfalls heute auch keine institutionelle Garantie der Selbstverwaltung mehr verankert ist.
Art. 142 WRV schon aufgrund seiner Stellung im Abschnitt „Bildung und Schule“ einen weitergehenden institutionellen Bezug auf als Art. 5 Abs. 3 GG; zum anderen wurde seine Deutung als Einrichtungsgarantie wesentlich durch das positivistische Grundrechtsverständnis motiviert. Unzutreffend daher Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 131, insoweit er zur Begründung institutioneller Gehalte auf die historische Tradition der Wissenschaftsfreiheit verweist. 251 BVerfGE 35, 79, 116; bestätigt zuletzt durch BVerfG, DVBl. 2005, S. 109, 110 f. Das Hochschulurteil hatte noch ausdrücklich offen gelassen, „ob in der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit ein (oder: das) ,Grundrecht der deutschen Universität‘ zu erblicken sei“, das die akademische Selbstverwaltung zum wesentlichen Inhalt habe (BVerfGE, 79, 116, Herv. i. Orig.), wurde aber dennoch sowohl als eine generelle Absage an institutionelle Gehalte (vgl. etwa Schlink, Wissenschaftsfreiheit, S. 541, und krit. R. Schmidt, Institutionelle Garantie, S. 99 ff.) als auch als Bestätigung der institutionellen Interpretation in der Sache verstanden (so etwa von Oppermann, Praktische Konsequenzen, S. 435). In seiner Entscheidung zum Brandenburgischen Hochschulgesetz befindet das Gericht jetzt deutlicher: „Die zur Sicherung von hochschulorganisatorischen Entscheidungen gebotene Teilhabe der wissenschaftlich Tätigen muss nicht in jedem Fall i. S. der herkömmlichen Selbstverwaltung erfolgen.“, BVerfG, DVBl. 2005, S. 109, 111. 252 Ebenso Häberle, Diskussionsbeitrag, S. 260, und Bethge, Selbstverwaltungsrecht im Spannungsfeld, S. 152 f.; ders., Wissenschaftsrecht, Rn. 82; beobachtend Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 101, und für die Selbstverwaltung von Wissenschaftsorganisationen Losch, Wissenschaftsschranken, S. 161.
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2. Die Wirkung der Lehrfreiheit als Sachbereichsgarantie Das Bundesverfassungsgericht hat dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit eine Sachbereichsgarantie entnommen und hieraus staatliche Leistungs- und Schutzpflichten abgeleitet: Die in Art. 5 Abs. 3 GG enthaltene Wertentscheidung „schließt das Einstehen des Staates, der sich als Kulturstaat versteht, für die Idee einer freien Wissenschaft und seine Mitwirkung an ihrer Verwirklichung ein und verpflichtet ihn, sein Handeln positiv danach einzurichten, d.h. schützend und fördernd einer Aushöhlung dieser Freiheitsgarantie vorzubeugen.“253 In der Literatur ist diese Auslegung im Grundsatz auf breite Zustimmung gestoßen.254 Auch das eigenständige Grundrecht der Lehrfreiheit enthält eine Sachbereichsgarantie, die Leistungs- und Schutzpflichten des Staates begründet, wenn und soweit freie Lehre in einer konkreten gesellschaftlichen Situation von staatlicher Unterstützung strukturell abhängig ist.255 Sie folgt aus dem fremdnützigen Charakter der primären telæ der Lehrfreiheit und wird in ihrer Ausgestaltung durch diese grundrechtliche Verankerung determiniert. a) Die Sachbereichsgarantie als Konsequenz der fremdnützigen telæ der Lehrfreiheit Dass die Entscheidung der Verfassung für freie Lehre heute nicht lediglich als Entscheidung für ein persönliches Freiheitsrecht der Lehrenden, sondern zugleich und in gleicher Weise als Garantie eines Lebenssachverhalts verstanden werden muss, ist Konsequenz ihrer drittnützigen telæ – vor allem ihrer Funk253 BVerfGE 35, 79, 114; ebenso BVerfGE 81, 108, 116; 88, 129, 136 f. Ausdrücklich normiert sind Leistungs- und Schutzpflichten zugunsten der Wissenschaft heute noch in einigen Landesverfassungen, vgl. Art. 140 Abs. 2 Bay.Verf., Art. 5 Abs. 2 Nds.Verf., Art. 18 Abs. 1 NWVerf., Art. 11 Abs. 1 Sächs.Verf., Art. 31 Abs. 1 Verf. S.-A., und Art. 9 Abs. 1 Verf. S.-H. 254 Vgl. nur Oppermann, Praktische Konsequenzen, S. 434 f., dessen Interpretation der Entscheidung i. Ü. freilich einigen Zweifeln begegnet; Schmitt Glaeser, Forschungsfreiheit, S. 128 ff.; Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 5 f., 116; SchulzPrießnitz, Einheit, S. 118 ff., 125; Lüthje, in: Denninger, HRG, Vor § 3 Rn. 44; Losch, Wissenschaftsschranken, S. 153; Trute, Institutionalisierung, S. 258 ff.; Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 128 ff.; Schulze-Fielitz, Freiheit der Wissenschaft, Rn. 7; Starck, in: v. M/K/S, Art. 5 Abs. 3 Rn. 269, und zuletzt Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 38. Die Kritik richtete sich vornehmlich gegen die aus dieser Wertentscheidung gezogenen individualrechtlichen Konsequenzen, insbes. gegen die Annahme originärer Leistungsrechte, und gegen die ihr entnommenen detaillierten Vorgaben für die Ausgestaltung der Gruppenuniversität, vgl. etwa Simon/ Rupp-v. Brünneck, BVerfGE 35, 79, 155 ff.; Schlink, Wissenschaftsfreiheit, S. 542 ff.; Scholz, a. a. O., Rn. 116, sowie die Nw. unten in Fn. 370, S. 276. 255 Zu Unterschieden und Gemeinsamkeiten der Wirkung von Wissenschafts- und Lehrfreiheit als Sachbereichsgarantie sogleich § 9 III. 2. c).
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tion, ein freiheitliches Bildungs- und Ausbildungswesen zu gewährleisten –, aber auch ihres kritischen und kulturstaatlichen telos. Diese Funktionen verleihen der Lehrfreiheit den Charakter eines (auch) dienenden Grundrechts:256 In der Entscheidung der Verfassung für die Lehrfreiheit kommt die Überzeugung zum Ausdruck, dass mit der Anerkennung einer grundsätzlich umfassenden Gestaltungskompetenz der Lehrenden ein Bildungs- und Ausbildungssystem zu erreichen ist, welches den Interessen und Bedürfnissen der Lernenden und der auf die wissenschaftliche Ausbildung der nachfolgenden Generationen sowie auf die kulturstaatlichen Leistungen der Lehre angewiesenen Gesellschaft am besten gerecht wird.257 Die Lehrfreiheit wird mithin vor allem zugunsten Dritter gewährleistet. Hiermit korrespondiert die Sachbereichsgarantie als Grundrechtsdimension, mit der wiederum eine Gewährleistungspflicht des Staates einhergeht. Sie verpflichtet ihn, den grundrechtlich geschützten Lebenssachverhalt, also die Ausübung freier wissenschaftlicher Lehre, dergestalt zu ermöglichen, dass die fremdnützigen telæ der Lehrfreiheit ihrer relativen Bedeutung entsprechend realisiert werden können. Folge der staatlichen Einstandspflicht können Leistungsund Schutzgebote, grundsätzlich auch Leistungs- und Schutzansprüche der Grundrechtsbegünstigten sein.258 Als Sachbereichsgarantie gewährleistet die Lehrfreiheit das mit Blick auf die drittnützigen Normziele des Art. 5 Abs. 3 GG erforderliche Minimum259 freier Lehre. Denn allein mit Hilfe dieser objek256 Die Anerkennung eines eigenständigen Typus „dienendes Grundrecht“ fordert Burmeister, „Dienende“ Freiheitsgewährleistungen, S. 857 ff., der die Wissenschaftsfreiheit – in Anlehnung an die Interpretation Hailbronners, s. o. § 4 I. – als dienendes Freiheitsrecht qualifiziert, soweit sie eine Person schützt, der wissenschaftliche Tätigkeiten als öffentliche Aufgaben übertragen sind; weitergehend bzgl. Art. 5 Abs. 3 GG Schiedermair, Selbstverwaltungskörperschaft, S. 12 f.; Fink, Hochschulverfassungsstreit, S. 134; ders., Wissenschaftlichen Hochschulen, S. 197; Niepalla, Grundversorgung, S. 27; Dörr, Verfassungsrechtliche Stellung, S. 31 Fn. 60; Stock, Folgenreflexion, S. 330, und Kempen, Grundfragen, Rn. 14, die die Wissenschaftsfreiheit generell als dienendes, drittnütziges Grundrecht qualifizieren, das nicht als „Rechtswohltat“ (Schiedermair, a. a. O., S. 12) zugunsten der Lehrenden, sondern im Interesse der Allgemeinheit gewährleistet werde; vgl. auch BVerfGE 47, 327, 370: „Dieser Freiraum ist nach der Wertung des Grundgesetzes nicht für eine von Staat und Gesellschaft isolierte, sondern für eine letztlich dem Wohle des Einzelnen und der Gemeinschaft dienende Wissenschaft verfassungsrechtlich garantiert.“; a. A. die wohl h. M., ausdrücklich zuletzt O. Klein, Fremdnützige Freiheitsgrundrechte, S. 130 ff., dessen Begründung mittels des wiederholten Verweises auf „die klassische Funktion“ als individuelles Abwehrrecht dabei jedoch dem Zirkel bedenklich nahe kommt, und Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 150 m. w. N. Ein Grundrecht mit (auch) dienendem Charakter ist nicht identisch mit einem fremdnützigen Grundrecht nach Art des Elternrechts gem. Art. 6 Abs. 2 GG, zu seiner Struktur ausführlich zuletzt O. Klein, a. a. O., S. 86 ff. Denn ihm sind insbes. keine Pflichten des Grundrechtsträgers immanent, seine Besonderheit besteht in einem teleologischen Drittbezug, der v. a. die funktionalen Dimensionen des Grundrechts prägt. 257 Vgl. oben § 3 IV. 2. 258 Hierzu ausführlich § 9 III. 3.–5.
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tiven Wirkung kann dem auch dienenden Charakter der Lehrfreiheit angemessen Rechnung getragen und zur Verwirklichung verholfen werden: Sind die Lehrenden nicht die alleinigen und zudem nicht die primär Begünstigten der Lehrfreiheit, so kann das Grundrecht seine Wirkung nicht allein mittels eines subjektiven Abwehrrechts entfalten. Entscheidend können nicht die dem einzelnen Lehrenden verbleibenden Freiheitsräume sein. Vielmehr muss der teleologische Drittbezug in einer Sachbereichsgarantie zum Ausdruck kommen. Sie gewährleistet den Freiraum der Lehrenden nicht, damit diese sich in der Lehre individuell entfalten können, sondern um des von freier Lehre erwarteten Nutzens für die Gesellschaft und speziell für die Lernenden willen. Insofern unterscheidet sie sich von der abwehrrechtlichen Wirkung, die die Lehrfreiheit jedenfalls auch im Interesse der Lehrenden entfaltet. Die Sachbereichsgarantie ist dem Abwehrrecht nicht zu- oder untergeordnet. Ihre Gestalt wird vielmehr, wie die des Abwehrrechts auch, durch das Normziel der Lehrfreiheit bestimmt.260 Die Grundrechtsdimensionen stehen also insgesamt im Dienste der mit den Mitteln der Grundrechtsinterpretation erschlossenen Ordnungsvorgaben und -zwecke der Lehrfreiheit, denen sie zur Verwirklichung verhelfen. Ihre Entfaltung wird durch diese Vorgaben dirigiert und diszipliniert. Umgekehrt prägen die funktionalen Dimensionen des Grundrechts das Normziel nicht. Daraus folgt, dass die einzelnen Bedeutungsschichten relative Selbständigkeit erlangen können, wenn sie, wie im Fall der Lehrfreiheit, unterschiedliche Elemente des Normziels aufgreifen. Nur scheinbar steht die Wirkung der Lehrfreiheit als Gewährleistung eines Lebensbereichs zugunsten Dritter also im Widerspruch zur allgemeinen Begründung der objektiven Gehalte mit der „Verstärkung der Geltungskraft der Grundrechte“261. Sie ist zwar den subjektiven Gehalten nicht untergeordnet, hat aber doch die Realisierung des thematischen, inhaltlichen und methodischen Freiraums der Lehrenden zum Ziel. Die ,verstärkte Geltungskraft‘ gilt hier nur nicht dem Abwehrrecht und den individuellen Entfaltungsmöglichkeiten der Grundrechtsträger.262 259
Hintergrund der Minimalgewährleistungspflicht ist die mit der Entfaltung objektiver Grundrechtsgehalte verbundene Verschiebung der grundgesetzlichen Funktionenordnung, hierzu näher sogleich § 9 III. 2. g). Die begründete Zurückhaltung gegenüber der interpretatorischen Gewinnung von „Realisierungspflichten“ (Bumke, Grundrechtsvorbehalt, S. 70) findet ihren Niederschlag im Falle der Lehrfreiheit zudem in einer weitgehenden Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers bei der Bestimmung des zu gewährleistenden Mindeststandards, vgl. § 9 III. 3. c). 260 In diese Richtung mit Blick auf die Wissenschaftsfreiheit auch Hauck/Lüthje, Mitbestimmung, S. 13 f.; Kleindiek, Risikogesellschaft, S. 232 f. 261 St. Rspr., siehe insbes. BVerfGE 7, 198, 205, in Anlehnung an Thoma (Es ist diejenige Auslegung zu wählen, „die die juristische Wirkungskraft der betreffenden Norm am stärksten entfaltet“); vgl. ferner nur BVerfGE 6, 55, 72; 32, 54, 71; 51, 97, 110.
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Ihren unterschiedlichen Schutzzielen zum Trotz stehen die abwehrrechtliche Dimension der Lehrfreiheit und ihre Wirkung als Sachbereichsgarantie nicht unbeeinflusst nebeneinander. Sie ergänzen und stärken sich wechselseitig.263 Diese gegenseitige Stützung ist jedoch nicht Ziel, sondern bloße Konsequenz. Sowohl das subjektive Abwehrrecht als auch die objektive Sachbereichsgarantie wirken im Sinne des thematischen, inhaltlichen und methodischen Gestaltungsfreiraums der Lehrenden. Die Sachbereichsgarantie tritt dem Recht auf Eingriffsabwehr insoweit zur Seite, wie umgekehrt dieses zur Verwirklichung der Freiheitsidee im grundrechtlichen Normbereich beiträgt.
b) Das institutionelle Grundrechtsverständnis als grundrechtstheoretischer Vergleichs- und Kontrastpunkt Wenngleich die dergestalt in ihren Grundzügen beschriebene Wirkung der Lehrfreiheit als Sachbereichsgarantie in manchem an ein institutionelles Grundrechtsverständnis erinnern mag, wie es in jüngerer Zeit insbesondere Peter Häberle entwickelt hat,264 so entspricht sie diesem doch nicht. Denn anders als nach institutionellem Verständnis bleibt die individuelle Freiheit – die freilich nicht zu verwechseln ist mit der Freiheit des Einzelnen oder der individuellen Entfaltung als Ziel einer Freiheitsgewährleistung – hier doch stets Maßstab bei der Bestimmung von Inhalt und Umfang der objektiven Dimension. Die Sachbereichsgarantie dient zwar nicht den Interessen der Grundrechtsträger und beabsichtigt nicht die Gewährleistung der Freiheit jedes Einzelnen, gleichwohl ist ihr Ziel die Eröffnung oder Erhaltung individueller Freiräume. Die Eigengesetzlichkeiten des Lebensbereichs mögen der individuellen Freiheit Grenzen ziehen,
262 Ähnlich verhält es sich mit den objektiven Gehalten der Presse- und der Rundfunkfreiheit. Sie verstärken ebenfalls die Geltungskraft der Grundrechte, ohne jedoch im Dienste der subjektiv-abwehrrechtlichen Dimension und der Selbstverwirklichungsoptionen der Grundrechtsträger zu stehen, vgl. für die Pressefreiheit etwa BVerfGE 50, 290, 337; Bullinger, Rundfunk, Rn. 37, und krit. Ossenbühl, Interpretation der Grundrechte, S. 2103 f.; allgemeiner für die Kommunikationsfreiheiten HoffmannRiem, Kommunikations- und Medienfreiheit, Rn. 4. Siehe zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der funktionalen Dimensionen von Lehr- und Rundfunkfreiheit ferner § 9 III. 2. c). 263 Ähnlich für die Dimensionen der Wissenschaftsfreiheit Hauck/Lüthje, Mitbestimmung, S. 13 f. 264 Häberle, Wesensgehaltgarantie, 1983, S. 70 ff., 96 ff.; ähnlich zuvor schon Lerche, Übermaß, S. 239 ff. Das Grundrechtsverständnis Häberles hat in der Lit. zahlreiche Anhänger (vgl. die umfangreichen Nw. bei Stern, Staatsrecht III/1, § 68 I 6 b, S. 773 Fn. 113) und auch in der Rspr. des BVerfG Anklang gefunden, vgl. etwa BVerfGE 20, 162, 175; 35, 79, 112, 114; 57, 295, 319 ff.; 62, 230, 243. Vgl. aus der ebenfalls umfangreichen Kritik etwa Abel, Einrichtungsgarantien, S. 50 ff.; Steiger, Institutionalisierung, S. 110 ff.; Böckenförde, Grundrechtstheorie, S. 1532 f.; Stern, Staatsrecht II/1, § 68 I 6, S. 774.
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2. Teil: Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
nicht aber die Sachbereichsgarantie.265 Diese sucht den Lebensbereich vielmehr im Sinne der individuellen Freiheit auszubilden. Das Verständnis der Lehrfreiheit als umfassende Gestaltungskompetenz der Lehrenden liegt den sich wechselseitig beeinflussenden Grundrechtsdimensionen als Maßstab voraus. Die Sachbereichsgarantie knüpft überdies nicht an etwas Vorhandenes an und tritt der individuellen Freiheit nicht als etwas Gegebenes und Ausgestaltetes gegenüber. Der garantierte Sachbereich ist kein in der Ordnung des Gemeinlebens „bereits gezeichnete[r] Kreis“266, sondern Umsetzung einer dem Grundrecht – freilich unter Berücksichtigung der Eigengesetzlichkeit des Normbereichs – zu entnehmenden Strukturvorgabe, die ihren Kreis erst in die Ordnung des Gemeinlebens zu ziehen sucht. Insoweit unterscheidet sich die Sachbereichs- auch von einer Einrichtungsgarantie, denn im Ausgangspunkt gewährleistet sie nicht den (Fort-)Bestand bestimmter, real existierender Normenkomplexe. Die verfassungskräftige Verbürgung einer bestimmten Organisation oder Organisationsform kann sich allenfalls als ihre Konsequenz ergeben, so sich eine spezielle Einrichtung als die zur Verwirklichung des Schutzzweckes einzig geeignete erweist.267 Zudem liegt der Entfaltung der Dimensionen der Lehrfreiheitsgarantie anders als einem institutionellen Grundrechtsverständnis268 die Annahme zugrunde, dass die individuelle Freiheit der Lehre prinzipiell auch ohne staatliche Institutionalisierung denk- und ausübbar ist, wenngleich sie heute häufig und bisweilen existentiell auf staatliche Unterstützung angewiesen sein mag. Die Divergenz der Schutzzwecke des in der Lehrfreiheit verankerten subjektiven Rechts und ihrer objektiven Dimension schließlich führt zu einer Entkoppelung von subjektiver und objektiver Wirkung, die im institutionellen Grundrechtsverständnis keine Entsprechung findet269.
265 So aber für die Grundrechte als Institute Häberle, Wesensgehaltgarantie, 1983, S. 100 f. 266 Nach Häberle, Wesensgehaltgarantie, 1983, S. 99, und in den Worten Stahls, Philosophie des Rechts, S. 323, sind Grundrechte als Institute „in der Ordnung des Gemeinwesens bereits gezeichnete Kreise“, in die der Grundrechtsberechtigte durch die Ausübung seines Grundrechts eintritt. 267 Ebenso für die Garantiewirkung der Wissenschaftsfreiheit BVerfGE 15, 256, 264: Geschützt wird lediglich, „was sich im Laufe der geschichtlichen Entwicklung [. . .] als unerlässlich für eine freie Betätigung der Universitäten in Wissenschaft, Forschung und Lehre herausgebildet hat“ (Herv. AK). 268 Vgl. Häberle, Wesensgehaltgarantie, 1983, S. 98. 269 Vgl. Häberle, Wesensgehaltgarantie, 1983, S. 71 f.
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c) Rundfunk- und Wissenschaftsfreiheit als dogmatische Vergleichs- und Kontrastordnungen Wie die Wirkung der Lehrfreiheit als Sachbereichsgarantie aus grundrechtstheoretischer Perspektive an das institutionelle Grundrechtsverständnis Häberles erinnert, so drängt sich aus grundrechtsdogmatischer Sicht zunächst der Vergleich mit der (viel diskutierten und kritisierten) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rundfunkfreiheit270 auf, wurde die Rundfunkfreiheit doch ebenfalls als „dienendes Grundrecht“ qualifiziert271 und als objektive Gewährleistung eines bestimmten Normziels verstanden.272 Tatsächlich ist die bundesverfassungsgerichtliche Konzeption der Rundfunkfreiheit strukturell in einigen wesentlichen Punkten mit der Lehrfreiheit und speziell ihrer Wirkung als Sachbereichsgarantie vergleichbar. Beide Grundrechte verfolgen primär objektive, fremdnützige Normziele, die den individuellen Bedürfnissen der Grundrechtsträger vorrangig sind, für deren Verwirklichung der Staat verantwortlich zeichnet und woraus sich daher für ihn Leistungs- und Schutzpflichten ergeben können. Persönliche Freiheit wird hier wie dort nicht in erster Linie als Selbstverwirklichungsoption eingeräumt, sondern vor allem zum Zwecke der selbstverantwortlichen Wahrnehmung einer Aufgabe, bei deren Erfüllung der Grundrechtsträger im Interesse der Grundrechtsbegünstigten sowohl von staatlicher als auch von einseitiger gesellschaftlicher Einflussnahme frei bleiben soll. Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch insofern, als die Rundfunkfreiheit (in der Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht) im Gegensatz zur Lehrfreiheit auch das materielle Ergebnis freiheitlicher Aufgabenwahrnehmung 270 Siehe insbes. BVerfGE 12, 205, 260 ff.; 35, 202, 222 ff.; 57, 295, 319 ff.; 74, 297, 323 ff.; 83, 238, 295 ff.; 87, 181, 197 ff.; 97, 228, 266 f., und BVerfG, NVwZ 1999, S. 376 ff. Degenhart, Rundfunkfinanzierung, S. 611, sieht die Auseinandersetzungen um die Natur der Rundfunkfreiheit in der Nähe eines „Glaubenskrieges“. Vgl. aus der Fülle der Publikationen etwa die im Grundsatz zustimmenden Stellungnahmen von P. Badura, Rundfunkgesetzgebung, S. 22 ff.; Böckenförde/Wieland, „Rundfunkfreiheit“, S. 78 ff.; Kübler, Massenkommunikation, S. 649 f., 658 ff.; Hoffmann-Riem, Kommunikations- und Medienfreiheit, v. a. Rn. 28 ff., 34 f. 39 ff.; ders., Rundfunkfreiheit, S. 15 ff.; Burmeister, „Dienende“ Freiheitsgewährleistungen, S. 860 ff.; Bethge, Rundfunkveranstalter, S. 1 ff.; ders., in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 93 f. Zum Teil scharfe Kritik hingegen üben bspw. Degenhart, Anmerkung, S. 961 ff.; Kull, Rundfunkgleichheit, S. 378 ff.; Scheuner, Rundfunkfreiheit, S. 22 ff.; Hain, Rundfunkfreiheit, S. 30 ff., 82 ff.; Engel, Rundfunk, S. 186 ff., und H. H. Klein, Schutzpflichten, S. 494; ders., Rundfunkrecht, S. 189 ff. Siehe ferner die Überblicke über die in Rspr. und Lit. vertretenen Positionen von Wieland, Freiheit des Rundfunks, S. 18 ff., 56 ff.; Brugger, Rundfunkfreiheit, und Gellermann, Grundrechte, S. 184 ff. 271 BVerfGE 57, 295, 320; 74, 297, 323; 83, 238, 295; 87, 181, 197. 272 Vgl. etwa BVerfGE 57, 295, 320; 83, 238, 296; 87, 181, 197. – Mit dem Vergleich der Lehrfreiheit und der Rundfunkfreiheit in der Auslegung durch das BVerfG ist keine Stellungnahme zur verfassungsgerichtlichen Interpretation von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verbunden. Sie wird hier lediglich als Vergleichs- und Kontrastpunkt zur Verdeutlichung der Funktionen der Lehrfreiheit herangezogen.
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garantiert – die Repräsentation der „Vielfalt der bestehenden Meinungen in möglichster Breite und Vollständigkeit“, die „Sicherung gleichgewichtiger Meinungsvielfalt“ –273 und den Staat auch insoweit zur Gewährleistung verpflichtet.274 Demgegenüber beschränkt sich die Lehrfreiheit auf eine „prozedurale“ Gewährleistung des Normziels, wenn sie garantiert, dass die Freiheit der Entscheidung über Thema, Inhalt und Lehrmethode bei den Lehrenden verbleibt. Sie gewährleistet freie bildende und ausbildende Lehre und damit die unbeeinflusste Auswahl der zu vermittelnden Inhalte durch die Lehrenden, nicht aber die gleichgewichtige Lehre allen wissenschaftlichen Wissens. Ergibt sich auf dieser Grundlage ein Bildungs- und Ausbildungssystem, das den gesellschaftlichen Bedürfnissen nicht entspricht, so mag der Gesetzgeber durch die Grundrechte Dritter zur Korrektur aufgerufen werden oder sich aus politischen Gründen hierzu entschließen. Seine Steuerungen sind als Freiheitsbeschränkungen jedoch rechtfertigungsbedürftig. Angesichts des Normziels der Lehrfreiheit und mit Blick auf die betroffenen Grundrechte Dritter, insbesondere der Lernenden, werden sie freilich auch häufig der Rechtfertigung zugänglich sein.275 Die Wissenschaftsfreiheitsgarantie ist an dieser Stelle nicht nur als ,Vorgänger‘ von Forschungs- und Lehrfreiheit interessant. Ihre vom Bundesverfassungsgericht und der herrschenden Literatur in der Vergangenheit entfaltete objektive Dimension,276 die „das Einstehen des Staates für die Idee freier Wissenschaft und seine Mitwirkung an ihrer Verwirklichung“277 garantiert, kennt ebenfalls strukturelle Ähnlichkeiten mit der Sachbereichsgarantie des eigenständigen Grundrechts der Lehrfreiheit.278 Das zu verwirklichende Normziel weist hier 273 St. Rspr., vgl. etwa BVerfGE 57, 295, 320; 73, 118, 152 f.; 74, 297, 324; 83, 238, 296; 87, 181, 199; 97, 228, 267; der Sache nach auch schon BVerfGE 12, 205, 262 f. 274 BVerfGE 57, 295, 320; 74, 297, 324; 83, 238, 296; 95, 163, 172. Vgl. hierzu z. B. Burmeister, „Dienende“ Freiheitsgewährleistungen, S. 860 ff., der sich für eine Ergänzung der bestehenden Sicherungen von Pluralität und Vollständigkeit in Presse und Rundfunk ausspricht. 275 Siehe zu den (weitergehenden) staatlichen Ausgestaltungsaufgaben und -befugnissen des Gesetzgebers im Bereich der Rundfunkfreiheit, so wie sie die Rspr. des BVerfG vorsieht, etwa Hoffmann-Riem, Kommunikations- und Medienfreiheit, Rn. 34 f.; ausführlich Gellermann, Grundrechte, S. 186 ff., 194 ff., und speziell mit Blick auf die Entwicklungen in der „Medienwelt“ jüngst Ladeur, Bedingungen von Multimedia. 276 Die für die Wissenschaftsfreiheit entwickelte Dogmatik der objektiven Grundrechtsgehalte kann heute für die Forschungsfreiheit Geltung beanspruchen. Vgl. zum Verhältnis von Wissenschafts- und Forschungsfreiheit oben § 5 II. 277 BVerfGE 35, 79, 114, st. Rspr., vgl. ferner z. B. BVerfGE 81, 108, 116; 85, 360, 384, und zuletzt BVerfG, DVBl. 2005, S. 109, 110. 278 Siehe zu Parallelen und Unterschieden der objektiven Gehalte von Wissenschafts- und Rundfunkfreiheit etwa Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 245 f.; Kleindiek, Risikogesellschaft, S. 236 ff., und mit Blick speziell auf den „Grundrechtsschutz durch und in Organisationen“ Trute, Institutionalisierung, S. 280 ff.; Gemeinsamkeiten
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wie dort einen (zumindest auch) fremdnützigen Charakter auf. Auch die Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit ist Ausdruck der Überzeugung, dass Wissenschaft ihre gesellschaftlichen Aufgaben nur in Freiheit erfüllen kann. Wie die Lehrfreiheit und anders als die Rundfunkfreiheit garantiert auch sie nur Mittel und Wege zur Erfüllung des Normziels, nicht aber ein materielles Ergebnis.279 Von der Sachbereichsgarantie der Lehrfreiheit unterscheidet sich der objektive Gewährleistungsgehalt der Wissenschaftsfreiheit nach traditionellem Verständnis jedoch insofern strukturell, als er auch zugunsten individueller Entfaltungsmöglichkeiten besteht. Auch als Garantie eines Lebensbereichs eröffnet die Wissenschaftsfreiheit individuelle Freiräume nicht allein im Dienste eines fremdnützigen Normziels, sondern in gleicher Weise zugunsten der Grundrechtsträger, im Interesse des einzelnen Forschers.280 Die Wertentscheidung für die „Idee freier Wissenschaft“ beruht auf „der Schlüsselfunktion, die einer freien Wissenschaft sowohl für die Selbstverwirklichung des Einzelnen als auch für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung zukommt“.281 Es divergieren mithin die Schutzzwecke der Sachbereichsgarantien von Lehr- und Wissenschaftsfreiheit, die Inhalt und Umfang von Gewährleistungspflichten und -ansprüchen maßgeblich beeinflussen282. d) Die relative Bedeutung der Garantieund Gewährleistungsdimension Die objektive Garantie eines grundrechtlichen Normbereichs gewinnt in dem Moment an Bedeutung, in dem das Normziel allein mittels der Verleihung eines subjektiven Abwehrrechts an die Grundrechtsträger nicht verwirklicht werden kann. Regelmäßig handelt es sich insoweit um Konstellationen, in denen Einschränkungen der grundrechtlichen Freiheit von dritter, nichtstaatlicher Seite drohen oder die Grundrechtsausübung von Voraussetzungen abhängig ist, die und Differenzen ihrer dienenden Funktionen analysiert Dörr, Verfassungsrechtliche Stellung, S. 31 Fn. 60. 279 So explizit auch Schmitt Glaeser, Freiheit der Forschung, S. 133. 280 Deutlich Häberle, Freiheit der Wissenschaften, S. 355; Oppermann, Freiheit, Rn. 20; siehe ferner etwa Schulze-Fielitz, Freiheit der Wissenschaft, Rn. 7, und eingehend Schmitt Glaeser, Freiheit der Forschung, S. 128 ff. Von einer ausschließlich unterstützenden Bedeutung aller objektiven Gehalte der Wissenschaftsfreiheit gehen hingegen etwa Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 82, und Dickert, Forschungsfreiheit, S. 153 f., aus; für einen „Vorrang personaler Freiheit“ nachdrücklich auch Schmidt-Aßmann, Organisationsgrundrecht, S. 703 ff. 281 BVerfGE 35, 79, 114 (Herv. AK); vergleichbar jüngst BVerfG, DVBl. 2005, S. 109, 110 f.: „Dieser Freiraum ist nicht nur im Interesse seiner Entfaltung als Wissenschaftler garantiert, sondern auch im Interesse einer dem Wohl des Einzelnen und der Gesellschaft dienenden Wissenschaft.“ (Herv. AK). 282 Vgl. unten § 9 III. 2. e), f).
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die Grundrechtsträger nicht selbständig bereitzustellen in der Lage sind. Im Falle der Lehrfreiheit hat die Sachbereichsgarantie hiervon unabhängig die im Vergleich zu den subjektiv-abwehrrechtlichen Gehalten größere Bedeutung. Denn den fremdnützigen telæ, deren Verwirklichung sie dient, kommt größeres Gewicht zu als der Funktion, den Lehrenden die individuelle Entfaltung zu ermöglichen, mit der das Abwehrrecht korrespondiert. Vor allem die Bedeutung, die (wissenschaftlichem) Wissen in einer Gesellschaft zukommt, die sich selbst als „Wissensgesellschaft“ beschreibt oder sich doch jedenfalls als auf dem Weg in dieselbige bezeichnet,283 verleiht Lehre und Lehrfreiheit besondere gesamtgesellschaftliche Relevanz: „Wissen“ wird zur Ressource neben den bisherigen Produktionsfaktoren Arbeit und Eigentum, Reflexion und Arbeit mit Wissen zum zentralen Lösungsprinzip. „Wissen“ prägt mithin die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen, so dass nicht nur die beruflichen Chancen eines Menschen wesentlich von dem Wissen abhängen, über das er verfügt.284 Die wissenschaftliche Lehre erhält damit zentralen Einfluss auf die gesellschaftliche Entwicklung.285 Während damit einerseits die Versuche der Einflussnahme auf Lehrgegenstände und -inhalte – von staatlicher oder gesellschaftlicher Seite – wahrscheinlicher werden, wächst andererseits die Abhängigkeit beider von den Leistungen der Lehre und zugleich die Bedeutung der Lehrfreiheit für den Erhalt einer freiheitlichen Gesellschaft. Zwar hat auch das Abwehrrecht in der Regel die Freiheitsgewährleistung im Interesse der Allgemeinheit, wenn auch nicht zum Ziel, so doch zur Konsequenz, wenn es seine Wirkung entfaltet. Diese Wirkung wird heute jedoch dadurch eingeschränkt, dass die Lehrenden die Lehrfreiheit als subjektives Recht kaum mehr aktivieren. Ihr Interesse an ihrem Grundrecht und ihre Bereitschaft, sich für seine Verwirklichung, gegebenenfalls im Klageweg, einzusetzen, sind offenbar gering286, vermutlich nicht zuletzt infolge der erheblich gesunkenen Bedeutung, die der Lehrfreiheit noch als Instrument zur Selbstverwirklichung zukommt. Für die Realisierung des Normziels der Lehrfreiheit ist ihre Wirkung als Sachbereichsgarantie im derzeitigen gesellschaftlichen Rahmen mithin von größerer Bedeutung als ihre abwehrrechtliche Dimension.
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S. o. § 3 IV. 2., insbes. Fn. 376, S. 122 – Fn. 378, S. 122. Vgl. die Nw. oben in Fn. 46, S. 27, sowie oben § 3 IV. 2. 285 Weitsichtig im Jahre 1958 Raiser, Universität im Staat, S. 15: „Der Gelehrte, der dieses Wissen verwaltet, erweitert und lehrt, ist zwar weit von der Rolle des Priesters oder Weisen der alten Kulturen entfernt, aber er ist zum Träger realer, politischer und wirtschaftlich nutzbarer Chancen der Machtausübung geworden.“ Die Bedeutung der aus der Wissenschaftsfreiheit folgenden staatlichen Gewährleistungspflicht angesichts der Entwicklung zur Wissensgesellschaft betont jetzt auch Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 37. 286 Vgl. oben § 1 II. 2. mit Fn. 51, S. 30. 284
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e) Die Sachbereichsgarantie als verfassungsrechtlicher Maßstab Als Sachbereichsgarantie verpflichtet die Lehrfreiheit den Staat, seine eigenen Lehreinrichtungen im Sinne des Erhalts eines Lebensbereichs ,Freie Lehre‘ zu organisieren.287 Angesichts der überragenden quantitativen Bedeutung der bildenden und ausbildenden Lehre an staatlichen Hochschulen innerhalb des aktuellen Bildungssystems ist ihre Gestaltung für die substantielle Kontinuität des grundrechtlichen Minimums entscheidend. Die Verpflichtungen, die sich aufgrund dessen aus dem objektiven Gehalt der Lehrfreiheit für den Staat ergeben, haben einen von den Bindungen durch die abwehrrechtliche Dimension abweichenden Gehalt. Als Abwehrrecht und als Sachbereichsgarantie misst die Lehrfreiheit staatliches Handeln an je eigenen Maßstäben. Dass die Sachbereichsgarantie nicht die Lehrenden als Grundrechtsträger zu begünstigen sucht, beeinflusst ihre dogmatische Konkretisierung. So hat sie insbesondere nicht die Gewährleistung der Grundrechtsausübung jedes einzelnen Grundrechtsträgers zum Ziel. Aufgrund ihres teleologischen Drittbezugs verpflichtet sie den Staat „lediglich“ zur Bereitstellung von mit Blick auf die Verwirklichung der (Aus-) Bildungsfunktion, der kritischen und der kulturstaatlichen Ziele hinreichenden Möglichkeiten der Freiheitsausübung an der Gesamtheit der Lehreinrichtungen und mit Blick auf die Gesamtheit der Lehrenden. Individuelle Freiräume garantiert sie nur insoweit, als diese Voraussetzung des Sachbereichs „Freie Lehre“ sind. Das bedeutet einerseits, dass der Staat das subjektive Freiheitsrecht verletzten kann, ohne gegen die Sachbereichsgarantie zu verstoßen. Es bedeutet jedoch andererseits auch, dass der Staat seine Gewährleistungspflicht verletzen kann, ohne dass das Abwehrrecht eines einzelnen Lehrenden betroffen wäre. Damit eröffnet sich eine neue Perspektive auf die aktuellen Entwicklungen im Hochschulbereich und das mit ihnen verbundene grundrechtliche Konfliktpotential. Die Einführung von Lehrevaluationen, einer leistungsorientierten Bezahlung, von Akkreditierungsverfahren oder die Einrichtung von Hochschulräten können nicht länger lediglich einzeln auf ihre freiheitsbeschränkende Wirkung hin untersucht werden. Vielmehr sind alle für die Lehrfreiheit relevanten staatlichen Regelungen, freiheitseinschränkende wie -erweiternde, zusätzlich als Gesamtheit und unter Berücksichtigung ihrer Wechselwirkungen verfassungsrechtlich zu bewerten. Es ist die Summe der (rechtlichen und tatsächlichen) Freiheitsverkürzungen zu bilden und nach dem für die Gruppe der Lehrenden in den unterschiedlichen Disziplinen effektiv verbleibenden Freiraum bei der Auswahl der Themen, Inhalte und Methoden ihrer Lehrveranstaltungen zu fragen.288 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung kann dies nur in exemplari287 Zur staatlichen Verpflichtung, eigene Lehreinrichtungen zu unterhalten oder private zu gestalten, sogleich § 9 III. 3., 5. 288 Insoweit bestehen Ähnlichkeiten zur Figur des „additiven Grundrechtseingriffs“ (Lücke, Grundrechtseingriff, S. 1469), welche ebenfalls die Berücksichtigung von Be-
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2. Teil: Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
scher Form geschehen. Bereits kurze beispielhafte Überlegungen zeigen jedoch die doppelte Natur der Sachbereichsgarantie als Gewährleistung und Grenze gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit und illustrieren, wie sich die grundrechtliche Bedeutung staatlicher Entscheidungen ändert, wenn man sie am Maßstab der Sachbereichsgarantie, nicht des Abwehrrechts misst. Exemplarisch sei hier betrachtet, welche Relevanz die unterschiedliche Organisation der verschiedenen Typen von Studiengängen für den Bestand des durch Art. 5 Abs. 3 GG gewährleisteten Lebenssachverhalts entfaltet. f) Zum Beispiel – Die Ersetzung von Rahmenprüfungsordnungen durch ein Akkreditierungsverfahren Zu diesem Zweck ist die Lehre in Studiengängen, die mit einer Hochschulprüfung abschließen, von Veranstaltungen im Rahmen von Staatsexamensstudiengängen zu unterscheiden.289 Als Sachbereichsgarantie verlangt Art. 5 Abs. 3 GG nicht, dass die verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen in beiden Studiengangstypen und von allen Lehrenden frei vermittelt werden können.290 Doch verpflichtet das Grundrecht den Staat zu gewährleisten, dass jedes Fach an einer Mindestzahl von Einrichtung und in einem für den Bestand des Sachbereichs hinreichenden Umfang291 in Freiheit gelehrt werden kann. Die Lehrveranstaltungen in Staatsexamensstudiengängen vermögen insoweit allenfalls einen untergeordneten Beitrag zu leisten. Die Freiheit der Lehrenden unterliegt hier erheblichen Einschränkungen. Mit der Festsetzung der Prüfungslastungskumulationen verlangt. Sie beansprucht im Prinzip für alle Grundrechte Geltung, wurde in der Vergangenheit aber zumeist am Beispiel der Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG entwickelt und zudem in der Regel nur mit Blick auf den einzelnen, nicht die Gesamtheit der Grundrechtsträger erörtert, vgl. Kloepfer, Belastungskumulation, S. 213 ff.; Hufen, Berufsfreiheit, S. 2916; ders., Vorbehalt des Gesetzes, S. 278 ff.; Hohmann, Berufsfreiheit, S. 409. Anders als die Sachbereichsgarantie normiert das „Verbot der übermäßigen Gesamtbelastung des Bürgers“ (Lücke, a. a. O., S. 1469, 1476 ff.) zudem kein absolut garantiertes grundrechtliches Minimum, sondern verlangt eine Modifikation der Verhältnismäßgkeitsprüfung. 289 Konkrete Planungen für eine Überführung der bisher mit einem Staatsexamen abschließenden Studiengänge in das gestufte System der Bachelor- und Masterstudiengänge bestehen trotz einer entsprechenden Empfehlung des Wissenschaftsrates soweit ersichtlich (noch) nicht. 290 Die etwa von Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 39, und Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 88, der Wissenschaftsfreiheit entnommene Verpflichtung des Staates, dem einzelnen Hochschullehrer hinreichend Spielraum zu lassen, um im Rahmen seines Deputats Lehrveranstaltungen auch außerhalb des Pflichtkanons anzubieten, ergibt sich mithin nicht aus der Lehrfreiheit als Sachbereichsgarantie. Allenfalls die abwehrrechtliche Dimension könnte der gesetzgeberischen Gestaltung diese Grenze ziehen. 291 Bei der Bestimmung dieses Mininmalbestands, vor allem bei der hierzu erforderlichen Beurteilung der gesellschaftlichen Bedürfnisse, verfügt der Staat jedoch über eine weite Einschätzungsprärogative, vgl. hierzu näher unten § 9 III. 3. c).
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anforderungen und der Zulassungsvoraussetzungen bestimmt der Gesetzgeber mittelbar auch über ,Inhalt und Aufbau des Studiums‘ sowie über den zeitlichen Umfang, die Reihenfolge und ,Gegenstand und Art‘ der Lehrveranstaltungen. Denn die Studienordnungen, die diese Regelungen beinhalten, sind von den zuständigen Selbstverwaltungsgremien in Anlehnung an die Prüfungsanforderungen aufzustellen.292 Den Lehrenden verbleibt in diesen Fällen in thematischer wie methodischer Hinsicht nur noch wenig Spielraum. Die zunehmende Einführung von Wahlpflicht- und Schwerpunktbereichen293 bedeutet insoweit keine Veränderung. Sie mögen das Lehrangebot erweitern, nicht aber die Lehrfreiheit, denn auch für diese Bereiche enthalten die staatlichen Prüfungsordnungen thematische Vorgaben.294 Angesichts dessen sind die Gestaltungsmöglichkeiten der Lehrenden in Studiengängen, an deren Ende eine Hochschulprüfung steht und die derzeit in fast allen wissenschaftlichen Disziplinen als Alternative zu Staatsexamensstudiengängen angeboten werden, von entscheidender Bedeutung für den Bestand des Sachbereichs. Sie wurden in der Vergangenheit vor allem mittelbar durch die von der Kultusministerkonferenz und der Hochschulrektorenkonferenz beschlossenen Rahmenprüfungsordnungen,295 die landesrechtlichen Vorgaben der Regelstudienzeiten296 und die Mitwirkungsrechte der anderen Mitglieder in den Selbstverwaltungsgremien der Hochschulen297 eingeschränkt. 292 Vgl. etwa Art. 72 BayHG; § 24 Abs. 3 BerlHG; § 9 BbgHG; § 54 BremHG; § 26 HessHG; § 39 LHG M-V; § 86 HG NW; § 54 Abs. 1 UG Saarl.; § 21 SächsHG; § 84 HG Schl.-H.; § 16 ThürHG. 293 Siehe bspw. Art. 72 Abs. 1 S. 4 BayHG; § 54 Abs. 1 S. 4 BremHG; § 39 Abs. 1 S. 2 LHG M-V; § 54 Abs. 1 S. 2 UG Saarl.; § 21 Abs. 1 S. 3 SächsHG; § 16 Abs. 1 S. 4 ThürHG. 294 Vgl. die Nw. in Fn. 292, S. 255, bspw. § 54 Abs. 1 S. 4 BremHG: „Die Studienordnung sieht im Rahmen der Prüfungsordnung Fachgebiete vor, die der Student nach eigener Wahl bestimmen kann.“; § 39 Abs. 1 S. 2 LHG M-V: Studienordnung die „auf der Grundlage der Prüfungsordnung“ die „Schwerpunkte“ regelt, „die der Studierende nach eigener Wahl bestimmen kann“. 295 Vgl. § 34 Abs. 1 S. 6 Nr. 2 LHG BW; Art. 81 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 BayHG; § 90 Abs. 2 S. 2 BerlHG; §§ 62 Abs. 1 S. 4, 110 BremHG; § 108 Abs. 3 HmbHG; § 94 Abs. 1, 2 Nr. 1 HessHG; § 13 Abs. 2 LHG M-V; § 7 Abs. 3 NdsHG; § 7 Abs. 4 S. 2 HG Rh.-Pf.; § 59 Abs. 1, 2 UG Saarl.; § 24 Abs. 3 SächsHG; § 13 Abs. 2 HG LSA; § 109 Abs. 3 ThürHG, sowie die von HRK und KMK beschlossenen Fachspezifischen Rahmenprüfungsordnungen, abrufbar unter http://www.kmk.org/hschule/rpos.htm (Stand: 24.05.2005). 296 Vgl. den grds. für alle Studiengänge geltenden § 11 HRG sowie die in § 19 Abs. 2–4 HRG normierten Ausnahmen für Bachelor- und Masterstudiengänge und die landesrechtlichen Umsetzungen in § 29 Abs. 4 LHG BW; Art. 71 Abs. 6, 86a Abs. 2, 3 BayHG; § 23 Abs. 1, 2 BerlHG; § 8 Abs. 3 BbgHG; §§ 57 Abs. 4, 64a Abs. 3, 4 BremHG; §§ 53 Abs. 3, 54 Abs. 2, 3 HmbHG; § 29 Abs. 2, 3 LHG M-V; § 6 Abs. 3 NdsHG; § 85 Abs. 2, 3 HG NW; § 27 Abs. 1, 2 HG Rh.-Pf.; § 53 UG Saarl.; §§ 20 Abs. 4, 26 Abs. 2 SächsHG; § 9 Abs. 8 HG LSA; § 83 Abs. 4 HG Schl.-H.; § 13a Abs. 3 ThürHG. Regelstudienzeiten können die Freiheit der Lehrenden beschränken, indem sie Studierende von nicht prüfungsrelevanten Veranstaltungen abhalten und die
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Freiheitsverkürzend wirkt nun zusätzlich das Akkreditierungserfordernis, das in seinem Anwendungsbereich die Rahmenprüfungsordnungen ersetzen soll. Ursprünglich war ein Akkreditierungsverfahren, das vor Errichtung eines Studiengangs und nachfolgend in regelmäßigen zeitlichen Abständen durchlaufen werden muss, nur für die im Zuge des Bologna-Prozesses eingeführten, auf der Grundlage von § 19 HRG einzurichtenden Bachelor- und Masterstudiengänge vorgeschrieben.298 Die Kultusministerkonferenz sieht in ihrem Beschluss vom 15.10.2004, „Eckpunkte für die Weiterentwicklung der Akkreditierung in Deutschland“, eine Akkreditierung nun zudem für „neu einzurichtende und solche Diplom- und Magisterstudiengänge“ vor, „die grundlegend umgestaltet werden sollen, in Fachrichtungen, in denen keine Rahmenprüfungsordnung vorliegt oder die geltende Rahmenprüfungsordnung überholt ist“.299 Jedenfalls faktisch wird das erfolgreiche Durchlaufen eines Akkreditierungsverfahrens in Zukunft für den ganz überwiegenden Teil der Studiengänge Voraussetzung von Einrichtung und Fortbestand sein, insbesondere da Bachelor und Master die herkömmlichen Diplom- und Magistergrade wenn nicht ersetzen,300 so voraussichtlich doch wenigstens quantitativ in den Hintergrund drängen werden. Im Rahmen des Akkreditierungsverfahrens werden die einzelnen Lehrveranstaltungen prospektiv und gegebenenfalls auch retrospektiv beurteilt. Anders als die Rahmenprüfungsordnungen, die i. S. d. § 9 Abs. 2 HRG der Vergleichbarkeit von Studiengängen an verschiedenen Hochschulen dienen, um den Studierenden einen Hochschulwechsel zu ermöglichen, hat die Akkreditierung die Gewährleistung fachlich-inhaltlicher Mindeststandards und der Berufsrelevanz der Studiengänge zum Ziel.301 Dem entspricht eine im Vergleich wesentlich höhere Kontrolldichte: Während die Rahmenprüfungsordnungen lediglich relativ weite thematische Vorgaben enthalten,302 deren Konkretisierung durch die UniversitäLehrenden damit faktisch zur weitgehenden Examensorientierung ihrer Vorlesungen zwingen. Dies gilt umso mehr, als weitere (rechtliche oder faktische) Studienzeitbegrenzungen hinzutreten, etwa in Form von Examensfreiversuchen (vgl. § 15 Abs. 2 HRG) oder Langzeitstudiengebühren bzw. ihren Äquivalenten (vgl. bspw. §§ 3 ff. Landeshochschulgebührengesetz BW oder das nordrhein-westfälische Gesetz zur Einführung von Studienkonten vom 28.01.2003, GV.NRW, S. 36). 297 Vgl. bspw. § 10 Abs. 1, 3 LHG BW; § 46 Abs. 2, 3 BerlHG; §§ 67, 72 Abs. 3 BbgHG, § 85 Abs. 1, 3 HmbHG oder § 81 Abs. 5 LHG M-V. 298 So war wohl auch noch der Beschluss der KMK v. 10.10.2003, Ländergemeinsame Strukturvorgaben gemäß § 9 Abs. 2 HRG für die Akkreditierung von Bachelorund Masterstudiengängen, zu verstehen. 299 Die landesrechtlichen Regelungen gehen teilweise über diese Vorgabe hinaus und machen die Akkreditierung zur Voraussetzung der Einrichtung oder Änderung aller Studiengänge, siehe z. B. § 6 Abs. 2 S. 2 NdsHG und § 9 Abs. 3 S. 4 HG LSA vor. 300 Eine vollständige Ablösung der herkömmlichen Studiengänge durch Bachelorund Masterstudiengänge schreiben bspw. § 29 Abs. 3 LHG BW, § 84a HG NW und § 9 Abs. 6 HG LSA vor. 301 Vgl. etwa den Beschluss der KMK v. 03.12.1998, Einführung eines Akkreditierungsverfahrens für Bachelor-/Bakkalaureus- und Master-/Magisterstudiengänge, 2.
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ten zudem nicht als solche Gegenstand einer Bewertung ist, sondern nur auf ihre Vereinbarkeit mit den Rahmenregelungen hin geprüft wird,303 evaluiert die Akkreditierungsagentur u. a. das didaktische Konzept, die vorgesehenen Lehrmethoden, die zu vermittelnden Fach-, Methoden-, Lern- und sozialen Kompetenzen, die Qualität und Internationalität des Curriculums und den Bezug des geplanten Lehrangebots zu absehbaren Entwicklungen im Beschäftigungssystem304. Das Akkreditierungsverfahren zieht der methodischen, thematischen und ggf. auch inhaltlichen Freiheit des einzelnen Lehrenden damit enge Grenzen. In den grundrechtlichen Fokus tritt daher die Besetzung jener Gremien, die über die Gestaltung und Durchführung des Verfahrens wachen und über die Akkreditierung der einzelnen Studiengänge entscheiden. Zum Bestand des Sachbereichs ,Freie Lehre‘ können zu akkreditierende Studiengänge nur beitragen, wenn die Gruppe der Lehrenden in diesen Kommissionen über eine Stimmenmehrheit verfügt. Im „Akkreditierungsrat“, der zentralen Akkreditierungseinrichtung, die nicht nur für die weitere Akkreditierung von Agenturen zuständig ist, sondern auch die Mindestanforderungen an die Akkreditierungsverfahren und die Begutachtung von Studiengängen festlegt305 und die Evaluierung somit mittelbar steuert, sind jedoch neben vier Hochschulvertretern vier Ländervertreter, fünf Vertreter der Berufspraxis, zwei Studierende und zwei internationale Vertreter stimmberechtigt.306 Die Zusammensetzung der Kommissionen, die bei den sechs zugelassenen Agenturen für die Akkreditierung zuständig sind, variiert derzeit erheblich.307 Während die Vertreter der Universitäten und Fachhochschulen etwa bei der „Zentralen Evaluations- und Akkreditierungsagentur Hannover“ (ZEvA) über sechs von zehn Stimmen verfügen, befinden sich die fünf Mitglieder aus den Hochschulen in der Akkreditierungskommission der „Foun302 Vgl. exemplarisch §§ 25 ff. der Rahmenordnung für die Diplomprüfung im Studiengang Politikwissenschaft. Universitäten und gleichgestellte Hochschulen, beschlossen von der HRK am 05.11.2002, von der KMK am 13.12.2002, oder §§ 26, 28 der Rahmenordnung für die Diplomprüfung im Studiengang Soziologie. Universitäten und gleichgestellte Hochschulen, beschlossen von der HRK am 05.11.2002, von der KMK am 13.12.2002. 303 Siehe die Nw. in Fn. 295, S. 255. 304 Vgl. die Liste der Angaben, welche ein Antrag auf Akkreditierung eines Studiengangs umfassen muss, unter www.akkreditierungsrat.de/antrag-studiengaenge-frag. htm (Stand: 24.05.2005). 305 Siehe § 2 Abs. 1 i. V. m. § 7 Abs. 1 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Stiftung zur Akkreditierung von Studiengängen in Deutschland“ v. 15.02.2005. 306 Vgl. § 7 Abs. 2 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Stiftung zur Akkreditierung von Studiengängen in Deutschland“ v. 15.02.2005 sowie die Angaben über die derzeitige Besetzung des Akkreditierungsrates unter http://www.akkreditierungsrat. de/ (Stand: 24.05.2005). 307 Eine vom Akkreditierungsrat bereitgestellte Übersicht findet sich unter http:// www.akkreditierungsrat.de/ (Stand: 24.05.2005).
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dation for International Business Administration Accreditation“ (FIBAA) neben elf Vertretern aus Wirtschaft, Forschungsinstituten, Gewerkschaften und dem Kreis der Studierenden deutlich in der Minderheit. An der Vereinbarkeit dieser Praxis mit der in Art. 5 Abs. 3 GG verankerten Minimalgewährleistungspflicht des Staates bestehen ab dem Moment erhebliche Zweifel, da die Akkreditierung zu den generellen Voraussetzungen für die Errichtung oder Änderung von Studiengängen gehört und zugleich ein Großteil der Akkreditierungen von Agenturen übernommen wird, in deren Entscheidungskommissionen die Lehrenden keinen bestimmenden Einfluss besitzen.308 Denn angesichts des geringen thematischen und methodischen Spielraums, der den Lehrenden in Staatsexamensstudiengängen verbleibt, ist ihre Gestaltungsfreiheit in Studiengängen mit einer Hochschulabschlussprüfung existentiell für die Kontinuität des durch die Lehrfreiheit garantierten Sachbereichs. Andererseits steht Art. 5 Abs. 3 GG einer maßgeblichen Beteiligung von nicht selbst wissenschaftlich lehrenden Gutachtern an Akkreditierungsverfahren nicht im Wege, solange in den betroffenen Disziplinen anderweit Freiräume für von staatlichen und gesellschaftlichen Interessen unbeeinflusste wissenschaftliche Lehre erhalten oder geschaffen werden. So könnten beispielsweise die Pflicht und die Möglichkeit der Akkreditierung auf Bachelor- und Masterstudiengänge begrenzt und daneben in signifikanter Anzahl Diplom- und Magisterstudiengängen erhalten werden, deren Gestaltung man den Lehrenden ermöglicht, indem man ihren Stimmen ausschlaggebendes Gewicht309 in jenen Gremien einräumt, 308 Siehe zur bisherigen Praxis die statistischen Angaben des Akkreditierungsrates unter http://www.akkreditierungsrat.de/Statistik%20050301.pdf (Stand: 24.05.2005): Die FIBAA und die „Akkreditierungsagentur für Studiengänge der Ingenieurwissenschaften, der Informatik, der Naturwissenschaften und der Mathematik (ASIIN)“, in deren Entscheidungsgremien sich die Lehrenden in der Minderheit befinden, haben bis heute gemeinsam bereits knapp die Hälfte aller Akkreditierungen übernommen. 309 Das BVerfG hat im Hochschulurteil aus der objektiven Dimension des Art. 5 Abs. 3 GG das Erfordernis eines „maßgebenden“ Einflusses der Professoren in Angelegenheiten der Lehre abgeleitet und dem Gebot eines „ausschlaggebenden“ Einflusses in Angelegenheiten der Forschung gegenübergestellt, vgl. BVerfGE 35, 79, 131 f. (Krit. zu dieser Einschränkung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums insbes. das Sondervotum der Richter Simon und Rupp-v. Brünneck, BVerfGE 35, 148, 149 f.; vgl. ferner etwa Schlink, Wissenschaftsfreiheit, S. 542 ff.; Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 64; Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 [Wissenschaftsfreiheit] Rn. 201. Demgegenüber sieht etwa Oppermann, Praktische Konsequenzen, S. 439, in der Aufstellung der Kriterien des ,maßgeblichen‘ und ,ausschlaggebenden‘ Einflusses gerade das Bemühen des BVerfG, „in der organisatorischen Einzelausgestaltung den Spielraum des Gesetzgebers nicht unnötig einzuengen“). Diese Vorgaben wären in der beschriebenen Konstellation zur Sicherung der substantiellen Kontinuität des grundrechtlichen Sachbereichs nicht mehr ausreichend. Denn sie gewährleisten die Gestaltungskompetenz und damit die Freiheit der Lehrenden in Diplom- und Magisterstudiengängen nicht, obwohl diese für den Lebensbereichs ,Freie Lehre‘ im gegebenen Fall existentiell ist. Thieme, Hochschulrecht, 2004, Rn. 156, hält auch einen „ausschlaggebenden“ Einfluss für nicht hinreichend i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG und fordert eine „Mehrheit in der Mehrheit“.
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die für den Beschluss von Studien- und Prüfungsordnungen in diesen herkömmlichen Studiengängen zuständig sind. Dass sich der einzelne Lehrende gegebenenfalls einer Mehrheitsentscheidung seiner Kollegen beugen muss, ist dann mit Blick auf die objektive Gewährleistungsdimension der Lehrfreiheit nicht relevant, da der Sachbereich durch die für die Gesamtheit der Lehrenden bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten konstituiert wird. Entsprechendes gilt im Grundsatz für die Lehre wissenschaftlicher Disziplinen ausschließlich in Staatsexamensstudiengängen, wie sie derzeit, soweit ersichtlich, für die Medizin und die Pharmazie vorgesehen ist.310 Mit der objektiven Dimension der Lehrfreiheit ist das staatliche Hochschulsystem insoweit erst vereinbar, wenn innerhalb dieser Studiengänge oder in einem anderen institutionellen Zusammenhang Gelegenheit für von Staat und Studenten unbeeinflusste wissenschaftliche Lehre geschaffen wird.311 Die vorstehenden Überlegungen sind im Prinzip übertragbar auf all jene freiheitsverkürzenden Maßnahmen, die alle oder jedenfalls die große Mehrheit der Lehrenden eines wissenschaftlichen Faches betreffen, also etwa auf die vom Staat oder der Hochschulleitung veranlasste Lehrevaluation312 oder eine an Fremdbeurteilungen gekoppelte leistungsorientierte Bezahlung313. Ihre Verein310 Von praktisch größter Bedeutung ist das Staatsexamen zudem in der Lehre der Rechtswissenschaft, wenngleich es mittlerweile in vielen Bundesländern durch eine Hochschulprüfung ergänzt oder in Teilen ersetzt wurde. Die von Fachhochschulen (etwa der FH Frankfurt a. M., der FH Nordhessen und der FH Wismar) angebotenen rechtswissenschaftlichen Studiengänge, die mit einer Diplomprüfung enden, beschränken sich auf die berufsorientierte Vermittlung des Wirtschaftsrecht, also auf einen Teilbereich der Disziplin. Soweit Universitäten den Titel „Diplom-Jurist“ vergeben, wird dieser nicht in einem eigens eingerichteten, sondern im Rahmen des Staatsexamensstudiengangs erworben. 311 Vorstellbar ist eine solche kompensatorische Eröffnung von Freiräumen etwa in der Form von „Lehrfreisemestern“ oder „freien Seminaren“, in denen die Lehrenden bei der Gestaltung ihrer Veranstaltungen nicht an Studien- und Prüfungsordnungen gebunden werden, obwohl ihre Lehre in das Pflichtprogramm der Studiengänge integriert ist. 312 Lehrevaluationen sind heute in Umsetzung von § 6 HRG in allen Landeshochschulgesetzen mit Ausnahme des BerlHG vorgesehen An der Beurteilung sind jedenfalls die Studierenden zu beteiligen, vgl. § 6 S. 2 HRG, darüber hinaus obliegt die Gestaltung des Evaluationsverfahrens den Landesgesetzgebern. Diese haben überwiegend neben der Veranstaltungskritik eine externe Sachverständigenevaluation vorgesehen, vgl. etwa § 5 Abs. 1 LHG BW; Art. 39a Abs. 3 BayHG; § 5 Abs. 1 S. 4 NdsHG. Dass die Lehrfreiheit auch zugunsten der Lernenden gewährt wird, nimmt einer Evaluation durch Studierende nicht ihren freiheitsbeschränkenden Charakter. Denn wenngleich das Freiheitsrecht auch in ihrem Interesse besteht, behält es die Gestaltung der Lehre doch den Lehrenden vor. – Zur Verfassungsmäßigkeit der in §§ 7, 65 Abs. 1 S. 4 Nr. 5, 73 Abs. 3 S. 1 Bbg HG getroffenen Regelungen über die Evaluation der Lehre und eine darauf aufbauende Ressourcenverteilung BVerfG, DVBl. 2005, S. 112 f. 313 Die leistungsorientierte Besoldung von Professoren wurde mit dem „Gesetz zur Reform der Professorenbesoldung“ v. 16.02.2003, BGBl. I, S. 686, eingeführt. Vgl.
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2. Teil: Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
barkeit mit Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG hängt nicht allein von der Eingriffsintensität ab, die etwa im Falle der Lehrevaluationen wesentlich von der Verwendung der Ergebnisse bestimmt wird,314 sondern auch von der Anwendungsbreite und von den anderweit verbleibenden oder geschaffenen Möglichkeiten unbeeinflusster wissenschaftlicher Lehre. Als Sachbereichsgarantie wirkt die Lehrfreiheit mithin zugleich als Gewährleistung und Grenze gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit im aktuellen staatlichen Hochschulsystem. Der Ersetzung von Rahmenprüfungsordnungen durch ein Akkreditierungsverfahren steht sie grundsätzlich ebenso wenig entgegen wie staatlichen Prüfungsordnungen oder einer Evaluation der Lehre durch Studierende. Sie ist im Prinzip offen für jede Form staatlicher Organisation von bildenden und ausbildenden Studiengängen und verbietet auch nicht grundsätzlich jeden heteronomen Einfluss auf die Gestaltung der Lehre. Ausschlaggebend ist allein, ob und inwieweit der Staat gleichzeitig an anderer Stelle wissenschaftlich Lehrenden Möglichkeiten eröffnet bzw. bewahrt, unbeeinflusst über die Themen, Inhalte und Methoden ihrer Lehre zu entscheiden und ihre Vorstellungen zu realisieren.
hierzu erläuternd bspw. Knopp/Gutheil, Professorenbesoldungsreformgesetz, S. 103 ff., sowie die unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Bewertungen einer leistungsorientierten Bezahlung etwa von Trute, Zielvereinbarungen, S. 142 f., der in der Stärkung leistungsbezogener Entscheidungsstrukturen eine „Optimierung von Autonomie“ und eine im Vergleich zur herkömmlichen „internen Logik der Gleichverteilung“ „wissenschaftsnähere [. . .] Organisationsform“ sieht, und Battis/Grigoleit, Leistungsorientierte Besoldung, v. a. S. 27 ff., 46 ff., die eine leistungsorientierte Hochschullehrerbesoldung nur mit erheblichen Einschränkungen für beamten- und wissenschaftsrechtlich zulässig erachten. Vgl. speziell zu den grundrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens leistungsorientierter Mittelvergabe Sterzel/Perels, Hochschulmodernisierung, S. 218 ff., sowie Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 237, und jetzt BVerfG, DVBl. 2005, S. 109, 112 ff. 314 § 6 S. 3 HRG sieht – wie die meisten Hochschulgesetze der Länder – die Veröffentlichung der Ergebnisse vor, ohne ihre Anonymisierung oder Personalisierung vorzuschreiben. Demgegenüber gestattet etwa § 7 S. 5 HG LSA nur die Bekanntgabe in anonymisierter Form, Art. 39a Abs. 3 BayHG und § 69 Abs. 2 S. 3 BremHG bspw. gestatten die personalisierte Veröffentlichung. Erhebliches Gewicht werden die mit der Lehrevaluation verbundenen Freiheitseinschränkungen erhalten, sollten die Ergebnisse zukünftig die Grundlage für die Vergabe der in § 33 Abs. 1 BBesG vorgesehenen Zulagen für „besondere Leistungen in der Lehre“ bilden, wie es bspw. § 4 Abs. 4 Bremische Verordnung über Leistungsbezüge sowie Forschungs- und Lehrzulagen für Hochschulbedienstete vom 01.07.2003, Brem. GBl. S. 285, § 4 Abs. 4 der Niedersächsischen Verordnung über Leistungsbezüge sowie Forschungs- und Lehrzulagen für Hochschulbedienstete vom 16.12.2002, Nds. GVBl. Nr. 36/2002, S. 791 (erläuternd zu diesen Verordnungen Bettels, Vergabe von Leistungsbezügen, S. 114 f.), § 7 S. 4 HG LSA und § 65 Abs. 1 S. 4 Nr. 5 BbgHG vorgeben.
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g) Die Vermutung zugunsten parlamentarischer Gestaltungsfreiheit Soweit sich der Staat wie derzeit in erheblichem Umfang zu Errichtung oder Unterhalt von Einrichtungen der wissenschaftlichen Lehre entscheidet, gewährleistet und begrenzt Art. 5 Abs. 3 GG also seine Gestaltungsfreiheit. Nicht entschieden ist damit jedoch, ob ihn die Lehrfreiheit darüber hinaus zu Finanzierung und Organisation von Bildungseinrichtungen verpflichtet, ihm also die Entscheidung über das „ob“ eines öffentlichen Hochschulwesens abnimmt, indem sie eine staatliche Leistungspflicht begründet. Ebenso blieb bisher ungeklärt, ob staatliche Lehreinrichtungen zur (vollständigen) Nutzung durch die Lehrenden zu öffnen sind. Schließlich stellt sich die Frage, ob der Staat, so er keine Lehreinrichtungen unterhalten muss, durch Art. 5 Abs. 3 GG doch wenigstens zum Schutz der Freiheit der Lehrenden an Einrichtungen in privater Trägerschaft verpflichtet wird. Diesen Fragen nach staatlichen Leistungs- und Schutzpflichten als Konsequenzen der Sachbereichsgarantie ist im Folgenden nachzugehen. Werden damit die objektiven Gehalte der Lehrfreiheit im Einzelnen entfaltet, so geschieht dies in dem Bewusstsein, dass mit jeder dogmatischen Konkretisierung einer grundrechtlichen staatsgerichteten Handlungsverpflichtung eine Verschiebung der Funktionenordnung zugunsten des Verfassungsgerichts und zu Lasten des parlamentarischen Gesetzgebers verbunden ist, die in der Entwicklung des gefürchteten „Jurisdiktionsstaates“315 münden kann. Die Grundrechtsdogmatik entscheidet darüber, „wem es unter Gesichtspunkten der Demokratie und des Rechtsstaates, der politischen und der bürgerlichen Freiheit zukommen soll, die Rechtsordnung, soweit es um ihre substantiellen Gehalte geht, zu entfalten“316. Nun ist das insoweit bestehende Spannungsverhältnis zwischen dem Verständnis der Verfassung als bloßer „Rahmenordnung“317 und ihrer Konzep315 Böckenförde, Grundsatznormen, S. 25, 29; ders., Gesetzgebende Gewalt, S. 402; ähnlich zuvor schon Forsthoff, Umbildung des Verfassungsgesetzes, S. 148: „Übergang vom Rechtsstaat zum Justizstaat“. Ihre Befürchtungen teilen z. B. Knies, Jurisdiktionsstaat, S. 1172 ff.; Ossenbühl, Grundrechtsinterpretation, Rn. 49, und H. H. Klein, Grundrechte am Beginn, Rn. 72. Kahl, Vom weiten Schutzbereich, S. 195 ff., sieht diese Entwicklung schon durch die präzise Definition der grundrechtlichen Gewährleistungsgehalte begünstigt. Vgl. auch die unterschiedlichen Einschätzungen der gegenwärtigen Situation durch die oben in Fn. 121, S. 210 Genannten sowie jüngst durch Böckenförde, Grundrechte im Verfassungsrecht, S. 603, der den bereichsweisen Abschluss des Übergangs zum Jurisdiktionsstaat konstatiert. 316 Böckenförde, Grundsatznormen, S. 31. Zur Interdependenz zwischen der Entfaltung objektiver Grundrechtsgehalte und der Kompetenzverteilung im Staat instruktiv ferner Wahl, Vorrang der Verfassung, S. 505 ff., und Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, S. 135 ff.; vgl. des Weiteren etwa Knies, Jurisdiktionsstaat, S. 1172 ff.; Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, S. 279 ff., und jüngst Poscher, Abwehrrechte, S. 82 ff., 397 ff. 317 Siehe hierzu insbes. die heftige Kritik an der Werterechtsprechung des BVerfG von Forsthoff, Umbildung des Verfassungsgesetzes; ferner v. a. Böckenförde, Bedeu-
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tion als „Wertordnung“ mit allseits dirigierender Funktion318,319 zwischen dem Verweis auf die Grenzen der Verfassungsinterpretation und der Betonung ihres gestalterischen Potentials, zwischen der Verteidigung gesetzgeberischer Freiheiten und dem Bemühen, diese grundrechtlich einzubinden, der Staatsrechtslehre wohlbekannt. Seine Auflösung in die eine oder andere Richtung begegnet im Prinzip denselben grundlegenden Schwierigkeiten wie die Ermittlung der grundgesetzgemäßen Grundrechtstheorie320. Die vorliegenden Arbeit sucht daher auch insoweit einen grundrechtsspezifischen Ausgleich, der einerseits das einzelne Grundrecht, in diesem Fall die Lehrfreiheit, mit seinem Normziel und den sich hieraus ergebenden, den Staat zum positiven Handeln verpflichtenden Grundrechtswirkungen ernst nimmt, es jedoch zugleich als Vermutung zugunsten gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit versteht, wenn die Verfassungsinterpretation unergiebig ist oder nur vage Normgehalte zu ermitteln erlaubt. 3. Die aktualisierten und latenten Leistungspflichten des Staates Im Hochschulurteil hat das Bundesverfassungsgericht aus der Abhängigkeit grundrechtlich geschützter Lehr- und Forschungstätigkeiten von der Teilhabe am öffentlichen Wissenschaftsbetrieb einerseits und der Wertentscheidung der Verfassung für eine freie Wissenschaft andererseits auf eine Leistungspflicht des Staates geschlossen: „Der Staat hat die Pflege der freien Wissenschaften und ihre Vermittlung an die nachfolgenden Generationen durch Bereitstellung von personellen, finanziellen und organisatorischen Mitteln zu ermöglichen und tungswandel, S. 42 ff., 50 ff.; ders., Grundsatznormen, S. 30; ders., Verfassungsinterpretation, passim; Wahl, Vorrang der Verfassung, S. 505 ff., 513 ff. Krit. zur „Mutation“ des Grundgesetzes „von der Rechtsverfassung zur Wertetafel“, die seit der Wiedervereinigung zu beobachten sei, Isensee, Stil der Verfassung, S. 64 ff. Vgl. ferner die anschaulichen Darstellungen der „zwei Idealtypen von Verfassungsverständnis“ (Schuppert/Bumke, Konstitutionalisierung, S. 32) von Häberle, Vielschichtigkeit, S. 230 ff., und Schuppert/Bumke, a. a. O., S. 32 ff. 318 Wegbereitend insoweit Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 160 ff. Siehe zur Wertordnungsjudikatur des BVerfG, deren Ausgangspunkt das „epochemachende“ (Böckenförde, Wertbegründung) Lüth-Urteil aus dem Jahre 1958 bildet, statt vieler Stern, Staatsrecht III/1, § 69 I 3 c g, S. 899 ff.; H. Dreier, Dimensionen, S. 10 ff., und Jarass, Wertentscheidungen, S. 364 ff. Vgl. zum Verständnis des Grundgesetzes als Wertordnung aus der Lit. insbes. Dürig, Wertsystem der Grundrechte; ders., in: M/D, GG, 1976, Art. 1 Abs. 1 Rn. 1 ff.; Grimm, Zukunft der Verfassung, S. 408 ff.; K. Hesse, Grundzüge, Rn. 279 u. passim.; auch Isensee, „Politisches Recht“, Rn. 43 ff., wenngleich seine Begrifflichkeit zunächst anderes vermuten lassen mag, und jüngst Di Fabio, Grundrechte als Werteordnung, S. 3 ff., der jedoch eindringlich eine weitere Rationalisierung der Grundrechte als Wertordnung und ihre Öffnung gegenüber der „außerrechtlichen Alltagsvernunft“ fordert. 319 Eingehend zur Antithese von Rahmen- und Werttheorem und zur (geringen) Aussagekraft dieser Positionen für die grundrechtsdogmatische (Fein-)Arbeit Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, S. 104 ff. 320 Vgl. oben § 9 I. 1.
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zu fördern. Das bedeutet, dass er funktionsfähige Institutionen für einen freien Wissenschaftsbetrieb zur Verfügung zu stellen hat.“321 In der Literatur ist die Anerkennung dieser staatlichen Pflicht auf weitgehende Zustimmung gestoßen.322 Insbesondere die Angewiesenheit des Wissenschaftsbetriebs auf eine staatliche Finanzierung als Grundlage der Leistungspflicht wird kaum bestritten323 – wobei man insoweit freilich, der allgemeinen Fokussierung auf die Forschung entsprechend, vor allem den Finanz- und Organisationsbedarf moderner Forschung in den Blick nimmt.324 Das Bundesverfassungsgericht hat die Rahmenbedingungen der Grundrechtsverwirklichung und die Aufgaben von Wissenschaft und Wissenschaftsfreiheit, ihre ,Schlüsselfunktion für die Selbstverwirklichung des Einzelnen und die gesamtgesellschaftliche Entwicklung‘, zum Ausgangspunkt der Leistungspflicht genommen. Diese Argumentationsstruktur liegt im Grundsatz auch der nachfolgenden Entfaltung der durch die Lehrfreiheit begründeten Leistungspflichten zugrunde. Sie sind Konsequenz der aus den fremdnützigen telæ folgenden Wirkung als Sachbereichsgarantie und der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Grundrechtsausübung. Aus der Sachbereichsgarantie folgt die staatliche Pflicht, den Lebenssachverhalts ,Freie Lehre‘ zu gewährleisten. Hieraus ergibt sich in dem Moment eine Leistungspflicht des Staates, in dem die Veranstaltung der durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Lehre ohne seine Unterstützung nicht möglich ist.325 Die Frage 321 BVerfGE 35, 79, 114 f.; so zuletzt auch ausführlich BVerfG, DVBl. 2005, S. 109, 110 f. 322 Siehe nur Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III GG Rn. 6; Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 65; Lüthje, in: Denninger, HRG, Vor § 3 Rn. 45; Losch, Wissenschaftsschranken, S. 153 ff.; Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 212 ff.; Trute, Institutionalisierung, S. 275 f., 280 ff., 420 ff. und passim; Kleindiek, Risikogesellschaft, S. 229 ff., 239 ff.; Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 269; Oppermann, Freiheit, Rn. 21; Wendt, in: v. M/K, GG, Art. 5 Rn. 104; Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 37; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 53. Zur Leistungsverpflichtung aufgrund von Landesverfassungsrecht Erichsen/Scherzberg, Verfassungsrechtliche Determinanten, S. 15 ff. Grds. gegen die Annahme objektiver grundrechtlich begründeter Leistungspflichten aber Murswiek, Teilhaberechte, Rn. 97. 323 Zweifelnd aber bspw. Schlink, Wissenschaftsfreiheit, S. 543; Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 67, mit Verweis auf die Forschungsaufwendungen der Privatwirtschaft; differenzierend Trute, Institutionalisierung, S. 423 f., der Art. 5 Abs. 3 GG eine staatliche Leistungspflicht lediglich zugunsten der Forschung, nicht aber der Lehre entnimmt. Seine Begründung bleibt insoweit jedoch thesenhaft. 324 Vgl. etwa Losch, Wissenschaftsschranken, S. 153 ff.; Schmidt-Aßmann, Organisationsgrundrecht, passim; ders., Ordnungsrahmen, S. 208 f.; Kleindiek, Risikogesellschaft, S. 229 ff., 239 ff.; Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 48; anders aber bspw. Rollmann, Universität, S. 35 ff.; Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 269. 325 Ob Lehre, die ohne staatliche Unterstützung stattfindet, als „freie Lehre“ i. S. v. Art. 5 Abs. 3 GG qualifiziert werden kann, wird erst im Rahmen der Erörterung staat-
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nach der Lehrfreiheit als Leistungspflicht ist damit umzuformulieren in die Frage nach einer konkreten und strukturellen Abhängigkeit bildender und ausbildender Lehre von staatlicher Unterstützung. „Konkrete“ Abhängigkeit bedeutet dabei, dass die Angewiesenheit auf staatliche Leistungen für eine bestimmte gesellschaftliche Situation festzustellen ist und keine generelle, von den Rahmenbedingungen zum gegebenen Zeitpunkt unabhängige sein muss. Als „strukturell“ ist die Bedingtheit durch staatliche Leistungen zu qualifizieren, wenn sie nicht lediglich einzelne Lehrende betrifft, die ihr Grundrecht ohne staatliche Hilfe nicht auszuüben in der Lage sind, sondern generell die bildende oder ausbildende Lehre, also einen der durch Art. 5 Abs. 3 GG garantierten Lehrtypen326.327 Dass die moderne und nicht nur die naturwissenschaftliche Forschung der Bereitstellung erheblicher finanzieller Mittel bedarf, dass jedenfalls die allein am Theoriefortschritt orientierte Grundlagenforschung in der Regel erhebliche Schwierigkeiten haben wird, die notwendige Unterstützung von nichtstaatlichen Stellen zu erhalten328 und dass die Forschungsfreiheit den Staat daher zur Bereitstellung der erforderlichen Mindestausstattung verpflichtet, leuchtet heute ohne weiteres ein und ist dem Grundsatz nach auch unbestritten.329 Die Abhängigkeit der Lehre von insbesondere finanziellen Ressourcen hingegen liegt nicht auf der Hand. Denn Lehre bedarf doch im Grundsatz scheinbar allein des Zusammentreffens von Lehrenden und Lernenden. Tatsächlich wird ihr finanzieller Bedarf in der Regel geringer sein als jener der Forschung.330 Doch auch die Lehre ist in allen ihren Formen ressourcenabhängig.331 Unterstützung von privalicher Pflichten zum Schutze der Lehrfreiheit gegen Störungen nicht grundrechtsverpflichteter Dritter relevant, s. u. § 9 III. 5. Zur Unterscheidung von aus der Lehrfreiheit abzuleitenden Leistungs- und Schutzpflichten vgl. oben § 9 II. 2. 326 Siehe hierzu auch § 9 III. 3. b), § 3 IV. 2. 327 Die Begrenzung der Gewährleistungspflicht auf die Fälle struktureller Abhängigkeit folgt aus der Funktion der Sachbereichsgarantie, nicht für jeden einzelnen Grundrechtsträger, sondern für die Gesamtheit der Lehrenden die Gestaltungsfreiheit zu garantieren, die zur Verwirklichung der fremdnützigen Ziele erforderlich ist. Die Voraussetzung struktureller Abhängigkeit folgt aus dem Ziel der Sachbereichsgarantie, das in der Gewährleistung eines Mindestmaßes an Freiheit nicht für jeden einzelnen Grundrechtsträger, sondern für die Gesamtheit der Lehrenden zur Verwirklichung der mit der Lehrfreiheit verfolgten fremdnützigen Ziele besteht. 328 Trute, Institutionalisierung, S. 423 f., begrenzt die staatliche Leistungspflicht (nicht aber die organisations- und verfahrensrechtlichen Wirkungen) auf diesen Forschungstypus. 329 S. o. Fn. 322, S. 263, und Fn. 324, S. 263. 330 So auch Rollmann, Universität, S. 35 ff., dessen Auflistung jedoch den Bestand staatlicher Lehreinrichtungen voraussetzt und ihre Unterhaltung nicht als Gegenstand staatlicher Leistungspflichten thematisiert. 331 Eine Ausnahme stellt insofern die wissenschaftliche Lehre im rein privaten Gespräch dar, also in einem Gespräch, das – anders als etwa die Einzelbetreuung von Studenten – außerhalb jedes institutionalisierten Zusammenhangs stattfindet. Sie ge-
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ter Seite wird sie aber nur finden, soweit sie von ihren Financiers als ausbildende bewertet wird, so dass im Übrigen der Staat zur Leistung, d. h. zur Errichtung und Unterhaltung von Lehreinrichtungen, verpflichtet ist. a) Die Ressourcenabhängigkeit wissenschaftlicher Lehre Während der Finanzbedarf schriftlicher Lehre, der sich aus Druck- und Verlagskosten ergibt, vergleichsweise offensichtlich ist, scheint mündliche Lehre zunächst weitgehend unabhängig von finanziellen oder organisatorischen Mitteln, ist sie doch theoretisch auch als private Veranstaltung im kleinen Rahmen denkbar. Angewiesen ist der Lehrende dabei freilich auf die (aktive oder passive) Teilnahme der Lernenden, ohne ihre Aufmerksamkeit verliert seine Tätigkeit ihren Sinn. Im Rahmen der bestehenden Bildungs-, insbesondere Hochschullandschaft und angesichts der Bedeutung von staatlichen bzw. staatlich anerkannten oder doch wenigstens gesellschaftlich renommierten Abschlusszeugnissen wird er diese Aufmerksamkeit jedoch regelmäßig nur erlangen, soweit er in die mit großem finanziellen und organisatorischen Aufwand betriebenen Lehreinrichtungen eingebunden ist. Dies gilt gleichermaßen für die Lehre in der „großen Vorlesung“ oder im Seminar wie für die Einzelbetreuung von Studenten. Denn obwohl ihre Überfüllung zu den augenfälligsten und meist beklagten Defiziten der deutschen Hochschulen gehört,332 ist nicht vorstellbar, dass sich Studierende auf die Alternative privaten Unterrichts außerhalb größerer Lehreinrichtungen einlassen, die ihnen keinen staatlich und/oder gesellschaftlich anerkannten Abschluss vermittelt. Zudem wird ein einzelner Lehrender häufig nicht in der Lage oder willens sein, alle Fächer und Fachrichtungen zu unterrichten, in denen der Lernende gebildet bzw. ausgebildet werden möchte. Die aus der Sicht des Lehrenden ressourcenunabhängige private Lehrveranstaltung im kleinen Rahmen ist daher für die Lernenden mit jenem Aufwand verbunden, den ansonsten die Lehreinrichtungen und ihre Träger übernehmen. Sie müssen die Angebote der Lehrenden nießt selbstverständlich ebenfalls den Schutz der Lehrfreiheitsgarantie, vgl. oben § 7 IV. Für den hier interessierenden Bestand des Sachbereichs ist diese Form der Lehre jedoch angesichts ihrer geringen quantitativen Relevanz lediglich von marginaler Bedeutung, so dass sie im Folgenden außer Betracht bleiben soll. 332 Spätestens seit Ende der 60er Jahre gehört das Stichwort der „Massenuniversität“ zum allgemeinen Kanon der Beschreibungselemente für deutsche Hochschulen, vgl. nur Schelsky, Abschied von der Hochschulpolitik, S. 19; T. Bauer, Wissenschaftsfreiheit, S. 17; Schmithals, Wissen, S. 5; Püttner, Hochschulrat, S. 560, und aus jüngerer Zeit etwa die Beiträge von Rubner, Freiheit statt Gleichheit; Rebenich, Ratlos in Ruinen; Giesen, Atlantischer Hochdruck, und ferner Kahl, Hochschule und Staat, S. 112 f., der von der „Vermassung“ der Hochschulen spricht. Auch die Rspr. hat die Situation an den Hochschulen mit diesem Schlagwort gekennzeichnet, vgl. nur BVerfGE 35, 79, 110; OVG Münster, NJW 1999, S. 305, 306; BVerfG, NVwZ 2001, S. 190, 191.
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nicht nur finanzieren, sondern auch zeitlich und inhaltlich koordinieren. Dass sich Studierende auf eine derartige Aufgabenverlagerung einlassen, erscheint in Anbetracht der Angebote der nationalen und internationalen Hochschullandschaft faktisch ausgeschlossen. Neben diese durch die Struktur der Lehrtätigkeit bedingte Abhängigkeit von institutioneller Einbindung und damit zugleich von organisatorischen wie finanziellen Mitteln tritt die finanzielle Bedingtheit schriftlicher und mündlicher Lehre, die sich aus dem Bedarf an wissenschaftlicher Literatur zur Vorbereitung und Aktualisierung von Lehrinhalten ergibt. Er steigt mit der Akzelleration der Wissensproduktion und der damit verbundenen sinkenden Halbwertszeit des Wissens. Die virtuelle Lehre333 bildet in diesen Punkten keine Ausnahme, obwohl ihre Gestalt, vor allem die vermeintlich kostenneutrale Nutzung des Internets als Lernort und Organisationsmedium, zunächst anderes vermuten lassen mag. Doch auch eine virtuelle Lehrveranstaltung ist abhängig von der Einbindung in (reale oder virtuelle) Institutionen, da sie – insbesondere angesichts der schier unerschöpflichen Angebote im Internet – nur auf diesem Wege das Vertrauen und Interesse der Lernenden gewinnen können wird. Die Praxis zeigt zudem, dass virtuelle Lehreinrichtungen auf Präsenzveranstaltungen in der Regel nicht ganz verzichten können.334 Dementsprechend sind sie denn bisher auch ganz überwiegend im Zusammenhang mit traditionellen Hochschulen eingerichtet worden.335 Die mit der Nutzung des Internets gewonnene räumliche Unabhängigkeit ist also keine vollständige, so dass eine den traditionellen Lehrveranstaltungen zwar wohl nicht im Umfang, aber doch im Prinzip vergleichbare Angewiesenheit auf Ressourcen besteht. Doch selbst in dem Fall, in dem technische oder gesellschaftliche Entwicklungen einen generellen Verzicht auf Präsenzveranstaltungen ermöglichen sollten, würde die dann vollständig virtualisierte Lehre eine organisatorische und technische Basis zur Realisierung benötigen.336 Auch die virtuelle Hochschule bedarf für ihren Betrieb realer Organisationsein333 Vgl. hierzu einführend etwa Wissenschaftsrat, Hochschulentwicklung, S. 62 ff.; Gralki, Lehre im Netz; Kopp/Michl, Neue Medien in der Lehre; Lehner, Virtualisierung an Hochschulen, sowie die Beiträge in Simon, Virtueller Campus, jeweils m. w. N. 334 Die für Klausuren, Laborarbeiten und Übungen erforderlichen Präsenzphasen nehmen derzeit durchschnittlich 20% des zur Durchführung eines Online-Studienangebotes benötigten Zeitaufwandes ein, BLK/Bundesanstalt für Arbeit, Studien- und Berufswahl, S. 70; zur „Präsenz“ virtueller Lehrräume auch Lehner, Virtualisierung an Hochschulen, S. 60. Vgl. ferner die Empfehlungen des Wissenschaftsrates, Hochschulentwicklung, S. 70 ff., die allein die Integration virtueller Lehreinheiten in das Hochschulstudium vorsehen, nicht dessen vollständige Ersetzung. 335 Eine Übersicht über die virtuellen Lehrangebote deutscher Hochschulen im Studienjahr 2003/2004 findet sich im Studienführer der BLK/Bundesanstalt für Arbeit, Studien- und Berufswahl. 336 Hierzu Lehner, Virtualisierung an Hochschulen, S. 60.
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heiten. Sie ist damit in vergleichbarer Weise wie herkömmliche Lehre und Lehreinrichtungen abhängig von insbesondere finanziellen Mitteln. b) Die Finanzierungsoptionen zweckfreier und zweckgebundener wissenschaftlicher Lehre Die Ressourcenabhängigkeit einer grundrechtlich geschützten Tätigkeit allein vermag eine staatliche Einstandspflicht freilich nicht zu begründen. Der Staat muss zudem der einzig denkbare Financier sein – sei es, weil allein er über die erforderlichen Mittel verfügt; sei es, weil niemand anderes willens ist, sie für die Lehre aufzubringen. Die Finanzierung von Lehreinrichtungen inklusive ihrer Ausstattung mit Bibliotheken und den für schriftliche wie mündliche Lehre erforderlichen (sachlichen und ggf. personellen) Hilfsmitteln durch die Grundrechtsträger selbst ist praktisch ausgeschlossen. Grundsätzlich möglich scheint aber eine Finanzierung durch gesellschaftliche Kräfte, etwa durch Unternehmen der privaten Wirtschaft oder durch die Lernenden selbst, beispielsweise mittels Studiengebühren337.338 Insoweit ist zwischen der ausbildenden und der nicht berufsorientierten, bildenden wissenschaftlichen Lehre zu differenzieren, wobei die Zuordnung der wissenschaftlichen Disziplinen zu diesen beiden Lehrtypen nicht konstant ist. Vielmehr kann, was heute als höchst ausbildungsrelevant verstanden wird, schon morgen als von bestenfalls allgemeinbildendem Interesse bewertet werden. Mit der Aufnahme der Lehrfreiheit hat sich die Verfassung für die Existenz sowohl einer allgemeinbildenden, von der Verwertbarkeit wissenschaftlichen Wissens völlig unbeeinflussten, als auch einer Lehre entschieden, die primär die berufliche Zukunft der Lernenden in den Blick nimmt. Beide Lehrtypen dienen der Verwirklichung unterschiedlicher telæ der Lehrfreiheit: Während die ausbildende Lehre in erster Linie die Berufsvorbereitungsfunktion erfüllt, steht die bildende Lehre vor allem im Dienste des kulturstaatlichen telos.339 Beide Lehrtypen werden daher nicht nur alternativ, sondern kumulativ durch die Lehrfreiheit garantiert. 337 Das Grundgesetz steht Studiengebühren nicht grundsätzlich entgegen, vgl. BVerwG NJW 1997, S. 2465, 2466 (Vereinbarkeit einer Gebührenpflicht für Langzeitstudierende mit Art. 12 Abs. 1 GG); BVerwG, NVwZ 2002, S. 206, 207 (Art. 12 Abs. 1 GG gewährt keinen Anspruch auf die kostenlose Bereitstellung eines umfassend ausgestatteten Studienplatzes); VGH Mannheim, NVwZ-RR 2004, S. 660 (Hochschule ist mit Blick auf Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG nur zur Gewährleistung der für ein ordnungsgemäßes Studium erforderlichen personellen und sachlichen Mindestausstattung eines Studiengangs verpflichtete). 338 Vgl. zu den Finanzierungsoptionen privater Lehreinrichtungen auch Neuhoff, Aufwendungen, S. 717 ff.; Spiegel, Privathochschulen, S. 38 ff., und Thieme, Privathochschulen, S. 46 ff. 339 Vgl. zu diesen Funktionen der Lehrfreiheit oben § 3 IV. 2., 4.
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Mit der thematisch externen Orientierung der ausbildenden wissenschaftlichen Lehre nun ist die Möglichkeit finanzieller und organisatorischer Unterstützung durch die Wirtschaft wie auch durch die Lernenden verbunden. Beide haben ein originäres Interesse an der Berufsvorbereitung durch Vermittlung wissenschaftlichen Wissens, so dass sie im Falle eines Rückzugs des Staates aus der Finanzierung von Lehreinrichtungen oder -publikationen voraussichtlich an dessen Stelle treten würden.340 Die Lehre der Betriebswirtschaft und speziell der Unternehmensführung etwa wird heute trotz des bestehenden, für die Wirtschaft kostenneutralen Ausbildungsangebots an staatlichen Hochschulen vielfach durch Privatunternehmen gefördert und von Lernenden über Studiengebühren unterstützt.341 Demgegenüber wird es einer Lehre, die keine erkennbare Relevanz für das Berufsleben zeigt und von Wirtschaft und Lernenden als den potentiellen Trägern an Staates statt als nicht unmittelbar ausbildungsrelevant qualifiziert wird, in der Regel nicht oder kaum gelingen, ihren materiellen Bedarf ohne staatliche Hilfe zu decken.342 Wirtschaftsunternehmen werden Bildungseinrichtungen sowie schriftliche Lehrbeiträge in Entstehung und Publikation fördern, solange diese in für das Unternehmen relevanten Bereichen ausbilden.343 Studierende 340 Hierauf weist zum eine das Engagement der Wirtschaft im Rahmen sog. Public Private Partnerships (PPP) in der Hochschullehre hin, die praktisch ausschließlich für berufsorientierte Studiengänge organisiert wurden, vgl. hierzu die Dokumentation von Konegen-Grenier/Winde, Public Private Partnership in der Hochschullehre, S. 13 ff. Aufschlussreich ist ferner die im Vergleich zur Anzahl privater Universitäten große Zahl von Fachhochschulen in privater Trägerschaft, die sich auf die wissenschaftliche Berufsvorbereitung konzentrieren und an denen ganz überwiegend ausbildend gelehrt wird, vgl. hierzu die Übersichten von Barthold, Privat studieren, S. 141 ff., 275 ff., oder Göpfrath/Zinkhahn, Private Hochschulen, S. 66 ff., sowie Heckel, Hochschulfreiheit, S. 510; Lorenz, Privathochschulen, S. 1160 mit Fn. 14. 341 Besondere Bekanntheit haben insoweit die vollständig privat finanzierte Wissenschaftliche Hochschule für Unternehmensführung (WHU), die anteilig öffentlich geförderte Universität Witten-Herdecke und die European Business School Oestrich-Winkel erlangt. Zu den weiteren ganz oder anteilig privat finanzierten (Fach-)Hochschulen mit wirtschaftsorientierten Studiengängen vgl. etwa Konegen-Grenier, Innovative Studiengänge, oder Göpfrath/Zinkhahn, Private Hochschulen, S. 217 f. 342 Davon geht auch Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 37, aus. Theoretisch denkbar ist eine Finanzierung durch private Mäzene. Angesichts der in Deutschland nur wenig ausgebildeten Tradition eines privaten Mäzenatentums ist diese Finanzierungsform in der Praxis aber kaum wahrscheinlich, so dass sie bei der Frage nach einer konkreten strukturellen Abhängigkeit außer Betracht bleiben kann, ebenso für die Forschungsförderung Trute, Institutionalisierung, S. 422. Sollten sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen insoweit wesentlich ändern, würde aus der staatlichen Leistungspflicht zugunsten bildender Lehre vermutlich eine Schutzpflicht zugunsten der Freiheit bildender Lehrveranstaltungen entsprechend der heute latent für die ausbildende Lehre bestehenden, hierzu ausführlich § 9 III. 5. 343 Vgl. etwa die Motive, die Unternehmen für ihre Beteiligung an PPP in der Hochschullehre nennen, dokumentiert bei Konegen-Grenier/Winde, Public Private Partnership in der Hochschullehre, S. 8, 19 f., 26 f. und passim.
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werden einer Hochschule Studiengebühren zahlen, wenn diese sie auf ihre Zukunft – und das heißt in aller Regel: ihre berufliche Zukunft – vorbereitet.344 Das der deutschen Hochschullandschaft zu entnehmende Anschauungsmaterial ist dabei insofern begrenzt, als die überwiegende der ohnehin geringen Zahl privater Hochschulen345 zum Teil erheblich staatlich subventioniert wird346. Das Regime staatlicher Anerkennung hat zudem zur Folge, dass auch private Hochschulen nicht gänzlich in die Freiheit entlassen werden, sehen sie sich doch mit dem (rechtlichen oder faktischen)347 Erfordernis staatlicher Genehmigung bzw. 344 An dieser Stelle zeigt sich, dass eine trennscharfe Unterscheidung zwischen Leistungs- und Schutzpflicht nicht möglich ist. Denn die Begrenzung der Finanzierung auf einige wenige Fächer könnte auch als thematische Einflussnahme von Seiten der privaten Financiers interpretiert werden, die der Staat zu verhindern verpflichtet ist. Sie wird hier dennoch als Ausgangspunkt einer Leistungspflicht verstanden, da die Finanzierungsentscheidung jeder Lehrtätigkeit vorausgeht und der Begriff der Schutzpflichten im Rahmen dieser Untersuchung der Gewährleistung der Freiheit von im Grundsatz möglichen Grundrechtsbetätigungen vorbehalten bleibt, s. o. § 9 II. 2. a). Thematische Einflussnahme wird hier erst dann als mögliche Ursache einer staatlichen Schutzpflicht untersucht, wenn sie Lehre betrifft, deren Organisation und Finanzierung grundsätzlich gesichert ist. Diese Differenzierung hat dabei in erster Linie strukturierende Funktion, eine andere Zuordnung scheint denkbar, ohne dass daraus ein materiell abweichendes Ergebnis folgen würde. 345 Im Studienjahr 2003/2004 befanden sich 95 von 365 Hochschulen in Deutschland in nichtstaatlicher Trägerschaft, http://www.bmbf.de/de/655.php (Stand: 24.05. 2005). An diesen studierten jedoch lediglich 45.690 der insgesamt knapp 2 Million Studenten, HRK-Hochschulkompass, http://81.169.236/kompass/xml/index_hochschule. htm (Stand: 24.05.2005). Die Angaben über die Anzahl der privaten Hochschulen und der an ihnen eingeschriebenen Studenten variieren. Die im vorliegenden Zusammenhang allein interessierenden Größenordnungen ändern sich dabei jedoch nicht, so dass die Schwankungen hier vernachlässigt werden können. Steinkemper, Privathochschule, S. 91, will gleichwohl – in Anlehnung an das duale Rundfunksystem mit öffentlichrechtlichen und privaten Anbietern – die Entwicklung eines „dualen Hochschulsystems“ beobachten; zurückhaltender Kämmerer, Regulierung, S. 123, der von einem „hinkenden dualen System“ spricht. 346 Vgl. hierzu die Angaben bei Turner, Vorstellung und Wirklichkeit, S. 243, und Nagel/Jaich, Bildungsfinanzierung, S. 152, sowie die Erläuterungen zu ihrer Finanzierung auf den Internetseiten der Privathochschulen. 347 Genehmigungsvorbehalte für den Betrieb privater Hochschulen sehen bspw. Art. 108 Abs. 1 BayHG; § 101 Abs. 1 HessHG; § 117 Abs. 1 HG Rh.-Pf., und § 106 Abs. 1 HG Schl.-H. vor; krit. zu ihrer Verfassungsmäßigkeit Steinkemper, Privathochschulen, S. 145 ff.; Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 248; i. Ü. ist die Errichtung einer Lehreinrichtung rechtlich nicht von der staatlichen Anerkennung abhängig. § 70 Abs. 3 HRG monopolisiert die Verleihung akademischer Grade bei den staatlichen Hochschulen, erst mit der staatlichen Anerkennung werden private Hochschulen in das Prüfungs- und Berechtigungswesen einbezogen, vgl. hierzu Lorenz, Privathochschulen, S. 1166 ff.; ders., in: H/G, HRG, § 70 Rn. 49 ff. Die Anerkennung wird damit zur faktischen Voraussetzung des Betriebs einer privaten Lehreinrichtung, ebenso Steinkemper, a. a. O., S. 124 f.; a. A. Fehling, ebd., der bei seiner Bewertung, es stehe im Belieben des privaten Trägers, ob er eine Anerkennung beantragt oder darauf verzichtet, den aus der Wettbewerbssituation zwischen den privaten Bildungsanbietern resultierenden rein tatsächlichen Druck aber offenbar außer Betracht lässt.
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Anerkennung konfrontiert. Wenn § 70 Abs. 1 HRG bzw. die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften348 auch kaum geeignet scheinen, die Koexistenz von bildender und ausbildender Lehre an privaten Hochschulen zu gewährleisten,349 so tragen sie doch jedenfalls zum Erhalt der Pluralität des Lehrangebots bei.350 Umso größeres Gewicht darf dann jedoch der Beobachtung beigemessen werden, dass private Investoren sowie zahlungsbereite Studierende auch innerhalb eines so abgesteckten Rahmens überwiegend für die finanzielle Förderung von betriebswirtschaftlichen und technischen, also unmittelbar für die unternehmerische Zukunft relevanten Studiengängen zu gewinnen sind.351 Wenn die Kosten bildender schriftlicher Lehre heute teilweise über den Verkauf von Lehrbüchern und -zeitschriften amortisiert werden können, so führt dies zu keiner anderen grundsätzlichen Bewertung ihrer Optionen staatsunabhängiger Finanzierung. Denn zum einen beschränkt sich der Ressourcenbedarf schriftlicher Lehre nicht auf die Druck- und Verlagskosten. Daneben sind die finanzielle Absicherung der Lehrenden und eine Ausstattung mit Sach- und ggf. Personalmitteln – wissenschaftlicher Literatur, Arbeitsutensilien und ggf. Mitarbeitern – während der Arbeit an einem Lehrbeitrag erforderlich. Zum anderen ist der Verkauf der Lehrbücher regelmäßig Konsequenz der Integration allgemeinbildender Lehrinhalte in Studium und Prüfung. Studenten und private Lehr-
348 § 70 LHG BW; Art. 108 Abs. 2 BayHG; § 123 Abs. 1 BerlHG; § 78 Abs. 2 BbgHG; § 112 Abs. 1 BremHG; § 114 HmbHG; §§ 101 f. HessHG; § 108 Abs. 1 LHG M-V; § 64 Abs. 1 NdsHG; § 113 HG NW; § 117 Abs. 1 HG Rh.-Pf.; § 80 UG Saarl.; § 121 Abs. 1 SächsHG; § 105 Abs. 1 HG LSA; § 106 Abs. 2 HG Schl.-H.; § 113 Abs. 1 ThürHG. 349 Dies gilt insbes. angesichts der Einschränkungen des § 70 Abs. 1 Nr. 2 HS 2 HRG, der das Erfordernis der Koexistenz mehrer Studiengänge auf die Fälle begrenzt, in denen die Pluralität aus fachlicher Sicht notwendig ist (vgl. hierzu Thieme, Privathochschulen, S. 25; Reich, HRG, § 70 Rn. 3a), und zudem Studiengänge ausnimmt, die auf ein eingeschränktes berufliches Tätigkeitsfeld vorbereiten. Der Wunsch von Wissenschaft und Praxis nach einer weiteren Verwendungsmöglichkeit soll insoweit unmaßgeblich sein, Reich, ebd. 350 Vgl. zur Pflicht des Staates, die Wissenschaftsfreiheit an privaten Hochschulen zu gewährleisten, als Konsequenz ihrer staatlichen Anerkennung unten Fn. 405, S. 288. 351 Die faktische Begrenzung des Studienangebots an den bestehenden privaten Hochschulen bestätigen die Analysen von Turner, Vorstellung und Wirklichkeit, S. 237, und Steinkemper, Privathochschulen, S. 13; vgl. ferner oben Fn. 341, S. 268, sowie bspw. das (im Wesentlichen auf technische und wirtschaftswissenschaftliche sowie für die Informationstechnologie relevante Fächer begrenzte) Angebot des Stuttgart Institute of Management and Technology, der International University Bruchsal oder der erst im Jahr 2003 gegründeten Zeppelin Universität, das die Universitäten jeweils auf ihren Internetseiten vorstellen. Die private International University Bremen bietet zwar ein breites Studienangebot, das neben den Naturwissenschaften und Mathematik auch die Geistes- und Sozialwissenschaften umfasst. Doch wird sie dabei auch mit ca. 115 Millionen EUR durch das Land Bremen „unterstützt“, weshalb die Bezeichnung als „Privatuniversität“ bereits als „Etikettenschwindel“ (Turner, a. a. O., S. 243) gebrandmarkt wurde.
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einrichtungen352 werden ihre Literatur zu einem großen Teil in Anlehnung an Studien- und Prüfungsinhalte auswählen. Eine private Teilfinanzierung schriftlicher bildender Lehre ist mithin abhängig davon, dass an den Hochschulen mündliche bildende Lehre stattfindet. Da diese jedoch ihrerseits kaum private Träger finden wird, ist mittelbar auch die private Mitfinanzierung schriftlicher Lehre von der staatlichen Förderung bildender Lehreinrichtungen abhängig. Dass sich Lernende derzeit in großer Zahl auch dem Studium von nicht, jedenfalls nicht unmittelbar auf berufliche Tätigkeiten vorbereitenden Disziplinen widmen und im Anschluss auch regelmäßig eine Anstellung, nicht selten in der privaten Wirtschaft finden, zwingt ebenfalls nicht zu einer Korrektur der Analyse. Denn aus Sicht eines Unternehmens muss es einen wesentlichen Unterschied machen, ob die fehlende Berufsorientierung der Kenntnisse eines neuen Mitarbeiters lediglich in Kauf genommen und durch eine zusätzlich Einführung in die für seine Tätigkeit im Unternehmen relevanten Zusammenhänge ausgeglichen wird oder ob das Unternehmen selbst für Bildung aufkommen soll, die aus wirtschaftlicher Perspektive kaum von Bedeutung ist. Die Kostenrelevanz und die Möglichkeit, die Lehre thematisch unmittelbar mitzugestalten, beeinflussen die Entscheidungsgrundlage maßgeblich. Für die Studierenden gilt im Prinzip Vergleichbares. Die Hürde, ein Studium zu wählen, das (scheinbar) keine oder relativ wenige Qualifikationen vermittelt, die für die berufliche Karriere von (unmittelbarer) Bedeutung sind, wird wesentlich höher liegen, wenn das Studium mit einer erheblichen finanziellen Belastung verbunden ist.353 Sollte sich die Privatwirtschaft zunehmend in Organisation und Finanzierung von Lehreinrichtungen engagieren, so würden Unternehmen überdies vermutlich in erster Linie Absolventen „ihrer“ Hochschulen einstellen, so dass Studenten einer über Studiengebühren finanzierten Lehreinrichtung, an der „nur“ Fächer mit geringer wirtschaftlicher Relevanz gelehrt werden, deutlich schlechtere Berufschancen hätten. Da der überwiegende Teil der Studenten heute jedoch (zumindest auch) eine Hochschulausbildung wählt, um die beruflichen Perspektiven zu verbessern,354 steht kaum zu erwarten, dass 352 Die Bibliotheken der bestehenden privaten Hochschulen können insoweit nicht als Bestätigung oder Widerlegung dieser Annahme dienen, da hiermit in der Regel auch der Bedarf der an der Hochschule tätigen Forscher gedeckt werden soll und ihr Bestand daher nicht die Auswahl spiegelt, die durch die Entscheidung, ausbildende wissenschaftliche Lehre zu ermöglichen, motiviert wird. 353 Soll eine Lehreinrichtung allein über Studiengebühren finanziert werden, so würde diese Belastung eine erhebliche sein. In Deutschland wird ein Studienplatz an einer öffentlichen Hochschule jährlich im Schnitt mit ca. 5.500 bis 7.000 EUR subventioniert, wobei die Schwankungen zwischen den einzelnen Studiengängen beträchtlich sind (von ca. 1.800 EUR in der Germanistik bis zu knapp 10.000 EUR in der Humanmedizin), Nagel/Jaich, Bildungsfinanzierung, S. 153. Die privaten Hochschulen erheben heute Studiengebühren zwischen ca. 3.000 und 10.000 EUR pro Jahr, decken damit aber nur 6 bis 20% ihrer Haushalte, vgl. Steinkemper, Privathochschulen, S. 135 mit Fn. 415, sowie die Angaben auf den Internetseiten der Hochschulen.
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sich in diesem Fall noch die für eine Finanzierung allgemeinbildender Lehreinrichtungen erforderliche Anzahl der Lernenden für ein entsprechendes Studium entscheiden würde. Mit dem Rückzug des Staates aus der Finanzierung bildender Lehre schwindet im Ergebnis also zugleich die Möglichkeit ihrer Finanzierung über Studiengebühren. Wenn die Lehre als Lebenssachverhalt nun aber primär zugunsten der Lernenden vom Staat zu gewährleisten ist, so könnte man einwenden, dann muss sich aus ihrem Desinteresse an allgemeinbildender Lehre doch die Möglichkeit eines Verzichts auf die Gewährleistung dieses Lehrtypus ergeben. Dem kann aus zwei Gründen nicht zugestimmt werden: Zum einen wird die Möglichkeit bildender Lehre durch die Lehrfreiheit nicht ausschließlich zugunsten der Studierenden garantiert, sondern zugleich im allgemeinen gesellschaftlichen Interesse.355 Zum anderen wäre das erwartete Desinteresse der Studenten voraussichtlich nur zu einem geringen Teil intrinsisch motiviert, überwiegend hingegen unfreiwillige Konsequenz der Veränderungen in der Hochschullandschaft, die ein vollständiger Rückzug des Staates aus der Finanzierung veranlassen würde. c) Die staatliche Pflicht zur Förderung mündlicher und schriftlicher bildender Lehre Im Ergebnis verpflichtet die Lehrfreiheit den Staat also, Lehreinrichtungen einschließlich der für schriftliche und mündliche Lehre erforderlichen sachlichen und personellen Mittel bereitzustellen und sie so auszugestalten, dass Lehrende an ihnen in Freiheit356 zweckfrei, also ohne Rücksicht auf die berufliche Perspektive der Studierenden bildend wissenschaftliche Inhalte lehren können.357 Da die Leistungspflicht jedoch nicht zugunsten der Lehrenden besteht, sondern aus ihrer Wirkung als fremdnützige Sachbereichsgarantie folgt, hat der 354
S. o. § 3 IV. 2. Vgl. insbes. § 3 IV. 3., 4., aber auch § 3 IV. 2. 356 Freie Lehre i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG zeichnet sich dabei dadurch aus, dass die Entscheidung über Gegenstand, Inhalt und Methode in den Händen des Lehrenden liegt, s. o. § 8 II. Maßgeblich ist, wer faktisch die Entscheidungskompetenz besitzt. Nicht erheblich ist für den Bestand freier Lehre als Sachbereich hingegen, ob alle wissenschaftlichen Inhalte umfassend und ausgewogen vermittelt werden, vgl. hierzu auch oben § 9 III. 2. c). 357 Indem die vorliegende Arbeit als Konsequenz der Sachbereichsgarantie nur die staatliche Pflicht benennt, die Möglichkeit bildender Lehre zu gewährleisten, unterstellt sie, dass es Lehrende geben wird, die diese Möglichkeit nutzen – eine Annahme, auf der i. Ü. auch das Hochschulurteil des BVerfG aufbaut, wenn es die Bereitstellung von Mitteln für die wissenschaftliche Arbeit als Einstehen für die Wissenschaft begreift, vgl. BVerfGE 35, 79, 114 f. Die Frage nach Erforderlichkeit und Zulässigkeit staatlicher Aktivität in dem Fall, in dem sich diese Hypothese als unzutreffend erweist, muss einer anderen Untersuchung überlassen bleiben. 355
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Staat358 nicht jedem einzelnen Lehrenden die Möglichkeit zu erhalten oder zu schaffen, an bildender Lehre zu partizipieren. Er ist lediglich verpflichtet, die substantielle Kontinuität zweckfreier Lehre als Lebenssachverhalt zu gewährleisten. Die Lehrfreiheit normiert dabei nur eine untere Grenze staatlicher Aktivität, definiert als Sachbereichsgarantie mithin nur ein „Untermaßverbot“359. Diese Begrenzung ist Konsequenz des Spannungsfeldes, das zwischen der dogmatischen Konkretisierung der Grundrechte und der Anerkennung parlamentarischer Gestaltungsspielräume besteht. Selbstverständlich steht es dem Staat frei, über die grundrechtliche Minimalgewährleistung hinausgehend Lehreinrichtungen zu unterhalten, die sich der zweckfreien wissenschaftlichen Lehre widmen. Insoweit besitzt er die im Bereich der Förderung grundsätzlich bestehende Befugnis zu wertenden, auswählenden oder prioritätsetzenden Entscheidungen,360 soweit sich für die beschlossenen Prioritäten sachlich vernünftige Gründe anführen lassen und Themen, Inhalte sowie Methoden der Lehre durch die staatliche Unterstützung nicht beeinflusst werden361. 358 Die Lehrfreiheit gibt nicht vor, welches staatliche Organ zur Erfüllung der Leistungsverpflichtung berufen ist. Hierüber entscheidet die allgemeine staatliche Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung. Vgl. allgemein zur Bestimmung des durch ein Grundrecht zur Leistung Verpflichteten Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/1, § 67 II 3 a b, S. 712. 359 Vgl. zum Untermaßverbot, das als Korrelat des Übermaßverbotes für die Schutzpflichtendimension der Grundrechte entwickelt wurde, Isensee, Schutzpflicht, Rn. 165, dem das BVerfG den Begriff zurechnet, BVerfGE 88, 203, 254; ebenso könnten wohl Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 228, und Götz, Innere Sicherheit, Rn. 31, als seine Väter benannt werden. Eingehend zu Gehalt und Struktur des Untermaßverbotes ferner z. B. Scherzberg, „Eingriffsintensität“, S. 208 ff.; Borowski, Prinzipien, S. 119 ff., 151 ff., und jüngst krit. Gellermann, Grundrechte, S. 342 ff. Seine eigenständige Bedeutung neben dem Übermaßverbot bestreiten bspw. Stern, Staatsrecht Bd. III/2, § 84 III 10, S. 813 f.; Starck, Verfassungsauslegung, S. 81 ff.; Hain, Übermaßund Untermaßverbot, S. 983; Holoubek, Gewährleistungspflichten, S. 277 f.; hiergegen mit gewichtigen Argumenten Dietlein, Untermaßverbot, S. 134 ff. – In der vorliegenden Arbeit soll der Begriff „Untermaßverbot“ unabhängig von der Eigenständigkeit der Rechtsfigur Verwendung finden, da er das durch ein Grundrecht gebotene Mindestmaß staatlichen Handelns sprachlich anschaulich erfasst. 360 Bei Förderentscheidungen verfügt der Staat über einen wesentlich weiteren Gestaltungsspielraum als bei freiheitsbeschränkenden Ge- und Verboten, vgl. allgemein etwa Lerche, Grundrechtsprägung, Rn. 21, und speziell zu Art. 5 Abs. 3 GG bspw. Schmitt Glaeser, Freiheit der Forschung, S. 122 f.; Scholz, in: M/D, Art. 5 Abs. III Rn. 117, 194; Hailbronner, Forschungsreglementierung, S. 234 f.; Oppermann, Freiheit, Rn. 16; Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 26; Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 45. 361 So für die Forschungsförderung bspw. Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 45, der in Anlehnung an die zu Art. 5 Abs. 2 GG entwikkelte Sonderrechtslehre von einem „Gebot meinungsneutraler Wissenschaftspflege“ spricht; ähnlich Hailbronner, Forschungsreglementierung, S. 235, und Schmitt Glaeser, Freiheit der Forschung, S. 122 f.: „Nicht der wissenschaftliche Wert einer [. . .] Forschungstätigkeit wird von Staats wegen festgestellt, sondern es wird darüber entschieden, was eine [. . .] wissenschaftliche Forschungstätigkeit [. . .] der Gemeinschaft wert ist.“
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2. Teil: Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
Der Umfang der staatlichen Minimalgewährleistungspflicht362 ist aufgrund des Schutzzwecks der Sachbereichsgarantie einerseits mit Blick auf die gesellschaftlichen Bedürfnisse, insbesondere die Interessen der Lernenden, und andererseits in Relation zum Gesamtlehrangebot zu konkretisieren. In dieser letzteren Hinsicht scheint angesichts der von der bildenden Lehre zu erfüllenden Funktionen – vor allem des kulturstaatlichen telos und der Bildungsaufgabe zugunsten der Lernenden – eine quantitative Gleichgewichtigkeit mit der zweckgebundenen Lehre, der wie der Ausbildungsfunktion heute besonderes Gewicht zukommt, nicht erforderlich. Eine völlig untergeordnete Bedeutung bildender Lehre würde der Sachbereichsgarantie andererseits nicht gerecht. Über diese groben Skizzierungen hinausgehende Hinweise auf den Umfang der Leistungspflicht sind der Lehrfreiheit mit den Mitteln der Grundrechtsinterpretation jedoch nicht zu entnehmen. Angesichts des oben363 beschriebenen Bemühens um einen grundrechtsspezifischen Ausgleich zwischen der gesetzgeberischen Freiheit und ihrer grundrechtlichen Einbindung, zwischen den gestalterischen Potentialen und Grenzen der Verfassungsauslegung, das bereits die Begrenzung der Gewährleistungspflicht auf das erforderliche Minimum zur Folge hatte, muss der verbleibende Spielraum als staatliche Einschätzungsprärogative verstanden werden. Sie kann lediglich daraufhin überprüft werden, ob der Staat in der genannten Richtung gehandelt, seiner Beurteilung keine unzutreffenden Tatsachen oder grobe Fehleinschätzungen zugrunde gelegt und nicht nur völlig unzureichende Maßnahmen ergriffen hat.364 362 Ob und inwieweit es sich bei dieser Minimalgewährleistungspflicht zugleich um die grundrechtsspezifische Konkretisierung der Wesensgehaltsgarantie handelt, die grds. nicht nur die subjektiv-abwehrrechtliche Dimension betreffen kann, sondern auch die objektiven Gehalte eines Grundrechts, kann angesichts der vielen ungeklärten und insoweit relevanten Fragen bzgl. der Auslegung des Art. 19 Abs. 2 GG im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht untersucht werden, vgl. zur Einführung in die Fragestellung Huber, in: v. M/K/S, GG, Art. 19 Abs. 2 Rn. 132 ff.; Krebs, in: v. M/K, Art. 19 Rn. 19, 26, und Dreier, in: ders., GG, Art. 19 II Rn. 15, jeweils m. w. N.; siehe ferner etwa Lerche, Übermaß, S. 240 ff.; Erichsen, Freiheitsstrafe, S. 1724; Häberle, Wesensgehaltgarantie, 1983, S. 122 ff. 363 § 9 III. g). 364 Die der Lehrfreiheit zu entnehmende Leistungsverpflichtung erschöpft sich mithin weder in der verbindlichen Aufforderung, überhaupt tätig zu werden, noch gibt sie das gebotene Leistungsniveau präzise vor. Die Typologie von Bumke, Grundrechtsvorbehalt, S. 70 ff., aufgreifend kann sie also weder als „Förder-“ noch als „Realisierungspflicht“ bezeichnet werden; a. A. für die Wissenschaftsfreiheit etwa Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Ab. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 40: objektiv-rechtliche Förderungspflicht allein dem Grunde nach; ähnlich Meusel, Außeruniversitäre Forschung, Rn. 159 f. – Mit Recht wird man gegenüber dem bezeichneten Kontrollmaßstab einwenden, mit einer derart flexiblen Formel sei für die Abgrenzung der Kompetenzen von (Bundesverfassungs-)Gericht und Gesetzgeber nur wenig gewonnen. Aber wenngleich – und gerade weil – die Grundrechtsdogmatik ihre Auswirkungen auf dieses Verhältnis zu bedenken und in den Prozess der Verfassungskonkretisierung einzustellen hat, kann sie eine Grenze eben nur präzise ziehen, soweit dem Grundrecht die
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Bezüglich der ausbildenden Lehre trifft den Staat keine Leistungspflicht, wenngleich seine Gewährleistungsverantwortung auch insoweit latent fortbesteht. Denn die ausbildende Lehre verfügt über private Finanzierungsoptionen, die den Bestand des Sachbereichs garantieren. Die staatliche Verantwortung wird erst in dem Moment zur Leistungspflicht aktualisiert, in dem sich die dieser Untersuchung zugrunde gelegten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in einer Weise verändern, die eine private Finanzierung und Organisation von der ausbildenden Lehre verpflichteten Lehreinrichtungen ihrer externen Orientierung zum Trotz praktisch ausschließt. Hiervon unabhängig und unbeeinflusst ist der Staat selbstverständlich befugt, wie derzeit in großem Umfang Einrichtungen ausbildender wissenschaftlicher Lehre zu unterhalten. Die dergestalt definierte Pflicht des Staates wird durch seine anderweit begründete Verpflichtung zur Unterhaltung eines leistungsfähigen Schulsystems365 weder obsolet noch in Bedeutung oder Umfang geschmälert. Denn die Erfüllung einer Art. 7 Abs. 1 GG zu entnehmenden Verpflichtung hat keine Auswirkungen auf die Möglichkeiten freier allgemeinbildender wissenschaftlicher Lehre. Zwar ist der Schutzbereich des eigenständigen Grundrechts der Lehrfreiheit nicht auf die Lehre an bestimmten Institutionen beschränkt, setzt zudem keine personelle oder institutionelle Verknüpfung von Forschung und Lehre voraus und erfasst damit grundsätzlich auch die Lehrer an allgemeinbildenden Schulen.366 Doch gilt Art. 7 Abs. 1 GG insoweit als lex specialis,367 so dass die Pflicht zur Unterhaltung eines Schulwesens nicht zugleich eine Pflicht zur Schaffung der materiellen Voraussetzungen bildender wissenschaftlicher Lehre i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG ist. d) Keine Resubjektivierung der Leistungspflicht Das Bundesverfassungsgericht hat der Wissenschaftsfreiheitsgarantie nicht nur eine staatliche Leistungspflicht, sondern zu deren Durchsetzung auch einen originären Leistungsanspruch der Grundrechtsträger entnommen: „Dem einzelnen Träger des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 3 GG erwächst aus der Wertentscheidung ein Recht auf solche staatlichen Maßnahmen [. . .], die zum Schutze hierzu erforderlichen exakten Angaben zu entnehmen sind. Im Übrigen bleibt die Abgrenzung anderen Instanzen i. w. S. vorbehalten. Vgl. zu möglichen Ansätzen der Kompetenzabgrenzung die Nw. oben in Fn. 121, S. 210. 365 Hierzu eingehend Oppermann, Schulwesen, S. 21 ff., der aus dem Sozialstaatsprinzip i. V. m. Art. 7 Abs. 1 GG die staatliche Pflicht zur Erhaltung des „Minimumstandards“ eines leistungsfähigen Schulsystems ableitet; ebenso Glotz/Faber, Bildungswesen, Rn. 13; vgl. ferner Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 7 Abs. 1 Rn. 60; weitergehend Bothe, Erziehungsauftrag, S. 17 f. m. w. N.: Gewährleistung eines „öffentlichen“ Schulsystems. 366 Vgl. § 6, § 7 IV. 367 S. o. § 7 IV.
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seines grundrechtlich gesicherten Freiheitsraums unerlässlich sind, weil sie ihm freie wissenschaftliche Betätigung überhaupt erst ermöglichen. [. . .] Diese Befugnis des einzelnen Grundrechtsträgers, gegenüber der öffentlichen Gewalt die Beachtung der wertentscheidenden Grundsatznorm durchsetzen zu können, gehört zum Inhalt des Individualgrundrechts, dessen Wirkungskraft dadurch verstärkt wird.“368 Die Annahme eines so weitgehenden Anspruchs auf staatliche Leistungen, noch dazu ohne großen Begründungsaufwand, ist ohne Beispiel und bis heute in der in dieser Hinsicht im Ganzen uneinheitlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch ohne Nachfolge geblieben.369 In der Literatur ist sie auf weitgehende Ablehnung gestoßen.370 Ob der aus dem eigenständigen Grundrecht der Lehrfreiheit folgenden objektiven staatlichen Leistungspflicht Ansprüche der Grundrechtsträger oder Drittbegünstigter korrespondieren, ist nach Maßgabe der allgemein das Verhältnis von (subjektiven) Rechten und (objektiven) Pflichten bestimmenden Schutznormtheorie371 zu beurteilen.372 Auch die Verstärkung der Durchsetzungsfähigkeit 368 BVerfGE 35, 79, 115 f. Ebenso BVerfGE 85, 360, 384; 88, 129, 137; BVerfG, DVBl. 2003, S. 323, 324, und zuletzt BVerfG, DVBl. 2005, S. 109, 110 f. Menger, Hochschulorganisation, S. 79, sieht darin lediglich die Anerkennung eines derivativen Teilhaberechts; wie hier die überwiegende Lit., vgl. etwa Schlink, Wissenschaftsfreiheit, S. 545; Oppermann, Praktische Konsequenzen, S. 435; Sendler, Teilhaberechte, S. 587; Trute, Institutionalisierung, S. 416. 369 In BVerfGE 1, 97, 104 ff.; 33, 303, 330 ff.; 40, 121, 133 f., anerkennt das Gericht zwar die staatliche Leistungspflicht, einen subjektiven Leistungsanspruch leitet es hieraus jedoch nur für den Fall der willkürlichen bzw. evidenten Verletzung ab; auch Art. 12 Abs. 1 GG wurde ein Teilhaberecht nur für bestehende staatliche Ausbildungsleistungen entnommen. A. A. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 398, der in BVerfGE 1, 97, 104 ff.; 40, 121, 133 f., die Anerkennung eines Grundrechts auf ein Existenzminimum sieht; wie hier Müller/Pieroth/Fohmann, Leistungsrechte, S. 36. BVerfGE 75, 40, 56 ff., lässt die Frage der Subjektivierung einer staatlichen Förderpflicht zugunsten privater Ersatzschulen offen; zu möglichen Schlussfolgerungen auf der Basis der Urteilsbegründung Hund, Schutzpflichten, S. 1455 f. Vgl. zu Leistungsrechten in der bundesgerichtlichen Rspr. ferner etwa Sendler, Teilhaberechte, S. 581 ff.; Müller/Pieroth/Fohmann, a. a. O., S. 34 ff.; Stern, Staatsrecht Bd. III/1, § 69 VI 3, S. 980 ff.; Alexy, a. a. O., S. 397 ff. 370 Siehe nur Schmitt Glaeser, Forschungsfreiheit, S. 190 ff.; Losch, Wissenschaftsschranken, S. 140; Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 272 ff.; Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, S. 382 f.; wohl auch Dickert, Forschungsfreiheit, S. 152 ff. Vgl. ferner Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 127 f., der einen Anspruch auf Mindestausstattung nur als Folge der staatlichen Übertragung einer Forschungsoder Lehrfunktion anerkennt; Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 6, 116, begründet ein Teilhaberecht desjenigen Wissenschaftlers, der „organisiertes Mitglied“ der Universität ist, demgegenüber institutionsrechtlich; für ein nur derivatives Teilhaberecht Schulze-Fielitz, Freiheit der Wissenschaft, Rn. 8. Dem BVerfG folgend aber Lüthje, in: Denninger, HRG, Vor § 3 Rn. 42; Kleindiek, Risikogesellschaft, S. 233 ff.; Oppermann, Freiheit, Rn. 21; Wendt, in: v. M/K, GG, Art. 5 Rn. 104; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 217 b; für den „staatlich bestallten Wissenschaftler“ auch Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 50; mit Verweis auf die Schutznormtheorie Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 134 f.
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einer objektiven Pflicht373 kann die Zuerkennung subjektiver Rechte nur rechtfertigen, soweit der objektiv-rechtliche Gehalt im Interesse der potentiellen Anspruchsinhaber besteht. Die oben gegenüber einer generellen Umdeutung der Lehrfreiheit in ein Leistungsrecht geäußerten Bedenken gelten für die Resubjektivierung der ihr zu entnehmenden Leistungspflicht nach Maßgabe der Schutznormtheorie nicht. Diese genügt vor allem dem Erfordernis grundrechtsspezifischer dogmatischer Arbeit, und auch die Gefahr einer generellen und permanenten Überforderung staatlicher Leistungsfähigkeit besteht jedenfalls nicht in gleichem Maße angesichts der weitgehenden staatlichen Einschätzungsprärogative bei der Bestimmung des zu gewährleistenden Mindestbestandes. Als fixierter Gehalt der staatlichen Leistungsverpflichtung, der als Inhalt eines entsprechenden, mit der Verfassungsbeschwerde durchsetzbaren Anspruchs in Betracht kommt,374 kann lediglich die Verpflichtung destilliert werden, überhaupt tätig zu werden, Erwägungen nicht auf falscher oder offensichtlich unzureichender Tatsachenbasis
371 Wegweisend Bühler, Die subjektiv öffentlichen Rechte, S. 22; vgl. aus der umfangreichen Lit. des Weiteren nur Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/1, § 65 II 3, S. 533 ff., sowie Schmidt-Aßmann, in: M/D, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 128 ff.; Kopp/ Schenke, VwGO, § 42 Rn. 83 ff.; Wahl, in: S/S-A/P, Vorb. § 42 Abs. 2 Rn. 94 ff. Zur Kritik statt vieler H. Bauer, Schutznormtheorie, S. 592 ff.; Wahl, a. a. O., Rn. 96 ff., jeweils m. w. N. Dem BVerwG gilt die Schutznormlehre als unangefochten, vgl. BVerwGE 92, 313, 317, st. Rspr., und auch das BVerfG bestimmt die subjektiv öffentlichen Rechte grds. nach ihrer Maßgabe, vgl. etwa BVerfGE 27, 297, 307; 31, 33, 39 ff.; 31, 364, 369 ff.; 46, 214, 220 f.; 57, 9, 26. 372 Während die Frage der Resubjektivierung objektiv-rechtlicher Schutzpflichten intensiv diskutiert wird (s. u. § 9 III. 5. d)), fehlt es weitgehend an einer entsprechenden Auseinandersetzungen im Bereich objektiver Leistungspflichten. Hier geht man ganz überwiegend implizit davon aus, dass eine Resubjektivierung nur nach Maßgabe der Schutznormtheorie denkbar ist; ausdrücklich aber Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/ 1, § 67 II 3, S. 709 f., und allgemein für die objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, S. 354 ff. Auch das von Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 153 ff., entwickelte „Kompensationsprinzip“ stellt sich i. Erg. als eine Variante der Schutznormtheorie dar, die die entscheidenden Voraussetzungen – objektive Pflicht zum Schutz individuell Grundrechtsbegünstigter – beibehält. Grds. a. A. hingegen Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 207 ff., und Kleindiek, Risikogesellschaft, S. 234 f., deren prinzipielle Parallelisierung von staatlicher Pflicht und subjektivem Recht jedoch in ihrer Generalität weder mit der Funktionenordnung des Grundgesetzes noch mit dem Erfordernis grundrechtsspezifischer Konkretisierung der Wirkungen eines Freiheitsrechts vereinbar ist; krit. auch Müller/Pieroth/Fohmann, Leistungsrechte, S. 65. Nach Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 465 ff., ist über den Bestand grundrechtlicher Leistungsrechte im Wege der Abwägung zwischen der Dringlichkeit faktischer Freiheit auf der einen und dem Gewaltenteilungs- und Demokratieprinzip sowie gegenläufigen Freiheitsprinzipien auf der andere Seite zu entscheiden. 373 Vgl. BVerfGE 35, 79, 116. 374 Zu den spezifischen Schwierigkeiten der Resubjektivierung einer Leistungspflicht, die sich aus der vielfachen Unbestimmtheit ihres Inhalt sowie des Leistungsverpflichteten ergeben, Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/1, § 67 II 3, S. 710 ff.
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aufzubauen und Einrichtungen der bildenden Lehre mit nicht völlig unzureichenden Kapazitäten bereitzuhalten. Doch Ziel dieser Verpflichtung ist, wie gesehen, nicht die Begünstigung der Grundrechtsträger, also der Lehrenden. Sie besteht vielmehr zugunsten der Lernenden sowie der Gesamtgesellschaft. Den Grundrechtsträgern vermittelt die Lehrfreiheit mithin kein Leistungsrecht, allein die Lernenden kommen als Anspruchsinhaber in Betracht. Insoweit jedoch mangelt es an der Individualisierbarkeit der einzelnen Begünstigten. Denn als Sachbereichsgarantie gewährleistet die Lehrfreiheit den Bestand des Normbereichs zugunsten der Gesamtheit der Lernenden als dem von der Ausübung der Lehrfreiheit in besonderer Weise betroffenen Teil der Allgemeinheit. Mit der aus der Lehrfreiheit folgenden staatlichen Pflicht, Lehreinrichtungen bereitzuhalten, an denen bildend gelehrt werden kann, korrespondiert folglich kein subjektiv-öffentliches Recht, das im Wege der Verfassungsbeschwerde durchgesetzt werden könnte. 4. Die Lehrfreiheit als Pflicht zur Vergabe bereitgestellter Mittel Von der originären Leistungsverpflichtung sind die staatliche Pflicht, bereits ausgewiesene Mittel zu vergeben, und der entsprechende derivative Leistungsanspruch der Grundrechtsbegünstigten zu unterscheiden. a) Die staatliche Pflicht zur vollständigen Vergabe der für die Lehre bereitgestellten und für den Bestand des Sachbereichs erforderlichen Mittel Eine aus der Lehrfreiheit abzuleitende Pflicht des Staates, den Lehrenden die von ihm getragenen Hochschulen zu öffnen und sie bei der Verteilung der Hochschulhaushalte angemessen zu berücksichtigen, scheint auf den ersten Blick ohne praktische Relevanz. Denn wenn sich der Staat zur Einrichtung öffentlicher Hochschulen oder anderer der wissenschaftlichen Lehre verpflichteter Institutionen entscheidet, dann wird er diese, so darf man vermuten, im Anschluss ohnehin regelmäßig den Lehrenden und Lernenden zur Verfügung stellen. Gleichwohl käme einer entsprechenden grundrechtlichen Pflicht in zwei Hinsichten auch praktisch eigenständige Bedeutung zu. Zum einen wäre damit jede Entscheidung über die Aufnahme eines Lehrenden in die Korporation der Hochschule und die Vergabe der Haushaltsmittel (auch) am Maßstab des Art. 5 Abs. 3 GG zu messen, der seine Wirkung im Übrigen erst im Anschluss an die Mittelvergabe – als „Freiheit auf Teilhabebasis“375 – entfaltet. Aus der Lehrfreiheit könnte sich dann die staatliche Pflicht zur erschöpfenden Nutzung vorhandener376 Kapazitäten ergeben, die das Art. 3 GG zu entnehmende Verteilungsre375
Murswiek, Grundrechte als Teilhaberechte, Rn. 84.
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gime nicht begründet. Dieses lässt dem Staat vielmehr grundsätzlich die Wahl, ob er eine gleichheitsrechtliche Spannungslage auflöst, indem er seine Leistungen den Anforderungen des Art. 3 GG gemäß gewährt oder verwehrt, verpflichtet ihn mithin nicht zur Kapazitätserschöpfung. Sollte die staatliche Verpflichtung zur Vergabe bereitgestellter Mittel überdies resubjektivierbar sein, könnte sie zum anderen von den Grundrechtsbegünstigten im Klagewege durchgesetzt werden, zur Begründung einer Konkurrentenklage beispielsweise könnten sich die Lehrenden dann (auch) auf Art. 5 Abs. 3 GG stützen. Rechtsprechung und Literatur erörtern die staatliche Pflicht, die für die Lehre ausgewiesenen Mittel den Grundrechtsträgern zur Verfügung zu stellen, praktisch ausschließlich als Frage nach den Ansprüchen des bereits als Mitglied der Korporation in die Hochschule integrierten Lehrers bzw. Forschers.377 Insoweit besteht weitgehende Einigkeit über sein aus Art. 5 Abs. 3 GG folgendes Recht auf angemessene Berücksichtigung bei der Verteilung der Hochschulhaushalte.378 Aus dem eigenständigen Grundrecht der Lehrfreiheit ergibt sich für den Bereich der bildenden Lehre eine Pflicht des Staates, die erschöpfende Nutzung bestehender Lehreinrichtungen durch die Grundrechtsträger zu ermöglichen, als argumentum a maiore ad minus aus seinen insoweit aus der Sachbereichsgarantie folgenden originären Leistungspflichten: Wird der Staat grundrechtlich sogar zur Errichtung bzw. Beibehaltung von Lehreinrichtungen verpflichtet, so hat er erst recht die bestehenden Einrichtungen zur erschöpfenden Nutzung durch die Grundrechtsträger zu öffnen und ihnen die für die Lehre erforderlichen Mittel aus den Hochschulhaushalten zur Verfügung zu stellen. Aus der Herleitung der Pflicht ergibt sich zugleich ihre Begrenzung: Wie die originäre Leistungspflicht 376 Die Entscheidung über das „Ob“ der Unterhaltung einer staatlichen Bildungseinrichtung wird allein durch die originär leistungsrechtliche Dimension der Lehrfreiheit begrenzt, s. o. § 9 III. 3. 377 Siehe aus der Rspr. etwa BVerfGE 35, 79, 115 f.; 43, 242, 285; 88, 129, 137; BVerwGE 52, 339, 348 f., und jüngst Hess. VGH, 18.05.2004, 8 TG 1420/03; aus der Lit. z. B. Scholz, in: M/D, GG, Art. 5 Abs. III Rn. 116; Schulze-Fielitz, Freiheit der Wissenschaft, Rn. 8; Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 50; Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 41; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 53; auf der Grundlage seines Verständnisses von Forschungs- und Lehrfreiheit konsequent Hailbronner, Funktionsgrundrecht, S. 127 f. Im Ansatz weitergehend Schmitt Glaeser, Forschungsfreiheit, S. 121 ff., der Art. 5 Abs. 3 GG i. Erg. dann jedoch lediglich ein Teilhaberecht „unter einem ungeschriebenen Gesetzesvorbehalt“ entnimmt. 378 Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 272 f., 350 f., leitet einen entsprechenden Anspruch hingegen aus einem verfassungsrechtlichen Konsequenzgebot ab; zustimmend Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 41; ebenso ferner Sendler, Teilhaberechte, S. 587, und in anderem Zusammenhang Breuer, Anspruchsnormen, S. 102. Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 52 m. w. N., sieht ein Teilhaberecht außer in Art. 5 Abs. 3 GG auch in der beamtenrechtlichen (Für-)Sorgepflicht des Dienstherrn verankert.
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betrifft auch sie nur die für eine substantielle Kontinuität des Sachbereichs erforderlichen Lehreinrichtungen. Außerhalb dieses für den Lebensbereich existentiellen Minimums trifft den Staat keine Verpflichtung zur erschöpfenden Nutzung vorhandener Kapazitäten. Für den Bereich der ausbildenden Lehre kann sich eine solche Pflicht aus der latenten staatlichen Gewährleistungsverantwortung für den Bestand des Sachbereichs nur und erst ergeben, wenn der Staat, wie derzeit, die Trägerschaft von einer für die Existenz des grundrechtlichen Lebenssachverhalts relevanten Anzahl von Lehreinrichtungen selbst übernommen hat. Wenn er durch die Lehrfreiheit auch nicht verpflichtet wird, Institutionen bereitzuhalten, an denen ausbildend gelehrt wird, so hat er infolge der Grundrechtswirkung als Sachbereichsgarantie doch die zu diesem Zweck von ihm getragenen Lehreinrichtungen der allgemeinen Nutzung durch die Grundrechtsträger zu öffnen, soweit sie für die Kontinuität des Lebensbereichs von Bedeutung sind. b) Keine derivativen Leistungsansprüche Wie schon die Frage nach einem aus der Leistungspflicht folgenden originären Leistungsrecht, so ist auch die Resubjektivierung der staatlichen Pflicht zur Vergabe jener Mittel, die bereits für die Lehre ausgewiesen wurden und für die Existenz des Lebensbereichs erforderlich sind, nach Maßgabe der Schutznormtheorie zu beurteilen. Da die staatliche Pflicht hier wie dort aus der Sachbereichsgarantie folgt, die nicht im Interesse der Grundrechtsträger besteht, korrespondiert ihr kein Anspruch der Lehrenden auf Einbindung in bestehende oder geplante Hochschulkorporationen oder auf angemessene Berücksichtigung bei der Verteilung der Hochschulhaushalte.379 5. Die Pflicht des Staates zum Schutz ausbildender Lehre Die staatliche Leistungspflicht folgt aus der Ressourcenabhängigkeit freier Lehre. Seine Schutzpflicht ist Konsequenz der Einflussmöglichkeiten auf Themen, Inhalte und Methoden der Lehrveranstaltungen, die sich aus Finanzierung und Organisation einer Lehreinrichtung für private, nicht durch das grundrechtliche Abwehrrecht gebundene Dritte ergeben. Zusammen mit der Gewährleistungsdimension der Lehrfreiheit begründen sie die Verpflichtung des Staates, Vorkehrungen zum Schutze der Freiheit der Lehre in privaten Bildungseinrich-
379 Damit sind freilich die oben in Fn. 378, S. 279, vorgestellten Ansätze zur Begründung eines derivativen Teilhaberechts, die hier nicht näher untersucht werden können, nicht ausgeschlossen. Grundsätzlich möglich ist ferner eine Ableitung aus Art. 3 Abs. 1 GG oder aus Berufungsvereinbarungen.
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tungen zu treffen, falls diese einen so gewichtigen Teil des Gesamtlehrangebots ausmachen, dass sie für den Bestand des Sachbereichs von Relevanz sind. a) Art. 5 Abs. 3 GG als Pflicht zum Schutz des „maßgebenden Einflusses“ der Lehrenden Entwickelt und entfaltet wurde die Wirkung der Grundrechte als Schutzpflichten in einer Reihe von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts,380 die in der Literatur ganz überwiegend zustimmend aufgegriffen worden sind.381 Der Schutzpflichtendimension liegt die Einsicht zugrunde, dass sich Freiheitsbegrenzungen nicht nur aus Eingriffen des Staates ergeben oder Folge fehlender Mittel sind, sondern ebenso oft auf nichtstaatliche Einflussnahmen zurückgehen. Das Bundesverfassungsgericht hat hieraus – aufbauend alternativ auf der Pflicht aller staatlichen Gewalt zum Schutz der Menschenwürde gem. Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG382 oder auf dem Verständnis der Grundrechte als objektiver Ordnung383 – auf die Pflicht des Staates geschlossen, sich schützend vor die Grund380 Als schon „fast kanonisierte Sequenz“ (H. Dreier, in: ders., GG, Vorb. Rn. 102 Fn. 427) werden zitiert: BVerfGE 39, 1, 41 ff.; 46, 160, 164; 53, 30, 57; 56, 54, 73; 88, 203, 251. Die Entwicklung der Schutzpflichtenlehre zeichnete sich jedoch schon in wesentlich früheren Entscheidungen ab, etwa in BVerfGE 1, 97, 104; 9, 338, 347; 35, 79, 114; vgl. hierzu Stern, Staatsrecht Bd. III/1, § 69 IV 4, S. 937 ff., und Unruh, Schutzpflichten, S. 29 ff. Allgemein zu den Schutzpflichten in der verfassungsgerichtlichen Judikatur Hermes, Schutz von Leben, S. 43 ff.; E. Klein, Schutzpflichten, S. 1633 ff.; Isensee, Schutzpflicht, Rn. 77 ff. 381 Siehe aus der Fülle der Publikationen nur Hermes, Schutz von Leben, S. 187 ff.; Stern, Staatsrecht III/1, § 69 IV 1, S. 931 ff.; Dirnberger, Eingriffsregelung, S. 119 ff.; Dietlein, Schutzpflichten; H. Dreier, Dimensionen, S. 47 f., 59 f.; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 410 ff.; Unruh, Schutzpflichten, S. 29 ff.; Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, S. 177 ff.; Gellermann, Grundrechte, S. 232 ff.; Isensee, Schutzpflicht, Rn. 77 ff., 86 ff. Krit. gegenüber der dogmatischen Konstruktion v. a. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 211 ff.; Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 88 ff., 107 ff.; Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, S. 144 ff., 178 ff.; Pietzcker, Drittwirkung, S. 355, 357, 359, und Holoubek, Gewährleistungspflichten, S. 251 ff., die die Schutzpflichtenlehre neben der abwehrrechtlichen Dimension für entbehrlich halten; ähnlich Poscher, Abwehrrechte, S. 192 ff., 308 ff., demzufolge jedenfalls die grundrechtlich fundierten Schutzpflichten nicht über die abwehrrechtliche Dimension hinausgehen. Hiergegen mit überzeugenden Argumenten Dietlein, a. a. O., S. 38 f.; Alexy, a. a. O., S. 415 ff.; Ruffert, Vorrang der Verfassung, S. 162 ff. Vgl. ferner die Kritik an der inhaltlichen Unbestimmtheit der Schutzpflichten von Böckenförde, Grundsatznormen, S. 12 f., und Heun, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 68 f.; krit. mit Blick auf die Lehre von den Staatszwecken Enders, Privatisierung, S. 362 ff. Eine ausführliche Analyse der einschlägigen Rspr. und Lit. findet sich bei Szczekalla, Schutzpflichten, S. 92 ff. 382 So BVerfGE 39, 1, 41; 46, 160, 164; 88, 203, 251, jeweils i. V. m. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. 383 Vgl. BVerfGE 35, 79, 114; 49, 89, 141 f.; 53, 30, 57, i. V. m. Art. 5 Abs. 3 GG bzw. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG; krit. hierzu insbes. das Sondervotum von Rupp-v. Brünneck/Simon, BVerfGE 39, 68, 73 ff. Eine Analyse der verfassungsgerichtlichen Be-
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rechtsgüter zu stellen. Die weitaus größte Beachtung haben dabei in der Vergangenheit Gefährdungen des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit gefunden.384 Obwohl das Bundesverfassungsgericht bereits im Hochschulurteil ausdrücklich auch der Wissenschaftsfreiheitsgarantie die staatliche Pflicht entnommen hat, „schützend“ einer Aushöhlung des Grundrechts vorzubeugen,385 ist speziell der Schutzpflichtendimension des Art. 5 Abs. 3 GG in der Folge und bis heute nur geringe Aufmerksamkeit zuteil geworden.386 Auch das Bundesverfassungsgericht selbst hat diese Wirkung der Wissenschaftsfreiheit als solche nicht näher entfaltet. Als Anhaltspunkte für den Inhalt der staatlichen Schutzpflicht dürfen jedoch die Art. 5 Abs. 3 GG insbesondere in den Urteilen zum niedersächsischen Vorschaltgesetz und jüngst zum brandenburgischen Hochschulgesetz entnommenen Anforderungen an die Hochschulorganisation insoweit verstanden werden, als sie den Ausgleich der Rechte und Interessen der verschiedenen in die Korporation der Hochschule integrierten Gruppen betreffen.387 Denn sie beziehen sich auf die für eine Schutzpflicht typische Sachverhaltskonstellation, in der die Freiheit eines Grundrechtsträgers durch nicht grundrechtsverpflichtete Dritte beeinträchtigt wird.388 gründungen findet sich etwa bei Böckenförde, Grundsatznormen, S. 12 f., und Unruh, Schutzpflichten, S. 29 ff.; krit. E. Klein, Schutzpflichten, S. 1635; Starck, Verfassungsauslegung, S. 63: kaum konsistente Begründungsansätze; hiergegen, wenig überzeugend Unruh, a. a. O., S. 34 ff. Im Schrifttum hat man vielfach stärker die allgemeine Sicherheits- und Friedenspflicht des Staats als Ursprung seiner grundrechtlichen Schutzpflichten betont, hierzu Dietlein, Schutzpflichten, S. 21 ff. m. w. N.; einen Überblick über die in der Lit. vertretenen Begründungsansätze geben bspw. Unruh, a. a. O., S. 37 ff.; Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, S. 181 ff., und knapp E. Klein, a. a. O., S. 1637. 384 Dies hat vor allem Hermes, Schutz von Leben, S. 43 ff., herausgearbeitet; krit. zu dieser Begrenzung auf einen „atypischen Anwendungsbereich“ Isensee, Schutzpflicht, Rn. 86 f. 385 BVerfGE 35, 79, 114; bestätigend zuletzt BVerfG, DVBl. 2005, S. 109, 111. 386 In der Lit. wird die Schutzpflichtendimension von Art. 5 Abs. 3 GG in der Regel allenfalls en passant bestätigt, vgl. etwa Stern, Staatsrecht III/1, § 69 IV 4 b, S. 938; Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 352; Denninger, in: ders. u. a., GG, Art. 5 Abs. 3 I Rn. 40; ausführlicher jetzt aber Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 28, 56, 243 f. Ausdrückliche Normierungen von Schutzpflichten zugunsten der Wissenschaft enthalten zudem einige Landesverfassungen, s. o. Fn. 253, S. 244. 387 BVerfGE 35, 79, 123 ff.; BVerfG, DVBl. 2005, S. 109, 111 ff. 388 Dass das Gericht selbst die in Frage stehenden niedersächsischen bzw. brandenburgischen Vorschriften nicht nur als mögliche Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit, sondern zugleich als gesetzgeberisches Tätigwerden in Erfüllung einer Schutzpflicht versteht, indizieren nicht nur die Zitate des Hochschulurteils in der späteren Judikatur, vgl. insbes. BVerfGE 55, 37, 68. Dieses Verständnis kommt auch zum Ausdruck, wenn das Gericht die aus Art. 5 Abs. 3 GG folgenden Anforderungen an eine verfassungsgemäße Hochschulorganisation herausarbeitet und damit Maßstäbe für zukünftige gesetzgeberische Tätigkeiten zum Schutze der Lehrfreiheit in der Hochschule entwickelt, vgl. BVerfGE 35, 79, 119 ff.; BVerfG, DVBl. 2005, S. 109, 111 ff.
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Als Gegenstände der staatlichen Schutzpflichten werden im Hochschulurteil aus dem Jahre 1973 auf diese Weise insbesondere der Vorrang der Eigeninitiative der Grundrechtsträger sowie der „maßgebende Einfluss“ der Hochschulprofessoren in Angelegenheiten der Lehre, d.h. vor allem bei der Planung des Lehrangebots, bei der Abstimmung von Lehr- und Forschungsprojekten, bei der organisatorischen Betreuung, Sicherung und Durchführung von Lehrveranstaltungen und bei der Festlegung von Studien- und Prüfungsordnungen, benannt.389 Die Entscheidung über das brandenburgische Hochschulgesetz entnimmt Art. 5 Abs. 3 GG als Objekte staatlicher Schutzgewährleistung darüber hinaus die angemessene Beteiligung der Vertreter der Wissenschaft im Verfahren zur Festlegung von Evaluationskriterien sowie das Recht eines jeden einzelnen Grundrechtsträgers, auch im Rahmen einer evaluationsorientierten Ressourcenverteilung durch die Hochschule jedenfalls die Sach- und Personalmittel zugewiesen zu bekommen, welche Lehre erst ermöglichen.390 b) Die Gefährdung des Sachbereichs durch nicht grundrechtsverpflichtete Dritte als tatbestandliche Voraussetzung einer Schutzpflicht Wie die leistungsrechtliche Dimension so folgen auch die der Lehrfreiheit zu entnehmenden staatlichen Schutzpflichten aus ihrer Wirkung als Sachbereichsgarantie einerseits und den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die Grundrechtsrealisierung andererseits.391 Wenn und soweit ohne staatlichen Schutz nicht in Freiheit (bildend und ausbildend) gelehrt werden kann, hat der Staat aufgrund seiner Einstandspflicht für den grundrechtlichen Lebenssachverhalt Maßnahmen zum Freiheitsschutz zu ergreifen. Zur Schutzpflicht wird seine Gewährleistungsverantwortung in dem Moment, in dem eine sich selbst überlassene Lehre dergestalt von Dritten beeinflusst wird bzw. zu werden droht, dass sie nicht mehr als freie Lehre i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG qualifiziert werden kann, da die Entscheidung über Gegenstand, Inhalt und Methode nicht in den Händen der Lehrenden liegt, und der Bestand des grundrechtlichen Sachbereichs dadurch gefährdet wird.
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Vgl. BVerfGE 35, 79, 131 f. i. V. m. 129. Vgl. BVerfG, DVBl. 2005, S. 109, 112 ff. 391 Auch die Entfaltung der Schutzpflichtendimension ist mit der Gefahr einer Verschiebung der grundgesetzlichen Funktionenordnung verbunden, hierzu speziell mit Blick auf die Schutzpflichten Wahl/Masing, Schutz durch Eingriff, S. 556 f.; Heun, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 68 ff. Insofern gilt das oben (§ 9 III. 2. g)) zum Spannungsverhältnis von gesetzgeberischer Freiheit und grundrechtlicher Bindung Ausgeführte entsprechend: Verbleiben nach Erschöpfung aller verfassungsinterpretatorischen Mittel Zweifel an Inhalt oder Umfang einer Schutzpflicht, so besteht eine Vermutung zugunsten der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit in diesen Punkten. 390
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Die staatliche Pflicht zum Schutz des Freiraums der Lehrenden hat mithin zwei tatbestandliche Voraussetzungen: Zum einen muss eine Einschränkung der Gestaltungsfreiheit der Lehrenden durch nicht grundrechtsverpflichtete Dritte zu erwarten sein, also eine Gefahr für das grundrechtliche Schutzgut bestehen; die Realisierung dieser Gefahr ist nicht erforderlich. Die (zu erwartende) Beeinträchtigung der Lehrfreiheit muss zum anderen den Bestand des Sachbereichs bedrohen. Allein eine Verkürzung oder Aufhebung des Freiraums einzelner Lehrender aktiviert die staatliche Einstandspflicht nicht. Andererseits vermögen bereits geringfügige Freiheitseinschränkungen eine Schutzpflicht zu begründen, so sie eine Vielzahl von Lehrenden und damit den Lebenssachverhalt ,Freie Lehre‘ betreffen.392 Zur Bestimmung des schutzpflichtenaktivierenden Gefahrenniveaus greift man überwiegend auf die aus dem allgemeinen Polizeirecht bekannte Produktformel aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß zurück.393 Hierfür ist im Falle der Lehrfreiheit kein Raum. Das zu gewährleistende Schutzniveau – die substantielle Kontinuität des Lebensbereichs – und damit das Schadensaus392 Darüber hinaus wird die Anerkennung einer Schutzpflicht zum Teil von der Rechtswidrigkeit der Gefahr bzw. der Beeinträchtigung des geschützten Rechtsguts abhängig gemacht, so v. a. vom BVerfG, vgl. BVerfGE 39, 1, 42; 46, 160, 164; 53, 30, 57; 56, 54, 73; 88 203, 251; vgl. ferner Isensee, Schutzpflicht, Rn. 100 ff. Zur Begründung der schutzpflichtenaktivierenden Wirkung einer Gefahr bzw. eines Eingriffs ist dieses Kriterium jedoch nicht geeignet: Die einfachrechtliche Rechtmäßigkeit einer Handlung muss bei der Entscheidung, ob der Staat von Verfassungs wegen zum Schutz verpflichtet ist, außer Betracht bleiben. Denn der einfache Gesetzgeber kann den Geltungsbereich verfassungsrechtlicher Pflichten nicht präjudizieren, ebenso Hermes, Schutz von Leben, S. 226 f.; Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 107; Dietlein, Schutzpflichten, S. 106, und Isensee, a. a. O., Rn. 100. Der Rekurs auf die einfache Rechtsordnung führt überdies in den logischen Zirkel, wenn mit der Schutzpflicht der Erlass einfachgesetzlicher Schutznormen, mithin die Modifikation des Maßstabs der Rechtswidrigkeit erstrebt wird. Soweit daher das verfassungsrechtliche Gebot des neminem laedere als Maßstab benannt und als Verbot „illegitimer“ Eingriffe, die gegen dem positiven Recht vorausliegende rechtsethische Prinzipien verstoßen, konkretisiert wird (so v. a. Isensee, a. a. O., Rn. 100, 105; anders noch ders., Sicherheit, S. 37 f.; ähnlich H. H. Klein, Schutzpflicht, S. 491), wird die normativ-wertende Entscheidung über das schutzpflichtenaktivierende Gefahrenniveau lediglich auf die Ebene der Konkretisierung der „Illegitimität“ verlagert. 393 Ausdrücklich Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 140 ff.; Hermes, Schutz von Leben, S. 236 f.; Sachs, in: Stern, Staatrecht III/1, § 67 V 2 b x, S. 740; der Sache nach auch Isensee, Schutzpflicht, Rn. 106; Schmidt-Aßmann, Anwendungsprobleme, S. 216, und BVerfGE 49, 89, 142; 53, 30, 57. A. A. Dietlein, Schutzpflichten, S. 111 ff., dessen Gegenposition, wonach ,anstatt‘ auf die polizeirechtliche Produktformel darauf abzustellen ist, ob „die Hinnahme des drohenden Risikos angesichts der auf dem Spiel stehenden grundrechtlichen Schutzgüter sowie angesichts des Interesses an der Durchführung des risikobehafteten Tuns nicht mehr vertretbar erscheint“, sich i. Erg. aber wohl als lediglich terminologische Variation darstellt. Unruh, Schutzpflichten, S. 76 ff., der allein das rechtlich und faktisch Mögliche als Grenzen der staatlichen Schutzverpflichtung anerkennt. Nach Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 426, besteht eine Handlungspflicht, wenn „die Gewährung oder Nichtgewährung von Schutz nicht der einfachen parlamentarischen Mehrheit überlassen bleiben kann“.
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maß, das den Staat zum Einschreiten verpflichtet, ist nicht variabel: Nur wenn der Lebensbereich in seinem Bestand bedroht ist, muss der Staat eingreifen; in diesem Fall ist die Schutzpflicht dann jedoch nicht mehr vom Ausmaß des zu erwartenden Schadens abhängig. Die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts kann sich zwar verändern. Doch begründet bereits jedes Risiko, verstanden als sehr geringe Wahrscheinlichkeit oder auch nur Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Sachbereichs in seiner Substanz,394 eine Schutzpflicht,395 denn es ist kein Grund ersichtlich, der die thematische Ausgrenzung bestimmter Gefahrenstufen rechtfertigen würde. Der zum Eingreifen aufgerufene Gesetzgeber verfügt dann aber über einen weiten Spielraum bei der Abwägung der durch eventuelle Schutzmaßnahmen betroffenen Rechtsgüter.396 Der Verfassung sind insoweit nur äußere Grenzen des Zulässigen zu entnehmen. Ein Risiko verpflichtet daher zur Abwägung, nicht notwendig zum legislativen Einschreiten. Es zwingt den Gesetzgeber lediglich, „die potentiellen Gefahrenlagen [. . .] zu überwachen“ und „ihnen nach seiner Einschätzungsprärogative zu begegnen“397. Aktiven staatlichen Schutz erfordert Art. 5 Abs. 3 GG erst, wenn der von der Lehrfreiheit garantierte Lebensbereich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in seinem Bestand berührt werden wird, wenn also eine Gefahr im polizeirechtlichen Sinn besteht. Fraglich ist, ob und inwieweit zudem ggf. zu berücksichtigen ist, dass der Lehrende seine Gestaltungskompetenz freiwillig an einen privaten Dritten abgegeben hat bzw. abgeben möchte.398 Solange die objektiven Gehalte eines 394 Vgl. zum Begriff des Risikos, der zunehmend zur Kennzeichnung der vollkommenen Ungewissheit, nicht bloß der besonders geringen Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts verwendet wird, statt vieler Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 98 ff., 106 ff.; Preuß, Risikovorsorge, S 529 f.; und speziell im Hinblick auf das Risiko als Ursache grundrechtlicher Schutzpflichten Voßkuhle, Kompensationsprinzip, S. 382 f. m. w. N. 395 Als Grundlage einer Schutzpflicht anerkennen das Risiko auch Hermes, Schutz von Leben, S. 236 ff.; Dietlein, Schutzpflichten, S. 113 f.; Unruh, Schutzpflichten, S. 78, und Isensee, Schutzpflicht, Rn. 106; a. A. insbes. Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 140 ff., der im Gefahrenbegriff den für die gesamte Rechtsordnung gültigen Ausgleich zwischen Freiheit und Sicherheit erblickt; ähnlich Kloepfer, Umweltschutz, S. 311; zutreffende Kritik insoweit von Dietlein, a. a. O., S. 107 ff., S. 113 f. 396 Ähnlich für die grundrechtlichen Schutzpflichten allgemein etwa Dietlein, Schutzpflichten, S. 108, 112; Voßkuhle, Kompensationsprinzip, S. 384 mit Fn. 66, der dem Gesetzgeber einen Konkretisierungsspielraum nicht allein betreffend das „Wie“ der Schutzpflicht zuspricht, sondern auch hinsichtlich des „angemessenen Ausgleich[s] divergierender Interessen bei der Festlegung ihrer Grenzen“, und Isensee, Schutzpflicht, Rn. 106, 108. 397 Dietlein, Schutzpflichten, S. 108. 398 Vgl. zur strukturell vergleichbaren Frage nach einer staatlichen Pflicht zum Schutz vor Selbstgefährdungen einerseits bspw. Hermes, Schutz von Leben, S. 228 ff.; Robbers, Sicherheit, S. 220 ff.; Dietlein, Schutzpflichten, S. 223 ff.; Isensee, Schutzpflicht, Rn. 113 ff.; ders., Sicherheit, S. 48 f., die mit unterschiedlichen Begründungen
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2. Teil: Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
Grundrechts allein im Dienste der individuellen Entfaltungsmöglichkeiten der Grundrechtsträger stehen, liegt es auf der Hand, dass das Grundrecht den Staat nicht zum Schutz verpflichtet, soweit der Lehrende freiwillig Freiheitsbeschränkungen in Kauf nimmt. Im Falle der Lehrfreiheit aber ist der Zweck der Schutzdimension ein fremdnütziger. Bestand und Inhalt der Schutzpflichten können mithin grundsätzlich nicht von den individuellen Schutzbegehren der Lehrenden abhängig sein. Damit aber ist eine Kollision denkbar zwischen der Lehrfreiheit als Sachbereichsgarantie und dem Wunsch der Lehrenden, die Gestaltung ihrer Lehre Dritten zu überlassen. Wie diese Kollision aufzulösen ist, hängt maßgeblich davon ab, ob und inwieweit auch dieser Wunsch der Lehrenden (grund-)rechtlich geschützt ist. Art. 5 Abs. 3 GG könnte er als Element der negativen Freiheit der Lehre zuzuordnen sein. Denn als subjektives Abwehrrecht gewährleistet die Lehrfreiheit nicht allein die „positive Freiheit“ zu lehren, sondern gleichfalls die „negative Freiheit“, von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch zu machen.399 Doch kann es nicht als geschützte Form der Ausübung negativer Lehrfreiheit qualifiziert werden, wenn der Lehrende die Gestaltung der Lehrveranstaltungen Dritten überlässt.400 Denn er ist in diesem Fall sehr wohl an der Lehrtätigkeit interessiert, möchte deren Inhalt und Form nur nicht selbst bestimmen. Es fehlt ihm mithin der Wille zur Selbständigkeit, der zu den schutzbereichsbegrenzenden Merkmalen der Lehrfreiheit gehört. Die Übertragung der Gestaltungskompetenz bleibt damit freilich nicht ungeschützt. Sie genießt zwar nicht den qualifizierten Schutz durch die Lehrfreiheit, wohl aber den der in Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten allgemeinen Handlungsfreiheit und ggf. den des Art. 12 Abs. 1 GG.401 Ist der Staat im Sinne eines Sachbereichs freier Lehre verpflichtet, die Möglichkeit der Lehrenden, auf ihre Gestaltungskompetenz zu verzichten, einzuschränken, so kollidieren mithin die individuellen Freiheitsrechte der Lehrenden und Art. 5 Abs. 3 GG in seiner eine Schutzpflicht verneinen, soweit der Grundrechtsträger die Gefahren bzw. das Risiko bewusst und freiwillig eingeht; andererseits Sachs, in: Stern, Staatsrecht III/1, § 67 V 2 a b, S. 736, der eine staatliche Pflicht zum Schutz vor Selbstgefährdungen anerkennt. Überwiegend hält man den staatlichen Schutz des Menschen vor sich selbst überdies für unzulässig, soweit nicht zugleich Dritte gefährdet werden, vgl. etwa Hillgruber, Schutz vor sich selbst, S. 114 ff.; Fischer, Selbstschädigung; Lisken, in: L/D, Handbuch des Polizeirechts, C 48 ff., und zuletzt Gampp/Hebeler, Selbstgefährdung. 399 A. A. ohne weitere Begründung Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 91: „keine ,negative Lehrfreiheit‘ “. 400 A. A. für die Forschungsfreiheit Classen, Wissenschaftsfreiheit, S. 152 f., und Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 55: Es gehört zur grundrechtlichen Betätigungsfreiheit des Wissenschaftlers, Bindungen im Hinblick auf Gegenstand und Rahmen seiner Forschung einzugehen. 401 Vgl. zur Auffangfunktion von Art. 2 Abs. 1 GG auch in den Fällen, in denen ein Verhalten in den Regelungs-, nicht aber in den Schutzbereich einer spezielleren Freiheitsgarantie fällt, oben Fn. 135, S. 213.
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Wirkung als Sachbereichsgarantie. Es ist dann ein Ausgleich nach den allgemeinen Regeln zur Lösung von Grundrechtskollisionen herbeizuführen, also praktische Konkordanz herzustellen. Der Wunsch der Lehrenden, privaten Dritten Einfluss auf Inhalt oder Methode ihrer Lehre einzuräumen, hat auf die Begründung der Schutzpflichten infolge der Lehrfreiheitsgarantie mithin keine Auswirkungen. Wie auch die Grundrechte des privaten Störers, diszipliniert er den Staat jedoch bei ihrer Erfüllung und begrenzt die Menge seiner Handlungsoptionen. Adressaten der Schutzpflicht sind Exekutive und Judikative im Grundsatz ebenso wie der Gesetzgeber. Zuständigkeit und Kompetenz für die Erfüllung der Aufgabe, ein Rechtsgut zu schützen, richten sich nach der grundgesetzlichen Funktionenordnung. Der Vorbehalt des Gesetzes gilt auch für die Realisierung einer Schutzpflicht,402 so dass diese gesetzesmediatisiert und im vorliegenden Zusammenhang daher in erster Linie als Verpflichtung der Legislative zu verstehen ist. c) Die staatliche Pflicht zur Disziplinierung privater Gestaltungsbereitschaft Auch mit Blick auf die Wirkung der Lehrfreiheit als Schutzpflicht ist zwischen der bildenden und der ausbildenden Lehre zu unterscheiden. Im Gegensatz zur Leistungspflicht entfaltet die Schutzpflicht ihre Bedeutung jedoch allein im Bereich der ausbildenden Lehre. Denn bildende Lehre wird in der Regel ohnehin nur in staatlichen Institutionen stattfinden. Die Verpflichtung des Staates zu ihrem Erhalt und ihrer Ausgestaltung im Sinne des Sachbereichs folgt bereits aus der grundrechtlichen Leistungsdimension. Als Ausprägung einer Gewährleistungspflicht umfasst diese gegebenenfalls auch Maßnahmen 402 So auch der überwiegende Teil der Lit., siehe nur Hermes, Schutz von Leben, S. 200 ff.; Wahl/Masing, Schutz durch Eingriff, S. 553 ff.; Preu, Freiheitsgefährdung, S. 267 ff.; Dietlein, Schutzpflichten, S. 109; Isensee, Schutzpflicht, Rn. 100, 151 ff.; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 89 ff., sowie jüngst H. Dreier, Grundrechtsdurchgriff, S. 131 f.; begrenzt auf die Fälle, in denen dem Gesetzgeber ein Entschließungs- oder Auswahlermessen verbleibt, auch v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 164 f. A. A. ist für den Bereich der Informationstätigkeit der Regierung wohl die neuere Rspr., die eine grundrechtliche Schutzpflicht i. V. m. einer Aufgabenbestimmung als Eingriffsgrundlage anerkennt, vgl. hierzu die Analyse von H. Dreier, a. a. O., S. 129 ff. Bumke, Grundrechtsvorbehalt, S. 91 f., erkennt eine Ermächtigungswirkung der Schutzpflicht zugunsten der Gerichte im Rahmen ihrer Befugnis zur Rechtsfortbildung an. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Um eine Ausnahme vom Grundsatz der Gesetzesmediatisierung handelt es sich insoweit jedoch wohl lediglich im Falle der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung, hierzu statt aller Larenz, Methodenlehre, S. 413 ff., mit Hinweis auf die auch in diesem Fall bestehende Bindung an die Gesamtrechtsordnung. Denn nur diese ist von einer den Sachbereich betreffenden vorherigen gesetzgeberischen Aktivität unabhängig. Im übrigen baut auch der rechtsfortbildende Richter seine Entscheidung auf Regelungen des Gesetzgebers auf.
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zum Schutz vor Beeinträchtigungen durch private Dritte, etwa durch andere Mitglieder einer Hochschulkorporation.403 Für die ausbildende Lehre kann die Schutzpflichtendimension der Lehrfreiheit demgegenüber herausgehobene Bedeutung erlangen, denn insoweit besteht keine Pflicht des Staates, Einrichtungen freier Lehre zu errichten und zu unterhalten.404 Art. 5 Abs. 3 GG verpflichtet ihn jedoch in dem Moment zum freiheitsschützenden Einschreiten, in dem die an privaten Einrichtungen ausbildend Lehrenden ihre Gestaltungskompetenz ganz oder teilweise verlieren bzw. zu verlieren drohen und der Bestand des Sachbereichs dadurch gefährdet wird.405 Ein Blick auf die vollständig oder anteilig privat finanzierte Lehre in Deutschland und die insoweit strukturell vergleichbare private Forschungsförderung zeigt, dass mit der Verlagerung der Finanzierung in private Hände regelmäßig eine Verschiebung der Gestaltungskompetenz einhergeht.406 Die privaten Investoren beschränken sich nicht auf eine mit Blick auf die Lehrgegenstände neutrale Trägerschaft, sondern sind gerne bereit, den Lehrenden auch thematisch und inhaltlich „Hilfestellung“ zu leisten.407 403 Dass diese Schutzmaßnahmen der Leistungsdimension zuzurechnen sind, ist Konsequenz der systematisierenden Anknüpfung an das primäre, übergeordnete Ziel staatlichen Handelns, das im Falle der bildenden Lehre mangels privater Finanzierungsoptionen in der Ermöglichung der grundrechtlich garantierten Tätigkeit besteht. Für die Systematisierung ist es dabei ohne Relevanz, dass die (Verpflichtung zur) Bereitstellung und Organisation von Institutionen zugleich schützende Wirkung entfaltet, vgl. oben § 9 II. 2. mit Fn. 195, S. 229. 404 S. o. § 9 III. 3. b), c). Wenn er sich hierzu entschließt, ist er aufgrund der objektiv-rechtlichen Garantiewirkung der Lehrfreiheit verpflichtet, diese Einrichtungen im Sinne der Kontinuität eines Sachbereichs freier ausbildender Lehre zu gestalten. Daneben treten die Bindungen durch die abwehrrechtliche Dimension. 405 Eine staatliche Pflicht zum Schutz von Lehr- und Forschungsfreiheit an privaten Hochschulen kann sich darüber hinaus aus ihrer staatlichen Anerkennung ergeben. Soweit der Staat eine Privathochschule als seinen Hochschulen wissenschaftlich gleichwertig anerkennt, ist er verpflichtet, wenigstens annähernd gleichwertige Entfaltungsmöglichkeiten der Wissenschaftler zu gewährleisten, vgl. hierzu Kämmerer, Regulierung, S. 125; Lorenz, in: H/G, HRG, § 79 Rn. 37, und Fehling, in: Dolzer u. a., BK, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 53, 244 ff. Diese aus dem Konsequenzgebot (siehe hierzu für den Fall staatlicher Institutionalisierung Trute, Institutionalisierung, S. 289 ff.) folgende staatliche Gewährleistungsverantwortung tritt im gegebenen Fall neben eine unmittelbar grundrechtlich begründete Schutzverpflichtung. Sie ist in ihren Voraussetzungen und mithin in ihrem Bestand von Letzterer unabhängig. 406 Von einer Kompetenzverlagerung ist dabei auch schon auszugehen, wenn der private Träger den Lehrenden die Gestaltung der Lehre nur „bis auf weiteres“ überlässt, sich also bspw. (ausdrücklich oder stillschweigend) vorbehält, bei einer Änderung der äußeren, der Finanzierung zugrunde liegenden Umstände oder bei Missfallen der Lehre einzugreifen. 407 Hierin besteht denn auch nach A. Blankenagel, Wissenschaftssoziologie, S. 38, das „Hauptproblem einer privaten Hochschule“. Die private Steuerung kann dabei wie ihre staatliche Entsprechung die unterschiedlichsten Formen annehmen, am offensichtlichsten ist die Bindung der Mittelvergabe an inhaltliche Anforderungen, gleiches Ge-
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Beispielhaft sei hier die mündliche Lehre an der Universität Witten-Herdecke betrachtet, die (nur) zu etwa einem Drittel privat finanziert wird.408 Hier können „Partnerunternehmen“ aktuelle Fragen, Probleme und Erfahrungen in die Lehrveranstaltungen „einbringen“ oder mit den Lehrenden „vereinbaren“, dass die Studierenden im Rahmen einer Lehrveranstaltung mit einem Projekt des Unternehmens beauftragt werden (Real Study) oder eine an den Aufgaben des Partnerunternehmens orientierte Fallstudie durchführen (Case Study).409 Es darf angenommen werden, dass die Anwerbung der Lernenden durch die finanzierenden Unternehmen schon während des Studiums, die freilich keine Spezialität der Universität Witten-Herdecke ist,410 weiter dazu beiträgt, dass das Interesse der Lernenden und damit mittelbar die Lehrveranstaltungen durch die Ausrichtungen und Bedürfnisse der Partnerunternehmen bestimmt werden. Gleiches gilt für ein „Mentorenfirmenprogramm“, im Rahmen dessen die Lernenden von Beginn des Studiums an zugleich in einem Unternehmen arbeiten.411 Unmittelbar ist der Einfluss, wenn fördernden Unternehmen Sitze im „Curriculumsausschuss“ eingeräumt werden.412
wicht jedoch kommt der organisatorischen Ausgestaltung der Lehreinrichtungen zu. Insoweit kann im Prinzip auf die Untersuchungen staatlicher Institutionalisierung im Bereich von Forschung und Lehre verwiesen werden, siehe hierzu statt aller Trute, Institutionalisierung, Teil III. 408 Informationen zur Finanzierung der Universität Witten-Herdecke finden sich unter http://notesweb.uni-wh.de/wg/orga/wgorganisation.nsf/name/finanz-DE (Stand: 24.05.2005). 409 Vgl. die Informationen, die die Universität auf ihrer Homepage zur Verfügung stellt, unter http://notesweb.uni-wh.de/wg/wiwi/wgwiwi.nsf/name/unternehmen_recrui ting-DE (Stand: 24.05.2005), sowie ferner etwa http://www.whu.edu/content/ger/ (Stand: 24.05.2005) zu der vergleichbaren Einrichtung der „Praxisarbeit“ an der WHU, die für Studenten verpflichtend ist und mit der ein Lösungsvorschlag für ein konkretes Problem in einem Unternehmen erarbeitet werden muss. Siehe des Weiteren die Fallbeispiele bei Konegen-Grenier/Winde, Public Private Partnership in der Hochschullehre, S. 20 f., 43 f. und passim. 410 Vgl. neben der Darstellung von „Hochschulmarketing und Recruiting“ an der Universität Witten-Herdecke unter http://notesweb.uni-wh.de/wg/wiwi/wgwiwi.nsf/ name/unternehmen_recruiting-DE (Stand: 24.05.2005) bspw. die Informationen der WHU unter http://www.whu.edu/content/ger/ (Stand: 24.05.2005), wonach „die Zahl der Unternehmen, die auf den Campus kommen, um Studenten für eine Mitarbeit zu gewinnen, von Jahr zu Jahr steigt“, oder die Angaben des „Career Service Center“ an der EBS (http://www.ebs.de/index.php?id=624 [Stand: 24.05.2005]), das „Studenten [. . .] und Unternehmen der Wirtschaft [. . .] im Hinblick auf ein späteres Recruiting durch diverse Events permanent zusammen[führt]“. 411 Ihr Mentorenfirmenprogramm stellt die Universität Witten-Herdecke vor unter http://notesweb.uni-wh.de/wg/wiwi/wgwiwi.nsf/name/unternehmen_mentorenbeziehungDE (Stand: 24.05.2005). 412 Die Mitwirkung der „Kooperationspartner“ im Curriculumsausschuss ist bspw. an der Europäischen Fachhochschule in Brühl, http://www.eufh.de/ (Stand: 24.05. 2005), vorgesehen.
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Die damit entstehenden Interessenkonflikte der Lehrenden sind aus dem insoweit vergleichbaren und wissenschaftlich sehr viel weitergehend aufgearbeiteten Bereich privater Forschungsförderung wohl bekannt.413 In Deutschland sind sie erst jetzt zunehmend zum Gegenstand (rechts-)wissenschaftlicher Untersuchungen geworden,414 in den USA hingegen werden sie bereits seit langem intensiv diskutiert.415 Am bekanntesten sind insoweit wohl die Beeinflussungen von Forschungsprojekten und die Unterdrückung von Forschungsergebnissen durch die Tabak- und Asbestindustrie geworden.416 Es zeigte sich, dass nicht nur die ausschließliche Finanzierung durch Private, sondern bereits die Kooperation heteronomer Steuerung Tür und Tor öffnet.417 Interessenkonflikte entstanden in allen Phasen eines Forschungsprozesses.418 Im Bereich mündlicher wie schriftlicher Lehre sind dementsprechend Beeinflussungen sowohl der thematischen als auch der inhaltlichen und methodischen Gestaltung gleichermaßen bei voller wie bei anteiliger privater Finanzierung von Lehreinrichtungen zu erwarten. Zu untersuchen ist damit abschließend, ob die Einschränkungen, denen die Lehrfreiheit an privaten Hochschulen schon heute unterliegt bzw. mit großer Wahrscheinlichkeit in Zukunft unterliegen wird, den Bestand des durch Art. 5 413 Ähnliche Entwicklungen sind zudem an den privaten amerikanischen Universitäten zu beobachten, die in der aktuellen hochschulpolitischen Diskussion regelmäßig als Vorbilder auch in der Lehre zitiert werden, vgl. hierzu etwa Ash, Mythenbildung, S. 173; Bublitz/Zapf, Tauglicher Vergleich?, S. 179. 414 Vgl. als eine der ersten eingehenden empirischen Untersuchungen in Deutschland die Analyse von Forschungskonflikten in den Sozialwissenschaften von Brusten/ Eberwein u. a., Mythos oder Realität, S. 22 ff.; ausführlich jetzt M. Blankenagel, Information und Geheimhaltung, S. 90 ff.; im Vergleich mit dem amerikanischen System und mit Blick auf die rechtlichen Regulierungsmechanismen Lux, Kooperation, S. 289 ff. Vgl. ferner den Jahresbericht des DFG-Ombudsmans, Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten, v. a. S. 18 f., der angesichts eines bei den Wissenschaftlern selbst kaum vorhandenen Bewusstseins für die Möglichkeit von Interessenkonflikten und zur Stärkung des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Wissenschaft zu intensiverer wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit diesem Thema anregt. 415 Eine ausführliche Bibliographie dieser interdisziplinär geführten Diskussion findet sich bei Lux, Kooperation, S. 289 mit Fn. 2. 416 Die Einflussnahme der Tabakindustrie auf die von ihr geförderten Forschungsprojekte beschreibt die in den USA eingehend diskutierte Untersuchung von Glantz, Cigarette Papers, insbes. S. 288 ff. Zur Geheimhaltung der Gesundheitsschädlichkeit von Asbest aufgrund des Drucks der forschungsfördernden Industrie Barnes/Bero, Industry-Funded Research, S. 515 ff.; allgemein zur Praxis der Geheimhaltung unerwünschter Forschungsergebnisse M. Blankenagel, Information und Geheimhaltung, S. 99 ff. 417 Die Vielfalt der Konstellationen, aus denen sich Interessenkonflikte ergeben können, analysiert Lux, Kooperation, S. 292 f. 418 So das Resümee von Lux, Kooperation, S. 293 f.; vgl. ferner etwa Maatz, Conflicts of Interest, S. 148, und insbes. zur Beeinflussung der Fragestellung Streharsky, University-industry partnerships, S. 27; speziell zu Geheimhaltungszwängen bspw. Cichy, Sponsorship of research, S. 23 ff. Prominente Bsp. von Interessenkonflikten schildert Lux, a. a. O., S. 291 f.
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Abs. 3 GG garantierten und vom Staat zu gewährleistenden Sachbereichs bedrohen. Hierzu müsste sich ein Anteil von Lehreinrichtungen, der für die substantielle Kontiuität freier ausbildender Lehre von Relevanz ist, ganz oder anteilig in privater Hand befinden. Angesichts der weiten staatlichen Einschätzungsprärogative bei der Bestimmung des zu garantierenden Minimums419 kann dieser Anteil hier zwar nicht quantifiziert werden. Ein Vergleich der Anzahl privater Hochschulen und der an ihnen eingeschriebenen Studenten mit den entsprechenden Eckdaten staatlichen Engagements im Bereich ausbildender Lehre420 zeigt jedoch die insgesamt nur untergeordnete Bedeutung privater Lehreinrichtungen und spricht damit gegen ihre Relevanz i. S. d. Sachbereichsgarantie. Die Lehrfreiheit verpflichtet den Staat heute demzufolge nicht, Maßnahmen zum Schutz ausbildender Lehre zu ergreifen. Doch besteht die staatliche Schutzpflicht, wie die Leistungspflicht zugunsten ausbildender Lehre, als latente fort. Auf welche Weise der Gesetzgeber ihr gegebenenfalls, sollte sich das Verhältnis von privat und staatlich getragener ausbildender Lehre verschieben, nachzukommen hätte, gibt die Lehrfreiheit nicht vor. Allein gänzlich ungeeignete Maßnahmen schließt sie aus. Ob ein Schutzmittel im Einzelfall mit der Verfassung, vor allem mit den betroffenen Grundrechten, im Einklang steht, ist auf der Rechtsfolgenseite nach Maßgabe der betroffenen Grundrechte zu beurteilen. Auf den Bestand der Schutzpflicht wirkt die Zulässigkeit der dem Staat zur Verfügung stehenden Schutzmittel nur zurück, soweit keine der denkbaren Handlungsoptionen mit der Verfassung vereinbar ist. In diesem Fall erlischt seine Pflicht, denn auch für den Staat gilt selbstverständlich der Grundsatz ultra posse nemo obligatur. d) Keine Resubjektivierung der Schutzpflicht 421 Das Bundesverfassungsgericht hat zur Möglichkeit der Resubjektivierung staatlicher Schutzpflichten bisher nicht ausdrücklich Stellung bezogen. Hinweise auf die Annahme einer ausschließlich objektiven Wirkung finden sich in 419 S. o. § 9 III. 3. c): Der Staat verfügt über eine weite Einschätzungsprärogative bei der Bestimmung des mit Blick auf die gesellschaftlichen Bedürfnisse und die Interessen der Lernenden zu bestimmenden Schutzumfangs, die gerichtlich allein daraufhin überprüfbar ist, ob die staatliche Bewertung auf der Grundlage zutreffender und nicht offensichtlich unvollständiger Tatsachen vorgenommen wurde. 420 S. o. Fn. 345, S. 269. 421 Eine umfassende Auseinandersetzung mit den Konzeptionen zur Begründung des (Nicht-)Bestehens grundrechtlicher Schutzansprüche kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit, die sich zuvorderst für die grundrechtsdogmatischen Besonderheiten der Lehrfreiheit interessiert, nicht geleistet werden. Der getroffenen Auswahl liegt eine Einschätzung der Bedeutung der verschiedenen Ansätzen zugrunde, der die (bestätigende oder ablehnende) Rezeptionsdichte und der Begründungsaufwand als Kriterien dienten. Vgl. i. Ü. die ausführliche Analyse mit überzeugender Argumentation von Dietlein, Schutzpflichten, S. 145 ff.; ferner etwa Hermes, Schutz von Leben,
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seiner Rechtsprechung ebenso wie Andeutungen subjektiv-rechtlicher Schutzansprüche.422 Zwingend ist die Annahme eines mit der objektiven Schutzpflicht korrespondierenden subjektiven Rechts, wenn man die Begrenzung auf eine staatliche Pflicht als Verletzung der Menschenwürdegarantie begreift, weil sie den individuellen Grundrechtsträger zum bloßen Schutzobjekt degradiere.423 Mit dieser Argumentation wird jedoch nicht nur jede grundrechtsspezifische Unterscheidung hinfällig, sondern im Ergebnis auch auf die für das gesamte öffentliche Recht wesentliche Differenzierung von objektiver Pflicht und subjektivem Recht verzichtet.424 Sie hält zudem einem wertenden Vergleich mit den von Rechtsprechung und Literatur anerkannten Verletzungen der Menschenwürde425 nicht stand.426 Dass staatlichen Schutzpflichten stets ein subjektiv-öffentliches Recht entspricht, schließt Robert Alexy aus dem Prinzipiencharakter der Grundrechte.427 S. 208 ff.; Szczekalla, Schutzpflichten, S. 310 ff.; ausführlich, aber weniger ertragreich auch Unruh, Schutzpflichten, S. 58 ff. 422 Auf eine rein objektive Wirkung deuten BVerfGE 39, 1, 41 ff.; 46, 160, 164 f.; 49, 89, 140, hin. Demgegenüber scheint das Gericht in BVerfGE 77, 170, 214, von korrespondierenden subjektiven Rechten auszugehen. Wie hier bewerten die Verfassungsrechtsprechung E. Klein, Schutzpflichten, S. 1636 f.; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 411 ff., und Unruh, Schutzpflichten, S. 58 f. Als Anerkennung subjektiver Schutzansprüche verstehen sie hingegen etwa Dietlein, Schutzpflichten, S. 152; Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, S. 383 f.; Isensee, Schutzpflicht, Rn. 183; Szczekalla, Schutzpflichten, S. 217 f., und H. H. Klein, Grundrechte am Beginn, Rn. 68. 423 So Robbers, Sicherheit, S. 187 f.; i. Erg. zustimmend, in der Begründung aber allgemeiner auf die Autonomie des Individuums als Grund und Ziel der Grundrechte rekurrierend E. Klein, Schutzpflichten, S. 1637. 424 Robbers, Sicherheit, S. 148 ff., erkennt diese Differenzierung zwar an, fordert aber einen „existentielle[n] wie legislatorische[n] Primat des subjektiven Rechts“ (S. 149). „Objektives Recht ist Zuordnung, nicht Zuweisung subjektiver Rechte“, Robbers, a. a. O., S. 148 f. 425 Als Verletzungen der Menschenwürde sind etwa die Verhängung unmenschlicher oder grausamer Strafen (BVerfGE 45, 187, 228; 50, 125, 133), der Selbstbezichtigungszwang (BVerfGE 38, 105, 114 f.; 55, 144, 150) und die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohne Chance auf Wiedererlangung der Freiheit (BVerfGE 45, 187, 228 f., 245; BVerfG NJW 1995, S. 3244, 3245) anerkannt; vgl. ferner die Bspe. bei Starck, in: v. M/K/S, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 43 ff., und H. Dreier, in: ders., GG, Art. 1 I Rn. 138 ff. Die Stellung als „Objekt des Schutzes“ ist angesichts der gegensätzlichen Zielrichtungen staatlichen Handelns insbes. nicht vergleichbar mit der menschenunwürdigen (BVerfGE 63, 332, 337 f.; 64, 135, 145) Position eines Beschuldigten, der zum Objekt des Strafverfahrens gemacht wird. 426 In seiner Bewertung von Robbers’ Thesen wie hier Dietlein, Schutzpflichten, S. 148 f.; auf weitere Probleme einer auf die Menschenwürde rekurrierenden Argumentation macht Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 413, aufmerksam. 427 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 414, und zum Prinzipiencharakter der Grundrechte S. 104 ff. Für eine generelle Entsprechung von objektiver Schutzpflicht und subjektivem Schutzanspruch Scherzberg, „Objektiver Grundrechtsschutz“, S. 1133 ff., und H. H. Klein, Schutzpflicht, S. 493, mit Verweis auf die Erhöhung der Durchset-
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Denn jedes Prinzip dränge auf seine relativ zu den tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten größtmögliche Optimierung. Die Anerkennung eines subjektiven Rechts auf Schutz nun stelle mit Blick auf die Realisierung umfassenden Freiheitsschutzes im Vergleich zur bloß objektiv-rechtlichen Geltung einer Schutzpflicht eine weitergehende rechtliche Entfaltung dar, werde mithin durch den Prinzipiencharakter der Schutzanordnung geboten. Unabhängig von einer grundsätzlichen Stellungnahme zur grundrechtstheoretischen Konzeption Alexys und seiner hierauf aufbauenden Einordnung staatlicher Schutzpflichten,428 können doch jedenfalls die der Lehrfreiheit zu entnehmenden Schutzpflichten nicht mit Verweis auf den Prinzipiencharakter des Grundrechts resubjektiviert werden. Denn als Konsequenzen der Sachbereichsgarantie stehen sie nicht im Dienste einer möglichst weitgehenden Realisierung individueller Freiheit der Lehrenden, sondern beschränken sich auf eine Minimalgarantie zugunsten der Lernenden und der Gesellschaft. Auch an dieser Stelle ist daher der Rückgriff auf die Schutznormtheorie geboten. In der Literatur legt man ihren Maßstab zunehmend – ausdrücklich oder stillschweigend – der Entscheidung über die Resubjektivierung einer Schutzpflicht zugrunde.429 Dabei wird freilich nicht immer hinreichend beachtet, dass die Schutznormtheorie maßgeblich auf das Ziel der einzelnen objektiven Pflicht abstellt, im vorliegenden Zusammenhang also nach dem Zweck des Schutzgebotes der Lehrfreiheit zu fragen ist, und nicht allgemein aus dem Ziel „der“ staatlichen Schutzpflichten auf die Möglichkeit ihrer Resubjektivierung geschlossen werden kann.430 Wie die staatliche Leistungspflicht zugunsten der bildenden Lehre kennt auch die Schutzpflicht zugunsten der ausbildenden Lehre keinen individuell Begünstigten. Als Ausprägung der Sachbereichsgarantie gewährt sie Freiheitsschutz nicht zugunsten Einzelner, sondern zugunsten der Gesellschaft und der Gruppe
zungskraft. Demgegenüber verneint bspw. Steinberg, Nachbarrecht, S. 461, ein subjektives Recht auf Schutz prinzipiell, weil es das Verhältnis zwischen Gesetzgeber und Verfassungsgericht „verwische“; ablehnend auch Steinbeiß-Winkelmann, Freiheitsordnung, S. 52 ff., 145 ff. Starck, Verfassungsauslegung, S. 64 ff., resubjektiviert lediglich die aus Art. 1 und 6 GG folgenden Schutzpflichten. 428 Überzeugende Kritik an Alexys Konzeption grundrechtlicher Schutzpflichten und ihrer Subjektivierung übt Dietlein, Schutzpflichten, S. 155 m. w. N. 429 Eingehend Stern, Staatsrecht III/1, § 69 VI 4, S. 987 ff., und Dietlein, Schutzpflichten, S. 168 ff., der die Schutznormtheorie ergänzend, gleichsam als Auffangnetz heranzieht; vgl. ferner etwa Langer, Staatshaftung, S. 197 f., sowie die unten in Fn. 430, S. 293 Genannten; unausgesprochen auch K. Hesse, Grundzüge, Rn. 350. 430 So aber bspw. E. Klein, Schutzpflichten, S. 1637; Bleckmann, Staatsrecht S. 346; Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, S. 386; Isensee, Schutzpflicht, Rn. 184; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 60; Szczekalla, Schutzpflichten, S. 315 f., die davon ausgehen, dass Schutzpflichten allgemein im Interesse des Einzelnen bestehen und seine individuellen Entfaltungsmöglichkeiten sichern sollen.
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der Lernenden als einem Teil der Allgemeinheit. Der (latenten) staatlichen Schutzpflicht korrespondiert mithin kein subjektiv-öffentliches Recht.
IV. Die Ausstrahlungs- und Drittwirkung der Lehrfreiheit Wer die Wirkung der Lehrfreiheit als staatliche Pflicht zum Schutz vor Freiheitsbeeinträchtigungen durch private Dritte untersucht, der unterstellt, dass das Grundrecht Letztere nicht unmittelbar bindet und daher keinen unmittelbaren Schutz vor Störungen von privater Seite gewährt. Ob, inwieweit und auf welche Weise die Grundrechte über ihre Bindung aller staatlichen Gewalt gem. Art. 1 Abs. 3 GG hinaus auch im Privatrecht gelten und das Verhältnis zwischen zwei Grundrechtsberechtigten beeinflussen, wird bereits seit Erlass des Grundgesetzes unter dem Stichwort der „Ausstrahlungs-“ oder „Drittwirkung“ der Grundrechte431 diskutiert.432 Den Ausgangspunkt der Überlegungen bildet die Annahme, dass die Grundrechte als Fundamentalprinzipien der Verfassung die gesamte Rechtsordnung prägen und daher auch die privatrechtlichen Beziehungen jedenfalls nicht unbeeinflusst lassen können. Angesichts der zunehmend von privaten (wirtschaftlichen oder sozialen) Mächten ausgehenden Freiheitsgefährdungen scheint ihre Geltung in diesem Bereich vielmehr von besonderer Bedeutung. Namentlich Schwabe hält den gesamten mit der Wirkung der Grundrechte im Privatrecht verbundenen Fragenkomplex dennoch für ein Scheinproblem, dessen Lösung bereits die umfassende Grundrechtsbindung des Staates gemäß Art. 1 Abs. 3 GG beinhalte. Denn schon hierdurch würden sowohl der Privatrechtsgesetzgeber als auch der im Streitfall zwischen Privaten urteilende Richter verpflichtet, die Grundrechte bei ihren Entscheidungen zu beachten und zur Geltung zu bringen, womit sich die Drittwirkungsfrage als gegenstandslos entpuppe.433
431 H. P. Ipsen, Gleichheit, S. 143. Zu Stärken und Schwächen dieser und anderer Titulierungen der Thematik (z. B. „Horizontalwirkung“ oder „Geltung der Grundrechte im Privatrecht“) Stern, Staatsrecht III/1, § 76 I 2, S. 1513 f. 432 Die Stellungnahmen zur Drittwirkung der Grundrechte sind längst nicht mehr überschaubar. Einen Überblick über die Entwicklung der Rspr. geben z. B. Classen, Drittwirkung, S. 65 ff., und Poscher, Abwehrrecht, S. 233 ff.; siehe zu den Beiträgen der Lit. die Übersicht bei Stern, Staatsrecht III/1, § 76 I 4, S. 1518 ff., und die Nw. bei Ruffert, Vorrang der Verfassung, S. 12 ff.; vgl. ferner die Strukturierung des Problems bei Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, S. 159 ff., sowie aus neuerer Zeit etwa Oeter, „Drittwirkung“; Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, S. 201 ff., 205 ff., und Guckelberger, Drittwirkung. 433 Schwabe, Sogenannte Drittwirkung; ders., Grundrechtsdogmatik, S. 211 f., 221 ff.; zustimmend Rüfner, Grundrechtsadressaten, Rn. 59. Vgl. ferner insbes. Schlink, Rekonstruktion, S. 463 f.; Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 91 ff.; Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, S. 159 ff.; Poscher, Abwehrrecht, S. 245 ff., die
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Zutreffend ist dieser Einwand mit Blick auf den Einfluss der Grundrechte auf die legislative Ausgestaltung der Privatrechtsordnung. Hier geht es in der Tat allein um die Grundrechtsbindung des Gesetzgebers gem. Art. 1 Abs. 3 GG, also die Staatsgerichtetheit der Grundrechte und nicht um eine irgendwie geartete Drittwirkung in Bürger-Bürger-Relationen. Im Ergebnis kommt es zwar zur bezeichneten mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte, konstruktiv aber handelt es sich um keinen von der allgemeinen Grundrechtsbindung der Staatsgewalt abweichenden Sonderfall. Anders verhält es sich jedoch im Falle der Gestaltung privatrechtlicher Beziehungen durch den Richter. Ob sich ein Privater vor Gericht gegenüber einem anderen, ebenfalls grundrechtsberechtigten Privatrechtssubjekt auf die Grundrechte berufen kann, ist mit der Grundrechtsbindung der Judikative noch nicht entschieden. Hierzu müssten die Grundrechte zu den für die richterliche Beurteilung dieser Rechtsbeziehung maßgeblichen normativen Maßstäben gehören. „Das Gericht hat Grundrechte zu beachten, wenn sie gelten; nicht etwa gelten sie, weil ein Gericht entscheidet.“434 Unmittelbar entfalten die Grundrechte nun aber nach zutreffender herrschender Auffassung keine Wirkung zwischen Privaten.435 Mittelbar jedoch gelten die Grundrechte auch in diesen Beziehungen und zwar insoweit sie eine staatliche Pflicht zum Schutz vor den Beeinträchtigungen privater Dritter begründen. Als Schutzpflichten binden sie den Richter bei der Auslegung und Anwendung des Privatrechts.436 Denn das grundrechtliche Schutzgebot ist an alle drei Gewalten adressiert437 und verpflichtet diese zur Abwehr von Störungen und Gefährdungen der Grundrechtsgüter durch Private, also zur Geltendmachung der Grundrechte im Privatrechtsverkehr. Der Richter hat die Grundrechte folglich insoweit, aber eben auch nur insoweit, seiner Entden Einfluss der Grundrechte auf das Verhältnis zwischen Privaten abwehrrechtlich (re-)konstruieren. 434 Doehring, Staatsrecht, S. 209. 435 Statt vieler Rüfner, Grundrechtsadressaten, Rn. 57 ff.; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 2004, Rn. 173 ff.; H. Dreier, in: ders., GG, Vorb. Rn. 98, m. w. N. Eine Ausnahme normiert insoweit Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG. Für eine unmittelbare Drittwirkung nicht aller, aber einer Reihe bedeutender Grundrechte hatte sich insbes. Nipperdey, Gleicher Lohn, S. 121 ff., ausgesprochen. Das BAG folgte seinem damaligen Präsidenten zunächst, vgl. BAG, NJW 1955, S. 684 ff., geht heute jedoch auch von einer nur mittelbaren Wirkung der Grundrechte im Verhältnis zwischen Privaten aus, vgl. BAGE 48, 122, 138 f.; 52, 88, 97 ff.; 88, 118, 123. In jüngerer Zeit hat Hager, Grundrechte im Privatrecht, S. 374 ff., für eine modifizierte Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung plädiert. 436 Dies gilt für organisations- und verfahrensrechtliche Normen ebenso wie für materielle Regeln des Privatrechts, denn beide sind prinzipiell in gleicher Weise grundrechtsrelevant, vgl. oben § 9 II. 2. 437 Da grundrechtliche Schutzpflichten keinen eigenständigen Eingriffstitel begründen, richten sie sich jedoch in erster Linie an den Gesetzgeber, s. o. § 9 III. 5. b).
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scheidung privatrechtlicher Streitfälle als normativen Maßstab zugrunde zu legen, als diese als Schutzpflichten wirken. Hingegen beeinflusst die Auslegungsbedürftigkeit und -fähigkeit privatrechtlicher Regeln nicht, „ob“ der Richter die Grundrechte zu beachten verpflichtet ist, wie es die Rede von den Generalklauseln als „Einfallstoren“ oder „Einbruchstellen“ der Grundrechte ins Privatrecht438 vermuten lassen mag. Sie entscheidet lediglich darüber, auf welche Weise der Richter die Grundrechte im konkreten Fall zur Geltung bringt, ob im Wege der verfassungsorientierten oder -konformen Auslegung439 oder mittels einer Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG.440 Sie bestimmt also lediglich, welcher Funktionsträger die Schutzpflicht letztendlich aktiviert. Die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte im Rahmen der Privatrechtsprechung ist folglich ein Unterfall der grundrechtlichen Schutzpflichtendimension,441 über die Wirkung der Lehrfreiheit im Verhältnis zwischen Privaten wurde nach allem bereits mit der Entfaltung ihres Schutzgebotes entschieden.
438 Siehe Stern, Staatsrecht III/1, § 76 II 2 a, S. 1543; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 2004, Rn. 181; ferner H. Dreier, Dimensionen, S. 43 („Schleusen“); vgl. auch, seine mit dem Lüth-Urteil beginnende Rspr. resümierend, BVerfGE 73, 261, 269: Der Rechtsgehalt der Grundrechte vermittelt sich „über das Medium der das einzelne Rechtsgebiet unmittelbar beherrschenden Vorschriften, insbesondere der Generalklauseln und sonstigen auslegungsfähigen und ausfüllungsbedürftigen Begriffe“. 439 Siehe zu dieser Differenzierung Richter/Schuppert/Bumke, Casebook, S. 42 f., die die verfassungskonforme Auslegung zutreffend als „Unterfall“ der verfassungsorientierten Auslegung qualifizieren; ebenso mit dem berechtigten Hinweis auf Abgrenzungsschwierigkeiten Voßkuhle, Verfassungskonforme Auslegung, S. 180; siehe ferner H. Dreier, in: ders., GG, Art. 1 III Rn. 84 f., und die Analyse der Verwendung beider Auslegungsvarianten durch das BVerfG von Krauß, Umfang der Prüfung, S. 188 ff. 440 Aufschlussreich zur Arbeitsteilung zwischen BVerfG und Fachgerichten speziell bei der Anwendung der verfassungskonformen Auslegung Voßkuhle, Verfassungskonforme Auslegung, insbes. S. 194 ff. m. umfangreichen w. N. Vgl. allgemein zum zumeist unter dem Stichwort des „Prüfungsumfangs bei Urteilsverfassungsbeschwerden“ diskutierten Verhältnis von BVerfG und Fachgerichten die Darstellungen von Voßkuhle, in: v. M/K/S, GG, Art. 93 Rn. 54 ff., und Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht, Rn. 280 ff.; ferner etwa Schuppert, Nachprüfung, v. a. S. 55 ff.; K. Hesse, Funktionelle Grenzen; Starck, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 1033 ff.; Robbers, Für ein neues Verhältnis, S. 938 ff., und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erläuternd bzw. gegenüber dem Vorwurf der Superrevisions- und -tatsacheninstanz rechtfertigend Hoffmann-Riem, Nachvollziehende Grundrechtskontrolle, S. 176 ff. 441 So i. Erg. bspw. auch Canaris, Grundrechte und Privatrecht, S. 227 f.; Stern, Staatsrecht III/1, § 76 III 4 b, S. 1560 f., der die Abgrenzung jedoch „eher“ für eine „terminologische [. . .] denn sachliche Frage“ hält; Starck, Verfassungsauslegung, S. 66 f.; Unruh, Schutzpflichten, S. 71 ff.; Lerche, Grundrechtswirkungen, S. 227; Floren, Grundrechtsdogmatik, S. 37 ff.; Schuppert/Bumke, Konstitutionalisierung, S. 20; Ruffert, Vorrang der Verfassung, S. 252 f.; Jarass, Grundrechte, S. 40, 50; ders., Bausteine, S. 352; Szczekalla, Schutzpflichten, S. 257; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 2004, Rn. 183, sowie H. H. Klein, Grundrechte am Beginn, Rn. 67; a. A. bspw. Classen, Ableitung von Schutzpflichten, S. 38 f.; Isensee, Ambivalenz, S. 7; Lücke, Drittwirkung der Grundrechte, S. 382.
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V. Fazit Die Lehrfreiheit wirkt heute sowohl als subjektives Abwehrrecht wie auch als objektive Sachbereichsgarantie. Diese funktionalen Dimensionen ergeben sich nicht aus einer übergeordneten Grundrechtstheorie. Sie sind der Lehrfreiheit selbst im Wege der Verfassungsinterpretation als Konsequenzen ihres Normziels zu entnehmen. Den Grundrechtsträgern vermittelt die Lehrfreiheit das Recht zur Abwehr staatlicher Eingriffe in ihre Freiheit der thematischen, inhaltlichen und methodischen Gestaltung der Lehre. Ansprüche auf staatliches Handeln gewährt sie hingegen nicht, weder unmittelbar noch als Resubjektivierung objektiver Grundrechtswirkungen. Ebenso wenig enthält sie eine Garantie der Universität humboldtscher Prägung oder der Selbstverwaltung als Organisationsprinzip von Lehreinrichtungen. Die Verselbständigung der Lehrfreiheit entzieht der Ableitung einer entsprechenden Einrichtungsgarantie aus Art. 5 Abs. 3 GG, die bereits vor dem dogmatischen Hintergrund eines einheitlichen Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit zweifelhaft war, den dünnen Boden. Aus den fremdnützigen telæ der Lehrfreiheit folgt jedoch ihre Wirkung als Sachbereichsgarantie zugunsten der Lernenden und der Gesellschaft. Als solche verpflichtet sie den Staat zur Gewährleistung der substantiellen Kontinuität des Lebenssachverhalts freier bildender und ausbildender Lehre. Hierdurch werden die Befugnisse des Staates zur Ausgestaltung seiner Hochschulen zugleich garantiert und begrenzt. Das Konfliktpotential, das sich daraus ergibt, unterscheidet sich aufgrund des abweichenden Maßstabs der Sachbereichsgarantie qualitativ von dem durch das Abwehrrecht begründeten. Aus der Sachbereichsgarantie folgt eine staatliche Leistungsverpflichtung zugunsten der bildenden Lehre. Zugunsten der ausbildenden Lehre bestehen derzeit lediglich latente Leistungs- und Schutzpflichten. Im Rahmen des bestehenden Bildungssystems ist der Staat überdies verpflichtet, die für die bildende und ausbildende Lehre ausgewiesenen und für die substantielle Kontinuität des Sachbereichs relevanten Mittel den Grundrechtsträgern zur erschöpfenden Nutzung zur Verfügung zu stellen. Das Ziel dieser Pflichten, das ihren Inhalt und Umfang prägt, ist nicht die Gewährleistung individueller Freiheit für die einzelnen Grundrechtsträger, sondern allein die Sicherung des Lebensbereichs ,Freie Lehre‘ zugunsten der Lernenden und der Allgemeinheit. Bei der Bestimmung des auf diese Weise zu erhaltenden Mindestbestandes verfügt der Staat über eine weite Einschätzungsprärogative. Für die Lehrenden selbst ist die Lehrfreiheit heute also, wie eingangs vermutet, tatsächlich von nur noch untergeordnetem Wert. Die zu ihren Gunsten bestehende subjektive Dimension tritt hinter dem objektiven Gehalt des Freiheits-
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rechts, seiner Wirkung als fremdnützige Sachbereichsgarantie, zurück. Aus der geringen Bedeutung, welche die Lehrfreiheit für die Lehrenden besitzt, ist daher nicht auf ihre Wertlosigkeit, sondern auf einen gewandelten Wert zu schließen.
§ 10 Ergebnis und Ausblick Liest man Rechtsprechung und Literatur zu Art. 5 Abs. 3 GG, so erscheint die Lehrfreiheit als verlorenes Grundrecht: Während sie vormals die rechtswissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit der Garantie freier Wissenschaft und ihrer Lehre dominierte, findet sie heute neben Wissenschafts- und Forschungsfreiheit kaum mehr Beachtung. Eine Untersuchung der möglichen Ursachen und der Berechtigung ihres Schattendaseins bestätigt die Hypothesen ihrer Funktions-, Wert- oder Konfliktlosigkeit jedoch nicht. Sie zeigt, im Gegenteil, ihre eigenständige Funktion, ihren veränderten Wert und ihr hieraus folgendes Konfliktpotential und erweist die Lehrfreiheit als gewandeltes Grundrecht.
I. Die Funktion der Lehrfreiheit Zweifel an einer eigenständigen Funktion der Lehrfreiheit begründet vor allem das Paradigma des einheitlichen Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit, das von der Rechtsprechung besonders konsequent verwirklicht wird, aber auch die rechtswissenschaftliche Literatur beherrscht. Hiernach sind Forschungs- und Lehrfreiheit lediglich unselbständige Elemente der Wissenschaftsfreiheit. Der Lehrfreiheit und ihrer dogmatischen Entfaltung kommt demzufolge keine eigenständige Schutzfunktion zu. Mit den Ergebnissen einer normbereichsorientierten Interpretation des Art. 5 Abs. 3 GG ist diese Annahme heute jedoch nicht mehr vereinbar. Bereits die semantische Analyse stellt die Qualifikation von „Wissenschaft“ als Oberbegriff für Forschung und Lehre in Frage, da sich im derzeitigen Sprachgebrauch weder die Intensionen noch die Extensionen des Wissenschaftsbegriffs, insoweit er auf Tätigkeiten verweist, mit den Bedeutungen von „Lehre“ überschneiden, „Wissenschaft“ aber andererseits synonym mit „Forschung“ verwendet wird. Auch die systematische Auslegung ergibt viele Anzeichen für eine Verselbständigung der Lehrfreiheit, aber keine Hinweise auf eine Differenzierung von Wissenschafts- und Forschungsfreiheit. Wie die historische Analyse zeigt, hat die Garantie freier Wissenschaft und ihrer Lehre in der grundrechtlichen Praxis der Vergangenheit zudem nur entweder die Forschungs- oder die Lehrfreiheit geschützt, obwohl sie theoretisch stets als zwar einheitliches, aber zweigliedriges Grundrecht verstanden wurde. Vor diesem Hintergrund erscheint es zweifelhaft, ob ein einheitliches Grundrecht heute in der Lage ist, Forschungs- und Lehrfreiheit zugleich und gleichermaßen Rechnung zu tragen. Die Vorgängerregelungen
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des Art. 5 Abs. 3 GG sahen ferner kein personelles Junktim zwischen Lehr- und Forschungsfreiheit vor, das häufig als Grundlage oder Ausdruck der Einheitlichkeit der Wissenschaftsfreiheit verstanden worden ist, und die Genese der grundrechtlichen Freiheitsverbürgung deutet nicht darauf hin, dass sich die Grundgesetzväter insoweit vom vorverfassungsmäßigen Gesamtbild distanzieren wollten. Ausschlaggebend für die Qualifikation der Lehrfreiheit als selbständiges Grundrecht mit eigenständigen Schutzaufgaben jedoch sind die strukturellen Unterschiede der Normbereiche von Lehr- und Forschungsfreiheit und die auch daraus resultierende Divergenz ihrer telæ: Anders als die Forschungsfreiheit steht die Lehrfreiheit heute nicht mehr im Dienst von Wissenschaft und wissenschaftlichem Erkenntnisfortschritt. Sie gewährleistet weder ihre Publizität noch ihre sachliche oder personelle Kontinuität. Diese Aufgaben übernimmt der von der Lehre getrennte Forschungsdiskurs. Zentrale Funktion der Lehrfreiheit ist demgegenüber die Gewährleistung eines freiheitlichen Bildungs- und Ausbildungssystems. Daneben treten ein kritischer und ein kulturstaatlicher telos. Einzig die Selbstverwirklichungsfunktion ist Lehr- und Forschungsfreiheit weiterhin gemeinsam. Für die Lehrfreiheit hat diese Funktion aber nur noch untergeordnete Bedeutung. Da sich die dogmatische Entfaltung einer Norm an ihren telæ und den Strukturen des zu regelnden Sachbereichs zu orientieren hat, ist das Grundrecht der Lehrfreiheit angesichts dieser Divergenzen von Wissenschaftsund Forschungsfreiheit zu differenzieren. Die teleologische Auslegung bestätigt mithin, was der Wortlaut, die systematische Stellung und die Geschichte des Art. 5 Abs. 3 GG andeuten: Die Verwirklichung seines Freiheitsversprechens erfordert die selbständige dogmatische Entfaltung der Lehrfreiheit, die mithin eine eigene Schutzfunktion übernimmt. Neben die Lehrfreiheit tritt die Forschungsfreiheit, für ein Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit hingegen bleibt kein Raum. „Wissenschaft“ i. S. d. Art. 5 Abs. 3 GG verweist heute ausschließlich auf das Gesamt der im Laufe der Zeit gewonnenen Erkenntnisse über die natürliche und soziale Welt, benennt damit zwar keinen grundrechtlichen Schutzbereich, aber den Bezugspunkt der geschützten Forschungstätigkeiten und zugleich den Inhalt der als freiheitlich garantierten Lehre. Denn die Eigenständigkeit der Lehrfreiheit ist nicht zu verwechseln mit ihrer vollständigen inhaltlichen Entkoppelung von der Wissenschaft. Vielmehr bilden wissenschaftliche Inhalte den materiellen Kern der durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Lehrtätigkeiten. Gleichwohl besteht zwischen Lehr- und Forschungsfreiheit kein personelles oder institutionelles Junktim, sie sind nur mittelbar über das Gebäude der wissenschaftlichen Erkenntnisse verbunden. Auch der Lehrende, der wissenschaftliches Wissen vermittelt, aber weder selbst forscht noch in eine Institution eingebunden ist, an der Forschung betrieben wird, genießt den grundrechtlichen Schutz – vorausgesetzt, er verfügt über die für seine Lehraufgabe erforderliche Qualifikation und die Ab-
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sicht, eigenständig wissenschaftliche Inhalte an Personen mit unterlegenem Kenntnisstand zu vermitteln und seine Darstellung dementsprechend zu gestalten. Eine Ausnahme normiert insoweit Art. 7 Abs. 1 GG, der als lex specialis zu Art. 5 Abs. 3 GG die Lehre an allgemeinbildenden Schulen der staatlichen Aufsicht unterstellt. Art. 5 Abs. 3 GG gewährleistet neben der Kunstfreiheit mithin zwei voneinander unabhängige Grundrechte, die eigenständige Schutzfunktionen übernehmen und daher der selbständigen dogmatischen Entfaltung bedürfen: die Freiheit der Forschung und die Freiheit der wissenschaftlichen Lehre.
II. Der Wert der Lehrfreiheit Mit dem besonderen Engagement von Professoren und Studenten für die Verwirklichung der Lehrfreiheit in der Vergangenheit kontrastiert die nur geringe Aufmerksamkeit, die das Grundrecht derzeit von Seiten der Lehrenden und Lernenden erhält. Es liegt daher nahe anzunehmen, dass die Lehrfreiheit ihren Wert für die Grundrechtsbegünstigten, insbes. die Grundrechtsinhaber, verloren hat. Tatsächlich haben sich die Strukturen der geschützten Lehrtätigkeit und die Funktionen der Lehrfreiheit so weitgehend verändert, dass das Grundrecht für die Lehrenden, also die Grundrechtsträger, heute von wesentlich geringerer Bedeutung ist als in der Vergangenheit. Die Lehre ist nicht länger in den Prozess der Erkenntnisgewinnung eingebunden. Lehr- und Forschungsdiskurs verlaufen vielmehr ganz überwiegend getrennt. Forschungsergebnisse werden nicht mehr in der Lehre veröffentlicht, sondern in den an andere Forscher adressierten Publikationen. Die Gegenstände der Lehrveranstaltungen unterscheiden sich daher zumeist schon thematisch, jedenfalls aber inhaltlich von denen der Forschung. Schließlich zählt auch die Ausbildung von Nachwuchsforschern nicht mehr zu den Aufgaben der Lehre, sondern wird von der Forschung übernommen. Die Lehrtätigkeit ist mithin nicht mehr Bestandteil des ,dem Menschen eigenen Strebens nach Wahrheit‘, das durch sein ,ursprüngliches Wissenwollen‘ motiviert wird. Damit verliert der Schutz der Lehrfreiheit einen wesentlichen Teil seiner Attraktivität für die Lehrenden. Dem entspricht, dass die Selbstverwirklichungsfunktion heute nur noch einen sekundären telos der Lehrfreiheit darstellt. Im Zuge der Entwicklung hin zur Wissensgesellschaft und der Internationalisierung der Bildungsräume haben jedoch gleichzeitig die drittnützigen Funktionen der Garantie freier Lehre an Bedeutung gewonnen, so dass die Lehrfreiheit heute als dienendes Grundrecht zu qualifizieren ist. Sie besteht in erster Linie zugunsten der Lernenden – freilich ohne diesen eigene subjektive Rechte zu verleihen – und im Interesse der Allgemeinheit.
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Mit dieser Bedeutungsverschiebung korrespondiert das größere Gewicht der objektiven im Vergleich mit den subjektiven Gehalten der Lehrfreiheit. Das Grundrecht vermittelt den Lehrenden zwar auch weiterhin ein Abwehrrecht. Bei der Realisierung des Normziels aber kommt seiner Wirkung als Sachbereichsgarantie zugunsten der Lernenden und der Allgemeinheit die größere Bedeutung zu. Letztere ist vor allem von einer institutionellen Garantie, die Art. 5 Abs. 3 GG jedenfalls heute nicht mehr entnommen werden kann, zu unterscheiden. Denn sie gewährleistet nicht den Bestand einer bestimmten Einrichtung oder eines bestimmten Normenkomplexes, sondern die substantielle Kontinuität des Lebenssachverhalts ,Freie Lehre‘. Der Sachbereichsgarantie entspricht eine Gewährleistungspflicht des Staates. Hieraus ergeben sich im aktuellen (Aus-)Bildungssystem originäre staatliche Leistungspflichten zugunsten der bildenden Lehre. Hingegen bestehen zugunsten der ausbildenden Lehre unter den momentanen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen lediglich latente Leistungs- und Schutzpflichten. Soweit der Staat jedoch Mittel für die (bildende oder ausbildende) wissenschaftliche Lehre ausweist, ist er unter den derzeitigen Gegebenheiten verpflichtet, diese Mittel auch in vollem Umfang den Lehrenden zur Verfügung zu stellen bzw. geschaffene Kapazitäten erschöpfend zu nutzen – vorausgesetzt, diese sind für die substantielle Kontinuität des Lebensbereichs von Relevanz. Die Garantie freier Lehre hat ihre Attraktivität für die Lehrenden, also die Grundrechtsträger, somit zwar zu einem erheblichen Teil eingebüßt, zugleich aber ist ihre Verwirklichung für die Lernenden und die Allgemeinheit als Drittbegünstigte zunehmend wichtiger geworden. Das eigenständige Grundrecht der Lehrfreiheit ist mithin nicht ohne, sondern von verändertem Wert für die Grundrechtsbegünstigten.
III. Das Konfliktpotential der Lehrfreiheit Angesichts der geringen Präsenz der Lehrfreiheit in der rechtswissenschaftlichen Literatur und vor allem der Rechtsprechung könnte man vermuten, dass ihre Gewährleistung nicht mit staatlichen Maßnahmen im Normbereich des Grundrechts kollidiert und daher kein Konfliktpotential besitzt. Ob und inwieweit die Realisierung eines Grundrechts Konflikte birgt, ist zum einen abhängig von seinem Schutzumfang, der durch die Weite seines Grundrechtstatbestands und seines Gewährleistungsinhalts sowie durch seine funktionalen Dimensionen bestimmt wird, zum anderen von den Einschränkungen bzw. Bedrohungen der gewährleisteten Freiheit durch staatliches Handeln oder Unterlassen. Mit Blick auf die Lehrfreiheit sind – verglichen mit der Zeit, in der das Grundrecht noch breite rechtswissenschaftliche Aufmerksamkeit genoss – in beiden Hinsichten Veränderungen zu verzeichnen. Sie stützen jedoch weder die Vermutung seiner
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konfliktfreien Verwirklichung, noch weisen sie eindeutig auf eine Verringerung der Spannungen hin. Wesentliche Modifikationen der Schutzintensität der Lehrfreiheit und damit ihres Konfliktpotentials ergeben sich aus ihrer Wirkung als Sachbereichsgarantie sowie aus der präzisen bzw. engen Bestimmung ihres Gewährleistungsinhalts. Als Sachbereichsgarantie misst die Lehrfreiheit staatliches Handeln an einem Maßstab, der sich von dem des Abwehrrechts unterscheidet. Da die objektive Dimension nicht zugunsten der Lehrenden besteht, sondern den Lernenden und der Allgemeinheit dient, hat sie nicht die Gewährleistung der Grundrechtsausübung jedes einzelnen Grundrechtsträgers zum Ziel. Ihrem teleologischen Drittbezug entsprechend verpflichtet sie den Staat vielmehr, an der Gesamtheit der Lehreinrichtungen und für die Gesamtheit der Lehrenden die Freiheitsausübung so weitgehend zu ermöglichen, wie es zur Verwirklichung der (Aus-)Bildungsfunktion, der kritischen und der kulturstaatlichen Ziele der Lehre mit Blick auf die gesellschaftlichen Bedürfnisse, insbesondere die Interessen der Lernenden, erforderlich ist. Bei der Bestimmung dieses grundrechtlichen Minimums und speziell bei der Beurteilung der gesellschaftlichen Belange verfügt der Staat über eine weite Einschätzungsprärogative. Freiheitsverkürzende staatliche Maßnahmen sind zudem nicht nur isoliert, sondern in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Es ist der nach Addition aller Einschränkungen für die Gruppe der Lehrenden in den unterschiedlichen Disziplinen effektiv verbleibende Freiraum zu ermitteln und so die Kontinuität des Lebensbereichs zu gewährleisten. Dem einzelnen Lehrenden garantiert das Grundrecht mittels seiner objektiven Dimension nur insoweit die freie Entscheidung über Thema, Inhalt und Methode der Lehre, als dies Voraussetzung für den Bestand des Sachbereichs ist. Das bedeutet einerseits, dass der Staat das subjektive Freiheitsrecht verletzen kann, ohne gegen seine Gewährleistungspflicht zu verstoßen. Es bedeutet jedoch andererseits auch, dass er die Sachbereichsgarantie verletzen kann, ohne dass das Abwehrrecht der Lehrenden betroffen wäre. Da die Wirkung der Lehrfreiheit als objektive Garantie eines Lebensbereichs neben den abwehrrechtlichen Gehalt tritt, intensiviert sie den grundrechtlichen Schutz, indem sie staatliches Handeln einer zweiten, abweichenden Prüfung unterwirft. Sie erhöht damit das Konfliktpotential. Das Gegenteil bewirkt die enge Bestimmung des grundrechtlichen Gewährleistungsinhalts. Die Lehrfreiheit vermittelt den wissenschaftlich Lehrenden hiernach nicht das Recht, sich nach Belieben zu verhalten. Sie garantiert ihnen ausschließlich die freie, von staatlichen und gesellschaftlichen Interessen unbeeinflusste Entscheidung über Themen, Inhalte und Methoden ihrer bildenden
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oder ausbildenden Lehrveranstaltungen. Die Gestaltung und Abnahme von Prüfungen gehört im Prinzip nicht zum Gewährleistungsinhalt der Lehrfreiheit. Nur in Ausnahmefällen vermittelt sie ein Recht auf Einsicht in die Prüfungsergebnisse jener Lernenden, die an den Veranstaltungen des Grundrechtsträgers teilgenommen haben. Nicht geschützt sind ferner die Inanspruchnahme fremder Rechtsgüter und die Wahl eines bestimmten Ortes oder einer bestimmten Zeit für die Lehre. Diesbezügliche staatliche Regelungen betreffen also gar nicht erst den grundrechtlichen Schutzbereich. Die präzise Definition der durch Art. 5 Abs. 3 GG garantierten Freiheit vermindert mithin das Konfliktpotential, das die Lehrfreiheit birgt. Weniger gewichtige Veränderungen des grundrechtlichen Maßstabs ergeben sich darüber hinaus aus der Unabhängigkeit des grundrechtlichen Schutzes von einer eigenen Forschungstätigkeit des Lehrenden, die zu einer Erweiterung des Grundrechtstatbestands führt und damit die Wahrscheinlichkeit einer Interessenkollision erhöht, sowie aus der Abhängigkeit des Schutzes von der lehrtätigkeitsbezogenen Qualifikation des Grundrechtsträgers, die beispielsweise den staatlichen Regelungen von Einstellungsvoraussetzungen in vielen Fällen den Eingriffscharakter nimmt. Zweite Variable bei der Bestimmung des Konfliktpotentials eines Grundrechts sind die durch staatliches Handeln oder Unterlassen begründeten Freiheitseinschränkungen oder -gefährdungen. Exemplarische Untersuchungen der Entwicklungen im Bildungs-, insbesondere im Hochschulsystem deuten auch insoweit mit Blick auf die Lehrfreiheit einen Wandel an. Einerseits versucht der Staat heute anders als die weltlichen und kirchlichen Träger der Universitäten bis ins 19. Jahrhundert praktisch nicht mehr, inhaltlich auf die Lehre Einfluss zu nehmen. Staatliche Vorgaben bestimmter wissenschaftlicher Positionen sind gleichsam unbekannt. Gleichzeitig jedoch ist ein Privatisierungstrend (auch) im Bereich der Hochschulen zu verzeichnen, mit dem in vielen Fällen eine Einschränkung nicht nur der thematischen und methodischen, sondern auch der inhaltlichen Freiheit der Lehrenden durch die privaten Financiers einhergeht. Zu einem grundrechtlichen Konflikt werden diese Begrenzungen des Gestaltungsspielraums der Lehrenden durch nicht grundrechtsverpflichtete Dritte in dem Moment, da sich eine für den Bestand des Sachbereichs ,Freie Lehre‘ relevante Anzahl von Hochschulen in privater Hand befindet. In diesem Fall ist der Staat verpflichtet, zum Schutz der Freiheit ausbildender wissenschaftlicher Lehre gestaltend einzugreifen. Andererseits begrenzt der Staat die thematische und methodische Freiheit der Lehrenden im Zuge der aktuellen Hochschulreformen und der Schaffung eines „europäischen Hochschulraumes“ zunehmend. Neben die mittelbaren Einschränkungen durch staatliche Prüfungsordnungen, die vor allem die Lehre in Staats-
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2. Teil: Die Wiederentdeckung der Lehrfreiheit
examensstudiengängen betreffen, treten jetzt die Freiheitsverkürzungen durch Akkreditierungsverfahren, die in Zukunft jedenfalls faktisch der überwiegende Teil der Studiengänge mit universitären Abschlussprüfungen vor der Einrichtung und anschließend in regelmäßigen zeitlichen Intervallen zu durchlaufen haben wird. Hinzu kommen Begrenzungen der thematischen und methodischen Freiheit durch Lehrevaluationen, durch eine auf Fremdbeurteilungen aufbauende leistungsorientierte Bezahlung sowie mittels der faktischen oder rechtlichen Verkürzungen der Studienzeiten. Sie betreffen auch die in den herkömmlichen Diplom- und Magisterstudiengängen Lehrenden. Diese Entwicklungen werden insbesondere mit der Art. 5 Abs. 3 GG zu entnehmenden objektiven Sachbereichsgarantie in Konflikt geraten, welche Freiheitseinschränkungen nicht einzeln bewertet, wie es der abwehrrechtlichen Dimension entspricht, sondern Summationseffekte und Wechselwirkungen berücksichtigt. Beide für das Konfliktpotential der Lehrfreiheit bestimmenden Faktoren haben sich mithin verändert, während die Lehrfreiheit die rechtswissenschaftliche Aufmerksamkeit verlor. Dabei sind sowohl Ausweitungen der Konfliktbereiche zu verzeichnen als auch Entwicklungen, die aus der Vergangenheit bekannte Kollisionen heute ausschließen. Ob die Spannungen insgesamt zugenommen oder sich verringert haben, ist angesichts dieser gegenläufigen Tendenzen kaum zu beurteilen. Sie widerlegen jedoch die Annahme, dass staatliche Handlungen und Unterlassungen im Normbereich der Lehre in der Regel nicht mehr mit dem Freiheitsversprechen des Art. 5 Abs. 3 GG kollidieren. Die Lehrfreiheit besitzt heute also eine eigenständige Funktion und ist von zunehmendem Wert für die Drittbegünstigten. Ihr Freiheitsversprechen ist nicht ohne Konflikt mit staatlichen Regelungsinteressen zu verwirklichen. Dabei unterscheidet sich das selbständige Grundrecht der Lehrfreiheit jedoch wesentlich von der Lehrfreiheit als Bestandteil der Wissenschaftsfreiheit nach traditioneller Interpretation. Den Hintergrund dieser Wandlung bilden in erster Linie Veränderungen im grundrechtlichen Normbereich, während der Wortlaut der grundgesetzlichen Gewährleistung unangetastet blieb. Die Lehrfreiheit erweist sich damit als Beispiel eines Verfassungswandels. Auch die hier vorgestellten Eckpunkte einer veränderten Dogmatik der Lehrfreiheit können daher nur vorläufigen Charakter haben. Der parlamentarischen Gestaltung im Hochschulbereich geben sie neue Koordinaten vor. So steht Art. 5 Abs. 3 GG beispielsweise einer Trennung von Forschung und Lehre nicht mehr entgegen. Gleichzeitig jedoch nimmt das Grundrecht dem Staat die Möglichkeit, die Freiheit der Lehre im Zuge der Hochschulreformprozesse mittels einer Vielzahl von Regelungen, die als einzelne zulässig sein mögen, im Wege der Summation gleichsam unbegrenzt einzuschränken. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit konnten die dogmatischen Bausteine des selbständigen Grundrechts freier Lehre nur in Grundzügen entfaltet und vor al-
§ 10 Ergebnis und Ausblick
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lem ihre Konsequenzen für das System wissenschaftlicher Lehre nur exemplarisch erarbeitet werden. Insofern steht zu hoffen, dass die verloren geglaubte Lehrfreiheit als eigenständiges und gewandeltes Grundrecht ihren Weg zurück findet in die rechtswissenschaftliche Literatur und in die Rechtsprechung.
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Entsprechungsrechte, ergänzungsbedürftige 203 f. Europäische Menschenrechtscharta (EMRK) 84 European Credit Transfer System (ECTS) 134 f. Evaluation s. Lehrevaluation Extension s. Intension Fachhochschule 112, 180, 199 Folgenverantwortung s. Forschungsfreiheit, s. Lehrfreiheit Forschung – Begriff 158, 163 f. s. a. Forschung, Wortbedeutung – als Element von Wissenschaft 174 – Entindividualisierung 134 ff. – Extensionen 66 f. – Intuition 120 – Janusköpfigkeit 26 – kritische Funktion 128 ff. – Nachwuchsforscher 116 ff. – wissenschaftliche 76 – Wortbedeutung, entstehungszeitliche 59 f. – Wortbedeutung, geltungszeitliche 63 Forschungsergebnisse 111 ff., 157 ff., 163 f., 189 ff. – Veröffentlichung als Schutzbedingung 157 ff. Forschungsförderung – Kompetenz 75 ff. – private 290 Forschungsfreiheit – Folgenverantwortung 220 f. – als Funktionsgrundrecht 139 ff. – historische Entwicklung 85 ff.
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– Leistungspflicht, staatliche 264 – Normbereich 116 ff., 136 f. – telæ 108 ff. – textliche Verankerung im GG 104 f. Frankfurter Reichsverfassung 20, 93 f. Funktionsgrundrechte 139 ff. Gewährleistungsinhalt s. Grundrechte „Grundrecht der Universität“ s. Smend Grundrechte – Dimensionen s. Grundrechtsdimensionen – Doppelcharakter 227 – Drittwirkung 294 ff. – europäische Garantien 82 ff. – fremdnützige s. Lehrfreiheit – und gesetzgeberische Freiheit 261 f. – Gewährleistungsinhalt 206 ff. mit Fn. 127, S. 211 – Grundrechtstatbestand 206 ff., 209 – institutionelles Grundrechtsverständnis s. dort – Interpretation s. dort – Lebensbereich s. Grundrechtstatbestand – als Leistungsrechte s. dort – Prinzipiencharakter 292 f. – Referenzgrundrechte 77 ff. – als Schutzansprüche s. dort – Schutzpflichten 281 f., 284 f., 287 – Tatbestandslehre, enge bzw. weite 206 ff. – Verwirkung 73 f. Grundrechtecharta, europäische 82 f. Grundrechtsdimensionen – funktionale 222 ff. – objektiv-rechtliche 238 f. – organisations- und verfahrensrechtliche 230 f. – subjektiv-rechtliche 227 ff. Grundrechtsinterpretation – Bedeutung der EMRK 84 – „Ergänzungsargument“ 64 mit Fn. 140 – grammatische 50 ff.
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historische 85 f. in dubio pro libertate 213 f. Kohärenz 82 Methode(n) der 43 ff. Methodensynkretismus 49 Normbereich 46 f., 109 f. objektive Theorie 63 ff. Prinzipien der Verfassungsinterpretation 48 – als schöpferischer Prozess 47, 64 f., 85 – semantische 49 ff. – sozialstaatliche 232 ff., 236 – Strukturierende Rechtslehre 46 – subjektive Theorie 63 ff. – systematische 67 f. – teleologische 108 ff. – Topik 46 – Wortlautgrenze 49 f., 65 Grundrechtskonkretisierung s. Grundrechtsinterpretation, schöpferischer Prozess Grundrechtssubjektivität s. Lehrfreiheit Grundrechtstheorien 223 ff. Gruppenuniversität 23, 222 Handlungsfreiheit, Allgemeine 213 Fn. 135 Hochschuldidaktik 114, 183 Hochschulen s. a. Universität – Anerkennung, staatliche 269 f. – Haushalte, Verteilung 278 ff. – institutionelle Garantie 240 ff. – private 269 f., 288 ff. – Profilbildung 136 – staatliche 253, 278 ff. – Studierendenauswahl 136 Hochschullehrer 20, 22 f., 29, 100 f., 120, 133, 153, 165 f., 179, 180, 279, 283 Hochschulrahmengesetz 117 f., 126 f., 183, 193, 214, 256, 270 Hochschulurteil 23 f., 151 f., 234, 238, 282
Sachregister Humboldt – Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden 119 – Universitätskonzept 89 Idealismus, deutscher 88 ff. – Universitätskonzeption 51 f., 89 f. – Wissenschaftsorganisation 88 ff. Informationsfreiheit 68, 79 Institutionelles Grundrechtsverständnis 247 ff. Integrationslehre 100 ff. s. a. Smend Intension – Abgrenzung zur „Definition“ 54 – Abgrenzung zur „Extension“ Fn. 85, S. 53 – Begriff 53 Intentionalismus, semantischer 53 Interessenkonflikte 290 ff. Junktim 157 ff., 176 ff. – doppeltes 157 ff. – einseitiges 162 ff. – institutionelles 167 ff., 186 ff. – personelles 157 ff., 162 ff., 177 ff. Jurisdiktionsstaat 261 f. Kommunikationsgrundrechte 68 f. Konventionalismus 53 Körperliche Unversehrtheit, Recht auf 78 Kritik, Begriff 127 f. Kultur – Begriff 130 f. – Kulturstaat 130 f. Kultusministerkonferenz (KMK) 255 Kunstfreiheit 51 f., 194 f. – Werk-/Wirkbereich 69 f. Kunsthochschule 195 Leben, Recht auf 78 Lebenslanges Lernen 123, 179 Lehre – ausbildende 121 ff., 177 ff., 267 ff., 280, 288 ff.
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– (Aus-)Bildungsfunktion 121 ff., 177 ff., 181 ff. – Begriff, verfassungsrechtlicher 188 ff. – bildende 177, 267 ff., 279 f., 287 f. – Element von Wissenschaft 29, 49 ff., 172 ff. – Entindividualisierung 134 ff. – Extensionen 66 f., 110 ff. – finanzieller Bedarf 265 ff. – Finanzierung 268 ff. – als Kommunikationsprozess 195 f. – kritische Funktion 126 ff., 184, 186 f. – kulturstaatliche Funktion 130 ff., 185 – künstlerische 193 ff. – Lehrbeitrag 113 f. – private 265 f. s. a. Hochschulen, private – Qualifikationsanforderungen an Lehrende 179 ff., 198 f. – Ressourcenbedarf 265 ff. – als Selbstverwirklichung 132 ff., 185 ff. – als Typ wissenschaftlicher Kommunikation 147 – Vergleichbarkeit 134 f. – virtuelle 27, 199, 266 f. – Wissenschaftlichkeit 157 ff., 189 ff. – Wortbedeutung(en), entstehungszeitliche 58 f. – Wortbedeutunge(en), geltungszeitliche 61 f. Lehrevaluation 27, 253, 259 f. Lehrfreiheit – Abwehrrecht 228 – als dienendes Grundrecht s. Fremdnützigkeit – Drittwirkung 294 ff. – Eigenständigkeit 172 ff. – Folgenverantwortung 220 f. – Fremdnützigkeit 245 f. – Funktion 29, 138, 172 f., 298 ff. s. a. telæ – als Funktionsgrundrecht 139 ff.
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Sachregister
– als Garantie freiheitlicher (Aus-)Bildung 121 ff., 177 ff., 244 ff. – Genese 103 ff. – Gewährleistungsinhalt 214 ff. – Grundrechtsträger 177 ff., 200 ff. – historische Entwicklung 20 ff., 85 ff. – Inanspruchnahme von Rechtsgütern Dritter 218 f. – institutionelle Garantie 21, 240 ff. – Konfliktpotential 30, 90 f., 132, 253 ff., 301 ff. – kritische Funktion 126 ff. – und Kunst 193 ff. – Leistungspflicht, staatliche 262 ff. – Leistungsrecht, derivatives 234 ff., 278 ff. – Leistungsrecht, originäres 231 ff., 276 ff. – Normbereich 108 ff., 262 ff. – objektiv-rechtliche Dimension 261 f., 262 ff., 278 ff., 280 ff., 294 ff. – persönlicher Schutzbereich 177 ff., 200 ff. – Prüfungen 214, 216 f. – Referenzgrundrechte 77 ff. – Sachbereichsgarantie 244 ff. – sachlicher Schutzbereich 188 ff., 199 ff. – und Schule 25, 112, 199 f., 275, 300 s. a. Unterrichtsfreiheit – Schutzanspruch 236 ff., 291 ff. – Schutzpflicht 280 ff. – und Selbstverwirklichung 132 ff. – staatliche Gewährleistungspflicht 245 ff. – telæ 108 ff. – Treueklausel s. dort – Veröffentlichungsfreiheit 111 ff. – Wert 29 f., 132 f., 300 f. – Wirkbereich 69 f. Lehrprofessur 168, 188 Fn. 35 Leistungsorientierte Bezahlung 27, 253, 259
Leistungspflichten, staatliche 234, 262 ff., 278 ff. Leistungsrechte, grundrechtliche – derivative 229, 234 ff. – Lehrfreiheit s. dort – originäre 229, 231 ff. – als Resubjektivierung von Leistungspflichten 276 ff. Lernfreiheit 22 f., 201 ff. Libertas philosophandi 87, 133, 228 Meinungsfreiheit 68, 78 f., 189 f., 204 f. Mertonsche Normen 159 f. Normbereich s. Grundrechtsinterpretation; s. Lehrfreiheit Pädagogische Freiheit s. Unterrichtsfreiheit Parlamentarischer Rat 103 ff. Pressefreiheit 68, 78 f. Preußische Verfassung 20, 95 Professor s. Hochschullehrer Profilbildung s. Hochschulen Prüfungen s. a. Lehrfreiheit – Hochschulprüfung 255 ff. – Rahmenprüfungsordnung 254 ff. – Staatsexamen 254 f., 258 f. Rahmenordnung, Grundgesetz als 261 f. Rahmenprüfungsordnung s. Prüfungen – und Akkreditierungsverfahren s. dort Regelstudienzeit 255 Religionsfreiheit 78, 79 Rundfunkfreiheit 68, 78 f., 249 f. Sachbereichsgarantie s. a. Lehrfreiheit – und Einrichtungsgarantie 248 – Einschätzungsprärogative, staatliche 261 f., 273 f., 285 – und Fremdnützigkeit 244 ff. – Gewährleistungspflicht 245 ff.
Sachregister – und institutionelles Grundrechtsverständnis 247 ff. – relative Bedeutung 251 f. Schleiermacher 89 Schmitt, Carl 100 ff. Schule, allgemeinbildende – Aufsicht, staatliche 74 f., 199 f. – Gewährleistungspflicht, staatliche 275 – und Lehrfreiheit s. dort – Treueklausel 72, 104 f. – Unterricht an 110, 179 f. Schutzansprüche, grundrechtliche 229 f., 236 ff. – Lehrfreiheit s. dort – als Resubjektivierung einer Schutzpflicht 291 ff. Schutzbereich – Definitionsgebot/-verbot 35 ff. – (Ent)Differenzierung 39 ff. – Selbstdefinition 36 f. Schutznormtheorie 276, 280, 293 Schutzpflichten 280 ff. s. a. Grundrechte – Lehrfreiheit s. dort – Wissenschaftsfreiheit s. dort Schwerpunktbereich 255 Scientific Community 113, 128, 158 Selbstverwaltung, akademische 242 f. – „maßgebender“ Einfluss der Lehrenden 281 ff. – Selbstverwaltungsgremien 23, 255, 258 f. Smend, Rudolf 97 f., 100 ff., 240 Spinoza, Baruch de 87 Sprachgemeinschaft 53 Studiengang – Bachelor- und Masterstudiengänge s. dort – mit Hochschulprüfung 255 ff. – Staatsexamen 254 f., 258 f. – Studienordnung 255 Studiengebühren 267 ff., 271 Studienfreiheit s. Lernfreiheit Studierendenauswahl s. Hochschulen
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Tatbestandslehre, enge bzw. weite s. Grundrechte Treueklausel 71 ff., 106 f. Universität s. a. Hochschule – innere Organisation 282 f. – institutionelle Garantie 240 ff. – private 269 f., 288 ff. – staatliche 253, 278, 291 Untermaßverbot 273 Unterrichtsfreiheit 93, 122, 144, 199 f. venia legendi 198 f. Verfassung – als Rahmenordnung 261 f. – als Wertordnung 262 Verfassungswandel 109, 304 Wahlpflichtbereich s. Schwerpunktbereich Weimarer Reichsverfassung 96 ff. Werteordnung, Grundgesetz als 262 Wissenschaft – Begriff, verfassungsrechtlicher 154 ff., 159, 190 ff. – Definitionskompetenz 35 ff. – Extensionen 66 – als Institution 100 ff. s. a. Smend – als Kommunikationszusammenhang 146 ff. – als Lehrinhalt 189 ff. – Publizität der 111 ff. s. a. Lehre – als soziales System 146 ff., 158 ff. – und Wahrheit 155 – wissenschaftlicher Nachwuchs, Ausbildung 116 ff. – Wissenschaftsdidaktik s. Hochschuldidaktik – Wortbedeutung(en), entstehungszeitliche 56 ff. – Wortbedeutung(en), geltungszeitliche 60 f.
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Sachregister
Wissenschaftsfreiheit – als einheitliches Grundrecht 146 ff., 150 ff., 172 ff. – europäische Garantie 82 ff. – und Funktionsgrundrechte 139 ff. – Frankfurter Reichsverfassung s. dort – historische Entwicklung 20 ff., 85 ff. – im Nationalsozialismus 103 – institutionelle Dimension 21 f., 100 ff., 167 ff., 240 ff. – Leistungspflicht 262 f. – Leistungsrecht 275 f.
– als Mitteilungsfreiheit 20 f., 90 ff., 95 f. – Preußische Verfassung, oktroyierte s. dort – Referenzgrundrechte 77 ff. – Sachbereichsgarantie 168, 244, 250 f. – Schutzpflicht 282 – Weimarer Reichsverfassung s. dort – Werk-/Wirkbereich 69 f. Wissensgesellschaft 27, 122, 252 Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) 135