174 110 3MB
German Pages [498]
Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 65
Die Funktionen der actio depositi Von Tom Walter
Duncker & Humblot · Berlin
TOM WALTER
Die Funktionen der actio depositi
Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen Herausgegeben vom Institut für Rechtsgeschichte und geschichtliche Rechtsvergleichung der Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg i. Br.
Neue Folge · Band 65
Die Funktionen der actio depositi
Von Tom Walter
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Jahre 2008 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten
© 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-6704 ISBN 978-3-428-13697-1 (Print) ISBN 978-3-428-53697-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-83697-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern
Vorwort Die Arbeit stellt die leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertation dar, die im Sommersemester 2008 an der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München vorlag und mit einem Fakultätspreis ausgezeichnet wurde. Sie wurde angeregt und betreut von meinem verehrten Doktorvater, Herrn Professor Dr. Dr. Dr. h.c. Alfons Bürge, dem ich herzlich danke. Für die Erstellung des Zweitgutachtens und die damit verbundenen Gespräche bin ich Professor Dr. Gerhard Ries zu Dank verpflichtet. Ihm und Professor Bürge danke ich zudem für die Gewährung einer Assistentenstelle am Leopold-WengerInstitut, ohne die die Erstellung der Arbeit nicht möglich gewesen wäre und die mir die Gelegenheit gegeben hat, die hervorragende Bibliothek und die Dienstags- und Mittwochsseminare des Leopold-Wenger-Instituts kennenzulernen. Dank schulde ich auch Professor Dr. Dr. h.c. mult. Dieter Nörr, von dem ich ebenfalls viel gelernt habe. Den Herren Professor Dr. Harald Siems und Professor Dr. Wolfgang Forster danke ich für die mehrfache Gelegenheit, zu einzelnen Aspekten dieser Arbeit in deren Doktoranden- und Habilitandenseminar vorzutragen und so Kritik und Anregung zu erfahren. Das depositum war im Wintersemester 2003 / 04 unter Leitung der Professoren Dr. Dr. Dr. h.c. Alfons Bürge, Dr. Gerhard Ries, Dr. Dr. h.c. mult. Dieter Nörr und Dr. Dr. h.c. Dieter Medicus Gegenstand des römischrechtlichen Mittwochsseminars am Leopold-Wenger-Institut. Den Veranstaltern, allen Teilnehmern und den Referenten schulde ich Dank für vielfache Anregungen und Diskussionen. Dank schulde ich ferner den Herren Professor Dr. Wolfgang Kaiser und Professor Dr. Bernd Kannowski für die Aufnahme in die vorliegende Reihe. Herzlich danke ich für Unterstützung, vielfältige Diskussionen und Hinweise schließlich den Freunden und Kollegen am Leopold-Wenger-Institut Professor Dr. Johannes Platschek, Professor Dr. Guido Pfeifer, Dr. Erik Ehmann, Professor Dr. Alessandro Hirata, Dr. Veronika Wankerl und, zuletzt, aber nicht zu allerletzt, Dr. Claudia Kreuzsaler und Philip Rieger. Tom Walter
Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
1. Kapitel Grundlagen
25
§ 1 Das depositum: materielle Grundzüge eines Instituts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
§ 2 Die Formeln der actio depositi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
§ 3 Exkurs: Zu den Begriffen der formula in factum concepta und der actio in factum . . .
48
§ 4 Die Äußerungen der Quellen zur Formelfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
§ 5 Überblick über die Erklärungsversuche zur Existenz zweier Formeln . . . . . . . . . . . . . .
65
2. Kapitel Formelle Kriterien der Zuordnung eines Fragments zu einer Formel § 6 Die Systematik des Ediktskommentars Ulpians . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91 91
§ 7 Der Aufbau des Digestentitels 16,3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 § 8 Die Formulierung von Vertragsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 § 9 Exkurs: Die Darstellung des depositum in den Sabinuskommentaren . . . . . . . . . . . . . . 114 3. Kapitel Materiellrechtliche Grundfragen
131
§ 10 Die Haftung des Erben aus der actio depositi in factum concepta . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 § 11 Der Haftungsmaßstab beim depositum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 § 12 Der Zeitpunkt für das Vorliegen der Verurteilungsvoraussetzungen bei der actio depositi in factum concepta – die Lehre des Neraz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 4. Kapitel Die Funktionen der actio depositi
203
1. Abschnitt Die actio depositi als Deliktsklage
203
§ 13 Der Tatbestand der actio depositi in factum concepta: Zum Deliktscharakter der actio depositi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
10
Inhaltsübersicht 2. Abschnitt Die actio depositi als Zugriffsklage
229
§ 14 Die actio depositi als Zugriffsklage – Zur Noxalität der actio depositi in factum concepta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 § 15 Das Interesse-Erfordernis bei der actio depositi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 3. Abschnitt Die actio depositi als Bereicherungsklage
287
§ 16 Der Bereicherungsgedanke bei der actio depositi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 4. Abschnitt Die Konkurrenzklagen der actio depositi
309
§ 17 Die Konkurrenzklagen zur actio depositi: reivindicatio, actio furti, actio ad exhibendum und condictio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 5. Abschnitt Die actio depositi und die Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers § 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers und die Aufrechnung beim depositum
344 345
5. Kapitel Exkurs
403
§ 19 Zur eadem res bei der actio depositi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 § 20 Zur Festlegung des Prozessthemas bei der Klage gegen den Erben des Verwahrers
416
§ 21 Das depositum und der Vertrag zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
1. Kapitel Grundlagen
25
§ 1 Das depositum: materielle Grundzüge eines Instituts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
I. Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
II. Zustandekommen und Charakter als Realvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
III. Pflichten des Verwahrers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
IV. Rechte des Verwahrers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
V. Urkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
§ 2 Die Formeln der actio depositi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
I. Die beiden Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
II. Feststellung der formula in ius concepta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
1. Das nr im Codex Veronensis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
2. Der Konjunktiv Plusquamperfekt deposuisset . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
3. Das eius id am Anfang der condemnatio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
a) eius gehört nicht in die intentio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
b) eius condemnato oder id condemnato . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
4. Die taxatio in der formula in ius concepta der actio depositi . . . . . . . . . . . . . .
42
III. Die formula in factum concepta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
IV. Die Anpassung der Musterformel des Edikts an den konkreten Rechtsstreit . . .
44
V. Die Frage nach der Existenz zweier Formeln – mögliche Unterschiede zwischen den beiden Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
1. Verurteilungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
2. Der quod-Satz der demonstratio als Bezeichnung von etwas Unstreitigem
46
3. Verurteilungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
12
Inhaltsverzeichnis 4. Unterschiedliche Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
5. Weiterer Verlauf der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
§ 3 Exkurs: Zu den Begriffen der formula in factum concepta und der actio in factum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
I. Die formula in factum concepta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
1. Die formula in factum concepta in den Institutionen des Gaius (und in den Fragmenta Augustodunensia) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
2. Sonstiger Sprachgebrauch zum depositum in den juristischen Quellen . . . .
52
3. Andere Klagen mit einer formula in factum concepta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
II. Die actio in factum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
1. Die Arten der actio in factum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
2. Das Verhältnis der actio in factum zur formula in factum concepta . . . . . . .
58
3. Was bedeutet actio in factum? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
4. Was heißt „actio in factum“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
a) actio in factum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
b) Vergleich mit ähnlichen Ausdrücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Begriffe actio in rem und actio in personam . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) pactum in rem / exceptio in rem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60 60 61
III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
§ 4 Die Äußerungen der Quellen zur Formelfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
I. Die römischen Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
II. Die Basilikenscholien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
§ 5 Überblick über die Erklärungsversuche zur Existenz zweier Formeln . . . . . . . . .
65
I. Versuche, das Problem der Existenz zweier Formeln zu klären – ein (auch) geschichtlicher Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
II. Die herrschende Meinung – Rotondi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
III. Gandolfi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
IV. Behrends . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
V. Modelle des römischen Zivilprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
2. Verwirklichung des Rechtsschutzes durch Formelauswahl und -gestaltung
80
a) Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
Inhaltsverzeichnis
13
aa) Ein Modell zum depositum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ein Modell zur negotiorum gestio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ein Modell zur Formelwahl und Formelgestaltung bei der lex Aquilia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80 83 85
b) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
VI. Ansatz dieser Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
1. Kriterien für die Zuordnung einer Stelle zu einer Formel . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
2. Das Vorverständnis dieser Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
3. Die Gliederung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
2. Kapitel Formelle Kriterien der Zuordnung eines Fragments zu einer Formel
91
§ 6 Die Systematik des Ediktskommentars Ulpians . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
I. Der Aufbau des Ediktskommentars nach Lenel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
II. Der Ediktskommentar Ulpians . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
§ 7 Der Aufbau des Digestentitels 16,3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 I. Verschiebungen in eine andere Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 II. Verschiebungen innerhalb der Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 III. Fragmente zur fiducia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 § 8 Die Formulierung von Vertragsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 I. Der Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 II. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 § 9 Exkurs: Die Darstellung des depositum in den Sabinuskommentaren . . . . . . . . . 114 I. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 II. Die aus den Sabinuskommentaren stammenden Fragmente im Titel D. 16,3 . . 118 III. Sonstige das depositum erwähnende Fragmente der Sabinuskommentare . . . . 125 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
14
Inhaltsverzeichnis 3. Kapitel Materiellrechtliche Grundfragen
131
§ 10 Die Haftung des Erben aus der actio depositi in factum concepta . . . . . . . . . . . . . . . 131 I. Hinweise auf die Erbenhaftung in den Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 1. depositum necessarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2. Einfaches depositum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3. Stellen zur Erbenmehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 4. Die Haftung des Erben des Sequesters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 5. Zusammenfassende Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 II. Die Theophilusparaphrase zu I. 4,12,1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 III. Die Erbenhaftung aus der actio depositi in factum concepta in der Literatur . . 148 IV. Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 1. Das Schweigen des Edikts zur Erbenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Zuordnung der einzelnen Stellen zu den Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 V. Exkurs: Mehrheit von Erben des Verwahrers (Paulus 17 ad edictum D. 16,3,9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 § 11 Der Haftungsmaßstab beim depositum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 II. Abweichungen von der dolus-Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 1. Alex.Sev. C. 4,34,1 und Gaius 2 aur D. 44,7,1,5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 2. Paulus 2 sent D. 50,16,223pr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 3. Celsus 11 dig D. 16,3,32 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 § 12 Der Zeitpunkt für das Vorliegen der Verurteilungsvoraussetzungen bei der actio depositi in factum concepta – die Lehre des Neraz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 II. Die Verurteilungsvoraussetzungen bei einer formula in factum concepta . . . . 176 1. Der Ediktswortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 2. Die Lehre aus G. 4,114 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3. Zum Charakter der Grundregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
Inhaltsverzeichnis
15
4. Exkurs: Zur Grammatik der Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 5. Die Lehre aus G. 3,180 – 181 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 III. Ein Vergleich: Der Besitz als Verurteilungsvoraussetzung bei reivindicatio und actio ad exhibendum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 IV. Die Lehre des Neraz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 1. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,20 – 22 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 2. Der Gang der Darstellung Ulpians . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3. Analyse der Positionen Ulpians und des Neraz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 a) Der Unterschied in der Begründung Ulpians und des Neraz . . . . . . . . . . . 192 b) Das Konzept des dolus post litem contestatam bei Neraz . . . . . . . . . . . . . . 193 c) Exkurs: Zur Beweislast bei der actio depositi in factum concepta . . . . . 197 4. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
4. Kapitel Die Funktionen der actio depositi
203
1. Abschnitt Die actio depositi als Deliktsklage
203
§ 13 Der Tatbestand der actio depositi in factum concepta: Zum Deliktscharakter der actio depositi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 I. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,25 und PS 2 Coll. 10,7,10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,25 und PS 2 Coll. 10,7,10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. Pomp. 38 Qu.Muc. D. 13,1,16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 4. Vergleich mit einer Strafstipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 II. Paulus 31 D. 16,3,13pr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 1. Einfache Deutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 2. Deutung als Prozesssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
16
Inhaltsverzeichnis 2. Abschnitt Die actio depositi als Zugriffsklage
229
§ 14 Die actio depositi als Zugriffsklage – Zur Noxalität der actio depositi in factum concepta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 I. Die Hinterlegung bei einem Sklaven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 1. D. 16,3,1,42; D. 44,7,49; D. 15,1,5pr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 2. D. 15,1,38pr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 3. Die actio depositi in factum concepta als actio de peculio . . . . . . . . . . . . . . . . 236 II. Die Freilassung des verwahrenden Sklaven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 1. D. 16,3,21,1 und D. 16,3,1,18 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 2. Exkurs: Die Haftung von emancipatus und manumissus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 3. Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 4. Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 III. Exkurs: Das Aussonderungsrecht des Hinterlegers im Konkurs des Verwahrers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 IV. Der Zugriff beim Gewalthaber – Der dolus des Gewalthabers bei der actio depositi de peculio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 1. Das durch den dolus des Gewalthabers aufgeworfene intentio-Problem . . . 262 2. Das durch den dolus des Gewalthabers aufgeworfene condemnatio-Problem 265 3. Die Lösung von intentio- und condemnatio-Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 a) Formeländerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 b) Die Ansicht Lenels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 c) Die einzelnen Klagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 § 15 Das Interesse-Erfordernis bei der actio depositi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 I. Das Interesse als Klagevoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 II. Der Wortlaut der in factum und in ius konzipierten Formeln . . . . . . . . . . . . . . . . 273 III. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,39 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 IV. Ulp. 1 disp D. 5,1,64pr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 V. Weitere Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287
Inhaltsverzeichnis
17
3. Abschnitt Die actio depositi als Bereicherungsklage
287
§ 16 Der Bereicherungsgedanke bei der actio depositi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 II. African 7 quaest D. 16,3,16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 2. Die Klagen des Erstverwahrers gegen den Unterverwahrer . . . . . . . . . . . . . . . 290 3. Die Aktivlegitimation des Erstverwahrers für die actio depositi gegen den Unterverwahrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 4. Die Begründung der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 5. Andere Fälle der Unterverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 III. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,47 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 1. Der Bezug auf das depositum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 2. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 3. Die Katene D. 16,3,1,47 bis D. 16,3,4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 4. Die Begründung Ulpians für die Bereicherungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 IV. Labeo 2 pith D. 16,3,34 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 4. Abschnitt Die Konkurrenzklagen zur actio depositi
309
§ 17 Die Konkurrenzklagen zur actio depositi: reivindicatio, actio furti, actio ad exhibendum und condictio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 I. Die Konkurrenz von actio depositi und reivindicatio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 1. Die reivindicatio bei Ausfall der actio depositi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 2. Die Passivlegitimation des Verwahrers für die reivindicatio . . . . . . . . . . . . . . 310 3. Zum Verhältnis zwischen actio depositi und reivindicatio . . . . . . . . . . . . . . . . 312 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 5. Exkurs: Der Eigentumserwerb des verurteilten Verwahrers . . . . . . . . . . . . . . . 314 II. Die Konkurrenz von actio depositi und actio furti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 1. Zur Konkurrenz von actio commodati und actio furti (Jav. 15 Cass D. 47,2,72pr.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
18
Inhaltsverzeichnis 2. Die actio ex causa depositi aus den Zwölftafeln und die actio depositi . . . . 324 3. Die actio furti des Hinterlegers gegen den Verwahrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 4. Die Konkurrenz von actio depositi und actio furti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 5. Exkurs: Zur Konkurrenz von condictio und actio depositi . . . . . . . . . . . . . . . . 329 III. Die Konkurrenz von actio depositi und actio ad exhibendum . . . . . . . . . . . . . . . 333 1. Zu den Funktionen der actio ad exhibendum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 a) Die Erzwingung der Einlassung auf die reivindicatio (der Fall des „besitzenden“ Verwahrers) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 b) Die actio ad exhibendum als Schadensersatzklage wegen doloser Besitzaufgabe vor litiscontestatio (der Fall des wegen dolus nicht-„besitzenden“ Verwahrers) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 c) Ein Vereinigungsmodell Marrones . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 d) Exkurs: Zum Alter der Klausel dolore malo fecit quo minus possideret der actio ad exhibendum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 e) Exkurs: Zum Edikt De alienatione iudicii mutandi causa . . . . . . . . . . . . . 336 2. Die Konkurrenz zwischen actio depositi und actio ad exhibendum . . . . . . . 337 5. Abschnitt Die actio depositi und die Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
344
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers und die Aufrechnung beim depositum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 I. Die Aufrechnung beim depositum und PS. 2,12,12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 1. Die Aufrechnung beim depositum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 2. PS. 2,12,12: Nachwirkung und Herkunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 II. Einführung zum Zurückbehaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 III. Mod. 2 diff D. 16,3,23 (Coll. 10,2,5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 IV. Mod. 2 diff Coll. 10,2,6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 V. Iust. C. 4,34,11pr.-3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 1. Inhalt der Konstitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375
Inhaltsverzeichnis
19
Exkurs: Zum Erfordernis der Gleichartigkeit der Ansprüche als Voraussetzung der Aufrechnung im justinianischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 2. Anlass der Regelung; C. 7,45,14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 VI. Labeo 2 pith D. 16,3,34 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 2. Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 VII. Eine Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 VIII. Der Ausschluss von Gegenrechten durch vertragliche Vereinbarung . . . . . . . . . 396 1. Der Ausschluss von Gegenrechten in den paraqh/kh-Verträgen . . . . . . . . . 396 2. Der vertragliche Ausschluss von Gegenrechten im römischen Recht . . . . . . 400 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 5. Kapitel Exkurs
403
§ 19 Zur eadem res bei der actio depositi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 I. Paulus 18 ed D. 16,3,20 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 II. Paulus 31 ed D. 44,2,22 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 1. Der erste Fall von D. 44,2,22 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 2. Der zweite Fall von D. 44,2,22 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 a) Die Gefahr der plurispetitio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 b) Keine Gefahr der plurispetitio bei der actio in ius concepta . . . . . . . . . . . 413 c) Die Gefahr der plurispetitio bei der actio in factum concepta . . . . . . . . . . 414 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 III. Paulus 31 ed D. 16,3,13pr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 § 20 Zur Festlegung des Prozessthemas bei der Klage gegen den Erben des Verwahrers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 I. Kennzeichnung der Infamiefolgen: Ulp. 6 ed D. 3,2,6,6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 II. Zuständigkeit und Infamiekataloge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 III. Verurteilung auf das duplum: Ulp. 30 ed D. 16,3,1,1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424
20
Inhaltsverzeichnis
§ 21 Das depositum und der Vertrag zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 I. PS 2 Coll. 10,7,8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 II. C. 3,42,8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 1. Die Interpolation der actio utilis in C. 3,42,8,1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 2. Zur Entstehung der Interpolation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 3. Die Interpolation Justinians als konsequente Weiterführung der Rechtspolitik Diokletians . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 a) Afr. 7 quaest D. 16,3,16 und PS 2 Coll. 10,7,8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 b) Das fideicommissum a debitore relictum beim depositum . . . . . . . . . . . . . 441 III. Tryph. 9 disp D. 16,3,31,1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 Ergebnisse
451
I. Ergebnisse des ersten Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 II. Ergebnisse des zweiten Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 III. Ergebnisse des dritten Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 IV. Ergebnisse des vierten Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 V. Ergebnisse des fünften Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484
Abkürzungen in Quellen- und Literaturangaben 1. Quellen sind, soweit nicht anders angegeben, zitiert nach: Basiliken (B.) / Basilikenscholien (BS)
Heimbach, Gustav Ernst / Heimbach, Carl Wilhelm Ernst. Basilicorum libri LX. Leipzig 1833 ff. Scheltema, H. J. / van der Wal, N. Basilicorum libri LX. Groningen 1955 ff. (zitiert: Hb II 54 bzw. Scheltema A II 45, 12)
Brachylogus
Eduard Böcking. Corpus Legum sive Brachylogus iuris civilis. Berlin 1829
Codex (C.)
Paul Krüger. Codex Iustinianus (editio minor), 13. Auflage. Berlin 1963
Collatio Mosaicarum et Romanarum legum
Theodor Mommsen. Collectio librorum iuris anteiustiniani III. Berlin 1890
Digesten (D.)
Theodor Mommsen / Paul Krüger. Iustiniani Digesta (editio minor), 16. Auflage. Berlin 1954
Institutionen (I.)
Paul Krüger, Iustiniani Institutiones, 16. Auflage. Berlin 1954
Paulussentenzen (PS.)
Paul Krüger, Collectio librorum iuris anteiustiniani II. Berlin 1878
Theophilusparaphrase
Ferrini, E. C. Institutionum Graeca Paraphrasis Theophilo Antecessori vulgo tributa. Berlin 1883
2. Literatur AG
Archivio giuridico
BIDR
Bullettino dell’Istituto di diritto romano
BL
Preisigke, Friedrich [Begründer]; Berichtigungsliste der griechischen Papyrusurkunden aus Ägypten
ChLA
Chartae Latinae Antiquiores
CLIA
Collectio Librorum Iuris Anteiustiniani. Verlag Weidmann
EM
Mommsen, Theodor. Digesta. Editio maior. 2 Bände. Berlin 1868
EP
3
FIRA
Otto Lenel. Das Edictum perpetuum. Ein Versuch zu seiner Wiederherstellung. 3. Auflage. Leipzig 1927 (zitiert: Lenel, EP3 240 m.Fn. 10) Fontes Iuris Romani Antejustiniani. Hrg. S. Riccobono, J. Baviera, C. Ferrini, J. Furlani, V. Arangio-Ruiz. Florenz 1940 ff.
22
Abkürzungen
Hb
Heimbach, Gustav Ernst / Heimbach, Carl Wilhelm Ernst. Basilicorum libri LX. Leipzig 1833 ff.
ILS II 1
Hermann Dessau. Inscriptiones Latinae Selectae. 2. Band. 1. Teil. Berlin 1902
Ind.Int.
Index interpolationum quae in Iustiniani Digestis inesse dicuntur. Hrg. Ernst Levy und Ernst Rabel. Weimar 1929 ff.
IURA
Rivista internazionale di diritto romano e antico
JRS
Journal of Roman Studies
Kaser / Hackl
Kaser, Max / Hackl, Karl. Das römische Zivilprozessrecht. 2. Auflage. München 1996 (zitiert: Kaser / Hackl, § 42 I, S. 234)
M.Chr.
Mitteis, Ludwig / Wilcken, Ulrich. Grundzüge und Chrestomathie der Papyruskunde. Zweiter Band. Leipzig 1912 (Nachdruck Hildesheim 1963)
NP
Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Hrg. von Cancik, Hubert und Schneider, Helmuth. Stuttgart u. a. 1996 ff.
P I, P II
Otto Lenel. Palingenesie Iuris Civilis. 2 Bände. Leipzig 1889 (zitiert: Lenel, P II, Ulpian 2942, Sp. 1185 m.Fn. 1)
RE
Paulys Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. Neue Bearbeitung. Hrg. von Wissowa, Georg. Stuttgart 1894 ff.
RH
Revue historique de droit français et étranger
RHDE
Nouvelle revue historique de droit français et étranger. Paris 1902 ff.
RIDA
Revue internationale des droits de l’antiquité. Brüssel 1948 ff.
RJ
Rechtshistorisches Journal
RP I, RP II
Kaser, Max. Das römische Privatrecht. 2. Auflage. 2 Bände (München 1971 und München 1975) (zitiert: Kaser, RP I § 149 IV 2, S. 639 m.Fn. 41)
SDHI
Studia et documenta historiae et iuris. Rom 1935 ff.
SZ
Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte / Romanistische Abteilung
TLL
Thesaurus Linguae Latinae, editus iussu et auctoritate consilii ab academiis societatibusque diversarum nationum electi. Leipzig 1900 ff.
VIR
Vocabularium Iurisprudentiae Romanae. Berlin 1903 ff.
Einleitung Thema dieser Arbeit ist das Institut des depositum im klassischen römischen Recht. Die Arbeit wurde begonnen mit der Frage nach den zwei Formeln der actio depositi, also danach, warum bei diesem Institut dem Hinterleger zwei verschiedene Klageformeln zur Verfügung standen. Doch erwies es sich, dass die Fragestellung, wenn man sie auf das depositum beschränkt, angesichts des weitgehenden Schweigens der Quellen1 wohl nur zu Zirkelschlüssen führt, und wenn man sie erweitert, etwa die Frage nach dem Ursprung der bonae fidei iudicia wäre. Statt sich auf solch weite Felder zu begeben, wurde die Frage nach den zwei Formeln der actio depositi etwas aus dem Zentrum der Betrachtung genommen. Sie wird freilich stets im Laufe der Arbeit auftauchen, aber ohne dass versucht würde, auf sie die letzte Antwort zu geben. Die Arbeit fragt jetzt vor allem nach den Funktionen der actio depositi (sei es mit der formula in factum concepta, sei es mit der formula in ius concepta). Nach einer Einleitung zu den Grundzügen des depositum, nach einer Vorstellung der beiden Formeln und einer Vergewisserung des Begriffs der formula in factum concepta wird ein geschichtlicher Überblick über Deutungsversuche der Existenz zweier Formeln gegeben. In einem zweiten Kapitel wird untersucht, inwieweit formelle Kriterien tauglich sind, ein Quellenfragment einer der beiden Formeln der actio depositi zuzuweisen. Im dritten Kapitel werden materiellrechtliche Grundfragen behandelt. Das vierte Kapitel fragt nach den Funktionen der actio depositi. Abschließend folgen im fünften Kapitel drei Exkurse. Thema der Arbeit ist nicht das depositum irregulare. Auch hier scheint es, dass es die Frage nach dem depositum irregulare nicht gibt, sondern nur Fragen etwa danach, ob der Empfänger einer Geldsumme diese verzinsen musste. Das ist aber auch die Frage nach den Pflichten im mandatum und im Recht der gräkoägyptischen paraqh/kh-Urkunden. Thema der Arbeit ist auch nicht der Vergleich des depositum mit dem commodatum. Ebenso, wie wohl kaum alle bonae fidei iudicia denselben Ursprung haben dürften, erscheint jeder einfache Schluss vom depositum auf das commodatum und umgekehrt unzulässig. Beide Institute unterscheiden sich wesentlich voneinander: Das depositum wird im Interesse des Gebers geschlossen, das commodatum im Interesse des Empfängers; Verurteilung des Verwahrers führt zur Infamie, die Verurteilung des Entleihers nicht; für das depositum ist uns eine Klage aus den Zwölf1
Siehe § 4.
24
Einleitung
tafeln bezeugt. Dass beide Institute einen vergleichbaren Ausgangspunkt hatten und eine gleiche Entwicklung genommen hätten, ist damit nur eine These, aus der man nicht selbst wiederum Schlussfolgerungen ziehen dürfte, ohne sie zuvor bewiesen zu haben. Hier soll es also nur um das einfache depositum gehen. Möge der Leser die dazu aufgeworfenen Fragen interessant genug finden.
1. Kapitel
Grundlagen In diesem Einleitungskapitel soll das depositum in seinen materiellen Grundzügen vorgestellt werden (§ 1) und es soll eine Einführung in die Formelfrage erfolgen, d. h. in die Frage, warum beim depositum dem klagenden Hinterleger zwei verschiedene Formeln zur Verfügung standen. Dazu werden im § 2 die beiden Formeln der actio depositi vorgestellt. Nachdem in § 3 in einem Exkurs der Begriff der formula in factum concepta näher aufgehellt wurde, wird im § 4 dargelegt, dass die Quellen zur Formelfrage schweigen. Im § 5 wird ein Überblick über die Lösungsvorschläge der Literatur gegeben und am Ende die methodische Herangehensweise in dieser Arbeit erläutert.
§ 1 Das depositum: materielle Grundzüge eines Instituts1 Depositum est quod custodiendum alicui datum est (Ulp. 30 ed D. 16,3,1pr.).
I. Gegenstand Gegenstand des depositum kann im römischen Recht nur eine bewegliche Sache sein2. Dies ergibt sich aus dem Wort deponere, wenn man darin die Bedeutung „niederlegen“ erkennt3 und wenn man daher meint, dass man bei Grundstücken nicht von deponere reden kann. Zudem fehlt jeder Hinweis in juristischen Texten, dass unbewegliche Sachen in Verwahrung gegeben wurden4. Zum Ganzen vgl. Kaser, RP I § 126, S. 534 ff. Rotondi, Teoria romana 69; Haedicke, Mandat 18 ff. 3 TLL V 1, S. 576, 45, s.v. deponere: strictiore sensu: i. q. deorsum ponere. Deponere bzw. depositum ist der terminus technicus des klassischen Rechts für den Verwahrungsvertrag und grenzt sich von umgangssprachlichen Ausdrücken wie commendare (dazu siehe das Sachverzeichnis) und von (altertümlichen?) Audrücken wie servandum dare ab. Daneben gibt es auch in den klassischen juristischen Quellen das Wort deponere im Sinn von zerstören (aedes, aedificium, parietem), niederlegen (honorem, officium), vgl. VIR II 174 f., s.v. deponere. 4 Diskutiert wurde allerdings von den römischen Juristen, inwieweit unbewegliche Sachen der Leihe oder einem utendum dare unterfallen konnten, Ulp. 28 ed D. 13,6,1,1. Dabei vertrat Labeo anscheinend die Meinung, dass Gegenstand des commodatum nur bewegliche Sachen 1 2
26
1. Kap.: Grundlagen
II. Zustandekommen und Charakter als Realvertrag Ein depositum setzt voraus, dass die Sache vom Geber (Hinterleger) dem Empfänger (Verwahrer) übergeben wurde5. Insoweit kann man davon sprechen, dass das depositum ein Realvertrag sei6. In seinen Institutionen nimmt Gaius die Einordnung des depositum als Realvertrag allerdings nicht vor7. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil Gaius nur ein Beispiel für den Realkontrakt kennt, nämlich das mutuum8. Hätte Gaius bei der Abfassung seiner Institutionen noch andere Beispiele gekannt, würde er sie genannt haben, so wie er auch die Beispiele für die Konsensualverträgen aufzählt9. sein konnten. Es setzte sich aber die Meinung durch, wonach auch unbewegliche Sachen Gegenstand des prätorischen Edikts über das commodatum sein konnten. Bei einem Streit zweier Parteien um ein Grundstück muss sich die Frage gestellt haben, ob und wie eine Sequestration erfolgen konnte. Buckland hält eine solche für möglich (TextBook2 469). Das Verhältnis der siegreichen Streitpartei mit dem Sequester war durch eine actio depositi sequestraria geregelt (Pomp. 22 Sab D. 16,3,12,2; Paulus 2 ed D. 16,3,6). Crook (Stakes 80) nimmt zu TH 76 – 80 an, dass dort bei einem Streit um ein Grundstück die das Grundstück abgrenzenden Pfähle bei einem Sequester hinterlegt wurden. 5 Das depositum kommt re zustande, nicht consensu, Gaius 2 aur D. 44,7,1,2 u. 5. Auch Ulpian beschreibt in 30 ed D. 16,3,1pr. die erfolgte Übergabe als Voraussetzung des depositum. Die Bedeutung der Übergabe für das Zustandekommen des depositum ließe sich nur nach einer Untersuchung etwa von Ulp. 30 ed D. 16,3,1,11 – 14 feststellen. Dort finden sich Fälle, denen beim mutuum Konstruktionen wie Anweisungs- und Vereinbarungsdarlehen entsprechen. Wenn etwa in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,13 ein depositum zugunsten des mandatum verneint wird, so kann das daran liegen, dass der Inhaber die Sache schon hatte, bevor eine Vereinbarung über die Aufbewahrung erfolgte. Doch kann die Abgrenzung von depositum und mandatum auch anhand anderer Kriterien erfolgt sein. 6 Diese Einordnung des depositum als Realvertrag ist allgemein anerkannt, vgl. Kaser, RP I § 126, 534 ff., der das depositum unter dem Gliederungspunkt des Realkontraktes erörtert, und Guarino, Diritto Privato Romano 866, der allerdings von vornherein bei depositum, commodatum und pignus von Realkontrakten „in senso improprio“ spricht, weil bei diesen Geschäften die Übergabe nicht zur Übertragung des Eigentums führt; dazu auch Kaser, RP I § 122 II 1, S. 525, und sogleich im Text. 7 G. 3,90 – 91. 8 Zwar ringt Gaius in G. 3,91 mit der Frage, ob die datio in insolutum per errorem einen Realkontrakt begründe, kann sich aber zu einer positiven Entscheidung nicht durchringen, weil es am contrahere fehle. Zum Erfordernis des contrahere vgl. auch Jul. 39 dig D. 12,6,33. 9 G. 3,135. Dass dem genus des Realkontrakts so nur ein Vertragstypus angehört, ist unschön, weil es die Aufteilung aller Kontrakte auf die vier genera in Frage stellt; ein genus sollte mehr als nur ein Element enthalten, weil sonst das Element selbst zum genus wird. Nach Nelson / Manthe (Institutiones III 88 – 181, 81) mache das Wort „velut“ in re contrahitur obligatio velut mutui datione, G. 3,90, kenntlich, dass Gaius mit dem mutuum nur ein Beispiel eines Realkontraktes aufzählen will, neben dem es andere gibt. Dieses andere Beispiel kann aber nicht die Zahlung auf eine Nichtschuld sein, denn diese führt für Gaius zwar zu einem re obligare, aber nicht wie das mutuum zu einem re obligationem (bzw. negotium) contrahere, G. 3,90. Auch aus G. 4,182 läßt sich nicht unbedingt entnehmen, dass Gaius das de-
§ 1 Das depositum: materielle Grundzüge eines Instituts
27
Und in der Tat erscheint es sinnvoll, mutuum auf der einen Seite und depositum (und commodatum und pignus) auf der anderen Seite voneinander zu scheiden: Beim mutuum wird der Empfänger der hingegebenen Sache deren Eigentümer; dies sagt Gaius auch ausdrücklich10. Damit verliert der Geber die reivindicatio und ist zur Rückforderung auf die schuldrechtliche Klage angewiesen; die Kondiktion vertritt hier die Vindikation11. Beim depositum hingegen hat der Geber nach wie vor die Vindikation, d. h. er hat sie zumindest nicht deshalb nicht, weil er durch die Übergabe das Eigentum verlöre12. Der innere Grund der Klage beim depositum ist daher ein anderer als beim mutuum. In seinen Rerum cottidianarum libri kennt Gaius dann aber das depositum neben commodatum und pignus als Realkontrakt13; jedenfalls in der späten Klassik dürfte das depositum auch als contractus bezeichnet worden sein14. Unabhängig von der Frage, ob das depositum als Realvertrag einzuordnen ist, bleibt für diesen Überblick jedenfalls festzuhalten, dass der Empfänger beim depositum nicht Eigentümer der Sache wird, ja nicht einmal Besitz erhält, soweit er nicht Sequester ist15.
positum als einen contractus und damit wohl als einen Realkontrakt ansieht, weil bei der Zweiteilung der infamierenden Urteilsverfahren in ex delicto und ex contractu, die Gaius vornimmt, das depositum nicht notwendig in die Gruppe ex contractu fällt, denn auch die mitaufgeführte Tutel ist kein contractus, vgl. Gaius 3 aur D. 44,7,5,1. Ob das „velut“ in G. 3,90 also wirklich bedeuten muss, dass Gaius bei Abfassung seiner Institutionen noch andere Realverträge neben dem mutuum gekannt habe, ist daher fraglich. 10 G. 3,90: „quas res … in hoc damus, ut accipientium fiant“. 11 Eine Vertretung der reivindicatio durch die condictio zeigt sich auch in den Stellen, in denen es heißt, Geldstücke könnten vindiziert werden, wenn sie extant, wenn sie consumpti sunt, müssten sie kondiziert werden (Kaser, Geld 175, 193 ff.). Zu einem Alternativverhältnis von reivindicatio und condictio vgl. auch die Erörterung des Gaius zur Frage, warum der Eigentümer gegen den Dieb ausnahmsweise die condictio habe, G. 4,4. 12 Der Hinterleger ist in der Regel Eigentümer. Zur Passivlegitimation des Verwahrers für die reivindicatio siehe § 17 I 2, zur Aktivlegitimation des hinterlegenden Nichteigentümers für die actio depositi siehe § 15 III 1. 13 Zum depositum siehe Gaius 2 aur D. 44,7,1,5, zu commodatum und pignus Gaius 2 aur D. 44,7,1,3 bzw. 6. Zu diesem Werk und zum Verhältnis des Werkes zu den Institutionen siehe etwa Schulz, Röm. Rechtswissenschaft 201 ff.; Liebs, HLL IV 192; ausführlicher Ders., Rez. zu Nelson, Überlieferung, S. 117 ff. 14 Darauf deutet eben doch die unbefangene Lektüre von G. 4,182 hin. Vgl. auch Ulp. 4 ed D. 2,14,7,1, dessen Echtheit freilich zu prüfen bliebe. Der Begriff des contractus soll hier nicht interessieren (neuere Literatur etwa bei Kaser / Knütel, Röm. Privatrecht19, § 38 Rn. 2 a. E.). 15 Flor. 7 inst D. 16,3,17,1.
28
1. Kap.: Grundlagen
III. Pflichten des Verwahrers 1. Ist die Sache dem Verwahrer übergeben worden, so darf er die Sache nicht gebrauchen16, und er hat die Pflicht, die Sache zu bewachen und zurückzugeben17. Die Bewachung ist der Zweck der Sachhingabe, und wird vor allem durch die Verben custodire18 und servare19 bezeichnet20. Diese Bewachungspflicht des Verwahrers wird aber zumeist nur mittelbar erörtert, insoweit sie verletzt ist, wenn der Verwahrer die Sache nicht (unbeschädigt) zurückgeben kann, weil er sie nicht mehr hat (oder er die Sache nur als beschädigte hat)21. Die Pflicht des Verwahrers zur Rückgabe der unbeschädigten Sache steht im Zentrum der Erörterung der römischen Juristen. Die Nichtrückgabe ist auch als negative Bedingung der Geldkondemnation in der in factum konzipierten Formel der actio depositi formuliert: redditam non esse22. Zuweilen wird daher in der Literatur das Problemfeld diskutiert, ob der Verwahrer nun zur Überwachung oder nur zur Rückgabe verpflichtet sei23. Gleichzeitig ist damit beim depositum der Begriff custodia doppeldeutig: Der Verwahrer ist zur custodia verpflichtet in dem Sinne, dass die Bewachungspflicht der Inhalt des Vertrages ist; auf der anderen Seite ist der Begriff custodia nicht zur Beschreibung des Haftungsmaßstabes geeignet: Denn insoweit haftet der Verwahrer gerade nicht für custodia, sondern nur für dolus. Daran, dass der Zweck des depositum das custodire ist, der Verwahrer aber nicht für den Haftungsmaßstab der custodia einzustehen hat, ist eigentlich nichts verwunderlich, wenn man von den Römern nicht eine Einheitlichkeit der Begriffe erwartet, die unsere modernen Zivilgesetzgebungen anstreben mögen. Gebrauch ist furtum, G. 3,196. Zur actio furti gegen den Verwahrer siehe § 17 II 3. Der Verwahrer hat grundsätzlich die empfangene Sache zurückzugewähren (Gaius 2 aur D. 44,7,1,5: Is quoque, apud quem rem aliquam deponimus, re nobis tenetur: qui et ipse de ea re quam acceperit restituenda tenetur …). Darf der Verwahrer auch andere Sachen gleicher Art und Güte zurückgeben, handelt es sich um ein heute so genanntes depositum irregulare. Dieses depositum irregulare wird in dieser Arbeit nicht behandelt werden. 18 Zum Beispiel in Ulp. 30 ed D. 16,3,1pr.; Ulp. 30 ed D. 16,3,1,9; PS 2 Coll. 10,7,3. 19 Etwa in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,8. 20 In den Papyri findet sich zuweilen bei paraqh/kh-Urkunden die Pflicht des Empfängers zum fula/ ttein formuliert, siehe etwa BGU III 729, 14 (144 n.Chr.) und P. Euphrat 12, 8 – 9 (244 n.Chr.). 21 Nicht verletzt ist die Bewachungspflicht, wenn der Verwahrer die Sache (unbeschädigt) bei sich hat, sie aber aus irgendeinem Grund dem Hinterleger nicht herausgeben will. Wie dolos die Nichtherausgabe auch immer sein mag, der Verwahrer wird die Sache gut bewacht haben. 22 G. 4,47. 23 Metro, L’obbligazione di custodire 107 ff., 127 ff.; Robaye, L’obligation de garde 33 ff. Ein weiteres Problem lässt sich durch die Erörterung auftun, ob der Verwahrer zu einem Tun verpflichtet war oder nur ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen hatte. Diese Frage, ob der Verwahrer zu positiven Bewachungsaktivitäten verpflichtet ist, ist eine Frage, die nicht aus den Quellen zu stammen scheint. 16 17
§ 1 Das depositum: materielle Grundzüge eines Instituts
29
Die Pflicht zur Rückgabe der Sache ist verletzt24, wenn der Verwahrer die Sache hat und nicht zurückgibt25, wenn der Verwahrer die Sache beschädigt zurückgibt26 und wenn der Verwahrer die Sache wegen seines dolus nicht zurückgeben kann27. 2. Dabei hat der Verwahrer nur für dolus einzustehen28. Dies ergibt sich für den mit der actio in factum concepta Belangten schon aus der Prozessformel29, bei der Verurteilungsvoraussetzung das dolo malo redditam non esse war, war aber auch im bonae fidei iudicium nicht anders30. Den Grund für die beschränkte Haftung fanden die Juristen zum einen im Utilitätsprinzip31, zum anderen dürfte er auch in der Härte der Infamiefolge, die eine Verurteilung mit sich brachte, zu sehen sein32. Ein dritter Grund kann schließlich darin liegen, dass die Haftung des Verwahrers ursprünglich eine deliktische war33. 3. Ein Charakteristikum des depositum ist die jederzeitige Rückforderbarkeit34, d. h. der Hinterleger konnte jederzeit die hingegebene Sache zurückfordern, und zwar auch dann, wenn ausnahmsweise doch bei der Hingabe der Sache eine Verwahrungszeit vereinbart worden war, der Hinterleger fordert dann das Verwahrgut mutata voluntate35. Bei der Leihe hingegen ist der Entleiher an die einmal vereinbarte Zeit gebunden36, der Entleiher gewährt zwar ursprünglich ein beneficium, das gewährte beneficium wird aber zum officium37. Beim depositum ist es aber der Verwahrer, der das beneficium gewährt38; der Hinterleger ist daher nicht an eine vereinbarte Zeit gebunden39. Vgl. § 8. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,21 26 Ulp. 30 ed D. 16,3,1,16. 27 Vgl. etwa Ulp. 30 ed D. 16,3,1,32. 28 Vgl. § 11. 29 Vgl. G. 4,47. 30 Vgl. § 11. 31 Mod. 2 diff Coll. 10,2,1. 32 Vgl. die Diskussion um die Subsidiarität der actio de dolo, Ulp. 11 ed D. 4,3,1,4. Zur Infamie beim depositum siehe nur D. 3,2,1 und G. 4,182. 33 Vgl. Rotondi, La misura 94. 34 Ulp. 30 ed D. 16,3,1,22. Im Formular der paraqh/kh-Verträge der Papyri findet sich zuallermeist die Bestimmung, dass der Verwahrer das Verwahrgut zurückzugeben habe, sobald der Hinterleger dies wolle (etwa im unten in § 18 VII vorgestellten Papyrus M.Chr. 330 in Zeile 7 f.: a(/ sper a) pokatasth/sw soi o(phni/ka e)a\n ai(r$= a) nuperqe/twj). 35 Ulp. 30 ed D. 16,3,1,45 – 46. Eine Verwahrungszeit zu vereinbaren war also nicht sinnvoll und daher anscheinend auch nicht üblich. 36 Paulus 29 ed D. 13,6,17,3. 37 Paulus 29 ed D. 13,6,17,3. Man sollte hier eher einen Beginn mit „sicut autem voluntatis et beneficii magis quam necessatis est commodare“ erwarten. Dies zeigen die Gesamtargumentation, dass aus einem beneficium ein officium werden kann, die erneute Zusammenstellung von voluntas und beneficium einige Zeilen später und auch die erneute Bezeichnung der Gewährung einer Leihe als beneficium am Ende des Fragments. 24 25
30
1. Kap.: Grundlagen
Auch bei der Frage der Fälligkeit zeigt sich, dass das depositum ausschließlich im Interesse des Hinterlegers geschlossen wird. Damit wurde ja auch die Beschränkung der Verwahrerhaftung auf den dolus begründet. Dem Verwahrer, der definitionsgemäß kein Entgelt erhält und der die Sache auch nicht gebrauchen darf, ist es typischerweise gleichgültig, wann der Hinterleger das Gut zurückfordert. Anders ist dies beim Darlehensempfänger, in dessen Interesse das Geschäft überwiegend geschlossen wird40. Denn der Darlehensnehmer erhält die vertretbaren Sachen, weil er sie selbst nicht hat, aber zum Verbrauch benötigt, und typischerweise wird er die vertretbaren Sachen in gleicher Menge nicht zu jedem beliebigen Zeitpunkt zurückerstatten können, sondern erst nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne.
IV. Rechte des Verwahrers41 1. Die Unentgeltlichkeit des depositum42 diente der Abgrenzung zur locatio conductio43. Da das depositum unentgeltlich ist, hat der Verwahrer nicht stets eine Klage gegen den Hinterleger. 2. Eine Klage kann der Verwahrer also nur unter weiteren Voraussetzungen haben; die moderne Doktrin spricht daher von unvollkommen zweiseitigen Verträgen44. Ansprüche gegen den Hinterleger wird der Verwahrer geltend machen wollen, wenn er Aufwendungen getätigt45 oder Schäden erlitten hat46.
Vgl. Pap. 9 quaest D. 16,3,24. Quintilian, decl. 245, unterscheidet allerdings ein depositum quod quandocumque repetitur von einem depositum in tempus (Shackleton Bailey, Teubner 1989, § 5). Dabei ist aber weniger an eine Befristung als an eine Bedingung gedacht, denn das Verwahrgut soll der Verwahrer an den Sohn des Hinterlegers herausgeben, wenn dieser kein Verschwender mehr ist. Auf rechtliche Aussagen der Deklamationen ist aber kein Verlass. So beruht die ganze Deklamation 245 auf dem fiktiven Rechtsatz: qui depositum infitiatus fuerit, quadruplum solvat. Sollte der Hinterleger das Geld in dem Falle, dass der Sohn als Verschwender stirbt, behalten dürfen, käme eine Konstruktion als bedingtes fideicommissum a debitore relictum in Betracht. In den Papyri finden sich paraqh/kh-Verträge, in denen ein fester Rückgabezeitpunkt vereinbart ist, z. B. BGU II 520 (172 n.Chr.) und P. Fouad I 58 (1. oder 2. Jh.n.Chr.). Hier wie bei Quintilian ist aber überhaupt erst zu fragen, ob es sich um ein depositum im technischen Sinne handelt. 40 Ein Interesse des Darlehensgebers bestünde freilich dann, wenn er Entgelt in Form von Zinsen erhielte. 41 Vgl. § 18. 42 Zu Digestenstellen, in denen eine Vergütung in Rede steht, Ulp. 28 ed D. 13,6,5,2 und Ulp. 56 ed D. 47,8,2,23, siehe die Hinweise in § 11 I. 43 Ulp. 30 ed D. 16,3,1,8 – 10. 44 Kaser, RP I § 123 II 1, S. 528. 45 Solche Aufwendungen können entstehen bei der Ernährung eines verwahrten Sklaven, Mod. 2 diff D. 16,3,23 (Coll. 10,2,5), Ulp. 30 ed D. 16,3,1,9, beim Transport der verwahrten Sache, wenn Hinterlegungs- und Rückgabeort auseinanderfallen, Pomp. 22 Sab D. 16,3,12pr. 38 39
§ 1 Das depositum: materielle Grundzüge eines Instituts
31
Folgendes Panorama ließe sich vorbehaltlich einer näheren Untersuchung, die im § 18 stattfinden wird, entfalten: Geltendmachen könnte der Verwahrer seine Ansprüche theoretisch durch ein Zurückbehaltungsrecht47 bzw. (in seltenen Fällen) durch Aufrechnung oder durch eine actio contraria48. Justinian scheint 529 die Möglichkeiten des Verwahrers zur Aufrechnung und zur Zurückbehaltung einzuschränken49. Allerdings gibt es Hinweise, dass schon vorher das Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers beschränkt war. In den paraqh/kh-Verträgen werden Gegenrechte des Verwahrers regelmäßig ausgeschlossen50. Eine entsprechende Vertragspraxis in Rom ist nicht auszuschließen. Auch die Paulussentenzen 2,12,12 erklären, beim depositum sei für die Aufrechnung kein Raum. In Ulp. 30 ed D. 16,3,1,21 findet sich die Regel: tunc enim quaerendum, ob dolo malo feceris, cum rem non habeas. Das lässt sich so auffassen, dass in dem Fall, in dem der Verwahrer die Sache hat und zurückgeben kann, er die Sache auf jeden Fall zurückgehen muss, ohne dass noch zu fragen wäre, ob die Nichtrückgabe vielleicht nicht dolos ist, weil der Verwahrer berechtigte Gegenansprüche hat. Das mag auch ein Ausdruck des beneficium-Gedankens sein: Der Verwahrer gewährt ein beneficium, und wer ein beneficium gewährt, darf das daraus entstandene officium nicht durch Geltendmachung eigener Ansprüche verletzen. Doch siehe zu alldem näher § 18.
V. Urkunden Urkunden zum depositum gibt es wenige51. Man kann eine in FIRA III Nr. 120 aus dem Jahr 167 n.Chr. sehen, wenn man das commendatos als Hinweis auf ein depositum nimmt52. Einige Urkunden enthalten Hinweise auf eine Hinterlegung bei einem Sequester.
46 Schäden erleidet der Verwahrer, wenn der verwahrte Sklave ihn bestiehlt, vgl. Afr. 8 quaest D. 13,7,31 (der Text handelt von der fiducia, vgl. Noordraven, Fiduzia 51 ff.) und Afr. 8 quaest D. 47,2,65,5. 47 Mod. 2 diff Coll. 10,2,6. 48 Vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,5pr., Mod. 2 diff D. 16,3,23 (Coll. 10,2,5). 49 C. 4, 34,11pr.-2, bestätigt in I. 4,6,30. Die Gegenklage bleibt dem Verwahrer freilich ausdrücklich erhalten, C. 4,34,11,1 – 2. 50 Siehe dazu § 18 VII. 51 Eine Übersicht bei Kaser, RP I § 126 II, S. 536 Fn. 16. 52 Siehe Ulp. 30 ed D. 50,16,186: ‚Commendare‘ nihil aliud est quam deponere. Vgl. ferner Papinian 9 quaest D. 16,3,24.
32
1. Kap.: Grundlagen
Bei TPS 4053 handelt es sich um eine Rückgabequittung in Form einer testatio. Gaius Sulpicius Faustus lässt sich bestätigen, dass er die Sklavin Tyche, die bei ihm Pactumeia Prima und Aulus Attiolenus Atimetus hinterlegt haben, in Gegenwart der beiden herausgegeben habe und dass auf Geheiß des Aulus Attiolenus Atimetus die Pactumeia Prima die Sklavin weggeführt habe. Nach dem Herausgeber Camodeca54 handele es sich „con ogni evidenza“ um einen Fall der Verwahrung bei einem Sequester. Die Streitparteien Pactumeia Prima und Attiolenus Atimetus hätten die umstrittene Sklavin bei Gaius Sulpicius Faustus hinterlegt, der dann die Sklavin an die Obsiegende zurückgegeben habe. Auch das Wort exhibere deutet auf einen Sequester hin55. Auch TH 76 – 80 dürfte den Fall der Verwahrung bei einem Sequester betreffen56.
Relativ zahlreich sind die auf Papyrus überlieferten paraqh/kh-Verträge, doch stellt sich dabei die Frage nach dem Verhältnis der paraqh/kh zum depositum57. Daneben gibt es noch Urkunden, die Hinterlegungen unter Soldaten betreffen. Beispielsweise bestätigen in FIRA III Nr. 126 von 117 n.Chr. sechs Bannerträger, dass sie vom Zenturio Geld u(pe\r dhposi/tou (bzw. ei)j dhpo/siton) für neu in die Zenturie aufgenommene Rekruten erhalten haben. In ChLA 410 (193 – 196 n.Chr.) etwa finden sich Sold– abrechnungen, die auch die Mitteilung enthalten, wieviel der Soldat in depositis habe. Grund für solche Hinterlegungen war, dass den Soldaten nicht der volle Sold ausgezahlt wurde58. Die Urkunden beschränken sich auf die Mitteilung, das Geld liege als depositum; die rechtlichen Strukturen sind nicht erkennbar. Äußerst fraglich ist, ob es sich dabei um privatrechtliche Verhältnisse handelt, ob also ein Streit unter Soldaten um diese Gelder mit einer actio depositi in einem Zivilverfahren ausgetragen werden konnte59.
Die Digesten enthalten, vor allem im Titel D. 16,3 ab der lex 24, einige Urkundenzitate. Dabei handelt es sich zumeist um Geldhinterlegungen; zumeist geht es um Fragen der Verzinslichkeit. Da das depositum irregulare außerhalb des Themas dieser Arbeit liegt, werden auch diese Urkunden hier nicht behandelt werden.
Camodeca, TPSulp. 112 f. Camodeca, TPSulp. 113. 55 Das Wort exhibere findet sich als Ausdruck für die Rückgabe durch den Sequester etwa in Ulp. 30 ed D. 16,3,5,1. Diese Stelle stammt aus dem Teil des Ediktskommentars, in dem Ulpian die actio depositi sequestraria eigens erörtert. Doch findet sich exhibere auch für das normale depositum etwa in Pap. 3 quaest D. 16,3,25pr. 56 Vgl. Camodeca, Riedizione del trittico 137 ff.; Crook, Stakes 77 ff. 57 Zu dieser Frage und zur Vorstellung einer solchen Urkunde siehe § 18 VII. 58 Zu den Gründen siehe nur Veg. mil. 2,20. Zu Rückschlüssen auf die wirtschaftliche Lage der Soldaten siehe Speidel, Sold und Wirtschaftslage 89 ff. 59 Für Zugehörigkeit dieser Verhältnisse zum öffentlichen Recht etwa Schulz, Postclassical edition 255 f. 53 54
§ 2 Die Formeln der actio depositi
33
§ 2 Die Formeln der actio depositi I. Die beiden Formeln Eine herausragende Besonderheit des depositum ist die Tatsache, dass dem Hinterleger für die Klage gegen den Verwahrer zwei Klageformeln zur Verfügung stehen60. Dies berichtet uns Gaius in G. 4,4761: Sed ex quibusdam causis praetor et in ius et in factum conceptas formulas proponit, veluti depositi et commodati. illa enim formula, quae ita concepta est: … in ius concepta est. at illa formula, quae ita concepta est: … in factum concepta est. similes etiam commodati formulae sunt.
Wir können die Aussage insoweit präzisieren, dass sie sich auf die Fassung des Edikts bezieht, die das Edikt unter Hadrian erhalten hatte. Warum es bei depositum und commodatum zwei Formeln gab, teilt Gaius uns nicht mit. 1. Die in ius konzipierte Formel geht mit dem Abstellen auf ein oportere davon aus, dass den Verwahrer aufgrund des Verwahrungsverhältnisses eine Verpflichtung nach dem ius civile treffe und bemisst den Inhalt dieser Verpflichtung in der Kondemnation in Geld (G. 4,47): Iudex esto. Quod Aulus Agerius apud Numerium Negidium mensam argenteam deposuit, qua de re agitur, quidquid ob eam rem Numerium Negidium Aulo Agerio dare facere oportet ex fide bona, eius iudex Numerium Negidium Aulo Agerio condemnato, si non paret, absolvito62.
2. Die in factum konzipierte Formel hingegen kennt eine solche Verpflichtung nicht, sondern bemisst in der Kondemnation den Geldbetrag nach dem Wert der Sache bzw. des Streitgegenstandes. Die Kompetenz des Judex, den Beklagten zu verurteilen, ergibt sich nicht aus einer Verpflichtung des ius civile, sondern allein aus der Tatsache, dass der Kläger die betreffende Sache beim Beklagten in Verwah-
60 Zwei Formeln bei einem Rechtsverhältnis gibt es nach G. 4,47 ex quibusdam causis. Gaius selbst nennt in G. 4,47 noch das commodatum. Zwei Formeln gab es noch bei der negotiorum gestio (vgl. Seiler, Tatbestand 316 ff.) und vielleicht beim pignus (zuletzt Litewski, Bestehen 183 ff., Labeo 45, und Braukmann, Pfandrecht 64 ff.). Bei der societas stellte sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen der actio communi dividundo und der actio pro socio, siehe dazu Drosdowski, Verhältnis. 61 Zu den Formelzitaten sogleich; zum Zusammenhang der Stelle in der Lehre des Gaius siehe § 3 I 1. 62 So die üblichen Lesungen, vgl. etwa Manthe, Gaius Institutionen 344 f.; Mantovani, Le formule2 51; David, Gai Institutiones, Editio minor 133 (1964); Seckel / Kübler, Gai Institutiones8 211 (1939). Abweichend aber etwa Krüger / Studemund, Gai Institutiones6 167 (1912), und Baviera in FIRA II 161, wo nr mit nisi restituat aufgelöst wird (zu diesem Problem sogleich). Zum Text des Codex Veronensis siehe sogleich im Text.
34
1. Kap.: Grundlagen
rung gegeben und wegen eines dolus des Beklagten nicht zurückerhalten hat (G. 4,47): Iudex esto. Si paret Aulum Agerium apud Numerium Negidium mensam argenteam deposuisse eamque dolo malo Numerii Negidii Aulo Agerio redditam non esse, quanti ea res erit, tantam pecuniam, iudex, Numerium Negidium Aulo Agerio condemnato. si non paret, absolvito63.
II. Feststellung der formula in ius concepta Es fällt auf, dass der Codex Veronensis hinsichtlich der formula in ius concepta einen in einigen Punkten von der üblichen Lesung abweichenden Text bietet. Dieser Text lautet (Lücken, Abkürzungszeichen usw. sind nicht angegeben, sondern nur das Zeilenende mit |)64: iudexestoqAAapNumeriumNmensam|argenteamdeposuissetquadereitagitqdqdobe|amrem NNAAdfcoexfidebonaeiusidiudNN|AAcondemnatonrsnpa.
Bemerkenswert sind vor allem: die Sigle nr (1), die Verwendung des Konjunktiv Plusquamperfekt statt des vieldiskutierten Indikativ (2) und das id vor iudex Numerium Negidium (3). Auch wenn an der herkömmlichen Konstruktion der Formel festzuhalten ist, soll diesen Abweichungen hier zumindest teilweise nachgegangen werden, weil das Formelzitat neben der Formel der actio tutelae im Babatha-Archiv65 das einzige uns überlieferte Zeugnis einer vollständigen Formel eines bonae fidei iudicium ist und daher auch stets als Vorlage für die Konstruktion anderer Formeln verwendet wird. Daneben ist zu fragen, inwieweit sich die von Gaius mitgeteilte Musterformel als Zitat des prätorischen Albums jeweils im konkreten Prozess aktualisierte (IV).
1. Das nr im Codex Veronensis Der Vorschlag der Auflösung der Sigle nr des Endes condemnatonrsnpa mit nisi restituat geht zurück auf Huschke66. Die condemnatio würde damit lauten: eius iudex Numerium Negidium Aulo Agerio condemnato nisi restituat, si non paret, absolvito.
63 Die kleineren Abweichungen des Codex Veronensis sind von weniger Interesse als bei der formula in ius concepta. Es findet sich praktisch nur der Fehler reddita non esse statt redditam non esse, vgl. Studemund, Apographum 204. 64 Studemund, Apographum 204 (1873). 65 Siehe dazu sogleich im Text. 66 Huschke, Studien des römischen Rechts 316.
§ 2 Die Formeln der actio depositi
35
Huschke stützte sich dabei zum einen auf die Auflösung der Sigle in non restituerunt durch Petrus Diaconus in dessen Werk De Notis litterarum more romano liber aus dem 12. Jahrhundert. Heute stützte man sich eher auf die Notae iuris des Valerius Probus, einem Grammatiker des 1.Jh.n.Chr.67 Dort wird die Sigle nr aufgelöst mit non restituetur68. Daneben verwies Huschke auf Ulp. 30 ed D. 16,3,1,21, wo er eine offenkundige Anspielung auf dieses Formelzitat zu finden glaubte. Auch Huschke erkannte schon die Schwierigkeit, dass ein solcher Zusatz in einem bonae fidei iudicium eigentlich überflüssig sei und eher in eine actio arbitraria gehöre. Durch den Zusatz werde aber die actio depositi in ius concepta nicht zu einer actio arbitraria, da das arbitrio tuo fehle. Zum anderen schade es nicht, einem bonae fidei iudicium einen Zusatz wie nisi restituat beizufügen, da auch sonst in ein bonae fidei iudicium Exzeptionen eingeschoben werden, auch wenn diese bereits dem Inhalte nach aufgrund der bona fides zu berücksichtigen seien. Dem Vorschlag Huschkes sind viele gefolgt69; er wurde herrschende Meinung. Noch Lenel nahm ihn, wenn auch zweifelnd, in die erste Auflage seines Edictum perpetuum auf70. Doch gab es gegen Huschkes Vorschlag alsbald auch Gegenstimmen, die sich mehr und mehr durchsetzten, so dass es heute herrschende Meinung ist, die Abkürzung nr gehöre nicht zur Formel71, sondern sei ein Schreiberversehen72 oder eine Glosse73. Die Argumente für diese Ansicht sind letztlich überzeugend: Zum einen verweist man darauf, dass die Stelle D. 16,3,1,21 sich eher auf die formula in factum concepta beziehe74. Das nisi restituat müsse vor dem condemnato stehen75, die Worte seien bei einer intentio quidquid dare facere oportet „fast unerträglich“76. Dass das nisi restituat in D. 16,3,1,21 in der Tat nichts mit einem Formelwortlaut zu tun hat, zeigt ein Vergleich mit anderen Stellen, in denen diese Wendung auch auftaucht. Aufschlussreich ist etwa ein Vergleich mit Ulp. 24 ed D. 10,4,7,4
Zu diesem siehe nur Schmidt / NP X, s.n. 361 ff. In einem im Codex Einsidlensis 326 überlieferten Fragment, vgl. Huschke / Seckel / Kübler, IA6 89. 69 Vgl. etwa Krüger / Studemund, Gai Institutiones6 167 (1912), und Baviera in FIRA II 161. Zu einem abweichenden Vorschlag Ubbelohdes, die Sigle aufzulösen, siehe sogleich im Text. 70 Vgl. Lenel, EP1 230 m.Fn. 11. 71 Zuletzt Mantovani, Le formule2 51; Manthe, Gaius Institutiones 346, 25. 72 Lenel, EP3 288 m.Fn. 12. 73 Gandolfi, Il deposito 77 ff. 74 Taubenschlag, Geschichte 138 ff., Grünhut 35; Levy, Actiones arbitrariae 48, SZ 36; nicht überzeugend, weil ohne Argumente, für einen Bezug zur formula in ius concepta Arangio-ruiz, Le formule 25 f. Fn. 1, Rariora. Vgl. noch § 5. 75 Lenel, EP3 288 m.Fn. 12. 76 Lenel a. a. O. 67 68
36
1. Kap.: Grundlagen
und 677. Auch dort geht es nämlich wie in D. 16,3,1,21 um das Problem, dass die Verurteilungsvoraussetzungen bei litiscontestatio nicht vorliegen, aber im Zeitpunkt der Urteilsfällung. In D. 16,3,1,21 geht es um ein Sachproblem, nicht um eine Frage des Formelwortlauts78. Zuletzt hat etwa Metro79 sich wieder für die Auflösung nisi restituat ausgesprochen. Er beruft sich im Wesentlichen auf die Verteilung der Argumentationslast. Nach Metro sei das Zeugnis des Codex Veronensis ausschlaggebend, so dass ihm zu folgen sei, wenn es keine überzeugenden Gegenargumente gebe, denn die Handschrift sei das einzige sichere Argument. Doch ist damit wohl die Beweiskraft der Handschrift überschätzt. Zunächst enthält der Codex nur die Abkürzung nr. Wie diese aufzulösen sei, ist noch die Frage. So verbietet es sich, die Abkürzungen, die der Codex verwendet, etwa mit den Noten des Probus gleichzusetzen80. Schon der Codex Veronensis ist bei seinen Abkürzungen nicht einheitlich. Ferner ist der Codex Veronensis nicht fehlerfrei genug, als dass man ihm solche Autorität zumessen könnte, wie Metro es tut. So verweisen Lenel81 und May82 auf mehrere Fehler, die dem Schreiber gerade in G. 4,47 unterlaufen sind83. Metro gelingt es auch nicht, die Gegenargumente zu entkräften. Der Einwand, das nisi restituat gehöre in einer Formel nicht hinter condemnato, lässt sich nicht durch Stellen widerlegen, in denen zwar die fragliche Auflösung nach condemnare steht, die aber gerade nicht einen Formelwortlaut zitieren84. 77 Ulp. 24 ed D. 10,4,7,4: Si quis non possideat litis contestatae tempore, sed postea ante sententiam possidere coeperit, oportere dici putamus debere condemnari, nisi restituat. § 6: Idem scribit, si quis litis contestatae tempore possederit, deinde desierit possidere, mox coeperit sive ex eadem causa sive ex alia, condemnari eum oportere, nisi restituat. 78 An diesem Vergleich darf einen nicht irre machen, dass die Formel der actio ad exhibendum eine Arbiträrklausel enthält (vgl. Lenel, EP3 223). Diese Klausel lautet nisi exhibebitur. Ulpian behandelt in D. 10,4,7,4 und 6 den Formelteil quod Numerius Negidius possidet, auf die Arbiträrklausel kommt er erst in D. 10,4,9,5 (vgl. Lenel, P II Ulpian 720 und 722, Sp. 558 Fn. 1 und Sp. 560 Fn. 1). Es geht wie in D. 16,3,1,21 um die Frage, wann die Verurteilungsvoraussetzungen, die überhaupt erst einen Exhibitionsbefehl des Judex rechtfertigen, vorliegen müssen. Zu diesem Sachproblem bei D. 16,3,1,21 siehe § 12. 79 Metro, L’obbligazione di custodire 135 f. Fn. 122. 80 Levy, Actiones arbitrariae 48, SZ 36. 81 Levy, Actiones arbitrariae 48, SZ 36. 82 May, Observations 167 Fn. 2. 83 Eine umfassende Würdigung der Handschrift bei Nelson, Überlieferung 29 ff. Es handele sich um eine Privatabschrift, angefertigt durch „zwei außerordentlich unsorgfältige Schreiber“. „Denn jede Seite des Codex wimmelt geradezu von Fehlern“ (32). Nach Nelson (33 f.) hätten die Abschreiber auch Randnotizen oder interlineare Bemerkungen gedankenlos aus der Vorlage in den Text der Abschrift übernommen, ferner völlig sinnlose Fehler produziert, für die sich überhaupt keine rationale Erklärung finden lasse. 84 Metro, L’obbligazione di custodire 135 Fn. 22, verweist etwa auf D. 10,4,7,4 u. 6, und auf Jul. 18 dig D. 39,6,14.
§ 2 Die Formeln der actio depositi
37
Selb85 hat beobachtet, dass die Abkürzungen im Codex Einsidlensis in der Reihenfolge aufgezählt werden, in der sie auch in der Formel vorkommen. Wollte man diese Erkenntnis verwerten, ließe sich sagen, dass die Sigle nr nach der Sigle snpa steht, nisi restituat also in der Formel nicht vor si non paret, absolvito gestanden haben kann. Erwähnt seien schließlich noch zwei andere Vorschläge. Ubbelohde86 interpretiert das nr als Schreiberversehen und sieht es als np an, dass er sodann als numerata pecunia auflöst. Denn Ubbelohde87 entnimmt G. 4,48 (ad pecuniariam aestimationem condemnatio concepta est), dass in der Formel ausdrücklich erwähnt werden müsse, dass die Verurteilung auf eine Geldsumme zu lauten habe (vgl. etwa das tantam pecuniam bei der formula in factum concepta)88. Und durch jene entsprechende Auflösung sei diesem Erfordernis Genüge zu tun. May89 verknüpft die Auflösung nisi restituat mit dem id hinter eius, das zumeist ebenfalls für einen Schreibfehler gehalten wird. Das nisi resituat habe hinter das id gehört; bei May90 lauten intentio und condemnatio also: quidquid ob eam rem Numerium Negidium Aulo Agerio dare facere oportet ex fide bona eius, id nisi restituat, iudex Numerium Negidium Aulo Agerio condemnato, s.n.p.a. Zum genaueren Verständnis der Formel äußert sich May nicht. Nahe liegt, dass er das eius zu ex fide bona zieht, so dass die bona fides hier subjektiv verstanden ist, und dass das id nicht nur das Objekt des nisi restituat ist, sondern auch Akkusativobjekt zu condemnato. Dieses Verständnis ähnelt damit dem Hasses91.
2. Der Konjunktiv Plusquamperfekt deposuisset Im Codex Veronensis findet sich in der demonstratio der Konjunktiv Plusquamperfekt deposuisset. Dass der Schreiber den faktischen quod-Satz in der demonstratio mit Indikativ kennt, zeigen G. 4,40 und 4,59; das spräche dagegen, dass es sich bei deposuisset um einen Schreibfehler handelt, zumal deposuisset die lectio difficilior ist. Hält man sich aber die fehlende Verläßlichkeit des Codex Veronensis vor Augen92, wird man nicht umhinkommen, den einzigen Beleg für einen solchen Konjunktiv für einen Schreibfehler zu halten93. Einen Sinn haben könnte dieser Konjunktiv wohl nur, wenn er ausdrücken soll, dass es sich beim quod-Satz um eine Behauptung des Klägers handelt. Man könnte spekulieren über eine Abwandlung der Musterformel im Einzellfall, wenn das Streitige betont werden soll94, doch Selb, Formeln mit unbestimmter intentio iuris 20. Ubbelohde, Geschichte 10. 87 Ubbelohde, Geschichte 16. 88 Das ausdrückliche Erwähnen der condemnatio pecuniaria vermisst auch Behrends, Dalla Mediazione 270 ff. 89 May, Observations 164 ff. 90 May, Observations 167 Fn. 1. 91 Siehe sogleich im Text. 92 Darauf, dass der Codex Veronensis viele Schreibfehler enthält, wurde schon hingewiesen. 93 Auch die Formel der actio tutelae aus dem Babatha-Archiv (dazu sogleich) hat den Indikativ. 85 86
38
1. Kap.: Grundlagen
wäre unerfindlich, wie Gaius an dieser Stelle, wo es ihm um eine Elementarlehre des Formelaufbaus geht, auf solche Feinheiten kommen sollte. Einen Konjunktiv Plusquamperfekt findet man auch in einem bei Cicero überlieferten Zitat der formula Octaviana95: Cic. Verr. II 3,152: Adventu L. Metelli praetoris cum omnes eius comites iste sibi suo illo panchresto medicamento amicos reddidisset, aditum est ad Metellum; eductus est Apronius, eduxit vir primarius C. Gallus senator, postulavit ab L. Metello ut ex edicto suo iudicium daret in Apronium QUOD PER VIM ET METUM APSTULISSET 96, quam formulam Octavianam et Romae Metellus habuerat et habebat in provincia; non impetrat, cum hoc diceret ei Metellus, praeiudicium se de capite C. Verris per hoc iudicium nolle fieri.97 Der Senatur Gaius Gallus fordert vom Statthalter Siziliens Lucius Metellus, dem Nachfolger des Verres, dass dieser gemäß dem Edikt ein Urteilsverfahren einsetze gegen den Apronius. Die Formel, nach der das Verfahren stattfinden sollte, habe Metellus sowohl als Prätor in Rom als auch als Statthalter in seinem Provinzialedikt proponiert. Nimmt man nun die Wendung quod per vim et metum apstulisset als Wiedergabe des Vorwurfs (weil er durch Gewalt und Furchterregung weggenommen habe) und nicht als Zitat, dann erklärt sich der Konjunktiv Plusquamperfekt ebenso wie in Cic. off. 3, 112 als von einem gedachten verbum dicendi abhängige indirekte Rede98. Der Vorwurf spielt dann zwar auf den Formelwortlaut an, der Konjunktiv Plusquamperfekt kam dann aber in der Formel nicht vor99.
3. Das eius id am Anfang der condemnatio100 Das eius id am Anfang der condemnatio wirft zwei miteinander zusammenhängende Fragen auf; erstens, ob etwa eius noch in die intentio zu ex fide bona gehöre; zweitens, was das Objekt zu condemnato sei. 94 Zur Frage des Indikativs Perfekt zur Bezeichnung des Unstreitigen siehe die kurzen Hinweise in § 2 V 2. 95 Die formula Octaviana gilt als Vorläufer der actio quod metus causa. Zur formula Octaviana siehe nur Hartkamp, Zwang 245 ff. 96 Von manchen Herausgebern durch entsprechende Hervorhebung als Zitat gekennzeichnet, vgl. etwa Peterson, Oxford 1967, S. 151. 97 Übersetzung: Als sich nach der Ankunft des Prätors Lucius Metellus dieser Verres alle Begleiter des Metellus durch sein Allheilmittel zu Freunden gemacht hatte, trat man an Metellus heran. Apronius wurde vorgeladen; es lud vor ein vornehmer Mann, der Senator Gaius Gallus. Er forderte von Lucius Metellus, dass er gemäß seinem Edikt ein Urteilsgericht einsetze gegen Apronius, weil dieser durch Gewalt und Furchterregung weggenommen habe. Diese formula Octaviana hatte Metellus in seinem Edikt in Rom gehabt und hatte er in der Provinz. Gaius Gallus hatte keinen Erfolg, weil ihm Metellus erklärte, er wolle nicht, dass über das Schicksal des Gaius Verres durch ein solches Verfahren eine Vorverurteilung erfolge. 98 Cic. off. 3, 112: L. Manlio A. f. cum dictator fuisset M. Pomponius tr. pl. diem dixit quod is paucos sibi dies ad dictaturam gerendam addidisset. 99 Eine Anspielung auf den Formelwortlaut der formula Octaviana findet man auch in Cic. ad Q.fr. 1,1,21: Cogebantur Sullani homines quae per vim et metum abstulerant reddere … . 100 Überblick über die ältere Literatur bei Ubbelohde, Geschichte 7 Fn. 20.
§ 2 Die Formeln der actio depositi
39
Üblicherweise streicht man das id aus eiusidiudNNAAcondemnato[nr]snpa und löst das iud als Abkürzung für iudex auf, so dass man auf die condemnatio kommt eius iudex Numerium Negidium Aulo Agerio condemnato, si non paret, absolvito. Eius ist dabei Genetivobjekt von condemnato. Hasse101 geht von einer etwas anderen formula in ius concepta aus; er zieht das eius mit in die intentio hinein102 und lässt das id des Codex Veronensis als Beginn der condemnatio stehen. Der Formelschluss lautet bei ihm: quidquid ob eam rem Numerium Negidium Aulo Agerio dare facero oportet ex fide bona eius, id Iudex Numerium Negidium Aulo Agerio condemnato, snpa.
Das eius bezieht sich als Bestandteil der intentio damit auf den Beklagten, so dass die bona fides subjektiv zu verstehen ist: der Beklagte muss leisten, was er nach seiner Treue schuldig ist103. Von condemnare hängen zwei Akkusative ab, nämlich id und Numerium Negidium104. Damit wahrt Hasses Formelfassung Parallelen zur formula in factum concepta: Auch dort findet sich condemnare mit zweifachem Akkusativ (tantam pecuniam und Numerium Negidium), auch dort ist die bona fides subjektiv verstanden, wenn man den dolus malus aus dolo malo Numerii Negidii als Gegensatz zur bona fides ansieht.
Hasse, Wesen 33 f. So auch Ubbelohde, Geschichte 13, vgl. aber dort auch Fn. 28. 103 Dass sich der Hinterleger die fides eines konkreten Verwahrers aussucht und erlangt, findet sich zuweilen angesprochen (Ulp. 30 ed D. 16,3,1,14 und Pap. 27 quaest D. 45,2,9pr.; im übertragenen Sinne Trajan an Plinius (Plin. epist. 10, 105): Cum honestissime iis, qui apud fidem tuam a Valerio Paulino depositi sunt, consultum velis, matura per me… .), ferner, dass die persönliche fides bzw. diligentia den Haftungsmaßstab näher bestimmen kann (Celsus 11 dig D. 16,3,32. Zu dieser Stelle siehe § 11 II 3). Zudem gab es Formeln, die den Hinweis auf die subjektive bona fides enthielten, sei es als Prozessformel des Formularprozesses, sei es als Spruchformel des Legisaktionenverfahrens (zur Diskussion um uti ne propter te fidemve tuam captus fraudatusve sim (Cic. off. 3,70) vgl. Lenel, EP3 293 ff. Noordraven, Fiduzia 289 ff.). Dazu siehe auch § 14 IV. Gegen den Bezug des eius auf die bona fides wendet Rudorff ein, dass es dann ex fide bona sua heißen müsse (Edictum 119 Fn. 8), denn Numerius Negidius sei Subjekt des Gliedsatzes. Dagegen siehe aber Hofmann / Szantyr 1753, unter anderem mit dem Hinweis auf den Zwöfttafelsatz 10,7: qui coronam parit ipse pecuniave eius honoris virtutisve ergo duitur ei … . 104 Bei condemnare findet sich ein Akkusativ der Strafe seit dem 2.Jh.n.Chr., vor allem bei Juristen (Hofmann / Szantyr § 58 Zusatz b, TLL IV 125, 5 ff.) und hier vor allem bei Gaius: tantam pecuniam (4,32), X milia und certam pecuniam (4,51). Und es findet sich bei Gaius auch der zweifache Akkusativ (adversarium sponsionis et restipulationis summas in 4,166a und z. B. tantam pecuniam, iudex, Numerium Negidium Aulo Agerio condemna in G. 4,51). Zu anderen Stellen, auch bei anderen Juristen, vgl. TLL IV 125, 5 ff.). Doch dürfte es auf den Sprachgebrauch des Gaius nicht ankommen, denn Gaius zitiert hier eine Formel, deren Wortlaut zu Zeiten des Gaius schon Jahrzehnte feststand. Immerhin dürfte klar sein, dass ein von condemnare abhängiger Genetiv wie in eius condemnato nicht selbstverständlich ist. Er findet sich aber z. B. bei Gell. 20,1,38 (hominem pecuniae damnabat). 101 102
40
1. Kap.: Grundlagen
a) eius gehört nicht in die intentio Eine Formel, in der eius in die condemnatio gehört (und das id damit überflüssig würde), bietet die lex Rubria, in deren intentio und condemnatio einer Formel einer fiktizischen cautio damni infecti das eius vom Ausdruck ex fide bona durch eine taxatio getrennt steht105, so dass dort das eius in die condemnatio gehört. Dass eius nicht in die intentio gehört, zeigt auch die überlieferte Formel der actio tutelae. Die Formel dieses bonae fidei iudicium ist uns nämlich überliefert in einem griechischen Papyrus (P. Yadin 28 – 30, ca. 125 n.Chr.) aus der Provinz Arabia106. Sie lautet dort107: metacu\ tou= dei=noj tou= dei=noj e)nkalou=ntoj kai\ tou= dei=noj e)nkaloume/nou me/ xri dhnari/wn 2500 cenokri/tai e/)stwsan. e)pei\ o( dei=na tou= dei=noj? o)rfanou= e)pitroph\n e)xei/risen, peri\ ou= ( pra/gmatoj a)/getai, o(/tan dia\ tou=to to\ pra=gma to\n dei=na t%= dei=ni dou=nai poih=sai de/$ e)k kalh=j pi/stewj, tou/tou oi( cenokri/tai to\n dei=na t%= dei=ni me/xri dhnari/wn 2500 katakreina/ twsan, e)a\n de\ mh\ fai/ nhtai a) polusa/twsan.108
Das pi/stewj tou/tou oi( cenokri/tai deutet darauf hin, dass das eius sich nicht auf ex fide bona bezieht, sondern von condemnato abhängt, denn bei Bezug auf ex fide bona sollte es heißen pi/stewj au)tou= (oder reflexiv: e(autou=, hier vielleicht auch: tou= dei=noj, oi( cenokri/tai. Zudem würde ein Objekt zu katakreina/twsan fehlen.
105 Lex Rubria (Lex de Gallia Cisalpina) XX 26 ff.: … tum quicquid eum Q. Licinium ex ea stipulatione L. Seio dare facere oporteret ex fide bona dumtaxat sestertium XY, eius iudex Q. Licinium L. Seio … condemnato … . Vgl. dazu Bruna, Lex Rubria 84 ff.; Crawford, Roman Statutes I 461 ff. 106 Siehe nur Nörr, Röm. Zivilprozeßrecht 85, Grzimek, Taxatio 28 ff. 107 Die Konstruktion Lenels in EP3 (318) ist also richtig (siehe Nörr, Prozeßrecht 85, der auch eine lateinische Rückübersetzung vorschlägt). Mit diesem Papyrusfund ist nicht mehr zweifelhaft, dass die actio tutelae die Klausel ex fide bona enthielt. Die Auffassung Behrends’ (Wissenschaftslehre 294 ff.; Ders., Dalla mediazione 226 f. Fn. 54; zuletzt Ders., Die geistige Mitte 25 f. Fn. 1, SZ 125), der Paulus 6 Sab D. 17,2,38pr. so verstehen will, als meine „iudicia specialia“, dass in der Prozessformel sich der Ausdruck „bona fides“ gefunden habe, in den „iudicia generalia“ der bona-fides-Charakter durch Interpretation gewonnen worden sei, ist damit durch den Papyrusfund widerlegt. Vgl. auch Horak, Rez. Behrends, Wissenschaftslehre, S. 410 f., SZ 95. 108 Statt einer Übersetzung vgl. die Rückübersetzung ins Lateinische Nörrs (Prozeßrecht 85): Inter illum filium illius actorem et illum filium illius reum dumtaxat denarium MMD recuperatores sunto. Quod ille illius pupilli tutelam gessit, qua de re agitur, quidquid ob eam rem illum illi dare facere oportet ex fide bona, eius recuperatores illum dumtaxat denarium MMD condemnanto, si non paret absolvunto.
§ 2 Die Formeln der actio depositi
41
b) eius condemnato oder id condemnato? Hinsichtlich der Frage, ob Objekt von condemnato der Ausdruck eius ist oder id, dürfte der Papyrus aber nicht ausschlaggebend sein. Es liegt zwar die grammatikalische Konstruktion von katakri/nein mit tou/tou to\n dei=na vor, doch ist ungewiss, inwieweit bei einer Übersetzung die grammatikalische Konstruktion der Ausgangssprache überhaupt Einfluss auf die grammatikalische Konstruktion der Zielsprache hat. Für eius condemnato spricht einerseits die lex Rubria. Andererseits findet sich nun in der kürzlich gefundenen sogenannten Lex Rivi Hiberiensis eine Formel folgenden Wortlauts109: …….………… Iudex esto. Quitquit parret e lege [rivi Hiberiensis] quae lexs est ex conventione paga [nica omnium C]aesaraugustanorum Gallorum Cas [cantensium Bels]inonensium paganorum illum [illi dare oportere110], ++ iudex illum illi c(ondemnato), snpa.
Nach dem Herausgeber seien in der letzten Zeile vor iudex zwei Buchstaben nicht gut lesbar; der erste könnte ein v oder ein i sein, der zweite ein s oder t111. In der Lücke könnte also ein it gestanden haben mit demselben t statt d wie häufiger in der Inschrift, etwa auch in der Formel bei quitquit. Damit könnte es sich um eine Formel mit dem doppelten Akkusativ id iudex illum condemnato handeln112. Als Erklärung bietet sich an, dass beide Konstruktionen, diejenige mit eius und diejenige mit id als Teil der condemnatio, möglich waren. Der Schreiber könnte aufgrund eines Versehens beide Konstruktionen statt nur einer aufgenommen haben.
109 Vgl. Beltrán Lloris, The Lex Rivi Hiberiensis 157 Z. III 39 ff., JRS 2006. Grundlegend jetzt der juristische Kommentar Nörrs, Prozessuales (und mehr) 108 ff., insbes. 133 ff., SZ 125 (2008). 110 Eine solche intentio ist uns auch bezeugt in G. 4,41: quidquid paret N. Negidium A. Agerio dare facere oportere. Siehe nur Selb, Formeln mit unbestimmter intentio iuris 29 ff. Dazu jetzt Nörr, Prozessuales (und mehr) 139 ff., 142 ff., SZ 125 (2008). 111 Beltrán Lloris, The Lex Rivi Hiberiensis 157, Kommentar zu Zeile 43. 112 Siehe zur Frage Nörr, Prozessuales (und mehr) 134 Fn. 125, der die Ergänzung von eius vorschlägt. Das sind zwar vier Buchstaben statt der vom Herausgeber angegebenen zwei, doch ist schon das vorhergehende illi dare oportere nicht erhalten, sondern nur von den Herausgebern vorgeschlagen, so dass sich wohl nicht mit Sicherheit sagen lässt, wieviel Platz letztlich für die Ergänzung bleibt, insbesondere wenn man mit Abkürzungen rechnet (zur Möglichkeit von Abkürzungen siehe Nörr, a. a. O. 134 Fn. 124).
42
1. Kap.: Grundlagen
4. Die taxatio in der formula in ius concepta der actio depositi Gaius zitiert die in ius konzipierte Formel als vollständige. Doch ist nicht ausgeschlossen, dass er die Formel in vereinfachter Fassung zitiert, um die Unterschiede zur formula in factum concepta zu betonen113. Die Frage, ob die Formel der actio depositi eine taxatio enthielt, soll hier offen bleiben114.
III. Die formula in factum concepta Der Text der formula in factum concepta des Codex Veronensis bereitet keine Schwierigkeit. Es sei stattdessen auf ein anderes Problem hingewiesen. Während sich bei der formula in ius concepta drei Formelteile ausmachen lassen115, besteht die formula in factum concepta nur aus zwei Formelteilen. Wie sind diese zu benennen? Genauer: Ist der Formelteil, der vor der condemnatio steht, als intentio anzusehen116? Diese Frage wird durch die gaianische Darstellung selbst aufgeworfen. Gaius führt seinen Schülern in G. 4,41 die intentio vor117. Dabei passen weder seine Definition noch seine Beispiele auf den ersten Formelteil der formula in factum concepta: die intentio sei der Formelbestandteil, in dem der Kläger sein Begehren beschreibe. Die Beispiele dare oportere, dare facere oportere118 und vor allem
113 Vgl. Grzimek, Taxatio 47. Immerhin erläutert Gaius die taxatio erst im folgenden (in G. 4,51). So könnte der Lehrer im Zitat der Formel die taxatio unterdrückt haben, um die Schüler nicht zu verwirren (freilich zitiert Gaius in 4,43 schon einmal eine condemnatio mit taxatio). 114 Der Frage kann man sich auf zwei Wegen nähern. Man kann fragen, inwieweit die Aufnahme einer taxatio in eine Formel mit intentio incerta oder mit der Klausel ex fide bona oder bei einem iusiurandum in litem üblich war. Zu diesen Fragen siehe Grzimek, Taxatio 4 ff., 23 ff. und 142 ff. Man kann ferner nach Belegen einer taxatio für das depositum suchen. Solche gibt es aber nicht. Erwartbar wäre etwa ein Hinweis auf die taxatio in Ulp. 30 ed D. 12,3,3. 115 Nämlich die herkömmlichen Bestandteile demonstratio, intentio und condemnatio. Dass sich gerade diese drei Formelteile in der Formel befinden, sagt Gaius ausdrücklich (zur demonstratio in G. 4,40; zur intentio in G. 4,41). 116 Ältere Literatur z. B. Lenel, Intentio in factum concepta? 1 ff., SZ 48; Juncker, Intentio 325 ff.; Solazzi, Intentio 411 ff.; Philonenko, „Intentio“ 231 ff.; De Visscher, Les Formules 193 ff., RHD 4. Neuere Literatur bei Kaser / Hackl, § 45 II, S. 312 Fn. 10; siehe jetzt auch insbesondere zur intentio incerta Babusiaux, Id quod actum est 166 ff. 117 G. 4,41: Intentio est ea pars formulae, qua actor desiderium suum concludit, velut haec pars formulae: si paret N. Negidium A. Agerio sestertium x milia dare oportere; item haec: quidquid paret N. Negidium A. Agerio dare facere oportere; item haec: si paret hominem ex iure Quiritium A. Agerii esse. 118 In G. 4,45: pro fure damnum decidi oportere.
§ 2 Die Formeln der actio depositi
43
hominem … Auli Agerii esse zeigen, dass damit nicht gemeint ist, dass der Kläger ein Tun oder Unterlassen des Beklagten begehrt; die intentio benennt vielmehr die Rechtsbehauptung des Klägers: der Beklagte schulde ihm etwas, eine Sache stehe in seinem Eigentum. Weder unter diese Beispiele noch unter die Defintion lässt sich das si paret deposuisse et redditam non esse fassen. Das sagt Gaius auch selbst in G. 4,46119, wo es heißt, dass die in factum konzipierten Formeln keine (talis) intentio hätten, sondern am Anfang nur benennen würden, quod factum est. In dem si paret deposuisse et redditam non esse lässt sich eine Rechtsbehauptung nur schwer finden. Andererseits spricht Gaius in G. 4,60120 von einer intentio der formula in factum concepta121 und in G. 4,46 lässt sich der Schwerpunkt auf das Wort talis legen: die in factum konzipierten Formeln hätten keine solche intentio, nämlich keine intentio, in quibus de iure quaeritur (G. 4,45)122. Die in factum konzipierten Formeln müssten dann wohl eine intentio haben, in der es nicht um das ius gehe123.
119 G. 4,46: Ceteras vero in factum conceptas vocamus, id est, in quibus nulla talis intentio concepta est, sed initio formulae nominatio eo quod factum est, adiciuntur ea verba, per quae iudici damnandi absolvendive potestas datur; qualis est formula, qua utitur patronus contra libertum, qui eum contra edictum praetoris in ius vocavit: nam in ea ita est: recuperatores sunto. si paret illum patronum ab illo liberto contra edictum illius praetoris in ius vocatum esse, recuperatores, illum libertum illi patrono sestertium x milia condemnate. si non paret, absolvite. 120 G. 4,60: Sed nos apud quosdam scriptum invenimus in actione depositi et denique in ceteris omnibus, ex quibus damnatus unusquisque ignominia notatur, eum qui plus quam oporteret demonstraverit, litem perdere; velut si quis una re deposita duas pluresve deposuisse demonstraverit, aut si is cui pugno mala percussa est, in actione iniuriarum etiam aliam partem corporis percussam sibi demonstraverit; quod an debeamus credere verius esse, diligentius requiremus. certe cum duae sint depositi formulae, alia in ius concepta, alia in factum, sicut supra quoque notavimus, et in ea quidem formula, quae in ius concepta est, initio res de qua agitur demonstratorio modo designetur, deinde inferatur iuris contentio his verbis: quidquid ob eam rem illum illi dare facere oportet; in ea vero, quae in factum concepta est, statim initio intentionis alio modo res, de qua agitur, designetur his verbis: si paret illum apud illum rem illam deposuisse, dubitare non debemus, quin si quis in formula, quae in factum composita est, plures res designaverit, quam deposuerit, litem perdat, quia in intentione plus pos … 121 Lenel, Intentio 1. Dabei taucht der Ausdruck intentio zweimal auf. Schwer lesbar ist im Codex Veronensis freilich initio intentionis. De Visscher hält den Satz für eine Glosse des 3. bzw. 4. Jh. Legt man in dem auch nur rekonstruierten quia in intentione plus posuisse videtur den Schwerpunkt auf das videtur, so lässt sich sogar behaupten, Gaius bezeichne diesen Formelteil ausdrücklich nicht als intentio. 122 Lenel, Intentio 15 f. Aus talis intentio lässt sich aber nicht folgern, es müsse auch intentiones anderer Art gegeben haben. 123 Auf die intentio iuris civilis stellt Gaius noch einmal in G. 4,106 bei der Frage ab, ob eine zweite Klage de eadem re schon an der ipso-iure-Konsumption scheitere oder erst an der eingeschalteten exceptio. Diese Frage trägt aber nichts zur Klärung bei, weil der Gegensatz hier nicht zwischen Formeln mit intentio (iuris civilis) und in factum konzipierten Klagen verläuft, sondern zwischen in ius konzipierten Formeln in personam einerseits und in factum konzipierten Formeln und in ius konzipierten Formeln in rem andererseits.
44
1. Kap.: Grundlagen
In G. 4,105 ist aber der Gegensatz zur intentio iuris civilis nicht eine intentio anderer Art, sondern die in factum konzipierte Formel124. Letztlich dürfte die ganze Frage deshalb kaum zu beantworten sein, weil die römischen Juristen die Formeln nicht aus den Bestandteilen demonstratio, intentio, condemnatio usw. zusammengebaut haben. Vielmehr fand der Rechtslehrer Gaius die Formeln so vor, wie sie waren, und versuchte dann, mit Begriffen Struktur in die ungeheure Masse von Klageformularen zu bringen. Dabei ist nicht ausgemacht, dass tatsächlich alle Formeln sich mit diesen Begriffen zutreffend beschreiben ließen. Nachdem Gaius etwa anhand der condictio und der actio empti die Begriffe demonstratio und intentio definiert und angewandt hatte, mochte sich herausstellen, dass diese Begriffe nicht für die Beschreibung der formula in factum concepta der actio depositi passten. Das spricht nicht gegen Gaius, denn nur ein schlechter Lehrer hätte, weil das System nicht vollständig aufging, darauf verzichtet, seinen Schülern die Hilfe zu bieten, die die Begriffe doch immerhin leisten konnten. Die Frage soll hier offenbleiben125.
IV. Die Anpassung der Musterformel des Edikts an den konkreten Rechtsstreit Was schon Sachgründe erfordern, dass nämlich die Formel den hinterlegten Gegenstand beschreiben musste, ist uns auch in den Quellen bezeugt126. In G. 4,40 hat Gaius die demonstratio quod Aulus Agerius apud Numerium Negidium hominem deposuit, in G. 4,47 die demonstratio quod Aulus Agerius apud Numerium Negidium mensam argenteam deposuit. Der Frage, wie genau die Sache in der Formel zu beschreiben war, widmet Ulpian sogar einen eigenen Abschnitt seines Ediktskommentars, vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,40 – 41127. Einen Beleg für eine konkretisierte Formel der actio depositi haben wir nicht; doch liegt es nahe, dass bei einer etwaigen Klage die Sache ähnlich beschrieben wurde wie in den über die Hinterlegung aufgenommenen Beweisurkunden. In
124 G. 4,105: sive ea formula quae in factum concepta est, sive ea quae in ius habet intentionem. 125 Siehe Kaser / Hackl, § 45 II, S. 312 m.Fn. 10, wonach die Frage nur terminologische Bedeutung habe. 126 Dass die Streitsache noch näher zu beschreiben war, wird in der heutigen Rekonstruktion der Musterformeln durch den Zusatz quo (qua) de agitur wiedergeben. Das führt bei der Wiedergabe der Musterformeln zu der Folge quo de agitur … qua de re agitur, vgl. eine Formel der actio empti (Mantovani, Le formule2 53): Quod Aulus Agerius de Numerio Negidio hominem quo de agitur emit, qua de re agitur… . Dieser Zusatz quo de agitur fehlt etwa in G. 4,47, wohl weil durch das argenteam schon gezeigt ist, dass die Sache genau zu beschreiben war. Der Zusatz steht aber in TPSulp 40 hinter der beschriebenen verwahrten Sklavin. 127 Es soll hier offenbleiben, auf welche Formel sich dieser Kommentarabschnitt bezieht.
§ 2 Die Formeln der actio depositi
45
TPSulp 40128 findet sich eine Beweisurkunde dafür, dass der Sequester Gaius Sulpicius Faustus die bei ihm in Verwahrung gegebene Sklavin an eine der beiden Streitparteien in Gegenwart und mit Erlaubnis der anderen Streitpartei zurückgegeben hat. Die Beschreibung der Sklavin ist allerdings denkbar kurz und erfolgt nur durch ihren Namen Tyche. In P. Euphr. 12129 werden die hinterlegten Gegenstände ebenfalls genau beschrieben.
V. Die Frage nach der Existenz zweier Formeln – mögliche Unterschiede zwischen den beiden Formeln Die actio depositi ist in Gestalt beider Formeln eine Klage des Hinterlegers gegen den Verwahrer. Da für andere Vertragsverhältnisse dem einen Teil jeweils nur eine Formel zur Verfügung steht130 und das Vorurteil berechtigt ist, es sollte auch eine Formel genügen131, stellt sich die Frage, warum es beim depositum zwei Formeln gab. Das ist nicht nur eine theoretische Frage, sondern auch eine praktische: Denn welche Formel hatte der Hinterleger zu wählen? Bestand für ihn die Gefahr, mit einer falschen Formel vorzugehen? Zwei Arten von Antworten lassen sich unterscheiden: Die eine Art sucht nach Unterschieden zwischen beiden Formeln; nach einem anderen Ansatz steht die Frage der historischen Entwicklung im Vordergrund. Hier sollen zunächst mögliche Unterschiede der Formeln aufgezeigt werden.
1. Verurteilungsvoraussetzungen Bei einem Vergleich der Formeln wird zum einen oft bemerkt, dass die in factum konzipierte Formel nicht auf ein Vertragsverhältnis Bezug nehme; die Klage werde nur durch eine Tatsache (factum) und nicht durch eine Vertragsverbindlichkeit begründet132. Die in ius konzipierte Klageformel setze hingegen einen (nach ius civile) gültigen Vertrag voraus133. Diese auf den ersten Blick überzeugende Entgegensetzung ist aber zweifelhaft, weil der Ausdruck depositam esse der formula in factum concepta der Anreicherung Camodeca, TPSulp. 112 f. Feissel / Gascou, Journal des Savants 2000, 163 ff. 130 So etwa bei den Konsensualverträgen emptio venditio, locatio conductio und mandatum und etwa beim mutuum. Zu anderen Verhältnissen mit zwei Formeln siehe oben § 2 in der Fußnote am Anfang. 131 Dies würde man jedenfalls bei den Formeln erwarten, die wie die in ius konzipierte Formel des depositum dem Judex den weiten Ermessenspielraum ex fide bona einräumen. 132 Etwa Kranjc, Klageformeln 129. 133 So auch Kranjc, Klageformeln 129. 128 129
46
1. Kap.: Grundlagen
mit juristischem Gehalt zugänglich ist, so dass man die Tatsache des depositam esse nur dann hätte bejahen können, wenn bei juristischer Betrachtung ein depositum vorliegt. Denn deponere ist ein juristischer Fachausdruck für Sachverhalte, die man unjuristisch auch als servandum dare oder commendare bezeichnen könnte. Insofern kann man nicht sagen, dass es bei einer formula in ius concepta um Rechtsfragen nach dem ius civile gehe, bei einer formula in factum concepta dagegen nur um Tatsachen. Ob bei der Klage des Patron gegen seinen Freigelassenen wegen unzulässiger Ladung, die nach G. 4,46 eine actio in factum concepta ist, der Kläger Patron des Beklagten ist, kann eine Frage des ius civile sein; ob bei der actio pigneraticia in factum concepta134 Geld geschuldet wurde, ob eine Sache zum pignus gegeben wurde, ob das Geld bereits zurückgezahlt worden war, das alles sind Fragen, die der Judex nach dem ius civile zu beurteilen hatte. Es stellt sich darüber hinaus sogar die Frage, ob nicht auch die demonstratio der bonae fidei iudicia lediglich als Beschreibung eines factum dienen konnte, wenn etwa die actio empti anwendbar war beim Kauf einer res extra commercium135. So kann nur eine Untersuchung der Quellen zeigen, inwieweit die Juristen dem depositam esse nicht nur eine tatsächliche Beschreibung, sondern auch eine juristische Bewertung zuschrieben. Zum anderen wird der Inhalt der formula in ius concepta vor allem darin gesehen, den unbestimmten Klageanspruch der intentio incerta zu quantifizieren, es gehe mithin vor allem um den Inhalt des Vertrages136, so dass nicht nur die dolose Nichtrückgabe zur Verurteilung führe, sondern jedes Zurückbleiben hinter den vertraglichen Pflichten137. Dieser Gegensatz besteht aber nur, wenn die formula in factum concepta tatsächlich nur die Nichtrückgabe erfassen konnte.
2. Der quod-Satz der demonstratio als Bezeichnung von etwas Unstreitigem Diskutiert wird, vor allem in Anschluss an Arangio-Ruiz138, ob in der Formulierung der formula in ius concepta zum Ausdruck komme, dass die Tatsache der Hinterlegung zwischen den Parteien unstreitig sei139. Einen Anhalt findet man dafür zum einen in der Konstruktion des quod-Satzes mit dem Indikativ, denn ein solcher (vorangestellter) faktischer quod-Satz drücke eine feststehende bzw. nicht bestritFormel bei Lenel, EP3 255. Vgl. Gröschler, Actiones in factum 137, zu Mod. 5 reg D. 18,1,62,1. 136 Kranjc, Klageformeln 129; Gandolfi, Il deposito 76. 137 Gandolfi, Il deposito 76 f., 141 f. 138 Arangio-Ruiz, Le formule, Rariora 23 ff. Dazu zuletzt Fiori, Ea res agatur 1 ff. 139 Zuerst wohl im Jahr 1822 Dupont, Disquisitiones 72 Fn. 3; dann vor allem ArangioRuiz, Le formule, Rariora; vgl. Bürge, Privatrecht 11 Fn. 23; Kaser / Hackl, § 45 III, S. 314 f. Fn. 24, 18, 19. 134 135
§ 2 Die Formeln der actio depositi
47
tene Tatsache aus140. Hingegen gibt die formula in factum concepta (si paret…deposuisse) dem Iudex ausdrücklich auf zu prüfen, ob tatsächlich eine Verwahrung vorliegt. Auch das Edikt des Prätors überantwortet die Prüfung, ob eine Verwahrung vorliegt, dem Iudex141. Hingewiesen wurde ferner auf die unlogische Struktur der formula in ius concepta142. Das si non paret finde keine Entsprechung in einem si paret.143 Das ist die Frage nach der Eigenart und dem Ursprung der bonae fidei iudicia oder der Klagen einer mit quod eingeleiteten demonstratio. Auf diese Fragen kann in dieser Arbeit nicht eingegangen werden144. Doch soll das Problem im Auge behalten werden, welche Punkte jeweils zwischen den Parteien strittig und unstrittig waren und ob sich Hinweise für eine konkrete Formelgestaltung ergeben. Ansonsten wäre etwa zu fragen nach der Formelgestaltung nach einer confessio145 und nach dem Verhältnis zwischen arbitrium und iudicium146. Die Tatsache, dass nach G. 4,58 und G. 4,60 beim bonae fidei iudicium eine plurispetitio nicht möglich ist, könnte ihren Sinn dann auch, trotz der anderslautenden Begründung des Gaius, daraus beziehen, dass der Beklagte die Wahrheit der demonstratio schon eingestanden hat. Auch der Satz bonae fidei iudicia absolutoria esse147 hätte plötzlich, trotz etwaiger späterer Umdeutungen, eine andere Stoßrichtung: Gerade bei den bonae fidei iudicia wäre dann nämlich fraglich, ob es eine 140 Menge, § 556, S. 814; Hofmann / Szantyr, § 310, S. 573. Nach Menge a. a. O. weise zuweilen im Hauptsatz ein Demonstrativum auf den quod-Satz zurück; dieses Demonstrativum würde hier im ob eam rem liegen. 141 Im Edikt des Prätors (Ulp. 30 ed. D. 16,3,1,1) heißt es: quod … depositum sit. Der Konjunktiv zeigt, dass es sich nur um eine Behauptung handelt; diesem Konjunktiv entspricht auf einer späteren Stufe des Ediktsstils das dicetur im Edikt zum commodatum (Ulp. 28 ed. D. 13,6,1pr.): ‚Quod quis commodasse dicetur, de eo iudicium dabo‘. Das dicetur verweise darauf, dass die Behauptung, es liege ein commodatum vor, nicht vom Prätor, sondern vom Iudex geprüft werde (Kaser, Ediktsstil 34). Beim Dolusedikt (Ulp. 11 ed. D. 4,3,1,1: Quae dolo malo facta esse dicentur, si de his rebus alia actio non erit et iusta causa esse videbitur, iudicium dabo.) zeige das dicentur, dass hinsichtlich der Frage, ob dolus vorliege, der Prätor sich mit der Parteibehauptung begnüge und die Prüfung dem Iudex überlasse, während der Prätor selbst prüfe, ob es keine andere Klage gebe und ob eine iusta causa vorliege (Kaser, Ediktsstil 34). So verweigert in Ulp. 11 ed D. 4,3,7,10 der Prätor die Klage, weil dem Antragsteller eine condictio gegen den zahlungsfähigen Gegner zur Verfügung stehe. Das quod … depositum sit ist freilich auffällig, üblich ist ein erit. Ein depositum erit könnte der Form nach sowohl Futur II als auch Konjunktiv Perfekt sein. 142 Arangio-Ruiz, Le formule, Rariora 28 f. 143 Dass die demonstratio Unstreitiges bezeichne, will Behrends, Dalla mediazione 261 f., auch damit begründen, dass die demonstratio auf die stoische dei=cij zurückgehe. 144 Vgl. etwa zuletzt Fiori, Ea res agatur. 145 Vgl. etwa zur lex Aquilia nur Nörr, Causa mortis 158 m.Fn. 61; auch Lenel, EP2 196, anders aber EP3 201 f. 146 Vgl. G. 4,163: … quamquam Proculo placuit non esse permittendum calumniae iudicio uti ei, qui arbitrum postulaverit, quasi hoc ipso confessus videatur restituere se vel exhibere debere. sed alio iure utimur et recte … Vgl. auch Cicero, Pro Roscio Comoedo §§ 10 ff. zum Unterschied von arbitrium und iudicium. 147 Vgl. G. 4,114.
48
1. Kap.: Grundlagen
Freisprechung geben kann, weil der Beklagte in den bonae fidei iudicia stets eine Art confessus wäre148.
3. Verurteilungsmaßstab Ein weiterer Unterschied zwischen beiden Formeln könnte darin liegen, dass die formula in ius concepta einen weiteren Verurteilungsmaßstab hat, also in weiterem Umfang die Berücksichtigung eines Interesses des Hinterlegers zulässt, während die formula in factum concepta vielleicht nur die Verurteilung auf den Sachwert (einschließlich etwa von Früchten) zugelassen haben könnte149.
4. Unterschiedliche Funktionen Ein weiterer Unterschied könnte darin liegen, dass die Formeln unterschiedliche Funktionen hatten, so dass der klagende Hinterleger für unterschiedliche Klageziele verschiedene Formeln benutzen musste150.
5. Weiterer Verlauf der Untersuchung Im weiteren Verlauf soll nach einem Exkurs zum Begriff der formula in factum concepta, insbesondere zu dessen Verhältnis zum Begriff der actio in factum (§ 3), zunächst gefragt werden, wie sich die Quellen zur Frage der Existenz zweier Formeln der actio depositi äußern (§ 4). Danach wird ein geschichtlicher Überblick über die Versuche, die Existenz zweier Formeln beim depositum zu erklären, gegeben werden. Im Anschluss wird die Herangehensweise in dieser Arbeit erläutert (§ 5).
§ 3 Exkurs: Zu den Begriffen der formula in factum concepta und der actio in factum Bevor fortgefahren wird, soll versucht werden, den Begriff der formula in factum concepta näher zu erhellen.
148 Das Problem, ob ein confessus freigesprochen werden kann, bestand tatsächlich bei der lex Aquilia, vgl. Ulp. 11 ed D. 9,2,23,11 und Paulus 22 ed D. 9,2,24. Vgl. Nörr, Causa mortis 157. 149 So etwa Gandolfi, Il deposito 75, 81. Siehe dazu noch § 5 III und eine Kritik in § 5 VI. 150 Siehe für Beispiele solcher Modelle § 5 I und V.
§ 3 Exkurs
49
I. Die formula in factum concepta151 1. Die formula in factum concepta in den Institutionen des Gaius (und in den Fragmenta Augustodunensia) a) Die Bezeichnung formula in factum concepta152 findet sich bei Gaius (4,47) und nur bei ihm153. Von dieser Formel sagt Gaius im Hinblick auf die actio depositi, dass sie im Edikt des Prätors proponiert sei (4,47)154. Gaius beschreibt diese Formel zunächst durch die Abgrenzung zu den formulae in ius conceptae155: sie hätten keine solche intentio, wie sie die in ius konzipierten Formeln hätten (4,46)156. Von Formeln mit solcher intentio erläutert Gaius in 4,45: In ihnen wird nach der Rechtslage gefragt. Solche Klagen seien diejenigen, mit denen der Kläger intendiere, dass etwas in seiZuletzt Gröschler, Actiones in factum 14 ff. Synonym wird in dieser Arbeit der Ausdruck actio (depositi) in factum concepta gebraucht werden. Zur Rechtfertigung dieses Sprachgebrauchs dient dieser Paragraph. 153 In G. 4,60 spricht er von einer formula, quae in factum composita est, wohl um die Wiederholung von concepta zu vermeiden. Der Ausdruck formula in factum concepta findet sich nur in den Institutionen des Gaius (und in den Fragmenta Augustodunensia), vgl. Gröschler, Actiones in factum 14. Die Ausführungen des Gaius fehlen „natürlich“ in den justinianischen Institutionen. Dafür findet sich in I. 4,13,1 eine exceptio in factum composita. In factum konzipiert werden kann etwa auch eine replicatio (Pap. 13 resp. D. 35,2,15pr.). Es findet sich aber in mehreren Stellen eine exceptio in factum, also eine exceptio in factum ohne Zusätze wie concepta oder composita, vgl. nur Alf. 2 dig D. 44,1,14. Zur exceptio in factum vgl. Wesener, Nichtediktale Einreden. Der Nichtgebrauch des Ausdrucks formula in factum concepta in anderen Quellen ließe sich leicht durch das nachlassende Interesse an der Formelgestaltung erklären. Zu denken ist aber vor allem an das Verbot aus dem Jahr 342, mit formulae zu streiten (C. 2,57,1). 154 Die Formel ist also ediktal; sie ist keine nur im Ausnahmefall gewährte. Doch schließt G. 4,47 nicht aus, dass andere in factum konzipierte Formeln nicht im Edikt proponiert waren. Gaius wählt als Beispiel in der Formel eine mensa argentea. Ob dieses Beispiel sich auch im Edikt fand, ist fraglich. Immerhin taucht sie in Ulpians Ediktskommentar nicht auf, vgl. Ulpian 30 ad edictum D. 16,3,1,40 – 42. Diese Stellen zeigen auch, dass die Formeln im Einzelfall sich durch die genaue Beschreibung des verwahrten Objekts unterschieden. 155 G. 4,46: Ceteras vero in factum conceptas vocamus, id est, in quibus nulla talis intentio concepta est. Ceteri heißt: „die übrigen alle“. Es handelt sich also um eine vollständige divisio der Prozessformeln, vgl. Talamanca, Processo civile, ED XXXVI 54, aber auch 55. Der Gang der Darstellung des Gaius ist dabei der folgende: Ab 4,39 erörtert Gaius den Aufbau und die Bestandteile (partes) der Prozessformeln im Formularprozess. Nach Aufzählung der einzelnen Bestandteile (40 – 43) erklärt Gaius, dass man nicht immer alle Bestandteile in einer Formel finde (44). In 48 bis 52 erörtert Gaius Sonderprobleme der condemnatio, bevor er in 53 zur Erörterung der plurispetitio übergeht. Die Ausführungen zu den in ius und in factum konzipierten Formeln in 45 – 47 scheinen sich nicht notwendig an dieser Stelle einzufügen. Immerhin folgt so in der Darstellung des Gaius nach der partitio (4,39) eine divisio. Zu divisio und partitio siehe Nörr, Divisio, insbes. 20 ff. 156 Diesen Gegensatz bringt Gaius noch einmal in 4,106: … sive ea formula quae in factum concepta est, sive ea quae in ius habet intentionem … . 151 152
50
1. Kap.: Grundlagen
nem Eigentum stehe, und mit denen er ein oportere (dari oportere und pro fure damnum decidere oportere) intendiere157. Die formulas in factum conceptas beschreibt Gaius dann positiv dadurch (4,46), dass am Anfang der Formel das, was geschehen ist, bezeichnet werde158. Daran schlössen sich die Worte an, mit denen dem iudex die damnandi absolvendive potestas gegeben wird159. Eine heutige übliche Beschreibung der in factum konzipierten Formeln geht dahin, dass vor der condemnatio alle diejenigen Tatsachen aufgezählt werden, bei deren Vorliegen der Iudex zu verurteilen habe, ohne dass es noch einer anderen Voraussetzung als eben des Vorliegens dieser Tatsachen bedürfte160. Diese Definition gibt Gaius nicht ausdrücklich, sie lässt sich seinen Ausführungen in G. 4,46 aber wohl doch entnehmen. Darauf zählt Gaius als Beispiel drei Formeln auf161 und schließt diese Aufzählung mit der Bemerkung, dass unzählige solcher Formeln im Album proponiert seien. Ferner bemerkt er (4,47), dass bei einigen Rechtsverhältnissen der Prätor sowohl eine in ius als auch eine in factum konzipierte Formel (im Album) proponiert habe. Inwieweit es Unterschiede zwischen in ius und in factum konzipierten Formeln gibt, sagt Gaius an dieser Stelle nicht. b) Auf die in factum konzipierte Formel kommt Gaius noch einmal in 4,60162 zurück, wenn er die Aussage einiger Juristen überprüft, wonach beim depositum und bei allen anderen infamierenden Klagen der Kläger, der mehr als gehörig in der Klageformel bezeichne, den Rechtsstreit verliere. Gaius schickt sich an, die Frage sorgfältig zu prüfen, und trifft zu diesem Zweck eine Unterscheidung zwischen den zwei Formeln der actio depositi163. Worin er den Unterschied sieht, erfahren wir
157 Die übliche Lesart von G. 4,45 lautet: Sed eas quidem formulas, in quibus de iure quaeritur, in ius conceptas vocamus, quales sunt, quibus intendimus nostrum esse aliquid ex iure quiritium aut nobis dari oportere aut pro fure damnum quibus iuris civilis intentio est. Dabei fehlt im Codex Veronensis das Stück decidi oportere; sunt et aliae, in. Doch enthalten die Fragmenta Augustodunensia die Worte aliae in quibus iuris civilis intentio est. Zusammen mit Krügers Ergänzung sunt am Anfang ergibt das die Aussage des Gaius, dass seine Aufzählung möglicher intentiones nicht abschließend ist. 158 Vgl. G. 4,46: … sed initio formulae nominato eo quod factum est … . Zur Frage, ob es sich bei diesem Formelteil um eine intentio handelt, siehe § 2 III. 159 Da Gaius in 4,43 mit diesen Worten schon die condemnatio eingeführt hatte, hätte er auch sagen können, dass sich die condemnatio anschließe. 160 Vgl. Gröschler, Actiones in factum 15. 161 Es sind dies: (1) Die Klage des Patrons gegen seinen Freigelassen, der ihn entgegen dem prätorischen Edikt geladen hat (Lenel, EP3 65 ff., Formel Seite 70; D. 2,4). (2) Die Klage gegen denjenigen, der geladen nicht erschienen ist und auch keinen vindex gestellt hat (vgl. Lenel, EP3 65 ff., Formel Seite 71; D. 2,6). (3) Die Klagen gegen denjenigen, der jemanden befreit, der vor Gericht geladen wurde (Lenel, EP3, 73 f.; D. 2,7). 162 Die entsprechende Stelle ist nicht in die Institutionen Justinians übergegangen.
§ 3 Exkurs
51
nicht, weil inmitten der Ausführungen zwei nicht lesbare Seiten des Codex Veronensis beginnen. c) Ferner erörtert Gaius den Unterschied von in ius und in factum konzipierten Formeln noch einmal in 4,106 – 107 bei der Frage, ob eine zweite Klage über die eadem res schon an der zivilen Konsumption oder erst an der exceptio rei iudicatae vel in iudicium deductae scheitert164. Dabei gebraucht Gaius in 4,107 nicht den Ausdruck formula in factum concepta, sondern spricht von si … in factum actum fuerit165; dies ist die verbale Umschreibung von actio in factum166. Hier erweist sich die Unterscheidung von in ius und in factum konzipierten Formeln nur teilweise als ausschlaggebend, denn hinsichtlich des Ausschlusses einer zweiten Klage sind die in ius konzipierten Klagen in rem genauso zu behandeln wie die in factum konzipierten Klagen in personam: in beiden Fällen bedarf es zum Ausschluss einer zweiten Klage über dieselbe Sache einer exceptio rei iudicatae vel in iudicium deductae. Nur innerhalb der Klagen in personam ist die Unterscheidung nach der Formelgestaltung fruchtbar, weil bei den in ius konzipierten Klagen in personam eine zweite Klage schon an der zivilen Konsumption scheitert, ohne dass es einer exceptio bedarf167. Eine Begründung für diese unterschiedliche Behandlung der einzelnen Klagetypen gibt Gaius nicht. Der Gaius Augustodunensis bemüht sich um eine Begründung: Die Bedingung der dinglichen Klage si paret illam rem meam esse ex iure Quiritium bleibe nämlich auch wahr, wenn der Eigentümer die Klage bereits erhoben hatte168. Ähnlich ist die Begründung für die actio in personam mit der formula
163 G. 4,60 … quod an debeamus credere verius esse, diligentius requiremus. certe cum duae sint depositi formulae, alia in ius concepta, alia in factum, sicut supra quoque notavimus, et … . Zu dieser Stelle siehe noch die Hinweise unten in § 5 II. 164 In den Institutionen Justinians wird ein zweiter Prozess stets vermittels der exceptio rei iudicatae ausgeschlossen (I. 4,13,5; vgl. Kaser / Hackl, § 94 II 1, S. 615). Die Unterscheidung zwischen den gaianischen Formeltypen kann sich schon deshalb nicht mehr bei Justinian finden. 165 Der Grund dürfte darin liegen, dass Gaius so die Fälle einer actio in rem mit den Fällen einer Klage mit einer formula in factum concepta durch den Ausdruck „actum fuerit“ zusammenfassen kann. Diese terminologische Nuance wird noch in den Fragmenta Augustodunensia sichtbar sein. So ist in FA. 111 (G. 4,106 – 107) nur von einer actio depositi in factum die Rede, während diese Klage in FA. 107 und 113 in factum concepta heißt. 166 So schon Savigny, System V 92 Fn. a. Denn in factum agere ist die Verbalform zum Begriff der actio in factum (vgl. Gröschler, Actiones in factum 140 m.Fn. 110, mit Hinweisen zum Sprachgebrauch hinsichtlich der actio in factum bei der lex Aquilia). 167 Vgl. G. 4,107. Freilich gilt dies nur unter der Voraussetzung, dass es sich um ein iudicium legitimum handelt (vgl. 4,106), dessen Voraussetzungen Gaius in 4,104 beschrieben hat: Legitima sunt iudicia, quae in urbe Roma vel intra primum urbis Romae miliarum inter omnes cives romanos sub uno iudice accipiuntur. Dabei soll hier offenbleiben, ob nicht der Prätor, wenn der Kläger bestritt, dass es schon eine Klage über eadem res gegeben habe, die Prüfung dem iudex überantworten konnte und dies eben mittels einer exceptio tat.
52
1. Kap.: Grundlagen
in factum concepta: Die Tatsache der Hinterlegung werde durch Klageerhebung nicht ungeschehen (FA. 111: quia quod factum est infectum fieri non potest)169. Hingegen führt bei der actio in personam mit der formula in ius concepta das Erheben der Klage (genauer: die litiscontestatio) zum Entfallen des dare facere oportere und damit zum Entfallen der Möglichkeit einer zweiten Klage, weil das dare facere oportere nach der Lehre derjenigen Juristen, die Gaius als veteres170 bezeichnet, durch litiscontestatio erlischt und in ein condemnari oportere übergeht171. d) Zusammenfassung: Gaius gebraucht den Begriff der formula in factum concepta, abgesehen von der Einführung in 4,45 – 47, nur zweimal (4,60 und 4,106 – 107). Die Tragweite des Begriffes ist uns in G. 4,60 nicht erkennbar und in 4,106 – 107 nur von begrenzter Bedeutung. Ferner verwendet Gaius gerade dann, wenn er auf praktische Folgerungen zu sprechen kommt, auch andere synonyme Begriffe: formula in factum composita (4,60) und actio in factum (4,107: si in factum actum fuerit). Damit kann man sagen, dass der Begriff der formula in factum concepta kein Zentralbegriff und kein terminus technicus für Gaius ist.
2. Sonstiger Sprachgebrauch zum depositum in juristischen Quellen In den juristischen Quellen außerhalb der Gaiusinstitutionen findet sich nur eine Stelle, in der man eine Anspielung auf die Tatsache sehen kann, dass die actio depositi eine actio in factum bzw. eine Klage mit einer formula in factum concepta gewesen sei. Es handelt sich um Ulp. 1 disp D. 44,7,13172. Für die actio depositi war der filiusfamilias aktivlegitimiert173. Dass er dies nur war, wenn er die Klage mit der formula in factum concepta erhob, könnte man aus
FA. 109. FA. 111 – 112. Vgl. zur Stelle Rodríguez Martín, Fragmenta Augustodunensia 409 ff.; jetzt auch Ders., Das nachklassische Recht 143 ff. Die Stelle belege nach Rodríguez Martín ein vergleichsweise hohes Niveau des Gaius von Autun. Positive Bewertung auch bei Liebs, Jurisprudenz im spätantiken Italien 148. 170 Zum Begriff der veteres im Allgemeinen siehe Horak, „Veteres“ 201 ff.; zur Stelle selbst vgl. Nelson / Manthe, III 88 – 181, 439 („bei alten Autoren“, allem Anscheine nach spätrepublikanische Juristen). 171 Vgl. G. 3,180 – 181. Diese Begründung hinsichtlich der actio in personam mit der formula in ius concepta bringt der Gaius Augostodunensis allerdings selbst nicht. 172 Ulp.1 disp. D. 44,7,13: In factum actiones etiam filii familiarum possunt exercere. 173 Vgl. Ulp. 17 ed. D. 16,3,19: Iulianus et Marcellus putant filium familias depositi recte agere posse. Ferner Paulus 9 Sab. D. 44,7,9: Filius familias suo nomine nullam actionem habet, nisi iniuriarum et quod vi aut clam et depositi et commodati, ut Iulianus putat. 168 169
§ 3 Exkurs
53
einer Zusammenschau mit Ulp. 1 disp. D. 44,7,13 entnehmen, weil dort die Aktivlegitimation des filiusfamilias für eine Klage damit verbunden wird, dass es sich bei der Klage um eine actio in factum handelt174. Reichweite und Grund für die Aktivlegitimation des filiusfamilias für die actio depositi sind umstritten. Zum einen wird darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit der Aktivlegitimation hinsichtlich der actio depositi sich für die formula in factum concepta ergab, weil anders als bei der formula in ius concepta die Klage nicht voraussetzte, dass der filiusfamilias ein oportere des Verwahrers behaupten musste; denn das oportere oblag dem Verwahrer nur dem paterfamilias gegenüber175. Bei der formula in factum concepta hingegen war nur das Vorliegen einer Tatsache zu behaupten176. Daneben wird ein materieller Grund für die Aktivlegitimation des filiusfamilias gesucht177.
174 Gegen einen Zusammenhang von Aktivlegitimation und Konzeption der Formel in factum jetzt Gröschler, Actiones in factum 45 f., mit Hinweis auf Ulp. 23 ed D. 5,1,18,1. Doch ist fraglich, ob die Einzelstelle D. 5,1,18,1 wirklich mit den differenzierten Aussagen anderer Stellen zu anderen Klagen zusammengeschlossen werden kann, insbesondere, wenn man die Aussage in Paulus 9 Sab D. 44,7,9 beachtet: Filius familias suo nomine nullam actionem habet, nisi iniuriarum et quod vi aut clam et depositi et commodati, ut Iulianus putat. In D. 44,7,9 geht es um Klagen, die der filiusfamilias im eigenen Namen erheben kann, in D. 5,1,18,1 ist zumindest das Problem von der Vertretungsfrage her aufgeworfen (si filius familias ex aliqua noxa, ex qua patri actio competit, velit experiri, ita demum permittimus ei agere, si non sit qui patris nomine agat. …), vgl. Savigny, System II 101 Fn. q1. Zweifelhaft ist auch, ob D. 5,1,18,1 echt ist; dagegen spricht der rhetorische Stil (rhetorische Fragen, Partizipkonstruktionen wie depositum repetens, übertriebene Fallschilderungen). Das Ganze klingt nach Unterricht und nicht nach dem Stil, dessen sich Ulpian sonst in seinem Ediktskommentar bemüht. Siehe aber jetzt zu den Quästionen Papinians Babusiaux, Kommentare des Kaiserrechts 156 ff., SZ 126 (2009). Hingegen stehen hinter den vier Klagen aus D. 44,7,9 konkrete Diskussionen. Zur Aktivlegitimation des filiusfamilias für die actio iniuriarum gab es ein eigenes Edikt (Ulp. 57 ed D. 47,10,17,10). Die Aussage zum depositum wird durch Ulpian (Paulus?) 17 ed D. 16,3,19 gestützt; die Aussagen zum Interdikt durch Ulp. 71 ed D. 43,24,13,1 und Ulp. 57 ed D. 43,24,19. 175 Gab der filiusfamilias eine Sache in Verwahrung, erwarb im Grundsatz der paterfamilias die actio depositi, vgl. Kaser, RP I, § 82 IV 1, S. 343. 176 Vgl. Savigny, System II 101 – 102, V 84. 177 Mandry, Familiengüterrecht I 214 f., sieht den materiellen Grund darin, dass der Verwahrer die verwahrte Sache dem Hinterleger sofort zurückgeben musste, wenn der Hinterleger dies verlangte (mit Hinweis auf D. 16,3,1,22). Damit sei es für den filiusfamilias mißlich gewesen, wenn der paterfamilias faktisch an der alsbaldigen Klageerhebung gehindert war. Es fragt sich, worin genau die Mißlichkeit für den Haussohn liegen soll. Eine Möglichkeit ist, dass Mandry an einen Fall denkt, in dem der Sohn eine Sache in Verwahrung genommen hat, diese Sache selbst bei einem anderen in Verwahrung gibt, und nun der Hinterleger sofortige Rückgabe der Sache verlangt, und so der Sohn darauf angewiesen ist, selbst die Sache vom anderen Verwahrer zurückfordern zu können. Nach Savigny, System II 139, habe die aufgrund der formula in factum concepta mögliche Aktivlegitimation des filiusfamilias gerade dann Bedeutung gehabt, wenn der paterfamilias kein Interesse an der Rückforderung gehabt habe. Dies sei etwa der Fall, wenn der filiusfamilias die Sache gemietet oder als Leihe oder in Verwahrung empfangen habe.
54
1. Kap.: Grundlagen
Dass der Ausdruck formula in factum concepta in den Stellen der justinianischen Kompilation nicht verwendet wird (siehe noch § 4), ließe sich dadurch erklären, dass zur Zeit der Kompilation die Prozessformeln des klassischen Formularprozesses kaum noch bekannt und in Gebrauch waren178. Der Begriff actio in factum kann dann der noch verständliche Rest des alten Ausdrucks sein, der eine materiellrechtliche Auslegung erfährt: Der filiusfamilias ist bei der einen einzigen Klage aus dem depositum, die die Kompilation kennt, aktivlegitimiert, weil diese bloß auf die Tatsache der Hinterlegung abstellt179.
3. Andere Klagen mit einer formula in factum concepta Um die Bedeutung des Begriffes der formula in factum concepta weiter zu erhellen, soll er auch in seiner Anwendung auf andere Klagen untersucht werden; diese Untersuchung soll hier aber auf die drei Klagen beschränkt werden, die Gaius selbst in 4,46 aufführt180. a) Gaius hatte in 4,46 als eine Klage mit einer formula in factum concepta die Klage des Patrons gegen seinen Freigelassenen genannt, der ihn gegen das Edikt des Prätors vor Gericht geladen hatte181. Ein libertus darf seinen Patron nur mit Erlaubnis des Prätors laden182, die verbotswidrige Ladung ist durch besagte Klage bußbewehrt183. aa) Diese Klage wird in dem Ulpian zugeschriebenem Regularum liber singularis184 in D. 44,7,25,1 als eine actio in factum185 bezeichnet. Dort gibt der Jurist eine
178 Zur Rückbildung des Formularprozesses siehe Kaser / Hackl, § 23 V 168 ff. Die Prozessformeln werden 342 n.Chr. als silbenstecherisch abgeschafft, C. 2,57,1. 179 Vgl. Faber (Rationalia 364, zu D. 16,3,19), der den Unterschied zwischen beiden Formeln nicht gekannt haben dürfte (vgl. § 5 a. A.): „quod huiusmodi actiones plurimum ex facto pendeant“. 180 Die Aufzählung, die Gaius in 4,46 gibt, ist nicht vollständig: et denique innumerabiles eius modi aliae formulae in albo proponuntur. Eine andere hierhin gehörende Klage könnte etwa die Klage gegen den Dritten sein, der die Gestellung vereitelt hat, vgl. D. 2,10. Diese Klage wird in den Digesten als actio in factum bezeichnet, vgl. z. B. Jul. 2 dig D. 2,10,3pr. 181 Gaius teilt dabei den Wortlaut der Formel mit: Recuperatores sunto. Si paret illum patronum ab illo liberto contra edictum illius praetoris in ius vocatum esse, recuperatores, illum libertum illi patrono sestertium x milia condemnate. si non paret, absolvite. – Zur Klage vgl. Kaser / Hackl, § 30 II 2, S. 222; Lenel, EP3 68 ff. 182 Vgl. G. 4,183, Ulp. 5 ed D. 2,4,4,1, Marcian 3 inst. D. 2,4,23. 183 Ulp. 5 ed D. 2,4,24, Marcian 3 inst. D. 2,4,23. 184 Nach Liebs, HLL IV 207 f., ein juristisches Anfängerlehrbuch, das um 211 / 212 in Rom entstanden sei und nicht von Ulpian stamme. Zuletzt Avenarius, Liber singularis (2005), nach dem das Werk um 180 entstanden (76 ff., 104 f.) und ein Unterrichtswerk aus der prokulianischen Rechtsschule sei (104 f.). Siehe jetzt auch Sirks, Rez. Avenarius, S. 325 f, Gnomon 2008.
§ 3 Exkurs
55
Dreiteilung der Klagen in Klagen ex contractu, ex facto und in factum und gibt als Beispiel für letztere Kategorie eben die Klage des Patrons gegen seinen Freigelassenen. Darin könnte eine materiellrechtlich orientierte Aufzählung der möglichen Klagegründe, nämlich aus Vertrag, aus zivilen Delikten und aus prätorischen Delikten liegen186. bb) Auch in Ulpian 57187 ed D. 2,4,12188 wird von einer actio in factum gesprochen. Dort wird dem filiusfamilias eine actio poenalis in factum gegen den libertus seines paterfamilias gegeben, der ihn entgegen dem Edikt des Prätors189 vor Gericht geladen hatte, wenn der paterfamilias abwesend ist und so die Klage nicht selbst geltend machen kann. Diese Klagegewährung schützt den Ruf des filiusfamilias genauso wie die Gewährung der actio iniuriarum190. Es ist daher kein Zufall, wenn Ulpian auf diese Klagemöglichkeit des filiusfamilias nicht schon im 5. Buch, in dem er die Klage gegen den libertus behandelt, kommt, sondern erst im 57. Buch bei der actio iniuriarum. Dort bot nämlich das Edikt des Prätors selbst einen Anhalt für die Gewährung einer Klage191. Nach Gröschler192 soll mit dem Ausdruck actio in factum die Grundklage aus dem Edikt gemeint sein, die dem filiusfamilias in unveränderter Form gegeben
185 Ulp. singul. regul. D. 44,7,25,1: Actionum autem quaedam ex contractu, quaedam ex facto, quaedam in factum sunt. ex contractu actio est, quotiens quis sui lucri causa cum aliquo contrahit, veluti emendo vendendo locando conducendo et ceteris similibus. ex facto actio est, quotiens ex eo teneri quis incipit, quod ipse admisit, veluti furtum vel iniuriam commisit vel damnum dedit. in factum actio dicitur, qualis est exempli gratia actio, quae datur patrono adversus libertum, a quo contra edictum praetoris in ius vocatus est. 186 Vgl. Gröschler, Actiones in factum 46 ff. Diese Dreiteilung ist dann mit anderen zu vergleichen. In seinen Institutionen sagt Gaius (3,88): omnis enim obligatio vel ex contractu nascitur vel ex delicto (vgl. Gröschler, Actiones in factum 47), in seinen libri aureorum (D. 44,7,1pr.): Obligationes aut ex contractu nascuntur aut ex maleficio aut proprio quodam iure ex variis causarum figuris. 187 Im 57. Buches seines Ediktskommentars behandelt Ulpian die actio iniuriarum und insbesondere auch das Edikt des Prätors (D. 47,10,17,10), das dem filiusfamilias unter bestimmten Voraussetzungen die Aktivlegitimation gibt (Lenel, P II Ulpian 1362 ff., 775 ff.). 188 Ulp. 57 ed D. 2,4,12: Si libertus in ius vocaverit contra praetoris edictum filium patroni sui, quem ipse patronus in potestate habet: probandum est absente patre subveniendum esse filio qui in potestate est et ei poenalem in factum actionem, id est quinquaginta aureorum, adversus libertum competere. 189 Denn das Edikt verbietet dem Freigelassenen auch, die Kinder seines Freilassers vor Gericht zu laden, Ulp. 5 ed D. 2,4,4,1. 190 Die Klage gegen den libertus schützt den Ruf des Freilassers, weil das Ladungsverbot vor allem verhindern soll, dass der Freilasser einer infamierenden Klage ausgesetzt wird, vgl. Ulp. 5 ed D. 2,4,10,12. 191 Vgl. Ulp. 57 ed D. 47,10,17,10: Ait praetor: ‚Si ei, qui in alterius potestate erit, iniuria facta esse dicetur et neque is, cuius in potestate est, praesens erit neque procurator quisquam existat, qui eo nomine agat: causa cognita ipsi, qui iniuriam accepisse dicetur, iudicium dabo‘. 192 Gröschler, Actiones in factum 47 mit Hinweis auf Ulp. 1 disp. D. 44,7,13.
56
1. Kap.: Grundlagen
wurde; nicht gemeint sei eine im Einzelfall gegebene Klage. Die Abwesenheit des paterfamilias wird der Prätor selbst geprüft und die Klage also gewissermaßen nur causa cognita193 gegeben haben. Dafür spricht die Parallele zur actio iniuriarum des filiusfamilias, bei der der Prätor die Klage auch nur causa cognita194 gewährt, daher also die Klärung der Frage, ob die Voraussetzungen für die Gewährung der Klage an den filiusfamilias vorlagen, nicht mehr dem Judex überantwortete. Insoweit war also keine Abwandlung der Formel nötig195. Damit belegt die Stelle, dass Ulpian die Klage, von der Gaius sagt, sie habe eine formula in factum concepta, als actio in factum bezeichnet. b) Auch die Klage196 gegen denjenigen, der vor Gericht geladen wurde, aber nicht erschienen ist und auch keinen Bürgen gestellt hat, bezeichnet Gaius (4,46) als eine Klage mit einer formula in factum concepta. Eine Anspielung auf diesen Charakter der Formel findet sich in den übrigen Quellen anscheinend nicht. c) Von der Klage gegen denjenigen, der den Geladenen mit Gewalt befreit197, sagt Gaius, sie habe eine formula in factum concepta (G. 4,46). Ulpian spricht in D. 2,7,5,1 und 3 von einem iudicium in factum198. Dabei ist die Bezeichnung in § 3 als materiellrechtlicher Hinweis auf den Deliktscharakter verstehbar: Weil die Klage einem Delikt entspringt, haftet jeder Täter auf die ganze Buße. d) Zusammenfassung: Einige Klagen, von denen Gaius sagt, sie hätten eine formula in factum concepta, werden in den Digesten als actiones in factum bezeichnet. Trotz des Verfalls des Formularprozesses kann dabei im Ausdruck actio in factum nur dann ein degenerierter Rest des Ausdrucks actio mit formula in factum concepta gesehen werden, wenn jemals, etwa zur Hochzeit des Formularprozesses oder in den Institutionen des Gaius, sich die Ausdrücke actio in factum und formula in factum concepta als verschiedene Kategorien gegenüber standen. Dies muss aber bezweifelt werden, weil auch in den Institutionen des Gaius eine Klage mit formula in factum concepta einmal als actio in factum bezeichnet wird.
Zur Prüfung durch den Prätor vgl. Paulus 5 ed D. 2,4,11. Vgl. Ulp. 57 ed D. 47,10,17,10: ‚… causa cognita ipsi, qui iniuriam accepisse dicetur, iudicium dabo‘. 195 So ausdrücklich Lenel, EP3 403, und Gröschler, Actiones in factum 44. 196 G. 4,183; D. 2,6. Zu dieser Klage Kaser / Hackl, § 30 II 5, S. 224 f., Lenel, EP3 68 ff. 197 D. 2,7. Lenel, EP3 73 f.; Kaser / Hackl, § 30 II 6, S. 225. 198 Ulp. 5 ed D. 2,7,5,1: In eum autem, qui vi exemit, in factum iudicium datur. § 3: Hoc iudicium in factum est: et si plures deliquerint in singulos dabitur, et nihilo minus manet qui exemptus est obligatus. 193 194
§ 3 Exkurs
57
II. Die actio in factum Die Literatur zum Begriff der actio in factum ist reichhaltig199. Dieser Begriff steht in einer Spannung zu dem Begriff der formula in factum concepta, ferner zu Begriffen wie actio ad exemplum, actio utilis, actio in factum civilis, actio praescriptis verbis u. a. Hinsichtlich des hier vor allem interessierenden Begriffs der formula in factum concepta fragt sich, ob jede actio in factum eine formula in factum concepta hat200, ob also beide Begriffe gewissermaßen deckungsgleich sind. 1. Die Arten der actio in factum Grundsätzlich lassen sich mehrere Arten der actiones in factum unterscheiden201. Zum einen gibt es actiones in factum, die im Album proponiert und eigenständig waren. Eigenständig meint dabei, dass diese Klagen kein Vorbild in einer Klage nach dem ius civile oder honorarium hatten. Es handelt sich dabei vor allem um Klagen, die die Prätoren einführten, um neue honorarrechtliche Delikte zu schaffen202. Als zweite Gruppe der actiones in factum lassen sich Klagen ausmachen, die sich an eine bereits existierende Form einer im Album proponierten Klage anlehnen und den Anwendungsbereich dieser Klage erweitern. Als Hauptbeispiel gelten die actiones in factum bei der lex Aquilia203, die die Fälle der Schädigung bei nur mittelbarer Verursachung oder durch Unterlassen erfassen sollten204. Als dritte Gruppe205 lassen sich Klagen ausmachen, die kein Vorbild in einer im Edikt proponierten Formel haben. Dazu könnte man zum einen die actio praescriptis verbis206 zählen, zum anderen auch die Klagen, die der Prätor im Einzelfall gewährte. 199 Ältere Literatur: Pokrowsky, Joseph von, Die Actiones in factum des classischen Rechts, SZ 16, 1895, 7 – 104; Erman, H., Conceptio formularum, actio in factum und ipso iure-Consumption, SZ 19, 1898, 261 – 360. Neuere Literatur bei Kaser / Hackl, § 32 III 2, 238 f., 41 I, II, 326 ff.; Talamanca, Processo civile, ED XXXVI 51 ff.; zuletzt Gröschler, Actiones in factum (2002), zu den Begrifflichkeiten insbes. 11 – 41, 282 ff. 200 So etwa Savigny, System V §§ 216 ff., insbes. 91. 201 Vgl. zum Folgenden Gröschler, Actiones in factum 11 f., der zwei Hauptarten der actiones in factum annimmt. 202 Vgl. Kaser, RP I § 146, S. 625 ff., § 142 III 1, S. 611. Gröschler, a. a. O. 11 f., wählt als Beispiel die actio de posito vel suspenso, vgl. Ulp. 23 ed D. 9,3,5,6 (in factum iudicium dabo), siehe auch Kaser, a. a. O. 629. 203 Vgl. Gröschler, Actiones in factum 11. 204 Kaser, RP I § 144 III 1, S. 621, der auch darauf hinweist, dass diese Klagen auch als actiones utilis ad exemplum legis Aquiliae bezeichnet wurden. 205 Die zweite und dritte Gruppe lassen sich auch zusammenfassen, wie Gröschler, a. a. O. 11 f., dies tut. Gemeinsam ist ihnen, dass sie nicht im Edikt proponiert waren, sie waren nicht ediktal, sondern dekretal.
58
1. Kap.: Grundlagen
2. Das Verhältnis der actio in factum zur formula in factum concepta Nach Gröschler207 hat nicht jede actio in factum auch eine formula in factum concepta, beide Begriffe entsprächen sich daher im Grundsatz nicht. Als Gegenbeispiele, d. h. als actiones in factum mit formula in ius concepta, führt er bei eigenständigen actiones in factum die honorarrechtliche Sachbeschädigungsund Diebstahlsklage gegen den nauta, caupo und stabularius sowie die Klage aus der fingierten cautio damni infecti an208. Bei klageerweiternden actiones in factum verweist Gröschler209 auf die actio praescriptis verbis mit intentio civilis und auf die actiones in factum zur lex Aquilia210. Ein weiteres Argument entnimmt Gröschler a. a. O. der Stelle Ulp. sing.regul. D. 44,7,25,1211. Denn die actio depositi mit der formula in factum concepta gehöre in die Kategorie der Klagen ex contractu, nicht aber in die Kategorie der Klagen in factum, womit die prätorischen Delikte gemeint seien. Dieses Argument ist aber nicht zwingend, denn es ist nicht gesagt, dass die actio depositi mit einer formula in factum concepta nicht (jedenfalls zu einem gewissen (früheren?) Zeitpunkt) zu den prätorischen Delikten gezählt hat.
206 Auch: actiones in factum civiles. Vgl. Kaser, RP I § 135, S. 580 ff. Freilich können sich die Formeln in geeigneten Fällen an die Formeln angelehnt haben, die für anerkannte Vertragstypen verwendet wurden, Kaser, a. a. O. 582. Zu den actiones praescriptis verbis siehe jetzt Artner, Agere praescriptis verbis (2002). 207 Gröschler, Actiones in factum 46, 284 f. 208 Gröschler, Actiones in factum 285. Dabei ließe sich die Aussage freilich auch so fassen, dass im Grundsatz jede actio in factum eine formula in factum concepta habe, es aber Ausnahmen gebe. Man könnte dann fragen, ob die (wenigen) Ausnahmen geeignet sind, eine ansonsten klare Beziehung zwischen den beiden Begriffen zu verdunkeln, da mit Ungenauigkeiten eines solchen Begriffssystems stets zu rechnen ist, weil die römischen Juristen und wir die Formeln so vorfanden, wie sie sind, bevor sie an die Kategorisierung gingen (siehe schon oben § 2 III). Zudem sind die Ergebnisse Gröschlers nicht unzweifelhaft. Die Klage aus einer fingierten cautio damni infecti habe nach Gröschler (Actiones in factum 177) die intentio tum quidquid ob eam rem Numerius Negidius Aulo Agerio dare facere oporteret. Der Kläger behauptet also gar kein wirkliches oportere nach ius civile, sondern nur ein fingiertes. Ob dies für Gaius nach G. 4,45 genügt hätte, um von einer formula in ius concepta zu sprechen, bleibt fraglich. Letztlich steckt doch in der fingierten intentio nur ein Hilfsmittel, mit dem der Judex die Verurteilungssumme bemessen kann. 209 Gröschler, Actiones in factum 284 Fn. 16, 20 ff. 210 Dass die actiones in factum zur lex Aquilia eine zivile intentio gehabt hätten, begründet Gröschler (a. a. O. 23 f.) aber nicht. Derselben Ansicht, aber ebenfalls ohne eigentliche Begründung ist Selb, „Actiones utiles“ 326. Anderer Ansicht etwa Lenel, EP3 203 (ebenfalls ohne Begründung). 211 Vgl. auch Gröschler, Actiones in factum 46.
§ 3 Exkurs
59
3. Was bedeutet actio in factum? Nach Gröschler212 bedeutet der Ausdruck actio in factum, dass der Prätor einen rechtlich bisher nicht relevanten Sachverhalt als schutzwürdig ansah und zur Verwirklichung dieses Schutzes eine Klage gewährte. Dies galt unabhängig davon, ob der Prätor eine neue generelle Klage in das Edikt aufnahm, eine im Edikt bereits proponierte Formel abwandelte oder eine dekretale Klage ohne Vorbild gewährte213. Danach kann auch die actio depositi mit der formula in factum concepta eine actio in factum sein, wenn der Prätor diese Klage in seinem Edikt proponierte, um in Zukunft einen Sachverhalt zu schützen, der bisher noch nicht geschützt war.
4. Was heißt „actio in factum“? Bisher ging es darum, was actio in factum bedeutet. Was heißt aber eigentlich „actio in factum“?
a) actio in factum Was formula in factum concepta heißt, hatte uns Gaius in G. 4,46 mitgeteilt. Eine vergleichbare Definition für den Ausdruck actio in factum fehlt. Sieht man sich den Ausdruck actio in factum genauer an, so erscheint es unwahrscheinlich, dass dieser Ausdruck so schon vollständig ist. Vielmehr dürfte der Ausdruck am Ende durch ein Partizip Perfekt zu ergänzen sein; das dürfte auch dem lateinischen Stilempfinden entsprochen haben214. Als Ergänzungen kommen dann vor allem Ausdrücke wie concepta oder composita in Frage. Dass der Ausdruck der actio in factum stets durch ein gedachtes concepta zu ergänzen wäre, legt auch ein Vergleich mit den exceptiones nahe, von denen sich neben der exceptio in factum auch die exceptio in factum concepta findet215. Dabei muss man das Entfallen der Ergänzung concepta nicht einem späteren Eingriff, etwa der Kompilatoren zur Streichung möglicher Erinnerungen an den FormuGröschler, Actiones in factum 286 f. Das hieße, dass für Ulpian der Begriff der actio in factum weitgehend ein rechtshistorischer Begriff ist. Wenn die im Album proponierte Klage, die der Prätor dem Patron gegen den Freigelassenen gewährt (siehe oben § 3 I 3a), von Ulpian als actio in factum bezeichnet wird, dann geschieht dies vor dem Hintergrund eines Edikts, dass zu Ulpians Zeiten schon ein halbes Jahrhundert lang feststand. Wenn man annimmt, dass diese Klage schon vor der julianischen Ediktsredaktion im Edikt enthalten war, dann ist der in dem Begriff actio in factum enthaltene Hinweis, der Prätor habe mit Einführung dieser Klage eine Rechtsschutzlücke geschlossen, nur noch von rechtshistorischem Interesse. 214 Vgl. Menge / Burkard / Schauer, § 270 (2) S. 343. 215 Siehe oben Fn. 153. 212 213
60
1. Kap.: Grundlagen
larprozess, zuschreiben; vielmehr entspricht die Wahl eines verkürzten Ausdrucks dem Stil der römischen Juristen. Ein Beispiel für diesen Stil ist etwa der Ausfall von actio216. Der Ausdruck formula in factum concepta wäre keine Besonderheit des Gaius, sondern nur ein Synonym für actio in factum concepta, wobei sich die vorzugsweise Verwendung des Begriffes formula einfach dadurch erklären ließe, dass es Gaius im 4. Buch eben gerade um das Vorstellen der Formeln ging, ohne dass auszuschließen wäre, dass Gaius in anderem Zusammenhang den Ausdruck actio in factum (concepta) verwendet, ohne damit in der Sache etwas anderes zu meinen217. Wäre diese Überlegung richtig, dann wäre die actio in factum als Gegenbegriff zu einer actio (bzw. formula) in factum concepta ein Phantom; nach deren Verhältnis zum Begriff einer formula in factum concepta zu fragen, wäre schief. Folgte man dieser Überlegung nicht, dann bliebe immer noch zu klären, was der Ausdruck actio in factum eigentlich heißt und wie seine Entstehung zu erklären wäre.
b) Vergleich mit ähnlichen Ausdrücken aa) Die Begriffe actio in rem und actio in personam Wenn actio in rem und actio in personam meint eine Klage auf eine Sache bzw. gegen eine Person, meint dann actio in factum eine Klage auf bzw. gegen eine Tatsache? Zu erwägen ist, ob nicht auch actio in rem und actio in personam verkürzte, abgeschliffene Wendungen für actio in rem scripta oder etwa in actio in personam concepta sind, weil die intentio einer actio in rem den Beklagten nicht nennt, z. B. nicht einmal dessen Besitz, während die intentio einer actio in personam dies tut218. Für einen solchen Sprachgebrauch finden wir auch Spuren in den Quellen. Die actio quod metus causa richtet sich auch gegen Dritte, nicht nur gegen Erwerber. Ulpian sagt in Ulp. 11 ed D. 4,2,9,8: Cum autem haec actio in rem sit scripta nec personam vim facientis coerceat, sed adversus omnes restitui velit quod metus causa factum est …
Vgl. Kalb, Juristenlatein 48 ff. Überhaupt werden die Begriffe formula und actio auch synonym gebraucht. Zudem ist damit zu rechnen, dass die Kompilatoren den Begriff formula durch actio ersetzt haben (vgl. Heumann / Seckel, s.v. formula, S. 219). 218 Diese Überlegung lässt es zu, oder vielmehr gründet sich auf die Annahme, dass in späterer Zeit, also schon in klassischer Zeit, dem Sprachgebrauch die Herkunft des Ausdrucks actio in rem aus der Wendung actio in rem scripta nicht mehr bewusst war, actio in rem vielmehr eine technische, von der Formelgestaltung losgelöste Bedeutung hatte, wie sie etwa Gaius in G. 4,3 vorführt. 216 217
§ 3 Exkurs
61
Wäre also die actio quod metus causa eine actio in rem, wenn der Ausdruck actio in rem nicht schon seit langem eine andere, technische Bedeutung angenommen hätte, oder wäre die actio quod metus causa stets nur eine actio in rem scripta? Wenn man hingegen daran festhält, dass es in den Wendungen actio in rem und actio in personam um das Haftungsobjekt geht, auf das sich die Rechtshandlung richtet219, dann liegt der Begriff der actio in factum im Vergleich dazu auf einer anderen Ebene; diese andere Ebene wäre dann die Frage der Formelgestaltung. Auch bei dieser Betrachtung sind also die Begriffe actio in factum und formula in factum concepta austauschbar. bb) pactum in rem / exceptio in rem Auch bei der Diskussion um das pactum in rem und pactum in personam finden wir sowohl pacta in rem bzw. in personam als auch pacta in rem bzw. in personam concepta220. Auch wenn pactum conceptum vielleicht eher auf die wörtliche Formulierung abzielt und pactum in rem bzw. personam mehr auf das Gemeinte, auf das Auslegungsergebnis221, so würde doch bei der Aufnahme eines pactum in die exceptio einer Formel am Ende immer eine fixierte Formulierung stehen. Es zeigt sich, dass es auch bei Wendungen wie pactum in personam keinen festen Gegensatz zu Wendungen wie pactum in personam conceptum gibt. Auch das deutet daraufhin, dass es keinen Gegensatz zwischen actio in factum und actio (bzw. formula) in factum concepta gibt.
III. Zusammenfassung Fasst man die Ergebnisse zusammen, so dürfte sich gezeigt haben, dass es keinen Grund gibt, auf einer terminologisch strikten Trennung der Begriffe der formula in factum concepta und der actio in factum zu bestehen. Vielmehr dürfte statt des Ausdrucks formula in factum concepta stets, auch von Gaius und auch in klassischer Zeit von anderen Juristen, schon immer der Ausdruck actio in factum benutzt worden sein. Das heißt auf der anderen Seite aber nicht, dass jede actio in factum auch
Kaser / Knütel, Röm. Privatrecht19, § 4 Rn. 3 u. 5. Ein pactum in personam conceptum findet sich in Paulus 3 ed D. 2,14,17,5; in Paulus 3 ed D. 2,14,21,1 und in Flor. 8 inst D. 2,14,57,1. 221 Vgl. Ulp. 4 ed D. 2,14,7,8: Pactorum quaedam in rem sunt, quaedam in personam. in rem sunt, quotiens generaliter paciscor ne petam: in personam, quotiens ne a persona petam, id est ne a Lucio Titio petam. utrum autem in rem an in personam pactum factum est, non minus ex verbis quam ex mente convenientium aestimandum est: plerumque enim, ut Pedius ait, persona pacto inseritur, non ut personale pactum fiat, sed ut demonstretur, cum quo pactum factum est. 219 220
62
1. Kap.: Grundlagen
eine formula in factum concepta gehabt haben müsste222, denn insoweit besteht keine eineindeutige Beziehung zwischen den beiden Begriffen. Der Begriff der actio in factum ist also nicht eindeutig; er kann Synonym für eine Klage mit formula in factum concepta sein; er kann aber auch nur ausdrücken, dass in der Formel mit Worten ein Sachverhalt umschrieben war, der nach dem Edikt des Prätors nicht ohne weiteres relevant war223. Unabhängig von der Frage der Formelgestaltung ist wichtig, sich bei einer Klage stets vor Augen zu führen, ob es sich um eine so im Edikt proponierte Klage, um eine Abwandlung einer im Edikt proponierten Klage oder um eine Klage handelt, die kein Vorbild im Edikt findet. Für das depositum ist die Antwort eindeutig (G. 4,47): Praetor et in ius et in factum conceptas formulas proponit.
§ 4 Die Äußerungen der Quellen zur Formelfrage I. Die römischen Quellen Die Gaiusinstitutionen (und der davon abhängige Gaius von Autun) sind die einzige Quelle, in der sich direkte Äußerungen zur Doppelformel finden. Einen Unterschied hatte Gaius wohl hinsichtlich der plurispetitio ausgemacht (G. 4,60). Im Corpus iuris findet sich höchstens ein indirekter Hinweis auf das Bestehen einer formula in factum concepta, wenn man die entsprechenden Stellen zur Aktivlegitimation des filiusfamilias für die actio depositi auf diese bezieht224. Die actio in factum in Ulp. 41 Sab. D. 9,2,41pr.225 bezieht sich nicht auf eine actio depositi226. 222 Ein Beispiel wäre die actio praescriptis verbis mit intentio civilis, vgl. Gröschler, Actiones in factum 20 ff. 223 Nach Gröschler, Actiones in factum 25 m.Fn. 41, sei der Begriff actio in factum eindeutig gewesen. 224 Siehe oben § 3 I 2. 225 Ulp. 41 Sab D. 9,2,41pr.: Si quis testamentum deleverit, an damni iniuriae actio competat, videamus. et Marcellus libro quinto digestorum dubitans negat competere: quemadmodum enim, inquit, aestimatio inibitur? ego apud eum notavi in testatore quidem hoc esse verum, quia quod interest eius aestimari non potest, verum tamen in herede vel legatariis diversum, quibus testamenta paene chirographa sunt. ibidem Marcellus scribit chirographo deleto competere legis Aquiliae actionem. sed et si quis tabulas testamenti apud se depositas deleverit vel pluribus praesentibus legerit, utilius est in factum et iniuriarum agi, si iniuriae faciendae causa secreta iudiciorum publicavit. 226 Ulpian spricht von einer actio in factum wegen der Schwierigkeiten, die mit einer direkten Klage nach der lex Aquilia verbunden wären, vgl. Valditara, A proposito 649 ff., insbes. 655 ff. (für actio in factum nach der lex Aquilia auch Gröschler, Actiones in factum 39 Fn. 56). Es wäre auch kein Grund ersichtlich, warum Ulpian bei einer etwaigen actio depositi die formula in factum concepta der formula in ius concepta vorgezogen haben sollte. Ulpian diskutiert das Problem der Interessenberechnung. Hier dürfte die actio depositi in ius concepta
§ 4 Die Äußerungen der Quellen zur Formelfrage
63
In anderen außerhalb des Corpus iuris überlieferten Schriften finden sich keine Hinweise auf das Bestehen zweier Formeln, auch wenn diese das depositum eigens erörtern227. Warum finden sich in den Quellen so wenig Hinweise auf die Doppelformel beim depositum? Es ist dabei auffallend, dass die Juristen die Frage, welche der beiden Formeln der actio depositi zu wählen sei, in dem uns erhaltenen Textbestand nicht diskutieren, obwohl uns in den Digesten nicht wenige Fragmente erhalten sind, in denen die römischen Juristen solche Konkurrenzfragen grundsätzlich erörtern, wie die Diskussionen um die Gewährung einer actio praescriptis verbis oder die Vorzugswürdigkeit einer actio directa oder in factum nach der lex Aquilia zeigen228. Eine erste Antwort dürfte im Nachlassen des Interesses an der Formelgestaltung liegen. Äußerungen der Juristen wären daher nur dort zu erwarten, wo sich in der Formelgestaltung auch ein materiellrechtliches Problem verbirgt. Das könnte der Grund dafür sein, warum uns die Diskussionen der Juristen um die actio in factum zur lex Aquilia erhalten sind. Denn insofern die Grundklage zuständig war für ein Handeln mit unmittelbarer Verletzungswirkung, die actio in factum für Schädigungen durch Unterlassen oder durch mittelbare Verursachung, hatte die Formelgestaltung eine Spiegelung in unterschiedlich gelagerten Sachverhalten. Auch die Diskussionen um actiones praescriptis verbis könnten uns deshalb erhalten sein, weil sich dahinter das materiellrechtliche Problem verbarg, ob ein Sachverhalt überhaupt klagbar war. So könnte man erklären, dass uns die actio depositi in factum concepta nur noch im Zusammenhang der Aktivlegitimation des filiusfamilias begegnet, denn dort bestand eine materiellrechtliche Verschiedenheit. Spinnt man diesen Faden weiter, so deutet das Fehlen jeder Spur einer actio in factum concepta auf das Fehlen materiellrechtlicher Unterschiede zwischen den Formeln zumindest in der von Ulpian und Paulus repräsentierten Zeit. Es verbleiben Quellenstellen, denen man nur indirekte Hinweise auf das Bestehen zweier Formeln entnehmen kann229. Da in diesen Stellen das Bestehen der Dop-
für den klagenden Hinterleger oder für den klagenden Erben des Hinterlegers nicht ungünstiger gewesen sein als die actio in factum concepta. Auch für die Frage der Aktivlegitimation für die actio depositi, beispielsweise hinsichtlich ihrer aktiven Vererblichkeit, ist kein Vorteil der actio in factum concepta ersichtlich. Dass es aber in der Stelle um eine actio depositi in factum concepta gehe, meint etwa, ohne Begründung, Wittmann, Entwicklungslinien 350. 227 Wie dies etwa die Collatio im 10. Titel und die Paulussentenzen in PS. 2,10 tun. 228 Vgl. etwa die Beispiele bei Gröschler, Actiones in factum 39. 229 Etwa Ulp. 30 ed D. 16,3,1,23: Hanc actionem bonae fidei esse dubitari non oportet. Die Stelle könnte sich auf die formula in factum concepta beziehen, weil sie bezogen auf die formula in ius concepta überflüssig sei (Lenel, EP3 289 Fn. 5).
64
1. Kap.: Grundlagen
pelformel aber nicht direkt ausgesprochen wird, ist die Annahme, die Stelle ließe sich vor dem Hintergrund der Doppelformel (besser) verstehen, stets nur wieder eine mögliche Interpretation.
II. Die Basilikenscholien Soweit die Basilikenscholien eine actio depositi als bonae fidei iudicium bezeichnen, kann man solchen Aussagen keinen Quellencharakter zumessen. Das zeigt der Fehler des Stephanus bezüglich des Charakters der actio commodati in Ulp. 28 ed D. 13,6,3,1230, die dieselbe Thematik wie Ulp. 30 ed D. 16,3,1,16231 behandelt. Man bezieht diese Stelle D. 13,6,3,1 zumeist auf die actio commodati in factum concepta232, und zwar wegen des offenbaren Formelzitats, wegen ihrer Parallele zu D. 16,3,1,16, wegen der Entbehrlichkeit einer solchen Fiktion bei der actio commodati in ius concepta, schließlich wegen der Stellung der Stelle im Ediktskommentar Ulpians. Stephanus versteht nun die actio commodati in dem Scholion tou=to no/hson233 zu dieser Stelle als ein bonae fidei iudicium, weil er zwischen Klagen nach Treu und Klagen und Klagen nach strengem Recht unterscheidet. Bei letzteren werde, wenn der Schuldner, ohne in Verzug zu sein, die Sache beschädigt und dem Gläubiger leistet, die Klage aus dem Vertrag aufgehoben. Nur bei Klagen nach Treu und Glauben könne eine Verschlechterung der Sache berücksichtigt werden, da man bei diesen Klagen auch auf das Interesse klagen könne. Dabei zählt Stephanus das commodatum zu den bonae fidei iudicia, bei dem, obwohl die Sache zurückgegeben 230 Ulp. 28 ed D. 13,6,3,1: Si reddita quidem sit res commodata, sed deterior reddita, non videbitur reddita, quae deterior facta redditur, nisi quid interest praestetur: proprie enim dicitur res non reddita, quae deterior redditur. 231 Ulp. 30 ed D. 16,3,1,16: Si res deposita deterior reddatur, quasi non reddita agi depositi potest: cum enim deterior redditur, potest dici dolo malo redditam non esse. 232 Vgl. zuletzt Berndt, Commodatum 76 ff. 233 Scholion tou=to no/hson zu B. 13,1,3,1 (Hb II 2, Scheltema B II 602, 17): Stefa/nou. tou=to no/hson e)pi\ tw=n bo/na fi/de a)gwgw=n, w(j o( nomiko\j dei/knusin e)pi\ th=j kommoda/ti qemati/zwn to\ no/mimon. ma/qe ga/r: e)pi\ me\n tw=n bo/na fi/de a)gwgw=n kata\ do/lon h\) r(a˛qumi/an tou= e)nagome/nou xei=ron to\ pra=gma katablhqe/n ou) dokei= katabeblh=sqai, ou)de\ lu/ei th\n e)k tou= sunalla/gmatoj a)gwgh/n. pe/fuke ga\r h( bo/na fi/de a)gwgh\ polla/kij kinei=sqai kai\ e)pi\ mo/n% t%= diafe/ronti, ou) mh\n kai\ h( stri/kta … . Übersetzung: Beachte, dass dies der Fall ist bei den Klagen nach Treu und Glauben, wie der Rechtsgelehrte zeigt, was das Recht ist, indem er einen Fall mit actio commodati bildet. Lerne nämlich: Bei den Klagen nach Treu und Glauben wird die zurückgegebene Sache, die durch Vorsatz oder Sorglosigkeit des Beklagten verschlechtert wurde, als nicht zurückgegeben angesehen, und nicht löst (die Rückgabe?) die Klage aus dem Vertrag auf. Die Klage nach Treu und Glauben ist nämlich ihrer Natur nach so beschaffen, dass sie oft erhoben wird auch allein wegen des Interesses, nicht aber die Klage nach strengen Recht … . Zum Scholion siehe nur Nörr, Fahrlässigkeit 103.
§ 5 Überblick über die Erklärungsversuche
65
wurde, wegen der Verschlechterung geklagt werden kann; der Rechtsgelehrte Ulpian verwende das commodatum als Beispiel für die bonae fidei iudicia. Stephanus begründet also die Anwendbarkeit der actio commodati in D. 13,6,3,1 damit, dass sie ein bonae fidei iudicium sei. Wenn soeben gesagt wurde, Stephanus begehe einen Fehler, so ist das richtig zu verstehen: Vor dem justinianischen Recht, das Stephanus lehrt (no/hson, ma/qe ga/r), ist seine Aussage nichts anderes als richtig. Das commodatum ist nach I. 4,6,28 ein bonae fidei iudicium; einen Gegensatz zwischen zwei Formeln der actio commodati gibt es nicht mehr und kann folglich bei der Interpretation von D. 13,6,3,1 keine Rolle mehr spielen. Das heißt aber eben auch, dass Zeugnisse der Basiliken und ihrer Scholien nicht ohne weiteres für die Frage verwertet werden können, welche Formel der actio depositi in Rede stehe.
§ 5 Überblick über die Erklärungsversuche zur Existenz zweier Formeln Im folgenden wird ein Überblick über die Vorschläge der Literatur zur Formelfrage gegeben. Dabei steht am Anfang ein wissenschaftsgeschichtlicher Abriss, der zeigen wird, dass es auch heute keine Idee gibt, die nicht schon im 19. Jahrhundert erörtert wurde. Am Ende (§ 5 VI) wird der Ansatz dieser Arbeit vorgestellt.
I. Versuche, das Problem der Existenz zweier Formeln zu klären – ein (auch) geschichtlicher Überblick Es scheint234, dass man vor der Auffindung des Codex Veronensis vom Bestehen zweier Formeln der actio depositi nichts wusste235, sich die Frage nach dem Formelwortlaut nicht einmal vorlegte236. Doch schon bald nach Auffindung des Gaiustex234 So ausdrücklich Thon, Lehre 289, SZ 2, wohl auch Rotondi, Le due formole 4. Anders wohl Heffter, Commentarius 54, der zur Aussage des Gaius in G. 4,47, dass der Prätor bei manchen Verhältnissen sowohl in ius als auch in factum konzipierte Formeln aufstelle, bemerkt, „rem quidem non plane novam, cuius tamen rara in reliquo iuris corpore vestigia deprehenduntur“, aber keine Belege aus den übrigen Quellen bringt. 235 Vgl. etwa Glück, Pandecten § 946, S. 218, von 1813, der einfach von einer actio depositi directa spricht, ohne weiter zu differenzieren. 236 Heute würde man aber vermutlich auch ohne den Gaiustext aufgrund der heutigen Kenntnis vom römischen Recht, die freilich auf dem Gaiustext fußt, zu der Annahme gelangen, dass es bei der Verwahrung zwei Klageformeln gab. Man würde ähnlich argumentieren wie bei der negotiorum gestio: Aus Ulp. 30 ed D. 16,3,1,23 (oder zum Beispiel I. 4,5,28) würde man entnehmen, dass das depositum ein bonae fidei iudicium sei und daher eine in ius konzipierte Formel mit dem Zusatz ex fide bona haben müsse; aus der Klageverheißung des Prätors in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,1 würde man, da sich diese nicht auf ein bonae fidei iudicium
66
1. Kap.: Grundlagen
tes im Jahr 1816 gab es Versuche, Gründe für das Nebeneinander zweier Formeln zu finden. 1. Dupont237 unterscheidet 1822 die Formeln danach, dass bei der formula in factum concepta der iudex untersucht habe, ob die Sache wirklich hinterlegt worden sei, während bei der formula in ius concepta es nur noch darum gegangen sei, was bei unstreitiger Verwahrung der Verwahrer von Rechts wegen leisten müsse238. Heffter239 setzt 1827 zunächst die beiden Formeln in Beziehung zum ius civile und zum ius gentium, ohne dem aber entscheidende Bedeutung beizumessen240. Eine Lösung sucht er dann in dem von Quintilian241 genommenen Ausgangspunkt, dass beim depositum wie bei den anderen Realkontrakten und bei Schuldverhältnissen auf eine bestimmte Sache es vor allem um zwei Fragen gehen würde: ob der Beklagte die Sache erhalten habe und ob er sie schon zurückgegeben habe. Heffter widerlegt dann die Vermutung, der Hinterleger habe mit der formula in factum concepta vorgehen müssen, wenn der Beklagte behauptete, er habe die Sache schon zurückgegeben, und mit der formula in ius concepta, wenn der Beklagte überhaupt den Empfang des depositum bestritt. Denn nach dem Wortlaut der formula in factum concepta habe auch geprüft werden müssen, ob es überhaupt zur Übergabe der Sache gekommen sei, und mit der formula in ius concepta habe auch über die Frage gestritten werden können, ob die verwahrte Sache zurückgegeben worden sei, denn nichts entspreche beim depositum mehr dem ius civile, als die verwahrte Sache zurückzugeben242. Nachdem Heffter derart verneint hat, dass ein Unterschied zwischen den Formeln in der causa bestehe, verneint er auch, dass ein Unterschied (in) effectu zu finden sei. Er denkt dabei an den Beurteilungsmaßstab bei der Verurteilung, der bei beiden Formeln gleich sei243.
beziehen könne, auf die Existenz einer in factum konzipierten Formel schließen (zu einer solchen Argumentation hinsichtlich der negotiorum gestio siehe Seiler, Tatbestand 316 ff., insbesondere 318, und Lenel, EP3 102 f.). 237 Dupont, Disquisitiones 71, 73, 75 f. Bei einer formula in ius concepta untersuche der Iudex nur, „quantum ex jure actori praestari oporteat propter factum, quod certum videtur“ (Dupont 71), bei einer formula in factum frage der Iudex, „an verum sit factum … cum praestatio ex hoc facto proveniens iure certa sit“ (71 f., 73). 238 Diese Ansicht taucht später in etwas anderem Gewand auf, wenn davon ausgegangen wird, es habe, zumindest im Ursprung, bei den bonae fidei iudicia der in der demonstratio beschriebene Sachverhalt außer Streit gestanden (so schon Dupont 72 Fn. 3); darauf deute auch das faktische quod mit Indikativ hin. Siehe dazu oben § 2 V 2. 239 Heffter, Commentarius 55. 240 Dies scheint aber Rotondi, Le due formole 4, anzunehmen. 241 Heffter zitiert Quint.inst. 7,2,51: „crediti et depositi duae quaestiones, sed numquam iunctae, an datum sit an redditum.“ 242 Heffter, Commentarius 55. 243 Heffter, Commentarius 55. Der Richter verurteile bei der in ius konzipierten Formel nach dem quidquid dare facere oportet ex fide bona, bemesse aber bei der formula in factum
§ 5 Überblick über die Erklärungsversuche
67
Den Grund für die Existenz der actio in factum sieht Heffter dann schließlich darin, dass Personen, denen die actio in ius concepta nicht gegeben werden könne, mit der actio in factum concepta die verwahrten oder verliehenen Sachen zurückerlangen könnten244. Nach Keller245, 1827, gibt es eine grundlegende funktionale Verschiedenheit zwischen den Formeln, die darin liegt, dass nur mit der in factum konzipierten Formel der Hinterleger die Sache selbst mit Hilfe richterlichen Zwanges zurückverlangen konnte. Eine Begründung gibt Keller nicht, sie liegt wohl im Wortlaut der Formel, dem „redditam non esse“, das das Begehren des Klägers zu beschreiben scheint. Für Zimmern246, 1829, ist die actio depositi eine zivile Klage, für die der Prätor aber nicht nur eine in ius, sondern auch eine in factum konzipierte Formel geschaffen hat, damit erstens diejenigen, welchen infolge eines alten zivilrechtlichen Grundsatzes kein Klagerecht zusteht, etwa Haussöhne, dennoch die actio depositi erheben könnten, und damit zweitens durch die formula in factum concepta mit der actio depositi als arbiträrer Klage die Sache selbst zurückgefordert werden konnte247. Huschke248 äußert sich 1830 nicht zu der Frage, warum es für das depositum zwei Formeln gab, gibt aber dennoch der Diskussion zum Teil eine neue Richtung, indem er die Sigle nr, die im Codex Veronensis bei der formula in ius concepta zwischen condemnato und snpa steht, als nisi restituat auflöst249. Dieser Auflösung ist man in der Folge weitgehend gefolgt und man hat auch lange den Zusatz nisi restituat als von Gaius stammend angesehen250.
concepta die Urteilssumme ebenso nach Treu und Glauben, denn er ermittle, „quanti sit rem depositam sine dolo malo, i.e. bona fide redditam non esse.“ 244 Heffter, Commentarius 55 f. u. 57 f., denkt vor allem an den filiusfamilias. Als weitere Unterschiede zwischen den Formeln hält Heffter, Commentarius 58, die Folgen einer plurispetitio und die einjährige Befristung der Klagen mit formula in factum fest. 245 Keller, Litis Contestation 357 f. Fn. 3. In seinem Römischen Civilprocess von 1852 äußert sich Keller hinsichtlich des Unterschiedes zwischen beiden Formeln nur ganz allgemein dahingehend, dass bei der formula in factum concepta die Klage nicht im ius civile fuße, sondern auf der Amtsgewalt des Prätors (Keller spricht von Imperium), und der Iudex sich nicht um den Rechtsgedanken kümmern musste, nach welchem aus den in der Formel beschriebenen Tatsachen eine Leistungspflicht folgen könne, sondern nur bei Vorliegen der Tatsachen den Beklagten zu verurteilen habe (§ 33, 133 f. u. 137). In der zweiten Auflage erklärt Keller 1855, dass das sachliche Verhältnis zwischen beiden Formeln noch nicht aufgeklärt, die formula in factum concepta aber sicher die ältere sei (Civilprozess2, § 33, 130 Fn. 365). Eine ausführlichere Diskussion findet sich dann 1876 in der 5., von Wach bearbeiteten Auflage (Civilprozess5, § 33, 154 Fn. 365). 246 Zimmern, Rechtsgeschichte III § 54, 154. 247 Zimmern, Rechtsgeschichte III, § 68, 212, mit Berufung auf Keller. 248 Huschke, Studien 316, mit Hinweis auf Ulp. 30 ed D. 16,3,1,21 und auf Petrus Diaconus, De notis litterarum. 249 Siehe oben § 2 II 1.
68
1. Kap.: Grundlagen
Nach Ribbentrop251, 1831, konnte man mit beiden Formeln vorgehen, wenn man die Sache in natura durch richterlichen Zwang zurückerlangen wollte, denn bei beiden Formeln konnte der Richter, da sie bonae fidei iudicia waren252, einen Restitutionsbefehl erlassen. Hasse253, 1833, geht wie Keller davon aus, dass es einen funktionellen Unterschied zwischen den beiden Formeln gebe und der Hinterleger nur mit der formula in factum concepta die Herausgabe der Sache in Natur verlangen konnte, bringt aber eine ausführlichere Begründung. Die formula in ius concepta sei keine arbiträre, da mit ihr die entsprechenden Zusätze wie etwa „nisi restituat“ nicht vereinbar seien254. Bei einer formula in ius concepta laute der Inhalt der condemnatio gleich wie der Inhalt der intentio, nämlich auf eine Geldschuld, werde doch der Inhalt der intentio durch das verbindende „id“ in die Condemnatio hineingezogen. Da die Condemnatio immer nur auf Geld lauten konnte, gelte das auch von der intentio. Daher wäre es ungereimt, hätte der Richter die Befugnis, den Beklagten zu etwas anderem als zu einer Geldzahlung anzuhalten. Bei der formula in factum concepta aber ist der Inhalt der condemnatio mit „quanti ea res erit“ selbständig und unabhängig von der intentio255; letztere lautet daher nicht auf eine Geldschuld256, so dass der Judex frei sei, ihren Inhalt zu bestimmen. Er könne daher, bevor es zur Verurteilung komme, dem Beklagten die Leistungen auferlegen, die er zur Befriedigung des Klägers für am geeignetsten hielt. Dass der Judex an den Beklagten den Befehl geben konnte, die Sache selbst zurückzugeben, werde angezeigt durch die negative Verurteilungsbedingung „redditam non esse“257.
250 Etwa Savigny, System V, 86 Fn. t und noch Lenel, EP1 (1883), 230 Fn. 11; anders dann in der 3. Auflage gegen die Echtheit des „nisi restituat“, 288 Fn. 12. Heute spricht man dem „nisi restituat“ aber die Echtheit ab, vgl. oben § 2 II 1. 251 Ribbentrop, Correal-Obligationen 128 Fn. 9. 252 Für Ribbentrop, a. a. O., ist die actio depositi mit der formula in factum concepta ein bonae fidei iudicium. Dieser Ansicht ist auch Ubbelohde, Geschichte 24 f. Beide stützen sich wohl auf Ulp. 30 ed D. 16,3,1,23 und G. 4,62. 253 Hasse, Wesen 33 f. Hasse geht dabei, vgl. § 2 II 3, von einer etwas anderen formula in ius concepta aus; der Formelschluss lautet bei ihm: quidquid ob eam rem Numerium Negidium Aulo Agerio dare facero oportet ex fide bona eius, id Iudex Numerium Negidium Aulo Agerio condemnato, snpa. 254 Hasse, Wesen 33. Die Konjektur Huschkes scheint Hasse nicht zu kennen, der Aufsatz ist wohl, aus dem Nachlasse Hasses stammend, vor 1833 geschrieben. 255 Hasse spricht davon, man habe die demonstratio der formula in ius concepta genommen und in die intentio der formula in factum concepta umgewandelt. Daraus könnte man ableiten, dass Hasse die formula in ius concepta für die ältere hält. 256 Übrigens scheint Hasse, Wesen 35, durchaus davon auszugehen, dass die formula in factum concepta auf eine zivilrechtliche (?) Verpflichtung verweise, nämlich mittelbar, weil sich aus der behaupteten Tatsache der Hinterlegung die Obligation ergebe. 257 Hasse, Wesen 33 u. 35.
§ 5 Überblick über die Erklärungsversuche
69
Nach Mühlenbruch258, 1836, hat das Klagerecht einer actio mit formula in ius concepta seinen Grund im Zivilrecht, das einer actio mit formula in factum concepta im prätorischen Recht, und Mühlenbruch hält es für wahrscheinlich, dass der Prätor die Klage mit der formula in factum concepta deshalb gab, damit ein filiusfamilias die actio depositi erheben könne. Savigny259 hält es 1840 und 1841 für wahrscheinlich, dass das Bedürfnis, dem filiusfamilias eine Klagemöglichkeit suo nomine zu geben, der Grund dafür war, zwei Klageformulare aufzustellen260. Der Ansicht Kellers und Hasses tritt er mit dem Hinweis auf Huschkes Konjektur, die er übernimmt, entgegen261, weil auch die actio mit der formula in ius concepta arbiträr gewesen sei, so dass auch mit dieser der Hinterleger die Rückgabe der Sache in natura habe erzwingen können. Savigny lehnt es ferner ab, einen Unterschied der beiden Formeln im Beurteilungsspielraum des Richters zu sehen262, denn der Ausdruck „quanti ea res erit“ sei zwar vom Wortlaut her, aber nicht inhaltlich verschieden vom Ausdruck „quidquid dare facere oportet“, denn auch das „quanti ea res erit“ sei nach dem rechtsbegründenden Interesse unter Heranziehung aller Umstände zu ermitteln. Puchta263, 1842, sieht einen wesentlichen Unterschied darin, dass bei den Klagen mit formula in factum concepta der Beklagte gezwungen war, seine Verteidigung schon vor dem Prätor zu formulieren, um die notwendige exceptio zu erhalten. Somit konnte der Kläger durch Wahl dieser Formel den Beklagten zwingen, schon vor dem Prätor seine exceptio vorzubringen. Einen anderen, wenngleich weniger wichtigen Grund zur Gewährung der Klage mit der formula in factum concepta sieht Puchta in dem Bedürfnis, auch einem filiusfamilias die actio depositi gewähren zu können264. Nach Burchardi265, 1843, ist die formula in factum concepta eine für die zivile actio depositi zulässige Form, durch die Nachteile einer pluris petitio für den Kläger vermieden werden266, den Hauskindern eine Klage gewährt wird und die Notwen-
Mühlenbruch, Cession 156 f., Fn. 313. Savigny, System II 101 – 102 und V 84. 260 Als Unterschied zwischen beiden Formeln erwähnt Savigny, System V 83 – 84 noch, dass bei der formula in factum concepta der Verwahrer eine zweite Klage nur mit der exceptio rei iudicatae abwehren konnte. 261 Savigny, System V 86. 262 Savigny, System V 87 f. 263 Puchta, Institutionen II 119. 264 Puchta, Institutionen II 466 f. 265 Burchardi, Lehrbuch 138 f. 266 Für Burchardi besteht bei der formula in factum concepta anscheinend die Gefahr der plurispetitio nicht, weil diese keine intentio habe, sondern die condemnatio unmittelbar auf die demonstratio folge, wodurch nach G. 4,58 – 60 u. 4,57 die plurispetitio ausgeschlossen sei. Auf die Frage, wieso bei der formula in ius concepta die Gefahr einer plurispetitio bestanden habe und insbesondere auf G. 4,60 geht Burchardi dabei nicht ein. 258 259
70
1. Kap.: Grundlagen
digkeit umgangen wird, „den Begriff des das Klagfundament bildenden Rechts so streng zu nehmen, wie es die ausdrückliche Hervorhebung dieses Fundaments in den formulis in ius conceptis nötig machte.“267 Wächter268 bezieht 1845 keine Stellung zur Frage, warum es zwei Formeln bei der actio depositi gegeben habe, gibt aber einen Überblick über die vertretenen Meinungen. Für selbstverständlich hält er aber, dass der Grund für die Existenz zweier Formeln in den praktischen Unterschieden der beiden liegen muss. Buchka269, 1846, nimmt an, dass es seit Einführung des Formularprozesses nur eine actio mit einer formula in ius concepta gegeben habe, dass der Prätor dann aber die formula in factum concepta eingeführt habe, um dem filiusfamilias eine Klagemöglichkeit zu gewähren, die dieser bei einer formula in ius concepta nicht gehabt habe, weil bei ihm die Aufstellung einer intentio iuris etwas unmögliches gewesen wäre. Huschke270, 1855, sieht, gestützt auf seine Konjektur, die formula in ius concepta als auf Restitution gerichtet an. Die formula in factum concepta hingegen habe man nicht zur Rückforderung der Sache verwenden können, denn die Worte redditam non esse stellten hinsichtlich der Rückgabe auf den Zeitpunkt vor der litiscontestatio ab und könnten daher den Richter nicht zu einem Restitutionsbefehl ermächtigen. Diese Formel sei also vor allem dann gegeben worden, wenn die Sache nicht zurückgegeben werden konnte oder der Kläger kein Interesse an der Restitution hatte271. Rudorff272 sieht 1858 die Notwendigkeit der Doppelformel begründet in der Unterscheidung, dass die Übergabe mit und ohne Rechtsübertragung erfolgen könne273, und nebenbei darin, dass der filiusfamilias (wohl durch die formula in factum concepta) aktivlegitimiert sein könne und der pupillus, der ohne Zustimmung des tutor die Sache in Verwahrung genommen hat, passivlegitimiert274.
267 Dieser Punkt hat mit den Fragen um die Doppelformel des depositum nichts zu tun, Burchardi geht es hier etwa um Fragen der actio praescriptis verbis und der Gewährung einer actio in factum bei der lex Aquilia. 268 Wächter, Erörterungen 37 Fn. 8. 269 Buchka, Einfluß 13. 270 Huschke, Gaius 237 Fn. 113. 271 Huschke, Gaius 238 Fn. 113, verweist auf Ulp. 30 ed D. 16,3,1,16 u. Paulus 11 ed D. 4,3,18,1. 272 Rudorff, Rechtsgeschichte II 172. 273 Diese Unterscheidung ist unverständlich. Es ist unklar, ob Rudorff mit dieser Unterscheidung überhaupt auf die Doppelformel beim depositum zielt. Vielleicht stellt Rudorff hier eine Beziehung zur fiducia cum amico contracta her, bei der ja eine Rechts-, die Eigentumsübertragung, erfolgte. vgl. Ubbelohde, Geschichte 14 f. mit Fn. 2. 274 Rudorff verweist auf Ulp. 28 ed D. 13,6,1,2 und 13,6,3pr. Dagegen Ubbelohde, Geschichte 16 ff. und Rotondi, Le due formole 5.
§ 5 Überblick über die Erklärungsversuche
71
Thon275 nimmt 1863 den Ansatz Kellers, dass es eine funktionale Verschiedenheit der beiden Formeln gebe, wieder auf, dreht das Verhältnis aber um. Gestützt auf die Konjektur Huschkes hält er die actio mit der formula in ius concepta für eine arbiträre Klage276, mit der die Sache in natura zurückverlangt werden konnte, während er meint, dass man die actio in factum concepta nicht als arbiträre Klage auffassen könne277. Damit ließ sich mit der letzteren auch nicht das Ziel verfolgen, die Rückgabe der Sache in natura zu erlangen278. Ein zentrales Argument dafür entnimmt Thon auch Ulp. 23 ed. D. 5,1,18,1279. Zunächst könne Ulpian mit utile iudicium, mit dem der Sohn das depositum zurückfordern könne, nicht die actio depositi mit der formula in factum concepta gemeint haben, denn Ulpian erörtere in gleicher Weise das Mandat und das mutuum, und für diese sei eine formula in factum concepta nicht belegt. Ferner sei Ulpian der Meinung, dass der filiusfamilias die actio depositi mit der formula in factum concepta stets anstrengen könne280 und nicht erst unter den besonders von ihm angeführten Umständen281. Ulpian gehe es gerade darum, dass der Sohn die Sache selbst zurückverlange und betone dies durch die Formulierung „depositum repetens“. Da Ulpian nicht einfach die actio depositi in factum concepta gebe, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen eine actio utilis, bedeute dies, dass mit eben der formula in factum concepta dieses Ziel nicht zu erreichen war; daraus folge, dass die Rückgabe der Sache in Natur nur mit der actio in ius concepta erreicht werden konnte. Diese Klage sei als arbiträre Klage nur dann statthaft gewesen, wenn der Verwahrer die Sache noch im Besitz gehabt oder den Nichtbesitz absichtlich verschuldet
Thon, Lehre 288 ff., insbes. 290. Thon, Lehre 290. 277 Thon, Lehre 293 f. Der Formelbestandteil „redditam non esse“ sei als Kennzeichen für eine arbiträre Klage ungeeignet. 278 Thon, Lehre 294 f. 279 Thon, Lehre 295 ff. Ulp. 23 ed D. 5,1,18,1: Si filius familias ex aliqua noxa, ex qua patri actio competit, velit experiri, ita demum permittimus ei agere, si non sit qui patris nomine agat. nam et Iuliano placet, si filius familias legationis vel studiorum gratia aberit et vel furtum vel damnum iniuria passus sit: posse eum utili iudicio agere, ne dum pater exspectatur impunita sint maleficia, quia pater venturus non est vel dum venit, se subtrahit is qui noxam commisit. unde ego semper probavi, ut, si res non ex maleficio veniat, sed ex contractu, debeat filius agere utili iudicio, forte depositum repetens vel mandati agens vel pecuniam quam credidit petens, si forte pater in provincia sit, ipse autem forte Romae vel studiorum causa vel alia iusta ex causa agat: ne, si ei non dederimus actionem, futurum sit, ut impune fraudem patiatur et egestate Romae laboret viaticulo suo non recepto, quod ad sumptum pater ei destinaverat. et finge senatorem esse filium familias qui patrem habet in provincia, nonne augetur utilitas per dignitatem? 280 Vgl. Ulp. (Paulus?) 17 ed D. 16,3,19; Ulp. 1 disp D. 44,7,13. Siehe den kurzen Hinweis oben in § 3 I 2. 281 Nämlich Abwesenheit des Vaters und besonderer Anlass, dem Sohn eine Klage zu gewähren. 275 276
72
1. Kap.: Grundlagen
habe282. Für andere Fälle, wenn etwa der Verwahrer die Sache zwar zurückgegeben hatte, aber beschädigt, oder wenn er den Besitz unverschuldet verloren hatte, sei die actio mit der formula in factum concepta zuständig gewesen283. Bei Asher284, 1864, ist nicht die formula in factum concepta die besondere Formel, die für Sonderprobleme, etwa für die Aktivlegitimation des filiusfamilias geschaffen wurde, sondern die formula in ius concepta ist die neuere, für spezielle Fälle bestimmte Formel, denn die formula in factum concepta sei die Form, in der der Prätor die alte aus den Zwölftafeln stammende Klage aus dem depositum im Formularprozess gewährte. Die formula in ius concepta sei dazu bestimmt gewesen, Gegenansprüche des Verwahrers berücksichtigen zu können, die dieser sonst nur mit der actio contraria geltend machen konnte. Denn während im Normalfall des depositum, also beim Vorgehen mit der gewöhnlichen Klage mit formula in factum concepta, die Aufrechnung ausgeschlossen gewesen sei (PS 2,12,12), sei sie bei Klage mit formula in ius concepta möglich gewesen (G. 4,61 – 62). Die an diesem Punkt nicht ganz klaren Ausführungen Ashers285 lassen dann folgendes Modell erkennen: Erkannte der Verwahrer das Bestehen eines Verwahrungsverhältnisses und im Grundsatz eine Rückgabepflicht an, berief sich aber auf Gegenansprüche, so war der Kläger zur Wahl der eigentlich für ihn ungünstigeren formula in ius concepta gezwungen. Denn wählte er die formula in factum concepta und erwies sich der Gegenanspruch des Verwahrers als begründet, dann stand dem Verwahrer ein Zurückbehaltungsrecht zu und der Kläger verlor in Gänze den Prozess286. Für Ubbelohde287, 1870, ist das Dasein der Doppelformel nur geschichtlich zu verstehen. Er entwickelt dabei ein Modell einer actio de perfidia der Frühzeit, für die aber Quellenbelege fehlen. 2. Dieser kurze geschichtliche Abriss der Versuche (deutscher Wissenschaftler), das Verhältnis der beiden Formeln zu ergründen, sollte nur aufzeigen, welche Probleme und Argumente bedacht wurden und zu bedenken sind. Eine Vertiefung einer solchen eher wissenschaftsgeschichtlichen Fragestellung würde voraussetzen,
282 Thon, Lehre 298, beruft sich dafür zum einen auf die arbiträre Natur und verweist auf andere Arbiträrklagen, zieht zum Depositum insbesondere Ulp. 30 ed D. 16,3,1,20 – 21 und Diocl. Coll. 10,4 heran. Thon muss D. 16,3,1,21 wegen des „nisi restituat“ und der Konjektur Huschkes auf die actio mit der formula in ius concepta beziehen. 283 Thon, Lehre 299 f., etwa mit Hinweis auf Ulp. 30 ed D. 16,3,1,16. Diese Stelle bezieht sich in der Tat nach allgemeiner Meinung auf die actio in factum concepta. Zu Ulp. 28 ed D. 13,6,3,1 weist Thon auf das „proprie“ hin (300 Fn. 44). Thon argumentiert hier allerdings vorzugsweise allgemein mit der Natur der arbiträren Klagen und zieht auch Stellen etwa zur reivindicatio heran. 284 Asher, Depositumsklagen 267 – 270. 285 Asher, Depositumsklagen 274 f. 286 Zu Gegenrechten des Verwahrers siehe § 18. 287 Ubbelohde, Geschichte 31 ff.
§ 5 Überblick über die Erklärungsversuche
73
sich mit der Geschichte der Kenntnis vom römischen Zivilprozess auseinanderzusetzen. Zusammengefasst zeigt sich, dass der Schwerpunkt zum einen auf dem angenommenen praktischen Unterschied lag, dass der filiusfamilias aktivlegitimiert hinsichtlich einer Klage mit der formula in factum concepta war. Darin wurde zum Teil der Grund gesehen, warum der Prätor diese Formel einführte288. Zum anderen suchte man einen prinzipiellen Gegensatz zwischen beiden Formeln hinsichtlich der Frage, ob die Rückgabe der Sache gerichtlich erzwungen werden konnte, wobei diese Funktion von unterschiedlichen Autoren auch unterschiedlichen Formeln zugeschrieben wurde289.
II. Die herrschende Meinung – Rotondi Rotondi290 verwirft 1908 sowohl den funktionalen als auch den praktischen Ansatz zur Lösung der Frage, warum es zwei Formeln gegeben habe. Er sieht den Grund vielmehr in der historischen Entwicklung291. Einen funktionalen Unterschied habe es zwischen den Formeln nicht gegeben, die praktischen Unterschiede könnten das Entstehen einer zweiten Formel nicht erklären, sondern nur plausibel machen, warum das Entstehen der jüngeren Formel nicht zum Verschwinden der älteren Formel geführt habe. Zunächst geht Rotondi davon aus, dass die formula in factum concepta die ältere der beiden Formeln sei. Dass die actio mit der formula in factum concepta die ältere sei, könne man auch daraus erkennen, dass deren Erörterung in den Ediktskommentaren den Erörterungen der formula in ius concepta vorausgehe und umfangreicher sei292. Hauptsächlich stützt sich Rotondi aber auf G. 4,60293, wo Gaius die Folgen einer pluris petitio am Beispiel der actio depositi erörtert294. Zuerst wohl Heffter, s. o., dem viele folgten, u. a. Savigny. Nur mit der formula in factum concepta könne auf Rückgabe der Sache selbst geklagt werden: z. B. Keller 1827, Zimmern 1829, Hasse 1833. Für die formula in ius concepta etwa: Huschke 1855, Thon 1863. 290 Rotondi, Le due formole 9 ff. 291 Rotondi, Le due formole 9. 292 Rotondi, Le due formole 31. 293 Rotondi, Le due formole 31 ff. 294 G. 4,60: Sed nos apud quosdam scriptum invenimus in actione depositi et denique in ceteris omnibus , ex quibus damnatus unusquisque ignominia notatur, eum, qui plus, quam oporteret, demonstraverit, litem perdere: velut si quis una re deposita duas pluresve se deposuisse demonstraverit, aut si is, cui pugno mala percussa est, in actione iniuriarum etiam aliam partem corporis percussam sibi demonstraverit; quod an debeamus credere verius esse, diligentius requiremus. Certe cum duae sint depositi formulae, alia in ius concepta, alia in factum, sicut supra quoque notavimus, et in ea quidem formula, quae in ius concepta est, initio res, de qua agitur, demonstrario modo designetur, deinde inferatur iuris intentio his verbis: quidquid ob eam rem illum illi dare facere oportet, in ea vero, quae in factum concepta est, 288 289
74
1. Kap.: Grundlagen
Gaius berichtet, es heiße bei einigen Juristen295, dass bei der actio depositi und schließlich in allen übrigen296, in denen jeder Verurteile297 durch ignominia gebrandmarkt werde, derjenige, der mehr als gehörig bezeichne, den Prozess verliere (litem perdere)298. Darauf folgen zwei Beispiele, von denen unklar ist, ob sie noch von den zitierten Juristen oder schon von Gaius stammen. Im ersten Beispiel hat der Hinterleger, der nur eine Sache hinterlegt hatte, zwei Sachen angegeben, im zweiten hat derjenige, dem mit der Faust an die Wange geschlagen wurde, bei der actio in iniuriarum angeben, noch an einem anderen Körperteil geschlagen worden zu sein. Ob man das glauben solle, müsse nun sorgfältig geprüft werden, sagt Gaius. Das kann nur heißen, dass Gaius die quidam nun widerlegen will oder dass er zumindest die Aussage der quidam einschränken oder eine Differenzierung vornehmen will. Den Ansatz zur Kritik der quidam sieht Gaius in der Tatsache, dass es bei der actio depositi zwei Formeln gebe, eine in ius konzipierte, eine in factum konzipierte. Gaius erläutert dann, dass der Hinterleger, der mit der formula in factum concepta vorgehend mehr Sachen als verwahrt angebe, als er tatsächlich hinterlegt hat, den Prozess verliere (litem perdere), woran kein Zweifel sei. Den Fortgang des Textes kennen wir nicht, da im Codex Veronensis zwei ganze Seiten unlesbar sind. Rotondi nimmt nun an, Gaius habe im Fortgang erläutert, dass bei der formula in ius concepta im Falle einer pluris petitio nicht derselbe Effekt wie bei der formula in factum concepta eintrete, es komme nicht zum litem perdere. Rotondi begründet seine Annahme mit
statim initio intentionis alio modo res, de qua agitur, designetur his verbis: si paret illum apud illum rem illam deposuisse, dubitare non debemus, quin, si quis in formula, quae in factum composita est, plures res designaverit, quam deposuerit, litem perdat, quia in intentione plus po. Bereits das Ende ist nicht mehr lesbar, nach in intentione plus po hat der Codex Veronensis zwei unlesbare Seiten, vgl. Studemund, Apographum 209. 295 Um welche Juristen es sich handelt, insbesondere in welchem Verhältnis die quidam zu den beiden Rechtsschulen stehen, ist umstritten. Provera hält sie für Prokulianer (Pluris petitio I 148), Arangio-Ruiz für (einen Teil der) Sabinianer (Le formule con demonstratio 38, Rariora). 296 Zu den infamierenden Klagen gehören von den vertraglichen bzw. quasivertraglichen die Klagen pro socio, fiduciae, tutelae, mandati, depositi, sowie von den deliktischen die Klagen furti, vi bonorum raptorum, iniuriarum (G. 4,182), die Klage aus der lex Plaetoria, die actio de dolo malo (lex Iulia municipalis Z. 110 ff.) et fraude (lex Irnitana 84, 9 ff., D. 3,2,1), sponsio de probro (lex Irnitana 84, 9 ff.). Vgl. auch den justinianischen Katalog in D. 3,2,1: Grundlegend Kaser, Infamia; jetzt Wolf, Das Stigma ignominia 55 ff., SZ 126 (2009). Aus der Gruppe der vertraglichen und deliktischen infamierenden Klagen (zu dieser Zweiteilung siehe G. 4,182) wählt Gaius dann je ein Beispiel: Das depositum und die actio iniuriarum. 297 damnatus unusquisque: Nach Gaius sprechen die quidam nicht von Verfahren, in denen ein Verurteilter infam wird, sondern von Verfahren, in denen jeder Verurteilte infam wird. Das wirft die Frage nach Verfahren auf, in denen der Verurteilte zuweilen infam wurde, zuweilen nicht. Zu denken ist an die actio mandati, in der womöglich der verurteilte Beauftragte nur infam wurde, wenn er dolos gehandelt hatte (vgl. lex Irnitana 84, 9 ff.: … neque pro socio aut fiduciae aut mandati quod dolo malo factum esse dicatur aut depositi … agetur). Zu diesem Problem jetzt umfassend Nörr, Lex Irnitana c. 84 IXB 8 – 10, SZ 124 (2007). 298 Es ist nicht von vornherein klar, was litem perdere bedeutet. Litem perdere kann bedeuten, dass der Kläger den ersten Prozess verliert, aber noch einen zweiten führen kann, oder aber, dass der Kläger nach Verlust des ersten Prozesses auch keinen zweiten mehr führen kann. Diese Frage soll offen bleiben.
§ 5 Überblick über die Erklärungsversuche
75
G. 4,58. Daher sei es nun keineswegs so, dass der Hinterleger bei pluris petitio den Prozess stets verliere, sondern dies sei nur der Fall, wenn er mit der formula in factum concepta vorgegangen sei. Da man den quidam nicht unterstellen könne, sie hätten vergessen, diese wichtige Unterscheidung zwischen den Formeln zu treffen, bleibe als einziger Ausweg, dass es zur Zeit der quidam noch keine actio depositi mit einer formula in ius concepta gegeben habe, die formula in factum concepta sei somit die ältere der beiden Formeln299.
Das Auftreten der actio depositi mit der formula in factum concepta datiert Rotondi dann auf einen Zeitraum kurz nach 45 v.Chr.300. Die ersten Juristen, die nach seiner Ansicht eine actio depositi kennen, sind spätrepublikanische Juristen301, etwa Alfenus, Ofilius und Trebatius302. Als Zeitpunkt für das Auftreten der actio depositi post quem nimmt Rotondi das Jahr der tabula Heracleensis 45 v.Chr.303 an304, denn deren Katalog infamierender Klagen enthalte die actio depositi nicht, da aber auch die actio in factum concepta als die ältere der beiden Klagen infamierend gewesen sei305, könne dies nur heißen, dass es im Jahr 45 v.Chr.306 die actio depositi noch nicht gegeben habe307. Zu dieser Rotondi, Le due formole 32. Die Begründung Rotondis hat Kritik erfahren, mit der hier aber keine Auseinandersetzung erfolgen soll. So hat Watson (Obligations 158 ff.; zustimmend Gandolfi, Il deposito 87) eingewandt, dass Gaius die quidam den Prozessverlust demjenigen zuschreiben lässt, qui plus quam oporteret demonstraverit; und dieses „demonstraverit“ könne sich nur auf die demonstratio der Formel beziehen. Daraus schlußfolgert Watson, dass die von Gaius zitierten Juristen sich nur auf die formula in ius concepta bezogen hätten, diese Formel also demzufolge gekannt haben müssen. Diese Juristen hätten eine Ausnahme zu der von Gaius in G. 4,58 referierten Regel gebracht, wonach ein plus in der demonstratio den Anspruch des Klägers unberührt lasse, indem diese Juristen bei infamierenden Klagen mit demonstratio und insbesondere bei der actio depositi mit der formula in ius concepta den Kläger mit Anspruchsverlust bestraft hätten, um Kläger bei infamierenden Klagen davon abzuhalten, zu viel zu fordern. Ähnlich wie Watson schon Provera, Pluris petitio I 149 f. 300 Rotondi, Le due formole 37. Nach Dernburgs Untersuchungen zum Ediktsstil muss die Klage aus dem Edikt über das depositum älter sein. Das Edikt über das depositum gehöre nach seiner Struktur (eingliedrig ohne Passivform von dicere) in den zweiten Abschnitt der Geschichte des Ediktsstils (Dernburg, Untersuchungen 110, 117). Es muss damit älter sein als die Edikte der dritten Stufe (mit dicetur), d. h. älter als etwa das Edikt über die actio doli (Ulp. 11 ed. D. 4,3,1,1) aus dem Jahr 66 v.Chr. und über das commodatum (Ulp. 28 ed. D. 13,6,1pr.). Soweit aber sich der Stil der zweiten Stufe aus der Anlehnung an die Gesetzessprache ergibt (Dernburg a. a. O. 108), könnte man auch an eine Beeinflussung des Ediktsstils durch das Zwölftafelgesetz über das depositum denken. 301 Insbesondere gebe es keinen Beleg dafür, dass schon Quintus Mucius die actio depositi gekannt habe, denn von Quintus Mucius sei nur belegt, dass er die Anwendbarkeit der actio furti bei einer Verwahrung erörtere (Gell. 6 (7),15,2), Rotondi, Le due formole 33. 302 Rotondi, Le due formole 37. 303 Zur Datierung vgl. Crawford, Roman Statutes 360 ff. 304 Rotondi, Le due formole 37. 305 Rotondi, Le due formole 34. Die infamierende Wirkung der actio depositi mit der formula in factum concepta entnimmt Rotondi eben G. 4,60. 299
76
1. Kap.: Grundlagen
Zeit habe dann der Prätor die Pönalklage der Zwölftafeln auf das duplum modifiziert, indem er die Klage auf das duplum nur noch in den Fällen des depositum necessarium gewährt habe, in den sonstigen Fällen aber auf das simplum308. Bei der Frage nach dem Alter der formula in ius concepta geht Rotondi zunächst davon aus, dass Cicero die actio depositi als bonae fidei iudicium noch nicht gekannt habe309, ferner davon, dass die formula in ius concepta als jüngere der beiden Formeln erst nach der formula in factum concepta, also nach 45 v.Chr., entstanden sein kann. Ferner findet Rotondi erst für Gaius sichere Belege, dass ein römischer Jurist das depositum als bonae fidei iudicium kenne310 und entnimmt den Institutionen auch, dass zur Zeit des Gaius die formula in ius concepta nicht alt gewesen sein kann311. Auf der anderen Seite müsse die actio depositi in ius concepta älter gewesen sein als die actio commodati in ius concepta, weil nur bei der ersteren das Auftreten der formula in ius concepta noch habe bewirken können, dass das depositum vom ursprünglichen Ort im Edikt unter dem Titel De rebus creditis unter den Titel De bonae fidei iudiciis verschoben worden sei312. Rotondi gelangt so zu der Annahme, die formula in ius concepta sei in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts nach Christus entstanden313. Rotondi steht nun vor der Frage, warum sich noch eine formula in ius concepta herausgebildet habe, obwohl bereits eine actio depositi (mit einer formula in factum 306 Rotondi zieht auch die Stellen Ciceros heran, in denen er infamierende Klagen erörtert, ohne das depositum zu erwähnen, nämlich Pro Roscio Amerino § 111; Pro Roscio Comoedo § 16 und Pro Caecina § 7 (Le due formole 35). 307 Die in PS 2 Coll. 10,7,11 beglaubigte Pönalklage der Zwölftafeln müsste dann eine Klage des Legisaktionenverfahrens gewesen sein. Eine derart späte Entstehung der actio depositi im Formularprozess müsste nicht verwundern: Der Hinterleger ist in den meisten Fällen durch die reivindicatio und die actio furti geschützt. 308 Rotondi, Le due formole 24 ff., 27. 309 Rotondi, Le due formole 30. Rotondi argumentiert mit Cicero De officiis 3,70; Topica §§ 42 u. 66 und De natura deorum 3,74. 310 Rotondi, Le due formole 39. 311 Mit der Annahme, dass zur Zeit des Gaius die formula in ius concepta und damit die Anerkennung des depositum als contractus noch nicht alt sei, könne man etwa erklären, warum das depositum im Kontraktsschema der Gaiusinstitutionen in G. 3, 89 ff. noch fehle, Rotondi, Le due formole 39 ff. Rotondi argumentiert ferner, dass die quidam, die Gaius in G. 4,60 zitiert und die die formula in ius noch nicht kennten, nach Sabinus und Cassius gewirkt haben müssen (41f.). Rotondi gelangt damit zur Mitte des 1. Jahrhunderts nach Christus als Zeitpunkt post quem für das Auftreten der formula in ius concepta. 312 Rotondi, Le due formole 42 ff. Dabei geht Rotondi, auch mit Hinweis auf Celsus in Ulpian 26 ed D. 12,1,1,1, davon aus, dass das depositum ebenso wie das commodatum einstmals im Titel De rebus creditis gestanden habe, 43 u. 44. Dabei unterscheidet sich indes das depositum auf der einen Seite doch von commodatum, pignum und mutuum auf der anderen Seite. Denn bei den letzteren Verhältnissen erhält der Empfänger die Sachen zum eigenen Vorteil; das Vertrauen, das der Geber in den Empfänger setzt, ist also ganz anderer Art als dasjenige, das der Geber beim depositum in den fremdnützig handelnden Empfänger setzt. 313 Rotondi, Le due formole 45.
§ 5 Überblick über die Erklärungsversuche
77
concepta) bestanden habe314. Die Antwort sieht Rotondi in der wissenschaftlichen Arbeit der Juristen315. Diese hätten in Auseinandersetzung mit dem Edikt und der in factum konzipierten Formel die Regeln der Haftung des Verwahrers so weit entwickelt, dass man schließlich von einem dare facere oportere des Verwahrers nach ius civile reden konnte. Und an diesem Punkt habe der Prätor dann neben der formula in factum die formula in ius concepta in das Album aufgenommen316. Aufgrund der langsamen Entwicklung des römischen Rechts habe die neue Formel die alte nicht sofort verdrängt, sondern beide hätten in klassischer Zeit nebeneinander bestanden317. Dabei habe es praktische Unterschiede zwischen beiden Formeln gegeben, die zum Teil auf den pönalen Charakter der actio in factum concepta zurückzuführen seien: so hinsichtlich der Frage der Konsumption durch Klageerhebung, der Folgen einer pluris petitio, der Aktivlegitimation des filiusfamilias318 und der Passivlegitimation des manumissus319. Ferner sei die actio depositi in factum concepta auf ein Jahr befristet gewesen320, sei, außer beim depositum necessarium, nicht gegen den Erben gegangen321, bei der actio depositi in factum concepta habe der Verwahrer nach litis contestatio schärfer gehaftet als bei der actio in ius concepta322. Diese Unterschiede, vor allem die Aktivlegitimation des filiusfamilias für die actio in factum concepta hätten dazugeführt, dass die formula in factum concepta durch die formula in ius concepta nicht sofort vollständig verdrängt wurde323. Erst in der Nachklassik, noch vor Justinian, seien beide Klagen zu einer verschmolzen, die nun als Kontraktsklage aus Treu und Glauben aufgefasst wurde324. Damit liegt dem Modell Rotondis, dem sich in der Folge viele angeschlossen haben325, eine evolutionistische Auffassung vom römischen Recht zugrunde. Die Rotondi, Le due formole 45 ff. Rotondi, Le due formole 45 ff. Rotondi zieht als Vergleich die Herausarbeitung von Vertragsklagen beim precarium und bei den Innominatverträgen heran. Kaser, Pfandrecht II 230 f., sieht einen wesentlichen Grund für das Fortbestehen der in factum konzipierten Formel darin, dass die Juristen ihre Lehre zum depositum an eben dieser Formel ausgebildet hätten. Zudem waren die in factum konzipierten Formeln in der Aufzählung der Verurteilungsvoraussetzungen ausführlicher und konkreter als die allgemeinen demonstrationes und intentiones der bonae fidei iudicia. Die juristische Überlieferung der Kasuistik sei dann anhand der in factum konzipierten Formel erfolgt. 316 Rotondi, Le due formole 46f. Der Prätor habe also, gestützt auf die Autorität der Rechtsgelehrten, ius civile geschaffen, indem er ein oportere nach dem ius civile feststellte, das vorher nicht ausgesprochen war. 317 Rotondi, Le due formole 48. 318 Rotondi, Le due formole 48 f. 319 Rotondi, Le due formole 52 f. 320 Rotondi, Le due formole 49. 321 Rotondi, Le due formole 49; Ders., La misura della responsibilità nell’ actio depositi 122 ff. 322 Rotondi, Le due formole 50 ff. 323 Rotondi, Le due formole 54. 324 Rotondi, Le due formole 54. 314 315
78
1. Kap.: Grundlagen
bonae fidei iudicia stellen als Errungenschaft der römischen Rechtswissenschaft die fortschrittlichste Auffassung einer Vertragsbeziehung dar und können daher nur am Ende einer geschichtlichen Entwicklung stehen, die in einer Epoche beginnt, die noch keine Verträge kannte, sondern nur Klagen, die aus deliktischem Verhalten entspringen326. Dieser Auffassung folgen nicht alle. Für andere ist die in ius konzipierte Formel die ältere, die alte zivilrechtliche Traditionen fortsetzt, während die in factum konzipierte Formel das Ergebnis der Bemühung des Prätors ist, Sonderprobleme zu lösen327.
III. Gandolfi Gandolfi328, 1976, weist den historischen Ansatz Rotondis zurück und formuliert die Hypothese, die formula in ius concepta sei als jüngere Formel329 eingeführt worden, um pacta berücksichtigen zu können, die Hinterleger und Verwahrer geschlossen haben, um die Haftung des Verwahrers über dolus hinaus zu erweitern, die Entgeltlichkeit beim depositum zu ermöglichen330 oder um es dem Verwahrer zu ermöglichen, gegen Zinszahlung nicht mehr die hingegebene Sache selbst, sondern eine Sache gleicher Art und Güte zurückgeben zu können331. Ferner habe bei der formula in ius concepta der Verzug mit der Rückgabe sowie die Tatsache der Rückgabe am falschen Ort berücksichtigt werden können332. Diese Unterschiede ergäben sich daraus, dass bei der formula in factum concepta die Verurteilung die dolose Nichtzurückgabe zur Voraussetzung hätte, während Verurteilungsbedingung bei der formula in ius concepta die Verletzung irgendeiner aus der bona fides entspringenden Pflicht gewesen sei333. Ferner seien die Kriterien für die Bemessung der Urteils325 Kaser, RP I § 126 I 1, S. 535; Burillo, Las formulas; Astuti, Deposito; zuletzt Gröschler, Actiones in factum 289. 326 Vgl. Evans-Jones, Penal characteristics 106. 327 So Karlowa, Rechtsgeschichte 1315 und 601 ff. Auch für Behrends ist die formula in ius concepta die ältere, siehe dazu sogleich den Hinweis im Text. 328 Gandolfi, Il deposito 69 ff. 329 Die formula in ius concepta gab es nach Gandolfi im Jahr 44 v.Chr. noch nicht, denn Cicero kenne das depositum als bonae fidei iudicium nicht (Gandolfi, Il deposito 88). Diese Formel hätten aber jedenfalls schon Sabinus (Paulus 6 Sab D. 17,2,38pr.) und Labeo (2 pith D. 16,3,34), vielleicht schon Alfenus (5 dig a Paulo epit D. 19,2,31), gekannt (88 – 90). Damit sei die formula in ius concepta in der zweiten Hälfte des 1.Jh.v.Chr. entstanden (92). Hingegen habe bereits Quintus Mucius die formula in factum concepta gekannt (Ulp. 28 ed D. 13,6,5,3 und Gellius NA 6,15,2), so dass man für diese Formel auf einen Entstehungszeitpunkt in der ersten Hälfte des 1. Jh.v.Chr. komme (90 f., 92). 330 Gandolfi, Il deposito 142 ff., stützt sich vor allem auf Ulp. 56 ed D. 47,8,2,23; kaum überzeugend. 331 Gandolfi, Il deposito 96, 141 f. 332 Gandolfi, Il deposito 77.
§ 5 Überblick über die Erklärungsversuche
79
summe andere gewesen334. Solche Unterschiede zwischen den Formeln seien bisher verdunkelt worden durch die Interpolationenforschung, die etwa Stellen, in denen dem Hinterleger Zinsen zugesprochen wurden, für unecht gehalten hätte. Durch solche Vermutungen der Unechtheit seien die Sachverhalte, die die beiden Formeln jeweils erfassen sollten, einander angenähert worden335.
IV. Behrends Behrends nimmt für die Leihe an, dass die in ius konzipierte Formel älter sei als die in factum konzipierte336. Man kann davon ausgehen, dass Behrends die Frage des Verhältnisses der beiden Formeln beim depositum ebenso sieht337. Nach Behrends ist die formula in ius concepta als bonae fidei iudicium die ältere der beiden Formeln. Dies ergibt sich für Behrends aus seinem Modell der römischen Rechtsgeschichte, das er im wesentlichen aus Cicerostellen zur Bewertung der Leistung des Quintus Mucius und des Servius und aus dem angenommenen Einfluss der griechischen Philosophie auf die römischen Juristen entnimmt338. In einem solchen Modell war Quintus Mucius das depositum als bonae fidei iudicium bekannt. Durch Servius kam es zu einer Neubegründung der Rechtswissenschaft, indem das Recht auf das Edikt des Prätors mit den in diesem enthaltenen Rechtsschutzverheißungen und auf die in factum konzipierten Formeln gestützt wurde. Servius habe dadurch dem Recht schärfere Konturen verleihen wollen. Die in ius konzipierten Formeln der bonae fidei iudicia seien erst später wieder in das prätorische Edikt aufgenommen worden, nachdem die Sabinianer in ihrem Diskurs wieder für die Berücksichtigung der bona fides des Quintus Mucius gestritten hätten339. Im Rahmen dieser Arbeit kann eine Auseinandersetzung mit den Thesen Behrends’ nicht geleistet werden. Selbstverständlich sind die jeweiligen Argumente bei den einzelnen Stellen zu bedenken340. Gandolfi, Il deposito 81. Gandolfi, Il deposito 75, 77, 81; dies erörtert Gandolfi z. B. an D. 16,3,34 (89). 335 Gandoli, Il deposito 95, 97 f. 336 Behrends, Rez. Watson, Law Making 303, SZ 92 (1975); Ders. Regelungsstruktur 54 ff. Behrends entnimmt dies Ulp. 28 ed D. 13,6,5,2 – 3. Das Modell Behrends’ zu den beiden Formeln der actio commodati hat vor kurzem Berndt, Commodatum, dargestellt und zu beweisen unternommen. 337 Vgl. auch Wieckacker, Rechtsgeschichte 457 mit Fn. 63 u. 66. 338 Vgl. nur die Zusammenfassung in Behrends, Regelungsstruktur 55 f. 339 Eine Zusammenfassung jetzt bei Avenarius, Der pseudo-ulpianische liber singularis regularum 87 ff. 340 In dieser Arbeit haben sich keine Hinweise auf das Modell Behrends’ ergeben. Wenn aber etwa diese Arbeit im Hinblick auf Labeo 2 pith D. 16,3,34 zu dem Ergebnis kommt, Labeo habe die formula in ius concepta der actio depositi gekannt, dann könnte man das vor dem Hintergrund des Modells Behrends’ als Beleg dafür nehmen, Labeo habe für die Wieder333 334
80
1. Kap.: Grundlagen
V. Modelle des römischen Zivilprozesses 1. Einleitung In jüngster Zeit hat man dem römischen Zivilprozess wieder mehr Aufmerksamkeit gewidmet; so wurden einzelne Institute näher erforscht341 oder der Ablauf des Prozesses an sich untersucht342. Zunehmend ist man geneigt, der Prozessformel eine höhere Bedeutung für das Verhalten der Parteien343 und als Spiegel des materiellen Rechts344 zuzuschreiben.
2. Verwirklichung des Rechtsschutzes durch Formelauswahl und -gestaltung a) Modelle aa) Ein Modell zum depositum Jüngst hat Bürge345 für das depositum ein Modell entwickelt, in dem der Hinterleger je nach Klageziel eine bestimmte Formel wählen musste.
aufnahme der alten bonae fidei iudicia in das Edikt gestritten (vgl. Behrends, Regelungsstruktur 56). Dass Quintus Mucius eine der beiden Formeln kannte (und nicht etwa nur die Klage der Zwölftafeln, vgl. PS 2 Coll. 10,7,11), ist unsicher. Überliefert ist uns, dass er die Diebstahlshaftung des Verwahrers erörterte (Pomp. 38 ad Q.Mucium D. 13,1,16; D. 47,2,77pr.; Gell. 6,15,2). Die Stelle Pomp. 6 ad Q.Mucium D. 46,3,81,1 gestattet keinen sicheren Schluss, die Erörterung gehe auf Quintus Mucius zurück, auch wenn dort der Einleitungssatz im AcI steht. Jedenfalls ließe sich ein Bezug auf eine der beiden Formeln nicht feststellen. Unsicher ist, inwieweit die Erörterungen zum berühmten Saufeiusfall in Alf. 5 dig a Paulo epit D. 19,2,31 auf Servius zurückgehen (zur Frage siehe Roth, Alfeni Digesta 23 ff.). Die Erörterung der von Paulus als veteres bezeichneten Juristen in Paulus 54 ed D. 41,2,3,18 zu Besitzfragen lassen keinen Schluss darauf zu, wie das depositum schuldrechtlich aufgefasst wurde. In Jav. 2 ex posterioribus Labeonis D. 34,2,39,1 erörtert Ofilius, ob ein Legat von „argentum, quod domo mea erit cum moriar“ auch das vom Erblasser hinterlegte Silber umfasst. Die schuldrechtliche Auffassung des depositum ist nicht erkennbar. Ofilius in Pomp. 26 ad Sab handelte von der fiducia (Noordraven, Fiduzia 59 f.). Die frühesten Belege für einen schuldrechtlichen Kontext finden sich in Alfenus in 2 dig a Paulo epit D. 46,3,35; und auch Trebaz muss eine actio depositi gekannt haben, denn er äußert sich in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,41 zur Frage, wie die hinterlegte Sache in der Formel zu bezeichnen sei. 341 Spengler, Hans-Dieter, Studien zur interrogatio in iure, München 1994; Grzimek, Philipp, Studien zur Taxatio, München 2001. 342 Bürge, Alfons, Zum Edikt de edendo, SZ 112, 1995, 1 – 50. 343 Bürge, Alfons, Römisches Privatrecht; Gamauf, Beweislast. 344 Nörr, Interdependenz 99 – 116; ders., Causa mortis 146 ff. 345 Bürge, Röm. Privatrecht 6 – 12.
§ 5 Überblick über die Erklärungsversuche
81
Aus dem Wortlaut346 der formula in factum concepta, der auf die Verwahrung und die Nichtrückgabe abstelle347, ergebe sich, dass der Richter zu prüfen hatte, ob ein Verwahrungsverhältnis vorlag und ob die verwahrte Sache aus Arglist des Verwahrers nicht dem Hinterleger zurückgegeben wurde348. Damit konnte zum Prozessthema etwa die fehlende Rückgabe werden, so dass der Hinterleger, wollte er wegen der Nichtrückgabe der Sache klagen, mit der in factum konzipierten Formel vorgehen müsse349. Ferner sei ein mögliches Prozessthema gewesen, ob zwischen den Parteien ein Verwahrungsverhältnis vorlag. So sei diese Klage auch anzustellen gewesen, wenn die Parteien um die Aktivlegitimation stritten, wenn etwa der Verwahrer bestritt, dass der Kläger Erbe des Hinterlegers wäre350. Da der Judex zu prüfen hatte, ob die Nichtrückgabe aus Arglist des Beklagten unterblieben sei, habe bei der in factum konzipierten Formel auch die Frage zum Prozessthema werden können, ob die Rückgabepflicht von einer Bedingung abhängig oder dem Beklagten unmöglich gewesen sei351. Damit würde nämlich die Arglist des Beklagten fehlen. Hingegen sei bei der in ius konzipierten Klage die Auswahl möglicher Prozessthemen insoweit begrenzt gewesen, als mit dieser Formel nicht darum gestritten werden konnte, ob ein Verwahrungsverhältnis vorlag352. Als mögliches Argument für einen solchen Ausschluss möglicher Prozessthemen führt Bürge den Formelwortlaut an: Quod Aulus Agerius apud Numerium Negidium mensam argenteam deposuit. Denn sprachliche Gründe würden die Annahme nahelegen, dass der Beklagte bei der (Mit-)Auswahl einer solchen Formel die in ihr formulierte Behauptung nicht bestreite353. Ferner habe bei der in ius konzipierten Formel die Frage nicht zum Prozessthema werden können, ob die Nichtrückgabe der Sache erfolgt sei354. Hauptargument hier-
346 Vgl. G. 4,47: Si paret Aulum Agerium apud Numerium Negidium mensam argenteam deposuisse eamque dolo malo Numerii Negidii Aulo Agerio redditam non esse … . 347 Bürge, a. a. O. 7. 348 Bürge, a. a. O. 8. 349 Bürge, a. a. O. 7. 350 Bürge, a. a. O. 8, mit Hinweis auf Paulus 31 ed D. 16,3,13pr. 351 Bürge, a. a. O. 8, mit Hinweis auf Ulp. 30 ed D. 16,3,1,22. 352 Vgl. Bürge, a. a. O. 11 Fn. 23. Damit wäre es in diesem Modell auch ausgeschlossen, mit dieser Formel etwa einen Streit darum zu führen, ob der Kläger vom Beklagten die Rückgabe der Sache verlangen konnte, weil der Kläger Erbe des Hinterlegers oder etwa Eigentümer des hinterlegenden Sklaven sei. 353 Vgl. Bürge, a. a. O. 11 Fn. 23. Dieses Argument zielt auf die mit quod eingeleitete indikativische demonstratio (siehe zu diesem Problem die Andeutungen oben in § 2 V 2). Bürge lässt die Frage letztlich offen, scheint dem sprachlichen Argument aber einiges abzugewinnen.
82
1. Kap.: Grundlagen
für ist der Zusammenhang zwischen den beiden Formeln355. Mit der in ius konzipierten Formel könne der Kläger die Rückgabe nicht fordern, weil dafür die andere, die in factum konzipierte, zur Verfügung stehe356. Dieses Argument zielt auf die Behauptung, die beiden Klagen seien funktionell voneinander verschieden gewesen357. Damit stammt Bürges Hauptargument weniger aus dem Recht des depositum, als aus einer bestimmten Vorstellung vom römischen Zivilprozess und aus einer Vorstellung, wie die römischen Juristen durch Auswahl von Formeln und durch Arbeit mit Formeln den Prozessstoff gegliedert und das Streitige herausgearbeitet hätten358. Klagte der Kläger also mit der in ius konzipierten Formel auf Rückgabe der Sache, habe er den Prozess verloren, weil er die falsche Formel gewählt hatte, und er habe wegen des Satzes bis de eadem re agere non licet nicht noch einmal klagen können359. Bürge begründet so den Bedarf an Fachjuristen, die die Parteien schon im Vorfeld des Prozesses beraten mussten. Die in ius konzipierte Formel habe vom Kläger hingegen eingesetzt werden können, wenn er wegen der Beschädigung der ihm bereits zurückgegebenen Sache klagen wollte360. Denn ein solches Prozessthema habe von der in factum konzipierten Formel nicht erfasst werden können, denn insoweit hätte es an der Verurteilungsbedingung des redditam non esse gefehlt361. Auf den ersten Blick überrascht dabei die Ansicht, die Auswahl möglicher Prozessthemen sei bei der in ius konzipierten Klage derart beschränkt gewesen, denn es ließe sich einwenden, die intentio quidquid ob eam rem dare facere oportet ex fide bona habe sämtliche zwischen den Parteien bestehende Pflichten aufnehmen können, so z. B. die Pflicht des Verwahrers zur Rückgabe362. 354 Damit konnte mit der in ius konzipierten Formel nicht wegen der Nichtrückgabe der Sache geklagt werden, Bürge, a. a. O. 10. 355 Bürge, a. a. O. 11. 356 Bürge, a. a. O. 11 f. 357 Vgl. Klingenberg, Rez. Bürge, Röm. Privatrecht, S. 431, SZ 118. 358 Ähnlich will Gandolfi, Il deposito 117, die Unentgeltlichkeit des depositum aus der Formel der actio depositi ableiten, weil für den Tatbestand der entgeltlichen Verwahrung eine andere Formel, nämlich die aus der locatioconductio, zur Verfügung stand. 359 Bürge, a. a. O. 12. Dabei ist für die vorliegende Frage unwichtig, ob der Ausschluss einer erneuten Klage durch Konsumption oder durch eine exceptio erzielt wurde. 360 Bürge, a. a. O. 10 f. Ein anderes mögliches Prozessthema kann in der Forderung von Zinsen liegen. 361 Bürge, a. a. O. 10. In Fortführung des Modells musste sich hier der Beklagte rechtzeitig seine Verteidigung überlegen. Wollte er schon die Tatsache der Hinterlegung bestreiten, musste er vor dem Prätor auf die Erteilung der formula in factum concepta dringen, wollte er bestreiten, dass die Sache beschädigt worden war, musste er die formula in ius concepta erbitten. Er konnte sich aber nicht damit verteidigen, dass er erstens die Sache nie in Verwahrung genommen habe und sie zweitens unbeschädigt zurückgegeben habe. In ähnlichem Zusammenhang meint Bürge, a.a.O 11 Fn. 23, in Rom habe es keine Eventualmaxime gegeben.
§ 5 Überblick über die Erklärungsversuche
83
bb) Ein Modell zur negotiorum gestio Auch für die negotiorum gestio gab es zwei Klagen363, nämlich eine formula in factum concepta364 und eine in ius concepta365. Nach wohl herrschender Meinung war die formula in factum concepta die ältere366 und unterschieden sich die beiden Formeln hinsichtlich ihres Ursprungs und ihres Tatbestandes. Die formula in factum concepta hatte ihren Ursprung vor allem in der Vertretung eines Abwesenden vor Gericht367. Ihr Tatbestand war darauf beschränkt, dass der Geschäftsherr abwesend war368 bzw. der Geschäftsführer sponte369 gehandelt habe370. 362 Allerdings darf nicht einfach unterstellt werden, die aus der bona fides im bonae fidei iudicium entspringenden Pflichten seien mit denen identisch, die wir heute erwarten. Die Anschauungen, welche Pflichten den Parteien oblagen, waren vielmehr zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich (zur Interpretation des oportere ex fide bona der actio empti hinsichtlich der Sachmängelhaftung des Verkäufers vgl. Kaser, RP I, § 131 II 2, S. 538; Kunkel / Honsell, § 116 II, S. 318 f.). Als Unterschied zum depositum lässt sich beim Kauf zwar sagen, dass die Sachmängelhaftung eine Sekundärpflicht ist, wie dies gewissermaßen auch im bis zum Jahr 2001 geltenden BGB der Fall war, so dass die Sachmängelhaftung des Verkäufers nicht von vornherein der bona fides bei der emptiovenditio entspringen musste. Beim depositum wäre aber eher zu erwarten, dass die Verpflichtung des Verwahrers zur Rückgabe der Sache gerade die prägende Pflicht des Verwahrungsverhältnisses ist, die stets ein Ergebnis der Auslegung der bona fides sein müsste, so wie man auch bei der actio empti die Übergabe der Kaufsache an den Käufer als eine Pflicht ansehen wird, die stets von dieser Klage erfaßt wurde. Geht man davon aus, dass bei der Interpretation der bona fides auch berücksichtigt wurde, welche Pflichten die Parteien sonst hatten (zum Einfluss der ädilizischen Haftung des Verkäufers auf die Interpretation der actio empti vgl. Kaser, RP I, § 131 II 2, S. 538), dann wäre zu erwarten, dass die aus der formula in factum concepta entspringenden Pflichten, etwa die zur Rückgabe der Sache, auch Auswirkungen auf die Bestimmung der aus der bona fides entspringenden Pflichten gehabt hätte. – Dieser Einwand gegen die These Bürges ist letztlich der Ansatz Rotondis, nach dem die Auffassung des depositum als ein der bona fides unterliegendes Verhältnis das Ergebnis der juristischen Interpretation des durch das prätorische Edikt und die formula in factum concepta geprägten Verhältnisses ist (siehe § 5 II). 363 Vgl. Lenel, EP3 101 ff.; Seiler, Tatbestand 316 ff.; zuletzt eingehend Finazzi, Negotiorum gestio I 421 ff. 364 Mit zwei Formeln für Geschäftsführer und Geschäftsherrn, Lenel, EP3 102 f. 365 Die demonstratio lautete quod Numerius Negidius (Aulus Agerius) negotia Auli Agerii (Numerii Negidii) gessit, während intentio und condemnatio die für ein bonae fidei iudicium üblichen waren, vgl. Lenel, EP3 105. Daneben gab es eine weitere Formel für den Fall, dass die Geschäfte eines Verstorbenen geführt worden waren, vgl. Lenel a. a. O. 366 Seiler, Tatbestand 320, 322; Finazzi, Negotiorum gestio I 428 f. 367 Seiler, Tatbestand 320; Finazzi, Negotiorum gestio I 421. Argumente sind die Stellung des Edikts im Ediktssystem und die laudatio edicti in Ulp. 10 ed D. 3,5,1. Umstritten ist dabei, ob das Edikt ursprünglich zunächst nur eine Klage des Geschäftsführers, der die Verteidigung eines Abwesenden vor Gericht übernommen hatte, auf Aufwendungsersatz verheißen hatte (dafür etwa Finazzi, Negotiorum gestio I 424). 368 So Lenel, EP3 203; Seiler, Tatbestand 320. Das sei auch im Wortlaut des Edikts ausgedrückt gewesen, wo es absentis statt alterius geheißen habe, vgl. Ulp. 10 ed D. 3,5,3pr. Ait praetor: ‚Si quis negotia [alterius] , sive quis negotia, quae cuiusque cum is moritur fuerint, gesserit: iudicium eo nomine dabo.
84
1. Kap.: Grundlagen
Die formula in ius concepta hatte ihren Ursprung in der zivilrechtlichen procuratio omnium bonorum371. Der Unterschied zwischen beiden Formeln liegt also darin, dass der Geschäftsführer bei der formula in factum concepta ohne Auftrag handelte (sponte oder bei Abwesenheit des Geschäftsherrn), während bei der formula in ius concepta der Geschäftsführer einen Auftrag hatte372, etwa weil er als procurator omnium bonorum durch den Geschäftsherrn eingesetzt war373 oder als curator durch Gesetz oder einen Beamten berufen war374. Eine Einschränkung des Tatbestands enthielt die formula in ius concepta aber in ihrem Wortlaut nicht375, so dass sie (alsbald oder von Anfang an) auch die Fälle erfassen konnte, die von der formula in factum concepta geregelt wurden376. Hauptproblem der herrschenden Meinung ist, wieso sich neben der jüngeren zivilen Formel mit ihrem weiten Tatbestand die ältere honorarrechtliche Formel mit ihrem engen Tatbestand hielt377. Nach Finazzi378 war ein Grund für das Beibehalten des prätorischen Instituts, zu verhindern, dass derjenige, der freiwillig die Vertretung eines Abwesenden übernahm, auch gezwungen sein sollte, von sich selbst die Forderungen einzuziehen. Denn dieses sei unvermeidliche Folge der zivilrechtlichen negotiorum gestio gewesen379. Gegensatz: necessitas vel necessitatis suspicio, vgl. Ulp. 10 ed D. 3,5,3,10. Finazzi, Negotiorum gestio I 423, mit Berufung auf Ulp. 10 ed D. 3,5,3,10 und 3,5,3,5 sowie auf ein griechisches Scholion zu letzterer Stelle. Die Voraussetzung des sponte sei auch im Wortlaut der Formel zum Ausdruck gekommen. 371 Seiler, Tatbestand 321; Finazzi, Negotiorum gestio I 426. 372 Die negotiorum gestio des römischen Rechts ist daher nicht einfach mit der Geschäftsführung ohne Auftrag des geltenden deutschen Zivilrechts gleichzusetzen. 373 Vgl. Kaser, RP I § 137 II 1, S. 587. Da als procurator omnium bonorum zumeist ein Freigelassener eingesetzt wurde, unterstellte man diesen in der Anfangszeit nicht dem Mandatsrecht, vgl. Kaser a. a. O. 374 Vgl. Kaser, RP I § 137 II 1, S. 587. 375 Dieser lautete nur negotia alterius gerere, vgl. Seiler, Tatbestand 323; Finazzi, Negotiorum gestio I 426. 376 Finazzi, Negotiorum gestio I 426. 377 Seiler, Tatbestand 321 – 323; Finazzi, Negotiorum gestio I 429 ff. Einen Beleg für die anhaltende Bedeutung der formula in factum concepta entnimmt man der Tatsache, dass noch Ulpian das die Formel verheißende Edikt und die Formel selbst kommentierte (Finazzi, Negotiorum gestio I 423, 425, 430). Ulpian kommentiert in D. 3,5,3,1 – 7 das Edikt, in D. 3,5,3,9 die formula in factum concepta und ab D. 3,5,3,10 die formula in ius concepta (vgl. Lenel, EP3 102; Finazzi, Negotiorum gestio I 421). 378 Finazzi, Negotiorum gestio I 430 f. Weitere Gründe seien der Traditionalismus der römischen Juristen und die Tatsache gewesen, dass im zivilen Institut es vor allem um den Schutz des Geschäftsherrn, im prätorischen Institut vor allem um den Schutz des Geschäftsführers gegangen sei (Finazzi a. a. O. 430). 379 Vgl. Ulp. 10 ed D. 3,5,5,14: Videamus in persona eius, qui negotia administrat, si quaedam gessit quaedam non, contemplatione tamen eius alius ad haec non accessit, et si vir diligens (quod ab eo exigimus) etiam ea gesturus fuit: an dici debeat negotiorum gestorum eum teneri et propter ea quae non gessit? quod puto verius. certe si quid a se exigere debuit, procul 369 370
§ 5 Überblick über die Erklärungsversuche
85
In einem entsprechenden Modell hätte dann ein solcher Geschäftsführer die Einlassung auf eine Klage mit der formula in ius concepta verweigern können, wenn er bereit war, sich auf die Klage mit der formula in factum concepta einzulassen. cc) Ein Modell zur Formelwahl und Formelgestaltung bei der lex Aquilia Nörr380 hat für die Haftung wegen Sachbeschädigung nach der lex Aquilia ein Modell einer Interdependenz von Prozessrecht und materiellem Recht381 vorgeschlagen, in dem die Frage, ob die actio legis Aquiliae in duplum, die actio confessoria in simplum oder die an die lex Aquilia angelehnte actio in factum die richtige Klage ist, davon abhängt, was Streitgegenstand ist. Nach diesem Modell war die actio legis Aquiliae directa auf das duplum zuständig, wenn Streitgegenstand die Frage war, ob der Beklagte die vorgeworfene Handlung oder das vorgeworfene Unterlassen begangen hatte. Ging es um die Kausalität zwischen Handlung und Tod des Sklaven, wurde darum mit der actio confessoria in factum auf das simplum gestritten. Ging der Streit um die iniura (Rechtswidrigkeit und Verschulden), so war bei unmittelbarer Tötung die actio legis Aquilia confessoria einschlägig, bei mittelbarer Verursachung oder Unterlassung die actio confessoria in factum. Auch dieses Modell bedeutet, dass für den Beklagten eine Eventualverteidigung ausgeschlossen ist: Der Beklagte kann nicht sagen, ich habe die Handlung nicht begangen, im Übrigen wäre aber die Handlung auch nicht rechtswidrig gewesen.
b) Folgerungen Solche Modelle wie die von Bürge und Nörr haben Implikationen. Nach diesen Modellen einigen sich die Parteien darauf, worüber sie eigentlich streiten wollen. dubio hoc ei imputabitur. quamquam enim hoc ei imputari non possit, cur alios debitores non convenerit, quoniam conveniendi eos iudicio facultatem non habuit, qui nullam actionem intendere potuit: tamen a semet ipso cur non exegerit, ei imputabitur: et si forte non fuerit usurarium debitum, incipit esse usurarium, ut divus Pius Flavio Longino rescripsit: nisi forte, inquit, usuras ei remiserat: 380 Nörr, Interdependenz, RJ 6, 99 – 116; ders. Causa mortis, § 13, 146 ff. Im Folgenden soll nur das Modell skizziert werden, ohne dass eine Auseinandersetzung versucht wird. Es werden nicht einmal die Argumente Nörrs genannt werden. Schlagwortartig wären das etwa Rechtsschutzlücke zwischen Verabschiedung der lex Aquilia und Schaffung der actio in factum, lex Aquilia im Legisaktionenverfahren, Übergang vom Legisaktionenverfahren zum Formularverfahren, keinen Quellenbeleg für eine actio in factum auf das duplum, Praktikabilität, Verringerung des Prozessrisikos für den Kläger. Zu Vorbehalten Nörrs, insbesondere zu den methodischen Fragen eines solchen Modells, siehe Nörr, Interdependenz, 114 ff. passim. 381 So der Titel des Aufsatzes in RJ 6, 99 – 116.
86
1. Kap.: Grundlagen
Sie tun dies, weil sie vernünftige Leute sind und der Prätor sie gegebenenfalls zur Einigung zwingt: den Kläger, indem er ihm die denegatio actionis androht, den Beklagten, indem er dem Beklagten die Gewährung einer für ihn nachteiligen Klage in Ausssicht stellt und bei Einlassungsverweigerung die missio in bona androht. Die Festlegung des Prozessprogramms wird durch prozessrechtliche Institute erleichtert: die interrogatio etwa kann den Beklagten zu einer Antwort zwingen, an die er gebunden ist; die taxatio kann eine Obergrenze für die Verurteilung festlegen. Durch die Wahl der richtigen Formel oder durch Formelgestaltung kann das Prozessthema festgelegt werden.
VI. Ansatz dieser Arbeit Kehren wir zu der Frage nach dem Nebeneinander zweier Formeln der actio depositi zurück, so bleibt festzuhalten: Weithin akzeptiert wurden Unterschiede zwischen den beiden Formeln382 hinsichtlich der Aktivlegitimation des filiusfamilias383, der Konsumption384, der Folgen einer plurispetitio385, der Befristung der Klage386. Andere Unterschiede sind eher fraglich, etwa hinsichtlich der Noxalität387 und der Passivlegitimation des Erben des Verwahrers388. Solche angenommenen Unterschiede zwischen den Formeln verleiten auch dazu, bei Schwierigkeiten in der Interpretation der Rechtsquellen und in der Auflösung von Widersprüchen die Lösung darin zu suchen, sich Widerstreitendes unterschiedlichen Formeln zuzuweisen389.
Vgl. Gandolfi, Il deposito 93. Vgl. oben § 3 I 2. 384 Bei der formula in ius concepta sei die Möglichkeit einer erneuten Klage ipso iure entfallen, während bei der formula in factum concepta der Verwahrer zum Schutz vor einer erneuten Klage auf die exceptio rei iudicatae angewiesen war (G. 4,107; FA. 111 – 112). Dies galt aber nur im legitimum iudicium, wenn also das Verfahren in Rom unter römischen Bürgern vor einem Einzelrichter stattfand (G. 4,104). 385 Dazu G. 4,58 und G. 4,60. Vgl. § 5 II. 386 Die Klage mit der formula in factum concepta aus dem Edikt des Prätors sei einjährig befristet gewesen (so z. B. Karlowa, Röm. Rechtsgeschichte II 1, 1313, aus Ulp. 30 ed D. 16,3,1,1 und Neraz 2 membr D. 16,3,18). 387 Siehe dazu § 14 II. 388 Siehe dazu § 10. 389 Zum tatsächlichen oder vermeintlichen Widerspruch zwischen Ulp. 30 ed D. 16,3,1,18 und Paulus 60 ed D. 16,3,21,1 siehe § 14 II, zu Pomp. 22 Sab D. 16,3,12,3 und Gaius 9 edpr D. 16,3,14,1 siehe den kurzen Hinweis unten. 382 383
§ 5 Überblick über die Erklärungsversuche
87
1. Kriterien für die Zuordnung einer Stelle zu einer Formel Eine Untersuchung, die das Verhältnis der beiden Formeln der actio depositi aufklären will, würde gewinnen, könnte man die das depositum betreffenden Rechtstexte einer der beiden Formeln zuweisen. Für eine solche Zuordnung gibt es formale und inhaltliche Kriterien. Zu den formalen Kriterien gehören systematische Erwägungen, wenn der Text seiner Stellung nach sich auf eine bestimmte Formel bezieht. Von Bedeutung kann insofern sein die Stellung innerhalb des juristischen Werkes selbst, vor allem innerhalb des Ediktskommentars Ulpians390, als auch die Stellung in den Digesten391. Auch textliche Erwägungen gestatten eine Zuweisung, wenn eine bestimmte Formulierung auf den Wortlaut einer Formel hinzudeuten scheint392. Nach inhaltlichen Kriterien erfolgt die Zuordnung eines Textes zu einer Formel, wenn eine bestimmte Rechtsfrage oder ein bestimmter Sachverhalt sich nur bei einer Formel gestellt haben kann393 oder ein bestimmtes Begehren nur mit einer Formel verfolgt werden konnte. Dabei werden vor allem Begrenzungen gesucht, die der formula in factum concepta wegen ihres Wortlauts anhafteten oder wegen ihres Charakters als strenger oder deliktischer Klage. Zu den inhaltlichen Kriterien zählt auch die Zuweisung wegen des Urhebers eines Fragments, wenn der betreffende Jurist nur eine Formel gekannt haben kann394. Es ist zu vermuten, dass die jeweiligen Kriterien bei den einzelnen Stellen mal mehr, mal weniger aufschlussreich und ausschlaggebend sein werden. Im Idealfall werden mehrere Kriterien in eine Richtung weisen und sich so gegenseitig bestärken395.
390 Geht man davon aus, dass Ulpian seinen Ediktskommentar systematisch aufbaut und kann man diese Systematik erkennen, lässt sich womöglich schon allein aus der Stellung im Kommentar schließen, welche Formel in Rede steht. So geht Lenel davon aus, dass Ulpian in D. 16,3,1,8 – 19 die formula in factum concepta erörtert. Zu diesem Problem siehe § 6. 391 Zum Aufbau des Digestentitels siehe etwa Gandolfi (Il deposito 97), nach dem ab dem Fragment D. 16,3,24 vor allem die formula in ius concepta behandelt werde. Siehe zu dieser Frage § 7 und vor allem § 9. 392 Das ist etwa anerkannt für Ulp. 30 ed D. 16,3,1,16, wo der Text augenscheinlich auf den Wortlaut der formula in factum concepta anspielt. Fraglich ist dann etwa, ob das gleiche Argument auch für Ulp. 30 ed D. 16,3,1,33 gilt. In Ulp. 30 ed D. 16,3,1,47 dürfte der Anklang an den Wortlaut der formula in factum concepta nur ein scheinbarer sein, die Stelle sich vielmehr auf die formula in ius concepta beziehen, siehe dazu § 16 III. 393 So soll die Erörterung, ob der Verwahrer einer Geldsumme aufgrund einer Vereinbarung Zinsen schuldet, auf die actio depositi in ius concepta hindeuten. 394 Dieses Argument dürfte am fragwürdigsten sein. Zum einen führt uns Gaius in G. 4,47 beide Formeln als geltendes Recht vor. Sobald beide Formeln nebeneinander bestanden, dürfte die Annahme falsch sein, ein Jurist habe die ältere Formel nicht mehr behandelt. Zum anderen ist hier die Gefahr eines Zirkelschlusses besonders groß.
88
1. Kap.: Grundlagen
2. Das Vorverständnis dieser Arbeit Bei der Zuordnung einer Stelle zu einer der beiden Formeln der actio depositi ist auf zwei Gefahren zu achten. Es liegt für uns nahe, beim bonae fidei iudicium einen weiten Ermessensspielraum des Judex anzunehmen sowohl für die Frage, ob die Verurteilungsvoraussetzungen vorliegen, als auch für die Frage, welchen Inhalt eine etwaige Verurteilung haben soll. Andererseits neigen wir dazu, für die actio in factum concepta einen engen Beurteilungsspielraum anzunehmen. Das bringt die Gefahr mit sich, dass man bei Schwierigkeiten und Unsicherheiten, ob eine bestimmte Fallkonstellation mit der actio depositi in factum concepta zu bewältigen war, vorschnell auf die actio in ius concepta ausweicht. Dies ist aber unzulässig. Es geht um die Maßstäbe der römischen Juristen, nämlich um die Frage, welchen Anwendungsbereich diese der actio in factum zuwiesen. Das zeigt eindrücklich die Fiktion res deterior reddita non est reddita in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,16, die die actio in factum concepta auch für den Fall der Sachbeschädigung anwendbar machte. Die Fiktion mag uns gewaltsam erscheinen, aber sie ist hinzunehmen. Die zweite Gefahr liegt in der Gefahr eines Zirkelschlusses. Wenn man den beiden Formeln bestimmte Grundunterschiede zuweist, dann sollte man nur dann wegen eines solchen a priori angenommenen Unterschiedes eine Stelle einer Formel zuzuweisen, wenn damit ein Erkenntnisgewinn erzielt wird. Fraglich ist es etwa, bei der actio in ius concepta einen flexibleren Verurteilungsmaßstab zu behaupten396 und dann Stellen, in denen die Verurteilung des Verwahrers auf einen anderen Betrag als den Sachwert lautet, dieser Formel zuzuweisen.
395 Ein Musterbeispiel ist Ulp. 30 ed D. 16,3,1,16. Auf die formula in factum concepta verweist in formeller Hinsicht das augenscheinliche Zitat des Formelwortlauts und die Stellung in Ulpians Ediktskommentar. Inhaltlich wird darauf verwiesen, dass die Fiktion res deterior reddita non est reddita bei der formula in ius concepta überflüssig gewesen wäre. 396 Das ist schon grundsätzlich fraglich, weil der Verurteilungsmaßstab der actio in factum concepta mit dem quanti ea res erit auch schon flexibel ist, vgl. Kaser, RP I § 117 I 2a, S. 499 m.Fn. 8. Kaser sagt, die Tendenz, den Schaden zu berechnen, den der konkrete Berechtigte erlitten hat, gebe es bei den Klagen, „bei denen es an der Beziehung auf eine bestimmte körperliche Sache fehlt“. Das gilt nach Kaser aber wohl nicht für die actio depositi (vgl. Kaser, RP I § 115 III 3 mit 5, S. 493). Immerhin lautet die condemnatio, die Gaius in G. 4,47 überliefert, ja nicht auf quanti ea mensa erit, sondern auf quanti ea res erit. Demzufolge muss mit res nicht einfach die mensa gemeint sein. Berühmt ist die Entscheidung in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,16: Si res deposita deterior reddatur, quasi non reddita agi depositi potest: cum enim deterior redditur, potest dici dolo malo redditam non esse. Alle Thesen, nach denen bei der actio in factum concepta nur eine Verurteilung auf den Sachwert möglich gewesen sei, müssten zunächst zu dieser Stelle darlegen, wie die Verurteilungssumme zu bemessen sei. Schon deshalb kann Gandolfis Annahme, die actio in ius concepta habe einen flexibleren Verurteilungsmaßstab gehabt, nicht überzeugen, weil er sich mit D. 16,3,1,16 nicht auseinandersetzt.
§ 5 Überblick über die Erklärungsversuche
89
Man kann zwar etwa so D. 16,3,34 der actio in ius concepta zuweisen, hat dadurch aber nichts gewonnen. Die Gefahr zu Zirkelschlüssen besteht auch bei funktionalen Modellen397. Ausgehend von der Annahme, die actio depositi in factum concepta habe der Rückforderung der Sache gedient, die actio depositi in ius concepta der Verfolgung von Vertragsverletzungen, kann man jede Stelle, in der es um die Nichtrückgabe der hinterlegten Sache ging, der formula in factum concepta zuweisen. Man wird sagen können, dass sich ein solches Modell durchhalten lässt, auch wenn sich fragen lässt, ob dadurch ein Erkenntnisgewinn erzielt wird. Aber ein solches Modell weist die Schwäche auf, dass es nicht plausibel machen kann, wieso für die Rückforderung der Sache nicht auch die formula in ius concepta verwendet werden konnte; denn was entspricht mehr der bona fides, als die Sache zurückzugeben398? Zum anderen ist uns bezeugt, dass man die formula in factum concepta auch nach Rückgabe der Sache bei einer Beschädigung der Sache einsetzen konnte399. Um diesen Gefahren zu begegnen, wird in dieser Arbeit mit folgendem Vorverständnis an die Quellen herangegangen werden: (1) Der Verurteilungsmaßstab bei der actio in factum concepta war in klassischer Zeit genau so flexibel wie bei der actio in ius concepta: das res in quanti ea res erit meint den Streitgegenstand400. Gegenteiliges müsste aus den Quellen dargelegt werden. (2) Angesichts der Fiktion res deterior reddita non est reddita401 lässt sich nicht ohne weiteres sagen, die Verurteilungsvoraussetzungen seien bei der actio in factum concepta enger gewesen als bei der actio in ius concepta402. (3) Eine funktionale Verschiedenheit müsste aus den Quellen gewonnen werden, kann aber nicht als Modell vorausgesetzt werden, weil D. 16,3,1,16 zeigt, dass die actio in factum concepta auch bei Sachbeschädigungen einsetzbar war und weil, soweit nicht Quellen anderes belegen, davon ausgegangen werden muss, dass die actio depositi in ius concepta auch zur Rückforderung der Sache einsetzbar war.
3. Die Gliederung der Arbeit In dieser Arbeit soll aber die Frage nach den beiden Formeln nicht im Vordergrund stehen. Ziel ist es, die Funktionen der actio depositi im klassischen römischen
Siehe etwa Kranjc, In ius und in factum konzipierte Klageformeln. Vgl. Ulp. 41 Sab D. 16,3,11: … nec enim convenit bonae fidei abnegare id quod quis accepit, sed debebit reddere ei a quo accepit … 399 Vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,16. Dazu schon Klingenberg, Rez. Bürge 431, SZ 118. 400 Dafür ausdrücklich, Evans-Jones, The measure of damages. 401 Eine weitere vergleichbare Fiktion lautet res de suo reddita non est reddita, vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,33. Dazu siehe nur § 18 VI. 402 Beispiele dafür aber z. B. in D. 16,3,34, siehe § 18 VI. 397 398
90
1. Kap.: Grundlagen
Recht zu bestimmen. Welche Formel dabei in Rede steht, wird aber immer gefragt werden. In einem ersten Kapitel, nach dieser Einführung dem 2. Kapitel, wird untersucht werden, inwieweit die eben (§ 5 VI 1) dargelegten formellen Kriterien tauglich sind, ein Fragment einer der beiden Formeln zuzuweisen. Dabei geht es in § 6 um die Systematik des Ediktskommentars Ulpians, in § 7 um die Systematik des Digestentitels 16,3. In § 8 wird untersucht, wie die römischen Juristen die Verletzungshandlungen des Verwahrers bezeichnen und ob sich daraus Schlüsse ziehen lassen, von welcher Formel die Rede ist. Zum Schluss widmet sich der § 9 in einem Exkurs der Frage, warum der Schwerpunkt der Darstellung des depositum in den Ediktskommentaren liegt, nicht in den Sabinuskommentaren. Das 3. Kapitel behandelt dann grundlegende materielle Fragen des depositum, bevor im 4. Kapitel nach den Funktionen der actio depositi gefragt wird.
2. Kapitel
Formelle Kriterien der Zuordnung eines Fragments zu einer Formel In § 5 VI 1 waren Kriterien genannt worden, nach denen sich eine Quelle einer der beiden Formeln der actio depositi zuordnen lassen könnte. In diesem Kapitel sollen einige formale Kriterien auf ihre entsprechende Tauglichkeit geprüft werden, in § 6 bezüglich des Aufbaus des ulpianischen Ediktskommentars, in § 7 bezüglich des Aufbaus des Digestentitels und in § 9 bezüglich der Formulierung des haftungsbegründenden Verhaltens des Verwahrers.
§ 6 Die Systematik des Ediktskommentars Ulpians I. Der Aufbau des Ediktskommentars nach Lenel Lenel1 hat in seinem Edictum perpetuum den Aufbau des Ediktskommentars Ulpians wie folgt festgestellt: Nach der Wiedergabe des Ediktswortlauts erörtere Ulpian in D. 16,3,1,2 – 7 das Edikt, in §§ 8 – 19 jedenfalls die formula in factum concepta2. Ab § 27 bis lex 3 des Titels 16,3 folgten dann freie Erörterungen, die sich an keinen bestimmten Text mehr anlehnten3. 1 Lenel, EP3 288 f. Nach Lenel (P II Ulpian 885 ff, Sp. 612 f.) ist die Reihenfolge der Fragmente des Ediktskommentars unverändert, nur Ulp. 30 ed D. 50,16,186 sei zwischen D. 16,3,1pr. und § 1 einzuschieben. Nach anderen habe die ursprüngliche, von den Kompilatoren veränderte Reihenfolge gelautet: D. 16,3,1,1 – 4, D. 16,3,1pr., D. 50,16,186, D. 16,3,1,5, vgl. Gandolfi, Il deposito 108 m.Fn. 17. Aus dem Kommentar zum depositum wurden in andere Titel ferner versetzt D. 19,5,18; D. 12,3,3, D. 4,3,35 und D. 13,1,9 (siehe Lenel, P II, Sp. 612 ff.). 2 In D. 16,3,1,20 – 26 handele Ulpian dann vom officium iudicis, ohne dass sich ein Bezug zu einer bestimmten Formel feststellen ließe; doch hält Lenel es für möglich, dass Ulpian auch hier noch bei der formula in factum concepta ist (Lenel, EP3 289 Fn. 5). Dabei hat Lenel selbst geschwankt: In EP1 (von 1883, S. 231) ordnet er die §§ 20 – 26 der formula in factum concepta zu. Ulpian habe nur diese kommentiert; in den §§ 20 – 26 handele er vom officium iudicis in Bezug auf die formula in factum concepta, wie § 23 zeige, denn die formula in ius concepta habe keinen Anlass geboten, am bonae-fidei-Charakter zu zweifeln. In der Palingenesie von 1889 ordnet er die §§ 20 – 26 unter Vorbehalt der formula in ius concepta zu (P II, Ulpian 895, Sp. 614 f.). Nach der französischen Ausgabe des Edikts von 1903
92
2. Kap.: Zuordnung eines Fragments zu einer Formel
Nach Lenel ging damit die Erörterung der formula in factum concepta derjenigen der formula in ius concepta voran, zudem muss nach dieser Auffassung Lenels die Erörterung der formula in ius concepta entweder sehr kurz gewesen sein oder gar keinen eigentlichen Platz im Kommentar gehabt haben. Die Meinung Lenels hat im wesentlichen Zustimmung gefunden, Einzelheiten freilich, wie etwa die Frage nach dem Ende des Kommentars zur formula in factum concepta, bleiben umstritten4. Nach Lenel also erörtert Ulpian in den §§ 8 – 14 von D. 16,3,1 das Aum Aum apud N Num deposuisse der formula in factum concepta5, also unter anderem die Frage, wann der Vertragstypus des depositum vorliege, wann z. B. ein depositum und nicht etwa eine locatio conductio oder ein mandatum vorlag. Doch stellt sich diese Frage auch bei der formula in ius concepta und beim Edikt, denn auch in diesen Fällen kommt das Wort deponere vor, so dass sich nicht ausschließen lässt, dass Ulpian hier nicht eine bestimmte Formel kommentiert, sondern allgemein den Vertragstyp erläutert. um
Im § 15 erörtere Ulpian den Begriff des dolus malus6, in § 16 das redditam non esse, also die Frage, wann man von einer Nichtrückgabe sprechen könne7, in den §§ 17 – 19 die Frage, wer für die Klage aktiv- und passivlegitimiert sei8.
(L’édit perpétuel, 2. Band. S. 2) erörtere Ulpian die formula in factum concepta nicht als einzige, sondern nur als erste. In den §§ 20 – 26 handele er vom officium iudicis, ohne dass man erkennen könne, welche Formel als Grundlage diene. Zwar deute § 23 auf die formula in factum concepta hin, doch sei diese Stelle verdächtig. Das EP2 von 1907 folgt auf Seite 280 der französischen Ausgabe. Wie die französische Ausgabe auch EP3 (S. 289), allerdings unter dem Eindruck der Ausführungen Taubenschlags wieder vorsichtiger und eher zur formula in factum hinneigend, vgl. a. a. O. Fn. 5. 3 Lenel, EP3 289 m.Fn. 6. 4 Vgl. Taubenschlag, Geschichte 136 ff. Eine andere Frage ist, ob man aus der Tatsache, dass Ulpian die formula in factum concepta vor der formula in ius concepta erörtert, schon entnehmen kann, dass die erstere auch die ältere sei (so Rotondi, Le due formole, 31; dagegen Behrends, Regelungsstruktur 55: ein recht naives post hoc propter hoc). Nach Gandolfi hingegen muss die formula in ius concepta im Edikt vorangestanden haben, denn diese habe schließlich das depositum in den Ediktsabschnitt der Klagen ex fide bona gezogen (während zuvor die actio depositi mit der formula in factum concepta im Abschnitt de rebus creditis gestanden habe, Gandolfi, Il deposito 74) und muss daher diesen Ediktsabschnitt viel eher als die formula in factum concepta eröffnet haben (Gandolfi, Il deposito 84). Dieser Überlegung Gandolfis lässt sich aber die Wahrscheinlichkeit entgegenhalten, dass wiederum der Abschnitt des Edikts über das depositum mit der Rechtsschutzverheißung des Prätors begonnen hat, gefolgt von der Klage mit der Formel, auf die sich diese Rechtsschutzverheißung bezog, also gefolgt von der formula in factum concepta, worauf dann als drittes die formula in ius concepta gefolgt wäre. 5 Lenel, EP3 289 Fn. 1. 6 Lenel, EP3 289 Fn. 2. Ulpian erörtert im § 15 die Haftung des pupillus. Dabei stellt Ulpian in der Tat auf die Fähigkeit des pupillus zum dolus ab. 7 Lenel, EP3 289 Fn. 3.
§ 6 Die Systematik des Ediktskommentars Ulpians
93
II. Der Ediktskommentar Ulpians Verfolgt man den Kommentar Ulpians9, stellt sich die bereits angedeutete Problematik, dass sich bei den beiden Formeln und beim Edikt dasselbe Problem ergeben konnte, Ulpian also eine Frage an einer Stelle also etwa auch bezogen auf beide Formeln erörtern konnte. Sicheren Aufschluss würde daher nur eine Doppelung in Ulpians Kommentar geben, also die Tatsache, dass Ulpian die gleichen oder ähnlichen Fragen an unterschiedlichen Stellen erörtert10. Eine solche Doppelung findet sich hinsichtlich der Erörterung der Beteiligung von Sklaven11 und der Verbindungen zum Erbrecht12. Allerdings ist jeweils fraglich, ob beim zweiten Mal Ulpian die entsprechenden Fragen hinsichtlich der formula in ius concepta erörtert, oder Ulpian nur „in freien Erörterungen“ Probleme behandelt, die sich auch als Vertiefung der früheren Abschnitte deuten ließen. 1. Im Prinzipium gibt Ulpian eine Erklärung des Wortes depositum, im § 1 folgt das Ediktszitat. Im § 2 folgt eine laudatio edicti13, die zum Hauptgegenstand das Lob des Prätors hat, dass dieser die Notverwahrung von der einfachen Verwahrung geschieden habe. Im § 3 erörtert Ulpian, wann eine Notverwahrung vorliege. Im § 4 folgt dann die Fortsetzung der laudatio edicti, die näher die Behauptung des § 2 begründet, warum der Prätor merito die Notverwahrung von der einfachen Verwahrung geschieden habe. Die Unterbrechung der laudatio edicti durch den § 3 ist zwar 8 Im Zusammenhang mit der Beteiligung von Sklaven und dem Versterben des Hinterlegers, vgl. Lenel, EP3 289 Fn. 4. 9 Im Folgenden soll nur der Kommentaraufbau verfolgt werden, auf inhaltliche Fragen wird nicht eingegangen werden. 10 So macht Lenel an Ulpians doppelter Behandlung der aktiven Vererblichkeit der actio quod metus causa die getrennte Behandlung von Edikts- und Formelkommentar aus (EP3 112). 11 In § 17 erläutert Ulpian, dass der Eigentümer des Sklaven die actio depositi hat, wenn der Sklave eine Sache hinterlegt hat. Das wird wiederholt in § 30. In § 18 erörtert Ulpian die Beteiligung eines manumissus auf Verwahrerseite, in § 30 auf Hinterlegerseite. Die ganze Erörterung der Sklavenfragen der §§ 27 – 33 wird in § 27 eingeleitet, indem das als bekannt vorausgesetzt wird, was in den §§ 17 und 30 erörtert wird. 12 In § 19 wird die Aktivlegitimation von Rechtsnachfolgern des verstorbenen Hinterlegers erörtert, und zwar von prätorischen Erben und von demjenigen, dem nach dem SC Trebellianum die gesamte Erbschaft oder ein Teil von ihr aufgrund eines Fideikommisses vom Erben herausgegeben worden ist. Dabei sollte man hier auch die Erörterung der Vererblichkeit der Klage im Normalfall erwarten, denn bonorum possessor und Fideikommissar klagen mit der Fiktion „si heres esset“ (zum bonorum possessor: G. 4,34, Kaser, RP I, § 158 II 4, S. 676. Zum Fideikommissar: Lenel, EP3 183 ff.). Die Erörterung kann aber auch von Anfang an gefehlt haben, wenn und weil die Aktivlegitimation des Erben des Hinterlegers selbstverständlich war. In den §§ 36 – 37 erörtert Ulpian dann Fragen der Erbenmehrheit auf Hinterlegerseite bzw. der Unklarheit, wer eigentlich Erbe sei. Auf die Erbenproblematik auf der Passivseite kommt Ulpian schließlich erst in D. 16,3,7,1 zu sprechen. 13 Zu den Ediktslaudationen grundsätzlich Ries, Prolog und Epilog 153 ff.; jetzt auch Babusiaux, Zur Funktion der aequitas 603 ff.
94
2. Kap.: Zuordnung eines Fragments zu einer Formel
auffällig, aber nicht störend: Es bot sich an, noch einmal zu erläutern, wann eine Notverwahrung vorliegt, um deren besondere Rechtsfolge zu motivieren. 2. Während bis zu diesem Punkt Ulpian eindeutig das Edikt kommentierte, ist dies ab dem § 5 fraglich14. Wenn nach Lenel etwa Ulpian in den §§ 8 – 14 das deposuisse der formula in factum concepta kommentiere, dann könnte Ulpian dort ebenso das depositum des Edikts (oder das deposuit der formula in ius concepta) kommentieren. § 5 lautet: Ulp. 30 ed D. 16,3,1,5: Quae depositis rebus accedunt, non sunt deposita, ut puta si homo vestitus deponatur, vestis enim non est deposita: nec si equus cum capistro, nam solus equus depositus est.
Ulpian erläutert, dass die Sachen, die zu den hinterlegten Sachen hinzukommen, nicht hinterlegt sind. Er bringt als Beispiel die Hinterlegung eines bekleideten Sklaven und die Hinterlegung eines Pferdes mit einem Pferdehalfter. Weder das Kleid noch der Halfter seien hinterlegt. Es geht also um die Frage, inwieweit Zubehör, also bewegliche Sachen, die der Hauptsache zu dienen bestimmt sind, von der Verwahrung erfasst werden15. Ob das Zubehör zu einer Sache auch in Verwahrung gegeben wurde, ist eine Frage, die sich sowohl bei der Kommentierung des Edikts, als auch bei jeder der Formeln stellen konnte. Zuweilen wird die Ansicht vertreten, dass sich die Äußerung Ulpians nicht auf die actio in ius concepta beziehen könne, denn bei dieser Klage hätte der Hinterleger auch das Zubehör mit der actio depositi zurückfordern können, denn aus der Hinterlegung eines Sklaven oder eines Pferdes wäre aus der bona fides die Pflicht entsprungen, auch das Kleid oder das Halfter zurückzugeben16. Das ist fraglich. Zum einen müsste zuvor geklärt werden, ob Ulpians Äußerung den Hinterleger wirklich in Bezug auf das Zubehör schutzlos stellt17. Zum anderen 14 Nach Lenel, EP3 288, kommentiere Ulpian bis § 7 das Edikt, ab § 8 die formula in factum concepta. 15 Zum Begriff des Zubehörs vgl. Kaser, RP I § 93 III, S. 383. 16 So Michel, Gratuité 380, der aber annimmt, beim depositum habe sich die Regelung bezüglich der actio in factum concepta durchgesetzt. Nach Karlowa, Rechtsgeschichte II, 1, S. 1312, entspreche eine solche buchstäbliche Auslegung der bona fides nicht. 17 Nach Seidl, Röm. Privatrecht2 109, suchte man, die Infamiefolgen einzuschränken, indem man Bagatellfälle herausnahm. Folge sei gewesen, dass einige Fälle wie die in D. 16,3,1,5 keinen Rechtsschutz gehabt hätten, obwohl sie einen verdient hätten. Später deutet dies Seidl auch als Ausfluss des Satzes minima non curat praetor (Gerichtsverfassung 319, Labeo 11). Ganz abgesehen davon, dass dem Hinterleger immer noch die reivindicatio zustünde (Landau, Puchta 28 f., SZ 109), bei der es Auslegungsfrage war, ob das Zubehör durch sie erfasst war (Kaser, RP I § 93 III, S. 384), kann Ulpian auch nur dem Hinterleger die Klageverfolgung erleichtern wollen, indem er es diesem erspart, auch das Zubehör in der Klageformel genau bezeichnen zu müssen (vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,40 – 41).
§ 6 Die Systematik des Ediktskommentars Ulpians
95
fragt Ulpian gar nicht nach dem Umfang der Pflichten, die aus der Hinterlegung eines bestimmten Gegenstandes fließen, sondern er fragt gerade nach dem Gegenstand, der hinterlegt wurde. Dass dies beim si paret rem deposuisse anders beurteilt worden wäre als beim quod Aulus Agerius rem deposuit, ist doch offen. Ferner wäre zu erwarten, dass Ulpian bei der Erörterung der actio in ius concepta auf diesen Unterschied zur actio in factum concepta hingewiesen hätte. Fraglich wäre dann, warum die Kompilatoren durch Streichung der Erörterung bei der actio in ius concepta einen für den Hinterleger ungünstigen Rechtszustand überliefert hätten. Dass sich § 5 auf eine der beiden Formeln oder auf das Edikt beziehen müsste, lässt sich damit nicht feststellen. 3. In den §§ 6 und 7 erörtert Ulpian das Problem einer Haftungserweiterung oder eines Haftungsausschlusses durch Vereinbarung18. Auch das kann sich auf das Edikt und auf jede der beiden Formeln beziehen19. Eine Zuordnung ließe sich nur erreichen, wenn sich eine Doppelung fände, wenn Ulpian dasselbe Problem mehrfach erörtern würde. Nach Lenel20 erörtert Ulpian den dolus bei der formula in factum concepta im § 15. Dafür spricht immerhin, dass Ulpian in diesem Paragraphen die Frage der Hinterlegung bei einem pupillus erörtert und dabei auf die dolus-Fähigkeit eines pupillus kommt. Dagegen spricht aber entscheidend, dass Ulpian bei der Erörterung des commodatum auch auf den pupillus zu sprechen kommt21, und zwar an der gleichen Stelle22. Beim commodatum haftete der Entleiher aber nicht nur für dolus; die Erörterung der Haftung des pupillus im § 15 hat daher nichts mit dem Auftauchen des dolus im Formelwortlaut zu tun. Es dürfte vielmehr um die Frage gehen, ob das Vorliegen eines depositum bejaht werden kann23.
Gibt der Verwahrer das Zubehör nicht zurück, könnte das res non reddita der formula in factum concepta bejaht worden sein, ähnlich wie bei der Fiktion res deterior reddita non est reddita aus Ulp. 30 ed D. 16,3,16, so etwa Faber, Rationalia ad h.l., II 329, und in neuerer Zeit etwa Rotondi, Appunti 72 m.Fn. 4. Ähnlich wohl auch Gandolfi, Il deposito 75, nach dem das Zubehör bei der Bemessung der Verurteilungssumme mitberücksichtigt werde (undeutlich dann a. a. O. Fn. 16). So könnte auch zu verstehen das … nam et si servum tibi commodavero, et vestis eius nomine furti ages, quamvis vestem, qua vestitus est, tibi non commodaverim … aus 29 Sab Ulp. D. 47,2,14,15: Das Kleid ist nicht verliehen, aber der Entleiher haftet, wenn er es nicht zurückgibt. Bei dieser Betrachtung besteht also kein Unterschied zwischen depositum und commodatum (anders etwa Michel, Gratuité 378 f.). 18 Ulp. 30 ed D. 16,3,6 – 7: Si convenit, ut in deposito et culpa praestetur, rata est conventio: contractus enim legem ex conventione accipiunt. § 7: Illud non probabis, dolum non esse praestandum si convenerit: nam haec conventio contra bonam fidem contraque bonos mores est et ideo nec sequenda est. 19 Nach Lenel handele es sich um den Kommentar zum Edikt, und zwar zum dolus, festgemacht an den Worten quod dolo malo eius factum esse dicetur (EP3 288 Fn. 7). 20 Lenel, EP3 289 Fn. 2. 21 Ulp. 28 ed D. 13,6,1,2 und 3pr. 22 Nämlich vor der res-deterior-Regel, vgl. D. 13,6,3pr. und § 1 mit D. 16,3,1,15 und § 16.
96
2. Kap.: Zuordnung eines Fragments zu einer Formel
Auf den Haftungsmaßstab kommt Ulpian noch einmal im § 35 zu sprechen24. Auffallend ist dabei, dass Ulpian erneut eine Haftungserweiterung durch Vereinbarung anspricht (ut puta si hoc nominatim convenit). Man könnte meinen, dass sich die Erörterung im § 6 nicht auf die formula in factum concepta beziehen könne, weil dort der Wortlaut eine Haftungserweiterung nicht zuließe. Dann könnte § 6 auf eine Abgrenzung der Formeln zielen; bei einer vereinbarten Haftungserweiterung solle der Hinterleger die formula in ius concepta wählen; darauf könnten auch die Verwendung des Wortes contractus und der folgende § 7 hindeuten. Doch stehen wir hier wieder vor einem grundsätzlichen Problem, nämlich vor der Frage, ob wir annehmen sollen, es sei als Formel immer nur das Grundformular aus dem Album verwendet worden oder ob die Formel grundsätzlich immer an den Einzelfall angepasst worden sei. Warum sollte § 6 nicht auch auf die Gestaltung der formula in factum concepta zielen, die keinen Hinweis auf den dolus enthielt?25 Dass dies die richtige Überlegung sein dürfte, zeigt ein Vergleich mit Ulp. 14 ed D. 4,9,3,126. Bei der Erörterung des Edikts De receptis wegen der Haftung der nautae, caupones und stabularii erörtert Ulpian im Anschluss an Labeo, dass die Haftung für Fälle der vis maior durch Einschaltung einer exceptio auszuschließen sei. Es geht also wie in D. 16,3,1,6 bei der Kommentierung des Edikts um die richtige Formelgestaltung bei Fragen des Haftungsmaßstabes. Den folgenden § 7 kann man dann so verstehen: Beruft sich der Verwahrer darauf, dass man den Ausschluss der dolus-Haftung vereinbart habe, dann wird der Prätor gegen diesen die actio depositi in factum concepta erteilen, selbst wenn der Hinterleger diese Vereinbarung nicht bestreitet. Die bona fides bezieht sich hier nicht auf die Formel, sondern auf die Frage, welche Vereinbarungen der Prätor zu achten habe27. Für dieses Verständnis spricht auch Ulp. 4 ed D. 2,14,7,1528: Nach Pomponius sei ein pactum, der Verwahrer habe für jede Gefahr einzustehen, zu achten; der Ein23 Das wird deutlicher bei der Begründung des Problemaufwurfs zum commodatum, vgl. Ulp. 28 ed D. 13,6,1,2: … quoniam nec constitit commodatum in pupilli persona sine tutoris auctoritate … . Siehe auch noch sogleich im Text unter 5. 24 Ulp. 30 ed D. 16,3,1,35: Saepe evenit, ut res deposita vel nummi periculo sint eius, apud quem deponuntur: ut puta si hoc nominatim convenit. sed et si se quis deposito obtulit, idem Iulianus scribit periculo se depositi illigasse, ita tamen, ut non solum dolum, sed etiam culpam et custodiam praestet, non tamen casus fortuitos. 25 Die Formel würde also lauten: Si paret Aulum Agerium apud Numerium Negidium mensam argenteam deposuisse eamque Aulo Agerio redditam non esse, quanti ea res erit … . 26 Die Stelle gehört zum Kommentar des Edikts, vgl. Lenel, P II Ulpian 470, Sp. 491. 27 Das Edikt des Prätors über die pacta (Ulp. 4 ed D. 2,14,7,7) enthält noch keinen Hinweis darauf, dass der Prätor Vereinbarungen, die gegen die boni mores oder die bona fides verstoßen, nicht gelten lassen werde. Der Gedanke, dass Vereinbarungen, die gegen die boni mores verstoßen, unwirksam seien, setzt sich aber spätestens im 3. Jahrhundert durch (vgl. MayerMaly, Contra bonos mores 154 f.), man sehe etwa PS. 1,1,4: Neque contra leges neque contra bonos mores pacisci possumus. Ob die Erwähnung der boni mores in Caracalla C. 2,3,6 echt ist, ist wegen der Parallelüberlieferung in Cons. 1,7 fraglich.
§ 6 Die Systematik des Ediktskommentars Ulpians
97
wand, das pactum verstoße gegen die forma iuris, schlage nicht durch. Mit forma iuris ist hier nicht die Rechtsnatur des Instituts gemeint, sondern die äußere Gestalt, also etwa der Wortlaut der Formel, der dann eben abzuwandeln ist29. Die §§ 6 und 7 werden sich daher in der Tat auf das Edikt beziehen, also auf die Rechtsschutzverheißung des Prätors. Daher wird sich auch § 5 noch auf das Edikt beziehen, wenngleich er sich nicht auf die Notverwahrung beziehen muss. 4. In D. 16,3,1,8 – 14 erörtert Ulpian die Abgrenzung zu anderen Vertragstypen, in §§ 8 – 10 zur locatio conductio, wobei Abgrenzungskriterium die Frage der Entgeltlichkeit ist, in §§ 11 – 14 die Abgrenzung zum mandatum30, wobei Abgrenzungskriterium der Umfang der Verpflichtung des Sachempfängers ist. Diese Abgrenzung kann sich sowohl auf das Edikt als auch auf beide Formeln beziehen, denn überall kommt das Worte deponere vor und ist eine Abgrenzung zu anderen Verhältnissen nötig. 5. Im § 15 kommt Ulpian auf die Haftung des verwahrenden pupillus zu sprechen. Ein Vergleich mit der Darstellung der Haftung des pupillus, gegebenenfalls auf seine Bereicherung nach dem Reskript31 des Antoninus Pius, bei commodatum und negotiorum gestio, drängt sich auf. Dabei soll gefragt werden, in welchem Zusammenhang Ulpian dieses Problem beim depositum, beim commodatum und bei der negotiorum gestio erörtert, ohne näher auf die inhaltlichen Fragen einzugehen. a) Bezüglich des depositum erörtert Ulpian die Haftung des pupillus in D. 16,3,1,15: An in pupillum, apud quem sine tutoris auctoritate depositum est, depositi actio detur, quaeritur. sed probari oportet, si apud doli mali iam capacem deposueris, agi posse, si dolum commisit: nam et in quantum locupletior factus est, datur actio in eum et si dolus non intervenit.
Ulpian wirft die Frage auf, ob gegen den pupillus, bei dem ohne Genehmigung des Tutors eine Sache hinterlegt wird, die actio depositi gegeben wird. Ist der pupillus bereits des dolus fähig, kann man gegen ihn klagen, und zwar anscheinend in
28 Ulp. 4 ed D. 2,14,7,15: Sed et si quis paciscatur, ne depositi agat, secundum Pomponium valet pactum. item si quis pactus sit, ut ex causa depositi omne periculum praestet, Pomponius ait pactionem valere nec quasi contra iuris formam factam non esse servandam. 29 Anders etwa Giaro, Röm. Rechtswahrheiten 279. Doch forma meint zunächst die äußere, sichtbare Gestalt, und viele Reskripte Diokletians, die von der forma edicti reden, meinen wohl den Wortlaut konkreter Ediktstatbestände, vgl. die Nachweise bei Platschek, Studien 103 Fn. 361. 30 Dass Ulpian in § 14 auch auf die Bürgschaft zu sprechen kommt, kann daran liegen, dass ähnlich wie bei einem Kreditauftrag (vgl. Knütel, Übersetzung 333 Fn. 2; siehe auch G. 3, 156; Kaser, RP I § 155 III, S. 666) der Tu eine Art Bürge für seinen libertus ist. 31 Nach diesem Reskript des Antoninus Pius haftete der pupillus, wenn er ohne Genehmigung seines Tutors rechtsgeschäftlich oder quasivertraglich gehandelt hatte, dem Gegner in Höhe seiner Bereicherung, vgl. Kaser, RP I § 65 II 2, S. 276; Labruna, Rescriptum divi Pii (1962).
98
2. Kap.: Zuordnung eines Fragments zu einer Formel
solidum, wenn er dolos handelt. Aber auch, wenn kein dolus vorliegt, wird gegen ihn die actio depositi gegeben, soweit er bereichert ist. An welcher Stelle seines Ediktskommentars erörtert Ulpian die Frage der Haftung des pupillus? Nach Lenel kommentiert Ulpian in § 15 die Worte dolo malo32. Dagegen spricht aber, dass Ulpian das Problem der Haftung des pupillus auch beim commodatum bespricht33, dessen Formel die Worte dolo malo nicht enthielt. Beim commodatum erörtern die Juristen die Frage der Haftung des pupillus offenbar im Zusammenhang mit dem furiosus34 unter dem Gesichtspunkt, ob überhaupt ein commodatum vorliegt35. Das gleiche kann man auch für das depositum annehmen, so dass sich auch § 15 noch36 auf die Frage bezieht, ob ein depositum vorliegt. Die Worte dolo malo scheint Ulpian hingegen erst in den §§ 20 – 22 zu erörtern37. b) Hinsichtlich des commodatum erörtert Ulpian das Problem der Haftung des pupillus in D. 13,6,1,2 und 3pr.38: 1,2 Impuberes commodati actione non tenentur, quoniam nec constitit commodatum in pupilli persona sine tutoris auctoritate, usque adeo ut, etiamsi pubes factus dolum aut culpam admiserit, hac actione non tenetur, quia ab initio non constitit. 3pr. Sed mihi videtur, si locupletior pupillus factus sit, dandam utilem commodati actionem secundum divi Pii rescriptum.
Ulpian sagt: Verleiht man einem pupillus eine Sache, ohne dass der Tutor genehmigt, so haftet der pupillus zunächst nicht aus der actio commodati, weil keine Leihe zustandegekommen ist. Der pupillus haftet auch dann nicht, wenn er später mündig wird und er sich eines dolus oder der culpa schuldig macht, denn es bleibt dabei, dass kein Leihverhältnis entstanden ist. Aber, so fährt Ulpian fort39, er sei der Meinung, dass man nach dem Reskript des Antoninus Pius eine actio commodati, die als utilis bezeichnet wird, gegen den pupillus geben soll, wenn dieser bereichert ist. Lenel, EP3 289 Fn. 2. Ulpian 28 ad edictum D. 13,6,1,2 und 3pr. 34 Vgl. den Einschub der Kompilatoren Paulus 29 ad edictum D. 13,6,2. 35 Nach Lenel, EP3 252 Fn. 8, bezieht sich Ulpians Erörterung auf das commodasse der Formel. 36 Lenel, EP3 289 Fn. 1, nimmt das nur für die §§ 8 – 14 an. 37 Damit erörtert Ulpian die Worte dolo malo nach dem redditam non esse, also in umgekehrter Reihenfolge als die Worte in der Formel auftauchen. Aber es liegt doch nahe, die Qualifizierung dolo malo erst nach dem redditam non esse zu erörtern. 38 In der justinianischen Kompilation sagt Paulus zwischen beiden Ulpianfragmenten in 29 ed D. 13,6,2, dass auch gegen den furiosus die actio commodati nicht gegeben wird, dass aber gegen sie (vermutlich gegen den impubes und den furiosus) die actio ad exhibendum gegeben wird, damit die vorgelegte Sache vindiziert werden könne. 39 Man kann mit der Kürzung eines Kontroversenberichts rechnen. Schon äußerlich ist ja Ulpians Erörterung durch den Einschub in der Kompilation nicht intakt. Was ein römischer Jurist hinsichtlich des Problems der Haftung des pupillus beim commodatum noch erörtert haben könnte, zeigt Paulus 29 ad edictum D. 13,6,2: den Fall des furiosus, alternative Klagen. 32 33
§ 6 Die Systematik des Ediktskommentars Ulpians
99
Beim commodatum erörtert Ulpian das betreffende Problem bei der Kommentierung der formula in factum concepta40. Damit beendet Ulpian bei commodatum und depositum die Erörterung der Frage, ob der entsprechende Vertragstypus vorliege, mit der Diskussion der Haftung des pupillus und lässt unmittelbar die Kommentierung der Worte redditam non esse folgen41. c) Hinsichtlich der negotiorum gestio erörtert Ulpian das Problem der Haftung des pupillus in D. 3,5,3,442. Ulp. 10 ed D. 3,5,3,4: Pupillus sane si negotia gesserit, post rescriptum divi Pii etiam conveniri potest in id quod factus est locupletior: agendo autem compensationem eius quod gessit patitur.
Diese Erörterung gehört zur Kommentierung des Wortes gesserit des Edikts43. d) Da beim commodatum die Erörterung des pupillus zur Kommentierung der formula in factum concepta gehören dürfte, bei der negotiorum gestio aber noch zum Edikt, lässt sich die Frage der Stellung beim depositum aus einem Vergleich mit commodatum und negotiorum gestio nicht entscheiden44. Die Kommentierung der formula in factum concepta findet sich jedenfalls in den folgenden Paragraphen D. 16,3,1,16 bzw. D. 13,6,3,1, da das Edikt keinen Anhaltspunkt bot, die Frage, wann die Sache als zurückgegeben zu gelten habe, zu erörtern45. 6. Der § 16 bezieht sich wegen des offenkundigen Formelzitats und der Überflüssigkeit einer solchen Fiktion bei der formula in ius concepta nach allgemeiner Meinung auf die formula in factum concepta. 7. In §§ 17 – 19 werden die Aktiv- und die Passivlegitimation zur actio depositi erörtert46, in §§ 20 – 22 der dolus aus dolo malo redditam non esse.47 8. Auch § 25 gehört zur Behandlung der formula in factum concepta48. Lenel, EP3 252 mit Fn. 8. Die Erörterung könnte sich noch auf das Edikt beziehen, dagegen spricht aber, dass Ulpian zum Edikt nur die Problematik erörtern wollte, ob auch unbewegliche Sachen verliehen werden können (unum solummodo notandum, D. 13,6,1,1). 41 Ulp. 28 ed D. 13,6,3,1 und 30 ed D. 16,3,1,16. 42 In Ulp. 10 ed D. 3,5,5,2 ist der pupillus nicht der Geschäftsführer, sondern der Geschäftsherr. 43 Vgl. Lenel, P II Ulpian 347, Sp. 455. Auch der § 6 kommentiert noch das Edikt. 44 Freilich kann man nicht ohne weiteres annehmen, dass Ulpian den Kommentar im 28. und 30. Buch so aufbaut wie im 10. Buch. Zum einen können die Sachfragen andere gewesen sein, zum anderen kann sich auch einfach die Arbeitsweise Ulpians geändert haben. Nach Honoré, Ulpian2 180, schrieb Ulpian das 10. und das 30. Buch im selben Jahr 213. 45 Siehe zum Fehlen der Voraussetzung der Nichtrückgabe im Edikt noch unten § 16. 46 Vgl. Lenel, EP3 289 Fn. 4. In § 17 geht es um die Aktivlegitimation des Eigentümers des hinterlegenden Sklaven, in § 18 um die Passivlegitimation des verwahrenden Sklaven, in § 19 um die Aktivlegitimation des Erben und vergleichbarer Personen. 47 Siehe dazu unten § 12 IV. 48 Siehe § 13 I. 40
100
2. Kap.: Zuordnung eines Fragments zu einer Formel
9. Die §§ 27 – 32 hätten eigentlich auch dem § 17 folgen können, denn es geht in Variationen doch immer nur um die Hinterlegung durch einen Sklaven. Dabei scheint der Beginn des § 27 auf den § 17 sogar anzuschließen: non solum si servus meus. Man gewinnt dabei den Eindruck, als müssten sich auch diese Paragraphen auf die actio in factum concepta beziehen. Bei einer zivilen Klage bestand doch kein Anlass zu erörtern, dass der hinterlegende Sklave nach seiner Freilassung nicht die actio depositi hatte (§ 30), sondern sein ehemaliger Eigentümer. Bei der actio in factum concepta mochte die Frage bestehen, ob man das deposuisse der Formel nicht auch rein faktisch verstehen konnte, so dass die Klage dem Freigelassenen zustand. 10. Ab dem § 33 werden kompliziertere Konstellationen erörtert, ohne dass sich ein Bezug zu einer der beiden Formeln aufdrängte49. 11. Es bleibt vor allem die Frage nach dem Beginn des Kommentars zur actio in ius concepta. Für die actio in ius concepta aus der negotiorum gestio und dem commodatum hat Lenel einen klaren Beginn ausgemacht: die Erörterung beginne bei der negotiorum gestio in Ulp. 10 ed D. 3,5,3,1050, denn hier beginne „markant“ ein neuer Kommentarabschnitt; es werde betont, dass anders als die actio in factum concepta die formula in ius concepta sowohl die Fälle der freiwilligen Geschäftsführung als auch die Fälle einer Geschäftsführung aus Verpflichtung umfasse51. Beim commodatum beginne die Kommentierung der in ius konzipierten Formel in 28 ed D. 13,6,5,2: Nunc videndum est, quid veniat in commodati actione, … . Die Erörterung des quid veniat pflege sich bei in ius konzipierten Formeln an die intentio anzuschließen52. Sucht man für das depositum einen vergleichbaren Einschnitt53, kommt beispielsweise D. 16,3,1,47 in Betracht54. Das „quia autem dolus dumtaxat in hanc actionem venit, quaesitum est“ könnte der Beginn des Kommentars zur formula in ius concepta sein. Das hanc actionem deutet daraufhin, dass es um eine andere Klage geht 49 Etwa in § 36 die Erbenmehrheit, wenn nur einer der Erben vom Verwahrer die Rückgabe verlangt; in § 37 ein Prätendentenstreit um die Frage, wer wirklich Erbe des Hinterlegers sei; in § 38 das Vorlesen der Testamentstafeln durch den Verwahrer. 50 Ulp. 10 ed D. 3,5,3,10: Hac actione tenetur non solum is qui sponte et nulla necessitate cogente immiscuit se negotiis alienis et ea gessit, verum et is qui aliqua necessitate urguente vel necessitatis suspicione gessit. 51 Lenel, EP3 102, 104. Zum Unterschied zwischen beiden Formeln siehe oben § 5 V 2a. bb. 52 Lenel, EP3 252. 53 Lenel, EP3 288 ff., hat keinen solchen Einschnitt ausgemacht. Nach seiner Darlegung in EP3 kommt die formula in ius concepta gar nicht vor. Dass mag daran liegen, dass er eine Scheu davor hatte, den Beginn des Kommentars so spät zu legen und den Kommentar dadurch auch so kurz zu halten. 54 Auch inhaltlich dürfte sich die Stelle auf die actio in ius concepta beziehen, siehe unten § 16 III.
§ 6 Die Systematik des Ediktskommentars Ulpians
101
als vorher55. Die Wendung dolus in actionem venit wäre für die actio in factum concepta merkwürdig, denn dort kommt der dolus nicht in die Klage hinein, sondern er ist schon da; er muss nicht erst durch Auslegung gewonnen werden56. Diese Argumente machen keinen Beweis, sondern sind nur Indizien57. Es geht hier nicht um eine Sachfrage, sondern um die literarische Frage: Wie macht der Schriftsteller Ulpian dem Leser klar, wovon er handelt? Es könnte daher nicht darum gehen, diese Indizien durch Gegenbeispiele zu entkräften, sondern nur darum, einen Ort anzugeben, an dem der Beginn des Kommentars zu formula in ius concepta einleuchtender wäre. Der Kommentar zu actio in ius concepta wäre sehr kurz58. Aber was musste denn Ulpian überhaupt erörtern, außer dass der Verwahrer auch bei dieser Klage nur für dolus einzustehen hatte?59 Die Frage nach der Kürze des uns erhaltenen Kommentars zur formula in ius concepta könnte man auch als Frage danach stellen, was die Kompilatoren weggeschnitten haben. Sollte die Kürze des Kommentars zur formula in ius concepta auf Kürzungen der Kompilatoren zurückgehen, würde das heißen, dass in diesem Kommentarteil für die Kompilatoren nichts wesentliches stand, die Unterschiede zur formula in factum concepta also gering waren.
55 Erwartbar wäre actio depositi oder einfach actio. Ist von haec actio die Rede, dann ist damit nicht einfach die Klage gemeint, die an diesem Orte ex professo erörtert wird, sondern eine bestimmte Klage in Abgrenzung zu einer anderen Klage. Vgl. z. B. Ulp. 31 ed D. 17,1,6,8: Si cui fuerit mandatum, ut negotia administraret, hac actione erit conveniendus nec recte negotiorum gestorum cum eo agetur … . Beim depositum könnte haec actio dann auf eine Abgrenzung der beiden Formeln hinweisen, vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,23: Hanc actionem bonae fidei esse dubitari non oportet (wohl zur actio in factum concepta und daher unrichtig). Siehe auch oben das Beispiel Lenels zum Beginn des Kommentars der formula in ius concepta bei der negotiorum gestio aus Ulp. 10 ed D. 3,5,3,10: Hac actione tenetur … . 56 Vgl. etwa Ulp. 30 ed D. 16,3,1,20: Non tantum praeteritus dolus in depositi actione veniet, sed etiam futurus, id est post litem contestatam. Auch hier geht es um eine Interpretation der Formel. In Ulp. 30 ed D. 16,3,1,10 bezieht sich das qui solus in depositum venit auf eine locatio conductio, bei der die Haftung für dolus (erfolglos) ausgeschlossen worden war. 57 Man vergleiche die Argumentation Lenels zum Beginn des Kommentarabschnitts bei commodatum und negotiorum gestio. 58 Lenel beobachtet umgekehrt, dass bei der negotiorum gestio und beim commodatum der Kommentar zur actio in factum concepta kurz war (Lenel, EP3 103 m.Fn. 1). 59 Dass Ulpian bei der formula in ius concepta noch mehr erörtern müsste, ist ein Vorurteil. Das depositum irregulare, Geldverwahrung und Verzinsung behandelt Ulpian anscheinend nicht. Darf der Verwahrer das Geld gebrauchen, liegt für Ulpian ein mutuum vor, vgl. D. 16,3,1,34: prius quam (!) utaris depositi teneberis. Die demonstratio musste Ulpian nicht behandeln, wenn man annimmt, dass er diese in den §§ 8 – 14 schon miterledigt hatte. Zur actio empti sagt Ulpian (31 ed D. 19,1,11,1): Et in primis sciendum est in hoc iudicio id demum deduci, quod praestari convenit: cum enim sit bonae fidei iudicium, nihil magis bonae fidei congruit quam id praestari, quod inter contrahentes actum est. quod si nihil convenit, tunc ea praestabuntur, quae naturaliter insunt huius iudicii potestate. Zum depositum ließe sich sagen, dass die Vereinbarung von Nebenpflichten den Rahmen des depositum gesprengt und aus dem Vertrag ein mandatum gemacht hätten. Das, was naturaliter insunt, hätte Ulpian schon bei der formula in factum concepta erörtert.
102
2. Kap.: Zuordnung eines Fragments zu einer Formel
Noch eines wäre zu erwägen: Beginnt der Kommentar zur formula in ius concepta tatsächlich in D. 16,3,1,47, dann stünde er vor der Erörterung der actio contraria in factum concepta (D. 16,3,5pr.)60 und der Erörterung der Erbenhaftung bei der formula in factum concepta (D. 16,3,7,1), obwohl die Erbenhaftung regelmäßig bei Ulpian den Kommentar zu einer formula in factum concepta beschließt. Die Kompilatoren könnten den § 47 vorgeschoben haben, um ihn an die §§ 45 – 46 anzuschließen. Dass die Kompilatoren hier gearbeitet haben, zeigt die Katene D. 16,3,1,47 bis D. 16,3,4.
12. Zusammenfassung: Fest steht, dass Ulpian in D. 16,3,1,2 – 4 das Edikt kommentiert hat; für die §§ 16 und 25 ist ein Bezug auf die formula in factum concepta wahrscheinlich. Auffallend ist, dass kein Abschnitt erkennbar ist, der offensichtlich zur formula in ius concepta gehört; hier war vorgeschlagen worden, die Erörterung der formula in ius concepta beginne erst in D. 16,3,1,47.
§ 7 Der Aufbau des Digestentitels 16,361 Wenn man ein Gebrauchsrecht des Verwahrers am hinterlegten Geld und eine damit korrespondierende Verzinsungspflicht des Verwahrers eher der formula in ius concepta zuweist62 und damit die Beobachtung zusammenschließt, dass das depositum irregulare und Fragen der Verzinsung vor allem in den leges 24 – 29 des Titels D. 16,3 erörtert werden63, dann könnte man annehmen, dass auch die Frage, welche Formel der actio depositi behandelt wird, sich aus dem Ort, an dem das betreffende Fragment im Digestentitel steht, beantworten lässt. In diesem Paragraphen soll daher der Aufbau des Digestentitels D. 16,3 untersucht werden. Dies ermöglicht zugleich einen Blick auf die Arbeitsweise der Kompilatoren und deren Verständnis des depositum. Der Digestentitel D. 16,3 besteht aus 34 Fragmenten und beginnt mit der Sabinusmasse (leges 1 bis 18), auf die die Ediktsmasse (leges 19 bis 23), die Papiniansmasse (leges 24 – 31) und die Appendixmasse (leges 33 und 34) folgen64. Dabei sind die fünf Fragmente 4, 6, 9, 32 (Ediktsmasse) und 8 (Papiniansmasse) in eine andere Masse verschoben worden.
Vgl. Lenel, EP3 289 vor Fn. 9. Vgl. zum Folgenden Evans-Jones, Prefatory Section, der sich mit dem Aufbau des Titels D. 16,3 befasst. Allgemein zur Arbeit der Kompilatoren jetzt eine Zusammenfassung bei Honoré, How Tribonian organised 1 ff., SZ 121 (2004). 62 So etwa Gandolfi, Il deposito 96 f.; Burillo, Las formulas 290. 63 Vgl. Gandolfi, Il deposito 97. 64 Vgl. Mommsen, EM I 469 ff. 60 61
§ 7 Der Aufbau des Digestentitels 16,3
103
I. Verschiebungen in eine andere Masse 1. Die lex 465 ist aus der Ediktsmasse in die Sabinusmasse verschoben worden66, weil die Kompilatoren auf diese Weise an einer Stelle das Problem behandeln konnten, dass der Erbe des Verwahrers (bzw. der Verwahrer selbst) die verwahrte Sache (ohne dolus) verkauft67. 2. Ebenso wurde die lex 668 aus der Ediktsmasse in die Sabinusmasse verschoben. Damit konnten die Kompilatoren in die Erörterung der Verwahrung beim Sequester eine Definition des Sequesters einbinden69. Im 2. Buch seines Ediktskommentars erörtert Paulus das vadimonium Romam faciendum70. Durch dieses vadimonium konnten Angelegenheiten, für die die Munizipalmagistrate nicht zuständig waren, nach Rom (oder zum Provinzstatthalter71) übergeleitet werden72. Für die Zivilverfahren, die die Infamie des Verurteilten nach sich zogen, war unabhängig vom Streitwert der Munizipialbeamte nicht zuständig73. Somit kam das vadimonium Romam faciendum auch dann zur Anwendung, wenn es um eine infamierende Klage ging. Daher wird Paulus74 im 2. Buch seines Kommentars auch die iudicia, die Infamie nach sich zogen, etwa das deposi65 Paulus 5 Plaut. D. 16,3,4. Im 5. Buch ad Plautium erörtert Paulus ebenfalls das depositum, Lenel, P I Paulus 1107, Sp. 1153. 66 Vgl. Mommsen, EM I 473. 67 Vgl. Evans-Jones, Prefatory Section 250 ff. Die Erörterung dieses Problems beginnt bei D. 16,3,1,47 und endet bei D. 16,3,4. Vgl. dazu § 16 III. 68 Paulus 2 ad edictum. 69 Die Sequestration wird in der Kompilation von D. 16,3,5,1 bis D. 16,3,7pr. behandelt, vgl. Evans-Jones, Prefatory Section 254 f. 70 Lenel, P I, Paulus 101, Sp. 968. 71 Lex Irnitana 84, 20 – 23; vgl. Rodger, Vadimonium 160, 163 f., SZ 114. 72 Lenel, Beiträge zur Kunde des Edikts 35; Ders. EP3 55 f.; Kaser / Hackl, § 31 I 2, S. 230 f. 73 Lenel, Kunde, SZ 2, 35. Lex Irnitana 84, 6 – 11: neque ea res agetur … neque pro socio aut fiduciae aut mandati quod d(olo) m(alo) factum esse dicatur aut depositi aut tutelae cum quo qui(s) suo nomine (q)uid earum rerum fecisse dicatur IIvir(i), qui ibi i(ure) d(icundo) praeerit iuris dictio … esto. Dabei muss es sich zumindest zum Teil, und jedenfalls was die hier wiedergegebenen Klagen betrifft, um einen Katalog infamierender Klagen handeln, wie ein Vergleich mit G. 4, 182 zeigt (dazu Lamberti, Tabulae Irnitanae 154 ff., d’Ors, Una nueva lista 2580 ff.). Der Grund für die Nichtzuständigkeit des Munizipalbeamten dürfte gewesen sein (vgl. Nörr, Lex Irnitana 4, SZ 124): Weil die Infamie die Stellung des einzelnen im Gemeinwesen unmittelbar betrifft, soll ein Außenstehender entscheiden. Ein Aspekt der Infamie betraf nämlich den Ausschluss von kommunalen Ämtern, vgl. lex Iulia municipalis (tabula Heracleensis) 108 f. In der Liste der infamierenden Klagen der lex Iulia municipalis fehlt freilich das depositum. 74 Eine Parallelstelle findet sich bei Ulpian, der ebenfalls im 2. Buch seines Kommentars eine Abgrenzung des infamierenden depositum vom nicht infamierenden mutuum vornimmt: Ulpian 2 ad edictum D. 12,1,10: Quod si ab initio, cum deponerem, uti tibi si voles permisero, creditam non esse antequam mota sit, quoniam debitu iri non est certum. (Vgl. Lenel, Kunde 27, SZ 2. Die Stelle gehört zum Problemkreis des depositum irregulare).
104
2. Kap.: Zuordnung eines Fragments zu einer Formel
tum75, benannt haben. Nimmt man an, dass der Sequester bei einer Verurteilung nicht infam wurde76, dann mussten die Juristen bei der Aufzählung der infamierenden Klagen das einfache depositum nicht nur vom mutuum77, sondern auch vom depositum beim Sequester abgrenzen. Und eben dieser Abgrenzung des einfachen depositum vom depositum beim Sequester mag die Definition des Paulus gedient haben.
3. Aus der Ediktsmasse in die Sabinusmasse verrückt wurde ebenfalls die lex 978. In diesem Fragment erörtert Paulus die Haftung des Erben des Verwahrers und differenziert dabei danach, ob dem Verwahrer oder dem Erben dolus zur Last fällt. Damit haben die Kompilatoren den Text in den Bereich des Titels gerückt, in dem die Erbenhaftung erörtert wird79. 4. Aus der Ediktsmasse wurde auch die lex 32 zwischen die Papiniansmasse und die Appendixmasse gerückt80. In diesem Fragment erörtert Celsus im Anschluss an eine Kontroverse zwischen Nerva und Proculus81, ob die dolus-Haftung des Verwahrers auf Haftung für culpa latior (lata?) bzw. diligentia quam in suis ausgedehnt werden kann82. Im Zusammenhang des Titels steht das Fragment 32 isoliert, weder vorhergehende noch nachfolgende Fragmente behandeln das Problem des Haftungsmaßstabes. Es liegt daher nahe, nach einem formalen Grund für die Versetzung zu suchen. Honoré deutet D. 16,3,32 als eine joint mass coda83. Eine joint mass coda entstand nach Honoré84, wenn der Editor des Digestentitels, nachdem er zwei oder drei 75 Bei Verurteilung des Verwahrers wurde dieser infam: G. 4,182; D. 3,2,1, lex Irnitana 84, 10. Zur Infamie grundlegend Kaser, Infamie 220 ff., SZ 73. 76 Dass der verurteilte Sequester nicht infam wurde, kann man (in einem Zirkelschluss) schon der Tatsache entnehmen, dass Paulus diesen Spezialfall des depositum überhaupt erwähnt, denn nur, wenn sich das depositum beim Sequester im Hinblick auf die Infamiefolgen vom normalen depositum unterscheidet, war eine Erörterung geboten. Gegen Infamie als Folge der Verurteilung des Sequesters spricht auch, dass die Verwahrung beim Sequester eine selbständige Formel mit eigenem Namen und eigenem Platz im Edikt hatte (Lenel, EP3 290), aber in den Infamiekatalogen nie aufgezählt wird. 77 Wie dies Ulpian in 2 ed. D. 12,1,10 tut, siehe oben. 78 Paulus 17 ad edictum. 79 Die Kompilatoren erörtern die Haftung des Erben des Verwahrers von D. 16,3,7,1 bis 10 (vgl. Spengler, Interrogatio 26 f.). Dass die Kompilatoren an dieser Stelle die Erbenhaftung behandeln, erhellt gerade aus dem Einschub des Fragments an dieser Stelle. Der Exkurs der Kompilatoren zum Konkursrecht (7,2 bis 8) kann sich daraus erklären, dass die Kompilatoren nun zunächst den Auszug aus dem Ediktskommentar Ulpians zum depositum beenden wollten, statt nach dem Einschub der leges 9 und 10 nach 7,1 erneut Ulpians Kommentar fortzusetzen (vgl. auch die Überlegungen Evans-Jones’, Prefatory Section 257). Einen Zusammenhang der lex 9 mit leges 7,2 bis 8 kann auch Spengler a. a. O. nicht erkennen. 80 Celsus 11 digestorum. 81 Es handelt sich mithin um eine Auseinandersetzung innerhalb der prokulianischen Rechtsschule über ein Jahrhundert hinweg. 82 Zum inhaltlichen Problem siehe § 11 II 3, aber auch schon § 7 III 5. 83 Honoré, Editing, SZ 90, 290 mit 284.
§ 7 Der Aufbau des Digestentitels 16,3
105
Massen untereinander angeordnet hatte, sich entschied, zunächst aus diesen Massen ausgeschiedene Texte doch wieder aufzunehmen und sie ans Ende der angeordneten Massen, damit zumeist vor die Appendixmasse85, setzte. Als ein Hauptbeispiel führt Honoré den Digestentitel D. 11,1 an, der mit der aus der Ediktsmasse stammenden lex 21 vor der Appendixmasse (lex 22) als joint mass coda die Massefolge ESP abschließt86. Da aber D. 16,3,32 ursprünglich gar nicht aus dem Zusammenhang mit dem depositum, sondern mit der tutela stand87, ist es nicht notwendig, dass der Redakteur des Titels zunächst die lex 32 ausgeschieden hatte, um sie später doch wieder aufzunehmen. Vielmehr liegt es näher, dass der Redakteur des Titels zum depositum erst später, als die Massenabfolge SEP schon feststand, auf das Fragment stieß88. Dieser Redakteur mag dann, anders als bei den eingeschobenen leges 4, 6 und 9 keinen offensichtlichen Punkt gefunden haben, an dem sich die lex 32 einschieben ließ89. Damit ließe sich auch vermuten, dass in der Aufnahme des Fragments in den Titel D. 16,3 jedenfalls keine interpolationistische Absicht lag, für das depositum von der dolus-Haftung abzurücken, weil sonst die Kompilatoren das Fragment an eine andere Stelle gesetzt hätten, beispielsweise hinter D. 16,3,1,7, hinter D. 16,3,1,22 oder hinter D. 16,3,1,35. 5. Aus der Papiniansmasse wurde die lex 890 in die Sabinusmasse verschoben. Im 9. Buch seiner Quästionen behandelt Papinian das depositum91. Durch die Verrü-
84 Honoré, Editing, SZ 90, 267. Für nicht beweisbar hält Honorés These von einer joint mass coda Mantovani, Digesto 60 ff.; diesem zustimmend Kaiser, Digestenentstehung, SZ 108, 336 f. 85 Honoré, Editing, SZ 90, 267. 86 Honoré, Editing, SZ 90, 267; der Deutung von D. 11,1,21 als joint mass coda stimmt Spengler, Interrogatio 17, zu. 87 Vgl. Lenel, P I Celsus 91, Sp. 142. 88 Möglicherweise auf Hinweis eines Redakteurs, der die Texte zur Tutel durchsah. So könnte die Kommission, die die Bücher der Ediktsmasse exzerpierte, das Fragment zuerst in den Titel zur Tutel gestellt haben, bei der Redaktion dieses Titels könnte dann das Fragment in den Titel 16,3 geschoben worden sein (vgl. Bluhme, Ordnung 298, zu D. 12,4,14 und D. 50,13,6). Damit spricht auch die Stellung des Fragments gegen einen nachträgliche Einarbeitung des depositum. Denn es ist nicht ersichtlich, wieso bei der Durchsicht des Titels über die Tutel jemand darauf verfallen sein könnte, eine Interpolation hinsichtlich des depositum durchzuführen. 89 Nach Kaiser, Digestenentstehung, SZ 108, 336, entsteht ein Anhang am Schluss einer Masse, mehrerer Massen oder am Titelende unter anderem dann, wenn es sich um Nachträge aus fortschreitender Lektüre handelt. 90 Papinian 9 quaestionum D. 16,3,8: Quod privilegium exercetur non in ea tantum quantitate, quae in bonis argentarii ex pecunia deposita reperta est, sed in omnibus fraudatoris facultatibus: idque propter necessarium usum argentariorum ex utilitate publica receptum est. plane sumptus causa, qui necessarie factus est, semper praecedit: nam deducto eo bonorum calculus subduci solet. 91 Lenel, P I Papinian 166, Sp. 830.
106
2. Kap.: Zuordnung eines Fragments zu einer Formel
ckung gelang es den Kompilatoren, die Privilegien der Depositengläubiger im Konkurs des Verwahrers an einer Stelle zu behandeln (D. 16,3,7,2 – 8)92. 6. Im Ergebnis lässt sich damit aus der Abweichung von der Massenreihenfolge teilweise erkennen93, welcher Aufbau des Titels den Kompilatoren vorschwebte: der Verkauf der verwahrten Sache wird in D. 16,3,1,47 bis D. 16,3,4 erörtert, die Verwahrung beim Sequester in D. 16,3,5,1 bis D. 16,3,7pr., die Erbenhaftung in D. 16,3,7,1 bis 10 und der Konkurs des Verwahrers in D. 16,3,7,2 – 8.
II. Verschiebungen innerhalb der Masse 1. Innerhalb der Sabinusmasse ist die lex 394 verschoben worden95, weil die Kompilatoren an dieser Stelle das Problem des Verkaufs der verwahrten Sache erörtern wollten96. 2. Verschiebung der leges 1 bis 7 an den Anfang des Titels: Innerhalb der Sabinusmasse sind die leges 1 bis 7 vor die leges 11 bis 12 verschoben worden97, d. h. dass die Sabinusmasse des Digestentitels nicht mit den libri ad Sabinum, sondern mit dem Ediktskommentar Ulpians beginnt98. Dafür sind zwei Gründe denkbar. Zum einen ist fraglich, ob das depositum im Sabinus-System überhaupt einen eigenen Platz hatte oder ob die Erörterungen des depositum in den Sabinuskommentaren kurz und ungeordnet auf verschiedene Orte verteilt ausfiel99. War dies der Fall, dann mochten die Sabinuskommentare den Kompilatoren ungeeignet erscheinen, mit ihnen den Titel zu eröffnen100. Anders geZum Konkurs des Verwahrers siehe die kurzen Hinweise in § 14 III. „Wenn sich daher eine gleichmäßige Inscriptionenfolge fände, so würde in den Ausnahmen von dieser Gleichmäßigkeit eine natürliche Auffoderung liegen, den Inhalt der einzelnen Fragmente zu prüfen, und so über die Einwirkungen systematischer Zwecke zu entscheiden“ (Bluhme, Ordnung 261 f.). 94 Ulpian 31 (30) ad edictum D. 16,3,3: Plane si possit rem redimere et praestare nec velit, non caret culpa, quemadmodum si redemptam vel alia ratione suam factam noluit praestare causatus, quod semel ignarus vendiderit. 95 Nimmt man mit Lenel (P II Ulpian 896, Sp. 617 Fn. 2) einen Fehler in der Inskription an (fälschlich 31. Buch für 30. Buch), so liegt keine Verschiebung vor, die lex 3 wäre an ihrem Platz. 96 Siehe soeben § 7 I 1. Auch die lex 2 (Paulus 31 ed.) ist insoweit verschoben, als sie als Auszug aus dem Ediktskommentars des Paulus eigentlich zur lex 13 gehört. 97 Vgl. Mommsen, EM I 474, LXXXXIV. 98 Dass die Sabinusmasse mit den Sabinuskommentaren, nicht mit den zur Sabinusmasse gehörenden Bücher der Ediktskommentare zu beginnen hat, zeigen D. 50,16,159 ff. mit 182 ff. und D. 50,17,2 ff. mit 41 ff. (vgl. Bluhme, Ordnung). 99 Zu dieser Frage siehe § 9. 100 „Nachdem so die einzelen Vereine ihre Arbeit beendigt hatten, wurden aus diesen drei Excerptensammlungen unsere Pandekten zusammengesetzt. Zu diesem Zweck legte man bei 92 93
§ 7 Der Aufbau des Digestentitels 16,3
107
wendet: Wenn erwartet wird, dass innerhalb der Sabinusmasse die Sabinuskommentare den Ediktskommentaren vorangehen, dann liegt das daran, dass nach der Bluhme-Krüger-Ordnung die Kompilatoren zuerst die Bücher der Sabinuskommentare zusammen und dann die entsprechenden Bücher der Ediktskommentare zusammen exzerpiert haben101. Fand man aber in den Sabinuskommentaren keine Behandlung des depositum, konnten dem entsprechenden Titel auch keine Auszüge aus den Sabinuskommentaren zugewiesen werden. Der zweite Grund könnte darin liegen, dass die Kompilatoren den Titel mit dem autorativen Text des prätorischen Edikts eröffnen wollten; dann lag ein Beginn mit dem Ediktszitat und dem sich anschließenden Kommentar zum Edikt und dem sich wiederum anschließenden Kommentar zu der durch das Edikt verheißenen formula in factum concepta nahe: Die Kompilatoren mussten mit den Ediktskommentaren beginnen102. Dabei sind die leges 11 und 12 mitten in die Auszüge aus den Ediktskommentaren versetzt worden (lex 13: Paulus 31 ed, lex 14: Gaius 9 edpr). Wenn man von einer ursprünglichen Anlage des Titels in der Reihenfolge ausgeht, die der BK-Ordnung103 entspricht (also leges 11, 12, 1, 3, 5, 7, 2, 13, 14, 15, 10, 16, 17, 18), dann ergibt sich die endgültige Anordnung der Fragmente dadurch, dass die Kompilatoren die Auszüge aus Ulpians Ediktskommentaren an den Titelanfang gestellt haben104. 3. Auch die lex 10 ist innerhalb ihrer Masse verschoben worden, denn sie gehört zwischen die leges 15 und 16105. Auch diese Versetzung unterstreicht, dass
jedem einzelnen Titel diejenige Sammlung zum Grunde, welche die meisten oder wenigstens die größten Fragmente lieferte;…“ (Bluhme, Ordnung 263). 101 Vgl. Mommsen / Krüger, Digesta16, Additamentum I, 927. 102 Das taten sie auch beim commodatum im Titel D. 13,6, nicht aber beim pignus im Titel D. 13,7. Ein Ediktszitat zum pignus ist in den Digesten nicht überliefert (Lenel, EP3 254 m. Fn. 9). 103 Vgl. Mommsen / Krüger, Digesta16, Additamentum I 927 ff.). 104 Alle anderen Versetzungen (4, 6, 9, 10) haben andere Gründe, siehe oben. Das gleiche lässt sich für den Titel D. 13,6 (Commodati vel contra) beobachten: Ulpians Ediktskommentar wurde vorangestellt (leges 1, 3, 5, 7), während sonst die BK-Ordnung erhalten blieb, so dass insbesondere die Ediktskommentare des Paulus und Gaius erst nach den Sabinuskommentaren kommen. Die Sonderstellung der Ediktskommentare Ulpians lässt sich auch bei der emptiovenditio erkennen: Während von Ulpians Behandlung des Kaufrechts im Ediktskommentar (32. Buch) alle Fragmente in den Titel 19,1 und nicht 18,1 aufgenommen wurden (einzige Ausnahme: D. 18,1,30), kamen vom 33. Buch des Ediktskommentars des Paulus der größere Teil zu D. 18,1 (1, 34), nur der kleinere zu D. 19,1 (21), aus dem 10. Buch des Gaius kam sogar alles in den Titel D. 18,1. 105 Vgl. Evans-Jones, Prefatory section 248. Dass Julians Kommentar zu Minicius nach Julians Digesten kommt, zeigt z. B. D. 50,16,206 mit D. 50,16,200 und 201; dass er vor Afrikans Quästionen kommt, zeigt D. 50,16,206 mit D. 50,16,207. Doch bleiben Zweifel, die damit zusammenhängen, wie man sich überhaupt den Kompilationsvorgang vorstellt. Die Stelle
108
2. Kap.: Zuordnung eines Fragments zu einer Formel
die Kompilatoren in von D. 16,3,7,1 bis D. 16,3,10 die Erbenhaftung behandeln wollten.
III. Fragmente zur fiducia Es fällt auf, dass sich im Titel 16,3 keine längeren Fragmente finden106, die aus einem Juristentext zur fiducia (cum amico contracta) stammen. Hingegen ist hinsichtlich des Titels D. 13,7, der das pignus betrifft, allgemein anerkannt, dass in diesen auch längere Fragmente aufgenommen wurden, die ursprünglich von der fiducia handelten107. Eine mögliche Erklärung wäre, dass in klassischer Zeit die fiducia wesentlich seltener in der Verwahrungsfunktion als in der Funktion einer Sicherungsübereignung zur Sicherung eines Gläubigers verwendet wurde und somit die Juristen die fiducia auch häufiger in der letzten Funktion erläuterten108.
IV. Zusammenfassung Die Verschiebungen von Fragmenten aus einer Masse in eine andere zeigt, welcher Aufbau des Titels den Kompilatoren vorschwebte (I 6). Die Verschiebung der leges 1 bis 7 vor die leges 11 und 12 deutet auf eine mögliche Nichtbehandlung des depositum in den Sabinuskommentaren hin (II 2). Die Nichtaufnahme von Fragmenten zur fiducia in den Titel D. 16,3 lässt vermuten, dass im klassischen Recht die fiducia vor allem als Instrument der Sicherung eines Gläubigers diente (III). Die Häufung der Behandlung des depositum irregulare und der Verzinsung ab der lex 24 fällt mit dem Beginn der Papiniansmasse zusammen109.
D. 16,3,10 handelt ursprünglich nicht vom depositum (Lenel, P I Julian 850 ff., Sp. 485 f.), D. 16,3,15 schon (vgl. Lenel, P I Julian 210, Sp. 353). D. 16,3,15 kann also nicht einfach deshalb vor D. 16,3,10 stehen, weil die Kompilatoren Julians Digesten vor dem Kommentar zu Minicius gelesen hätten. 106 Zur fiducia gehörten aber ursprünglich vielleicht D. 16,3,2 und 3, siehe dazu § 16 III 3. 107 Das betrifft etwa die Fragmente, die aus Ulpians 30. Buch zum Ediktskommentar stammen (D. 13,7,22 u. 24). Von der fiducia handelten ursprünglich nach Noordraven, Fiduzia, z. B. die leges 22, 24, 26 (19); 31 (51). 108 Die Verwahrungsfunktion der fiducia ist uns aber in G. 2,60 bezeugt (fiducia cum amico quo tutius nostrae res apud eum essent). Vgl. zu dieser Frage Noodraven, Fiduzia 48 ff. 109 Vgl. Kaser / Hackl, § 23 V, S. 168 f. Fn. 48.
§ 8 Die Formulierung von Vertragsverletzungen
109
§ 8 Die Formulierung von Vertragsverletzungen110 In diesem Paragraphen soll untersucht werden, inwieweit die römischen Juristen in ihren Formulierungen, mit denen sie die Haftung des Verwahrers begründen, auf den Wortlaut einer der beiden Formeln anspielen.
I. Der Befund 1. Allgemeine Formulierungen, um auszudrücken, dass der Verwahrer seine Pflichten nicht erfüllt hat, beziehen sich auf die Verletzung der fides111. Mit dem Hinweis auf die fides wird aber nicht ausschließlich auf die formula in ius concepta, deren Wortlaut die bona fides enthält, angespielt: D. 16,3,1,4 betrifft das Edikt und daher die durch das Edikt verhießene formula in factum concepta, bei D. 16,3,5pr. muss mit der actio directa die formula in factum concepta gemeint sein, denn nur für das iudicium mit der formula in factum concepta musste die actio contraria im Edikt gesondert proponiert werden112. Nur bei D. 16,3,32 ist ein Bezug zur formula in ius concepta denkbar, wenn man die Interpretation der culpa latior als dolus auf das bonae fidei iudicium beschränkt113. 2. a) Die konkreten Vorwürfe an den Verwahrer lauten non reddere114 und dolo facere115. Die beiden Vorwürfe sind die einzigen Vorwürfe, die gegen den Ver110 Der Ausdruck „Vertragsverletzung“ ist hier gebraucht, ohne ein Ergebnis, etwa hinsichtlich einer Deliktsähnlichkeit der actio depositi nach der formula in factum concepta, vorwegnehmen zu wollen und soll nur ein die Haftung des Verwahrers begründendes Verhalten meinen. 111 Vgl. fidem frangere in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,4 und fidem rumpere in Ulp. 30 ed D. 16,3,5pr.; der Gegensatz salva fides findet sich etwa in Celsus 11 dig D. 16,3,32. Dass beim depositum die zu verwahrende Sache der fides des Verwahrers anvertraut werde, sagt in seiner Definition des depositum ganz allgemein Ulpian 30 ed D. 16,3,1pr. 112 Vgl. Lenel, EP3 289 f. 113 Nach Harke, Argumenta 129, zeige das Abstellen des Celsus auf die fides, dass der Jurist die formula in ius concepta behandle. Dies ist aber nicht zutreffend, denn die fides wird von den Juristen auch allgemein bei der Erörterung des depositum und auch insbesondere bei der Erörterung der formula in factum concepta herangezogen (siehe oben). Die fides liegt allen Vertragsverhältnissen zugrunde, auch den Klagen strengen Rechts ohne bona-fides-Klausel, wie etwa der condictio, vgl. Ulp. 26 ed D. 12,1,1,1 und Cicero, De officiis 2,84: nec enim ulla res uehementius rem publicam continet quam fides quae esse nulla potest nisi erit necessaria solutio rerum creditarum. Auch aus der Stipulation des fideiussor (‚quod Maevius mihi debet, id fide tua esse iubes?‘, vgl. Kaser, RP I § 155 II 3c, S. 663) entsprang kein bonae fidei iudicium. Dass es in D. 16,3,32 um die in ius konzipierte Formel gehe, könnte nur daraus abgeleitet werden, dass nur diese Formel eine Erweiterung des Haftungsmaßstabes zuließ. Dagegen siehe aber oben § 6 II 3; zur Stelle selbst siehe noch § 11 II. 114 Vorwurf des non reddere: D. 16,3,1,4, D. 16,3,1,16, D. 16,3,1,33. Der Ausdruck non restituere erscheint zur Beschreibung einer Vertragsverletzung im Titel D. 16,3 in D. 16,3,1,21 und D. 16,3,22. Dabei kann in der ersten Stelle der Gebrauch von restituere statt reddere sich
110
2. Kap.: Zuordnung eines Fragments zu einer Formel
wahrer erhoben werden116, und sie stehen in einem alternativen Verhältnis zueinander117. Dass die beiden Vorwürfe in einem alternativen Verhältnis zueinander stehen, muss betont werden: Der Vorwurf lautet niemals: res dolo malo reddita non est118. b) Wann werden nun diese beiden Vorwürfe erhoben? Voraussetzung für eine Haftung des Verwahrers ist zunächst die Nichtrückgabe der verwahrten Sache119;
auch dadurch erklären, dass es hier um die Rückgabe der Sache nach der litiscontestatio geht. Doch wird in derselben Stelle von der facultas restituendi auch zum Zeitpunkt der Klageerhebung, also bei bzw. vor der litiscontestatio, gesprochen. Zudem erscheint restituere statt reddere noch öfter, vgl. z. B. in D. 16,3,5,2, in D. 16,3,14pr., in D. 16,3,14,1, und allgemein in D. 16,3,1,32, D. 16,3,12,1, D.16,3,22, D.16,3,26pr.; und schließlich in D.16,3,31pr. u. 1 (reddere und restituere als Synonyme). 115 Schon das Edikt des Prätors spricht vom dolo malo facere, D. 16,3,1,1. Stellen zum dolo facere: D. 16,3,1,14, D. 16,3,1,21, D. 16,3,1,22, D. 16,3,1,43, D. 16,3,1,47, D. 16,3,13pr. Andere synonyme Formulierungen: dolum committere (D. 16,3,1,15 u. 18); dolus intercedere bzw. intervenire (D. 16,3,1,32, D. 16,3,1,1,15); dolum admittere (D. 16,3,9); dolo quid admittere (D. 16,3,16), fraude non carere (D. 16,3,32). Ebenso G. 3,207. 116 So wird der Vorwurf der Sachbeschädigung auf das dolo malo non reddere zurückgeführt, vgl. D. 16,3,1,16. Die Frage ist dann, ob für die formula in ius concepta etwas anderes gilt. Dass es nur zwei Vorwürfe geben kann, sagt auch ein Reskript Diokletians (Coll. 10,4): Eos penes quos vestem et argenti materiam deposuisse proponis apud rectorem provinciae convenit interrogari, qui eos, sive teneant sive dolo fecerint quominus possint restituere, secundum bonam fidem tibi satisfacere conpellet. Nur auf den ersten Blick formuliert Labeo in D. 16,3,34 die Vorwürfe anders, denn Labeo beschreibt nicht Vertragsverletzungen, sondern er beschreibt ein Verhalten (sine mora reddere, incorruptum reddere), das keine Vertragsverletzung darstellt. 117 In Ulp. 30 ed D. 16,3,1,33 berichtigt Ulpian Julian dahingehend, dass dem Verwahrer nicht ein dolo facere, sondern ein non reddere zur Last falle. Der Bürge des Verwahrers haftet, wenn dem Verwahrer ein dolo facere vorzuwerfen ist oder wenn die Sache noch bei ihm ist, es also am reddere fehlt, D. 16,3,1,14. Der pupillus haftet, wenn er dolos gehandelt hat, oder die Sache noch bei ihm ist, D. 16,3,1,15. Wurde bei einem Sklaven hinterlegt, der dann freigelassen wird, ist zu unterscheiden: Ist dem Sklaven dolus vorzuwerfen, ist nicht er, sondern sein (damaliger) Eigentümer zu verklagen (D. 16,3,1,18), ist dem Sklaven kein dolus vorzuwerfen, sondern hat er die Sache noch, fehlt es also am reddere, ist der Freigelassenen selbst, nicht sein ehemaliger Eigentümer zu verklagen (D. 16,3,21,1). Zur Frage siehe § 14 II. 118 In Paulus 31 ed D. 16,3,13pr. heißt es quoniam nunc incipit dolo malo facere, nicht quoniam nunc res incipit dolo malo reddita non esse. Die einzige Ausnahme findet sich in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,16. Diese Ausnahme erklärt sich leicht daraus, dass dort die Sache zurückgegeben wurde und neben dem Vorliegen des dolus daher noch einmal das non reddere betont werden muss. Zudem lässt sich die Stelle so deuten, dass dort die Klägerbehauptung wiedergegeben werden soll (potest dici), die in der Tat zum Formelwortlaut passen musste. 119 Hat der Verwahrer die Sache zurückgegeben, ist diese aber beschädigt, so wird mit der Fiktion gearbeitet, die Sache sei nicht zurückgegeben worden, Ulp. 30 ed D. 16,3,1,16. Die Frage ist dann nur noch, ob dem Verwahrer dolus vorzuwerfen ist. Dies kann der Schlusssatz potest dici dolo malo redditam non esse meinen: Prozessthema ist dann nur noch der dolus des Verwahrers. – Hat der Verwahrer das Geld, das bei ihm von einem Sklaven hinterlegt wurde,
§ 8 Die Formulierung von Vertragsverletzungen
111
insoweit fühlen sich die Juristen also an die Verurteilungsvoraussetzung des redditam non esse der formula in factum concepta gebunden120. aa) Ist dem Verwahrer die Rückgabe der Sache, weil er sie nicht mehr hat, subjektiv121 oder objektiv122 unmöglich, kommt es darauf an, ob die Unmöglichkeit durch ein dolo facere herbeigeführt wurde oder ohne dolus malus eingetreten ist123. bb) Hat der Verwahrer die Sache noch, so ist zu unterscheiden: Ist ihm die Herausgabe unmöglich, haftet er nur, wenn ihm ein dolo facere zur Last fällt124. Weniger klar ist die Sache, wenn der Verwahrer die Sache hat und ihm die Rückgabe möglich ist: Ist der Vorwurf hier, dass der Verwahrer dolos handelt, oder geht der Vorwurf dahin, dass er die Sache nicht zurückgibt? Den Vorwurf des non reddere, wenn der Verwahrer die Sache hat und die Rückgabe möglich ist, scheint Neraz zu erheben, während Ulpian auf den dolus abstellt. Dieser unterschiedliche Ansatz der Begründung scheint eine Vertiefung zu rechtfertigen, die hier jedoch den Gedankengang unterbrechen würde125.
damit er es dem Sklaveneigentümer für die Freiheit des Sklaven gebe, zurückgegeben, hat dabei aber der Verwahrer vorgegeben, es sei eigenes Geld, das er für die Freiheit gebe, dann haftet der Verwahrer, weil er das Geld eben nicht zurückgegeben habe, denn aliud est enim reddere, aliud quasi de suo dare, Ulp. 30 ed D. 16,3,1,33. Nur in Labeo 2 pith D. 16,3,34 scheint Labeo eine Haftung des Verwahrers ungeachtet der Rückgabe anzunehmen: Der Verwahrer hatte die hinterlegte Sache erst zurückgegeben, nachdem er eine Geldzahlung vom Hinterleger erhalten hatte. Wofür der Verwahrer das Geld gefordert hatte, wird nicht gesagt. Denkt man sich einen treuwidrigen Verwahrer, der aus Bereicherungsabsicht das Geld gewissermaßen als Kaufpreis fordert, dann hätte Labeo die gleiche Argumentation wie Ulpian aus 30 ed D. 16,3,1,33 verwenden können: Ein solcher Verwahrer spielt sich als Eigentümer der Sache auf, es handelt sich bei der Rückgabe eher um ein de suo dare als um ein reddere. Möglich ist aber auch, dass der Verwahrer hier meint, zu Recht eine Geldzahlung verlangen zu können, etwa als Aufwendungsersatz. Labeo jedenfalls bemüht sich hier nicht, die Fiktion der Nichtrückgabe zu begründen: Er weist vielmehr ausdrücklich darauf hin, dass zurückgegeben wurde: sine mora et incorruptum. Zu diesen Fragen siehe § 20 VI. Eine Haftung des Verwahrers trotz Rückgabe scheint auch in den Fällen vorzuliegen, in denen der Verwahrer nach Rückgabe des verwahrten Geldes noch Zinsen schulden soll. Das hängt freilich davon ab, inwieweit man die Zinszahlung in den Begriff reddere mit hineinziehen, Zinsen z. B. als Früchte ansehen kann (vgl. D. 16,3,1,24, aber auch D. 50,16,121). 120 Siehe auch unten § 16 II 4b. 121 Fälle der subjektiven Unmöglichkeit: durch Verkauf Ulp. 30 ed D. 16,3,1,25 u. 47; durch Rückgabe an den falschen Ulp. 30 ed D. 16,3,1,32; durch Loslassung des zur Folter hinterlegten Sklaven Ulp. 30 ed D. 16,3,7pr. 122 Fälle der objektiven Unmöglichkeit: Einschmelzen der verwahrten Schüssel Marc. 5 (6?) dig D. 16,3,22. 123 Das Gegenteil zu dolo facere ist dann sine dolo malo amittere oder perire, vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,21; Paulus 18 ed D. 16,3,20. 124 Vorübergehende Unmöglichkeit in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,22. 125 Zum unterschiedlichen Blickpunkt des Neraz und Ulpians siehe Ulp. 30 ed D. 16,3,1,20 – 21 und unten § 12 IV.
112
2. Kap.: Zuordnung eines Fragments zu einer Formel
cc) Wie ist nun die Art, in der die römischen Juristen die Vorwürfe an den Verwahrer erhoben, einzuschätzen? Ausgangspunkt für die Juristen muss der Wortlaut des Edikts und der Formeln gewesen sein: quod dolo malo factum esse dicetur126, dolo malo redditam non esse und quidquid dare facere oportet ex fide bona. Voraussetzung einer Haftung des Verwahrers ist das non reddere. Liegt auf den ersten Blick ein reddere vor, bemühen sich die Juristen um eine Begründung, doch ein non reddere annehmen zu können127. Dieses non reddere scheint der in factum konzipierten Formel zu entstammen. Weiterhin hängt die Haftung des Verwahrers von der Feststellung des dolus ab. Dabei aber stellen die Juristen nicht auf ein dolo malo non reddere ab, sondern auf ein dolo facere, die Formulierung der in factum konzipierten Formel dolo malo redditam non esse wird von ihnen also in die Teile non reddere und dolo facere zerlegt128. Dabei scheint das Abstellen auf ein dolo facere dem Edikt entnommen, in dem von einem quod dolo malo eius factum esse dicetur129 die Rede ist. Durch diese Zerlegung besteht dann die Möglichkeit, dass die kausale Verbindung zwischen der Nichtrückgabe und der dolosen Handlung verloren geht; in einigen Fällen kann so die Haftung des Verwahrers bejaht werden, in denen eine Begründung nach der Formel eam rem dolo malo redditam non esse Schwierigkeiten bereitet hätte. Das gilt vor allem für die Auflösung eines Kausalzusammenhangs zwischen der Nichtrückgabe und dem dolus. Liegen Nichtrückgabe und ein dolus vor, kommt es zur Verurteilung des Verwahrers, auch wenn die Nichtrückgabe der hinterlegten Sache selbst nicht auf den dolus zurückzuführen ist130. 126 Diese Wendung findet sich im Edikt in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,1 freilich nur bei der Notverwahrung und dort auch nur, um bei der Erbenhaftung hinsichtlich der Verurteilungssumme zu unterscheiden. 127 Vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,16 und D. 16,3,1,33. 128 Vgl. Paulus 31 ed D. 16,3,13pr. Es heißt „quoniam nunc incipit dolo malo facere, si reddere eam non vult“ statt etwa „quoniam nunc res incipit dolo malo reddita non esse“. 129 Das Edikt zum depositum (D. 16,3,1,1) erscheint wie eine Vereinigung des Edikts zum commodatum (D. 13,6,1pr.) und zur actio de dolo (D. 4,3,1,1) bzw. die durch dieses Edikt verheißene actio depositi erscheint wie eine durch die Tatsache einer Verwahrung qualifizierte actio de dolo: quod depositum sit … quod dolo malo eius factum esse dicetur. Zunächst soll aber das quod dolo malo eius factum esse dicetur, anders als beim Edikt über die actio de dolo, keine Voraussetzung der Klage beschreiben, sondern dient nur dazu, beim depositum necessarium im Falle des Erben des Verwahrers die Urteilssumme danach zu differenzieren, ob der verstorbene Verwahrer oder der Erbe selbst dolos gehandelt hat. Immerhin verzichtet das Edikt darauf, den dolus ausdrücklich auf die Nichtrückgabe zu beziehen, vgl. dazu § 16 II 4b, bb. Andererseits ist das dolus dolo malo factum esse dicetur doch auch so verstanden worden, dass es auch eine Haftungsvoraussetzung für das depositum simplum benennt: Denn Ulpian knüpft an diese Worte in den §§ 6 u.7 seinen Kommentar zu Vereinbarungen über die Haftungsverschärfung (Lenel, EP3 288 Fn. 7. Siehe auch § 6 II 3). Solche Vereinbarungen wird es aber kaum beim depositum necessarium gegeben haben, wenn der Hinterleger aus Angst vor einer herannahenden Feuersbrunst seine Sachen in Verwahrung gibt. 130 So fehlt es in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,25 an der Kausalität zwischen dem verübten dolus und der Nichtrückgabe, ein non reddere und ein dolo facere lassen sich aber ohne weiteres bejahen und werden von Ulpian bejaht. Vgl. dazu § 13 I 1.
§ 8 Die Formulierung von Vertragsverletzungen
113
Aus zwei Gründen war den Juristen grundsätzlich die Erweiterung des Anwendungsbereichs der formula in factum concepta möglich, indem sie die beiden Verurteilungsvoraussetzungen voneinander isolierten. Zum einen nannte das Edikt die Voraussetzung der Nichtrückgabe nicht. Zum anderen ließ die grammatikalische Konstruktion des dolo malo redditam non esse dies zu: der dolus malus bezieht sich nicht auf eine Handlung bzw. das Unterlassen der Rückgabe, sondern es bezieht sich auf einen Zustand, nämlich auf den Zustand der Nichtrückgabe. Der dolus muss nur den Zustand der Nichtrückgabe qualifizieren; das kann er auch, wenn die Unmöglichkeit der Rückgabe eingetreten ist, ohne dass ein dolus des Hinterlegers vorliegt131. 3. Im zweiten Teil des Digestentitels ab D. 16,3,24 wird die Haftung des Verwahrers nicht mehr mit den Vorwürfen des non reddere und des dolo facere begründet, es fehlt überhaupt jede Vertragsverletzungsterminologie132. Der Ton ist ein ganz anderer133. Dies kann am Inhalt der Digestenfragmente liegen, es geht vor allem um die Zinszahlungspflicht, aber auch an der Literaturgattung134. Es könnte auch daran liegen, dass die negative Formulierung der Verurteilungsbedingungen bei der formula in factum concepta den Gebrauch einer Vertragsverletzungsterminologie nahe legt, die positive Formulierung quidquid dare facere oportet ex fide bona aber nicht135.
Hierher könnten auch Fälle gehören, in der die actio depositi in factum concepta als Bereicherungsklage fungiert: Der Verwahrer wird verurteilt, auch wenn die Unmöglichkeit der Rückgabe nicht auf seinen dolus zurückgeht, wenn er einen Vorteil, den er aus der Verwahrung hat, nicht herausgeben will, doch siehe dazu unten § 16. 131 Siehe dazu im Einzelnen § 16 II 4. 132 So wird etwa auch eine Zinszahlungspflicht des Verwahrers nicht damit begründet, dass das Nichtzinsenzahlen eine Pflichtverletzung darstelle: In Pap. 9 quaest D. 16,3,24 wird nicht etwa gesagt, dass es contra bonam fidem sei, nicht Zinsen zu zahlen, sondern dass es gegen Treu und Glauben verstoße, schon vor dem Eintritt des Verzuges Zinsen vom Verwahrer zu verlangen. In D. 16,3,25,1 wird einfach festgestellt, dass der Verwahrer auch auf die Zinsen zu verurteilen sei, in lex 26,1, dass Zinsen verlangt werden könnten, in 28 und 29,1, dass Zinsen geschuldet würden. Die Formulierung von Vertragsverletzungen findet sich nur in Paulus 2 sent D. 16,3,29,1 (invito domino contrectare) und Celsus 11 dig D. 16,3,32 (fraude non carere, non salva fide). 133 Einen Einschnitt zwischen der lex 23 und der lex 24 stellt auch Gandolfi, Il deposito 97, fest. In den leges 24 bis 29 gehe es vorwiegend um das depositum irregulare und um Zinsen. 134 Mit der lex 24 beginnt die Papiniansmasse vor allem mit Quaestionenwerken und Responsensammlungen. Bei einem Ediktskommentar liegt es näher, die Entscheidung an den Wortlaut von Formel und Edikt zurückzubinden, sich also auf ein non reddere und dolo facere zu berufen. Hingegen legt die kurzangebundene Art der römischen Juristen, ein responsum zu erteilen, es nicht nahe, eine auch nur kurze Begründung zu erwarten (geradezu beispielhaft die in einem Wort bestehende Antwort des Paulus in 7 resp D. 16,3,27: filio). Auch Kaser / Hackl (§ 23 V, S. 169 Fn. 48) beobachten, das depositum irregulare erscheine nur in Quellen außerhalb der Sabinus- und Ediktskommentare. 135 Auf den Wortlaut der formula in ius concepta spielt an deberi ex bonae fidei iudicio usuras in Scaev. 1 resp D. 16,3,28.
114
2. Kap.: Zuordnung eines Fragments zu einer Formel
II. Schlussfolgerungen Die Formulierungen non reddere und dolo facere, mit der die Juristen die Haftung des Verwahrers begründen, sind der formula in factum concepta und dem sich auf diese Formel beziehenden Edikt entnommen, es gibt keine entsprechenden Entnahmen aus der formula in ius concepta136. Ob aber jede Stelle, in der auf ein non reddere und ein dolo facere angespielt wird, sich tatsächlich auf die formula in factum concepta bezieht, wird man erst nach einer Exegese der einzelnen Stellen sagen können. Schließlich erscheint es möglich, dass die Juristen bei der Anwendung der einen Formel die Konzepte der anderen Formel und deren Formulierungen übernahmen. Denn die Klausel ex fide bona bedurfte ja der Konkretisierung, bevor sie anwendbar war.
§ 9 Exkurs: Die Darstellung des depositum in den Sabinuskommentaren Die Ausführungen dieses Paragraphen liegen außerhalb des Untersuchungsgegenstandes dieses Kapitels. Sie hängen insofern mit ihm zusammen, als in § 7 II 2 festgestellt worden war, dass im Titel D. 16,3 in der Sabinusmasse die Sabinuskommentare hinter die Ediktskommentare gerückt worden sind. Das hatte zu der Frage geführt, ob das depositum in den Sabinuskommentaren überhaupt dargestellt wurde. Einen Zusammenhang mit der Fragestellung dieses Kapitels könnte man sehen, wenn man annimmt, in den Ediktskommentaren sei die formula in factum concepta dargestellt worden, in den Sabinuskommentaren die formula in ius concepta137.
I. Vorüberlegungen Im Sabinussystem hatte das depositum nach herrschender Meinung keinen eigenständigen Platz gefunden138 und damit nach herrschender Meinung auch keinen Platz in den Sabinuskommentaren139. 136 Gandolfi, Il deposito, 81, 95, 141, nimmt an, dass Voraussetzung für eine Haftung des Verwahrers nach der formula in ius concepta ein Verstoß des Verwahrers gegen die aus der bona fides resultierenden Pflichten sei. Ausgesprochen wird dies von den römischen Juristen aber nicht. Dies gilt auch für D. 16,3,11: nec enim convenit bonae fidei abnegare id quod quis accepit, bedeutet nicht, dass die Nichtherausgabe an den Sklaven eine Haftung begründet, sondern nur, dass der Verwahrer durch Herausgabe an den Sklaven frei werden kann. 137 Dieses Argument gebraucht Kaser, Restituere 94, im Hinblick auf Pomp. 22 Sab D. 16,3,12,3. Im Sabinuskommentar werde das ius civile dargestellt; das spreche dafür, dass es in D. 16,3,12,3 eher um die formula in ius concepta gehe.
§ 9 Exkurs
115
Durch den Werkcharakter als Kommentar war im Grundsatz jede Ausführung des Kommentators durch eine entsprechende Äußerung des Sabinus bedingt140. Wenn also Sabinus das depositum nicht behandelte, war als Folge denkbar, dass das depositum auch nicht in den Sabinuskommentaren erscheint. Andererseits finden sich in den Sabinuskommentaren auch lange Exkurse zu Fragen, die durch das kommentierte Werk nicht veranlasst sind. Lenel141 führt Beispiele von Exkursen an, die Sabinus aus Gründen der Chronologie gar nicht besprochen haben kann. So erörtert Ulpian in den Büchern 12 und 13 das SC Tertullianum aus der Zeit Hadrians und das SC Orfitianum von 178 n.Chr., ferner im 33. Buch ein SC aus dem Jahr 206 über die Heilung einer Ehegattenschenkung bei Tod des Schenkers142. Weniger überzeugend ist das Beispiels Lenels, dass Ulpian im 29. Buch bei der Behandlung des Kaufes einen Exkurs zur Aktivlegitimation bei der actio furti hat (vgl. D. 47,2,10 ff.). Denn soweit der Exkurs dadurch veranlasst ist, dass der Jurist von der custodia-Haftung des Verkäufers spricht, von der custodia-Haftung dann zur Frage der Aktivlegitimation bei der actio furti kommt, lässt sich nicht ausschließen, dass sich dieser Exkurs aus denselben Gründen schon bei Sabinus findet143. Nach Liebs144 sei generell mit Exkursen zu rechnen, auch zu Rechtsmaterien, die schon Sabinus hätte behandeln können.
Gegen eine Erörterung des depositum in den Sabinuskommentaren könnte auch das Verhältnis des ius civile zum ius honorarium sprechen, wenn man dieses Verhältnis auch in der Beziehung der Ediktskommentare zu den Sabinuskommentaren wiederfinden will. Der Titel des Sabinianischen Werkes ius civile legt nahe, dass Sabinus in ihm nur das ius civile im Gegensatz zum ius honorarium behandelt habe145. In einem Komplementärmodell hätten die Juristen in den SabinuskommenVgl. Schulz, Geschichte 186 – 189. Der Schluss vom Sabinussystem auf den Aufbau der Sabinuskommentare ist dabei ein Zirkelschluss: Denn wir kennen das Sabinussystem im wesentlichen nur aus den Sabinuskommentaren (vgl. Lenel, Sabinussystem 4). 140 Für „lemmatische“ Struktur der Sabinuskommentare grundsätzlich Schulz, Geschichte 262 ff. Kritisch gegenüber diesem Konzept ist Liebs, Rez. Astolfi, I libri tres (1983), S. 565 ff.; Ders. ‚Variae Lectiones‘ 73 Fn. 92. Für Liebs ist insoweit entscheidend, dass in die Sabinuskommentare wahrscheinlich die Aussagen des Sabinus vollständig aufgenommen worden waren und nicht nur durch Lemmata auf die entsprechende Textpassage der seperat heranzuziehenden libri tres verwiesen wurde. Übereinstimmend wird aber davon ausgegangen, dass grundsätzlich eine Aussage des Sabinus kommentiert wurde (Zu Ulpian siehe Liebs, HLL IV 179; zu Pomponius siehe Liebs, HLL IV 147 f., zu Paulus siehe Liebs; HLL IV 152). 141 Lenel, Sabinussystem 17. Siehe auch Schulz, Sabinussystem 4 f., nach dem selbständige Exkurse in den Kommentaren nur Materien betroffen hätten, deren Rechtsquelle jünger als Sabinus ist. 142 Vgl. D. 24,1,32pr. ff.; Kaser, RP I § 80 III 1, S. 332. 143 Vgl. Lenel, Sabinussystem 60. 144 Liebs, Rez. Astofli, I libri tres, S. 566 f. 145 So meint Kaser, Restituere 94, es müsse in Pomponius 22 Sabinum D. 16,3,12,3 um die formula in ius concepta gehen, u. a. weil es sich um eine Darstellung des ius civile handele (vgl. aber auch den Nachtrag Kasers zur 2. Auflage a. a. O. 214 f.). 138 139
116
2. Kap.: Zuordnung eines Fragments zu einer Formel
taren das ius civile, in den Ediktskommentaren das ius honorarium behandelt146. Ein solches Komplementärverhältnis wird etwa daran deutlich, dass in den Sabinuskommentaren die für den Wirtschaftsverkehr und die Rechtswirklichkeit wichtigen adjektizischen Klagen nicht behandelt wurden147. Hinsichtlich des depositum ist dabei dann freilich zweifelhaft, welcher Rechtsmasse es zuzuteilen wäre148. Dass zumindest die Kompilatoren die Kommentare nicht als Komplementärwerke verstanden, zeigt die Verteilung in die Bluhmschen Massen. Die Kompilatoren haben Bücher der Ediktskommentare in die Sabinusmasse aufgenommen (Ulpian 26. bis 52. Buch, Paulus 28. bis 48. Buch), weil in diesen Büchern dasselbe wie in den Sabinuskommentaren behandelt wurde149. Wie die Juristen das Verhältnis der Sabinuskommentare zu den Ediktskommentaren auffassten, müsste sich damit gerade an den Materien zeigen, die die Juristen in beiden Werken behandeln. Auf den ersten Blick scheint es, als habe hinsichtlich des Kaufrechts Ulpian im Ediktskommentar (im 32. Buch) die Frage behandelt, was die Parteien mit ihren Klagen verlangen könnten150. Im Sabinuskommentar (28. Buch) könnte Ulpian im Gegensatz dazu dann erörtert haben, wann ein Kaufvertrag als Grundlage der aus ihm entspringenden Klagen vorgelegen hätte151. Auf die Formeln der Klagen übertragen, könnte das heißen, dass Ulpian im Sabinuskommentar erörtert, wann die demonstratio der Klagen vorliegt, wie dies für die Darstellung
146 Ein solches Komplementärmodell greift durchgehend schon nicht für das Werk des Sabinus selbst, der in seinen drei Büchern auch die Rechtsbehelfe des Ädilenedikts behandelt hat (Zweifelnd Lenel, Sabinussystem 73 ff.). Im Sinne eines Komplementärmodells auch Liebs zu Ulpian (HLL IV 179): Die Materien des Ediktskommentars und des Sabinuskommentars überschnitten sich, die Rechtsquelle sei aber verschieden; dort die honorarrechtlichen Fortbildungen, hier die alte zivilrechtliche Grundlage. 147 Dies zeigt sich daran, dass die Kompilatoren für das 14. und 15. Buch der Digesten keinen Auszug aus den Sabinuskommentaren verwendeten, in dem die adjektizischen Klagen selbständig behandelt werden: So handelt etwa Pomp. 7 D. 15,1,4 u. 22 vom peculium legatum (Lenel, P II Pomponius 514 f., Sp. 105 f.). 148 Für Zugehörigkeit zum ius honorarium spricht das Edikt des Prätors mit der durch dieses verheißenen Klage mit der formula in factum concepta; für Zugehörigkeit zum ius civile die formula in ius concepta mit der Klausel ex fide bona, die das depositum in dieselbe Kategorie rückt, in der auch die emptiovenditio stand. Ferner spräche für die Zugehörigkeit zum ius civile, dass schon die Zwölftafeln eine Klage ex causa depositi gaben (vgl. PS. 2,12,11). Wollte man je nach der Art der Formel das depositum einer Rechtsmasse zuordnen, müsste man auf die Frage eingehen, seit wann es welche Formel gab. Dass Sabinus das depositum nicht behandelte, könnte dann heißen, dass es zu seiner Zeit die formula in ius concepta noch nicht (lange?) gab. 149 Vgl. Bluhme, Ordnung 279 – 281. 150 D. 19,1,11pr., § 1 (P II Ulpian 930 ff., Sp. 629 ff.): ex empto actione is qui emit utitur. et in primis sciendum est in hoc iudicio id demun deduci, quod praestari convenit …; D. 19,1,13,19 ff. (P II 935, Sp. 634): ex vendito actio venditori competit ad ea consequenda, quae ei ab emptore praestari oportet. Veniunt autem in hoc iudicium infra scripta…). 151 In D. 18,2,2pr. (P II 2707, Sp. 1117) die Frage, wann ein Kaufvertrag vorliege, wenn er unter einer Bedingung geschlossen worden ist, in D. 18,1,7,1 – 2 (P II 2713, Sp. 1119) das Erfordernis eines pretium certum, in D. 18,1,9 ff. (P II 2714, Sp. 1119 f.) Fragen von consensus und error.
§ 9 Exkurs
117
des Kaufrechts in den Gaiusinstitutionen angenommen wird152. Diese Beobachtung ist deshalb interessant, weil man in den Gaiusinstitutionen einen Nachfolger des Werks des Sabinus sehen könnte, ergänzt um ein viertes Buch als Einleitung in den Formularprozess. Ulpian hätte dann auf eine Darstellung des depositum im Sabinuskommentar verzichten können, weil er die Erörterung der demonstratio der formula in ius concepta schon bei der Kommentierung des Ediktswortes „depositum“ in D. 16,3,1,8 – 14 mit erledigt153. Zweifel an einem solchen Modell des Verhältnisses der Kommentarwerke zueinander entstehen, weil ein solches Modell wohl vor allem das Modell der Kompilatoren war: Denn diese haben die bei anderen Verträgen nicht zu findende Zweiteilung des Kaufrechts in die Titel D. 18,1 (De contrahenda emptione) und D. 19,1 (De actionibus empti et venditi) geschaffen154. Dabei haben die Kompilatoren für den Titel D. 18,1 Auszüge aus Ulpians Sabinuskommentar gewählt, für den Titel 19,1 aber Auszüge aus dessen Ediktskommentar. Dies gilt aber nicht für Paulus, aus dessen Ediktskommentar erhebliche Auszüge auch in den Titel 18,1 gelangt sind, unter anderem das Fragment 1, in dem sich die berühmte Schulenkontroverse über die Abgrenzung von Kauf und Tausch findet, die man zur Frage der demonstratio zählen könnte (vgl. G. 3,141). Freilich muss Paulus in seinem Sabinuskommentar nicht denselben Zweck verfolgt haben wie Ulpian; schon der wesentlich geringere Umfang legt nahe, dass es Paulus mehr um einen Kommentar zum Buch des Sabinus ging als um die Darstellung des geltenden ius civile. Eine einfache Erklärung für die Frage, warum Ulpian im Sabinuskommentar das depositum nicht behandelt, wäre, dass Ulpian es eben nicht um die Darstellung des geltenden ius civile ging, sondern um die Kommentierung des Werkes des Sabinus. Das Kaufrecht stellt er dar, weil es im Grundwerk vorkam, und im Ediktskommentar erörtert er es, weil er die Formel der Klagen zu kommentieren hatte. Das depositum fehlt im Sabinuskommentar, weil es auch im Grundwerk nicht vorkam.
Entscheidend ist der Zweck, den Ulpian und die anderen Kommentatoren verfolgten. Zweck des Sabinuskommentares Ulpians könnte nicht die Kommentierung des alten Werkes des Sabinus, sondern die vollständige Darstellung des geltenden Rechts gewesen sein155.
152 Ernst, Kaufrecht 159 ff., auch 172 m.Fn. 47; Babusiaux, Id quod actum est 168 ff. Ernst (a. a. O. 161) meint, der Abschnitt G. 3,139 – 141 könne auch De contrahenda emptione heißen. So wählt auch Lenel (P II Ulpian 2707, Sp. 1117 ff.) den Titel für den entsprechenden Abschnitt des Sabinuskommentars. 153 Nach Lenel, EP3 289 m.Fn. 1, erörtert Ulpian hier das deposuisse der formula in factum concepta. In diesem Kommentarabschnitt erörtert Ulpian unter anderem die Abgrenzung des Vertragstypus zur locatioconductio, zum mandatum usw. Zum Aufbau des Ediktskommentars Ulpians siehe oben § 6. 154 Vgl. auch Ernst, Kaufrecht 172 m.Fn. 47. Diese Zweiteilung könnte nun freilich wieder angeregt sein durch die doppelte Behandlung des Kaufrechts in den Edikts- und Sabinuskommentaren, die sich bei anderen Verträgen so nicht findet. locatio conductio und mandatum etwa wurden nur in den Ediktskommentaren behandelt, wenn man der Auswahl der Kompilatoren traut. 155 Daher kritisiert Schulz, Geschichte 262, Pomponius, der seine Darstellung des ius civile an das Werk des Sabinus anlehnte.
118
2. Kap.: Zuordnung eines Fragments zu einer Formel
Dafür spräche unter Umständen der Inhalt156 des Werkes, vor allem aber die Werklänge157. Geht man von der Annahme aus, die Juristen hätten das depositum in den Sabinuskommentaren behandelt, stellt sich die Frage, wo dies hätte geschehen können. Mögliche Anknüpfungspunkte konnten die Juristen im Werk des Sabinus bei anderen bonae fidei iudicia, bei der condictio oder bei der fiducia finden. Dass Fehlen einer Behandlung im ius civile des Sabinus unterstellt, könnte dann jeder Kommentator das depositum an einem anderen Ort behandelt haben. Die Frage lässt sich damit nur durch eine Exegese der einzelnen Stellen behandeln, in denen die Rede (auch) vom depositum ist. Es ist anzunehmen, dass die Kompilatoren gerade die Auszüge aus den Sabinuskommentaren in den Titel D. 16,3 geschoben hätten, in denen nach Empfinden der Kompilatoren der Jurist das depositum als eigenständiges Institut behandelte.
II. Die aus den Sabinuskommentaren stammenden Fragmente im Titel D. 16,3 1. Aus dem Sabinuskommentar stammt Ulp. 41 Sab D. 16,3,11: (1) Quod servus deposuit, is apud quem depositum est servo rectissime reddet ex bona fide: nec enim convenit bonae fidei abnegare id quod quis accepit, sed debebit reddere ei a quo accepit, sic tamen, si sine dolo omni reddat, hoc est, ut nec culpae quidem suspicio sit. denique Sabinus hoc explicuit addendo: ‚nec ulla causa intervenit, quare putare possit do156 Liebs, HLL IV 179, führt aus, die Materien von Ulpians Edikts- und Sabinuskommentar überschnitten sich, nur die Rechtsquelle sei verschieden; im Ediktskommentar gehe es um die honorarrechtlichen Fortbildungen, im Sabinuskommentar um die alte zivilrechtliche Grundlage, ähnlich Honoré, Ulpian2 177. Ist dem so, dann könnte das darauf hindeuten, dass noch Ulpian das Institut des depositum nicht so sehr als Institut des ius civile, sondern als honorarrechtlich auffasste. Für Schulz, Geschichte 265, ist Ulpians Sabinuskommentar ein restatement der Literatur des ius civile. Nach Honoré, a. a. O. 180, hatte Ulpian, als er im Jahr 214 mit der Arbeit am Sabinuskommentar begann, bereits (213) das 30. Buch seines Ediktskommentars und damit die Darstellung des depositum in diesem Werk beendet. 157 Schulz, Geschichte 265, errechnet für Ulpians Sabinuskommentar eine (geplante) Länge von etwa 62 Büchern; das Werk ist uns und den Kompilatoren nur bis zum 51. Buch erhalten, aber erkennbar in dieser Überlieferung nicht vollständig (Schulz, a. a. O.; Liebs, HLL IV 179). Dies ist mit der Buchzahl des Ediktskommentars von 81 zu vergleichen. Dabei kann man davon ausgehen, dass jedenfalls umgekehrt in den Ediktskommentaren Themen, etwa des Prozessrechts und der Gerichtsorganisation behandelt werden, für die in den Sabinuskommentaren kein Platz war. Aufgrund der Werklänge wäre also für Ulpian zu erwarten, dass er im Sabinuskommentar das gesamte ius civile darstellen, und nicht nur einen Kommentar zum Werk des Sabinus geben will. Der Vergleich der Buchzahlen der Kommentare hält bei Paulus (16 Bücher Sabinuskommentar gegen 78 Bücher Ediktskommentar) und bei Pomponius (35 Bücher Sabinuskommentar gegen ungefähr 150 Bücher (vgl. Liebs, HLL IV 149) Ediktskommentar weniger.
§ 9 Exkurs
119
minum reddi nolle‘. hoc ita est, si potuit suspicari, iusta scilicet ratione motus: ceterum sufficit bonam fidem adesse. (2) sed et si ante eius rei furtum fecerat servus, si tamen ignoravit is apud quem deposuit vel credidit dominum non invitum fore huius solutionis, liberari potest: bona enim fides exigitur (3) non tantum autem si remanenti in servitute fuerit solutum, sed etiam si manumisso vel alienato, ex iustis causis liberatio contingit, scilicet si quis ignorans manumissum vel alienatum solvit. (4) idemque et in omnibus debitoribus servandum Pomponius scribit.
a) Im 41. Buch seines Sabinuskommentars behandelt Ulpian das furtum158. An der Stelle selbst ist dies nicht ohne weiteres erkennbar, sie scheint vielmehr von der Erfüllung beim Verwahrungsvertrag zu handeln159. Ausgehend von dem speziellen Fall des depositum wird erörtert, wann einer Rückgabe an einen hinterlegenden Sklaven befreiende Wirkung zukommt, und dann eine verallgemeinernde Feststellung getroffen160. Hinsichtlich des depositum wird im ersten Fall (Ausgangsfall) allgemein erörtert, wann der Verwahrer die Sache mit befreiender Wirkung an den Sklaven zurückgeben kann, der die Sache bei ihm hinterlegt hat. In einem zweiten Fall wird der Fall dahin abgewandelt, dass der Sklave die Sache, bevor er sie in Verwahrung gab, gestohlen hatte. Im dritten Fall folgt die Abwandlung, dass der Sklave, nachdem er die Sache in Verwahrung gegeben hatte, freigelassen oder an einen anderen veräußert wurde. Bei der Aussage des Pomponius ist nicht klar, ob sie sich nur auf den dritten Fall oder auf das gesamte Fragment bezieht. Die Stelle ist für das depositum vor allem unter zwei Aspekten interessant: man könnte ihr zum einen entnehmen, dass der Verwahrer auch für culpa einzustehen hatte, zum anderen könnten sie einen Beleg dafür enthalten, dass schon Sabinus das depositum als bonae fidei iudicium kannte. Was die Trennung der Aussagen des Sabinus und des Ulpian angeht, so lautet der Text des Sabinus nach dem Vorschlag von Schulz161: Sabinus: Quod servus deposuit, is apud quem depositum est servo rectissime reddet ex fide bona: nec enim convenit bonae fidei abnegare id quod quis accepit nec ulla causa intervenit quare putare possit dominum reddi nolle.162 Lenel, P II Ulpian 2869, Sp. 1166; Astolfi, I libri tres 155 ff. Das zeigen die jeweiligen Entscheidungen: rectissime reddat, liberari potest und liberatio contingit. 160 Bei dieser Verallgemeinerung zitiert Ulpian dann Pomponius, dessen Aussage uns nicht direkt überliefert ist, vgl. Lenel, P II Pomponius 670, Sp. 127. 161 Schulz, Sabinus-Fragmente 80. Nach Schulz bedeute nämlich das addendo, dass Ulpian schon vorher Sabinus zitiert hat, ferner passe das nec ulla causa gut mit nec enim convenit zusammen, drittens passe der Indikativ intervenit nicht in den si-Satz, viertens müsste, wäre sed debebit reddere vom selben Verfasser wie der Text davor, es heißen: sed reddendum est. Huvelin, Furtum 710 ff, folgt dem Vorschlag von Schulz und streicht nur noch die Hinweise auf die bona fides. Vgl. jetzt auch Astolfi, I libri tres 255. 162 Eine Übersetzung dieser Aussage könnte lauten: Was ein Sklave in Verwahrung gegeben hat, gibt der Verwahrer sehr zu recht dem Sklaven zurück: Denn weder gehört es sich, das 158 159
120
2. Kap.: Zuordnung eines Fragments zu einer Formel
Für Ulpians Kommentar bleibt dann übrig: sed (is apud quem depositum est) debebit reddere ei a quo accepit, sic tamen, si sine dolo omni reddat, hoc est, ut nec culpae quidem suspicio sit. denique Sabinus hoc explicuit addendo: hoc ita est, si potuit suspicari, iusta scilicet ratione motus: ceterum sufficit bonam fidem adesse.
Die Aussage des Sabinus ähnelt dann auffallend dem ersten Teil einer Aussage des (früheren) Alfenus163. Alf. 2 dig a Paulo epit D. 46,3,35164: Quod servus ex peculio suo credidisset aut deposuisset, id ei, sive venisset sive manumissus esset, recte solvi potest, nisi aliqua causa interciderit, ex qua intellegi possit invito eo, cuius tum is servus fuisset, ei solvi. …
Dass Ulpian an dieser Stelle das depositum eigens behandeln würde, ist nicht erkennbar; zu eng ist der Themenbereich, der nur von der Erfüllung bei der Hinterlegung durch einen Sklaven handelt. Die Behandlung dieses Themas scheint bei Ulpian dadurch veranlasst worden zu sein, dass er bei der Behandlung des furtum auf Fälle zu sprechen kommt, in denen an einen falsus creditor und falsus procurator165 oder eben auch an einen Sklaven166 geleistet wird. b) Exkurs: Zur culpa in Ulp. 41 Sab D. 16,3,11167: In der Stelle ist einerseits ausdrücklich von culpa die Rede, andererseits zweimal von posse. Ein posse würde nach modernem Verständnis den Vorwurf der Fahrlässigkeit begründen, nicht unbedingt den des Vorsatzes168. Das Abstellen auf eine Fahrlässigkeit, und zwar auf einfache, nicht einmal auf culpa lata, irritiert, weil der Verwahrer nur für dolus haftet169. Man kann diese Irritation auf verschiedene Weise auszuräumen versuchen170. abzuleugnen, was man empfangen hat, noch gibt es einen Grund, warum der Empfänger glauben könne, der Eigentümer wolle nicht, dass es zurückgegeben werde. 163 Auch die berühmte Diebstahldefinition des Sabinus (Gell. 11,18,20: Qui alienam rem adtrectavit, cum id se invito domino facere iudicare deberet, furti tenetur.) findet sich bei Proculus ganz ähnlich (Pomp. 22 Sab D. 12,4,15: … Proculus … ait … etiam furti te acturum cum eo, quia re aliena ita sit usus, ut sciret se invito domino uti aut dominum si sciret prohibiturum esse). Die beiden Rechtsschulen hatten also zum Teil die gleichen Merksprüche. 164 Die Stelle gehört nach Lenel zur Erörterung des peculium legatum, vgl. P I Alfenus 47, Sp. 47. 165 Vgl. D. 47,2,43pr., § 1 (Lenel, P II Ulpian 2869, Sp. 1165). 166 Vgl. D. 46,3,18 (Lenel, P II Ulpian 2869, Sp. 1165). Nach Lenel ging D. 46,3,18 unserer Stelle voraus; in D. 46,3,18 erörtert Ulpian an denselben Fällen sowohl Erfüllung als Diebstahl. Denkbar wäre dann etwa, dass die Kompilatoren in D. 16,3,11 Ausführungen zum furtum gestrichen haben. Auch für Astolfi, I libri tres 163, behandeln Sabinus und Ulpian Fragen des furtum. 167 Martini, Riferimento alla „culpa“ 205 ff.; Tafaro, Regula 250 ff.; Sitzia, Responsabilità 202 f., BIDR 74 (1971). 168 Insofern finden sich Anklänge an Fahrlässigkeit auch in Alf. 2 dig a Paulo epit D. 46,3,35, vgl. Roth, Alfeni Digesta 85. 169 Dies ist feststehender Grundsatz, siehe § 11. In diesem Zusammenhang vgl. etwa Ulp. 30 ed D. 16,3,1,32: Si rem a servo depositam Titio, quem dominum eius putasti cum non esset,
§ 9 Exkurs
121
Zunächst wäre freilich zu klären, ob die Stelle der Beschränkung der Haftung auf den dolus widerspricht. Denn eine Erfüllung ist nur eine Möglichkeit der Haftungsbefreiung. So kann der Verwahrer auch dann von der Haftung frei sein, wenn keine Erfüllung eingetreten ist171. In D. 16,3,11 geht es um die Frage, ob der Verwahrer „rectissime reddet“, ob er „liberari potest“ und ob die liberatio „contingit“. In D. 46,3,35 geht es um die Frage, ob der Verwahrer (oder der Darlehensnehmer) „recte solvit“. Damit geht es in diesen Stellen um die Frage der Erfüllung. Wenn diese Frage nichts mit der Frage, ob der Verwahrer haftet, zu tun haben soll, muss die Frage der Erfüllung in einem anderen Zusammenhang stehen können. In D. 16,3,11 wäre nach einem Zusammenhang mit Fragen des furtum zu suchen, in D. 46,3,35 mit Fragen des peculium legatum172. Dass die Frage, ob Erfüllung eingetreten ist, nicht unbedingt etwas mit dem Haftungsmaßstab zu tun hat, zeigt sich gerade an der Erörterung des Alfenus in D. 46,3,35: Der Darlehensnehmer haftet ja grundsätzlich nicht nur für culpa173. Im Einzelnen ist zwischen der Erwähnung der culpa (1) und den nach Fahrlässigkeit klingenden Fallbeschreibungen zu unterscheiden (2)174. (1) Die Erwähnung der culpa kann dabei nicht echt sein. Sie widerspricht nicht nur dem klassischen, sondern auch dem justinianischen Recht. Die Erklärung, dass culpa nicht im (technischen) Sinn einer Fahrlässigkeit und damit im Gegensatz zum dolus, sondern im Sinne eines haftungsbegründenden Verhaltens des Verwahrers gemeint sei175, beschwichtigt eher, als dass sie überzeugt, denn eine solche begriffliche Unschärfe wäre an sich beim depositum, bei dem die Beschränkung der Haftung auf den dolus stets betont wird, schon unbegreiflich; sie verfängt gerade bei dieser Stelle nicht, wo doch die culpa den dolus erklären soll.
restituisses, depositi actione te non teneri Celsus ait, quia nullus dolus intercessit: cum Titio autem, cui res restituta est, dominus servi aget: sed si exhibuerit, vindicabitur, si vero, cum sciret esse alienum, consumpserit, condemnabitur, quia dolo fecit quo minus possideret. 170 Die Verwendung des Ausdruckes kann keine justinianische Interpolation sein, denn die dolus-Haftung des Verwahrers steht auch im justinianischen Recht fest; so schließt I. 3,14,3 ausdrücklich eine Haftung für culpa aus (zur wahrscheinlichen Einführung einer Haftung für culpa lata durch Justinian siehe § 11 II 1a; aber hier ist, wie gesagt, von einfacher culpa die Rede). Dieses Problem für die Annahme einer Interpolation sieht schon Rotondi, La misura 100; vgl. ferner De Robertis, Disciplina II 384 f. (1966). Es bleibt die Annahme einer präjustinianischen Glosse (so Litewski, Liability 51). 171 Vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,32. Der Verwahrer haftet nicht aus der actio depositi, weil ihm kein Vorsatz zur Last fällt, denn er glaubte, dass Titius der Eigentümer des verwahrenden Sklaven und damit Gläubiger sei. Dabei fragt Celsus nicht danach, ob der Verwahrer hätte wissen können, dass der Titius nicht der Sklaveneigentümer ist. Die Haftungsbefreiung des Verwahrers hängt hier aber nicht davon ab, dass der Verwahrer seine vertragliche Verpflichtung erfüllt. 172 Vgl. Lenel, P I, Alfenus 47, Sp. 47. 173 Martini, Riferimento 211, weist darauf hin, dass der Schlusssatz von D. 16,3,11 eine Erweiterung auf alle Schuldner bringe. Für diese gilt aber ein je verschiedener Haftungsmaßstab. Nach Martini, a. a. O. 212, gehe es gar nicht um den Verwahrer, sondern um einen beliebigen Schuldner. 174 Vgl. Tafaro, Regula 253. 175 Allgemein vgl. Kaser, RP I § 118 III 1, S. 506 und III 4a, S. 511. Zur Stelle ähnlich De Robertis, Disciplina II 383 f. (1966): culpa habe hier eine allgemeinere Bedeutung und umfasse auch den dolus. Er begründet dies auch mit D. 16,3,3, wo sich das „non caret culpa“ auf ein Verhalten beziehe, dass ohne weiteres dolos sei, nämlich auf die Nichtrückgabe.
122
2. Kap.: Zuordnung eines Fragments zu einer Formel
Zum zweiten könnte sich der Ausdruck auch auf den Sklaven beziehen, d. h. dass der Sklave derjenige wäre, der im Verdacht der culpa stände176. Dafür spricht, dass so der Subjektswechsel bei suspicio / suspicari vermieden würde: Der Verwahrer wäre dann jedesmal derjenige, der den Verdacht hätte. Zudem wäre die Haftung des Verwahrers dann nicht mehr deshalb begründet, weil er einem Verdacht ausgesetzt wäre, statt dass der Hinterleger die klagebegründenden Tatsachen beweisen müsste177. Vorzugswürdig dürfte sein, die Bemerkung für eine nachklassische Glosse zu halten, für die Einleitungen mit hoc est typisch sind178. Würde man dies annehmen, könnte man auch das Folgende für eine Glosse halten179. (2) Als zweites Problem verbleiben aber die Formulierungen, die von einem posse reden und so ebenfalls den Gedanken an eine Fahrlässigkeit wecken180. Eine Möglichkeit besteht darin, eine zeitliche Entwicklung derart anzunehmen, dass Alfenus und Sabinus strengere Anforderungen an das Freiwerden des Schuldners gestellt hätten als die klassischen Juristen181. Nach anderen könnte es um Beweisfragen gegangen sein182. Stellt man die Frage des Haftungsmaßstabes einmal zurück, so zeigt sich, dass der Verwahrer nicht frei wurde, wenn ihm Umstände bekannt waren, die darauf schließen ließen, dass der 176 Vgl. MacCormack, Culpa 164: Der Verwahrer hafte, wenn er die Sache an den Sklaven zurückgebe, obwohl er den Verdacht habe, dass dem Sklaven culpa zur Last falle, wenn er etwa den Verdacht habe, der Sklave habe die Sache gestohlen. Ähnlich Hasse, Culpa 11 m.Fn. 2: Culpa beziehe sich auf den Sklaven, der die Sache seinem Herrn entwendet habe und meine eine widerrechtliche Handlung (a. a. O. 9). Nach De Robertis, Responsabilità I 164 ff. (1983), beziehe sich culpa auf den Hinterleger (deponente). Dabei ist mit Hinterleger wohl der Sklave gemeint (vgl. a. a. O. 166). Für De Robertis, a. a. O. 165, überschneiden sich zwei Problemkreise: die Frage der Haftung des Verwahrers gegenüber dem Hinterleger, dem Sklaven, und das Verhältnis zwischen dem Sklaven und dessen Eigentümer. Dabei dominiere das zweite Verhältnis und setze sich durch. Der Verwahrer könne nicht in gutem Glauben sein und hafte daher, wenn er einen Verdacht hinsichtlich des Diebstahls oder hinsichtlich der „acquiescenza del dominus servi a tutta l’operazione“ habe. Damit stellt De Robertis wie Hasse entscheidend darauf ab, dass der Sklave die Sache gestohlen habe. Den Diebstahl begeht der Sklave aber erst im zweiten Fall, der vom Ausgangsfall zu unterscheiden ist („sed et si“), vgl. Martini, Riferimento 208. 177 De Robertis, Responsabilità I 164 (1983). 178 Vgl. Litewski, Rez. Tafaro, Regula, S. 872. 179 Wäre man kühn genug, könnte man den im Folgenden zitierten Sabinus dann auch nicht mehr für den klassischen Juristen halten, sondern für den Rechtslehrer des 4. Jahrhunderts, der uns in den Scholia Sinaitica entgegentritt. 180 Vgl. Nörr, Fahrlässigkeit 76. 181 Roth, Alfeni Digesta 85 f.: Nach Alfenus und Sabinus scheitere die Befreiung schon bei schuldhafter Unkenntnis; spätere Juristen verneinen die Befreiung nur bei schuldhafter Kenntnis. So korrigiere Ulpian die Aussage des Sabinus mit ceterum (aber): es genüge das Vorliegen der bona fides. Dass es sich dabei um eine Korrektur handle, nimmt schon Rotondi, „Actio fiduciae“ 147, an. 182 Nach Rotondi, La misura 100 Fn. 2, bedeute der Satz „nec ulla causa intervenit, quare putare possit dominum reddi nolle“ keine Auferlegung einer Sorgfaltspflicht, sondern beschreibe nur eine Möglichkeit, den dolus des Verwahrers zu beweisen. Der dolus des Verwahrers lasse sich also dadurch beweisen, dass der die actio depositi erhebende Sklaveneigentümer nachweist, dass Umstände vorlagen, aus denen auf seinen entgegenstehenden Willen geschlossen werden konnte.
§ 9 Exkurs
123
Sklaveneigentümer nicht mit der Rückgabe an den Sklaven einverstanden war. Ob eine Rückgabe trotz Kenntnis solcher Umstände den Vorwurf des dolus begründen konnte, ist letztlich nicht unseren Vorstellungen, sondern den Wertungen der römischen Juristen zu entnehmen. Dabei geht es um das Verhältnis des Verwahrers zum Sklaveneigentümer: Was schuldete ein Römer einem anderen, mit dessen Sklaven er in Geschäfte verwickelt war?183 Die Antwort der römischen Juristen scheint gewesen zu sein: curiosus esse debet.184 Ein Geschäftspartner eines Sklaven darf sich nicht einfach auf das Wort des Sklaven verlassen, sondern muss Erkundigungen bei dessen Eigentümer einholen, um eine Klage gegen den Eigentümer zu erwerben. So darf sich der Geschäftspartner nicht auf die Ankündigung des Sklaven verlassen, dieser werde die Leistung dem Vermögen des Herrn zuwenden; kommt es zur Zuwendung nicht, dann hat der Geschäftspartner auch nicht die actio de in rem verso gegen den Eigentümer185. Will ein Gläubiger, der einem als magister navis eingesetzten Sklaven ein Darlehen gewährt hat, sicher sein, dass ihm die actio exercitoria gegen den Sklaveneigentümer zusteht, muss er sich davon überzeugen, dass das Schiff, für dessen Reparatur nach Angaben des Sklaven das geliehene Geld eingesetzt werden soll, wirklich reparaturbedürftig ist und er muss darauf achten, dass der Darlehensbetrag den für die Reparatur notwendigen Betrag nicht überschreitet186. Die Stellen D. 16,3,11 und 46,3,35 sind letztlich die Anwendung dieses Grundsatzes auf den Geschäftspartner des Sklaven als Schuldner: Kennt dieser Umstände, die Zweifel an der Zuverlässigkeit des Sklaven begründen, muss er diese Zweifel durch Nachfrage beim Sklaveneigentümer ausräumen. Tut er dies nicht, wird er durch Leistung nicht frei, ebensowenig wie er als Gläubiger eine Klage erwürbe. Im Ergebnis zwingen damit die Formulierungen von einem Wissenkönnen des Verwahrers nicht, von einer culpa-Haftung des Verwahrers in diesen Stellen ausgehen zu müssen.
2. Das zweite Fragment aus dem Titel D. 16,3, das aus einem Sabinuskommentar stammt, ist Pomp. 22 ad Sabinum D. 16,3,12 pr. Si in Asia depositum fuerit, ut Romae reddatur, videtur id actum, ut non inpensa eius id fiat apud quem depositum sit, sed eius qui deposuit. § 1 Depositum eo loco restitui debet, in quo sine dolo malo eius est, apud quem depositum est: ubi vero depositum est, nihil interest. eadem dicenda sunt communiter et in omnibus bonae fidei iudiciis. sed dicendum est, si velit actor suis inpensis suoque periculo perferri rem Romam, ut audiendus sit, quoniam et in ad exhibendum actione id servatur. § 2 Cum sequestre recte agetur depositi sequestraria actione, quam et in heredem eius reddi oportet.
Ähnlich auch De Robertis, Responsabilità I 166 (1983). Vgl. Ulp. 29 ed D. 15,3,3,9, zu dieser Stelle sogleich. 185 Ulp. 29 ed D. 15,3,3,9: Sed si sic accepit quasi in rem domini verteret nec vertit et decepit creditorem, non videtur versum nec tenetur dominus, ne credulitas creditoris domino obesset vel calliditas servi noceret. quid tamen, si is fuit servus, qui solitus erat accipiens vertere? adhuc non puto nocere domino, si alia mente servus accepit aut si, cum hac mente accepisset, postea alio vertit: curiosus igitur debet esse creditor, quo vertatur. Siehe dazu Chiusi, In rem verso 165 ff. 186 Afr. 8 quaest D. 14,1,7pr. 183 184
124
2. Kap.: Zuordnung eines Fragments zu einer Formel
§ 3 Quemadmodum quod ex stipulatu vel ex testamento dari oporteat, post iudicium acceptum cum detrimento rei periret, sic depositum quoque eo die, quo depositi actum sit, periculo eius apud quem depositum fuerit est, si iudicii accipiendi tempore potuit id reddere reus nec reddidit.
Im principium und im § 1 erörtert Pomponius, wo beim depositum der Erfüllungsort liegt, genauer gesagt, wo der Verwahrer die Sache dem Hinterleger zurückgeben muss und wer die Kosten und das Risiko eines etwaigen notwendigen Transportes zu tragen hat. In § 2 sagt der Jurist, dass gegen einen Sequester die actio depositi sequestraria zuständig sei; in § 3 erörtert er die Haftung des Verwahrers nach litiscontestatio. Nach Lenel behandelt Pomponius im 22. Buch seines Sabinuskommentars die Kondiktion187 und zwar im hier interessierenden Abschnitt in der Reihenfolge188 D. 13,4,6; 16,3,12pr.-§ 2 (699); D. 45,1,27,1 (700) und D. 12,1,5; 16,3,12,3 (701). Auf den ersten Blick sind die Themen des Pomponius mannigfaltig und das einzige verbindende Element ist das depositum: Im pr. und im § 1 geht es um den Erfüllungsort, in § 2 um den Sequester, in § 3 um die Haftung des Verwahrers nach litiscontestatio. Doch wird Lenels Vermutung stimmen, auch § 2 gehöre in die Erörterung des Erfüllungsortes189. Pomponius erörtert in Fragment 699 bei der Behandlung der condictio die Vereinbarung eines Erfüllungsortes und kommt dabei sowohl auf die actio de eo quod certo loco als auch auf das depositum zu sprechen. Beim Sequester stellte sich die Frage des Erfüllungsortes noch einmal anders als beim normalen depositum, weil beim Sequester mehrere Erfüllungsorte in Betracht kamen; unklar war ja, an welche Partei die Sache herauszugeben sein würde; vielleicht sollte die Herausgabe sogar an einem bestimmten Orte, etwa beim Gerichtsbeamten, erfolgen190. Die Ausführungen des Pomponius zum Rückgabeort bei der Verwahrung beim Sequester hätten also die Kompilatoren bei der Aufnahme in den Titel D. 16,3 mit Hinblick auf D. 16,3,5,1 gestrichen. Ist dies richtig, dann handeln D. 16,3,12pr. bis § 2 von einem Thema, das nicht das depositum an sich betrifft, sondern nur einen Exkurs zur Frage des Erfüllungsortes bei der condictio darstellt. Nach Lenel folgte § 3 nicht unmittelbar dem § 2, sondern folgte auf D. 12,1,5191. Thema des § 3 ist damit nicht das depositum, sondern nur eine Vertiefung der Frage nach der Haftung des Schuldners nach litiscontestatio. Ebenso Astolfi, I libri tres 15 f., siehe auch 262 ff. Lenel, P II Pomponius 699 – 701, Sp. 132. 189 Lenel, P II Pomponius 699, Sp. 132 Fn. 3. 190 Vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,5,1: In sequestrem depositi actio competit. si tamen cum sequestre convenit, ut certo loco rem depositam exhiberet, nec ibi exhibeat, teneri eum palam est: quod si de pluribus locis convenit, in arbitrio eius est, quo loci exhibeat: sed si nihil convenit, denuntiandum est ei, ut apud praetorem exhibeat. 191 Lenel, P II Pomponius 701, Sp. 132; ebenso Astolfi, I libri tres 263 f. m.Fn. 301. 187 188
§ 9 Exkurs
125
Damit lässt sich aus D. 16,3,12 nicht entnehmen, Pomponius habe im 22. Buch seines Sabinuskommentars das depositum behandelt.
III. Sonstige das depositum erwähnende Fragmente der Sabinuskommentare 1. Auch sonst fällt es schwer, in den Sabinuskommentaren eine Stelle auszumachen, in der das depositum als eigenständiges Institut erörtert wird. In den Sabinuskommentaren behandeln die Juristen das depositum anscheinend nur anläßlich anderer Institute, ohne dass erkennbar würde, dass dem depositum ein eigener Platz eingeräumt sei. Einen eigenen Platz würde man daran erkennen, dass das depositum in einer längeren Ausführung um seiner selbst willen erörtert würde, also ohne dass erkennbar ist, dass es eigentlich um andere Institute oder Probleme geht. Bei der folgenden Übersicht gibt die erste Zahl in den Klammern die Fragmentnummer nach Lenel an, gefolgt von der Fundstelle in Lenels Palingenesie192. Beim furtum erörtert Ulpian 42 D. 2,14,50 (2886 P II 1170), wohl hinsichtlich des Verkaufs eines Sklaven, die stipulatio ‚servum furem non esse‘ und kommt dann auf ein pactum ‚ne facias furem servum meum‘ bei einem Verwahrungsvertrag; Ulpian 41 D. 9,2,41pr. (2863 P II 1163) erörtert den Diebstahl oder die Sachbeschädigung von Testamentsurkunden und Schuldscheinen und kommt auf einem Fall, in dem der Verwahrer eine bei ihm hinterlegte Testamentsurkunde beschädigt oder anderen aus ihr vorgelesen hat; Ulpian193 40 D. 47,2,21,1 (2858 P II 1161) behandelt den Fall, dass der Hinterleger, der einen Sack mit 20 hinterlegt hat, vom Verwahrer einen Sack mit 30 entgegennimmt. Paulus 9 D. 44,7,9 (1802 P I 1278) kommt im Rahmen der actio arborum furtim caesarum194 auf das Interdikt quod vi aut clam, das ebenfalls beim Wegschneiden von Bäumen zustehen konnte195, zu sprechen, und kommt dann über die Frage der Aktivlegitimation des filiusfamilias bei diesem Interdikt196 auf Klagen, für die der filiusfamilias ebenfalls aktivlegitimiert war, etwa bei der actio depositi197.
192 Zu vergleichen ist stets Astolfi, I libri tres iuris civilis di Sabino, 2. Auflage 2001 (Rezension zur ersten Auflage etwa Liebs, SDHI 51, S. 562). 193 Nicht Paulus, das belegt schon die Buchzahl, vgl. Mommsen, Editio maior II 742. 194 Zu dieser Klage siehe Kaser, RP I § 41 III 5, S. 160 mit Fn. 52. 195 Vgl. Ulpian 71 ad edictum D. 43,24,7,5. 196 Vgl. Ulpian 57 ad edictum D. 43,24,19. 197 Vgl. D. 16,3,19. Anders Lenel, a. a. O., der die Stelle im Zusammenhang mit Paulus 9 D. 13,1,5 und damit im Zusammenhang mit der Passivlegitimation des filiusfamilias für die condictio ex causa furtiva sieht.
126
2. Kap.: Zuordnung eines Fragments zu einer Formel
Im Vermächtnisrecht kommt Ulpian 19 D. 33,4,1,7 (2599 P II 1078) im Zusammenhang der dos relegata (genauer: wenn die Ehefrau die dos nur versprochen, aber nie geleistet hat) auf den Fall zu sprechen, dass bei einem Vermächtnis ‚quae ille apud me deposuit‘ nichts hinterlassen ist, wenn in Wahrheit nichts hinterlegt worden war. Bei der optio legata behandelt Pomponius 6 D. 33,5,8,3 u. D. 10,4,4 (482 P II 100) den Fall, dass dem Bedachten die Auswahl unter Gegenständen vermacht war, die der Erblasser bei einem Dritten hinterlegt hatte. Bei der liberatio legata erörtert Pomponius 6 D. 34,3,8,7 (509 P II 104) den Fall, dass dem Verwahrer durch Vermächtnis die Befreiung von der Rückgabepflicht vermacht wird. Bei der Behandlung des Dotalrechts erwähnt Ulpian 31 D. 23,3,9,3 (2759 P II 1136)198 Institute, die der dos ähnlich oder vergleichbar sind und kommt so neben para/ferna und dem Mandat auch auf das depositum. Bei der Erörterung der Gefahrtragung bei einer dos aestimata kommt Ulpian 34 D. 12,1,4pr. (2783 P II 1148) auf den Sonderfall, in dem der Verwahrer die Gefahr trägt199. Bei der societas erörtert Paulus (oder Sabinus200) 6 D. 17,2,38pr. (1734 P I 1268), dass der arbiter daraufhin wirken soll, dass die Parteien einander cautiones hinsichtlich des Gewinns und Verlusts aus der Gesellschaft, die jetzt noch nicht bezifferbar sind, abgeben sollen. Dies erweitert Paulus im Anschluss an Sabinus auf alle bonae fidei iudicia, einschließlich des depositum. Bei der Behandlung der condictio kommt Pomponius 22 D. 46,1,2 (689 P II 130) auf die Naturalobligationen zu sprechen und führt aus, dass auch beim depositum der Bürge haftet, wenn der verwahrende Hauptschuldner ein pupillus oder ein Sklave ist. Bei der Erörterung der stipulatio erklärt Ulpian 49 D. 45,1,38,9 (2967 P II 1193) hinsichtlich der stipulatio ‚habere licere‘201, dass ‚habere‘ zwei Bedeutungen habe: habere sage man einmal vom Eigentümer, aber zum anderen auch von dem, der nicht Eigentümer ist, sondern nur die tatsächliche Gewalt über die Sache hat, also etwa vom Verwahrer. Bei der emptio venditio hat Ulpian 29 D. 47,2,14,3 – 4 (2734 P II 1125) bei der Erörterung der custodia-Haftung (des Verkäufers) einen Exkurs zur Aktivlegitimation bei der actio furti und kommt so auf die Frage, ob der Verwahrer aktivlegitimiert für diese Klage sei. Im Kaufrecht gibt Ulpian 29 D. 50,17,23 (2731 P II 1124)202 auch einen Überblick über den Haftungsmaßstab in verschiedenen Verhältnissen, unter anderem beim depositum. Vgl. Astuti, I libri tres 134. Anders Noordraven, Fiduzia 172 Fn. 54. 200 Astolfi (I libri tres 4 f. m.Fn. 9; 237 Fn. 186) hält es für unsicher, ob die Äußerung des Sabinus aus seinen drei Büchern zum ius civile stammt oder aus einem anderen Werk. 201 Betreffend das eigentumsähnliche Besitz- und Nutzungsrecht an Provinzialgrundstücken, vgl. Kaser RP I § 97 II 2, S. 402 mit Fn. 13. 202 Vgl. Astolfi, I libri tres 126 f. 198 199
§ 9 Exkurs
127
Bei der Behandlung der possessio kommt Paulus 15 D. 41,2,30,6 (1871 P I 1289) auch auf den Fall der Unterverwahrung zu sprechen. Nicht sicher ist, in welchem Zusammenhang Pomponius 29 D. 44,7,12 (742 P II 137) die Erbenhaftung des dolosen Erblassers erörtert203. Nicht vom depositum handelt Ulpian 43 D. 27,3,5 (2904 P II 1174), sondern von der fiducia204; auch Pomponius 26 D. 45,3,6 (726 P I 136) betrifft die fiducia205; Paulus 40 D. 47,2,21,1 ist von Ulpian und gehört zum Diebstahl (siehe oben).
2. Auch in den Institutionen des Gaius hat das depositum bekanntlich keinen eigenständigen Platz206. Bei der Erörterung der Realverträge fehlt es (G. 3,90 – 91) und wird auch sonst nicht, so wie andere Verträge, für sich behandelt. Das depositum erwähnt Gaius nur im Rahmen der Erörterung anderer Institute: bei der usucapio (2,50), dem furtum (3,196; 3,207), bei der Erörterung der demonstratio als Formelbestandteil (4,40), bei der Wiedergabe der Formel (4,47), bei der Erörterung der plurispetitio (4,59 – 60), bei der Aufzählung der bonae fidei iudicia (4,62), bei der Erörterung der possessio (4,153) und schließlich bei der Erörterung der Infamie (4,182). Ein sehr aufmerksamer Schüler des Gaius konnte daher doch einiges zum depositum lernen: Der Verwahrer durfte die Sache nicht gebrauchen (3,196), er haftete nur für dolus (3,207), die Verurteilung des Verwahrers zog Infamie nach sich (4,182) und der Verwahrer hatte keinen Interdiktenbesitz (4,153). In den res cottidianae hat dann allerdings das depositum einen eigenständigen Platz in der Darstellung der Vertragsverhältnisse gefunden, vgl. Gaius 2 aureorum D. 44,7,1,5207. Das Fehlen des depositum im ius civile des Sabinus und in den Institutionen des Gaius könnte sich schon aus dem geringen Umfang dieser Werke erklären208. Das depositum hat aber eine eigenständige Darstellung in Einführungs- bzw. Überblickswerken der Spätantike, etwa in den libri differentiarum Modestins, in den Paulussentenzen (PS 2,12) und in der Collatio (Coll. 10). Die neun Bücher der Differentiae Modestins209 entstanden zu Beginn des 3. Jh. und sind uns im Hinblick auf das depositum vor allem in der Collatio (10,2) überliefert. Im 2. Buch unter dem Abschnitt De deposito et commodato erörtert der spätklassische Jurist die Unterschiede zwischen depositum und commodatum. Vgl. Lenel a. a. O. Fn. 3. Vgl. Lenel a. a. O. Fn. 7; Noordraven, Fiduzia 60 f. 205 Vgl. Lenel a. a. O. Fn. 2; Noordraven, Fiduzia 59 f. 206 Zur Frage, was ein Anfängerlehrbuch bei der Darstellung eines Instituts leisten konnte, sollte und wollte, zuletzt, Ernst, Kaufrecht 159 ff., insbesondere 168 f. und 171 ff. Zur Darstellung des depositum in den Gaiusinstitutionen vgl. Gandolfi, Il deposito 104 f. 207 Zum Verhältnis der Institutionen zu den libri rerum cottidianarum sive aureorum vgl. Liebs, HLL IV 192 f. 208 Zu dieser Frage hinsichtlich der Gaiusinstitutionen siehe Schulz, Geschichte 196. 209 Zu ihnen Liebs, HLL IV 198. 203 204
128
2. Kap.: Zuordnung eines Fragments zu einer Formel
Die Paulussentenzen210 umfassen 5 Bücher, entstanden nach Liebs um 295 im Westen, wahrscheinlich in der Provinz Africa. Die Texte zum depositum sind uns zum kleineren Teil überliefert durch die Lex Romana Visigothorum (nämlich nach der üblichen Zählung (vgl. FIRA II PS 2,12) nur die §§ 5, 7, 12, zum größeren Teil durch einen in der Collatio enthaltenen Auszug der Sentenzen (Coll. 10,7). Die Collatio legum Mosaicarum et Romanarum211 soll zwischen 390 und 438 entstanden sein.
3. Ähnliche Schwierigkeiten, für ein Institut einen Platz in den Sabinuskommentaren zu finden, gibt es auch beim commodatum und beim pignus. a) Nach Schulz212 fehlen die Realverträge im Sabinussystem. Die Kompilatoren nahmen für den Titel D. 13,6 die Fragmente aus allen möglichen Zusammenhängen: Aus der emptio venditio nahmen sie aus der Erörterung der custodia a venditore praestanda Ulpian 29 D. 13,6,10 u. 12 (2732 P II 1124 f.), Paulus 5 D. 13,6,11 (1723 P I 1267). Aus dem Kaufrecht stammen ferner Pomponius 11 D. 13,6,13pr.-2 (570, 571 u. 574 P II 114). Es ist immerhin auffallend, dass die Kette von D. 13,6,10 bis 13,6,14 der Auszüge aus den Sabinuskommentaren vollständig aus dem Kaufrecht herrührt. Weitere Stellen stammen aus dem Vermächtnisrecht: Pomponius 5 D. 13,6,8 (438 P II 94) bemerkt, dass eine verliehene Sache anders als eine in fiducia gegebene Sache durch Vindikationslegat vermacht werden kann213. Der Inskription zufolge könnte auch Pomponius 5 D. 13,6,6 (479 P II 99) vom Vermächtnisrecht handeln214. Aus dem Recht der stipulatio stammt Ulpian 48 D. 13,6,14 (De stipulatione servorum: 2953 P II 1188). Die Ausführungen zum commodatum im Kaufrecht mögen dadurch veranlasst sein, dass die Haftung des Entleihers das Muster für die custodia-Haftung gab215. Dabei fragt sich, ob die Juristen an dieser Stelle das commodatum in eigener Wertigkeit behandeln, weit über das hinausgehend, was zum Verständnis des Kaufrechts notwendig gewesen wäre. So wird genau untersucht, wann der Vertragstyp des commodatum vorliegt (Ulpian D. 13,6,10,1; Pomponius D. 13,6,13,2). Wer die römischen Juristen dafür kritisieren wollte, dass sie das eigenständige Institut des commodatum inmitten des Kaufrechts darstellen, müsste sie wohl schon für den Versuch kritisieren, das geltende ius civile ihrer Zeit in einem Kommentar zu den tres libri des Sabinus darzustellen216. b) Schwierig ist die Sache auch beim pignus. Zwar nehmen auch dort die Kompilatoren für ihren Titel D. 13,7 die Fragmente aus verschiedenen Zusammenhängen217.
210 211
Vgl. Liebs, HLL V, § 507.1., 65 ff. Vgl. Voß, NP 3 s.v., 63 f. m.Lit. Siehe jetzt auch Frakes, Religious Identity and Pur-
pose. Schulz, Geschichte 189. Vgl. Lenel a. a. O. Fn. 7. 214 Vgl. aber Lenel a. a. O. Fn. 4. 215 Vgl. den Hinweis Lenels zu Pomponius 11 D. 13,6,13pr. (P II 114 Fn. 2) auf Paulus 5 D. 18,6,3, vgl. Kaser, RP I § 118 III 2, S. 508. 216 Wie dies etwa Schulz, Rechtswissenschaft 262, tut. 212 213
§ 9 Exkurs
129
Daneben aber scheint zumindest Pomponius in seinem Sabinuskommentar einen eigentlichen Platz für das pignus gehabt zu haben, denn die zum Teil längeren Fragmente aus dem 35. Buch des Pomponius handeln nicht von der fiducia, sondern vom pignus218. Nach Noordraven handeln folgende Stellen zumindest auch vom pignus: D. 13,7,6,1, 13,7,8pr., §§ 2,5 und D. 46,3,26219. Pomponius scheint damit an der Stelle, an der im Sabinussystem die fiducia erläutert zu werden pflegte220, dem pignus einen selbständigen Raum gegeben zu haben, so dass die Kompilatoren zumindest in diesem Werk eine zusammenhängende Erörterung des pignus fanden. Ob Ulpian im Rahmen der fiducia eine Darstellung des pignus gegeben hat, wissen wir nicht, da die fiducia vor dem postliminium am Ende des Werkes zu behandeln gewesen wäre, uns (und den Kompilatoren) nur Fragmente bis zum 51. Buch von etwa geplanten 61 überliefert wurden. Von Paulus haben wir keinen Beleg für die Behandlung der fiducia (oder des pignus) am Ende des Werkes221. Dass somit das pignus anders als depositum und commodatum einen eigenen Platz in den Sabinuskommentaren hatte, kann ein Grund dafür sein, warum die Sabinusmasse des Titel D. 13,7 mit den Sabinuskommentaren beginnt, obwohl das pignus nach herrschender Meinung wie die beiden anderen Institute (auch) eine auf einem prätorischen Edikt basierende actio in factum concepta hatte222.
IV. Zusammenfassung Die Vermutung der herrschenden Meinung, das depositum sei in den Sabinuskommentaren nicht behandelt worden, hat sich damit bestätigt. Damit wird auch die Vermutung hinfällig, Ulpian habe in seinem Sabinuskommentar das geltende ius civile darstellen wollen; er hat vielmehr nur das Werk des Sabinus kommentiert223.
217 Vgl. Ulpian 40 u. 41 D. 13,7,1 u. 4 (De furtis, Lenel P II 2857, Sp. 1161 u. 2874, Sp. 1167; zur lex 4 siehe auch Astolfi, I libri tres 164 f.), Pomponius 6 D. 13,7,2 (De legatis, Lenel P II 511, Sp. 104, vgl. aber Fn. 3), Pomponius 18 u. 19 D. 13,7,3 u. 5 (De furtis, Lenel P II, 652, Sp. 125 u. 665, Sp. 126; zur lex 5 vgl. Astolfi, I libri tres 164 f.). 218 So ausdrücklich Noordraven, Fiduzia 19 – 31, zu D. 13,7,6pr., D. 13,7,8,1 u. 3 (trotz des berühmten ‚eam‘) und D. 13,7,8,4, sowie D. 20,4,4. 219 Anders noch Lenel in seiner Palingenesie II, Pomponius 797 – 799 Sp. 146 f.; Noordraven jetzt zustimmend Gröschler in seiner Rezension, Gnomon 75 (2003), S. 236. Astuti, I libri tres 18, behandelt nur D. 13,7,6pr., der nach ihm die fiducia betreffe. 220 Nämlich an vorletzter Stelle vor dem postliminium, vgl. Schulz, Geschichte 188, zum Sabinussystem einerseits, Lenel, P II Pomponius 803, Sp. 148, zum Kommentar des Pomponius andererseits. 221 Vgl. Lenel, P I, Sp. 1292. 222 Vgl. Lenel, EP3 254 ff. 223 Auch die locatio conductio wurde in den Sabinuskommentaren nicht behandelt, wenn man der Auswahl der Kompilatoren im Titel D. 19,2 traut. In diesem Titel stammen nur die leges 3 und 5 aus Sabinuskommentaren. Dabei gehört Pomp. 9 Sab D. 19,2,3 zur Behandlung
130
2. Kap.: Zuordnung eines Fragments zu einer Formel
der emptio venditio (Lenel, Pomponius 551, P II, Sp. 110) und Pomp. 16 Sab D. 19,2,4 zur Behandlung des Dotalrechts (Lenel, Pomponius 637, P II, Sp. 123). Astolfi, I libri tres 233 ff., nimmt zwar an, dass Sabinus auch die locatio conductio behandelt habe; letztlich nicht überzeugend. Dass Gaius in G. 3,142 – 147 die locatio conductio behandelt, ist nur ein Indiz, dass durch die Nichtaufnahme von Auszügen aus den Sabinuskommentaren in den Titel D. 19,2 entkräftet wird. Pomp. 9 Sab D. 19,2,3 gehört ins Kaufrecht, denn es geht um die Frage, ob in der Überlassung von aestimatum instrumentum eine Kaufvereinbarung über das instrumentum liegt (vgl. Babusiaux, Id quod actum est 174 Fn. 825). Pomp. 9 Sab D. 18,1,20 betrifft die Abgrenzung der locatio conductio zur emptio venditio und gehört ebenfalls zum Kaufrecht. Dass Sabinus irgendwo die locatio conductio erwähnt, beweist nicht, dass er sie gerade in seinem ius civile eigens behandelt hat.
3. Kapitel
Materiellrechtliche Grundfragen In diesem Kapitel sollen materiellrechtliche Grundfragen des depositum geklärt werden, nämlich die Frage nach der Haftung des Erben des Verwahrers, die Frage nach dem Haftungsmaßstab und schließlich die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Verurteilungsvoraussetzungen bei der actio depositi vorliegen mussten.
§ 10 Die Haftung des Erben aus der actio depositi in factum concepta1 Hinsichtlich der actio depositi in factum concepta lautet eine Frage, ob diese passiv vererblich war, ob also der Erbe des Verwahrers aus dieser haftete. Der Zweifel daran beruht dabei nicht nur auf einem Vorverständnis dieser Klage als Deliktsklage (pönalen Charakters), sondern auch auf einer Aussage der Theophilusparaphrase zu den justinianischen Institutionen. Denkbar wäre aber nicht nur, dass der Erbe entweder überhaupt haftet oder dass er überhaupt nicht haftet2, sondern auch ein Modell, nach dem der Erbe beim einfachen depositum wegen des dolus des Erblassers gar nicht haftet, sondern nur wegen eines eigenen dolus. Hätte also der Erblasser die Sache dolos zerstört oder verkauft, würde der Erbe aus der actio depositi in factum concepta gar nicht haften, weder auf Wertersatz noch auf den Kaufpreis, während er aus dieser Klage haften würde, wenn er die Sache selbst zerstört. Der Erbe würde also nur teilweise in die Rechtstellung des Erblassers eintreten, nämlich in das Verwahrungsverhältnis, nicht aber in eine etwaige Ersatzpflicht. Dafür könnte man anführen, dass der Erbe bei eigenem dolus infam wird3 und beim depositum necessarium auch auf das duplum haftet4. Hingegen würde der Erbe nicht in die Pflicht zum Schadensersatz eintreten5. Rotondi, La misura 122 ff.; Evans-Jones, Penal characteristics 139 ff. Haftete der Erbe des Verwahrers aus der actio in factum concepta überhaupt nicht, würde aber etwa dem Hinterleger im Regelfall gegen den Erben die reivindicatio zustehen. Zudem würde man erwarten, dass sich eine Bereicherungshaftung dieses Erben herausgebildet hätte (vgl. etwa Maier, Bereicherungsklagen 6 ff.; siehe auch Kaser, RP I § 139 V, S. 600). 3 Vgl. Ulp. 6 ed D. 3,2,6,6. 4 Vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,1. 5 Argument dafür könnte sein, dass beim depositum necessarium der Erbe bei dolus des Erblassers auf weniger als der Erblasser haftet, nämlich auf das simplum statt auf das duplum, vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,1; Neraz 2 membr D. 16,3,18. 1 2
132
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
Ein solches Modell ist aber derart spekulativ, dass man sich nicht damit begnügen dürfte, dass dieses Modell mit den Quellen vereinbar ist, sondern man müsste auch positive Quellenzeugnisse verlangen6.
In den sogleich vorzustellenden Quellen zur Erbenhaftung findet sich mehrfach die Unterscheidung danach, ob der Erblasser oder der Erbe dolos gehandelt habe. So haftet beim depositum necessarium der Erbe nur bei eigenem dolus auf das duplum7, bei Erbenmehrheit haftet der Erbe bei dolus des Erblassers nur in Höhe seiner Erbquote, bei eigenem dolus auf das Ganze8.
I. Hinweise auf die Erbenhaftung in den Quellen 1. depositum necessarium Im uns in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,1 überlieferten Edikt wird die Erbenhaftung für das normale depositum nicht angesprochen; im Fall des depositum necessarium wird bei der Erbenhaftung danach unterschieden, ob der Verwahrer oder dessen Erbe dolos gehandelt hat. Auch Nerat. 2 membr D. 16,3,18 enthält nur Aussagen zur Erbenhaftung beim depositum necessarium.
2. Einfaches depositum a) Einige Stellen, nach denen der Erbe des Verwahrers haftet, äußern sich zu der Merkwürdigkeit, dass der Erbe, obwohl doch der Verwahrer nur für dolus einzustehen habe, ex dolo defuncti in solidum hafte, nicht nur auf den an ihn gelangten Vermögensvorteil. Dazu gehören Ulp. 30 ed D. 16,3,7,19 und Pomp. 29 Sab D. 44,7,1210. Andere Stellen thematisieren das gleiche Problem, dass der Erbe auch wegen des dolus des Erblassers hafte, nur dass als Gegensatz nicht eine Haftung in Höhe des erlangten Vermögensvorteils, sondern die Nichthaftung gedacht zu sein 6 Ein vergleichbares Modell könnte man für das precarium bilden, siehe dazu unten im Text. 7 Vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,1; Neraz 2 membr D. 16,3,18. 8 Vgl. Paulus 17 ed D. 16,3,9. 9 Ulp. 30 ed D. 16,3,7,1: Datur actio depositi in heredem ex dolo defuncti in solidum: quamquam enim alias ex dolo defuncti non solemus teneri nisi pro ea parte quae ad nos pervenit, tamen hic dolus ex contractu reique persecutione descendit ideoque in solidum unus heres tenetur, plures vero pro ea parte qua quisque heres est. 10 Pomp. 29 Sab D. 44,7,12: Ex depositi et commodati et mandati et tutelae et negotiorum gestorum ob dolum malum defuncti heres in solidum tenetur. Man vergleiche die damit zusammenhängenden Stelle Pomp. 29 Sab D. 50,17,38, die den entsprechenden Gegensatz bringt (vgl. Lenel, P II Pomponius 742, Sp. 137): Sicuti poena ex delicto defuncti heres teneri non debeat, ita nec lucrum facere, si quid ex ea re ad eum pervenisset.
§ 10 Die Haftung des Erben aus der actio depositi in factum concepta
133
scheint11. Dabei wird man im Rahmen der justinianischen Kompilation Ulp. 30 ed D. 16,3,7,1 als Zentralstelle ansehen können. Hier findet sich im betreffenden Titel die Erbenhaftung klar ausgesprochen. b) Andere Stellen setzen die Erbenhaftung einfach voraus und erörtern andere Probleme. Um die Frage der Beschränkung der Haftung auf den dolus geht es in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,47 und im Rahmen der Kompilation jedenfalls in der sich anschließenden Katene, die bis Paulus 5 Plaut D. 16,3,4 reicht. In diesen Stellen hat der Erbe die hinterlegte Sache verkauft, weil er nicht wusste, dass die Sache hinterlegt worden war12. Die dolus-Haftung ist auch Thema von Alex.Sev. C. 4,34,1 (Coll. 10,8). In Gaius 9 edpr D. 16,3,14,1 geht die hinterlegte Sache zwischen litiscontestatio und Urteil unter. Ulp. D. 3,2,6,6 behandelt die Infamiefolgen bei einer Verurteilung des Erben. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,14 a. E. erörtert die Haftung des Bürgen des erbenlosen Erblassers. In Ulp. 30 ed D. 16,3,1,45 hatte der Hinterleger mit dem Verwahrer vereinbart, er werde die Sache erst nach dem Tode des letzteren zurückverlangen. In Pap. 3 resp D. 16,3,25pr. geht es um die Frage, ob überhaupt gegen den verstorbenen Empfänger die actio depositi statthaft gewesen wäre. In Iust. C. 3,31,12,1a geht es um die Klage des Hinterlegers gegen den Erbschaftsbesitzer, die nicht deshalb aufgeschoben werden dürfe, weil ein anderer die hereditatis petitio gegen den Erbschaftsbesitzer erheben will. c) In einigen Stellen geht es um einen Erben des Verwahrers, ohne dass die Erbenhaftung ausdrücklich thematisiert würde. aa) In Scaev. 18 dig D. 32,37,5 bittet der Empfänger einer (verzinslichen) Geldparatheke durch einen Kodizill seinen Erben, das Geld an einen Dritten herauszugeben. In Scaev. 3 resp D. 31,88,10 bittet der Verwahrer seinen Erben, das Hinterlegte an den Hinterleger zurückzugeben. bb) In anderen Stellen steht die Erbenhaftung im Hintergrund, so in Paulus 20 ed D. 5,3,19pr., wenn der Erbe vom Erbschaftsbesitzer die beim Erblasser hinterlegten Sachen mit der hereditatis petitio herausverlangen kann. Der Vermächtnisnehmer kann nach Ulp. 52 ed D. 36,4,5,10 nicht in den Besitz der hinterlegten Sachen eingewiesen werden, weil diese nicht Erbschaftssachen sind und damit nicht zum Vermögen des Erben zählen.
11 Paulus 18 Plaut D. 44,7,49: Ex contractibus venientes actiones in heredes dantur, licet delictum quoque versetur, veluti cum tutor in tutela gerenda dolo fecerit aut is apud quem depositum est: quo casu etiam cum filius familias aut servus quid tale commisit, de peculio actio datur, non noxalis. 12 Vgl. die Hinweise in § 16 III.
134
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
3. Stellen zur Erbenmehrheit In manchen Stellen werden Probleme der Erbenmehrheit13 beim normalen depositum diskutiert. In Paulus 17 ed D. 16,3,9 und in Julian 10 Min D. 16,3,10 wird erläutert, dass bei dolus des Erblassers jeder Erbe nur in Höhe seiner Erbquote hafte, dass aber jeder Erbe für eigenen dolus auf das Ganze hafte. In Paulus 31 ed D. 44,2,22 geht es um die Frage, wann bei Erbenmehrheit eine eadem res vorliege14, in Marc. 5 dig D. 16,3,22 geht es um Fälle, in denen die Erben gemeinsam die hinterlegte Sache unterschlagen.
4. Die Haftung des Erben des Sequesters Die Haftung des Erben des Sequesters schließlich findet sich in Pomp. 22 Sab D. 16,3,12,2. 5. Zusammenfassende Übersicht Wir gewinnen damit folgende Übersicht zur Haftung des Erben aus dem einfachen depositum: Haftung des Erben ex dolo defuncti
Haftung des Erben ex dolo suo
Person des Dolosen unklar
D. 16,3,7,1; D. 44,7,12; D. 44,7,49 D. 16,3,9 a. A.; D. 44,2,22
D. 16,3,1,47; C. 4,34,1; D. 16,3,14,1; D. 3,2,6,6; D. 16,3,25pr.; C. 3,31,12,1a; D. 16,3,9 a. E.; D. 44,2,22; D. 16,3,22
D. 16,3,1,45
II. Die Theophiliusparaphrase zu I. 4, 12, 1 In der Theophilusparaphrase zu I. 4,12,1 findet sich eine Aussage, nach der der Erbe des Verwahrers nicht hafte, obwohl die actio depositi eine Vertragsklage sei. 1. Man sehe dabei zunächst den Text der Gaius- und der justinianischen Institutionen:
13 14
Siehe dazu auch schon die Stelle oben Ulp. 30 ed D. 16,3,7,1. Siehe dazu § 19 II.
§ 10 Die Haftung des Erben aus der actio depositi in factum concepta G. 4,112 – 113
I. 4,12,1
§ 112: Non omnes actiones, quae in aliquem aut ipso iure competunt aut a praetore dantur, etiam in heredem aeque conpetunt aut dari solent: est enim certissima iuris regula ex maleficiis poenales actiones in heredem nec conpetere nec dari solere, velut furti, vi bonorum raptorum, iniuriarum, damni iniuriae.
Non omnes autem actiones, … quae in aliquem aut ipso iure competunt aut a praetore dantur, et in heredem aeque competunt aut dari solent. est enim certissima iuris regula ex maleficiis poenales actiones in heredem non competere, veluti furti, vi bonorum raptorum, iniuriarum, damni iniuriae.
sed heredibus actoris huiusmodi actiones conpetunt nec denegantur, excepta iniuriarum actione et si qua alia similis inveniatur actio.
sed heredibus huiusmodi actiones competunt nec denegantur, excepta iniuriarum actione et si qua alia similis inveniatur.
§ 113: Aliquando tamen etiam ex contractu actio neque heredi neque in heredem conpetit: nam adstipulatoris heres non habet actionem, et sponsoris et fidepromissoris heres non tenetur.
aliquando tamen etiam ex contractu actio contra heredem non competit, cum testator dolose versatus sit et ad heredem eius nihil ex eo dolo pervenerit.
135
Theophilusparaphrase zu I. 4,12,115
aliquando tamen ex contractu actio in heredes non competit. ut ecce, rem apud te deposui; deinde dolo tuo omnino periit aut deterior facta est, neque ullum lucrum inde heredi tuo pervenit. non tenebitur heres depositi actione, licet ‚depositum‘ contractus sit.
poenales autem actiones, quas … supra diximus, si ab ipsis principalibus personis fuerint contestatae, et heredibus dantur et contra heredes transeunt.
In G. 4,112 äußert sich Gaius zur Vererblichkeit sowohl ziviler (competere) als auch prätorischer (dari) Klagen. Nicht alle diese Klagen gingen gegen den Erben. Es sei nämlich eine anerkannte Regel, dass Pönalklagen aus Delikten nicht gegen den Erben des Täters gingen. Gaius zählt dann beispielhaft die actiones furti, vi bonorum raptorum, iniuriarum und ex lege Aquilia auf. Der Erbe des Opfers aber 15 Zur besseren Vergleichsmöglichkeit wird hier die lateinische Übersetzung Ferrinis (Institutionum Graeca paraphrasis 464 f.) angegeben, zum griechischen Text siehe sogleich.
136
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
habe diese Pönalklagen mit Ausnahme der actio iniuriarum (und ähnlicher Klagen), die also nicht aktiv vererblich sei. In G. 4,113 kommt Gaius dann auf Klagen ex contractu, die weder aktiv noch passiv vererblich seien. In den Institutionen Justinians entspricht diesen Stellen I. 4,12,1; dass die justinianischen Institutionen hier von den gaianischen abstammen, dürfte nicht zweifelhaft sein, wenn man den Anfang von I. 4,12,1 mit G. 4,112 vergleicht. Als Beispiele für eine aktiv nicht vererbliche Kontraktsklage nennt Gaius die Verpflichtung gegenüber dem Adstipulator16, als Beispiele für die passive Nichtvererblichkeit einer Kontraktsklage nennt er die Erbenhaftung des sponsor und des fideipromissor, also die zwei älteren Arten der Bürgschaft17. Justinian erwähnt die Nichtvererblichkeit auf der Aktivseite nicht mehr; die Adstipulatio war bereits außer Gebrauch gekommen18. Auch die Beispiele des Gaius für die Nichtvererblichkeit auf der Passivseite waren Justinian nach der Einebnung der Unterschiede zwischen den Bürgschaftsarten abhanden gekommen19, der Erbe des fideiussors haftete20. Justinian bringt stattdessen für den Fall der Nichtvererblichkeit einer Kontraktsklage auf der Passivseite den Fall, cum testator dolose versatus sit et ad heredem eius nihil ex eo dolo pervenerit. Was soll das heißen? Während Gaius und Justinian sonst konkrete Beispiele von Delikts- und Vertragsklagen bringen, gibt Justinian hier nur einen allgemeinen Fall, in dem der Erblasser dolos gehandelt hat und an den Erben aus diesem dolus kein Vorteil gelangt ist. Gemeint ist damit wohl auch, dass in dem Fall, dass der Erbe einen Vermögensvorteil hätte, er auch aus der Vertragsklage gehaftet hätte. Die Stelle steht nicht nur in Spannung zu Ulp. 30 ed D. 16,3,7,1, sondern auch zu anderen Aussagen der Kompilation, nach denen der Erbe des Schuldners bei Verträgen stets auf das Ganze hafte, nicht nur auf den an ihn gelangten Vermögensvorteil21. Die Glosse In contractibus22 zu Ulp. 71 ed D. 50,17,157,2 erklärt den Unterschied so, dass in I. 4,12,1 der dolus die 16 Zu diesem siehe nur Kaser, RP I § 155 I, S. 660. Die Berechtigung des Adstipulator ist derart persönlich, dass sie nicht nur nicht aktivvererblich ist (so schon Gaius in G. 3,114 a. A.), sondern dass sie auch nicht durch einen Gewaltabhängigen erworben werden kann (G. 3,114 a. E.). 17 Vgl. Kaser, RP I § 115 II 3 a und b, S. 661 m.Fn. 18 und S. 662. 18 Vgl. Kaser, RP II § 274 II 1a, S. 441 Fn. 5. 19 Vgl. Kaser, RP II § 278 I 1, S. 457 f. 20 Vgl. G. 3,120. 21 Etwa Ulp. 71 ed D. 50,17,157,2 (P II Ulpian 1610, Sp. 844): In contractibus successores ex dolo eorum, quibus successerunt, non tantum in id quod pervenit, verum etiam in solidum tenentur, hoc est unusquisque pro ea parte qua heres est. Ferner Ulp. 69 ed D. 50,17,152,3 (P II Ulpian 1532 Sp. 818): In contractibus, quibus doli praestatio vel bona fides inest, heres in solidum tenetur. Und auch Pap. 11 resp D. 45,1,121,3: Ex facto rei promittendi doli stipulatio heredem eius tenet, sicut ex ceteris aliis contractibus, veluti mandati depositi. 22 Die von Accursius stammende Glosse bemerkt, dass I. 4,12,1 das Gegenteil sage, und fährt fort: ubi non tenetur heres ex dolo defuncti, sed ibi dedit causam contractui: hic fuit
§ 10 Die Haftung des Erben aus der actio depositi in factum concepta
137
causa des Vertrages gesetzt habe, in D. 50,17,157,2 aber der dolus sich nur auf Nebenpunkte des Vertrages beziehe. Fragt man, welches konkrete Beispiel Justinian hätte geben können, kommt das precarium in Betracht23, denn bei diesem haftete der Erbe nicht bei dolus des Erblassers. Ulp. 69 ed D. 43,26,8,8: Hoc interdicto heres eius qui precario rogavit tenetur quemadmodum ipse, ut, sive habet sive dolo fecit quo minus haberet vel ad se perveniret, teneatur: ex dolo autem defuncti hactenus, quatenus ad eum pervenit. Der Erbe des precario habens haftet also ex dolo defuncti nur auf das, was an ihn gelangt ist. Das precarium wäre also ein für Justinian taugliches Beispiel, denn das precarium ist für Justinian ein Vertrag24. Exkurs: Für das klassische Recht könnte diese Beschränkung der Erbenhaftung mit dem Ediktswortlaut zu tun haben25. Das Interdikt wurde gegen den precario habens gegeben quod precario ab illo habes aut dolo malo fecisti, ut desineres habere.26 Es liegt nahe, dass die Haftung des Erben ex dolo defuncti aus D. 43,26,8,8 genau den Fall meint, dass der precario habens gehaftet hätte, weil er den Besitz in doloser Weise aufgegeben hat27. Dessen Erbe soll nun nur haften, wenn daraus ein Vermögensvorteil an ihn gelangt ist. Dass dieser Zusammenhang zwischen Formel- bzw. Ediktswortlaut und der Beschränkung der Erbenhaftung besteht, wird auch dadurch wahrscheinlich, dass sich die Aussage, der Erbe hafte bei dolus des Erblassers nur auf den an ihn gelangten Vermögensvorteil, auch bei anderen Verhältnissen findet, bei denen die Klage im Formelwortlaut ebenfalls eine Wendung hat, dass der Beklagte auch hafte, wenn er in doloser Weise den Besitz aufgegeben hat, z. B. bei der actio ad exhibendum28 und incidens. Zu dolus causam dans und dolus incidens siehe Kaser / Knütel18, § 8 Rn. 37, § 33 Rn. 19; Zimmermann, Obligations 670 f. Wegen der Blattvertauschung im Codex Florentinus zählt die Stelle D. 50,17,157 in den Vulgathandschriften und in der Glosse als D. 50,17,199. 23 So auch Voci, Diritto Ereditario I 242. 24 Vgl. Ulp. 29 Sab D. 50,17,23: Contractus quidam dolum malum dumtaxat recipiunt, quidam et dolum et culpam. dolum tantum: depositum et precarium…Vgl. Kaser, RP II, § 266 II, S. 408 m.Fn. 54 (dort Druckfehler von 64 für 54). 25 Anders Voci, Diritto ereditario I 241, der die Besonderheit damit erklärt, dass das precarium im klassischen Recht kein Kontrakt gewesen sei. 26 Lenel, EP3 486. 27 Denn die Aufzählung sive habet sive dolo fecit quo minus haberet vel ad se perveniret meint doch die Fälle, in denen der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes den Besitz hatte und der Erbe daher selbst den Besitz hatte, oder der Erbe selbst den Besitz dolos aufgab oder dolos verhinderte, dass die Sache aus dem Besitz des Erblassers an ihn gelangte. 28 Bei der actio ad exhibendum haftete der Erblasser quod Numerius Negidius possidet dolove malo eius factum est, quo minus possideret (Lenel, EP3 223). Zur Erbenhaftung bemerkt nun Paulus in 26 ed D. 10,4,12,6: Heres non quasi heres, sed suo nomine hac actione uti potest: item heres possessoris suo nomine tenetur: igitur non procedit quaerere, an heredi et in heredem danda sit. plane ex dolo defuncti danda est in heredem actio, si locupletior hereditas eo nomine facta sit, veluti quod pretium rei consecutus sit. Hätte der Erblasser gehaftet, weil er Besitzer war, dann haftet der Erbe nicht als Erbe, sondern weil er selbst Besitzer ist (zum Übergang des Besitzes vom Erblasser auf den Erben vgl. Kaser, RP I, § 95 IV 2, S. 395 m.Fn. 53). Hätte der Erblasser aber nicht als Besitzer, sondern wegen doloser Besitzaufgabe gehaftet, dann haftet der Erbe nur auf seine Bereicherung. Das erscheint auch sinnvoll, denn
138
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
bei der Klage gegen denjenigen Intestaterben, der die Berufung als Erbe ex testamento ausgeschlagen hat29. Es geht hier also um Fälle, in denen sich die Beschränkung der Erbenhaftung bei dolus des Erblassers aus dem Formelwortlaut der Klage ergibt; mit einem Deliktscharakter hat dies nichts zu tun30. Ließe sich das auf das depositum übertragen? Der Verwahrer haftet grundsätzlich dann, wenn er die Sache noch hat31 oder wenn ihm die Rückgabe aufgrund eines dolus unmöglich ist32, wenn er diese beispielsweise verloren hat. Als Formel der actio depositi ließe sich also auch denken si paret Aulum Agerium apud Numerium Negidium mensam argenteam deposuisse eamque Numerius Negidius habet vel dolo malo fecisse, quo minus haberet … 33. Diese
die Gewährung der actio ad exhibendum, die die Einlassungsfreiheit bei der reivindicatio ergänzen soll, gegen den Nichtbesitzer ist ja von vornherein eine Merkwürdigkeit. Sie ist noch gegen den gerechtfertigt, der dolos den Besitz aufgegeben hat, aber nicht mehr gegen dessen nichtbesitzenden Erben. 29 Es geht um die Klage, die der Prätor gibt si quis omissa causa testamenti ab intestato vel alio modo possideat hereditatem. Ist der Testamentserbe zugleich erster gesetzlicher Erbe und schlägt er die Erbschaft aus dem Testament aus, dann sind die Vermächtnisse unwirksam. Will der Testamtenserbe nun als gesetzlicher Erbe in den Genuss der Erbschaft kommen (vgl. Kaser, RP I § 185 II, S. 747 m.Fn. 15), gibt der Prätor den Vermächtnisempfänger Klagen si quis omissa causa testamenti ab intestato hereditatem partemve eius possidebit dolove malo fecerit, quo minus possideret (Lenel, EP3 364). Zur Erbenhaftung bemerkt Ulpian in 50 ed D. 29,4,12,1: Heredem eius, qui omissa causa testamenti ab intestato possidet hereditatem, in solidum legatorum actione teneri constat: magis est enim rei persecutionem quam poenam continere et ideo et perpetuam esse. hoc autem ita est, nisi propter dolum defuncti conveniatur heres: tunc enim in id quod ad eum pervenit conveniretur. Auch hier kann sich der dolus propter quem der Erbe verklagt wird, eben auf den dolus beziehen, mit dem der Erblasser den Besitz an der Erbschaft aufgegeben hat. Auch diese Beschränkung der Erbenhaftung hat Gerechtigkeitsgehalt. Der die Erbschaft ausschlagende Testamentserbe soll die Vermächtnisse leisten müssen, wenn er trotz Ausschlagung den Vorteil aus der Erbschaft zieht; gibt er aber den Besitz an der Erbschaft dolos auf, dann kommen die Vorteile der Erbschaft auch nicht an seinen Erben, so dass eine Haftung dieses Erben wiederum nur in Höhe seiner Bereicherung angemessen ist. 30 Mit dem pönalen Charakter der Deliktsklage wird die Beschränkung der Erbenhaftung etwa begründet in Pomp. 29 Sab D. 50,17,38: Sicuti poena ex delicto defuncti heres teneri non debeat, ita nec lucrum facere, si quid ex ea re ad eum pervenisset. Zu dieser Bereicherungshaftung des Erben bei einem Delikt des Erblassers siehe nur Kaser, RP I § 139 V, S. 600 m.Fn. 68 ff., der auch die ältere Literatur nachweist. Man hält diese Bereicherungshaftung heute zumeist für klassisch. 31 Vgl. § 14. 32 Vgl. § 16. 33 Vgl. das sive teneant sive dolo fecerint quominus possint restituere in Diocl. Coll. 10,4: Eos penes quos vestem et argenti materiam deposuisse proponis apud rectorem provinciae convenit interrogari, qui eos, sive teneant sive dolo fecerint quominus possint restituere, secundum bonam fidem tibi satisfacere conpellet. Hätte der Verfasser der Collatio die Stelle nicht in den Titel 10 gerückt, wäre zweifelhaft, ob sich die Äußerung auf eine actio depositi beziehen sollte. Zu denken wäre auch an die actio ad exhibendum. Die Wendung sive teneant sive dolo fecerint quominus possint restituere ist dabei nicht zu überschätzen, man vgl. etwa das sive confessi debitum sive negantes et convicti fuerint condemnati in Diocl. C. 7,53,9. Die Aufzählung kann auch nur ein Versuch sein, den materiellen Tatbestand der Haftung zu schildern. Auch das interrogari hat keine technische
§ 10 Die Haftung des Erben aus der actio depositi in factum concepta
139
Formel hätte eine sachverfolgende Natur, weil sie nur darauf abstellt, ob der Verwahrer die hinterlegte Sache noch hat, während die Formel der actio depositi in factum concepta wegen des dolo malo redditam non esse eher an einen vor litiscontestatio begangenen dolus zu denken scheint. Dass der Erbe aus der actio depositi in factum concepta wegen eines dolus des Erblassers nur auf seine Bereicherung hafte, wäre also eher aus einem pönalen Charakter dieser Klage zu erklären, als so wie bei den eben vorgestellten Klagen aus dem Formelwortlaut.
2. Dem Text des Theophilus in seiner Paraphrase zu I. 4,12,134 merkt man die Herkunft aus dem Unterricht an35. Er folgt zwar, unter Vorbehalt späterer Präzisierung, grundsätzlich dem Text der Institutionen Justinians, reichert diesen aber durch Beispiele und Begründungen an. Die unbestimmte Aussage des Gaius, die noch Justinian übernimmt, neben der actio iniuriarum gebe es vielleicht noch andere de-
Bedeutung, denn eine interrogatio, ob etwa der als Beklagte in Aussicht genommene Verwahrer sei, ist nicht bezeugt (doch besteht die Möglichkeit, es habe mehr interrogationes, auch nichtförmliche, gegeben, als uns die Quellen überliefern, vgl. Nörr, Interdependenz 109; Spengler, Interrogatio 161. Paulus 17 ed D. 16,3,9 betrifft die interrogatio an heres sit et quota ex parte, vgl. Spengler a. a. O. 26 f. ). 34 Hier (wie sonst) zitiert nach Ferrini, Institutionum Graeca paraphrasis Theophilo Antecessori vulgo tributa, S. 464 f. 35 Theophilus war Rechtslehrer in Konstantinopel (Const. Tanta § 9) und ist Mitverfasser der Institutionen (Const. Imp. § 3). Zu seiner Institutionenparaphrase siehe Pieler, Byz. Rechtsliteratur 419 f. und Scheltema, L’enseignement 17 ff. Nach dem Modell Scheltemas beruht die die Kompilation betreffende Literatur der antecessores, also der Rechtslehrer aus der Zeit Justinians, fast ausschließlich auf dem Rechtsunterricht, genauer gesagt aus dem Problem, den vorwiegend griechischsprachigen Studenten die Kenntnis der lateinischen Kodifikation zu vermitteln (L’enseignement, etwa 11 ff.). Die Paraphrase entstand vor der Inkraftsetzung des Codex zweiter Auflage, denn der Paraphrasenverfasser kannte diesen noch nicht (Scheltema, L’enseigement 18). Nach Scheltema (L’enseignement 18 f.) habe Theophilus zunächst eine Indexvorlesung gehalten, anschließend eine Paragraphaivorlesung. Dabei hätten sich die Paragraphai auf das lateinische Original bezogen, nicht auf den griechischen Index (a. a. O. 21). Herausgegeben habe die Vorlesungsmitschriften sehr wahrscheinlich ein Schüler, der Index und Paragraphai ineinander verwoben habe (a. a. O. 19). Zu diesem Modell Scheltemas jetzt kritisch Falcone, La formazione del testo della parafrasi di Teofilo 417 ff. Nach Falcone sei die Paraphrase von Anfang an ein einheitliches Werk des Theophilus gewesen. Für eine ursprüngliche Zweiteilung liefere der Text der Paraphrase selbst keine Hinweise, das für den Digestenunterricht des Stephanus plausible Modell der Zweiteilung lasse sich nicht ohne positive Belege auf den Institutionenunterricht des Theophilus übertragen. Klar ist aber jedenfalls, dass die Paraphrase einerseits Passagen enthält, die mehr oder weniger als eine Übersetzung der justinianischen Institutionen erscheinen, andererseits aber auch Stücke, für die der Text der justinianischen Institutionen keinen Anhalt bietet. Dass für letztere sich Theophilus auch Vorlagen aus der Zeit vor der Kompilation bedienen konnte, ist möglich und wird durch das Problem, ob die Paraphrase von Anfang an ein einheitliches Werk war oder eine Zusammenfügung von Indexvorlesung und Paragraphai, nicht in Frage gestellt. Wenn es richtig ist, dass Theophilus der Verfasser des 3. und 4. Buches der justinianischen Institutionen ist, aber nicht der Verfasser des 1. und 2. Buches, dann müsste die Untersuchung zur Aufklärung des Verhältnisses zwischen justinianischen Institutionen und der Theophilusparaphrase eigentlich streng zwischen diesen beiden Teilen der justinianischen Institutionen unterscheiden.
140
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
liktische Klagen (et si qua alia similis inveniatur actio), die aktiv nicht vererblich seien, belegt er durch das Beispiel der Klage des Patrons gegen den Freigelassenen, wenn dieser ihn ohne Erlaubnis des Prätors geladen hatte36. Dieses von Theophilus gewählte Beispiel für eine deliktische aktiv nicht vererbliche Klage ist zutreffend37. Ferner gibt Theophilus eine Begründung, warum diese Klagen nicht aktiv vererblich seien. Anders als etwa bei einem furtum habe nämlich der Erblasser keine Vermögenseinbuße erlitten, so dass der Erbe auch nicht selbst betroffen sei. a) Theophilus fährt dann in seiner Paraphrase zu I. 4,12,1 fort38: ai( de\ a)po\ tw=n sunallagma/twn a)kwlu/twj klhrono/moij kai\ kata\ klhrono/mouj doqh/sontai. e/)sti de\ o/(te h( a)po\ sunalla/gmatoj a)gwgh\ ou) di/dotai kata\ klhrono/mwn, e)a\n ga\r para/qwmai/ soi pra=gma ei)=ta kata\ do/lon so\n a)fanisqei/h telei/wj, h)\ kai\ xei/rwn ge/nhtai, mhde\ e)nteu=qen ke/rdoj ei)j to\n so\n parage/nhtai klhrono/mon, ou) katasxeqh/setai t$= depositi, kai/toi to\ depósiton suna/llagma e) stin39.
Theophilus beginnt mit der allgemeinen Aussage, dass die Klagen aus Verträgen für die Erben und gegen die Erben gegeben würden. Dieser Satz findet sich bei Justinian nicht; Justinian begann sofort mit der Ausnahme, dass eine Vertragsklage manchmal nicht gegen den Erben gehe. Theophilus bringt dann aber nicht die Erläuterung des Ausnahmesatzes durch Justinian, sondern ersetzt diesen vollständig durch sein eigenes depositum-Beispiel. Dieses Beispiel führt Theophilus als geltendes Recht vor, er sagt nicht etwa, früher habe der Erbe des Verwahrers nur auf seine Bereicherung gehaftet. Damit widerspricht die Aussage des Theophilus mehreren Stellen der Kompilation, die ausdrücklich betonen, dass der Erbe des Verwahrers wegen eines dolus des Verwahrers in solidum haftet, nicht nur wegen seiner Bereicherung40. Um es deutlich zu sagen: Die Aussage der Institutionenparaphrase, der Erbe des Verwahrers hafte nur bei Bereicherung, ist falsch. Maßstab für diese Bewertung ist das justinianische Recht, denn die Institutionenparaphrase soll das justinianische Recht lehren, und vor diesem ist nach D. 16,3,7,1 die Aussage falsch. Die Aussage der Theophilusparaphrase zum depositum findet sich in den uns erhaltenen, zu D. 16,3,7,1 gehörenden Resten, aus denen später die Basiliken und deren Scholien wurden, nicht. Andere Teile der Paraphrase von I. 4,12,1 sind in einem Scholion zu B. 60,11,1,2 (entspricht D. 47,2,1,1) enthalten41. Zur Klage G. 4,46; Lenel, EP3 68 ff. Vgl. Ulp. 5 ed D. 2,4,24; siehe nur Gröschler, Actiones in factum 42 Fn. 2. 38 Ferrini 464 f. 39 Übersetzung: Aber die Klagen aus Verträgen werden ungehindert den Erben und gegen die Erben gegeben. Manchmal aber wird die Klage aus einem Vertrag nicht gegen die Erben gegeben, wenn nämlich ich bei Dir eine Sache hinterlege, dann aufgrund Deines dolus die Sache ganz untergeht, oder auch beschädigt wird, und daraus kein Gewinn an Deinen Erben gelangt, wird der Erbe nicht aus der actio depositi haften, auch wenn das depositum ein Vertrag ist. 40 Siehe Ulp. 30 ed D. 16,3,7,1. Diese Stelle steht nicht nur im Titel D. 16,3 und ist daher leicht zugänglich, sie lehnt sogar das Beispiel des Theophilus ausdrücklich ab. 36 37
§ 10 Die Haftung des Erben aus der actio depositi in factum concepta
141
Es stellt sich die Frage, wie es zu dem Fehler der Paraphrase kommen konnte. Denkbar ist zum einen ein Versehen des Theophilus, zum anderen aber auch, dass sich hinter der Aussage der Paraphrase ein früherer Rechtszustand spiegelt. Vor allem aber ist eines zu bedenken: Bisher haben wir immer davon gesprochen, I. 4,12,1 stamme von Justinian, und so getan, als kommentiere Theophilus in der Paraphrase einen fremden Text. Diese Voraussetzung ändert sich, wenn man im Anschluss an Huschke Theophilus als den Verfasser des 4. Buches der justinianischen Institutionen annimmt42. Dann stammen I. 4,12,1 und die Paraphrase dazu vom selben Verfasser. Man könnte dann folgende Geschichte erzählen: Vor Justinian und vor dessen entsprechender Interpolation von Ulp. 30 ed D. 16,3,7,1 haftete der Erbe des Verwahrers ex dolo defuncti aus der actio depositi in factum concepta nur auf die Bereicherung. Theophilus hielt vor der Kodifikation Institutionenvorlesungen anhand der Gaiusinstitutionen43. Als Theophilus bei G. 4,113 anlangte, wählte er in einer Paragraphe (sei es in einer von der Indexvorlesung getrennten Lehrveranstaltung, sei es in derselben Vorlesung, in der es auch um die Vorstellung des Grundtextes ging)44 als Beispiel den Erben des Verwahrers, nicht den Erben des sponsor oder fideiussor, denn diese Bürgschaftsformen waren schon vor Justinian außer Gebrauch gekommen45. Als Theophilus dann später die justinianischen Institutionen schrieb, konnte er weder das gaianische Beispiel übernehmen noch im Hinblick auf die ihm bekannte Interpolation in Ulp. 30 ed D. 16,3,7,1 sein Beispiel aus der Paragraphe zum Gaiustext. Etwas hilflos und wegen der Zeitknappheit wählte er eine Formulierung, die daraufhin offen genug formuliert war, ob sich überhaupt ein praktisches Beispiel finden lassen würde. Er tat gut daran, denn in der Tat findet sich in der Kompilation das Beispiel des precarium. In die Institutionenparaphrase ging dann aber das alte Beispiel aus der Gaiusparagraphe ein46. 41 Hb V 449; Scheltema B VIII 3334, 21. Zur Aussage, dass der Erbe des Verletzten die actio furti habe, aber nicht die actio iniuriarum, findet sich die aus der Theophilusparaphrase genommene entsprechende Begründung. Nach Scheltema / Holwerda / Van der Wal (a. a. O.) handle es sich um ein jüngeres Randscholion. 42 Das ist herrschende Meinung, vgl. Wenger, Quellen 602 f.; Pieler, Byz. Rechtsliteratur 418 m.Fn. 117. Zuletzt Lokin, Theophilus Antecessor 339 ff. und Honoré, Tribonian 187 ff., 211. 43 Zur Gaiusvorlesung vor der Kodifikation siehe Scheltema, L’enseignement 8. Nach Simon, Rez. Scheltema, L’enseignement, S. 483, habe Theophilus vor 533 zweifellos Gaiusunterricht vorgetragen. 44 Zu Einwänden gegen eine Zweiteilung des Institutionenunterrichts in Index- und Paragraphaivorlesung siehe Falcone, La formazione 431. 45 Kaser, RP II § 278 I 1, S. 457 f. 46 Nach Simon, Rez. Scheltema, L’enseignement, S. 483, hätten sich teilweise ältere Paragraphai, die ursprünglich aus der Paragraphaivorlesung zu den Gaiusinstitutionen stammten, in der Paraphrase zu den justinianischen Institutionen erhalten. Für den Codexunterricht des Thalelaios hat Simon nachgewiesen, dass die Vorlesungsmitschriften zum Codex teilweise durch die Änderung des Codex zweiter Auflage nicht mehr berührt wurden (Codexunterricht, D. Divergenzen 273 ff., RIDA 17).
142
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
Für diese Geschichte spricht, dass der Paraphrasentext sich gut als Paraphrase der Gaiusinstitutionen denken lässt, wenn der Paraphrast nach einem anderen Beispiel für eine passive Unvererblichkeit einer Kontraktsklage gesucht hätte. Hingegen ist die Theophilusparaphrase bezogen auf die justinianischen Institutionen merkwürdig. Man würde die justinianische Ausführung als Teil der Indexvorlesung erwarten, die dann in der Paragraphaivorlesung durch ein Beispiel erhellt würde, am besten durch das Beispiel des precarium, nicht des depositum. In der Theophilusparaphrase fehlt aber nun einfach der justinianische Text. Vielfach erscheint der justinianische Institutionentext als die verkürzte Fassung einer Paraphrase zu den Gaiusinstitutionen. Das gilt etwa für unsere Stelle: Das Beispiel aus I. 4,12,1 cum testator dolose versatus sit et ad heredem eius nihil ex eo dolo pervenerit ist verstehbar als Kürzung des Beispiels der Paraphrase zum depositum. Die Stelle I. 4,10,247 ist auffassbar als Kürzung der Paraphrase 4,10,2, die eigentlich Paraphrase zu G. 4,85 – 87 ist. Letzteres zeigt auch, dass die Theophilusparaphrase nicht einfach eine Paraphrase zu den justinianischen Institutionen ist, denn ein Paraphrast, der nicht auf vorjustinianisches Material zurückgreift, hätte wohl kaum den Exkurs aus G. 4,86 – 87 in den Paraphrasentext eingebaut. Aufschlussreich ist auch ein Vergleich von G. 4,111 mit der Paraphrase 4,12pr. und I. 4,12pr.48. Es geht um die Frage, warum die actio furti manifesti nicht auf ein Jahr befristet ist, obwohl sie eine prätorische Klage ist. Der Vergleich der Begründungen, die die drei Schriften geben, zeigt, dass die Theophilusparaphrase das Bindeglied zwischen den beiden Institutionentexten ist, nicht die justinianischen Institutionen das Bindeglied zwischen dem Gaiustext und der Theophilusparaphrase sind. Die Begründung der justinianischen Institutionen ist nämlich für sich allein unverständlich: absurdum enim esse existimavit anno eam terminari. Warum der Prätor es für widersinnig hielt, die Klage zu befristen, wird nicht mitgeteilt. Die Begründung des Gaius, et merito, cum pro capitali poena pecuniaria constituta sit, lässt immerhin erkennen, dass die prätorische actio furti manifesti ein Ersatz für eine zivile Strafe ist. Die Verbindung zwischen beiden Begründungen hat die Paraphrase49: Es erschien nämlich deshalb dem Prätor widersinnig, die actio furti manifesti zu befristen, weil er, nachdem er den Dieben schon durch die Milderung der Strafe entgegengekommen war, nicht auch noch durch Befristung helfen wollte. Es liegt damit näher, dass die Begründung der justinianischen Institutionen auf eine Kürzung der Begründung der Paraphrase zurückgeht, als dass der Paraphrasenverfasser die bis zur Unverständlichkeit knappe Begründung der justinianischen Institutionen ausbaut und dabei zufällig den Anschluss an die Gaiusinstitutionen findet.
Die Paraphrase zu I. 4,12,1 wäre also im Vergleich zu I. 4,12,1 der ältere Text; der Institutionentext wäre eine Kürzung des Paraphrasentextes. Vgl. Falcone, La Formazione 421, Vgl. Falcone, La Formazione 429 f. 49 Theophilusparaphrase zu I. 4,12pr. (Ferrini 464): a)/topon e)no/misen o( praétwr dia\ pa/ntwn suntre/xein toi=j kle/ptaij th\n kefalikh\n timwri/an xrhmatikh\n poiw=n kai\ th\n perpetûan annalían. ei)/asen ou)=n e)pi\ sxh/matoj to\ perpetûon. Übersetzung: Für widersinnig hielt es der Prätor, in allem den Dieben entgegenzukommen, indem er die Kapitalstrafe zu einer Geldstrafe macht und die unbefristete Klage zu einer auf ein Jahr befristeten. Er ließ also hinsichtlich der Gestaltung der Klage die Unbefristetheit bestehen. 47 48
§ 10 Die Haftung des Erben aus der actio depositi in factum concepta
143
Für die hier erzählte Geschichte lässt sich auch anführen, dass nachweislich die Institutionenparaphrase die 2. Auflage des Codex von 534 nicht mehr kennt50. Das zeigt zum einen, dass der uns überlieferte Text der Paraphrase jedenfalls nicht mehr die Änderungen erfahren hat, die er hätte erfahren müssen, hätte er eine fehlerfreie Grundlage für einen Institutionenunterricht nach 534 bieten sollen. Zum anderen zeigt das, in welch kurzer Zeit Theophilus an den Institutionen mitschrieb und seine Vorlesung ausarbeitete und dass es zu keiner späteren gründlicheren Überarbeitung mehr kam51. Wären hier Fehler ausgeblieben, wäre das das eigentlich Verwunderliche. Lokin52 erkennt eine weitere fehlende Anpassung der Paraphrase. Aufgrund der Konstitution C. 11,41,4 von 394 seien Wagenlenker infam gewesen. Ulpians Ansicht aus dem 6. Buch seines Ediktskommentars, der Wagenlenker sei nicht infam, sei durch die Aufnahme in die Digesten als D. 3,2,4pr. am 30.12.533 als Konstitution Justinians Gesetz geworden und habe die Konstitution von 394 derogiert. Demzufolge habe Theophilus in seinem Digestenindex den Wagenlenker für nicht infam gehalten, während er in seiner Paraphrase zu I. 2,18,1 noch einen früheren Rechtszustand wiedergibt, nach dem der Wagenlenker infam sei53.
Fraglich wäre aber bei dieser Geschichte, wieso zu Beginn des 6. Jahrhunderts Theophilus in seiner Gaiusvorlesung noch die passive Nichtvererblichkeit der actio depositi in factum concepta gelehrt haben sollte, wo es doch auch die actio in ius concepta gab, deren passive Vererblichkeit zu erwarten ist. b) Exkurs: Der Fehler der Institutionenparaphrase hinsichtlich der Haftung des Erben des Verwahrers findet sich auch im Brachylogus54. So heißt es in Brachylogus 4,2255: Adversus quem competit? si quidem ex contractu est, adversus eum qui contraxit vel eius heredem, nisi sit depositi vel de quo lis crescit infitando …
Pieler, Byz. Rechtsliteratur 420. Nach Kübler habe Theophilus gleichzeitig an den Institutionen und an der Paraphrase gearbeitet (RE 2,5,2, s.n. Theophilos Nr. 14, Sp. 2146). 52 Lokin, Theophilus Antecessor 339 ff. 53 I. 2,18,1 handelt von der querela inoffiosi testamenti. Zur Aktivlegitimation bemerkt Justinian, dass Bruder und Schwester nur gegen Testamentserben vorgehen könnten, die infam seien. In einer Paraphrase zählt Theophilus als infame Personen auch Wagenlenker auf. In einem später von Ferrini veröffentlichten Scholion zu dieser Paraphrasenstelle vermerkt der Scholiast den Widerspruch zu dem an diesem Punkt nicht erhaltenen Digestenindex des Theophilus (siehe Lokin, Theophilus Antecessor 339). Zu dieser Glosse zur Theophilusparaphrase siehe Scheltema, L’enseignement 22 f. 54 Zum Brachylogus siehe Lange, Mittelalter I 395 ff. Der Text stamme aus dem 12. Jahrhundert, denn aus dieser Zeit stammten die ersten Handschriften und wegen der intensiven Benutzung der Digesten könne er nicht älter sein. Es handele sich um ein Einführungslehrbuch, das sich an das Institutionensystem anlehne. Hätte der Brachylogus denselben Fehler wie die Theophilusparaphrase, könnte man darüber spekulieren, ob der Verfasser des Brachylogus die Paraphrase kannte. 55 Text jeweils nach Böcking. Corpus Legum sive Brachylogus iuris civilis (Berlin 1829). 50 51
144
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
Wenn man das zweite vel hier mit „oder“ übersetzt, dann lautet die Aussage, dass aus Verträgen der Erbe hafte, wenn es nicht um die actio depositi gehe oder um eine Klage, bei der es durch infitatio zur Litiskreszenz komme. Hier könnte aber das vel auch nur exemplifizierend verwendet sein: wenn es sich nicht um die actio depositi handelt, nämlich in dem Fall, in dem durch Leugnen es zur Litiskreszenz kommt.56 Vorzugswürdig dürfte sein, dass vel ganz zu streichen, denn es findet sich nur in einer der vier Handschriften57. Das vel dürfte hier jedenfalls nicht die Bedeutung von „oder“ haben, denn es fällt schwer, neben dem depositum, bei dem es nach justinianischer Lehre eine Litiskreszenz geben kann, einen weiteren Vertrag zu finden, bei dem es zur Litiskreszenz kommen kann58. Lässt man das vel weg, so ist der Brachylogus auch eine Wiedergabe der justinianischen Lehre, nachdem es beim depositum in bestimmten Fällen zur Litiskreszenz kam, nämlich bei der Notverwahrung59. Die Aussage des Brachylogus ließe sich dann so verstehen, dass in dem Fall, in dem es zur Litiskreszenz beim depositum kommt, die Klage nicht gegen den Erben geht. Zur Litiskreszenz kommt es nach justinianischer Lehre beim depositum necessarium und dort geht die Klage gegen den Erben nicht auf das duplum: Die Klage, die gegen den Erblasser gegeben wird, wird also nicht gegen den Erben gegeben. Bei diesem Verständnis ist die Aussage des Brachylogus eine zutreffende Wiedergabe des justinianischen Rechts und enthält den Fehler des Theophilus nicht. In einer zweiten Stelle heißt es aber nun Brachylogus 3,6,360: Dolum tamen auctoris nec in hoc contractu, nec in ceteris bonae fidei iudiciis heres praestabit, nisi vel ex dolo defuncti locupletior factus sit, vel cum principali reo lis fuerit inchoata. est enim certissima iuris regula, ex dolo defuncti heredes non teneri nisi in quantum ad eos pervenit. … 56 Zu einer solchen Bedeutung von vel siehe Hofmann / Szantyr, II 501 a. E. unter b); zum mittelalterlichen Latein siehe Du Cange, Glossarium VIII 262, s.v. unter 2. (vel könne auch für id est stehen). 57 Vgl. Böcking, Brachylogus 161 Anm. c. Das vel findet sich nur in der Wiener Handschrift. Böcking nahm das vel in seine Ausgabe auf, obwohl die von ihm bevorzugte VatikanHandschrift (S. CXI) dieses nicht hat. 58 Fälle der Litiskreszenz sind nach PS. 1,9: Quaedam actiones si a reo infitientur, duplantur, velut iudicati, depensi, legati per damnationem relicti, damni iniuriarum legis aquiliae, item de modo agri, cum a venditore emptor deceptus est. Siehe auch Kaser / Hackl, § 40 II, S. 284. Als Vertragsklage ließe sich dann höchstens noch die actio de modo agri denken, doch ist diese für Justinian kein Beispiel mehr für Litiskreszenz (Kaser, RP I § 257 II 4, S. 345). 59 Siehe zur justinianischen Litiskreszenz bei der Notverwahrung sogleich im Text. Wie hier schon die Heidelbeger Brachylogus-Ausgabe von 1570 (Nachweis bei Böcking, Brachylogus 160 f. Anm. e). Zu dieser Ausgabe siehe Böcking, Brachylogus CIV f. 60 Die Heidelberger Brachylogus-Ausgabe hat einen wesentlich anderen Text, der mit dem klassischen Recht übereinstimmt (vgl. zum Text Böcking, Brachylogus 86 Fn. m). Doch beruhe nach Böcking, Brachylogus CV, der Heidelberger Text oft nicht auf den Handschriften, sondern auf Konjekturen des Herausgebers. Im abweichenden Heidelberger Text finden sich an unserer Stelle auch Digestenzitate, etwa aus D. 16,3,7,1 und D. 3,2,6,7.
§ 10 Die Haftung des Erben aus der actio depositi in factum concepta
145
Der Titel 3,6 behandelt das depositum, hic contractus ist also das depositum. Bei diesem hafte der Erbe wegen dolus des Erblassers nur, wenn er bereichert ist. Diese Aussage findet sich sonst nur in der Theophilusparaphrase. Dass dies auch in den übrigen bonae fidei iudicia der Fall sei, ist eine Aussage, die sich nirgendwo findet. Der nachfolgende Satz, dass bei durch den Erblasser vollzogenem Prozessbeginn der Erbe doch hafte, findet sich in I. 4,12,1 a. E., dort allerdings nur bezogen auf pönale Klagen. Der Schlusssatz findet sich am Anfang von I. 4,12,1, dort allerdings ebenfalls bezogen auf pönale Deliktsklagen. Die Aussage des Brachylogus ist also zwar angelehnt an I. 4,12,1, aber falsch, wenn man annimmt, der Brachylogus solle das justinianische Recht darstellen. Sie ist insbesondere vorbeigeschrieben an Stellen wie D. 16,3,7,1, D. 44,7,12 und D. 45,1,121,3. Da die Aussage des Brachylogos kaum auf einem Rätselraten über den aliquando-Satz der Institutionen beruhen kann, muss sie auf die Theophilusparaphrase zurückgehen61. c) Verwirft man die soeben erzählte Geschichte, die Aussage der Paraphrase spiegele einen Rechtszustand vor der Kompilation wider, dann ist nach anderen Erklärungen für den Fehler der Theophilusparaphrase, der im Widerspruch zu D. 16,3,7,1 liegt, zu suchen. Und vielfältig sind die Gründe, aufgrund derer man einem Irrtum erliegen kann. Denkbar ist62: Theophilus suchte nach einem Beispiel für den Satz aus I. 4,12,1. Er bedurfte dazu eines Vertrages, in dem nur für dolus gehaftet wurde. In Ulp. 29 Sab D. 50,17,23 fand er das depositum und das precarium63. Also legte er in der Vorlesung dar, dass die Regel beim precarium gelte (wegen D. 43,26,8,8), aber nicht beim depositum (wegen D. 16,3,7,1). Der mitschreibende Schüler kannte aber das precarium nicht, hat dieses Beispiel vergessen und daher dann nur das depositum als (falsches) Beispiel aufgeschrieben.
61 Grundsätzlich ist ein Einfluss der Theophilusparaphrase auf den Brachylogus denkbar. Als Vermittler kommen Institutionenglossen in Betracht. So ist anerkannt, dass die Turiner Institutionenglosse teilweise Fehler der Theophilusparaphrase übernommen hat (dazu vgl. Liebs, Italien 208; Scheltema, L’enseignement 45 f.; zuletzt Falcone, I prestiti 255 ff., insbes. 275 ff.; anders Fitting, Über die so genannte Turiner Institutionenglosse 21, vgl. aber auch 22). Dass der Verfasser des Brachylogus selbst wieder beeinflusst war durch Institutionenglossen, liegt nahe, wenngleich dies nicht die Turiner Glosse gewesen sein muss. Zu Übereinstimmungen der Turiner Institutionenglosse und dem Brachylogus siehe Fitting, Über die Turiner Institutionenglosse 85 ff. Ob und welche Glossen die Turiner Institutionenglosse zu I. 4,12,1 hatte, wissen wir nicht, da die Turiner Handschrift uns über I. 4,1,16 hinaus nicht erhalten ist (vgl. Krüger, Die Turiner Institutionenglosse 46). 62 Nach Scheltema, L’enseignement 19, sei es sehr wahrscheinlich ein Schüler gewesen, der die Paraphrase ediert habe. Wenger, Quellen 683, bemerkt zu Fehlern der Paraphrase, vor allem hinsichtlich der historischen Bildung, es wisse jeder Dozent, „der Kolleghefte zu kontrollieren in die Lage kam, wie wenig er selbst für manchen Unsinn in der Niederschrift seines Vortrags verantwortlich ist.“ 63 Vgl. Voci, Diritto ereditario I 242 Fn. 129.
146
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
Eine andere Möglichkeit geht dahin, Theophilus habe eigentlich einen rechtsgeschichtlichen Exkurs gegeben64, doch pflegt Theophilus rechtsgeschichtliche Erläuterungen als solche zu bezeichnen65. Nach Litewski behandle Theophilus die Klage aus dem depositum necessarium wegen des dolus des Erblassers nach Ablauf eines Jahres, die dann wegen der Annalität (vgl. D. 16,3,18) nur noch auf die Bereicherung gegangen sei66. Nach Rotondi67 folge Theophilus wie der Nomophylax und der Brachylogus einer byzantinischen Lehre, die bei einem dolus in Vertragsverhältnissen deliktische Rechtsfolgen eintreten lasse.
Entscheidend dürfte damit sein, Fehler welcher Art und Größe man Theophilus zutraut. Hat Theophilus einen historischen Exkurs gegeben, ohne ihn als solchen zu kennzeichnen? Hat er nur vom depositum necessarium gehandelt, ohne dies zu sagen? Hing er einer byzantinischen Irrlehre an? Oder hat er, um zu unserer Geschichte zurückzukehren, ein veraltetes Vorlesungsskript benutzt? d) Exkurs: Die Litiskreszenz beim depositum: Zur Beantwortung der Frage, Fehler welcher Art man Theophilus zutrauen kann, wären andere Fehler des Theophilus zu erörtern. Dies kann hier nicht geleistet werden, doch soll darauf hingewiesen werden, dass hinsichtlich des depositum Theophilus noch eine weitere Ungenauigkeit unterläuft, die allerdings in den Institutionen größer ist als in der Paraphrase. Man sehe folgende Stellen68: Justinianische Institutionen I. 4,6,23 In duplum agimus veluti furti nec manifesti, damni iniuriae ex lege Aquilia, depositi ex quibusdam casibus: item servi corrupti, …
Theophilusparaphrase Ei)j diplou=n de\, oi= (on h( furti nec manifesti kai\ h( tou= Aquilíu e)c a)rnh/sewj kai\ h( depositi e)sti\n o(/te, oi= (on h(ni/ka mh\ a)podi/dotai to\ taraxh=j h)\ e)mprhsmou= xa/rin parateqe/n. …69
64 Litewski, Studien zur Verwahrung 43, erwägt (und verwirft), Theophilus habe die pönale Klage auf das duplum aus den Zwölftafel gemeint. Doch geht es eindeutig um eine Vertragsklage. Nach Taubenschlag, Geschichte, 35. Band, 134, stütze sich Theophilus auf einen alten Juristen, der älter als Neraz sei. 65 Zum rechtshistorischen Interesse des Theophilus siehe nur Pugsley, On compiling: Theophilus 401. 66 Litewski, Studien zur Verwahrung 43. Deutlich gemacht hätte Theophilus die Besonderheiten dieses Falls (depositum necessarium / Fristablauf) aber in keiner Weise. 67 Rotondi, La misura 127 ff. 68 Vgl. Rotondi, La misura della responsibilità nell’ actio depositi 131 ff.; Huschke, Zum vierten Buch des Gaius 276 ff. 69 Übersetzung: Auf das Doppelte aber, wie zum Beispiel die actio furti nec manifesti und die actio aus der lex Aquilia bei Leugnung und manchmal die actio depositi, zum Beispiel wenn nicht zurückgegeben wird das wegen Verwirrung oder Feuersbrunst Hinterlegte.
§ 10 Die Haftung des Erben aus der actio depositi in factum concepta I. 4,6,26 Sed furti quidem nec manifesti actio et servi corrupti a ceteris, de quibus simul locuti sumus, eo differt, quod hae actiones omnimodo dupli sunt: at illae, id est damni iniuriae ex lege Aquilia et interdum depositi, infitiatione duplicantur, in confitentem autem in simplum dantur. …
147
… diafora\ de\ metacu\ au)tw=n tw=n a)gwgw=n au/(th, o/(ti h( furti nec manifesti kai\ h( servi conrupti panti\ tro/p% ei)j to\ diplou=n e/)xousi th\n katadi/khn, ei)/te a)rnei=tai/ tij ei/)te o(molgei=: o( de\ aquílios kai\ h( depositi e)pi\ tw=n ei)rhme/nwn qema/twn kata\ me\n tw=n a)rnoume/nwn diplasia/zontai, kata\ de\ tw=n o(mologou/ntwn ei )j a(plou=n poiou=ntai th\n katadi/khn.70 …
In I. 4,6,21 beginnt Justinian (richtiger: Theophilus) mit der Feststellung, dass es Klagen auf das simplum, das duplum usw. gebe. Im § 23 zählt er dann Klagen auf, die auf das duplum gehen, darunter die actio depositi ex quibusdam casibus. Das ist nicht ohne weiteres verständlich, und so wird sich der Schüler im nachjustinianischen Institutionenunterricht gefreut haben, dass Theophilus die quidam casus als Fälle des depositum necessarium auflöst. Die Ausführungen in I. 4,6,23 und in der Paraphrase sind vor dem justinianischen Recht zutreffend: In der Tat gibt es Fälle, in denen beim depositum der Verwahrer auf das duplum verurteilt wird, nämlich beim depositum necessarium (Ulp. 30 ed D. 16,3,1,1). In den §§ 24 und 25 folgen die hier nicht interessierenden Klagen auf das Drei- und Vierfache, während § 26 mit einer Unterscheidung zu den in § 23 genannten Klagen (de quibus simul locuti sumus) an diesen § 23 anschließt: Die actio furti nec manifesti und die actio servi corrupti gingen immer auf das duplum. Andere der in § 23 genannten Klagen, nämlich die Klage aus der lex Aquilia und manchmal die actio depositi, würden durch infitiatio verdoppelt, gegen den Geständigen würden sie aber auf das Einfache gegeben. Unklar ist auch hier wieder das interdum, das wohl auf die quidam casus des § 23 zurückverweist. Dass es beim depositum eine Litiskreszenz gegeben habe, ist aber jedenfalls im Hinblick auf das klassische Recht und auch auf das justinianische Recht falsch71. In der Theophilusparaphrase ist die Sache insoweit
70 Übersetzung: Dieser Unterschied besteht aber zwischen den Klagen, dass die Klagen furti nec manifesti und servi corrupti in jedem Fall eine condemnatio auf das duplum haben, sei es, dass jemand leugnet oder gesteht. Aber die Klage aus der lex Aquilia oder die actio depositi in den genannten Fällen werden gegen die Leugnenden verdoppelt, gegen die Geständigen aber haben sie eine condemnatio in simplum. 71 Vgl. nur Kaser, RP I § 126 I 1, S. 535 Fn. 4, mit Literaturnachweisen, und zum Folgenden Rotondi, La misura 131 ff. Zur Litiskreszenz siehe Kaser / Hackl, § 40 II, S. 284. Man wird wohl nicht sagen können, dass Justinian hier die Litiskreszenz für das depositum necessarium einführen wollte (so wohl aber Kaser / Hackl, § 97 I, S. 631 Fn. 3). Denn die Absicht einer Rechtsänderung ist hier nicht erkennbar, D. 16,3,1,1 und D. 16,3,18 verurteilen beim depositum necessarium den Verwahrer stets auf das duplum (ebenso Rotondi, La misura 134): Sollte der leugnende Verwahrer dann eigentlich auf das Vierfache haften? Es deutet mehr auf ein Missverständnis hin, wie auch der Vergleich mit der Theophilusparaphrase zeigt.
148
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
klarer, weil es dort einerseits einen Rückbezug auf die Fälle des depositum necessarium gibt, so dass sich immerhin schon die Möglichkeit einer Verurteilung auf das duplum ergibt. Auch vor dem justinianischen Recht wäre die Aussage aber nur richtig, wenn man sie auf den Erben des Verwahrers bezöge: Er würde bei eigenem dolus auf das duplum verurteilt, bei dolus des Erblassers auf das simplum. Dolus könnte man mit einem infitiari gleichsetzen. Wie es zu dem Fehler oder der Ungenauigkeit des Theophilus gekommen ist, soll hier nicht gefragt werden72. Immerhin ist also das Versehen des Theophilus hinsichtlich der Erbenhaftung beim depositum nicht das einzige. Interessant ist auch, dass der Brachylogus das ex quibusdam casibus aus I. 4,6,23 und das interdum aus I. 4,6,26 mit ex incendio, ruina, naufragio, si infitiatur73, also ebenfalls mit den Fällen des depositum necessarium, auflöst. Auch dies könnte der Brachylogus letztlich aus einer über Institutionenglossen überlieferten Tradition aus der Theophilusparaphrase haben.
e) Zusammengefasst zeigt sich, dass man den Widerspruch zwischen der Aussage der Theophilusparaphrase und den Stellen der justinianischen Kompilation so deuten kann, dass die Paraphrase einen vorjustinianischen Rechtszustand belegt, nach dem die actio depositi (in factum concepta?) nicht gegen den Erben ging bzw. nur in Höhe der Bereicherung des Erben. Gegebenenfalls müsste man dann D. 16,3,7,1 für interpoliert halten.
III. Die Erbenhaftung aus der actio depositi in factum concepta in der Literatur Nach Karlowa74 habe der Erbe des Verwahrers beim einfachen depositum nicht aus der actio depositi in factum concepta gehaftet. Dies ergebe sich daraus, dass die Erbenhaftung im Edikt in D. 16,3,1,1 nicht angesprochen werde und aus der Theophilus-Paraphrase, die auf die actio in factum concepta zu beziehen sei. Grund für die Nichtvererblichkeit der Klage sei deren pönaler Charakter gewesen. Auf Karlowa geht dabei der Streit um die Bedeutung des quoque in Ner. 2 membr. D. 16,3,1875 zurück. Nach dieser Stelle geht beim depositum necessarium die Klage gegen den Erben des Verwahrers wegen des dolus des Verstorbenen in simplum et intra annum quoque. Das quoque finde nun in der Stelle selbst keine Erklärung und müsse einen Vergleich mit dem uns nicht mehr erhaltenen Vorhergehenden sein. Neraz habe vorher von der actio in factum concepta beim einfachen depositum gesprochen und dort gesagt, dass hier gegen den Verwahrer eine Klage
Vgl. dazu Rotondi, La misura 131 ff., und Huschke, Zum vierten Buch des Gaius 276 ff. Brachylogus 4,23,3 (Böcking 164): … duplum in actione furti nec manifesti, servi corrupti, et in actione depositi ex incendio, ruina, naufragio, si infitiatur. … 74 Karlowa, Röm. Rechtsgeschichte II 1, S. 1313. 75 Ner. 2 membr D. 16,3,18: De eo, quod tumultus incendii ruinae naufragii causa depositum est, in heredem de dolo mortui actio est pro hereditaria portione et in simplum et intra annum quoque: in ipsum et in solidum et in duplum et in perpetuum datur. 72 73
§ 10 Die Haftung des Erben aus der actio depositi in factum concepta
149
intra annum gegeben werde, dieser Vergleichspunkt der Annalität begründe das quoque. In der Annalität der Klage gegen den Verwahrer aus dem einfachen depositum sieht Karlowa einen Beleg für die Pönalität der Klage. Taubenschlag76 entnimmt der Theophilusparaphrase, dass zu einem frühen Zeitpunkt die actio depositi in factum concepta passiv unvererblich gewesen sei, denn Theophilus müsse sich auf die Notiz eines alten Juristen stützen77. Das sei nicht verwunderlich, da Theophilus sich auch sonst auf ältere Quellen stütze. Doch sei spätestens seit Neraz die Klage auch passiv vererblich gewesen, wie Taubenschlag D. 16,3,18 entnimmt. Denn das quoque in dieser Stelle beziehe sich nicht auf einen Vergleich mit der Klage aus dem einfachen depositum gegen den Verwahrer selbst, sondern gegen dessen Erben; bei einem einfachen depositum sei also die Klage gegen den Erben auch annal gewesen78. Rotondi79 hat ein Entwicklungsmodell vorgeschlagen, das entlang der geläufigen Vorstellung von der Entwicklung der vertraglichen Haftung aus einer ursprünglichen deliktischen läuft. Am Anfang, als es nur die actio depositi in duplum aus den Zwölftafeln gegeben habe, sei die Haftung des Verwahrers eine deliktische gewesen und habe dessen Erbe nicht aus der actio depositi gehaftet. Wie Karlowa entnimmt Rotondi dem Edikt, dass aus der späteren actio depositi in factum concepta beim einfachen depositum der Erbe nicht haftete. Grund sei auch wieder der pönale Charakter der Klage gewesen. Aus der actio depositi in ius concepta aber habe der Erbe des Verwahrers stets gehaftet, denn diese Klage sei Ausdruck des Kontraktscharakters gewesen und aus Kontrakten hafte der Erbe; Rotondi verweist insoweit auf Pomp. 29 Sab D. 44,7,12, auf Ulp. 71 ed D. 50,17,157,2, auf Paulus 18 Plaut D. 44,7,49 und auf Ulp. 69 ed D. 50,17,152,3. Bei der actio depositi in factum concepta erscheine es möglich, dass man die ursprüngliche Nichthaftung des Erben ersetzt habe durch eine Haftung des Erben auf id quod pervenit, wie dies auch bei anderen Klagen der Fall gewesen sei80. Positive Quellenzeugnisse fehlten aber. Bei der Aussage in der Institutionenparaphrase handele es sich nach Rotondi81 vor dem Hintergrund sowohl des klassischen als auch des justinianischen Rechts Taubenschlag, Geschichte II 133 f. So schon Jhering, Schuldmoment 190 (in: Vermischte Schriften). 78 Taubenschlag, Geschichte I 708. Nach Taubenschlag könne sich das quoque nicht auf einen Vergleich mit der Annalität der Klage gegen den Verwahrer beziehen, weil diese Klage nicht befristet gewesen sei, da sie eine zivile Grundlage in der Klage auf das duplum aus den Zwölftafeln gehabt habe, die der Prätor nur abgewandelt habe (a. a. O. 707). 79 Rotondi, La misura 122 ff. 80 Rotondi, La misura 125, verweist insbesondere auf Ven. 6 interdict D. 42,8,11: Cassius actionem introduxit in id quod ad heredem pervenit. Die Stelle betrifft das interdictum fraudatorium (vgl. Gröschler, Actiones in factum 261 ff.). Wenn man einen pönalen Charakter annimmt (Kaser, Restituere 31), dann ging das Interdikt vielleicht ursprünglich nicht gegen den Erben und dann könnte Cassius eine Bereicherungsklage gegen diesen Erben eingeführt haben. 76 77
150
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
um einen Fehler. Theophilus bezeuge hier eine vorjustinianische oströmische Lehre, die Justinian vergeblich bekämpft habe und die auch nach der Kompilation bei einigen byzantinischen Juristen wieder hervorgetreten sei. Diese Lehre habe die Rechtsfolgen (pönaler) Deliktsklagen auf Vertragsklagen erstreckt, wenn der Vertragsschuldner dolos gehandelt hatte. Auch Burillo82 geht davon aus, dass die actio depositi in factum concepta passiv unvererblich war. Nach ihm sei Ulp. 30 ed D. 16,3,7,1 interpoliert, denn dort werde als Gegensatz zur Haftung in solidum die Haftung auf die Bereicherung gedacht, wo doch Paulus 17 ed D. 16,3,9 zeige, dass der Gegensatz zur Haftung in solidum die Haftung auf die Höhe der Erbquote war. Das ist nicht überzeugend. D. 16,3,9 behandelt die Frage der Erbenmehrheit, D. 16,3,7,1 behandelt am Anfang nur die Frage, ob der Erbe überhaupt haftet und worauf. Dass der Gegensatz zur Haftung in solidum bei dieser unterschiedlichen Fragestellung auch ein verschiedener sein kann, ist nicht verwunderlich. Evans-Jones83 entnimmt Paulus 31 ed D. 44,2,22, dass die actio in factum concepta im klassischen Recht passiv vererblich gewesen sei. Für eine These, nach der zumindest am Anfang beim Auftauchen dieser Klage dies nicht der Fall gewesen sei, fehlten ausreichende Quellenbelege.
IV. Auseinandersetzung 1. Das Schweigen des Edikts zur Erbenhaftung Karlowa hatte ein Argument für die Nichthaftung des Erben aus der actio in factum concepta der Tatsache entnommen, dass das Edikt diese Haftung nicht anspricht. Wie bei den Fragen nach der Annalität oder der Noxalität einer Klage war die Frage der passiven Vererblichkeit durch ein Schweigen des Edikts aber noch nicht entschieden. Dass die actio de dolo gegen den Erben auf dessen Bereicherung ging, war im Edikt ausdrücklich vorgeschrieben84. Dass die Klage wegen des dolosen Verhinderns des Erscheinens in iure85 aber gegen den Erben auf dessen Bereicherung gegeben wurde, ließ sich dem Edikt nicht entnehmen, sondern beruhte auf Juristeninterpretation86. 81 Rotondi, La misura 127 ff. Ausführlich Ders., „Dolus ex delicto“ 371 ff. Eine kritische Zusammenfassung bei Kaser, RP II, § 260 II, S. 361 Fn. 9, und Voci, Diritto ereditario I 242 Fn. 129. 82 Burillo, Las formulas 260. 83 Evans-Jones, Penal characteristics 139 ff., insbes. 156 ff. 84 Vgl. Gaius 4 edpr D. 4,3,26: In heredem eatenus daturum se eam actionem proconsul pollicetur, quatenus ad eum pervenerit, id est quatenus ex ea re locupletior ad eum hereditas venerit. 85 Zu dieser Klage jetzt Gröschler, Actiones in factum 52 ff.
§ 10 Die Haftung des Erben aus der actio depositi in factum concepta
151
Das Edikt sagt zum Fall des einfachen depositum nur: in simplum iudicium dabo. Das entspricht auch dem Edikt zum commodatum in D. 13,6,1pr.: de eo iudicium dabo. Der Prätor sagt also nur, dass er eine Klage geben werde; er sagt nicht, dass er die Klage nur gegen den Verwahrer oder Entleiher gebe; die Interpretation, die Klage würde auch gegen den Erben gegeben, ist also zulässig. Dagegen lässt sich auch nicht das systematische Argument bringen, dass im Falle des depositum necessarium die Erbenhaftung erwähnt werde; denn das tut der Prätor nur, um die Differenzierung nach der Haftungshöhe vornehmen zu können87. Sieht man sich daraufhin noch einmal Ulpians Ediktskommentar in Ulp. 30 ed D. 16,3,7,188: Datur actio depositi in heredem ex dolo defuncti in solidum: quamquam enim alias ex dolo defuncti non solemus teneri nisi pro ea parte quae ad nos pervenit, tamen hic dolus ex contractu reique persecutione descendit ideoque in solidum unus heres tenetur, plures vero pro ea parte qua quisque heres est.
an, so wird man sagen müssen: Das Fragment bezieht sich auf die actio depositi in factum concepta, denn bei der actio depositi in ius concepta wäre eine solch ausführliche Erörterung nicht zu erwarten89. Für einen solchen Bezug lässt sich mit Vorbehalt auf das datur verweisen90, ferner die Stellung im Ediktskommentar. Denn 86 Das zeigt das puto in Ulp. D. 2,10,1,6: Et heredi datur, sed non ultra annum. adversus heredem autem hactenus puto dandam actionem, ut ex dolo defuncti heres non lucretur. Auch Ulp. 14 ed D. 4,9,3,4 (Haec autem rei persecutionem continet, ut Pomponius ait, et ideo et in heredem et perpetuo dabitur.) wird man so verstehen können, dass die Erbenhaftung auf Juristeninterpretation beruhte. Zur Frage der Erbenhaftung aufgrund juristischer Interpretation siehe auch Paulus 1 ed D. 44,7,35pr.: In honorariis actionibus sic esse definiendum Cassius ait, ut quae rei persecutionem habeant, hae etiam post annum darentur, ceterae intra annum. honorariae autem, quae post annum non dantur, nec in heredem dandae sunt, ut tamen lucrum ei extorqueatur, sicut fit in actione doli mali et interdicto unde vi et similibus. illae autem rei persecutionem continent, quibus persequimur quod ex patrimonio nobis abest, ut cum agimus cum bonorum possessore debitoris nostri, item Publiciana, quae ad exemplum vindicationis datur. sed cum rescissa usucapione redditur, anno finitur, quia contra ius civile datur. Ob der Erbe haftet, wird danach entschieden, ob die Klage unbefristet ist; dies ist sie, wenn sie sachverfolgend ist. Aber auch befristete Klagen werden gegen den Erben auf dessen Bereicherung gegeben. Der Jurist beruft sich dabei ausdrücklich auf die Analogie zur actio de dolo, bei der, wie gesehen, die Bereicherungshaftung explizit im Edikt vorgesehen war. 87 Vgl. Evans-Jones, Penal characteristics 152. 88 Litewski, ‚Depositum necessarium‘ 198 f., hält die Stelle ihrem Inhalt nach für klassisch, ebenso Ders., Studien zur Verwahrung 11 f. Vgl. auch Levy, Konkurrenz I 93 f. Evans-Jones, Prefatory Section 255 ff., befasst sich mit der Frage, warum die Kompilatoren nicht die leges 8 und 9 zwischen D. 16,3,7,1 und D. 16,3,7,2 eingeschoben haben. Er bevorzugt die Ansicht, die Kompilatoren hätten kurz vor dem Ende des Auszugs aus Ulpians Ediktskommentar diesen nicht noch einmal unterbrechen wollen. Zum Zusammenhang der Stelle mit Paulus 17 ed D. 16,3,9 siehe jetzt Spengler, Interrogatio 26 f. 89 Vgl. Evans-Jones, Penal characteristics 155. 90 Prätorische Klagen werden gegeben, zivile Klagen stehen zu, vgl. G. 4,112: Non omnes actiones, quae in aliquem aut ipso iure competunt aut a praetore dantur, etiam in heredem aeque conpetunt aut dari solent … .
152
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
Ulpian erörtert bei den actiones in factum die Erbenhaftung regelmäßig am Ende91 und D. 16,3,7,1 steht am Ende des Ediktskommentars zum depositum92. Inhaltlich beruft sich Ulpian auf den sachverfolgenden Charakter93. Das liegt, wie in Paulus 1 ed D. 44,7,35pr. gesehen, ganz auf der Linie, mit der die Juristen die Frage der Annalität und der Erbenhaftung erörtern. Der Hinweis auf die Kontraktsnatur mag daher herrühren, dass aus dem depositum auch ein bonae fidei iudicium entsprang und eine etwaige Ungleichbehandlung Ulpian nicht richtig erschien94. Oben hatten wir in der Theophilusparaphrase auch einen möglichen Hinweis auf eine Interpolation von D. 16,3,7,1 gefunden. Sprachlich ist die Stelle nicht anstößig95. Das palingenetische Argument, nur bei Verneinung einer Haftung des Erben in solidum hätte Ulpian im Anschluss in D. 13,1,996 darauf hingewiesen, dass im
91 Vgl. etwa zur actio aus dem receptum nautarum Ulp. 14 ed D. 4,9,3,4 (P II Ulpian 471, Sp. 491). Nach der Erbenhaftung erörtert Ulpian nur noch (novissime) die Frage der Konkurrenz mit der actio furti. 92 Vgl. Lenel, P II Ulpian 899, Sp. 617. Es folgen nur noch die Ausführungen zum Konkurs des Verwahrers. Denkbar wäre aber, dass D. 16,3,7,1 von den Kompilatoren nach hinten verschoben wurde und etwa schon vor den Ausführungen zur actio sequestraria, also vor D. 16,3,5,1, stand. Siehe aber auch noch oben § 6 II 11 a. E. 93 Sachverfolgend ist die actio depositi auch für Justinian, vgl. I. 4,6,17. 94 Für die inhaltliche Echtheit der Begründung auch Litewski, ‚Depositum necessarium‘ 198. 95 Beseler, Miszellen 465, SZ 45, verdächtigt die Stelle und nimmt etwa Anstoß am et ideo (vgl. a. a. O. 456). Nach Beseler mag Ulpian geschrieben haben: Datur haec actio in heredem ex dolo defuncti pro qua parte heres est, ex dolo ipsius in solidum. Was also den dolus des Verstorbenen angeht, habe Ulpian nach Beseler dasselbe geschrieben, wie in der Digestenstelle steht, nur ohne Begründung. Das ist nicht wahrscheinlich, denn die Frage war nicht völlig unzweifelhaft, wie etwa die Theophilusparaphrase zeigt. Die Wendung dolus ex contractu reique persecutione descendit mag merkwürdig sein (so auch Rotondi), aber sie ist nicht „irrsinnig“, denn als solche dürfte man sie auch keinem anderen Autor als Ulpian zuweisen. Litewski, ‚Depositum necessarium‘ 198 Fn. 40, weist zu Recht darauf hin, dass Unebenheiten auch auf eine Kürzung hindeuten können. Mit einer Bearbeitung durch die Kompilatoren ist auch deshalb zu rechnen, weil sie diese Stelle vom Fragment D. 13,1,9 abtrennten und in den Titel zur condictio furtiva verschoben. Dass dann jede der isolierten Stellen zumindest leicht bearbeitet werden musste, damit sie in ihrem isolierten Zusammenhang verständlich und grammatikalisch intakt bleibt, liegt auf der Hand. Beseler verdächtigt auch quamquam – tamen, alias und hic für hoc casu. Die Begründung des quamquam-Satzes verdächtigt auch Rotondi, „Dolus ex delicto“ 405 ff. Die Begründung sei für einen klassischen Juristen überflüssig gewesen. Nur Justinian, der die östliche Irrlehre, dass dolus in Verträgen zu deliktischen Rechtsfolgen führe, bekämpfen wollte, habe eine solche Begründung für nötig gehalten. Wenn aber das Edikt keine Aussage zur Erbenhaftung traf, dann musste Ulpian im Ediktskommentar begründen, warum die Klage gegen den Erben gegeben werden sollte. Zum Schluss, der die Erbenmehrheit behandelt, siehe Ind.Itp. 96 Ulp. 30 ed D. 13,1,9: In condictione ex causa furtiva non pro parte quae pervenit, sed in solidum tenemur, dum soli heredes sumus, pro parte autem heres pro ea parte, pro qua heres
§ 10 Die Haftung des Erben aus der actio depositi in factum concepta
153
Falle eines Diebstahls durch den Erblasser der Erbe aber doch in solidum hafte, ist zu unsicher. Das Schweigen des Edikts zur Erbenhaftung lässt also die passive Vererblichkeit der Klage zu. Die diese Vererblichkeit bejahenden Ausführungen Ulpians in dessen Ediktskommentar sind selbst nicht zu beanstanden. 2. Zuordnung der einzelnen Stellen zu den Formeln Wenn man davon ausgeht, dass der Erbe des Verwahrers beim einfachen depositum aus der actio depositi in ius concepta gehaftet hat, dann lässt sich die Frage, ob dies auch bei der actio in factum concepta der Fall war, nur entscheiden, wenn man eine Stelle, nach der der Erbe haftet, sicher der actio in factum concepta zuweisen kann97. Bei Ulp. 30 ed D. 16,3,7,1 ist, wie soeben gesehen, ein Bezug auf die actio in factum concepta wahrscheinlich, doch besteht hinsichtlich der Stelle ein Interpolationsverdacht. Die Stelle D. 16,3,1,47 betrifft wahrscheinlich die actio in ius concepta98. Strittig ist der Bezug von Gaius 9 edpr D. 16,3,14,199.
est, tenetur. Die Stellen gehören laut Lenel (P II Ulpian 899, Sp. 617) zusammen. Zum Verhältnis der beiden Stellen vgl. Rotondi, Dolus ex delicto 406 f. 97 Die gleiche Untersuchung findet sich bei Evans-Jones, Penal characteristics 150 ff. zu D. 16,3,9 und 10 und D. 16,3,7,1. Evans-Jones (a. a. O. 157) gewinnt die passive Vererblichkeit der actio in factum concepta aus Paulus 31 D. 44,2,22, weil dort bei Klagen gegen den Erben eine zweite Klage de eadem re mit der exceptio rei iudicatae verhindert werde und diese exceptio nur bei der actio in ius factum concepta notwendig war, während der actio in ius concepta wegen ihrer bona-fides-Klausel diese exceptio inhärent gewesen sei. 98 Vgl. § 16 III. 99 Die Stelle D. 16,3,14,1 ist zum einen berühmt als Sitz des Satzes, wonach der für Zufall haftende Schuldner bei Untergang auch dann frei wird, wenn der Leistungsgegenstand auch bei rechtzeitiger Leistung untergangen wäre (vgl. unser § 287 S. 2 HS 2 BGB; Kaser, RP I § 119 II 2 m.Fn. 22). Zum anderen ist sie zusammen mit D. 16,3,12,3 zu betrachten (zur älteren Literatur siehe Litewski, Studien zur Verwahrung 38 ff.; zuletzt Harke, Mora debitoris 16, 21). Gaius 9 ed pr D. 16,3,14,1: Sive autem cum ipso apud quem deposita est actum fuerit sive cum herede eius et sua natura res ante rem iudicatam interciderit, veluti si homo mortuus fuerit, Sabinus et Cassius absolvi debere eum cum quo actum est dixerunt, quia aequum esset naturalem interitum ad actorem pertinere, utique cum interitura esset ea res et si restituta esset actori. Pomp. 22 Sab D. 16,3,12,3: Quemadmodum quod ex stipulatu vel ex testamento dari oporteat, post iudicium acceptum cum detrimento rei periret, sic depositum quoque eo die, quo depositi actum sit, periculo eius apud quem depositum fuerit est, si iudicii accipiendi tempore potuit id reddere reus nec reddidit. Die beiden Stellen betreffen die Haftung des mit der actio depositi Beklagten nach litiscontestatio und enthalten eine widersprechende Entscheidung; in D. 16,3,14,1 ist der Beklagte bei zufälligem Untergang der Sache freizusprechen, in D. 16,3,12,3 ist er zu verurteilen. Hier soll es nur um die Frage gehen, ob man D. 16,3,14,1 der actio in factum concepta zuweisen kann.
154
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
Marcellus 6 (5?) D. 16,3,22 hat inkriminierenden Tonfall; das könnte auf die actio in factum concepta hindeuten. In Pomp. 29 Sab D. 44,7,12 lässt die Erwähnung des mandatum es zu, dass die Stelle die actio in ius concepta im Blick habe100. In Paulus 18 Plaut D. 44,7,49 könnte die Tatsache, dass die Stelle in den Abschnitt De cognitionibus gehört101, darauf hindeuten, dass die Entscheidung schon gar nicht mehr nach den einzelnen Formeln unterscheidet, wenn sich nicht zugleich mit de peculio actio datur, non noxalis doch Anspielungen auf Formelgestaltungen fänden. Alex.Sev. C. 4,34,1 aus dem Jahr 234 dürfte sich eher auf die actio in ius concepta beziehen, Just. C. 3,31,12,1a von 531 überhaupt nur noch eine einheitliche Klage kennen. Keinen deutlichen Bezug auf eine bestimmte Formel haben Ulp. 6 ed D. 3,2,6,6, Ulp. 30 ed D. 16,3,1,45 und Pap. 3 quaest. D. 16,3,25pr.
(1) Dabei wird für einen Bezug auf die formula in ius concepta gerade der Gegensatz zu Pomp. 22 Sab D. 16,3,12,3 vorgebracht. Wenn in dieser Stelle der Verwahrer auch für zufälligen Untergang nach litiscontestatio einzustehen habe, dann zeuge D. 16,3,14,1 von einer den Verwahrer begünstigenden Behandlung, die eben damit zu tun haben müsse, dass D. 16,3,14,1 die actio in ius concepta betreffe, D. 16,3,12,3 aber die actio in factum concepta (so etwa Rotondi, Le due formole 51 f., im Anschluss an Karlowa, Röm. Rechtsgeschichte II 1, S. 1311 f.; in neuerer Zeit etwa Bianchi Fossati Vanzetti, Perpetuatio obligationis 49 f. Fn. 99). Dieser Zuweisung wird zum einen entgegengehalten, die unterschiedliche Behandlung des Beklagten resultiere daraus, dass dieser in D. 16,3,12,3 in mora gewesen sei, in D. 16,3,14,1 nicht (Kaser, Restituere 74 f., 94 f. (1932); Ders., Grenzfragen 302 f. Fn. 60). Zum anderen wird das Argument vorgetragen, in D. 16,3,14,1 werde eine Meinung der Sabinianer berichtet, während die Prokulianer die strengere Ansicht vertraten und auch im bonae fidei iudicium den Beklagten verurteilten, wenn der Leistungsgegenstand nach litiscontestatio durch Zufall unterging (so vielleicht Kaser, Restituere 212, vgl. aber 214 f. (1968)). (2) Die Stelle stammt aus dem Ediktskommentar, deshalb sei der Bezug auf die honorarrechtliche Klage wahrscheinlicher. Dieses Argument hält, wenn überhaupt, nur, wenn das Fragment des Ediktskommentar dem fraglichen Institut selbst gewidmet ist, wie dies hier der Fall ist (vgl. Lenel, P I Gaius 230, Sp. 213). Dagegen gibt es keinen Grund, anzunehmen, ein Jurist dürfte in anderem Abschnitt seines Ediktskommentars nicht auch eine actio in ius concepta behandeln. Doch kann hier, wenn der Jurist schon bei der Erörterung prozessrechtlicher Fragen sein sollte, auch schon jeder Bezug auf eine Formel aufgegeben sein. (3) Nur bei der actio in factum concepta sei die Berufung auf die Autorität des Sabinus und Cassius notwendig, denn diese hätten zuerst die Anwendung der restituere-Regel auf die strengen Klagen zugelassen. Bei der actio depositi in ius concepta habe es keine Meinungsverschiedenheit gegeben (Kaser, Restituere 76; Ders., Grenzfragen 302). (4) Die Begründung mit aequum passe besser bei der actio in factum concepta, bei der actio in ius concepta sei ein Rückgriff auf die bona fides zu erwarten (Kaser, Restituere 74). Dieses Argument ist zweifelhaft. Es kann das aequum gerade auch eine Anspielung auf die bona-fides-Klausel sein. So bemerkt Gaius in G. 3,137 zu den vier Konsensualverträgen (G. 3,135): Item in his contractibus alter alteri obligatur de eo, quod alterum alteri ex bono et aequo praestare oportet … . Die Frage muss hier offen bleiben. 100 Nach Noordraven, Fiduzia 64, ist immerhin die Annahme einer Interpolation für fiducia nicht geboten. 101 Vgl. Lenel, P I Paulus 1247, Sp. 1177.
§ 10 Die Haftung des Erben aus der actio depositi in factum concepta
155
3. Zusammenfassung Da Paulus 31 ed D. 44,2,22 sich ebenfalls auf die actio depositi in factum concepta bezieht102, wird man in Zusammenschau mit Ulp. 30 ed D. 16,3,7,1 für das klassische Recht die passive Vererblichkeit der Klage bejahen müssen. Die Aussage der Theophilusparaphrase zu I. 4,12,1 wird man sich anders als durch die Annahme, sie belege eine Interpolation von D. 16,3,7,1, erklären müssen.
V. Exkurs: Mehrheit von Erben des Verwahrers (Paulus 17 ad edictum D. 16,3,9103, 104) Paulus erörtert die Erbenmehrheit auf Verwahrerseite105 und unterscheidet danach, ob der Erblasser (der Verwahrer) dolos gehandelt hat oder der (Mit-)Erbe selbst. Hat der Erblasser dolos gehandelt, dann haftet jeder Miterbe dem Hinterleger nur in Höhe seiner Erbquote. Hat der (Mit-)Erbe selbst dolos gehandelt, so haftet er auf das Ganze. Entscheidend für das System der Haftung bei Mehrheit von Erben auf der Verwahrerseite war also die Unterscheidung, ob der Erblasser oder der Erbe dolos gehandelt hatte. Dieses System findet sich auch in anderen Quellen ausgedrückt106 und passt grundsätzlich zum System der Erbenhaftung im römischen Recht. Nach diesem allgemeinen System hafteten die Miterben bei teilbaren Forderungen nach ihrer Erbquote aufgrund des auf die Zwölftafeln zurückgeführten Satzes nomina ipso iure divisa.107 Bei unteilbaren Forderungen haftete jeder Erbe auf das Ganze108; unter Umständen musste über die actio familiae erciscundae dann ein Ausgleich zwischen den Erben herbeigeführt werden109. Es ist nun davon auszugehen, dass die Rückforderung des Hinterlegers unteilbar war, weil der Verwahrer die Species-Sache zurückgeben musste. Daher sollten die Erben des Verwahrers grundsätzlich jeder auf das Ganze haften. Dies muss grundsätzlich auch für die Verwahrung von Geld gegolten haben; jedenfalls wenn es in einem versiegelten Sack hinterlegt worden
Vgl. § 19 II. Paulus 17 ad edictum D. 16,3,9: In depositi actione si ex facto defuncti agatur adversus unum ex pluribus heredibus, pro parte hereditaria agere debeo: si vero ex suo delicto, pro parte non ago: merito, quia aestimatio refertur ad dolum, quem in solidum ipse heres admisit. 104 Literatur: Spengler, Interrogatio 26 ff.; Evans-Jones, Penal characteristics 140 ff. 105 Die maßgeblichen Stellen sind: Ulp. 30 ed D. 16,3,7,1; Paulus 17 ed D. 16,3,9; Jul. 2 Min D. 16,3,10; Paulus 31 ed D. 44,2,22; Ner. 2 membr D. 16,3,18; Marcellus 5 (6) dig D. 16,3,22. Zum Problem der Erbenmehrheit auf Verwahrerseite allgemein Litewski, Studien zur Verwahrung 9 – 17. Von den angegebenen Stellen wirft nur D. 16,3,22 besondere Probleme auf und scheint das in den anderen Stellen entwickelte System etwas zu sprengen; siehe dazu Litewksi (a. a. O. 13 ff.). 106 Siehe gerade eben Fn. 46. 107 Vgl. Kaser, RP I § 181 II, S. 733. 108 Vgl. Kaser, RP I § 181 II, S. 733 m.Fn. 5. 109 Siehe die Stellen aus dem Titel D. 10,2 bei Kaser, RP I § 181 II, S. 733 m.Fn. 5. 102 103
156
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
war110. Beim depositum stellt sich nun die Frage, ob in dem Fall, dass mehrere Erben einen dolus begehen, der Hinterleger von jedem Erben den ganzen Sachwert verlangen kann oder doch nur von einem, der dann mit der actio familiae erciscundae von den anderen Miterben unter Umständen Ersatz verlangen kann. Sollte der Hinterleger von den dolosen Erben den Sachwert mehrfach erlangen können, wäre dies ein Hinweis auf einen Deliktscharakter der actio depositi; jeder Erbe hätte für sich das Delikt begangen111. Anders konnte es aber aussehen, wenn der Verwahrer vor seinem Tode bereits einen dolus begangen hatte. Hatte er etwa die Sache verkauft und einen Kaufpreis eingenommen, konnte man sagen, dass die Leistung des Sachwertes in Geld teilbar war und daher die Erben nur in Höhe ihrer Quote hafteten. Nach Jul. 2 Min D. 16,3,10 haftet nur der Miterbe auf das Ganze, der dolos gehandelt hat, nicht der vom dolus freie Miterbe. Das heißt dann, dass nur der Erbe haftet, der die Sache hat und zurückgeben kann, aber nicht zurückgibt; der Miterbe, der die Sache nicht hat, wird kaum einen dolus begehen können. Hinter dieser Begünstigung des Erben, der die hinterlegte Sache nicht hat, kann man einen sachverfolgenden Charakter der actio depositi erkennen112. Der Erbe des Verwahrers, der die hinterlegte Sache bei sich hatte und an den Hinterleger zurückgegeben hatte, hat aber keinen Ausgleichsanspruch gegen die Miterben mittels der actio familiae erciscundae. Denn die Rückgabe der Sache mindert nicht das Vermögen des Erben, weil die hinterlegte Sache nicht zum Vermögen des Erblassers gehörte und damit auch nicht durch den Erbfall in das Vermögen des Erben kam113. Für den Hinterleger war also nicht nur von Interesse, ob der als Beklagter in Aussicht genommene tatsächlich Erbe war, sondern gegebenenfalls auch, zu welcher Quote er dies war. Darüber konnte er mittels der interrogatio an heres sit et quota ex parte114 Auskunft erhalten115. Entsprechend hat Paulus bei seiner Kommentierung dieser interrogatio im 17. Buch seines Ediktskommentars116 auch die Erbenhaftung beim depositum erörtert.117
Siehe aber auch Marcellus 5 (6) dig D. 16,3,22. Zu befragen wäre vor allem D. 16,3,10 und D. 16,3,22. 112 Interessant ist insoweit ein Vergleich mit der Pfandhaftung in Diocl. C. 8,31,2: Actio quidem personalis inter heredes pro singulis portionibus quaesita scinditur, pignoris autem iure multis obligatis rebus, quas diversi possident, cum eius vindicatio non personam obliget, sed rem sequitur, qui possident tenentes non pro modo singularum substantiae conveniuntur, sed in solidum, ut vel totum debitum reddant vel eo quod detinent cedant. Der Schuldner und Erblasser hatte dem Gläubiger Sachen verpfändet, diese aber in seinem Besitz behalten. Der Gläubiger verlangt nun von den Erben die Sachen heraus, um diese zu verwerten, wohl mit der actio Serviana, die die Konstitution vindicatio und actio in rem nennt. Der beklagte Erbe kann nun die Herausgabeklage nur durch Zahlung der vollen Schuldsumme abwenden, nicht durch Zahlung nur des nach der Erbquote auf ihn entfallenden Anteils. Doch dürfte er mit der actio familiae erciscundae Regress nehmen können. 113 Die hinterlegte Sache ist nicht res hereditaria, vgl. Paulus 20 ed D. 5,3,19pr. Die Frage, warum der Erbe trotzdem die hinterlegte Sache vom Erbschaftsbesitzer herausverlangen kann, muss hier nicht interessieren. 114 Zu dieser interrogatio Spengler, Interrogatio 31 ff.; Kaser / Hackl, § 34 II 1, S. 253 f. 115 Unter Umständen interessierte den Hinterleger auch nur, ob der Erbe Alleinerbe oder Miterbe war. Es dürfte auf die Formelgestaltung ankommen; siehe dazu die Versuche in § 19 II. 116 Lenel, P I, Paulus 272, 994; Spengler, Interrogatio 26. 117 Spengler, Interrogatio 26 f. 110 111
§ 11 Der Haftungsmaßstab beim depositum
157
§ 11 Der Haftungsmaßstab beim depositum118 Dieser Paragraph soll der Vergewisserung der Eigentümlichkeit des depositum dienen, dass die Haftung des Schuldners auf den dolus beschränkt war119.
I. Überblick Der Verwahrer haftete im klassischen römischen Recht im Grundsatz nur für dolus120. Dies ergibt sich zum einen aus dem Infamieprinzip121, zum anderen aus dem Utilitätsprinzip122. Für die formula in factum concepta ergab sich diese Beschränkung zudem aus dem Formelwortlaut123. Dass diese Beschränkung bei der actio in ius concepta nicht gegolten hätte, müsste anhand der Quellen gezeigt werden. Utilitäts- und Infamieprinzip sowie das Beispiel der actio in factum concepta werden als Bremse einer solchen Haftungserweiterung gewirkt haben. Immerhin bot bei bei der formula in ius concepta der Formelwortlaut die Möglichkeit der Haftungserweiterung, oder anders formuliert: Die Beschränkung der Haftung auf den dolus war hier, anders als bei der formula in factum concepta, erst durch Interpretation (der bona fides) zu gewinnen. Dass man auch bei der formula in ius concepta am dolus-Erfordernis festhielt, zeigen all diejenigen Stellen, die die Beschränkung der Haftung auf den dolus betonen und die aus einer Zeit stammen, in der es nach der julianischen Ediktsfassung (und nach der Abfassung von G. 4,62) jedenfalls auch die formula in ius concepta gab. Der Einfluss von Utilitäts- und Infamieprinzip sowie des Beispiels der formula in factum concepta waren schon genannt worden. Zudem ist die bona fides ja ursprünglich nichts anderes als die Abwesenheit von dolus124.
118 Vgl. Kaser, RP I § 126 I 2, 535; Rotondi, La misura 91 ff; Litewski, Depositary’s Liability 3 ff.; MacCormack, Culpa 179. Zuletzt Rundel, Mandatum 121 ff., und Harke, Freigiebigkeit und Haftung 15 ff. 119 Das depositum ist der einzige Vertrag, bei dem die Haftung beständig auf den dolus beschränkt blieb. Daneben gab es nur noch das precarium, das in der späteren Zeit auch als Vertragsverhältnis aufgefasst wurde (vgl. Ulp. 29 Sab D. 50,17,23; Kaser, RP II § 266 II, S. 408). 120 Die Belege sind so zahlreich, dass es fast unverständig ist, Quellenstellen anzuführen, man vgl. aber: Paulus 2 sent Coll. 10,7,6; Mod. 2 diff Coll. 10,2,1; Ulp. 29 ad Sab D. 50,17,23; Diocl. Coll. 10,3; Dioc. Coll. 10,5; G. 3,207; Ulp. 30 ed D. 16,3,1, §§ 8, 47. 121 Mod. 2 diff Coll. 10,2,4: Depositi damnatus infamis est: qui vero commodati damnatur, non fit infamis: alter enim propter dolum, alter propter culpam condemnatur. Zum Infamieprinzip grundlegend Mitteis, Privatrecht 325 ff. 122 Mod. 2 diff. Coll. 10,2,1; Ulp. 28 ed D. 13,6,5,2; Ulp. 28 ed D. 19,5,17,2; Gaius 2 aureorum D. 44,7,1,5. Zum Utilitätsprinzip grundlegend Nörr, Entwicklung 68 ff., SZ 73 (1956). 123 G. 4,47: … eamque dolo malo Numerii Negidii Aulo Agerio redditam non esse … . Für die formula in ius concepta ergibt sich die Beschränkung der Haftung auf den dolus, wenn man in der bona fides den Gegenbegriff zum dolus sieht.
158
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
Die Haftungsbeschränkung auf den dolus war dermaßen anerkannt, dass das Depositum als Musterfall für eine Haftungsbeschränkung auf den dolus herangezogen wurde125. Auch im justinianischen Recht steht die Haftungsbeschränkung auf den dolus fest126, doch siehe sogleich im Text zu einer Interpolation der culpa lata. Zu Erweiterungen127 der Haftung kam es128, wenn die Parteien dies vereinbart hatten129, wenn der Verwahrer ein Entgelt erhielt130, wenn der Verwahrer sich zur Verwahrung angeboten hatte131, wenn der Verwahrer ein Delikt hinsichtlich der verwahrten Sache begangen hatte132 und schließlich nach litiscontestatio133.
124 Vgl. Kaser, RP I § 118 III 3, S. 509 f. m.Fn. 49 ff. Zur Funktionsgleichheit von bona fides und dolus malus vgl. etwa Ulp. 11 ed D. 4,3,11,1 ( … in horum persona dicendum est in factum verbis temperandam actionem dandam, ut bonae fidei mentio fiat); vgl. ferner den möglichen Vorläufer der exceptio doli im Edikt des Quintus Mucius Scaevola aus Cic. Att. 6,1,15. 125 Insbesondere zur Klärung des Haftungsmaßstabes in anderen Verhältnissen, vgl. I. 3,25,9; Ulp. 29 Sab D. 50,17,23; Ulp. 28 ed D. 13,6,5,2; Mod. 2 diff Coll. 10,2,1. 126 I. 3,14,3. 127 Zur Haftungsbeschränkung vgl. Rotondi, La misura 120 ff. 128 Vgl. Rotondi, La misura 117 ff. 129 Neraz 7 membr. D. 17,1,39; Diocl. Coll. 10,5; Pap. 27 quaest D. 45,2,9,1; Ulp. 56 ed D. 47,8,2,23 (I. 4,2,2); Ulp. 28 ed D. 13,6,5,2; Pomponius in Ulp. 4 ed D. 2,14,7,15; Ulp. 30 ed D. 16,3,1,6; Ulp. 30 ed D. 16,3,1,35. 130 Ulp. 56 ed D. 47,8,2,23; Ulp. 28 ed D. 13,6,5,2. Dass sich die Haftung verschärft, wenn der Verwahrer ein Entgelt erhält, entspricht dem Utilitätsprinzip. Problematisch erscheint daran, wie sich diese Haftungsverschärfung in den Typenzwang im römischen Recht einfügt, müsste doch bei Vereinbarung eines Entgelts eine locatio conductio vorliegen (vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,8 – 10). Die Echtheit der Entgeltvereinbarung in D. 47,8,2,23 erscheint zudem fraglich, denn in I. 4,2,2 fehlt sie und I. 4,2,2 ist doch aus D. 47,8,2,22 – 23 genommen. Zudem erinnert die betreffende Stelle in D. 47,8,2,23 an das Gespräch in einer Vorlesung (dicet aliquis, sed ideo addidi), wie wir es häufig in den Basilikenscholion finden. Die Echtheit von D. 47,8,2,23 verteidigt etwa Gandolfi, Il deposito 142 ff., der zugleich davon ausgeht, dass sich die Fallgestaltung in D. 13,6,5,2 auf die actio conducti bezieht (a. a. O. 146). In den beiden Stellen muss es jedenfalls um ein Entgelt für den Verwahrer gehen, nicht nur um Aufwendungsersatz. Denn dieser steht dem Verwahrer jedenfalls zu und würde keine Diskussion um eine mit ihm verbundene Haftungsverschärfung zur Folge haben. Zum Entgelt bei der Verwahrung in der Nachklassik siehe Levy, Obligationenrecht 173 ff.; zu den beiden Stellen siehe etwa Klami, „Mutua magis videtur“ 219 ff.; Klingenberg, „Constitutum est“ 292 f. 131 Julian in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,35. 132 Paulus 2 sent Coll. 10,7,10; Ulp. 30 ed D. 16,3,1,25; Ulp. 29 Sab D. 47,2,14,3; Julian in Ulp. 29 Sab D. 47,2,14,4. Zu diesen Stellen siehe § 13 I. 133 Pomp. 22 ad Sab D. 16,3,12,3. Vgl. aber Gaius 9 edp. D. 16,3,14,1.
§ 11 Der Haftungsmaßstab beim depositum
159
II. Abweichungen von der dolus-Haftung Zuweilen wurde von den Juristen eine Haftungsverschärfung diskutiert, ohne dass weitere Umstände, wie etwa eine Vereinbarung, dazukamen. Insgesamt gibt es vier Stellen134, die eine solche Haftungsverschärfung ansprechen: Celsus 11 dig D. 16,3,32: Quod Nerva diceret latiorem culpam dolum esse, Proculo displicebat, mihi verissimum videtur. nam et si quis non ad eum modum quem hominum natura desiderat diligens est, nisi tamen ad suum modum curam in deposito praestat, fraude non caret: nec enim salva fide minorem is quam suis rebus diligentiam praestabit. Paulus 2 sent D. 50,16,223pr.: Latae culpae finis est non intellegere id quod omnes intellegunt. Alex.Sev. C. 4,34,1 (234): Si incursu latronum vel alio fortuito casu ornamenta deposita apud interfectum perierunt, detrimentum ad heredem eius qui depositum accepit, qui dolum solum et latam culpam, si non aliud specialiter convenit, praestare debuit, non pertinet. quod si praetextu latrocinii commissi vel alterius fortuiti casus res, quae in potestate heredis sunt vel quas dolo desiit possidere, non restituuntur, tam depositi quam ad exhibendum actio, sed etiam in rem vindicatio competit. Gaius 2 aureorum D. 44,7,1,5: Is quoque, apud quem rem aliquam deponimus, re nobis tenetur: qui et ipse de ea re quam acceperit restituenda tenetur. sed is etiamsi neglegenter rem custoditam amiserit, securus est: quia enim non sua gratia accipit, sed eius a quo accipit, in eo solo tenetur, si quid dolo perierit: neglegentiae vero nomine ideo non tenetur, quia qui neglegenti amico rem custodiendam committit, de se queri debet. magnam tamen neglegentiam placuit in doli crimine cadere.
Nach diesen Stellen haftet der Verwahrer womöglich nicht nur für dolus, sondern auch für culpa latior (Nerva in D. 16,3,32), für diligentia quam in suis (Celsus in D. 16,3,32), für culpa lata (PS in D. 50,16,223pr., C. 4,34,1) und magna neglegentia (Gaius in D. 44,7,1,5).
1. Alex.Sev. C. 4,34,1 und Gaius 2 aur D. 44,7,1,5 Man wird für die beiden letzten Stellen C. 4,34,1 und D. 44,7,1,5 von einer justinianischen Interpolation ausgehen müssen.
134 In weiteren Stellen ist von einer Haftung für culpa die Rede (vgl. Rotondi, La misura 99 ff.): Ulp. 31 (30?) ed D. 16,3,3; Ulp. 29 Sab D. 16,3,11 und Alf. 2 dig a Paulo epit D. 46,3,35. Doch ist bei D. 16,3,3 der Bezug auf das depositum zweifelhaft, vgl. § 16 III 3. Bei D. 46,3,35 ist zunächst fraglich, ob das ex qua intellegi possit überhaupt bedeutet, dass damit nicht auch dolus gemeint sein kann. Zu D. 16,3,11 siehe § 9 II 1b. In Ulp. 30 ed D. 16,3,7pr. argumentiert Ulpian für die Haftung des Sequesters mit der Wendung dolo proximum esse quod factum est arbitror. Darin wird man eine Bejahung des dolus sehen müssen, nicht eine Erweiterung der Haftung auf culpa (lata), doch siehe Litewski, Depositary’s liability 41.
160
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
a) Die Konstitution aus C. 4,34,1135 ist uns noch überliefert in Coll. 10,8, nur dass dort der Hinweis auf die culpa lata fehlt. C. 4,34,1
Coll. 10,8
Imp. Alexander A. Mestrio militia
Imp. Alexander A. Mestrio militi
Si incursu latronum vel alio fortuito casu ornamenta deposita apud interfectum perierunt,
Incursu latronum ornamenta deposita apud interfectum ab eis perierunt:
detrimentum ad heredem eius qui depositum accepit, qui dolum solum et latam culpam, si non aliud specialiter convenit, praestare debuit, non pertinet.
detrimentum ad heredes eius qui depositum accepit, qui dolum tantum praestare debuit, non pertinet.
quod si praetextu latrocinii commissi vel alterius fortuiti casus res, quae in potestate heredis sunt vel quas dolo desiit possidere, non restituuntur,
quod si praetextu latrocinii commissi res, quae in potestate heredis sunt, non restituuntur,
tam depositi quam ad exhibendum actio, sed etiam in rem vindicatio competit.
tam depositi quam ad exhibendum actio, sed et in rem vindicatio competit.
Der Codexstelle merkt man die Überarbeitung an. Die Einfügung von vel alio fortuito casu dient der Verallgemeinerung des konkret entschiedenen Falles, ebenso das si non aliud specialiter convenit. Auch das vel quas dolo desiit possidere kann man als Verallgemeinerung deuten136. Diese Überarbeitungen finden sich ausweislich der Überlieferung in der Collatio noch nicht im Codex Gregorianus. Da die Collatio zwischen 390 und 438 entstand, kommen kaum noch andere Bearbeiter als Justinian in Frage. An der Einfügung der culpa lata durch Justinian könnte man wohl nur zweifeln, wenn man dem Verfasser der Collatio unterstellte, er habe die Hinweise auf die culpa lata getilgt, um die Beschränkung der Haftung auf den dolus zu betonen137. Das ist die Frage nach den Absichten und nach der Vorgehensweise des Verfassers
135 Auch Rotondi, La misura 100 f., geht von einer Interpolation aus, ebenso Litewski, Depositary’s liability. Gegen eine Interpolation aber Harke, Freigiebigkeit 17 m.Fn. 22. 136 Die Wendung könnte sich im Übrigen auch auf die ebenfalls erwähnte actio ad exhibendum beziehen. Siehe nur Pennitz, Enteignungsfall 294. 137 So könnte man zur Unterstützung einer solchen These auch meinen, der Verfasser der Collatio habe auch PS 2 D. 50,16,223pr. gestrichen (siehe zu dieser Frage sogleich § 11 II 2). Es fällt auf, dass der Verfasser der Collatio geradezu versessen darauf zu sein scheint, das dolus-Erfordernis herauszustreichen: Er tut dies in Coll. 10,2,1; 10,2,4; 10,3,1; 10,4; 10,5; 10,6; 10,7,6; 10,7,10 und 10,8, also in 9 von 26 Stellen. Doch ist zu bedenken, dass auch der Digestentitel 16,3 oft auf das dolus-Erfordernis hinweist, der Verfasser der Collatio mag also auch nur eine entsprechende Schwerpunktsetzung bei seiner Auswahl gehabt haben, ein Fälscher ist er damit noch nicht.
§ 11 Der Haftungsmaßstab beim depositum
161
der Collatio138. Immerhin wäre der Collatioverfasser ein Fälscher, während die Kompilatoren zu einer Änderung befugt waren139. Es ist dabei aber zu bedenken: Für die Kompilatoren als Interpolationisten genügte es, die culpa lata an einer Stelle der Kompilation unterzubringen140. Wollte man dagegen die Haftung des Verwahrers für culpa lata als klassischen Rechtssatz zeigen, müsste man erklären, wieso in derart vielen Stellen nur von der dolus-Haftung die Rede ist141. Die Ansicht, Justinian habe die culpa lata eingefügt, erscheint vorzugswürdig. b) Auch D. 44,7,1,5 enthält eine Interpolation142. Man vergleiche: Gaius 2 aureorum D. 44,7,1,5
I. 3,14,3
Is quoque, apud quem rem aliquam deponimus, re nobis tenetur: qui et ipse de ea re quam acceperit restituenda tenetur.
Praeterea et is, apud quem res aliqua deponitur, re obligatur et actione depositi, qui et ipse de ea re quam accepit restituenda tenetur.
sed is etiamsi neglegenter rem custoditam amiserit, securus est: quia enim non sua gratia accipit, sed eius a quo accipit, in eo solo tenetur, si quid dolo perierit:
sed is ex eo solo tenetur, si quid dolo commiserit, culpae autem nomine, id est desidiae atque neglegentiae, non tenetur:
138 Vgl. Liebs, Jurisprudenz in Italien 170 ff. Wenn man mit Liebs annimmt, der Sammler habe im Titel 10 das Zehnte Gebot „Du sollst nicht begehren Deines Nächstens Haus, Acker usw.“ anhand des römischen Rechts darlegen wollen, dann könnte es ihm um einen deliktischen Schwerpunkt gegangen sein und dann könnte eine Betonung des dolus-Erfordernis naheliegen. Zur Person des Verfassers der Collatio zuletzt Frakes, Religious Identity and Purpose 126 ff. 139 Einen vergleichbaren Unterschied gibt es in der Überlieferung einer Konstitution Diokletians: Coll. 10,6: Qui dolo malo depositum non restituit, suo nomine conventus ad eius restitutionem cum infamiae periculo urguetur. Diocl. C. 4,34,10: Qui depositum non restituit, suo nomine conventus et condemnatus ad eius restitutionem cum infamiae periculo urguetur. Im Codex fehlen die Worte dolo malo, damit bleibt also in der Codexstelle der Haftungsmaßstab offen. 140 Sie hätten das übrigens an zwei prominenten Stellen getan, nämlich in der constitutio 1 des entsprechenden Codexstelle und in D. 44,7,1,5 ebenfalls an einer Schlüsselstelle. 141 Das übersieht Harke, Freigiebigkeit 15 ff., nach dem die „römischen Juristen“ die culpa lata dem dolus gleichgestellt hätten. Zwei der drei von ihm zitierten Stellen enthalten nicht einmal den Begrif der culpa lata, nämlich D. 16,3,32 und D. 44,7,1,5. Von dolus ist etwa die Rede in der Stelle Ulp. 30 ed D. 16,3,1,47, die sich wahrscheinlich auf die actio in ius concepta bezieht, vgl. dazu § 18 III. 142 Für Interpolation auch Rotondi, La misura 101; Litewski, Depositary’s liability 44 ff. Gegen Interpolation wieder Harke, Freigiebigkeit 17 m.Fn. 22.
162
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
neglegentiae vero nomine ideo non tenetur, quia qui neglegenti amico rem custodiendam committit, de se queri debet.
itaque securus est qui parum diligenter custoditam rem furto amisit, quia, qui neglegenti amico rem custodiendam tradit, suae facilitati id imputare debet.
magnam tamen neglegentiam placuit in doli crimine cadere.
I. 3,14,2 – 4 sind wie D. 44,7,1,3 – 6 aus Gaius 2 aureorum genommen143. Wenn in D. 44,7,1,5 überhaupt von einer Haftung des Verwahrers für culpa lata die Rede ist, dann im Schlusssatz. Aber was soll der Satz überhaupt heißen? Schon die ungewöhnliche Form und Sprache deutet daraufhin, dass der Satz nicht echt ist144. Zudem fehlt der Schlusssatz auch in den Institutionen145. Das begründet den Verdacht, nur bei der Aufnahme in die Digesten hätten die Kompilatoren den Satz hinzugefügt, nicht aber bei der Aufnahme in die Institutionen146.
2. Paulus 2 sent D. 50,16,223pr. In D. 50,16,223pr. definiert der Verfasser der Paulussentenzen147, dass culpa lata bedeute, das nicht zu erkennen, was alle erkennen148. Schon die Annahme, dass der Jurist die Definition der culpa lata anläßlich der Erörterung eines Schuldverhältnisses bringe, in dem der Schuldner für culpa lata hafte, ist nicht sicher149. Vielleicht gibt der Sentenzenverfasser auch einen Exkurs und zählt einmal die verschiedensten Grade des Verschuldens auf. Oder er behanVgl. Krüger, Institutionen16 36 Fn. 7. Rotondi, La misura 100. 145 Auch die Theophilusparaphrase enthält keine Spur des Satzes. 146 Das ist sehr gut möglich, wenn man bedenkt, dass hinter dem Wort „Kompilatoren“ jeweils verschiedene Personen stehen. So gilt als Verfasser des 3. Buchs der Institutionen Theophilus (siehe oben § 10 II 2a). Die Stelle Gaius 2 aureorum D. 44,7,1,5 gehört zur Sabinusmasse. Nach Honoré habe Theophilus aber zur Abteilung, die die Ediktsmasse exzerpierte, gehört (Tribonian 170). Man muss also nur annehmen, dass Theophilus die Institutionen anhand einer eigenen Ausgabe des gaianischen Werkes erarbeitete. Wenn man ferner davon ausgeht, dass Theophilus am Codex zweiter Auflage nicht beteiligt war (Waldstein / Rainer10, § 43 Rn. 12), dann kann die Interpolation der culpa lata beim depositum gänzlich ohne die Beteiligung des Theophilus erfolgt sein. Der Schlusssatz von D. 44,7,1,5 fehlt nämlich auch in der Institutionenparaphrase des Theophilus. Nach Nelson, Überlieferung 259 f. Fn. 103, hätten die Redaktoren der justinianischen Institutionen einen Teil der textlichen Änderungen, der in die Digesten gelangte, wieder aufgegeben. Nelson bezieht dies aber vor allem auf stilistische Fragen. 147 Der Verfasser der Paulussentenzen ist nicht der Spätklassiker Paulus; nach Liebs stammt das Werk aus der Provinz Africa und entstand um 295 (HLL V 66). 148 Diese Definition entspricht der ständigen Definition des BGH für grobe Fahrlässigkeit, vgl. Grundmann / Münchener Kommentar, § 276 Rn. 94 m.Fn. 317. 149 Vgl. Litewski, Depositary’s liability 43. 143 144
§ 11 Der Haftungsmaßstab beim depositum
163
delt ein Institut, in dem man nur für dolus haftet und nimmt eine entsprechende Abgrenzung zur culpa lata vor. Fraglich ist zudem, ob die Stelle überhaupt in den Zusammenhang des depositum gehört150. Sucht man nach dem Ort von D. 50,16,223pr. in den Paulussentenzen, so ist D. 50,16,223,1 als locus ante quem festzumachen, da davon auszugehen ist, dass die Kompilatoren bei der Erstellung der Auszüge für den Titel D. 50,16 die Reihenfolge der Fragmente nicht verändert haben. Vorgeschlagen wird ein Bezug von D. 50,16,223,1 zur Erörterung der nominatio potioris151. Ausgangspunkt muss die Beobachtung sein, dass der Sentenzenverfasser den Begriff „amicus“ bzw. „amici“ in einem technischen Sinn, also als Zitat einer Rechtsnorm definiert. In Frage kommt dann hier in der Tat die oratio des Septimius Severus zur potioris nominatio in FV. 158152. In dieser Rede beschränkt der Kaiser die Möglichkeit, sich der Aufgabe der Tutel durch Benennung eines Bessergeeigneten zu entziehen, indem er einem bestimmten Personenkreis überhaupt die potioris nominatio verwehrt und bei den ceteri cognati vel adfines amicive atque municipes die Möglichkeit der potioris nominatio auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt. Hier also wird in der Tat im Zusammenhang mit der potioris nominatio in einer Rechtsnorm der Begriff „amici“ verwendet, den näher zu bestimmen der Verfasser der Paulussentenzen für angebracht gehalten haben mag.
Bei Einordnung von D. 50,16,223,1 als PS. 2,28,3 bzw. PS. 2,39,3 steht die Stelle freilich im zweiten Buch der Paulussentenzen so spät, dass mit dieser Einordnung für die Frage nach der Stelle von D. 50,16,223pr. nicht viel gewonnen ist. Sucht man nach Stellen, an denen D. 50,16,223pr. auch stehen könnte, kommt etwa das mandatum in Betracht, bei dem mutmaßlich am Anfang eine dolus-Haftung des Beauftragten stand, die nach und nach (fallweise) ausgeweitet wurde153. Nach Liebs stammt nun PS. 2,17,2
150 Dafür etwa Baviera in FIRA II (1940), 340; ebenso Girard / Senn, Textes de Droit Romain I7, 297; zuletzt Liebs, Sentenzen II 155, SZ 113 (1996). Die Einordnung erfolgt stets als PS. 2,12,6a hinter der nur über die Collatio überlieferte Stelle PS 2 Coll. 10,7,6: Ob res depositas dolus tantum praestari solet. Huschke, Iurisprudentiae anteiustinianae4, 1879, 460, verzichtet auf eine Einordnung von D. 50,16,223pr. in PS 2,12. 151 Dies führt bei Baviera zur Einordnung der Stelle als PS. 2,28,3 (FIRA II (1940) 353), bei Liebs zur Einordnung als PS. 2,39,3 (Sentenzen II 168). 152 FV. 158: Item. Pars orationis imperatoris Severi: „promiscua facultas potioris nominandi nisi intra certos fines cohibeatur, ipso tractu temporis pupillos fortunis suis privabit. cui rei obviam ibitur, patres conscripti, si censueritis, ut collegae patris vel pupilli in decuria vel corpore, item cognati vel affines utriusque necessitudinis, qui lege Iulia et Papia excepti sunt, potiorem non nominent, ceteri cognati vel adfines amicive atque municipes eos tantummodo nominent, quos supra complexus sum, vicinitatis autem iure nemo potior existimetur.“ Zur nominatio potioris allgemein vgl. Kaser, RP I § 86 IV 3, 359 mit Fn. 74; Kübler, s.v. nominatio 828 f., RE 17; zuletzt Penta, „Potioris nominatio“ 295 ff., Index 18 (1990). Zur oratio Kübler, a. a. O. 828; Penta, a. a. O. 300. 153 Vgl. Kaser, RP I § 134 V 2, S. 579. Verwiesen sei hier nur auf die dolus-Haftung in Mod. 2 diff Coll. 10,2,3.
164
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
(so die Zählung nach Liebs, herkömmlich PS 2,15,2) aus Ulp. 31 ed D. 17,1,12,9154. In Ulp. 31 ed D. 17,1,8,10 findet sich die Haftung des Beauftragten für culpa lata angesprochen155. Es mag also etwa auch bei der Behandlung des mandatum der Sentenzenverfasser seine Definition der culpa lata gebracht haben.
Man wird aus D. 50,16,223pr. nicht entnehmen können, der Verwahrer habe im klassischen Recht auch für culpa lata gehaftet. Zum einen ist nicht sicher, dass die Stelle überhaupt aus der Erörterung des depositum stammt. Zum anderen ist ungewiss, ob der Autor die Definition wirklich im Zusammenhang eines Schuldverhältnisses gebracht hat, in dem der Schuldner für culpa lata einzustehen hätte. Denn eine solche Aussage müsste man sich zu D. 50,16,223pr. überhaupt erst noch dazudenken. Es stellte sich dann die Frage, wieso die Aussage sowohl in der Collatio als auch in den Digesten in D. 16,3,29 fehlte. Denn diese Aussage wäre eine Zentralnorm zum Recht des depositum, die zudem ausweislich von C. 4,34,1 den Kompilatoren nicht unwillkommen gewesen wäre.
3. Celsus 11 dig D. 16,3,32 Wir kommen zu Celsus 11 dig D. 16,3,32156: Quod Nerva diceret157 latiorem culpam dolum esse, Proculo displicebat, mihi verissimum videtur. nam et si quis non ad eum modum quem hominum natura desiderat diligens est, nisi tamen ad suum modum curam in deposito158 praestat,
Vgl. Liebs, Sentenzen II 157, SZ 113. Ulp. 31 ed D. 17,1,8,10: proinde si tibi mandavi, ut hominem emeres, tuque emisti, teneberis mihi, ut restituas. sed et si dolo emere neglexisti (forte enim pecunia accepta alii cessisti ut emeret) aut si lata culpa (forte si gratia ductus passus es alium emere), teneberis. … 156 Die Literatur zur Stelle, die den ersten Beleg für die diligentia quam in suis zu enthalten scheint, ist praktisch unübersehbar; eine umfassende Auseinandersetzung mit ihr kann hier nicht geleistet werden. Die Stelle lädt, wie etwa die Problematik des depositum irregulare, dazu ein, einmal ein Problem ohne Berücksichtigung der Sekundärliteratur zu behandeln. Hier soll es nur um die Frage gehen, ob die Stelle einen Beleg für die Bejahung der Haftung des Verwahrers auch für culpa lata bietet. Literatur z. B. bei Selb, Problem 1173 Fn. 2, FS Arangio-Ruiz (1964); bei Harke, Argumenta 128 Fn. 537 (1999), bei Nörr, Lex Irnitana 5 Fn. 17, SZ 124 (2007) und bei Varvaro, „Latior culpa dolus est“ 234 Fn. 7, Index 35 (2007). Hervorzuheben wäre etwa Hausmaninger, Diligentia quam in suis 265 ff., FS Kaser (1976), der ausgehend von D. 16,3,32 die Entwicklung des Konzepts der diligentia quam in suis untersucht. Zuletzt etwa Nishimura, Diligentia quam in suis 219 ff., Rundel, Mandatum 135, und Völkl, Zur diligentia quam in suis 293 ff. (2006). Mit der Problematik der Stelle im gelehrten Recht und im ius commune beschäftigen sich zuletzt Maganzani, La diligentia quam suis (Rez. von Möller, SZ 125, 814 ff.), und Agnati, Il commento di Bartolo da Sassoferrato (Rez. von Varvaro, „Latior culpa dolus est“ 233 ff., Index 35 (2007). Kurze Zusammenfassung zur Sachfrage dazu bei Rotondi, La misura 112 f. 157 Der Konjunktiv diceret ist auffallend (nach Lenel, Culpa lata 277, SZ 38, anstößig, nach Kübler, Utilitätsprinzip 248, unerklärlich), man würde im Relativsatz und gleichgeordnet zu displicebat den Indikativ dicebat erwarten. Der Konjunktiv zeigt hier an, dass die nachfolgende Aussage, die im moduslosen AcI steht, im Besonderen die Meinung des Nerva war (vgl. 154 155
§ 11 Der Haftungsmaßstab beim depositum
165
fraude non caret: nec enim salva fide minorem is159 quam suis rebus diligentiam praestabit.160
a) Die Stelle ist trotz der zahlreichen Interpolationsverdächtigungen161 nicht zu verdächtigen und wird in neuerer Zeit im wesentlichen für echt gehalten162. aa) Nach Lenel163 behandelte Celsus in D. 16,3,32 die tutela164. Entsprechend hat man den Hinweis auf das depositum für interpoliert gehalten und angenommen, die Stelle habe ursprünglich von der tutela gehandelt165. Die Kompilatoren hätten dann einen nicht sich auf das depositum beziehenden Text in den Titel über das depositum aufgenommen und dort das Wort „depositum“ eingefügt. Der Hinweis auf die Palingenesie ist dabei nicht zwingend. Denn dass ein Jurist bei der Erörterung der Tutel nicht auf andere Verhältnisse eingehen darf, ist letztlich nur eine petitio principii166. So zieht etwa Ulpian bei der Erörterung des HaftungsThrom, Grammatik § 162.4, 241; Kühner / Stegmann, Grammatik II 2 § 182.4, 200; Nicolau, RH 15, 1936, 381). Damit betont Celsus also, dass Nerva der Urheber des Satzes war. 158 In deposito ist unverdächtig, vgl. im Text. 159 Für Pernice, Labeo II 22, 215 Fn. 1, stand tutor statt is. Doch ist es wahrscheinlicher, dass sich die Stelle auf das depositum bezog, vgl. im Text. Für Kübler, Utilitätsprinzip 249, muss es heißen alienis statt is; für Pflüger, Haftung des Schuldners 167 (SZ 65) iis. Einige Handschriften haben his statt is, Mommsen, EM I 478. Das könnte auf eine frühere Textgestalt hindeuten, bei der ausgedrückt wurde, dass der Verwahrer (oder Tutor?) bestimmte Sachen empfangen hatte. 160 Übersetzung: Was Nerva sagte, dass zu große culpa dolus sei, missbilligte Prokulus, erscheint mir aber äußerst richtig. Denn auch wenn jemand nicht in dem Maße sorgfältig ist, das die Natur der Menschen verlangt, ist er vom dolus-Vorwurf nicht frei, wenn er nicht in Bezug auf die hinterlegte Sache sein gewöhnliches Maß der Sorgfalt anlegt. Nicht nämlich leistet er ohne Bruch der fides eine geringere als die eigenübliche Sorgfalt. 161 Siehe Ind.Int. 162 So schon Rotondi; La misura 102 ff.; auch Selb, Problem 1173 ff.; Hausmaninger, Diligentia 265 ff.; Harke, Argumenta 128 ff. Rotondi (La misura 102 ff.) wendet gegen eine Interpolationsvermutung ein, dass die Figur der diligentia quam in suis hier der Haftungserweiterung diene, nämlich der Erweiterung der dolus-Haftung, während die Kompilatoren das Konzept der diligentia quam in suis nur als Beschränkung einer culpa-Haftung gekannt hätten. Für die Echtheit spricht, dass die Kompilatoren keinen Meinungsstreit innerhalb der prokulianischen Rechtsschule erfunden haben dürften (Rotondi, La misura 102; Harke, Argumenta 128 Fn. 539), ferner der celsinische Stil (Hausmaninger, Diligentia 269, auch 267 m.Fn. 5). Als Anhaltspunkt für einen Interpolationsverdacht könnte damit nur dienen, dass die Stelle nicht leicht verständlich ist. Das sollte für die Annahme der Unechtheit einer Stelle nicht genügen. 163 Lenel, P I, Celsus 91, Sp. 142. 164 Neben der Tutel erörterte Celsus im 11. Buch seiner Digesten noch die actio subsidiaria gegen den Munizipalbeamten, der den zahlungsunfähigen Tutor bestellt hatte (Lenel, P I Celsus 96, 97, Sp. 143; zu dieser Klage vgl. Kaser, RP I § 88 V, S. 367). 165 Mitteis, Privatrecht 332 Fn. 51. Litewski, Liability 46 f., AG 190.2; Kaser, RP I § 126 I 2, S. 535 Fn. 10, § 118 III 3 S. 510 Fn. 56. 166 Hausmaninger, Diligentia, FS Kaser, 268 Fn. 7).
166
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
maßstabes beim commodatum auch das depositum und andere Verhältnisse als Beispiel heran.167 Es liegt näher, anzunehmen, dass die Kompilatoren den Text gerade deshalb von der tutela in das depositum versetzt haben, weil sich der Hinweis auf das depositum schon bei Celsus fand. Bei der Erörterung der Haftung des Tutors, die anfänglich auf dolus beschränkt war168, wird eine Verschärfung der Haftung des Tutors auf die diligentia quam in suis erörtert und als Parallele das depositum herangezogen worden sein, das mit der tutela mehrere Gemeinsamkeiten aufweist: In beiden Verhältnissen169 ist die Haftung ursprünglich auf den dolus beschränkt und war die Infamie Folge der Verurteilung. Inwieweit man die Haftung des Verwahrers bzw. Tutors ausdehnen konnte, war daher eine Frage, die die Juristen beschäftigen musste170. Hinsichtlich der diligentia quam in suis kam hinzu, dass bei beiden Verhältnissen sich ein Vergleich der Sorgfalt, die der Betreffende in eigenen Angelegenheiten aufwendet, mit der Sorgfalt, mit der er die Sachen des anderen behandelt, aufdrängen musste. Denn Verwahrer und Tutor haben beide für längere Zeit fremde Gegenstände zu betreuen, haben gleichzeitig aber immer noch eigene Angelegenheiten zu besorgen171. bb) Auch die Wendung in deposito ist nicht verdächtig. Zwar mag der Ausdruck nicht üblich sein172, er ist aber auch nicht justinianisch. In den Konstitutionen Justinians kommt er nicht vor173, dafür aber in den Digesten sonst viermal bei Ulpian (D. 3,2,6,6; 4,9,3,1; 13,6,5,2; 16,3,1,6), einmal bei Alfen (D. 19,2,31), einmal bei Paulus (D. 22,1,38,10), einmal bei Papinian (D. 36,3,5,4), einmal bei Modestin (D. 48,17,5,1). Dabei fällt auf, dass fünfmal (D. 3,2,6,6; 4,9,3,1; 13,6,5,2; 19,2,31; 22,1,38,10) das depositum mit anderen Verträgen verglichen wird, so dass die verkürzte Ausdrucksweise in deposito besonders nahe lag. Auch das ist ein (schwaches) Indiz dafür, dass es in unserer Stelle D. 16,3,32 um einen Vergleich der Tutel mit dem depositum ging. In Ulp. 30 ed D. 16,3,1,6 ist auf jeden Fall
Ulp. 28 ed D. 13,6,5,2. Kaser, RP I § 88 IV 2, S. 365; Mitteis, Privatrecht § 17 Fn. 42, 329. 169 Auch hinsichtlich der Frühgeschichte weisen beide Verhältnisse Gemeinsamkeiten auf. So gewährten die XII Tafeln gegen Tutor und Verwahrer eine deliktische Klage auf das duplum. 170 Offen muss bleiben, ob die Frage der Haftungserweiterung beim depositum sich erst bei Celsus findet, oder ob schon Nerva bei der Erörterung der tutela die Parallele zum depositum zog oder ob Celsus eine Aussage des Nerva zum depositum erst in Beziehung zur tutela gesetzt hat. 171 Das unterscheidet diese Fälle vom Mandat. Denn der Beauftragte soll sich nur für kürzere Zeit um eine konkrete Angelegenheit kümmern, ohne dass er typischerweise noch nebenbei Eigenes treibt; der Tutor verwaltet über längere Zeit ein eigenes Grundstück und das des Mündels, der Verwahrer bewahrt über längere Zeit in seinem Haus neben seinen Sachen auch Sachen des Hinterlegers auf. 172 So Rotondi, La misura 110 Fn. 2: die Klassiker sprächen von in re deposita oder von in causa depositi. 173 Auch als nachklassisch ist die Wendung nicht nachweisbar (Val. C. 7,65,5,2 = CT. 11,36,25 betrifft nicht die privatrechtliche Hinterlegung). 167 168
§ 11 Der Haftungsmaßstab beim depositum
167
vom depositum die Rede. Auch in Ulp. 14 ed D. 4,9,3,1 wird das depositum erwähnt worden sein. Spätere Überarbeitungen, die auch die Formulierungen betrafen, sind nicht auszuschließen; aber das bedeutet jeweils noch nicht, dass das depositum hinzugefügt wurde.174
b) In D. 16,3,32 berichtet der Prokulianer Celsus175 von einer Auseinandersetzung innerhalb der prokulianischen Rechtsschule. Nerva176 habe die Auffassung vertreten, culpa latior, also zu große culpa,177 sei dolus, Proculus178 habe diese Ansicht abgelehnt. Celsus scheint der Ansicht des Nerva ausdrücklich zuzustimmen. Er gibt eine Begründung für die Ansicht Nervas, bei der er aber statt auf die culpa latior auf die diligentia quam in suis abstellt. Denn jemand179, der nicht in dem Maß die diligentia aufwendet, die die menschliche Natur180 verlangt, begehe fraus, also dolus, wenn er nicht die Sorge aufwendet, die seinem Sorgfaltsmaßstab entspricht. Denn nur unter Bruch der fides, also unter Begehung eines dolus, könne der Verwahrer in Bezug auf die verwahrten Sachen eine geringere Sorgfalt aufwenden als in Bezug auf die eigenen Sachen181. 174 In der nichtjuristischen Literatur findet sich die Wendung etwa bei Quintilian, der sie in übertragener Bedeutung verwendet: Der Schreibende müsse genug Raum lassen, um Gedanken zu notieren, die nicht zum Thema gehören, die er aber auch nicht vergessen will. Diese Gedanken solle der Schreiber in den Zwischenräumen notieren, damit sie in deposito seien (Inst. 10,3,33: debet vacare etiam locus, in quo notentur quae scribentibus solent extra ordinem, id est ex aliis, quam qui sunt in manibus loci, occurrere. inrumpunt enim optimi nonnumquam sensus, quos neque inserere oportet neque differre tutum est, quia interim elabuntur, interim memoriae sui intentos ab alia inventione declinant ideoque optime sunt in deposito). 175 Celsus filius war Oberhaupt der Prokulianer (Pomp. sing.ench. D. 1,2,2,53), Konsiliar Hadrians und 129 n.Chr. zum zweiten Mal Konsul. Zu Celsus siehe nur Giaro, NP VI 116 f.; Kunkel, Herkunft 146 f. 176 Marcus Cocceius Nerva (Nerva pater) war als Oberhaupt der Prokulianer Nachfolger des Labeo (D. 1,2,2,48), war Konsul und starb 33 n.Chr. Zu Nerva siehe nur Eck, s.n. Cocceius 5, NP III 49; Kunkel, Herkunft 120. 177 Der Ausdruck culpa latior heißt „größere culpa“ und ist nur an dieser Stelle belegt. Sie wird zuweilen übersetzt mit „sehr große Nachlässigkeit“, vgl. etwa Knütel, Übersetzung CIC III 354 (vgl. auch Kaser / Knütel, Röm. Privatrecht18 § 36 Rn. 21). Der Elativ wird im Lateinischen aber mit dem Superlativ wiedergegeben (Burkard / Schauer / Menge, § 34 (1), 69), selten durch den Positiv in Verbindung mit einem Adverb (Menge / Burkard / Schauer, § 34 (7), 71). Im vorliegenden Fall könnte es sich um einen modifizierenden Komparativ handeln (vgl. Menge / Burkard / Schauer, § 30 (2), 65). Nerva könnte gesagt haben, dass eine zu große culpa dolus sei (so schon Rotondi, La misura 109 Fn. 2); so wird hier die Stelle auch übersetzt. Das Scholion shme/iwsai des Stephanus zu B. 13,2,32 (= D. 16,3,32) spricht wie C. 4,34,1 und D. 50,16,223pr. von la/ta kou/lpa (Hb II 58, Scheltema B II 667, 5). Jedenfalls wird culpa latior gegenüber culpa lata die richtige Überlieferung sein, denn culpa latior ist die lectio difficilior. 178 Proculus war Nachfolger des Nerva pater als Oberhaupt der prokulianischen Rechtsschule (D. 1,2,2,52), also ab 33 n.Chr. Zuletzt Giaro, NP X 365; Kunkel, Herkunft 123 ff. 179 Die Konstruktion des Satzes ist nicht unkompliziert (vgl. Rotondi, La misura 110 Fn. 5). 180 Zum Argument nach der menschlichen Natur vgl. Harke, Argumenta 126 ff., insbesondere 128 ff. 181 Nach Hausmaninger, Diligentia quam in suis 267, hätten die drei Juristen denselben Fall besprochen, den die Kompilatoren dann gestrichen hätten, weil es ihnen nur noch auf die
168
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
c) Hier sollen die Vorstellungen ferngehalten werden, dass (1) culpa latior etwas mit culpa lata zu tun habe, (2) dass die Stelle zur Problematik der Ausdehnung einer dolus-Haftung gehöre und (3) dass Celsus dem Nerva zustimme182. (1) Der Versuch, den Begriff der culpa latior zum Begriff der culpa lata in Beziehung zu setzen, wurde vor allem in der früheren Literatur, insbesondere in der Pandektistik183, unternommen. Es ging darum, die Stelle in ein Haftungssystem einzufügen, das sich gegebenenfalls auch für eine moderne Kodifikation verwenden ließ. Dafür musste das Verhältnis der culpa latior zur culpa lata und das Verhältnis der diligentia quam in suis zur culpa geklärt werden. Beispielhaft ist Kübler, der culpa lata und culpa latior gleichsetzt184, ferner in einem Schema der culpa lata die diligentia quam in suis und der culpa levis die diligentia diligentis patris familias bzw. die diligentia exactissima gegenüberstellt185. Stellen, die in dieses Schema nicht passen, werden dann für interpoliert gehalten186. Dabei lassen sich solche Verhältnisse der unterschiedlichen Begriffe wohl kaum feststellen187. Zum einen ist sehr zweifelhaft, ob man unterstellen kann, Nerva und der zweihundert Jahre später wirkende Ulpian hätten dasselbe Haftungssystem mit derselben Begrifflichkeit zugrundegelegt. Wenn Ulpian sagt lata culpa plane dolo comparabitur188, dann muss damit keinesfalls das gleiche gesagt sein wie mit dem Satz des Nerva culpa latior dolus est189. Vielmehr kann Nerva bewusst den Begriff
juristische Erörterung ankam. Sucht man nach einem konkreten Fall, der der Erörterung Nervas und Celsus’ zugrundegelegen haben könnte, kann man mit Pflüger, Haftung des Schuldners 167, SZ 65, an Konstellationen wie die in PS. 2,4,2 denken: Si facto incendio ruina naufragio aut quo alio simili casu res commodata amissa sit, non tenebitur eo nomine is cui commodata est, nisi forte, cum posset rem commodatam salvam facere, suam praetulit. Die Stelle betrifft das commodatum. Der Entleiher haftet für custodia und damit auch für unverschuldeten Diebstahl (G. 3,205 – 206; Kaser, RP I § 125 II, S. 533). Frei von der Haftung ist der Entleiher aber bei typischen Befreiungsgründen (Kaser, RP I § 118 III 2, 507 f.), wie bei incendio ruina naufragio (Gaius 2 aur D. 44,7,1,4). In PS. 2,4,2 wird dem Entleiher die Haftung auferlegt, weil, wie die Tatsache, dass er seine eigenen Sachen retten konnte, zeigt, die Vermutung widerlegt ist, dass bei den vertypten Gründen die humana infirmitas (Gaius a. a. O.) nichts ausrichten könne (vgl. sed et in maioribus casibus, si culpa eius interveniat, tenetur). Darum, dass der Entleiher hier dolos handele, geht es also nicht. 182 Gegen die ersten beiden Annahmen auch schon Selb, Problem, und Hausmaninger, Diligentia quam in suis. 183 Vgl. Selb, Problem 1175. Selb a. a. O. ausdrücklich: „Die culpa latior unseres Textes muss aber noch keine Kategorie der culpa lata verkörpern.“ 184 Kübler, Utilitätsprinzip 248 Fn. 3. 185 Kübler, Utilitätsprinzip 245. 186 Etwa D. 23,3,17pr. und D. 27,3,1pr. (Kübler, Utilitätsprinzip 246). 187 Vgl. Selb, Problem 1175 f., und Hausmaninger, Diligentia quam in suis 268 f. 188 Vgl. Ulp. 24 ed D. 11,6,1,1. Zu weiteren Gleichsetzungen der culpa lata mit dem dolus bei Ulpian siehe Dernburg, Pandekten I § 86 II 1, 198 Fn. 8. Dernburg bezeichnet diese Gleichsetzung als ein Lieblingsaxiom Ulpians. Zur Gleichsetzung von dolus und culpa lata siehe zur älteren Literatur Rotondi, La misura 97 ff.
§ 11 Der Haftungsmaßstab beim depositum
169
der culpa latior gewählt haben, weil er gewissermaßen noch tastend sich der Frage nähert, ob überhaupt und wann culpa dem dolus gleichzuwerten sei. Auch der Begriff der diligentia quam in suis läßt sich nicht als Gegenbegriff zur culpa levis und culpa lata einordnen; denn die diligentia quam in suis ist bei jedem Schuldner eine andere, während die culpa lata und culpa levis gerade nach einem abstrakten Maßstab bestimmt werden und daher feststehen. Ein äußerst sorgsamer Schuldner mag seine diligentia quam in suis verletzen, und doch nicht einmal leicht fahrlässig handeln, ein äußerst unsorgfältiger Schuldner mag grob fahrlässig handeln, aber doch immer noch im Rahmen seiner eigenüblichen Sorgfalt. Entsprechend verzichtet das deutsche BGB auf die Festschreibung eines Verhältnisses der eigenüblichen Sorgfalt zu den Graden der Fahrlässigkeit, sondern trifft nur die von der Einordnungsproblematik unabhängige normative Aussage, dass von der Haftung für grobe Fahrlässigkeit nicht befreit sei, wer nur für die eigenübliche Sorgfalt einzustehen habe190.
Die neuere Forschung verzichtet darauf, die Stelle D. 16,3,32 in ein fertiges Bild des römischen Haftungsrechts einzufügen und geht eher von der „wahrscheinlichen Echtheit des Celsustextes“ aus191, um dann das vorgestellte Bild der Entwicklung des Haftungsrechts in Frage zu stellen192. (2) Hier soll auch nicht versucht werden, die Stelle D. 16,3,32 in einen Prozess der Ausdehnung der Haftung des Verwahrers einzureihen193. Es fällt doch auf, dass es keine Belege für eine Haftung des Verwahrers für culpa lata194 oder für diligentia quam in suis gibt195. Wären also Celsus und Nerva für eine Erweiterung des Haf189 Lenel, Culpa lata 277, aber nimmt unter Bezug auf Paulus D. 48,8,7 (culpa lata pro dolo accipitur) gerade daher Anstoß, weil mit beiden Sätzen dasselbe gesagt sein solle, und der Ausdruck bei Nerva zu plump sei, das annähernde pro dolo accipere angemessener. 190 Vgl. § 277 BGB Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten: Wer nur für diejenige Sorgfalt einzustehen hat, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, ist von der Haftung wegen grober Fahrlässigkeit nicht befreit. Anders wohl Grundmann / Münchener Kommentar5 (2007), Rn. 1, der in § 277 BGB eine Definition der eigenüblichen Sorgfalt sieht und diese für einen Unterfall der leichten Fahrlässigkeit hält. Das ist nach obigen Ausführungen fraglich. § 690 BGB dürfte iVm § 277 BGB so zu verstehen sein, dass bei unentgeltlicher Verwahrung der Verwahrer haftet, wenn er nach dem konkreten Maßstab die eigenübliche Sorgfalt verletzt oder wenn er nach einem abstrakten Maßstab grob fahrlässig handelt. 191 Hausmaninger, Diligentia 265. 192 Selb, Problem 1174. 193 Dafür aber etwa Rundel, Mandatum 135 ff. 194 Hier wurde vorgeschlagen, dass die Erwähnung der culpa lata bzw. magna negligentia in C. 4,34,1 und D. 44,7,1,5 erst Folge einer justinianischen Kompilation seien, siehe oben. 195 Vgl. Hausmaninger, Diligentia 282. Überzeugend freilich in diesem Zusammenhang Völkl, Zur diligentia 300 f., der argumentiert, Gaius habe in 2 aur D. 44,7,1,5 den Verwahrer auch für eine Verletzung der diligentia quam in suis haften lassen, dies nämlich als dolus angesehen. In der Tat passt das Argument de se queri debet nicht mehr, wenn der Verwahrer nun in Bezug auf die hinterlegten Sachen noch unsorgfältiger ist als in Bezug auf die eigenen. Es bleibt aber dabei, dass dies eine Haftung für dolus ist und Gaius nicht ausdrücklich auf die diligentia quam in suis abstellt. Zum Argument de se queri debet siehe Mayer-Maly, De se queri debere 229 ff.
170
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
tungsmaßstabes eingetreten, hätten sie keine Gefolgschaft unter ihren Kollegen gefunden196. Will man Celsus nicht in eine solche Entwicklung einreihen, dann ist darauf zu achten, ob nicht auch Celsus am dolus-Erfordernis festhält. Es gibt doch neben der Frage, ob die Beschränkung der Haftung auf dolus angemessen oder nicht vielmehr auszudehnen sei, doch auch das praktische Problem, wann eigentlich dolus vorliege, wie der Richter die innere Einstellung eigentlich erkennen kann197. Auch damit werden sich die römischen Juristen auseinandergesetzt haben. (3) Die Ansicht des Nerva können wir nicht rekonstruieren, da wir dessen Begründung nicht kennen und nicht wissen, was er unter culpa latior verstand, unbekannt ist uns auch die Position des Prokulus198. Zudem dürfen wir nicht erwarten, Celsus gebe eine Erläuterung der Ansicht des Nerva oder stimme Nerva zu. Das verissimum lädt zur Skepsis ein, wenn man den Charakter des Celsus berücksichtigt. Celsus mag Nerva geradezu kritisieren oder auch in einer Volte den Gedanken des Nerva auf den Kopf stellen199. d) Die diligentia quam in suis200 hat bekanntlich grundsätzlich zwei denkbare Funktionen. Kommt man von der dolus-Haftung, bedeutet die diligentia quam in suis eine Haftungsverschärfung; kommt man von einer culpa-Haftung, bedeutet sie eine Haftungserleichterung201. 196 Rotondi, La misura 103, weist darauf hin, dass es sich um eine Kontroverse innerhalb einer Rechtsschule handle, so dass eine größere Rezeption auch nicht zu erwarten sei. Eine andere Frage, die nicht Gegenstand dieser Arbeit ist, ist die Wirkungsgeschichte von D. 16,3,32 in der Rezeption, die bekanntlich bis zum heutigen § 690 BGB reicht. Vgl. zu solchen Fragen nur Maganzani, La „diligentia quam suis“. 197 Im deutschen Zivilrecht lassen sich ähnliche Probleme im Rahmen des § 826 BGB beobachten. Auf die Tatsache, dass der Täter vorsätzlich gehandelt hat, wird der Richter gerade dann schließen, wenn der Täter so handelt hat, als habe er all das nicht beachtet, was jeder zu beachten pflegt. Darin liegt keine Ausdehnung auf die Haftung für grobe Fahrlässigkeit, vgl. Wagner / Münchener Kommentar5, § 826 Rn. 26. 198 Hausmaninger, Diligentia quam in suis 268, bemüht sich um eine Konstruktion der Ansicht auch des Nerva und des Proculus, wobei er die Aussage des Celsus heranzieht. Nerva habe fallweise schwere Verfehlungen des Verwahrers dem dolus gleichstellen wollen, Proculus habe dem entgegengehalten, dass ein auch in eigenen Dingen nachlässiger Verwahrer nicht dolos handle, wenn er die Sachen des Hinterlegers unsorgfältig behandle. Celsus habe beide Aussagen zueinander in Beziehung gesetzt und so den relativen dolus erfunden. Doch ist Sicherheit bei solchen Spekulationen nicht zu erzielen, wenn man es für möglich hält, dass Celsus ja die Bahn des Nerva und des Proculus auch verlassen könnte. Zu Nervas Ansicht siehe aber noch die Vermutung im Text. 199 Die Verwendung von Ausdrücken wie verius und verissimum durch die römischen Juristen untersucht Giaro, Römische Rechtswahrheiten. Der Superlativ verissimum wirke stets etwas rhetorisch, drücke aber keine Hierarchie im Sinne von „am wahrsten aus“ (Giaro, a. a. O. 496). 200 Vgl. Medicus, AS Rn. 312. 201 Nach Rotondi, La misura 108, hätten die Kompilatoren die diligentia quam in suis vor allem als Haftungserleichterung verstanden. Als Beispiele für diese Funktion des Konzepts der diligentia quam in suis ließe sich I. 3,25,9 und Gaius 2 aur D. 17,1,72 anführen.
§ 11 Der Haftungsmaßstab beim depositum
171
Der Schuldner, der nur für die diligentia quam in suis einzustehen hat, muss die Sachen des Gläubigers nicht besser behandeln als seine eigenen (genauer: als er seine Sachen zu behandelt pflegt), auch wenn diese Behandlung nicht der im Verkehr üblichen Sorgfalt genügt. Dahinter steckt bei Zugrundelegung einer culpa-Haftung eine Haftungserleichterung. Der Schuldner darf aber gleichzeitig die Sachen des Gläubigers auch nicht schlechter behandeln als seine eigenen202. Man kann nun weiter danach unterscheiden, warum der Schuldner die Sachen des Gläubigers schlechter behandelt hat. Denkbar ist zum einen, dass der Schuldner nicht erkennt, dass er die Sachen des Gläubigers schlechter behandelt. Behandelt der Schuldner vorsätzlich die Sachen des Gläubigers schlechter und kommen daraufhin die Sachen des Gläubigers zu Schaden, kann man immer noch in modernen Kategorien sagen, dass kein dolus des Schuldners vorliege, wenn der Schuldner die Sachen zwar vorsätzlich schlechter behandelte, aber doch darauf vertraute, es werde zu keinem Schaden kommen. Nicht von vornherein kann man aber ausschließen, dass die römischen Juristen in diesem Fall den dolus bejaht hätten, denn es liegt doch eine bewusste Zurücksetzung der Güter des Gläubigers vor203. Damit ergibt sich, dass nach unserer Systematik der Schuldner, der vorsätzlich fremde Sachen schlechter behandelt als die eigenen, nicht immer schon vorsätzlich handelt, während es durchaus möglich ist, dass nach römischen Vorstellungen in einem solchen Falle der dolus schlechtweg zu bejahen ist. Schaut man nun darauf, wie Celsus von der diligentia quam in suis redet (nisi tamen ad suum modum curam in deposito praestat / minorem quam suis rebus diligentiam praestabit)204, so wird man sagen müssen, dass es für ihn nur um Fälle geht, in denen der Verwahrer vorsätzlich eine geringere Sorgfalt als üblich an die fremden Sachen anlegt. Ferner zieht Celsus unmittelbar aus dem Verhalten das dolus-Urteil: fraude non caret / nec salva fide. Dass es Celsus um ein doloses Verhalten geht, legt auch das nec salva fide nahe. Infam wurde nur derjenige, der wegen Keine Haftungserleichterung bedeutet die Haftung für diligentia quam in suis aber, wenn der Schuldner in eigenen Angelegenheiten noch sorgfältiger ist, als es der Verkehr erfordert (vgl. Hüffer / Münchener Kommentar, § 690 Rn. 7). Die nächste Frage ist dann aber, ob die Norm, die die Haftung für die diligentia quam in suis anordnet, dann ihrem Regelungszweck nach auf eine verschärfte Haftung des übersorgfältigen Schuldners abzielt. Solche Fragen sollen hier außer Betracht bleiben, vgl. dazu aber etwa Nishimura, Diligentia quam in suis 220. 202 Beispiel von Medicus, AS Rn. 312: „das eigene Fahrrad in die Garage stellen und das fremde draußen stehen lassen“. Tradition hat in der Rechtsgeschichte das Beispiel des Verwahrers, der seine eigenen Sachen, aber nicht die des Hinterlegers aus dem Feuer rettet. 203 Ebenso Rotondi, La misura 108 f., der zu Recht darauf hinweist, dass das Konzept des dolus für die römischen Juristen nicht ein dogmatisches war, sondern eine Frage der Bewertung sozialen Verhaltens. Der Verstoß gegen die eigenübliche Sorgfalt füge dem Verstoß gegen die gewöhnliche Sorgfalt ein Element des subjektiven Unrechts hinzu, so dass das Verhalten von der gewöhnlichen culpa verschieden sei. 204 Nicht vergleichbar sind die Fälle, in denen die Funktion der diligentia quam in suis als Haftungserleichterung in Rede steht, wie in I. 3,25,9 und Gaius 2 aur D. 17,1,72.
172
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
dolus verurteilt wurde205. Die Wendung nec salva fide könnte gerade ein infamierendes Verhalten bezeichnen206. Nach Celsus hat also der Verwahrer dolos gehandelt; es geht Celsus nicht um Fälle, in denen der Verwahrer haftet, obwohl ihm kein dolus vorzuwerfen ist, sondern darum, wie der dolus feststellbar ist207. Auffallend ist, dass Celsus von fraus statt von dolus spricht. Das Vergehen des Verwahrers wird sonst nie als fraus bezeichnet208. Fraus ist aber anscheinend der Vorwurf, der nach den Zwölftafeln209 zur accusatio suspecti tutoris führte210. Hier stellte sich die Frage, ob auch große Fahrlässigkeit die Entfernung des Tutors rechtfertigen konnte211. Bekanntlich behandelte Celsus im elften Buch seiner Digesten die Vormundschaft212. Die Redeweise kann also aus diesem Zusammenhang der accusatio suspecti tutoris kommen, auch dann, wenn, wie oben vertreten, die Erwähnung des depositum in D. 16,3,32 echt ist. So könnte Celsus eine Entscheidung zum depositum durch einen anerkannten Grundsatz der accusatio suspecti tutoris gestützt haben.
e) Die Argumentation des Celsus ist nicht leicht zu verstehen213: Denn auch wer nicht in dem Maß sorgfältig ist, wie es die Natur der Menschen verlangt, handele dolos. Welches Maß an Sorgfalt verlangt die Natur der Menschen? Dabei interessiert vor allem das Verhältnis zu dem Maß an Sorgfalt, das gewöhnlich verlangt wird.214 Ist mit der diligentia, die die natura hominum verlangt, nur ein Mindestmaß an Sorgfalt gemeint215, nur ein Mindestmaß, das eingehalten werden muss, damit man
205 Vgl. zur accusatio suspecti tutoris I. 1,26,6 und Diocl. C. 5,43,9. Zum mandatum siehe unten § 20 I. 206 Salva fides ist als Gegensatz zu fides rupta auffaßbar. Der aus der actio depositi contraria verurteilte Hinterleger wurde nicht infam (vgl. das non contrario iudicio in D. 3,2,1), in dieser Klage wurde nicht de fide rupta geklagt (Ulp. 30 ed D. 16,3,5pr.). Zur infamierenden actio de dolo siehe Sept.Sev. C. 2,20,1; zur infamierenden actio pro socio Diocl. C. 2,11,22; zur infamierenden actio mandati Diocl. C. 4,35,16; siehe aber auch zur nicht infamierenden actio empti Diocl. C. 4,49,11 und Pap. 9 resp D. 40,7,35. 207 Ebenso Völkl, Zur diligentia 297 f. Celsus habe in der Schlechterbehandlung fremder Sachen einen Fall des offenkundigen dolus gesehen und gerade dieses Beispiel aus der Verwahrung gewählt, um daraus Erkenntnisse für den schwierigeren Fall der Vormundschaft abzuleiten. 208 Nur in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,42 findet sich die Wendung „si quid per eum in cuius iure sunt captus fraudatusve est“, ist dort aber vom paterfamilias oder vom Eigentümer des Verwahrers gesagt. Zu dieser Stelle siehe unten § 14 I. 209 Ulp. 35 ed D. 26,10,1,2. 210 Vgl. Kaser, RP I § 88 I, S. 363 m.Fn. 5. Hingegen ist fraus anscheinend weder der Vorwurf bei der actio rationibus distrahendis noch bei der actio tutelae. 211 Ulp. 35 ed D. 26,10,7,1. 212 Vgl. Lenel, P I, Celsus 91, Sp. 142. 213 Vgl. Selb, Problem 1176. 214 Vgl. Rotondi, La misura 106. 215 Vgl. die Nachweise für dieses Verständnis bei Selb, Problem 1177 bei Fn. 22. Dieses Verständnis hat auch Harke, Argumenta 129. Das Außerachtlassen der Sorgfalt, die die Natur der Menschen verlangt, könnte dann darin bestehen, nicht die Sorgfalt zu beachten,
§ 11 Der Haftungsmaßstab beim depositum
173
sich überhaupt im Menschlichen bewegt und von einem Tier unterscheidet, dann ist die Fortführung, dass ein Nichtbeachten eines solchen Sorgfaltstandards dolus sei, verständlich; Celsus würde dann den Gedanken des Nerva, dass culpa latior dolus sei, direkt weiterführen. Der nisi-Satz wäre dann eine Einschränkung216, eine Haftungsbeschränkung: Auch wer das Mindestmaß an Sorgfalt nicht einhält, haftet nicht, wenn er sein Maß der Sorgfalt beachtet hat. Diese Deutung würde aber bedeuten, dass nach Celsus es vorstellbar ist, dass jemand das Mindestmaß der Sorgfalt verletzt217. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Sorgfalt, die die natura hominum verlangt, als die Normalsorgfalt218, die durchschnittliche Sorgfalt zu verstehen. Da der Satz, dass dolus begehe, wer nicht die übliche Sorgfalt einhalte, sinnlos wäre, würde dem nisi-Satz eine andere Bedeutung zukommen. Er wäre keine Einschränkung einer an sich sinnvollen Aussage, sondern er würde den Hauptsatz erst verständlich machen, er wäre eine zusätzliche Voraussetzung für die Annahme von dolus219: Bei Verletzung der Sorgfaltspflicht ist man nur dann vom Vorwurf des dolus frei, wenn man die eigenübliche Sorgfalt gewahrt hat. Welche Interpretation vorzugswürdig ist, muss sich aus dem Zusammenhang ergeben, insbesondere aus dem nachfolgenden Satz220 und aus der Aussage des Nerva, auf die sich Celsus bezieht. Nach dem Schlusssatz handele dolos, wer fremde Sachen schlechter behandelt als eigene. Damit ist für das depositum, bei dem die Haftung auf dolus beschränkt ist, die Verletzung der diligentia quam in suis als das haftungsbegründende Element ausgemacht. Der nisi-Satz ist daher als Beschreibung einer Voraussetzung der Haftung zu verstehen, nicht als eine Einschränkung221. So wird auch der Wechsel des die alle Menschen beachten, also etwa das nicht zu erkennen, was alle erkennen. Dann wäre man bei der Definition der groben Fahrlässigkeit der Paulussentenzen (PS 2 D. 50,16,223pr.): Latae culpae finis est non intellegere id quod omnes intellegunt. 216 Nach Selb, Problem 1175, ist der nisi-Satz eine Ausnahme von der grundsätzlichen Entscheidung. 217 Für Kübler, Utilitätsprinzip 248, ist der Gegensatz zwischen dem modus quem hominum natura desiderat und dem suus modus unlogisch: „denn der Depositar (oder Tutor) ist doch selbst ein Mensch“. 218 So Lenel, Culpa lata 277 f., der aber das Fragment für interpoliert hält. Ein Verstoß gegen diesen strengen Sorgfaltsmaßstab ist dann also culpa levis, vgl. zu diesem Verständnis die Nachweise bei Selb, Problem 1176 m.Fn. 18 ff. 219 Gegen ein solches Verständnis des nisi-Satzes als zusätzliche Voraussetzung ausdrücklich Selb, Problem 1175. 220 Anders Selb, der auf den Schlusssatz weniger Wert legt, den zweiten Satz vielmehr erst aus sich heraus interpretiert, um dann den Schlusssatz im Lichte des Verständnisses des zweiten Satzes zu verstehen (Problem 1178). Dass dann der Schlusssatz sich in sein Verständnis nicht ganz einfügt, nimmt er in Kauf, schreibt ihm eine ungenaue Fassung zu und hält es für möglich, dass er von einem Scholiasten (1179), von einem schwächeren Juristen als Celsus (1180) stamme.
174
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
Celsus von der culpa latior zur diligentia quam in suis verständlich. culpa latior heißt „zu große culpa“222. Nerva hatte gesagt, dass der Verwahrer auch bei „zu großer culpa“ hafte, und auf die sich aufdrängende Frage, wann denn die culpa zu groß sei, antwortet Celsus: Wenn die Sorglosigkeit größer ist, als sie dem Verwahrer in eigenen Angelegenheiten unterläuft. Dabei gelingt dem Celsus zugleich noch eine überzeugende Begründung: Der Verwahrer, der auf seine eigenen Sachen mehr achtet als auf die des Hinterlegers, handelt dolos. Dass zu große culpa ein Fall des dolus sei, leuchtet unmittelbar ein, zumal mit dieser Aussage noch nichts gewonnen und nichts verloren ist, wenn man nicht weiß, wann denn die culpa als zu groß anzusehen sei. Aber dass das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ein solches Maß annehmen kann, dass der Richter das Verhalten des Schuldners nur noch als dolos werten kann, liegt doch auf der Hand. Vielleicht sah sich Nerva, der ein Verhalten für dolos hielt, dem Einwand gegenüber, der Schuldner habe doch nur fahrlässig gehandelt. Mit dem Satz culpa latior dolus est hätte Nerva dann zumindest einen rhetorischen Sieg errungen, denn durch das Zugestehen, der Schuldner habe nur fahrlässig gehandelt, hat er dem Gegenargument zugleich die Schlagkraft genommen.
Ob Celsus dem Nerva Recht gibt, wissen wir nicht, da wir nicht den Fall, der Nerva vorschwebte, und auch nicht die Begründung Nervas kennen. Vielleicht ist Celsus auch ironisch, indem er Nerva nur scheinbar recht gibt, in Wahrheit aber, indem er die Fälle, in denen auf den ersten Blick eine culpa-Haftung vorliegt, als Fälle des dolus entlarvt, Nerva widerspricht. Jedenfalls ist mit der überzeugenden Begründung, dass eine Verletzung der diligentia quam in suis das Vorliegen des dolus bedeute, der Weg frei, um in Zukunft nur noch nach einem Verstoß gegen die diligentia nach einem konkreten Maßstab zu fragen. Damit ist das zweite Verständnis des mit nam et si eingeleiteten Satzes vorzugswürdig: Celsus erörtert nicht den Fall, dass jemand den Mindeststandard der Sorgfalt verletzt, sondern generell eine Situation, in der jemand nicht dem durchschnittlichen Sorgfaltsmaßstab gerecht wurde. Celsus sagt dann also: Außerachtlassung der Sorgfalt begründet dolus, es sei denn, der Verwahrer behandelt die verwahrten Sachen genauso sorgfältig wie seine eigenen. Die Aussage, Außerachtlassung der Sorgfalt begründe dolus, die verständlich und richtig erst durch die Ergänzung des nisi-Satzes wird, verblüfft, und ist gerade daher einem Celsus zuzutrauen223. Damit ist die Stelle kein Beleg für eine Haftung des Verwahrers auch für culpa lata. Zum einen ist culpa latior eben nicht culpa lata. Zum anderen zeigt die Argumentation des Celsus, dass es immer noch um ein Verhalten geht, das als dolus verstanden werden kann224. Es geht um die Frage, wie man diesen dolus feststellen 221 Anders Selb, Problem 1175. Der Satz sei eine Ausnahme zur grundsätzlichen Entscheidung, nicht ein zusätzliches negatives Tatbestandsmerkmal. 222 Dies ist auch sprachlich möglich, siehe schon oben. 223 Zum Stil des Celsus siehe Wieacker, Amoenitates Iuventiaenae 1 ff.; Hausmaninger, Celsus: Persönlichkeit 382 ff., ANRW II 15. Zuletzt ausführlich Harke, Argumenta Iuventiana.
§ 12 Der Zeitpunkt der Verurteilungsvoraussetzungen
175
kann. Und eine Möglichkeit liegt eben darin nachzuweisen, dass der Verwahrer die hinterlegten Sachen schlechter behandelt hat, als er seine eigenen zu behandeln pflegt. 4. Zusammenfassung Fasst man zusammen, so zeigt sich, dass D. 16,3,32 keine Ausdehnung der Haftung des Verwahrers bedeutet, D. 44,7,1,5 und C. 4,34,1 hinsichtlich der magna neglegentia und der culpa lata interpoliert sind und sich aus D. 50,16,223pr. keine sicheren Hinweise auf einen Bezug zum depositum und welcher Art der Bezug denn sei, entnehmen lassen. Es ist daher davon auszugehen, dass auch im klassischen Recht der Verwahrer nur für dolus haftete. Hauptargument sind dabei die vielen Belege, die aus unterschiedlichsten Zusammenhängen stammen und nur von der dolus-Haftung sprechen225.
§ 12 Der Zeitpunkt für das Vorliegen der Verurteilungsvoraussetzungen bei der actio depositi in factum concepta – die Lehre des Neraz I. Einleitung Verurteilungsvoraussetzung war bei der actio depositi in factum concepta das si paret Aulum Agerium apud Numerium Negidium mensam argenteam deposuisse eamque dolo malo Numerii Negidii Aulo Agerio redditam non esse (G. 4,47). Es stellt sich die Frage, wann diese Voraussetzungen vorliegen mussten, ob schon im Zeitpunkt der litiscontestatio226 oder erst im Zeitpunkt der Verurteilung. Würde man die actio depositi in factum concepta als deliktische Klage deuten, wäre zu erwarten, dass die Verurteilungsvoraussetzungen, insbesondere das dolo malo redditam non esse, schon im Zeitpunkt der litiscontestatio vorliegen mussten. Denn dass man eine Deliktsklage erfolgreich sollte erheben können, wenn das Delikt, also der haftungsbegründende Umstand, zum Zeitpunkt der Streiteinsetzung noch nicht begangen war, würde merkwürdig anmuten. Bei einer Vertragsklage liegt es hingegen näher, dass nur der Vertragsschluss vor der litiscontestatio liegen muss. 224 Auch nach Rotondi, La misura 103, habe Celsus den Fall für ein Beispiel des dolus gehalten. Ebenso Litewski, Depositary’s liability 48 f. Eine andere Frage ist, wie die Kompilatoren den Text verstanden, dazu Rotondi, La misura 111 . 225 So auch Rotondi, La misura 99, und Litewski, Depositary’s liability. 226 Dies wird wohl in der Regel verlangt, vgl. Kaser / Hackl, § 42 II, S. 296. Siehe auch Kaser, Restituere 145, Burillo, Las formulas 281.
176
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
II. Die Verurteilungsvoraussetzungen bei einer formula in factum concepta Ulpian lässt es nun in 30 ed D. 16,3,1,20 anscheinend genügen, dass die Verurteilungsvoraussetzung dolo malo redditam non esse zum Urteilszeitpunkt vorliegen227. Hinsichtlich des depositum bedarf dieser Satz, insbesondere seine Erörterung in den folgenden §§ 21 und 22, noch der Vertiefung; hier soll es zunächst um das Umfeld gehen, in dem dieser Satz steht. Dass es genügt, dass die Verurteilungsvoraussetzungen zum Verurteilungszeitpunkt vorliegen, ist nicht einzigartig, sondern findet sich auch bei anderen in factum konzipierten Klagen228. Für Levy229 wird das Perfekt dolo malo redditam non esse als futurisches reddetur ausgelegt; nach Wubbe230 lege Ulpian hier wenig Wert auf das Perfekt dolo malo redditam non esse.
1. Der Ediktswortlaut Dass der dolus als Verurteilungsvoraussetzung zum Zeitpunkt der litiscontestatio vorliegen muss, könnte man vielleicht dem uns in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,1 überlieferten Ediktstext entnehmen. Herdlitczka verweist auf das dolo malo eius factum esse231. Doch lässt sich das Edikt in der Fassung, in der es uns überliefert ist, auch so verstehen, als habe nur die Klagevoraussetzung des Vorliegens eines depositum bestanden. Nur wenn der Hinterleger eine Klage auf das duplum gegen den Erben des Verwahrers beantragen wollte, habe er schon vor dem Prätor den eigenen dolus des Erben vortragen müssen232. 227 Ulp. 30 ed D. 16,3,1,20: Non tantum praeteritus dolus in depositi actione veniet, sed etiam futurus, id est post litem contestatam. 228 Für das eamque pecuniam solutam esse der actio pigneraticia (zur Formel vgl. Lenel, EP3 255; Mantovani, Le formule1 Nr. 66) genügte die solutio nach litiscontestatio, aber vor dem Urteil, vgl. Ulp. 28 ed D. 13,7,9,5: Qui ante solutionem egit pigneraticia, licet non recte egit, tamen, si offerat in iudicio pecuniam, debet rem pigneratam et quod sua interest consequi. Das licet non recte egit zeigt, dass der Grundsatz, die Verurteilungsvoraussetzungen müssten zum Zeitpunkt der litiscontestatio vorliegen, zwar bestand, aber nicht schon das Ergebnis, sondern nur der Ausgangspunkt für die juristische und nicht grammatikalische Frage war, wann welche Verurteilungsvoraussetzung nun wirklich vorliegen musste. Die Stelle gehört zum Kommentar der formula in factum concepta, vgl. Lenel, P II, Ulpian 809, Sp. 583 Fn. 3. Anders jetzt Braukmann, Pfandrecht 65 f., der dem Ansatz folgt, dass, wenn die Anwendbarkeit der formula in factum concepta Schwierigkeiten macht, auf die formula in ius concepta (deren Existenz beim Pfand ja umstritten ist), auszuweichen ist, statt nach dem Umgang der römischen Juristen mit den Formeln zu fragen. Vgl. auch Gaius 9 edpr D. 13,7,10. 229 Levy, Actiones arbitrariae 72, SZ 36. 230 Wubbe, Gaius et les contrats réels 517. 231 Herdlitczka, Zwischenurteil 61 m.Fn. 138.
§ 12 Der Zeitpunkt der Verurteilungsvoraussetzungen
177
2. Die Lehre aus G. 4,114 Man bringt die Lehre, dass die Verurteilungsvoraussetzungen erst zum Urteilszeitpunkt vorliegen müssen, zuweilen mit der Lehre aus G. 4,114 in Verbindung, dass der Beklagte auch durch Leistung nach litiscontestatio freiwerde233. Beide Lehren haben in der Tat gemeinsam, dass Umstände, die nach litiscontestatio eintreten, zu beachten sind. Dennoch dürften beide Lehren nichts miteinander zu tun haben. Die Lehre omnia iudicia absolutoria esse begünstigt den Beklagten und versteht sich eigentlich dann von selbst, wenn der Judex bei der Berechnung der Verurteilungssumme das Interesse des Klägers im Urteilszeitpunkt zugrunde legt; denn dies ist nach Leistung des Beklagten mit null anzusetzen. Bei der formula in factum concepta der actio depositi etwa wird dies wegen des Futurs erit jedenfalls möglich sein. Die Lehre des Neraz begünstigt hingegen den Kläger. Beide Lehren werden daher aus verschiedenen Gründen und mit unterschiedlichen Argumenten entstanden sein. Dass beide Lehren entstanden, weil man in einem doktrinären Schritt vom Zeitpunkt der litiscontestatio auf den Urteilszeitpunkt umschwang, dürfte den Quellen nicht zu entnehmen sein.
3. Zum Charakter der Grundregel Zur Erklärung, warum Ulpian genügen lässt, dass die Verurteilungsvoraussetzungen im Urteilszeitpunkt vorliegen, wird hier davon ausgegangen, dass der Satz, die Verurteilungsvoraussetzungen müssten im Zeitpunkt der litiscontestatio vorliegen, jedenfalls für das klassische Recht nicht die Bedeutung eines Rechtssatzes hatte. Der Satz diente nur als Ausgangspunkt, von denen die Erwägungen überhaupt ihren Anfang nehmen konnten234. Die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Verurteilungsvoraussetzungen vorliegen mussten, ist eine juristische Frage, die bei unterschiedlichen Klagen und unterschiedlichen Interessenlagen durchaus eine unterschiedliche Antwort erhalten kann. Eine solcher Ansatz stimmt jedenfalls mit der Forderung des Paulus überein (16 ad Plautium D. 50,17,1): non ex regula ius sumatur, sed ex iure quod est regula fiat.
Zu dieser Frage siehe § 20 III. So etwa Herdlitczka, Zwischenurteil 68 f. 234 Ähnlich Kaser, Nochmals über Besitz und Verschulden 98 f.: Der Satz Possidere autem aliquis debet utique et litis contestatae tempore et quo res iudicatur aus Paulus 21 ed D. 6,1,27,1 wolle nur ein den Regeln übergeordnetes Prinzip geben; er sei aber nicht selbst eine Rechtsregel. 232 233
178
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
4. Exkurs: Zur Grammatik der Formel Man kann fragen, inwieweit der Grundsatz, es komme auf den Zeitpunkt der litiscontestatio an, schon sprachlich auf die Grammatik der Formel rückführbar ist, oder ob der Grundsatz nicht vielmehr auf juristische Arbeit zurückgeht. Die intentio steht im Präsens, das gilt für die bonae fidei iudicia (quidquid dare facere oportet ex fide bona), für die strengrechtliche condictio (si paret dare oportere) und für die vindicatio (si paret rem ex iure Quiritium Auli Agerii esse). Die condemnatio steht, wenn man ein condemnato235 zugrundelegt, im Futur, geht man von condemna236 aus, im Präsens. Auf den Codex Veronensis kann es dabei nicht ankommen237. Die lex Rubria hat condemnato, ebenso die Formel der condictio in TPSulp 34; die Formel der actio tutelae aus dem Babatha-Archiv hat katakreina/twsan, das ist der Imperativ der 3. Person Mehrzahl Aorist und würde condemnanto entsprechen, also dem Imperativ der 3. Person Mehrzahl Futur. Die Frage soll hier offenbleiben238. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Formulierung der Formel rein grammatikalisch nicht ein Abstellen auf den Zeitpunkt der litiscontestatio bedeutet. Das Präsens der intentio ist Bedingung der condemnatio. Aus Sicht des Prätors mag daran gedacht sein, dass es auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der litiscontestatio ankomme. Wenn aber der Judex anhand der Formel überlegt, ob er verurteilen soll, meint doch die Formel, er solle darauf sehen, wie sich die Lage im Moment seiner Überlegung darstellt, nicht darauf, wie die Lage in einem bestimmten Punkt der Vergangenheit war239. Wenn also entscheidend der Zeitpunkt der litiscontestatio ist, beruht dies nicht auf dem Formelwortlaut, sondern auf juristischer Interpretation240.
235 Dieses condemnato könnte Futur Imperativ der zweiten und der dritten Person sein. Denkbar wäre etwa ein Wechsel von der 3. Person (Formelvorschlag des Klägers vor dem Prätor) zur 2. Person (Anweisung des Prätors an den Judex). Die Form condemnato findet sich im Codex Veronensis nur zweimal, nämlich in G. 4,43, wo Gaius die condemnatio erläutert und wo auch condemna sich findet, und in G. 4,47. 236 Die Form condemna findet sich im Codex Veronensis dreimal, nämlich in G. 4,43, G. 4,50, (in G. 4,86 findet sich nur die Abkürzung csnpa). 237 Es findet sich die eine Form zweimal, die andere dreimal; in G. 4,43 finden sich beide Formen, zudem gibt es Mischungen der Art condemna, si non paret absolvito (G. 4,43). 238 Zur Frage siehe etwa Kaser / Hackl, § 44 III, S. 310. 239 Insofern ist zu präzisieren die Aussage in Kaser / Hackl, § 42 II, S. 296: „Wo die formula im Präsens spricht, bezieht sie sich auf den Augenblick der litiscontestatio, in dem die Formel rechtliche Wirkung erlangt“. Das mag so sein, aber es handelt sich nicht um eine Frage der Grammatik, sondern um ein juristisches Problem. 240 So steht etwa auch der Formelwortlaut nicht mit der in G. 3,180 überlieferten juristischen Regel der veteres in Einklang. Wenn mit der litiscontestatio das oportere erlischt, könnte die Formel der condictio aus Sicht des Judex im Urteilszeitpunkt mit Recht auch lauten auf si paret Numerium Negidium condemnari oportere.
§ 12 Der Zeitpunkt der Verurteilungsvoraussetzungen
179
Dagegen dürfte auch nicht entscheidend die Tatsache sprechen, dass sich in den Formeln zuweilen ein Futur findet, etwa in der condemnatio ein quanti ea res erit statt eines quanti ea res est241. Aus Sicht des Richters lässt ein quanti ea res est zu, dass er die Verurteilungssumme nach dem aktuellen Wert des Streitgegenstandes bemisst. Ein Vergleich mit einer Formel mit quanti ea res erit könnte zwar darauf hinweisen, es sei bei dem Ausdruck quanti ea res est ein früherer Zustand zugrundezulegen, aber das wäre schon eine juristische Überlegung, keine Frage der Grammatik242.
5. Die Lehre aus G. 3,180 – 181 Dass es auf den Zeitpunkt der litiscontestatio ankomme, steht auch im Zusammenhang mit der Konsumptionswirkung der litis contestatio. Weil das oportere nach einer von Gaius überlieferten alten Spruchregel243 durch die litiscontestatio erlischt, liegt es nahe, für die Frage, ob das oportere vorliegt und welchen Umfang es hat, auf den Zeitpunkt der litiscontestatio abzustellen. Nun gibt es aber bei der Klage mit der actio depositi in factum concepta keine entsprechende Konsumptionswirkung, ebenso wenig es sie bei einer actio in rem gibt244. Auch hier zeigt sich, wie irreführend es sein kann, bei der actio depositi in factum concepta von einer intentio zu reden. Anders gesagt: Die Verurteilungsermächtigung des Judex rührt bei der actio depositi in factum concepta aus der Amtsgewalt des Prätors, nicht aus einer dem ius civile entspringenden Obligation. Daraus ergibt sich die Pointe, dass bei der angeblich strengen actio depositi in factum concepta die Spielräume des Richters sogar freier sein können als bei dem angeblich freien bonae fidei iudicium.
III. Ein Vergleich: Der Besitz als Verurteilungsvoraussetzung bei reivindicatio und actio ad exhibendum Auch bei der actio ad exhibendum genügt es für Ulpian, wenn die Verurteilungsvoraussetzungen zum Urteilszeitpunkt vorliegen. Dies ist auch deshalb interessant, Anders wohl Kaser / Hackl, § 42 II, S. 296 m.Fn. 8. Anders ist dies bei der condemnatio der actio furti nec manifesti. Dort heißt es: … quanti ea res fuit, cum furtum factum est … (vgl. Lenel, EP3 328 f. m.Fn. 10). Hier wird dem Judex mitgeteilt, auf welchen Punkt der Vergangenheit er abstellen soll. 243 Vgl. G. 3,180 – 181. Gaius handelt vom Erlöschen der Obligationen; er meint anscheinend nur Klagen, deren Formeln ein ziviles oportere enthält. Das zeigt deutlich G. 4,107: Nur bei Klagen mit ziviler intentio führt ein iudicium legitimum zur Konsumption; bei actiones in rem und in factum bedarf es stets der exceptio rei iudicatae. Deutlich und mit Begründung, dem Inhalt nach sicher zutreffend, FA. 111. 244 Vgl. G. 4,107. Siehe dazu vorherige Fn. 241 242
180
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
weil actio depositi und actio ad exhibendum teilweise einen sich überschneidenden Anwendungsbereich haben.245 Ausgangspunkt sei nach Kaser gewesen, dass bei der reivindicatio der Besitz zu beiden Zeitpunkten, zum Zeitpunkt der litiscontestatio und zum Urteilszeitpunkt, vorgelegen habe müsse246. Nach Kaser verzichten aber die insoweit siegreichen Prokulianer bei der reivindicatio auf das Besitzerfordernis im Zeitpunkt der litiscontestatio247. Dieses sei ihnen möglich, weil der Besitz nicht in der intentio stehe248. Für die actio ad exhibendum habe dasselbe gegolten: Die Prokulianer hätten sich mit dem Besitzerwerb nach litiscontestatio begnügt249. Dabei habe es bei der reivindicatio ein Wechselspiel zwischen der Frage, auf welchen Zeitpunkt hinsichtlich des Besitzerfordernisses abzustellen war, und der Frage, ob bei einer etwaigen Klage eine Klage über eadem res vorgelegen hätte, gegeben250. Es habe ein Schulengegensatz bestanden: Nach den Sabinianern sei bei der reivindicatio der Beklagte, der erst nach litiscontestatio, aber vor dem Urteilszeitpunkt den Besitz an der Sache erlangt habe, freizusprechen gewesen. Denn es habe die Voraussetzung, dass der Besitz zu beiden Zeitpunkten vorliegen muss, nicht bestanden. Dafür aber habe der Kläger erneut klagen können, denn der Besitzerwerb des Beklagten nach litiscontestatio habe eine alia res geschaffen251. Die Prokulianer aber hätten in diesem Falle den Beklagten verurteilt, weil es für sie genügt habe, dass der Besitz zum Urteilszeitpunkt vorliege252. Dafür sei aber nach den Prokulianern dem Kläger eine neue Klage nicht möglich gewesen, weil das einen Prozess über eadem res bedeutet hätte253.
245 Zur Konkurrenz von actio depositi und actio ad exhibendum siehe im Einzelnen noch § 17 III. 246 Unter Hinweis auf Paulus 21 ed D. 6,1,27,1: Possidere autem aliquis debet utique et litis contestatae tempore et quo res iudicatur …Vgl. Kaser, Nochmals Besitz und Verschulden 97 f., SZ 98. 247 Kaser, Nochmals über Besitz 136, SZ 98. Gleichwohl habe der Prätor die reivindicatio denegieren müssen, wenn beide Parteien den Nichtbesitz vortragen (a. a. O.). 248 Vgl. Kaser, Nochmals über Besitz 137, mit Hinweis auf Ulp. 29 ed D. 15,1,30pr. (… intenditur enim recte …), wo die Prokulianer Proculus und Pegasus selbst bei dem Vergleich der von ihnen gleichbehandelten actio de peculio und reivindicatio auf die intentio abstellen. 249 Vgl. Ulp. 24 ed D. 10,4,7,4: Si quis non possideat litis contestatae tempore, sed postea ante sententiam possidere coeperit, oportere dici putamus debere condemnari, nisi restituat. Dazu Kaser, Nochmals über Besitz 136 m.Fn. 299: Dass putamus deute den Schulenstreit an. Manche sehen in Ulpian einen Spätprokulianer (zuletzt Avenarius, Der pseudo-ulpianische liber singularis regularum 140). Nach Kaser (a. a. O. S. 102 m.Fn. 89) habe man sich bei der actio ad exhibendum ganz an das Vorbild der reivindicatio gehalten; die erstere Klage habe der Vorbereitung der letzteren gedient. 250 Dazu und zum Folgenden vgl. Kaser, Nochmals über Besitz 138 f. 251 Kaser, Nochmals über Besitz 136, SZ 98. 252 Kaser, Nochmals über Besitz 136, SZ 98, mit Hinweis auf Paulus 21 ed D. 6,1,27,1 zur reivindicatio, wo sich Paulus auf Proculus beruft; ferner auf Ulp. 24 ed D. 10,7,4 zur actio ad exhibendum, schließlich auf Ulp. 29 ed D. 15,1,30pr.
§ 12 Der Zeitpunkt der Verurteilungsvoraussetzungen
181
Nicht klar ist, ob man ein solches Wechselspiel auch für die actio ad exhibendum annehmen kann. Ulpian lässt zwar in 24 ed D. 10,4,7,4254 eine Verurteilung des Beklagten bei Besitzerwerb nach litiscontestatio zu, gibt aber andererseits dem Kläger bei nachträglichem Besitzerwerb auch die Möglichkeit einer zweiten Klage in Ulp. 80255 ed D. 44,2,18256. Ein Unterschied ist sofort ersichtlich: In der ersten Stelle erfolgt der Besitzerwerb vor dem Urteil, in der zweiten nach dem Urteil. Der nachträgliche Besitzerwerb ließ sich also im zweiten Fall von D. 44,2,18 nicht mehr im Erstprozess berücksichtigen. Damit ist aber noch keinesfalls gesagt, dass es nicht doch der prokulianischen Lehre entsprochen hätte, auch in diesem Fall eine zweite Klage zu verneinen257. Verschiedene Ansätze sind denkbar258. Diese Frage kann hier nicht vertieft werden und soll dahinstehen.
253 Kaser, Nochmals über Besitz 138 f., SZ 98. Dass die Prokulianer eine exceptio rei iudicatae gewährt hätten, entnimmt Kaser der Aussage des Neraz in Ulp. 75 ed D. 44,2,9,1; dass die Sabinianer den zweiten Prozess für einen über eine alia res ansahen, entnimmt er Gaius 30 edpr D. 44,2,17. Die Sabinianer hätten den Besitz als Klagegrundlage angesehen und so behandelt, als stehe er in der intentio; daher habe ein Besitzerwerb nach litiscontestatio eine alia res geschaffen. Die Prokulianer aber hätten, eben weil der Besitz nicht in der intentio verlangt wurde, trotz nachträglichen Besitzerwerbes eadem res angenommen (Kaser a. a. O. 137, 139). 254 Ulp. 24 ed D. 10,4,7,4: Si quis non possideat litis contestatae tempore, sed postea ante sententiam possidere coeperit, oportere dici putamus debere condemnari, nisi restituat. 255 Nach Lenel behandelte Ulpian im 80. Buch seines Ediktskommentars die Stipulation ratam rem haberi (P II, Ulpian 1740, Sp. 880). Diese Stipulation muss der Prokurator, der den Kläger vertritt, dem Beklagten abgeben, um den Beklagten gegen einen Zweitprozess durch den Kläger selbst zu schützen (vgl. Kaser / Hackl, § 29 III 3, S. 215 f.; zum Inhalt der cautio siehe dort § 39 II, S. 280). Diese cautio konnte aber nur Bedeutung haben, wenn die Klage des Klägers im Falle, er hätte den ersten Prozess auch selbst geführt, eine Klage über eadem res gewesen wäre. Das mochte Ulpian dazu bringen, zu erörtern, wann eine eadem res vorliegt. 256 Ulp. ed D. 44,2,18: Si quis ad exhibendum egerit, deinde absolutus fuerit adversarius, quia non possidebat, et dominus iterum agat nancto eo possessionem: rei iudicatae exceptio locum non habebit, quia alia res est. 257 Dass in diesem Fall eine zweite Klage möglich sein muss, könnte uns gerecht und sachrichtig erscheinen; doch geht es darum nicht. Wie etwa die Lehre von der plurispetitio zeigt, hatten die römischen Juristen andere Vorstellungen von Gerechtigkeit. Immerhin hatte der Kläger den Beklagten zu Unrecht verklagt. Dass ihm dann immer noch ein zweiter Prozess möglich sein soll, ist nicht selbstverständlich, insbesondere wenn man sich fragt, warum der Kläger auf dem ersten Prozess beharrt hatte, da doch der Beklagte sicherlich in iure seinen Nichtbesitz vorgetragen haben wird. 258 Erstens mögen die Prokulianer in der Tat den Begriff der eadem res bei der actio ad exhibendum wie bei der reivindicatio verstanden haben, so dass dem Kläger ein zweiter Prozess unmöglich war, wenn der Beklagte den Besitz vor litiscontestatio erlangt hatte. Ulpian als (angenommener) Spätprokulianer hätte eine zweite Klage ermöglicht, weil der Besitz erst nach litiscontestatio wiedererlangt worden war. Zweitens könnten die Prokulianer die actio ad exhibendum wie die reivindicatio behandelt haben und einen zweiten Prozess auch dann ausgeschlossen haben, wenn der Besitz erst nach dem Urteil an den Beklagten gelangte. Ulpian wäre dann nicht der Meinung der Prokulianer gefolgt. Drittens könnten die Prokulianer hinsichtlich der Fragen der eadem res die actio ad exhibendum auch anders behandelt haben als die reivindicatio; Ausgangspunkt dafür könnte gewesen sein, dass die actio ad exhibendum anders als die reivindicatio den Besitz in ihrer Formel benannte.
182
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
Damit weist die actio depositi eine Parallele zur actio ad exhibendum auf. Auch bei dieser erörtert Ulpian in seinem Ediktskommentar, nach Lenel259 bei der Kommentierung des quod Numerius Negidius possidet der Klageformel, Fälle, in denen der Beklagte bei litiscontestatio die Sache nicht besitzt, aber noch vor dem Urteil erlangt, den Besitz nach litiscontestatio verliert oder zum Zeitpunkt der litiscontestatio besaß, dann den Besitz verlor, vor dem Urteilszeitpunkt aber wieder den Besitz erlangte260. Vergleichbar mit unserer Stelle D. 16,3,1,21 erscheint davon am ehesten Ulp. 24 ed D. 10,4,7,4261. Auch hier wird der Besitz von Ulpian als Verurteilungsvoraussetzung also nur im Urteilszeitpunkt verlangt, nicht zum Zeitpunkt der litiscontestatio. Nach Kaser262 folgt damit die Behandlung der actio ad exhibendum der Behandlung der reivindicatio, deren Vorbereitung die erste Klage diene.
IV. Die Lehre des Neraz Wir hatten gesehen, dass es für Ulpian genügt, wenn der dolus des Verwahrers nach litiscontestatio eintritt; ferner hatten wir gesehen, dass der Formelwortlaut der actio depositi in factum concepta nicht zwingend das Vorliegen aller Verurteilungsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der litiscontestatio verlangt (§ 12 II). Nun würde man aber andererseits genau das erwarten, dass nämlich die Verurteilungsvoraussetzungen schon im Zeitpunkt der litiscontestatio vorliegen müssen, jedenfalls wenn man in der actio depositi (in factum concepta) eine deliktische Klage wegen doloser Nichtrückgabe oder doloser Herbeiführung der Unmöglichkeit der Nichtrückgabe sieht. Wenn die actio depositi in factum concepta das jemals war, dann hat Neraz einen wichtigen Umbruch in der Lehre der actio depositi herbeigeführt263, indem er aus der actio depositi in factum concepta eine Klage auf Rückgabe der Sache machte. Ausgangspunkt ist dabei der Grundsatz, dass die Verurteilungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der litiscontestatio vorliegen müssen264, im Falle der actio depositi in factum concepta also das dolo malo redditam non esse, die Nichtrückgabe und der dolus.
Lenel, P II, Ulpian 720, Sp. 558 Fn. 1. Vgl. Ulp. 24 ed D. 10,4,4 – 6. 261 Ulp. 24 ed D. 10,4,7,4: Si quis non possideat litis contestatae tempore, sed postea ante sententiam possidere coeperit, oportere dici putamus debere condemnari, nisi restituat. 262 Kaser, Nochmals über Besitz 102 bei Fn. 89, SZ 98. 263 Taubenschlag, Geschichte II 138 ff. Vorsichtiger würde man formulieren, dass die ersten Belege für eine entsprechende Lehre, die uns überliefert sind, von Neraz stammen. Neraz war Konsiliar Trajans, Prätor um 88 – 90 n.Chr. und starb nach 133 (vgl. Giaro, NP VIII s.v. 5, Sp. 845). Dass Neraz einen Umbruch in der Lehre von der actio depositi herbeigeführt hat, heißt natürlich noch nicht, dass es nicht nach Neraz noch Entscheidungen gibt, die mit der alten Lehre vereinbar sind. 264 Dies ist, wie im § 12 II versucht wurde darzulegen, keine Rechtssatz, sondern nur der Startpunkt für die Diskussion. 259 260
§ 12 Der Zeitpunkt der Verurteilungsvoraussetzungen
183
1. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,20 – 22 Neraz verzichtet auf die explizite Feststellung des dolus, wenn im Zeitpunkt der Verurteilung die Sache noch beim Verwahrer ist (im Fall des rem habere265): Ulp. 30 ed D. 16,3,1,20266: Non tantum praeteritus dolus in depositi actione veniet, sed etiam futurus, id est post litem contestatam267.
265 Dabei versteht Neraz das rem habere so, dass mit ihm die Rückgabemöglichkeit verbunden ist. Das zeigt ganz deutlich der Fall der fehlenden Restitutionsmöglichkeit (cum restituendi facultatem non habeas), der vom Fall des Sachverlustes dadurch verschieden ist, dass der Verwahrer die Sache hat. Dennoch liegt in diesem Fall im Sinne des Neraz kein rem habere vor; nach dem dolus ist zu forschen. 266 Literatur: Levy, Actiones arbitrariae 72 f., SZ 36; Wubbe, Gaius et les contrats réels 517; Burillo, Las formulas 281 ff. Kaser hat die umfangreichen Interpolationsverdächtigungen (Restituere2 143 ff.) nicht aufrechterhalten und ging später davon aus, dass die §§ 20 und 21 im wesentlichen echt seien (Restituere2 223). Kaser ging 144 f. von dem Postulat aus, dass die Verurteilungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der litiscontestatio vorliegen müssten. Daher müsse die Stelle entweder unecht sein oder einen Fall behandeln, in dem vor litiscontestatio auch schon ein dolus des Verwahrers vorgelegen habe. Wlassak, Praescriptio 110 Fn. 1, bringt die Stelle in Zusammenhang mit Jav. 10 epist D. 5,1,35 und mit Paulus 7 Plautium D. 5,1,23 und erörtert Fragen der bedingten Prozesseinsetzung und der praescriptio pro reo. Auf diese Fragen kann hier nicht eingegangen werden. Der Unterschied zu D. 5,1,35 dürfte darin liegen, dass es dort um einen Fall geht, in dem beide Parteien ein iudicium über eine zukünftige Schuld einsetzen wollen und beide wissen, dass derzeit noch keine Schuld besteht (antequam aliquid debeatur). Dies erklärt Javolen für unmöglich. Klar ist jedenfalls, dass der Kläger auch ein iudicium über eine in Wahrheit nicht bestehende Schuld erlangen kann; denn es ist ja erst Aufgabe des Judex zu prüfen, ob die Schuld besteht. In D. 16,3,1,20 – 21 wird der Hinterleger jeweils behaupten, die Verurteilungsvoraussetzungen lägen schon vor. Man kann vermuten, dass der Prätor die actio depositi denegieren würde, wenn Hinterleger und Verwahrer übereinstimmend vortragen, der Verwahrer habe die Sache ohne dolus verloren (vgl. zum ähnlichen Problem des besitzlosen Beklagten bei der reivindicatio Kaser, Nochmals Besitz und Verschulden 135 f.). Auch Betti, Diritto romano I 612 Fn. 11, zieht D. 5,1,35 und D. 5,1,23 sowie andere ähnliche Stellen heran. Man wird aber einen so allgemeinen Satz wie Paulus 7 Plautium D. 5,1,23 (Non potest videri in iudicium venisse id quod post iudicium acceptum accidisset: ideoque alia interpellatione opus est), dessen Zusammenhang man nicht kennt (vgl. Lenel, P I Paulus 1146, Sp. 1160), kaum einer so konkreten und differenzierten Diskussion wie der in D. 16,3,1,20 – 21 entgegenhalten können. Betti a. a. O. hält dabei aber D. 16,3,1,21 für echt, weil es dort um die facultas restituendi gehe, die nicht in der intentio stehe und daher auch berücksichtigt werden könne, wenn sie erst zum Urteilszeitpunkt vorliege. Diese Argumentation ist nicht überzeugend, denn die facultas restituendi ist indirekt in der intentio enthalten, weil der dolus der intentio nur bei facultas restituendi vorliegt. Das unterscheidet die actio depositi von der reivindicatio, in der der Besitz nicht einmal indirekt in der intentio enthalten ist. Jedenfalls bleibt es dabei, dass in D. 16,3,1,21 die Verurteilungsvoraussetzungen erst im Urteilszeitpunkt vorliegen, nicht schon bei litiscontestatio. Betti meint ferner, § 21 habe mit § 20 nichts zu tun, erst die Kompilatoren hätten beide durch das inde miteinander verbunden. Es ist richtig, dass Ulpian und Neraz einen verschiedenen Blickwinkel einnehmen; wie sich im Text aber zeigen wird, vertreten sie grundsätzlich dieselbe Position.
184
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
Ulp. 30 ed D. 16,3,1,21268, 269: Inde scribit Neratius, si res deposita sine dolo malo amissa sit et post iudicium acceptum reciperaretur, nihilo minus recte ad restitutionem reum compelli nec debere absolvi, nisi restituat270. idem Neratius ait, quamvis tunc tecum depositi actum sit, cum restituendi facultatem non habeas horreis forte clusis271, tamen, si ante con-
267 Der Schluss, in dem der Begriff des dolus futurus als dolus post litem contestatam erläutert wird, wird zuweilen als Glosse aufgefasst (vgl. Ind.Itp.). Inhaltlich ist aber jedenfalls genau das gemeint: ein dolus, der erst nach der litiscontestatio begangen wird. 268 Zu Kasers früheren Interpolationsannahmen siehe die Fußnote zur vorherigen Stelle D. 16,3,1,20. Gegen Kasers frühere Interpolationsargumente siehe nur Litewski, Depositary’s liability 23 Fn. 73. 269 Literatur: Litewski, Depositary’s liability 22 f.; Levy, Actiones arbitrariae 72 f., SZ 36; Burillo, Las formulas 281 ff.; Herdlitczka, Zwischenurteil 60 ff. Taubenschlag, Geschichte 138 ff. hat die heute wohl herrschende Ansicht befestigt, dass sich die §§ 20 – 21 auf die formula in factum concepta bezögen. Neraz habe (Ders. a. a. O. 151 f.) aus der pönalen actio in factum concepta eine reipersekutorische gemacht und die Klage auf den Boden des Vertragsrechts gestellt; der Klagegrund sei danach derselbe gewesen wie bei der formula in ius concepta. Burillo, Las formulas 281 ff., entnimmt der Stelle, dass Neraz die formula in ius concepta noch nicht kannte, denn die Überlegungen, die Neraz anstellt, seien bei dieser Formel nicht nötig gewesen. Das wäre aber nur richtig, wenn Neraz nach dem Aufkommen der formula in ius concepta nicht mehr Probleme der formula in factum concepta hätte behandeln dürfen. Dies wird man nicht zugeben können. Zudem setzt die Argumentation Burillos voraus, dass für die formula in ius concepta es von Anfang an selbstverständlich war, dass die Verurteilungsvoraussetzungen nicht schon zum Zeitpunkt der litiscontestatio vorliegen müssen. Auch dies ist fraglich. Sacconi, La „pluris petitio“ 32 f. m.Fn. 78, hält es für wahrscheinlich, dass die Sabinianer eine andere Ansicht als der Prokulianer Neraz vertreten und also den Verwahrer freigesprochen hätten. Der Stelle selbst lässt sich das nicht entnehmen. Das hier ein Kontroversenbericht getilgt wurde, ist ebenso möglich wie kaum beweis- oder widerlegbar. Immerhin fällt auf, dass der § 21 sich mit einem inde an die pauschale Feststellung des § 20 anschließt. Der (Spätprokulianer?) Ulpian scheint jedenfalls keinen großen Diskussionsbedarf mehr gesehen zu haben. Zum Schulenstreit hinsichtlich des Besitzerfordernisses bei reivindicatio und actio ad exhibendum und möglichen Zusammenhängen mit dem depositum siehe oben § 12 III. Ein Teil der Literatur zieht die Stelle neben D. 16,3,1,20 u. 22 zur Erörterung der Organisation der horrea heran, siehe dazu im Text. Wubbe, Gaius et les contrats réels 521 m.Fn. 54, sieht im ad restitutionem compelli einen Hinweis auf das iusiurandum in litem, durch den der Verwahrer zur Rückgabe angehalten worden sei; ebenso Erman, Rez. Leonhard, Die Replik, 409, SZ 27, mit weiteren Stellen. Damit wird etwa ein Interpolationsargument Kasers, das ad restitutionem compelli sei im Formularprozess fehl am Platz, entkräftet. 270 Das restituat statt eines reddat ist auffällig. Man hat zu Unrecht versucht, es mit der Sigle nr im Codex Veronensis in G. 4,47 in Verbindung zu bringen (siehe oben § 2 II 1). Die Wortwahl könnte damit zusammenhängen, dass es um einen Zeitpunkt nach der litiscontestatio geht. 271 Die Konstruktion horreis forte clusis ist ein Ablativus absolutus und lässt es zu, darin eine später in den Text geratene Glosse zu sehen, die vielleicht aus dem folgenden § 22 inspiriert sein könnte. Immerhin ist das Beispiel im Text des Neraz nicht weiter veranlasst. Das Beispiel soll besagen, der Verwahrer habe die bei ihm hinterlegte Sache in einem horreum gelagert, zu dem er zum Zeitpunkt der litiscontestatio keinen Zugang hatte. Das wird im folgenden § 22 umschrieben mit quid enim si in provincia res sit vel in horreis, quorum aperiendo-
§ 12 Der Zeitpunkt der Verurteilungsvoraussetzungen
185
demnationem restituendi facultatem habeas, condemnandum te nisi restituas, quia res apud te est: tunc enim quaerendum, an dolo malo feceris, cum rem non habes. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,22272: Est autem et apud Iulianum libro tertio decimo digestorum scriptum eum qui rem deposuit statim posse depositi actione agere: hoc enim ipso dolo facere eum qui suscepit, quod reposcenti rem non reddat. Marcellus autem ait non semper videri posse dolo facere eum, qui reposcenti non reddat: quid enim si in provincia res sit vel in horreis, quorum aperiendorum condemnationis273 tempore non sit facultas? vel condicio depositionis non exstitit?274 rum condemnationis tempore non sit facultas? Zur Echtheit der Speicherfälle siehe weiter unten im Text. 272 Literatur: Michel, Gratuité 374 f.; MacCormack, Mid-classical Jurists 130 f.; Litewski, Depositary’s liability 23 ff.; Taubenschlag, Geschichte 141 f. Ausführlich zur Stelle Rastätter, Marcelli notae 98 ff. Rastätter geht es vor allem um den Inhalt und den Wert der Noten des Marcellus. Für ihn spricht aus den Anmerkungen schulmeisterliche Pedanterie. Ihm mag darin zuzustimmen sein, dass kein Jurist ohne die Anmerkungen des Marcellus den Julian mißverstanden hätte. Denn auch der Juliansatz ist so zu verstehen, dass Nichtrückgabe nur dann dolus bedeute, wenn die Rückgabe auch faktisch möglich ist (Rastätter a. a. O. 100). Für uns als Leser der Digesten, die schon den vorhergehenden § 21 kennen, ist das natürlich noch deutlicher. Nach Rastätter dienten die Noten dem Unterricht (zustimmend Liebs, HLL IV 111: „Lehrgang für Fortgeschrittene“). Zweifel am Wert der Noten sind freilich angebracht, siehe dazu im Text. Noch kritischer zur in D. 16,3,1,22 überlieferten Marcellusnote ist Backhaus, Rez. Rastätter 371 m.Fn. 23, SZ 101: Die banale Einschränkung werde durch pathetische rhetorische Fragen überhöht. Den Marcellus treffe der Spott des Paulus in 10 quaest D. 31,82,2 zu Recht. Kritisch zur Note auch Voci, ‚Diligentia‘ 79, SDHI 56. Die Fälle des Marcellus seien einem Julian gegenüber Albernheiten. Voci bezieht in die Kritik auch Ulpian ein; denn der stimme ja Marcellus zu. Die Note des Marcellus überzeugt auch deshalb nicht, weil etwa der Fall von Paulus 31 ed D. 16,3,31pr., in dem der Verwahrer dem Erben oder procurator die Sache nicht zurückgibt, weil er deren Stellung bezweifelt, geeigneter gewesen wäre, die Aussage Julians zu kritisieren. Wubbe, Gaius et les contrats réels 517 ff., legt die Schwerpunkt auf die Darstellungsweise Ulpians: Ulpian habe die Marcellusnote deshalb angefügt, weil ihm die Aussage Julians unpräzise erschien. So habe Ulpian etwa in Ulp. 31 ed D. 17,1,8,9 sich genauer ausgedrückt und betont, dass es auf das tatsächliche Können ankomme (Dolo autem facere videtur, qui id quod potest restituere non restituit). Wubbe vergleicht den Fall dann mit Jul. 13 dig D. 16,3,15: Dort gebe Julian selbst einen Fall, wo die Verweigerung der Rückgabe trotz Rückgabemöglichkeit nicht schon dolus bedeute. Marrone (La ‚Facultas restituendi‘ 540 m.Fn. 13) zählt bei seiner Untersuchung zum Begriff der facultas restituendi in Ulp. 16 ed D. 6,1,9 auch unsere Stellen zu denen, in denen facultas nicht einfach ein physisches Können bezeichne, sondern wie meistens ein rechtliches Können, ein subjektives Recht, auch einem Privaten gegenüber. Zu unserer Stelle führt Marrone diesen Gedanken nicht weiter aus. Man wird dies aber beim Durchdenken des horreumFalls im Auge haben müssen. 273 Condemnationis stamme nach Lenel (P II, Ulpian 895, Sp. 614 Fn. 5) nicht von Ulpian. Es wird sich in der Tat zeigen, dass die Betonung gerade des Urteilszeitpunktes sachlich nicht überzeugend ist. De Robertis (La responsabilità contrattuale nel diritto romano dalle origini a tutta l’età postclassica 114 Fn. 63 u.ö.) schlägt ohne Begründung vor contestationis statt condemnationis. 274 Den ganzen Schluss ab quid enim verdächtigt Biondi, Actiones noxales 262 Fn. 3. Seine Begründung ist aber so für sich allein unzureichend. Biondi hält es für typisch, dass die Kompilatoren condemnatio für litiscontestatio setzen. Aber in den vorhergehenden §§ 20 und 21
186
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
2. Der Gang der Darstellung Ulpians Der Gang der Darstellung Ulpians ist folgender: a) Ulpian beginnt mit der Feststellung, dass auch ein dolus futurus, also ein nach litiscontestatio begangener dolus die Klage begründet mache. Zur Erläuterung (inde) führt er dann im § 21 Neraz an. Das überrascht zunächst, denn während Ulpian auf den dolus post litem contestatam abstellt, scheint Neraz gerade auf den dolus zu verzichten. Dieser Verzicht des Neraz ist aber nur scheinbar, wie sich zeigen wird. Neraz bringt zwei Fälle, in denen die Verurteilungsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der litiscontestatio nicht vorlagen, wohl aber zum Zeitpunkt der condemnatio, weil in der Zwischenzeit sich die Sachlage geändert hat: Die Sache ist an den Verwahrer zurückgekommen, der Verwahrer hat die facultas restituendi erlangt. Nach Neraz ist der Verwahrer zu verurteilen. Dabei stammt der ganze § 21 von Neraz275. b) An den § 21 schließt sich der § 22 an. Fraglich ist, ob der § 22 noch im Zusammenhang mit den §§ 20 und 21 steht. Dafür spräche der Speicherfall, der sowohl in § 22 als auch in § 21 eine Rolle spielt. Es wird sich aber zeigen, dass der Speicherfall wahrscheinlich in beiden Fällen auf eine unverständige Glosse zurückgeht. Zudem ist davon auszugehen, dass Ulpian mit est autem in seinem Ediktskommentar einen neuen Sinnabschnitt einleitet276. Das zeigt, dass jedenfalls Ulpian zwischen den beiden Speicherfällen keinen näheren Zusammenhang sah. Auch das statim Julians zeigt, dass das Thema Julians ein anderes war als das in den §§ 20 u. 21 erörterte. Julian sagt im § 22, dass der Hinterleger sofort die actio depositi erheben könne; er könne also jederzeit die Sache zurückverlangen. Denn allein schon dadurch hanging es gerade um die Frage, zu welchem der beiden Zeitpunkte die Verurteilungsvoraussetzungen vorliegen müssen, so dass es nicht verwundern kann, dass im § 22 auch auf den Urteilszeitpunkt abgehoben wird (in diesem Sinne auch Rastätter, Marcelli Notae 99; Litewski, Depositary’s Liability 24 Fn. 76). 275 Der gesamte § 21 ist in indirekter Rede gehalten, auch der Schlusssatz. Die Auslassung von esse ist üblicher als die von est, so dass quaerendum zu einem AcI gehört und parallel zu dem jedenfalls von Neraz stammenden condemnandum te steht. Zudem passt der Satz inhaltlich nicht zu Ulpian, da dieser, wie der vorhergehende § 20 zeigt, gerade die Frage nach dem dolus stellt und einen dolus post litem contestatam bejaht. Auf die Abweichung in den Basilikenscholien kann es nicht ankommen. 276 Beispielhaft seien aufgeführt: In 4 ed D. 2,13,6,7 geht Ulpian über von der Kommentierung der Worte „quae ad se pertinet“ zur Kommentierung des Wortes „edi“ (vgl. Lenel, P II, Ulpian 236, Sp. 431). In 6 ed D. 3,1,1,2 geht Ulpian von der laudatio edicti über zur Erklärung des Wortes postulare. In 6 ed D. 3,2,4,4 findet sich der Übergang von calumniator zu praevaricator; in 9 ed D. 3,3,35,3 beginnt die Erklärung von defendere; in 11 ed D. 4,4,11,3 der Kommentar von „uti quaeque res erit“ (403, Sp. 474 f.). Dieser Befund ist auch ernst zunehmen. Denn in der antiken Literatur hatten Überleitungswendungen dieselbe Funktion wie heute Satzzeichen und Absätze. Sie waren daher notwendig und ein gleichlautender Gebrauch lag nahe.
§ 12 Der Zeitpunkt der Verurteilungsvoraussetzungen
187
dele er dolos, dass er die Sache dem Rückfordernden nicht zurückgebe (vorausgesetzt, die Rückgabe ist ihm möglich)277. Julian setzt voraus, dass die Sache noch nicht zurückgegeben wurde. Nach der systematischen Stellung im Ediktskommentar und dem augenscheinlichen Formelzitat liegt es nahe, die Stelle auf die formula in factum concepta zu beziehen. Dann geht es Julian um die Frage, wann der dolus malus vorliegt. Allein die Nichtrückgabe begründe den dolus. Dabei legt das statim nahe, dass die Betonung auf dem zeitlichen Aspekt liegt: Julian geht es also gerade um die Fälligkeit der Rückforderung: Die Rückforderung ist sofort fällig. Zu Recht bringt man diese Stelle daher mit Ulp. 30 ed D. 16,3,1,45 – 46 in Verbindung278, wo Ulpian erklärt, dass die Vereinbarung eines Rückgabetermins den Hinterleger nicht bindet; dieser könne jederzeit mutata voluntate die Sache zurückfordern279. Dieser Grundsatz ist dem Verwahrer auch zumutbar. Er hat kein eigenes Interesse an der Verwahrung; er darf die Sache nicht nutzen, sondern beginge durch die Nutzung sogar ein furtum. Da er nur für dolus einzustehen hat, muss er auch keine Nachteile befürchten, wenn er von der Rückforderung überrascht wird. Haben die Parteien einen Rückforderungstermin vereinbart, wird man dem Verwahrer eben in der Regel keinen dolus vorwerfen können, wenn ihm die Rückgabe nicht sofort möglich ist. Mit dieser Interessenlage beim depositum stimmt es überein, dass beim commodatum der Verleiher an die vereinbarte Dauer der Überlassung gebunden ist280. Es stellt sich, auch in Bezug auf die Marcellusnote, die Frage, ob sich das statim nur auf eine Terminvereinbarung bezieht, oder auch auf die Vereinbarung einer Bedingung. Ist eine Bedingung festgesetzt, diese aber unbeachtlich, drücken die Juristen auch mit statim aus, dass die Klage sofort auch ohne Eintritt der Bedingung erfolgreich erhoben werden kann281. Dass Julian die Aussage auch auf Bedingungen 277 Diese Voraussetzung ist bei Julian hinzuzudenken. Darauf weist auch die Note des Marcellus hin. 278 Michel, Gratuité 374 f. 279 Ulp. 30 ed D. 16,3,1,45 – 46: Si deposuero apud te, ut post mortem tuam reddas, et tecum et cum herede tuo possum depositi agere: possum enim mutare voluntatem et ante mortem tuam depositum repetere. § 46: Proinde et si sic deposuero, ut post mortem meam reddatur, potero et ego et heres meus agere depositi, ego mutata voluntate. 280 Vgl. Paulus 29 ed D. 13,6,17,3: Sicut autem voluntatis et officii magis quam necessitatis est commodare, ita modum commodati finemque praescribere eius est qui beneficium tribuit. cum autem id fecit, id est postquam commodavit, tunc finem praescribere et retro agere atque intempestive usum commodatae rei auferre non officium tantum impedit, sed et suscepta obligatio inter dandum accipiendumque. geritur enim negotium invicem et ideo invicem propositae sunt actiones, ut appareat, quod principio beneficii ac nudae voluntatis fuerat, converti in mutuas praestationes actionesque civiles. … . Zu diesem Vergleich siehe etwa Michel, Gratuité 374 f. Pernice (Parerga. III. Zur Vertragslehre 225, SZ 9) sieht in der jederzeitigen Rückforderbarkeit einen wesentlichen Unterschied zu den anderen Realverträgen, bei denen die Sache für einen bestimmten Zeitraum überlassen wird. 281 Vgl. Labeo 2 post a Iav. D. 28,7,20pr.: Mulier, quae viro suo ex dote promissam pecuniam debebat, virum heredem ita instituerat, si eam pecuniam, quam doti promisisset, neque petisset neque exegisset. puto, si vir denuntiasset ceteris heredibus per se non stare, quo minus acceptum faceret id quod ex dote sibi deberetur, statim eum heredem futurum. quod si solus
188
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
bezieht und auch die Vereinbarung einer Bedingung für den Hinterleger nicht für bindend hält, ist also zumindest möglich. Auf die Frage ist zurückzukommen. c) Der Fall der verschlossenen Speicher bedarf noch der Vertiefung. Er ist im § 21 nur beiläufig erwähnt, wird aber im § 22 durch die Note des Marcellus zu Julian ausgebaut282. Fraglich ist zum einen, wieso der Verwahrer zum horreum keinen Zugang hat; ferner ist der ganze Fall auch rechtlich zu durchdenken. Zunächst ist klarzustellen, dass der Fall so zu verstehen ist, dass der Verwahrer selbst die Sachen in einem ihm nicht gehörenden horreum untergebracht hat; nicht hat der Verwahrer die Sachen im eigenen Speicher untergebracht; zu eigenen Räumen sollte er jederzeit Zugang haben. Es gab horrea publica zur Aufbewahrung wertvoller Gegenstände283; daneben gab es auch horrea privata für Schmuck284. Es ist nicht leicht erkennbar, worin das Hindernis für den Verwahrer lag, an die hinterlegten Sachen heranzukommen. Man hat die Stellen D. 16,3,1,21 u. 22 zur Erklärung der Organisation der horrea herangezogen285. Thomas286 und Wacke287 entnehmen beide den Stellen, dass der Mieter des einzelnen Lagerplatzes einen Schlüssel für diesen hatte, dass er aber allein ohne den horrearius nicht jederzeit Zugang durch das Haupttor hatte. Nach Alzon288 habe der Mieter eines horreum keinen Schlüssel für sein horreum gehabt, so dass er auf den Lagerhausinhaber angewiesen gewesen sei, um an das Eingelagerte zu kommen; dass Haupttor hingegen sei in der Regel offen gewesen. Nach Wubbe289 habe der Lagerhausinhaber Wächter in seinen Diensten. Die einzelnen Lagerräume seien nicht abgeschlossen, sondern nur das Haupttor; die Schlüssel seien in den Händen der Wächter290. Diese unterschiedlichen Überlegungen zur Organisation der horrea befriedigen nicht, weil die Organisation der horrea nicht die Rechtsfragen aufgeworfen hätte, die die Juristen erörtern. Denn diese Erklärungen, dass der Einlagerer nur mit Hilfe des horrearius wieder an die einge-
heres institutus esset in tali condicione, nihilo minus puto statim eum heredem futurum, quia a) du/natoj condicio pro non scripta accipienda est. 282 Vgl. Marcellus zu Julian in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,22: … Marcellus autem ait non semper videri posse dolo facere eum, qui reposcenti non reddat: quid enim si in provincia res sit vel in horreis, quorum aperiendorum condemnationis tempore non sit facultas? … 283 Siehe Fiechter / RE s.v. horreum 3., Sp. 2459. 284 Siehe Fiechter a. a. O. 5., Sp. 2460. 285 Umfassend zu dieser Frage Alzon, Location de entrepôts 105 zu D. 16,3,1,22, ferner S. 246 f. Fn. 1138. 286 Thomas, Return to „horrea“ 363 f. Fn. 30. 287 Wacke, Lagerhausvermietung 310 Fn. 53. 288 Alzon, Location de entrepôts 106. 289 Wubbe, Haftung des Horrearius 512 m.Fn. 17, SZ 76. 290 In einem Basilikenscholion ou) mo/non o( pro\ th=j prokata/rcewj (Hb II 32, Scheltema B II 643, 5) findet sich die Erläuterung: tuxo\n tw=n w(rei/wn kekleisme/nwn kai\ mh\ paro/ntoj tou= a)noi/gein duname/nou tau=ta. Das Scholion, das die §§ 20 – 22 umfasst, dürfte aus der Indexvorlesung des Stephanus stammen (so Heimbach, Manuale 266). Dafür spricht z. B. der Umfang (vgl. Scheltema, L’enseignement 24) und die Fallbildung mit dem lateinischen Namen Titius (vgl. Scheltema a. a. O. 26). Die Übersetzung lautet: wenn zum Beispiel die horrea verschlossen sind und niemand da ist, der sie öffnen kann.
§ 12 Der Zeitpunkt der Verurteilungsvoraussetzungen
189
lagerten Sachen herankam, weil er etwa nicht über alle notwendigen Schlüssel verfügte, bedeuteten nur eine Verzögerung von Stunden oder höchstens Tagen. Nun hat der Verwahrer aber sicher länger Zeit. Der Hinterleger wird den Verwahrer zur Rückgabe auffordern; er wird die actio depositi edieren; es mag Zeit vergehen zur Ingangsetzung des Prozesses mit Verhandlungen, Vertagungen, Vadimonien. Es kommt zur litiscontestatio; es vergeht weitere Zeit, bis es zum Urteil kommt. Der ganze Vorgang wird Tage dauern, wahrscheinlich Wochen. Insofern ist die Aussage in D. 16,3,1,22 quorum aperiendorum condemnationis tempore non sit facultas seltsam. Als ob es nur auf den Urteilszeitpunkt ankomme. Ein Verwahrer, der wochenlang grundlos die Rückgabe verweigert, wird nicht deshalb freigesprochen, weil am Tage des Urteils die horrea Betriebsferien haben291. Dass aber über Wochen die Organisation der horrea es nicht zulässt, dass die Einlagernden an ihre Sachen kommen, müsste gezeigt werden, liegt eher fern292. Ein Hindernis könnte die Einlagerung in den Speichern nur darstellen, wenn man sich das Hindernis nicht aus der Organisation der Speicher entstehend denkt. Der Zugang zu Speichern kann etwa schwierig sein, wenn der Inhaber der Speicher verstorben ist und sich so schnell kein zuständiger Erbe findet. In einem solchen Fall wäre aber das condemnationis tempore merkwürdig, denn es kann eben nicht nur um eine momentane Unmöglichkeit der Rückgabe gehen. Eine andere Möglichkeit könnte sein: Wenn der Verwahrer die horrea gemietet hatte, waren die hinterlegten eingebrachten Sachen an den Vermieter verpfändet293. Dann hatte der Verwahrer vielleicht nicht das Geld, um die Miete zu bezahlen294. Doch wäre ein solcher Fall merkwürdig ausgedrückt, wo doch nur von Öffnen verschlossener Speicher die Rede ist295. Es soll hier daher vorgeschlagen werden, dass die Speicherfälle in §§ 20 und 21 unverständige Glossen sind, als jemand versuchte, sich den Fall der vorübergehenden Unmöglichkeit des Neraz vorzustellen. Wir behaupten, dass Neraz einen solchen Fall nicht im Ablativus absolutus erzählt hätte. Auch für Marcellus ist der Speicherfall merkwürdig. Wir hatten schon gesehen, dass die §§ 21 und 22 in der Darstellung Ulpians nicht zusammenhängen. Es ist ferner darauf hinzuweisen, dass der erste Fall des Marcellus, den man für echt halten muss, weil sonst kein Beispielsfall übrig bliebe, keineswegs einen Fall der vorübergehenden Unmöglichkeit betrifft. Befindet sich die hinterlegte Sache in der Provinz, ist der 291 Abgesehen davon, dass in einem solchen Fall der Verwahrer in Verzug wäre, so dass ihn die spätere punktuelle Unmöglichkeit nicht entlasten könnte, vgl. Kaser, RP I § 119 II 2, S. 516. 292 Immerhin gab es staatliche Verbote, für eine bestimmte Zeit horrea zu öffnen; doch betraf dies wohl stets Getreidespeicher und hatte politische Gründe. Vgl. etwa Suet. Cal. 26,5 (ac nonnumquam horreis praeclusis populo famem indixit.) zur Grausamkeit Caligulas und Tac. Agr. 19,4 (namque per ludibrium adsidere clausis horreis et emere ultro frumenta ac luere pretio cogebantur) zur Besatzungspolitik der Römer in Britannien. Doch dürfte es sich dabei nur um Staatsspeicher handeln, in denen Staatsgetreide eingelagert war und nicht um Speicher, in denen Privatpersonen Gegenstände einlagerten (zu Staatsspeichern siehe Corbier / NP XII 338 f., s.v. Vorratswirtschaft C 3). Zudem wäre es merkwürdig, sollte mit den Digestenstellen ohne Andeutungen solche Einzelfälle gemeint sein. 293 Vgl. die lex horreorum Caesaris in CIL VI 33747 = ILS II 1, Nr. 5914. 294 Für ein solche Interpretation könnte man das Verständnis Marrones von facultas als rechtliches Können verwerten. 295 Aus diesem Grunde dürfte auch auszuschließen sein, dass dem Verwahrer die Rückgabe wegen eines Krieges oder wegen zu großer Entfernung vorübergehend unmöglich ist.
190
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
Verwahrer nicht verpflichtet, die Sache nach Rom zu schaffen und sie dort zurückzugeben, so dass er mehr Zeit benötigt. Befindet sich die Sache in der Provinz, beschränkt sich die Verpflichtung des Verwahrers auf die Rückgabe an diesem Ort296. Zudem wäre der Fall auch rechtlich merkwürdig: Man kann davon ausgehen, dass der Verwahrer ohne dolus die Sachen im Speicher untergebracht hat. Denn bei doloser Unterbringung im Speicher, durch die er sich die jederzeitige Rückgabemöglichkeit unmöglich macht, sollte der Verwahrer haften. Es stellt sich dann also die Frage, wieso sich die Haftung des Verwahrers nicht auf die Abtretung der Klagen aus der locatioconductio gegen den horrearius beschränkt297. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass auch der dritte Fall merkwürdig ist298. vel condicio depositionis non exstitit, heißt es. An welche Art von Bedingung ist gedacht? Stephanus hat im Index die Bedingung si navis ex Asia venerit299, also das Schulbeispiel für eine ganz normale Bedingung. Aber es ist doch sehr zweifelhaft, ob in einem solchen Fall der Nichteintritt der Bedingung dem Verwahrer geholfen hätte. Denn solche Zusatzvereinbarungen waren nur zu Gunsten des Hinterlegers geschlossen. Den möglichen Widerspruch zu Ulp. 30 ed D. 16,3,1,45 – 46 sieht auch Stephanus300 und klärt ihn so auf, dass es im § 22 um eine Bedingung gehe, in den §§ 45 und 46 um eine Befristung. Erstere binde den Hinterleger, letztere nicht, denn erstere könne im Falle ihres Nichteintritts auch dazu führen, dass der Verwahrer die Sache behalten dürfe301. Andere erwägen, in der condicio eine Anspielung auf die Verwahrung bei einem Sequester zu sehen302. Für den Sequester ist uns immerhin bezeugt, dass man die Hinterlegung bei ihm
296 Vgl. Pomp 22 Sab D. 16,3,12,1. Anders wäre dies nur, wenn die Parteien vereinbart hätten, dass der Verwahrer die Sache auch vom Hinterlegungsort zum Erfüllungsort transportieren solle, vgl. D. 16,3,12pr. 297 Vgl. zu einer solchen Abtretungslösung Afr. 7 quaest D. 16,3,16; zu dieser Stelle siehe § 16 II. 298 Wubbe, Gaius et les contrats réels 518 Fn. 47, erwägt, dieser Fall sei eine nachträgliche Hinzufügung. 299 Scholion ou) mo/non o( pro\ th=j prokata/rcewj (Hb II 31 f., Scheltema B II 643, 18 f., siehe zu diesem Scholion gerade eben) a. E.: … ei)=pe ga\r o( paraqe/menoj: a)podw/seij moi to\ depo/siton, e)a\n h( nau=j e)c A)siaj e/)lq$. h/)rthto de\ te/wj h( ai (/resij. 300 Siehe Scholion Stef. Mh\ e)nantiwq$= soi (Hb II 39; Scheltema B II 648, 3). 301 Interessant und nicht einfach zu verstehen ist Ulp. 30 ed D. 19,5,18: Si apud te pecuniam deposuerim, ut dares Titio, si fugitivum meum reduxisset, nec dederis, quia non reduxit: si pecuniam mihi non reddas, melius est praescriptis verbis agere: non enim ambo pecuniam ego et fugitivarius deposuimus, ut quasi apud sequestrem sit depositum. Die Stelle gehört nach Lenel (P II, Ulpian 890, Sp. 614) hinter D. 16,3,1,14, vgl. etwa die parallelen Fallbildungen von D. 16,3,1,11 u. 12 mit Tu, Ego und Titius. Unter einer ausdrücklichen Bedingung steht hier aber nur die Herausgabe an Titius, nicht die Rückgabe an den Ego. Eine actio depositi sequestraria scheidet aus, weil nur Ego hinterlegt hat, nicht mehrere (vgl. Flor. 7 inst D. 16,3,7pr.; Paulus 2 ed D. 16,3,6). Warum aber hält Ulpian eine actio depositi für weniger geeignet als eine actio praescriptis verbis? Das melius heißt ja nicht, die actio depositi sei schlechthin die falsche Klage; sondern gemeint kann auch nur sein, dass das Risiko zu groß ist, der Judex möchte vielleicht wegen der vereinbarten Bedingung das ganze doch für eine Sequestration halten (die actio depositi sequestraria hatte eine eigene Formel, vgl. Lenel, EP3 290). Jedenfalls kann auch nach Ulpian der Ego das Geld zurückverlangen. Ganz ähnlich Artner, Agere praescriptis verbis 198 f.
§ 12 Der Zeitpunkt der Verurteilungsvoraussetzungen
191
als eine Hinterlegung unter einer Bedingung auffasste303, und sicher ist auch, dass der eine Hinterleger gegen den Sequester vor Eintritt der Bedingung keine Klage hatte304. Zu fragen wäre dann, ob Marcellus in einer Note Julian kritisiert oder präzisiert hätte, indem er auf den bei Julian gar nicht angelegten Fall des Sequesters kam, denn immerhin ist das depositum beim Sequester vom normalem depositum doch sehr verschieden305. Fassen wir die Ergebnisse zusammen, so stammen die Speicherfälle weder von Neraz, Marcellus noch Ulpian306. Ob der Fall des Nichteintritts einer Bedingung echt ist, dürfte ebenfalls fraglich sein.
d) Die Fragmente D. 16,3,1,20 und 21 betreffen die formula in factum concepta307. Das ergibt sich zum einen aus der systematischen Stellung in Ulpians Ediktskommentar, denn § 16 und § 25 gehören auch zur formula in factum concepta308. Weniger sicher ist das Argument, im § 21 fänden sich mit den Hinweisen auf den dolus malus Zitate des Formelwortlauts, während man für das Julianzitat in § 22 durchaus von Zitaten des Formelwortlauts ausgehen kann. Hingegen wäre es nur eine petitio principii, wenn man meinte, ein dolus post litem contestatam ließe sich bei der formula in factum concepta nicht berücksichtigen.
3. Analyse der Positionen Ulpians und des Neraz Sehen wir uns die Aussagen Ulpians und des Neraz in den §§ 20 und 21 genauer an. 302 Etwa Rastätter, Marcelli Notae 100 f.; Michel, Gratuité 374 Fn. 33; Arangio-Ruiz, Sequestro e deposito 240, AG 78. 303 Vgl. Paulus 2 ed D. 16,3,6: Proprie autem in sequestre est depositum, quod a pluribus in solidum certa condicione custodiendum reddendumque traditur. Vgl. auch Labeo 6 post a Jav. D. 16,3,33: Servus tuus pecuniam cum Attio in sequestre deposuit apud Maevium ea condicione, ut ea tibi redderetur, si tuam esse probasses, si minus, ut Attio redderetur… . 304 Vgl. Ulp. 11 ed D. 4,3,9,3: Labeo libro trigensimo septimo posteriorum scribit, si oleum tuum quasi suum defendat Titius, et tu hoc oleum deposueris apud Seium, ut is hoc venderet et pretium servaret, donec inter vos deiudicetur cuius oleum esset, neque Titius velit iudicium accipere: quoniam neque mandati neque sequestraria Seium convenire potes nondum impleta condicione depositionis, de dolo adversus Titium agendum. sed Pomponius libro vicensimo septimo posse cum sequestre praescriptis verbis actione agi, vel si is solvendo non sit, cum Titio de dolo. quae distinctio vera esse videtur. 305 Rastätter, Marcelli Notae 101, hält die Note insoweit für echt und typisch für Marcellus: Es sei charakteristisch für Marcellus, den Geltungsbereich einer Aussage Julians durch Abwandlungen des Sachverhalts zu verdeutlichen. 306 Denkbar wäre etwa ein Zusatz aus dem vorjustinianischen Rechtsunterricht. Zu CasusGlossen, die Beispielsfälle bilden, wenn der Text nur abstrakte Ausführungen hat, siehe Schulz, Einführung 25 ff.; vgl. auch Wieacker, Textstufen 43 ff. 307 Ausführlich und überzeugend Taubenschlag, Geschichte 136 ff., Grünhut 35 (1908). Für die §§ 20 – 23 auch Wubbe, Gaius et les contrats réels 520 Fn. 53. Siehe auch § 6. 308 In § 16 wird augenscheinlich der Wortlaut der formula in factum concepta zitiert, auch war wohl nur bei dieser Formel eine entsprechende Fiktion nötig. Zu § 25 siehe § 13 I.
192
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
a) Der Unterschied in der Begründung Ulpians und des Neraz Hat der Verwahrer die Sache ohne dolus malus verloren, nach litis contestatio aber wieder erlangt, wird der Verwahrer nach Neraz verurteilt, wenn er die Sache nicht zurückgibt. Konnte der Verwahrer die Sache im Zeitpunkt der litiscontestatio nicht zurückgeben, wird der Verwahrer dennoch verurteilt, wenn er nur vor dem Urteilszeitpunkt die Fähigkeit zur Rückgabe wieder erlangt. Damit ist die Klage in der Lehre des Neraz eine Klage auf Rückgabe der Sache geworden309. Sie richtet sich nicht gegen einen dolus des Verwahrers, sondern auf die Rückgabe der Sache. Auf einen vor der litiscontestatio begangenen dolus des Verwahrers kommt es nur noch an, wenn der Verwahrer die Sache nicht mehr hat. Ulpian formuliert die Lehre des Neraz anders; er kann so am dolus-Erfordernis als Klagevoraussetzung festhalten. Ulpian stellt nicht auf das non reddere ab, sondern auf das dolo facere310. Wie Ulpian311 sieht Julian den Vorwurf im dolo facere, denn hoc enim ipso dolo facere eum qui suscepit, quod reposcenti rem non reddat312. Ähnlich begründet den dolus, wenn der Verwahrer die Sache trotz Rückgabemöglichkeit nicht zurückgibt, auch Paulus (quoniam nunc incipit dolo malo facere, si reddere eam non vult313).
Für Ulpian gilt, dass der dolus nicht vor der litiscontestatio vorliegen muss; dolus post litem contestatam genügt. Vgl. Taubenschlag, Geschichte 151 f., Grünhut 35. Zu diesen beiden Vorwürfen siehe § 8 I 2. 311 Der Vorwurf des dolo facere (hoc enim ipso dolo facit, quod id quod ad se pervenit non reddit) findet sich bei Ulpian noch etwa in D. 16,3,1,47: Quia autem dolus dumtaxat in hanc actionem venit, quaesitum est, si heres rem apud testatorem depositam vel commodatam distraxit ignarus depositam vel commodatam, an teneatur. et quia dolo non fecit, non tenebitur de re: an tamen vel de pretio teneatur, quod ad eum pervenit? et verius est teneri eum: hoc enim ipso dolo facit, quod id quod ad se pervenit non reddit. Nicht zurückgegeben ist hier freilich nicht die verwahrte Sache, sondern der Kaufpreis. Die Entscheidung wird auch für den Verwahrer selbst gelten; der Erbe ist als Beispiel nur gewählt, um es plausibel zu machen, dass die verwahrte Sache ohne dolus verkauft wird. Kein weiterer Unterschied liegt darin, dass beim Verkauf durch den Erben des Verwahrers der Erwerber die Sache ersitzen kann (Gaius 2 rer.cott. D. 41,3,36pr., G. 2,49 – 50), so dass die Vindikation des Hinterlegers gegen den Erwerber entfiele und der Hinterleger auf die Klage gegen den Veräußernden angewiesen wäre; denn auch, wenn der Verwahrer gutgläubig die verwahrte Sache veräußert, kann der Erwerber ersitzen (die verkaufte Sache ist dann keine res furtiva, da dem Verwahrer der adfectus furandi fehlt), nur ist eine gutgläubige Veräußerung durch den Verwahrer schwer vorstellbar. Zur Stelle selbst siehe noch § 16 III. 312 Vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,22. Julian erörtert also die Frage, ob der Verwahrer einen dolus begangen hat, anders als Neraz auch dann, wenn der Verwahrer die Sache mit Rückgabemöglichkeit hat, bejaht sie dann aber ohne weiteres. 313 Paulus 30 ad ed D. 16,3,13pr.: Si quis infitiatus sit non adversus dominum, sed quod eum qui rem depositam petebat verum procuratorem non putaret aut eius qui deposuisset heredem, nihil dolo malo fecit: postea autem si cognoverit, cum eo agi poterit, quoniam nunc incipit dolo malo facere, si reddere eam non vult. 309 310
§ 12 Der Zeitpunkt der Verurteilungsvoraussetzungen
193
b) Das Konzept des dolus post litem contestatam bei Neraz Zum besseren Verständnis der unterschiedlichen Formulierungen Ulpians und des Neraz ist darauf hinzuweisen, dass Neraz das Konzept eines dolus post litem contestatam, auf das sich Ulpian in D. 16,3,1,20 stützt, durchaus bekannt war. aa) Das zeigen zum einen die Erörterungen des Neraz, wie die exceptio doli bei der Klage durch einen procurator zu fassen war314. Im Verhältnis zwischen einem dolus und litiscontestatio lassen sich theoretisch drei Fälle unterscheiden315: Erstens ist denkbar ein dolus vor litiscontestatio, also etwa dolus bei Vertragsschluss; diesen dolus kann man als dolus praeteritus bezeichnen. Zweitens kann es einen dolus durch bzw. bei litiscontestatio geben, wenn also in der Klageerhebung der dolus liegt316. Diesen dolus kann man auch als dolus praesens bezeichnen. Drittens ist denkbar ein dolus post litem contestatam317. Die exceptio doli hatte dagegen nur zwei Varianten318: si in ea re nihil dolo malo Auli Agerii factum sit neque fiat. Überlegt man, ob und wie die zwei Klauseln der exceptio doli die drei dolus-Varianten abdecken, so bezieht sich das neque fiat zunächst auf die zweite Variante; das fiat ist Konjunktiv Präsens. Die Klausel kann einen dolus post litem contestatam, also die dritte Erscheinungsform des dolus, erfassen, wenn man als entscheidenden Zeitpunkt nicht die litiscontestatio, sondern den Urteilszeitpunkt ansieht319. Bei der Frage, wie bei Auftreten eines Prokurators auf Klägerseite die exceptio doli zu fassen war320, unterschied Neraz in Ulp. 76 ed D. 44,4,4,18321: Ging es um
314 Zur exceptio doli und Ereignissen nach litiscontestatio siehe zuletzt Marrone, Eccezione di dolo generale 183 ff. 315 Vgl. Kaser / Hackl, § 35 IV 2, S. 262 f., wo aber der dritte Fall eines dolus post litem contestatam nicht direkt angesprochen wird. 316 Vgl. Kaser, RP I § 114 V, S. 488 m.Fn. 40. 317 Zu diesem vgl. Beseler, Das Edictum de eo quod certo loco 78 f. 318 Vgl. Lenel, EP3 512, gestützt vor allem auf G. 4,119. Siehe auch Kaser / Hackl, § 35 IV 2, S. 262 f. 319 Das hält schon Beseler, Das Edictum de eo quod certo loco 78 f., für möglich. Vgl. Kaser / Hackl, § 42 II 5, S. 298 Fn. 20 a. E. Ausführlich zu dieser Frage Brutti, Dolo processuale 726 ff. Ebenso jetzt auch Marrone, Eccezione di dolo generale 188. 320 In der Formel bei einer Klage durch den procurator Lucius Titius für den Vertretenen Publius Maevius lautete die intentio auf den Vertretenen, die condemnatio auf den Vertreter (vgl. G. 4,86): Si paret Numerium Negidium Publio Maevio sestertium x milia dare oportere, iudex Numerium Negidium Lucio Titio sestertium x milia condemna. si non paret, absolve. 321 Ulp. 76 ed D. 44,4,4,18: Quaesitum est, an de procuratoris dolo, qui ad agendum tantum datus est, excipi possit. et puto recte defendi, si quidem in rem suam procurator datus sit, etiam de praeterito eius dolo. hoc est si ante acceptum iudicium dolo quid fecerit, esse excipiendum, si vero non in rem suam, dolum praesentem in exceptionem conferendum. si autem is procurator sit, cui omnium rerum administratio concessa est, tunc de omni dolo eius excipi posse Neratius scribit.
194
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
einen procurator omnium bonorum, hatte die exceptio doli sowohl den dolus praeteritus als den dolus praesens aufzunehmen; war der Prokurator wirklich nur Vertreter des Berechtigten im Prozess, dann durfte die exceptio doli aus der Person des Prokurators nur den dolus praesens aufnehmen, weil der dolus praeteritus des Prokurators dem eigentlich Berechtigten nicht schaden durfte. In Neratius 4 membr D. 44,4,11322 erörtert Neraz die Frage, ob in die Formel eine exceptio doli wegen eines möglichen dolus post litem contestatam des procurator aufzunehmen sei und gibt eine bejahende Antwort323. Lässt man einmal die Fragen beiseite, worin der Unterschied zwischen dolus praesens und dolus post litem contestatam besteht324, dann steht jedenfalls fest, dass Neraz das Konzept des dolus post litem contestatam bei der exceptio doli kannte, also sich auch in der Lage sah, das Präsens des „neque fiat“ der exceptio doli auf Ereignisse nach litiscontestatio zu beziehen325. Interessant ist ein Vergleich der Stellen auch insofern, als nach Neraz die präsentische Klausel Die Stellungnahme des Neraz zum Fall des procurator in rem suam lässt sich dem Ulpianzitat nicht entnehmen. Zur Stelle siehe nur Benöhr, Arglist und Kenntnis 130 ff.; Brutti, Dolo processuale II 733 ff. Jetzt auch Marrone, Eccezione di dolo generale 193 ff. 322 Neratius 4 membr D. 44,4,11: Si procurator agit, de dolo eius excipi non debet, quia aliena lis est isque rei extraneus, neque alienus dolus nocere alteri debet. si post litem contestatam dolo quid fecerit, an exceptio eo nomine in iudicium obicienda sit, dubitari potest, quia litis contestatione res procuratoris fit eamque suo iam quodammodo nomine exequitur. et placet de procuratoris dolo excipiendum esse. idem de tutore, qui pupilli nomine aget, dicendum est. Zu dieser Stelle siehe nur Benöhr, Arglist und Kenntnis 134 ff., SZ 87; Knütel, Haftung für Hilfspersonen 360 f., SZ 100; Brutti, Dolo processuale II 726 ff. Zuletzt Marrone, Eccezione di dolo generale 189 ff. 323 Es geht um die Abfassung der Formel, ob eine exceptio doli aufzunehmen sei. Das zeigt das mehrfache excipere, das das ganze Fragment durchzieht (vgl. Bürge, De edendo 17 m.Fn. 45; ebenso Marrone, Eccezione di dolo generale 192: „riferimento all’eccezione di dolo tempestavimente inserita nella formula“). Es geht nicht, wie Brutti, Dolo processuale 727 ff. zu meinen scheint, darum, nach litiscontestatio noch nachträglich eine exceptio aufzunehmen. Selbst wenn es aber in der Stelle darum ginge, so würde dies doch bedeuten, dass der Beklagte von Anfang an erfolgreich eine exceptio beantragen kann, die ihn gegen einen etwaigen dolus des procurator schützen würde. Naturgemäß ist dann bei Einschaltung der exceptio noch nicht absehbar, ob der procurator wirklich dolos handeln wird. Aber eine solche Möglichkeit mag mal mehr mal weniger wahrscheinlich sein; mehr, wenn sich der Beklagte auf Gegenrechte beruft, so dass dann der Prätor die Einfügung gestattet. Der Beklagte mag zum Beispiel ein Gegenrecht, etwa eine Gegenforderung, entgegenhalten wollen und beantragt die exceptio doli. Der procurator weist darauf hin, dass sein dolus keinesfalls eine Rolle spiele und daher die exceptio zu versagen sei. Der Prätor muss nach Neraz die exceptio in die Formel einschalten. Bei der Konzeption der Formel ist also auch in die Zukunft zu schauen und das zukünftige Verhalten der Parteien zu berücksichtigen. Schon wegen dieses Hin- und Zurückschauens wiegt das Argument Bruttis (a. a. O. 727), der dolus post litem contestatam liege zeitlich nach der obiectio exceptionis, nicht viel. Zudem mag exceptio obicienda sit auch nur meinen, dass die Einrede tatsächlich mit Erfolg genutzt werden kann, nicht dass sie eingeschaltet werden muss; letzteres meint eben das ständige excipere der Stelle. 324 Nach Marrone, Eccezione di dolo generale 194 f., sei mit dem dolus praesens in D. 44,4,18 der dolus post litem contestatam gemeint.
§ 12 Der Zeitpunkt der Verurteilungsvoraussetzungen
195
der exceptio doli auch den dolus futurus erfasst, das Präsens also auf den Urteilszeitpunkt bezogen wird, ebenso wie Ulpian das Perfekt des dolo malo redditam non esse in D. 16,3,1,20 auf den Urteilszeitpunkt bezieht. bb) Zum anderen berücksichtigt Neraz einen dolus post litem contestatam bei der hereditatis petitio in Neraz 7 membr D. 5,3,57326. Passivlegitimiert ist bei der hereditatis petitio nach Meinung der Prokulianer, deren Oberhaupt auch Neraz war327, derjenige, der im Urteilszeitpunkt Gegenstände der Erbschaft besaß328, sowie derjenige, der nach litis contestatio den Besitz dolos aufgab329. Ein solcher dolus ersetzt also die Verurteilungsvoraussetzung des Besitzes. Neraz erörtert das Problem, dass ein Erbschaftsbesitzer gegenüber zwei Erbprätendenten die Erbschaft verteidigt. Wenn zugunsten des ersten entschieden wird, darf der Besitzer dann einfach die Erbschaft an diesen ersten herausgeben, weil er im zweiten Prozess nicht mehr verurteilt werden kann, weil er nicht in doloser Weise nach litiscontestatio den Besitz verloren hat, sondern nur dem Restitutionsbefehl des Judex nachgekommen ist?330 cc) Es stellt sich damit die Frage, warum Neraz bei der actio depositi nicht auch auf das ihm bekannte Konzept des dolus post litem contestatam zurückgriff. Zwar ist beim Konzept des dolus stets zwischen seinen Funktionen in der exceptio doli, der clausula doli einer Stipulation, bei der actio de dolo und wohl auch beim depositum zu unterscheiden331. Doch auch wenn die Ergebnisse in den verschiedenen Anwendungsbereichen unterschiedlich sein mögen, so dürfte doch anzunehmen sein, dass das, was als Problem in einem Bereich erkannt wurde, im anderen Bereich zumindest auch thematisiert wurde. Die beschriebenen Fälle, in denen Neraz einen dolus post litem contestatam berücksichtigte, handelten hinsichtlich der exceptio doli von einem dolus des Klägers; in D. 5,3,57 und in D. 16,3,1,21 geht es um einen dolus des Beklagten. Damit hängt zusammen, dass der dolus des Klägers sich auf das Prozessverhältnis bezog, während der dolus des Verwahrers eher die 325 Die exceptio doli lautete in ihrer entwickelten Fassung: si in ea re nihil dolo malo Auli Agerii factum sit neque fiat. (vgl. Lenel, EP3 512, gestützt vor allem auf G. 4,119. Siehe auch Kaser / Hackl, § 35 IV 2, S. 262 f.). 326 Neraz 7 membr D. 5,3,57: Cum idem eandem hereditatem adversus duos defendit et secundum alterum ex his iudicatum est, quaeri solet, utrum perinde ei hereditatem restitui oporteat, atque oporteret, si adversus alium defensa non esset: ut scilicet si mox et secundum alium fuerit iudicatum, absolvatur is cum quo actum est, quia neque possideat neque dolo malo fecerit, quo minus possideret quod iudicio revictus restituerit: an quia possit et secundum alium iudicari, non aliter restituere debeat quam si cautum ei fuerit, quod adversus alium eandem hereditatem defendit. sed melius est officio iudicis cautione vel satisdatione victo mederi, cum et res salva sit ei qui in exsecutione tardior venit adversus priorem victorem. 327 Pomp. sing.ench. D. 1,2,2,53. 328 Vgl. Ulp. 15 ed D. 5,3,18,1; Kaser, RP I § 182 I 3, S. 736 m.Fn. 14. 329 Kaser, RP I § 182 I 3, S. 736 m.Fn. 14. Die dolose Besitzaufgabe vor litiscontestatio behandelt das SC Iuventianum, dazu vgl. nur Kaser, RP I § 182 I 6b, S. 739. 330 In Paulus 7 Sab D. 24,3,17,2 wird die exceptio doli in die actio iudicati eingeschaltet; es handelt sich also bezüglich dieser Klage um einen dolus ante litem contestatam. 331 Darauf weist Nörr, Eviktionshaftung 173, SZ 121 (2004), hin.
196
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
zugrundeliegende materielle Verpflichtung betraf. Die Berücksichtigung des dolus des Klägers beruht auf einer erweiternden Anwendung des Präsens im „neque fiat“ der exceptio doli, die Berücksichtigung des dolus post litem contestatam durch Ulpian auf einer erweiterten Anwendung des Perfekts „redditam non esse“. Dabei könnte man einwenden, dass ersteres leichter ist als zweites. Zwischen D. 16,3,1,21 und D. 5,3,57 könnte man den Unterschied ausmachen, dass in dieser Stelle die Verurteilungsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der litiscontestatio vorlagen, in jener Stelle nicht, so dass in D. 5,3,57 das Konzept des dolus post litem contestatam dazu dient, die Möglichkeit der Verurteilung zu erhalten, während es in D. 16,3,1,20 dazu dient, die Möglichkeit der Verurteilung erst zu eröffnen.
Man kann jedenfalls nicht sagen, dass die Nichtanwendung des Konzepts des dolus post litem contestatam dem Neraz den Widerspruch zur Forderung, die Verurteilungsvoraussetzungen müssten bereits im Zeitpunkt der litiscontestatio vorliegen, ersparte. In den beiden Fällen des § 21 lag die Voraussetzung des dolus im Zeitpunkt der litis contestatio nicht vor332, so dass nach diesem Grundsatz eine Verurteilung ausscheiden sollte. Aber auch Neraz stellt auf den Zeitpunkt des Urteils, nicht auf die litiscontestatio ab, denn er begründet die Verurteilung mit Umständen, die erst nach litiscontestatio eintreten, nämlich die Wiedererlangung der Sache und die Möglichkeit, die Sache wieder zurückzugeben. Ulpian und Neraz stellen damit beide auf den Urteilszeitpunkt ab, nicht auf die litiscontestatio. Die Ausführungen Ulpians und des Neraz gehen also dahin, dass zu Gunsten des klagenden Hinterlegers auch auf den Urteilszeitpunkt abgestellt werden kann, wenn zum Zeitpunkt der litiscontestatio die Verurteilungsvoraussetzungen nicht vorlagen, dies aber im Urteilszeitpunkt der Fall ist333.
332 Nach einigen beging der klagende Hinterleger in den Fällen der §§ 20, 21 also eine plurispetitio tempore, denn der dolus stehe bei der formula in factum concepta in der intentio (Kaser, Restituere 144 f., Burillo, Las formulas 281). Folge einer solchen pluris petitio müsste dann sein, dass der Beklagte zum einen freigesprochen wird, der Kläger zum anderen aufgrund der Konsumtion nicht erneut klagen kann (Burillo a. a. O. scheint freilich anzunehmen, dass der Kläger erneut klagen konnte, doch wurde ein zweiter Prozess überflüssig gemacht, indem der dolus post litem contestatam auch schon im ersten Prozess zur Verurteilung führte). Doch handelt es sich hier nicht um eine pluris petitio tempore, denn der Kläger klagt nicht zu früh, sondern unbegründet. Es ist ja zum Zeitpunkt der litiscontestatio völlig ungewiss, ob die Sache jemals zum Verwahrer zurückgelangen wird, ob der Verwahrer jemals die facultas restituendi wieder erlangen wird. Würde man diese Fälle als Klageerhebung ante condicionem aufzufassen, käme man auf das Problem, ob ante condicionem klagen im klassischen Recht unter die pluris petitio tempore falle, ob G. 4,53b wie die Institutionen Justinians die Worte vel ante condicionem enthalte (dagegen Kaser / Hackl, § 46 II 2, S. 325 Fn. 28; dafür Sturm, Ante condicionem petere 1237 ff.). Ob man von plurispetitio sprechen kann, ist letztlich weniger wichtig als das Sachproblem, ob der Kläger den Prozess verliert und ihm gleichzeitig eine erneute Klage abgeschnitten ist. 333 Zugunsten des Beklagten wird auf den Urteilszeitpunkt abgestellt, wenn man bei einer Leistung nach litiscontestatio die Verurteilung ablehnt, vgl. G. 4,114.
§ 12 Der Zeitpunkt der Verurteilungsvoraussetzungen
197
c) Exkurs: Zur Beweislast bei der actio depositi in factum concepta Die unterschiedlichen Formulierungen Ulpians und des Neraz diskutiert man zuweilen in Hinblick auf die Beweislast, so habe etwa nach De Robertis334 der Hinterleger nur beweisen müssen, dass der Verwahrer die Sache nicht zurückgegeben habe; der Verwahrer habe dann die daraus folgende dolus-Vermutung widerlegen müssen335. Das dürfte unrichtig sein. Grundsätzlich hatte der Kläger die Voraussetzungen der Formel, im wesentlichen also der intentio, zu beweisen336. Für die actio depositi in factum concepta heißt das, dass der klagende Hinterleger die Tatsachen der Hinterlegung und der Nichtrückgabe sowie den dolus beweisen muss. Anderes müsste sich aus den Quellen ergeben; es gibt vor allem keine sachlogischen Gründe für gegenteilige Annahmen. Dass der Verwahrer die Rückgabe beweisen müsste, hätte immerhin eine Parallele dahin, dass der Darlehensschuldner die Rückzahlung beweisen muss337. Doch folgt ja immerhin aus der Darlehensauszahlung das oportere des Beklagten; der Kläger muss also nur die Auszahlung des Darlehens vortragen (und beweisen), um die Begründetheit der intentio darzulegen. Hingegen ist nach dem Formelwortlaut der actio depositi in factum concepta auch die Nichtrückgabe Verurteilungsvoraussetzung, nicht ein schon durch Hingabe der Sache entstehendes oportere. Kein durchschlagender Einwand ist dabei, eine Rückzahlung ließe sich leichter beweisen als eine Nichtrückzahlung338. Grundsätzlich obliegt es dem Kläger, auch negative Anspruchsvoraussetzungen zu beweisen. Schlagendes Beispiel ist die Beweislast des Gläubigers eines Anspruchs auf Rückzahlung eines indebitum für das Nichtbestehen der Schuld339.
334 De Robertis, Responsabilità 114 f. (mit Interpolationsbehauptung?); Ders., L’età postclassica 124 Fn. 43 u.ö.; deutlicher Ders., Rez. Metro, L’obbligazione, 444, SDHI 35. 335 Genau anders Levy, Beweislast im klassischen Recht 159, IURA 3 (1952): Der Verwahrer habe die Rückgabe, der Hinterleger den dolus beweisen müssen. 336 Kaser / Hackl, § 53 III, S. 363 m.Fn. 16; Wacke, Beweislast 411 ff, SZ 109 (1992). 337 Vgl. Sept. Sev. C. 4,19,1. 338 Das dürfte so auch nicht richtig sein. Da der Judex den Erfahrungssatz kennt, dass der Gläubiger bei Rückzahlung dem Schuldner den Schuldschein zurückgibt (vgl. Diocl. C. 4,9,2), kann der Gläubiger durch Vorlage des Schuldscheins bis zum Gegenbeweis durch den Schuldner beweisen, dass noch keine Rückzahlung erfolgt ist. Eine Beweisurkunde für eine Rückgabe der (bei einem Sequester) hinterlegten Sache findet sich zwar in TPSulp 40. Aber dass Parteien Beweismittel sichern und sich beschaffen, erlaubt keinen Rückschluss auf die Beweislast. Denn jede (vorsichtige) Partei wird bestrebt sein, Beweise auch für solche Tatsachen zu sichern, für die sie nicht beweispflichtig wäre (vgl. Wacke, Beweislast 435). 339 Das ist unstrittig jedenfalls für die Leistungskondiktion, vgl. Sprau / Palandt2008, § 812 Rn. 103 f.; Lorenz / Staudinger, § 812 Rn. 92. Freilich muss der Schuldner substantiiert Um-
198
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
Mag man bei der Frage der Nichtrückgabe hinsichtlich der Beweislast zweifeln, so ist es doch nicht vorstellbar, dass der Kläger bei der infamierenden actio depositi nicht den dolus beweisen, sondern der Beklagte die Infamie abwehren müsste, indem er beweist, dass ihm kein dolus zur Last fällt340. Hier bedürfte es jedenfalls des quellenmäßigen Beweises. Dabei ist freilich zu beachten, dass die Frage der Beweislast sich nur in einer konkreten Prozesssituation stellt, in der die Parteien miteinander und vor dem Judex (ver-)handeln: Der Hinterleger trägt (sei es unbestritten, sei es bewiesen) die Hinterlegung vor. Daraus folgt für den Judex schon ohne weiteres, dass der Beklagte die Sache noch hat und zurückgeben kann. Gibt der Beklagte die Sache nicht zurück, dann folgt für den Judex daraus eben, dass der Beklagte dolos handelt. Dass es in dieser Situation der Beklagte ist, der reagieren muss, liegt in der Natur der Sache und hat mit der Frage einer Beweislast nichts zu tun. Der Beklagte muss sich ja überhaupt schon irgendwie verhalten, um nicht als indefensus der missio in bona zu unterliegen341. Der Beklagte muss sich also äußern, weil letztlich nur er weiß, warum er die Sache nicht zurückgibt, und weil anders die Frage, warum der Beklagte nicht zurückgibt, gar nicht zum Prozessthema werden kann342. Zum anderen muss ja der Judex, soll es auf die Beweislast ankommen, nach seiner Überzeugung überhaupt den dolus des Beklagten bezweifeln. Der Beklagte wird also vortragen, es liege auf seiner Seite kein dolus vor. Auch hier liegt es in der Natur der Sache, dass der Beklagte substantiiert vortragen muss, warum kein dolus vorliegt, warum er die Sache nicht mehr hat, warum er sie nicht mehr zurückgeben kann. Denn der Judex würde einen substantiierten Vortrag des Klägers kaum durch pauschales Bestreiten des Beklagten für erschüttert halten343. Der Beklagte muss also substantiiert vortragen, warum er die Sache nicht zurückgeben kann; dies führt aber nicht dazu, dass der Beklagte etwas beweisen müsste. Denn es ist nach dem substantiierten Bestreiten des Beklagten am Kläger, seinerstände vortragen, aus denen sich ein Rechtsgrund ergeben soll; diesen muss der Gläubiger dann wiederlegen (vgl. Lorenz / Staudinger, a. a. O.; BGH NJW 2003, 1039). Zum römischen Recht siehe Paulus 3 quaest D. 22,3,25pr. 340 Bei infamierenden Klagen sind die römischen Juristen gegenüber dem Kläger streng: zur Diskussion um die plurispetitio siehe G. 4,60; eine infamierende Klage darf keineswegs leichtfertig gegeben werden, vgl. Ulp. 11 ed D. 4,3,1,4 (… quoniam famosa actio non temere debuit a praetore decerni …) und Ulp. 11 ed D. 4,3,11,1. Zu alldem passte es schlecht, hätte der mit Infamie bedrohte Beklagte durch Beweise den dolus widerlegen müssen. 341 Dazu vgl. Kaser / Hackl, § 38, insbes. S. 277 ff. 342 Das liegt in der Natur der Sache. Vom Kläger den Beweis des dolus, der ja durch den Vortrag der Hinterlegung ja immerhin schon indiziert ist, bei völligem Schweigen des Beklagten zu verlangen, hätte nichts mit der Beweislast zu tun, sondern wäre Willkür. 343 Dass also nach § 138 II u. III ZPO der Beklagte substantiiert bestreiten muss, ist eigentlich bloße Folge der freien Beweiswürdigung durch den Richter. Wenn der Beklagte nicht substantiiert bestreitet, dann muss der Richter den Vortrag des Klägers für glaubhaft halten, dann stellt sich die Frage der Beweislast nicht, weil der Vortrag des Klägers den Richter überzeugt und keines Beweises bedarf.
§ 12 Der Zeitpunkt der Verurteilungsvoraussetzungen
199
seits den Beweis zu führen. Dass jemand substantiiert bestreiten muss, führt also keineswegs dazu, dass er die Beweislast trägt344. Im ersten Nerazfall ist wohl unstreitig, dass der Beklagte die Sache ohne dolus verloren hat: Jetzt muss der Hinterleger beweisen, dass der Beklagte die Sache wiedererlangt hat; nicht muss der Beklagte beweisen, dass er die Sache nicht wiedererlangt hat. Was folgt aber aus unseren Stellen D. 16,3,1,21 und 22? Nichts, die Beweislast wird weder durch Julian, Marcellus noch Ulpian angesprochen. Es ist ja nicht so, dass Neraz den dolus objektiviere, etwa im Fall der Nichtrückgabe stets unterstelle, und der Hinterleger dann beweisen müsse, dass ihm kein dolus zur Last falle. Nach der Aussage des Neraz in D. 16,3,1,21 muss der Hinterleger die den dolus begründenden Umstände darlegen, dass also der Verwahrer die Sache nach litis contestatio wieder erlangt hat oder ihm nach litis contestatio die Rückgabe möglich geworden ist. Ulpian jedenfalls hat einen Gegensatz zwischen seiner Position und der des Neraz nicht gesehen, wenn er mit einem inde anknüpft. Julian geht es um die materielle Frage, dass das depositum auf jederzeitige Rückforderbarkeit gestellt ist, eine Vereinbarung eines Rückgabetermins für den Hinterleger nicht bindend ist. Zudem ist die Einschränkung der Aussage durch die Marcellusnote zu beachten: Sähe man die Aussage Julians als Beweislastregel, als Vermutung des dolus, dann müsste jedenfalls nach der Einschränkung des Marcellus der Hinterleger auch beweisen, dass dem Verwahrer die Rückgabe möglich ist. Für den Verwahrer bliebe kein Beweisthema übrig. Man könnte freilich sagen, dass Marcellus lehre, wie sich der Verwahrer gegen den dolus-Vorwurf verteidigen könnte. Doch heißt das noch nicht, dass der Verwahrer auch die Beweislast trägt.
4. Konsequenzen Die Entscheidungen Ulpians und des Neraz bedeuten für den Kläger eine wirkliche Erleichterung. Der Hinterleger wird oft nicht wissen, warum der Verwahrer die Sache nicht zurückgibt. Im ersten Fall von D. 16,3,1,21 könnte etwa streitig sein, ob der Verwahrer die hinterlegte Sache wirklich verloren hat345. Stellt sich dann vor dem Judex heraus, dass der Verwahrer die Sache doch mit der Möglichkeit der Rückgabe hat, müsste der Hinterleger, stellte man wirklich auf den Zeitpunkt der litiscontestatio ab, beweisen, dass der Verwahrer schon zum Zeitpunkt der litiscontestatio die Sache mit der Möglichkeit der Rückgabe hatte. Wird die Sache also beim Verwahrer gefunden, könnte dieser immer eine Verurteilung verhindern, ohne
344
Das verkennt die Argumentation Wimmers, Besitz und Haftung 17 f. m.Fn. 106 und
107. 345 Ein anderes Streitthema könnte so aussehen, dass beide Parteien darum streiten, ob das unstreitige Abhandenkommen der Sache auf einen dolus des Verwahrers zurückzuführen ist.
200
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
die Sache zurückgeben zu müssen, indem er behauptet, er habe eben die Sache nach litiscontestatio wieder erlangt. Dem Hinterleger wird also ein zweiter Prozess erspart, den er anstrengen müsste, wenn der Verwahrer freigesprochen würde, auch nachdem die Sache an ihn gelangt ist346. Ob in der Ermöglichung der Verurteilung nur eine Erleichterung für den Kläger liegt, dem ein zweiter Prozess erspart wird, oder sogar eine Notwendigkeit, weil für den Kläger gar keine zweite Klage offensteht, hängt davon ab, ob eine zweite Klage eine Klage über eadem res wäre. Die Quellen treffen diesbezüglich nur Aussagen hinsichtlich der reivindicatio und der actio ad exhibendum, die bereits oben dargestellt wurden347 und hier noch einmal zusammengefasst werden sollen: Bei der reivindicatio nahmen die Sabinianer in dem Fall, dass der Beklagte den Besitz erst nach litiscontestatio erlangte, eine alia res an, sprachen den Beklagten frei und ließen eine zweite Klage zu. Die Prokulianer hingegen verurteilten den Beklagten, hätten aber auch eine zweite Klage nicht zugelassen, da für sie der zweite Prozess ein Prozess über eadem res gewesen wäre. Versuchen wir, dies auf das depositum zu übertragen. Eines fällt sofort auf. Der Prokulianer Neraz behandelt die actio depositi so, wie die Prokulianer die actio ad exhibendum und die reivindicatio. Es genügt ihm, dass die Verurteilungsvoraussetzungen zum Urteilszeitpunkt vorliegen. Dabei lässt sich der erste Fall von D. 16,3,1,21 sogar relativ glatt mit den beiden anderen Klagen kurzschließen; es geht in ihm gerade um fehlenden Besitz zur Zeit der litiscontestatio348. Aber auch der zweite Fall findet eine Entsprechung bei der actio ad exhibendum; es fehlt die facultas restituendi ebenso wie in Ulp. 24 ed D. 10,4,5,6. Musste also der Prokulianer Neraz eine Verurteilung des Verwahrers zulassen, weil er dem Hinterleger keine weitere Klage gestattet hätte? Da wir weder zur actio depositi diesbezügliche Aussagen haben349 noch sichere Aussagen zur ähnlichen actio ad exhibendum haben, müssen wir die Frage, ob Neraz deshalb eine Verurteilung zuließ, weil er eine zweite Klage des Hinterlegers nicht für zulässig hielt, offenlassen. Kommen wir auf D. 16,3,1,21 zurück, so ist zu fragen, ob der Satz des Neraz tunc enim quaerendum, an dolo malo feceris, cum rem non habes einen Verzicht auf das dolus-Erfordernis bedeutet350. Neraz unterscheidet: Hat der Verwahrer die Sache nicht mehr, ist zu fragen, ob er sie dolos verloren hat. Hat der Verwahrer aber 346 Dass die Wiedererlangung der Sache wieder zur Haftung aus der actio depositi führt, sagt Paulus in 18 ed D. 16,3,20. Fraglich wäre dann, ob der zweiten Klage der Einwand der eadem res entgegenstände. 347 § 12 III. 348 Genau genommen geht es um fehlende Detention. 349 Zur Frage siehe § 19, insbesondere zu D. 16,3,20 und D. 44,2,22. Zu D. 16,3,13pr. siehe § 13 II. 350 Für einen Verzicht des Neraz auf das dolus-Erfordernis MacCormack, Early classical period 270 f., SDHI 52, der die Stelle mit der Äußerung Labeos in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,14
§ 12 Der Zeitpunkt der Verurteilungsvoraussetzungen
201
die Sache, muss nach dem dolus nicht mehr geforscht werden. Nun versteht Neraz das rem habere aber so, dass es die Rückgabemöglichkeit mit einschließt. Dies zeigt der zweite Fall von D. 16,3,1,21. Damit könnte man sagen, dass Neraz nur deshalb auf die Frage nach dem dolus verzichtet, weil er sich von selbst versteht351. Es wäre auch kaum zu erklären, wie Neraz auf das klare dolo malo der Formel hätte verzichten können352. Dass die Formulierungen Ulpians und des Neraz dabei inhaltlich keinen Unterschied bedeuten, liegt daran, dass die Nichtrückgabe trotz Rückgabemöglichkeit, die Neraz für eine Verurteilung voraussetzt, immer auch dolus bedeutet353. Bei sorgsamer Lektüre354 zeigt sich sogar, dass die Formulierung des Neraz mit Ulpians Konzept des dolus post litem contestatam zusammenpasst. Denn der dolus, nach dem Neraz nicht fragen will, wenn der Verwahrer die Sache noch hat, ist ein dolus praeteritus; er liegt zeitlich vor dem rem non habere, denn feceris ist Perfekt Konjunktiv: Dann ist zu fragen, ob Du in der Vergangenheit dolos gehandelt hast, wenn Du die Sache nicht mehr hast. Man könnte fortfahren: Das rem habere ohne Rückgabe begründet den dolus futurus. Der Satz des Neraz ist nun aber nicht einfach eine andere Formulierung der Begründung Ulpians, sondern er ließe sich fruchtbar machen. Hat der Verwahrer die Sache und ist ihm die Rückgabe möglich, kann Ulpian eine Verurteilung des Verwahrers mangels dolus ablehnen, wenn etwa der Verwahrer sich auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen Aufwendungen beruft. Neraz hingegen könnte den Verwahrer dennoch verurteilen, weil er die Frage nach dem dolus nicht stellt. Anders gesagt: Neraz könnte den dolus bejahen, wenn dem Verwahrer die Rückgabe möglich ist; eine Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht ist für Neraz vielleicht ausgeschlossen. Wie Neraz lässt sich auch Julian verstehen. Wenn Julian sagt hoc enim ipso dolo facere eum qui suscepit, quod reposcenti rem non reddat, dann liegt die Betonung auf hoc ipso: die Nichtrückgabe (trotz Rückgabemöglichkeit) begründet stets den dolus; nach anderem ist gar nicht mehr zu fragen. Auch der Verwahrer, der sich auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen Aufwendungen berufen will, könnte also allein schon dadurch den dolus begehen, dass er die Sache trotz Rückgabemöglichkeit
vergleicht. Grund für die Verurteilung sei nicht der dolus, sondern das Unterlassen der Rückgabe. 351 So auch Litewski, Depositary’s liability 22 f. 352 Der Fall liegt also anders als die Ausführungen Labeos zur Haftung des Bürgen in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,14. Zum einen geht es dort um Fälle, in denen dem Verwahrer schon die dolus-Fähigkeit fehlt. Zum anderen geht es dort nicht um die Auslegung der Formel der actio depositi, sondern um die Auslegung der Bürgschaftsstipulation. 353 Julian in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,22: hoc enim ipso dolo facere eum qui suscepit, quod reposcenti rem non reddat. 354 Vgl. Wubbe, Gaius et les contrats réels 521.
202
3. Kap.: Materiellrechtliche Grundfragen
nicht zurückgibt355. Die Lehre des Neraz lässt es also zu, dass dem Verwahrer kein Zurückbehaltungsrecht zustand. Doch siehe zur Frage, ob dem Verwahrer ein Zurückbehaltungsrecht zustand, unten § 18.
V. Zusammenfassung Zusammengefasst zeigt sich, dass es spätestens seit Neraz genügte, dass die Verurteilungsvoraussetzungen der formula in factum concepta im Urteilszeitpunkt vorlagen.
355 Dass eine solche Interpretation des Juliansatzes möglich ist, sieht auch MacCormack, Mid-classical jurists 131.
4. Kapitel
Die Funktionen der actio depositi Nachdem im 3. Kapitel materiellrechtliche Grundfragen wie die des Haftungsmaßstabes und der Erbenhaftung geklärt wurden und im 2. Kapitel erörtert worden war, inwieweit formale Kriterien tauglich sind zu bestimmen, welche Formel der actio depositi jeweils in Rede steht, sollen in diesem Kapitel die Funktionen der actio depositi untersucht werden. Es soll gefragt werden, welche Klageziele der Hinterleger mit der actio depositi verfolgen konnte und welche Streitthemen mit der actio depositi zum Gegenstand gemacht werden konnten. Soweit möglich, wird dabei auch versucht werden, die entsprechenden Funktionen den beiden Formeln zuzuordnen. Es wird sich zeigen, dass die actio depositi in factum concepta insoweit als Deliktsklage aufgefasst werden kann, als ihr Tatbestand durch eine Verletzungshandlung und nicht durch Nichterfüllung der Rückgabepflicht gebildet wird (§ 13). Es wird sich ferner zeigen, dass die actio depositi eine Zugriffsklage war, sie also dazu diente, dem Hinterleger die Sache wieder zu beschaffen, insbesondere die Sache dort zu verfolgen, wo sie sich befindet (§ 14). Schließlich diente die actio depositi auch dazu, beim Verwahrer eine aus der Hinterlegung entstandene Bereicherung abzuschöpfen, wobei dieses Klageziel sich wohl eher mit der formula in ius concepta als mit der formula in factum concepta verwirklichen ließ (§ 16).
1. Abschnitt
Die actio depositi als Deliktsklage § 13 Der Tatbestand der actio depositi in factum concepta: Zum Deliktscharakter der actio depositi Es gibt eine umfangreiche Diskussion um den Deliktscharakter bzw. Straf(Pönal-)charakter1 der actio depositi mit der formula in factum concepta2. Nach 1 Die Unterscheidung zwischen Vertrag und Delikt ist im römischen Recht so grundlegend wie für das heutige deutsche Recht (kritisch zur Zweiteilung der Haftungsordnung jetzt aber Immenhauser, Dogma). Gaius sagt in G. 3,88: Nunc transeamus ad obligationes, quarum summa divisio in duas species diducitur: omnis enim obligatio vel ex contractu nascitur vel ex
204
4. Kap., 1. Abschn.: Die actio deposti als Deliktsklage
Kaser3 hätten die prätorischen Formeln4 pönale Merkmale besessen, die jedoch bei der Klage auf das Einfache abgestreift worden seien. Solche Merkmale, die auf einen (ursprünglichen) Deliktscharakter hindeuten und bei der actio depositi vermutet wurden, wenngleich zumeist nicht überzeugend, sind5: das Duplum6, Noxalität7, passive Unvererblichkeit8, Annalität9, Kumulierbarkeit10 und die Diskussion um die Haftung des pupillus11.
delicto. Dass solche Einteilungen nur einen eingeschränkten Wert haben, ist selbstverständlich. Doch Wert haben sie. Gaius kann mit dieser Unterscheidung etwa einen Grund dafür finden, warum bei einigen infamierenden Klagen auch derjenige infam wird, der sich verglichen hat, bei anderen nicht (G. 4,182). Das Verhältnis zwischen Deliktscharakter und Pönalität lässt sich wohl so umschreiben, dass jede Pönalklage ihren Grund in einem Delikt hat, aber nicht jede Deliktsklage in gleicher Weise auch pönale Elemente aufweist (vgl. Kaser, RP I § 142 IV, S. 611). Nicht stimmt mit der Unterscheidung von Vertrag und Delikt die Unterscheidung zwischen sachverfolgender Klage, pönaler Klage und gemischter Klage überein, wenngleich es Berührungspunkte gibt, etwa insofern man Vertragsklagen als sachverfolgend bezeichnen könnte. Letztere Unterscheidung betrifft die Frage, ob zwei Klagen miteinander gehäuft werden können (vgl. G. 4,6 – 9; Kaser, RP I § 117 II 1, S. 501 f.; § 142 IV, S. 611 f.). 2 Jhering, Schuldmoment 30 ff., insbes. 31 m.Fn. 62; Niemeyer, Fiducia, SZ 12, 323; Ubbelohde, Realkontrakte 62 ff.; Karlowa, Röm. Rechtsgeschichte II 1313; Pernice, Labeo I 436 ff.; Rotondi, Le due formole 49 ff. Taubenschlag, Geschichte 129 ff. In neuerer Zeit etwa Maschi, Categoria 188 ff., und Evans-Jones, Penal characteristics. 3 Kaser, RP I § 126 I 1, S. 535. 4 Nämlich die Klage auf das Doppelte beim depositum necessarium und auf das Einfache bei gewöhnlicher Hinterlegung, vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,1. 5 Nach Gröschler, Actiones in factum 53 m.Fn. 48, lassen Annalität, Noxalität und passive Unvererblichkeit keinen sicheren Schluss auf den Pönalcharakter einer Klage zu, denn es gebe Klagen, die solche Merkmale aufwiesen, ohne pönal zu sein. Auch nach Gröschler a. a. O. handelt es sich dabei aber immerhin um typische Eigenschaften von Pönalklagen. 6 Vgl. PS 2 Coll. 10,7,11 zur Klage aus den Zwölftafeln; Ulp. 30 ed D. 16,3,1,1 und Neratius 2 membr D. 16,3,18 zum depositum necessarium. Die Verurteilung auf das Duplum zeigt den Pönalcharakter besonders deutlich. 7 Vgl. Paulus 60 ed D. 16,3,21,1. Zu dieser Stelle siehe unten § 14 II, wo die Auffassung, die Stelle belege den Noxalcharakter der actio depositi in factum concepta aber abgelehnt wird. 8 Vgl. Theophilus 4,12,1; Karlowa, Rechtsgeschichte II 1, 1313. Auch in der Unvererblichkeit auf der Passivseite äußert sich der Pönalcharakter. Allgemein Kaser, RP I § 142 VI 1a, S. 612. Zur Frage siehe oben § 10. Dort wurde gezeigt, dass jedenfalls im klassischen Recht der Erbe des Verwahrers aus der actio depositi in factum concepta haftete. 9 Vgl. Neraz 2 membr. D. 16,3,18; dazu Karlowa, Rechtsgeschichte II 1, 1313. Allgemein Kaser, RP I § 142 VI 5, S. 613. 10 Zur Kumulierbarkeit allgemein Kaser, RP I § 142 VI 2, S. 612 f.; Kaser / Hackl, § 43 II 1, S. 305. Für eine Kumulierbarkeit bei der actio depositi gibt es keine Belege (vgl. etwa zur passiven Personenkonkurrenz Ulp. 30 ed D. 16,3,1,43; zur Häufung mit anderen Klagen siehe § 17). Für Kumulierbarkeit bei passiver Personenkonkurrenz aber etwa Burillo, Las formulas 265 ff., der für D. 16,3,1,43 eine Interpolation annimmt. 11 Ulp. 30 ed. D. 16,3,1,15.
§ 13 Der Tatbestand der actio depositi in factum concepta
205
Auch die Quellen spiegeln die Diskussion um einen möglichen Deliktscharakter der actio depositi wider12. So wird diskutiert, ob die Klage gegen den Erben des Verwahrers zu geben sei oder doch wegen eines etwaigen Deliktscharakters nicht13 und ob die Klage gegen den Gewalthaber als actio noxalis zu geben sei14. Es wird diskutiert, ob einem Minderjährigen, der eine Sache in Verwahrung genommen und dolos in Bezug auf diese Sache gehandelt hat, eine institutio in integrum gewährt werden darf oder nicht, weil Minderjährigen bei von ihnen verübten Delikten nicht geholfen werde15. Es stellt sich das Problem, ob einem Verwahrer die Haftung durch pactum erlassen werden kann, obwohl doch ein pactum, das die Haftung für dolus ausschließt, unwirksam ist16. Es findet sich der Ausspruch, dass der Verwahrer, der die Sache ordnungsgemäß zurückgebe, nicht etwa (von einer vertraglichen Rückgabeverpflichtung) frei werde, sondern aufgrund der Rückgabe nicht in eine (Ersatz-)Verpflichtung gerate17. Die Nichtrückgabe wird als crimen bezeichnet18. Dieses Ringen der Quellen wird man nicht für nachklassische Unsicherheiten über Begriffe wie Vertrag und Delikt halten dürfen19. Vielmehr werden Eigenheiten des Instituts depositum Anlass gegeben haben. Das depositum ist der einzige Vertragstyp, bei dem bis zum Ende stets an der Beschränkung der Haftung auf den dolus festgehalten wurde20; das depositum ist ein bonae fidei iudicium, zu dem es ein Edikt des Prätors gibt21, während ein solches Edikt doch bei prätorischen Delikten häufig oder sogar typisch ist22. Hinzu kommt die Klage aus den Zwölftafeln23 und die Klage aus dem depositum necessarium24, die wegen ihrer Verurteilung auf das duplum deutlich auf einen pönalen Charakter hinweisen. All dies kann Anlass gewesen sein, über die Einordnung der Haftung des Verwahrers nachzudenken. Daneben gibt es auch Quellen, die die actio depositi ohne weiteres als Vertragsklage einordnen, etwa G. 4,182, wo Gaius das depositum zu den Kontrakten zählt, weil der sich vergleichende Verwahrer nicht infam wird25. Vgl. Albertario, Delictum 34 ff.; Pernice, Labeo I 436. Ulp. 30 ed D. 16,3,7,1; Paulus 18 Plaut D. 44,7,49. 14 Paulus 18 Plaut D. 44,7,49; Ulp. 30 ed D. 16,3,1,18. 15 Ulp. 11 ed D. 4,4,9,2. 16 Paulus 3 ed D. 2,14,27,3; vgl. auch Pomponius in Ulp. 4 ed D. 2,14,7,15 und Ulp. 30 ed D. 16,3,1,1,7. 17 Pomp. 6 Qu.Muc. D. 46,3,81,1. 18 Ulp. 30 ed D. 16,3,1,4 zum depositum necessarium. 19 So Albertario, Delictum 34. 20 Vgl. zuletzt Nörr, Lex Irnitana 5, SZ 124. In Frage käme noch das precarium, das in späterer Zeit als Vertragsverhältnis aufgefasst wurde, vgl. Ulp. 29 Sab D. 50,17,23. 21 Zwar bezog sich das Edikt nur auf die formula in factum concepta. Aber es blieb dabei, dass der Prätor für dieselbe causa (vgl. G. 4,47), für die es eine formula in ius concepta gab, auch eine Rechtsschutzverheißung gegeben hatte. Dies ist für ein vertragliches bonae fidei iudicium ungewöhnlich, doch kann dasselbe der Fall gewesen sein etwa auch beim commodatum und beim pignus, wenn man für beide eine actio in ius concepta mit bona-fides-Klausel annimmt. 22 Zu den honorarrechtlichen Delikten vgl. nur Kaser, RP I § 146, S. 625 ff. 23 Deren Existenz einmal vorausgesetzt, vgl. PS 2 Coll. 10,7,11. 24 Ulp. 30 ed D. 16,3,1,1. 25 Man könnte solche Widersprüche dadurch klären, dass man der actio in ius concepta vertraglichen Charakter, der actio in factum concepta deliktischen Charakter zuschreibt. Man 12 13
206
4. Kap., 1. Abschn.: Die actio deposti als Deliktsklage
Die soeben aufgeführten Merkmale betreffen die Rechtsfolgenseite. Es soll aber nun gefragt werden, worin die römischen Juristen überhaupt den haftungsauslösenden Umstand sahen, also auf die Tatbestandsseite geblickt werden. Dabei wird sich zeigen, dass die Haftung des Verwahrers aus der actio in factum concepta nicht durch die Verletzung einer Vertragspflicht begründet wurde, sondern durch eine deliktische Handlung in Bezug auf die verwahrte Sache.
I. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,25 und PS 2 Coll. 10,7,10 Einen Hinweis auf den Deliktscharakter26 der actio depositi mit der formula in factum concepta enthält 1. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,25 und PS 2 Coll. 10,7,10 Ulpian 30 ed D. 16,3,1,2527, 28: Si rem depositam vendidisti eamque postea redemisti in causam depositi, etiamsi sine dolo malo postea perierit, teneri te depositi, quia semel dolo fecisti, cum venderes.
Der Verwahrer hat die verwahrte Sache dolo malo29 verkauft; dabei blieb der Hinterleger Eigentümer30. Später hat der Verwahrer die Sache zurückgekauft, und zwar in causam depositi31, also mit der Absicht, sie wieder in Verwahrung zu haben, wird mit der Möglichkeit rechnen müssen, dass das depositum in bestimmten Punkten deliktische, in anderen Punkten vertragliche Eigenschaften aufweist. Denn juristische Interpretation mag hier mehr Wert auf die Tatsache gelegt haben, dass der Verwahrer dolos gehandelt hat, dort mehr Gewicht dem Umstand beigemessen haben, dass der Hinterleger willentlich dem Verwahrer die Sache anvertraut hat. 26 So ausdrücklich Jhering, Schuldmoment 30 ff., insbes. 31 m.Fn. 62; Niemeyer, Fiducia, SZ 12, 323. 27 Der Index Interpolationum hat keinen Eintrag; die Echtheit der Stelle wird durch die Parallelstelle PS 2 Coll. 10,7,10 gestützt; zu dieser Stelle sogleich im Text. 28 Zur Stelle ist immer noch lehrreich Pernice, Labeo 2,2,12, 212 Fn. 5. 29 Das wird zwar in der Schilderung des Sachverhalts nicht eigens gesagt, ergibt sich aber aus der Entscheidung selbst und aus deren Begründung (quia semel dolo fecisti cum venderes), in der auf den dolus beim Verkauf abgestellt wird. 30 Auch wenn der Käufer die Sache länger als ein Jahr besessen haben sollte, kann er die Sache nicht ersitzen; denn gestohlene Sachen können nicht ersessen werden (vgl. G. 2,45; Kaser, RP I § 101 I 2, S. 419) und der Verwahrer begeht durch den Verkauf einen Diebstahl (G. 2,50). 31 Durch den Verkauf hatte der Hinterleger den Besitz verloren (vgl. Paulus 54 ed D. 41,2,3,18; Pap. 26 quaest D. 41,2,47); der Käufer hatte hingegen den Ersitzungsbesitz erlangt (Gaius 2 rer.cott. D. 41,3,36pr.; G. 2,50). Die Ersitzung scheitert nicht am Fehlen des Ersitzungsbesitzes, sondern daran, dass die Sache eine res furtiva ist. Deshalb gelingt die Ersitzung beim Verkauf des gutgläubigen Erben des Verwahrers, weil in diesem Fall kein furtum vorliegt. Hingegen begeht der Verwahrer durch den Verkauf einen Diebstahl, da er um die Fremdheit weiß. Entsprechend scheidet eine Ersitzung der dann gestohlenen Sache aus.
§ 13 Der Tatbestand der actio depositi in factum concepta
207
um sie später dem Hinterleger zurückzugeben. Dann ist die Sache dem Verwahrer ohne dessen dolus untergegangen. Ulpian sagt, dass der Verwahrer dennoch aus der actio depositi hafte, weil er einmal dolus begangen habe, als er sie verkauft hat. Der Verwahrer begeht durch den Verkauf auch einen Diebstahl und haftet somit auch aus der actio furti32. Denn allgemein begeht einen Diebstahl, wer ohne Erlaubnis eine fremde Sache verkauft, die ihm der Eigentümer übergeben hatte33. Auch eine Haftung aus der condictio furtiva dürfte zu bejahen sein.
Auf einen Bezug zur formula in factum concepta könnten dabei der Wortlaut34 und die systematische Stellung35 im Ediktskommentar Ulpians hindeuten. Der Verwahrer haftet also, obwohl der begangene dolus nicht kausal für die Nichtrückgabe geworden ist, denn die Kausalität wurde durch den Rückkauf unterbrochen36. Die Stelle hat daher stets Erstaunen hervorgerufen. Nach Pernice37 ist die Stelle daher „für uns geradezu unverständlich“. Der Stelle ist auf den ersten Blick und auch auf den zweiten ähnlich38 PS 2 Coll. 10,7,1039: Si rem apud te depositam vendideris eamque redemeris, post perdideris40, semel admisso dolo perpetua41 depositi actione teneberis.
In causam depositi in D. 16,3,1,25 bedeutet nun, dass der Verwahrer die Sache wieder als Verwahrer für den Hinterleger übernimmt und nicht als Eigenbesitzer. Das bringt zum einen die Reue des Verwahrers zum Ausdruck (vgl. paenitentia in Paulus 54 ed D. 41,3,4,10), bedeutet aber auch, dass der Hinterleger wieder den Besitz erlangt; zugleich hört die Sache auf, eine res furtiva zu sein (Paulus 54 ed D. 41,3,4,10). Durch diese Wiederherstellung der früheren Besitzverhältnisse ist auch das Verwahrungsverhältnis vollständig wiederhergestellt. 32 Vgl. G. 2,50. Siehe dazu vorige Fußnote. Zur Konkurrenz von actio depositi und actio furti siehe § 17 II. 33 Vgl. Jav. 15 Cass. D. 47,2,74; dazu Hitzig, Furtum 386. 34 Immerhin wird mehrfach auf den dolus malus abgestellt. Zur Tragweite einer Argumentation mit dem Wortlaut vgl. oben § 8. 35 Vgl. oben § 5. 36 Es handelt sich dabei nicht um einen Fall der überholenden Kausalität oder um einen Fall einer Reserveursache. Vielmehr ist der ursprüngliche Verkauf überhaupt nicht Ursache der Nichtrückgabe geworden. 37 Pernice, Labeo 2,2,12, 212 Fn. 5. 38 Gewisse Ähnlichkeiten weist auch die Stelle Ulp. 31 (30?) ed D. 16,3,3 auf: Plane si possit rem redimere et praestare nec velit, non caret culpa, quemadmodum si redemptam vel alia ratione suam factam noluit praestare causatus, quod semel ignarus vendiderit. Der Unterschied besteht darin, dass in D. 16,3,1,47 bis D. 16,3,3 der Verwahrer (bzw. dessen Erbe, bei dem eigentlich nur vorstellbar ist, dass er ohne dolus handelt) die Sache ohne dolus verkauft hat. Zur Stelle vgl. De Ruggiero, „Depositum vel commodatum“ 48. Ähnlich ist auch der erste Fall von Ulp. 30 ed D. 16,3,1,21. Dort ist dem Verwahrer die Sache ohne dolus abhanden gekommen. Nach Neraz wird der Verwahrer dennoch verurteilt, wenn er die Sache nach litiscontestatio wiedererlangt. Man wird schlußfolgern dürfen, dass er erst recht verurteilt wird, wenn er die Sache vor litiscontestatio wieder erlangt. Der Unterschied zu D. 16,3,1,25 liegt auch hier wieder darin, dass die Sache dem Verwahrer ohne dessen dolus abhanden kam.
208
4. Kap., 1. Abschn.: Die actio deposti als Deliktsklage
Nach Liebs ist diese Ulpianstelle die Vorlage für die Paulussentenzen42. Dabei fällt immerhin auf, dass der Autor der Paulussentenzen gewissermaßen die Pointe verfehlt, weil er nicht klarstellt, dass die Sache nach dem Rückkauf ohne dolus des Verwahrers untergeht. Dieses Element lässt sich aber dem Schlusssatz entnehmen. Zudem ist die Ulpianstelle präziser, weil sie genauer den Zweck des Rückkaufs, nämlich das Verwahrungsverhältnis wiederherzustellen, beschreibt. Insgesamt wird man aber sagen dürfen, dass beide Stellen dasselbe Problem betreffen. Aus dem perpetua hat man folgern wollen, welche Klage hier in Rede stehe bzw. ob diese Klage befrist gewesen sei oder nicht. Nach Taubenschlag43, der D. 16,3,1,25 auf die actio in factum concepta bezieht44, zeige die Stelle PS 2 Coll. 10,7,10, dass auch die actio in factum concepta nicht befristet war, denn die Stelle beziehe sich wie die Parallelstelle D. 16,3,1,25 auf die actio in factum concepta. Nach Karlowa45 muss sich unsere Stelle Coll. 10,7,10 eben gerade deshalb auf die actio in ius concepta beziehen, weil sie perpetua sei. Solche Überlegungen gehen am Text vorbei. Perpetua bezieht sich nicht auf actio in dem Sinne, dass als Gegensatz zu einer ewigen Klage an eine befristete Klage gedacht wäre. Der Gegensatz zu perpetua bzw. perpetuo liegt nach dem Kontext der Stelle im semel: Weil Du einmal dolos gehandelt hast, ist die Haftung begründet und haftest Du nun ohne Unterbrechung aus der actio depositi; Deine Haftung entfällt nicht deshalb, weil Du die Sache zurückgekauft hast. Die actio depositi wäre in diesem Sinne auch dann eine actio perpetua, wenn sie nur innerhalb eines Jahres gegeben würde. Überhaupt ist die zeitliche Bedeutung von perpetuus im Sinne von „ewig“ nur sekundär, perpetuus heißt zunächst nur „ununterbrochen“46.
39 Die Stelle ist nur in der Collatio überliefert, nicht in der westgotischen Tradition, vgl. Huschke, IA2 (1867) 379, 583; Haenel, Lex Romana Visigothorum (1849, Nachdruck 1962) 360. PS 2,12,10 kann daher keinen anderen Text haben als Coll. 10,7,10. 40 So Huschke / Seckel / Kübler (IA6, 1927, 366 m.Fn. 7. Dort finden sich auch Hinweise auf die abweichenden Lesungen der Handschriften und auf Vorschläge von Emendationen). Liebs (Sentenzen II 155, SZ 113) schlägt jetzt eamque postquam vor. 41 Der Codex Berolinensis Lat fol. 269 hat pertuam, der Codex Vindobonensis hat perpetuo (vgl. Huschke / Seckel / Kübler, IA6, 1927, 366 Fn. 6). Dabei scheidet perpetuam offensichtlich aus. Wäre perpetuo ein Fehler, ließe er sich leicht durch als Angleichung an das vorausgehende dolo verursacht erklären. 42 Vgl. Liebs, Sentenzen II 155, SZ 113. Überhaupt enthielten die Sentenzen nach Liebs vor allem Stücke aus Ulpian (Sentenzen II 132). Die Paulussentenzen umfassen 5 Bücher, entstanden um 295 im Westen, wahrscheinlich in der Provinz Africa (so Liebs, HLL V 65 ff.; ausführlich Ders., Römische Jurisprudenz in Africa2 (2005) 41 ff., zur Palingenesie Ders. Sentenzen II 133 ff.). Die Texte zum depositum sind uns zum kleineren Teil überliefert durch die Lex Romana Visigothorum (nämlich nach der üblichen Zählung, vgl. FIRA II PS 2,12, nur die §§ 5, 7, 12), zum größeren Teil durch einen in der Collatio enthaltenen Auszug der Sentenzen (Coll. 10,7). Unsere Stelle ist damit nur in der Collatio überliefert. Die Collatio legum Mosaicarum et Romanarum (Voß, NP 3 s.v., 63 f.) entstand zwischen 390 und 438. 43 Taubenschlag, Geschichte 707 f., Grünhut 34. 44 Taubenschlag, Geschichte 146, Grünhut 35. 45 Karlowa, Rechtsgeschichte II 1, 1313; ebenso Evans-jones, Penal characteristics 118; Metro, L’obbligazione di custodire 141.
§ 13 Der Tatbestand der actio depositi in factum concepta
209
Dem hier vorgeschlagenen Verständnis entspricht auch eine Parallele in Paulus 1 quaest. D. 4,2,17. Die actio quod metus causa wurde gegen den Erben des Erpressers in id quod pervenit gegeben47. Dazu führt Paulus aus: Paulus 1 quaest. D. 4,2,17: Videamus ergo, si heres, ad quem aliquid pervenerit, consumpserit id quod pervenit, an desinat teneri, an vero sufficit semel pervenisse? et, si consumpto eo decesserit, utrum adversus heredem eius omnimodo competit actio, quoniam hereditariam suscepit obligationem, an non sit danda, quoniam ad secundum heredem nihil pervenit? et melius est omnimodo competere in heredem heredis actionem: sufficit enim semel pervenisse ad proximum heredem, et perpetua actio esse coepit: alioquin dicendum erit nec ipsum, qui consumpsit quod ad eum pervenit, teneri. Das Wort perpetua bezieht sich auch hier nicht auf die Frage der Befristung, denn es ist keine Rede davon, dass ein Jahr abgelaufen wäre. Vielmehr geht es um die Frage, ob die Klage noch gegen den Ersterben besteht, obschon der klagebegründende Umstand, das pervenisse, verneint werden könnte.
Erregen die Stellen unser Erstaunen, weil die Haftung des Verwahrers trotz Fehlens der Kausalität bejaht wird48, so ist zu fragen, wie die römischen Juristen solche Fragen der Kausalität sahen. Zunächst ist aber der Erklärungsansatz auszuschließen, der Verwahrer habe sich nach der Veräußerung in Verzug befunden und daher auch für Zufall gehaftet49. Dabei muss man die Fragen auseinander halten, ob der Verwahrer durch den Verkauf einen Diebstahl begeht und ob er deswegen auch hinsichtlich der actio depositi für Zufall haftet. Zunächst begeht der Verwahrer durch den dolosen Verkauf der verwahrten Sache einen Diebstahl50. Der Verwahrer haftet dann auch aus der condictio furtiva und ist hinsichtlich dieser condictio in Verzug, d. h. er haftet auch für Zufall. Durch den Diebstahl allein ist aber der Verwahrer noch nicht im Verzug hinsichtlich der actio depositi, um die es in D. 16,3,1,25 und PS 2 Coll. 10,7,10 allein geht. Für diese Klage sind die Voraussetzungen des Verzuges selbständig zu ermitteln51. Im vorliegenden Fall gibt es keinen Hinweis für einen Verzug des Verwahrers in Bezug auf die actio depositi. Zwar muss der Verwahrer die verwahrte Sache jederzeit auf Verlangen des Hinterlegers zurückgeben52, aber ohne dieses Verlangen ist er, wenn keine Verwahrungszeit vereinbart wurde, nicht im Verzug. Vgl. TLL X s.v. 1639, 25 f. Vgl. Ulp. 11 ed D. 4,2,16,2; Gaius 4 edpr D. 4,2,19. Zu prätorischen Bereicherungsklagen siehe nur Kaser, RP I § 139 V, S. 600. 48 Vgl. Pernice, Labeo 2,2,12, 212 Fn. 5. 49 So Mommsen, Friedrich, Mora 77 m.Fn. 9; Ders., Unmöglichkeit 230 Fn. 2. Dem widerspricht Pernice, Labeo 2,2,12, 212 Fn. 5, 81. Nach ihm sei die Zufallshaftung ex causa furtiva schon etwas anderes als die Haftung bei mora. Zudem habe die Sache aufgehört, eine res furtiva zu sein (mit Hinweis auf Paulus 54 ed D. 41,3,4,10). Daher könne das furtum auch nicht mehr nachwirken. 50 Vgl. G. 2,50. 51 Die Zufallshaftung ex causa furtiva ist von der Haftung bei mora zu unterscheiden, vgl. Paulus 18 ed D. 12,2,30,1 und Pernice, Labeo 2,2,12, S. 81. Vgl. auch Ubbelohde, Realkontrakte 71 Fn. 105. 52 Vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,22 und 45 – 46. 46 47
210
4. Kap., 1. Abschn.: Die actio deposti als Deliktsklage
Schließlich begründet Ulpian die Entscheidung auch gar nicht mit einem Hinweis auf mora oder furtum, sondern auf den dolus53. Eine weitere Frage ist dann, ob die erweiterte Haftung aus der condictio furtiva auch auf die Haftung aus der actio depositi durchschlägt. Dies ist zu verneinen54. Nähme man an, der Verwahrer sei durch den Verkauf auch in Bezug auf die Haftung aus der actio depositi in Verzug, dann stellte sich die Anschlußfrage, wann dieser Verzug endet. Dass der Schuldnerverzug ende durch ein den Gläubigerverzug begründendes Angebot55, würde hier merkwürdig anmuten, da weder ein fester Leistungstermin vereinbart wurde noch eine interpellatio vorlag, der Schuldner nicht dadurch in Verzug geraten wäre, dass er auf Aufforderung nicht leistet. Es müsste dann zur Beendigung des Verzuges genügen, dass der Verwahrer sich wieder in die Lage versetzt, die Sache jederzeit zurückgeben zu können, indem er sie zurückkauft. Da dies hier geschehen ist, müsste man jedenfalls ein Ende des Verzuges annehmen.
Zur Frage, inwieweit die römischen Juristen Kausalitätsfragen beachtet haben, verweist Pernice56 unter anderem auch auf Paulus 12 ed D. 4,7,8,4: Si quis alienaverit, deinde receperit, non tenebitur hoc edicto.
Paulus erörtert die Klage, die gegen den Gegner eines zukünftigen Prozesses gewährt wurde, wenn dieser Gegner die umstrittene Sache iudicii mutandi causa veräußert und so die Rechtsverfolgung erschwert hatte, etwa weil der Erwerber in einer anderen Provinz wohnte oder ein potentior war57. Auf den ersten Blick ist die Gemeinsamkeit mit unserer Stelle D. 16,3,1,25 schlagend: Der zukünftige Prozessgegner hat durch den Verkauf eine Verletzungshandlung begangen, später die Sache zurückerhalten; er haftet daher nicht aus dem Edikt. Allerdings besteht ein Unterschied darin, dass in D. 16,3,1,25 der Verwahrer durch die Nichtrückgabe seine Rückgabepflicht verletzt und die Frage lautet, ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem dolosen Verkauf und der Nichtrückgabe besteht. In D. 4,7,8,4 liegt aber nach der Rückerlangung der verkauften Sache gar keine Verletzung mehr vor, so
Pernice, Labeo 2,2,12 212 Fn. 5. Undeutlich insoweit Liebs, Klagenkonkurrenz 18, zu Pomp. 38 Quintum Mucium D. 13,1,16, nach dem die konkrete Konkurrenz auch einmal dem schärferen Haftungsmaßstab zum Sieg verhelfen konnte. Aber die Stelle sagt zunächst nur, dass im Rahmen der condictio furtiva sich nicht die Haftungserleichterung aus dem depositum durchsetzt. Nicht gesagt wird, dass der Verwahrer auch aus der actio depositi nun für Zufall hafte. Man wird vielmehr das Gegenteil annehmen dürfen (Kübler, Rez. Siber, Passivlegitimation, SZ 29, 483; Litewski, Rez. Klami, Mutua magis videtur, Index 3, 567), denn Pomponius würde den Unterschied der Klagen nicht so betonen, wenn bei Konkurrenz der actio depositi mit der condictio furtiva der Verwahrer auch aus der actio depositi immer für Zufall haften würde. Zur Stelle selbst siehe sogleich im Text. 55 Vgl. Kaser, RP I § 119 II 3, S. 516. 56 Pernice, Labeo 2,2,12, 212 Fn. 5. 57 Zu diesen beiden Fällen vgl. Gaius 4 edpr D. 4,7,1,1; zur Klage vgl. Lenel, EP3 125 ff.; zuletzt Gröschler, Actiones in factum 122 ff. Zum Verhältnis der actio in factum zur restitutio in integrum siehe Gröschler a. a. O. 124 f. 53 54
§ 13 Der Tatbestand der actio depositi in factum concepta
211
dass sich auch nicht die Frage eines Kausalzusammenhanges mit dem früheren Verkauf stellt. Denn der zukünftige Prozessgegner schuldet nicht Herausgabe der Sache (um eine etwaige Herausgabepflicht soll ja erst im Prozess gestritten werden), sondern nur, die Prozesssituation des anderen nicht zu verschlechtern. Die Stelle belegt die Beachtung von Kausalitätsfragen durch die römischen Juristen daher nicht. Grundsätzlich haben die römischen Juristen Kausalitätsfragen beachtet, wenngleich nicht in endgültiger dogmatischer Durchdringung58. Das Fehlen des kausalen Zusammenhanges ist an unserer Stelle um so auffälliger, als der Untergang der Sache auf einer anderen Ursache als dem Verkauf beruht59. Denn die römischen Juristen haben die Zurechnung sogar verneint, wenn die fragliche Handlung zwar geeignet war, den Nachteil herbeizuführen, dieser aber tatsächlich (auch) durch eine andere Ursache herbeigeführt wurde60. Das zeigt für den vertraglichen Bereich besonders Paulus 561 Plautium D. 44,7,4562, 63: Is, qui ex stipulatu Stichum debeat, si eum ante moram manumiserit et is, priusquam super eo promissor conveniretur, decesserit, non tenetur: non enim per eum stetisse videtur, quo minus eum praestaret. 58 Vgl. Kaser, RP I § 118 I, S. 503; Nörr, Kausalitätsprobleme 115 ff., FS Wieacker; Rabel, Grundzüge 138 f.; Windscheid / Kipp, Pandekten II9, § 258 Fn. 15, S. 62 f. 59 Ubbelohde, Realcontracte 72, nimmt dennoch das Bestehen eines Kausalzusammenhanges zwischen der vorübergehenden Veräußerung und dem Untergang an. Gehe etwa nach Rückkauf die verwahrte Sache in einer Feuersbrunst unter, so hafte der Verwahrer nicht. Aber Ubbelohdes Lösung ist doch nur Ausdruck einer Pandektenharmonistik, die Anstößigkeiten in den Digesten um jeden Preis beseitigen will. Es gibt keinen Zweifel, dass beide Stellen, D. 16,3,1,25 und PS 2 Coll. 10,7,10, gerade betonen wollen, dass der Verwahrer trotz fehlenden Kausalzusammenhanges hafte. Eine solchen darf man dann auch nicht herbeikonstruieren. Übrigens sieht Ubbelohde a. a. O. zutreffend, dass die Lösung Ulpians auch mit dem Wortlaut der formula in factum concepta nur unter Schwierigkeiten vereinbar ist. Hingegen dürfte bei der von Ubbelohde a. a. O., Fn. 106, angeführten Stelle Ulp. 28 ed D. 13,6,5,7 der Kausalzusammenhang zwischen dem Tod des geliehenen Pferdes und der Vertragsverletzung zu bejahen sein. Denn der Entleiher, der das geliehene Pferd nicht, wie verabredet, benutzt, um zu einem Landhaus zu reiten, sondern um mit ihm in die Schlacht zu ziehen, der erhöht vertragswidrig das Risiko, dass das Pferd umkommt; der Tod des Pferdes ist insofern bezogen auf die Vertragsvereinbarung nicht zufällig, mag es auch unsicher sein, ob das Pferd in der Schlacht zugrundegeht. Die Stelle gehört damit nicht zur Frage der vertraglichen Haftung für Zufall. Auch Gaius 9 edpr D. 13,6,18pr. gehört nicht hierher (anders Kaser, RP I § 125 II, S. 533 m. Fn. 4), denn wenn der Entleiher entgegen der Vereinbarung die geliehene Sache mit auf Reisen nimmt, dann ist der Schiffbruch bezogen auf die vertragliche Risikoverteilung keine höhere Gewalt mehr. 60 Vgl. etwa Ulp. 18 ed D. 9,2,11,3. Zu diesen Fällen der überholenden Kausalität siehe Gerkens, „Aeque periturus“. 61 Nach Lenel, P I Paulus 1109, Sp. 1153, erörtert Paulus im 5. Buch ad Plautium auch das depositum (vgl. nur D. 16,3,4); zu dieser Erörterung gehöre auch unsere Stelle. Lenel (a. a. O. Fn. 2) sieht insoweit einen Zusammenhang mit Paulus 5 Plautium D. 42,1,8 und Pomp. 22 Sab D. 16,3,12,3. Sucht man aber einen Vergleichsfall zum depositum, so fällt auf, dass der Verwahrer den in Verwahrung gegebenen Sklaven (zur Verwahrung von Sklaven siehe nur Ulp. 30 ed D. 16,3,1,9 und Mod. 2 diff D. 16,3,23) gar nicht freilassen kann. Dies kann aber derjenige, der einen Sklaven bei der fiducia übereignet erhalten hat (vgl. Noordraven, Fiduzia
212
4. Kap., 1. Abschn.: Die actio deposti als Deliktsklage
Der Schuldner hatte durch Stipulation die Übereignung eines Sklaven versprochen, diesen Sklaven dann aber, bevor er in Verzug war, freigelassen. Damit ist die Leistung des Sklaven für jedermann, also objektiv, unmöglich. Vor litiscontestatio ist dann der Sklave verstorben. Der Schuldner hafte nicht, weil er die Nichtleistung nicht zu vertreten habe. Dahinter steht der Gedanken, dass der Sklave auch dann verstorben wäre, wenn der Schuldner ihn nicht freigelassen hätte64. Da der Schuldner nicht in Verzug war, hat er auch nicht für den Zufall einzustehen. Entfällt die Haftung des Schuldners in D. 44,7,45, obwohl der Schuldner sein Nichtvermögen herbeigeführt hat, weil dem Schuldner die Leistung auch aus einem anderen Grund unmöglich wird, so wäre für unsere Stelle D. 16,3,1,25 erst recht zu erwarten, dass der Verwahrer nicht haftet, weil der dolose Verkauf aufgrund des Rückkaufs anders als die Freilassung des versprochenen Sklaven schon gar nicht (mehr) geeignet war, die Nichtleistung herbeizuführen. Verstößt die Entscheidung in D. 16,3,1,25 damit gegen die Behandlung von Kausalitätsfragen durch die römischen Juristen bei Vertragsklagen, so bleibt für unsere 164). Da Paulus im 5. Buch auch die fiducia behandelt (Lenel, P I Paulus 1110 f., Sp. 1153), kann Paulus auf das Problem in D. 44,7,45 auch bei der Erörterung der fiducia gekommen sein, so wie Julian bei der Erörterung der Freilassung des Sklaven durch den Fiduziar auch auf die Frage der Freilassung des verkauften Sklaven durch den Verkäufer kam (vgl. Jul. 13 dig D. 19,1,23; dazu Noordraven a. a. O.; Lenel, P I Julian 221 Sp. 354 f. m.Fn. 12). Die Stelle könnte also auch aus der Erörterung der fiducia herrühren. Auch der Hinweis auf das vergleichbare Thema des Pomponius in 22 Sab D. 16,3,12,3 ist deshalb nicht ausschlaggebend, weil Pomponius an dieser Stelle auch nicht vom depositum handelt (siehe § 7 III). Zum Kommentar des Paulus zu Plautius allgemein siehe Schulz, Rechtswissenschaft 271; Liebs, HLL IV 151 f. 62 Nach Haymann, Textkritische Studien 324, SZ 40, erregt zwar das super eo conveniretur (vgl. Eisele, Beiträge zur röm. Rechtsgeschichte 231 ff.) und das zweifache is, das zuerst den Schuldner, dann den versprochenen Sklaven bezeichnet, den Verdacht der Überarbeitung; die Stelle sei dem Inhalt nach aber echt (zustimmend Genzmer, Subjektiver Tatbestand 127 f., SZ 43). Anders Beseler, SZ 43, 554, der so ziemlich alles streicht und den Schuldner nach Freilassung haften lässt; natürlich, möchte man sagen, ohne Begründung. 63 Kaser, ‚Perpetuari obligationem‘ 143, SDHI 46; Willvonseder, Denkfigur 156; Flume, Rechtsakt; zuletzt umfassend Gerkens, „Aeque periturus“ 211 ff. Guarnieri Citati, En matière d’affranchissements frauduleux 484 Fn. 2, befasst sich nur mit der Wirksamkeit der Freilassung und bejaht diese. 64 Zum Teil wird angenommen, es handele sich um einen Fall der überholenden Kausalität, vgl. Kaser, ‚Perpetuari obligationem‘ 143, SDHI 46; zustimmend Willvonseder, Denkfigur 156; anders Flume, Rechtsakt 104. Genaugenommen handelt es sich nicht um einen Fall der überholenden Kausalität, denn durch den Tod des Sklaven wird die Leistung nicht vor dem Zeitpunkt unmöglich, zu dem sie schon durch die Freilassung unmöglich war. Vielmehr hat sich die hypothetische Kausalkette, die zur Befreiung des Schuldners geführt hätte, nämlich der Tod des Sklaven, nicht auswirken können, weil der Schuldner sich schon vorher die Leistung durch Freilassung unmöglich gemacht hat. Paulus berücksichtigt aber diese hypothetische Kausalität, vgl. Gerkens, „Aeque periturus“ 216 ff. (anders Gordon, Rez. Gerkens 367, ohne nähere Begründung). Die hypothetische Kausalkette, die im zufälligen Tod des Stichus besteht, ist zu berücksichtigen, weil der Schuldner noch nicht in Verzug war (ante moram) und daher nicht für Zufall haftete.
§ 13 Der Tatbestand der actio depositi in factum concepta
213
Stellen nur die Lösung, dass die actio depositi mit der formula in factum concepta insoweit als deliktische Klage aufgefasst wurde, als die Haftung schon durch eine Verletzungshandlung65 begründet wurde, die nicht erst in der Nichtrückgabe der verwahrten Sache liegen musste. Die Haftung aus der Klage ist schon durch den dolosen Verkauf begründet, der den Treuebruch offenlegt; auf die spätere Entwicklung kommt es nicht mehr an. Die Entscheidung muss damit auch zur formula in factum concepta gehören, denn bezogen auf die formula in ius concepta wäre sie in der Tat unverständlich66. Eine innere Rechtfertigung liegt auch darin, dass nach Verkauf der Verwahrer wirtschaftlich auf Herausgabe des Kaufpreises gehaftet hätte67. Verliert er den Kaufpreis durch Zufall, bleibt seine Haftung dennoch bestehen. Dieses Risiko kann er dem Hinterleger nicht durch bloßen Rückkauf überbürden, sondern nur durch Rückgabe der Sache bzw. durch Versetzung des Hinterlegers in Annahmeverzug durch Anbieten der Sache. Aber, so könnte man einwenden, fehlt nicht auch bei der Deutung der actio depositi in factum concepta als deliktischer Klage die Kausalität? Denn hätte der Verwahrer die Sache nach dem Rückkauf zurückgegeben, würde er wohl auch nicht aus der actio in factum concepta haften68. Die Frage ist wohl die Frage nach den Heilungsmöglichkeiten bei Delikten. Dabei ist hinsichtlich der Heilungsmöglichkeit zwischen pönalen und sachverfolgenden Klagen zu unterscheiden69: Bei pönalen Klagen gibt es keine Heilungsmöglichkeit70, bei sachverfolgenden Klagen kann die Heilung durch Rückgabe71 bewirkt werden, weil dann der Kläger kein Interesse mehr hat. In unserer Stelle ist eine Rückgabe aber gerade nicht erfolgt. Nimmt man, wie hier, an, dass die Rückgabe nach Rückkauf den Verwahrer hätte freiwerden lassen, so spräche das für einen sachverfolgenden Charakter der actio depositi in factum concepta. Die Klage stünde dann im Gegensatz etwa zur pönalen actio furti. Das allein nähme aber der actio depositi in factum concepta nicht ihren deliktischen Charakter72.
Zur näheren Beschreibung dieser Verletzungshandlung siehe sogleich. Die Haftung trotz Fehlens des Kausalzusammenhanges widerstritte der bona fides, so etwa Ubbelohde, Realcontracte 71. 67 Vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,47; zur Stelle, die wohl von der formula in ius concepta handelt und bei der der Verwahrer sogar auf den Kaufpreis haftet, wenn er die Sache ohne dolus verkauft, siehe näher unten § 16 III. 68 Der Judex könnte schon das quanti ea res erit der Formel wohl nur auf Null bemessen. Aber auch sonst dürfte wohl keine Verurteilung erfolgen. 69 Vgl. Faber, Rationalia zu D. 4,7,8,4, S. 744. 70 Sonst könnten die sachverfolgenden Klagen nicht mit pönalen Klagen gehäuft werden. Ulpian sagt in 1 ed.aed.cur. D. 47,2,66 zunächst nur, dass ein Sklave, der eine Sache gestohlen und dann zurückgegeben hat, mangelhaft im Sinne des Ädilenedikts bleibt; doch zumindest Justinians Juristen haben die Stelle auch so verstanden, dass die actio furti nach wie vor erfolgreich ist. 71 Oder durch Anbieten der Rückgabe, so dass der Gläubiger in Annahmeverzug kommt. Zur condictio furtiva vgl. etwa Ulp. 27 ed D. 13,1,8pr. 72 Siehe oben die einleitende Fußnote zu diesem Paragraphen. 65 66
214
4. Kap., 1. Abschn.: Die actio deposti als Deliktsklage
2. Pomp. 38 Qu.Muc. D. 13,1,16 In einer anderen Stelle wird aber die Zufallshaftung des Verwahrers nach dolosem Handeln in Bezug auf die Sache verneint. Es handelt sich um Pomp. 3873 Qu.MuC. D. 13,1,1674: Qui furtum admittit vel re commodata vel deposita utendo, condictione quoque ex furtiva causa obstringitur: quae differt ab actione commodati hoc, quod, etiamsi sine dolo malo et culpa eius75 interierit res, condictione tamen tenetur, cum in commodati actione non facile ultra culpam et in depositi non ultra dolum malum teneatur is, cum quo depositi agetur.
Der Entleiher, der die geliehene Sache (in anderer Weise als vereinbart) benutzt und der Verwahrer, der die in Verwahrung gegebene Sache benutzt, haften auch aus der condictio furtiva. Der Jurist unterscheidet dann zwischen der actio commodati und depositi auf der einen Seite und der condictio furtiva auf der anderen Seite. Der Betreffende hafte aus der condictio furtiva auch dann, wenn die Sache ohne dolus oder culpa untergehe, während er aus der actio commodati und actio depositi nur hafte, wenn die Sache aufgrund culpa bzw. dolus untergegangen sei. Aber handelt die Stelle ursprünglich überhaupt vom depositum? Exkurs: „depositum vel commodatum“: Die Stelle ist häufig verdächtigt worden; die Unebenheit des Textes liegt auf der Hand, da die Institute commodatum und depositum unklar miteinander vermischt werden. Auch wenn
73 Im 38. Buch seines Kommentars zu Quintus Mucius behandelt Pomponius das furtum, vgl. Lenel, P II, Pomponius 321 u. 322, Sp. 78. Dabei liegt es nahe, dass Anknüpfungspunkt für Pomponius folgende bei Gellius (Gell. 6,15,2) überlieferte Aussage des Quintus Mucius war (Lenel a. a. O. Fn. 1): Quod cui servandum datum est, si id usus est, sive, quod utendum accepit, ad aliam rem, atque accepit, usus est, furti se obligavit. Zwei (neben D. 13,1,16 noch D. 47,2,77pr.) der drei uns erhaltenen Fragmente des 38. Buches handeln vom Diebstahl beim depositum bzw. commodatum, das dritte (D. 47,2,77,1) betrifft das gleiche Problem wie Ulp. 29 Sab D. 47,2,14,3, das auch vom furtum des Verwahrers handelt, nämlich die Frage des bestohlenen Diebes. Nicht klar erkennbar ist für uns, was Kommentar des Pomponius ist und was noch von Quintus Mucius stammt. So könnte man den Kommentar bei „quae differt“ beginnen lassen; doch auch der Eingangssatz könnte schon von Pomponius stammen, insbesondere wenn man mit Liebs (Klagenkonkurrenz 110) die condictio furtiva in ihrer Anwendung auf commodatum und depositum für jünger als Quintus Mucius hält. Auch das „quoque“ lässt die Annahme zu, dass der Kommentar schon im ersten Satze beginne: Pomponius hätte dann der Aussage des Quintus Mucius, dass Entleiher und Verwahrer unter gewissen Umständen mit der actio furti hafteten, hinzugefügt, dass das auch für die condictio furtiva gelte. Zur Kommentarstruktur des Werkes siehe nur D. 9,2,39 und Schulz, Rechtswissenschaft 253 f.; Liebs, HLL IV 148. Mit der Trennung der Aussagen des Mucius und des Pomponius in unserer Stelle beschäftigt sich v. a. Zannini, Spunti critici 97 ff. 74 Zannini, Spunti critici 97 ff. (v. a. zum commodatum); De Ruggiero, „depositum vel commodatum“ 78 ff. 75 Culpa eius statt culpa sua dürfte richtig sein, weil das Subjekt des Satzes quae, also die condictio furtiva, ist, und der quod-Satz vom Hauptsatz nicht innerlich abhängig (vgl. Menge / Burkard / Schauer, § 85 1b, S. 126.
§ 13 Der Tatbestand der actio depositi in factum concepta
215
die Stelle in den Grundzügen echt sein sollte, so fragt sich vor allem, ob sie im Original wirklich von commodatum und depositum oder doch nur von einem Institut gehandelt hat; wenn letzteres der Fall ist, von welchem? Es gibt die allgemeine Vermutung, in vielen klassischen Texten, die vom depositum bzw. vom commodatum handelten, sei in späterer Zeit, d. h. nicht unbedingt erst durch Justinian, der jeweils andere Vertragstyp ergänzt worden, weil man die Texte vollständiger machen wollte und weil im betreffenden Zusammenhang kein Unterschied zwischen beiden Vertragstypen bestanden habe oder auch nur nicht erkannt worden sei. Auffällig sei daher stets etwa eine Formulierung wie depositum vel commodatum76. Nach Noordraven77 hätten die Kompilatoren die fiducia cum amico contracta durch den Ausdruck depositum vel commodatum ersetzt, um der Schwierigkeit zu entgehen, dass diese Form der fiducia den Gebrauch der Sache durch den Empfänger zuließ, das depositum aber nicht78. Unsere Stelle handelt freilich nicht von der fiducia. Das zeigt schon der Zusammenhang mit dem unverdächtigen Gelliuszitat. Zur Vorsicht mahnt allerdings, dass nach der Coll. 10,2 Modestin im 2. Buch seiner libri differentiarum auch die Titelrubrik De deposito et commodato hatte79. Ferner hatte schon Quintus Mucius commodatum und depositum parallel erörtert (Gellius NA 6,15,2). Auch Gaius erörtert die beiden Institute zusammen, etwa in G. 4,5980. Gegen einen ursprünglichen Bezug zum commodatum spricht aber nicht, dass der Diebstahl des Entleihers nur unvollständig beschrieben ist, weil eine Wendung wie aliter quam accepit fehlt81. Denn es ist davon auszugehen, dass die zutreffende Schilderung, wie sie sich im Gelliuszitat oder in D. 47,2,77pr. findet, unserer Stelle vorausging; darauf deutet das quoque hin, das sich unter Umständen auf die Aussage bezieht, der Entleiher und Verwahrer hätten bei entsprechenden Verhalten mit der actio furti gehaftet. Dass der Jurist dann im Fortgang sich einer verkürzten Ausdrucksweise bedient und dem Leser die Ergänzung zutraut, kann nicht überraschen. Der zweite Hauptanstoß liegt darin, dass der 2. Satz mit der Erörterung der actio commodati beginnt (quae differt ab actione commodati hoc), im Mittelteil beide Institute erörtert werden, während am Ende als Beklagter nur der Verwahrer bezeichnet wird. Nach Lenel (P II 78 Fn. 2) im Anschluss an Haloander ist depositi deshalb in der Schlusswendung cum quo depositi agetur eine Glosse. Diese Vermutung beseitigt immerhin den Anstoß, dass bei der actio commodati der Verwahrer nicht leicht für mehr als für culpa hafte. Freilich bleibt nach dieser Streichung unklar, was das Subjekt von condictione tamen tenetur ist. Haymann82 hält non facile ultra culpam für unecht, unter anderem mit der Begründung, dass als Subjekt dieser sich auf die actio commodati beziehenden Aussage vom Verwahrer die Rede Dazu umfassend De Ruggiero, „depositum vel commodatum“ 5 – 83, BIDR 19 (1907). Noordraven, Fiduzia 49 f. 78 So schon De Ruggiero, „depositum vel commodatum“ 26. 79 So Huschke / Seckel / Kübler, IA 2.1.6, 1926, 362 f. Fn. 17, im Anschluss an Cujaz, freilich gegen die Handschriften, die commendato statt commodato haben. Aber zum einen ist commodato passend, weil im Werk ständig depositum und commodatum verglichen werden, zum anderen sollte es dann eher vel commendato statt et commendato heißen. 80 Zu weiteren Beispielen vgl. De Ruggiero, „depositum vel commodatum“ 7. 81 Daran nimmt etwa Anstoß De Ruggiero, „depositum vel commodatum“ 72 f.; ihm zustimmend Rotondi, Appunti 70. 82 Haymann, Studien zum Obligationenrecht 184, SZ 40. 76 77
216
4. Kap., 1. Abschn.: Die actio deposti als Deliktsklage
ist. Das non facile lässt sich jedenfalls so verstehen, dass grundsätzlich Entleiher und Verwahrer nicht für Zufall haften, dass es aber Fälle gibt, in denen die Haftung doch auf die Haftung für Zufall erweitert sein konnte. Beim depositum ist dies möglich etwa bei Vereinbarung83. Für unsere Zwecke ist vor allem wichtig, ob die Stelle vom depositum handelt. Für De Ruggiero84 handelte der Text ursprünglich nur vom depositum. Sein Hauptargument ist, dass der Diebstahl des Entleihers durch Gebrauch der Sache nur ungenügend beschrieben sei. Dieses Argument erscheint schon aus dem oben angeführten Grund nicht überzeugend. Gegen eine Ergänzung des commodatum spricht wohl auch, dass es als Ergänzung hinter dem dann ursprünglichen depositum stehen sollte statt vor ihm. Gegen eine Ergänzung des depositum spricht, dass beim Streichen der Schlusswendung das Subjekt zu tenetur und teneatur fehlte. Gerade der Bezug auf das bei Gellius überlieferte Zitat des Quintus Mucius spricht für die Annahme, auch in unserer Stelle D. 13,1,16 seien beide Institute erörtert worden. Sprachliche Ungereimtheiten ließen sich durch Kürzungen erklären. Dieses Argument hält freilich nur, wenn die Stelle nicht bezüglich des depositum inhaltlich falsch ist. Dies ist nicht der Fall, dazu sogleich im Text.
Nimmt man einmal an, die Stelle habe auch im Original vom depositum gehandelt, so scheint sich ein Widerspruch zu D. 16,3,1,25 zu ergeben85. In beiden Fällen begeht der Verwahrer einen Diebstahl an der Sache, aber nur in D. 16,3,1,25 begründet dies die Haftung des Verwahrers für Zufall. Diesen Widerspruch sieht schon die Glosse86 und bietet die Lösung in dem Unterschied, dass dort der Verwahrer die Sache verkauft, hier aber nur genutzt hat87. Diese Unterscheidung ist dann überzeugend, wenn man sich vor Augen hält, dass beim Verkauf der Verwahrer seine Rückgabepflicht sich unmöglich macht, während er dies beim bloßen Gebrauch nicht tut88. Dazu passt, dass nach Kaser die Regel fur semper in mora von der condictio furtiva auf andere Fälle erweitert wird, in der eine Sache entzogen wird89. Beim bloßen Gebrauch der Sache würde es aber keine
83 Vgl. Ulp. 4 ed D. 2,14,7,15; Ulp. 30 ed D. 16,3,1,35. In der ersten Stelle zitiert Ulpian dabei übrigens eine entsprechende Aussage des Pomponius. 84 Ruggiero, „depositum vel commodatum“ 72 f.; etwas anders 79 f. 85 So auch Ubbelohde, Realcontracte 71. 86 In der Glosse dolum zu D. 13,1,16 heißt es über D. 16,3,1,25: „quae est contra“. 87 Glosse dolum: Sed hic utendo, ibi vendendo commisit furtum. 88 Anders könnte die Sache liegen, wenn durch den Gebrauch die Sache beschädigt wird (vgl. Ulp. 30 ed. D. 16,3,1,16). Verschlechterung ist aber nicht notwendig mit Gebrauch verbunden und von einer Verschlechterung ist in der Stelle auch keine Rede. 89 Kaser, Mora, in: RE 16, 269; Ders., RP I, § 119 II 1, S. 515 Fn. 20 u. § 142 IV, S. 612. Neben dem interdictum unde vi und der actio quod metus causa beobachtet dies Kaser, Mora a. a. O., auch bei der actio rerum amatorum, vgl. Ulp. 34 (zur Buchzahl siehe Lenel, P II, Ulpian 976 ff., Sp. 648) ed. D. 25,2,17,2: Non solum eas res, quae exstant, in rerum amotarum iudicium venire Iulianus ait, verum etiam eas, quae in rerum natura esse desierunt… Wenn man davon ausgeht, dass auch die Formel der actio rerum amatorum die Voraussetzung des non reddere hatte („eamque rem redditam non esse“, vgl. Lenel, EP3 309; Wacke, Actio rerum amatorum 54 ff., 61), liegt ein Vergleich mit der actio depositi in factum concepta besonders nahe.
§ 13 Der Tatbestand der actio depositi in factum concepta
217
Sachentziehung geben. Zudem dürfte allein durch den Gebrauch der verwahrten Sache die actio depositi noch nicht begründet sein, denn dem Verwahrer ist jederzeit die Rückgabe möglich, wenn der Verwahrer sie verlangt, das redditam non esse liegt also in keinem Fall vor90. In D. 16,3,1,25 ist aufgrund des Verkaufes die actio depositi begründet, weil der Verwahrer die Sache nicht zurückgeben kann, wenn der Hinterleger dies verlangt. Dass in D. 13,1,16 ohne dolus des Verwahrers die Sache untergeht, kann also nicht zum Wegfall der Haftung führen, da diese vorher nicht bestand. Man sieht also: Sowohl in D. 16,3,1,25 als in D. 13,1,16 haftet der Verwahrer wegen seines Verhaltens aus der condictio furtiva, aber nur in D. 16,3,1,25 auch aus der actio depositi in factum concepta91.
3. Zusammenfassung Fasst man die Ergebnisse zusammen, so zeigt sich, dass ein Tatbestand, der die actio depositi in factum concepta begründet, das dolose Herbeiführen der Unmöglichkeit der Rückgabe ist, bei dem sich zugleich der fides-Bruch offenbart92. In D. 16,3,1,25 und PS 2 Coll. 10,7,10 haftet der Verwahrer, weil er dolos die Unmög90 Zu dieser Frage siehe noch § 17 II 3. Für eine Beschädigung der Sache durch deren Gebrauch gibt es keinen Anhaltspunkt. Nähme man an, dass die actio depositi begründet ist, müsste die Verurteilung nach quanti ea res erit auf Null lauten, weil nach Rückgabe der Sache kein weiteres Interesse des Hinterlegers ersichtlich ist. Auch bei der actio depositi in ius concepta wäre nicht ersichtlich, wie die Verurteilungssumme bemessen werden könnte. Auch Pomp. 38 QuMuc D. 47,2,77pr. steht der Auffassung, der bloße Gebrauch begründe die actio depositi bzw. commodati nicht, nicht entgegen. In dieser Stelle wird eine Sachbeschädigung, die auf dem unerlaubten Gebrauch beruht (vgl. Ulp. 29 Sab D. 13,6,10pr., Pomp. 21 QuMuc D. 13,6,23), oder gar ein Sachuntergang in Folge des unerlaubten Gebrauchs (Ulp. 28 ed D. 13,6,5,7) vorausgesetzt sein. 91 Da also der Gebrauch, der mit keiner Beschädigung der Sachsubstanz einhergeht und der dem Verwahrer die Möglichkeit jederzeitiger Rückgabe belässt, von der actio depositi in factum concepta nicht erfasst wird, hat die Erfassung eines solchen Verhaltens als furtum für den Hinterleger durchaus ihren Wert: Er kann statt mit der actio depositi nun auch mit der condictio furtiva die Sache zurückverlangen und dadurch dem Verwahrer das Risiko des zufälligen Sachunterganges auferlegen; ferner kann er mit der actio furti das Doppelte des Sachwertes verlangen. Denn furtum usus meint nicht, dass der usus gestohlen sei und somit nur das Doppelte des Wertes der Nutzung zu ersetzen sei; furtum usus meint vielmehr, dass eine Sache gestohlen werden kann, indem man sie gegen den Willen des Eigentümers benutzt; Grundlage für die Bemessung des duplum ist auch hier der Sachwert. Zwar scheint es dafür keine direkten Belege zu geben, doch ist dies wahrscheinlich. So waren etwa auch Wertsteigerungen zu berücksichtigen (vgl. Ulp. 37 ed D. 47,2,50pr.). 92 Bei dieser Deutung betrifft die Entscheidung res deterior reddita non est reddita in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,16 nicht nur ein Problem des Formelwortlauts, der einer Verurteilung des Verwahrers nach Rückgabe einer beschädigten Sache entgegenstehen könnte, sondern durchaus auch eine materiellrechtliche Frage, die natürlich selbst wieder durch den Formelwortlaut gestellt wird: Auch die Beschädigung der verwahrten Sache führt zu einer Unmöglichkeit der Sachrückgabe.
218
4. Kap., 1. Abschn.: Die actio deposti als Deliktsklage
lichkeit der Rückgabe herbeigeführt hat; in D. 13,1,16 haftet der Verwahrer nicht aus der actio depositi, weil er die hinterlegte Sache noch stets zurückgeben kann. Vor diesem Hintergrund muss die Frage beantwortet werden, wie sich die Entscheidung in D. 16,3,1,25 mit dem Wortlaut der formula in factum concepta vereinbaren lässt, scheint doch auch der Ausdruck dolo malo redditam non esse eine Kausalität zwischen dem begangenen dolus und der Nichtrückgabe auszudrücken93. Allerdings haben die römischen Juristen die Ausdrücke dolo facere und redditam non esse, begünstigt durch das Edikt, das die Nichtrückgabe nicht erwähnt, voneinander getrennt94; der einmal begangene dolus liegt vor und die Rückgabe ist auch ausgeblieben. Unklar ist in diesem Zusammenhang Ulp. 29 Sab D. 47,2,14,395. Bei der Erörterung, wer für die actio furti aktivlegitimiert sei96, kommt Ulpian auch auf den Verwahrer zu sprechen. Aktivlegitimiert für die actio furti ist, wer ein Interesse daran hat, dass die Sache nicht gestohlen wird. Grundsätzlich stehe dem Verwahrer die actio furti nicht zu (vgl. G. 3,207), denn da er nur für dolus einzustehen habe, hafte der Verwahrer dem Hinterleger auch nicht, wenn die Sache gestohlen werde; der Verwahrer habe also kein Interesse daran, dass die Sache nicht gestohlen werde. Ulpian kommt dann auf einen Fall, in dem der Verwahrer das periculum trägt, d. h. dem Hinterleger für einen durch Zufall eintretenden Schaden haftet, weil er dolos gehandelt hat. Auch ein solcher Verwahrer habe die actio furti nicht, wenngleich mit anderer Begründung: Er dürfe nicht ex dolo suo die actio furti erwerben97. Auch in dieser Stelle ergibt sich also eine Zufallshaftung des Verwahrers. Anders als in D. 16,3,1,25 und in D. 13,1,16 bleibt die Art der Verletzungshandlung aber unklar, Ulpian beschränkt sich auf ein „dolo fecit“. Gemeint ist damit jedenfalls eine dem Diebstahl vorangehende Handlung98. Der dolus des Verwahrers hat aber jedenfalls nicht dazu geführt, dass der Verwahrer die Sache nicht mehr hat, denn sonst könnte sie ihm nicht mehr gestohlen werden. Der Ausdruck dolo facere meint beim depositum grundsätzlich jede die Haftung aus der actio depositi begründende Handlung des Verwahrers99. Vor dem Hintergrund von D. 13,1,16 dürfte Ein anderer haftungsbegründender Tatbestand liegt in der dolosen Nichtrückgabe trotz Rückgabemöglichkeit. 93 Das sehen schon Ubbelohde, Realcontracte 106, und Taubenschlag, Depositumsklagen 146 f., Grünhut 35. 94 Vgl. § 8 und vor allem § 16 II 4b. 95 Ulp. 29 Sab D. 47,2,14,3: Is autem, apud quem res deposita est, videamus, an habeat furti actionem. et cum dolum dumtaxat praestet, merito placet non habere eum furti actionem: quid enim eius interest, si dolo careat? quod si dolo fecit, iam quidem periculum ipsius est, sed non debet ex dolo suo furti quaerere actionem. Siehe nur Klingenberg, „Constitutum est“ 243 ff., RIDA 46. 96 Ulpian behandelt eigentlich das Kaufrecht, siehe oben § 9 III 1. 97 Zu dieser Begründung umfassend Klingenberg, „Constitutum est“ 243 ff., RIDA 46; siehe auch die Ausführungen in § 15 III 1. 98 Vgl. Klingenberg, „Constitutum est“ 245, RIDA 46. 99 Allgemein als haftungsbegründendes Tun wird dolo facere gebraucht z. B. in G. 3,207; Ulp. 11 ed D. 4,4,9,2; Ulp. 30 ed D. 16,3,1,14. Im Besonderen kann sich der Ausdruck beziehen auf den Verkauf der Sache (Ulp. 30 ed D. 16,3,1,25 (siehe oben), die bloße Nichtrückgabe (Ulp. 30 ed D. 16,3,1,22; Paulus 31 ed D. 16,3,13pr. (siehe unten)), die wissentliche Heraus-
§ 13 Der Tatbestand der actio depositi in factum concepta
219
ein Gebrauchen nicht genügen, in Frage kommt etwa eine bewusst verzögerte Nichtrückgabe100. Denkt damit Ulpian an ein furtum in Form der Unterschlagung, dann würde sich eine Zufallshaftung auch aus der condictio furtiva ergeben. Darauf würde immerhin der Fortgang mit D. 47,2,14,4 hindeuten, denn wenn dort Julian von „allen Dieben“ spricht, muss sich das dort auf die Zufallshaftung aus der condictio furtiva beziehen, denn alle Diebe haften nicht aus der actio depositi, sondern nur aus der condictio furtiva (vgl. auch Pomp. 38 Qu.Muc. D. 47,2, 77,1).
4. Vergleich mit einer Strafstipulation Zudem kann die Parallele zu einer Strafstipulation mit in die Entscheidung in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,25 hineingespielt haben, die über die Wortlautschwierigkeiten hinweghalf. Bei einer solchen Parallele liegt das dolo malo redditam non esse schon unmittelbar nach dem Verkauf vor, weil sich dann herausgestellt hat, dass dem Verwahrer die Rückgabe aufgrund seines dolus unmöglich ist. Die einmal eingetretene Haftung entfällt nicht dadurch, dass der Verwahrer die Sache zurückkauft. Bei einer Strafstipulation ist zwischen selbständigen (auch: unechten) und unselbständigen (auch: echten) Strafstipulationen zu unterscheiden. Nur im letzteren Fall ist auch die Handlung selbst einklagbar101. Eine weitere mögliche Unterscheidung geht dahin, ob die Strafstipulation eine befristete oder eine unbefristete Handlung erzwingen soll102. War die zu erzwingende Handlung befristet, dann verfiel die Strafstipulation nicht schon bei Eintritt der Unmöglichkeit, sondern erst nach Ablauf der Frist103. Eine Ausnahme galt allerdings, wenn der Eintritt der Bedingung nicht allein vom Schuldner abhing. Dann verfiel die Stipulation auch vor Fristablauf schon mit Eintritt der Unmöglichkeit104. Dies hat nach Knütel seine innere Rechtfertigung darin, dass in diesem Falle der Schuldner sich über die ganze Zeit zur Zahlung der unter einer Bedingung versprochenen Strafsumme bereit halten musste, während er in dem Fall, dass der Eintritt oder Nichteintritt der Bedingung nur von ihm abhing, er seine Zahlungsfähigkeit erst zum Zeitpunkt des Fristablaufes sicherstellen musste. Denn im ersten Fall konnte der Versprechende nicht beeinflussen, ob und wann die Strafe verfallen würde105. gabe an den Falschen (Ulp. 30 ed D. 16,3,1,32: dolus intercedere), doloses Verlieren (Coll. 10,4) und Zerstören der Sache (Marcellus 5 dig D. 16,3,22). Siehe zur Frage oben § 8. 100 Ebenso Klingenberg, „Constitutum est 245“, RIDA 46. 101 Vgl. Kaser, RP I § 120 I, S. 519 f.; ferner Kunkel / Honsell, Röm. Recht § 94 II, S. 239 f.; sowie Knütel, Stipulatio poenae 27 ff. 102 Kaser, RP I § 120 II, S. 520; und Knütel, Stipulatio poenae 91 ff. u. 120 ff. 103 Knütel, Stipulatio poenae 91 ff. 104 Vgl. Pomp. 3 Sab D. 45,1,10: Hoc iure utimur, ut ex hac stipulatione: ‚si Lucius Titius ante kalendas Maias in Italiam non venerit, decem dare spondes?‘ non ante peti quicquam possit, quam exploratum sit ante eam diem in Italiam venire Titium non posse neque venisse, sive vivo sive mortuo id acciderit. Hier ist zwar ein Termin vereinbart worden, aber die Handlung hängt nicht (allein) vom Versprechenden ab, sondern (auch) vom Dritten Lucius Titius. Den Ablauf der Frist muss der Versprechensempfänger nicht abwarten. Zu dieser Stelle vgl. Knütel, Stipulatio poenae 97 ff. 105 Knütel, Stipulatio poenae 96 ff., insbes. 99.
220
4. Kap., 1. Abschn.: Die actio deposti als Deliktsklage
War die zu erzwingende Handlung unbefristet, dann scheint unter den römischen Juristen umstritten gewesen zu sein, wann die Strafstipulation verfiel; unstrittig war aber wohl, dass sie spätestens mit dem Eintritt der Unmöglichkeit der Leistung verfiel106. In unserem Fall könnte eine vom Verwahrer abgegebene Strafstipulation gelautet haben: Si rem depositam (dolo malo) non reddideris, quanti ea res erit, tanti dari spondes? Durch den Verkauf wäre dem Verwahrer die Rückgabe unmöglich geworden107. Damit wäre die Strafstipulation verfallen108. Dass die Haftung des Verwahrers nach dem Rückkauf nicht entfällt, hat eine Parallele in der zur Strafstipulation entwickelten Regel ‚semel comissa poena non evanescit‘109. Die Verfalls-
106 Vgl. Pap. 2 quaest D. 45,1,115,2. Zu dieser Stelle siehe nur Kaser, RP I § 120 II, S. 520 f.; sowie Knütel, Stipulatio poenae 120 ff.; zuletzt Babusiaux, Id quod actum est 51 ff. Nach Pegasus verfiel die Strafstipulation, die die Übereignung eines Sklaven sichern sollte, nicht, bevor nicht Unmöglichkeit eingetreten war. Sabinus suchte nach der Bestimmung eines früheren Verfallszeitpunktes. 107 Dass der Verwahrer die Sache zurückkaufen könnte, ist eine so fernliegende und außerhalb der Beherrschbarkeit des Verwahrers liegende Möglichkeit, dass es bei der Frage, ob die Rückgabe noch möglich ist, nicht in Rechnung gestellt werden muss. Der Rückkauf allein ändert an der Haftung nichts, nur die tatsächlich erfolge Rückgabe, siehe dazu sogleich. 108 Der Verfall wäre eingetreten unabhängig davon, ob man eine solche Strafstipulation als selbständige oder unselbständige Vertragsstrafe aufgefasst hätte. Denn der Eintritt der Unmöglichkeit der zu sichernden Handlung führte in beiden Fällen zum Verfall (vgl. nur Kaser, RP I § 120 II, S. 520 f.). Ob man in einer entsprechenden Strafstipulation ein selbständiges oder eine unselbständiges Strafversprechen sieht, hängt davon ab, ob der Verwahrer zur Rückgabe verpflichtet war. Dies kann in unterschiedlichen Epochen unterschiedlich gewesen sein. Keine Rolle spielt für den Verfall ferner, ob man eine (etwaige) Pflicht zur Rückgabe der verwahrten Sache als befristete oder unbefristete Handlung ansehen wollte. Deutet man eine entsprechende Strafstipulation des Verwahrers als Sicherung einer unbefristeten Handlung, dann war die Stipulation spätestens mit dem Eintritt der Unmöglichkeit verfallen. Nichts anderes gilt, wenn man die Stipulation des Verwahrers als Sicherung einer befristeten Handlung deuten wollte. Denn selbst wenn eine Rückgabefrist vereinbart wurde, war der Hinterleger an diese nicht gebunden (Ulp. 30 ed D. 16,3,1,45 – 46). Der Hinterleger konnte jederzeit die Rückgabe verlangen (Ulp. 30 ed D. 16,3,1,22). Damit musste sich der Verwahrer jederzeit zur Rückgabe der Sache oder zur Zahlung der Strafsumme bereithalten, weil er jederzeit mit der Rückforderung rechnen musste. Die Situation des Verwahrers ähnelt damit der Situation des Versprechenden in Pomp. 3 Sab D. 45,1,10. 109 Ulp. 13 ed D. 4,8,21,12: Intra quantum autem temporis, nisi detur quod arbiter iusserit, committatur stipulatio, videndum est. et si quidem dies adiectus non sit, Celsus scribit libro secundo digestorum inesse quoddam modicum tempus: quod ubi praeterierit, poena statim peti potest: et tamen, inquit, et si dederit ante acceptum iudicium, agi ex stipulatu non poterit: 23pr.: Celsus ait, si arbiter intra kalendas Septembres dari iusserit nec datum erit, licet postea offeratur, attamen semel commissam poenam compromissi non evanescere, quoniam semper verum est intra kalendas datum non esse: sin autem oblatum accepit, poenam petere non potest doli exceptione removendus. contra, ubi dumtaxat dare iussus est. Die Unterscheidung zwischen einem dare-Befehl des arbiter mit Fristsetzung (23pr.) und einem solchen ohne Fristsetzung (21,12 u. 23pr. a. E.) betrifft nur die Fragen, ob die Haftung aus der Strafstipulation ipso iure entfällt oder ob es dafür der Einschaltung einer exceptio doli bedarf und ob es genügt, dass der Schuldner die Sache anbietet oder ob der Gläubiger die Sache auch entgegennehmen muss. Oben war zu D. 16,3,1,25 vermutet worden, die Haftung
§ 13 Der Tatbestand der actio depositi in factum concepta
221
wirkung kann nur dadurch gehemmt werden, dass der Verwahrer die Sache zurückgibt bzw. zumindest anbietet110; der bloße Rückkauf genügt nicht, auch wenn er den den Verfall auslösenden Umstand, der in der Unmöglichkeit der Rückgabe liegt, beseitigt.
Die formula in factum concepta ersetzt damit eine vom Verwahrer bei Entgegennahme der Sache nicht abgegebene Strafstipulation.
II. Paulus 31 D. 16,3,13pr. Dass vom Tatbestand aus gesehen die actio depositi in factum concepta als Deliktsklage angesehen werden kann, ergibt sich auch aus Paulus 31 ed D. 16,3,13pr.111, 112: Si quis infitiatus sit non adversus dominum, sed quod eum qui rem depositam petebat verum procuratorem non putaret aut eius qui deposuisset heredem, nihil dolo malo fecit: postea autem si cognoverit, cum eo agi poterit, quoniam nunc incipit dolo malo facere, si reddere eam non vult.
Die Stelle scheint auf den ersten Blick nur das dolus-Erfordernis der Haftung des Verwahrers zu betonen. Hat der Verwahrer dem procurator113 oder Erben des Hinterlegers die Sache nicht zurückgegeben, weil er nicht glaubte, dass der Zurückfordernde wirklich der procurator oder Erbe sei, dann hat er nicht dolos gehandelt. Wenn er aber später die Berechtigung des Rückfordernden erkennt, kann gegen ihn geklagt werden, weil er nun anfängt, dolos zu handeln, wenn er die Sache nicht zurückgeben will.
des Verwahrers würde trotz des dolosen Verkaufes entfallen, wenn er die Sache tatsächlich dem Hinterleger zurückgibt oder zumindest anbietet. Das stimmt mit den von Celsus und Ulpian angesprochenen Heilungsmöglichkeiten überein. Zu diesen Stellen und zur Regel ‚semel comissa poena non evanescit‘ allgemein vgl. Knütel, Stipulatio poenae 147 ff. 110 Siehe dazu die Stellen und Literaturangabe in der vorigen Fußnote. 111 Verdächtigt wird das verum vor procuratorem durch Solazzi, Ancora Procuratori 305 Fn.1, denn es sei überflüssig und werde vor heredem nicht wiederholt; der Verdächtigung stimmt jetzt Litewski, Personen 310, zu. Die Wendung infitiari adversus aliquem ist nur hier belegt (vgl. TLL s.v., 1450, 71 und 1451, 67). In Sen. Contr. 7,8,9 gehört adversus puellam nicht zu infitiatus est, sondern zu animo malo. Wenn man in der Wendung Anstoß nimmt, könnte man in non adversus dominum sed eine Glosse sehen. 112 Jhering, Schuldmoment 31 m.Fn. 60; Wubbe, Gaius 516, 522 m.Fn. 57. 113 Es handelt sich jedenfalls um einen procurator, nicht um einen cognitor, denn letzterer wäre im Beisein des Verwahrers bestellt worden (cognitor autem certis verbis in litem coram adversario substituitur, G. 4,83; Kaser / Hackl, § 29 II 1, S. 210 f.), so dass die Unkenntnis des Verwahrers von der Bestellung gar nicht möglich wäre.
222
4. Kap., 1. Abschn.: Die actio deposti als Deliktsklage
1. Einfache Deutung Der Stelle kann man aber auch den Deliktscharakter der actio depositi mit der formula in factum concepta114 entnehmen, denn als haftungsbegründender Tatbestand wird nicht die Verletzung einer Rückgabeverpflichtung, die durch Hingabe der Sache in Verwahrung entstanden ist, angesehen, sondern ein doloses Handeln in Bezug auf die Sache: Die Klage ist begründet, wenn der Verwahrer anfängt, in Bezug auf die in Verwahrung gegebene Sache dolos zu handeln; dies kann er etwa tun, indem er die Sache nach Aufforderung durch den Hinterleger nicht zurückgibt. Die Klage wird aber nicht durch die bloße Hingabe der Sache in Verwahrung begründet. Die causa der Klage ist nicht ein durch die Hingabe begründetes Schuldverhältnis, ein Vertrag, sondern der begangene dolus, ein Delikt. Der Verwahrer ist nicht zur Rückgabe verpflichtet, er muss sich nur jedes dolus enthalten115. Paulus sagt im Schlusssatz, dass die Klage nicht begründet wird durch die Tatsache der Hinterlegung, denn dann müsste der Hinterleger jederzeit auf Rückgabe klagen können, sondern erst durch ein doloses Handeln in Bezug auf die Sache. Einen ähnlichen Gedanken drückt Paulus auch im folgenden § 1116 aus: Die condictio furtiva117 werde bei der Verwahrung nicht durch die Entgegennahme der Sache begründet, sondern nur durch den dolus. Als Gegensatz ist hier nicht an eine actio depositi gedacht, die schon durch die Entgegennahme der Sache begründet würde; Gegensatz ist eine condictio aus anderen Gründen, zum Beispiel eine condictio ex causa mutui, die schon durch datio begründet wird. Es ist auch keinesfalls sicher, dass die beiden Fragmente im Original unmittelbar aufeinander folgen. Aus dem Ediktskommentar des Paulus sind uns zum depositum nur drei Fragmente überliefert118, die bei weitem keinen vollständigen Kommentar abgeben. Vergleicht 114 Für die formula in ius concepta wäre die Entscheidung unverständlich, denn für diese Klage ist aufgrund des in ihr angesprochenen oportere zu erwarten, dass sie auf eine (Rückgabe-)Verpflichtung des Verwahrers Bezug nimmt, die allein durch die Hingabe der Sache in Verwahrung begründet wird. Zu weiteren Argumenten siehe unten. 115 Dies zeigt ganz deutlich Pomp. 6 QuMuc D. 46,3,81,1: Si lancem deposuerit apud me Titius et pluribus heredibus relictis decesserit: si pars heredum me interpellet, optimum quidem esse, si praetor aditus iussisset me parti heredum eam lancem tradere, quo casu depositi me reliquis coheredibus non teneri. sed et si sine praetore sine dolo malo hoc fecero, liberabor aut (quod verius est) non incidam in obligationem. optimum autem est id per magistratum facere. Es sei richtiger zu sagen, dass der Verwahrer, der ohne dolus malus die verwahrte Sache an einen Teil der Erben des Hinterlegers herausgibt, niemals in obligatione war, als dass er frei werde (vgl. Steiner, Datio in solutum 32 m.Fn. 1). Die Stelle bedürfte freilich der Vertiefung. Hier soll der Hinweis genügen, dass der Gedanken, der hinter non incidam in obligationem steht, so wenig passend für das justinianische Recht ist, dass hinter ihm viel eher eine tradierte Auffassung als eine Interpolation stecken muss. Nach Giaro, Röm. Rechtswahrheiten 372 f., drücke das verius aus, dass die andere Formulierung eleganter sei. 116 Paulus 31 ed D. 16,3,13,1: Competit etiam condictio depositae rei nomine, sed non antequam id dolo admissum sit: non enim quemquam hoc ipso, quod depositum accipiat, condictione obligari, verum quod dolum malum admiserit. 117 Um die es sich hier handelt, siehe § 17 II 5. 118 Nämlich D. 16,3,2; 16,3,13 und 44,2,22; vgl. Lenel, P I, Paulus 478 – 480, Sp. 1027.
§ 13 Der Tatbestand der actio depositi in factum concepta
223
man dies mit der uns erhaltenen langen Kommentierung Ulpians, muss die Kommentierung des Paulus wesentlich umfangreicher gewesen sein. In welchem Abstand das Prinzipium und § 1 sich im Original befanden, ist für uns also nicht feststellbar, dass beide in Beziehung zueinander ständen, wäre reine Spekulation.
2. Deutung als Prozesssituation Überwiegend sieht man die Stelle aber nicht so einfach, sondern geht davon aus, dass der Jurist eine Prozesssituation schildert119. Für eine Prozesssituation könnten dabei die Ausdrücke petere und infitiari sprechen. Eine schöne Verwendung dieser Ausdrücke zur Bezeichnung von Kläger und Beklagtem im Prozess findet sich bei Varro, De lingua latina 5, 180, bei der Worterklärung zu sacramentum120: si es ea pecunia quae in iudicium uenit in litibus, sacramentum a sacro; qui[s] petebat et qui infitiabatur, de aliis rebus uterque quingenos aeris ad pontem deponebant, de aliis rebus item certo alio legitimo numero assum; qui iudicio uicerat, suum sacramentum e sacro auferebat, uicti ad aerarium redibat. Petere heißt vor allem, aber eben auch nicht nur, „gerichtlich fordern“121; dies gilt auch für das depositum122. Nicht aufschlussreich ist hingegen der Ausdruck infitiari. Dabei sind zwei Fragen zu trennen, nämlich wann bzw. in welchem Zusammenhang der Beklagte bestreitet und was er bestreitet. Infitiari kann das Bestreiten des Beklagten in iure, dass die actio begründet sei, meinen123. Folge eines solchen Bestreitens in iure konnte die Litiskreszenz sein124. Eine solche Litiskreszenz gab es aber beim depositum trotz I. 4,6,26 nicht125. Da demnach an das infitiari beim depositum keine derartigen Folgen geknüpft wurden, ist es auch nicht geboten anzunehmen, das infitiari des Verwahrers könne nur in iure stattgefunden haben126. Soweit hinsichtlich des depositum von infitiari die Rede ist, gibt es keine Hinweise, dass damit nur das Bestreiten in iure gemeint sei. Das zeigen die Stellen, in denen der Zusammenhang zwischen dem infitiari und dem Begehen eines Diebstahles erörtert wird127: In iure würde der Verwahrer die verwahrte Sache kaum in Diebstahlsabsicht berühren können.
119 Vgl. Bürge, Röm. Privatrecht 8 m.Fn. 13; Wubbe, Gaius 516. Knütel (Behrends / Knütel / Kupisch / Seiler, CIC III 345) übersetzt „weil er denjenigen, der auf die hinterlegte Sache klagte, nicht für den wahren Prozessvertreter oder nicht für den Erben des Hinterlegers hielt“. Die Basiliken haben „e)a\n a)gnow= dioikhth\n … h)\ klhrono/mon … to\n kinou=nta“ (Scheltema A II 727); kinei=n heißt ab dem 6. Jahrhundert auch „klagen“ (vgl. Preisigke, Wörterbuch s.v. 3). 120 Vgl. Kaser / Hackl, § 12 I 2, S. 83 m.Fn. 5 u.6. 121 Heumann / Seckel, s.v. S. 428 f. 122 Vgl. etwa Ulp. 30 ed D. 16,3,1,40 – 41, wo es um die Formulierung der Klageformel geht (Sacconi, „pluris petitio“ 152). 123 Kaser / Hackl, § 35 I, II, S. 257 m.Fn. 3. 124 Kaser / Hackl, § 20 V 2, S. 139 f. 125 Vgl. nur Kaser, RP I, § 126 I 1, S. 535 Fn. 4. Siehe § 10 II 2d. 126 Anders Asher, Depositumsklagen 272, ohne überzeugende Begründung. 127 Vgl. etwa Celsus 12 dig D. 47,2,68pr.; Paulus 54 ed D. 41,2,3,18.
224
4. Kap., 1. Abschn.: Die actio deposti als Deliktsklage
Zur zweiten Frage ist zu sagen, dass infitiari beim depositum vor allem meinen wird, dass der Verwahrer bestreitet, die Sache in Verwahrung genommen zu haben. Denn dies ist die Hauptverteidigungsmöglichkeit128. Es gibt aber keinen Anlass, zu meinen, infitiari könne sich nicht auf jedes andere Bestreiten, zur Rückgabe verpflichtet gewesen zu sein, beziehen129. Daher wird sich auch in unserer Stelle infitiari auf das Bestreiten der Aktivlegitimation des Klägers beziehen, nicht aber wird der Verwahrer bestreiten, die Sache überhaupt in Empfang genommen zu haben130. Freilich wäre auch dies denkbar, denn warum soll der Verwahrer gegenüber einem, den er nicht für aktivlegitimiert hält, überhaupt wahrheitsgemäß über Geschäfte, die er mit einem anderen hat, Auskunft geben?131 Nur auf die Ableugnung des Empfanges bezieht aber Rotondi132 den Begriff infitiari. Die Ausdrücke petere und infitiari deuten damit nicht zwingend daraufhin, es habe bereits ein Prozess stattgefunden.
Auch wenn es fraglich ist, ob eine Prozesssituation vorliegt, soll diese Möglichkeit hier durchgespielt werden. Die Prozesssituation könnte dabei wie folgt aussehen: Der procurator oder der Erbe des Hinterlegers haben den Verwahrer verklagt133. Im Prozess134 geht es dann darum, ob der Kläger seine Stellung als procurator oder Erbe beweisen kann135. Dieser Beweis gelingt im Prozess nicht136, der 128 Vgl. Quint. Inst. 7,2,51: crediti et depositi duae quaestiones, sed numquam iunctae, an datum sit an redditum. 129 Vgl. Quint. decl. 245,2: Infitiari est depositum nolle solvere. Auch in Cicero, de orat. 1,168, bezieht sich infitiator auf einen, der nur die Fälligkeit bestreitet. 130 Wie dies wohl in Celsus 12 dig D. 47,2,68pr. und Paulus 54 ed D. 41,2,3,18 der Fall sein wird. 131 So geht es in den Declamationes minores 245 um einen Fall, in dem ein Verwahrer schon den Empfang des Geldes bestreitet, obwohl er dieses erhalten hat und nur die vereinbarte Rückgabebedingung noch nicht eingetreten ist. 132 Rotondi, La misura 133. 133 Die Formel einer actio in factum concepta des Erben würde wohl lauten, wenn man Lucius Titius als den verstorbenen Hinterleger nimmt: Si paret Lucium Titium apud Numerium Negidium mensam argenteam deposuisse eamque dolo malo Numerii Negidii (Lucio Titio vel) Aulo Agerio redditam non esse, quanti ea res erit, tantam pecuniam, iudex, Numerium Negidium Aulo Agerio condemnato. Si non paret, absolvito. Die Frage, ob der Kläger Aulus Agerius der Erbe des Lucius Titius ist, müsste in der Formel nicht eigens ausgedrückt werden, denn der Judex muss die Frage auch so prüfen: Denn die Nichtrückgabe ist nur dann dolos, wenn der Kläger wirklich der Erbe des Lucius Titius ist. Auch insofern ist die Begründung nihil dolo malo fecit, die Paulus für die Klageabweisung gibt, treffend. 134 Zu überlegen wäre, ob der Prätor nicht auch die Klage denegiert. Wenn der Prätor die Klage nicht zulässt, um dem Kläger etwa den Versuch, seine Erbenstellung vor dem Prätor zu beweisen, zu ermöglichen, weil der Kläger nicht hinreichend einen bereits vorhanden dolus des Beklagten vorgetragen hat, würde es sich bei der actio in factum concepta nicht um eine Klage handeln, mit der der Hinterleger seine Sache zurückfordern kann, sondern in der Tat um eine Deliktsklage. Der Prätor könnte die Klage allerdings auch denegieren, weil er zwar dem Kläger grundsätzlich den Beweisversuch ermöglichen würde, diesen aber im konkreten Fall für aussichtslos hält. 135 So ausdrücklich Bürge, Röm. Privatrecht 8 m.Fn. 13; ebenso Wubbe, Gaius 516 m. Fn. 41.
§ 13 Der Tatbestand der actio depositi in factum concepta
225
Kläger verliert den Prozess. Wenn später der Verwahrer (etwa aufgrund besserer Beweismittel) des Klägers Berechtigung zur Rückforderung erkennt, stellt sich dann aber die Frage, warum nun ein erneuter Prozess möglich sein soll und dieser nicht wegen des früheren Prozesses ausscheidet137. Ein erneuter Prozess würde dabei ausscheiden, wenn er ein Prozess über eadem res wäre138. Das wäre der Fall, wenn die beiden Klagen dasselbe Klageziel hätten und auf derselben causa beruhten. Die causa einer actio in personam ist der Vertrag oder das Delikt139. Bei dieser Frage ist zwischen procurator und heres zu unterscheiden: a) Hinsichtlich des Erben ist davon auszugehen, dass ihm eine erneute Klage140 nicht möglich war, wenn man die in Frage stehende actio depositi als eine auf 136 Ausgeschlossen ist, dass der Beweis im Prozess gelingt, denn das hätte die Verurteilung des Verwahrers zur Folge. Die Frage eines späteren Beginns dolosen Handelns und eines erneuten Prozesses (cum eo agi poterit) würde sich dann nicht stellen. Zwar lagen die Voraussetzungen eines dolo malo redditam non esse bei litiscontestatio noch nicht vor, dies war aber auch nicht erforderlich, wie die Ausführungen in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,20 – 21 zeigen. Der Verwahrer wird auch bei dolus post litem contestatam verurteilt, wenn zum Urteilszeitpunkt der Verwahrer die Sache hat und herausgeben kann sowie, wie man im Hinblick auf unsere Stelle hinzufügen kann, die Berechtigung des Klägers erwiesen ist. Zur dieser Frage siehe näher oben § 12. Man kann auch nicht einen Gegensatz zwischen Neraz und Ulpian (als unterstelltem Prokulianer) auf der einen Seite und Paulus (als unterstelltem Sabinianer) auf der anderen Seite annehmen, nach dem wie bei der reivindicatio (vgl. § 12 III) die Prokulianer es genügen ließen, dass die Voraussetzungen im Urteilszeitpunkt vorliegen und dafür die Möglichkeit einer zweiten Klage verneinen, während die Sabinianer nur auf den Zeitpunkt der litiscontestatio abstellten und dafür eine zweite Klage zuließen. Denn Paulus folgt bei der reivindicatio den Prokulianern, vgl. Paulus 21 ed D. 6,1,27,1. Auf das Nichtgelingen des Beweises deutet auch das postea hin, das sich auf einen Zeitpunkt nach Ende des ersten Prozesses bezieht. Allerdings könnte man einwenden, dass das Ergebnis des Prozesses dann unvollkommen ausgedrückt wäre, weil nur auf den Nichtdolus des Verwahrers und nicht auf die Nichtbeweisbarkeit der Ermächtigung abgestellt wird. Die Begründung nihil dolo malo fecit ist aber auch so passend: sie zeigt nicht nur, dass der Beweis nicht gelungen ist, denn bei Beweis der Klagebefugnis läge bei Nichtrückgabe dolus vor, sondern bereitet auch den Gedanken vor, dass der zweite Prozess ein Prozess über eine alia res ist, nämlich über den dann erstmals vorliegenden dolus. 137 Würde man annehmen, dass ein erneuter Prozess nicht möglich ist, muss man davon ausgehen, dass Paulus nicht von einer Prozesssituation spricht. Die Stelle wäre dann als Hinweis auf den Deliktscharakter verstehbar: Die Klage zielt nicht auf Rückgabe der Sache, sondern setzt die Begehung eines Deliktes voraus, das im dolo facere gefunden wird; ohne doloses Handeln in Bezug auf die in Verwahrung gegebene Sache gibt es keine Klage, so etwa Jhering, Schuldmoment 31 Fn. 60. Zu diesem Gedanken bereits ausführlicher soeben im Text in § 13 II 1. 138 Kaser / Hackl, § 43, S. 301 ff. 139 Kaser / Hackl, § 43 II, S. 304. 140 Als erste Klage hatte der Erbe die actio depositi erhoben, nicht etwa eine hereditatis petitio. Denn von einer anderen Klage als der actio depositi ist keine Rede, dem parallel genannten procurator hätte zudem eine hereditatis petitio gar nicht zugestanden. Der Erbe des
226
4. Kap., 1. Abschn.: Die actio deposti als Deliktsklage
Rückgabe der Sache gerichtete Vertragsklage ansieht141: Nach Erhebung der Singularklage kann der Erbe nicht mehr die hereditatis petitio erheben142; es läge nämlich ein Prozess über eadem res vor, obwohl es sich doch immerhin um zwei verschiedene Klagen handelt. Dasselbe muss daher auch dann gelten, wenn der Erbe erneut die Singularklage, hier die actio depositi, erheben will. Denn die causa, die Hingabe in Verwahrung, und das Klageziel, die Rückgabe der Sache, wären identisch. Damit bleibt nur die Möglichkeit, die actio depositi (mit der formula in factum concepta) als Deliktsklage anzusehen. Die causa der Klage ist das Begehen des Delikts143. Die zweite Klage ist eine Klage über eine alia res, weil das Delikt erst mit der Nichtrückgabe begangen wird, nachdem der Verwahrer von der Berechtigung des Klägers des ersten Prozesses Kenntnis erlangt. Dass damit der Schwerpunkt der Erörterung des Paulus bei prozessrechtlichen Fragen des Ausschlusses einer zweiten Klage liegt, kann nicht verwundern, weil Paulus bei der Kommentierung der actio depositi ausführlich dieses Problem behandelt144. Hinterlegers ist für die actio depositi mit der formula in factum concepta aktivlegitimiert, das setzt Ulp. 30 ed D. 16,3,1,19 voraus. Diese Stelle gehört zum Kommentar der formula in factum concepta (Lenel, EP3 288 f). 141 Zum Folgenden, nämlich zur Konkurrenz von Schuldklage und hereditatis petitio vgl. Levy, Konkurrenz I 131 ff. 142 Vgl. Ulp. 75 ed D. 44,2,7,4: Idem erit probandum et si quis debitum petierit a debitore hereditario, deinde hereditatem petat, vel contra si ante hereditatem petierit et postea debitum petat: nam et hic obstabit exceptio: nam cum hereditatem peto, et corpora et actiones omnes, quae in hereditate sunt, videntur in petitionem deduci. Vgl. ferner: Iul 51 dig D. 44,2,25pr.: Si is, qui heres non erat, hereditatem petierit et postea heres factus eandem hereditatem petet, exceptione rei iudicatae non summovebitur. Der Erbe kann erneut klagen, wenn er später tatsächlich Erbe wird, aber nicht, wenn er nur andere Beweismittel findet. Dass der Erbe nicht erneut klagen kann, ist auch richtig. Zum einen geht es nicht darum, dass der Erbe nicht erneut klagen kann, obwohl er nun beweisen kann, dass er Erbe ist; denn es wird ihm gerade die Möglichkeit, erneut den Beweis zu versuchen, genommen. Zum anderen hätte der Erbe ja auch die Klage auf später verschieben können, vgl. Paulus 71 ed D. 44,4,5,6: Non sicut de dolo actio certo tempore finitur, ita etiam exceptio eodem tempore danda est: nam haec perpetuo competit, cum actor quidem in sua potestate habeat, quando utatur suo iure, is autem cum quo agitur non habeat potestatem, quando conveniatur (vgl. Faber, Rationalia III,2 S. 358 zu D. 16,3,13pr.). 143 Dagegen will Levy, Konkurrenz I 93 f., aus Ulp. 30 ed D. 16,3,7,1 (Datur actio depositi in heredem ex dolo defuncti in solidum: quamquam enim alias ex dolo defuncti non solemus teneri nisi pro ea parte quae ad nos pervenit, tamen hic dolus ex contractu reique persecutione descendit ideoque in solidum unus heres tenetur, plures vero pro ea parte qua quisque heres est.) herleiten, dass nicht der dolus, also das Delikt, die causa der actio depositi (mit der formula in factum concepta) sei. 144 Vgl. Paulus 31 ed D. 44,2,22 (Lenel, P I, Paulus 480, Sp. 1027): Si cum uno herede depositi actum sit, tamen et cum ceteris heredibus recte agetur nec exceptio rei iudicatae eis proderit: nam etsi eadem quaestio in omnibus iudiciis vertitur, tamen personarum mutatio, cum quibus singulis suo nomine agitur, aliam atque aliam rem facit. et si actum sit cum herede de dolo defuncti, deinde de dolo heredis ageretur, exceptio rei iudicatae non nocebit, quia de alia re agitur.
§ 13 Der Tatbestand der actio depositi in factum concepta
227
b) Nicht anders wird die Lage beim procurator gewesen sein. War in iure offensichtlich, dass der procurator seine Ermächtigung nicht nachweisen kann, wird der Prätor die actio depositi denegiert haben145; eine erneute Klage war dem procurator dann ohne weiteres möglich146. Konnte der Prätor die Frage der Ermächtigung nicht abschließend beurteilen, so war bei der formula in factum concepta anders als bei der formula in ius concepta eine exceptio procuratoria147 dennoch entbehrlich: Die Notwendigkeit einer exceptio procuratoria ergab sich bei Klagen nach dem ius civile regelmäßig aus dem Subjektswechsel in der condemnatio, die auf den klagenden procurator lautete148, dem in der Folge auch die actio iudicati zustand149. Anders wird es bei der actio depositi in factum concepta gewesen sein. Bei der Klage eines Prokurators des Hinterlegers Lucius Titius mit der formula in factum concepta konnte die Formel etwa gelautet haben: Si paret Lucium Titium apud Numerium Negidium mensam argenteam deposuisse eamque dolo malo Numerii Negidii (Lucio Titio vel)150 Aulo Agerio redditam non esse, quanti ea res erit, tantam pecuniam, iudex, Numerium Negidium Aulo Agerio condemnato, si non paret, absolvito. Die exceptio procuratoria ist hier entbehrlich, weil die Frage der Ermächtigung schon bei der Frage geprüft wird, ob es dolos ist, dass der Beklagte die Sache nicht an den Kläger herausgegeben hat. Dies ist nämlich nur der Fall, wenn der Kläger tatsächlich Prokurator des Klägers ist151. Zu D. 44,2,22 siehe § 19 II. Gibt es diesen Zusammenhang zwischen D. 44,2,22 und D. 16,3,13pr. wirklich, dann liegt es nahe, anders als Lenel anzunehmen, dass D. 44,2,22 vor D. 16,3,13,1 gestanden habe. Dass kein Zusammenhang zwischen D. 16,3,13,1 und D. 16,3,13pr. bestanden haben muss, wurde schon oben im Exkurs zu D. 16,3,13,1 ausgeführt. 145 Kaser / Hackl, § 29 III 2, S. 214 f. m.Fn. 42 u. 49. 146 Kaser / Hackl, § 32 V, S. 240. 147 Zu dieser Kaser / Hackl, § 29 III 2, S. 214 f. m.Fn. 42 u. 49. Die exceptio konnte etwa gelautet haben: Si Aus Aus Lucii Titii procurator est, vgl. Lenel, EP3 502 f. 148 Vgl. G. 4,86: Qui autem alieno nomine agit, intentionem quidem ex persona domini sumit, condemnationem autem in suam personam convertit. nam si verbi gratia L. Titius pro P. Maevio agat, ita formula concipitur: Si paret Numerium Negidium Publio Maevio sestertium x milia dare oportere, iudex Numerium Negidium Lucio Titio sestertium x milia condemna. si non paret, absolve; in rem quoque si agat, intendit: Publii Maevii rem esse ex iure Quiritium, et condemnationem in suam personam convertit. (vgl. Kaser / Hackl, § 29 I, S. 210 u. § 49 I 2, S. 342). War hier die Prozessführungsbefugnis des klagenden Lucius Titius strittig, so bedurfte die Ermächtigung einer selbständigen Prüfung, denn die Prüfung dieser Frage war in der Prüfung des oportere der intentio durch den Judex nicht enthalten. Das unterscheidet die Klage des procurator von der Klage des Erben. Behauptete Lucius Titius Erbe des Publius Maevius zu sein, dann lautete die Formel: Si paret Numerium Negidium Lucio Titio sestertium x milia dare oportere, iudex Numerium Negidium Lucio Titio sestertium x milia condemna. s.n.p.a. Hier hatte der Judex schon bei der Prüfung des oportere der intentio zu prüfen, ob der Lucius Titius Erbe des Publius Maevius war; denn nur dann oblag dem Beklagten ein oportere gegenüber dem Lucius Titius. Die Frage, ob der Beklagte zugunsten gerade des Lucius Titius zu verurteilen war, konnte sich dann gar nicht mehr stellen. Entsprechend gibt es für die Klage des Erben auch keine der exceptio procuratoria entsprechende exceptio. 149 Kaser / Hackl, § 29 III 3, S. 215 f. m.Fn. 54. 150 Zwar konnte sich der Verwahrer theoretisch auch damit verteidigen, er habe die Sache schon dem Vertretenen zurückgegeben; da es aber zwischen den Parteien wohl unstreitig war, dass keine Rückgabe an den Vertretenen schon erfolgt war, war der Klammerzusatz vielleicht auch entbehrlich.
228
4. Kap., 1. Abschn.: Die actio deposti als Deliktsklage
Wie war es dann, wenn der procurator den Prozess verlor, weil er vor dem Judex seine Ermächtigung nicht beweisen konnte? Sicherlich konnte der Hinterleger selbst noch einmal klagen, weil die Klage des nichtermächtigten procurator das Klagerecht des Hinterlegers nicht konsumierte152; sicherlich konnte für den Hinterleger auch ein anderer procurator klagen. Vermutlich konnte auch derselbe procurator noch einmal klagen, wenn er die erneute oder erstmalige Erteilung einer Ermächtigung vortrug153. Klagte dagegen derselbe procurator mit dem Vortrag der schon im ersten Prozess behaupteten Ermächtigung154, lag bei einer Vertragsklage auf Rückgabe eine eadem res vor, so dass eine zweite Klage ausschied155. Nur wenn die actio depositi (mit der formula in factum concepta) eine Deliktsklage ist, lag nicht eadem res vor, da ja mit Abweisung der ersten Klage das Delikt noch nicht begangen worden war.
3. Zusammenfassung Damit hat sich der Deliktscharakter der actio depositi in factum concepta auch erwiesen, wenn man davon ausgeht, dass Paulus in D. 16,3,13pr. eine Prozesssituation schildert. Für den Bezug der Entscheidung auf die formula in factum concepta sprechen sprachlich die Bezugnahmen auf den Wortlaut der Formel (dolo malo fecit, dolo malo facere, reddere non vult), die Herkunft des Fragments aus einem Ediktskommentar156, der Deliktscharakter der Klage und schließlich die Tatsache, dass Paulus die Klage des Erben und des procurator hinsichtlich der Formelgestaltung als gleich behandeln kann157. 151 Auch hinsichtlich der Beweislast konnte auf die exceptio procuratoria verzichtet werden. Bei dieser exceptio musste der Kläger beweisen, dass er Prokurator war (vgl. nur Wacke, Beweislast 429 f., SZ 109). Da aber der Kläger auch den dolus des Verwahrers beweisen musste, der eben nur vorlag, wenn der Kläger Prokurator war, änderte der Verzicht auf die exceptio procuratoria nichts an der Beweislast. 152 Vgl. Ulp. 75 ed D. 44,2,11,7 und Kaser / Hackl, § 29 III 3, S. 216. 153 Vgl. Iul. 51 dig D. 44,2,25pr., wonach ein Erbe noch einmal klagen kann, wenn er sich auf einen anderen, späteren Berufungsgrund beruft. 154 Ob es im zweiten Prozess um dieselbe Ermächtigung ging, darum war eben im Rahmen der exceptio rei iudicatae zu streiten. Geht man davon aus, dass der klagende procurator im ersten Prozess schon die Beweismittel hinsichtlich seiner Ermächtigung zu edieren hatte, dann war ein Vergleich der beiden Ermächtigungen auch möglich (Zur editio vgl. Bürge, Zum Edikt De Edendo 1 ff., SZ 112). 155 Dadurch wird der Beklagte geschützt, der sich nicht noch einmal vom procurator mit einem Prozess überziehen lassen muss. Dem Vertretenen ist dies zumutbar, da er ja selbst oder ein anderer procurator oder derselbe procurator gestützt auf eine neue Ermächtigung noch immer klagen kann. 156 Dieses Argument ist wohl nicht nur eine petitio principii, sondern sogar falsch. Das Argument beruht auf einer Überlegung, die formula in factum concepta sei in Ediktskommentaren erörtert worden, die formula in ius concepta dann in Sabinuskommentaren. Siehe dazu ob § 9.
§ 14 Zur Noxalität der actio depositi in factum concepta
229
III. Zusammenfassung Die actio depositi in factum concepta erweist sich also insoweit als Deliktsklage, als ihr Tatbestand nicht durch die Nichterfüllung der Rückgabe gebildet wird, sondern durch ein doloses Handeln, das in der Ummöglichmachung der Rückgabe der (unbeschädigten) Sache (D. 16,3,1,25) oder in der unberechtigten Verweigerung der Rückgabe liegt (D. 16,3,13pr.). Nicht genügend ist aber etwa der bloße Gebrauch.
2. Abschnitt
Die actio depositi als Zugriffsklage § 14 Die actio depositi als Zugriffsklage – Zur Noxalität der actio depositi in factum concepta158 Ein möglicher Deliktscharakter der actio depositi könnte sich auch durch deren Noxalität erweisen, denn Noxalität ist ein Merkmal von aus Delikten entspringenden pönalen Klagen159. Und in der Tat wird anhand von Paulus 60 ed D. 16,3,21 157 Der Erbe klagte bei beiden Formeln der actio depositi stets ohne exceptio, der procurator klagte nur mit der formula in factum concepta ohne exceptio procuratoria, bei Klage des procurator mit der formula in ius concepta war eine exceptio procuratoria einzuschalten, siehe oben. 158 Evans-Jones, The actio depositi in factum as a noxal action 191 ff., BIDR 1980; Burillo, Las formulas 262 ff., SDHI 28; Taubenschlag, Geschichte 130 ff. 159 Zur Noxalhaftung allgemein siehe G. 4,75 – 79 und Kaser, RP I § 42 I, S. 163 ff.; § 147 I, S. 630 ff. Die Strafklagen, also pönale Klagen aus Delikt, werden gegen den Gewalthaber des Täters als Noxalklagen, gegeben, vgl. Kaser a. a. O. 630 f. Noxalität einer Klage ist also Ausdruck ihres pönalen und daher deliktischen Charakters. Entsprechend sagt Gaius: Ex maleficio filiorum familias servorumque, veluti si furtum fecerint aut iniuriam commiserint, noxales actiones proditae sunt… (G. 4,75). Generell unterscheidet Gaius zwischen Klagen gegen den Gewalthaber wegen Handelns des Gewaltunterworfenen ex contractu und ex maleficio (G. 4,80). Ex contractu werden die Klagen gegen den Gewalthaber gegeben als sogenannte adjektizische Klagen (G. 4,69 – 74, wohl auch schon behandelt in den auf G. 4,60 folgenden beiden unlesbaren Seiten des Codex Veronensis, vgl. G. 4,69: quia tamen superius mentionem habuimus de actione, qua in peculium filiorum familias servorumque ageretur); ex maleficio werden die Klagen gegeben als actiones noxales (G. 4, 75 – 79). Wird eine Noxalklage aus jedem Delikt gegeben oder doch nur, wenn die Deliktsklage auch pönal ist? Für letzteres etwa Kaser, RP I § 142 VI 4, S. 613 und § 147 I, 631 (reine oder gemischte Strafklage). Nach Gröschler, Actiones in factum 53 m.Fn. 48 u. 182, ist zwar Noxalität ein typisches Merkmal einer pönalen Klage, doch gebe es auch rein sachverfolgende Klagen, die gegen den Gewalthaber als Noxalklagen gegeben würden. Zu nichtdeliktischen Noxalklagen vgl. Kunkel / Honsell, Röm. Recht, § 137 II, S. 382 m.Fn. 5.
230
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
diskutiert, ob die actio depositi in factum concepta eine Noxalklage war. Doch wird sich zeigen, dass diese Entscheidung vielmehr dem Hinterleger ermöglichen soll, die hinterlegte Sache dort zu verfolgen, wo sie sich befindet, so wie die actio depositi auch sonst die Funktion hat, dem Hinterleger den Zugriff, etwa im Konkurs des Verwahrers, zu sichern. Noxalität erweist sich nun zum einen dadurch, dass bei Bestehen des Gewaltverhältnisses die Klage als actio noxalis gegen den Gewalthaber gegeben wird, nicht als actio de peculio, zum anderen dadurch, dass die Klage nach Beendigung des Gewaltverhältnisses gegen den ehemaligen Gewaltunterworfenen gegeben wird. Diese beiden Problemkreise sollen im folgenden erörtert werden. Soweit Gaius in G. 4,76 sagt, dass die Noxalklagen durch Gesetz oder durch das Edikt des Prätors festgesetzt werden, heißt dies nicht, dass jede Noxalklage, die nicht auf Gesetz beruhte, im Edikt des Prätors verheißen war, so dass etwa für den Fall einer Noxalklage aus dem depositum eine entsprechende Verheißung im Edikt zu erwarten wäre. Denn die Texte zeigen, dass es oft auf Juristeninterpretation beruhte, ob eine Klage als actio noxalis gegeben wurde160.
I. Die Hinterlegung bei einem Sklaven 1. D. 16,3,1,42; D. 44,7,49; D. 15,1,5pr. Einen Sklaven als Verwahrer161 finden wir in162 Ulp. 30 ed D. 16,3,1,42163, 164: Filium familias teneri depositi constat, quia et ceteris actionibus tenetur: sed et cum patre eius agi potest dumtaxat de peculio. idem et in servo: 160 Vgl. Ulp. 7 ed D. 2,10,1,5: Servi nomine ex hac causa noxali iudicio agendum omnes consentiunt; ferner Ulp. 23 ed. D. 9,3,1,8: Cum servus habitator est, utrum noxalis actio danda sit, quia non est ex negotio gesto? an de peculio, quia non ex delicto servi venit? Das Bestehen solcher Juristeninterpretationen setzt voraus, dass im Edikt keine solche actio noxalis proponiert war und dass die Nichtexistenz einer solchen Klage im Album noch keine abschließende Entscheidung darüber war, ob eine Noxalklage gegeben wurde (zu einer ähnlichen Argumentation zur exceptio annalis vgl. Lenel, EP3 64 Fn. 2). Dass zur actio iniuriarum ein besonderes Edikt existierte, erklärt sich daraus, dass dem Sklaveneigentümer auch die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, den Sklaven zum Auspeitschen auszuliefern (vgl. Kaser, RP I § 147 I 3, S. 632). Warum für die actio vi bonorum raptorum ein besonderes Edikt erforderlich war, soll hier offenbleiben (vgl. Lenel, EP3 394 m.Fn. 13). 161 Als Hinterleger findet sich ein Sklave, wenn der Eindruck nicht täuscht, häufiger, in D. 16,3 z. B. in Ulp. 30 D. 16,3,1,17; Ulp. 30 ed D. 16,3,1,27; Ulp. 30 ed D. 16,3,1,29 – 33; Ulp. 11 Sab D. 16,3,11; Labeo 6 post. a Iav. epit. D. 16,3,33. Über die Gründe könnte man spekulieren. So mochten sich bei der Hinterlegung durch einen Sklaven mehr Probleme stellen als bei der Hinterlegung bei einem Sklaven, etwa die Frage, ob die Sache an den Sklaven zurückgegeben werden konnte. Auch ein sozialgeschichtlicher Ansatz ist möglich, wenn man bedenkt, dass der Verwahrer ein beneficium gewährt und besonderes Vertrauen in Anspruch nahm: Dies konnte die Hinterlegung bei einem sozial Niederstehenden als untunlich erscheinen lassen, auch wenn ein Sklave durchaus ein beneficium gewähren konnte (siehe die Diskussion Senecas in De beneficiis 3,18).
§ 14 Zur Noxalität der actio depositi in factum concepta
231
nam cum domino agetur. plane et Iulianus scripsit et nobis videtur, si eorum nomine qui sunt in potestate agatur, veniat in iudicium et si quid per eum in cuius iure sunt captus fraudatusve est, ut et dolus eorum veniat, non tantum ipsorum cum quibus contractum est.
162 Sowie ferner in C. 4,25,3; in Pomp. 22 Sab D. 46,1,2; und in Paulus 7 resp D. 16,3,27. Zur letzten Stelle zuletzt Pfeifer, Funktionale Mitgift 309 ff., SZ 123. 163 Nicht ganz zweifelsfrei ist der begründende Zusatz „quia et ceteris actionibus tenetur“. Denn ceteri heißt die übrigen, alle anderen, meint also auch die deliktischen Klagen. Aus von ihm verübten Delikten haftete der filiusfamilias aber nicht ohne weiteres (vgl. Kaser, RP I § 82 IV 2, 344; für Haftung aber Honsell / Kunkel § 135 III, 377). Die Generalisierung ändert aber nichts am Inhalt bezüglich des depositum; sie muss auch nicht auf die Kompilatoren zurückgehen (so aber Biondi, Actiones noxales 50). In der älteren Literatur sah man den mit plane eingeleiteten Schlußteil als interpoliert an, etwa weil dieser doch wegen des captus fraudatusve die fiducia betreffe (so wohl Voigt, Jus naturale III 901 Fn. 1410). Diese Annahme teilt man heute nicht mehr; man geht vielmehr von einer den Inhalt nicht antastenden Überarbeitung aus; etwa sei ein deutlicherer Hinweis auf die actio fiduciae gestrichen worden (Lenel, EP3 294 Fn. 2). Gegen Voigt auch Heck, Fiducia cum amico 131 f. SZ 10 und Oertmann, Fiducia 46. Nicht überzeugend ist es auch, plane als byzantinische Einleitung anzusehen (So Biondi, Actiones stricti iuris 65 m.Fn. 4). Von den 8 Codexstellen, die plane enthalten, stammen 7 aus der Zeit Ulpians, nämlich von 197 bis 225 (C. 3,26,1; C. 4,50,1; C. 5,57,2,2; C. 6,39,1; C. 6,54,4,1; C. 7,4,1,1; C. 7,4,2). Die Wiedergabe der Meinung anderer Juristen leitet Ulpian gerne mit plane ein (Honoré, Ulpian2 52 m.Fn. 159). Statt also das plane dem Ulpian abzusprechen, könnte man eher darüber spekulieren, inwieweit Ulpian an den betreffenden Konstitutionen beteiligt war (vgl. zu Ulpians Karriere, Honoré a. a. O. 14 ff.). Kritisiert wird ferner das nobis videtur (Beseler, Beiträge III 46. Litewski, Personen 287, deutet das nobis als pluralis maiestatis des „als starker Charakter bekannten“ Ulpians). Zwar findet sich der als Singular gemeinte Plural in allen Zeiten (vgl. Hofmann / Szantyr 19 ff., insbes. S. 203 zum pluralis maiestatis, der auf das Zusammenregieren mehrerer Kaiser zurückgehe). Ulpian bevorzugt aber eindeutig den Singular; so findet sich nobis videtur nur noch in 2 disp D. 15,1,32,1, mihi videtur aber viel häufiger (9 Sab D. 1,6,6; 5 ed D. 2,7,1,2; 6 ed D. 3,1,10; 10 ed D. 3,5,5,8 usw.). Doch kommt der Plural bei Ulpian eben vor (9 Sab D. 1,6,6; 15 ed D. 5,3,13,1; 17 Sab D. 7,4,3,2; 24 ed D. 10,4,9,1 usw.). Vorzugswürdig scheint die Annahme, dass Ulpian den Singular wählt, wenn er seine Meinung äußern will, und den Plural, wenn er zugleich darlegen will, was als geltendes Recht zu gelten habe (Man sagt ja auch „hoc iure utimur“ statt „hoc iure utor“). Darum könnte es sich etwa in Ulp. 9 Sab D. 1,6,6 handeln: placet nobis Juliani sententia heißt, die Auffassung Julians ist anerkanntes Recht, während sed mihi videtur heißt, dass Ulpian hier mit Scaevola anderer Meinung ist als Julian. Auffällig ist veniat statt des von scripsit und videtur abhängigen AcI venire, ferner, dass die Schlusswendung eine Wiederholung darstellt (Beseler a. a. O.). Doch dürften das keine hinreichenden Hinweise auf eine Interpolation darstellen; denn die Kompilatoren dürften kaum eine Meinung Julians und das Zitat einer alten Formel aus der actio fiduciae erfunden haben. 164 Longo, Sara, Filius familias 266 ff.; Litewski, Personen 286 ff.; Valiño, Las relaciones básicas 412 ff., AHEP 38. Die Stelle zerfällt in drei Teile: Im ersten Teil wird gesagt, dass ein filiusfamilias (bei dem eine Sache hinterlegt wurde), aus der actio depositi hafte, weil er auch aus den übrigen Klagen hafte. Aber auch gegen den paterfamilias könne de peculio geklagt werden. Im zweiten Teil findet sich die Aussage, dass dies auch für einen Sklaven gelte, doch sei (nur) gegen den Sklaveneigentümer zu klagen. Im letzten Teil erörtert Ulpian im Anschluss an Julian das Problem, dass der Gewalthaber (der Sklaveneigentümer bzw. der paterfamilias) dolos gehandelt und der Hinterleger einen Nachteil erlitten habe (zu diesem Problem siehe unten § 14 IV).
232
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
Paulus 18 Plaut D. 44,7,49165: Ex contractibus venientes actiones in heredes dantur, licet delictum quoque versetur, veluti cum tutor in tutela gerenda dolo fecerit aut is apud quem depositum est: quo casu etiam cum filius familias aut servus quid tale commisit, de peculio actio datur, non noxalis.
Longo, Filius familias 266 ff., geht es nicht um die actio de peculio, sondern um die Aussage, dass der filiusfamilias selbst aus der actio depositi hafte. Longo bestreitet allgemein, dass der filiusfamilias im klassischen Recht sich nach ius civile verpflichten konnte (siehe noch näher unten). Sie hält auch die betreffende Aussage in unserer Stelle für interpoliert und fügt vor teneri constat ein non ein. Das idem et in servo zeige, dass Ulpian die Hinterlegung bei einem filiusfamilias genauso wie die Hinterlegung bei einem Sklaven behandle. Die Gleichbehandlung sei durch das nam noch betont. Die Fälle seien aber in dem uns überlieferten Digestentext nicht gleich, weil in diesem der Unterschied bestehe, dass der filiusfamilias selbst hafte, der Sklave aber nicht. Es sei auch auszuschließen, dass sich die Gleichbehandlung nur auf die actio de peculio beziehe, denn es heiße über die actio de peculio gegen den paterfamilias, dass gegen den Vater auch geklagt werden könne; an diesem auch fehle es aber bei der actio de peculio gegen den dominus, denn dort sei diese Klage die einzig mögliche. Es ist Longo zuzugeben, dass bei solch sorgfältiger Lektüre die Aussage „idem et in servo“ anstößig wirken könnte. Andererseits ist jedes Missverständnis bei einem Leser Ulpians ausgeschlossen, wenn diesem wie Ulpian selbstverständlich war, dass ein filiusfamilias sich selbst verpflichten kann, ein Sklave aber nicht. Zudem muss man das nam nicht so verstehen, als betone es noch besonders die Gleichbehandlung von filiusfamilias und Sklave, es kann auch so verstanden werden, als bringe es eine Einschränkung oder sogar einen Gegensatz: nam heißt eben auch aber (vgl. Hofmann / Szantyr 506). Ulpian sagt: Gegen den paterfamilias kann de peculio geklagt werden (agi potest), gegen den dominus aber muss de peculio geklagt werden (agetur). Das nam schränkt also das idem sein. Man wird wohl auch keine Anstoß nehmen, dass Ulpian idem sagt, obwohl doch filiusfamilias und Sklave und dominus und paterfamilias nicht dasselbe sind. Auch in dem Futur agetur kann man den Nebensinn des Müssens erkennen, wenn man es als gnomisches Futur deutet (vgl. Burkard / Schauer / Menge, § 133 (3), S. 183). Insgesamt wird man sagen müssen, dass die Einwände Longos zu dieser Stelle den von ihr ausgesprochenen Interpolationsverdacht nicht rechtfertigen; inwieweit sich die Interpolation dieser Stelle aus der Analyse anderer Stellen ergibt, soll hier dahinstehen. 165 Der Kommentar des Paulus zu Plautius war bis zum 15. Buch nach dem hadrianischen Edikt aufgebaut (Liebs, HLL IV 152; zum Kommentar siehe ferner Schulz, Rechtswissenschaft 271). Im 18. Buch behandelt Paulus anscheinend auch Fragen der aktiven und passiven Vererblichkeit von Klagen, vgl. Lenel, P I, Paulus 1245 (D. 45,1,92), 1246 (D. 48,19,20), 1247 (D. 44,7,49), Sp. 1177. Wenn man, gestützt auf die beiden anderen Fragmente, dieser palingenetischen Einordnung traut, dann muss die Stelle ihrem wesentlichen Inhalt nach echt sein (vgl. Longo, Delictum 148). Paulus beginnt mit der allgemeinen Aussage, dass Klagen, die Kontrakten entspringen, auch gegen die Erben des Schuldners gegeben werden. Das gelte selbst dann, wenn ein Delikt inmitten stehe, z. B. wenn ein tutor dolos gehandelt hat oder ein Verwahrer. In diesem Fall werde auch, wenn ein filiusfamilias oder ein Sklave etwas derartiges getan habe, die Klage gegen den Gewalthaber de peculio gegeben, nicht als actio noxalis. Diskutiert wird die Frage, wieso in diesem Fragment die tutela als contractus bezeichnet wird (Longo, Delictum e crimen 146 ff., Cenderelli, La negotiorum gestio I 73 ff., Sargenti, Svolgimento dell’ idea di contratto 68, IURA 39. Neben der Frage, inwieweit man die tutela als contractus einordnen kann, fällt auch auf, dass der Text die Haftung des Tutors auf die Haftung für dolus zu beschränken scheint. Auch das kann klassisches Gedankengut sein, vgl. nur Kaser, RP I, § 88 IV 2, S. 365 f.; zur Be-
§ 14 Zur Noxalität der actio depositi in factum concepta
233
Ulp. 28 ed D. 15,1,5pr.: Depositi nomine pater vel dominus dumtaxat de peculio conveniuntur et si quid dolo malo eorum captus sum.
Diese Stellen sprechen eindeutig davon, dass bei Bestehen des Gewaltverhältnisses die actio depositi gegen den Sklaveneigentümer de peculio gegeben wird, nicht als actio noxalis166. Dabei bezieht sich jedenfalls D. 15,1,5pr. auf die die formula in factum concepta167, bei D. 16,3,1,42 ist dies möglich168. schränkung der Haftung des Tutors auf den dolus noch im 1. Jh. zuletzt Nörr, Lex Irnitana C. 84, S. 6 f. (SZ 124); siehe auch Kaser / Knütel18, § 62 Rn. 27, S. 313. Hinsichtlich des depositum ist sowohl die Bezeichnung als contractus (siehe nur G. 4,182; kritisch aber etwa d’Ors, Creditum und contractus 73 ff., SZ 74) als auch die Beschränkung der Haftung auf den dolus unverdächtig. Zur Haftung des Erben des Verwahrers siehe § 10. Hier soll nur festgehalten werden, dass die Stelle nicht nur ausdrücklich von der Gewährung der actio gegen den Gewalthaber de peculio redet, sondern auch die Gewährung einer Noxalklage ausdrücklich ausschließt. 166 Burillo, Las formulas 264, nimmt an, dass D. 16,3,1,42 ursprünglich die Noxalität ausgesprochen habe, die Haftung de peculio sei interpoliert. Die formalen Argumente richten sich aber ausschließlich gegen den mit plane beginnenden dritten Teil. Auch methodisch überzeugt der Ansatz Burillos nicht. Er begründet letztlich die Interpolation von D. 16,3,1,18 mit der Interpolation von D. 16,3,1,42. Zwar kommt es vor, dass die Kompilatoren planvoll und damit auch an mehreren Stellen in derselben Weise interpoliert haben; doch bedürfen entsprechende Interpolationsannahmen einer Stütze in nicht für interpoliert gehaltenen Texten (vgl. Lenel, Interpolationenjagd 38, SZ 45). 167 Ulpian erörtert von D. 15,1,3,5 bis D. 15,1,5,2 die Worte ‚negotium gestum erit‘ des edictum triplex, das unter anderem die actio de peculio verhieß (Lenel, P II, Ulpian 851, Sp. 595 f. m.Fn. 1; Ders. EP3 276 m.Fn. 3; Biscardi, „Pecunia traiecticia“ 284 Fn. 45, Labeo 24). Der Zusammenhang ist dabei folgender: Hatte ein Beamter vom durch ihn bestellten Tutor keine durch Bürgen abgesicherte Sicherheitsleistung verlangt, konnte der pupillus subsidiär den Beamten in Anspruch nehmen, wenn der Tutor nicht zahlungsfähig war (Ulp. 36 ed D. 27,8,1,11; Kaser, RP I § 88 V, S. 367 m.Fn. 47). Diese Klage war eine honorarrechtliche actio in factum concepta (Lenel, EP3 321 f.). In D. 15,1,3,13 erörtert Ulpian nun, ob diese Klage gegen paterfamilias de peculio gegeben werde. In D. 15,1,5,1 erörtert Ulpian, ob der Gewalthaber de peculio hafte, wenn der Gewaltunterworfene eine Sache als precarium erhalten habe; für die Rückforderung gab es beim precarium keine zivile Klage, sondern nur das interdictum de precario, das freilich einer Rückgabeklage ähnlich war (Kaser, RP § 96 IV 6, S. 400). In D. 15,1,5,2 erörtert Ulpian, ob eine actio de peculio gegen den paterfamilias gegeben werde, wenn der filiusfamilias dem Gläubiger den Eid zugeschoben hat und dieser geschworen hat. Eine solche Klage des Gläubigers aus dem von ihm geleisteten Eid, dass ihm etwas geschuldet werde, war eine actio in factum concepta (Lenel, EP3 150 f.). Sieht man sich dieses Umfeld an, in dem Ulpian erörtert, ob die actio depositi gegen den Gewalthaber de peculio gegeben wird, so spricht viel dafür, dass Ulpian dieses Problem hinsichtlich der actio depositi in factum concepta aufwarf; für die actio depositi in ius concepta als bonae fidei iudicium mit einer auf ein oportere abgestellten intentio wäre der Ort sehr auffällig. Ist somit sicher nur, dass Ulpian anläßlich der actio in factum concepta die Gewährung der Klage gegen den Gewalthaber de peculio erörterte, so wird man auch davon ausgehen müssen, dass Ulpian diese Frage bejahte, so wie es der uns überlieferte Text tut. Entgegenstehende Anhaltspunkte gibt es nicht. 168 Nach Lenel, EP3 289, bewege sich der Kommentar D. 16,3,1,27 in freien Erörterungen. Oben in § 6 II 11 war vorgeschlagen worden, der Kommentar zur actio depositi in ius concepta beginne erst in D. 16,3,1,47.
234
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
2. D. 15,1,38pr. Die Aussage, es habe die actio depositi als actio de peculio gegeben, bedarf noch einer kurzen Auseinandersetzung mit Afr. 8 quaest D. 15,1,38pr.169: Deposui apud filium familias decem et ago depositi de peculio. quamvis nihil patri filius debeat et haec decem teneat, nihilo magis tamen patrem damnandum existimavit, si nullum praeterea peculium sit: hanc enim pecuniam, cum mea maneat, non esse peculii. denique quolibet alio agente de peculio minime dubitandum ait computari non oportere. itaque ad exhibendum agere me et exhibitam vindicare debere.
Der Hinterleger ego hat Geldstücke bei einem filiusfamilias hinterlegt. Er verklagt den paterfamilias mit der actio depositi de peculio. Der filiusfamilias hat die hinterlegten Geldstücke bei sich, d. h. es handelt sich um eine verschlossene Verwahrung von Geld, bei dem das hinterlegte Geld individualisierbar bleibt und der Verwahrer gerade die hinterlegten Münzen zurückgeben muss170. Der filiusfamilias schuldet dem paterfamilias nichts. Der Jurist, wohl eher Julian als Africanus,171 glaubt, der paterfamilias dürfe nicht verurteilt werden, wenn daneben kein peculium vorhanden ist. Denn die hinterlegten Münzen gehörten jedenfalls nicht in das peculium, weil der ego das Eigentum an ihnen behalten habe. Schließlich, sagt der Jurist, bestehe kein Zweifel, dass auch andere Gläubiger des Sohnes nicht auf die hinterlegten Münzen zugreifen könnten, wenn sie de peculio klagten, weil auch dann die Münzen nicht zum peculium gerechnet werden dürften. Ego müsse also ad exhibendum klagen und dann vindizieren172. Die Hinterlegung führt also nicht dazu, dass der Wert des peculium steigt, weil die hinterlegte Sache nicht in das Eigentum des Verwahrers bzw. ins Eigentum des paterfamilias des Verwahrers fällt. Hat der verwahrende Sohn also darüber hinaus kein ausreichendes peculium, ist die Klage de peculio nicht erfolgreich. Ist ein aus-
169 Die Literatur beschäftigt sich vor allem mit dem Schlusssatz, d. h. mit Fragen der actio ad exhibendum und der reivindicatio: Zur Funktion der actio ad exhibendum etwa Lenel, Rei vindicatio 518 ff., 524; Kaser, Die formula der actio ad exhibendum 267 m.Fn. 13, RIDA 14. Zu Besitzfragen etwa Benöhr, Besitzerwerb 147 f.; Marrone, Actio ad exhibendum 327 f.; Nicosia, L’ acquisto 330 ff. Burillo, ‚Actio ad exhibendum‘ 260, SDHI 26, hat weitreichende, aber ungenügend begründete Interpolationsannahmen. Unter dem Gesichtspunkt der Geldverwahrung und des depositum irregulare betrachtet die Stelle Klami, „Mutua magis videtur“ 110. Zu Fragen des depositum Valiño, Las relaciones básicas 413; zuletzt Litewski, Personen 285 f. 170 Klami, „Mutua magis videtur“ 110; Litewski, Personen 286, RIDA 47. 171 Liebs, HLL IV 107 f. 172 Es stellt sich hier die für unsere Zwecke nicht interessierende Frage, ob im Schlusssatz als Klagegegner der filiusfamilias oder der paterfamilias gedacht ist. Ist dies letzterer, ist fraglich, ob der paterfamilias Besitz an dem Geld hat und ob Besitz Voraussetzung für die Passivlegitimation bei der actio ad exhibendum ist. Zu diesen Fragen siehe Marrone, Actio ad exhibendum 328 Fn. 120; zweifelnd Ders., La Rivendica 182 m.Fn. 18; Nicosia, L’acquisto 331.
§ 14 Zur Noxalität der actio depositi in factum concepta
235
reichendes peculium vorhanden, so bejaht auch der Jurist die actio depositi de peculio173. Was ist aber genau der Gehalt der Stelle? Und warum wird die Meinung des Juristen als eine des Glaubens (existimavit) ausgegeben? Stellte sich hier doch ein Problem? Zunächst kann man überlegen, ob sich die Gewährung der actio de peculio nicht doch rechtfertigen ließ, selbst wenn nichts im peculium ist. Denn eine Verurteilung des Verwahrers führt dazu, dass der Verwahrer das (bonitarische) Eigentum an der hinterlegten Sache erlangt174. Das würde heißen, dass bei einer Verurteilung des paterfamilias in der actio depositi de peculio dieser das Eigentum an dem hinterlegten Geld erwerben würde175, die hinterlegte Sache also in das peculium fallen würde. Da für die Ermittlung des Wertes des peculium der Verurteilungszeitpunkt maßgeblich ist176, könnte juristische Konstruktion durchaus den Wert der hinterlegten Sache dem peculium zurechnen, denn indem man die Zurechnung vornimmt und den paterfamilias verurteilt, wird diese Zurechnung im selben Moment auch richtig177. Das existimavit kann also bedeuten, dass der Jurist (vielleicht gegen andere Juristen) eine solche Konstruktion ablehnt.
173 So auch Litewski, Personen 286. Das wird daran deutlich, dass eine Voraussetzung für den Nichterfolg der actio depositi de peculio ist, dass kein anderes peculium vorhanden ist (si nullum praeterea peculium sit). Für eine Kontroverse, bei der Julian gegen Ulpian die Gewährung einer actio depositi de peculio generell verweigert hätte, bestehen keine Anhaltspunkte. Dass Julian eine actio depositi de peculio gab, erhellt etwa auch aus D. 16,3,1,42. 174 Siehe dazu § 17 I 4. Interessant wäre es, wenn diese Auffassung, dass der verurteilte Verwahrer das Eigentum erlangt, auf Julian zurückginge (vgl. Kaser, RP I § 103 I 6, S. 437), weil es dann nicht überraschen würde, wenn Julian eben auch die Folgerungen dieser Auffassung erörtert. 175 Eigentlich erwürbe das Eigentum der die Sache nicht zurückgebende verwahrende Sohn (wie der Verwahrer auch dann das Eigentum erwirbt, wenn der Bürge verurteilt wird, vgl. D. 16,3,30). Dieser kann aber kein Vermögen erwerben, so dass es sein paterfamilias erwirbt. Die hinterlegte Sache fiele in das peculium, doch wäre das peculium zugunsten des paterfamilias mit einer Forderung des paterfamilias in Höhe des Verurteilungsbetrages belastet (vgl. Ulp. 29 ed D. 15,1,9,8; 11pr.). Auch nach Verurteilung des paterfamilias aus der actio depositi können die anderen Gläubiger also nicht auf den Wert der hinterlegten Sache zurückgreifen, weil der Wert der Sache zwar nun in das peculium rechnet, gleichzeitig aber der Wert auch wieder wegen der Ausgleichsforderung des paterfamilias abgezogen werden muss. 176 Ulp. 29 ed D. 15,1,30pr.; Kaser, RP I § 141 II 1, S. 606. 177 Dabei handelt es sich nicht um einen Zirkelschluss, sondern um einen logischen Vorgriff (vgl. Sturm, Rez. Reichard, Drittschadensersatz 547, SZ 115; Heck, Grundriß 52 f.). Die Verurteilung des paterfamilias belastet diesen nicht, weil sie ihm gleichzeitig den Wert der hinterlegten Sache zuführt, ist aber zugunsten des Hinterlegers geboten. Von Problemen, dass etwa der Hinterleger nicht Eigentümer der hinterlegten Sache ist und der Verwahrer somit durch Verteilung nicht das Eigentum erlangt (vgl. Kaser, In bonis esse 214, SZ 78), soll hier abgesehen werden, denn nach der Lösung Julians (Verweis auf die reivindicatio) geht auch dieser davon aus, dass der Hinterleger wie im Regelfall auch hier Eigentümer ist.
236
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
Man kann aber fragen: Welchen Sinn hat es, die actio depositi de peculio zu geben, wenn die hinterlegte Sache das peculium nicht vermehrt? Denn dass auch African bzw. Julian die actio de peculio geben, wenn nur das peculium ausreicht, zeigt die Wendung „si nullum praeterea peculium sit“. Die Antwort ist eine dreifache: Zum einen wird die actio de peculio auch bei Geschäften gegeben, die keine Beziehung zum peculium haben178. Zum zweiten wird es der Regelfall gewesen sein, dass das peculium ausreichte. Zum dritten ist die actio de peculio für den Hinterleger insofern vorteilhaft, als sie anders als die reivindicatio den Einlassungszwang hat und dem Kläger den Eigentumsbeweis erspart.
3. Die actio depositi in factum concepta als actio de peculio Es gibt keinen Grund zu der Annahme, es habe nur die actio depositi in ius concepta als Klage de peculio gegeben, nicht auch die actio depositi in factum concepta. Es war oben schon wahrscheinlich gemacht worden, dass Ulpian in D. 15,1,5pr. sich gerade mit der Gewährung der actio in factum concepta de peculio gegen den Gewalthaber auseinandersetzt179. Bei einer formula in factum concepta war die Subjektumstellung genauso möglich und ließ sich die Klausel de peculio genauso in die condemnatio einbauen wie bei einer formula in ius concepta180. Auch die Stelle Julian 11 dig D. 13,7,28,1181 spricht nicht gegen eine formula in factum concepta de peculio182, auch wenn man die actio pigneraticia dieser Stelle für eine actio in factum concepta hält183. Zwar fehlt in der Aussage Julians actio pigneraticia adversus dominum debitori competit der Ausdruck de peculio184. Dass aber die Klage gegen den dominus als pigneraticia bezeichnet wird, ist nicht erstaunlich, denn die actio de peculio würde auf dieser Klage fußen, und dass die Klage gegen den Gewalthaber die Bezeichnung der Grundklage, erweitert um den Ausdruck de peculio, trägt, ist verständlich185, denn anders könnte man die Klage
178 Kaser, RP I § 141 II 1, S. 606. Es ist also nicht erforderlich, dass gerade aus diesem konkreten Geschäft etwas in das peculium des Sklaven geflossen ist. 179 Vgl. oben § 14 I 1. 180 Anderer Ansicht Valiño, La relaciones básicas 416, 464. 181 Julian 11 dig D. 13,7,28,1: Si servus pro peculiari nomine pignus acceperit, actio pigneraticia adversus dominum debitori competit. 182 Anderer Ansicht Valiño, La relaciones básicas 416. 183 Zur Frage der Existenz einer actio pigneraticia in ius concepta (mit oder ohne bonafides-Klausel) siehe nur Kaser, RP I § 127 I, S. 537 m.Fn. 9 bis 13; zuletzt bejahend Litewski, Bestehen der „formula in ius concepta“ 183 ff., Labeo 45. Jetzt auch Braukmann, Pignus. 184 Die Glosse geht davon aus, dass die actio pigneraticia de peculio gemeint sei und verweist auf Ulp. 2 disp D. 15,1,36 (Glosse pigneratitia). Dieser Hinweis würde heute nicht mehr überzeugen, da man allgemein annimmt, in D. 15,1,36 sei pignus interpoliert für fiducia. 185 Vgl. etwa Afr. 8 quaest D. 15,1,38pr.: ago depositi de peculio; Ulp. 29 ed D. 15,1,3,7: sed de peculio actione mandati praestaturum.
§ 14 Zur Noxalität der actio depositi in factum concepta
237
nicht benennen. Der Ausdruck de peculio kann einfach fehlen, weil die Beschränkung de peculio selbstverständlich war186. Denn eine Haftung des Eigentümers aus geschäftlichem Handeln des Sklaven in solidum wäre das Erstaunliche, und daher hätte die Unbegrenztheit der Haftung im Text ausdrücklich hervorgehoben werden müssen.
II. Die Freilassung des verwahrenden Sklaven Haben sich somit für die Zeit des Bestehens des Gewaltverhältnisses keine Hinweise auf eine Noxalität der actio depositi ergeben, ist nun nach der Zeit nach Ende des Gewaltverhältnisses zu fragen.
1. D. 16,3,21,1 und D. 16,3,1,18 An folgende Stelle knüpfen sich die Überlegungen zur Noxalität der actio depositi nach der Freilassung des Sklaven: Paulus 60187 ed D. 16,3,21,1188, 189: Plus Trebatius existimat, etiamsi apud servum depositum sit et manumissus rem teneat, in ipsum dandam actionem, non in dominum, licet ex ceteris causis in manumissum actio non datur. 186 Vgl. etwa Gaius 9 edpr D. 15,1,27pr.: … depositi quoque et commodati actionem dandam earum nomine Iulianus ait … . Dass die Klage gegen den Gewalthaber einer Sklavin oder einer filiafamilias de peculio gegeben wird, ergibt sich eben aus dem Kontext. Zu dieser Stelle vgl. nur Litewski, Personen 269 f., nach dem die Stelle insoweit ursprünglich von der fiducia handelte; vgl. auch Noordraven, Fiduzia 62 f. 187 Zur abweichenden Buchzahl in der Pariser Handschrift 4450 vgl. Mommsen, EM I 475. Nach Lenel, P I, Paulus 722 ff., Sp. 1077 f. (ausführlicher Ders. Quellenforschungen 122, SZ 4), behandelt Paulus im 60. Buch seines Ediktskommentars den Konkurs, und zwar in der Phase nach der Ernennung des magister bonorum und des Verkaufs an den bonorum emptor, denn dies hatte Paulus schon im 59. Buch erörtert. Im 60. Buch erörtert Paulus die Klagen für und gegen den bonorum emptor und die Konkursprivilegien; dies entspricht dem Inhalt des 63. Buches des Kommentars Ulpians (vgl. Lenel, P II, Ulpian 1426 ff., Sp. 792 ff.). 188 Anstoß erregt nur der Indikativ datur bei dem als Konjunktion gebrauchten licet (Buckland, Slavery 698 m.Fn. 1; Watson, Later Roman Republic 164), denn das ist spätlateinisch (Hofmann / Szantyr, 6053). Gerade deshalb lässt sich aber auch nicht ausschließen, dieser Fehler sei ein bloßes Abschreibeversehen (vgl. Kalb, Juristenlatein 66 f.). Die Schlusswendung ist aber inhaltlich zutreffend. Für Echtheit jetzt auch Litewski, Personen 266 Fn. 131. Der Indikativ im licet-Satz könnte aber auch bedeuten, dass der Satz nicht als Teil der indirekten Rede des Trebaz zu sehen ist, sondern als objektiver Kommentar des Paulus (vgl. Kühner / Stegmann, Grammatik II3 (1955), § 239, 2a, 2, 542 f.). Für Paulus als Autor der Schlusswendung auch Evans-Jones, Noxal action 200. Den Schlusssatz hält Burillo, Las formulas 263, für eine Glosse. 189 Rotondi, Le due formole 52 f.; ebenso Ders. Appunti 67 ff.; Watson, Later Roman Republic 164 f.; Buckland, Slavery 697 f.; Litewski, Depositary’s Liability 18 ff.; Burillo, Las formulas 262 ff., SDHI 28. Umfassend und mit Literaturübersicht Maschi, Categoria dei con-
238
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
Paulus referiert eine Ansicht des Trebaz190 zu einer Konstellation, in der der Hinterleger bei einem Sklaven die Sache in Verwahrung gegeben hat. Der Sklave ist dann freigelassen worden und die verwahrte Sache ist noch bei ihm. Trebaz sei der Ansicht, dass die Klage, nämlich die actio depositi191, gegen den Freigelassenen selbst zu geben sei, nicht gegen dessen ehemaligen Eigentümer. Am Ende wird die Besonderheit dieser Entscheidung betont: ex ceteris causis werde die Klage gegen einen Freigelassenen nicht gegeben. Dabei schließt die Stelle unmittelbar durch das plus verbunden an die Aussage im Prinzipium an: Paulus 60 ed D. 16,3,21pr.: Si apud filium familias res deposita sit et emancipatus rem teneat, pater nec intra annum de peculio debet conveniri, sed ipse filius.
Der geschilderte Fall entspricht dem Fall im § 1, nur dass jetzt der Gewaltunterworfene ein filiusfamilias ist. Wie im § 1 wird betont, dass der ehemals der Gewalt Unterworfene die verwahrte Sache in Händen hält. Auch hier ist der Freigewordene selbst zu verklagen, nicht der ehemalige Gewalthaber. Die Stelle unterscheidet sich vom § 1 dadurch, dass im Prinzipium die Aussage von Paulus selbst stammt, während im § 1 Paulus ausdrücklich Trebaz zitiert; eine weitere Distanzierung liegt darin, dass Paulus die Aussage im Prinzipium als allgetratti reali 327 – 334 (im Wesentlichen identisch Maschi, Una celebra antinomia 573 ff.); Evans-Jones, Noxal action 191 ff., BIDR. Zuletzt Litewski, Personen 264 ff., 288 f. 190 Gaius Trebatius Testa ist Freund Ciceros und Adressat der Topica, er starb kurz nach 4 n.Chr. (Kunkel, Juristen2 28). Damit hat Trebaz die actio Rutiliana als Klage des bonorum emptor gegen den Schuldner des Gemeinschuldners gekannt, denn diese geht zurück auf Publius Rutilius Rufus (wohl Prätor 118 v.Chr., vgl. Giaro, NP 10, 1170). Das plus setzt das Fragment zum vorhergehenden Paragraphen in Beziehung; denn auch dort ging es um die Frage, ob die actio depositi gegen einen gewaltabhängigen Verwahrer gegeben wird, nämlich gegen einen filiusfamilias, wenn dieser nicht mehr gewaltabhängig ist, vgl. Paulus 60 ed D. 16,3,21pr. Dazu sogleich im Text. 191 Die Klage wird im Fragment selbst nicht benannt, eigentlich nicht einmal im Prinzipium. Die Palingenesie (Paulus 60 ad edictum; bei Trebaz locus incertus, vgl. Lenel, P II, Trebatius 20, Sp. 345) weist jedenfalls nur indirekt auf die actio depositi. Die actio de peculio annalis des Prinzipium kann jedenfalls nur auf der actio depositi basieren; dann muss auch die Klage gegen den Sohn die actio depositi sein. Man kann auch sagen: Wenn die Klage nicht ausdrücklich genannt wird, sollte es die am nächsten liegende sein; dies ist aber wegen des depositum die actio depositi. Jedenfalls die Kompilatoren haben durch Aufnahme des Fragments in den Titel D. 16,3 gezeigt, dass sie von einer actio depositi ausgingen. Für eine actio depositi auch Watson, Later Roman Republic 164. Doch hat es nicht an Versuchen gefehlt, die Klage für eine andere als die actio depositi zu halten, siehe dazu unten. Burillo, Las formulas 263, scheint von der actio de dolo auszugehen, weil der Gewaltunterworfene gegenwärtigen dolus begehe, wenn er die Sache hat und nicht zurückgibt. Aber dafür müsste man zum einen wegen der Subsidiarität diese Klage eine genauere Begründung der Juristen erwarten. Zum anderen bedürfte es der Begründung, warum bei einem so frühen Juristen wie Trebaz der Tatbestand der actio de dolo vorliegen soll, da hier weder Verstellung noch Täuschung vorliegen (vgl. aber wegen der Erweiterungen des dolusBegriffes bei der actio de dolo, insbes. durch Labeo, Kaser, RP § 146 IV, S. 628).
§ 14 Zur Noxalität der actio depositi in factum concepta
239
meine aufstellt, während er im § 1 die Aussage den Trebaz nur glauben (existimat) lässt. Auch das plus deutet daraufhin, dass die Aussage des § 1 weniger selbstverständlich ist als die des Prinzipium192. Der Stelle D. 16,3,21,1 scheint zu widersprechen: Ulpian 30 ed D. 16,3,1,18193, 194: Si apud servum deposuero et cum manumisso agam, Marcellus ait nec tenere actionem, quamvis solemus dicere doli etiam in servitute commissi teneri quem debere, quia et delicta et noxae caput sequuntur: erit igitur ad alias actiones competentes decurrendum.
Watson, Later Roman Republic 164; Evans-Jones, Noxal action 193. Rotondi, Le due formole 53, verdächtigt das nec, es sei ein Zusatz der Kompilatoren; er führt zum einen inhaltliche Gründe an (dazu sogleich im Text), zum anderen sei nec als Negation typisch für die Kompilatoren. Gegen nec in der Bedeutung von non als Beweis für eine Interpolation siehe nur Kalb, Juristenlatein 21 f. Keinen Verdacht erregt aber quamvis mit Indikativ (so aber Rotondi a. a. O., der auch vorschlägt, es habe vorher quoniam geheißen; so passe der Satz auch besser zur Entscheidung), denn der Indikativ bei quamvis ist als Interpolationsverdacht ungeeignet. Zum einen beweisen solche Fehler schon keine inhaltliche Veränderung (vgl. den Indikativ restituit in D. 22,1,18pr. gegenüber dem Konjunktiv restituat in FV. 17 (Grupe, Institutionenfragmente 317). Zum anderen ist der Indikativ bei quamvis im Spätlatein durchaus möglich (Hofmann / Szantyr 6042; vgl. auch Evans-Jones, Noxal action 204; Litewski, Depositary’s liability 20 Fn. 67). Übrigens bevorzugt Justinian licet gegenüber quamvis (Grupe a. a. O.), vgl. in unserem Zusammenhang das licet in D. 16,3,21,1. Albertario, Delictum 36, hält den Schluss ab quamvis für interpoliert wegen der pathetischen Wiederholung delicta et noxae (dagegen Longo, Delictum e crimen 151). Verdächtigt wird auch der Schluss „erit … decurrendum“, etwa von Gradenwitz, Interpolationen 67 f., SZ 7. Es sei nicht Ulpians Manier, bei Abweisung der Möglichkeit einer Klage die sonst zustehenden Rechtsmittel zu besprechen. Diese Behauptung über Ulpians Art der Kommentierung ist von zweifelhafter Richtigkeit; vielmehr wird man auf das zweite Argument Gradenwitz’ abstellen, dass der Satz gar nichts neues bringt, dem Leser nicht geholfen ist. Auf welche Klagen soll man denn zurückgreifen? Beseler, Beiträge II 92 f., hält decurrendum im Sinne von ‚auf eine andere Klage zurückzugreifen‘ für unklassisch. Litewski, Depositary’s liability 20 Fn. 67, weist darauf hin, dass auch der Fortgang, nämlich der Beginn des § 19 mit „haec actio“, womit nur die actio depositi gemeint sein könne, darauf hindeute, dass der Schlusssatz unecht sei. Man wird wohl davon ausgehen können, dass es sich um die Schlusswendung eines Glossators handelt, der den Leser nicht ohne Hoffnung für den Hinterleger lassen wollte, ohne sich tiefer in die Problematik einzudenken. Für verdächtig wird zuweilen das „debeo teneri“ gehalten (Burillo, Las formulas 263 Fn. 69; Beseler a. a. O.; Albertario a. a. O.), aber doch wohl ohne Grund. An einer Aussage, jemand müsse haften, ist im Rahmen juristischer Begründung nichts auszusetzen (zutreffend Evans-Jones, Noxal action 204 f.). Auch das solemus ist keineswegs verdächtig (so aber Burillo, Las formulas 263 Fn. 69); die Juristen sprechen in der ersten Person Singular, wenn sie etwas wiedergeben, was allgemeine Meinung ist (Evans-Jones, Noxal action 205 m.Fn. 30; siehe auch oben zum nobis in D. 16,3,1,42 bei § 14 I 1). 194 Zur Literatur siehe bei D. 16,3,21,1. Siehe ferner Albertario, Delictum 34 ff. Nach ihm zeige die Stelle eine nachklassische und byzantinische Verwischung der klar getrennten Begriffe von delictum und dolosem Vertragsbruch. 192 193
240
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
Ulpian berichtet von einer Aussage des Marcellus, die denselben Sachverhalt wie D. 16,3,21,1 betrifft. Nur fehlt die Angabe, dass die Sache sich nach der Freilassung beim Sklaven befindet. Nach Marcellus hafte der Sklave nicht mit der actio depositi195. Wie bei D. 16,3,21,1 folgt nicht etwa eine Begründung, sondern nur ein Argument, das für die gegenteilige Ansicht, hier also für die Haftung, sprechen würde. Man pflege nämlich sonst zu sagen, dass ein freigelassener Sklave nach Freilassung wegen des vor Freilassung begangenen dolus haften müsse, weil (in freier Paraphrasierung) bei Delikten die Regel gelte: noxa caput sequitur. Der Schlusssatz, es sei auf andere Klagen zurückzugreifen196, stammt, falls echt, zumindest der grammatikalischen Konstruktion zufolge, von Ulpian, denn er steht nicht mehr im AcI197. Damit lautet die Entscheidung in den beiden Stellen D. 16,3,21,1 und D. 16,3,1,18 unterschiedlich, nach Trebaz hafte der Sklave, nach Marcellus hafte er nicht198. Dieser Widerspruch ist stets199 aufgefallen und hat unterschiedliche Erklärungsversuche erfahren200. So sei die Entscheidung in D. 16,3,21,1 Ausdruck der 195 Dass es sich um die actio depositi handelt, ergibt sich aus dem Zusammenhang; schließlich stammt die Stelle aus der Mitte eines Kommentars zum depositum. 196 Fraglich ist, welche Klagen dem Hinterleger zur Verfügung stehen. Nahe läge etwa eine actio depositi de peculio annalis gegen den Gewalthaber (vgl. D. 16,3,21,1); das wäre aber ein anderer Klagegegner und in der Schlusswendung sehr unvollkommen ausgedrückt. Gegen reivindicatio und actio ad exhibendum gegen den manumissus wendet Faber, Rationalia 335, ein, dass diese den Besitz voraussetzten, den habe der manumissus aber gerade nicht, denn sonst läge gegen ihn auch die actio depositi, wie ein Vergleich mit D. 16,3,21,1 zeige (für reivindicatio auch Marrone, Contributi in tema di legittimazione passiva 375 Fn. 112, St. Scherillo I). Stephanus (Heimbach, Manuale B VI 266; Fallbildung mit Titius, vgl. Scheltema, L’enseignement 26) denkt an actio furti und condictio furtiva (Scholion oi)ke/t$ Ti/tou, Hb II 31, Scheltema B II 642, 10). Soweit in diesem Scholion das 7. Buch des Ediktskommentars des Paulus zitiert wird, dürfte es sich wohl um einen Schreibfehler von statt richtig c (60, vgl. D. 16,3,21) handeln, denn ein Zusammenhang mit den uns überlieferten Fragmenten aus dem 7. Buch (nach Lenel (P I, Paulus 159 ff., Sp. 977): De vadimoniis) ist nicht erkennbar. 197 Ebenso Lenel, P I, Marcellus 58, Sp. 598 mit P II, Ulpian 893 Sp. 614. 198 Paulus und Ulpian berichten beide von der Meinung eines anderen. Auch das könnte ein Indiz für eine Kontroverse sein. 199 Das Basilikenscholion zu e)a\n o( u(pecou/sio/j mou ( Hb II 50 Scholion 1, Scheltema B II 659), das von Stephanus stammen könnte (vgl. Heimbach, Manuale, B VI 267), stellt darauf ab, dass der Sklave nach seiner Freilassung die hinterlegte Sache in Händen hat, weil dann ein neues Verwahrungsverhältnis entstehe. Ebenso heißt es im Scholion zu dou=loj labw\ n paraqh/khn (Hb II 31 Scholion 2, anscheinend nicht bei Scheltema, denn bei B II 676, 21 fehlt der Schluss) zu D. 16,3,1,18 über D. 16,3,21,1: to/te ga\r w(j a)po\ kainote/rou deposi/tou kate/xetai (Dann nämlich haftet er wie aus einem neuen depositum). Die Glosse in ipsum zu D. 16,3,21,1 bemerkt den Widerspruch zu D. 16,3,1,18 und gibt drei Lösungsmöglichkeiten: es handele sich um einen Ausnahmefall; darauf deute auch der licetSatz hin. Oder die Klagegewährung beruhe darauf, dass der Sklave im Besitz der Sache sei. Die dritte Möglichkeit besteht darin, dass D. 16,3,1,18 von der actio depositi handle, D. 16,3,21,1 von der reivindicatio. Die Glosse non tenere zu D. 16,3,1,18 verweist am Ende auf die Erörterung zu D. 16,3,21,1, bringt aber vorher die Erklärung, in D. 16,3,21,1 gehe es
§ 14 Zur Noxalität der actio depositi in factum concepta
241
Tatsache, dass die actio depositi in factum concepta, von der diese Entscheidung handele, anders als die actio depositi in ius concepta pönalen Charakter gehabt habe und daher noxal gewesen sei201.
um die Frage, wo die verwahrte Sache sei, in D. 16,3,1,18 darum, dass der dolus begangen sei, als der Verwahrer noch Sklave war. 200 Nach Pernice, Parerga III 230 Fn. 10, SZ 9, geht es in D. 16,3,21pr. um die Beendigung der gesamtschuldnerischen Haftung von Vater und Sohn, indem man den Vater von der Haftung befreit, wenn der emancipatus die Sache hat. Auch Trebaz habe im § 1 den ehemaligen Sklaveneigentümer befreien wollen. Es wird sich aber zeigen, dass die Entscheidung vielmehr im Interesse des Hinterlegers liegt, dem die Wiedererlangung der Sache erleichtert werden soll. Nach Savigny, System II 141, 426 f., erkläre sich die Anomalie einer Klage gegen den manumissus daraus, dass es um die faktische Restitution des natürlichen Besitzes gehe und nicht um ein juristisches Verhältnis. Für Watson, Later Roman Republic, ist die Entscheidung in D. 16,3,21,1 „a complete mystery“. 201 Rotondi, Le due formole 52 f. Nach Rotondi muss sich die Stelle schon deshalb auf die formula in factum concepta beziehen, weil Trebaz nur diese gekannt habe. Nach Rotondi (a. a. O.) sei der Gedanken, D. 16,3,1,18 beziehe sich hingegen auf die formula in ius concepta, die nicht noxal gewesen sei, zu verwerfen, weil die Stelle im Rahmen des Kommentars Ulpians sich auch auf die formula in factum concepta beziehen müsse. Die Kompilatoren hätten ein nec eingefügt und so die Aussage in ihr Gegenteil verkehrt. Der so entstandene Widerspruch zu D. 16,3,21,1 könne aus Sicht der Kompilatoren entsprechend den Basilikenscholien aufzuklären sein, dass der entscheidende Unterschied darin liege, dass der manumissus in D. 16,3,21,1 die Sache in Händen habe, in D. 16,3,1,18 nicht. Die Kompilatoren hätten folgerichtig auch das ursprüngliche quoniam, das die Begründung einleitete, durch ein quamvis ersetzt, das nun einen Adversativsatz einleitet. Ein Argument für diese Ersetzung sei auch der eher zu quoniam als zu quamvis passende Indikativ solemus. Die Einführung der Verneinung einer Klagemöglichkeit durch die Kompilatoren habe diese auch veranlasst, den eindeutig kompilatorischen Schlusssatz mit dem Verweis auf andere Klagemöglichkeiten einzuführen. Maschi, Categoria 327 ff., folgt in der Annahme der Noxalität der actio depositi in factum concepta im wesentlichen Rotondi. Für ihn ist in D. 16,3,1,18 aber die Klageverneinung deshalb nicht interpoliert, weil die Stelle von der actio depositi in ius concepta handele. Die nachfolgende Erläuterung hätten die Kompilatoren zu dem Schlusssatz [erit igitur ad alias actiones competentes decurrendum] umgearbeitet, weil sie die Unterscheidung zwischen den beiden Formeln beseitigten. Für Maschi hafte der manumissus nur mit der actio in factum concepta, weil die actio in ius concepta, die Trebaz noch nicht gekannt habe, eine zivile Verbindlichkeit voraussetze, die der manumissus, als er noch Sklave war, nicht eingehen konnte. Undeutlich ist die Begründung für die Haftung des Sklaven aus der actio in factum concepta. Diese Klage sei eine pönale Klage für die Haftung aus der bloßen Tatsache der Nichtrückgabe. Diese Haftung treffe den Sklaven und ändere sich nicht durch die Freilassung. Im Zusammenhang der justinianischen Kompilation verneint Maschi das Bestehen eines Widerspruchs zwischen beiden Stellen, weil in beiden die Möglichkeit bejaht werde, den manumissus zu verklagen: in D. 16,3,21,1 mit „in ipsum dandam actionem“, in D. 16,3,1,18 mit „erit igitur ad alias actiones competentes decurrendum“. Befriedigend ist dies nicht, da der Rechtsanwender doch wohl einen Widerspruch annehmen muss, da in der ersten Stelle die actio depositi bejaht, in der zweiten Stelle aber verneint zu werden scheint, und sich die Frage stellt, auf welche Klage auszuweichen ist. Dass Maschis Interpretation des justinianischen Rechts nicht überzeugt, zeigen auch die Basilikenscholien, die man als authentische Interpretation des justinianischen Rechts ansehen kann. Den beiden
242
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
Nach anderen liege der Grund in der Sachverhaltsunterscheidung, dass in D. 16,3,21,1 der Sklave die Sache nach Freilassung gehabt habe, in D. 16,3,1,18 nicht202. Diese Ansicht zerfällt in zwei Varianten: Zum einen soll die Tatsache, dass der Sklave die Sache in den Händen hat, dazu führen, dass ein neues Verwahrungsverhältnis begründet wird203 oder dass doch bei dem fortdauernden Verwahrungsverhältnis der Schwerpunkt auf der Zeit nach der Freilassung liegt204. Zum anderen soll die Tatsache, dass der Sklave die Sache in Händen hat, dazu führen, dass in D. 16,3,1,18 der dolus vor der Freilassung begangen worden ist, in D. 16,3,21,1 nach der Freilassung205. Ferner wurde vorgeschlagen, D. 16,3,21,1 betreffe nicht die Haftung des ehemaligen Sklaven aus einer actio depositi, sondern aus der vindicatio und der condictio furtiva206. Dass jedenfalls Fragen der Noxalität eine Rolle spielen, zeigt sich darin, dass das Prinzip der Noxalität den Hintergrund in beiden Stellen bildet, in D. 16,3,1,18 wird
Stellen entnimmt Maschi (a. a. O. 326 f., 333) einen Grund für die Beibehaltung der älteren actio in factum concepta neben der jüngeren actio in ius concepta. Die actio in factum concepta sei bei Sachverhalten anwendbar gewesen, bei der die actio in ius concepta versagt habe, etwa für die Haftbarmachung eines manumissus. Auch Burillo, Las formulas 263 f., geht von der Noxalität der actio in factum concepta aus, allerdings ohne Begründung. Denn für D. 16,3,21 nimmt er die Gewährung einer actio de dolo gegen den emancipatus und manumissus an, kann aus dieser Stelle also kein Argument für eine Noxalität der actio depositi ziehen. Die Behauptung einer Interpolation von D. 16,3,1,18 durch Burillo ist damit ohne jede materielle Begründung. 202 So schon die Basiliken. Juristisch führe die Tatsache, dass der manumissus die Sache in den Händen halte, dazu, dass nach der Freilassung ein neues Verwahrungsverhältnis begründet werde, siehe zu den Basiliken gerade eben. 203 Nach Buckland, Slavery 698, habe Trebaz noch nicht zwischen Kontrakten und Quasikontrakten bei den Realobligationen unterschieden. Die Obligation beruhe nicht auf Vereinbarung, sondern auf der bloßen Tatsache, dass der Verwahrer die Sache in Händen habe. Daher habe nach Trebaz nach der Freilassung in D. 16,3,21,1 ein Verwahrungsverhältnis zwischen dem Hinterleger und dem manumissus bestanden. Nach Mandry, Familiengüterrecht I 395 f., komme die Obligation erst nach der Freilassung zustande. Für die Stelle zum filiusfamilias in D. 16,3,21pr. bedeute dies, dass die Klage gegen den emancipatus anders als bei anderen Vertragsklagen keiner Restitution wegen Erlöschens der Verbindlichkeit durch die capitis deminutio bedürfe. 204 Beseler, Unklassische Wörter 72, SZ 56, verweist insoweit auf Ulp. 35 ed D. 3,5,16. Nach Buckland, Textbook3 140 Fn. 9, hätten der filiusfamilias nach der Emanzipation und der manumissus nach Freilassung in D. 16,3,21 die Vertragsbeziehung fortgesetzt. Ähnlich EvansJones, Noxal action 196 ff. 205 Burillo, Las formulas 262 f.; Litewski, Depositary’s Liability, 20 f. Ähnlich d’Ors, Creditum und contractus 79 Fn. 21, SZ 74. Für Litewski zeige die Begründung „quamvis solemus dicere doli etiam in servitute commissi teneri quem debere“, dass Marcellus in D. 16,3,1,18 von einem Fall ausgehe, in dem der Verwahrer schon den dolus begangen hatte, als er noch Sklave war; ähnlich Ders., Personen 267. 206 Siehe soeben oben in Fn. 1156 die dritte Erklärungsmöglichkeit der Glosse zu D. 16,3,21,1.
§ 14 Zur Noxalität der actio depositi in factum concepta
243
dieses Prinzip sogar ausdrücklich angesprochen207. Damit ist aber die Noxalität einer actio depositi noch nicht bewiesen. Vielmehr kann sich hier auch nur das Phänomen zeigen, dass wegen der Beschränkung der Haftung des Verwahrers auf den dolus die römischen Juristen Anlass sahen, die Frage nach einer möglichen Noxalität zu stellen208; die Antwort ergibt sich daraus noch nicht.
2. Exkurs: Die Haftung von emancipatus und manumissus Das Fragment D. 16,3,21 führt, wie gesehen, den Leser von einer selbstverständlichen Aussage (einfache Feststellung im Prinzipium) zu einer begründungsbedürftigen (plus, Wiedergabe der Ansicht eines anderen Juristen im § 1)209. Um diesen Gedankenschritt besser zu verstehen, soll, bevor mit der Auseinandersetzung fortgefahren wird, zunächst der Unterschied zwischen filiusfamilias und Sklaven bezüglich der Haftung bei Bestehen des Gewaltverhältnisses und nach dessen Beendigung dargestellt werden210. Dabei ist auch zwischen rechtsgeschäftlichem und deliktischem Handeln zu unterscheiden. (1) Die ganz herrschende Meinung nimmt an, der filiusfamilias habe sich rechtsgeschäftlich wirksam nach ius civile verpflichten können211. Nach der Emanzipation Natürlich die Echtheit dieser Schlusswendung einmal vorausgesetzt. So auch Litewski, Personen 266. Zu dieser Frage siehe oben die Einführung zu § 13. 209 Eine vergleichbare Struktur etwa in Ulp. 31 ed D. 12,1,15: … quod igitur in duabus personis recipitur, hoc et in eadem persona recipiendum est. … 210 Es scheint, dass eine solche zusammenhängende vergleichende Überblicksdarstellung fehlt. 211 Vgl. nur Kaser, RP I, § 82 IV 2 m.Fn. 16. Dies bestreitet jetzt Longo, Filius familias. Sie macht darauf aufmerksam, dass sich die herrschende Meinung vor allem auf eine nicht sichere Ergänzung von G. 3,104 stützt. In dieser Stelle zählt Gaius die Personen auf, die sich nicht selbst verpflichten können, dies sind: „servus quidem et qui in mancipio est et … et quae in manu est“. In der Lücke des Codex Veronensis ist Platz für 12 bis 13 Buchstaben, wobei der dritte Buchstabe ein schwach lesbares l ist und der letzte ein s (Vgl. Studemund, Apographum 156 Zeile 9). Statt der herkömmlichen Ergänzung „filia familias“ schlägt die Autorin (a. a. O. 89) die Ergänzung „filius filiaque familias“ vor, wobei sie auf die Anzahl von 13 Buchstaben kommt, indem sie das que mit q und familias mit fs abkürzt. Im Codex Veronensis finde sich das Wort familias neun Mal, davon zweimal abgekürzt, einmal mit f, das andere Mal mit famil (a. a. O. 90). Dies zeigt, dass jedenfalls der Ergänzungsvorschlag Longos nicht mehr Wahrscheinlichkeit für sich hat als der herkömmliche. Die Frage ist aber anhand von G. 3,104 auch nicht abschließend zu entscheiden. Longo nimmt dann auch eine Untersuchung der anderen Quellen vor, die von einer Verpflichtungsfähigkeit des filiusfamilias reden, und untersucht Institute wie das SC Macedonianum und das Edikt in D. 14,5,2pr. Eine Auseinandersetzung mit der These Longos kann hier nicht versucht werden (vgl. etwa die Rezension Burdeses in SDHI 71, 2005, 597 – 607), sondern bis auf weiteres soll hier die herrschende Lehre zugrundegelegt werden. Immerhin ist Longo auf eine Reihe von Interpolationsannahmen angewiesen, um die in den Digesten angesprochene Verpflichtungsfähigkeit des filiusfamilias zu beseitigen. So ist etwa nicht recht einzusehen, dass in Ulp. 63 ed D. 15,1,44 (Si quis cum filio familias contraxerit, duos habet debitores, filium in solidum et patrem dumtaxat de peculio) eine Interpolation 207 208
244
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
haftete der filiusfamilias im Rahmen seiner Zahlungsfähigkeit (in id quod facere potest)212, und zwar nach h.M. nur nach prätorischem Recht. Geht man nämlich mit der ganz herrschenden Meinung davon aus, dass sich der filiusfamilias rechtsgeschäftlich wirksam verpflichten konnte, so stellt sich die Folgefrage, ob diese Verpflichtung durch die Emanzipation erlosch. Die herrschende Meinung bejaht dies213. Die Haftung des Sohnes beruht dann auf prätorischem Recht214. Doch gibt es auch erhebliche Gründe, die dafür sprechen, die Haftung des filiusfamilias sei durch Emanzipation nicht erloschen215.
vorliegen soll. Aus welchem Grund hätte Ulpian bei der Erörterung der actio Rutiliana (vgl. Lenel, P II, Ulpian 1429, Sp. 792 m.Fn. 8; Ders. Quellenforschungen 122, SZ 4) sagen sollen, dass der filiusfamilias sich nicht verpflichten könne, und warum hätten die Kompilatoren dann gerade dieses Fragment, dass nach ihrer Ansicht also eine falsche Aussage enthielt, an einen ganz anderen Platz verschieben sollen, um es dann erst zu verändern? In D. 16,3,21,1 wird die Aussage, dass der verwahrende Sklave, der die Sache in Händen hat, nach Freilassung hafte, als erstaunlicher (plus) bezeichnet als die Aussage, dass der verwahrende filiusfamilias nach Emanzipation haftet. Dies könnte etwa eine Erklärung darin finden, dass der filiusfamilias eben schon vor der Emanzipation verpflichtet war, der Sklave aber vor Freilassung nicht. 212 Vgl. Ulp. 29 ed D. 14,5,2pr. Dabei gewährte der Prätor das beneficium gegen den Sohn nur causa cognita. Es stellt sich dann die Frage, welche Umstände den Prätor von der Erteilung des beneficium abhalten oder ihn zur Erteilung veranlassen konnten. Das in D. 16,3,21pr. betonte „rem teneat“ könnte ein Umstand sein, der den Prätor das beneficium verweigern ließ, siehe dazu unten. 213 Vgl. nur Kaser, RP I § 82 IV 2, S. 343, und Talamanca, Istituzioni 130. Für ein Erlöschen könnte sprechen, dass die emancipatio eine capitis deminutio (minima) ist (G. 1,162 – 163) und dass eine solche zur Befreiung führt (G. 3,84 und 4,38). Dies galt aber nur für Schulden aus Verträgen, nicht aus Delikten (G. 4,38). Der Grund für das Erlöschen der Verpflichtung könnte darin liegen, dass bei der Vornahme des Emanzipationsaktes der filiusfamilias zwischenzeitlich ein Art Sklave ist (vgl. Paulus 11 ed D. 4,5,3,1). Denn beim Emanzipationsakt befindet sich der filiusfamilias als Durchgangsstadium in der mancipium-Gewalt des Dritten und steht damit servi loco, vgl. Kaser, RP I § 16 III 1, S. 69 f. Sklaven haften aber nach Freilassung wegen der Regel noxa caput sequitur zwar aus ihren Delikten, nicht aber aus von ihnen geschlossenen Verträgen. 214 Fraglich ist dann wieder, auf welchem prätorischen Rechtsbehelf die Haftung des Sohnes beruhte. Während man wohl früher auf das Restitutionsedikt über die capitis deminutio in Ulp. 12 ed D. 4,5,2,1 zurückgriff (vgl. Mandry, Familiengüterrecht I 392 ff.), geht Kaser (RP I § 82 IV 2, S. 343) davon aus, die Gewährung der Klage gegen den Sohn habe auf demselben Edikt beruht, in welchem dem Sohn auch das beneficium competentiae gewährt worden sei, während das Edikt in D. 4,5,2,1 nur die Fälle der adrogatio und der coemptio der Frau sui iuris betroffen habe (Kaser, RP I § 64 I 2, S. 272 m.Fn. 14). Nach Kaser (RP I § 82 IV 2, S. 343 m. Fn. 21 f.) erloschen die Schulden des filiusfamilias bei Emanzipation; das beneficium-Edikt aus Ulp. 29 ed D. 14,5,2,1 habe nicht nur dem Sohn das beneficium competentiae gewährt, sondern überhaupt erst einmal dem Vertragspartner des Sohnes die Klage (an der Annahme einer solchen doppelten, und sogar gegensätzlichen, Zielrichtung desselben Edikts nimmt Anstoß Longo, Filiusfamilias 163). 215 Gegen ein Erlöschen der Verbindlichkeiten des filiusfamilias durch dessen emancipatio könnte man anführen, dass nur zwei Fälle der capitis deminutio minima zum Erlöschen der vertraglichen Verbindlichkeiten führen, nämlich die adrogatio eines Gewaltfreien und die conventio in manum einer Frau sui iuris. Zum einen sei der Ausdruck capitis deminutio (minima) nicht so technisch zu verstehen, dass er stets zu allen Zeiten das gleiche bedeutet habe. So
§ 14 Zur Noxalität der actio depositi in factum concepta
245
Geht man entgegen der herrschenden Meinung davon aus, dass sich ein filiusfamilias nicht rechtsgeschäftlich verpflichten konnte, stellt sich die Folgefrage, ob die Verpflichtung des filiusfamilias durch die Emanzipation erlosch, konsequenterweise nicht. Die Haftung des emancipatus beruht dann einfach auf dem prätorischen Recht, nämlich auf dem in D. 14,5,2pr. überlieferten Edikt216.
Hier soll die Frage nach dem Grund der Haftung des emancipatus dahinstehen. Jedenfalls ergänzte sich die im beneficium-Edikt angesprochene Haftung des filiusfamilias gut mit der Haftung des paterfamilias aus der actio de peculio annalis217. Der Vater haftet nämlich nur, soweit das peculium noch bei ihm ist218. Da der Sohn nach der Emanzipation (und in den Fällen, in denen er beim Tod des Vaters nichts erbt) nur über die Mittel verfügte, die ihm der Vater überlassen hatte, hing die Zahlungsfähigkeit des Sohnes, das id quod facere potest, also wesentlich davon ab, ob der Sohn sein peculium, falls er ein solches gehabt hatte, mitbekam. Darin liegt die Ergänzung der Klagen gegen den Vater de peculio annalis und gegen den Sohn ‚in id quod facere potest’: Der Geschäftspartner des Sohnes musste sich an denjenigen halten, bei dem das peculium war. Dabei stand dem filiusfamilias das peculium zu, wenn der Vater es ihm bei der Emanzipation nicht ausdrücklich wegnahm219. meine capitis deminutio im betreffenden Restitutionsedikt Ulp. 11 ed D. 4,5,2,1 auch nur die zwei eben erwähnten Fälle (Kaser, RP I § 64 I 2, S. 272 m.Fn. 14). Ferner bringe Gaius gerade in G. 3,84 und 4,38 diese Fälle als Beispiele. Dabei führt dieses Argument in G. 4,38 zur so häufigen Folgefrage, ob ein velut bei Gaius auch einmal eine abschließende Aufzählung enthalten könne. Hinsichtlich der These, das Edikt in Ulp. 29 ed D. 14,5,2pr. restituiere die Klage gegen den filiusfamilias, ist es ferner auffallend, dass der emanzipierte Sohn im beneficium-Edikt (D. 14,5,2pr.) neben den Söhnen erscheint, die durch Tod des paterfamilias (sonst gäbe es keinen Erbfall) gewaltfrei geworden sind, denn in diesem Fall wird ein filiusfamilias ohne capitis deminutio gewaltfrei (vgl. G. 3,114), so dass in diesem Fall die zivile Klage gegen den Sohn fortbesteht, ohne dass es des Eingreifens des Prätors bedürfte. Der Prätor würde also im selben Edikt zwei ganz verschiedene Probleme regeln: Gegen den emancipatus würde er zum einen die Klage gewähren und diese dann auf das id quod facere potest beschränken, während er hinsichtlich des exheredatus diesem nur das beneficium einräumen würde (vgl. Longo, Filius familias 163). Gegen die aus Paulus 11 ed D. 4,5,3,1 abgeleitete Begründung für ein Erlöschen der vertraglichen Verpflichtung, der filiusfamilias gerate im Verlauf des Emanzipationsprozesses in eine Scheinsklaverei, lässt sich einwenden, dass Paulus im 11. Buch das Edikt über die capitis deminutio behandle (vgl. Lenel, P I, Paulus 220 ff., Sp. 986), dieses Edikt aber gerade nicht den emancipatus betreffe, sondern nur die adrogatio und die coemptio der Frau sui iuris (vgl. Kaser, RP I § 64 I 2, S. 272 m.Fn. 14). Damit ist offen, warum Paulus überhaupt auf die Emanzipation zu sprechen kommt. So mag Paulus einfach eine schulmäßige Darstellung aller Arten einer capitis deminutio, vergleichbar der des Gaius in G. 1,159 ff., eingeschoben haben; ob und welche Rechtsfolgen Paulus an die capitis deminutio des emancipatus geknüpft hat, ist nicht erkennbar. Nicht erkennbar ist für uns auch, welche Rechtsfolgen die spätklassischen Juristen wie Paulus aus einer imaginaria servilis causa abgeleitet haben werden. 216 So nun etwa Longo, Filius familias 132 ff., insbes. 145 ff. 217 Zu dieser Klage vgl. Kaser, RP I § 141 II 1, S. 607 m.Fn. 14. Dass sich beide Institute sinnvoll ergänzen, betont auch Wacke, Notbedarfseinrede 486 f., SDHI 60. 218 Vgl. Kaser a. a. O.; Lenel, EP3 277 mit Hinweis auf Ulp. 29 ed D. 15,2,1,7.
246
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
Für unsere Stelle ist zu beachten, dass die Frage, ob sich die verwahrte Sache beim Sohn befindet oder nicht, nicht zur Frage gehört, wo das peculium ist. Denn die in Verwahrung gegebene Sache gehört nicht in das peculium, weil der Verwahrer nicht Eigentum an ihr erlangt220. (2) Bei einem Sklaven galt grundsätzlich, dass dieser sich nicht rechtsgeschäftlich wirksam verpflichten konnte221. Nach der Freilassung des Sklaven stand dem Vertragspartner des Sklaven eine actio de peculio annalis gegen den ehemaligen dominus oder dessen Erben zu222. Dem Vertragspartner des Sklaven stand gegen den manumissus keine Klage zu. Dabei muss man zwischen dem durch Testament und dem bei Lebzeiten des Eigentümers freigelassenem Sklaven unterscheiden. Denn hinsichtlich des durch Testament freigelassenen Sklaven scheint es eine Kontroverse zwischen den Juristen gegeben zu haben223. Als Klagegegner kam einerseits der manumissus, andererseits der Erbe des ehemaligen Sklaveneigentümers in Betracht. Julian gab anscheinend gegen den testamentarisch freigelassenen Sklaven eine Klage, wenn diesem das Pekulium vermacht war224. Unklar ist dabei, welche Grundlage die Klage des Vertragspartners des Sklaven gegen den manumissus hatte225. Vielleicht dachte Julian an eine vom Prätor gewährte Klage, die nicht im album verheißen war226. In der Spätklassik227 setzte sich die Ansicht durch, der manumissus könne nicht verklagt werden, wohl aber der Erbe mit der actio de peculio annalis228. Das peculium sei noch beim Erben, weil dieser das peculium wirtschaftlich nutze, indem er sich durch dessen Leistung an den manumissus von seiner aus dem Legat herrührenden Verpflichtung befreie229. Auch mindere der Erbe das peculium dolos, wenn er sich nicht vom manumissus Sicherheit für die Erfüllung der Pekuliarschulden leisten lasse230. Die Belastung des Erben mit den Pekuliarverbindlichkeiten, obwohl er das peculium herausgeben muss, ist dabei nicht unbillig, weil der Erbe das peculium erst an den manumissus herausgeben muss, nachdem dieser ihm Sicherheit für die Forderungen der Gläubiger geleistet hat231. Ausdruck
Vgl. FV. 260. Vgl. Afr. 8 quaest. D. 15,1,38pr., siehe dazu oben § 14 I 2. 221 G. 3,104; vgl. Kaser, RP I § 67 III 3, S. 287 m.Fn. 43. 222 Kaser, RP I § 141 II 1, S. 607; Lenel, EP3 277, 282. 223 Zum Folgenden vgl. Wacke, Notbedarfseinrede 489 f.; Ders., Peculium non ademptum 67 f.; Mandry, Familiengüterrecht II 194 ff. 224 D. 33,4,1,10: … et differentiam facit inter eum, cui dos relegata est, et orcinum libertum, cui peculium legatum est: namque eum de peculio posse conveniri ait, heredem non posse, quia peculium desiit penes se habere: … . 225 Mandry, Familiengüterrecht II 195. 226 Die Klage könnte sich an die gegen den Sohn verheißene Klage (vgl. Ulp. 29 ed D. 14,5,2pr.) angelehnt haben. 227 Für die sich in der Spätklassik durchsetzende Ansicht gab es schon früh, auch vor Julian, Stimmen, vgl. etwa Pegasus in Ulp. 29 ed D. 15,2,1,7. 228 Ulp. 29 ed D. 15,2,1,7; Marcianus 6 inst D. 33,8,18. Auch Ulpians Text zeigt noch, dass die Frage umstritten war (quaestionis fuit). 229 Vgl. Caecilius (?) in Ulp. 29 ed D. 15,2,1,7. 230 Vgl. Mandry, Familiengüterrecht II 194; Ulp. 29 ed D. 14,4,9,2. 219 220
§ 14 Zur Noxalität der actio depositi in factum concepta
247
dieser Kontroverse oder doch der Kautionslösung mag auch eine Konstitution Caracallas aus dem Jahr 215 sein232. Keine Kontroverse gab es bei dem zu Lebzeiten des Eigentümers freigelassenen Sklaven233. Für eine Klage gegen den manumissus, bei dem das peculium ist, finden sich anscheinend keine Belege in den Quellen234. Es scheint damit nur die actio de peculio annalis gegen den
231 Ulp. 29 ed D. 15,2,1,1,7; Marcianus 6 inst D. 33,8,18. Zur Frage der Sicherung des Erben, wenn dieser bereits das peculium herausgegeben hat, ohne sich durch den manumissus Sicherheit leisten zu lassen vgl. die Stellen in Ziegler / Behrends / Knütel / Kupisch / Seiler, S. 288 Fn. 1. Diese Lösung über die Sicherheitsleistung durch den manumissus, die der Erbe durch Weigerung der Leistung des vermachten peculium erzwingen kann, ist durch den Grundsatz abgestützt, dass bei Freilassung eines Sklaven bei Tod des Sklaveneigentümers der manumissus nur das peculium erlangt, wenn ihm das peculium ausdrücklich durch Legat vermacht ist, vgl. FV. 261. 232 Caracalla C. 4,14,2: Creditoribus tuis, qui tibi in servitute pecuniam crediderunt, nulla adversus te actio competit, maxime cum peculium tibi non esse legatum proponas (215 n. Chr.). Die Gläubiger haben gegen den testamentarisch Freigelassenen keine Klage. Was aber bedeutet das „maxime“? Soll es heißen, die Gläubiger hätten die Klage, wenn dem Freigelassenen das peculium vermacht worden wäre? Dafür etwa Watson, Slave law 91. Dagegen Thalelaios im Codexunterricht zu C. 4,14,2 (Hb II 28, Scheltema B V 1750,19): Shmei/wsai e)k th=j e)pita/ sewj tou= ‚ma/ lista‘, o/(ti ka) \n e)lhgateu/qh au )t%= to\ pekou/lion, ou) kate/xetai toi=j pekouliari/oij daneistai=j … (folgt Hinweis auf D. 15,1,57). Übersetzung: Entnimm dem Ausdruck ‚maxime‘ (ma/lista), dass, auch wenn ihm das peculium vermacht wird, er den Pekuliargläubigern nicht haftet. Siehe dazu Simon (Kodexunterricht, A. Methode 359, SZ 86, u. a. zur Textkritik und zum Ausdruck e)pi/tasij): Thalelaios sage: Der Freigelassene haftet nicht; ist ihm das peculium nicht vermacht, haftet er erst recht nicht. Ein ähnlich unklares „maxime“ auch in Alex.Sev. C. 4,44,1. 233 Um diesen Fall geht es in D. 16,3,21,1, denn als Alternative wird eine Klage gegen den also noch lebenden dominus erwogen. 234 Einen solchen Beleg wird man auch nicht in Ulp. 33 ed D. 23,3,39pr. sehen können. Die Stelle lautet: Si serva servo quasi dotem dederit, deinde constante coniunctione ad libertatem ambo pervenerint peculio eis non adempto et in eadem coniunctione permanserint, ita res moderetur, ut, si quae ex rebus corporalibus velut in dotem tempore servitutis datis exstiterint, videantur ea tacite in dotem conversa, ut earum aestimatio mulieri debeatur. Eine Sklavin und ein Sklave waren eine Lebensgemeinschaft eingegangen; die Sklavin hatte dem Sklaven, deren Gemeinschaft keine rechtsgültige Ehe war (zu einem solchen contubernium unter Sklaven siehe nur Kaser, RP I § 67 II 1, S. 284, § 74 II 4, S. 315), eine Quasidos gegeben. Beide Sklaven wurden unter Überlassung ihres peculium freigelassen und setzten ihre Lebensgemeinschaft fort. Es heißt nun, dass nach Beendigung der Ehe die Ehefrau die dos bzw. deren aestimatio verlangen kann (der Sprung auf die aestimatio ist problematisch, hier aber nicht weiter von Interesse). Dies bedeutet aber nicht, der Freigelassene sei der actio rei uxoriae wegen seines Verhaltens als Sklave ausgesetzt, vielmehr wird die Bestellung der dos auf den Zeitpunkt der Freilassung angesetzt. Das ergibt sich daraus, dass nur diejenigen Sachen als in die dos übergegangen gelten, die zum Zeitpunkt der Freilassung noch existierten. Übrigens zeigt die Diktion (ita res moderetur), dass es weniger um Dogmatik als um das Finden einer der Lebenswirklichkeit angemessenen Lösung geht (vgl. Buti, „Si serva servo“ 128). Dogmatisch dürfte sich die Lage wie folgt darstellen: Wird bei Freilassung unter Lebenden dem Sklaven das peculium nicht ausdrücklich genommen, ist es ihm geschenkt. Für vollgültigen Eigentumserwerb muss der Sklave nun aber die Gegenstände des peculium noch ex iusta
248
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
ehemaligen Sklaveneigentümer zu bleiben und damit die Frage, ob dieser noch haftet, wenn er dem manumissus dessen peculium schenkt. Das ist wohl die Frage danach, ob es dolos vom Sklaveneigentümer wäre, dem Sklaven das peculium zu schenken und ob ein solcher dolus berücksichtigt werden könnte235. Immerhin besteht zur Freilassung durch Testament der Unterschied, dass bei testamentarischer Freilassung der Erbe das peculium nicht mehr hat, weil er vom Erblasser durch die Legatsanordnung gezwungen wurde, das peculium herauszugeben, während der Sklaveneigentümer zur Überlassung des peculium nicht verpflichtet ist. Der dolus des Sklaveneigentümers lässt sich also leichter begründen als der dolus des Erben, und selbst bei letzterem haben die Juristen den dolus bejaht. Und in der Tat wird man sagen können, dass der Sklaveneigentümer das peculium in doloser Weise mindert, wenn er es vollständig an den Sklaven herausgibt, obwohl noch Pekuliarforderungen offen sind; denn er wendet dem manumissus mehr zu, als diesem nach Abzug der Pekuliarforderungen zustünde; und der Sklaveneigentümer tut dies nicht auf eigene Kosten, sondern auf Kosten der Pekuliargläubiger. Diese Überlegung legt nahe, dass bei der Freilassung des Sklaven durch den lebenden Eigentümer und bei Überlassung des peculium an den manumissus tatsächlich nur der ehemalige Gewalthaber mit der actio de peculio annalis, gegebenfalls aus der entsprechenden dolusKlausel, belangt werden konnte.
(3) Würde man die Haftung des Verwahrers als deliktische Haftung verstehen, so würde, wenn der Sklave oder der filiusfamilias das Delikt als Gewaltunterworfener begeht, der Gewalthaber mit einer actio noxalis haften, nach Freilassung der Sklave bzw. nach Emanzipation der filiusfamilias selbst236. Hier stellt sich dann aber die Frage, ob der Gewaltunterworfene überhaupt das Delikt begehen kann, ob nämlich das Verwahrungsverhältnis zwischen dem Gewaltunterworfenen und dem Hinterleger zustande kommt oder zwischen diesem und dem Gewalthaber. Beginge der Sklave das Delikt erst nach Freilassung bzw. der filiusfamilias erst nach Emanzipation, hafteten der Sklave und der filiusfamilias selbst. Auch dann müsste man fragen, wodurch überhaupt das Verwahrungsverhältnis zustande kommt.
(4) Bei rechtsgeschäftlichem Handeln hat der Vertragspartner also eine Klage gegen den emancipatus, die nach h.M. auf prätorischem Recht beruhte, aber keine Klage gegen den manumissus. Insofern ist die Aussage des Trebaz im § 1 also in der Tat erstaunlicher als die des Paulus am Anfang.
causa possidens ersitzen (FV. 261). Ulpians Lösung bedeutet, dass der freigelassene Sklave die Gegenstände, die aus der Quasidos noch bei ihm sind, pro dote ersitzt, vgl. D. 41,9. Da der Sklave also nicht diejenigen Gegenstände, die er als Quasidos erhalten hat, die aber bei Freilassung nicht mehr bei ihm sind, als dos nach Beendigung der Ehe herausgeben muss, haftet er nur für Umstände, die nach der Freilassung liegen. Es geht also nicht um eine Haftung des Freigelassenen für Verhalten aus seiner Sklavenzeit (wie hier schon Wacke, Zahlung mit fremden Geld 138 Fn. 371, BIDR 79; Ders. Peculium non ademptum 87 ff., IURA 42, vgl. jetzt auch Buti, „Si serva servo“ 127 ff., Index 27, der aber wohl von einer im Einzelfall gewährten prätorischen Klage ausgeht). 235 Lenel, EP3 277, hält es unter Hinweis auf Ulp. 29 ed D. 15,2,1,8 a. E. für möglich, dass der Klausel „quod peculium penes Numerium Negidium est“ der actio de peculio annalis ebenfalls eine dolus-Klausel „dolove malo eius factum erit quo minus esset“ angefügt war. 236 Nach der Regel noxa caput sequitur, Kaser, RP I § 147 I 1 S, 631 m.Fn. 4 und 8.
§ 14 Zur Noxalität der actio depositi in factum concepta
249
3. Auseinandersetzung Die Stellen, die von einer actio depositi de peculio zeugen237, sprechen dagegen, in D. 16,3,21,1 einen Beweis für die Noxalität einer actio depositi zu sehen238. Wenn sich also für die Entscheidung in D. 16,3,21,1 eine andere Erklärungsmöglichkeit zeigt, kann diese Stelle vor dem Hintergrund der Belege für die Nichtnoxalität bei Bestehen des Gewaltverhältnisses keinen Beweis für die Noxalität einer actio depositi liefern239. Man wird davon ausgehen müssen, dass der Tatsache, dass in D. 16,3,21 der ehemals der Gewalt Unterworfene die Sache in Händen hat, entscheidende Bedeutung zukommt240. Denn das rem teneat findet sich sowohl im Prinzipium als auch im § 1 und wird durch diese Wiederholung betont. Ferner ist das rem tenere offensichtlich Voraussetzung der Haftung, denn es ist der Tatsache, dass die Hinterlegung bei einem filiusfamilias bzw. einem Sklaven erfolgte, grammatikalisch gleichgeordnet. Warum aber haftet der manumissus? Den Grund dafür kann man nicht in der Noxalität suchen. Denn das würde zum einen voraussetzen, dass man eine Interpolation in D. 16,3,1,18241 annimmt, denn wenn der Sklave einmal deliktisch in Bezug auf die hinterlegte Sache gehandelt hat, Vgl. oben § 14 I 2. So auch Kaser, Quanti ea res est 69 Fn. 4. Evans-Jones, Noxal action 193, weist ferner darauf hin, dass auch das plus, das die Entscheidung in D. 16,3,21,1 einleitet, gegen die Noxalität der actio depositi spricht. Denn das plus zeige, dass die Gewährung der Klage gegen den manumissus erstaunlicher ist als die Gewährung der Klage gegen den emancipatus. Bei Noxalität der actio depositi wäre aber die Gewährung der Klage gegen den manumissus genauso selbstverständlich wie die Gewährung der Klage gegen den emancipatus. Ein weiteres Argument gegen die Ansicht, D. 16,3,21,1 spreche für die Noxalität der actio depositi, will Evans-Jones, a. a. O. 199, daraus herleiten, dass in D. 16,3,21 als Alternative zur Klage gegen den ehemaligen Gewaltunterworfenen die actio de peculio erwogen wird. Diese Überlegung ist aber nicht überzeugend. Geht es um die Frage, ob eine Klage noxalen Charakter hat, lautet bei Bestehen des Gewaltverhältnisses die Alternative, ob die Klage gegen den Gewalthaber als actio de peculio oder als actio noxalis gegeben wird. Nach Ende des Gewaltverhältnisses wird daraus die Alternative, ob der ehemalige Gewalthaber mit der actio de peculio annalis oder eben bei Noxalität überhaupt nicht verklagt werden kann, denn es gibt keine actio noxalis annalis. Diese Alternative findet sich so aber genau in D. 16,3,21 erörtert, denn es heißt, dass der ehemalige Gewaltunterworfene verklagt werde, nicht der Gewalthaber mit einer actio de peculio annalis. 239 Zwar bestünde die Möglichkeit, etwa D. 16,3,1,42 der formula in ius concepta zuzuweisen und bei D. 16,3,21,1 von einem Bezug zur dann noxalen actio depositi in factum concepta auszugehen. Eine solche Ansicht könnte aber höchstens den Anspruch erheben, mit den dann also überarbeiteten Quellen vereinbar zu sein, nicht aber, sich aus unbearbeiteten Quellen zu ergeben. 240 So auch Evans-Jones, Noxal action 198, 206; Litewski, Personen 267. 241 Die Annahme Maschis (Categoria 330 f.), die Entscheidung in D. 16,3,1,18 handele von der formula in ius concepta, ist nicht überzeugend; Ulpian kommentiert in diesem Abschnitt die formula in factum concepta (ausführlich Evans-Jones, Noxal action 202 f.). 237 238
250
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
müsste bei noxaler Natur der actio depositi der Sklave nach Freilassung haften, auch wenn er die Sache nicht mehr hat. Eine Interpolation ist aber unwahrscheinlich, weil die Kompilatoren dann von zwei Texten, die von der Noxalität der actio depositi handeln, nur den in D. 16,3,1,18 geändert hätten242. Zum anderen gibt es keinen Beleg für eine Noxalhaftung des Gewalthabers bei Bestehen des Gewaltverhältnisses243. Außerdem wäre es bei Noxalität keine Voraussetzung der Klage gegen den manumissus, dass dieser die Sache hat. Denn der manumissus müsste auch haften, wenn er die Sache vorsätzlich zerstört oder verkauft hätte. Dass das rem tenere als Haftungsvoraussetzung in D. 16,3,21,1 derart betont wird, spricht also gegen die Noxalität der actio depositi (in factum concepta). Nicht überzeugend ist weiter der Begründungsansatz, dass in D. 16,3,21,1 der manumissus den dolus erst nach der Freilassung begeht. Denn dies erklärt nicht, warum dieser dolus überhaupt relevant ist. Der dolus des manumissus begründet die actio depositi nur, wenn diese an sich schon statthaft ist. Statthaft ist die actio depositi nur, wenn ein depositum, also ein Verwahrungsverhältnis zwischen dem Hinterleger und dem manumissus, vorliegt244. Daher läge ein Begründungsansatz näher, der darauf abstellt, dass ein Verwahrungsverhältnis nach der Freilassung begründet wird, weil der manumissus die hinterlegte Sache noch in Händen hält. Zu dieser Frage gehört aber nicht Ulp. 35 ed D. 3,5,16245. Denn die Klage aus der negotiorumgestio wird dadurch begründet, dass der manumissus als Freigelassener die Geschäfte führt. Der Tatbestand liegt also vollständig nach der Freilassung vor. Die vor der Freilassung geführten Geschäfte werden im Rahmen der nach der Freilassung begründeten Klage nur berücksichtigt, soweit eine Trennung der Geschäfte nicht möglich ist. Das bloße Haben einer Sache ist aber keine Geschäftsführung.
Wenn man mit der herrschenden Meinung davon ausgeht, dass sich ein Sklave anders als ein filiusfamilias nicht wirksam rechtsgeschäftlich verpflichten kann, dann fehlt es für die Annahme eines Verwahrungsverhältnisses aber am haftungsbegründenden Tatbestand. Es ist nicht ersichtlich, wie die bloße Tatsache, dass der manumissus die Sache hat, zur Begründung eines Verwahrungsverhältnisses führt. Dem Eigentümer steht gegen den unberechtigten Besitzer die reivindicatio zu, nicht die actio depositi. Das depositum setzt eine Übergabe voraus246, an der es in D. 16,3,21,1 fehlt, weil die Übergabe an den Sklaven ohne rechtliche Relevanz ist. 242 Litewski, Personen 265, weist darauf hin, dass beide Texte im selben Titel, der zur sedes materiae gehöre, stünden. Die Kompilatoren sollten den Text also gleich behandelt und keinen Widerspruch gesehen haben. 243 Siehe oben § 14 I 1. 244 Das wäre etwa anders bei der actio de dolo, die kein Vorliegen eines depositum voraussetzt. 245 So wohl Beseler, Unklassische Wörter 72, SZ 56. 246 Ulp. 30 ed D. 16,3,1pr.: Depositum est quod custodiendum alicui datum est. Auch das Wort de-ponere hat für sich schon die Bedeutung, dass der Hinterleger eine Sache hinstellt.
§ 14 Zur Noxalität der actio depositi in factum concepta
251
Dass zur Annahme eines depositum mehr gehört als das bloße Inhändenhaben, ergibt sich auch daraus, dass der verurteilte Verwahrer infam wird; Infamie aus einen Vertrag setzt voraus, dass der Hinterleger besonderes Vertrauen in den Verwahrer setzt, mithin einen Konsens (im untechnischen Sinn)247.
4. Lösung Hier soll die Lösung darin gefunden werden, dass dem Hinterleger im Konkurs des Verwahrers ein Aussonderungsrecht zusteht, weil das depositum nicht in das Eigentum des Verwahrers bzw. in das peculium des verwahrenden filiusfamilias oder des Sklaven fällt248. Ferner soll schärfer ein bisher vernachlässigter Unterschied zwischen dem Prinzipium und dem § 1 von D. 16,3,21 ins Auge gefasst werden. Ein offensichtlicher Ansatzpunkt ist der palingenetische Zusammenhang. Paulus behandelt im 60. Buch seines Ediktskommentars den Konkurs. Nach Lenel249 ist der Verwahrer im Konkurs, sein Vermögen ist an den bonorum emptor verkauft. Dieser Verkauf umfasst nicht die beim Verwahrer hinterlegten Sachen, da diese nicht in seinem Eigentum stehen250. Die beim Gemeinschuldner verwahrten Sachen nehmen überhaupt nicht am Konkursverfahren teil. Weil die verwahrte Sache am Konkursverfahren nicht teilnimmt, besteht auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sich die verwahrte Sache noch beim Verwahrer befindet, nicht beim emptor251. 247 Daher überzeugt die Argumentation Bucklands (Slavery 698) nicht so recht, Trebaz habe unter Umständen bei obligationes re contracta nicht zwischen Kontrakt und Quasikontrakt unterschieden. Zur Frage, inwieweit bei den römischen Juristen die Einigung eine Voraussetzung für Realkontrakte war, siehe nur Kaser, RP I § 122 II 1, S. 525 m.Fn. 29; Literatur bei Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht18, § 38 Rn. 2, S. 190. 248 Zu diesem Aussonderungsrecht vgl. sogleich § 14 III. 249 Lenel, P I, Paulus 722, Sp. 1077 m.Fn. 2. 250 Vgl. Paulus 54 ed D. 41,4,2,7: Eius bona emisti, apud quem mancipia deposita erant: Trebatius ait usu te non capturum, quia empta non sint. Der bonorum emptor erwirbt das quiritische Eigentum erst durch Ersitzung (G. 3,80). Die Stelle D. 41,4,2,7 dürfte sich auf die Ersitzung durch den bonorum emptor beziehen (Watson, Property 54; Solazzi, Concorso II 132 m.Fn. 1). Die beim Schuldner verwahrten Sachen kann der bonorum emptor nicht ersitzen, weil sich der Kauf auf diese nicht bezieht und es somit am Titulus fehlt, unabhängig davon, ob der emptor in gutem Glauben ist oder nicht (vgl. Watson a. a. O.). Der bonorum emptor erwirbt also auch nicht durch Ersitzung das Eigentum an den verwahrten Sachen. Er darf also die verwahrten Sachen auch nicht etwa veräußern, um andere Gläubiger des Gemeinschuldners zu befriedigen. Es ist interessant, dass auch hier Paulus eine Aussage des Trebaz zitiert. Finden sich also bei Trebaz die ersten Belege, dass sich ein Jurist mit der Frage befasst hat, wie das depositum im Konkurs zu behandeln sei? 251 Zur Erlangung des Besitzes an den Sachen, die zum Schuldnervermögen gehörten, stand dem bonorum emptor ein Interdikt zu (G. 4,145), nach Solazzi (Concorso II 138) auch gegen den Schuldner selbst. Unter dieses Interdikt dürften die beim Schuldner verwahrten Sachen
252
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
Nach Lenel252 stellte sich damit für den Hinterleger die Frage, ob er den bonorum emptor oder den Verwahrer verklagen sollte253. Dies habe Paulus254 dann zu dem Exkurs geführt, ob der Hinterleger den Vater oder den emanzipierten Sohn verklagen solle, weil auch dort der Gläubiger zwei Schuldner habe255. Paulus gibt die Antwort, der Sohn sei zu verklagen, wenn er die Sache habe. Nach Lenel256 habe Paulus auf die erste Frage die Antwort gegeben, dass nicht der bonorum emptor, sondern der Verwahrer zu verklagen sei, wenn dieser die Sache noch habe257. Dass der Verwahrer die hinterlegte Sache in Händen hat, nicht der bonorum emptor, ist, wie oben ausgeführt, auch wahrscheinlich. Neben dem palingenetischen Zusammenhang, auf den zwar oft hingewiesen wird, über dessen Bedeutung man sich aber kaum Rechenschaft ablegt, ist von besonderer Bedeutung auch ein meist übersehener Unterschied zwischen dem Prinzipium und dem § 1 von D. 16,3,21258. Im Prinzipium wird gesagt, der emancipatus nicht gefallen sein (vgl. Solazzi a. a. O. m.Fn. 1); zum einen hatte der Verwahrer keinen Besitz, zum anderen dürfte sich das Interdikt nur auf die Sachen bezogen haben, die auch vom Verkauf erfasst waren. 252 Lenel, Quellenforschungen 122, SZ 4. 253 Der Hinterleger konnte den bonorum emptor zum einen verklagen mit der Fiktion, dass der bonorum emptor Erbe des Verwahrers sei (sog. formula Serviana, vgl. Kaser / Hackl, § 58 II 2, S.399 f. m.Fn. 36). Die Formel der actio depositi (in ius concepta) dürfte dann gelautet haben: Quod Aulus Agerius apud Lucium Titium mensam argenteam deposuit, qua de re agitur, quidquid ob eam rem Numerium Negidium, si Lucio Titio heres esset, Aulo Agerio dare facere oporteret ex fide bona, eius, iudex Numerium Negidium Aulo Agerio condemnato, si non paret, absolvito. Dabei ist Lucius Titius der überschuldete Verwahrer. Der Hinterleger konnte ferner mit der actio Rutiliana klagen, also mit Subjektsumstellung (vgl. Kaser / Hackl a. a. O.), die Formel dürfte gelautet haben: Quod Aulus Agerius apud Lucium Titium mensam argenteam deposuit, qua de re agitur, quidquid ob eam rem Lucium Titius Aulo Agerio dare facere oportet ex fide bona, eius, iudex Numerium Negidium Aulo Agerio condemnato, si non paret, absolvito. Für unseren Fall ist es wohl wahrscheinlicher, dass die Klage mit der formula Rutiliana gegeben wurde, um die bei Lebzeiten des Gemeinschuldners merkwürdige Fiktion, dieser habe einen Erben, zu vermeiden (zum Verhältnis der beiden Formelgestaltungen siehe nur Kaser / Hackl, § 58 II 2, S. 399). Dass den Gläubigern Klagen gegen den bonorum emptor gegeben wurden, bestreitet Behrends, Zwölftafelprozess 186 m.Fn. 375; die Gläubiger hätten vielmehr vom bonorum emptor eine Quote am Ersteigerungskaufpreis erhalten. 254 Auch Ulpian sei auf diesen Vergleichsfall gekommen, denn bei ihm (Ulp. 63 ed D. 15,1,44) findet sich bei der Erörterung der Klagen für und gegen den bonorum emptor der Satz: Si quis cum filio familias contraxerit, duos habet debitores, filium in solidum et patrem dumtaxat de peculio. (vgl. Lenel a. a. O.; P II, Ulpian 1429, Sp. 792 m.Fn. 8). 255 Vgl. die in der vorigen Fußnote zitierte Aussage Ulpians in 63 ed D. 15,1,44, die ebenfalls aus der Kommentierung der actio Rutiliana stammt. 256 Lenel, P I, Paulus 722, Sp. 1077 f. Fn. 2. 257 Das Risiko, dass der Gemeinschuldner bei einer Verurteilung zahlungsunfähig wäre, ist für den Hinterleger dadurch gemindert, dass er den Prozess nur gegen cautio iudicatum solvi mit Bürgenstellung durch den Gemeinschuldner führen muss (vgl. Kaser / Hackl, § 58 I 1, S. 395 m.Fn. 3).
§ 14 Zur Noxalität der actio depositi in factum concepta
253
müsse verklagt werden, im § 1 heißt es, die Klage sei gegen den manumissus zu geben259. Beim Haussohn wird also von einer Tätigkeit des Hinterlegers gesprochen, beim freigelassenen Sklaven von einer Tätigkeit des Prätors. Denn der Prätor gewährt eine Klage, nicht der Kläger sich selbst. Und dieses dare lässt es auch zu, die Tätigkeit des Prätors als gestaltende zu verstehen260; gegen den Sklaven wird keine normale Klage261 erteilt, denn von dieser könnte ebenso gesagt sein, dass sie der Hinterleger habe. Eine gestaltende Tätigkeit des Prätors findet sich aber gerade in dem Bereich, den Paulus erörtert, bei Klagen für und gegen den bonorum emptor. Paulus empfiehlt also im Prinzipium dem Hinterleger die Klage gegen den emanzipierten Sohn. Diese Klage gewährt der Prätor, sei es, weil der filiusfamilias sich, während er noch in der patria potestas stand, wirksam verpflichten konnte und diese Verpflichtung fortdauert; sei es, weil der filiusfamilias sich zwar wirksam verpflichten konnte und die Verpflichtung durch die emancipatio zwar erlosch, der Prätor aber dennoch gegen den Emanzipierten eine Klage aus dem in Ulp. 29 ed D. 14,5,2pr. überlieferten Edikt gewährte, oder sei es schließlich, weil der filiusfamilias sich nicht verpflichten konnte, aber der Prätor nach dessen Emanzipation eine Klage aus dem soeben erwähnten Edikt gewährte262. Jedenfalls, und dies war für den Hinterleger entscheidend und wird die Aussage des Paulus gewesen sein, gewährte der Prätor im Rahmen dieser Klage dem filiusfamilias das beneficium competentiae nicht263; denn die causae cognitio des Prätors wird ergeben, dass der Emanzipierte die hinterlegte Sache hat und gegenüber dem Hinterleger kommt die Einrede der Zahlungsunfähigkeit nicht in Betracht, weil der Hinterleger mittels der actio depositi im Konkurs des Verwahrers aussonderungsbe-
258 Einen weiteren Unterschied deutet das plus an. Zum debet conveniri in D. 16,3,21pr. siehe auch Evans-Jones, Noxal action 193. 259 Paulus 60 ed D. 16,3,21: Si apud filium familias res deposita sit et emancipatus rem teneat, pater nec intra annum de peculio debet conveniri, sed ipse filius. § 1: Plus Trebatius existimat, etiamsi apud servum depositum sit et manumissus rem teneat, in ipsum dandam actionem, non in dominum, licet ex ceteris causis in manumissum actio non datur. 260 Eine gestaltende Tätigkeit des Prätors statt der bloßen Übernahme aus dem Album findet sich etwa in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,9 (praescriptis verbis datur actio), in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,15 (nam et in quantum locupletior factus est, datur actio in eum et si dolus non intervenit), ferner in Ulp. 30 ed D. 16,3,7,2 (datur actio depositi in heredem ex dolo defuncti in solidum). 261 Die Klage wird nicht benannt. Da aber § 1 auch die Ablehnung einer actio de peculio des Prinzipium voraussetzt, wird es sich im Grundsatz um eine actio depositi handeln, die ja auch Grundlage für die Abwandlung mit dem Zusatz dumtaxat de peculio war. 262 Siehe dazu oben den Exkurs unter § 14 II 2. 263 Zum beneficium competentiae siehe nochmals Ulp. 29 ed D. 14,5,2pr. und den Exkurs oben in § 14 II 2.
254
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
rechtigt ist264. Ein zahlungsunfähiger emancipatus wird im Hinblick auf die drohende Gesamtvollstreckung umso eher die Sache zurückgegeben haben. Warum rät aber Paulus von der Klage gegen den Vater ab? Der Vater konnte mit der actio depositi de peculio annalis verklagt werden265. Die Aussage des Paulus muss nicht so verstanden werden, der Vater habe nicht aus dieser Klage gehaftet. Vielmehr empfiehlt Paulus dem Hinterleger die Klage gegen den Sohn, weil diese erfolgreich sein wird, dem Sohn insbesondere das beneficium competentiae nicht erteilt werden wird. Eine Verurteilung des Vaters setzte aber voraus, dass das peculium noch beim Vater und nicht überschuldet war. Man könnte darüber spekulieren, wie wahrscheinlich es ist, dass der Vater dem emanzipierten Sohn das peculium überlässt. Entscheidend wird der Gesichtspunkt gewesen sein, dass der Hinterleger, der mehr an der Rückgabe der Sache selbst als am Erhalt des Geldwertes interessiert war, durch Verklagung des Vaters diesen nicht dazu anhalten konnte, die Sache zurückzugeben, weil dem Vater die Rückgabe nicht möglich war266. Warum meint aber Trebaz, der Prätor müsse auch gegen den manumissus eine Klage geben, wenn die hinterlegte Sache bei ihm ist? War ein Sklave zu Lebzeiten des Gewalthabers freigelassen worden, stand dem Vertragspartner des Sklaven ebenfalls die actio de peculio annalis zu, aber keine Klage gegen den manumissus267. Der manumissus ist dann insofern dem Gemeinschuldner vergleichbar, als er nicht verklagt werden kann, die hinterlegte Sache aber bei ihm ist. Wie aber der Prätor die actio depositi gegen den Gemeinschuldner, der die Sache hat, geben wird, um diesen zur Rückgabe anzuhalten, so soll nach Trebaz der Prätor dem Hinterleger eine Klage gegen den manumissus geben268. 264 Bei der Berechnung des id quod facere potest hat der Judex die Forderungen privilegierter Gläubiger abzuziehen, während bei gleichberechtigten Gläubigern der Grundsatz gilt, dass zuerst mahlt, wer zuerst kommt, vgl. Ulp. 3 disp D. 14,5,3. Auch bei der Klage aus dem Edikt D. 14,5,2pr. werden also die Konkursprivilegien berücksichtigt. Berücksichtigt werden müssen dann auch die Aussonderungsrechte, so dass der Prätor dem Judex jede Möglichkeit nehmen muss, eine Verurteilung an der Zahlungsunfähigkeit scheitern zu lassen. 265 Die Formel dürfte im wesentlichen gelautet haben (vgl. Lenel, EP3 282 f.; Mantovani, Le formule1 Nr. 101): Quod Aulus Agerius apud Titium, cum is in Numerii Negidii potestate esset, mensam argenteam deposuit, q.d.r.a., quidquid ob eam rem Titium eo nomine Aulo Agerio dare facere oportet ex fide bona, eius iudex Numerium Negidium Aulo Agerio dumtaxat de peculio quod penes Numerium Negidium est et si quid dolo malo Numerii Negidii factum est, quo minus peculii esset, si non plus quam annus est cum experiundi potestas fuit, vel si quid in rem Numerii Negidii versum est, condemnato, si non paret, absolvito. 266 Litewski, Personen 288 f., scheint davon auszugehen, dass der Vater überhaupt nicht haftete. Aber es ist möglich, dass Paulus nicht meint, der Vater hafte nicht, sondern vielmehr nur dem Hinterleger empfiehlt, doch besser den Sohn zu verklagen. 267 Siehe oben den Exkurs unter § 14 II 2. 268 Hinsichtlich der actio depositi in factum concepta ist kein Grund ersichtlich, warum der Prätor nicht die normale Formel gewährt haben sollte: Si paret Aulum Agerium apud Stichum mensam argenteam deposuisse eamque dolo malo Stichi Aulo Agerio redditam non esse,
§ 14 Zur Noxalität der actio depositi in factum concepta
255
Eine actio depositi de peculio annalis gegen den ehemaligen Gewalthaber ist für den Hinterleger schon deshalb nicht interessant, weil die Hinterlegung den Wert des peculium nicht erhöht269, so dass der Hinterleger darauf hoffen müsste, dass überhaupt etwas im peculium ist. Die actio depositi ist auch vorteilhafter als eine Vindikation gegen den manumissus, weil sie nicht davon abhängt, dass der Hinterleger Eigentümer ist bzw. dem Hinterleger dem Eigentumsbeweis erspart; zudem hat sie nicht den Nachteil der Einlassungsfreiheit. Vor allem aber würde eine Klage gegen den ehemaligen Gewalthaber dem Hinterleger nicht dazu verhelfen, die Sache selbst zurückzubekommen. Verständlich ist auch, warum in D. 16,3,1,18 die Klage nicht gegen den manumissus gegeben wird. Hat dieser nämlich die Sache nicht, sondern ist diese beim ehemaligen Gewalthaber, weil dieser etwa die hinterlegte Sache gemeinsam mit dem peculium an sich genommen hat, wäre jede Klage gegen den manumissus erfolglos, weil die Nichtrückgabe nicht auf dessen dolus zurückgeht270. So kann der Prätor in diesem Fall darauf verzichten, mittels einer Fiktion dem Hinterleger gegen den manumissus ausnahmsweise eine Klage zu gewähren, die sowieso erfolglos wäre. Hat der manumissus, als er noch Sklave war, die Sache vorsätzlich zerstört oder etwa unterschlagen und verkauft, so haftet dafür der ehemalige Gewalthaber mit der actio de peculio annalis nach den allgemeinen Grundsätzen. Anders als im Fall von D. 16,3,21,1 gibt es keinen Grund, gegen den manumissus eine Klage zu gewähren, denn die Entscheidung in D. 16,3,21,1 rechtfertigt sich aus dem Aussonderungsrecht des Hinterlegers und aus der Tatsache, dass die hinterlegte Sache nicht ins peculium fällt. Ist die hinterlegte Sache aber nicht mehr aussonderbar vorhanden, dann fallen diese Erwägungen fort. quanti ea res erit, tantam pecuniam, iudex, Stichum Aulo Agerio condemnato. si non paret, absolvito. Auf eine Verpflichtung des freigelassenen Stichus nach ius civile kommt es nicht an; auch das im si-paret-Satz angesprochene deposuisse wird man nicht so verstehen müssen, dass ein nach ius civile gültiges Verwahrungsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Stichus zustande gekommen sei. Schwieriger ist die Frage bei der formula in ius concepta. Denn hier ist fraglich, wieso dem Stichus ein oportere obliegen soll, da ihm die Sache doch übergeben wurde, als er noch Sklave war. Dass ein nach ius civile wirksames Vertragsverhältnis dadurch zustande kommt, dass die hinterlegte Sache sich beim Sklaven auch nach dessen Freilassung befindet, wie es die Basilikenscholien annehmen, wäre eine für das römische Recht sonst nicht zu beobachtende Erscheinung (siehe oben). Näher liegt es, eine Abwandlung der Klage anzunehmen, wie sie auch bei der Umleitung der Klage vom Gemeinschuldner auf den bonorum emptor erfolgte. Denkbar wäre etwa die Verwendung der Formel der actio de peculio annalis (zu deren Gestaltung vgl. Lenel, EP3 282; Mantovani, formule Nr. 101), freilich ohne die Haftungsbeschränkung: Quod Aulus Agerius apud Stichum, cum is in potestate esset, mensam argenteam deposuit, qua de re agitur, quidquid ob eam rem Stichum, si tunc liber fuisset ex iure Quiritium, Aulo Agerio dare facere oporteret ex fide bona, eius iudex Stichum Aulo Agerio condemnato, si non paret, absolvito. 269 Vgl. Afr. 8 quaest D. 15,1,38pr. 270 Vgl. Watson, Later Roman Republic 164.
256
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
5. Zusammenfassung Aus Paulus 60 ed D. 16,3,21,1 lassen sich keine Hinweise auf eine Noxalität der actio depositi (in factum concepta) entnehmen. Bei der Klage gegen den freigelassenen Sklaven handelt es sich um eine vom Prätor gewährte Klage, die dem Verwahrer den Zugriff auf die hinterlegte Sache, insbesondere dessen Aussonderungsrecht im Konkurs gewährleisten soll und sich darauf gründet, dass die Sache beim Freigelassenen ist. Ist dies nicht der Fall, bleibt es nach Ulp. 30 ed D. 16,3,1,18 bei der gewöhnlichen Regel, dass der Freigelassene nicht haftet.
III. Exkurs: Das Aussonderungsrecht des Hinterlegers im Konkurs des Verwahrers271 Wir waren soeben davon ausgegangen, dass der Hinterleger im Konkurs des Verwahrers aussonderungsberechtigt ist. Dies muss so sein, auch wenn es sich aus den Quellen272 nicht ohne weiteres ergibt, denn die verwahrte Sache gehört nicht zum Vermögen des Verwahrers; ihre Einbeziehung in das Konkursverfahren, so dass andere Gläubiger auf sie Zugriff haben, wäre nicht gerechtfertigt. Dabei muss der Hinterleger die Sache nicht nur durch die reivindicatio aussondern können, sondern auch durch die actio depositi, denn der Grund für die Aussonderungsmöglichkeit liegt ja nicht im Eigentum des Hinterlegers, sondern darin, dass die Hinterlegung keinen Übergang des Eigentums auf den Verwahrer bewirkt. Auch der Hinterleger, der nicht Eigentümer ist, muss aussondern können273; und
271 Das Aussonderungsrecht ist das Recht, eine Sache dem Konkursverfahren zu entziehen; die Sache nimmt dann gar nicht am Konkursverfahren teil (Kaser / Hackl, § 59 I, S. 401 f.). Steht hingegen einem Gläubiger des Gemeinschuldners ein Konkursprivileg zu, dann heißt dies, dass er vor anderen Gläubigern in voller Höhe befriedigt wird, soweit das Vermögen des Gemeinschuldners ausreicht. Mit einem Vorrecht des Gläubigers an einer bestimmten Sache hat dies nichts zu tun (Kaser / Hackl, § 59 II, S. 402). 272 Diese sind im wesentlichen Ulp. 30 ed D. 16,3,7,2 – 3; Pap. 9 quaest D. 16,3,8; Ulp. 63 ed D. 42,5,24,2. Ein Grund für die Unklarheit der Quellen dürfte auch darin liegen, dass die römischen Juristen nicht klar zwischen Aussonderungsrecht und Konkursprivileg unterschieden haben (vgl. Kaser / Hackl, § 59, S. 401 Fn. 1 a. E.). Die Quellen sind schwierig; berühmt ist etwa der Widerspruch zwischen D. 16,3,7,2 (ante privilegia) und D. 42,5,24,2 (post privilegia). 273 Dass dem Hinterleger die actio depositi auch zusteht, wenn er nicht Eigentümer ist, war anerkannt (PS 2 Coll. 10,7,1); sogar ein Dieb war aktivlegitimiert (vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,39; ferner Tryph. 9 disp D. 16,3,31,1). Zu diesen Stellen siehe im näheren § 15 III 1 und auch § 21 III. Nicht selten mochten auch Fälle sein, in denen der Beauftragte eine Sache für den auftraggebenden Eigentümer hinterlegt. Der Eigentümer hatte dann gegen den Hinterleger die actio mandati, der Hinterleger gegen den Verwahrer die actio depositi (zu einer solchen Konstellation siehe Ulp. 30 ed D. 16,3,1,11 a. E.).
§ 14 Zur Noxalität der actio depositi in factum concepta
257
ebenso muss der Hinterleger, der Eigentümer ist, aussondern können, ohne zum Eigentumsbeweis gezwungen zu sein274. Am wenigsten problematisch ist dabei die Aussonderung durch reivindicatio. Ist der Hinterleger, wie im Regelfall, Eigentümer275, kann er die verwahrte Sache von jedermann, sei es vom Verwahrer276, vom bonorum emptor oder vom magister bonorum vindizieren, denn weil der Verwahrer nicht Eigentümer ist, gehört die Sache nicht in sein Vermögen und damit nicht in die Konkursmasse. Dass für die Aussonderung durch Vindikation eindeutige Quellenbelege fehlen277, könnte damit erklärt werden, dass dies den römischen Juristen selbstverständlich war278. Damit passt es immerhin zusammen, dass Fragen des Konkurses des Verwahrers nur bei der Geldhinterlegung erörtert werden, denn allein bei der Geldhinterlegung kam es unter Umständen zum Eigentumsübergang oder auch nur zu einer Verunklarung der Eigentumsverhältnisse279. Hinsichtlich der Aussonderungsmöglichkeit durch die actio depositi fehlt es zwar an klaren Quellenbelegen280. Gegen die Aussonderung mittels der actio depositi spricht aber nicht, dass Ulpian in 63 ed D. 42,5,24,2 eine reivindicatio gibt, denn die Stelle lässt sich auch so verstehen, dass die vindicatio gerade den Gläubigern gegeben wird, die keine Hinterleger sind, sondern Darlehensgläubiger, deren Münzen aber immer noch individualisierbar sind.
274 Auch im geltenden deutschen Insolvenzrecht berechtigen schuldrechtliche Herausgabeansprüche zur Aussonderung. So bestimmt § 47 der deutschen Insolvenzordnung ausdrücklich: 1Wer auf Grund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, daß ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört, ist kein Insolvenzgläubiger. 2Sein Anspruch auf Aussonderung des Gegenstands bestimmt sich nach den Gesetzen, die außerhalb des Insolvenzverfahrens gelten. Zu diesen persönlichen Rechten gehört auch der schuldrechtliche Herausgabeanspruch des Hinterlegers gem. § 695 S. 1 BGB (vgl. Ganter / Müko-InsO2, § 47 Rn. 341). 275 Die Hinterlegung bewirkt keinen Eigentumsübergang, vgl. Flor. 7 inst D. 16,3,17,1. 276 Zur reivindicatio des Hinterlegers gegen den Verwahrer siehe § 17 I. 277 Immerhin heißt es in Ulp. 63 ed D. 42,5,24,2 a. E.: Si tamen nummi exstent, vindicari eos posse puto a depositariis et futurum eum qui vindicat ante privilegia. 278 Zum Problem des Selbstverständlichen siehe nur Daube, Das Selbstverständliche in der Rechtsgeschichte 1 ff., SZ 90. 279 Konkursfragen beim depositum führen daher unweigerlich auch in das allzu weite Feld des depositum irregulare. Entsprechend nimmt ein Großteil der Literatur auch ihren Ausgangspunkt bei der unregelmäßigen Verwahrung, vgl. etwa Klami, „Mutua magis videtur“ 196 ff. 280 Geht man davon aus, Ulp. 30 ed D. 16,3,7,2 beziehe sich auf die Aussonderung (so etwa Benöhr, Rez. Klami 441, SZ 89; Bürge, Fiktion 471 Fn. 23, SZ 104; vgl. auch Wieling, Privilegium exigendi 296, TR 56), und nimmt man aus Gründen der Palingenesie an, die Stelle handele von der actio depositi, dann wäre die Stelle ein Hinweis auf die Aussonderungsmöglichkeit mit der actio depositi.
258
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
Dass hinterlegte Sachen nicht in das Konkursverfahren fallen, sagt Paulus 54 ed D. 41,4,2,7281. Entscheidend ist dafür aber nicht das Eigentum eines anderen, sondern die bloße Tatsache, dass die Sachen beim Gemeinschuldner hinterlegt waren. Die hinterlegten Sachen werden nicht vom Verkauf umfasst, der bonorum emptor dürfte an ihnen daher auch nicht durch das in G. 4,145 bezeugte Interdikt den Besitz erlangt haben. Damit ergibt sich ein zweiter Grund, warum die Quellen von der Aussonderung nicht reden: Da der bonorum emptor weder Besitz an den beim Gemeinschuldner hinterlegten Sachen erlangte noch diese vom Verkauf erfasst waren, stellte sich das Problem der Aussonderung in der Regel nicht. Die hinterlegte Sache verblieb eben in der Regel beim Gemeinschuldner (D. 16,3,21), sie musste gar nicht erst dem Konkursverfahren entzogen werden282. Auch der Vergleich mit dem „Konkurs“ des peculium283 ist in dieser Hinsicht aufschlussreich. Die anderen Gläubiger des filiusfamilias bzw. des Sklaven können auf die verwahrte Sache nicht zugreifen, diese wird nicht in das peculium gerechnet, da der paterfamilias bzw. der Sklaveneigentümer kein Eigentum an ihr erlangt284. Ist das peculium überschuldet, kann der Hinterleger vindizieren; ist etwas im peculium, hat der Hinterleger die actio depositi de peculio. Auch nachdem der Hinterleger mit dieser actio depositi de peculio den Sachwert erlangt hat, können die anderen Gläubiger nicht auf den durch die verwahrte Sache verkörperten Sachwert zugreifen.
281 Paulus 54 ed D. 41,4,2,7: Eius bona emisti, apud quem mancipia deposita erant: Trebatius ait usu te non capturum, quia empta non sint. 282 Die hier vorgestellte Argumentation beruht vor dem Hintergrund des Schweigens der Quellen zum Teil auf dem Argument „weil nicht sein kann, was nicht sein darf“: Es darf nicht sein, dass die hinterlegte Sache in das Konkursverfahren einbezogen wird. Interessant ist insoweit, dass jetzt Forster, Konkurs als Verfahren 126 ff. (2009), eingehend begründet hat, dass das klassische römische Recht beim Pfand nicht zwischen der Absonderung und einem Konkursprivileg unterschied. Aber der Fall liegt beim Pfand auch anders als bei der Verwahrung. Dass sich Gläubiger des Gemeinschuldners nicht aus der hinterlegten Sache sollen befriedigen können, liegt in der Natur der Sache. Hingegen liegt es ebenfalls in der Natur der Sache, dass sich die Gläubiger aus der verpfändeten Sache befriedigen können, nämlich zunächst der Gläubiger, dem die Sache verpfändet wurde. Wenn dann nach Befriedigung dieses Gläubigers die anderen Gläubiger Anspruch auf den Überschuss haben sollen, dann zeigt sich, dass eben in gewisser Hinsicht die verpfändete Sache am Konkursverfahren teilnimmt. So kann es zu Verwischungen von Absonderung und Konkursprivileg kommen. 283 Vgl. Kaser, RP I § 141 II 1, S. 606. Das peculium ist die rechnerische Bestimmung einer Vermögensmasse, die wie jede andere Vermögensmasse in Konkurs fallen kann. Dies zeigen die Erörterungen von Konkursprivilegien in Bezug auf die Haftung de peculio. Bei gleichberechtigten Gläubigern gilt zwar der Grundsatz „melior est condicio occupantis“ (Gaius 9 edpr D. 15,1,10); Konkursprivilegien sind aber zu berücksichtigen (Paulus 4 quaest D. 15,1,52,1). 284 Vgl. Afr. 8 quaest. D. 15,1,38pr.: Deposui apud filium familias decem et ago depositi de peculio. quamvis nihil patri filius debeat et haec decem teneat, nihilo magis tamen patrem damnandum existimavit, si nullum praeterea peculium sit: hanc enim pecuniam, cum mea maneat, non esse peculii. denique quolibet alio agente de peculio minime dubitandum ait computari non oportere. itaque ad exhibendum agere me et exhibitam vindicare debere. Zu diesem Text siehe schon oben § 14 I 2.
§ 14 Zur Noxalität der actio depositi in factum concepta
259
Zwar wird mit der Zahlung des Sachwertes an den Hinterleger der Gewalthaber (bonitarischer) Eigentümer (mit Ersitzungsbesitz) an der verwahrten Sache285 und muss deren Sachwert dann folglich dem peculium zugerechnet werden. Aber das peculium wird gleichzeitig um die Verurteilungssumme gemindert, denn in dieser Höhe hat der Gewalthaber nun einen Rechnungsposten gegen den Gewaltunterworfenen286. Auch beim Konkurs des peculium bleibt also die hinterlegte Sache bzw. der in der Sache verkörperte Sachwert dem Zugriff der anderen Gläubiger entzogen. Es erscheint nach allem, vor allem auch in Hinblick auf D. 16,3,21, wahrscheinlich, dass der Hinterleger im Konkurs des Verwahrers auch mit der actio depositi eine Aussonderung erreichen konnte. Diese richtete sich mit den notwendigen Abwandlungen als actio utilis gegen den bonorum emptor, soweit dieser die Sache hatte, ansonsten gegen den Verwahrer.
IV. Der Zugriff beim Gewalthaber – Der dolus des Gewalthabers bei der actio depositi de peculio Die soeben (§ 14 I 1) besprochenen Stellen Ulp. 30 ed D. 16,3,1,42 und Ulp. 29 ed D. 15,1,5pr. sind auch noch insoweit interessant, als sie das Problem eines dolus des Gewalthabers bei der actio de peculio ansprechen287. Diese Stellen seien noch einmal wiederholt: Ulp. 30 ed D. 16,3,1,42: Filium familias teneri depositi constat, quia et ceteris actionibus tenetur: sed et cum patre eius agi potest dumtaxat de peculio. idem et in servo: nam cum domino agetur. plane et Iulianus scripsit et nobis videtur, si eorum nomine qui sunt in potestate agatur, veniat in iudicium et si quid per eum in cuius iure sunt captus fraudatusve est, ut et dolus eorum veniat, non tantum ipsorum cum quibus contractum est288. Siehe dazu § 17 I 4. Vgl. Ulp. 29 ed D. 15,1,9,8; 11pr. 287 Zum ganzen Problem siehe Lenel, EP3 293 ff.; Kaser, Rechtsgrundlage 528 ff., RIDA 2; Noordraven, Fiduzia 288 ff.; Rotondi, La misura della responsabilità nell’ „actio fiduciae“ 148 ff.; Chiusi, Actio de in rem verso 100 – 103; Arangio-Ruiz, Responsabilità contrattuale2 51 ff.; MacCormack, ‚Dolus‘ in the Mid-Classical Jurists 136 ff., BIDR 96 – 97; Grosso, Ricerche intorno all’ elenco 168 ff. 288 Die Wiederholung des venire in iudicium (dazu schon oben § 14 I 1) würde sich auflösen, wenn man annimmt, es habe ursprünglich geheißen: …veniat (Vorschlag von Johannes Platschek) „et si quid per eum in cuius iure sunt captus fraudatusve est“, ut et dolus eorum veniat , non tantum ipsorum cum quibus contractum est. Julian hätte dann ein Zitat gebracht und darauf hingewiesen, dass es in den Formelwortlaut aufzunehmen sei, um anschließend daraus eine materiellrechtliche Folgerung abzuleiten. Belege für einen solchen Gebrauch der Wendung venire in formulam scheint es nicht zu geben, doch wird man sagen dürfen, dass häufig der Ausdruck formula durch iudicium oder actio ersetzt wurde (vgl. Heumann / Seckel, s.v. formula a. E.). 285 286
260
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
Ulp. 28 ed D. 15,1,5pr.: Depositi nomine pater vel dominus dumtaxat de peculio conveniuntur et si quid dolo malo eorum captus sum289.
Zum Problemkreis gehören ferner die Stellen Ulp. 28 ed D. 13,6,3,5: Sed non tantum ex causa doli earum personarum pater vel dominus condemnetur, sed et ipsius quoque domini vel patris fraus dumtaxat290 venit, ut Iulianus libro undecimo circa pigneraticiam actionem distinguit.
und Ulp. 2 disp D. 15,1,36291: In bonae fidei contractibus quaestionis est, an de peculio an in solidum pater vel dominus tenerentur: ut est in actione de dote agitatum, si filio dos data sit, an pater dumtaxat de peculio conveniretur. ego autem arbitror non solum de peculio, sed et si quid praeterea dolo malo patris capta fraudataque est mulier, competere actionem: nam si habeat res nec restituere sit paratus, aequum est eum quanti ea res est condemnari. nam quod in servo, cui res pignori data est, expressum est, hoc et in ceteris bonae fidei iudiciis accipiendum esse Pomponius scripsit. namque si servo res pignori data sit, non solum de peculio et in rem verso competit actio, verum hanc quoque habet adiectionem ‚et si quid dolo malo domini captus fraudatusque actor est‘. videtur autem dolo facere dominus, qui, cum haberet restituendi facultatem, non vult restituere. 289 Die Stelle kann auf zwei verschiedene Weisen verstanden werden: Es können zum einen die zwei Aspekte der Haftung des Gewalthabers beschrieben werden. Der Gewalthaber hafte zum einen de peculio, zum anderen aber auch, wenn er dolos gehandelt habe; das et bedeutet dann „und“. Zum anderen könnte man die Stelle so verstehen, dass, auch wenn der Gewalthaber dolos gehandelt, dennoch die Verurteilungssumme durch die Höhe des peculium beschränkt werden müsse. Das „et si“ hieße dann „auch wenn“. Die Frage dürfte anhand der Stelle selbst kaum zu entscheiden sein, siehe aber sogleich im Text. Beseler, Beiträge III 46, hält das sum für sonderbar. Die Schlusswendung et si quid dolo malo eorum captus sum müsse unecht sein, weil Ulpian die Gleichbehandlung des depositum und des precarium-Fall (in D. 15,1,5,1) behaupte und beim precarium das et-sum nicht wiederhole. Aber Ulpian behauptet nicht die Gleichbehandlung von depositum und precarium, schon gar nicht eine Gleichbehandlung bis ins Detail. Er erörtert nur, in welchen Fällen eine actio de peculio gegeben werde. Das ist eben auch beim precarium der Fall. Schon im Hinblick auf D. 16,3,1,42 dürfte die Schlusswendung dem Inhalte nach echt sein. Die erste Person sum könnte Folge einer Verkürzung sein, wenn die Kompilatoren eine Hinweis auf einen entsprechenden Formelteil der actio fiduciae gestrichen haben (vgl. Lenel, EP3 294 Fn. 2), den uns Cicero, De officiis 3,70, ebenfalls in der ersten Person überliefert. Zu dieser Frage siehe unten. 290 Nicht klar ist die Funktion des dumtaxat. Man könnte es so verstehen, dass betont werden soll, dass im Hinblick auf die Person des Gewalthabers nur der dolus zu berücksichtigen sei, nicht etwa auch culpa (vgl. die Übersetzung Zimmermanns in Behrends / Knütel / Kupisch / Seiler, Corpus Iuris civilis III 164). Dieser Hinweis wäre vor dem Hintergrund, dass der Entleiher ja für mehr als für dolus einzustehen hat, nicht abwegig. Dazu passt aber nicht, dass schon in der Problemaufwerfung am Anfang auch für die Gewaltunterworfenen nur auf den dolus abgestellt wird. Wenn man im Text mit Kürzungen oder Ausfällen rechnet, läge eine Ergänzung des dumtaxt um „de peculio“ nahe. Der Text besagte dann, dass auch wegen eigenen dolus der Gewalthaber nur begrenzt auf die Höhe des peculium zu verurteilen sei. Die Frage kann nur anhand dieser Stelle nicht entschieden werden, siehe aber sogleich im Text. 291 Zur Stelle zuletzt Varvaro, Restituzione della dos 267 ff., der aber die hier besprochenen Probleme nicht behandelt.
§ 14 Zur Noxalität der actio depositi in factum concepta
261
Welches Problem entsteht durch den dolus des Gewalthabers und wie wird es gelöst?292 Dolus des Gewalthabers wird vor allem dann vorliegen, wenn der Gewalthaber die Sache dem Gewaltunterworfenen weg- und an sich nimmt, diese also selbst hat und nicht zurückgibt293. Dazu passt es, dass die Problematik des dolus des Gewalthabers bei der actio de peculio gerade bei Klagen auf Herausgabe erörtert wird294. Soweit der dolus des Gewalthabers darin besteht, dass er die Sache an sich nimmt und nicht zurückgibt295, handelt es sich gewissermaßen um das Spiegelbild zu den 292 Bei dem Problem des dolus des Gewalthabers könnte es sich in der Rechtswirklichkeit oft um ein kollusives Zusammenspiel zwischen dem Gewaltunterworfenen und dem Gewalthaber gehandelt haben, das naturgemäß für den außenstehenden Gläubiger schwer zu durchschauen war. Dies wird aber in den betreffenden Stellen nicht als eigenes Problem angesprochen; es dürfte auch kein besonderes juristisches Problem dargestellt haben. Kollusives Zusammenwirken bedeutet, dass auf beiden Seiten dolus vorliegt. Der dolus des Gewaltunterworfenen war aber insofern nicht problematisch, als dieser dolus weder ein intentio-Problem aufwarf noch dazu führen konnte, dass sich das peculium verringerte. 293 Vgl. Ulp. 2 disp D. 15,1,36 zum dolus des paterfamilias bei der actio rei uxoriae de peculio: … nam si habeat res nec restituere sit paratus, aequum est eum quanti ea res est condemnari … . Vgl. auch den Schluss „videtur autem dolo facere dominus, qui, cum haberet restituendi facultatem, non vult restituere“. Dass dolos handelt, wer eine Sache hat, diese aber nicht zurückgibt, obwohl er dazu verpflichtet ist und diese auch zurückgeben kann, ist feststehender Grundsatz, nicht nur beim depositum (siehe etwa Ulp. 31 ed D. 17,1,8,9; Ulp. 30 ed D. 16,3,1,22 a. A.). Bemerkenswert ist hinsichtlich des dolus des paterfamilias, dass dieser eigentlich nicht zur Rückgabe verpflichtet ist, weil ja nur der Gewaltunterworfene Geschäftspartner ist, vgl. Grosso, Ricerche intorno all’ elenco 170. Unrichtig scheint es zu sein, wenn Düll (Gaius Veronensis 298, SZ 96) und Blank (Condemnatio pecuniaria 309, SZ 99) die Schlusswendung in D. 15,1,36 darauf beziehen, der Prätor habe die Rückgabe durch Gewährung einer actio de dolo erzwingen wollen. Die Schlusswendung videtur autem dolo facere dominus bezieht sich doch in der Stelle auf die Auslegung der zitierten adiectio zur Formel der actio de peculio. 294 Nämlich bei der actio depositi (D. 16,3,1,42; D. 15,1,5pr.), der actio commodati (D. 13,6,3,5), der actio rei uxoriae (D. 15,1,36), der actio fiduciae (D. 15,1,36) und vielleicht auch bei der actio pigneraticia (D. 13,6,3,5; vgl. Lenel, P I, Julian 176, Sp. 345). Darauf weist auch Chiusi, Actio de in rem verso 102, hin. Neben dem depositum sollen im folgenden die Fragen in Ansätzen nur bei der dos und beim commodatum verfolgt werden. Die actio rei uxoriae ist freilich nicht ohne weiteres eine Herausgabeklage, denn der Ehemann bzw. dessen paterfamilias erlangte das Eigentum an den Gegenständen. Soweit es aber um die Rückgabe nicht vertretbarer Sachen geht (vgl. Kaser, RP I § 81 III 2, S. 340), nähert sich die actio rei uxoriae einer Herausgabeklage an. Die Begründung Ulpians in D. 15,1,36 (nam si habeat res nec restituere sit paratus) scheint darauf hinzudeuten, dass Ulpian eine nicht vertretbare Sache vor Augen hat. Dass die Entscheidung vor allem bei Herausgabeklagen einleuchtet, passt zu den Zweifeln, dass die Erstreckung auf alle bonae fidei iudicia klassisch sei (etwa Kaser, Rechtsgrundlage 531). So schlägt Arangio-Ruiz, Responsabilità contrattuale2 52 Fn. 1, vor, der Beginn habe gelautet: „In actione rei uxoriae agitatum est …“. 295 Daneben kann dolus etwa auch vorliegen, wenn der Gewalthaber die Sache vorsätzlich zerstört oder beschädigt. Doch werden diese Fälle selten sein, weil in diesen Fällen der Gewalthaber einem anderen schadet, ohne selbst davon einen Nutzen haben. Immerhin kann man fragen, ob die entsprechende Basilikenstelle auch diesen Fall der Schadenszufügung anspricht,
262
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
Entscheidungen in D. 16,3,21. Dort ist die Sache beim ehemaligen Gewaltunterworfenen, hier ist die Sache beim Gewalthaber: Derjenige wird in die Haftung genommen, bei dem die Sache tatsächlich ist; in D. 16,3,21 ist dies der ehemals der Gewalt Unterworfene, in D. 16,3,1,42 und D. 15,1,5pr. ist dies der Gewalthaber bei Bestehen des Gewaltverhältnisses. Beim dolus des Gewalthabers wird also ebenfalls sichtbar, dass die actio depositi dem Hinterleger den Zugriff auf die Sache ermöglichen soll.
1. Das durch den dolus des Gewalthabers aufgeworfene intentio-Problem Der dolus des Gewalthabers kann dazu führen, dass der Gewalthaber aus der actio de peculio nicht verurteilt werden kann, weil die Verurteilungsvoraussetzungen der intentio nicht vorliegen. Bei der actio de peculio stellt die intentio auf die Person des Gewaltunterworfenen ab, die condemnatio aber auf den Gewalthaber; man spricht von einem Subjektswechsel in der Formel296. Der Gewalthaber wird nur dann verurteilt, wenn bei einer Klage gegen den Gewaltunterworfenen dieser verurteilt werden müsste297. vgl. B. 18,5,36 (Scheltema A III 898; bei Hb II 247 noch B. 18,5,27). Dort heißt es: … kai\ a) po\ tou= oi)kei/ou do/lou o( path\r e)na/getai, bla/ yaj tuxo\n, h)\ zhmiw/saj. h)\ e/)xwn to\ pra=gma kai\ mh\ a)pokaqistw=n katadika/ zetai ei)j o(\ e/)xei to\ pra=gma. Übersetzung: … und auch wegen des eigenen dolus wird der Vater verklagt, wenn er zum Beispiel einen Schaden verursacht oder einen Schaden zufügt. Oder weil er die Sache hat und nicht zurückgibt, wird er verurteilt, weil er die Sache hat. Es stellt sich damit die Frage, ob mit den Ausdrücken bla/ yaj tuxo\n, h)\ zhmiw/ saj eine Sachbeschädigung gemeint ist oder doch nur, dass der Hinterleger einen Schaden erlitten hat, weil etwa ihm die Sache durch dolus des Gewalthabers nicht zurückgegeben wurde. Da diese Frage nicht beim depositum, sondern nur beim commodatum relevant sein dürfte (siehe dazu sogleich unten), soll die Frage hier offenbleiben. 296 Vgl. Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht18 Rnn. 22 – 23, S. 383 f. Zur Formel siehe Lenel, EP3 282. 297 Die Formel enthält bei der Klage aus Geschäften eines Sklaven die Fiktion, dass der Sklave frei ist, vgl. Lenel, EP3 261 f., 282. Dass der Gewalthaber nur verurteilt wird, wenn auch der Gewaltunterworfenen verurteilt würde, wenn also die Voraussetzungen der intentio vorliegen, ergibt sich aus der Formel der actio de peculio. Da diese aber nur eine Rekonstruktion Lenels im Anschluss an Keller ist, erscheint eine Rückanknüpfung an die Quellen notwendig (wie sie auch von Lenel bei seiner Rekonstruktion vorgenommen wurde, vgl. EP3 260 – 270). In Ulpians Ediktskommentar im 29. Buch scheint sich keine Erörterung zu finden, wann eine Verurteilung des Gewalthabers zu erfolgen hat. Kommentiert werden dort nur die Fragen, auf welche Personen (Lenel, P II, Ulpian 849 – 850, Sp. 594) und auf welche Geschäfte (Ulpian 851, Sp. 595 f.) das edictum triplex anwendbar ist, ferner, wie das peculium zu berechnen ist (Ulpian 852, Sp. 596 – 599) und schließlich die Klausel über die dolose Minderung des peculium (Ulpian 853, Sp. 599 f.) Diesen Befund kann man so deuten, dass die actio de peculio in der Tat nur die Ergänzung der Grundklage um eine Höhenbeschränkung der condemnatio war, dass sich aber darüber hinaus keine neuen Fragen stellten.
§ 14 Zur Noxalität der actio depositi in factum concepta
263
a) Hinsichtlich der actio depositi in ius concepta liegt das Problem auf der Hand: Nimmt der Gewalthaber dem Gewaltunterworfenen die Sache weg, beruht die Nichtrückgabe durch den Gewaltunterworfenen nicht auf dessen dolus, die intentio quidquid ob eam rem Stichum, si liber esset ex iure Quiritium, Aulo Agerio dare facere oporteret ex fide bona gestattet keine Verurteilung des dolosen Gewalthabers298. Das Problem entfiele auch dann nicht, wenn man bei der formula in ius concepta das nr hinter dem condemnato als nisi restituat, nisi restituetur oder ähnlich auflöst299. Der grammatikalischen Konstruktion nach könnte dann nämlich die Restitution durch den Gewalthaber zwar dessen Verurteilung verhindern, die dolose Nichtrückgabe würde aber nicht dem Judex eine durch die Höhe des peculium nicht beschränkte Verurteilungsmöglichkeit eröffnen. Denn den Gewalthaber dürfte der Judex immer noch nur verurteilen, wenn die Voraussetzungen der intentio vorliegen und wenn das peculium nicht erschöpft ist.
b) Ebenso ist dies bei der actio depositi in factum concepta. Da deren Formel ebenfalls ausdrücklich den dolus des Gewaltunterworfenen als Verurteilungsvoraussetzung nennt (eamque dolo malo Stichi redditam non esse300), ist auch hier der Gewalthaber freizusprechen. c) Anders ist dies aber bei der actio commodati in ius concepta. Es ist Grundsatz des römischen Rechts, dass der Entleiher auch dann haftet, wenn er die Sache nicht zurückgeben kann, weil diese ihm ein anderer weggenommen, gestohlen, hat301. Es ist daher möglich, dass die Juristeninterpretation dazu führte, die Verurteilungsvoraussetzungen der intentio zu bejahen, wenn der Gewalthaber doloserweise dem entleihenden Gewaltunterworfenen die Sache weggenommen hatte.
In Julian 15 dig D. 19,1,24,2 wird ausgesprochen, dass, wenn ein Sklave eine Sache verkauft, der Käufer mit der Klage gegen den Gewalthaber dasselbe erlangen soll, als habe er von einem Freien gekauft, nur dass die Verurteilungssumme durch die Höhe des peculium beschränkt werde. In Ven. 2 stip D. 45,2,12,1 heißt es, dass bei Abgabe eines Stipulationsversprechens durch einen Sklaven in der actio de peculio dasselbe beachtet werden müsse, als wäre der Sklave frei gewesen. Es zeigt sich, dass der Vertragspartner nicht so steht, als habe er mit dem Gewalthaber kontrahiert, was ja einer direkten Stellvertretung gleichkäme, sondern der Vertragspartner steht so, als sei der Sklave ein Freier gewesen. Die Verpflichtung wird also in der Tat aus der Person des Sklaven genommen und nur die Verurteilung mit der Haftungsbeschränkung auf den Gewalthaber umgeleitet (vgl. zum Ganzen Lenel, EP3 260 ff., 280 – 282; Kaser, Oportere und ius civile 8 Fn. 30, SZ 83). In diese Richtung deutet auch Ulp. 29 ed D. 15,1,21,3. Die Frage, ob für den Gewalthaber Einlassungszwang besteht, stellt sich eben nur, weil die intentio auf die Person des Gewaltunterworfenen, nicht auf die des Gewalthabers gerichtet ist. 298 Kaser, Rechtsgrundlage 529. 299 Vgl. Studemund, Apographum 204 Z. 16. Eine entsprechende Auflösung wurde hier abgelehnt, siehe oben § 2 II 1. 300 Vgl. G. 4,47. Von Kaser, Rechtsgrundlage 530, wohl übersehen. 301 Der Entleiher haftet dem Verleiher, ist andererseits aber aktivlegitimiert für die actio furti, vgl. G. 3,206. Siehe dazu nur Kaser, RP § 125 II, S. 533 m.Fn. 4.
264
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
Problematisch könnte höchstens der Fall sein, dass der Gewaltunterworfene die geliehene Sache nicht oder nur beschädigt zurückgeben kann, weil der Gewalthaber diese vorsätzlich zerstört oder beschädigt hat. Denn anders als bei der Sachentziehung scheint unter den Juristen bei Sachbeschädigung umstritten gewesen zu sein, ob der Entleiher für Handlungen Dritter einzustehen habe, ob, technisch gesprochen, die custodia-Haftung sich auch auf die Sachbeschädigung beziehe302. d) Bei der actio commodati in factum concepta stellte sich das intentio-Problem nicht, weil die intentio passivisch formuliert war303. Verurteilungsvoraussetzung war nur, dass die Sache nicht zurückgegeben worden war; ob dies auf ein Verhalten des Entleihers zurückging, war in der Formel nicht ausdrücklich thematisiert304. e) Die Probleme hinsichtlich der actio rei uxoriae sollen hier nicht diskutiert werden, auch wenn D. 15,1,36 gerade von dieser handelt. Denn problematisch wäre hier schon der Formelwortlaut305, ferner, ob sich das melius aequius, das einen erweiterten Beurteilungsspielraum eröffnet, nur auf die condemnatio306 oder auch auf die intentio307 bezieht. Es würde sich zudem die Vorfrage stellen, ob die actio rei uxoriae gegen den paterfamilias als actio de peculio gegeben wurde oder als normale Klage308.
302 Für den Fall einer Schadenszufügung durch einen Dritten fragt Julian in 1 dig D. 13,6,19: … qua enim cura aut diligentia consequi possumus, ne aliquis damnum nobis iniuria det? und begründet so, dass der Entleiher in einem solchen Fall nicht hafte (vgl. aber auch Ulp. 5 ed D. 19,2,41). Zur ungeklärten Frage der Palingenesie siehe Lenel, EP3 74 f.). Zur Sache selbst, die hier nicht vertieft werden kann, siehe nur Kaser, RP I § 118 III 2, S. 507 m.Fn. 30; Rastätter, Marcelli notae 197 ff.; Knütel, Haftung für Hilfspersonen 410 – 415, SZ 100. 303 Von passivischer Formulierung spricht Kaser bezüglich der actio fiduciae und bezüglich der actiones in factum concepta bei depositum, commodatum und pignus (Rechtsgrundlage 529 f.). 304 Vgl. Lenel, EP3 252: Si paret Aulum Agerium Numerio Negidio rem q.d.a. commodasse eamque Aulo Agerio redditam non esse… 305 Zur Formel der actio rei uxoriae zuletzt Varvaro, Restituzione della dote I, mit Formelvorschlägen auf Seiten 273 f. 306 So noch Kaser, Rechtsgrundlage 511 – 515. 307 Später Kaser, Oportere und ius civile 34 m.Fn. 161. 308 So lassen sich verstehen Sabinus und Cassius in Ulp. 33 ed D. 24,3,22,12. Nach ihnen wird die Grundklage, also die normale actio rei uxoriae, gegen den paterfamilias gegeben, wenn die dos dem Sohn iniussu patris gegeben wurde. Der Vater sei passivlegitimiert, weil die dos an ihn gelangt sei, da das peculium des Sohnes bei ihm sei. Die Verurteilung werde aber auf die Höhe des peculium bzw. auf die Version beschränkt. Diese Verurteilungsbeschränkung konnten Sabinus und Cassius dem melius aequius entnehmen, so wie dieses Element es auch gestattet, den Ehemann nur in Höhe seiner Leistungsfähigkeit zu verurteilen. Hinsichtlich des betreffenden beneficium competentiae vermutet Lenel (Lenel, EP3 307; siehe auch Medicus, Zur Urteilsberichtigung 242 ff., SZ 81; Kaser / Hackl, § 56 II, S. 385 f. m.Fn. 20) nämlich, dass dieses anders als etwas bei der actio pro socio (vgl. Lenel, EP3 297 f) nicht ausdrücklich in der Formel enthalten war, sondern wegen des melius aequius in der condemnatio vom Judex beachtet werden musste.
§ 14 Zur Noxalität der actio depositi in factum concepta
265
2. Das durch den dolus des Gewalthabers aufgeworfene condemnatio-Problem Warf der dolus des Gewalthabers auch hinsichtlich der condemnatio ein Problem auf, das die Juristen in den Stellen erörtern? a) Denkbar wäre zum einen, dass das Problem bewältigt werden soll, dass der Gewalthaber die verwahrte Sache dem Gewaltunterworfenen weg- und an sich nimmt und dadurch das peculium vermindert309. Diese Überlegung überzeugt aber nicht. Zum einen gab es für dieses Problem den stehenden Formelteil „et si quid dolo malo Ni Ni factum est, quo minus peculii esset“310, zum anderen fiel die hinterlegte Sache schon nicht in das peculium311, so dass beim depositum der Gewalthaber das peculium nicht mindern konnte, wenn er die hinterlegte Sache dem Gewaltunterworfenen wegnahm312. b) Das Problem könnte ein anderes gewesen zu sein. Es stellt sich die Frage, ob die Beschränkung der Haftung auf das peculium gerechtfertigt war, wenn der Gewalthaber selbst dolos gehandelt hatte313. Man könnte leicht geneigt sein, die Frage zu verneinen und eine unbeschränkte Haftung des Gewalthabers wegen des eigenen dolus zu bejahen. Doch geht es darum, zu zeigen, dass auch die römischen Juristen bei eigenem dolus des Gewalthabers eine Haftungsbeschränkung für unzulässig hielten. Relevant wurde die Frage vor allem, wenn das peculium nicht ausreichte und die mangelnde Höhe des peculium nicht auf dem dolus des Gewalthabers beruhte, weil in diesem Fall schon die stehende dolus-Klausel der condemnatio geholfen hätte. Es geht also um Fälle, in denen das peculium von vornherein überschuldet ist. In einem solchen Fall besteht aber von Anfang an keine Aussicht für den Kläger, eine Verurteilung des Gewalthabers zu erreichen. Wie soll also der dolus des Gewalthabers noch Relevanz haben können? So wohl Maccormack, ‚Dolus in the mid-classical Jurists‘ 138 f., BIDR 96 – 97. Lenel, EP3 282. 311 Vgl. Afr. 8 quaest D. 15,1,38pr. 312 Hingegen scheint dies bei der actio rei uxoriae de peculio möglich gewesen zu sein. Da die Dotalsachen in das Eigentum des Ehemannes fielen (vgl. Kaser, RP I § 80 I 2, S. 333 m.Fn. 7), bei einem gewaltunterworfenen Sohn also in das Eigentum des paterfamilias, gehörten die Dotalsachen in das peculium (vgl. Arangio-Ruiz, Responsabilità contrattuale2 52). Daher hatten auch die anderen Pekuliargläubiger Zugriff auf die Dotalsachen, so dass es erforderlich war, das Konkursprivileg der Ehefrau bei der actio de peculio zu berücksichtigen (vgl. Paulus 4 quaest D. 15,1,52,1). Hingegen konnten die Pekuliargläubiger bekanntlich nicht auf die hinterlegten Sachen zugreifen, vgl. Afr. 8 quaest. D. 15,1,38pr., so dass ein etwaiges Konkursprivileg des Hinterlegers bei Klagen de peculio nicht berücksichtigt werden musste. Für das commodatum wird man ebenso wie für das depositum annehmen können, dass die verliehene Sache nicht in das peculium des gewaltunterworfenen Entleihers rechnete. 313 Nach Kaser, Rechtsgrundlage 529, musste in diesem Fall die Haftungsbeschränkung dumtaxat de peculio in der condemnatio ausgeschaltet werden. 309 310
266
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
Es fällt auf, dass die Juristen das Problem gerade bei solchen Klagen erörtern, bei denen die Höhe des peculium von wesentlich geringerer Bedeutung ist, nämlich bei Herausgabeklagen. Indem der Gewalthaber dem Gewaltunterworfenen die Sache wegnimmt, macht er diesem die Rückgabe unmöglich und bringt dadurch den Partner des Sklaven überhaupt erst in die Verlegenheit, auf eine ausreichende Höhe des peculium hoffen zu müssen. Und weiter: Die Rückgabepflicht des Gewaltunterworfenen steht zur Höhe des peculium in keiner Beziehung. Der Gewaltunterworfene darf den Wert der Sache nicht zur Befriedigung anderer Pekuliargläubiger verwenden, der Partner ist aussonderungsberechtigt (oder doch zumindest bei der dos im Konkurs privilegiert)314. Bei dieser Überlegung scheint es einen materiellen Grund zu geben, bei dolus des Gewalthabers die Beschränkung auf das peculium für ungerechtfertigt zu halten, weil der Gewalthaber den Partner des Gewaltunterworfenen überhaupt erst in die Verlegenheit gebracht hat, auf eine ausreichende Höhe des peculium angewiesen zu sein. Doch was sagen die Quellen? Wie bereits gesehen, lässt sich D. 15,1,5pr. und D. 13,6,3,5 jedenfalls nicht eindeutig entnehmen, dass die römischen Juristen es für nicht angemessen gehalten hätten, wenn sich der dolose Gewalthaber auf die Haftungsbeschränkung de peculio berufen hätte. Allerdings findet sich die Alternative zwischen der Haftung de peculio und in solidum in D. 15,1,36 ausgesprochen. Die Antwort ist eindeutig: Der Gewalthaber wird in solidum, auf den Sachwert (quanti ea res est) verurteilt, wenn er dolos gehandelt hat. Eine Ausschaltung der Klausel dumtaxat de peculio ist notwendig. Man wird diese Ansicht auch auf die anderen Stellen übertragen dürfen. Die dolose Ansichnahme der Sache durch den Gewalthaber führt auch nicht zu einer in rem versio, so dass die Versionsklausel der condemnatio die Haftungsbeschränkung dumtaxat de peculio nicht überwinden konnte. Nimmt der Gewalthaber die Sache an sich, mag er sich deren Wert zwar wirtschaftlich zuführen. Eine Version liegt aber nicht vor, weil diese eine Handlung des Gewaltunterworfenen voraussetzt315. Es führt eben eine deliktische Selbstbereicherung durch den Gewalthaber nicht zur actio de in rem verso.
314 Die Aussonderungsberechtigung des Hinterlegers bezüglich des peculium zeigt sich darin, dass die hinterlegte Sache den Wert des peculium nicht vermehrt, vgl. Afr. 8 quaest D. 15,1,38pr. (dazu oben § 14 I 2). Für das commodatum ist das gleiche anzunehmen, da auch bei der Leihe die Begründung Africans bzw. Julians passt: das Eigentum geht nicht auf den Sachempfänger über. Der zur Rückforderung der dos Berechtigte ist privilegiert und geht den anderen Pekuliargläubigern vor, vgl. Paulus 4 quaest D. 15,1,52,1. Dass das Konkursprivileg nicht nur die Fälle unterbliebener Eheschließung und nichtiger Ehe betroffen habe, sondern jeder Ehefrau nach Scheidung zustand, bestreiten Kaser, RP I § 80 I 2, S. 334 m.Fn. 14 und Kaser / Hackl, § 59 II, S. 403 m.Fn. 13. Doch lässt sich eine solche Einschränkung D. 15,1,52,1 jedenfalls nicht entnehmen. 315 Vgl. I. 4,7,4a: In rem autem domini versum intellegitur, quidquid necessario in rem eius impenderit servus… Es ist eben eine Tätigkeit des Gewaltunterworfenen notwendig, vgl. auch Ulp. 29 ed D. 15,3,3,1. Aufschlussreich ist insoweit auch Ulpians Vergleich mit einem Ge-
§ 14 Zur Noxalität der actio depositi in factum concepta
267
3. Die Lösung von intentio- und condemnatio-Problem a) Formeländerung Die Stellen deuten in ihrer Gesamtheit darauf hin, dass die Probleme zumindest teilweise durch eine Änderung der Formel gelöst wurden. In D. 16,3,1,42 (si quid per eum captusve fraudatusve est) und in D. 15,1,5pr. (si quid dolo malo captus sum) finden wir augenscheinliche Anspielungen auf das bei Cicero, De officiis 3,70, überlieferte Formelzitat „uti ne propter te fidemve tuam captus fraudatusve sim“316. Eine entsprechende Anspielung (et si quid dolo malo domini captus fraudatusque actor est) wird in D. 15,1,36 ausdrücklich als adiectio zu einer Formel bezeichnet. In D. 15,1,5pr. und in D. 15,1,36 findet die Lösung wohl in der condemnatio statt317. Denn in D. 15,1,36 geht es um die Höhe der Verurteilungssumme (aequum est eum quanti ea res est condemnari)318, die Stelle D. 15,1,5pr. macht den Eindruck, als werde dort der Wortlaut der condemnatio zitiert: dumtaxat de peculio et si quid dolo malo erorum captus est. Hingegen erfolgt in D. 16,3,1,42 die Lösung womöglich in der intentio319.
b) Die Ansicht Lenels Nach Lenel320 ist das Zitat „et si quid dolo malo domini captus fraudatusque actor est“ in D. 15,1,36 ein Formelteil der actio fiduciae de peculio, wenn der Treugeber die Sache einem Sklaven in fiducia gegeben hatte. Die Interpolation pignus für fiducia321 ergebe ein Vergleich mit D. 13,6,3,5. Dort sei die Erwähnung der actio
schäftsführer in 29 ed D. 15,3,3,2 (vgl. dazu Bürge, Römisches Privatrecht 178. Zum Ganzen jetzt Chiusi, Die actio de in rem verso im römischen Recht 119 ff.). 316 Nach Lenel, EP3 293, eine Spruchformel des Legisaktionenverfahrens zur fiducia. Dass sich das Cicero-Zitat auf die fiducia beziehe, ist bestritten worden, liegt aber wegen der auffallenden Ähnlichkeit zum Zitat in D. 15,1,36 nahe. Lenel zustimmend insoweit daher auch Noordraven, Fiduzia 288 ff. Letzterer bestreitet aber, dass sich das Cicero-Zitat auf eine Spruchformel des Legisaktionenverfahrens beziehe. Auch die Tatsache, dass Ciceros Formel die erste Person enthält, spreche nicht wesentlich dafür, da auch in den beiden Stellen D. 15,1,5pr. und D. 16,3,1,42 ein Wechsel zwischen der ersten und der dritten Person zu beobachten sei. 317 So auch Kaser, Rechtsgrundlage 529, zu D. 15,1,36. 318 Schon die einleitende Frage bezieht sich nur auf die Höhe der Verurteilungssumme: an de peculio an in solidum pater vel dominus tenerentur. 319 In D. 16,3,1,42 ist vom venire in iudicium die Rede. Die Frage quid veniat bezieht sich nach Lenel, EP3 253, durchweg auf die intentio der formulae in ius concepta. Weniger klar ist, wo die Lösung in D. 13,6,3,5 liegt. Angesprochen wird einerseits die condemnatio (condemnetur), andererseits auch die intentio (venit). 320 Lenel, EP3 293 ff.
268
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
pigneraticia echt, denn Julian behandele im 11. Buch seiner Digesten eben das pignus; der Stelle lasse sich auch entnehmen, dass die actio pigneraticia de peculio den betreffenden Zusatz gerade nicht gehabt habe322. Diesen Zusatz habe nur die actio fiduciae de peculio gehabt, denn die Formelauslegung, die sich bei der actio fiduciae de peculio auf den Zusatz gestützt habe, sei bei den anderen Klagen de peculio anläßlich einer dos, eines pignus, eines commodatum oder eines depositum durch Juristeninterpretation erzielt worden323. Der Zusatz sei bei der actio fiduciae 321 Die Hauptargumente für die allgemein anerkannte Interpolation von pignus für fiducia in D. 15,1,36 sind: Das in D. 15,1,36 überlieferte Zitat des Formelzusatzes einer actio de peculio erinnere an ein Formelzitat bei Cicero (De officiis 3,70: nam quanti uerba illa „uti ne propter te fidem ue tuam captus fraudatus ue sim“. quam illa aurea „ut inter bonos bene agier oportet et sine fraudatione“. …). Dieses Zitat beziehe sich höchstwahrscheinlich auf eine Formel der fiducia, weil auch das nachfolgende Zitat Ciceros unstrittig zur fiducia gehöre (zögernd Lenel, EP3 293; kritisch Noordraven, Fiduzia 289 ff.). Das zweite Argument wird D. 13,6,3,5 entnommen. In dieser Stelle sei die Erwähnung des pignus echt, weil Julian im 11. Buch tatsächlich das pignus behandle, die fiducia erst im 13. Buch. Wenn Julian für den Fall des pignus erst habe entscheiden müssen (distinguit), der dolus des Gewalthabers sei zu berücksichtigen, dann könne die Formel der actio pigneraticia de peculio den ausdrücklichen Formelzusatz nicht gehabt haben, weil dann die Berücksichtigung des dolus selbstverständlich gewesen sei (Lenel, EP3 294; Noordraven, Fiduzia 291). Das dritte Argument ist ein Plausibilitätsargument: Wenn man davon ausgeht, dass die actio fiducia älter sei als die anderen Klagen, etwa die actio pigneraticia, dann liegt es näher, dass die actio fiducia als ältere Formel einen Zusatz gehabt habe, der dann auf die jüngeren Klagen übertragen worden wäre, als dass eine jüngere Formel den Zusatz gehabt habe (Lenel, EP3 295). Das vierte Argument ist ein Praktikabilitätsargument: Bei der actio fiducia de peculio ist das Problem des dolus des Gewalthabers drängender, weil der Geber das Eigentum an der Sache verloren hat und anders als beim pignus, beim depositum und beim commodatum nicht mehr auf die reivindicatio und actio furti zurückgreifen kann. Es liege also nahe, dass bei der fiducia zuerst das Problem des dolus des Gewalthabers aufgegriffen wurde (Lenel, EP3 295). Man wird die Argumente in ihrer Gesamtheit für überzeugend halten müssen, nicht zuletzt, weil wir wissen, dass die fiducia im Kompilationsvorgang planmäßig gestrichen bzw. ersetzt wurde (Kaser, RP I § 109 I, S. 460 Fn 1). Mit anderen Worten: Wir wissen, dass die Kompilatoren fiducia durch pignus ersetzt hätten, wenn in der Stelle von der fiducia die Rede gewesen wäre. Allerdings scheinen wir keine Kriterien zur Beantwortung der Frage zu haben, warum die Kompilatoren mal den Begriff fiducia durch andere Begriffe ersetzt, mal die betreffende Stelle einfach gestrichen haben. Unsere Stelle D. 15,1,36 dürfte aber jedenfalls den Kompilatoren auch dann interessant und bewahrenswert erschienen sein, selbst wenn sie von der fiducia gehandelt haben sollte. 322 Vgl. Noordraven, Fiduzia 291. Noordraven stützt sich vor allem auf das distinguit in D. 13,6,3,5: Beim pignus habe Julian deshalb ausdrücklich eine Entscheidung treffen müssen (distinguit), weil die Klage den Formelzusatz anders als die actio fiduciae nicht gehabt habe. 323 So ausdrücklich Lenel, EP3 294 Fn. 3. Er verweist darauf, dass es in D. 15,1,36 heiße, was hinsichtlich der actio fiduciae ausdrücklich angeordnet sei (expressum est), sei auch in den übrigen bonae fidei iudicia (durch Interpretation) anzunehmen (accipiendum esse). Dagegen versteht Kaser, Rechtsgrundlage 530, im Anschluss an Grosso, Ricerche intorno all’ elenco 170, den derart ausgedrückten Gegensatz so, dass die Formelergänzung nur bei der actio fiduciae im Edikt proponiert war, in den übrigen Fällen vom Prätor nur auf Antrag hinzugesetzt wurde. An der Übertragung der Lösung von der fiducia auf die anderen Institute, sei es mit Formelergänzung oder nur durch Interpretation, haben nach den uns überlieferten Quellen vor allem Julian (D. 13,6,3,5; D. 16,3,1,42) und Pomponius (D. 15,1,36) Anteil gehabt.
§ 14 Zur Noxalität der actio depositi in factum concepta
269
de peculio deshalb enthalten gewesen, weil es schon vor Entstehung der adjektizischen Klagen eine Sonderformel für die actio fiduciae für den Fall gegeben habe, dass der Treugeber eine Sache bei einem Sklaven in fiducia gegeben habe. Ein dolus des Gewalthabers sei dann nämlich besonders fühlbar gewesen, weil der Treugeber die Sache nicht habe vindizieren können324. Nach der Schaffung der adjektizischen Klagen habe man den Formelzusatz mit in die condemnatio der actio fiduciae de peculio übernommen. Lenel denkt dabei an die Aufnahme eines Zusatzes in der condemnatio als Erweiterung der Klauseln de peculio und de in rem verso325. c) Die einzelnen Klagen Man wird zwischen den einzelnen Klagen unterscheiden müssen: (1) Bei der formula in factum concepta der actio commodati de peculio326 war die Lösung des intentio-Problems durch Auslegung gewinnbar und bedurfte keiner Ergänzung des Formelwortlauts. Da hier die intentio passivisch formuliert war327 bzw. die Nichtrückgabe einzige Verurteilungsvoraussetzung war und kein besonderes Verhalten des Sklaven umschrieben war, konnte die Verurteilung des Sklaveneigentümers auch erfolgen, wenn die Nichtrückgabe auf dessen dolus zurückzuführen war. Nicht klar ist die Sache bei der formula in ius concepta der actio commodati. Im Fall der dolosen Sachentziehung durch den Gewalthaber war, wie oben bereits gezeigt, ein Zusatz in der intentio entbehrlich. Anders kann dies bei doloser Zerstörung oder Ähnlichem gewesen sein. 324 Bei commodatum, depositum und pignus sei der Geber gegen den dolus des Gewalthabers schon durch reivindicatio, actio ad exhibendum sowie die actio furti geschützt gewesen (Lenel, EP3 294 f.). 325 Lenel, EP3, 295 m.Fn. 3. Lenel stützt sich dabei auch auf das Scholion kinw= n ga\r ou(/tw le/gei des Stephanus (Zachariae) zu der D. 15,1,36 entsprechenden Basilikenstelle B. 18,5,36 (Zachariae, Supplementum 223, Scholion 140; jetzt Scheltema BS III 1131 Scholion 5): katadi/kason ei)j to\ pekou/lion kai\ ei)j to\ be/rson kai\ ei)j ei/)ti e)bla/ bhn kata\ do/lon h)\ perigrafh\n tou= despo/tou (Übersetzung: Der Kläger sagt: Verurteile in Höhe des Pekuliums bzw. des Zuflusses in das Vermögen und wenn ich einen Schaden erlitten habe durch dolus oder fraus des Sklaveneigentümers). In der Tat liegt es nahe, in dieser Aufforderung an den Richter, die auch auf die Formel de peculio vel in rem verso anspielt, ein Formelzitat zu sehen. Dass vom Sklaveneigentümer die Rede ist, hängt wohl damit zusammen, dass im letzten Satz der Basilikenstelle auch die Hingabe einer Sache als Pfand an einen Sklaven erörtert wird. 326 Diese wird gelautet haben (Lenel, EP3 252, 282): Si paret Aulus Agerius Sticho, qui in potestate Numerii Negidii est, rem qua de agitur commodasse eamque Aulo Agerio redditam non esse, quanti ea res erit, tantam pecuniam iudex Numerium Negidium Aulo Agerio dumtaxat de peculio et si quid dolo malo Numerii Negidii factum est, quo minus peculii esset, vel si quid in rem Numerii Negidii versum est, condemnato, si non paret absolvito. 327 Kaser, Rechtsgrundlage 530.
270
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
Notwendig war jedenfalls bei beiden Formeln der Zusatz in der condemnatio328. (2) Wie war es bei den Formeln der actio depositi? Die formula in factum concepta enthielt eine ausdrückliche Erwähnung des dolus des Verwahrers, also des Gewaltunterworfenen. Hier ließ sich der dolus des Gewalthabers wohl entgegen Lenel nicht durch Interpretation berücksichtigen329. Bei der formula in ius concepta war Verurteilungsvoraussetzung ein Verstoß des Gewaltunterworfenen gegen ein ihm (beim Sklaven mittels Fiktion) obliegendes oportere; auch hier war wohl nicht ohne Formelzusatz auch in der intentio auszukommen330. Ebenso ist hinsichtlich des condemnatio-Problems nicht ersichtlich, wie ohne ein Formelzusatz in der condemnatio die Beschränkung der Haftung auf die Höhe des peculium zu vermeiden war. Dies würde für beide Formeln der actio depositi eine doppelte Ergänzung der Formel notwendig machen, nämlich sowohl in der intentio als auch in der condemnatio331. Man kann fragen, welche Klagealternativen dem Hinterleger zur Verfügung standen, denn wenn es ausreichende Alternativen zur actio depositi de peculio im Falle eines dolus des Ge-
Kaser, Rechtsgrundlage 530. Anders Kaser, Rechtsgrundlage 530, der die in factum konzipierten Formeln der actio depositi und der actio commodati gleichbehandeln will, indem er in beiden Formeln einen Zusatz für entbehrlich hält. Aber die formula in factum concepta der actio depositi enthielt doch die Nennung des dolus gerade des Gewaltunterworfenen; die Formel war also, um mit Kaser (Rechtsgrundlage 529 zur actio fiduciae) zu sprechen, insofern gerade nicht passivisch formuliert. Immerhin war eine Umformulierung der Formel einfacher möglich, der komplette Zusatz war nicht erforderlich. Denkbar war etwa eine Formulierung: Si paret Aulum Agerium apud Stichum, qui in Numerii Negidii potestate est, mensam argenteam deposuisse eamque dolo malo Stichi vel Numerii Negidii Aulo Agerio redditam non esse … usw. (vgl. G. 4,47, Lenel, EP3 282). 330 So auch Kaser, Rechtsgrundlage 529, 530. Man könnte darüber spekulieren, ob diese Formelzusätze stets bei einer actio depositi de peculio eingeschaltet wurden oder nur in besonderen Fällen. Einerseits konnte zwar der Hinterleger kaum die Innenbeziehungen der familia des Verwahrers kennen; doch es gibt Anhaltspunkte, dass bereits vorprozessual die Parteien sich darüber verständigten, welche Angriffs- und Verteidigungsmittel sie vorzubringen gedachten und was eigentlich Streitthema werden sollte (vgl. nur Bürge, De edendo 1 ff. SZ 112). 331 Für einen doppelten Zusatz ausdrücklich auch Kaser, Rechtsgrundlage 530. Eine solche Formel könnte wie folgt aussehen: Quod Aulus Agerius apud Stichum, qui in Numerii Negidii potestate est, mensam argenteam deposuit, qua de re agitur, quidquid ob eam rem Stichum, si liber esset ex iure Quiritium, Aulo Agerio dare facere oporteret ex fide bona et si quid praeterea dolo malo Numerii Negidii captus fraudatusque Aulus Agerius est (vgl. Kaser, Rechtsgrundlage 529), eius iudex Numerium Negidium Aulo Agerio dumtaxat de peculio et si quid dolo malo Numerii Negidii factum est, quo minus peculii esset, vel si quid in rem Numerii Negidii inde versum est, praeterea et si quid dolo malo Numerii Negidii captus fraudatusque Aulus Agerius est (vgl. Kaser, Rechtsgrundlage 529), condemnato, s. n. p. a. Dabei soll hier offenbleiben, ob es wirklich einen doppelten Formelzusatz gab, oder ob nicht vielmehr eine Ergänzung ausreichte, die aber intentio und condemnatio mit umfasste. 328 329
§ 14 Zur Noxalität der actio depositi in factum concepta
271
walthabers gab, war ein Formelzusatz zu dieser Klage weniger notwendig. Zu erwägen ist zum einen die reivindicatio332. Diese setzt allerdings voraus, dass der Hinterleger Eigentümer der Sache ist. Dies dürfte regelmäßig, aber nicht immer, der Fall sein. Die actio depositi de peculio hat den Vorteil des Einlassungszwangs333. Auch wenn bei der reivindicatio die Einlassung mittels der actio ad exhibendum erzwungen werden kann, dürfte das Verfahren bei einer actio in personam einfacher sein. Die zweite fragliche Voraussetzung der reivindicatio war der Besitz, denn der Gewalthaber mochte die ansichgenommene Sache gleich verkauft und nur den Kaufpreis bei sich haben. Zu fragen wäre dann, ob dem Hinterleger die actio ad exhibendum half, indem diese auch die dolose Besitzaufgabe vor litiscontestatio erfasste334. Der Hinterleger konnte gegen den Gewalthaber auch die actio furti haben. Es war anerkannt, dass dem Hinterleger, der Eigentümer war, die actio furti zustand, wenn ein Dritter die Sache dem Verwahrer stahl335. Das wird auch in unserem Fall gegolten haben, auch wenn hier der Inhaber der tatsächlichen Gewalt ein Gewaltunterworfener des Wegnehmenden ist. Denn ein Gewahrsamsbruch war anders als im heutigen deutschen Recht nicht Voraussetzung des furtum336. Der Hinterleger mochte aber die Infamiefolge einer Verurteilung aus der actio furti vermeiden wollen. Zwar hatte die Verurteilung aus der actio depositi auch die Infamie zur Folge337, aber doch nur, wenn der Verurteilte im eigenen Namen verurteilt wurde338, bei der actio depositi de peculio wurde aber der Gewalthaber im Namen des Gewaltunterworfenen verurteilt. Daneben dürfte dem Hinterleger auch die condictio furtiva zugestanden haben, wenn der dolus des Gewalthaber sich in der Form eines furtum verwirklicht haben sollte.
(3) Zusammenfassung: Wir haben gesehen, dass der dolus des Gewalthabers in der actio depositi in ius concepta de peculio einen Formelzusatz sowohl in der intentio als auch in der condemnatio notwendig machte, wobei dieser Zusatz in D. 16,3,1,42 und D. 15,1,5pr. zitiert wird. Für die actio depositi in factum concepta de peculio war ein entsprechender Zusatz in der condemnatio notwendig; in der intentio genügte die Ergänzung von vel Numerii Negidii hinter dolo malo Stichi. Insoweit passt die Beobachtung, dass die Formelergänzung sich in der die formula in factum concepta betreffenden Stelle D. 15,1,5pr. nur auf die condemnatio bezieht339.
332 Oder gegebenenfalls die actio Publiciana, doch müssten auch deren Voraussetzungen vorliegen. 333 Vgl. Ulp. 29 ed D. 15,1,21,3. 334 Vgl. Kaser, RP I § 103 I 3 a, S. 434 m.Fn. 26. 335 G. 3,207. 336 Vgl. Kaser, RP I § 143 I, S. 615. 337 G. 4,182. 338 D. 3,2,1. 339 Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass sich in D. 16,3,1,42 die Formelergänzung auf die intentio beziehen könnte. Wäre dies richtig und stimmt die Beobachtung, dass ein derartiger Formelzusatz nur bei der formula in ius concepta notwendig war, dann könnte D. 16,3,1,42 zum Kommentar der actio depositi in ius concepta gehören. Allerdings erscheint eine solche Begründung recht fein gestrickt. Oben war in § 6 II 11 eine Begründung versucht worden, der Kommentar zur formula in ius concepta beginne erst in D. 16,3,1,47.
272
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
Dass der Formelzusatz aus der actio fiduciae de peculio in die intentio der actio depositi de peculio aufgenommen wurde, aber nicht in die intentio der actio commodati de peculio, könnte sich in den Quellen auch darin widerspiegeln, dass sich in D. 13,6,3,5 kein Formelzitat findet, während Ulpian bei der actio depositi de peculio den Formelzusatz captus fraudatusve eigens zitiert, und zwar in beiden Stellen, D. 16,3,1,42 und in D. 15,1,5pr.340.
V. Zusammenfassung Die actio depositi ist eine Zugriffsklage, die dem Hinterleger den Zugriff auf die Sache dort erlauben soll, wo sie sich befindet. Ist bei bestehendem Gewaltverhältnis die beim Gewaltunterworfenen hinterlegte Sache beim Gewalthaber, wird die Formel der Klage entsprechend angepasst, um den Gewalthaber zur Rückgabe zu bewegen (§ 14 IV). Ist nach Beendigung des Gewaltverhältnisses die Sache beim ehemals der Gewalt Unterworfenen, wird die Klage gegen diesen gegeben (§ 14 II). Im Konkurs des Verwahrers kann der Hinterleger mit der actio depositi die Sache aussondern (§ 14 III).
§ 15 Das Interesse-Erfordernis bei der actio depositi Die actio depositi soll dem Hinterleger den Zugriff auf die hinterlegte Sache sichern. Der Hinterleger muss weder Eigentümer sein noch ein besonderes Interesse an der Rückgabe haben, d. h. er musste keinen Schaden aus der Nichtrückgabe erleiden.
I. Das Interesse als Klagevoraussetzung Dabei stellt sich die Vorfrage, ob das Erheben einer Klage im römischen Recht überhaupt voraussetzt, dass der Kläger ein in Geld schätzbares Interesse hat. Dies hat zuletzt Reichard341 bestritten. Auf die Frage in dieser allgemeinen Form kann
340 In Ulp. 28 ed D. 15,1,5pr. scheint Ulpian geradezu die condemnatio in abgewandelter Form und auf das Wesentliche konzentriert zu zitieren: „dumtaxat de peculio et si quid dolo malo eorum captus sum“. Der Ausdruck dumtaxat de peculio vertritt dabei die vollständige Klausel der normalen actio de peculio einschließlich des Versionsteils, mit dem Ende weist Ulpian auf die notwendige Ergänzung hin. Es ist auffallend, dass damit in D. 15,1,5pr., die zur Erörterung der actio depositi in factum concepta gehört, Ulpian die Formelergänzung in der condemnatio bringt. Wie oben gesehen, war die Ergänzung der actio in factum concepta im intentio-Teil wesentlich einfacher zu bewerkstelligen als durch Aufnahme des üblichen Formelzusatzes.
§ 15 Das Interesse-Erfordernis bei der actio depositi
273
hier nicht eingegangen werden342; hier soll es nur um die Frage gehen, ob die erfolgreiche Geltendmachung der actio depositi voraussetzt, dass der Kläger ein Vermögensinteresse daran hat, dass die Sache ordnungsgemäß zurückgegeben wird. Dass der Kläger ein in Geld schätzbares Interesse haben muss, um die Klage erfolgreich geltend machen zu können, ergibt sich auch nicht aus dem Grundsatz der condemnatio pecuniaria. Zwar muss, da der Beklagte nicht zur Naturalerfüllung verurteilt wird, sondern zur Zahlung einer Geldsumme, der Judex die geschuldete Leistung in einem Geldwert ausdrücken. Dies ist ihm aber bei der actio depositi immer möglich, denn er kann den Beklagten zumindest immer auf den objektiven Sachwert verurteilen343.
II. Der Wortlaut der in factum und in ius konzipierten Formeln Betrachtet man nun die einzelnen Formeln der actio depositi, scheint die formula in factum concepta kein Interesse des Klägers vorauszusetzen, denn das quanti ea res erit der Formel lässt eine Interpretation zu, bei der die Verurteilungssumme auf den (objektiven) Sachwert festzusetzen ist. Auf den ersten Blick anders sieht es bei der formula in ius concepta aus, weil dort die Verurteilungssumme nicht auf das quanti ea res erit abgestellt ist, sondern auf das quidquid dare facere oportet ex fide bona. Wie aber das quanti ea res erit auch zuließe, nicht nur auf den objektiven Sachwert abzustellen, so lässt auch die intentio der formula in ius concepta zu, den Wert des quidquid vor allem im objektiven Sachwert zu sehen, wenn man es als die erste aus der bona fides fließende Verpflichtung des Verwahrers ansieht, die Sache zurückzugeben. Nach Mommsen ist überhaupt das Interesse nie geringer als der objektive Sachwert344. Medicus hat für die formula in factum concepta das weitgehende Fehlen der Interesse-Terminologie beobachtet345, für die formula in ius concepta fehlen entsprechende Stellen überhaupt346, wohl weil sich bei letzterer Formel selten sicher sagen lässt, ob sich eine Stelle auf diese beziehe. Damit setzt das Erheben der actio depositi also nicht schon wegen des Formelwortlauts ein Interesse voraus. Reichard, Drittschadensersatz 287 f. Zweifelnd in seiner Rezenion Sturm, SZ 115, 546. Vgl. nur Kaser, RP I § 115 II 5, S. 491, zur Frage des unechten Vertrages zugunsten Dritter; ferner Sturm, Rez. Reichard, SZ 115, 546. 343 Vgl. Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse 17. 344 Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse 17; vgl. Reichard, Drittschadensersatz 9. 345 Medicus, Id quod interest 260, verweist insoweit auf folgende Stellen: Ulp. 30 ed D. 16,3,1,39 und Ulp. 1 disp D. 5,1,64pr.; ferner auf Ulp. 30 ed D. 16,3,1,43 – 44; Ulp. 30 ed D. 12,3,3; Marc. 5 dig D. 16,3,22; ebenso Evans-Jones, Measure 270 Fn. 20, TR 55. 346 Vgl. Medicus, Id quod interest 211. 341 342
274
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
III. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,39 In einer Stelle allerdings wird die Aktivlegitimation für die actio depositi mit dem Gedanken, dass der Kläger ein Interesse habe, verknüpft. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,39347, 348: Si praedo vel fur deposuerint, et hos Marcellus libro sexto digestorum putat recte depositi acturos: nam interest eorum eo, quod teneantur.349
Ulpian berichtet, dass Marcellus im 6.350 Buch seiner Digesten der Auffassung sei, dass auch ein bösgläubiger Besitzer351 oder ein Dieb, wenn sie die gestohlene Sache hinterlegt haben, die actio depositi mit Erfolg erheben könnten. Im Schlusssatz folgt die Begründung: Sie haben ein Interesse, weil sie haften. Dieser Begründungssatz stammt ebenfalls von Marcellus352. Auf dieselbe Entscheidung des Marcellus bezieht sich wahrscheinlich auch Tryphonin in 9 disp. D. 16,3,31,1353.
347 Der Ind.Itp. hat keinen Eintrag. Wubbe, Res aliena 129 Fn. 4, hält den Schlusssatz für unecht. Der Dieb habe zwar ein Interesse und er hafte, aber dies sei nicht der Grund, warum er die actio depositi habe. 348 Reichard, Drittschadensersatz 186 – 190; Schulz, Aktivlegitimation 40 ff., SZ 32; zuletzt Litewski, Personen 319 f.; RIDA 47. Schulz erörtert die Stelle unter der Frage, wieso der Dieb die actio depositi habe, obwohl er sie doch aus seinem dolus erwerbe. Nach Schulz habe Marcellus eine Mindermeinung vertreten und sei von dem Grundsatz abgewichen, dass man aus seinem dolus keine Klage erwerben könne. Im Text wird versucht, zu begründen, dass dieser Grundsatz für Kontraktsklagen überhaupt nicht galt. Reichard, Drittschadensersatz 186 – 190, behandelt die Frage unter dem auch hier interessierenden Aspekt, ob der Hinterleger ein Interesse haben musste, um die actio depositi erfolgreich erheben zu können. Er vertritt die Ansicht, der auch hier gefolgt werden wird, dass das Interesse-Erfordernis nur der Lösung der Konkurrenzsituation, wie sie zwischen dem Eigentümer und dem Hinterleger besteht, diene. 349 Übersetzung: Wenn ein bösgläubiger Besitzer oder ein Dieb eine Sache hinterlegen, könnten auch diese mit Erfolg mit der actio depositi klagen, glaubt Marcellus im 6. Buch seiner Digesten: Denn sie haben ein Interesse, weil sie haften. 350 Im 6. Buch behandelt Marcellus nach Lenel (P I, Marcellus 58 – 60, Sp. 598) das depositum. Dabei geht Lenel (a. a. O. Sp. 598 Fn. 2) von einem Schreibversehen in der Inskription von D. 16,3,22 aus. 351 Praedo ist eigentlich der Räuber, meint aber den bösgläubigen Besitzer (Wacke, Papinian D. 12.6.55, S. 395 f.), vor allem den bösgläubigen Besitzer bei der hereditatis petitio (vgl. Ulp. 15 ed D. 5,3,25,3 zum SC Iuventianum; Heumann / Seckl s.v. 446; VIR IV 1 s.v. 1028, 14). Auch die Basiliken sprechen vom bösgläubigen Besitzer (o( kak$= pi/stei nomeu/j, vgl. B. 13,2,1,39 Hb II 36; Scheltema A II 724), und das Basilikenscholion e)pela/beto bezieht das auf den Erbschaftsbesitz (vgl. Scholion e)pela/beto zu B. 13,2,1,39, Hb II 36, Scheltema B II 646). Das Scholion könnte von Stephanus stammen (vgl. Heimbach, Manuale 266; zu Pri=moj und Sekou=ndoj bei Stephanus siehe Scheltema, L’enseignement 26). Im folgenden soll der Fall nur für den Fall des Diebes weiterverfolgt werden. 352 Zwar steht der nam-Satz nicht mehr im AcI. Der Konjunktiv teneantur deutet aber darauf hin, dass der gesamte Satz eigentlich in die indirekte Rede gehört. 353 Zu dieser Stelle vgl. nur Knütel, Pflichtenkonflikt 239 ff., und die kurzen Hinweise unten in § 21 III.
§ 15 Das Interesse-Erfordernis bei der actio depositi
275
Dabei ist die Frage nicht unproblematisch gewesen. So fällt auf, dass für die Entscheidung sich sowohl Ulpian als auch Tryphonin ausdrücklich auf Marcellus beziehen. Auch das vorsichtige „putat“, das Ulpian dem Marcellus zuschreibt, deutet in diese Richtung. Es mag also auch Juristen gegeben haben, die eine andere Ansicht als Marcellus vertraten oder andere Argumente vorbrachten. Dass hier die Kürzung eines Kontroversenberichts vorliegt, ist möglich354. Mit dem Satz „quod teneantur“ ist die Haftung des Diebes aus der condictio furtiva, nicht aus der actio furti gemeint355. Denn weil die Haftung des Diebes damit im Zusammenhang stehen soll, dass der Dieb für die actio depositi aktivlegitimiert ist, also mit der actio depositi die Rückgabe der Sache erzwingen können soll, muss es sich bei der Haftung des Diebes ebenfalls um eine Haftung aus einer sachverfolgenden Klage handeln356. Die Aktivlegitimation des Diebes wird damit begründet, dass dieser ein Interesse habe. Für unsere Zwecke ist erheblich, ob man damit der Stelle entnehmen kann, dass generell das Interesse Voraussetzung der Erhebung der actio depositi war357. 354 Einen Bericht über eine Kontroverse zwischen Trebatius und Labeo mit abschließender Stellungnahme Ulpians finden wir etwa im übernächsten § 41. Kontroversenberichte sind also der Darstellung Ulpians im Ediktskommentar nicht fremd. Liegt die Kürzung eines Kontroversenberichtes vor, wäre unsicher, in welchen Zusammenhang die Schlußbegründung gehörte. 355 So auch Stephanus im bereits erwähnten Basilikenscholion e)pela/beto (Hb II 36; Scheltema B II 646): o( de\ t%= fou=rti kondiktiki/% kratei=tai. Auf die condictio furtiva stellt in einer ähnlichen Stelle auch Pomponius in 38 Quint.Muc. D. 47,2,77,1 ab. Es geht um die Frage, ob der bestohlene Dieb die actio furti habe. Dies wird verneint, obwohl der bestohlene Dieb dem Eigentümer aus der condictio furtiva hafte und insoweit doch ein Interesse des bestohlenen Diebes am rem non subripi bejaht werden könnte. Für den Fall des praedo, des bösgläubigen Besitzers, bringt Stephanus (a. a. O.) das Beispiel eines bösgläubigen Erbschaftsbesitzers, der aus der hereditatis petitio haftet. 356 Die actio furti ist eine pönale Klage, die mit der sachverfolgenden condictio furtiva gehäuft werden kann. Der Bestohlene kann mit der actio furti das duplum erlangen, selbst wenn er die gestohlene Sache bereits wieder erhalten hat (vgl. Ulp. 42 Sab D. 13,1,7,1; Kaser, RP I § 143 III, S. 618). Hingegen erlischt die condictio furtiva, wenn der bestohlene Eigentümer die Sache wiederbekommen hat (vgl. etwa zum Annahmeverzug Ulp. 27 ed D. 13,1,8pr.). 357 Gewisse Parallelen bietet Pomp. 38 Quint.Muc. D. 47,2,77,1. Auf diese Stelle weist auch Knütel in der Digestenübersetzung hin (Behrends / Knütel / Kupisch / Seiler, CIC III 339 Fn. 2). Dort wird gefragt, ob der Dieb einer Sache, dem wiederum die Sache gestohlen wird, gegen den zweiten Dieb die actio furti habe. Die Frage wird verneint. Der erste Dieb habe zwar ein Interesse, weil er dem Eigentümer aus der condictio furtiva hafte, doch stehe dem Interessenten die actio furti nur zu, wenn er das Interesse ex honesta causa habe. Damit ist der Satz gemeint, dass niemand aus seinem eigenen dolus eine Klage erwerben dürfe (vgl. Ulp. 29 Sab D. 47,2,12,1; D. 47,2,14,3 – 4). Dementsprechend habe der erste Dieb die actio furti gegen den zweiten Dieb nicht, weil der erste Dieb sonst die actio furti aufgrund seines eigenen Diebstahls habe, denn dieser begründet sein Interesse. Von unserem Fall unterscheidet sich dieser Fall insoweit, als es für die actio furti eine feststehende Voraussetzung war, dass aktivlegitimiert sei, wer ein Interesse daran habe, dass die Sache nicht gestohlen sei, vgl. nur G. 3,203 und Kaser, RP I § 143 II 2b, S. 616 f. Für die actio depositi gibt es eine entsprechende Regel nicht. Aktivlegitimiert ist grundsätzlich der Verwahrer, nicht ein irgendwie Interessierter.
276
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
1. Die Stelle wird in der Literatur zum einen unter dem Aspekt diskutiert, wie sich die Entscheidung des Marcellus zu der Lehre verhalte, dass niemand aus seinem dolus eine Klage erwerben dürfe358. Nicht zutreffen dürfte die Erklärung, der Dieb erwerbe die Klage nicht unmittelbar aus seiner improbitas, also aus seinem Diebstahl, sondern erst aus der nachfolgenden Hinterlegung359. Denn Marcellus stellt für seine Begründung der Aktivlegitimation doch gerade auf die Haftung des Diebes gegenüber dem Eigentümer, also auf die Tatsache des Diebstahls, ab. Nach Schulz360 vertrete Marcellus eine Mindermeinung. Er habe gegen die herrschende Meinung dem Dieb die Kontraktsklage gewährt, obwohl er diese wegen seines eigenen dolus habe; Ulpian habe sich im Ediktskommentar und in den Disputationen361 dieser Meinung des Marcellus angeschlossen, sei im Sabinuskommentar aber der herrschenden Meinung gefolgt362. Man wird hingegen sagen müssen, dass der Satz, wonach jemand aus seinem eigenen dolus keine Klage erwerben solle, so allgemein gar nicht gelte. Er bezieht sich insbesondere nicht auf Kontraktsklagen363, sondern nur auf die actio furti, daneben noch auf die actio ad exhibendum und auf die fiktizische Klage aus verweigerter cautio damni infecti. In diesen Fällen dient der Satz dazu, die Klage im Verhältnis zwischen zwei Personen, die grundsätzlich als aktivlegitimiert in Frage kämen, demjenigen zuzuweisen, der nicht dolos gehandelt hat. Einen Beleg für die Anwendung des betreffenden Satzes auf Kontraktsklagen gibt es nicht. Schulz364 meinte allerdings, einen in Ulp. 42 Sab D. 47,2,48,4365 gefunden zu haben, allein zu Unrecht. Der Ego hat dem Tu im Rahmen einer locatio conductio Kleidung zur Reinigung gegeben. Der Tu hat die Kleidung gegen den Willen und ohne Wissen des Ego an den Titius verliehen. Ein Dieb hat die Kleidung bei Titius gestohlen. Ulpian entscheidet: Tu hat die actio furti gegen den Dieb; Ego hat ebenfalls eine actio furti gegen den Tu. Ulpian schließt mit dem Kommentar, dass ein Ausnahmefall zur Regel vorliege, dass ein Dieb die actio furti nicht
358 Vgl. Ulp. 29 Sab D. 47,2,12,1: … sed nemo de inprobitate sua consequitur actionem … . 359 So Reichard, Drittschadensersatz 186 f. m.Fn. 82. Reichard bringt aber selbst a. a. O. 187 die wohl zutreffende Begründung, der auch hier gefolgt wird, siehe dazu sogleich im Text. 360 Schulz, Aktivlegitimation 39 ff. 361 Ulp. 1 disp. D. 5,1,64pr. 362 Nämlich in Ulp. 29 Sab D. 47,2,12,1 und 14,3 – 4, ferner in Ulp. 42 Sab D. 47,2,48,4. 363 So wohl schon Reichard, Drittschadensersatz 187 Fn. 82. 364 Schulz, Aktivlegitimation 39 f. 365 Ulp. 42 ed D. 47,2,48,4: Si ego tibi poliendum vestimentum locavero, tu vero inscio aut invito me commodaveris Titio et Titio furtum factum sit: et tibi competit furti actio, quia custodia rei ad te pertinet, et mihi adversus te, quia non debueras rem commodare et id faciendo furtum admiseris: ita erit casus, quo fur furti agere possit.
§ 15 Das Interesse-Erfordernis bei der actio depositi
277
erwerben dürfe. Dies dürfte damit zu erklären sein, dass der Tu die actio furti schon vor seinem eigenen Diebstahl potentiell erworben hat, da er dem locator Ego für custodia einzustehen hat366. Hier interessiert eine weitere Überlegung. Schulz fragt, warum der Tu überhaupt die actio furti gegen den Dieb habe und nicht vielmehr der Titius, der als Entleiher dem Tu für custodia einstehen und damit auch statt des Tu für die actio furti aktivlegitimiert sein müsste. Nach Schulz367 sei dies eben deshalb nicht der Fall, weil der Tu die actio commodati überhaupt nicht habe, die er aus seinem dolus erwerben würde, so dass der Titius dem Tu auch nicht für custodia hafte. Die anscheinend bisher übersehene Lösung368 dürfte eine andere sein. Der Titius kann die actio furti schon deshalb nicht haben, weil er nicht dem Eigentümer Ego für custodia hinsichtlich der Rückgabe der Sache haftet. Hinter der Frage, wer aktivlegitimiert für die actio furti ist, versteckt sich, wenn der Dieb eine dritte Person ist, immer nur die Frage nach der Konkurrenz zwischen dem Eigentümer und dem Nichteigentümer369. Grundsätzlich hat der Eigentümer die actio furti, es sei denn, die Sache wird einem Nichteigentümer gestohlen, der dem Eigentümer wegen der Rückgabe der Sache für custodia einzustehen hat370. Da der Titius dem Eigentümer Ego nicht für custodia haftet, kann ihm die actio furti nicht zustehen, sie muss im Verhältnis zwischen Ego und Titius dem Ego zustehen. Diesem steht sie aber nicht zu, weil im Verhältnis zwischen Ego und Tu der Tu dem Ego für custodia haftet. Dass sich hinter der Frage, wer aktivlegitimiert für die actio furti ist, nur das Konkurrenzproblem, ob der Eigentümer oder ein Nichteigentümer die Klage hat371, verbirgt, ergibt sich aus der Darstellung der Lehre bei Gaius372 und aus den übrigen Quellen. Der fullo und sarcinator haben die actio furti, weil sie dem dominus aufgrund der custodia-Haftung für den Diebstahl der Sache haften373. Sie haben die Klage nicht deshalb, um sich ihren Anspruch auf Schulz, Aktivlegitimation 39; Klingenberg, „Constitutum est“ 262. Schulz, Aktivlegitimation 40. 368 Zu weiteren Erklärungsansätzen siehe nur Klingenberg, „Constitutum est“ 263 ff. 369 So schon Schulz, Aktivlegitimation 26 f. unter I 2, ohne aber ausdrücklich auf die Konkurrenzfrage abzustellen. Ferner Kaser, RP I § 143 II 2b, S. 617: statt des Eigentümers habe der zahlungsfähige für custodia haftende Nichteigentümer die Klage. Doch schränkt Kaser a. a. O. ein, die Handhabung sei in manchen Fällen kontrovers gewesen. 370 So ausdrücklich Schulz, Aktivlegitimation 26 f. unter I 2. Dem dürfe auch die Voraussetzung, der Nichteigentümer habe die actio furti, wenn er die Sache ex domini voluntate habe (vgl. Paulus 2 man D. 47,2,86), entsprechen: der Nichteigentümer wird dem Eigentümer für custodia vor allem aufgrund einer einverständlichen Sachüberlassung haften, etwa im Rahmen einer locatio conductio oder eines commodatum (vgl. Kaser, RP I § 118 III 2, S. 508 m.Fn. 34 ff.). Vgl. zur Paulusstelle auch Schulz, Aktivlegitimation 34. 371 Etwas anderes gilt zum einen, wenn nicht ein Dritter die Sache stiehlt, sondern der Eigentümer oder der Nichteigentümer, vgl. Schulz, Aktivlegitimation 27 unter I 3. Etwas anderes gilt auch dann, wenn der Nichteigentümer ein dinglicher oder quasidinglicher Berechtigter ist, so dass es an der Alternativität fehlt, vielmehr die actio furti zwischen dem Eigentümer und dem Nichteigentümer geteilt wird. Dies ist der Fall beim Nießbraucher, beim gutgläubigen Besitzer, vielleicht beim Pfandgläubiger, beim Käufer und beim Pächter. Vgl. Kaser, RP I § 143 II 2b, S. 617. Schulz, Aktivlegitimation, hatte die entsprechenden Quellen noch für interpoliert gehalten. Siehe zu dieser Frage § 18 IV 2b. bb. 372 Vgl. G. 3,203 – 207. 366 367
278
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
Werklohn erhalten zu können. Dies ergibt sich aus der Begründung für ihre Aktivlegitimation. Der Eigentümer hat kein Interesse, weil er den Sachwert von den Konduktoren erlangen kann (suum consequi possit). Entsprechend wird auch beim Entleiher darauf abgestellt, dass er für custodia einzustehen hat. Das Interesse des Entleihers ergibt sich also nicht daraus, dass er die entzogene Sache nutzen möchte, sondern dass er für diese Sache dem Eigentümer haftet. Auch der Verwahrer hat die actio furti deshalb nicht, weil er für den Diebstahl dem dominus nicht haftet. Dass es für das Interesse nur auf die Haftung gegenüber dem Eigentümer ankommt, wird auch daraus deutlich, dass die Aktivlegitimation des fullo entfällt, wenn er nicht zahlungsfähig ist. Sein Interesse, den Werklohn zu verdienen, ist das gleiche, aber sein Haftungsinteresse fällt weg, da er dem Eigentümer wegen des Diebstahls nichts zahlen wird374. Die Alternativität von Aktivlegitimation des Eigentümers und des diesem wegen Nichtrückgabe der gestohlenen Sache haftenden Nichteigentümers wäre nur dann fraglich, wenn beide wegen eines verschiedenen Interesses aktivlegitimiert wären; der Nichteigentümer etwa wegen eines Gebrauchsinteresses. Dass zur Aktivlegitimation nicht das Gebrauchsinteresse berechtigt, sondern das Haftungsinteresse, zeigt die Entscheidung des Gaius in D. 19,2,6375. Wäre der Mieter aufgrund seines Gebrauchsinteresses zur actio furti aktivlegitimiert, könnte sich die Frage, ob der Mieter das Erlangte an den locator herauszugeben hat, gar nicht stellen, denn im Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter steht der Gebrauch der Sache dem Mieter zu. Da aber das Haftungsinteresse zur Aktivlegitimation berechtigt, konnte sich die Frage stellen, ob der Mieter das erlangte Duplum an den Vermieter herauszugeben hat, da ihm doch die Rückgabe der Sache nicht möglich ist. Gaius verneint diese Frage, der Mieter hat im Rahmen der actio locati nur den einfachen Sachwert zu ersetzen. Dahinter steht der Gedanken, dass der Mieter auch das Risiko trägt, überhaupt den Dieb zu finden und erfolgreich zu verklagen376. Auch der Verwahrer hat die actio furti nicht, weil er kein Haftungsinteresse hat, sondern höchstens ein Interesse, wegen etwaiger Aufwendungen die Sache zurückbehalten zu können377. Dass der Titius in D. 47,2,48,4 die actio furti nicht hat, ist also unabhängig davon, ob dem Tu gegen den Titius eine actio commodati zusteht, aufgrund derer der Titius dem Tu für custodia haften würde. Die Stelle bietet also keinen Beleg für die These, dass der Satz, niemand dürfe aus seiner improbitas eine Klage erwerben, auch für Vertragsklagen gegolten habe.
Der Satz, dass niemand aus seinem dolus eine Klage erwerben dürfe, findet sich ausdrücklich ausgesprochen in Bezug auf die actio furti378. Auch die allgemeine
373 So deutlich Ulp. 29 Sab D. 47,2,12pr. Ähnlich die Verallgemeinerung Julians in Ulp. 29 Sab D. 47,2,14,10: … neque enim, inquit, is, cuiuscumque intererit rem non perire, habet furti actionem, sed qui ob eam rem tenetur… 374 Vgl. Ulp. 29 Sab D. 47,2,12pr.: … nam qui non habet quod perdat, eius periculo nihil est. Freilich verliert der fullo die Möglichkeit, den Werklohn zu verdienen; aber darauf kommt es eben nicht an. Zur Lohngefahr siehe Kaser, RP I § 132 V 3, S. 571. 375 Gaius 10 edpr D. 19,2,6: Is qui rem conduxerit non cogitur restituere id quod rei nomine furti actione consecutus est. 376 Vgl. zum Satz cuius periculum, eius lucrum Justinian C. 6,2,22,3a. 377 Vgl. Mod. 2 diff Coll. 10,2,6: Res deposita si subripiatur, dominus dumtaxat habet furti actionem, quamvis eius apud quem res deposita est intersit ob inpensas in rem factas rem retinere. Modestin verneint also im Ergebnis die Aktivlegitimation des Verwahrers. Zur Stelle siehe § 18 IV.
§ 15 Das Interesse-Erfordernis bei der actio depositi
279
Formulierung in Ulp. 29 Sab D. 47,2,12,1 gehört unzweifelhaft in den Zusammenhang der actio furti. Bei der actio furti hat die Regel auch ihren guten Sinn: Dem Dolosen die actio furti zu geben, hieße aufgrund der Alternativität des Konkurrenzverhältnisses zwischen Eigentümer und Nichteigentümer hinsichtlich der Aktivlegitimation zur actio furti die Klage dem Eigentümer zu nehmen; die Rechtsverletzung, die in dem dolus liegt, würde noch verstärkt379. Dies gilt aber gerade nicht in unserem Fall D. 16,3,1,39: Würde man dem Dieb die actio depositi verweigern, hätte sie der bestohlene Eigentümer deshalb noch lange nicht380. Dass der Satz, niemand dürfe aus seinem dolus eine Klage erwerben, nicht für Vertragsklagen gilt, sondern nur dann, wenn es um ein Konkurrenzproblem zwischen einem Redlichen und einem Unredlichen geht, zeigen die Stellen381, in denen dieser Grundsatz auch in Rede steht, nämlich bei der actio ad exhibendum382 und bei der fiktizischen Klage wegen Verweigerung der cautio damni infecti383. Bei Ver378 Vgl. Ulp. 29 Sab D. 47,2,14,3 – 4, D. 47,2,12,1; Pomp. 38 Quint.Muc. D. 47,2,77,1. Zu diesem Grundsatz zuletzt umfassend Klingenberg, „Constitutum est“. 379 Gäbe man etwa in Ulp. 29 Sab D. 29 D. 47,2,14,3 – 4 dem Verwahrer die actio furti, hätte sie der hinterlegende Eigentümer nicht. In D. 47,2,77,1 hat hingegen der Eigentümer die actio furti, weil sie der bestohlene Dieb nicht hat. Dass es um das Konkurrenzverhältnis zwischen Eigentümer und bestohlenem Dieb geht, zeigt auch die Lösung des Servius in D. 47,2,77,1, nach der der bestohlene Dieb dann die actio furti hat, wenn der Eigentümer nicht auftritt. 380 Zu dieser Frage siehe § 21. 381 Vgl. zu den folgenden Stellen Giaro, Dogmatische Wahrheit 81 m.Fn. 281, BIDR 90, 1987. Klingenberg, „Constitutum est“ 246 Fn. 11, verweist zur Aussage, dass niemandem der eigene dolus nützen dürfe, noch auf Ulp. 31 ed D. 17,2,63,7. In dieser Stelle geht es freilich nicht um den Klagenerwerb, sondern darum, dass sich ein socius nicht auf das beneficium competeantiae berufen dürfe, wenn er dolos seine Leistungsfähigkeit gemindert hat. Diese Entscheidung dürfte auch durch die vergleichbare ausdrückliche dolus-Klausel in der actio de peculio begünstigt worden sein. 382 Vgl. Ulp. 24 ed D. 10,4,3,11: Si mecum fuerit actum ad exhibendum, ego ob hoc, quod conventus sum ad exhibendum actione, agere ad exhibendum non possum, quamvis videatur interesse mea ob hoc, quod teneor ad restituendum. sed hoc non sufficit: alioquin et qui dolo fecit quo minus possideret poterit ad exhibendum agere, cum neque vindicaturus neque interdicturus sit, et fur vel raptor poterit: quod nequaquam verum est. eleganter igitur definit Neratius iudicem ad exhibendum hactenus cognoscere, an iustam et probabilem causam habeat actionis, propter quam exhiberi sibi desideret. Derjenige, der dolos den Besitz aufgegeben hat, und der Dieb oder der Räuber können nicht die actio ad exhibendum erheben, denn auch hier würde dies bedeuten, dass dem Berechtigten, etwa dem Eigentümer, die Erhebung der actio ad exhibendum gegen den Besitzer unmöglich gemacht wird, weil dieser Besitzer dem Dieb die Sache ohne dolus herausgeben würde, wenn der Dieb gegen ihn die actio ad exhibendum geltend machen könnte. 383 Ulp. 53 ed D. 39,2,11,13: Si quis, quia sibi non cavebatur, in possessionem aedium missus fuerit, deinde is cuius aedes fuerunt, cum praeterea alias aedes haberet, desideret ab eo, qui in possessionem missus est, ut sibi damni infecti harum aedium nomine, quarum in possessionem missus est, caveret, an sit audiendus, videamus. et Iulianus scribit: is qui vitiosis aedibus cesserit, si integras retinuerit, numquid improbe ab eo, qui vitiosas aedes coepit possidere,
280
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
tragsklagen geht es hingegen nie um ein Konkurrenzproblem, denn die Vertragsklage kann eben nur der Vertragspartner haben, selbst wenn er im Verhältnis zu einem Dritten unredlich ist. Dass in unserem Fall in D. 16,3,1,39 der Dieb die actio depositi erhält, verstößt also jedenfalls nicht gegen den Grundsatz, wonach niemand aus seinem dolus eine Klage erwerben dürfe. 2. Lässt sich nun der Stelle D. 16,3,1,39 entnehmen, der Hinterleger habe nur die actio depositi erheben können, wenn er ein Interesse gehabt habe? Soweit die Quellen aussprechen, dass auch ein Nichteigentümer hinterlegen könne, wird für die Aktivlegitimation bei der actio depositi ein besonderes Interesseerfordernis jedenfalls nicht aufgestellt, auch nicht für die actio commodati384. Reichard385 schlägt überzeugend folgende Lösung vor: Dem Dieb steht die actio depositi grundsätzlich allein deshalb zu, weil er die Sache in Verwahrung gegeben hat. Mit dem Interesseerfordernis wird das Problem der Konkurrenz zu den Rückforderungsklagen des Bestohlenen gegen den Verwahrer gelöst. Denn auch der Bestohlene kann mit der reivindicatio und der vorbereitenden actio ad exhibendum die Sache vom Verwahrer zurückverlangen386. Hat der Eigentümer die Sache vom Verwahrer zurückerhalten, haftet der Dieb dem Eigentümer nicht mehr aus der condictio furtiva387, denn diese ist sachverfolgend. Nach der Lösung des Marcellus entfällt daher dann die actio depositi des Diebes gegen den Verwahrer. Marcellus kommt damit zum selben Ergebnis wie Tryphoninus, dass dem Dieb die actio depocautionem exigit, cum ideo possessionem amiserit, quia ipse damni infecti satis non dederat? et sane parum probe postulat ab eo caveri sibi earum aedium nomine, quarum ipse cavere supersedit: quae sententia vera est. Wäre hier die Forderung nach Abgabe einer cautio gerechtfertigt, würde bei Nichtabgabe der cautio durch den missus der Grundstückseigentümer wieder den Besitz erlangen. Daraufhin würde der quis wieder eine cautio verlangen, der Eigentümer würde diese verweigern und der quis nun zum zweiten Male eingewiesen. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, entscheidet Julian, der Eigentümer dürfe selbst nicht eine cautio verlangen. Auch hier steht also ein Konkurrenzproblem inmitten: Einer soll eine cautio oder den Besitz erlangen; dies ist der, der nicht dolos handelt. Denn dolos handelt der Eigentümer, der erst eine cautio verweigert, wohl weil vom Grundstück keine Gefahr ausgehe, dann aber selbst eine cautio verlangt. Letztlich geht es um das Verbot widersprüchlichen Verhaltens. 384 Vgl. PS 2 Coll. 10,7,1: Deponere possumus apud alium id quod nostri iuris est vel alieni. Von einem solchen Interesse verlautet auch nichts in Tryph. 9 disp. D. 16,3,31,1, wo sich Tryphonin ja zur Frage der Aktivlegitimation des Diebes immerhin auf Marcellus beruft. Kein besonderes Interesse wird auch gefordert hinsichtlich der Aktivlegitimation des verleihenden Diebes für die actio commodati, vgl. Paulus 28 ed D. 13,6,15 und eben auch Marcellus 5 dig D. 13,6,16. Auch dem verpfändenden Nichteigentümer steht die actio pigneraticia zu, vgl. Ulp. 28 ed D. 13,7,9,4. Zu D. 5,1,64pr. und D. 4,9,1,7 siehe unten. 385 Reichard, Drittschadensersatz 187 ff. 386 Zur Passivlegitimation des Verwahrers für die reivindicatio des bestohlenen Eigentümers siehe Knütel, Pflichtenkonflikt 256 f., mit auch zu unserer Stellen passenden Ausführungen zu D. 16,3,31,1 sowie unten § 17 I 2. 387 Nur die Haftung aus der condictio furtiva meint der Satz quod teneantur, denn es geht nur um die Haftung wegen der Sachrückgabe aus sachverfolgenden Klagen, nicht um die pönale actio furti, siehe oben.
§ 15 Das Interesse-Erfordernis bei der actio depositi
281
siti nur zustehe, wenn der Eigentümer die Sache nicht vom Verwahrer herausverlangt388. Marcellus erspart es sich dabei aber, wie Tryphoninus begründen zu müssen, warum die Herausgabe der Sache durch den Verwahrer an den Eigentümer im Verhältnis zum hinterlegenden Dieb keinen dolus begründet, um eine Haftung des Verwahrers gegenüber dem Dieb aus der actio depositi auszuschließen. Dass sich hinter der Frage lediglich ein Konkurrenzproblem verbirgt389, erhellt auch, wenn man sich die prozessuale Situation vor Augen hält. Der Hinterleger wird nur vortragen, dass er die Sache beim Beklagten hinterlegt habe; er wird von sich aus nicht zur Sprache bringen, er habe die Sache gestohlen. Dies wird nur der Beklage tun. Nach der Lösung des Marcellus ist der Vortrag des beklagten Verwahrers, der Hinterleger habe die Sache gestohlen, irrelevant. Ob der Hinterleger die Sache gestohlen hat, gehört nicht in den Prozess zwischen Hinterleger und Verwahrer. Anders wird dies erst dann, wenn der Verwahrer vorträgt, er habe die Sache an den bestohlenen Eigentümer herausgegeben. Im Verwahrungsverhältnis stellt sich dann die Frage, ob der Verwahrer dazu berechtigt war, ob er dolos gehandelt hat. Dies hat er nicht, wenn der Hinterleger die Sache gestohlen hatte. Aber so muss der Vortrag des Verwahrers eben lauten, nämlich dass er die Sache an den Bestohlenen zurückgegeben habe; mit der bloßen Behauptung, der Hinterleger habe die Sache gestohlen, kann er seine eigene Pflichtverletzung, die ja selbst eine diebstahlsähnliche Verletzung begründen könnte, nicht rechtfertigen390. 388 Vgl. Tryph. 9 disp D. 16,3,31,1: … quod si ego ad petenda ea non veniam, nihilo minus ei restituenda sunt qui deposuit, quamvis male quaesita deposuit … Dabei lässt sich Tryphonin sogar so verstehen, dass sich die Aussage des Marcellus, soweit Tryphonin sie wiedergibt, gerade auf den Fall bezieht, dass der Eigentümer die Sache nicht vom Verwahrer herausverlangt. Denn der Satz quod et Marcellus scribit schließt sich gerade an die Fallvariante bei Tryphonin an, dass der Eigentümer Ego die Sache nicht vom Verwahrer zurückverlangt. 389 Reichard, Drittschadensersatz 187 f., verweist zur Begründung der Konkurrenzlösung auch auf Ulp. 14 ed D. 4,9,1,7: Item Pomponius libro trigensimo quarto scribit parvi referre, res nostras an alienas intulerimus, si tamen nostra intersit salvas esse: etenim nobis magis, quam quorum sunt, debent solvi. et ideo si pignori merces accepero ob pecuniam nauticam, mihi magis quam debitori nauta tenebitur, si ante eas suscepit. Dabei ist der Text mit a me (vgl. Mommsen, EM I 161 Fn. 1, nach Haloander) statt ante eas leichter verständlich. In dieser Stelle wird die Haftung des Sachempfängers aus dem receptum nautae gegenüber dem Nichteigentümer erörtert. Nach Reichard sei das Interesse deshalb Voraussetzung der ediktalen Haftung gegenüber dem einbringenden Nichteigentümer, weil es um die Konkurrenz zur reivindicatio des Eigentümers gehe. Das Interesseerfordernis habe die Funktion, den Ausschluss des Eigentümers zugunsten des Einbringenden zu begründen. Die Erörterung entzündet sich bei Ulpian anscheinend an dem cuiusque des in D. 4,9,1pr. überlieferten Edikts; eine Erörterung, ob der Einbringende Eigentümer sein müsse, war also dringender als beim depositum. 390 Dass die Frage, ob der Hinterleger die Sache gestohlen habe, nicht in den Prozess zwischen dem Hinterleger und dem Verwahrer gehört, weiß auch Justinian, der in der Konstitution C. 4,34,11,3 von 529 anordnet, dass selbst wenn ein Dritter einen Eid geleistet hat, dass der Hinterleger nicht Eigentümer sei, der Hinterleger dennoch die Rückgabe an sich durch Sicherheitsleistung erzwingen könne. Die Sicherheitsleistung müsste sich dann beziehen auf eine Vertretung des Verwahrers durch den Hinterleger bei einem Prozess des Dritten gegen den
282
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
Zur Lösung Reichards passt auch ein Vergleich mit dem Problem, wer aktivlegitimiert für die actio furti ist. Dies ist derjenige, der ein Interesse daran hat, dass die Sache nicht gestohlen wurde391. Wie oben bereits gesehen, verbirgt sich hinter diesem Interesseerfordernis letztlich nur ein Konkurrenzproblem392: Soll der Eigentümer oder der bestohlene Inhaber der Sachherrschaft die actio furti haben? Hat der bestohlene Inhaber der Sachherrschaft kein Interesse und ist er somit nicht aktivlegitimiert für die actio furti, führt dies stets dazu, dass der Eigentümer die actio furti hat393. Dazu, dass der hinterlegende Dieb für die actio depositi ohne weiteres aktivlegitimiert ist, passt auch, dass der Dieb Interdiktenbesitz hat394. Die Rechtsordnung gesteht also dem Dieb die Möglichkeit zur Sachverfolgung durchaus zu.
IV. Ulp. 1 disp D. 5,1,64pr. Einer anderen Stelle freilich könnte zu entnehmen sein, ein Interesse sei Voraussetzung für das erfolgreiche Erheben der actio depositi gewesen. Es handelt sich um Ulp. 1 disp. D. 5,1,64pr.395, 396: Non ab iudice doli aestimatio ex eo quod interest fit, sed ex eo quod in litem iuratur: denique et praedoni depositi et commodati ob eam causam competere actionem non dubitatur.397 Verwahrer. Ob diese Lösung klassisch ist, ist zweifelhaft. Die Novelle 88,1 geht dann auch von dieser Lösung ab und bestimmt, dass der Dritte dem Verwahrer die Rückgabe gar nicht untersagen darf, sondern vielmehr gleich den Prozess mit dem Hinterleger suchen soll. 391 Vgl. G. 3,203: Furti autem actio ei conpetit, cuius interest rem salvam esse, licet dominus non sit. itaque nec domino aliter conpetit, quam si eius intersit rem non perire. 392 Anders ist dies, wie gesagt, wenn der Nichteigentümer ein dinglich oder quasidinglicher Berechtigter ist. 393 Ausdrücklich etwa G. 3,205: Die Frage lautet nicht nur, ob der fullo oder sarcinator die actio furti hat, sondern die Frage lautet, ob die Klage diese oder der dominus hat. Dasselbe gilt für die Frage der Aktivlegitimation des Verwahrers in G. 3,207. 394 Vgl. Kaser, RP I § 94 III 2a, S. 387. 395 Der Ind.Itp. hat keinen Eintrag. Nach Kaser, Besitz und Verschulden 121 Fn. 6, SZ 51, sei dolum aestimare der klassischen Rechtssprache fremd; er erwägt stattdessen, es habe ursprünglich geheißen [doli] aestimatio. Man kann hier, wie immer fragen, ob in der Kette depositi et commodati beide Glieder echt seien (zu diesem Problem siehe unten § 13 I 2 zu D. 13,1,16). De Ruggiero hält in seiner eingehenden Untersuchung zu diesem Problem in der Stelle beide Glieder für echt (vgl. „Depositum vel commodatum“ 16 – 24, insbes. 21 m.Fn. 1). Der Entleiher haftet zwar nicht nur für dolus; unterbleibt aber die mögliche Rückgabe wegen eines dolus, kann der Verleiher den Schätzungseid schwören (vgl. Ulp. 28 ed D. 13,6,3,2). Die Stelle wird also auch hinsichtlich des commodatum echt sein. 396 Reichard, Drittschadensersatz 190. Die Stelle wird in der Literatur zum großen Teil unter der Frage erörtert, ob die Entgegensetzung von Interesse und Schätzungseid klassisch oder justinianisch sei; für interpoliert hält etwa Chiazzese, Jusiurandum 194, 201, die Stelle, weil die Entgegensetzung nicht klassisch
§ 15 Das Interesse-Erfordernis bei der actio depositi
283
Ulpian beginnt mit der Feststellung, dass der Judex im Falle des dolus des Beklagten die Verurteilungssumme nicht nach dem Interesse des Klägers bemisst, sondern nach dem Schätzungseid des Klägers. Da zu erwarten ist, dass die Verurteilungssumme nach dem vom Kläger beschworenen Betrag zu bemessen ist398, wenn der Kläger erst einmal den Schätzungseid geleistet hat, wird die Aussage dahin zu verstehen sein, dass im Falle eines dolus des Beklagten der Judex dem Kläger überhaupt erst den Schätzungseid zuzuschieben habe399. Darauf folgt die Aussage, dass nicht bezweifelt werde, dass einem bösgläubigen Besitzer auch die actio depositi und commodati zustehe. Beide Aussagen sind durch ein denique und ein ob eam causam verbunden400. Mit dem Schätzungseid401, dem iusiurandum in litem, beziffert der Kläger den Wert der Leistung und beschwört ihn. Dieser Eid muss dem Kläger vom Judex zugeschoben werden402. Der Judex schiebt den Eid nur zu, wenn der Beklagte contumax ist oder sonst aus dolus nicht zur Herausgabe in der Lage. Soweit der vom Kläger geschätzte Betrag das eigentliche Interesse des Klägers überschreitet, dient der Mehrbetrag als Strafe für die Widersetzlichkeit; die Befürchtung dieser Strafe soll den Beklagten zur Naturalerfüllung anhalten403. Ursprünglich mag die religiöse Bedeutung des Eides den Kläger von willkürlicher Überschätzung abgehalten haben404; später hat der Judex die Befugnis, den Eid nur mit taxatio zuzulassen405. Für das depositum ist uns der Schätzungseid außer in unserer Stelle noch bezeugt in Ulp. 30 ed D. 12,3,3, in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,26, Ulp. 30 ed D. 16,3,5pr., Diocl. C. 4,1,10. Es gibt keinen Grund zu bezweifeln, dass der Schätzungseid bei beiden Formeln zulässig war.
sei; ebenso Provera, Iusiurandum 15 m.Fn. 18. Anderer Ansicht etwa Medicus, Id quod interest 205 ff., aus Anlass von Ulp. 35 ed D. 26,7,7pr.: Die Klassiker hätten einen schwankenden Sprachgebrauch gehabt, weil beide Konzepte, das der Gleichsetzung und das der Entgegensetzung, sinnvoll gewesen seien. 397 Übersetzung: Die Bestimmung des Streitwertes geschieht im Falle des dolus durch den Judex nicht nach dem Interesse des Klägers, sondern nach dem Betrag des Schätzungseides: Schließlich wird nicht bezweifelt, dass auch dem bösgläubigen Besitzer aus diesem Grund die actio depositi und die actio commodati zusteht. 398 Der Richter ist an die beschworene Summe gebunden, vgl. Kaser / Hackl, § 48 IV, 340 m.Fn. 43 zu entgegenstehenden Stellen. 399 Zur delatio des Schätzungseides siehe Kaser / Hackl, § 48 IV, S. 339 f. m.Fn. 40 ff. 400 Die Basiliken B. 7,5,63 verbinden beide Aussagen durch ein o/(qen (Hb B I 281, Scheltema A I 342, 13). Dabei hat der Codex Coislinianus 151 die von Scheltema bevorzugte Lesung nomeu/j, während der Codex Parisinus gr. 1352 prae/dwn hat (Scheltema a. a. O.). 401 Siehe zum Folgenden nur Kaser / Hackl, § 48 IV, S. 339 f. 402 Ulp. 36 ed D. 12,3,4,1; Kaser / Hackl, § 48 IV, S. 340 m.Fn. 41. 403 Vgl. Kaser / Hackl, § 48 IV, S. 338 m.Fn. 39 u. 39. Als weitere Funktion des Schätzungseides kämen etwa Schätzungsprobleme bei Nichtexistenz der Sache in Betracht (vgl. Marcian 4 reg D. 12,3,5,4; nach Kaser / Hackl § 48, S. 340 Fn. 45, § 93 II 2d, S. 611 Fn. 47 nicht klassisch). 404 Vgl. etwa die Bedenken Ulpians gegen den Schätzungseid des Tutors in Ulp. 36 ed D. 12,3,4pr. 405 Vgl. Marcian 4 reg D. 12,3,5,1; jetzt umfassend Grzimek, Taxatio 142 ff.
284
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
So bezieht sich die Aussage Ulpians in Ulp. 30 ed D. 16,3,5pr., bei der actio depositi contraria sei der Schätzungseid nicht zuzulassen, auf die actio contraria in factum concepta406. Soweit in dieser Stelle die actio contraria mit einer Klage verglichen wird, bei der der Schätzungseid zulässig sei, weil es in der anderen Klage um die fides rupta gehe, wird die andere Klage die actio depositi in factum concepta sein. Lenel bezieht die Aussage in Ulp. 28 ed D. 13,6,3,2407, der Schätzungseid sei bei der actio commodati zulässig, auf die formula in factum concepta408. Das lässt es möglich erscheinen, auch die Aussage in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,26409 habe sich noch auf die formula in factum concepta bezogen410. Auch bei der actio depositi in ius concepta war der Schätzungseid zulässig, gab es diesen doch etwa auch in dem bonae fidei iudicium der actio locati411, bei der es weniger um Rückgabe ging als beim depositum.
Nimmt man nun an, dass beide Aussagen Ulpians unmittelbar aufeinander folgten und durch denique und ob eam causam412 verbunden waren, dass insbesondere das ob eam causam auf die Tatsache, dass es nicht auf das Interesse, sondern auf die beschworene Summe ankomme, bezogen sei, könnte man Ulpian so verstehen, dass dem bösgläubigen Besitzer die actio depositi nur zustehe, weil er die Verurteilungssumme beschwören könne, ein Interesse habe er nämlich nicht413. Dies kann die Aussage Ulpians aber nur sein, wenn der bösgläubige Besitzer kein Interesse hat. Dagegen spricht aber, dass der bösgläubige Besitzer ein Interesse an der Rückgabe der hinterlegten Sache hat. Geht man vom Hauptfall eines praedo aus, nämlich vom bösgläubigen Erbschaftsbesitzer, dann haftet der praedo dem Erben aus der hereditatis petitio auf Rückgabe der Sache414. Entsprechend sagt Marcellus in Vgl. Lenel, EP3 289. 407 Ulp. 28 ed D. 13,6,3,2: In hac actione sicut in ceteris bonae fidei iudiciis similiter in litem iurabitur: et rei iudicandae tempus, quanti res sit, observatur, quamvis in stricti litis contestatae tempus spectetur. 408 Vgl. Lenel, P II, Ulpian 804, Sp. 580 Fn. 4: Die Stelle beziehe sich auf die condemnatio der formula in factum concepta. Die Beziehung auf die condemnatio liegt auf der Hand; die Feststellung eines Unterschiedes zu den Klagen stricti iuris (auch wenn die Klassizität der Formulierung fraglich sein dürfte) wäre bei den formula in ius concepta banal. Im quanti res sit mag man auch ein Zitat der condemnatio der formula in factum concepta sehen. 409 Ulp. 30 ed D. 16,3,1,26: In depositi quoque actione in litem iuratur. 410 Die in der Palingenesie (P II, Ulpian 895, Sp. 614) vorgenommene Zuordnung zur formula in ius concepta hat Lenel nicht aufrechterhalten (vgl. EP3 289 m.Fn. 5). Zur Frage des Aufbaus des Ediktskommentars Ulpians siehe auch § 6. 411 Vgl. Marc. 8 dig D. 19,2,48,1; Kaser / Hackl, § 48 IV, S. 340 m.Fn. 45. Zum Abstellen auf den Charakter als bonae fidei iudicium siehe auch C. 4,1,10. 412 Ob eam causam meint aber jedenfalls nicht, dass der praedo eine Klage ex causa depositi vel commodati habe, sondern bezieht sich auf eine Aussage in dem vorhergehenden Satz; ob eam causam heißt: deshalb, daher. 413 Vgl. Reichard, Drittschadensersatz 190. 414 Der praedo haftet als bösgläubiger Besitzer bei Nichtherausgabe der hinterlegten Sache; seine Haftung beschränkt sich nicht etwa auf die Abtretung der actio depositi oder entfällt ganz, vgl. Ulp. 15 ed D. 5,3,18pr.; Paulus 20 ed D. 5,3,30. 406
§ 15 Das Interesse-Erfordernis bei der actio depositi
285
D. 16,3,1,39 über fur und praedo: teneantur. Der praedo hat also ein Interesse daran, die Sache zurückzuerhalten, weil er nach Rückgabe der Sache nicht mehr aus der hereditatis petitio haftet415. Da also der praedo ein Interesse hat, kann die Aussage Ulpians nicht darauf zielen, weil es auf ein Interesse gar nicht ankomme, habe der praedo die actio depositi, obwohl ihm das Interesse fehle. Anders könnte man die Aussage Ulpians nur verstehen, wenn man einen Widerspruch416 zwischen seiner Äußerung in D. 5,1,64pr. und in D. 16,3,1,39 annimmt. In der letzten Stelle muss man davon ausgehen, dass Ulpian der Äußerung des Marcellus zustimmt, weil er sie ohne Einschränkung anführt. In D. 16,3,1,39 bejaht Ulpian also ein Interesse des bösgläubigen Besitzers, weil er hafte, in D. 5,1,64pr. würde er es verneinen. Beide Fragmente schrieb Ulpian allerdings etwa zur selben Zeit; die Disputationen um 214417, das 30. Buch seines Ediktskommentars zwischen 212 und 214418.
Das Verständnis der Stelle wird dadurch erschwert, dass weder klar ist, wovon Ulpian im Originalzusammenhang gehandelt hat419 noch wie die Kompilatoren das Fragment verstanden haben420. Da aber nach D. 16,3,1,39 der praedo ein Interesse an der Rückgabe der Sache durch den Verwahrer hat, kann die Aussage jedenfalls nicht so verstanden werden, für die Erhebung der actio depositi sei eigentlich ein Interesse Voraussetzung gewesen421.
415 Reichard, Drittschadensersatz 190, sieht den praedo nur allgemein als bösgläubigen Besitzer und nimmt an, es sei nicht klar gewesen, ob und wie der praedo dem Eigentümer auf Herausgabe hafte. Zum einen ist aber praedo vorzugsweise der bösgläubige Erbschaftsbesitzer (siehe dazu schon oben dieser Paragraph), zum anderen kommt der praedo auch in D. 16,3,1,39 mit der Bemerkung vor, dass er hafte. 416 Etwa Reichard, Drittschadensersatz 190: der praedo hafte in D. 16,3,1,39, in D. 5,1,64pr. hafte er nicht. 417 Liebs, HLL IV 185. 418 Honoré, Ulpian2 176. 419 Lenel (P II, Ulpian 33 ff., Sp. 388 f.) nimmt an, dass Ulpian in diesem Abschnitt von den Prozessvertretern handelt und hält einen Zusammenhang mit dem Thema von Ulp. 8 ed D. 12,3,7 (Vulgo praesumitur alium in litem non debere iurare quam dominum litis: denique Papinianus ait alium non posse iurare quam eum, qui litem suo nomine contestatus est) für möglich (a. a. O. 389 Fn. 2). 420 Dass die Kompilatoren eine bestimmte Vorstellung gehabt haben, könnte sich aus der Versetzung der lex 65 ergeben. Im Titel 5,1 De iudiciis. Ubi quisque agere vel conveniri debeat geht es dem Titel zufolge etwa um den Gerichtsstand. Ab der lex 56 bis zur lex 68 folgen die Fragmente, die zur Sabinus-Masse gehören, mit Ausnahme der lex 65 der BluhmeKrüger-Ordnung. Soweit Fragmente der Bluhme-Krüger-Ordnung folgen, lässt sich eine Vorstellung der Kompilatoren vom Inhalt nicht ermitteln. Aufschluss kann aber die Versetzung der lex 65 geben, die nach der Bluhme-Krüger-Ordnung zwischen die leges 61 und 62 gehört hätte. Anscheinend haben die Kompilatoren einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen den leges 61 bis 64 gesehen, den sie nicht durch die lex 65 unterbrechen wollten. Dieser Zusammenhang ist uns aber nicht mehr erkennbar. 421 Eine andere Begründung gibt Reichard, Drittschadensersatz 190, für das Ergebnis, der Stelle D. 5,1,64pr. lasse sich das Interesse-Erfordernis nicht entnehmen: Bei der Streitwertermittlung durch Schätzungseid habe auch stets ein Interesse des Klägers vorgelegen. Der Schät-
286
4. Kap., 2. Abschn.: Die actio depositi als Zugriffsklage
V. Weitere Stellen Auch anderen Stellen lässt sich nicht entnehmen, der Hinterleger habe ein besonderes Interesse an der Rückgabe haben müssen. Nach Ulpian in 30 ed D. 12,3,3422 solle der Judex den Hinterleger nicht zum Schätzungseid zulassen, weil der Wert der Münzen bestimmt sei; nach dem Interesse, das der Kläger an der Rückgabe der Münzen hat, ist nicht zu fragen. Erörtert wird dann nur, ob die Verurteilungssumme im Einzelfall auch höher zu bemessen sei423; dass der Hinterleger ein (Mindest-)Interesse haben müsse, folgt daraus aber nicht. Auch in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,43 – 44 wird zwar das id quod interest erwähnt, doch folgt daraus nicht, der Hinterleger habe einen Schaden darlegen müssen, um erfolgreich klagen zu können. Ulpian behandelt die Personenmehrheit sowohl auf Verwahrerseite (§ 43) als auch auf Hinterlegerseite (§ 44). Das Kritierium des id quod interest dient hier zur Lösung des Konkurrenzproblems424; kann der zweite Verwahrer auch noch verklagt werden bzw. wie hoch ist die Verurteilungssumme zugunsten jedes Hinterlegers zu bemessen? Das id quod interest kann damit auch einfach den Sachwert und muss nicht ein Interesse des klagenden Hinterlegers meinen. Ebensowenig lässt sich aus Marc. 5 (6) dig D. 16,3,22425 etwas für das Erfordernis eines besonderen Interesses des Hinterlegers entnehmen, denn auch hier dient zungseid sei nur eine andere Methode der Ermittlung dieses Interesses, habe aber nicht dazu gedient, eine Urteilssumme zu bemessen, wenn der Kläger gar kein Interesse hatte. 422 Ulp. 30 ed D. 12,3,3: Nummis depositis iudicem non oportet in litem iusiurandum deferre, ut iuret quisque quod sua interfuit, cum certa sit nummorum aestimatio. nisi forte de eo quis iuret, quod sua interfuit nummos sibi sua die redditos esse: quid enim, si sub poena pecuniam debuit? aut sub pignore, quod, quia deposita ei pecunia adnegata est, distractum est? Die Stelle stammt aus dem Titel D. 12,3 De in litem iurando. Dass sie bei Ulpian aus der Erörterung des depositum stammt, dürfte aber wegen der Buchzahl und wegen der Erörterung des Schätzungseides gerade beim depositum nicht zu bezweifeln sein (vgl. Lenel, P II, Ulpian 895, Sp. 614 a. E., der die Stelle nach D. 16,3,1,26 einordnet. Diese lautet: In depositi quoque actione in litem iuratur). 423 Der mit nisi eingeleitete Schluss ist verdächtig (siehe nur Medicus, Id quod interest 22 m.Fn. 16 – 18). Auffallend ist die Einführung in ein Problem mittels rhetorischer Frage, ohne dass eine Antwort gegeben wird. Das ist für den Ediktskommentar Ulpians, der klare Anweisungen für die Praxis geben sollte, ungewöhnlich. Für echt hält den Schluss etwa Bertolini, Il Giuramento 213 Fn. 17. 424 Vgl. Medicus, Id quod interest 260, 300 f. m.Fn. 5. 425 Marc. 5 (6) dig D. 16,3,22: Si duo heredes rem apud defunctum depositam dolo interverterint, quodam utique casu in partes tenebuntur: nam si diviserint decem milia, quae apud defunctum deposita fuerant, et quina milia abstulerint et uterque solvendo est, in partes obstricti erunt: nec enim amplius actoris interest. quod si lancem conflaverint aut conflari ab aliquo passi fuerint aliave quae species dolo eorum interversa fuerit, in solidum conveniri poterunt, ac si ipsi servandam suscepissent: nam certe verum est in solidum quemque dolo fecisse et nisi pro solido res non potest restitui. nec tamen absurde sentiet, qui hoc putaverit
§ 16 Der Bereicherungsgedanke bei der actio depositi
287
das id quod interest nur zur Lösung eines Konkurrenzproblems, inwieweit der Hinterleger noch den anderen Erben des Verwahrers verklagen kann426.
VI. Zusammenfassung Die actio depositi setzt damit kein besonderes Interesse des Hinterlegers voraus, sie ist keine Schadensersatzklage, sondern eine Klage auf Rückgabe der Sache.
3. Abschnitt
Die actio depositi als Bereicherungsklage § 16 Der Bereicherungsgedanke bei der actio depositi Die actio depositi ist also eine Klage wegen doloser Nichtrückgabe427, wegen doloser Herbeiführung der Unmöglichkeit der Nichtrückgabe428 und zur Ermöglichung des Zugriffs auf die hinterlegte Sache429.
I. Einleitung In diesem Paragraphen soll untersucht werden, ob der Verwahrer auch dann haftet, wenn ihm die Nichtrückgabe unmöglich ist, ohne dass ihm deswegen dolus vorzuwerfen ist, der Verwahrer aber aus dieser Unmöglichkeit einen Vorteil in Händen hat, ob also die actio depositi auch zur Abschöpfung einer beim Verwahrer vorhandenen Bereicherung dient. Der Verwahrer kann etwa wegen der Unmöglichkeit der Rückgabe Klagen gegen einen Dritten haben430; der Verwahrer kann einen Kaufpreis für die hinterlegte Sache in Händen halten431 oder es mag auch nur die Möglichkeit bestehen, dass die Sache wieder an ihn gelangt432. plane nisi integrae rei restitutione eum, cum quo actum fuerit, liberari non posse, condemnandum tamen, si res non restituetur, pro qua parte heres exstitit. Lenel (P I, Marcellus 60, Sp. 598 Fn. 2) vermutet einen Schreibfehler in der Inskription; die Stelle stamme aus dem 6. Buch. 426 Vgl. Medicus, Id quod interest 260, 301 Fn. 5. 427 Vgl. § 12 IV, § 13 II. 428 Vgl. oben § 13 I. 429 § 14 II, III, IV. 430 Afr. 7 quaest D. 16,3,16; Paulus 31 ed D. 16,3,2. 431 Ulp. 30 ed D. 16,3,1,47. 432 Paulus 18 ed D. 16,3,20.
288
4. Kap., 3. Abschn.: Die actio depositi als Bereicherungsklage
Einen Aspekt der actio depositi als Bereicherungsklage hatten wir schon kennengelernt: Die Tatsache, dass der Verwahrer die Sache noch hat (und insoweit bereichert ist), indiziert den dolus. Kommen nicht noch weitere Umstände hinzu, ist also der dolus gegeben, so dass Neraz formulieren kann: tunc enim quaerendum, an dolo malo feceris, cum rem non habes433. Insoweit lässt sich also die actio depositi, die dem Hinterleger zusteht, weil der Verwahrer die Sache doloserweise nicht zurückgibt, auch als Bereicherungsklage beschreiben. Darüberhinaus wird in Ausnahmekonstellationen zuweilen auch auf das Erfordernis des dolus ganz verzichtet, wenn nur die hinterlegte Sache noch beim Verwahrer, dieser also insoweit bereichert ist434.
II. African 7 quaest D. 16,3,16 Als Bereicherungsklage erscheint die actio depositi in African 7 quaest D. 16,3,16435: Si is, apud quem rem deposueris, apud alium eam deponat et ille dolo quid admiserit, ob dolum eius, apud quem postea sit depositum, eatenus eum teneri apud quem tu deposueris, ut actiones suas tibi praestet.
1. Überblick Der Verwahrer hat die Sache bei einem anderen in Verwahrung gegeben. Der Unterverwahrer hat einen dolus in Bezug auf die Sache begangen. Julian436 entUlp. 30 ed D. 16,3,1,21 a. E. Zur Stelle siehe oben § 12 IV. Ist die Sache noch beim Verwahrer, haftet der Bürge, auch wenn der Verwahrer keinen dolus begangen hat, etwa weil er geisteskrank oder ein pupillus ist (Labeo in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,14). Durch die Verurteilung des Bürgen wird der Verwahrer Eigentümer der hinterlegten Sache (Neratius 1 resp D. 16,3,30). Auch gegen den bereicherten pupillus wird die actio depositi gegeben, wenn kein dolus vorliegt (Ulp. 30 ed D. 16,1,1,15). 435 Burillo, Las formulas 261 f.; Litewski, Personen 321 f.; Wesenberg, Verträge 29; Reichard, Drittschadensersatz 212 ff. Die Stelle wird zum einen unter dem Gesichtspunkt behandelt, auf welche Formel der actio depositi sie sich beziehe, wobei zumeist von einem Bezug auf die actio depositi in ius concepta ausgegangen wird (z. B. Reichard). Für Burillo ist es wahrscheinlich, dass sich die Entscheidung auf die formula in ius concepta bezieht, weil bei einem bonae fidei iudicium das quidquid dare facere oportet ex fide bona auch die Abtretung einer Klage umfassen könne. Bei der formula in factum concepta habe der Judex den Verwahrer nur entweder freisprechen oder verurteilen können, eine andere Möglichkeit habe nicht bestanden. Mag auch dem Ergebnis zuzustimmen sein, so überzeugt die Begründung nicht. Auch bei einem bonae fidei iudicium kann der Judex letztlich den Beklagten nur entweder verurteilen oder freisprechen. Bei beiden Formeln kann der Judex den Verwahrer auf den Sachwert verurteilen, wenn dieser die Klagen nicht abtritt, bzw. nach Abtretung freisprechen, weil es am dolus des Verwahrers fehlt. Zum anderen wird die Stelle zum Problemkreis des Vertrages zugunsten Dritter diskutiert (vgl. nur Litewski, Personen 321 ff.). Siehe zu dieser Frage § 21. 433 434
§ 16 Der Bereicherungsgedanke bei der actio depositi
289
scheidet, dass wegen des dolus des Unterverwahrers der Verwahrer soweit hafte, dass er die Klagen, die er gegen den Unterverwahrer habe, gegen den Hinterleger Tu abtrete. Eines fällt sofort auf: Die Entscheidung betrifft nur die Frage der Haftung des Verwahrers für den dolus des Unterverwahrers. Nicht gesagt wird, wie der Verwahrer für eigenen dolus haftet. Man kann daraus schließen, dass der Verwahrer durch die Unterverwahrung selbst nicht dolos gehandelt hat437. Jedenfalls wird ein solcher dolus des Verwahrers in der Stelle nicht diskutiert. Ist die Unterverwahrung durch den Verwahrer dolos, so macht er sich die Rückgabe unmöglich, denn er kann nicht mehr jederzeit auf Verlangen des Hinterlegers die Sache sofort zurückgeben438. Damit haftet der Verwahrer ab diesem Zeitpunkt für Zufall und muss dem Hinterleger den Sachwert ersetzen, nicht nur die Klagen abtreten439. Überlegt man, wann eine Unterverwahrung dolos ist, so wird man sagen müssen, dass dies regelmäßig der Fall ist440, bringt doch der Hinterleger der Person des Verwahrers besonderes
436 Das Subjekt zu respondit und ähnlichen Ausdrücken ist zumeist Julian. African hat aber den Entscheidungen Julians eigene Erörterungen und Varianten angefügt (vgl. Liebs, HLL IV 107). Es lässt sich daher nicht ganz ausschließen, dass hier Afrikan in dieser Stelle zu uns spricht. 437 So auch Stephanus im Scholion tou=to no/hson zu B. 13,2,16 (Hb II 48, Scheltema B II 657, 17). Ebenso Burillo, Las formulas 262; Schulz, Klagen-Cession 89 m.Fn. 3. Auch Faber, Rationalia II 361, geht davon aus, dass der Verwahrer bei Hingabe der Sache in Unterverwahrung nicht dolos gehandelt habe. Er erörtert auch, dass der Verwahrer wegen einer culpa malae electionis, wenn er also den Unterverwahrer falsch ausgewählt hätte, nicht haftete, da der Verwahrer nur für dolus einzustehen habe. Nach Faber könne der Verwahrer nicht auf die Restitution der Sache haften, da er diese nicht habe und auch nicht aufgrund eines dolus nicht habe. Faber vergleicht mit Berufung auf Accursius den Fall unter Verweis auf Paulus 21 ed D. 3,5,20,3 mit einem negotiorum gestor, der auch für die culpa in eligendo hafte, weil der negotiorum gestor auch für culpa einzustehen habe. Der negotiorum gestor könne sich daher nicht durch Abtretung der Klagen befreien, sondern müsse dem Geschäftsherrn vollen Ersatz leisten. Nach Faber müsse der Verwahrer die Klagen abtreten, weil diese ihm zustehen. Nach allgemeinen Regeln beschränke sich die Haftung dessen, der nur haftet, weil ihm Klagen gegen einen anderen zustehen, darauf, diese Klagen abzutreten; Faber verweist insoweit auf Scaevola 2 quaest D. 15,1,51 und Ulp. 30 ed D. 16,3,1,11. Es handelt sich also um den umgekehrten Fall zu Marcellus 4 dig D. 42,1,12 (dazu unten § 17 I 4). Dort muss der Verwahrer Ersatz leisten und der Hinterleger seine Klagen abtreten, hier muss der Verwahrer keinen Ersatz leisten, dafür aber seine Klagen abtreten. Es geht letztlich um die Frage, wer das Risiko tragen soll, dass der Dritte nicht auffindbar oder insolvent ist. In unserer Stelle D. 16,3,16 ist dies der Hinterleger, weil der Verwahrer von dolus frei ist. Eine entsprechende Regelung des Liquidationsrisikos findet sich heute in § 255 BGB (der strukturell dem Fall von D. 42,1,12 ähnelt), siehe dazu Selb / Staudinger12, § 255 Rn. 3. 438 Vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,22. 439 Vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,25; dazu siehe § 13 I. 440 Dolus wird im Fall von Diocl. C. 4,34,7 vorliegen. Dort hat der Verwahrer das Geld einem anderen geliehen und scheint sich gegenüber der Rückforderung des Hinterlegers darauf zu berufen, der Hinterleger solle doch die Rückzahlungsfrist des mutuum abwarten oder auch vielleicht sich mit der Klageabtretung begnügen. Die Kaiser Diokletian und Maximianus be-
290
4. Kap., 3. Abschn.: Die actio depositi als Bereicherungsklage
Vertrauen entgegen441, das etwa durch die Infamiefolge der Verurteilung geschützt wird. Doch können Fälle vorkommen, in denen der Verwahrer nicht anders kann, als die Sache anderswo in Verwahrung zu geben, wenn er etwa selbst eine Reise unternehmen muss oder sein eigenes Haus einer Brandgefahr ausgesetzt ist442. Daneben kann auch vereinbart sein, dass die Sache in Unterverwahrung gegeben werden darf443.
Dem Verwahrer fällt aber auch kein anderer dolus zur Last, insbesondere nicht hinsichtlich eines Unterlassens der Rückforderung der Sache. Das wird daran deutlich, dass der Unterverwahrer sich eines dolus schuldig gemacht hat; dieser hat also etwa die Sache verkauft oder sonstwie unterschlagen oder doch zumindest auf Rückforderungsverlangen des Verwahrers die Rückgabe dolos verweigert444. 2. Die Klagen des Erstverwahrers gegen den Unterverwahrer Der Plural bei actiones suas wirft die Frage auf, welche Klagen der Verwahrer neben der actio depositi gegen den Unterverwahrer hat445. Klagen, die aus dem Eigentum entspringen wie die reivindicatio oder die actio exhibendum, scheiden aus, weil der Verwahrer nicht Eigentümer ist. Auch die actio furti kommt nicht in Betracht, denn der Verwahrer ist für diese nicht aktivlegitimiert446. Diskutiert wird, ob der Plural auf die beiden Formeln der actio depositi hinweist447 oder die Stelle insoweit unecht ist448. scheiden, der Verwahrer müsse das Geld sofort zurückzahlen. Hier wird es dolos gewesen sein, das Geld einem anderen als mutuum zu geben. 441 Ulp. 30 ed D. 16,3,1,4. 442 Vgl. etwa zum Rücktritt des Sequesters Ulp. 30 ed D. 16,3,5,2. 443 Vgl. Ulp. 28 ed D. 13,6,5,12. Mit Erlaubnis des Verleihers hat der Entleiher die geliehene Sache einem Dritten verpfändet. Trifft den Entleiher keine Verantwortlichkeit dafür, dass der Pfandgläubiger die Sache nicht zurückgibt, weil er den Pfandgläubiger schon befriedigt hat, haftet der Entleiher dem Verleiher aus der actio commodati nur auf Abtretung der Pfandklage. Kranjc (Klageformeln 153 f., 157 Fn. 71) bezieht die Stelle auf die actio commodati in ius concepta, weil die Abtretungslösung sich mit der actio in factum concepta nicht habe bewältigen lassen. 444 Es steht hier also nicht in Frage, ob der Verwahrer zur Rückforderung verpflichtet wäre oder ob er von vornherein den Hinterleger auf die Klageabtretung verweisen könnte. 445 Wesenberg, Verträge 29, will wegen des Plurals den Satzteil ut actiones suas tibi praestet streichen. Dagegen bemerkt Litewski, Personen 321 Fn. 368, zu Recht, dass dann das eatenus in der Luft hinge. 446 Vgl. nur G. 3,207. 447 So etwa Litewski, Personen 321 Fn. 368. Der Ausdruck „actio“ bedeute auch Prozessformel. Reichard, Drittschadensersatz 213, denkt an neben der actio depositi zustehende eventuelle Deliktsklagen, ohne diese näher zu benennen. Das Argument, der Plural könne sich nicht auf die beiden Formeln der actio depositi beziehen, weil es sich nur um zwei Formeln derselben Klage handle (so etwa Lenel, EP3 255 zur actio pigneraticia), ist nicht überzeugend, denn die römischen Juristen dürften kaum auf diese Weise zwischen actio und formula unterschieden haben (vgl. Litewski, Bestehen 185, und siehe oben § 3).
§ 16 Der Bereicherungsgedanke bei der actio depositi
291
Es ist nicht einsichtig, wieso der Jurist hier extra betonen sollte, dass, wie Gaius in G. 4,47 sagt, der Prätor beim depositum zwei Formeln proponiere. Es dürfte sich um einen verallgemeinernden Ausdruck handeln, der besagen soll, dass der Verwahrer nur frei ist, wenn er alle Klagen, die ihm gegen den Unterverwahrer zustehen, abtritt449. Soweit man einen solch ungenauen Ausdruck Julian nicht zutraut, mag er auch auf spätere Überarbeitungen zurückgehen. Dass die Entscheidung nicht echt sei, Julian vielmehr entschieden habe, der Verwahrer sei schlechtweg freizusprechen450, ist nicht anzunehmen. Denn spätestens mit der Ediktsredaktion Julians ist die actio depositi in ius concepta im Album zu finden, und diese Klage sollte jedenfalls die Abtretungslösung ermöglichen451. 3. Die Aktivlegitimation des Erstverwahrers für die actio depositi gegen den Unterverwahrer Dem Verwahrer steht hier die actio depositi zu, weil zwischen ihm und dem Unterverwahrer ein Verwahrungsverhältnis besteht, der Erstverwahrer die Sache beim Unterverwahrer hinterlegt hat. Die Erhebung der actio depositi setzte kein besonderes Interesse des Hinterlegers voraus, der Judex konnte den Verwahrer immer auf den objektiven Sachwert verurteilen452, so dass es auf ein besonderes Interesse des Erstverwahrers, die Sache zurückzuerhalten, nicht ankommt. Würde die Klage des Verwahrers gegen den Unterverwahrer ein Interesse des Verwahrers voraussetzen, könnte man in der Stelle ein Problem der Drittschadensliquidation sehen453. Der Erstverwahrer hätte keine Klage gegen den Unterverwahrer, weil er zwar die Sache in Verwahrung gegeben hat, aber er hat kein Interesse, weil er weder der Eigentümer der Sache ist noch dem Eigentümer haftet. Der Eigentümer Tu hätte zwar ein Interesse an der Wiedererlangung der Sache, aber er hätte keine Klage gegen den Unterverwahrer. Die Entscheidung Julians könnte dann auf einer Art Zirkelschluss beruhen454: Der Verwahrer hat die Klage gegen den Unterverwahrer, weil er dem Eigentümer haftet, und er haftet, weil er die Klage hat455. Die Echtheit des Schlusses etwa bezweifelnd Lenel, Afrikans Quästionen 32 Fn. 8, SZ 51. Es könnte sich insoweit um einen generellen Plural handeln. Dieser wird etwa von Personen (liberi, parentes) verwendet, die in der Regel in der Mehrzahl auftreten; dass es im Einzelfall auch nur eine Person sein kann, wird vernachlässigt. Vgl. Hofmann / Szantyr 16. So kann es auch hier sein; der Verwahrer soll alle Klagen abtreten; dass es nur eine sein könnte, interessiert den Juristen nicht. 450 Dass Julian sich für eine Verurteilung ausgesprochen hätte, liegt wegen der Betonung, dass es um den dolus des Unterverwahrers gehe, fern. Eine vierte Möglichkeit neben Verurteilung, Freisprechung und Abtretungslösung ist nicht ersichtlich. 451 Siehe zu solchen Abtretungslösungen bei der actio empti die Beispiele unten. 452 Vgl. § 15. 453 Zu diesem Problem umfassend Reichard, Drittschadensersatz, zu unserer Stelle im Kontext der Drittschadensliquidation 168 Fn. 60 und 171 Fn. 16. 454 Vgl. Reichard, Drittschadensersatz 225 ff. Siehe auch die berühmte Begründung Ulpians 31 ed in D. 17,1,8,3: Si quis mandaverit alicui gerenda negotia eius, qui ipse sibi 448 449
292
4. Kap., 3. Abschn.: Die actio depositi als Bereicherungsklage
4. Die Begründung der Entscheidung Es bleibt die Frage, wie sich die Entscheidung begründen lässt. a) Im Rahmen des bonae fidei iudicium der actio depositi in ius concepta wird man sagen können, dass es der bona fides entspricht, den erlangten Vorteil dem Hinterleger herauszugeben, denn das ist eben das quidquid dare facere oportet ex fide bona456. So finden sich entsprechende Entscheidungen457 vor allem bei dem bonae fidei iudicium der emptiovenditio. Der Verkäufer, der die Kaufsache nicht übergeben kann, weil diese gestohlen wurde, muss dem Käufer die actio furti und andere Klagen abtreten; hat er schon etwas vom Dieb erlangt, muss er das Erlangte herausgeben, vgl. Ulp. 29 Sab D. 47,2,14pr.; Gaius 10 edpr D. 18,1,35,4. Dabei stellt Ulpian auf das oportere ab. Wird die Kaufsache vor Übergabe beschädigt, muss der Verkäufer dem Käufer die Klage aus der lex Aquilia und ähnliche Klagen abtreten, vgl. Ulp. 32 ed D. 19,1,13,12; vgl. auch I. 3,23,3a. Ist der Verkäufer seines Anteils an einem fundus communis durch den Miteigentümer mit der actio communi dividundo belangt worden und hat der Teilungsrichter das Grundstück dem anderen Miteigentümer zugesprochen, dann muss der Verkäufer das, was er vom Miteigentümer erlangt hat, an den Käufer herausgeben, vgl. Ulp. 32 ed D. 19,1,13,17.
b) Aber lässt sich die Entscheidung auch im Rahmen der formula in factum concepta begründen? Die Verurteilungsvoraussetzung si paret mensam argenteam deposuisse eamque dolo malo redditam non esse scheint dem entgegenzustehen, denn nach dem Wortlaut muss sich der dolus auf die Nichtrückgabe gerade der hinterlegten Sache beziehen. Kann der Verwahrer die hinterlegte Sache nicht zurückgeben, ohne dass ihm deshalb ein dolus vorzuwerfen ist, liegt es nicht auf der Hand, wie der Verwahrer gezwungen werden kann, den durch die Unmöglichkeit erlangten Vorteil herauszugeben. aa) Man könnte den Gedanken einer Surrogation458 heranziehen: Der erlangte Vorteil ersetzt die hinterlegte Sache und ist statt dieser zurückzugeben. Wird dieser mandaverat, habebit mandati actionem, quia et ipse tenetur (tenetur autem, quia agere potest) … . Siehe auch Sturm, Rez. Reichard 547, SZ 115, der erläutert, dass solche Zirkelschlüsse keine Scheinbegründungen sind, sondern treffend die juristischen Wertungen herausarbeiten. 455 Dieser Zirkelschluss ist nicht nötig, wenn dem Verwahrer die hinterlegte Sache gestohlen wird. Die römischen Juristen können an der Lösung festhalten, dass der Verwahrer dem Hinterleger nicht wegen des Diebstahls haftet und daher nicht zur Vermeidung der Verurteilung seine Klagen gegen den Dieb abtreten muss. Denn die Juristen können die actio furti und die condictio furtiva ohne weiteres dem hinterlegenden Eigentümer zusprechen; sie sind nicht wie im Fall der Unterverwahrung auf die Abtretungslösung angewiesen. 456 Vgl. Reichard, Drittschadensersatz 213. 457 Vgl. Windscheid / Kipp, Pandektenrecht II9, § 264 Fn. 6, S. 94; auch schon in der 5. Auflage § 264 Fn. 6, S. 57. 458 Mit der Surrogation bringt man auch den § 285 (281 a. F.) BGB in Verbindung, nach dem der Schuldner bei Unmöglichkeit der Leistung das stellvertretende commodum herausgeben muss (vgl. Stadler / Jauernig13, § 285 Rn. 2). Auch für die BGB-Verfasser ist § 281 BGB
§ 16 Der Bereicherungsgedanke bei der actio depositi
293
Vorteil dolos nicht herausgegeben, liege das dolo malo redditam non esse vor. Gegen eine solche Möglichkeit scheint aber zu stehen, dass in der Formel gerade die hinterlegte Sache bezeichnet wird459. Der Surrogationsgedanke war aber möglicherweise der Grund dafür, warum sich mit der actio pigneraticia das superfluum verlangen ließ460. Geht man davon aus, dass der Pfandschuldner die Herausgabe des superfluum verlangen konnte461 und dass er dies mit der formula in factum concepta tun konnte462, dann stellt sich die Frage, wie sich dieses Klageziel mit dieser Formel erreichen ließ. Die Formel lautete463: Si paret Aulum Agerium Numerio Negidio rem qua de agitur ob pecuniam debitam pignori dedisse eamque pecuniam solutam eove nomine satisfactum esse aut per Numerium Negidium stetisse, quo minus solveretur, eamque rem Aulo Agerio redditam non esse, quanti ea res erit tantam pecuniam iudex Numerium Negidium condemnatio, snpa. Hatte sich der Pfandgläubiger befriedigt, indem er beim Pfandverkauf ein superfluum erzielte, so mochte man die Voraussetzung des pecuniam solutam eove nomine satisfactum esse bejahen; das redditam non esse lag jedenfalls vor464. Es war dann eine Frage des quanti ea res erit, die Verurteilungssumme als Differenz aus dem erzielten Kaufpreis und der geschuldeten Summe zu berechnen465. Fraglich war also eigentlich nur, woran die Verurteilung scheiterte,
a. F. (§ 238 Erster Entwurf) Ausdruck des auch im gemeinen Recht anerkannten Surrogationsprinzips. Die Verfasser verweisen ausdrücklich auf Windscheid, Pandekten § 264 Fn. 6 (Motive zu § 238: Mugdan, Materialien II 25). Windscheid hatte seine Ansicht neben den soeben angegebenen Stellen zur emptiovenditio auch auf D. 16,3,1,47 und D. 16,3,2 gestützt (Windscheid, Pandekten9, 2. Band, § 264 Fn. 6, S. 94). 459 Vgl. G. 4,47: si paret Aulum Agerium apud Numerium Negidium mensam argenteam deposuisse eamque dolo malo numerii negidii Aulo Agerio redditam non esse … . Bei der Angabe des nichtzurückgegebenen Gegenstandes ist mit eam auf die hinterlegte Sache Bezug genommen. In Ulp. 11 ed D. 4,3,9,3 scheidet eine actio depositi aus. Artner (Agere praescriptis verbis 165) erwägt, ein Grund könne auch sein, dass hier der Verkaufserlös die beim Sequester hinterlegte Sache habe surrogieren sollen. 460 Zu dieser Frage Kaser, Pfandrecht II 206 f., TR 47 (1979); zweifelnd Ders., ‚Furtum pignoris‘ 260 f. m.Fn. 57, SZ 99 (1982). 461 Dass der Pfandschuldner das superfluum herausverlangen konnte, ist zu erwarten; allein die Quellenbelege sind spärlich. Dies liegt vor allem daran, dass sich nicht sicher sagen lässt, ob eine Quelle sich wirklich auf das pignus bezieht. Das Fragment Ulp. 30 ed D. 13,7,24,2 etwa sollte sich ausweislich der Inskription auf die fiducia beziehen, denn das pignus behandelt Ulpian im 28. Buch (siehe etwa D. 13,7 leges 9, 11, 13 (?), 15). Dass sich C. 8,27,20 aber auf die actio pigneraticia beziehe, nimmt etwa Kaser, RP I, § 127 I, S. 537, an. 462 Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass das superfluum nur mit einer formula in ius concepta gefordert werden konnte. So etwa Kreller, Formula fiducia 172 ff., insbes. m. Fn. 126. Das ist noch problematischer als beim depositum, weil überhaupt schon unklar ist, ob es beim pignus eine formula in ius concepta gab, ferner, ob diese den Zusatz ex fide bona enthielt (vorsichtig bejahend Lenel, EP3 255; bejahend zuletzt etwa auch Litewski, Bestehen 183 ff.). 463 Lenel, EP3 255; Mantovani, Le formule2 Nr. 66. 464 Kaser, Quanti 79. 465 Nach Kaser, Quanti 79, war das keine Frage der Interessenberechnung, sondern der Kaufpreis surrogierte die aestimatio des Wertes der verpfändeten Sache; die Sache hatte sich
294
4. Kap., 3. Abschn.: Die actio depositi als Bereicherungsklage
wenn der Pfandgläubiger das superfluum herausgegeben hatte. Lag dann das redditam non esse nicht vor, weil das superfluum die verpfändete Sache surrogierte466? Eine andere Möglichkeit besteht darin, das Vorliegen der intentio zu bejahen, aber die Verurteilungssumme auf Null festzulegen. Die Frage soll hier für das pignus nicht entschieden werden. Auch bei der reivindicatio muss der Beklagte zuweilen den Kaufpreis herausgeben467. Diese Fälle dürften sich auf einen Verkauf nach litiscontestatio beziehen468. Man könnte die Surrogation hier so rechtfertigen, dass die Verurteilungsvoraussetzung, das Eigentum des Klägers, vorliege und die Frage nur eine Frage des restituere nach dem Ermessen des Judex sei. Das Formelproblem dürfte hier geringer sein als bei der actio depositi in factum concepta. Zwar ist nach der Formel die Sache, die der Beklagte restituieren soll, dieselbe, von der der Judex prüfen soll, ob sie im Eigentum des Klägers steht469. Aber wenn der Beklagte die Sache verkauft hat, dann ist die negative Verurteilungsvoraussetzung stets wahr, dass der Beklagte diese Sache nicht restituiert hat. Die Verurteilungsvoraussetzungen liegen also vor und es könnte sich vielleicht eher der Kläger beschweren, dass der Judex den Beklagten nicht sogleich verurteilt, statt ihn zur Herausgabe des (vielleicht zu niedrigen) Kaufpreises aufzufordern. Zum einen ist der Judex hier aufgrund dessen, dass die Entscheidung über die Restitution ausdrücklich in sein Ermessen gestellt ist, freier; zum anderen liegt der Unterschied vor allem darin, das sich bei der Formel der actio depositi in factum concepta das Problem insbesondere aus der Verknüpfung der Nichtrückgabe mit dem dolus-Erfordernis ergab. Für das depositum scheint eben als soviel wert erwiesen, wie der Gläubiger durch den Pfandverkauf erzielt hatte. Dass vom Sachwert die geschuldete Forderung abzuziehen war, verstand sich von selbst, weil im Verhältnis zwischen Pfandschuldner und Pfandgläubiger der erste diese Last zu tragen hatte. 466 So ausdrücklich, aber vorsichtig Kaser, Pfandrecht II 206, TR 47, der eine Parallele zu den Früchten und sonstigen Rechtsvorteilen zieht, die der Pfandgläubiger aus der Sache gezogen hat und zurückgeben müsse. Das Surrogationsprinzip gilt jedenfalls im heutigen deutschen Recht, vgl. § 1247 S. 2. Der Anspruch des Pfandschuldners auf Rückgabe des Pfandes nach § 1223 I BGB umfasst daher auch den Anspruch auf Herausgabe des Erlöses (Jauernig / Jauernig12, § 1223 Rn. 1). Das Surrogationsprinzip im BGB findet seinen Grund aber wohl vor allem im Schutz der Rechte anderer Pfandgläubiger und des Eigentümers der verpfändeten Sache, nicht aber im Schutz des Anspruchs des Verpfänders auf Herausgabe eines superfluum. 467 Vgl. Ulp. 16 ed D. 6,1,15,1; Ulp. 16 ed D. 6,1,17pr. Literatur etwa bei Wimmer, Besitz und Haftung 92 ff.; Kaser, Nochmals Besitz und Verschulden 130 f., insbes. m.Fn. 207; Schipani, Responsabilità del convenuto 72 ff. Dabei betonen Kaser den Bereicherungsgedanken, Wimmer den Surrogationsgedanken, Schipani die Fruchtähnlichkeit des Kaufpreises. Sturm (Rez. Schipani, SZ 90, S. 451 f.) bringt noch den Geschäftsführungsgedanken ins Spiel. Dabei stehen diese Gedanken nicht auf einer Ebene: Der Surrogationsgedanken sucht die Anwendbarkeit der Formel zu erklären; Bereicherungs- und Geschäftsführungsgedanken fragen nach materiellen Wertungen; der Gedanken der Fruchtähnlichkeit zielt auf den Anschluss an anerkannte Parallelen. 468 Vgl. Ulp. 16 ed D. 6,1,17pr.: … deinde cum eum Maevius a me peteret, eundem vendidero … Bei Verkauf vor litiscontestatio wäre wieder fraglich, ob der Besitzer überhaupt haftet. 469 Zur Formel Lenel, EP3 185 f.
§ 16 Der Bereicherungsgedanke bei der actio depositi
295
Gordian C. 3,32,6 (239)470: Si ea pecunia quam deposueras is apud quem collocata fuerat sibi possessiones comparavit ipsique traditae sunt, tibi vel omnes tradi vel quasdam compensationis causa ab invito eo in te conferri iniuriosum est. den Surrogationsgedanken abzulehnen. Hat der Verwahrer ohne Erlaubnis471 mit dem hinterlegten Geld Grundstücke gekauft, dann kann der Hinterleger diese nicht von ihm herausverlangen. Das Rechtsmittel, das der Hinterleger zu diesem Zweck anstrengen wollte, wird nicht benannt. Die Einordnung in den Titel C. 3,32 deutet darauf hin, dass zumindest die Kompilatoren an eine reivindicatio gedacht haben. Die Stelle lehnt also eine dingliche Surrogation ab. Es kann sich dabei um die Abweisung provinzialer Rechtsvorstellungen handeln472. Lehnt die Stelle also die dingliche Surrogation ab, so ist damit über die Möglichkeit einer schuldrechtlichen Surrogation, um die es hier geht, noch nicht entschieden. Zu bedenken ist ein weiteres: Dass die mit dem hinterlegten Geld gekaufte Sache an die Stelle des hinterlegten Geldes tritt, ist doch etwas anderes, als dass der erzielte Kaufpreis an die Stelle der hinterlegten Sache tritt.
bb) Eine zweite Begründungsmöglichkeit besteht darin, in der formula in factum concepta die beiden Voraussetzungen des redditam non esse und des dolo facere zu trennen: Der Verwahrer hat die Sache nicht zurückgegeben, und der dolus liegt vor, wenn er den erlangten Vorteil nicht herausgibt, etwa die Klagen nicht abtritt. aaa) Es fällt auf, dass die beiden Verurteilungsvoraussetzungen der formula in factum concepta im Verheißungsedikt nicht oder nur angedeutet vorkommen: Dass die Nichtrückgabe eine Verurteilungsvoraussetzung sei, lässt sich dem Edikt überhaupt nicht entnehmen473; der dolus wird im Edikt nur beim depositum necessarium und nur indirekt eingeführt, um eine Unterscheidung hinsichtlich der Haftung des Erben treffen zu können. (1) Dass die Nichtrückgabe auch im Edikt verlangt wurde, wäre eine nur schwer begründbare Annahme, denn das Edikt ist uns nach der Textgestalt der Digesten vollständig überliefert, für eine entsprechende Kürzung gibt es keine Anhaltspunkte474. Auch das commodatum-Edikt475 nennt anders als die Formel die Nicht470 Die Stelle dürfte ausweislich des Adressaten und des Datums mit Gordian C. 4,34,3 zusammengehören: Si depositi experiris, non immerito etiam usuras tibi restitui flagitabis, cum tibi debeat gratulari, quod furti eum actione non facias obnoxium, si quidem qui rem depositam invito domino sciens prudensque in usus suos converterit, etiam furti delicto succedit. 471 Er begeht einen Diebstahl, vgl. C. 4,34,3 (siehe vorherige Fußnote). 472 Siehe nur Kaser, RP II § 242 III 1c, S. 279 m.Fn. 46. 473 Die Nichtrückgabe war aber anscheinend im Edikt über das receptum nautarum genannt, nicht nur in der Formel (zu dieser Lenel, EP3 131), vgl. Ulp. 14 ed D. 4,9,1pr.: Ait praetor: ‚Nautae caupones stabularii quod cuiusque salvum fore receperint nisi restituent, in eos iudicium dabo‘. Zum Bedeutungsunterschied von reddere und restituere siehe nur Kaser, RP I § 115 III 3 u. 4, S. 493. Das restituere umfasste jedenfalls auch die Rückgabe der Sache. Von den Edikten zur actio pigneraticia und zur actio rerum amatorum (falls es zu dieser ein Edikt gegeben hat) haben wir keine Spur, vgl. Lenel, EP3, 254 m.Fn. 9 und 308 ff.
296
4. Kap., 3. Abschn.: Die actio depositi als Bereicherungsklage
rückgabe nicht, ist aber in seiner ganzen Kürze ebenfalls vollständig überliefert. Das zeigt insbesondere die Bemerkung Ulpians (Ulp. 28 ed D. 13,6,1,1): Huius edicti interpretatio non est difficilis. unum solummodo notandum476… . Entsprechend nimmt auch Lenel an, in D. 13,6,1,2 habe Ulpian schon von der formula in factum concepta gehandelt477. Überhaupt dürfte nicht davon auszugehen sein, dass Edikt habe schon alle Verurteilungsvoraussetzungen der durch dieses verhießenen Klage aufgezählt478: Zum einen ergibt sich die Rechtsverheißung des Prätors nur aus der Zusammenschau von Edikt und Musterformel, zum anderen hat das Verheißungsedikt des Prätors nur den Inhalt, der Prätor werde im entsprechenden Fall Rechtsschutz gewähren. Dieser entsprechende Fall kann jedenfalls weiter umschrieben werden479. Zu bedenken ist dabei, dass die Formel möglichst alle Verurteilungsvoraussetzungen genau beschrei474 Andere Kürzungen sind aber denkbar, beispielsweise die Kürzung einer Klausel zur Annalität, vgl. nur Ner. 2 membr D. 16,3,18 und dazu Karlowa, Röm. Rechtsgeschichte II 1, S. 1311; Taubenschlag, Geschichte 706 ff. 475 Ulp. 28 ed D. 13,6,1pr.: Ait praetor: ‚Quod quis commodasse dicetur, de eo iudicium dabo‘. 476 Ulpian kommt so auf die Frage des Unterschiedes zwischen den Ausdrücken commodare und utendum dare und auf die Frage, ob auch Grundstücke verliehen werden können. 477 Lenel, P II, Ulpian 799, Sp. 580. 478 Die Frage, ob die Formel zusätzliche Verurteilungsvoraussetzungen aufstellen konnte, die im Verheißungsedikt selbst nicht enthalten waren, ist viel diskutiert und kann hier nicht geführt werden, da sie sich anhand des depositum allein nicht entscheiden ließe, sondern grundsätzlich sämtliche Edikte mit den dazu gehörigen Formeln verglichen werden müssten. Dies ist deshalb schwierig, weil die Edikte und Formeln ja überhaupt erst zu rekonstruieren sind. Man steht dann jeweils vor der Frage, ob sich der Kommentar Ulpians in einem konkreten Fall auf das Edikt oder auf die Formel bezieht. Überhaupt wäre es zweifelhaft, ob man zu allgemeinen Thesen über das Verhältnis von Edikt und Formel kommen könnte oder ob nicht aufgrund der gängigen Modelle vom langsamen Wachstum und Ausbau des Edictum perpetuum damit zu rechnen ist, dass dieses Verhältnis in jedem Einzelfall auch anders sein könnte. Wlassak, Edict und Klageform 84, formulierte noch: „Die Formel, welche in der Regel gleichzeitig mit dem Edict proponiert werden mochte, wurde sicherlich niemals vom Praetor dazu benutzt, weitere Voraussetzungen eines Klagerechts zu statuieren, die im Edict übergangen waren.“ Wlassak, a. a. O. 97, führt sogar das Edikt zum depositum und die formula in factum concepta zum Beweise an, dass Formel und Edikt übereinstimmten; dass im Edikt das non reddere fehlt, erwähnt er nicht. Nun liegt nach dieser Schrift Wlassaks die epochale Leistung Lenels der Rekonstruktion des Edictum perpetuum. Wlassak hatte (a. a. O. 2) noch das Preisausschreiben der Bayerischen Akademie der Wissenschaften kritisiert. Wir wollen das argumentum ex auctoritate gebrauchen und auf Lenel verweisen. Dieser (EP3 X f.) betont, dass Edikts- und Formelwortlaut häufig voneinander abweichen würden und man aus dem Edikt nicht einfach den Formelwortlaut rekonstruieren dürfe. Als ein Beispiel für eine Abweichung bringt er unter anderem, dass die actio depositi in factum concepta die Voraussetzung der Nichtrückgabe enthalte, das depositum-Edikt nicht. Nach Taubenschlag, Geschichte 702 ff., habe es sowohl Fälle gegeben, in denen die Voraussetzungen in Edikt und Formel übereinstimmen als auch Fälle, in denen dies nicht der Fall war. Anderer Ansicht aber wohl Betti, Studi sulla litis aestimatio del processo civile romano II, 1915, S. 18, der einen Einschub in das Edikt verlangt (mir nicht zugänglich). 479 Instruktiv zur Eigenart des Edikts Bürge, Röm. Privatrecht 17 f.
§ 16 Der Bereicherungsgedanke bei der actio depositi
297
ben muss, soll sie den Privatrichter an die Anordnung des Jurisdiktionsbeamten binden. Demgegenüber kann das Edikt freier formuliert sein. (2) Hinsichtlich der Frage, inwieweit der dolus als Verurteilungsvoraussetzung im Edikt genannt wird480, scheint ein genauer Blick auf die Ediktsstruktur angebracht. Das Edikt in der Gestalt, in der es uns überliefert ist, lautet (Ulp. 30 ed D. 16,3,1,1: praetor ait)481: Quod neque tumultus neque incendii neque ruinae neque naufragii causa depositum sit, in simplum, earum autem rerum, quae supra comprehensae sunt, in ipsum in duplum, in heredem eius, quod dolo malo eius factum esse dicetur qui mortuus sit, in simplum, quod ipsius, in duplum iudicium dabo.
Die Ediktsgestalt ist ungewöhnlich kompliziert, da es zwei Unterscheidungskriterien gibt, die sich teilweise überschneiden. Das Edikt regelt sowohl die einfache als auch die Notverwahrung. Bei der einfachen Verwahrung wird die Erbenhaftung nicht angesprochen, bei der Notverwahrung findet sich hinsichtlich der Erbenhaftung eine Unterscheidung danach, wer den dolus begangen hat. Die Ediktstatbestände lauten: (1) Quod depositum sit, in simplum iudicium dabo482. (2) Quod tumultus incendiique ruinaeque naufragiique causa depositum sit, in ipsum in duplum iudicium dabo. (3) Quod tumultus incendiique ruinaeque naufragiique depositum sit, in heredem, quod dolo malo eius factum esse dicetur qui mortuus sit, in simplum iudicium dabo. (4) Quod tumultus incendiique ruinaeque naufragiique depositum sit, in heredem, quod dolo malo ipsius factum esse dicetur, in duplum iudicium dabo.
Es zeigt sich, dass der dolus überhaupt erst bei der Notverwahrung, und auch dort erst bei der Differenzierung hinsichtlich der Erbenhaftung auftaucht.
Taubenschlag nimmt an, dass der dolus im Edikt nicht genannt wurde (Geschichte 702). Zum depositum-Edikt siehe nur Taubenschlag, Geschichte 701 ff.; Voci, Azione penali 17 f., SDHI 64; Burillo, Las formulas 245, SDHI 28; Litewski, Depositary’s liability 4 ff. Taubenschlag, Geschichte 709, meint, dass Edikt sei uns in der ursprünglichen Fassung überliefert. 482 Dieses Edikt der einfachen Verwahrung entspricht im wesentlichen dem commodatumEdikt. Der Unterschied ist allein formaler Natur. Das Edikt zum depositum gibt die entscheidungserhebliche Tatsache im Konjunktiv Perfekt an, das commodatum-Edikt gibt diese als einseitige Behauptung des Klägers mit dicetur wieder. Nach Dernburgs Untersuchungen zum Ediktsstil muss die Klage aus dem Edikt über das depositum damit älter sein. Das Edikt über das depositum gehöre nach seiner Struktur (eingliedrig ohne Passivform von dicere) in den zweiten Abschnitt der Geschichte des Ediktsstils (Dernburg, Untersuchungen 103, 110, 117). Es müsse damit älter sein als die Edikte der dritten Stufe (mit dicetur), d. h. älter als etwa das Edikt über die actio doli (Ulp. 11 ed. D. 4,3,1,1) aus dem Jahr 66 v.Chr. und über das commodatum (Ulp. 28 ed. D. 13,6,1pr.). Soweit aber sich der Stil der zweiten Stufe aus der Anlehnung an die Gesetzessprache ergibt (Dernburg a. a. O. 108), könnte man auch an eine Beeinflussung des Ediktsstils durch das Zwölftafelgesetz über das depositum denken. 480 481
298
4. Kap., 3. Abschn.: Die actio depositi als Bereicherungsklage
Nun ist es allerdings zweifelhaft, ob das Edikt uns in der ursprünglichen Gestalt überliefert ist. Zweifel daran weckt zum Beispiel der Beginn mit einer Negativformulierung, die unvermutete Einführung des Verwahrers der Notverwahrung mit ipse. Man könnte daran denken, dass es ursprünglich zwei getrennte Tatbestände für das normale und das depositum necessarium gab, die später zusammengefügt wurden. Zu überlegen wäre etwa auch, dass ursprünglich eine Annalitäts-Klausel enthalten war. Hinweise auf die Frage, ob beim normalen depositum ursprünglich der dolus erwähnt wurde, könnte man wohl nur noch der uns erhaltenen Kommentierung Ulpians entnehmen483.
(3) Weder die Nichtrückgabe noch hinsichtlich der einfachen Verwahrung der dolus findet sich also als Voraussetzung im Edikt der uns überlieferten Gestalt. Doch kann man aus der Zusammenschau des Edikts, gewissermaßen: mit systematischer Auslegung, auch für die einfache Verwahrung das dolus-Erfordernis gewinnen. Ferner haben sich die römischen Juristen jedenfalls insoweit an die überschießende Verurteilungsvoraussetzung der Klage gebunden gefühlt, dass sie eine Verurteilung des Verwahrers ablehnten, wenn dieser die Sache zurückgegeben hatte. Das zeigen gerade die Stellen, in denen die hinterlegte Sache zurückgegeben wurde und die Verurteilung damit begründet wird, dass eigentlich keine Rückgabe erfolgt sei484. Die Juristen haben also nicht trotz Rückgabe auf einen dolus des Verwahrers abgestellt, obwohl dies nach dem Wortlaut des Edikts möglich gewesen wäre. Man könnte höchstens sagen, dass die Juristen mit dem Erfordernis der Nichtrückgabe deshalb freier umgingen und trotz Rückgabe zu Fiktionen der Nichtrückgabe griffen, weil sie sich durch das Fehlen der Nichtrückgabe als Voraussetzung im Edikt dazu ermutigt fühlten. Geht man, wie hier, gestützt auf PS. 2 Coll. 10,7,11485 davon aus, es habe in den Zwölftafeln unabhängig von der Ahndung eines furtum und nicht beschränkt auf die Notverwahrung eine Klage auf das Doppelte wegen einer Verletzung durch den Verwahrer gegeben, dann stellt sich die Frage, inwieweit das Edikt und die Formeln auch im Hinblick auf die entsprechende
483 Siehe zu dieser Frage oben § 6. Dort wurde in § 6 II 3 versucht zu begründen, dass Ulpian in D. 16,3,1,6 – 7 bei der Kommentierung des Edikts auf den Haftungsmaßstab eingeht. Dabei ist aber nicht erkennbar, dass die Erörterung Ulpians ihren Ausgang gerade im Wortlaut des Edikts findet. 484 Vgl. die berühmte Entscheidung Ulpians zur Rückgabe einer beschädigten Sache (Ulp. 30 ed D. 16,3,1,16): Si res deposita deterior reddatur, quasi non reddita agi depositi potest: cum enim deterior redditur, potest dici dolo malo redditam non esse. Ähnlich in D. 16,3,1,33: … hic enim non tantum sine dolo malo non reddidit, sed nec reddidit: aliud est enim reddere, aliud quasi de suo dare. Zweifel wirft insoweit nur auf Labeo 2 pith D. 16,3,34: Potes agere depositi cum eo, qui tibi non aliter quam nummis a te acceptis depositum reddere voluerit, quamvis sine mora et incorruptum reddiderit. Der Zweifel ließe sich (allzu?) leicht durch die Annahme beseitigen, Labeo handele von der actio depositi in ius concepta. Zu dieser Stelle siehe unten § 18 VI. 485 PS 2 Coll. 10,7,11: Ex causa depositi lege duodecim tabularum in duplum actio datur, edicto praetoris in simplum. Der Vergleich der Zwölftafeln mit dem prätorischen Edikt bezüglich altziviler Deliktsklagen findet sich auch bei Gaius in der Behandlung des furtum (G. 3, 189 – 192). Dies ist ein weiteres Indiz dafür, den Bericht der Paulussentenzen für verläßlich zu halten.
§ 16 Der Bereicherungsgedanke bei der actio depositi
299
Bestimmung der Zwölftafeln auszulegen waren486. Den (auch nur annähernden) Wortlaut der Zwölftafelbestimmung kennen wir nicht, da die Paulussentenzen nur die Höhe der Buße mitteilen. Nähme man an, dass die Zwölftafeln eine Klage wegen Nichtrückgabe einer hinterlegten Sache gaben, dann könnte die Voraussetzung der Nichtrückgabe von je in das Edikt zum depositum hineingelesen worden sein.
Zu einer Trennung der Erfordernisse von Nichtrückgabe und dolus könnte man wohl nur dann kommen, wenn man das dolo malo der Formel nicht auf ein Tun bzw. eine Unterlassung des Verwahrers bezieht, sondern auf die Beschreibung des Zustandes der Nichtrückgabe, des non redditum. Der Verwahrer hat die Sache nicht zurückgegeben; dieser Zustand kann auch dadurch ein doloser werden, dass der Verwahrer nach der Nichtrückgabe einen dolus begeht, etwa indem er eine ihm zustehende Klage nicht abtritt487. 486 Zum Verhältnis zwischen altzivilen Deliktsklagen und deren Nachfolgern im klassischen Formularverfahren, insbesondere auch zur Frage, ob die Klagen des Formularverfahrens zum ius civile oder zum ius honorarium gerechnet wurden, siehe Kaser, „Ius honorarium“ und „ius civile“ 36 ff., zum depositum S. 46. Man wird nach den Delikten unterscheiden müssen: Die Klagen aus der lex Aquilia fußten nach wie vor auf der lex, der Prätor gewährte die Formeln, ohne dass es einer Rechtsschutzverheißung in Form eines Edikts bedurfte; die Auslegung der Formeln durch die Juristen war letztlich die Auslegung der lex (vgl. zu den Formeln der Klagen aus der lex Aquilia und zur Juristeninterpretation jetzt Nörr, Zur Formel der actio legis Aquiliae, FS Knütel). Anders etwa bei der iniuria. Dort gab es Edikte (Lenel, EP3 397 ff.). Beim furtum war möglicherweise zwischen furtum manifestum und furtum nec manifestum zu unterscheiden (G. 3,189 – 190). Zum depositum gibt es das Modell (etwa Rotondi, Le due formole 25), der Prätor habe die altzivile actio auf das Doppelte durch zwei Klagen ersetzt und das duplum nur bei der Notverwahrung beibehalten, bei der einfachen Verwahrung die Buße gemildert. Ersteres entspräche der Beibehaltung der Sanktion bei der actio furti nec manifesti, letzteres der Milderung bei der actio furti manifesti. 487 Ähnlich vielleicht die Konzeption des Marcellus in Ulp. 24 ed D. 10,4,9,4: Marcellus scribit, si tibi decem nomismata sint sub condicione legata et mihi decem usus fructus pure, deinde heres pendente condicione non exacta cautione decem fructuario solverit, ad exhibendum eum actione teneri, quasi dolo fecerit quo minus possideret: dolus autem in eo est, quod cautionem exigere supersedit a fructuario effectumque, ut legatum tuum evanesceret, cum iam nummos vindicare non possis. ita demum autem locum habebit ad exhibendum actio, si condicio extiterit legati. potuisti tamen tibi prospicere stipulatione legatorum et, si prospexisti, non erit tibi necessaria ad exhibendum actio. si tamen ignarus legati tui a fructuario satis non exegit, dicit Marcellus cessare ad exhibendum, scilicet quia nullus dolus est: succurrendum tamen legatario in factum adversus fructuarium actione ait. Es geht um die dolus-Klausel der actio ad exhibendum (dolove malo eius factum est quo minus possideret (vgl. Lenel, EP3 223; Lenel, P II, Ulpian 721, Sp. 559 Fn. 2)). Der dolus bezieht sich hier nicht auf die Besitzaufgabe an sich, sondern auf einen die Besitzaufgabe begleitenden Umstand, nämlich das Unterlassen des Forderns der cautio. Hier wird die Stelle wie folgt verstanden (vgl. auch Ulp. 79 ed D. 36,3,1,17; ein einfacherer Grundfall in Jul. 35 dig D. 7,5,6): Durch Vindikationsvermächtnis (vindicare non possis) hat der Erblasser an 10 Münzen dem Tu unter einer Bedingung das Eigentum vermacht und dem Ego ohne Bedingung einen Nießbrauch. Vor Eintritt der Bedingung hat der Ego also einen Nießbrauch an 10 Münzen, nach Bedingungseintritt an 5 Münzen, während der Tu Eigentum an den 10 Münzen hat (D. 7,5,6; D. 36,3,1,17). Bei dem Nießbrauch der Münzen handelt es sich um einen Quasinießbrauch (zu diesem Kaser, RP I § 106 I 8) an vertretbaren Münzen,
300
4. Kap., 3. Abschn.: Die actio depositi als Bereicherungsklage
cc) Ob die Entscheidung in D. 16,3,16 die actio in factum concepta betrifft oder die actio in ius concepta und wie im ersten Fall die Begründung gelautet hätte, lässt sich nur den Quellen entnehmen. In D. 16,3,16 findet sich keine Begründung. Es sind daher die anderen Entscheidungen durchzusehen, in denen die actio depositi als Bereicherungsklage erscheint. Eine Begründung könnte sich vielleicht aus dem palingenetischen Zusammenhang ergeben. Im 7. Buch behandelt African nicht das depositum. Zwar ist es nicht einfach, das System des Werkes auszumachen488. Da aber African im 8. Buch sowohl mutuum und pignus, als auch die adjektizischen Klagen wie die bonae fidei iudicia mandatum, emptio venditio und locatio conductio erörtert, legt ein Vergleich mit dem Ediktssystem nahe489, dass African auch das depositum im 8. Buch behandelt hat bzw. behandelt hätte. Unsere Stelle gehört daher nicht zur Behandlung des depositum. Lenel490 setzte die Stelle zunächst unter den Titel „De solutionibus et liberationibus“ und vermutete einen Zusammenhang mit D. 46,3,38,1491. Später492 vermutete er, die Stelle gehöre zum Titel „De die stipulationi adiecta et de mora“. Die Stelle kann aber durchaus zu Fragen der Erfüllung gehören, wie ein Vergleich mit Scaev. 2 quaest D. 15,1,51 a. E. zeigt493.
nicht um einen echten Nießbrauch an Schaumünzen (trotz nomismata). Das zeigt der Vergleich mit D. 36,3,1,17 (fructuarium autem ex senatus consulto acturum et quinque usum fructum petiturum constat), aber auch die Tatsache, dass der Tu nach Bedingungseintritt die Münzen nicht mehr vindizieren kann, weil sie der Erbe an den Ego gezahlt hat. Nur bei einem Quasinießbrauch übereignet der Erbe dem Nießbraucher die Sachen, nicht bei einem echten Nießbrauch. Dabei muss der Erbe vor Bedingungseintritt Eigentümer gewesen bzw. zur Übereignung in der Lage gewesen sein (trotz G. 2,200). Der Erbe musste sich nun vor Auszahlung an den Nießbraucher die cautio usufructuaria leisten lassen. Die cautio legatorum servandorum causa (potuisti tamen tibi prospicere stipulatione legatorum) konnte hingegen der Tu vom Erben verlangen; diese cautio war wegen der dolus-Klausel auch für den Empfänger eines Vindikationsvermächtnisses interessant. Ein Fall des dolus vor der Herbeiführung der Unmöglichkeit der Rückgabe ist vielleicht Ulp. 30 ed D. 16,3,7pr.: Si hominem apud se depositum, ut quaestio de eo haberetur, ac propterea vinctum vel ad malam mansionem extensum sequester solverit misericordia ductus, dolo proximum esse quod factum est arbitror, quia cum sciret, cui rei pararetur, intempestive misericordiam exercuit, cum posset non suscipere talem causam quam decipere. Der dolus liege hier schon in der Übernahme der Verwahrung. 488 Nach Liebs, HLL IV 107, sei die Schrift nach einem eigenen System geordnet. 489 Nach Scherillo, Il sistema civilistico 450 m.Fn. 7, folgt African im 8. und 9. Buch dem Ediktsystem. 490 Lenel, P I, African 80, Sp. 21. 491 Lenel, P I, African 80, Sp. 21 Fn. 1. Zweifelnd dann Ders., Africans Quästionen 32 Fn. 8. 492 Lenel, Africans Quästionen 31 f., SZ 51. 493 Scaev. 2 quaest D. 15,1,51 a. E.: … et in omnibus, quos idcirco teneri dicimus quia habent actionem, delegatio pro iusta praestatione est. Zu dieser Stelle siehe nur Reichard, Drittschadensersatz 266 ff.
§ 16 Der Bereicherungsgedanke bei der actio depositi
301
5. Andere Fälle der Unterverwahrung Die Unterverwahrung taucht noch in Stellen auf, die sich mit dem Problem befassen, ob der Hinterleger den Besitz an der Sache behält, wenn der Verwahrer die Sache bei einem Unterverwahrer hinterlegt. Paulus bejaht dies in 15 Sab D. 41,2,30,6494. Die Unterverwahrung führe nicht zu einem Besitzverlust des Ersthinterlegers, auch wenn der Zweitverwahrer den Unterhinterleger für den Eigentümer hält und also diesem den Besitz zu mitteln glaubt. Es genügt also, dass der Unterverwahrer einen anderen als Oberbesitzer anerkennt, auch wenn er sich in der Person des Besitzes irrt. Nur scheinbar dürfte der Widerspruch zu Julian in 44 dig D. 41,3,33,4495 sein. Wenn es dort heißt, dass der Ersitzungsbesitz des Hinterlegers unterbrochen wird, dann liegt das daran, dass der Verwahrer die Sache nicht in Unterverwahrung gegeben hat, sondern einem anderen die Sache gegeben hat, der dann Eigenbesitzer ist (si creditor eius possessionem alii tradiderit). Dieser erkennt dann weder den Verwahrer noch den Hinterleger als Oberbesitzer an. Nicht zur Frage der Unterverwahrung gehört die Stelle Ulp. 30 ed D. 16,3,1,11496. Die Pflicht zur Abtretung der Klage ergibt sich aus dem Mandatsverhältnis497. Zu Fragen der Unterverwahrung in PS 2 Coll. 10,7,8 und in Diocl. C. 3,42,8 siehe § 21.
III. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,47 Man sehe zur Frage, wie die Begründung in D. 16,3,16 gelautet haben könnte, Ulp. 30 ed D. 16,3,1,47498: Quia autem dolus dumtaxat in hanc actionem venit, quaesitum est, si heres rem apud testatorem depositam vel commodatam distraxit ignarus depositam
494 Paulus 15 Sab D. 41,2,30,6: Si ego tibi commodavero, tu Titio, qui putet tuum esse, nihilo minus ego id possidebo. et idem erit, si colonus meus fundum locaverit aut is, apud quem deposueram, apud alium rursus deposuerit. et id quamlibet per plurium personam factum observandum ita erit. Die Stelle dürfte vor allem vom Ersitzungsbesitz handeln, vgl. Lenel, Paulus 1869 ff., Sp. 1288 ff. 495 Jul. 44 dig D. 41,3,33,4: Qui pignori rem dat, usucapit, quamdiu res apud creditorem est: si creditor eius possessionem alii tradiderit, interpellabitur usucapio: et quantum ad usucapionem attinet, similis est ei qui quid deposuit vel commodavit, quos palam est desinere usucapere, si commodata vel deposita res alii tradita fuerit ab eo, qui commodatum vel depositum accepit. plane si creditor nuda conventione hypothecam contraxerit, usucapere debitor perseverabit. 496 Ulp. 30 ed D. 16,3,1,11: Si te rogavero, ut rem meam perferas ad Titium, ut is eam servet, qua actione tecum experiri possum, apud Pomponium quaeritur. et putat tecum mandati, cum eo vero, qui eas res receperit, depositi: si vero tuo nomine receperit, tu quidem mihi mandati teneris, ille tibi depositi, quam actionem mihi praestabis mandati iudicio conventus. 497 Zutreffend zu den Unterschieden zwischen D. 16,3,1,11 und D. 16,3,16 etwa Reichard, Drittschadensersatz 213 m.Fn. 35; Cannata, Rez. Reichard 416. 498 Die Stelle wird einerseits zur Frage erörtert, ob die Erwähnung von depositum und commodatum echt sei. Die erste Frage ist zu bejahen, die zweite zu verneinen, siehe dazu im Text. Eine Zusammenfassung der Literatur etwa bei Zannini, Storia del commodatum 46 ff.
302
4. Kap., 3. Abschn.: Die actio depositi als Bereicherungsklage
vel commodatam, an teneatur. et quia dolo non fecit, non tenebitur de re: an tamen vel de pretio teneatur499, quod ad eum pervenit? et verius est teneri eum: hoc enim ipso dolo facit, quod id quod ad se pervenit non reddit.500
1. Der Bezug auf das depositum Es ist davon auszugehen, dass die Stelle jedenfalls auch vom depositum handelt. Zwar behandelt Ulpian im 30. Buch seines Ediktskommentars auch die fiducia501. Doch wäre nicht einzusehen, wie sich die Erörterung der fiducia in den Kommentar zum depositum, der bis D. 16,3,7,3 reicht, einschieben sollte; es wäre eher ein Anhang zu erwarten502. Die Stelle gehört ferner zum Themenkreis der passiven Vererblichkeit der actio depositi in factum concepta. De Robertis, Responsabilità 115, erörtert die Stelle unter dem Gesichtspunkt der Beweislast. Die Nichtrückgabe begründe die Vermutung des dolus. Der Erbe könne die Vermutung aber widerlegen, indem er seine ignorantia nachweise. Fragen der Beweislast werden in der Stelle aber nicht angesprochen; das ignarus wird als feststehendes Element mitgeteilt und ist nicht Teil eines Austauschs von Argumenten. Es ist zweifelhaft, ob der Verwahrer bzw. in diesem Falle dessen Erbe wirklich den dolus-Vorwurf widerlegen muss. Die Stelle sagt dazu nichts. Es ist sehr gut möglich, dass der Hinterleger beweisen muss, dass der Erbe von der Verwahrung wusste. Die Stelle erleichtert dem Hinterleger die Prozessführung aber insofern, als der Erbe sich nicht damit entlasten kann, er habe die Sache verkauft. Der Vortrag, er habe die Sache verkauft, kann ihn nur befreien, wenn er zugleich den Kaufpreis anbietet. Ähnliche Überlegungen zur Beweislast auch bei De Robertis, Rez. Metro, L’obbligazione di custodire 444. Die Tatsache der Nichtrückgabe habe die Vermutung des dolus begründet, der Verwahrer habe die prova libertoria der genügenden Bewachung führen müssen. Das zeige neben D. 16,3,1, §§ 16, 22, D. 16,3,11 auch unsere Stelle. 499 In der Wendung an tamen vel de pretio teneatur wird vel das Stilmittel der Correctio sein (vgl. Menge / Burkard / Schauer, § 445 (1a), S. 618). Nachdem Ulpian die Haftung de re verneint hat, prüft er die Haftung de pretio. Ähnlich Ulp. 41 Sab D. 47,2,39: … et ideo etiam eum, qui fores meretricis effregit libidinis causa, et fures non ab eo inducti, sed alias ingressi meretricis res egesserunt, furti non teneri. an tamen vel Fabia teneatur, qui subpressit scortum libidinis causa? … Zur lex Fabia wegen plagium siehe nur Mommsen, Strafrecht 780 ff. Man muss das vel daher nicht für einen Beleg der kompilatorischen Bearbeitung halten (so aber Schulz, Scientia 52 Fn. 3), jedenfalls für keinen Beleg einer Bearbeitung, die über die Kürzung eines Kontroversenberichtes hinausginge. 500 Übersetzung: Weil aber bei dieser Klage nur für dolus gehaftet wird, ist gefragt worden, ob der Erbe des Verwahrers haftet, wenn er die beim Erblasser hinterlegte oder dem Erblasser geliehene Sache verkauft, ohne zu wissen, dass die Sache in Verwahrung gegeben oder geliehen ist. Und weil er nicht dolos gehandelt hat, haftet er nicht wegen der Rückgabe der Sache. Ob er aber wegen des Kaufpreises haftet, der an ihn gelangt ist? Und es ist besser anzunehmen, dass er hafte. Genau dadurch nämlich handelt er dolos, dass er das, was an ihn gelangt ist, nicht zurückgibt. 501 Vgl. D. 13,7,22 und 24. Dazu nur Lenel, P II Ulpian 902 ff., Sp. 618 f.; Noodraven, Fiduzia 18 f. 502 Vgl. De Ruggiero, „Depositum vel commodatum“ 47, der auch den Zusammenhang zu den vorhergehenden §§ 45 und 46 betont, die ebenfalls Fragen von Erben beim depositum betreffen.
§ 16 Der Bereicherungsgedanke bei der actio depositi
303
Auch andere Argumente gegen die Annahme, die Stelle sei bezüglich des depositum echt, sind nicht stichhaltig. So wird vorgebracht503, dass der Hinterleger ja anders als der Fiduziant die reivindicatio gegen den Käufer habe. Er könne so die Sache erhalten und mit der actio depositi den Kaufpreis. Der Erbe hafte dann womöglich dem Käufer wegen der Eviktion. Der Hinterleger mache Gewinn, der Erbe Verlust. Lässt man einmal die Möglichkeit der Ersitzung durch den Käufer beiseite504, dann wird man davon ausgehen müssen, dass der Hinterleger den Kaufpreis nur erhält, wenn er die reivindicatio gegen den Erben abtritt505. Der reivindicatio des Erben könnte dann der Käufer zumindest die exceptio doli entgegenhalten. Wird der Erbe verurteilt, würde der Erbe das bonitarische Eigentum erwerben506. Auch hier hätte der Käufer die exceptio doli gegen eine reivindicatio oder eine etwaige actio Publiciana des Erben507. Der Hinterleger ist also gar nicht zu Lasten des Erben begünstigt. Man wird auch sagen müssen, dass man den Hinterleger nicht auf die reivindicatio beschränken kann. Das würde für den Hinterleger das Risiko bedeuten, den Käufer erst einmal zu finden, und ihm den Eigentumsbeweis aufbürden508. Stattdessen kann sich der Hinterleger an den Verwahrer halten, den er kennt und den er ausgesucht hat. Zudem kann der Hinterleger so einen etwaigen Verkaufsgewinn abschöpfen. Hätte der Hinterleger mit der reivindicatio seine Sache schon erhalten, dürfte er den Kaufpreis nicht mehr erlangen können509.
Hingegen dürfte davon auszugehen sein, dass die Stelle hinsichtlich des commodatum nicht echt ist510, wobei offen bleiben soll, ob hier commodatum für die fiducia interpoliert ist oder ob das commodatum einfach nur ergänzt wurde.
Für eine Interpolation von fiducia in depositum vel commodatum aber Rotondi, La misura 129 Fn. 2. Er argumentiert damit, dass auch die leges 2 und 3 zur fiducia gehörten. Aber wie gesagt, es ist vorstellbar, dass die Kompilatoren an den § 47 interpolierte Fragmente anhängten, um einen Problemkreis abschließen zu erörtern. Wie aber in die Mitte des Kommentars zum depositum ein Fragment geraten sein sollte, das nur von der fiducia und nicht vom depositum handelt, ist nicht erkennbar. 503 Vgl. Ferrini, Commodato 105 f.; ebenso Göppert, Zur Fiducia cum amico contracta 349. 504 Siehe dazu sogleich im Text. 505 Vgl. Marc. 4 dig D. 42,1,12. Das wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass Ulpian ohne Einschränkung sage ipso dolo facit (so aber Göppert, Fiducia cum amico contracta 349). Ulpian will nur begründen, dass der Erbe grundsätzlich auf Herausgabe des Kaufpreises hafte. Wie dies prozessual im einzelnen bewerkstelligt wird, wie zu reagieren ist, wenn der Hinterleger die reivindicatio nicht abtreten will, das ist nicht Thema der Stelle. 506 Vgl. § 17 I 4. 507 Eine Heilungsmöglichkeit nach unserem § 185 II 1 Var. 2 BGB gab es im römischen Recht in dieser Einfachheit nicht, vgl. Windscheid / Kipp, Pandektenrecht I9, § 172, S. 885 m. Fn. 5. 508 Vgl. Zannini, Storia del commodatum 52. 509 Vgl. De Ruggiero, „Depositum vel commodatum“ 51. 510 Ulpian erörtert das commodatum im 30. Buch überhaupt nicht, d. h. er bringt auch sonst keine Vergleiche mit dem commodatum. Als formales Kriterium fällt die Konstruktion apud testatorem … commodatam auf. Inhaltlich passt die Erörterung des commodatum nicht zum Problemeinstieg, dass bei dieser Klage nur für dolus gehaftet werde.
304
4. Kap., 3. Abschn.: Die actio depositi als Bereicherungsklage
2. Überblick Der Hinterleger hatte eine Sache beim Verwahrer hinterlegt. Der Verwahrer ist gestorben. Dessen Erbe hat die hinterlegte Sache verkauft, weil er nicht wusste, dass die Sache, die er bei seinem Erblasser gefunden hatte, nur hinterlegt war. Ulpian sagt, dass der Erbe nicht wegen der Sache hafte, denn die Rückgabe habe er sich nicht dolos unmöglich gemacht, und aus dieser Klage hafte man nur für dolus. Nun ist der Erbe aber möglicherweise aufgrund der nicht zu vertretenden Unmöglichkeit der Rückgabe bereichert511. Ulpian fragt daher weiter, ob der Erbe wegen des an ihn gelangten Kaufpreises hafte. Ulpian bejaht vorsichtig (verius) die Frage. Denn der Erbe handle dolos, wenn er das an ihn Gelangte nicht herausgebe. Das verius und das quaesitum est deuten darauf hin, dass hier die Darstellung eines ausführlicheren Streitstandes mit der Stellungnahme anderer Juristen gestrichen wurde512. Warum bildet Ulpian den Fall mit dem Erben des Verwahrers? Der Grund dürfte darin liegen, dass es nur beim Erben realistisch ist, dass dieser nicht weiß, dass es sich um eine hinterlegte Sache handelt513. Die Erörterungen sollten aber grundsätzlich auch für den Verwahrer selbst passen. Da der Erbe die Sache ohne dolus verkauft, kann der Käufer die Sache ersitzen und bei einer res nec mancipi also nach einem Jahr Eigentümer werden514. Doch ist der Fall nicht so angelegt, dass es darauf ankommen würde; insbesondere wird vom Ablauf der Jahresfrist nichts gesagt. Der Hinterleger hat also auch die reivindicatio gegen den Käufer515. Der Erbe haftet aus der actio depositi (in hanc actionem)516.
511 Modern kann man vom stellvertretenden commodum sprechen, vgl. § 285 BGB (Knütel, Hilfspersonen 376 Fn. 157). 512 Evans-Jones, Prefatory section 251 ff. Evans-Jones nimmt dann an, die Begründung in D. 16,3,1,47 stamme demzufolge nicht unbedingt von Ulpian selbst, sondern sei die Wiedergabe einer Formel anderer, während Ulpians eigene Formulierung sich erst in der lex 3 finde. Culpa in der lex 3 sei dann ein allgemeiner Ausdruck für die Haftung des Verwahrers. Zwar mag culpa auch allgemein die Verantwortlichkeit meinen und den dolus einschließen (Kaser, RP I § 118 II 3, S. 504, § 118 III 4a, S. 511 f.). Aber es geht nicht darum, was culpa alles heißen kann, sondern was culpa hier heißt. Die dolus-Haftung des Verwahrers ist so feststehend, dass ein Gebrauch von culpa, der hier den dolus einschlösse und allein deshalb sachlich richtig wäre, sehr ungewöhnlich wäre. Zudem hat ja Ulpian in D. 16,3,1,47 selbst die Diskussion mit den Worten quia autem dolus dumtaxat in hanc actionem venit, quaesitum est eingeleitet. 513 Ähnlich Paulus in 33 ed D. 19,1,21,1: Si praedii venditor non dicat de tributo sciens, tenetur ex empto: quod si ignorans non praedixerit, quod forte hereditarium praedium erat, non tenetur. 514 Vgl. G. 2,50 (entspricht Gaius 2 aur D. 41,3,36pr.). Würde aber auch der Verwahrer selbst die Sache ohne dolus verkaufen, sollte auch die Ersitzung möglich sein. 515 Zu daraus entstehenden Konkurrenzfragen siehe schon oben § 16 III 1. 516 Dies wirft bei der actio in factum concepta, sollte es sich um diese handeln, die Frage der passiven Vererblichkeit auf. Die passive Vererblichkeit wurde oben in § 10 bejaht.
§ 16 Der Bereicherungsgedanke bei der actio depositi
305
3. Die Katene D. 16,3,1,47 bis D. 16,3,4 Innerhalb des Digestentitels stellt die Stelle den Ausgangspunkt einer Katene dar, zu der hier keine Auseinandersetzung erfolgen soll517. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,47: Quia autem dolus dumtaxat in hanc actionem venit, quaesitum est, si heres rem apud testatorem depositam vel commodatam distraxit ignarus depositam vel commodatam, an teneatur. et quia dolo non fecit, non tenebitur de re: an tamen vel de pretio teneatur, quod ad eum pervenit? et verius est teneri eum: hoc enim ipso dolo facit, quod id quod ad se pervenit non reddit. Paulus 31 ed D. 16,3,2518: Quid ergo, si pretium nondum exegit aut minoris quam debuit vendidit? actiones suas tantummodo praestabit. Ulp. 31 (30?) ed D. 16,3,3519: Plane si possit rem redimere et praestare nec velit, non caret culpa, quemadmodum si redemptam vel alia ratione suam factam noluit praestare causatus, quod semel ignarus vendiderit. Literatur zur Katene z. B. Litewski, Depositary’s liability 32 ff. Die Stelle könnte mit D. 16,3,13 und D. 44,2,22 aus der Behandlung des depositum stammen, vgl. Lenel, P I Paulus 478 f., Sp. 1027. Im 31. Buch behandelt Paulus aber auch die fiducia (Lenel, P I Paulus 481 ff., Sp. 1027 f.). Zur fiducia würde der Ausdruck exegit aut minoris quam debuit vendidit besser passen als zum depositum. Der Verwahrer darf nie verkaufen, der Fiduziar darf dies, wenn der Schuldner nicht zahlt (vgl. Noordraven, Fiduzia 231 ff., insbesondere 243 ff.). Aufgrund der bona fides ist der Fiduziar gehalten, zu einem möglichst hohen Preis zu verkaufen (vgl. Noodraven, Fiduzia 258). Für fiducia etwa Rotondi, Le due formole 21 Fn. 1. 519 Der palingenetische Zusammenhang ist unklar. Geht man etwa mit Lenel von einem Schreibfehler von 31 statt richtig 30 in der Inskription aus (P II Ulpian 896, Sp. 617 Fn. 2. So schon Haloander, vgl. Mommsen, Editio maior I, 473), dann kann die Stelle aus der Behandlung des depositum stammen. Problematisch ist dann, dass in der Stelle von culpa die Rede ist und dass der Verwahrer durch Rückkauf das Eigentum erwerben soll (vel alia ratione suam factam). Die Stelle könnte bei Annahme eines Schreibfehlers also auch von der fiducia handeln (zur culpa-Haftung bei der fiducia siehe Mod. 2 diff Coll. 10,2,2 und Noordraven, Fiduzia 221 ff.). Auf fiducia deutet auch das redimere hin, denn der Fiduziar mochte eine Rückkaufsmöglichkeit vereinbart haben, um dem Fiduzianten im Falle der Zahlung die Sache zurückgeben zu können (vgl. etwa Ulpian 38 (wohl 28) D. 13,7,13pr. Die Stelle bezieht sich nach Noordraven, Fiduzia 41, sowohl auf das pignus als auf die fiducia). Zu beachten ist, dass die Auffassung, die Stellen D. 16,3,2 und D. 16,3,3 handelten jeweils von der fiducia, durch die Annahme gestärkt wird, dass die jeweils andere Stelle von der fiducia handelte, weil die Kompilatoren dann gewissermaßen komplett umgesprungen sein könnten. Der Schreibfehler könnte durch die Inskription der lex 2 verursacht worden sein (Lenel, Ulpian 896 P II, 617 Fn. 2). Gegen einen Schreibfehler spricht, dass der Korrektor die Inskription kontrolliert hat und dort ein „n“ bei „trigesimo“ eingefügt hat. Dies hat der Korrektor allerdings auch bei den anderen leges getan, so dass man auch annehmen kann, der Korrektor habe die Inskription nur mechanisch kontrolliert. Für die Richtigkeit der Inskription spricht, dass Ulpian das entsprechende Problem auch beim Mandat behandelt haben kann (etwa im Zusammenhang mit D. 17,1,8,10). Für die Zugehörigkeit zum Mandat spricht zudem die Bezugnahme auf die culpa und das rem suam factam. Denn beim Mandat ist der Mandatar Eigentümer der Sache, kann daher das Eigentum wirksam auf den Käufer übertragen und wieder auf sich zurückübertragen lassen. Und immerhin haben die Kompilatoren ausweislich der lex 4 auch aus anderen Büchern, die sogar aus anderen Massen stammen, Auszüge herangezogen. 517 518
306
4. Kap., 3. Abschn.: Die actio depositi als Bereicherungsklage
Paulus 5 Plaut D. 16,3,4520: Sed et si non sit heres, sed putavit se heredem et vendidit, simili modo lucrum ei extorquebitur. Die Katene führt den Ausgangsfall Ulpians weiter. In der lex 2 hat der Verkäufer in einer Variante den Kaufpreis noch nicht eingezogen. Er muss seine Klagen, wohl vor allem die actio venditi, abtreten. In der lex 3 kann der Verkäufer die Sache zurückkaufen, will dies aber nicht, oder der Verkäufer hat die Sache wiedererlangt, will sie aber dennoch nicht zurückgeben. In der lex 4 war der Verkäufer gar nicht Erbe, sondern hielt sich nur für den Erben. In diesem letzten Fall ist unklar, wie der Hinterleger eine actio depositi gegen den Verkäufer haben soll. Denkbar wäre, dass der Erbe mit der actio depositi gezwungen wird, das herauszugeben, was er mit der hereditatis petitio vom Verkäufer erlangt. Mit den anderen Stellen wollen wir uns nicht befassen. Zum einen ist fraglich, ob sie das depositum betreffen oder nicht zum Beispiel wie die leges 2 und 3 die fiducia oder wie die lex 3 das mandatum, und ob sie wie in der lex 4 von der Haftung aus der actio depositi sprechen. Den Kompilatoren ging es wohl gar nicht um die Frage der Haftung des Verwahrers oder des Erben des Verwahrers. In D. 16,3,4 gibt es keine actio depositi, das Wort depositum kommt in den leges 2 bis 4 nicht vor. Nach der Absicht der Kompilatoren geht es um die Frage, wie jemand haftet, der eine Sache herausgeben muss, diese aber verkauft hat; es geht, modern gesprochen, um Ausführungen zu § 285 BGB. Dafür konnten die Kompilatoren genauso gut Fragmente zur fiducia und zum mandatum nehmen521. Die Katene wird hier auch deshalb nicht behandelt, weil die Stellen anders als unsere Stelle D. 16,3,1,47 keine Begründung für ihre Entscheidung enthalten. Und das ist es, was uns hier interessiert.
4. Die Begründung Ulpians für die Bereicherungshaftung Die Begründung Ulpians (30 ed D. 16,3,1,47) lautet: hoc enim ipso dolo facit, quod id quod ad se pervenit non reddit522. a) Diese Begründung enthält deutliche Elemente der formula in factum concepta: dolo facit und non reddit. Oben war die Frage aufgeworfen worden, ob bei der forKaser, Römisches Pfandrecht II 231, TR 47, zieht die Stelle ohne Angabe von Gründen zur actio sequestraria. Für einen Bezug der Stelle auf die fiducia etwa Rotondi, Le due formole 21 Fn. 1; Ders., La misura 99. 520 Die Stelle stammt laut Lenel (P I Paulus 1107, Sp. 1153) aus der Behandlung des depositum. 521 Vgl. etwa die Stellung von Jul. 64 dig D. 4,2,18 im Titel D. 4,2. Die Frage nach dem Zusammenhang der Stelle mit der metus-Problematik erübrigt sich, wenn man annimmt, die Kompilatoren hätten nur generell Ausführungen zur Bereicherungshaftung bringen wollen. Zur Palingenesie siehe Lenel, P I, Julian 769, Sp. 472 m.Fn. 3; Hartkamp, Zwang 288 f. 522 Die Begründung hält für unecht De Ruggiero, „Depositum vel commodatum“ 50. Es sei nicht notwendig auf den dolus abzustellen; schon die ungerechtfertige Bereicherung rechtfertige die Haftung des Erben. Aber da doch die Haftung auf dolus beschränkt ist, kann es keinen Verdacht erwecken, dass Ulpian nach einer Begründung für den dolus sucht. Schließlich ist das ja auch Ausgangspunkt seiner Überlegung. Für Echtheit von Entscheidung und Begründung etwa Litewski, Depositary’s liability 33.
§ 16 Der Bereicherungsgedanke bei der actio depositi
307
mula in factum concepta die Bereicherungshaftung des Verwahrers mit der Surrogationslösung oder mit der Trennungslösung zu begründen war. Ulpian stellt hier nicht auf eine Surrogation ab, sondern nimmt eine Trennung der Elemente non reddere und dolo facere vor. Das non reddere liegt vor, und das dolo facere ist zu bejahen, wenn der Verwahrer bzw. dessen Erbe den erlangten Kaufpreis nicht herausgibt. Diese Überlegungen sind aber nur stichhaltig, wenn sich die Begründung auf die actio in factum concepta beziehen würde. Dagegen spricht aber entscheidend Ulp. 31 ed D. 17,1,8,9 – 10: Dolo autem facere videtur, qui id quod potest restituere non restituit: 523proinde si tibi mandavi, ut hominem emeres, tuque emisti, teneberis mihi, ut restituas. …
Die Formulierungen gleichen sich nicht nur bis aufs Wort, sondern betreffen auch das gleiche Sachproblem: Es geht um die Frage, ob dolus vorliegt. Und so leitet Ulpian ja die Erörterung auch ein: quia autem dolus dumtaxat in hanc actionem venit. Hat die Frage beim mandatum nichts mit dem Wortlaut einer in factum konzipierten Formel zu tun, so zwingt auch nichts dazu, dies bei unserer Stelle D. 16,3,1,47 anzunehmen. Auch die Wendung in actionem venit deutet auf die formula in ius concepta hin524. Somit kann sich D. 16,3,1,47 durchaus auf die actio depositi in ius concepta beziehen. Man sieht, dass das Zitat des Formelwortlauts der actio in factum concepta nur ein scheinbares ist. b) Was aber ist der materielle Hintergrund der Entscheidung? Schulz525 hat vorgeschlagen, der Kaufpreis sei eine Frucht oder etwas Fruchtähnliches und sei dann herauszugeben, wenn der Inhaber der verkauften Sache auch zur Erstattung der Früchte verpflichtet wäre. Daneben liege auch der aus der Billigkeit entspringende Gedanken vor, die ungerechtfertigte Bereicherung abzuschöpfen. Nach Schulz könnten wir den Gedanken nicht in die Zeit vor Julian zurückverfolgen526. aa) Grundsätzlich musste der Verwahrer auch die Früchte herausgeben527, vgl. 523 Beginn des § 10. Aber auf die spätere Paragraphenteilung kommt es nicht an, wie auch der Anschluss mit proinde zeigt. Der Fortgang des § 10 ist hier nicht von Bedeutung. 524 Das ist eine Beobachtung Lenels, vgl. EP3 253 bei Fn. 1. 525 Schulz, Klagen-Cession 91 m.Fn. 3, 96. So auch Schipani, Responsabilità del convenuto 73 f. zur reivindicatio. 526 Auch D. 16,3,16 könnte bekanntlich auf Julian zurückgehen. 527 Auch nach Paulus 6 Plautium D. 22,1,38,6 schuldet der Verwahrer die Fruchtherausgabe: Si possessionem naturalem revocem, proprietas mea manet, videamus de fructibus. et quidem in deposito et commodato fructus quoque praestandi sunt, sicut diximus. Zu welcher Formel die Stelle gehört, ist schwer zu sagen. Zwar stammt sie aus der Behandlung der actio rei uxoriae (vgl. Lenel, P I Paulus 1132, Sp. 1157 f.), doch leitet Paulus in D. 22,1,38pr. allgemein ein (videamus generali, quando in actione quae est in personam etiam fructus veniant). In §§ 8 und 9 ist Paulus bei der emptiovenditio und der societas, im § 11 dann beim interdictum quod vi aut clam.
308
4. Kap., 3. Abschn.: Die actio depositi als Bereicherungsklage
Ulp. 30 ed D. 16,3,1,24528: Et ideo et fructus in hanc actionem venire et omnem causam et partum, dicendum est, ne nuda res veniat.
Die Stelle wird sich auf die actio in factum concepta beziehen529. Dafür spricht vor allem die Stellung im Ediktskommentar Ulpians530. Doch wird die Haftung auf die Früchte auch für die actio in ius concepta gegolten haben. bb) Der Erlös aus dem Kauf einer Sache ist zwar keine Frucht der Sache531, doch mag die Tatsache, dass der Verwahrer die Früchte schuldete, den Schluss, dass er sozusagen erst recht den die Sache ersetzenden Kaufpreis schulde, begünstigt haben. Die Entscheidung in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,47 ist also als Ausdruck einer Bereicherungshaftung verstehbar. Trotz des scheinbaren Zitats des Wortlauts der formula in factum concepta kann sich die Stelle auch auf die formula in ius concepta beziehen. Wir können ihr also kein Argument dafür entnehmen, Julian habe in D. 16,3,16 die Bereicherungshaftung mit der formula in factum concepta begründet.
IV. Labeo 2 pith D. 16,3,34 Auch die Stelle Labeo 2 pith D. 16,3,34 ist als Ausdruck einer Bereicherungshaftung verstehbar, wobei sich diese Stelle auf die actio in ius concepta beziehen wird532. Nicht ohne weiteres übertragbar ist die Pflicht auf Fruchtherausgabe auf die Frage, ob der Verwahrer von Geld Zinsen schuldete, denn Zinsen sind im römischen Recht nicht ohne weiteres Früchte, vgl. Kaser, RP I, § 93 IV, S. 384 m.Fn. 26. Einer allgemeinen Fruchtherausgabepflicht widerspricht nur PS 2 Coll. 10,7,7: In iudicio depositi ex mora et fructus veniunt et usurae rei depositae praestantur. Hier sind Sachfrüchte erst ab Verzug herauszugeben. Kaser, Restituere 55 Fn. 4, hält die Sentenzenstelle daher insoweit für nicht echt. Vielleicht weckte hier die richtige (dies einmal unterstellt) Vorstellung, Geldzinsen schulde der Verwahrer erst ab Verzug, das Mißverständnis, das gelte auch für Früchte. Es wäre nicht einzusehen, wieso der Verwahrer die Herausgabe des Kalbes nur schulden sollte, wenn die hinterlegte Kuh während des Verzugs kalbt. 528 Nicht dem Inhalt, sondern der sprachlichen Fassung verdächtigt von Gradenwitz, Interpolationen 107 (1887), und Levy, Actiones arbitrariae 32 Fn. 1. 529 Gandolfi, Il deposito 75; Kaser, RP I § 126 I 1, S. 535 m.Fn. 5; Kaser, Quanti 75 Fn. 34; Kaser, Restituere 54 f. Zuletzt Kaser, Pfandrecht II 323. 530 Es folgt § 25, der zur actio depositi in factum concepta gehört, vgl. oben § 13 I 1. Voran geht der § 23 (hanc actionem bonae fidei esse dubitari non oportet), der sich auf die actio depositi in factum concepta beziehen muss, weil die Aussage zur actio in ius concepta banal wäre. Bezogen auf die actio depositi in factum concepta ist die Aussage zum klassischen Recht zwar vielleicht falsch, aber die Annahme einer justinianischen Interpolation plausibel. Vgl. zu dieser Frage nur Taubenschlag, Geschichte 136 – 148, insbes. 142 ff. und 146 m.Fn. 25. 531 Zu Früchten vgl. Kaser, RP I, § 93 IV, S. 384. Der Erlös ist kein Ertrag der Sache, sondern verbraucht diese gewissermaßen, er tritt an die Stelle der Sache selbst. 532 Siehe zu dieser Stelle unten § 18 VI.
§ 17 reivindicatio, actio furti, actio ad exhibendum und condictio
309
V. Zusammenfassung Damit zeigt sich, dass die actio depositi als Bereicherungsklage einsetzbar war, um dem Verwahrer einen Vermögensvorteil zu nehmen, den dieser hatte, weil ihm die Rückgabe unmöglich war, ohne dass die Rückgabe auf dessen dolus beruhte. Es spricht dabei mehr dafür, dass als Bereicherungsklage nur die actio depositi in ius concepta einsetzbar war, wenn man nicht aus den oben in § 16 II 4 angeführten Gründen etwa die Trennungslösung und damit die Anwendbarkeit auch der actio depositi in factum concepta für möglich hält.
4. Abschnitt
Die Konkurrenzklagen zur actio depositi Die Frage nach der Funktion der actio depositi ist verstehbar als die Frage danach, was dem Hinterleger fehlte, gäbe es diese Klage nicht. Die Funktionen der actio depositi sind damit deutlicher erkennbar, wenn man die actio depositi mit Klagen vergleicht, die dem Hinterleger ebenso zur Verfügung standen.
§ 17 Die Konkurrenzklagen zur actio depositi: reivindicatio, actio furti, actio ad exhibendum und condictio533 I. Die Konkurrenz von actio depositi und reivindicatio Der Hinterleger ist in der Regel Eigentümer der Sache534. Dies wirft die Fragen auf, ob ihm in diesem Fall die reivindicatio zusteht und welche Bedeutung daneben noch die actio depositi hat.
533 Hier soll es nur um Klagen auf Rückgabe der hinterlegten Sache gehen. Nicht erörtert wird zum Beispiel die Konkurrenz zur Klage aus der lex Aquilia wegen Beschädigung der hinterlegten Sache. Vgl. dazu etwa Gaius 9 edpr D. 13,6,18,1 und Jul. 48 dig D. 9,2,42 (zur Stelle siehe aber noch im Text), auch Ulp. 41 Sab D. 9,2,41pr. Problematisch ist insoweit vor allem der unterschiedliche Haftungsmaßstab. Siehe nur Liebs, Klagenkonkurrenz 16 ff. 534 Durch die Hinterlegung verliert der Hinterleger das Eigentum nicht, vgl. Flor. 7 inst D. 16,3,17,1. Zur actio depositi des Nichteigentümers siehe § 15 III 1.
310
4. Kap., 4. Abschn.: Die Konkurrenzklagen zur actio depositi
1. Die reivindicatio bei Ausfall der actio depositi Die reivindicatio wird gegen den Sachinhaber in einigen Stellen gegeben, wenn der Eigentümer gegen diesen nicht die actio depositi hat. a) In Diocl. C. 3,42,8pr. ist der Eigentümer nicht Hinterleger und hat daher nur die reivindicatio535, in Diocl. C. 4,34,8 und in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,32 ist der Inhaber nicht Verwahrer, so dass auch hier der Eigentümer nur die reivindicatio haben kann. b) Anders ist dies in Afr. 8 quaest D. 15,1,38pr. Hier ist zwar zwischen dem Hinterleger und dem verwahrenden filiusfamilias ein depositum zustande gekommen, doch geht die actio depositi de peculio gegen den paterfamilias wegen der Erschöpfung des peculium ins Leere. Die hier gegebene reivindicatio ist also ein subsidiärer Rechtsbehelf, der das Aussonderungsrecht des Hinterlegers im Quasikonkurs des filiusfamilias schützt536. Ein subsidiärer Rechtsbehelf ist die reivindicatio auch in Labeo 6 post a Jav. epit D. 16,3,33. Dem Eigentümer nützt die actio depositi sequestraria nichts, weil die vereinbarte Bedingung nicht eingetreten ist. Aus diesem Grunde ist aber auch fraglich, ob die Erwähnung der reivindicatio echt ist537. c) In Ulp. 63 ed D. 42,5,24,2 ist der Geldgeber nicht Hinterleger, sondern Darlehensgläubiger und hat ausnahmsweise noch die reivindicatio538.
2. Die Passivlegitimation des Verwahrers für die reivindicatio Interessanter sind für unsere Fragestellung solche Stellen, in denen der Hinterleger sowohl die actio depositi als auch die reivindicatio gegen den Verwahrer hat. Das wirft zunächst die Frage auf, ob der Verwahrer für die reivindicatio passivlegitimiert ist. a) Zentralstelle zur Frage, ob der Verwahrer (und mit ihm andere Detentoren) passivlegitimiert für die reivindicatio waren, ist Ulp. 16 ed D. 6,1,9539: Officium autem iudicis in hac actione in hoc erit, ut iudex inspiciat, an reus possideat: nec ad rem pertinebit, ex qua causa possideat: ubi enim probavi rem meam esse, necesse habebit possessor restituere, qui non obiecit aliquam exceptionem. quidam tamen, ut Pegasus, eam solam possessionem putaverunt hanc actionem complecti, Siehe zur Stelle, insbesondere zur actio depositi utilis, § 21 II. Dazu siehe noch § 14 I 2 und III. 537 Siehe dazu noch näher unten § 17 III 2a. cc. 538 Siehe oben die kurzen Hinweise in § 14 III. 539 Literatur zur Frage der Passivlegitimation des Verwahrers: Kaser, RP I § 103 I 2, S. 433 m.Fnn. 11 u. 12; Wubbe, Gaius et les contrats réels 513 Fn. 34; Kaser, Nochmals über Besitz und Verschulden 92 ff.; Marrone, La legittimazione passiva alla „rei vindicatio“ 33 ff., 107 ff.; Marrone, La facultas restituendi 533 ff.; Pennitz, Enteignungsfall 284 ff. 535 536
§ 17 reivindicatio, actio furti, actio ad exhibendum und condictio
311
quae locum habet in interdicto uti possidetis vel utrubi. denique ait ab eo, apud quem deposita est vel commodata vel qui conduxerit aut qui legatorum servandorum causa vel dotis ventrisve nomine in possessione esset vel cui damni infecti nomine non cavebatur, quia hi omnes non possident, vindicari non posse. puto autem ab omnibus, qui tenent et habent restituendi facultatem, peti posse.
Nach Pegasus habe der Eigentümer nicht vom Verwahrer vindizieren können; dieser sei nicht passivlegitimiert gewesen, da er keinen Interdiktenbesitz gehabt habe540. Ulpian bejaht vorsichtig (puto) die Passivlegitimation des Verwahrers, wenn er die Sache und die facultas restituendi hat. Man wird bei der Frage nach der Passivlegitimation des Verwahrers für die reivindicatio unterscheiden müssen, ob der Verwahrer die Sache vom Eigentümer erhalten hat oder von einem Dritten541. Der letzte Fall ist dabei nicht mehr Teil unserer Fragestellung, die sich ja auf die Konkurrenz von actio depositi und reivindicatio bezieht542. Somit stellt sich die Frage, ob D. 6,1,9 beide Fälle betrifft oder doch nur den Fall, dass der Verwahrer die Sache von einem anderen als dem Eigentümer in Verwahrung genommen hat543. Folgende Überlegung könnte begründen, dass ein Detentor, der seine Innehabung vom Kläger der reivindicatio ableitet, stets passivlegitimiert ist: Ein Verwahrer, der die Herausgabe verweigert, schwinge sich zum Eigenbesitzer auf und werde schon dadurch passivlegitimiert544. b) Es findet sich anscheinend, abgesehen von D. 6,1,9, wo schon fraglich ist, ob sie hierher gehört, nur eine Stelle, in der davon gesprochen wird, der Hinterleger habe gegen den Verwahrer die reivindiciatio, nämlich Alex.Sev. C. 4,34,1 (Coll. 10,8)545. Im zweiten Teil des Reskripts wird der Fall angenommen, die Erben In der Tat hat der Verwahrer keinen Besitz, vgl. Flor. 7 inst D. 16,3,17,1. Vgl. Kaser, RP I § 103 I 2, S. 433; Wubbe, Gaius et les contrats réels 513 Fn. 34; Kaser, Nochmals über Besitz und Verschulden 92. 542 Zu einem solchen Fall siehe etwa die reivindicatio des nichthinterlegenden Eigentümers gegen den Verwahrer in Tryph. 9 disp D. 16,3,31,1 (siehe dazu § 21 III). 543 Für letzteres etwa Marrone, La legittimazione passiva alla „rei vindicatio“ 47 ff., 51 ff. 544 In diesem Sinne vorsichtig Kaser, RP I § 103 I 2, S. 433 m.Fnn. 11 u. 12; kritisch dann aber Ders., Nochmals über Besitz und Verschulden 94 Fn. 64. Die Passivlegitimation gegenüber dem hinterlegenden Eigentümer bejaht Marrone, La legittimazione passiva alla „rei vindicatio“ 107. 545 Alex.Sev. C. 4,34,1: Si incursu latronum vel alio fortuito casu ornamenta deposita apud interfectum perierunt, detrimentum ad heredem eius qui depositum accepit, qui dolum solum et latam culpam, si non aliud specialiter convenit, praestare debuit, non pertinet. quod si praetextu latrocinii commissi vel alterius fortuiti casus res, quae in potestate heredis sunt vel quas dolo desiit possidere, non restituuntur, tam depositi quam ad exhibendum actio, sed etiam in rem vindicatio competit. Zur Stelle siehe schon, vor allem hinsichtlich der Interpolation die culpa lata betreffend, oben § 11 II 1a. 540 541
312
4. Kap., 4. Abschn.: Die Konkurrenzklagen zur actio depositi
des Verwahrers hätten die hinterlegten Sachen, verweigerten nur die Rückgabe mit dem Vorwand, die Sachen seien geraubt worden546. Nach Antwort des Kaisers könne der Hinterleger zwischen den drei genannten Klagen frei wählen. Die Passivlegitimation der Erben für die reivindicatio könnte man nach der Meinung Ulpians in D. 6,1,9 erklären; zudem könnten sich die Erben hier auch durch die Rückgabeverweigerung und durch die Erfindung der Räubergeschichte zu Eigenbesitzern aufgeschwungen haben. Marrone547 hält die auch in Coll. 10,8 überlieferte reivindicatio für unecht, nämlich für eine Glosse. Die Erben hätten den Besitz geleugnet und damit die Einlassung auf die reivindicatio abgelehnt, erfolgversprechend sei daher nur die actio ad exhibendum gewesen. So wie der Sachverhalt dem Kaiser vorgetragen wurde, scheint es vor allem ausgeschlossen, die Erben hätten das Eigentum des Hinterlegers und die Tatsache der Verwahrung bestreiten wollen. Daher erscheint in der Tat eine reivindicatio ungeeignet, die Streitfragen, ob nämlich die Erben noch die hinterlegten Sachen haben, zum Prozessthema zu machen. c) Bezieht man D. 6,1,9 vor allem auf die reivindicatio des Eigentümers, der nicht Hinterleger ist548, und hält man C. 4,34,1 nicht für einen überzeugenden klassischen Beleg einer reivindicatio des hinterlegenden Eigentümers, dann fehlen Quellen für die reivindicatio des Hinterlegers gegen den Verwahrer549.
3. Zum Verhältnis zwischen actio depositi und reivindicatio a) Ginge man davon aus, dass dem hinterlegenden Eigentümer gegenüber dem Verwahrer sowohl die reivindicatio als auch die actio depositi zustanden, dann stellte sich die Frage nach der Behandlung dieser Konkurrenz. Soweit erwogen wird, der Prätor hätte die reivindicatio denegiert und den Kläger auf die speziellere Vertragsklage verwiesen, weist Marrone darauf hin, dass Belege dafür in den Quellen fehlten550. Dass der Prätor grundsätzlich den Hinterleger auf die actio depositi verwiesen hätte, bleibt Spekulation551.
Die Variante vel quas dolo desiit possidere fehlt in der Collatio. Marrone, Actio ad exhibendum 582 Fn. 430. 548 So dass also ein Dritter die Sache beim verwahrenden Detentor hinterlegt hat. 549 Vgl. Marrone, La legittimazione passiva alla „reivindicatio“ 107 ff. Marrone verweist noch auf Ulp. 63 ed D. 42,5,24,2. Diese Stelle war hier aber so interpretiert worden, dass sie die reivindicatio dessen betrifft, dem die actio depositi nicht zusteht. Der hinterlegende Eigentümer sei auf die reivindicatio zur Aussonderung nicht angewiesen gewesen, weil er auch mit der actio depositi aussondern konnte (§ 14 III). 550 Marrone, Actio ad exhibendum 580. Siehe auch Kaser, RP I § 103 I 2, S. 433 Fn. 12. 551 Vgl. Kaser, RP I § 103 I 2, S. 433 Fn. 12; Ders., Nochmals über Besitz und Verschulden 93. 546 547
§ 17 reivindicatio, actio furti, actio ad exhibendum und condictio
313
Wenn aber passivlegitimiert für die reivindicatio nur derjenige ist, der die Sache in den Händen hat552, dann stellt sich das Konkurrenzproblem nicht mehr, sobald der Verwahrer die Sache nicht mehr hat. Bei dieser Betrachtung hätte die actio depositi also auch für den Hinterleger, der Eigentümer ist, gegenüber der reivindicatio eine selbständige Schutzfunktion, wenn der Verwahrer die Sache nicht mehr hat, weil er sie etwa zerstört, weggeworfen oder verkauft hat. Ein Unterschied zwischen actio depositi und reivindicatio besteht auch darin553, dass die reivindicatio im Gegensatz zur actio depositi und zur actio furti554 den Parteien die Möglichkeit bot, ohne die Gefahr der Infamie des Beklagten zu streiten. Den Beklagten zu schonen, mochte auch oder gerade dem Kläger ein Anliegen sein555. Für den Hinterleger konnte es vorteilhaft sein, die infamierende actio depositi zu vermeiden, weil er so in den Genuss einer ihm vorteilhafteren Zuständigkeit kommen konnte556. Denkbar ist zudem, dass es dem Prätor untunlich erschienen wäre, dem Freigelassenen eine actio depositi gegen den Patron zu erteilen557; die reivindicatio bot hier einen Ersatz. b) Andererseits erweist sich die actio depositi als geeignet, den Verwahrer zur Einlassung auf die reivindicatio zu zwingen. Kaser vermutet, dass vor dem Aufkommen der actio ad exhibendum die actio furti nec manifesti dazu gedient habe, den Besitzer zum Einlassen auf die reivindicatio anzuhalten558. Wenn man im Hinblick auf PS 2 Coll. 10,7,11 davon ausgeht, in der Frühzeit habe der Hinterleger bei Nichtrückgabe der Sache gegen den Verwahrer nicht die actio furti gehabt, sondern eine actio ex causa depositi aus den Zwölftafeln, dann könnte man auch für die alte actio depositi eine ähnliche Funktion annehmen559.
Vgl. aber Paulus 21 ed D. 6,1,27,3. Die actio depositi war für den Hinterleger insoweit günstiger, als sie ihm den Eigentumsbeweis ersparte; dieser konnte mal mehr, mal weniger schwierig sein. Nach Marrone (La legittimazione passiva alla „rei vindicatio“ 108) haftete ferner der Verwahrer aus der actio depositi strenger (siehe auch Kaser, Nochmals über Besitz und Verschulden 93 Fn. 61). 554 Ohne Infamiegefahr konnte man auch mit der condictio furtiva streiten. Doch wurde so immerhin auch zur Sprache gebracht, dass dem Beklagten eigentlich ein furtum zur Last falle. 555 Zum Bestreben, die Folgen der Infamie zu vermeiden, siehe jetzt Nörr, Lex Irnitana c. 84 IX B 9 – 10, S. 19, SZ 124, der auf das mögliche Näheverhältnis zwischen Kläger und Beklagten verweist, das durch den Prozess unter Umständen nicht dauerhaft beschädigt werden sollte. 556 Zur Zuständigkeit bei der infamierenden actio depositi siehe § 20 II und § 18 III. 557 Siehe etwa zur actio de dolo Ulp. 11 ed D. 4,3,11,1. 558 Kaser, Typisierter „dolus“ 85 ff., BIDR 65 (1962). 559 Das Verfahren der actio depositi ist zwar nicht so wie das Verfahren der actio ad exhibendum auf die Erzwingung der Einlassung abgestellt (vgl. Kaser, RP I § 103 I 3a, S. 434). Der Hinterleger kann aber den Verwahrer zwingen, sich auf die infamierende actio depositi einzulassen (Kaser / Hackl, § 38 III 1, S. 277 f.) und davon nur ablassen, wenn der Verwahrer bereit ist, an der Einsetzung der reivindicatio mitzuwirken. 552 553
314
4. Kap., 4. Abschn.: Die Konkurrenzklagen zur actio depositi
4. Zusammenfassung In einigen Quellen hat der Eigentümer die reivindicatio, wenn ihm die actio depositi aus verschiedenen Gründen nicht zusteht (obwohl ein Verwahrungsverhältnis, gegebenfalls zwischen anderen Personen, vorliegt). Eindeutige Quellenbelege für eine reivindicatio des hinterlegenden Eigentümers gegen den Verwahrer fehlen, auch wenn sich D. 6,1,9 und C. 4,34,1 so deuten lassen. Nimmt man eine grundsätzliche Konkurrenz zwischen beiden Klagen an, dann hat die actio depositi gegenüber der reivindicatio insofern einen weiteren Anwendungsbereich, als sie dem hinterlegenden Eigentümer auch dann zusteht, wenn der Verwahrer die Sache nicht mehr hat. Mit der actio depositi kann der Hinterleger den Verwahrer zur Einlassung auf die reivindicatio anhalten. Im Übrigen bestehen zwischen beiden Klagen Unterschiede, so dass mal die eine, mal die andere Klage dem hinterlegenden Eigentümer vorteilhaft erscheinen konnte.
5. Exkurs: Der Eigentumserwerb des verurteilten Verwahrers a) Der Hinterleger war in der Regel Eigentümer der hinterlegten Sache. Was geschah aber mit dem Eigentum, wenn der Verwahrer aus der actio depositi verurteilt wurde? Wird nämlich der Beklagte in einer Herausgabeklage auf Geld verurteilt, so konnte dies zum Eigentumserwerb des Beklagten führen. Besaß der Beklagte die Sache, wurde er mit dem Urteil Ersitzungsbesitzer pro emptore und zumindest bonitarischer Eigentümer, wenn der Kläger Eigentümer gewesen war560. Besaß der Beklagte die Sache nicht, musste ihm der Kläger seine Klagen, etwa die reivindicatio, abtreten; nach späterer Besitzerlangung konnte der Verurteilte dann Eigentümer werden561. Man kann dies als Enteignung des Klägers bezeichnen562, 563, 564. 560 Umstritten ist, ob der Beklagte unmittelbar quiritisches Eigentum erlangte, wenn es sich um eine res nec mancipi handelte, Kaser / Hackl, § 55 m.Fn. 23. 561 Vgl. Marrone, Rivendicazione 25 Fn. 144, ED 41; Levy, Enteignung 501 ff. 562 Die Frage, ob es bei Verurteilung des Herausgabeschuldners auf Geldzahlung zu einem rechtlichen oder auch nur faktischen Eigentumsübergang komme und ob dieser gerechtfertigt sei, gibt es auch im geltenden deutschen Zivilrecht. Die Problematik liegt aber insofern anders, als es aufgrund des Grundsatzes der Sachkondemnation nicht mehr um die Frage geht, ob der Herausgabeschuldner den Eigentümer enteignen kann (vgl. § 883 I ZPO), sondern um die Frage, ob der Eigentümer gem. § 281 I, IV BGB durch Fristsetzung einen Zwangsverkauf herbeiführen kann, weil der Schadensersatz statt der Leistung mit dem Sachwert zu bemessen sei. Schuldnerschutz ist daher das Hauptthema der betreffenden Diskussionen, nicht Gläubigerschutz. Zu dieser Frage siehe nur Ernst / Münchener Kommentar zum BGB5, § 281 Rnn. 116, 116a. 563 Literatur: Kaser, RP I § 103 I 6, S. 437 m.Fn. 54; Kaser / Hackl, § 55 m.Fnn. 22 u. 23; Kaser, In bonis esse 214 f., SZ 78; grundlegend war und ist Levy, Enteignung 476 ff., SZ 42; zuletzt umfassend (zur reivindicatio) Pennitz, Enteignungsfall 249 ff., auch Wimmer, Besitz
§ 17 reivindicatio, actio furti, actio ad exhibendum und condictio
315
b) Verlor auch der Verwahrer sein Eigentum? Eine klare Aussage findet sich diesbezüglich zwar nur zum commodatum565, doch kann man aus D. 42,1,12566 und Neratius 1567 resp D. 16,3,30568: Si fideiussor pro te apud quem depositum est litis aestimatione damnatus sit, rem tuam fieri569.
entnehmen, dass dies beim depositum der Fall gewesen sein wird. Jemand hat für den Verwahrer Tu gebürgt. Eine Bürgschaft war auch bei einem depositum möglich570. Der Bürge wird nun verurteilt571. Nach Neraz wird der Verund Haftung 113 ff.; Kritisch hat sich Düll, Gaius Veronensis und Zwangsenteignung 293 ff., geäußert, doch siehe dazu Pennitz, Enteignungsfall 250 ff. 564 Die Enteignung des Herausgabeklägers im Formularprozess durch den Grundsatz der condemnatio pecuniaria mag uns ungerecht erscheinen (Anstoß nimmt etwa Düll, Gaius Veronensis und Zwangsenteignung 293 ff.). Ob sie als solches auch den Römern erschien, ist die Frage. Immerhin haben die Römer versucht, den Herausgabeschuldner zur Herausgabe anzuhalten durch Institute wie pronuntiatio, iusiurandum in litem (zum Zusammenhang zwischen iusiurandum und Enteignungsmöglichkeit siehe Levy, Enteignung 487) und Infamie (bei der actio depositi). Ferner gilt es zu bedenken, dass der Grundsatz der condemnatio pecuniaria letztlich nur Ausdruck der Zurückhaltung des Staates ist, durch Bereitstellung eines Systems der Einzelvollstreckung Selbsthilfe zu unterbinden. Der Hinterleger kann dem Verwahrer die hinterlegte Sache mit Gewalt wegnehmen; der Verwahrer hat keinen Interdiktenbesitz. So hat die Enteignungsmöglichkeit ihre Kehrseite auch in dem, was wir heute als mangelnden Schuldnerschutz verstehen würden. Die Enteignungsmöglichkeit lässt sich daher nicht isoliert als Benachteiligung des Gläubigers sehen. Vgl. zu diesen Fragen Bürge, Zwischen Eigenmacht und Recht 65 ff., insbes. 75 ff. zum Fall der Selbsthilfe im decretum Divi Marci in Call. 5 cog. D. 4,2,13 / D. 48,7,7. Merkwürdig mutet es bei dieser Betrachtungweise aber an, dass die Enteignung des Klägers durch die Juristen gerade zu der Zeit dogmatisch genauer erfasst wird, zu dem die Gesetzgebung die Selbsthilfe, etwa durch das decretum Divi Marci, zurückdrängt (vgl. aber Levy, Enteignung 481). Rechtspolitisch spricht für die Enteignung das Ziel, Rechtsfrieden herzustellen; einmal für allemal soll über das rechtliche Schicksal der Sache entschieden sein (vgl. Levy, Enteignung 476 ff., 505 m.Fn. 2). 565 Vgl. Ulp. 28 ed D. 13,6,5,1: Si quis hac actione egerit et oblatam litis aestimationem susceperit, rem offerentis facit. Siehe auch Paulus 29 ed D. 13,6,17,5 zur actio contraria auf die Sache (oder die Verurteilungssumme). 566 Siehe zu dieser Stelle sogleich im Text. 567 Die Responsen des Neraz umfassen drei Bücher, eine Ordnung lässt sich wohl nicht ausmachen, vgl. Lenel, P I, Neratius 76, Sp. 775. 568 Litewski, Personen 317; Düll, Gaius Veronensis und Zwangsenteignung 295 (SZ 96); Levy, Enteignung 481, 499; Ehrhardt, Litis aestimatio 147 ff. 569 Der Infinitiv fieri dürfte von einem ait oder respondit abhängig sein, das bei der Herausnahme aus dem Werk wegfiel. Zu vergleichbaren Fällen bei Neraz siehe Honoré, A Study of Neratius 238 Fn. 146. 570 Die Hauptstellen sind: Pomp. 22 D. 46,1,2; Ulp. 30 ed D. 16,3,1,14 und unsere Stelle D. 16,3,30. Literatur jetzt etwa bei Litewski, Personen 311 ff., der auch überzeugend zum vermeintlichen Widerspruch zwischen D. 46,1,2 und D. 16,3,1,14 Stellung nimmt. Ergänzend sei bemerkt, dass es Pomponius um die Fälle der actio depositi als Bereicherungsklage nicht gegangen sein wird (vgl. § 16 I Fn. 1391); für ihn ist wichtig, dass der Bürge haftet, auch wenn die Hauptverbindlichkeit nur eine Naturalobligation sein sollte, aber natürlich müssen
316
4. Kap., 4. Abschn.: Die Konkurrenzklagen zur actio depositi
wahrer Eigentümer572, nicht etwa der Bürge573. Der Bürge muss dann eben beim Verwahrer Regress nehmen, etwa aus einer actio mandati contraria. Der Erstrechtschluss liegt nahe: Wenn der Verwahrer schon Eigentümer wird, wenn sein Bürge verurteilt wird, dann muss er erst recht Eigentümer werden, wenn er selbst verurteilt wird574. Auffallend ist, dass das Eigentum schon bei der Verurteilung übergehen soll, nicht wie in Ulp. 28 ed D. 13,6,5,1 erst bei der Zahlung575.
(im Normalfall) die sonstigen Voraussetzungen einer Verurteilung des Hauptschuldners vorliegen. 571 Warum der Bürge verurteilt wird, teilt der Sachverhalt nicht mit. Die Sache ist jedenfalls nicht untergegangen, sonst spielte das Eigentum an ihr keine Rolle mehr. Geht man davon aus, dass der Verwahrer die Sache haben muss, damit er das Eigentum erlangen kann (siehe dazu die folgende Fußnote), dann ist die Sache also beim Verwahrer. Es liegt also kein Fall vor, in dem es dem Hinterleger nur noch um Schadensersatz wegen Zerstörung oder Veräußerung gehen kann, so dass er den Bürgen auswählt, weil er diesen für zahlungsfähiger hält. 572 Es heißt rem tuam fieri. Ob damit das quiritische Eigentum gemeint ist oder doch nur das bonitarische, so dass der Verwahrer erst noch ersitzen müsste, soll hier dahinstehen. Zur Frage etwa Levy, Enteignung 484 (nur bonitarisches Eigentum). Dass Neraz in der uns überlieferten Gestalt des responsum nicht einmal mitteilt, ob es sich um eine res mancipi oder nec mancipi handelt, könnte bedeuten, dass es ihm auf die Frage gar nicht ankommt. Neraz sagt auch nicht, dass der Verwahrer Besitzer war; dies sieht man heute als Voraussetzung für den Eigentumserwerb an (Levy, Enteignung 496 ff.; siehe vor allem Paulus 10 Sab D. 6,1,46 mit Paulus 17 Plautium D. 6,1,47; zum depositum auch Marc. 4 dig D. 42,1,12, dazu sogleich im Text). Standen die Voraussetzungen des Eigentumserwerbs zur Zeit des Neraz schon so fest wie später, dann mochte dem Neraz das Besitzerfordernis selbstverständlich sein (für detentio des Verwahrers, die durch das Urteil zur possessio wird, auch Levy, Enteignung 499 Fn. 2 ff.). 573 Der Eigentumserwerb scheitert hier jedenfalls nicht daran, dass der Hinterleger nicht Eigentümer ist (zweifelnd anscheinend aber Wubbe, Res aliena 282 (deutsche Zusammenfassung), siehe auch Kaser, In bonis esse 214). Denn der Hinterleger ist in der Regel Eigentümer und Neraz setzt dies als selbstverständlich voraus. Neraz erörtert ja auch nicht das Problem, dass der Hinterleger ein minor war. 574 Anders wohl nur Düll, Gaius Veronensis und Zwangsenteignung 295. Der Hinterleger habe von vornherein nur auf Schadensersatz geklagt, nicht auf Sachrückgabe, sonst hätte er gegen den Verwahrer klagen müssen. Grund für den Eigentumserwerb des Verwahrers sei, dass die Klage gegen den Bürgen auch die Hauptverbindlichkeit konsumiere. Dieser Gedanke passt aber auch generell auf die Enteignung des Klägers nach herrschender Lehre, denn die Klage gegen den Verwahrer konsumiert eben auch die Klage gegen den Verwahrer. Weil nach dem Urteil die Sache beim Beklagten bleibt, soll der Rechtszustand dadurch stabilisiert werden, dass der Beklagte auch Eigentümer wird. Generell erscheinen die Ausführungen Dülls nicht überzeugend. So setzt er sich mit Ulp. 28 ed D. 13,6,5,1 nicht auseinander; seine Behauptung, in Jul. 19 dig D. 25,2,22pr. klage der Mann auf Schadensersatz, nicht auf Rückgabe (a. a. O. 294), ist nicht überzeugend: auch die actio rerum amatorum geht auf Rückgabe (vgl. den Formelteil „easque res redditas non esse“ nach Lenel, EP3 309 m.Fn. 7; Wacke, Actio rerum amatorum 54 ff.). 575 Dazu Levy, Enteignung 511 ff. Es komme grundsätzlich auf das Urteil an.
§ 17 reivindicatio, actio furti, actio ad exhibendum und condictio
317
c) Aus zwei Gründen kann man am Eigentumserwerb des Verwahrers Zweifel haben: aa) Man rechtfertigt den Eigentumserwerb des Beklagten mit der Zulassung des Klägers zum Schätzungseid576: der Kläger darf den Sachwert überhöht schätzen, um den Beklagten zur Herausgabe anzuhalten; die Enteignung des Klägers erfolgt bei Nichtherausgabe immerhin zu einem erhöhten Kaufpreis577. War also hier der Hinterleger auch gegenüber dem Bürgen, der contumax nicht sein konnte, zum iusiurandum in litem zugelassen worden?578 Oder erfolgte hier die Übereignung zum Sachwert, weil der Hinterleger es sich selbst zuzuschreiben hatte, dass er den Bürgen verklagte?579 Für den Bürgen dürfte der Unterschied kein großer gewesen sein, denn das Risiko, Regress beim Verwahrer nehmen zu können, hatte er allemal übernommen. Insgesamt dürften solche Zweifel aber nicht in Frage stellen, dass in D. 16,3,30 der Verwahrer bei Verurteilung des Bürgen das Eigentum an der hinterlegten Sache erlangt. Mit Textänderung etwa Justinians in diese Richtung ist nämlich nicht zu rechnen580. bb) Für erstaunlich kann man den Eigentumserwerb des Verwahrers halten, weil der Verwahrer nur verurteilt wird, wenn ihm ein dolus zur Last fällt. Dass der Eigentumserwerb eines Dolosen Anstoß erregt, sprechen nämlich die Quellen aus: Paulus 13 Sab. D. 6,1,69: Is qui dolo fecit quo minus possideret hoc quoque nomine punitur, quod actor cavere ei non debet actiones quas eius rei nomine habeat, se ei praestaturum.581
576 Vgl. Levy, Enteignung 487; Kaser, In bonis esse 214 f. Der Hinterleger wurde zum Schätzungseid zugelassen, vgl. Ulp. 30 ed D. 12,3,3 und D. 16,3,1,26. Siehe § 15 V. In der Leistung des Schätzungseides kann man ein konsensuales Element erblicken (vgl. Levy, Enteignung; Paulus 13 Sab D. 6,1,46); der Hinterleger verzichtet auf Selbsthilfe und begnügt sich mit einer erhöhten Ersatzleistung. 577 Also keine Enteignung zum iustum pretium, vgl. Pomp. 29 Sab D. 6,1,70. Dazu Levy, Enteignung 491 ff., der die Stelle auf die condictio furtiva bezieht, bei der es den Schätzungseid nicht gegeben habe. 578 Das ist nicht völlig abwegig, vgl. Kaser / Hackl, § 48 I, S. 335 f. Fn. 6; auch § 39 IV, S. 282 m.Fn. 33 zur cautio pro praede litis et vindiciarum. 579 Vgl. zu diesem Argument Levy, Enteignung 493 f. Der Hinterleger hatte die Schwurmöglichkeit, er musste eben nur den Verwahrer verklagen. 580 Das Problem stellte sich in einer Prozessordnung, die Sachurteil und Einzelvollstreckung kannte, nicht mehr, vgl. Levy, Enteignung 480 f. Anders Siber, Röm. Recht II 100 Fn. 14, der die Stelle für „völlig verändert“ hält, denn bei der Stipulationsklage gegen den Bürgen gebe es keinen Schätzungseid. Die Stelle dürfte nach Siber vom sponsor pro praede litis gehandelt haben. Zur Frage ausführlich etwa Ehrhardt, Litis aestimatio 147 ff. 581 Übersetzung: Derjenige, der den Besitz dolos aufgegeben hat, wird auch dadurch bestraft, dass der Kläger nicht Sicherheit dafür leisten muss, dass er die Klagen abtrete, die er wegen der Sache hat.
318
4. Kap., 4. Abschn.: Die Konkurrenzklagen zur actio depositi
Bezieht man die Stelle auf die Problematik des Eigentumserwerbs des Verurteilten582 und zwar bei der reivindicatio583, dann wird demjenigen, der dolos den Besitz an der Sache verloren hat, die Abtretung versagt; er erhält also die Klagen zur Ermöglichung des Eigentumserwerbs nicht584. Nun könnte man argumentieren: Anders als beim commodatum fehlten beim depositum deshalb Quellen zum Eigentumserwerb des verurteilten Verwahrers, weil dessen Verurteilung stets dolus voraussetzt und einem Dolosen der Vorteil des Eigentumserwerbs nicht gewährt wird. So sei uns der Eigentumserwerb des Verwahrers eben nur bei Verurteilung des Bürgen überliefert, der ja nicht wegen eines dolus verurteilt wird585. Dagegen spricht aber schon, dass zwar Julian, der an der Lehre vom Eigentumserwerb des verurteilten Beklagten großen Anteil hat586, den dolus des Beklagten als Hinderungsgrund für einen Eigentumserwerb erwogen, aber letztlich verworfen hat587. Für das depositum schließlich lehnt den in D. 6,1,69 geäußerten Gedanken letztendlich (quamquam) ab Marcellus in Marcellus 4 dig D. 42,1,12588: In depositi vel commodati iudicio, quamquam dolo adversarii res absit, condemnato succurri solet, ut ei actionibus suis dominus cedat.589
582 Wie man dies gemeinhin tut, vgl. Marrone, Rivendicazione 25 Fn. 144; Levy, Enteignung 505 ff. Wohl zu Recht. Es geht nicht nur um die Frage, wer das Risiko tragen soll, ob die Herausgabe der Sache vom Dritten durchsetzbar ist, auch wenn diese Frage implizit mitgeregelt ist. Denn die Verurteilungsvoraussetzungen liegen jeweils vor, d. h. der Beklagte haftet, weil er die Sache nicht zurückgegeben hat. In D. 6,1,69 wird sogar der Beklagte verurteilt, obwohl er die Klagen nicht erhält. 583 Ob es um die reivindicatio geht, ist nicht völlig klar. Dafür spricht immerhin, dass es sich um einen Gegenfall zu Paulus 21 ed D. 6,1,27,1 a. A. handeln könnte: Possidere autem aliquis debet utique et litis contestatae tempore et quo res iudicatur. quod si litis contestationis tempore possedit, cum autem res iudicatur sine dolo malo amisit possessionem, absolvendus est possessor. Und jedenfalls die Kompilatoren haben die Stelle auf die reivindicatio bezogen. Die Palingenesie ist wenig aufschlussreich. Das Fragment gehört nach Lenel in den Abschnitt De iudiciis (P I, Paulus 1857, Sp. 1286). Nähme man aber mit Lenel (a. a. O. Fn. 3) einen Bezug zur cautio pro praede litis et vindiciarum an, wäre man wieder im Bereich der reivindicatio. 584 Zur Ermöglichung des Eigentumserwerbs vgl. Paulus 17 Plautium D. 6,1,47. 585 Verurteilung eines Bürgen setzt nicht einmal einen dolus des Verwahrers voraus, vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,14. 586 Levy, Enteignung 482. 587 Jul. 19 dig D. 25,2,22pr.: Si propter res amotas egero cum muliere et lis aestimata sit, an actio ei danda sit, si amiserit possessionem? movet me, quia dolo adquisiit possessionem. respondi: qui litis aestimationem suffert, emptoris loco habendus est. ideo si mulier, cum qua rerum amotarum actum est, aestimationem litis praestiterit, adversus vindicantem maritum vel heredem mariti exceptionem habet et, si amiserit possessionem, in rem actio ei danda est. Der dolus bezieht sich hier zwar nicht auf den Besitzverlust und damit auf die Herbeiführung der Unmöglichkeit der Rückgabe, sondern auf die Unterschlagung, die die Beklagte den Besitz erlangen lässt. Das Bedenken, ob dolus zum Eigentumserwerb führen dürfe, ist aber das gleiche.
§ 17 reivindicatio, actio furti, actio ad exhibendum und condictio
319
Nach Marcellus wird dem Verwahrer und dem Entleiher insofern geholfen, dass der Eigentümer ihnen seine Klagen abtreten muss, auch wenn sie die Sache wegen ihres eigenen dolus nicht zurückgeben können590. Dabei lässt freilich das solet eine flexible Handhabung zu. Dass hier der Hinterleger seine Klagen abtreten soll, wird heißen, dass der Verwahrer noch nicht Eigentümer ist. Grund dafür dürfte sein, dass der Beklagte die Sache nicht mehr hat (res absit). Nach Lenel behandelt Marcellus im 4. Buch seiner Digesten die reivindicatio591; Lenel vermutet dabei einen inhaltlichen Zusammenhang mit dem Thema von D. 6,1,69, das auch Marcellus behandelt haben wird592. Marcellus könnte also zunächst das Problem hinsichtlich der reivindicatio erörtert haben und dann erst auf die actio depositi und die actio commodati gekommen sein593. Das condemnato macht klar, dass erst dem Verurteilten geholfen wird; es wird sich also um die Gewährung einer exceptio doli gegen die actio iudicati des Eigentümers handeln594. Dabei zeigt schon das quamquam, dass im mit diesem quamquam eingeleiteten Nebensatz ein Argument liegt, das für das gegenteilige Ergebnis sprechen könnte. Soll denn wirklich ein Doloser die Klageabtretung verlangen können? Zwingend ist dabei aber nicht, dass quamquam auf einen Gegensatz wie eine andere Behandlung etwa bei der reivindicatio zielt (vgl. D. 6,1,69)595. Denn der Anstoß, einem Dolosen werde geholfen, rechtfertigt das quamquam auch so596. 588 Ist die Stelle auch für beide Institute echt? Dafür De Ruggiero, „Depositum vel commodatum“ 19 f. Die Stelle sei wie viele andere, die vom Besitz bzw. der Detention handeln, in Bezug auf beide Institute echt (a. a. O. 16 ff.). Hauk, Das Recht des Ersatzpflichtigen 6, streicht ohne Begründung das commodatum. Beseler, Miscellanea 217 f., sieht in quamquam mit Konj. ein Interpolationsindiz; falsch, Hofmann / Szantyr, 602 f. 589 Übersetzung: Bei der actio depositi und der actio commodati pflegt man dem Verurteilten zu helfen, dass der Eigentümer dem Verurteilten seine Klagen abtrete, obwohl die Sache wegen des dolus des Gegners nicht vorhanden ist. 590 Ist die Sache ohne dolus des Verwahrers nicht mehr da, wird er überhaupt nicht verurteilt. Höchstens könnte er verurteilt werden, wenn er eine ihm zustehende Klage nicht abtritt. Doch ist fraglich, ob er solche hätte; reivindicatio und etwa actio furti kämen jedenfalls nicht in Frage (zu einer solchen Konstellation vgl. etwa Afr. 7 quaest D. 16,3,16 und § 16 II). Anders ist dies beim Entleiher; dieser haftet für custodia und würde also gegebenenfalls verurteilt werden, auch wenn ihm kein dolus zur Last fiele. Dass ein Verleiher, der den Entleiher verklagt statt etwa den Dieb, seine Klagen abtreten muss, hat mit dem Grundsatz der condemnatio pecuniaria und mit Enteignung nichts zu tun; es geht um die Frage, wer von beiden Regress vom Dritten nehmen muss (vgl. Levy, Enteignung 501 f.; Gaius 10 edpr D. 19,2,6). 591 Lenel, P I, Marcellus 31, Sp. 594. 592 Lenel, P I, Marcellus 31, Sp. 594 Fn. 3. 593 Vgl. Wimmer, Besitz und Haftung 118 Fn. 518. 594 Vgl. Kaser / Hackl, § 56 II, S. 385 Fn. 20; Wesener, Durchsetzung von Regreßansprüchen 349 m.Fn. 60; Medicus, Zur Urteilsberichtigung 254. 595 So aber Wimmer, Besitz und Haftung 118 Fn. 518. 596 Vgl. Julian in 19 dig D. 25,2,22pr.: movet me.
320
4. Kap., 4. Abschn.: Die Konkurrenzklagen zur actio depositi
In der Tat lehnt Paulus aber in D. 6,1,69 es aus diesem Grunde ab, dass der Eigentümer dem Verurteilten Sicherheit dafür leisten müsse, er werde seine Klagen abtreten597. Abgesehen von diesem Widerspruch zu D. 6,1,69 fügt sich die Stelle D. 42,1,12 aber gut in die Lehre vom Eigentumserwerb des Verwahrers ein: Weil der Verwahrer im Urteilszeitpunkt nicht die Sache hatte, tritt an die Stelle des Eigentumserwerbs die Klageabtretung, die dann, wenn der Verwahrer den Besitz an der Sache erlangt hat, zum Eigentumserwerb führt. Bevor versucht wird, den Widerspruch zwischen den beiden Stellen D. 6,1,69 und D. 42,1,12 zu erklären, sollen die Stellen noch näher betrachtet werden. (1) Wann haben in den beiden Stellen die Beklagten den Besitz dolos aufgegeben? Vor oder nach litiscontestatio? Bei D. 6,1,69 geht man zumeist davon aus, der Beklagte habe den Besitz nach litiscontestatio aufgegeben598. Dies wird sich wohl zum einen darauf stützen, dass man die Stelle auf die reivindicatio bezieht und derjenige, der den Besitz vor litiscontestatio aufgegeben hatte, für die reivindicatio nicht mehr passivlegitimiert war. Hinfällig wird dieses Argument, wenn man Paulus als Vertreter einer Mindermeinung ansieht, dass passivlegitimiert für die reivindicatio auch derjenige sei, der vor litiscontestatio dolos den Besitz aufgegeben habe599; daraus könnte dann Paulus nämlich weitergehende Schlussfolgerungen gezogen haben, ohne dass andere Juristen diese geteilt hätten, weil sie von vornherein die reivindicatio gegen einen Beklagten wie dem im Falle von D. 6,1,69 verneint hätten.
Ein zweites Argument für den Bezug auf die Besitzaufgabe nach litiscontestatio könnte sich aus dem Zusammenhang in den Digesten ergeben600, wenn man davon ausgeht, D. 6,1,68 handele vom Besitzverlust nach litiscontestatio601, und aus der 597 Die Stelle D. 42,1,12 betrifft also die Klageabtretung, D. 6,1,69 die Sicherheitsleistung für zukünftige Klageabtretung, doch ist beides strukturell das Gleiche, vgl. Levy, Enteignung 506 f. Man könnte überlegen, ob die Abtretung erst nach der Verurteilung erfolgen soll, denn D. 42,1,12 betrifft den Verurteilten, D. 6,1,69 wohl den erst noch zu Verurteilenden. 598 Vgl. Schipani, Responsabilità del convenuto 80 ff.; Pennitz, Enteignungsfall 318. Dafür spräche auch der Vergleichsfall am Anfang von Paulus 21 ed D. 6,1,27,1. 599 Vgl. Paulus 21 ed D. 6,1,27,3: Sed et is, qui ante litem contestatam dolo desiit rem possidere, tenetur in rem actione: idque ex senatus consulto colligi potest, quo cautum est, ut diximus, ut dolus praeteritus in hereditatis petitionem veniat: cum enim in hereditatis petitione, quae et ipsa in rem est, dolus praeteritus fertur, non est absurdum per consequentias et in speciali in rem actione dolum praeteritum deduci. Für Echtheit schon Schipani, Responsabilità del convenuto 113 ff. Zu dieser Stelle auch Pennitz, Enteignungsfall 294 ff. Pennitz geht in der Tat davon aus, Paulus habe hier eine Mindermeinung vertreten, die viel für sich gehabt habe und der sich Justinian letztlich angeschlossen habe. Für Echtheit auch Wimmer, Besitz und Haftung 45 f. 600 So wohl Kaser, Il conventuo nelle azioni reali (Rez. Schipani, Responsabilità del convenuto) 362, Labeo 18.
§ 17 reivindicatio, actio furti, actio ad exhibendum und condictio
321
Palingenesie, wenn Paulus 13 Sab D. 6,1,71602 dieselbe Grundkonstellation betreffen sollte. Die Stelle D. 42,1,12 kann jedenfalls Fälle der Besitzaufgabe vor litiscontestatio meinen, denn es ist auf keinen Fall Voraussetzung der Klage, dass Entleiher oder Verwahrer die Sache noch haben. Doch auch ein dolus nach litiscontestatio wurde von der actio depositi in factum concepta erfasst603. Wenn D. 42,1,12 auch vom Besitzverlust nach litiscontestatio handeln würde, dann könnte man einen Unterschied zwischen den Stellen auf folgende Art konstruieren: Der Verwahrer würde auch für zufälligen Besitzverlust haften604, der mit der reivindicatio verklagte Besitzer nicht605. Der dolus wäre also in D. 6,1,69 Haftungsvoraussetzung, in D. 42,1,12 nicht.
(2) Wodurch erfolgte die Besitzaufgabe? Da nach dem Besitzverlust dem Kläger Klagen gegen andere Personen zustehen, muss ein anderer Besitz erlangt haben; dies kann geschehen sein nach Übertragung durch den Beklagten oder nach bloßer Besitzaufgabe. Letzteres ist unwahrscheinlicher. (3) Was ist der Sinn der angesprochenen Klageabtretungen? Hätte der Beklagte die Sache verkauft, könnte er mit den abgetretenen Klagen die Sachen nicht vom Käufer wieder erlangen, denn er würde mit einer exceptio abgewiesen606 (und hat ja zudem vom Dritten den Kaufpreis erhalten). Die Klageabtretung kann also doch nur bezwecken, den Beklagten davor (wenn auch unvollkommen607) zu schützen, dass der Eigentümer die Sache dem Käufer evinziert608 und der Beklagte dann dem Käufer haftet. Der Widerspruch zwischen den Stellen ist stets aufgefallen609.
601 Ulp. 51 ed D. 6,1,68: Qui restituere iussus iudici non paret contendens non posse restituere, si quidem habeat rem, … si vero nec potest restituere nec dolo fecit quo minus possit, … . 602 Paulus 13 Sab D. 6,1,71: Quod si possessor quidem dolo fecit, actor vero iurare non vult, sed quanti res sit adversarium condemnari maluit, mos ei gerendus est. Nach Lenel (P I, Paulus 1857 f., Sp. 1286 f.) gehört aber D. 6,1,71 mit D. 12,3,2 zusammen; ein näherer Zusammenhang mit D. 6,1,69 schiede damit aus. 603 Siehe § 12. 604 Vgl. Pomp. 22 Sab D. 16,3,12,3. 605 Vgl. Paulus 21 ed D. 6,1,27,1 (Lehre der Sabinianer). 606 Vgl. etwa Ulp. 76 ed D. 21,3,1pr.; Ulp. 16 ed D. 6,1,72; siehe Windscheid / Kipp9, § 172, S. 885 Fn. 5. Nach § 185 II 1 Var. 2 BGB würder der Käufer Eigentümer. 607 Würde der Eigentümer die Klagen gegen den Käufer erheben (was er trotz der „Abtretung“ könnte), verfiele die dolus-Klausel (vgl. Kaser, RP I § 153 I 2, S. 654 m.Fn. 12). 608 Vgl. Levy, Enteignung 501: in negativer Hinsicht sei Zweck der Abtretung zu verhindern, dass der Kläger sein Eigentum erneut geltend macht. Der Käufer kann wohl nicht ersitzen, weil die dolose Weitergabe die Sache zu einer res furtiva macht, vgl. G. 2,50.
322
4. Kap., 4. Abschn.: Die Konkurrenzklagen zur actio depositi
Ein Unterschied besteht darin, dass Entleiher und Verwahrer eine actio contraria gegen den Eigentümer hätten, wenn dieser seine Sache wieder erlangt610, während für den mit der reivindicatio beklagten Besitzer eine entsprechende Klage nicht ersichtlich ist. Das würde aber, wenn überhaupt für irgendetwas, dafür sprechen, dass gerade in D. 6,1,69 der Beklagte die Abtretung sollte verlangen können. Levy611 hat den Widerspruch so erklärt, dass D. 42,1,12 von Vertragsklagen handele, bei denen der dolus nicht die causa der Haftung bilde, sondern nur eine zusätzliche Haftungsvoraussetzung (depositum), manchmal sogar nur einen zufälligen Sachverhaltsumstand (commodatum). Vertragsklagen dienten der Sachverfolgung, nicht der Strafe; es müsse verhindert werden, dass der Kläger mehr als nur einmal den Sachwert erlange. Die Stelle D. 6,1,69 betreffe hingegen die deliktische Haftung; dort sei der dolus die causa der Haftung und schließe daher eine Begünstigung des Haftenden aus. Der Beklagte erleide eine wirkliche Strafe. Für Mühlenbruch612 gehe es in D. 42,1,12 um den Grundsatz, dass der zum Schadensersatz wegen abhandengekommener Sachen Verurteilte die Abtretung der die Sachen betreffenden Klagen verlangen kann (es geht also um eine Regel, wie sie jetzt § 255 BGB enthält). Hingegen betreffe D. 6,1,69 den Fall, dass sich jemand der Klage eines anderen entziehen wolle; dies könne der Verwahrer durch dolose Veräußerung gar nicht. Ferner werde die dolose Besitzentäußerung, um sich der Klage zu entziehen, oft ein kollusives Zusammenwirken mit dem Dritten sein613. Hier soll im Anschluss an Mühlenbruch folgender Unterschied zwischen den Stellen betont werden: In D. 42,1,12 soll der Kläger andere Klagen abtreten, etwa die reivindicatio, als die er selbst gegen den Beklagten geltend macht, nämlich actio depositi und actio commodati, und die er gegen andere gar nicht hätte erheben können. In D. 6,1,69 soll der Kläger aber die Klage abtreten, die er gegen den Beklagten erhoben hat und die er nun, nach dessen doloser Besitzaufgabe, gegen andere erheben könnte. Wenn man die Frage als Konkurrenzproblem sieht, dann könnte man sagen, dass in D. 6,1,69 dem Eigentümer die reivindicatio gegen den Dritten nicht genommen werden soll, nur weil man den dolosen besitzlosen Beklagten nicht freispricht, dieser insoweit bestraft wird614. Nachweise bei Mühlenbruch, Cession3 411 Fn. 374, auch Levy, Enteignung 508 ff. Hauk, Das Recht des Ersatzpflichtigen 6 f., beseitigt den Unterschied; nach ihm habe D. 6,1,69 ursprünglich das Gegenteil gesagt; ebenso Siber, Vorbereitung und Ersatzzweck 118 f. Man könnte auch mit ius controversum rechnen: Marcellus in D. 42,1,12: quamquam, solet, Julian in D. 25,2,22pr.: movet me. 610 Vgl. Paulus 29 ed D. 13,6,17,5. 611 Levy, Enteignung 508 ff.; zustimmend Medicus, Zur Urteilsberichtigung 254; zustimmend wohl auch Schipani, Responsabilità del convenuto 88 ff. Fn. 22. 612 Mühlenbruch, Cession3 411 f. 613 Mühlenbruch verweist auf Ulp. 36 ed D. 27,3,1,13 – 14. 614 Pennitz, Enteignungsfall 318 Fn. 302, will dem „punitur“ entnehmen, dass der Beklagte schon den Besitz dolos erworben habe. Aber das quoque punitur kann auch nur die doppelte 609
§ 17 reivindicatio, actio furti, actio ad exhibendum und condictio
323
Anders gewendet: Wenn D. 6,1,69 von der reivindicatio handelt, dann ist in dieser Stelle ja der Besitz eigentlich Voraussetzung der Passivlegitimation; in D. 42,1,12 ist er dies nicht. Erstere Stelle betrifft also ein ganz anderes Problem. d) Zusammengefasst wird man davon ausgehen müssen, dass der verurteilte Verwahrer das Eigentum an der hinterlegten Sache erwarb. Dies zeigen Ner. 1 resp D. 16,3,30 und Marc. 4 dig D. 42,1,12. Letztere Stelle zeigt neben Jul. 19 dig D. 25,2,22pr. auch, dass der Einwand, dass ein dolus des Verwahrers vorliege, im Ergebnis nicht durchschlug. Immerhin musste sich der Verwahrer das Eigentum durch seine Infamie teuer erkaufen.
II. Die Konkurrenz von actio depositi und actio furti 1. Zur Konkurrenz von actio commodati und actio furti (Jav. 15 Cass D. 47,2,72pr.) Beginnen wir mit Überlegungen Liebs’ zur Frühgeschichte der actio furti und der actio commodati615. Zu Jav. 15 Cass D. 47,2,72pr.616 stellt Liebs fest, dass der durch den Entleiher bestohlene Verleiher nach dieser Entscheidung des Cassius617 gegen diesen nicht sowohl die actio furti als auch die actio commodati erheben könne, sondern nur eine dieser Klagen, obwohl zu erwarten wäre, dass er beide Klagen hätte, nämlich die actio furti als pönale Klage und die actio commodati als sachverfolgende Klage, so wie der Bestohlene ja im entwickelten klassischen Recht auch die actio furti und die condictio furtiva häufen könne618. Dieser Widerspruch kläre sich nach Liebs, wenn man annimmt, dass die actio furti ursprünglich auch sachverfolgend gewesen sei und Schadensersatz- und Bußfunktion in sich vereinigt habe619. Ursprünglich habe der Verleiher gegen den Entleiher keine andere sachverfolgende Klage als die actio furti gehabt620, denn anders als beim depositum nach Bestrafung meinen, die darin liegt, dass der Beklagte verurteilt wird, obwohl nachträglich die Passivlegitimation wegfiel, und die Klagenabtretung nicht erzwingen kann. 615 Vgl. Liebs, Klagenkonkurrenz 87 ff. 616 Jav. 15 Cass D. 47,2,72pr.: Si is, cui commodata res erat, furtum ipsius admisit, agi cum eo et furti et commodati potest: et, si furti actum est, commodati actio exstinguitur, si commodati, actioni furti exceptio obicitur. 617 Nach Liebs, Klagekonkurrenz 87, stamme die Aussage sehr wahrscheinlich von Cassius, nicht von Javolen. 618 Liebs, Klagenkonkurrenz 94. 619 Liebs, Klagenkonkurrenz 95, 101 ff. Auf Seiten 95 – 101 legt Liebs in einem Exkurs dar, dass die condictio furtiva ein relativ junges Alter habe und daher nicht von vornherein die actio furti als sachverfolgende Klage habe flankieren können. 620 Auch nicht die condictio furtiva, vgl. vorherige Fußnote und Liebs, Klagenkonkurrenz 110 m.Fn. 133. Es bleibt die reivindicatio. Aber hier stellte sich wieder das Problem der Ein-
324
4. Kap., 4. Abschn.: Die Konkurrenzklagen zur actio depositi
PS 2 Coll. 10,7,11 habe es keine altzivile Klage aus dem commodatum gegeben621. Die neugeschaffene actio commodati habe daher im Hinblick auf die sachverfolgende Funktion die actio furti abgelöst, so dass jedenfalls noch Cassius (und Javolen?) daraus die Konsequenz zogen, dass sich diese Klagen nicht häufen ließen622.
2. Die actio ex causa depositi aus den Zwölftafeln und die actio depositi Wie war es aber beim depositum? Geht man davon aus, dass es im Recht der Zwölftafeln eine Klage ex causa depositi auf das duplum gab623, dann stellt sich die Frage nach dem Verhältnis dieser Klage zur actio furti. Die actio furti gegen den Verwahrer könnte nicht einschlägig gewesen sein, wenn damals der Begriff des furtum noch enger war, weil doch der Hinterleger seine Sache freiwillig dem Verwahrer gegeben, der Verwahrer diese nicht weggetragen, den Gewahrsam nicht gebrochen hatte624. Nach einem geläufigen Modell hat der Prätor dann diese Klage ex causa depositi modifiziert, indem er nach seinem Edikt im Falle der einfachen Verwahrung die lassungsfreiheit, ferner die Frage, ob die reivindicatio seit alters auch für res nec mancipi taugte (vgl. Kaser, RP I § 32 I, S. 127). 621 Liebs, Klagenkonkurrenz 109 f. m.Fn. 129. 622 Liebs, Klagenkonkurrenz 110 f. Zustimmend Manthe, Libri ex Cassio 191; Kaser, RP II § 272 I, S. 433 Fn. 5. 623 Vgl. PS 2 Coll. 10.7,11: Ex causa depositi lege duodecim tabularum in duplum actio datur, edicto praetoris in simplum. Vgl. Kaser, RP I § 41 III 5, S. 160 m.Fn. 49, und umfassend Gandolfi, Il deposito 46 ff., sowie immer noch zutreffend Taubenschlag, Geschichte 684 ff. Immer wieder haben sich Stimmen dafür ausgesprochen, die Klage sei einfach die actio furti nec manifesti (so auch Gandolfi a. a. O. 59 ff.). Das ist nicht überzeugend. Denn zum einen wird dies der Aussage ex causa depositi in duplum actio datur nicht gerecht. Die Klage, von der Gaius in G. 4,47 spricht, ist auch eine Klage ex causa depositi (… ex quibusdam causis praetor et in ius et in factum conceptas formulas proponit…). Zum anderen ist es durchaus plausibel, dass unter furtum in alter Zeit Fälle nicht gefallen seien, in denen der Eigentümer die Sache einem anderen freiwillig überlassen hat. Dafür spricht die Herkunft des Wortes furtum von ferre (Kaser, RP I § 41 III 1, S. 157 m.Fn. 22 u. 23) und der Vergleich mit der actio rationibus distrahendis. Fragt man nach dem Verfahren, dann ist es am einfachsten, zu behaupten, es werde sich um dasselbe Verfahren wie bei der Verfolgung des fur nec manifestus gehandelt haben, also mittels legis actio sacramentum in personam (zum furtum nec manifestum siehe Kaser, RP I § 41 III 3, S. 158 f.; Kaser / Hackl, § 13 II, S. 87 f. Fn. 10). 624 Vgl. Kaser, RP § 41 III 1, S. 157 m.Fn. 23. Das müsste für die Frühzeit der actio furti aber auch heißen, dass sie nicht dem Verleiher zustand. Das würde Schwierigkeiten für das soeben vorgestellte Modell Liebs’ bereiten. Doch muss die Entwicklung bei depositum und commodatum nicht gleich verlaufen sein. So könnte, wenn die actio furti am Anfang dem Hinterleger und Verleiher nicht zustand, beim depositum das Fehlen eines Rechtsschutzes stärker empfunden worden sein, so dass hier eine besondere Klage geschaffen wurde.
§ 17 reivindicatio, actio furti, actio ad exhibendum und condictio
325
Klage nur noch auf das simplum gab und nur noch im Falle des depositum necessarium auf das duplum625. Seit dieser Zeit wäre dann also die Klage auf das duplum aus den Zwölftafeln nicht mehr im Gebrauch gewesen. Es hätte sich dann die Frage gestellt, ob der Hinterleger gegen den unterschlagenden Verwahrer nun die actio furti habe (dies hätte eine Ausdehnung des Begriffs des furtum bedeutet626). Ferner wäre die Frage nach der Konkurrenz zwischen der actio furti und der actio depositi aus dem Edikt des Prätors aufgetaucht. Bei diesem Modell ist also die Frage nach der Konkurrenz von actio depositi und actio furti ein sekundäres Problem627. 3. Die actio furti des Hinterlegers gegen den Verwahrer Dass der Hinterleger gegen den Verwahrer die actio furti erheben konnte, ist uns bis auf die Zeit des Quintus Mucius Scaevola bezeugt. Die actio furti ging gegen den Verwahrer, wenn er die hinterlegte Sache gebraucht hatte628, ferner, wenn er die Sache verkauft hatte629. 625 Vgl. Taubenschlag, Geschichte 692 ff. Auch beim furtum manifestum mildert der Prätor die altzivile Sanktion, vgl. Kaser, RP I § 143 II 1, S. 616. 626 Vgl. das Modell bei Kaser, RP I § 143 I, S. 614: erst enger furtum-Begriff, dann Ausdehnung, dann wieder Einengung. 627 Solche Modelle müssen gestützt werden durch Überlegungen, wie sich der Übergang vom Legisaktionenverfahren zum Formularverfahren ausgewirkt haben könnte (vgl. etwa Nörr, Causa mortis 146 ff., zur Veränderung des Rechts der Haftung aus der lex Aquilia durch den Übergang zum Formularverfahren). Dies kann hier nicht geleistet werden. 628 Der wohl früheste Beleg ist eine Aussage des Quintus Mucius in Gellius NA 6,15,2: Itaque Q. Scaevola in librorum, quos de iure civili composuit, XVI. verba haec posuit: Quod cui servandum datum est, si id usus est, sive, quod utendum accepit, ad aliam rem, atque accepit, usus est, furti se obligavit. Nach Liebs (Klagenkonkurrenz 110 m.Fn. 131) habe Quintus Mucius die Entscheidung vom commodatum auf das depositum erstreckt. Dafür spricht der Text des Gellius, denn dieser hatte im vorhergehenden Paragraphen NA 6,15,1 gesagt: Labeo in libro de duodecim tabulis secundo acria et severa iudicia de furtis habita esse apud veteres scripsit idque Brutum solitum dicere et furti damnatum esse, qui iumentum aliorsum duxerat, quam quo utendum acceperat, item qui longius produxerat, quam in quem locum petierat. Das itaque des § 2 kann also eine Folgerung des Quintus Mucius aus der Aussage des Brutus sein. Wenn dem so ist, könnte man spekulieren, es habe die actio depositi in factum concepta die actio ex causa depositi der Zwölftafeln vor Quintus Mucius abgelöst, so dass dieser Anlass hatte, über die Erstreckung der actio furti auf das depositum nachzudenken, um eine sekundäre Lücke zu schließen (siehe noch die Bemerkung in der vorherigen Fußnote). Die Aussage wird durch die späteren Juristen aufgegriffen, vgl. Pomp. 38 QuintMuc D. 47,2,77pr., D. 13,1,16. Siehe auch G. 3,196; I. 4,1,6. Zum Gebrauch von Geld siehe Gordian C. 4,34,3. Ferner PS 2 Coll. 10,7,5 (D. 16,3,29pr.). Zu diesen Stellen siehe sogleich noch im Text. Das contrectare in PS 2 Coll. 10,7,5 meint einfach, dass der Verwahrer einen Diebstahl begeht, denn contrectare meint nicht einfach nur antasten, also öffnen der Versiegelung, sondern contrectare hat fast schon die technische Bedeutung von „stehlen“, vgl. Heumann / Seckel, s.v., S. 105 f. Was genau der Verwahrer also getan hat, um einen Diebstahl zu begehen, wissen wir nicht, aber es liegt bei einer Geldverwahrung nahe, dass der Verwahrer das Geld ausgegeben hat. Und Ausgeben ist beim Geld Gebrauchen.
326
4. Kap., 4. Abschn.: Die Konkurrenzklagen zur actio depositi
Daneben wird gesagt, dass wegen bloßer infitiatio der Verwahrer nicht aus der actio furti hafte630. Dies muss man schon deshalb erstnehmen, weil infitiari die Haftung aus der actio depositi auslöst631. Ein Vergleich der Stellen ergibt folgende Übersicht: Ausdruck für Verhalten, das nicht zur Haftung aus der actio furti führt
Gegenbegriff für Verhalten, das zur Haftung aus der actio furti führt
Celsus 12 dig D. 47,2,68pr.
depositum infitiari / infitiatio
possessionem apisci intervertendi causa
Paulus 39 ed D. 47,2,1,2
depositum abnegare
intercipiendi causa occultare
Paulus 54 ed D. 41,2,3,18
loco non movere et infitiandi furti faciendi causa animum habere contrectare
Siehe ferner Julian in Ulp. 29 Sab D. 47,2,14,4: bei contrectatio ist der Verwahrer ein fur. 629 Vgl. G. 2,50: Unde in rebus mobilibus non facile procedit, ut bonae fidei possessori usucapio competat, quia qui alienam rem vendidit et tradidit, furtum committit; idemque accidit etiam, si ex alia causa tradatur. sed tamen hoc aliquando aliter se habet: nam si heres rem defuncto commodatam aut locatam vel apud eum depositam existimans eam esse hereditariam, vendiderit aut donaverit, furtum non committit. … Gaius geht es um die Frage, wann eine Ersitzung möglich ist. Dies ist bekanntlich nicht der Fall, wenn die Sache gestohlen wurde. Wenn der Erbe des Verwahrers nur deshalb keinen Diebstahl begeht, weil er von der Fremdheit der Sache nichts weiß, dann muss eben der Verwahrer selbst, der die Fremdheit kennt, durch den Verkauf einen Diebstahl begehen, so dass der Käufer die Sache nicht ersitzen kann. 630 Vgl. Celsus 12 dig D. 47,2,68pr.: Infitiando depositum nemo facit furtum (nec enim furtum est ipsa infitiatio, licet prope furtum est): sed si possessionem eius apiscatur intervertendi causa, facit furtum. nec refert, in digito habeat anulum an dactyliotheca quem, cum deposito teneret, habere pro suo destinaverit. Paulus 39 ed D. 47,2,1,2: Sic is, qui depositum abnegat, non statim etiam furti tenetur, sed ita, si id intercipiendi causa occultaverit. Paulus 54 ed D. 41,2,3,18: Si rem apud te depositam furti faciendi causa contrectaveris, desino possidere. sed si eam loco non moveris et infitiandi animum habeas, plerique veterum et Sabinus et Cassius recte responderunt possessorem me manere, quia furtum sine contrectatione fieri non potest nec animo furtum admittatur. Vgl. aber auch Pap. 26 quaest D. 41,2,47: Si rem mobilem apud te depositam aut ex commodato tibi possidere neque reddere constitueris, confestim amisisse me possessionem vel ignorantem responsum est: cuius rei forsitan illa ratio est, quod rerum mobilium neglecta atque omissa custodia, quamvis eas nemo alius invaserit, veteris possessionis damnum adferre consuevit: idque Nerva filius libris de usucapionibus rettulit. idem scribit aliam causam esse hominis commodati omissa custodia: nam possessionem tamdiu veterem fieri, quamdiu nemo alius eum possidere coeperit, videlicet ideo, quia potest homo proposito redeundi domino possessionem sui conservare, cuius corpore ceteras quoque res possumus possidere. igitur earum quidem rerum, quae ratione vel anima carent, confestim amittitur possessio, homines autem retinentur, si revertendi animum haberent. 631 Vgl. etwa Paulus 31 ed D. 16,3,13pr. Zur Frage siehe § 13 II, zu infitiari siehe auch noch Sachverzeichnis.
§ 17 reivindicatio, actio furti, actio ad exhibendum und condictio Pap. 26 quaest D. 41,2,47
327
possidere neque reddere constituere632
Von diesen Stellen gehören zur Behandlung des furtum Celsus 12 dig633 und Paulus 39 ed634, zur Behandlung der possessio Paulus 54635 und Pap. 26 quaest636. Den Zusammenhang zwischen der Frage des Besitzverlustes des Hinterlegers und des Diebstahls durch den Verwahrer stellt Paulus 54 ed D. 41,2,3,18 selbst her. Das ist einleuchtend, weil der Verwahrer durch den Diebstahl Eigenbesitz begründet. Nimmt man diese Unterscheidung ernst, dann ist die bloße Nichtrückgabe bzw. das Ableugnen des Empfangs kein Diebstahl, sondern nur zum Beispiel der Gebrauch bzw. der Verkauf. Denkbar ist dabei, dass der Verwahrer aus der actio depositi wegen Gebrauchs nicht haftete637. Die actio furti und die actio depositi hätten 632 Die Entscheidung Papinians fällt etwas aus der Reihe. Papinian hat aber auch ein anderes Thema, nämlich nur die Frage des Besitzverlustes, wenn der Besitzer unwissend ist und dabei insbesondere die Unterscheidung von belebten und unbelebten Sachen. Eine Vereinbarkeit mit den übrigen Stellen kann man annehmen, wenn man das possidere neque reddere constituere so versteht, dass dafür ein infitiari nicht genüge. 633 Vgl. Lenel, P I Celsus 106, Sp. 144. 634 Vgl. Lenel, P I Paulus 563, Sp. 1046. 635 Nämlich zum Ersitzungsbesitz, vgl. Lenel, P I Paulus 658, Sp. 1066. 636 Und zwar zum Interdiktenbesitz, vgl. Lenel, P I Papinian 319, Sp. 865. 637 Wenn es nicht zu einer Beschädigung oder zu einem Verbrauch kam (vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,16). Für die Haftung aus der actio depositi wegen Gebrauchs der Sache sind keine Quellen überliefert, vgl. Rotondi, Teoria romana 70 f. Dies ist auch mit dem Wortlaut der actio depositi in factum concepta vereinbar, wenn man nicht an Fiktionen wie res usa reddita non est reddita denken sollte. Bei der actio depositi in ius concepta könnte der Judex wohl keine Verurteilungssumme bemessen, wenn der Verwahrer die Sache zwar gebraucht, aber dabei nicht beschädigt und jederzeit zur Rückgabe bereit und in der Lage ist. Dass der bloße Gebrauch allein keine Haftung aus der actio depositi begründet, war schon oben in § 13 I 2 angenommen worden. Bedenken erweckt insoweit aber Pomp. 38 QuintMuc D. 47,2,77pr.: Qui re sibi commodata vel apud se deposita usus est aliter atque accepit, si existimavit se non invito domino id facere, furti non tenetur. sed nec depositi ullo modo tenebitur: commodati an teneatur, in culpa aestimatio erit, id est an non debuerit existimare id dominum permissurum. Nach Pomponius scheidet die Haftung aus der actio depositi bei Gebrauch der Sache aus: nec depositi ullo modo tenebitur. Grund dafür könnte sein, dass der Verwahrer nur für dolus haftet und Pomponius einen Fall bildet si existimavit se non invito domino id facere. Das ullo modo würde sich dann darauf beziehen, dass man beim commodatum noch näher prüfen müsse, ob dem Entleiher ein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen ist, nicht darauf, dass beim depositum wegen Gebrauchs sowieso keine Haftung aus der actio depositi erwachse, auch unabhängig von der inneren Einstellung des Verwahrers. Unklar ist zum einen, wie bei dolosem Gebrauch eine Haftung aus der actio depositi sich sollte rechtfertigen lassen, siehe gerade eben. Dass man bei usus aus der actio furti hafte, ist wohl hinzunehmen, aber dass der Verwahrer (und der Entleiher) aus actio depositi und actio commodati wegen usus haften, ohne dass die Sache zerstört oder die Rückgabe unmöglich geworden ist, erscheint sehr merkwürdig. Man würde eine klare Aussage dazu erwarten, so wie auch bei der actio furti die Juristen diese Merkwürdigkeit ansprechen. Wenn Pomponius hier
328
4. Kap., 4. Abschn.: Die Konkurrenzklagen zur actio depositi
also zum Teil verschiedene Anwendungsbereiche gehabt: Bei bloßem Gebrauch der Sache war nur die actio furti zuständig, bei infitiatio nur die actio depositi. Hier stellte sich also keine Konkurrenzfrage. Daneben gibt es aber auch Fälle, in denen beide Klagen zustehen sollen. Die Stellen betreffen einerseits Fälle der Geldverwahrung, und Geld gebraucht man, indem man es ausgibt. Damit liegt also sowohl ein Gebrauch vor, der zur Haftung aus der actio furti führt, als auch die Unmöglichmachung der Rückgabe, die zur Haftung aus der actio depositi führt638. Einen anderen Fall bildet der Verkauf der Sache639. 4. Die Konkurrenz von actio depositi und actio furti Zur Frage der Konkurrenz von actio furti und actio depositi haben wir anders als zum commodatum in D. 47,2,77pr. keine klaren Quellen640, so dass die Frage hier offen bleiben soll. Liebs641 will zwar Gordian C. 4,34,3642 die Kumulierbarkeit entnehmen. Man könnte der Stelle ebensogut das Gegenteil entnehmen. Denn wenn der Verwahrer dankbar sein soll, dass der Hinterleger die actio depositi erhebt und nicht die actio furti, dann kann man das auch so verstehen, dass die Erhebung der actio depositi die zukünftige Erhebung der actio furti ausschließe643. Fragte man nach einem Grund für den Ausschluss der Kumulierbarkeit in diesem Falle, dann könnte der darin liegen, dass Gebrauch und Unmöglichmachung der Rückgabe hier in einem eine Beschädigung oder eine Nichtrückgabe unterstellen sollte, dann wäre die Stelle eben kein Beleg dafür, dass der Verwahrer aus der actio depositi wegen bloßen Gebrauchs haftete. Fraglich ist aber auch, ob die Erwähnung des depositum im Text überhaupt echt ist, denn Fälle, dass der Verwahrer glaubt, er dürfe die hinterlegte Sache benutzen, dürften sehr selten sein; denkbar scheint überhaupt nur der Fall, dass der Verwahrer die hinterlegte Sache für seine eigene hält. Auch die Wendung usus est aliter atque accepit ist merkwürdig, denn der Verwahrer erhält die Sache zu gar keinem Gebrauch. Die Erwähnung des depositum in der Stelle ist daher verdächtigt worden (vgl. De Ruggiero, „Depositum vel commodatum“ 72 ff.). 638 Vgl. PS 2 Coll. 10,7,5 (D. 16,3,29pr.); Gordian C. 4,34,3. 639 Ulp. 30 ed D. 16,3,1,25 (actio depositi), G. 2,50 (furtum). 640 PS 2 Coll. 10,7,5 (D. 16,3,29pr.) kann man so verstehen, dass zwar beide Klagen zustehen, aber nur eine von ihnen wirklich erhoben werden kann (Liebs, Klagenkonkurrenz 91 Fn. 27). Ulpian in 11 ed D. 4,4,9,2 könnte man so verstehen, dass nicht jede dolose Verletzung beim depositum auch einen Diebstahl bedeuten muss, doch dürfte damit die Belastbarkeit der Stelle überschritten sein. 641 Liebs, Klagenkonkurrenz 91 Fn. 27. 642 Gordian C. 4,34,3: Si depositi experiris, non immerito etiam usuras tibi restitui flagitabis, cum tibi debeat gratulari, quod furti eum actione non facias obnoxium, si quidem qui rem depositam invito domino sciens prudensque in usus suos converterit, etiam furti delicto succedit. 643 Ebenso Brasiello, Aspetti innovativi 496 Fn. 1.
§ 17 reivindicatio, actio furti, actio ad exhibendum und condictio
329
Akt zusammenfallen, also beide Klagen eine Klage über eadem res wären und dabei die Lehre fortwirkte, dass actio furti und die actio ex causa depositi (wobei letztere durch die actio depositi ersetzt wurde), einander ausschließen644. Wenn ferner die actio furti die Fälle der einfachen Nichtrückgabe nicht erfasst, kann diese den Verwahrer auch nicht zur Einlassung auf die reivindicatio zwingen; diese Funktion verbliebe der actio depositi. 5. Exkurs: Zur Konkurrenz von condictio und actio depositi Eine condictio findet sich in Paulus 31 ed D. 16,3,13,1645 und in Pomp. 38 QuintMuc D. 13,1,16646, wobei es sich in der letzten Stelle eindeutig um die condictio furtiva handelt. Nicht zur hier interessierenden Frage einer Konkurrenz von actio depositi und condictio gehören Stellen, in denen dem Geber eine condictio gegeben wird, ohne dass ihm auch eine actio depositi zusteht. In Ulp. 26 ed D. 12,1,9,9 hat der Geber entweder die condictio oder die actio depositi, je nachdem, ob ein mutuum oder ein depositum vorliegt. In Ulp. 7 disp D. 12,1,18,1647 geht es um einen Dissens hinsichtlich des Zwecks der Übergabe. Dachte der Geber an ein depositum, der Empfänger an ein mutuum, kommt weder depositum noch mutuum zustande. Vor Verbrauch des Geldes hat der Geber die reivindicatio648, nach Gebrauch eine condictio, die die reivindicatio vertritt. Der Empfänger hat keine exceptio, weil sowohl nach der Vorstellung des Gebers als auch nach der des Empfängers der Empfänger zur Rückgabe verpflichtet war. Zur Frage der Konkurrenz von condictio ob turpem causam und actio depositi im Erpressungsfall gehört Ulp. 43 Sab D. 27,3,5649. Doch dürfte in der Stelle das depositum für fiducia interpoliert sein650. 644 Vgl. Liebs, Klagenkonkurrenz 92, zur Konkurrenz von actio furti und actio rationibus distrahendis. 645 Siehe schon oben § 13 II 1. 646 Siehe oben § 13 I 2. 647 Ulp. 7 disp D. 12,1,18,1: Si ego quasi deponens tibi dedero, tu quasi mutuam accipias, nec depositum nec mutuum est: idem est et si tu quasi mutuam pecuniam dederis, ego quasi commodatam ostendendi gratia accepi: sed in utroque casu consumptis nummis condictioni sine doli exceptione locus erit. 648 Vgl. die wegen Jul. 13 dig D. 41,1,36 berühmtere Parallelstelle Ulp. 7 disp D. 12,1,18pr.: Si ego pecuniam tibi quasi donaturus dedero, tu quasi mutuam accipias, Iulianus scribit donationem non esse: sed an mutua sit, videndum. et puto nec mutuam esse magisque nummos accipientis non fieri, cum alia opinione acceperit. quare si eos consumpserit, licet condictione teneatur, tamen doli exceptione uti poterit, quia secundum voluntatem dantis nummi sunt consumpti. In unserer Stelle scheidet ein Eigentumsübergang in einem Erstrechtschluss aus, weil hier der Geber nicht einmal einen Eigentumsübergang wollte. 649 Zu dieser Frage siehe die Andeutungen in § 18 VI.
330
4. Kap., 4. Abschn.: Die Konkurrenzklagen zur actio depositi
Nicht zu unserer Frage der Konkurrenz mehrerer Klagen des Hinterlegers gehört die merkwürdige condictio indebiti des Verwahrers gegen den Hinterleger in Tryph. 9 quaest D. 16,3, 31,1651. Das depositum kam nicht zustande, weil der Verwahrer Eigentümer der Sache war. Gibt der Eigentümer irrtümlich die Sache dem Dieb zurück, weil er sich dazu als Verwahrer verpflichtet glaubt, habe er nach Tryphonin eine condictio indebiti. Dies ist merkwürdig, weil die condictio in der Regel einen Eigentumsübergang voraussetzt; bei der Rückgabe der Sache durch den Verwahrer bezwecken die Parteien aber keinen Eigentumsübergang. Überzeugender wäre wohl die Annahme, es handele sich um eine condictio furtiva, weil die gestohlene Sache wieder beim Dieb ist oder doch eine an diese angelehnte condictio652.
Jüngst hat Saccoccio653 bestritten, dass es sich in Paulus 31 ed D. 16,3,13,1 um die condictio furtiva handele; Paulus rede vielmehr von der normalen condictio. Paulus 31 ed D. 16,3,13,1654: Competit etiam condictio depositae rei nomine, sed non antequam id655 dolo admissum sit: non enim quemquam hoc ipso, quod depositum accipiat, condictione obligari, verum quod dolum malum admiserit.
Saccoccio geht im Gegensatz zur herrschenden Lehre davon aus, dass Grundlage der condictio nicht der Übergang des Eigentums vom Geber auf den Empfänger gewesen sei656, sondern die condictio habe zugestanden bei der Schuld einer certa res; eine certa res habe vorgelegen, wenn sicher gewesen sei, dass die Schuld bestehe657. Eine Auseinandersetzung mit der These Saccoccios kann hier nicht geleistet werden658; sie soll nur in Bezug auf die condictio in unserer Stelle D. 16,3,13,1 untersucht werden. Nach Saccoccio habe der Hinterleger die hinterlegte Sache mit der condictio nicht von vornherein zurückfordern können; nicht weil es am Eigentumsübergang gefehlt habe, sondern weil unsicher gewesen sei, ob es zu einer Verpflichtung des Verwahrers komme. Diese sei nämlich erst durch den dolus des Verwahrers entstanden; bis zum dolus habe es am „certum dare oportere“ gefehlt659. Im Moment des
Vgl. Noordraven, Fiduzia 61. Tryph. 9 quaest D. 16,3,31,1: … et si rem meam fur, quam me ignorante subripuit, apud me etiamnunc delictum eius ignorantem deposuerit, recte dicetur non contrahi depositum, quia non est ex fide bona rem suam dominum praedoni restituere compelli. sed et si etiamnunc ab ignorante domino tradita sit quasi ex causa depositi, tamen indebiti dati condictio competet. 652 Zur Frage siehe Müller-Ehlen, Hereditatis petitio 94 Fn. 24 m.Lit. 653 Saccoccio, Si certum petetur 135 ff. (2002). 654 Literatur jetzt bei Saccoccio, Si certum petetur 135 ff. Zur Stelle schon § 13 II 1. 655 Mommsen schlägt vor quid statt id, vgl. Editio maior I 474 Fn. 2. 656 Mit Ausnahme der condicito furtiva, vgl. G. 4,4. Zur h.L. siehe nur Kaser, RP I § 139 II, S. 594 ff. 657 Saccoccio, Si certum petetur 138 f. 658 Vgl. etwa die Rezensionen von Burdese, SDHI 70 (2004), 526 – 537, und Sturm, SZ 124 (2007), 513 – 530. 659 Saccoccio, Si certum petetur 138 f. 650 651
§ 17 reivindicatio, actio furti, actio ad exhibendum und condictio
331
dolus, wenn etwa der Verwahrer ohne Grund die Rückgabe verweigere, weil er etwa wisse, dass der Rückfordernde der Erbe des Hinterlegers sei, werde das „dare oportere“ gewiss; dem Hinterleger stehe die condictio zu660. Was bedeutet die These Saccoccios für das depositum eigentlich? Der Hinterleger hat also, obwohl das depositum auf jederzeitige Rückforderung gestellt ist, die condictio nicht, weil nicht sicher sei, ob dolus vorliege. Der Hinterleger hat anders als der Darlehensgeber die condictio nicht, weil der Verwahrer nur für dolus haftet. Warum haftet der Verwahrer nur für dolus? Weil das dolus-Erfordernis im Wortlaut der actio depositi in factum concepta festgeschrieben ist. Wann also der Hinterleger die condictio hat, richtet sich danach, wann er die actio depositi hat. Die erste Klage hat er nur, wenn er die zweite hat. Auch Ulpian gibt dem Hinterleger die condictio im Falle des certum esse debitum iri661. Damit meint Ulpian aber, dass bis zum Eigentumsübergang die actio depositi zusteht, nach dem Eigentumsübergang die condictio. Dies ergibt ein Vergleich von Ulp. 26 ed D. 12,1,9,9 auf der einen Seite mit Ulp. 2 ed D. 12,1,10 und Ulp. 30 ed D. 16,3,1,34 auf der anderen Seite662. Das certum esse debitu iri meint bei Ulpian also nicht, die condictio stünde dem Hinterleger auch ohne Eigentumsübergang zu.
Eine kritische Würdigung muss von der Beobachtung Saccoccios ausgehen, dass der Quellen für die Anwendbarkeit der condictio gegen den Verwahrer in der Tat nur wenige sind663. Umso auffälliger ist es, dass in den anderen Fällen, in denen von einer condictio gegen den Verwahrer die Rede ist, es sich um eine condictio furtiva handelt. Neben D. 13,1,16 deutet auch Ulp. 30 ed D. 13,1,9 daraufhin, denn diese ebenfalls vom der condictio furtiva handelnde Stelle stammt wohl ausweislich der Buchzahl aus der Behandlung des depositum, und Ulpian sah also bei der Erörterung des depositum sich veranlasst, gerade auf diese Art der condictio zu kommen664. 660 Saccoccio, Si certum petetur 139. Saccoccio (a. a. O. 137 Fn. 117) hält den engen Zusammenhang mit D. 16,3,13pr. für sicher. Sicher ist dieser Zusammenhang aber nicht. Dass zwei Fragmente in den Digesten aufeinanderfolgen, lässt nicht den Schluss zu, dies sei auch im Originalzusammenhang der Fall gewesen. Der Kommentar des Paulus im 31. Buch zum depositum muss sehr viel länger gewesen sein. Was und wo die Kompilatoren gestrichen haben, wissen wir nicht. 661 Ulp. 2 ed D. 12,1,10: Quod si ab initio, cum deponerem, uti tibi si voles permisero, creditam non esse antequam mota sit, quoniam debitu iri non est certum. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,34: Si pecunia apud te ab initio hac lege deposita sit, ut si voluisses utereris, prius quam utaris depositi teneberis. Ulp. 26 ed D. 12,1,9,9: Deposui apud te decem, postea permisi tibi uti: Nerva Proculus etiam antequam moveantur, condicere quasi mutua tibi haec posse aiunt, et est verum, ut et Marcello videtur: animo enim coepit possidere. ergo transit periculum ad eum, qui mutuam rogavit et poterit ei condici. 662 Bei D. 12,1,9,9 geht das Eigentum sofort mit der nachträglich erteilten Nutzungserlaubnis mittels traditio brevi manu über; entsprechend hat der Hinterleger sofort die normale condictio aus mutuum. In den beiden anderen Stellen hängt es noch vom Empfänger ab, ob er das Angebot zum Eigentumsübergang annimmt; bis dahin hat der Hinterleger nur die actio depositi. Ulpian lehnt damit im Ediktskommentar das Institut des depositum irregulare ab. 663 Saccoccio, Si certum petetur 138. 664 Nach Lenel (P II, Ulpian 899, Sp. 617) folgte die Stelle auf D. 16,3,7,1.
332
4. Kap., 4. Abschn.: Die Konkurrenzklagen zur actio depositi
Saccoccio bringt keine Argumente, warum es sich bei der condictio in D. 16,3, 13,1 nicht doch um die condictio furtiva soll handeln können665. Einmal fällt auf, dass die condictio nicht als condictio ex causa furtiva bezeichnet wird, doch fehlt der Zusatz häufig, wenn aus dem Zusammenhang klar ist, dass diese besondere Art der condictio gemeint ist666. Auch in unserer Stelle könnte aus dem Zusammenhang erkennbar gewesen sein, dass es um die condictio aus einem Diebstahl geht667. Die Verletzungshandlung wird beschrieben mit quid dolo admittere und dolum malum admittere. Das sind letztlich nur Formulierungen, die für die actio depositi ganz allgemein das haftungsbegründende Verhalten meinen668, hier geht es aber um die Begründung der condictio. Eine deutliche Anspielung ist das weder auf ein furtum noch auf ein Erfordernis wie certum esse debitu iri. Doch hätte im Falle eines Diebstahls des Verwahrers der Hinterleger auf jeden Fall die condictio furtiva. Also hätte Paulus doch hervorheben müssen, dass er von dieser condictio nicht rede. Insgesamt spricht damit mehr dafür, es handele sich auch in D. 16,3,13,1 um die condictio furtiva. Ein Beleg dafür, dass die condictio nicht nur um Falle der condictio furtiva den Eigentumsübergang nicht vorausgesetzt habe, lässt sich damit der Stelle nicht entnehmen669. Zusammengefasst wird man sagen müssen, dass dem Hinterleger gegen den Verwahrer neben der actio depositi als condictio nur die condictio ex causa furtiva zustehen konnte. Etwas anderes könnte gelten im Bereich des depositum irregulare670, wenn der Verwahrer das Eigentum an der hinterlegten Sache erwirbt und zur Rückgabe einer vergleichbaren Sache
665 Saccoccio (137 Fn. 133) verweist nur auf Savigny, System V 518 Fn. a. Nach Savigny aber setzt die condictio den Verlust des Eigentums des Gebers voraus. Die condictio tritt bei Savigny an die Stelle der reivindicatio, der Hinterleger habe die condictio, wenn ihm die reivindicatio unmöglich werde, weil der Verwahrer die Sache verbrauche oder verkaufe oder das hinterlegte Geld ausgebe. Da dies auch ohne dolus geschehen könne, sei der dolus von Paulus nur ein Beispiel. Die condictio könne der Hinterleger auch ohne dolus des Verwahrers haben und daher könne die condictio in D. 16,3,13,1 nicht die condictio furtiva sein. Es gibt in der Tat Fälle, in denen die condictio die reivindicatio vertritt; so gibt es Quellen, in denen es heißt, die Münzen könnten vindiziert werden, wenn sie vorhanden sind, bei Verbrauch, der bei Geld durch Ausgeben geschieht, könne kondiziert werden (vgl. Kaser, Das Geld im römischen Sachenrecht 193 ff., TR 29). Man wird aber sagen müssen, dass dies nicht Thema der Stelle D. 16,3,13,1 ist. Es geht nicht darum, wann die reivindicatio des Hinterlegers erlischt, sondern wann dieser die condictio hat. Und etwa die condictio furtiva kann der Hinterleger auch neben der reivindicatio haben, wenn der Verwahrer nämlich die Sache gebraucht, vgl. D. 13,1,16. 666 Siehe etwa nur Ulp. 38 ed D. 13,1,10 und Paulus 39 ed D. 13,1,11. 667 Wie bereits gesagt, der genauere palingenetische Zusammenhang ist ungewiss. 668 Vgl. § 8. 669 Das schließt natürlich nicht aus, dass die These Saccoccios nicht doch zutreffend ist und sich D. 16,3,13,1 in die These einbauen lässt. Nur macht umgekehrt D. 16,3,13,1 für diese These keinen Beweis.
§ 17 reivindicatio, actio furti, actio ad exhibendum und condictio
333
aus der Gattung verpflichtet ist. Dann könnte neben der condictio der Hinterleger auch noch die actio depositi haben, wenn man ein depositum irregulare anerkennt.
III. Die Konkurrenz von actio depositi und actio ad exhibendum Die Konkurrenz von actio depositi und actio ad exhibendum wirft die schwierigsten Probleme auf; dies hat seine Ursache darin, dass schon die Funktion der actio ad exhibendum rätselhaft ist. 1. Zu den Funktionen der actio ad exhibendum a) Die Erzwingung der Einlassung auf die reivindicatio (der Fall des „besitzenden“ Verwahrers) Ein Unterschied zwischen der actio depositi und der reivindicatio besteht darin, dass die erste als actio in personam unter Einlassungszwang steht, letztere als actio in rem nicht. Nach herrschender Meinung wird dieser Nachteil der reivindicatio bei beweglichen Sachen durch die actio ad exhibendum ausgeglichen; deren hauptsächliche Funktion habe darin bestanden, den Besitzer zur Einlassung auf die reivindicatio zu zwingen671. Damit wäre die actio depositi nicht erforderlich, um den Verwahrer zur Einlassung auf die reivindicatio zu zwingen. Vorstellbar ist aber, dass die actio depositi wegen der Infamiegefahr den Verwahrer schneller zur Einlassung zwingen konnte. b) Die actio ad exhibendum als Schadensersatzklage wegen doloser Besitzaufgabe vor litiscontestatio (der Fall des wegen dolus nicht-„besitzenden“ Verwahrers) Wie die actio depositi soll auch die actio ad exhibendum den Fall erfasst haben, dass der Besitzer den Besitz in doloser Weise vor litiscontestatio verloren hat. Für diesen Fall habe es den stehenden Formelteil dolo malo factum est quo minus possideret gegeben. Die Formel lautete nach Lenel672: 670 Unter depositum irregulare wird hier ein Institut verstanden, bei dem der Geber die actio depositi erhält, obwohl der Empfänger nicht zur Rückgabe gerade der empfangenen Sache verpflichtet ist, sondern zur Rückgabe einer Sache aus derselben Gattung. 671 Vgl. nur Kaser, RP I § 103 I 3a, S. 434. Man beachte, dass Kaser die Klage der Stellung in seinem Handbuch nach nur unter dem Gesichtspunkt der Ermöglichung der reivindicatio betrachtet. Jetzt ausführlich Pennitz, Enteignungsfall 265 ff. 672 Vgl. Lenel, EP3 223.
334
4. Kap., 4. Abschn.: Die Konkurrenzklagen zur actio depositi
Quod Aulus Agerius mensam argenteam a Numerio Negidio vindicare vult, quidquid ob eam rem Numerium Negidium Aulum Agerium exhibere oportet, quod Numerius Negidius possidet dolove malo eius factum est quo minus possideret, nisi arbitrio iudicis exhibebitur, quanti ea res erit, tantam pecuniam Numerium Negidium Aulo Agerio condemnatio, s.n.p.a.
nach Kaser673: Si paret Numerium Negidium Aulo Agerio mensam argenteam exhibere oportere, quam Numerius Negidius possidet dolove malo fecit quo minus possideret, nisi arbitrio iudicis exhibebitur, quanti ea res erit, tantam pecuniam Numerium Negidium Aulo Agerio condemnatio, s.n.p.a.
Man wird jedenfalls sagen können: Es ist nicht ganz stimmig, dass eine Klage, die vor allem die Einlassung auf die reivindicatio erzwingen soll, anders als diese auch den Fall der dolosen Aufgabe des Besitzes vor litiscontestatio erfasst674. Entweder ist also der Besitz überhaupt keine Voraussetzung der reivindicatio und diese ist daher auch nicht die Klage des nichtbesitzenden Eigentümers gegen den besitzenden Nichteigentümer675, oder aber die Funktion der actio ad exhibendum lässt sich nicht derart eng beschreiben, dass sie nur oder auch nur hauptsächlich der Erzwingung der Einlassung auf die reivindicatio diene. Die actio ad exhibendum kann also auch noch eine andere Funktion haben, nämlich die Funktion einer Schadensersatzklage gegen denjenigen, der vorsätzlich den Besitz aufgegeben hat; sie wäre also auch eine Schadensersatzklage entsprechend unserem Anspruch aus §§ 989, 990 I 2 BGB676. Im Hinblick auf diese Funktion könnte sich aber der Hinterleger auch der actio depositi bedienen. Man nehme den Fall, dass jemand weiß, ein anderer wolle ihm das Eigentum an einer Sache streitig machen, und deshalb die Sache verkauft. Wie kann er sich jetzt noch gegen die actio ad exhibendum verteidigen, da er doch in Erwartung des Rechtsstreits den Besitz vorsätzlich aufgegeben hat? Steht ihm die Möglichkeit offen, die Verurteilung aus der actio ad exhibendum abzuwenden, indem er sich offen als Nichtbesitzer auf die reivindicatio einlässt? Entfällt das exhibere oportere, wenn der Belangte zur Einsetzung der reivindicatio bereit ist? Dann wird also die reivindicatio eingesetzt, obwohl Kläger und Prätor wissen, dass der Beklagte nicht besitzt?
673 Kaser, Die ‚formula‘ der ‚actio ad exhibendum‘ 577; ebenso jetzt Mantovani, Le formule2 Nr. 47, S. 52 f. 674 So Schipani, Responsabilità del convenuto 99 ff. Bei Kaser, Die ‚formula‘ 574 Fn. 118, heißt es: „Die Haftung desjenigen, der dolo desiit possidere, überschreitet die primäre Funktion der aae., die rei vindicatio oder eine gleichgestellte Klage vorzubereiten oder zu ersetzen.“ 675 Vgl. Paulus 21 ed D. 6,1,27,3. 676 Im geltenden Recht hat zwar der Eigentümer gegen denjenigen, der den Besitz dolos aufgegeben hat, nicht mehr den Herausgabeanspruch aus § 985 BGB, dafür aber den Schadensersatzanspruch wegen doloser Herbeiführung der Unmöglichkeit der Rückgabe gem. §§ 989, 990 I 2. Dieser Anspruch entspricht der dolus-Klausel der actio ad exhibendum.
§ 17 reivindicatio, actio furti, actio ad exhibendum und condictio
335
Für das interdictum quem fundum ist dies nach der Konstruktion Lenels677 der Fall, denn der Restitutionsbefehl ergeht nur si rem nolit defendere. Der Veräußerer des Grundstücks kann sich anscheinend als offener Nichtbesitzer auf die reivindicatio einlassen, um die Haftung aus dem Interdikt abzuwenden. Das hieße aber nur, dass auch derjenige passivlegitimiert für die reivindicatio ist, der den Besitz dolos aufgegeben hat und sich auf die reivindicatio einlassen will678.
c) Ein Vereinigungsmodell Marrones Nach einem Modell Marrones679 habe der Eigentümer gegen denjenigen, der dolos den Besitz aufgegeben hat, nur dann die actio ad exhibendum als Schadensersatzklage gehabt, wenn er die Sache nicht von einem Dritten vindizieren konnte. Lenel, EP3 475. Auch bei beweglichen Sachen wird die reivindicatio möglich gewesen sein, wenn die Parteien und der Prätor wussten, dass der Beklagte nicht mehr Besitzer ist. Denn wenn der Beklagte, der dolos den Besitz aufgegeben hat, bereit ist, die Verteidigung zu übernehmen, dann ist doch seine Haftung nach dem Regime von reivindicatio und actio ad exhibendum nur gerechtfertigt, wenn der Kläger beweist, dass er Eigentümer war. Diese Frage muss also einer Prüfung durch den Judex unterworfen werden können (so auch Schipani, Responsabilità del convenuto 111; Wimmer, Besitz und Haftung 39 ff.). Um ein liti se offerre geht es hierbei nicht, weil der Beklagte sich ausdrücklich als Nichtbesitzer bekennt (zum liti se offere siehe Pennitz, Enteignungsfall 287 ff.). Dies zeigt auch Ulp. 60 ed D. 6,1,25. Wer dolos den Besitz verloren hat, hat einen anerkannten Grund, sich auf den Rechtsstreit einzulassen. Ähnliche Überlegungen bei Pennitz, Enteignungsfall 263 ff., der a. a. O. 297 auch darauf hinweist, dass die Passivlegitimation gem. D. 6,1,27,3 dessen, der in doloser Weise den Besitz vor litiscontestatio aufgegeben hat, die Spielräume des Beklagten erweitert, nicht die des Klägers. Ähnlich auch Lenel, Reivindicatio und actio ad exhibendum 520 Fn. 16, zur Frage einer reivindicatio ohne Lostrennung der Sache. Siehe auch Paulus 11 ed D. 4,3,18,1 (zur actio de dolo): der Judex kann sofort in Geld verurteilen ohne Restitutionsbefehl, wenn der Beklagte die Sache nicht restituieren kann. Bei Erteilung der reivindicatio gegen den dolosen Entsitzer kann also etwa die Formel ohne Restitutionsklausel erteilt worden sein. Ist dolose Entsitzung möglich, wenn es noch zweifelhaft ist, ob der Kläger Eigentümer ist? Ja, denn es ist das eine, ob der Beklagte den Kläger für den Eigentümer hält, etwas anderes, ob man dem Kläger den Eigentumsbeweis erspart. 679 Marrone, Dolo desinere possidere 367 ff., insbes. 390 f. m.Fn. 63 und 398 f. m.Fn. 79. Zustimmend etwa Kaser / Hackl, § 38 I 2, S. 276 Fn. 12. Marrones Modell fußt dabei nicht so sehr auf Quellen zur actio ad exhibendum, als vielmehr auf grundsätzlichen Überlegungen, auf dem Vergleich mit anderen Klagen, bei denen der Beklagte wegen doloser Besitzaufgabe haftet, obwohl eigentlich die Haftungsvoraussetzungen wegen der Besitzaufgabe nicht mehr vorliegen, und auf der Untersuchung zum Konkurrenzverhältnis zwischen der dolus-Klausel der actio ad exhibendum und dem interdictum de alienatione. Schwierigkeiten machen vor allem Ulp. 24 ed D. 10,4,9pr. und 10,4,9,2. Vgl. Ulp. 24 ed D. 10,4,9,2: Si quis rem fecit ad alium pervenire, videtur dolo fecisse quo minus possideat, si modo hoc dolose fecerit. Nach Marrone (a. a. O. 398 m.Fn. 79) sei der dolus spezifisch darauf gerichtet, dem Gegner die Sachverfolgung zu erschweren. Das meine die Betonung des dolus-Erfordernisses durch si modo hoc dolose fecerit. Gehe der Besitzer davon aus, der Eigentümer werde die Sache auch vom Dritten vindizieren können, liege der 677 678
336
4. Kap., 4. Abschn.: Die Konkurrenzklagen zur actio depositi
In dem Fall, dass der Besitzer also die Sache verkauft, kann der Eigentümer nur gegen den Käufer die actio ad exhibendum geltend machen, um diesen zur Einlassung auf die vindicatio zu zwingen. Nur wenn eine Klage gegen einen Dritten nicht möglich ist oder doch nur unter erschwerten Umständen, kann die actio ad exhibendum gegen den Dolosen als Schadensersatzklage erhoben werden. Dieses Modell würde also die beiden Funktionen vereinen. Ist dieses Modell zutreffend, hätte also die actio depositi gegenüber der actio ad exhibendum einen eigenen Anwendungsbereich: Veräußert der Verwahrer die Sache an einen Dritten, hat der Hinterleger gegen den Dritten die actio ad exhibendum; gegen den Verwahrer selbst hat er diese Klage nicht, dafür aber die actio depositi. d) Exkurs: Zum Alter der Klausel dolove malo fecit quo minus possideret der actio ad exhibendum Verführerisch wäre der Gedanken, dass die Klausel dolove malo fecit quo minus possideret erst spät in die stehende Formel eingefügt wurde, etwa durch Julian in seiner Ediktsredaktion nach dem Vorbild des SC Iuventianum680. Doch soll schon Labeo die Klausel gekannt haben681. Vor der Aufnahme dieser Klausel hätte die actio depositi eine Rechtsschutzlücke geschlossen682: Verliert der Verwahrer in doloser Weise den Besitz, hätte er weder mit der reivindicatio noch mit der actio ad exhibendum belangt werden können.
e) Exkurs: Zum Edikt De alienatione iudicii mutandi causa Geht es hier um Klagen, die anders als die reivindicatio wie die actio depositi und die actio ad exhibendum auch gegen den ehemaligen Sachinhaber nach doloser Besitzaufgabe gegeben werden können, so kann auch noch auf die actio in factum aus dem Edikt De alienatione iudicii mutandi causa facta683 verwiesen werden. Hat der für die reivindicatio passivlegitimierte nichtberechtigte Besitzer die Sache veräußert, so erhält aus diesem Edikt der Eigentümer eine Klage gegen den Veräußernden auf sein Interesse684. In diesem Fall können dem Eigenspezifische dolus nicht vor, der ehemalige Besitzer hafte trotz vorsätzlicher Besitzaufgabe nicht aus der dolus-Klausel der actio ad exhibendum. 680 SC Iuventianum. So vermutet man einen entsprechenden Einfluss auf das Besitzerfordernis bei der reivindicatio,vgl. auch Paulus 21 ed D. 6,1,27,3. Anders Kaser, La ‚formula‘ 574 Fn. 118. 681 Vgl. Pomp. 18 Sab D. 10,4,15 und dazu Lenel, EP3 221 m.Fn. 3. In Ulp. 24 D. 10,4,9pr.-4 findet sich aber kein Jurist, der älter als Julian ist. Der im § 2 zitierte Sabinus arbeitet nicht mit dem Gedanken der dolosen Besitzaufgabe, sondern mit dem Gedanken des res deterior exhibita non est exhibita. 682 Von den aus einem furtum entspringenden Klagen einmal abgesehen, falls es diese überhaupt schon gab (zweifelhaft bei der condictio furtiva) oder schon anwendbar auf das depositum waren (actio furti nec manifesti). 683 Vgl. zuletzt Gröschler, Actiones in factum 122 ff. 684 Zu diesem Fall vgl. Kaser, Zur integrum restitutio 171.
§ 17 reivindicatio, actio furti, actio ad exhibendum und condictio
337
tümer sowohl diese Klage als auch die actio ad exhibendum zugestanden haben, doch deckte sich der Anwendungsbereich der Klagen nicht685.
2. Die Konkurrenz zwischen actio depositi und actio ad exhibendum686 Es gab also Fälle, in denen actio ad exhibendum und actio depositi beide anwendbar waren (soeben a: „besitzender“ Verwahrer), sowie Fälle, in denen nur eine Klage half (soeben c: Verkauf der verwahrten Sache). Nach diesen Vorüberlegungen zu den Funktionen der actio ad exhibendum sollen nun die Quellen zur Frage nach der Konkurrenz von actio ad exhibendum und actio depositi untersucht werden687. 685 Unterschiede sind etwa: (1) Die dolus-Klausel der actio ad exhibendum richtete sich auch gegen Zerstörung (vgl. Ulp. 24 ed D. 10,4,9pr.: hominem occiderit / rem corruperit ne haberi possit / vinum effuderit), die actio in factum verlangte Besitzübertragung auf einen anderen, weil sich das Edikt gegen die Erschwerung der Rechtsverfolgung richtete (Ulp. 13 ed D. 4,7,4,1: neque enim alienat, qui dumtaxat omittit possessionem). (2) Die actio in factum gab es nur bei Veräußerung an einen potentior oder einen Auswärtigen; doch auch für die dolus-Klausel genügte die Veräußerung an einen Beliebigen nicht, wenn man der oben erwähnten These Marrones folgt. Die actio in factum erfasste auch die Veräußerung von Grundstücken (vgl. Gaius 4 edpr D. 4,7,3,2). Doch bedeutet das keinen weiteren Anwendungsbereich der actio in factum, wenn man neben die actio ad exhibendum das interdictum quem fundum stellt, das nach Lenel (EP3 475 m.Fn. 8) auch eine dolus-Klausel hatte. Hätte die dolus-Klausel einen weiteren Anwendungsbereich als die actio in factum, genauer: ließe sich jeder Fall der actio in factum von der dolus-Klausel erfassen, könnte die dolus-Klausel jünger als die actio in factum sein, weil bei Existenz der dolus-Klausel keine Rechtsschutzlücke bestanden hätte. Ein engerer Anwendungsbereich der actio ad exhibendum kann sich aber daraus ergeben, dass diese Klage nur angestrengt werden konnte, wenn der Kläger eine Hauptklage aus einem bestimmten Kreis vorbereiten wollte (vgl. den Katalog bei Kaser, RP I § 103 I 3a, S. 434 m. Fn. 24). Doch auch das Edikt schützte nur diejenigen Kläger, die bestimmte Klagen erheben wollten, denn es sollte verhindern, dass durch die Veräußerung der Kläger einen anderen zu Verklagenden erhielt. Es muss sich also um Klagen handeln, bei denen die Veräußerung einen Wechsel der Passivlegitimation bewirkt, dies sind vor allem actiones in rem. Angesprochen werden in den Quellen die reivindicatio (D. 4,7,3,1), Rechtsbehelfe aus der Errichtung eines Bauwerks (D. 4,7,3,2 – 3). Zur Konkurrenz siehe Marrone, Dolo desinere possidere 367 ff. 686 Marrone, Actio ad exhibendum 355 ff. (zur Passivlegitimation des Verwahrers); 578 ff. (zur Konkurrenz der Klagen); Kaser, RP I § 103 I 3a, S. 434 Fn. 25. 687 Nicht gefragt werden soll hier allgemein nach der Passivlegitimation des Verwahrers für die actio ad exhibendum, denn das würde bedeuten, dass man sich auch mit der Passivlegitimation des Entleihers und anderer Detentoren beschäftigen müsste. Stattdessen sollen alle Quellen durchgesehen werden, in denen die actio ad exhibendum gegen den Verwahrer gegeben wird, und die Frage als Konkurrenzproblem aufgefasst werden. Die aufgeworfene Frage hängt mit der Frage der Passivlegitimation für die reivindicatio zusammen; die Antworten müssen aber nicht identisch sein. So kann es sein, dass der Eigen-
338
4. Kap., 4. Abschn.: Die Konkurrenzklagen zur actio depositi
Zwei Stellengruppen sind zu unterscheiden: In der einen wird die actio ad exhibendum gegeben, weil die actio depositi nicht einschlägig ist (dazu a); in der anderen Gruppe stehen beide Klagen zu (dazu b). a) Der Kläger wird etwa auf die actio ad exhibendum verwiesen, wenn zwischen ihm und dem Beklagten kein Verwahrungsverhältnis besteht. aa) In Diokl. C. 3,42,8pr. hat der Eigentümer gegen den Verwahrer die actio ad exhibendum und die reivindicatio, wenn ein Dritter die Sachen hinterlegt hat. Die actio depositi scheidet hier aus, weil der Eigentümer nicht hinterlegt hat688. bb) In Ulp. 30 ed D. 16,3,1,32 hat der Verwahrer ohne dolus die Sache an den Titius herausgegeben, weil er diesen für den Eigentümer des hinterlegenden Sklaven hielt. Die actio depositi gegen den Verwahrer scheitert am dolus-Erfordernis; gegen den Titius wird der Hinterleger auf die actio ad exhibendum und die reivindicatio verwiesen. Die actio depositi steht gegen den Titius nicht zu, weil dieser nicht Verwahrer ist. cc) In Labeo 8 post a Jav. epit. D. 16,3,33689 hat ein Sklave Geld zusammen mit einem Attius bei dem Sequester Maevius hinterlegt, d. h. der Sklaveneigentümer Tu kann die actio depositi nur dann erfolgreich erheben, wenn er im Eigentumsstreit mit dem Attius siegt, denn die Rückgabepflicht des Sequesters Maevius steht unter dieser betreffenden Bedingung690. Dabei muss es sich um eine verschlossene Verwahrung handeln, d. h. die Münzen müssen identifizierbar, etwa in einem versiegelten Sack eingeschlossen sein, weil sich sonst kein Eigentumsstreit um sie führen ließe691. Der Tu braucht sich auf die Bedingung nicht einzulassen, denn der Sklave konnte sein Recht nicht verschlechtern692. Da ihm aber die actio depositi sequestratümer zwar mit der actio ad exhibendum den Verwahrer zwingen kann, eine Sache vorzulegen, damit er sich von der Identität der Sache überzeugen kann, aber dennoch nicht gegen den Verwahrer die reivindicatio erhält, sondern nur gegen den Dritten, der die Sache beim Verwahrer hinterlegt hat. Zur Frage der Passivlegitimation des Verwahrers für die actio ad exhibendum siehe nur Marrone, Actio ad exhibendum 355 ff. 688 Zur Frage im näheren vgl. § 21 II. 689 Labeo 6 post a Jav. epit D. 16,3,33: Servus tuus pecuniam cum Attio in sequestre deposuit apud Maevium ea condicione, ut ea tibi redderetur, si tuam esse probasses, si minus, ut Attio redderetur. posse dixi cum eo, apud quem deposita esset, incerti agere, id est ad exhibendum, et exhibitam vindicare, quia servus in deponendo tuum ius deterius facere non potuisset. Zuletzt umfassend und mit Literatur Artner, Agere praescriptis verbis 89 ff. 690 Vgl. Paulus 2 ed D. 16,3,6. 691 Die Parteien bezwecken gar nicht den Eigentumsübergang. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob der Sklave die Münzen übereignen konnte. Anders Artner, Agere praescriptis verbis 91. 692 Darauf bezieht sich das tuum ius deterius facere non potuisse, nicht auf die sachenrechtliche Lage (anders Artner, Agere praescriptis verbis 91; Gröschler, Rez. Artner 532, SZ 124). Denn die Übergabe des Geldes an den Maevius bezweckte den Eigentumsübergang nicht. Es ist zwar richtig, dass der Sklave dem Eigentümer die actio depositi erwirbt, aber die actio
§ 17 reivindicatio, actio furti, actio ad exhibendum und condictio
339
ria mangels Bedingungseintritts nicht zur Verfügung steht, wird dem Eigentümer zur actio ad exhibendum geraten693. Die actio depositi scheidet also aus, weil das Verwahrungsverhältnis nicht zustandegekommen ist. dd) In Pomp. 6 Sab D. 33,5,8,3 und D. 10,4,4694 geht es um den Fall, dass der Hinterleger beim Verwahrer Sachen hinterlegt, dann verstirbt und einem Dritten eine optio legata695 an den hinterlegten Sachen vermacht hat. Um überhaupt wählen zu können, müssen dem Vermächtnisempfänger die Sachen vorliegen; die Vorlage kann er mit der actio ad exhibendum erreichen; die actio depositi steht ihm nicht zur Verfügung, weil diese dem Erben zusteht. ee) In Ulp. 31 Sab D. 23,3,9,3 gibt Ulpian einen Überblick über alle möglichen Klagen, die der Ehefrau nach Beendigung der Ehe zustehen können, um dem Manne übergebene Sachen, die nicht zur dos gehören, zurückzufordern. Ulpian unterscheidet: Oblag dem Ehemann die Aufbewahrung, kommen actio depositi oder mandati in Betracht; war der Mann nicht zur Aufbewahrung verpflichtet und hat er keine Unterschlagungsabsicht, kommt eine actio ad exhibendum in Betracht. Ein depositum liegt also mangels der Bewachungsabrede nicht vor. ff) In Afr. 7 quaest D. 15,1,38pr. geht nach einer Hinterlegung bei einem filiusfamilias die actio depositi de peculio ins Leere, weil nichts im peculium ist. Der Hinterleger wird auf die actio ad exhibendum und auf die reivindicatio des Vorgelegten verwiesen696. gg) Im Ergebnis wurde also auf die actio ad exhibendum verwiesen, weil die actio depositi aus verschiedenen Gründen nicht einschlägig ist. Dabei erscheint die actio ad exhibendum in C. 3,42,8pr. und in D. 16,3,1,32 als zur Vorbereitung der reivindicatio gedacht, in D. 16,3,33 und in D. 33,5,8,3 mit D. 10,4,4 aber ist eine reivindicatio nicht ersichtlich.
depositi sequestraria belastet hier den Eigentümer Tu, weil sie die Rückforderbarkeit vom Gelingen des Eigentumsbeweises abhängig macht. Es geht also darum, dass der Tu die Sachen zurückfordern kann, ohne sein Eigentum beweisen zu müssen. Die actio depositi sequestraria nützt ihm nichts. Unzutreffend auch Kaser, La ‚formula‘ 557, der die Stelle so versteht, dass der Tu im Eigentumsstreit gesiegt habe. Hätte der Tu im Eigentumsstreit gesiegt, dann hätte er auch die actio depositi sequestraria erheben können. 693 Im Ergebnis ebenso, aber mit anderer Begründung Artner, Agere praescriptis verbis 89 ff. Dass es hier um die actio ad exhibendum geht, ist umstritten. Nach anderen meine das incerti agere eine actio praescritpis verbis, die Worte id est ad exhibendum seien unecht (etwa Lenel, Rei vindicatio und actio ad exhibendum 387). Wäre das so, gehörte die Stelle nicht hierher, zur Diskussion siehe Artner a. a. O. Zweifelhaft ist der Hinweis auf die reivindicatio, die dem Tu nichts helfen würde, müsste er doch bei dieser Klage ebenfalls wieder sein Eigentum beweisen. 694 Die Stellen gehören zusammen, vgl. Lenel, P II, Pomponius 482, Sp. 100. 695 Vgl. Kaser, RP I § 184 II 5a, S. 744 f. 696 Näher § 14 I 2.
340
4. Kap., 4. Abschn.: Die Konkurrenzklagen zur actio depositi
b) In den folgenden Stellen stehen die actio ad exhibendum und die actio depositi nebeneinander dem Hinterleger zu. Es sind nur drei697; das kann man für wenig halten. Der Grund dafür könnte nicht nur darin liegen, dass der Verwahrer für die actio ad exhibendum grundsätzlich nicht passivlegitimiert war, sondern auch darin, dass die actio depositi üblicher war. Marrone698 erwägt, der Grund für die Bevorzugung der Vertragsklage gegenüber der actio ad exhibendum habe darin gelegen, dass die Haftung aus der Vertragsklage in der Regel schärfer war; gerade beim depositum habe dies wegen der Beschränkung auf die dolus-Haftung aber nicht gegolten, so dass sich Fälle einer Konkurrenz fänden. aa) In Alex.Sev. C. 4,34,1 (Coll. 10,8)699 werden gegen die Erben des Verwahrers die actio depositi, die actio ad exhibendum und die reivindicatio gegeben. bb) Julian gibt in Jul. 48 dig D. 9,2,42700: Qui tabulas testamenti depositas aut alicuius rei instrumentum ita delevit, ut legi non possit, depositi actione et ad exhibendum tenetur, quia corruptam rem restituerit aut exhibuerit. legis quoque Aquiliae actio ex eadem causa competit: corrupisse enim tabulas recte dicitur et qui eas interleverit.
gegen den Verwahrer, der die bei ihm hinterlegte Testamentsurkunde unlesbar gemacht hat, die actio depositi. Die Begründung wird auf den Satz abstellen: res deterior reddita non est reddita701. Aber bezieht sich das ad exhibendum tenetur auf die actio ad exhibendum?702 Dagegen spricht, dass das Fragment zur Behandlung des interdictum de tabulis ex697 Marrone, Actio ad exhibendum 581 f., zählt nur zwei, in D. 16,3,25pr. streicht er die actio depositi, dazu sogleich im Text. 698 Marrone, Actio ad exhibendum 581 f. 699 Zu dieser Stelle im Hinblick auf die culpa lata siehe noch § 11 II 1a, sowie im Hinblick auf die reivindicatio oben § 17 I 2b. Es sei nur verwiesen auf Marrone, Actio ad exhibendum 356 f. 700 Hier soll es nur um die Frage der Konkurrenz von actio depositi und actio ad exhibendum gehen, dazu etwa Marrone, Actio ad exhibendum 356, 405 f. In der Literatur wird die Stelle vor allem zu Fragen der lex Aquilia erörtert (so ja auch Justinian durch seine Verschiebung in den Titel D. 9,2), insbesondere geht es dann um Probleme der Interessenberechnung bei Urkundenbeschädigung bzw. Urkundendiebstahl und um die Beweisparadoxien. Julian sei der erste Jurist, der auf die vollständige Zerstörung der Urkunde (ut legi non possit) die lex Aquilia angewandt habe. Hierzu etwa Klingenberg, Urkundendiebstahl 240 f. (in Fn. 38 auch (ältere) Literatur zur Frage der actio ad exhibendum); Valditara, Superamento 124 ff. (Fn. 329 zur actio ad exhibendum). 701 Vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,16. 702 Das ist umstritten. Selten wird dabei aber auf das Problem eingegangen, dass Julian eigentlich vom interdictum de tabulis exhibendis handelt. So aber etwa Burillo, La ‚actio ad exhibendum‘ 268 f. (einen Hinweis auf das Interdikt erwartet auch Rechnitz, Studien 73). Lenel scheint in EP3 den Bezug auf die actio ad exhibendum abzulehnen (vgl. S. 455 Fn. 17), bejaht ihn aber in Lenel, Rei vindicatio und actio ad exhibendum 410 m.Fn. 55.
§ 17 reivindicatio, actio furti, actio ad exhibendum und condictio
341
hibendis gehört703. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass Julian bei der Erörterung dieses Edikts auch auf die actio ad exhibendum einginge; doch bedürfte ein Bezug auf die actio ad exhibendum, wenn nicht des Beweises, so doch der Argumente. Bei einem Bezug zur actio ad exhibendum wäre, da der Begründungssatz doch auf das Argument res deterior exhibita non est exhibita abzielen wird, die Vereinbarkeit mit Ulp. 24 ed D. 10,4,9,3704 zu diskutieren. Die Basilikenscholien zu B. 60,3,42, die von der actio ad exhibendum sprechen705, beweisen nichts, weil sie jüngere Scholien sind706. Der Basilikentext spricht undeutlich von … kai\ t$= a) gwg$= … kai\ t$= a) pokrube/ntwn pragma/twn … u(po/keitai707. Ein weiteres Argument gegen die Gewährung einer actio ad exhibendum im angesprochenen Fall ist, dass in vergleichbaren Fällen die actio ad exhibendum auch nicht erwähnt wird708. Für einen Bezug auf die actio ad exhibendum dürfte nur die Wendung ad exhibendum sprechen, weil diese Wendung der actio ad exhibendum eigen zu sein Beseler (Actio ad exhibendum 23) streicht et ad exhibendum aufgrund eines in seiner Untersuchung der actio ad exhibendum „wohlerworbenen Vorurteils“. Rechnitz, Studien 73, schlägt wohl nur die Streichung von et vor (ad exhibendum tenetur sei klassische Klausel), es hieße dann depositi actione ad exhibendum tenetur. Das wäre dann derselbe Gedanken wie in Pap. 3 resp D. 16,3,25pr. Doch geht es hier bei vollständiger Zerstörung kaum um das Klageziel der Vorlage. Für Bezug auf die actio ad exhibendum etwa Marrone, Actio ad exhibendum 356. 703 Vgl. Lenel, P I, Julian 653, Sp. 445. Ebenso Burillo, La ‚actio ad exhibendum‘ 269. Zum Interdikt siehe Lenel, EP3 455 f. Die actio ad exhibendum dürfte Julian ausweislich D. 10,4,8 im 9. Buch seiner Digesten behandelt haben, vgl. Lenel, P I, Julian 142, Sp. 340. 704 Ulp. 24 ed D. 10,4,9,3: Sed si quis in rem deteriorem exhibuerit, aeque ad exhibendum eum teneri Sabinus ait. sed hoc ibi utique verum est, si dolo malo in aliud corpus res sit translata, veluti si ex scypho massa facta sit: quamquam enim massam exhibeat, ad exhibendum tenebitur, nam mutata forma prope interemit substantiam rei. Doch ließe sich hier sagen, eine nichtlesbare Wachstafel sei dem Wesen nach etwas anderes als eine Testamentsurkunde (Schermaier, Materia 145) schlägt die Übersetzung von substantia mit „Wesen der Sache“ vor. 705 Hb V 313, Scholien 1 und 3; Scheltema B VIII 3154,13 und 3155, 1. 706 Sie zitieren die Basiliken, nicht die Digesten (zu diesem Argument siehe Scheltema, Verweisungen 356, TR 30). 707 Hb V 313, Scheltema A VIII 2764. Übersetzung: „und er ist unterworfen dem Rechtsmittel wegen unterdrückter Sachen.“ Damit wird wohl die Verantwortlichkeit nach der lex Cornelia de falsis wegen Unterdrückung eines Testaments gemeint sein. Nach dieser lex Cornelia haftete auch, wer ein Testament unterdrückt hatte (vgl. PS. 4,7,1: Qui testamentum falsum … suppresserit … poena legis Corneliae de falsis tenebitur). Das cum servus quereretur, quod tabulae testamenti … subprimerentur aus Marcian. 2 inst D. 48,10,7 übersetzen die Basiliken B. 60,41,7 (Hb V 780) mit le/gwn au)to\n a) pokru/yai th\n diaqh/khn. Zur Konkurrenz zwischen dem Interdikt und der lex Cornelia de falsis siehe Ulp. 68 ed D. 43,5,6. 708 Vgl. Burillo, La ‚actio ad exhibendum‘ 269.
342
4. Kap., 4. Abschn.: Die Konkurrenzklagen zur actio depositi
scheint, nicht aber zum Interdikt passt709. Bezieht sich die Wendung aber auf die actio ad exhibendum, dann liegt nahe, dass in der Stelle von der Klage des Testators die Rede ist, denn für diesen war nur die actio ad exhibendum statthaft, nicht das Interdikt710. Probleme bereitet dann, dass Ulpian in 41 Sab D. 9,2,41pr. bei einer Klage des Testators die Klage aus der lex Aquilia verneint, weil sich die aestimatio nicht durchführen ließe. Man müsste dann die Äußerung Julians nur auf den Materialwert beziehen, denn dem Testator selbst kann ja weder die Erbschaft noch ein Vermächtnis entgangen sein711. Dass hier an eine Klage des Testators gedacht ist, nicht an eine Klage des Erben, liegt auch deshalb nahe, weil Julian nicht das Problem erörtert, wie der Testaments- (?) Erbe beweisen würde, dass er die actio depositi geerbt habe, da doch das Testament nicht mehr lesbar ist. Aber auch, wenn es um die actio ad exhibendum des Hinterlegers und Testators geht, legt die Herkunft aus der Erörterung des Interdikts De tabulis exhibendis nahe, dass es sich um eine Ausnahmeentscheidung handelt. Weil der Prätor auf Herausgabe von Testamenten ein besonderes Rechtsmittel vorsah, das dann eben neben der actio depositi konkurrierte, ließ Julian eine Konkurrenz auch dann zu, wenn der Testator zwar nicht das Interdikt, sondern nur die das Interdikt vertretende actio ad exhibendum geltend machte. Verallgemeinern wird man daher die Stelle hinsichtlich der Frage der Passivlegitimation des Verwahrers für die actio ad exhibendum nicht. cc) Fraglich ist, ob auch Papinian in 3 resp D. 16,3,25pr. neben der actio depositi die actio ad exhibendum gibt. Die Stelle lautet: Pap. 3 resp D. 16,3,25pr.712: Die sponsaliorum aut postea res oblatas puellae, quae sui iuris fuit, pater suscepit: heres eius ut exhibeat recte convenietur etiam actione depositi.
In unserer Stelle hat am Verlobungstag oder später der Vater einer gewaltfreien Tochter Geschenke entgegengenommen, die zuvor der Tochter entgegengebracht worden waren. Man kann annehmen, dass die Geschenke vom Verlobten der Frau stammten. Dies legt zum einen die zu unserer Stelle gehörende Stelle D. 3,5,31,1713 709 Im Titel D. 43,5 heißt es zur Haftung aus dem Interdikt interdicto teneri (Ulp. 68 ed D. 43,5,3, §§ 3, 4, 6). 710 Vgl. Ulp. 68 ed D. 43,5,3,5: Si ipse testator, dum vivit, tabulas suas esse dicat et exhiberi desideret, interdictum hoc locum non habebit, sed ad exhibendum erit agendum, ut exhibitas vindicet. quod in omnibus, qui corpora sua esse dicunt instrumentorum, probandum est. 711 Vgl. Klingenberg, Urkundendiebstahl 241. Zum Materialwert als Schadensposten siehe die Meinung der quidam in Paulus 9 Sab D. 47,2,32pr.: Quidam tabularum dumtaxat aestimationem faciendam in furti actione existimant …Wie das dumtaxat zeigt, war nach allgemeiner Meinung der Materialwert erfasst, es ging nur um die Frage, ob darüber hinaus noch ein Interesse berücksichtigt werden konnte. Vgl. Klingenberg, Urkundendiebstahl 229 ff., SZ 96. 712 Marrone, Actio ad exhibendum 360 ff.; Riccobono, Traditio ficta 204 f. 713 Pap. 3 resp D. 3,5,31,1: Ignorante virgine mater a sponso filiae res donatas suscepit: quia mandati vel depositi cessat actio, negotiorum gestorum agitur. Die Vermutung Lenels (P I Papinian 459, Sp. 892 f), die Stellen gehörten zusammen, dürfte zutreffend sein.
§ 17 reivindicatio, actio furti, actio ad exhibendum und condictio
343
nahe (a sponso filiae res donatas), zum anderen die Erwähnung des Verlobungstages. Denn nur, wenn das Geschenk vom Verlobten stammt und somit das Verbot der Ehegattenschenkung im Hintergrund schwebt, kommt es auf den Zeitpunkt der Schenkung an. Der Vater ist verstorben. Beklagter ist der Erbe des Vaters. Nicht deutlich gesagt ist, wer der Kläger ist. Dies muss daher die Tochter sein, die damit auch nicht Erbin ihres Vaters sein kann714. Die Tochter kann also den Erben ihres Vaters auch mit der actio depositi verklagen, damit dieser die Sache vorlegt. Das etiam legt nahe, dass es neben der actio depositi noch eine andere Klage gab; dies wird, da das Klageziel mit ut exhibeat bezeichnet wird, die actio ad exhibendum sein. Eine Begründung für seine Entscheidung gibt Papinian nicht. Das offere wird nicht nur eine Frage der Konstruktion sein, um deutlich zu machen, dass die Geschenke für die Tochter bestimmt waren, sondern wird heißen, dass die Geschenke der Tochter wirklich vorher dargereicht wurden. Das legt auch der mit die sponsaliorum715 geschilderte Lebenssachverhalt nahe. Am Verlobungstag werden beide Brautleute anwesend sein und der Bräutigam wird die Geschenke der Braut selbst geben; der Vater nimmt die Geschenke dann nur noch zur Aufbewahrung. Damit ist dies zugleich eine Unterscheidung zu D. 3,5,31,1 (ignorante virgine), wo die Tochter die actio depositi nicht hat716. Da der Vater in Gegenwart der Tochter die Geschenke entgegennahm, hatte die Tochter Besitz und Eigentum erlangt717; das Verbot der Ehegattenschenkung stand Das ist, da sie sui iuris ist, auch ohne weiteres möglich. Merkwürdig ist das aut postea, denn es bringt die Unschärfe mit sich, ob etwa die Schenkung nach der Eheschließung erfolgte. Marrone, Actio ad exhibendum 360 f., will es streichen. 716 Ein Unterschied könnte auch darin liegen, dass die Tochter in D. 3,5,31,1 nicht gewaltfrei ist; im Ausdruck virgo ist dies nicht angelegt. Wenn dort die Mutter handelt, weil der Vater verstorben ist, wäre die Tochter gewaltfrei. Dass in der einen Stelle die Mutter die Sachen entgegennimmt, in der anderen der Vater, dürfte unerheblich sein. 717 Vgl. Pap. 12 resp FV. 254 (vgl. D. 39,5,31,1): Species extra dotem a matre viro filiae nomine traditas filiae, quae praesens fuit, donatas et ab ea viro traditas videri respondi, nec matrem offensam repetitionem habere vel eas recte vindicare, quod vir cavisset extra dotem usibus puellae sibi traditas, cum ea significatione non modus donationis declaretur nec ab usu proprietas separetur, sed peculium a dote puellae distingueretur. Zur Stelle selbst siehe Wieacker, Textstufen 345 f., Riccobono, Traditio ficta 204 f. Die Tochter erlangt von der Mutter Eigentum und Besitz, da sie anwesend ist und ihr Ehemann ihr detentor (Wieacker, Textstufen 346 m.Fn. 67). In unserer Stelle D. 16,3,25pr. erwirbt also die Tochter Eigentum und Besitz, weil ihr Vater als detentor die Sachen für sie innehat (vgl. auch Riccobono, Traditio ficta 204 f., 198 Fn. 2). Da beide Stellen von Papinian stammen, erübrigt sich für unsere Zwecke die Frage, ob andere Juristen einer solchen Konstruktion gefolgt wären. Dies tat aber etwa der Sentenzenverfasser in PS. 5,11,1 (die Stelle ist überliefert über die LRV): species extra dotem a matre in honorem nuptiarum praesente filia genero traditae donationem perfecisse videntur. Nach Liebs (Sentenzen II 219) hat der Sentenzenverfasser die Stelle aus dem Responsum Papinians übernommen. 714 715
344
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
nicht dagegen, da die Schenkung vor der Eheschließung erfolgte718. Durch die Entgegennahme der Geschenke in Gegenwart der Tochter, die also einverstanden war, kam ein Verwahrungsverhältnis zustande. Da die Tochter Eigentümerin geworden war, stand ihr also auch die reivindicatio und zu deren Vorbereitung die actio ad exhibendum zur Verfügung. Papinian gewährt auch die actio depositi. Dass als Klageziel das exhibere genannt wird, ist auffällig, rechtfertigt aber nicht die Annahme der Unechtheit719. Exhibere ist das Klageziel bei der actio depositi sequestraria720, in Bezug auf ein einfaches depositum findet es sich sonst nicht. Das Wort mag hier dadurch angeregt sein, dass Papinian auf die actio depositi erst nach der Erörterung der actio ad exhibendum zu sprechen kommt. Auch kennen wir das konkrete Ziel der Tochter nicht. Vielleicht wollte sie noch gar nicht die Sachen haben, sondern sich erst einen Überblick verschaffen, um dann zu entscheiden, welche Sachen sie wirklich zurückverlangt. dd) Grundsätzlich erscheint eine Konkurrenz zwischen actio depositi und actio ad exhibendum möglich721. Zusammenfassend fällt auf, dass zwei der drei Stellen, in denen wir die actio depositi neben der actio ad exhibendum finden, von den Erben des Verwahrers handeln. Die Gewährung der actio ad exhibendum in D. 9,2,42 lässt sich, wenn es sich um diese Klage handelt, als Ausnahmeentscheidung rechtfertigen.
5. Abschnitt
Die actio depositi und die Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers Dass dem Verwahrer Gegenansprüche, etwa wegen Verwendungen zustehen, ist durch die Existenz einer Gegenklage bezeugt.
Vgl. Kupiszewski, Rapporti patrimoniali 135 Fn. 75. Marrone, Actio ad exhibendum 360 f., will den Schluss etiam actione depositi streichen, so dass die Aussage nur lautete heres eius ut exhibeat recte convenietur, denn die actio depositi richte sich nicht auf die exhibitio. Nach Marrone habe Papinian wohl ein depositum abgelehnt, weil die Tochter bei der Übernahme der Sachen durch den Vater nicht anwesend gewesen sei. Dass die Tochter anwesend gewesen sei, gebe der Text nicht her. Zum einen aber ist die Anwesenheit der Tochter in der Wendung res oblatas puellae ausgedrückt (was sollte sie sonst heißen? (vgl. Riccobono, Traditio ficta 198 Fn. 2, 204 f.)), zum anderen nimmt Marrone selbst an, dass die Tochter Eigentümerin geworden sei (a. a. O. 361 Fn. 234). Dann muss sie aber ausweislich FV. 254 anwesend gewesen sein. Litewski, Studien 71 Fn. 114, neigt dazu, die Stelle auf die actio depositi in ius concepta zu beziehen, weil das exhibere vom facere dieser Formel erfasst werden konnte. 720 Vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,5,1. 721 So auch Marrone, Actio ad exhibendum 581 f. 718 719
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
345
Eine Gegenklage findet sich etwa in Ulp. 30 ed D. 16,3,5pr., in D. 3,2,1 und in I. 4,16,2722. Daneben gibt es Stellen, nach denen der Hinterleger und nicht der Verwahrer die Kosten zu tragen hat, ohne dass erkennbar ist, ob der Verwahrer die Kosten mit einer Gegenklage erlangt oder ob er zur Zurückbehaltung oder Aufrechnung berechtigt sein soll723. Gegenrechte des Verwahrers werden auch in Stellen greifbar, in denen der Verwahrer die Abtretung von Klagen des Hinterlegers erlangen kann, wie etwa in Marc. 4 dig D. 42,1,12724. Daneben ist auch eine Klage des Verwahrers denkbar, die dieser nicht wegen ihm aus dem depositum zustehenden Gegenrechten erhebt, sondern aus einem anderen Sachverhalt725. Diese Problematik soll hier aber nicht verfolgt werden.
In diesem Abschnitt soll es aber um die Frage gehen, inwieweit auch die actio depositi als actio directa dazu taugte, Rechte des Verwahrers zu berücksichtigen, inwieweit bei der actio depositi auch Gegenrechte des Verwahrers zum Prozessthema werden konnten. Denkbar ist dabei die Berücksichtigung der Gegenrechte des Verwahrers durch Institute wie das Zurückbehaltungsrecht und die Aufrechnung.
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers und die Aufrechnung beim depositum I. Die Aufrechnung beim depositum und PS. 2,12,12 Die Aufrechnung war grundsätzlich ausgeschlossen. Das zeigt PS. 2726,12,12727: In causa depositi compensationi locus non est, sed res ipsa reddenda est.728 Zu Mod. 2 diff D. 16,3,23 (entspricht Coll. 10,2,5) siehe im Text. Schadensersatz aufgrund eines Deliktes des verwahrten Sklaven: Afr. 8 quaest D. 47,2,62,5 u. 7 (vgl. auch Afr. 8 quaest D. 13,7,31); sumptus: Pap. 9 quaest D. 16,3,8; Transportkosten: Pomp. 22 Sab D. 16,3,12pr. (vgl. die kurzen Hinweise in § 9 II 2). Siehe aber auch im Text. 724 Siehe dazu § 17 I 4b. 725 Vgl. Seneca, De beneficiis 6,5,5: Separantur actiones, nec de eo, quod agimus, et de eo, quod nobis cum agitur, confunditur formula: si quis apud me pecuniam deposuerit, idem postea furtum mihi fecerit, et ego cum illo furti agam et ille me cum depositi. Zu dieser Stelle siehe nur Bürge, Zwischen Eigenmacht und Recht 70 f. 726 Die Stelle ist uns nur über die westgotische Tradition überliefert (vgl. Haenel, Lex Romana Visigothorum 360 f.), in der Collatio (Coll. 10,7) fehlt die Stelle. Das hat den Verdacht begünstigt, die Stelle sei eine spätere Erfindung. Siehe dazu im Text. 727 Karlowa, Röm. Rechtsgeschichte II 1312, bezieht die Stelle auf die formula in ius concepta. Sie drücke aus, dass entsprechend G. 4,63 der Judex dem dolosen Verwahrer stets die Aufrechnung versagt habe. Bei der formula in factum concepta hingegen habe der Judex die Befugnis zur Aufrechnung von vornherein nicht gehabt. Rotondi, Teoria romana del deposito 77 f., hält es für möglich, dass die Stelle unecht sei, weil sie in der Collatio fehle, geht aber im folgenden von der Echtheit aus und entnimmt ihr, dass schon vor der Konstitution Justinians die Aufrechnung des Verwahrers ausgeschlossen gewesen sei. 722 723
346
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
1. Die Aufrechnung beim depositum Die Stelle sagt, dass beim depositum eine compensatio nicht zulässig sei. Dies ist, zumindest nach der modernen Dogmatik, eigentlich selbstverständlich, denn eine Aufrechnung scheitert beim depositum in der Regel an der fehlenden Gleichartigkeit der Ansprüche. Der Verwahrer muss gerade die hinterlegte Sache zurückNach Levy, Obligationenrecht, 148 f., gehöre die Stelle zum Kognitionsverfahren, und sei dort wegen der Naturalkondemnation und Naturalvollstreckung angebracht gewesen. Weder Vorder- noch Nachsatz seien mit dem Formularprozess vereinbar gewesen, da dort die condemnatio auf Geld ging und es bei den bonae fidei iudicia nicht auf die Gleichartigkeit der Ansprüche, sondern auf das pflichtgemäße Ermessen des frei waltenden Judex ankam. Wie im Text dargelegt werden wird, bezieht sich der Schlussteil auf die materiellrechtliche Verpflichtung des Verwahrers, nicht auf die Vollstreckung, und war zudem die Aufrechnung auch im bonae fidei iudicium des depositum in der Regel ausgeschlossen. Biondi, Iudicia bonae fidei I 128 f., hält die Stelle für unklassisch, weil G. 4,62 bezeuge, dass bei der actio depositi in ius concepta die compensatio zulässig war und weil Justinian in C. 4,31,14 das Aufrechnungsverbot für das depositum als seine Neuerung bezeichne. Solazzi, Compensazione 21 f., folgt in weiten Teilen Biondi. Nach Solazzi, Compensazione 21 f., sei das Aufrechnungsverbot Justinians aus C. 4,34,11 keine Neuheit, sondern finde sich schon in der Lex Romana Visigothorum. Die Aussage der Stelle sei seltsam. Das Aufrechnungsverbot habe wegen des Grundsatzes der condemnatio pecuniaria nicht die Rückgabe der hinterlegten Sache in Natur begründen können. Die Stelle sei ferner in Widerspruch mit G. 4,61 – 62, wonach die compensatio in allen bonae fidei iudicia ohne Ausnahme zulässig sei. Der Ausschluss der Aufrechnung sei daher nicht echt, wenn auch älter als Justinian. Der Verwahrer habe seine hinterlegte Sache erst zurückerhalten, als es die Vollstreckung manu militari des Kognitionsverfahrens und das Aufrechnungsverbot gegeben habe. Daher könne man annehmen, dass das Aufrechnungsverbot auch erst in der Nachklassik zusammen mit der Vollstreckungsmöglichkeit manu militari aufgekommen sei. Pichonnaz, L’interdiction de compenser dans le contrat de dépôt 399 ff., RIDA 46 (1999), entnimmt Mod. 2 diff Coll. 10,2,5, dass beim depositum im klassischen römischen Recht die Aufrechnung prinzipiell zulässig war. Dem ist nicht zu folgen, denn diese Stelle behandelt die Gegenklage des Verwahrers, höchstens noch das Retentionsrecht; zur compensatio lässt sich der Stelle nichts entnehmen (siehe sogleich im Text). Die prinzipielle Zulässigkeit der compensatio habe ihren Grund im Grundsatz der condemnatio pecuniaria gehabt, der dazu geführt habe, dass der Anspruch des Hinterlegers gegen den Verwahrer letztlich durch die Klage immer zu einem Anspruch auf Geldzahlung geworden sei. Anders sei dies aber im Kognitionsverfahren gewesen, zur der unsere Stelle gehöre. Dort habe die Verurteilung auf die Leistung der Sache, nicht mehr auf Geldzahlung gelautet. Daraus ziehe die Sentenzenstelle die Folgerungen: locus non est heiße nicht, dass die compensatio verboten sei, sondern sie sei einfach nicht möglich, da die Sache selbst zurückzugeben sei; die actio depositi sei insofern der reivindicatio vergleichbar. Die Stelle ziehe also nur die Schlussfolgerungen aus dem Übergang vom Formular- zum Kognitionsverfahren. Ähnlich auch Pichonnaz, La compensation 61 f., wo Pichonnaz die Stelle im Hinblick auf die Frage untersucht, ob die Gleichartigkeit der Ansprüche Aufrechnungsvoraussetzung war. Er verneint das, denn der Aufrechnungsausschluss in PS. 2,12,12 beruhe auf der Vindikationsähnlichkeit der actio depositi. Die Ansichten Biondis, Solazzis und Pichonnaz’ gehen von der Voraussetzung aus, im Formularverfahren sei bei der actio depositi in ius concepta die compensatio möglich gewesen. Diese Voraussetzung ist aber falsch, wie schon Karlowa erkannt hat, siehe dazu im Text. 728 Übersetzung: Beim depositum ist kein Raum für eine compensatio, sondern die Sache selbst muss zurückgegeben werden.
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
347
geben und könnte, stehen ihm Gegenansprüche zu, diese höchstens als Zurückbehaltungsrecht geltend machen. Dass die Aufrechnung beim depositum nur in Ausnahmefällen zulässig war, galt auch für die actio depositi in ius concepta729. Dies ist im folgenden zu begründen. Eine compensatio730 setzt voraus, dass die sich gegenüberstehenden Ansprüche gleichartig sind. Das ist zum einen eine dogmatische Frage731, zum anderen aber auch eine praktische. Denn eine Verrechnung von Äpfeln mit Birnen ist nun einmal unmöglich. In einem solchen Fall müssten die Ansprüche zunächst in Geld umgerechnet werden732. Nun lautet im Formularverfahren jede Verurteilung auf Geld. Dieser Grundsatz der condemnatio pecuniaria verdunkelt das Institut der Aufrechnung und den Unterschied von Aufrechnung und Zurückbehaltungsrecht733. a) Wir wollen versuchen, uns Klarheit zu verschaffen. aa) Die Quellen treffen keine Aussage dahingehend, dass eine compensatio die Gleichartigkeit der Ansprüche voraussetze734. Stellen, die wie PS. 2,5,3 und G. 4,66 einen solchen Gedanken aussprechen, beziehen sich nur auf die compensatio bei der Klage des argentarius735. Immerhin kann man der Gaiusstelle entnehmen, dass der Begriff der compensatio einer solchen Anreicherung fähig war. Die deductio bei der Klage des bonorum emptor, bei der die Gleichartigkeit der Ansprüche nach G. 4,67 nicht notwendig ist, heißt eben auch nicht compensatio. Nun findet sich in den Quellen aber auch nicht die Aussage, das Kriterium der Gleichartigkeit sei verzichtbar. Die Pandektistik, der es vor allem um die Begründung eines brauchbaren Rechts der Gegenwart ging, konnte auf eine entsprechende Aussage der Quellen verzichten, weil sich das Erfordernis der Gleichartigkeit für sie aus dem Begriff der compensatio ergab736. Nicht überzeugender ist es, wenn einfach behauptet wird, die 729 Das wird zumeist übersehen; explizit etwa bei Pichonnaz, L’interdiction. Zutreffend aber schon Karlowa, Röm. Rechtsgeschichte II 1312. 730 Zur compensatio zuletzt Pichonnaz, La compensation (2001). 731 Dass die römischen Juristen den Ausdruck compensatio jedenfalls auch in dem engen technischen Sinn verwendet haben, dass die Ansprüche gleichartig sein müssen, zeigt G. 4,66. Eine compensatio im technischen Sinne käme etwa beim depositum irregulare in Betracht, also etwa bei der Hinterlegung offenen Geldes. 732 Vgl. G. 4,66 zur deductio beim bonorum emptor: Bei der Verrechnung einer Geldforderung mit einem Anspruch auf Getreide oder Wein wird von der Geldforderung der Wert des Getreides bzw. des Weines abgezogen (itaque si pecuniam petat bonorum emptor et invicem frumentum aut vinum is debeat, deducto quanti id erit, in reliquum experitur). 733 Vgl. Bürge, Retentio 180 f. 734 Vgl. Windscheid, Pandekten II7, § 350 S. 299 m.Fn. 8; Ausführlich Dernburg, Geschichte2 483 ff. und Solazzi, Compensazione 181 ff. 735 Zu PS. 2,5,3 siehe Dernburg, Geschichte2 236 ff. 736 Vgl. Windscheid, Pandekten II7, § 350 S. 299 m.Fn. 8.
348
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
Gleichartigkeit habe überhaupt keine Rolle gespielt, und sich dabei auf den Grundsatz der condemnatio pecuniaria und auf G. 4,61 ff. berufen wird737. Zunächst muss man sich klar machen, dass Gaius nicht sagt, dass in allen bonae fidei iudicia stets eine Aufrechnung stattfinde738. Er sagt in G. 4,61739 nur, dass im bonae fidei iudicium der Richter aufgrund der Formelgestalt grundsätzlich die Befugnis zur Verrechnung habe. Die Aufzählung in G. 4,62 soll dann nicht besagen, dass der Judex grundsätzlich in allen genannten Verhältnissen stets eine Verrechnung vornehme, sondern der Lehrer Gaius nimmt die Lehre von der compensatio nur zum Anlass, eine Liste aller bonae fidei iudicia zu bringen. Dass keinesfalls in den genannten Verhältnissen stets eine compensatio erfolge, sagt Gaius zudem ausdrücklich in G. 4,63740. Dass in der Regel auch bei Ungleichartigkeit der Ansprüche eine Aufrechnung stattgefunden habe, könnte man nur annehmen, wenn die bonae fidei iudicia allgemein auf Abrechnung gerichtet gewesen wären741. Dies mag etwa bei der societas der Fall gewesen sein742; dass dies auch beim depositum der Fall war, wäre nur eine Behauptung743. Zweifel daran, dass die Gleichartigkeit keine Rolle gespielt habe, ergeben sich auch aus folgender Überlegung: A habe dem B eine Sache geliehen, die 1000 Wert ist, und von B ein Darlehen in Höhe von 1000 erhalten. B verlangt jetzt die Rückzahlung. A sagt zu B, er solle doch einfach die geliehene Sache behalten. Gegen die condictio des B wird hier der A keine 737
Wie dies etwa Solazzi, Compensazione 21 f, und Pichonnaz, La compensation 60 ff.,
tun. 738 Zutreffend etwa zum depositum Karlowa, Röm. Rechtsgeschichte II 1312; zum commodatum Wubbe, Gaius et les contrats réels 516 Fn. 43. Zu Unrecht nimmt Biondi, Iudiciae bonae fidei 129, an, G. 4, 62 zeige, dass die compensatio in allen bonae fidei iudicia stattfinde; unzutreffend auch Solazzi, Compensazione 22, der Biondi folgt. 739 G. 4,61: … continetur, ut habita ratione eius, quod invicem actorem ex eadem causa praestare oporteret, in reliquum eum, cum quo actum est, condemnare. Der im Codex Veronensis nicht lesbare Beginn von G. 4,61 dürfte aus I. 4,6,30 zulässig zu ergänzen sein, vgl. etwa Manthe, Gaius Institutiones 356. I. 4,6,30: In bonae fidei autem iudiciis libera potestas permitti videtur iudici ex bono et aequo aestimandi, quantum actori restitui debeat. in quo et illud continetur, ut, si quid invicem actorem praestare oporteat, eo compensato in reliquum is cum quo actum est condemnari debeat. … 740 G. 4,63: Liberum est tamen iudici nullam omnino invicem conpensationis rationem habere; nec enim aperte formulae verbis praecipitur; sed quia id bonae fidei iudicio conveniens videtur, ideo officio eius contineri creditur. Der Stelle wird man entnehmen können, auch wenn der Schwerpunkt der Darstellung des Gaius auf einer anderen Blickrichtung liegt, dass der Judex dann keine Verrechnung vornimmt, wenn dies der bona fides widerstritte, also etwa im Falle des dolus einer Partei. Siehe zu Beispielen im Text. Zur Nichtberücksichtigung der compensatio siehe auch Gaius 9 edpr D. 13,6,18,4. 741 In diesem Sinn wohl Honsell / Kunkel, Röm. Recht4, § 105 II 3, S. 274: „Gleichartigkeit der Forderungen war nicht vorausgesetzt, da die iudicia bonae fidei, dem Prinzip der condemnatio pecuniaria zufolge, ganz allgemein auf das Interesse gerichtet waren.“ 742 Vgl. Kaser, RP I § 133 V 2, S. 576. 743 Vielleicht hat hiermit auch Paulus 6 Sab D. 17,2,38pr. etwas zu tun (auch wenn Kaser a. a. O. (vorherige Fußnote) das mandatum zu den Abrechnungsverhältnissen stellt).
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
349
exceptio doli nach dem Reskript Mark Aurels (I. 4,6,30) erhalten, denn das käme einer erzwungenen datio in solutum gleich, während diese doch im klassischen Recht auf dem Konsens beruhte744. Zum Erfordernis der Gleichartigkeit der Ansprüche im justinianischen Rechte siehe noch unten.
bb) Mehr als zweifelhaft ist zudem die Existenz des oft behaupteten Zusammenhangs zwischen Aufrechnungsmöglichkeit und dem Grundsatz der condemnatio pecuniaria745. Es ist doch auffallend, dass Gaius in seiner Lehre von der compensatio diesen Grundsatz nicht erwähnt746. Die Frage, ob eine compensatio zu erfolgen habe, ist zudem oft schon der Verurteilung vorgelagert, so dass der Judex gar nicht erst eine Verurteilungssumme bemessen kann, um dann von ihr Abzüge zu machen747. Jedenfalls gaben sich die Römer nicht einfach mit dem Grundsatz der condemnatio pecuniaria zufrieden und nahmen hin, dass der Kläger seine Sache verlor, sondern gestalteten etwa das Verfahren der reivindicatio mit der formula petitoria durch das iussum de restituendo und das iusiurandum in litem so aus, dass es möglichst zur Rückgabe der Sache in Natur kam. b) Aufgrund dieser Überlegungen wird daher im folgenden der Gedanken zugrunde gelegt, dass die Konzeption der compensatio als Institut des Prozessrechts die römischen Juristen zwar in der Tat daran hinderte, das materielle Erfordernis der Gleichartigkeit der wechselseitigen Forderungen aufzustellen. Diese Konzeption hinderte sie aber auch daran, einen materiellen Satz aufzustellen, es sei die compensatio auch stets bei Ungleichartigkeit vorzunehmen gewesen. Es entsprach bei den bonae fidei iudicia und den Klagen des strengen Rechts der Amtspflicht des Judex748, darüber zu befinden, ob eine Aufrechnung vorzunehmen war. Dabei wird eine Gleichartigkeit der Ansprüche den Judex gedrängt haben, eine compensatio vorzunehmen; eine Ungleichartigkeit wird den Judex aber zu besonderer Prüfung der Frage, ob eine compensatio richtig sei, angehalten haben. Beim depositum war auch, und man muss sagen: gerade im bonae fidei iudicium, die compensatio ausgeschlossen, wenn der Verwahrer die Sache hatte und nicht zurückgeben wollte. Denn die bona fides verlangte, dass der Verwahrer sein Wort hielt und die Sache zurückgab; dass die bona fides auf eine Abrechnung gedrängt hätte, die dazu führt, dass der Hinterleger seine Sache verliert, ist eine These, die des quellenmäßigen Beweises bedürfte. Hingegen gibt es zwei Besonderheiten des deposiZum Konsens bei der datio in solutum vgl. Hirata, Leistung an Erfüllungs statt 11 ff. Siehe etwa Zimmermann, Law of Obligationes 762; Pichonnaz, L’interdiction 397. 746 Diesen Grundsatz erwähnt Gaius aber bei der Erläuterung des Formelteils der condemnatio in G. 4,48. 747 Vgl. Ernst, Einrede 42 bei Fn. 114. Die Verurteilung würde immer dann ausscheiden, wenn der Gegenanspruch den Klageanspruch übersteigt. 748 Bei den Klagen des strengen Rechts fiel die Frage, ob eine Aufrechnung tunlich sei, auch in die Amtspflicht des Prätors, wenn es darum ging, ob überhaupt eine exceptio doli zu gewähren war. 744 745
350
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
tum, die zeigen, dass das depositum entschieden auf Rückgabe gestellt war: Der Hinterleger wird bei dolus des Verwahrers zum Schätzungseid zugelassen und der Verwahrer wird im Falle der Verurteilung infam749. Pichonnaz750 bildet zum depositum751 folgende Fälle, wobei er die folgenden Fälle 1 und 2 in einem zusammenfasst, in denen es zu einer Aufrechnung gekommen sei: (1) Der Verwahrer verweigert die Rückgabe der Sache und macht als Gegenanspruch Aufwendungsersatz geltend. (2) Die Sache ist zerstört worden, so dass sie der Verwahrer nicht zurückgeben kann; er macht Aufwendungsersatz geltend. (3) Der mit der actio depositi contraria verklagte Hinterleger verweigert die Erstattung von Aufwendung. Er macht Schadensersatzansprüche geltend, weil die Sache aufgrund des dolus des Verwahrers beschädigt sei. Nach Pichonnaz komme es in allen diesen Fällen bei der actio depositi in ius concepta zu einer compensatio. Das dürfte zu schematisch sein und den Eigenheiten des depositum nicht gerecht werden. Es ist zuzugeben, dass wir über keine Quellen verfügen, die uns sagen, wie sich ein Judex in diesen Fällen verhalten hätte752. Überlegen wir uns aber die Fälle ge-
749 Der Verwahrer mag zwar aus der ihm zustehenden Forderung eine Verurteilung erwirken und es mag ihm eine actio iudicati in Höhe des Betrages zustehen, in der auch dem Hinterleger eine actio iudicati gegen ihn zusteht; aber zwischendurch ist der Verwahrer infam geworden. Diese Infamiefolge muss der Verwahrer auf sich nehmen und kann nicht einfach durch Verrechnung von vornherein freigesprochen werden. Damit zeigt gerade die Verurteilungsfolge der Infamie, dass die actio depositi auf Rückgabe der Speziessache abgestellt ist und einer compensatio nicht ohne weiteres zugänglich. Der die geliehene Sache nicht zurückgebende Entleiher wurde hingegen nicht infam. Nicht unmittelbar einleuchtend ist es freilich bei dieser Betrachtungsweise, dass die actio pro socio eine Abrechnungsklage auf Geldzahlung gewesen sein soll, dabei aber doch die Verurteilung die Infamie zur Folge hatte (zu dieser Frage etwa Meissel, Societas 48 ff.). Doch werden die Gründe für die Infamie bei den einzelnen Klagen unterschiedlich gewesen sein. 750 Pichonnaz, L’interdiction 395 ff. 751 Zu Fällen beim commodatum siehe Wubbe, Gaius et les contrats réels 516 Fn. 43. 752 Ein ähnliches Problem betrifft die Kontroverse zwischen Benöhr (Synallagma 35) und Ernst (Einrede 43) zur Frage der Klage einer Partei aus dem Kaufvertrag, wenn die klagende Partei ihre Leistung noch nicht erbracht hatte. Führte hier die compensatio der ungleichartigen Ansprüche dazu, dass eine Partei nie den Leistungsaustausch erzwingen konnte? War die Kaufsache mehr wert, als der Kaufpreis betrug, konnte nach Benöhr der Käufer mit der actio empti nicht einfach eine Verurteilung des Verkäufers auf die Differenz bewirken, weil der Judex nicht verkannt hätte, dass der Vertrag auf einen Austausch ziele und auch der Verkäufer ein Interesse haben könne, den vollen Kaufpreis gegen Abgabe der Sache zu erlangen. Ernst hält eine solche Spekulation angesichts des Schweigens der Quellen für unzulässig. Benöhr ist aber zuzugeben, dass Gaius in G. 4,63 gerade betont, dass der Judex die Zulässigkeit der compensatio an der bona fides zu messen habe. Auch hier wird vertreten, dass es der bona fides widersprochen hätte, hätte sich eine Partei vom von ihr gegebenen Wort einfach lossagen kön-
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
351
nauer. Unterstellen wir dabei, dass dem Verwahrer ein Zurückbehaltungsrecht zustand753. Im ersten Fall ist danach zu unterscheiden, ob der Hinterleger dem Verwahrer den Aufwendungsersatz anbietet oder nicht. Bietet im Fall (1a) der Hinterleger den Aufwendungsersatz an und lehnt der Verwahrer ihn ab, wird der Hinterleger zum Schätzungseid zugelassen und kann so den Sachwert überhöht schätzen. Wir stehen jetzt vor der Frage, ob der dolose Verwahrer materiell noch immer einen Anspruch auf Aufwendungsersatz hat. Die Frage kann kaum vorschnell im einen oder im anderen Sinne entschieden werden754. Unterstellen wir aber, der Verwahrer behalte seinen Anspruch auf Aufwendungsersatz: Dann kann der Judex den Verwahrer auf die Differenz von geschätztem Sachwert und Aufwendungen verurteilen. Der Judex kann aber den Druck auf den Verwahrer, die Sache zurückzugeben, erhöhen, indem er dem Verwahrer in Aussicht stellt, die Aufwendungen nicht abzuziehen. Wir halten dies für das Wahrscheinlichere755. Dies würde auch einem vorgetragenen Erklärungsmodell zur compensatio mittels der exceptio doli in den strengen Klagen entsprechen756. Der Verwahrer wird also auf den überhöht geschätzten Sachwert verurteilt, ohne dass die Aufwendungen von der Urteilssumme abgezogen würden. Die Frage, ob dann der auf den Schätzwert nen. Ist der Käufer nicht bereit, den Kaufpreis zu zahlen, wird der Judex den Verkäufer nicht verurteilen. 753 Dies wird dann auch in § 18 IV bejaht werden. 754 Quellen gibt es zur Frage nicht. Für die Quellen, die dem Verwahrer Aufwendungsersatz zusprechen, kann man unterstellen, dass der Verwahrer als redlich gedacht ist. Der Fall, dass ein Verwahrer erst Aufwendungen macht, um die Sache zu erhalten, diese dann aber doch dolos unterschlägt, werden selten gewesen sein. Der Hinterleger wird aber kaum verpflichtet sein, Aufwendungen für eine Sache zu ersetzen, die ihm der Verwahrer doloserweise nicht zurückgegeben hat. Ein möglicher Vergleichsfall wären Aufwendungen des besitzenden Nichteigentümers. Vereinfacht gesagt, konnte der bösgläubige Besitzer der reivindicatio die exceptio doli wegen seiner Aufwendungen nicht entgegensetzen (vgl. Gaius 2 cott D. 41,1,7,12 und I. 2,1,30; doch war die Frage kontrovers, vgl. nur Bürge, Retentio 71 ff.). Nach heutigem Recht würde ein Anspruch nicht einfach wegen des eigenen dolus entfallen. Aber bei uns verliert ein Verwahrer durch die Verurteilung auch nicht das passive Wahlrecht und das Recht, andere vor Gericht zu vertreten. Auch das Argument des rechtmäßigen Alternativverhaltens, bei Rückgabe der Sache hätte der Hinterleger in seinem Vermögen auch nur den Sachwert abzüglich des Aufwendungsersatzes gehabt, muss für römische Juristen nicht dieselbe Überzeugungskraft gehabt haben. 755 Die maßgeblichen Gründe seien noch einmal in Erinnerung gerufen: Auch bei der reivindicatio ist das Verfahren so ausgestaltet, dass es trotz des Grundsatzes der condemnatio pecuniaria möglichst zur Rückgabe kommt. Das depositum ist auf jederzeitige Rückgabe gestellt. Der Verwahrer wird mit den Folgen der Infamie verurteilt, wenn er in doloser Weise die Sache nicht zurückgibt. Zu alldem passte es nicht, wenn der Verwahrer die Sache behalten könnte, indem er einen Gegenanspruch vorschützt. 756 Vgl. zum Reskript Mark Aurels in I. 4,6,30 die Modelle bei Kaser, RP I § 151 V 2, S. 646 f.; ferner Kaser / Hackl, § 35 IV 2, S. 262. Verweigert der Beklagte die Erbringung seiner Leistung, werde er auf den ganzen Betrag verurteilt.
352
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
verurteilte und infam gewordene Verwahrer die actio contraria auf die Aufwendungen erheben könnte, dürfte zu verneinen sein757. Dass im Fall (1a) eine compensatio stattfindet, scheint damit unwahrscheinlich zu sein. Bietet der Hinterleger im Fall (1b) den Aufwendungsersatz nicht an, handelt der Verwahrer, der die Rückgabe verweigert und dem ein Zurückbehaltungsrecht zusteht, nicht dolos. Der Judex würde den Verwahrer auf keinen Fall durch eine Verurteilung auf die Differenz von Sachwert und Aufwendungsbetrag der Infamie unterwerfen. Eine Aufrechnung scheidet aus, der Verwahrer wird freigesprochen. Hat im Fall (2) der Verwahrer den Untergang der Sache nicht dolos verursacht, ist er freizusprechen und kann die Aufwendungen in voller Höhe vom Hinterleger mit der Gegenklage verlangen758. Trifft ihn der Vorwurf des dolus, ist mehr als zweifelhaft, ob er überhaupt einen materiellen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen hat. Immerhin würde eine Aufrechnung hier nicht den Druck auf den Verwahrer zur Sachrückgabe mindern, da die Sachrückgabe hier wegen Unmöglichkeit ausscheiden muss. Auch für den Fall (3) stellt sich die Vorfrage, ob der Verwahrer bei eigenem dolus einen Anspruch auf Aufwendungsersatz hat. Ist dies der Fall, mag man die Möglichkeit einer compensatio zugestehen, da der Verwahrer die Sache bereits zurückgegeben hat und er damit nicht mehr zur Rückgabe angehalten werden muss. Während damit in den Fällen (2) und (3) eine Aufrechnung möglich erscheint, ist sie im Fall (1) unwahrscheinlich. Den Verwahrer, dem die Rückgabe der Sache möglich ist, wird der Judex mit allen Mitteln zur Rückgabe anhalten und ihm auch die Verurteilung ohne Abzug der Gegenansprüche in Aussicht stellen. Unsere Stelle PS. 2,12,12 wird man wegen des Schlussteiles so verstehen können, dass dort die Rückgabe als noch möglich gedacht wird. Eine Aufrechnung scheidet damit aus. Der von der Stelle ausgesprochene Ausschluss der Aufrechnung ist nichts neues, das in den Formularprozess herangetragen wird, sondern galt auch stets im Formularverfahren. Es ist nicht zutreffend, zu meinen, die compensatio habe den Effekt gehabt, den Hinterleger wegen einer Gegenforderung des Verwahrers zu enteignen759. Das ist ungenau. Die Möglichkeit einer Enteignung des Hinterlegers liegt begründet im Grundsatz der condemnatio pecuniaria760. Das hat mit der compensatio nichts zu tun und darf damit nichts zu tun haben. Die 757 Vgl. dazu Ulp. 28 ed D. 16,2,7,1: Si rationem compensationis iudex non habuerit, salva manet petitio: nec enim rei iudicatae exceptio obici potest. aliud dicam, si reprobavit pensationem quasi non existente debito: tunc enim rei iudicatae mihi nocebit exceptio. Verweigert der Judex dem Verwahrer die Anrechnung des Aufwendungsersatzes wegen dessen dolus (reprobatio), mag dem Verwahrer auch die actio contraria verwehrt sein. Der Schluss ist freilich nicht zwingend, da der Judex in unserem Fall die Aufrechnung nicht quasi non existente debito verweigert. 758 Vgl. Gaius 9 edpr D. 13,6,18,4: quia ea res casu intercidit … dicemus necessariam esse contrariam actionem. 759 So aber Pichonnaz, L’interdiction 397. 760 Vgl. zum depositum Neraz 1 resp D. 16,3,30; zur Frage siehe oben § 17 I 4.
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
353
compensatio gründet sich nach Gaius in den bonae fidei iudicia auf die bona fides; die bona fides kann nicht die Enteignung des Hinterlegers begründen, denn die bona fides befiehlt das Worthalten und die Rückgabe der hinterlegten Sache. Der Verwahrer kann nicht durch die Preisgabe einer Gegenforderung sich zum (bonitarischen) Eigentümer machen, sondern nur durch die Inkaufnahme der Infamie. Zudem ergäbe sich das Problem, dass der Verwahrer gar nicht Eigentümer würde, wenn die Gegenforderung des Verwahrers den Wert der hinterlegten Sache überstiege, denn dann würde der Verwahrer freigesprochen. Eigentum erlangen könnte der Verwahrer aber nur durch den hier fehlenden Konsens mit dem Hinterleger oder durch Verurteilung.
Wir haben gesehen, dass die Frage, ob eine compensatio zulässig ist, eine materiellrechtliche Frage ist, keine prozessrechtliche, und daher bei beiden Formeln in der Regel ausgeschlossen ist761, obwohl bei beiden Formeln der actio depositi grundsätzlich eine Aufrechnung möglich war762. Bei bonae fidei iudicia war eine Aufrechnung nach G. 4,61 – 63 stets zulässig; bei den strengen Klagen konnte die compensatio nach dem Reskript Mark Aurels mittels einer eingeschalteten exceptio doli bewerkstelligt werden763. Unerheblich ist wegen des materiellrechtlichen Charakters der Aussage auch, ob die Stelle PS. 2,12,12 überhaupt noch den Formularprozess betrifft oder die cognitio extra ordinem764. Die Wendung res ipsa reddenda est trifft keine Aussage zur Vollstreckung, sondern betrifft die Pflichten des Verwahrers765.
2. PS. 2,12,12: Nachwirkung und Herkunft Diese Arbeit geht also davon aus, dass beim depositum der Verwahrer jedenfalls nicht gegen den Herausgabeanspruch des Hinterlegers aufrechnen konnte, wenn die hinterlegte Sache noch bei ihm war. Dies galt sowohl für das Formular- wie für das So schon Karlowa, Röm. Rechtsgeschichte II 1312. Unzutreffend Biondi, Iudiciae bonae fidei 129, der einen Gegensatz aufbaut, wonach bei der actio depositi in ius concepta die compensatio möglich gewesen sei, bei der actio depositi in factum concepta nicht. 763 Vgl. I. 4,6,30. Zur möglichen Funktionsweise der exceptio doli im Zusammenhang mit der compensatio siehe Kaser, RP I § 151 V 2, S. 646. Bei der actio depositi in factum concepta dürfte es dabei wegen des Formelbestandteils dolo malo redditam non esse einer exceptio doli nicht bedurft haben. Die exceptio doli stellt zwar auf den dolus des Klägers ab, das dolo malo redditam non esse auf den dolus des Verwahrers. Das dürfte aber die Berücksichtigung einer compensatio sogar leichter machen: Es liegt eben kein dolus des Verwahrers vor, wenn dieser eine zu berücksichtigende Gegenforderung hat (vgl. Wubbe, Gaius et les contrats réels). 764 Zum Formularverfahren und zur cognitio extra ordinem in den Sentenzen siehe Liebs, Röm. Jurisprudenz in Africa2 48 m.Fn. 101 (Kenntnis des Formularverfahrens) u. 102 (Behandlung der cognitio), 124 m.Fn. 379. Danach hat der Sentenzenverfasser grundsätzlich das Formularverfahren und den Gegensatz zur cognitio gekannt. 765 Vgl. Gaius 2 aur D. 44,7,1,2 – 6, dazu sogleich im Text. 761 762
354
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
Kognitionsverfahren und für beide Formeln der actio depositi. Da die Sentenzenstelle von der Möglichkeit der Rückgabe ausgeht, sagt die Stelle also nichts neues. Die Aussage der Stelle ist damit aber noch nicht vollständig erfasst, denn es bleibt der zweite Teil der Aussage von PS. 2,12,12: sed res ipsa reddenda est. Ein Vergleich mit Gaius 2 aur D. 44,7,1,2 – 6 und der Epitome Aegidi wirft dabei die Frage auf, ob compensatio in PS. 2,12,12 wirklich die Aufrechnung meint. Denn zu beachten ist, dass, aus welcher Zeit die Paulussentenzen auch immer herrühren mögen, der uns in PS. 2,12,12 vorliegende Text seine Gestalt durch die Verfasser der Lex Romana Visigothorum erhalten hat, also aus dem Anfang des 6. Jahrhunderts stammt. Dass die Sache selbst zurückzugeben sei, ist jedenfalls keine Aussage, die einem Zurückbehaltungsrecht entgegenstünde. Übt der Verwahrer ein Zurückbehaltungsrecht aus, ändert dies nichts an der Tatsache, dass er die Sache zurückgeben muss, er muss diese aber nur dann zurückgeben, wenn der Hinterleger ihm die Aufwendungen ersetzt hat. a) Man kann fragen, ob die Stelle in einem anderen, trivialeren Sinne zu verstehen sei als in dem, dass sie die compensatio ausschließe. Die Aussage könnte auch lauten: Beim depositum liege eine Speziesschuld vor, nicht wie beim mutuum eine Gattungsschuld. Dies führte auch Gaius in 2 aur D. 44,7,1,2 – 6 mit ganz ähnlichen Worten aus. So sagt er im § 2 zum mutuum: quas res in hoc damus, ut fiant accipientis, postea alias recepturi eiusdem generis et qualitatis; zum commodatum im § 3: sed is de ea ipsa re quam acceperit restituenda tenetur; zum depositum im § 5: qui et ipse de ea re quam acceperit restituenda tenetur; im § 6 zum pignus: qui et ipse de ea ipsa re quam accepit restituenda tenetur. Ferner zeigt die Epitome Aegidii, dass die Aussage von PS. 2,12,12 jedenfalls später so verstanden wurde. Epitome Aegidii766: Non alia res pro alia, sed ipsa reddenda est, quae dignoscitur fuisse commendata.
Die Sache selbst, die als die hinterlegte erkannt wird, ist zurückzugeben, nicht für diese Sache eine andere. Hier findet sich also in der Tat die Aussage, die wir auch bei Gaius gefunden haben, dass durch die Hinterlegung eine Speziesschuld begründet wird, nicht wie beim mutuum eine Gattungsschuld. Die Epitome Aegidii767 ist eine verkürzende Bearbeitung der lex Romana Visigothorum aus dem 8. Jahrhundert, die von einem Kleriker des Frankenreiches erarbeitet wurde768. Die Epitome umschreibt zumeist kurz die Sätze der lex, oft aus dem Hänel, Lex Romana Visigothorum 360. So benannt nach dem Antwerpener Stadtschreiber Petrus Aegidius, der sie 1517 erstmals herausgab (Liebs, Gallien 221 (2002). 768 Liebs, Röm. Jurisprudenz in Gallien 111, 221 ff.; siehe auch Kaiser, Epitome Iuliani 713 ff.; Hänel, Lex Romana Visigothorum XXV f.; Savigny, Mittelalter II 59 f. 766 767
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
355
Wortmaterial der interpretatio769, manchmal jedoch auch aus den Worten der lex selbst, nicht aus der interpretatio770. Zu unserer Stelle gab es nach Hänel keine interpretatio771. Ist dies richtig, dann fußt die Epitome Aegidi an dieser Stelle also nicht auf einer interpretatio, dann handelt es sich bei der Stelle der Epitome nur um eine Interpretation, wie ein Kleriker, dessen Kenntnisse nach Liebs und Hänel entsprechend den damaligen Verhältnissen als nicht gering einzuschätzen sind772, etwa 200 Jahre nach Erstellung der lex diese verstanden hat. Die Epitome kann damit nicht ausschlaggebend für unser Verständnis der Stelle PS. 2,12,12 sein, auch wenn die Erklärung der Epitome an die Erörterung des Gaius bei der Abgrenzung der einzelnen Realverträge erinnert773. Wenn aber der Verfasser der Epitome die Aussage compensationi locus non est sich übersetzt mit non alia res pro alia, dann wirft das die Frage auf, wie der Verfasser von PS. 2,12,12 den Ausdruck compensatio verstanden hat, ob im Sinne einer Verrechnung von Ansprüchen oder im Sinne einer Ersetzbarkeit der hinterlegten Sache. Denn der Verfasser von PS. 2,12,12 steht vielleicht eher in einer Sprachtradition, in der auch der Verfasser der Epitome steht, als in der des klassischen römischen Rechts, mag doch, wie wiederholt sei, die Textgestalt von PS. 2,12,12 eher aus dem Jahr 506 als aus dem Jahr 295 stammen. Das ist die Frage nach der Bedeutung von compensatio in PS. 2,12,12. Wir haben in G. 4,66 gesehen, dass compensatio in klassischer Zeit die technische Bedeutung unseres Begriffes Aufrechnung haben kann. Der Begriff der compensatio hat sich aber in der Spätantike verändert; compensatio kann nun auch einfach Vergütung oder Ersatz heißen774. In nichtjuristischen Texten kann compensatio auch die Bedeutung von Tausch annehmen775. Im Mittellateinischen hat compensatio die Bedeutung von Ausgleich776, so etwa in einer UrLiebs, Röm. Jurisprudenz in Gallien 223. Hänel, Lex Romana Visigothorum XXV Fn. 17 u. 18. 771 Hänel, Lex Romana Visigothorum 360 ad hoc loco m.Fn. e; S. XXVI Fn. ***, S. X m. Fn. 34. 772 Liebs, Röm. Jurisprudenz in Gallien 230: die Behandlung sei „im ganzen verständig“; Hänel, Lex Romana Visigothorum XXVI. 773 Wie immer auch das Verhältnis der res cottidianae bzw. der res aurea zu den Gaiusinstitutionen sein mag, so folgen bei der Behandlung der Realverträge die Epitome Gai der lex Romana Visigothorum den Gaiusinstitutionen und haben bei der Behandlung der Realverträge nur das mutuum, vgl. EG. 2,9,1. Der Verfasser der Epitome Aegidii kann den Gedanken also nicht aus einer Gaius 2 aur D. 44,7,1,5 entsprechenden Stelle der lex Romana Visigothorum geschöpft haben. 774 Levy, Obligationenrecht 147. 775 Und das schon bei Iustinus. Iustinus verfasste einen Auszug der nicht mehr erhaltenen Historiae Philippicae des Pompeius Trogus. War früher eine Datierung des Marcus Iunianus Iustinus sogar schon ins 2. oder 3. Jh. erwogen worden, gibt es auch neuere Datierung für die Zeit um 390 n.Chr. (vgl. Schmidt / NP 6, s.n., Sp. 106). In Iust. 3,2,11 heißt es: Emi singula non pecunia, sed conpensatione mercium iussit. Der Gesetzgeber der Spartaner Lykurg habe 769 770
356
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
kunde Chlothars III., mit der er dem Kloster Corbie umfangreichen Besitz schenkt, darunter auch ein Grundstück, „quem Frodinus de Hursino dato pretio comparavit et ad fisco nostro ipse Frodinus in compensationem pro alia re dedit“777, also ein Grundstück, das Frodinus dem König als Ausgleich für eine andere Sache gegeben hat778. Wäre diese Urkunde echt, so stünde sie zeitlich zwischen der lex Romana Visigothorum und der Epitome Aegidii; allein sie ist es wahrscheinlich nicht779. Das Wort compensatio kann bei Iustin die Bedeutung von Tausch annehmen und bei (Pseudo-)Chlothar die Ersetzbarkeit einer Sache ausdrücken, weil bei einem freiwilligen Austausch die Parteien die getauschten Gegenstände als gleichwert ansehen und damit ein wertmäßiger Ausgleich stattfindet. Der Unterschied zu einer compensatio im technischen Sinne liegt darin, dass bei einem Tausch oder bei der Hingabe einer Sache für eine andere Gegenstände tatsächlich übergeben werden, während bei einer Aufrechnung gerade kein Austausch stattfindet, weil sich gegenüberstehende Forderungen sich gegenseitig zum Erlöschen bringen. Jedenfalls hat auch der Verfasser der Epitome Aegidii den Begriff compensatio als Ausgleich durch Ersatz einer Sache durch eine andere verstanden, wenn er den Gegensatz zum depositum mit alia res pro alia res beschreibt. Nun ist es sicherlich ein fragliches Verfahren, ein Wort, das eine technische Bedeutung haben kann, dadurch zu erklären, dass man Verwendungen dieses Wortes in anderen zeitlichen und sachlichen Zusammenhängen heranzieht. Aber hier ging es nur darum, mögliche Verständnisse des Wortes compensatio aufzuzeigen, um danach zu fragen, wie der Verfasser von PS. 2,12,12 den Begriff compensatio verstanden hat. Hier wird die Frage so gestellt, ob die Begrifflichkeit des Verfassers der Paulussentenzen, genauer: des Verfassers des Textes der lex Romana Visigothorum, zu messen ist an den Begriffen des klassischen römischen Rechts oder an einem Verständnis, das etwa der Verfasser der Epitome Aegidii hatte.
Hier zeigt es sich, dass der Verfasser der Sentenzen und wohl auch die Kompilatoren der lex Romana Visigothorum der klassischen Begrifflichkeit näher gestanden haben dürften als der nichtklassischen Begrifflichkeit des Verfassers der Epitome Aegidii. Levy780 weist darauf hin, dass der Verfasser von PS. 2,12,12 jedenfalls noch so weit in der klassischen Begrifflichkeit steht, dass er den technischen Ausdruck deponere statt des vulgarrechtlichen commendare verwendet, während etwa der Epitomator von commendare spricht. In den Sentenzenstellen der lex Romana Visigothorum findet sich das Wort compensatio noch zweimal und hat dort die Beangeordnet, Gegenstände dürften nicht durch Geld, sondern nur durch Tausch erworben werden. 776 Vgl. Niermeyer, MLLM I2 (2002), s.v. compensatio, S. 297, Angleichung oder Entschädigung. 777 Kölzer, Urkunden der Merowinger, D. Merov. 86, S. 223 Z. 16. 778 Den dahinterliegenden Sachverhalt kennen wir nicht und somit können wir auch nicht sagen, wie dieses Geschäft rechtlich einzuordnen ist. Denkbar wäre, dass Frodinus eine andere Sache schuldete und für diese Sache das Grundstück gab. Es würde sich dann eher um eine datio in solutum handeln. Mit dem Begriff compensatio des klassischen römischen Rechts hätte auch das nichts zu tun. 779 Vgl. Kölzer, Urkunden der Merowinger 222. Es stellt sich dann die Frage, in welcher Zeit die uns interessierende Textpassage verfasst wurde. Chlothar III. starb 673. 780 Levy, Obligationenrecht 148.
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
357
deutung der Verrechnung von Ansprüchen, die einen Leistungsaustausch erspart. Auffällig ist, dass der Epitomator das Wort compensatio vermeidet781. Damit dürfte auch in PS. 2,12,12 der Begriff compensatio tatsächlich die Verrechnung von Ansprüchen meinen und zur Lehre von der Aufrechnung gehören. b) Wir kommen abschließend auf die Frage, ob die Stelle in dieser Form zu den Paulussentenzen gehört. Aus der Tatsache, dass die Stelle in der Collatio 10,7 nicht enthalten ist, wird das Argument genommen, die Stelle sei eine Erfindung der Westgoten. Das Problem stellt sich von zwei Seiten: Neben der Frage einer Erfindung der Westgoten stellt sich auch die Frage einer Auslassung durch den Verfasser der Collatio. Denn es steht keinesfalls fest, dass der Collatio-Verfasser den Titel PS. 2,12 vollständig in den Titel Coll. 10,7 aufgenommen hat782. Nach Liebs783 hätten die Westgoten die Sentenzen kaum bearbeitet; häufiger hätten sie vorhandene Interpretationen zum Text erhoben. Suchen wir nach der Stelle, zu der PS. 2,12,12 interpretatio gewesen sein könnte, so muss der zugrundeliegende Text jedenfalls nach PS. 2,12,6 liegen, weil PS. 2,12,12 in der lex Romana Visigothorum nach PS. 2,12,7 steht784. Bei PS. 2,12,12 könnte es sich um eine Interpretatio zu der Stelle PS. 2,12,9785 handeln. Dort werden Geldverwahrung und Gelddarlehen von einander abgegrenzt. Es mochte als Bedürfnis erscheinen, den Unterschied zwischen mutuum und depositum deutlicher auszudrücken. Dabei konnte es zur Abgrenzung von Gattungsschuld und Speziesschuld kommen und zum Hinweis, dass nur bei ersterer eine Verrechnung möglich war. 781 In PS. 1,9,7 (Minor adversus emptorem in integrum restitutus pretio restituto fundum recipere potest: fructus enim in compensationem usurarum penes emptorem remanere placuit) werden die Früchte, die der Käufer aus dem Grundstück gezogen hat, mit den Zinsen, die der minor aus dem Kaufpreis erzielt hat, verrechnet. Der Käufer muss die Früchte nicht herausgeben und der minor muss den Kaufpreis nur unverzinst zurückgewähren. Dabei dürfte es sich um die Verrechnung ungleichartiger Ansprüche handeln (vgl. Levy, Obligationenrecht 147 m.Fn. 67). Der Epitomator, der nach Hänel (LRV 346) seinen Auszug nach der interpretatio gebildet hat, lässt die ganze Verrechnungsproblematik beiseite und beschränkt seine Ausführungen auf die Rückgewähr von Grundstück und Kaufpreis. In PS. 2,5,3 (Compensatio debiti ex pari specie et causa dispari admittitur: velut si pecuniam tibi debeam et tu mihi pecuniam debeas, aut frumentum aut cetera huiusmodi, licet ex diverso contractu, compensare vel deducere debes: si totum petas, plus petendo causa cadis) findet sich der Begriff compensatio in der technischen Bedeutung der Verrechnung gleichartiger Ansprüche. Der Epitomator, der nach Hänel (LRV 358) seinen Auszug nach der interpretatio gebildet hat, legt wie schon die interpretatio seinen Schwerpunkt auf die Frage der plurispetitio und verwendet das Wort imputare statt compensare. (Zur Stelle siehe nur Levy, Obligationenrecht 145 f., 148). 782 Als mögliche Auslassungen des Collatioverfassers kommen etwa hinsichtlich des Titels PS 2,12 über das depositum noch D. 16,3,29,1 und D. 50,16,223pr. in Betracht (zu D. 50,16,223pr. siehe § 11 II 2). 783 Liebs, HLL V 67. 784 Vgl. Hänel, LRV 360. 785 PS 2 Coll. 10,7,2,9: Si pecuniam deposuero eamque tibi permisero, mutua magis videtur quam deposita ac per hoc periculo tuo erit. Sieht man in dieser Stelle den Fall einer nachträglichen Gebrauchserlaubnis, dann stimmt die Stelle mit Ulp. 26 ed D. 12,1,9,9 überein. Nach Liebs (Röm. Jurisprudenz in Africa1 (1993) 143) hat der Sentenzenverfasser die Stelle aus Ulpian genommen.
358
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
Doch ist dies nur Spekulation und müsste zunächst geklärt werden, ob sich mehr als Sentenzen geltende Stellen auf interpretationes zurückführen lassen786. Da aber nicht sicher ist, dass der Verfasser der Collatio die das depositum betreffenden Stellen aus den Paulussentenzen vollständig in den Titel Coll. 10,7 aufgenommen hat, ist das Fehlen von PS. 2,12,12 in Coll. 10,7 kein sicheres Argument, PS. 2,12,12 gehöre nicht ursprünglich zu den Sentenzen.
3. Zusammenfassung Fassen wir zusammen: PS. 2,12,12 ergibt nichts für die Frage nach einem Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers. Die Stelle betrifft die Möglichkeit einer Verrechnung zwischen Ansprüchen des Verwahrers und des Hinterlegers und schließt diese jedenfalls für den Fall aus, dass der Verwahrer die Sache noch zurückgeben kann. Damit sagt die Stelle im Vergleich zum klassischen Recht nichts neues, denn auch im Formularverfahren war, auch im bonae fidei iudicium, die Aufrechnung ausgeschlossen, wenn der Verwahrer die Sache noch hatte. Die Stelle spiegelt damit auch keine Rechtsänderung beim Übergang vom Formularverfahren zum Kognitionsverfahren wider.
II. Einführung zum Zurückbehaltungsrecht War also die Aufrechnung dem Verwahrer grundsätzlich verwehrt, so bleibt die Frage nach einem Zurückbehaltungsrecht. Wir haben gesehen, dass wir die Aussagen des Neraz und Julians in D. 16,3,1,21 und 22 so verstehen können, als lehnten sie ein Zurückbehaltungsrecht ab787. Der Verwahrer, der die ihm mögliche Rückgabe unter Berufung auf getätigte Aufwendungen verweigert, handele dennoch dolos und müsse verurteilt werden788. Es bleibt die Frage, ob auch die römischen Juristen diese Aussagen so verstanden haben, genauer: Hatte der Verwahrer ein Zurückbehaltungsrecht?789 Man kann zunächst fragen, was eigentlich zu erwarten wäre. Aus der Tatsache, dass der Verwahrer seine Gegenansprüche mittels einer actio contraria durchsetzen kann, folgt noch nicht, dass dem Verwahrer auch ein Zurückbehaltungsrecht zustand.
786 Zu den interpretationes zu den Paulussentenzen siehe Schellenberg, Interpretationen zu den Paulussentenzen. 787 § 12 IV 788 Anders Kaser, In bonis esse (Rez. Wubbe) 214, SZ 78, der davon ausgeht, Neraz hätte in D. 16,3,1,21 den dolus verneint, wenn sich der Verwahrer auf ein Zurückbehaltungsrecht berufe. Aber im Text steht davon nichts. 789 Literatur: Bürge, Retentio 179 ff.; Pichonnaz, L’interdit 393 ff.; Rotondi, Teoria Romana del deposito 77 ff.
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
359
Das Modell790, dass historisch das Zurückbehaltungsrecht der Gegenklage zeitlich vorangeht, muss nicht für das depositum gelten791. Schweigen der Quellen kann auf Selbstverständliches hindeuten792. Aber was das für die römischen Juristen Selbstverständliche war, ist die Frage. Schwer zu wägen ist auch das Argument, wegen der ablehnenden Haltung Justinians zum Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers sei mit Streichungen von Belegen zu rechnen793. Folgende Überlegen könnten begründen, warum für die römischen Juristen selbstverständlich war, dass der Verwahrer kein Zurückbehaltungsrecht hatte: Das depositum ist auf Rückgabe gestellt, der verurteilte Verwahrer ist infam. An einen vereinbarten Rückgabetermin ist der Hinterleger nicht gebunden. Der Verwahrer handelt uneigennützig. Dazu passte es nicht, die Rückgabe vom Ersatz von Aufwendungen abhängig zu machen, denn wer Gutes tut, sollte dies ganz tun794. Doch sollen im folgenden die Stellen durchgesehen werden.
III. Mod. 2 diff D. 16,3,23 (Coll. 10,2,5) Folgender Stelle lässt sich nichts von einem Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers entnehmen: Mod. 2 diff795 D. 16,3,23796, 797: Actione depositi conventus [servo constituto]798 cibariorum nomine apud eundem iudicem utiliter experitur.799
Vgl. etwa Bürge, Retentio 163 f. Beim depositum könnte auch das Umgekehrte gelten. Als Argument ließe sich anführen, dass beim depositum anders als bei der Leihe oder beim pignus die Proponierung der actio contraria in factum concepta im Album überliefert ist, vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,5pr., doch siehe Schwarz, Konträrklagen 202 ff. 792 Vgl. Bürge, Retentio 165. 793 Vgl. Bürge, Retentio 166. Zur Frage, ob Justinian dem Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers überhaupt ablehnend gegenüberstand, siehe unten § 18 V. 794 Der barmherzige Samariter erstattet dem Wirt dessen Aufwendungen und trägt diese also; er überlässt sie nicht demjenigen, dem er hilft (Lukas 10,25 – 37). 795 Die Stelle ist auch in der Collatio 10,2,5 überliefert. Der Wortlaut ist identisch, nur hat die Digestenstelle den Zusatz „servo constituto“, siehe dazu im Text. Die Collatiostelle führt den Text durch einen Vergleich mit dem commodatum weiter. Der Fortgang lautet: At is cui res commodata est inprobe cibariorum exactionem intendit. inpensas tamen necessarias iure persequitur, quas forte in aegrum vel alias laborantem inpenderit. Auffallend ist, dass im Fortgang die Aufwendungen für cibaria nicht so recht dazu passen, dass eine Sache verliehen wurde. Zudem fehlt im Schlusssatz die Ergänzung von servum zu aegrum vel alias laborantem. Huschke (IA2 (1867) 581 m.Fn. 2) schlägt vor, es habe am Anfang geheißen At is cui servus commodatus est. Das Abkürzungszeichen für servus sei falsch mit res aufgelöst worden. 796 Textkritische Probleme wirft nur der Einschub servo constituto auf, vgl. dazu die Einträge im Ind.Itp. und im Text. Heck, Fiducia cum amico contracta 122 ff., bietet eine recht komplizierte Erklärung. Ursprünglich habe es im Originaltext geheißen servo recepto. Im Text 790 791
360
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
Der Hinterleger hat beim Verwahrer einen Sklaven800 in Verwahrung gegeben. Der Verwahrer hat Aufwendungen für den Sklaven gehabt, weil er diesen verpflegt hat. Das zeigt die Erwähnung der cibaria801. Die Aussage des Modestin hat nun zwei Elemente: Modestin trifft zum einen die materielle Aussage, dass der Verwahrer die Aufwendungen ersetzt verlangen habe zum Ausdruck kommen müssen, dass ein Sklave in Verwahrung gegeben worden sei, da sonst die Erwähnung der cibaria zu unvermittelt komme. Zudem sei nicht erkennbar, wie jemand auf den unverständlichen Einschub servo constituto habe verfallen können. receptum sei im untechnischen Sinne gemeint gewesen und habe nur bedeutet, dass der Verwahrer den Sklaven entgegengenommen habe. Die Kompilatoren hätten dann aber wegen Abschaffung des receptum argentarii überall das Wort receptum ersetzt, auch dort, wo es nur eine untechnische Bedeutung gehabt habe. Die Kompilatoren hätten nun in D. 16,3,23 den Fehler gemacht, den untechnischen Begriff des receptum für den technischen zu halten und diesen daher durch constitutum ersetzt, während der Verfasser der collatio den Zusatz gar nicht verstanden und daher gestrichen habe. Gegen diese Erwägungen Hecks siehe Göppert, Fiducia cum amico contracta 338 ff., SZ 13. 797 Bürge, Retentio 180; Daube, Utiliter agere 126 f., Iura 11 (1960); Wieacker, Textstufen 217 f.; Rotondi, Teoria romanao 82, 89; Gandolfi, Il deposito 99 f., 114 f.; Eisele, Beiträge zur Erkenntnis der Digesteninterpolationen 138, SZ 13; Schwarz, Konträrklagen 121, SZ 71 (1954). Rotondi (a. a. O. 89) weist darauf hin, dass die Stelle von notwendigen Aufwendungen handele; es gebe keine Quellen zur Frage des Ersatzes nur nützlicher Verwendungen. Rotondi mutmaßt, der Verwahrer habe nur notwendige Aufwendungen ersetzt verlangen können, weil die Verbesserung der Sache nicht Aufgabe des Verwahrers sei. Kreller, Rez. Provera, Iudicia contraria, 323 f., IURA 4, ordnet die Widerklage eher dem Kognitionsverfahren als dem Formularprozess zu. Biondi (Iudicia bonae fidei I 121 ff.) ist der Auffassung, im klassischen Recht habe der Beklagte seine Aufwendungen nur mittels retentio und compensatio ersetzt verlangen können, nicht mittels einer Gegenklage. Diese habe zu diesem Zweck erst Justinian eingeführt. Diese Ansicht beruht auf Verallgemeinerungen von Stellen wie Jul. 39 dig D. 12,6,33 und wird heute nicht mehr geteilt. Auch für D. 16,3,23 überzeugen die Argumente Biondis (127 f.) nicht. Nach Biondi würde bei dem Verständnis, die Stelle betreffe eine Gegenklage, aus dem Recht des Verwahrers, auf die Aufwendungen klagen zu können, eine Pflicht, dies vor dem Richter der Hauptklage zu tun. Es ist schon nicht erkennbar, worin dabei das Problem liegen soll. Erstens wäre es denkbar, dass in der Tat die Rechtsordnung den Beklagten zwingt, seine Klage vor demselben Richter anzubringen. Zweitens aber sagt das Modestin nicht; er schildert ein Recht des Verwahrers; er sagt nur, dass die Zuständigkeit des Richters der Hauptklage (auch) begründet sei, siehe dazu im Text. Da die Stelle eindeutig von einer Gegenklage des Verwahrers spricht (dazu im Text), kann der Auffassung Biondis nicht gefolgt werden. 798 Der Einschub ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein Zusatz der Kompilatoren, wie vor allem die Parallelüberlieferung in der Collatio beweist. Siehe dazu im Text. 799 Übersetzung: Der mit der actio depositi verklagte Verwahrer klagt erfolgreich vor demselben Richter wegen der Nahrungskosten auf Aufwendungsersatz. 800 Dies ergibt sich nicht aus der unechten Wendung servo constituto, sondern aus der Erwähnung der cibaria. Denkbar wäre immerhin auch, dass es sich um die Verwahrung von Tieren handelt, denn cibaria kann auch Viehfutter bedeuten, vgl. Ulp. 18 ed D. 9,2,29,7. 801 Zu den cibaria als technischen Begriff für die Nahrung der Sklaven siehe Bürge, Cibaria 63 ff., FS Waldstein (1993). Cibaria begegnen beim depositum noch in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,9 – 10, siehe dazu Bürge a. a. O. 73.
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
361
kann802. Zum anderen äußert sich Modestin aber auch über das Mittel, mit dem der Verwahrer seinen Anspruch durchsetzen kann: apud eundem iudicem utiliter experitur. Modestin spricht also von einer Widerklage803, denn das experior deutet dabei auf eine Klage hin; ebenso das apud eundem iudicem; dass das Zurückbehaltungsrecht derselbe Richter berücksichtigen müsste, der über die actio depositi des Hinterlegers zu befinden hat, wäre eine Banalität804. Für eine Widerklage spricht auch der Fortgang der Stelle in der Collatio 10,2,5. Dort wird vom Entleiher gesagt: improbe cibariorum exactionen intendit.
Das utiliter bedeutet dann nur, dass der Verwahrer mit Erfolg vor demselben Richter eine Klage auf Erlangung der Aufwendungen erheben kann805. Modestin spricht also die Möglichkeit einer Widerklage an806. Die Widerklage kommt vor denselben Richter wie die Hauptklage. Im Formularverfahren stellte sich wegen der Freiheit der Richterwahl das Problem, ob der Hauptkläger gezwungen werden konnte, denselben Judex auch für die Widerklage zu akzeptieren807. Vielleicht will Modestin nur diese Frage ansprechen und beantwortet sie für das depositum dahingehend, dass der Hinterleger den Judex der Hauptklage auch für die Widerklage akzeptieren muss. 802 Dass der Verwahrer, der unentgeltlich tätig ist, seine Aufwendungen ersetzt verlangen kann, ist feststehender Grundsatz, vgl. Pomp. 22 Sab D. 16,3,12pr.; Ulp. 30 ed D. 16,3,5pr. 803 Für Widerklage auch Rotondi, Teoria romana 82; Schwarz, Konträrklagen 121; Daube, Utiliter agere 26 f., IURA 11. Auch Stephanus geht in einer shmei/wsij von einer Widerklage aus (vgl. Hb II 52, Scheltema B II 660, 13). Das besondere der Entscheidung liegt für ihn darin, dass der Verwahrer die Widerklage bei demselben Richter erheben kann, obwohl ihm die compensatio verwehrt ist. Anders, für Zurückbehaltungsrecht, Bürge, Retentio 180. Für Zurückbehaltungsrecht auch Biondi, Iudicia bonae fidei 127 f. Biondi stört sich daran, dass der Verwahrer bei dieser Interpretation gezwungen werde, bei dem Richter der Hauptklage zu klagen. Modestin sagt aber nicht, der Verwahrer müsse beim selben Richter klagen, er sagt, der Verwahrer könne beim selben Richter klagen. Das ist nicht selbstverständlich und bedeutet für den Verwahrer eine Erleichterung, siehe dazu im Text. 804 Zwar mag der Judex Gegenrechte (zu Unrecht) nicht berücksichtigen (vgl. Gaius 9 ed. pr. D. 13,6,18,4; G. 4,63) und dann der Beklagte auf eine Widerklage angewiesen sein. Aber klar ist, dass, wenn ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden kann, dies nur vor demselben Richter, der auch über die Hauptklage befindet, geschehen kann. Nur wenn man Modestin den komplizierteren Gedankengang unterstellt, dass er zugleich den Vorteil des Zurückbehaltungsrechts darlegen wollte, dass man sich eine eigene Klage erspare, wenn man seine Ansprüche schon im Hauptprozess entgegenhalte, könnte man die Stelle auf das Zurückbehaltungsrecht beziehen (so etwa Bürge, Retentio 180). Gegen eine solche Deutung spricht aber, dass es Modestin doch vor allem um den Vergleich mit dem commodatum geht (vgl. den Fortgang in Coll. 10,2,5), und auch bei diesem spricht er von einer Klage. 805 Die Wendung utiliter experitur soll also nicht besagen, dass der Verwahrer mit einer actio utilis vorgehe, vgl. Heumann / Seckel, s.v. utilis unter 3) mit unter 5), S. 608. Zur Frage eingehend Daube, Utiliter agere 69 ff., IURA 11, zu unserer Stelle 126 f. 806 Zur Widerklage siehe nur Kaser / Hackl, § 50 I, S. 343 ff. 807 Vgl. Kaser / Hackl, § 50 I, S. 344 m.Fn. 3 u. 4.
362
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
Beim depositum stellte sich für die Widerklage aber noch ein besonderes Problem. Denn weil die actio directa infamierend war, die actio contraria aber nicht808, ergab sich in den Munizipien eigentlich eine Zuständigkeit des Magistrats nur für die actio contraria, während die actio directa vor den Statthalter gehörte809. Modestin hatte im vorhergehenden Paragraphen gerade ausgeführt, dass die actio depositi infamierend sei810. Die Lösung Modestins lässt es also zu, dass der Verwahrer ausnahmsweise vor dem nicht zuständigen Statthalter seine Gegenklage erheben kann, wenn er dort schon verklagt wurde, und entspricht den Ausführungen des Gaius zur Zuständigkeit von Magistrat und Statthalter in Abhängigkeit von den Streitwerten811. Der Verwahrer kann also ebenfalls vor dem Statthalter klagen. Das hat für ihn den Vorteil, dass der Richter kaum bei der Klage des Hinterlegers das Vorliegen einer Hinterlegung bejahen, bei seiner Klage aber verneinen wird. Die Wendung servo constituto812 heißt „es ist ein Sklave (um den es sich handelt)“ und ist justinianischer Zusatz813. Das Partizip constitutus ersetzt zuweilen das im klassischen Latein nicht verwendete Partizip Präsens von esse814. 808 Vgl. D. 3,2,1: … non contrario iudicio …; Ulp. 6 ed D. 3,2,6,7: Contrario iudicio damnatus non erit infamis: nec immerito. nam in contrariis non de perfidia agitur, sed de calculo, qui fere iudicio solet dirimi. Vgl. auch Ulp. 30 ed D. 16,3,5pr., wo sich der gleiche Grundgedanke in Bezug auf den Schätzungseid ausgesprochen findet: Ei, apud quem depositum esse dicetur, contrarium iudicium depositi datur, in quo iudicio merito in litem non iuratur: non enim de fide rupta agitur, sed de indemnitate eius qui depositum suscepit. 809 Zu dieser Frage siehe unten § 20 II. 810 Mod. 2 diff Coll. 10,2,4: Depositi damnatus infamis est: qui vero commodati damnatur, non fit infamis: alter enim propter dolum, alter propter culpam condemnatur. 811 Gaius 1 edpr D. 2,1,11,1: Sed et si mutuae sunt actiones et alter minorem quantitatem, alter maiorem petat, apud eundem iudicem agendum est ei qui quantitatem minorem petit, ne in potestate calumniosa adversarii mei sit, an apud eum litigare possim. Der Munizipalbeamte war nur bis zu einer bestimmten Höhe des Streitwertes zuständig; wurde die Höhe überschritten, war der Statthalter oder der Prätor zuständig (vgl. Kaser / Hackl, § 24 III 3, S. 177 f. In Irni etwa war der Beamte bis zu einem Streitwert von 1000 Sesterzen zuständig, vgl. Lex Irnitana 84, Z. 3 f. (Gonzáles, The Lex Irnitana 175, JRS 76)). Die Gaiusstelle wird hier so verstanden, dass mit eundem iudicem nicht der Richter gemeint ist, vor dem die Partei mit dem höheren Anspruch geklagt hat, sondern der Richter, der in D. 2,1,11pr. zuständig war, also der für den geringeren Anspruch zuständige Munizipalbeamte (zur Interpolation von iudex für Munizipalbeamten siehe Kaser / Hackl, § 50 I, S. 344 m. Fn. 3). Der Gedankengang des Gaius ist danach der folgende: Der Kläger, der den geringeren Anspruch verfolgt, konnte vor dem Munizipalbeamten klagen. Nun hat aber der Gegner vor dem Statthalter geklagt. Man könnte meinen, der Kläger müsse nun auch vor diesem Richter seine Widerklage erheben. Gaius lässt aber die Klage weiterhin vor dem Munizipalbeamten zu, damit der Gegner es nicht in der Hand hat, den Kläger zu zwingen, vor dem Munizipalbeamten zu klagen, indem er selbst nicht klagt, oder zu zwingen, vor dem Statthalter zu klagen, indem er selbst die Klage vor dem Statthalter erhebt. Die Wendung apud eundem iudicem agendum est muss hier heißen, dass der Kläger vor demselben Richter klagen darf, nicht muss, denn Gaius betont gerade die Entscheidungsfreiheit des Klägers. Gaius und Modestin betonen also beide die Wahlfreiheit des Klägers, dessen Klage eigentlich vor den Munizipalbeamten gehörte. Modestin stellt fest, dass der Kläger auch vor dem Statthalter klagen kann; Gaius weist darauf hin, dass er aber weiterhin auch vor dem Munizipalbeamten klagen kann.
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
363
Justinian verwendet constitutus in dieser Bedeutung gerne im Ablativus Absolutus, vgl. I. 2,1,30: Die Konstruktion in possessione constituto aedificatore steht für si in possessione aedificator est und ist justinianischer Zusatz, wie der Vergleich mit Gaius 2 rer.cott. D. 41,1,7,12 zeigt, aus dem die Institutionenstelle genommen ist. Die Stelle ist ein schöner Vergleich zu unserer Stelle, denn auch in D. 16,3,23 verspürten die Kompilatoren bei der Entnahme aus Modestins Werk offensichtlich das Bedürfnis, dem Leser das Verständnis zu erleichtern, indem sie den Fall näher erläuterten. Ein weiteres Beispiel ist etwa der Ausdruck idoneo scilicet constituto in Just. C. 6,2,22,1. Bei den klassischen Juristen wäre in einem Nebensatz eine gebeugte Form von esse verwendet worden, vgl. etwa si modo solvendo fuerit (Mod. 2 diff Coll. 10,2,6). Die Konstruktion in D. 16,3,23 unterscheidet sich von den beiden anderen Fällen dadurch, dass in D. 16,3,23 constitutus keine Ergänzung hat815. Die Konstruktion mag auch den Kompilatoren nicht als das Musterbeispiel für gutes Latein gegolten haben, aber die Einfügung der Konstruktion im Ablativus Absolutus war die einfachste Möglichkeit einer Ergänzung, denn sie ersparte eine Veränderung der Konstruktion des übernommenen Satzes. Das Verständnis von servo constituto als Hinweis, dass ein Sklave in Verwahrung gegeben wurde, ist auch das Verständnis der Basiliken. Dort heißt es816: o( e)nago/menoj peri\ dou/lou t$= peri\ paraqh/khj a) gwg$= kalw=j para\ t%= au)t%= dikast$= peri\ tw=n trofw=n au)tou= kinei=. Diesem Text würde nun auch ein lateinischer Text wie actione depositi conventus de servo [constituto] entsprechen817. Doch wäre eine entsprechende Herstellung des Digestentex812 Die Lösung, die auch hier vertreten wird, geht wohl zurück auf Eisele, SZ 13, 138; ihm folgend etwa Rotondi, Teoria romana 82; vgl. auch Wieacker, Textstufen 217. Einen Überblick über die ältere Literatur gibt Glück, Pandecten XV 200 ff. Fn. 39. 813 Dass es sich um einen späteren Zusatz handelt, würde man schon wegen der Unverständlichkeit der Wendung vermuten; durch die Parallelüberlieferung in Coll. 10,2,5, wo die Wendung fehlt, wird es zur Gewißheit (anders etwa Heck, siehe gerade eben). Die Kompilatoren mögen bei der Entnahme aus dem Werk Modestins wegen der Verkürzung das Bedürfnis verspürt haben, dem Leser den Sachverhalt plastischer vor Augen zu führen. Dazu kann ihnen auch Anlass gegeben haben, dass der Leser der libri differentiarum am Fortgang in aegrum vel alias laborantem wohl entnehmen konnte, dass es um einen Sklaven geht. Noch wahrscheinlicher wäre, dass die Kompilatoren ein Klarstellungsbedürfnis empfanden, wenn man dem Vorschlag Huschkes folgt, es habe am Anfang der Ausführungen zum commodatum geheißen at is cui servus commodatus est (siehe zum Vorschlag Huschkes gerade eben), denn den Fortgang der Collatiostelle haben die Kompilatoren in die Digesten ja nicht aufgenommen. Nicht justinianisch ist aber die Wendung in potestate filia constituta patris in FV. 269: „ut quod utendum mater filiae dedit, non videatur donatum et si donatum sit, non valeat, in potestate filia constituta patris; aliud esse, si dotem dedit“. … Die Wendung soll besagen, dass die Entscheidung, die Schenkung sei unwirksam, nur gilt, wenn die Tochter in der Gewalt ihres Vaters steht, denn nur dann verstößt die Schenkung gegen das Verbot der Schenkung unter Ehegatten. Es wird sich um eine Glosse handeln. 814 Vgl. TLL s.v. constitutus, Sp. 523 Z. 45 ff., constitutus habe dann die Bedeutung von w/)n. 815 Nach Wieacker, Textstufen 218, hänge die Wendung beispiellos beziehungslos in der Luft. Der justinianische Sprachgebrauch decke nur participia coniuncta, „die für ein lateinisches Nomen ohne Partizip eintreten“. Es handele sich daher nicht um einen justinianischen Zusatz, sondern um ein erläuterndes Glossem. 816 Hb II 51; Scheltema A II 729, 3 f. Übersetzung: Der wegen eines Sklaven mit der actio depositi Verklagte klagt schön bei demselben Richter wegen dessen Nahrung.
364
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
tes Spekulation, während es auf der Hand liegt, dass die Übersetzer der Digestenstelle nach einer besseren Konstruktion, als sie der Digestentext bietet, suchen mussten818. Jedenfalls entnahmen die byzantinischen Übersetzer, und das ist für die vorliegende Frage entscheidend, dem Text keinen Hinweis auf eine frühere Rückgabe des Sklaven oder auf ein constitutum debiti. Denn daneben kommen noch weitere Erklärungsmöglichkeiten in Betracht, so etwa, die Wendung servo constituto heiße nach Rückgabe des Sklaven819. Das würde sich als justinianische Ergänzung so deuten lassen, dass damit das Verbot der Aufrechnung und des Zurückbehaltungsrechts aus C. 4,34,11 betont werden solle820. Constituere findet sich in der Bedeutung von restituere noch in Ulp. 71 ed D. 43,26,8,6821. Die Stelle handelt vom interdictum de precario822; Mommsen schlägt die Ersetzung durch restituere vor823. Andere Belege für die Bedeutung von constituere als restituere scheint es nicht zu geben824. Daneben wurde vorgeschlagen, constituto sei in unserer Stelle in restituto zu emendieren825. Doch macht, worauf Wieacker826 zutreffend hinweist, die Konstitution C. 4,34,11 die Widerklage nicht von der vorherigen Rückgabe der hinterlegten Sache abhängig. Es soll nur verhindert werden, dass die Klage auf die Rückgabe durch Gegenrechte verzögert wird; nicht ausgeschlossen ist, dass der Verwahrer sofort auch die Widerklage erhebt. Im kühnen Zugriff könnte man die Wendung mit dem etwaigen Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts durch Justinian noch in Verbindung bringen, indem man in der Wendung ausgedrückt sieht, der Verwahrer müsse die Rückgabe des Sklaven vor Geltendmachung der Aufwendungen zusagen, er müsse ein constitutum debiti abgeben. Gegen solche Deutungen der Wendung als restituere und als constitutum debiti spricht vor allem, dass sie die byzantinischen Juristen von Anfang an so nicht verstanden haben. Zu convenire de siehe VIR I, s.v. convenio Sp. 1023, Z. 31 ff. Daher scheidet auch ein Versuch aus, constituto auf actione zu beziehen, so dass es etwa hieße: actione depositi de servo constituta conventus. Constituere actionem sagt man zudem nicht vom Kläger, sondern von der Einführung einer Klage durch ein Gesetz oder den Prätor, vgl. Heumann / Seckel, s.v. constituo 3a), S. 98. 819 So etwa Knütel, Digestenübersetzung 348. 820 Wir werden unten sehen, dass sich letztlich aus C. 4,34,11 kein Ausschluss eines Zurückbehaltungsrechts wegen Aufwendungen des Verwahrers entnehmen lässt, sondern nur ein Ausschluss der Aufrechnung und höchstens noch ein Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts wegen Ansprüchen ex alia causa. 821 Ulp. 71 ed D. 43,26,8,6: Et generaliter erit dicendum in restitutionem venire dolum et culpam latam dumtaxat, cetera non venire. plane post interdictum editum oportebit et dolum et culpam et omnem causam venire: nam ubi moram quis fecit precario, omnem causam debebit constituere. 822 Vgl. Lenel, P II, Ulpian 1609, Sp. 844. 823 Mommsen, Editio maior II 613 Fn. 2. Mommsen weist im Apparat auch die Handschriften nach, die in der Tat ein restituere haben; bei D. 16,3,23 gibt es solche Handschriften nach Mommsens Editio maior aber nicht. 824 Vgl. Schulz, Aktivlegitimation 80 Fn. 1, SZ 32; VIR I s.v., Sp. 953, Z. 24 ff. 825 Früh etwa Faber, Rationalia 366. Dernburg hat dies später aufgegeben, vgl. Kompensation2 249 Fn. 1. 826 Wieacker, Textstufen 217. 817 818
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
365
IV. Mod. 2 diff Coll. 10,2,6 Einen Hinweis auf ein Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers enthält Mod. 2 diff. Coll. 10,2,6827: Res deposita si subripiatur, dominus dumtaxat habet furti actionem, quamvis eius apud quem res deposita est intersit ob inpensas in rem factas rem retinere. is vero cui res commodata sit furti experiri debebit, si modo solvendo fuerit.828
Modestin beschäftigt sich mit der Aktivlegitimation für die actio furti des Verwahrers und des Entleihers. Wird die Sache dem Verwahrer gestohlen, habe nur der hinterlegende Eigentümer die actio furti, nicht der Verwahrer. 1. Nach der herkömmlichen Lehre hat derjenige die actio furti, der ein Interesse daran hat, dass die Sache nicht gestohlen wird829. Als selbstverständlich setzt Modestin voraus und erwähnt es gar nicht, dass der Verwahrer wegen der Beschränkung der Haftung auf den dolus dem Hinterleger im Falle eines Diebstahls aus der actio depositi nicht haftet und daher eine solche Haftung auch nicht das Interesse des Verwahrers am Nichtgeschehen des Diebstahls begründen kann830. Modestin erörtert vielmehr die Möglichkeit, der Verwahrer könnte die actio furti haben, wenn er Verwendungen auf die Sache getätigt hat831. Der Verwahrer habe wegen der Aufwendungen ein Interesse daran, die Sache zu retinieren832. Man muss dies wegen der Technizität des Ausdrucks833 und vor dem Hintergrund ent-
827 Schulz, Aktivlegitimation 35 f., SZ 32 (1911); Bürge, Retentio 179 f. (1979); Rotondi, Teoria romana 81 f., Nardi, Retenzione I 422 ff. 828 Übersetzung: Wenn eine hinterlegte Sache gestohlen wird, hat nur der Eigentümer die actio furti, mag auch der Verwahrer wegen der Aufwendungen auf die Sache ein Interesse haben, die Sache zurückzubehalten. Der Entleiher aber wird die actio furti haben, wenn er nur zahlungsfähig ist. 829 Siehe nur G. 3,203; Ulp. 29 Sab D. 47,2,10; Kaser, RP I § 143 II 2b, S. 616 f. 830 Vgl. G. 3,207: Sed is apud quem res deposita est, custodiam non praestat tantumque in eo obnoxius est, si quid ipse dolo malo fecerit; qua de causa si res ei subrepta fuerit, quia restituendae eius nomine depositi non tenetur nec ob id eius interest rem salvam esse, furti agere non potest, sed ea actio domino conpetit. Ulpian erörtert in D. 47,8,2,23 Fälle, in denen dem Verwahrer die actio furti beim Diebstahl durch einen Dritten zusteht, weil er wegen einer entsprechenden Vereinbarung oder wegen eines entgeltlichen Charakters für mehr als nur für dolus einzustehen hat. Auf diese Stelle muss hier nicht eingegangen werden (doch siehe die kurzen Hinweise in § 11 I). Eine Aktivlegitimation des Verwahrers für die actio furti bildet auch die Grundlage für Quintilians Declamatio 361. Siehe dazu und zur Aktivlegitimation des Verwahrers überhaupt Klami, „Mutua magis videtur“ 218 ff. 831 Dass es in Coll. 10,2,6 und 10,2,5 also um Verwendungen geht, kann im Rahmen des Werkes den Zusammenhang zwischen beiden Stellen bilden. 832 Dass der Verwahrer ein Zurückbehaltungsrecht hat, lässt Modestin bei genauer Betrachtung offen. Es heißt nicht „quamquam eius interest“. Das quamvis im Konzessivsatz lässt offen, ob das Eingeräumte wirklich vorliege (Burkard / Schauer / Menge, § 584 (4), S. 860). Dieses Offenlassen wird sich aber nur auf die Frage beziehen, ob der Verwahrer Aufwendungen getätigt hat, nicht auf die daraus entspringende Rechtsfolge.
366
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
sprechender Stellen834 auf eine Zurückbehaltung gegenüber der actio depositi des Hinterlegers beziehen835. Aus demselben Grund wird man auch annehmen müssen, dass Modestin ein Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers im technischen Sinn meint. Die Stelle ist daher ein Beleg für ein Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers836. 2. Warum lehnt aber Modestin in der Stelle die Aktivlegitimation des Verwahrers ab? a) Die Lösung kann darin liegen, genau zwischen den Interessen zu unterscheiden837. Nach der herkömmlichen Lehre, wie sie Gaius in seinen Institutionen überliefert, hat der für custodia Einstehende die actio furti, weil er dem Eigentümer wegen des Diebstahls auf den Sachwert haftet. Das Interesse, das die Aktivlegitimation für die actio furti begründet, entspricht also dem Sachwert. Hingegen entspricht in unserem Fall das Interesse, das der Verwahrer am Unterbleiben des Diebstahls hat, nur der Höhe seiner Aufwendungen, die in der Regel hinter dem Sachwert zurückbleiben wird.
Siehe dazu Bürge, Retentio 223 ff. Man wird auch nicht sagen können, Modestin meine nur den faktischen Vorteil für den Verwahrer, die hinterlegte Sache zu haben, weil er so immerhin einen gewissen Druck auf den Hinterleger ausüben könne, selbst wenn der faktischen Lage gar keine rechtliche Position, gar kein Recht zur Zurückbehaltung entspreche. Denn weil es um eine Erörterung von Rechtsfragen geht, wäre zu erwarten, dass Modestin ein rein faktisches Verständnis offen ausspricht. Es wird im Text auch gezeigt werden, dass es nicht willkürlich von Modestin ist, dem Verwahrer die Aktivlegitimation trotz eines Rechtes zur Zurückbehaltung zu versagen. 834 Eine ähnliche Frage wird beim commodatum diskutiert. Da aber der Entleiher aufgrund seiner custodia-Haftung für die actio furti stets aktivlegitimiert ist (seine Zahlungsfähigkeit vorausgesetzt), stellt sich beim Entleiher die Frage, ob seine Aufwendungen auf die Sache die Aktivlegitimation für die actio furti begründen können, nur in dem Fall, dass der Verleiher ihm die Sache wegnimmt. Die Frage wurde bejaht (vgl. Paulus 5 Sab D. 47,2,15,2; Jul. 3 Min D. 47,2,60); siehe dazu sogleich im Text. 835 Eine andere Möglichkeit bestünde darin, ein Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers gegenüber einer reivindicatio anzunehmen (so etwa Wubbe, Gaius 516 Fn. 43, zum commodatum in D. 47,2,15,2 und D. 47,2,60). Doch ist im Zusammenhang der Stelle so sehr von actio depositi und commodati die Rede, dass nicht zu sehen wäre, wieso sich das Retentionsinteresse plötzlich auf die reivindicatio beziehen sollte. 836 Das ist herrschende Meinung, vgl. etwa Rotondi, Teoria romana 81 f.; Bürge, Retentio 179 f.; Nardi, Ritenzione I 422 ff. Marrone, D. 14. 2. 2 pr.: „retentio“ e „iudicia bonae fidei“, S. 178, verneint, dass die Stelle einen Beleg für das Zurückbehaltungsrecht enthalte. Er geht davon aus, dass in den bonae fidei iudicia kein Raum für ein Zurückbehaltungsrecht war, weil es stets zur compensatio gekommen sei. Es wurde oben bereits versucht, zu zeigen, dass dies jedenfalls für das depositum nicht zutrifft. Für die actio depositi in factum concepta scheint übrigens Marrone selbst ein Zurückbehaltungsrecht anzuerkennen, wenn er Modestin so versteht, dass der Verwahrer ein Interesse daran habe, den Aufwendungsersatz leichter zu erzwingen, indem er der Klage des Hinterlegers die exceptio doli entgegensetze. 837 Zum Folgenden vgl. Schulz, Aktivlegitimation 35 f. Nach Kaser, Actio furti des Verkäufers 105 Fn. 61, sei die Interesse-Terminologie beweglich gewesen. 833
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
367
b) Doch soll andererseits das Retentionsinteresse des Entleihers dessen Aktivlegitimation begründen können. aa) Exkurs: Es stellt sich dabei die Vorfrage, ob der Entleiher überhaupt ein Retentionsrecht hat. Daran erweckt nämlich Zweifel die Stelle C. 4,23,4838: Idem AA. et CC. Faustinae. Praetextu debiti restitutio commodati non probabiliter recusatur. Im Jahr 294 erteilen die Kaiser Diokletian und Maximianus der Faustina den Bescheid, dass die Rückgabe der verliehenen Sache zu Unrecht unter dem Vorwand einer Schuld verweigert wird. Ob die Faustina Ver- oder Entleiherin ist, ist für uns nicht erkennbar. Die Entscheidung erfasst jedenfalls auch ein Zurückbehaltungsrecht, nicht nur die Aufrechnung, denn es wird gesagt, dass der Entleiher die Sache zurückgeben muss839. 838 Pichonnaz, L’interdiction 403 ff.; Solazzi, Compensazione 20 f.; Biondi, Iudicia bonae fidei I 129 ff.; Pichonnaz, La compensation 52 ff.; Nardi, Ritenzione I 191 f. Nach Biondi sei das Reskript zu unbestimmt, um es der Kanzlei Diokletians zuschreiben zu können. Dass die compensatio ausgeschlossen wurde, weil der Gegenanspruch ex alia causa herrühre, scheide aus, weil Diokletian sich dann nicht mit „non probabiliter“ ausgedrückt hätte. Vor dem Hintergrund, dass Paulus in 5 Sab D. 47,2,15,2 das Zurückbehaltungsrecht beim commodatum anerkenne, könne man die Entscheidung nicht für echt halten. Dernburg, Geschichte2 499, entnimmt dem Wort debitum, es müsse sich um eine Gegenforderung ex alia causa handeln. Solazzis Vorschlag wird auch in dieser Arbeit gefolgt werden. Der Entleiher mag einen Gegenanspruch ex eadem causa haben, aber dessen Berechtigung zweifelhaft sein, so dass es unbillig wäre, wenn sich die Rückgabe der hinterlegten Sache verzögerte. Dass aber bei Diokletian die compensatio beim commodatum ausgeschlossen gewesen sei, dürfe nicht angenommen werden, weil Texte wie D. 47,2,15,2 und I. 4,6,30 dagegen sprächen. Im zweiten Lösungsvorschlag Solazzis habe der Entleiher Aufwendungen verlangt, auf die der Entleiher keinen Anspruch habe, beispielsweise wegen Sklavennahrung (Solazzi verweist auf Mod. 2 diff Coll. 10,2,5). Bei der Kürzung des Reskripts sei dieser Aspekt verloren gegangen und die Entscheidung habe nun einen zu weiten Anwendungsbereich. Für Nardi, Ritenzione 191 f., handele die Stelle nicht von einem Zurückbehaltungsrecht, weil der Entleiher die Sache überhaupt nicht zurückgeben wolle, statt die Rückgabe nur von einer Leistung des Verleihers abhängig zu machen. Der Entleiher berufe sich stattdessen auf die compensatio. Zur Stützung führt Nardi die entsprechende Basilikenstelle an (siehe zu dieser im Text). Pichonnaz (L’interdiction) betont das Wort probabiliter; es habe sich um eine Billigkeitsentscheidung gehandelt, nicht um eine Entscheidung aus technischen Gründen. Gehe man davon aus, dass der Text die cognitio extra ordinem betreffe, dann handle die Stelle vom Zurückbehaltungsrecht, nicht von der Aufrechnung, denn in der cognitio extra ordinem sei wegen der Verteilung in ipsa re die Aufrechnung schon aus technischen Gründen, nämlich wegen der fehlenden Gleichartigkeit, ausgeschlossen gewesen. Pichonnaz, La compensation 52 ff., scheint der Lösung Solazzis zu folgen; Diokletian habe verhindern wollen, dass sich die Rückgabe der Sache bei Nichtoffenkundigkeit des Gegenanspruchs verzögere. 839 Dass die compensatio im Formularverfahren dazu geführt habe, dass der Verleiher seine geliehene Sache verloren habe, weil es wegen des Grundsatzes der condemnatio pecuniaria das Erfordernis der Gleichartigkeit der Ansprüche nicht gegeben habe, ist wiederum nur eine Behauptung. Zwar ist das commodatum nicht so unbedingt wie das depositum auf Rückgabe gestellt; so wird der Entleiher nicht infam. Aber der Verleiher wird zum Schätzungseid zuge-
368
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
Entscheidend dürfte das Wort praetextu sein, denn die Aussage der Entscheidung ist nur, dass die Verweigerung nicht praetextu statthaft sei. Praetextu heißt jedenfalls nicht, dass die behauptete Schuld nicht existiert, denn dass der Entleiher die Rückgabe nicht wegen einer ihm gar nicht zustehenden Gegenforderung verweigern darf, ist selbstverständlich. Da das Wort praetextu aber auch ausschließt, es handele sich um eine unbestrittene, liquide Forderung, muss es hier heißen, der Entleiher könne die Rückgabe nicht verweigern, indem er eine bestrittene Gegenforderung vorträgt. Die Entscheidung schließt also nur die Verzögerung der Rückgabe aus840, aber nicht, dass dem Entleiher ein Zurückbehaltungsrecht wegen einer unstrittigen Gegenforderung zustehe. Die Entscheidung entspricht damit auch der Anordnung Justinians, dass die compensatio nur erfolge, wenn die Gegenforderung liquide sei841. Dabei wird es sich nicht um eine Neuerung Justinians handeln, denn entsprechendes galt schon bei Alexander Severus842. Zu dieser Interpretation passt es, dass uns das Zurückbehaltungsrecht des Entleihers ansonsten bezeugt ist843. Dass es vor allem um die Verhinderung einer Verzögerung der Rückgabe geht, ist auch noch die Aussage der Basiliken, denn dort heißt es: B. 13,1,27844: Prosxh/mati xre/ouj ou)dei\j du/natai th\n tw=n e)n xrh/sei didome/nwn a)pokata/ stasin u(perti/qesqai: ou) mo/non ga\r h( peri\ paraqh/khj a)gwgh/, a)lla\ kai\ h( peri\ tw=n e)n xrh/sei didome/nwn a) ph/llaktai tou= lo/gou tw=n a) ntello/gwn845. Der erste Satz sagt, dass die Berufung auf eine Schuld die Rückgabe der geliehenen Sache nicht verzögern darf. Der zweite Satz begründet dies durch ein Verbot der Aufrechnung, dass sowohl bei der actio depositi als auch bei der actio commodati bestanden habe. Nun ist zu lassen (vgl. Ulp. 28 ed D. 13,6,3,2; dazu Kaser / Hackl, § 48 IV, S. 340 Fn. 45). Zudem ist mehr als fraglich, ob ein Judex es für der bona fides angemessen gehalten hätte, dass der Entleiher den Verleiher unter Preisgabe seiner Gegenforderung habe enteignen können. Viel eher wird der Judex den Entleiher, wenn der Verleiher die Erfüllung der Gegenforderung angeboten hatte, in den überhöht geschätzten Sachwert ohne Abzug der Gegenforderung verurteilt haben. Es ist daher nicht veranlasst, das Reskript durch den Übergang zum Verfahren extra ordinem zu erklären (ausführlicher die Darlegungen zum depositum oben in § 18 II, die aber nicht vollständig auf das commodatum übertragbar sind). 840 So auch Solazzi, Compensazione 20 f. Gegen eine Verzögerung richtet sich auch die Entscheidung Diokletians in C. 4,16,4: Sub praetextu aetatis pupilli debitoris hereditarii creditorum exactionem differri non posse nimis evidens est. unde cum te tutorem proponas, quemadmodum a pupillis creditoribus satisfiat, eniti debes. 841 Vgl. C. 4,31,14,1. 842 Vgl. C. 4,31,4 (si constat pecuniam invicem deberi …). Dass die Nichtliquidität einer Gegenforderung bei Entscheidungsreife der Hauptklage das Urteil nicht verzögern sollte, ist von der Natur der Sache her geboten und dürfte auch schon im Formularprozess gegolten haben; dass es sich um eine justinianische Neuerung handelt, ist nicht wahrscheinlich. 843 Nämlich in D. 47,2,15,2 und D. 47,2,60, vgl. Bürge, Retentio 176 ff. 844 Hb II 24; Scheltema A II 719, 20 ff. 845 Übersetzung: Unter dem Gewand einer Schuld (Parallelverwendung zu praetextus) kann niemand die Rückgabe der zur Leihe gegebenen Sachen hinauszögern. Nicht nur die actio depositi nämlich, sondern auch die actio commodati schließt die Anrechnung von Gegenrechnungen aus.
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
369
beachten, dass den beiden Sätzen im Hinblick auf das klassische römische Recht nicht dieselbe Bedeutung zukommt. Der erste Satz ist eine Wiedergabe der Codexstelle. Der zweite Satz erinnert an ein Scholion846 des Theodorus Hermopolita847 aus dessen Codexsumme, die dieser in der zweiten Hälfte des 6. Jh. verfasste848. Vom Standpunkt des römischen Rechts ist Theodorus Hermopolita keine Quelle mehr, sondern nur noch Interpret. Die Basilikenverfasser werden den Text aus der griechischen Variante der Codexstelle und dem Theodorus-Scholion zusammengesetzt haben. Der zweite Satz kann daher für unser Verständnis der Codexstelle nicht maßgeblich sein. Dass die Erklärung des Theodorus mit dem justinianischen Verständnis nicht zusammenpasst, könnte man auch damit begründen, dass in I. 4,6,30 die actio depositi ausdrücklich als einzige Klage bezeichnet wird, bei der die compensatio nicht statthaft sei. Daraus könnte man ableiten, dass nach justinianischem Verständnis C. 4,23,4 in der Tat nicht die compensatio betrifft, sondern nur ein Zurückbehaltungsrecht. Das würde auch heißen, dass Justinian die Aufrechnung beim commodatum zuließ, während hier die These vertreten wird, dass im Formularprozess der Entleiher nicht die geliehene Sache durch Aufrechnung mit einer Gegenforderung behalten konnte849. Ob Justinian beim commodatum die compensatio zuließ, hängt mit der Frage zusammen, ob es im justinianischen Recht das Erfordernis der Gleichartigkeit der Gegenforderungen gab850. Zusammengefasst stand dem Entleiher gegenüber dem Verleiher also ein Zurückbehaltungsrecht zu und lässt sich der Stelle C. 4,23,4 kein Ausschluss eines Zurückbehaltungsrechtes oder der Aufrechnung beim commodatum entnehmen, sondern nur die Forderung, dass der Gegenanspruch des Entleihers liquide sein muss, damit die Rückgabe bzw. das die Rückgabe erzwingende Urteil nicht verzögert wird851.
bb) Dass das Retentionsinteresse des Entleihers die Aktivlegitimation des Entleihers für die actio furti begründen kann, ergibt sich aus Paulus 5 Sab D. 47,2,15,2852 846 Scheltema B II 625, 17 (bei Heimbach zweimal Hb II 24): qeodw/rou: To\ kommoda/ ton ou) de/xetai kompesati/wna h/)toi a) nte/llogon. O(moi/wj e)pi\ depo/siti, w/(j fhsin h( ia’. diat. tou= paro/ntoj bib. Übersetzung: Theodorus: Das commodatum kennt keine compensatio oder Gegenrechnung. Genauso ist das auch bei der actio depositi, wie es sagt die constitutio 11 desselben (vierten) Buches (des Codex). 847 Theodorus Hermopolita war Rechtslehrer in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts (vgl. Schminck, Dictionary of Byzantium III 2046 f., s.n. Theodore Scholastikos) und ist nicht zu verwechseln mit dem Antecessor Theodorus, vgl. Scheltema, L’enseignement 4 Fn. 9. 848 Zum Werk vgl. Pieler, Rechtsliteratur 436 m.Fn. 66 ff. 849 Wie gesagt, mit dem Grundsatz der condemnatio pecuniaria hat das nichts zu tun. Es würde nicht der bona fides entsprechen, wollte der Entleiher die Sache unter Berufung auf eine Gegenforderung behalten. Der Judex würde, wie das Gaius in G. 4,63 ausdrücklich sagt, die compensatio in diesem Fall mit der bona fides für unvereinbar halten und den Entleiher auf den vollen, gegebenenfalls überhöht geschätzten Sachwert verurteilen, ohne dessen Gegenforderung abzuziehen (ausführlich § 18 II). 850 Dazu sogleich im Text bei § 18 V. 851 Ob die Gegenforderung des Entleihers liquide ist, muss der Richter entscheiden und hängt nicht einfach davon ab, ob der Verleiher die Gegenforderung bestreitet. 852 Paulus 5 Sab D. 47,2,15,2: Sed eum qui tibi commodaverit, si eam rem subripiat, non teneri furti placuisse Pomponius scripsit, quoniam nihil tua interesset, utpote cum nec commodati tenearis. ergo si ob aliquas impensas, quas in rem commodatam fecisti, retentionem eius
370
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
und aus Jul. 3 Min D. 47,2,60853. Wenn der Eigentümer und Verleiher die Sache dem Entleiher wegnimmt, hat der Entleiher nur dann die actio furti gegen den Eigentümer, wenn er wegen Aufwendungen ein Retentionsinteresse hatte. Dass das Retentionsinteresse des Entleihers beim Diebstahl durch einen Dritten nicht als Argument für die Aktivlegitimation des Entleihers für die actio furti thematisiert wird, liegt zum einen daran, dass beim Entleiher schon das Haftungsinteresse, also das Interesse, nicht dem Verleiher aus der actio commodati wegen der custodia-Haftung bei einem Diebstahl haften zu müssen, genügt. Zugleich hilft uns aber auch folgende Überlegung zu verstehen, warum das Retentionsinteresse die Aktivlegitimation beim Diebstahl durch einen Dritten nicht begründen kann, sondern nur beim Diebstahl durch den Eigentümer854: Bei einem Diebstahl durch einen Dritten ist klar, dass die actio furti gegeben ist; die Frage ist nur, wem sie zusteht; genauer, ob die actio furti dem Eigentümer zusteht oder einem anderen855. Die Frage der Aktivlegitimation ist also beim Diebstahl durch einen Dritten ein Konkurrenzproblem. Dem Eigentümer wird die actio furti nur genommen, wenn ihm ein anderer wegen des Diebstahls auf den Sachwert haftet856. Hingegen ist in den Fällen von D. 47,2,15,2 und D. 47,2,60 klar, wem die actio furti zustände, wenn sie statthaft wäre. Das Interessekriterium dient in diesen Fällen damit zur Begründung der Klage überhaupt, nicht zur Lösung eines Konkurrenzproblems. c) Daher ist es passend, dass das etwaige Retentionsinteresse des Verwahrers in Coll. 10,2,6 nicht zur Aktivlegitimation des Verwahrers führt, denn es geht um den Diebstahl durch einen Dritten und damit um das Konkurrenzproblem. Es wäre nicht
habueris, etiam cum ipso domino, si eam subripiat, habebis furti actionem, quia eo casu quasi pignoris loco ea res fuit. Die Stelle stammt aus der Erörterung des Kaufes, die Paulus von der Behandlung der custodia-Haftung des Verkäufers allgemein zu Ausführungen zur Aktivlegitimation bei der actio furti führt, vgl. Lenel, P I, Paulus 1722 ff., Sp. 1267. 853 Jul. 3 Min D. 47,2,60: Si is, qui rem commodasset, eam rem clam abstulisset, furti cum eo agi non potest, quia suum recepisset et ille commodati liberatus esset. hoc tamen ita accipiendum est, si nullas retinendi causas is cui commodata res erat habuit: nam si impensas necessarias in rem commodatam fecerat, interfuit eius potius per retentionem eas servare quam ultro commodati agere, ideoque furti actionem habebit. Nach Lenel (P I, Julian 860, Sp. 486) stammt die Stelle aus der Behandlung des furtum. 854 So bereits Schulz, Aktivlegitimation 27. Auch im Fall des wegen Aufwendungen retentionsberechtigten Besitzers ist nur eine actio furti des Besitzers beim Diebstahl durch den Eigentümer bezeugt, nämlich in Paulus 39 ed D. 47,2,54,4; vgl. dazu Kaser, Actio furti des Verkäufers 104 m.Fn. 58, der aber zu Unrecht einen Gegensatz sieht zu Coll. 10,2,6, während es in der letzten Stelle gar nicht um einen Diebstahl durch den Eigentümer geht. 855 Das ist die Frage, die Gaius in den G. 3,203 ff. stellt: Steht die actio furti dem Eigentümer zu oder einem anderen? Vgl. G. 3,203: … licet dominus non sit … . 856 Zur Frage der Aktivlegitimation für die actio furti als Konkurrenzproblem siehe schon oben § 15 III 1.
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
371
angemessen, dem Hinterleger die actio furti mit der Chance, das duplum zu erlangen, zu nehmen, weil ihm der Verwahrer nicht auf den Sachwert haftet. Denkbar wäre in Coll. 10,2,6 höchstens eine Teilung der actio furti der Art, dass dem Verwahrer eine actio furti auf das Doppelte seiner Aufwendungen und dem Hinterleger eine actio furti auf das Doppelte der Differenz zwischen Sachwert und Aufwendungsbetrag zustände. Für eine solche Aufteilung der actio furti gibt es Quellenbelege857 beim Pfandgläubiger858, beim bonae fidei possessor859, beim Nießbraucher860 und beim Pächter hinsichtlich der Früchte861. Was von diesen Belegen zu halten ist, ob es eine solche Teilung der actio furti in diesen Fällen wirklich gab, soll hier dahinstehen862.
Nicht sagen können wird man jedenfalls, dass eine Aufteilung der actio furti eine Feinheit gewesen wäre, auf die es Modestin in einer Elementarschrift nicht ankam. Denn dann hätte Modestin die Frage nach dem Retentionsinteresse des Verwahrers gar nicht erst aufwerfen müssen, sondern sich wie Gaius in G. 3,207 einfach mit der Feststellung, der Verwahrer hafte nur für dolus, zufrieden geben können. Es bleibt die Möglichkeit, dass andere Juristen als Modestin eine solche Aufteilung vertreten hätten863. Sucht man nach Gründen, warum beim depositum (und beim commodatum) die römischen Juristen auf eine Aufteilung der actio furti verzichtet haben könnten, dann ist nach Unterschieden zum pignus (bzw. zur fiducia), zum Nießbraucher usw. zu fragen. Nach Kaser864 kamen drei Gründe für eine Aktivlegitimation in Betracht, nämlich die Eigentümerstellung, zweitens die custodia-Pflichtigen, weil sie dem Eigentümer verschuldensunabhängig auch bei Diebstahl auf Herausgabe haften, und drittens eine Gruppe von Aktivlegitimierten, die ein Eigeninteresse an der gestohlenen Sache haben865. Die Angehörigen die-
Vgl. Kaser, Actio furti 102 ff.; Liebs, Klagenkonkurrenz 131 Fn. 259. Siehe Ulp. 29 Sab D. 47,2,12,2 und ebendort lex 14,5 – 7. 859 Siehe etwa Jav. 4 ep D. 47,2,75. 860 Siehe Ulp. 42 Sab D. 47,2,46,1 – 6. 861 Siehe Paulus D. 47,2,26,1. 862 Besonders umstritten ist etwa die Klagenaufteilung beim Pfandgläubiger. Schulz hatte D. 47,2,12,2 (Aktivlegitimation 45 f.) und D. 47,2,14,5 – 7 (Aktivlegitimation 54 ff.) noch für interpoliert gehalten, Kaser später die Echtheit verteidigt (Actio furti des Verkäufers 102). Die erste Stelle D. 47,2,12,2 könnte den Sonderfall betreffen, dass der Verpfänder zuerst dem Pfandgläubiger die Sache stiehlt und sonach selbst durch einen Dritten bestohlen wird (vgl. Kaser, ‚Furtum pignoris‘ 262 f.). Die zweite Stelle D. 47,2,14,5 – 7 bezieht man heute im Anschluss an Ankum auf die fiducia (vgl. nur zuletzt Noordraven, Fiduzia 211 ff.). Immerhin ist diese Stelle dann ein Beleg für die Aufteilung der actio furti bei der fiducia. 863 So kann die Frage etwa auch beim Pfandgläubiger umstritten gewesen sein. Wenn Paulus in Paulus 5 Sab D. 47,2,15pr. und in 1 decr D. 47,2,88 eine Aufteilung ablehnt, dann mögen sie andere Juristen dennoch zugelassen haben. Dies vermutet Kaser etwa für Gaius (‚Furtum pignoris‘ 257). Die Stelle D. 47,2,14,5 – 7 lässt sich nicht als Beleg für eine Aufteilung beim pignus verwerten, weil sie von der fiducia handelt, siehe vorherige Fn. 864 Kaser, ‚Furtum pignoris‘ 251 f. 865 Dass es die dritte Gruppe gegeben habe, hat Schulz bestritten (vgl. Aktivlegitimation 23 ff.). 857 858
372
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
ser letzten Gruppe zeichnen sich dadurch aus, dass sie ein eigenes, vom Eigentümer unabhängiges Interesse an der Sache haben; sie sind funktional gewissermaßen Eigentümer und haben in der Regel Besitz866. Die Eigeninteressierten haben die actio furti also gewissermaßen als Eigentümer867. Die Retentionsberechtigten haben aber bei genauerer Betrachtung kein eigenes Recht an der Sache, ihr Retentionsrecht bezieht sich auf den Herausgabeanspruch des Eigentümers und ist somit nur Reflex ihrer Herausgabehaftung. Im Rahmen der Herausgabehaftung begründet aber nur die custodia-Haftung die actio furti, nicht ein Eigeninteresse. Es ist somit kein Zufall, dass es keine Quellenbelege für die Aktivlegitimation der Retentionsberechtigten beim Diebstahl durch einen Dritten gibt868. Bemerkenswert ist damit auch, wie weit der Vergleich des retentionsberechtigten Entleihers mit dem Pfandgläubiger in D. 47,2,15,2 nicht reicht. Der retentionsberechtigte Entleiher hat zwar wie der Pfandgläubiger die actio furti gegenüber dem Eigentümer, aber anders als der Pfandgläubiger nicht gegen einen Dritten869. d) Exkurs: Man kann schließlich noch fragen, ob der Verwahrer die actio furti gegen den Hinterleger hätte, wenn der Hinterleger dem Verwahrer die Sache wegnimmt und der Verwahrer ein Zurückbehaltungsrecht hat, weil er Aufwendungen getätigt hat. Spontan kommt einem in den Sinn, dass der Hinterleger jederzeit die Sache zurückfordern kann, während der Verleiher an die einmal vereinbarte Leistungszeit gebunden ist870, so dass eben auch nur die Wegnahme durch den Eigentümer beim commodatum eine actio furti begründen könne. Eine solche Unterscheidung zwischen depositum und commodatum wäre aber nur überzeugend, wenn in D. 47,2,15,2 und D. 47,2,60 jeweils vorausgesetzt ist, dass die Leihzeit noch nicht abgelaufen war871. Die Fragestellung erübrigt sich aber dadurch, dass in 866 Kaser (Actio furti des Verkäufers 98, 102) spricht im Anschluss an Seckel von dinglichen oder „quasidinglichen“ Berechtigten. Der Pfandgläubiger hat Interdiktenbesitz und einen funktionell abgespalteten Aspekt des Vollrechts Eigentum; der Fiduziar ist sogar formell Eigentümer. Der Nießbraucher ist Inhaber eines beschränkten dinglichen Rechts; der Pächter hat ein Anwartschaftsrecht auf den Erwerb des Eigentums an den Früchten (vgl. Kaser, RP I, § 102 II, S. 427). 867 So hat nach Kaser (Actio furti des Verkäufers 118 ff.) der Verkäufer die actio furti nicht, weil er dem Käufer für custodia hafte, sondern als Eigentümer. 868 Die Fälle, in denen der Retentionsberechtigte die actio furti hat, betreffen alle Fälle des Diebstahls durch den Eigentümer (zum commodatum D. 47,2,15,2 und D. 47,2,60; zum Besitzer Paulus 39 ed D. 47,2,54,4). Soweit der bonae fidei possessor aktivlegitimiert ist beim Diebstahl durch einen Dritten, wird dies ebensowenig wie beim Entleiher mit einem Retentionsinteresse begründet, vgl. Jav. 4 epist D. 47,2,75; Ulp. 37 ed D. 47,2,52,10; I. 4,1,16. Unsere Stelle Coll. 10,2,6 betrifft nur den Fall des Diebstahls durch einen Dritten. Zwar wäre es denkbar, die Formulierung auch so zu verstehen, dass auch der Fall des Diebstahls durch den Eigentümer mitgemeint wäre. Die Wendung dominus dumtaxat habet furti actionem hieße dann, dass nur der Eigentümer die Klage hätte oder keiner. Doch wäre dies sehr gekünstelt. Auch im zweiten Satz deutet nichts darauf hin, dass nicht nur an einen Diebstahl durch einen Dritten gedacht ist. Fraglich ist es daher, dass Kaser zu der Gruppe der Eigeninteressenten auch die Retentionsberechtigten zählt (Actio furti des Verkäufers 104 Fn. 58; ‚Furtum pignoris‘ 252 Fn. 19). 869 Zur begrenzten Reichweite des Vergleichs und zum quasi siehe nur Bürge, Retentio 178 m.Fn. 67 und 68. 870 Zur Leihe siehe Paulus 28 ed D. 13,6,17,3; zum depositum siehe oben § 1 III 3, § 12 IV.
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
373
beiden Stellen die actio furti jedenfalls nicht mit der Verletzung des Gebrauchsinteresses des Entleihers, sondern mit der Verletzung des Retentionsinteresses begründet wird. Der Verwahrer mag nun aber wie der Entleiher ein Retentionsinteresse haben. Lässt sich die Lösung vom commodatum auf das depositum übertragen? Dagegen könnte sprechen PS. 2872,31,21: Si rem, quam tibi commendavi873, postea subripui, furti actio competere tibi non poterit: rei enim nostrae furtum facere non possumus. Schulz874 hält die Begründung für falsch; die Stelle stamme kaum von Paulus. Es geben keine Zweifel, dass dem Verwahrer eine actio furti gegen den Hinterleger zugestanden habe, wenn er wegen Aufwendungen ein Zurückbehaltungsrecht gehabt habe. Dass Stellen fehlten, sei Zufall875. Um die Meinung Schulz’ zu teilen, muss man nicht einmal die Stelle für unecht halten. Schließlich findet sich die Aussage der Sentenzen auch am Anfang der Stellen D. 47,2,15,2 und D. 47,2,60, nur dass dort der Gedanken noch weiter geführt wird876. Auch die Begründung rei nostrae furtum facere non possumus ist doch nicht weit entfernt von quia suum recepisset aus D. 47,2,60. Denkbar wäre also immerhin ein (gestrichener?) Fortgang der Sentenzenstelle, der das Problem der Verletzung eines Retentionsinteresses erörterte. Doch ist das Spekulation. Hätte der Verwahrer eine actio furti, so hieße das, dass derjenige, der bei Nichtrückgabe infam wird, selbst den Hinterleger infam machen kann, wenn dieser die Sache sich selbst zu-
871 In D. 47,2,60 könnte dafür das clam sprechen. Dass aber in beiden Stellen gesagt wird, dass der Entleiher wegen der Wegnahme nicht mehr aus der actio commodati hafte und diese Klage erst nach Ablauf der Leihzeit zusteht, könnte man als Indiz werten, dass die Leihzeit schon vor der Wegnahme abgelaufen war (so auch Rosenthal, Custodia 252). 872 Die Stelle ist uns durch die lex Romana Visigothorum überliefert, vgl. Hänel, Lex Romana Visigothorum 376. 873 Zu überlegen wäre, ob die Stelle überhaupt vom depositum handelt. Zwar ist commendare der vulgare Ausdruck für deponere, vgl. Ulp. 30 ed D. 50,16,186; Pap. 9 quaest D. 16,3,24, siehe auch Levy, Obligationenrecht 166 ff. Doch ist die Fragestellung bezogen auf das depositum merkwürdig. Denn wieso sollte der Verwahrer überhaupt die actio furti haben, da er doch gar nicht in irgendeinem Interesse betroffen ist? Ein mögliches Retentionsinteresse scheidet aus, da Aufwendungen des Verwahrers nicht erwähnt werden. Zu erwägen wäre daher, ob hier ein Schreibfehler von commendare für commodare vorliegt, denn bezogen auf den Entleiher, der ein Gebrauchsinteresse hat, wäre die Frage eher sinnvoll. Ein solcher Schreibfehler wird z. B. vermutet in der Titelrubrik von Coll. 10,2, wo es eher commodato statt wie in den meisten Handschriften commendato heißen sollte, siehe dazu oben § 13 I 2. Zu unserer Stelle hat etwa die Epitome Codicis Guelpherbytani commodare statt commendare (vgl. Hänel, LRV 377). 874 Schulz, Aktivlegitimation 94. 875 Schulz dürfte sich vor allem auf einen Vergleich mit den Stellen zum commodatum stützen. Vorsichtig zustimmend Nardi, Ritenzione 423 Fn. 1; vorsichtig zustimmend ebenfalls Bürge, Retentio 181, der darauf hinweist, dass Justinian Hinweise auf das Retentionsrecht gestrichen haben könnte. 876 Schulz (Aktivlegitimation 93 f.) schlägt sogar vor, der in D. 47,2,60 die Aktivlegitimation verneinende Anfang stamme von Minicius, während sich die Gewährung der actio furti wegen des Retentionsinteresses erst in der Note Julians finde. Minicius sagte also nach Schulz nichts anderes als der Sentenzenverfasser.
374
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
rückgenommen hat. Da furtum den Vorsatz voraussetzt, hätte der Verwahrer freilich die actio furti wohl nur, wenn der Hinterleger gewusst hätte, dass der Verwahrer ersatzfähige Aufwendungen getätigt hätte. Es erscheint eher unwahrscheinlich, dass der Verwahrer den Hinterleger einer infamierenden Klage habe aussetzen können.
Fassen wir zusammen: Die Stelle Coll. 10,2,6 enthält einen Beleg für das Retentionsrecht des Verwahrers. Beim Diebstahl durch einen Dritten kann dieses Retentionsrecht aber nicht die Aktivlegitimation zur actio furti begründen. Dass im Falle einer Verletzung des Retentionsrechts durch den Hinterleger selbst der Verwahrer gegen den Hinterleger die actio furti habe, lässt sich anhand der Quellen nicht ausschließen, erscheint aber unwahrscheinlich.
V. Iust. C. 4,34,11pr.-3 Wir kommen zur Konstitution C. 4,34,11pr.-3, in der Justinian sich zu Gegenrechten des Verwahrers äußert. Zu fragen ist nach dem Inhalt der Regelung und danach, inwieweit durch die Konstitution eine Rechtsänderung erfolgte. Iust. C. 4,34,11877pr: Si quis vel pecunias vel res quasdam per depositionis accepit titulum, eas volenti ei qui deposuerit reddere ilico modis omnibus compellatur nullamque compensationem vel deductionem vel doli exceptionem opponat, quasi et ipse quasdam contra eum qui deposuit actiones personales vel in rem vel hypothecarias praetendens, cum non sub hoc modo depositum accepit, ut non concessa ei retentio generetur, et contractus qui ex bona fide oritur ad perfidiam retrahatur. § 1: Sed et si ex utraque parte aliquid fuerit depositum, nec in hoc casu compensationis praepeditio oriatur, sed depositae quidem res vel pecuniae ab utraque parte quam celer877 Pichonnaz, L’interdiction 406 ff.; Ders., La compensation 265 ff.; Bürge, Retentio 180 f., 165 f.; Nardi, Ritenzione I 424 ff. Sehr kritisch gegenüber der Gesetzgebung Justinians ist Archi, Giustiniano legislatore 218. Der Vorwurf, Justinian habe isoliert nur Regelungen über ein Institut getroffen, ist aber zu hart. Kein anderes Institut ist so auf die Rückgabe gestellt, wie das depositum. Dass Justinian nur beim depositum die Gegenrechte beschränkt, hält sich im Rahmen einer willkürfreien Gesetzgebung. Pichonnaz (L’interdiction 409 ff.) bezieht die Stelle sowohl auf das normale depositum als auf das depositum irregulare. Damit sei der Grund für den Aufrechnungsausschluss auch nicht in der fehlenden Gleichartigkeit der Ansprüche zu suchen. Der Aufrechnungsausschluss beruhe auf der besonderen Beziehung zwischen Hinterleger und Verwahrer. Der Verwahrer erweise einem Freund einen Dienst; er erhalte die Sache nur zu diesem Zwecke, nicht um die Möglichkeit einer Zurückbehaltung zu haben. Berufe sich der Verwahrer auf ein Zurückbehaltungsrecht oder die Aufrechnung, begehe er einen Treubruch. Der Aufrechnungsausschluss beruhe also auf ethischen Gründen. Nach Pichonnaz (411) gelte das Aufrechnungsverbot auch für den Fall, dass der Hinterleger nicht die Sache selbst, sondern Schadensersatz verlange. Nach Pichonnaz (La compensation 268) habe die Konstitution auch ein Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen; Ziel sei die schnellstmögliche Rückgabe der hinterlegten Sache gewesen. Nach Nardi, Ritenzione I 424 ff., wende sich die Konstitution vor allem gegen die compensatio, doch gebe es keine Zweifel, dass Justinian auch die retentio ausschließen wolle. Dies zeige auch die erwähnte exceptio doli, die sich auf das Zurückbehaltungsrecht beziehe.
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
375
rime sine aliquo obstaculo restituantur, ei videlicet primum, qui primus hoc voluerit, et postea legitimae actiones integrae ei reserventur. § 2: Quod obtinere sicut iam dictum est oportet et si ex una parte depositio celebrata est, ex altera autem compensatio fuerit opposita, ut integra omni legitima ratione servata depositae res vel pecuniae prima fronte restituantur. § 3: Quod si in scriptis attestatio non per dolum vel fraudem fuerit ei qui depositum suscepit ab alio transmissa, ut minime depositum restituat, hocque per iusiurandum adfirmaverit, liceat ei qui deposuit sub defensionis cautela idonea praestita res depositas quantocius recuperare.
1. Inhalt der Konstitution Es handelt sich um eine Konstitution Justinians vom 30.10.529; der Codex war in Kraft, die Quinquaginta decisiones und die Verkündung des Digestenplanes standen noch aus. Adressat ist der praefectus praetorio Demosthenes; darauf wird zurückzukommen sein. Im Prinzipium erklärt Justinian, dass derjenige, der Geld oder andere Sachen unter dem Titel depositum empfangen hat, gezwungen werden solle, diese dem Hinterleger, sobald dieser will, sofort unter allen Umständen zurückzugeben. Der Verwahrer werde keine Aufrechnung, keinen Abzug und keine exceptio doli entgegensetzen unter dem Vorwand, er habe selbst gegen den Hinterleger persönliche, dingliche oder Pfandklagen, weil er nicht zu dem Zweck das depositum empfangen habe, damit er ein nicht gestattetes Zurückbehaltungsrecht erhalte und der Vertrag, der aus Treu und Glauben entspringe, zur Untreue herabgewürdigt werde. Die Wendung pecunias vel res quasdam wirft die Frage auf, ob Justinian das Aufrechnungsverbot nicht nur auf das normale depositum, sondern auch auf das depositum irregulare erstrecken will878. Bei einem depositum irregulare würde jedenfalls die Aufrechnung nicht an der fehlenden Gleichartigkeit der Ansprüche scheitern879. Fraglich wäre dann aber die Berechtigung eines Aufrechnungsverbotes880.
878 Nach Pichonnaz, L’interdiction 409, bedeute die Wendung pecunias vel res quasdam, dass Justinian sowohl den Fall des normalen depositum als auch den des depositum irregulare regle. Anders Solazzi, Compensazione 182 Fn. 20, der sich darauf beruft, dass in C. 4,34,11 die hinterlegten Sachen als noch existent und damit unterscheidbar gedacht sind, und auch auf I. 4,6,30 verweist, wo nur von res depositae gesprochen wird. 879 Vgl. Pichonnaz, L’interdiction 409. 880 Im gemeinen und im Pandektenrecht war die Frage, ob sich das Aufrechnungsverbot auch auf das depositum irregulare erstrecke, umstritten, vgl. Dernburg, Geschichte2 514 f. Das Reichsgericht hat sich 1884 in RGZ 12, 89 für die Erstreckung des Aufrechnungsverbots auf das depositum irregulare ausgesprochen und dabei auf Seite 90 die Geltung von C. 4,34,11 auch für das depositum irregulare vor allem mit dem Argument begründet, bei einem Girokonto gehe der Wille der Vertragschließenden dahin, dem Hinterleger die jederzeitige Rückforderbarkeit zu ermöglichen. Dieses Argument mit einem vertraglich vereinbarten Aufrechnungsverbot hält auch noch heute (vgl. zum vertraglichen Aufrechnungsausschluss Schlüter / Müko5, § 387 Rn. 58 ff.).
376
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
Dass der Verwahrer dem Hinterleger die hinterlegten Sachen sofort zurückgeben muss, wenn dieser es verlangt, ist klassisches Recht881. Justinian zählt dann drei Gegenrechte des Verwahrers auf, die dieser nicht entgegensetzen dürfe: compensatio, deductio und exceptio doli. Schon hier fällt auf, dass die retentio erst später erwähnt wird und den drei Begriffen nicht gleichgeordnet ist. Man wird in diesen drei Begriffen nicht technische Begriffe sehen dürfen882, sondern eine Aufzählung, aus der sich ergeben soll, dass der Verwahrer überhaupt kein Gegenrecht geltend machen könne. Dabei geht es Justinian aber immer nur um Gegenrechte, die dazu führen, dass der Verwahrer nicht die hinterlegte Sache zurückgibt. Für den Fall, dass dem Verwahrer die Rückgabe nicht möglich ist, vielleicht weil die Sache untergegangen ist, lässt sich der Konstitution kein Ausschluss der Gegenrechte entnehmen883. Dies ergibt sich daraus, dass gleich zu Beginn als Klageziel des Hinterlegers die Rückgabe der hinterlegten Sache genannt wird. Es ergibt sich aber auch daraus, dass als Grund für den Ausschluss der Gegenrechte genannt wird, dem Verwahrer solle keine (wohl untechnisch) retentio, keine Zurückbehaltung, keine Möglichkeit der Zurückbehaltung, eröffnet werden. Anderer Ansicht ist Pichonnaz884, nach dem das Aufrechnungsverbot auch die Fälle erfassen soll, in denen der Hinterleger nur noch Schadensersatz verlangt. Sonst könne nämlich der Verwahrer das Aufrechnungsverbot leicht aushebeln, indem er die hinterlegte Sache zerstöre. Ein solcher Fall dürfte aber kaum praktisch sein, weil der Verwahrer davon nichts hätte. Er würde die hinterlegte Sache verlieren und seinen Anspruch gegen den Hinterleger885. Ließe Das BGB kennt das Aufrechnungsverbot nicht mehr (vgl. Windscheid / Kipp, Pandekten II9, S. 494). Die Aufrechnung wird aber am Erfordernis der Gleichartigkeit der Ansprüche gem. § 387 scheitern, wenn sich der Anspruch des Hinterlegers auf die Rückgabe der sich beim Verwahrer befindlichen Speziessache richtet. Unter den Voraussetzungen des § 273 hat der Verwahrer aber ein Zurückbehaltungsrecht. Die grundsätzliche Zulässigkeit der Aufrechnung und des Zurückbehaltungsrechts nach dem BGB hat ihren Grund in dem anderen Charakter des Verwahrungsvertrages des BGB. Der Verwahrungsvertrag ist nicht mehr besonders auf die Treue des Verwahrers gestellt, sondern grundsätzlich als ein entgeltlicher (§ 689), gegenseitiger Vertrag konzipiert, bei dem der Verwahrer für jede Fahrlässigkeit einzustehen hat (§§ 276 I 1, 690). Daneben stellt sich die Frage eines Aufrechnungsverbotes nach § 393, wenn der Verwahrer zugleich mit der Vertragsverletzung eine unerlaubte Handlung begeht, vgl. dazu Schlüter / Müko, § 393 Rn. 2. 881 Vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,22 sowie §§ 45 – 46. 882 Als technische Begriffe ließen sich die Begriffe nicht verstehen. Die exceptio doli steht mit der compensatio und deductio nicht auf einer Ebene, sondern ist ein prozessuales Mittel, um eine compensatio zu ermöglichen (siehe das Reskript Mark Aurels nach I. 4,6,30). Auch eine Unterscheidung von compensatio und deductio, wie sie Gaius in G. 4,64 ff. vorführt, ist in der Stelle ersichtlich nicht gemeint. Nach Levy, Oströmisches Vulgarrecht 13, SZ 77, stamme der Verfasser des Textes aus der Schule; die exceptio doli sei nicht mehr in Gebrauch gewesen. In Konstitutionen wie unserer zeige sich schon vor dem Digestenplan die klassizistische Tendenz Justinians. 883 So auch Solazzi, Compensazione 182 Fn. 20. 884 Vgl. Pichonnaz, L’interdiction 411. 885 Nimmt man einen Fall, in dem der Hinterleger eine Sache im Wert von 1000 hinterlegt hat und dem Verwahrer gegen den Hinterleger eine Darlehensforderung in Höhe von 1000
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
377
man also die Aufrechnung gegen eine Schadensersatzforderung des Hinterlegers zu, würde es dabei bleiben, dass der Verwahrer die hinterlegte Sache nicht durch Aufgabe einer Gegenforderung behalten darf. Zudem muss wiederholt werden, dass der Wortlaut der Konstitution nur den Rückgabeanspruch des Hinterlegers im Auge hat: der Hinterleger verlangt die Rückgabe, der Verwahrer soll auf jede Weise zur Rückgabe gezwungen werden, ihm soll nicht die Möglichkeit der Zurückbehaltung geschaffen werden. All dies trifft auf den Fall eines Schadensersatzanspruchs nicht zu886.
Exkurs: Zum Erfordernis der Gleichartigkeit der Ansprüche als Voraussetzung der Aufrechnung im justinianischen Recht Bei einer solchen Deutung stellt sich aber die Frage, wie sich die Konstitution zum Erfordernis der Gleichartigkeit der Ansprüche verhält. Denn wenn die compensatio schon an der Gleichartigkeit gescheitert wäre, wenn dem Verwahrer die Rückgabe noch möglich ist und der Hinterleger diese verlangt, dann wäre die hier vorgeschlagene Interpretation weniger überzeugend. Auch im justinianischen Recht findet sich keine Aussage zum Erfordernis der Gleichartigkeit als Voraussetzung der Aufrechnung887. Das mag dadurch veranlasst sein, dass Justinian keine Texte vorfand, die das Problem behandelten, überrascht aber doch. Denn in C. 4,31,14 führt Justinian die compensatio so umfassend vor, dass eine entsprechende Einschränkung erwartbar gewesen wäre. Insbesondere weil Justinian die compensatio auch bei den actiones in rem regelt, bei denen eine Gleichartigkeit zwischen Herausgabe- und Gegenanspruch von vornherein unwahrscheinlich ist, fällt das Fehlen einer Betonung der notwendigen Gleichartigkeit auf. Dass Justinian die Enteignung des Klägers zulässt, wenn der Beklagte eine Gegenforderung aufgibt, erscheint auch wegen der Einschränkung in C. 4,31,14,2888 möglich: Danach dürfe der bösgläubige Besitzer nicht aufrechnen889. Dies könnte heißen, dass der gutgläubige Besitzer dies darf.
zusteht, dann verhindert ein Aufrechnungsverbot, dass der Verwahrer die hinterlegte Sache unter Preisgabe seiner Forderung behalten kann, ohne dass er verurteilt würde. Wenn nun der Verwahrer die hinterlegte Sache vorsätzlich zerstört, hat er gar nichts mehr, weder die hinterlegte Sache noch die 1000, während der Hinterleger immerhin die 1000 behalten kann. Der Fall, den Pichonnaz bildet, der Verwahrer würde die Sache vorsätzlich zerstören, um das Aufrechnungsverbot zu umgehen, hat also praktisch keine Bedeutung. 886 Im gleichen Sinne Solazzi, Compensazione 182 Fn. 20. Der Wortlaut deute darauf hin, dass die hinterlegte Sache noch existiere. Solazzi verweist zudem zutreffend auf I. 4,6,30, wo das Aufrechnungsverbot zusammengefasst wird: Es geht auch da nur um den Rückgabeanspruch: … ne sub praetextu compensationis depositarum rerum quis exactione defraudetur. 887 Siehe Windscheid, Pandekten II7, § 350 S. 299 m.Fn. 8; Ausführlich Dernburg, Geschichte2 483 ff. und Solazzi, Compensazione 181 ff. (Indirekte) Nachweise für das Erfordernis der Gleichartigkeit findet aber Pielemeier, Aufrechnungsverbot 22 ff. 888 Iust. C. 4,31,14,2 (531): Possessionem autem alienam perperam occupantibus compensatio non datur. 889 Zur Stelle vgl. Dernburg, Geschichte2 511 ff.
378
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
Andererseits wird die Verordnung Justinians in C. 4,31,14 eigentlich nur gemeint haben, die Unterschiede im Verfahren zwischen bonae fidei iudicia und Klagen strengen Rechts und etwa zwischen der Verrechnung bei argentarius und bonorum emptor aufzuheben, denn diese Unterschiede werden den Juristen Justinians im Jahr 531 bei der Durchsicht der klassischen Juristen im Rahmen der Arbeiten an den Digesten wieder voll ins Bewusstsein gedrungen sein. Geht man davon aus, dass für Justinian das Erfordernis der Gleichartigkeit selbstverständlich war, dann konnte auch der gutgläubiger Besitzer gegenüber dem Herausgabeanspruch mit Geldansprüchen nicht aufrechnen. Die Einschränkung in C. 4,31,14,2 würde sich dann nur auf die Verrechnung von gleichartigen, also vor allem von Geldansprüchen beziehen. Das wäre auch eine Neuerung gegenüber dem klassischen Recht, denn dort konnte der bösgläubige Besitzer Geldansprüche gegeneinander aufrechen890. Die Haltung Justinians zum Erfordernis der Gleichartigkeit ist für uns nicht eindeutig erkennbar. Es wird hier die Ansicht zugrundegelegt, dass die justinianischen Quellen die Aufrechnung auch bei ungleichartigen Forderungen zulassen und nach den Quellen damit grundsätzlich die Enteignung des Eigentümers und Verleihers möglich war, wenn der Beklagte auf eine Gegenforderung verzichtete891. Dafür spricht, dass Justinian das Aufrechnungsverbot in C. 4,34,11pr. gerade in dem Fall ausspricht, dass der Hinterleger die Rückgabe der Sache in Natur verlangt, wo also eine Aufrechnung eigentlich schon an der fehlenden Gleichartigkeit der Ansprüche scheitern müsste. Ähnlich ist die Argumentation Solazzis892: Justinian habe kein allgemeines Prinzip gekannt, dass die Ansprüche gleichartig sein müssen. Es habe nur Einzelentscheidungen gegeben, in denen die Aufrechnung aus keinem anderen Grunde als der fehlenden Gleichartigkeit ausgeschlossen gewesen sei. Eine dieser Entscheidungen sei eben unsere Stelle C. 4,34,11893. Auch zum Beispiel bei den dinglichen Klagen sei die compensatio nur eingeschränkt möglich, wenn es nicht um die Herausgabe der Speziessache gehe894. An Solazzis Argumentation hat umfas-
890 Vgl. Ulp. 63 ed D. 16,2,10,2: Quotiens ex maleficio oritur actio, ut puta ex causa furtiva ceterorumque maleficiorum, si de ea pecuniarie agitur, compensatio locum habet: idem est et si condicatur ex causa furtiva. sed et qui noxali iudicio convenitur, compensationem opponere potest. Die Stelle betrifft die deductio bei der Klage des bonorum emptor (vgl. Lenel, P II Ulpian 1426, Sp. 792 m.Fn. 4); Gleichartigkeit war also nicht Voraussetzung für eine Verrechnung, vgl. G. 4,66. Eine Verrechnung findet beim bösgläubigen Besitzer aber nur dann statt, wenn wegen Geldes, also nicht, wenn wegen Herausgabe geklagt wird. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass, obwohl Gleichartigkeit keine Voraussetzung der Verrechnung war, eine Verrechnung bei Deliktsklagen nicht stattfand, wenn es um Herausgabe ging. 891 Damit ist gemeint, dass die justinianischen Quellen die Aufrechnung bei ungleichartigen Forderungen zulassen; ob Justinian selbst bzw. seine Juristen im konkreten Fall anders entschieden hätten, ist zwar anzunehmen, aber den Quellen nicht entnehmbar. 892 Solazzi, Compensazione 181 ff., 184. 893 Solazzi (a. a. O.) nennt daneben etwa noch Paulus 7 Sab D. 24,3,15,1, wo es eine compensatio gebe mit der Einschränkung quae ad pecuniariam causam respiciunt. Vor allem stützt sich Solazzi auf einen Vergleich von C. 4,31,14,2 mit Ulp. 63 ed D. 16,2,10,2 (zur letzten Stelle siehe gerade eben in den Fußnoten). Beide Fälle beträfen die Klage gegen einen bösgläubigen Besitzer. Die Kompilatoren geben in der letzten Stelle dem Besitzer die Aufrechnungsbefugnis, weil dieser nur noch Ersatz in Geld schulde (si de ea pecuniarie agitur). Das zeige, dass das Aufrechnungsverbot in C. 4,31,14,2 auch nur aus der fehlenden Gleichartigkeit stamme.
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
379
send Kritik geübt Pielemeier895. Nach ihm sei das Erfordernis der Gleichartigkeit für Justinian selbstverständlich gewesen, die einzelnen Aufrechnungsverbote beruhten auf anderen Gründen, beim depositum gehe es vor allem um den Ausschluss des Zurückbehaltungsrechtes, und für dieses gelte das Erfordernis der Gleichartigkeit gar nicht. Gegen Pielemeier soll hier zum einen eingewandt werden, dass Justinian aber in C. 4,34,11 nur Fälle schildert, in denen eine Aufrechnung schon an der fehlenden Gleichartigkeit scheitern müsste, wenn diese denn Voraussetzung einer Aufrechnung wäre. Zum anderen schließt Justinian das Zurückbehaltungsrecht nicht aus. Die retentio ist der compensatio nicht gleichgeordnet; zum anderen hat der Verwahrer ein Zurückbehaltungsrecht, wenn dieses berechtigt ist896. Dass nun Justinian bei der Aufzählung von Ausnahmen vom Erfordernis der Gleichartigkeit in C. 4,31,14,1 und in I. 4,6,30 ausgerechnet nur das depositum erwähnt, könnte man damit erklären, dass das depositum das einzige Verhältnis ist, das so ausschließlich auf die Rückgabe der Speziessache angelegt ist, so dass bei diesem Institut den justinianischen Juristen das Erfordernis, die Aufrechnung auszuschließen, eigens in den Sinn kam. Sinn des commodatum ist ja nicht, dass der Entleiher die Sache zurückgibt, sondern dass er sie gebraucht. Die Frage ist letztlich eine Frage danach, ob man Justinian eher zutraut, die Konstitution C. 4,34,11pr. sei so zu nehmen, wie sie lautet: Dann kann Justinian das Erfordernis der Gleichartigkeit nicht gekannt haben, sondern dann hat er es nur intuitiv gefühlt und das Bedürfnis verspürt, es beim depositum auszusprechen. Oder man meint, C. 4,34,11pr. sei eine falsch formulierte Vorschrift, Justinian habe das Erfordernis der Gleichartigkeit zwar dogmatisch in aller Klarheit erkannt, es aber nirgends ausgesprochen, weil es ihm selbstverständlich war897. Wir neigen zur ersten Ansicht.
Als Grundlage möglicher Gegenrechte des Verwahrers werden Klagen genannt, und zwar persönliche, dingliche und Pfandklagen898. Die Aufzählung soll nur besagen, dass es um beliebige Klagen bzw. um beliebige Ansprüche gehe899. Damit ist Solazzi, Compensazione 184 f. Pielemeier, Aufrechnungsverbot 17 ff., zu C. 4,34,11 auf Seiten 30 ff. 896 Siehe dazu sogleich im Text. 897 So Pielemeier, Aufrechnungsverbot 17 ff. Die Ansicht Pielemeiers ist nicht überzeugend, weil sie zu hohe Ansprüche an die dogmatische Durchdringung des Aufrechnungsrechts stellt, die Justinian geleistet haben solle. Dass zum Beispiel die ipso-iure-Wirkung und die Rückwirkung der compensatio nur zu einer Auffassung der compensatio passen, die die Gleichartigkeit der Ansprüche voraussetzt, wie Pielemeier meint, mag richtig sein. Aber Justinian war kein Pandektist. 898 Eine actio hypothecaria meint eigentlich die Klage des Pfandgläubigers auf Herausgabe gegen den Besitzer, vgl. Heumann / Seckel, s.v. hypotheca S. 242; zum Begriff siehe auch Kaser, RP I § 110 I, S. 473 und § 111 IV 3, S. 473 bei Fn. 46. 899 Justinian verwendet diese dreiteilige Aufzählung noch an anderen Stellen, vorwiegend im Zusammenhang mit den Klagen, die der Vermächtnisnehmer gegen den Belasteten hat, nämlich nach Abschaffung der Unterschiede zwischen den Legaten sowohl eine persönliche Klage (wie aus einem Damnationslegat) als auch eine dingliche Klage (wie aus einem Vindikationslegat). Dazu hat der Bedachte noch eine actio hypothecaria, weil er zur Sicherung seiner Ansprüche eine Generalhypothek an dem aus der Zuwendung von Todes wegen stammenden Vermögen des Beschwerten hat (vgl. Kaser, RP II, § 298 IV 2, S. 560 m.Fn. 64). Vgl. etwa I. 2,20,2 und Iust. C. 6,43,1,1. Dass hier nicht ersichtlich ist, wie der Verwahrer eine Pfandklage gegen den Hinterleger haben soll, deutlicher: wieso der Hinterleger im Besitz einer 894 895
380
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
deutlich, dass sich die Regelung Justinians jedenfalls nicht auf Gegenansprüche des Verwahrers ex eadem causa, also etwa wegen Aufwendungen auf die hinterlegte Sache, beschränkt, diese vielleicht sogar gar nicht erfassen will. Besonders klärungsbedürftig ist die Phrase ut non concessa ei retentio generetur. Das kann heißen, der Verwahrer solle kein Zurückbehaltungsrecht erhalten, das als solches unstatthaft wäre, oder, der Verwahrer solle durch das Vorbringen von eigenen Ansprüchen kein Zurückbehaltungsrecht erlangen, das ihm nicht schon vorher zugestanden hatte. Jedenfalls heißt es nicht cum non sub hoc modo depositum accepit, ut ei retentio generetur. Als zweiter Grund für den Ausschluss der Gegenrechte wird genannt, dass ein Vertrag, der aus Treu und Glauben entspringt, nicht zur Treulosigkeit herabgezogen werden soll. Offen ist dabei, ob diese Begründung auch den Fall erfasst, dass der Verwahrer die Sache zurückbehält, bis ihm Aufwendungen, die er auf die Sache gemacht hat, ersetzt wurden900. Jedenfalls handelt ein solcher Verwahrer weniger treulos, als derjenige, dem ein Anspruch gegen den Hinterleger zusteht, und, um diesen einfacher durchzusetzen, eine Sache des Hinterlegers in Verwahrung nimmt, um über die Zurückbehaltung die Erfüllung des Anspruches durchzusetzen. Justinian gibt also zwei gleichgeordnete Gründe für den Ausschluss, die beide von ut abhängen: ut non concessa ei retentio generetur et contractus … ad perfidiam retrahatur. Dass der Verwahrer keine non concessa retentio haben solle, ist also nicht Ziel der Regelung Justinians, sondern deren Grund. Es wird hier daher vorgeschlagen, dass Justinian für den Fall, dass der Verwahrer Aufwendungen auf die hinterlegte Sache gemacht hat, das Zurückbehaltungsrecht nicht ausschließen will; jedenfalls ist davon in der Konstitution keine Rede. Die nachfolgenden Bestimmungen sind von geringerer Bedeutung und erläutern nur das Prinzipium. Im § 1 erläutert Justinian den Fall, dass beide Parteien beim jeweils anderen eine Sache hinterlegt haben. Auch hier finde keine Aufrechnung statt, sondern die Parteien müssten die hinterlegten Sachen so schnell wie möglich zurückgeben, demjenigen zuerst, der zuerst die Rückforderung erhoben hat, und nachher sollen ihm die gesetzlichen Klagen erhalten bleiben. Der § 2 fasst noch einmal die Aussagen zusammen: Der Verwahrer habe keine Gegenrechte gegen die Klage, sondern müsse die hinterlegten Sachen sofort zurückgeben; seine eigenen Klagen blieben ihm aber erhalten.
Sache sein soll, an der dem Verwahrer ein Pfandrecht zusteht, macht besonders deutlich, dass es Justinian nicht um die Nennung möglicher Ansprüche des Verwahrers geht, sondern um die Aussage, der Verwahrer dürfe überhaupt keine Ansprüche, welche auch immer, entgegensetzen. Dass die compensatio grundsätzlich sowohl bei actiones personales als auch bei actiones in rem möglich ist, verordnet Justinian in C. 4,31,14pr. Diese Konstitution ist allerdings von 531 und damit später als C. 4,34,11. 900 Dies wurde teilweise im gemeinen und im Pandektenrecht verneint, vgl. Dernburg, Geschichte2 514 m.Fn. 3.
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
381
§ 3 betrifft dann einen Sonderfall, in dem ein Dritter dem Verwahrer die Rückgabe an den Hinterleger untersagt; der Dritte mag etwa sich für den Eigentümer halten. Der Hinterleger könne die sofortige Rückgabe an sich erzwingen, indem er dem Verwahrer Sicherheit leistet. Das Aufrechnungsverbot erwähnt Justinian901 in seiner Konstitution C. 4,31,14 von 531, die die compensatio umfassend regeln soll, und in I. 4,6,30 bei der Darlegung der Lehre von der compensatio902.
2. Anlass der Regelung; C. 7,45,14 Es stellt sich die Frage, ob die Konstitution das Zeugnis einer Rechtsänderung durch Justinian ist, ob sich also aus der Stelle entnehmen lässt, die Konstitution habe die Gegenrechte des Verwahrers beschränkt. Die Antwort dieser Arbeit ist eine verneinende. Es fällt auf, dass sich weder ein Wort wie sancimus findet noch Justinian alte Rechtszustände schildert903. Wir haben gesehen, dass der Verwahrer die Rückgabe der hinterlegten Sache nie durch eine Aufrechnung verhindern konnte. Man könnte daran denken, dass Justinian nur bestehendes Recht einschärfen wollte. Viel eher aber dürfte die Konstitution der Behebung eines Problems gegolten haben, dass Justinian selbst geschaffen hatte. Die Konstitution ist damit kein Argument dafür, der Verwahrer, dem die Rückgabe der hinterlegten Sache möglich war, habe vor Justinian die Rückgabe durch eine Art der Aufrechnung verweigern können. Vom selben Tag an denselben Adressaten gerichtet904 ist nämlich die Konstitution C. 7,45,14905: Cum Papinianus summi ingenii vir in quaestionibus suis rite disposuit non solum iudicem de absolutione rei iudicare, sed ipsum actorem, si e contrario obnoxius fuerit inventus, condemnare, huiusmodi sententiam non solum roborandam, sed etiam augendam esse sancimus, ut liceat iudici vel contra actorem ferre sententiam et aliquid eum daturum vel facturum pronuntiare, nulla ei opponenda exceptione, quod non competens iudex
Vgl. Pichonnaz, L’interdiction 406 f. Die Novelle 88,1 von 539 betrifft nur die Problematik von C. 4,34,11,3, also den Fall, dass ein Dritter dem Verwahrer die Rückgabe untersagt, und hat also wie C. 4,34,11,3 nichts mit Gegenrechten des Verwahrers zu tun. 903 Vgl. Brassloff, Zur Geschichte 381, SZ 29. Beides findet man etwa in der folgenden Konstitution C. 4,34,12. 904 Das ist wegen der Inskription nicht zweifelsfrei, vgl. aber Krüger, Editio maior, S. 684 Fn. 2 und im textkritischen Apparat zu Zeile 18 (Editio minor13, S. 316 Fn. 2 und 3), ferner Ders. Zeitfolge 183 m.Fn. 31, ZRG 11. Nach Falchi, Relazione 85, SDHI 59 (1993), seien die Konstitutionen jedenfalls unmittelbar aufeinander gefolgt. 905 Simon, Zivilprozess 132; Zilletti, Processo civile 183 ff.; Savigny, System VI, § 290, S. 338 ff. Ernst, Einrede 62 ff.; Pichonnaz, La compensation 243 f. Partsch, Dogma des Synallagma, Schriften 29 ff.; Solazzi, Compensazione 144 m.Fn. 99. 901 902
382
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
agentis esse cognoscitur. cuius enim in agendo observavit arbitrium, eum habere et contra se iudicem in eodem negotio non dedignetur.906
Justinian erklärt, dass Papinian in seinen Quaestionen907 zu Recht gesagt habe, der Richter könne nicht nur den Beklagten freisprechen, sondern sogar den Kläger verurteilen. Diese Ansicht bestärkt Justinian nicht nur, sondern er ordnet auch ihre Ausdehnung an, dass es dem Judex freistehe, auch gegen den Kläger zu entscheiden und ihn zur Leistung zu verurteilen908. Der Kläger dürfe sich dagegen nicht auf die
906 Übersetzung: Weil Papinian, ein Mann von höchster Geisteskraft, in seinen Quästionen zu Recht dargelegt hat, dass der Richter nicht nur über den Freispruch des Beklagten urteile, sondern den Kläger selbst, wenn sich herausgestellt hat, dass der Kläger selbst verpflichtet ist, verurteile, verordnen wir, dass diese Ansicht nicht nur zu bestärken, sondern auszudehnen sei, so dass der Richter die Kompetenz hat, sogar gegen den Kläger zu urteilen und ihn zu einem Geben oder Tun zu verurteilen, wobei der Kläger sich nicht darauf beruhen darf, dass der Richter des Klägers nicht zuständig sei. Denn wessen Entscheidung der Kläger beim Klagen befolgt, den kann er nicht in derselben Sache zu haben und Richter gegen sich zu sein verschmähen. 907 Der nähere Ort ist uns nicht bekannt, vgl. Lenel, P I, Papinian 110, Sp. 820. Bemerkenswert ist, dass die Lektüre der Quästionen Papinians Anlass zur Gesetzgebung war; auch die Konstitution C. 6,30,19 vom selben Tage an denselben Adressaten hat ihren Anlass in der Lektüre der Werke eines klassischen Juristen, nämlich der Quästionen des Paulus. Bemerkenswert ist dies deshalb, weil der Digestenplan erst ein Jahr später verkündet und damit die systematische Durchsicht der Juristenschriften auch erst ein Jahr später begonnen hat. Nach Pescani, Piano del Digesto 224, habe Tribonian vor Mitte 530 nur die fünf Juristen des Zitiergesetzes zitiert. Die Lektüre der Zitierjuristen mag aber für Tribonian den Anstoß gegeben haben, mit der Sammlung des Juristenrechts zu beginnen, vgl. Pescani a. a. O. 224 f. Pugsley, Justinian’s Digest 47 m.Fn. 35, will der Stelle entnehmen, dass man die Quästionen Papinians erst im Oktober 529 gefunden habe; das dürfte zuweit gehen, vgl. Wallinga, Rez. Pugsley 138, TR 65. 908 Justinian ordnet die Ausweitung einer Entscheidung Papinians an. Dieser wird also von einem konkreten Fall gehandelt haben. Kaser (Zur integrum restitutio 165, SZ 94) denkt möglicherweise an einen Fall wie den von Jul. 45 dig D. 4,4,41, den Papinian erörtert haben könnte: Ein benachteiligter minor hat ein Grundstück verkauft und erhebt eine restitutorische actio in personam (Kaser a. a. O. 164). Der Judex befiehlt dem Käufer die Rückgabe des Grundstücks, dem minor die Rückzahlung des Kaufpreises (vgl. D. 4,4,41). Der Käufer restituiert das Grundstück, der minor aber nicht den Kaufpreis. Papinian mag eine Verurteilung des minor zugelassen haben. Nach Arangio-Ruiz, Compravendita II 219, habe Papinian einen Fall behandelt, in dem der Beklagte tatsächlich eine Widerklage erhoben hatte; Justinian habe Papinian falsch verstanden. Biondi, Compensazione 118, erwägt, Papinian habe von Fällen gehandelt, in denen der Beklagte eine Widerklage erhoben habe oder in der die Formel der Klage des Klägers von vornherein auch die Verurteilung des Klägers zuließ. Hätte Papinian einen Fall der Widerklage vor Augen gehabt, wäre seine Aussage trivial gewesen und Justinian hätte ihn wohl nicht mißverstanden. Eher möglich scheint der Vorschlag Biondis, Papinian habe von einer Klage gehandelt, bei der nach der Formel auch der Kläger verurteilt werden konnte, etwa von der actio communi dividundo (vgl. Lenel, EP3 211.). Hier mag Justinian in Außerachtlassung der Besonderheiten dieser Klage in der Tat Papinian mißverstanden haben können. Einige (z. B. Krüger, Summatim cognoscere 44 Fn. 4) erwägen, Papinian habe das contrarium iudicium calumniae causa (vgl. G. 4,177) behandelt.
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
383
Unzuständigkeit des Judex berufen, denn wessen Urteil er bei der Klage beachtet, den dürfe er auch nicht bei einer Verurteilung verschmähen. Da eine Verurteilung des Klägers möglich ist, muss hier von Ansprüchen des Beklagten, nicht nur von Zurückbehaltungsrechten die Rede sein. Nimmt man im Schlusssatz das in eodem negotio ernst, dann gilt die Entscheidung nicht für beliebige Gegenansprüche, sondern nur für Ansprüche des Beklagten ex eadem causa909. Nicht betreffen dürfte die Konstitution den Fall einer Widerklage, so dass sich ihre Aussage im Wesentlichen darauf beschränken würde, dass der Judex der Haupt- auch für die Widerklage zuständig ist. Gehen wir von dem hier behaupteten Zusammenhang mit C. 4,34,11pr. aus, so geht es nicht um eine Widerklage910, denn auch in dieser Stelle wird keine Gegenklage erhoben. Der Verwahrer trägt nur vor, ihm stünden Klagen, vielleicht materiellrechtlich gedeutet: Ansprüche, zu, und leitet daraus eine Verrechnung ab. Dass für die Widerklage derselbe Richter zuständig war wie für die Hauptklage, war zudem anerkannt911 und bedurfte nicht einer justinianischen Neuerung. Ginge es um eine Widerklage, wäre es doch banal, dass der Judex den Kläger auch verurteilen könnte912. Nur wenn es nicht um eine Widerklage geht, der Beklagte aber zur Aufrechnung eine Gegenforderung entgegensetzt, deren Betrag den Betrag der Hauptforderung übersteigt, ist die Pointe der Konstitution verständlich913. Bei einer Widerklage wäre auch das contra actorem ferre sententiam verfehlt; denn verurteilt würde der Kläger doch in seiner Eigenschaft als Beklagter der Widerklage.
Für den Hinterleger hätte die umfassende Regelung in C. 7,45,14 die Gefahr bedeutet, dass er bei Erhebung der actio depositi verurteilt wird, wenn der Verwahrer nur Gegenansprüche in entsprechender Höhe hat, und somit die Rückgabe der Sache nicht erzwingen kann.
909 So etwa auch Savigny, System VI 339 f. m.Fn. a. Anders etwa Arangio-Ruiz (Compravendita 219 ff.) und Biondi (Compensazione 115); in eodem negotio meine nur „im selben Prozess“. 910 Gegen Widerklage auch Simon, Zivilprozess 132 m.Fn. 254; Ernst, Einrede 62, Pichonnaz, La compensation 243; Biondi, Compensazione 144 m.Fn. 99. Für eine Widerklage etwa Appleton, La Compensation 225, 236: Die Konstitution schaffe ein forum reconventionis, der Judex der Hauptklage sei auch zuständig für die Widerklage. 911 Vgl. Kaser / Hackl, § 50 I, S. 344 m.Fn. 3. 912 So auch Solazzi, Compensazione 144 Fn. 99. 913 Vgl. Savigny, System VI 340. Nach Savigny sei es Papinian um Fälle gegangen, in denen der Beklagte eine Gegenforderung entgegenhält, aber davon ausging, die Gegenforderung übersteige nicht die Hauptforderung und deshalb von der Erhebung einer Widerklage absah. Im Prozess habe sich dann aber die Übersteigung herausgestellt, und Papinian habe eine stillschweigende Widerklage angenommen und so eine Verurteilung ermöglicht. Nach Zilletti, Processo civile 185 f., sei es auf einen Willen des Beklagten gar nicht angekommen, sondern der Judex habe von Amts wegen ermittelt und im Falle der Ermittlung einer überschießenden Gegenforderung einfach den Kläger verurteilt.
384
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
Nach Partsch914 könnte die Entscheidung Justinians mit dessen Lehre von dem bonae fidei iudicium als ultro citroque obligatio zusammenhängen. Weil der Gläubiger immer auch Schuldner sei, könne er auch immer verurteilt werden. Da das depositum für Justinian nach I. 4,6,28 ein bonae fidei iudicium ist, könnte insofern besonders die Gefahr bestanden haben, der klagende Hinterleger werde verurteilt915.
Hier wird deshalb vorgeschlagen, dass die Konstitutionen C. 7,45,14 und C. 4,34,11 ursprünglich eine einheitliche Konstitution bildeten916 und diese nur verhindern sollte, dass jene auch auf das depositum erstreckt wurde. Eine Rechtsänderung, die Einführung eines Aufrechnungsverbotes, liegt darin nicht. Dass uns überlieferte Konstitutionen, die vom selben Tage stammen und an denselben Adressaten gerichtet waren, inhaltlich zusammengehören und sogar ursprünglich eine einzige Konstitution gebildet haben können, liegt auf der Hand. So wird etwa oft angenommen, auch die Konstitutionen C. 7,45,13 und C. 1,14,12pr. gehörten zusammen917; jene würde bestimmen, dass der Judex nicht an Präzedenzentscheidungen gebunden sei, die er für falsch halte, während diese davon die Ausnahme machen würde, dass der Judex natürlich an Präzedenzentscheidungen gebunden sei, die der Kaiser getroffen hätte. Allerdings dürften kaum alle an Demosthenes am 30.10.529 gerichteten Konstitutionen zusammengehören. Dass aber der Kanzlei, die C. 4,34,11 verfasste, der Inhalt von C. 7,45,14 vor Augen gestanden haben musste, dürfte kaum von der Hand zu weisen sein.
Fassen wir die Ergebnisse zusammen, so handelt es sich in C. 4,34,11pr. um eine Bekräftigung des Aufrechnungsverbotes beim depositum für den Fall, dass der Verwahrer die Sache hat und zurückgeben kann. Die Aufrechnung war in diesem Fall auch früher nicht möglich gewesen, doch sah sich Justinian wegen seiner Bestimmung in C. 7,45,14 gezwungen, das Aufrechnungsverbot klar auszusprechen. Dass Justinian auch ein Zurückbehaltungsrecht wegen Aufwendungen des Hinterlegers auf die hinterlegte Sache ausschließen wollte, lässt sich der Stelle hingegen nicht entnehmen.
VI. Labeo 2 pith D. 16,3,34 Es soll noch ein Blick geworfen werden auf Lab. 2 pith918 D. 16,3,34919: Potes agere depositi cum eo, qui tibi non aliter quam nummis a te acceptis depositum reddere voluerit, quamvis sine mora et incorruptum reddiderit.920 Partsch, Dogma des Synallagma 29 ff. Allerdings ist die Frage, ob Justinian alle bonae fidei iudicia zu den ultro citroque obligationes rechnet und nicht nur die Konsensualverträge, vgl. etwa I. 3,22,3 (entspricht G. 3,137=D. 44,7,2,3); Ulp. 11 ed D. 50,16,19. Das depositum gehört für Justinian zu den Realverträgen, vgl. I. 3,14,3 (entspricht Gaius 2 aur. D. 44,7,1,5). 916 Dass C. 4,34,11 und C. 7,45,14 in einer Beziehung zueinander stehen, sprechen die beiden Bestimmungen nicht aus. Hingegen wird in der Konstitution zur Regelung der compensatio C. 4,31,14 von 531 ausdrücklich auf C. 4,34,11 Bezug genommen. 917 Vgl. Kaser, RP II, § 196 III 2c, S. 56 m.Fn. 34. 914 915
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
385
1. Überblick Die Stelle wird selten unter dem Blickpunkt eines Zurückbehaltungsrechtes des Verwahrers diskutiert, könnte aber mit ihm in Zusammenhang stehen921. Der Hinterleger Tu hat eine Sache beim Verwahrer hinterlegt. Der Verwahrer hat sich dann geweigert, die Sache dem Hinterleger zurückzugeben, bevor nicht der Hinterleger Geld an den Verwahrer gezahlt hat. Dies hat der Hinterleger schließlich getan, der Verwahrer hat die verwahrte Sache zurückgeben922. Labeo sagt, der Hin-
918 Zu überlegen ist, ob die Stelle von Labeo stammt oder von Paulus, denn den Kompilatoren lag das Werk Labeos trotz der zum Teil anderslautenden Inskriptionen und trotz der einen anderen Eindruck erweckenden Liste des Codex Florentinus, der die exzerpierten Werke aufzählt, nicht in der Originalfassung vor, sondern nur in der Ausgabe des Paulus mit dessen Anmerkungen als Epitome des Paulus (Schulz, Röm. Rechtswissenschaft 256; zum Kommentar des Paulus siehe Liebs, HLL IV 153 f.). Die Normalstruktur dieses Werkes ist erkennbar etwa an D. 8,5,21: Nach einem Labeozitat wird mit „Paulus“ der Kommentar des Paulus eingeleitet. Insofern diese Normalstruktur in der erörterten Stelle D. 16,3,34 nicht erhalten ist, könnte ein Zweifel entstehen, ob hier Labeo oder Paulus spricht. In anderen Stellen hat aber der Bearbeiter der Epitome oder der Kompilator nie die Signatur des Paulus gestrichen, nur die des Labeos, selbst wenn nur die Paulusnote in die Digesten aufgenommen wurde, vgl. D. 33,4,13, D. 41,1,65,3 und D. 44,1,23. Es wäre also unwahrscheinlich, dass es sich bei D. 16,3,34 um eine Aussage des Paulus handelt. Denn so wie uns die Stelle mit ihrer Inskription in den Digesten überliefert ist, wäre den Kompilatoren oder früheren Bearbeitern ein Fehler unterlaufen, wenn die Aussage von Paulus wäre. Dass die Aussage also von Paulus sei, könnte man nur behaupten, wenn man an anderer Stelle einen solchen Fehler nachwiese oder wenn es zwingende inhaltliche oder stilistische Gründe für eine Zuschreibung an Paulus gäbe. Rotondi, der die actio depositi als die actio in ius concepta deutet, bestreitet, dass die Aussage von Labeo stamme, weil Labeo die actio in ius concepta noch nicht gekannt habe (Teoria Romana 83 Fn. 2 a. E.). Für Zuordnung an Labeo aber wohl auch, obgleich zweifelnd, Bretone, Ricerche Labeoniane 192 f., und Talamanca, I ‚Pithana‘ 16 Fn. 52, der auch die Satzstruktur analysiert. Zweifelnd an der Urheberschaft Labeos jetzt aber Talamanca, Diatribe 663 Fn. 58, ohne nähere Begründung. Talamanca geht einerseits davon aus, Labeo habe die actio in ius concepta bereits gekannt, bezieht aber andererseits die Stelle auch auf die actio in factum concepta. 919 Die Stelle wird in der Literatur vor allem bei der Frage behandelt, ob es beim commodatum ein bonae fidei iudicium gab (zu diesem Komplex siehe nur Levy, Konkurrenz II 1 55 ff., der allerdings dort auf unsere Stelle nicht eingeht; Pastori, Il commodato 99 f., (1954. Neuauflage Il commodato in diritto romano 1995, S. 147 f.); ferner Litewski, Vorhandensein 309 ff., RIDA 45 (1998)). Hinsichtlich des depositum wird diskutiert, welche Formel die von Labeo besprochene actio depositi hatte. Gandolfi, Il deposito 88 f.; Kaser, Quanti ea res est 72; Rotondi, Teoria romana 83; Litewski, Vorhandensein 313; Burillo, Las formulas 280 f.; Evans-Jones, Measure of Damages 278 ff.; Talamanca, Diatribe 663 Fn. 58. 920 Übersetzung: Du kannst mit der actio depositi gegen denjenigen klagen, der Dir nicht anders als nach Empfang von Geld die hinterlegte Sache zurückgeben wollte, obwohl er die Sache ohne Verzug und unbeschädigt zurückgegeben hat. 921 Unter diesem Gesichtspunkt erörtert die Problematik wohl nur Evans-Jones, Measure of Damgages 280 Fn. 80, der aber die Stelle so versteht, dass der Verwahrer die hinterlegte Sache noch nicht zurückgegeben habe, dazu im Text.
386
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
terleger könne mit der actio depositi gegen den Verwahrer klagen. Das Klageziel wird nicht genannt, kann aber nur in der Rückzahlung des Geldes liegen923. Eine Begründung gibt Labeo nicht, er sagt nur, was gegen die Statthaftigkeit der Verwahrungsklage spreche. Der Verwahrer habe nämlich weder die Sache verschlechtert zurückgegeben noch sei er im Verzug gewesen. Damit zählt Labeo die drei möglichen Pflichtverletzungen des Verwahrers auf, die die Verwahrungsklage hauptsächlich erfassen soll: Nichtrückgabe (nicht direkt angesprochen), Rückgabe der verschlechterten Sache, verspätete Rückgabe. Dass man mit der actio in ius concepta sowohl den Fall der verspäteten Rückgabe als auch den Fall der Beschädigung der hinterlegten Sache erfassen konnte, dürfte anzunehmen sein. Die actio depositi in factum concepta konnte mittels der Fiktion res deterior reddita non est reddita auch den Fall der Rückgabe der Sache in beschädigtem Zustand erfassen, wie uns Ulp. 30 ed D. 16,3,1,16 zeigt. Damit ist freilich noch nicht gesagt, dass auch schon Labeo diesen Anwendungsfall kannte924. Geht man davon aus, dass man im Falle der Beschädigung der hinterlegten Sache auch mit der actio depositi in ius concepta klagen konnte und dass die actio in ius concepta jünger als die actio in factum concepta ist, dann kann man vermuten, dass die Fiktion in einer Zeit entstand, als die actio in ius concepta noch nicht zur Verfügung stand, dass sie also auch älter als Ulpian ist925. Fraglich ist, ob man mit der actio in factum concepta den Fall der verspäteten Rückgabe erfassen konnte. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Labeo nicht einfach von einer verspäteten Rückgabe spricht, also von einer Rückgabe nach Fälligkeit, sondern von einem Fall, in dem der Verwahrer sich in Verzug befand. Schuldnerverzug setzt aber beim depositum Vorsatz voraus926.
922 Dies wird in der Sachverhaltsschilderung selbst nicht gesagt, ergibt sich aber aus dem quamvis-Schlusssatz, siehe auch die folgende Fußnote. 923 Evans-Jones, Measure of damages 279 f. m.Fn. 80, meint, es gehe um die Rückforderung der hinterlegten Sache. Der Verwahrer habe die Sache noch nicht zurückgegeben, aber auch noch nicht die Geldzahlung erhalten. Er mache vielleicht ein Zurückbehaltungsrecht wegen Aufwendungen geltend, fraglich könne daher der dolus des Verwahrers sein. Gegen ein solches Modell steht zum einen der Einwand, dass die Antwort Labeos, der Hinterleger könne auf Rückgabe klagen, eine Trivialität wäre, die nicht zu der auf eine Pointe angelegte Stilisierung Labeos passen würde. Zum anderen lässt sich eine solches Modell auch nicht mit dem Text vereinbaren. Das reddiderit ist ein von quamvis abhängiger Perfekt Konjunktiv. Die Rückgabe ist also eine in der Vergangenheit liegende Tatsache. Auch das voluerit ist gefärbter Konjunktiv im Relativsatz und liegt ebenfalls in der Vergangenheit. Der Verwahrer wollte nicht anders als nur nach Empfang von Geld zurückgeben; dieses Wollen ist Vergangenheit, weil der Verwahrer mittlerweile das Geld empfangen und die Sache zurückgegeben hat (ebenso Talamanca, Rez. zu TR 55 (1987), S. 911, BIDR 91). 924 Gelegentlich wird gesagt, die Fiktion in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,16 gebe es seit der Zeit Labeos (Klingenberg, Rez. Bürge 431, SZ 118 (2001)) oder Labeo sei sogar der Schöpfer dieser Fiktion (Burillo, Las formulas 280). Eine klare Begründung gibt es für diese Ansichten nicht. Man könnte höchstens aus einer Gesamtschau von Stellen entnehmen wollen, Labeo habe das Regime der actio in factum concepta flexibilisiert (so wohl Burillo a. a. O. 279 ff. zu D. 16,3,1,41; D. 16,3,1,38 u. a.). Jedenfalls dürfte die von Ulpian vorgeführte Fiktion älter als Ulpian sein. 925 So etwa Kaser, Quanti 70.
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
387
Wir stehen hier vor dem Problem, dass die Fiktion res deterior reddita non est reddita uns so gewaltsam anmutet, dass wir die Grenzen einer solchen Fiktion kaum abschätzen können. Wieso kann es nicht eine Fiktion gegeben haben, nach der die verspätete Rückgabe als Nichtrückgabe gelten müsse? Der Einwand, mit der starren condemnatio quanti ea res erit habe das Interesse an der rechtzeitigen Rückgabe nicht berücksichtigt werden können, wäre nur mit der Annahme stichhaltig, res habe sich auf die hinterlegte Sache beziehen müssen927. Zudem scheitert auch dieser Einwand an der Fiktion res deterior reddita non est reddita. Denn wenn damit nicht nur die Fälle der totalen Zerstörung erfasst werden sollten, dann wurde der Verwahrer bei einer Beschädigung also entweder in den vollen Sachwert verurteilt928 oder das quanti ea res erit konnte auch das Interesse meinen, also den Sachminderwert. Dass Labeo also die von ihm angeführten Sachverhalte auch mit der actio depositi in factum concepta hätte bewältigen können, lässt sich damit nicht ausschließen. Unklar ist für uns auch, worin Labeo genau die Pointe seiner sicherlich als pointiert gemeinten Äußerung sah. Die Aussage, mit der actio depositi in factum concepta könne der Hinterleger nicht klagen, wohl aber mit der actio in ius concepta, ist in der uns überlieferten Textgestalt nicht erkennbar. Die Pointe wäre jedenfalls größer, wenn sich die Aussage quamvis sine mora et incorruptum reddiderit auf genau die Klage bezöge, die Labeo dann auch gewährte.
2. Fallkonstellationen Labeo sagt uns nichts über die Motive des Verwahrers, das Geld zu verlangen. a) Es könnte sich um eine simple Erpressung handeln, und so wird die Stelle zumeist verstanden. Als mögliche Klage gegen den Verwahrer käme dann auch noch eine condictio ob turpem causam in Betracht. Der mit der Geldzahlung bezweckte Erfolg, nämlich die Rückgabe der hinterlegten Sache wäre eingetreten, doch ist dieser vereinbarte Zweck sittenwidrig, wobei den Gebenden der Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht trifft929. Eine solche condictio findet sich etwa in Ulp. 26 ed D. 12,5,2,1930. Siehe dazu sogleich im Text. Immerhin lautet die condemnatio der Formel, die Gaius in G. 4,47 überliefert, nicht auf quanti ea mensa erit, sondern auf quanti ea res erit. Selbst wenn man also ursprünglich die Verurteilungssumme nur nach dem Sachwert bemaß, ließ doch der Formelwortlaut eine Flexibilisierung in späterer Zeit zu. 928 Damit könnte dann die actio depositi in factum concepta ein pönales Element gehabt haben, weil der Hinterleger die zwar beschädigte, aber nicht völlig wertlose Sache hat und daneben noch den vollen Sachwert in Geld. Oder aber der Hinterleger musste die beschädigte Sache an den Verwahrer zurückgeben. Letztere Lösung hätte immerhin eine Parallele in der Abtretung der Klagen an den Beklagten, wenn der Beklagte auf den Sachwert verurteilt wurde (vgl. Marc. 4 dig D. 42,1,12). Denkbar wäre drittens auch, dass der Verwahrer nur verurteilt wird, dann aber auf den vollen Sachwert, wenn er nicht die Wertdifferenz an den Hinterleger zahlt, vgl. Ulp. 29 ed D. 13,6,3,1 (nisi quid interest praestetur). 929 Zur condictio ob turpem causam siehe nur Kaser, RP I § 139 III 4, S. 597 f. 930 Ulp. 26 ed D. 12,5,2,1: Item si tibi dedero, ut rem mihi reddas depositam apud te vel ut instrumentum mihi redderes. 926 927
388
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
b) Hier soll der Frage nachgegangen werden, ob der Verwahrer nur ein Zurückbehaltungsrecht wahrgenommen hat. Wenn der Verwahrer wegen ihm angeblich zustehender Ansprüche, etwa auf Aufwendungsersatz, ein Zurückbehaltungsrecht behauptet, der Hinterleger dieses aber bestreitet und, um die Sache so schnell wie möglich zurückzubekommen, dennoch zunächst das Geld an den Verwahrer zahlt, dann stellt sich die Frage, wie nach der Geldzahlung und der Sachrückgabe die Berechtigung der Forderung des Verwahrers auf Aufwendungsersatz geprüft werden kann. Eine condictio ob turpem causam konnte hier dann problematisch sein, weil es schwierig gewesen sein könnte, dem Verwahrer, der sich vielleicht gutgläubig auf ein Zurückbehaltungsrecht berief, eine turpis causa vorzuwerfen. c) Handelt nun aber Labeo von einem Erpressungs- oder von einem Zurückbehaltungsfall? In Ulp. 26 ed D. 12,5,2,1 ist aus dem Zusammenhang offensichtlich, dass an einen Erpressungsfall gedacht ist, denn es geht gerade um die condictio ob turpem causam. In Paulus 5 Plaut D. 12,5,9931 behandelt Paulus zwar eigentlich das depositum932, doch ergibt sich die Zugehörigkeit des Falles zur Erpressungsproblematik daraus, dass die gezahlte Geldsumme als pretium bezeichnet wird, also als Geldwert gerade der Sache oder sogar als Kaufpreis933, und dass im Prinzipium auch wieder eine condictio ob turpem causam erörtert wird. In Ulp. 43 Sab D. 27,3,5934 folgt die Beziehung auf einen Erpressungsfall aus der Erörterung der condictio ob turpem causam. Während also dem Hinterleger im Falle einer solchen Erpressung zwei Klagen zustehen, die actio depositi und die condictio, wird für den Verleiher diskutiert, ob dieser stets auf die condictio verwiesen ist (vgl. Paulus 5 Plautium D. 12,5,9, wo im Prinzipium und im § 1 ein Gegensatz zwischen Klagen des strengen Rechts und den bonae fidei iudicia aufgebaut wird. Bei Ulp. 43 Sab D. 27,3,5 wird zwar für das commodatum eine actio commodati gegeben, doch soll die Stelle von der fiducia gehandelt haben, vgl. Noordraven, Fiduzia 61). Die Frage gehört zum Problemkreis nach der Existenz eines bonae fidei iudicium zur Leihe, siehe dazu nur Litewski, Vorhandensein 309 ff., RIDA 45 (1998). 931 Paulus 5 Plaut D. 12,5,9: Si vestimenta utenda tibi commodavero, deinde pretium, ut reciperem, dedissem, condictione me recte acturum responsum est: quamvis enim propter rem datum sit et causa secuta sit, tamen turpiter datum est. § 1: Si rem locatam tibi vel venditam a te vel mandatam ut redderes, pecuniam acceperis, habebo tecum ex locato vel vendito vel mandati actionem: quod si, ut id, quod ex testamento vel ex stipulatu debebas redderes mihi, pecuniam tibi dederim, condictio dumtaxat pecuniae datae eo nomine erit. idque et Pomponius scribit. 932 Vgl. Lenel, P I, Paulus 1106 ff., Sp. 1153. 933 Vgl. Heumann / Seckel, s.v. pretium, S. 457. 934 Ulp. 43 Sab D. 27,3,5: Si tutor rem sibi depositam a patre pupilli vel commodatam non reddat, non tantum commodati vel depositi, verum tutelae quoque tenetur. et si acceperit pecuniam, ut reddat, plerisque placuit eam pecuniam vel depositi vel commodati actione repeti vel condici posse: quod habet rationem, quia turpiter accepta sit. In der Stelle ist depositam … vel commodatum interpoliert für fiducia, vgl. statt aller jetzt Noordraven, Fiduzia 61. Für uns ist die Stelle weniger wichtig; von Bedeutung wäre sie bei Echtheit für das commodatum, da nach dieser Stelle auch der Entleiher die actio commodati auf das erpresste Geld hat, nicht nur die condictio.
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
389
In D. 16,3,34 wird der Grund, aus dem der Verwahrer die Geldzahlung verlangt hat, nicht genannt935, eine Erwähnung der condictio ob turpem causam unterbleibt. Auffallend ist nun aber, dass Labeo sagt, der Verwahrer habe die Sache sine mora zurückzugegeben. Die Glosse erklärt das so, der Verwahrer habe die Sache zurückgegeben, sobald er das Geld erhalten habe936. Dies ist aber nicht überzeugend. Wenn der Hinterleger die Sache zurückverlangt, muss der Verwahrer diese sofort zurückgeben. Verlangt dann der Verwahrer im Wege der Erpressung eine Geldzahlung, kommt es in Folge von dolus zu einer Verzögerung der Rückgabe, der Verwahrer ist auf jeden Fall in mora und würde etwa für zufälligen Untergang der hinterlegten Sache haften. Es wird hier daher vorgeschlagen, dass es in der Stelle nicht um eine Erpressung geht, sondern dass der Verwahrer glaubt, wegen einer Gegenforderung ein Zurückbehaltungsrecht zu haben. Der Verwahrer ist dann nicht in Verzug, weil es jedenfalls an den subjektiven Verzugsvoraussetzungen fehlt. Steht dem Verwahrer tatsächlich ein Zurückbehaltungsrecht zu, fehlt es schon an der Durchsetzbarkeit der Forderung937. Glaubt der Verwahrer nur an ein ihm in Wirklichkeit nicht bestehendes Zurückbehaltungsrecht, fehlt es den subjektiven Verzugsvoraussetzungen938.
935 Lenel (P I, Labeo 208, Sp. 531) ordnet das Fragment in die Erörterung des furtum ein; dies würde auf einen Erpressungsfall hindeuten. Doch wird man diese Einordnung angesichts der geringen Anzahl der uns erhaltenen Fragmente kaum für gewiss halten dürfen. Die Stelle B. 13,2,34 gibt praktisch nur den Digestentext wieder. Im Scholion kinei=tai (Hb II 59, Scheltema B II 667, 14), das von Stephanus stammen soll (vgl. Manuale 267), wird gesagt, dass auch mit der condictio ob turpem causam vorgegangen werden kann und es wird auf D. 12,5,2,1 und D. 12,5,9 hingewiesen. Das ist freilich eine Interpretation des Sachverhalts von D. 16,3,34 als Erpressungsfall. 936 So die Glosse sine mora. 937 Dass die Forderung durchsetzbar gewesen sein muss, damit die Nichtleistung mora und damit auch Zufallshaftung begründet, ist aus Gerechtigkeitsgründen geboten. Die Quellen sprechen das leider nicht in der uns wünschenswerten Klarheit aus (zu Quellen vgl. Kaser, RP I, § 119 II 1, S. 515 m.Fn. 13; Dernburg, Pandekten II5, § 40, S. 110 Fn. 5). Das mag daran liegen, dass die römischen Juristen die Frage auch an dem Kriterium, ob es am Schuldner lag, dass er nicht geleistet hat, maßen, nach dem sie auch die subjektiven Voraussetzungen beurteilten. 938 Dass Verzug im römischen Recht Verschulden voraussetze, war früher die Annahme, wobei man sich darum stritt, ob culpa genüge oder dolus vorliegen müsse (für dolus etwa noch Kaser, RP I, § 119 II 1, S. 515 Fn. 16). Jakobs vertritt die Ansicht, ein Verschuldenserfordernis hätten die römischen Juristen nicht gekannt, sondern nur mit der Formel, ob es am Schuldner liege, dass er nicht geleistet habe, gearbeitet (Jakobs, Culpa und interpellatio 23 ff., 55 f., TR 42 (1974); zustimmend etwa Kaser, RP II, § 259, II 2, S. 358 Fn. 9; Honsell / Kunkel, § 96 III 1, S. 245 m.Fn. 11). Harke, Mora debitoris 111, stellt jetzt entscheidend auf die iusta causa, propter quam intellegere debet debitor se dare oportere ab, die er als allgemeine Verzugsvoraussetzung in einer Verallgemeinerung Pomp. 22 Sab D. 12,1,5 entnimmt. Der Schuldner müsse einen hinreichenden Grund haben, die Leistungszeit zu kennen. Uns interessiert hier nur, wann für den Verwahrer gilt, dass es an ihm liegt, warum er nicht geleistet hat, bzw. wann für den Verwahrer eine iusta causa vorliegt, so dass er erkennen muss, zur Rückgabe verpflichtet zu sein. Wir meinen, dass Verzug beim depositum dolus voraussetz-
390
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
Nachdem der Hinterleger dem Verwahrer die geforderte Geldsumme gezahlt hat, um die Sache so schnell wie möglich zurückzubekommen, stellt sich die Frage, wie der Hinterleger das Geld zurückbekommen kann, wenn er der Meinung ist, er habe keinen Aufwendungsersatz geschuldet, dem Verwahrer habe kein Zurückbehaltungsrecht zugestanden. Labeo hält die Anwendung der actio depositi für möglich. Die Aussage Labeos kann man so verstehen, dass überhaupt die Rückforderung Klageziel sein kann; weitergehend aber auch so, dass der Hinterleger mit Erfolg klagt, dass also dem Verwahrer kein Zurückbehaltungsrecht zugestanden hatte. d) Damit stellt sich zum einen die Frage, wie die actio depositi für diesen Zweck anwendbar gemacht werden konnte. Für die actio depositi wird zumeist angenommen, der Hinterleger habe sich der actio in ius concepta bedienen müssen, die Labeo demzufolge gekannt habe939. Die actio in factum concepta wird zum einen ausgeschlossen, weil man die Stelle auf die Erpressungsthematik bezieht und im Erpressungsfall neben der condictio ob turpem causam nur eine Vertragsklage mit der bona-fides-Klausel erfolgreich habe erhoben werden können940. Die actio in factum concepta habe zudem wegen ihres einengenden Formelwortlauts den Anspruch auf die Rückzahlung des Geldes nicht erfassen können941. Dieses Argument aus dem Formelwortlaut ist hinsichtlich des Erpressungsfalles nicht unbedingt zwingend942. Wenn der Verwahrer nur gegen Zahlung einer erpressten Geldsumme zur Rückgabe bereit ist, benimmt er sich wie ein Eigentümer der hinterlegten Sache; er gibt diese te, weil sonst die Zufallshaftung nicht gerechtfertigt gewesen wäre. Der Gedanke, dass für die Frage, ob Verzug eintrete, derselbe Haftungsmaßstab gelten müsse, für den der Schuldner auch sonst einzustehen hatte, hat einen solchen offenbaren Gerechtigkeitsgehalt, dass er nur durch konkrete Quellenbelege widerlegt werden kann, nicht aber durch Aussagen, die römischen Juristen hätten die subjektiven Verzugsvoraussetzungen anhand bestimmter Formeln entschieden, wenn wir wiederum nicht wissen, wie denn die römischen Juristen die Formeln etwa beim depositum konkretisiert hätten. Der Verwahrer, der an ein Zurückbehaltungsrecht glaubt, handelt nicht dolos, wenn er sich auf das Zurückbehaltungsrecht beruft und kommt daher auch nicht in Verzug. 939 Gandolfi, Il deposito 88 f. Gandolfi entnimmt den Bezug auf die actio in ius concepta zum einen dem Vergleich mit der actio in factum concepta in D. 16,3,1,16, ohne den Vergleichspunkt zu benennen. So weist Kaser, Quanti ea res est 72, immerhin darauf hin, dass der Schlusssatz in D. 16,3,34 auf das reddere der formula in factum concepta anzuspielen scheine; doch meint Kaser, dies sei auch bei der formula in ius concepta mitverstanden gewesen. Zum anderen meint Gandolfi, die condemnatio der actio in factum concepta sei stets auf den Sachwert gegangen und habe nicht den gezahlten Geldbetrag erfassen können. Auch dieses Argument greift zu kurz (siehe oben § 18 VI 1), vor allem weil Gandolfi nicht darlegt, wie die Verurteilungssumme im Fall von D. 16,3,1,16 seiner Meinung nach bemessen wurde. 940 Dies entnimmt man eben den Stellen D. 12,5,2,1; D. 12,5,9 und D. 27,3,5. So etwa Kaser, Quanti ea res est 72; Rotondi, Teoria romana 83; Pastori, Il commodato 99 f. (1954). 941 Rotondi, Teoria romana 83. 942 Ähnlich wohl auch Burillo, Las formulas 280, und Talamanca, Diatribe 664 Fn. 58, die aber beide auf D. 16,3,1,33 nicht eingehen.
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
391
nicht aufgrund einer Rückgabeverpflichtung aus der Verwahrung zurück, sondern weil er diese gewissermaßen verkauft. Von einem solchen de suo dare sagt aber Ulpian, dass es kein reddere sei943. Denkbar wäre also eine Fiktion des redditam non esse, die nicht gewalttätiger wäre als die vergleichbare Fiktion bei der Rückgabe der hinterlegten Sache im beschädigten Zustand in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,16. Der Judex könnte die Verurteilungsvoraussetzungen also durchaus bejahen. Die Folgefrage wäre dann, ob man das quanti ea res erit auf den Wert des Streitgegenstandes, also die an den Verwahrer gezahlte Geldsumme, beziehen kann oder unbedingt auf den Wert der hinterlegten Sache beziehen muss; sowie ferner, ob im letzteren Fall eine Anwendbarkeit der actio depositi in factum concepta wirklich ausschiede oder nicht etwa mit einem pönalen Charakter zu rechnen wäre944.
Schwer zu wägen ist die Beobachtung, der quamvis-Satz enthalte mit dem reddere eine Anspielung auf den Wortlaut der formula in factum concepta945. Denn damit mag Labeo auch einfach die üblichen Streitthemen der actio depositi aufzählen wollen, so dass der Satz auch für die actio depositi in ius concepta sinnvoll wäre946. Im Zurückbehaltungsfall wird man wohl in der Tat sagen müssen, dass der Hinterleger nur mit der actio depositi in ius concepta vorgehen konnte. Denn eine Fiktion des reddita non esse erscheint anders als im Erpressungsfall im Zurückbehaltungsfall nur schwer möglich. Geht man davon aus, dass die formula in ius concepta jünger als ihre Schwesterformel ist, dann stellt sich die Frage, wie der Hinterleger das Geld vor dem Aufkommen der jüngeren Formel zurückverlangen konnte. Denkbar wäre eine condictio indebiti, weil der Hinterleger auf eine Nichtschuld geleistet hat947. Dabei würde sich das Problem stellen, dass der Hinterleger geleistet hat, obwohl er wusste, dass er nicht zur Leistung verpflichtet war; doch mag er daran gezweifelt haben, ob das 943 Ulp. 30 ed D. 16,3,1,33: Eleganter apud Iulianum quaeritur, si pecuniam servus apud me deposuit ita, ut domino pro libertate eius dem, egoque dedero, an tenear depositi. et libro tertio decimo digestorum scribit, si quidem sic dedero quasi ad hoc penes me depositam teque certioravero, non competere tibi depositi actionem, quia sciens recepisti, careo igitur dolo: si vero quasi meam pro libertate eius numeravero, tenebor. quae sententia vera mihi videtur: hic enim non tantum sine dolo malo non reddidit, sed nec reddidit: aliud est enim reddere, aliud quasi de suo dare. 944 Zu dieser Frage siehe schon oben § 20 VI 1. 945 Kaser, Quanti 72. 946 Kaser, Quanti 72, formuliert das so, die reddere-Klausel sei dem Sinne nach auch in der formula in ius concepta enthalten gewesen. Der Einwand Talamancas, Diatribe 663 Fn. 58, bei der actio in ius concepta sei es überflüssig gewesen, das reddere zu erwähnen, das von Labeo zitierte reddere müsse also in der von ihm gemeinten Formel gestanden haben, ist nicht überzeugend. Eine intentio quidquid dare facere oportet ex fide bona verlangt gerade zu nach einer Konkretisierung, um sie anwendbar zu machen. Und solche Konkretisierungen darf ein Jurist benennen. 947 Eine condictio ob turpem causam würde, wie gesagt, mangels dolus des Verwahrers ausscheiden.
392
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
Zurückbehaltungsrecht nicht doch bestand, oder einen Vorbehalt bei Zahlung geltend gemacht haben oder zur Abwendung der Zurückbehaltung gezahlt haben. Auch das Basilikenscholion to\ au)to\ zu B. 24,2,2 (entspricht D. 12,5,2,1) nennt die actio depositi in D. 16,3,34 ein bonae fidei iudicium948. Dieses Scholion wird von Stephanus stammen949. Quellencharakter wird man dem Scholion nicht zumessen können, denn es kann sich ebenso gut um die aus D. 12,5,9 gewonnene Interpretation handeln, dass zur Rückforderung des erpressten Geldes nur Vertragsklagen taugen, die bonae fidei iudicia sind. Dass die byzantinische Rechtswissenschaft zu einer solchen Interpretation in der Lage war, zeigt das Scholion e)a\n la/b$j950 des Kyrillus951 zu der D. 12,5,9 entsprechenden Stelle B. 24,2,9. Dort scheint Kyrillus den bonae-fidei-Charakter den dort aufgezählten Klagen aus locatio conductio, emptio venditio und mandatum entnommen zu haben. Dass die Stelle D. 16,3,34 einen später weggefallenen oder von den Kompilatoren gestrichenen Hinweis auf den Charakter der Klage enthalten hatte, wäre reine Spekulation952.
948 Basilikenscholion to\ au)to\ zu B. 24,2,2 (Hb B III 15, Scheltema B V 1735, 19): to\ au)to\ kai\ e)pi\ th=j kommoda/ thj, kai\ e)pi\ th=j e)c testame/nto, kai\ th=j e)c stipoula/ tou. du/natai de\ kai\ au)th\ h( deposi/ti bo/na fi/de ou)=sa kinei=sqai ei)j a)pai/thsin tw=n doqe/ntwn dia\ to\ a) nadoqh=nai to\ parateqe/n, w(j manqa/ neij e)n tw= teleutai/% dige/st% th=j depo/siti tou= paro/ntoj sunta/ gmatoj. Übersetzung: Dasselbe (dass das gezahlte Geld mit der condictio ob turpem causam zurückgefordert werden kann) gilt auch bei der actio commodati, und auch bei der actio ex testamento und der actio ex stipulatu. Es kann aber auch die actio depositi selbst, die ein bonae fidei iudicium ist, erhoben werden auf Rückforderung des Geldes, das zur Erreichung der Rückgabe der hinterlegten Sache gegeben wurde, wie Du lernst im letzten Digestenfragment im Titel zum depositum in derselben pars. Zu D. 12,5,2,1 bemerkt also Stephanus in diesem Scholion, dass auch beim commodatum und bei der actio ex testamento und ex stipulatu das Geld mit der condictio zurückgefordert werden konnte. Dies wird er aus D. 12,5,9 genommen haben. Unter Hinweis auf D. 16,3,34 bemerkt er, dass die actio depositi ebenfalls zur Rückforderung eingesetzt werden konnte. 949 Heimbach, Manuale 256. Für ein hohes Alter sprechen der Bezug des Zitates auf die Digesten (vgl. Scheltema, Verweisungen 356, TR 30) und die lateinischen Bezeichnungen der Institute, für die Herkunft aus dem Unterricht das manqa/ neij. Für Stephanus spricht auch, dass er die Digesten nach den Partes, nach den sunta/ gmata, zitiert (vgl. Scheltema, L’enseignement 28; Ders. Verweisungen 356), hier nach der pars De rebus (wobei dieser Teil des Zitates in der Heimbachausgabe fehlt). 950 Scholion e)a\n la/ b$j (Hb B III 18; Scheltema B V 1738, 13): Kuri/llou. e)a\n la/b$j ti e)c e)mou=, i/(na a) pod%=j moi, o(\ e/)xrhsa/ soi, e/)xw kondikti/kion. e)pi\ tw=n bo/na fi/de a)gwgw=n o( labw/n, i/(na a)pod%=, o(\ xrewstei=, kai\ dia\ th=j prwtotu/pou ai)ti/aj a)paitei=tai, a(\ e/)laben: e)pi\ de\ tw=n stri/ktwn, mo/n% t%= kondiktiki/%. Übersetzung: Wenn Du etwas von mir nimmst, damit Du mir zurückgibst, was ich Dir geliehen habe, habe ich die condictio. Bei den Klagen ex bona fide wird von demjenigen, der etwas empfangen hat, damit er zurückgibt, was er schuldet, auch mit den Ursprungsklagen das, was er empfangen hat, zurückgefordert. Bei den Klagen des strengen Rechts aber nur mit der condictio. 951 Zu Kyrillus siehe Pieler, Rechtsliteratur, 423 m.Fn. 163; Berger, RE Suppl. VII 341 f.; Wenger, Quellen 687. Nach Scheltema (Byzantine Law 59) habe auch Kyrillus unter Justinian gewirkt. 952 Auch die Aussage des Stephanus aus dem soeben zitierten Scholion zu D. 12,5,2,1 du/natai de\ kai\ au)th\ h( deposi/ti bo/na fi/de ou)=sa kinei=sqai ei)j a) pai/thsin heißt
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
393
Dass die Annahme des Stephanus, dass die actio depositi in D. 16,3,34 ein bonae fidei iudicium sei, nur auf der Interpretation der byzantinischen Lehre beruht, zeigt auch der Fehler des Stephanus bezüglich des Charakters der actio commodati in Ulp. 28 ed D. 13,6,3,1953, die dieselbe Thematik wie D. 16,3,1,16 behandelt.
e) Zum anderen stellt sich aber auch die Frage der Tauglichkeit der actio depositi; dies gilt zum einen für den Haftungsmaßstab, zum anderen aber auch für die Verurteilungsfolge der Infamie. aa) Der Verwahrer haftete nur für dolus. Da wir oben einen Bezug zum Erpressungsfall verneint haben und davon ausgegangen sind, der Verwahrer habe an das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechtes geglaubt, kann zu diesem Zeitpunkt kein dolus vorgelegen haben. Der dolus könnte daher nur darin gefunden werden, dass der Verwahrer nicht freiwillig das Geld zurückzahlt, nachdem der Judex zu der den Parteien mitgeteilten Überzeugung gekommen ist, dem Verwahrer habe kein Zurückbehaltungsrecht zugestanden. Dass ein solcher dolus hinsichtlich der Rückgabe der Sache nach Streiteinsetzung die Verurteilung bei der actio in factum concepta begründen konnte, haben wir schon gesehen954, bei der actio in ius concepta wird dies nicht anders sein. Doch wird man in diesem Falle nicht bezweifeln können, dass die actio depositi hier eine normale Vertragsklage ist: Der Verwahrer wird verurteilt, wenn er das Geld schuldet, und er wird freigesprochen, wenn er es nicht schuldet. Die actio depositi hat dann eine Funktion, die der Funktion der actio empti vergleichbar ist, wenn diese zur Rückforderung der arrha eingesetzt wird955. bb) Problematisch ist auch die Infamie als Verurteilungsfolge, weil der dolus sich hier nicht auf die Nichtrückgabe der hinterlegten Sache beziehen würde, sondern auf die Nichtrückerstattung der Geldsumme; doch gibt es auch bei der actio pro socio, die sich nur auf Abrechnung der einzelnen Posten richtet, die Infamiefolge.
nur, dass die actio depositi ein bonae fidei iudicium ist, nicht, dass von den zwei möglichen actiones depositi die actio depositi in ius concepta zu wählen sei. 953 Ulp. 28 ed D. 13,6,3,1: Si reddita quidem sit res commodata, sed deterior reddita, non videbitur reddita, quae deterior facta redditur, nisi quid interest praestetur: proprie enim dicitur res non reddita, quae deterior redditur. 954 Siehe oben § 12. 955 Vgl. Ulp. 32 ed D. 19,1,11,6: Is qui vina emit arrae nomine certam summam dedit: postea convenerat, ut emptio irrita fieret. Iulianus ex empto agi posse ait, ut arra restituatur, utilemque esse actionem ex empto etiam ad distrahendam, inquit, emptionem. ego illud quaero: si anulus datus sit arrae nomine et secuta emptione pretioque numerato et tradita re anulus non reddatur, qua actione agendum est, utrum condicatur, quasi ob causam datus sit et causa finita sit, an vero ex empto agendum sit. et Iulianus diceret ex empto agi posse: certe etiam condici poterit, quia iam sine causa apud venditorem est anulus. Auf diese Stelle weist Knütel in seiner Digestenübersetzung hin, CIC III, S. 354 Fn. 3.
394
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
3. Zusammenfassung Fassen wir zusammen, so ergibt sich, dass man die Stelle D. 16,3,34 nicht als Erpressungsfall deuten muss, sondern auch als Hinweis auf ein durch den Verwahrer geltendgemachtes Zurückbehaltungsrecht verstehen kann. Das Zurückbehaltungsrecht konnte für den Hinterleger misslich sein, weil sich so bei Streit um das Bestehen des Zurückbehaltungsrechts oder etwa um die Höhe der Gegenforderung die Rückgabe verzögern mochte. Die Lösung Labeos gestattet den Parteien, nach der Rückgabe mit der Vertragsklage in Form der actio depositi in ius concepta über die Berechtigung des Zurückbehaltungsrechtes zu streiten, wobei der Verwahrer den Vorteil der Beklagtenrolle wahren konnte, der Hinterleger dafür den Vorteil der sofortigen Rückgabe erhielt. Ist dies richtig, dann kannte Labeo also schon die formula in ius concepta956.
956 So auch andere, wenngleich mit anderer Begründung; etwa Gandolfi, Il depositi 88 f., ferner Talamanca. Talamanca (Diatribe 664 ff.) stützt sich auf Ulp. 30 ed D. 16,3,1,38: Si quis tabulas testamenti apud se depositas pluribus praesentibus legit, ait Labeo depositi actione recte de tabulis agi posse. ego arbitror et iniuriarum agi posse, si hoc animo recitatum testamentum est quibusdam praesentibus, ut iudicia secreta eius qui testatus est divulgarentur. Talamanca weist zunächst darauf hin, dass das Lesen des Testaments die Zerstörung der Siegel und damit eine teilweise Zerstörung des Testaments voraussetze, so dass aufgrund der Fiktion res deterior reddita non est reddita (D. 16,3,1,16) die actio in factum concepta durchaus anwendbar gewesen sein könnte. Talamanca bemerkt aber zutreffend, dass Labeo von einer solchen Beschädigung nichts sage und als entscheidende Verletzungshandlung das Lesen ansehe; es gehe ihm um den Vertrauensbruch, um die Verletzung der fides. Labeo handle daher von der actio depositi in ius concepta. In der Tat geht es Labeo um das Lesen des Testaments, und auch Ulpian sieht darin das Entscheidende, wie seine Erörterung der actio iniuriarium zeigt. Es ist ferner nicht ersichtlich, wie Labeo eigentlich die Verurteilungssumme berechnen will. Davon, dass ein Erbe oder ein Vermächtnisempfänger (oder der Erblasser) materielle Nachteile erleiden, spricht er nicht. Das führt auf den Gedanken, dass es Labeo gar nicht um einen materiellen Schaden geht und er den Verwahrer auch nicht zu einer Schadensersatzleistung verurteilen will. Labeo will das Testamentsgeheimnis schützen. Dabei denkt er nicht an eine Verurteilung des Verwahrers auf Schadensersatz, da er keinen Schaden darlegt. Aber es bleibt die Infamiefolge: Labeo will das Testamentsgeheimnis schützen, indem er den Verwahrer, der das Testament liest, der Infamie unterwirft. Dabei muss freilich der Verwahrer zumindest auf irgendeinen Betrag verurteilt werden; dies kann der Wert der Wachstafeln sein, vielleicht aber auch nur ein symbolischer Betrag. Dabei kann der Gedanke des Labeo auch ein politischer sein. Labeo stand in Opposition zu Augustus (Jörs / RE I, s.n. Antistius Nr. 34, Sp. 2549). Augustus hatte bekanntlich das Testament des Mark Anton öffnen und im Senat verlesen lassen (vgl. Bleicken, Augustus 273 (Quellennachweise 720)). Dies hatte unter den Zeitgenossen Kritik hervorgerufen. Nach Plutarch (Marcus Antonius 58,3 – 4) mißfiel den meisten Senatoren die Verlesung des Testaments, weil es ihnen widerwärtig und furchtbar erschien, dass jemand zu Lebzeiten Rechenschaft über das ablegt, von dem er will, dass es erst nach seinem Tode geschehe: tw=n plei/stwn a)hdw=j e)xo/ntwn a) llo/koton ga\r e/)docen ei)=nai kai\ deino/n, eu)qu/naj tina\ dido/nai zw=nta peri\ w(= n e)boulh/qh gene/sqai meta\ th\n teleuth/n. Indem Labeo den Verwahrer wegen des Lesens des Testaments der Infamie unterwirft, kann er so zugleich Kritik an Augustus üben.
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
395
Die andere Möglichkeit hätte für den Hinterleger darin bestanden, dem Verwahrer nicht das Geld zu zahlen, sondern mit der actio depositi zu verklagen. Problematisch war dann die Beweislast. Musste der Hinterleger beweisen, dass der Verwahrer keine Aufwendungen gemacht hatte, um zu beweisen, dass dieser dolos die Rückgabe verweigert hatte? Das wäre mißlich, wenn der Verwahrer an sein Zurückbehaltungsrecht geglaubt hätte. Letztlich ist nämlich die Frage, ob der Verwahrer die Rückgabe dolos verweigert, nicht zwangsläufig schon beantwortet, wenn sich herausstellt, dass dem Verwahrer kein Aufwendungsersatz und damit kein Zurückbehaltungsrecht zusteht. Damit bietet sich folgendes Modell an: Der Hinterleger verklagt den Verwahrer auf Rückgabe. Der Verwahrer muss beweisen, dass ihm ein Zurückbehaltungsrecht zustand. Gelingt ihm das nicht, wird der Judex den Beklagten zur Rückgabe auffordern. Nur wenn der Beklagte jetzt nicht die Sache zurückgibt, liegt ein dolus (post litem contestatam) vor, der Verwahrer kann jetzt nach der Lehre des Neraz gem. D. 16,3,1,21 verurteilt werden. Damit zeigt sich, dass die Lehre des Neraz sogar die Berücksichtigung eines Zurückbehaltungsrechts im Prozess erleichtert. Denn ohne diese Lehre hätte der Hinterleger den Prozess verloren, wenn nur der Verwahrer bei litiscontestatio geglaubt hätte, ihm stünde ein Zurückbehaltungsrecht zu. Die Frage, ob dem Verwahrer ein Zurückbehaltungsrecht zusteht, hätte damit nie Prozessthema werden können.
VII. Eine Geschichte Im Hinblick auf das soeben Vorgetragene sei folgende Geschichte erzählt: „Das depositum, wie es uns als Institut des klassischen Rechts vorliegt, geht, wie die negotiorum gestio, auf zwei Wurzeln zurück. Daher erklärt sich auch, wie bei der negotiorum gestio, die Doppelformel. Die eine Wurzel liegt im Edikt des Prätors und der actio depositi mit der formula in factum concepta, die selbst wieder eine Fortsetzung der Klage auf das Doppelte der Zwölftafeln ist. Dieses depositum ist ein Realvertrag, der sich in der Übergabe der Sache zur Aufbewahrung erschöpft und aus dem der Hinterleger eine Klage auf die Rückgabe erhält. Die zweite Wurzel liegt in Geschäftsbesorgungs- und Verwaltungsverhältnissen. Das depositum als bonae fidei iudicium ist eine Auskoppelung aus dem Mandat. Das zeigt sich zum einen daran, dass bei den Juristen die Erörterung, wie das Mandat vom depositum abzugrenzen sei, weiten Raum einnimmt, vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,11 – 14; Ulp. 31 ed D. 17,1,8pr. Die letzte Stelle zeigt auch, dass die Ausgrenzung des depositum in die Zeit Labeos fällt. Es kommt oft vor, dass der Beauftragte dem Auftraggeber Sachen herauszugeben hat, etwa Beweisurkunden. Die Juristen haben diese Sonderfälle des Mandats als eigenes erkannt und besondere Regeln für die Behandlung entwickelt, später Gemeinsamkeiten mit dem prätorischen depositum festgestellt. In einer Interpretation haben sie beide Wurzel verschmolzen. Wegen seiner Herkunft aus dem Mandat ist dieses depositum ein bonae fidei iudicium und infamierend. Gründe für die Auskoppelung des depositum können gewesen sein: schnellerer Zugriff des Auftraggebers auf die Sachen, Beschränkung der Haftung des Mandatars auf den dolus, Unterscheidung der Klagen auf Herausgabe von Sachen, die der Mandatar vom Mandanten erhalten hat, von den Klagen auf Herausgabe von Sa-
396
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
chen, die der Mandatar bei Ausführung des Mandats von anderen erlangt hat. Man mag am Anfang mit der actio mandati und einer praescriptio gearbeitet haben (ea res agitur de chirographo reddendo), um die Konsumption anderer Ansprüche zu verhindern, vgl. G. 4,131a. Vielleicht konnte so der Mandatar bestimmte Einwendungen nicht geltend machen, die er ansonsten gehabt hat. Daher steht das depositum beim Mandat als erstes bonae fidei iudicium.“
VIII. Der Ausschluss von Gegenrechten durch vertragliche Vereinbarung Abschließend soll untersucht werden, inwieweit Gegenrechte des Verwahrers durch vertragliche Vereinbarung ausgeschlossen werden konnten. Es liegt dabei nahe, mit den paraqh/kh-Verträgen zu beginnen.
1. Der Auschluss von Gegenrechten in den paraqh/kh-Verträgen In den paraqh/kh-Verträgen, die uns in den griechischen Papyri erhalten sind, finden sich zwei Klauseln, die man als vertraglichen Ausschluss von Gegenrechten des Empfängers deuten kann. a) Als Beispiel für eine paraqh/kh957 diene M.Chr. 330958, ein Papyrus aus dem Jahr 227 n.Chr.959: Au)rh/lioj Qeo/g[n]wstoj [o(] kai\ M[w=]r[oj E(r]mai/ou tou= [kai\] [P]aq[w/]tou Axille/wj E(rm[o]polei/thj a) nagr(afo/menoj e)pi\ po/[lewj a) p]hl(iw/tou) Au)rhl(i/#?) 3 Dioskorou=ti a)d[e]lf$=? m[o]u tw=n au)tw=n gone/wn meta\ 1
2
957 Der im vorgestellten Papyrus verwendete Ausdruck para/ qesij ist ein selteneres Synonym, vgl. Montevecchi, Papirologia 229 f. (1973). 958 M.Chr. 330; ed.pr. P. Lond. III 943, S. 175. Zeile 15 nach BL I 287; Zeile 4 nach BL IX 134; siehe auch Heidelberger Gesamtverzeichnis. 959 Übersetzung: Ich, Aurelios Theognostos, auch genannt Moros, Sohn des Hermaios, Enkel des Pathotos Achilleus, aus dem Hermopolitanischen Gau, eingeschrieben in der Oststadt, entbiete meiner Schwester Aurelia Dioskorous, von denselben Eltern, mit dem Vorsteher Aurelios Pinoution, auch Kopreus genannt, Grüße. Ich gestehe ein, von Dir zu haben als paraqh/kh auf meine Gefahr und a) nupo/logon panto\j u(polo/gou 600 Silberdrachmen, die ich Dir zurückgeben werde sobald, wenn Du es willst, a) nuperqe/twj, andernfalls werde ich Dir zahlen nach dem Parathekengesetz. Die Vollstreckung wird Dir sein sowohl aus meiner Person als auch aus meinem ganzen Vermögen wie aus einem Rechtsstreit. Und auf Frage habe ich zugestimmt. Im 6. Jahr des Imperator Caesar Marcus Aurelius Severus Alexander Pius Felix Augustus am 7. des Monats Mesore. Ich, Aurelios Alkimion, auch genannt Agathos Daimon, habe den Text geschrieben. Ich, Aurelios Theognostos, auch genannt Moros, Sohn des Hermaios, habe die 600 Drachmen und werde sie zurückzahlen wie es oben festgesetzt ist.
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
397
4
[t]o?u= p[roest]w=to[j Au)rhl(i/ou)] Pin[outi/wnoj t]ou= [k]ai\ Kopre/[ou x(ai/rein)] o(mologw= [e)/xein para\] sou= e)n paraqe/sei a)ki/ndunon [pan-] 6 to\j kindu/nou k?[ai\ a)]nupo/logon panto\j lo/gou960 a)rgur[i/ou] 7 d[ra]xm[a\j e(cako]si/aj gi/nontai a) [r]g(uri/ou) draxmai/ x a(/sper a) pokata8 sth/sw soi o(ph[ni/]ka e)a\n ai(r$= a) nuperqe/twj h)\ e)ktei/9 s[w kat]a\to\n tw=n paraqhkw=n no/mon geinome/10 nh[j s]oi th=j pr[a/]cewj e)/?k? t[e] e)mou= kai\ e)k tw=n 11 u(parxo/ntwn moi pa/ ntwn kaqa/ per e)k di/khj 12 kai\ e)perwthqei\j w(molo/ghsa. (e)/touj) j Au)tokra/tor[oj] 13 Kai/saroj Ma/rkou Au)rhli/ou Seouh/rou A)leca/ndrou 14 Eu)sebou=j Eu)tuxou=j Sebastou= Mesorh\ z Au)rh/lioj 15 )Alk?im?i/wn o( k(ai\) A)gaqo\j Dai/mwn e)/gr(aya) [t]o\ sw=ma. 2. HandAu)rh/lioj 16 Qeo/gnwstoj o( kai\ Mw=roj E(rmai/ou 17 e)/xw kai\ a)pokatasth/sw ta\j draxma\j 18 e([c]akosi/aj w(j pro/kitai. 5
Bei dieser Vertragsurkunde einer Geld-Paratheke aus dem Archiv des Theognostos961 in Form einer Empfangsbestätigung handelt es sich um eine subjektiv stilisierte Homologie. Der Empfänger Aurelios Theognostos gesteht der Geberin, seiner Schwester Aurelia Dioskorous, zu, 600 Silberdrachmen als Paratheke erhalten zu haben. Diese Silberdrachmen habe er a)nupo/logon panto\j u(polo/gou erhalten (Zeile 6) und er werde sie, sobald die Geberin wolle, a)nuperqe/twj zurückgeben (Zeile 8). Die Klausel a) nupo/logon panto\j u(polo/gou findet sich häufig962, aber nicht immer963, bei der Geld-paraqh/kh, bei der selteneren paraqh/kh von Sachen findet sie sich anscheinend nicht964. Die a) nuperqe/twj-Klausel findet sich wohl in den meisten Parathekeverträgen und auch bei Sachparatheken965. Anders als die
960 Die Klausel a) nupo/logon panto\j u(polo/gou ist uns fehlerfrei erhalten etwa in CPR I 29 Zeile 15 f. (M.Chr. 335). 961 Zu diesem Sijpesteijn, Theognostos alias Moros and his family 213 ff., ZPE 76. 962 Vgl. etwa den kürzlich von Andrea Jördens publizierten Papyrus P. Louvre II 110. 963 Nicht z. B. in P. Oxy. VII 1039 (210 n.Chr.). 964 Kastner, Zivilrechtliche Verwahrung 34, 38; Jördens, P. Louvre I 17, S. 112 zu Zeile 11. Montevecchi, Papirologia (1973) 230, zählt an Sachparatheken auf P. Fouad 58 (Getreide) und P. Strasb. 54 (Getreide). Hinzuzufügen wären P. Lips. II 143 (Getreide), P. Oxy. XLII 3049 (Getreide), P. Euphr. 12 (Kleidung, Schmuck) und BGU III 729 (Kleidung, Schmuck). Alle diese Papyri enthalten die fragliche Klausel nicht, obwohl diese Papyri uns auch an den Stellen erhalten sind, an denen die Klausel zu erwarten wäre. Unerheblich ist für die vorliegende Frage, ob es sich jeweils um „echte“ Paratheken handelt oder wie etwa in BGU III 729 um eine verschleierte Mitgift. Sachparatheken finden sich etwa auch in BGU I 196 (Kleidung), P. Oxy. XII 1472 (Getreide), P. Ryl. IV 569 (Kühe), SB VI 9466 (Sklaven); diese Papyri enthalten aber keine Hinweise auf das Vertragsformular. 965 Sie findet sich etwa im Musterformular P. Oxy XXXIII 2677. Bei Sachparatheken findet sich die Klausel etwa in P. Lips II. 143, in P. Oxy. XLII 3049, und in BGU III 729.
398
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
a) nupo/logon-Klausel ist die a) nuperqe/twj-Klausel aber für die Paratheke nicht typisch; sie findet sich regelmäßig bei allen Zahlungsverpflichtungen. b) Das Wort u(pologe/w bedeutet in Anrechnung bringen, anrechnen, durch Gegenrechnung abziehen966; a) nupo/logon bedeutet dann auf eine Geldsumme bezogen, dass diese „abzuglos zahlbar ist“967. Der Anhang panto\j u(polo/gou dient dann nur der Verstärkung; in manchen Papyri fehlt er968. Brassloff969 bringt Beispiele, in denen sich a) nupo/logon auf die zu leistenden Geldmünzen bezieht; in unserem Papyrus wird es sich um ein Adverb handeln; das könnte auf ein Abschleifen der Klausel hindeuten. Die Klausel wird also bedeuten, dass der Schuldner die Geldsumme zahlen muss, ohne Abzüge machen zu können. Die Klausel findet sich neben den Paratheke-Verträgen vor allem in Pacht- und Mietverträgen hinsichtlich der Zinszahlungspflicht des Pächters oder Mieters970; dabei ist sie nach den Befunden Brassloffs in den Pacht- und Mietverträgen zeitlich vorangegangen971. Der Satz, was Parteien vereinbaren, hätte ohne die Vereinbarung nicht gegolten, dürfte für alle Zeiten falsch sein972. Somit lässt sich aus der Existenz der Klausel allein noch nicht schlußfolgern, ohne die Vereinbarung hätte der Empfänger aufrechnen dürfen973. Immerhin fällt auf, dass wir die Klausel nur bei der Geld-Paratheke finden, nicht bei der Paratheke von Sachen, wo insbesondere bei Speziesschulden sich ein Aufrechungsverbot schon aus der Ungleichartigkeit der Ansprüche ergeben könnte. Es dürfte damit wahrscheinlich sein, dass ohne die Klausel eine Aufrechnung möglich war. Brassloff hat vorgeschlagen, die Klausel diene der Sicherung der Vollstreckungsmöglichkeit des Gläubigers aus der Praxisklausel, indem sie die Berücksichtigung von Gegenrechten des Schuldners durch Ausschluss der compensatio ausschalte974. Vgl. Preisigke, Wörterbuch II, s.v. S. 665; vgl. auch Brassloff, Zur Geschichte 370. Preisigke, Wörterbuch I, s.v., S. 142. 968 Vgl. Brassloff, Zur Geschichte 363, mit Beispielen zu Pachtverträgen. Zur Paratheke vgl. P. Oxy I 71 I Z. 6, vgl. Brassloff a. a. O. 366. 969 Brassloff, Zur Geschichte 362 Fn. 3, 363 ff. 970 Brassloff, Zur Geschichte 366, SZ 29 (1900), hatte seinerzeit Belege nur für diese Verträge gefunden. 971 Vgl. Brassloff, Zur Geschichte 363 ff. Die Belege aus Pacht- und Mietverträgen stammten aus dem 1.-4.Jh.n.Chr., die für die Paratheke aus dem 2.-4.Jh.n.Chr. Doch vgl. Brassloff a. a. O. 364 Fn. 2 und 365 Fn. 1 zur Frage der Zufälligkeit der Überlieferung. 972 So auch Brassloff, Zur Geschichte 372, der aber im weiteren annimmt, die Klausel habe eine Abweichung von der Gesetzeslage bewirkt. 973 Kühnert, Kreditgeschäft 129 spricht von einem Parathekensonderrecht, das die a) ki/ndunonKlausel und die a) nupo/logon-Klausel ausgeschaltet habe, ohne zu sagen, worin das Sonderrecht bestehen und woher es stammen soll. 974 Brassloff, Zur Geschichte 374 ff. Bei Pacht- und Mietverträgen und in Parathekeverträgen erscheine die a) nupo/logon-Klausel nur in den Papyri, die auch die Praxisklausel enthielten. Brassloff (373 f.) geht davon aus, in Ägypten sei im 1. Jahrhundert das römische Recht 966 967
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
399
Dem folgt man auch heute noch975, obwohl die Voraussetzung Brassloffs, dass im 1.Jh.n.Chr. in Ägypten das römische Recht der compensatio rezipiert worden sei, wohl nicht mehr geteilt werden dürfte976, und das Musterformular in P. Oxy. XXXIIII 2677 zwar die Praxisklausel, aber nicht unsere Klausel enthält. Doch würde zu dieser These immerhin passen, dass die Klausel nur bei Geldparatheken auftaucht. c) Beachtung verdient ferner die a) nuperqe/twj-Klausel, die sich auch in anderen Formen wie etwa a)/ neu pa/ shj u(perqe/sewj findet. Unklar ist dabei, inwieweit Erweiterungen wie a)/neu di/khj kai\ kri/sewj kai\ pa/ shj u(perqe/sewj kai\ eu(rhsilogi/aj977zu dieser Klausel gehören oder eine eigene Klausel bilden.
der compensatio rezipiert worden. Damit sei beim depositum als bonae fidei iudicium ebenso wie bei der Pacht und Miete die compensatio möglich gewesen, während die compensatio etwa beim Darlehen nicht möglich gewesen sei. Daher finde sich bei den Darlehenspapyri die Klausel nicht, weil dort der Aufrechnungsausschluss nicht notwendig gewesen sei. Habe ein Parathekenvertrag nun die Praxisklausel enthalten, sei es notwendig gewesen, die Aufrechnung auszuschließen, weil sonst in dem Falle, dass der Empfänger eine Gegenforderung habe, die Vollstreckung rechtswidrig gewesen wäre. Anderer Ansicht ist Waszyński, Bodenpacht 141. Die Klausel begründe nur ein Abzugsverbot und habe neben der Gefahrtragungsklausel keine eigenständige Bedeutung (a. a. O. 143). Waszyński beschäftigt sich vor allem mit den Pachtverträgen. Was ein Abzugsverbot bei der Paratheke neben der Gefahrtragungsklausel bedeuten sollte, bleibt unklar. Bei der Paratheke scheidet ja anders als bei der Pacht oder Miete eine Minderung der Zinshöhe aus. Für den Empfänger verbleiben bei der Paratheke zur Minderung der Rückzahlungsverpflichtung damit nur zwei Möglichkeiten: Entlastung von der Rückgabe wegen nicht zu vertretender Minderung des empfangenen Gegenstandes; dies scheidet aber aus, wenn der Empfänger die Gefahr trägt. Oder zweitens eben die Anrechnung von Gegenforderungen. Unklar daher Kastner, Zivilrechtliche Verwahrung 37 f., der dann auch die Klausel mit der Gefahrtragungsklausel gleichsetzt. Freilich muss man immer mit der Möglichkeit rechnen, eine Klausel habe keine eigentliche Bedeutung gehabt und sei nur Schreibergut gewesen. Die Klausel kann mehr oder weniger gedankenlos von den Pachtverträgen auf die Parathekeverträge übertragen worden sein, weil man das Bedürfnis verspürte, die Rückgabeverpflichtung des Empfängers zu betonen. Darauf deutet immerhin schon die Verdopplung in a) nupo/logon panto\j u(polo/gou hin. Man beachte auch das Formular von P. Lond. II 298, Seite 206 (M.Chr. 332) von 124 n.Chr.: paraqh/khn a) ki/ndunon panto\j kindu/nou kai\ a) nupo/logon panto\j u(polo/gou … a)podw/sein a)/ neu di/khj kai\ kri/sewj kai\ pa/shj u(perqe/sewj kai\ eu(rhsilogi/aj. Wenn hier jede Klausel wichtig wäre, dann müsste man sich schon sehr über den Verfasser des Musterformulars von P. Oxy XXXIII 2677 ebenfalls aus dem 2.Jh. wundern, der statt all solcher Formeln nur ein Wort hat: a) nuperqe/twj. Die ganze Frage soll aber hier, wo es um das römische Recht geht, überhaupt nicht erörtert werden. 975 Kühnert, Zum Kreditgeschäft 129 m. w. N.; Herrmann, Rez. Kühnert 420, SZ 83; Jördens, P. Louvre II 110, S. 73 zu Zeile 7 ff. 976 Kühnert, Kreditgeschäft 129, spricht von einem Sonderrecht der Paratheke, das ausgeschlossen werde, ohne dieses genauer zu benennen. Herrmann, Rez. Kühnert 420, meint, die Klausel habe dem Schuldner das Geltendmachen von Gegenansprüchen verwehrt. Da bei Geldparatheken eine Aufrechnung praktisch häufiger sein dürfte als eine Zurückbehaltung, ist dies ganz auf der Linie Brassloffs. 977 Vgl. P. Lond. 298, S. 206 (124 n.Chr., M.Chr. 332).
400
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
Vertreten wird, dass die Klausel den Ausschluss von Einwendungen des Schuldners meine978. Dann könnte man in der Klausel den Ausschluss eines Zurückbehaltungsrechts bei Sachparatheken sehen. Es dürfte aber am nächsten liegen, die a) nuperqe/twj-Klausel nur als Betonung, dass die Gegenstände sofort zurückgegeben werden sollen, zu verstehen, weil sie sich regelmäßig an die Bestimmung der Fälligkeit bei Anforderung anschließt, wie dies auch im vorgestellten Papyrus der Fall ist (Zeile 7 f.: a)pokatasth/sw soi o(phni/ka e)a\n ai(r$= a) nuperqe/twj)979. Soweit sich an die Klausel unmittelbar die Strafbestimmung anschließt, könnte die Klausel auch den Verfallszeitpunkt festlegen, nämlich den sofortigen Verfall anordnen (vgl. unser Papyrus Zeile 8 f.: a) nuperqe/twj h)\ e)ktei/sw kata\ to\n tw=n paraqhkw=n no/mon).
2. Der vertragliche Ausschluss von Gegenrechten im römischen Recht Wir kommen zum vertraglichen Ausschluss von Gegenrechten des Verwahrers beim depositum. a) Dabei wird man nicht ohne weiteres von den Papyri auf das römische Recht schließen dürfen. Zwar wird der Begriff des depositum des klassischen römischen Rechts, an dem auch die Kompilatoren festhalten, durch die Basiliken mit paraqh/kh übersetzt980 und war dies schon Sprachgebrauch der antecessores981. Dennoch ist eine einfache Gleichsetzung des römischen depositum mit der griechischen paraqh/kh unzulässig982, denn zu vielfältig waren die mit der Hingabe verfolgten Zwecke983. Für die 978 Vgl. Kastner, Zivilrechtliche Verwahrung 38 ff. Siehe aber jetzt auch Kreuzsaler, Konsuldatierung 197 zu Zeile 12, ZPE 141 (2002). 979 So auch Pieler, Offene Verwahrung 801. Ein römischer Jurist dürfte das confestim aus Pap. 9 quaest D. 16,3,24 wohl nicht anders verstanden haben. Der Vertrag lautet dort: Lucius Titius Sempronio salutem. Centum nummos, quos hac die commendasti mihi adnumerante servo Sticho actore, esse apud me ut notum haberes, hac epistula manu mea scripta tibi notum facio: quae quando voles et ubi voles confestim tibi numerabo. Nach Pieler, Offene Verwahrung 801, entspreche das confestim dem a)/ neu pa/ shj u(perqe/sewj kai\ eu(rhsilogi/aj aus P. Oxy. VII 1039 (210 n.Chr.), doch sei die lateinische Wendung farbloser. 980 Vgl. etwa Ulp. 30 ed D. 16,3,1pr. (Depositum est, quod custodiendum alicui datum est) mit B. 13,2,1 (paraqh/kh e)sti\ to\ e)pi\ fulak$= tini dido/menon). Diese Übersetzung gibt es aber bei den antecessores noch nicht, soweit diese an den lateinischen Ausdrücken festhalten, siehe etwa zu Theophilus auch die folgende Fußnote, der aber immerhin das Verb parati/qhmi verwendet. 981 Vgl. I. 3,14,3 (praeterea et is, apud quem res aliqua deponitur, re obligatur et actione depositi, qui et ipse de ea re quam accepit restituenda tenetur) mit Theoph. Inst. 3,14,3 (e)a\n ga/ r soi para/ qwmai to\ e)mo\n pra=gma, e/)noxoj e/)s$ t$= re e)nox$=, a) gwg$= de\ t$= depositi, h(\n e/(cw kata/ sou a) paitw=n se au)to\ to\ depósiton).
§ 18 Das Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers
401
ägyptische Paratheke der Papyri ist nun allerdings auffällig, dass die entsprechenden Formulare erst im 1. Jahrhundert n.Chr. auftauchen984, also nach der römischen Eroberung, so dass sich die Frage nach einem Einfluss des römischen Rechts auf die paraqh/kh der Papyri doch aufdrängt. Hier soll vereinfachend davon ausgegangen werden, dass nicht jede paraqh/kh ein depositum ist, dass aber Römer, die auf Griechisch ein depositum hätten abschließen wollen, dieses vielleicht paraqh/kh genannt hätten. Dass Klauseln, die sich in Papyri finden, auch in Rom Verwendung fanden, wird man aber wohl nur dann annehmen können, wenn sich dafür zumindest Indizien in Quellen aus dem römischen Bereich finden985. Die Paratheke-Urkunden enthalten regelmäßig, wie auch der soeben vorgestellte M.Chr. 330, eine Gefahrtragungsklausel a)ki/ndunon panto\j kindu/nou. Ulpian sagt (30 ed D. 16,3,1,35): saepe evenit, ut res deposita vel nummi periculo sint eius, apud quem deponuntur: ut puta si hoc nominatim convenit. Es gibt also durchaus Vertragsklauseln der ParathekeUrkunden, mit denen auch für das römische Recht zu rechnen ist. In einer Urkunde (FIRA III 120) findet sich die Klausel quos ei reddere debet sine ulla controversia. Dies erinnert an das a)/ neu pa/ shj u(perqe/sewj kai\ eu(rhsilogi/aj aus P. Oxy VII 1039 oder an das a)/ neu di/khj kai\ kri/sewj kai\ pa/ shj eu(rhsilogi/aj aus BGU II 637. Zu einer a)nuperqe/twj-Klausel (confestim) siehe gerade eben zu D. 16,3,24.
b) Aus römischen Urkunden und Vertragsformularen kennen wir eine mit der a) nupo/logon-Klausel vergleichbare Klausel nicht. Auch die Quellen enthalten keine Hinweise auf die Vereinbarung eines Aufrechnungsausschlusses; in der Pandektistik hielt man es für selbstverständlich, dass der Schuldner auf die Einrede der Aufrechnung verzichten konnte und dies schon bei Forderungsbegründung vereinbart werden konnte986. Hier war vorgeschlagen worden, dass im römischen Recht eine compensatio ausgeschlossen war, wenn der Verwahrer die Sache noch hatte987. Nun betreffen die Paratheken, bei denen sich die Klausel findet, nur Geldparatheken; dies würde eine Frage nach dem vereinbarten Aufrechnungsausschluss beim 982 Dies hat Simon, Quasi-PARAKATAQHKH, eindrücklich gezeigt (SZ 82, 39 ff.). Zustimmend etwa Pieler, Offene Verwahrung 800. Auch die Paratheke des syrisch-römischen Rechtsbuches hat nichts mit dem römischen depositum zu tun (Selb / Kaufhold, Rechtsbuch III 235). 983 Rupprecht, Einführung 121; Montevecchi, Papirologia 229 f.; Pieler, Offene Verwahrung 800. 984 Vgl. Roth, Untersuchungen 2; siehe aber auch Kastner, Zivilrechtliche Verwahrung 3, und die Urkundenübersicht Kastners a. a. O. 86 ff. 985 Vgl. zu diesem Problem zuletzt Pieler, Offene Verwahrung 800 ff., der ein römisches Formular (aus Pap. 9 quaest D. 16,3,24) mit einem griechischen (P. Oxy. VII 1039) vergleicht. 986 Quellenbelege werden nicht angeführt, vgl. Windscheid, Pandektenrecht II7, § 350, 7f, S. 303 f. Fn. 29; Dernburg, Pandekten II5, § 63, S. 178 m.Fn. 11; Dernburg, Geschichte der Kompensation2 505 ff. 987 Siehe oben § 18 I.
402
4. Kap., 5. Abschn.: Berücksichtigung der Rechte des Verwahrers
depositum irregulare bedeuten. Doch ist das depositum irregulare nicht Thema dieser Arbeit988. c) Es stellt sich für uns stattdessen die Frage, ob im römischen Recht die Parteien die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts, dessen Existenz wir aufgrund von Coll. 10,2,6 annehmen989, durch Vereinbarung ausschließen konnten. Auch wenn es für eine solche Vereinbarung beim depositum keine Belege gibt990, dürfte dies anzunehmen sein. Statt einer replicatio doli (oder pacti) des Hinterlegers gegen eine exceptio doli des Verwahrers wird man bei der actio in factum concepta das dolo malo redditam non esse bejaht haben, wenn der Verwahrer abredewidrig sich auf ein Zurückbehaltungsrecht berief; bei der actio in ius concepta wird man dies nach der bona fides bemessen haben. Zum Recht der Papyri kann man fragen, ob die a) nupo/logon panto\j u(polo/gou-Klausel auch eine Zurückbehaltung ausschloss. Da die Klausel nur bei Geldparatheken vorkommt, war unter Annahme, es habe sich um offene Gelder gehandelt991, für ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber einer Aufrechnung kein Raum. Wenn es richtig ist, dass die Klausel der Durchsetzung der Praxis-Klausel diente, müsste sie im Übrigen auch ein Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen haben, denn auch dieses hätte eine Vollstreckung gehindert. Erwägenswert wäre zudem, das Zurückbehaltungsrecht wäre durch Klauseln wie a)/ neu pa/ shj u(perqe/sewj oder ähnliche ausgeschlossen gewesen992.
3. Zusammenfassung Zusammenfassend hat sich also gezeigt, dass es in den griechischen Parathekenverträgen Ägyptens Klauseln gibt, die man als vertraglichen Ausschluss von Aufrechnung und Zurückbehaltungsrecht deuten kann. Ob damit eine Rechtsänderung verbunden war, bleibt offen. Für den römischen Bereich haben wir keine Belege für einen solchen vertraglichen Ausschluss von Gegenrechten des Verwahrers; doch ist anzunehmen, dass ein solcher möglich war. 988 Erwähnt sei nur, dass der argentarius, von dem wir uns vorstellen können, dass er Verwahrer von Gelddepositen war, mit compensatio klagen musste, vgl. Kaser, RP I § 151 III, S. 645; Lenel, EP3 256. 989 Vgl. oben § 18 IV 1. 990 Vgl. aber G. 4,126a: Item si argentarius pretium rei, quae in auctionem venerit, persequatur, obicitur ei exceptio, ut ita demum emptor damnetur, si ei res quam emerit tradita est; et est iusta exceptio. sed si in auctione praedictum est, ne ante emptori res traderetur, quam si pretium solverit, replicatione tali argentarius adiuvatur: aut si praedictum est, ne aliter emptori res traderetur, quam si pretium emptor solverit. Der Käufer hat gegen die Stipulationsklage des argentarius auf den Kaufpreis die exceptio mercis non traditae (Lenel, EP3 503 ff.; Kaser, RP I, § 128 II 3, S. 541). Das kann man als ein Zurückbehaltungsrecht deuten, auch wenn hier die Übergabe der Sache von einem Dritten, dem Verkäufer, abhängen sollte. Durch eine praedictio, die der Käufer durch Teilnahme an der Auktion akzeptiert, kann dieses Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen werden. 991 Brassloff, Zur Geschichte 367 m.Fn. 1, schlußfolgert das aus der a)ki/ndunon-Klausel. 992 Siehe schon oben unter 1c.
5. Kapitel
Exkurs In diesem Kapitel sollen in drei Paragraphen Einzelfragen vertieft werden, die sich aus den vorstehenden Untersuchungen ergeben haben.
§ 19 Zur eadem res bei der actio depositi Einige Stellen hatten Anlass zur Frage gegeben, inwieweit der Hinterleger gegen den Verwahrer die actio depositi erneut erheben konnte, wann also zwei Klagen Klagen über eadem res waren.
I. Paulus 18 ed D. 16,3,20 Wir hatten gesehen (§ 12 III), dass bei der reivindicatio ein Wechselspiel zwischen den Fragen bestand, ob der Besitz zum Zeitpunkt der litiscontestatio vorliegen musste, damit der Beklagte passivlegitimiert war, und ob dem Kläger eine zweite Klage möglich war, wenn der Beklagte nach litiscontestatio, aber vor dem Urteilszeitpunkt den Besitz erlangte. Die Frage würde bezogen auf die actio depositi in factum concepta also lauten, ob dem Hinterleger eine zweite Klage möglich war, wenn sich der dolus des Verwahrers erst nach der litiscontestatio einer ersten Klage ereignete, aber vor dem Urteilszeitpunkt. Eine andere Frage ist, ob dem Hinterleger ein Zweitprozess möglich ist, wenn sich der dolus erst nach dem Urteilszeitpunkt des Erstprozesses ereignet. Dafür spricht zwar, dass der dolus sich dann im Erstprozess gar nicht berücksichtigen ließ. Doch ist die Zulässigkeit einer zweiten Klage nicht selbstverständlich, wenn man an das Institut der plurispetitio und an die Tatsache denkt, dass die actio depositi infamierend ist.
Dafür könnte zunächst sprechen Paulus 18 ed D. 16,3,201: Si sine dolo malo rem depositam tibi2 amiseris, nec depositi teneris3 nec cavere4 debes, si deprehenderis eam reddi: si tamen ad te iterum pervenerit, depositi teneris.
1 Die Stelle ist wenig behandelt. Zu erwähnen ist einerseits Lenels Versuch der Einordnung in die Palingenesie (EP3 154 f.) unter die Rubrik In bonae fidei iudiciis quando praescribatur.
404
5. Kap.: Exkurs
Der Verwahrer hat die hinterlegte Sache ohne dolus verloren und kann sie daher nicht zurückgeben. Er haftet nicht aus der actio depositi, muss auch nicht versprechen, dass er die Sache zurückgeben werde, wenn diese erneut an ihn gelangen sollte. Kommt die Sache aber wieder zu ihm, haftet er aus der actio depositi. Dabei Pellecchi, La praescriptio, behandelt die Stelle nicht (wie auch die anderen von Lenel a. a. O. angegebenen Stellen nicht). Andererseits ist zu erwähnen Giomaro, „Cautiones iudiciales“ 66 ff.; dazu die Rez. Proveras, S. 498 f., SDHI 49. 2 Anstoß erregt die Verbindung von deponere mit dem Dativ tibi, denn deponere wird nicht mit dem Dativ konstruiert, sondern mit apud (De Ruggiero, Depositum, BIDR 19, 39 ff., 42f.). Lenel nimmt daher an, Paulus habe geschrieben depositam vel commodatam tibi (Lenel, EP3 155 Fn. 3), die Kompilatoren hätten also bei der Versetzung des Fragments aus dem Originalzusammenhang bei Paulus in den Titel über das depositum in ihrer Kompilation das dann nicht mehr passende commodatum gestrichen, die Konstruktion von deponere mit dem Dativ aber beibehalten (Die Verbindung von deponere mit Dativ deutet als Gräzismus De Ruggiero, a. a. O. 44 Fn. 1, wobei er den Inhalt des Textes für echt hält. Die Kompilatoren hätten den Text aber beim Exzerpieren gekürzt und überarbeitet.). Eine andere Möglichkeit könnte darin liegen, tibi auf amittere zu beziehen und als Dativus ethicus zu deuten. Nach Noordraven (Fiduzia 61) ist in Ulp. 43 Sab D. 27,3,5 der Ausdruck si tutor rem sibi depositam a patre pupilli vel commodatam non reddat eine Interpolation für si tutor rem sibi fiduciae datam a patre pupilli non reddat. In PS. 2,5,1 (Creditor si simpliciter sibi pignus depositum distrahere velit, ter ante denuntiare debitori suo debet, ut pignus luat, ne a se distrahatur) meint pignus depositum das Faustpfand und hat mit dem klassischen depositum nichts zu tun. 3 Die Nichthaftung und das Nichtleistenmüssen einer Kaution sind parallel aufgefasst; das Leisten einer Sicherheit ist nicht als Inhalt der Haftung aus der actio depositi gedacht, wie sich dies etwa findet in Ulp. 31 ed D. 17,1,8,10 (non teneberis nisi ad hoc, ut caveas, si in potestatem tuam pervenerit, te restituturum) und Ulp. Ulp. 24 ed D. 10,4,5,6 (tenebitur, ut caveat se exhibiturum). Dies verwundert und kann eigentlich auch nicht richtig sein. Der Zwang zur Abgabe einer Kaution kann doch nur daher rühren, dass der Verwahrer bei Nichtabgabe einer Kaution verurteilt würde; dass er also aus der actio depositi haftet. Zudem ist es doch banal, dass der Verwahrer, der die Sache ohne dolus verloren hat, höchstens insoweit haftet, dass er eine cautio abzugeben hat. Sympathisch ist daher die Lesart von Pb, die das nec depositi teneris streicht, vgl. Mommsen, Editio maior I 475. 4 Unklar ist hier, wie anderswo, ob an eine Sicherheitsleistung mit Bürgenstellung gedacht ist. Der Ausdruck cautio bzw. cavere ist nicht eindeutig (Heumann / Seckel s.v., 61 f.), immerhin wird der eindeutige Ausdruck satisdare nicht verwendet, vgl. Paulus 12 ed D. 2,8,6 (cautum vel satisdatum est) und Alfenus 6 dig D. 6,1,57 (caveret vel satisdaret). Auch dem justinianischen Sprachgebrauch dürfte die Auffassung als Kaution ohne Bürgenstellung entsprechen, Iust. C. 6,38,3. Der Sinn im Fordern einer Kaution liegt also nicht in einer Sicherung des Hinterlegers gegen eine künftige Insolvenz des Verwahrers. Vielmehr soll durch diese Kaution festgestellt werden, dass ein depositum bestand, der Verwahrer also aus diesem prinzipiell zur Rückgabe verpflichtet ist. Gegen die Klage aus der Kaution kann sich der Verwahrer nicht mehr damit verteidigen, es habe kein depositum vorgelegen. Eine andere Funktion der cautio könnte darin liegen, dass dadurch der Ausschluss einer zweiten Klage über eadem res für den Hinterleger verhindert wird. Der Hinterleger würde im zweiten Prozess nicht mehr mit der actio depositi vorgehen, sondern mit der Klage aus der Stipulation (Giomaro, „Cautiones iudiciales“ 69). Doch ist zweifelhaft, ob hier die Gefahr des Ausschlusses eines Zweitprozesses nicht schon durch eine praescriptio gebannt wird, siehe dazu sogleich im Text.
§ 19 Zur eadem res bei der actio depositi
405
entsprechen sich die Grundtatbestände von Ulp. 30 ed D. 16,3,1,215 und Paulus 18 ed D. 16,3,20: Man vergleiche si res deposita sine dolo malo amissa sit et post iudicium acceptum reciperaretur (D. 16,3,1,21) mit si sine dolo malo rem depositam tibi amiseris, si tamen ad te iterum pervenerit (D. 16,3,20). Der Unterschied besteht darin, dass in der ersten Stelle D. 16,3,1,21 aus dem Zusammenhang klar ist, dass die Wiedererlangung nach der litis contestatio und noch vor dem Urteilszeitpunkt erfolgt, während für die zweite Stelle der Zeitpunkt der Wiedererlangung unklar ist6. In der Paulusstelle heißt es, der Verwahrer hafte, wenn die Sache wieder an den Verwahrer gelangt, nachdem dieser ohne dolus die hinterlegte Sache verloren hatte. Was lässt sich dieser Stelle nun über die Möglichkeit eines zweiten Prozesses entnehmen, wenn der Verwahrer erst nach litiscontestatio des Erstprozesses dolos handelt? (1) Zunächst scheidet freilich die Erklärung aus, es gehe um die Möglichkeit eines zweiten Prozesses, die Sache gelange vor dem Urteilszeitpunkt des Erstprozesses an den Verwahrer, Paulus lehne anders als Neraz in D. 16,3,1,21 eine Verurteilung ab und lasse eine erneute Klage zu, weil er als Spätsabinianer7 der Meinung der Sabinianer folge, dass wie bei reivindicatio und actio ad exhibendum der nach-
Als Wortlaut für eine cautio kämen zwei Varianten in Betracht, je nachdem, ob man die Beschränkung der Haftung auf den dolus in den Wortlaut aufnehmen will. Die cautio könnte lauten: Si deprehenderis mensam argenteam, eam rem mihi reddi spondesne? oder: Si deprehenderis mensam argenteam eamque dolo malo non reddas, quanti ea res erit, tantam pecuniam mihi dari spondesne? Man kann sich fragen, wie sich eine solche cautio unterscheiden würde von einer Stipulation, die der Verwahrer bei Vertragsschluss zur Bekräftigung seiner Rückgabeverpflichtung abgibt. Die Quellenlage zu einem solchen depositum cum stipulatione ist dürftig. 5 Ulp. 30 ed D. 16,3,1,21: Inde scribit Neratius, si res deposita sine dolo malo amissa sit et post iudicium acceptum reciperaretur, nihilo minus recte ad restitutionem reum compelli nec debere absolvi, nisi restituat. idem Neratius ait, quamvis tunc tecum depositi actum sit, cum restituendi facultatem non habeas horreis forte clusis, tamen, si ante condemnationem restituendi facultatem habeas, condemnandum te nisi restituas, quia res apud te est: tunc enim quaerendum, an dolo malo feceris, cum rem non habes. Zu dieser Stelle siehe ausführlicher § 12. 6 Zu welchem Zeitpunkt der Verwahrer die Sache wiedererlangt hat, hängt davon ab, ob es in der Stelle überhaupt um die Möglichkeit eines zweiten Prozesses geht und ob Paulus der Lehre des Neraz aus D. 16,3,1,21 folgt. Nimmt man beides an, dann muss die Sache nach dem Urteil des ersten Prozesses wieder an den Verwahrer gekommen sein, denn andernfalls wäre eine Verurteilung bei Nichtrückgabe erfolgt; die Frage einer cautio hätte sich nicht gestellt. Meint man, es gehe gar nicht um das Problem, ob ein zweiter Prozess möglich sei, dann stellt sich auch nicht die Frage nach dem zeitlichen Verhältnis von Urteilszeitpunkt im Erstprozess und Wiedererlangung. Folgte Paulus hingegen nicht der Lehre des Neraz, dann mag die Wiedererlangung auch schon vor dem Urteilszeitpunkt erfolgt sein, nur dass eben eine Verurteilung scheiterte, da kein dolus zum Zeitpunkt der litis contestatio vorlag. 7 Dass Paulus Spätsabinianer gewesen sei, meint etwa Behrends, Der gute Glaube 19.
406
5. Kap.: Exkurs
trägliche Besitzerwerb eine alia res schaffe. Denn Paulus selbst folgte hinsichtlich der reivindicatio der Meinung des Proculus8. (2) Ein zweiter Erklärungsansatz könnte sich aus der Beachtung der Palingenesie ergeben. Die Stelle stammt aus dem 18. Buch9. Nach Lenel10 erörtere Paulus in dieser Stelle die actio depositi in ius concepta, denn die Stelle stamme aus dem Abschnitt, in dem Paulus die Ediktsrubrik In bonae fidei iudiciis quando praescribatur behandelt habe. Der Jurist habe die Frage beantwortet, ob mit der Präskription ea res agatur de cautione praestanda geklagt werden könne oder noch gar nicht11. War dies die Fragestellung, dann ist die Antwort des Paulus, dass eine Klage weder mit praescriptio noch ohne praescriptio erfolgreich sei. Der Verwahrer muss keine entsprechende cautio abgeben. Die Entscheidung ist auffällig, wenn man die Stelle mit Quellen vergleicht, in denen die Pflicht, eine solche cautio abzugeben, bejaht wurde, etwa Ulp. 31 ed D. 17,1,8,1012. Der Beauftragte hat entsprechend dem Auftrag einen Sklaven gekauft, dieser ist dann aber dem Beauftragten entflohen, ohne dass ihm dolus oder culpa vorzuwerfen ist. Der Beauftragte haftet dann insoweit, dass er dem Auftraggeber Sicherheit dafür leisten muss, dass er den Sklaven herausgibt, wenn der Sklave wieder in die Gewalt des Beauftragten gelangt13. Vgl. Paulus 21 ed D. 6,1,27,1. Von dieser Schreibung des Codex Florentinus ist auszugehen, bis sich eine überzeugende Einordnung an anderer Stelle findet. Zu den anderen Handschriften siehe Mommsen, Editio Maior I 475. Zu prüfen wären danach Paulus 19 und Ulpian 19. Paulus 16 scheidet aus, da das 16. Buch von Paulus nach der BK-Ordnung vor das 17. Buch von Ulpian und damit vor die lex 19 gehörte. Die Annahme von Paulus 31 wäre willkürlich; Paulus 31 gehörte zur Sabinusmasse und damit zur lex 13. 10 Lenel, EP3 154 f. Die Existenz einer solchen Rubrik, oder zumindest die Tatsache, dass die Juristen in den Ediktskommentaren an entsprechender Stelle Präskriptionen in bonae fidei iudicia erörtert haben, wird dabei vor allem durch vier Stellen aus Ulpians 23. Buch ad edictum gestützt, vgl. Lenel a. a. O. 11 Lenel, EP3 155. 12 Ulp. 31 ed D. 17,1,8,10: proinde si tibi mandavi, ut hominem emeres, tuque emisti, teneberis mihi, ut restituas. sed et si dolo emere neglexisti (forte enim pecunia accepta alii cessisti ut emeret) aut si lata culpa (forte si gratia ductus passus es alium emere), teneberis. sed et si servus quem emisti fugit, si quidem dolo tuo, teneberis, si dolus non intervenit nec culpa, non teneberis nisi ad hoc, ut caveas, si in potestatem tuam pervenerit, te restituturum. sed et si restituas, et tradere debes. et si cautum est de evictione vel potes desiderare, ut tibi caveatur, puto sufficere, si mihi hac actione cedas, ut procuratorem me in rem meam facias, nec amplius praestes quam consecuturus sis. Die Stelle ist vieldiskutiert, gerade in Hinsicht auf den Haftungsmaßstab beim Mandat, und dem Interpolationsverdacht ausgesetzt gewesen (vgl. Kaser, RP I § 134 V 2, S. 579 Fn. 32 und Ind.Itp.). Bezüglich der hier interessierenden Frage der cautio ist die Stelle aber echt (vgl. Kaser / Hackl, § 48, S. 338 Fn. 30). 13 Diese unterschiedliche Behandlung von depositum und mandatum ist um so mehr auffällig, weil depositum und mandatum zwei in Teilen sehr ähnliche Verträge sind (Zu dieser ganzen Frage siehe Haedicke, Depositum und Mandat). Eigentlich ließe sich jedes depositum auch als ein Mandat auffassen, bei dem der Beauftragte die hingegebene Sache bewachen muss. Die römischen Juristen beschäftigen sich in der Tat ausführlich mit der Abgrenzung zwischen beiden Vertragstypen (D. 16,3,1,11 – 14, D. 17,1,8pr.), teilweise lassen sie offen, welcher von beiden Vertragstypen vorliegt oder vorliegen könnte, vgl. D. 3,5,31,1 (in ähnli8 9
§ 19 Zur eadem res bei der actio depositi
407
Diese Pflicht des Beauftragten zur Abgabe einer cautio ergibt sich aus dem Vorliegen eines Mandatsverhältnisses, das dazu führt, dass die Beziehungen zwischen den Parteien umfassend durch die bona fides geordnet sind, und der bona fides entspricht es, mögliche zukünftige Ansprüche schon in der Gegenwart durch eine cautio zu sichern14. Mehrere Erklärungen, warum der Verwahrer anders als der Beauftragte keine cautio abgeben muss, sind denkbar. Man könnte daran denken, dass in D. 16,3,20 die formula in factum concepta in Rede steht, so dass kein Verhältnis der bona fides gegeben ist15. Dann liegen die Voraussetzungen einer Verurteilung nicht vor, da es am dolo malo redditam non esse fehlt16.
cher Situation gab Papinian die actio depositi, D. 16,3,25pr.), D. 23,3,9,3 (et si custodia marito committitur, depositi vel mandati agi poterit), D. 4,3,9,3 (actio depositi sequestraria und actio mandati). 14 Die Pflicht zur Abgabe einer cautio begründen mit der bona fides Paulus 6 Sab D. 17,2,38pr. und Papinian 11 quaestionum D. 5,1,41. Nach Kaser sei aber in der letzten Stelle der Bezug auf alle bonae fidei iudicia erst durch die Kompilatoren bei der Versetzung des Fragments aus dem Dotalrecht (vgl. Lenel, P I, Papinian 834) in den allgemeinen Titel De iudiciis hergestellt worden. Zudem ergebe sich die Pflicht hier nicht aus der bona fides, sondern aus dem Inhalt der Pflicht zum reddere (Kaser, actio rei uxoriae 534, RIDA 2). Der Richter habe zur Verhütung des Anspruchsverlusts durch Konsumption dem Beklagten die Kaution auferlegt (ähnlich Beseler, Miscellanea 254 Fn. 1, SZ 45, für den die Pflicht zur Abgabe der Kaution aber aus der bona fides folgt). Gegen diese Ansicht spricht allerdings, dass der Kläger ja hier gerade mit dem Ziel klagt, eine cautio zu erlangen (ad interponendam cautionem). Wenn man daher davon ausgeht, dass der Kläger hier, wie von Lenel für D. 16,3,20 vermutet, mit praescriptio geklagt hat, kann der Klageverlust durch Konsumption nicht das Problem gewesen sein. Zudem ist die Versetzung des Fragments aus dem speziellen Titel über die actio rei uxoriae zum allgemeineren De iudiciis plausibler, wenn die Kompilatoren die Verallgemeinerung bei Papinian schon vorfanden. Damit kann die Pflicht zur Abgabe einer cautio doch mit dem bona-fides-Charakter der actio rei uxoriae zusammenhängen. Zu D. 5,1,41 siehe Söllner, Actio rei uxoriae 87 f. Der Ehemann hatte nach Auflösung der Ehe vertretbare Sachen in drei Jahresraten herauszugeben, für erst künftig fällig werdende Raten konnte ihm eine Kaution auferlegt werden (Kaser, RP I § 81 III 2, S. 340, vgl. auch Ulpian 33 ed D. 24,3,24,2), wenn zu befürchten war, dass sich seine Vermögensverhältnisse verschlechtern konnten (Partsch, Griech. Bürgschaftsrecht 275 Fn. 4). Doch besteht bei D. 17,2,38pr. und D. 5,1,41 ein Unterschied zu D. 17,1,8,10: In D. 5,1,41 geht es um eine erst in Zukunft fällig werdende Leistung; in D. 17,2,38pr. steht im Urteilszeitpunkt schon fest, dass die Socii zum Ausgleich von Schäden und Gewinnen verpflichtet sind, doch lassen sich diese noch nicht ermitteln (vgl. auch D. 17,2,27 u. D. 10,3,16). In D. 17,1,8,10 ist es hingegen ungewiss, ob jemals der Sklave wieder an den Beauftragten gelangt und dieser daher jemals zur Herausgabe verpflichtet sein wird. 15 Ein anderer Erklärungsversuch geht davon aus, dass der Verwahrer nur für dolus haftet, der Beauftragte auch für culpa (Accursius, Glosse nec cavere; Faber, Rationalia 365). Ein weiterer Unterschied zwischen beiden Stellen besteht darin, dass der Beauftragte Eigentümer des Sklaven ist (es liegt eine indirekte Stellvertretung vor), nicht aber der Verwahrer. Daher ist es wahrscheinlicher, dass der Sklave wieder an den Beauftragten gelangt als die verwahrte Sache an den Verwahrer; eine Sicherheitsleistung für den Auftraggeber ist wichtiger als für den Hinterleger, der zudem selbst die Vindikation gegen den Besitzer hat. – Weiterhin hat der Verwahrer die Sache vom Hinterleger erhalten, der Beauftragte aber den Sklaven von einem Dritten (Zu einem Fall, in dem der Beauftragte Sachen, Urkunden, vom Auftraggeber erhalten hat, siehe 31 ed D. 17,1,8pr.).
408
5. Kap.: Exkurs
In unserem Fall könnte das heißen: Klagt der Hinterleger mit der praescriptio de cautione praestanda und verliert den Prozess, dann könnte eine zweite Klage auf Rückgabe der Sache deshalb möglich sein, weil die praescriptio des Erstprozesses eine Konsumption hinsichtlich des Klagezieles der Sachrückgabe verhindert habe17. (3) Eine dritte Erklärung könnte sein, dass in der Nerazstelle der Besitzerwerb vor dem Urteilszeitpunkt erfolgt, bei Paulus nach dem Urteil. Dass nämlich die Wiedererlangung des Besitzes nach dem Freispruch eine alia res schaffte, könnte man für die actio ad exhibendum aus Ulp. 80 ed D. 44,2,18 entnehmen18. (4) Die vierte Erklärung ist die einfachste und scheint daher die beste zu sein: Paulus behandelt gar nicht die Frage eines zweiten Prozesses, sondern spricht einfach davon, wann eine Klage begründet ist. Und dies ist die actio depositi erst, wenn die Sache wieder an den Verwahrer gelangt ist. Für diese Erklärung spricht, dass in der Stelle keine Rede von einem Erstprozess ist. Paulus spricht nur von tenere. Das ist aber vor allem eine materielle Aussage: Der Verwahrer hafte nicht. Es lässt sich daraus kein Hinweis auf einen Freispruch entnehmen. Paulus sagt also nicht zum Richter, er solle freisprechen, sondern zum Hinterleger, er solle gar nicht erst klagen19. Für unsere Frage, ob ein dolus des Verwahrers nach litiscontestatio eine alia res geschaffen hätte, so dass der Hinterleger hätte erneut klagen können, lässt sich also unserer Stelle nichts entnehmen. Sie gehört damit auch nicht zur in § 12 erörterten Lehre des Neraz.
16 Das unterscheidet die zu erörternde Stelle von anderen, in denen der Beklagte eine cautio abgeben muss, weil die Verurteilungsvoraussetzungen vorliegen. In Ulp. 24 ed D. 10,4,5,6 war dem mit der actio ad exhibendum Beklagten der Sklave vor litiscontestatio (Marrone, Actio ad exhibendum 381 Fn. 297) entflohen. Der Beklagte haftet, doch ist seine Haftung darauf beschränkt, dass er die cautio de exhibendo leistet. Der Beklagte haftet, weil alle Voraussetzungen der Formel erfüllt sind, insbesondere ist er Besitzer des entflohenen Sklaven (zum Besitz an einem entflohenen Sklaven siehe Marrone, Actio ad exhibendum 380; Klingenberg, Ersitzung 248 m.Fn. 37), weil er aber zur tatsächlichen Herausgabe nicht imstande ist, wird der Judex dem Beklagten nur die Abgabe der cautio aufgeben: leistet er diese, wird der Beklagte nicht verurteilt. Der Unterschied zu D. 16,3,20 liegt also in der Tat darin, dass hier die Verurteilungsvoraussetzungen vorliegen, dort nicht (zu solchen Arbiträrklagen siehe I. 4,17,2 – 3 und Kaser / Hackl, § 48 III, S. 338 m.Fn. 29). Auch in Ulp. 22 Sab D. 30,47,2 liegen aufgrund des bestehenden Damnationslegats (Kaser, RP I § 118 III 1, S. 506 Fn. 21) die Verurteilungsvoraussetzungen eigentlich vor (siehe Kaser / Hackl, § 48 mit Fn. 30). 17 Vgl. G. 4,131a: Der Käufer, der sich vorbehalten will, später auf die Einräumung des Besitzes klagen zu können, muss mit der Vorschaltung ea res agatur de fundo mancipando klagen. 18 Siehe dazu oben § 12 III. 19 Anderer Ansicht ohne Begründung Provera, Rez. Giomaro 498, SDHI 49.
§ 19 Zur eadem res bei der actio depositi
409
II. Paulus 31 ed D. 44,2,22 Quellen zur Frage der eadem res beim depositum gibt es nur wenige. Neben Gordian C. 4,34,420 ist vielleicht vor allem aufschlussreich Paulus 3121 ed D. 44,2,2222, 23: Si cum uno herede depositi actum sit, tamen et cum ceteris heredibus recte agetur nec exceptio rei iudicatae eis proderit: nam etsi eadem quaestio in omnibus iudiciis vertitur, tamen personarum mutatio, cum quibus singulis suo nomine agitur, aliam atque aliam rem facit. et si actum sit cum herede de dolo defuncti, deinde de dolo heredis ageretur, exceptio rei iudicatae non nocebit, quia de alia re agitur.
Paulus erörtert zur actio depositi, wann eine eadem res vorliegt, wann also eine zweite Klage unzulässig ist. Er tut dies an zwei Fällen; in beiden geht es um Klagen 20 Gordian C. 4,34,4: Si deposita pecunia is qui eam suscepit usus est, non dubium est etiam usuras debere praestare. sed si, cum depositi actione expertus es, tantummodo sortis facta condemnatio est, ultra non potes propter usuras experiri: non enim duae sunt actiones alia sortis alia usurarum, sed una, ex qua condemnatione facta iterata actio rei iudicatae exceptione repellitur. Hat der Verwahrer das hinterlegte Geld gebraucht, schuldet er Zinsen. Wird der Verwahrer aus der actio depositi nur in Höhe des hinterlegten Kapitals verurteilt, kann der Hinterleger nicht noch einmal wegen der Zinsen klagen. Die exceptio rei iudicatae stehe nach Gordian entgegen. 21 Im 31. Buch behandelt Paulus auch das depositum, vgl. D. 16,3,13; die Stelle wird also aus der Erörterung des depositum stammen, nicht aus der Behandlung der exceptio rei iudicatae vel in iudicium deductae. Dass die Stelle zur Behandlung der fiducia gehöre, ist bisher noch nicht vorgeschlagen worden. Siehe für alle nur Lenel, P I Paulus 480, Sp. 1027. 22 Beseler, Beiträge zur Kritik II 147, schlägt ohne Begründung die Ersetzung von [quaestio] durch vor. Kerr Wylie, Solidarity 115, der sich nur mit dem zweiten Fall beschäftigt, will ergänzen exceptio rei iudicatae non nocebit. Dieser Vorschlag dürfte richtig sein, vgl. nur Lenel, EP3 506 ff.; Kaser / Hackl, § 43 I 2, S. 302 m.Fnn. 6 – 9. 23 Die Stelle gehört zur Lehre von der Konsumtion, erfolge sie ipso iure oder ope exeptionis. Die Stelle gehört aber auch zur Lehre von der Mehrheit von Erben des Verwahrers und wird auch zur Lehre von der Mehrheit von Verwahrern herangezogen. Hier soll nur die erste Frage interessieren. Literatur: Litewski, Studien 16; Kerr Wylie, Solidarity 115 f.; Levy, Konkurrenz I, beschäftigt sich 61 f. mit der Frage, ob und warum die klassischen Juristen von der exceptio rei iudicatae auch da reden, wo zivile Konsumption zu erwarten wäre. Ders. a. a. O. 95 Fn. 4. Noch immer lesenswert Keller, Über litis contestation 357 f., 538 ff. Knütel, Mehrfacher Verfall 151 Fn. 66, weist darauf hin, dass schon das Edikt (Ulp. 30 ed D. 16,3,1,1) zwischen dem dolus des Erblassers und des Erben unterschieden habe. Das Edikt trifft die Unterscheidung in der uns überlieferten Gestalt aber nur hinsichtlich der Notverwahrung. Dies war wegen der Haftung des Dolosen auf das duplum erforderlich. Hinsichtlich der einfachen Verwahrung spricht das Edikt in der uns überlieferten Fassung die Erbenhaftung nicht einmal aus. Wie sich im Text zeigen wird, ist die von Paulus angesprochene Unterscheidung auch nur bei Erbenmehrheit erforderlich. Burillo, Las formulas 267, wertet die Stelle als Hinweis auf die Kumulierbarkeit, wenn jeder Erbe selbst dolos gehandelt hat und überträgt dies auch auf die Mehrheit von Verwahrern. Dagegen etwa Evans-Jones, Penal characteristics 138 f. Siehe ferner Evans-Jones a. a. O. 156 f., der der Stelle einen Beleg für die Haftung des Erben aus der actio depositi in factum concepta entnimmt.
410
5. Kap.: Exkurs
gegen einen Erben des Verwahrers. Das rechtstechnische Mittel, an dem nach Paulus eine zweite Klage scheitern könnte, ist die exceptio rei iudicatae. Das könnte auf die actio depositi in factum concepta hindeuten, weil bei der actio depositi in ius concepta eigentlich mit einer ipso-iure-Kompensation zu rechnen wäre24. Ein Bezug auf die actio in factum concepta ist auch möglich, weil in dieser Arbeit davon ausgegangen wird, dass bei der actio depositi in factum concepta der Erbe des Verwahrers aus dieser Klage haftete25.
1. Der erste Fall von D. 44,2,22 Im ersten Fall behandelt Paulus den Fall der Erbenmehrheit. Ist gegen den einen Erben bereits geklagt worden, kann man auch gegen den zweiten Erben klagen, denn obwohl es im Zweitprozess um dieselbe Frage geht, schaffe doch der Personenwechsel eine alia res26. 24 Nun träte ipso-iure-Konsumption bei der actio depositi in ius concepta aber nicht immer ein, sondern nur bei einem iudicium legitimum (vgl. G. 4,106 – 107). Schon das könnte Paulus dazu bringen, auch im Hinblick auf die actio depositi in ius concepta von einer exceptio rei iudicatae zu sprechen (ebenso Levy, Konkurrenz I 62 f.). Zudem ist zu fragen, ob sich hinter der Rede von einer exceptio rei iudicatae nicht, jedenfalls in späterer Zeit, auch vor allem eine materielle Redeweise verbirgt, die vom Ergebnis spricht, aber nicht mehr in jedem Fall genau nach dem Mittel fragt. Denn hinzu kommt ein weiteres: Ist zwischen den Parteien strittig, ob eadem res vorliegt, etwa weil unklar ist, was Gegenstand des früheren Prozesses war, dann mochte der Prätor den Fall nicht selbst entscheiden können oder wollen, sondern an den Judex überweisen. Hierbei bot aber auch bei ipso-iure-Konsumption die exceptio das geeignete Mittel, den Judex darauf hinzuweisen, dass diese Frage zu prüfen war (zur Frage Kaser / Hackl, § 43 I 2, S. 303 m.Fn. 14). Entlang anderer Linien läuft das Argument, die ipso-iure-Konsumption beruhe bei der actio depositi in ius concepta nicht nach der Lehre des Gaius in G. 4,107 darauf, dass es sich um eine Klage mit ziviler intentio in einem iudicium legitimum handele, sondern auf der bona fides. Nach diesem Argument würde dann also die ipso-iure-Konsumption auch in einem iudicium imperio continens eintreten. Die Diskussion wird unter dem Titel geführt, ob die exceptio rei iudicatae den bonae fidei iudicia inhärent gewesen sei (dafür z. B. Biondi, Iudicia bonae fidei 38 ff.; Evans-Jones, Penal characteristics 157; dagegen die wohl h.M., etwa Knütel, Inhärenz der exceptio pacti 154, Fn. 98, SZ 84 (1967)). Man wird dies trotz Gaius 18 edpr D. 50,17,57, der ins Vermächtnisrecht gehört (Lenel, P I Gaius 310 ff., Sp. 226 f.), verneinen müssen. Das Verbot einer zweiten Klage fußt auf anderen Grundlagen als der bonae fides. So ist es doch die Frage, ob es wirklich der bona fides entspricht, dass ein Kläger nicht noch einmal klagen darf, wenn er den Erstprozess zu Unrecht verloren hat, weil ihm damals noch nicht Beweismittel zur Verfügung standen. Man könnte sogar sagen, dass die bona fides sich gegen jedes Klageverbot wendet, weil für das Klageverbot Gesichtspunkte einer formalen Gerechtigkeit sprechen, die bona fides aber auf materielle Gerechtigkeit drängt (ähnlich Knütel a. a. O.). 25 Siehe dazu oben § 10. Ein Argument für die Bejahung der Erbenhaftung ist dabei eben unsere Stelle (vgl. etwa Evans-Jones, Penal characteristics 157). 26 Eisele, Exceptio rei iudicatae 28 f., SZ 21, sieht einen Widerspruch darin, dass in der Stelle von der exceptio rei iudicatae, nicht von der exceptio rei in iudicium deductae gesprochen werde, gleichzeitig aber keine Rede von einem Urteil sei, sondern immer nur von einem agere gesprochen werden. Eisele geht es in der Auseinandersetzung gegen Lenel um die Frage
§ 19 Zur eadem res bei der actio depositi
411
Die Stelle sagt etwas Banales27 (oder sie enthält eine wichtige Aussage). Wie man Paulus 17 ed D. 16,3,9 und Jul. 2 ex Minicio D. 16,3,10 entnehmen kann, ist die Unterscheidung grundlegend, ob der Verwahrer oder der Erbe des Verwahrers dolos gehandelt hat. Nimmt man an, dass Paulus an den Fall eines dolus des Verwahrers denkt, so haftet jeder Erbe nur in Höhe seiner Erbquote. Daher muss es dem Hinterleger möglich sein, jeden Erben zu verklagen; die Aussage wäre also banal. Dafür, dass Paulus nur die Konstellation des dolus des Verwahrers im Auge hat28, spricht, dass es bei allen Klagen gegen die verschiedenen Erben um dieselbe Frage geht (eadem quaestio in omnibus iudiciis vertitur)29. Hat der Verwahrer nicht dolos gehandelt und geht es um einen dolus der Erben, dann wäre die Aussage, dass der Hinterleger, nachdem er im ersten Prozess den dolus des einen Erben nicht nachweisen konnte, nun gegen den anderen Erben klagen kann, wiederum banal. Die Aussage ließe sich aber auch so verstehen, und dann wäre sie nicht banal, dass der Hinterleger, nachdem er gegen den ersten dolosen Erben gewonnen hat und den vollen Sachwert
der Einheitlichkeit der exceptio rei iudicatae vel in iudicium deductae. Diese Frage kann hier nicht untersucht werden; es wird einfach der Meinung Lenels (die wohl die herrschende ist) gefolgt und von der Einheitlichkeit dieser exceptio ausgegangen (zur Frage siehe nur Eisele a. a. O. 1 ff.; Lenel, EP3 506 ff.; Kaser / Hackl, § 43 I 2, S. 302 m.Fn. 6 – 9) Wir wollen zu Eiseles Beobachtung nur folgendes bemerken: War die exceptio eine einheitliche, dann mag es sich einfach um ein Kurzzitat der vollständigen exceptio handeln (zumindest hätte Justinian das vel in iudicium deductae gestrichen, vgl. Kaser / Hackl, § 94 II 1, S. 615 m.Fn. 11). Dass ein Urteil erfolgt ist, wird man sich zudem dazu denken dürfen, denn dass nach Einsetzung das Urteil erfolgt, ist das Selbstverständliche. Paulus mag es zudem um die Frage eines Zweitprozesses sowohl nach als auch vor dem Urteil gegangen sein. Dass Paulus von agere spricht, hat den Grund, dass die Möglichkeit einer Zweitklage gerade davon abhängt, dass der Hinterleger durch Formelwahl und -gestaltung den Streitgegenstand des Erstprozesses beschränkt, siehe dazu im Text. 27 Banales ist in einem Ediktskommentar, wenn überhaupt irgendwo, nicht Fehl am Platz. Dass der Vorwurf der Banalität gegen einen Text aus einem Ediktskommentar nicht hält, meint auch Litewski, Studien 10. 28 Dass es nur um den Fall des dolus des Verwahrers geht, meint auch Litewski, Studien 16: Dolus der Erben sei eine Ausnahmesituation, die Paulus ausdrücklich erwähnen würde. Auch Evans-Jones, Penal characteristics 138: Die Einleitung des zweiten Falls (et si actum sit cum herede de dolo defuncti, deinde de dolo heredis ageretur) zeige, dass der erste Fall nur den dolus des Verwahrers erfassen sollte. 29 Keller, Über litis contestation 358, weist darauf hin, dass im Falle des dolus des Verwahrers bei der formula in factum concepta die intentio bei den Klagen gegen die einzelnen Erben gleich gelautet hätte. Die Formel könnte gelautet haben: Si paret Aulum Agerium apud Gaius Seium mensam argenteam deposuisse eamque dolo malo Gai Sei Aulo Agerio redditam non esse, quanti ea res erit, ex qua parte Numerius Negidius heres Gai Sei est, tantam pecuniam, iudex, Numerium Negidium Aulo Agerio condemnato, s.n.p.a. Dabei ist Gaius Seius der verstorbene Verwahrer. Zur Begründung der Formel siehe sogleich im Text. Ginge es um den dolus des einzelnen Erben, würde schon die intentio die Worte eamque dolo malo Numerii Negidii enthalten und wäre also schon die intentio und damit die quaestio der jeweiligen Klagen verschieden.
412
5. Kap.: Exkurs
erlangt hat, nun auch gegen einen zweiten dolosen Erben klagen kann, um erneut den vollen Sachwert zu erlangen30.
2. Der zweite Fall von D. 44,2,22 Im zweiten Fall kann man sogar gegen denselben Erben zweimal klagen, wenn es im Erstprozess um den dolus des Erblassers ging, im Zweitprozess aber um den dolus des Erben selbst gehen soll. Es liege auch ohne Personenwechsel eine alia res vor. Auch der zweite Fall ist ein Fall der Erbenmehrheit. Das ergibt sich zum einen aus dem Anschluss mit „et si“; zum anderen aber auch daraus, dass, wie sich zeigen wird, die Unterscheidung, ob der Verwahrer oder dessen Erbe dolos gehandelt hat, nur bei Erbenmehrheit relevant war, wenn nicht der Sonderfall eines depositum miserabile vorlag31.
a) Die Gefahr der plurispetitio Warum klagt der Hinterleger gegen den Erben überhaupt zweimal und nicht einmal mit einer Klage, die sowohl den dolus des Erblassers als auch den dolus des Erben erfasst?32 Hier soll vorgeschlagen werden, dass sich für den Hinterleger die Gefahr der plurispetitio stellte, der er nur durch eine unterschiedliche Formelgestaltung begegnen konnte. Hinter dem zweiten von Paulus erörterten Fall mag folgender Fall stehen: Der Hinterleger klagte gegen einen von zwei Miterben ex dolo defuncti. Besteht hier die Gefahr einer plurispetitio? Überlegen wir: Dass grundsätzlich die Gefahr einer plu30 So versteht die Stelle Burillo, Las formulas 267. Aber wie gesagt, eine Kumulierbarkeit könnte man dem ersten Fall der Stelle nur entnehmen, wenn er nicht ausschließlich vom dolus des Verwahrers handelte, sondern auch vom Eigendolus des Erben. Dies ist aber nicht wahrscheinlich. Burillos Argumentation überzeugt auch deshalb nicht, weil er die Kumulierbarkeit der actio depositi in factum concepta gegen mehrere Erben nicht aus den Quellen gewinnt, sondern aus einem postulierten Deliktscharakter ableitet. So hält er auch Ulp. 30 ed D. 16,3,1,43 für interpoliert (a. a. O. 265 f.). Gegen Burillo auch überzeugend Evans-Jones, Penal characteristics 138 f. 31 Hat der Verwahrer nur einen Erben, haftet dieser Erbe auch bei dolus des Verwahrers in solidum (Ulp. 30 ed D. 16,3,7,1), während der Miterbe nur bei eigenem dolus in solidum haftet (Jul. 2 Min D. 16,3,10). Hatte der Verwahrer nur einen Erben, konnte der Hinterleger wohl mit einer Klage sowohl den Fall des dolus des Erblassers als auch des Erben erfassen, siehe dazu den Formelvorschlag a. E. 32 Es dürfte hier nicht um einen Fall gehen, in dem sich der dolus des Erben erst nach dem Erstprozess ereignet hat, denn das wäre nur unvollkommen ausgedrückt. Paulus geht es doch anscheinend um einen Fall, in dem der klagende Hinterleger das Prozessthema des Erstprozesses beschränkt (actum sit de dolo defuncti), obwohl er von vornherein auch wegen des dolus des Erben hätte klagen können. Denkbar ist etwa ein Fall, in dem die hinterlegte Sache verkauft wurde und die Frage ist, von wem.
§ 19 Zur eadem res bei der actio depositi
413
rispetitio wegen des Grundsatzes nomina ipso iure divisa besteht, ist in den Quellen bezeugt33. Hat der Kläger dem Erblasser 10.000 als Darlehen gegeben, darf der Kläger gegen den einen von zwei Miterben nur 5.000 in die intentio si paret dare oportere aufnehmen; denn nur in dieser Höhe belastet die nunmehr geteilte Darlehensforderung den Erben.
b) Keine Gefahr der plurispetitio bei der actio in ius concepta Klagt der Hinterleger mit der actio depositi in ius concepta, dürfte die Gefahr einer plurispetitio wegen der intentio incerta nach G. 4,54 nicht bestanden haben; der Hinterleger konnte gegen den Erben stets mit derselben Formel klagen, sei es, dass der Erbe ein Alleinerbe oder ein Miterbe war; sei es, dass der Erblasser oder der Erbe dolos gehandelt hatte34. Dass aber Paulus ausdrücklich von de dolo defuncti und de dolo heredis agere spricht, müsste wohl bei einer Klage mit formula in ius concepta bedeuten, dass mit praescriptio geklagt wird. Denn eine Klage mit dieser Formel setzt voraus, dass die Hinterlegung einen zivilen Vertrag begründet, in dessen Pflichten der Erbe eintritt, so dass mit einer Klage sowohl Verletzungen Vgl. Call. 2 edmon D. 11,1,1pr.; zur Stelle siehe nur Spengler, Interrogatio 21 f. Die Formel dürfte gelautet haben (Gaius Seius sei der Verwahrer, Numerius Negidius einer der beiden Miterben): Quod Aulus Agerius apud Gaius Seium mensam argenteam deposuit, qua de re agitur, quidquid ob eam rem Numerium Negidium Aulo Agerio dare facere oportet ex fide bona, eius iudex, Numerium Negidium Aulo Agerio condemnato. si non paret, absolvito (vgl. Keller, Über litis contestation 538 f.). Die Erbenstellung braucht nicht eigens ausgedrückt zu werden (anders Keller, a. a. O. 539 Fn. 12); den zivilen Erben Numerius Negidius trifft das oportere; der zivilrechtliche Satz nomina ipso iure divisa ist ebenfalls im oportere enthalten. Dass die Formel der Klage gegen den Erben in der Tat so einfach war und einfach den Erben in intentio und condemnatio nannte, können wir der Formel der Klage des bonorum possessor entnehmen. Gaius berichtet uns in G. 4,34, dass dieser mit der Fiktion, er sei ziviler Erbe, klagte und bringt ein Zitat der intentio (tum si pareret Numerium Negidium Aulo Agerio sestertium x milia dare oportere). War der Beklagte also der Erbe, lautete die intentio demnach einfach auf den Erben. In der demonstratio musste es aber bei der Person des Erblassers bleiben. Auf die Gefahr einer plurispetitio nach den Grundsätzen von G. 4,60 wegen der Infamiefolge einer Verurteilung aus der actio depositi muss nicht eingegangen werden, da keine Zuvielangabe in der demonstratio vorliegt. Anders Keller (Über litis contestation 538 f.). Obiger Formelentwurf habe nur den dolus des Erblassers umfasst. Das quidquid ob eam rem habe auf die demonstratio und damit auf die in dieser angegebene Handlung des Erblassers verwiesen. Damit habe die Formel nur die vom Erblasser auf den Erben gekommene Verpflichtung enthalten. Eine praescriptio sei nicht notwendig gewesen. Die Formel der zweiten Klage habe wegen des dolus des Erben den Zusatz vel si quid dolo malo Numerii Negidii captus fraudatusque actor est gehabt. Dies leuchtet nicht ein. Hintergrund der zivilen actio depositi ist, dass den Verwahrer eine auf den Erben übergehende vertragliche Rückgabeverpflichtung trifft, ebenso wie der Erbe des Verkäufers zur Übergabe der Kaufsache verpflichtet ist. Die demonstratio verweist insofern nicht auf eine Handlung des Verwahrers, sie nennt ja etwa auch nicht einen dolus des Verwahrers; die demonstratio benennt vielmehr nur einen zugrundeliegenden Schuldgrund. Ebenso gegen Keller auch Bekker, Prozessualische Konsumtion 253 f. 33 34
414
5. Kap.: Exkurs
des Verwahrers als auch dessen Erben erfasst werden. Da, wie gerade gesehen, bei Anstellung dieser Klage keine Gefahr einer plurispetitio bestand, würde nicht recht einleuchten, warum der Hinterleger überhaupt seine Klage auf die Frage des dolus des Erblassers beschränken sollte35. Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass Paulus nur von der actio depositi in factum concepta handelt.
c) Die Gefahr der plurispetitio bei der actio in factum concepta Bei der actio depositi in factum concepta könnte die Formel bei der Klage des Hinterlegers gegen den einen Miterben bei dolus des Erblassers gelautet haben, wenn man Gaius Seius als den verstorbenen Verwahrer nimmt: Si paret Aulum Agerium apud Gaius Seium mensam argenteam deposuisse eamque dolo malo Gai Sei Aulo Agerio redditam non esse, quanti ea res erit, ex qua parte Numerius Negidius heres Gai Sei est36, tantam pecuniam, iudex, Numerium Negidium Aulo Agerio condemnato, s.n.p.a.37
Der Formelvorschlag begründet sich wie folgt: Die Formel bringt zum Ausdruck, dass der Hinterleger de dolo defuncti klagt. Man könnte sagen, dass dies von D. 44,2,22 und von D. 16,3,9 gefordert wird. Wenn nach D. 44,2,22 die Klage de dolo defuncti einen anderen Streitgegenstand als die Klage de dolo heredis bedeuten soll, dann muss dies schon im Formelwortlaut zum Ausdruck kommen. Zwar lässt sich aus der Formel nicht immer ablesen, was genau Streitgegenstand ist38. Aber da nach G. 4,47 die formula in factum concepta die Person, der der dolus vorgeworfen wird, benennt, muss sich bei der Klage de dolo defuncti und de dolo heredis die Formel insoweit unterscheiden. Hier würde die übliche condemnatio quanti ea res erit bedeuten, dass der Miterbe auf den Sachwert des Tisches verurteilt würde. Das wäre aber wohl keine plurispetitio im technischen Sinne, weil die intentio, wenn man den Bedingungssatz bei der formula in factum concepta so nennen will, wohl richtig formuliert ist und auch 35 Ein Grund, dass das Prozessthema auf den dolus des Erblassers beschränkt werden soll, könnte darin liegen, für den Erben die Gefahr der Infamie auszuschließen. Siehe dazu den folgenden § 20. 36 Bei diesem Vorschlag kommt es also nicht darauf an, dass der Hinterleger in der Formel die Quote genau angibt. Würde man dies für notwendig halten, könnte die condemnatio z. B. lauten: … quanti ea res erit, tantae pecuniae dimidiam partam, iudex … Auf die bestimmte Quote könnte der Hinterleger den Erben dann eben durch eine entsprechende interrogatio festlegen, siehe nur Spengler, Studien zur Interrogatio in iure. 37 So auch Kerr Wylie, Solidarity 116. Die Klage verhindere eine weitere Klage wegen dolus des Erben nicht, weil die Klage ausdrücklich nur den dolus des Verwahrers benenne. Ähnlich auch die Formelvorschläge Levys, Konkurrenz I 95 Fn. 4. 38 Standardbeispiel ist der Fall, in dem der Kläger dem Beklagten ein mutuum über 1.000 gewährt hat und sich aus einem anderen Grund 1.000 durch Stipulation hat versprechen lassen. Die intentio der condictio gibt hier keinen Aufschluss darüber, welche 1.000 eingeklagt sein sollen. Zu dieser Frage zuletzt etwa Babusiaux, Id quod actum est 12 ff.
§ 19 Zur eadem res bei der actio depositi
415
kaum anders formuliert werden könnte. Eine überhöhte Verurteilung lässt sich aber auch durch einen Zusatz in der condemnatio verhindern, wie wir aus den Ausführungen des Gaius zur deductio des bonorum emptor wissen39. Entsprechend wird hier für die Formel ein Zusatz in der condemnatio vorgeschlagen. Diesen Erstprozess hatte der Hinterleger verloren, vielleicht weil er keinen dolus des verstorbenen Verwahrers beweisen konnte. Die Formel des Zweitprozesses mag die Formel haben: Si paret Aulum Agerium apud Gaius Seium mensam argenteam deposuisse eamque dolo malo Numerii Negidii Aulo Agerio redditam non esse, quanti ea res erit, tantam pecuniam, iudex, Numerium Negidium Aulo Agerio condemnato, s.n.p.a.
Auf die Angabe der Erbenstellung des Numerius Negidius wurde verzichtet, weil die Nichtrückgabe nur dann dolos sein kann, wenn er als Erbe zur Rückgabe verpflichtet ist. Auch in dieser Formel wird der dolus des Numerius Negidius ausdrücklich als Streitgegenstand benannt. Die condemnatio ist die normale, denn der Beklagte soll in den vollen Sachwert verurteilt werden. Nach Paulus wird die alia res hier dadurch geschaffen, dass es jeweils um den dolus einer anderen Person geht40. Die res wird also nicht bestimmt durch die Tatsache der Hinterlegung als ein den Vertrag begründender Umstand, aus dem Verwahrer und dessen Erbe in gleicher Weise verpflichtet werden. Insofern kann man der Stelle den deliktischen Charakter der actio depositi in factum concepta, um die es sich folglich handeln muss, entnehmen. Im zweiten Fall, der von der formula in factum concepta handelt, muss sich also der Hinterleger bei Erbenmehrheit überlegen, ob er wegen eines dolus des Erblassers klagen will oder wegen eines dolus des einen Miterben und seine Formel entsprechend anpassen.
3. Zusammenfassung Fassen wir zusammen, so dürfte davon auszugehen sein, dass der zweite Fall von D. 44,2,22 von der actio depositi in factum concepta handelt, weil nur bei dieser Klage im Falle der Erbenmehrheit der Hinterleger seine Klage anders gestalten musste, je nachdem ob der Erblasser oder dessen Erbe dolos gehandelt hatte, weil die Verurteilungssumme sich unterschied. Bei der actio depositi in ius concepta war
Vgl. G. 4,65 u. 68. Hat der Verwahrer nur einen Erben, konnte der Hinterleger vielleicht auch mit einer Formel sowohl den Fall des dolus des Erblassers als auch des Erben erfassen (… eamque dolo malo Gai Sei vel Numerii Negidii Aulo Agerio redditam non esse …). Hatte der Verwahrer aber mehrere Erben, musste wohl mit zwei Formeln geklagt werden, da für den Fall des dolus des Erblassers bei der Klage gegen den einen Erben die condemnatio die Beschränkung auf die Erbquote enthalten musste. 39 40
416
5. Kap.: Exkurs
diese Unterscheidung nicht notwendig, da die condemnatio unbestimmt auf die intentio zurückverwies, deren quidquid dare facere oportet ex fide bona sowohl die Haftung des dolosen Erben in solidum als auch den Satz nomina ipso iure divisa bei dolus des Erblassers enthielt. Für die Frage, ob ein dolus des Verwahrers nach litiscontestatio eine alia res schaffe, ließ sich der Stelle hingegen nichts entnehmen.
III. Paulus 31 ed D. 16,3,13pr. Wie Paulus 18 ed D. 16,3,20 dürfte auch Paulus 31 ed D. 16,3,13pr. nicht von der Möglichkeit eines zweiten Prozesses handeln. Nimmt man dieses aber an, dann zeigt D. 16,3,13pr., dass der dolus des Verwahrers eine alia res schafft, wenn er sich nach der Beendigung des ersten Prozesses ereignet41.
§ 20 Zur Festlegung des Prozessthemas bei der Klage gegen den Erben des Verwahrers Wir hatten soeben in § 19 II gesehen, dass bei der actio depositi in factum concepta im Falle der Erbenmehrheit die Formelgestaltung davon abhängig war, ob der Erblasser oder der Erbe dolos gehandelt hatte. Doch konnte bei Klagen gegen den Erben des Verwahrers es sich auch aus anderen Gründen als vorteilhaft erweisen, durch Gestaltung der Prozessformel zum Ausdruck zu bringen, ob wegen eines dolus des Erben oder eines dolus des Erblassers geklagt wurde.
I. Kennzeichnung der Infamiefolgen: Ulp. 6 ed D. 3,2,6,6 Der erste Grund lag in der Infamiegefahr für den Erben. Dass der Erbe des Verwahrers nämlich zuweilen infam wurde, sagt42 Ulp. 6 ed D. 3,2,6,643, 44: Illud plane addendum est, quod interdum et heres suo nomine damnatur et ideo infamis fit45, si in deposito46 vel in mandato male versatus sit: non tamen Siehe dazu § 13 II. Auf D. 3,2,6,6, weist im Zusammenhang mit D. 44,2,22 auch Sacconi, Obbligazioni solidali 70 f. Fn. 51, hin. 43 Albertario, Variazioni di responsabilità 18, BIDR 25, hält in deposito für interpoliert, zum einen, weil der Ausdruck in deposito stets interpoliert sei. Das ist aber nicht der Fall, vgl. dazu die entsprechenden Ausführungen zu D. 16,3,32 in § 11 II 3a. Das Argument Albertarios, der Ausdruck müsse unecht sein, weil Ulpian in § 5 nur das mandatum behandelt habe, 41 42
§ 20 Zur Festlegung des Prozessthemas
417
in tutela vel pro socio heres suo nomine damnari potest, quia heres neque in tutelam neque in societatem succedit, sed tantum in aes alienum defuncti.
Ulpian behandelt die Frage, ob der Erbe infam wird und untersucht dies für das mandatum, das depositum, die societas und die tutela. Dies ist stimmig, denn diese vier vertraglichen oder jedenfalls nichtdeliktischen Verhältnisse werden auch im Edikt in D. 3,2,147 aufgeführt und finden sich auch in G. 4,18248. Die Kommentierung knüpft an das suo nomine des Edikts an49; in gleicher Weise war Ulpian in D. 3,2,6,2 auch schon bei der Kommentierung des suo nomine für die deliktischen infamierenden Verhältnisse auf den Erben des Diebes gekommen. Ulpian sagt, dass zuweilen der Erbe des Verwahrers infam wird, wenn er suo nomine verurteilt wird. In materieller Hinsicht ist dies einleuchtend. Wie gesehen, ist bei der Erbenhaftung die Frage entscheidend, ob der Verwahrer oder der Erbe selbst dolos gehandelt hat. Bei Erbenmehrheit haftet der Erbe nur dann auf das Ganze, wenn er selbst dolos gehandelt hat50. Bei eigenem dolus steht der Erbe also wie ein Verwahrer51. Besonders schlagend ist insoweit die Aussage des Ediktes in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,1, dass bei der Notverwahrung der Erbe bei eigenem dolus sogar auf das duplum haftet. Dass insoweit der Erbe die Pönalität erleiden muss,
ist nicht überzeugend. Im § 6 beginnt Ulpian eben ein neues Thema und erörtert dort auch die Vormundschaft und die Gesellschaft. Kaser, Infamia und ignominia 247 Fn. 118, meint, die Stelle sei stark zerrüttet und habe von der fiducia gehandelt. 44 Die Literatur zur Stelle befasst sich vor allem mit dem mandatum. Schulz, Interpolationenkritische Studien 18 f., hält in der Stelle nur das depositum, nicht das mandatum für echt, denn nur bei depositum und fiducia ging das Rechtsverhältnis auf den Erben über, so dass der Erbe aus eigenem Unrecht mit infamierender Wirkung verurteilt werden konnte. Das mandatum sei aber nicht auf den Erben übergegangen. Schulz erklärt sich die Aufnahme des mandatum so, dass die Kompilatoren bei der Streichung der fiducia dafür das mandatum eingefügt hätten. 45 Der Ausdruck et ideo infamis est sei nach Kaser, Infamia und ignominia 247 Fn. 118, und wohl auch Beseler, Miszellen 458, unecht. Inhaltlich ändert das nichts, denn die Infamiefolge ergibt sich schon aus der Bejahung des suo nomine. 46 Die Wendung in deposito ist nicht verdächtig, siehe die Bemerkungen zu D. 16,3,32 in § 11 II 3a. Dass eine Infamie des Erben, der wegen des eigenen dolus verurteilt wird, wahrscheinlich ist, weil er beim depositum miserabile auch auf das duplum haftet, wird im Text ausgeführt werden. 47 Dass die Stelle nicht, wie die Inskription angibt, von Julian stammt, sondern aus dem 6. Buch des Ediktskommentars Ulpians, ist nicht zu bezweifeln (Lenel, P II, Ulpian 277, Sp. 441 Fn. 3). Zum Edikt selbst (das wegen G. 4,182 (…nec tamen ulla parte edicti id ipsum nominatim exprimitur, ut aliquis ignominiosus esset …) nicht unproblematisch ist) siehe Lenel, EP3 77 ff. 48 Dort kommt die fiducia hinzu. 49 Vgl. Schulz, Interpolationenkritische Studien 18. 50 Vgl. Paulus 17 ed D. 16,3,9. 51 Vgl. auch das ac si ipsi servandam suscepissent in Marcellus 5 (6) dig D. 16,3,22.
418
5. Kap.: Exkurs
passt dazu, dass er bei der Verurteilung wegen eigenen dolus auch infam wird. Die Stelle wird also inhaltlich, so weit sie das depositum betrifft, echt sein.52. Es ist nun ein Gebot der Rechtssicherheit, dass der Erbe und die Rechtsgenossen wissen, ob der Erbe infam ist. Insofern ist es wünschenswert, dass irgendwie erkennbar ist, ob der Erbe wegen eines eigenen dolus oder wegen eines dolus des Erblassers verurteilt wurde. Die Frage ist dabei nicht so sehr, ob auch die Römer dasselbe Bedürfnis nach Rechtssicherheit verspürten. Immerhin lauten bei ihnen die Aussagen schlicht dahin, dass der damnatus infam sei53. Wenn also allein die Tatsache, dass jemand ein damnatus ist, dessen Infamie begründet, ohne dass noch nach anderen Tatsachen zu differenzieren ist, dann muss also der infame Erbe des Verwahrers auch ein in besonderer Weise qualifizierter damnatus sein. Auch Ulpians Wendung in D. 3,2,6,6, der Erbe des Verwahrers werde infam, wenn er suo nomine verurteilt sei, deutet auf eine spezielle Form der Verurteilung hin. Woran zeigt sich aber nun, dass der Erbe suo nomine verurteilt worden ist?54 (1) Eine erste Möglichkeit liegt darin, dass dies am Wortlaut der Formel zu erkennen ist. Dass Ulpian nicht wie Paulus in 17 ed D. 16,3,9 von einer Verurteilung des Erben ex suo delicto spricht, sondern von einer Verurteilung suo nomine, hat seinen Grund darin, dass das Edikt in D. 3,2,1 auch von einer Verurteilung suo nomine spricht. Dabei kommt es jedenfalls nicht darauf an, wer in der condemnatio genannt ist; der Prozessvertreter klagt und wird verklagt alieno nomine, auch wenn er in der condemnatio genannt wird55. Man wird aus G. 4,86 sogar ableiten können, dass entscheidend die Frage ist, wer in der intentio genannt wird (… intentionem quidem ex persona domini sumit …)56.
52 Zum genaueren Verständnis wäre die Behandlung der anderen drei Verhältnisse zu hinterfragen. Das kann hier nicht geschehen, es seien nur die Probleme angedeutet: Die societas wird durch den Tod eines Gesellschafters aufgelöst (dazu Platschek, Studien 19 ff.); stirbt der Tutor, wird nicht dessen Erbe tutor, vgl. Kaser, RP I § 87 VI, S. 363 Fn. 28. Doch kann das als Erklärung nicht genügen. Auch das Mandat endet grundsätzlich mit dem Tode des Beauftragen, vgl. Kaser, RP § 134 III, S. 578. Wenn das nur res integra gelten sollte, dann ist festzuhalten, dass auch der Erbe des socius gehalten ist, begonnene Geschäfte zu Ende zu führen (Pomp. 17 Sab D. 17,2,40: in quibus dolus eius admitti potest. Warum wird der Erbe hier nicht bei eigenem dolus infam?). Dass die societas mit dem Tod eines Gesellschafters ende, weil jeder Gesellschafter sich eine besondere Person aussuche, der er Vertrauen schenke, kann nicht restlos befriedigen, weil dies auch der Hinterleger tut (etwa Ulp. 30 ed D. 16,3,1,4; vgl. auch Gaius 2 aur. D. 44,7,1,5). Die Fragen sollen hier dahinstehen, weil die Aussage des Ulpian für das depositum richtig sein wird. 53 Vgl. G. 4,182; D. 3,2,1. 54 Ulpian sagt, der Erbe werde „interdum“ suo nomine verurteilt. Dass wird wohl nicht die Verurteilung bei depositum und mandatum im Gegensatz zur tutela und zur societas meinen, sondern vielmehr, dass es auch beim depositum Fälle gibt, in denen der Erbe suo nomine verurteilt wird, als auch Fälle, in denen er alieno nomine verurteilt wird. 55 Vgl. G. 4,86.
§ 20 Zur Festlegung des Prozessthemas
419
Nun haben wir oben in § 19 II gesehen, dass wahrscheinlich die formula in factum concepta, wenn sie gegen den Erben wegen dolus des Erblassers ging, in der intentio in der Tat den Erben nicht nannte; dies vielmehr nur tat, wenn der Hinterleger wegen dolus des Erben klagte. Wie war es aber bei der formula in ius concepta? Oben war in § 19 II vermutet worden, dass die demonstratio den Verwahrer benannte, die intentio den Erben57, und zwar unabhängig davon, ob wegen dolus des Erben oder des Verwahrers geklagt wurde, ob es eine Erbenmehrheit gab oder nur einen Alleinerben. Wie oben gesehen, konnte der Hinterleger auch kein Interesse an der Vorschaltung einer praescriptio (ea res agatur de dolo defuncti / de dolo heredis) haben. Bei einer Verurteilung wäre danach mal der Erbe infam geworden, mal nicht, und das bei gleichlautender Formel. Es wäre schwierig, sich vorzustellen, dass bei derselben Formel der actio depositi der beklagte Erbe des Verwahrers mal infam wird und mal nicht, je nachdem, ob der Judex ihn verurteilt wegen eines dolus des Verwahrers oder wegen eines eigenen dolus. Denn aus der Tatsache der Verurteilung allein ließe sich das nicht entnehmen. Ein ähnliches Problem58 hat zuletzt Nörr59 zur lex Irnitana untersucht. Der aus der actio mandati Beklagte soll nach der lex Irnitana (c. 84 IXB 9 – 1060) nur dann infam werden, wenn er wegen dolus verurteilt wird. Die Formel der actio mandati enthält aber keinen Hinweis auf einen dolus, sondern hat die gewöhnliche intentio eines bonae fidei iudicium. Die Klausel neque pro socio aut fiduciae aut mandati quod dolo malo factum esse dicatur der lex Irnitana weist durch das dicatur darauf hin, dass der Kläger das Nichtvorliegen des dolus schon in iure vortragen musste, um in Irni klagen zu können61; damit konnte die Formel noch angepasst werden. Denkbar wäre dann die Vorschaltung einer praescriptio ea res agatur de dolo gewesen62.
56 Zur Frage, ob der Beklagte auch alieno nomine verurteilt wird, wenn er zwar in der intentio genannt ist, aber nicht in der demonstratio eines bonae fidei iudicium, siehe weiter im Text. 57 Der obige Formelvorschlag lautete: Quod Aulus Agerius apud Gaius Seium mensam argenteam deposuit, qua de re agitur, quidquid ob eam rem Numerium Negidium Aulo Agerio dare facere oportet ex fide bona, eius iudex, Numerium Negidium Aulo Agerio condemnato, s. n.p.a. 58 Der tutor suspectus wurde nur infam, wenn er wegen eines dolus aus seinem Amt entfernt wurde (Diocl. C. 5,43,9; I. 1,26,6). Doch stellten sich dabei vergleichbare Fragen nicht, weil die accusatio tutoris im Kognitionsverfahren erfolgte (Kaser, RP I § 88 I, S. 363 m. Fn. 4). 59 Nörr, Lex Irnitana 1 ff., SZ 124 (2007). 60 Lex Irnitana c. 84 IXB 9 – 10: neque pro socio aut fiduciae aut mandati quod dolo malo factum esse dicatur“. 61 Nörr, Lex Irnitana 1. 62 Zum Vorgehen mit praescriptio vgl. Nörr, Lex Irnitana 20 f. (auch zu anderen Möglichkeiten).
420
5. Kap.: Exkurs
Übertragen auf das depositum könnte das Szenario wie folgt sein: Der Hinterleger will den Erben verklagen; dieser drängt auf die Vorschaltung einer praescriptio ea res agatur de dolo defuncti, um für sich die Folgen der Infamie abzuwenden63. Der Hinterleger könnte sich dann darauf einlassen, weil dieselbe praescriptio eine Konsumtion hinsichtlich des dolus des Erben verhindern würde64. Er könnte dann insoweit immer noch klagen. Der Kläger in Irni mag mit der Vorschaltung der praescriptio auch deshalb einverstanden sein, weil er so den Erben des Verwahrers in Irni verklagen kann65. Nun stellt sich aber bei dieser Lösung die Frage, wieso bei der actio tutelae und der actio pro socio der Erbe nicht suo nomine verurteilt wird, da er doch in diesen Klagen auch in der intentio genannt wird. Eine Erklärungsmöglichkeit liegt darin, die Verurteilung suo nomine auch materiell zu verstehen. Der Erbe wird zwar in der intentio genannt, aus materiellen Gründen ist aber klar, dass die Verurteilung nicht wegen eines Treueverstoßes des Beklagten erfolgte, weil durch den Tod des Erblassers die societas und die tutela erlosch und der Erbe nicht in die tutela oder societas einrückte, sondern nur in das Abrechnungsverhältnis. Gegen den Erben des socius und tutor wird die normale Klage gegeben, die den Erben in der intentio nennt. Der Erbe wird aber aus materiellen Gründen nicht infam, so dass in der Formel nicht unterschieden werden muss, ob wegen eines dolus des Erben oder des Erblassers geklagt und verurteilt wird. Bei der Klage gegen den Erben des Verwahrers besteht sowohl die Möglichkeit, dass der Erbe aus eigenen dolus verurteilt wird und infam wird, als auch dass er wegen eines dolus des Verwahrers verurteilt wird und nicht infam wird. Bei der formula in ius concepta ist daher die Klage durch eine praescriptio entsprechend abzuwandeln.
(2) Als zweite Möglichkeit, festzustellen, ob der Erbe des Verwahrers suo nomine verurteilt wurde, kommt eine interlocutio in Frage. Nörr66 weist auf die Möglichkeit einer entsprechenden interlocutio im Kognitionsverfahren hin und verweist auf Ulp. 6 ed D. 48,19,3267. Der Richter könnte also durch interlocutio bekannt gegeben haben, dass er einen dolus des Erben festgestellt habe und daher den Beklagten suo nomine verurteile. (3) Eine dritte Möglichkeit, zu erkennen, dass der Erbe des Verwahrers suo nomine verurteilt wurde, liegt darin, dass der Judex den Hinterleger zum Schätzungs63 Aber würde ein Erbe in Rom das tun mit der Folge, dass bei einer Verurteilung jeder wüsste, dass dann eben der Erblasser infam gehandelt haben musste? Immerhin gestatteten die Römer es, die Infamiefolgen abzuwenden, indem man einen Vertreter (einen Freigelassenen) den Prozess auf sich nehmen ließ. 64 Siehe dazu oben § 19 I zu D. 16,3,20. 65 Denn auch die Zuständigkeit des Gerichtsbeamten hing davon ob, ob der Beklagte infam wurde oder nicht, siehe dazu sogleich im Text. 66 Nörr, Lex Irnitana 23 m.Fn. 91. 67 Ulp. 6 ed D. 48,19,32: Si praeses vel iudex ita interlocutus sit ‚vim fecisti‘, si quidem ex interdicto, non erit notatus nec poena legis Iuliae sequetur: si vero ex crimine, aliud est. quid si non distinxerit praeses, utrum Iulia publicorum an Iulia privatorum? tunc ex crimine erit aestimandum. sed si utriusque legis crimina obiecta sunt, mitior lex, id est privatorum erit sequenda. Die Stelle betrifft von Hause die Infamie (vgl. Lenel, P II ULpian 276, Sp. 440).
§ 20 Zur Festlegung des Prozessthemas
421
eid zulässt; dies wird der Judex nämlich nur tun, wenn der beklagte Erbe selbst contumax ist oder sich die Rückgabe dolos unmöglich gemacht hat68. Die Zulassung zum Schätzungseid hat dann also die Funktion einer interlocutio über den dolus des Beklagten. Einen Hinweis auf den Zusammenhang zwischen Zulassung zum Schätzungseid und der Sichtbarmachung der Tatsache, dass der Erbe suo nomine verurteilt wird, finden wir in Ulp. 36 ed D. 27,7,4pr.69. (4) Zusammenfassung: Als Möglichkeiten, sichtbar zu machen, dass der Erbe wegen eines eigenen dolus verurteilt und damit nach D. 3,2,6,6 infam wird, kommen also eine eigene Formelgestaltung, eine interlocutio und die Zulassung zum Schätzungseid in Betracht. Da auch D. 44,2,22 auf eine andere Formelgestaltung hindeutet, wenn wegen eines dolus des Erben geklagt wird, dürfte die erste Variante vorzugswürdig sein.
II. Zuständigkeit und Infamiekataloge Bei der Klage gegen den Erben konnte eine Formelanpassung ferner geboten sein, wenn der Hinterleger eine bestimmte örtliche Zuständigkeit anstrebte, denn die örtliche Zuständigkeit konnte auch davon abhängen, ob der Erbe wegen des eigenen dolus oder wegen des dolus des Erblassers verklagt wurde. Dies zeigen etwa die lex Irnitana und andere Infamiekataloge70. Dabei zeigen auch diese Infamiekataloge, dass mit der actio depositi der Beklagte sowohl wegen des eigenen als auch wegen eines fremden dolus verklagt werden konnte. Während es in der uns in D. 3,2,1 überlieferten Ediktsfassung heißt qui pro socio, tutelae, mandati, depositi suo nomine non contrario iudicio damnatus erit
68 Siehe Kaser / Hackl, § 48 IV, S. 339 f. Zum Schätzungseid bei doloser Unmöglichmachung der Leistung siehe Paulus 13 Sab D. 6,1,71 und Kaser / Hackl a. a. O. m.Fn. 36. Der Schätzungseid war beim depositum zulässig (Kaser / Hackl, a. a. O. 340 m.Fn. 40). 69 Ulp. 36 ed D. 27,7,4pr.: Cum ostendimus heredem quoque tutelae iudicio posse conveniri, videndum, an etiam proprius eius dolus vel propria administratio veniat in iudicium. et exstat Servii sententia existimantis, si post mortem tutoris heres eius negotia pupilli gerere perseveraverit aut in arca tutoris pupilli pecuniam invenerit et consumpserit vel eam pecuniam quam tutor stipulatus fuerat exegerit, tutelae iudicio eum teneri suo nomine: nam cum permittatur adversus heredem ex proprio dolo iurari in litem, apparet eum iudicio tutelae teneri ex dolo proprio. Der wirkliche oder vermeintliche Widerspruch zu D. 3,2,6,6, d. h. die Frage, warum der wegen des eigenen dolus haftende Erbe, der die Geschäfte des pupillus weiterführt, nicht infam wird, muss hier nicht interessieren. 70 Es wird zulässig sein, die Gesetze miteinander zu vergleichen, auch wenn sie unterschiedliche Aspekte der Infamie betreffen; der Katalog der tabula Heracleensis etwa betrifft den Zugang zu Ämtern, der Katalog des Edikts die Postulationsfähigkeit. Für die jetzt interessierende Frage ist auch das Fehlen des depositum in der tabula Heracleensis unwichtig.
422
5. Kap.: Exkurs
heißt es in der lex Irnitana (cap. 84)71: neque … depositi aut tutelae cum quo qui suo nomine quid earum rerum fecisse dicatur, im Fragmentum Atestinum Z. 1f.72: mandati aut tutelae suo nomine quodve ipse earum rerum quid gessisse dicetur… und in der tabula Heracleensis (lex Iulia municipalis) Z. 110 f.73: … quei furtei quod ipse fecit fecerit condemnatus pactusve est erit queive iudicio fiduciae, pro socio, tutelae, mandatei, iniuriarum deve dolo malo condemnatus est erit …
Nach D. 3,2,1 wird (wie auch in D. 3,2,6,6 erkennbar) der aus der actio depositi Verurteilte nur infam, wenn er suo nomine verurteilt wird. In den Gesetzen, die dem Lokalbeamten die Zuständigkeit für infamierende Klagen entziehen74, führt das dazu, dass der Lokalbeamte die Zuständigkeit behält, wenn der Verurteilte nicht suo nomine verurteilt würde. Nun wird das suo nomine des Edikts in der lex Irnitana durch die Worte quid earum rerum fecisse dicatur und im Fragmentum Atestinum durch die Worte quodve ipse earum rerum quid gessisse dicetur ergänzt75. Damit stellt sich die Frage, ob neben der Verurteilung suo nomine noch das davon unabhängige Element hinzutritt, dass der Beklagte selbst gehandelt hat. Leicht erklärt sich der Unterschied zwischen damnatus und dicatur / dicetur. Im Edikt geht es wie in der tabula Heracleensis direkt um die Infamie als Folge der Verurteilung, die an die damnatio anknüpft; in der lex Irnitana geht es wie im FragGonzáles, The Lex Irnitana 175, IXB Z. 9 ff. Crawford, Roman Statutes I 319. 73 Crawford, Roman Statutes I 367. 74 Zu den Gründen vgl. nur Nörr, Lex Irnitana c. 84, S. 5, SZ 124. 75 Ein Vergleich zwischen den einzelnen Gesetzen und dem Edikt ist nicht unproblematisch. Der in den Digesten überlieferte Text mag verändert sein. Es ist damit zu rechnen, dass die Gesetze nicht denselben Stand von Gesetzgebungskunst aufweisen, anders gesagt: Die Gesetze müssen nicht dieselbe Regelungsdichte und -genauigkeit, nicht denselben Anspruch an sich selbst haben. So bemerkt Crawford, Roman Statutes I 322, anläßlich der Tatsache, dass sich im Fragmentum Atestinum hinter dem quod ein „ve“ befindet, die lex Irnitana sei „much better drafted“. Daraus etwa, dass die tabula Heracleensis bei den vertraglichen Verhältnissen den Zusatz suo nomine nicht hat, wird man nicht entnehmen können, sie habe die Erben oder Prozessvertreter schlechter behandeln wollen als die anderen Gesetze und das Edikt. Andererseits hat die tabula Heracleensis beim furtum den Zusatz quod ipse fecit fecerit, während bei der lex Irnitana ein solcher Zusatz fehlt. Ein Unterschied zwischen der lex Irnitana und dem Fragmentum Atestinum scheint darin zu bestehen, dass die lex Irnitana so konzipiert ist, dass sie die Streitigkeiten grundsätzlich dem lokalen Beamten zuweist, von dieser Zuweisung aber die infamierenden Klagen ausnimmt, es sei denn, es greife wieder die Unterausnahme, dass die Parteien in Irni streiten wollen. Hingegen scheint die tabula Heracleensis so konzipiert zu sein, dass sie die Streitigkeiten bei den infamierenden Klagen dem Lokalbeamten zuweist, wenn der Beklagte den Rechtsstreit in der Stadt führen will. Denn die Konstruktion lautet: ex hac lege nihil rogatur, quo minus ibi de ea re iudex detur quove minus de ea re iudiucium fiat, si is a quo petetur cumve quo agetur de ea re in eo municipio certare volet. 71 72
§ 20 Zur Festlegung des Prozessthemas
423
mentum Atestinum um die Zuständigkeit, die sich nicht aus der Verurteilung ergibt, sondern nur aus der möglichen Verurteilung, die aus dem Klägervortrag (dicatur / dicetur) vorhergesagt werden muss. Damit verbunden ist aber auch ein jeweils anderer Bezugspunkt für das suo nomine. Im Edikt bezieht es sich auf das condemnatus, der Beklagte muss suo nomine verurteilt werden. In der lex Irnitana bezieht es sich auf das fecisse. Der Kläger muss vortragen, dass der zu Verklagende im eigenen Namen etwas getan hat. Das suo nomine bezieht sich demnach nicht einfach auf die Frage, welche Person in der Prozessformel genannt wird, obwohl die Gestaltung der Formel ein Reflex sein kann. Das fecisse könnte sich zum einen auf die Begründung des Verhältnisses beziehen, also auf das Eingehen der societas, der Übernahme des Auftrags oder der hinterlegten Sache, oder auf die die Klage veranlassende Verletzungshandlung. Der Ausdruck qui suo nomine quid earum rerum fecisse dicatur der lex Irnitana dürfte ein einheitlicher Ausdruck sein76, der nichts anderes ausdrücken soll als die Prognose einer Verurteilung suo nomine. Das quid earum fecisse hat keinen eigenen Gehalt, der zudem auch sehr ungenau ausgedrückt wäre. Die Wendung soll nur besagen, dass der Beklagte in seinem eigenen Namen verklagt wird. Das zu depositi und cum quo zu ergänzende Verb ist agetur und findet sich in erst in Zeile 1677. Nun mag dem Gesetzesredakteur das Verb zu suo nomine gefehlt haben; und da er ein agere (convenire) nicht mehr benutzen konnte, griff er zu dem unklaren Ausdruck quid earum rerum facere. Gesagt werden soll damit aber nichts anderes, als dass der als Beklagte in Aussicht Genommene im Falle seiner Verurteilung suo nomine verurteilt werden würde78. 76 So auch Wolf, Iurisdictio Irnitana 43 f. Er deutet die Bestimmung der lex Irnitana so: Die lex Irnitana untergliedere den Katalog der infamierenden Klagen in zwei Gruppen. Bei den Klagen der ersten Gruppe (pro socio, fiduciae, mandati, depositi, tutelae) hafte grundsätzlich auch der Erbe, bei der zweiten Gruppe (ex lege Laetoria, de dolo malo, furti, iniuriarum) hafte der Erbe nicht. Daher habe die lex Irnitana nur bei der ersten Gruppe zwischen dem Erblasser und dem Erben unterscheiden müssen. Da die Rechtsordnung den Erben nicht mit Infamie habe belegen können, sei der duumvir in Irni für die Klagen gegen den Erben zuständig geblieben. Die Wendung qui suo nomine quid earum rerum fecisse dicatur sei ein einheitlicher Ausdruck, der nur den Erben betreffe, nicht einen Vertreter. Diesem Modell fügt Wolf hinzu: Dass das Edikt auch bei den Strafklagen den Vorbehalt suo nomine habe, könne sich daraus erklären, dass die Strafklagen auf den Erben übergingen, wenn der Erblasser erst nach Rechtshängigkeit verstorben war. Die Stelle D. 3,2,6,6 schließlich, bei der der Erbe infam werde, betreffe nicht die Haftung aus der eigentlich gegen den Erblasser gerichteten Klage, sondern betreffe Fälle, in denen das Rechtsverhältnis selbst übergehe. 77 Vgl. Gonzáles, Lex Irnitana 176. Siehe auch die Aufgliederung der Vorschrift bei Wolf, Iurisdictio Irnitana 32. 78 Dass der Ausdruck der lex Irnitana zwei Glieder habe, nämlich suo nomine auf der einen Seite und quid earum rerum fecisse auf der anderen Seite, könnte sich nur aufgrund eines Vergleiches mit dem Fragmentum Atestinum ergeben, weil dieses hinter dem quod die Konjunktion ve hat. So bezog etwa Kübler (Rez. Appleton, Le fragment d’Este, 201 f., SZ 22) im Fragmentum Atestinum das suo nomine auf den Ausschluss des Vertreters und das quodve ipse earum rerum quid gessisse dicetur auf den Erben. Dieses ve bzw. der gesamte Ausdruck hat eine Literatur (vgl. Crawford, Roman Statutes I 321 f.). Hier soll in vereinfachender Durch-
424
5. Kap.: Exkurs
Wollte also der Hinterleger den Erben des Verwahrers in Irni verklagen, so konnte er dies nur tun, wenn es nicht um einen dolus des Erben ging, der Erbe bei Verurteilung nicht infam wurde. Wenn man unterstellt, dass schon aus der Prozessformel sichtbar werden musste, ob der Verurteilte infam wurde oder nicht, bedeutete dies, dass der Hinterleger, der in Irni statt vor dem Statthalter klagen wollte, seine Formel entsprechend anpassen musste79. War der Hinterleger zu dieser Anpassung nicht bereit, wird der Magistrat die Klage in Irni nicht zugelassen haben.
III. Verurteilung auf das duplum: Ulp. 30 ed D. 16,3,1,1 Auch bei der Notverwahrung ergab sich bei der Klage gegen den Erben des Verwahrers die Notwendigkeit, danach zu unterscheiden, ob der Erbe oder der Verwahrer dolos gehandelt hatten, weil die condemnatio nur im letzten Fall auf das duplum lauten musste80. Auch hier kann man das dicetur des von Ulpian zitierten Ediktes so verstehen, der klagende Hinterleger habe beim Prätor vortragen müssen, ob er eine Klage gegen den Erben wegen dessen eigenen dolus oder wegen des dolus des Verwahrers geltend machen wolle. Der Prätor wird dann die Formel mit entsprechender condemnatio erteilt haben81. Auch hier stellte sich dann wieder die Frage nach der Zulässigkeit einer zweiten Klage wegen des dolus einer anderen Person.
IV. Zusammenfassung Wir haben gesehen, dass die Frage, ob der Erbe des Verwahrers oder der Verwahrer selbst dolos gehandelt hat, aus mehreren Gründen relevant war. Bei Erbenmehr-
schlagung des gordischen Knotens einfach behauptet werden, dass die lex Irnitana gegenüber dem fragmentum Atestinum der besser redigierte Gesetzestext ist und das ve im Fragment als überholt zu gelten hat (vgl. Crawford a. a. O. 322). So hat man etwa auch aus dem addicetur der Zeile 2 nie etwas zu machen gewusst (vgl. Crawford a. a. O. 321: ein Fehler für agetur). 79 Mit der actio depositi in factum concepta könnte die Klage gegen einen Alleinerben bei dolus des Verwahrers wie folgt gelautet haben: Si paret Aulum Agerium apud Gaius Seium mensam argenteam deposuisse eamque dolo malo Gai Sei Aulo Agerio redditam non esse, quanti ea res erit, tantam pecuniam, iudex, Numerium Negidium Aulo Agerio condemnato, s.n.p.a. Bei der formula in ius concepta konnte nur durch eine praescriptio deutlich gemacht werden, dass nur ein dolus des Erblassers Prozessthema sein sollte. 80 Vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,1. Lenel, EP3 289 bei Fn. 7, nimmt für die Klage auf das duplum gegen den Verwahrer an, sie habe sich durch entsprechende Veränderung leicht aus normalen Formeln erzeugen lassen. 81 Denkbar wäre auch eine Formel mit alternativer condemnatio. Wegen der möglichen Infamiefolge bei Verurteilung des Erben wegen eigenen dolus (vgl. Ulp. 6 ed D. 3,2,6,6) konnte es aber als nicht opportun erscheinen, in der Formel nicht schon auszudrücken, wegen welchen dolus der Erbe verurteilt würde.
§ 21 Das depositum und der Vertrag zugunsten Dritter
425
heit musste der Hinterleger bei der actio depositi in factum concepta seine Formel entsprechend anpassen, um keine plurispetitio zu begehen (D. 44,2,22). Der Erbe des Verwahrers wurde nur infam, wenn er wegen eines eigenen dolus verurteilt wurde (D. 3,2,6,6). Die Frage, ob der Erbe oder der Verwahrer dolos gehandelt hatte, hatte wegen möglicher Infamiefolgen auch Auswirkungen auf die Zuständigkeit des Munizipalbeamten (lex Irnitana cap. 84). Beim depositum miserabile haf– tete der Erbe nur bei eigenem dolus auf das duplum. Ob der Hinterleger wegen dolus des Erben oder wegen dolus des Erblassers klagte, dürfte stets in der Formelgestaltung erkennbar gewesen sein.
§ 21 Das depositum und der Vertrag zugunsten Dritter82 Die Hinterlegung einer Sache mit der Verabredung der Rückgabe an einen Dritten ist eine der Fallgruppen, anhand derer das Problem des Vertrages zugunsten Dritter im römischen Recht erörtert wird83. Die betreffenden Stellen sind neben Afr. 7 quaest D. 16,3,1684 vor allem PS 2 Coll. 10,7,8 und Diocl. C. 3,42,8. Es wird sich zeigen, dass beim depositum ein Vertrag zugunsten Dritter nicht anerkannt war. Die actio depositi eröffnete die Möglichkeit der Sachverfolgung nur für den Hinterleger, nicht für einen Dritten. Die Erörterung nehme ihren Anfang mit
I. PS 2 Coll. 10,7,8 PS 285 Coll. 10,7,886: Si quis rem penes87 se depositam apud alium deposuerit, tam ipse directam quam is qui apud eum deposuit utilem88 actionem depositi habere possunt.
82 Zum Vertrag zugunsten Dritter siehe nur Kaser, RP I § 115 II 5, S. 491; Wesenberg, Verträge zugunsten Dritter. Hier wird es nicht um das Institut des Vertrages zugunsten Dritter gehen, sondern um Stellen, die das depositum betreffen und Berührungspunkte zu diesem Institut haben. 83 Vgl. etwa Wesenberg, Verträge zugunsten Dritter, 23 ff. und Pacchioni, I contratti a favore dei terzi 49 ff.; Eisele, Rechtsgeschichte 79 ff. Die Probleme des Vertrages zugunsten Dritter beim depositum behandelt jetzt Litewski, Personen 340 ff. 84 Afr. 7 quaest D. 16,3,16: Si is, apud quem rem deposueris, apud alium eam deponat et ille dolo quid admiserit, ob dolum eius, apud quem postea sit depositum, eatenus eum teneri apud quem tu deposueris, ut actiones suas tibi praestet. Zu dieser Stelle siehe § 16 II. 85 Diese Stelle aus den Paulussentenzen ist uns nur über die Collatio überliefert, nicht über die westgotische Tradition, vgl. Huschke, IA2 (1867) 379, 583; Haenel, Lex Romana Visigothorum (1849, Nachdruck 1962) 360. Die also nur scheinbare Doppelüberlieferung in Collation und Paulussentenzen ist damit kein Argument für die Echtheit. Zu den Paulussentenzen siehe nur Liebs, HLL V 65 ff.
426
5. Kap.: Exkurs
Wenn der Verwahrer bei einem anderen hinterlegt, dann kann sowohl der Verwahrer selbst eine direkte Klage als auch derjenige, der bei dem Verwahrer hinterlegt hat, eine actio utilis gegen den Unterverwahrer haben. Von diesen beiden Aussagen überrascht die erste nicht. Der Verwahrer hat eine Klage89 gegen den Unter-
86 Levy, Obligationenrecht 156 Fn. 113; Litewski, Personen 321 f.; Wesenberg, Verträge 26 ff.; Albertario, I contratti a favore di terzi 29, FS Koschaker II; Cornil, Explication historique 254; Pacchioni, Contratti 50 f. Sotty, Les utiles actiones 238, beschäftigt sich unter anderem mit der Formelgestaltung. Die Formel der actio utilis habe eine Personenumstellung; in der intentio werde der Verwahrer und Zweithinterleger genannt, die condemnatio laute zugunsten des Ersthinterlegers. 87 Der Ausdruck deponere penes aliquem ist typisch für den Verfasser der Paulussentenzen, auch wenn dieser, wie schon an unserer Stelle erkennbar, ebenfalls, und sogar häufiger, die Konstruktion mit apud verwendet. Der Sentenzenverfasser hat die Konstruktion in PS 2 Coll. 10,7,5=D. 16,3,29pr.=PS 2,12,5 (is penes quem depositum fuit), in unserer Stelle PS 2 Coll. 10,7,8 (si quis rem penes se depositam apud alium deposuerit), in PS 2 D. 16,3,29,1 (is penes quem deposita est) und in PS 5 D. 48,19,38,9=PS 5,25,9 (instrumenta penes se deposita). Die klassischen Juristen bevorzugen deponere apud aliquem; dies gilt auch für die nichtjuristischen Schriftsteller, vgl. TLL s.v. deponere 582, 58 ff. mit 583, 23 ff. Zum Unterschied von penes und apud siehe auch TLL s.v. penes 1053, 62 ff. Wenn man die Aussage Ulpians in 71 ed D. 50,16,63 (apud meine detentio (qualiterqualiter tenere), penes meine possessio) und die bei Paulus Diaconus überlieferte Abgrenzung des Festus (apud bezeichne einen Ort, penes bezeichne dominium und potestas) zugrundelegt, ist für das depositum apud in der Tat der geeignetere Ausdruck. Ulpian hat die Konstruktion mit penes in 28 ed D. 13,6,5,2 (is penes quem deponitur) und 30 ed D. 16,3,1,33 (quasi ad hoc penes me depositam). In beiden Stellen kann ein stilistischer Grund darin liegen, dass zuvor schon die Konstruktion mit apud verwendet wurde und Ulpian eine Wiederholung vermeiden wollte. In der ersten Stelle kann auch eine Interpolation vorliegen, da es um Haftungserweiterungen, auch wegen Vereinbarung einer merces, geht und ein Eingang wie nisi forte oft verdächtigt wird. In der zweiten Stelle wird der Ausdruck von Ulpian stammen, auch wenn es sich um ein Julianzitat in indirekter Rede handelt, denn die Formulierung wird Ulpian nicht wörtlich abgeschrieben haben. Ulpian hat penes ferner in 8 Sab D. 29,2,28 (ab eo petere, penes quem depositae sunt), Papinian in 27 quaest D. 45,2,9,1 (sed si quis in deponendo penes duos). Daneben findet sich penes noch bei Diokletian in Coll. 10,4 (eos penes quos vestem … deposuisse proponis); auch das kann stilistische Gründe haben, denn es folgt sofort apud rectorem provinciae. Dass also bei Ulpian womöglich penes beim depositum auch dreimal vorkommt, kann nichts daran ändern, dass der Ausdruck für den Sentenzenverfasser üblich, für Ulpian aber unüblich ist, wenn man bedenkt, wieviele Stellen zum depositum wir von Ulpian überliefert haben, in denen apud verwendet wird. Der Beispiele für die Konstruktion mit apud gibt es bei klassischen Juristen so viele, dass es unverständig wäre, auch nur einige aufzuzählen. Neben der Bevorzugung durch den Sentenzenverfasser fällt auf, dass eine Neigung besteht, die Konstruktion mit penes nur im Passiv zu verwenden (Heumann / Seckel9, s.v. penes 415 a. E.); die einzigen Ausnahmen sind die Stellen von Papinian und Diokletian. Zu dieser Frage vgl. Litewski, Personen 238; Gradenwitz, Anmerkungen 302 f., SZ 8; siehe ferner Heumann / Seckel9, s.v. penes 415 f.). 88 Der Codex Vercellensis n. 122 hat statt utilem die Worte ut ille (Mommsen, CLIA III1890 172). Abgesehen davon, dass sich neben den Subjekten ipse und is kaum noch ein ille unterbringen ließe, verlangt die actio directa geradezu den Gegensatz einer actio utilis. Man wird deshalb diese Lesung als verderbt anzusehen haben (anders Wesenberg, Verträge 26 Fn. 10).
§ 21 Das depositum und der Vertrag zugunsten Dritter
427
verwahrer, weil durch die Hingabe der Sache mit der Einigung über den Verwahrungszweck ein depositum wirksam zustande gekommen ist. Denn ein Hinterleger muss weder Eigentümer der hinterlegten Sache sein noch ein besonderes Interesse an der Rückgabe haben90. Überraschend ist hingegen die Gewährung einer actio utilis an den Hinterleger. Mit actio utilis muss jedenfalls in dieser Stelle eine analoge Klage gemeint sein, nicht einfach eine „erfolgreiche“ Klage, denn Gegensatz zur actio utilis ist hier die vorher genannte actio directa. Von einer solchen Klage war oben in Afr. 7 quaest D. 16,3,16 nicht nur keine Rede, eine solche Klage war dort auch inzident ausgeschlossen worden; denn eine solche actio utilis macht die Abtretungslösung Julians überflüssig91. Dies legt aber andererseits den Gedanken nahe, es handele sich bei der Collatiostelle um eine spät- oder nachklassische Ausformung der Abtretungslösung Julians92. Dieser Gedanke ist letztlich unabweislich, wenn man bedenkt, dass uns der Ausdruck actio utilis als Klage des Abtretungsempfängers gegen den Schuldner bezeugt ist93. 89 Dass diese Klage als actio directa bezeichnet wird, hat keine eigene Bedeutung, sondern bereitet nur den Gegensatz zur actio utilis vor. 90 Siehe oben § 15. 91 Vgl. oben § 16 II. 92 So bereits Levy und Litewski. Levy, Obligationenrecht 156 m.Fn. 113, sieht in der actio utilis eine Klage des Zessionars, auch wenn die verkürzte Fassung die Abtretung nicht mehr erwähne. Die im 3.Jh. nur vereinzelte Gewährung einer Klage des Zessionars sei später im Osten des Reiches ausgeweitet worden. Diesem Gedanken Levys stimmt jetzt Litewski, Personen 321, zu. Gegen Wesenberg, Verträge 26, ist auch daran festzuhalten, dass sich die Sachverhalte von Coll. 10,7,8 und D. 16,3,16 nicht wesentlich unterscheiden. Beide behandeln den Fall der Unterverwahrung. Die Digestenstelle betont nur noch zusätzlich, dass dem Unterverwahrer dolus zur Last fällt. Aber dies muss ja in der Tat der Fall sein, soll die actio depositi gegen ihn begründet sein. Auf die Abtretung bezieht auch Valiño (Actiones utiles 187 f.) die Stelle, weist sie aber dem Kognitionsprozess zu. Gleichzeitig sieht er in Coll. 10,7,8 eine Legalzession oder eine fiktive Zession (cesión presunta o legal). Da der Verwahrer zur Abtretung seiner Klagen gegen den Unterverwahrer an den Hinterleger verpflichtet ist (D. 16,3,16), scheint eine Legalzession als Grundlage der Entscheidung in der Tat nicht völlig ausgeschlossen. Die Frage einer Legalzession und des Kognitionsprozesses dürften aber entgegen Valiño kaum zusammenhängen. Ob eine Zession vom Willen der Beteiligten abhängt, ist keine Frage der Prozessart. 93 Ausgangspunkt ist ein Reskript des Antoninus Pius zum Erbschaftskauf, vgl. Ulp. 4 ed D. 2,14,16pr., wonach der Käufer gegen die Schuldner des Erblassers actiones utiles habe. Diese Rechtsfolge einer Abtretung, dass der Abtretungsempfänger eine actio utilis gegen den Schuldner des Abtretenden habe, ist durch eine Reihe von Reskripten, v. a. Diokletians, auf andere Fälle erweitert worden, vgl. Honsell / Kunkel4, § 106, S. 278 f.; Kaser, RP I § 153 I 3, S. 654 Fn. 19 ff.: actio utilis des Vermächtnisempfängers gegen den Schuldner des Erblassers bei Vermächtnis einer Forderung (Diokl. / Maxim. C. 6,37,18 von 294); actio utilis des Ehemannes gegen den Schuldner der Ehefrau bei Hingabe einer Forderung als dos (Valer. / Gallienus C. 4,10,2 von 260), actio utilis bzw. persecutio utilis des Forderungskäufers (in Valer. / Gallienus C. 4,10,2 von 260 und in Diokl. / Maxim. C. 4,39,8 vorausgesetzt); actio utilis des Gläubigers bei Entgegennahme einer Forderung in solutum (Diokl. / Maxim C. 4,15,5 von 294). Besonders interessant ist für uns der Fall der datio in solutum, denn wie Afr. 7 quaest
428
5. Kap.: Exkurs
Dass in der Stelle von einer Abtretung noch keine Rede ist, kann man dadurch erklären, dass von den Klagen auch nur gesagt ist, dass sie zustehen können (possunt), nicht, dass sie bereits zustehen94. Die Stelle gehört damit auch nicht zum Problemkreis des Vertrages zugunsten Dritter, denn von einer Vereinbarung des Verwahrers mit dem Unterverwahrer zugunsten des Hinterlegers ist keine Rede95. Es ist auch nicht willkürlich, den Tatbestand der Stelle um eine Abtretung, aber nicht um ein drittbegünstigendes pactum zu erweitern, denn D. 16,3,16 legt eine Abtretung nahe, nicht ein solches pactum. Wesenberg96 erwägt eine normale actio depositi des Ersthinterlegers gegen den Verwahrer. Die actio depositi sei in der Stelle als Deliktsklage aufgefasst und das Delikt begehe der Unterverwahrer auch gegenüber dem Ersthinterleger. Wesenberg beruft sich zum einen darauf, dass gerade die Collatio in diesem Zusammenhang in PS Coll. 10,7,12 eine Erinnerung an die ursprüngliche Deliktsnatur bewahrt habe, zum anderen darauf, dass auch im alten englischen Recht dem Ersthinterleger Deliktsansprüche gegen den Unterverwahrer gewährt worden seien97. Diesen Überlegungen ist aber nicht zuzustimmen, denn mit der Feststellung eines Deliktscharakters der actio depositi ist es nicht getan; es ist auch zu fragen, worin das Delikt D. 16,3,16 zeigt, wird der Verwahrer durch Abtretung der Klage frei; es handelt sich gewissermaßen um einen gesetzlich angeordneten Fall einer datio in solutum. Da der Verwahrer einerseits zur Abtretung verpflichtet ist, der Hinterleger andererseits keine anderen Rechte als den Anspruch auf die Abtretung hat, ist es sogar denkbar, die Folgen der Abtretung von Gesetzes wegen herbeizuführen, ohne dass es noch einer Willenseinigung bedürfte. Man wird diese actiones utiles des Abtretungsempfängers für echt halten dürfen; dafür spricht insbesondere die nur schrittweise Erweiterung, die noch Justinian akzeptiert (vgl. C. 8,53,33 für den Fall der Schenkung einer Forderung). Zu C. 4,15,5 etwa siehe zuletzt Hirata, Datio in solutum 80 f. Dass mit dem Ausdruck actio utilis auf eine Abtretung angespielt wird, ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Sentenzenverfasser den Ausdruck sonst nicht in diesem Sinne verwendet: Das Begriffspaar actio directa und actio utilis findet sich noch einmal in PS 1 D. 3,5,46,1, ohne dass erkennbar wäre, was genau damit gemeint ist. Ansonsten wird mit actio utilis eine Klage bezeichnet, die gegeben wird, wenn eine eigentlich zustehende Klage nicht gegeben wird, weil eine Voraussetzung für diese Klage fehlt; man kann von einer analogen Klage sprechen. In PS 2 D. 27,3,24 wird gegen den als Tutor für einen postumus eingesetzten eine actio utilis gegeben, wenn der postumus nicht geboren wurde und daher die actio tutelae ausscheidet. In PS. 5,6,5 wird bei vi deiectio von einem Schiff statt von einem Grundstück eine actio utilis gegeben. In PS 4 D. 32,4 geht es um den Fall, dass ein Sohn, als dieser noch in der patriapotestas stand, als Erbe eingesetzt wurde. Dessen paterfamilias wurde mit einem fideicommissum belastet. Diese Belastung war anders als die Belastung durch ein Legat wirksam (UE. 25,10 (vgl. Schneider / Otto / Schilling / Sintenis, CIC III 347 Fn. 2) und 24,21). Da nun der Sohn vor dem Tod des Erblassers gewaltfrei wurde, stellte sich die Frage, ob der Bedachte das fideicommissum fordern könne. Er kann dies nach der Antwort mit einer actio utilis nunmehr vom Sohn selbst, der die Erbschaft nun selbst erworben hat. Auf den Begriff der actio utilis an sich kann und muss an dieser Stelle nicht eingegangen werden. 94 Vgl. Litewski, Personen 322 Fn. 370. 95 Vgl. Wesenberg, Verträge 26 m.Fn. 12. Die Stelle unterscheidet sich damit wesentlich von C. 3,42,8, so dass für die Behauptung Albertarios, I contratti 29, die Collatiostelle müsse im gleichen Sinne wie die Codexstelle interpoliert sein, kein Raum ist. 96 Wesenberg, Verträge 26 ff.
§ 21 Das depositum und der Vertrag zugunsten Dritter
429
besteht. Bei einer deliktischen actio depositi bestünde das Delikt in dem Bruch des Vertrauens, das der Hinterleger dem Verwahrer entgegengebracht hat98. Der Ersthinterleger hat aber dem Unterverwahrer kein Vertrauen entgegengebracht; eine direkte actio depositi lässt sich also auf diese Art nicht rechtfertigen99.
II. C. 3,42,8 Zum anderen zieht man heran die Stelle C. 3,42,8100, 101. Idem AA. et CC. Photino: Si res tuas commodavit aut deposuit is, cuius precibus meministi, adversus tenentem ad exhibendum vel vindicatione uti potes. § 1 Quod si pactus sit, ut tibi restituantur, si quidem ei qui deposuit successisti, iure hereditario depositi actione uti non prohiberis: si vero nec civili nec honorario iure ad te hereditas eius pertinet, intellegis nullam te ex eius pacto contra quem supplicas actionem [stricto iure] habere: [utilis autem tibi propter aequitatis rationem dabitur depositi actio].
1. Die Interpolation der actio utilis in C. 3,42,8,1 Es handelt sich um ein Reskript der Kaiser Diokletian und Maximianus an Photinus aus dem Jahr 293. Jemand, den der Adressat Photinus in seiner Bittschrift genannt hat, hat dessen Sachen einem anderen geliehen oder bei dem anderen hinterlegt. Die Kaiser entscheiden, dass Photinus sich an den Entleiher oder Verwahrer mit der actio ad exhibendum und mit der reivindicatio102 halten muss.
97
Wesenberg beruft sich auf Buckland / McNair, Roman law and Common law (11936),
166. 98 Vgl. etwa Ulp. 30 ed D. 16,3,1pr.: … praepositio enim „de“ auget [de]positum, ut ostendat totum fidei eius commissum, quod ad custodiam rei pertinet. 99 Der Ersthinterleger kann aber, wenn er Eigentümer ist, etwa gegen den unterschlagenden Unterverwahrer die actio furti haben und genießt insofern in der Tat deliktischen Schutz, nur hat dies nichts mit der actio depositi zu tun. 100 Vorgeschlagen wird die Streichung von commodavit aut, weil im folgenden Paragraphen nur noch das depositum behandelt werde und weil es typische Arbeitsweise der Kompilatoren sei, Reskripte, die ursprünglich nur einen konkreten Einzelfall betrafen, zu verallgemeinern, vgl. Wesenberg, Verträge 25 Fn. 8; so schon De Ruggiero, „Depositum vel commodatum“ 80 f. Dies ist für uns weniger interessant; doch fällt auf, dass dann hier die Ergänzung vor dem echten Ausdruck erfolgte, nicht hinter ihm. Wichtig ist für uns jedenfalls, dass auch der Schlusssatz, also die Gewährung der actio utilis, und die den Schlusssatz vorbereitende, weil einen Gegensatz aufbauende Wendung stricto iure verdächtig ist (vgl. statt aller Wesenberg, Verträge 25 f.). Wie sich zeigen wird, ist dieser Schlusssatz in der Tat zu streichen. 101 Wesenberg, Verträge 25 ff.; Albertario, I contratti 28 f.; Litewski, Personen 340 ff.; Pacchioni, Contratti 49 ff.; Eisele, Rechtsgeschichte 79 ff.; Simon, Aus dem Kodexunterricht des Thalelaios. D. Divergenzen 290, RIDA 17; Sotty, Utiles actiones 239 ff.
430
5. Kap.: Exkurs
Im § 1 folgt eine Abwandlung oder eine Präzisierung des Sachverhaltes. Zum einen wurde die Vereinbarung geschlossen, dass die Sachen nicht an den Geber, sondern an Photinus zurückgegeben werden sollten. Dabei muss es sich um eine Vereinbarung zwischen dem Geber und dem Empfänger handeln, weil nicht erkennbar ist, wie Photinus an dieser Vereinbarung beteiligt gewesen sein sollte; zudem wird dieses pactum noch mit eius contra quem supplicas näher bezeichnet103. Im § 1 erfolgt weiterhin eine Einengung des Sachverhalts auf ein depositum, von einem commodatum ist keine Rede mehr. Fraglich ist, ob der Sachverhalt sich noch insoweit vom Sachverhalt des Prinzipium unterscheidet, dass nun die Sachen nicht mehr dem Beschwerdeführer Photinus gehören, sondern dem Hinterleger. Dies wird zwar in der Sachverhaltsschilderung nicht gesagt, hätte aber zum einen eine gewisse Spiegelung in der Antwort. Denn merkwürdigerweise spielen im § 1 die actio ad exhibendum und die reivindicatio keine Rolle mehr. Immerhin beschränkt sich die Verweigerung der Klagen auf die Klagen, die aus dem drittbegünstigenden pactum herrühren; ob actio ad exhibendum und reivindicatio zustehen, lässt die Entscheidung also offen. Nun wäre aber die Gewährung einer actio utilis propter rationem aequitatis eigentlich erst dann überzeugend, weil nötig, wenn Photinus sonst überhaupt keine Klage hätte. Man wird aber überhaupt nicht einfach Sachverhaltselemente des Prinzipium auf den § 1 übertragen dürfen; damit würde man der Eigenart eines Reskripts nicht gerecht. Photinus wird es gleichgültig sein, mit welcher Klage er gegen den Inhaber der Sachen vorgeht; er will die Sachen haben und will wissen, welche Klage er erheben muss. Photinus mag vortragen104: „Erstens bin ich Eigentümer, zweitens hat 102 Nach der wohl siegreichen Ansicht Ulpians ergibt sich die Passivlegitimation eines Verwahrers für die reivindicatio daraus, dass er als detentor zum einen die Sache hat, zum anderen aber auch über die facultas restituendi verfügt, vgl. Ulp. 16 ed D. 6,1,9; zur facultas restituendi grundlegend Marrone, La ‚facultas restituendi‘ 533 ff.; jetzt Marrone zustimmend auch Knütel, Pflichtenkonflikt 256: Facultas restituendi heiße, dass der Detentor gegenüber demjenigen, von dem er seine Detention ableitet, zur Herausgabe an den Kläger berechtigt ist. Für unsere Stelle ergibt sich daraus die Frage, warum der Verwahrer gegenüber dem Hinterleger zur Herausgabe an Photinus berechtigt sei. Im § 1 wäre das das pactum; doch wird sich zeigen, dass im § 1 Photinus nicht der Eigentümer ist. Für das Prinzipium ist uns nicht erkennbar, woraus sich die Berechtigung zur Herausgabe ergibt, denn über das Verhältnis zwischen dem Hinterleger und Photinus wird uns nichts mitgeteilt. Marrone (La legittimazione passiva alla „rei vindicatio“ 105) will das pactum auch schon für das Prinzipium verwenden. Das dürfte nicht richtig sein, wie sogleich im Text dargelegt wird. Vor dem Richter wird Photinus beweisen müssen, dass er Eigentümer ist und dass das pactum geschlossen wurde. Gelingt ihm der Beweis des pactum nicht, dann stellt sich eben die Frage der Passivlegitimation des Verwahrers für die reivindicatio. Zur Frage der Passivlegitimation des Verwahrers für die reivindicatio siehe Marrone, La legittimazione passiva 92 ff., insbes. 104 ff. und oben § 17 I 2. Zum Verhältnis von actio ad exhibendum und reivindicatio in dieser Stelle siehe noch sogleich im Text. 103 Dieses Argument ist weniger sicher, siehe dazu sogleich im Text. Auch die Erörterung der Erbfolge deutet daraufhin, dass Photinus nur als Erbe des Gebers von der Vereinbarung profitieren könnte.
§ 21 Das depositum und der Vertrag zugunsten Dritter
431
der Hinterleger ein mich begünstigendes pactum geschlossen, drittens bin ich Erbe des Hinterlegers“105. Der Kaiser gibt seine Antwort, ohne zu wissen, was Photinus vor dem Richter wird beweisen können. Es liegt daher nahe, anzunehmen, dass im § 1 die Antwort nur den Fall betrifft, in dem Photinus das pactum beweisen kann, aber nicht sein Eigentum. Deutlicher gesagt: Es mag sein, dass Photinus im § 1 auch Eigentümer ist. Aber darum geht es im § 1 nicht: es geht darum, welche Rechte Photinus hat, wenn er sein Eigentum nicht beweisen kann. Dass im § 1 der Hinterleger seine eigenen Sachen hinterlegt, ist jedenfalls die Aussage des Thalelaios in seinem Index106. In B. 15,4,28107 heißt es: … ei) me/ntoi ge o( ta\i)/dia paraqe/menoj sunefw/nhsen, w/(ste soi au)ta\ a) podoqh=nai …108. Die entscheidende Frage ist, ob Thalelaios dieses Sachverhaltselement im lateinischen Text gesehen hat oder ob es sich nur um eine Interpretation handelt. Im ersten Fall müsste man von einer Kürzung des Textes in der uns überlieferten Tradition ausgehen, wofür sich auch im Prinzipium hinsichtlich des Verweises auf die actio ad exhibendum und die reivindicatio Hinweise finden109. Der Index gibt den lateinischen Text fast wörtlich wieder. Es handelt sich also viel eher um eine Übersetzung als um einen qematismo/j, eine mehr oder weniger fiktive Rekonstruktion eines Sachverhaltes, wie er dem Reskript zugrunde gelegen haben könnte110. Aber selbst für den qematismo/j gilt für Thalelaios, wie Simon111 gezeigt hat, dass er richtig und falsch sein kann. Der qematismo/j, der richtig sein muss, ist aber falsch, wenn er in Spannung zu der im Reskript angeordneten Rechtsfolge steht. Falsch ist
104 Das Reskript enthält zwar nicht das sonst so häufige „proponas“; mit cuius precibus meministi ist aber dasselbe gemeint. Die Kaiser machen sich den Vortrag des Photinus nicht zu eigen: Der Richter muss in jedem Fall erst prüfen, ob die im Bedingungssatz genannten Voraussetzungen vorliegen. 105 Diese beiden Punkte hängen auch zusammen: Aus der Tatsache, dass der Hinterleger ein solches pactum geschlossen hat, mag der Judex sich überzeugen lassen, dass Photinus auch Eigentümer sei. 106 Dies wurde bisher, soweit ersichtlich, in der Regel nicht diskutiert. Krüger, Überlieferung vorjustinianischen Wortlauts 90, bemerkt die Abweichung, hält sie aber wohl für eine freie Ergänzung des Thalelaios. Für Krüger (a. a. O. 87) war Thalelaios beim Index freier in der Abfassung des griechischen Textes als beim kata\ po/daj. Entsprechend vermerkte er in seiner Editio Maior von 1877 nicht einmal die entsprechende Abweichung des Basilikentextes. Es wird sich aber zeigen, dass dem Thalelaios nach den Untersuchungen Simons zur Methode des Thalelaios nicht einfach eine solche Ergänzung zugetraut werden darf. 107 Hb B II 178; Scheltema A II 798. Die Stelle soll aus der Indexvorlesung des Thalelaios stammen (so Simon, D. Divergenzen 290, RIDA 17). 108 Übersetzung: Wenn er aber seine eigenen Sachen hinterlegt und vereinbart, dass sie Dir zurückgegeben werden… . 109 Dazu sogleich im Text. 110 Zu Index und qematismo/j in der Codexvorlesung des Thalelaios vgl. Simon, A. Methode 338 ff., insbesondere 340. 111 Zur im folgenden dargestellten Methode des Thalelaios hinsichtlich der Bildung eines qematismo/j siehe Simon, A. Methode 338 ff.
432
5. Kap.: Exkurs
es daher, einen im Reskript nicht angedeuteten Sachverhalt in die fiktive Fallkonstruktion aufzunehmen. Besonders wichtig ist für Thalelaios bei der Bildung des qematismo/j die Orientierung am Wortlaut der Konstitution. Wir können daher festhalten, dass dem Thalelaios auch nach seinen eigenen Maßstäben ein Fehler unterlaufen wäre, hätte er das Sachverhaltselement, dass im § 1 der Hinterleger der Eigentümer sei, in seinen Index aufgenommen, obwohl davon nichts im ihm vorliegenden lateinischen Text stand. Er hätte die Rechtsfolgen verfälscht, weil er dem Photinus Klagen genommen hätte, die ihm nach dem Originalreskript zustanden. Hier soll davon ausgegangen werden, dass dem Thalelaios ein solcher Fehler nicht zur Last fällt, vielmehr die von ihm beschriebene Eigentumslage, dass also im § 1 der Hinterleger der Eigentümer ist, so auch im Originalreskript stand, aber später bei einer Kürzung wegfiel. Denn auch der lateinische Text passt besser zu einer solchen Eigentumslage. Ausschlaggebend ist dabei neben der oben beschriebenen Eigenart eines Reskripts, dass nicht ersichtlich ist, wieso dem Photinus propter aequitatis rationem eine actio utilis gegeben werden müsste, wenn er bereits durch reivindicatio und actio ad exhibendum gesichert wäre. Bei dieser Interpretation ergibt sich, dass die Gewährung der actio utilis jedenfalls nicht auf dem Gedanken beruht, dem Sacheigentümer die Sachverfolgung zu erleichtern. Fassen wir kurz die Unterschiede zwischen dem Codextext und dem Basilikentext zusammen: (1) Der Codex zählt im Prinzipium die beiden Klagen ad exhibendum und vindicatio nur nebeneinander durch ein vel verbunden auf, die Basiliken beschreiben eine Konkurrenz nach der Unterscheidung, ob die Sachen sichtbar vorhanden sind112. (2) Der Basilikentext kennt die Konstruktion intellegis113 nullam actionem habere nicht. Auch das dürfte ausschließen, dass es sich beim Basilikentext um eine kata\-po/daj-Übersetzung des uns erhaltenen Codextextes handelt. 112 B. 15,4,28: … e/(c/eij kata\ tou= e)/xontoj ta\ diafe/ronta/ soi pgra/ gmata th\n parastatikh\n au)tw=n a) gwgh\n h)\ faime/nwn au)tw=n, th\n e)kdikou=san au)ta/ … . (Übersetzung: Du wirst gegen den, der die Dir gehörenden Sachen hat, die Vorlegungsklage haben, oder, wenn die Sachen vorliegen, die Vindikation). Darin mögen anklingen Formulierungen wie ad exhibendum agere et exhibitam vindicare (dazu etwa Lenel, Rei vindicatio und actio ad exhibendum 379 ff.). Wie ist dieser Unterschied zu erklären? Der Index des Thalelaios könnte auf dem Codex vetus beruhen (dazu sogleich im Text) und die Kommission des Codex novus könnte den Text weiter gekürzt haben. Oder der Index des Thalelaios ist eben, wie man heute annimmt (Simon, A. Methode 338, SZ 86) nicht einfach eine Kürzung des Reskripttextes, sondern kann auch (dann aber richtige) Zusätze enthalten. Nach Krüger, Überlieferung vorjustinianischen Wortlauts, 87, 90, handele es sich um eine freie Ergänzung des Thalelaios. Marrone nimmt in Actio ad exhibendum, 491 f. m.Fn. 129, den Codextext als Beleg für seine These, dass die actio ad exhibendum nicht einfach zur Vorbereitung der reivindicatio gedient habe, sondern selbständigen Charakters gewesen sei. In La legittimazione passiva 105 sieht er in der Stelle aber doch die Funktion der actio ad exhibendum ausgedrückt, zur Vorbereitung der reivindicatio zu dienen, insbesondere gegen den indefensus gegeben zu werden. Die erste Ansicht passt besser zum Codextext, die zweite wohl besser zum Basilikentext. Doch kann auf diese Fragen zur actio ad exhibendum hier nicht eingegangen werden.
§ 21 Das depositum und der Vertrag zugunsten Dritter
433
(3) In den Basiliken hinterlegt, wie gerade gesehen, der Hinterleger im § 1 seine eigenen Sachen, im Codex bleibt im § 1 offen, wer Eigentümer der Sachen ist. (4) Ein nächster Unterschied dürfte mehr sprachlicher als inhaltlicher Art sein. Das Subjekt zu quod si pactus sit muss der Hinterleger sein, denn pacisci ist ein Deponens. Damit weist der Codextext einen gewissen Bruch auf. Photinus erwähnt in seiner Bittschrift den Hinterleger. Der Hinterleger schließt dann das drittbegünstigende pactum. Im Codex heißt es dann nach Krügers Editio Maior ex eius pacto contra quem supplicas114. Da vorher gesagt wurde, dass der Hinterleger ein pactum geschlossen habe, ist er also auch derjenige, gegen den sich die supplicatio bzw. die preces richten. Damit richtet sich die Bittschrift gegen einen anderen, als denjenigen, der von den Kaisern als Klagegegner aufgefasst wird. Beschwert sich also Photinus über das Verhalten, fremde Sachen in Verwahrung zu geben? Der soeben zitierte Codextext lautet in den Basiliken115: ou)demi/an a)gwgh\n e)/xeij kat ) au)tou=, kaq )ou (= e)deh/qhj, a) po\ tw=n toiou/twn sumfw/nwn. Hier ist also die Person, gegen die sich die supplicatio richtet, der Verwahrer, nicht der Hinterleger. Das pactum wird nicht danach beschrieben, wer es geschlossen hat, sondern nach seiner Eigenschaft, drittbegünstigend zu sein. In den Basiliken ist also die Person, kaq )ou (= e)deh/qhj, eine andere Person, als die, ou (= e)n tai=j dehsesin e)mnhmo/neusaj. (5) Zum wohl wichtigsten Unterschied, dem Fehlen der actio utilis in den Basiliken, siehe sogleich im Text.
Die Kaiser treffen nun jedenfalls eine Unterscheidung: Ist Photinus Erbe des Gebers, dann steht ihm die ererbte actio depositi auf Rückgabe der Sachen zu116. Ist
113 Das intellegis wirkt belehrend. Zur Verwendung von intellegis und intellegitis in Kaiserreskripten vgl. etwa die Nachweise bei Honoré, Emperors and Lawyers2, der die Verwendung bei den einzelnen Kaisern, oder genauer, bei den einzelnen Verfassern untersucht (vgl. den Wortindex S. 196). Zu überprüfen wäre, ob belehrende Stilisierungen wie intellegis häufiger bei ablehnenden Bescheiden sind. Doch kommen jedenfalls auch positive Bescheide vor (etwa C. 2,3,24: exceptionem nocere tibi minime posse intellegis), die aber dann zumeist einschränkend sind, also dem Beschwerdeführer nicht in vollem Umfang recht geben (etwa C. 5,16,17: intellegis adversus heredes non nisi in quantum locupletior fuit habere te actionem). Aus der Stilisierung mit intellegis ergibt sich daher kein sicheres Argument dafür, die Gewährung der actio utilis beruhe auf einer Interpolation. 114 Man könnte überlegen, ob die Stellung von eius vor pacto störend ist. Allerdings ist die Stellung des Possessivpronomens nicht starr, vgl. Menge / Burkard / Schauer, § 64, S. 99 f. 115 Siehe auch Krügers Editio Maior, S. 295 zu Zeile 3. 116 Das wäre auch der Fall, wenn keine Vereinbarung der Rückgabe an einen Dritten erfolgt wäre, denn die actio depositi ist aktiv vererblich (Ulp. 30 ed D. 16,3,1,19). Es stellt sich die Frage, ob auch der Hinterleger die actio depositi erfolgreich hätte anstrengen können und ob er mit ihr die Rückgabe an sich oder nur an Photinus hätte verlangen können. Im letzteren Fall läge ein sogenannter unechter Vertrag zugunsten Dritter vor. Es dürfte mehr dafür sprechen, dass der Hinterleger jederzeit die Rückgabe der Sachen an sich hätte verlangen können, ohne dass sich der Verwahrer hätte darauf berufen können, er solle die Sachen (nur) an den Photinus herausgeben. Das zeigt Ulp. 30 ed D. 16,3,1,45 – 46: Si deposuero apud te, ut post mortem tuam reddas, et tecum et cum herede tuo possum depositi agere: possum enim mutare voluntatem et ante mortem tuam depositum repetere. § 46: Proinde et si sic deposuero, ut post mortem meam reddatur, potero et ego et heres meus agere depositi, ego mutata voluntate. Der Hinterleger konnte also jederzeit auch Rückgabe an sich verlangen, also
434
5. Kap.: Exkurs
Photinus aber nicht Erbe, dann habe er stricto iure keine Klage, es werde ihm aber propter aequitatis rationem eine actio depositi utilis gegeben. Diese Stelle unterscheidet sich von den Stellen Afr. 7 quaest D. 16,3,16 und PS Coll. 10,7,8 insofern, als die Codexstelle nicht von einer Unterverwahrung handelt117. Es bleibt vielmehr offen, warum die Sachen des Photinus beim Hinterleger sind. Ferner ist nur in der Codexstelle von einem pactum die Rede, dass die Sache an einen anderen als den Hinterleger zurückgegeben werden solle. Nur die Codexstelle betrifft also die Problematik eines Vertrages zugunsten Dritter; die anderen beiden Stellen handeln von der Unterverwahrung. Für die Codexstelle ist ferner mit der herrschenden Meinung davon auszugehen, dass die Gewährung der actio utilis erst durch Justinian erfolgte. Zurecht wird darauf hingewiesen, etwa durch Wesenberg118, dass die Basiliken an dieser Stelle die Lösung mit der actio utilis aus dem pactum zwischen Hinterleger und Verwahrer nicht kennen. Dort endet das Fragment B. 15,4,28119 mit dem Satz: ei) de\ mh/te kata\ to\ politiko\n, mh/te kata\ to\n prai/tora, au)to\n e)klhrono/mhsaj, ou)demi/an a)gwgh\n, e)/xeij kat )au)tou=, kaq )ou (= e)deh/qhj, a) po\ tw=n toiou/twn sumfw/nwn120. Aus mehreren Gründen ist dieser Befund ernst zu nehmen und so zu interpretieren, dass der Basilikentext auf der Einsicht in den echten Diokletiantext zurückzuführen ist:121 So wird man nicht sagen können, die Basilikenverfasser hätten auf mutata voluntate klagen (so auch Vàzny, Il problema generale 84, mit Hinweis auf D. 16,3,1,46). Das pactum bewahrt den Verwahrer also nur vor der Verurteilung, wenn er bereits die Sache an Photinus herausgegeben hat (vgl. auch Sotty, Utiles actiones 239). Die Einschaltung einer exceptio doli oder pacti conventi dürfte dabei bei keiner Formel notwendig sein. Klagt Photinus als Erbe oder aufgrund des pactum mit der actio depositi utilis, wird der Verwahrer der Klage aber keinesfalls das pactum entgegenhalten können; damit würde er ja gerade gegen die Vereinbarung verstoßen (im Ergebnis auch Sotty, Utiles actiones 239). 117 Gleichwohl wird die Codexstelle teilweise als ein Fall der Unterverwahrung behandelt (etwa durch Sotty, Utiles actiones 238 f., der sogar eine actio depositi des Photinus gegen den Hinterleger bespricht); man sieht nicht recht, warum. 118 Siehe statt aller nur Wesenberg, Verträge 26, und Litewski, Personen 341. 119 Hb B II 178; Scheltema A II 798. Nach Simon, D. Divergenzen 290, stamme der Text aus dem Index des Thalelaios. Es fragt sich, wieso es sich nicht um eine kata\-po/daj-Übersetzung handelt, die nach Simon (a. a. O. 279) nicht von Thalelaios stammen würde. Nach Zachariä, Von den griechischen Bearbeitungen 20, SZ 8, sei es in vielen Fällen kaum möglich, zu entscheiden, ob ein Text aus dem Index des Thalelaios oder aus dem kata\ po/daj stammt. Das dürfte auch dann stimmen, wenn man anders als Zachariä meint, dass das kata\ po/daj nicht von Thalelaios stamme. Da in unserem Fall B. 15,4,28 vom Codex vetus abhängen dürfte (dazu sogleich im Text), dessen Text wir nicht kennen, während C. 3,42,8 vom Codex novus stammt, lässt sich kaum entscheiden, ob B. 15,4,28 eine Interlinearübersetzung des Codex vetus (oder des Codex Hermogenianus) ist oder eine paraphrasierende Inhaltsangabe. 120 Übersetzung: Wenn Du aber weder nach dem ius civile noch nach dem ius honorarium ihn beerbst, hast Du keine Klage gegen den, gegen den Du es wünschst, aus solchen Vereinbarungen.
§ 21 Das depositum und der Vertrag zugunsten Dritter
435
die Erwähnung der actio depositi utilis verzichtet, weil diese nicht in den Titel B. 15,4 zur actio ad exhibendum gehöre. Denn durch dieses Weglassen würde die Entscheidung falsch, weil so die Aussage stehen bleibt, dass das pactum für den Eigentümer völlig nutzlos sei. Dass es sich nicht einfach um das Weglassen des letzten Satzes handelt, etwa durch ein Schreiberversehen, wird auch daran deutlich, dass der Codex die Lösung mit der actio utilis schon im vorletzten Satz durch den Hinweis vorbereitet, der Beschwerdeführer habe keine Klage stricto iure; diese Einschränkung, die das Ergebnis als vorläufig ausweist, fehlt in den Basiliken. Auch die Scholien geben keine Auskunft zu einer actio utilis, betonen vielmehr das Ergebnis, dass keine Klage gegeben ist, durch Verweis auf die Regel per extraneam personam nobis adquiri non posse122. Dass eine Interpolation vorliegt, passt auch zu einem Vergleich mit C. 5,14,7123. Dort hatte ein Vater seinem Schwiegersohn eine Mitgift gegeben und vereinbart, dass die Sachen an seine Enkel zurückgegeben würden, sollte seine Tochter sterben. Die Kaiser Diokletian und Maximianus geben nach dem Codextext in diesem Reskript von 293 den Enkeln ex aequitatis eine actio utilis. Das Scholion ou)tili/a de\ a( rmo/zei zu der der Codexstelle entsprechenden Basilikenstelle B. 29,5,37 bemerkt dazu124: tou=to to\ r(hto\n sh/meron kata\ kainotomi/an 121 Als ein Argument für eine Interpolation des Schlusssatzes wird noch der Gegensatz strictum ius gegen aequitas bzw. gegen utilis genannt (Albertario, I contratti 29; so noch Simon, D. Divergenzen 290; jetzt auch Litewski, Personen 341). Wie sollte aber eigentlich sonst ein Kaiser ausdrücken und begründen, dass er rechtsfortbildend tätig wird? Anders gesagt: Wenn eine Stilisierung in der Form der Ausspielung eines Gegensatzes von ius strictum und aequitas Zeichen für kaiserliche Rechtsänderung ist: Warum darf dann nicht schon Diokletian das Recht geändert haben? Für Echtheit der actio utilis etwa Behrends, Überlegungen zum Vertrag zugunsten Dritter im römischen Privatrecht 50 f., der aber nicht auf die Basilikenüberlieferung eingeht. 122 So das Scholion dia\ to\n kano/na to\n le/gonta (Hb B II 179, Scheltema B III, 922, 25). Zu dieser Regel vgl. Kaser, RP I § 115 II 5, S. 491. Nach Simon, D. Divergenzen 290, handele es sich um ein belangloses Interlinearscholion, nicht um eine Paragraphe (Damit mag gemeint sein, dass es als Interlinearscholion erst aus dem 11. Jh. stamme, vgl. Scheltema, Byzantine Law 51). Dass die Scholien an dieser Stelle nicht überschätzt werden dürfen, zeigt das andere überlieferte Scholion mh/te kata\ to\ politiko/n (Hb II 178, Scheltema B III 922, 22), das sich um eine Erklärung des im Text aufgeworfenen Gegensatzes von Erbrecht nach ius civile und nach prätorischem Recht bemüht. Es heißt dort: politikw=j le/getai/ tij klhronomei=n tinoj, o(/tan a) po\ diaqh/khj u(peise/lq$ th\n klhronomi/an: praitwri/wj de/, o/(tan e)c a) diaqe/tou tau/thn u(peise/lq$ a) po\ th=j tou= prai/twroj diata/ cewj (Übersetzung: Als Erbe nach ius civile wird jemand bezeichnet, wenn er aufgrund Testaments die Erbschaft antritt. Als Erbe nach prätorischem Recht aber wird jemand bezeichnet, wenn einer von einem intestatus die Erbschaft antritt aufgrund eines Dekrets des Prätors). Diese Erklärung ist falsch, zumindest unvollständig: Sowohl vom testatus als auch vom intestatus gibt es zivile und prätorische Erbfolge. 123 Diocl. C. 5,14,7: Pater, pro filia dotem datam genero ea prius in matrimonio defuncta nepotibus pactus restitui, licet his actionem quaerere non potuit, tamen utilis eis ex aequitate accommodabitur actio. Auf die Ähnlichkeit zwischen den beiden Konstitutionen Diokletians weisen hin Pacchioni, Contratti 50; Eisele, Beiträge 80.
436
5. Kap.: Exkurs
projete/qh, kai\ e)/sti para\ th\n kaqo/lou diai/resin, kai\ xrh\ au)to\ w(j i)diko\n kai\ ce/non shmeiw/sasqai125. Hier ist also die actio utilis auch im Basilikentext zu finden, doch findet sich in dem Scholion, das aus einer Erläuterung des Thalelaios in dessen Codexvorlesung hervorging, die Bemerkung, dass diese Klage auf einer Neuerung beruhe, womit nur eine Neuerung durch Justinian, nicht etwa durch Diokletian gemeint sein kann, denn letzteres hätte Thalelaios wohl nicht als Neuerung angesehen und bezeichnet126. Wir finden also im C. 5,14,7 eine beglaubigte, vergleichbare Interpolation bezüglich einer actio utilis aus einer drittbegünstigenden Vereinbarung. Interessant ist ferner ein Vergleich mit C. 4,32,19,4127, 128. Die Konstitution Diokletians behandelt die Hinterlegung des geschuldeten Geldes an einem öffentlichen Ort bei Annahmeverzug des Gläubigers. Die Kaiser raten der anfragenden Schuldnerin Aurelia Irenaea, im Falle des Annahmeverzuges das Geld an einem öffentlichen Ort zu hinterlegen und so den Zinslauf zu beenden (pr.). Im § 1 findet sich eine Definition, was unter öffentlichem Orte zu verstehen sei. Im § 2 werden weitere Rechtsfolgen der Hinterlegung beschrieben, nämlich der Übergang der Gefahr auf den Gläubiger und das Freiwerden der Pfänder. Im § 3 folgt dann die Aussage, dass dies auch bei Seedarlehen gelte. Der uns hier interessierende § 4 gibt dann dem Gläubiger eine actio utilis gegen die Verwahrstelle. Es spricht manches für die allgemeine Annahme, dass diese Klage justinianisch sei129. Inhaltlich soll uns die Stelle nicht weiter interessieren, denn sie gehört nicht ins Recht des depo-
124 Hb B III 483; Scheltema B V 2135, 1. Es mag sich um eine shmei /wsij (man beachte das Schlusswort) des Thalelaios handeln, vgl. Heimbach, Manuale 376. Zu den shmeiw/seij vgl. Simon, Aus dem Kodexunterricht. A. Methode 345, SZ 86. 125 Übersetzung: Diese Bestimmung ist heute angefügt um einer Neuerung willen, und sie verstößt gegen das allgemeine Prinzip, und man muss diese Bestimmung als Ausnahmefall und fremd bezeichnen. 126 Simon, D. Divergenzen 293, weist darauf hin, dass Thalelaios mit neara\ dia/ tacij gewöhnlich eine Neuerung Justinians meine. Zur Stelle selbst siehe Simon, Aus dem Codexunterricht – C. Interpolationsberichte 302 f., RIDA 16. Nach Simon lasse sich nicht sagen, ob die Änderung für den Codex vetus oder für den Codex novus erfolgte. Simon sieht den Grund für die Interpolation im favor dotium und bezieht die kaqo/lou diai/resij auf den Satz alteri stipulari nemo potest. 127 Diocl. / Maximian C. 4,32,19,4: Creditori scilicet actione utili ad exactionem earum non adversus debitorem, nisi forte eas receperit, sed vel contra depositarium vel ipsas competente pecunias. Der gesamte Satz ist eine Konstruktion im Ablativus Absolutus (actione utili competente). Man wäre geneigt, diesen Satz daher einfach als Ergänzung des vorherigen zu sehen. Das wäre aber ungereimt, weil der § 3 schon einen Exkurs darstellt, nämlich eine Erstreckung der Regelungen des Prinzipium und des § 2 auf das Seedarlehen. Völlig mißraten ist auch die Wendung vel ipsas pecunias am Ende. Im von Thalelaios zitierten kata\-po/daj heißt es statt vel contra … vel vielmehr h)\ kata\ … h)\ kata\. Die Klage richtet sich also gegen den Verwahrer oder gegen die Gelder. Das kann auf dingliche Rechtsverfolgung hindeuten, dass sich also die Klage gegen jeden Inhaber der Gelder richtet. So deutet es auch ein Scholion (Hb II 727, Scheltema B IV, 1699, 15): kata\ panto\j nemome/nou (vgl. Litewski, Personen 345). Das alles ist rätselhaft; man weiß auch nicht, warum bei der Hinterlegung bei einer öffentlichen Stelle Veranlassung besteht, einen Fall des Abhandenkommens zu erörtern. 128 Litewski, Personen 344 ff.; Wesenberg, Verträge 62 f.; Nitschke, Hinterlegung 208 f.
§ 21 Das depositum und der Vertrag zugunsten Dritter
437
situm, sondern in das Recht der Erfüllung; das zeigen der Regelungskontext als auch die Tatsache, dass es um die Hinterlegung bei einer öffentlichen Stelle geht130. Uns interessiert hier nur, wie sich die Überlieferung der actio utilis in der griechischen Tradition darstellt. In einem Basilikenscholion zu der der Codexstelle entsprechenden Stelle B. 23,3,67131 ist uns ein Thalelaioszitat der kata\-po/daj-Übersetzung überliefert, in dem die Klage des Gläubigers als actio in factum bezeichnet wird. Nun kann man Wahrscheinlichkeitsüberlegungen anstellen: Es ist unwahrscheinlich, dass bei einer kata\-po/daj-Übersetzung aus einer lateinischen actio utilis eine „griechische“ i)mfa/ktum a) gwgh= wird. Also wird der Übersetzer einen Text vor sich gehabt haben, der von einer actio in factum sprach. Auch dies ist ein Hinweis darauf, dass es sich nicht um eine actio depositi (utilis) handelt, die im Reskript gegeben wird. Aber weiter: Woher stammt der von einer actio in factum redende Reskripttext? Ist wahrscheinlicher, dass es sich um die Übersetzung eines vorjustinianischen Textes handelt (dann wäre die Klage also echt?) oder ist es wahrscheinlicher, dass der Codex vetus von einer actio in factum sprach, die Kommission des Codex novus aber dann den Begriff der actio in factum durch den Begriff der actio utilis ersetzte? Es käme hier wohl auch auf das Verhältnis der Begriffe der actio in factum und der actio utilis, vor allem im justinianischen Sprachgebrauch, an132.
2. Zur Entstehung der Interpolation Fragt man, wann und wie es zu der Interpolation in C. 3,42,8,1 kam, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Enantiophanis133 in der Codexstelle C. 3,42,8 aber 129 Für Echtheit spräche aber, wenn schon Diokletian den Schuldner durch diese Hinterlegung hätte freiwerden lassen (vgl. Kaser, RP I § 149 V, S. 640 m.Fn. 55). Denn verliert der Gläubiger seine Klage gegen den Schuldner, muss man dem Gläubiger zwangsläufig eine Klage gegen die Verwahrstelle geben. Die wesentlichsten Indizien für eine nachdiokletianische Einfügung dürften inhaltlich sein, dass das Reskript auf eine Anfrage der Schuldnerin zurückgeht, der § 4 aber aus Sicht des Gläubigers formuliert ist. Schon § 3 enthält eine Verallgemeinerung, die die Reskriptthematik verlässt. Sprachlich ist die Tatsache anstößig, dass ein kompletter Satz ohne grammatikalischen Bezug im Ablativus Absolutus steht. Dies ist nach Eisele (Diagnostik 23 ff., SZ 7) typisch für gesetzliche Anordnungen Justinians. (Zur ganzen Diskussion vgl. nur Nitschke, Hinterlegung 208 f., SDHI 24, und textfreundlicher Litewski, Personen 344 f.). 130 Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die actio utilis anders als in C. 3,42,8,1 und Coll. 10,7,8 nicht als actio depositi bezeichnet wird. Zu dieser Frage siehe auch sogleich im Text zur Basilikenüberlieferung. 131 Dieses Scholion zu mhke/ti e/)xontoj a) gwgh/n lautet (Hb II 727, Scheltema B IV 1699, 9): Qalelai/ou: Ek tou= kata\-po/daj: T%= daneist$= dhladh\ i)mfa/ktou a) gwgh=j ei)j a) pai/thsin au)tw=n ou) kata\ tou= xrew/stou, ei) mh\ tuxo\n tau=ta a) ne/laben, a)ll )h)\ kata\ tou= labo/ntoj e)n paraqh/k$ h)\ kata\ pa/ tnwn tw=n pragma/ twn a( rmozou/shj. 132 Vgl. zu dieser Frage etwa zuletzt Gröschler, Actiones in factum 28 ff. Nach Gröschler (a. a. O. 34 ff.) wurde nach Julian die terminologische Trennung der Begriffe actio in factum und actio utilis aufgeben. 133 Enantiophanis gehört einer späteren Generation als Thalelaios an und wirkte unter dem Kaiser Herakleios (Oxford Dictionary Byzantium I s.v. Anonymous, „Enantiophanes“, S. 107 f.).
438
5. Kap.: Exkurs
die actio utilis gesehen hat, dass es sich also nicht um ein Abweichen der griechischen von der lateinischen Codexüberlieferung handelt134. Dies belegt das Scholion tou= Enantiof. zu B. 13,2,15 (unsere Stelle Afr. 7 quaest D. 16,3,16)135: … e)n de\ t$= k`. diat. tou= mb`.tit. tou= g` bib. fhsi/n, o(/ti, ei) e(/teroj parati/qetai pra=gma/ mou, kinw= kata\ sou= a) d e)cibendoum kai\ i)n r(e/m. ei) de\ sunefw/nhsen, au)to\ doqh=nai moi, klhronomw=n me\n au)tou= dire/ktan e/)xw depo/siti, mh\ klhronomw=n de\ ou)tili/an136. Geht man also davon aus, dass B. 15,4,28 auf einen authentischen Diokletiantext zurückgeht, dann fragt sich, ob der Verfasser des Textes, der später in die Basiliken als B. 15,4,28 aufgenommen wurde, einen vorjustinianischen Text vor sich liegen hatte137. Da dies mehr als zweifelhaft ist, ist die Ansicht überzeugender, nach der der Basilikentext den Text der Erstauflage des Codex von 529, also des Codex vetus, wiedergibt, während der uns überlieferte Codextext schon die Überarbeitung des Codex novus von 534 hat138. Für eine Interpolation nach 529 spricht auch, dass Thalelaios den Codextext commodavit aut deposuit mit e)/xrhsen h)/toi pare/qhken wiedergibt. Wenn man commodavit mit der herrschenden Meinung für eine justinianische Interpolation hält, um durch diese Ergänzung den konkreten Fall des Reskripts zu verallgemeinern, dann gibt Thalelaios zum Teil justinianischen (commodativ aut), zum Teil vorjustinianischen Wortlaut (Fehlen der actio utilis) wieder139. Das lässt sich aber am besten so 134 Zu einem solchen Fall vgl. Simon, D. Divergenzen 298 f., zu C. 4,14,3 mit B. 24,5,4. Es liegt für unsere Stelle also jedenfalls kein Fall vor, in dem eine Interpolation der Kommission des Codex novus die griechischen Juristen überhaupt nicht erreicht hätte (dazu vgl. Simon a. a. O. 299, 309). 135 Hb B II 48 f.; Scheltema B II 657, 23. 136 Übersetzung: In der 20. Konstitution des 42. Titels des 3. Buches (gemeint ist offensichtlich C. 3,42,8; bei der Zahl 20 handelt es sich vielleicht um einen Schreibfehler (bei der Wiederholung des Eta?)) heißt es, dass, wenn ein anderer meine Sache hinterlegt, ich gegen Dich die actio ad exhibendum und die actio in rem habe. Wenn er aber vereinbart hat, dass die Sache mir zurückgegeben wird, habe ich als sein Erbe die actio depositi directa, wenn ich aber nicht erbe, habe ich die actio depositi utilis. 137 Diese Möglichkeit verneint für Thalelaios etwa ausdrücklich Pieler, Byz. Rechtsliteratur 424. Anders könnte es sich verhalten, wenn B. 15,4,28 auf eine vorjustinianische kata\-po/dajÜbersetzung zurückginge. Nach Riccobono, Il valore 471, hatte Thalelaios den Text aus dem Codex Hermogenianus. Denn die ersten Interpreten des Codex Iustinianus hätten normalerweise die alten Sammlungen benutzt. 138 So Simon, Aus dem Codexunterreicht – Divergenzen 290 f., RIDA 17. Der Basilikentext stamme aus der Indexvorlesung des Thalelaios, die dieser seit 529 zum Codex hielt. Die Frage hängt mit der Grundfrage zusammen, ob man als Grundlage des Thalelaioskommentars den Codex vetus (so eine früher herrschende Meinung, vgl. etwa Wenger, Quellen 688 f.) oder den Codex zweiter Auflage ansieht. In letzterer Zeit neigt man zur zweiten Ansicht und nimmt nur noch für Ausnahmefälle an, dass Thalelaiostexte den Text des Codex vetus wiedergeben. Zu dieser Frage grundlegend Simon, D. Divergenzen 273 ff., RIDA 17, vgl. auch Pieler, Byz. Rechtsliteratur 424. Ganz anders aber etwa Eisele, Beiträge 81: Die Verfasser der Basiliken hätten die Interpolation Justinians wieder gestrichen.
§ 21 Das depositum und der Vertrag zugunsten Dritter
439
erklären, dass die Ergänzung von commodavit durch die Kommission des Codex vetus erfolgte, die Aufnahme der actio utilis erst durch die Kommission des codex novus. Denn wären beide Interpolationen schon durch die erste Kommission oder erst durch die zweite Kommission erfolgt, dann sollte der Basilikentext entweder beide oder keine Interpolation kennen. Dass die Interpolation in C. 3,42,8,1 damit auf Justinian und die Zeit zwischen 529 und 534 zurückgeführt werden kann, ist andererseits wieder ein Echtheitsindiz für die actio utilis in PS 2 Coll. 10,7,8. Denn eine etwaige Einfügung der actio utilis in dieser Stelle kann jedenfalls nicht zur selben Zeit wie die in C. 3,42,8,1 und damit auch nicht aus den gleichen Gründen erfolgt sein140.
3. Die Interpolation Justinians als konsequente Weiterführung der Rechtspolitik Diokletians Erweist sich damit die actio utilis in C. 3,42,8,1 als interpoliert, so ist doch darauf hinzuweisen, dass sich die Gewährung einer actio utilis gut in das Recht der Zeit Diokletians einfügte, wenn man sie einmal nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrages zugunsten Dritter, sondern im Hinblick auf das depositum und die Abtretung und im Hinblick auf das depositum und das fideicommissum a debitore relictum betrachtet.
a) Afr. 7 quaest D. 16,3,16 und PS 2 Coll. 10,7,8 Im Hinblick auf das depositum ist an die Stellen PS 2 Coll. 10,7,8 und Afr. 7 quaest D. 16,3,16 zu erinnern. Man kann davon ausgehen, dass in dem Fall, dass der Hinterleger von C. 3,42, 8,1 seine Klage an Photinus abgetreten hätte, Diokletian dem Photinus eine actio utilis gewährt hätte, denn Diokletian ist uns in anderen Codexstellen als ein Förderer des Gedankens, der Abtretungsempfänger habe eine actio utilis, bezeugt141. Nun ist zu bedenken142: Einerseits hat der Hinterleger seinen Willen, dem Photinus die Klage abzutreten, schon insoweit geäußert, dass er mit dem Verwahrer die Rückgabe an Photinus vereinbart hat. Der Hinterleger kann nun aber die Klage nicht mehr abtreten, weil er verstorben ist. Könnte nicht ein Kaiser, der so bereitwillig wie Diokletian eine actio utilis bei einer Abtretung gewährte, sich in diesem Aus-
So ausdrücklich Krüger, Überlieferung vorjustinianischen Wortlauts 94 m.Fn. 2. Unzutreffend daher die Ausführungen von Albertario, I contratti 29, der C. 3,42,8,1 und PS 2 Coll. 10,7,8 trotz der bestehenden Unterschiede einfach kurzschließt. 141 Siehe oben § 21 I. 142 Zum Folgenden, auch zum Vergleich mit C. 4,10,1, vgl. Sotty, Utiles actiones 239 ff., mit teilweise sehr ähnlichen Überlegungen. 139 140
440
5. Kap.: Exkurs
nahmefall, da es wegen des Todes des Hinterlegers nicht mehr zur Abtretung kommen konnte, sich veranlasst gesehen haben, aus Gründen der aequitas eine actio utilis zu gewähren? Hinzu kommt: Die actio utilis erhält der Abtretungsempfänger gerade auch dann in den kaiserlichen Reskripten, wenn die herkömmliche Abtretung in Form der Bestellung als procurator oder cognitor in rem suam fehlschlägt, weil der Abtretende nach Bestellung, aber vor litiscontestatio, verstirbt. Auch in C. 3,42,8,1 scheitert die Abtretung daran, dass der Hinterleger verstirbt. Fraglich ist dabei, ob der Tod des dominus litis vor litiscontestatio tatsächlich zum Erlöschen der Ermächtigung des procurator in rem suam führte. Dies ist nicht unproblematisch und kann hier nicht dargelegt werden kann143. Interessant ist in diesem Zusammenhang Imp. Gordianus Augustus Valeriae C. 4,10,1 (242): Data certae pecuniae quantitate ei cuius meministi in vicem debiti actiones tibi adversus debitorem, pro quo solvisti, dicis esse mandatas et, antequam eo nomine litem contestareris, sine herede creditorem fati munus implesse proponis. quae si ita sunt, utilis actio tibi competit. Der Fall ist wie folgt: Der creditor hatte eine Forderung gegen den debitor. Die anfragende Valeria hatte für den debitor das Geld an den creditor gezahlt144, sich im Gegenzug die Forderung des creditor abtreten lassen. Der creditor hat die Valeria zum procurator145 gemacht. Vor litiscontestatio ist der creditor dann ohne Erben verstorben. Wenn eine actio utilis gegeben wird, dann muss das heißen, dass Valeria jedenfalls nicht mehr aufgrund der Ermächtigung als procurator in rem suam die abgetretene Klage, vielleicht eine condictio aus mutuum, erheben konnte. Das kann nur zwei Gründe haben: Entweder ist durch den Tod die Ermächtigung erloschen, so dass Valeria gegen den debitor nicht mehr vorgehen kann. Dass der creditor keine Erben hat, kann dann deshalb mitgeteilt sein, weil so die Möglichkeit ausscheidet, dass die Erben die Valeria erneut ermächtigen146. Oder Valeria ist zwar noch wirksam ermächtigt, kann aber deswegen eine Verurteilung nicht mehr erreichen, weil die intentio, die auf den Namen des creditor lautet, ins Leere geht, da der creditor erbenlos verstorben ist147. Jedenfalls dürfte klar sein, dass der Tod des Abtretenden für den Abtretungsempfänger nicht unproblematisch war. Ein Vergleich mit C. 4,10,1 könnte daher so lauten: Gordian gewährt dem Abtretungsempfänger und procurator in rem suam die actio utilis, weil die Ermächtigung
143 Vgl. Kaser, RP I § 153 I 2, S. 654 m.Fn. 13. Für Erlöschen könnte etwa sprechen Pap. 15 resp FV. 333: absentis procuratorem satisdare debere de rato habendo recte responsum est. multis enim casibus ignorantibus nobis mandatum solvi potest vel morte vel revocato mandato. cum autem certum est mandatum perseverare, id est cum praesens est dominus, satisdationis necessitas cessat. Die Ermächtigung, mandatum genannt, kann also durch Tod erlöschen. Fraglich ist nun aber, ob dies auch für den procurator in rem suam gilt, da sich hinter diesem Institut ja eine eigene Interessenlage verbirgt. 144 Da Valeria also gleich zahlt, liegt keine Interzession im Sinne des SC Vellaeanum vor: pro alio solvere possit mulier (Gordian C. 4,29,9). Vgl. Medicus, Geschichte des SC Velleianum 31 f. 145 Eine Frau konnte procurator in rem suam sein, sie konnte sogar cognitor in rem suam sein, vgl. PS 1,2,2. 146 So wohl Gehrich, Kognitur und Prokuratur 71 f. 147 Vgl. Simon, B. Die Heroen 371.
§ 21 Das depositum und der Vertrag zugunsten Dritter
441
aufgrund des Todes des Abtretenden und dominus litis erloschen ist oder weil sie ihm aufgrund der leerlaufenden intentio nichts mehr nützt; Diokletian gewährt dem Abtretungsempfänger die actio utilis, weil ihn der Abtretende aufgrund seines Todes gar nicht erst zum procurator machen kann. Den Vergleich zwischen C. 3,42,8 und D. 4,10,1 treibt Sotty148 noch weiter. Nach ihm könnte Photinus vor dem Kaiser argumentiert haben, er sei durch das pactum als Prozessvertreter für die actio depositi benannt worden. Sei dies der Fall, gleiche der Fall dem von C. 4,10,1, so dass Photinus eine actio utilis haben müsse. Der Kaiser habe aber, da die actio utilis am Ende ja interpoliert sei, diese Argumentation verworfen. Eine solche Argumentation zugunsten des Photinus könnte sich immerhin darauf stützen, dass die Bestellung eines procurator in litem formlos möglich war149. Doch steht die Vereinbarung über Rückgabemodalitäten in keinem Zusammenhang mit einem bestimmten Prozess, so dass eine entsprechende Auslegung oder Umdeutung nicht in Frage kommt; zum anderen wird die Ermächtigung des procurator wohl in der Regel diesem gegenüber erklärt werden.
b) Das fideicommissum a debitore relictum beim depositum150 Die Stelle C. 3,42,8 verdient aber auch noch, unter dem Gesichtspunkt des fideicommissum betrachtet zu werden, denn ein Vergleich mit einem fideicommissum liegt insofern nahe, als der Hinterleger sich die Rückgabe an einen anderen erbeten hat und dann nach der Hinterlegung verstorben ist; sonst wäre die Erörterung der Erbfolge nicht zu verstehen. Nimmt man einmal an, dass für das fideicommissum
148 Sotty, Utiles actiones 239 ff. Er scheint vielleicht auch anzunehmen, dass in C. 3,42,8 der Hinterleger erbenlos verstorben sei, weil nur dann die Lage des Photinus problematisch sei. Dem wird man aber nicht zustimmen können. Wenn Diokletian den Photinus darauf hinweist, es stehe ihm vor dem Richter offen, seine Erbenstellung zu beweisen, dann heißt das, dass eine Erbenlosigkeit des Hinterlegers jedenfalls noch nicht vorgetragen wurde. 149 Vgl. G. 4,84; Kaser / Hackl, § 29 III 1 u. 2, S. 213 f. 150 Das fideicommissum a debitore relictum unterscheidet sich von einem Vertrag zugunsten Dritter dadurch, dass ersteres ein Institut des Erbrechts ist, letzterer unter Lebenden erfolgt. Bei der Abgrenzung ist danach zu fragen, ob der Zuwendende den Vermögensvorteil schon zu seinen Lebzeiten aus der Hand gibt oder ihn sich bis zu seinem Tode vorbehält. Siehe dazu Marc. 9 inst D. 39,6,1pr. (Mortis causa donatio est, cum quis habere se vult quam eum cui donat magisque eum cui donat quam heredem suum) und § 2301 II BGB: Bei einer Schenkung unter Lebenden verliert der Zuwendende den Vermögensvorteil schon zu seinen Lebzeiten an den Zuwendungsempfänger; bei Zuwendung von Todes wegen will der Zuwendende den Vorteil bis zu seinem Todes noch selbst nutzen können. Das fideicommissum a debitore relictum ist zudem immer eine unentgeltliche Zuwendung, während die Zuwendung einer Klage durch ein drittbegünstigendes pactum nur dann unentgeltlich ist, wenn sie im Rahmen einer Schenkung erfolgt. Zum fideicommissum a debitore relictum vgl. Wacke, Das fideicommissum 257 ff., TR 39; Ders. „La ‚exceptio doli‘“ 21 ff., IURA 46. Zuletzt Finazzi, L’‚exceptio doli generalis‘ 193 ff. Hellwig, Verträge auf Leistung an Dritte 1 ff., hat versucht, das fideicommissum a debitore relictum als einen Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall zu deuten. Dagegen zutreffend etwa Wacke, Fideicommissum 261 m.Fn. 21.
442
5. Kap.: Exkurs
besondere Formulierungsvorschriften nicht bestanden151, dann unterscheidet sich der dem Reskript zugrundeliegende Sachverhalt von einem fideicommissum nur dadurch, dass die Vereinbarung der Rückgabe an einen Dritten nicht im Hinblick auf den Tod erfolgte. aa) Ein fideicommissum in der Form, dass der Hinterleger sich für den Fall seines Todes die Rückgabe an einen Dritten erbittet, ist uns in den Quellen mehrfach bezeugt152, etwa in Ulp. 5153 disp D. 30,77154: Si pecunia fuit deposita apud aliquem eiusque fidei commissum, ut eam pecuniam praestet, fideicommissum ex rescripto divi Pii debebitur, quasi videatur heres rogatus remittere id debitori: nam si conveniatur debitor ab herede, doli exceptione uti potest: quae res utile fideicommissum facit. quod cum ita se habet, ab omni debitore fideicommissum relinqui potest.
Der Hinterleger hat beim Verwahrer Geld hinterlegt155, und ihn gebeten, das Geld im Falle seines Todes an einen Dritten, der nicht der Erbe ist, herauszugeben. Antoninus Pius hatte durch Reskript entschieden, dass der Dritte vom Verwahrer als dem mit dem fideicommissum Belasteten das fideicommissum, also die hinterlegte Geldsumme, fordern könne. Problematisch war einerseits, dass der Verwahrer noch der actio depositi des Erben ausgesetzt war, vor allem aber, dass nur derjenige mit einem fideicommissum belastet werden konnte, dem selbst etwas aus dem Nachlass zugeflossen war156. Dem Verwahrer ist aber die Befreiung von der Rückgabepflicht
151 Vgl. einerseits PS. 4,1,6 andererseits aber Pap. 8 quaest D. 31,77,26 zum fideicommissum: … non enim quaeri oportet, cum quo de supremis quis loquatur, sed in quem voluntatis intentio dirigatur. Zur Frage vgl. Kaser, RP I § 189 II 1, S. 758. 152 Schon das normale depositum ist ein fideicommissum im Wortsinn, nicht im technischen Sinne eines Instituts des Erbrechts, vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1pr. 153 Nach Lenel (P II, Ulpian 100, Sp. 403) behandelt Ulpian im 5. Buch Legate und Fideikomisse. 154 Zur Stelle siehe nur Wacke, Fideicommissum 258 ff.; Ders., „La ‚exceptio doli‘“ 22 ff., der sich auch überzeugend mit den (nicht abwegigen) Einwänden Wesenbergs, Verträge 56 ff., und Hellwigs, Verträge 3 ff., auseinandersetzt. Die Existenz des Instituts des fideicommissum a debitore relictum als Institut des Erbrechts ist heute, etwa gegen die Einwände Hellwigs, anerkannt. Auf diese Frage kann hier nicht eingegangen werden; stattdessen soll auf Wacke verwiesen sein, der in Fideicommissum, 258 ff., die Konstruktion eines solchen fideicommissum genauer darlegt. Zuletzt Finazzi, L’„exceptio doli generalis“ 199 f. 155 Es handelt sich wahrscheinlich um ein reguläres depositum, d. h. der Verwahrer hat genau die Münzen zurückzugeben, die er empfangen hat. Dies ergibt sich aus dem Wort deponere; etwas anderes müsste ausdrücklich vereinbart werden, vgl. etwa Pap. 9 quaest D. 16,3,24. Nach Wacke, Fideicommissum 260 f., zeige die Erwähnung der exceptio doli und die Verwendung des Wortes debitor, dass es sich um eine condictio handele. Dies hat viel für sich. Allerdings ist zu bedenken, dass es sich bei dem Reskript um die Entscheidung eines konkreten Falles handelt, die Ulpian am Ende verallgemeinert haben wird. Insbesondere wird der Schlusssatz echt sein. Ulpian gibt keine Rechtsprechungsübersicht, sondern stellt das geltende Recht dar (nach Wacke, Fideicommissum 263, stamme etwa der Schlusssatz jedenfalls von Ulpian).
§ 21 Das depositum und der Vertrag zugunsten Dritter
443
zugekommen157, denn er erhält gegen die actio depositi des Erben die exceptio doli158, weil der Erbe mit einer Rückforderung gegen den Verwahrer offensichtlich gegen den Willen des Erblassers handeln würde. Dass dies als Fideicommissum beschrieben wird, durch das der belastete Erbe zugunsten des Verwahrers gebeten wird, dem Verwahrer die Rückgabepflicht zu erlassen, ist nicht zu verdächtigen, sondern vielmehr eine hübsche, stützende Überlegung159. Schlägt der Verwahrer das fideicommissum aus, indem er von der exceptio doli keinen Gebrauch macht, sondern das Geld an den Erben zurückgibt, so führt das nicht etwa dazu, dass der bedachte Dritte leer ausgeht; nur die Abwicklung ändert sich. Der Dritte kann nun vom Erben direkt die Auskehrung des hinterlegten Geldes verlangen160. 156 Vgl. Ulp. 1 fid. D. 32,1,6: Sciendum est autem eorum fidei committi quem posse, ad quos aliquid perventurum est morte eius, vel dum eis datur vel dum eis non adimitur.; vgl. auch G. 2,261 a. E. (… sed hoc solum observandum est, ne plus quisquam rogetur aliis restituere, quam ipse ex testamento ceperit: nam quod amplius est, inutiliter relinquitur). Siehe Kaser, RP I § 189 II 2, S. 758 f. 157 Zur generellen Anerkennung der liberatio legata beim depositum vgl. Pomp. 6 Sab D. 34,3,8,7: Et ei liberatio recte legatur, apud quem deposuero vel cui commodavero pignorive dedero vel ei quem ex furtiva causa mihi dare oportet. Bei dieser liberatio legata darf der Verwahrer den hinterlegten Gegenstand behalten und muss ihn nicht an einen Dritten herausgeben. 158 Die exceptio doli weist hier nicht etwa deshalb auf eine actio depositi in factum concepta hin, weil sie in einer actio depositi in ius concepta schon enthalten wäre. Denn auch der Wortlaut der actio depositi in factum concepta (dolo malo redditam non esse) sollte einen Freispruch des Verwahrers auch ohne Einschub einer exceptio doli ermöglichen. Die exceptio doli könnte höchstens darauf hindeuten, dass es sich bei der Klage des Erben gegen den Verwahrer um eine condictio handelt, also ein Fall des depositum irregulare vorliegt (so etwa Wacke, Fideicommissum 260 f.). Vielleicht ist exceptio doli aber gar nicht im formeltechnischen Sinne gemeint? Immerhin gehört die Stelle zum fideicommissum in den Kognitionsprozess; dort mag man sich keine genauen Gedanken über die Formel der Klage, die der Erbe gegen den Verwahrer im Formularverfahren erheben würde, gemacht haben, sondern einfach das materielle Ergebnis prägnant haben ausdrücken wollen. 159 Anders Beseler, Miscellanea 262 f., SZ 45, für den der Gedanken des Erlaßfideicommissum überflüssig ist, weil mit einem fideicommissum jeder belastet werden könne, der einen Vorteil erlangt habe; der Belastete müsse nicht wiederum mit einem fideicommissum bedacht worden sein. Man kann vielleicht die Begründung so deuten (vgl. Wesenberg, Verträge 57 Fn. 93), dass am Anfang der Grundsatz stand, dass nur ein Empfänger eines fideicommissum mit einem fideicommissum belastet werden konnte. Dass der Verwahrer die exceptio doli hat, ist das als erstes ins Auge Springende, weil der Erbe mit Erhebung der Klage offensichtlich gegen den Willen des Erblassers handeln würde. Wegen des soeben vorausgesetzten Grundsatzes, dass das fideicommissum zu Lasten des Verwahrers voraussetzt, dass er selbst Bedachter eines fideicommissum ist, wird das Zustehen der exceptio doli als Zuwendung eines fideicommissum gedeutet. Später mochte der Grundsatz dann fallen, dass nur ein Fideikommissnehmer belastet werden konnte und der Grundsatz aufgestellt worden sein, dass jeder Vorteil von Todes wegen genüge (vgl. Ulp. 1 fideicomm D. 32,1,6; Kaser, RP I § 189 II 2, S. 758 f. m.Fn. 18). Zur genauen Konstruktion des fideicommissum a debitore relictum vgl. Wacke, Fideicommissum 260.
444
5. Kap.: Exkurs
bb) In gleicher Weise wie D. 30,77 lässt sich verstehen Paulus 4 resp D. 16,3,26pr.161: Publia Maevia cum proficisceretur ad maritum suum, arcam clusam cum veste et instrumentis commendavit Gaiae Seiae et dixit ei: ‚cum sana salvave venero, restitues mihi: certe, si aliquid mihi humanum contigerit, filio meo, quem ex alio marito suscepi‘. defuncta ea intestata desidero res commendatae cui restitui debeant, filio an marito. Paulus respondit filio.
Publia Maevia hat, bevor sie auf eine Reise ging, ihre Sachen bei Seia hinterlegt. Wenn sie heil von der Reise zurückkommt, soll Seia ihr die Sachen zurückgeben, wenn sie nicht zurückkommt, ihrem Sohn, den sie von einem früheren Ehemann hat. Publia Maevia ist testamentslos gestorben. Sollen dem Sohn oder ihrem Ehemann die Sachen zurückgegeben werden? Die Antwort des Paulus ist so kurz wie nur irgend möglich, sie besteht aus einem Wort: filio. Es handelt sich um ein depositum. Das zeigt schon das Wort commendare162, aber auch der Inhalt des Vertrages: Seia darf die Sachen offensichtlich nicht benutzen, die arca ist verschlossen, sie enthält mit den Kleidern persönliche Gebrauchsgegenstände und Urkunden aus Geschäften, die Seia nichts angehen. Seia muss ferner die Sachen der Publia Maevia jederzeit zurückgeben, sobald diese es verlangt163. So überzeugend Wacke, Fideicommissum 262. Zur Stelle siehe Wacke, „La ‚exceptio doli‘“ 30 ff., IURA 46; Wesenberg, Verträge 58; Litewksi, Personen 343; Astolfi, Sull’ oggetto 72 f. Hellwig, Verträge 2 f., sieht in der Stelle einen Beleg für die Anerkennung des echten Vertrages zugunsten Dritter im klassischen Recht. Dies wird heute zu Recht abgelehnt, siehe nur Wacke, Fideicommissum 261 m.Fn. 21). Stintzing, Über die Mancipatio 46, weist auf Pomp. 15 Sab D. 24,3,10,1 hin und erwägt, die Ehefrau habe, wie sich herausstellte: zu Recht, Angst gehabt, von ihrem Manne ermordet zu werden, so dass dieser den Anspruch auf die dos, zu der die hinterlegten Sachen gehörten, verlor. Diese Überlegung ist witzig, aber der Witz geht auf Kosten des Rufes des Ehemannes. Wenn man bedenkt, wie gefährlich das Reisen im Altertum sein konnte, wenn man der Publia Maevia aufgrund der Tatsache, dass sie mindestens zum zweiten Mal verheiratet war und wohl einen volljährigen Sohn hatte, unterstellt, sie sei bereits fortgeschrittenen Alters gewesen, dann mochte sie bei der Befürchtung ihres Todes nicht ihren Ehemann verdächtigt haben. Zudem ist, da nichts anderes gesagt ist, davon auszugehen, dass die Gegenstände nicht zur dos gehören. Für den Fall, dass die Gegenstände nicht zur dos gehören, scheint Stintzing (46) unter Hinweis auf C. 5,16,6,1 folgendes zu erwägen: die Frau ist Eigentümerin der Sachen und der Sohn ihr (Allein-)Intestaterbe. Doch stellte sich das Problem, dass aufgrund der praesumptio Muciana der Ehemann als Eigentümer zu vermuten war, so dass der Sohn nichts erlangen konnte. Hiergegen wird man sagen können, dass solche Beweisprobleme nicht angedeutet sind. Die Ehefrau scheint zudem, auch aufgrund ihrer ersten Ehe und ihres unabhängigen Wohnsitzes, von ihrem jetzigen Ehemann relativ unabhängig gewesen zu sein; die instrumenta mögen genaueren Aufschluss über die Herkunft ihres Vermögens geben. 162 Vgl. Ulp. 30 ed D. 50,16,186; Pap. 9 quaest D. 16,3,24. 163 Auch die Tatsache, dass Paulus die Stelle wohl unter dem Titel Si certum petetur erörtert (vgl. Lenel, P I, Paulus 1474, Sp. 1228), spricht nicht dagegen. Mutuum und commodatum scheiden nach Lage des Falles nun einmal aus. 160 161
§ 21 Das depositum und der Vertrag zugunsten Dritter
445
Daran, dass der Sohn seine Mutter nach dem SC Orfitianum164 beerbt hat, besteht kein Zweifel165; die Aussage, Publia Maevia sei intestata verstorben, lässt keine andere Möglichkeit zu166. Dieselbe Aussage bedeutet aber auch, dass Publia Maevia nicht in der manus-Gewalt ihres Mannes stand und dieser nicht deren Erbe wurde, also auch weder die Sachen noch die actio depositi geerbt haben konnte167. War die Rechtslage also völlig problemlos und die Frage, ob die Sachen an den Ehemann herauszugeben waren, von einem Rechtsunkundigen gestellt? Problematisch konnte die Rechtslage sein, wenn der erwähnte Sohn nicht der einzige Erbe war. Damit musste Paulus rechnen; hätte sich dadurch die Rechtslage geändert, hätte er den Fragesteller um eine Präzisierung bitten oder gleich auf die Frage Alternativantworten geben müssen. Vielleicht kann man sogar sagen, dass die Beschreibung des Sohnes als quem ex alio marito suscepi darauf hindeutet, dass es zumindest noch einen Sohn vom jetzigen Ehemann gab168. Es handelte sich in diesem Falle um dieselbe Konstruktion eines fideicommissum a debitore relictum wie in D. 30,77, diesmal zugunsten eines Miterben: Der Verwahrerin Gaia Seia ist ein fideicommissum zugunsten des filius auferlegt, gegen etwaige Miterben hätte die Verwahrerin die exceptio doli. Eben gerade darin mag für Paulus die Pointe seiner kurzen Antwort liegen: Egal wie unpräzise die Sachverhaltsschilderung des Rechtsunkundigen auch ist und egal wie kompliziert die rechtlichen Überlegungen sind, die man je nach Sachverhaltslage stellen muss, die Antwort ist immer nur die eine: filio. 164 Nach dem SC Orfitianum von 178 v.Chr. haben Kinder ein ziviles Erbrecht nach ihrer Mutter, vgl. UE 26,7; Kaser, RP I § 168 II 2 u. 3, S. 702. 165 Wacke, „La ‚exceptio doli‘“ 31; Litewski, Personen 343 f. Unerheblich ist, ob der filius in der patriapotestas seines Vaters steht, vgl. Gaius lib.sing. ad SC Orph. D. 38,17,9, siehe dazu Meinhart, Tertullianum 142 ff. Kübler, Griechische Tatbestände 185 Fn. 5, bemerkt, dass dann die Stelle etwas Selbstverständliches sage. Dem Juristen Paulus werden sicher auch Anfragen zugegangen sein, die rechtlich banal waren. Eine andere Frage wäre, warum die Stelle in die Responsensammlung aufgenommen wurde; dazu siehe noch sogleich im Text. 166 Dass der Sohn Erbe der Mutter sei, ist auch die Lösung des Stephanus. In den Basilikenscholien haben wir zwei Paragraphen des Stephanus überliefert. Die eine dh=lon de/ lautet (Hb II 54, Scheltema B II 663, 16): dh=lon de/, o/(ti w(j klhrono/m% genome/n% au)t% th=j mhtro\j a( rmo/ttei neredita/ rio i)úre depósiton: teqema/tistai ga\r a) dia/qetoj h( mh/thr teleuth/sasa, w(j au)to\n e)c a) diaqe/tou kalei/sqai ui(o\n th=j teleuthsa/shj (Übersetzung: Es ist offensichtlich, dass ihm als Erben seiner Mutter das depositum nach Erbrecht zusteht. Der fiktive Fall, der qematismo/j, wurde nämlich so gebildet, dass die Mutter als intestata verstorben ist, damit der Sohn von der intestata als Erbe der Verstorbenen berufen wird). Merkwürdig ist nur, dass Stephanus die Aussage, die Mutter sei intestata, auf den qematismo/j bezieht, da wir doch aufgrund der Stelle D. 16,3,26pr. wissen, dass dies auch im r(hto/n stand. 167 Der Ehemann wäre höchstens Erbe nach prätorischem Recht, dies aber auch nur nach dem filius, vgl. Kaser, RP I § 167 II 4, S. 701. 168 So vielleicht auch Wesenberg, Verträge 58. Ein anderer Sohn aus der noch bestehenden Ehe würde den Sohn aus früherer Ehe nicht ausschließen, vgl. Mod. 9 reg D. 38,17,4 (dazu nur Meinhart, Tertullianum 140).
446
5. Kap.: Exkurs
Es ist also keineswegs so, dass die eine Lösung, der filius sei Alleinerbe seiner Mutter nach dem SC Orfitianum, die andere Lösung eines fideicommissum a debitore relictum zugunsten des Sohnes als Miterben ausschließt. Freilich könnte für den Sohn die Antwort unbefriedigend sein, weil er nicht erfährt, mit welcher Klage er vorgehen soll. Doch ist zum einen die Frage aus Sicht der Seia gestellt: Gefragt ist, wem Seia zurückgeben solle, und diese Antwort gibt Paulus. Zum anderen käme es wohl nicht einmal für den Sohn darauf an, die richtige Klageart zu kennen. Denn würde er die Sachen als fideicommissum fordern, würde er im Kognitionsverfahren vorgehen. Dort dürfte es ihm kaum schaden, wenn sich herausstellte, dass er als Alleinerbe auch mit einer ererbten actio depositi im ordentlichen Formularprozess hätte vorgehen können oder vielleicht sogar sollen. Der Sohn dürfte aber auch im Formularverfahren mit der actio depositi obsiegen, selbst wenn sich herausstellte, dass er nur Miterbe ist. Er müsste wohl gegenüber der Seia keine cautio abgeben169, weil die Seia gegen Miterben des Sohnes geschützt wäre, denn sie handelt nicht dolos, wenn sie sich die Herausgabe an die Miterben durch Rückgabe der Sachen an den Sohn unmöglich macht.
cc) Ein weiteres fideicommissum a debitore relictum im Zusammenhang mit der Verwahrung ist uns erhalten in Pap. 12 resp D. 39,5,31,3 (FV. 257)170. Einen Sonderfall bilden Fälle, in denen die hinterlegten Gegenstände an (verwandte) Minderjährige herausgegeben werden sollen, sobald diese ein reiferes Alter erreicht haben171. Erwähnenswert sind ferner Fälle, in denen Schuldscheine oder Schenkungsurkunden hinterlegt werden und im Todesfall einem Dritten herausgegeben werden sollen172. 169 Vgl. Ulp. 30 ed D. 16,3,1,36: Si pecunia in sacculo signato deposita sit et unus ex heredibus eius qui deposuit veniat repetens, quemadmodum ei satisfiat, videndum est. … . sed si res sunt, quae dividi non possunt, omnes debebit tradere satisdatione idonea a petitore ei praestanda in hoc, quod supra eius partem est: satisdatione autem non interveniente rem in aedem deponi et omni actione depositarium liberari. 170 Pap. 12 resp D. 39,5,31,3: Eiusmodi lege deposita in aede arca, ut eam ipse solus qui deposuit tolleret aut post mortem domini Aelius Speratus, non videri celebratam donationem respondi. Papinian äußert sich nur zur Frage (nach Lenel, P I, Papinian 690, Sp. 936, hinsichtlich der lex Cincia), ob eine Schenkung wirksam vollzogen wurde und verneint dies. Die Begründung wird sein, dass der Hinterleger jederzeit die Sachen vom Verwahrer zurücknehmen kann und damit noch kein endgültiger Verzicht auf den betreffenden Vermögenswert vorliegt. Dass auch der Hinterleger die arca jederzeit zurückfordern kann, ist ausdrücklich vereinbart worden. Zur uns interessierenden Frage des fideicommissum a debitore relictum äußert sich Papinian nicht. Zur Stelle etwa Litewski, Personen 342 f. 171 Vgl. Scaev. 21 dig D. 36,1,80,1; Scaev. 18 dig D. 32,37,5; Scaev. 16 dig D. 34,3,28,8. Eine entsprechende Urkunde findet sich jetzt in P. Euphr. 12 (Feissel / Gascou, Journal des Savants 2000, 163 ff.); einer entsprechenden Situation liegt zugrunde Quintilians Declamatio 245. 172 Soll ein hinterlegter Schuldschein an den Schuldner herausgegeben werden, bedeutet dies eine liberatio legata von der im Schuldschein verbrieften Schuld, vgl. Ulp. 23 Sab D. 34,3,3,2 mit Julian 60 dig D. 39,6,18,2. Die Hinterlegung einer Urkunde über die Schenkung von Grundstücken mit der Verabredung der Herausgabe an einen Dritten im Todesfall kann ein fideicommissum dieser Grundstücke sein, Pap. 8 resp D. 31,77,26.
§ 21 Das depositum und der Vertrag zugunsten Dritter
447
dd) Hätte also der Hinterleger in C. 3,42,8,1 sich die Rückgabe an Photinus für den Fall seines Todes erbeten, hätte Photinus eine Forderung aus dem fideicommissum gehabt. Dass hier der Hinterleger seinen Wunsch, die Sache solle an Photinus zurückgegeben werden, vor seinem Tode tatsächlich geäußert hatte, hätte Diokletian Anlass geben können, ausnahmsweise dem Photinus eine Klage zu erteilen173. Man wird jedenfalls erwarten können, dass im Falle einer Rückgabe der Sachen an Photinus der Erbe des Hinterlegers die actio depositi nicht erfolgreich erheben könnte, sich vielmehr der Verwahrer darauf würde berufen können, er habe mit der Herausgabe an Photinus nicht dolos gehandelt, sondern vielmehr die Vereinbarung mit dem Hinterleger erfüllt174. Nach Pacchioni175 verberge sich hinter der Gewährung der actio utilis in C. 3,42,8,1 (durch, da wahrscheinlich eine Interpolation vorliege, das justinianische Recht) nicht die Zulassung des Vertrages zugunsten Dritter, sondern das Institut der direkten Stellvertretung. Daran ist richtig, dass der Grundsatz „alteri stipulari nemo potest“ eine doppelte Stoßrichtung hat176: er verhindert sowohl, dass durch Auftreten im Namen eines Dritten der Dritte Rechte erwirbt als auch, dass durch Auftreten im eigenen Namen einem Dritten Rechte zugewandt werden können. Wir würden im ersten Fall von direkter Stellvertretung sprechen, im zweiten Fall von einem Vertrag zugunsten Dritter. Beides haben die Römer so nicht getrennt177. Weil dies aber so ist, bringt es auch nichts, das Problem von dem einen Institut, das die Römer nicht gekannt haben, auf das andere Institut, das die Römer ebenfalls nicht gekannt haben, zu verlagern178. Darüber hinaus deutet die Sachverhaltsbeschreibung in C. 3,42,8,1 (quod si pactus sit, ut tibi restituantur), wenn überhaupt auf etwas, eher auf einen Vertrag zugunsten Dritter hin. Hätte
173 Zu überlegen ist, wieso es sich um eine actio depositi utilis handeln würde und nicht um eine analoge Klage aus einem zu unterstellenden fideicommissum. Ein fideicommissum a debitore relictum kann auf zwei Weisen konstruiert werden: Antoninus Pius gab dem Bedachten eine Klage gegen den Schuldner, weil dieser von ihm als Beschwerter gedacht war. Dies ist das eigentliche fideicommissum a debitore relictum. Julian aber hatte in Afr. 5 quaest D. 30,108,13 dem Bedachten nur eine Klage gegen den Erben gegeben, damit dieser seine Klagen gegen den Schuldner abtrete (vgl. Wacke, Fideicommissum 260). So hätte Diokletian, wenn er die actio utilis hätte begründen wollen, den Fall mit einem fideicommissum der actio depositi zugunsten des Photinus vergleichen können. Der Erbe des Hinterlegers wäre bei einem solchen fideicommissum dann zur Abtretung der actio depositi verpflichtet gewesen. Die Klage wäre dann in einem doppelten Sinne utilis: Erstens weil kein fideicommissum vorliegt, zweitens weil der Abtretungsempfänger nur eine actio utilis haben kann. 174 Sotty, Utiles actiones 239, erwägt eine exceptio pacti conventi, doch dürfte eine Verurteilung des Verwahrers schon wegen Fehlens des dolus ohne Einschaltung einer exceptio ausgeschlossen sein. 175 Pacchioni, Contratti 52 f.; so auch Cornil, Explication historique 254. 176 Vgl. Honsell / Kunkel4, 112. 177 Vgl. Honsell / Kunkel4, 112. Auch die Unterscheidung zwischen dem Handeln im eigenen Namen und dem Handeln in fremdem Namen ist für das römische Recht so nicht weiterführend. Der Sklave, der eine Stipulation abschloss, erwarb seinem Herrn die Klage, ob er nun die Frage auf sich oder den Herrn abstellte, vgl. G. 3,167 u. 167a, sowie Kaser, RP I § 14 IV 5, S. 65. 178 Pacchioni, Contratti 52 f., behauptet pauschal, dass klassische römische Recht habe der direkten Stellvertretung offener gegenüber gestanden, als man gemeinhin annimmt.
448
5. Kap.: Exkurs
der Hinterleger im Namen des Photinus als dessen Bote hinterlegt, wäre die Vereinbarung der Rückgabe an den Photinus überflüssig gewesen179.
III. Tryph. 9 disp D. 16,3,31,1 Nicht zum Themenkreis des depositum und des Vertrags zugunsten Dritter gehört schließlich Tryph. 9 disp D. 16,3,31,1180. Der Dieb hatte die gestohlene Sache beim Verwahrer, der vom Diebstahl nichts wusste181, hinterlegt. Tryphonin wirft die Frage auf, ob bei der Ermittlung, was nach der bona fides gebühre, nur die vertragschließenden Parteien zu berücksichtigen seien oder auch dritte Personen, wie etwa der bestohlene Eigentümer. Fraglich ist, welche Klage der Eigentümer gegen den Verwahrer hat, auf die der Text mehrfach anspielt (restituere debeat, ad petenda veniam). Teilweise wird die Klagemöglichkeit in einer actio depositi utilis gesehen182. Tryphonin deutet diese nicht an. Es liegt auch weder wie in PS 2 Coll. 10,7,8 ein Fall
179 Vgl. damit etwa Ulp. 30 ed D. 16,3,1,11. Dort wird unterschieden, ob der Beauftragte die Sache im Namen des Auftraggebers hinterlegt. Dann hat der Auftraggeber gegen den Beauftragten die actio mandati und gegen den Verwahrer die actio depositi. Man kann dies so deuten, dass die Einigung zwischen dem Auftraggeber und dem Verwahrer über den Zweck der Übergabe durch den Beauftragten als Boten erfolgte. Auch die Besitzverhältnisse stimmen, wenn man davon ausgeht, der Auftraggeber sei immer Besitzer gewesen und auch der Beauftragte nur detentor, der die Detention dem Verwahrer übertrug. Oder aber der Beauftragte hinterlegte die Sache in seinem eigenen Namen, dann erwarb er selbst die actio depositi, nicht der Auftraggeber. Eine Hinterlegung in fremdem Namen betrifft auch Alex. C. 5,16,6. Der Hinterleger soll nicht der Mann sein, der die Rückgabe an die Frau als Dritte bedingt, sondern Hinterlegerin soll die Frau sein, die dann Rückgabe an sich selbst verlangt. 180 Tryph. 9 disp D. 16,3,31,1: Incurrit hic et alia inspectio. bonam fidem inter eos tantum, quos contractum est, nullo extrinsecus adsumpto aestimare debemus, an respectu etiam aliarum personarum, ad quas id quod geritur pertinet? exempli loco latro spolia quae mihi abstulit posuit apud Seium inscium de malitia deponentis: utrum latroni an mihi restituere Seius debeat? si per se dantem accipientemque intuemur, haec est bona fides, ut commissam rem recipiat is qui dedit: si totius rei aequitatem, quae ex omnibus personis quae negotio isto continguntur impletur, mihi reddenda sunt, quo facto scelestissimo adempta sunt. et probo hanc esse iustitiam, quae suum cuique ita tribuit, ut non distrahatur ab ullius personae iustiore repetitione. quod si ego ad petenda ea non veniam, nihilo minus ei restituenda sunt qui deposuit, quamvis male quaesita deposuit. quod et Marcellus in praedone et fure scribit. … Die Stelle verdient eine ausführliche Erörterung, die hier nicht geleistet werden kann. Siehe nur die überzeugende Exegese von Knütel, Pflichtenkonflikt 239 ff.; ferner Litewski, Personen 329; siehe jetzt auch Talamanca, La bona fides 117 ff., der die Stelle in Beziehung setzt zu Ulp. 41 Sab D. 16,3,11. 181 Dass schließt vielleicht die actio furti des Eigentümers gegen den Verwahrer aus (so Litewksi, Personen 329 Fn. 397), aber wohl auch eine etwaige actio aus negotiorum gestio (vgl. Ulp. 10 ed D. 3,5,5,4; dazu Behrends, Überlegungen 17 ff.), weil der Verwahrer keine Kenntnis von der Fremdheit des Geschäfts hat.
§ 21 Das depositum und der Vertrag zugunsten Dritter
449
der Unterverwahrung noch wie in C. 3,42,8,1 ein drittbegünstigendes pactum vor. Es muss ferner in Erinnerung gerufen werden, dass es keine Stellen gibt, in denen das Eigentum des Dritten als Begründung für eine actio depositi utilis herangezogen wird. In PS 2 Coll. 10,7,8 ist keine Rede davon, dass der Ersthinterleger Eigentümer sei183; die Gewährung der actio utilis rechtfertigt sich aus der Pflicht des Verwahrers zur Klageabtretung und auch und gerade aus der Beschränkung der Haftung auf die Klageabtretung. Dies unterscheidet diesen Fall von D. 16,3,31,1. Der Dieb haftet aus der condictio furtiva auf den Sachwert, er kann sich nicht durch Klageabtretung befreien. Für C. 3,42,8,1 ist sogar, wie oben dargelegt, positiv davon auszugehen, dass derjenige, dem die Klage actio utilis gewährt wird, nicht als Eigentümer gedacht ist. Es könnte überhaupt nur einen Grund geben, dem bestohlenen Eigentümer eine actio depositi utilis zu geben184: dieser läge vor, wenn der Eigentümer gegen den Verwahrer weder reivindicatio noch actio ad exhibendum hätte185. Knütel186 hat jetzt aber im Anschluss an Marrone187 überzeugend gezeigt, dass Tryphoninus hier den Verwahrer als für die reivindicatio passivlegitimiert gedacht hat.
182 Behrends, Überlegungen 49 ff. (aequitas-gestützte Amtsrechtsklage); Kaser, Ius gentium 122 ff.; Reichard, Drittschadensersatz 188 f. m.Fnn. 89 u. 89a. Dagegen überzeugend jetzt Knütel, Pflichtenkonflikt 255 ff. Die Argumentation Behrends’ ist nicht deutlich. Ihm geht es zwar einerseits um den Vertrag zugunsten Dritter, eine den Eigentümer begünstigende Vereinbarung zwischen Dieb und Verwahrer ist in der Stelle aber nicht erkennbar. Behrends deutet zwar mehrfach an (a. a. O. 20, 47), die zwischen Hinterleger und Verwahrer getroffene Vereinbarung der Rückgabe der Sache an den Eigentümer habe dazu geführt oder führen können, dass dieser eine Klage erworben habe, bringt aber keine Belege in den Quellen. Unklar ist die Argumentation auch insofern, als Behrends unter Berufung auf Ulp. 10 D. 3,5,5,4 darauf hinweist, dem Dritten stehe gegenüber einer Vertragspartei unter Umständen eine Klage aus negotiorum gestio zu (a. a. O. 17 ff.), sich aber nicht dazu äußert, in welchem Verhältnis eine solche Klage nun zu der von ihm postulierten Klage des Dritten aus einer drittbegünstigenden Vereinbarung steht. 183 Er wird dies zwar regelmäßig sein; aber fußte darauf die Begründung, würde man eine Erwähnung der Eigentumsverhältnisse erwarten; anders ohne nähere Begründung Kaser, Ius gentium 123. 184 Reichard, Drittschadensersatz 188f., will die actio utilis neben der reivindicatio geben. Aber warum soll der Eigentümer neben den Klagen gegen den Dieb und den Klagen gegen den Verwahrer noch eine actio utilis haben? 185 Diese Frage wird von Behrends a. a. O. und Kaser a. a. O. nicht erörtert. Schon deshalb können die dortigen Ausführungen nicht überzeugen, weil sie zum Hauptproblem nicht Stellung nehmen. Behrends verweist unter anderem auf C. 3,42,8,1 und C. 5,14,7; die man ohne genauere Auseinandersetzung mit der Basilikentradition noch immer für interpoliert halten muss (siehe oben). Der Verweis auf PS 2 Coll. 10,7,8 trägt nicht. 186 Knütel, Pflichtenkonflikt 256. 187 Marrone, La legittimazione passiva 99 ff. Der Verwahrer ist detentor, und er hat die facultas restituendi, weil er gegenüber dem Hinterleger zur Herausgabe berechtigt ist. Gibt er die Sache an den bestohlenen Eigentümer heraus, handelt er nicht dolos und haftet daher auch nicht aus der actio depositi (a. a. O. 103 f.). Siehe zur Frage schon oben § 21 II.
450
5. Kap.: Exkurs
Die die bonae fides betreffenden Erörterungen Tryphonins sind am Platz, auch wenn sie nicht dazu dienen, eine actio depositi utilis zu rechtfertigen. Es geht einfach um die Frage, ob der Verwahrer, der die Sache ihrem Eigentümer zurückgegeben hat, dem hinterlegenden Dieb aus der actio depositi haftet, ob er dolos gehandelt hat188. Daneben finden sich noch andere Stellen, in denen eine actio utilis gewährt wird189. In Ulp. 23 ed D. 5,1,18,1 soll der filiusfamilias, der eine Sache hinterlegt hat, die Sache selbst in einem utile iudicium zurückverlangen können, obwohl doch eigentlich der paterfamilias die actio depositi erwirbt. Die Stelle gehört zum Fragenkreis der Aktivlegitimation des filiusfamilias für die actio depositi190.
IV. Zusammenfassung Fasst man die Ergebnisse zusammen, so zeigt sich, dass es im Bereich des depositum keine Quellenbelege für die Anerkennung eines Vertrages zugunsten Dritter gibt. In PS 2 Coll. 10,7,8 liegt keine drittbegünstigende Vereinbarung vor. C. 4,32,19,4 betrifft keinen Fall einer privatrechtlichen Hinterlegung; zudem fehlte es auch hier an einer drittbegünstigenden Vereinbarung. In C. 3,42,8,1 liegt immerhin eine drittbegünstigende Vereinbarung vor. Auch wenn sich, wie gezeigt, die darin gewährte actio depositi utilis des Dritten gegen den Verwahrer zumindest als eine Ausnahmeentscheidung gut in das Recht der Zeit Diokletians einfügen würde, so lässt wohl die in den Basiliken gefundene Überlieferung der Codexvorlesung des Thalelaios keinen Zweifel daran zu, dass die Gewährung dieser Klage erst durch Justinian erfolgte.
Zutreffend daher Knütel, Pflichtenkonflikt 257. Nicht dazu gehört Paulus 4 quaest D. 15,1,52pr.: … plane si ex re pupilli nomina fecit vel pecuniam in arca deposuit, datur ei vindicatio nummorum et adversus debitores utilis actio, scilicet si nummos consumpserunt: hic enim alienare eos non potuit: … . Paulus behandelt einen Fall, in dem jemand als Tutor die Geschäfte eines pupillus geführt hatte. Von diesem Tutor stellte sich später heraus, dass er ein Sklave gewesen war. Dieser Sklave hat nun Gelder des pupillus als Darlehen vergeben oder hinterlegt. Bei erster Lektüre könnte man meinen, aus der Darlehensvergabe habe der pupillus die reivindicatio und aus der Hinterlegung eine actio utilis. Dies ist aber so nicht richtig. Der Sklave konnte, da er als Sklave nicht wirksam Tutor sein konnte, über das Geld nicht verfügen (hic enim alienare eos non potuit). Dem pupillus steht also aus beiden Geschäften die reivindicatio zu. Haben die Geldempfänger aber die Münzen verbraucht, scheidet die reivindicatio aus, der pupillus hat eine actio utilis. Da ein Verbrauch des Geldes aber nur bei den Empfängern naheliegt, die das Geld als Darlehen erhalten haben, wird sich die actio utilis auch nur auf diesen Fall beziehen und hat also nichts mit dem depositum zu tun. Zur Stelle vgl. nur Wacke, Zahlung mit fremdem Geld 82 f. In Ulp. 41 Sab D. 9,2,41pr. meint die actio in factum eine Klage im Bereich der lex Aquilia (vgl. Gröschler, Actiones in factum 39 Fn. 56). 190 Siehe den kurzen Hinweis in § 3 I 2. 188 189
Ergebnisse I. Ergebnisse des ersten Kapitels 1. Ein Abgehen von der herkömmlichen Rekonstruktion der actio depositi in ius concepta ist trotz der abweichenden Schreibungen im Codex Veronensis nicht veranlasst (§ 2 II). 2. Die Ausdrücke formula in factum concepta und actio in factum sind grundsätzlich austauschbar (§ 3). 3. Die Quellen äußern sich zur Formelfrage nicht. Dass zwei verschiedene Formeln existierten, wird nur durch Gaius in dessen Instititutionen und im davon abhängigen Gaius von Autun erörtert (§ 4).
II. Ergebnisse des zweiten Kapitels 4. Der Kommentar Ulpians zur formula in ius concepta beginnt erst in Ulp. 30 ed D. 16,3,1,47 (§ 6 II 11). 5. Der Titel D. 16,3 lässt sich insoweit unterteilen, als bis zur lex 23 eine Terminologie vorherrscht, die die Haftung des Verwahrers mit den Vorwürfen des non reddere und des dolo facere begründet, während ab der lex 24 eine solche Terminologie fehlt. Man kann dies so erklären, dass ab der lex 24 die Stellen vorwiegend die formula in ius concepta betreffen (§ 7). 6. Die römischen Juristen begründen die Haftung des Verwahrers, indem sie ein dolo facere oder ein non reddere feststellen; auf ein res dolo malo non reddita stellen sie hingegen nie ab (§ 8). 7. Das depositum wurde in den Sabinuskommentaren nicht als eigenständiges Institut behandelt (§ 9).
III. Ergebnisse des dritten Kapitels 8. Auch im klassischen Recht haftete der Erbe des Verwahrers aus der actio depositi in factum concepta (§ 10). 9. Im klassischen Recht haftete der Verwahrer nur für dolus. Eine Tendenz, die Haftung des Verwahrers auszuweiten, etwa auf culpa lata, ist nicht erkennbar (§ 11).
452
Ergebnisse
10. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass es im klassischen Recht nicht ausgereicht hätte, dass die Verurteilungsvoraussetzungen bei der actio depositi in factum concepta im Urteilszeitpunkt vorlagen (§ 12). 11. Auch für Neraz genügte es bereits, dass die Verurteilungsvoraussetzungen des dolo malo redditam non esse im Urteilszeitpunkt vorlagen (§ 12 III).
IV. Ergebnisse des vierten Kapitels 12. Ein haftungsbegründender Tatbestand der actio depositi in factum concepta liegt in der dolosen Herbeiführung der Unmöglichkeit der Rückgabe. Hat der Verwahrer die Unmöglichkeit der Rückgabe einmal herbeigeführt, entfällt die Haftung nur noch, wenn er die Sache zurückgibt; die actio depositi in factum concepta erweist sich insoweit als Deliktsklage. Allein der Gebrauch der Sache, ohne dass dadurch die Rückgabe der unbeschädigten Sache unmöglich wird, begründet keine Haftung aus der actio depositi (§ 13 I 1). Grund für die Haftung des Verwahrers aus der actio depositi in factum concepta ist nicht die Verletzung einer Rückgabepflicht, sondern das dolose Handeln in Bezug auf die hinterlegte Sache (§ 13 I 2). Nimmt man an, dass D. 16,3,13,1 von der Möglichkeit eines zweiten Prozesses handelt, dann zeigt sich auch in der Zulassung einer zweiten Klage, dass die causa der actio depositi in factum concepta nicht ein Vertrag ist, sondern der dolus des Verwahrers (§ 13 II). 13. Die actio depositi wurde bei der Hinterlegung bei einem Sklaven gegen den Sklaveneigentümer als actio de peculio gegeben. Das galt auch für die actio depositi in factum concepta (§ 14 I). Auch nach der Freilassung des verwahrenden Sklaven trat keine Noxalhaftung ein, sondern der ehemalige Sklaveneigentümer haftete aus der actio depositi de peculio annalis. War aber die hinterlegte Sache beim Freigelassenen, gewährte der Prätor zur Sicherung der Sachverfolgung und des Aussonderungsrechts des Hinterlegers eine Klage gegen den Freigelassenen, so wie bei einer Verwahrung die actio depositi gegen den Gemeinschuldner statt gegen den bonorum emptor gewährt wurde, wenn, wie im Regelfall, die hinterlegte Sache noch beim Gemeinschuldner war (§ 14 II). 14. Dem Hinterleger steht im Konkurs des Verwahrers ein Recht zur Aussonderung der hinterlegten Sache zu, das er sowohl mit der reivindicatio als auch mit der actio depositi verwirklichen kann. Ist die hinterlegte Sache nicht mehr aussonderbar, hat der Hinterleger ein Konkursprivileg (§ 14 III). 15. Die Sachverfolgungsfunktion der actio depositi zeigt sich auch darin, dass die actio depositi de peculio gegen den Gewalthaber bei eigenem dolus des Gewalthabers in zweifacher Form abgewandelt wurde: Es kam zum einen nicht mehr darauf an, ob die Verurteilungsvoraussetzungen in der Person des Gewaltunterworfenen vorlagen, zum anderen wurde die Klage ohne die Haftungsbeschränkung auf
Ergebnisse
453
das peculium gegeben. Dadurch wurde ein Zugriff auf denjenigen ermöglicht, der die Sache tatsächlich hatte. Entsprechend findet sich die Diskussion um solche Formelabwandlungen auch nur noch bei anderen Herausgabeklagen (§ 14 IV). 16. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, der Hinterleger habe, um die actio depositi erheben zu können, ein besonderes Interesse vorweisen müssen. Der Verwahrer konnte immer in den objektiven Sachwert verurteilt werden (§ 15). 17. Die actio depositi hatte auch eine Bereicherungsfunktion, d. h. sie sollte Vermögensvorteile des Verwahrers abschöpfen, die aus der Hinterlegung beim Verwahrer waren, wenn diesem die Rückgabe unmöglich war, ohne dass diese Unmöglichkeit auf einen dolus des Verwahrers zurückzuführen war. Dabei liegt die Begründung, wie eine solche Funktion mit dem Wortlaut der formula in factum concepta vereinbar war, nicht auf der Hand (§ 16). 18a. Die reivindicatio erscheint insofern als ein zur actio depositi subsidiärer Rechtsbehelf, als sie dem Eigentümer gegen den Sachinhaber gegeben wird, wenn aus den unterschiedlichsten Gründen eine actio depositi ausscheidet, obwohl im näheren oder weiteren Zusammenhang ein depositum inmitten steht (§ 17 I 1). Überzeugende Quellen für eine reivindicatio des Eigentümers gegen den Verwahrer, dem zugleich die actio depositi zustand, fehlen, auch wenn nichts gegen eine Passivlegitimation des Verwahrers für die reivindicatio des Hinterlegers spricht (§ 17 I 2). Die actio depositi ist grundsätzlich geeignet, den Verwahrer zur Einlassung auf die reivindicatio anzuhalten (§ 17 I 3). 18b. Der Anwendungsbereich von actio furti und actio depositi unterscheidet sich insofern, als bei bloßem Gebrauch eine Haftung nur aus jener Klage begründet war, nicht aus dieser. Hingegen begründete die bloße Weigerung der Rückgabe nur eine Haftung aus der actio depositi, nicht aus der actio furti (§ 17 II). 18c. Die actio depositi ist nicht notwendig, um den Verwahrer zur Einlassung auf die reivindicatio zu zwingen, da insoweit die actio ad exhibendum zur Verfügung steht (§ 17 III). Wenn man annimmt, dass bei Verkauf der Sache der Verwahrer nicht aus der dolus-Klausel der actio ad exhibendum haftet, dann hat die actio depositi insoweit einen eigenen Anwendungsbereich (§ 17 III). Wie die reivindicatio ist die actio ad exhibendum insofern subsidiär zur actio depositi, weil sie in Fällen gegeben wird, in denen aus den verschiedensten Gründen eine actio depositi ausscheidet (§ 17 III). In den Fällen, in denen der Verwahrer die Sache hat oder es um die Zerstörung der Sache geht, erscheint eine Konkurrenz zwischen actio ad exhibendum und reivindicatio möglich. 19a. Eine Aufrechnung war beim depositum ausgeschlossen, solange der Verwahrer die Sache zurückgeben konnte. Der Ausschluss der Aufrechnung galt auch im Formularverfahren und für beide Formeln der actio depositi (§ 18 I).
454
Ergebnisse
19b. Dem Verwahrer stand wegen seiner Aufwendungen eine actio depositi contraria zu, die er vor dem Richter der actio depositi directa erheben konnte (§ 18 III). 19c. Dem Verwahrer stand wegen seiner Aufwendungen ferner ein Zurückbehaltungsrecht zu (§ 18 IV 1), doch begründet dieses Retentionsinteresse des Verwahrers nicht die Aktivlegitimation für die actio furti bei einem Diebstahl durch einen Dritten (§ 18 IV 2). 19d. Die Konstitution Justinians in C. 4,34,11pr. enthält gegenüber dem klassischen Recht keine Neuerung, sondern bekräftigt nur den Aufrechnungsausschluss zwischen den Gegenforderungen des Verwahrers und dem Anspruch auf Sachrückgabe des Hinterlegers. Der Konstitution lässt sich kein Ausschluss eines Zurückbehaltungsrechts des Verwahrers wegen Aufwendungen des Verwahrers auf die hinterlegte Sache entnehmen (§ 18 V). 19e. Der Hinterleger konnte bei einem Streit um das Bestehen des Zurückbehaltungsrechts dieses durch die verlangte Geldzahlung abwenden und nach Erhalt der Sache mit der actio depositi auf Rückzahlung des Geldes klagen und so die Frage, ob dem Verwahrer ein Zurückbehaltungsrecht wirklich zugestanden hatte, zum Prozessthema machen. Es spricht mehr dafür, dass in dieser Funktion die actio depositi nur mit der formula in ius concepta einsetzbar war. Ist diese Deutung von D. 16,3,34 richtig, dann kannte schon Labeo die actio depositi in ius concepta (§ 18 VI).
V. Ergebnisse des fünften Kapitels 20. Es gibt keine Hinweise auf einen Vertrag zugunsten Dritter im Bereich des depositum im klassischen römischen Recht. In C. 3,42,8,1 ist die actio utilis eine Einfügung der Kommission des Codex novus (§ 21).
VI. Zusammenfassung Die actio depositi in factum concepta ist eine Klage wegen doloser Herbeiführung der Unmöglichkeit der Rückgabe. Die Klage setzt grundsätzlich voraus, dass ein in der Vergangenheit begangener dolus vorliegt. Hat der Verwahrer die Unmöglichkeit einmal dolos herbeigeführt, kann er eine Haftung nur noch durch Rückgabe der Sache abwenden. Nach der Lehre des Neraz genügt es, dass der sich auf die Nichtrückgabe beziehende dolus sich nach litiscontestatio ereignet; die actio depositi in factum concepta ist somit auch Rückforderungsklage, nicht mehr nur gerichtet auf die Ahndung eines dolus der Vergangenheit.
Ergebnisse
455
Die actio depositi ist aber auch Sachverfolgungsklage; sie ermöglicht dem Hinterleger die Aussonderung der hinterlegten Sache im Konkurs des Verwahrers. Bei einem dolus des Gewalthabers richtet sich die actio depositi auch gegen den Gewalthaber; ebenso richtet sie sich gegen den Freigelassenen, wenn dieser die Sache hat. Daneben hat die actio depositi Bereicherungsfunktion; sie soll Vermögensvorteile beim Verwahrer abschöpfen, die noch bei ihm sind. Gegenüber möglichen anderen Klagen lässt sich jeweils ein eigener Anwendungsbereich feststellen.
Literaturverzeichnis Agnati, Ulrico: Il commento di Bartolo da Sassoferrato alla Lex quod Nerva (D. 16,3,32): introduzione, testi e annotazioni, Turin 2004. Albertario, Emilio: Variazioni di responsabilità nell’ „actio depositi“ derivanti da patto, in: BIDR 25, 1912, S. 15 – 42. Albertario, Emilio: Delictum e crimen nel diritto romano-classcio e nella legislazione giustinianea, Mailand 1924. Albertario, Emilio: I contratti a favore di terzi, in: Festschrift Paul Koschaker. Band II, S. 16 – 48, Weimar 1939. Alzon, Claude: Problèmes relatifs à la location des entrepôts en Droit romain, Paris 1966. Appleton, Charles: Histoire de la compensation en droit romain, Paris 1895. Arangio-Ruiz, Vincenzo: Responsabilità contrattuale in diritto romano, 2. Auflage, Nachdruck, Neapel 1958. Arangio-Ruiz, Vincenzo: Le formule con demonstratio e la loro origine, in: Rariora, 23 – 121, Rom 1946. Arangio-Ruiz, Vincenzo: Studii sulla dottrina romana del sequestro. II. Sequestro e deposito, in: AG 78, 1907, S. 233 – 253. Arangio-Ruiz, Vincenzo: La compravendita in diritto romano. Band II, Neapel 1954. Archi, Gian Gualberto: Giustiniano legislatore, Bologna 1970. Artner, Michael: Agere praescriptis verbis. Atypische Geschäftsinhalte und klassisches Formularverfahren, Berlin 2002. Asher: Ueber die Depositumsklagen des classischen römischen Rechts, in: Zeitschrift für Civilrecht und Prozess, N. F. 22, S. 266 – 310, Gießen 1864. Astolfi, Riccardo: Studi sull’ oggetto dei legati in diritto romano, Padua 1964. Astolfi, Riccardo: I libri tres iuris civilis di Sabino. 2. Auflage, Padua 2001. Astuti, Guido: Deposito. Diritto romano e intermedio, in: Enciclopedia del diritto (ED) XII, S. 212 – 236, Mailand 1964. Avenarius, Martin: Der pseudo-ulpianische liber singularis regularum. Entstehung, Eigenart und Überlieferung einer hochklassischen Juristenschrift, Göttingen 2005. Babusiaux, Ulrike: Zur Funktion der aequitas naturalis in Ulpians Ediktslaudationen, in: Testi e problemi del giusnaturalismo, herausgegeben von D. Mantovani / A. Schiavone, S. 603 – 644, Pavia 2007. Babusiaux, Ulrike: Id quod actum est. Zur Ermittlung des Parteiwillens im klassischen römischen Zivilprozess, München 2006.
Literaturverzeichnis
457
Babusiaux, Ulrike: Kommentare des Kaiserrechts in Papinians Quaestiones, in: SZ 126, 2009, S. 156 – 186. Backhaus, Ralph: Rezension zu Jürgen Rastätter, Marcelli Notae ad Iuliani Digesta, 1980, in: SZ 101, 1984, S. 367 – 383. Behrends, Okko: Feste Regelungsstruktur oder auslegungsfähiges Pflichtenverhältnis, in: ’Pacte, convention, contrat. Mélanges en l’honneur du Professor Bruno Schmidlin, herausgegeben von Alfred Dufour u. a., S. 31 – 79, Basel u. a. 1998. Behrends, Okko: Die geistige Mitte des römischen Rechts: die Kulturanthropologie der skeptischen Akademie, in: SZ 125, 2008, 25 – 107. Behrends, Okko: Die Wissenschaftslehre im Zivilrecht des Q. Mucius Scaevola pontifex, in: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-Historische Klasse. Jahrgang 1976 Nr. 7, Göttingen 1976. Behrends, Okko: Rez zu Alan Watson. Law Making in the later Roman Republic, in: SZ 92, 1975, S. 297 – 308. Behrends, Okko: Dalla mediazione arbitrale alla protezione giuridiziaria: genesi e vicende delle formule di buona fede e delle cd. „formulae in factum conceptae“, in: Diritto e giustizia nel processo, herausgegeben von Cosima Cascione und Carla Masi Doria, S. 197 – 323, Neapel 2002. Behrends, Okko: Der Zwölftafelprozess, Göttingen 1974. Behrends, Okko: Überlegungen zum Vertrag zugunsten Dritter im römischen Privatrecht, in: Studi in onore di Cesare Sanfilippo V, S. 1 – 58, Mailand 1984. Behrends, Okko: Zum Beispiel der gute Glaube! Wie wirkt der „gute Glaube“ oder das „Vertrauensprinzip“ auf das Vertragsverhältnis und das Besitzrecht des Käufers? Ein Kontroversenbericht als Spiegel der Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, in: Spuren des römischen Rechts. Festschrift für Bruno Huwiler zum 65. Geburtstag. Hrg. Von Pascal Pichonnaz u. a., S. 13 – 38, Bern 2007. Behrends, Okko / Knütel, Rolf / Kupisch, Berthold / Seiler, Hans Hermann: Corpus Iuris Civilis. Text und Übersetzung. Digesten, Heidelberg 1995 ff. Bekker, Ernst Immanuel: Die prozessualische Konsumtion im klassischen römischen Recht, Berlin 1853. Beltrán Lloris, Francisco: An irrigation decree from Roman Spain: the Lex Rivi Hiberiensis, in Journal of Roman Studies 96, 2006, S. 147 – 197. Benöhr, Hans-Peter: Rezension zu Klami, „Mutua magis videtur quam deposita“: Über die Geldverwahrung im Denken der römischen Juristen, Helsinki 1969, in: SZ 89, 1972, S. 437 – 443. Benöhr, Hans-Peter: Arglist und Kenntnis der Hilfspersonen beim Abschluß schuldrechtlicher Geschäfte, in: SZ 87, 1970, S. 123 – 196. Benöhr, Hans-Peter: Der Besitzerwerb durch Gewaltabhängige im klassischen römischen Recht, Berlin 1972. Benöhr, Hans-Peter: Das sogenannte Synallagma in den Konsensualverträgen des klassischen römischen Rechts, Hamburg 1965.
458
Literaturverzeichnis
Berndt, Barbara: Das commodatum. Ein Rechtsinstitut im Wandel der Anschauungen – dargestellt anhand ausgewählter Einzelprobleme, Frankfurt 2005. Bertolini, Cesare: Il giuramento nel diritto privato romano, Rom 1886. Beseler, Gerhard: Das Edictum de eo quod certo loco: eine rechtshistorische Untersuchung, Leipzig 1907. Beseler, Gerhard: Actio ad exhibendum, in: Beiträge zur Kritik der römischen Rechtsquellen. Band I, 1 – 45, Tübingen 1910. Beseler, Gerhard: Beiträge zur Kritik der römischen Rechtsquellen. 2. Band, Tübingen 1911. Beseler, Gerhard: Beiträge zur Kritik der römischen Rechtsquellen. 3. Band, Tübingen 1913. Beseler, Gerhard: Einzelne Stellen, in: SZ 43, 1922, S. 535 – 556. Beseler, Gerhard: Miscellanea, in: SZ 45, 1925, S. 188 – 265. Beseler, Gerhard: Unklassische Wörter, in: SZ 56, 1936, S. 26 – 98. Beseler, Gerhard: Miszellen, in: SZ 45, 1925, S. 396 – 488. Betti, Emilio: Diritto romano. I. Parte generale, Padua 1935. Bianchi Fossati Vanzetti, Maria: Perpetuatio obligationis, Padua 1979. Biondi, Biondo: Actiones stricti iuris, in: BIDR 32, 1922, S. 61 – 72. Biondi, Biondo: Actiones noxales, Cortona 1925. Biondi, Biondo: Iudicia bonae fidei I, Palermo 1920. Biscardi, Arnaldo: „Pecunia traiecticia“ e „stipulatio poenae“, in: Labeo 24, 1978, S. 276 – 300. Blank, Helmut: Condemnatio pecuniaria und Sachzugriff, in: SZ 99, 1982, S. 303 – 316. Bleicken, Jochen: Augustus. Eine Biographie, Berlin 2000. Bluhme, Friedrich: Die Ordnung der Fragmente in den Pandektentiteln. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte der Pandekten, in: Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft 4, 1820, S. 257 – 472. Böcking, Eduard: Corpus Legum sive Brachylogus iuris civilis, Berlin 1829. Brasiello, Ugo: Aspetti innovativi delle costituzioni imperiali. I: L’aspetto innovativo-interpretativo, in: Studi in onore di Pietro de Francisci IV, S. 471 – 503, Mailand 1956. Brassloff, Stephan: Zur Geschichte des römischen Compensationsrechtes, in: SZ 21, 1900, S. 362 – 384. Braukmann, Michael: Das Pfandrecht unter dem Einfluss der vorklassischen und klassischen Tradition der römischen Rechtswissenschaft, Göttingen 2008. Bretone, Mario: Ricerche Labeoniane. Pithana, in: La parola del passato 28, 1973, S. 170 – 193. Bruna, F. J.: Lex Rubria. Caesars Regelung für die richterlichen Kompetenzen der Munizipalmagistrate in Gallia Cisalpina, Leiden 1972. Brutti, Massimo: La problematica del dolo processuale nell’esperienza romana. Band I und II, Mailand 1973.
Literaturverzeichnis
459
Buchka, Hermann: Die Lehre vom Einfluß des Processes auf das materielle Rechtsverhältnis. Band 1, Rostock u. a. 1846. Buckland, W. W.: The Roman Law of Slavery, Cambridge 1908. Buckland, W. W.: A Text-Book of Roman Law from Augustus to Justinian. 2. Auflage, Cambridge 1932. Burchardi, Georg Christian: Lehrbuch des römischen Rechts. Theil 2 Erste Abtheilung, Stuttgart 1843. Burdese, Alberto: Rezension zu Saccoccio, A. Si certum petetur. Mailand 2002, in: SDHI 70, 2004, S. 526 – 537. Burdese, Alberto: Rezension zu Sara Longo, Filius familias se obligat? Mailand 2003, in: SDHI 71, 2005, S. 597 – 607. Bürge, Alfons: Fiktion und Wirklichkeit: Soziale und rechtliche Strukturen des römisches Bankwesens, in: SZ 104, 1987, S. 465 – 558. Bürge, Alfons: Zwischen Eigenmacht und Recht: zur Praxis der lex Iulia de vi (privata) von Seneca bis Mark Aurel, in: Iurisprudentia universalis. Festschrift für Theo Mayer-Maly, S. 65 – 84, Köln 2002. Bürge, Alfons: Zum Edikt De edendo: ein Beitrag zur Struktur des römischen Zivilprozesses, in: SZ 112, 1995, S. 1 – 50. Bürge, Alfons: Römisches Privatrecht. Rechtsdenken und gesellschaftliche Verankerung, Darmstadt 1999. Bürge, Alfons: Retentio im römischen Sachen- und Obligationenrecht, Zürich 1979. Bürge, Alfons: Cibaria. Indiz für die soziale Stellung des römischen Arbeitnehmers?, in: Ars boni et aequi. Festschrift für Wolfgang Waldstein zum 65. Geburtstag, S. 63 – 78, Stuttgart 1993. Burillo, Jesús: Contribuciones al estudio de la «actio exhibendum» en derecho clásico, in: SDHI 26, 1960, 190 – 281. Burillo, Jesús: Las formulas de la ‚actio depositi‘, in: SDHI 28, 1962, S. 233 – 291. Buti, Ignazio: „Si serva servo quasi dotem dederit“. Matrimoni servili e dote, in: Index 27, 1999, S. 127 – 140. Camodeca, Giuseppe: Tabulae Pompeianae Sulpiciorum (TPSulp.), Rom 1999. Camodeca, Giuseppe: Riedizione del trittico ercolanese: TH 77 + 78 + 80 + 53 + 92 del 26 gennaio 69, in: Cronache Ercolanesi 24, 1994, S. 137 – 146. Cannata, Carlo Augusto: Le disavventure del capitano J. P. Vos (Rezenszion zu Reichard, Drittschadensersatz), in: Labeo 41, 1995, S. 387 – 432. Cenderelli, Aldo: La negotiorum gestio. Corso esegetico di diritto romano I. Struttura, origini, azioni, Turin 1997. Chiazzese, Lauro: Jusiurandum in litem, Mailand 1958. Chiusi, Tiziana J.: Die actio de in rem verso im römischen Recht, München 2001. Corbier, Mireille: Vorratswirtschaft, in: NP 12,2, Spalte 335 – 340, Stuttgart u. a. 2003.
460
Literaturverzeichnis
Cornil, Georges: Explication historique de la règle ‚Alteri stipulari nemo potest‘, in: Studi in onore di Salvatore Riccobono nel XL anno del suo insegnamento IV, S. 241 – 258, Palermo 1936. Crawford, Michael H.: Roman Statutes. Band I, London 1996. Crook, John: Three Hundred and Six Stakes, in: Quaestiones Iuris. Festschrift Joseph Georg Wolf, herausgegen von Manthe, Ulrich / Krampe, Christoph, S. 77 – 81, Berlin 2000. Daube, David: Das Selbstverständliche in der Rechtsgeschichte, in: SZ 90, 1973, S. 1 ff. Daube, David: Utiliter agere, in Iura 11, 1960. S. 69 – 148. David, M.: Gai Institutiones. Editio Minor. 2. Auflage, Leiden 1964. De Robertis, Francesco M.: La responsabilità contrattuale nel diritto romano dalle origini a tutta l’età postclassica (zitiert: L’età postclassica), Bari 1994. De Robertis, Francesco M.: La disciplina della responsabilità contrattuale nel sistema della compilazione giustinianea. Sezione II (zitiert: Disciplina), Bari 1966. De Robertis, Francesco M.: La responsabilità contrattuale nel sistema della grande compilazione. Zwei Bände (zitiert: Responsabilità), Bari 1982 – 1983. De Robertis, Francesco M.: Rezension zu Antonino Metro, L’obbligazione di custodire nel diritto romano. Mailand 1966, in: SDHI 35, 1969, S. 441 – 445. De Ruggiero, Roberto: Depositum vel commodatum. Contributo alla teoria delle interpolazioni, in: BIDR 19, 1907, 5 – 84. Dernburg, Heinrich: Untersuchungen über das Alter der einzelnen Satzungen des prätorischen Edicts, in: Festgaben für August Wilhelm Heffter, S. 93 – 132, Berlin 1874. Dernburg, Heinrich: Pandekten. Erster Band. Allgemeiner Teil und Sachenrecht. 7. Auflage, Berlin 1902. Dernburg, Heinrich: Geschichte und Theorie der Kompensation nach römischem und neuerem Rechte. Mit besonderer Rücksicht auf die preussische und französische Gesetzgebung. 2. Auflage, Heidelberg 1868. d’Ors, Alvaro: Una nueva lista de acciones infamantes, in: Sodalitas. Scritti in onore di Antonio Guarino VI, S. 2575 – 2590, Neapel 1984. d’Ors, Alvaro: Creditum und contractus, in: SZ 74, 1957, 74 – 99. Drosdowski, Thomas: Das Verhältnis von actio pro socio und actio communi dividundo im klassischen römischen Recht, Berlin 1998. Du Cange, Charles du Fresne: Glossarium Mediae et infimae Latinitatis. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe von 1883 – 1887, Graz 1954. Düll, Rudolf: Über Textkonjekturen zu Gaius Veronensis und zur Frage der Zwangsenteignung im römischen Formularprozeß, in: SZ 96, 1979, S. 290 – 302. Dupont, Everard: Disquisitiones in commentarium IV Institutionum Gai, recenter repertarum, 1822. Ehrhardt, Arnold: Litis aestimatio im römischen Formularprozeß: eine Untersuchung der materiellrechtlichen Folgen der Geldverurteilung, München 1934.
Literaturverzeichnis
461
Eisele, Fridolin: Beiträge zur Erkenntnis der Digesteninterpolationen. Dritter Beitrag, in: SZ 13, 1892, S. 118 – 156. Eisele, Fridolin: Beiträge zur römischen Rechtsgeschichte, Freiburg u. a. 1896. Eisele, Fridolin: Zur Diagnostik der Interpolationen in den Digesten und im Codex, in: SZ 7, 1886, S. 15 – 31. Eisele, Fridolin: Exceptio rei iudicatae vel in iudicium deductae, in: SZ 21, 1900, S. 1 – 57. Erman: Rezension zu Leonhard, Rudolf: Die Replik des Prozessgewinns (replica rei secundum me iudicatae), Festschrift Felix Dahn II, 65 – 106, Breslau 1905, in: SZ 27, 1906, S. 405 – 419. Erman, H.: Conceptio formularum, actio in factum und ipso iure-Consumption, in: SZ 19, 1898, S. 261 – 360. Ernst, Wolfgang: Das Kaufrecht in den Institutionen des Gaius, in: Iurisprudentia universalis. Festschrift Theo Mayer-Maly, S. 159 – 173, Köln u. a. 2002. Ernst, Wolfgang: Die Einrede des nichterfüllten Vertrages. Zur historischen Entwicklung des synallagmatischen Vertragsvollzugs im Zivilprozess, Berlin 2000. Evans-Jones, Robin: The Measure of Damages in the actio depositi in factum, in: TR 55, 1987, S. 267 – 280. Evans-Jones, Robin: The actio depositi in factum as a noxal Action, in: BIDR 83, 1980, S. 191 – 206. Evans-Jones, Robin: The Penal Characteristics of the „actio depositi in factum“, in: SDHI 52, 1986, S. 105 – 160. Evans-Jones, Robin: The Prefatory Section of D. 16,3. Depositi vel contra, in: RIDA 25, 1978, S. 247 – 259. Faber, Anton: Rationalia in Pandectas. In tertiam partem pandectarum tomus secundus, Lyon 1663. Faber, Anton: Rationalia in Pandectas, 1604 ff. Falchi, Gian Luigi: Studi sulle relazioni tra la legislazione di giustiniano (528 – 534) e la codificazione di leges e iura, in: SDHI 59, 1993, S. 1 – 172. Falcone, Giuseppe: La formazione del testo della parafrasi di Teofilo, in: TR 68, 2000, S. 417 – 431. Falcone, Giuseppe: I prestiti dalla parafrasi di Teofilo nella cd. glossa Torinese alla Istituzioni, in: SDHI 62, 1996, S. 255 – 286. Feissel, Denis / Gascou, Jean: Documents d’Archives Romains inédits du moyen Euphrate (IIIe s. après J.-C.): Actes divers et lettres ( P.Euphr. 11 à 17), in: Journal des Savants, 2000, S. 157 – 208. Ferrini, Contardo: Storia e teoria dell contratto di commodato nel diritto romano. Opere III, herausgegeben von Albertario, Emilio, aus: AG 52, 469 – 499, und AG 53, 41 – 73 und 257 – 309, 81 – 203, Mailand 1929. Fiechter, E.: Horreum, in: RE 8,2, Spalte 2458 – 2464, Stuttgart 1913.
462
Literaturverzeichnis
Finazzi, Giovanni: Ricerche in tema di negotiorum gestio. Band I. Azione pretoria ed azione civili, Neapel 1999. Finazzi, Giovanni: L’ „exceptio doli generalis“ nel diritto ereditario romano, Mailand 2006. Fiori, Roberto: Ea res agatur: i due modelli del processo formulare repubblicano, Mailand 2003. Fitting, Hermann: Über die sogenannte Turiner Institutionenglosse und den sogenannten Brachylogus: ein Beitrag zu der Geschichte des römischen Rechtes vom sechsten bis zum elften Jahrhundert, Halle 1870 (Reprint Amsterdam 1967). Flume, Werner: Rechtsakt und Rechtsverhältnis: römische Jurisprudenz und modernrechtliches Denken, Paderborn u. a. 1990. Forster, Wolfgang: Konkurs als Verfahren. Francisco Salgado de Somoza in der Geschichte des Insolvenzrechts, Köln 2009. Frakes, Robert M.: The Religious Identity and Purpose of the Compiler of the Collatio Legum Mosaicarum et Romanarum or Lex Dei, in: Religious Identity in Late Antiquity, herausgegeben von Frakes, Robert M. u. a., S. 126 – 147, Toronto 2006. Gamauf, Richard: Beweislast und Prozessvorbereitung im Formularverfahren (bei der rei vindicatio adiecta causa), Vortrag gehalten auf dem Symposium zu Ehren Karl Hackls am 25. 01. 2002 in Salzburg. Gandolfi, Giuseppe: Il deposito nella problematica della giurisprudenza romana, Mailand 1976. Gehrich, Wulf-Dieter: Kognitur und Prokuratur in rem suam als Zessionsformen des klassischen römischen Rechts, Göttingen 1963. Genzmer, Erich: Der subjektive Tatbestand des Schuldnerverzugs im klassischen römischen Recht, in: SZ 44, 1924, S. 86 – 163. Gerkens, Jean-François: „aeque periturus“. Une approche de la causalité dépassante en droit romain classique, Lüttich 1997. Giaro, Tomasz: Römische Rechtswahrheiten. Ein Gedankenexperiment, Frankfurt am Main 2007. Giaro, Tomasz: Dogmatische Wahrheit und Zeitlosigkeit in der römischen Jurisprudenz, in: BIDR 90, 1987, S. 1 – 104. Giomaro, Anna Maria: „Cautiones iudiciales“ e „officium iudicis“, Mailand 1982. Girard, Paul Frédéric / Senn, Félix: Textes de droit Romain. 1. Band. 7. Auflage, Paris 1967. Glück, Christian Friedrich: Ausführliche Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld. Ein Commentar. Band 15. 1., Erlangen 1813. Gonzáles, Julián: The lex Irnitana: A new copy of the Flavian municipal law, in: JRS 76, 1986, S. 147 – 243. Göppert, H.: Zur Fiducia cum amico contracta, in: SZ 13, 1892, S. 317 – 356. Gordon, William M.: Rezension zu Gerkens, „aeque periturus“, in: TR 67, 1999, S. 366 – 368. Gradenwitz, Otto: Interpolationen in den Pandekten, Berlin 1887.
Literaturverzeichnis
463
Gradenwitz, Otto: Interpolationen in den Pandekten, in: SZ 7, 1886, S. 45 – 84. Gradenwitz, Otto: Anmerkungen, in: SZ 8, 1887, S. 297 – 303. Gröschler, Peter: Actiones in factum. Eine Untersuchung zur Klage-Neuschöpfung im nichtvertraglichen Bereich, Berlin 2002. Gröschler, Peter: Rezension zu Noordraven, Die Fiduzia im römischen Recht, in: Gnomon 75, 2003, 235 – 238. Gröschler, Peter: Rezension zu Artner, Agere praescriptis verbis, in: SZ 124, 2007, S. 530 – 545. Grosso, Giuseppe: Ricerche intorno all’ elenco classico dei „bonae fidei iudicia“, in: RISG III, 1928, 39 – 96 (zitiert nach: Scritti Storico Giuridici III, 124 – 181), Turin 2001. Grupe, E.: Die Gaianischen Institutionenfragmente in Justinians Digesten, in: SZ 16, 1895, S. 300 – 319. Grzimek, Philipp: Studien zur Taxatio, München 2001. Guarino, Antonio: Diritto Privato Romano. 12. Auflage, Neapel 2001. Guarneri Citati, Andrea: En matière d’affranchissements frauduleux, in: Mélanges de droit romain dédiés a Georges Cornil I, S. 425 – 513, Paris 1926. Haedicke, Ludwig: Depositum und Mandat nach römischem Recht, Rostock 1904. Haenel, Gustav: Lex Romana Visigothorum, Leipzig 1848. Harke, Jan Dirk: Argumenta Iuventiana: Entscheidungsbegründungen eines hochklassischen Juristen, Berlin 1999. Harke, Jan Dirk: Mora debitoris und mora creditoris im klassischen römischen Recht, Berlin 2005. Harke, Jan Dirk: Freigiebigkeit und Haftung, Würzburg 2006. Hartkamp, Arthur Severijn: Der Zwang im römischen Privatrecht, Amsterdam 1971. Hasse: Über das Wesen der actio, in: Rheinisches Museum für Jurisprudenz VI, 1833, S. 1 – 86. Hasse, Johann Christian: Die culpa des römischen Rechts. 2. Auflage, Bonn 1938. Hauk, Kurt: Das Recht des Ersatzpflichtigen auf Abtretung der dem Ersatzberechtigten gegen Dritte zustehenden Ansprüche nach § 255 Bürgerlichen Gesetzbuchs, Leipzig 1929. Hausmaninger, Herbert: Publius Iuventius Celsus: Persönlichkeit und juristische Argumentation, in: ANRW II 15, S. 382 – 407, Berlin u. a. 1976. Hausmaninger, Herbert: Diligentia quam in suis, in: Festschrift für Max Kaser zum 70. Geburtstag, S. 265 – 284, München 1976. Haymann, Franz: Textkritische Studien zum römischen Obligationenrecht, in: SZ 40, 1919, S. 167 – 350. Heck: Die fiducia cum amico contracta, ein Pfandgeschäft mit Salmann, in: SZ 10, 1889, S. 82 – 138. Heck, Philipp: Grundriß des Schuldrechts, Tübingen 1929.
464
Literaturverzeichnis
Heffter, Augustus Wilhelm: Gaii iurisconsulti institutionum commentarius quartus sive de actionibus, Berlin 1827. Heimbach, Gustav Ernst / Heimbach, Karl Wilhelm Ernst: Manuale, in: Basilicorum Libri LX. Band VI, S. 217 – 434, Leipzig 1870. Hellwig, Konrad: Die Verträge auf Leistung an Dritte. Nach Deutschem Reichsrecht unter besonderer Berücksichtigung des Handelsgesetzbuches, Leipzig 1899. Herdlitczka, Arnold Rudolf: Zur Lehre vom Zwischenurteil ‚pronuntiatio‘ bei den sogenannten actiones arbitrariae, Wien 1930. Herrmann, Johannes: Rezension zu Kühnert, Zum Kreditgeschäft in den hellenistischen Papyri Ägyptens bis Diokletian. Freiburg 1965, in: SZ 83, 1966, S. 418 – 421. Heumann, H. / Seckel, E.: Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechts. 11. Auflage, Graz 1971. Hirata, Alessandro: Die Leistung an Erfüllung statt und ihre Beurteilung als Kaufvertrag, Dissertation, München 2007. Hitzig: Furtum, in: RE 13 s.v., Spalte 384 – 405, Stuttgart 1910. Hofmann, J. B. / Szantyr, Anton: Lateinische Syntax und Stilistik. Handbuch der Altertumswissenschaft. Zweite Abteilung, Zweiter Teil. Zweiter Band, München 1965. Honoré, Anthony Maurice: The Editing of the Digest Titles, in: SZ 90, 1973, S. 262 – 304. Honoré, Anthony Maurice: A Study of Neratius and a reflection on Method. Rezension zu Greiner, Opera Neratii, in: TR 43, 1975, 223 – 240. Honoré, Anthony Maurice: Tribonian, London 1978. Honoré, Tony: Emperors and lawyers : with a Palingenesia of third-century imperial rescripts, 193 – 305 A.D., 2. Auflage, Oxford 1994. Honoré, Tony: How Tribonian organised the Compilation of Justinian’s Digest, in: SZ 121, 2004, S. 1 – 43. Honoré, Tony: Ulpian. Pioneer of Human Rights, 2. Auflage, Oxford 2002. Horak, Franz: Rezension zu Okko Behrends, Die Wissenschaftslehre im Zivilrecht des Q. Mucius Scaevola pontifex, Göttingen 1976, und Rezension zu Aldo Schiavone, Nascita della giurisprudenza: Cultura aristocratica e pensiero giuridico nella Roma tardorepubblicana, Rom u. a. 1976, in: SZ 95, 1978, S. 402 – 421. Horak, Franz: Wer waren die „veteres“? Zur Terminologie der klassischen römischen Juristen, in: Vestigia iuris romani. Festschrift für Gunter Wesener, S. 201 – 236, Graz 1992. Huschke, Philipp Eduard: Kritische Bemerkungen zum vierten Buch der Institutionen des Gaius Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft 13, 248 – 338 1846. Huschke, Philipp Eduard: Gaius. Beiträge zur Kritik und zum Verständnis seiner Institutionen. Mit einer Zugabe über die Klagformeln in der Lex Rubria, Leipzig 1855. Huschke, Philipp Eduard: Studien des römischen Rechts, Breslau 1830. Huschke, Philipp Eduard: Iurisprudentiae anteiustinianae reliquias. 2. Auflage, Leipzig 1867.
Literaturverzeichnis
465
Huschke, Philipp Eduard / Seckel, E. / Kübler, B.: Iurisprudentiae anteiustinianae reliquias. 2. Band. 2. Teil. 6. Auflage, Leipzig 1926. Huschke, Philipp Eduard / Seckel, E. / Kübler, B.: Iurisprudentiae anteiustinianae reliquias. 1. Band. 6. Auflage, Leipzig 1908. Huvelin, Paul: Études sur le furtum dans le très ancien droit romain. Band 1: Les sources, Lyon u. a. 1915. Immenhauser, Martin: Das Dogma von Vertrag und Delikt. Zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der zweigeteilten Haftungsordnung, Köln u. a. 2006. Jakobs, Horst Heinrich: Culpa und interpellatio bei der mora debitoris nach klassischem Recht, in: TR 42, 1974, S. 23 – 56. Jauernig: Bürgerliches Gesetzbuch, herausgegeben von Jauernig, Othmar, 13. Auflage, München 2009. Jhering, Rudolph von: Das Schuldmoment im römischen Privatrecht. in: Vermischte Schriften Juristischen Inhalts (Neudruck 1968), Leipzig 1879. Juncker, Josef: Die Gajanische Definition der intentio, in: Studi Riccobono II, S. 325 – 368, Palermo 1936. Kaiser, Wolfgang: Digestenentstehung und Digestenüberlieferung, in: SZ 108, 1991, S. 330 – 350. Kaiser, Wolfgang: Die Epitome Iuliani. Beiträge zum römischen Recht im frühen Mittelalter und zum byzantinischen Recht, Frankfurt 2004. Kalb, Wilhelm: Das Juristenlatein. Versuch einer Charakteristik auf Grundlage der Digesten. 2. Auflage, Nürnberg 1888. Karlowa, Otto: Römische Rechtsgeschichte. Band 2.1. Privatrecht, Leipzig 1901. Kaser, Max: Besitz und Verschulden bei den dinglichen Klagen, in: SZ 51, 1931, S. 92 – 125. Kaser, Max: Zum Ediktsstil, in: Festschrift Fritz Schulz. Zweiter Band, S. 21 – 70, Weimar 1951. Kaser, Max: Restituere als Prozessgegenstand – Die Wirkungen der Litis contestatio auf den Leistungsgegenstand im römischen Recht, 2. Auflage, München 1968. Kaser, Max: Die Rechtsgrundlage der actio rei uxoriae, in: RIDA 2, 1949, S. 511 – 550. Kaser, Max: Nochmals über Besitz und Verschulden bei den ‚actiones in rem‘, in: SZ 98, 1981, S. 77 – 146. Kaser, Max: „Ius honorarium“ und „ius civile“, in: SZ 101, 1984, S. 1 – 114. Kaser, Max: Infamia und Ignominia in den römischen Rechtsquellen, in: SZ 73, 1956, S. 220 – 278. Kaser, Max: Quanti ea res est, München 1935. Kaser, Max: Das römische Privatrecht. Erster Abschnitt. 2. Auflage, Handbuch der Altertumswissenschaft, München 1971. Kaser, Max: Das Geld im römischen Sachenrecht, in: TR 29, 1961, S. 169 – 229. Kaser, Max: „Ius honorarium“ und „Ius civile“, in: SZ 101, 1984, S. 1 – 114.
466
Literaturverzeichnis
Kaser, Max: Studien zum römischen Pfandrecht II. Actio pigneraticia und actio fiduciae (Erster Teil, §§ I – VI), in: TR 47, 1979, S. 195 – 234. Kaser, Max: Oportere und ius civile, SZ 83, 1966, S. 1 – 46. Kaser, Max: Mora, in: RE 16 s.v. 4, Spalte 252 – 277, Stuttgart 1933. Kaser, Max: Il convenuto nelle azioni reali (Rezension zu Schipani, Responsabilità del convenuto), in: Labeo 18, 1972, S. 358 – 365. Kaser, Max: „Perpetuari obligationem“, in: SDHI 46, 1980, S. 87 – 146. Kaser, Max: In bonis esse, in: SZ 78, 1961, S. 173 – 220. Kaser, Max: Die Formula der actio ad exhibendum, in: RIDA 14, 1967, S. 263 – 299. Kaser, Max: Ius gentium, Köln u. a. 1993. Kaser, Max: Die ‚formula‘ der ‚actio ad exhibendum‘, in: Studi in onore di Eduardo Volterra. Volume Terzo, S. 545 – 577, Mailand 1971. Kaser, Max: Die actio furti des Verkäufers, in: SZ 96, 1979, S. 89 – 128. Kaser, Max: Zur integrum restitutio, besonders wegen dolos und metus, in: SZ 94, 1977, S. 101 – 183. Kaser, Max: ‚Furtum pignoris‘ und ‚furtum fiduciae‘, in: SZ 99, 1982, S. 249 – 277. Kaser, Max: Grenzfragen der Aktivlegitimation zur actio furti, in: De iustitia et iure. Festgabe für Ulrich von Lübtow, S. 291 – 324, Berlin 1980. Kaser, Max: Das Römische Privatrecht. Zweiter Abschnitt. 2. Auflage, München 1975. Kaser, Max: Typisierter „dolus“ im altrömischen Recht, in: BIDR 65, 1962, S. 79 – 104. Kaser, Max / Hackl, Karl: Das römische Zivilprozeßrecht. 2. Auflage, München 1996. Kaser, Max / Knütel, Rolf: Römisches Privatrecht. 19. Auflage, München 2008. Kastner, Klaus: Die zivilrechtliche Verwahrung des gräko-ägyptischen Obligationenrechts im Lichte der Papyri, Erlangen-Nürnberg (Dissertation) 1962. Kazhdan, Alexander P. u. a.: The Oxford Dictionary of Byzantium. Volume I-III, Oxford 1991. Keller, Friedrich Ludwig von: Über Litis Contestation und Urtheil nach classischem Römischen Recht, Zürich 1827. Keller, Friedrich Ludwig von: Der römische Civilprozess und die Actionen, Leipzig 1852. Keller, Friedrich Ludwig von: Der römische Civilprozess und die Actionen. 2. Auflage, Leipzig 1855. Keller, Friedrich Ludwig von / Wach, Adolf: Der römische Civilprozess und die Actionen. 5. Auflage, Leipzig 1876. Kerr Wylie, John: Solidarity and Correality, Edinburgh u. a. 1923. Klami, Hannu Tapani: „Mutua magis videtur quam deposita“. Über die Geldverwahrung im Denken der römischen Juristen, Helsinki 1969. Klingenberg, Georg: Das Beweisproblem beim Urkundendiebstahl. Die These der quidam und die Klassiker, in: SZ 96, 1979, S. 229 – 257.
Literaturverzeichnis
467
Klingenberg, Georg: Rezension zu Alfons Bürge, Römisches Privatrecht, in: SZ 118, 2001, S. 430 – 439. Klingenberg, Georg: Die Ersitzung während des Eigentumsprozesses, in: Vestigia Iuris Romani. Festschrift Gunter Wesener, herausgegeben von Georg Klingenberg u. a., S. 237 – 252, Graz 1992. Klingenberg, Georg: „Constitutum est“ in D. 47,2,14,4, in: RIDA 46, 1999, S. 243 – 314. Knütel, Rolf: Zum Pflichtenkonflikt des Verwahrers, in: Mélanges Fritz Sturm. Volume I, S. 239 – 265, Lüttich 1999. Knütel, Rolf: Übersetzung D. 16,3 Depositi vel contra, in: Okko Behrends u. a., Corpus Iuris Civilis. Text und Übersetzung. III Digesten 11 – 20, S. 330 – 354, Heidelberg 1999. Knütel, Rolf: Die Haftung für Hilfspersonen im römischen Recht, in: SZ 100, 1983, S. 340 – 443. Knütel, Rolf: Der mehrfache Verfall von Kautionen, in: SZ 92, 1975, S. 130 – 161. Knütel, Rolf: Die Inhärenz der exceptio pacti im bonae fidei iudicium, in: SZ 84, 1967, S. 133 – 161. Knütel, Rolf: Stipulatio poenae: Studien zur römischen Vertragsstrafe, Köln u. a. 1976. Kölzer, Theo: Die Urkunden der Merowinger. 1. Teil, Hannover 2001. Kranjc, Janez: In ius und in factum konzipierte Klageformeln bei der Leihe und bei der Verwahrung, in: Usus Antiquus Juris Romani. Antikes Recht in lebenspraktischer Anschauung, herausgegeben von Ernst, Wolfgang, und Jakab, Eva, S. 127 – 161, Berlin u. a. 2005. Kreller, Hans: Rezension zu Provera, Contributi alla teoria dei iudicia contraria, Turin 1951, in: IURA 4, 1953, S. 321 – 328. Kreller, Hans: Formula fiduciae und Pfandedikt, in: SZ 62, 1942, S. 143 – 208. Kreuzsaler, Claudia: Ein herakleopolitanischer Pachtvertrag mit „unmöglicher“ Konsuldatierung, in: ZPE 141, 2002, S. 191 – 198. Krüger, Hugo: Das summatim cognoscere und das klassische Recht, in: SZ 45, 1925, S. 39 – 86. Krüger, Paul: Die Turiner Institutionenglosse, in: Zeitschrift für Rechtsgeschichte 7, 1868, S. 44 – 78. Krüger, Paul: Über wirkliche und scheinbare Überlieferung vorjustinianischen Wortlauts im Kommentar des Thalelaeus zum Codex Justinianus, in: SZ 36, 1915, S. 82 – 95. Krüger, Paul: Über die Zeitfolge der im Justinianischen Codex enthaltenen Constitutionen Justinians, in: ZRG 11, 1873, S. 166 – 186. Krüger, Paul / Studemund, Wilhelm: Gai Institutiones ad Codicis Veronensis Apographum Studemundianum novis curis auctum, 6. Auflage, Berlin 1912. Kübler, B.: Rezension zu Appleton, Le fragment d’Este, in: SZ 22, 1901, S. 200 – 203. Kübler, B.: Rezension zu Siber, Heinrich, Die Passivlegitimation bei der Rei Vindicatio, in: SZ 29, 1908, S. 481 – 489.
468
Literaturverzeichnis
Kübler, Bernhard: Das Utilitätsprinzip als Grund der Abstufung bei der Vertragshaftung im klassischen römischen Recht, in: Festgabe der Berliner Juristischen Fakultät für Otto Gierke, Zweiter Band. Privatrecht. Zivilprozessrecht, S. 235 – 275, Breslau 1910. Kübler, Bernhard: Griechische Tatbestände in den Werken der kasuistischen Literatur, in: SZ 28, 1907, S. 174 – 210. Kühner, Raphael / Stegmann, Carl: Ausführliche Grammatik der lateinischen Sprache. Satzlehre. Zweiter Teil, 3. Auflage, Leverkusen 1955. Kühnert, Hanno: Zum Kreditgeschäft in den hellenistischen Papyri Ägyptens bis Diokletian, Freiburg (Dissertation) 1965. Kunkel, Wolfgang: Die römischen Juristen – Herkunft und soziale Stellung, 2. Auflage (Nachdruck), Köln u. a. 2001. Kunkel, Wolfgang / Honsell, Heinrich / Mayer-Maly, Theo / Selb, Walter: Römisches Recht. Aufgrund des Werkes von Paul Jörs, Wolfgang Kunkel, Leopold Wenger, 4. Auflage, Berlin u. a. 1987. Kupiszewski, Henryk: Osservazioni sui rapporti patrimoniali fra i fidanzati nel diritto romano classico: „dos“ e „donatio“, in IURA 29, 1978, S. 114 – 137. Labruna, Luigi: Rescriptum divi Pii. Gli atti del pupillo sine tutoris auctoritate, Neapel 1962. Lamberti, Francesca: „Tabulae Irnitanae“ – Municipalità e „ius Romanorum“, Neapel 1993. Landau, Peter: Puchta und Aristoteles. Überlegungen zu den philosophischen Grundlagen der historischen Schule und zur Methode Puchtas als Zivilrechtsdogmatiker, in: SZ 109, 1992, S. 1 – 30. Lange, Hermann: Römisches Recht im Mittelalter. Band I. Die Glossatoren, München 1997. Lenel, Otto: Culpa lata und culpa levis, in: SZ 38, 1917, S. 263 – 290. Lenel, Otto: Beiträge zur Kunde des Edicts und der Edictcommentare, in: SZ 2, 1881, S. 14 – 83. Lenel, Otto: Das Edictum Perpetuum. Ein Versuch zu seiner Wiederherstellung. 3. Auflage, Leipzig 1927. Lenel, Otto: Das Edictum Perpetuum. Ein Versuch zu seiner Wiederherstellung. 2. Auflage, Leipzig 1907. Lenel, Otto: Das Edictum Perpetuum. Ein Versuch zu seiner Wiederherstellung. 1. Auflage, Leipzig 1883. Lenel, Otto: Essai de reconstitution de l’Édit perpétuel (traduit par Frédéric Peltier). Zwei Bände, Paris 1901 und 1903. Lenel, Otto: Intentio in factum concepta?, in: SZ 48, 1928, S. 1 – 20. Lenel, Otto: Das Sabinussystem, in: Gesammelte Schriften, 1 – 104, Neapel 1990. Lenel, Otto: Rei vindicatio und actio ad exhibendum, in: Gesammelte Schriften III, 379 – 416, Neapel 1991. Lenel, Otto: Interpolationenjagd, in: SZ 45, 1925, S. 17 – 38.
Literaturverzeichnis
469
Lenel, Otto: Africans Quästionen. Versuch einer kritischen Palingenesie, in: SZ 51, 1931, S. 1 – 53. Lenel, Otto: Quellenforschungen in den Edictcommentaren, in: SZ 4, 1883, S. 112 – 125. Levy, Ernst: Beweislast im klassischen Recht, in IURA 3, 1952, S. 155 – 179. Levy, Ernst: Zur Lehre von den sogenannten actiones arbitrariae, in: SZ 36, 1915, S. 1 – 82. Levy, Ernst: Die Konkurrenz der Aktionen und Personen im klassischen römischen Recht. Band 1, Berlin 1918. Levy, Ernst: Die Konkurrenz der Aktionen und Personen im klassischen römischen Recht. Band 2, Berlin 1922. Levy, Ernst: Die Enteignung des Klägers im Formularprozess, in: SZ 42, 1921, S. 476 – 515. Levy, Ernst: Weströmisches Vulgarrecht: Das Obligationenrecht, Weimar 1956. Levy, Ernst: Oströmisches Vulgarrecht nach dem Zerfall des Westreiches, in: SZ 77, 1960, S. 1 – 15. Liebs, Detlef: Rezension zu Astolfi, Riccardo, I libri tres iuris civilis di Sabino (1983), in: SDHI 51, 1985, S. 562 – 567. Liebs, Detlef: Rezension zu H. L. W. Nelson, Überlieferung, Aufbau und Stil von Gai Institutiones. Leiden 1981, in: Gnomon 55, 1983, S. 113 – 124. Liebs, Detlef: Die Klagenkonkurrenz im römischen Recht. Zur Geschichte der Scheidung von Privatstrafe und Schadensersatz, Göttingen 1972. Liebs, Detlef: Variae Lectiones – Zwei Juristenschriften, in: Studi in onore die Edoardo Volterra V, S. 51 – 88, Mailand 1971. Liebs, Detlef: Jurisprudenz (zitiert: HLL IV), in: Handbuch der lateinischen Literatur der Antike, herausgegeben von Herzog, Reinhart u. Schmidt, Peter Lebrecht. Band IV, S. 83 – 217 (Handbuch der Altertumswissenschaft, achte Abteilung, vierter Band), München 1997. Liebs, Detlef: Recht und Rechtsliteratur (zitiert: HLL V), in: Handbuch der lateinischen Literatur der Antike, herausgegeben von Herzog, Reinhart u. Schmidt, Peter Lebrecht. Band IV, S. 55 – 73 (Handbuch der Altertumswissenschaft, achte Abteilung, fünfter Band), München 1989. Liebs, Detlef: Die Jurisprudenz im spätantiken Italien (260 – 640 n.Chr.), Berlin 1987. Liebs, Detlef: Die pseudopaulinischen Sentenzen II. Versuch einer Palingenesie, Ausführung, in: SZ 113, 1996, S. 132 – 242. Liebs, Detlef: Römische Jurisprudenz in Gallien (2. bis 8. Jahrhundert), Berlin 2002. Liebs, Detlef: Römische Jurisprudenz in Africa mit Studien zu den pseudopaulinischen Sentenzen, 2. Auflage, Berlin 2005. Liebs, Detlef: Römische Jurisprudenz in Africa mit Studien zu den pseudopaulinischen Sentenzen, 1. Auflage, Berlin 1993. Litewski, Wiesław: Studien zum sogenannten ‚depositum necessarium‘, in: SDHI 43, 1977, S. 188 – 202.
470
Literaturverzeichnis
Litewski, Wiesław: Das Vorhandensein der formula in ius concepta mit der bona-fides-Klausel bei der Leihe, in: RIDA 45, 1998, S. 287 – 319. Litewski, Wiesław: Rezension zu Sebastiano Tafaro, Regula e ius antiquum in D. 50,17,23, Bari 1984, in: SZ 105, 1988, S. 865 – 878. Litewski, Wiesław: Rezension zu Klami, Mutua magis videtur, in: Index 3, 1972, S. 557 – 569. Litewski, Wiesław: Das Bestehen der „formula in ius concepta“ mit der „bona-fides“-Klausel beim Pfand, in: Labeo 45, 1999, S. 183 – 192. Litewski, Wiesław: Depositary’s Liability in Roman Law, in: AG 190.2, 1976, S. 3 – 78. Litewski, Wiesław: Die Personen des römischen Verwahrungsverhältnisses, in: RIDA 47, 2000, S. 235 – 349. Litewski, Wiesław: Studien zur Verwahrung im römischen Recht, Warschau u. a. 1978. Litewski, Wiesław: Mehrheit von Parteien, in: Studien zur Verwahrung im römischen Recht, S. 5 – 30, Warschau u. a. 1978. Litewski, Wiesław: Die Amtsniederlegung des Depositars, in: Studien zur Verwahrung im römischen Recht, S. 31 – 37, Warschau u. a. 1978. Litewski, Wiesław: Das Depositum sequestre, in: Studien zur Verwahrung im römischen Recht, S. 46 – 83, Warschau u. a. 1978. Lokin, J. H. A.: Theophilus Antecessor, in: TR 44, 1976, S. 337 – 344. Longo, Giannetto: Delictum e crimen, Mailand 1976. Longo, Sara: Filius familias se obligat?: il problema della capacità patrimoniale dei filii familias, Mailand 2003. MacCormack, Geoffrey: Dolus in Decisions of the mid-classical Jurists (Julian – Marcellus), in: BIDR 96 – 97, 1993 / 1994, S. 83 – 146. MacCormack, Geoffrey: Dolus in the Law of the early Classical Period (Labeo – Celsus), in: SDHI 52, 1986, S. 236 – 285. MacCormack, Geoffrey: Culpa, in: SDHI 38, 1972, S. 123 – 188. Maganzani, Lauretta: La diligentia quam suis del depositario dal diritto romano alle codificazioni nazionali: casi e questioni di diritto civile nella prospettiva storico-comparatistica, Mailand 2006. Maier, Georg H.: Prätorische Bereicherungsklagen, Berlin u. a. 1932. Mandry, Gustav: Das gemeine Familiengüterrecht mit Ausschluß des ehelichen Güterrechts. Erster und Zweiter Band, Tübingen 1871 und 1876. Manthe, Ulrich: Gaius Institutiones. Die Institutionen des Gaius, Darmstadt 2004. Manthe, Ulrich: Die libri ex Cassio des Iavolenus Priscus, Berlin 1982. Mantovani, Dario: Le formule del processo privato romano : Per la didattica dell’Istituzioni di diritto romano, Como 1992. Mantovani, Dario: Le formule del processo privato romano : Per la didattica dell’Istituzioni di diritto romano, 2. Auflage, Padua 1999. Mantovani, Dario: Digesto e masse Bluhmiane, Mailand 1987.
Literaturverzeichnis
471
Marrone, Matteo: Dolo desinere possidere e alienatio iudicii mutandi causa facta, in: Annali del Seminario Giuridico della Università di Palermo 36, S. 367 – 411, Palermo 1976. Marrone, Matteo: Rivendicazione (Diritto romano), in: Enciclopedia del diritto. XLI, S. 1 – 29, Mailand 1989. Marrone, Matteo: Actio ad exhibendum, Palermo 1958. Marrone, Matteo: La legittimazione passiva alla „rei vindicatio“, Palermo 1970. Marrone, Matteo: Contributi in tema di legittimazione passiva alla ‚rei vindicatio‘, in: Studi in onore di Gaetano Scherillo I, S. 341 – 376, Mailand 1972. Marrone, Matteo: La rivendica contro i filii familias Studi in onore di Giuseppe Grosso VI, S. 173 – 192, Turin 1974. Marrone, Matteo: La ‚facultas restituendi‘ di D. 6,1,9 (Ulp. 16 ad edictum): Brevi note in materie di Legittimazione passiva alla rivendica, in: Studi in onore di Gioacchino Scaduto. Diritto Civile e diritto romano III, S. 533 – 544, Padua 1970. Marrone, Matteo: D. 14. 2. 2 pr.: „retentio“ e „iudicia bonae fidei“, in: IURA 6, 1955, S. 170 – 178. Marrone, Matteo: Eccezione di dolo generale ed eventi sopravvenuti alla litis contestatio, in: Annali del seminario giuridico della Università di Palermo 50, S. 181 – 206, 2005. Martini, Remo: Di un discusso riferimento alla „culpa“ in tema di depositi, in: Atti del seminario sulla problematica contrattuale in diritto romano I, S. 205 – 213, Mailand 1988. Maschi, Carlo Alberto: La categoria dei contratti reali. Corso di diritto romano, Mailand 1973. Maschi, Carlo Alberto: Una celebre antinomia in tema di deposito. Studi in onore di Gaetano Scherillo, in: Studi Scherillo II, S. 573 – 579, Mailand 1972. May, Gaston: Observations sur les actions arbitraires, in: Mélanges P. F. Girard II, S. 151 – 169, Paris 1912. Mayer-Maly, Theo: De se queri debere, officia erga se und Verschulden gegen sich selbst, in: Festschrift für Max Kaser zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Medicus, Dieter, u. a., S. 229 – 264, München 1976. Mayer-Maly, Theo: Contra bonos mores, in: Iuris professio. Festgabe für Max Kaser zum 80. Geburtstag, herausgegeben von Benöhr, Hans-Peter, u. a., S. 151 – 167, Wien u. a. 1986. Medicus, Dieter: Id quod interest. Studien zum römischen Recht des Schadensersatzes, Köln u. a. 1962. Medicus, Dieter: Zur Urteilsberichtigung in der actio iudicati des Formularprozesses, in: SZ 81, 1964, S. 233 – 292. Medicus, Dieter: Zur Geschichte des Senatus consultum Velleianum, Köln u. a. 1957. Meinhart, Marianne: Die Senatusconsulta Tertullianum und Orfitianum in ihrer Bedeutung für das klassische römische Erbrecht, Graz u. a. 1967. Meissel, Franz-Stefan: Societas. Struktur und Typenvielfalt des römischen Gesellschaftsvertrages, Frankfurt a.M. u. a. 2003. Menge, Hermann / Burkard, Thorsten / Schauer, Markus: Lehrbuch der lateinischen Syntax und Semantik, Darmstadt 2000.
472
Literaturverzeichnis
Metro, Antonino: L’obbligazione di custodire nel diritto romano, Mailand 1966. Michel, Jaque: Gratuité en droit romain, Brüssel 1962. Mitteis, Ludwig: Römisches Privatrecht bis auf die Zeit Diokletians. Erster Band. Grundbegriffe und Lehre von der juristischen Person, Leipzig 1908. Mitteis, Ludwig / Wilcken, Ulrich: Grundzüge und Chrestomathie der Papyruskunde. Zweiter Band: Juristischer Teil. Zweite Hälfte: Chrestomathie, Leipzig 1912. Möller, Cosima: Rezension zu Maganzani, La „diligentia quam suis“, in: SZ 125, 2008, S. 814 – 826. Mommsen, Friedrich: Beiträge zum Obligationenrecht. Band 3. Die Lehre von der Mora nebst Beiträgen zur Lehre von der Culpa, Braunschweig 1855. Mommsen, Friedrich: Beiträge zum Obligationenrecht. Band 1. Die Unmöglichkeit der Leistung in ihrem Einfluss auf obligatorische Verhältnisse, Braunschweig 1853. Mommsen, Friedrich: Beiträge zum Obligationenrecht. Band 2. Zur Lehre von dem Interesse, Braunschweig 1855. Montevecchi, Orsolina: La Papirologia. 1. und 2. Auflage, Turin 1973 und Mailand 1988. Mugdan, Benno: Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. Band 2, Berlin 1899 (Neudruck Aalen 1979). Mühlenbruch, Christian Friedrich: Die Lehre von der Cession der Forderungsrechte, 3. Auflage, Stuttgart 1836. Müller-Ehlen, Martina: Hereditatis petitio. Studien zur Leistung auf fremde Schuld und zur Bereicherungshaftung in der römischen Erbschaftsklage, Köln u. a. 1998. Münchener Kommentar zum BGB: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, herausgegeben von Säcker, Franz Jürgen / Rixecker, Roland, Band 2, 5. Auflage, München 2007. Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, herausgegeben von Kirchhof, Hans-Peter / Lwowski, Hans-Jürgen / Stürner, Rolf, Band 1, 2. Auflage, München 2007. Nardi, Enzo: Studi sulla ritenzione in diritto romano. I. Fonti e casi, Mailand 1947. Nelson, Hein. L. W.: Überlieferung, Aufbau und Stil von Gai Institutiones, Leiden 1981. Nelson, Hein L. W. / Manthe, Ulrich: Gai Institutiones III 88 – 181, Berlin 1999. Nicolau, Mathieu: Rezension zu O. Riemann / M. Alfred Ernout, Syntaxe latine, 7. Auflage, Paris 1935, in: RH 15, 1936, S. 381 – 383. Nicosia, Giovanni: L’ acquisto del possesso mediante i „potestati subiecti“, Mailand 1960. Niemeyer, Th.: Fidcuia cum amico und depositum, in: SZ 12, 1892, S. 297 – 324. Niermeyer, Jan Frederik / van de Kieft, C. / Burgers, J. W. J.: Mediae Latinitatis lexicon minus. Band 1, Darmstadt 2002. Nishimura, Shigeo: Die Diligentia quam in suis in der Rechtstradition Europas und Japans, in: Hundert Jahre Japanisches Zivilgesetzbuch, herausgegeben von Knütel, Rolf / Nishimura, Shigeo, S. 217 – 246, Köln. u. a. 2004.
Literaturverzeichnis
473
Nitschke, Manfred: Die Hinterlegung der geschuldeten Leistung im römischen Recht, in: SDHI 24, 1958, S. 112 – 223. Noordraven, Gijsbert: Die Fiduzia im römischen Recht, Amsterdam 1999. Nörr, Dieter: Die Entwicklung des Utilitätsgedankens im römischen Haftungsrecht, in: SZ 73, 1956, S. 68 – 119. Nörr, Dieter: Zur Interdependenz von Prozessrecht und materiellem Recht am Beispiel der lex Aquilia, in: RJ 6, 1987, S. 99 – 116. Nörr, Dieter: Zur Formel der actio legis Auqiliae, in: Festschrift für Rolf Knütel zum 70. Geburtstag, S. 833 – 848, Heidelberg 2009. Nörr, Dieter: Causa mortis. Auf den Spuren einer Redewendung, München 1986. Nörr, Dieter: Die Fahrlässigkeit im byzantinischen Vertragsrecht, München 1960. Nörr, Dieter: Divisio und Partitio. Bemerkungen zur römischen Rechtsquellenlehre und zur antiken Wissenschaftstheorie, Berlin 1972. Nörr, Dieter: Kausalitätsprobleme im klassischen römischen Recht: ein theoretischer Versuch Labeos, in: Festschrift Wieacker, S. 115 – 144, Göttingen 1978. Nörr, Dieter: Probleme der Eviktionshaftung im klassischen römischen Recht, in: SZ 121, 2004, S. 152 – 188. Nörr, Dieter: Lex Irnitana c. 84 IXB 8 – 10: „neque pro socio aut fiduciae aut mandati quod dolo malo factum esse dicatur“, in: SZ 124, 2007, S. 1 – 24. Nörr, Dieter: Römisches Zivilprozeßrecht nach Max Kaser: Prozeßrecht und Prozeßpraxis in der Provinz Arabia, in: SZ 115, 1998, S. 80 – 98. Nörr, Dieter: Prozessuales (und mehr) in der lex rivi Hiberiensis, in: SZ 125, 2008, S. 108 – 188. Oertmann, Paul: Die fiducia im römischen Privatrecht, Berlin 1890. Pacchioni, Giovanni: I contratti a favore dei terzi: studio di diritto romano, civile e commerciale, Mailand 1912. Partsch, Josef: Griechisches Bürgschaftsrecht. 1. Teil. Das Recht des altgriechischen Gemeindestaates, Leipzig u. a. 1909. Partsch, Josef: Das Dogma des Synallagma im römischen und byzantinischen Rechte, in: Aus nachgelassenen und kleineren verstreuten Schriften, Berlin 1931. Pastori, Franco: Il commodato nel diritto romano: con contributi allo studio della responsabilità contrattuale, Mailand 1954. Pastori, Franco: Il commodato in diritto romano, Mailand 1995. Pellecchi, Luigi: La praescriptio. Processo, diritto sostanziale, modelli espositivi, Mailand 2003. Pennitz, Martin: Der „Enteignungsfall“ im römischen Recht der Republik und des Prinzipats: eine funktional-rechtsvergleichende Problemstellung, Wien u. a. 1991. Penta, Margherita: „Potioris nominatio“ ed „excusatio“ tra consuetudine e legislazione imperiale, in: Index 18, 1990, S. 295 – 316.
474
Literaturverzeichnis
Pernice, Alfred: Labeo: römisches Privatrecht im ersten Jahrhunderte der Kaiserzeit. Band 2.2.1, 2. Auflage, Halle 1900. Pernice, Alfred: Labeo: römisches Privatrecht im ersten Jahrhunderte der Kaiserzeit. Band 2.1, 2. Auflage, Halle 1895. Pernice, Alfred: Marcus Antistius Labeo. Das römische Privatrecht im ersten Jahrhunderte der Kaiserzeit. Erster Band, Halle 1873. Pernice, Alfred: Parerga. III. Zur Vertragslehre der römischen Juristen, in: SZ 9, 1888, S. 195 – 260. Pescani, Pietro: Il piano del Digesto e la sua attuazione, in: BIDR 77, 1974, S. 221 – 405. Pfeifer, Guido: Das depositum als funktionale Mitgift in D. 16,3,27 (Paul. 7 resp.), in: SZ 123, 2006, S. 309 – 314. Pflüger, H. H.: Zur Lehre von der Haftung des Schuldners nach römischem Recht, in: SZ 65, 1947, S. 121 – 218. Philonenko, Maximilien: „Intentio“ dans les formules „in factum conceptae“, in: RIDA 3, 1949, S. 231 – 247. Pichonnaz, Pascal: L’ interdiction de compenser dans le contrat de depot RIDA 66, 1999, S. 393 – 425. Pichonnaz, Pascal: La compensation: analyse historique et comparative des modes de compenser non conventionnels, Freiburg 2001. Pielemeier, Klaus: Das Aufrechnungsverbot des § 393 BGB: seine Entstehungsgeschichte und seine Bedeutung im geltenden Recht, Berlin 1988. Pieler, Peter E.: Offene Verwahrung fremden Geldes und Zinsenzahlung. Römisches Reichsrecht und Ägyptische Papyri, in: Festschrift Rudolf Welser zum 65. Geburtstag, S. 797 – 807, Wien 2004. Pieler, Peter E.: Byzantinische Rechtsliteratur, in: Byzantinisches Handbuch. Die hochsprachliche profane Literatur der Byzantiner. Zweiter Band, herausgegeben von Hunger, Herbert, München 1978. Platschek, Johannes: Studien zu Ciceros Rede für P. Quinctius, München 2005. Pokrowsky, Joseph von: Die Actiones in factum des classischen Rechts, in: SZ 16, 1895, S. 7 – 104. Preisigke, Friedrich: Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden. 1. und 2. Band, Berlin 1925 und 1927. Provera, Giuseppe: La „pluris petitio“ nel processo formulare. Band I. La procedura formulare, Turin 1958. Provera, Giuseppe: Contributi allo studio del iusiurandum in litem, Turin 1953. Provera, Giuseppe: Rezension Giomaro, „Cautiones iudiciales“ e „officium iudicis“, in: SDHI 49, 1983, S. 495 – 507. Puchta: Cursus der Institutionen. Zweiter Band, Leipzig 1842. Pugsley, David: Justinian’s Digest and the Compilers, Exeter 1995.
Literaturverzeichnis
475
Pugsley, David: On compiling Justinian’s Digest (7): Theophilus, Antecessor, in: Mélanges Fritz Sturm Volume I, S. 395 – 405, Lüttich 1999. Rabel, Ernst: Grundzüge des römischen Privatrechts, 2. Auflage, Basel 1955. Rastätter, Jürgen: Marcelli notae ad Iuliani Digesta, Freiburg (Dissertation) 1980. Rechnitz, Wilhelm: Studien zu Salvius Julianus, Weimar 1925. Reichard, Ingo: Die Frage des Drittschadensersatzes im klassischen römischen Recht, Köln u. a. 1993. Ribbentrop, Georg Julius: Zur Lehre von den Correal-Obligationen, Göttingen 1831. Riccobono, S.: Il Valore delle Collezioni giuridiche bizantine per lo studio critico del „Corpus iuris civilis“, in: Mélanges Fitting Tome II, S. 463 – 497, Montpellier 1908. Riccobono, Salvatore: Traditio ficta, in: SZ 34, 1913, S. 159 – 255. Ries, Gerhard: Prolog und Epilog in Gesetzen des Altertums, München 1983. Robaye, René: L’obligation de garde. Essai sur la responsabilité contractuelle en droit romain, Brüssel 1987. Rodger, Alan: Vadimonum to Rome (and elsewhere), in: SZ 114, 1997, S. 160 – 196. Rodríguez Martín, José-Domingo: Fragmenta Augustodunensia, Granada 1998. Rodríguez Martín, José-Domingo: Das nachklassische Recht im Lichte der Fragmenta Augustodunensia, in: Hermeneutik der Quellentexte des Römischen Rechts, herausgegeben von Avenarius, Martin, S. 135 – 154, Baden-Baden 2008. Rosenthal, Joachim: Custodia und Aktivlegitimation zur Actio furti, in: SZ 68, 1951, S. 217 – 265. Roth, Hans-Jörg: Alfeni Digesta. Eine spätrepublikanische Juristenschrift, Berlin 1999. Roth, Wolf-Detlev: Untersuchungen zur Kredit-Paratheke im römischen Ägypten: ein Beitrag zum Zinsrecht und zum nomos ton parathekon, Marburg (Dissertation) 1970. Rotondi, Giovanni: Appunti sulla teoria romana del deposito (zitiert: Teoria romana), in: Scritti Giuridici II, herausgegeben von Albertario, Emilio, S. 56 – 90, Pavia 1922. Rotondi, Giovanni: La misura della responsabilità nell’ „actio fiduciae“, in: Scritti Giuridici II, herausgegeben von Albertario, Emilio, S. 137 – 158, Pavia 1922. Rotondi, Giovanni: Le due formole classiche dell’ actio deposito, in: Scritti Giuridici II, herausgegeben von Albertario, Emilio, S. 1 – 55, Pavia 1922. Rotondi, Giovanni: La misura della responsabilità nell’ actio depositi, in: Scritti Giuridici II, herausgegeben von Albertario, Emilio, S. 91 – 136, Pavia 1922. Rotondi, Giovanni: Dolus ex delicto et dolus ex contractu nelle teorie bizantine sulla trasmissibilità delle azioni, in: Scritti Giuridici II, herausgegeben von Albertario, Emilio, S. 371 – 410, Pavia 1922. Rudorff, Adolf Friedrich: Römische Rechtsgeschichte. Zweiter Band. – Rechtspflege, Leipzig 1859. Rudorff, Adolf Friedrich: Edicti perpetui quae reliqua sunt: de iuris dictione edictum. (zitiert: Edictum), Leipzig 1869.
476
Literaturverzeichnis
Rundel, Tobias: Mandatum zwischen utilitas und amicitia. Perspektiven zur Mandatarhaftung im klassischen römischen Recht, Münster 2005. Rupprecht, Hans-Albert: Kleine Einführung in die Papyruskunde, Darmstadt 1994. Saccoccio, Antonio: Si certum petetur. Dalla condictio dei veteres alle condictiones giustinianae, Mailand 2002. Sacconi, Giuseppa: Studi sulle obbligazioni solidali da contratto in diritto romano, Mailand 1973. Sacconi, Giuseppa: La „pluris petitio“ nel processo formulare, Mailand 1977. Sargenti, Manlio: Svolgimento dell’ idea di contratto nel pensiero giuridico romano, in: IURA 39, 1988, S. 24 – 74. Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Band 2, 5 und 6, Berlin 1840, 1841, 1847. Savigny, Friedrich Carl von: Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter. Zweyter Band. 2. Auflage, Heidelberg 1834. Schellenberg, Hartwig: Die Interpretationen zu den Paulussentenzen, Göttingen 1965. Scheltema, H. J.: L’enseignement de droit des antécesseurs, Leiden 1970. Scheltema, H. J.: Byzantine Law, in: Cambridge Medieval History 4,2,21 (1967), zitiert aus: Opera Minora ad iuris historiam pertinentia, S. 38 – 57, Groningen 2004. Scheltema, H. J.: Subcesiva III. Die Verweisungen bei den frühbyzantinischen Rechtsgelehrten, in: TR 30, 1962, S. 355 – 357. Scherillo, Gaetano: Il sistema civilistico, in: Studi in onore di Vincenzo Arangio-Ruiz, S. 445 – 467, Neapel 1953. Schermaier, Martin Josef: Materia. Beiträge zur Frage der Naturphilosophie im klassischen römischen Recht, Wien u. a. 1992. Schipani, Sandro: Responsabilità del convenuto per la cosa oggetto di azione reale, Turin 1971. Schulz, Fritz: Sabinus-Fragmente in Ulpians Sabinus-Commentar, Halle 1906. Schulz, Fritz: Scienta, Dolus und Error bei der Stellvertretung nach klassischem römischen Recht, in: SZ 33, 1912, S. 37 – 80. Schulz, Fritz: Die Aktivlegitimation zur actio furti im klassischen römischen Recht, in: SZ 32, 1911, S. 23 – 99. Schulz, Fritz: Geschichte der römischen Rechtswissenschaft (zitiert: Röm. Rechtswissenschaft), Weimar 1961. Schulz, Fritz: Einführung in das Studium der Digesten, Tübingen 1916. Schulz, Fritz: Interpolationenkritische Studien, in: Festschrift für Ernst Zitelmann, S. 1 – 24, München u. a. 1913. Schulz, Fritz: Klagen-Cession im Interesse des Cessionars oder des Cedenten im klassischen römischen Recht, in: SZ 27, 1906, S. 82 – 150.
Literaturverzeichnis
477
Schulz, Fritz: The postclassical edition of Parisian’s „libri Quaestionum“, in: Scritti in onore di Contardo Ferrini pubblicati in occasione della sua beatificazione IV, S. 254 – 267, Mailand 1949. Schwarz, Fritz: Die Konträrklagen, in: SZ 71, 1954, S. 111 – 220. Seckel, E. / Kübler, B.: Gai Institutiones. 8. Auflage, Leipzig 1939. Seidl, Erwin: Römisches Privatrecht, 2. Auflage, Köln u. a. 1963. Seidl, Erwin: Zur Gerichtsverfassung in der Provinz Ägypten bis ca. 250 n.Chr., in: Labeo 11, 1965, S. 316 – 328. Seiler, Hans Hermann: Der Tatbestand der negotiorum gestio im römischen Recht, Köln u. a. 1968. Selb, Walter: Das Problem des relativen „dolus“ in D. 16,3,32, in: Synteleia Arangio-Ruiz II, S. 1173 – 1180, Neapel 1964. Selb, Walter: Formeln mit unbestimmter intentio iuris, Wien u. a. 1974. Selb, Walter: Formulare Analogien in „actiones utiles“ und „actiones in factum“ am Beispiel Julians, in: Studi in onore di Arnaldo Biscardi III, S. 315 – 350, Mailand 1982. Selb, Walter / Kaufhold, Hubert: Das syrisch-römische Rechtsbuch, Wien 2002. Siber, Heinrich: Vorbereitung – und Ersatzzweck der Besitzinterdikte, in: Scritti in onore di Contardo Ferrini IV, S. 98 – 130, Mailand 1949. Siber, Heinrich: Römisches Recht in Grundzügen für die Vorlesung II: Römisches Privatrecht, Berlin 1928. Sijpesteijn, P. J.: Theognostos alias Moros and his family, in: ZPE 76, 1989, 213 – 218. Simon, Dieter: Quasi-PARAKATAQHKH. Zugleich ein Beitrag zur Morphologie griechisch-hellenistischer Schuldrechtstatbestände, in: SZ 82, 1965, S. 39 – 66. Simon, Dieter: Aus dem Kodexunterricht des Thalelaios. A. Methode, in: SZ 86, 1969, S. 333 – 383. Simon, Dieter: Aus dem Kodexunterricht des Thalelaios. B. Die Heroen, in: SZ 87, 1970, S. 315 – 394. Simon, Dieter: Aus dem Kodexunterricht des Thalelaios. C. Interpolationsberichte, in: RIDA 16, 1969, S. 283 – 308. Simon, Dieter: Aus dem Kodexunterricht des Thalelaios. D. Divergenzen zwischen Thalelaios-Kommentar und Codexüberlieferung, in: RIDA 17, 1970, S. 273 – 311. Simon, Dieter: Untersuchungen zum Justinianischen Zivilprozess, München 1969. Simon, Dieter: Rezension zu Scheltema, L’enseignement, in: TR 39, 1971, S. 481 – 485. Sirks, Boudewijn: Rezension zu Avenarius, Der pseudo-ulpianische liber singularis regularum, in: Gnomon 80, 2008, S. 325 – 330. Sitzia, Francesco: Sulla responsabilità del depositario in diritto bizantino, in: BIDR 74, 1971, S. 189 – 218. Solazzi, Siro: La compensazione nel diritto romano, 2. Auflage, Neapel 1950. Solazzi, Siro: Intentio in factum concepta?, in: RIDA II 2, 1953, S. 411 – 418.
478
Literaturverzeichnis
Solazzi, Siro: Ancora Procuratori senza mandato, in: Rendiconti del R. Istituto Lombardo di scienze e lettere 57, 1924, S. 302 – 318. Solazzi, Siro: Il concorso dei creditori nel diritto Romano. Band 1 bis 4, Neapel 1937 ff. Söllner, Alfred: Zur Vorgeschichte und Funktion der actio rei uxoriae, Köln u. a. 1969. Sotty, Richard: Recherche sur les utiles actiones. La notion d’action utile en droit romain classique, Grenoble 1977. Speidel, Michael Alexander: Sold und Wirtschaftslage der römischen Soldaten, in: Kaiser, Heer und Gesellschaft in der Römischen Kaiserzeit. Gedenkschrift für Eric Birley, herausgegeben von Alföldy, Géza u. a., S. 65 – 94, Stuttgart 2000. Spengler, Hans-Dieter: Studien zur Interrogatio in iure, München 1994. Staudinger: J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Auflage, Berlin 1995. Steiner, Hans: Datio in solutum, München 1914. Stintzing, W.: Über die Mancipatio, Leipzig 1904. Studemund,Wilhelm: Gaii Institutionum commentarii quattuor codicis Veronensis denuo collati apographum, Leipzig 1873. Sturm, Fritz: Rezension zu Schipani, Responsabilità, in: SZ 90, 1973, S. 440 – 453. Sturm, Fritz: Rezension zu Ingo Reichard, Die Frage des Drittschadensersatzes, in: SZ 115, 1998, S. 538 – 548. Sturm, Fritz: Ante condicionem petere, in: Studi in memoria di Guido Donatuti III, S. 1237 – 1270, Mailand 1973. Sturm, Fritz: Rezension zu Saccoccio, Si certum petetur, in: SZ 124, 2007, S. 513 – 530. Tafaro, Sebastiano: Regula e ius antiquum in D. 50,17,23. Ricerche sulla responsabilità contrattuale I, Bari 1984. Talamanca, Mario: Istituzioni di diritto romano, Mailand 1990. Talamanca, Mario: La „bona fides“ nei giuristi romani: „Leerformel“ e valori dell’ordinamento, in: Festschrift Alberto Burdese IV, S. 1 – 312, Mailand 2003. Talamanca, Mario: Processo civile (diritto romano), in: Enciclopedia del diritto Band 36, S. 1 – 79, 1987. Talamanca, Mario: I ‚Pithana‘ di Labeone e la logica stoica, in: IURA 26, 1975, S. 1 – 40. Talamanca, Mario: Rezension zu TR 55 (1987), in: BIDR 91, 1988, S. 907 – 911. Talamanca, Mario: DIATRIBE E PARALIPOMENI, in: BIDR 96 – 97, 1993 / 1994, S. 652 – 687. Taubenschlag, Rafael: Zur Geschichte des Hinterlegungsvertrages im römischen Recht, in: Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart, herausgegeben von Grünhut, 34, 683 – 724 und 35, 129 ff., 1907 und 1908. Thomas, Joseph Antony Charles: Return to „horrea“, in: RIDA 13, 1966, S. 353 – 368. Thon, August: Zur Lehre von den in factum actiones, in: Zeitschrift für Rechtsgeschichte 2, 1863, S. 239 – 310.
Literaturverzeichnis
479
Throm, Hermann: Lateinische Grammatik, 17. Auflage, Düsseldorf 1987. Ubbelohde: Zur Geschichte der benannten Realkontrakte, 1870. Valditara, Giuseppe: A proposito di D. 9,2,41 pr. e dell’actio in factum concessa per il danneggiamento delle tavole testamentarie, in: SDHI 60, 1994, S. 649 – 657. Valditara, Giuseppe: Superamento dell’ aestimatio rei nelle valutazione del danno aquiliano ed estensione della tutela ai non domini, Mailand 1992. Valiño, Emilio: Las relaciones básicas de la acciones adyecticias, in: AHEP 38, 1968, S. 377 – 480. Valiño, Emilio: Actiones utiles, Pamplona 1974. Varvaro, Mario: Studi sulla restituzione della dote. I. La formula dell’ actio rei uxoriae, Turin 2006. Varvaro, Mario: „Latior culpa dolus est“ (Rezension zu Zu Agnati, Il commento di Bartolo di Sassoverrato alla ‚lex quod Nerva‘), in: Index 35, 2007, S. 233 – 239. Vàzny, Jan: Il problema generale dei contratti a favore di terzi nel diritto romano, in: BIDR 40, 1932, S. 43 – 86. Visscher, Fernand de: Les Formules ‚in factum‘, in: RHD 4, 1925, S. 193 – 252. Voci, Pasquale: Diritto ereditario Romano. 2. Band, 2. Auflage, Mailand 1963. Voci, Pasquale: Diritto ereditario Romano. 1. Band, Mailand 1960. Voci, Pasquale: Azioni penali e azioni miste, in: SDHI 64, 1998, S. 1 – 46. Voci, Pasquale: ‚Diligentia‘, ‚Custodia‘, ‚Culpa‘. I dati fondamentali, in: SDHI 56, 1990, S. 29 – 143. Voigt, Moritz: Das jus naturale, aequum et bonum und jus gentium der Römer. Dritter Theil. Das strictum jus und aequum et bonum der Römer, Leipzig 1875. Völkl, Artur: Zur diligentia quam in suis des Verwahrers, in: Festschrift für Herbert Hausmaninger zum 70. Geburtstag, S. 293 – 303, Wien 2006. Wächter, Karl Georg von: Erörterungen aus dem römischen, deutschen und württembergischen Privatrechte. Heft 2, Stuttgart 1845. Wacke, Andreas: Papinian D. 12.6.55: Unbefugte Vermietung und ungerechtfertigte Bereicherung. Die Eingriffskondiktion als Vindikationsfortwirkungsanspruch, in: Studi per Giovanni Nicosia VIII, S. 393 – 433, Mailand 2007. Wacke, Andreas: Actio rerum amotarum, Köln u. a. 1963. Wacke, Andreas: Das fideicommissum a debitore relictum, in: TR 39, 1971, S. 257 – 272. Wacke, Andreas: Die Notbedarfseinrede des enterbten Haussohns, in: SDHI 60, 1994, S. 469 – 497. Wacke, Andreas: Zur Beweislast im klassischen Zivilprozeß. Giovanni Pugliese versus Ernst Levy, in: SZ 109, 1992, S. 411 – 449. Wacke, Andreas: Die Zahlung mit fremdem Geld. Zum Begriff des pecuniam consumere, in: BIDR 79, 1976, S. 49 – 144.
480
Literaturverzeichnis
Wacke, Andreas: Peculium non ademptum videtur tacite donatum. Zum Schicksal des Sonderguts nach der Gewaltentlassung, in: IURA 42, 1991, S. 43 – 95. Wacke, Andreas: „La ‚exceptio doli‘ lo rende possibile“: Fedecommesso in favore di terzi e fedecommissaria liberazione dall’ obbligo di restituzione della dote, in: IURA 46, 1995, S. 21 – 45. Wacke, Andreas: Rechtsfragen der römischen Lagerhausvermietung, in: Labeo 26, 1980, S. 299 – 324. Waldstein, Wolfgang / Rainer, Michael: Römische Rechtsgeschichte: ein Studienbuch, 10. Auflage, München 2005. Wallinga, Tammo: Rezension zu D. Pugsley, Justinian’s Digest and the Compilers, in: TR 65, 1997. S. 136 – 138. Waszyński, Stephan: Bodenpacht. Agrargeschichtliche Papyrusstudien. Erster Band. Die Privatpacht, Leipzig u. a. 1905. Watson, Alan: Law Making in the Later Roman Republic, Oxford 1974. Watson, Alan: The Law of obligations in the later Roman Republic, Oxford 1965. Watson, Alan: The law of property in the later Roman Republic, Oxford 1968. Watson, Alan: Roman Slave Law, Baltimore u. a. 1987. Wenger, Leopold: Die Quellen des römischen Rechts, Wien 1953. Wesenberg, Gerhard: Verträge zugunsten Dritter: Rechtsgeschichtliches und Rechtsvergleichendes, Weimar 1949. Wesener, Gunter: Nichtediktale Einreden, in: SZ 112, 1995, S. 109 – 150. Wesener, Gunter: Die Durchsetzung von Regreßansprüchen im römischen Recht, in: Labeo 11, 1965, S. 341 – 361. Wieacker, Franz: Römische Rechtsgeschichte. Erster Abschnitt, München 1988. Wieacker, Franz: Textstufen klassischer Juristen, Göttingen 1960. Wieacker, Franz: Amoenitates Iuventianae. Zur Charakteristik des Juristen Celsus, in: Iura 13, 1962, S. 1 – 21. Wieling, Hans Josef: Privilegium Exigendi, in: TR 56, 1988, S. 279 – 298. Willvonseder, Reinhard: Die Verwendung der Denkfigur der „condicio sine qua non“ bei den römischen Juristen, Wien u. a. 1984. Wimmer, Markus: Besitz und Haftung des Vindikationsbeklagten, Köln u. a. 1993. Windscheid, Bernhard / Kipp, Theodor: Lehrbuch des Pandektenrechts. 2. Band, 9. Auflage, Frankfurt 1906. Wittmann, Roland: Die Entwicklungslinien der klassischen Injurienklage, in: SZ 91, 1974, S. 285 – 359. Wlassak, Moritz: Edict und Klageform: eine romanistische Studie, Jena 1882. Wlassak, Moritz: Praescriptio und bedingter Prozess, in: SZ 33, 1912, S. 81 – 159. Wolf, Joseph Georg: Das Stigma ignominia, in: SZ 126, 2009, S. 55 – 113.
Literaturverzeichnis
481
Wolf, Joseph Georg: Iurisdictio Irnitana, in: SDHI 66, 2000, S. 29 – 61. Wubbe, Felix: Res aliena pignori data. De Verpanding van andermans zaak in het klassieke romeinse recht, Leiden 1960. Wubbe, Felix: Zur Haftung des Horrearius, in: SZ 76, 1959, S. 508 – 520. Wubbe, Felix: Gaius et les contrats réels, in: TR 35, 1967, S. 500 – 525. Zachariä von Lingenthal, E.: Von den griechischen Bearbeitungen des Codex, in: SZ 8, 1887, S. 1 – 75. Zannini, P.: Spunti critici per una storia del commodatum, Mailand 1983. Zilletti, Ugo: Studi sul processo civile giustinianeo, Mailand 1965. Zimmermann, Reinhard: The Law of Obligations – Roman Foundations of the Civilian Tradition, Oxford 1996. Zimmern, Sigmund Wilhelm: Geschichte des Römischen Privatrechts. Band 3. Der römische Zivilprozeß, Heidelberg 1829.
Sachverzeichnis actio in factum § 3 Aktivlegitimation des filiusfamilias für die actio depositi § 3 I 2 Aktivlegitimation für die actio furti § 15 III 1 (zu D. 47,2,48,4), § 17 IV 2 Alter der actio depositi in factum concepta nach Rotondi § 5 II Annalität der actio depositi § 10 III (zu D. 16,3,18) Aufbau des Digestentitels 16,3 § 7
Entgelt § 11 I Erbenhaftung beim depositum § 10 Erbenmehrheit § 10 V
Basilikenscholien (zur Formelfrage) § 4 II Beweislast bei der actio depositi in factum concepta § 12 IV 3c Bürgschaft beim depositum § 17 I 5 zu D. 16,3,30
Gebrauch der hinterlegten Sache durch den Verwahrer begründet die actio depositi nicht § 13 I 2, § 17 II 3 Gebrauch der hinterlegten Sache durch den Verwahrer ist Diebstahl § 17 II 3
commendare (für deponere) (Fußnote zu PS 2,31,21)
Haftungserweiterungen beim depositum § 6 II 3, § 11 I Haftungsmaßstab beim depositum § 11 horreum § 12 IV 1c (zu D. 16,3,1,21 – 22)
§ 18 IV 2d
deponere (Begriff) § 1 I deponere apud § 21 I (Fußnote zu PS 2 Coll. 10,7,8) deponere penes § 21 I (Fußnote zu PS 2 Coll. 10,7,8) depositum als Realvertrag § 1 II depositum vel commodatum § 13 I 2 (Exkurs zu D. 13,1,16) Edikt zum depositum: Alter § 5 II (Ediktsstil) Edikt zum depositum: Geschichte § 17 II 2 Edikt zum depositum: Textgestalt § 16 II 4b,bb (2) Ediktskommentar Ulpians zum depositum § 6 Eigentumserwerb des Verwahrers an der hinterlegten Sache § 17 I 5
fideicommissum a debitore relictum § 21 II 3b formula in factum concepta (Begriff) § 3 formula in ius concepta der actio depositi (Wortlaut) § 2 II Früchte § 16 III 4b
in deposito § 11 II 3a,bb (zu D. 16,3,32) Infamie § 20 I infitiari (Begriff) § 13 II 2 (zu D. 16,3, 13pr.), § 17 II 3 iusiurandum in litem des Hinterlegers § 15 IV Konkurs des Verwahrers § 14 III Konsumtion § 19 Litiskreszenz beim depositum § 10 II 2d Noxalität § 14 I, II Papyri § 18 VIII 1 paraqh/kh § 18 VIII 2a
Sachverzeichnis Passivlegitimation des Verwahrers für die reivindicatio des Hinterlegers § 17 I 2 pupillus (als Verwahrer) § 6 II 5 res deterior reddita non est reddita § 18 VI 1 Sabinuskommentare (keine eigenständige Erörterung des depositum) § 9 taxatio § 2 II 4
483
Unterverwahrung § 16 II Urkunden zum depositum § 1 V, § 18 VIII Vertrag zugunsten Dritter § 21 Vertragsklauseln beim depositum § 18 VIII 2 Zuständigkeit des Gerichtsbeamten für die actio depositi § 20 II Zwölftafeln zum depositum § 17 II 2
Quellenverzeichnis1 B. 7,5,63 283 B. 13,1,27 368 B. 13,2,1 400 B. 13,2,1,39 274 B. 13,2,15 438 B. 13,2,16 289 B. 13,2,34 389 B. 15,4 435 B. 15,4,28 431, 432, 434, 438 B. 18,5,27 262 B. 18,5,36 262, 269 B. 23,3,67 437 B. 24,2,2 392 B. 24,2,9 392 B. 24,5,4 438 B. 29,5,38 435 B. 60,3,42 341 B. 60,11,1,2 140 B. 60,41,7 341 BGB § 185 303, 321 BGB § 255 289, 322 BGB § 273 376 BGB § 276 376 BGB § 277 169 BGB § 281 314 BGB § 285 292, 304, 306 BGB § 287 S. 2 HS 2 153 BGB § 387 376 BGB § 393 376, 377 BGB § 689 376 BGB § 690 169 – 171, 376 BGB § 695 257 BGB § 812 197 BGB § 826 170 BGB § 985 334 BGB § 989 334
BGB § 990 334 BGB § 1223 294 BGB § 1247 294 BGB § 2301 441 BGB a. F. § 281 292 BGU I 196 BGU II 520 BGU II 637 BGU III 729
397 30 401 28, 397
Brachylogus 3,6 145 Brachylogus 3,6,3 144 Brachylogus 4,22 143 Brachylogus 4,23,3 148 BS. 13,1,3,1 64 BS. 13,2,1,39 274 BS. 13,2,16 289 BS. 13,2,32 167 C. 1,14,12pr. 384 C. 2,3,6 96 C. 2,3,24 433 C. 2,11,22 172 C. 2,20,1 172 C. 2,57,1 49, 54 C. 3,26,1 231 C. 3,31,12,1a 133 – 134, 154 C. 3,32 295 C. 3,32,6 295 C. 3,42,8 301, 425, 428, 429, 434, 437, 438, 441 C. 3,42,8pr. 310, 338, 339, 430 C. 3,42,8,1 430, 437, 439, 440, 447, 449, 450, 454 C. 4,1,10 283, 284
1 Eine Seitenzahl in Fett bedeutet, dass die Quelle im Text zitiert wird, in Kursiv, dass die Quelle sich in einer Fußnote findet.
Quellenverzeichnis C. 4,9,2 197 C. 4,10,1 439, 440, 441 C. 4,10,2 427 C. 4,14,2 247 C. 4,14,3 438 C. 4,15,5 427, 428 C. 4,16,4 368 C. 4,19,1 197 C. 4,23,4 367, 369 C. 4,25,3 230 C. 4,29,9 440 C. 4,31,4 368 C. 4,31,14 346, 377, 378, 381, 384 C. 4,31,14pr. 380 C. 4,31,14,1 368, 379 C. 4,31,14,2 377, 378 C. 4,32,19 436 C. 4,32,19,2 436 C. 4,32,19,3 436 C. 4,32,19,4 436, 450 C. 4,34,1 133, 134, 154, 159, 160, 164, 167, 169, 175, 311, 312, 314, 340 C. 4,34,3 295, 325, 328 C. 4,34,4 409 C. 4,34,7 289 C. 4,34,8 310 C. 4,34,10 161 C. 4,34,11 346, 364, 374, 375, 378, 379, 380, 384 C. 4,34,11pr. 378, 379, 383, 384, 454 C. 4,34,11pr.-2 31 C. 4,34,11pr.-3 374 C. 4,34,11,1 380 C. 4,34,11,1 – 2 31 C. 4,34,11,2 380 C. 4,34,11,3 281, 381 C. 4,34,12 381 C. 4,35,16 172 C. 4,39,8 427 C. 4,44,1 247 C. 4,49,11 172 C. 4,50,1 231 C. 5,14,7 435, 436, 449 C. 5,16,6 448 C. 5,16,6,1 444 C. 5,16,17 433 C. 5,43,9 172, 419 C. 5,57,2,2 231
C. 6,2,22,1 363 C. 6,2,22,3a 278 C. 6,30,19 382 C. 6,37,18 427 C. 6,38,3 404 C. 6,39,1 231 C. 6,43,1,1 379 C. 6,54,4,1 231 C. 7,4,1,1 231 C. 7,4,2 231 C. 7,45,13 384 C. 7,45,14 381, 383, 384 C. 7,53,9 138 C. 7,65,5,2 166 C. 8,27,20 293 C. 8,31,2 156 C. 8,53,33 428 C. 11,41,4 143 ChLA 410 32 Cic. ad Q.fr. 1,1,21 38 Cic. Att. 6,1,15 158 Cic. De natura deorum 3,74 76 Cic. De officiis 2,84 109 Cic. De officiis 3,70 76, 267 Cic. de orat. 1,168 224 Cic. off. 3, 112 38 Cic. off. 3,70 39, 260, 268 Cic. Pro Caecina § 7 76 Cic. Pro Roscio Amerino § 111 76 Cic. Pro Roscio Comoedo §§ 10 ff. 47 Cic. Pro Roscio Comoedo § 16 76 Cic. Topica § 42 76 Cic. Topica § 66 76 Cic. Verr. II 3,152 38 CIL VI 33747 189 Codex Einsidlensis 326 35 Coll. 10 63, 127, 161 Coll. 10,2 127, 215, 373 Coll. 10,2,1 29, 157, 158, 160 Coll. 10,2,2 305 Coll. 10,2,3 163 Coll. 10,2,4 157, 160, 362
485
486
Quellenverzeichnis
Coll. 10,2,5 30, 31, 345, 346, 359, 361, 363, 365, 367 Coll. 10,2,6 31, 278, 363, 365, 370, 371, 372, 374, 402 Coll. 10,3 157 Coll. 10,3,1 160 Coll. 10,4 72, 110, 138, 160, 219, 426 Coll. 10,5 157, 158, 160 Coll. 10,6 160, 161 Coll. 10,7 128, 208, 345, 357, 358 Coll. 10,7,1 256, 280 Coll. 10,7,2,9 357 Coll. 10,7,3 28 Coll. 10,7,5 325, 328, 426 Coll. 10,7,6 157, 160, 163 Coll. 10,7,7 308 Coll. 10,7,8 301, 425, 426, 427, 434, 439, 448, 449, 450 Coll. 10,7,10 158, 160, 206, 207, 208, 209, 211, 217 Coll. 10,7,11 80, 204, 205, 298, 313, 324 Coll. 10,7,12 428 Coll. 10,8 133, 160, 311, 312, 340 Cons. 1,7 96 Const. Imp. § 3 139 Const. Tanta § 9 139 CPR I 29
397
CT. 11,36,25 166 D. Merov. 86 356 D. 1,2,2,48 167 D. 1,2,2,52 167 D. 1,2,2,53 167, 195 D. 1,6,6 231 D. 2,1,11pr. 362 D. 2,1,11,1 362 D. 2,4 50 D. 2,4,4,1 54, 55 D. 2,4,10,12 55 D. 2,4,11 56 D. 2,4,12 55 D. 2,4,23 54 D. 2,4,24 54, 140 D. 2,6 50, 56
D. 2,7 50, 56 D. 2,7,1,2 231 D. 2,7,5,1 56 D. 2,7,5,3 56 D. 2,8,6 404 D. 2,10 54 D. 2,10,1,5 230 D. 2,10,1,6 151 D. 2,10,3pr. 54 D. 2,13,6,7 186 D. 2,14,7,1 27 D. 2,14,7,7 96 D. 2,14,7,8 61 D. 2,14,7,15 96, 97, 158, 205, 216 D. 2,14,16pr. 427 D. 2,14,17,5 61 D. 2,14,21,1 61 D. 2,14,27,3 205 D. 2,14,50 125 D. 2,14,57,1 61 D. 3,1,1,2 186 D. 3,1,10 231 D. 3,2,1 29, 74, 104, 172, 271, 345, 362, 417, 418, 421, 422 D. 3,2,4pr. 143 D. 3,2,4,4 186 D. 3,2,6,2 417 D. 3,2,6,5 416 D. 3,2,6,6 131, 133, 134, 154, 166, 416, 418, 421, 422, 423, 424, 425 D. 3,2,6,7 144, 362 D. 3,3,35,3 186 D. 3,5,1 83 D. 3,5,3pr. 83 D. 3,5,3,1 – 7 84 D. 3,5,16 242, 250 D. 3,5,3,4 99 D. 3,5,3,5 84 D. 3,5,3,6 99 D. 3,5,3,9 84 D. 3,5,3,10 84, 100, 101 D. 3,5,5,2 99 D. 3,5,5,4 448, 449 D. 3,5,5,8 231 D. 3,5,5,14 84 D. 3,5,20,3 289 D. 3,5,31,1 342, 343, 406 D. 3,5,46,1 428
Quellenverzeichnis D. 4,2 306 D. 4,2,9,8 60 D. 4,2,13 315 D. 4,2,16,2 209 D. 4,2,17 209 D. 4,2,18 306 D. 4,2,19 209 D. 4,3,1,1 47, 75, 112, 297 D. 4,3,1,4 29, 198 D. 4,3,7,10 47 D. 4,3,9,3 191, 293, 407 D. 4,3,11,1 158, 198, 313 D. 4,3,18,1 70, 335 D. 4,3,26 150 D. 4,3,35 91 D. 4,4,9,2 205, 218, 328 D. 4,4,11,3 186 D. 4,4,41 382 D. 4,5,2,1 244, 245 D. 4,5,3,1 244, 245 D. 4,7,1,1 210 D. 4,7,3,1 337 D. 4,7,3,2 337 D. 4,7,3,2 – 3 337 D. 4,7,4,1 337 D. 4,7,8,4 210, 213 D. 4,8,21,12 220 D. 4,8,23pr. 220 D. 4,9,1pr. 281, 295 D. 4,9,1,7 280, 281 D. 4,9,3,1 96, 166, 167 D. 4,9,3,4 151, 152 D. 4,10,1 441 D. 5,1 285 D. 5,1,18,1 53, 71, 450 D. 5,1,23 183 D. 5,1,35 183 D. 5,1,41 407 D. 5,1,56 – 68 285 D. 5,1,61 285 D. 5,1,62 285 D. 5,1,64 285 D. 5,1,64pr. 273, 276, 280, 282, 285 D. 5,1,65 285 D. 5,3,13,1 231 D. 5,3,18pr. 284 D. 5,3,18,1 195 D. 5,3,19pr. 133, 156
487
D. 5,3,25,3 274 D. 5,3,30 84 D. 5,3,57 195, 196 D. 6,1,9 185, 310, 311, 312, 314, 430 D. 6,1,15,1 294 D. 6,1,17pr. 294 D. 6,1,25 335 D. 6,1,27,1 177, 180, 225, 318, 320, 321, 406 D. 6,1,27,3 313, 320, 334, 335, 336 D. 6,1,46 316, 317 D. 6,1,47 316, 318 D. 6,1,57 404 D. 6,1,68 320, 321 D. 6,1,69 317, 318, 319, 320, 321, 322, 323 D. 6,1,70 317 D. 6,1,71 321, 421 D. 6,1,72 321 D. 7,4,3,2 231 D. 7,5,6 299 D. 8,5,21 385 D. 9,2 340 D. 9,2,11,3 211 D. 9,2,23,11 48 D. 9,2,24 48 D. 9,2,29,7 360 D. 9,2,39 214 D. 9,2,41pr. 62, 125, 309, 342, 450 D. 9,2,42 309, 340, 344 D. 9,3,1,8 230 D. 9,3,5,6 57 D. 10,2 155 D. 10,3,16 407 D. 10,4,3,11 279 D. 10,4,4 126, 339 D. 10,4,4 – 6 182 D. 10,4,5,6 200, 404, 408 D. 10,4,7,4 35, 36, 180, 181, 182 D. 10,4,7,6 35, 36 D. 10,4,8 341 D. 10,4,9pr. 335, 337 D. 10,4,9pr.-4 336 D. 10,4,9,1 231 D. 10,4,9,2 335 D. 10,4,9,3 341 D. 10,4,9,4 299 D. 10,4,9,5 36
488
Quellenverzeichnis
D. 10,4,12,6 137 D. 10,4,15 336 D. 10,7,4 180 D. 11,1 105 D. 11,1,1pr. 413 D. 11,1,21 105 D. 11,1,22 105 D. 11,6,1,1 168 D. 12,1,1,1 76, 109 D. 12,1,4pr. 126 D. 12,1,5 124, 389 D. 12,1,9,9 329, 331, 357 D. 12,1,10 103, 104, 331 D. 12,1,15 243 D. 12,1,18,1 329 D. 12,1,18pr. 329 D. 12,2,30,1 209 D. 12,3 286 D. 12,3,2 321 D. 12,3,3 42, 91, 273, 283, 286, 317 D. 12,3,4pr. 283 D. 12,3,4,1 283 D. 12,3,5,1 283 D. 12,3,5,4 283 D. 12,3,7 285 D. 12,4,14 105 D. 12,4,15 120 D. 12,5,2,1 387, 388, 389, 390, 392 D. 12,5,9 388, 389, 390, 392 D. 12,6,33 26, 360 D. 13,1,5 125 D. 13,1,7,1 275 D. 13,1,8pr. 213, 275 D. 13,1,9 91, 152, 331 D. 13,1,10 332 D. 13,1,11 332 D. 13,1,16 80, 210, 214, 216, 217, 218, 282, 325, 329, 331, 332 D. 13,4,6 124 D. 13,6 107, 128 D. 13,6,1 107 D. 13,6,1pr. 47, 75, 112, 151, 296, 297 D. 13,6,1,1 25, 99, 296 D. 13,6,1,2 70, 95, 96, 98, 296 D. 13,6,2 98 D. 13,6,3 107 D. 13,6,3pr. 70, 95, 98 D. 13,6,3,1 64, 65, 72, 95, 99, 387, 393
D. 13,6,3,2 282, 284, 368 D. 13,6,3,5 260, 261, 266, 267, 268, 272 D. 13,6,5 107 D. 13,6,5,1 315, 316 D. 13,6,5,2 30, 100, 157, 158, 166, 426 D. 13,6,5,2 – 3 79 D. 13,6,5,3 78 D. 13,6,5,7 211, 217 D. 13,6,5,12 290 D. 13,6,6 128 D. 13,6,7 107 D. 13,6,8 128 D. 13,6,10 128 D. 13,6,10pr. 217 D. 13,6,10,1 128 D. 13,6,10 – 13,6,14 128 D. 13,6,11 128 D. 13,6,12 128 D. 13,6,13pr. 128 D. 13,6,13pr.-2 128 D. 13,6,13,2 128 D. 13,6,14 128 D. 13,6,15 280 D. 13,6,16 280 D. 13,6,17,3 29, 187, 372 D. 13,6,17,5 315, 322 D. 13,6,18pr. 211 D. 13,6,18,1 309 D. 13,6,18,4 348, 352, 361 D. 13,6,19 264 D. 13,6,23 217 D. 13,7 107, 108, 128, 129 D. 13,7,1 129 D. 13,7,1,4 129 D. 13,7,2 129 D. 13,7,3 129 D. 13,7,5 129 D. 13,7,6pr. 129 D. 13,7,6,1 129 D. 13,7,8pr. 129 D. 13,7,8,1 129 D. 13,7,8,2 129 D. 13,7,8,3 129 D. 13,7,8,4 129 D. 13,7,8,5 129 D. 13,7,9 293 D. 13,7,9,4 280 D. 13,7,9,5 176
Quellenverzeichnis D. 13,7,10 176 D. 13,7,11 293 D. 13,7,13 293 D. 13,7,13pr. 305 D. 13,7,15 293 D. 13,7,22 108, 302 D. 13,7,24 108, 302 D. 13,7,24,2 293 D. 13,7,26 108 D. 13,7,28,1 236 D. 13,7,31 31, 108, 345 D. 14,1,7pr. 123 D. 14,4,9,2 246 D. 14,5,2pr. 243, 244, 245, 246, 253, 254 D. 14,5,2,1 244 D. 14,5,3 254 D. 15,1,3,5 233 D. 15,1,3,7 236 D. 15,1,3,13 233 D. 15,1,4 116 D. 15,1,5pr. 233, 236, 259, 260, 261, 262, 266, 267, 271, 272 D. 15,1,5,1 233, 260 D. 15,1,5,2 233 D. 15,1,9,8 235, 259 D. 15,1,10 258 D. 15,1,11pr. 235, 259 D. 15,1,21,3 263, 271 D. 15,1,22 116 D. 15,1,27pr. 237 D. 15,1,30pr. 180, 235 D. 15,1,32,1 231 D. 15,1,36 236, 260, 261, 264, 266, 267, 268, 269 D. 15,1,38pr. 234, 236, 246, 255, 258, 265, 266, 310, 339 D. 15,1,44 243, 252 D. 15,1,51 289, 300 D. 15,1,52pr. 450 D. 15,1,52,1 258, 265, 266 D. 15,1,57 247 D. 15,2,1,1,7 247 D. 15,2,1,7 245, 246 D. 15,2,1,8 248 D. 15,3,3,1 266 D. 15,3,3,2 267 D. 15,3,3,9 123 D. 16,2,7,1 352
489
D. 16,2,10,2 378 D. 16,3,1pr. 25, 26, 28, 91, 109, 250, 400, 429, 442 D. 16,3,1,1 – 4 91 D. 16,3,1,2 93 D. 16,3,1,2 – 4 102 D. 16,3,1,2 – 7 91 D. 16,3,1,3 93 D. 16,3,1,4 93, 109, 205, 290, 418 D. 16,3,1,4 – 3,4 102 D. 16,3,1,5 91, 94, 97 D. 16,3,1,6 96, 112, 158, 166 D. 16,3,1,6 – 7 95, 97, 298 D. 16,3,1,7 94, 96, 105, 112, 205 D. 16,3,1,8 28, 94, 157 D. 16,3,1,8 – 10 30, 158 D. 16,3,1,8 – 14 92, 94, 97, 98, 101, 117 D. 16,3,1,8 – 19 87, 91 D. 16,3,1,9 28, 30, 211, 253 D. 16,3,1,9 – 10 360 D. 16,3,1,10 101 D. 16,3,1,11 190, 256, 289, 301, 448 D. 16,3,1,11 – 14 26, 395, 406 D. 16,3,1,12 190 D. 16,3,1,13 26 D. 16,3,1,14 39, 110, 133, 190, 200, 201, 218, 288, 315, 318 D. 16,3,1,15 92, 95, 97, 110, 204, 253, 288 D. 16,3,1,16 29, 64, 70, 72, 87, 88, 89, 92, 95, 99, 102, 109, 110, 112, 191, 216, 217, 298, 302, 327, 340, 386, 390, 391, 393, 394 D. 16,3,1,17 93, 99, 100, 230 D. 16,3,1,17 – 19 92, 99 D. 16,3,1,18 86, 93, 99, 110, 205, 233, 239, 240, 241, 242, 249, 250, 255, 256 D. 16,3,1,19 93, 99, 226, 239, 433 D. 16,3,1,20 101, 176, 183, 184, 185, 186, 191, 193, 195, 196 D. 16,3,1,20 – 21 72, 111, 183, 184, 189, 196, 225 D. 16,3,1,20 – 22 98, 99, 188 D. 16,3,1,20 – 23 191 D. 16,3,1,20 – 26 91
490
Quellenverzeichnis
D. 16,3,1,21 29, 31, 35, 36, 67, 72, 109, 111, 176, 182, 183, 184, 185, 186, 188, 191, 195, 196, 199, 200, 201, 207, 288, 358, 395, 405 D. 16,3,1,21 – 22 188, 189 D. 16,3,1,22 29, 53, 81, 105, 110, 111, 176, 184, 185, 186, 188, 189, 190, 191, 192, 199, 201, 209, 218, 220, 261, 289, 302, 358, 376 D. 16,3,1,23 63, 65, 68, 91, 101, 308 D. 16,3,1,24 111, 308 D. 16,3,1,25 99, 102, 111, 112, 158, 191, 206, 207, 208, 209, 210, 211, 212, 216, 217, 218, 219, 220, 229, 289, 308, 328 D. 16,3,1,26 283, 284, 286, 317 D. 16,3,1,27 230, 233 D. 16,3,1,27 – 3 91 D. 16,3,1,27 – 32 100 D. 16,3,1,27 – 33 93 D. 16,3,1,29 – 33 230 D. 16,3,1,30 93, 100 D. 16,3,1,32 29, 110, 111, 120 , 121, 219, 310, 338, 339 D. 16,3,1,33 87, 89, 109, 110, 111, 112, 298, 390, 391, 426 D. 16,3,1,33 ff. 100 D. 16,3,1,34 101, 331 D. 16,3,1,35 96, 105, 158, 216, 401 D. 16,3,1,36 100, 446 D. 16,3,1,36 – 37 93 D. 16,3,1,37 100 D. 16,3,1,38 100, 386, 394 D. 16,3,1,39 256, 273, 274, 279, 280, 285 D. 16,3,1,40 – 41 44, 94, 223 D. 16,3,1,40 – 42 49 D. 16,3,1,41 80, 275, 386 D. 16,3,1,42 172, 231, 233, 235, 239, 249, 259, 260, 261, 262, 267, 268, 271, 272 D. 16,3,1,43 110, 204, 412 D. 16,3,1,43 – 44 273, 286 D. 16,3,1,45 133, 134, 154 D. 16,3,1,45 – 46 29, 102, 187, 190, 209, 220, 302, 376, 433 D. 16,3,1,46 434 D. 16,3,1,47 87, 100, 102, 103, 110, 111, 133, 134, 153, 157, 161, 192, 207, 213, 233, 271, 287, 293, 301, 304, 305, 306, 307, 308, 451
D. 16,3,1,47 – 3,4 106 D. 16,3,1 – 7 107, 108 D. 16,3,1 – 18 102 D. 16,3,1 – 23 451 D. 16,3,2 106, 108, 222, 287, 293, 305 D. 16,3,3 106, 108, 121, 159, 207, 304, 305 D. 16,3,4 102, 103, 105, 133, 211, 306 D. 16,3,5pr. 31, 102, 109, 172, 283, 284, 345, 359, 361, 362 D. 16,3,5,1 32, 103, 124, 152, 344 D. 16,3,5,1 – 7pr. 106 D. 16,3,5,2 110, 290 D. 16,3,6 26, 102, 103, 105, 190, 191, 338 D. 16,3,6 – 7 95 D. 16,3,7pr. 103, 111, 159, 190, 300 D. 16,3,7,1 93, 102, 104, 132, 133, 134, 136, 140, 141, 144, 145, 148, 150, 151, 152, 153, 155, 205, 226, 331, 412 D. 16,3,7,1 – 10 104, 106, 108 D. 16,3,7,2 151, 253, 256, 257 D. 16,3,7,2 – 3 256 D. 16,3,7,2 – 8 104, 105, 106 D. 16,3,7,3 302 D. 16,3,8 102, 105, 151, 256, 345 D. 16,3,9 102, 104, 105, 110, 132, 134, 139, 150, 151, 153, 155, 411, 414, 417, 418 D. 16,3,10 104, 107, 108, 134, 153, 155, 156, 411, 412 D. 16,3,11 89, 114, 118, 120, 121, 123, 159, 230, 302, 448 D. 16,3,11 – 12 106, 107, 108 D. 16,3,12 123, 125 D. 16,3,12pr. 30, 190, 345, 361 D. 16,3,12pr.-§ 2 124 D. 16,3,12,1 110, 190 D. 16,3,12,2 26, 124, 134 D. 16,3,12,3 86, 114, 115, 124, 153, 154, 158, 211, 212, 321 D. 16,3,13 106, 222, 305, 409 D. 16,3,13pr. 81, 110, 112, 192, 200, 218, 221, 226, 227, 228, 229, 326, 331, 416 D. 16,3,13,1 222, 227, 329 , 330, 332, 452 D. 16,3,14pr. 110 D. 16,3,14,1 86, 110, 133, 134, 153, 154, 158 D. 16,3,15 107, 108, 185
Quellenverzeichnis D. 16,3,16 95, 107, 110, 190, 287, 288, 289, 300, 301, 307, 308, 319, 425, 427, 428, 434, 438, 439 D. 16,3,17,1 27, 257, 309, 311 D. 16,3,18 86, 110, 131, 132, 146, 147, 148, 149, 155, 204, 296 D. 16,3,19 52, 53, 54, 71, 125 D. 16,3,19 – 23 102 D. 16,3,20 111, 200, 287, 403, 405, 407, 408, 416, 420 D. 16,3,21 229, 240, 242, 243, 249, 251, 253, 258, 259, 262 D. 16,3,21pr. 238, 241, 242, 244, 253 D. 16,3,21,1 86, 110, 204, 237, 238, 239, 240, 241, 242, 244, 247, 248, 249, 250, 255, 256 D. 16,3,22 109, 110, 111, 134, 154, 155, 156, 219, 273, 274, 286, 417 D. 16,3,23 30, 31, 113, 211, 345, 359, 360, 363, 364 D. 16,3,24 30, 31, 87, 108, 113, 373, 400, 401, 442, 444 D. 16,3,24 ff. 32, 451 D. 16,3,24 – 29 102, 113 D. 16,3,24 – 31 102 D. 16,3,25pr. 32, 133, 134, 154, 340, 341, 342, 343, 407 D. 16,3,25,1 113 D. 16,3,26pr. 110, 444, 445 D. 16,3,26,1 113 D. 16,3,27 113, 230 D. 16,3,28 113 D. 16,3,29 164 D. 16,3,29pr. 325, 328, 426 D. 16,3,29,1 113, 357, 426 D. 16,3,30 235, 288, 315, 317, 323, 352 D. 16,3,31pr. 110, 185 D. 16,3,31,1 110, 256, 274, 280, 281, 311, 330, 448, 449 D. 16,3,32 39, 102, 104, 105, 109, 110, 113, 159, 161, 164, 165, 166, 167, 169, 170, 172, 175, 416, 417 D. 16,3,33 191, 230, 310, 338, 339 D. 16,3,33 – 34 102 D. 16,3,34 78, 79, 89, 110, 111, 298, 308, 384, 385, 389, 390, 392, 394, 454 D. 17,1,6,8 101 D. 17,1,8pr. 395, 406, 407
491
D. 17,1,8,3 291 D. 17,1,8,9 185, 261 D. 17,1,8,9 – 10 307 D. 17,1,8,10 164, 305, 307, 404, 406, 407 D. 17,1,12,9 164 D. 17,1,39 158 D. 17,1,72 170, 171 D. 17,2,27 407 D. 17,2,38pr. 40, 78, 126, 348, 407 D. 17,2,40 418 D. 17,2,63,7 279 D. 18,1 107, 117 D. 18,1,1 107, 117 D. 18,1,7,1 – 2 116 D. 18,1,9 ff. 116 D. 18,1,20 130 D. 18,1,30 107 D. 18,1,34 107 D. 18,1,35,4 292 D. 18,1,62,1 46 D. 18,2,2pr. 116 D. 18,6,3 128 D. 19,1 107, 117 D. 19,1,11pr. 116 D. 19,1,11,1 101, 116 D. 19,1,11,6 393 D. 19,1,13,12 292 D. 19,1,13,17 292 D. 19,1,13,19 ff. 116 D. 19,1,21 107 D. 19,1,21,1 304 D. 19,1,23 212 D. 19,1,24,2 263 D. 19,2 129, 130 D. 19,2,3 129, 130 D. 19,2,4 129 D. 19,2,5 129 D. 19,2,6 278, 319 D. 19,2,31 78, 80, 166 D. 19,2,41 264 D. 19,2,48,1 284 D. 19,5,17,2 157 D. 19,5,18 91, 190 D. 20,4,4 129 D. 21,3,1pr. 321 D. 22,1,18pr. 239 D. 22,1,38pr. 307 D. 22,1,38,6 307
492
Quellenverzeichnis
D. 22,1,38,8 307 D. 22,1,38,9 307 D. 22,1,38,10 166 D. 22,1,38,11 307 D. 23,3,9,3 126, 339, 407 D. 23,3,17pr. 168 D. 22,3,25pr. 198 D. 23,3,39pr. 247 D. 24,1,32pr. ff. 115 D. 24,3,10,1 444 D. 24,3,15,1 378 D. 24,3,17,2 195 D. 24,3,22,12 264 D. 24,3,24,2 407 D. 25,2,17,2 216 D. 25,2,22pr. 316, 318, 319, 322, 323 D. 26,7,7pr. 283 D. 26,10,1,2 172 D. 26,10,7,1 172 D. 27,3,1pr. 168 D. 27,3,1,13 – 14 322 D. 27,3,5 127, 329, 388, 390, 404 D. 27,3,24 428 D. 27,7,4pr. 421 D. 27,8,1,11 233 D. 28,7,20pr. 187 D. 29,2,28 426 D. 29,4,12,1 138 D. 30,47,2 408 D. 30,77 442, 444, 445 D. 30,108,13 447 D. 31,77,26 442, 446 D. 31,82,2 185 D. 31,88,10 133 D. 32,1,6 443 D. 32,4 428 D. 32,37,5 133, 446 D. 33,4,1,7 126 D. 33,4,1,10 246 D. 33,4,13 385 D. 33,5,8,3 126, 339 D. 33,8,18 246, 247 D. 34,2,39,1 80 D. 34,3,3,2 446 D. 34,3,8,7 126, 443 D. 34,3,28,8 446 D. 35,2,15pr. 49 D. 36,1,80,1 446
D. 36,3,1,17 299, 300 D. 36,3,5,4 166 D. 36,4,5,10 133 D. 38,17,4 445 D. 38,17,9 445 D. 39,2,11,13 279 D. 39,5,31,1 343 D. 39,5,31,3 446 D. 39,6,1pr. 441 D. 39,6,14 36 D. 39,6,18,2 446 D. 40,7,35 172 D. 41,1,7,12 351, 363 D. 41,1,36 329 D. 41,1,65,3 385 D. 41,2,3,18 80, 206, 223, 224, 326, 327 D. 41,2,30,6 127, 301 D. 41,2,47 206, 326, 327 D. 41,3,4,10 207, 209 D. 41,3,33,4 301 D. 41,3,36pr. 192, 206, 304 D. 41,4,2,7 251, 258 D. 41,9 248 D. 42,1,8 211 D. 42,1,12 289, 303, 315, 316, 318, 320, 321, 322, 323, 345, 387 D. 42,5,24,2 256, 257, 310, 312 D. 42,8,11 149 D. 43,5 342 D. 43,5,3,3 342 D. 43,5,3,4 342 D. 43,5,3,5 342 D. 43,5,3,6 342 D. 43,5,6 341 D. 43,24,7,5 125 D. 43,24,13,1 53 D. 43,24,19 53, 125 D. 43,26,8,6 364 D. 43,26,8,8 137, 145 D. 44,1,14 49 D. 44,1,23 385 D. 44,2,7,4 226 D. 44,2,9,1 181 D. 44,2,11,7 228 D. 44,2,17 181 D. 44,2,18 181, 408
Quellenverzeichnis D. 44,2,22 134, 150, 153, 155, 200, 222, 226, 227, 305, 409, 414, 415, 416, 421, 425 D. 44,2,25pr. 226, 228 D. 44,4,4,18 193 D. 44,4,5,6 226 D. 44,4,11 194 D. 44,4,18 194 D. 44,7,1pr. 55 D. 44,7,1,2 26 D. 44,7,1,2 – 6 353, 354 D. 44,7,1,3 27 D. 44,7,1,3 – 6 162 D. 44,7,1,4 168 D. 44,7,1,5 26, 28, 127, 157, 159, 161, 162, 169, 175, 355, 384, 418 D. 44,7,1,6 27 D. 44,7,2,3 384 D. 44,7,5,1 27 D. 44,7,9 52, 53, 125 D. 44,7,12 127, 132, 134, 145, 149, 154 D. 44,7,13 52, 53, 55, 71 D. 44,7,25,1 54, 55, 58 D. 44,7,35pr. 151, 152 D. 44,7,45 211, 212 D. 44,7,49 133, 134, 149, 154, 205, 232 D. 45,1,10 219, 220 D. 45,1,27,1 124 D. 45,1,38,9 126 D. 45,1,92 232 D. 45,1,115,2 220 D. 45,1,121,3 136, 145 D. 45,2,9pr. 39 D. 45,2,9,1 158, 426 D. 45,2,12,1 263 D. 45,3,6 127 D. 46,1,2 126, 230, 315 D. 46,3,18 120 D. 46,3,26 129 D. 46,3,35 80, 120, 121, 123, 159 D. 46,3,38,1 300 D. 46,3,81,1 80, 205, 222 D. 47,2,1,1 140 D. 47,2,1,2 326 D. 47,2,10 365 D. 47,2,10 ff. 115 D. 47,2,12,1 275, 276, 279 D. 47,2,12,2 371
493
D. 47,2,12pr. 278 D. 47,2,14pr. 292 D. 47,2,14,3 158, 214, 218 D. 47,2,14,3 – 4 126, 275, 276, 279 D. 47,2,14,4 158, 219, 326 D. 47,2,14,5 – 7 371 D. 47,2,14,10 278 D. 47,2,14,15 95 D. 47,2,15pr. 371 D. 47,2,15,2 366, 367, 368, 369, 370, 372, 373 D. 47,2,21,1 125, 127 D. 47,2,26,1 371 D. 47,2,32pr. 342 D. 47,2,39 302 D. 47,2,43pr. 120 D. 47,2,43,1 120 D. 47,2,46,1 – 6 371 D. 47,2,48,4 276, 278 D. 47,2,50pr. 217 D. 47,2,52,10 372 D. 47,2,54,4 370, 372 D. 47,2,60 366, 368, 370, 372, 373 D. 47,2,62,5 345 D. 47,2,62,7 345 D. 47,2,65,5 31 D. 47,2,66 213 D. 47,2,68pr. 223, 224, 326 D. 47,2,72pr. 323 D. 47,2,74 207 D. 47,2,75 371, 372 D. 47,2,77pr. 80, 214, 215, 217, 325, 327, 328 D. 47,2,77,1 214, 219, 275, 279 D. 47,2,86 277 D. 47,2,88 371 D. 47,8,2,23 30, 78, 158, 365 D. 47,10,17,10 53, 55, 56 D. 48,7,7 315 D. 48,8,7 169 D. 48,10,7 341 D. 48,17,5,1 166 D. 48,19,20 232 D. 48,19,32 420 D. 48,19,38,9 426 D. 50,13,6 105 D. 50,16,19 384 D. 50,16,63 426
494
Quellenverzeichnis
D. 50,16,121 111 D. 50,16,159 ff. 106 D. 50,16,182 ff. 106 D. 50,16,186 31, 91, 373, 444 D. 50,16,200 107 D. 50,16,201 107 D. 50,16,206 107 D. 50,16,207 107 D. 50,16,223pr. 159, 160, 162, 163, 164, 167, 173, 175, 357 D. 50,16,223,1 163 D. 50,17,1 177 D. 50,17,2 ff. 106 D. 50,17,23 126, 137, 145, 157, 158, 205 D. 50,17,38 132, 138 D. 50,17,41 ff. 106 D. 50,17,57 410 D. 50,17,152,3 136, 149 D. 50,17,157 137 D. 50,17,157,2 136, 137, 149 D. 50,17,199 137 EG. 2,9,1 355 Epitome Aegidii zu PS. 2,12,12 354 FA. 107 51 FA. 109 52 FA. 111 51, 52, 179 FA. 111 – 112 52, 86 FA. 113 51 FIRA III Nr. 120 31, 401 FIRA III Nr. 126 32 Fragmentum Atestinum Z. 1f. 422 FV. 17 FV. 158 FV. 254 FV. 257 FV. 260 FV. 261 FV. 269 FV. 333
239 163 343, 344 446 246 247, 248 363 440
G. 1,159 ff. 245 G. 1,162 – 163 244
G. 2,45 206 G. 2,49 – 50 192 G. 2,50 127, 206, 207, 209, 304, 321, 326, 328 G. 2,60 108 G. 2,200 300 G. 2,261 443 G. 3,80 251 G. 3,84 244, 245 G. 3,88 55, 203 G. 3,89 ff. 76 G. 3,90 26, 27 G. 3,90 – 91 26, 127 G. 3,91 26 G. 3,104 243, 246 G. 3,114 136, 245 G. 3,120 136 G. 3,135 26, 154 G. 3,137 154, 384 G. 3,139 – 141 117 G. 3,141 117 G. 3,142 – 147 130 G. 3,156 97 G. 3,167 447 G. 3,167a 447 G. 3,180 178 G. 3,180 – 181 52, 179 G. 3,189 – 190 299 G. 3,189 – 192 298 G. 3,196 28, 127, 325 G. 3,203 275, 282, 365, 370 G. 3,203 ff. 370 G. 3,203 – 207 277 G. 3,205 282 G. 3,205 – 206 168 G. 3,206 263 G. 3,207 110, 127, 157, 218, 271, 282, 290, 365, 371 G. 4, 62 348 G. 4, 75 – 79 229 G. 4, 182 103 G. 4,3 60 G. 4,4 27, 330 G. 4,6 – 9 204 G. 4,32 39 G. 4,34 93, 413 G. 4,38 244, 245 G. 4,39 49
Quellenverzeichnis G. 4,40 37, 42, 44, 127 G. 4,40 – 43 49 G. 4,41 41, 42 G. 4,43 42, 50, 178 G. 4,44 49 G. 4,45 42, 43, 49, 50, 58 G. 4,45 – 47 49, 52 G. 4,46 43, 46, 49, 50, 54, 56, 59, 140 G. 4,47 28, 29, 33, 34, 36, 44, 49, 50, 62, 65, 81, 87, 88, 127, 157, 175, 178, 184, 205, 263, 270, 291, 293, 324, 387, 414 G. 4,48 37, 349 G. 4,48 – 52 49 G. 4,50 178 G. 4,51 39, 42 G. 4,53 49 G. 4,53b 196 G. 4,54 413 G. 4,57 69 G. 4,58 47, 75, 86 G. 4,58 – 60 69 G. 4,59 37, 215 G. 4,59 – 60 127 G. 4,60 43, 47, 49, 50, 51, 52, 62, 69, 73, 75, 76, 86, 198, 229, 413 G. 4,61 348 G. 4,61 ff. 348 G. 4,61 – 62 72, 346 G. 4,61 – 63 353 G. 4,62 68, 127, 157, 346, 348 G. 4,63 345, 348, 350, 361, 369 G. 4,64 ff. 376 G. 4,65 415 G. 4,66 347, 355, 378 G. 4,67 347 G. 4,68 415 G. 4,69 229 G. 4,69 – 74 229 G. 4,75 229 G. 4,75 – 79 229 G. 4,76 230 G. 4,80 229 G. 4,83 221 G. 4,84 441 G. 4,85 – 87 142 G. 4,86 178, 193, 227, 418 G. 4,86 – 87 142 G. 4,104 51, 86
495
G. 4,105 44 G. 4,106 43, 49, 51 G. 4,106 – 107 51, 52, 410 G. 4,107 51, 52, 86, 179, 410 G. 4,111 142 G. 4,112 151 G. 4,112 – 113 135 G. 4,113 141 G. 4,114 47, 177, 196 G. 4,119 193, 195 G. 4,126a 402 G. 4,131a 396, 408 G. 4,145 251, 258 G. 4,153 127 G. 4,163 47 G. 4,166a 39 G. 4,177 382 G. 4,182 26, 27, 29, 74, 104, 127, 204, 205, 233, 271, 417 G. 4,183 54, 56 Gell. 6 (7),15,2 75 Gell. 6,15,1 325 Gell. 6,15,2 78, 80, 214, 215, 325 Gell. 11,18,20 120 Gell. 20,1,38 39 I. 1,26,6 172, 419 I. 2,1,30 351, 363 I. 2,18,1 143 I. 2,20,2 379 I. 3,14,2 – 4 162 I. 3,14,3 121, 158, 161, 384, 400 I. 3,22,3 384 I. 3,23,3a 292 I. 3,25,9 158, 170, 171 I. 4,1,6 325 I. 4,1,16 145, 372 I. 4,2,2 158 I. 4,5,28 65 I. 4,6,17 152 I. 4,6,21 147 I. 4,6,23 146, 148 I. 4,6,24 – 25 147 I. 4,6,26 147, 148, 223 I. 4,6,28 65, 384 I. 4,6,30 31, 348, 349, 351, 353, 367, 369, 375, 376, 377, 379, 381
496
Quellenverzeichnis
I. 4,7,4a 266 I. 4,10,2 142 I. 4,12pr. 142 I. 4,12,1 135, 136, 141, 142, 145, 155 I. 4,13,1 49 I. 4,13,5 51 I. 4,16,2 345 I. 4,17,2 – 3 408
P. Oxy. XII 1472 397 P. Oxy. XXXIII 2677 397, 399 P. Oxy. XXXIIII 2677 399 P. Oxy. XLII 3049 397 P. Ryl. IV 569 397 P. Strasb. 54 397 P. Yadin 28 – 30 40 Plin. epist. 10, 105 39
ILS II 1, Nr. 5914 189 InsO § 47
Plut. Marc. Ant. 58,3 – 4
257
Iust. 3,2,11 355 lex Irnitana 84 IXB 9 – 10 419 lex Irnitana 84 74, 421, 425 lex Irnitana 84, 6 – 11 103 lex Irnitana 84, 9 ff. 74 lex Irnitana 84, 10 104 lex Irnitana 84, 20 – 23 103 lex Irnitana 84 IXB 9 – 10 419 lex Irnitana 84, Z. 3 f. 362 lex Rivi Hiberiensis
41
lex Rubria 178 lex Rubria XX 26 ff. 40 Lukas 10,25 – 37 359 M.Chr. 330 29, 396, 401 M.Chr. 332 399 M.Chr. 335 397 Nov. 88,1 282 Nov. 88,1 381 P. Euphr. 12 45, 397 P. Euphr. 12, 8 – 9 28 P. Fouad 58 397 P. Fouad I 58 30 P. Lips. II 143 397 P. Lond. 298 399 P. Lond. II 298 399 P. Lond. III 943 396 P. Louvre II 110 397, 399 P. Oxy. I 71 398 P. Oxy. VII 1039 397, 400, 401
394
PS. 1,1,4 96 PS. 1,2,2 440 PS. 1,9 144 PS. 1,9,7 357 PS. 2 Coll. 10,7,11 76 PS. 2,4,2 168 PS. 2,5,1 404 PS. 2,5,3 347, 357 PS. 2,10 63 PS. 2,12 127, 128, 163, 357 PS. 2,12,5 426 PS. 2,12,6 357 PS. 2,12,6a 163 PS. 2,12,7 357 PS. 2,12,9 357 PS. 2,12,10 208 PS. 2,12,11 116 PS. 2,12,12 31, 72, 345, 346, 352, 353, 354, 355, 356, 357, 358 PS. 2,15,2 164 PS. 2,17,2 163 PS. 5,25,9 426 PS. 2,28,3 163 PS. 2,31,21 373 PS. 2,39,3 163 PS. 4,1,6 442 PS. 4,7,1 341 PS. 5,6,5 428 PS. 5,11,1 343 Quint. Decl. 245 30, 446 Quint. Decl. 245,2 224 Quint. Decl. 361 365 Quint. Decl. min. 245 224 Quint. Inst. 7,2,51 66, 224 Quint. Inst. 10,3,33 167
Quellenverzeichnis SB VI 9466 397 SC Iuventianum 195, 274, 336 SC Macedonianum 243 SC Orfitianum 115, 445, 446 SC Tertullianum 115 SC Trebellianum 93
Theophilusparaphrase zu 4,12pr. 142 Theophilusparaphrase zu I. 4,6,23 146 Theophilusparaphrase zu I. 4,6,26 146 Theophilusparaphrase zu I. 4,12pr. 142 Theophilusparaphrase zu I. 4,12,1 134, 135, 139, 140, 141, 142 TPS 40
Sen. Contr. 7,8,9 221 Sen. De beneficiis 6,5,5 345 Suet. Cal. 26,5 189 tabula Heracleensis 75 tabula Heracleensis Z. 110 f. 422 tabula Heracleensis Z. 110 ff. 74
497
32
TPSulp 45 TPSulp 34 178 TPSulp 40 44, 197 UE. 25,10 428 Varro, De lingua latina 5, 180 223
Tac. Agr. 19,4
189 Veg. mil. 2,20
TH 76 – 80 26, 32 Theophilusparaphrase zu 3,14,3 400 Theophilusparaphrase zu 4,10,2 142
32
ZPO § 138 198 ZPO § 883 314