Die Funktionen der lokalen Kasus im Tocharischen [Reprint 2011 ed.] 9783110815955, 9783110168273

This volume deals with the use of the local cases in Tocharian A and Tocharian B, Indo-European languages of the Tarim B

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German Pages 460 [464] Year 2000

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Table of contents :
Kapitel 1. Das Kasussystem des Tocharischen
1.0. Bemerkungen über den Aufbau des Systems
1.1. Übersicht über die Kasusfunktionen
Kapitel 2. Die Funktionen der lokalen Kasus
2.0. Definition der lokalen Funktionen
2.1. Das tocharische Lokalsystem
2.2. Wahl des Lokalkasus im Verhältnis zum Verb
2.3. Wahl des Lokalkasus im Verhältnis zum Raum/Referenzobjekt
2.4. Zusammenfassung: die Verwendung der Lokalkasus Obliquus, Allativ, Lokativ und Perlativ bei Räumen/Referenzobjekten
Kapitel 3. Die Verwendung der Lokalkasus bei Zeitangaben
3.0. Einleitung
3.1. Zeitausdrücke im Tocharischen
3.2. Zeitangaben bei Klosterrechnungen, Geschäftsbriefen, Karawanenpässen und Graffiti
3.3. Kasuswahl mit Bezeichnungen von Zeitabschnitten
3.4. Zusammenfassung: Temporale Verwendungen der Lokalkasus
Kapitel 4. Die Verwendung der lokalen und temporalen Adpositionen
4.0. Einleitung
4.1. Adpositionen mit Obliquus
4.2. Perlativ
4.3. Lokativ
4.4. Allativ
4.5. Genitiv
4.6. Zusammenfassung
5.0. Methodologische Überlegungen
5.1. Die Vorgeschichte des Paradigmas in früherer Forschung
5.2. Das tocharische Paradigma – die morphologische Rekonstruktion
5.3. Rekonstruktion der funktionalen Entwicklung des Kasussystems
5.4. Schlussbemerkung
Kapitel 6. English summary
6.0. General remarks
6.1. The local cases
6.2. The local cases with abstract nouns
6.3. Use of the local cases with living beings
6.4. Temporal uses of the local cases
6.5. Use of the adpositional phrases as compared to the case constructions
6.6. The semantic development of the Proto-Tocharian paradigm
Appendix Fragmentarische Beispiele
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Literaturverzeichnis
Verbalverzeichnis
Textindex
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Die Funktionen der lokalen Kasus im Tocharischen [Reprint 2011 ed.]
 9783110815955, 9783110168273

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Die Funktionen der lokalen Kasus im Tocharischen

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Die Funktionen der lokalen Kasus im Tocharischen Gerd Carling

Mouton de Gruyter Berlin · New York 2000

Mouton de Gruyter (ehemals Mouton, Den Haag) ist ein Programmbereich von Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin

® Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt

Die Deutsche Bibliothek



CIP-Einheitsaufnahme

Carling, Gerd: Die Funktionen der lokalen Kasus im Tocharischen / Gerd Carling. — Berlin ; New York : Mouton de Gruyter, 2000 Zugl.: Göteborg, Univ., Diss. ISBN 3-11-016827-8

© Copyright 2000 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin Druck: Werner Hildebrand, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer-GmbH

Vorwort Vorliegende Arbeit habe ich als Stipendiatin an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Göteborg hergestellt. Erstens möchte ich an meinen Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Folke Josephson, Göteborg, einen herzlichen Dank richten ebenso wie an Herrn Prof. Dr. Georges-Jean Pinault, Paris. Beide haben von Anfang an die Wahl meines Themas ermuntert. Prof. Josephson hat während der Arbeit stets Manuskripte durchgelesen und kommentiert. Er hat mir, besonders bei der Auswertung der Resultate viele gute Ratschläge gegeben. Prof. Pinault hat mir bei der philologischen Arbeit sehr viel Hilfe geleistet. Er hat Übersetzungen korrigiert, parallele Texte im Sanskrit und im Uigurischen aufgesucht und mehrere problematische Passagen gelöst. Er hat mir wichtige Auszüge seiner Publikationen im voraus gegeben. Ich bin ihm darum zu grossem Dank verplichtet. Prof. Dr. Dr. h.c. Werner Winter, Kiel, hat das nahezu fertiggestellte Manuskript gelesen und mir viele wertvolle Anregungen gegeben. Für die Aufnahme der Arbeit in Mouton de Gruyter möchte ich ihm herzlich danken. Weiterhin danke ich Doris Wennerberg, Göteborg, die viel Arbeit auf die Korrektur des deutschen Textes verwendet hat, Dr. Birgit Schlyter, Stockholm, für ihre Hilfe mit den uigurischen Stellen, Dr. Matthias Fritz, Berlin, für seine Hilfestellung mit problematischen Formulierungen, Dr. Judith Josephson, Göteborg, für Korrektur des englischen Textes und Dr. Olav Hackstein, Halle, für seine Bereitschaft, mir u. a. mit schwierigen Verbformen zu helfen. Zum guten Schluss nun möchte ich meiner Familie danken, besonders meinen Eltern Hans und Aina, für alle ihre wertvollen Ratschläge und ihre liebevolle Unterstützung. Göteborg, 26. Februar 2000 Gerd Carling

Inhaltverzeichnis

Kapitel 1. Das Kasussystem des Tocharischen

1

1.0. Bemerkungen über den Aufbau des Systems 1.0.1. Der formale Aufbau 1.0.2. Der funktionale Aufbau

1 1 2

1.1. Übersicht über die Kasusfunktionen 1.1.1. Nominativ 1.1.1.1. Subjekt 1.1.2. Obliquus 1.1.2.1. Direktes Objekt 1.1.2.2. Inneres Objekt 1.1.2.3. Ergänzung nach 'sagen', '(an)sehen' 1.1.2.4. Lokaler Obliquus

5 5 5 5 5 6 6 6

1.1.2.5. EXTENSIONAL

7

1.1.2.6. Art und Weise

7

1 . 1 . 2 . 7 . DISTRIBUTIONAL

1.1.3. Genitiv 1.1.3.1. Possessiver Genitiv. 1.1.3.2. Subjektiver Genitiv 1.1.3.3. Objektiver Genitiv 1.1.3.4. Agens 1.1.3.5. Absoluter Genitiv 1.1.3.6. Nominaler Infinitiv 1.1.3.7. Genitiv bei Superlativ 1.1.3.8. Lokaler Genitiv (Rektum von Adpositionen) 1.1.3.9. Indirektes Objekt (Dativ) 1.1.3.10. Indirektes Subjekt 1.1.3.11. Ergänzung nach '(sich) fürchten' 1.1.4. Perlativ 1.1.4.1. Lokaler Perlati ν 1.1.4.2. Temporaler Perlativ 1.1.4.3. Agens 1.1.4.4. Instrumental

7

8 8 9 9 10 10 11 11 11 11 12 12 12 12 13 13 14

viii

Inhaltverzeichnis

1.1.4.5. Perlativ bei Komparativ 1.1.4.6. Perlativ des Preises 1.1.4.7. Kausaler Perlativ 1.1.4.8. Modaler Perlativ 1.1.4.9. Ergänzung nach 'sich fürchten', 'Überdruss empfinden' und 'sich freuen' 1.1.4.10. Erstarrte Ausdrücke (Adpositionen/Adverbien) 1.1.4.11. Nominaler Infinitiv 1.1.5. Lokativ 1.1.5.1. Lokaler Lokativ 1.1.5.2. Temporaler Lokativ 1.1.5.3. Lokativ bei Superlativ 1.1.5.4. Ergänzung nach abstrakten Nomina 1.1.5.5. "Der Lokativ des begleitenden Umstandes" 1.1.5.6. Ergänzung nach 'sich verbinden' und 'böse Gesinnung haben' 1.1.5.7. Nominaler Infinitiv 1.1.6. Allativ 1.1.6.1. Lokaler Allati ν 1.1.6.2. Indirektes Objekt (Dativ) 1.1.6.3. Ergänzung nach Verben geistiger Bewegung 1.1.6.4. Ergänzung nach Nomina geistiger Bewegung 1.1.6.5. Ergänzung (Objekt) nach '(an)sehen', '(an)sagen' 1.1.6.6. "Der Allativ des Zwecks" 1.1.6.7. Nominaler Infinitiv 1.1.7. Ablativ 1.1.7.1. Lokaler Ablativ 1.1.7.2. Temporaler Ablativ 1.1.7.3. Ablativ bei Abstrakta (Gemütsbewegungen) 1.1.7.4. Ergänzung nach 'sich hüten', 'sich bewahren' und 'sich fürchten' 1.1.7.5. Ergänzung nach Nomina (Abstrakta, Adjektive) 1.1.7.6. Ablativ bei Komparation 1.1.7.7. Ablativus absolutivus 1.1.7.8. Erstarrte Ausdrücke (Adverbien) 1.1.8. Komitativ 1.1.9. Instrumental (A) 1.1.9.1. Instrumental des Mittels 1.1.9.2. Kausaler Instrumental 1.1.9.3. Modaler Instrumental 1.1.9.4. Lokaler/temporaler Instrumental

14 14 15 15 16 17 18 18 18 18 19 19 20 20 20 21 21 21 21 21 22 22 22 23 23 23 23 24 24 24 25 25 25 26 26 26 26 27

Inhaltverzeichnis 1.1.9.5. Agens 1.1.10. Kausal (B) 1.1.10.1. Kausal bei Gemütsbewegungen 1.1.10.2. Erstarrte Ausdrücke

ix 28 28 28 28

Kapitel 2. Die Funktionen der lokalen Kasus

30

2.0. Definition der lokalen Funktionen 2.0.1. Die lokalen Verbtypen und ihre Komplemente 2.0.2. Die lokalen Relationen 2.0.3. Bewegung, Richtung oder Zielerreichung? 2.0.4. Die Realisierung der Lokalrelationen 2.0.5. Gegensatz zwischen Prädikat und Lokalbestimmung

30 31 34 38 39 41

2.1. Das tocharische Lokalsystem 2.1.0. Aufbau der Lokalkonstruktionen 2.1.1. Die tocharischen Lokalkasus 2.1.2. Die Funktionen der tocharischen Lokalkasus 2.1.2.1. Obliquus der Richtung 2.1.2.2. Perlativ 2.1.2.3. Lokativ 2.1.2.4. Allativ 2.1.2.5. Tendenzen bei der Wahl des Zielkasus 2.1.2.6. Grundlegende Probleme 2.1.3. Motivation und Organisation der folgenden Untersuchung 2.1.3.1. Motivation der Untersuchung 2.1.3.2. Die Organisation der Untersuchung 2.1.4. Zusammenfassung: Parameter für die Kasuswahl 2.1.5. Übersicht über das Textkorpus 2.1.5.1. Tocharisch A 2.1.5.2. Tocharisch Β 2.1.5.3. Zusammenfassung des in dieser Arbeit benutzten Korpus 2.1.6. Kommentare zur Behandlung und Wiedergabe der Beispiele

44 44 45 47 47 49 51 52 53 55 57 57 58 60 61 62 62 64 64

2.2. Wahl des Lokalkasus im Verhältnis zum Verb 2.2.0. Die tocharischen Lokalverben im Material 2.2.0.1. Zustandsverben 2.2.0.2. Bewegungsverben 2.2.0.3. Transportverben 2.2.0.4. Bewegung oder Zielerreichung?

66 66 66 67 68 70

χ

Inhaltverzeichnis 2.2.0.5. Besondere Kasuskonstruktionen bei Verben 2.2.1. Konstruktionen mit 'werfen' 2.2.1.1. Konstruktionen mit Perlativ

70 71 71

2.2.1.2. Konstruktionen mit Lokativ 2.2.1.3. Zusammenfassung 'werfen' 2.2.2. Konstruktionen mit 'binden' und 'hängen' 2.2.2.1. AB kärk- 'binden'

72 72 73 73

2.2.2.2. Β sänm- 'binden, fesseln' (zweiwertig) 2.2.2.3. AB länk- 'hängen' (einwertig) 2.2.2.4. Zusammenfassung/Diskussion 'binden' und 'hängen' 2.2.3. 'Sich stützen' und 'sich fügen' mit Allativ 2.2.3.1. Β sai-n- 'sich stützen' 2.2.3.2. Β tsu- 'sich fügen', Med. 'haften' 2.3. Wahl des Lokalkasus im Verhältnis zum Raum/Referenzobjekt 2.3.1. Freie, offene Räume

74 74 75 77 77 77 78 78

2.3.1.1. A tkam 'Erde' Β kern 'Erdoberfläche; Ort' 2.3.1.2. Α ärkisosi Β saisse 'Welt, Leute' 2.3.1.3. A lame 'Stelle, Platz', Β yoniya 'Bahn, Bereich, Stätte' 2.3.1.4. Α ä n t 'Fläche' Β ante 'Fläche, Stirn, Front' 2.3.1.4.1. Lokativ 2.3.1.5. Bike,yke 'Ort, Stellung, Stand, Schritt' 2.3.1.6. Α y t ä r Β ytärye 'Weg' 2.3.1.7. Asont 'Strasse'

78 84 86 87 87 89 92 96

2.3.1.8. Bnauntai

97

(Obliquus) 'Strasse'

2.3.1.9. Aype Β yapoy 'Land' 2.3.1.10. Α kälymeΒkälymiye 'Himmels[Welt-]gegend, -richtung' 2.3.1.11. AkäräsBkaräs 'Wald' 2.3.1.12. Α wärt Β wartto 'Wald'

99 103 110 112

2.3.1.13. Β erkau 'Leichenacker' Plural erkenma 'Leichenstätte' 2.3.1.14. Β manarkai (Obliquus) Βpetwe 'Ufer'

116 118

2.3.1.15. A warpi Β werwiye 'Garten', A warpiske Β werpiske 'Garten, Park' 2.3.1.16. AdvipBdvTp 'Insel'

119 121

2.3.1.17. A prank Β prenke 'Insel' 2.3.1.18. Α m r ä c 'Scheitel; Gipfel' Β m r ä c 'Gipfel'

123 124

2.3.1.19. AsulBsale 'Berg' 2.3.1.20. Α wär Β war 'Wasser' 2.3.1.21. Asämudtär Βsamudtär 'Ozean', skt.samudra-

126 129 132

Inhaltverzeichnis 2.3.1.22. Atarp Βyolme 'Teich' 2.3.1.23. Β cake 'Fluss' 2.3.1.24. Β ärtar 'Grenze, Grenzlinie' 2.3.1.25. Βsim skt. sima- 'Grenzlinie, Grenze' 2.3.1.26. Apor Bpuwar 'Feuer' 2.3.1.27. AeprerBiprer 'Luftraum', skt.äkäsa2.3.1.28. Α äkäs Β akäse 'Luftraum' 2.3.1.29. Ahare Bnrai 'Hölle', skt. niraya2.3.1.30. Aäti Β atiyai 'Gras' 2.3.1.31. A trunk Β tronk 'Höhle' 2.3.1.32. Α lern 'Felshöhle, Mönchszelle', skt. layana2.3.1.33. Α pärem 'Stein' 2.3.1.34. Zusammenfassung/Kommentar freie, offene Räume 2.3.2. Gebäude 2.3.2.1. A waif Β ost 'Haus' 2.3.2.2. A lanciwast 'königliches Haus' = 'Palast' 2.3.2.3. Aoske Boskiye 'Behausung' 2.3.2.4. AstänkBstänk 'Palast' 2.3.2.5. Α wimäm 'Palast' 2.3.2.6. Β *kerc(c)iyi 'Palast' (Plural tantum) 2.3.2.7. AB sankräm 'Kloster' 2.3.2.8. Α π Β r f y e 'Stadt' 2.3.2.9. Α süks Β kusai(kwasai) (Obliquus) 'Dorf 2.3.2.10. Α tresäl, skt. trisäla- 'Haus mit drei Hallen' 2.3.2.11. Α protäk 'Verschluss, Gefängnis', Βpele h. 'Gefängnis' 2.3.2.12. Ayokäm Β yenme 'Pforte' 2.3.2.13. Β twere 'Tür' 2.3.2.14. Α pätsank Β pat stsank 'Fenster' 2.3.2.15. Zusammenfassung/Kommentar Gebäude etc. 2.3.3. Sonstige (verstellbare) Referenzobjekte (Geräte etc.) 2.3.3.1. Aäsäm Β asätn, skt. äsana- 'Sitz, Thron' 2.3.3.1.1. Perlativ 2.3.3.2. A wsenne 'Lager' Β wsenna 'Lager, Stätte' 2.3.3.3. A lake Β leki' Lager' 2.3.3.4. A *mancak 'Lager' 2.3.3.5. Α rkälBraktsi 'Decke' 2.3.3.6. Α pyäkäs '(Opfer)pfosten', skt. yüpa2.3.3.7. Α stäm Β stäm 'Baum' 2.3.3.8. Α kork 'hölzerner Teil [des Bogens]'

xi 133 135 135 136 136 138 139 141 144 144 144 145 145 146 146 151 151 152 153 153 154 158 163 165 165 166 167 168 168 169 169 169 172 172 173 174 174 175 176

xii

Inhaltverzeichnis 2.3.3.9. A oppal 'Lotus' 2.3.3.10. Α äk Β äke 'Spitze' 2.3.3.11. Bpätro, skt.päira- 'Almosenschale' 2.3.3.12. Βportsai (Obliquus) 'Gürtel' 2.3.3.13. Aposi 'Seite; Wand' 2.3.3.14. Zusammenfassung: Kasusverwendung bei Räumen/Referenzobjekten 2.3.4. Körperteile 2.3.4.0. Allgemeine Bemerkungen 2.3.4.1. AlapBäsce 'Haupt' 2.3.4.2. Β tarne 'Scheitel' 2.3.4.3. A akmal 'Gesicht' 2.3.4.4. A sanwem Bwicuko 'Kinn(backe)' 2.3.4.5. A malanB meli(Plurale tantum) 'Nase' 2.3.4.6. Aknuk 'Hals, Nacken' 2.3.4.7. A akBek 'Auge', Paral Aasäm Β es(a)ne 2.3.4.8. Αpärwäm Βpärwäne (Paral) 'Brauen' 2.3.4.9. A klotsΒ klautso 'Ohr' 2.3.4.10. A sunk 'Rachen, Mundhöhle' 2.3.4.11. A ko Bkoym 'Mund' 2.3.4.12. Bkor 'Kehle' 2.3.4.13. Α esBäntse 'Schulter', skt. skandha2.3.4.14. A tsar Β sar 'Hand' 2.3.4.15. A poke Β pokai (Obliquus Singular) 'Arm' 2.3.4.16. Α prär Βpräri 'Finger' 2.3.4.17. Α äle Β *alyiye 'Handfläche' 2.3.4.18. Α pässätn Βpäscane,päsne (Paral) 'Brüste' 2.3.4.19. Α ärinc Β arance 'Herz' 2.3.4.20. Α käts Bkätso 'Bauch' 2.3.4.21. A*kanwe 'Knie', Paral kanwem, Bkeni,kenl(Dual) 'Knien', Paral kenine, kenme 2.3.4.22. Α pe Β paiyye 'Fuss' 2.3.4.23. ABäy 'Knochen' 2.3.4.24. Akapsani Βkektsene 'Körper' 2.3.4.25. Arup Brüp,rup, skt. rüpa- 'Gestalt, Form, (materielle) Erscheinung' 2.3.4.26. Zusammenfassung Körperteile 2.3.5. Lebewesen 2.3.5.1. Anapem Β saumo 'Mensch'

177 177 180 180 180 181 189 189 194 197 198 198 199 200 201 201 202 203 204 205 205 206 208 209 209 210 211 212 214 216 217 217 223 224 227 228

Inhaltverzeichnis 2.3.5.2. Αnkät Β fiakte 'Gott' 2.3.5.3. Αptäfikät Β pudnäkte 'Buddha', Αptänkät-kässi 'Der Lehrer Buddha', Βpoysi 'Allerkenner', Abodhisattu Βbodhisatve 'Bodhisattva'. 2.3.5.4. A metrakΒ maiträk,maitreye 'Maitreya' 2.3.5.5. Α wäl Β walo 'König' 2.3.5.6. Akuli 'Weib, Frau', Α säm 'Ehefrau' 2.3.5.7. Β arsäklo 'Schlange' 2.3.5.8. A klank Β klenke 'Reittier' 2.3.5.9. Βonkolmo 'Elefant' 2.3.5.10. Zusammenfassung Lebewesen 2.3.6. Abstrakta, die in lokalen Konstruktionen vorkommen 2.3.6.1. A nkalune Βnkelne 'Untergang', skt. vinäsa2.3.6.2. A oklop(Präp. Adv.) 'in Gefahr' 2.3.6.3. Asnal 'Verzweiflung' 2.3.6.4. Anätse Β n(y)ätse 'Not, Gefahr' 2.3.6.5. Βsaräm 'Zuflucht, Schutz', skt. sarana2.3.6.6. Asem Bsaim 'Schutz' 2.3.6.7. Acmol Β camel 'Geburt' 2.3.6.8. Β sändhi, skt. samdhyä- 'Dämmerung' 2.3.6.9. Bpreksalle 'Untersuchung' = 'Gericht' 2.3.6.10. Β emalya 'Hitze' 2.3.6.11. A talke Β telki 'Opfer' 2.3.6.12. Βprutkälne 'Vernichtung' (zu prutk- 'erfüllt sein') 2.3.6.13. Aksalune Bkselne 'Erlöschen' (zukäs- 'erlöschen') 2.3.6.13.3. Allativ 2.3.6.14. ABnerväm 'Nirväna' 2.3.6.15. Zusammenfassung Abstrakta 2.3.7. Geographische Namen (Städte, Dörfer, Länder etc.) 2.3.7.1. Bnairanjam = skt. Nairanjanä, Name eines Flusses 2.3.7.2. Βgank.gänk = skt. Gangä 'die Garigä' 2.3.7.3. AB räjagri, skt. räjagrha-, Hauptstadt von Magadha 2.3.7.4. Amadhyades, skt. Madhyadesa, Name einer indischen Provinz 2.3.7.5. Αbäränasi 'Benares' 2.3.7.6. Zusammenfassung geographische Namen 2.3.8. DISTRIBUTIONAL

2.3.8.1. Obliquus - Obliquus 2.3.8.2. Obliquus - Perlativ 2.3.8.3. Obliquus - Allativ

xiii 230

232 234 235 236 236 237 237 238 238 239 239 240 240 241 241 242 245 245 245 246 246 247 248 248 249 250 250 250 251 251 252 252 253

253 253 254

xiv

Inhaltverzeichnis 2.3.8.4. Ablativ - Perlativ 2.3.8.5. Ablativ - Allativ 2.3.8.6. Zusammenfassung/Kommentar

254 255 255

2.4. Zusammenfassung: die Verwendung der Lokalkasus Obliquus, Allativ, Lokativ und Perlativ bei Räumen/Referenzobjekten 2.4.0. Allgemeine Bemerkungen 2.4.0.1. Die Bewegungsverben ABkäm- 'kommen' und AB i- 'gehen' 2.4.1. Übersicht über die Lokalkasus 2.4.1.1. Der Obliquus der Richtung 2.4.1.2. Der Allativ 2.4.1.3. Der Lokativ 2.4.1.4. Der Perlativ 2.4.2. Kasusgebrauch bei Abstrakta 2.4.3. Kasusgebrauch bei Lebewesen

256 256 259 260 260 261 261 262 264 265

Kapitel 3. Die Verwendung der Lokalkasus bei Zeitangaben

266

3.0. Einleitung 3.0.1. Allgemeine Bemerkungen 3.0.2. Die Mitspieler temporaler Konstruktionen

266 266 270

3.1. Zeitausdrücke im Tocharischen 3.1.0. 'Früher/später und 'vorne/hinten im Tocharischen 3.1.1. Die temporalen Verwendungen der Lokalkasus im Tocharischen 3.1.2. Obliquus, Perlativ und Lokativ 3.1.3. Instrumental 3.1.4. Der Aufbau der Untersuchung

270 270 271 271 272 272

3.2. Zeitangaben bei Klosterrechnungen, Geschäftsbriefen, Karawanenpässen und Graffiti 3.2.0. Einleitung 3.2.1. Datenangaben 3.2.2. Datenangaben mitksum 'Regierungsjahr' undpikul 'Jahr' 3.2.3. Person als Bezeichnung einer Zeitperiode 3.2.4. Übrige reduzierte Beispiele 3.2.5. Zusammenfassung

273 273 273 275 278 279 279

3.3. Kasuswahl mit Bezeichnungen von Zeitabschnitten 3.3.1. Β preke 'Zeit' 3.3.2. Aprast Β presciya(presyo) 'Zeit'

280 281 283

Inhaltverzeichnis 3.3.3. AB ksatn, skt.ksana- 'Augenblick' 3.3.4. Akotn Β kaum 'Tag' 3.3.5. Aspät koniBsukkauni 'sieben Tage, Woche', AxkoniB xkauni 'xTage' 3.3.6. A wse Βysiye 'Nacht' 3.3.7. Aman Β mehe 'Mond, Monat' 3.3.8. ApukälBpikul 'Jahr' 3.3.8.6. Zusammenfassung ApukälBpikul 3.3.9. Aasamkhe Β asamkhyai, skt.asamkhyeya3.3.10. A kalp Β kälp, skt. kalpa- 'Weltzeitalter' 3.3.11. Bkaliyuk 3.3.12. Sternbild als Bezeichnung einer Zeitangabe

xv 292 295 299 302 305 307 311 312 314 316 316

3.4. Zusammenfassung: Temporale Verwendungen der Lokalkasus

316

Kapitel 4. Die Verwendung der lokalen und temporalen Adpositionen

319

4.0. Einleitung

319

4.1. Adpositionen mit Obliquus 4.1.1. A a h c (Postp.) 'zu...an' 4.1.2. Aane (Postp.) 'in, hinein' 4.1.3. Β emske (Präp./Postp.) 'bis zu' 4.1.4. Bepinkte (Postp.) 'zwischen, innerhalb' 4.1.5. Β etsuwai, tsuwai (Postp.) 'zu - hin', skt. upa 4.1.6. Β hör (Postp.) 'unterhalb, unter, neben' 4.1.7. Β tänktsi, täntsi (Postp.) 'bis einschliesslich, χ eingeschlossen' 4.1.8. Αnesontä (Postp.) ' m i t . . . an der Spitze' 4.1.9. A p o s a c (Postp.) 'neben' 4.1.10. A p o s a m (Postp.) 'neben, unterhalb' 4.1.11. Βpostäm (Postp.) 'nach' 4.1.12. Α y w ä r c Β ywärc (Präp.) 4.1.13. Α ywärckam (Postp.) 4.1.14. Β wrattsai (Postp.) 'entgegen' 4.1.15. Α solar (Postp.) 'bis' 4.1.16. Α soläram (Postp.) 'bis zu'

321 321 322 322 324 326 327 328 329 329 329 330 331 332 332 333 333

4.2. Perlativ 4.2.1. Aanapär (Präp.) 'vor' 4.2.2. Aesäk (Postp.) 'auf, über'

334 334 335

xvi

Inhaltverzeichnis

4.2.3. 4.2.4. 4.2.5. 4.2.6. 4.2.7. 4.2.8. 4.2.9.

Αkärmem (Postp.) 'auf... zu, an' Α näpak (Postp.) 'nach, entsprechend' Β parna 'ausser(halb)' A pre (Postp.) 'draussen vor' Αyärsär 'um...herum' (Postp.) Β sär (Präp./Postp.) 'über' Α särki (Postp.) 'nach'

336 337 337 338 339 340 340

4.3. Lokativ 4.3.1. Aanne (Postp.) Β enenka (Postp./Präp.) 'hinein, innen', skt.antar 4.3.2. Bemske (Präp./Postp.) 'bis...in' 4.3.3. Aesäk 'auf, über' 4.3.4. Α okäk (Präp.) 'bis (zu)' 4.3.5. Β aittanka (Postp.) 'hinein' 4.3.6. Α ywärckä.ywärskä (Postp./Präp.) 'zwischen, inzwischen' 4.3.7. Β ywärc,ywärcka,ywärska (Postp./Präp.) 'inmitten, unter' 4.3.8. Αsäs

342 342 344 345 345 345 346 348 349

4.4. Allativ 4.4.1. Β emske (Präp./Postp.) 'bis zu' 4.4.2. Β etsuwai (Postp.) 'zu - hin' 4.4.3. Β aittanka 'hin - zu, gerichtet auf 4.4.4. Β aiwol (Postp.) 'zugewandt, gerichtet auf 4.4.5. Α kätse 'in die [der] Nähe'

349 349 351 351 352 352

4.5. Genitiv 4.5.1. Α akälyme Β ekalymi (Postp.) 'im Bereich von, in der Gewalt von...' 4.5.2. Αanaprä,anapär (Postp.) Β enepre (Postp./Präp.) 'angesichts, vor' 4.5.3. Kane (Postp.) 'in, hinein' 4.5.4. Α okäk (Postp.) 'bis zu' 4.5.5. A korpac (Postp.) 'entgegen' 4.5.6. Akorpä (Postp.) 'entgegen' 4.5.7. A posac (Postp.) 'neben' 4.5.8. Aposam (Postp.) 'neben' 4.5.9. Α näpak (Postp.) 'nach, entsprechend'

354 354 355 357 358 358 359 359 360 360

4.6. Zusammenfassung 4.6.1. Die Adpositionalphrasen im Vergleich zu den reinen Kasuskonstruktionen 4.6.1.1. Lokale Verwendungen der Adpositionen 4.6.1.2. Temporale Verwendung der Adpositionen

361 364 364 367

Inhaltverzeichnis 4.6.2. Überlegungen zur 'Kasusrektion'

xvii 367

Kapitel 5. Rekonstruktion der Vorgeschichte des lokalen Paradigmas

369

5.0. Methodologische Überlegungen

369

5.1. Die Vorgeschichte des Paradigmas in früherer Forschung 5.1.1. Kölver 5.1.2. Winter 5.1.3. Penney 5.1.4. K.H. Schmidt 5.1.5. Zusammenfassung/Diskussion

370 370 372 373 373 377

5.2. Das tocharische Paradigma - die morphologische Rekonstruktion 5.2.1. Die Primärendungen 5.2.2. Die sekundären Affixe 5.2.3. Rekonstruktion eines gemeintocharischen Paradigmas 5.2.4. Überlegungen zur Funktion der gemeintocharischen sekundären Kasus

377 377 378 378 379

5.3. Rekonstruktion der funktionalen Entwicklung des Kasussystems 5.3.1. Stufe I: Zusammenbruch des Systems 5.3.2. Stufe II: Aufbau eines agglutinierenden Systems 5.3.3. Versuch einer Rekonstruktion der Funktionen 5.3.3.1. Aus dem Indogermanischen ererbte Funktionen 5.3.3.2. Rekonstruktion der Funktionen der gemeintocharischen Lokalkasus Perlativ, Lokativ und Allativ 5.3.4. Stufe III: Weiterausbau des Paradigmas (Pre-A und Pre-B)

381 381 383 383 383 384 387

5.4. Schlussbemerkung

388

Kapitel 6. English summary

389

6.0. General remarks

389

6.1. The local cases 6.1.1. Oblique 6.1.2. Allative 6.1.3. Locative 6.1.4. Perlative

392 392 392 393 393

xviii

Inhaltverzeichnis

6.2. The local cases with abstract nouns

395

6.3. Use of the local cases with living beings

395

6.4. Temporal uses of the local cases

395

6.5. Use of the adpositional phrases as compared to the case constructions

397

6.6. The semantic development of the Proto-Tocharian paradigm

399

Appendix Fragmentarische Beispiele

402

Kapitel 2

402

Kapitel 3

403

Kapitel 4

404

Literaturverzeichnis

406

Verbalverzeichnis

425

Textindex

428

Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen Tabelle 1. AyukB yakwe 'Pferd'

1

Tabelle 2. Die tocharischen Kasus im Vergleich zum System der Kasusdistinktionen von Blake (1994)

3

Tabelle 3. Hiercharchie der Satzglieder von Heibig - Schenkel (1969:30)

30

Tabelle 4. Die lokalen Verbtypen und ihre Komplemente

32

Abbildung 1. Klassifikation der lokalen Relationen nach Frawley (1992)

36

Tabelle 5. Die Funktionen der syntaktischen Mitspieler eines Lokalausdrucks

41

Abbildung 2. Die grundlegenden Lokalrelationen bei Räumen mit äusserer Abgrenzung

182

Abbildung 3. Modell eines Referenzobjekts mit äusserer Abgrenzung

259

Abbildung 4. Darstellung einer Zeitachse

268

Tabelle 6. Zusammenstellung der Adpositionen der Lokalisierung und Richtung

361

Tabelle 7. Die sekundären Affixe des Tocharischen

378

Tabelle 8. Das gemeintocharische Paradigma

378

Tabelle 9. Das Kasussystem des Proto-Tocharischen

382

Abbildung 5. Wahrscheinliche Funktionen der gemeintocharischen Lokalkasus 386 Abbildung 6. Weiterausbau eines gemeintocharischen Systems

387

Konventionen Bei der Wiedergabe der Textbeispiele habe ich hier das Transliterationssystem von Sieg - Siegling (1949a:7) benutzt. Für die Aufstellung unten vgl. Hackstein (1995:xvii). kennzeichnet Abreissen der Handschrift III kennzeichnet Auslassung eines Textstücks

() []

in der Transliteration: Ergänzung unsichere Lesung

in der Übersetzung: Ergänzung erläuternde oder kommentierende Hinzufügung

korrigierte oder erläuternde Lesung unbekanntes Wort In den Zusammenfassungen wird anhand relevanter Textbeispiele in Kurzform referiert. Hier wird das System benutzt, um die Lokalergänzung bzw. die Adpositionalphrase (in Kasusform) und das (Lokal)verb in Lexikonform anzugeben. Das Lokalisierungsobjekt wird in der Übersetzung in eckigen Klammern [ ] wiedergegeben. Beispiel: A yokmam käly- 'in einer Pforte stehen' [Leute]. In sämtlichen Fällen wird ein Hinweis auf den Paragraphen, wo die Textpassage vollständig zu finden ist, gegeben. Der Texttypus (Maitreyasamitinätaka etc.) wird zufällig nach der Textnummer in eckigen Klammern wiedergegeben.

Abkürzungen Handbücher und Lexika Krause - Thomas (1960) KT I KT II Krause - Thomas (1964) TLT Poucha(1955) Br. I Broomhead (1964a) Br. II Broomhead (1964b) VW van Windekens (1976, 1979, 1982) Metzler Lexikon Sprache MLS (1993) MW Monier-Williams (1956=1899) GEL Liddell - Scott (1951=1940) ARWC Lubotzky (1997) AHLD Georges (1951) OGNS Fritzner (1954=1896) SSS Sieg - Siegling - Schulze (1931) Zitierte Werknamen: MSN Maitreyasamitinätaka Sonstige Abs. Abi. All. an. baktr. Fem. Fn. Gdv. Gen.

Abkürzungen: Absolutivum Ablativ Allativ altnordisch baktrisch Femininum Fussnote Gerundivum Genitiv

gr· GT Gv. h. Impf. K. khotan. Koll. Komit. Mask. lat. Lok. Med. mi. Nom. NP Obl. Perl. PI. Postp. PP Präp. PT sb. Sgskt. sth. RV TA TB uig. ved.

griechisch Gemeintocharisch Grundverb hier Imperfekt Kausativum khotanesisch Kollektivum Komitativ Maskulinum lateinisch Lokativ Medium mittelindisch Nominativ Nominalphrase Obliquus Perlativ Plural Postposition Partizipium Präteriti Präposition Prototocharisch somebody Singular Sanskrit something Rigveda Tocharisch A Tocharisch Β uigurisch vedisch

Kapitel 1 Das Kasussystem des Tocharischen

1.0. Bemerkungen über den Aufbau des Systems 1.0.1. Der formale Aufbau Das tocharische Kasussystem hat eine flektierende-agglutinierende Struktur. Die Endungen der sogenannten primären Kasus, Nominativ, Obliquus (=Akkusativ), Genitiv und Β Vokativ, sind, wie im Indogermanischen, mit dem Wortstamm eng verwachsen und polyfunktional, d.h. sie tragen sowohl Kasus- als Numerusfunktion, und sind dadurch für die einzelnen Numeri verschieden. Die sogenannten sekundären Kasus sind mit monofunktionalen Affixen gebildet, die sich agglutinierend an den Singular/Plural Obliquusstamm fügen. Monofunktional bedeutet, dass sie nur die Kasusfunktion tragen und gleich sind, Wortstamm, Genus und Numerus ungeachtet (Tabelle 1). Tabelle 1. A yuk Β yakwe 'Pferd'

Α

Β

Singular

Plural

Singular

Plural

Nom.

yuk

yukan

yakwe

yakwi

Obl.

yuk

yukas

yakwe

yakwem

Gen.

yuk-yo

yukas-yo

-

-

Instr.

yuk-ä

yukas-ä

yakwe-sa

yakwent-sa

Perl.

yuk-assäl

yukas-assäl

yakwe-mpa

yakwem-mpa

Komit.

yuk-ac

yukas-ac

yakwe-s(c)

yakwem-s(c)

All.

yuk-äs

yukas-äs

yakwe-mem

yakwem-mem

yäkwe-mem

yäkwem-mem

yakwe-ne

yakwem-ne

Abi. Lok.

yuk-am

yukas-am

2

1. Das Kasussystem des

Tocharischen

1.0.2. Der funktionale Aufbau Wir können in dem oben angebrachten Paradigma eine ziemlich deutliche formelle Trennung zwischen grammatischen (Nominativ, Obliquus, Genitiv) und semantischen/konkreten (den übrigen) Kasus beobachten. Man dürfte dann erwarten, dass mit den grammatischen Kasus erstens grammatische/syntaktische Funktionen (Subjekt, Objekt (direktes und indirektes), Genitiv und Agens) und mit den konkreten Kasus semantische Funktionen (Adverbiale) ausgedrückt werden.1 Im grossen und ganzen ist es im Tocharischen auch so.2 Wenn wir den Aufbau des zentralen grammatischen Kasussystems beobachten,3 kann bemerkt werden, dass Tocharisch, wie die meisten übrigen indogermanischen Sprachen, eine Nominativsprache ist. Das heisst, dass der Agens zweiwertiger (transitiver) und einwertiger (intransitiver) Verben die gleiche grammatische Markierung, Nominativ, erhalten. Der Patiens zwei- oder dreiwertiger (transitiver) Verben wird mit dem Obliquus (=Akkusativ) markiert. Deswegen werden fortan hauptsächlich die Termini Subjekt/Nominativ und Objekt/(Obliquus) Akkusativ verwendet.4 1

2 3 4

Die Einteilung in grammatische vs. konkrete Kasus geht auf Kurytowicz (1973=1949, 1964:179f.) zurück. Sie ist von z.B. K.H. Schmidt (1975:27f.), Meier-Brügger (1985) und Krisch (1984:65f.) aufgenommen worden. Lehmann (1983:366) hebt hervor, dass die Aufteilung nicht typologisch ergiebig ist, weil es Sprachen gibt, die nur grammatische bzw. konkrete Kasus haben. Mit grammatischen Kasus werden nach Kurytowicz (1964:183) die Kasus gemeint, deren hauptsächliche Funktion es ist, syntaktische Funktionen, d.h. Funktionen, die in Transformationen benutzt werden, auszudrücken. Zu den grammatischen Kasus zählt Kurytowicz erstens Nominativ, Akkusativ und Genitiv, aber auch Instrumental als Agent. 1977 fügt er auch den Dativ dazu. Blake (1994:32-34) rechnet auch den Ergativ hinzu. Er macht eine Einteilung der grammatischen Kasusfunktionen in core und peripheral cases. Diese Aufteilung habe ich mit den Termini zentral und peripher benutzt. Vgl. K.H. Schmidt (1975:284-285). S. Blake (1994:119f.), "Organisation of the core". Hewson - Bubenik (1997:137-140) vermuten, dass das Tocharische in den Konstruktionen des Typus nisepilkostepräkr=enku 'von mir (Genitiv) ist diese Ansicht fest gefasst' eine ergative Konstruktion zu entwickeln anfing. Diese Vermutung bleibt unsicher.

1.0. Bemerkungen

über den Aufbau

3

Was die peripheren grammatischen Funktionen, d.h. den Genitiv und den Dativ betrifft, so ist im Tocharischen nur ein Genitiv vorhanden. Der Genitiv trägt die gewöhnlichen Funktionen eines Genitivs (possessiv, subjektiv, objektiv etc.), aber wird auch als Dativ verwendet, vor allem als indirektes Objekt und manchmal auch indirektes (logisches) Subjekt in sogenannten Dativ-Subjekt-Konstruktionen.5 Beispiel (indirektes Objekt): A 213 b2 ko(s)[pr](em) manarkässi sästräntu äkläs 'Wieviele Brahmanenknaben (Genitiv) lehrt er die Sästras (Obliquus)?' Die semantischen Funktionen sollten dann mit den sekundären Kasus ausgedrückt werden, was auch im grossen und ganzen der Fall ist. Wenn wir das System der Kasusdistinktionen von Blake (1994:35) demjenigen des Tocharischen gegenüberstellen, können wir vorläufig das folgende System der Kasustypen/Kasusfunktionen aufstellen (Tabelle 2.). Tabelle 2. Die tocharischen Kasus im Vergleich zum System der Kasusdistinktionen von Blake (1994). Kasustyp:

Kasusfunktion:

Tocharische Kasus:

Zentral Grammatisch

Nominativ

Nominativ

Akkusativ

Obliquus

Ergati ν Peripher

Genitiv

Genitiv

Dativ

Lokal Seman tisch

5

S. weiter 1.1.3.10.

Lokativ

Lokativ

Ablativ

Ablativ

Allativ

Allativ

Perlativ

Perlativ

Instrumental

Instrumental

Komitativ

Komitativ

etc.

Kausal

4

1. Das Kasussystem des Tocharischen

Wie in den meisten Sprachen6 sind die Grenzen zwischen den Verwendungen der grammatischen und semantischen Kasus auch im Tocharischen fliessend. Der Obliquus wird, wie in vielen anderen indogermanischen Sprachen, auch als Akkusativ der Richtung benutzt.7 Beispiel: A 314 a5 (:) mäpenu kalk stwar kälyme 'Er ging zwar nicht in die vier Himmelsrichtungen (Obliquus)'.8 Der Obliquus wird auch in Lokal- oder Temporalbestimmungen zum Ausdruck der Ausstreckung oder der Distribution verwendet (s. 1.1.2.5, 1.1.2.7). Der Allativ dagegen, der ursprünglich ein Lokalkasus ist, wird manchmal als indirektes Objekt benutzt. Beispiel: Β 33 b3 se sampä ksa pautoy näs 'Dieser und jener sollte mir (Allativ) schmeicheln.' Im folgenden wird eine Durchsicht der verschiedenen Kasusfunktionen des Tocharischen vorgenommen, die gleichzeitig eine kurze Übersicht der bisherigen Forschung ist.

6 7 8

Vgl. Lehmann (1983:367). S. Thomas (1983b). Thomas (1983b: 13).

1.1. Übersicht über die Funktionen

5

1.1. Übersicht über die Kasusfunktionen 9 1.1.1. Nominativ 1.1.1.1. Subjekt10 Der Nominativ wird, wie oben dargestellt, hauptsächlich in der Funktion eines Subjekts benutzt.

1.1.2. Obliquus Der Obliquus entspricht dem Akkusativ anderer indogermanischer Sprachen und wird haupsächlich grammatisch, aber auch semantisch verwendet.

1.1.2.1. Direktes Objekt" Der Obliquus wird im Tocharischen, wie der Akkusativ der anderen indogermanischen Sprachen, als direktes Objekt oder erste Ergänzung zweiwertiger Verben benutzt. Der Obliquus fungiert auch als Objekt12 in grammatikalisierten Syntagmen, nach KT I, § 73:4 "periphrastischen Ausdrücken", wie Α käs

9

Die Übersicht basiert hauptsächlich auf KT I, § 65-85, Kölver (1965) und Zimmer (1985). Für die verschiedenen semantischen Kasusfunktionen werden meistens doch andere Termini verwendet (vgl. die Diskussion/Hinweise unter den relevanten Funktionen). Semantische Kasus werden mit Majuskeln gekennzeichnet ( T E R M I N A T I V etc.), um Verwechslung mit den tocharischen Kasus (die mit Minuskeln angegeben sind) zu verhindern. Die unter jedem Paragraphen angeführten Beispiele sind, wenn nichts anders angegeben wird, nach KT. 10 KT I, § 72. " KT I, § 73:2. 12 Thomas (1983b: 19f.): "Akkusativ der Richtung".

6

1. Das Kasussystem des Tocharischen

ta- Β kes ta- '(in) Zahl legen' = 'berücksichtigen',13 Α opyäc käl- Β epiyackäl- '(in) Erinnerung führen' = 'sich erinnern'.14

1.1.2.2. Inneres Objekt5 Beispiele: A nawemnu-Β newenu- 'ein Gebrüll brüllen', A wleswlesB lämsläms- 'den Dienst tun' etc.16

1.1.2.3. Ergänzung nach 'sagen', '(an)sehen' Der Obliquus kommt hier in Konkurrenz mit dem Allativ vor. Mit A tränk- Β we- 'sagen' werden abwechselnd Obliquus und Allativ benutzt;17 der Unterschied liegt wohl in der Bedeutung. AB läk- '(an)sehen' verhält sich anders: in Α steht das Objekt im Allativ, in Β dagegen im Obliquus.,s Daneben gibt es auch den Lokativ."

1.1.2.4. Lokaler Obliquus Der Obliquus kann DIREKTIONAL20 für allgemeine Richtungsangaben (Akkusativ der Richtung) ausdrücken.21 Diese Konstruktion kommt 13 14 15 16

17

19

20

Thomas (1983b: 19). Thomas (1983b: 16-17). KT I, § 73:3. Es ist fraglich, ob Α ytäri-B ytärii- 'einen Weg gehen' (s. KT I, § 73:3) zu dieser Gruppe hört. Obwohl Α ytär Β ytäri sprachhistorisch zu der Wurzel idg. *ei-/i- hört, wurde das Wort wahrscheinlich synchron nicht so verstanden. KT I, § 73:7, Kölver (1965:85-86, 160-161 Fn. 18). Kölver (1965:89-90). Kölver (1965:109). Die bei Kölver angegebenen Beispiele sind aber grammatisch nicht homogen: in sämtlichen Beispielen (B 302 b3 (fragmentarisch) und A 212 a7, wo ein Objekt fehlt, bleiben unsicher) ausser A 314 al akmlam Ikämäm '(in) das Gesicht sehend' sind die Lokative als freie Angaben zu betrachten und nicht vom Verb abhängig. Zum Terminus D I R E K T I O N A L vgl. die Diskussion in 2.0.2.-2.0.3.

1.1. Übersicht über die Funktionen

7

mit den Bewegungsverben AB i- 'gehen', Α äk- Β äk- 'führen', AB käl- 'führen', A yow- Β yäp-/yop- 'eintreten', Β länt- 'hinausgehen', AB kam- 'kommen', wie auch AB tä- 'setzen, legen', Α näm- 'sich (ver)neigen\ AB räm- 'sich beugen', Α kärp- 'herabsteigen' und Β spärtt- 'sich drehen, sich wenden' vor.22 Als DIREKTIONAL kommt der Obliquus in Konkurrenz mit dem Lokativ, Perlativ und Allativ vor (s. weiter 2.1.2.)·

1.1.2.5. EXTENSIONAL 2 3 (Nach KT 'Ausdehnung in Raum und Zeit'24). Beispiele: Α pän kursärwä25 Β pis kwärsarwa 'fünf Meilen weit', Α tämprast Β caupreke 'zu der Zeit'.

1.1.2.6. Art und Weise26 Beispiele: Β saskäsklautkem 'sechzehnfach', Β tarya lykwarwa 'dreimal'.

1.1.2.7. DISTRIBUTIONAL 27 Die Funktion entspricht derjenigen der Ämredita-Komposita im Sanskrit.2" Beispiele: A wasta-wast Β ostä-ostä 'Haus für Haus', A 21

22 23 24 25

26

27 28

KT I, § 73:6, Thomas (1983b), Kölver (1965) unter relevanten Bewegungsverben in Konstruktionen mit sekundären Kasus. Thomas (1983b:9, Fn. 8). Kommentar s. 2.1.2.1. Zum Terminus E X T E N S I O N A L vgl. die Diskussion in 2 . 0 . 2 . KT I, § 73:5ab. Für eine Deutung Obliquus Plural und nicht Perlativ s. z.B. KT 11:95. Instrumental Plural kursärwäyo ist zweimal belegt. S. TLT:80. KT I, § 73:5c. KT bezeichnet diese Funktion als eine Untergruppe der "Ausdehnung in Raum und Zeit", § 73:5ab. Zum Terminus D I S T R I B U T I O N A L , vgl. 2.0.2. KT I, § 73:8, Thomas (1983b:13, Fn. 19), s. auch Kölver (1965:98).

8

1. Das Kasussystem des Tocharischen

kälyme-kälyme Β kälymi-kälymi 'Gegend für Gegend' (='nach allen Richtungen'). Es gibt auch konkurrierende Konstruktionen mit Ablativ und Allativ:" A 8 0 b l ////(cmo)läscmolacymäm 'von Geburt zu Geburt gehend'. A 153 al ////(lenä)s lenac paryänäs paryänac ymäm 'von (Felshöhle) zu Felshöhle [und] von Zelle zu Zelle gehend'. Daneben gibt es auch Obliquus und Perlativ:30 A 19 b3 : ype ypeyä ymäm'von Land zu Land gehend', wie auch Ablativ und Perlativ: A 1 b l opläsopläkärnm[ä]m'von Lotus zu Lotus steigend'.

1.1.3. Genitiv Über den Genitiv ist leider sehr wenig geschrieben, weil er nicht in die Untersuchung von Kölver (1965) einbegriffen ist. In KT I, § 74 gibt es eine ziemlich knappe Liste der verschiedenen Verwendungsweisen. Eine Untersuchung von Zimmer (1985) behandelt die adnominalen Verwendungsweisen des Genitivs.31 Die Verwendungsweisen des Genitivs werden hier in adnominale bzw. adverbale Funktionen aufgeteilt.32 [1] Adnominale Verwendungsweisen 1.1.3.1. Possessiver Genitiv." Beispiel: A 5 a5 pe/canf yamträcäres wasä lokit yes 'Ein Maler ging als Gast in das Haus eines Mechanikers' 29 30

31

32 33

Thomas (1983b:27). Nicht bei KT oder Kölver (1965). Vgl. aber die Verwendungsweise A sni sni ypeyac(i-) 'je in ihr Land gehen', Thomas (1983b:26-27). Die hier gegebene Aufstellung der adnominalen Verwendungsweisen ist hauptsächlich nach Zimmer. Nach Zimmer (1985:561). Zimmer (1985:561-562).

1.1. Übersicht über die Funktionen

9

Als Untergruppe dieser Verwendungsweise rechnet Zimmer auch den partitiven Genitiv, der mit Körperteilen, Pflanzen, Sachen und abstrakten Begriffen vorkommt.34 Beispiel: A 146 al mä&wra[sa]ssi'...viel(e) der Wesen''

1.1.3.2. Subjektiver Genitiv15 Der Genitiv bezeichnet das Subjekt einer Handlung/eines Vorgangs. Beispiel: Β PK.AS.5C (=S6 Levi)36 b6 ostmem lalne pärnännets mä ärttoymar{\) 'Das Aus-dem-Hause-Gehen der Häretiker will ich nicht loben'

1.1.3.3. Objektiver Genitiv" Der Genitiv bezeichnet das Objekt einer Handlung/eines Vorgangs. Beispiel: A 17 b3 tämyoptänkteyärk.. .yal 'Deshalb ist.. .Verehrung des Buddha zu machen'. Zimmer unterscheidet drei Untergruppen: a. "Genitiv des Nutzniessers":38 er beabsichtigt hiermit eine Konstruktion, wo der objektive Genitiv eine Person oder eine Gruppe von Personen bezeichnet. Der Genitiv sollte einem Dativ der anderen indogermanischen Sprachen entsprechen. Beispiel: A 55 a6 llll[tä]pärk encare arsenc pälskes : 'Jetzt rufen sie hervor Unliebes des Geistes (d.h. was dem Geist unlieb ist)'.

34 35 36 37 38

Zimmer (1985:564-567). Zimmer (1985:562-563). S. Pinault (1990b:58). Lesung Pinault (1990b:62). Zimmer (1985:563-564). Zimmer (1985:568-569).

10

J. Das Kasussystem des Tocharischen

b. "Genitiv des Bereichs".39 Zu dieser Gruppe zählt Zimmer Konstruktionen, die z.B. den Herrschaftsbereich eines Königs bezeichnen, wie 'König der Tiere', 'Herr der Götter' etc. c. "Paronomastischer Intensitätsgenitiv".40 Diese Funktion unterscheidet sich von b eigentlich nur dadurch, dass das Hauptwort und der Genitiv dieselben Wörter/Begriffe bezeichnen, wie 'König der Könige', 'Teil der Teile' etc.

1.1.3.4. Agens41 In der Funktion Agens konkurriert der Genitiv mit dem Perlativ und in Α auch mit dem Instrumental. Als Agens wird der Genitiv hauptsächlich mit einer infiniten (nominalen) Verbform konstruiert (Partizipium Präteriti, Gerundiv, Infinitiv), und mit einer finiten Verbform nur mit Medium in passiver Bedeutung. Beispiel: A 99 b5 gärge risakyäp sästram wewfiu 'Von dem Rsi Gärga ist die Lehre verkündet (wörtl. gesagt) worden'.

1.1.3.5. Absoluter Genitiv Diese Funktion ist bei KT I, § 74:7 aufgenommen worden. Zimmer (1985:572-574) listet und diskutiert die relevanten Beispiele und ist dabei zu dem Schluss gekommen, dass diese Konstruktionen ein marginales Phänomen der tocharischen Syntax (wahrscheinlich Übersetzungskonstruktionen) repräsentieren.

3

* Zimmer (1985:569). Zimmer (1985:569-570). 41 KT I, § 74:5, Zimmer (1985:567). Er rechnet diese Konstruktion dem subjektiven Genitiv zu. S. Pinault (1989a:72) für den Unterschied zwischen Genitiv, Perlativ und Instrumental als Agens. Siehe weiter 1.1.4.3. 40

1.1. Übersicht über die Funktionen

11

1.1.3.6. Nominaler Infinitiv42 Ein nominaler Infinitiv kommt im Genitiv vor, er ist aber in sämtlichen diesen Fällen mit einer Postposition als Regens konstruiert. Nominale Infinitive kommen auch in Allativ, Lokativ und Perlativ vor.

1.1.3.7. Genitiv bei Superlativ43 Der gewöhnlichste Kasus dieser Funktion ist aber der Lokativ (s. 1.1.5.3.).

1.1.3.8. Lokaler Genitiv (Rektum von Adpositionen) Mit besonderen Adpositionen wird der Genitiv auch lokal verwendet. Z.B. Aposac 'neben', meist mit Genitiv, aber auch mit Lokativ. Beispiel: A 91 b4 kälytär säm cut stämis posac 'dieser steht neben dem Cüta-Baum'.44

[2] Adverbale Verwendungsweisen 1.1.3.9. Indirektes Objekt (Dativ)45 Der Genitiv wird als indirektes Objekt nach Verben mit der Bedeutung 'geben', 'verkünden' etc. gebraucht. Beispiel: Β brähmanemts äyor aiskau-c 'den Brahmanen (Genitiv) gebe ich dich (Obliquus) als Gabe'. Als indirektes Objekt kommt der Genitiv in Konkurrenz mit dem Allativ vor.46

42 43 44 45 46

Thomas (1954:757). KT I, § 74:3. SSS, § 394. S. weiter 4.5.7. KT I, § 74:4. Vgl. die Erwähnung bei Zimmer (1985:561). S. 1.1.6.2.

12

1. Das Kasussystem des Tocharischen

1.1.3.10. Indirektes Subjekt7 Sogenannte "umgekehrte Konstruktionen",48 wo der Agens (das logische Subjekt) im Genitiv steht, meistens einem Dativ in anderen Sprachen entsprechend,4' kommen auch im Tocharischen vor. Beispiel:50 A 343 a4 nätswatsi klintar ni'es muss mir (Genitiv) verhungern' = 'muss ich auch verhungern'. Diese Konstruktionen sind leider nicht untersucht worden. Die im Tocharischen sehr gewöhnliche Konstruktion 'es ist für mich' = 'ich habe'51 gehört auch dazu. 1.1.3.11. Ergänzung nach '(sich) fürchten'52 Nach dem Verb AB pärsk- steht die Ergänzung oft im Genitiv. Beispiel: A kusne rämespraskmäm täc 'wenn ihr euch vor Räma fürchten solltet'. Genitiv wird verwendet, wenn das Objekt eine Person bezeichnet. Konkurrierende Kasus sind Β Perlativ (s. 1.1.4.7.) und Α Ablativ (s. 1.1.7.4.).

1.1.4. Perlativ 1.1.4.1. Lokaler Perlativ53 Der Perlativ kommt als Lokalkasus sowohl mit Bewegungsverben als auch mit Zustandsverben vor. Die semantischen Funktionen sind 47

Zum Terminus s. Blake (1994:145). Andere Termini sind Dative Subject, Dative Substitution, s. H. Smith (1996:22f.). 4 * Blake (1994:148, 202), inversion, inverse constructions. 49 S. z.B. Blake (1994:148-151). 50 Nicht bei KT. 51 KT I, § 74:2c. 52 KT I, § 74:7, vgl. die Erwähnung bei Zimmer (1985:561). 53 Kölver (1965:30-39).

1.1. Übersicht über die Funktionen

13

hauptsächlich P E R L A T I V , ALLATIV oder A D E S S I V , d.h. die Funktion des lokalen Perlativs ist es, vor allem eine ad-Position des Lokalisierungsobjekts im Verhältnis zum Raum/Referenzobjekt auszudrücken, ungeachtet Bewegung oder Zustand (s. weiter 2.1.2.2.).

1.1.4.2. Temporaler Perlativ54 Der Perlativ bei Zeitbegriffen drückt vor allem Zeitdauer aus. Die Verwendung von Lokativ oder Perlativ hängt vom Grad der Präzisierung in der Zeitangabe ab. Beispiel: Α spätkomsä Β sukkauntsa 'über sieben Tage hin' (='an sieben Tagen'). Ein temporaler Perlativ kann mit Zeitausdrücken oder Personenbezeichnungen vorkommen (s. weiter Kapitel 3).

1.1.4.3. Agens55 Der Perlativ als Agens kommt mit Partizipium Präteriti, Gerundiv und Infinitiv vor.56 In Α erscheint der Perlativ bei belebtem und der Instrumental bei unbelebtem Agens." Beispiel: Α mä poryo tskämsamtär mä wäryo sikamtär mä läncsä pärtsi yätenc mä penu lyäksä kärnätsi yätenc 'durch Feuer (Instrumental) werden sie nicht verbrannt, durch Wasser (Instrumental) nicht weggeschwemmt, von Königen (Perlativ) werden sie nicht weggenommen werden können, auch nicht von Dieben (Perlativ) gestohlen werden können'.

54 55 56

57

KT I, § 77:1, Kölver (1965:39-43). Kölver (1965:52-53), KT I, § 77:4. Die nach Kölver und KT angegebenen Beispiele sind hauptsächlich Partizipium Präteriti und Gerundiv, einige auch Infinitiv. Nach Pinault (1989a:72) ist der Genitiv des Agens auf nominale Verwendung in beiden Sprachen beschränkt. Es widerspricht aber der Untersuchung bei Zimmer (1985:567-568), wo Beispiele mit Genitiv als Agens sowohl mit infiniten als auch mit finiten Verbalformen angeführt sind. Pinault (1989a:72).

14

1. Das Kasus system des Tocharischen

1.1.4.4. INSTRUMENTAL 5 " Diese Funktion wird in Β durch den Perlativ ausgedrückt, in Α dagegen nicht, weil es hier einen eigenen Instrumental gibt. In Α kann man aber hin und wieder auch instrumentale Verwendungsweisen des Perlativs finden.5''

1.1.4.5. Perlativ bei Komparativ60 Zum Ausdruck des Vergleichs beim Komparativ61 wird in Β Perlativ oder Ablativ gebraucht (s. auch 1.1.7.6.). Beispiel: Β sumersa tapre 'höher als der Sumeru', cisaläre 'lieber als du'.

1.1.4.6. Perlativ des Preises62 Ein Perlativ zur Angabe des Preises kommt in Klosterbriefen und Rechenschaftsberichten vor, und diese Funktion ist dadurch nur in Β belegt.63 Beispiel: Cp 7.6 naimane sukne lämnti pelykim sakär käryämtte swersa 'im Monat naimane64, am 7ten, der Meinung des Königs nach haben wir für uns Zucker für vier (Perlativ)65 gekauft' 58 59

60 61

62 63

KT I, § 77:3, Kölver (1965:43f.). Kölver (1965:43-44) nimmt einen Übergang lokaler in instrumentale Verwendungsweise des Perlativs an: "Mit dem Übergang von der Bezeichnung des Ortes zu der des Mittels oder Grundes schliesst sich das durch den Perl, charakterisierte Nomen zweifellos enger an das regierende Verbum an; die Transformation resultiert also in zunehmender Grammatikalisierung." Der Instrumental in Α bezeichnet nach Pinault (1989a:72) nur "reine" instrumentale Verwendungsweisen. KT I, § 77:9, Kölver (1965:64-66). Es gibt tatsächlich keine spezifischen Komparativ- oder Superlativformen des Adjektivs, s. KT I, § 249, Pinault (1989:110-111). Komparativ und Superlativ werden durch Kasusgebrauch oder durch Adverbien ausgedrückt. KT I, § 77:8. S. Pinault (1994b:91f.) mit Klosterbriefen.

1.1. Übersicht über die Funktionen

15

1.1.4.7. Kausaler Perlativ Kölver66 bezeichnet diese Funktion "Perlativ zur Bezeichnung des Grundes". Hierher führt er die Funktionen "Affizierung von Geist und Gemüt", den Perlativ nach AB pärsk- 'sich fürchten' und einige erstarrte Ausdrücke auf. In Β konkurriert der Perlativ in dieser Funktion mit dem Kausal (1.1.10.1.), in Α kann auch daneben der Instrumental auftreten. Beispiel: Β 33 a8 latsonk=ostamemkselness=akälksa.iJetzt seid ihr aus dem Wunsch (Perlativ) nach Erlösung aus dem Hause gegangen'. Zu dieser Funktion gehören die Verbalsubstantiva auf -r im Perlativ.67 Beispiel: Β 205 a2 papalarsa ci nakta nervvamn oko kälale 'Dadurch, [dass man] dich, ο Gott, preist [=durch das Preisen (Perlativ)], [ist] die Nirväna-Frucht erlangbar [=kann erlangt werden]'. Funktionell weichen diese Konstruktionen ganz von den Verbalsubstantiven im Ablativ, den sogenannten Absolutiva, ab (s. 1.1.7.7.).

1.1.4.8. Modaler Perlativ Kölver*8 bezeichnet diese Funktion "Bezeichnung von Art und Weise"6'' und rechnet mit vier Funktionen: a. "Modal-adverbielle Ausdrücke". Beispiel: Β PK.AS.7G (=K7 Levi) a4 kuce klautkesa aisa(lyi) 'An welchem Verhalten (Perlativ) sind (sie) zu erkennen?'.

64

Der erste Monat. Damit wird cäne 'Münze' gemeint. S. Pinault (1994b:93-94). 66 Kölver (1965:53-58). 67 Thomas (1960). 6 " Kölver (1965:58-64). 69 Diese Funktion unterscheidet sich vom kausalen Perlativ dadurch, dass diese modale Verwendung eine "losere Beziehung zum Satzganzen aufweist", Kölver (1965:58). 65

16

1. Das Kasussystem des

Tocharischen

In dieser Funktion kann man einen Übergang der Kasusformen zu erstarrten Ausdrücken beobachten, wie Β aurtsesa 'ausführlich, breit', Β aultsorsa 'kurz, in Kürze' (weiter 1.1.4.10.). b. "Abstrakta zur Bezeichnung der Affizierung von Denken und Gemüt". Beispiel: Β 46 b7 kuse wat säwsante säswerss=äkäl[k] sa Oder welche im Wunsch (Perlativ) nach Söhnen lebten'. c. "Zahlwörter in distributiver Funktion". Beispiel: Β 137 b3 t[e]känma käntenmäsa//// 'Krankheiten zu Hunderten (Perlativ)'. d. "Bezeichnungen der Eigenschaften". Beispiel: Β 3 a7 cwi yapoyne pis äntsen[tsaj 'in dessen Land mit fünf Stämmen (Perlativ)'. Die Gruppen b-d sind nur in Β belegt, in Α wird dafür der Instrumental verwendet. Die Funktionen c-d scheinen ziemlich ungewöhnlich zu sein.

1.1.4.9. Ergänzung nach 'sich fürchten', 'Überdruss empfinden' und 'sich freuen' Nach AB pärsk- '(sich) fürchten (vor)' kommt der Perlativ in Konkurrenz mit dem Genitiv (für Lebewesen, s. 1.1.3.11.) vor. In Α wird der Ablativ verwendet (s. I.I.7.4.).70 Beispiel: Β 298 arai srukalyne cisawfä kca mäpräskau Ό Tod, vor dir fürchte ich mich in keiner Weise'. Das Verb A mrosk- Β mrausk- 'Überdruss empfinden' wird ausschliesslich mit dem Perlativ konstruiert. Beispiel: A YQ 1.9 a5 mokone wlaluneyämroskat '[he] became appalled by old age and dying',' Das Verb AB kätk- 'sich freuen (über)' ist mit Perlativ belegt (hauptsächlich B, auch A).71 Beispiel:

70

KT I, § 77:7, Kölver (1965:56).

1.1. Übersicht über die Funktionen

17

Β 127 a7 waipeccesa mäkäccam 'über [seinen] Besitz freut er sich nicht'. Konkurrierende Kasus sind Instrumental, Obliquus und Allativ.

1.1.4.10. Erstarrte Ausdrücke (Adpositionen/Adverbien)72 Im Tocharischen kann man einen Übergang erstarrter Kasusformen zu Adpositionen/Adverbien beobachten. Die gewöhnlichste Kasusform ist hier der Perlativ (andere Kasus sind Obliquus, Lokativ, Ablativ, Instrumental und Allativ). Manchmal ist das zugrundeliegende Wort deutlich (d.h. es existiert als Nomen in der Sprache), wie Β menäk 'Gleichnis', menäksa (Adverb) 'vergleichbar, wie'. In anderen Fällen ist das aber nicht der Fall, wie Α korpä (Adverb/Adposition) 'entgegen', Perlativ eines *korp- 'Drehung' < *korpa < *karpa < GT *kwcerpce, zu dem Verb AB kärp- 'herabsteigen'.73 Einige erstarrte Adverbien/Adpositionen im Perlativ sind in beiden Sprachen belegt, in anderen Fällen entspricht der Perlativ in Β einem Instrumental in A, wie Β menäksa Α menäkyo (Adverb) 'vergleichbar, wie'. Die Adpositionen im erstarrten Perlativ führen andere Kasus, gewöhnlich Obliquus oder Genitiv, mit sich. Die erstarrten Perlative verteilen sich auf drei semantische Untergruppen: Lokalpartikeln,74 Temporalpartikeln75 und Modalpartikeln76 (vgl. oben unter 1.1.4.8.a.).

71

72 73 74 75 76

S. Thomas (1960:201). Kölver rechnet diese Konstruktion zu den instrumentalen Verwendungsweisen des Perlativs in B. Thomas zeigt aber auch einige Beispiele aus A. Kölver (1965:60). Hilmarsson (1996:167). Kölver (1965:37-39). Kölver (1965:43). Kölver (1965:60-62).

18

l. Das Kasussystem des Tocharischen

1.1.4.11. Nominaler Infinitiv77 Der Perlativ kommt in der Funktion eines nominalen Infinitivs mit verschiedenen Verben vor.

1.1.5. Lokativ 1.1.5.1. Lokaler Lokativ7" Der lokale Lokativ wird, wie der Perlativ, sowohl mit Bewegungs- als auch mit Zustandsverben verwendet. Der Unterschied gegenüber dem Perlativ ist im grossen und ganzen, dass der Lokativ einen ILLATIV/INESSIV bezeichnet, d.h. er drückt hauptsächlich eine m-Position aus.

1.1.5.2. Temporaler Lokativ79 Die temporale Verwendung des Lokativs entspricht im grossen und ganzen der lokalen Verwendung, nach Kölver80 als "zur Bestimmung eines Zeitabschnitts, in den die Handlung hineinfällt" beschrieben. Beispiel: A 17 a2 ^Ms/ie täm pras ampunyaväm ses säm näs sem 'Wer zu der Zeit Punyavän war, der war ich [selbst].' Bei Zeitausdrücken kommt der Lokativ in Konkurrenz mit dem Perlativ (s. 1.1.4.2.) und dem Obliquus (s. 1.1.2.5.) vor. Der hauptsächliche Gebrauchsunterschied ist, dass der Perlativ Zeitstreckung: 'über hin', der Obliquus eine mehr allgemeine Zeitangabe und der Lokativ einen genaueren Zeitpunkt oder deutlich abgegrenzte Zeitperiode 77

Thomas (1954:755-756). * Kölver (1965:98-116). 79 KT I, § 81:3, Kölver (1965:118-122). H0 Kölver (1965:118). 7

1.1. Übersicht über die Funktionen

19

bezeichnet. Die Grenzen zwischen den verschiedenen Verwendungsweisen scheinen aber in vielen Fällen problematisch zu sein." Ziemlich deutlich treten aber die Unterschiede in den ökonomischen Klosteraufzeichnungen vor.82 Beispiel: PK.BC.l al tr(ai) ksun(t)sa dharmacandri länti ksumne 'Während des dritten Regierungsjahres (Perlativ), im Jahre (Lokativ) des Königs Dharmacandra...' Cp. 7 1.6naimane sukne lämnti pelykim sakär käryämtte swersa 'Im Monat naimane (Obliquus), der 7:e (Lokativ), der Meinung des Königs nach, haben wir für uns Zucker für vier gekauft' Cp. 7 1.10 oktaskene ploryaces mot käryäm Ίη oktaske83 (Lokativ) haben wir Alkohol für die Musiker gekauft. 1.1.5.3. Lokativ bei Superlativ" Der Superlativ wird im Tocharischen durch ein Adjektiv85 und einen Lokativ ausgedrückt. Beispiel: Β fiaktem sämnane spälmem 'der unter Göttern (und) Menschen vorzüglichste'. 1.1.5.4. Ergänzung nach abstrakten Nomina1,6 In Konstruktionen mit abstrakten Substantiven geistiger Bewegungen ('Hass', 'Liebe', 'Glaube', 'Gefallen' etc.) steht die Ergänzung im Lokativ. Beispiel: Β 281 al saulnepkwälne rits[i] (pre)[ke :] '[Es ist] Zeit, das Vertrauen auf das Leben aufzugeben'.

81 82 83 84 85 86

Vgl. die Beschreibung bei Kölver (1965:118-120). Die hier angegebenen Beispiele sind nach Pinault (1994b:91f.). Wahrscheinlich ein Fest. KT I, § 81:4, Kölver (1965:116-118). Vgl. oben 1.1.4.5. Kölver (1965:123-127). Er bezeichnet diese Funktion "Der Lokativ zum Ausdruck geistiger Bewegung".

20

L Das Kasussystem

des

Tocharischen

Die Kasuswahl wird anders, wenn der Satz mit einem Verb der geistigen Bewegung konstruiert wird, wie 'hassen', 'lieben' etc. (s. weiter 1.1.4.9., 1.1.3.11. und 1.1.5.6.). 1.1.5.5. "Der Lokativ des begleitenden Umstandes"" Unter dieser Rubrik hat Kölver eine Anzahl lokaler, temporaler, instrumental-kausaler und modaler Adverbiale gesammelt, die "in loser Beziehung zum Satzinhalt stehen und so eine Hinzufügung darstellen, die zur Verbalhandlung nur mehr ein mittelbares Verhältnis hat".88 Es kann diskutiert werden, ob diese Beispiele unter einer Überschrift gesammelt werden können. 1.1.5.6. Ergänzung nach 'sich verbinden' und 'böse Gesinnung haben' Α ritw-B ritt- 'verbunden sein mit' hat einen Lokativ bei sich.89 Nach dem Verb AB mänt- 'böse Gesinnung haben' steht die Ergänzung im Lokativ.90 1.1.5.7. Nominaler Infinitiv" Ein Infinitiv im Lokativ ist ziemlich spärlich in Β belegt. Er bezeichnet ein Verweilen in einer Handlung. Beispiel: Β 45 b3f. tomy[k]enta[wn]olmem(ts)ne[s]ts[i]ne stwärka [wjsennamne wsask[e]m kaue bhavägr (e)tt=äpis 'Das [sind] die Orte im Sein (Lokativ) (der) Wesen, an vierzig Stätten weilen sie, oben [ist] die höchste Existenz, unten die Avici'. 87 88 89

90 91

Kölver (1965:127-30). Kölver (1965:127). Kölver (1965:108, 130). Es kann diskutiert werden, ob diese Konstruktionen nicht lokal aufgefasst werden können. Kölver (1965:126, 163 Fn. 58). Thomas (1954:756-757).

1.1. Übersicht Uber die Funktionen

21

1.1.6. Allativ 1.1.6.1. Lokaler Allativ" Der Allativ als Lokalkasus bezeichnet nur Richtung ( D I R E K T I O N A L ) , und wird dadurch hauptsächlich mit Bewegungsverben konstruiert. Er kommt hier in Konkurrenz mit Lokativ, Obliquus und Perlativ vor. Der wichtigste Unterschied den anderen Kasus gegenüber ist, dass der Allativ verwendet wird, wenn die Richtung (nicht die Erreichung des Zieles) betont ist oder das Referenzobjekt eine Person ist (s. weiter 2.1.2.4.). 1.1.6.2. Indirektes Objekt (Dativ)91 Der Allativ wird als indirektes Objekt mit zweiwertigen Verben, wie A tsäk- 'äussern', Β sälk- 'vorführen' etc. verwendet. Er kommt in dieser Funktion hauptsächlich in Konkurrenz mit dem Genitiv vor (s. 1.1.3.9.). 1.1.6.3. Ergänzung nach Verben geistiger Bewegung94 Nach vielen Verben geistiger Bewegung (A pot- Β paut- 'schmeicheln', Α spänt- 'vertrauen' etc.) steht die Ergänzung im Allativ. 1.1.6.4. Ergänzung nach Nomina geistiger Bewegung95 Nach vielen Nomina geistiger Bewegung ('Wunsch', 'Begierde', 'Verlangen' etc.) steht das Objekt, das entweder belebt oder unbelebt 92 93

94 95

KT I, § 79:1, Kölver (1965:79-88). Diese Funktion hat weder bei Kölver noch KT eine eigene Überschrift. S. jedoch Kölver unter den relevanten Verben, besonders unter "Der Allativ zum Ausdruck geistiger Bewegung", Kölver (1965:88-90). Kölver (1965:88-90). Kölver (1965:90-92).

22

1. Das Kasussystem des Tocharischen

sein kann, im Allativ. In dieser Funktion konkurriert der Allativ mit dem Lokativ (s. 1.1.5.4.).

1.1.6.5. Ergänzung (Objekt) nach '(an)sehen', '(an)sagen' In dieser Funktion konkurriert der Allativ mit dem Obliquus (s. 1.1.2.3.).

1.1.6.6. "Der Allativ des Zwecks"96 Unter diese Überschrift führt Kölver den Allativ nach Β ayäto Α äyäto 'geeignet (für)' und Β kartse Α käsu 'gut (für)', einige Infinitive im Allativ (s. unten 1.1.6.7.) und einige Beispiele, wo der Allativ Zweck oder Vorteil entspricht. Eine Preisangabe kann durch pito 'Preis' im Allativ und einen Genitiv angegeben werden." Beispiel Cp. 38.54-55 waltsasintse pitos 'für den Preis des Mahlens'.

1.1.6.7. Nominaler Infinitiv" Infinitiv im Allativ ist in Β gut belegt, in Α dagegen recht spärlich, und wird "zum Ausdruck einer beabsichtigten Handlung"9'' gebraucht, in der Bedeutung 'um - zu'. Beispiel: Α käswoneyäntu kropnäsiyac 'um die Tugenden zu sammeln'.

96

Kölver (1965:92-94). KT I, § 79:4 zählt unter der Überschrift "Zweck und Begrenzung" drei heterogene Beispiele auf, ein indirektes Objekt und zwei Lokalbestimmungen. 97 Pinault (1994b: 103). 9 " KT I, § 79:5, Thomas (1954:751-755). 99 Thomas (1954:751).

1.1. Übersicht über die Funktionen

23

1.1.7. Ablativ 1.1.7.1. Lokaler Ablativ a. Der Ablativ als Lokalkasus bezeichnet erstens den Ausgangspunkt.100 Kein Unterschied wird zwischen in- bzw. ad-Position des Ausgangspunktes (ABLATIV VS. ELATIV) gemacht. Beispiel: Α länk riyäsläc'aus der Stadt Lanka ging er heraus', Β pästpas ny ostamem 'geh fort aus meinem HausV. b. "Separativ".101 Der Ablativ wird auch mit Verben der Bedeutung '(sich) trennen (von)', '(sich) fernhalten (von)' etc. verwendet und bezeichnet hier nicht die Bewegung von etwas, sondern die Entfernung von etwas. Beispiel: Β 21 al ////(wenaslo)kcepudfiäkte: yolomem ältsis '...sprach der Buddha diese Strophe, um vom Bösen abzuhalten'.

1.1.7.2. Temporaler Ablativ'02 Ein Ablativ bei Zeitangaben kommt nur selten in Β vor, und er bezeichnet hier den zeitlichen Ausgangspunkt. Beispiel: skas menatse memmante'vom Sechsten des Monats ab'.

1.1.7.3. Ablativ bei Abstrakta (Gemütsbewegungen)'03 Der Ablativ bei Gemütsbewegungen bezeichnet, wie der lokale Ablativ, den Ausgangspunkt. Beispiel: Α pukänmas käryäs täs pläc sakk ats päklyosäs 'hört nur aus ganzer Seele (und) mit (gutem) Willen diese Rede!'.

100

KT I, § 80:1, Kölver (1965:133-143). Kölver (1965:144-145). 102 KT I, § 80:1. 103 KT I, § 80:2, Kölver (1965:149). 101

24

l. Das Kasussystem

1.1.7.4.

des

Tocharischen

Ergänzung nach 'sich hüten', 'sich bewahren' und 'sich fürchten'

Nach Β päsk- Α päs- 'sich hüten (vor)' und A pros- 'sich schämen (vor)' steht die Ergänzung, d.h. das, vor dem man sich hütet oder schämt, im Ablativ. Α pärsk- 'sich fürchten (vor)' wird mit einem Ablativ konstruiert, konkurrierender Kasus ist der Genitiv (s. 1.1.3.11.)104. (In Β dagegen Genitiv oder Perlativ, s. 1.1.3.11. und 1.1.4.9., nur selten Ablativ.) 1.1.7.5. Ergänzung nach Nomina (Abstrakta, Adjektive) a. Zum Ausdruck der Ermangelung.105 Nach Α wärce (Adjektiv) 'minderwertig, ermangelnd"06 und Β menki 'Mangel' steht das, woran es ermangelt, im Ablativ. b. Anschliessend an 1.1.7.4. oben, wird auch A praski 'Furcht (vor)' mit einem Ablativ konstruiert. c. Der Ablativ nach Α älakB alyek 'anders (als)' wird bei Kölver107 als eine Untergruppe des Ablativs beim Komparativ (1.1.7.6.a.) betrachtet. 1.1.7.6. Ablativ bei Komparation a. Ablativ beim Komparativ.108 Der Ablativ wird in A, wie der Perlativ in Β (1.1.4.5.), zum Ausdruck des Komparandums bei Adjektiven verwendet.109 104

Bei K T I , § 77:7 ist der Unterschied Genitiv bzw. Ablativ in Α folgenderweise beschrieben: "Abi. der Sache" und "G. der Person". Kölver (1965:147-148) gibt 6 Beispiele im Ablativ an: 4 sind unbelebte Entitäten, zwei aber sind Ablativ von dem (suffigierten?) Pron. der 3. Person: -an- (nur in sekundären Kasus), die sich auf belebte Entitäten beziehen. 1115 Kölver (1965:143). 1116 Das entsprechende Β menkitse wird mit Perlativ konstruiert. 107 Kölver (1965:146). 11,8 KT I, § 80:5, Kölver (1965:145-146).

1.1. Übersicht über die Funktionen

25

b. Ablativ beim Superlativ."0 A puk 'all, ganz' mit Ablativ drückt einen Superlativ aus. Beispiel: pukäs tpär 'der Allerhöchste' = 'der von allem (Ablativ) der Hohe'. Dieselbe Funktion hat das Adjektiv, wenn das Adjektiv und der Ablativ identische Lexeme sind. Beispiel: Β 24 b6empremtsneno swaremmem swäre suke[ntamts] 'Denn die Wahrheit [ist] der süsseste [wörtl. süsser als süss (Ablativ)] der Säfte (Genitiv)'.

1.1.7.7. Ablativus

absolutivus'"

Diese Funktion wird in beiden Sprachen sehr häufig gebraucht, zur Übersetzung von Absolutiva auf skt. -tvä.

1.1.7.8. Erstarrte Ausdrücke (Adverbien)"2 Wie mit Perlativ (vgl. 1.1.4.10. oben), Obliquus etc., wird der Ablativ in erstarrten Ausdrücken verwendet.

1.1.8. Komitativ'" Der Komitativ bezeichnet die Person oder Sache, die die Verbalhandlung oder das übergeordnete Nomen begleitet. Beispiel: Β 573 al ////[w]ärponträ [wejsämpa[s]kw[am]nmä '...mögen sie zusammen mit uns die Glücksgüter gemessen'. In einigen Fällen ist der Komitativ von dem Verb abhängig, wie Β täsA täsk- 'gleichen', Β spänt- 'vertrauen (auf)'" 4 etc. IIW

Vgl. oben Fn. 61. Kölver (1965:146-147). '"KT I, § 80:7, Kölver (1965:149). U2 Kölver (1965:143). 1,3 Kölver (1965:69-76). 110

26

1. Das Kasussystem des

Tocharischen

1.1.9. Instrumental (A)"5 1.1.9.1. Instrumental des Mittels'"' Diese ist die häufigste Verwendung des Instrumentals. Er bezeichnet die Sache oder Person, durch den sich die Handlung vollzieht. Beispiel: wsä-yokäs pokenyo ancäl panwäs 'mit den goldfarbenen Armen spannt er den Bogen'. 1.1.9.2. Kausaler Instrumental"7 Der Instrumental wird oft mit Ausdrücken der Gemütsbewegung, wie 'Freundschaft', 'Verlangen', 'Liebe' etc. verwendet. Diese Funktion entspricht im grossen und ganzen dem kausalen Perlativ (s. 1.1.4.7.). Die Grenzen zwischen dem modalen und kausalen Instrumental in Ausdrücken der Gemütsbewegung sind manchmal fliessend"" und ergeben sich nicht deutlich bei der Übersetzung. 1.1.9.3. Modaler Instrumental"9 Die Verwendung des modalen Instrumentals entspricht im grossen der des modalen Perlativs in Β (1.1.4.8.), d.h. wir können dieselben Untergruppen finden: 114

Konkurrierende Kasus Perlativ und Obliquus, s. Kölver (1965:160 Fn. 6). " Kölver (1965:11-12) diskutiert einleitend die Grundfunktion des Instrumentals: "Die im Toch. belegten Verwendungsweisen des Instr. lassen sich auf die Bezeichnung der Begleitung im allgemeinsten Sinne, mit den sich an den Ausdruck der Begleitung anschliessenden, auch anderweitig bezeugten sekundären Gebrauchsweisen, reduzieren". D.h., die ursprüngliche Funktion des Instrumentals ist Begleitung. Ein Soziativ, d.h. der Instrumental der Begleitung belebter Entitäten, wird mit dem Komitativ ausgedrückt. 1,6 Kölver (1965:19-23). 117 Kölver (1965:25-26) bezeichnet diese Gruppe "Der Instrumental des Grundes". ""Vgl. Kölver (1965:25). '"Kölver (1965:12-18), "Art und Weise", Untergruppe des Instrumentals "der begleitenden Beschaffenheit". 5

1.1. Übersicht über die Funktionen

27

a. Modal-adverbielle Ausdrücke (bisweilen erstarrt), wie tamne-[tämne-]wkänyo (=B tu-[te-]yäknesa)U0 'auf solche Weise', pukyo 'all, ganz', menäkyo,wärtsyo 'ausführlich'. b. Mit Abstrakta zur Affizierung von Denken und Gemüt, wie 'Wunsch', 'Freundschaft', etc. c. Mit Zahlwörtern in distributiver Funktion.121 Beispiel käntantuyo wältsantuyo'.. .zu Hunderten, Tausenden...'. d. Qualitativer Instrumental.

1.1.9.4. Lokaler/temporaler Instrumental Eine lokale Verwendung des Instrumentals scheint schwierig zu erweisen. Kölver (1965:23-4) bringt drei Beispiele vor, die er als Prosekutiva auffasst, von denen zwei als Instrumental des Mittels verstanden werden können. Eine offensichtlich lokale Verwendung liegt in A 253 a7 vor: wsäsim sontyo kompärkäficäm yokmä ketumati ri(yäs läc) 'Auf der goldenen Strasse (ging er) durch das östliche Tor (aus) der Stadt Ketumati (heraus)'. Weil aber sonst für das Wort für 'Strasse' kein Instrumental beweisbar ist (vgl. 2.3.1.7.) kann dieses Beispiel als ein Verschreiben oder als (wie Kölver [1965:24] auch indiziert) ein Instrumental des Mittels aufgefasst werden. Es ist auch denkbar, dass der Instrumental von der B-Verwendung mit 'Strasse', wo neben dem Obliquus auch Perlativ vorkommt, beeinflusst ist. Der Instrumental könnte auch als stilistische Variation gesehen werden. In diesem Beispiel sind drei Lokalangaben vorhanden, von denen eine (yokmä) ein Perlativ ist. Das Beispiel A 78 b4 ku[prene] (nu) mä kläcär säptäncäm kotäryo pukäk arna(m kolune) 'Wenn ihr (aber) [die Stosszähne des Bodhisattva-Elefanten] nicht bringt, werde (ich) bis zum siebten Geschlecht insgesamt ([eure] Tötung) veranlassen' mit Α kotär, skt. gotra'Geschlecht, Familie' kann als eine erweiterte Verwendung des tem-

120

Ein tämne-wäknä kann auch in Α ohne Bedeutungsunterschied auftreten. Kölver (1965:12). 121 Kölver (1965:17).

28

1. Das Kasussystem des Tocharischen

poralen Instrumentals betrachtet werden. Schliesslich könnte man A 315/6 b7 f. IIII (tä)mäss or to wälts säk känt säptuk spät pi tmänäntu spät wälts we (känt säptu)k säkpi kursärwäyo penu akanis(thadhätusi)ni näktan tpär mä(skanträ)//// Oben über der [Erde] 16 770 000 und 7276 Meilen weit sind die Götter der Akanistha(dhätu)[-Welt] hoch' mit A kursär 'Meile' als eine erweiterte Verwendung des Instrumentals des Mittels betrachten. Besser belegt ist der temporale Instrumental,'22 der vor allem Zeiterstreckung oder Zeitdauer ausdrückt. 1.1.9.5. Agens Der Instrumental wird als Agens mit Nichtlebewesen (Sachen) verwendet (s. oben 1.1.4.3.).

1.1.10. Kausal (B) 1.1.10.1. Kausal bei Gemütsbewegungen'21 Ein Kausal kommt nur selten in Β vor, und wird in Ausdrücken der Gemütsbewegung, wie 'Neid', 'Begierde', 'Schmerz' etc. verwendet.

1.1.10.2. Erstarrte Ausdrücke124 Ein erstarrter Kausal kommt in pelkin (Adposition/Adverb) 'um - willen' vor. Er regiert den Genitiv. Nach dieser einleitenden Durchnahme der Funktionen der tocharischen Kasus erfolgt hier von jetzt an eine Konzentration auf die Kasus, die benutzt werden, um das Lokalsystem auszudrücken. Die Hauptinterl22

Kölver (1965 24-25). Kölver (1965 150-151). l24 Kölver (1965 151). l23

1.1. Übersicht über die Funktionen

29

esse der Studie gilt den Kasus, die Lokalisierung bzw. Richtung ausdrücken, d.h. Obliquus, Perlativ, Lokativ und Allativ. Der Instrumental und der Genitiv kommen auch in Frage in den Kapiteln, wo die temporale Verwendungen der Lokalkasus bzw. die lokalen und temporalen Adpositionen untersucht werden. Zur weiteren Motivation und Organisierung der Untersuchung, s. 2.1.3.

Kapitel 2 Die Funktionen der lokalen Kasus

2.0. Definition der lokalen Funktionen Lokalbestimmungen können als obligatorische Ergänzungen, fakultative Ergänzungen oder freie Angaben auftreten, je nach ihrer Möglichkeit zur Eliminierung im Satz. Dem hierarchischen System der Satzglieder von Heibig - Schenkel folgend (Tabelle 3)'25 können Lokalbestimmungen als Satzglieder vom ersten bis zum vierten Rang auftreten. Tabelle 3. Hiercharchie der Satzglieder von Heibig - Schenkel (1969:30) Strukturelles Zentrum des Satzes: Glieder ersten Ranges:

finites Verb Subjekt Prädikativ Direktes/Indirektes Objekt (obligatorisch oder fakultativ) notwendige Adverbialbestimmung

Glieder zweiten Ranges:

Attribute zu Gliedern ersten Ranges

Glieder dritten Ranges:

Attribute zu Gliedern zweiten Ranges

Glieder vierten Ranges:

Attribute zu Gliedern dritten Ranges

freier Dativ

Der semantische Inhalt der Lokalbestimmung ist in verschiedenen Graden vom Verb abhängig. Die Verben, die mit Lokalbestimmungen vorkommen, können entweder lokal oder nichtlokal sein. Ein Lokalverb (locative verb) ist ein Verb, das mit einer Ergänzung versehen

125

Etwas durch Erklärungen erweitert.

2.0. Definition der lokalen Funktionen

31

werden kann, die eine Lokalisierung oder Veränderung der Lokalisierung ausdrückt.126 In Beispielen, wo eine Lokalbestimmung mit einem nichtlokalen Verb kombiniert ist, trägt das Verb nicht zu der räumlichen Bedeutung der Lokalbestimmung bei. Beispiel: Er arbeitet im Garten Er tötet Tiere im Walde. Im Verhältnis zu der Einteilung der vier lokalistischen Grundrelationen Lokalisierung, Ursprung, Ziel und Erstreckung (Location, Source, Goal und Path, s. weiter unten), wird die Lokalbestimmung in diesen Fällen als LOKATIV klassifiziert, weil keine Bewegung oder Ortsveränderung ausgedrückt wird.127 Die Termini Lokalergänzung bzw. Lokalangabe128 können verwendet werden, um den Unterschied zwischen Ergänzungen und freien Angaben zu markieren; z.B. Er schläft in einem Zimmer (Lokalangabe) Er wohnt in einem Zimmer (Lokalergänzung). Der Terminus Lokalbestimmung fungiert als Sammelbezeichnung für Lokalergänzungen bzw. Lokalangaben.

2.0.1. Die lokalen Verbtypen und ihre Komplemente Für eine Einteilung in Verbtypen, die mit Lokalergänzungen vorkommen können, will ich das System von Cook (1979:63f.), von Krisch (1984:202) übernommen und diskutiert, als Grundlage benutzen (Tabelle 4).129 126

S. Cook (1979:52). S. z.B. Frawley (1992:224f.; auch 174f.). 128 Engelen (1984, 1986). 129 Cook (1979:63f.) nimmt vier grundlegende Verbtypen an: state verbs, process verbs, action verbs und action-process verbs, die mit den semantischen Funktionen Experiencer, Benefactive und Locative kreuzklassifiziert werden können. Die Untersuchung von Krisch (1984) behandelt vor allem die Gruppen action locative verbs und action process locative verbs. Krisch verwendet dafür die Termini 127

32

2. Die Funktionen der Lokalkasus

Tabelle 4. Die lokalen Verbtypen und ihre Komplemente Verbale Grundtypen

Lokal verb'3"

Ergänzungen (bei = belebt)

A. Zustandsverb

sein auf/in verbleiben bleiben

Subjekt [+bel], [-bei]131 132 Lokalergänzung

Β. Prozess verb

kommen gehen (sich) bewegen (sich) ändern

Subjekt [-bei]133 Lokalergänzung

C. Bewegungsverb

kommen fahren laufen gehen

Subjekt [+bel]13" Lokalergänzung

D. Tran sport verb

bringen anbringen setzen, stellen, legen nehmen

Subjekt [+bel]135 Objekt136 Lokalergänzung

Zustandsverben kommen sowohl mit belebten als auch mit unbelebten Subjekten vor: Das Bett ist in dem Zimmer Der Mann ist in dem Zimmer.

Bewegungsverb und Transportverb. Die Ausdrücke Bewegungsverb und Transportverb habe ich hier auch benutzt. Für state verbs und process verbs habe ich Zustandsverb und Prozessverb benutzt. 130 Eigene Übersetzung der englischen Verben. 131 Cook (1979:66) O s = Stative Object. 132 Cook L = Locative, "spatial orientation of the action". 133 Cook Ο = Objective, "semantically most neutral case". 134 Cook A = Agentive, "instigator of the action, animate". Kasuserklärungen Cook (1979:18). 135 Cook A = Agentive. 136 Cook Ο = Objective.

2.0. Definition der lokalen Funktionen

33

Noch eine Gruppe von zweiwertigen Verben, die Zustand/Stationierung bezeichnen, kann zu den lokalen Zustandsverben hinzugefügt werden: 'lagern', 'verwahren'.'37 Die lokalen Prozessverben bezeichnen eine Veränderung der Lokalisierung eines Objekts138 und kommen nur mit unbelebten Objekten vor. Dieser Typus muss aber als sehr spezifiziert und ungewöhnlich betrachtet werden. Die Bewegungsverben sind grundsätzlich einwertig und drücken eine Aktivität aus, die in einer Veränderung der Lokalisierung resultiert. Das Subjekt ist immer belebt. Beispiel: Er geht in den Sonnenaufgang hinein. Obwohl die meisten Bewegungsverben, wie 'gehen', 'kommen' etc., einwertig sind, muss man auch mit Bewegungsverben rechnen, die als "zweiwertig" betrachtet werden müssen, wie 'überschreiten', 'verlassen', 'erreichen' etc. Die Lokalergänzung steht in Objektsform. Es ist unsicher, wie der Akkusativ der Richtung (tocharisch Obliquus) in diesem Fall zu betrachten ist. Entweder fasst man die Bewegungsverben, die einen Richtungsakkusativ mit sich führen, als zweiwertig auf und den Akkusativ der Richtung als (direktes) Objekt (grammatischen Kasus), oder man betrachtet den Akkusativ der Richtung als einen Lokalkasus (semantischen Kasus) und die Bewegungsverben sind einwertig.139 Die Transportverben sind grundsätzlich zweiwertig und kommen mit einem belebten Subjekt, einem Objekt und einer Lokalbestimmung vor. Sie drücken eine Aktivität aus, die in einer Veränderung der Lokalisierung eines Objekts resultiert, das nicht das Agens ist.140 Eine Gruppe von Transportverben drücken Veränderung des Agens aus, wie 'tragen', 'führen' etc. Noch eine Gruppe von Verben, die stationäre Bewegung bezeichnen, kann zu den Bewegungsverben gerechnet werden. Verben, die stationäre Bewegung bezeichnen, können sowohl einwertig ('sich 137

Vgl. Viberg (1992:37). Definition von Cook (1979:66). ,39 Vgl. Winter (1980a:435). 140 Definition von Cook (1979:66). 138

34

2. Die Funktionen der Lokalkasus

schütteln', 'rotieren' etc.) als zweiwertig ('schütteln', 'rotieren', 'drehen' etc.) sein."" Für eine Durchnahme der tocharischen Lokalverben, s. 2.2.0.

2.0.2. Die lokalen Relationen Eine lokale Relation begreift zwei (oder drei) semantische Mitspieler ein: ein Lokalisierungsobjekt (belebt oder unbelebt), einen Raum oder Referenzobjekt und ein Agens. Mit Raum meint man hier erstens verschiedene Örtlichkeiten oder Plätze, wie 'Feld', 'Garten', 'Platz' etc. Mit Referenzobjekt meint man verschiedene Arten von Gegenständen, wie 'Haus', 'Stuhl', 'Baum' etc. Das Lokalisierungsobjekt kann im Satz entweder Subjekt oder Objekt sein, z.B. Der Vogel (Subjekt) fliegt über das Haus Der Mann wirft den Ball (Objekt) über das Haus. Der Terminus Thema (Theme) wird oft für das Lokalisierungsobjekt verwendet.142 Hier wird der Terminus Lokalisierungsobjekt benutzt werden, unabhängig von seiner Funktion im Satz. Drei grundlegende Faktoren müssen bei einer Untersuchung lokaler Relationen betrachtet werden: i. Die Beschaffenheit des Raumes/des Referenzobjekts ii. Das Verhältnis des Lokalisierungsobjekts zum Raum/Referenzobjekt iii. Die Position der Beobachter143 im Verhältnis zum Lokalisierungsobjekt und Raum/Referenzobjekt. Die Beschaffenheit des Raumes kann von verschiedenen Arten sein. Frawley (1992:121)144 unterscheidet, was die physische Beschaffenheit des Raumes betrifft, vier hauptsächliche Funktionen: Ausdeh141

Vgl. Viberg (1992:37). S. Frawley (1992:72), Talmy (1985:72-4) und Abraham (1995:18f). 143 Mit Beobachter meint man hier den Redner oder die Person, von deren Ausgangspunkt das Ereignis beschrieben wird. 144 Hauptsächlich nach Denny (1979), Friedrich (1970) und Allan (1977). 142

2.0. Definition der lokalen Funktionen

35

nung, das Innere, Grösse und Beschaffenheit.145 Zur Ausdehnung gehören auch die Funktionen Dimension, Form (ein-, zwei- bzw. dreidimensional) und Richtung (vertikale bzw. horizontale Ausdehnung). Zur Grösse gehören eigentlich nur zwei Eigenschaften, gross bzw. klein, und zur Beschaffenheit zwei Haupttypen, fest bzw. flexibel. Was Ausdehnung und Form angeht, ist der Unterschied zwischen offenen und geschlossenen Räumen ziemlich wichtig.146 Offene Räume, 'Platz', 'Strasse' ermöglichen gewöhnlich kein Eindringen oder /«-Position. Einige geschlossene Räume oder Referenzobjekte können Eindringen oder /«-Position ermöglichen, wie 'Haus', andere aber nicht, wie 'Stein'. Weil dieser Unterschied in vs. ad im Tocharischen markiert wird, ist die Form und Erstreckung des Raumes/Referenzobjektes von grossem Gewicht. Was das Verhältnis des Lokalisierungsobjektes zum Raum/Referenzobjekt betrifft, sind die zwei wichtigsten zu untersuchenden Fragen, ob das Verb eine Bewegung oder einen Zustand bezeichnet, d. h. ob das Lokalisierungsobjekt im Verhältnis zum Raum/Referenzobjekt fixiert oder als in der Bewegung gesehen werden kann.147 Frawley (1992:255) demonstriert das System der lokalen Relationen der Lokalisierung mit dem Modell in Abbildung 1. In Kombinationen mit Bewegungsverben werden aber die möglichen Relationen des Lokalisierungsobjekts zum Raum/Referenzobjekt viel grösser als mit Zustandsverben. Ein grundlegender Begriff ist in dieser Hinsicht die Richtung der Bewegung, die in drei Haupttypen eingeteilt wird: von, entlang/über oder zu. Die lokalen Relationen mit diesen Bewegungsrichtungen werden demnach: ablative Relation, perlative Relation und direktive Relation, entsprechend den Termini Source, Path und Goal von Lakoff (1988:144) und Frawley (1992:172).

145

Extendedness, interioricity, size und consistency. S. z.B. Friedhof (1978:141). 147 Frawley (1992:179f.) movement vs. position. 146

Frawley (1992:121-129).

36

2. Die Funktionen der Lokalkasus

Inferiority (in)

Posteriority (behind)

Superiority (above) Coincidence ConL_

Exteriority (out of) \ \ Inferiority (below)

Laterality (between)

Anteriority (in front of)

Abbildung 1. Klassifikation der lokalen Relationen nach Frawley (1992)

Die Kombinationen der verschiedenen Bewegungsrichtungen mit den oben angebrachten Raumrelationen ergeben eine Anzahl von Kombinationsmöglichkeiten.148 Diese Relationen können als semantische Kasusfunktionen angebracht werden, wo Bewegung mit lativ, Zustand/Lokalisierung mit essiv und die Relationen mit den entsprechenden lateinischen Präpositionen bezeichnet werden.149 Entsprechend Location, Goal, Path und Source150 sind die semantischen Kasusfunktionen folgenderweise: LOKATIV = Lokalisierung auf, an oder in (lokative Relation) DIREKTIONAL = Bewegung zu oder hinein (direktive Relation) PERLATIV = Bewegung entlang oder über (perlative Relation) 151 SEPARATIV = Bewegung von oder aus (ablative Relation). 148

Ein ausführliches Modell der Kombinationsmöglichkeiten der verschiedenen Bewegungsrichtungen im Verhältnis zu dem statischen "Raumkasten" ist von Nystrand (1998:45f.) gemacht. S. auch Friedhof (1978:142f.). 149 Semantischen Kasusfunktionen werden hier mit Majuskeln wiedergegeben. 150 Abraham (1995:18): "STELLUNG", "HERKUNFT' und "ZIEL"; Friedhof (1978:367f.): "LOC=Lokus", "DIR=Direktional", "ABL=Ablativisches Merkmal" und "PROLAT", "VIA=Parameter VIA (wodurch, hinüber)", s. auch Blake (1994:153).

2.0. Definition der lokalen Funktionen

37

Kombinationen mit den verschiedenen Positionen ergeben eine Anzahl von Unterfunktionen:152 Funktion:

Bedeutung:

INESSIV

in, darin auf, an über unter

ADESSIV SUPERESSIV SUBESSIV ALLATIV ILLATIV SUPERLATIV PERLATIV TRANSLATIV 153 ABLATIV ELATIV

(bis) zu einer Position an in hinein (bis) zu einer Position oben entlang, über durch von aus

Waanders (1988:314f.) bezeichnet die semantische Kategorie ExTENSIONAL als eine Hybridkategorie. Sie kann sowohl lokative als perlative Relation ausdrücken und Ausdehnung wie auch Distribution bezeichnen.154 Wegen des in diesem Material grossen Unterschieds zwischen den Beispielen wo Ausdehnung und Distribution beabsichtigt werden, werde ich DISTRIBUTIONAL als noch eine semantische Kategorie zu der von Waanders benutzten Kategorie EXTENSIONAL 151

S. Kurytowicz (1964:189f.): "locative", "accusative of goal", "ablative" and "instrumental of traversed space", auch (1977:142); Waanders (1988:313f.): "LOCATIVE", "DIRECTIONAL", "SEPARATIVE" and "PERLATIVE" und Blake (1994:153). 152 Vgl. die Zusammenstellung bei Blake (1994:155). ' " N a c h Blake (1994:155). Der Kasus Translativ im Finnischen hat eine andere, besondere Funktion: er markiert Veränderung. S. Blake (1994:155). 154 Waanders (1988:317): "when a stretch of way functions as a routemarker, and other instances can be imagined where distribution is involved, given the appropriate context (e.g. a plural subject and a plurality of roads, each individual going his own way)".

38

2. Die Funktionen der Lokalkasus

fügen. Diese beiden Kategorien sollten nicht als separate Kategorien, sondern als Unterfunktionen zu den Hauptkategorien LOKATIV und PERLATIV betrachtet werden, also kinetisch bzw. statisch EXTENSIO155 N A L . Für kinetisch DISTRIBUTIONAL muss man auch mit Kombinationen rechnen, die direktive und ablative Relationen ausdrücken können. Ein Parameter von grossem Gewicht, der sowohl die beweglichen als auch die statischen Relationen betrifft, ist durch die Frage zu bestimmen, ob zwischen Lokalisierungsobjekt und Raum/Referenzobjekt Kohärenz oder Inkohärenz involviert ist.156 Mit Kohärenz wird Kontakt mit oder Eindringen in das Referenzobjekt beabsichtigt und mit Inkohärenz wird Nähe beabsichtigt. Der Unterschied kann den verschiedenen Kasusgebrauch erklären.

2.0.3. Bewegung, Richtung oder Zielerreichung? Die Markierung des Unterschieds Bewegung (PERLATIV) und Richtung (DIREKTIONAL) kann einzelsprachlich sehr kompliziert sein. Mit DIREKTIONAL wird eine Bewegung zu einem Ziel bezeichnet. Entweder kann die Richtung zum Ziel oder die Erreichung des Ziels angegeben werden. Was die indogermanischen Sprachen betrifft, wird oft die Richtung zu einem Ziel und die Erreichung des Zieles ungleich markiert. Das Problem ist im Zusammenhang mit der Verwendung der Präpositionen nach und zu im Deutschen von Leys (1995) und (1996) behandelt worden. Mit diesen Präpositionen wird die Erreichung des Zieles an sich nicht angegeben, sondern die Lokalbestimmung kann einen externen Referenzpunkt bezeichnen, der nicht notwendigerweise erreicht wird.157 Eine Markierung des Unterschieds zwischen einer Bewegung zu einem Ziel, das nicht notwendigerweise erreicht wird,

'"Waanders (1988:317). l56 HjeImslev (1935:128), s. auch Andersson (1994a:452), Blake (1994:39f.) und Friedhof (1978:143f.). 157 S. Leys (1995:42).

2.0. Definition der lokalen Funktionen

39

und einer Bewegung zu einem Ziel, das erreicht wird, ist im Tocharischen zu bemerken (s. 2.1.2.4. und 2.1.2.3.). Es wird hier fortan zwischen DIREKTIONAL und TERMINATIV unterschieden. TERMINATIV bezeichnet Bewegung und Erreichung des Zieles und DIREKTIONAL bezeichnet Bewegung zu einem Ziel. Die Funktionen ALLATIV und INESSIV schliessen eine bestimmte Schlussposition der Bewegung (ad oder in) ein, und sollten dadurch eher als TERMINATIV als DIREKTIONAL aufgefasst werden. Ein wichtiger Unterschied zwischen ILLATIV und ALLATIV ist aber, dass ein ILLATIV ein Überschreiten einer Grenze (in hinein) voraussetzt, was der A L L A T I V nicht tut. Dadurch stehen TERMINATIV und ILLATIV semantisch einander näher, und DIREKTIONAL und A L L A T I V . Vgl. z.B. Er geht zum Haus (DIREKTIONAL oder A L L A T I V ) Er geht in das Haus hinein (TERMINATIV oder ILLATIV). Im Gegensatz zu PERLATIV und kinetischem EXTENSIONAL wird aber mit D I R E K T I O N A L und TERMINATIV ein Ziel markiert. Der Unterschied zwischen PERLATIV und kinetisch E X T E N S I O N A L ist sehr gering. Unter kinetisch E X T E N S I O N A L wird eher die ganze Wegstrecke oder der Bereich der Bewegung einbegriffen, in dem PERLATIV wird eher die Wegstrecke oder der Bereich, wo der Bewegende sich befindet.

2.0.4. Die Realisierung der Lokalrelationen Die syntaktischen Mitspieler eines Lokalausdrucks sind das Agens und/oder das Lokalisierungsobjekt, das Verb und die Lokalbestimmung. Lokalpartikeln (Lokaladverbien, Präverbien und Adpositionen) können entweder mit dem Verb oder der Lokalbestimmung kombiniert werden, um die Lokalrelation zu modifizieren oder bestimmen. Bei der Beurteilung eines Lokalausdrucks ist es eine grundlegende Schwierigkeit zu bestimmen, was in dem Verb, was in der Kasusform und was in der Lokalpartikel angezeigt wird. Meistens drücken die

40

2. Die Funktionen der Lokalkasus

Verben eine allgemeinere Lokalisierung aus, die bei dem Kasus oder der Lokalpartikel genauer expliziert wird. Auf der Bedeutungsebene können die Bewegungsverben entweder eine bestimmte Richtung ausdrücken oder nicht. In dieser Hinsicht unterscheidet man direktionale und nichtdirektionale Verben. Die Erreichung des Zieles oder des abgeschlossenen Vollzuges des im Verbstamm ausgedrückten Vorgangs kann auf der Aktionsartsebene ausgedrückt werden. In dieser Hinsicht wird zwischen terminativen oder telischen ('ankommen') und aterminativen oder atelischen ('kommen') Verben unterschieden. Die telischen Verben unterscheiden sich von den atelischen dadurch, dass Anfang bzw. Ende der Bewegung markiert wird, und in dieser Hinsicht kann man von anfangs- bzw. endterminativen Verben sprechen. Die früher erwähnten Verben, wie 'erreichen', 'verlassen', 'überschreiten' etc., bei denen die Lokalergänzung gewöhnlich in Objektsform steht, sind problematisch, weil sie sich nicht leicht klassifizieren lassen. Diese Verbe können sich dadurch auszeichnen, dass sie nicht notwendigerweise ein räumliches Verhältnis ausdrücken, sondern die Ergänzung kann auch als Abstraktum verstanden werden.158 Um die Funktionen der syntaktischen Mitspieler eines Lokalausdrucks, d.h. des Verbs, der Kasusform oder der Lokalpartikeln, übersichtlich zusammenzufassen, möchte ich das Schema in Tabelle 5 vorschlagen.

N.B.: Die "Verb-" oder "Aktionsartsebene" umfasst nicht nur das Verb, sondern auch die Lokalpartikeln, die das Verb modifizieren, d.h. Präverbien oder Adverbia. Die Kasusebene schliesst die Satzteile ein, die mit der Lokalbestimmung verbunden sind, d.h. nicht nur das Nomen (in Kasusform), sondern auch (wenn vorhanden) Lokalpartikeln, die das Nomen modifizieren.

""Vgl. Fritz (1998:28f.).

2.0. Definition der lokalen Funktionen

41

Tabelle 5. Die Funktionen der syntaktischen Mitspieler eines Lokalausdrucks. Ausdruck/Inhalt:

Funktionaler Inhalt auf

Funktionaler Inhalt auf

der Verb- oder

der Kasusebene:

Aktionsartebene: Verlassen des Ausgangs- anfangsterminativ

SEPARATIV

punktes

ABLATIV ELATIV

Bewegung

indirektional

PERLATIV

kinetisch

EXTENSIONAL

TRANSLATIV

Bewegung auf ein Ziel

direktional

DIREKTIONAL

telisch

ALLATIV

gerichtet (das nicht notwendigerweise erreicht wird) Bewegung und Erreichung des Zieles

ILLATIV TERMINATIV

2.0.5. Gegensatz zwischen Prädikat und Lokalbestimmung Das System der Relationen eines Lokalisierungsobjekts zum Raum/Referenzobjekt kann eine unbestimmt grosse Anzahl von Kombinationen mit verschiedenen Lokalisierungsobjekten, Verben und Räumen/Referenzobjekten generieren. In besonderen Fällen kann eine Opposition zwischen dem semantischen Inhalt des Verbs und der Lokalbestimmung entstehen. Man sollte hier zwei Haupttypen entscheiden: 1. Ein (Fort)bewegungsverb kommt mit einer Lokalbestimmung, die eine lokative Relation ausdrückt, vor. 2. Ein Zustandsverb kommt mit einer Lokalbestimmung, die eine direktive Relation ausdrückt, vor. Der erste Typus kommt ziemlich oft vor. Man muss zu dieser Gruppe Bewegungen rechnen, die in einem Raum oder innerhalb der Grenzen eines Gebiets passieren. Das Problem ist bei Bartsch (1976:12lf.)

42

2. Die Funktionen der Lokalkasus

aufgenommen worden; ich gebe einige ihrer Beispiele von Fortbewegungsverben mit Lokativen Lokalbestimmungen wieder. Er läuft im Olympia-Stadion. Er reist in Afrika herum. Er fährt hinter dem Präsidentenauto. Im Deutschen wird hier eine Kasusform der Lokalisierung, Dativ, verwendet. M.B. Smith (1988) hat das Problem für den deutschen Dativ behandelt. Er unterscheidet zwischen zwei Typen von Dativen, DAT1 und DAT2. Unter DAT1 versteht er statische Lokalisierung, während er unter DAT2 Bewegung innerhalb der Grenzen eines Raumes versteht. Beispiel: Sie sassen im Park (DAT1) Wir fuhren im Wald (DAT2). Diese Relation wird einzelsprachlich oft wie die lokative Relation markiert (wie im Deutschen). Man muss jedoch mit einer enger Beziehung zu der perlativen Relation {über/entlang, durch) rechnen. Der Unterschied ist wohl von der Auffassung des Raumes (abgegrenzt oder nicht) abhängig. Man vergleiche etwa: Er schwimmt durch das Wasser (nicht abgegrenzt, PERLATIV) Er schwimmt im Bassin (abgegrenzt, LOKATIV). Die Funktion LOKATIV impliziert eine Lokalisierung und ist darum keine gute Bezeichnung für diese Lokalrelation, die eine Bewegung bezeichnet. Deswegen möchte ich hier INTRATERMINATIV vorschlagen. In diesem Terminus wird teils ein Drinnensein (durch I N T R A ) , teils eine äussere Abgrenzung (durch TERMINATIV) miteinbezogen. Im Vergleich zu INESSIV wird Lokalisierung nicht markiert. Im Gegensatz dazu können Stative Verben mit Lokalbestimmungen vorkommen, die direktive Relation ausdrücken. Ich gebe die Beispiele von Bartsch (1976:122f.) wieder: Der Wegweiser zeigt in den Wald Der Pfeil ist auf das Tor gerichtet. Anderson (1971:123f.) nimmt einen Typus "Stative directional clauses" an, zu dem Sätze wie die folgenden gerechnet werden sollen:

2.0. Definition der lokalen Funktionen

43

The road goes from London to Brighton The fog stretched from London to Brighton. In dem ersten Satz ist ein Bewegungsverb, to go, vorhanden und die Präpositionen from und to geben eine Richtung an. Trotzdem kommt eine Lokalisierung zum Ausdruck. Man findet im Tocharischen eine äquivalente Konstruktion in z.B. Β PK.AS.5D b2 klyomnai ytäri oktatsaiyamimpäkri niynücai nervänässai 'Den edlen achtfachen Pfad möge ich offenbar machen, den zur Nirväna-Stadt führenden'. Anderson nennt hier auch das Verb 'hängen', mit dem in Beispielen wie 'Das Bild hängt an der Wand' die direktive Relation auf das Verb übertragen ist. Das Verb ist für das Tocharische besonders interessant, weil hier ein ausgeprägter Richtungskasus (Allativ) verwendet wird (s. 2.2.2.).

44

2. Die Funktionen der Lokalkasus

2.1. Das tocharische Lokalsystem 2.1.0. Aufbau der Lokalkonstruktionen Es ist eine grundlegende Schwierigkeit bei dem Studium lokaler Konstruktionen im Tocharischen, dass nur selten Lokalpartikeln, vor allem Adpositionen und Präverbien, verwendet werden. Adpositionen werden meistens für sehr spezifizierte Ortsangaben verwendet. Postpositionen sind, wie auch in anderen agglutinierenden Sprachen, viel gewöhnlicher als Präpositionen.15' Die meisten Verhältnisse werden mit reinen Kasusformen ausgedrückt, und die exakte Lokalisierung ist dann von der Kasusform in Kombination mit dem Verb abhängig. Dieses gewöhnliche Nichtvorhandensein von Präverbien und Adpositionen bewirkt, dass Konstruktionen mit denselben oder ähnlichen Verben und denselben Kasusformen in einigen Fällen ganz verschiedene semantische Inhalte haben können, wie im: Β 89 a4 (te)trikuyam warttone 'Ich gehe im Walde, verwirrt' Β 44 a2wayäne serwe wartone maitar seritsi: 'Er führte ihn als Jäger, [und] in den Wald gingen sie, um zu jagen' In dem letzten Beispiel wird offenbar TERMINATIV ausgedrückt - die beiden Agentien gehen in den Wald hinein. In dem ersten Beispiel geht aber das Agens im Wald herum (INTRATERMINATIV). Dieser Unterschied wird eigentlich nur durch den Kontext verstanden. Hier wird erstens das System der "reinen Kasuskonstruktionen" (Verb und Kasusform) untersucht werden. Durch diese werden im Tocharischen die meisten Ortsangaben ausgedrückt. In Kapitel 4 werden die Adpositionen behandelt werden.

159

Vgl. z.B. K.H. Schmidt (1975:284). Zu dieser Diskussion s. Hackstein (1997).

2.1. Das tocharische Lokalsystem

45

2.1.1. Die tocharischen Lokalkasus Lokale Verhältnisse werden im Tocharischen vor allem mit den Kasus Perlativ, Ablativ, Lokativ, Obliquus und Allativ ausgedrückt.'60 Diese Kasus verteilen sich unter den lokalistischen Grundfunktionen L O K A TIV, DIREKTIONAL, SEPARATIV und PERLATIV in folgender Weise: a. Der Ablativ entspricht völlig der Funktion SEPARATIV ohne Unterschied zwischen in oder ad-Position des Ursprungs (=ABLATIV oder ELATIV). 1 6 1

b. LOKATIV (Lokative Relation) wird zuerst mit Perlativ und Lokativ bezeichnet. Hier markiert im grossen und ganzen Perlativ ad-Position und Lokativ /n-Position des Lokalisierungsobjektes im Verhältnis zum Raum/Referenzobjekt (= ADESSIV oder INESSIV), wie in: A 345 a3f. okättmämnä(kta)n... näkcinäs wämp(u)ncäs y[ukas]ä ... nemisinäs kuklasam Imos '... 80 000 Götter ... auf himmlischen, geschmückten Pferden (Perlativ) ... [und] in juwelenen Wagen (Lokativ) sitzend...' c. Für die Funktion PERLATIV wird hauptsächlich Perlativ benutzt, wie in: A 1 b2pänkursärwäärsläsyorarkusämtkanäkalk: '...ging er fünf Meilen weit (Obliquus) über von Schlangen (Instrumental) bedeckte Erde (Perlativ).' Perlativ kommt auch vor, obwohl es sich offenbar um einen T R A N S LATIV handelt (Bewegung durch): Β 41 b5f. melemtsa yaipwa yentem körne stamsäm 'Die durch die Nase (Perlativ) eingedrungene Winde stellt er in der Kehle (Lokativ) fest.'

I60

Kölver (1965:23-24) nimmt auch eine lokale Verwendung des Instrumentals an, die aber auf Grund der wenigen angegebenen Beispiele kaum beweisbar ist. Vgl. oben 1.1.9.4. 161 Ich weise auf Kolver (1965:132-150, vor allem 133-142) hin.

46

2. Die Funktionen der Lokalkasus

Ein Obliquus kommt in A ytar i- 'einen Weg (entlang) gehen' vor, für diese Konstruktion s. weiter 2.3.1.6.1. d. Die direktive Relation, d.h. DIREKTIONAL/ALLATIV wie auch T E R (vgl. die Diskussion in 2 . 0 . 2 - 2 . 0 . 4 ) , ist dagegen im Tocharischen komplizierter. In verschiedenen Konstruktionen, mit verschiedenen Räumen/Referenzobjekten, werden Obliquus, Perlativ, Lokativ und Allativ abwechselnd benutzt, und es ist manchmal schwierig, eine deutliche Grenze zwischen den verschiedenen Verwendungsweisen aufzustellen. Vorläufig können wir davon ausgehen, dass Perlativ ALLATIV (ad-Position des Zieles) und Lokativ ILLATIV (m-Position des Zieles) entspricht. Grundsätzlich wäre dann kein Unterschied zwischen Bewegung und Lokalisierung gemacht, sondern die in- bzw. aJ-Position des Lokalisierungsobjektes zum Raum/Referenzobjekt scheint wichtig zu sein. Das ist gegenüber den anderen indogermanischen Sprachen ziemlich bemerkenswert, wie Kölver (1965:97, über Lokativ) aufzeigt: MINATIV/ILLATIV

"Hier zeigt sich wiederum, dass der der Indogermania so geläufige Unterschied zwischen Lokalis und Direktivus, dem Ruhen in einem Punkt oder Bereich und der Bewegung in ihn hinein, im Toch. auch beim Lok. nicht zum Ausdruck kommt."

und (1965:30, über Perlativ): "Je nach der semantischen Geltung des regierenden Verbs (Ruhelage oder Bewegung) werden Punkt oder Erstreckung ausgedrückt."

Dieses Problem, wie die Bewegung zu einem Ziel hin und/oder das Erreichen dieses Zieles im Tocharischen ausgedrückt wird, ist ein zentrales Thema dieser Studie und wird deshalb im weiteren Verlauf eingehend behandelt. Der Ablativ ist, wie schon angedeutet, recht unproblematisch und wird deshalb nicht mit in die Untersuchung, die sich mit Lokalisierung und Richtung beschäftigt, einbezogen. Die Kasus, von denen die Rede sein wird sind folglich: Obliquus, Perlativ, Lokativ und Allativ.

2.1. Das tocharische Lokalsystem

47

2.1.2. Die Funktionen der tocharischen Lokalkasus 2.1.2.1. Obliquus der Richtung Für allgemeine Ortsangaben kommt im Tocharischen ein Obliquus der Richtung mit Bewegungsverben vor.1" Diese Funktion entspricht dem Akkusativ der Richtung der anderen indogermanischen Sprachen (Altindisch, Griechisch, Latein etc.): α) Mit AB i- 'gehen' A 15 a2f. äntä(ne wa)s älu ype kälkämäs 'Wenn wir in ein Land (Obliquus) von anderen gehen,...' Β 23 b2 (äyor)sälestekaräsynücam cem wnolmemtsä '(Gabe) ist das Salz für diese in den Wald (Obliquus) gehenden Wesen' Es ist zu bemerken, dass der Obliquus der Richtung nur mit einer begrenzten Anzahl von Verbalwurzeln vorkommt. Am häufigsten ist AB i- 'gehen'.163 Die Ausdrücke Α äluypei- 'in ein Land von anderen gehen' und A kälymeΒ kälymi i- etc. 'in eine Richtung gehen' scheinen z.T. erstarrt zu sein.164 AB räm- 'neigen' kommt in Α tkamräm- Β kem räm- '(sich) zur Erde neigen' vor (A 10 b6, A 159 a2, A 174 a6, Β 33 b4 und Β 246 a2f.165). Dazu auch: A YQ 1.19 a8 ////tkam rmoräs tränkäs II '...having bowed to the ground... says:' Belegt ist auch einmal A nam- 'sich (ver)neigen' in tkamnäm- 'sich zur Erde verneigen' (A 257 a7).166 Α käm- 'kommen' in A 72 b3167 las(tank) kam-16" 'zum Richtblock kommen',169 A yow- 'eintreten' in A 62 a2 käpne solntu (yo)wäs11" '[er] 162

AB i- A ak-lwa- Β äk-/wäy-, AB käl- Α yow- Β yäp-/yop-, AB tä-, Α näm-, AB räm-, Αkärp-, Β spärtt-. Aufzählung nach Thomas (1983b:9 Fn. 8). 163 Thomas (1983b:9-l 1). ""Thomas (1983b:12-14). S. weiter 2.3.1.9.1. und 2.3.1.10.1. '"Thomas (1983b:ll). 166 Thomas (1983b: 12).

48

2. Die Funktionen der Lokalkasus

ist in liebe Leben (eingetreten)'171 sind auch nur als Hapax-Beispiele belegt, und die Konstruktionen sind auch z.T. ergänzt. Eine Parallele zu A 62 a2 oben (A yow- mit dem Obliquus) ist aber die Stelle A YQ 1.36 a5172 IUI- sla nawem : mräc yämnis'n nipuk ka[ps](ani)//H 'mit Lärm tritt es mir zum Kopf (oder in den Kopf hinein), der ganze Körper...'. Α kärp- 'herabsteigen' in A 66 b4 kärnas kompärkäncäm kälyme riyis swayamparsim lameyam 'steigt herab ... in die östliche Gegend der Stadt (Obliquus) an den Platz (Lokativ) des Svayamvara' ist auch Hapax. In dieser Passage sind zwei Lokalbestimmungen gegeben, und es bleibt offen, ob kärp- zu dem Obliquus oder zu dem Lokativ hört. Für den Obliquus in Α ytär i- Β ytäri i- 'einen Weg gehen', s. 2.3.1.6.1. Zum Obliquus der Richtung zählt Thomas auch die Konstruktionen mit AB läk- 'sehen' (1983b: 14). Dieses Verb kann aber als zweiwertig betrachtet werden, das ein direktes Objekt mit sich führt. Es bleibt offen, wie Konstruktionen wie Α opyäckäl- Β ep(i)yackälwörtlich '(in) Erinnerung führen, bringen' = 'sich erinnern'174 und A kas tä- Β kestä- wörtlich '(in) Zahl legen' = 'erwägen, betrachten'175 zu betrachten sind. Die Transportverben AB käl- bzw. AB tä- sind grundsätzlich zweiwertig, und man sollte demnach eher den Obliquus als direktes Objekt betrachten. Problematisch sind Konstruktionen wie Β pintwät i- 'den Almosengang gehen', Β pintwätyäp- 'den Almosengang antreten', Β pintwät käm- 'den Almosengang kommen','76 die mit einwertigen Bewe-

167

Sieg - Siegling (1921:42) a3. '6* Bemerke, dass der Obliquus in diesem Beispiel eine Ergänzung ist. ""Thomas (1983b: 18). 170 Die Verbform in diesem Beispiel ist eine Ergänzung. 171 Thomas (1983b:19). 172 Ji - Winter - Pinault (1998:206). MSN, nicht identifiziert. 173 Es sollte sich nach Winter um eine neue Präsens-Bildung drehen. 174 Thomas (1983b: 16). '"Thomas (1983b: 19). 176 Thomas (1983b: 14f.).

2.1. Das tocharische Lokalsystem

49

gungsverben konstruiert sind, wo aber im Grunde keine Richtung ausgedrückt wird. Ferner hat man Konstruktionen wie A wast säm- Β ost säm- 'Haushalter sein' oder Β ompalskonne säm- 'in Meditation sitzen', wo ein Zustandsverb mit einem Obliquus kombiniert wird. Man muss hier überlegen, wieweit die Lokalverben als zweiwertig zu betrachten sind.177 Es kann sein, dass wir hier innerhalb des Tocharischen mit einer Grammatikalisierung zu tun haben, wo eine Konstruktion Lokalverb (einwertig) + Lokalergänzung als Lokalverb (zweiwertig) + Objekt interprätiert wurde.

2.1.2.2. Perlativ Der tocharische Perlativ bezeichnet zuerst ad-Position, einerlei ob Zustand oder Bewegung. Der Perlativ wird von Kölver (1965:29) auf folgende Weise beschrieben: "Durch den Perl, wird zunächst der Ort bezeichnet, an dessen Oberfläche die Handlung sich vollzieht, ein Sachverhalt, wie er etwa im Deutschen durch die Präpositionen an, auf ausgedrückt wird."

Der Perlativ wird dadurch für nutzt.

2.1.2.2.1.

PERLATIV, ADESSIV

und

ALLATIV

be-

PERLATIV

markiert eine Bewegung entlang oder über, wo entweder Anfang oder auch Ende einbegriffen sein können. Die folgenden Beispiele sind mit Bewegungsverben konstruiert, wo der Perlativ mit dem Verbum AB i- 'gehen, sich bewegen' steht. In A 1 b2 wird durch 'fünf Meilen' eine räumliche Abgrenzung angegeben, in A 15 a6 aber nicht: PERLATIV

177

Vgl. Winter (1980a:435f.).

50

2. Die Funktionen der Lokalkasus

α) Mit A i- 'gehen' A 1 b2pänkursärwä"'ärsläsyorarkusämtkanäkälk '...ging er fünf Meilen weit (Obliquus) über von Schlangen (Instrumental) bedeckter Erde (Perlativ).' A 15 a6 (mä)skit älakäncam tsopatsäm wratn candamsim or lakä ymämpälkoräs'... sah Prinz (Vlryavän) in einem fremden grossen Wasser (Lokativ) einen Sandelbaum am Ufer entlang (Perlativ) treiben.' ß) Mit Β yärt- 'zerren' Β 88 a3f. 11 tane rudrasarme brähmane ·portsaisa u[tta](rem mncu)skemenkormemts[αJkatsaikemtsa orkäntaiyärttane II 'Nachdem da der Brahmane Rudrasarman den (Prinzen) Uttara am Gürtel ergriffen hatte, zerrte er ihn über den dornigen Erdboden (Perlativ) hin und her.' 2.1.2.2.2.

ALLATIV

Die Funktion A L L A T I V , d.h. wo eine Bewegung in einer ad-Position resultiert, wird mit Perlativ ausgedrückt. Dieser Kasus ist sowohl mit einwertigen Bewegungsverben ('gehen', 'kommen' etc.) als auch mit verschiedenen Transportverben ('giessen' etc.) belegt, α) Mit Β kam-'kommen' Β 560 a4f. panäkte kässl änandemmpa sesa erkenmasa sem 'Der Buddha, der Meister, kam zusammen mit Änanda (Komitativ) zur [an die] Leichenstätte (Perlativ).' ß) Mit Α klä(w)- Β kläy- 'fallen' A 356 b4 [t]kanäklä- 'Er fiel zur Erde (Perlativ).' Β 86 a2 ////kentsa/c/äya 11 'Er fiel zur Erde (Perlativ).' γ) Mit Α pärs-'besprengen' A 12 dA(tmäk sa)s äleyam wrä nesset yämtsät äyämtwä papärss ats '(Sofort) besprach der eine in [seiner] Handfläche (Lokativ) Wasser [und] sprengte es nur über die Knochen (Perlativ).'

""Für eine Deutung Obliquus und nicht Perlativ, vgl. 1.1.2.5.

2.1. Das tocharische Lokalsystem

51

6) Mit A ku- 'giessen' A 24 a5 wär puttisparsinäm kapsimnä sosäm '... [und] das Wasser goss er ihm auf den buddhaschaftlichen Körper (Perlativ).'

2.1.2.2.3.

ADESSIV

d.h. Lokalisierung in ad-Position (mit Zustandsverben bzw. nichtlokalen Verben), wird im Tocharischen zuerst mit dem Perlativ ausgedrückt: a. Zustandsverben α) Mit Βkäly- 'stehen, sich befinden' Β 51 b6////kenaurtsatäwsaklyencasmersle'...diebreite Erde [und] auf ihr (Perlativ) stehend der Sumeru-Berg...' ß) Mit Α säm- 'sitzen' A 92 b2////(ä)tyäsäImonast: '...auf Gräser (Perlativ) hast du dich gesetzt'.

ADESSIv,

b. Nichtlokale Verben Β Η. 149.26/30 a3f. awisässai kentsaka sp säswat oko warpoymar c[e](m)tspakäna'... und sogar in der Avici -Erde die Frucht möchte ich auch eben geniessen um deretwillen.'

2.1.2.3. Lokativ Mit dem Lokativ werden zuerst die /«-Funktionen entsprechend den ad-Funktionen des Perlativs ausgedrückt. Das heisst, dass wir in verschiedenen Beispielen INESSIV und ILLATIV finden. 2.1.2.3.1. ILLATIV Für ILLATIV, d.h. wo eine Bewegung in einer in-Position resultiert, gibt es zahlreiche tocharische Belege: a. Mit Bewegungsverb, Β yäp- 'eintreten' Β 133 a3 : (ma)ssä yopsäpudnäkt[e] r[i]n(e)//// 'Buddha ging und trat in die Stadt (Lokativ) ein'

52

2. Die Funktionen

der

Lokalkasus

b. Mit Transportverb, Β ta- 'setzen, legen' Β 421.1 a 'käntwässe sarTr cau patne tessa · 'Er legte eine Zungenreliquie in den Stüpa (Lokativ)'

2.1.2.3.2. I N E S S I V Für INESSIV, d.h. eine Lokalisierung in /«-Position, gibt es auch zahlreiche Belege im Tocharischen: a. Mit Zustandsverb, Α käly- 'stehen, sich befinden' A 68 a6 oppal kälytär krätkälam bodhisatt(u kapsi)nam '[Wie] ein Lotos in einem Teich (Lokativ) befindet sich der Bodhisattva im Körper (Lokativ)'. b. Mit nichtlokalem Verb Β 44 a5 [Iwäsa]kausämnkewa.[rt]ont: 'tötet jetzt Tiere im Walde' 2.1.2.3.3. ILLATIV/INESSIV mit Abstrakta Lokativ wird gebraucht, wenn das Ziel der Bewegung oder das, in dem man sich befindet, ein Abstraktum ist.179 A 57 bl llll(päcar mä)cräs lyutär esäntäs wrasassi pruccamos näntsus casäkcmolam '...[sind sie] mehr als (Vater [und] Mutter) unter den gebenden Wesen überlegen geworden schon in dieser Geburt (Lokativ).' Β 600 a4 kuce tupo cmelane ketara kartses alälätte mäsketär '.. .weil er in allen Geburten (Lokativ) zum Heil eines anderen unermüdlich ist.'

2.1.2.4. Allativ Der Allativ wurde früher "Dativ" genannt, da dieser Kasus in Bilinguen oft einem altindischen Dativ entspricht. Es ist auch richtig, dass der Allativ grundsätzlich viele Funktionen eines Dativs trägt, gramma179

Eine Bewegung hinein kann hier auch mit dem Allativ ausgedrückt werden. S . weiter 2.3.6.

2.1. Das tocharische Lokalsystem

53

tische sowohl als konkrete. In späteren Publikationen wird der von Pedersen (1941:83) vorgeschlagene Terminus "Allativ" gebraucht.11,0 Der Allativ kommt sehr oft in lokalen Konstruktionen vor. Hier kommt der Allativ nur in Frage, wenn es sich um eine Bewegung eines Lokalisierungsobjekts zu einem Ziel handelt (DIREKTIONAL). Der Unterschied zwischen ILLATIV und ALLATIV wird nicht markiert."" A 56 &l////(mäski kälkä)lyäm tkanac yäl ci 'Zu einem (schwer begehbaren Ort (Allativ) musst du gehen...' Β 109 b{////[η]y(a)[g]r[οJdhäräm saiikrämis yatsi omtsate'Er begann, zum Kloster Nyagrodhäräma (Allativ) zu gehen.' Der Allativ kommt hier zu einem gewissen Grade in Konkurrenz mit dem Obliquus der Richtung und bzw. auch dem Lokativ und dem Perlativ vor, und der Unterschied zwischen den hier benutzten Verwendungsweisen dieser vier Kasus ist eines der schwierigsten Probleme der tocharischen Kasussyntax. Das heisst, dass wir mit denselben Bewegungsverben, wie AB i-, körn- oder kärp-, in verschiedenen Konstruktionen abwechselnd Lokativ, Perlativ, Allativ und Obliquus finden können.182

2.1.2.5. Tendenzen bei der Wahl des Zielkasus Für den Gebrauchsunterschied zwischen den vier oben angebrachten Kasusformen gibt es aber deutlich allgemeine Tendenzen: 2.1.2.5.1. Allativ Allativ wird gebraucht, wenn: a. Das Ziel ein Lebewesen bezeichnet: A 299 a7 ////(sä)we fiäktan kumsenc napemsac : '...die (grossen) Götter kommen zu den Menschen (Allativ).'

180

Der Terminus "Dativ" wird noch bei Winter verwendet. (1967:2250). 181 S. Kölver (1965:79f.). ,82 Vgl. Kölver (1965:165-167).

S.

z.B.

Winter

54

2. Die Funktionen der Lokalkasus

Β 42 a6[mam]antaspalskosasem arsaklaiscä: 'Mit erzürntem Denken kam er zu der Schlange (Allativ).' b. Die Richtung oder Bewegung zu dem Ziel im Fokus ist:183 A 259 a2 yäs kompärkäntac 'Er geht gegen den Sonnenaufgang (Allati v).'

2.1.2.5.2. Lokativ Lokativ wird erstens nach 2.1.2.2. oben verwendet, in Konkurrenz mit dem Obliquus und dem Allativ, wenn: a. die Erreichung des Zieles vollbracht ist (TERMINATIV) Β 23 b7 mä no pakwäri näkcye saissene yanenta skt. = na vai kadäryädevalokamvrajanti"4 'Die Schlechten gehen gewiss nicht in die göttliche Welt (Lokativ)'185

2.1.2.5.3. Obliquus Der Obliquus bezeichnet in den meisten Fällen allgemeine Ortsangaben. In Konkurrenz zwischen Obliquus und Lokativ bezeichnet der Lokativ eine präzisere Ortsangabe, wie in: A 66 b4 ////kärnas kompärkäncäm kälyme riyis swayamparsim lameyam: 'steigt herab in die östliche Gegend (Obliquus) der Stadt an den Platz (Lokativ) des Svayamvara'

183

Kölver (1965:78): "Wie eine Konfrontation von All. und Lok. bei solchen Verben [seil. Bewegungsverben] zeigt, heben sich beide Kasus deutlich voneinander ab. Während der Lok. ein an die Bewegung sich anschliessendes Verweilen innerhalb des durch ihn ausgedrückten Ortes meint, bezeichnet der All. die Richtung auf diesen Ort hin. Das bedeutet, dass die Erreichung des Zielpunktes bzw. der Eintritt des Satzsubjektes in ihn hinein durch den All. zunächst nicht ausgedrückt wird." "...steht der All. vor allem dann, wenn von einer im Vollzug befindlichen oder erst intendierten Handlung die Rede ist." 184 Udv. X, 2a. Thomas (1983b:21). 185 Kommentar s. Thomas (1974a:122). S. weiter 2.3.1.2.1.

2.1. Das tocharische Lokalsystem

55

2.1.2.6. Grundlegende Probleme Wenn man die verschiedenen tocharischen Textbelege untersucht, kann man bald sehen, dass es bei diesen früheren beschriebenen Kasusverwendungen viele grundlegende Probleme gibt: 2.1.2.6.1. Unterschiede zwischen den Lokalkasus Ist der Unterschied zwischen Allativ, Lokativ oder Obliquus als Zielkasus immer deutlich? Wie oben in 2.1.1 .d. und 2.1.2.4. angedeutet, kann die direktive Relation entweder mit Allativ, Lokativ, Obliquus oder auch Perlativ ausgedrückt werden. In den folgenden drei Beispielen kommt das Bewegungsverb i- 'gehen' mit Α wärt Β wartto 'Wald' als Raum/Referenzobjekt im Obliquus, Lokativ bzw. Allativ vor. Ein Bedeutungsunterschied lässt sich kaum feststellen. Vergleiche etwa: Β 90 a6 ////[wajrttoynema[ne]resken ysära: '...in den Wald (Obliquus) gehend, fliessen mir Blutstropfen]' Β 44 a2 wayäne serwe wartone maitar seritsi'... Er führte ihn als Jäger, [und] in den Wald (Lokativ) gingen sie zu jagen.' A 77 a 1 II tmässämsarumä[t]n(e)wärtac (kälk) '...Darauf [berichtete] der Jäger, wie er zum. Walde (Allativ) (ging), Vergleiche auch die folgenden Beispiele, mit Α käm- 'kommen' und A napem 'Mensch': A 168 b3 llllwtäk napem sam kumsehc '...sie kommen wiederum unter die Menschen (Lokativ).' A 299 a7 fiäktan kumsenc napemsac: 'Die Götter kommen zu den Menschen (Allativ)' Dieses Problem ist nach Thomas (1983b:21) folgenderweise zusammengefasst: "Dabei ist nicht zu übersehen, dass es durchaus Berührungen und Überschneidungen gibt; die Übergänge sind eben bisweilen fliessend, so dass es manchmal doch sehr von der subjektiven Auffassung des Übersetzers und Interpreten abzuhängen scheint, welchem Kasus in einem fraglichen Fall der Vorzug zu geben ist."

56

2. Die Funktionen der

Lokalkasus

2.1.2.6.2. Bedeutet Richtung/Stativität keinen Unterschied? Wie oben in 2.1.1 .d. indiziert, wird die Opposition Bewegung bzw. Lokalisierung in dem Kasusgebrauch des Tocharischen nicht markiert. Die folgenden fünf Beispiele aus Tocharisch Α für wast 'Haus' indizieren aber, dass der Unterschied zwischen Richtung/Lokalisierung in dem Kasusgebrauch gekennzeichnet sein könnte: a. DIREKTIONAL/TERMINATIV

A 5 a5pekantyamträcäreswasälokityes 'ein Maler ... als Gast in das Haus (Perlativ) eines Mechanikers ging.' A 9 a4 niwastäkäkärpuses 'in meinem Hause (Perlativ) war er abgestiegen' A 89 b5 wastäye(fic) 'sie gingen in das Haus (Perlativ)' b. LOKATIV

A 3 a4 päk wastam wärpitär 'Einen Teil soll man im Haus[halt] (Lokativ) gemessen,...' A 5 a6 pkäntäk wastam lake raksäm'.. .deckte ihm für die Nacht abgesondert in seinem Haus (Lokativ) ein Lager,...'

2.1.2.6.3.

Ist der prinzipielle Unterschied ad versus in immer durchgeführt? Wie oben in 2.1.1.b. und 2.1.I.e. gezeigt worden ist, wird die inbzw. ad-Position des Lokalisierungsobjekts im Verhältnis zum Raum im Tocharischen durch Lokativ bzw. Perlativ markiert. In den folgenden Beispielen, mit zwei verschiedenen Wörtern für 'Insel', kann aber der Kasusgebrauch nicht dadurch erklärt werden: A 1 b2 : tmäs räkstässi dvipam yes 'Dann ging er auf die Insel der Räksasas (Lokativ),...' A 1 a5 nemisim prankä yes 'Er ging auf die Juweleninsel (Perlativ)...'

2.1. Das tocharische Lokalsystem

57

2.1.2.6.4. Unerklärte Konstruktionen Wie sollte man z.B. den Kasusgebrauch in der folgenden Konstruktion erklären? A 8 a3f. knu[k](am spa)rpyo spinac länkmäm '...mit einem Strick um den Hals (Lokativ), an einem Nagel (Allativ) hängend.'

2.1.3. Motivation und Organisation der folgenden Untersuchung 2.1.3.1. Motivation der Untersuchung Mit den Annahmen von Kölver und Thomas (s. 2.1.1.d. und 2.1.2.6.1) im Sinn, war die ursprüngliche Absicht dieser Untersuchung, näher zu prüfen, ob Richtung bzw. Lokalisierung wirklich nicht, wie in vielen anderen Sprachen, in dem tocharischen System der Lokalkasus markiert wird. Im Grunde genommen muss man davon ausgehen, dass besonders Tocharisch B, aber wahrscheinlich auch Tocharisch A, zu der Zeit unserer bewahrten Texte lebendig gesprochene Sprachen waren. Von den bei uns gut bekannten lebenden Sprachen, wie z.B. Deutsch, Englisch oder Schwedisch, wissen wir, dass es in dem Lokalausdruck ganz enge Grenzen der Beliebigkeit gibt. Wenn wir bei einer Lokalangabe eine andere Präposition oder (im Deutschen) eine andere Kasusform benutzen, ergibt es einen anderen Sinn. Dadurch können wir grundsätzlich auch davon ausgehen, dass die Lokalangaben in unseren bewahrten Texten nicht von "der subjektiven Auffassung des Übersetzers und Interpreten" (Thomas 1983b:21) abhängig waren, sondern dass ein unterschiedlicher Kasusgebrauch, auch unter offenbar übereinstimmenden Umständen, sinnvoll sein sollte. Fehler oder schlechte Kenntnis der Sprache seitens der Übersetzer können natürlich nicht ausgeschlossen werden. Wir sollten aber nicht davon ausgehen, dass die Übersetzer eine schlechte Kenntnis der tocharische Sprache hatten, oder programmatisch eine treue Haltung gegenüber dem (Sanskrit)original zeigen wollten. Bilingue Texte weisen eine grosse Autonomie im Verhältnis zum Original auf.

58

2. Die Funktionen der

Lokalkasus

Obwohl Tocharisch, wie schon in 2.1.0. ("Aufbau der Lokalkonstruktionen") angedeutet worden ist, hauptsächlich das System der Lokalkasus benutzt, um die meisten Ortsangaben auszudrücken, werden auch Adpositionalphrasen verwendet, besonders für spezifische oder komplizierte Lokalrelationen. Die Absicht hier war, diese Konstruktionen mit den reinen Kasuskonstruktionen zu vergleichen. Die lokalen Adpositionen (der Richtung und der Lokalisierung) und die Adpositionalphrasen werden in Kapitel 4 behandelt. Die Beispiele sind aber hier etwas anders organisiert als die Lokalangaben der reinen Kasus in Kapitel 2. Das dritte Problem, das hier in Kapitel 3 aufgenommen wird, ist die Verwendung der Lokalkasus in Temporalangaben. Die ursprüngliche Absicht war zu versuchen, im Lokal- bzw. im Temporalsystem übereinstimmende Muster ausfindig zu machen.

2.1.3.2. Die Organisation der Untersuchung Bei der Sammlung verschiedener lokaler Beispiele entsteht erstens die Frage, wie die Daten organisiert werden sollen. Die hauptsächlichen syntaktischen Mitspieler lokaler Konstruktionen sind das Verb, das Lokalisierungsobjekt und der Raum/das Referenzobjekt. In den meisten Konstruktionen kann man annehmen, dass die Kasuswahl teils von der Relation des Lokalisierungsobjekts zum Raum (die grundsätzlich durch das Verb ausgedrückt wird), teils von der Form/Beschaffenheit des Raumes abhängig ist. Die Untersuchung von Kölver (1965), auf dessen Lokal- und Temporalkapitel diese Arbeit im Grund beruht, ist ausschliessend nach den Verben organisiert, unabhängig von der Relation zwischen Verb und Lokalergänzung oder Lokalangabe. Das heisst, dass die Ortsangaben bei Kölver bald nach Lokalverben, bald nach anderen Verben, von denen die Lokalangaben in verschiedenem Grad abhängig sein können, organisiert sind. Die vorliegende Untersuchung hat im Grunde einen anderen Ausgangspunkt: weil die beiden Entitäten Beschaffenheit des Raumes/Referenzobjektes und Relation des Lokalisierungsobjekts zum

2.1. Das tocharische

Lokalsystem

59

Raum/Referenzobjekt bei einem Lokalausdruck von gleichem Gewicht sind, werden die Lokalausdrücke der reinen Kasuskonstruktionen hier erstens nach den verschiedenen Räumen/Referenzobjekten und zweitens nach den Raumrelationen organisiert. Die Abschnittsnummern in Kapitel 2 sind darum erstens nach den verschiedenen Räumen/Referenzobjekten und zweitens nach den tocharischen Lokalkasus organisiert. Ziffern in [ ] betreffen verschiedene Bedeutungen oder Verwendungen der Wörter. Was die Ordnung der Referenzobjekte unter sich angeht, werden sie erstens in freie, offene Räume und danach in Gebäude eingeteilt. Diese Einteilung ist, wie auch die gegenseitige Ordnung der Räume/Referenzobjekte, zum Teil beliebig: 'Weg', 'Strasse' und 'Garten' werden unter "freie, offene Räume" gruppiert, 'Stadt' und 'Dorf aber unter "Gebäude". Danach werden verschiedene (meistens verstellbare) Referenzobjekte der physischen Umwelt, wie 'Stuhl', 'Stein' etc. unter "sonstige (verstellbare) Referenzobjekte (Geräte etc.)" studiert. 2.4 umfasst Körperteile, 2.5 Lebewesen, 2.6 Abstrakta und 2.7 Namen. Diese Einteilung ist α priori."6 In der Zusammenfassung (2.3.3.14.), "Kasusverwendung bei Räumen/Referenzobjekten", wird eine genauere Einteilung der Räume/Referenzobjekte nach der Form/Beschaffenheit und dem Kasusgebrauch durchgeführt. Die zweite Untergruppe (mit lateinischen Buchstaben) betrifft die Relationen des Lokalisierungsobjekts zum Raum/Referenzobjekt, meistens als semantische Kasusrelationen (Lokativ etc.) angegeben. Die Einteilung hier, z.B. ob in einem Einzelfall TERMINATIV oder DiREKTIONAL beabsichtigt wird, hat sich ab und zu als schwierig erwiesen, weil der Unterschied nicht völlig durch den Kontext verstanden werden kann. Drittens werden die Beispiele nach den Verben klassifiziert (mit griechischen Buchstaben). Nur Lokalverben, d.h. Verben, die eine Beziehung zur Lokalangabe haben, werden mit eigenen Abschnitten aufgenommen. Wenn das Verb nicht zur räumlichen Bedeutung der Lokalangabe beiträgt, oder die Lokalangabe selbst eine Bestimmung einer anderen Lokalangabe ist, sind die Verben nur im Ausnahmefall 186

Vgl. aber Starke (1977:42f„ 65f.).

60

2. Die Funktionen der

Lokalkasus

gegeben. Ich weise auch auf das alphabetische Sachregister der Verben (s. 429), wie auch auf die Übersicht über die tocharischen Lokalverben im Material (2.2.0.) hin. Die zweiten und dritten Untergruppierungen sind nicht immer konsequent durchgeführt, da einige Beispiele sich nicht einfach klassifizieren lassen, sondern eine eingehendere Diskussion erfordern. Unter 2.2.1.-2.2.3. sind einige Konstruktionen nach den Verben organisiert, weil der Kasus in der Lokalergänzung mit diesen Verben offenbar in höherem Grad vom Verb abhängig ist. Die Verben, die in diesem Kapitel behandelt werden, sind nicht nur im Tocharischen von besonderer Art: 'hängen', 'binden', 'werfen', 'sich fügen' etc. Vgl. die Diskussion dort. Kapitel 3 ist eine Untersuchung der Temporalangaben. Das Ziel dieser Untersuchung ist zu prüfen, ob im Tocharischen ein Zusammenhang zwischen dem Lokal- und dem Temporalsystem besteht. Die Beispiele sind im Prinzip wie die Lokalangaben oben organisiert, d.h. nach den verschiedenen Zeitausdrücken. Kapitel 4 behandelt die Lokalausdrücke mit Adpositionen. Die Beispiele sind hier anders als in den früheren Kapiteln organisiert, weil sie von den Adpositionen ausgehen. Wie in Kapitel 2 betrifft die zweite Untergruppe (lateinische Buchstaben) die Raumrelationen (als semantische Kasusrelationen angegeben) und die dritte Untergruppe (griechische Buchstaben) die Lokalverben. Die Untersuchung ist, wie die in Kapitel 2 und 3, auf Adpositionen der Lokalisierung bzw. Richtung konzentriert.

2.1.4. Zusammenfassung: Parameter für die Kasuswahl Bei der Kasuswahl im Tocharischen gibt es wie folgt verschiedene Parameter, die die Wahl eines Lokalkasus beeinflussen und die in einer genaueren Untersuchung beachtet werden müssen: a. Das Verbum, d.h. die Valenz und Semantik des Verbums im Satz.

2.1. Das tocharische Lokalsystem

61

b. Aspekte der Bewegung, die anzeigen, wo sich der sich Bewegende innerhalb der Bewegung befindet, wie auch die Absicht der Bewegung. c. Die Form/Beschaffenheit des Raumes/Referenzobjektes. Ist der Raum offen oder geschlossen? Ist eine genauere Beschreibung angegeben? Ist ein Name angegeben? Ist die Ortsangabe im Verhältnis zu einer anderen Ortsangabe angegeben? etc. d. Sprachliche Erwägungen. Es muss auch in Betracht gezogen werden, ob das Wort z.B. ein Lehnwort ist oder nicht, ob die Konstruktion eine 'Figura Etymologica' oder ein erstarrter idiomatischer Ausdruck ist. e. Der Originaltext. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Kasuswahl in vielen Fällen von der Sanskritvorlage beeinflusst sein könnte. Im allgemeinen weisen aber bilingue Texte eine grosse Autonomie der Syntax in der tocharischen Übersetzung auf. f. Dialektale/lokale Unterschiede. Obwohl die Übereinstimmung zwischen Α und Β sehr gross ist, muss man natürlich auch damit rechnen, dass es Unterschiede gibt. Es ist auch möglich, dass es innerhalb Α oder Β lokale Unterschiede geben kann.

2.1.5. Übersicht über das Textkorpus Der tocharische Textkorpus ist umfangreich genug, um mit ziemlicher Gewissheit einen sprachlichen Gebrauch feststellen zu können. Die Zugänglichkeit der Texte ist aber, auf Grund des Mangels an Kommentaren und Übersetzungen, begrenzt. Ein Lexikon oder Index Verborum der Berliner und Pariser Texte ist seit langem ein Desideratum. Viele Publikationen, wie das Lexikon von Poucha (1955), die Veröffentlichung der Londoner Texte von Broomhead (1964ab) oder die Publikationen von Levi (1933) und Filliozat (1948) enthalten immer wieder schlechte Lesungen und Übersetzungen, die auf die eine oder andere Weise korrigiert werden müssen. Im folgenden gebe ich eine Übersicht der in dieser Studie benutzten Texte.

62

2. Die Funktionen der Lokalkasus

2.1.5.1. Tocharisch A Für die Berliner Texte (A 1-467) gibt es den Index Verborum von Poucha (1955), der, trotz schlechter Lesungen und Übersetzungen, sehr brauchbar ist. Was Übersetzungen/Kommentare zu den A-Texten betrifft, sollen hier erwähnt sein: 1. Die Übersetzungen bei Sieg (1944) und (1952). 2. Die Texte in KT II. Zu diesen Texten habe ich Übersetzungen von Pinault (1997b) benutzt. 3. Verschiedene Studien, vor allem von Pinault (1990a), (1994a), (1997a), (1999a) und Ji - Winter - Pinault (1998) über die Maitreyasamitinätaka-Fragmente. 4. Übersetzungen einzelner Textbelege in den Arbeiten von Thomas (1957) etc., Bernhard (1958), Kölver (1965), Stumpf (1971), Dietz (1981), Hackstein (1995), Knoll (1996) etc. 5. Verschiedene Publikationen, Kommentare und Übersetzungen der YQ-Fragmente im Xinjang Museum, Urumchi: Ji (1982, 1987, 1988, 1989a, 1989b), Thomas (1989, 1990, 1991) und Pinault (1990a, 1991a, 1994a, 1997a, 1999a). Am wichtigsten ist hier die Publikation von Ji - Winter - Pinault (1998).

2.1.5.2. Tocharisch Β Was das B-Material betrifft, ist die Situation schwieriger. Für die Berliner Texte war früher nur ein Index Verborum in der kompletten Veröffentlichung der Udänälankära-Fragmente (B 1-71) von Sieg Siegling (1949ab) (mit Übersetzung und Index Verborum) vorhanden. Die Texte Β 1-116 wurden bei Thomas (1983a) knapp kommentiert, aber ohne Übersetzung und Index Verborum.187 Die Texte Β 71-633 sind bei Sieg - Siegling (1953) in Transliteration veröffentlicht worden, aber ohne Kommentar, Übersetzung oder Index Verborum. Seit 187

Die Art der Publikation der Texte Β 1-116 von Thomas (1983a) ist bei mehreren Autoren kritisiert worden, z.B. Winter (1988b).

2.1. Das tocharische Lokalsystem

63

etwa ein und einen halben Jahr sind die Texte Β 1-633 in Transliteration und Transkription über die TITUS-Homepage zugänglich. Mit geeigneten Suchgeräten ist es möglich, das TITUS-Korpus als einen Index Verborum zu benutzen, was hier auch gemacht worden ist.188 Das TITUS-Korpus enthält auch im Verhältnis zu den Textausgaben von Sieg - Siegling (1949a) und (1953) verbesserte Lesungen. Referenz: TITUS (1997-99). Für die Londoner Texte (Sammlungen Hoernle, Stein und Weber) gibt es die Dissertation von Broomhead (1964ab). In dieser Arbeit ist auch ein Index Verborum (Band II) vorhanden. Einige Texte (Stein und Weber) sind auch in Filliozat (1948) aufgenommen worden. Was die Pariser Texte betrifft, ist die Situation sehr schwer überschaubar. Die Publikationen von Levi (1933) und Filliozat (1948) sind beide mit einem Index Verborum versehen, sie haben aber manche schlechten Lesungen und falsche Interpretationen, und müssen mit den ergänzenden Publikationen von Sieg, Thomas und Pinault kombiniert werden. Zu diesen Publikationen sind Veröffentlichungen anderer Texte der Pariser Sammlung von Couvreur und Pinault, wie auch Erwähnungen einzelner Textbelege in verschiedenen Publikationen, hinzuzufügen. Für die Leningrader Texte sind hier zwei Veröffentlichungen benutzt worden: die von Pinault (1998b) und der Buddhastotra in KT II, XX.3. Für die Textauswahl des Tocharisch Β in KT II habe ich, wie oben, Übersetzungen von Pinault (1997b) benutzt. Diese Durchsicht des Textkorpus ist recht oberflächlich, besonders was die Pariser Texte, bei denen kein Katalog vorhanden ist, betrifft. Für eine detailliertere Auflistung der Texte im Material verweise ich auf den Index der Textbeispiele hin.

188

Das Lexikon von Adams (1999) ist erst nach der Beendigung dieser Untersuchung erschienen. Es wird demnach hier nur zufällig verwendet.

64

2. Die Funktionen der

Lokalkasus

2.1.5.3. Zusammenfassung des in dieser Arbeit benutzten Korpus 1. Tocharisch A a. Berlin (Turfan-Sammlung): A 1-467, Text Sieg - Siegling (1921), Zugang via Poucha (1955). b. Xinjang Museum, Urumchi: YQ 1.1.-1.44, Text und Zugang via Ji - Winter - Pinault (1998). 2. Tocharisch Β a. Berlin (Turfan-Sammlung): Β 1-70, Text Sieg - Siegling (1949a), Zugang via Sieg - Siegling (1949b). Β 71-633, Text Sieg - Siegling (1953), Zugang via TITUS (1997-99). b. Paris (Sammlung Pelliot): Texte der Udänavarga, Udänastotra, Udänalankara und Karmavibhanga, Text und Zugang via Levi (1933), verbesserte Lesungen nach verschiedenen Quellen. Medizinische und magische Texte (Filliozat Υ, Ρ und M), Text und Zugang via Filliozat (1948), verbesserte Lesungen nach verschiedenen Quellen. Karawanenpässe, Grafitti und Inschriften, Text Pinault (1987a). Einzelpublikationen von Couvreur und Pinault. c. London (Sammlungen Hoernle, Stein und Weber): Text und Zugang via Broomhead (1964ab) und Filliozat (1948) (für Stein und Weber). Verbesserte Lesungen nach verschiedenen Quellen. d. St. Petersburg: Ökonomische und administrative Texte, Text Pinault (1998b). Buddhastotras. Text KT II, XX.3.

2.1.6. Kommentare zur Behandlung und Wiedergabe der Beispiele Die Bearbeitung der tocharischen Textbeispiele ist nicht einfach gewesen. In vielen Fällen habe ich das Glück gehabt, gute Übersetzungen von zuverlässigen Tocharologen, wie Sieg - Siegling, Thomas, Winter, Pinault und K.T. Schmidt verwenden zu können. Einige Stellen habe ich als zu fragmentarisch beurteilt, um zu versuchen, eine zuverlässige Übersetzung vorzuschlagen. Diese Rest-

2.1. Das tocharische Lokalsystem

65

beispiele sind hier im Appendix I aufgenommen worden, entweder nur mit Textnummer, oder mit Wiedergabe des Textes ohne Übersetzung. Für die YQ-Beispiele habe ich die Übersetzung von Ji - Winter Pinault (1998) auf Englisch wiedergegeben. Dies ist auch für die Fragmente, die bei Pinault (1998b) publiziert sind, gültig. Die Grundlagen der Übersetzungen sind öfters vorhandene Übersetzungen, die hier ab und zu unverändert oder mehr oder weniger verändert wiedergegeben sind. Die Hauptquellen der Übersetzungen sind wie folgt: A 1-25 Sieg (1944) A 56, 58, 59, 64-67,70-81, 83- Sieg (1952) 85, 88, 312-316, 320, 340-344, 402-403 Β 1-71 Sieg - Siegling (1949b) Β 107 Sieg-Siegling (1925) Pinault (1989a) Hoernle, Stein und Weber Broomhead (1964b) Die Textauswahl in KT II Pinault (1997b) Im übrigen habe ich Übersetzungen einzelner Textstellen aus Sekundärquellen, wie SSS, Thomas (1952), (1954), (1957), (1983b) usw., Bernhard (1958), Kölver (1965), K.T. Schmidt (1974), Stumpf (1971), Dietz (1981), Thomas (1983b), Zimmer (1985) Hackstein (1995) und Knoll (1996), geholt.

66

2. Die Funktionen der Lokalkasus

2.2. Wahl des Lokalkasus im Verhältnis zum Verb 2.2.0. Die tocharischen Lokalverben im Material In der folgenden Untersuchung werden verschiedene Verben mit den Lokalkasus zum Ausdruck der Lokalisierung (LOKATIV), der Bewegung (PERLATIV), der Richtung (DIREKTIONAL) und der Zielerreichung (TERMINATIV) verwendet. Wie in 2 . 0 . 4 . hervorgehoben wurde, kann der Lokalausdruck auf der Verb- bzw. der Kasusebene, oder auf beiden, realisiert werden. Die Lokalverben, d.h. die Verben, die in direkter Verbindung mit der Lokalbestimmung stehen, können semantisch mehr oder weniger mit den Begriffen Lokalisierung, Richtung oder Zielerreichung verbunden werden. Zustandsverben, wie z.B. 'sitzen' oder 'stehen' lassen sich grundsätzlich mit einem LOKATIV verbinden. Bewegungsverben wie 'kommen' oder 'gehen' können aber sowohl mit ABLATIV, PERLATIV, DIREKTIONAL als auch mit TERMINATIV in Verbindung gesetzt werden. 2.2.0.1. Zustandsverben Die Zustandsverben drücken keine Ortsveränderung aus, und lassen sich grundsätzlich mit einem LOKATIV verbinden.189 A so- Β sauAnas-BnesAB mäskAB kälyAB sämΒ waläk189

'leben' 'sein' 'sich befinden, sein' 'stehen, sich befinden' 'sitzen' 'sich aufhalten'

Vgl. aber die Diskussion in 2.0.5. "Gegensatz zwischen Prädikat und Lokalbestimmung". Das Zustandsverb AB säm- ist hier zu bemerken: in Verbindungen wie A wast säm- Β ost säm- 'Haushalter sein' oder Β ompalskofine säm- 'in Meditation sitzen' werden sie mit einem Obliquus kombiniert, um Lokalisierung auszudrücken.

2.2. Wahl des Kasus im Verhältnis zum Verb

A klis- Β kläntsΒ wäsAB länkΑ spärtw- Β spärtt-

2.2.0.2.

67

' schlafen' 'weilen, ruhen' 'hängen' 'sich befinden, sich verhalten''

Bewegungsverben

Die Bewegungsverben können verschiedene Arten von Bewegungen bezeichnen. Man kann drei Haupttypen unterscheiden: 1. Einwertige Bewegungsverben ('gehen', 'laufen') 2. Bewegungsverben, die sowohl einwertig als zweiwertig sein können ('rollen', 'bewegen') 3. Transportverben, die immer zweiwertig sind ('transportieren', 'setzen'). a. Indirektionale/direktionale Verben Indirektionale/direktionale Verben drücken eine Ortsveränderung des Lokalisierungsobjektes aus, die in eine mehr oder wenige bestimmte Richtung geschieht. AB i'gehen' AB mit'gehen'"" AB käm'kommen' Β sik-,saik'treten, den Fuss setzen"" AB rutk'(sich) fortbewegen' A ok'zunehmen, wachsen' Α klä(w)- Β kläy'fallen' Β kätk'passieren, (entlang-) gehen"93

190

Das Verb kommt auch als Bewegungsverb vor. Vgl. 2.2.0.2. KT 11:221 übersetzt dieses Verb mit 'sich aufmachen' (anfangsterminativ). Die von Winter (1980a:423) angegebene Übersetzung 'gehen' ist hier im allgemeinen gültig. 192 S. 3.1.13.2. 193 Die Grundbedeutung von kätk- ist 'überschreiten', das mit einem Objektsobliquus konstruiert wird. Mit Β ytärye (2.3.1.6.2.) wird aber Β kätk- mit einem 191

68

2. Die Funktionen der Lokalkasus , > 194 Α kr op'sich versammeln' Α spärtw- Β spärtt'sich drehen, sich wenden'1'5 AB kätk- 'überschreiten' wird meistens mit (Objekts-)Obliquus konstruiert.

b. Telische Verben In den telischen Verben wird die Erreichung des Zieles in der Verbalhandlung angezeigt. AB kärp'herabsteigen' Β ränk'aufsteigen (auf)' A yow- Β yäp-,yop'eintreten' Α tsälp'hineingehen'196 AB kam'kommen'1"

2.2.0.3.

Transportverben

Die Transportverben (vgl. 2.0.1.) werden mit einem Objekt und einer Lokalergänzung kombiniert. Das bedeutet, dass drei Mitspieler einbegriffen sind: das Agens, das Lokalisierungsobjekt und das Referenzobjekt.

Perlativ kombiniert, und die Bedeutung muss hier eher 'schreiten, passieren' sein. 194 A krop- ist meistens transitiv mit der Bedeutung 'anhäufen, sammeln'. In A 278 a6 (2.3.2.7.3.) tritt krop- ohne Formveränderung in der Bedeutung 'sich versammeln' mit einer Lokalergänzung im Allativ hervor. 195 Das Verb kommt auch als Zustandsverb in der Bedeutung 'sich befinden' vor. 196 Die Grundbedeutung ist 'hinübergehen; erlöst werden', s. KT 11:160, Winter (1980a:439) und Ji - Winter - Pinault (1998:279). Das Verb kommt aber hier oft mit Referenzobjekten wie 'Haus', 'Kloster', 'Stadt' etc. vor. Beispiel: YQ 1.24 b3 ///(sa)nkr(ä)mam tsälporäs tränkäs 'having gone inside the (Nyagrodhäräma) monastery, (queen GautamT) says:'. Die Bedeutung ist in diesem Fall eher 'hineingehen, eintreten'. 197 AB käm- wird oft mit dem Lokativ kombiniert, um Zielerreichung zu kennzeichnen, vgl. 2.4.0.1.

2.2. Wahl des Kasus im Verhältnis zum Verb

69

2.2.0.3.1. Verben, die keine Ortsveränderung des Agens ausdrücken Diese Verben drücken keine Ortsveränderung des Agens zum Referenzobjekt aus und beziehen sich meistens auf Bewegungen, die mit Körperteilen ausgeführt werden. Das Lokalisierungsobjekt bewegt sich oft in eine bestimmte Richtung. a. Direktionale/indirektionale Β luB säl- K. Β kätA pärsB lit- Κ. Β tsu- Κ. Β lupΑ wärt-

Verben ' senden' 'werfen' 'streuen'198 'besprengen' 'fallen lassen' 'fügen, hinzufügen' 'werfen' 'werfen'

b. Telische Verben (zweiwertige Positionsverben) AB säm- K. 'setzen' Β käly- K. 'stellen, einrichten' Α wät'stellen, setzen' AB tä'setzen, legen' A prutk'einschliessen' - 5 199

2.2.0.3.2.

Verben, die Ortsveränderung des Agens ausdrücken können Andere Verben drücken keine Ortsveränderung des Lokalisierungsobjekts im Verhältnis zum Agens aus, das Agens ist aber im Verhältnis zum Raum/Referenzobjekt beweglich: AB pär'tragen' AB äk'führen' Β käl'führen, bringen' Β äs'holen, bringen'200 " ' S . 2.3.2.13.2. ' " D i e Bedeutung von Α prutk- Gv. ist bei KT 11:121 'erfüllt sein' (einwertig). Die Bedeutung in A 340 a7 (2.3.2.8.2.) ist eher 'einschliessen' (zweiwertig). 200 S. Krause (1952:222).

70

2. Die Funktionen der

Lokalkasus

2.2.0.4. Bewegung oder Zielerreichung? Die Probleme des Unterschieds zwischen Richtung und Zielerreichung sind in 2.0.3. behandelt worden. Es muss hier wieder hervorgehoben werden, dass oft die Grenzen in der Semantik des Verbes nicht deutlich gezogen werden können. Die infiniten Formen der Bewegungsverben, wie die zu AB i- 'gehen', Abs. Α kälkoräsB ykuwermem 'gegangen [seiend]' und Partizipium Präteriti Α kälko Β yku 'gegangen' und besonders die zu AB käm- 'kommen', muss man als terminativ klassifizieren, weil diese Formen, wenn sie mit einer Lokalergänzung kombiniert werden, eine Zielerreichung schon in der Verbalhandlung implizieren. Bei mehreren Verben, die in ihrer Grundform eine telische Bedeutung haben, wie 'setzen', 'legen', 'binden', 'stellen' etc., drücken die infiniten Formen 'gebunden', 'gesetzt', 'gelegt' im Prinzip eine Lokalisierung aus. In den meisten Beispielen hier besteht der Lokalausdruck aus einem Verb und einer Kasusform. Der Kontext ist dann ab und zu wichtig, um richtig zu beurteilen, ob Richtung oder Zielerreichung zum Ausdruck kommt.

2.2.0.5. Besondere Kasuskonstruktionen bei Verben Einige Lokalverben haben eine besondere Kasusform neben sich. In solchen Fällen kann man annehmen, dass die Wahl des Lokalkasus in besonderem Grad von dem Lokalverb abhängig ist. Die Verben, die beim Studium des Materials besonders hervorgetreten sind, sind 'werfen', das öfters einen Perlativ bei sich hat, und 'binden', 'hängen', 'sich stützen' und 'sich fügen', die sich mit einem Allativ verbinden. Diese Verben werden demnach hier unter 2.2. für sich untersucht.

2.2. Wahl des Kasus im Verhältnis zum Verb

71

2.2.1. Konstruktionen mit 'werfen' Für das Verb 'werfen' gibt es im Tocharischen verschiedene Wurzeln: Α wärt- 'werfen' AB säl- 'springen, hüpfen', K. 'hinwerfen, stürzen' Β lup- 'werfen; beschmieren' Ae-B ai- 'geben' ist auch einmal mit der Nebenbedeutung 'werfen' belegt.20' Zwei hauptsächliche Konstruktionen sind mit den Verben für 'werfen' zu belegen, eine mit Lokativ und eine mit Perlativ. Ich habe bisher kein Beispiel mit Allativ gefunden, was bemerkenswert ist, da in dem Verb 'werfen' an sich eine Richtungsangabe involviert ist.

2.2.1.1. Konstruktionen mit Perlativ a. Mit Β säl- K. 'werfen' Β Qumtura g6202 dipankarsa suk uppälnta salästa 'gegen DTpankara wirfst du sieben Lotus' Β 365 a2f. (MQ) t[e](pa)nkarsa[p]üdnäktesasüktu[ppäl](ntasälla) '.. .warf sieben Lotus gegen den Buddha DTpankara.'203 Β 560 a2f. täu erkenmasasa/äreken[e]k sär aiparne 'Sie warfen sie auf die Leichenstätte [und] deckten ein Tuch über sie.' Β 559 a If. orotsana erkenmasa e[nte ] yaka srukosäm saläskemane sekamne täkam 'Wo man auf grossen Leichenstätten (noch) beständig Leichen hinwerfen sollte,...'

201

A 10 b4, 2 . 2 . l . l . d . Pinault (1993/4:179). 203 Übersetzung und Kommentar beider Beispiele: Pinault (1993/4:183). Vgl. Zielkasus mit Lebewesen (2.3.5.). 202

72

2. Die Funktionen der Lokalkasus

b. Mit Β lup- 'werfen' Β 31 bl=32 a4cemksayämtärappamätwroccelupstär nraisa 'Wenn diesen einer verächtlich macht, wird er in die grosse Hölle geworfen.' c. Mit Α wärt- 'werfen' A 300 a4 II narepälikän nareyam sälpmäm tkanä wärssälyo säryäm wortarä(m) 'Die Höllenwächter, in der Hölle glühend, lassen (uns) mit Energie die Saat auf die Erde werfen.' d. Mit A eA 10 b4 vibhisa(nes) akmlä wawuräs tränkäs '...warf ihn dem Vibhlsana ins Gesicht und spricht:'204

2.2.1.2. Konstruktionen mit Lokativ a. Mit Β sälB PK.AS.8B a6 (=M2 Filliozat) ete soye tsikale känte okt näsait yamasäle taka pwarne (sa)läsäle205 'Alsdann [ist daraus] eine Puppe zu formen, 108 [Mal] zu besprechen, sodann ins Feuer zu werfen.' Β Η. 149.40 a5pelenesalärene '[Sie] warfen ihn ins Gefängnis.'' Β Η. 149.add. 12 a5 yaltse tinäränta ytärine salläre 'Sie warfen tausend Dinare auf den Weg.'

2.2.1.3. Zusammenfassung

'werfen'

Es ist schwierig, nur auf Grund der oben angeführten Beispiele die Grenzen zwischen den Verwendungsweisen zu verstehen. 'Ins Feuer werfen' und 'ins Gefängnis werfen' können innerhalb der gewöhnlichen Gebrauchsweisen des Lokativs erklärt werden. Das Ziel wird erreicht. (S. auch 'Feuer' 2.3.1.26. und 'Gefängnis' 2.3.2.11.) 204 205

Lane (1947:46): 'Having thrown it in Vibhlsana's face, says:'. Verbesserung der Lesung durch KT 11:71 gegenüber Filliozat (1948:91).

2.2. Wahl des Kasus im Verhältnis zum Verb

73

Bei Β ytär 'Weg' wird mit dem Lokativ eine Lokalisierung auf dem Weg ausgedrückt. Man vergleiche dieses Beispiel mit den Passagen mit Β lit- Κ. 'fallen lassen' und Lokativ {kenne 2.3.1.1.2., erkaune 2.3.1.13.3.). Die Konstruktionen aber, in denen man annehmen könnte, dass die Kasuswahl von 'werfen' und nicht von dem Referenzobjekt abhängig ist, sind Β Qumtura g6 und Β 365 a2-3 (Ziel- oder Richtungskasus mit belebten Entitäten = sonst Allativ) und Β 31 bl ('Hölle' = sonst immer Lokativ [2.3.1.29.]). Bei 'Leichenstätte' gibt es parallele Beispiele im Perlativ (s. 2.3.1.13.).

2.2.2. Konstruktionen mit 'binden' und 'hängen' Der Kasusgebrauch mit den Verben AB kärk- 'binden' und AB länk'hängen' (einwertig) K. 'sich hängen an' ist im Tocharischen speziell: in Konstruktionen wie 'jemand/etwas an etwas binden' und 'jemand/etwas hängt an etwas', wird das Referenzobjekt in den Allativ gesetzt.

2.2.2.1. AB kärk- 'binden' [1] Α kärk- 'binden' (einwertig) a. Mit Allativ A 97 b3 HHtalkeyam vaidiken prämnän pyäksac kakärkunt • '...während des Opfers die vedischen Brahmanen den an den Opferpfosten (Allativ) gebundenen [Mann ?] A 341 a2 temilapäss äsänac yalakäsyo sas :pret ka(kärku sex)//// 'An deren Sitz (Allativ) (war) vom Kopf[ende] her mit Stricken ein Preta gebunden' A 395 b3 tämnek pän känt onkälmäs ... mandlac kätse wäworäs asläntwac sarkräm · 'Ebenso führten sie noch fünfhundert Elefanten, ...an den Zauberkreis heran und banden sie an die Pfosten (Allativ).'

74

2. Die Funktionen der

Lokalkasus

b. Mit Perlati ν A 71 b6pokernskäräkäkärkuräs '...banden sie ... die Arme ... auf den Rücken'206 [2] Β kärk- 'binden' In sämtlichen Beispielen mit Β kärk-201 ist kein Referenzobjekt vorhanden. Eine Ausnahme ist folgendes Beispiel: Β 142 b3 [täjmmäsle srukallesa mäka kekkärkü 'Der Geborene ist völlig an den Tod (Perlativ) gebunden.'

2.2.2.2. ßsänm- 'binden, fesseln' (zweiwertig) Β 18 b7f. canca mänavi sem säu ynemane intsau kätsas sessanmusa sama=nepre poysintse : 'Cancä MänavT kam; sie, die im Gehen [wörtl. gehend] einen Holzklotz an den Bauch gebunden [hatte], stand vor dem Alleswissenden.'208 In dem folgenden Beispiel hat man den Perlativ mit der Präposition/Adverb Β sär 'über': Β W 14 b2(sanä)[pä]ly[a] säikätsasawalanalle sanmässälle 'Eine Decke muss über den Leib gebunden werden'

2.2.2.3. Aßlänk- 'hängen' (einwertig) A 8 a3f.knu[k](amspa)rpyospinac länkmäm '...mit dem Strick um den Hals, an einem Nagel hängend' A 8 a6spinac länmäm sasrukunt ι '...an einem Nagel hängend als [Selbst]getöteten,...' A 8 b3 sasrukunt spinac länmäm '...an einem Nagel hängend [als] [Selbst] getöteten,...'

206

skara könnte als erstarrt (Adv.) 'zurück', 'rückwärts' betrachtet werden. S. Kölver (1965:39). 207 Vgl. Krause (1952:230). 208 Päli: udare därumandalikam bandhitvä. Sieg - Siegling (1949b:29).

2.2. Wahl des Kasus im Verhältnis zum Verb

75

A 9 a If. : sruksät äncäm säm pekant länkäfs] spinac '...tötete der Maler sich selbst, er hängt an dem Nagel...' Β H.149.add.ll8 al okoswnolmi länks[e]nträ 'Die Wesen warten begehrend auf die Frucht [wörtl. hängen an der Frucht]...,2m

2.2.2.4. Zusammenfassung/Diskussion

'binden' und 'hängen'

Die Verben 'binden, fesseln' und 'hängen' sind grundsätzlich verschieden. 'Binden, fesseln' ist ein telisches Transportverb und 'hängen' ein einwertiges Zustandsverb. Der tocharische Allativ bezeichnet immer Richtung, und kann nicht zum Ausdruck der Lokalisierung verwendet werden, wie der Lokativ und der Perlativ. Es ist bemerkenswert, dass in diesen Konstruktionen ein ausgeprägter Richtungskasus verwendet wird. Für die Transportverben 'binden' (indirektional) und 'hängen' (zweiwertig, telisch) könnte man sich vorstellen, dass eine Richtungsangabe durch die Lokalbestimmung angegeben werden könnte, aber schwerlich für das einwertige Zustandsverb 'hängen'. Weiter muss der aspektuelle Unterschied zwischen 'hängen' (einwertig) oder 'binden' (zweiwertig, imperfektiv) und 'gehängt' oder 'gebunden' (perfektiv) beachtet werden. 'Gehängt' und 'gebunden' müssen als einen Zustand bezeichnend betrachtet werden. Wie oben in 2.2.2.1. angebracht, wird aber der Unterschied zwischen 'binden' und 'gebunden' in dem Kasusgebrauch im Tocharischen nicht gekennzeichnet. In beiden Fällen benutzt das Tocharische einen Allativ. Mit AB länk- 'hängen' zeigt das B-Beispiel H.149.add.ll8 al eine Parallele zu den vier Α-Beispielen aus dem Punyavantajätaka, A 8-9. Die semantische Ähnlichkeit der infiniten Formen 'gehängt' und 'gebunden' kann nicht übersehen werden, der Allativ ist aber schwierig zu erklären. Es ist möglich, dass eine durch das Bewegungsverb '(auf)hängen' (zweiwertig) entstandene Konstruktion mit Allativ auf die infiniten Formen 'hängend' und 'gehängt' zu 'hängen' (einwertig) übertragen wurde. 'Binden' könnte sich auch an diese Entwicklung 209

Br. 1:233: 'The beings hang on to success'.

76

2. Die Funktionen der Lokalkasus

angeschlossen haben. Andererseits ist es auch möglich, dass 'hängen' (einwertig) mit einem Richtungskasus (ablativisch oder direktivisch) versehen werden könnte, weil ein Hängen einen Ausgangspunkt voraussetzt. Das Problem ist in Zusammenhang mit Konstruktionen mit dem Verb heth. hamank-/hamenk-bb* 'anbinden, verbinden' diskutiert worden.210 In den folgenden Beispielen wird dieses Verb mit ANA konstruiert. ANA gibt, gegenüber INA, Richtung an:211 KB ο XVII, 15 Rs! 1Γ-12' A[(MAR-us an-na-nu-)uz-zi(-an-za)] A-NA UDU Ü SILA ha-mi-in-Mn 'Ein ... Kalb (ist) an einem Schaf (Dativ)212 und an einem Lamm (Dativ) angebunden'213 In folgendem Beispiel wird Dativ verwendet: KUB XXX, 10 Vs. 20 huiswatar-ma-pa anda hingani haminkan hingan-a-ma-pa anda huiswanni-ya haminkan 'Das Leben [ist] aber zum Tod (Dativ) gebunden und der Tod [ist] zum Leben (Dativ) gebunden'.214 Nach Starke (1977:116) sind "die Dative (seil. A-NA UDU U SILÄ) nur scheinbar merkmallos, da hamank-/hamenk-bbl kein direktivisches Verb ist". Josephson (1981:101) meint, dass die Grenzen zwischen den Kategorien Bewegungs- bzw. Zustandsverben in einigen Fällen lockerer sein können.215 Einige Zustandsverben können mit einer lokalen Ergänzung, die Direktionalität ausdrückt, versehen werden. 'Hängen' ist in dieser Hinsicht speziell: (: 101) " 'To hang' hat per se keine Direktionalität. Es ist darum klar, dass von Kasusgebrauch und Lokaladverb aus keine Rückschlüsse auf den Charakter des Verbs gezogen werden können". w

210

c

7

Starke (1977:115-116), Josephson (1981:101, Rez.). S. Starke (1977:118). 212 Nach Starke (1977:116) lok. Dativ. Nach Josephson (1981:101) term. Lok. 213 Starke (1977:115). 214 Josephson (1981:101), Puhvel (1991:66), auch weitere Beispiele. 215 Nach Bartsch (1976:124). Vgl. die Diskussion in 2.0.5. 211

2.2. Wahl des Kasus im Verhältnis zum Verb

77

2.2.3. 'Sich stützen' und 'sich fügen' mit Allativ Zwei weitere Verben desselben Typus sind mit der Lokalbestimmung im Allativ belegt, Β sain- 'sich stützen' und Β tsu- 'sich fügen'.

2.2.3.1. 5sai-n- 'sich stützen' Β 41 al kektsen palskos sasainu anässälne satä(sl)fi(e :) 'Der auf Körper und Geist das Einatmen und Ausatmen gestützt Habende...'

2.2.3.2. ßtsu- 'sich fügen', Med. 'haften' Β 16 al l/l/nesmye näki krentäm sämnas' mä tu walke tswetär nta :IIII '...üble Nachrede und Tadel, [aber] an guten Menschen haftet das eben nicht lange.' Β PK.AS.7J (=K 10 Levi) a3 mä cpTtaurä mä tweye kektsenäsc ma wa(t) tswetär 'Nicht [ist] ihm Staub, nicht Schmutz, noch auch haftet er an [seinem] Körper.' Vgl. aber: Β H.149.14 blf.tallänco ...tswoskasläklehleki(ne) '...die Armen ... sind mit den Leiden an ihr Bett (Lokativ) gebunden' Auf Grund dieser drei Beispielen (mit Β tsu-) könnte man sich vorstellen, dass Allativ mit Lebewesen und Lokativ mit Nichtlebewesen verwendet wurde. Das Beispiel Β H.149.14 bl (Lokativ) muss aber im Zusammenhang mit den übrigen Konstruktionen mit Β leki 'Bett' (2.3.3.3.) betrachtet werden. Mehr Beispiele wären vorzutragen.

78

2. Die Funktionen der Lokalkasus

2.3. Wahl des Lokalkasus im Verhältnis zum Raum/Referenzobjekt Das folgende Kapitel stützt sich auf die verschiedenen Räume/Referenzobjekte, die in lokalen Konstruktionen vorkommen. Die Kasus, die im ersten Ansatz behandelt werden, sind die Kasus, die LOKATIV, PERLATIV, DIREKTIONAL und TERMINATIV ausdrücken, d.h. Obliquus, Perlativ, Lokativ und Allativ. Beispiele, wo die Lokalbestimmung ein distributionales Verhältnis (DISTRIBUTIONAL) realisiert, werden in 2.3.8. behandelt. Die in diesem Kapitel aufgestellten lokalen Konstruktionen sind ohne Adposition oder Lokalpartikel konstruiert. Die Bedeutung ist oft, wie früher festgestellt, vom Verb abhängig. In einigen Beispielen lässt sich die Kasuswahl nicht einfach durch die oben angeführten allgemeinen Kasusregeln erklären. Die Übersetzung einiger Konstruktionen ist auch sehr unsicher und muss zusammen mit ähnlichen Konstruktionen diskutiert werden. Die zwei wichtigsten Entitäten, die bei der Untersuchung dieser lokalen Konstruktionen betrachtet werden müssen, sind folgende: i. Die Natur des Platzes oder Referenzobjekts ii. Das Verhältnis des Lokalisierungsobjekts zum Platz/Referenzobjekt. Für die Einteilung s. 2.1.3.2.

2.3.1. Freie, offene Räume 2.3.1.1. Atkam 'Erde' Bkem 'Erdoberfläche; Ort'216 2.3.1.1.1. Perlativ In Ortsangaben mit A tkam Β kem ist die gewöhnlichste Kasusform der Perlativ. Der Perlativ ist sowohl mit Bewegungs- als auch mit Zustandsverben belegt, und die Bedeutung ist meistens 'Erdoberfläche'. 216

Ein Obliquus der Richtung kommt in dem Ausdruck Α tkamräm'(sich) zur Erde neigen' vor. Vgl. 2.1.2.1.

Β kem räm-

2.3. Wahl des Kasus im Verhältnis zum Raum

79

[1] Bedeutung 'Erde' a. PERLATIV, mit A i- 'gehen' A 1 b2 pän kursärwä ärsläsyo rarkusäm tkanä kälk: 'Er ging fünf Meilen weit über von Schlangen bedeckte Erde.' Β 345 b2 ////jambudvipässai rtstsai täkentsa yam 'Er geht über diese weite Jambudvlpa-£> ß) Mit Α ytär 'Weg (zu)' A 13 b3 cakravartuneyac näkci ärkisosyac pnintu ytär näm(tsu) 'Zur Weltherrschaft [und] Himmelswelt ist Tugendhaftigkeit der Weg.' In all diesen Beispielen ist eine andere Welt gemeint, 'Himmelswelt', 'göttliche Welt' oder 'andere Welt'. 2.3.1.2.3. Zusammenfassung Α ärkisosi ßsaisse Die Bedeutung von Α ärkisosi Β saisse ist demnach 'Welt, Leute'. Eine Lokalisierung in einer Welt wird mit dem Lokativ ausgedrückt, eine Bewegung zu einer Welt (hier nur eine 'andere Welt') aber mit dem Allativ.

2.3.1.3. Λ lame 'Stelle, Platz', ßyoniya 'Bahn, Bereich, Stätte' A lame < *lcemoy ist zu der Wurzel säm-Häm- 'sitzen' gebildet, 230 d.h. wörtlich 'Stelle, wo man sitzt'. 22

"S. Sieg - Siegling (1949b:39), Thomas (1983a: 183f.). Vgl. Bernhard (1965a: 177). 229 Β saissene entspricht skt. Lokativ/Akkusativ. S. Sieg - Siegling (1949b: 177). 230 Vgl. Ringe (1996:82).

2.3. Wahl des Kasus im Verhältnis zum Raum

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2.3.1.3.1. Lokativ Für Lokalkonstruktionen mit lame ist nur der Lokativ belegt.23' a. TERMINATIV

α) Mit Α kärp- 'herabsteigen' A 66 b4 ////kärnas kom pärkäncäm kälyme riyis swayamparsim lameyam : '...steigt herab in die östliche Gegend der Stadt zum Platz des Svayamvara.' ß) Mit Α käm- 'kommen' A 263 a7 [MSN III]232 lameyam kakmu äsä(nä) l(m)o///r 'Zu dem Platz gekommen, auf den Thron gesetzt...' b. LOKATIV, mit nichtlokalem Verb Β PK.AS.8B (=M2 Filliozat) a4 II s(r)äwamne sämne ayäse sat yamasäle sanatso, yoniy(ai)ne tsapanale 'Im [Sternbild] Sravana [ist] ein Stück eines menschlichen Knochens zu machen [und] in den Weg, den der Feind nimmt, hineinzustecken.'

2.3.1.4. Aant 'Fläche' Β ante 'Fläche, Stirn, Front' Für dieses Wort gibt es hier, wie bei lame, nur sehr wenige Beispiele. Mit der Übersetzung 'Platz', wie auch 'Front', wird Lokativ verwendet. 2.3.1.4.1. Lokativ [1] Bedeutung 'Fläche' a. LOKATIV

α) Mit AB käly- K. 'stellen' A 312 b3f. saci rämbhänäss acipenu korisyo häkcyämh aptsaräntu kräntsonäs pikäräsyo trikäsm(äm puk enkä)lsuncäs wrasas näktassi pättähkät Ikätsi epreriss äntam stamar 'Es standen schliesslich an 231

TLT:264. In A 87 a2 ist nur ///lameyam • zu lesen. S. Pinault (1999a: 196). 233 Ergänzung Sieg - Siegling (1921:137). 232

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2. Die Funktionen der

Lokalkasus

der Fläche des Luftraumes zu 10 Millionen himmlische Apsaras, SacT, Rambhä, usw., die durch [ihre] schönen Bewegungen (alle) leidenschaftlichen Wesen verwirren, um den Göttergott Buddha zu sehen.' Β 21 b4 : äntene stamslyi ku[s]e//// 'An die Front [sind] zu stellen,...' (Es handelt sich in diesem Beispiel um eine Organisierung eines Heeres), ß) Bestimmung zu NP Β 580 b2 II swälyai {pai)yyenne mokocintse äntene tuciyai [tajnäkkai l[k]ässäm 'Auf der Fläche des linken234 Fusszehes sieht er ein gelbes Mal.'

2.3.1.4.2. Allativ [2] Bedeutung 'Stirn' a. DIREKTIONAL

α) Mit Β pär- h. 'nehmen' Β 246 a3f. pudnäktentse mäcer se[m] sä antes' pralya pernauntsa 'Die Mutter des Buddha ist gekommen. Sie [seil, ihre Hand], die Leuchtende, ist zur Stirn hin zu nehmen.' Es wird wahrscheinlich in dieser Stelle ein Gruss ausgeführt, wo die Hand genommen und zur Stirn geführt wird.235 ß) Mit A tsit- 'berühren' A YQ 1.29 a6 [MSN I] ////(meträk)[y]äp tsar sni äntac tsitäsmäm tränkäs '...making (Metrak')s hand touch his own forehead, (Bädhari) says:' A YQ 1.5 b7 [MSN II] ////(ä)fi[c]älyi tsaräm äntac tsitäsmäm tränkinc II 'making their palms placed together touch their foreheads, say:' Die Passagen können mit A 296 b2 (smi)mäm akmalyo bodhisattu päcim tsaryon(ä)kteskuntitsitoräs 'Mit lächelndem Gesicht der Bodhi-

234 235

Nach Winter (1985:589f.) 'rechten'. Für diese Erklärung danke ich Prof. Winter.

2.3. Wahl des Kasus im Verhältnis zum Raum

89

sattva mit der rechten236 Hand die göttliche Schale (Obliquus) berührt habend...verglichen werden. A tsit- 'berühren' wird hier mit einem Obliquus konstruiert. Die Situationen in den beiden Fällen sind verschieden: äntac tsit- bedeutet, dass man die (zusammengelegten) Hände oder die Hand in Richtung zur Stirn hin führt (d.h. einen Gruss ausführt). Der Allati ν ist nicht erstaunlich.

2.3.1.5. ßike,yke Ort, Stellung, Stand, Schritt' 2.3.1.5.1.

Lokativ

a. TERMINATIV

α) Mit Β käm- 'kommen' Β 3 a6 (sem i)p(r)e(rne) ceu ykene '(Er kam im Luftraum) an den Ort,..: (Die Situation ist, dass Buddha das Gespräch einiger Mönche gehört hat und dorthin kommt.) ß) Mit Β i- 'gehen' Β PK.AS.7B (=K2 Levi) b3 mäkcwiyämorntse säktalyeälam ktowä (:) sdyckikeneykuwesepipakstärne238 = Skv XXXII yatkarma tasminn evajanmäntare vä desäntaragatasya vipacyate 'Von welcher Tat der anderswo gelegte Samen an ihm, dem an einen anderen Ort Gegangenen, reift.'239 Dieses Beispiel muss als besonders betrachtet werden, obwohl yku zu i- 'gehen' hört, ist kein DIREKTIONAL vorhanden, γ) Mit Β mit- 'gehen' Β 108 a3 llll(ga)yäkäsyape san mäskelye yakene ente maitare 'Als (Nadl-) [und] Gayäkäs'yapa an die Stelle, an der sie sein sollten, kamen [wörtl. gingen],...'

236

Nach Winter (1985:589f.) 'linken'. Nach Pinault (1993:139). Uigurische Parallele s. Pinault (1993:139). 238 Lesung von Pinault korrigiert. 239 Übersetzung und verbesserte Lesung nach Sieg (1938:9). 237

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2. Die Funktionen der Lokalkasus

b . LOKATIV

α) Mit nichtlokalem Verb Β PK.AS.7B (=K2 Levi) a6f. ce Ms yämorsa cew cewä kcaIkene: cmetsikälloymäkrentyämor tuscyuwässäm :240 '...durch diese Tat möchte ich die gute Tat erlangen, an dem und dem Orte [wieder] geboren zu werden, [so] macht ein solches [sc. Wesen] dazu [d.h. zur Geburt an dem betr. Orte] reif.'241 Β 308 a5 (klyausa)[ly]n(e)s[a] saften] ikene pälskaufcam2") · 243 'Die dem Rufe nach Reichen, diejenigen, die an das Quartier denken244' =Udv. XXV.4b245 srutädhyähsthänacintakäh Die Konstruktion ist wahrscheinlich nicht lokal, ß) Mit Β mäsk- 'sich befinden, sein' Β Η. 149.add.8 b7 panäkte phalgumati cakesa mäs[k]Tt(rä) : (w)[ä]r[t](t)osse ikene 'Buddha befand sich neben dem Fluss Phalgumati, an einer waldigen Stelle.' Vgl. auch Β PK.AS.7B (=K2 Levi) b2, mit Β yäm- 'tun'. c. Bedeutung 'an Stelle (der)' (mit Genitiv) Β LP 3.1 sletassäntse \kene ·ywärttas pinkäm 'Ywärttas schreibt an Stelle des Sletas' Β 88 b2-3 :p[tsJärwassatneni ykeneytärin=empelyai 'Tröste ihn an meiner Stelle auf dem schrecklichen Weg!'

240

Lesung korrigiert von Pinault. Übersetzung und verbesserte Lesung Sieg (1938:8). 242 Für pälskaucan. 243 Ergänzung s. Thomas (1968a: 188). 244 Skt. sthänacintaka- 'one who provides quarters for an army, a kind of quartermaster'. MW: 1263a. 245 Mitravarga. Text s. Bernhard (1965a:311). Vgl. auch Thomas (1973:168). 241

2.3. Wahl des Kasus im Verhältnis zum Raum

91

2.3.1.5.2. Lokativ Plural a . LOKATIV

α) Mit Β waläk- 'sich aufhalten' Β 88 b2 cwiykuwa tom ykentane wolo(kträ) - mw ente '...wenn er [der König] an den von ihm [Uttara] betretenen Orten verweilt,...'246 ß) Mit nichtlokalen Verben Β 302 b3 : po ykentane lyakä[w](a)//// 'An allen Orten erblickte ich...'247 Β PK.AS.7B (=K2 Levi) b2 kuse no sü yämor alyek ikene yämträ a\yeki(ke)rit pkelnetuntseyänmässäm 'Welches aber ist die Tat, davon es, wenn es sie an einem anderen Orte tut, an einem andern Orte die Reife (Vergeltung) erlangt?'248

2.3.1.5.3. Allativ a. DIREKTIONAL, mit Β i- 'gehen' Β 295 a2f. : tentse särmtsa krensamnä ... rerinormem sän samnä maitär ik[sc] kekesos 'Aus diesem Grunde sind die guten Menschen ... unter Aufgabe ihrer Angehörigen zu dem erloschenen Ort gegangen.'24'

2.3.1.5.3. Zusammenfassung Λ lame,Β yoniya, Α änt Β ante,ß ike,yke Wie oben gezeigt, wird für A tkam Β kem in der Bedeutung 'Erde, Erdoberfläche' Perlativ für Lokalisierung auf (ADESSIV) bzw. Bewegung über (PERLATIV) benutzt. Für die anderen Wörter für 'Fläche, Stelle, Ort' wird nicht Perlativ, sondern Lokativ, für Lokalisierung auf (ADESSIV) verwendet. Man könnte daher vielleicht einen Bedeutungsunderschied zwischen Α tkam Β kem und Β lame, Β ike/yke etc. an-

246

KT 11:52. Kölver (1965:109). 248 Sieg (1938:9). 249 Thomas (1983b:22). 247

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2. Die Funktionen der Lokalkasus

nehmen, der den Kasusgebrauch erklären könnte. Es ist wohl so, dass die letzten Wörter im Verhältnis zu A tkam Β kem eine engere, mehr abgegrenzte Oberfläche repräsentieren. Das könnte erklären, warum ein Lokativ für einen ALLATIV/ADESSIV verwendet wird.

2.3.1.6. Aytärßytärye 'Weg' Der Kasusgebrauch bei 'Weg' ist kompliziert. Ziemlich viele Beispiele sind vorhanden, die sowohl Bewegung als Zustand bezeichnen, in Perlativ, Obliquus und Lokativ. 2.3.1.6.1. Obliquus Obliquus ist nur in dem Ausdruck Α ytäri-Β ytärii- 'einen Weg gehen' belegt. Diese Konstruktion sollte man nicht als Obliquus der Richtung betrachten.250 A 21 a5-6 cami täpärk äsänikyäppu(ttisparsinäm kapsani ytä)r ymäm 'Den buddhaschaftlichen (Körper) des Arhats quält jetzt, wenn er {seines Weges) geht,...' A 431 b2 ////mytäiymä(m)

'...den Weg gehend.'

A 355 al y[t]ärymäm'.. .den Weg gehend.' A YQ 1.5 b8 [MSN II] ////ytär ymäm. penu kucne tu pältsänkätär '... and also while going a ... way, what you keep thinking ...' Β Pät. b2251 ////p(l)äkisaytmyam geht.'

'...mit Einverständnis den Weg

Β PK. AS. 18B b2f. se samäne pläkisa asiyanampa ytäri yam 'Wenn ein Mönch, mit Nonnen zusammen, mit Einverständnis den Weg geht...' 25,1

Eine entsprechende Konstruktion ist auch in anderen indogermanischen Sprachen zu finden: RV 1.71.9a mäno ηά yö'dhvanah sadyä eti-, 8.27.17b sugebhir yäty ädhvanah I (ARWC:55), lat. iter inlre (AHLD:470), gr. δδόν ίεναι (GEL:489), vgl. auch an. ganga grcenar brautir, ganga guds götur (OGNS:544). Die tocharische Ausdrucksweise sollte als archaisch betrachtet werden. 251 Unpubliziertes Fragment der Berliner Sammlung. Thomas (1987:169f.).

2.3. Wahl des Kasus im Verhältnis zum Raum

93

= Prätimoksasütra, Pät. 24: [yah. punar] bhiksur bhiksunyä särdha(m) samvidhäya samäna-märga(m) pratipadyeta.252 Β 107 a6 • upagentse manu karstate te san ytäri masa II 'Das Verlangen von Upaga wurde vernichtet; er ging seinen Weg.' Β 381 bl kytäiiyam//// 'Eine Kuh (?) geht den Weg.' Β 305 a3 · visamam märgam ägamya · mask[w]a(tstsai) ytäri yküwermem 'Einen unebenen Weg gegangen seiend.' Β 281 b5 [c]m(e)lassai ytäri yätsi tumem (pre)[k]e -.1111 Zeit, den Weg der Geburt danach zu gehen.'

'[Es ist]

2.3.1.6.2. Perlativ Für 'Weg' im Perlativ gibt es nur Beispiele in Β ,253 Im Verhältnis zu den Obliquuskonstruktionen oben, sollte bemerkt werden, dass die Konstruktionen im Perlativ mit anderen Bewegungsverben als i- belegt sind, vor allem spärtt- 'sich drehen, sich wenden, sich verhalten, sich bewegen', kätk- 'überschreiten' und mit- 'gehen', α) Mit Β spärtt- 'sich drehen, sich verhalten' Β 28 a5 : somär ytärisa makci spo(rtomäne) 'Je auf einem Wege sich selbst bewegend...' ß) Mit Β mit- 'gehen' Β 29 a7 (: ne)rvänsseyolmespo cai mitentär ytäris=oktatsai: mäktäu ytärisa makte sätkäwa cmelse samudtär 'Zu dem Nirväna-Teich gehen alle diese auf dem achtfachen Weg. Auf welchem Wege ich selbst überschritt das Meer der Geburt, auf eben dem...' In diesem Beispiel ist es unsicher, ob ytärisa von mit- abhängig ist oder nicht. Β Η. 149.26/30 al : san yämorssfai] ytärisa waiptär m[ai]ytarn c[ai] snassi 'Auf dem Weg meiner [wörtl. der eigenen] Taten sind mir auseinander gegangen die Verwandten,...'

252 253

S. Pinault (1984b:390). S. TLT:248.

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2. Die Funktionen der

Lokalkasus

γ) Mit Β kätk- 'überschreiten' h. 'passieren' Β 29 b4 (: t)äk ytärisapoysinta kätkanam täksa arhänti: 'Nur auf diesem Wege überschreiten die Alleswissenden, auf diesem die Arhats...' Β Qumturag4 \\br[ä]hma[n]e snsamm[bh]avem [kätkojs y[t]ärisa wsenaiwsäne II 'Ein Brahmane gab an Srisambhava, der den Weg entlang gekommen war, eine Ruhestatt.' δ) Instrumentale Bedeutung tritt voran in Β 30 a7 :ankaimytär'ämii/yä(i/:a/) 'In allen Ländern und Dörfern befahl er, (gute Tat) zu tun' b.

mit Β i- 'gehen' Β 31 b6 : rimne kusaimne ostwane sekyeyem cem Ikätsi 'gingen sie stets in die Städte, Dörfer und Häuser, diese zu sehen'

DISTRIBUTIONAL,

Β 246 al · Ikoymc kruiynemane ypauna kwsainne ci 'wenn ich dich in Länder [und] Dörfer gehen sah'

2.3.2.9.4. Allativ a. DIREKTIONAL, mit Β käm- 'kommen' Β PK.AS. 16.3 a6367 caiwatesakwasaispästkamem zweiten Mal zurück zum Dorf.'

'Sie kamen zum

2.3.2.9.5. Zusammenfassung Ατι Βriye, Α süks Βkusai (kwasai) In Α drückt im Prinzip der Lokativ LOKATIV und TERMINATIV (mit A tsälp- 'eintreten') und der Allativ DIREKTIONAL aus. In A 81 b5 (Lokativ, 2.3.2.8.2.) wird TERMINATIV bezeichnet (riyam ymäm): vom Kontext her kann man annehmen, dass die Erreichung des Zieles schon beendigt ist.

367

S. Pinault (1989b).

2.3. Wahl des Kasus im Verhältnis zum Raum

165

In Β wird mit Lokativ sowohl LOKATIV/TERMINATIV als auch zum Teil DIREKTIONAL bezeichnet. Die Allativ-Beispiele (2.3.2.8.3.) sind semantisch ähnlich: bei den Verben 'zeigen' (zweiwertig) und 'einladen' (zweiwertig) wird keine (Fort)bewegung gekennzeichnet. Die Lokalergänzungen sind trotzdem als eine Richtungsangabe ausdrükkend aufzufassen (vgl. 2.0.5.). Das Beispiel Β 358 b2, Β kwä-einladen' mit Lokativ (2.3.2.8.2.d), zeigt, im Vergleich zu Β Qumtura g2 und Β 221 a2 (Β kwä- mit Allativ), einen inkongruenten Kasusgebrauch (2.3.2.8.3.b). Es ist vermutlich so, dass wir hier mit einem Bedeutungsunterschied zu tun haben. Der Unterschied Allativ bzw. Lokativ ist wahrscheinlich davon abhängig, ob eine Zielerreichung beabsichtigt wird oder nicht.

2.3.2.10. Atresal, skt. trisala- 'Haus mit drei Hallen' 2.3.2.10.1. Lokativ a. DIREKTIONAL/TERMINATIV, mit Α äk- 'führen' A 184 b4 ////(tre)sälamästräm 'Er führt ihn in die Halle'

2.3.2.11. Αprotäk 'Verschluss, Gefängnis', ßpele/i. 'Gefängnis' 2.3.2.11.1. Lokativ a. TERMINATIV, mit A prutk- K. 'einsperren'36" A 215 a5 = YQ 1.16 b4369 [MSN I] pr[o]tkam prutkäs ni · 'Ins Gefängnis wird er mich einsperren' Β 21 a4////:prautkaptltnt '...er sperrte [ihn] ins Gefängnis' b.

368 369

mit Β säl- K. 'werfen' Β H.149.40 a5 pelenesalärene '[sie] warfen ihn ins Gefängnis'

DIREKTIONAL,

Kommentar s. 2.2.0.3.1. Ji - Winter - Pinault (1998:44f.).

166

2. Die Funktionen der Lokalkasus

2.3.2.12. Ayokämßyenme 'Pforte' Adpositionalphrase yokm-amc, s. 4.1.1. 2.3.2.12.1. Perlativ a. TRANSLATIV, mit Α länt- 'hinausgehen' (ergänzt) A 253 a7 [MSN XII]370 wsäsim sontyo kompärkäncäm yokmä ketumatiri(yäsläc) 'Auf der goldenen Strasse (ging er) durch das östliche Tor (aus) der Stadt KetumatI (hinaus).'

2.3.2.12.2. Perlativ Plural a. TRANSLATIV, mit Β yäp- 'eintreten' Β Η. 149.add. 13 a3 yenmentsa rlne yänmaskemane : [tri](k)[o](säm) 'eintretend in die Stadt durch die Pforten, verwirrt...'

2.3.2.12.3. Lokativ a. LOKATIV, mit Α käly- 'stehen, sich befinden' A 16 a4 (tmäspom)s läntac kakmus länt pälkoräs länci wastis yokmam klyäntW '(Darauf) kamen alle zum König, und angesichts des Königs standen sie im Eingang des königlichen Palastes.' A 16 b4f. puk cespfiintuyämuntäppunyaväniparnont(äp): yokmam klyamtär '[Aber] alle diese stehen im Eingang [des Palastes] des glänzenden Punyavän, der Tugendhaftigkeit geübt hat...'

2.3.2.12.4. Zusammenfassung Α yokäm Β yenme Das Kasusgebrauch scheint hier so zu sein, dass Perlativ für 'durch das Tor gehen' (TRANSLATIV) und Lokativ für 'an/in dem Tor stehen' (LOKATIV) verwendet wird.

370

S. Pinault (1999a:200).

2.3. Wahl des Kasus im Verhältnis zum Raum

2.3.2.13. Βtwere

167

'Tür'

2.3.2.13.1. Perlativ B 5 7 0 b l [Prätimoksa]"1 [sä]u tweresa[wäjtokälyi(tär)llll 'diese stand ...am Tor' Dieses Beispiel ist leider zu fragmentarisch um zu beurteilen, welche Lokalrelation zum Ausdruck kommt. Wegen des Verbs käly- 'stehen' sollte man eine Lokalisierung voraussetzen. Im Vergleich zu den Passagen oben mit Α yokäm, wo käly- mit dem Lokativ kombiniert wird, kommt hier wahrscheinlich eine Lokalisierung draussen vor oder neben dem Tor zum Ausdruck. 2.3.2.13.2.

Lokativ

a. LOKATIV

Die folgenden Beispiele stammen alle aus den medizinischen Texten. Verschiedene Transportverben, die Bewegungen in eine einzige Richtung bezeichnen, werden verwendet (vgl. 2.2.0.3.1.). Die Handlungen werden aber in der Tür ausgeführt und man soll darum einen LOKATIV voraussetzen, α) Mit Β tsäp- 'zerreiben, zerstossen' Β PK.AS.8B (=M2 Filliozat) alf.372 svätine mot (kete) ku(rpe)le täkam madanaphalse sat twerene [tjsapanal(e) mot spärketr 'In Sväti soll [der], (welchem) Alkohol Sorge machen [wörtl. sein] sollte, ein Stück von der Frucht der Madanä in den Türdurchgang hineinstecken.' ß) Mit Β kät- 'streuen' Β PK.AS.8B (=M2 Filliozat) a4 (s. 2.3.2.1.3.) γ) Mit Β lit- Κ. 'fallen lassen' Β PK.AS.8C (=M3 Filliozat) a8 sanatse twerene lyitälle säm nakst(rä) II 'Man sollte sie in der Türöffnung des Feindes fallen lassen.373 Der Feind geht zugrunde.' 371

Nicht identifiziert. S. Sieg (1955:81). 373 Lesung lyitälle (Wurzel lit-) anstelle lyinälle (Filliozat 1948:94, 120), s. Sieg (1955:82).

372

168

2. Die Funktionen der Lokalkasus

Β PK.AS.8C a8f. tverene lyit[ä]ll[e] δ) Mit nichtlokalem Verb Β 329 a3 ////(le)nantsepe[s]tintse wartwereneaipu (t)ä(kam) '...in der Türöffnung der Mönchszelle oder des ..?.. würde [die Erde] bedeckt sein'

2.3.2.13.3. Lokativ Plural a. LOKATIV, Verb fehlt Β Η. 149.add. 12 a4 · masär vaisälissi mcuskanta werpiskamts twe(renne) 'Die Vaisäli-Prinzen [standen] unterwegs in den Toren der Gärten...' 2.3.2.14. Α pätsankΒpatstsäiik 'Fenster' 2.3.2.14.1. Perlativ Β 535 a4 llllpatstsänsa .süllll 2.3.2.14.2. Lokativ a. LOKATIV, Bestimmung zu N P A 253 b3 [MSN XII]374 : sänksam tresälsam tpär pätsänkäsam yetuntkjewänklawantrokyänctkanäsnuslincorto 'Die geschmückte Frauen, die in den Palästen, in den Trisalas [und] hoch in den Fenstern [befindlich sind] neigen sich tief und richten sich wieder auf [wörtl. fallen gleichsam nieder und springen wieder vom Boden nach obenauf 7 5 ].'

2.3.2.15. Zusammenfassung/Kommentar Gebäude etc. Die meisten Beispiele, die hier unter 'Gebäude' zusammengestellt sind, haben gemeinsam, dass sie eine äussere Abgrenzung (Wand, Mauer oder ähnliches) zur Umgebung haben. Dadurch lassen sich die 374 375

S. Pinault (1999a:200). Diese Bewegung bezieht sich wohl auf eine Art von Ehrenbezeugung.

2.3. Wahl des Kasus im Verhältnis zum Raum

169

Kategorien D I R E K T I O N A L , TERMINATIV, LOKATIV bzw. I N T R A T E R MINATIV ziemlich einfach unterscheiden. Die meisten Gebäude werden in der Zusammenfassung, wo eine genauere Einteilung der Räume/Referenzobjekte gemacht wird, unter Gruppe Α (Räume/Referenzobjekte mit deutlicher Abgrenzung zur Umgebung) klassifiziert (s. 2.3.3.14.).

2.3.3. Sonstige (verstellbare) Referenzobjekte (Geräte etc.) 2.3.3.1. Aäsäm Basäm,skt. äsana- 'Sitz, Thron' 2.3.3.1.1. Perlativ a. LOKATIV

α) Mit AB säm- Gv. 'sitzen' A YQ 1.12 a3 [MSN Π] äsänälmont 'seated on the throne' A 253 bl [MSN XII]376 sumanämsäl äsänä Imo '[Er, der Bodhisattva] ... mit der Sumanä [seiner Frau], auf dem Polster [wörtl. Sitz] gesetzt...' A 57 al läncinäm äsänä Imo 'auf dem königlichen Thron gesetzt...' A 17 a3f. täpärkpenupnisinästampeyäntuyo wasirs[i](m äsä)nä Imo 'Auch ich bin jetzt durch die Kraft der Tugendhaftigkeit auf dem Diamantenthron gesetzt' A YQ 1.9 a8 [MSN I] ////[p](r)[ä]kräm pratimyo wasirsim äsänä lyäm 'he took his seat with firm decisiveness on the diamond throne.' Β 580 a3 · emskepostanontcamelfη]e vajräsantsa la(moym) 'Bis zur letzten Geburt (möge ich) auf dem Diamantenthron sitzen.' ß) Verb fehlt Β 626 b4 llllstämnor vajräsam [tsa]//// 'unter einem Baum auf einem Diamantenthron...'

376

S. Pinault (1999a:200).

170

b.

2. Die Funktionen der Lokalkasus

mit Α säm- K . 'setzen' A 110 a2 pkämntäk äsänä lyalymäf täm] dert auf dem Sitz sitzen'

TERMINATIV,

'Er Hess ihn abgeson-

A YQ 1.19 b5 [MSN III] ////(sasä)lpuräs spälmem äsänä Imästärm '.. .having made them (enter) he makes them sit down on the seat of honor,' Die Perlativ-Beispiele sind mit der Wurzel AB säm- Gv. 'sitzen' und K. 'setzen' konstruiert. Nur zwei B-Beispiel ist vorhanden. In Β wird dafür Lokativ verwendet, s. 2.3.3.1.2.

2.3.3.1.2.

Lokativ

a. TERMINATIV (ILLATIV), mit Β yäp- 'eintreten' Β Η. 149.add. 134 b6 ////(dväraba)ndhak[u](ti) lenamem [sljeme semä : panäktentse secakecce asänne yopsa : auntsate asäm säl[pa](ts)i//// 'Aus dem Eingang der (Dväraban)dhakuti-Höhle hinaus kam eine Flamme. Sie drang in den Löwenthron des Buddha ein. Der Thron fing an zu glühen.' b . LOKATIV

α) Mit Β säm- Gv. 'sitzen' Β PK.AS. 16.3 b5f. ylainä[kt](e) [a]sä(m)ne/amoy 'Der Gott Indra möge auf dem Thron sitzen' Β 5 b4 lyama poysi asämne : 'Der Alleswissende sass auf einem Sitz' Β 12 b3 : tumem lyama asänne enssateme//// 'Dann setzte er sich auf [seinen] Sitz [und] lehrte sie...' Weiter Β 91 b5. ß) Bestimmung zu NP Β 108 b6 carkaprayok [a]sämne ka s lyakärne · 'Er [seil, der Buddha] gab die Vorführung auf, und eben auf dem Sitz erblickten sie ihn...'

2.3. Wahl des Kasus im Verhältnis zum Raum

c. TERMINATIV

(ADESSIV),

mit

Β

171

säm-Κ. 'setzen'

Β 22 a5 ////lyäman=asäne 'Setze ihn auf [seinen] Thron. Β 81 b6 asänne ly[äJmatene 'liess sie ... auf den Sitz setzen'

2.3.3.1.3. Lokativ Plural a. LOKATIV, mit Β säm- 'sitzen' Β Η. 149.288 al ////(sa)n asäntane samem : 'Sie sassen auf ihren eigenen Thronen'

2.3.3.1.4. Allativ a. DIREKTIONAL/TERMINATIV, mit Α kam- 'kommen' (der Allativ ist ergänzt) A 3 1 6 a l + A 3 1 5 a 2 tmäs ptänkä(t kässi) ... vipulävakäs päkram rarkunt asäna(c ka )kmuräs 'Als darauf der Buddha (der Meister) ... zu dem weiten Raum bietenden, an der Oberfläche (?) bedeckten Sitz gekommen war...' b.

mit Α kärk- 'binden' A 341 a2 temi lapäss äsänac yalakäsyo sas : pret ka(kärku ses) 'An deren Sitz (war) vom Kopfjende] her mit Stricken (?) ein Preta gebunden.' Dieses Beispiel ist im Zusammenhang mit den Konstruktionen mit kärk- 'binden' in 2.2.2.1. erwähnt worden. Der Kasusgebrauch ist mit grösster Wahrscheinlichkeit vom Verb kärk- abhängig. TERMINATIV,

2.3.3.1.4. Zusammenfassung Α äsäm Β asäm Mit diesem Wort können wir einen grundlegenden Unterschied im Kasusgebrauch zwischen Α und Β beobachten. Mit AB säm- Gv. 'sitzen' und K. 'setzen' wird in A Perlativ und in Β Lokativ verwendet (die Beispiele Β 580 a3 und Β 626 b4, mit vajräsam 'Diamantenthron', ausgenommen).

172

2. Die Funktionen der Lokalkasus

Das Beispiel A 315 a2 (mit Α kam- 'kommen' und Allativ) muss man wegen der Ergänzung als unsicher betrachten.

2.3.3.2. Awsenne 'Lager' Β wsenna 'Lager, Stätte' 2.3.3.2.1. Perlativ a. DIREKTIONAL, mit A i- 'gehen' A 19 bl oseniwsemneyäyes 'ging ... bei Nacht zum Lager' 2.3.3.2.2. Lokativ Plural a. LOKATIV

α) Mit Β wäs- 'weilen' Β 45 b4 stwärka [w] sennamne wsask[e]m 'an vierzig Stätten weilen sie' ß) Mit Α täm- 'geboren werden' A 307 b6 tosäs pnäk wsennesam tatmuncäs wrassä lyutär memas kärum kätänkäsäm 'Für die an diesen fünfzig Stätten geborenen Wesen entsteht ihm Mitleid über alles Mass.' 2.3.3.2.3. Allativ a. DIREKTIONAL, mit A i- 'gehen' A YQ 1.28 b2 [MSN I] ////losäskomnkätwmäluneyamyäs waspenu snisniwsemnesaclo(picäs) '...The sun is going down. Let us too (go) away to our resting places, each to his own!'

2.3.3.3. A lake ß leki 'Lager' 2.3.3.3.1.

Lokativ

a. LOKATIV

α) Mit A klis- 'schlafen' A 14 a3 kupre skam ne wrasom wlal lakeyam kliso 'Und wenn der Mensch sterbend auf dem Lager liegt...'

2.3. Wahl des Kasus im Verhältnis zum Raum

173

ß) Mit Β räk- 'sich hindecken' Β 339 a 6 l l l l [ r ä ] k w ä i k e p o s t ä m lekine 16//// '...deckte ich hinterher Lager.'377

aufs

γ) Verb fehlt Β 514 a6 (MQ) ////(swanc)ain(ts)ä lyelyukosne einem Lager, durch Strahlen beleuchtet...'

lekine s [ p ä ] / / / /

'auf

b. T E R M I N ΆΤΙ V/LOKATIV, mit Β tsu- 'sich fügen', h. 'binden' Β H.149.14blf. tallänco...tswoskasläklenleki(ne)//// 'Die Armen ... sind durch Leiden eben an ihre Betten gebunden'

2.3.3.4.

Α

2.3.3.4.1.

*mancak

'Lager'

Lokativ

a. LOKATIV, Verb fehlt A 339 b3 / / / / [ n ä ] s '...auf

einem

Bett,

säl stä[mäm]twam ywärckä rarkunt manckam das zwischen den...Säla-Bäumen aufgestellt

wurde'

Zusammenfassung A wsenne Β wsenna, Α lakeß leki und A *mancak Mit diesen Wörtern wird Lokativ für LOKATIV verwendet. Vielleicht kann man in dem Beispiel A 19 bl (Perlativ, 2.3.3.2.1.) eine Parallele zu wast (2.3.2.1.) sehen und annehmen, dass der Unterschied Richtung bzw. Lokalisierung mit Perlativ bzw. Lokativ ausgedrückt wird. Die Bedeutung von wsenne in den Lokativbeispielen in 2.3.3.2.2. ist aber nicht 'Bett', sondern 'Stätte, Platz', und daher kann dieser Kasusgebrauch nicht geprüft werden. 2.3.3.4.2.

377

Kölver (1965:108).

174

2. Die Funktionen der Lokalkasus

2.3.3.5. Arkäl 5raktsi 'Decke' 2.3.3.5.1. Perlativ a . LOKATIV

α) Mit Α säm- 'sitzen' A 149 b3 nu tämnukräklälm[o] '.. .ich aber jetzt auf der Decke gesetzt...' ß) Mit Β wäs- 'weilen', Β cepy- 'treten' Β H.149.X.4 a If. : sankik raktsisa sam(ä)nentse : enatketse mä ceppi(l)l(e) mäwsassälle : 'Auf einer der Gemeinde gehörigen Decke soll ein Mönch, [der] ohne Stütze [ist], weder treten (?) noch liegen.'

2.3.3.5.2. Perlativ Plural a. TERMINATIV/LOKATIV, mit Α wät- 'stellen, setzen' A 107 b3 näkcyäss oki räkläntwä woklisnätsi: '.. .auf die himmlischen Decken gleichsam zum Schlafen gelegt.'

2.3.3.6. Αpyäkäs '(Opfer)pfosten', skt. yüpa2.3.3.6.1. Perlativ a. TERMINATIV/LOKATIV, mit Α wät- 'stellen, setzen' A 55 b6 11 tmäs orto watunt cu simsi täpräm pyäksä o(ki) 'Dann dich aufrecht aufgestellt, wie an einem hohen *sim-Pfosten...'

2.3.3.6.2. Lokativ In A 301 (Erzählung von Mahäpranäda)37' kommt pyäkäs mehrmals in Lokativ vor. Die Übersetzung wäre 'am Opferpfosten', d.h. LOKATIV, mit nichtlokalen Verben. 378

Vgl. Thomas (1957:56).

2.3. Wahl des Kasus im Verhältnis zum Raum

175

A 301 a2 : Ikätsi wäkmtsam krant wramäm puk täm pyäksam 'Ausgezeichnet anzusehen [sind] alle guten Dinge an dem [Opfer]pfosten'' A 301 b2 cem pyä(ksam tsepä)ntän rape ypär 'Die Tänzer (an) dem Pfosten machten Musik.' A 301 b5 pukam esäk fkam täm pyäksam 'und über allem an dem Opferpfosten...' A 301 a5 //Uly ·

ka-pyäks[am]-ssoki

2.3.3.6.3. Allativ α) Mit Α kärk- 'binden' A 97 b3 ////talkeyam vaidikenprämnäfipyäksac kakärkunt '...während des Opfers die vedischen Brahmanen den an den Opferpfosten gebundenen [Mann ? ] . . . '

2.3.3.6.4. Zusammenfassung Α pyäkäs Der Allativ in A 97 b3 wurde in 2.2.2.1. behandelt und ist wahrscheinlich von dem Verb Α kärk- 'binden' abhängig. Obwohl der Allativ sich nicht einfach erklären lässt, gibt es dafür parallele Beispiele. Der Unterschied zwischen dem Perlativ in A 55 b6 und den Lokativen in A 310 a2 etc. ist aber schwierig zu beurteilen. In sämtlichen Beispielen wird eine Lokalisierung realisiert. Man könnte vielleicht einen Unterschied in dem Grad der Kohärenz zum Opferpfosten hin annehmen. Diese Annahme lässt sich aber nur durch weitere Beispiele sichern.

2.3.3.7. A stam Β stam 'Baum' Adpositionalphrase Β stämnor (s. 4.1.6.) und Α stämposam (s. 4.1 .10.) 'unter einem Baum'.

176

2. Die Funktionen der Lokalkasus

2.3.3.7.1. Perlativ a. LOKATIV, mit nichtlokalem Verb Β Η. 149.add.8 blf. II to(m) ykentanem : räktsimem : lename(m) stämtsa : kemtsa (a)käsne : iprerne : warne : kolmaine : kokalemem: paskemem: kemtsa tpästrä : 'Von diesen Stellen, von diesem Teppich, von dieser Höhle, auf diesem Baum, auf der Erde ... im Luftraum. Im Luftraum, im Wasser, auf einem Schiff, von einem Wagen, von einem Bhärastam, auf der Erde [wird] bekannt gegeben.'

2.3.3.7.2. Lokativ Plural a. LOKATIV, mit nichtlokalem Verb A 227/8 a2 stämäntwam patplantatsi: unter den Bäumen' Weiter A YQ 1.34 al, 2379

'oder zufrieden zu sein

2.3.3.7.3. Allativ a. DIREKTIONAL, mit Α kam- 'kommen' A 114 b3 ////II nunak kuprene wlänkät parijätträ n(ä)kcim stämac mäs pälkäträ pändukampal 'Wenn jetzt Indra zu dem himmlischen Pärijäta-Baum kommt, sieht er ein Pändukambala380 ...'

2.3.3.8. Akark 'hölzerner Teil [des Bogens]' 2.3.3.8.1. Perlativ a. ADESSIV, mit A se- 'sich stützen' A 315/16 al säm sasak (släkkär a)nclis karkä tsink säseyu klyät 'Er allein stand (niedergeschlagen) da, auf die Spitze (?) des Bogens herabgelehnt.' 379 380

Fragmentarisch, nicht identifiziert. Ji - Winter - Pinault (1998:205). Skt. pändukambala- 'the housings of a royal elephant'. MW:616.

2.3. Wahl des Kasus im Verhältnis zum Raum

177

Das Beispiel sollte mit Β 41 al (2.2.3.1.) verglichen werden, wo Β sain- 'sich stützen' mit einem Abstraktum im Allativ (palkos 'auf den Geist') konstruiert wird. 2.3.3.9. Aoppal 'Lotus' 2.3.3.9.1. Perlativ a. DISTRIBUTIONAL, mit Α kärp- 'herabsteigen' A 1 bl opläsopläkärnm[ä](m) 'er [war] von Lotus zu Lotus steigend' 2.3.3.9.2. Lokativ a. LOKATIV, mit Α säm- 'sitzen' A 315 b7 oplam Imo 'auf dem Lotus gesetzt' b. Übersetzung/Auswertung unsicher A 358 al asureni lans kaumary oki prantärcy oplam püttisparsim oppalcu: 'Die Asurakönige wie Prinzen tragen dich, den Lotus der Buddhawürde, in [oder zu?] deinem Lotus.' 2.3.3.9.3. Zusammenfassung Aoppal Das Perlativbeispiel A 1 bl ist besonders interessant, s. 2.3.8.4. (DISTRIBUTIONAL). Im übrigen sind viel zu wenige Beispiele vorhanden, um eine Tendenz der Kasuswahl anzugeben. Das Beispiel A 315 b l (Lokativ) zeigt an, dass der Lokativ für die Lokalisierung verwendet wird.

2.3.3.10. Α äk Βäke 'Spitze' 2.3.3.10.1. Perlativ a. Α äkä 'am Ende' kann als eine erstarrte Postposition 'am Ende des ...' betrachtet werden, die bei sich einen Genitiv hat.381 38

' SSS:287. Für weitere Beispiele s. SSS:287

178

2. Die Funktionen der Lokalkasus

A 314 b3 swancenassi [ak]a okät tmam kärtkalyi pakär takar 'Am Ende der Strahlen erschienen 80.000 Teiche.' Auswertung unsicher: Β 308 b3 · pupam laksä(m) askwacfe]ntse äkesa • Kölver (1965:36) übersetzt diese Passage mit 'Faule Fische auf der Spitze eines Darbha-Grases.' Der Text ist eine Bilingue (Udv. XXV: 7): pütimatsyäm kusägrena yo naro hy upanahyate kusäpipütikä vänti hy evam päpopasevanah Skt. kusägrena entspricht hier Β askwacentse äkesa.1" Nach dem Sanskrit-Text wäre aber eine bessere Übersetzung: '(derjenige, der) stinkende Fische mit Kusägra383 (zusammenbindet)...'. In Β gibt es eine parallelle Passage. Bemerke aber, dass der Perlativ eine Ergänzung ist. Vergleiche mit der Lokativpassage Β H. 149.42 al (3.3.10.3.). Β 296 a8 (a)[sam]khy(ai)nts[e] (trice)[p](i) (ä)k[e](sa twe samci)te n[e]m [s]ait [kjälske ' 'am Ende des dritten Asamkhyeya-Periode warst du ein brahmanischer Novize namens Sameita...' 2.3.3.10.2. Perlativ Plural a . LOKATIV

Β 3 b3f. 94 saul attsaik totka sämnamts nke wriyesse pältakwä atyamts akentasa 'Das Leben der Menschen ist jetzt nur kurz (wie) ein Tautropfen384 an den Spitzen der Gräser' 2.3.3.10.3.

Lokativ

a . LOKATIV

α) Bestimmung zu NP A 12 b4f. äk[am] (yo)ktsäs klosäm tsru lalku 'Die an der Spitze behaarten Ohren liess er ein wenig herabhängen' 382

S. Thomas (1973:165). Skt. kusägra- ist die scharfe Spitze des Kusa-Grases; auch 'scharf, intelligent'. MW:297. 384 Sieg - Siegling (1949b:7): 'Wassertropfen'. 383

2.3. Wahl des Kasus im Verhältnis zum Raum

179

Es sollte bemerkt werden, dass äkhier mit 'Spitze' übersetzt wird, und dass die Haare an den Ohren festgewachsen sind. Es meint, dass eine permanente Position wird ausgedrückt wird. b. In dem Ausdruck Β swancaintse äkene 'am Ende des Strahles' α) Im Satz ohne Kopula Β Η. 149.42 al swancaintse äkene tapakisse yerpe na(no täkamns)///l 'Am Ende des Strahles [gibt es] wieder eine Scheibe eines Spiegels.' Auswertung unsicher: Β 567 b 1 ////I I tumem alyissana swancaimts äkene po yillll 'danach alle.. .am Ende der.. .Strahlen.' Diese Beispiele können mit A 314 b3 (2.3.3.10.1., Perlativ) oben, wo äkä als erstarrt betrachtet wird, verglichen werden. c. DIREKTIONAL, mit Β i- 'gehen' Β 119 b4 · y[ä]r[p]allents=ore ra se äkenne yam i llll 'Wie Schmutz der Sorge geht es auf einmal zu Ende'

2.3.3.10.4. Allativ Β 520 a4llll..msllftsa]oktaceyaitkostansaulantse äkes : '...mit der achtfachen befohlenen Sittlichkeit bis zum Ende deines Lebens.'

2.3.3.10.5. Zusammenfassung AäkB äke Zu wenige Beispiele sind vorhanden, um eine Tendenz des Kasusgebrauchs anzunehmen. Vielleicht ist es so, dass für den Ausdruck 'am Ende' in Α Perlativ und in Β Lokativ verwendet wird. In dem Beispiel Β 3 b4 wird der Perlativ mit der Bedeutung 'auf den Spitzen der Gräser' verwendet.

385

Für (täkau), Br. 1:57.

180

2. Die Funktionen der Lokalkasus

2.3.3.11. Βpatro, skt. patra- 'Almosenschale' 2.3.3.11.1. Lokativ Plural a. DIREKTIONAL/TERMINATIV, mit Β pär- 'tragen' Β 133 b4 26 pekwem ccem sü kämäte pattrainne cpT[u]tari: 'Diesen Armreifen brachte er in die Schalen des Uttara.'

2.3.3.12. ßportsai (Obliquus) 'Gürtel' 2.3.3.12.1. Perlativ a. TERMINATIV, mit Β enk- 'ergreifen' Β 88 a3f. 11 tane rudrasarme brähmane · portsaisau[tta](rem mncu)skem enkormem tsak[a]tsai kemtsa orkäntai yärttane 'Nachdem da der Brahmane Rudrasarman den (Prinzen) Uttara am Gürtel ergriffen hatte, zerrte er ihn über den dornigen Erdboden hin und her.' Die Konstruktion ist mit den Konstruktionen in 2.3.4.14.1. (A tsarä ents-, A sarsaenk-), 2.3.4.4.1. (B wcukaisaenk-) und 2.3.4.15.1. (B pokainesayärtt-) zu vergleichen.

2.3.3.13. Aposi 'Seite; Wand' 2.3.3.13.1. Perlativ [1] Bedeutung 'Wand' a. ADESSIv, mit Α pik- 'malen' A 8 a3f. tämäk wse possä sni äncäm sasrukunt knu[k](am spajrpyo spinaclänkmämpekat '...und malte noch in derselben Nacht sich selbst als Getöteten an die Wand mit dem Strick um den Hals, an einem Nagel hängend.'

2.3. Wahl des Kasus im Verhältnis zum Raum

181

2.3.3.13.2. Perlativ Plural [2] Bedeutung 'Seite' a. LOKATIV, mit A klis- 'schlafen' A 12 b4 : kliso päccäs possäsä 'Auf der rechten3*6 Seite liegend...' b. TERMINATIV, mit A yow- 'eintreten' A 320 a3 ////päccäspossäsäyaiwu(sworpusswä)ncenyo: '.. .auf der rechten Seite durchdrungen [und] (umgeben) vom Strahl.' Der Ausdruck possäsä 'auf der Seite' scheint erstarrt zu sein.

2.3.3.14.

Zusammenfassung: Kasusverwendung renzobjekten

bei Räumen/Refe-

Die Klassifizierung der Beispiele, nach denen die Kapiteleinteilung in 2.3.1.-2.3.7. gemacht ist, wird in 2.1.3.2. ("Die Organisation der Untersuchung") näher erklärt. Diese Einteilung ist α priori und umfasst Räume und Referenzobjekte, die sowohl durch Form/Beschaffenheit als Kasusgebrauch zusammengebracht werden können. Es wird hier eine genauere Klassifizierung, gemäss der Form/Beschaffenheit und des Kasusgebrauches, durchgeführt werden. Die Klassifizierungsgruppen: A. Räume mit äusserer Abgrenzung B. Räume ohne äussere Abgrenzung C. Weg und Strasse D. Berg und Gipfel E. Wörter für Wasser F. Kosmologische Begriffe G. Wörter für Platz, Stelle Η. Α kälyme Β kälymiye I. Grenze, Grenzlinie J. Pforte, Tür und Fenster K. Referenzobjekte, auf denen man sitzt oder liegt L. Opferpfosten und Baum M. Spitze 386

Winter (1985:589) 'linken'.

182

2. Die Funktionen der Lokalkasus

Α. Räume mit äusserer Abgrenzung Erstens muss eine Gruppe abgetrennt werden, die Räume/Referenzobjekte bezeichnet, die im Verhältnis zu ihrer Umgebung ringsum eine deutliche äussere Abgrenzung haben. Eine Bewegung zu oder in Richtung zu (DIREKTIONAL), eine Bewegung hinein (TERMINATIV), eine Lokalisierung in (LOKATIV) und eine [Herum]Bewegung innerhalb (INTRATERMINATIY) können einfach verstanden und markiert werden (s. Abbildung 2: a, b, c und d).

Abbildung 2. Die grundlegenden Lokalrelationen bei Räumen mit äusserer Abgrenzung

Die äussere Form kann entweder geometrisch oder uneben sein (Haus, Kloster bzw. Wald, Stadt, Land), die äussere Grenze oder Grenzlinie kann mehr oder weniger definiert sein (Stadtmauer, Wand bzw. Waldrand), das Innere kann mehr oder weniger gefüllt sein (Wald, Stadt bzw. Garten, Haus) und die Objekte können entweder offen oder geschlossen sein (Stadt bzw. Haus). Wenn man mit der lokativen Relation anfängt, sieht man, dass bei diesen Objekten für LOKATIV wie INTRATERMINATIV (S. Abbildung 2) ein Lokativ verwendet wird, sowohl in Tocharisch Α als auch in Tocharisch B. Die Beispiele Α riyäkälymäm 'stehend bei der Stadt' [Stadtwächter] (2.3.2.8.1.), Α sankrämä 'bei dem Kloster' [Wächter] (2.3.2.7.1.) und Α ypeyämskantasac 'für die über dem Land stehen-

2.3. Wahl des Kasus im Verhältnis zum Raum

183

den' (2.3.1.9.2.) sind speziell. Eine Lokalisierung wird hier ausgedrückt, nicht in, sondern neben oder über. DIREKTIONAL kann entweder mit Obliquus der Richtung oder Allativ ausgedrückt werden. Von diesen ist der Allativ offenbar die aktiv benutzte Kasusform. Der Obliquus der Richtung tritt z.T. erstarrt hervor, wie bei A ype (keine B-Beispiele sind verfügbar) in älu ype i- 'in ein anderes Land gehen' (s. 2.3.1.9.1.). Besonders interessant tritt hier das Wort Α wärt Β wartto 'Wald' hervor (s. 2.3.1.12.). Obliquus der Richtung ist nur in Β zu finden. In Α wird dafür der Allativ verwendet (wärtac i-). In Β kann DIREKTIONAL aber offenbar auch durch den Lokativ ausgedrückt werden (wartone i-, mit-, länt-, s. 2.3.1.12.2.[2]). Das heisst, dass die Markierung DIREKTIONAL bzw. TERMINATIV/LOKATIV in Β mehr aufgelockert worden ist. Diese Stellen haben eine Parallele in z.B. Β rme i(2.3.2.8.2.b.-c.) und osnei- (2.3.2.1.2.). TERMINATIV bei den Wörtern dieser Gruppe, besonders mit den Verben AB käm-, Β yäp-/yop- und Α tsälp-, wird mit Lokativ ausgedrückt. Das Verb AB käm- kommt meistens mit einem Lokativ vor, offenbar um die Erreichung des Zieles auszudrücken. Bei dem Wort A ype Β yapoy 'Land' kann man den Unterschied zwischen den Bewegungsverben AB käm- und AB i- bemerken. AB käm- kommt nur mit Lokativ vor, um Zielerreichung auszudrücken. AB i- wird mit Allativ konstruiert, um Richtung zu auszudrücken. Bei dem Wort 'Stadt' (2.3.2.8.) findet man die folgenden Konstruktionen: der Perlativ drückt Lokalisierung neben der Stadt (an der Mauer) aus, der Lokativ drückt eine Lokalisierung in der Stadt oder ein Eintreten in die Stadt aus. Eine Bewegung zur Stadt wird mit Allativ bezeichnet. Ausdrücke der Lokalisierung draussen vor oder neben der Stadt werden mit Adpositionalphrasen bezeichnet, wie Α riyä pre 'draussen vor der Stadt' [Zauberkreis] (4.2.6.) und Ariyackätse 'nahe bei der Stadt' [Teich] (4.4.5.). Einen ähnlichen Kasusgebrauch hat man bei AB sankräm 'Kloster'. Der Perlativ drückt eine Lokalisierung neben (an der Wand) aus, der Lokativ eine Lokalisierung in und ein Eintreten in (mit Α tsälp- bzw. käm- und Β yäp-).

184

2. Die Funktionen der Lokalkasus

Man sollte auch die Wörter A trunk Β tronk 'Höhle' (2.3.1.31.) und Α protäkB pele 'Gefängnis' (2.3.2.11.) zu dieser Gruppe stellen. Diese Referenzobjekte haben - von innen her betrachtet - eine äussere Begrenzung. Diese Abgrenzung ist aber schwer durchdringlich. Eine Lokalisierung in wird durch Lokativ markiert. B. Räume ohne äussere Abgrenzung Die Räume, die [ebene] Oberflächen/Räume ohne deutliche äussere Grenzen repräsentieren, sollten abgesondert betrachtet werden. Zu dieser Gruppe gehört A tkam Β kem in der Bedeutung 'Erde, Erdoberfläche'. Perlativ ist der Grundkasus zum Ausdruck einer Lokalisierung auf wie auch einer Bewegung über. Bei diesem Wort kommt auch ein Lokativ vor, aber mit anderen Bedeutungen (Land, Platz etc.) und wenn irgendetwas in der Erde ist (Wurzelfasern, Gewächs) oder dahin hineindringt (Wasser). Ich verweise auf die Zusammenfassung von Α tkam Β kem (2.3.1.1.4.). Weiter sind hierher zu stellen Β manarkai und Β petwe 'Ufer' (2.3.1.14.) und Β erkau Plural erkenma 'Leichenstätte' (2.3.1.13.). Perlativ wird für Lokalisierung auf wie für Bewegung zu verwendet. Der Unterschied DIREKTIONAL - TERMINATIV ist viel undeutlicher als bei den Bezugsgegenständen in Gruppe A. Man vergleiche z.B. die Perlativ- bzw. Allativ-Beispiele bei 'Leichenstätten' (2.3.1.13.). Es ist fraglich, wie man das Wort für 'Insel', A prank Β prenke (2.3.1.17.) in diesem Zusammenhang klassifizieren soll. Im Vergleich zu den Beispielen mit 'Berg' und 'Gipfel' (Gruppe D), ist es hier schwierig zu beurteilen, warum nur Perlativ verwendet wird. Der Unterschied lässt sich nicht einfach erklären. C. Weg und Strasse Die Wörter für Weg und Strasse, Α ytär Β ytärye (2.3.1.6.), A sont (2.3.1.7.)und Β nauntai(2.3Α.8.) müssen für sich betrachtet werden. Der Ausdruck Α ytär i- Β ytäri i- 'einen Weg [entlang] gehen' zeigt eine sehr archaische Verwendung des Obliquus, die auch in anderen indogermanischen Sprachen belegt ist, der Akkusativ des Weges. Dieser Ausdruck ist bisher nicht bei Α sont Β nauntai 'Strasse' belegt. Bei Β nauntai findet man aber einen Obliquus in der Konstruktion nauntai

2.3. Wahl des Kasus im Verhältnis zum Raum

185

nauntai 'Strasse für Strasse' (DISTRIBUTIONAL). In Β bezeichnet der Perlativ auch Bewegung einen Weg entlang: bei Β ytärye mit anderen Bewegungsverben als i-: spärtt-,kätk- und mit-, bei nauntai aber mit i-. Dieser Perlativ des Weges repräsentiert sicherlich eine archaische Verwendung des gemeintocharischen Perlativs. Mehrere Beispiele zeigen, dass eine Lokalisierung auf einer Strasse oder einem Weg mit Lokativ markiert wird (s. 2.3.1.6.3-4., 2.3.1.7.1-2. und 2.3.1.8.3.). Im Vergleich zu den Räumen ohne äussere Abgrenzung (Gruppe B), kann man diesen Kasusgebrauch als speziell auffassen. Der Unterschied Lokalisierung bzw. Bewegung wird hier mit dem Lokativ bzw. dem Obliquus/Perlativ markiert. Bemerke aber, dass ein Niedersteigen auf den Weg auch mit dem Lokativ bezeichnet wird (2.3.1.6.3.). D. Berg und Gipfel Bei den Wörtern für 'Berg' und 'Gipfel' wird, wie mit Gruppe A, Lokativ für Lokalisierung verwendet. Im Vergleich zu den Wörtern in Gruppe Β ist diese Tatsache bemerkenswert. Es gibt auch einige Beispiele im Lokativ, mit Α käm- bzw. kärp-, die Zielerreichung (TERMINATIV) ausdrücken, wie auch einige Beispiele mit Allativ, die DiREKTIONAL ausdrücken: A sulac i- (2.3.1.19.5.). Der Kasusgebrauch dieser Wörter stimmt dadurch im grossen und ganzen mit Gruppe A überein. Man bemerkt aber, dass man bei Β sale den Perlativ findet zum Ausdruck einer Lokalisierung auf einem Berg. Der Lokativ erscheint bei einem Hohlraum im Berg (s. 2.3.1.19.3.). E. Wörter für Wasser Eine Gruppe für sich machen die Wasser-Wörter, 'Wasser', 'Ozean', 'Teich' und 'Fluss' aus, die auch Übereinstimmungen mit der Gruppe A, konkret sowohl als auch im Kasusgebrauch, zeigen. Eine Bewegung hinein (TERMINATIV), eine Lokalisierung in oder auf (INESSIV/ADESSIV) wie auch eine Bewegung innerhalb [herum/durch] ( I N TRATERMINATIV/TRANSLATIV) oder auf [über] (PERLATIV) sind unter anderem möglich. Ein Herumgehen im Wasser findet man in 2.3.1.20.2.b, Lokativ wird verwendet. Β wärsaplewe 'Floss [Fahrzeug] auf dem Wasser' (Perlativ, 2.3.1.20.1.) sollte in Kontrast zu A wram

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2. Die Funktionen der Lokalkasus

o(ki) 'Wie (ein Schiff) auf dem Wasser' (Lokativ, 2.3.1.20.2.) betrachtet werden. In Α wräesäk 'über das Wasser' [Vögel] (4.2.2.) wird eine Adpositionalphrase benutzt, um die Inkohärenz zum Wasser hin zu markieren. Lokalisierung in bzw. neben einem Fluss (B cake, 2.3.1.23.1-2.) wird durch den Lokativ bzw. den Perlativ markiert. F. Kosmologische Begriffe Grössere kosmologische Begriffe, die mehr oder weniger konkret verstanden werden können, sollten in einer Gruppe gesammelt werden: 'Luftraum', 'Welt', 'DvTpa' und 'Hölle'. Eine Lokalisierung in wird mit dem Lokativ ausgedrückt. Mit 'Luftraum' wird für eine Lokalisierung oder Bewegung in (ein Schweben) ein Lokativ verwendet. Ein interessantes Beispiel (2.3.1.28.1.) 'der Strahl glüht über Erde (Perlativ) und Luftraum (Perlativ) hin' zeigt den Perlativ. Weiter finden wir Allativ (2.3.1.28.3.), als der Purohita Brahmäyu auf der Erde steht und beide Hände in Richtung zum Luftraum hochhebt. Der Ausdruck 'in der Luft schütteln' [Faust] wird aber mit dem Lokativ markiert (2.3.1.28.2.). Die Beispiele mit 'Welt' verteilen sich auf zweierlei Weise: 'diese Welt' und 'die andere [göttliche, himmlische] Welt'. Der Allativ drückt eine Bewegung zur anderen Welt aus (2.3.1.2.2.). Eine Bewegung zur Hölle oder in die Höllen wird nicht mit Allativ sondern mit Lokativ markiert. Es ist bemerkenswert, dass man bei 'Hölle' nur Lokativ findet, gleichgültig ob es sich um eine Lokalisierung in, ein Bewegen zu oder ein Führen zu handelt (2.3.1.29.2.-3.). Ein Beispiel (B 31 bl) mit 'werfen' zeigt Perlativ, Kommentar und Diskussion s. 2.3.1.29.1. G. Wörter für Platz, Stelle Β lame, Β yoniya (2.3.1.3.), AäntB ante {2.3.1.4.) und Β ike,yke (2.3.1.5.) sollten sich eigentlich an Gruppe B, Räume ohne äussere Abgrenzung, anschliessen - es ist aber zu bemerken, dass man bei diesen Wörtern in keinem Fall den Perlativ findet. Man hat den Lokativ für LOKATIV und TERMINATIV, im Einzelfall auch den Allativ zur Bezeichnung der Richtung (2.3.1.5.3.). Man kann darum nur konsta-

2.3. Wahl des Kasus im Verhältnis zum Raum

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tieren, dass der Lokativ mit diesen Wörtern verwendet wird, um Lokalisierung/Zielerreichung auszudrücken. H. Das Wort Α kälyme Β kälymiye 'Himmels[Welt-]gegend, -richtung'; 'Land, Platz' ist sehr kompliziert. Wir finden Α-Beispiele, wo der Lokativ zur Bezeichnung der Richtung (mit i-, klä(w)-, sätk- und läk-) verwendet wird (2.3.1.10.5.-6.), weswegen dieser Kasusgebrauch bei Α kälyme ziemlich bemerkenswert ist. In Β wird dagegen Perlativ Plural verwendet, sowohl zur Bezeichnung der Richtung als auch der Lokalisierung (2.3.1.10.4). Siehe weiter die Zusammenfassung von Α kälyme Β kälymiye (2.3.1.10.8.). I. Grenze, Grenzlinie Es gibt im Material zwei Wörter für 'Grenze, Grenzlinie', Β ärtar und Β sim. Eine Lokalisierung entlang der Grenze wird mit Perlativ ausgedrückt (2.3.1.24.1.), eine Lokalisierung oder Bewegung innerhalb oder ausserhalb der Grenzlinie wird dagegen mit einer Adpositionalphrase bezeichnet, Β enenka simne (4.3.1.2.) bzw. Β parna simtsa (4.2.5.). J. Pforte, Tür und Fenster Eine Lokalisierung in einer Tür oder Pforte wird mit Lokativ ausgedrückt, yokmam (2.3.2.12.3.) bzw. twerene (2.3.2.13.). Das gilt offenbar auch für eine Lokalisierung in einem Fenster (2.3.2.14.2.). Zwei Beispiele (A bzw. B) zeigen, dass ein Gehen durch eine Pforte mit Perlativ bezeichnet wird (2.3.2.12.1.-2.). K. Referenzobjekte, auf denen man sitzt oder liegt Das wichtigste Wort hier ist natürlich Α äsärn Β asäm 'Sitz, Thron', von dem ziemlich viele Belege vorhanden sind (2.3.3.1.). Ein Gebrauchsunterschied ist zwischen Α und Β zu bemerken. In Α wird Perlativ für sowohl 'auf einem Thron sitzen' als 'auf einen Thron setzen' verwendet. In Β drückt der Lokativ dieselben Relationen aus. Die Reittiere, A klank Β klenke 'Reittier' (2.3.5.8.) und Β onkolmo 'Elefant' (2.3.5.9.), sollen auch hier erwähnt werden. 'Auf einem Pferd/Elefanten sitzen' wird durch einen Perlativ ausgedrückt.

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2. Die Funktionen der Lokalkasus

Ein Sitzen oder Weilen auf einer Decke (A rkäl Β raktsi, 2.3.3.5.) wird auch mit dem Perlativ markiert. Ein Liegen auf einem Bett wird dagegen mit Lokativ bezeichnet. Es gibt drei verschiedene tocharische Wörter für 'Bett', A lake Β leki (2.3.3.3.), A wsenna (2.3.3.2.) und A *mancak (2.3.3.4.), die alle in dieser Hinsicht übereinstimmen. Man sollte hier auch das Wort A oppal 'Lotus' (2.3.3.9.) erwähnen. Der Lokativ bezeichnet ein Sitzen auf oder in einem Lotus. Bemerke aber, dass eine Bewegung von einem Lotus zu einem anderen durch Ablativ - Perlativ ausgedrückt wird. L. Opferpfosten und Baum Bei Α pyäkäs Opferpfosten' (2.3.3.6.) haben wir Beispiele sowohl mit Perlativ als auch mit Lokativ. Der Unterschied dieser beiden Konstruktionen ist schwierig zu beurteilen. Vielleicht bezieht er sich darauf, ob das Lokalisierungsobjekt an dem Opferpfosten festgebunden ist oder nicht. Das heisst, pyäksam (Lokativ) könnte (wenn nicht ein Verb für 'binden', wie in A 97 b3 gegeben ist) ein an den Opferpfosten gebundenes Lokalisierungsobjekt bezeichnen. Zu spärlich sind auch die Belege mit reinen Kasuskonstruktionen bei dem Wort Α stäm Β stäm 'Baum'. Perlativ, Lokativ Plural und Allativ sind vorhanden (2.3.3.7.). In dem Perlativ-Beispiel Β Η. 149. add.8 blf. kommt wahrscheinlich eine Lokalisierung in der Baumkrone zum Ausdruck. 'Unter einem Baum' wird mit einer Adpositionalphrase ausgedrückt: Β stäm nor (4.1.6.), Α stäm posam (4.1.10.). M. Spitze Das Wort AäkB äke (2.3.3.10.) 'Spitze' ist ein wenig kompliziert. Der Ausdruck 'am Ende des...', Α äkä ... (2.3.3.10.1.) Β akene... (2.3.3.10.3.) scheint z.T. erstarrt zu sein. 'An den Spitzen der Gräser' in Β zeigt aber Perlativ (2.3.3.10.2.). Die Lokalangaben bei offenen Räumen und Referenzobjekten sind zentral für die Beurteilung lokaler Konstruktionen. Als nächstes werden hier die Körperteile untersucht.

2.3. Wahl des Kasus im Verhältnis zum Raum

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2.3.4. Körperteile 2.3.4.0. Allgemeine

Bemerkungen

2.3.4.0.1. Ausdrücke des Schmerzes, Leidens oder Fühlens In den medizinischen und magischen Texten kommen lokale Konstruktionen mit verschiedenen Körperteilen oft vor. Wenn ein Körperteil eine Krankheit oder einen Schmerz enthält, steht er im Lokativ. Z.B. in der Yogasataka-Bilingue: Β PK.AS.2B (=Y2 Filliozat) a2f.387 hirandasse salyempa tetriwu nemcekamne po tekanma näksenca ceyak nastukärm yamasle panit tvänkaraimpa ese sintäp panit pippälmpa triwäsle melemne laklese muka panku kräni wicükaine pokaine äsne esanene körne klautsaine sark aläskemane melemne pinasle pone kartse 92 'Melasse mit Ingwer oder Steinsalz [und] Melasse soll mit Pfeffer mischen der an der Nase Leidende, der Stumme [und] Gelähmte, der an Nacken, Kinnbacke, Arm, Kopf, Augen, Kehle [und] Ohr Krankheit Leidende. [Es ist] in die Nase zu blasen [und] bei jedem [der genannten Leiden] gut.' Β PK.AS.2A (=Y1 Filliozat) a6 indrine aramsne pispikne lakle wikässäm I 'Das entfernt Schmerz in den Sinnesorganen, in dem Herzen und in den Brustwarzen (?)' Β PK.AS.2C (=Y3 Filliozat) b3 aramsne mäastarämhe 'Unreinheit in dem Herzen...'' Dieses gilt auch für mehr abstrakte Gefühle oder Eigenschaften, die entweder in Teilen der Körper sind oder in sie kommen, wie z.B. A 75 b3 (mä cami äri)ncanäk ... (mä)ntlune äkntsune 'Nicht ist schon in dessen Herzen ... böse Gesinnung oder Unwissenheit.' Β St.Ch.00316.a.2 al : lambtsekoynesek ist immer leicht im Mund'

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* Sieg (1955:66).

mäsketrä/H/ 'Der Patient

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2. Die Funktionen der Lokalkasus

Β Η. 149.add. 118 b4 (mai)yyätstsa i