Die evangelische Eschatologie und das Judentum: Strukturprobleme der Konzeptionen seit Schleiermacher 9783666562563, 352556256X, 9783525562567


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German Pages [328] Year 2004

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Die evangelische Eschatologie und das Judentum: Strukturprobleme der Konzeptionen seit Schleiermacher
 9783666562563, 352556256X, 9783525562567

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Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie Herausgegeben von

Reinhard Slenczka und Gunther Wenz

Band 103

Vandenhoeck & Ruprecht

Henning Theißen

Die evangelische Eschatologie und das Judentum Strukturproblem der Konzeptionen seit Schleiermacher

Vandenhoeck & Ruprecht

Gewidmet dem Andenken an Monsignore Dr. Josef Schütt (1916–1999)

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 3-525-56256-X

© 2004, Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen. Internet: www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seiner Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweise zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schrifliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Druck- und Bindearbeiten: Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier

Inhalt

Vorwort.......................................................................................................... 9

Erster Teil I. Exposition der Fragestellung ................................................................... 11 1. Christliche Eschatologumena aus jüdischer Traditionsgeschichte ...... 13 2. Schemata christlicher Wahrnehmung des Judentums.......................... 21 3. Anfragen des Judentums an die christliche Eschatologie.................... 24

Zweiter Teil II. Friedrich Schleiermachers eschatologisches Dilemma .......................... 42 1. Analyse ................................................................................................ 43 1.1. Aufweis eines eschatologischen Dilemmas in zwei Gestalten...... 43 1.2. Implikationen für die Wahrnehmung des Judentums.................... 57 2. Erhebung von Wahrnehmungsschemata.............................................. 62 2.1. Weissagung und Ende der Weissagung?....................................... 62 2.2. Partikularität und Universalität?.................................................... 63 3. Problemgeschichtlicher Ertrag............................................................. 68 III. Die chiliastische Eschatologie der Heilsgeschichtlichen Theologie ..... 79 1. Analyse ................................................................................................ 80 1.1. Person und Natur als eschatologische Grundbegriffe ................... 80 1.2. Implikationen für die Wahrnehmung des Judentums.................. 118 2. Erhebung von Wahrnehmungsschemata............................................ 124 2.1. Natur und Person? ....................................................................... 124 2.2. Wahrsagung und Weissagung? ................................................... 126 3. Problemgeschichtlicher Ertrag........................................................... 130

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Inhalt

IV. Martin Kählers messianisch-soterologische Eschatologie.................. 136 1. Analyse .............................................................................................. 137 1.1. Das Konzept einer soterologischen Eschatologie ....................... 137 1.2. Implikationen für die Wahrnehmung des Judentums.................. 159 2. Erhebung von Wahrnehmungsschemata............................................ 178 3. Problemgeschichtlicher Ertrag........................................................... 183 V. Die antiapokalyptische Eschatologie von Paul Althaus ....................... 193 1. Analyse .............................................................................................. 194 1.1. Eschatologie der Ewigkeit als Jenseits der Geschichte............... 194 1.2. Implikationen für die Wahrnehmung des Judentums.................. 208 2. Erhebung von Wahrnehmungsschemata............................................ 240 2.1. Paradoxie von Geschichte und Eschatologie?............................. 241 2.2. Hoffnung und Glaube? ................................................................ 247 3. Problemgeschichtlicher Ertrag........................................................... 256

Dritter Teil VI. Ergebnisse und Ertrag für Systematik und Ökumene ......................... 260 1. Ergebnisse für die Theologiegeschichte ............................................ 260 2. Ergebnisse für die Wahrnehmungsschemata ..................................... 262 3. Ertrag für die Eschatologie im Verhältnis zum Judentum................. 263 3.1. Zeit und Ewigkeit ........................................................................ 268 3.2. Die Hoffnung auf die Parusie Christi .......................................... 273 3.3. Die biblische Metaphorik der Eschatologie ................................ 282 3.4. Gottes Handeln und menschliche Hoffnung ............................... 288

Inhalt

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Exkurse Exkurs 1: Zur Eschatologiedebatte des Rechtshegelianismus .................... 64 Exkurs 2: Die hypothetische Eschatologie der Vermittlungstheologie....... 69 Exkurs 3: Kontexte der Axiomatik von Person und Natur.......................... 98 Exkurs 4: Der infinite Progreßgedanke in der liberalen Eschatologie ...... 144 Exkurs 5: Zur problemgeschichtlichen Bedeutung der „Soterologie“ ...... 153 Exkurs 6: Theologiegeschichtliche Kontexte von Kählers Eschatologie . 189 Exkurs 7: Carl Stanges unmittelbar theo-logische Eschatologie .............. 199 Exkurs 8: Eschatologie bei Althaus und der Dialektischen Theologie ..... 214 Exkurs 9: Zum Apokalyptikbegriff der Religionsgeschichtlichen Schule 234

Anhang Bibliographie ............................................................................................. 296 1. Quellen ............................................................................................... 296 2. Sekundärliteratur................................................................................ 304 Register...................................................................................................... 319 1. Namen ................................................................................................ 319 2. Sachen und Begriffe........................................................................... 326

Vorwort

Dieses Buch verknüpft schon in seinem Titel zwei thematische Stichworte, die auch einzeln beanspruchen könnten, einen eigenen und gewichtigen Gegenstand evangelischer Theologie darzustellen: Eschatologie und Judentum. Indem diese Untersuchung für eine Verbindung von eschatologischer Problemgeschichte und israeltheologischer Fragestellung eintritt, betritt sie mehr oder minder Neuland. Was sie leisten möchte, ist ein Beitrag zu einer systematischen Eschatologie, die sich ihre Aufgaben vom Interesse an einer theologischen Würdigung des Judentums stellen läßt. Diese wiederum kann nicht unabhängig von der Problemgeschichte der Eschatologie geschehen. Der Gedankenkreis, der mit den beiden Titelstichworten abgesteckt ist, markiert also einen hermeneutischen Zirkel. Einen Erweis für die Berechtigung dieses Verfahrens und dieses Ansatzes kann nur seine Ausführung selbst erbringen. Wenn das letzte Kapitel meiner Arbeit dennoch nur eine Skizze evangelischer Eschatologie und keine Ausführung davon präsentiert, so bedeutet das einerseits eine schmerzliche Beschränkung, andererseits aber auch, wie ich hoffe, eine Konzentration, insofern gerade in der Stellung zu den sog. Letzten Dingen Charakter und Profil theologischen Denkens sich bewähren müssen. Das hohe Gewicht eschatologischen Denkens für alle Theologie hat mir besonders Prof. Dr. Gerhard Sauter nahegebracht, der mir auch den Gegenstand dieser Untersuchung als Promotionsthema vorgeschlagen und das Erstgutachten verfaßt hat. Das Zweitgutachten schrieb Prof. Dr. Günter Bader. Die Untersuchung wurde daraufhin unter dem Titel „Konzeptionen evangelischer Eschatologie seit Schleiermacher unter besonderer Berücksichtigung ihrer Wahrnehmung des Judentums“ im Sommer 2002 von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität zu Bonn als Dissertation angenommen. Beiden Gutachtern spreche ich an dieser Stelle meinen herzlichen Dank aus. Prof. Sauter danke ich außerdem für vielerlei Förderung meiner Arbeit, besonders durch die inhaltliche Anbindung an den Sonderforschungsbereich 534 „Judentum – Christentum. Konstituierung und Differenzierung in Antike und Gegenwart“ an der Bonner Universität (1999–2003). Von dessen Gästen nenne ich dankbar Prof. Dr. Peter Ochs und von den Mitarbeitern Dr. Michael Konkel und Dr. Alexandra Pontzen stellvertretend für die Teilnehmer an der Tagung „Typisch jüdisch?“ im Mai 2001 auf Burg Rothenfels. Die Studien-

Vorwort

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stiftung des deutschen Volkes hat meine Arbeit von November 2000 bis Juli 2002 mit einem Promotionsstipendium gefördert und mir so erst die Ausarbeitung in der jetzigen Form ermöglicht. In diesem Zusammenhang danke ich neben Prof. Sauter Dr. Roland Hain sowie Prof. Dr. Wolfram Kinzig und Prof. Dr. Johannes von Lüpke für wertvolle und unkomplizierte Unterstützung. Dankbar erwähne ich auch die Stipendiatengruppe von Prof. Dr. Wolfram Steinbeck, die meine Überlegungen in einem sehr frühen Stadium mit Wohlwollen und sachlicher Kritik entgegengenommen hat. Die systematisch-theologische Sozietät meines Doktorvaters, die interdisziplinäre Doktoranden- und Habilitandensozietät der Bonner evangelisch-theologischen Fakultät, das Graduiertenkolleg des Theologischen Arbeitskreises Pfullingen und die systematisch-theologische Sozietät an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal haben mir an verschiedenen Schlüsselstellen meiner Arbeit Gelegenheit zu Referat und kritischer Diskussion geboten. Dafür sei allen Beteiligten herzlich gedankt. Unter den vielen Menschen, die das Entstehen dieses Buches ebenso ideell wie tatkräftig begleitet haben, möchte ich besonders meinen Vikarskollegen Dirk Dörpholz nennen, der in einem Akt praktischer Eschatologie mein Manuskript davor bewahrt hat, im elektronischen Orkus zu versinken. Für die Drucklegung habe ich das Manuskript durchgehend überarbeitet und dabei um ein Sechstel seines ursprünglichen Umfangs gekürzt. Für mancherlei Rat hierbei danke ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht. Herzlich danke ich auch der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Buber-Rosenzweig-Stiftung, der Evangelischen Kirche der Union (jetzt Union Evangelischer Kirchen) und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, die allesamt das Erscheinen dieses Buches mit namhaften Druckkostenzuschüssen gefördert haben. Prof. Dr. Reinhard Slenczka und Prof. Dr. Gunther Wenz als Herausgebern danke ich für die Aufnahme in die „Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie“. Erste Denkerfahrungen mit der systematischen Bedeutung der Eschatologie verdanke ich dem ökumenischen Austausch mit dem erfahrenen Theologen und Religionspädagogen sowie langjährigen Ökumenebeauftragten des Bistums Aachen, Monsignore Dr. Josef Schütt. Er war mir ein unvergeßlicher Lehrer im theologischen und philosophischen Gespräch geworden, ehe er vor meiner Inangriffnahme dieses Buches am 29. März 1999 starb. Das Buch ist darum zum Zeichen meines Dankes seinem Andenken gewidmet. Bonn, den 28. Juni 2003

Henning Theißen

I. Exposition der Fragestellung

In der protestantischen Theologie der vergangenen Jahrzehnte hat sich mehr und mehr die Einsicht Geltung verschafft, daß die Vernichtung des europäischen Judentums in der Shoa nicht nur die weitere Existenz von Juden und Judentum fraglich gemacht hat, sondern auch eine Infragestellung der christlichen Theologie bedeutet. Diese sieht sich seither zu einer kritischen Revision ihrer eigenen Theorietradition genötigt.1 Die vorliegende Untersuchung will einen Beitrag zu einer solchen Revision leisten, und zwar auf dem Gebiet der Eschatologie. Diese hat in den letzten Jahren verstärkt Interesse gefunden als ein Judentum und Christentum gemeinsamer Inhalt von Theologie. Ein markantes Beispiel dafür ist, daß die Evangelische Kirche im Rheinland, um ihren Grundsatzbeschluß von 1980 zur Umkehr und Erneuerung im Verhältnis zum Judentum mit Leben zu erfüllen, 1996 den Grundartikel ihrer Kirchenordnung um einen Satz zur mit Israel gemeinsamen Zukunftshoffnung ergänzte.2 In der vorliegenden Arbeit soll untersucht werden, wie evangelische Eschatologie das Judentum wahrnimmt, welche Begründungsmuster dabei Anwendung finden und welche Zusammenhänge mit der argumentativen Struktur christlicher Theologie bestehen. Das Ziel ist, Fragestellungen zu ermitteln und zu erörtern, die für eine künftige evangelische Eschatologie mit Blick auf das Judentum wichtig sind. Dazu bietet der einleitende erste Teil der Untersuchung in Aufnahme der bisherigen Forschung einen Aufriß, der durch die weitere Untersuchung präzisiert wird. Im Anschluß daran werden im zweiten Teil (Kap. II–V) vier paradigmatische Komplexe evangelischer Konzeptionen zur Eschatologie in ihrer systematischen Argumentation analysiert und auf deren inhärente Strukturprobleme für die Wahrnehmung des Judentums hin befragt. Der dritte Teil resümiert die dabei ermittelten Fragestellungen und entfaltet sie systematisch (Kap. VI). 1 Vgl. den Sammelband Auschwitz (1980) und Äußerungen wie: Eliezer BERKOVITS, Faith after the Holocaust, New York 1973, 18: „From the point of view of the spirit, the holocaust has been a Christian catastrophe much more than a Jewish one“ oder Elie WIESEL, Die Massenvernichtung als literarische Inspiration, in: Gott nach Auschwitz. Dimensionen des Massenmords am jüdischen Volk, hg.v. Eugen Kogon, Freiburg/Basel/Wien 1979, 21–50, 44f.: „Wenn die Opfer mein Problem sind – die Mörder sind es nicht! Die Mörder sind das Problem anderer […], so werden andere verstehen müssen […], warum die Mörder Christen – sicher schlechte Christen, aber doch Christen – waren.“ 2 Zur Dokumentation: Umkehr (1980); Gottes Treue (1998).

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Erster Teil

Quellen einer solchen Revision der evangelischen Eschatologie sind vor allem deren Darstellungen3 von 1830 bis etwa 1960. Diese zeitliche Abgrenzung ergibt sich wie folgt: Einerseits steht zwar am Beginn christlicher Theologie als derjenige Punkt, wo sich im Rahmen des antikjüdischen Diskurses erstmals eine eigene und bald als christlich bezeichnete Reflexionsgestalt auszudifferenzieren beginnt, das Nachdenken über die Zukunftserwartung, so daß das frühe Christentum geradezu als ein Judentum mit modifizierter Eschatologie erscheinen kann. Doch andererseits hat im Protestantismus gerade die Eschatologie erst spät ihre lehrmäßige Ausgestaltung gefunden; so beschränkt sich 1530 die Confessio Augustana auf wenige Sätze, die dann freilich zugleich eine Abgrenzung gegen jüdische Zukunftserwartung beinhalten (CA 17); und erst im 19. Jh. setzt sich in der Dogmatik der seit 1644 belegte Begriff der Eschatologie für die thematische Bearbeitung der Zukunftshoffnung durch.4 Die vorliegende Untersuchung setzt daher mit F. Schleiermachers Äußerungen zur Eschatologie ein. Sie verfolgt dann den Gesprächszusammenhang protestantischer Eschatologie bis etwa 1960. Dieses Datum markiert einen Einschnitt, da die spätere Debatte etwa ab J. Moltmanns epochemachender „Theologie der Hoffnung“ im Zuge einer in der ganzen Gesellschaft verstärkten Auseinandersetzung mit der Shoa bereits selbst die Revision christlicher Verhältnisbestimmung zum Judentum zum Thema macht und somit andere Voraussetzungen bietet als der frühere Diskurs. Dieser Einschnitt macht sich bemerkbar, denn schon eine erste Durchsicht der Quellen aus dem soeben eingegrenzten Zeitraum zeigt, daß die evangelische Eschatologie vor 1960 nur höchst selten auf jüdische Darstellungen theologischer Reflexion von Zukunftserwartung Bezug nimmt. Dies ist um so überraschender, als der Aufschwung der evangelischen Eschatologie, der inmitten unseres Quellenzeitraums liegt, sich gerade der Entschiedenheit verdankt, mit der die sog. Konsequente Eschatologie bei J. Weiß, A. Schweitzer u.a. das frühe Christentum in den zeitgeschichtlichen Rahmen des intertestamentarischen Judentums stellt.5 3 Neben den Gesamtdarstellungen in Monographien werden auch Lexika und Dogmatiken sowie einschlägige Monographien und Aufsätze zu Einzelfragen der Eschatologie herangezogen, nicht jedoch solche Werke, aus denen sich die Eschatologie nur implizit erheben läßt, wie dies für wichtige Autoren der Zeit um den 2. Weltkrieg gilt, v.a. K. Barth (in seiner „Kirchlichen Dogmatik“) und D. Bonhoeffer. 4 Zur Begriffs- und Theoriegeschichte von Eschatologie vgl. überblicksartig SAUTER (1999) 1561ff. 5 Vgl. HOLMSTRÖM (1936) 71f.; 93f.; HJELDE (1987) 233.345f. zur Bedeutung von Weiß und Schweitzer.

I. Exposition der Fragestellung

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Obwohl also die Wende zur Eschatologie in der evangelischen Theologie des 20. Jh. mit einer forschungsgeschichtlichen Hinwendung zum Judentum einhergeht, bleibt doch die jüdische Eschatologie wie bis dato außerhalb ihres Gesichtskreises. Das ist ein methodisches Problem, vor dem die beabsichtigte Revision evangelischer Eschatologie und ihrer Wahrnehmung des Judentums steht. Wenn also die Quellen der vorliegenden Untersuchung eine unmittelbare Auseinandersetzung mit jüdischen Stimmen zur Eschatologie nicht führen, so besteht die erste Aufgabe darin, alternative Ansatzpunkte aufzuspüren, an denen erkennbar wird, wie die evangelische Eschatologie der Moderne ihr Verhältnis zum Judentum und zu jüdischer Zukunftserwartung bestimmt. Das vorliegende erste Kapitel dieser Arbeit sammelt dafür dreierlei Aspekte, nämlich Themen christlicher Eschatologie, die aus jüdischer Traditionsgeschichte stammen (Kap. I.1), begriffliche Schemata von Wahrnehmung des Judentums (Kap. I.2) und Anfragen jüdischer Autoren an diese beiden (Kap. I.3). Auf diese Aspekte wird die gesamte Untersuchung in ihrem weiteren Verlauf bei der problemgeschichtlichen Ausarbeitung und Entwicklung von Fragestellungen, die für eine evangelische Eschatologie im Blick auf das Judentum wichtig sind, besonders achten müssen.

1. Christliche Eschatologumena aus jüdischer Traditionsgeschichte 1. Inhaltliche Einzeltopoi von Eschatologie. Ein beachtlicher Teil der Topoi christlicher Zukunftserwartung, die in den eschatologischen Partien der altkirchlichen Symboltexte und in der theologischen Lehrtradition enthalten sind, wuchs dem Christentum aus jüdischer Traditionsgeschichte zu. Dies ist z.B. für die Auferstehung der Toten am Neuen Testament abzulesen (Mt 22,23–33). Zugleich zeigt dieser Topos, was auch für spätere Zeiten zu beachten ist, daß nämlich die jüdische Traditionsgeschichte keinen monolithischen Block darstellt; Apg 23,8 hält, historisch zutreffend, fest, daß die Pharisäer mit einer Auferstehung rechneten, die Sadduzäer diese Erwartung aber ablehnten, da sie im Judentum deutlich jünger ist als die entscheidende jüdische Traditionsbildnerin, die Tora. Daran lassen sich als ein weiterer, auch für spätere Traditionszusammenhänge wichtiger Gesichtspunkt die Entwicklung und das Gewordensein auch jüdischer Eschatologie erkennen. Die religionsgeschichtliche Forschung hat die Herkunft der Auferstehungshoffnung in der iranischen Religion des Zoroastrismus ausfindig gemacht,

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Erster Teil

und dorther stammt auch die Erwartung eines Jüngsten Gerichts, die ebenfalls über das Judentum Eingang ins Christentum fand.6 Ein weiteres Element christlicher Eschatologie, das aus dem Judentum stammt, ist die zumindest in Teilen des christlichen Traditionskreises verbreitete Erwartung eines Antichrist, der als endzeitlicher Gegenspieler Jesu Christi Gottes eschatologisches Heilswerk zu verhindern trachtet und damit zugleich zum Anzeichen dieses Heilswerks wird. Im Judentum galt eine derartige Gestalt freilich nicht als Widersacher Jesu Christi, sondern des erwarteten Messias. Aber genau darin scheint ein Merkmal der Modifikationen zu bestehen, die das Christentum als „Judentum mit modifizierter Eschatologie“ an seinen traditionsgeschichtlichen Wurzeln vornimmt: Verheißungsgehalte, die dem Gottesvolk Israel gelten, werden in einer traditionsgeschichtlich ihrerseits komplexen, Abgrenzung und Identifikation miteinander verbindenden Weise auf das Christentum bezogen, das sich dann als Gottesvolk, Volk des Bundes usw. begreift. In diesem Sinne gehören auch Topoi wie das Volk bzw. dessen „Rest“ oder der Bund zu den jüdisch verwurzelten Eschatologumena. Als im engeren Sinne eschatologisch wäre die Erwartung zu nennen, daß das Christentum im Zuge einer endzeitlichen Mission universelle Geltung erlangen wird; die entsprechende jüdische Erwartung, die sich auf das Judentum richtet, scheint aber weniger missionarische Züge zu tragen. In bestimmten Fällen kann der jüdische Traditionshintergrund auch zur Negativfolie stilisiert werden, wenn z.B., wie in Teilen des amerikanischen Dispensationalismus, aus der jüdischen Erwartung eines Antichrist die Erwartung eines jüdischen Antichrist wird.7 2. Charaktere von Eschatologie. Über solche Einzeltopoi hinaus hat das Christentum auch Traditionselemente vom Judentum übernommen, die größere Ideenzusammenhänge darstellen. Die bedeutendsten Beispiele hierfür sind Chiliasmus, Apokalyptik und Messianismus. Auch sie enthalten einzelne Topoi der Zukunftserwartung; so kennzeichnet den Chiliasmus, daß er mit einer 1000-jährigen Herrschaft der Gläubigen auf Erden rechnet, 6 In unserem Quellenzeitraum sind die Arbeiten der Religionsgeschichtlichen Schule grundlegend, z.B. BÖKLEN (1902); aber auch OESTERLEY (1908). Für die Frage nach dem Zusammenhang mit dem Islam ist HIRSCHBERG (1939) zu nennen. Für den religionsgeschichtlichen (babylonischen) Hintergrund des Alten Testaments außerhalb der Eschatologie ist der Streit um „Bibel und Babel“ wichtig, in den auch jüdische Gelehrte eingriffen. 7 Der Dispensationalismus rechnet mit einer geschichtlich fixierbaren Verteilung (dispensation) heilsgeschichtlicher Epochen, so daß der heutige Staat Israel als Vorzeichen des Endes erscheinen kann; vgl. ARIEL (1992) 435ff. – GOW (1995) entfaltet für die Zeit von 1200 bis 1600 ein anderes Beispiel: Aus der jüdischen Hoffnung auf eine eschatologische Wiederkehr der (seit 722 v. Chr.) verlorenen zehn Stämme wird im Christentum das Schreckbild der dem Antichrist anhängenden „roten Juden“.

I. Exposition der Fragestellung

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auch wenn im Detail fraglich ist, ob diese Zahl buchstäblich zu verstehen und wie sie kalendarisch auf die erwartete Ankunft des Messias zu beziehen ist (Unterscheidung zwischen Prä- und Postmillenniarismus). Doch im Unterschied zu Topoi wie dem eschatologischen Gericht oder der Auferstehung der Toten sind „Chiliasmus“, „Apokalyptik“ und „Messianismus“ Abstraktbegriffe, die auf der Grundlage einzelner Topoi allererst gebildet werden müssen, während z.B. die Begriffe „Gericht“ und „Auferstehung“ bereits in den antiken Quellen vorkommen. Man könnte sagen, daß Chiliasmus, Apokalyptik und Messianismus weniger Inhalte als vielmehr den Charakter von Eschatologie bezeichnen. In welchem Maße solche Charaktere nun zeigen, wie christliche Eschatologie das Judentum sieht, sei an einigen Beispielen aus der Eschatologiegeschichte des Untersuchungszeitraums erläutert: a) Thema Chiliasmus. Das klassische Beispiel ist die Behandlung des Chiliasmus in der evangelischen Eschatologie. Er wird bereits am Beginn protestantischer Lehrbildung 1530 in der Confessio Augustana verworfen: „Sie verdammen auch andere, die jetzt die jüdischen Anschauungen verbreiten, daß vor der Auferstehung der Toten die Frommen die Herrschaft der Welt innehaben werden und überall die Gottlosen unterdrückt sein werden.“8 Diese Formulierung richtet sich zwar zuerst gegen die zeitgleichen und wenig später im westfälischen Münster verwirklichten Bestrebungen des Täufertums, ein eigenes Staatswesen zu gründen – also gegen eine christliche, keine jüdische Sondermeinung.9 Doch bemüht sich z.B. der in unserem Untersuchungszeitraum maßgebliche Augustana-Kommentar des Erlanger Kirchenhistorikers G. Plitt, Verbindungen der „Schwärmer“, wie die Reformation das Täufertum rubrizierte, zu zeitgenössischen Juden nachzuweisen. Als gemeinsames Element wird dabei geltend gemacht, daß Schwärmer/Täufer und Juden die Wirksamkeit des Geistes Gottes ohne externe Vermittlung manifestiert sahen in der geschichtlich vorfindlichen Weltwirklichkeit. Noch P. Althaus übernimmt in seinem verbreiteten Lehrbuch der Eschatologie diese Wahrnehmung.10 Der Chiliasmus erscheint dann als die Erwartung eines verlängerten oder übersteigerten Diesseits.11 8 CA 17 (Bekenntnisse [1997] I,46). 9 FRIEDRICH (1999) 233 zeigt analoge Mechanismen impliziter Kritik an westeuropäischen Chiliasten um 1650. 10 Vgl. Gustav PLITT, Einleitung in die Augustana II, Leipzig 1868, 421 mit ALTHAUS (1949) 301 Anm. 1. Die Quelle dürften entsprechende Geständnisse eines 1530 hingerichteten Täufers sein, auf die R. MAU verweist (Bekenntnisse [1997] I,46 Anm. 55). 11 Dieser Eindruck mag allenfalls für einen binnenkirchlichen Chiliasmus gelten, wie er im 19. Jh. in der Nachfolge J.A. Bengels in Süddeutschland verbreitet war, v.a. in Württemberg, wo der

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Erster Teil

Freilich behandelt Althaus den Chiliasmus zugleich auch als Zwischenreich, d.h. als die soziale Entsprechung zu dem, was auf der Ebene des Individuums der Zwischenzustand vom Tode bis zur Auferstehung ist. Als ein solches Zwischenreich, als logisches Bindeglied zwischen der individuellen Dimension der Eschatologie, die mit dem Tod des Einzelnen „schon“ zum Austrag kommt, und der damit „noch nicht“ eingetroffenen universellen Vollendung, hat im 19. Jh. besonders F.H.R. v. Frank den Chiliasmus thematisiert. Darin ist er lediglich der wirkungsvollste Exponent einer unter den Erlanger Theologen seiner Zeit ohnehin virulenten Beschäftigung mit dem Chiliasmus, die aus einem ausgeprägten Interesse am Judentum erwuchs. Zu nennen sind hier vor allem J.C.K. v. Hofmann und sein Schüler C.E. Luthardt.12 Wird dieser Chiliasmus wie bei Althaus als Übergangsreich verstanden, so liegt sein Charakteristikum weniger in der diesseitigen Gestalt der Zukunftserwartung als darin, daß er die erwartete Zukunft zeitlich vorwegnimmt. Auch hiermit kann eine bestimmte Sicht auf das Judentum verbunden sein: Daß der Chiliasmus das Ende vorwegnehme und so Widersprüche und Doppelungen produziere, richtet sich bei T. Kliefoth, der 1886 mit einem umfangreichen Werk zur Eschatologie hervortritt, gegen chiliastische „Israelolatrie“.13 b) Thema Apokalyptik. Von hier aus spannt sich ein Bogen zu einem weiteren exemplarischen Thema von eschatologischer Wahrnehmung des Judentums, der Apokalyptik. In den Augen der um die Mitte des 19. Jh. aufblühenden vergleichenden Religionsgeschichte ist der Chiliasmus als Erwartungsgestalt des Übergangs besonders kennzeichnend für die jüdische Apokalyptik, denn sie erscheint hier im ganzen als ein Übergangsphänomen zwischen dem von der Prophetie geprägten Israel der staatlichen Zeit und der Eschatologie, die das frühe Christentum beherrschte. So interpretiert A. Hilgenfeld bereits 1857 die Apokalyptik als Übergang und Vorstufe des Christentums.14 Die gestufte Abfolge von vorexilischem Israel – (nach-) exilischem Judentum – Christentum ist dabei für die historische, besonders exegetische und religionsgeschichtliche Forschung zur Eschatologie in unChiliasmus unter dem Einfluß P.J. Speners seit 1694 als Adiaphoron kirchenrechtlich geduldet war (vgl. JUNG [1992] 53). Dagegen läßt diese Wahrnehmung außer Betracht, daß der Chiliasmus zumeist unter bedrängenden äußeren Umständen entstand, deren Verlängerung gerade nicht erhofft werden konnte. 12 Bei V. FRANK (1878/80) II,452 fällt das Millennium (§ 47,7) unter das „‚vorläufige Ziel‘“, in dem das „Ziel des Werdens“ (Überschrift a.a.O. II,418) bereits „festen Bestand des Seins“ (a.a.O. II,463) gewonnen hat; zu v. Hofmann und Luthardt s. Kap. III (S. 79ff.). 13 KLIEFOTH (1886) 346. 14 HILGENFELD (1857) 16.

I. Exposition der Fragestellung

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serem Untersuchungszeitraum ein zwar variables, aber unverzichtbares Grundgerüst. Allein während der Alttestamentler J. Wellhausen das Gedankengut des frühen Christentums unter Auslassung des (intertestamentarischen) Judentums direkt an das sittlich-religiöse Ideal der Propheten im Israel der staatlichen Zeit anschließen sieht,15 nimmt eine Generation später der wichtigste Vertreter der Religionsgeschichtlichen Schule, W. Bousset, eine Affinität des frühen Christentums zur Apokalyptik des intertestamentarischen Judentums an. Ein herausragendes und seinerzeit weithin konsenshaftes Ergebnis dieser religionsgeschichtlichen Forschung lautet, daß Altes Testament und Judentum eine Zukunftserwartung lange Zeit nur für das Volk kennen, während erst das Christentum durchweg die Hoffnung auf die Auferstehung des Einzelnen hege.16 Daraus erklärt sich, daß bei dreien der namhaftesten Eschatologen des 20. Jh., z.T. unter ausdrücklicher Berufung auf die Religionsgeschichtliche Schule, der Terminus „jüdische Apokalyptik“ beinahe technisch für eine auf das Volk beschränkte, partikulare und daher nicht zu ihrem eigentlichen Sinn als Ende der Zeit vorstoßende Eschatologie stehen kann. Dem wird die christliche Erwartung als universell gegenübergestellt. Die Gegenüberstellung von Volk und Universum geht so in diejenige von Diesseits und Jenseits über. Der Terminus „(spät-) jüdische Apokalyptik“ steht dann bei diesen Autoren für eine Fehlform von Eschatologie, weil sie als das Letzte das bloß Gegenständliche, das Konkrete und Anschauliche ansieht und so Diesseits und Jenseits, Geschichte und Ewigkeit miteinander vermischt.17 Die drei Autoren äußern sich hier übereinstimmend: P. Althaus etwa hält bündig fest: Die Eschatologie hat es […] nicht mit der Endgeschichte oder mit dem Geschichtsende, sondern mit dem Jenseits der Geschichte zu tun. Sie ist keine Apokalyptik.18

Und C. Stange schreibt: Man kann in der Apokalyptik nicht unterscheiden, ob es sich noch um geschichtliche Ereignisse oder um jenseitige Ereignisse handelt. Der jüdische Typus der Apokaly15 Wie KONKEL (2003) 81f. nahelegt, optiert WELLHAUSEN (1905) 409–424 im kulturgeschichtlichen Kontext mit seiner Aufwertung des staatlichen Israel vor dem sog. „Spätjudentum“ für den preußischen Nationalstaat. 16 So z.B. BÖKLEN (1902) 110 Anm. 1; BOUSSET (1903) 198; VOLZ (1903) 68f. Anders CHARLES (1899) 19f.: Das vorstaatliche Israel kennt demnach keine Eschatologie, das staatliche Israel bildet dann eine Individualeschatologie aus. 17 Zu diesem Bild von Apokalyptik MÜLLER (1983), für das Alte Testament KUSCHE (1991). 18 ALTHAUS (1922) 95.

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Erster Teil

ptik sucht die Vollendung in der menschlichen Geschichte selbst, während dagegen die christliche Apokalyptik die Vollendung von dem Zusammenhang der menschlichen Geschichte loszulösen und ausschließlich ins Jenseits zu verlegen sucht. Aber dabei kommen leicht und vielfach Rückfälle in die jüdische Vorstellungsweise vor. Die in dem Abbruch der Geschichte sich vollziehende Vollendung wird als eine durch Gott bewirkte Umgestaltung der irdischen Welt verstanden.19

Und bei E. Brunner heißt es: Es muß doch wohl gesagt werden, daß die christliche Theologie diesem Paradox nie voll gerecht worden [sic!] ist. Entweder hat sie mit der jüdischen Apokalyptik das Endgeschehen als ein dramatisches Schlußstück der Geschichte verstanden und es in den Bildern einer kosmischen Katastrophe von ungeheuerlichem Ausmaß geschildert, um ihm den Charakter wirklichen Geschehens zu verleihen. Oder aber sie hat in der richtigen Erkenntnis, daß diese apokalyptische Dramatik eben darum, weil sie sich in den Strukturformen der irdisch-zeitlichen Geschichtlichkeit abspielt – mag sie im übrigen die Dimensionen des Geschehens noch so sehr vergrößern – eben doch nicht das zukommend Ewige sein kann, auf die Vorstellung eines Endgeschehens überhaupt verzichtet und das Ende in den statischen Begriffen zeitlos ewigen Seins zur Geltung zu bringen versucht.20

Das letzte Zitat deutet an, was von der Dreierfolge Israel – Judentum – Christentum, in der die Religionsgeschichtler die Apokalyptik verorten, her ohnehin naheliegt: Die Apokalyptik kann auch als charakteristisches Zeitverständnis erscheinen. In Anlehnung an die erwähnte dreifache Staffelung kann dann eine Dreiheit von Zeitverständnissen geltend gemacht werden: Während der Alte Orient die Zeit zyklisch denke, habe das Judentum einen linearen Zeitbegriff entwickelt, der vom Christentum beibehalten, aber durch die Pointierung auf Christi Geburt als die Mitte der Zeiten zugespitzt und so erst mit einem klaren Ziel versehen werde.21 Beide Elemente dieses Zeitkonzeptes, sowohl die Entgegensetzung von zyklischem und linearem Zeitverständnis als auch die Hervorhebung Christi als Zeitenwende, sind in der Eschatologie- und Theologiegeschichte des Untersuchungszeitraumes nachweisbar. – Des weiteren sind für den skizzierten Apokalyptikbegriff die Stufenschemata kennzeichnend, in denen das Judentum als eine Vorstufe des Christentums wahrgenommen wird. Diese Einschätzung, die für das Verhältnis beider Religionen im ganzen während unseres Untersuchungs19 STANGE (1930) 227 (Hervorhebungen aufgehoben). 20 BRUNNER (1953) 144. Ein weiterer Beleg wäre KINDER (1955) 10–12. 21 BRUNNER (1953) 36f. Zu linearem und zyklischem Zeitmodell vgl. GESE (1958); kritisch KOCH (1988) 253ff.

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zeitraumes die Religionsgeschichtliche Schule entfaltet hat, wirkt sich speziell in der Eschatologie so aus, daß die dem Judentum zugeschriebene Erwartung für das Volk aufgenommen und aufgehoben wird in den christlichen Universalismus. Christliche Eschatologie führt dann die eigentlichen Intentionen jüdischer Eschatologie zum Ziele. In diesem Sinne bezeichnet F. Richter seine in der ersten Hälfte des 19. Jh. Furore machende eschatologische Konzeption als Messianismus. c) Thema Messianismus. Damit ergibt sich der Übergang zu einem weiteren für die Wahrnehmung des Judentums einschlägigen Thema, dem Messianismus. Der inzwischen weitestgehend vergessene Friedrich Richter löst 1833 mit seiner messianischen Eschatologie einen Streit von heute kaum vorstellbarer Heftigkeit aus. Das liegt weniger daran, daß er die Unsterblichkeit der menschlichen Seele bestreitet – das haben andere vor ihm und nach ihm mit größerer Wirksamkeit getan –, als daran, daß er offen die Schüler des jüngst gestorbenen G.W.F. Hegel angreift, aus deren Staatsphilosophie das gerade aufstrebende Preußen seinen theoretischen Rückhalt bezieht. Dabei ist Richter ein glühender Bewunderer Preußens; sein gesamtes literarisches und gesellschaftliches Engagement zielt auf eine religiöse Durchdringung und damit Veredelung des preußischen Staatswesens: Dieses Anliegen vertritt er in seiner fast im Alleingang redigierten Zeitschrift „Der Prophet“. Zu diesem Zwecke auch schreibt Richter seine umfangreiche Geschichte der preußischen Befreiungskriege, für die er bei Hofe einiges Wohlwollen erntet (freilich auch nur für sie). In diesem Sinne auch spricht er schließlich im zweiten Band seiner Eschatologie von Messianismus, worunter er unter Berufung auf das Alte Testament die „Herstellung der alten Gottesherrschaft (Theokratie)“22 versteht wie in seinem programmatischen Aufsatz über „Das christlich-theokratische Princip in Preußen“. Messianismus bedeutet also für Richter die tätige soziale Gestaltung der spirituell erfahrenen Erlösung. Bei alldem ist für ihn freilich entscheidend, daß er keinen jüdischen Messianismus vertritt, der „es nicht einmal zu jenem äußerlichen Durchbruch der Völkerscheide“ bringe, sondern einen christlichen und damit universellen Messianismus.23 Hier geht Richter ganz mit Hegels Verständnis des Geistes und seiner Universalität konform, das den Hegelianismus veranlaßt hat, dem Judentum in der Eschatologie ein Festhalten am Irdischen und die Verkennung seiner Überwindung durch

22 RICHTER (1833/44) II,18. 23 A.a.O. II,12.

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den Geist vorzuwerfen.24 Dieses Verständnis von Messianismus hat G. Scholem im Auge, wenn er kurz nach unserem Untersuchungszeitraum gegenüber einem „protestantischen Theologen“ – gemeint ist H. Gollwitzer – darauf insistiert, daß christliche Eschatologie jüdischen Messianismus meist als blinden sozialen Aktionismus wahrgenommen habe.25 3. Zwischenergebnis. Es fällt auf, daß Chiliasmus, Apokalyptik und Messianismus als Charaktere von Eschatologie zwar grundsätzlich nicht auf die Eschatologie einer bestimmten Religion beschränkt sind, in den zitierten Beispielen jedoch als Paradigma der Unterscheidung zwischen Judentum und Christentum fungieren. Darauf weisen die zweipoligen Gegenüberstellungen hin, durch die jeder der Charaktere gekennzeichnet wird: Chiliasmus erscheint als eine schwärmerische „weltliche“ Erwartung (CA 17) im Gegensatz zum christlichen Verständnis des Geistes. Apokalyptik wird wahrgenommen als eine Vermischung von Diesseits und Jenseits oder doch als eine partikulare Beschränkung des Jenseits auf ein einzelnes Volk anstatt der Menschheit. Ebenso wird der Messianismus charakterisiert; daneben wird er auch als Ersetzung der spirituellen durch die tätige Komponente der Religion aufgefaßt. Mit Blick auf die drei geschilderten Charaktere von Eschatologie lautet also das Ergebnis unseres ersten Zugangs zu der Frage, wie christliche Eschatologie das Judentum wahrnimmt: Sie modifiziert ihr vom Judentum übernommenes Traditionsmaterial, indem sie es in polarer Entgegensetzung zu demjenigen Gebrauch verwendet, den sie als kennzeichnend jüdisch versteht. Wie christliche Eschatologie das Judentum wahrnimmt, läßt sich dann aber nicht schon an dem bloßen traditionsgeschichtlichen Faktum erkennen, daß sie Begriffe und Ideenzusammenhänge von ihm übernimmt; es muß vielmehr der problemgeschichtliche Aspekt berücksichtigt werden, d.h. die Frage, wie sie diese innerhalb ihrer eigenen Argumentation modifiziert. Daher gehe ich im zweiten Teil dieser Untersuchung so vor, daß die Quellen der Eschatologie zunächst in ihrer eigenen Argumentation rekonstruiert werden. Die gesuchten Fragestellungen einer Eschatologie mit Blick auf das Judentum werden so allmählich entwickelt werden aus einer problemgeschichtlichen Darstellung exemplarischer Konzeptionen evangelischer Eschatologie im 19. und 20. Jh.26 Dies geschieht jeweils in den er24 Dazu SAUTER (1982) 160f. 25 SCHOLEM (1970) 168. Daß Gollwitzer gemeint ist, zeigt MARQUARDT (1979) 143 in Verbindung mit Anm. 15. 26 Diese problemgeschichtliche Vorgehensweise, die ähnlich von BECKMANN (2002) befolgt wird, unterscheidet die vorliegende Untersuchung von den umfangreichen Arbeiten von BLASCHKE (1997) und HEINRICHS (2000), die die Wahrnehmung des Judentums vor allem in

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sten Abschnitten der Kapitel II–V. Dabei lassen sich die im vorliegenden Abschnitt vorgestellten thematischen Charaktere der Eschatologie mit bestimmten eschatologiegeschichtlichen Komplexen verbinden: Am Anfang steht F. Schleiermacher (Kap. II), der als Impulsgeber der neuzeitlichen evangelischen Theologie auch für die Eschatologie weichenstellend gewirkt hat. Daran schließen sich die eschatologischen Entwürfe derjenigen theologischen Strömung an, die im Anschluß an den Begründer des Begriffs der „Heilsgeschichte“,27 J.C.K. v. Hofmann, als Heilsgeschichtliche Theologie bezeichnet werden kann und deren Kennzeichen das Interesse am Chiliasmus ist (Kap. III). Es folgt M. Kählers von ihm selbst als „soterologisch“28 bezeichnete Eschatologie (Kap. IV). Damit ist ihr methodischer Grundansatz bei der Reflexion über die Personalität des Messiastums und also die Nähe zum Messianismus ausgedrückt. Schließlich wird die Eschatologie von P. Althaus (jun.) sowie die Debatte um sie erörtert (Kap. V). Althaus sticht hervor durch eine schroffe Front gegen die von ihm sog. „endgeschichtliche Eschatologie“,29 die er exemplarisch in der Apokalyptik vorfindet, mit der er so auf negativem Wege eng verbunden ist.

2. Schemata christlicher Wahrnehmung des Judentums 1. Bipolare Begriffsschemata. Die Betrachtung von aus jüdischer Tradition übernommenen Charakteren der Eschatologie führte zu dem Ergebnis, daß diese die Wahrnehmung des Judentums in bipolarer Gegenüberstellung zum Christentum strukturieren können. Diese Gegenüberstellungen sind jedoch freilich nicht an die Konzepte von Chiliasmus, Apokalyptik oder Messianismus gebunden, sondern können die Argumentation christlicher Eschatologie grundsätzlich prägen. Im 5. Jh. christlicher Zeitrechnung hält z.B. der Kirchenvater Hieronymus eine „Regel“ für die christliche Beschäftigung mit Zukunftsverheißungen fest: Ein weiser, christlicher Leser sollte bei den prophetischen Verheißungen dieser Regel folgen: Wir lehren, daß dasjenige, was die Juden und die, die jüdisch denken bei den mentalitätsgeschichtlichem Zugriff aus ausdrücklichen Äußerungen katholischer bzw. protestantischer Kirchlichkeit des Kaiserreichs zum Judentum erheben. 27 V. HOFMANN (1841/44) I,8 ist laut GREIG (1975/76) 118f. der älteste Beleg für „Heilsgeschichte“. 28 KÄHLER (1898) 495. 29 Erstmals ALTHAUS (1922) 64ff.

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Unsrigen, – oder vielmehr nicht den Unsrigen – in fleischlicher Weise als zukünftig beanspruchen, in geistiger Weise schon eingetroffen ist, damit wir nicht anläßlich derartiger Erzählungen oder schier unlösbarer apostolischer Fragestellungen gezwungen sind, jüdisch zu denken.30

Was im vorigen Abschnitt am Beispiel von Chiliasmus, Apokalyptik und Messianismus als Entgegensetzung von weltlichem und jenseitigem Reich, Diesseits und Jenseits, Volk und Menschheit, tätiger sozialer Gestaltung und deren geistiger Überwindung präsent war, ist in der „Regel“ des Hieronymus auf knappe Begriffspaare gebracht: Jüdische Zukunftserwartung interpretiert die Prophetie in „fleischlicher“ Weise als „Verheißung“ von „Zukünftigem“, christliche Lehre dagegen liest sie in „geistiger“ Weise als „schon“ gegenwärtig „eingetroffene“ Erfüllung, indem sie Jesus Christus als den Vollzug des Eschaton begreift. Für die Eschatologiegeschichte wichtig sind vor allem die Begriffspaare von Fleisch und Geist als zwei getrennten Sphären, in denen das Judentum bzw. das Christentum die Erlösung erwarte, sowie von deren noch nicht bzw. schon jetzt gegebener Wirklichkeit oder deren nur partikularer oder aber universaler Reichweite. Derartige begriffliche Schematisierungen durchziehen die Geschichte des jüdisch-christlichen Verhältnisses und waren auch schon Gegenstand kritischer Untersuchung.31 Dabei fragt sich nicht nur, wie triftig die Schemata sind, ob also z.B. mit „Fleisch“ und „Geist“ klar abgrenzbare Phänomene bezeichnet sind, die sich dann auch Judentum bzw. Christentum zuordnen lassen.32 Solche Fragen werden sich schon deshalb oft nicht beantworten lassen, weil weder Judentum noch Christentum Gebilde aus einem Guß sind. Sondern vor allem zielen die paarweisen Schematisierungen ja gar nicht auf eine klare und distinkte Beschreibung der beiden schematisierten 30 CChr.SL LXXIII, 1963, 157,43–48: „Prudens et christianus lector hanc habeat repromissionum prophetalium regulam, ut quae Iudaei et nostri, immo non nostri Iudaizantes, carnaliter futura contendunt, nos spiritaliter iam transacta doceamus, ne per occasionem istiusmodi fabularum et inextricabilium iuxta apostolum quaestionum iudaizare cogamur“ (zu Jes 11,15f.). 31 Zu den eschatologischen Schemata von Fleisch und Geist, Noch nicht und Schon jetzt, Partikularität und Universalität vgl. SCHOLEM (1963) 121f. bzw. MARQUARDT (1993/96) I,25 (Abriß der Eschatologie seit der Reformation) bzw. TALMON (1976). In Verbindung der Schemata folgern z.B. Teile der christlichen Rezeption des Messianismus aus dem Noch nicht des Erwarteten, daß sein Eintreffen an die tätige Gestaltung im sozialen Menschenleben (Fleisch) gebunden sei, vgl. kritisch dazu VÁLYI NAGY (1993) 124f. Zu den Schemata im ganzen vgl. THOMA (2000) 13 und Konstruktion (2003). 32 MAIER (1976) 132 kritisiert, daß das Schema „Schon jetzt – Noch nicht“ dem jüdischen Geschichtsbewußtsein christliche Parameter unterlegt. Z.B. übersehen Christen oft, daß die Tempelzerstörung 70 n. Chr. im Judentum nicht bloß Ende und Abbruch, sondern auch Anfang eigener Traditionsbildung sei (so ZAAS [1992] 135–148).

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Größen, sondern zeichnen sich durch die Konstruktion eines komplementären Gegenübers aus: Die jeweiligen Pole schließen sich zwar gegenseitig aus, können aber doch nur im (abgrenzenden) Bezug aufeinander bestimmt werden. Z.B. versteht sich Christentum dann als Religion des Geistes und erklärt, was Geist ihr ist, mit der Absetzung vom Judentum als einer Religion der Tat.33 Die Schemata haben somit, obwohl sie in ihrer Polarität zwei Traditionsgeflechte in Beziehung setzen, vorrangig eine Funktion innerhalb nur eines dieser beiden Traditionskomplexe. Ähnlich wie beim Problem eschatologischer „Charaktere“ ist daher auch bei den Schemata neben dem traditionsgeschichtlichen Sachverhalt in erster Linie die Funktion im Rahmen der christlichen Argumentation zu untersuchen.34 Das aber heißt, daß das Phänomen der Schemata zunächst ein Problem innerhalb der christlichen Theologie ist. Man muß daher mit der Möglichkeit rechnen, daß die Konturierung christlicher Theologie im Gegenüber zum Judentum eine Chiffrierung innerchristlicher Frontstellungen ist, wie dies für den Protestantismus des 17. Jh. kürzlich an mehreren Beispielen nachgewiesen wurde. Demnach ist der Vorwurf jüdischer Trinitätsleugnung eigentlich antisozinianisch zu verstehen, und das altprotestantische Anathema über die jüdische Ablehnung der Messianität Jesu gilt im Zeitalter des Konfessionalismus tatsächlich dem Calvinismus, der die doppelte Prädestination als Grund der Verdammnis ansieht (und nicht das verweigerte Messiasbekenntnis). Ähnlich wird die zeitgenössische Lehre von der Inspiriertheit der Schrift gegen den Buchstabenglauben des talmudischen Judentums profiliert, richtet sich aber gegen die katholische Verhältnisbestimmung von Schrift und Tradition.35 Vergleichbare Phänomene zeigen sich auch in der Eschatologiegeschichte des Untersuchungszeitraums vor dem Hintergrund des antikatholischen Kulturkampfes im protestantisch unierten preußischen Nationalstaat.36 Schließlich dürfte auch hinter der 33 Das bereits mit S. 20 Anm. 24 belegte Schema (z.B. bei Hegel) des Judentums als einer Religion der Tat wird aufgenommen, aber auch kritisch gespiegelt im literarischen Zionismus eines Max Brod (vgl. STÄHLER [2003]). 34 Der Sammelband Konstruktion (2003) untersucht im Sinne solcher Funktionsgeschichte Wahrnehmungen des Jüdischen in Theologie, Literatur-, Medizin- und Profangeschichte der Kaiserzeit und der Weimarer Republik. 35 Vgl. FRIEDRICH (1999) 239 (Trinität); 227.229 (Schriftinspiration); 228 (Prädestination). Vgl. S. 15 Anm. 9. 36 S. bei S. 17 Anm. 15 zu Wellhausens pro-preußischer Geschichtsschreibung Israels und vgl. DORNER (1879/80) II,938f., bei dessen pro-unierter Eschatologie die Kritik jüdischer und katholischer Anschauungen verschwimmt. Die Historikerin VOLKOV (2000) hat ähnliche argumentative Gemengelagen im damaligen Antisemitismus als „kulturellen Code“ rekonstruiert. Ich spreche in ähnlicher Absicht von „Wahrnehmungsschemata“.

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zwiespältigen Haltung der pietistischen Judenmission zur jüdischen Emanzipation – die Missionare des 17./18. Jh. arbeiten ihr zu (oder vor),37 die Missionsgesellschaften der neupietistischen Erweckungsbewegung im 19. Jh. lehnen sie ab – ein Problem christlicher Theologie stehen, nämlich das Verhältnis von persönlicher Bekehrung (Glaube) und deren tätiger Ausgestaltung (Liebe), innerhalb dessen die bürgerliche Gleichstellung der Juden bald die Bekehrung zur praxis pietatis führen zu helfen scheint, bald die Motive der Bekehrung ökonomisch zu korrumpieren droht.38 2. Zwischenergebnis. Die Auseinandersetzung mit den Schemata kann angesichts derartiger Beispiele nur so geschehen, daß sie als Problemanzeige für die Frage aufgefaßt werden, ob und wieweit christliche Theologie durch die Abgrenzung von einem ausschließenden Gegenüber bestimmt ist oder aber auch im eigenen Wissenschaftsdiskurs mit solchen Abgrenzungen operiert. In diesem Sinne, als Anzeige systematisch-theologischer Problematiken, sammelt die vorliegende Untersuchung im Anschluß an die Analyse der eschatologischen Konzeptionen jeweils in den zweiten Abschnitten der Kapitel II–V Hinweise auf Diskurslagen im Umfeld der jeweiligen Entwürfe, bei denen von einer Verdichtung bestimmter Formen der Wahrnehmung des Judentums zu einem begrifflichen Schema gesprochen werden kann. Die theologischen Probleme, die in solchen Schemata transportiert werden, müssen dann im Rahmen der systematischen Auswertung im dritten Teil der Untersuchung eigens bearbeitet werden. Dies geschieht in Auseinandersetzung mit jüdischen Anfragen an die christliche Eschatologie, die in den Schemata noch nicht selbst zu Worte kommen.

3. Anfragen des Judentums an die christliche Eschatologie Werden für eine Revision evangelischer Eschatologie eingedenk der Shoa jüdische Autoren herangezogen, so geschieht dies mit der Absicht, über das begriffsgeschichtliche Traditionsgeflecht von jüdischer und christlicher Zukunftserwartung (Kap. I.1) und dessen Funktionalisierung in den Wahr37 Nach ARNOLDI (1993) 240 vermittelten die pietistischen Theologen in Halle zwischen Juden und christlicher Obrigkeit und waren so Vorläufer der Emanzipation vor deren Durchsetzung. 38 Nach CLARK (1995) drängen J.H. Callenbergs Institutum Judaicum und A. Graf v.d. Reckes Konvertitenkolonien aus dem „pietist notion of rebirth“ (a.a.O. 61) heraus (teils unter dem Druck von Aufsehern: a.a.O. 114) auf „occupational reintregration“ (a.a.O. 56) der Juden, während die Berliner Missionsgesellschaft im 19. Jh. der Ansicht sei: „Only Christianity and not emancipation could make the Jews ‚happy and free‘“ (a.a.O. 164).

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nehmungsschemata (Kap. I.2) hinaus Zugänge zu möglichen Fragestellungen einer evangelischen Eschatologie im Gespräch mit dem Judentum zu erschließen. Der folgende Abriß jüdischer Äußerungen zur Eschatologie beansprucht daher nicht, ein kaum stattgefundenes Gespräch39 nachträglich zu rekonstruieren; er will vielmehr anhand der vorliegenden Forschungsliteratur und einiger ausgewählter Quellen aus dem Untersuchungszeitraum Anfragen zusammenstellen, die von jüdischer Seite an die christliche Eschatologie gerichtet werden. Nicht bezweckt ist dagegen, die christlichen Wahrnehmungen des Judentums gewissermaßen an einer Meßlatte auf Richtigkeit und Falschheit zu überprüfen. Denn zum einen ist es nicht die Aufgabe christlicher Eschatologie, auch nicht einer Revision ihrer Wahrnehmung des Judentums, festzustellen, was authentisch jüdisch ist; nicht zuletzt deshalb, weil zum anderen, worauf schon hingewiesen wurde, derjenige Traditionskomplex, der hier abgekürzt „(das) Judentum“ oder „(die) jüdische Eschatologie“ genannt wird, kein Gebilde aus einem Guß ist, so daß auch keine authentisch jüdische Lehrgestalt von Eschatologie vorausgesetzt werden kann. Ja, ein wesentlicher Aspekt der Frage, wie christliche Eschatologie das Judentum wahrnimmt, besteht darin, daß die Quellenlage der jüdischen Eschatologie gegenüber der christlichen eine beträchtliche „Strukturverschiedenheit“40 aufweist. So kommt es im Judentum nicht wie im Christentum zur Etablierung eine dogmatischen Locus „Eschatologie“, sondern im Judentum jedenfalls des Untersuchungszeitraums stehen exegetische und religionsphilosophische Schriften sowie Sekundärtexte über messianische Bewegungen und liturgische Reformen im Vordergrund des eschatologischen Diskurses,41 m.a.W. die lebensweltliche Verwurzelung der Eschatologie wird ausdrücklicher reflektiert. 1. Anfragen jüdischer Theologie. Zu dieser Lebenswelt gehört auch, daß jüdische Autoren im deutschen Sprachraum durch ihre zahlenmäßige Minderheitssituation mehr als christliche genötigt sind, auf den Diskurs der an39 Jüdische Stimmen zur Eschatologie kommen in den Quellen vorliegender Untersuchung direkt (d.h. nicht auf den in Kap. I.1–2 geschilderten Wegen) nur sehr selten zu Wort; am ehesten in der Tradition des christlichen Kabbalisten F.C. Oetinger in der zweiten Hälfte des 19. Jh. (AUBERLEN [1854] 97 erwähnt Isaac Abrabanel [s. bei S. 29 Anm. 58]; LESSING [1858] 89 mit Anm. zitiert ohne Namensnennung einen Rabbiner seiner Zeit; ähnlich ALTHAUS [1856/57] 71; V. OETTINGEN [1895] 26 nimmt möglicherweise kabbalistische Gedanken auf; s. S. 253 Anm. 273) und ausnahmsweise im Zusammenhang des frühen Zionismus (HADORN [1914] 123). 40 Dazu am Beispiel des 20. Jh. GOLDMANN (1997); das Zitat entstammt seinem Untertitel. 41 Für briefliche Auskünfte zu Titeln jüdischer Eschatologie danke ich folgenden Forschern: Michael Brenner, München; Johann Maier, Weinheim; Günter Stemberger, Wien; Clemens Thoma, Luzern.

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deren Religion einzugehen.42 Dies zeigt sich besonders in dem großen Sammelwerk „Die Lehren des Judentums nach den Quellen“, das der Verband der deutschen Juden in den 1920er Jahren unter Mitarbeit vieler der damals namhaftesten jüdischen Autoren herausgab. In fünf Teilen43 werden hier unter thematischen Stichworten jüdische Lehrauffassungen knapp skizziert und mit reichlich Quellenmaterial aus Altem Testament, Rabbinismus und Talmud, mittelalterlichen und neuzeitlichen Autoren belegt. Die Eschatologie bildet dabei kein eigenes Thema;44 teilweise wird sie der Auffassung vom endgültigen Lohn (bzw. der endgültigen Strafe) zugerechnet, die Bestandteil der jüdischen Lehre von der Sittlichkeit des Einzelnen ist; teilweise fungiert der Terminus „Eschatologie“ im fünften Teil beim Vergleich mit dem Christentum als Synonym für eine jenseitige und individualistische Zukunftserwartung, die den „Lehren des Judentums“ jedenfalls widerspreche.45 Dem entspricht im ganzen der Vergleich des Judentums mit dem Christentum in diesem Schlußband des Gesamtwerkes. Hier erscheint das Judentum grundsätzlich als Religion der Sittlichkeit, die vom ethisch freien menschlichen Subjekt und seiner tätigen Gestaltung des göttlichen Sittlichkeitskonzepts handelt. Demgegenüber wird als Grundanschauung des Christentums die Unfreiheit des sittlichen Willens reklamiert, so daß an dessen Stelle Glaube und Sakramente als passives Widerfahrnis Gottes treten. Das Christentum ist demzufolge die Religion des Glaubens an eine höhere Welt, die der irdischen gegenübergestellt wird.46 42 Zu dieser Problematik vgl. instruktiv WIESE (1999). 43 Die Teile sind: die Grundlagen jüdischer Ethik, die Lehre von der Sittlichkeit des Einzelnen und der Gemeinschaft, die Lehre von Gott sowie abschließend der Vergleich des Judentums mit anderen Religionsgestalten. 44 Dies gilt übrigens auch für den jüngst erschienenen Band Christianity (2000). 45 Zur Verwendung des Begriffs „Eschatologie“ vgl. Lehren (1924/29) I,80.83f. 104.239 mit a.a.O. V,446.449.451 (M. WIENER), wo Eschatologie mit Askese zusammengestellt wird. Der Gegensatz christlicher Eschatologie zum Judentum bestehe allgemein darin, daß in der Alternative von Gericht und Erlösung das Judentum zu jenem, das Christentum aber zu dieser neige, was eine individuelle sittliche Verantwortung im Christentum trotz dahingehender Tendenzen des Neuen Testaments „illusorisch“ mache (a.a.O. V,130 [S. PICK]). 46 A.a.O. V,67–69 (L. BAECK). – Diese Gegenüberstellung erfaßt mehrere Themen. In Hinsicht auf den Einzelnen wird für das Judentum die Individualität der Glaubensauffassung mit der christlichen Dogmenbindung, wie sie sich im Kernbegriff der Ketzerei spiegelt, kontrastiert (a.a.O. V,206–213 [S. PICK]). Auf gemeindlicher Ebene hebe das Christentum den Klerus hervor, und zwar sowohl im katholischen Weihe- als auch im protestantischen Ordinationsverständnis (a.a.O. V,271 [F. MARKOWER]), während das Judentum auch angesichts des Rabbinats grundsätzlich durch die Gleichrangigkeit aller Gemeindeglieder gekennzeichnet sei (DERS. a.a.O. V,237–239). Der Bezug der Gemeinde zur Außenwelt schließlich sei im Judentum durch Autarkie geprägt, während das Christentum sich der staatlichen Obrigkeit unterordne (DERS. a.a.O. V,337f.).

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Was diese Einschätzung für unsere Untersuchung interessant macht, ist, daß hier dieselben Gegenüberstellungen vorgenommen werden, die in den christlichen Wahrnehmungsschemata nachweisbar sind. Sie finden sich auch in denjenigen Bänden, die nicht ausdrücklich als Vergleich gestaltet sind, allerdings in der Absicht, die judentumskritische Ausrichtung der Schemata abzuwenden. So wird besonders betont, daß das Judentum entgegen seiner Wahrnehmung als partikularistisch den Gedanken der Menschheit in den Mittelpunkt seiner Lehren stellt, so im Begriff des Ewigen Friedens,47 so im Konzept einer Erwählung in der Pflicht und im Dienste für alle Menschen,48 so überhaupt im Universalismus.49 Dies wird unterstützt durch die breiten Belegsammlungen aus den Quellen. Dabei ist freilich auffällig, daß zu den Quellen auch christliche Autoren wie die Vertreter der Religionsgeschichtlichen Schule gezählt werden, die sich mit dem Judentum wissenschaftlich befaßt haben. Der Grund dafür dürfte in der apologetischen Abzweckung des Gesamtwerkes liegen, das verkürzten Wahrnehmungen oder gar Verunglimpfungen des Judentums entgegentreten will.50 Hierfür werden auch christliche Autoren51 herangezogen; und dies erklärt auch die ganze, eher ungewöhnliche Form des Werkes, das Stilmomente des Katechismus mit solchen einer nach Loci geordneten Dogmatik verbindet, damit also den zeitgenössischen christlichen Darstellungsformen entgegenkommt. Man hat jedenfalls nicht den Eindruck, daß jüdische Theologie hier unbefangen zu Worte kommt. Die Art und Weise, wie das ganze Werk das Problem die Wahrnehmungsschemata der christlichen Dogmatik spiegelt,52 zeigt vielmehr auch hier, daß in den Schemata eine Schwierigkeit innerhalb der christlichen Theologie beschlossen liegt. 2. Anfragen jüdischer Eschatologie. Freilich lassen sich, wie die Forschungsliteratur nahelegt,53 ganz ähnliche polare Begriffsschemata inner47 A.a.O. III,221–225 mit u.a. Cohen als Beleg; a.a.O. III,225–231 werden christliche Stimmen genannt, darunter W. Bousset und H. Gunkel. 48 A.a.O. IV,158–165 mit jüdischen und christlichen Quellenbelegen. 49 A.a.O. IV,96–106 mit jüdischen und christlichen Quellenbelegen. 50 Vgl. a.a.O. das Vorwort zum ersten Band. 51 WIESE (1999) widmet zwei Abschnitte (Kap. 3.2/3) der zeitgleichen differenzierten jüdischen Einschätzung der christlichen Judaisten, aber auch Befürworter und Förderer der Judenmission, F. Delitzsch und H.L. Strack. 52 Zu scharf scheint daher das Urteil des Literaten BROD (1921) I,72, der den „Lehren des Judentums“ vorwirft, durch bloße Umkehrung der Schemata „vom flachsten Standpunkt aus“ zu argumentieren. Freilich ist andererseits auch das kritische Referat der (protestantischen) Schemata durch ESCHELBACHER (1907) 9.11.13f. u.ö. eher informativ als argumentativ belangvoll. 53 Vgl. zum Folgenden an deutschsprachigen Beiträgen v.a. die Sammelbände Zukunft (1976); Zukunft (1980); Jesus (1982); Zukunftserwartung (1983); Messias (1993); Messias-Vorstellungen (1993).

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halb der jüdischen Eschatologiegeschichte auch dort nachweisen, wo der Bezug zum Christentum viel lockerer ist, so daß auch der jüdische Diskurs selbst von den Strukturproblemen der Begriffsschemata beeinflußt ist: Hierfür steht seit den Anfängen der jüdischen Traditionsbildung in talmudischer Zeit die Unterscheidung zwischen „dieser Welt“ und der „kommenden Welt“ oder mit Hinblick auf die jüdische Zukunftserwartung: zwischen dem politischen und sozialen Geschick des Judentums und Gottes Sendung des Messias Israels. Das Kommen des Messias, ab der nachbiblischen Zeit ein Kernproblem der jüdischen Eschatologie,54 ist somit keine Terminfrage, sondern fragt nach dem Zusammenhang von menschlichem Tun und göttlichem Handeln. Diese Unterscheidung und ihren Zusammenhang debattieren unter dem Titel der „Wehen des Messias“, jenes Topos, der politische und soziale Ereignisse auf die eschatologische Zeit zu beziehen erlaubt, zwei Schüler des Jochanan ben Zakkai, nämlich R. Jehoschua und R. Eliezer in einem bedeutsamen Streitgespräch55 der (sog. tannaitischen) Frühzeit des Rabbinismus (1.–3. Jh.). Dieselbe Unterscheidung von dieser und kommender Welt festigt sich in der (sog. amoräischen) Zeit der Fixierung das Talmud (3.–5. Jh.). In der Gestalt einer Differenzierung der messianischen Zeit der Restitution Israels von der endgültigen Zuteilung von Lohn und Strafe an die Auferstandenen prägt sie die unter dem Einfluß der arabischen Aristotelesrezeption erstmals vorgenommene systematische Darstellung jüdischer Eschatologie bei Saadja Gaon (10. Jh.).56 Dieselbe Unterscheidung thematisiert an einem Wendepunkt jüdischer Eschatologie der hochmittelalterliche Maimonides, der in den letzten drei seiner dreizehn Glaubenssätze die Eschatologumena von kommender Welt, Auferstehung sowie Lohn und Strafe festhält, sie aber dennoch im natürlichen Geschehenszusammenhang versteht.57 Deswegen konnte nach dem epochalen Einschnitt der Vertreibung der sephardischen Juden (1492) Isaac Abrabanel dieselbe Unterscheidung gegen Maimonides geltend machen und im Sinne der klassischen rabbinischen Tradition die Übernatürlichkeit der Zukunftshoffnung reklamie54 TALMON (1982) 34f. betont, daß das Messiaskonzept das biblische (davidische) Königsideal voraussetzt, um es dann im Sinne eines herrschenden oder eines im Kampfe fallenden Messias zu differenzieren – beides im Unterschied zum christlichen Konzept des Messias als des Erlösers durch Leiden (so WERBLOWSKY [1982] 81). 55 Dazu SCHÄFER (1976) 100. 56 MAIER (1976) 137 zu Saadja Gaon. 57 Die Glaubenssätze sind abgedruckt z.B. bei FRIEDLAENDER (1922) 19, der trotz einer naturalistischen Maimonidesinterpretation durch ein Ignoramus gegenüber Gottes Möglichkeiten für die supranaturalistische Erwartung offen ist (z.B. a.a.O. 129f. zur nationalen Restitution Israels).

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ren.58 Wiederum gespiegelt erscheint diese Unterscheidung bei einer Schlüsselfigur der neuzeitlichen, durch die konstruktive Auseinandersetzung mit der Diasporasituation in Emanzipation und Assimilation gekennzeichneten,59 jüdischen Eschatologie: M. Mendelssohn akzentuiert in maimonidischer Tradition die Unsterblichkeit unter Hintanstellung der leiblichen Dimension auf den sittlichen Gehalt der Eschatologie als Erwartung einer letzten Verantwortlichkeit des Menschen;60 ihm folgen das sog. Pittsburgh Platform des amerikanischen Reformjudentums (1885), das in der Synagogenliturgie die messianische Erwartung durch das Konzept sittlichen Fortschritts ersetzt,61 und im Umfeld des liberalen Berliner Rabbinerseminars die „Wissenschaft des Judentums“, wenn sie das Judentum in eschatologischer Ausrichtung als universale Religion der Sittlichkeit akzentuiert.62 Die jüdische Eschatologiegeschichte wäre als bloßes Wechselspiel von „dieser Welt“ und „kommender Welt“ aber viel zu holzschnittartig gezeichnet: im Übermaß zu Gunsten des Kontrasts, aber auf Kosten der Nuancierungen, die sich tatsächlich an den verschiedensten geschichtlichen Orten als Überkreuzung der genannten Unterscheidung zeigen, und zwar besonders im Zusammenhang der oft als jüdischer Mystik bezeichneten Kabbala. Aber schon die Tannaiten verstehen die Buße als ein Geschehen, in dem menschliches Tun mit Gottes Handeln kooperiert;63 und neben der talmudischen Fixierung der Unterscheidung von dieser und kommender Welt in der Amoräerzeit entstehen unter der Bedrohung durch die islamischen Eroberungen des 7. Jh. immer wieder messianische Bewegungen, die die begrifflichen Alternativen der lehrmäßigen Eschatologie aufbrechen.64 Mai58 Vgl. AVNERI/GROSSMAN/REINES (1971) 107–109 (A. REINES). 59 Bei BAER (1936) 100f. dienen die skizzierten Unterscheidungen auch dazu, die Untragbarkeit der Diasporasituation gegenüber der Autochthonie hervorzuheben. 60 Mendelssohn als Vater der Berliner Haskala berührt sich hier mit seinem aufklärerischen Freund Gotthold Ephraim LESSING, der die sittliche Funktion der Eschatologie freilich nicht mit der Unsterblichkeit, sondern mit der Seelenwanderung verbindet (DERS., Die Erziehung des Menschengeschlechts [1777/80]: DERS., Werke II, hg.v. Hermann Kesten, Frankfurt am Main/Wien/ Zürich 1962, 747–769, hier 768f. [§§ 94–99]). 61 Zu Gestalt und Veränderung dieser Position vgl. LEVINSON (1994) 150–157, v.a. 154f. Zeitweilige Rationalisierungen des Messianismus und deren spätere Relativierung untersucht an zeitgenössischen Pesach-Haggadot FRIEDLAND (1993) 251–273. Der Unterschied zur Orthodoxie ist v.a., daß diese den Messias als Person erwartet. 62 Hierzu vgl. BERTRAMS (2003) 37f. am Beispiel zweier Gründungsväter der Judaistik, I. Wolf und E. Gans. 63 Neben SCHÄFER (1976) 100 vgl. GOLDMANN (1993) 65, der die „Umkehr zu Gott“ als „Bedingung sine qua non“ für das Kommen des Messias ansieht. 64 Nach SCHÄFER (1976) 116f. hat freilich gegenüber den messianischen Bewegungen die Schultradition das größere Gewicht. Doch hat sie dies nach F. Rosenzweig gerade aufgrund des „pseudo-messianic“ Charakter jener Bewegungen (WERBLOWSKY [1968] 39).

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monides sodann versteht seine naturalistisch scheinende Eschatologie als eine geistige Realität65 und nimmt damit – ebenso wie sein eschatologiegeschichtlicher Gegenspieler Abrabanel66 – Einsichten der Kabbala vorweg, die einen mehrfachen Schriftsinn annimmt67 und damit den ausschließlichen Alternativcharakter der genannten Unterscheidung fraglich macht. In dieser Tradition steht auch im 17. Jh. die messianische Bewegung um Sabbatai Zwi, der die Erwartung des Messias mit mystischer Spiritualität verbinden kann.68 Hieran knüpft im 19. Jh. der Chassidismus an, der eine individuelle Erlösungsvorstellung auf der Grundlage persönlicher Spiritualität pflegt69 und so ein Gegenspieler des menschheitlich orientierten Reformjudentums wird. Auch die auf S.R. Hirsch zurückgehende Neoorthodoxie entdeckt freilich die menschheitliche Bedeutung des Judentums für sich und plaziert sich so jenseits der gängigen Alternative von Talmud und Reformertum.70 Vollends der Zionismus fügt sich kaum in das Schema der Unterscheidung von „dieser“ und „kommender Welt“. Versteht er sich in seiner Anfangszeit weitgehend areligiös, so kann der bedeutendste Jerusalemer Oberrabbiner vor der Staatsgründung 1948, der aus der rabbinischchassidischen Tradition des Baltikums stammende A.I. Kook, gerade die nicht religiös motivierte Besiedelung Palästinas durch eine möglichst große Volksmasse als einen notwendigen Bestandteil der vollen religiösen Existenz Israels würdigen.71 Kook hebt sich durch diese Geringschätzung der 65 Nach WURZBURGER (1993) 79f. ist Maimonides' Zukunftserwartung daher durchaus messianisch. Erwartete aber die Tradition vor Maimonides Lohn und Strafe in der kommenden Welt, so sieht er diese selbst als Lohn bzw. ihre Versagung als Strafe (vgl. MAIER [1976] 169f.). Inhaltlich ist der Lohn die Vollendung des Intellekts (Seele) durch die Toratreue, die zuvor in der davon streng zu unterscheidenden Messiaszeit (a.a.O. 156f.) durch das sittliche Regiment eines (irdischen) Königs ermöglicht wurde. 66 AVNERI/GROSSMAN/REINES (1971) 106 (A. GROSSMAN). 67 Z.B. die Lehre von den göttlichen Wirkweisen (Sefirot), die in den jüdisch-christlichen Religionsgesprächen des Mittelalters oft als Vergleichspunkt zur Trinitätslehre diente; so noch bei F.C. Oetinger (JUNG [1992] 203). 68 Aus seinen grundlegenden Forschungen über die Mystik des Sabbatai Zwi ergab sich für G. SCHOLEM das wirkmächtige Konzept des Messianismus als einer „Katastrophentheorie“ (DERS. [1963] 130), die der Erlösung die Gestalt einer Sozialutopie gibt (ebd.) und zugleich „Leben im Aufschub“ (a.a.O. 167) bedeuten kann. 69 SCHATZ-UFFENHEIMER (1970) 209–211, die den nichtnationalen Charakter solcher „selfredemption“ betont. 70 Zu Hirsch und besonders der menschheitlichen Dimension seiner Eschatologie vgl. BALLHORN (2003) 94–98. 71 Für SCHATZ-UFFENHEIMER (1976) 194 denkt Kook damit „nichts Alltägliches“; ähnlich STEMBERGER (1992) 629. Für GEWIRTZ (1986) 110 entspricht freilich Kooks Aufwertung des bloßen Volkskörpers der maimonidischen Lehre (a.a.O. 32f.) vom Leib als Bewährungsort der Seele (Intellekt; s. S. 30 Anm. 65), also einer eher reformerischen Tradition.

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Diaspora vom Reformjudentum ab und durch eine analoge Abwertung der talmudischen gegenüber der biblischen (autochthonen) Zeit zugleich von der Orthodoxie und steht damit zwischen den Polen der vermeintlichen Alternative – wie auf andere Weise nach der Staatsgründung Israels72 auch die an den 1994 verstorbenen M.M. Schneerson anschließende messianische Bewegung „Chabad“. Während nämlich Kook das Nichtreligiöse religiös interpretiert, zielt Chabad auf eine tätige Heiligung des Profanen.73 Somit ist in der Tat auch die jüdische Eschatologie geprägt von den Ausschließlichkeitspragmatiken polarer Begriffsschemata; aber gerade die im vorstehenden Absatz genannten scheinbaren Randerscheinungen dieser Traditionsgeschichte zeigen, daß nicht die Entscheidung für eines der „beiden Extreme“, sondern deren kritische Thematisierung als solche die maßgebliche Frage ist,74 die das Schema selbst stellt. 3. Anfragen jüdischer Religionsphilosophie. Deutlich sind derartige Anfragen an die Schemata von einigen jüdischen Religionsphilosophen gestellt worden, die schon zu Lebzeiten und dann in ihrer Nachwirkung Diskurspartner des Christentums sind. a) Leo Baecks paradox-sittliche Wesensbestimmung des Judentums. Um die kalendarische Wende zum 20. Jh., nach gängigem theologiegeschichtlichen Urteil zugleich Wende zur Eschatologie, hält A. v. Harnack in Berlin seine programmatischen Vorlesungen über „Das Wesen des Christentums“, in denen er den einfachen Jesusglauben um „Gott und die Seele, um die Seele und ihren Gott“ unter allen theologischen und kirchlichen, sowohl dogmatisierenden als auch ritualisierenden Verschüttungen freilegen will und ihn damit wie vom hellenistischen Denken so vom Judentum abgrenzt, das kurz vor v. Harnack der sog. eschatologische Aufbruch eines J. Weiß als Apokalyptik dargestellt hat.75 72 Zum Zionismus nach 1948 vgl. RAVITZKY (1991), der a.a.O. 34ff. solchen religiösen Zionismus als unmessianisch bezeichnet, der das Werk des Messias an sich zu reißen sucht. Christlicherseits wird die Staatsgründung Israels ähnlich kritisch gesehen vom sog. Dispensationalismus (s. S. 14 Anm. 7), dem in Deutschland z.B. die Apokatastatiker HELLER (1949) und FÜNNING (1949) anhängen (vgl. HOLTHAUS [1993] 443f.). 73 Dazu LEVINSON (1994) 124. 74 Zitat MAIER (1983) 160. Weitere Beispiele für Relativierungen der eschatologischen Schemata im Judentum nennt GRAETZ (1983) 170–181. 75 Zitat V. HARNACK [1900] (1999) 91; zur Abwehr von Weiß vgl. a.a.O. 89 und zur Abgrenzung gegen das Judentum a.a.O. 84f. Daß Harnack das Judentum als kirchliche Erstarrung des Glaubens galt, steht in vollem Einklang mit WELLHAUSENS Begriff der Theokratie als „Anstalt“ (DERS. [1905] 409ff.) und mit Boussets Einschätzung der Synagoge. Nach seiner bekannten Definition des Dogmas betrachtet Harnack auf der anderen Seite den Hellenismus als die theologische Verfremdung des Jesusglaubens.

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Dagegen wendet sich 1905 der liberale Berliner Rabbiner Leo Baeck, wie schon der Titel seines Buches „Das Wesen des Judentums“ erkennen läßt, das dann in der Zweitgestalt von 1922 berühmt wurde. Hier erscheint das Judentum als die Religion des religiös-sittlichen Paradoxes: Z.B. zeigt sich die für das Judentum schlechthin grundlegende Einzigkeit und Absolutheit Gottes darin, daß sein Gebot unbedingt wirklich ist; dennoch ist der Mensch gefordert, es zu verwirklichen.76 Daher drückt sich Israels Erwählung darin aus, daß es die Tora befolgt und durch dieses sittliche Menschenhandeln den Monotheismus verkündigt. Baeck versteht so das Judentum als die eigentlich missionarische Religion.77 Damit ergreift er eine für sein rabbinisches Herkommen durchaus unkonventionelle Position. Zwar kennt der Rabbinismus seit seinen Anfängen in der Spätantike den Übertritt zum Judentum, doch galt in der halachischen Tradition grundsätzlich das Geborenwerden von einer jüdischen Mutter als Kriterium des Judeseins.78 Freilich hängt gerade mit der Verabsolutierung dieses genealogischen Kriteriums die Abwertung des Judentums als Nationalreligion oder Volkstum zusammen, die im rassisch motivierten Antisemitismus gipfelt, sich aber auch in der christlichen Eschatologie beobachten läßt.79 Wenn Baeck dagegen das Judentum als missionarisch versteht, ergibt sich für die Eschatologie das Bild des Judentums als sittlicher Menschheitsreligion. In diesem Sinne kann Baeck ausdrücklich den Messianismus als die letzte Spitze des missionarischen Monotheismus begreifen, auf der Sittlichkeit sich in Politik weitet und jüdische Religionsgeschichte in die Weltgeschichte der Völker.80 Indem Baeck das Judentum auffälligerweise als die eigentliche missionarische Religion bestimmt, stellt er also das eschatologische Schema von Partikularität und Universalität in Frage. b) Hermann Cohens Konzept eines menschheitlichen Messianismus. Baeck veröffentlicht sein „Wesen des Judentums“ erstmals im vom liberalen Berliner Rabbinerseminar veranstalteten „Grundriß der Gesamtwissenschaft des Judentums“. Hier erscheint auch 1919 in der Erstauflage das postume Spätwerk des vormaligen Marburger Neukantianers Hermann Cohen, „(Die) Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums“. Tatsächlich 76 BAECK (1922) 106f. 132f. 155 nennt drei Paradoxien; die genannte ist die zweite davon. 77 A.a.O. 77: „Das Judentum hat denn auch das Gebot des Weges zur Menschheit, der Mission, die der Besitz der Religion fordert, erzeugt.“ 78 Auch wenn das antikjüdische Geschichtsdenken sonst eher patrilinear geprägt scheint. 79 Für die christliche Eschatologie vgl. z.B. BULTMANN (1949) 183: „Das wahre Gottesvolk ist die Ekklesia, die eine eschatologische Einheit ist. […] Man gelangt in sie nicht durch Geburt oder Volkszugehörigkeit.“ 80 BAECK (1922) 282f.

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bestehen einige Berührungspunkte zu Baeck, jedenfalls was die Eschatologie betrifft. Cohens Vernunftreligion geht freilich, anders als bei den deutschen Aufklärern von Lessings „Erziehung des Menschengeschlechts“ bis zu Kants „Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“, über eine reine Sittlichkeit hinaus. Denn diese kennt den Menschen nur als Exemplar der Menschheit; die Religion dagegen entdeckt den Menschen zuerst am Mitleid mit dem Mitmenschen und differenziert so neben Einheit und Allheit des Menschlichen noch die Mehrheit.81 Mit diesem Spezifikum, einem Plus der Religion vor der Ethik, gewinnt das Baeck'sche Konzept des Judentums als der Religion der sittlichen Paradoxien bei Cohen ein eigenes Profil. Baeck korrelierte Gottes Einzigkeit als die Absolutheit seiner sittlichen Forderung mit deren menschlicher Verwirklichung. Auch Cohen kommt zu dem Ergebnis, daß Gott heilig ist, weil der Mensch sich heiligen soll; er begründet dies aber ausführlicher. Dazu ist hier kurz der Gedankengang des Buches unter diesem Aspekt nachzuzeichnen: Gottes Einzigkeit schließt irgendein anderes Sein, das daneben gegeben wäre, aus.82 Auch ein geschöpfliches Sein als eigenständiges Sein neben Gott ist damit verneint, Schöpfung heißt gerade die Verneinung solchen Seins. Genauer: Da die Verneinung eines positiven Seins neben Gott ein solches im Akt der Verneinung doch noch voraussetzen müßte, verneint Schöpfung nicht ein positives, sondern ein privatives Sein, eine Minderung von Sein. Cohen definiert Schöpfung daher im Anschluß an Maimonides als Negation der Privation.83 Gottes Einzigkeit ist demnach sein Schöpfersein. So kann Cohen die Offenbarung der Tora als ein Beispiel von Schöpfung auf dem Gebiet der Vernunft verstehen:84 Gott läßt Israel, so wäre mit einem typisch schöpfungstheologischen Urteil zu formulieren, nicht im Unklaren über seinen heiligen Willen. Gottes Einzigkeit und Heiligkeit besteht nach diesem Schöpfungskonzept darin, daß er den Menschen schafft und zur Heiligung fordert, und dieses wechselseitige Verhältnis nennt Cohen mit dem tragenden Systembegriff seines Buches „Korrelation“.85 Sie be81 COHEN (1928) 17.131f. Zur Entdeckung am Mitmenschen a.a.O. 160. 82 So a.a.O. 50 im Anschluß an Cohens Übersetzung von Ex 3,14: „ich bin der Seiende. Ich bin der, der nicht anders benannt werden kann als durch ‚ich bin‘“. Das wäre hellenistisch gedacht aus der Sicht heutiger Exegese, die hier auf den Spuren hebräischen Denkens ein helfendes Mitsein Gottes mit seinem Volk liest. 83 A.a.O. 76. Erkenntnislogisch gesprochen formuliert Schöpfungslehre nach Cohen unendliche Urteile, die nach der kantischen Urteilstafel Allheit, in diesem Falle die Absolutheit Gottes, aussagen. Der maimonidische Grundsatz aller Schöpfung: Gott ist nicht träge (vgl. a.a.O. 73), ist ein solches unendliches Urteil. Cohen spricht daher von einer Infinitesimalmethode. 84 A.a.O. 84. 85 Eingeführt a.a.O. 100f.; entfaltet a.a.O. 119f.

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steht in der Vernunft, die Gott als sittliche in seiner Willenskundgabe durch die Tora anspricht, und im heiligen Geiste, der nach dem hebräischen Text von Ps 51,6 der Geist der Heiligung ist. Da sich Heiligung am Mitmenschen vollzieht, kann Cohen die Korrelation von Gott und Mensch auch auf der Ebene der Mehrheit, des Volkes, ausdrücken und mit R. Akiba sagen: Gott ist der Einzige, weil einzig vor ihm Israel sich reinigen kann.86 Die eschatologische Konsequenz dieses Korrelationskonzeptes ist ein Messianismus, der als die menschheitliche Aufgabe einer unabschließbaren Selbstheiligung schroff der Eschatologie entgegengesetzt wird, die diesen immerwährenden Prozeß durch die Setzung einer jenseitigen Welt abbricht.87 Cohen folgert also aus seinem tragenden Begriff der Korrelation eine ausschließende Alternative von Messianismus und Eschatologie. Messianismus bezeichnet hier die sich als unverwechselbar jüdisch verstehende Erwartung, daß die Menschheit begriffen ist in einem Prozeß der Heiligung, der fortschreitend, aber unabschließbar und darum auch ein Geschehen in der einen raumzeitlichen Welt ist. Wenn dem die christliche Jenseitseschatologie entgegengesetzt wird, so hat Cohen dabei noch nicht die Diastase von Diesseits und Jenseits in der frühen Dialektischen Theologie vor Augen, sondern die Jenseitserwartung, die am Ende des 19. Jh. unter dem Einfluß von Schleiermachers Kritik der Eschatologie den Locus prägt und dabei von einer bloßen Unsterblichkeitsgewißheit für die individuelle Persönlichkeit bis zum detailfreudigen Zukunftsgemälde die ganze Bandbreite von Zukunftserwartung enthält. Cohens Konzept des menschheitlichen Messianismus zielt also nicht nur wie Baeck auf das Wahrnehmungsschema von Partikularität und Universalität. Vielmehr steht Cohens Parteinahme für eine soziale Gestaltung des Messianismus zugleich jenseits des Schemas von sinnenfälliger Gestalt der Hoffnung und ihrer übersinnlichen Vergeistigung, da die Gestaltung ja eben, beide vermittelnd, im Geiste stattfinden soll, wie es Cohens Theorem der Korrelation von Gott und Mensch ausdrückt. c) Franz Rosenzweigs Neubestimmung des Verhältnisses von Verheißung und Erfüllung. Cohens Gedanken werden fortgeführt von Franz Rosenzweig in seinem noch in den Schützengräben des ersten Weltkriegs begonnenen Hauptwerk „Der Stern der Erlösung“. Auch hier sei der gedankliche Duktus nachgezeichnet, wobei sich die Darstellung wiederum auf die für unsere Fragestellung einschlägigen Linien beschränkt: 86 A.a.O. 261. Zugrunde liegt ein talmudischer Ausspruch R. Akibas (Joma 85b), der das Buchmotto bildet. 87 A.a.O. 337.

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Definiert Cohen Schöpfung als Negation der Privation, so unterscheidet Rosenzweig die Schöpfung im Anfang von der Schöpfung im Wort. Erstere ist die arche-ologische und, mit Rosenzweig zu sprechen: elementare Frage, weil sie nach dem Dasein der Elemente des Alls fragt, das Rosenzweig im ersten Teil seines Buches als eine festgefügte und abgeschlossene Ordnung darstellt. Diese eine Frage nach der Schöpfung im Anfang beantwortet Rosenzweig mit Cohens Infinitesimalmethode: Schöpfung ist das Nichtnichts.88 Schöpfung im Wort dagegen ist eine andere Frage und handelt von dem Wunder, daß die Abgeschlossenheit des Alls wieder als Anfang erscheint, die Erfüllung nochmals zur Verheißung wird, indem die Ordnung der Elemente aufgebrochen wird und diese auf die „Bahn“, wie Rosenzweig im Titel des zweiten Buchteils sagt, gesetzt werden zu einer Geschichte, die sich theologisch durch die Termini Schöpfung, Offenbarung und Erlösung beschreiben läßt.89 Das Wunderhafte der Schöpfung, das die Erfüllung neu zur Verheißung macht, besteht dabei in der Voraussage, dem Verheißensein eines bestimmten Ereignisses im Geschehenszusammenhang,90 besteht also im Verheißungswort selbst. Anstelle der mathematischen Methode im ersten Teil des Buches erfordert daher die Schöpfung im Wort für den zweiten Teil als Methode eine Grammatik. Sie drückt das Wunder des Verheißungswortes aus, in dem sich die Ordnung des Alls umkehrt zur Schöpfung und die Negation der Schöpfung im Anfang (das Nichtnichts) zur Position, dem reinen Ja der Verheißung.91 Das Urwort solcher Grammatik kann deswegen kein Substantiv sein, das als Bezeichnung eines Anschaulichen stets negierbar wäre, noch ein syntaktisches Element, etwa Subjekt oder Objekt, das stets auf andere Satzbauteile beziehbar, damit aber begrenz- und also verneinbar wäre, sondern nur das wertende Adjektiv. Das grammatikalische Urwort der Schöpfung im Wort ist daher das göttliche Prädikat über die Schöpfung: „gut!“ (nach Gen 1,31),92 und umgekehrt ist das Schöpfersein das ursprüngliche Gottesprädikat, d.h. Gott ist immer schon Schöpfer, so 88 ROSENZWEIG [1921] (1988) 26. 89 In der Architektonik des Buches zeigt ein Vergleich die Neubestimmung des Verhältnisses von Verheißung und Erfüllung beim Übergang vom ersten Teil (Motto: „in philosophos!“, a.a.O. 3) zum zweiten („in theologos!“, a.a.O. 103): Ist in jenem „die Philosophie gewissermaßen nur die Erfüllerin des in der Offenbarung Verheißenen“ (a.a.O. 7), so heißt es dort (a.a.O. 120): „Die Philosophie, wie sie der Theologe treibt, wird zur Weissagung auf die Offenbarung.“ A.a.O. 124: „So ist von der Verheißung zur Erfüllung nichts weiter verändert, der Inhalt der Verheißung und die Phasen der Erfüllung sind eins; nur hat sich das Fertige zum Anfang verkehrt.“ 90 A.a.O. 106f. gegen die Ansicht vom Wunder als Durchbrechung des Geschehenszusammenhanges. 91 Vgl. a.a.O. 125f. 92 A.a.O. 141f.

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daß er nicht aus freiwilliger Liebe, sondern aus Notwendigkeit schafft.93 Er ist daher nicht nur immer schon, sondern auch immer wieder Schöpfer; seine Schöpfung währt fort als allgemeine Vorsehung, die auf die Erlösung der Schöpfung zielt.94 Dieser Gedanke ergibt sich auch daher, daß Schöpfung als Wunder ja die Umkehrung der Erfüllung in Verheißung ist und so auf die Zukunft der Schöpfung weist. Deswegen ist auch das Schöpfungsprädikat der Güte als Verheißung aufzufassen, was im Umkehrschluß heißt, daß, wo es ausgesprochen wird – im gemeindlichen Dankgebet –, Erlösung vorweggenommen wird.95 Solche Vorwegnahme läuft im Sinne Rosenzweigs nicht einfach ihrer Zeit voraus, sondern ist immer auch vorläufig im einschränkenden Sinne, weil das vorwegnehmende Gebet das Nächstliegende ausläßt und sogleich auf mindestens das Übernächste zugreift – denn um das Nächstliegende müsse ja nicht gebetet werden.96 Dies unterscheidet das Gebet von der Liebe, die sich als Nächstenliebe auf das Nächste richtet.97 Rosenzweig korreliert also seine Neubestimmung des Verhältnisses von Verheißung und Erfüllung mit einer bestimmten Zuordnung von Gebet und Liebe. Dabei bezieht er Gebet und Liebe so aufeinander, daß die Liebe die Bahn zur Erlösung der Schöpfung ist, das Gebet aber die eschatologische Ausrichtung gibt auf die erlöste Welt, die „ewige Überwelt“, wie die Überschrift des dritten Teils lautet. Dies erklärt nun, warum Rosenzweig in diesem dritten Teil die Eschatologie in einer Beschreibung des gottesdienstlichen Geschehens und mit dem methodischen Handwerkszeug einer Liturgik entfaltet. Die Vorwegnahme der vom Wunder der Schöpfung verheißenen Erlösung geschieht als Ausgriff auf das Übernächste im Gebet, nämlich im schweigenden Dankgebet, dem anbetenden Nachvollzug des „gut!“, das Gott über seine Schöpfung spricht. In diesen Bahnen beschreibt Rosenzweig ausführlich das gottesdienstliche Geschehen beim jüdischen Versöhnungsfest und spitzt es zu auf die Reinigung der Lippen. Sie befähigt das Volk zu einer erlösten Anbetung Gottes, die sich im schweigenden Verneigen vor ihm ausdrückt.98 93 A.a.O. 128f. mit Maimonides gegen den Islam, für den Gott auch ohne eine Schöpfung vollkommen ist. 94 A.a.O. 133–135 mit Maimonides gegen die islamische Lehre von nur einer besonderen Vorsehung. 95 Vgl. a.a.O. 278f. 96 A.a.O. 305 am Beispiel des Gebets um den Tod des Anderen, da der Andere als Anderer doch schon tot ist: Durch die Schöpfung ist er vielmehr Mitgeschöpf (man vgl. Cohen zur Entdekkung des Mitmenschen). 97 A.a.O. 298. 98 A.a.O. 360.

I. Exposition der Fragestellung

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Rosenzweig stellt dem die christliche Liturgik gegenüber, die eine derartige Feier der Erlösung nicht oder, wie in der Taufe, nur als Anfang eines Lebensweges, nicht als Vorwegnahme der Erlösung kennt.99 So korreliert er das Judentum als Religion des ewigen Lebens mit dem Christentum als Religion des ewigen Weges.100 Das Judentum hat in der Vorwegnahme bereits das, was es als Eschaton erhofft, nämlich ewiges Leben, jedoch auf Kosten des zeitlichen Lebens – Rosenzweig erinnert daran, daß das Diasporajudentum Verzicht leistet auf eigenes Land, eigene Sprache und eigene Nationalität101 –, das Christentum hingegen schreitet den ganzen Weg der Hoffnung auf das Eschaton, also den Weg zum ewigen Leben aus, ohne doch ewiges Leben zu besitzen. So stehen beide Religionen in je ihrer Eschatologie sich entgegen, bilden aber erst in ihrer Korrelation aufeinander die Wahrheit Gottes, die zwar beiden zuteil wird, in diesem Zuteilwerden aber auch nur einen Teil der ganzen Wahrheit darstellt.102 Es ist also zu beobachten, daß sich Rosenzweigs Neubestimmung des Verhältnisses von Verheißung und Erfüllung, die er im Anschluß an Cohens differentialmathematischen Schöpfungsgedanken vornimmt, durch sein gesamtes Hauptwerk zieht und unmittelbar in eine eschatologische Kritik eines Verheißungskonzepts mündet, das auf der Unterscheidung zwischen „schon jetzt“ und „noch nicht“ geschehener Erfüllung fußt. Damit ist das christliche Zeitverständnis in der Eschatologie grundsätzlich in Frage gestellt. d) Martin Bubers Kritik einer Zäsur in der Geschichte. Auf solche zeitlichen Wahrnehmungsschemata zielt nun die Anfrage, die Rosenzweigs Mitarbeiter im Frankfurter Jüdischen Lehrhaus und Initiator der gemeinsamen Bibelübersetzung, Martin Buber, in einem eindrucksvollen Gespräch mit dem Bonner Neutestamentler Karl Ludwig Schmidt im Januar 1933 geäußert hat, wenige Tage vor der nationalsozialistischen Machtergreifung. Themen dieses Gesprächs waren „Kirche, Staat, Volk, Judentum“. Schmidts Einlassung zielt, wie er zu Beginn darlegt, angesichts eines wachsenden, rassisch begründeten Antisemitismus darauf, die vier einschlägigen Themen, damit nicht „das Volkhafte überbetont“ wird, als religiöse zu behandeln. Hierzu nimmt er dann als Theologe Stellung und erklärt, daß das Judentum seit seiner Ablehnung Jesu als des Messias und der Zerstreuung 99 A.a.O. 416. 100 Z.B. a.a.O. 459. Der Vergleich mit dem Christentum prägt aber den ganzen dritten Teil, der unter dem Motto „in tyrannos!“ (a.a.O. 295) steht, womit die gemeint sind, die das Eschaton vorwegnehmen (vgl. a.a.O. 319). 101 A.a.O. 333.334.336 zu den Stichworten Land, Sprache und Nationalität. 102 A.a.O. 462.

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in die Weltgeschichte „mittelpunktlos“ sei, wo doch Jesus Christus genau diesen Mittelpunkt bilde: „Die Weltgeschichte als Gottesgeschichte, als Heilsgeschichte ist nur von dieser Zäsur aus zu verstehen.“103 In seiner Entgegnung versteht auch Buber die vier Themen des Gesprächs als religiöse Themen, indem er sie zunächst unter dem Stichwort „Israel“ zusammenfaßt. Sodann stellt er die jüdische und die christliche Wahrnehmung, die er inhaltlich durchaus im Einklang mit Schmidt rekonstruiert, einander gegenüber als zwei auf gleicher Ebene liegende, aber einander ausschließende Geheimnisse. Das Miteinander dieser Geheimnisse ist seinerseits ein Geheimnis, nun aber das Geheimnis Gottes: „jedes echte Heiligtum kann das Geheimnis eines anderen echten Heiligtums anerkennen. […] Wie es möglich ist, daß es die Geheimnisse nebeneinander gibt, das ist Gottes Geheimnis“. Vor diesem Hintergrund antwortet er Schmidt dann ausdrücklich: „Erlösung der Welt ist uns unverbrüchlich eins mit der Vollendung der Schöpfung […]. Eine Vorwegnahme der vollzogenen Welterlösung zu irgendeinem Teil, etwa ein Schonerlöstsein der Seele, vermögen wir nicht zu fassen, wiewohl sich auch uns, in unseren sterblichen Stunden, Erlösen und Erlöstwerden kundtut. Eine Zäsur nehmen wir in der Geschichte nicht wahr.“104 Anscheinend stehen Schmidts und Bubers Einlassungen unbehelligt nebeneinander wie die zwei kraft des Geheimnisses Gottes koexistierenden Geheimnisse, von denen Buber spricht: Die einen sehen einen Einschnitt in der Geschichte, wo die anderen ihn nicht sehen, doch beide tun dies aus der Einsicht heraus, daß die Geschichte religiöses Thema sein muß. Doch der Widerstreit ist über diese Beobachtung hinaus schärfer. Indem Schmidt die Zäsur zur Voraussetzung solch religiösen Verständnisses der Geschichte macht – sie sei als Gottesgeschichte „nur von dieser Zäsur aus zu verstehen“ –, beansprucht er, daß diese Zäsur auch vor und außerhalb dieses religiösen Verständnisses gültig sei. Aber gerade indem er damit die gesamte Geschichte unter das Vorzeichen dieser Zäsur bringt, kompromittiert Schmidt sein eigenes Anliegen, angesichts des rassisch, nicht religiös motivierten Antisemitismus die Geschichte als religiöses Thema zu behandeln, denn für dieses Vorzeichen reklamiert er allgemeinhistorische, nicht religiös gebundene Evidenz. Schmidts Argumentation bildet damit in aufschlußreicher Weise den Antipoden zu derjenigen theologischen Auffassung, die etwa zur selben 103 Die Zitate SCHMIDT [1933] (1981) 153.155 sind verbunden durch den a.a.O. 152f. dreimal geäußerten Gedanken vom Verlust der Mitte. 104 Zitate BUBER (1933) 563.562 (hier eröffnet der letzte zitierte Satz einen neuen Absatz).

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Zeit zum endgültigen Zerbruch der eschatologischen Arbeitsgemeinschaft der Dialektischen Theologie führt. Dieser Zusammenhang ist kurz darzustellen, ehe ich auf Bubers Entgegnung an Schmidt eingehe: E. Brunner entwickelt 1934 nach längeren Vorarbeiten eine Lehre vom natürlichen Anknüpfungspunkt der unverrechenbar freien Gnade Gottes, wogegen K. Barth seinen energischsten Widerspruch setzt. Dieses „Nein!“ wiederholt er gegenüber der späteren Lehre der Hermeneutischen Theologie von einem rein strukturellen Anknüpfungspunkt im Menschen, also gegenüber seinem Marburger Gegenspieler R. Bultmann und dessen Fachkollegen E. Fuchs.105 Vor allem aber ist davon F. Gogartens zeitgleiches theologisches Engagement für die dem Nationalsozialismus verbundene sog. Glaubensbewegung der Deutschen Christen getroffen. Barths grundlegender Einwand, der in der deutschen evangelischen Nachkriegstheologie als das Verdikt der natürlichen Theologie einen noch stärkeren Aufschwung erlebte, lautet ja jeweils, daß irgendein anderer Anfang der Theologie als bei Gott selbst Gefahr läuft, geschichtliche oder gesellschaftliche, anthropologische oder kulturelle Gegebenheiten und Standards religiös zu überhöhen, d.h. theologisch gesprochen: die Radikalität des Gegensatzes von Sünde und Gnade zu verwässern. Dies richtet sich zeitgeschichtlich gegen die Deutschen Christen; aber eine vergleichbare Gefahr in der akademischen Theologie wird da gesehen, wo Theologie auf Begriffen aufbaut, die mit dem Repertoire der antisemitischen Gesellschaftsideologie der Nationalsozialisten in Berührung geraten können. Deswegen sieht sich von Barths Kritik auch P. Althaus in Mitleidenschaft gezogen.106 Seine „Theologie der Ordnungen“ rezipiert die Kategorien Rasse, Volk, Stand, Obrigkeit in einer Weise, die vielen Beobachtern als gefährlich harmonische Aufnahme nationalsozialistischer Anschauungsformen erschien und erscheint. – Gegenüber all diesen ist nun Schmidt deshalb der Antipode, weil seine allgemeinmenschlich einsehbare Voraussetzung einer weltgeschichtlichen Zäsur in Christus nicht einer natürlich-theologischen Harmonie von Vernunft und Offenbarung, Weltgeschichte und Heilsgeschichte folgt, sondern sie ergibt sich für ihn gerade umgekehrt aus der krassen Dissonanz von Welt- und Heilsgeschichte: Die Weltgeschichte ist „Schatten“ und „Nachtseite“ des Lebens! Barth moniert, daß von der Geschichte theologisch zu optimistisch gedacht werde; und dieses Monitum hält Schmidt in einem 1997 im Druck veröffentlichten Brief vom 11.9.1933 (an P. Althaus) gerade seinem Stuttgarter Gesprächspartner Buber vor: Bubers Auffassung von einer bruchlo105 Fuchs war 1933 Assistent Schmidts in Bonn. 106 ALTHAUS (1935) 6.

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sen Geschichte sei „Schwärmertum“, schreibt Schmidt: „Es ist jedenfalls so, daß der Jude Buber, der viel von Israel weiß, der aber noch nicht genug von Israel weiß, den Deutschen Christen näher steht als – ich.“107 Diese argumentative Konstellation zeigt die ganze Schärfe des Problems einer Wahrnehmung des Judentums. Schmidts Argumentation fällt nicht unter die Barth'sche Kritik, dennoch folgt seine Wahrnehmung des Judentums den von ihr kritisierten Schemata, ohne daß ihm auch nur entfernt theologischer Antijudaismus unterstellt werden könnte, vielmehr ist dessen Überwindung sein ausdrückliches Ziel. Der Vergleich von Schmidts Entgegnung an Buber mit den zeitgleich von Barth kritisierten Autoren zeigt instruktiv, daß die theologische Aufgabe, die sich einer Revision der Eschatologie stellt, nicht darin bestehen kann, die genannten Schemata von Wahrnehmung des Judentums gewissermaßen „umzupolen“.108 Barths Verdikt natürlich-theologischer Harmonisierungen trifft also nur die eine Seite des Problems. Denn nicht nur in deutlicher Annäherung an die Deutschen Christen (wie bei Gogarten), sondern auch in der schroffen Abgrenzung davon (wie bei Schmidt) kann dieselbe Schwierigkeit entstehen, daß nämlich für einen theologisch eindeutigen Sachverhalt außertheologische Evidenz beansprucht wird. Genau dies tut Schmidt, wenn er eine weltgeschichtliche Zäsur in Jesu historischem Auftreten zur Voraussetzung eines religiösen Geschichtsverständnisses macht und damit fordert, auch das Judentum als nichtchristliches Denken müsse, sofern es an einem Verständnis der Geschichte interessiert sei, diese Voraussetzung mitvollziehen. Liest man nun vor diesem Hintergrund Bubers Replik an Schmidt, dann stellt die Nichtwahrnehmung einer Zäsur nicht bloß ein Geheimnis neben ein anderes, sondern bestreitet, daß dem Christentum ein solcher Rückgriff auf allgemeinmenschliche Evidenzen zu Gebote stünde, die auch für das Judentum verbindlich sein müßten. Er zieht so die Möglichkeit einer derartigen Voraussetzung generell in Zweifel, also sowohl in ihrer harmonistischen Ausprägung wie bei Gogarten als auch in ihrer skeptischen Variante wie bei Schmidt. Buber übt damit grundsätzliche Kritik vor allem am Wahrnehmungsschema von „Schon jetzt“ und „Noch nicht“, das sich am Thema der Messianität Jesu in der aporetischen Frage niederschlägt: Ist der Messias schon gekommen oder noch nicht?109 Bubers Anfrage zielt somit 107 Zitate MÜHLING (1997) 239.240.240.240; vgl. früher: V.D. OSTEN-SACKEN (1978) 142. 108 Darum ist nicht das von Buber „dialektisch dem ‚Noch nicht‘ hinzugefügte ‚Schon‘ entsprechend dem christlichen ‚Schon‘, dem dialektisch das ‚Noch nicht‘ hinzugehört“ (STEGEMANN [1988] 145), das zukunftsweisende Moment des Gesprächs. 109 Diese Frage weist WERBLOWSKY (1968) 44 für das Judentum ab und dem christlichen Fundamentalismus zu.

I. Exposition der Fragestellung

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auf eine Revision des in der christlichen Eschatologie vorfindlichen Verständnisses von Zeit. 4. Ergebnis. Die Bedeutung der hier referierten Anfragen jüdischer Religionsphilosophie an die zeitgenössische christliche Eschatologie ist nicht allein in der kritischen Spiegelung der Wahrnehmungsschemata zu sehen, sondern mehr noch darin, daß damit sachliche Themen entbunden werden, die für eine Eschatologie im Gespräch mit dem Judentum wichtig sind. Bei Baeck wird die Mission und bei Cohen die Leidensthematik zum Thema der Eschatologie, jeweils als Entdeckungszusammenhang ihrer menschheitlichen Dimension. Beide betonen dabei den Zusammenhang von Eschatologie und Ethik als Zusammenhang von göttlichem und menschlichem Handeln, der im vorigen Punkt dieses Abschnitts schon für die jüdische Eschatologiegeschichte überhaupt wichtig zu sein schien. Bei Rosenzweig wiederum ist der Gottesdienst der Entdeckungszusammenhang der Eschatologie, für die sachlich das Verheißungsthema zentral ist. An ihm entscheidet sich auch das Zeitverständnis, auf das Buber eingeht. – Alle diese Anfragen und Themen werden im weiteren Verlauf vorliegender Untersuchung wichtig sein bei der weiteren Ausarbeitung der Fragestellungen, die eine evangelische Eschatologie im Blick auf das Judentum berücksichtigen muß. Deswegen werden die dritten Abschnitte der Kapitel II–V im Rückgriff auf den vorliegenden Abschnitt und in Weiterführung davon eigens den Ertrag der jeweiligen Eschatologiekonzepte für diese Fragestellungen sichern. Somit ergibt sich für den folgenden, zweiten Teil der vorliegenden Untersuchung dieser Gesamtaufriß: Es werden vier Komplexe evangelischer Eschatologiegeschichte (Kap. II–V) hinsichtlich ihrer eschatologischen Argumentation und deren Implikationen für die Wahrnehmung des Judentums (Abschnitte Nr. 1 mit den Unterabschnitten 1.1 zur Argumentation und 1.2 zu den Implikationen), ihrer eventuellen Schemata von Wahrnehmung des Judentums (Abschnitte Nr. 2) und ihrer Bedeutung für Fragestellungen evangelischer Eschatologie im Blick auf das Judentum (Abschnitte Nr. 3) behandelt.

II. Friedrich Schleiermachers eschatologisches Dilemma

„Mitten in der Endlichkeit Eins werden mit dem Unendlichen und ewig sein in einem Augenblick, das ist die Unsterblichkeit der Religion.“1 Wenn der 30-jährige reformierte Krankenhausprediger an der Berliner Charité, FRIEDRICH SCHLEIERMACHER, mit diesen vielzitierten Worten die zweite seiner berühmt gewordenen Reden „Über die Religion“ beendet, gibt er auf der einen Seite dem Kerngedanken einer der fortan wohl wirksamsten theologischen Grundanschauungen der protestantischen Moderne Ausdruck. Der Satz zur Unsterblichkeit machte seinen Autor schon zu Lebzeiten in einem umgangssprachlichen Sinne unsterblich und scheint schon auf diese Weise die theologische Einsicht zu bestätigen, die dahinter steht: Unsterblichkeit ist im Leben zu finden. Die Ewigkeit, für die hier der Ausdruck „Unendliches“ und sonst in Schleiermachers Reden von 1799 das „Universum“, erst in späteren Auflagen „Gott“ steht, ist nicht der Abschluß einer unendlichen Reihe und auch kein Rahmen, der von außen um die Welt als Ganzes gelegt wird. Nicht wer die Tiefen des Alls erforscht, findet Ewigkeit, sondern wer sie als das erkennt, was in allen Einzelnen das Gleiche, doch in keinem von ihnen auf die gleiche Weise, vielmehr individuell ist. Dies ist die Textur, die Schleiermachers Denken zusammenhält: Ewigkeit ist das Allgemeine als Einzelnes, ist Alles und ist Eines, ein individuelles Allgemeines. Schleiermachers Auffassung vom Wesen der Religion begründet aber nicht nur eine ganze Epoche theologischen Denkens im Protestantismus. Sein Satz zur Unsterblichkeit reißt auf der anderen Seite zugleich „das eschatologische Loch“ auf,2 in dem für ein ganzes Jahrhundert die theologische Besinnung auf die religiöse Zukunftserwartung zu versinken scheint. Wenn wir die Unsterblichkeit „schon in diesem zeitlichen Leben unmittelbar haben können“, wie Schleiermacher in der Drittauflage seiner Reden von 1821 hinzufügt,3 scheint es nur konsequent, wenn er ein Jahr später 1 SCHLEIERMACHER [1799] (1958) 74. In späteren Auflagen heißt es „in jedem Augenblick“; s. auch S. 42 Anm. 3. 2 Emil BRUNNER, Die Mystik und das Wort. Der Gegensatz zwischen moderner Religionsauffassung und christlichem Glauben dargestellt an der Theologie Schleiermachers, Tübingen 1924, 268. 3 SCHLEIERMACHER [1821] (1995) 128; noch nicht in der Zweitauflage von 1806; vgl. ebd.

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auch über die sonstigen Topoi der Eschatologie schreibt, daß ihnen „derselbe Werth wie den übrigen Glaubenslehren nicht kann beigelegt werden“.4 In der Zweitausgabe seines Buches „Der christliche Glaube“ von 1830/31 findet diese Grundsatzkritik der Eschatologie dann ihre ausgereifte Gestalt.5 Der Bogen, der mit diesen Schlaglichtern vom Anfang bis zum Ende von Schleiermachers literarischem Schaffen geschlagen wurde, deutet bereits ein Grundproblem von Schleiermachers Eschatologie an: Einerseits gründet seine Wirkung zu etlichem Teil auf Gedanken zu einem eschatologischen Thema, der Ewigkeit. Andererseits war diese Wirkung selbst „das eschatologische Loch“, das Schleiermacher in die Theologiegeschichte des 19. Jh. gerissen haben soll. Man muß daher Schleiermachers eschatologische Kritik als positiven Beitrag zur Lehrgeschichte würdigen.

1. Analyse Die sieben Paragraphen, in denen Schleiermacher in der zweiten Auflage seiner „Glaubenslehre“ die Eschatologie behandelt,6 bilden nicht deren Abschluß, vielmehr folgt ihnen noch ein Abschnitt über die Eigenschaften Gottes als des Erlösers, und erst dann steht am Schluß der Dogmatik die Trinitätslehre. Das ist auffällig genug für einen dogmatischen Entwurf, der den traditionellen Inhalt und Aufriß integrieren will.7 Es liegt daher nahe, Überlegungen zur Architektonik zum Ausgangspunkt für die Analyse von Schleiermachers Eschatologie zu nehmen.8 1.1. Aufweis eines eschatologischen Dilemmas in zwei Gestalten 1. Die dogmatische Stellung der Eschatologie. Im Aufriß der „Glaubenslehre“ erscheint die Eschatologie in deren zweitem Teil (Gegensatz von Sünde und Gnade: §§ 62–169) auf der Seite der Gnadenlehre (Bd. II der „Glau4 DERS. [1821/22] (1980/84) II,319 (§ 175). 5 Grundlage meiner Überlegungen in diesem Kapitel ist vor allem die zweite Auflage der „Glaubenslehre“ von 1830/31, während ich für die zur Ergänzung herangezogenen „Reden“ auf den Text der Erstausgabe von 1799 zurückgreife, also jeweils auf die wirkmächtigsten Gestalten dieser beiden Hauptwerke Schleiermachers. Abweichungen anderer Auflagen dieser Texte und weitere Texte kommen in den Blick, wo dies geeignet scheint. 6 SCHLEIERMACHER [1830/31] (1960) II,408–440 (§§ 157–163). 7 Vgl. die Definition von Dogmatik als Darstellung der kirchlich geltenden Lehre, die SCHLEIERMACHER in der „Glaubenslehre“ gibt (a.a.O. I,119 [§ 19]). 8 Aus solchen Gesichtspunkten heraus argumentiert v.a. HERMS (1990) 97–108.

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benslehre“: §§ 86–169) im Abschnitt über die Beziehung der Gnade auf die Welt (§§ 113–163) als dessen drittes Hauptstück. Die umgebenden Abschnitte handeln von der Beziehung der Gnade auf den Menschen (§§ 91– 112) bzw. von Gott in bezug auf die Gnade (§§ 164–169) und spiegeln damit die drei Dimensionen dogmatischer Sätze als Aussagen über das Selbst-, Welt- und Gottesverhältnis des Menschen,9 in denen auch auf seiten der Sündenlehre (§§ 65–85) sowie im ersten Teil (Voraussetzungen des Gegensatzes von Sünde und Gnade: §§ 32–61) die Dogmatik entfaltet wird.10 Es fällt nun auf, daß in der Gnadenlehre die individuelle Dimension der Dogmatik in zwei Hauptstücken dargestellt wird, die überindividuelle aber in dreien. Über die Frage des Entstehens und des Bestehens von (individuellem bzw. gemeinschaftlichem) Gnadenbewußtsein hinaus handelt hier nämlich die Eschatologie von dessen überindividueller Vollendung. Vollendung, so wird argumentiert, ist dabei deshalb der gemeinschaftlichen und nicht der individuellen Dimension zugeordnet, weil für Schleiermacher die Gnade ohnehin nur an einem „Gesamtleben“ besteht, in dieser gemeinschaftlichen also die individuelle Dimension miteingeschlossen ist.11 So wird die zunächst befremdliche Eingliederung der Eschatologie in das Ganze von Schleiermachers Dogmatik plausibel. Jedoch bei der internen Gliederung der Eschatologie kehrt dieselbe Spannung von individueller und sozialer Dimension wieder. Hier stellt zunächst je ein Paragraph die beiden Aufgabenfelder der Eschatologie vor, nämlich die gemeinschaftliche Dimension als Vollendung der Kirche (§ 157) bzw. die individuelle Seite als Fortdauer der Persönlichkeit (§ 158), ehe der eigentliche Schlüsselsatz in § 159 Eschatologie als „Lösung beider Aufgaben“ definiert.12 Von diesen drei Grundlegungsparagraphen deutlich unterschieden durch die Zählung von vier „prophetischen Lehrstücken“, thematisieren die §§ 160–163 vier Ansätze zur Lösung dieser doppelten Aufgabe; Schleiermacher greift damit die protestantische Überlieferung von der Vierzahl der letzten Dinge auf und verbindet so auch hier, wie bei der Stellung der Eschatologie im Ganzen der Dogmatik, seine originären Ein9 Dazu grundsätzlich SCHLEIERMACHER [1830/31] (1960) I,163 (§ 30). 10 In dieser Dreistelligkeit der Dogmatik schlägt sich Schleiermachers Theorie des Bewußtseins nieder, derzufolge der Mensch sich teils als fähig zu eigener, wirksam handelnder Einflußnahme auf sich selbst und die Welt empfindet und teils als dazu unfähig, d.h. teils als frei und teils als abhängig, Gott gegenüber aber als schlechthin abhängig, also unfähig zu irgendeiner Gegenwirkung auf Gott (a.a.O. I,23–30 [§ 4]). 11 HERMS (1990) 104f. sowie a.a.O. 107 mit der Schlußfolgerung für die Stellung der Eschatologie. 12 Zitat SCHLEIERMACHER [1830/31] (1960) II,416.418 (§ 159).

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sichten mit der dogmatischen Tradition.13 Beide Elemente sind im einzelnen so miteinander verbunden, daß Schleiermachers eigene Einsicht das Problem formuliert, welches er gerade der eschatologischen Lehrtradition entnimmt: „Daher nun können wir auf keine Weise den folgenden Sätzen, welche von den letzten Dingen handeln, denselben Wert wie unsern bisherigen Lehrsätzen beilegen.“14 2. Der dogmatische Wert der Eschatologie. Die entscheidende Frage an Schleiermachers Eschatologie lautet, was mit der Rede vom „Wert“ eschatologischer bzw. sonstiger Lehrsätze gemeint ist. Sie läßt sich mit architektonischen Überlegungen nicht beantworten, sondern nur so, daß die Einleitung zu Schleiermachers „Glaubenslehre“ (§§ 1–31) zu Hilfe genommen wird, wo er sein Verständnis von Lehrsätzen entfaltet.15 Hier unterscheidet er im Abschnitt „Vom Verhältnis der Dogmatik zur christlichen Frömmigkeit“ zweierlei Sätze, nämlich Glaubenssätze (§ 15) und dogmatische Sätze (§ 16). Glaubenssätze sind dabei solche Sätze, die Zuständlichkeiten eines ursprünglichen frommen Selbstbewußtseins zur Sprache bringen; und dogmatische Sätze sind innerhalb der Glaubenssätze diejenigen, die dies nicht tun, um momentan künstlerischen Eindruck oder rhetorischen Erfolg zu erzielen wie das dichterische bzw. rednerische Sprachgebiet (§ 16,1), sondern um grundsätzlich darzustellen und zu belehren, wobei „der höchst mögliche Grad der Bestimmtheit bezweckt wird“.16 Der Unterschied zwischen Glaubenssätzen und dogmatischen Sätzen ist also keinesfalls ausschließend, vielmehr sind diese eine Teilmenge jener, und zwar auf der höchsten von drei Stufen. Diese drei sind das dichterische, das rednerische und das darstellend belehrende Sprachgebiet. In einem Zusatz zu § 16 betont Schleiermacher den Zusammenhang zwischen Glaubenssätzen und dogmatischen Sätzen: Diese müssen immer rückbeziehbar bleiben auf jene, nämlich „auf die unmittelbaren Aussagen des frommen Selbstbewußtseins“.17 Dieser Zusammenhang suggeriert nun die Folgerung, daß die Un13 S. S. 43 Anm. 7. Zur schwankenden Vierzahl der Eschata vgl. HJELDE (1987) 77.84 u.ö. Bei SCHLEIERMACHER [1830/31] (1960) §§ 160–163 sind diese Lehrstücke die Wiederkunft Christi, die Auferstehung des Fleisches, das Jüngste Gericht sowie die ewige Seligkeit. Der „Zusatz“ zu diesen (in der Zweitauflage der „Glaubenslehre“) ist kein eigenes Lehrstück. 14 A.a.O. II,418 (§ 159,2); vgl. a.a.O. II,416f. (§ 159, Lehrsatz). 15 Hier setzen, völlig zu Recht, die Überlegungen von WEEBER (2000) an. 16 Die Formulierung des Lehrsatzes in § 16 (SCHLEIERMACHER [1830/31] [1960] I,107) läßt mit dem zitierten Nachsatz zunächst noch offen, ob die größtmögliche Bestimmtheit eine der darstellend belehrenden Redeweise inhärente Eigenschaft oder eine zusätzliche Qualifikation ist; s. S. 54 Anm. 44. 17 A.a.O. I,110 (§ 16, Zusatz). Diese Rückbindung unterscheidet für Schleiermacher a.a.O. I,111 Dogmatik von Spekulation. Ein viertes, „besonderes Sprachgebiet“, das er mit Rückgriff auf

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terscheidung zwischen Glaubenssätzen und dogmatischen Sätzen für den Ausschluß der Eschatologie aus dem Kreise der Lehrsätze keine Rolle spielt; m.a.W. wenn die dogmatischen Sätze nur eine Teilmenge der umfassenderen Klasse der Glaubenssätze sind und die Unterschiede beider gradueller Natur, dann scheint der grundsätzliche Einwand gegen die Sätze der Eschatologie ihnen auch den umfassenderen Charakter von Glaubenssätzen abzusprechen, womit sie dann freilich auch als dogmatische Sätze nicht mehr in Frage kommen.18 Im folgenden sind nacheinander beide Arten von Sätzen für die Prüfung eschatologischer Sätze heranzuziehen. a) Eschatologische Sätze als Glaubenssätze. Wenn also die Eschatologie vor allem deswegen nicht den Wert von Lehrsätzen beanspruchen könnte, weil sie keine Glaubenssätze bildet, dann hieße dies, daß sie keine unmittelbaren Aussagen des Selbstbewußtseins bildet; und dieser Einwand klingt plausibel, sofern Zukünftiges keinen unmittelbaren Inhalt von Selbstbewußtsein darstellen kann. Will man dagegen die Lehrbarkeit von Eschatologie behaupten, so wäre zunächst nachzuweisen, daß die Inhalte ihrer Lehrsätze als Vorstellung im religiösen Selbstbewußtsein vorkommen können; und einen solchen Beweis strengt Schleiermacher an. Dabei zeigt sich, daß er etwa in § 157 das Argument von der dem Selbstbewußtsein unzugänglichen Zukunft zwar gebraucht, gerade angesichts seiner aber festhält, daß die Erwartung einer Vollendung der Kirche zum christlichen Selbstbewußtsein hinzugehört: Allein wenn diese Sätze [sc. neutestamentliche Weissagungen bezüglich der Kirche] auch nicht Glaubenssätze sind, insofern ihr Inhalt als unser Fassungsvermögen übersteigend keine Beschreibung unseres wirklichen Selbstbewußtseins ist: so stellt sich die Sache doch anders, wenn wir […] dabei stehenbleiben, daß sie nichts von demjenigen enthalten dürfen, was in unsern jetzigen Zuständen von den Einwirkungen der Welt herrührt. Daß diese, auch weiter als die Mitwirkung eines jeden dazu reicht, eingeschränkt werde, ist immer der Gegenstand unseres Gebetes, und die vollendete Kirche ist sonach der Ort der vollständigen Erhörung desselben.19 § 16 als „dialektisch“ bezeichnet, erinnert durch seine „Verwandtschaft mit der wissenschaftlichen Terminologie jener Gebiete [sc. der Philosophie]“ (alle Zitate a.a.O. I,155 [§ 28,1]) zwar an die bewußtseinsunabhängige Spekulation, ist aber doch wohl eher als ein ideeller Grenzbegriff der theologischen Rede gemeint und steht dem oben Gesagten also nicht entgegen. 18 Es ist daher verständlich, wenn HERMS (1990) 109–112 regelmäßig von „Glaubensaussagen“ spricht, die Unterscheidung von Glaubens- und dogmatischen Sätzen überbrückend. Auch WEEBER (2000) 29 macht den Unterschied zwar thematisch, schränkt seine Bedeutung aber sofort ein und bezieht die Exklusion der Eschatologie aus dem Gebiet der Lehrsätze a.a.O. 114f. 117f. ebenso auf Glaubens- wie auf dogmatische Sätze. 19 SCHLEIERMACHER [1830/31] (1960) II,410 (§ 157,2). Der Absatz schließt daher nur scheinbar die Vollendung der Kirche aus dem christlichen Selbstbewußtsein aus, wenn es zunächst heißt

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Was Schleiermacher mit dieser Argumentation erreicht, ist der Nachweis, daß die Erwartung einer erst zukünftigen Vollendung der Kirche Bestandteil des gegenwärtigen Selbstbewußtseins ist: nämlich in Gestalt des Gebets.20 Ähnlich argumentiert er in § 158 zur Erwartung der persönlichen Fortdauer oder Unsterblichkeit des Menschen. Hier bestreitet er zunächst, daß der Gedanke der Unsterblichkeit mit der Religion notwendig mitgesetzt und also religionsphilosophisch beweisbar sei21 (§ 158,1), und zeigt dann, daß er, freilich ausschließlich als Verheißung, im christlichen Selbstbewußtsein enthalten ist, als solcher dann aber allgemeinmenschlich gültig (§ 158,2). Schleiermacher wehrt also zunächst die allgemeine Begründbarkeit ab, um danach die allgemeine Geltung zu behaupten, und erreicht so, was bei der Vollendung der Kirche der Rekurs auf das Gebet bewirkte, nämlich die Begründung auf dem christlichen Selbstbewußtsein. Was dort das Gebet, ist hier Christi Verheißung seiner Wiederkunft und damit der implizierten Fortdauer „als menschlicher Person“, die dann „vermöge der Selbigkeit der menschlichen Natur in ihm und in uns“ auch „für alle ohne Ausnahme“ gilt.22 Schleiermacher, so das Ergebnis dieser Analysen, ist also durchaus der Ansicht, daß die Sätze der Eschatologie unmittelbare Aussagen des christlichen Selbstbewußtseins enthalten. Die Sätze der Eschatologie sind für Schleiermacher Glaubenssätze. Wie aber kann er ihnen dann dennoch den Wert von Lehrsätzen bestreiten? Hier ist offensichtlich die Unterscheidung zwischen Glaubenssätzen und dogmatischen Sätzen doch gewichtiger, als es zunächst schien. Denn wenn die Eschatologie dem christlichen Selbstbewußtsein Ausdruck gibt, heißt das ja noch nicht, daß dies auch in dogma(a.a.O. II,409): „Strenggenommen kann uns also auf unserm Standpunkt keine Lehre von der Vollendung der Kirche entstehen, da unser christliches Selbstbewußtsein geradezu nichts über diesen uns ganz unbekannten Zustand aussagen kann.“ 20 HERMS (1990) 111 verallgemeinert diesen Sachverhalt, wenn er „die gegenwärtige Perspektive des unmittelbaren Selbstbewußtseins auf den noch ausstehenden Zustand“ als ebenso real begreift wie eine gegenwärtige Bestimmtheit, denn beide haben „denselben Gegenstand“ (ebd.). 21 Entscheidend ist hier, daß es, wie „ein unfrommes Leugnen der Unsterblichkeit“, so auch ein „ganz anderes [sc. frommes] Entsagen auf die Fortdauer der Persönlichkeit“ gibt (Zitate SCHLEIERMACHER [1830/31] [1960] II,412 [§ 158,1]). Bewiesen wird also wiederum bloß das mögliche Vorkommen solcher Vorstellungen. 22 Zitate a.a.O. II,413.413.415 (alle § 158,2). Der naheliegende Einwand, der Unterschied zwischen der allgemeinmenschlichen Natur und derjenigen Jesu, nämlich dessen Sündlosigkeit, besage gerade die Sterblichkeit der Menschen (wie der Tod ja durch die Sünde in die Welt gekommen sei), ist als völlige Zerstörung der Schöpfung von Schleiermachers Sündenverständnis aus unvollziehbar (a.a.O. II,415), da Sünde für ihn wie Irrtum (a.a.O. I,50f. [§ 7,3]) immer nur am Wahren bestehen kann.

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tischer Form, also darstellend belehrend und in größtmöglicher Bestimmtheit, geschieht. b) Eschatologische Sätze keine dogmatischen Sätze. Die maßgebliche Frage, die sich im Anschluß an diese Überlegungen stellt, lautet also, was unter der größtmöglichen Bestimmtheit des darstellend belehrenden Sprachgebiets zu verstehen ist. Hier ist wichtig, daß diese Frage sich deckt mit der anderen, was mit der Rede vom „Wert“ von Lehrsätzen gemeint ist; denn es ist nach den bisherigen Überlegungen ja die Bestimmtheit der dogmatischen Sätze, die den Sätzen der Eschatologie zum Wert von Lehrsätzen fehlt. Wenn aber die Frage nach der Bestimmtheit dogmatischer Sätze durch die ihres Wertes beantwortet wird, dann legt sich ein Differenzkriterium nahe, welches das Sprachgebiet der Dogmatik vom dichterischen und vom rednerischen unterscheidet, nämlich die Definition des Wertes dogmatischer Sätze im § 17 der „Glaubenslehre“. Er folgt direkt der Unterscheidung der Sprachgebiete. Hier wird zweierlei „Wert“ der dogmatischen Sätze definiert: der kirchliche und der wissenschaftliche Wert. Der kirchliche Wert eines dogmatischen Satzes ist demnach seine Herkunft aus einem (dichterischen oder rednerischen) Glaubenssatz (§ 17,1), und der wissenschaftliche Wert ist sein Heraustreten aus dem dichterischen und rednerischen Sprachgebiet (§ 17,2). Kirchlicher und wissenschaftlicher Wert eines Satzes gehen also, bildlich gesprochen, dieselbe Straße, die Glaubenssatz und dogmatischen Satz verbindet, doch gehen sie sie dort in einer, hier in der anderen Richtung (zum Zusammenhang beider: § 17,3). Wenn nun, wie gesehen, der wissenschaftliche Wert das Plus über dichterisches und rednerisches Sprachgebiet hinaus bezeichnet, so muß sich die Bestreitung des Lehrwertes der Eschatologie offenbar auf diesen wissenschaftlichen Wert richten,23 und als diesen wissenschaftlichen Wert eines dogmatischen Satzes versteht Schleiermacher die „Bestimmtheit der darin vorkommenden Begriffe“.24 Die Eschatologie hat also darin nicht den Wert von Lehrsätzen, daß sie nur kirchlichen, aber keinen wissenschaftlichen Wert hat, und das heißt nach Schleiermachers Ausführungen zu letzterem: Sie bringt es nicht zu einer „möglichst genauen und bestimmten Erklärung der vorkommenden bildlichen Ausdrücke“.25 23 Nur als Vermutung wird dies erwogen von WEEBER (2000) 161. Die Erklärung von HERMS (1990) 109 Anm. 1, daß Schleiermacher „eher im mathematischen Sinn“ von Wert spreche, wie dies nach ihm „erst wieder in der sprachanalytischen Philosophie des 20. Jahrhunderts“ der Fall sei, scheint gekünstelt. 24 SCHLEIERMACHER [1830/31] (1960) I,114 (§ 17,2). 25 Ebd.

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3. Die Partikularität der Eschatologie. Dies darf nun allerdings nicht so verstanden werden, als ziele dogmatische Sprache mit der Erklärung der Bilder auf deren Eliminierung. Gewiß finden sich auch in der Eschatologie Vorbehalte gegen versinnlichte Zukunftsvorstellungen.26 Gerade die eschatologischen Paragraphen der „Glaubenslehre“ jedoch kritisieren die Eschatologie immer wieder dafür, daß sie eine „anschauliche Vorstellung“ in einem „bestimmten Bilde“ von den letzten Dingen nicht zustandebringt.27 Ausdrücklich bestimmt Schleiermacher die Aufgabe der Eschatologie so, daß es mit ihr „keine andere als die nachgewiesene Bewandtnis hat, indem überall jene beiden Punkte, persönliche Fortdauer und Vollendung der Kirche, aufeinander bezogen in einem sinnlich aufzufassenden Bilde dargestellt werden wollen“.28 Bildlosigkeit und Unanschaulichkeit sprechen nach Schleiermacher also nicht für, sondern gegen eine dogmatisch verantwortbare Eschatologie. Diese Feststellung muß sich auseinandersetzen mit anderslautenden Interpretationen der Eschatologie Schleiermachers, die in dessen unmittelbarer Umgebung beheimatet sind. a) Vergeistigte Eschatologie bei Schleiermacher? So entsteht etwa der Eindruck, Schleiermacher habe nicht zu einer sinnlich aufzufassenden Eschatologie, sondern zu deren Vergeistigung beigetragen.29 Ein solcher Eindruck kann allerdings leicht entstehen, wenn Schleiermachers einschlägiges Konzept einer „Bestimmtheit“ der Begriffe durch „anschauliche Vorstellung“ von kantischen Begriffen der Anschauung und der Vorstellung aus gelesen wird. Schleiermacher selbst aber geht es bei seinem Verständnis von „Bestimmtheit“ weniger darum, eine ansonsten blinde Anschauung auf den Begriff zu bringen und sie so zu bestimmen, und deswegen ist ihm auch nicht entgegenzuhalten, daß ein nicht durch Anschauung schematisierter Begriff leer und deswegen vergeistigt wäre. Dies wäre ein von Kant aus plausibler erkenntnistheoretischer Einwand. Schleiermacher aber entwickelt sein Konzept von sprachlicher „Bestimmtheit“ nicht in erkenntnis-, sondern in bewußtseinstheoretischem Zusammenhang. Gewiß führt auch Kants Erkenntnistheorie der Synthesisleistungen an ihrem höchsten Punkt auf die 26 Z.B. a.a.O. II,413.416 (§ 158,1.3). 27 Kernbegriffe sind die „anschauliche Vorstellung“ (a.a.O. II,416.425.435.439 [§§ 158,3; 161,1; 163,2; Zusatz zu § 163]) und das „sinnliche Bild“ (a.a.O. II,420.423 [§§ 159,3; 160,2]). Zitiert sind die jeweils letzten Stellen. 28 A.a.O. II,420 (§ 159,3). 29 So schon der erste einschlägige monographische Forschungsbeitrag: GERLACH (1869) 116 und noch kürzlich STEIGER (1994) 309. Für unsere Fragestellung ist dieser Eindruck wichtig, weil er mit dem Thema der Wahrnehmung des Judentums eng zusammenhängt, s. Kap. II.3, hier S. 74f.

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ursprüngliche Einheit des Selbstbewußtseins, die er transzendentale Apperzeption nennt. Aber charakteristischerweise ist darunter verstanden ein „Ich denke, welches alle meine Vorstellungen muß begleiten können“,30 während es Schleiermacher nicht um dieses Können geht, also nicht um ein mögliches, sondern um ein wirkliches Bewußtsein, das Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit. Gerade gegen Kant macht Schleiermacher ja das Gefühl als ein neben Wissen und Tun drittes, das empfindende Seelenvermögen geltend. Vor diesem Hintergrund scheint es von nachrangiger Bedeutung, für Schleiermachers schlechthinniges Abhängigkeitsgefühl dieselbe „Systemstelle“ wie für Kants transzendentale Apperzeption zu reklamieren.31 Was Schleiermacher unter der Bestimmtheit eines (dogmatischen) Begriffs als „Erklärung der vorkommenden bildlichen Ausdrücke“ versteht, erhellt vielmehr aus seiner Theorie des Selbstbewußtseins, um so mehr, als Schleiermacher selbst auf sie im Paragraphen über die Bestimmtheit dogmatischer Sätze Bezug nimmt.32 Darum sind hier die einschlägigen Partien dieser Theorie zu betrachten: Schleiermacher unterscheidet nach der Fundierung seiner Theorie im Konzept des Gefühls (§ 3), genauer: des religiös bestimmten Gefühls (§ 4), dreierlei Stufen von Selbstbewußtsein, nämlich das tierische, das sinnliche und als höchstes das unmittelbare Selbstbewußtsein (das schlechthinnige Abhängigkeitsgefühl). Der einschlägige § 5(,1) der „Glaubenslehre“ liefert also gewissermaßen den Unterbau zu § 4 nach. Dabei geht es Schleiermacher, wie schon der Leitsatz zu § 5 sagt, um den Zusammenhang des unmittelbaren mit dem sinnlichen Selbstbewußtsein. Sinnliches Selbstbewußtsein ist dabei „im weitesten Umfange des Wortes verstanden“ als solches, das durch den Gegensatz sinnlich wahrnehmbarer Gegenstände, d.h. den Gegensatz von Einzelnem zu anderem Einzelnen bestimmt ist – ein Gegensatz, den tierisches Selbstbewußtsein noch gar nicht kennt. Das unmittelbare Selbstbewußtsein bezieht dagegen das Einzelne nicht auf irgendein anderes Einzelnes, sondern auf das All, das jeden Gegensatz von Einzelnen untereinander in sich aufhebt.33 Mit diesen Ausführungen faßt Schleiermacher 30 KANT (1787) B 131 (Hervorhebungen im Original). 31 So ROSENAU (1993) 153 Anm. 172, der dies freilich selbst einschränkt. 32 SCHLEIERMACHER [1830/31] (1960) I,115 (§ 17,2): Ein dogmatischer Satz, der „irgend etwas objektiv begründen will, ohne auf das höhere Selbstbewußtsein zurückzugehn, wäre kein Glaubenssatz mehr“. 33 Der ganze Absatz § 5,1 zeichnet die Stufenleiter des dreierlei Selbstbewußtseins nach und faßt sie am Schluß nochmals zusammen. Erst dieser Gesamtduktus macht deutlich, daß Schleiermachers Begriff des Sinnlichen trotz des Zitats (a.a.O. I,32) nicht weit, sondern präzise vom Gegensatz des Einzelnen, also als Mannigfaltiges, verstanden werden muß – und nicht etwa als ge-

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unverkennbar seine frühe Wesensbestimmung der Religion als „Sinn und Geschmack fürs Unendliche“,34 als momentanes Einssein mit dem Universum in bewußtseinstheoretische Gestalt. Es nimmt daher nicht wunder, daß Schleiermacher in der „Glaubenslehre“ als nächstes (§ 5,2) den Beweis anschließt, die Zusammenfassung der einzeln auseinandertretenden Momente des sinnlichen Selbstbewußtseins zur Einheit des höchsten Selbstbewußtseins leiste „kein anderes unmittelbares Selbstbewußtsein als das beschriebene Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit“. Also nur die Religion faßt das sinnliche Selbstbewußtsein zum höchsten Selbstbewußtsein zusammen, nicht etwa auch Wissen oder Tun, da jedes der beiden noch einem einzelnen „Gewußten als Gegenstand“ bzw. „Gegenstand seines Handelns“ gegenübersteht.35 Die Bestimmtheit des unmittelbaren Selbstbewußtseins ist für Schleiermacher demnach geradezu definiert als Zusammenfassung des mannigfaltigen sinnlichen Selbstbewußtseins zu einer Einheit, und diese vermag das höchste Selbstbewußtsein nur zu leisten unter der „Voraussetzung, daß zugleich mit demselben auch das sinnliche Selbstbewußtsein gesetzt sei“. Dieser Voraussetzung widmet Schleiermacher einen eigenen Absatz (§ 5,3). Dabei erklärt er den beschriebenen Zusammenhang von sinnlichem und unmittelbarem Selbstbewußtsein in letzterem zugleich zum „Vollendungspunkt des Selbstbewußtseins“.36 Dann aber kann das bestimmte, unmittelbare Selbstbewußtsein nicht als unsinnlich gedacht werden und liefert also keinen Anhalt für die Annahme einer Vergeistigung der Eschatologie bei Schleiermacher. b) Apokatastatische Eschatologie bei Schleiermacher? Freilich schreibt Schleiermacher im nächsten Absatz von § 5 über das unmittelbare Selbstbewußtsein, daß es sich „in seinem Sich-selbst-gleich-Sein ohne Beziehung auf jenes [sc. das sinnliche Selbstbewußtsein]“ „unter dem Ausdruck der Seligkeit des Endlichen als den höchsten Gipfel seiner Vollkommenheit“ darstelle. Hier wird also die Seligkeit als unmittelbares Selbstbewußtsein beschrieben, das vom sinnlichen abgelöst ist und als solches „eine unveränderliche Gleichheit des Lebens, welche jeden solchen Gegensatz ausgenständlich Konkretes, wie es gegenwärtige Besinnung christlicher Theologie auf das Judentum oft auffaßt. Für Schleiermacher zählt dagegen unter das Sinnliche z.B. auch das Sittliche (ebd.!). Die beiden Begriffsgebräuche von Sinnlichkeit kurzzuschließen, ist das Problem des in vielen Punkten repräsentativen Aufsatzes von STEIGER (1994) 313 u.ö. 34 SCHLEIERMACHER [1799] (1958) 30. 35 Zitate DERS. [1830/31] (1960) I,33.33.34 (alle § 5,2). Das Verhältnis der Religion zu Wissen und Tun prägte ja durchgängig Schleiermachers „Reden“ von 1799. 36 Zitate a.a.O. I,35 (§ 5,3).

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schließt“,37 hervorbringt. Der hier genannte Gegensatz ist jedoch nicht der des mannigfaltigen Einzelnen im sinnlichen Selbstbewußtsein wie in § 5,3, sondern der von Lust und Unlust, unter dem alles sinnliche Selbstbewußtsein steht. Beide Gegensätze sind zu unterscheiden. Angenommen, die Gegensätze von Lust versus Unlust und Einheit versus Mannigfaltigkeit seien gleichzusetzen, so entsteht der Eindruck, Schleiermacher begreife die Seligkeit als „‚Lust‘, religiös qualifiziert als sündloses Leben“, und kraft der angenommenen Gleichsetzung zudem als Ausschluß des Mannigfaltigen, also der Trübung der Seligkeit durch die „‚Unlust‘ […], religiös qualifiziert als sündiges Leben“.38 Mit diesem Ausschluß des Mannigfaltigen wäre aber der Widerstreit von universeller (§ 157) und individueller (§ 158) Eschatologie im Sinne ersterer gelöst, es bliebe ein identisches Gesamtbild universeller Seligkeit zurück, also die Apokatastasis, die sich dann auch als Bestimmung des unmittelbaren Selbstbewußtseins auf einen dogmatischen Lehrsatz bringen ließe. Auch diese Interpretation, die sich mit der bereits erwähnten, auf das Stichwort der Vergeistigung hinauslaufenden, berühren kann, ist schon kurz nach Schleiermacher nachweisbar.39 Gegen sie steht jedoch, daß Schleiermacher selbst es ausdrücklich abweist, den Gegensatz der zwei Stufen von Selbstbewußtsein mit demjenigen von Lust und Unlust kongruent zu setzen.40 Schleiermacher begreift die Seligkeit daher präziser nicht als Lust, sondern als „Leichtigkeit frommer Erregungen als beharrlichen Zustand“41 – eine bedenkenswerte Formulierung, weil sie die Möglichkeit einschließt, daß fromme Erregungen auch andere Empfindungen als solche der Lust auslösen können. c) Regulative Eschatologie bei Schleiermacher? Zugleich macht diese Formulierung aber auch klar, warum es durchaus sinnvoll war, ein, wenn37 Zitate a.a.O. I,38 (§ 5,4). 38 Zitate ROSENAU (1993) 188. 39 Eschatologie als Apokatastasis lehren zu können, ist bereits die Absicht der ersten durch Schleiermacher angeregten eschatologischen Monographie, die F.H. Kern 1840 verfaßt. Dasselbe Anliegen hat ROSENAU (1993) 400f.; er folgert die Apokatastasis aus der „soteriologischen Ohnmacht“ (a.a.O. und vielfach passim) des Menschen, die eine Parallelbildung zu Schleiermachers Konzept der schlechthinnigen Abhängigkeit ist: „Im Christentum fühlt sich der Christ schlechthin abhängig von der Erlösung durch Jesus Christus, wie er sich im Hinblick auf seine Geschöpflichkeit schlechthin abhängig fühlt von Gott“ (a.a.O. 170). Wenn Rosenau selbst jedoch ebd. „gleichsam eine ‚miterlösende‘ Tätigkeit im Hinblick auf das Bewußtwerden der Erlösung“ einräumt, läßt er erkennen, daß es eine schlechthinnige Abhängigkeit auf dem Gebiet der Soteriologie, parallel zur Geschöpflichkeit, in Wahrheit nicht gibt. 40 SCHLEIERMACHER [1830/31] (1960) I,38 (§ 5,4): „Keineswegs also, als ob das schon in dem sinnlichen Gefühl gesetzte Angenehme und Unangenehme nun auch dem schlechthinnigen Abhängigkeitsgefühl denselben Charakter mitteile.“ 41 A.a.O. I,39 (§ 5,4).

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gleich bloß gedachtes, höchstes Selbstbewußtsein „an und für sich“ von aller Sinnlichkeit abzulösen, das sich selbst immer gleich bleibt. Denn dieses reine Gedankending vermag zu erklären, daß die Frömmigkeit zwiespältige Empfindungen mit sich bringt, eben weil sie auf zwiespältige, der umfassenden Einheit bedürftige, sinnliche Bewußtseinszustände, so zu sagen, „aufgetragen“ wird. Dies zu erläutern, ist der Gedanke eines völlig unsinnlichen höchsten Selbstbewußtseins nötig. Wie ihm jedoch keine objektive Realität vindiziert werden kann – dies wäre die Apokatastasis –, so ist es nicht einmal möglich, ihm den Status einer regulativen Idee zuzuschreiben, die zumindest als ideelles Ziel der Theologie immer wieder die Gesamtausrichtung vorgibt. Auch diese an kantischem Denken geschulte Auffassung hat im Gefolge Schleiermachers ihre ehrbare Tradition entfaltet.42 Sie ist für Schleiermacher jedoch deshalb unannehmbar, weil ein Selbstbewußtsein abgelöst von aller Sinnlichkeit gar kein Ziel, auch kein ideelles, darstellen kann, denn ein derartiges reines Gedankending würde allerdings „ein unvollkommner Zustand sein; denn es würde ihm die Begrenztheit und Klarheit fehlen, welche aus der Beziehung auf die Bestimmtheit des sinnlichen Selbstbewußtseins entsteht“.43 Damit ist ausgesprochen, daß die Bestimmtheit des unmittelbaren Selbstbewußtseins in seinem das Einzelne zur Einheit und Totalität zusammenfassenden Bezug auf das sinnliche Selbstbewußtsein besteht und daß eine vom Sinnlichen abgelöste Eschatologie nicht Schleiermachers Konzept von Dogmatik entspräche. Aus diesen Rezeptionen von Schleiermachers Eschatologie wird deutlich, daß eine lehrbare Eschatologie die Aufgabe hätte, die im christlich frommen Selbstbewußtsein enthaltenen Zukunftserwartungen in einem umfassenden Gesamtbild zu bestimmen. Dieses Ergebnis kann nun angewandt werden auf unsere Ausgangsfrage nach der Bestimmtheit dogmatischer Sätze, d.h. nach dem Wert von Lehrsätzen, und damit auch nach dem Wert der eschatologischen Sätze. Dogmatische Sätze als bestimmte Erklärung der in rednerischen und dichterischen Glaubenssätzen vorkommenden Bilder erstreben nicht deren Eliminierung, sondern die Zusammenfassung ihrer einzelnen Bilder zu einem, die Mannigfaltigkeit als Einheit und Totalität erklärenden Gesamtbild. Wenn sich in Glaubenssätzen bildliche Ausdrücke einer solchen umfassenden Einheit entziehen und als partikulare, disparate Bilder 42 Erstmals m.W. H.C. SCHMIDT (1868/70) II,501 (s. S. 73 Anm. 121). 43 Zitate SCHLEIERMACHER [1830/31] (1960) I,35.36 (beide § 5,3). Das „höchste Selbstbewußtsein an und für sich“ (a.a.O. I,34), also ohne Bezug auf das sinnliche, dürfte im Rang dem dialektischen Sprachgebiet im Verhältnis zum darstellend belehrenden ähneln (s. S. 45 Anm. 17), es „wird durch alle Erfahrung widerlegt, und zeigt sich auch als unmöglich“ (a.a.O. I,35).

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zurückbleiben, ist dagegen kein dogmatischer Wert erreicht. Solche Partikularität haftet nach Schleiermacher jedoch auch aller Eschatologie an. Die Sätze der Eschatologie enthalten in zu hohem Maße disparate Bilder, als daß die wissenschaftliche Herstellung eines einheitlichen und umfassenden Gesamtbildes gelingen könnte. Der Versuch, Eschatologie in dogmatischen Sätzen aufzustellen, erreicht keine umfassende, sondern nur eine teilweise Einheit; eschatologische Sätze bleiben partikulare Bestimmungen ohne dogmatische Bestimmtheit. Eschatologie hat daher für Schleiermacher nur kirchlichen, keinen wissenschaftlichen Wert, obwohl alle ihre einzelnen Sätze durchaus darstellend belehrende sein können; allein ihnen fehlt die nötige Bestimmtheit, d.h. die Umfassendheit.44 Dabei ist zu betonen: Auf ihrem jeweiligen Gebiet erreichen die Sätze der Eschatologie durchaus eine gewisse Zusammenfassung und damit dogmatische Wertigkeit, doch bleibt diese eine partikulare, weil zuletzt immer die „beiden Aufgaben“ (§ 159) einander gegenüberstehen: die nur sprunghaft zu denkende Vollendung der Kirche und die kontinuierlich zu begreifende persönliche Fortdauer. Und genau in dieser Gegenüberstellung besteht das Dilemma45 der Eschatologie: Sie erreicht kein einheitlich umfassendes Selbstbewußtsein, sondern immer nur zwei partikulare Vereinheitlichungen. Kirche und Persönlichkeit, Vollendung und Fortdauer, Sprunghaftigkeit und Kontinuität bleiben irreduzibel. Für sich genommen erregt keine dieser jeweils zwei Seiten dogmatische Bedenken, aber die Eschatologie, die gerade als ihre Verbindung definiert wird, ist dogmatisch undurchführbar. Präzise in dieser Zweipoligkeit liegt für Schleiermacher das Dilemma der Eschatologie. Nicht daß die Vollendung der Kirche oder die persönliche Fortdauer undenkbar wäre, macht die Eschatologie zum Problem. Vielmehr weist Schleiermacher für jedes dieser Eschatologumena die Gegebenheit im frommen Selbstbewußtsein ausdrücklich nach. Erst die Verbindung beider ist eine dogmatisch unmögliche Aufgabe. Im Sinne dieses wörtlich zu nehmenden, d.h. zweipoligen Dilemmas sind auch in den eschatologischen Paragraphen die Passagen zu verstehen, an denen Schleiermacher die Unwirklichkeit und Unvorstellbarkeit der Eschatologie konstatiert. So selbstverständlich vornehmlich im grundlegenden § 159: „Allein wir sind dennoch nicht imstande, das Zusammentreffen bei44 Die Bestimmtheit ist also keine inhärente Eigenschaft der darstellend belehrenden Sätze (s. S. 45 Anm. 16). 45 Nach SCHRÖER (1960) 35 hebt innerhalb der verschiedenen Termini für Phänomene der Paradoxalität der Begriff des Dilemmas die „Beweisunmöglichkeit“ hervor. Er scheint mir daher zur Kennzeichnung von Schleiermachers Kritik am besten geeignet, denn diese zielt auf den wissenschaftlichen Minderwert der Eschatologie.

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der Momente darzustellen oder Gewähr dafür zu leisten.“ – „Und so scheint die Lösung beider Aufgaben nirgend genau zusammenzutreffen.“46 Aber auch in den Paragraphen zu den vier einzelnen Lehrstücken werden immer wieder „beide Ausgangspunkte“ oder die „beiden Forderungen“ als unerfüllbares Kriterium genannt, wird von den „beiden Punkten“ gesprochen.47 Auch ein „wesentlicher Gehalt“ der jeweiligen Lehrstücke48 eint beide Seiten nicht umfassend, da er nicht anschaulich ist. Wir können somit als Ergebnis festhalten: In allen vier Lehrstücken zeigt sich dasselbe Dilemma, und in der Zweitausgabe seiner Glaubenslehre hat Schleiermacher es in einem zuvor nicht enthaltenen Passus des grundlegenden § 159 auf den Begriff gebracht: Nicht nur kirchliche und individuelle Eschatologie stehen sich gegenüber, sondern fest verbunden mit diesem Gegenüber bilden auch die Konzepte von Vergeltung und Entwicklung ein Dilemma.49 Das Dilemma, das Schleiermacher für alle dogmatische Eschatologie konstatiert, tritt also in zweierlei Gestalt auf, nämlich zum einen als die Spannung von individueller und universeller Eschatologie (persönlicher Fortdauer und Vollendung der Kirche) und zum anderen als Paradoxie von Entwicklung und Vergeltung. Gewiß heißt es auch einzeln von jeder der beiden Seiten des eschatologischen Dilemmas, der Vollendung der Kirche und der persönlichen Fortdauer, daß „unser christliches Selbstbewußtsein gradezu nichts über 46 Zitate SCHLEIERMACHER [1830/31] (1960) II,418 (§ 159,1). 47 Zitate a.a.O. II, 425.432.436f. (§§ 161,1; 162,3; 163,2). 48 Die Rede vom wesentlichen Gehalt findet sich a.a.O. II,423.429.432 (§§ 160,2; 161,3; 162,3). 49 A.a.O. II,417 (§ 159,1): „Gemein haben beide Ausdrücke [Lehre von den letzten Dingen und Eschatologie] dieses, daß, wenn der Anfang einer ganz neuen und ewig währenden geistigen Lebensform als das Letzte von unserm Standpunkt aus dargestellt wird, jene unendliche Währung alsdann nur als das Ende der im Vergleich mit derselben fast verschwindenden Zeitlichkeit erscheint. Dies läßt sich nur durch die Anwendung des Vergeltungsbegriffes rechtfertigen, welcher daher auch dominiert. Wogegen, wenn man dieselbe unendliche Währung als die weitere Entwicklung des hier begonnenen neuen Lebens betrachtet, alsdann die kurze Zeitlichkeit nur als der vorbereitende und einleitende Anfang von ihr erscheint. Jene den Vergeltungsbegriff vor sich hertragende Betrachtungsweise stützt sich vornehmlich auf die Stellen, in denen Christus sich als denjenigen darstellt, dem das Gericht übertragen sei; diese auf dem Entwicklungsbegriff beruhende hingegen auf die, worin er sagt, daß er gekommen sei, selig zu machen. Unleugbar ist diese letzte Betrachtungsweise in genauerem Zusammenhang mit der Ahndung der persönlichen Fortdauer, wie sie in dem Selbstbewußtsein des Christen kann nachgewiesen werden; wogegen die erstere mehr der Vorstellung von der Vollendung der Kirche entspricht, welche, um sich an irgendeinen Punkt unseres jetzigen Gesamtlebens anzuschließen, eine Ausscheidung alles dessen, was Welt ist, auch aus dem äußeren Zusammenhang mit der Kirche fordert.“ Die – geringen – Abweichungen zwischen Erst- und Zweitausgabe berücksichtigt WEEBER (2000); z.B. a.a.O. 113.121, hier a.a.O. 115f. Anm. 412.

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diesen uns ganz unbekannten Zustand aussagen kann“ bzw. daß das, „was die Apostel darüber sagen, nur als Ahndung und mit dem Geständnis eines Mangels an bestimmter Erkenntnis ausgesprochen“ sei.50 Dennoch kann man diese Einwände den Bedenken gegen die vier prophetischen Lehrstükke nicht gleichstellen. Denn bei persönlicher Fortdauer und Vollendung der Kirche ergibt sich die mangelnde Bestimmtheit einfach dadurch, daß sie den größten gemeinsamen Nenner der eschatologischen Sätze, ihre umfassende Einheit, nicht abgeben können, immerhin aber überhaupt jeweils einen gemeinsamen Nenner bilden, der verschiedene Topoi der Eschatologie zusammenfaßt. Vollendung der Kirche und persönliche Fortdauer können daher in einer wenigstens gradweisen Bestimmtheit die Aufgabe der Eschatologie eingrenzen, was die vier prophetischen Lehrstücke nicht vermögen. M.a.W. die Themen einer Vollendung der Kirche sowie einer persönlichen Fortdauer haben nicht die Bestimmtheit dogmatischer Sätze, sondern nur eine partikulare Bestimmtheit. Diese Partikularität ist das Höchste, was sich im Sinne Schleiermachers dogmatisch über die Eschatologie sagen läßt. Sie ist der Gipfel und die Grenze, von wo aus die Eschatologie in das Land der dogmatischen Sätze wohl hineinblicken, das sie aber nicht betreten kann. Durch diese Grenze ist die Partikularität scharf geschieden von der Individualität; denn diese ist der Allheit fähig, jene nicht. Ja, die Vorstellung, daß in einem Einzelnen das All gegeben ist, kennzeichnet im Konzept des individuellen Allgemeinen gerade Schleiermachers Denken, während das Partikulare ebenso charakteristischerweise ohne diesen Bezug auf die Allheit bleibt. Das Herz von Schleiermachers Erwägungen zur Eschatologie liegt im Aufdecken dieser Partikularität, im Nachweis eines eschatologischen Dilemmas von Individual- und Universaleschatologie, Entwicklung und Vergeltung. Daß tatsächlich diese Zweipoligkeit, der dilemmatische Charakter, Kern von Schleiermachers Ausführungen ist und nicht etwa die Unbestimmtheit und Undurchführbarkeit schon eines jeden einzelnen Satzes der Eschatologie, spricht Schleiermacher in dem Zusatz aus, den er in der Zweitauflage der „Glaubenslehre“ seiner gesamten durchgeführten Eschatologie angefügt hat:51 50 Zitate SCHLEIERMACHER [1830/31] (1960) II,409.416 (§§ 157,2; 158,3). 51 Eine Ausweitung auf jede der beiden Seiten und damit eine Vergröberung von Schleiermachers Kritik deuten z.B. an HERMS (1990) 112f.; WEEBER (2000) 113. Daß das eschatologische Dilemma bei Schleiermacher in der Zweiseitigkeit der Eschatologie liegt, hat einzig SCHREURS (1991) 36 betont: „Diese Doppelgleisigkeit verhindert Schleiermacher, die prophetischen Lehrstücke zu einem einzigen zusammenhängenden Bild zu verbinden.“ Auch die Parusie Christi, der SCHLEIERMACHER [1830/31] (1960) II,421 (§ 159,3), als er den Aufriß seiner Eschatologie vor-

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Was aus diesen Auseinandersetzungen hervorzugehen scheint, ist dieses. Wenngleich beide Elemente, die Vollendung der Kirche und die persönliche Fortdauer, jedes für sich mit vollkommner Wahrheit in unser christliches Bewußtsein aufgenommen sind; und wenn auch feststeht, daß die Vollendung der Kirche in diesem Leben nie zur Erscheinung kommt, und der Zustand in jenem Leben sich zur Vollendung der Kirche nicht ebenso verhalten kann, wie der jetzige: so will sich dennoch weder aus dem Zusammenfassen und Aufeinanderbeziehen beider Elemente eine festbegrenzte und wahrhaft anschauliche Vorstellung ergeben, noch läßt sich eine solche von dem einen oder dem andern Element aus den Andeutungen der Schrift entwickeln.52

Indem dieser Passus sich im ersten Kolon der Protasis („Wenngleich…“) implizit auf § 159 rückbezieht und im zweiten („und wenn auch…“) auf die Ergänzung dieses Paragraphen in der Zweitausgabe der „Glaubenslehre“, macht er abschließend deutlich, daß Schleiermacher die Eschatologie nicht einfach als problematisch begreift, sondern im präzisen Sinne von Zweipoligkeit als dilemmatisch, weil, wie die vorstehenden Analysen gezeigt haben, Individual- und Universaleschatologie ebenso partikular bleiben wie der Entwicklungs- und der Vergeltungsbegriff. 1.2. Implikationen für die Wahrnehmung des Judentums 1. Schleiermachers religionsgeschichtliches Schema. Auf den ersten Blick ist nicht ersichtlich, welche Auswirkungen das hier analysierte Eschatologiekonzept Schleiermachers auf die Wahrnehmung des Judentums haben sollte. In den eschatologischen Paragraphen wird einige Male explizit auf das Judentum Bezug genommen, wobei es meist um die Abwehr bestimmter, buchstäblich verstandener Eschatologievorstellungen geht.53 Von diesem Befund aus könnte es scheinen, als stehe jüdische Zukunftserwartung bei Schleiermacher für eine Überbetonung des Sinnlichen. Aber zum einen stammen die fraglichen Stellen alle aus einem einzigen thematischen Zusammenhang, sind also wenig repräsentativ, und zum anderen sind sie auch hinsichtlich ihrer Bezugnahme auf das Judentum unspezifisch, weil stellt, die Zusammenfügung zu „einem sinnlichen Ganzen“ zuschreibt, leistet diese Vereinheitlichung im dogmatischen Sinne ausweislich ihrer Einzeldarstellung in § 160 nicht. 52 A.a.O. II,439 (Zusatz nach § 163). 53 A.a.O. II,411.416.424.427 (§§ 158,1; 158,3; 161,1; 161,2). Die erste Stelle konstatiert das Überwiegen des Auferstehungsglaubens im antiken Judentum; dabei richtet sich die zweite gegen sinnlich verstandene Fortdauer der Person, d.h. gegen materiale Identität des irdischen mit dem Auferstehungsleib, während die dritte dem Judentum eine irgendwie geartete Identität beider konzediert. Die vierte weist die Vorstellung von einem „verringerten Leben in der Unterwelt“, also der Scheol, ab.

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dieses jedenfalls in den zwei am klarsten abgrenzenden Fällen in Verbindung mit dem Islam bzw. antiker Religiosität überhaupt erscheint.54 Doch gerade diese Verbindung des Judentums mit Islam und paganer Antike ist ein Fingerzeig in die Richtung, in der sich Mehreres über Schleiermachers eschatologische Wahrnehmung des Judentums aussagen läßt. Das zentrale Ergebnis der Analyse seines Eschatologiekonzepts lautete ja, daß Eschatologie keinen dogmatischen Wert habe, sondern nur kirchlichen. Unsere Analyse ergab, daß die Erklärung dieser Feststellung in Schleiermachers Theorie der Sprachgebiete zu suchen ist. Diese Theorie ist eine Stufentheorie, die eine entsprechende Anordnung der Religionen nahelegt; so wird die Stufe der dogmatischen Sprache dem Christentum zugewiesen, weil „in keiner andern frommen Gemeinschaft die Form des dogmatischen Satzes in so strenger Sonderung von den übrigen ausgebildet und in solcher Fülle entfaltet“ ist.55 Es ist jedoch schwierig, dem rednerischen und dem dichterischen Sprachgebiet, die sich unterhalb des darstellend belehrenden und damit auch des dogmatischen anschließen, bestimmte Religionen zuzuweisen. Dabei ist die Auswahl ja keineswegs groß, außer Judentum, Islam und bestimmten paganen Erscheinungsformen antiker Religiosität hat Schleiermacher keine weiteren Religionen im Blick. Um hier weiterzukommen, muß man die Lehnsätze aus der Religionsphilosophie (§§ 7–10) hinzunehmen, mit denen Schleiermacher an anderer Stelle eine entfaltetere Theorie der Religionen skizziert. Dort bildet Schleiermacher die Begriffe, die ihm anschließend, in der Apologetik (§§ 11–14), erlauben, das Wesen des Christentums zu bestimmen: Es ist diejenige teleologische Frömmigkeitsform des Monotheismus, deren Eigenart es ist, alles Religiöse auf die durch Jesus geschehene Erlösung zu beziehen, wie Schleiermacher im Leitsatz zum § 11 der „Glaubenslehre“ formuliert. In der vorbereitenden Begriffsbildung nun ordnet Schleiermacher den verschiedenen Frömmigkeitstypen positive Religionen zu, nennt also Roß und Reiter beim Namen. Schleiermacher führt hier zunächst (§ 7) zwei Ordnungsbegriffe ein, indem er verschiedenrangige Entwicklungsstufen der Religion annimmt sowie als Binnenunterscheidung davon auf der jeweils gleichen Stufe die unterschiedlichen Arten von Religion. In dieser Terminologie begreift er sodann (§ 8) den Monotheismus als die höchste Entwicklungsstufe der Religion, die zuunterst den Fetischismus (Götzendienst) und sodann den Polytheismus hinter sich gelassen hat. Innerhalb des Monotheismus gibt es nun drei Arten von Religion, nämlich 54 A.a.O. II,416.427. 55 A.a.O. I,110.

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Judentum, Islam und Christentum. Sie können dadurch miteinander ins Verhältnis gesetzt werden, daß sie mehr oder weniger Anklänge an die überwundenen Stufen der Religion zeigen. Schleiermacher verknüpft hier also die religionstheoretische Unterscheidung nach Arten mit derjenigen nach Stufen und hält fest, daß das Judentum noch Spuren des Götzendienstes, der Islam aber noch Spuren des Polytheismus in sich trage und nur das Christentum als „die reinste in der Geschichte hervorgetretene Gestaltung des Monotheismus“ gelten könne.56 Diese Erwägungen bilden zunächst ein religionsgeschichtliches Schema, über dessen historische Triftigkeit sich freilich streiten ließe. Schleiermacher dürfte in erster Linie polemische Passagen aus Altem Testament bzw. Koran vor Augen haben, wenn er das Judentum als Überwindung der fremden Götter und den Islam als Überwindung der vielen Götter konzeptualisiert. Doch für unsere Frage danach, wie Schleiermacher im Horizont seiner Eschatologie das Judentum wahrnimmt, kommt es weniger darauf an, ob diese Passagen historisch treffsicher sind, vielmehr ist entscheidend, wie Schleiermacher Judentum bzw. Islam ins Verhältnis zum Christentum setzt. Dabei zeigt sich, daß Monotheismus, repräsentiert durch das Christentum, zwei Momente miteinander verbindet, nämlich Allheit und Einheit Gottes.57 Negativ gesprochen überwindet er Partikularität und Vielheit Gottes. Dabei fehlen dem Götzendienst sowohl Allheit als auch Einheit Gottes, dem Polytheismus aber nur die Einheit. Schleiermacher nimmt also eine Entwicklung an, die zunächst den Gedanken des Alls und dann den seiner Einheit bildet. So ist im Fetischismus „der Sinn für eine Totalität noch nicht entwickelt“, während Polytheismus für Schleiermacher eigentlich nur da vorliegt, wo die Götter „eine gegliederte zusammengehörige Vielheit bilden, welche als eine Allheit, wenn auch nicht nachgewiesen, doch vorausgesetzt und angestrebt wird“. Von hier aus besteht dann der Schritt zum vollendeten Monotheismus darin, daß „hinter der Vielheit höherer Wesen die Einheit eines höchsten sollte geahnet werden“.58 56 A.a.O. I,56 (§ 8,4). Bereits § 7(,3) sieht die Annahme, daß es neben dem Christentum „andere, aber auf gleicher Entwicklungsstufe mit ihm stehende“ Religionen gibt, „nicht im Widerspruch mit der bei jedem Christen vorauszusetzenden Überzeugung von der ausschließenden Vortrefflichkeit des Christentums“ (a.a.O. I,50). 57 Nur anzumerken ist, daß Schleiermachers gegenüber der Tradition neuartige Zweiteilung der Gotteslehre diesen beiden Momenten entspricht, wenn §§ 53–55 die Alleigenschaften Gottes behandeln (Allgegenwart, Allmacht, Allwissenheit) und §§ 164–169 die Eigenschaften, die sich aus seiner einheitlichen Weltregierung ergeben, wie § 164(,3) als Einleitung zu den Paragraphen über Gottes Liebe und Weisheit betont (a.a.O. II,443f.). 58 Zitate a.a.O. I,51.52.52 (alle § 8,1).

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2. Das Judentum als Religion der Partikularität. Diese Bestimmungen wendet Schleiermacher nun wiederum auf sein Entwicklungsschema der positiven monotheistischen Religionen an. Zeigt unter diesen das Judentum noch Anklänge an den Götzendienst, so fehlt es ihm Schleiermacher zufolge also am Begriff der Allheit, es bleibt partikular: „Das Judentum zeigt durch die Beschränkung der Liebe des Jehovah auf den Abrahamitischen Stamm noch eine Verwandtschaft mit dem Fetischismus“. Die Spuren des Polytheismus, die sich im Islam finden, deuten dann in entsprechender Weise auf ein mangelndes Verständnis von Einheit, er bleibt im Mannigfaltigen hängen: „Der Islam auf der andern Seite verrät durch seinen leidenschaftlichen Charakter und den starken sinnlichen Gehalt seiner Vorstellungen ohnerachtet des streng gehaltenen Monotheismus doch einen starken Einfluß jener Gewalt des Sinnlichen auf die Ausprägung der frommen Erregungen, welche sonst den Menschen auf der Stufe der Vielgötterei festhält.“59 Dieser Konnex zwischen Sinnlichkeit der religiösen Vorstellungen und der Mannigfaltigkeit, die die Vielgötterei kennzeichnet, erklärt sich aus der kurz zuvor geäußerten Überlegung, daß das sinnlich Aufgefaßte „den Keim der Mannigfaltigkeit schon in sich“ trägt, wie Schleiermacher in Übereinstimmung mit der kantischen Auffassung von der synthetisierenden Funktion der Erkenntnisleistung feststellen kann.60 Der Islam als sinnlich bestimmter und darum noch verdeckt polytheistischer Monotheismus, das Judentum als partikularer und darum noch unterschwellig fetischistischer Monotheismus – diese Zuordnungen zeigen nun deutliche Verbindungslinien zu Schleiermachers Eschatologie.61 Jetzt wird deutlich, daß Schleiermachers Kritik an der Eschatologie, sie bleibe dogmatisch partikular, weil auf nur partielle Formen des höchsten Selbstbewußtseins beschränkt, genau seiner religionstheoretischen Wahrnehmung des Judentums entspricht, das er als partikularen Monotheismus versteht.62 Die Eschatologie vermag kein umfassendes und einheitliches, also kein höchstes Selbstbewußtsein zu artikulieren, sondern nur partikulare Gestal59 Zitate a.a.O. I,56 (§ 8,4). 60 A.a.O. I,54 (§ 8,2). Dies ist ein Standardsatz kantischer Erkenntnistheorie. 61 Daß das religionsgeschichtliche Monotheismuskonzept mit seinen Schlüsselbegriffen „Allheit“ und „Einheit“ Auswirkungen auf die Eschatologie hat, legen schon die „Reden“ von 1799 nahe, da dort die Verbindung von Allheit und Einheit ja als Explikation des eschatologischen Topos der Unsterblichkeit dient; s. bei S. 42 Anm. 1. 62 Es sei darauf hingewiesen, daß die Religionswissenschaft mit Blick auf das biblische Judentum Konzepte wie die „Monolatrie“ oder den „Henotheismus“ entwickelt hat, die, nur unter anderen Parametern der Beschränkung (räumlich, zeitlich), Schleiermachers Begriff von partikularem Monotheismus entsprechen.

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ten davon (Vollendung der Kirche, persönliche Fortdauer): damit bleibt sie durch jüdische Einflüsse geprägt. Sie kann es nicht zur vollendeten Christlichkeit bringen, weil dieses für Schleiermacher ja bedeutet, daß das charakteristisch Christliche immer reiner ausgeprägt und damit andersreligiöser, also auch und gerade jüdischer Einfluß, ausgeschieden wird. Man könnte demnach zuspitzend, doch durchaus treffend formulieren, daß Schleiermacher die Eschatologie letztendlich als ein jüdisches Stückwerk kritisiert.63 Wir können somit als Ergebnis unserer Analyse festhalten, daß Schleiermachers Kritik, die Eschatologie bleibe in dogmatischer Hinsicht ein partikulares Unterfangen, seiner Wahrnehmung des Judentums genau entspricht: Auch das Judentum zeichnet sich ihmzufolge als partikulare, auf das eigene Volk beschränkte Gestalt der Religion aus, die einer Eingliederung in das umfassende Ganze der christlichen Religion nicht fähig ist.64 Nur anzumerken ist, daß Schleiermacher das Judentum bereits 1799 sowohl theologisch wie gesellschaftlich als eine partikularistische Religionsgestalt wahrgenommen hat. In den „Reden“ von 1799 charakterisiert er das Judentum durch das Bewußtsein „einer allgemeinen unmittelbaren Vergeltung“, d.h. „einer eigenen Reaktion des Unendlichen gegen Jedes einzelne Endliche“.65 Wenn auch diese Bestimmung des Judentums als „Vergeltungsreligion“ bei Schleiermacher nicht den pejorativen Sinn des vermeintlich zornigen Rachegottes hat, den dieser Ausdruck später unter fälschlicher Berufung auf Ex 21,23 gewann, so impliziert Schleiermacher doch eine kritische Wertung, da eine eigene göttliche Reaktion auf jedes endliche Wesen „nur auf einen kleinen Schauplatz ohne Verwickelungen“66 anwendbar sei – also die partikularistische Beschränkung des Religiösen auf das eigene Volk mit sich bringe. Auch Schleiermachers zeitgleicher Vorschlag, die Emanzipation der Juden nicht an die Taufe als gesellschaftliches „Entréebillet“ (H. Heine) zu koppeln, sondern öffentlich-rechtliche Körperschaften – vergleichbar den christlichen Konfessionen – für solche Strömungen im 63 Die Kritik an einer versinnlichenden Eschatologie, wofür der Islam steht, hat nicht denselben Rang, da sie nicht in den grundlegenden Paragraphen, sondern nur bei den vier einzelnen Lehrstücken geäußert wird. 64 BECKMANN (2002) kritisiert Schleiermacher v.a. dafür, daß er aufgrund der „Prämissen seiner Theologie stringent“ (a.a.O. 101) „ein spezifisches, singuläres Verhältnis“ (a.a.O. 94) des Christentums zum Judentum bestreiten muß. M.E. kennt Schleiermacher ein solches, freilich eher negatives, durchaus, wenn er das Judentum als Religion der Partikularität vom Islam unterscheidet. 65 Zitate SCHLEIERMACHER [1799] (1958) 160. 66 Ebd.

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Judentum zu schaffen, die der Messiaserwartung entsagen, zielt (bei aller Modernität des Gedankens eines preußischen Staatsbürgers jüdischen Glaubens) auf eine partikularisierende Segmentierung des Judentums.67

2. Erhebung von Wahrnehmungsschemata Die vorstehenden Analysen ergaben, daß Schleiermachers entscheidender Einwand gegen die dogmatische Vollwertigkeit der Eschatologie derselbe ist, den er an anderer Stelle seiner Dogmatik auch gegen das Judentum erhebt: der Einwand der Partikularität. Nimmt man hinzu, daß diese Wahrnehmung des Judentums nicht auf den theologischen Diskurs begrenzt ist, sondern auch Schleiermachers politische Stellungnahmen bestimmt, dann liegt die Annahme nahe, daß die Vorstellung von Partikularität eine Bedeutung hat, die über den Rahmen einer werkimmanenten Analyse hinausgeht und ein verbreiteteres Schema von Wahrnehmung des Judentums darstellt. Darauf deutet auch, daß die typisch eschatologische Redeform der Weissagung (wenn nach Schleiermacher „in der jüdischen Religion die Gabe der Weissagung so vollkommen ausgebildet ist als in keiner andern“) selbst ein Phänomen von Partikularität ist, nämlich diejenige „Reaktion des Unendlichen gegen Jedes einzelne Endliche“, die „Zeit und Raum dazwischen vernichten“ muß, um das Unendliche im Endlichen anzusagen.68 Ich befrage daher im folgenden sowohl das Konzept der Weissagung als auch das der Partikularität auf ihnen etwa innewohnende Problematiken christlicher Eschatologie im Verhältnis zum Judentum. 2.1. Weissagung und Ende der Weissagung? Schleiermachers Würdigung, daß das Judentum als Religion der Weissagung „einen so schönen kindlichen Charakter“ habe, ist zwiespältig,69 denn eine Religion, deren Weissagung das Unendliche im Endlichen ansagt, wird übertroffen von der Religion, die das Unendliche sinnlich fühlt und schmeckt und darum selbst keine Weissagung mehr benötigt. Schleierma67 Zu den Umständen von Schleiermachers Vorschlag vgl. BECKMANN (2002) 104–121. 68 Zitate SCHLEIERMACHER [1799] (1958) 159.160.160. 69 Und zwar nicht deswegen, weil die Rede vom Kindlichen schon abwertend wäre (so BECKMANN [2002] 37), dann würde vielmehr „kindisch“ gesagt sein (wie SCHLEIERMACHER [1799] [1958] 171).

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cher hat daher Christus, den „Gipfel“ der Weissagung, zugleich als deren „Ende“ verstanden zumindest im Sinne der „Vorhersagung“ zufälliger Begebenheiten; diese sei das Kennzeichen des (alttestamentlichen) Judentums gewesen.70 Tatsächlich haben derartige, auch begrifflich griffige Gegenüberstellungen einer jüdischen und einer christlichen Art von Weissagung bald nach Schleiermacher Furore gemacht, so daß hinreichend dichte Belege gegeben sind, um von einem Wahrnehmungsschema zu sprechen.71 Das Problem liegt dabei nicht allein in der polaren Zuordnung von Weissagungsbegrifflichkeiten an Judentum bzw. Christentum, wofür das Schema von Verheißung und Erfüllung nur das exponierteste Beispiel wäre. Die Tatsache, daß derartige Begriffspaare aus Binnendifferenzierungen des Weissagungskonzeptes hervorgehen, wie bei Schleiermacher noch klar zu beobachten, zeigt vielmehr, daß die Frage nach dem „Ende“ der Weissagung eine Anfrage an das christlich-theologische Verständnis von Verheißung als solcher ist; m.a.W. was Verheißung ist, kann nicht erst durch den Bezug auf ihre Erfüllung (oder ihr „Ende“) bestimmt werden. Damit ist ein Kernproblem christlicher Eschatologie in ihrem Verhältnis zum Judentum benannt, das im folgenden noch genauerer Untersuchung bedarf. 2.2. Partikularität und Universalität? Wie das Konzept der Weissagung durch das der Erfüllung zu einem polaren Wahrnehmungsschema ergänzt werden kann, so verbindet sich der Begriff der Partikularität oftmals mit dem der Universalität zu einem Schema, das bis weit in landläufige Antijudaismen und Antisemitismen hinein nachzuwirken vermag. Daß dabei dem Judentum ebensosehr Nationalismus, also übersteigerte Partikularität, wie angemaßte Universalität, etwa im Topos der Weltverschwörung, nachgesagt wird, deutet an, wie auch hier der Kern des Problems nicht in der (im Extremfall eben auch austauschbaren) Zuordnung an Judentum und Christentum, sondern im Konzept von Partikularität (und Universalität) selbst liegt. Dieses Konzept sei darum nun an seinem wohl wirkungsvollsten eschatologiegeschichtlichen Ort untersucht; in der Debatte, die in sachlich, zeitlich und räumlich recht engem Anschluß an Schleiermacher unter den Schülern seines großen Berliner Philosophenkollegen stattfand:

70 Zitate DERS. [1830/31] (1960) II,114.114.113 (§ 103,3). 71 S. Kap. III.2.1 (S. 124ff.).

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Exkurs 1: Zur Eschatologiedebatte des Rechtshegelianismus 1. Voraussetzungen der Debatte. Das Gegenüber von Partikularem und Universalem, Einzelnem und Allgemeinem, Individuum und Gattung ist eschatologiegeschichtlich besonders in der Tradition G.W.F. Hegels wirksam geworden, da dessen Methode einer wissenschaftlichen Logik die Differenzierung und Integrierung des Einzelnen aus dem Allgemeinen bzw. in dieses begreifen, also auf den Begriff bringen will. In der Eschatologie bei Hegels theologischem Schüler PHILIPP KONRAD MARHEINEKE ist ein solcher Begriff von Religion das Gottesbewußtsein, welches das von dem Sein der sinnlichen Einzeldinge72 sich unterschieden wissende, nichtsinnliche Bewußtsein (Selbstbewußtsein) mit dem sinnlichen Bewußtsein von diesen Einzeldingen eint und so beide übersteigt. Für solches Gottesbewußtsein gebraucht Marheineke den Begriff der Seligkeit.73 Seligkeit heißt aber aufgrund der Ewigkeit des Geistes notwendig Unsterblichkeit, d.h. selig ist dasjenige Gottesbewußtsein, dem das Verhältnis zum göttlichen Geist ein notwendiges ist.74 Die Verbindung von Seligkeit und Unsterblichkeit, also die Vorstellung einer seligen Unsterblichkeit – im Unterschied von einer Unsterblichkeit, die als bloße Voraussetzung eines Jüngsten Gerichts auch unselig sein könnte75 – das ist die Einstiegsvoraussetzung für die Eschatologiedebatte unter Hegels Schülern nach seinem Tode. Hegel selbst hatte sich bei Lebzeiten zum Problem der Unsterblichkeit des Einzelnen nicht eindeutig geäußert. In der Debatte selbst wird freilich die Unsterblichkeit des Einzelnen gemäß der Hegel'schen Methode, um die in der ganzen Auseinandersetzung auch gerungen wird, immer im Verhältnis zum Universellen thematisch.76 2. Unbedingte Sterblichkeit. Die Debatte wird entfesselt, als FRIEDRICH RICHTER 1833, zwei Jahre nach Hegels Tod, im ersten Band seiner monumentalen „Lehre von den letzten Dingen“ mit starken Worten „die Summe meiner Theologie“ verkündet: Der Einzelne ist sterblich, er lebt fort nur in der nächsten Generation, nämlich in seinem Kinde, und das Jenseits besteht einfach in der Tat, zu der sich die Reihe der Generationen emporarbeitet. Für Richter geht also das Individuum gänzlich über in die Gattung.77 Diesen Gedanken, daß die Allgemeinheit das Spezifikum der Religion als 72 Dies sind die bei MARHEINEKE (1827) drei Letzten Dinge: Auferstehung (§§ 602–607), Jüngster Tag (§§ 608–611) und Gericht (§§ 612–615). 73 A.a.O. 383 (§ 596). 74 A.a.O. 396 (§ 600). 75 Die Differenz zwischen diesen beiden Verständnissen von Unsterblichkeit prägt in der Eschatologiegeschichte des 20. Jh. den Streit zwischen P. Althaus und C. Stange, s. Exkurs 7 (S. 199f.). 76 Für CORNEHL (1971) 284 ist daher der „sachliche Ertrag der Unsterblichkeitsdebatte“ das Verhältnis von Individuum und Gattung, das dem von Einzelnem und Allgemeinem entspricht, da es um kein bestimmtes Einzelnes, sondern das Einzelne überhaupt geht (vgl. a.a.O. 288 Anm. 3; 291 Anm. 8). Cornehl zieht allerdings die universaleschatologischen Texte, die nach dem eigentlichen Streit erscheinen (s.u.), nicht mehr heran. 77 Zitat RICHTER (1833/44) I,238.

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„ganze[r] Sphäre des geistigen, göttlich-menschlichen Lebens“ auch gegenüber der Wissenschaft (d.h. der Hegel'schen Philosophie78) bilde, führt elf Jahre später der zweite Band weiter: Zwar werde sowohl der Religion als auch der Wissenschaft der Geist nur vermittelt zuteil, aber allein die Religion wolle ihn auch universell mitteilen.79 Nur scheinbar also zielt Richters rückhaltlose Kritik am Jenseits auf dessen Einholung ins Diesseits. Das Individuum geht nicht in der Gesellschaft auf und das Jenseits nicht im Diesseits unter, sondern wenn Richter zum Abschluß seines Werkes anläßlich des Lehrtopos vom Weltende bemerkt, daß die Welt übergehe in andere Sonnensysteme und Universen,80 ist Richters letztes Interesse mit Händen zu greifen: Es ist nicht die Verendlichung des Jenseits, sondern gerade umgekehrt die Universalisierung des Diesseits. Diese Richtungsumkehr kennzeichnet Richters Argumentation. Denn bei aller grundsätzlichen Kritik am Begriff des Jenseits hat sich Richter die Universalisierung des Diesseits offenbar ganz unproblematisch vorgestellt: Der Gesichtskreis der religiösen Geistmitteilung muß einfach so weit wie möglich gezogen werden. Richter kann daher seinen religiösen Standpunkt mit dem Begriff des Messianismus bezeichnen und auf die alttestamentliche Idee einer „Herstellung der alten Gottesherrschaft (Theokratie)“ zurückführen,81 gleichwohl aber das Judentum heftig kritisieren, weil es den Radius des Messianismus partikularistisch, auf das eigene Volk beschränkt, gedacht habe. Erst die universelle Geistvermittlung im Christentum könne eigentlich Messianismus heißen.82 Richter führt dies im ganzen II. Band mit einer an Hegel erinnernden dreischrittigen Methode durch.83 Richter präzisiert also 1844 seinen religiösen Standpunkt gegenüber dem rechten Flügel der Schule Hegels mit einer charakteristischen Wahrnehmung des Judentums, die das von Schleiermacher her bekannte Gegenüber von Partikularität und Universalität fortschreibt. 3. Bedingte Unsterblichkeit. In seiner Antwort auf Richter hat der Leipziger Philosoph CHRISTIAN HERMANN WEISSE bemängelt, daß Richters Kritik der Unsterblichkeit der Seele nur das platonische Seelenkonzept aus der kirchlichen Lehre vor Augen habe, das bloß die Einfachheit der Seelensubstanz beweise, die Unsterblichkeit des Einfachen aber voraussetze.84 Demgegenüber sei mit Hegel die Kategorie der Substanz durch die des Subjekts zu ersetzen, für die das Einzelne kein Teilhaber des Allgemeinen ist – so das platonische Methexiskonzept –, sondern ein eigenständig Indi78 A.a.O. I,19 (Zitat ebd.). 79 A.a.O. II,8: „Dem Diener der Offenbarung ist die unmittelbare Anwendung […] unabweisliches Bedürfniß, während der rein wissenschaftliche Denker […] ihrer […] gar nicht fähig ist.“ 80 A.a.O. II,196–198. 81 Zitat a.a.O. II,18; von Messianismus redet programmatisch die Einleitung (z.B. a.a.O. II,12; vgl. a.a.O. II,IX). Diese religiöse Dimension kommt in der Interpretation von GEBHARDT (1963) 75 m.E. zu kurz. 82 RICHTER (1833/44) II,12: „Das Judentum brachte es nicht einmal zu jenem äußerlichen Durchbruch der Völkerscheide.“ 83 Vgl. die Abfolge evangelischer/jesuanischer – apostolischer – apokalyptischer/johanneischer Bibeltexte in den Abschnitten B.1–3 der Kap. II–V (bzw. A–C in Kap. I) im II. Band bei Richter. Vgl. schon a.a.O. I,168–226. 84 WEISSE (1834) 14 zum platonischen Seelenkonzept in der kirchlichen Eschatologie.

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viduelles in seinem Bezug zum Allgemeinen. Unsterblich ist das Individuelle demnach nicht qua Natur, sondern nur, sofern dieser Bezug besteht. Weiße vertritt damit eine bedingte Unsterblichkeit: Nur die im bewußten Gottesverhältnis stehende Seele ist unsterblich, die Seele als solche ist endlicher Geist. Unsterblichkeit ist also kein eigenschaftlicher Besitz der Seele, sondern etwas, das ihr passiv widerfährt; Unsterblichkeit der Seele ist ihr Gedachtwordensein vom ewigen Geist.85 Weißes Kritik an Richters Universalisierung des Diesseits läßt sich damit auf den Nenner bringen, daß für Richter dem Individuum Unsterblichkeit zukommt, für Weiße dagegen dem Unsterblichen Individualität.86 Damit ist die Richtungsumkehr, die wir als Richters entscheidendes Argument erkannten, wieder exakt zurückgenommen. Ähnlich wie Richter hat auch Weiße seine Position später auf die theologische Universaleschatologie ausgedehnt. Dabei geht er nicht vom Individuum, sondern der menschlichen Gattung aus und konstatiert deren ursprüngliche Unsterblichkeit.87 Der Eintritt des Todes durch den Sündenfall sei präzise der Tod der allgemeinen Unsterblichkeit, die zwar fortan noch als Möglichkeit für alle Menschen Geltung habe,88 wirklich aber nur für die bei Lebzeiten zu Christus bekehrten Einzelnen sei. Das Verhältnis zwischen Individuum und Allgemeinheit wird hier durch die eschatologische Lehre vom Zwischenzustand ausgedrückt, die die allmähliche Wiederherstellung allgemeiner Unsterblichkeit bewerkstellige, also die Aufbewahrung und Summierung der seligen Einzelnen zur seligen Gesamtheit. Bemerkenswerterweise nimmt Weiße mit diesem Konzept einen ebenso unproblematischen Zusammenhang von Einzelnem und Universellem an wie sein Antipode Richter: Die seligen Einzelnen werden im Zwischenzustand einfach aufbewahrt und zusammengezählt zur Allgemeinheit. Entsprechend versteht Weiße die Ewigkeit der Unsterblichkeit ausdrücklich als eine nach der Zeit beginnende, endlose Zeit.89 4. Unbedingte Unsterblichkeit. Ähnlich wie Weiße argumentiert auch der zeitweise als Sprecher der Hegelschule auftretende Jurist CARL FRIEDRICH GÖSCHEL gegen das substanzmetaphysische Konzept einer unsterblichen Person mit einem im Sinne Hegels dialektischen Verständnis persönlicher Unsterblichkeit, die sich nur im Bezug des Individuellen zum Allgemeinen, des Endlichen zum Absoluten ereignet. Anders als Weiße legt Göschel den Akzent jedoch nicht auf die Individualisierung des Allgemeinen im Gedachtwerden des endlichen vom unendlichen Geist, also nicht auf die Antithese der Dialektik, sondern auf die Herstellung eines Bezugs dieses Endlichen 85 A.a.O. 41: „nicht ein Wissen der Individuen von sich oder von dem Weltinhalte […], sondern ein Wissen des absoluten Geistes von dem Geiste“; von MÜLLER (1835) 724 als unhegelisch kritisiert. Ähnliche Gedanken prägen im 20. Jh. das Konzept einer Unsterblichkeit als Weiterleben in Gottes Gedächtnis. 86 WEISSE (1834) 36: „Nicht mehr so wird diese Frage fernerhin zu stellen seyn: ob der menschlichen Persönlichkeit und Individualität Unsterblichkeit, sondern vielmehr so, ob dem Unsterblichen menschliche Individualität und Persönlichkeit zukomme.“ 87 DERS. (1836) 282–289. 88 A.a.O. 322. Weiße nähert sich damit der vorhegelianischen Position des frühen MARHEINEKE (1819) an, der in Anlehnung an Kant die Unsterblichkeit in §§ 726.730 apperzeptionstheoretisch begründet hatte. 89 WEISSE (1834) 45.

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zum Allgemeinen, also die Synthese als den dritten Schritt; ja, Göschel will die allgemeine Unsterblichkeit der menschlichen Seele charakteristischerweise ausschließlich aus der Triplizität ihres Begriffes erweisen. Dazu unterscheidet er analog zu Kants Einteilung der Gottesbeweise in kosmologische, teleologische und ontologische dreierlei Unsterblichkeitsbeweise, von denen keiner in dogmatischem Sinne, d.h. für sich genommen beweiskräftig ist; der spekulative Durchgang durch alle drei jedoch beweist die Unsterblichkeit in Übereinstimmung mit dem historischen Beweis e consensu gentium.90 Auf dieser Linie nun hat Göschel, ähnlich wie Richter und Weiße, in einem nach der hegelianischen Schuldebatte erschienenen und darum wenig beachteten Beitrag „Zur Lehre von den letzten Dingen“91 sein Konzept individueller Unsterblichkeit auf die Universaleschatologie angewandt. Das Buch ist eine entschlossene Verteidigung der Lehre vom Zwischenzustand,92 der als ein Letztes bereits die eschatologische Universalisierung des Individuums in seinem Verhältnis zum Ewigen beinhaltet, zugleich aber auch noch auf das Allerletzte, den Abschluß der Universalisierung aller Individuen, zugeht.93 Während also auf individualeschatologischer Ebene der Leib als der Weltbezug der Seele verstanden wird, den sie in der Auferstehung zurückerhält, so besteht auf universaleschatologischer Ebene der Weltbezug in der Gesamtheit aller Einzelnen, die sich durch den Zwischenzustand bis hin zum Tode aller Einzelnen wieder vervollständigt.94 Zwischen Einzelnem und Gesamtheit besteht so das Analogieverhältnis von Mikro- zu Makrokosmos,95 das Göschel u.a. auch mit dem Verhältnis des jüdischen Sabbat zum christlichen Sonntag parallelisieren kann.96 Göschel zeigt damit dasselbe Charakteristikum wie Richter und Weiße, obwohl alle in der Unsterblichkeitsfrage stark voneinander abweichen.97

Im Ergebnis ist es erstaunlich, daß trotz der teils hitzigen Auseinandersetzung alle Beteiligten an der Eschatologiedebatte des Rechtshegelianismus 90 So dürfte der (nach HAUBOLD [1989] 75f. etwas gewundene) Argumentationsgang des ersten Abschnitts bei GÖSCHEL (1835) zu rekonstruieren sein. 91 GÖSCHEL (1850) wird nicht erwähnt von CORNEHL (1971) 280 Anm. 36, obwohl dieser dort z.T. noch spätere Texte Göschels aufzählt. 92 GÖSCHEL (1850) 143–146 sowie a.a.O. 27.39–47 u.ö., jeweils aufgrund einer dreigliedrigen Anthropologie. 93 Zur Letztem und Allerletztem vgl. a.a.O. 35f. und schon a.a.O. 28 zu den „beiden Stationen der Zukunft“. 94 A.a.O. 146f. ist die Rede von einer „Erfüllung des Menschen zur Menschheit nämlich zur Totalität nach der Zahl und nach der christlichen Qualität“, so daß „der Einzelleib für den einzelnen Menschen das ist, was die irdische Natur, was die gesammte Erde für die Menschheit ist“ (a.a.O. 147). 95 A.a.O. 16: „Ohne die ganze Menschheit ist auch kein einziger Mensch ganz; ohne Hinzutritt eines jeden einzelnen Gliedes ist auch die Gesammtheit nicht vollendet.“ 96 A.a.O. 27. A.a.O. 175 nennt er noch die kabbalistische Lehre vom dreifachen Schriftsinn und den nach Vorhof, Heiligem und Allerheiligstem geteilten jüdischen Tempel, aber freilich auch Luthers Dreiständelehre. 97 Der Baurschüler F.H. Kern (s. Exkurs 4 [S. 144ff.]) gehört zwar ebenfalls dem Umfeld der Hegelschule an; seine Eschatologie von 1840 ist aber vorrangig Auseinandersetzung mit Schleiermacher und erst auf dieser Grundlage auch mit der hegelianischen Unsterblichkeitsdebatte.

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übereinstimmen in der Annahme einer gänzlich undialektischen, linearen Nachordnung von Partikularität und sie numerisch überbietender und vervollständigender Universalität.98 Genau in dieser linearen Abfolge wird daher der harte Kern des Konzeptes von Partikularität und Universalität liegen. Daß zumindest Richter und Göschel diesen Punkt auch auf ihre Wahrnehmung des Judentums beziehen, gibt einen Anhalt, daß hier ein Thema berührt ist, das für die christliche Eschatologie im Gespräch mit dem Judentum wichtig ist. Damit ist der Übergang zum abschließenden Abschnitt dieses Kapitels gegeben.

3. Problemgeschichtlicher Ertrag Im Zentrum von Schleiermachers Eschatologie steht der Nachweis, daß ihre Sätze stets partikular sind, weil sie das Dilemma von Individual- und Universaleschatologie, von Entwicklung der Zukunft aus der Gegenwart und der Vergeltung dieser durch jene, nicht überbrücken können. Ungeklärt ist allerdings noch die Frage, welche Geltung dem Dilemma der Partikularität einzuräumen ist. Hier lassen sich zwei grundsätzliche Arten möglicher Rezeption Schleiermachers unterscheiden, die im folgenden skizziert seien. 1. Umsetzung des eschatologischen Dilemmas. Schleiermachers Dilemma besagt, daß die Sätze der Eschatologie keine Lehrsätze sind, weil sie nur partikulare Bestimmtheit erlangen; eine breitere Strömung der Rezeption Schleiermachers neigt nun dazu, die Dilemmatik dieses Ergebnisses mitzuvollziehen, ihm aber seinerseits eine nur partikulare Geltung zuzuschreiben, nämlich für das Sprachgebiet der Dogmatik, auf dem allein die Bestreitung der Lehrbarkeit von Eschatologie ja Bedeutung haben kann. Schleiermacher selbst habe ja, so wird eingewandt, nicht nur das dogmatische Dilemma der Eschatologie aufgewiesen, sondern ihr ebenso klar eine Stellung und Bedeutung im christlichen Gesamtleben angewiesen: Eschatologie hat die Aufgabe, Erkenntnisse, die dem gläubigen Selbstbewußtsein unumstößlich geworden sind, „anregend zu gestalten“.99 In gewissem Sinne ist dies der Versuch, mit Schleiermacher über Schleiermacher hinauszugehen. Die Bearbeitung der Eschatologie wird demnach, so zu sagen, von der wissenschaftlichen Dogmatik weg umgeleitet in ein anderes Betätigungsfeld der Theologie, und als solches legen sich mit der Predigt oder „der 98 Das Verhältnis beider hält auch CORNEHL (1971) 293f. für das Sachproblem der Debatte. 99 SCHLEIERMACHER [1830/31] (1960) II,440 (Zusatz nach § 163).

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christlichen Kunst und Poesie“ kirchliche und ästhetische Tätigkeiten nahe.100 Dogmatik und kirchliche Tätigkeit erscheinen so in einem Verhältnis der Ergänzung, das sich auf Schleiermacher'sche Begriffsbestimmungen beruft: Jene bildet als Darstellung der kirchlichen Lehre die Grundlage für diese, und diese ist als Kirchenleitung das Ziel jener.101 Dogmatik und kirchliche Praxis, jene als kritisches und diese als konstruktives Element, liegen dann auf einer Linie, so daß z.B. auch die Predigt dem höchsten (darstellend belehrenden) Sprachgebiet angehört, obwohl sie im Unterschied zur Dogmatik nicht völlig befreit ist von den Einflüssen durch Dichtung und Rede. Doch, so wird eingewandt, die „Differenzen zwischen diesen Sprachgebieten sind allesamt relativ und graduell“,102 und daher könnte eine solche Befreiung ohnehin nur näherungsweise geschehen.103 Predigt und Ästhetik firmieren hier als Nachfolger der Dogmatik, die deren Geschäft unter dem Namen des alten Inhabers fortführen. Die Dogmatik hat dann nur die Funktion einer ideellen Leitvorstellung, an der sich alle kirchliche Praxis orientieren muß, die aber im Gegenzug erst von ihr „geerdet“ und manifestiert wird. Gerade die Eschatologie ist im Gefolge Schleiermachers in diesem Sinne als kritisches Regulativ der kirchlichen Praxis verstanden worden. Der fragliche Diskurszusammenhang sei hier vorgestellt: Exkurs 2: Die hypothetische Eschatologie der Vermittlungstheologie 1. Zum Begriff der Vermittlungstheologie. Der Begriff der „Vermittlungstheologie“ ist nicht ohne Probleme, weil nicht univok geklärt ist, wozwischen die in Betracht kommenden Theologen im Umfeld der „Theologischen Studien und Kritiken“ vermitteln. Zudem wird er oft als kritische Fremdzuschreibung gebraucht, die das vermittelnde Anliegen überhaupt in Zweifel zieht.104 Im vorliegenden Exkurs wird der Begriff eher weit gefaßt und bezeichnet Autoren, die im Anschluß an Schleiermacher dessen Anliegen einer Verbindung des theologischen Bekenntnisstandes mit der auf100 Ersteres ist die Grundthese von WEEBER (2000) 170 u.ö., der dabei jedoch mit zweiterem einen Vorläufer hat in MARTENSEN (1856) 426 (§ 273 Anm.). 101 Für jenes vgl. SCHLEIERMACHER [1830/31] (1960) I,119 (§ 19), für dieses DERS. [1830] (1910) 2 (§ 3). 102 WEEBER (2000) 38. 103 In der Tat kennt Schleiermacher ein nur näherungsweise erreichbares Sprachgebiet ohne jeden Einfluß von Dichtung und Rede, doch ist dieses nicht das dogmatische, sondern das dialektische, das der philosophischen Spekulation zugehört und als solches von der Dogmatik streng zu unterscheiden ist (s. S. 45 Anm. 17). Es hat eine ähnliche Stellung wie das von allem Sinnlichen abgelöste Selbstbewußtsein (s. Kap. II.1.1, hier S. 53). 104 Besonders wirksam BARTH (1947) 522f.

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kommenden geistesgeschichtlichen Tradition der Moderne fortführen und dabei oft im Einzugsbereich derjenigen geschichtlichen Gestalt von Kirche stehen, die dieses Anliegen widerspiegelt, d.h. der preußischen Union.105 Legt man diesen Begriff zugrunde, dann läßt sich, freilich in einer gewissen Abstraktion vom jeweiligen Autor, der eschatologische Entwurf der Vermittlungstheologie als solcher rekonstruieren. 2. Involution als Schlüssel zur Eschatologie der Vermittlungstheologie. Die Analyse von Schleiermachers Eschatologie ergab, daß das von ihm konstatierte Dilemma in zwei Gestalten auftreten kann, nämlich als Paradoxie zwischen Individual- und Universaleschatologie sowie als Spannung von Entwicklung und Vergeltung der Ewigkeit im Verhältnis zur Zeit. Eine Vermittlung des Dilemmas kann also bei jeder dieser Gestalten ansetzen. Die erste Gestalt des Dilemmas betrifft die Lehre vom sog. Zwischenzustand, da dieser sich logisch als Verbindung der Individual- mit der Universaleschatologie versteht: Er verwahrt die einzelnen Toten bis zur allgemeinen Auferstehung aller Toten, die die Voraussetzung des Jüngsten Gerichts ist. Vermittlung müßte hier zwischen dem Tod des Einzelnen und der Auferstehung Aller geschehen, und da nahezu im ganzen 19. Jh. der Tod mit platonischer Tradition als Trennung von Seele und Leib verstanden wird und die Auferstehung entsprechend als Verleiblichung der Seele, heißt dies, daß die Vermittlung zwischen Seele und Leib stattfinden muß. – Die zweite Gestalt des Dilemmas dagegen ist thematisch in der Lehre von den ewigen Zuständen (Seligkeit und Verdammnis), da, ganz im Sinne Schleiermachers, die Seligkeit als fortdauernde Entwicklung der Verbindung mit Christus im Gnadenbewußtsein und die Verdammnis via negationis als Abbruch einer solchen Verbindung infolge sündigen Bewußtseins gedacht wird. Vermittlung müßte hier also zwischen göttlicher Gnadenwirkung und menschlicher Sündigkeit erfolgen. Kennzeichnend für die Vermittlungstheologie ist nun, daß sie beide Gestalten des Dilemmas, Zwischenzustand und ewige Zustände, mit der gleichen Gedankenfigur zu vermitteln sucht und so auch beide Gestalten miteinander vermittelt. Diese Gedankenfigur geht zurück auf die sog. Involutionslehre des aus dem damals dänischen Stavanger gebürtigen, später in Breslau und Berlin wirkenden Naturphilosophen Henrich Steffens.106 Die Involution ist zunächst ein Interpretament der ersten Gestalt des Dilemmas, also des Zwischenzustands. Sie begreift diesen als Übergang vom leibdominierten Diesseits zum geistdominierten Jenseits: Zwischen beiden befinde sich die Seele, nachdem sie im Tode ihres Organes, des Leibes, beraubt wurde, in einer Ver105 GRAF (2001) 727 nennt neben diesen Punkten noch die Vermittlung zwischen „liberal“ und „konservativ“. 106 Steffens, schon 1799 unter den führenden Köpfen der deutschen Romantik zu finden, erlangt in Breslau 1813 Berühmtheit, als er noch vor dem König zum Befreiungskrieg gegen Napoleon ruft. Er wendet sich am selben Ort jedoch 1819 von der Nationalidee der Turnerbewegung ab und sucht seine Naturphilosophie statt dessen religiös zu entfalten, wobei er, der von Hause aus Reformierte, nunmehr gegen die preußische Union die Partei der schlesischen Altlutheraner ergreift. Der wichtige theologische Impulsgeber der Vermittlungstheologen ist also kirchengeschichtlich keiner der Ihren; das Involutionskonzept entwickelt er im Anschluß an Schelling.

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innerlichung (Involution), d.h. ihre Organisationsfähigkeit richtet sich auf kein positiv gegebenes Organ, sondern auf sie selbst.107 Die Involution ist demnach zugleich der Grund für die Auferstehung des Leibes, in der die Seele kraft dieser Organisationsfähigkeit ein solches Organ ausbildet, das dann mit dem im Tode verlorenen Leib nicht identisch zu sein braucht. Deswegen impliziert die vermittlungstheologische Involutionslehre die Auferstehung des Leibes, während sie eine Auferstehung des Fleisches zumeist explizit abweist.108 Statt ihrer denkt sie Seele und Leib zusammen als Organisation der Seele ohne Organ. – Entsprechendes ergibt sich für die Frage nach Gottes Willen und menschlicher Freiheit. Gottes Wille müßte für sich betrachtet zur ewigen Durchsetzung des Guten gegen alles Böse führen, so daß der Mensch zu seinem Heil gezwungen würde. Menschliche Freiheit für sich genommen ließe dagegen das Böse gegen alles Gute die Oberhand behalten, so daß die Sünde in Ewigkeit über Gottes Willen triumphieren müßte.109 Eine Vermittlung ist hier nur so denkbar, daß das Gute mit dem Bösen zugleich verewigt wird; dies ist aber nur hypothetisch möglich.110 D.h. die Durchsetzung des Guten ist nur als Intention zu beschreiben; eine ewige Durchsetzung des Bösen muß daneben als hypothetische Möglichkeit angenommen werden, damit die Durchsetzung des Guten nicht zwanghaft, sondern als freie Entscheidung des Menschen gegen das Böse geschieht.111 Das Böse wird also eschatologisch erhalten mit der Intention seiner Hinkehr zum Guten, und deswegen kann die Vermittlungstheologie die Möglichkeit einer Bekehrung des Bösen zum Guten nie ausschließen, auch nicht für die postmortale Existenz des Menschen.112 107 Auf Steffens greifen zurück KLING (1846) 105; MARTENSEN (1856) 431 (§ 276): „das Todtenreich ist das Reich der Innerlichkeit“ samt Zitat von Steffens, den Martensen persönlich kannte; GERLACH (1869) 88f. 76: „rein zuständliche Leiblichkeit“; DORNER (1879/80) II,955 mit Zitat von Steffens und Martensen; daneben noch KERN (1840) 115. NITZSCH (1851) 408 (§ 217 Anm. 2) mit der Annahme einer „Wiederverleiblichungsfähigkeit“ erinnert auch stark an Steffens. 108 So GERLACH (1869) 97. Anders LANGE (1841) 234f., doch mit ähnlichen Interessen. 109 Z.B. MARTENSEN (1856) 450 (§ 286). 110 Paradigmatisch NITZSCH (1851) 417 (§ 220 Anm. **), der seine gesamte materiale Dogmatik einteilt nach dem Guten, dem Bösen und dem Heil als der Durchsetzung des Guten gegen das Böse: „Die Thesis der göttlichen allgemeinen Gnade strebt, nachdem sie selbst ihre Antithesis in der Selbstbestimmung des Menschen gesetzt hat, zur Synthese der Freiheit und Seligkeit der Kinder Gottes in ihrem ganzen Reiche hin. Der Antithese wegen, da das Moment der Willkühr Bedingung der freien Entwicklung ist, bleibt zwar die ewige Verdammniß oder der andere Tod die nothwendige Hypothese; allein die Ursprünglichkeit der Thesis stellt ihr ebenso nothwendig eine Hypothese des allgemeinen Seligwerdens entgegen. Mitten in der Zeit und Geschichte kann kein Dogmatismus geduldet werden, der die eine oder andre Hypothese zum absoluten Satze erheben wollte.“ Sodann MARTENSEN (1856) 455 (§ 288); DORNER (1879/80) II,968.971 (§ 154,5f.). – ÖLSNER (1929) 51 kritisiert den vermittlungstheologischen Ansatz bei Gut und Böse, da so die Ethik Grundlage der Dogmatik werde. 111 So neben NITZSCH (1851) 411 (§ 219): „keine erzwungene Heiligkeit“ auch DORNER (1879/80) II,968 (§ 154,5) und schon a.a.O. II,917. Das Argument der menschlichen Freiheit ist auch für LANGE (1841) 272f. und GERLACH (1869) 159f. zentral, die beide freilich eher die Realität der Verdammnis annehmen. 112 NITZSCH (1851) 417 (§ 220) zur ewigen Verdammnis als Postulat neben dem universellen Gnadenwillen Gottes; DORNER (1879/80) II,968: ewige Verdammnis kommt dann bloß „tiefer langer Unseligkeit“ gleich.

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Eben wegen dieser eschatologischen Intentionalität des Bösen ist seine Bekehrung aber nicht als aktives Tun des Menschen zu verstehen. An dieser Stelle nun berühren sich die Vermittlungen der beiden Gestalten von Schleiermachers Dilemma, denn mit der hypothetischen Koexistenz von Gut und Böse wird aus den ewigen Zuständen ein Mittelzustand, dem weder Seligkeit noch Verdammnis klar zugeordnet werden kann. Die Eschatologie handelt damit nicht mehr von der Ewigkeit, sondern dem Interim zwischen Zeit und Ewigkeit, also von dem, was im Blick auf die erste Gestalt von Schleiermachers Dilemma Zwischenzustand hieß. Und wie für den Zwischenzustand zwischen dem Tod des Einzelnen und der Auferstehung Aller die Lehre von der Involution auf das Konzept einer Organisation der Seele ohne Organ führte, so ergibt sich für den Mittelzustand zwischen Seligkeit und Verdammnis durch die Annahme einer postmortalen Bekehrung der Bösen die Vorstellung einer Tätigkeit des Menschen ohne Tun.113 Beide Konzepte, die Organisation ohne Organ im Zwischenzustand und die Tätigkeit ohne Tun im Mittelzustand, ergeben sich unmittelbar, wenn die Involution vorausgesetzt wird; und dieser Zusammenhang erklärt sich daher, daß Zwischen- und Mittelzustand, obwohl in ihrem Sinn unterscheidbar, sachlich dasselbe bezeichnen. Die Aussagen über Zwischen- und Mittelzustand müssen daher kompatibel miteinander sein,114 und tatsächlich weisen sie im Fall der Vermittlungstheologie auf dieselbe Sache hin, nämlich darauf, daß der Mensch als Objekt der Eschatologie nicht in der Alternative von Seele und Leib (Zwischenzustand), von Aktiv und Passiv (Mittelzustand) aufgeht. In diesem Problem einer theologischen Anthropologie liegt auch die Brisanz der vermittlungstheologischen Eschatologie für die Frage nach der Wahrnehmung des Judentums. Denn ISAAK AUGUST DORNER sieht als ein führender Vertreter dieser Eschatologie den Ursprung christlicher Eschatologie gerade in der Spannkraft, die zwischen Seele und Leib einen Zwischenzustand, zwischen Aktiv und Passiv einen Mittelzustand setzt, grundsätzlich gesprochen: die das Auftreten des Messias und das damit verbundene Ende aller Dinge auf die zwei Parusien Christi, historisch und zukünftig, verteilt – im Gegensatz zum Judentum, das beides nur in eins fallend denken könne.115 113 Den Zusammenhang beider Gedanken erkennt man bei KLING (1846) 105, der auf die Involution unmittelbar aus Anlaß möglicher Bekehrung im Jenseits zu sprechen kommt, und zwar mit Hilfe des Gleichnisses vom armen Mann und reichen Lazarus. Kling zufolge können die Gerechten ihr Licht in die Unterwelt der Ungerechten leuchten lassen und sie so retten (ebd.). 114 Nicht so bei A. ALTHAUS. Er argumentiert „im Rückschlusse von dem Endgericht aus“ (DERS. [1856/57] 109) für einen Zwischenzustand, in dem die Seele die „hier unterbrochene Heiligung“ (a.a.O. 28) fortsetzt. Zugleich bestreitet er aber einen „Mittel[zu]stand“ (a.a.O. 20), weil „die große Entscheidung über entweder selig oder verdammt“ (a.a.O. 35, außer „für die abgeschiedenen Heiden“) im Zwischenzustand schon real sei (a.a.O. 21) und nur noch der Vollendung bedürfe, indem daran „auch der Leib theilnehmen“ solle (a.a.O. 92). Einer solchen Heiligung der Seligen, bzw. „[a]nderseits“ Entheiligung der Unseligen, jeweils „bis zu deren äußerstem Grade“ (Zitate a.a.O. 110) widerspricht freilich, daß Althaus „Grade der Herrlichkeit“ (a.a.O. 95, Original gesperrt) lehrt. Sein Problem ist, daß die Angel seiner Argumentation zugleich deren Bestandteil ist, das Gericht zugleich hypothetisch und real gedacht wird. 115 DORNER (1879/80) II,920.

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3. Stellung der Eschatologie in der Vermittlungstheologie. Ausgehend von diesen Voraussetzungen ist es verständlich, daß die Eschatologie der Vermittlungstheologie nicht nur durch die Lehre von der Involution gekennzeichnet ist, sondern auch in großer Übereinstimmung als die nur hypothetische Vereinigung von Gut und Böse, Gottes Willen und menschlicher Freiheit auftritt; vor allem der einflußreiche CARL IMMANUEL NITZSCH hat sie streng in diesem Sinne durchgeführt.116 D.h. die Eschatologie hat dabei nicht reale Eschata zum Gegenstand, sondern deren Voraussetzungen. Sie bildet die Grundlage, auf der das Denkgebäude der Theologie aufruht. Um der Stabilität des Baues willen kann freilich diese Grundlage nicht selbst in gleicher Weise Bestandteil des Erbauten sein, m.a.W. die Eschatologie ist für die Vermittlungstheologie wie schon für Schleiermacher kein Lehrgegenstand der Dogmatik wie andere;117 ihr Gegenstand ist von einer eigenen Realitätsart,118 eben der im wörtlichen Sinne hypothetischen: Er ist real, wenn die Involutionslehre untergelegt wird.119 Mit Kant verbindet und vom Hegelianismus unterscheidet sie, daß sie auf der Grundlage dieser Voraussetzung die Eschata als wirklich erwartet. Mit dem Hegelianismus verbindet und von Kant unterscheidet sie, daß diese denkerische Voraussetzung der Eschata spekulativ ist, nicht zwingend, sondern nur plausibel. Sie erstrebt damit die Vermittlung zwischen nicht weniger als den drei bedeutendsten theologischen Positionen ihrer Zeit, Kant, Hegel und Schleiermacher. Der „Preis“ dafür ist, daß die Eschatologie ihre Stelle im Ganzen der Dogmatik verschiebt. Sie wird aus einem Lehrstück zu einem Traktat über die Voraussetzungen von Lehrbarkeit und gewinnt so eine prinzipientheoretische oder fundamentaltheologische Bedeutung.120 In entsprechender Weise wird die Eschatologie bei den Vermittlungstheologen als regulative Idee im Sinne Kants aufgefaßt.121 116 Anders freilich A. SCHWEIZER, der K. BARTH als Inbegriff des Vermittlungstheologen gilt (DERS. [1947] 516). Versteht die Vermittlungstheologie Eschatologie als hypothetische Einheit der Dualitäten von Schleiermachers Dilemma, so akzentuiert SCHWEIZER umgekehrt, die Eschatologie sei „von judaisirenden Vorstellungen zu befreien, namentlich vom finalen Dualismus“ des doppelten Ausgangs beim Jüngsten Gericht (DERS. [1863/72] II/2,377 [Leitsatz zu § 198]). So kommt Schweizer negativ zur Abrogation der jüdischen Eschatologie als dualistischer Gesetzesreligion (a.a.O. II/2,392f. [§ 200,2]) und positiv zur dogmatischen Behauptung der Apokatastasis (a.a.O. II/2,409f. [§ 202,2]). – In diesem apokatastatischen „Fluchtpunkt“, an dem Theologie mit Philosophie „ineins fällt“, sehe ich mit BAUMGARTNER (1991) 143 (Zitate) Schweizers Schwäche. 117 So z.B. SCHMIDT (1868/70) II,457; MARTENSEN (1856) 425 (§ 273 Anm.). 118 Der Realismus der Eschatologie beschäftigt v.a. GERLACH (1869) und LANGE (1841), die ihn doppelt abgrenzen; Gerlach gegen Schleiermachers Spiritualismus und altprotestantischen Materialismus (a.a.O. 8.10 bzw. 116), Lange gegen ungläubigen Rationalismus und abergläubischen Saint-Simonismus (a.a.O. 27 bzw. 24–26). 119 Besonders KLING (1846) unterscheidet die Involutionslehre von der traditionellen Vierzahl der Eschata als allgemeine Voraussetzungen von spezifischen Lehrgegenständen, beansprucht aber für erstere, daß sie letzteren „natürlicherweise“ vorangehen (a.a.O. 97), versteht „Voraussetzung“ also in einem Sinn, der dem spekulativen Charakter der Involutionslehre schwerlich gerecht wird. 120 Diese Verschiebung ist das Hauptinteresse der Untersuchung von HJELDE (1987), der es für die Vermittlungstheologie freilich kaum zur Geltung gebracht hat. 121 SCHMIDT (1868/70) II,501 fordert einen „regulativen Gebrauch“ der Eschatologie (obgleich er a.a.O. II,462 diesen Gedanken kritisch auf Schleiermachers Eschatologiekritik bezieht

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Im Ergebnis zeigt sich, daß die Vermittlungstheologie den Ort der Eschatologie im Ganzen der Theologie verändert, indem sie sie einem anderen Locus, eben der Prinzipienlehre oder Fundamentaltheologie, zuweist und also „dis-loziert“ oder „um-setzt“. Die Eschatologie wird so zur regulativen Leitvorstellung, und „Umsetzung“ geschieht dabei auch noch in einem weiteren Sinne, denn wenn die Eschatologie als Leitvorstellung nicht nur der sonstigen Theologie, sondern der kirchlichen Praxis erscheint, wie dies seit Martensen122 auf vermittlungstheologischer Linie vorgeschlagen wird, dann muß solche Leitvorstellung eben noch in die Realität „umgesetzt“ werden, sie bedarf dann der Konkretion in der sinnenfälligen Wirklichkeit von Kirche und Welt. Und genau solche Konkretion wird in der Rezeption Schleiermachers als ein jüdisches Korrektiv zum christlichen Vollendungsbewußtsein geltend gemacht, wenn es heißt, daß Schleiermacher in seiner „Glaubenslehre“ durch die „Geringschätzung des AT gleichzeitig eine folgenschwere Entschärfung der biblisch-ntl. Eschatologie“ in Kauf nehme, daß er aber in seiner späten Predigtpraxis „das jüdische Nein zu Christus als dem Messias als eschatologisches Mahnmal verstehen“ lehre: „Die Tatsache, daß Israel noch auf seine Errettung wartet und die Bekehrung Israels zu Christus als dem Messias noch aussteht, wird für Schleiermacher zur unüberhörbaren Erinnerung daran, daß auch die Christen auf die endgültige Erfüllung alles Verheißenen und auf die Parusie Christi in Herrlichkeit noch warten“.123 Christlicher Eschatologie wird hier zu einem Mehr an sinnenfälliger, gegenständlicher Konkretion geraten, zur „Sinnlichkeit, dem Bilder-, Metaphern- und Erzählreichtum des AT“,124 um das christliche Erlösungsverständnis gleichsam zu „erden“. Diese Auffassung von jüdischer Zukunftserwartung läßt sich tatsächlich als charakteristisches Kontrastschema zu einer dementsprechend abstrakten und vergeistigten christlichen Eschatologie gerade im gegenwärtigen Diskurs nachweisen.125 Entscheidend ist aber auch hier, daß sich unabhängig von den Zuordnungen an Christen- und Judentum die Frage einer geschichtlichen Gestaltwerund gegen diese die objektive Realität der Eschata behaupten möchte). Die Bestimmung der Eschatologie als regulativer Idee hat nachgewirkt bei PFLEIDERER (1880) 240 (§ 266); WOBBERMIN (1926) III,253; HOFFMANN (1929) 117f. 122 S. S. 69 Anm. 100. 123 Zitate STEIGER (1994) 309.322.323. 124 A.a.O. 313 – dies gegen Schleiermachers Begriff von Sinnlichkeit (s. S. 50 Anm. 33). 125 So oft im Zuge der Ergänzung des Grundartikels der rheinischen Kirchenordnung (1996), z.B. STUHLMANN (1998) 303: „Das ist die erdverbundene Dimension der Hoffnung. Diese genuin jüdische Kontur unserer Hoffnung darf in der christlichen Theologie nicht zu kurz kommen.“

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dung der Eschatologie problemgeschichtlich immer dann stellen muß, wenn, wie dies für die Strömung einer „Umsetzung“ von Schleiermachers Dilemma kennzeichnend ist, der Eschatologie nicht derselbe Wirklichkeitsbezug zugeschrieben wird wie der sonstigen Theologie. Das Problem geschichtlicher Gestaltwerdung wird uns daher noch zu beschäftigen haben;126 es deckt sich auch mit derjenigen Anfrage, die besonders H. Cohen mit seiner Entgegensetzung von Messianismus und Eschatologie an die christliche Theologietradition richtete.127 2. Aufhebung des eschatologischen Dilemmas. Gerade die zuletzt genannte Frage nach der sinnenfälligen Wirklichkeit von Eschatologie stellt sich freilich gänzlich anders, wenn auch der Umgang mit Schleiermachers Dilemma ein anderer ist. Das ist der Fall in derjenigen Eschatologietradition, die gerade vor dem Hintergrund Schleiermachers Eschatologie als theologisches Lehrstück ausführen und so das Dilemma ihrer Partikularität aufheben möchte. Denn anstatt dieses Dilemma im Grunde zu bejahen, seine Geltung aber partikular zu begrenzen, ist es auch möglich, ihm einen universellen Geltungsanspruch zu attestieren, diesen aber von Grund auf zu bestreiten. Schon diese Überlegungen zeigen, daß solch kritische Rezeption Schleiermachers sich mit dem Schema von Partikularität und Universalität auseinandersetzen muß. In der Tat stecken in diesem Schema mehrere Themen, die für eine christliche Eschatologie im Gespräch mit dem Judentum wichtig sind. a) Das Problem des Zeitverständnisses. Wie der vorige Abschnitt zeig128 te, wohnt dem eschatologischen Konzept von Partikularität und Universalität bereits die Vorstellung inne, daß die religiöse Zukunftshoffnung immer weitere Geltungsbereiche erfaßt, die undialektisch aufeinander folgen. Zwar lassen sie sich als einzelne Grade oder Stufen voneinander unterscheiden, liegen aber doch in einem Nacheinander, das als ganzes linear ist. Dieses Problem des bloßen Nacheinander ist aber ja nichts anderes als die Frage des Zeitverständnisses,129 und tatsächlich war zu beobachten, daß gerade in der Frage universeller Geltung der Eschatologie, also ihrer weltund menschheitsgeschichtlichen Dimension, das Verständnis der Zeit den für die Wahrnehmung des Judentums neuralgischen Punkt ausmacht: M. Buber richtete seine Warnung vor einer Zäsur in Zeit und Geschichte 1933 ja gerade gegen K.L. Schmidts Ansinnen, dem aufkommenden theo126 S. Kap. IV.3, hier S. 186–188. 127 S. Kap. I.3, hier S. 32–34. 128 S. Kap. II.2.2 mit Exkurs 1 (S. 64ff.). 129 Vgl. in Kants „Kritik der reinen Vernunft“ den § 5 in der Transzendentalen Ästhetik.

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logischen Antijudaismus durch Beanspruchung einer auch weltgeschichtlichen Zentralstellung des Christusereignisses zu begegnen;130 und genau dieses Zeitverständnis liegt auch hinter dem Konzept von Partikularität und Universalität, wenn es eine lineare Folge annimmt, in der dennoch verschieden weite Geltungsbereiche unterschieden werden können und dabei das Christentum als universell beansprucht wird. Christliche Eschatologie muß also gerade, wenn sie in Auseinandersetzung mit Schleiermacher als Lehre möglich sein soll, ihr Zeitverständnis überdenken. b) Das Problem der Verheißung. Ist aber das Zeitproblem Kern des Schemas von Partikularität und Universalität, so ist damit zugleich eine andere Frage gestellt, die sich ebenfalls diesem Wahrnehmungsschema zuordnen ließ, nämlich das Verständnis von Verheißung. Verheißung muß demzufolge131 ihrem Sachgehalt nach aus sich heraus bestimmt werden können und kann ihren Sinn nicht erst von der Erfüllung empfangen, die ihr dann zeitlich-linear zugeordnet würde. Daher auch konnte F. Rosenzweig die Neufassung des Konzepts der Verheißung mit Begriffen eines umgekehrten Zeitverständnisses ausdrücken: „So ist von der Verheißung zur Erfüllung nichts weiter verändert, der Inhalt der Verheißung und die Phasen der Erfüllung sind eins; nur hat sich das Fertige zum Anfang verkehrt.“132 Was eine eschatologische Neukonzeption von Zeit und Verheißung freilich so schwierig macht, ist, daß jede Abrogation oder auch nur Infragestellung der Zeitlogik des bloßen Nacheinander an die Grundfesten wissenschaftlichen Denkens rührt, weil auf dem Gesetz des Nacheinander auch die Logik des Kausalgesetzes aufruht und damit der Satz vom ausgeschlossenen Dritten, die allesamt zu den Grundsätzen des menschlichen Verstandes gehören.133 M.a.W. wenn versucht wird, Schleiermachers Dilemma nicht erst in seiner Geltung, sondern schon in seiner Dilemmatik aufzuheben, so ist dies ein „Auf-heben“ im doppelten Sinne: Das Dilemma soll zum einen beseitigt werden, es wird dadurch aber zum anderen hinaufgehoben auf die Ebene des Trilemmatischen, weil nun gefordert ist, in einer wissenschaftlich verantwortbaren Weise das Dilemma zugleich mit seiner Überwindung zu denken, also eine solche Überwindung zu denken, welche die Pole, zwischen denen das Dilemma oszilliert, nicht auslöscht.134 So erscheint die Aufhebung des Dilemmas ungleich komplexer als seine Umsetzung. 130 S. Kap. I.3, hier S. 37–40. 131 S. Kap. II.2.1 (S. 63f.). 132 ROSENZWEIG [1921] (1988) 124. 133 Vgl. den einschlägigen Abschnitt bei KANT (1787) B 189–287. 134 Ein freilich nicht immer nachvollziehbares Beispiel bot die Eschatologie von A. Althaus (s. S. 72 Anm. 114).

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Dieser Unterschied beider Traditionen schlägt sich auch in der Stellung zum Judentum nieder, denn in einem eschatologisch „neuen Denken“ über die Logik der Binarität hinaus wäre auch das Verhältnis von Christentum und Judentum nicht herakleisch zugunsten des einen oder des anderen zu entscheiden – und sei es in der Überbietung des Partikularen durch das Universelle –; vielmehr ergab sich für den erwähnten F. Rosenzweig ein dialogisches Verhältnis beider in jeweiliger Bezogenheit auf den Gottesnamen als dritte Größe.135 Ein anderes Beispiel: In neuerer Zeit hat S. Talmon im Verhältnis von Partikularem und Universellem die kategoriale Unterscheidung von Gegebenheiten von Zielvorstellungen unternommen, so daß Christentum und Judentum beide als partikulare Gegebenheiten erscheinen, die beide Universalismen als Zielvorstellungen hegen können, so daß gerade im Beieinander solcher (und ggf. noch anderer) partikularen Religionsgestalten Universalität besteht.136 Ein derartiges Konzept ist auf eine „dritte Größe“ im Sinne Rosenzweigs nicht angewiesen; genauer: es läßt deren Systemstelle leer, weil das nichtidentische und nichtkonvertible Nebeneinander zweier Religionsgestalten hier nicht in sich als Problem aufgefaßt wird. Das Konzept zielt somit nicht auf die biblische Vorstellung eines Gottesvolkes aus Juden und Heiden, sondern auf das Nebeneinander, die friedliche Koexistenz von Christentum und Judentum. 3. Schleiermacher als theologiegeschichtliche Weichenstellung. Es scheint nach den bisherigen Überlegungen, daß die Eschatologie unseres Untersuchungszeitraumes durch die Art und Weise, wie sie mit Schleiermachers Problemstellung umgeht, sehr grundsätzlich unterschiedliche Wege einschlagen kann, besonders auch mit Blick auf die Wahrnehmung des Judentums. Ertragreicher für das problemgeschichtliche Interesse dieser Untersuchung dürfte dabei diejenige Rezeption Schleiermachers sein, die sein Dilemma aufzuheben sucht, weil sie damit gegen sein Verdikt der Nichtlehrbarkeit Eschatologie als Lehre auszuführen bestrebt ist und so allererst Eschatologiegeschichte schreibt. E. Brunners vielzitiertes Dictum, daß mit Schleiermacher das „eschatologische Loch“ in der evangelischen Tradition aufgerissen wurde, dürfte dagegen vornehmlich für die Tradition gelten, die Schleiermachers Problembeschreibung in ihrer Theologie umsetzt. Diese Tradition berücksichtige ich daher im folgenden zwar durchgehend, jedoch nur exkursorisch. Im Mittelpunkt stehen diejenigen Quellen, die sich kritisch mit Schleiermacher auseinandersetzen und die zu einem großen Teil in 135 S. Kap. I.3, hier S. 34–37. 136 TALMON (1976) 166 spricht von einer „‚Gemeinschaft der Gemeinschaften‘“; daß letztere partikular sind, ist für ihn eine „universale empirische Tatsache“ (a.a.O. 161).

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der bisherigen Eschatologiegeschichtsschreibung nur wenig oder gar nicht berücksichtigt worden sind. Dies gilt nicht zuletzt für denjenigen Theoriekomplex, der hier im direkten Anschluß an Schleiermacher vorgestellt werden soll und der vielleicht die entschiedenste und am größten angelegte Anstrengung bildet, seiner Eschatologiekritik zu begegnen: die Heilsgeschichtliche Theologie.

III. Die chiliastische Eschatologie der Heilsgeschichtlichen Theologie

Es ist stets ein zwiespältiges Unterfangen, theologische Autoren zu Schulrichtungen zusammenzufassen. Die beiden eschatologiegeschichtlichen Exkurse des vorigen Kapitels gaben davon eine Probe, denn während man einerseits fraglos unter den Schülern Hegels einen sachlichen und persönlichen Zusammenhang feststellen kann, bleibt andererseits der Sammelbegriff einer Vermittlungstheologie in beiderlei Hinsicht eher unscharf, so daß die nachgehende Theologiegeschichtsschreibung genötigt ist, genau zu bestimmen, was mit dem ordnenden Oberbegriff gemeint sein soll. Dieses Problem wiegt nicht allein dann schwer, wenn, wie so oft, die vermeintlichen Schulbezeichnungen historisch ursprünglich Fremdzuschreibungen und als solche nicht selten Spottnamen sind. Vielmehr ist im Fall des vorliegenden Kapitels der Begriff der Heilsgeschichte zwar anscheinend eindeutig als terminologische Prägung desjenigen Autors zu identifizieren, der zugleich als Schulhaupt der hier zu besprechenden theologischen Richtung gilt: Der Erlanger Theologe J.C.K. v. Hofmann spricht 1841 von einer „Heilsgeschichte“.1 Dennoch ist der Terminus schon bei ihm nicht streng definiert und in seiner theologiegeschichtlichen Verwendung seither mindestens mehrdeutig.2 Zugleich wird darauf hingewiesen, daß die originelle Gestalt v. Hofmanns wenig geneigt war, Schule zu machen.3 Auch hier ist daher nur mit Vorbehalt von einer Schule zu sprechen. Ein naheliegender und der in diesem Falle übliche Ausweg aus dem Problem wäre, die Bindung des Schulzusammenhangs an bestimmte Personen zu lockern und sie stattdessen an eine Definition der Sache zu knüpfen, die dann infolge der historischen Entkoppelung zwar nicht von den schulbildenden Autoren selbst, sondern vom späteren Interpreten stammen müßte, dafür aber von theologiegeschichtlich umfassenderer Synthetisierungskraft wäre. In unserem Beispiel wird dann oft an der Stelle v. Hofmanns die Rekapitulationslehre des altkirchlichen Irenäus von Lyon zum Schulhaupt der Heilsgeschichtlichen Theologie.4 1 GREIG (1975/76) 118 nennt V. HOFMANN (1841/44) I,8 als ältesten Beleg. 2 Drei typische Verstehensweisen unterscheidet MILDENBERGER (2000) 1585f. 3 So BACHMANN (1910a) 945. 4 Dieses Verfahren befolgen STADELMANN (1986) 35–37; EISSLER (1999) 151f. Skeptisch bezüglich der Behauptung einer irenäischen Heilsgeschichte ist dagegen STECK (1959) 10. Die klas-

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Das vorliegende Kapitel befolgt eine andere Vorgehensweise, indem zunächst v. Hofmann als Begründer eines problemgeschichtlichen Zusammenhangs analysiert und dieser dann bei benachbarten Autoren weiter verfolgt wird.

1. Analyse Möglich ist diese Vorgehensweise, weil es im Umfeld v. Hofmanns gerade mit Blick auf die Eschatologie Autoren wiederzuentdecken gibt, deren Analyse eine schärfere Konturierung der damaligen Diskussionslage erlaubt. 1.1. Person und Natur als eschatologische Grundbegriffe 1. v. Hofmann als Paradigma Heilsgeschichtlicher Theologie. JOHANN CHRISTIAN KONRAD V. HOFMANN hat keine Monographie zur Eschatologie verfaßt. Sein literarisches Schaffen ist vor allem in drei Hauptwerken dokumentiert, die jeweils knappe Erwägungen systematischen Charakters voranstellen und diesen dann ungleich umfangreichere biblische Exegesen als Begründung folgen lassen. Dieser Tatbestand führte K. Barth zu der Einsicht, v. Hofmann sei eigentlich in erster Linie als Schrifttheologe zu verstehen.5 Doch der Bezug auf die Bibel ist in den drei Hauptwerken ein je anderer: In seinem Jugendwerk „Weissagung und Erfüllung“ (1841/44) sieht v. Hofmann in der Bibel eine Geschichte von Verheißung und Erfüllung, während sie in seinem bekanntesten Hauptwerk „Der Schriftbeweis“ (11852/55; 21857/60) als Spiegel der Wiedergeburtserfahrung thematisch ist. Im unvollendet gebliebenen Alterswerk „Die Heilige Schrift“ (1862/78) schließlich ruht das ganze Interesse an der Bibel auf ihrer Auffassung als des unverzichtbaren „bleibenden Denkmals“ der Kirchengründung.6 Angesische Darstellung der Heilsgeschichtlichen Theologie durch WETH (1931) beschränkt sich auf die drei Hauptvertreter im 19. Jh. und begnügt sich ansonsten mit einer Erhebung ihrer unmittelbaren traditionsgeschichtlichen Quellen. 5 BARTH (1947) 557; näher ausgeführt von Barths Schüler HÜBNER (1956), der v. Hofmanns Interesse an der Schrift freilich immer wieder von demjenigen an der Wiedergeburtserfahrung überlagert sieht (a.a.O. 16.22.33.63), wie auch STECK (1959) 32f. u.ö. in einer ebenfalls unter Barths Ägide (und Herausgeberschaft) entstandenen Studie von v. Hofmann stärkere Orientierung am „Wort“ fordert. 6 Für V. HOFMANN (1841/44) ist dies aus der Dreiteilung des exegetischen Corpus in alttestamentliche Weissagung, neutestamentliche Erfüllung und Weissagung ohne weiteres ersichtlich;

III. Die chiliastische Eschatologie der Heilsgeschichtlichen Theologie

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sichts dieser drei Zeugen theologischer Wahrheit – biblische Geschichte, persönliche Wiedergeburtserfahrung, kirchliches Bekenntnis – greift die Frage zu kurz, ob ein Beweis der Wiedergeburt aus der Bibel oder auch umgekehrt möglich sei.7 v. Hofmann geht es seinem wissenschaftlichen Anspruch nach weniger um den Beweis dessen, daß die Wiedergeburtserfahrung oder die Bibel „stimmt“, als um den Aufweis, daß persönliche Wiedergeburt, biblische Geschichte und kirchliches Bekenntnis übereinstimmen.8 Er selbst betont in seinen Hauptwerken, daß er jeweils nur einen Aspekt der Beweisführung behandelt; folglich darf auch der herausgehobenste dieser Aspekte, der Gedanke der Wiedergeburt im „Schriftbeweis“, nicht als Schlüssel zu seiner Heilsgeschichtlichen Theologie verabsolutiert9 werden. Dies gilt auch für die vielzitierte Selbstanzeige des Jugendwerkes, in der v. Hofmann „nur zwei Wege, welche einer selbständigen Wissenschaft würdig sind“, sieht, nämlich den persönlichen von der Wiedergeburtserfahrung aus und den geschichtlichen. Der Akzent liegt in diesem Text gerade darauf, die Grenzen des eigenen Buches aufzuzeigen, wenn v. Hofmann fortfährt: „Es war der zweite von diesen Wegen, welchen ich versuchsweise zu gehen hatte.“10 Damit ist der andere Weg ja gerade nicht ausgeschlossen – und ein dritter Weg mit Blick auf das spätere Hauptwerk ebenso wenig. Dort heißt es nach der Vorstellung der drei möglichen Beweisgänge: „Doch wir haben es jetzt lediglich mit dem Schriftbeweise zu thun.“11 Man wird daher die frühe Einschränkung auf zwei Wege zu korriDERS.

(1857/60) zeigt den Zusammenhang zur Wiedergeburtserfahrung in der Zuordnung von Lehrganzem und Durchführung des Schriftbeweises. Die bei DERS. (1862/78) zugrundeliegende ekklesiologische Auffassung der Bibel entspricht schon seinem sechsten Lehrstück (Zitat DERS. [1857/60] I,50 [Lehrstück VI,4]) und ist ein Spezifikum v. Hofmanns. 7 Diese Frage prägt die Beschäftigung der Barthschule (s. S. 80 Anm. 5) mit v. Hofmann. Diese ganze Frage nach einem wissenschaftlichen Ansatz bei der individuellen Erfahrung ist eher diejenige der im engeren Sinne sog. Erlanger Theologie, also v.a. F.H.R. v. Franks, der hier viel stärker als v. Hofmann auf Schleiermacher zurückgreift. Will man daher auch v. Hofmann in dieser Linie eines objektiven Subjektivismus sehen, muß man seine Differenz zu Schleiermacher entweder bestreiten (so schon F.A. Philippi, der beiden Subjektivismus vorhielt: vgl. BACHMANN [1910] 32) oder dahin variieren, daß Schleiermacher im Subjektivismus befangen bleibe, den erst v. Hofmann überwinde (STEFFEN [1910] 33; WAPLER [1914] 91f.). 8 V. HOFMANN (1857/60) I,29: „Es muß aber das Thatsächliche, welches wir bewiesen sehen wollen, um wirklich von der Schrift bezeugt zu sein, in Schrift und System auch wirklich dasselbe und gleiche sein.“ Vgl. SWARAT (1986) 231 und a.a.O. 217 zur entsprechenden Dreiheit von v. Hofmanns Werk. 9 So nimmt MILDENBERGER (1986) 478 an, daß v. Hofmann sich damit gegen historische Kritik „immunisiert“. 10 Zitate V. HOFMANN [1844] (1910) 2.3. 11 DERS. (1857/60) I,24. Vgl. DERS. (1862/78) I,52: „Nur einen Theil der hier beschriebenen Arbeit unternehme ich jetzt zu thun.“

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gieren haben nach der späteren Dreiheit, zumal sie nur im Interesse dessen geschieht, daß auf jedem einzelnen der Wege dasselbe Ergebnis erzielt wird: „Freilich müssen, wo es recht hergeht, Schrift und Kirche uns ganz das Gleiche bieten, was wir aus uns selbst erheben.“12 Die analytische Aufgabe, die v. Hofmanns Werk stellt, besteht also weniger in der Prüfung der Beweisgründe für das Phänomen der Wiedergeburt; vielmehr ist zu fragen, wie sich die Übereinstimmung und Korrelation der drei Aspekte der Theologie auf den Begriff bringen läßt. Ein solcher Begriff wäre der tragende axiomatische Grund, auf dem v. Hofmanns Theologie aufbaut und hinter den sie nicht zurückgehen kann.13 Im folgenden sollen daher zunächst (a–b) v. Hofmanns vollendete Hauptwerke auf eine solche tragende Begrifflichkeit hin untersucht werden. Dazu wird sich die Analyse an v. Hofmanns eigene Begrifflichkeit anlehnen. Das so ermittelte Ergebnis kann dann selbst analysiert werden (c). a) „Weissagung und Erfüllung“. v. Hofmanns Jugendwerk behandelt nach sieben kurzen Grundlegungskapiteln in drei Kapiteln mit mehreren Unterabschnitten zunächst die alttestamentliche Weissagung (Kap. VIII.1– 12), dann die neutestamentliche Erfüllung (Kap. IX.1–10) und schließlich die neutestamentliche Weissagung (Kap. X.1–4). Schon durch diesen Aufriß positioniert sich das Werk in der zeitgenössischen Diskussion, denn die durch Schleiermachers Wirkung herrschend gewordene theologische Richtung bestritt die Möglichkeit einer neutestamentlichen Weissagung über das Auftreten Christi hinaus.14 Dagegen versteht v. Hofmann die ganze Geschichte als Stufengang von Weissagung und Erfüllung. Schon dadurch gibt sich sein theologisches Interesse an der „Geschichte“ zu erkennen, das im folgenden noch genauer untersucht werden muß.15 Daß ihm die Geschichte in der Abfolge von Weissagung, Erfüllung und neuer Weissagung als organisches Ganzes gilt, ist als ideengeschichtliche Ableitung von Bedeutung,16 erklärt aber innerhalb seines systematischen Konzepts noch nicht, wie es zum Gedanken ei12 DERS. (1857/60) I,11. 13 Zu diesem Verständnis von Axiomatik vgl. SAUTER (1998a) 267–278. 14 Grundsätzlich SCHLEIERMACHER [1830/31] (1960) II,113 (§ 103,3). 15 So sehen sowohl PROCKSCH (1910) 1034 als auch WAPLER (1914) 238 v. Hofmanns dogmengeschichtliche Bedeutung in seiner Theologie der Geschichte, freilich in je anderer Akzentsetzung: PROCKSCH a.a.O. betont den eschatologischen Aspekt in v. Hofmanns Geschichtsverständnis, WAPLER a.a.O. sieht das Geschichtsinteresse geradlinig in die Erlanger Theologie münden. 16 Das organologische Denken der Heilsgeschichtlichen Theologie hebt in kritischer Diktion v.a. ALTHAUS (1922) 73 hervor; DERS. (1926) 89f. (noch nicht DERS. [1924/25] 610f.!) leitet es vom Idealismus ab; revidiert dies aber später (DERS. [1949] 260 mit Anm. 3) unter dem Eindruck von WETH (1931) 57.

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ner neutestamentlichen Weissagung kommt. Im Gegenteil läßt das Konzept eines sich organisch entwickelnden Prozesses den Akzent eher auf dem die Entwicklung bereits in nuce enthaltenden Anfang erwarten oder, wenn auf seinem Ende, dann als auf dem prozeßhaften Vollzug, der damit zum Ziel kommt17 – aber nicht auf einem offenen Ende, wie es in v. Hofmanns Proprium einer neutestamentlichen Weissagung der Fall ist. Zum Verständnis seiner Argumentation scheint es daher wichtiger, sein systematisches Interesse an der Eschatologie zu betonen,18 wie denn für v. Hofmann typischerweise das „Maß“, „mit welchem alle geschichtlichen Erscheinungen zu messen sind“, „im Ergebnisse der Geschichte“, in ihrem „Endergebnisse“ liegt.19 Die organische Ganzheit der Geschichte ist für v. Hofmann also erst eschatologisch begründet, und wegen dieses Vorbehaltes endet sein Buch thematisch nicht mit Erfüllung, sondern mit Weissagung. So erklärt v. Hofmanns Interesse an der Eschatologie zwar die auffällige Stellung des letzten Kapitels von „Weissagung und Erfüllung“. Doch für sich betrachtet erhellt es noch nicht die des vorletzten, der neutestamentlichen Erfüllung. Das Problem besteht darin, daß diese zwar Erfüllung alttestamentlicher Weissagung ist, dennoch deckt sich das, was v. Hofmann als Erfüllung anführt, sachlich nicht mit dem, was im Kapitel davor als Weissagung thematisiert wurde, wie schon ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis zeigt. Das Mißverhältnis beruht nicht, wie man aufgrund der abweichenden Zahl der Unterabschnitte annehmen könnte, darauf, daß Teile alttestamentlicher Weissagung vom Neuen Testament erfüllt wurden und andere noch als neutestamentliche Weissagung zur Erfüllung „ausstehen“. Diese Annahme einer stetig sprudelnden, ursprünglichen Verheißungsquelle könnte nicht die Stufung erklären, die v. Hofmann mit der klaren Aufteilung in drei Kapitel Weissagung – Erfüllung – Weissagung vornimmt. Hierfür ist vielmehr eine strukturierende Begrifflichkeit vorausgesetzt, die im folgenden ermittelt werden soll. – Mit diesen bloß am Aufriß von v. Hofmanns Buch orientierten Überlegungen sind bereits die Fragen aufgeworfen, auf welche nun die begriffliche Analyse eine Antwort geben muß. In seinen grundlegenden Kapiteln will v. Hofmann die zeitgenössische Differenzierung zwischen Weissagung und Vorhersagung, diese auf Einzelereignisse, jene auf einen Gesamtsinn zielend, überwinden. Weissagung sagt ihm zufolge aus, was die gegenwärtige geschichtliche Situation „an 17 Diese Akzente liegen nahe, wenn man v. Hofmann in idealistischer bzw. hegelianischer Ableitung versteht. 18 So besonders PROCKSCH (1910) 1034. 19 Zitate V. HOFMANN (1841/44) I,33.

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Zukunft in sich trägt“; sie verbindet so Einzel- und Gesamtsinn, sie erfüllt sich in einzelnen Geschichtsdaten und erreicht doch in keinem davon den Gesamtsinn.20 Denkbar ist dieses Zugleich von Erfüllen und Nichterfüllen, weil die Weissagung der Erfüllung retrospektiv zugeordnet werden kann; dann läßt erst die Erfüllung die Weissagung als solche erkennen, weil sie erst von dort aus in ihrer Gewißheit erkannt wird.21 Daraus folgert v. Hofmann für die Weissagung, daß sie nur durch Inspiration erfaßt werden kann, als Wirkung des Geistes Gottes, der auf die Seele des Weissagenden durch leibliche Vermittlung aus dem Bereich der Natur, d.h. durch Naturwunder, einwirkt und ihn das Ende der Geschichte, die volle Gemeinschaft der Menschheit mit Gott, vorweg erkennen läßt im Leben des Menschen Jesus Christus.22 Dies ist das systematische Grundgerüst für v. Hofmanns Darlegungen zu „Weissagung und Erfüllung“. Zur Verdeutlichung ist in historischer Sicht zu betonen, daß dieses Verständnis ideengeschichtlich vom romantischen Konzept der Weissagung als seelenkundlich bestimmbarer Einfühlung oder Ahnung scharf unterschieden ist. Der weissagende Prophet erkennt das Ende der Geschichte nicht deshalb vorweg, weil er als religiöser Virtuose mit besonders geniehaftem Geist ausgestattet wäre; gegen solche Vorstellungen unterstreicht v. Hofmann vielmehr, daß Geist nie eine anthropologische, sondern immer eine pneumatologische Größe sei.23 Deswegen beharrt er auf einer nur zweigliedrigen Anthropologie: Der Mensch ist Seele und ist Leib. Er steht in einem Gottes- sowie einem Naturverhältnis. Die Seele verbindet ihn mit allen Menschen, sie macht seine Persönlichkeit aus. Der Leib macht ihn zu unverwechselbar diesem Menschen, er macht seine Natürlichkeit aus.24 In der Seele vollzieht sich das Verhältnis des Menschen zu Gott, im Leibe das zu der umgebenden Natur. Inspiration als Wirkung des Gei20 Zitat a.a.O. I,8. Vgl. a.a.O. I,7 zur Alternative von „Weissagung als Ganzes“ und „einzelnen Weissagungen“. 21 Vgl. a.a.O. I,15; dort auch der Umkehrschluß, daß die Erfüllung schon in der Weissagung enthalten sei. 22 A.a.O. I,27 bestimmt v. Hofmann Inspiration als „Geisteswirkung auf den Menschen in der Unfreiheit seiner individuellen Natur“ und schreibt a.a.O. I,33f.: „In diesem heiligen und seligen Menschen [sc. Jesus] ist die Geschichte, welche zwischen Gott und Menschen geschieht, zu einem vorläufigen Abschlusse gekommen, dessen wir durch das Zeugniß des Geistes Gottes [sc. durch Inspiration] untrüglich gewiß werden.“ 23 A.a.O. I,21. 24 Zu Seele und Leib vgl. a.a.O. I,19f. und a.a.O. I,24: „In der Seele treffen die Einwirkungen, welche des Menschen Leiblichkeit erfährt, mit der Selbstbezeugung des Geistes zusammen.“ Und wenig später ebd.: „Jene innerliche Selbstbezeugung des Geistes gilt der Person, der persönlichen Menschenseele: diese Einwirkung auf Wegen der Leiblichkeit gilt der so oder anders gearteten Natur, der Individualität.“

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stes Gottes auf die Seele ist darum einfach ein persönliches Gottesverhältnis, das sich über das Naturverhältnis vermittelt. Hier wird der Unterschied zu einer romantischen Psychologie der Weissagung erneut greifbar: Was ihr zufolge die Weissagung auszeichnet, ist ihr Ausnahmecharakter, das Wunderhafte. Wenn auch v. Hofmann Inspiration als Naturwunder beschreibt, dann unbeschadet ihres Ausnahmecharakters als vermittelnden Behelf in der soeben gezeigten Verhältnisbestimmung des Natürlichen zum Persönlichen. Jesus nun steht als natürlicher Mensch in wahrhafter persönlicher Gottesgemeinschaft, d.h. in ihm ist die Natur nicht mehr bloß Behelf der Person, sondern bildet mit ihr eine Einheit, und deswegen ist es diese Einheit von Person und Natur, welche die Inspiration als das Ende der Geschichte vorwegerkennt. Das in der Weissagung vorwegerkannte Ende der Geschichte ist also Jesus Christus, und weil es vorwegerkanntes Ende ist, richtet sich die Weissagung auf die zukünftige Parusie Christi.25 Was die Inspiration in Jesus Christus vorwegerkennt, ist somit, auf den Begriff gebracht, die Einheit von Person und Natur, wie sie in der Parusie Christi besteht, und deswegen das Ende der Geschichte. Der Mensch kann ein persönliches Verhältnis zu Gott nur vermittelt über die Natur erlangen, Jesus besitzt ein persönliches Gottesverhältnis auch ungeachtet der Natur, und die eschatologische Verheißung fügt beide Seiten zusammen. Mit Hilfe der Begrifflichkeit von Person und Natur läßt sich nun das o.g. Problem der Dreiteilung in der ausgeführten Darstellung von „Weissagung und Erfüllung“ präzise erklären: Das Alte Testament, an dessen Eingang das Gottesverhältnis in seiner Zerstörung durch die Sünde gezeigt wird, kennt eine Weissagung persönlichen Gottesbezugs nur unter Vermittlung über die Natur (Kap. VIII). Im Neuen Testament bringt Jesus Christus dagegen ein solches erfülltes Gottesverhältnis unmittelbar, auf der Ebene der Person, zur 25 A.a.O. I,40: „Sonach haben wir an der Selbstdarstellung Christi in der Welt zugleich Geschichte und Weissagung: Geschichte, nämlich immer fortschreitende Gestaltung der Gemeinschaft von Gott und Mensch; Weissagung, nämlich immer bestimmtere Hinweisung auf die endliche [letztliche] Gestalt der Gemeinschaft von Gott und Mensch.“ A.a.O. I,38: „Nachdem wir nun durch Wirkung des Geistes Gottes und Jesu Christi in persönlicher, doch nicht in natürlicher Lebensgemeinschaft mit Gott unserm Vater stehen: haben wir uns […] zu überzeugen, daß durch jene persönliche Gottesgemeinschaft die Natur aus ihrer Gebundenheit befreit und verklärt werde, demnach von der Nothwendigkeit einer zweiten That Gottes in Christo“. Diese Tat, die Parusie, bedeutet auch für Jesus die Verklärung der Natur: „Hieraus folgt, daß Jesus da überall, wo er sein Verhältniß zu Gott denen kund zu thun hatte, mit welchen er in einer durch seine Geburt bedingten Naturgemeinschaft stand, der Inspiration so bedürftig als fähig war“ (a.a.O. I,57) und weiter a.a.O. I,59: „Wir […] geben nicht zu, daß seine Erscheinung im Fleische die völlige Offenbarung Gottes heiße“.

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Anschauung (Kap. IX) und weissagt damit die Erfüllung auch der vermittelnden, natürlichen Seite, er weissagt also die Einheit von Person und Natur (Kap. X).26 Mit diesem begrifflichen Gespann von Person und Natur ist die systematische Grundlegung von v. Hofmanns Jugendschrift beschrieben; dieses Doppelkonzept organisiert die Geschichte als ein Ganzes. Es strukturiert die gesamte Geschichte vom Ende her, wie es v. Hofmann grundsätzlich gefordert hat: zunächst Weissagung auf dem Gebiet der Natur, dann Erfüllung auf dem Gebiet der Person, zuletzt Weissagung beider. Somit wird auch die Bedeutung der Eschatologie durch die Korrelation von Person und Natur verständlich; denn Dreh- und Angelpunkt der Eschatologie, die Parusie Christi, ist die Einheit von Person und Natur, so daß mit Recht gesagt wurde, die Heilsgeschichtliche Theologie kenne eigentlich „nur eine Grundweissagung“, eben die Parusie Christi. Zugleich erweist sich mit dieser Konzentration auf die Parusie Christi der andere Satz als treffend: „Gerade als Eschatologen sind alle Heilsgeschichtler christozentrisch.“ Man wird daher mit dem Konzept von Person und Natur die systematisch tragende Begrifflichkeit in v. Hofmanns Werk vor sich haben.27 – Mit diesen Ergebnissen ist nun v. Hofmanns zweites Hauptwerk zu vergleichen. b) „Der Schriftbeweis“. „Was soll bewiesen werden“ im „Schriftbeweis“? Die Frage, mit der v. Hofmanns Argumentation in seinem wichtigsten Werk einsetzt,28 ist keineswegs bloß rhetorisch. Zwar bezieht sich der drei Bände füllende Beweisgang offensichtlich auf das „Lehrganze“, das v. Hofmann auf zwanzig Seiten voranstellt. Doch noch davor betont der Autor in seinen Überlegungen zu „Wesen und Gesetz des Schriftbeweises“, daß das Christentum keine abstrakte Lehre, sondern ein geschichtlicher „Thatbestand“29 ist, der dem Christen in seiner Wiedergeburtserfahrung zueigen ist oder den er sich aus dem kirchlichen Bekenntnis ange-eignet hat. Dieser Tatbestand stellt durch Christi Vermittlung den Christen in ein 26 A.a.O. I,61: „Von der Natur erwartet der Mensch des alten Testaments das Heil seiner Persönlichkeit; der des neuen hat in seiner Persönlichkeit das Heil für seine Natur.“ 27 Diese Bedeutung der Begriffe Person und Natur für v. Hofmanns eschatologisch orientiertes Geschichtsverständnis hat am deutlichsten WETH (1931) 87 hervorgehoben, von dem auch die Zitate stammen (a.a.O. 58.156). PROCKSCH (1910) 1034 geht bei seiner Betonung des eschatologischen Aspekts gar nicht auf Person und Natur ein, während HÜBNER (1956) 108ff. und BEHR (1995) 76ff. die Termini hervorheben, aber abgelöst vom Geschichtskonzept betrachten. 28 Zitat V. HOFMANN (1857/60) I,5. Ich zitiere das Werk grundsätzlich nach seiner Letztgestalt in der Zweitauflage. Obwohl sie v. Hofmann als Neuschrift erschien (WAPLER [1914] 259), bestätigt sie doch die Erstauflage. Deren Veränderungen berühren neben der Versöhnungslehre am ehesten die alttestamentliche Geschichte. 29 Zitate V. HOFMANN (1857/60) I,1.7.

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persönliches Verhältnis zu Gott.30 So kommt v. Hofmann zu dem berühmten Satz, daß „ich der Christ mir dem Theologen eigenster Stoff meiner Wissenschaft bin“.31 Nimmt man beides zusammen, so ergibt sich, daß v. Hofmann weder die Lehre noch die Wiedergeburt als solche beweisen will, sondern den sachlichen Lehrgehalt der tatsächlichen Wiedergeburt, wozu dann freilich über das geschichtlich erfahrbare Faktum der Wiedergeburt hinaus auch Dinge gehören, die ewiger Art sind. Solche ewigen Tatbestände berücksichtigt v. Hofmann im Schriftbeweis,32 sofern sie sich als Voraussetzungen des Lehrganzen im Rückschluß aus der Tatsache der Wiedergeburt erheben lassen. Daraus folgt die für das Beweisverfahren wichtige Unterscheidung zwischen geschichtlichen und ewigen Beweisgegenständen. Wenn nämlich v. Hofmann bei der Durchführung seines Beweises mitunter feststellt, daß die Bibel zu bestimmten Themen „keine Lehre“ enthalte, so heißt dies nicht, daß der fragliche Topos unzutreffend sei, sondern kann im Gegenteil besagen, daß er einen ewigen Sachverhalt darstellt, der in der geschichtlichen Wiedergeburt impliziert ist und darum vorausgesetzt werden kann, ohne eigens expliziert werden zu müssen.33 Die Unterscheidung von geschichtlichen und ewigen Sachverhalten tritt nun sogleich in v. Hofmanns Lehrganzem auf den Plan, denn es beginnt im ersten Lehrstück mit der ewigen Voraussetzung des Christentums, d.h. traditionell gesprochen: der (immanenten) Trinitätslehre.34 Darauf folgt im zweiten Lehrstück die Schöpfung, im dritten der Sündenfall, im vierten die alttestamentliche Geschichte, im fünften die Christologie, im sechsten die Skriptologie als Lehre vom Neuen Testament, im siebten die Ekklesiologie als Lehre von den Sakramenten und von den Ständen und Institutionen und im achten die Eschatologie. Man erkennt in dieser Anordnung, die hier überblickshalber in den von v. Hofmann gemiedenen traditionellen Termini rekonstruiert wurde, die Lokalmethode eines J. Gerhard wieder. Heute wird sie meist als heilsgeschichtliche Gliederung bezeichnet,35 unter indirekter 30 A.a.O. I,8: „das Christenthum ist die in Jesu Christo vermittelte persönliche Gemeinschaft Gottes und der Menschheit“. 31 A.a.O. I,10. 32 A.a.O. I,31: „Es gehört zur Lauterkeit derselben [sc. Beweisführung], daß man Vorausgesetztes und eigens Ausgesagtes in dem Verhältnisse belasse, in welchem die Schrift es bietet“. 33 So z.B. mit der zitierten Formulierung (im Inhaltsverzeichnis) für Jesu Sündlosigkeit und völlige Menschheit (a.a.O. II/1,31.40). Dieselbe Formulierung deutet a.a.O. II/2,462 aber für den Zwischenzustand eher an, daß er ein offenes Problem sei; und a.a.O. II/1,473 legt sie Ablehnung der fraglichen Lehre (hier der Höllenfahrt) nahe. 34 A.a.O. I,61: „ewige Voraussetzung“. Zu den folgenden Überblicksangaben vgl. die Inhaltsverzeichnisse a.a.O. 35 So HÄRLE (1995) 42, der davon grundsätzlich die trinitarische Gliederung unterscheidet.

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Berufung auf v. Hofmann, der den Begriff der Heilsgeschichte ja geprägt hat.36 Ob diese Berufung zu Recht geschieht, ist freilich zu klären; schließlich weisen einige Autoren darauf hin, daß v. Hofmanns dogmatisches System wesentlich trinitarisch strukturiert sei.37 Beide Momente lassen sich jedoch verbinden, wenn man die Trinität als ewige Dimension der Heilsgeschichte und die Heilsgeschichte als geschichtlichen Vollzug der Trinität begreift.38 Deswegen soll hier zur Explikation von v. Hofmanns Argumentation vor allem das Verhältnis von Ewigkeit und Geschichte in Trinität und Heilsgeschichte bedacht werden. v. Hofmann argumentiert dazu (im ersten Lehrstück) so: Er begreift das in der Wiedergeburt geschichtlich erfahrbare Christentum als in Christus vermitteltes persönliches Gottesverhältnis des Christen und folgert daraus ein geschichtliches Verhältnis Gottes zu Christus. Von diesem schließt er wiederum auf ein ebensolches ewiges, innergöttliches Verhältnis. Dies besagt, daß erstens Christus, wenn er ein Gottesverhältnis vermittelt, selber in einem solchen stehen muß, und daß zweitens dieses schon bestehen muß auch unabhängig von seiner Vermittlung an Menschen, damit es ihnen überhaupt vermittelt werden kann. Die so vermittelte Liebesgemeinschaft Gottes und des Christen hat zu ihrer Voraussetzung eine Gemeinschaft Gottes und Jesu Christi, welche, da an ihr Theil haben und in persönlicher Gemeinschaft mit Gott stehen eins und dasselbe ist, indem Verhältniß Gottes zu dem Menschen Jesus, zugleich innergöttliches Verhältniß sein muß, als jenes geworden, als dieses ewig.39

Indem v. Hofmann diese Argumentation im folgenden Abschnitt desselben Lehrstücks ebenso auch auf den Geist anwendet, in welchem das ewiggeschichtliche Verhältnis von Gott und Menschheit Bestand hat, ergibt sich ihm die ewige Trinität als „ein innergöttliches Verhältniß“, das die geschichtliche Trinität geworden ist, nämlich die „Gemeinschaft Gottes und des Menschen Jesus im Geiste Beider, und als solche die geschichtliche 36 S. S. 79 Anm. 1. 37 WAPLER (1914) 211; ROHLS (1997) 683; BECKMANN (2002) 284. 38 In analogem Sinne sagt BREIDERT (1977) 164: „Diese Differenzierung in ewige und geschichtliche, immanente und ökonomische Trinität ist der Schlüssel zum Verständnis von Hofmanns System der Heilsgeschichte“. 39 So V. HOFMANN (1852/55) I,35 (Lehrstück I,3). Der Satz ist grammatikalisch allerdings unmöglich, weil dem mit „indem“ eingeleiteten Nebensatz das Prädikat fehlt. Deswegen ist „indem“ in zwei Wörtern zu schreiben, und das Komma nach „Jesus“ ist zu streichen, so daß sich ergibt: „eine Gemeinschaft Gottes und Jesu Christi, welche […] in dem Verhältniß Gottes zu dem Menschen Jesus zugleich innergöttliches Verhältniß sein muß, als jenes geworden, als dieses ewig“.

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Voraussetzung der Gemeinschaft Gottes und des Christen geworden ist“.40 Mit dieser Überlegung kann v. Hofmann argumentieren, daß die ewige Trinität geschichtliche Trinität aus sich heraus- und in Gang setzt. v. Hofmann befolgt hier in umgekehrter Richtung das Schlußverfahren von der Wiedergeburt zum geschichtlichen und dann zum ewigen gott-menschheitlichen Verhältnis, wenn er schreibt: „Aus dem, wozu es geworden, erhellt, wofür es ist.“41 Allerdings mutet diese Umkehrung wie ein naturalistischer Fehlschluß an, der das, was ist, als das ausgibt, was auch sein soll. v. Hofmann scheint hier sein argumentatives Konto zu überziehen, indem er theologisches Soll auf die Istseite bucht. Jedoch liegt der Akzent in diesem und dem vorigen Zitat auf dem Gewordensein – und damit auf dem Werden, nicht dem Ist. So sagt v. Hofmann, die ewige – traditionell: immanente – Trinität sei die geschichtliche – traditionell: ökonomische – geworden, sie ist sie nicht und ist darum auch nicht „dieselbe“ wie sie.42 Der Unterschied besteht darin, daß das gott-menschheitliche Verhältnis als innergöttliches, also als immanente Trinität, ewige Bezugspunkte verbindet, als ökonomisches dagegen geschichtliche. Folglich richtet sich das Verhältnis Gottes zur Menschheit in der ewigen Trinität auf den Menschen schlechthin, die Menschheit als solche: „Damit, daß Gott dreieinig ist, will er auch den Menschen Gottes, daß er werde.“43 In der geschichtlichen Trinität erfaßt das fragliche Verhältnis dagegen den Menschen Jesus.44 Damit ist deutlich, daß Christus nach seiner menschlichen Natur bei v. Hofmann nicht in die immanente Trinität, etwa als ihre zweite Person, gehört. Beim ausgeführten Schriftbeweis für das erste Lehrstück bestreitet v. Hofmann demgemäß nachdrücklich eine ewige Zeugung Christi und damit die Präexistenz Christi als des Menschgewordenen: „Ich finde nur ein ewiges Verhältniß Christi zu Gott ausgesagt, nicht eine ewige Zeugung aus Gott.“45 Präexistent ist nur Christi göttliches Ich; seine Menschheit ist auf seine geschichtliche Existenz be40 Zitate DERS. (1857/60) I,36 (Lehrstück I,5). 41 Ebd. 42 BREIDERT (1977) 164 verweist zu Recht auf die Bedeutung einer Habilitationsthese v. Hofmanns: „trinitas duplex est, aeterna et temporalis“. 43 V. HOFMANN (1857/60) I,36 (Lehrstück I,5). 44 A.a.O. I,36 (Lehrstück I,6). Schwerlich zu Recht behauptet daher BEHR (1995) 65, bei v. Hofmann sei „der Mensch Jesus Christus“ als „ewiger Gott“ aufgefaßt. 45 V. HOFMANN (1857/60) I,122. Zwar findet v. Hofmann für eine göttliche Selbstunterscheidung, also das innergöttliche Verhältnis, keinen Schriftbeweis, wie man ihn in der alttestamentlichen Rede von Gottes Weisheit (a.a.O. I,102) oder seinem Wort (a.a.O. I,104.116) vermutet hat. Das innergöttliche Verhältnis zählt vielmehr zu den ewigen Gegebenheiten, die nicht direkt, sondern im Rückschluß erhoben werden (a.a.O. I,90), s. S. 87 Anm. 33.

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grenzt. v. Hofmann faßt seine rückschließende Methode sowie sein Verständnis von immanenter und ökonomischer Trinität daher zusammen mit dem zentralen Gedanken des Gewordenseins: [D]ie Selbstaussage Jesu, durch seine Geschichte bestätigt, sie ist es gewesen, welche gelehrt hat, daß zwischen Gott, dem Vater Jesu Christi, und zwischen Jesus, dem Sohne Gottes, ein innergöttliches Verhältniß besteht, welches nicht geworden, sondern ewig ist, welches aber geschichtlich aus einem Verhältnisse Gottes zu Gott ein Verhältniß Gottes zu dem Menschen Jesus geworden ist.46

Dieses Gewordensein bringt v. Hofmann (im zweiten Lehrstück) auf den Begriff einer „Ungleichheit“, in die sich die ewige Trinität zur geschichtlichen begeben hat. Diese Ungleichheit besteht, wie gesehen, in der (nicht numerisch gemeinten) Differenz des Menschen schlechthin zum geschichtlichen Menschen; sie besteht darin, daß das ewige Verhältnis Gottes zur Menschheit sich als Verhältnis Gottes zu geschichtlichen Menschen vollzieht, und deswegen ist die Schöpfung des Menschen die notwendige Bedingung dieses Vollzugs.47 Die Menschheit, die ewig nur als Willensgegenstand des innergöttlichen Verhältnisses der drei göttlichen Ichpersonen aussagbar war, wird geschichtliche Realität. Damit aber geschieht etwas grundlegend Neues: Die Menschheit ist nicht mehr nur gewollt, sondern wirklich. Sie ist nicht mehr nur der Bezugspunkt des Wollens der göttlichen Ichpersonen, nicht mehr nur personal, sondern hat ihr eigenes Dasein in der geschöpflichen Welt. Menschheit als Schöpfung hat einen Gottes- und einen Weltbezug. Mit Hilfe des hier neu hinzugetretenen Moments kann auch das Verhältnis der trinitarischen Personen näher bestimmt werden, denn sie lassen sich nun auf die Welt beziehen. Dieser Weltbezug unterscheidet die geschichtliche von der ewigen Trinität, er macht die Ungleichheit beider aus: Die in sich selbst ungleich gewordene Dreieinigkeit ist es, welche mit ihrer ersten Selbstbethätigung den Anfang der geschichtlichen Verwirklichung des ewigen Gotteswillens gesetzt hat. […] Das Verhältniß Gottes des Vaters und des Menschen Jesus im Geiste Beider gestaltet sich, hieher übertragen, zum Verhältnisse Gottes des überweltlichen Schöpfers 46 A.a.O. I,173. Die Präexistenz des göttlichen Ichs Christi expliziert v. Hofmann mit den loci classici aus dem Johannesevangelium sowie mit v. Hases sog. Aerolith aus dem johanneischen Himmel (a.a.O. I,139). Die Existenz des Menschen Jesus wird dagegen, ebenso klassisch, am Philipperhymnus erläutert (a.a.O. I,149–152). Die entsprechende Erschließung der Personalität des Geistes aus dem Neuen Testament geschieht a.a.O. I,190.197. 47 Zitat a.a.O. I,37 (Lehrstück II,3).

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und Gottes des urbildlichen Weltziels in Gott dem inweltlich wirksamen Lebensgrunde. Dieses innergöttlichen Verhältnisses Abbild, weil Verwirklichung des ewigen Gotteswillens […], ist das Verhältniß zu Gott, in welches der Mensch geschaffen worden. Geschaffen nämlich einerseits als das Ich, für welches die Welt und welches für die Liebesgemeinschaft mit Gott ist, und andererseits als gleichartiger Theil der in ihm zum Abschlusse gekommenen Welt, dort als Person selbstbestimmbar, hier als Natur sich zum Mittel seiner selbst dienend, ist er das geschöpfliche Abbild Gottes des urbildlichen Weltziels.48

Solange nur die Kategorie des Personalen zur Verfügung steht, kann der geschichtliche Vollzug des ewigen innergöttlichen Verhältnisses nicht ausgedrückt werden; dies erlaubt erst der Bezug zur geschaffenen Welt, der im letzten Absatz des Zitats auf den Begriff des Naturhaften gebracht wird. Das für v. Hofmanns Systematik grundlegende Verhältnis von Ewigkeit und Geschichte, immanenter und ökonomischer Trinität läßt sich damit in den Begriffen Person und Natur ausdrücken, die sich uns als die tragende Struktur schon seines Jugendwerkes erwiesen. Damit wird auch klar, warum v. Hofmann die immanente zur ökonomischen Trinität werden sieht. Immanente Trinität ist ein reines Personenverhältnis, ökonomische Trinität aber ist Personen- und Naturverhältnis. In der Differenzierung von Person und Natur also vollzieht sich die ewige Trinität geschichtlicherweise; das Begriffspaar ist das Scharnier am Übergang vom ersten zum zweiten Lehrstück. v. Hofmann kann von dieser grundlegenden Differenzierung aus die gesamte weitere Durchführung des Lehrganzen durch die Zuordnung von Person und Natur strukturieren. So formuliert er in der Sündenlehre (im dritten Lehrstück) den Gedanken, daß der Anlaß für die Sünde im Natürlichen liegt, aber zurückwirkt auf die Person, die als sündige von einem anderen als Gottes Geist, einem dämonischen Geist also, abhängig ist.49 In einer weniger komplexen Gestalt gebraucht v. Hofmann dieselbe Regel bei der alttestamentlichen Geschichte (im vierten Lehrstück), wenn er die Daten dieser Geschichte auf den Nenner bringt, daß Gottes Geist stets zu der Menschen „leiblichen Ohren“ spricht und darin naturvermittelt auf ihre persönliche Rückwendung zu ihm hinwirkt.50 48 Die drei zitierten Absätze a.a.O. I,36f. (aus Lehrstück II,2.4.5). Der letzte Absatz steht fast identisch a.a.O. I,283f. im ausgeführten Schriftbeweis zum zweiten Lehrstück. 49 A.a.O. I,40 mit der Konsequenz einer eigenen Dämonologie (Lehrstück III). 50 Zitat a.a.O. I,573. A.a.O. I,41–45 nennt die Urgeschichte, Israels Volksgründung, Priester-, König- und Prophetenamt sowie den alttestamentlichen Kanon als Etappen dieser typologisch verstandenen Geschichte.

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Kein Teil des „Schriftbeweises“ zeigt jedoch das Profil der Verhältnisbestimmung von Person und Natur so scharf wie sein meistumstrittener, die Christologie und Soteriologie (im fünften Lehrstück). Die folgenden Überlegungen zu beiden Themen konzentrieren sich daher und in Anbetracht der reichen Erforschung der historischen Streitigkeiten51 auf jene Verhältnisbestimmung. Dies scheint um so eher gerechtfertigt, als nach dem Urteil dieser Erforschung v. Hofmanns Gegenentwurf weniger auf den begriffsgeschichtlichen Aspekt (z.B. Strafleiden, Stellvertretung) der Versöhnungslehre zielte.52 Christologie versteht v. Hofmann im „Schriftbeweis“ grundsätzlich als den Locus, wo sich das eigentlich zu Beweisende, das Verhältnis von Gott und Menschheit, realisiert. Wirklich ist dieses Verhältnis zwar, wie gesehen, schon mit der aufkommenden Korrelation von Person und Natur durch die Schöpfung. Doch ist das Schöpfungsleben durch natürliche Einflüsse fehlgeleitet worden unter einen anderen als Gottes Geist. Realisierung des gott-menschheitlichen Verhältnisses heißt in der Christologie darum Herstellung dieses Verhältnisses als eines nicht von der Sünde bestimmten.53 Wenn aber Sünde heißt, daß der Mensch sich durch sein Naturverhältnis an einen ungöttlichen Geist leiten läßt, dann ist die Überwindung der Sünde so zu beschreiben, daß die Natur fähig gemacht wird, den Menschen zu einem persönlichen Verhältnis zu Gottes Geist zu führen. Vermittlung des Personenverhältnisses über das Naturverhältnis ist nun zwar auch Gottes kennzeichnende Handlungsweise in der Geschichte der alttestamentlichen Zeit; v. Hofmann versteht sie dort aber als bloße Indienstnahme der Natur, während es ihm in der Christologie um eine Veränderung der Natur, ihre „Gutmachung“ aus der Verderbtheit heraus, geht54 – freilich zum Zwecke ihrer künftigen, ungeminderten Indienstnahme. Daher ist es völlig konsequent, 51 Einschlägig sind v.a. STEFFEN (1910); BACHMANN (1910); WAPLER (1914) 237–262; GRÄDER (1922), aber auch ROHLS (1997) 684–688. Zu alternativen theologiegeschichtlichen Bezügen s. freilich Exkurs 3 (S. 98ff.). 52 In der Zweitauflage des „Schriftbeweises“ greift v. Hofmann bereits, wie BACHMANN (1910) 53f. zeigt, die traditionelle Begrifflichkeit durchaus wieder auf, ohne doch seine Position zu verändern. 53 Z.B. V. HOFMANN (1857/60) II/1,214. 54 Für das Versöhnungsgeschehen finden verschiedene Ausdrucksweisen Gebrauch, z.B. a.a.O. II/1,275: „Wandelung des Verhältnisses Gottes und der Menschheit“ (vgl. a.a.O. II/1,455). Von „Gutmachung der Sünde und nicht Ersatz der Strafe“ (DERS. [1856] [1993] 239; dazu BACHMANN [1910] 46) spricht v. Hofmann in der ersten seiner Schutzschriften. Wie Bachmann a.a.O. 22 weiterhin erwähnt, ist v. Hofmann im „Schriftbeweis“ wichtig, daß Jesus am Kreuz die menschliche Natur unter den Bedingungen äußerster Entfremdung „bewährt“; z.B. V. HOFMANN (1857/60) II/1,319.455. DERS. (1841/44) I,38.58.60 sprach zudem von einer Verklärung der Natur.

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wenn v. Hofmanns Christologie ganz im Zeichen des Naturbegriffs steht, wenn er Jesus Christus nur eine menschliche Natur zuschreibt, keine göttliche. Dies ist denn auch in der Christologie (im engeren Sinne des Wortes als Lehre von der Person Christi) ausdrücklich v. Hofmanns Ansicht; die ewige zweite göttliche Person der immanenten Trinität wird in der ökonomischen Trinität der geschichtliche Mensch Jesus, und das ist die Selbstentäußerung Gottes, seine Kenose.55 Für v. Hofmann ist Jesus Christus darum nicht der anselmische Gottmensch, sondern der Mensch Gottes. Wie der Mensch Jesus nicht in die ewige Trinität gehört, so die zweite göttliche Person nicht in die geschichtliche.56 Die göttliche Würde des Menschen Jesus liegt vielmehr gerade in seiner menschlichen Natur, weil er der eine Mensch ist, in dem das Gottesverhältnis „das Aeußerste, was dem sündigen Menschen nach seiner Naturseite durch Gottes Zorn widerfahren kann“, nämlich Kreuz und Verbrechertod, zu tragen und sich so zu bewähren vermag. Indem v. Hofmann Christologie und Soteriologie so als die Geschichte der Befähigung der menschlichen Natur zum persönlichen Gottesverhältnis auffaßt, bezieht er zugleich Stellung zur Lehrtradition des Locus, denn der Gedanke der Gutmachung der menschlichen Natur ist seine zusammenfassende Reinterpretation der Lehre von Christi stellvertretender Genugtuung, und mit der Betonung der Rolle von Christi menschlicher Natur57 führt er das orthodoxiekritische Anliegen der kenotischen Christologie weiter. So entsteht ein eigenes, das heilsgeschichtliche Konzept. Christologie steht demnach als Verwandlung der Natur zugleich in Zusammenhang wie Differenzierung mit dem Alten Testament und wird durch die zusammenhängend fortlaufende Geschichte ihrerseits differenziert von

55 Kenotische Christologie behandelt demnach für v. Hofmann die Bewegung von immanenter zu ökonomischer Trinität, nicht den Lebenslauf Jesu von hoheitlichem Auftreten im „galiläischen Frühling“ zur Erniedrigung in der Passion, was wenig später die durch E. Renan angeregte LebenJesu-Forschung beschäftigte. v. Hofmann ist durch seinen Fragehorizont, wie BREIDERT (1977) 23 bestätigt, auch über die Streitfrage hinweg, die im 17. Jh. zwischen den Gießener und Tübinger Fakultäten verhandelt wurde, ob Jesus in seiner irdischen Erniedrigung den Gebrauch seiner göttlichen Eigenschaften geradezu preisgegeben (Gießener Kenosechristologie) oder nur verborgen geübt (Tübinger Krypsischristologie) habe. 56 V. HOFMANN (1841/44) II,18 sagt bereits, daß Jesus „Person gewesen, ehe er Mensch ward, und also schon in Gemeinschaft des Geistes mit Gott stand, als er Mensch ward“. Vgl. DERS. (1857/60) II/1,21: „die menschliche Natur hat er zu seiner, des ewigen Gottes, Natur“. Vgl. BREIDERT (1977) 175. 57 Hierin sieht STEFFEN (1910) 119 den Unterschied zu Ritschls Interesse an der Person (vgl. das Zitat aus V. HOFMANN [1857/60] I,48 [Lehrstück V,6]). Die Kritik, daß es v. Hofmann nicht um die Natur des Menschen gehe (BEHR [1995] 99), scheint kenotische mit doketischer Christologie zu verwechseln.

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der Zielvorstellung einer Einheit von Person und Natur.58 Was das Alte Testament von der Natur erhoffte – die Vermittlung eines persönlichen Gottesverhältnisses –, soll in Christi Parusie zusammentreffen als Verklärung der Natur zur Gottesgemeinschaft: Das ist der heilsgeschichtliche Spannungsbogen, mit dem v. Hofmann alle Geschichte vom Eschaton her orientiert. Darum kann er auch nach der Christologie die Kanonfixierung und die Ekklesiologie samt christlicher Gesellschaftslehre anhand der Begrifflichkeit von Person und Natur entfalten: Die Festlegung des neutestamentlichen Kanons (sechstes Lehrstück) läutet eine Zwischenzeit der christlichen Gemeinde ein, in welcher der Geist Gottes das Person- und nun auch das Naturleben leitet, die aber, heilsgeschichtlich gesprochen, ein bloßes Warten auf die abschließende Verklärung der Natur ist.59 Ebenso die Kirche (siebtes Lehrstück) hat in den Sakramenten die Vollendung der Natur nur als „jenseitiges Besitzthum“, weil sie, für die Christi Geist „ihres Personlebens wirksamer Grund und ihres Naturlebens bestimmende Macht ward“, doch noch „inner der angebornen [also sündigen] Natur“ steht.60 Erst die Eschatologie (achtes Lehrstück) bedeutet die Vollendung der Natur zu ihrer Einheit mit der Person und handelt damit ebenso von einer Verwandlung der Natur wie schon die Christologie. Ging es dieser darum, daß die infolge der Sünde an widergöttlichen Geist fehlgeleitete Natur eine Vermittlung göttlichen Geistes nicht mehr hindern soll, so wird in der Eschatologie nun endgültig ausgeschlossen, daß die Natur Mittel widergöttlicher Geistwirkung sein könne. Die eschatologisch vollendete Gemeinschaft von Gott und Menschheit bedeutet demnach die Einheit von Person und Natur, während das persönliche Verhältnis zu widergöttlichem Geist61 ohne eine vermittelnde Naturbasis wirkungslos bleibt.62 Schon das zeigt, wie 58 V. HOFMANN (1857/60) I,55 (Lehrstück VIII,5): Die Gemeinde wird „durch Wandlung ihrer menschlichen Natur zur Unbedingtheit ihrer Gottesgemeinschaft vollendet“. 59 Vgl. a.a.O. II/2,97f.: „Für die Zwischenzeit, sagen wir weiter, ist die Kirche Christi, welche also eine heidnische sein wird, lediglich der heiligen Schrift unterstellt, weil so lange die Heilsgeschichte keinen Fortgang nimmt, der ein Neues brächte.“ 60 Zitate a.a.O. I,51.49.51 (Lehrstück VII/1,4; VI,1; VII/1,2). 61 v. Hofmann bearbeitet so das vermittlungstheologische Problem der hypothetisch notwendigen Verdammnis. 62 Die Eschatologie ist durchgehend von diesem Gedanken bestimmt. Das heißt zum einen, daß die natürlichen Formen, unter denen die kirchliche Sakramentsdarreichung den Geist Gottes mitteilt, ihre Vorläufigkeit und Zweideutigkeit ablegen und sich zu fester, sichtbarer Gestalt wandeln. Als solche Gestalten lehrt v. Hofmann die Bekehrung Israels und das Millennium in gemeindlichem sowie die Auferstehung und die Neuschöpfung von Himmel und Erde in menschheitlichem Horizont (Lehrstück VIII,5). Durch denselben Wandel zur Eindeutigkeit kommen zum anderen dieselben natürlichen Formen als Betätigungsfeld eines anderen als des göttlichen Geistes in Fortfall, so daß die sündige „Abhängigkeit von dem Argen“ ohne Betätigung ist. So lehrt

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wichtig das Konzept der Natur für v. Hofmanns Eschatologie ist. Eschatologie als Vollendung der Natur korrespondiert sodann genau dem, was v. Hofmann bei Einführung der tragenden Begrifflichkeit von Person und Natur als Erwartungshorizont der alttestamentlichen Geschichte ausmachte: die ungehinderte Vermittlung eines persönlichen Gottesverhältnisses durch die Natur. Christliche Eschatologie als Vollendung der Natur richtet sich auf nichts anderes, als was auch alttestamentliche Zukunftserwartung erhofft; beide stehen in einem Spannungsbogen, der mit der Ungleichheit beim Übergang der ewigen in die geschichtliche Trinität eröffnet wird und erst im Eschaton selbst zur Ruhe kommt. In dieser Gemeinsamkeit von Christentum und alttestamentlichem Israel ist es begründet, daß für v. Hofmann die gesamte Geschichte, wenn sie als Heilsgeschichte, also im Blickwinkel jenes Spannungsbogens betrachtet wird, israelitisches Gepräge trägt: „Daß die in der Schrift enthaltene Geschichte israelitisch ist, das macht sie zur heiligen Schrift, zum Worte Gottes: denn Israel ist das Volk des heilsgeschichtlichen Berufs.“63 Als Ergebnis läßt sich somit festhalten, daß v. Hofmann in seinem Hauptwerk ebenso wie in seiner Jugendschrift mit Hilfe der Begriffe Person und Natur auf eine theologische Deutung des umfassenden Geschichtszusammenhangs als eines von der Geschichte Israels eröffneten eschatologischen Spannungsbogens zielt. Das religiöse Thema der Geschichte ist demnach die Gutmachung und schließliche Verklärung der Natur zur Einheit mit der Person, d.h. die allmähliche Befähigung des menschlichen Weltverhältnisses, Träger des Gottesverhältnisses zu werden. Sofern die Geschichte in dieser theologischen Betrachtung erscheint, ist sie Heilsgeschichte. Die Begrifflichkeit von Person und Natur strukturiert so die theologische Thematisierung der Geschichte als ganzer und kann darum als die theologische Axiomatik von v. Hofmanns Konzept gelten,64 und die Einheit beider in Christi Parusie bildet den Ausgangspunkt seiner Eschatologie. Zugleich liegt hier auch der Ansatzpunkt für v. Hofmanns eschatologische Sicht auf das Judentum, die im zweiten Unterabschnitt dieses Kapitels behandelt wird. Zuvor soll jedoch das Begriffspaar „Person und Natur“ auf v. Hofmann den Antichrist als innergemeindliches Gericht neben dem universellen (Zitat a.a.O. I,57 [Lehrstück VIII,8]). 63 A.a.O. I,27. 64 Darauf weist schon v. Hofmanns schärfster Kritiker KLIEFOTH (1860) 205 hin, um sofort zu bemerken, daß beide Begriffe bei v. Hofmann inkommensurabel seien, da er Natur als Substanz denke und auf Seele und Leib beziehe (a.a.O. 207), Person dagegen relational auffasse und mit dem Willen verbinde. Unserer Analyse zufolge bezeichnen freilich beide Begriffe Verhältnisse und keine Substanzen.

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seinen systematischen Charakter und seine theologiegeschichtlichen Zusammenhänge hin beleuchtet werden. c) Eschatologie oder Anthropologie als Horizont von Person und Natur? In den vorstehenden Analysen wurden die Begriffe Person und Natur mit Blick auf ihre Funktion für die Strukturierung der Geschichte herangezogen, die in ihrem Licht als eschatologisch begründeter Spannungsbogen erscheint. v. Hofmann führt beide Begriffe freilich in einem anderen Zusammenhang ein, nämlich in der Anthropologie zur Explikation des Zusammenhanges von Seele und Leib. Das Verhältnis dieser beiden in Frage kommenden Kontexte der Begrifflichkeit bedarf darum näherer Untersuchung, und dies um so mehr, als v. Hofmann an der fraglichen Thematik 1852 eine Korrektur gegenüber dem Jugendwerk angebracht hat, die in der Forschung m.W. bisher nicht berücksichtigt wurde. 1841 entspricht jene Doppelheit von Person und Natur präzise der zweigliedrig verstandenen Anthropologie von Seele und Leib, so daß v. Hofmann den Geistbegriff nur pneumatologisch gebraucht. 1852 wird dagegen vom Geist in einem anthropologischen Sinne gesprochen.65 Auch die Konstellation von Person und Natur hat sich 1852 verändert: War zuvor die Person als die Seele, also das Menschheitliche, und die Natur als der diesen Menschen auszeichnende Leib verstanden, so liest man jetzt, der Geist mache den Menschen zu einem lebendigen Wesen, die Seele mache das Einzelleben aus, der Geist sei das sittlich Bedingende, die Seele das Bedingte am Menschen.66 Dies suggeriert zunächst den Eindruck, v. Hofmann habe in seiner anthropologischen Theoriebildung das Verhältnis von Seele und Leib durch dasjenige von Geist und Seele ersetzt. Dieser Eindruck zerstreut sich aber dadurch, daß er 1852 noch dieselben Aussagen über den Leib treffen kann wie zuvor. Da er auch weiterhin an der Ablehnung einer dreigliedrigen Anthropologie festhält,67 sind die neuen Äußerungen auch nicht im Sinne einer Differenzierung von Gottes-, Selbst- und Weltverhältnis als Geist, Seele und Leib zu verstehen. Es bleibt somit nur die Möglichkeit, daß v. Hofmann die Verhältnisbestimmung von Seele und Leib, wie er sie 1841 vorgenommen hatte, 1852 in den Zusammenhang seines trinitarisch strukturierten Gesamtkonzepts gestellt hat. D.h. der Mensch als Seele und Leib erscheint jetzt nach diesen beiden Seiten als unter den Einfluß des göttli65 Z.B. V. HOFMANN (1852/55) I,235. Weitere Retraktationen: a.a.O. I,258 Anm. 100.108; I,260 Anm. 116. 66 A.a.O. I,260f.: Der Geist gilt als sittlich Bedingendes, die Seele als Bedingtes am Menschen. 67 A.a.O. I,259. Kliefoths Kritik (s. S. 95 Anm. 64) mag freilich auf das o.g. suggerierte Verständnis zurückgehen.

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chen Geistes gestellt, der auf Seele und Leib einwirkt: nämlich auf die Seele, und dies auch durch Vermittlung des Leibes. Für die Dämonologie hält v. Hofmann im „Schriftbeweis“ dies sogar als Regel fest,68 und sein Verständnis von Geschichte überhaupt zielt ja auf eine Einheit von Seele und Leib, die solche Vermittlung zur Unmittelbarkeit aufhebt. Es scheint daher, daß v. Hofmann sein Verständnis des Verhältnisses von Person und Natur 1852 nicht geändert, sondern nur in einen größeren Rahmen gestellt hat. Gerade weil aber das Verhältnis von Person und Natur die durchgehende Konstante seines theologischen Denkens ist, könnte die genannte Selbstkorrektur den Eindruck verstärken, daß bei v. Hofmann eben die Anthropologie und nicht die Eschatologie den Horizont des theologischen Geschichtsverständnisses bildet.69 Die Beziehung von Person und Natur auf Gottes Geistwirken, die v. Hofmann im „Schriftbeweis“ vornimmt, erschiene dann als ein Analogieschluß, der Gottes Sein aus der Beschaffenheit des Menschseins zu folgern erlaubte.70 Die Theologie handelte demnach, wenn sie von Christi Geist redete, eigentlich vom Christengeist71 und entwickelte lediglich die Geschichte der letztlich ungebrochenen Frömmigkeit des Menschen, denn die ihr entgegenstehende Sünde müßte in der Systematik von Person und Natur als schuldloses Ausgeliefertsein der menschlichen Natur an dämonische Geistwesen ohne Beeinträchtigung der menschlichen Person gedacht werden.72 In dieser Entwicklungsgeschichte der Anthropologie bliebe der Eschatologie dann keine produktive Rolle mehr zu spielen übrig.73 Dies sind die Einwände, welche die Forschung des 20. Jh. in seltenem, überkonfessionellem Konsens von reformierten und lutherischen Autoren 68 DERS. (1857/60) I,359. Zu Beginn des christologischen Lehrstücks liest man freilich a.a.O. I,45: „Wir stehen in einer nicht blos sachlich, sondern persönlich vermittelten Gemeinschaft mit Gott“, wo in der Erstauflage gar stand (DERS. [1852/55] I,44): „nicht sachlich, sondern persönlich“. Doch der Satz nennt als Vermittlungsinstanz die göttliche Person Christi, nicht die menschliche Persönlichkeit. 69 Nach WENDEBOURG (1953) will v. Hofmann diese anthropologische Beziehung von Person und Natur auf den Geist (a.a.O. 39) mit der kenotischen Verhältnisbestimmung beider in der Christologie (a.a.O. 99–101) in eine Reihe, eben die Heilsgeschichte, stellen, was aber das Problem der Sünde vernachlässige (a.a.O. 102). 70 Vgl. HÜBNER (1956) 120.121: „Gott ist [sc. bei v. Hofmann] eine anthropologische Setzung“; vgl. BEHR (1995) 81f. und a.a.O. 76 („anthropologische Struktur göttlichen Wirkens“ als Behrs Forschungsergebnis). 71 HÜBNER (1956) 18: „Er meint das test[imonium] sp[iritus] s[ancti] int[ernum], auch wenn er in Wirklichkeit vom subjektiven Glauben redet.“ 72 A.a.O. 123 zu Dämonologie und „Relativierung der Sünde“; vgl. BEHR (1995) 85.90 zu denselben Themen. 73 HÜBNER (1956) 100f.; vgl. BEHR (1995) 112.

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gegen v. Hofmann vorgebracht hat. Um sie zu prüfen, soll der theologische Zusammenhang der Begrifflichkeit von Person und Natur in einem Exkurs untersucht werden: Exkurs 3: Kontexte der Axiomatik von Person und Natur 1. Eschatologie in der Debatte um die Christologie der lutherischen Orthodoxie. Theologiegeschichtlich stellt sich v. Hofmanns originelles Konzept vor allem als Absage an die lutherische Orthodoxie dar. Deren Zweinaturenlehre zufolge können aufgrund der sog. Idiomenkommunikation in der Redeform des genus majestaticum von Christi menschlicher Natur die Eigenschaften seiner göttlichen Natur prädiziert werden. Die lutherische Orthodoxie eines J. Gerhard verdeutlicht dies vornehmlich kontroverstheologisch am Beispiel der Abendmahlslehre: Christus ist seiner menschlichen Natur nach der Allgegenwart fähig und so im Brot einer jeden Abendmahlsfeier gegenwärtig. Im Jahre 1900 zieht Gerhards später Epitomator HEINRICH EBELING daraus die Konsequenzen für die Eschatologie und lehrt diese sakramentstheologische sog. Ubiquität und die eschatologische Präsenz Christi bei der Parusie „nebeneinander und miteinander glauben“,74 so daß die Ewigkeit und die Allgegenwart des sakramentalen Christus sich egalisieren. Eine extensive Neuschöpfung der Welt ist daneben nicht nötig bzw. nur geistig zu verstehen.75 Ebeling vertritt denn auch grundsätzlich eine Spiritualisierung der eschatologischen Verheißungen, was er gerade mit Blick auf das Judentum, nämlich den Titel „Israel“, ausführt.76 Ebeling folgert so die Weltlosigkeit der Eschatologie, die Gerhard als Lehre von der annihilatio mundi in die protestantische Theologiegeschichte eingeführt hat, im Einklang mit einer sakramentstheologischen Anwendung der Zweinaturenlehre.77 Diese Folgerung ist jedoch dann nicht mehr zwingend, wenn die Christologie das – von der lutherischen Orthodoxie stets abgelehnte – genus tapeinoticon lehrt, das in Umkehrung des genus majestaticum von Christi göttlicher Natur die Eigenschaften der menschlichen auszusagen erlaubt. Diese Frage, wieweit und in welcher Art Christi göttliche Eigenschaften in der Inkarnation durch die menschlichen überlagert oder abgelöst wurden, prägt bereits in der Mitte des 17. Jh. den Streit zwischen der Tübinger Krypsischristologie und der Gießener Kenosechristologie und wird zur Zeit 74 EBELING [1913] (1998) 132; vgl. a.a.O. 7 zum Verhältnis zu Gerhard. 75 A.a.O. 176 wird angesichts der annihilatio mundi die Neuschöpfung von Himmel und Erde postuliert; behandelt wird aber (a.a.O. 233) nur der Himmel! A.a.O. 184 sind ohnehin „nur Engel und Menschen für die Ewigkeit“ bestimmt. 76 A.a.O. 164 grundsätzlich und a.a.O. 168–170 für Israel. 77 Diesen Argumentationshintergrund hat für J. Gerhard selbst STOCK (1971) 126–164 gegen ältere Ableitungen aus der Mystik und der reformatorischen Kritik am jüdischen Schwärmertum (ALTHAUS [1949] 356.358 bzw. ALTHAUS [1856/57] 118; s. bei S. 15 Anm. 10) dargelegt. Spätere Interpretationen verstehen die Weltvernichtungslehre als apokalyptische Bearbeitung des Themas der Angst (KÖRTNER [1988] 196–198) oder als eschatologischen Begriff von Dialektik im Unterschied zu geschichtlich-politischer Dialektik (HERRMANN [1998] 139 mit Anm. 71).

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v. Hofmanns erneut diskutiert in der sog. kenotischen Christologie. v. Hofmann steht in der Tat in Berührung mit ihr, allerdings beschäftigen ihn die im engeren Sinne christologischen Fragen schon deshalb weniger, weil er die Voraussetzung der zwei Naturen in Christus (deren Verhältnis dann allererst klärungsbedürftig wäre) für den historischen Christus nicht teilt.78 Sein Konzept einer allmählichen Befähigung der menschlichen Natur zur persönlichen Gemeinschaft mit Gott versteht sich eher als Versuch einer Überwindung aporetischer Alternativen in der Soteriologie, der quer zu den Schultraditionen steht.79 Später hat A. Ritschl in der Versöhnungslehre mit der Einführung deskriptiver bipolarer Schemata ähnliche Absichten verfolgt, und im 20. Jh. möchte die sog. Lunder Schule mit der „klassischen“ Lehrgestalt von Versöhnung als eschatologischer Überwindung der widergöttlichen Mächte den Gegensatz von lateinischem (anselmischem) und idealistischem (abaelardischem) Lehrtypus überwinden.80 Es scheint, daß v. Hofmanns christologische Neuorientierung des Verhältnisses von Person und Natur in strukturell vergleichbarer Weise auf ein eschatologisches Verständnis zielt. Dem entspricht, daß v. Hofmanns Eschatologie als die endgültige Verklärung der Natur das Gegenbild zur weltlosen Eschatologie der lutherischen Orthodoxie bietet. Anregung zu einer Neuorientierung dürfte v. Hofmann hier empfangen haben durch Schleiermachers Kritik an der orthodoxen Zweinaturenlehre. Schleiermacher lehnt einen ontologischen Begriff von Natur ab, da er logisch eine Gott und Mensch übergeordnete Gattung bilden und so die theologische Grundunterscheidung von Sünde und Gnade verwischen müßte.81 Im Gefolge dieser Kritik kann Natur nicht mehr einen feststehenden Eigenschaftskomplex und Person nicht mehr den Träger dieser Natur bezeichnen; vielmehr versteht v. Hofmanns Konzept einer allmählichen Befähigung des Weltverhältnisses zum Gottesverhältnis die Natur (Weltverhältnis) als Träger der Person (Gottesverhältnis), der sie werden soll. v. Hofmann kehrt das von Schleiermacher kritisierte Verhältnis von Person und Natur also um. Durch die Betonung der Naturseite Christi ergeben sich freilich ihrerseits theologiehistorische Zusammenhänge, die in einem zweiten Schritt zu klären sind. 2. Anthropologie in der Debatte um die theosophische Eschatologie. v. Hofmanns Interesse an der menschlichen Natur Christi und damit der geschichtlichen Dimension der Theologie legt sogleich einige Schulzusammenhänge nahe. Am nächstliegenden schon im topologischen Sinne ist darunter die sog. Erlanger Theologie. Sie strebt, da der supranaturalistische Offenbarungsbegriff durch die kantische Transzendentalphilosophie in die Krise geraten ist, eine Neubegründung theologischer Aussagen auf dem Konzept der Erfahrung an: Weil Offenbarung als objektive Ursache gläubigen Gottes- und Weltverständnisses diesem selbst nicht zugänglich ist, sondern darin als seine Möglichkeitsbedingung schon vorausgesetzt ist, kann Theologie nur die subjek78 Vgl. BREIDERT (1977) 23 zur abweichenden Fragestellung des 17. Jh. 79 S. bei S. 93 Anm. 57. 80 Zu Ritschls problemgeschichtlicher Bedeutung vgl. STEFFEN (1910); GRÄDER (1922) und s. Kap. IV.1.1 mit Exkurs 5 (S. 153ff.). Die Typologie der Lunder Schule wird grundgelegt von AULÉN (1931) 532–538. 81 SCHLEIERMACHER [1830/31] (1960) II,51f. (§ 96,1).

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tiven Konstitutionsbedingungen der Erfahrung des Glaubens zur wissenschaftlichen Grundlage nehmen. Diese für die Systematik besonders von F.H.R. v. Frank durchgeführte Konzeption greift zwar auf v. Hofmanns Ansatz bei der Wiedergeburtserfahrung zurück; allerdings ist v. Hofmann im Vergleich zu v. Frank an einer tragfähigen theoretischen Grundlegung der Möglichkeit von Erfahrung auffällig uninteressiert.82 Damit rückt eine alternative ideengeschichtliche Verbindung ins Blickfeld, nämlich die Naturphilosophie des späten F.W.J. Schelling, die dieser in München just zu der Zeit entwickelt, als v. Hofmann seinen Gedanken der allmählichen Naturverwandlung faßt. Eine gewisse Beeinflussung v. Hofmanns durch Schelling ist wahrscheinlich;83 Schellings Rolle für v. Hofmanns Eschatologie tritt freilich zurück, wenn man zum Vergleich den Diskurs um die theosophische Eschatologie heranzieht: Der württembergische Pfarrer THEODOR LESSING tritt 1858 mit einem vornehmlich individualeschatologisch orientierten Entwurf in Erscheinung. In Anlehnung an den unlöslichen Zusammenhang der christlichen Tugenden von Glaube, Liebe und Hoffnung erscheint hier die Eschatologie grundsätzlich als Hoffnungslehre, deren zukünftiger Gegenstand aber in der Gegenwart – ihr wird die Liebeslehre (Sittenlehre) zugeordnet – schon als Pfand oder Keim enthalten ist und nur noch entfaltet werden muß, wie Lessing grundsätzlich nachweisen möchte.84 Deswegen ist das Kernproblem der Eschatologie der Tod, der solch allmähliche Höherentwicklung abzubrechen scheint. Lessings Spezifikum ist daher der Nachweis der Möglichkeit, daß Christen des Todes überhoben und im Sterben bereits zur Ewigkeit entrückt werden können: „Der gefürchtete Tod wird nicht geschmeckt.“ Lessing verweist hier auf den „Verlauf des allmächtigen [sic! sc. allnächtlichen] Einschlafens“, den der Mensch eine Zeitlang verfolgen könne, doch nicht bis auf „den Augenblick des Einschlafens“ selbst. In eine vergleichbare Grauzone greift nach Lessing die Entrückung der Gläubigen ein.85 Nach dem als Wartezeit vorgestellten Zwischenzustand werden die vollendeten Gläubigen bei der ersten Auferstehung ins Millennium versetzt und sind damit auch dem Jüngsten Gericht entnommen, vor dem sich alle Anderen nach der allgemeinen Auferstehung verantworten müssen. Da aber ja für Lessing die zukünftige Hoffnungs- in der gegenwärtigen Liebeslehre gründet und deren Entfaltung bedeutet, erstreckt sich das Gericht nur auf die Liebeswerke „ganz abgesehen von aller bestimmten Religion“, so daß auch solche „aus der Menschheit unter Christen, Juden, Türken und Heiden“ gerettet werden können, die rechtschaffen gehandelt haben.86 Erste und zweite Auferstehung dienen also der Vollendung gegenwärtiger Anlagen, und daher bedeutet Auferstehung nicht einfach die Wiedervereinigung von Seele und Leib, sondern die 82 So mit Recht BACHMANN (1910a) 938f. Die Bedeutung v. Hofmanns für die Überwindung des Supranaturalismus betont dennoch sein Biograph WAPLER (1914) 238.261 u.ö. Und für BEYSCHLAG (1993) 61 ist v. Hofmann „der Erlanger Erfahrungstheologe schlechthin“. 83 Dazu WAPLER (1905) und wieder WENDEBOURG (1955), v.a. a.a.O. 97f. 84 Z.B. LESSING (1858) 11: „Es soll nun aber nachgewiesen werden, wie durch diesen Glauben an den auferstandenen Heiland […] schon jetzt ein Auferstehungsleben, ein Hoffnungsleben in uns gezeugt wird“. Vgl. a.a.O. 9 zum Zusammenhang von Glaubens-, Liebes- und Hoffnungslehre. 85 Zitate a.a.O. 42.41.41. 86 Zitate a.a.O. 112.110; dort auch zur Entnahme der Heiligen aus dem Gericht.

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Seele der Christen erhält in der Auferstehung den Leib, den sie zu Lebzeiten durch Verzehr des Leibes Christi im Abendmahl schon in sich angelegt hat.87 Dieses gesamte Konzept einer durchgeistigten Leiblichkeit ist weniger der heilsgeschichtlichen Axiomatik als theosophischer Naturspekulation geschuldet, und die recht auffällige Abendmahlslehre ist direkt von dem christlichen Kabbalisten und Theosophen F.C. Oetinger übernommen, der auch die Möglichkeit jenseitiger Bekehrung und die apokatastatische Tendenz teilt.88 Genau gegen diese Tendenz schreibt der aus Jena stammende und in Basel und Bern wirkende Arzt und Theologe ERNST JOSEPH GUSTAV DE VALENTI schon 1840 seine Eschatologie. Er hat dabei mit J. Böhme einen weiteren evangelischen Theosophen und Kabbalisten vor Augen. Auch für de Valenti ist das Zentralproblem der Eschatologie der Tod, und zwar der natürliche Tod89 als Trennung von Leib und Seele. Entsprechend Luthers Ablaßthesen folgert er seinen Kernsatz, daß jegliche Beeinflussung der individuellen Seligkeit oder Unseligkeit nach dem Tode ausgeschlossen ist, weil sie der Alleinverdienstlichkeit des Todes Christi widerspräche. Stattdessen fordert er eine diesseitige, „wahre Bekehrung“.90 Gerade deswegen aber untersucht de Valenti in sieben kurzen Abhandlungen die anthropologischen Möglichkeitsbedingungen von Bekehrung; und hier hat der Arzt den Theologen fest im Griff. Voraussetzung einer Bekehrung ist das Vorhandensein eines klaren und verständigen Bewußtseins, also einer Seele. Eine solche nimmt nun der Traduzianer de Valenti91 für den gesamten Zeitraum ab der Zeugung bis zum natürlichen Tode an. Jedoch schiebt er die Todesgrenze hinaus durch die zur selben Zeit auch von I.H. Fichte vertretene Scheintodlehre. de Valenti trägt sie mit aller Autorität des medizinischen Fachmannes vor: „Es ist nämlich beinahe keinem Zweifel unterworfen, daß zwischen dem eigentlichen Todeskampfe und dem wahren vollkommenen Tode immer ein längerer oder kürzerer Zwischenraum des bloßen Scheintodes mitten inne steht“, in dem der „Verkehr der Seele mit dem bereits empfindungslosen Leibe“ noch funktioniert.92 Deswe87 A.a.O. 68: „Wer in den Himmel kommen will, muß den Himmel mit hinüberbringen, wer zur Auferstehung der Seligen kommen will, muß den verborgenen Lebenskein [sic!] des himmlischen Auferstehungsleibes schon in sich tragen“, allein: „Unser Auferstehungsleib wird also von dem zweiten Adam, von dem Herrn Jesu, stammen“ (a.a.O. 67), d.h. „wir nehmen besonders im heiligen Abendmahl den verklärten Leib des Herrn, der nicht blos zur lebendigen Seele, sondern zum lebendigmachenden Geist geworden ist, in uns auf“ (ebd.). 88 Vgl. a.a.O. 68 Anm. zur Berufung auf Oetinger beim Thema Abendmahlsleib; Lessings Schluß auf eine Entnahme der Gläubigen aus dem Gericht verwirft Oetinger aber gegen bestimmte herrnhutische Ansichten (WEYER-MENKHOFF [2000] 43f.). Die jenseitige Bekehrung leitet Oetinger aus einer kabbalistischen Etymologie des Wortes „Hades“ von chadasch (erneuern) ab: „Der Hades ist eine Erneuerungsanstalt“ (a.a.O. 45). 89 DE VALENTI (1840) 2ff. unterscheidet daneben personifizierten, moralischen und ewigen Tod. 90 Z.B. a.a.O. 22 (Zitat) bezeichnet er „den natürlichen Tod als den äußersten Grenzpunkt göttlicher Erbarmung“. Vgl. a.a.O. 19 zum Bezug auf die Reformation. 91 A.a.O. 66 Anm. 92 Zitate a.a.O. 87 wegen Muskelzuckungen bei Toten sowie post exitum austragbarer Schwangerschaften. Ähnlich behauptet I.H. FICHTE (1855) 160ff. gegen Göschels spekulative Unsterblichkeit (s. Exkurs 1, hier S. 66f.) deren Ausweisbarkeit an der Hirnphysiologie.

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gen kann für keinen Sterbenden die Möglichkeit einer nach außen nicht wahrnehmbaren Bekehrung im Tode ausgeschlossen werden, und so schränkt de Valenti den Kreis der Verdammten trotz seines Beharrens auf der Notwendigkeit diesseitiger Bekehrung immer weiter ein; miß- und totgeborene sowie ungetaufte Kinder von Christen sind ebenso ausgenommen wie Menschen, die nie christlich missioniert wurden.93 Zuletzt ist für de Valenti wie für Lessing nur noch die willentliche Verwerfung Christi verdammlich. 3. Eschatologische Anthropologie als Ergebnis. Gerade der Vergleich mit dem ausdrücklich um die Theosophie kreisenden Diskurs zeigt den deutlichen Abstand v. Hofmanns zu naturphilosophischen Gedanken. Das Problem, um das trotz gegensätzlicher Positionen sowohl Lessing als auch de Valenti ringen, ist, die Ausschließlichkeit von Christi Heilswirksamkeit zusammen mit der Tathaftigkeit der Bekehrung festzuhalten,94 um die es beiden aufgrund ihrer pietistischen Herkunft geht. Dies ist das Problem von menschlicher Aktivität und Passivität in bezug auf das Heilsgeschehen, und beide nehmen ihre Zuflucht zu Theoremen von Bewußtseinstrübung und Scheintod, also zu einem Kapitel medizinischer Anthropologie (Pkt. 2). Gefordert wäre jedoch eine theologische Anthropologie, und genau eine solche erstrebt v. Hofmann, wenn er in Abkehr von der christologischen Tradition (Pkt. 1) die Begriffe Person und Natur eschatologisch von der Parusie Christi her interpretiert. Gewiß folgt v. Hofmanns Einführung der Begriffe auch der zeitgenössischen Ansicht, daß die geistige Sphäre des Menschseins sich über die leibliche erhebe, wie man es mit der Gegenüberstellung von Geschichte und Natur ausdrückte. Aber indem er diese anthropologische Anschauung auf die Parusie Christi bezieht, erreicht er im Ansatz und Grundsatz eine eschatologische Anthropologie, die sich noch als belangreich für eine evangelische Eschatologie im Gespräch mit dem Judentum erweisen wird.

Die Frage nach Eschatologie oder Anthropologie als Horizont von v. Hofmanns Theologie ist mit den Analysen des vorstehenden Exkurses beantwortet: v. Hofmann geht es um eine eschatologische Anthropologie, also eine solche theologische Besinnung auf den Menschen, die in ihrem denkerischen Ansatz und darum im Grundsatz eschatologisch ist.95 93 Vgl. DE VALENTI (1840) 67: „Für Aftergewächse wird ja ohnehin Niemand Unsterblichkeit begehren“ bzw. 70.67 für Ungetaufte bzw. Unmissionierte (anders a.a.O. 74 für getaufte Christen anderer Konfessionen). 94 Dies verbindet beide mit der Eschatologie von T. HARMS, dem Bruder des bekannten Hermannsburger Missionars. Sie zielt in sechs erwecklichen Predigten ab auf das diesseitige Leben als einzige Möglichkeit zur vollkommenen Bekehrung, zu der dann am Ende der Predigten explizit aufgerufen wird mit der Verheißung, daß die Bekehrten nicht ins Gericht kommen (DERS. [1875] 80.74; vgl. T. Lessing). Sie haben nach Harms auch gar keine Sünden, sondern nur gute Werke vorzuweisen (a.a.O. 82). Gleichwohl dient die Eschatologie ihnen als Bekehrungsaufruf zum Erschrecken über ihre Sünden (a.a.O. 97). 95 Laut dem Fazit bei BECKMANN (2002) 299f. 311 kompromittiert v. Hofmann die reformatorische Lehre von unfreiem Willen und Verstockung, wenn er dem Judentum die Ablehnung Jesu, durch die die Kirche in die Heilsgeschichte eintritt, als Schuld vorhält. Diese zutreffende Beob-

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2. Die eschatologische Axiomatik in der Heilsgeschichtlichen Theologie. Nachdem für v. Hofmann die begriffliche Grundlage seines spezifischen Eschatologieverständnisses gefunden wurde, sollen nun unter derselben Fragestellung Autoren analysiert werden, die unter seinem Einfluß stehen. a) Reich Christi und Reich Gottes. Als ältester Vertreter der Heilsgeschichtlichen Theologie im begrifflichen Sinne gilt der Württemberger JOHANN TOBIAS BECK, obgleich die einflußreichsten Partien seines Werkes erst nach seinem Tode gedruckt werden; darunter auch die Eschatologie, die 1887 als Separatabdruck aus der postumen Glaubenslehre erscheint. Deren systematisches Gerüst strukturierte allerdings schon 1843 Becks Dogmatikvorlesung.96 Terminologisch spricht Beck freilich weniger von einer Heilsgeschichte als von einer „Reichsökonomie“,97 was daran liegen dürfte, daß er die wissenschaftliche Darstellung des Stoffes der Theologie in biblischen Begriffen zu geben bestrebt ist. Dabei gewinnt für ihn, in offenkundiger Anlehnung an Jesu Gleichnisse vom Reich Gottes, das Reichskonzept seinen ökonomischen Charakter, indem es als wachstümlich gedacht ist. In traditionsgeschichtlicher Perspektive läßt sich nachweisen, daß der Wachstumsgedanke an die biblische Reichsvorstellung außerbiblische, konkret naturphilosophische Einflüsse heranträgt.98 Neben dieser historischen Frage ist aber gewissermaßen umgekehrt auch systematisch zu ermitteln, wie der Reichsgedanke innerhalb der theologischen Konzeption die Wachstumsvorstellung prägt. Und hier läßt sich ein ganzes „Reichssystem“ registrieren,99 in dem die Reichsökonomie den Oberbegriff bildet, der Schöpfungs- und Heilsökonomie unter sich befaßt: Jene nennt Beck das Reich Gottes als den universellen Horizont der Schöpfung, in dem diese, das Reich Christi, zur Herrschaft gelangen soll.100 Dies tut es bislang nur „nach seiner jetzigen geistigen Wesenheit“ und noch nicht so, „daß sich an die Stelle der bloß geistigen innern Reichsentwicklung, wie sie bis dahin herrscht, das sichtbare äußere Reichsregiment setzt“.101 Diese Herrschaft Christi, diese Christoachtung stellt allerdings nicht in Rechnung, daß heilsgeschichtliche Theologie als eschatologische Anthropologie auch das Verhältnis von göttlicher und menschlicher Beteiligung am Heilsgeschehen reformulieren muß. 96 So Becks Herausgeber und Schwiegersohn J. Lindenmeyer: BECK (1886/87) I,V. Er war es auch, welcher der separaten Eschatologie, materialiter § 25 der Glaubenslehre, wenige Seiten aus deren § 24 (nämlich a.a.O. II,635–642) voranstellte und damit eine bestimmte Interpretation nahelegte. Ich zitiere aus der Eschatologie im folgenden mit der Paginierung nur der Glaubenslehre. 97 Z.B. a.a.O. I,395; II,670. Ein Eintrag „Heilsgeschichte“ fehlt im Register a.a.O. II,776. 98 Betont von HOFFMANN (1975) 145.147 u.ö. 99 BECK (1886/87) II,779. 100 A.a.O. II,636. A.a.O. II,637 zur Unterscheidung von Reich Gottes und Reich Christi. 101 Zitate a.a.O. II,638.707.

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kratie geschieht im Millennium, das daher Reich Christi im prägnanten Sinne ist.102 Wenn es sich, durch das Jüngste Gericht hindurch, von den Christen auf die ganze Schöpfung ausgedehnt hat, wird das Reich Christi zum Reich des Vaters.103 So ergibt sich eine sehr charakteristische vierfache Unterscheidung von Reich Gottes, Christi geistigem Reich, Christi chiliastischem Reich und Reich des Vaters. Auffällig daran ist, daß für Beck Reich Gottes kein eschatologischer Begriff ist, weil er mit „Reich“ überhaupt kein Gut, geschweige ein eschatologisches höchstes Gut bezeichnet, sondern im ursprünglich buchstäblichen Sinn einen Machtbereich oder ein Herrschaftsgebiet. Eschatologie beschreibt daher, wie sich solche Herrschaft vom zunächst nur geistigen Bereich (Christi geistige Herrschaft) auf den Machtbereich Gottes, die Schöpfung als den leiblichen Außenbezug des Menschen, ausdehnt. Heils- und Schöpfungsökonomie bzw. Reich Christi und Reich Gottes stehen somit für die geistige bzw. leibliche Dimension des Heils, und damit ähnelt die allmählich fortschreitende Reichsökonomie bei Beck v. Hofmanns Staffelung der Heilsgeschichte nach Person und Natur.104 Von diesem unterscheidet Beck aber, daß er die Einheit beider nicht in der eschatologischen Parusieverheißung, sondern ausdrücklich in der Himmelfahrt Christi erblickt.105 Erst für den himmlischen Christus, so zu sagen, gilt die Zweinaturenlehre. Beck setzt sich damit wie v. Hofmann von der altprotestantischen Christologie ab in Richtung auf die Kenotik; allein deren Fragestellung macht er an Jesu irdischer Erniedrigung und Erhöhung fest und bewegt sich damit in den Bahnen der Kenotik nicht des 19., sondern des 17. Jh., die zwischen Geschichte und Heilsgeschichte nicht zu differenzieren brauchte.106 Deswegen auch kann Beck, was v. Hofmann von Christi Parusie erwartet, schon vom seit Himmelfahrt geistig in der Kirche gegenwärtigen Christus erwarten, ja: „Alle Zeiten und Zeitereignisse, die seit der persönlichen Vollendung des Erlösers ablaufen, sind […] Entwicklungen des Einen göttlichen Vollendungswerkes, und sie gehören so alle der letzten Zeit an oder der Vollendungszeit.“107 So entspricht Becks vierfacher Unter102 A.a.O. II,639f. führt „das Reich der Heiligen auf, oder vielmehr Christi Reich in dieser Form“. 103 A.a.O. II,638.755. 104 Geist und Leib korrespondieren in den Passagen zur Parusie a.a.O. II,676f. dem Reich Christi und dem Reich des Vaters a.a.O. II,716.761. 105 Die Himmelfahrt erscheint als Einheit von Geist und Leib a.a.O. II,497.567f. 633. 106 S. S. 93 Anm. 55. Bei BREIDERT (1977) 115.252 erscheint Beck denn auch nicht selbst als Kenotiker, wohl aber als Lehrer zweier entschiedener Kenotiker: W.F. Geß und J.F. v. Reiff. 107 BECK (1886/87) II,675. A.a.O. II,673 bezieht er dies zwar auf „die erste Erscheinung“, fährt aber mit „der Vollendung nämlich des Versöhnungswerks“ (also mit Himmelfahrt) fort. Noch deutlicher ist a.a.O. II,668 „die Möglichkeit einer vollkommenen Umbildung der Menschen-

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scheidung der Reichsökonomie eine vierfache Parusie Christi: Christus ist demnach anwesend in seinem historischen Eintritt in die geschöpfliche Welt, in seiner geistigen Gegenwart seit Himmelfahrt, in der Wiederkehr zum tausendjährigen Reich der Gläubigen und in der Parusie zum Jüngsten Gericht.108 Becks Unterscheidung von Reich Christi und Reich Gottes berührt sich also mit v. Hofmanns heilsgeschichtlicher Axiomatik von Person und Natur, hebt aber in eigenständiger Weise die Himmelfahrt als Einheit beider hervor – und nicht die zukünftige Parusie.109 Der kritische Punkt seiner Eschatologie ist damit tatsächlich das Parusieverständnis in Gestalt der (ersten und zweiten) Parusie des Inkarnierten und Erhöhten. Erstere ist als Jesu Ankündigung der Zerstörung Jerusalems und als seine Hinwendung zu den Heiden der „vorbildliche Anfang“110 der Eschatologie nach den Seiten des Gerichts und der Gnade; zweitere führt dies in der Zeit der Kirche zu Ende. Daß die Eschata im historischen Erscheinen Jesu vorgebildet seien, demonstriert Beck an mehreren Einzelthemen.111 Becks Eschatologie spitzt sich so, auch im Vergleich mit dem heilsgeschichtlichen Konzept v. Hofmanns, auf den Wendepunkt von alttestamentlicher zu christlicher Geschichte zu, und das macht diese Konzeption für unsere Fragestellung nach der Wahrnehmung des Judentums interessant. b) Apokalyptik und Prophetie. Der dritte einflußreiche Vertreter der Heilsgeschichtlichen Theologie neben v. Hofmann und Beck ist der Basler Theologe CARL AUGUST AUBERLEN, der, zunächst von der Theosophie F.C. Oetingers herkommend, 1854 mit einem originellen bibelhermeneutischen Werk über den Propheten Daniel und die Johannesoffenbarung pointiert Stellung in der eschatologischen Debatte bezieht. Auberlen geht es hier um die Etablierung einer „offenbarungsgeschichtlichen“ Exegese der beiden natur […] in Jesus Christus bereits factisch gelöst“. Diese Stelle ist, da die anschließende „Centralstellung, die Christus im Weltganzen einnimmt“, nichts anderes ist als „die Stellung des erhöhten Christus zur Welt im Allgemeinen“ (a.a.O. II,635), nicht mit HOFFMANN (1975) 297 auf das „Kommen Jesu Christi in der Vergangenheit“ zu beziehen, sondern auf Himmelfahrt. 108 HAKE (1999) 62 unterscheidet unter der Überschrift „Das mehrfache Kommen Christi“ „drei verschiedene, chronologisch gestufte Parusien“, weil sie die geistige Anwesenheit Christi in der Kirche nicht mitzählt, zu der aber HOFFMANN (1975) 301 mit Recht bemerkt: „eine vorlaufende Gestalt der Parusie“. 109 DERS. (1975) 308.319 kritisiert Becks Einreihung der Parusie in ein kontinuierliches Geschehen; ebenso mit fast denselben Worten HAKE (1999) 72, die freilich a.a.O. 69 sagen kann: „Entscheidend ist das eschatologische Moment, tritt doch als Zielpunkt der Beck'schen Theologie klar die zukünftige Parusie Christi hervor.“ 110 BECK (1886/87) II,677. 111 Hierauf weist zu Recht PAE (1989) 73 hin.

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Bücher, d.h. ihre Weissagungen offenbaren unmittelbar den Verlauf der Heilsgeschichte in ihrer Ausrichtung auf das messianische Ziel und sind nicht erst oder auch auf die frühjüdische Zeitgeschichte zu beziehen.112 Zur Begründung dieser Besonderheit von Da und Offb entwickelt Auberlen im grundlegenden Teil des Buches sein Konzept von Apokalyptik: Apokalyptik ist demnach Offenbarung zur Überbrückung einer offenbarungslosen Zeit;113 ihre Weissagungen sind daher im Vergleich zu denen der Prophetie zeitlich weiter gefächert – Auberlen sagt „auseinandergelegt“ – und deshalb überblickshafter,114 zumal der Standpunkt des Apokalyptikers, da in offenbarungsloser Zeit stehend, nicht der des Gottes-, sondern der des Weltreiches ist.115 Prägnant sagt Auberlen: Was die Prophetie perspektivisch zusammenschaut, das legt die Apokalyptik in seine einzelnen Entfaltungen und Zeiträume auseinander. So sind bei Daniel einerseits die vier Weltmonarchieen die apokalyptische Entfaltung der einen Weltmacht, welche die Propheten je nach ihrer geschichtlichen Stellung Assur oder Babel u. dgl. benannt hatten; andererseits ist die messianische Weissagung des 9. Kap. nichts Anderes als die Auseinanderlegung des typischen und des antitypischen Heiles, der vorläufigen Erlösung aus dem Exil und der vollen messianischen Erlösung, welche von den Propheten noch zusammengeschaut worden waren.116

Im einzelnen widmet Auberlen dann besondere Sorgfalt der ihm zufolge messianischen Weissagung Da 9,24–27 und der Ankündigung der vier Weltmonarchien Da 2.7. Erstere versteht er gegen zeitgeschichtliche Deutung auf Antiochus Epiphanes nachdrücklich offenbarungsgeschichtlich als Ansage von dem Ende des Exils, dem Auftreten des Messias und der Aufrichtung des Gottesreiches am Ende der Zeiten.117 Ebenso die zweite Weis112 Auberlen geht es nicht um die Trennung sakraler von profaner Geschichte, da er auch die Deutung auf die Kirchengeschichte abweist und so E.W. Hengstenberg gegen sich hat (AUBERLEN [1854] 221 u.ö.). Vielmehr sieht er das Heil gerade in einer der Kirchengeschichte jenseitigen Geschichte verwirklicht, eben der Offenbarungsgeschichte (z.B. a.a.O. 16: „Der offenbarungsgeschichtliche Ausgangspunkt“), und darum ist der Antipode dieses „Jenseitsrealisten“ niemand anders als der „Geschichtsrealist“ v. Hofmann (die Termini bei WETH [1931] 115)! 113 AUBERLEN (1854) 21.18 mit Blick auf Daniel, den er aufgrund seiner Ablehnung zeitgeschichtlicher Auslegung an den Beginn des Exils datiert (a.a.O. 14); entsprechend für den Seher Johannes am Ende der Apostelzeit. 114 A.a.O. 74. 115 A.a.O. 2; vgl. a.a.O. 22 nebst Datierung Daniels ins babylonische Exil. Auberlen ergänzt a.a.O. 26f., daß Da ja im hebräischen Kanon nicht zu den nebi’im, sondern den ketubim gehöre. 116 A.a.O. 75. 117 A.a.O. 97 führt Auberlen den jüdischen Gelehrten Abarbanel (d.i. der bei S. 29 Anm. 58 vorgestellte Isaac Abrabanel) zur Bestätigung an. Gegen die Deutung der Zeitgeschichtler (also v. Hofmanns) heißt es a.a.O. 155: „Ihre Berechnung ist im Prinzip verfehlt.“

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sagung überbrückt nach Auberlen, gut apokalyptisch,118 die bis in seine eigene Zeit reichende Geschichte der Welthegemonien Babylon, Persien, Griechenland und Rom samt dessen Translation ins deutsche Reich.119 So handelt diese Weissagung von der messianischen Zeit als Millennium:120 ein organisiert verfaßtes Reich der Christen, das zugleich im Gegensatz zur Zeit der Weltreiche nicht bloß äußerlich ist.121 Diese beiden exemplarischen offenbarungsgeschichtlichen Exegesen Auberlens führen im Vergleich mit v. Hofmann zu dem verblüffenden Resultat, daß er sich im ersten Beispiel schroff gegen dessen zeitgeschichtliche Exegese absetzt, im zweiten Fall (beim innerlich-äußerlichen Chiliasmus) dessen Konzept einer Vollendung der Natur zur Einheit mit der Person aber genau übernimmt.122 Vollends kann Auberlen von seiner Chiliasmustheorie aus eine universalgeschichtliche Skizze ansetzen, die die heilsgeschichtliche Axiomatik von Geist und Natur nun auch explizit aufgreift. Demnach stellt sich die alttestamentliche Geschichte bis zu Christus als eine Indienstnahme von Natur und Geschichte durch Gottes Offenbarungshandeln dar, während von der neutestamentlichen Zeit bis zum Millennium Christi Leben zur „Macht der Naturverklärung“ wird. Das Millennium und die alttestamentliche Geschichte entsprechen sich hier komplementär, so daß „dort im Geiste“ geschieht, „was hier im Buchstaben und daher in nationaler Einschränkung geschah“.123 So endet Auberlen, dessen offenbarungsgeschichtliche Methode doch gerade gegen v. Hofmann entworfen war, zuletzt doch als ein Schüler der v. Hofmann'schen Axiomatik von Person und Natur, und zwar ist die Apokalyptik dabei auf jene zu beziehen, die Prophetie aber auf diese.124 118 A.a.O. 236, freilich unter Hinzuziehung der neutestamentlichen Offb. 119 Die Translationstheorie galt freilich eigentlich nur bis zum Untergang des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation 1806; sie konnte aber so verstanden werden, daß Deutschland der legitime Erbe Roms sei. Für Auberlen war dies unproblematisch, da sein offenbarungsgeschichtlicher Ansatz – im Unterschied zu seinen Vorbildern J.A. Bengel und F.C. Oetinger – auf einer datierenden Ausdeutung der Zahlenangaben ohnehin nicht bestand (vgl. a.a.O. 85 zur Symbolik der Apokalyptik), ja deren Überwindung und die Inkaufnahme von Verzögerungen vielmehr für den Vorzug der neu- gegenüber der alttestamentlichen Apokalyptik ansah (a.a.O. 78). 120 A.a.O. 219f. grenzt Auberlen die chiliastische Deutung gegen die auf Christi Inkarnation oder Parusie ab. 121 Vgl. a.a.O. 229 zur Innerlichkeit, a.a.O. 226 zur staatlichen Verfaßtheit des Millennium. 122 Auch schon a.a.O. 98 Anm. 1 bemüht er ad Da 9,24ff. v. Hofmann für die Volksgestalt des Gottesreiches. 123 Zitate a.a.O. 361. 124 HILGENFELD (1857) 8 greift, obwohl er Auberlens Exegesen ablehnt, dessen Vorstellung von geistiger Apokalyptik und leiblicher Prophetie auf und bildet so das Bindeglied zur Religionsgeschichtlichen Schule.

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Grund für diese Diskrepanz dürfte sein, daß Auberlen sein eigenes Konzept von Apokalyptik als „Auseinanderlegung“ der Prophetie selbst nicht durchhält, wenn er über die seinem Entwurf so unentbehrliche Stelle Da 9,24–27 im Widerspruch zu seiner These vom weltlichen Standpunkt des Apokalyptikers schreibt: „Alle diese Gesichte [Da 2.7f. 10–12] gehen vom Standpunkt der Weltmacht aus, das unsrige [Da 9] dagegen durch und durch von dem des Bundesvolks.“125 Wir können somit festhalten, daß Auberlen gerade in seinem Widerspruch zu v. Hofmann diesem nahe ist bzw. in jenem Widerspruch sich selbst widerspricht. Allerdings weist Auberlen auf ein Sachproblem hin, daß nämlich die für die Apokalyptik angeblich kennzeichnende offenbarungslose Zeit, die Zwischenzeit, wie v. Hofmann sie genannt hätte, zwiespältig ist. Heilsgeschichtlich eher wirkungslos, ist sie doch die Zeit der Kirche, der die Heilsgeschichte gilt. Das Problem wird uns noch beschäftigen.126 c) Geist und Natur. Der Leipziger Dogmatiker CHRISTOPH ERNST LUTHARDT publiziert in dichter Folge 1855 und 1856, unmittelbar nach Abschluß von v. Hofmanns „Schriftbeweis“, in der von diesem herausgegebenen „Zeitschrift für Protestantismus und Kirche“ drei Aufsätze, die den Grundstock seines zwischen 1861 und 1885 in drei Auflagen veröffentlichten Sammelbandes zur Eschatologie bilden. Kirchenhistorischer Hintergrund der Veröffentlichungen ist die auf E. Irving zurückgehende Katholisch-Apostolische Gemeinde, die in jener Zeit starken Zulauf findet. Sie tritt als kirchliche Reformbewegung auf und lehrt, nur eine Kirche in den Strukturen urchristlicher Ämter könne durch Entrückung dem kommenden Gericht entnommen werden, das dann vielmehr Israel treffe.127 In den fünf Abhandlungen, die in Luthardts Buch die Grundlegung zu sechs einschlägigen Schriftauslegungen bilden, stellt der Autor die Eschatologie jeweils entlang demselben Grundgedanken dar. Dieser Gedanke ist der Gegensatz von Gottesreich und Weltreich.128 Er tritt mit dem baby125 AUBERLEN (1854) 161. Vgl. damit a.a.O. 75 (bei S. 106 Anm. 116) in Verbindung mit a.a.O. 22 (S. 106 Anm. 115). 126 Es tauchte schon bei Beck auf, der ausgerechnet die Himmelfahrt als Parusie verstehen konnte. 127 Luthardts einschlägige Aufsätze erscheinen auf dem Scheitelpunkt der KatholischApostolischen Bewegung (von ihm als „Irvingianismus“ bezeichnet), da 1855 die ersten ihrer Apostel sterben. Bezug auf die Bewegung nimmt die Rede über „manches Krankhafte und Unrichtige“ bzw. die „schwärmerischen Gedanken“ (LUTHARDT [1861] VI bzw. DERS. [1870] VII) in den Vorworten zur ersten und selbst noch zweiten Auflage des Sammelbandes, die 1870 erscheint – bereits nach Spaltung der Bewegung (1863) in Katholisch-Apostolische Gemeinde und (später sog.) Neuapostolische Kirche. 128 Grundsätzlich DERS. (1861) 23, daneben a.a.O. 10. Hier sind Einflüsse Auberlens denkbar.

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lonischen Exil ein:129 Das Volk Gottes verliert sein Reich, d.h. seine organisierte Verfaßtheit als jüdisches Königtum, und ein anderes Staatswesen tritt mit hegemonialem Anspruch auf, was es unvereinbar mit der ebenso menschheitsumspannenden Reichweite des Gottesreiches macht.130 Mit dem Weltreich kann das Gottesreich darum nur so koexistieren, daß es, wie das Christentum seit dem Neuen Testament grundsätzlich, allein auf geistige Weise, ohne organisierte Verfaßtheit als Reich besteht.131 Eine solche kann es nicht von der Staatlichkeit weltlicher Reiche übernehmen, sondern nur von Israel, in dem das geistige Reich eine „nationale Naturbasis“ besaß.132 Eine solche geistig-natürliche Restitution des Gottesreiches wäre wegen des Gegensatzes beider notwendig das Ende des Weltreiches und damit das Eschaton. Luthardts Eschatologie läuft so zu auf das Millennium als jüdisch-christliche Einheit von geistigem Gottesreich und natürlicher Verfaßtheit desselben.133 Darin besteht die eschatologische Bedeutung des Judentums,134 und deswegen ist für Luthardt die Wiederherstellung und Bekehrung des in der Diaspora lebenden Israel das entscheidende Vorzeichen des Endes.135 Auch wenn Luthardt den tragenden Grundgedanken hinter diesem eschatologischen Konzept nur ausnahmsweise auf prägnante Begriffe bringt, liegt er doch, wie die gegebenen Zitate zeigen, unübersehbar in der Korrelation von Geist und Natur. Sie bestand im alttestamentlichen Judentum der Königszeit als Einheit von Sinaibund und Davidsbund, wird im Neuen Testament auf den gegenwärtigen Geist reduziert und eschatologisch durch die chiliastische Einheit von christlichem Geist und jüdischer Naturbasis voll129 So a.a.O. 10; a.a.O. 23 denkt Luthardt an die Reichsteilung, ohne daß dies viel zur Sache täte: es geht jeweils um den Wegfall der verfaßten Gestalt des Gottesreiches. 130 Zum, wenigstens intentional, menschheitlichen Horizont des Gottes- wie des Weltreiches a.a.O. 10 bzw. 14f. 131 A.a.O. 19: „Paulus hat die Kirche daher lediglich auf die Basis des Geistes aufgebaut und in seinen Grund eingesenkt.“ Vgl. a.a.O. 25: „Das ist der Geistesanfang des Reiches, den er [Jesus] zu schaffen begehrt; aber die geschichtliche Verwirklichung und Aufrichtung des Reiches ist Sache der Zukunft.“ 132 Zitat a.a.O. 18; vgl. zur „Naturbasis“ (a.a.O. 17) als der bleibenden „Bedeutung“ Israels für das Christentum (a.a.O. 20). Luthardt nimmt hier viele Gedanken gegenwärtiger Beiträge zum christlich-jüdischen Dialog vorweg, besonders mit seiner Ablehnung der später sog. Substitutionstheorie (a.a.O. 17f. 20). 133 A.a.O. 18.25 zur Identifikation Israels als Boden des Chiliasmus, der a.a.O. 33–35 ausführlicher thematisiert ist. 134 Z.B. a.a.O. 18.20.25.27 und der ganze Aufsatz „Die Zukunft Israels“ (a.a.O. 106–123). 135 A.a.O. 21: „Hat die Vollendung der Kirche Israels Bekehrung und Wiederherstellung zur Voraussetzung, so ist dieß also die erste weiterführende Thatsache, die überhaupt einzutreten hat.“ Vgl. a.a.O. 25.42.77.115f.

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endet. In diesem bei Luthardt fast auf jeder Seite nachweisbaren Entwurf von Heilsgeschichte entdeckt man sofort die Stufung von persönlicher Erfüllung und natürlicher Weissagung in v. Hofmanns Jugendwerk.136 Mitunter zitiert Luthardt v. Hofmanns Schlüsselsätze der Eschatologie gerade da, wo es um ihre Bedeutung für die Wahrnehmung des Judentums geht. So nennt er die Bibel „Denkmal der Geschichte Israels“, um den israelitischen Charakter der Heilsgeschichte zu betonen: „Zwischen Anfang und Ende Israels nun ist die Zeit und Kirche der Heiden zwischeneingeschoben“,137 und er hält fest: „Alle andern Völker haben nur kirchengeschichtlichen Beruf, Israel ist das Volk des heilsgeschichtlichen Berufs.“138 Freilich führt diese Betonung des jüdischen Charakters christlicher Eschatologie dazu, daß die systematische Bedeutung, welche bei v. Hofmann die Parusie Christi hat – die Einheit von Person und Natur darzustellen –, bei Luthardt eher das Millennium als Einheit von Geist und Natur übernimmt. Doch dies ändert nichts an der streng eschatologischen Ausrichtung seines Konzepts von Heilsgeschichte, da er das Millennium engstens an Christi Parusie anbindet und beide als Eschaton scharf abhebt von den Vorzeichen des Endes.139 Auch die andere und auffallende Differenz zu v. Hofmann, daß nämlich Luthardt die chiliastische Einheit von Geist und Natur als Wiederherstellung des alttestamentlichen Gottesreiches erwartet, ändert nichts an der eschatologischen Ausrichtung, da Luthardt andernorts mehrere Eschatologumena als Verzukünftigung alttestamentlicher Erwartung darstellt.140 Dies entspricht v. Hofmanns Annahme einer heilsgeschichtlichen Zwischenzeit der Kirche, der eben erst das Eschaton selbst zum Fortschreiten verhelfen kann. Auf Grund dieser weitreichenden Übereinstimmungen wird man resümieren können, daß Luthardts Axiomatik von Geist und Natur derjenigen von Person und Natur bei v. Hofmann entspricht.141 136 Dies umso mehr, als LUTHARDT (1861) 77 für das Millennium v. Hofmanns Begrifflichkeit von Person und Natur gebraucht: „Das kann aber nichts anderes sein, als daß, nachdem die Gottesgemeinschaft des Personlebens hergestellt ist, auch das Naturleben in dieselbe aufgenommen, d.h. also verklärt werde.“ 137 Zitate a.a.O. 19; das erste Zitat greift V. HOFMANN (1857/60) I,22 auf. 138 LUTHARDT (1861) 120; der zweite Halbsatz ist zitiert aus V. HOFMANN (1857/60) I,27. 139 Diese Unterscheidung von Vorzeichen und Ende selbst ist im historischen Kontext gerade die argumentative Pointe, mit der Luthardt die katholisch-apostolische Lehre einer Entrückung zum Millennium vor der Parusie Christi zum Gericht als Metabasis eis allo genos abweist. 140 LUTHARDT (1882) 363.365 für die eschatologische Mission und die Parusie. 141 Das Ergebnis der einzigen größeren wissenschaftlichen Untersuchung zu Luthardt, daß seine Sozialethik im Anschluß an A. v. Harleß „‚zwei Lebenssphären‘“ (RIESKE-BRAUN [1993] 143 mit Luthardtzitat), nämlich den religiös-sittlichen Bereich und die natürlich-geschichtlichen

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d) Rechtfertigung und Heiligung. Die zwischen 1857 und 1861 in drei Auflagen erschienenen zehn Vorträge über die letzten Dinge von HERMANN KARSTEN verstehen sich ausdrücklich als Aufnahme, aber auch Weiterführung von v. Hofmanns heilsgeschichtlichem Konzept. Laut Karsten ist Eschatologie Lehre vom Ende, und zwar vom Ende der Gnadenfrist, die Gott zwischen der Sünde und dem ihr eigentlich zukommenden Gericht eingeschoben hat. Eschatologie handelt somit vom Gericht und lenkt zugleich die Geschichte zurück auf die gerade Bahn ohne die Störung durch Sünde und Gericht. Dieses für Karsten kennzeichnende Konzept einer Gnadenfrist markiert den theologischen Sachverhalt der Heilsgeschichte.142 Im Einklang damit beschreibt Karsten alles Christentum als ausgespannt zwischen gegenwärtiger Rechtfertigung und zukünftiger Heiligung.143 Von diesem Spannungsbogen zieht Karsten eine individual- und eine universaleschatologische Linie aus, die sich entsprechen: „Wir haben also das Ende der Einzelnen und das Ende der Welt zu betrachten, doch aber so, daß wir erkennen, wie das Ende der jetzigen Weltzeit auch die Endentscheidung der Einzelnen ist“.144 Dabei oszilliert sich die Heilsgeschichte in individueller Hinsicht zwischen den Polen Geist und Körper, weil sie mit dem Tode endet und dieser als das „gewaltsame Abreißen des Geistes vom Körper“ definiert ist.145 Das Gericht bestätigt dann den Seligen die Verbindung von Geist und Leib, während die Unseligen als sündige Geister ohne Körper zurückbleiben.146 Derselbe Gedanke strukturiert mit dem paulinischen Bild der in den Ölbaum eingepfropften Zweige (Röm 11,18ff.) auch die universelle HeilsgeLebensordnungen, unterscheide und in „harmonische[r] Teleologie“ (a.a.O. 148) auf die „Durchdringung“ (ebd. u.ö.) letzterer mit der „christlichen Gesinnung“ (a.a.O. 142: „Luthardts ethischer Zentralbegriff“) ersterer ziele, stützt sich genau auf Luthardts Unterscheidung von Person und Natur: Er wolle damit in Abgrenzung von Luther ausdrücken, daß der Mensch nur als gleichartiger Teil der Natur unfrei sei, in seiner Sittlichkeit aber als von Gott angeredete Person frei (a.a.O. 138), so daß die persönliche Freiheit auch das Leben in den natürlichen Ordnungen durchdringen könne (z.B. a.a.O. 145). – Wenn Rieske-Braun in dieser Verhältnisbestimmung von Person und Natur eine „semipelagianisierende“ (a.a.O. 136 u.ö.) Tendenz ausmacht, dann m.E. deshalb, weil er ihren eschatologischen Begründungszusammenhang nicht einbezieht, in dem sie, wie gezeigt, in Luthardts „Lehre von den letzten Dingen“ steht. 142 KARSTEN (1858) 7 (Kap. I). A.a.O. VII über das Verhältnis zu v. Hofmann. 143 A.a.O. 32 (Kap. II): „die Rechtfertigung […] ist als göttliche Gabe vollkommen […]. Dagegen muß die Heiligung täglich in uns zunehmen.“ 144 A.a.O. 64. Dabei behandeln Kap. III–V die Individual- und Kap. VI–X die Universaleschatologie. 145 A.a.O. 75 (Kap. III); a.a.O. 63f. zum Tod als Abschluß der individuellen Heilsgeschichte. 146 So für die Unseligen a.a.O. 75 (Kap. III) in individual- und a.a.O. 300 (Kap. X) in universaleschatologischer Hinsicht, was die Bedeutung des Begriffspaares von Geist und Körper für Karstens ganze Eschatologie zeigt.

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schichte. Ihr Motor ist die Spannung von christlichem Glauben und jüdischem Unglauben an Christus, durch den die Christen allererst Zweige am Baum der Geschichte Israels werden.147 Dementsprechend lenkt die Parusie als universelles Ende die Geschichte wieder in israelitische Bahnen, d.h. sie mündet in „ein einiges seliges, christliches Israel“,148 das während tausend Jahren das verklärte „Jerusalem und das heilige Land“ beherrscht. Dieses Millennium wird in seiner Verklärtheit als „geistleibliches Dasein“ beschrieben, und auch diese Verbindung von Geist und Leib kann Karsten mit dem paulinischen Ölbaumgleichnis illustrieren.149 In der phasenweisen Zuordnung von Rechtfertigung und Heiligung, individualeschatologisch als Ergänzung des Geistes durch den Körper, universaleschatologisch als organische Eingliederung der Christen in das jüdische Volk, erkennt man unschwer v. Hofmanns Begriffspaar von Person und Natur wieder. Die Vorstellung, daß Heilsgeschichte die Einspeisung der Heiden in Israels Geschichte sei, ist in v. Hofmanns Qualifikation der Heilsgeschichte als israelitischer Geschichte stets präsent. Wie v. Hofmann spricht Karsten von einem gottmenschlichen Personleben des wiederkehrenden Christus als dem eigentlichen Ende, in dem beide Seiten vereinigt sind. Freilich lassen sich auch Unterschiede nicht übersehen, so bei Karstens stärkerer Betonung der Individualeschatologie. Vor allem aber lenkt Karstens Kerngedanke, daß die Heilsgeschichte Gnadenfrist sei, den Blick genau auf die Zeit der Kirche, die v. Hofmann als heilsgeschichtlichen Stillstand eher auszuklammern scheint. Man kann somit festhalten, daß trotz einiger Verschiebungen v. Hofmanns Axiomatik von Person und Natur bei Karsten in den Termini Rechtfertigung und Heiligung zur Geltung kommt. e) Unendlichkeit und Endlichkeit. 1866 erscheint in Rostock eine Vortragsserie zur Eschatologie aus der Feder des Pfarrers WILHELM FLOERKE. Sein Grundgedanke, dargelegt im ersten Abschnitt, ist, einen Zentralsatz lutherischer Christologie auf die Eschatologie anzuwenden: finitum capax infiniti.150 Die zweiten bis vierten Abschnitte handeln von der stufenweisen 147 A.a.O. 239f. (Kap. IX). 148 Wohl nur hier (a.a.O. 248) wird der Israeltitel (auch) auf die Christen aus den Heiden bezogen, a.a.O. 198.242f. und selbst a.a.O. 258, wo vom „Israel Gottes“ die Rede ist, denkt Karsten an das Volk Israel in seiner eschatologischen Bekehrung zum Christentum. 149 Zitate a.a.O. 258.253. Das Ölbaumgleichnis wird a.a.O. 240 für die historische Entstehungssituation des Christentums, a.a.O. 198.202.248 dagegen eschatologisch herangezogen. 150 FLOERKE (1866) 8 (Kap. I): „Wir sehen uns hier an die Frage gestellt: ob das Endliche des Unendlichen fähig sei oder nicht? und finden auch hier die rechte Antwort nur bei der lutherischen Kirche, […] das rechte Ja, welches zuerst ein Nein ist, und dann erst zum Ja wird. […] Diese wirkliche Einwohnung Gottes […] ist nun aber auch der Punkt grade, von dem aus der Begriff der letzten Dinge im engern Sinne sich erbaut.“

III. Die chiliastische Eschatologie der Heilsgeschichtlichen Theologie

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Durchsetzung der in dieser Formel ausgedrückten Einheit von Gott und Mensch: zunächst individuell im einzelnen Menschen, dann in der geschichtlichen Welt der Menschheit und schließlich auch im außergeschichtlichen und außermenschlichen Universum.151 Floerkes Eschatologie legt somit schon dem Aufriß nach den Akzent auf die Allmählichkeit, mit der das Unendliche in das Endliche Eingang findet. Realisiert ist die Einheit beider nur erst in Christus, und deswegen kann die Eschatologie für Floerke nicht vom verewigten Endlichen aus entfaltet werden, sondern nur vom erlösenden Christus,152 und zwar als die allmähliche Befähigung der Endlichkeit für die Unendlichkeit. Dieser Grundgedanke erinnert an v. Hofmanns Konzept einer durch die Parusie begründeten, allmählichen Befähigung der Natur zur Gemeinschaft mit der Person. Bei Floerke erscheint auf dieser Grundlage als Thema der Individualeschatologie der Zwischenzustand, den er als geistlichen Tod infolge der Erbsünde versteht. Christus als der Gekreuzigte nun befreit von Sünde und muß diese Befreiung den geistlich Toten mitteilen, und deswegen ist seine Hadesfahrt der Beginn seiner triumphalen Erhöhung.153 Deswegen auch ist für die Christen der leibliche Tod Durchgang zur Erlösung, die Befähigung des Leibes zur Ewigkeit: „Nur in diesen Stäublein ist noch der Leib da, […] in diesen Stäublein grade muß also der Hades zu Schanden werden, in diesen Stäublein grade der Herr eine unentreißbare Beute haben.“154 – Die Geschichtseschatologie der sog. Vorzeichen des Endes stellt in toto solche Befähigung dar, indem sie alle menschliche Geschichte auf das Eschaton als ihren einzigen Zweck ausrichtet.155 Inhaltlich heißt das: Die aus der Johannesoffenbarung entnommenen Vorzeichen des Endes, also die Logien von einer vorläufigen Machtstellung, doch letztlichen Vernichtung der Kirche, bedeuten ihre Vollendung, machen ihre geschichtliche Gestalt überhaupt erst fähig der ewigen Herrlichkeit.156 151 A.a.O. 9 mit der Gliederung „zunächst“ – „zweitens“ – „drittens“, der die Folge der Kap. II, III, IV entspricht. 152 A.a.O. 9: „Also nicht von der Kirche, sondern vom Herrn aus entsteht der Begriff der letzten Dinge.“ A.a.O. 75: „Nicht die Welt mit ihrer Entwicklung, sondern der Herr führt solchen [sc. Jüngsten] Tag herbei“. 153 A.a.O. 19 kann „der Eingang in den Hades daher auch nur Sieg und Herrlichkeitsoffenbarung sein“. 154 A.a.O. 26 (Kap. II). 155 Für die Geschichte ist der jüngste Tag „freilich noch keineswegs ihr nächster und ausschließlicher“ Zweck; erst in der Periode der Vorzeichen werden „alle ihre Entwicklungspunkte nicht mehr durch ihre eignen, sondern durch die direkten Zwecke des jüngsten Tages bedingt werden“ (a.a.O. 32f. 33f. [Kap. III]). 156 A.a.O. 55f. (Kap. III).

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Wird allerdings so alle Geschichte gänzlich auf das Eschaton ausgerichtet, dann geht bei seinem Eintreffen auch alle Geschichte in ihm auf.157 Mit diesem Argument verwirft Floerke das Millennium als eine unmögliche „noch diesseitige Entwicklung und diesseitige Kirchengeschichte […], während es anderseits doch zwischen der Wiederkehr und dem Weltgerichte seinen Platz haben soll“.158 Befähigung des Endlichen für das Ewige heißt ihm vielmehr jenseitige Geschichte, Transfer der Geschichte ins Jenseits: Die „drei Grundordnungen“ Ehe, Staat und Kirche bestehen fort, dienen aber ausschließlich Gottes Gebot für die Wiedergeborenen.159 Die Toten erstehen vom Säugling bis zum Greis mit einem Leib im besten „Mannesalter“; die Tiere werden, „was heute Märchen ist“, sprechen können.160 Über die Parusie liest man, gewissermaßen im Schlußakkord des Buches: „der am jüngsten Tage Erscheinende, [sic!] ist der von uns Verkündete, der lutherische wirkliche Gott und Mensch in einer Person“.161 Auch die lutherische Konfession wird demnach als solche verherrlicht! Bei genauerem Hinsehen zeigt sich tatsächlich, daß in allen vier Kapiteln der systematische Akzent auf lutherischen Eigenheiten ruht: Gewiß ist schon das finitum capax infiniti eine lutherische Spezialität; ebenso wird die Individualeschatologie mit der siegreichen Hadesfahrt Christi lutherisch gegen deren reformierte Deutung als tiefster Erniedrigung Christi interpretiert.162 Die Vorzeichen des Endes als eigenständige Periode der eschatologischen Zweckausrichtung werden gegen unmittelbar eschatologische Ausdeutung der Geschichte bei Baptisten und „Irvingianern“ abgesetzt.163 Schließlich gilt Floerke im Schlußabschnitt seines Buches der Chiliasmus als reformierte Sittenüberspannung.164 157 So gebe es mit der Parusie „kein chronologisches, sondern nur ein sachliches Nacheinander“ (a.a.O. 72; Hervorhebungen aufgehoben). 158 A.a.O. 66 (Kap. IV) nebst der Feststellung, Chiliasmus sei seinem Wesen nach immer Prämillenniarismus. 159 A.a.O. 96 (Zitat) sowie a.a.O. 108 zur Überhöhung der beiden ersten Bräuche des Gesetzes durch den usus in renatis. Floerke ergänzt a.a.O. 97, daß die unterschiedlichen Herrlichkeitsgrade innerhalb der allen gleichen Seligkeit durch die Verschiedenheit der „höhern Beamtung“ in der Ewigkeit ausgedrückt würden. 160 Zitate a.a.O. 83.93 (beide Kap. IV). 161 A.a.O. 110 (Kap. IV). 162 Vgl. die Abgrenzungen a.a.O. 8 bzw. a.a.O. 19. 163 A.a.O. 33. Bei den endgeschichtlichen Vorzeichen treibt Floerkes Einzelauslegung zudem besonders konfessionalistische Blüten. Demnach sind die Judäer unter den 144.000 Versiegelten aus Offb 7,4 die lutherische Kirche (a.a.O. 44). Das irenische Laodicea aus Offb 3,14ff. steht für die Kirche der altpreußischen Union (a.a.O. 57). Der Antichrist schließlich wird vom Katholizismus verkörpert (a.a.O. 60.63f.). 164 A.a.O. 75.

III. Die chiliastische Eschatologie der Heilsgeschichtlichen Theologie

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Floerkes systematische Schwierigkeit wird aus dem Vergleich mit v. Hofmann ersichtlich. Der Ansatz einer Befähigung des Endlichen zum Unendlichen ähnelt zwar v. Hofmanns Konzept von Natur und Person, doch legt Floerke die Naturseite mehr und mehr auf das gegebene Luthertum fest, so daß jede echte Erwartung von etwas Neuem für sie ausfällt. Floerke halbiert so das heilsgeschichtliche Konzept gewissermaßen. Gerade darum aber muß diese eigenartige Zwittergestalt von Eschatologie im Zusammenhang der Heilsgeschichtlichen Theologie verstanden werden – nämlich als konfessionell restaurative Polemik dagegen. f) Seele und Leib. Im Jahre 1886 veröffentlicht der Präsident des mecklenburgischen Oberkirchenrates, THEODOR KLIEFOTH, als sein Alterswerk eine „Christliche Eschatologie“. Kliefoth begreift Eschatologie grundsätzlich antiprogressiv. Jede Entwicklung zum vollendeten Heil stößt in der Sünde auf eine unübersteigbare Schranke, und deswegen kann Eschatologie keine Entwicklung, sondern nur Gottes sprunghaftes Eingreifen lehren, das die Schranke aufhebt165 und so die Eschatologie in zwei Hälften teilt, nämlich die Vorbereitung des Endes und das Ende selbst. Die „Markscheide“ zwischen beiden ist die Parusie Christi als „Mittelpunkt der die Vollendung schaffenden Gottesthaten“.166 Daß solch „unnatürliche Sprünge“167 notwendig sind, bemerkt Kliefoth schon zu Beginn seiner materialen Durchführung bei der Lehre vom Tode. Da die Seele nach dem Tode, der sie vom Leibe trennt, keiner Tätigkeit oder Veränderung fähig ist,168 wäre ihr Zwischenzustand nach dem Tode identisch mit dem eschatologischen Gericht über sie,169 wenn nicht Gott den berufenen Seelen die im Tode noch anhaftende Sünde abnehmen oder die unberufenen Seelen nachträglich zum Glauben berufen könnte.170 Diese eschatologischen Wunder vollziehen sich zufolge Kliefoth mit Christi Parusie als dem Zentralwunder. Dadurch erklärt sich, daß Kliefoths 165 KLIEFOTH (1886) 4.5 (§ 1): „Alle diese die Vollendung verhindernden Dinge […] hebt keine Entwickelung auf.“ – „Demnach werden wir neue Gottesthaten erwarten müssen“. 166 Zitate a.a.O. 226.26; überhaupt a.a.O. 26f. (§ 4) und das Inhaltsverzeichnis zur Zweiteilung der Eschatologie nach Vorbereitungen des Endes (§§ 5–18: Zwischenzustand [§§ 6–12] und Vorzeichen des Endes [§§ 13–18]) und Ende selbst (§§ 19–26: als Parusie [§§ 20–24] und Ewigkeit [§§ 25–26]). 167 A.a.O. 86. 168 Dies ist Kliefoths Ergebnis zur Frage nach der Unsterblichkeit der Seele (§ 6). 169 Dagegen a.a.O. 74: „Es wird zwischen dem über jeden Menschen bei seinem Ableben ergehenden Gericht und dem Endgericht der Parusie ein Unterschied statt finden müssen.“ Diese Unterscheidung ist Thema des § 7. 170 A.a.O. 86 zur sprunghaften Entsündigung und a.a.O. 111f. zur Nachberufung. Der Unterschied von berufenem und unberufenem Zwischenzustand ist Thema der §§ 10 bzw. 11.

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gesamte Eschatologie um die Parusie Christi zum Gericht strukturiert ist in streng korrespondierender Zweiteilung von Partikular- und Universalgericht: Jenes gehört zur Vorbereitung des Endes und ergeht im Tode;171 dieses gehört zum Ende selbst und ergeht bei der Parusie. Jenes betrifft die Rechtfertigung und richtet nach dem Glauben; dieses betrifft die Heiligung und richtet nach den Werken. Jenes wird logisch ermöglicht durch den Zwischenzustand, der bloß das Urteil über die Berufenen zu konservieren bzw. für die Unberufenen nachzuholen hat; dieses wird logisch ermöglicht durch die Auferstehung Aller. Jenes vollzieht sich an der Seele; dieses vollzieht sich am Leibe. Jenes mißt die unteilbare Seligkeit bzw. Unseligkeit zu; dieses teilt als Binnendifferenzierung davon Grade der Herrlichkeit bzw. Verdammnis aus.172 Bei Kliefoth scheint solch strenge Symmetrie ein völlig anderes Konstruktionsprinzip als der heilsgeschichtliche Entwurf einer allmählichen Vollendung der Natur vorauszusetzen. Doch die Symmetrie ist keineswegs so streng.173 Das ergibt sich schon aus Kliefoths Grundgedanken: Wenn Eschatologie aufgrund der Sünde keine Entwicklung lehrt, sondern gerade die Aufhebung der Schranke solcher Entwicklung, dann ermöglicht sie, indem Gottes Wunder deren Schranke aufhebt, zugleich Entwicklung; eine Entwicklung, die freilich in eben dem Augenblick, wo sie möglich wird, auch schon wirklich ist, weil durch Gottes Wunder ihre Schranke ja aufgehoben ist. Kliefoths Eschatologie lehrt also, pointiert gesprochen, zwar entschieden wegen Gottes Eingreifens keine Entwicklung zum Heil, wohl aber wegen desselben Gottes Eingreifens eine Entwicklung des Heils. Der Entwicklungsgedanke wird damit nicht schlechthin aufgegeben, sondern auf eine höhere Ebene gehoben. Auf ihr kehren die Spezifika der Heilsgeschichtlichen Theologie wieder. Die Ewigkeit fügt die leibliche Seite des Menschen mit der seelischen zusammen, sie erstattet zur Seligkeit die Herrlichkeit: Mit alldem denkt Kliefoth die Ewigkeit als Einheit von Person und Natur, analog zum Chiliasmus der Heilsgeschichtlichen Theologie, denn wie dieser sieht er die Ewigkeit als Erfüllung der an Israel ergangenen Verheißungen174 und spricht Israel einen Ehrenprimat zu, weil es die völki171 A.a.O. 75. Kliefoth nennt das Gericht im Tode hier auch ein „Vorgericht“. 172 A.a.O. 287. 173 Auf Asymmetrien macht auch HJELDE (1987) 192 aufmerksam: Der erste Teil ist nach dem Schema von Individual- und Universaleschatologie untergliedert, der zweite nach dem von Heil und Unheil. 174 KLIEFOTH (1886) 190.344f. mit Verweis auf § 16 (Widerlegung des Chiliasmus), wo es a.a.O. 162 hieß: „diese Weissagung muß ihre Erfüllung finden, so weit sie sie nicht schon gefunden hat, und zwar realiter und voll“.

III. Die chiliastische Eschatologie der Heilsgeschichtlichen Theologie

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sche, ja raumzeitliche Struktur der Ewigkeit, eben der neuen Erde, vorgegeben habe. Kliefoths Eschatologie muß somit im Zusammenhang mit dem Konzept v. Hofmanns gesehen werden. Daß er diesen wohl mit der Kritik an „der jetzt beliebten Israelolatrie“ im Auge hat175 und auf annähernd fünfzig Seiten den Chiliasmus in Bausch und Bogen verwirft, gibt Kliefoths Entwurf kaum eigene Konsistenz, denn sein entscheidendes Argument gegen den Chiliasmus: daß er ein „Zwitterding“ sei, welches den „Grundfehler“ begehe, „zweimalige Parusie“ und „doppelte Auferstehung“ anzunehmen,176 überzeugt wenig in einem Konzept, das ganz auf Doppelungen und Zweiteilungen gebaut ist. Während nämlich bei v. Hofmann die Pointe der Axiomatik von Person und Natur inhaltlich auf ihrer Verklärung zur Einheit im Christus der Parusie liegt, wendet Kliefoth die entsprechenden Begrifflichkeiten mechanisch als Formprinzip an. Während die Heilsgeschichtliche Theologie Unseligkeit gerade nicht als bloß negativ gespiegelte Form der Einheit von Person und Natur, sondern als deren Verfehlung denkt, ist sie für Kliefoth das exakte Spiegelbild zur Seligkeit.177 Die eigentliche Absicht der heilsgeschichtlichen Eschatologie, daß sie auf die Herrlichkeit Christi und die Neuschöpfung der Welt zielt, kann Kliefoth daher nicht ausdrücken. Seine Eschatologie wirkt trotz ihres anschaulichen Materialreichtums wie ein vom Inhalt abgelöstes formales Konstrukt, das ohne den abgrenzenden Bezug auf die Heilsgeschichtliche Theologie kaum verständlich wäre. Auch Kliefoths Eschatologie ist daher, wie diejenige Floerkes, im Zusammenhang der Heilsgeschichtlichen Theologie zu sehen.178 Das hier zusammengetragene Material erlaubt ein Fazit: v. Hofmann strukturiert die Eschatologie im Ausgang von der Parusie mit Hilfe der Axiomatik von Person und Natur als allmähliche, stufenweise Vollendung des Weltverhältnisses (Natur) zu seiner Einheit mit dem Gottesverhältnis (Person). Diese Axiomatik findet sich in mehr oder weniger abgewandelter Form auch bei Beck, Auberlen, Luthardt, Karsten, Floerke und Kliefoth. Zudem bestehen zwischen den genannten Theologen auch kirchengeschichtliche Beziehungen, die mehr sind als untergründige Strömungen, deren Aufspüren den wissenschaftlichen Wert von Wünschelrutengängen 175 Zitat a.a.O. 346, dort auch, mit vielen Bedenken, zum eventuellen Vorzug Israels. 176 Zitate a.a.O. 190.189.189.189. 177 v. Hofmanns und Karstens Pointe im Umgang mit dem Problem der ewigen Verdammnis ist dagegen, daß die Unseligen als Geister ohne Körper (s. S. 94 Anm. 62 bzw. S. 111 Anm. 146) weder selbst leiden noch jemandem Leid antun können. 178 WEBER (1955/62) II,738 Anm. 3 zählt Kliefoth zur Heilsgeschichtlichen Theologie.

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hätte. Vielmehr ergibt sich durch sie auf der theologiegeschichtlichen Landkarte so etwas wie eine Topographie heilsgeschichtlicher Eschatologie mit dem fränkischen Stamm der Erlanger v. Hofmann und Luthardt sowie einem alemannischen (Beck, Auberlen) und einem mecklenburgischen Zweig (Karsten, Floerke, Kliefoth),179 die sich jedenfalls tendenziell in der Handhabung der gemeinsamen Axiomatik von Person und Natur unterscheiden. Hatte v. Hofmann daraus das Theorem einer heilsgeschichtlich fortschrittslosen Gegenwart abgeleitet, so akzentuierten Beck und Auberlen diese als Zeit der Kirche, was die Bedeutung des Chiliasmus als spezieller Hoffnungsgestalt für die Kirche erhöhte. Solche Argumentation (etwa auch bei Luthardt) ruft aber die antichiliastischen Mecklenburger Floerke und Kliefoth mit einer amtskirchlich geprägten Restaurationseschatologie auf den Plan. Der Chiliasmus markiert so die inhärenten Probleme der eschatologischen Axiomatik von Person und Natur, denn das Millennium ist eine Durchdringung der Dimensionen von Person und Natur, die daher zwischen alttestamentlichen Konturen und der christlichen Bekehrung Israels schwankt. Dies zeigt schon, daß die chiliastische Eschatologie der Heilsgeschichtlichen Theologie bedeutsam ist für die Frage, wie evangelische Theologie das Judentum wahrnimmt. 1.2. Implikationen für die Wahrnehmung des Judentums 1. Alttestamentliches und endzeitliches Judentum. Schon ein flüchtiger Blick auf die Autoren der Heilsgeschichtlichen Theologie zeigt, daß das Judentum in ihrem eschatologischen Denken eine wichtige Rolle spielt. Zum einen wird die erwartete Verheißung mit begrifflichem und anschaulichem Material aus dem Alten Testament beschrieben, zum anderen hat der Chiliasmus als eine jüdische Eschatologietradition maßgebliches Gewicht, denn die Hoffnungsgestalt der Kirche wird in der Heilsgeschichtlichen Theologie durch das Millennium verkörpert. Beides zeigt sehr deutlich Luthardt, der den Chiliasmus geradezu definiert als das Auftragen geistigen Kirchentums auf ein israelitisches Trägermaterial. Doch auch bei den übrigen Autoren ist deutlich, wie sie sich speziell für das Alte Testament und den Chiliasmus interessieren. Dabei wird für das Eschaton gewissermaßen angenommen, der christliche Glaube werde mit seiner alttestamentlichjüdischen Gestalt zusammenwachsen, so daß eschatologisch zur Deckung kommt, was geschichtlich getrennt war. Die neutestamentliche Weissagung 179 Später tritt noch ein baltischer Zweig hinzu (s. Kap. V.2.2, hier S. 253–255).

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ist keine andere als die alttestamentliche Zukunftserwartung, Israel ist die Zukunft der Kirche. Deswegen steht zum einen mit den Verheißungen des Alten Testaments die eschatologische Verheißung immer gleich mit zur Debatte, deswegen wird zum anderen mit dem Chiliasmus notwendig auch die Frage einer christlichen Bekehrung Israels zum Thema. Letzteres zeigt sich daran, daß Chiliasmus nicht ohne Bekehrung Israels und diese nicht gegen jenen vertreten werden kann; man vergleiche etwa Kliefoth mit den übrigen Genannten. Ersteres war besonders gut bei Auberlen zu beobachten, der ursprünglich gegen v. Hofmann für die rein eschatologische Deutung alttestamentlicher Verheißung eintrat, ihm letztlich aber doch in einer Korrespondenz von zeitgeschichtlicher und eschatologischer Interpretation beipflichten mußte. Beides zeigt sich deutlich auch bei v. Hofmann. Wenn er in seinem Jugendwerk in neuartiger Weise mit einer offenen neutestamentlichen Weissagung schließt, ist diese sachlich alttestamentliche Erwartung, da sie ja dem mit dem Neuen Testament gegebenen wahrhaftigen Gottesverhältnis (Person) das rechte Weltverhältnis hinzufügt, also die Verklärung der Natur, die eben schon Gegenstand alttestamentlicher Erwartung war.180 Für v. Hofmann ergibt sich eine protologisch-eschatologische Klammer um die Geschichte also schon aus seiner axiomatischen Begrifflichkeit von Person und Natur. Die Ansicht, daß Anfang und Ende sich entsprechen, ist in christlichem Geschichtsdenken freilich nichts Außergewöhnliches, charakteristisch für die Heilsgeschichtliche Theologie ist aber, daß Anfang und Ende beide auf Israel und das Judentum konzentriert sind. So sind durchweg schon aufgrund der Axiomatik von Person und Natur das Judentum der alttestamentlichen Zeit und das Israel des Eschaton die beiden Brennpunkte heilsgeschichtlichen Interesses am Judentum. Man muß nun aber sogleich die Beobachtung anschließen: Mit ebensolcher Übereinstimmung wird ein Judentum anderer Epochen aus der Betrachtung ausgeblendet. Das ergibt sich aus der heilsgeschichtlichem Denken zugrundeliegenden Axiomatik ebenso klar wie andererseits die Fokussierung auf früh- und endzeitliches Judentum. Demnach ist ja das Alte Testament die Zeit natürlicher Erwartung, das Neue Testament die Zeit persönlicher Erfüllung und das Eschaton die Zeit auch natürlicher Erfüllung. Die Zeit zwischen Christi historischem Auftreten und seinem zukünftig erhofften Kommen ist dann, heilsgeschichtlich betrachtet, ohne escha180 So auch BECKMANN (2002) 293, womit dessen Behauptung, bei v. Hofmann weise das Alte Testament nur auf den „Anfang des Endes“, „nicht wie das NT auf das Ende selbst“ (a.a.O. 285), in Spannung steht. Angemessener scheint mir, das Problem nicht bei der Zukunftserwartung des Alten Testaments, sondern bei v. Hofmanns Ausdruck „Anfang des Endes“ zu suchen.

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tologischen Wert, und tatsächlich war zu beobachten, daß v. Hofmann diesen Schluß ausdrücklich zieht.181 Also gibt es in der gesamten Geschichte, die vom heilsgeschichtlichen Standpunkt aus ja eine allmähliche Vollendung der Natur ist, eine genau abgrenzbare Zeit zwischen Christi erstem und zweitem Kommen, die zu dieser Verklärung nichts beiträgt. Das ist umso überraschender, als derselbe v. Hofmann ausdrücklich festhält, die ganze Geschichte sei israelitische Geschichte,182 ja in ihrem israelitischen Gepräge bestehe ihr heilsgeschichtlicher Charakter. Noch deutlicher wird das Problem bei Karsten: Aus der Entsprechung zwischen jüdischer Frühzeit und israelförmiger Eschatologie ergibt sich bei ihm, daß die fragliche Zeit zwischen Christi historischem Auftreten und seiner Parusie nur ein heidengeschichtlicher Einschub in die Israelgeschichte ist, aus der jene entspringt und in die sie dereinst wieder mündet.183 Nicht anders verhält es sich bei Beck und Auberlen. Sie sind trotz ihrer Übereinstimmung mit v. Hofmanns Axiomatik zwar gerade an der fraglichen Zwischenzeit interessiert, aber eben als einer Zeit der Kirche. Gewiß ist es in der christlichen Eschatologie zumal dieser Epoche nicht so ungewöhnlich, daß eine fremde, die jüdische Tradition nicht ins Blickfeld gerät, so daß man hieraus allein nicht wohl schon einen Einwand gegen derartige Eschatologie entnehmen kann.184 Gleichzeitig wird aber ja in der Heilsgeschichtlichen Theologie die gesamte Geschichte in ihrer christlichheilsgeschichtlichen Prägung als israelitische behauptet, und dies ist nun ein ernsthafter Widerspruch, der in der heilsgeschichtlichen Konzeption selbst angelegt ist. Denn einerseits werden klar jüdische von nichtjüdischen Epochen getrennt, andererseits wird für die Geschichte Stetigkeit reklamiert. Einerseits führt die Axiomatik von Person und Natur zu einer klaren Stufung der Geschichte, andererseits beschreibt sie eine allmähliche Verklärung der Natur zu ihrer Einheit mit der Person.185 Die Axiomatik von Person und Natur ist also in sich unklar; denn Stufung und Stetigkeit des Geschichtsmechanismus von Person und Natur schließen einander aus. Diese Begrifflichkeit, die wir bislang nur rekonstruiert und in ihren Funktionen 181 S. S. 94 Anm. 59. 182 V. HOFMANN (1857/60) I,26f. 183 KARSTEN (1858) 239f. (s. S. 112 Anm. 147). 184 Besonders BECKMANN (2002) 325.328.336 kritisiert die evangelische Theologie des 19. Jh. immer wieder dafür, daß sie in der Eschatologie dem „nachchristlichen Judentum“ keine produktive, d.h. kritische Funktion am „kirchlichen status quo“ einräumt. Freilich kann solcher Wunsch nach Kritik auch vom christlichen Unbehagen an Kirche bestimmt sein, wie umgekehrt Produktivität sich nicht in Kritik erschöpft. 185 Ein ähnliches Problem konstatiert auch BEHR (1995) 106.

III. Die chiliastische Eschatologie der Heilsgeschichtlichen Theologie

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analysiert haben, muß darum nun nochmals einer kritischen Betrachtung unterzogen werden. 2. Der historische Jesus und der Christus der Parusie. Diese kritische Betrachtung führt zu folgender Problembeschreibung: Der Terminus „Person“ bezeichnet bei v. Hofmann das Gottesverhältnis, das ein Mensch, aber auch Gott selbst186 hat. Das Weltverhältnis nennt er im Unterschied dazu „Natur“. Demnach zielt die heilsgeschichtliche Axiomatik, indem sie auf die Parusie orientiert ist, auf die Einheit von Gottes- und Weltverhältnis. Diese ist so, wie sie sich geschichtlich vorfindet, gestört, denn zum einen ist die Heilsgeschichtliche Theologie darin dem aufklärerischen Denken und der allgemeinen Hinwendung zur Geschichte verpflichtet, daß für sie ein unmittelbares Gottesverhältnis nicht erschwinglich ist. Zum anderen kann das Weltverhältnis aufgrund der Sünde auch nicht Träger eines vermittelten Gottesverhältnisses sein. Problematisch ist also, wie die Natur Träger der Person sein kann; und diese heilsgeschichtliche Fragestellung kehrt die frühere Denkrichtung um, in der die Person Träger der Natur war. Die Heilsgeschichtliche Theologie handelt also davon, unter welchen Umständen das Weltverhältnis dem Menschen ein Gottesverhältnis vermitteln kann, wie also die sündige Korruption der Menschenwelt behoben werden kann. Der Mensch, der Gott in der Welt nicht finden kann, weil er die Welt und sich mit ihr immer wieder zu Gott macht, erfährt eine Veränderung, die ihn zur Gemeinschaft mit Gott befähigt; das ist gemeint, wenn die Heilsgeschichtliche Theologie von einer Verwandlung der Natur spricht. Wenn sie dabei aber Christi Kreuzestod im Gegenzug zur sündigen Korruption der Natur als eine, allgemein gesprochen, Veränderung der Natur auffaßt, so daß diese der Gemeinschaft mit Gott nicht mehr entgegensteht – was, so lautet die entscheidende Frage, was fehlt dann noch zur Einheit von Welt- und Gottesverhältnis? Ist die Einheit von Person und Natur dann nicht mit Christi historischem Auftreten gegeben und die Erwartung einer Parusie schlicht überflüssig?187 Dieses Problem bedarf einer Klärung, da sonst die von den beiden Daten des historischen und des zukünftigen 186 V. HOFMANN (1857/60) I,36 erwähnt eine immanent-trinitarische Gleichpersönlichkeit des Geistes mit Jesus. 187 Bereits bei S. 92 Anm. 54 wurde darauf hingewiesen, daß v. Hofmann die Versöhnung zwar als Gutmachung der sündigen Natur begreift, gleichwohl aber das Christentum vorbehaltlich des die Natur verklärenden Eschaton auf die Person gründet; ebenso z.B. Luthardt, der es auf dem Geist ruhen sieht (s. S. 109 Anm. 131). KLIEFOTHS Gliederung der Eschatologie verrät ein ähnliches Problem, weil er von seinem eschatologischen Ansatz bei Gottes wundertätigem Eingreifen von der Parusie Christi ausgeht, daneben aber auch die Vorzeichen durch ihre Wunderhaftigkeit begründen will (DERS. [1886] 139f.).

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Kommens Christi eingegrenzte Zeit der Kirche unversehens in den Mittelpunkt der Eschatologie rückt und die Hoffnung sich dann nur noch auf den Fortbestand der Kirche richtet. Für dieses Problem zwischen erstem und zweitem Kommen Christi sind zwei Lösungsvorschläge denkbar, die jedoch beide wieder bestimmte Schwierigkeiten der Heilsgeschichtlichen Theologie aufdecken. Das Verhältnis zwischen Christi historischem Auftreten und seiner erhofften Parusie läßt sich zum einen als dasjenige von Ermöglichung und Verwirklichung des Eschaton beschreiben, dabei aber verliert die Geschichte ihr durchgehend israelitisches Gepräge, von dem ja die Heilsgeschichtliche Theologie ausgegangen war. Zum anderen kann man den historischen Jesus dem Parusiechristus zuordnen wie Individual- zu Universaleschatologie, dies aber widerspricht dem heilsgeschichtlichen Grundgedanken, daß das Individuum Christus die Menschheit Gottes sei, m.a.W. hier wird das Problem spürbar, daß in der Begrifflichkeit von Person und Natur (als Gottesund Weltverhältnis) das Verhältnis von Individualität und Menschheitlichkeit ungeklärt ist. – Beide Fälle seien kurz erläutert: Für die erste Lösung ermöglicht der historische Jesus den Menschen, Gott in der Welt zu finden, also ein naturvermitteltes Gottesverhältnis zu erlangen, was der Parusiechristus dann verwirkliche. Da v. Hofmann aber durch den Ansatz bei der Wiedergeburt auch schon eine geschichtliche Verwirklichung annimmt, wäre diese Lösung nur im Sinne einer allmählichen und prozessualen Verwirklichung denkbar. Gerade so löst sie freilich das Problem von Stufung und Stetigkeit der Geschichte: Sie wird dann mit der grundsätzlichen Befähigung der Natur zur Gottesgemeinschaft durch Christi Tod auf die höhere Stufe einer christlichen Geschichte geführt, die sich dann wie eine Rolltreppe – gestuft, aber stetig – der immer höheren Vervollkommnung zubewegt.188 – Tatsächlich ist diese Anschauung in der Heilsgeschichtlichen Theologie nachzuweisen. Die Höherentwicklung der christlichen Geschichte ist im Millennium verkörpert. Die Verbindung dieser Entwicklung mit ihrer vorigen Stufe kommt zum Ausdruck, wenn Christus in seinem historischen Auftreten als Ende und darin zugleich Wende der Geschichte verstanden wird. Mit ihm beginnt dann eine neue, eine höhere Geschichte. Die frühere Geschichte verblaßt demgegenüber allerdings zur Vorgeschichte. Auf Judentum und Christentum bezogen heißt das, die christliche Geschichte ist keine israelitisch geprägte mehr wie ihre alttesta188 Ein komplementäres Problem der zeitgleichen katholischen Eschatologie der Tübinger Schule kritisiert MÜLLER-GOLDKUHLE (1966) 123 als „Terrassen-Eschatologie“: Stufung ohne innere Stetigkeit.

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mentliche Vorstufe. Genau dies hatte die Heilsgeschichtliche Theologie aber ursprünglich für alle Geschichte reklamiert. Die andere Lösung sieht im historischen Christus die Einheit von Person und Natur nur für ihn selbst wirklich, in der zukünftigen Parusie dagegen gewinne sie für alle Menschen Gültigkeit. Tatsächlich versteht v. Hofmann Jesu Tod und Auferstehung als Einigung von Person und Natur.189 Der Zusammenhang zwischen beiden Daten besteht dann darin, daß im historischen Christus bereits vorwegereignet ist, was in der Parusie geschieht. Diese typologische Verknüpfung der beiden Parusien Christi ist besonders charakteristisch für Beck, der sie für mehrere Eschatologumena einzeln durchführt.190 Sie findet sich aber tatsächlich bei praktisch allen hier besprochenen Autoren für das Eschatologumenon Gericht dargestellt. Es wird dann angenommen, daß Christus mit seiner Ankündigung der Zerstörung Jerusalems das Gericht vorwegnimmt und daß deswegen der Untergang des zweiten Tempels im Jahre 70 innerhalb einer dreiphasigen Parusie der (geistige) Beginn von Christi zukünftig erhoffter Parusie sei.191 Die Schwierigkeit ist aber, daß die ganze Hypothese einer individuellen Vorwegereignung der Eschata in Christus der charakteristischen Pointe von v. Hofmanns Christologie widerspricht, denn Christus kommt dort nie als Individuum in den Blick, sondern als der Mensch Gottes, der in diesem Kollektivsingular die Menschheit Gottes ist. Ja, v. Hofmanns Lehre von der Person Christi gipfelt ja darin, daß Christus als der Erlöser derjenige ist, dessen Weltverhältnis ganz vom Gottesverhältnis durchdrungen ist und darum keine Individualität kennt.192 Daß Christus auch Individuum werde, fehlt ihm gerade noch, dies ist auch für Christus die noch ausstehende Verklärung der Natur, und deswegen muß v. Hofmann annehmen, daß die Parusie nicht nur um der Menschen, sondern auch um Christi willen erhofft wird. Dieses Problem liegt bereits in der axiomatischen Begrifflichkeit von Person und Natur. Personalität bezeichnet hier Gottesverhältnis und Naturalität Weltverhältnis; aber in diesen Kategorien ist Christus, der (wie v. Hofmann sagt) Mensch Gottes, terminologisch nicht zu unterscheiden vom Menschen schlechthin. Es fehlt hier an einem Begriff des Menschen 189 S. S. 85 Anm. 25. 190 S. S. 105 Anm. 110f. 191 Vgl. V. HOFMANN (1841/44) II,281; KARSTEN (1858) 156; BECK (1886/87) II,682. Denselben Gedanken faßt noch GÄCKLE (1999) 115. Außerhalb der Heilsgeschichtlichen Theologie: LESSING (1858) 59; GERLACH (1869) 102. Anders dagegen LEITZ (1948) 134, obwohl er a.a.O. 63 eine dreifache Parusie annimmt. 192 V. HOFMANN (1841/44) I,57f. spricht Christus vorbehaltlich seiner Parusie die Individualität ab.

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im Verhältnis zu seinen Mitmenschen, so daß er nicht nur als Exemplar der Menschheit erscheint. Doch die Konsequenz, das begriffliche Instrumentarium von Person und Natur überhaupt zur Debatte zu stellen, wurde von keinem der hier behandelten Autoren gezogen. Dies zu tun, hätte geheißen, den schematischen Charakter dieser Begrifflichkeit in Betracht zu ziehen. Genau dies ist die Aufgabe des folgenden Abschnitts.

2. Erhebung von Wahrnehmungsschemata Die Analyse der Heilsgeschichtlichen Theologie ergab, daß deren Charakter erst im problemgeschichtlichen Kontext Kontur gewinnt: Die zentrale Begrifflichkeit von Person und Natur wird entwickelt als Antwort auf die Kritik, die Schleiermacher am substanzontologischen (boethianischen) Konzept von Person und Natur in der altprotestantischen Orthodoxie geübt hatte, und sie kehrt dieses Verständnis um; aus der Person als ontologischem Träger der Natur wird die Natur als eschatologischer Träger der Person. Man muß die Heilsgeschichtliche Theologie also in ihrem Bezug sowohl zu Schleiermacher als auch dahindurch zur derjenigen theologischen Tradition sehen, mit der Schleiermacher sich auseinandersetzt. Damit ist ein theoriegeschichtlicher Bezugsrahmen abgesteckt, der die Voraussetzung für eine Erhebung von Schemata der Wahrnehmung des Judentums darstellt.193 2.1. Natur und Person? Wie der Abschluß der Analyse schon andeutete, nimmt gerade die Begrifflichkeit, welche den eschatologischen Grundgedanken der Heilsgeschichtlichen Theologie prägt und also auch ihr Interesse am Alten Testament und Judentum erklärt, den Menschen nicht als Individuum, sondern nur als Exemplar der Menschheit in den Blick.194 Geschichtliche Differenzierungen von Gestalten des Menschseins entfallen damit tendenziell dem Auge des Betrachters. Dies kann sich auch so niederschlagen, daß die Art und Weise, wie Israel als Volk sich aus den übrigen Völkern der Antike ausdifferenziert, nicht thematisch wird. Israel wird dann unmittelbar als menschheitliche Größe beansprucht, und die ihr zugeschriebene Zukunftserwartung wird 193 S. Kap. I.2, hier S. 24. 194 In dieser Hinsicht ist die öfters geäußerte Kritik am Idealismus der Heilsgeschichtlichen Theologie triftig.

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mit dem gleichgesetzt, was für alle Menschheit, also als Abschluß der Naturvollendung erwartet wird.195 Die auf die Personalität gerichtete Zukunftserwartung wird dann dem Judentum abgesprochen und bleibt dem Christentum vorbehalten. So bildet sich das Gegenüber von gegenständlicher, sichtbarer Zukunftserwartung im Judentum und geistiger, innerlicher Hoffnung im Christentum aus, das z.B. in v. Hofmanns Jugendwerk eine für den Aufbau der Argumentation wichtige Rolle spielt.196 Zu einem Wahrnehmungsschema, dessen Belege sich in hinreichender Dichte nachweisen lassen, wird das Begriffspaar von Person und Natur freilich erst dadurch, daß es im Gefolge der Heilsgeschichtlichen Theologie eine charakteristische Rezeption findet: Von ihrem eschatologischen Grundansatz in der Heilsgeschichtlichen Theologie her ist die Einheit von Person und Natur nur auf die Parusie Christi zu beziehen. Durch die impliziten Schwierigkeiten, deren Verhältnis zum historischen Auftreten Christi zu bestimmen, bürgert sich aber etwa eine Generation nach der Blüte der Heilsgeschichtlichen Theologie die Ansicht ein, die Parusie sei nach christlichem Verständnis zweigeteilt in Jesu Erdenleben und seine Wiederkunft. Was also bei v. Hofmann noch ein klärungsbedürftiges Problem ist, weil von ihm eine inkonzinne Wahrnehmung des Judentums ausgeht, wird nun als Lehre von den „zwei Adventen Christi“ in Stellung gebracht gegen die jüdische Erwartung nur einer Parusie, in der das persönliche Erscheinen des Messias und die Umwandlung der Welt zusammentreffen müßten. Das Judentum, so die Folgerung, besäße nicht die Spannkraft, das erhoffte Eschaton auf die Welt zu beziehen, ohne diese sogleich in es hinein aufzulösen. Dieses Schema wird zunächst bei I.A. Dorner wirksam, durchzieht aber verschiedenste theologische Richtungen bis weit ins 20. Jh. hinein.197 Man bemerke, daß diese Wahrnehmung des Judentums als weltflüchtig oder zukunftssüchtig zwar im Anschluß an die Heilsgeschichtliche Theologie entsteht, 195 Daß eine vorschnelle Beanspruchung des Judentums als menschheitlicher Größe dieses zu „einem imaginären Typus“ macht, zeigt BRENNER (1993) 190 (Zitat) an Antisemitismen im kaiserzeitlichen Philosemitismus. Hier liegt auch das Problem von PFISTERER (1959) 266ff., der den „Bund“ als Oberbegriff für Christen und Juden gebraucht, daneben aber die endzeitliche Christianisierung der Juden aufgrund von Röm 11,25ff. erwartet. 196 S. auch S. 86 Anm. 26 zur Zuteilung von Person und Natur an Neues bzw. Altes Testament. 197 Die Belege sind breitgestreut; neben dem Vermittlungstheologen DORNER (1879/80) II,920 (§ 151,3) (dazu auch HJELDE [1987] 201) der Ritschlschüler KAFTAN (1920) 664 (§ 71) und der modern-konservative HEIM (1937) 177.237. Zuvor schon der liberal-kritische KERN (1840) 4. Ebenso der theologisch konservative Missionar DAHLE (1900) 2.29. Andeutungsweise auch V. HOFMANN (1857/60) II/2,663 selbst; AUBERLEN (1854) 78. Jüngst noch der evangelikal geprägte GÄCKLE (1999) 93 (hier auch das Zitat von den „zwei Adventen Christi“).

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deren eigenen Blickrichtungen auf das Judentum aber eher entgegensteht, denn was dieser als Begrenztheit jüdischer Zukunftserwartung erschien, war nicht ihre Weltflucht, sondern gerade ihr Festhalten an der verkehrten Welt.198 Wie viele Schemata erweist sich also auch dieses als umkehrbar. Doch in beiden Zuordnungen bleibt das zugrundeliegende Problem dasselbe, nämlich die Frage nach dem Verständnis der menschheitlichen Bedeutung Jesu Christi, wie das Begriffspaar sie durch die Definition der Parusie als Einheit von Person und Natur aussagt, oder allgemeiner: die Frage nach dem theologischen Verständnis von Menschheit. 2.2. Wahrsagung und Weissagung? Bündelt sich die Frage nach der Menschheit theologisch im Gedanken der Parusie als der Verheißung menschheitlicher Bedeutung Jesu, so ist das Konzept der Verheißung zugleich der Punkt, an dem die Auseinandersetzung der Heilsgeschichtlichen Theologie am klarsten im Durchgang durch Schleiermachers Kritik das Gespräch mit der traditionellen Eschatologie anknüpft. Hier ist v. Hofmanns Konzept einer offenen neutestamentlichen Weissagung als Antwort an Schleiermachers Auffassung von Christus als Ende der Weissagung einschlägig.199 Welches Problem ist mit diesem Diskurs berührt? 1. Extensiver Begriff der Weissagung. Gegenstand der Eschatologie ist nach allgemeiner Auffassung Gottes Zukunftsverheißung. Strittig ist freilich, auf welche Art diese der theologischen Reflexion zugänglich ist. Denn da zukünftiges Geschehen nicht Gegenstand der Erfahrung sein kann, trifft eine Verheißung von zukünftigem Geschehen eine Aussage über einen unabgeschlossenen Gegenstandsbereich und ist darum in ihrem Wahrheitsanspruch unausweisbar. Für eine Eschatologie, wie Schleiermacher sie kritisch vor Augen hat, wäre kennzeichnend, daß sie dieses Problem supranaturalistisch mit dem Offenbarungsanspruch der Bibel zu lösen beabsichtigt. Offenbarung wird hier verstanden als empirische Erkenntnis überempirischer Gegenstände vermöge des überempirischen Charakters dieser Gegenstände selbst, und der spezifisch eschatologische Modus von Offenbarung ist die biblische Verheißung. Eschatologie ist dann besonders Auslegung der biblischen Verheißung oder die Theorie dazu. Dies sei an einem Beispiel aus dem Untersuchungszeitraum erläutert: 198 S. bei S. 20 Anm. 24. 199 S. bei S. 82 Anm. 14.

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Die Eschatologie besteht bei dem Thurnauer Pfarrer JOHANN ALBRECHT LUDWIG HEBART200 aus einer vollständigen Darbietung des Textmaterials biblischer Verheißung und einer vorgeschalteten Theorie der Verheißung in Gestalt von Kunstregeln zu ihrer Auslegung (§§ 1–7). Hebart unterscheidet hier zwischen direkten, indirekten und perspektivischen Weissagungen.201 Direkte Weissagungen zielen auf ein konkretes Einzelereignis, das sie erfüllt; indirekte Weissagungen können von mehreren Ereignissen nacheinander in jeweils unterschiedlichem Sinne erfüllt werden; perspektivische Weissagungen sind eine Art der direkten, denn sie zielen auf eine einzige Erfüllung, die sich aber in mehrere Ereignisse auseinanderfaltet – so, wie sich zwischen zwei Punkten, die von der Perspektive eines Berggipfels aus nahe zusammenliegen, tatsächlich ein längerer Weg erstreckt.202 Die Systematik von Hebarts Eschatologiekonzept scheint nun darin zu liegen, daß er die sog. Vorzeichen des Endes (§§ 8–27: endzeitliche Trübsal, Antichrist, Bekehrung und nationale Restitution Israels) als indirekte, die Eschata selbst (§§ 28–41: Parusie, Millennium, Auferstehung, Gericht, Neuschöpfung) dagegen als direkte (und dann wieder teils als perspektivische) Weissagungen versteht.203 Trotz oder vielmehr gerade wegen dieser Differenzierung wird Weissagung hier doch grundsätzlich in der linearen Ausdehnung 200 Hebart lebte von 1816 bis 1865 und wirkte also nach Schleiermacher. Wenn er hier dennoch für eine frühere Gestalt evangelischer Eschatologie steht, dann deshalb, weil seine Hermeneutik der Weissagung einen zu allen Zeiten gleichbleibenden Zugriff auf die Bibel reklamiert. Werden biblische Texte darüberhinaus noch unmittelbar mit Ereignissen der jeweiligen Gegenwart verbunden, kann man von Biblizismus sprechen. So v.a. E.W. Hengstenbergs Applikation der biblischen Eschatologie auf das Problem von Monarchie und Konstitutionalismus im 19. Jh. (vgl. BECKMANN [2002] 249–260), aber auch die exklusive Beanspruchung der eschatologischen Verheißungen für die Zeltmission bei deren Gründer J. VETTER (1915) 71: Terrestrische Begleiterscheinungen der Parusie werden Bodenschätze zu Tage fördern, die der Zeltmission im Millennium zur Deckung ihrer jetzt so drückenden Kosten dienen. Der Biblizist Vetter besteht daher gegen (!) die biblische Schilderung auf einer pyramidalen (= zeltartigen!) Form des himmlischen Jerusalem (a.a.O. 77). 201 HEBART (1850) 8f. ALTHAUS (1924/25) 621 führt die „‚Gesetze[…] der prophetischen Perspektive‘“ auf Auberlen zurück, dessen eschatologische Hermeneutik 1854 erscheint. 202 Bloß in umgekehrter Reihenfolge trifft dieselbe Unterscheidung 150 Jahre später auch SCHMID (1999) 12: „Zunächst ist zu sehen, daß sich Verheißungen in mehreren Schritten erfüllen können. […] Die andere Möglichkeit besteht darin, daß sich eine Verheißung mehrmals erfüllt. […] Bei vielen Verheißungen ist außerdem zu beobachten, daß eine letzte Konkretion fehlt. So wurde Israel durch Mose eine Stelle versprochen, an der Gott seinen Namen wohnen lassen wird […]. […] Erst mit der Erfüllung wurde klar, daß sich die Verheißung mit dem Tempelbau in Jerusalem erfüllte.“ 203 § 10 bei HEBART (1850) 59 argumentiert eigens für „den indirekten Charakter“ der Weissagungen von Vorzeichen, da noch keine abschließende Erfüllung eingetreten sei. Unter den Weissagungen des Endes selbst ragt die der Parusie als perspektivische heraus (a.a.O. 9), die sich in die Konsequenzen der Parusie entfaltet.

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des Zeitstrahls mit einem geschichtlichen Ereignis der Erfüllung korreliert. Dieser traditionelle Wesenszug erlaubt, von einer extensiven Weissagung zu sprechen. Für sie ist kennzeichnend, daß die Weissagung geschichtlich Kontingentes betrifft, daß Eschatologie Zufälliges weissagt. Die Auslegungskunst der Weissagungen dient also nicht in erster Linie der Identifikation geschichtlicher Ereignisse als geweissagt, auch nicht der Konstruktion von Erfüllungsgeschichte aufgrund der Weissagung, sondern die Kontingenz von Weissagung und Erfüllung soll gerade den besonderen, der berechnenden Konstruktion eben entzogenen Charakter, die offenbarungsmäßige Würde der in der Bibel verheißenen Zukunft unterstreichen. Gleichwohl bleiben Verheißung und Erfüllung als kontingente Daten hier im Bereich der Geschichte. 2. Intensiver Begriff der Weissagung. Genau gegen diesen kontingenten Charakter der Weissagung richtet sich nun Schleiermachers Kritik. Ihm zufolge ist die Weissagung im eigentlichen Sinne vielmehr Erkenntnis des Notwendigen. Deswegen handelt Eschatologie bei ihm nicht von einer extensiven Ereignisgeschichte, sondern von einem intentionalen Bezugspunkt der Geschichte. Deswegen ist bei ihm nicht die Bibel die Quelle eschatologischer Erkenntnis, sondern das gläubige Bewußtsein. Um diese Binnenwendung des Weissagungskonzepts zugleich mit seinem intentionalen Charakter auszudrücken, kann man von einer intensiven Weissagung sprechen. In diesem Sinne hat etwa die Vermittlungstheologie eines C.I. Nitzsch die Weissagung als hypothetischen Orientierungspunkt der Eschatologie verstanden. 3. Vermittelnde Verständnisse von Weissagung. Die Antithese der Weissagung als Zufall oder Notwendigkeit, Extension oder Intension, Bibel oder Bewußtsein hat in der Eschatologiegeschichte neben und nach Schleiermacher aber auch mehrfach kritische Aufnahme gefunden mit dem Ziel, die Trennschärfe der Alternative aufzuheben. So hat etwa A. Tholuck, der Vater der halleschen Erweckungstheologie, einerseits Schleiermachers Gegenüberstellung von zufälliger und notwendiger Verheißung noch zum begrifflichen Gegenüber von jüdischer Wahrsagung und christlicher Weissagung verschärft, will aber andererseits zugleich den Offenbarungsrang der Prophetie festhalten, den er am Charisma der Propheten festmacht.204 Auch R. Steinmetz verbindet das intensive mit dem extensiven Konzept, indem er bei der Bestimmung der Weissagung vom Sicheren zum Unsicheren vor204 THOLUCK (1861) § 11 zu Wahrsagungen, § 12 zu Weissagungen bzw. § 6 zur Geistbegabung der Propheten. A.a.O. 152f. wendet er sich mit all dem gegen v. Hofmann und dessen Wahrnehmung des Judentums.

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dringen will und so die Zukunft aus der Gegenwart als deren Überbietung erschließen.205 Eschatologie redet demnach via eminentiae von der Zukunft, und dies berührt sich mit Hebarts Interesse, durch extensive Weissagung die Unverfügbarkeit der Zukunft herauszustellen. Am grundsätzlichsten wird die Alternative von extensiver und intensiver Weissagung jedoch durch die Heilsgeschichtliche Theologie in Frage gestellt. v. Hofmann weist gleich eingangs seines Jugendwerkes sowohl Nitzschs intensive Weissagung ab als auch das seinerzeit aktuelle extensive Verständnis Hengstenbergs. Statt dessen rechnet v. Hofmann mit einer mehrmaligen Einzelerfüllung, die jedoch immer vom eschatologischen Gesamtsinn der Weissagung zu unterscheiden sei.206 Indem z.B. Hebart hier nicht unterscheidet, sondern sowohl direkte als auch indirekte Weissagung auf eine „chronologische Darstellung“ (z.B. in Offb) der Zukunftsereignisse zielen sieht, liest er Stellen wie Offb 11,1 als Weissagung: Die Juden würden in der Endzeit den Tempel wiederaufbauen, der dann vom Antichrist zum Teil wieder zerstört werde.207 Hier zeigt sich die Schwierigkeit des Schemas von Wahrsagung und Weissagung (direkter und indirekter Weissagung): Das Verheißungskonzept wird damit bloß unterteilt und auf einen linearen Zeitstrahl aufgeteilt. Zu fragen wäre demgegenüber nach einem Verständnis von Verheißung, das auf derartige Aufteilungen nicht angewiesen ist. Gerade das heilsgeschichtliche Konzept v. Hofmanns steht im Ansatz solchen Aufteilungen entgegen. Mit seinem Eintreten für die zeitgeschichtliche Auslegung biblischer Weissagungen wirkt v. Hofmann als „Geschichtsrealist“ im Unterschied zu „Jenseitsrealisten“, welche die Heilsgeschichte als eine bis ins Eschaton ständig mitlaufende Parallelwelt zur Geschichte begreifen.208 Demgegenüber nimmt v. Hofmann an, daß die Geschichte selbst auf die Ewigkeit zuläuft. Der Begriff bedeutet also nicht, daß v. Hofmann die eschatologische Wirklichkeit auf die Geschichte beschränkte; vielmehr ist dies gerade die Schwierigkeit Hebarts. Um sie zu 205 STEINMETZ (1888) 60 nennt zum Vergleich das Beispiel eines Generals, der in der Eroberung nur vom sicheren Terrain aus operiert. In der Durchführung (a.a.O. 62–75) erinnert Steinmetz freilich an die Auslegungsregel qal wachomer des R. Hillel, den Schluß a minori ad maius. 206 V. HOFMANN (1841/44) I,8 sowie a.a.O. I,3.6 gegen Hengstenberg bzw. Nitzsch. 207 Zitat HEBART (1850) 68; vgl. a.a.O. 69 zur angeblichen Voraussetzung eines dritten Tempels in Offb 11,1. Dies spiegelt ein mittelalterliches Schema eschatologischer Wahrnehmung des Judentums: Die Juden halten den Antichrist für den Messias und bauen ihm darum den Tempel auf (vgl. die Abbildungen bei Antichrist [1480] [1979]). 208 Die Termini bei WETH (1931) 115, wo Beck und Auberlen als Jenseitsrealisten firmieren, was m.E. nur für Auberlen und auch hier nur mit Einschränkungen zutrifft (s. Kap. III.1.1, hier S. 103–108).

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vermeiden, unterscheidet v. Hofmann Geschichte und Ewigkeit sorgfältig, indem er z.B. das Konzept der Weissagung auf jedes der beiden Phänomene bezieht. Die eschatologische Weissagung steht somit gewissermaßen der Geschichte als ganzer gegenüber. In welchem Sinne dies geschieht, war eine Frage der Debatte um das Weissagungskonzept in späteren Generationen209 – und ist überhaupt eine der Schlüsselfragen evangelischer Eschatologie in ihrem Verhältnis zum Judentum, denn das Gegenüber von Geschichte und Eschatologie ist die wohl umfassendste Begrifflichkeit für das mit dem Konzept der Verheißung gegebene Problem.

3. Problemgeschichtlicher Ertrag Aufgrund der Analysen im ersten Abschnitt dieses Kapitels erschien uns als Ausgangspunkt der heilsgeschichtlichen Eschatologie die Verheißung der Einheit von Person und Natur in Christi Parusie. Die Erhebung von Schemata der Wahrnehmung des Judentums zeigte sodann, daß die Heilsgeschichtliche Theologie damit Schleiermachers Kritik an der orthodoxen Eschatologie aufnimmt, aber die Wahrheitsmomente letzterer festhalten will. Man kann somit die Eschatologie der Heilsgeschichtlichen Theologie problemgeschichtlich als den Versuch beschreiben, Schleiermachers eschatologisches Dilemma durch den Ansatz bei der Parusie zu überwinden. Diese theologiegeschichtliche Situierung wird bestätigt durch die Schwierigkeiten, auf die ein solches Parusieverständnis stößt, denn es muß in dem Konzept einer Einheit von Person und Natur das Gottes- mit dem Weltverhältnis des Menschen vereinen und die Stetigkeit der Geschichte mit ihrer Stufung. Ersteres führt aber ja auf die Frage nach der Individualität im Verhältnis zur Universalität und zweiteres ist das Problem von Entwicklung und Vergeltung, so daß die beiden Punkte, welche die Parusie im Eschatologiekonzept der Heilsgeschichtlichen Theologie vereinen soll, sich mit den Polen von Schleiermachers eschatologischem Dilemma in seinen zwei Gestalten decken. Die Heilsgeschichtliche Theologie führt so unmittelbar die Auseinandersetzung mit Schleiermacher. 1. Das Problem von Individualität und Menschheitlichkeit. Der vorliegende Abschnitt hat nun die Aufgabe, den so rekonstruierten Problemkomplex auf die im ersten Teil dieser Untersuchung geschilderten jüdischen Anfragen zu beziehen, um mögliche Fragestellungen einer evangelischen 209 S. Kap. V.3, hier S. 256f.

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Eschatologie im Blick auf das Judentum zu erheben. Dabei ergeben sich für beide der geschilderten Schwierigkeiten Berührungspunkte: So ist die Aufgabe, den Menschen nicht nur als Exemplar der Menschheit, sondern auch als einzelnen Menschen neben anderen, also als Individuum zu denken, genau der Differenzpunkt, an dem H. Cohen die jüdische Religion der Vernunft vom Idealismus unterscheidet. Cohen kleidet dieses Spezifikum in den Begriff der Mehrheit jenseits von Einheit und Allheit und begründet so sein Konzept menschheitlicher Religion.210 Wie schon der vorige Abschnitt nahelegte, ergibt sich also im Anschluß an die Heilsgeschichtliche Theologie für eine Eschatologie im Gespräch mit dem Judentum die wichtige Aufgabe, die menschheitliche Dimension von Eschatologie zu begründen. 2. Das Problem des Geschichtsverständnisses. Wiederum ansetzend bei der Paradoxie von Entwicklung und Vergeltung, läßt sich die Schwierigkeit der Heilsgeschichtlichen Theologie in der Begrifflichkeit M. Bubers als Problem einer Zäsur in der Geschichte beschreiben, denn als eine solche Zäsur erschien in der Heilsgeschichtlichen Theologie das historische Auftreten Jesu, das ein nachbiblisches Judentum aus der Betrachtung ausklammert. Dabei geht, wie gesehen, Bubers Anfrage über das Problem der Epocheneinteilung von Geschichte hinaus und rührt an die Frage der theologischen Valenz von Geschichte überhaupt, denn in Bubers Kontroverse mit K.L. Schmidt war ja strittig, ob für ein theologisches Datum außertheologische Gültigkeit beansprucht werden kann,211 so daß die Theologie in der Profangeschichte einen nachträglichen Beweis fände, der diese dann wieder theologisch imprägniert. Genau diese Frage nach der theologischen Eindeutigkeit von Geschichte bzw. dem geschichtlichen Geltungsanspruch der Theologie wird ja aber durch den Begriff der Heilsgeschichte ausgedrückt, in dem Heil und Geschichte miteinander verbunden werden.212 Der eschatologische Topos, an dem sich dieses Problem beinahe klassisch manifestiert, ist daher nicht ohne Grund der so oft als janusköpfig wahrgenommene Chiliasmus, auf den sich gerade die Heilsgeschichtliche Theologie konzentriert. Deswegen konnte ihre Eschatologie in der Überschrift des vorliegenden Kapitels als chiliastisch charakterisiert werden. Das eschatologische Thema, das sich aus Bubers Anfrage ergibt, ist also die Klärung des Begriffs der Heilsgeschichte. Der Begriff wird, wie ange210 S. Kap. I.3, hier S. 32–34. 211 S. Kap. I.3, hier S. 37–40, v.a. bei Anm. 109. 212 So stellt KOCH (1995) 1341 gleich zu Beginn seiner Ausführungen fest, daß „H[eilsgeschichte] Transzendenz u[nd] Immanenz verbindet“.

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deutet, erstmals von v. Hofmann gebraucht, um gegen das noch recht junge geschichtliche Denken des Rationalismus die Verbindung von Geschichte und Heil auszusagen, die für die Orthodoxie vor dem Rationalismus noch so einerlei war, daß sie gar keinen Begriff dafür hatte. Als weiteres Merkmal von Heilsgeschichte kommt zu dieser grundsätzlichen geschichtlichen Dimension des Heils das ebenfalls kennzeichnend geschichtliche Moment des Nacheinander hinzu, also die zeitliche Erstreckung213 eines Spannungsbogens von Heilsgeschichte, wie es die Analyse der einschlägigen Eschatologiekonzepte bestätigte. Aufgrund dieser Voraussetzungen könnte Heilsgeschichte als eine bestimmte, theologisch qualifizierte Abfolge geschichtlicher Ereignisse verstanden werden, und tatsächlich ist ein derartiger Begriffsgebrauch vielfältig nachweisbar. Heilsgeschichte wird etwa verstanden als die alttestamentliche Vorbereitung der Christusgeschichte oder als diese selbst, d.h. als der Zeitraum des Lebens Jesu.214 Die entsprechenden Geschichtsdaten werden dann mit einem kennzeichnenden Terminus als „Heilstatsachen“ identifiziert.215 Freilich muß diese Identifikation bestimmter Geschichtszeiträume als Heilsgeschichte sich implizit gegen nicht ebenso heilsmäßig qualifizierte geschichtliche Räume abgrenzen, also zumindest partiell die Trennung von Geschichte und Heil wieder einführen, die die Heilsgeschichtliche Theologie am Rationalismus bekämpfen wollte.216 Deswegen ist das Konzept der Heilsgeschichte oft als widersprüchlich kritisiert worden; es lebe von Voraussetzungen, deren Konsequenzen es ablehne, und falle so zuletzt in den Rationalismus zurück.217 Das Problem der Heilsgeschichte als Aussonderung bestimmter Geschichtsereignisse ließe sich lösen, wenn man das fragliche Konzept auf die Geschichte allgemein ausdehnte: Heilsgeschichte ist dann keine Ansammlung theologisch hervorgehobener Geschichtsereignisse, sondern eine theo213 Erstreckung gehört nach OTT (1959) 187; WEISER (1995) 1336 konstitutiv zur Heilsgeschichte hinzu. 214 P. Althaus hat im Laufe seiner Entwicklung beide Positionen vertreten, s. S. 236 Anm. 195 bzw. S. 237 Anm. 198. Die erste Position hält STANGE (1930) 220–226 fest, jedoch im Sinne seines Gesamtkonzepts (s. Exkurs 7 [S. 199f.]). 215 Auf das eigene Problemfeld der Heilstatsachen weist in diesem Kontext mit Recht LOHFF (1974) 1033 hin. 216 Dieses Problem ruft M ILDENBERGER (2000) 1586 ins Bewußtsein. 217 Z.B. STECK (1959) 53: „Und doch war, wie man weiß, hier ein Gast an den Tisch der Theologie gebeten worden, der mehr als ein Danaergeschenk mitbrachte. Auch änderte er sehr rasch sein Auftreten, nachdem er einmal Zutritt bekommen hatte. Es war das historische Denken, der Historismus, der im Gewand der heilsgeschichtlichen Betrachtung auch dort seinen Einzug hielt, wo man ihm bis dahin widerstanden hatte.“

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logische Perspektive auf die ganze Geschichte. Heilsgeschichte ist dann wesensmäßig nicht mehr Faktenerhebung, sondern Faktendeutung.218 Die Schwierigkeit hierbei ist freilich, daß heilsgeschichtliche Theologie dann Aussagen über einen unabgeschlossenen Gegenstandsbereich, nämlich auch über die zukünftige Geschichte treffen muß. Gerade in Hinsicht auf die Eschatologie droht Heilsgeschichte dann entweder zum bloßen Abspulen eines vorab festliegenden „Heilsplanes“ oder aber zur nachträglichen Sanktionierung des faktischen Geschichtsverlaufs zu werden. Auch das Verständnis der Heilsgeschichte als Faktendeutung steht nämlich noch im Bannkreis des empiristischen Begriffs der Faktizität,219 wenn es sich als theologische Vereindeutigung der Geschichte versteht. Bubers Einwand gegen Schmidt richtete sich ja gerade dagegen, auf diese Weise theologisch mehr zu sagen, als sich geschichtlich verantworten läßt. 3. Das Problem der Parusieverheißung. Vor diesem Hintergrund hieße Heilsgeschichte eine solche theologische Würdigung der Geschichte, die deren Uneindeutigkeit nicht vorschnell auflöst. Gerade dies scheint die Absicht eines eschatologischen Begriffs von Heilsgeschichte zu sein, der, wie in den Konzeptionen des vorliegenden Kapitels, bei der Parusieverheißung ansetzt. Möglicherweise nämlich hat v. Hofmann die Uneindeutigkeiten der Geschichte mit Bedacht auf die christologische Begrifflichkeit von Person und Natur gebracht, um auszudrücken, daß die Vereindeutigung dieser Zweideutigkeiten oder Überwindung dieser Gegensätze nach theologischer Einsicht tatsächlich Sache der Zukunftshoffnung auf Christus ist. Andere begriffliche Mittel hätten einem Autor des 19. Jh. durchaus näherliegen können, so das Gegenüber von Geist und Natur, das Luthardt wählt, und besonders das von Geschichte und Natur. Beide Begriffe geben den großen geistesgeschichtlichen Zwiespalt wieder, der das 19. Jh. mehr und mehr durchzieht und schließlich im Neukantianismus zur wissenschaftsgeschichtlichen Aufteilung der dem Menschen erkennbaren Wirklichkeit in zwei Bereiche führt.220 Wenn v. Hofmann dagegen christologische Termini wählt, bringt er die Erwartung einer eschatologischen Überwindung dieser 218 Fakten und ihre Deutung zu vermengen, ist bei HESSE (1971) 60f. der Vorwurf gegen die Heilsgeschichte. 219 SCHMITT (1982) 34 hält F. Hesses Trennung von Fakten und Deutung m.E. zu Recht für unzureichend; sein eigener Vorschlag, Heilsgeschichte als theologische Qualifikation historisch erfaßbarer Deutezusammenhänge zu begreifen (a.a.O. 45), verschiebt allerdings das Problem womöglich nur in die Wissenssoziologie. 220 Einschlägig ist z.B. W. Windelbands Unterscheidung idiographischer von nomothetischen Wissenschaften sowie die Absetzung der Geschichts- von der Naturwissenschaft bei dem Lebensphilosophen W. Dilthey.

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tiefsten Gegensätze seiner Zeit zum Ausdruck und hält zugleich fest, daß diese Überwindung, eben weil sie Gegenstand der religiösen Zukunftserwartung ist, von Menschen nicht geleistet werden kann, sondern von Gott erhofft wird. In diesem Sinne hat in neuerer Zeit K. Rahner den Gedanken der Heilsgeschichte rezipiert.221 Er interpretiert sie als „Freiheitsgeschichte“, in der Menschen mit Gott in freier menschlicher Entscheidung für die unvorgängliche freie Gnade Gottes zusammenwirken unter keiner weiteren Voraussetzung als der, daß ein ewiges Leben als Realität erwartet wird;222 m.a.W. Heilsgeschichte bezeichnet die nur eschatologisch aussagbare, jedoch geschichtlich wirkliche Beteiligung von Gott und Mensch am Heilsgeschehen. Gerade diesen Zusammenhang von göttlichem und menschlichem Tun haben jüdische Autoren gegenüber christlichen Verhältnisbestimmungen von Heil und Geschichte immer wieder angemahnt. Im ersten Teil unserer Untersuchung waren Baecks und Cohens religionsphilosophische Entwürfe wichtige Beispiele dafür. Daß dies auch ein zentrales Anliegen der Heilsgeschichtlichen Theologie ist, zeigte die Charakterisierung ihrer Eschatologie gegenüber der lutherischen Orthodoxie und der Theosophie.223 Es scheint also, daß die Heilsgeschichtliche Theologie hier mit ihrem Ansatz bei der Parusieerwartung ein wichtiges Thema evangelischer Eschatologie im Gespräch mit dem Judentum berührt. Für die evangelische Eschatologie ergibt sich daraus vorrangig die Aufgabe, ihr Verständnis der Parusie neu zum Thema zu machen, denn hierin bündeln sich die vorgenannten Themen, fußt doch die Parusieerwartung auf der Verheißung einer menschheitlichen Bedeutung Jesu, also den beiden Themen, die auch die Analyse der Wahrnehmungsschemata als einschlägig für eine christliche Eschatologie im Gespräch mit dem Judentum auswies. Es scheint daher plausibel, die Heilsgeschichtliche Theologie aufgrund ihrer besonderen Einschätzung der Parusieerwartung als einen schulmäßigen Gesprächszusammenhang zu verstehen,224 von dem sich etwas lernen läßt für eine evangelische Eschatologie im Gespräch mit dem Judentum, auch wenn der konzeptionelle Ansatz bei der Begrifflichkeit von Person und Natur seine Grenzen hat. So soll im folgenden Kapitel der es221 Evangelischerseits wären W. Pannenberg, P. Brunner und v.a. O. Cullmann zu nennen; s. S. 246 Anm. 243. 222 Zu dieser Voraussetzung vgl. RAHNER (1982) 11; das Zitat DERS. (1962) 116, wo Heilsgeschichte noch sachlich koextensiv mit Weltgeschichte gedacht ist, aber als deren christliche Bewußtmachung (a.a.O. 129). 223 S. Exkurs 3, hier S. 102. 224 S. die Hinführung zu diesem Kapitel (S. 79).

III. Die chiliastische Eschatologie der Heilsgeschichtlichen Theologie

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chatologische Entwurf eines Autors betrachtet werden, der bei der Heilsgeschichtlichen Theologie in die Schule ging, seinen Lehrern aber nicht bloß mit dauerndem Schülerdasein vergelten wollte: Martin Kähler.

IV. Martin Kählers messianischsoterologische Eschatologie

MARTIN KÄHLER steht quer zu den schulmäßigen Rubrizierungen der Theologiegeschichte. In der Zeit zwischen Schleiermacher und Ritschl, die nach verbreitetem Urteil in Sachen Eschatologie Fehlanzeige zu verzeichnen hat, sieht Kähler eine „Überwucherung der Theologie durch eschatologische Studien“.1 Dagegen kommt A. Schweitzer in seiner historischen Untermauerung des eschatologischen Aufbruchs in der biblischen Exegese ohne jeden Bezug auf den doch als Bibeltheologen bekannten Kähler aus.2 Dabei sieht der Hallenser Neutestamentler es zunächst als seine Aufgabe an, die biblisch gesättigte Eschatologie der Heilsgeschichtlichen Theologie „ins Norddeutsche zu übersetzen“.3 Freilich verfaßt er dann als Systematiker die einschlägigen Artikel in dem großen Vorläufer der Theologischen Realenzyklopädie, der Protestantischen Realenzyklopädie für Theologie und Kirche, sowie einen programmatischen Vortrag zum Thema.4 Seine Bedeutung für die Eschatologiedebatte wird daher meist in den Prinzipienfragen gesucht.5 In prinzipiellem Sinne greift auch die an R. Bultmann anknüpfende Kerygmatheologie in den 1950er Jahren auf Kähler zurück.6 Wenn das vorliegende Kapitel dieser Arbeit eigens Kählers eschatologischem Denken gewidmet ist, dann soll Kähler weder prinzipaliter der Kerygmatheologie vorausgeschickt noch materialiter der Heilsgeschichtlichen Theologie subsumiert werden.7 Aber auch Kählers Eigenständigkeit, die wie nirgend sonst am theologischen Rededuktus seiner „Wissenschaft der christlichen Lehre“ abzulesen ist, erschwert die Hinführung zu Kählers Eschatologie. Dennoch ist es gerade Kählers Sprache, in der sich sein Beitrag zur Eschatologiegeschichte konzentriert. 1 KÄHLER (1896) 495. 2 SCHWEITZER (1906) bzw. DERS. (1913) rezipiert Kähler nicht. 3 KÄHLER (1926) 182. 4 DERS. (1879); DERS. (1898); DERS. (1896). 5 HOLMSTRÖM (1936) 168 und wieder HJELDE (1987) 206, v.a. wegen KÄHLER (1896) und DERS. (1898). 6 S. zu dieser auf KÄHLER (1892) fußenden Rezeption Exkurs 6 (S. 189ff.). 7 Der Versuch einer Verbindung beider Tendenzen kennzeichnet die bisher einschlägigste Untersuchung von DE BOOR (1990), die darin jedoch – v.a. a.a.O. 93 – von ihrem Antipoden HJELDE (1987) abhängt.

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1. Analyse Die nachstehende Analyse folgt chronologisch Kählers Äußerungen zur Eschatologie – nicht im Sinne einer Entwicklungsgeschichte, sondern um problemgeschichtlich8 den systematischen Grundgedanken zu profilieren. 1.1. Das Konzept einer soterologischen Eschatologie 1. Ewigkeit als Grund und Grenze von Fortschritt. Wenn Schleiermachers Aufweis eines eschatologischen Dilemmas in zwei Gestalten als der entscheidende Impuls für die Fragerichtung neuzeitlicher protestantischer Eschatologie gelten kann, dann ertastet M. Kähler mit seinem 1866 in Duisburg gehaltenen und im folgenden Jahr gedruckten Vortrag über „Der Menschheit Fortschritt und des Menschen Ewigkeit“ genau den Puls der Eschatologie, denn damit werden beide Gestalten des Dilemmas abgedeckt. Menschheit und Mensch stehen sich als universeller und individueller Gegenstandsbereich gegenüber, während Fortschritt und Ewigkeit die im Sinne Schleiermachers widersprechenden Pole des Eschaton als Entwicklung oder Vergeltung repräsentieren, was Kähler mit den Bildern von strömendem Fluß und sich gleich bleibendem Meer verdeutlicht.9 Den Einstieg in Kählers Eschatologie soll hier dieser frühe Text bilden: als Dokument nicht einer Frühphase seines Denkens,10 sondern der Auseinandersetzung sowohl mit der Problemtradition als auch mit der zeitgenössischen Fragestellung. Es ist zum einen eine Auseinandersetzung mit der Problemtradition: Wenn Schleiermacher die Widersprüchlichkeit der Eschatologie konstatiert, sistiert er zugleich ihre Lehrbarkeit. Entgegen solcher Fest-stellung im doppelten Wortsinne geht es Kähler um eine Überwindung des Dilemmas. Er übernimmt es in seinem Vortrag aber nicht einfach aus Schleiermachers Problemanzeige, sondern entwickelt es im Gespräch mit der Position seiner Hörer und also zum anderen in Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Fragestellung, d.h. dem Fortschrittsgedanken. Kähler spricht in Duisburg vor einem „gebildeten Publikum“ evangelischer Bürgerlicher, die den 8 Zum Verständnis einer problemgeschichtlichen Darstellung s. bei S. 20 Anm. 26. 9 Vgl. hierzu den ersten Abschnitt des Vortrags: KÄHLER [1867] (1913) 166–170; v.a. a.a.O. 170 zur Gegenüberstellung der widersprüchlichen Pole als ausdrücklicher Absicht; a.a.O. 166f. zu „Fluß“ und „Meer“. 10 Vgl. die Interpretation des Vortrags bei DE BOOR (1990) 65–68.

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industriellen Aufschwung der Stadt freudig als Fortschritt begrüßt, ja wohl zu seinen Nutznießern gezählt haben. Schon der vom Bildungsgut deutscher Klassik durchsetzte Stil des Vortrags zeigt, daß „des Volkes Hefe“ nicht zum Publikum gehört.11 Dennoch bedeutet vor diesem Hintergrund die Gegenüberstellung von Fortschritt und Ewigkeit weder eine für Kähler „undiskutierte Voraussetzung des Entwicklungsgedankens“,12 der die optimistische Stimmung der heraufziehenden Gründerzeit prägte, noch ein Eintreten für die soziale Frage, wie sie zu jener Zeit den deutschen Protestantismus umtrieb.13 Vielmehr kommt Kähler dem Fortschrittsgedanken zunächst entgegen, um ihm dann freilich für maßgebliche Gebiete menschlichen Lebens die Geltung abzusprechen. Die Themen, an denen er die Entgegensetzung von Fortschritt und Ewigkeit durchführt, sind dabei die gleichfalls dem Wertekanon seiner Zuhörerschaft entnommenen Ideale von Freiheit und Gleichheit der Menschen, wie sie in einer großbürgerlich aufgeklärten Rezeption der Französischen Revolution gang und gäbe waren. Man mag dieses Vorgehen Kählers apologetisch finden; es ist jedoch zum Verständnis seiner Argumentation unverzichtbar. Diese Argumentation soll nun nachgezeichnet werden: Kähler will nicht einfach durch die Ewigkeitsvorstellung das Fortschrittsdenken ablösen, sondern ihm ein entscheidendes „Gebiet unseres Lebens“ streitig machen: die Sittlichkeit. Seine These lautet: „Wagen wir den Ausspruch, so ketzerisch er klingen mag, daß es in dem sittlichen Leben des Geschlechtes überhaupt keinen Fortschritt gibt.“ Zur Begründung dessen, daß überindividueller sittlicher Fortschritt – etwa ein sittliches Zeitalter – unmöglich ist, macht Kähler geltend, daß Sittlichkeit, verstanden als Tugendübung, immer Sache des akuten persönlichen Wollens des Guten ist, wozu jeder Einzelne im Gewissen die Anlage hat.14 11 Zitat KÄHLER [1867] (1913) 183. A.a.O. 172 läßt das „gebildete Publikum“ (vgl. den Titel der Reihe, in welcher der Erstdruck dieses Vortrags erschien) Kontur gewinnen: „Sie wohnen inmitten der rauchenden Essen der Eisenhämmer und Kohlenzechen, [sic] und sahen selbst unfern eine Stadt entstehen [sc. das 1862 durch Zusammenlegung mehrerer Gemeinden entstandene Oberhausen, das freilich erst acht Jahre nach dem Vortrag Stadtrechte erhielt], das Kind der riesenmäßig wachsenden Industrie. Ihre Söhne arbeiten jenseit des Oceans in Geschäften, welche im vollsten Sinne kosmopolitisch sind; auf Ihren Schreibtischen kreuzen sich Correspondenzen aus allen Weltteilen, deren Beförderung der Zeit zu spotten scheint.“ 12 KÖRNER (1957) 65, der Kähler hier „dem Geist der Zeit“ folgen sieht. Körner meint mit „Entwicklung“ anscheinend zugleich Fortschritt, also eine mehr gestaltbare Entwicklung. 13 So DE BOOR (1990) 66. 14 Die zitierte These KÄHLER [1867] (1913) 175, aufgenommen a.a.O. 177.181.191; zur Begründung a.a.O. 176: „Der sittliche Charakter als solcher ist derselbe auf dem Thron und in der Hütte“ und a.a.O. 180 zum Gewissen als Sitz der Sittlichkeit, womit Kähler seine Dissertation über das Gewissensthema (1859) aufgreift.

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Kähler wendet diesen Einwand gegen die Fortschrittsvorstellung nun auf die ihm von ihr selbst vorgegebenen Themen der Gleichheit und Freiheit an, indem er beiden einen charakteristisch anderen Bezugspunkt zuweist. Das Fortschrittsdenken, das Kähler besonders in der Französischen Revolution manifestiert sieht, begreift Gleichheit und Freiheit als eingeborene und unverlierbare Eigenschaften des Einzelnen, es definiert sie aber aufgrund seiner Stellung zum Ganzen der Gesellschaft: Jeder Mensch ist gleich, weil im Rousseau'schen Gesellschaftsvertrag alle ihre Eigenheit der Gesamtheit opfern; und jeder Mensch ist frei, sofern alle das Verfügungsrecht über ihren eigenen Leib haben.15 Gleichheit ist dann die Gleichheit vor dem Gesetz, und Freiheit ist die Freiheit des Anderen. Genau gegen diesen Bezugspunkt von Gleichheit und Freiheit im Fortschrittsdenken macht Kähler nun sein Ewigkeitskonzept geltend.16 Eine Gleichheit des Einzelnen von Gnaden seines Eingehens in das Ganze gilt Kähler als der „Fieberwahn des französischen Volkes“. Denn der Einzelne als Einzelner ist in solcher égalité egal angesichts der Gesamtheit. Auf dem Gebiet der Sittlichkeit, dem Kähler sich hier hauptsächlich zuwendet, würde solche Gleichheit bedeuten, daß dem ins Ganze aufgegangenen Einzelnen der Anteil am sittlichen Ertrag dieses Ganzen vorenthalten wird.17 Gerade der Eigenanteil des Einzelnen angesichts der Gesamtheit, in die er ein- und aufgeht, ist aber der Begriff von Freiheit. Freiheit ist damit auch Freiheit von der Grenze des Todes18 oder in den Termini der Sittlichkeit: Die Freiheit des Einzelnen ist das in ihm angelegte Gewissen, dessen Entfaltung am Tode nicht ihre Schranke findet, sondern in der Ewigkeit vollendet wird. Die Pointe von Kählers Argumentation ist dieses Ewigkeitsverständnis, dieser eschatologische Bezugspunkt von Gleichheit und Freiheit. Kähler 15 Vgl. a.a.O. 181f. und a.a.O. 171 zur Gleichheit, die „ein reich gegliedertes Volksleben in eine mathematisch geordnete Masse gleichgearteter Atome zerschlug“; ebd. zum Freiheitskonzept der Französischen Revolution. 16 Im dritten Abschnitt seines Vortrags: DERS. [1867] (1913) 175–185, nachdem der zweite (a.a.O. 170–174) die entgegengesetzte Position referiert hat. – Im Erstdruck (DERS. [1867] 120) sind beide Abschnitte nicht getrennt. 17 Zitat a.a.O. 185. Das Problem des Anteils verstorbener Generationen am Ganzen der Generationenfolge (a.a.O. 183) ist eine Variante des als „Zwischenzustand“ bekannten Problems der ersten Gestalt von Schleiermachers eschatologischem Dilemma (zwischen Individual- und Universaleschatologie). 18 Die „[z]wei entscheidende[n] Irrtümer“ des Fortschrittsdenkens, die Kähler a.a.O. 182 bekämpft, betreffen genau die zwei Dimensionen individueller Freiheit als Freiheit von der Gesellschaft (a.a.O. 182f.) und vom Tode (a.a.O. 184), auch wenn Kähler im vorliegenden Kontext nur einmal beiläufig von Freiheit spricht: „Was wir an der unfreien Natur sehen, überträgt sie [sc. „eine in unseren Tagen weit verbreitete Lehre“] auf das menschliche Geschlecht“ (a.a.O. 181; Hervorhebung von mir).

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lehnt damit die aufklärerische Idee eingeborener Menschenrechte nicht rundweg ab; er modifiziert sie aber entscheidend, indem er statt von eingeborener vielmehr von auf die Ewigkeit angelegter Gleichheit und Freiheit spricht, auf dem Gebiet der Sittlichkeit: vom Gewissen als Anlage zur Sittlichkeit. Gleichheit und Freiheit des Einzelnen definieren sich so nicht von seinem Bezug zur Gesellschaft her, in die er hineingeboren wurde, sondern von seinem Verhältnis zur Ewigkeit, auf die er hofft. Was sind die Konsequenzen dieser Modifikation? Sie sind weittragend: Weil die Anlage zur Sittlichkeit der Entfaltung fähig und bedürftig ist, erreicht Kähler damit, daß Gleichheit und Freiheit über die Bedingungen der Gesellschaft hinausreichen und nicht zur Sanktionierung des jeweiligen gesellschaftlichen status quo herabsinken können – eine Gefahr, die laut Kähler nach der ersten Phase der Französischen Revolution zur Zeit der vornapoleonischen Republik Wirklichkeit wurde in Gestalt der „Herrschaft des Pöbels“. Diese Formulierung im Verbund damit, daß Kähler die Notwendigkeit einer individuellen Entfaltung sittlicher Anlagen unterstreicht,19 darf nicht so verstanden werden, als wolle er dem demokratischen ein aristokratisches Gesellschaftsbild entgegensetzen.20 Vielmehr verwahrt er sich kritisch gegen die „Verkünder der Geistesaristokratie“ und die „Aristokraten des Talentes“.21 Er kann und muß dies tun, weil das Gewissen als Anlage zur Sittlichkeit nicht auf die Entfaltung persönlichen Genies oder Talentes angelegt ist, sondern auf die Ewigkeit; die anthropologische Anlage wird so ein eschatologisches Konzept. Entfaltung ist damit auch nicht Sache persönlicher Leistung, sondern Werk Gottes. Jeder Kurzschluß gesellschaftlicher Gegebenheiten mit Gottes Ewigkeit ist damit verhindert. Die „andre Gleichheit“, „jene Gleichheit“, die Kähler dem Fortschrittsdenken entgegenhält, liegt „in der Bestimmung eines jeden für die Ewigkeit“, darin, „daß Gott die Ewigkeit in des Menschen Herz gelegt hat“.22 Die Bedeutung von Kählers Ewigkeitskonzept besteht vorrangig darin, daß es jeden Fortschrittsgedanken begrenzt durch die kritische Ori19 Zitat a.a.O. 171; vgl. zur notwendigen Entfaltung der Anlagen a.a.O. 182. 20 Der Kähler der 1860er Jahre erscheint LINK (1975) 220 als „aristokratischer Individualist“ (vgl. auch a.a.O. 189 zu Kählers Abhängigkeit von romantischen Anschauungen Schleiermachers und v. Rankes; anders der späte Kähler: a.a.O. 386); er zitiert dafür a.a.O. 220 Anm. 129 auch den Vorbehalt von KÄHLER [1867] (1913) 190 gegen „eine Verherrlichung der niederen Schichten und eine Proscription der herrschenden Kreise menschlicher Gesellschaft“. – Zu dieser Stelle s. S. 141 Anm. 28. 21 Zitate a.a.O. 185.183 Anm. 1. 22 Zitate a.a.O. 172.185.185.170. Nur an der letztgenannten Stelle (und par. a.a.O. 184) begründet Kähler, wie DE BOOR (1990) 65 bemerkt, individuelle Ewigkeitserwartung mit einem alttestamentlichen Zitat (Pred 3,11).

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entierung am Eschaton. Fortschritt kann nicht mehr anzeigen, „wie wir's so herrlich weit gebracht“,23 weil die Ewigkeit, auf die wir angelegt sind, von Gott in unser Herz gelegt ist. Das Eschaton kann also aus keinem Fortschritt jemals erwachsen, sondern „ragt“ umgekehrt aus Gottes Ewigkeit in die Zeit hinein, wie Kählers anschauliche Formulierung lautet.24 Damit erfährt der Fortschrittsgedanke eine völlige Richtungsumkehr; Vollendung kann nur im Aufblick zu Gottes Ewigkeit erhofft werden. Damit aber, und das ist die zweite Bedeutung von Kählers Ewigkeitskonzept, ist der Fortschrittsgedanke nicht einfach ausgelöscht, sondern tatsächlich neu ausgerichtet.25 Wenn das menschliche Gewissen nicht auf Fortschritt, sondern auf Gott angelegt ist, dann muß sub specie aeternitatis auch von einer Entfaltung des Gewissens gesprochen werden können. Wenn es Gottes Ewigkeit ist, an der aller menschliche Fortschritt seine Grenze findet, dann muß sie auch dessen Grund sein. In diesem Sinne hält Kähler fest, „daß Religion der tragende Grund echter Sittlichkeit ist“.26 Hatte er zuvor den Ewigkeitsbegriff eingeführt in Auslegung der mehrfach wiederholten These, daß es keinen überindividuellen Fortschritt in der Sittlichkeit gebe, so kann er nun komplementär dazu gerade für diese selbe grundlegende Stellung des Ewigkeitskonzepts als „nicht das schwächste unter den Zeugnissen“ ins Feld führen, „daß die Geschichte des Geschlechtes kein sich wiederholendes Auf- und Abschwanken, sondern ein stetiger Fortschritt auf ein ihm gestecktes Ziel hin ist“,27 und er kann dies wiederholt und breit illustrieren an der Bedeutung des Christentums ausgerechnet für die Entwicklung der Sittlichkeit!28 Kähler kennt also durchaus einen sittlichen Fortschritt auf überindividuellem Gebiet. Genau dies widerspricht aber der ursprünglichen Fassung seiner These, so daß er selbst über diese sagt: „Wie bestünde auch mit solcher 23 KÄHLER [1867] (1913) 175 mit Anspielung auf die Worte Wagners in GOETHES Faust I,570–573, durch die sich der Fortschrittsglaube als epigonales Bauen auf fremdem Fundament entlarvt. 24 KÄHLER [1867] (1913) 170.194 zum „Ragen“. 25 So der vierte Abschnitt von Kählers Vortrag: a.a.O. 185–191. 26 A.a.O. 187. 27 Zitate a.a.O. 188. 28 A.a.O. 177 Anm. 1; 178.179 („Großmacht christlicher Sittenlehre“) und besonders a.a.O. 187–190, wobei diese Stellen z.T. ausdrücklich neben Kählers Grundthese gestellt werden. Kählers bevorzugte Beispiele sind die Verbesserung der gesellschaftlichen Stellung der Frau und die Abschaffung der Sklaverei. Aber auch der Protest dagegen, „daß Millionen nur das Fußgestell sind […], auf dessen höchster Spitze sich die einsamen Gestalten der herrschenden Männer und der hervorragenden Frauen erheben“ (a.a.O. 183), ist dem Zusammenhange nach zuerst im Sinne eines in der Ewigkeit gründenden Fortschritts und nicht eines Eintretens für die soziale Frage zu lesen (gegen DE BOOR [1990] 66f.); ebenso der von Link (s. S. 140 Anm. 20) inkriminierte Vorbehalt.

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Fassung unsre Aussage, das Christentum verbürge dem ganzen Geschlechte die Erreichung eines ihm gesteckten Zieles?“29 Die Antwort lautet, daß ein überindividueller sittlicher, freilich religiös begründeter, Fortschritt in der Mission bestehe: „So gibt es denn einen Fortschritt auf dem Gebiete des Lebens der Menschheit, welchen die sittliche Arbeit von dem einzelnen Menschen aus beherrscht und gestaltet; einen Fortschritt, welcher das Ganze voran bringt. Es findet eine allmähliche Christianisierung der Völker statt“.30 Ist aber nicht diese Antwort nur die Kehrseite des Dilemmas? Entweder schließt die Ewigkeit, wie Kähler sie eingeführt hatte, allen Fortschritt aus, oder aber die Ewigkeit, die einen Fortschritt zu begründen vermag – freilich nur auf dem Boden der Religion –, muß sich hierfür ihrer Ewigkeit begeben und geschichtlich werden: „diese wahre Religion selbst ist eine geschichtliche Erscheinung“. In diesem Satz schürzt sich abschließend nochmals der ganze Knoten des Problems.31 Seine Auflösung ist nur so möglich, daß die scheinbare Aporie der Alternative von Fortschritt und Ewigkeit auf eine dritte Größe hin geöffnet wird. Hier zeigt sich die Bedeutung von Kählers „apologetischem“ Vorgehen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß das Ewigkeitskonzept den Fortschritt nicht einfach aus-, sondern mit einer tieferen Begründung sogar einschließt. Dies ist jetzt für die Art dieser Begründung zu präzisieren: Die Ewigkeit, welche den Fortschritt als Vollendung der allgemeinmenschlichen Anlage im Gewissen verbürgt, wird von Kähler einmal als „jenseit dieser Zeitspanne“ liegend bezeichnet.32 Dieses Jenseits ist von einem „Nach“ zu unterscheiden. Verstünde Kähler die Ewigkeit als „Zeit nach der Zeit“, dann wäre das Zeitverständnis des Fortschrittsdenkens zwar umgepolt, aber nicht überwunden; anstatt aus der Vergangenheit wie bei Fausts Famulus Wagner würde sich der Fortschritt aus der Zukunft speisen, aber aus einer Zukunft, die mit der Vergangenheit einen einzigen linearen Zeitstrahl bildete. Dann wäre das gezeigte Dilemma unüberwindlich. 29 KÄHLER [1867] (1913) 191. 30 A.a.O. 192. Im Erstdruck des Vortrags ist an dieser Stelle der Rückbezug auf die grundlegende These, daß es keinen sittlichen Fortschritt des Menschengeschlechts im ganzen gebe, verdeutlicht durch die Aufnahme eines ihrer Stichworte: „So giebt es denn einen Fortschritt auf dem Gebiete des Geschlechts-Lebens“ etc. (DERS. [1867] 134). Die spätere Änderung dürfte daher rühren, daß Kähler hier nicht als Sexualethiker verstanden werden wollte. 31 Zitat DERS. [1867] (1913) 192, ausführlicher a.a.O. 193; vgl. den ganzen fünften Abschnitt: a.a.O. 191–194. – Im Erstdruck (DERS. [1867] 134) ist der fünfte vom vierten Abschnitt nicht getrennt. 32 DERS. [1867] (1913) 184.

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Doch Kähler versteht die Ewigkeit nicht in diesem linearzeitlichen Sinne; vielmehr ist sie ihm zufolge die „Ruhe, die über die Zeit hinausliegt“33 und daher, mit Kählers eindrücklicher Redeweise, in die Zeit „hineinragt“. Der kurze Schlußabschnitt des Vortrags beschreibt das Verhältnis von Zeit und Ewigkeit mit den Worten des Eindrucks, den J.A. Bengel auf einen Zeitgenossen machte, so: „Ich ward wie von dem kräftigen Magnet durch die Augen, die voll Licht und Leben waren, und durch die Stirne, auf der ich das Wort ‚Ewigkeit‘ zu lesen meinte, in eine andere Sphäre hingezogen.“34 Der systematische Ertrag von Kählers Ewigkeitskonzept wird mit diesen Worten aus einem erbaulichen Lebensbilde in seinen zwei entscheidenden Momenten gut getroffen: Ewigkeit ist zum einen eine andere Sphäre über den zwischen Vergangenheit und Zukunft sich erstreckenden Fortschritt hinaus; sie ragt zum anderen in diesen Fortschritt hinein und zieht ihn zugleich an sich. Begrifflich expliziert Kähler diesen Gedanken mit dem Konzept der Verheißung: Auch das Christentum geht noch zu auf „die große Verheißung, welche allein imstande ist, die peinigenden Rätsel des Erdenlebens zu lösen“, das Rätsel nämlich, daß die wahre Religion „eine geschichtliche Erscheinung“ ist. Offensichtlich ist also das Christentum als geschichtliche Erscheinung zu unterscheiden von seiner eschatologischen Gestalt als wahrer Religion, die ausschließlich Gottes Verheißung ist. Als diese Verheißung ist das Eschaton die dritte Größe im Dilemma von Fortschritt und Ewigkeit. Kähler kann daher, den Fortschritt ganz auf die so verstandene Ewigkeit beziehend, resümieren: „Der Fortschritt, wie er seinen Ausgangspunkt hatte, findet seine Vollendung in der Ruhe, die über die Zeit hinausliegt.“35 Erst von diesem systematischen Zielpunkt der Argumentation aus wird auch die Wahl der Bilder „Fluß“ und „Meer“ für Fortschritt und Ewigkeit voll verständlich. Eine schroffe Alternative empfehlen sie schon deshalb nicht, weil ja der Fluß ins Meer mündet, und so kann Kähler seinen Vortrag im Stile einer Inclusio rahmen durch das Leitmotiv vom „Meer der Ewigkeit“, „in welcher doch kein Tröpflein der reich wechselnden zeitlichen Vergangenheit verloren ist“.36 Kählers Eschatologiekonzept verbindet so Fortschritt und Ewigkeit unter dem klaren Vorrang der 33 A.a.O. 194. 34 A.a.O. 195 (der sechste Abschnitt: a.a.O. 194f.). Zitiert ist Oskar WÄCHTER, Johann Albrecht Bengel. Lebensabriß, Charakter, Briefe und Aussprüche nach handschriftlichen Mittheilungen dargestellt, Stuttgart 1865, 206. 35 Zitate KÄHLER [1867] (1913) 194. Vgl. DERS. [1911] 72: „Man wird die Wege Gottes von hinten verstehen.“ 36 DERS. [1867] (1913) 193; a.a.O. 167 lautet der Relativsatz: „in dem doch kein Tröpflein einer reich wechselnden zeitlichen Entwickelung verloren ist“.

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Ewigkeit. Kähler richtet so den gesamten Fortschritts- und Entwicklungsgedanken neu aus an einem Konzept von Ewigkeit als der „großen Verheißung“, die allein den Fortschritt begründet und zugleich seine Grenze bildet, die mit keinem geschichtlichen Ziel von Fortschritt in irgendeiner Weise verrechnet werden kann. Exkurs 4: Der infinite Progreßgedanke in der liberalen Eschatologie 1. Zum Begriff der liberalen Dogmatik. Kählers Ewigkeitskonzept ist, wie gesehen, in der Auseinandersetzung mit dem Fortschrittsgedanken entstanden. Zur Verdeutlichung ist daher der Vergleich mit solchen Entwürfen von Eschatologie hilfreich, die ausdrücklich auf einem Begriff von Fortschritt basieren. Dafür kommen besonders einige Autoren in Betracht, die sich unter dem Titel einer „liberalen Dogmatik“ zusammenfassen lassen. Der Terminus „liberal“ soll dabei keine dogmatische Richtung oder theologiegeschichtliche Schule bezeichnen,37 sondern ist zu verstehen von einer methodischen Grundsatztendenz in der Theologie des 19. Jh. überhaupt, welche durch das Aufkommen der historisch-kritischen Methode gekennzeichnet ist. Im Unterschied zur sog. Positiven Theologie,38 die, im einzelnen mit unterschiedlicher Begründung, die in Bibel und Credo genannten „Heilstatsachen“ als feststehend gegebene (in diesem Sinne „positive“) Grundlage der theologischen Arbeit voraussetzt, sollen im folgenden unter dem Stichwort „liberale Dogmatik“ diejenigen systematischen Theologen zusammengefaßt werden, die die kritische Methode in ihre Darstellung biblischer und kirchlicher Theologie integrieren. 2. Infiniter Progreß als unendliche Durchdringung von Geist und Leib. Hier ist vor anderen der Tübinger FRIEDRICH HEINRICH KERN zu nennen, der nicht nur als gleichaltriger Schüler von F.C. Baur an der Wiege der historisch-kritischen Methode steht, sondern auch zugleich eine heute wenig beachtete Monographie zur Eschatologie verfaßt hat. In ihr will er Schleiermachers Dilemma überwinden, daß die beiden Pole, persönliche Fortdauer und Vollendung der Kirche, jeweils nur entweder auf den Gedanken der Entwicklung oder den der Vergeltung (des Abschlusses) bezogen werden können. Kern dagegen eint sie, indem er beide „nach der negativen sowohl, als nach der positiven Seite des Begriffs“ betrachtet und so ein umfassendes Gesamtbild herstellt.39 Demnach ist die persönliche Fortdauer zwar die Entwicklung der im frommen Selbstbewußtsein des Individuums positiv gegebenen Gemeinschaft mit Christus, sie ist aber zugleich negativ beschreibbar als Befreiung „von allem 37 Insbesondere ist nicht ausschließlich an den Kulturprotestantismus zu denken. 38 Der Gegensatz von Positiver Theologie und liberaler Dogmatik im genannten Sinne ist theologiegeschichtlich im sog. Apostolikumsstreit manifest geworden, der über die unmittelbar kirchenhistorischen Streitigkeiten hinaus seine theologische Reflexion in der Auseinandersetzung zwischen A. v. Harnack und H. Cremer fand. Cremer selbst ist zusammen mit M. Kähler und A. Schlatter der wichtigste Vertreter der Positiven Theologie. 39 Zum Folgenden vgl. KERN (1840) 77 (Zitat) mit Bezug auf SCHLEIERMACHER [1830/31] (1960) § 159.

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Sündhaften“ und damit als Gericht oder Vergeltung. Und ebenso ist die Vollendung der Kirche zwar negativ als gerichtliche Befreiung von der ihr noch anhaftenden Sünde zu beschreiben. Sie ist damit aber zugleich durch logische Negation positiv „wesentlich auch Entwicklung“, weil sie Befreiung zu weiterer und dann ungehinderter, also unendlicher Verklärung bedeutet.40 Kern erläutert diesen Gedanken mit einem doppelten Rückgriff auf Eschatologeme der Vermittlungstheologie: Er erklärt die individuelle Tilgung der Sünde mit H. Steffens' Theorem der Involution so, daß auf das vom Leib beherrschte Erdenleben ein geistdominierter Zwischenzustand folge, an den sich als Ausgleich beider die jenseitige Entwicklung zu unendlicher Einheit von Geist und Leib in der Auferstehung anschließen müsse.41 Auf universaleschatologischer Ebene entspricht dem der später vor allem durch I.A. Dorner zur Wirkung gebrachte Gedanke, daß mit Christi Auftreten die Eschata in einer geistigen Zwischenzeit bereits angebrochen sind, auch wenn sie noch der endgültigen leiblichen Konkretion durch die zukünftige Parusie bedürfen. Kern kann also mit diesem doppelten Rückgriff auf die Vermittlungstheologie42 sowohl die Unsterblichkeit lehren43 als auch den Gedanken einer vollendeten Kirche als infiniten Progreß anschaulich machen. Eschatologie bietet damit, Schleiermachers partikulare Anschauungen überwindend, das Gesamtbild einer immer vollkommeneren Durchdringung von Geist und Leib sowohl im Individuum als auch in der Kirche als Gesamtheit aller Individuen im Verhältnis zu jedem einzelnen. Kern kann so gegen Schleiermachers Verdikt der Nichtlehrbarkeit die Eschatologie als Apokatastasis dogmatisch beweisen, indem „der Begriff der Vollendung selber, und ihre Nothwendigkeit ins Klare gesezt“ werden.44 Gewiß ist der in diesem Konzept tragende Gedanke der Involution Spekulation. Doch liberale Theologie und Spekulation schließen sich im 19. Jh. nicht aus, wie das wirkmächtige Beispiel von RICHARD ROTHE zeigt, der als später Begründer des Protestantenvereins der Inbegriff liberaler Theologie vom Schlage des Kulturprotestantismus zu sein scheint und doch ein eschatologisches Konzept von infinitem Progreß 40 Zitate KERN (1840) 78.77; vgl. ebd.: „ein ins Unendliche sich steigernder Fortschritt“. 41 KERN (1840) 115 greift Steffens' Involution (s. Exkurs 2, hier S. 70f.) auf, auch wenn die Begrifflichkeit von Geist und Leib an die heilsgeschichtliche Axiomatik von Person und Natur erinnern mag. Diese versteht aber nicht den Zwischenzustand, sondern gerade die nach Kern leibdominierte Gegenwart als geistbestimmt. 42 KERN (1840) 4 strukturiert die biblische Eschatologie (Kap. I) so: Gegen die antikjüdische Unterscheidung zweier Äonen, die durch das eine Auftreten des Messias getrennt sind, nimmt das Neue Testament eine Endzeit an, die durch die zwei Parusien Christi gerahmt ist. S. S. 125 Anm. 197. 43 Kern verteidigt diese ewige Unsterblichkeit der persönlichen Geist-Leib-Einheit gegen die aus der hegelianischen Debatte (s. Exkurs 1 [S. 64ff.]) bekannten Beschränkungen, also gegen P.K. Marheinekes „rechtshegelianische“ Unsterblichkeit in „einem blos diesseitigen Sinne“ (a.a.O. 92), gegen C.H. Weißes Unsterblichkeit nur der christlichen Persönlichkeit (a.a.O. 83f.) und gegen die Unsterblichkeit nur der menschlichen Gattung (a.a.O. 86 als Linkshegelianismus eingestuft). 44 A.a.O. 94. Bereits das Kap. I zur biblischen Eschatologie nennt die „Wiederherstellung aller Menschen in Christo zur Einheit mit Gott die einzig richtige Consequenz“ (a.a.O. 37) der neutestamentlichen Anschauungen und begründet dies damit, daß nach Paulus zuletzt „ganz Israel gerettet werden wird“ (a.a.O. 38).

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entwickelt, das grundsätzlich spekulativ begründet ist.45 Grundlage dieses Konzepts ist das Verhältnis von Gott dem Schöpfer zu seiner Schöpfung: Gott ist das absolut geistige Wesen, das durch sein Schöpferhandeln Materie sich ins Geistige anverwandelt, doch so, daß Schöpfung nie das Maß von Gottes Geistigkeit erreicht. Es gibt daher eine ewig fortgesetzte Schöpfung, die aus den irdischen Schlacken der zu angelischem Dasein emporgeläuterten Geschöpfe neue, geistigere Wesen schafft.46 Folglich gibt es in ihrer Geistigkeit je nach Frühe oder Späte ihrer Schöpfung abgestufte Kreatursphären,47 deren einzelne Angehörige gleichwohl individuell vollendet sind.48 Der ewige Fortgang dieser Schöpfung in einer unendlichen Weltenreihe nach Abzug aller bösen, d.h. auf die Verschlackung statt die Vergeistigung gerichteten Tendenzen49 ist Rothes Bild von Eschatologie.50 Der Gedanke eines unendlichen Progresses ist hier zwar auf dem Boden der Spekulation, aber bestechend klar durchgeführt. Derselbe Gedanke des infiniten Progresses beherrscht bei scheinbar völlig anderem theologischen Ansatz die Eschatologie von RICHARD ADELBERT LIPSIUS. Sie ist die konsequente Aufdeckung und anschließende Überwindung der Aporien in der kirchlichen Eschatologie.51 Die Kirche lehre zum einen ein im Himmel fertig bereit liegendes Heil52 und erwarte zum anderen, daß die sittlichen Gesamterträge der einzelnen Menschenleben als „fertige Zustände“ in die Ewigkeit übernommen würden.53 Mit dieser Lehre setzt die Kirche Lipsius zufolge den Grundirrtum des Frühjudentums fort, der in der „jüdischen Zeittheologie“ mit messianischem Königreich und Weltgericht zwei ursprünglich selbständige eschatologische Gedankenreihen vermengt.54 Dies würde eine „sprungweise Vollendung“ bedeuten, die eine Entwicklung 45 Da die bei Rothe meist auf Einflüsse der Theosophie (s. Exkurs 3, hier S. 99–102) zurückgeführte Spekulation das historisch-kritische Interesse überlagert, kann Rothe nur mit Einschränkungen unter meinen Begriff liberaler Dogmatik fallen. Vgl. das Charakterbild des Theologen Rothe bei BARTH (1947) 544–552. 46 ROTHE (1869/71) II,481f. (§ 457). 47 A.a.O. II,482f. (§ 457 Anm.) zur höheren Geistigkeit späterer Schöpfung. 48 A.a.O. II,483 (§ 458). Grade der Seligkeit sind daneben nicht ausgeschlossen (a.a.O. III,194 [§ 595]), doch jedes Individuum steht mit der Seligkeit aller Kreatursphären in völligem Austausch (a.a.O. II,480 [§ 456]). 49 So wird der im Gericht Verworfene als „sich allmälig in sich selbst aufzehrend“ (a.a.O. III,194 [§ 596]) gedacht; vgl. a.a.O. II,478 (§ 452 Anm.) zum Gericht über die Natur: Dort „wird die Chemie ihren Triumph feiern“. 50 Rothe wird m.E. zu sehr von Hegel aus gelesen, wenn man seine chiliastische Eschatologie auf die Vorstellung beschränkt, daß die Kirche im Staat aufgehen werde. Dagegen bemerkt OSTHOF (1999) 286 (vgl. a.a.O. 273 Anm. 382), dieser Zusammenfall geschehe „erst im Eschaton“. Ungesagt bleibt dabei aber, daß Rothe dieses Eschaton als infinit denkt. Seine Eschatologie hat so die Weite der Spekulation eines Origenes und ist daher ähnlich umstritten wie diese. 51 LIPSIUS (1893) 849 (§ 970) faßt den dogmatischen Negativbeweis zusammen aus §§ 947.950.958 zur alt- bzw. neutestamentlichen bzw. kirchlichen Eschatologie. Vgl. a.a.O. 855 (§ 982) mit den Begriffen Zeit und Ewigkeit. 52 A.a.O. 840 (§ 956) führt Lipsius diese Vorstellung auf den Hebräerbrief zurück. 53 A.a.O. 852 (§ 978). 54 Zitat a.a.O. 835 (§ 947); zu den beiden Vorstellungen vgl. a.a.O. § 945 bzw. § 946.

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zum Ziel führt, jedoch nicht auf dem Wege der Entwicklung. Mit diesem Gedanken der sprungweisen Vollendung fuße die kirchliche Eschatologie auf einer contradictio in adjecto.55 Dagegen steht bei Lipsius die Vorstellung eines progredierenden Ziels. Sie ist dann nicht ebenso contradictio in adjecto, wenn es sich gleichsam um das fortgehende Ausschreiten eines Gipfelplateaus handelt, eben um einen „progressus in infinitum“.56 Dieser müßte aber, sollte er dogmatischen Wert haben, religiös verstanden werden. Erst in der postumen Letztauflage hat Lipsius dafür die theologische Begrifflichkeit gefunden: Eschatologie handelt von einem unendlichen Fortschritt als dem „donum perseverantiae“.57 Lipsius bestimmt diese Perseveranz inhaltlich als Beharrlichkeit des persönlichen Ich „im Wechsel seiner Zustände und Thätigkeiten“. Darin deckt er sich ausdrücklich mit dem schweizerischen Theologen ALOIS EMANUEL BIEDERMANN. Gegen ihn will Lipsius aber die Beharrlichkeit des Ich gegenüber seiner Umwelt religiös als Unsterblichkeit (persönliche Fortdauer) verstanden wissen, um nicht eine cartesische Überlegenheit von Geist- über Natursubstanz assoziieren zu lassen.58 Doch auch Biedermann zielt nicht auf einen Substanzdualismus, wenn er in der teils postumen Zweitauflage seiner Dogmatik das eschatologische Grundkonzept eines in der Welt statthabenden Sich-Erhebens über die Welt zur Freiheit von der Welt ausdrücklich nicht als Unsterblichkeit versteht. Vielmehr kritisiert er die traditionelle Anschauung von Unsterblichkeit der Seele und Auferstehung des Fleisches gerade deshalb, weil sie den Substanzdualismus impliziere.59 Biedermann formuliert seine eigene Konzeption statt dessen in hegelianischer Diktion als Durchdringung von absolutem und endlichem Geist60 und rezipiert zur Illustration den Chiliasmus.61 Dieser Gedanke entspricht Kerns an Steffens geschulter Spekulation über den Zwischenzustand sowie der Vorstellung Lipsius' vom donum perseverantiae als Erreichung einer sich unendlich fortsetzenden Entwicklungsstufe. Es scheint also, daß Lipsius und Biedermann 55 Zitat a.a.O. 852 (§ 977). 56 A.a.O. 853.861.855 (§§ 979.989.982). Die beiden ersten Stellen kritisieren, daß der Begriff kein religiöser sei. 57 A.a.O. 868 (§ 995); vgl. a.a.O. 853 (§ 979): „perseverantia sanctorum“. Dieses Konzept, das der Herausgeber, O. Baumgarten, in seinem Vorbericht a.a.O. XXXIII als wichtige Neuerung hervorhebt, fehlt noch in den entsprechenden Paragraphen bei LIPSIUS (1876) 872.860 (§§ 977.961), während von einem progressus in infinitum bereits die Rede ist (a.a.O. 860.868.862 [§§ 961.971.964]). 58 Zitat DERS. (1893) 865 (§ 993). Die explizite Abgrenzung gegen Biedermann (a.a.O. 867f. [§ 995]; noch nicht DERS. [1876] 872 [§ 977]) hat Baumgarten 1893 als Herausgeber aus einem Vortrag von Lipsius rekonstruiert. 59 BIEDERMANN (1884/85) II,391 (§ 579) kritisiert die Auferstehung des Fleisches (nicht des Leibes!) als Substanzmetaphysik. Die Unsterblichkeitslehre und ihre Vorstellungen vom Ich als „einem besondern Ding“ verwirft er a.a.O. §§ 949–973 (Zitat a.a.O. II,656 [§ 970]) und läßt nur die Bestimmung des Ich zum „real weltfreien Geistleben“ (a.a.O. II,657 [§ 972]; vgl. a.a.O. II,664 [§ 991]) gelten. 60 A.a.O. II,660f. (§ 985). 61 Der Chiliasmus fasse das dialektische Verhältnis des Reiches Gottes zur Welt – die Welt ist sein Boden, doch „nicht die Welt als Welt“ – in die Vorstellung „einer positiven Verklärung derselben“ (Zitate a.a.O. II,390 [§ 578]).

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dasselbe Eschatologiekonzept des progressus in infinitum vertreten62 und so auch mit dem Entwurf von Kern übereinstimmen. 3. Ergebnis. Somit bieten die hier vorgestellten Autoren ein im wesentlichen einheitliches Konzept von Eschatologie, das sich durch die Ablehnung eschatologischer Dualismen, also z.B. der Entgegensetzung von Geist und Leib, auszeichnet.63 Hierin ist die Auseinandersetzung mit dem eschatologischen Dilemma Schleiermachers zu spüren, auf den sich Kern denn auch extensiv bezieht. Die Antwort, welche er und die anderen Autoren geben, ist jeweils die des progressus in infinitum (so ausdrücklich Rothe und Lipsius), also einer ins Unendliche fortschreitenden Vervollkommnung der Durchdringung von Geist und Leib, so daß die Eschatologie lediglich eine Bahn zu beschreiben hat, auf welcher der Weg in die Ewigkeit dann, so zu sagen, vorgezeichnet ist. Dies erklärt den Fortschrittsoptimismus der genannten Autoren. Zugleich erklärt es, warum in der Linie solchen Fortschritts das Judentum, bildlich gesprochen, auf der Strecke bleibt: Kern folgt der schon bekannten Lehre von den „zwei Adventen Christi“, die das Judentum in eine mit Christi Auftreten überholte Geschichte einstuft; Lipsius hat als Folie seiner Eschatologie die „jüdische Zeittheologie“ vor Augen.

Diesem Progreßgedanken und seiner Sicht auf das Judentum tritt nun Kählers Konzeption eines Fortschritts entgegen, dessen einziger Grund und einzige Grenze die in die Zeit hineinragende „große Verheißung“ der Ewigkeit ist. Doch muß diese Grundidee noch präzisiert werden. Denn der liberale Progreßgedanke wird nicht nur von Kähler kritisiert, sondern auch von ALBRECHT RITSCHL, der theologiegeschichtlich in manchem als Weggenosse Kählers erscheint. In der Eschatologie kommt Ritschl jedoch zu ganz anderen Ergebnissen. Er setzt hier an der Wurzel des infiniten Progreßgedankens ein: Dessen Vorstellung einer unendlichen Vervollkommnung des Verhältnisses von Geist und Leib fußt auf einer traditionellen eschatologischen Zuordnung von Rechtfertigung und Heiligung. Genau dieser Zusammenhang besteht nach Ritschl jedoch nicht, weil die Rechtfertigung nicht gegen die Unzulänglichkeit der Werke des Gesetzes gerichtet sei, sondern gegen Werklichkeit überhaupt.64 Dementsprechend zielt in christli62 Der Unterschied beider liegt vielmehr in der Kantinterpretation: Lipsius führt Religion auf die praktische Notwendigkeit zurück, daß das Ich sich gegenüber der Welt behaupten muß wie gegenüber einer Bedrohung (HÜTTENHOFF [1991] 147), da die Welt dem Ich nicht nur als seine eigene subjektive Konstitutionsleistung (Erscheinung), sondern auch als deren reales Objekt („Ding außer uns“) gegenübertritt (vgl. a.a.O. 153f.). Biedermann kennt eine solche Nötigung zur Religion nicht, da er Lipsius' Verdoppelung der kantischen Lehre vom Ding an sich zum Ding außer uns nicht teilt, sondern den absoluten Weltgrund als logisch zugänglich ansieht (vgl. a.a.O. 173f.). Dies wäre für Lipsius der Rückfall hinter die kopernikanische Wende (vgl. a.a.O. 170f.). 63 Für Lipsius s. bei S. 147 Anm. 58 und für Biedermann s. S. 147 Anm. 59. Auch KERN (1840) 58 steht gegen Dualismen. 64 Bei RITSCHL (1882/83) III,450 (§ 51) „wird die Unvollkommenheit […] nicht […] blos quantitativ, sondern qualitativ beurtheilt“.

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cher Eschatologie Rechtfertigung nicht auf Heiligung, sondern auf ewiges Leben, das Ritschl im geistgewirkten Leben der Gemeinde verwirklicht sieht.65 Gute Werke sind daher nicht Ziel, sondern Organ der Eschatologie.66 Als Ziel gedacht im Sinne der infinit progressiven Heiligung würden sie auf ein Hindernis stoßen, das „Reich der Sünde“. Es bezeichnet diejenige Gemeinschaft, deren Glieder untereinander verbunden sind durch die interpersonellen Auswirkungen der Sünde. Diese kommen wenigstens in ihrer schwächsten Ausprägung als „Abstumpfung“ gegen anderer Menschen Übel auch in der Gemeinde zur Geltung.67 Zugleich steht das Reich Gottes in Gestalt der Gemeinde der Versöhnten diesem Reich der Sünde aber entgegen, denn die Versöhnten erfahren durch die Gnade eine Schärfung ihres Schuldgefühls und zugleich die Gotteskindschaft als die Ausrichtung auf den göttlichen Endzweck, so daß sie das Problem der bei aller Versöhnung fortbestehenden Sünde tragen können, weil sie darin kein Strafübel mehr erblicken, und diese veränderte Sichtweise auf die sündige Welt ist der Kern dessen, was Ritschl die christliche „Weltbeherrschung“ nennt.68 Der Unterschied dieser eschatologischen Auffassung von derjenigen Kählers ist offensichtlich: Kähler begreift die Ewigkeit als eine reale und wirksame Größe, die in die Zeit hineinragt; bei Ritschl dagegen ist sie ein Reich der Zwecke, das sich auf die Gemeinde beschränkt, so daß eine Fortwirkung sich nur auf die Kirche erstreckt. Ritschl ersetzt also die Kette von Ursache und Wirkung, die den Progreßgedanken auszeichnet, durch die Teleologie, in der die Gesinnung der Gemeinde Maßstab der Eschatologie wird. Kählers Eschatologie bietet jedoch gegenüber dieser Alternative von Kausalität und Teleologie eine dritte Größe. Deshalb genügt es zur Charakterisierung von Kählers Konzeption noch nicht, sie mit dem liberalen Progreßgedanken zu vergleichen. Vielmehr ist der Gedanke fortzuführen anhand desjenigen Themas, das auch den Vergleich mit Ritschl erlaubt, und das ist die Versöhnungslehre, oder mit Kählers Terminus: die Soterologie. 65 A.a.O. III,457f. (§ 52) zum Zusammenhang mit dem ewigen Leben anstatt mit der Heiligung. Zur gemeindlichen Wirklichkeit des ewigen Lebens vgl. a.a.O. III,467 (§ 52): Ritschl verknüpft Individual- mit Universaleschatologie, so daß die „geistige Freiheit des Individuums“ gemeinsam mit der „Offenbarung des allgemeinen Endzweckes der Welt“ die „geistige Herrschaft der Genossen des göttlichen Reiches über dieselbe und ihr ewiges Leben“ begründet. 66 A.a.O. III,480 (§ 53). 67 Zitate a.a.O. III,314 (§ 41). Das „Reich der Sünde“ ist das Ergebnis von Ritschls Kritik der Erbsündenlehre. 68 A.a.O. III,505 (§ 56): „Denn je höher die göttliche Gnade in dieser Verleihung geschätzt wird, um so schärfer muß sich der Contrast zwischen den Verschuldungen und der Aufnahme in Gottes Gemeinschaft fühlbar machen.“ Zur Weltbeherrschung vgl. a.a.O. § 62.

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2. Soterologische Eschatologie. Ausgangspunkt von Kählers Eschatologie ist die Ewigkeit, die als Gottes „große Verheißung“ in die Welt der Menschen hineinragt und so Grund und Grenze menschlichen Fortschritts wird. Was aber ist der Gehalt dieser Verheißung? Kähler hat diese Frage 1896 aufgenommen in einem programmatischen Vortrag über „Die Bedeutung, welche den ‚letzten Dingen‘ für Theologie und Kirche zukommt“. Dessen These lautet: Erst „die Eschatologie erschließt der Theologie den Sinn für die Geschichte“. Dies wird dann auf einzelne dogmatische Loci angewandt, so daß „ohne Eschatologie keine Christologie“, „keine Soteriologie“, „keine christliche Ethik“, „keine Theodicee“ möglich sind,69 weil alle diese in je unterschiedlichem Sinne einer Vollendung ihres geschichtlichen Fortganges bedürfen, die jedoch nicht linear, sondern nur von Gottes Ewigkeit her möglich ist. Die einzelnen Entfaltungen dieser These führen immer wieder auf das verheißene Kommen Christi zum Gericht;70 jeweils führt Kähler das Konzept eines nur eschatologisch begründeten Geschichtsfortschrittes durch. Christologisch kann der Gekreuzigte nur im „zuversichtlichen Ausblick über sein Kreuz hinaus“ Weltenheiland sein, und soteriologisch wird dies dem Gläubigen nur im „getrosten Blick auf den Vertreter, der als einziger Richter jeden andern Richter ausschließt“, gewiß und darum „wider mich selbst“.71 Auch die Ethik mißt daher beim Problem der Sittlichkeit des Einzelnen dessen Keim eines religiösen Lebens eschatologisch am „Überschwang des Hoffnungsgutes“, also „schon an der voll ausgetragenen Frucht“.72 Auf überindividueller Ebene schließlich bedeutet auch die Theodizee, von Kähler als „Verständnis des Weltganges aus dem Gottesglauben heraus“ definiert, keine „Überschlagsrechnung“ des innerweltlichen Geschehens, sondern folgt der „sittlichen Weltordnung“, die Christus durch sein zukünftiges Kommen heraufführt: „Daß wir alle offenbar werden müssen vor seinem Richterstuhle, das ist die Theodicee für die Geschichte jedes 69 Die Darlegung der These im zweiten Abschnitt des Vortrags: KÄHLER (1896) 491–500, ihre Anwendungen im dritten: a.a.O. 500–514. Zitate a.a.O. 497.501.503.506.511. 70 Vgl. a.a.O. 502 (Beispiel Christologie): „dann kommt kein Menschenleben zu einem Abschluß, ohne ihm zu begegnen“ mit a.a.O. 512 (Beispiel Theodizee): „daß kein Menschenlos sein Ende findet, ohne daß er vor Christi Angesicht gestellt wird“. 71 Zitate a.a.O. 502.505.505. Daß mir das Heil nur unter Absehung von mir selbst gewiß ist, betont Kähler (DERS. [1905] 423 [§ 490]: „non propter sed per fidem“) mit Frage 61 des Heidelberger Katechismus. 72 Die Zitate (DERS. [1896] 508.503) halten den ethischen Lohngedanken fest (der jedoch qua „Überschwang“ vom Verdacht der Verdienstlichkeit befreit ist) bzw. den soteriologischen Bekenntnissatz von der Sündhaftigkeit der Neugeborenen (CA 9); beides ergibt sich aus dem Argument in der vorigen Anmerkung.

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einzelnen Menschen.“73 Gerade mit Blick auf kirchliche und parakirchliche Endzeitströmungen seiner Zeit wie die Bewegung um E. Irving stellt Kähler darum für die Frage nach den verschiedensten „letzten Dingen“ fest: „das sind alles Aussagen von dem lebendigen Christus“. Somit ergibt sich, daß Christus selbst der eigentliche Gegenstand der Eschatologie ist; „daß die christliche Eschatologie im Grunde Christologie, Aussage von Christi Person und Werk sei“. Diese Konzentration auf die Person Christi ist aber nicht als Reduktion gemeint; dagegen spricht Kählers Differenzierung Christi als der letzten und zugleich ersten Person: „So kennen wir eigentlich nicht eine Anzahl von letzten Dingen, sondern nur eine ‚letzte‘ Person, die das freilich auch nur sein kann, weil sie auch die ‚erste‘ ist.“74 Kähler macht also offensichtlich Christus zum Mittelpunkt der Eschatologie, und zwar in seiner Gestalt als erste und letzte Person. In dem Vortrag von 1896 wird Christus, die letzte und erste Person, ohne Umschweife als „der gepredigte Jesus Christus, der Jesus Christus der apostolischen Verkündigung in den neutestamentlichen Briefen und Evangelien“ expliziert.75 Kähler greift damit auf eine These zurück, die er 1892 entfaltet hatte, daß der biblische Christus der Christus der kirchengründenden Predigt sei. Ohne auf diese meistumstrittene Schrift Kählers hier schon näher einzugehen,76 kann man festhalten, daß als das entscheidende Moment der Personalität Christi sowohl 1892 wie 1896 ihre geschichtliche Gestalt erscheint.77 Geschichtlichkeit Christi ist hier weder Historizität im Sinne verifizierbarer Vorfindlichkeit noch „zufällige […] Einkleidung der allzeit gleichen ‚natürlichen Religion‘“.78 Kähler entnimmt sein Konzept von Geschichtlichkeit Christi als der letzten und ersten Person vielmehr dem Geschichtsbewußtsein des Alten Testaments. Dort bezeichnet Geschichte den Zusammenhang eines Ereignisses mit dem Ausblick auf seine Vollendung.79 „Dagegen erzeugt die Weissagung schon im Volk Israel ein durch73 Zitate a.a.O. 511.512.512.512. 74 Zitate a.a.O. 490.500.490. Beim Verhältnis von erster und letzter Person sehen sowohl HJELDE (1987) 214 als auch DE BOOR (1990) 93 einen Konflikt von über- und nachzeitlicher Eschatologie (Hjeldes „Eschaton und Eschata“, das DE BOOR [1990] 216 Anm. 13 auch auf Troeltsch und Althaus anwendet), nur nehmen sie die Zuteilung an erste und letzte Person genau entgegengesetzt vor. Für KÄHLER ist dieses Problem schon dadurch obsolet, daß „‚ewig‘ und ‚künftig‘ für den Christenwandel Wechselbegriffe sind“ (DERS. [1896] 521). 75 A.a.O. 491. 76 Das Nötige hierzu wird in Exkurs 6 (S. 189ff.) gesagt werden. 77 Bei KÄHLER (1892) schon im Titel: „der geschichtliche, biblische Christus“. 78 DERS. (1896) 495f. 497 Anm. 1 mit Bezug auf die Christustypologie 1 Kor 15,45–47. 79 Kähler verficht diesen Begriff der Geschichtlichkeit gegen die „Gegner der Anerkennung des Alten Testamentes“ (a.a.O. 496; genannt sind Markion, G.E. Lessing und F. Schleiermacher).

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greifendes geschichtliches Bewußtsein; denn mit der Linie, welche der erleuchtete Blick von dem einheitlichen schöpferischen Anfange zu dem von Gott verbürgten Abschlusse zieht, ist auch die Erkenntnis von dem Subjekte der Weltgeschichte, nämlich von der einheitlichen Menschheit gegeben“. Ihrer Funktion für dieses Geschichtskonzept nach ist die besagte einheitliche Menschheit ein „verbürgtes Ziel“ der Geschichte; auf ein solches läuft dieses Geschichtsverständnis hinaus.80 Wir können somit festhalten, daß Kählers These von der Eschatologie als Erschließung des Sinns für Geschichte zwei Momente enthält, nämlich die Personalität von Eschatologie und ihre Geschichtlichkeit. Ersteres schlägt sich darin nieder, daß Christus als erste und letzte Person der eigentliche Gegenstand der Eschatologie ist. Zweiteres zeigt sich darin, daß zwischen dem Ersten und dem Letzten ein gegliederter Zusammenhang besteht, der sich kraft Verheißung von einem historischen Ereignis auf dessen zukünftige Vollendung erstreckt. Diese beiden Begründungsmomente haben auch Eingang gefunden in einen 1898 erschienenen grundlegenden Lexikonartikel Kählers zur Eschatologie. Hier wird als Ertrag der biblischen Eschatologie ebenfalls der alttestamentliche Gedanke der Geschichtlichkeit festgehalten: „Bezeichnend für die alttest. Hoffnung ist die offenbarungsgeschichtliche Begründung“, was für die christliche Eschatologie dann auf die Person Jesu bezogen wird: „Die Hoffnung bleibt durchaus an die Person des auferweckten und wiederkommenden Christus, mithin an die Offenbarung Gottes und an sein erlösendes und vollendendes Thun gebunden“.81 Beide Momente, Geschichtlichkeit und Personalität, werden auf den Begriff gebracht, wenn es zusammenfassend über die Eschatologie heißt, „daß alle ihre Aussagen soterologische sein müssen“.82 Der Terminus der Soterologie umfaßt also Geschichtlichkeit und Personalität theologischer Verheißungssätze. Soterologische Eschatologie bezieht demnach die religiöse Zukunftshoffnung auf die Person des auferweckten und wiederkehrenden Christus als Vollendung der Geschichte. Geschichte unter diesem Blickwinkel der Parusie zu sehen, heißt Soterologie. Der Begriff „Soterologie“ ist eine Neuschöpfung Kählers, abgeleitet nicht von soteria, sondern von soter, was die Personalität unterstreichen soll.83 Im Zentrum steht somit die Person Christi, d.h. mit Blick auf die Eschatologie: die Erwartung des persönlich Kommenden. Sie ist der Inhalt 80 Zitate ebd. 81 Zitate DERS. (1898) 492. 82 A.a.O. 495. 83 Die Bedeutung der Personalität betont zu Recht auch LEIPOLD (1962) 61.

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dessen, was Kähler in seinem Vortrag von 1866 die „große Verheißung“ nannte. Exkurs 5: Zur problemgeschichtlichen Bedeutung der „Soterologie“ Der Terminus „Soterologie“ hat einen festen Platz in Kählers theologischem Denken.84 In der aus drei sog. Lehrkreisen, nämlich Christlicher Apologetik, Evangelischer Dogmatik und Theologischer Ethik, bestehenden „Wissenschaft der christlichen Lehre“85 führt Kähler ihn im 2. Teil der Dogmatik, in dem nach dem Bekehrungsglauben (1. Teil) und vor dem Verherrlichungsglauben (3. Teil) der „Versöhnungsglaube“ behandelt wird, als Überschrift des 1. Hauptstücks unter dreien ein. Dieses behandelt, nach traditioneller Terminologie zu sprechen, Christologie in zwei Stücken als immanente Trinitätslehre und als Problem der Zweinaturenlehre; während die beiden übrigen Hauptstücke sich mit der Soteriologie als Lehre vom Heilswerk (2. Hauptstück) und dessen Zueignung (3. Hauptstück) beschäftigen. 1. Soterologie als gegliederter Zusammenhang der Theologie. Das Konzept der Soterologie nun soll verhindern, daß eine derartige Einteilung der Theologie zu einer Zerteilung führt in eine von Gottes wegen feststehende Voraussetzung und deren um der Menschen willen aktualisierende Anwendung. Am Beispiel der Versöhnungslehre, anläßlich derer der Begriff gebildet wird, droht eine solche Zerteilung, wenn Versöhnung als Heilsbeschaffung von Rechtfertigung als Heilsergreifung abgetrennt wird.86 Kähler selbst unterscheidet freilich von der Versöhnung als der „Umwandlung des allgemein vorhandenen Verhältnisses der Entfremdung“ die Rechtfertigung als „die entscheidende Zueignung der Versöhnung“.87 D.h. aber, Kähler wendet sich mit dem Konzept der Soterologie auch gegen die Verabsolutierung seines eigenen Aufrisses des dogmatischen Stoffes – ebenso, wie ihm auf der anderen Seite Versöhnung und Rechtfertigung nicht austauschbare Interpretamente eines und desselben Wesens von Heil sein können.88 Soterologie bedeutet also weder Distraktion noch Kontraktion der theologischen Themen, sondern bezeichnet ihren gegliederten Zusammen-

84 Zu allen Angaben über den Aufriß von KÄHLERS Theologie vgl. DERS. (1905) XLV–XLVIII (Inhalt). 85 Dies ist Kählers Titel für das, was bei den meisten Autoren „Systematische Theologie“ heißt (vgl. a.a.O. 47 [§ 43]). 86 Gerade umgekehrt verwendet A. RITSCHL (1882/83) beide Begriffe. Zum Problem vgl. WEBER (1966) 258ff. 87 Zitate KÄHLER (1905) 317 (§ 354) bzw. a.a.O. 420f. (§ 488). 88 Vgl. dazu HÄRLE (1995), der a.a.O. 496 die Unterschiede der „jeweils zugehörigen Vorstellungswelt“ in das „Gemeinsame zwischen beiden Begriffen“, Gottes bedingungslosen Zuspruch des Heils, aufhebt und generell zur „Vielfalt und Einheit des Heils“ (a.a.O. 494) bemerkt: „Die Vielfalt der Erscheinungsformen, in denen Unheil und Heil Gestalt gewinnen, ist grundsätzlich unbegrenzt“ (a.a.O. 495). Der Unterschied dieser Auffassung gegenüber Kähler ist, daß sie Geschichtlichkeit des Heils mit ihren „konkreten Erscheinungsformen“ (a.a.O. 499 Anm. 10) gleichsetzt, was nicht Kählers Begriff der Geschichtlichkeit ist.

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hang.89 Sie ist dabei aber mehr als der Kitt eines regulativen Prinzips, welches das theologische System zusammenhält; sie hat einen angebbaren Inhalt. Dieser soll nun am genannten Beispiel für die Versöhnungslehre, zu der sich Kähler auch monographisch geäußert hat, skizziert werden, wobei ich mich auf einige Konturen beschränke. 2. Soterologische Versöhnungslehre. Die soterologische Eigenart der Versöhnungslehre läßt sich in den knappen Ausspruch zusammenfassen, „daß Jesus Christus in Person die Sühne“ ist.90 Damit ist gemeint, daß in Christi Tod am Kreuz die genannten Aufteilungen überwunden sind, ohne die dieser Tod immer nur entweder als Strafe oder als Sühne verstanden werden kann:91 Entweder erleidet Christus das Gericht als Strafe für die Schuld der Menschheit, und dann erlitte er, der Gerechte, sie ungerechterweise;92 oder er gibt das vollkommene Beispiel gehorsamer Erfüllung von Gottes sittlicher Forderung, und Jesu Tod wäre das Siegel auf seinen unvergleichlichen Opfermut;93 in beiden Fällen wäre die Verbindung zwischen Christi Person und seinem Werk für die Menschen durchschnitten. Denn im ersten Fall ist der von Christi Tod behauptete Nutzen für die Menschen, die stellvertretende Genugtuung, selber widersittlich, weil ungerecht; im zweiten Fall hat Christi Tod zwar unvergleichlich sittlichen Wert, für die Menschen aber wegen dieser selben Unvergleichlichkeit keinen Nutzen.94 Erst wenn Christi Tod soterologisch, als Personopfer, verstanden wird, gelingt „die Beseitigung dieses Entweder-Oder, des Wechselns von Strafe und Sühne“, die „völlige Einheit des leidenden und tätigen Gehorsams, der Heiligung des strafenden und des fordernden Gotteswillens“.95 Denn wie Kähler in der Christologie im engeren Sinne ausgeführt hatte,96 ist die Personalität des Heilswerkes Jesu die völlige willentliche Bezogenheit seines Lebens auf Gott, und infolgedessen besagt Stellvertretung zwar nicht, daß Jesus Schuld hat, wohl aber, daß er Schuldbewußtsein hat, eben indem er seinen Willen ganz dem Willen Gottes und damit auch dem Ge89 Das ist die Grundthese von GÖLLS Untersuchung zu Kählers Rechtfertigungslehre, z.B. (1991) 200: „‚Versöhnung‘ und ‚Rechtfertigung‘ bezeichnen vielmehr argumentativ entfaltete Wahrnehmungen des Handelns Gottes, das als ein in sich gegliedertes erkannt wird“. 90 KÄHLER (1898a) 387; vgl. das programmatische Schlagwort DERS. (1905) 376 (§ 436, Überschrift): „Christus selbst die Sühne“. 91 DERS. (1898a) 388: „Im alten Testamente gilt: entweder Sühne oder Strafe, also: wo Sühne, da keine Strafe.“ 92 „Tragen der Sündenfolge, der Schuld, ist für den sündlosen Jesus eine sittliche Unmöglichkeit“ (a.a.O. 397). 93 In dieser Auffassung wirkt die Aufteilung nach „aktivem“ und „passivem“ Gehorsam Jesu nach, die KÄHLER (1905) 362 (§ 418) durch die „Hingabe des eignen Willens an den Willen Gottes“ ersetzt. 94 DERS. (1898a) 396: „Nun, wenn er allerdings wie ein frommer Mann gestorben ist, wer kann ihm das nachmachen, der nicht ebenso fromm ist wie er, nämlich sündlos?“ 95 Zitate a.a.O. 401 bzw. DERS. (1905) 364 (§ 421). So werden die binären „Distinktionen allerdings gerade in Bewegung gebracht und aufgehoben“ durch die Kategorie des „Personopfers Jesu“ (Zitate SAUTER [1997a] 23 Anm. 9). 96 KÄHLER (1905) 339 (§ 388: Leitsatz zur „Zweinaturenlehre“) in Umsetzung des „Kanon“, „daß alle Christologie Soterologie sein“ muß: „Dagegen wird die Vereinigung der Gottheit und der Menschheit als eine Wechselwirkung zweier persönlicher Bewegungen verständlich werden“. DERS.

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richt unterstellt.97 Vor allem aber liegt der Charakter des Todes Jesu als Opfer, „wie die Propheten hervorheben, in der Beteiligung des Willens bei der Gabe, welche eben die Beteiligung der ganzen Person einschließt“.98 Wenn Kähler resümiert, daß Jesus als die „Sühne in Person“ zur „völligsten Zusammenfassung des von Gott geordneten Opfers mit dem von Gott vollzogenen Gericht“ führt, dann betont er durch die zweimalige Nennung des Gotteshandelns in Gericht (Strafe) und Opfer (Sühne), daß die problematischen Aufteilungen der Versöhnungslehre nur durch die soterologische Ausrichtung auf Gottes Willen selbst überwunden werden.99 Die alttestamentlichen Vorstellungen von Strafe und Sühne erscheinen dann nicht als Anwendungen eines abstrakten Judizial- oder Ritualgesetzes, das unabhängig von Gott in Geltung stünde, sondern in beiden tut sich Gottes ewiger Wille kund: Die Strafe dient der „Aufrechterhaltung der Weltordnung“, die kein Gesetz ist, sondern ein „Grundgesetz“, also der Inbegriff dessen, worauf alle Gesetze zielen; und die Sühne ist eine „Gabe Gottes an die Israeliten“, die im Falle von Jesu völliger Willenseinheit mit Gott dessen eigenen, Gottes Willen und also sich selbst gibt, d.h. mit dem technischen Ausdruck: Gott offenbart sich. Deshalb korrespondiert dem einen Satz, daß Jesus Christus in Person die Sühne sei, der andere: „Christus ist die Offenbarung in Person“.100 Der soterologisch verstandene Christus ist also durch das an ihm ergangene Versöhnungsgeschehen der Strafe und Sühne mit seinem alttestamentlichen Herkommen verbunden und zugleich mit Gottes ewigem Willen, der sich darin offenbart: Jesu Kommen ist so eine Geschichte, die, so zu sagen, vom ersten Schöpfungstage bis zum Jüngsten Tage reicht, – ein durchgehender, aber gegliederter Zusammenhang göttlichen Handelns. Das Konzept der Soterologie ist so als theologische Würdigung der Geschichte im ganzen eine Präzisierung des Grundgedankens heilsgeschichtlicher Theologie.

Vor dem Hintergrund dieses Exkurses ist interessant, daß Kähler für sein soterologisches Eschatologiekonzept den Terminus „Heilsgeschichte“ weitgehend meidet und vielmehr von einer „Ökonomie“ spricht.101 Darin könnte ein kritischer Anschluß an die Heilsgeschichtliche Theologie liegen. Wie diese versteht Kähler zwar die Geschichte Jesu vom Eschaton her, betont er 97 DERS. (1898a) 399: „War unser Heiland Mensch […], so kann der Einzige […] sich nicht individualpersönlich in abstraktem Ethicismus mit der Toga seiner Sündlosigkeit decken. Er muß die Gesamthaftbarkeit bewußt und persönlich über sich nehmen. Und er hat es gekonnt.“ 98 Zitat DERS. (1905) 362 (§ 419); die Hingabe des Personlebens wiederum ist nach Kähler charakteristisch für das Sühnopfer und seine Blutdarbringung: DERS. (1898a) 381: „das Blut kommt als Lebensträger in Betracht.[…] Das ist dann das Besondre der Sühne.“ 99 Zitat DERS. (1905) 369 (§ 428). Die zweimalige Betonung des Gotteshandelns ist die Kehrseite des christologischen Satzes von S. 154 Anm. 96, denn dieser beruhte ja auf Wechselseitigkeit. Dementsprechend kritisiert Kähler a.a.O. 366 die Vorstellung des stellvertretenden Strafleidens (§ 425) für ihre „Ablösung“ von der Person Christi. 100 Zitate DERS. (1898a) 367.368.380; DERS. (1905) 326 (§ 363). 101 Z.B. a.a.O. 250 (§ 276); DERS. (1896) 497. Ein Stichwort „Heilsgeschichte“ weist das sehr umfangreiche Register zu KÄHLER (1905) nicht aus, obwohl es freilich vereinzelt begegnet (z.B. a.a.O. 224). Vielleicht wirkt hier der Begriffsgebrauch von Kählers Lehrer Beck (s. S. 103 Anm. 97) nach.

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doch ausdrücklich, erst die Eschatologie begründe überhaupt den Sinn für Geschichte. Aber diese Geschichte unterteilt er nicht nach Person und Natur, sondern beschränkt sich in seinem charakteristisch soterologischen Ansatz auf die Personalität. Das erlaubt ihm, die Geschichte in eschatologischer Hinsicht als einen Gesamtzusammenhang aufzufassen. Er kann daher mit größerem Recht die Geschichte überhaupt, ganz wie die Geschichte Jesu, von der Eschatologie her verstehen, indem er in einem der Kerntheoreme seiner Dogmatik festhält, daß das Strukturgesetz der Kosmologie auch das der Soteriologie sein muß, daß der Weltlauf der Heilsökonomie entspricht.102 3. Das Übergeschichtliche. Kählers Eschatologiekonzept, das soeben unter dem Begriff der Soterologie anhand der Geschichte Jesu expliziert wurde, läßt sich nun auf das theologische Problem von Geschichte überhaupt anwenden. Sie stellt sich in eschatologischer Hinsicht als ein gegliederter Zusammenhang dar, in dem auch die Rechtfertigung ihren organischen – d.h. ja gegliederten – Ort hat. Kähler kann sie geradezu definieren als Unterscheidung des Sünders von seiner Sünde, als Begnadigung, soweit die Sünde entschuldbar, d.h. soweit sie Zustandssünde ist im Unterschied zur Tatsünde.103 Schon diese Definition bedeutet aber ja, daß der Rechtfertigungsglaube angewiesen ist auf fortgehende Betätigung in der Theologischen Ethik, Kählers drittem Lehrkreis. Zugleich findet dann die Rechtfertigung erst im eschatologischen Gericht ihren Abschluß,104 wie schon die semantische Verwandtschaft beider nahelegt. Kähler nimmt also einen Zusammenhang von Geschichte und Ewigkeit an, der, da die Ewigkeit ja als reale Vollendung der Geschichte gedacht ist, seinerseits geschichtlich sein muß, obwohl – und das ist entscheidend für Kählers Eschatologiekonzept – die Ewigkeit selbst nicht geschichtlich ist. Sie kann der Logik des Konzeptes nach gar nicht geschichtlich sein, weil es ja ihr Wesen ist, als Ewigkeit allererst den Grund abzugeben für geschichtliche Verhältnisse wie das des Fortschritts der Geschichte auf sie, die Ewigkeit, hin. Kähler denkt also die Ewigkeit als nichtgeschichtlich und gleichwohl teilhaft geschichtlicher Verhältnisse. Diese besondere Auszeichnung der Ewigkeit, geschichtliche Verhältnisse zu begründen und an ihnen teilzuhaben, ohne doch in ihnen 102 A.a.O. 235 (§ 261), ein Paragraph, auf den unzählige Male verwiesen wird. 103 A.a.O. 421 (§ 488): „In Anbetracht der Entschuldbarkeit der Fleischeswerke […] nimmt Gott ihnen ihren Schuldwert oder vergibt die Sünden ein für allemal jedem, den das Evangelium dazu führt, sich von seiner Sünde zu unterscheiden. […] Das gerechterklärende Urteil […] hebt für den einzelnen das Rechtsverhältnis zu Gott […] auf und setzt das der Begnadigung an die Stelle.“ Zur zweierlei Sünde vgl. a.a.O. 308f. (§§ 344–346). 104 A.a.O. 446 (§ 519).

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aufzugehen, nennt Kähler das „Übergeschichtliche“.105 Von hier aus wird klar, daß Kähler die Ewigkeit als Zukunft erwarten kann, ohne doch je eine gerade Linie aus irgendeiner geschichtlichen Zeit in diese Zukunft ziehen zu können. Von hier aus verschwindet aber auch der Eindruck, Kählers Eschatologie sei widersprüchlich, indem sie von der Ewigkeit zugleich überund nachzeitlich rede.106 Das Übergeschichtliche ist vielmehr als die Überwindung dieser Alternative zu verstehen. Deswegen erwartet Kähler für die Ewigkeit die Vollendung der Geschichte, er erwartet sie aber auch nur von der Ewigkeit. Jeder Entwicklungsgedanke, jeder Fortschrittsoptimismus, der diese ausschließliche Begründung relativieren könnte, ist für Kähler abzuweisen, vielmehr das „Ziel verbürgt auch den einheitlichen Anfang und die ineinandergreifende Entwicklung“. Wenn Kähler gleichwohl nicht selten sagt, daß etwa die „Hoffnung nur die notwendige ergänzende Auswirkung der Heilsgegenwart zum Inhalt haben kann“,107 ist das kein Widerspruch, sondern von jenem Satz aus zu lesen, da die Heilsgegenwart in sich als eschatologische Größe und damit auch zukünftiges Phänomen gemeint ist, eben als Übergeschichtliches. Kähler nutzt diesen Begriff des Übergeschichtlichen unmittelbar zur Gliederung seiner zusammenhängenden Darstellungen der Eschatologie, die er in seiner „Wissenschaft der christlichen Lehre“ seit 1883 und letztmals 1905 sowie noch 1911 in einer Vorlesung gegeben hat. Jeweils ist die Eschatologie hier eingeteilt in das Ende, „eine der Vergangenheit und abschließenden Gegenwart zugewandte, endgeschichtliche, und eine darüber hinausliegende, übergeschichtliche Seite“, die Vollendung, also in die Hauptstücke „Ende und Vollendung“, die die Zukunft präzise unter dem Verhältnis von Geschichte und Ewigkeit ins Auge fassen.108 Dabei ist das Konzept des Übergeschichtlichen völlig kompatibel mit der soterologischen Methode der Eschatologie. Denn die übergeschichtliche Zukunft, von der Kähler die Vollendung erwartet, ist ein Prädikat der Person Christi: Es ist die Parusie Christi, die Kähler darum einmal als das „eschatologische Grunddogma“ bezeichnen kann.109 105 Seine Definition lautet: „Und um einen kennzeichnenden Ausdruck für diese bestimmt gegebene Beschaffenheit der göttlichen Tat in Christo zu gewinnen, nennen wir diesen lebendigen Zusammenschluß des Bleibend-Allgemeingültigen mit dem Geschichtlichen in einem WirksamGegenwärtigen das Übergeschichtliche“ (a.a.O. 14f. [§ 13]). – Dagegen ist das Untergeschichtliche eine Bedingungsstruktur für alles positiv gegebene Geschichtliche (a.a.O. 13 [§ 12]). 106 So HJELDE (1987) 214. 107 Beide Zitate KÄHLER (1898) 493. 108 Zitate DERS. (1905) 445 (§ 518). 109 DERS. [1911] 34.

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4. Die Wiederkunft Christi zum Gericht. Die Parusie Christi ist also der Dreh- und Angelpunkt von Kählers Eschatologie, ähnlich wie schon für die Heilsgeschichtliche Theologie. Gerade hieran macht sich aber auch die grundlegendste Kritik an Kählers soterologischem Entwurf fest: Er öffne die Geschichte nicht für die Zukunft Christi, sondern lege sie im Gegenteil fest auf die Gegenwart des Menschen.110 Im Kern wirft diese Kritik Kähler metaphysischen Kausalismus vor, d.h. Kähler wende das lediglich in der Physik gültige Kausalitätsgesetz auf metaphysische bzw. ethische Sachverhalte wie z.B. Personalität an,111 indem er von der geschichtlichen (Nach-) Wirkung Jesu – z.B. der Erwartung seines Kommens – auf die Wirklichkeit seiner Person, also sein historisches Kommen, schließe, voraussetzend, daß eine Ursache mindestens so real sein müsse wie ihre Wirkung (ex nihilo nihil fit).112 Dieser Schluß ist jedoch, so die Kritik, zirkulär, da die Geschichtlichkeit, aus der die Personalität erschlossen wird, schon als Nachwirkung eben der Person definiert sei.113 Als Folge dieses Fehlschlusses ergibt sich dann, daß die so untergeschobene Personalität den Verlauf der Geschichte determiniere, die Geschichte nur noch „Bürgin eines spezifischen Menschenbildes“ sei.114 Die Eschatologie hat dann nur noch den Nachlaß der Geschichte abzuwickeln, und bei einem von ontologischer Personalität festgelegten Geschichtsverlauf fällt jeder zweifelnde, irrende Glaube, jedes Gericht unter den Tisch.115 110 So die These der großangelegten Untersuchung von WIRSCHING (1963), die er a.a.O. 150.163.196 auf das Stichwort des Synergismus bringt. 111 Die Alternative von Physik und Metaphysik entspricht der klassischen philosophischen Tradition, diejenige von Physik und Ethik der vom Gegensatz von Geist und Natur dominierten Lage im 19. Jh., z.B. Schleiermachers Wissenschaftssystem. 112 V.a. WIRSCHING (1963) 87 u.ö. sieht die Personalität, „Kählers Grundmotiv des theologischen Erkennens, erstarrt zu einem Kausalrückschluß des Gerechtfertigten aus seiner Glaubenserfahrung“. – Aus dieser Not macht MENCKE (2001) eine Tugend: Demnach macht erst die Erfahrung den Glauben wirklich; gleichwohl ist der Glaube allererst die Möglichkeitsbedingung von Erfahrung (a.a.O. 107), so daß von der Wirkung auf die Ursache (a.a.O. 127), vom Wirklichen auf das Mögliche (a.a.O. 121) geschlossen werden kann. Diese glatte Umkehrung Wirschings ist Mencke möglich, weil er mit seinem Lehrer E. Jüngel das ontologische Verhältnis von Wirklichkeit und Möglichkeit umkehrt (a.a.O. 265 mit Anm. 95). Zur objektiven Realität des Glaubens genügt es daher, daß die Tatsachen des Glaubens historisch möglich sind (a.a.O. 85.156.265), m.a.W. Gegenstand der Erfahrung des Glaubens ist der Glaube selbst (a.a.O. 206). In dieser geschlossenen Struktur einer „Erfahrung mit der Erfahrung“ (z.B. a.a.O. 213.263) hat die Eschatologie freilich keinen Raum mehr. Über Kählers Eschatologie schreibt Mencke: „Für das Verständnis der Erfahrung bietet dieser Teil […] nichts Neues“ (a.a.O. 174f.). 113 WIRSCHING (1963) 86 mit Bezug auf KÄHLER (1892). 114 Zitat WIRSCHING (1963) 150; vgl. a.a.O. 197f. zur Determinierung; vgl. auch a.a.O. 153. 115 Wie Wirsching immer wieder betont: a.a.O. 69 („Der Glaube verwirklicht sich [bei Kähler] ohne ernsthafte Bedrohung durch den Zweifel […] ohne ernsthafte Selbstkritik“); a.a.O. 81

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Diese Kritik rührt an die Grundfesten von Kählers Eschatologie. Ebenso grundsätzlich ist ihr darum entgegenzuhalten, daß Kählers Auffassung von der Parusie als Grunddogma der Eschatologie gerade das Gericht ausdrücklich als Gegenstand der christlichen Hoffnung thematisieren will! Der Credosatz von der Wiederkunft Christi zum Gericht ist für ihn „nicht bloß, ja nicht zumeist ein Bekenntnis heiliger Scheu und Furcht, sondern vornehmlich das Bekenntnis getroster Hoffnung“.116 So ist die Erwartung des Gerichts als Überantwortung an Gottes Zukunft Ausdruck der Heilsgewißheit. Sie gehört für Kähler entschieden in den Kontext von Rechtfertigung und Gericht. Man wird also gegen die genannte Kritik sagen müssen, daß Kählers Akzentuierung der Parusie gerade auf eine Würdigung des Gerichtsthemas hinausläuft. Hierin scheint seine Modifikation gegenüber dem Parusieverständnis der Heilsgeschichtlichen Theologie zu liegen, die eher als er vom Vorwurf einer ontologisch festliegenden Personalität getroffen wäre, wie die Betrachtung ihrer Wahrnehmung des Judentums zeigte. Wo jedoch, wie bei Kähler, der Begriff der Personalität eschatologisch verstanden wird, ist auch Raum, die geschichtlichen Differenzierungen von Personalität wahrzunehmen, wie sie sich im Alten Testament als Besonderung des jüdischen Volkes unter den antiken Völkern Ausdruck verschafft haben. Im folgenden kann darum das hiermit skizzierte Eschatologiekonzept Kählers hinsichtlich seiner Blickrichtung auf das Judentum untersucht werden. 1.2. Implikationen für die Wahrnehmung des Judentums 1. Der Horizont der Menschheitsreligion. Kählers Entwurf der Eschatologie wurde im vorigen Unterabschnitt entlang der Reihe von Kählers Veröffentlichungen zum Thema behandelt. Dabei zeigte sich, daß der Grundgedanke seiner Konzeption, nämlich die Ewigkeit als Grund allen Geschichtsverständnisses, bereits in dem frühen Vortrag von 1867 enthalten war. Es ist daher aufschlußreich, daß Kähler gerade diesem Vortrag beim erneuten Abdruck in seiner Aufsatzsammlung (1898 und wieder 1913) gegen Ende gegen die Ausnahme des Willens vom „rettende[n] Gericht Gottes“; a.a.O. 146 („der bleibende Transitus von der eigenen Heillosigkeit zum geschichtlich verwirklichten Heil erstarrt“ bei Kähler); a.a.O. 164 (Kritik an Kählers „theologia resurrectionis“; vgl. auch a.a.O. 203 zur Verbindung Kählers mit A. Osiander); a.a.O. 182 (es gehe Kähler „nicht um die allesverzehrende Wirklichkeit des biblischen Gottes und seine richterliche Gewalt“). 116 KÄHLER (1896) 492. Vgl. a.a.O. 502: „Nur der Richter kann Heiland sein“; a.a.O. 514: „Botschaft von dem Weltrichter, welcher der Weltheiland ist“; a.a.O. 516: „Wer da weiß, was er an seiner Taufe und an seiner Berufung hat, den erschreckt die Aussicht auf die Rechnungslegung nicht“.

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eine Fußnote beigegeben hat, die auf den Abschluß des letzten der drei Hauptstücke aus der Christlichen Apologetik in der „Wissenschaft der christlichen Lehre“, der sog. „Apokalyptik“, verweist, und zwar auf diejenigen Paragraphen, die das Verhältnis des Christentums zum Judentum behandeln.117 Kähler selbst hat also seinen frühen Vortrag im Rückblick als einschlägig für unsere Fragestellung angesehen, und diese Einschätzung kann noch dahingehend ausgedehnt werden, daß dieser Vortrag die Argumentation der ganzen Christlichen Apologetik, nicht nur ihrer Apokalyptik, vorwegnimmt. a) Menschheitsreligion und positive Religionen. Der frühe Vortrag entwickelt die religiöse Vorstellung einer Ewigkeit, die nicht nur, wie im liberalen Progreßgedanken, Ziel des geschichtlichen Fortschritts ist, sondern zuallererst dessen Grund. Sittlichen Fortschritt gibt es nur aufgrund der Ewigkeit, so Kählers Ergebnis. Deswegen bündelt sich das Problem erst am Schluß des Vortrags darin, daß das Christentum als die ewige Religion selber eine geschichtliche Erscheinung ist. Die Lösung lag darin, die Ewigkeit selbst nochmals vom Christentum als der ewigen Religion zu differenzieren.118 Die Bedeutung dieses Gedankens ist nun auch an Kählers Apologetik zu überprüfen. Die Christliche Apologetik, der erste Lehrkreis in Kählers „Wissenschaft der christlichen Lehre“, umfaßt drei Hauptstücke, nämlich Theologische Anthropologie, Theologische Theologie und Apokalyptik. Sie haben eine Doppelaufgabe zu erfüllen: sie sollen vom Christentum als Religion aus einen Allgemeinbegriff von Religion bilden und das Christentum als Religion im Vergleich mit den übrigen Religionen darstellen.119 Von vornherein ist festzuhalten, daß Kählers Christliche Apologetik nicht den Sinn einer Fundamentaltheologie hat, die in einer idealtypischen Trennung des Glaubens von der Theologie die Fundamente der letzteren außerhalb des ersteren ermitteln könnte, also je nach theologischer Schulrichtung die philosophischen oder die wissenschaftstheoretischen oder die fundamentalanthropolo117 DERS. [1867] (1913) 193 Anm. 1 verweist auf DERS. (1905) §§ 222–240; die „Apokalyptik“ nennt Kähler a.a.O. 87 (§ 86) so, weil sie die geschichtliche Offenbarung der Religionen behandelt. 118 So mit Bezug auf den Vortrag von 1867 auch SCHÄR (1940) 80 mit Anm. 1, der ansonsten im Anschluß an seinen Lehrer M. Werner Kählers Apologetik durchgehend zu einer Überbietung der Geschichte durch das Übergeschichtliche driften sieht: Kähler „schiebt also offensichtlich die Lösung für alle Schwierigkeiten, mit denen er nicht zurecht kommt, in die Eschatologie und Endvollendung ab“ (a.a.O. 119). 119 KÄHLER (1905) 86 (§ 86) ordnet den Allgemeinbegriff der Grundlegung und seine christliche Perspektive der Ausführung der Apologetik zu.

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gischen Prinzipien.120 Vielmehr ist für Kähler die notwendige Voraussetzung der Theologie der Glaube, so daß dieser nicht von ihr zu trennen ist.121 Deswegen wird die Apologetik wie auch die beiden anderen Lehrkreise als christliche, „von dem Standpunkte des Christen aus“, durchgeführt. Damit „steht das christliche Urteil über die positiven Religionen im voraus fest“; jede „bereitet ihre eigne Aufhebung in die Vollendung vor“, wie anläßlich des Judentums ausdrücklich vermerkt wird.122 Für Kählers eschatologische Wahrnehmung des Judentums scheint damit alles gesagt; die zitierten Äußerungen fügen sich scheinbar in das Schema von Verheißung und Erfüllung, was sowohl die ewige Bedeutung des Christentums als der eschatologischen Fülle des Religiösen erklären würde als auch die Stellung des Judentums, das durch das Christentum gleichermaßen überholt wäre, wie es als seine Vorstufe unentbehrlich gewesen wäre. Man müßte sich eben nur klarmachen, daß Kählers Wissenschaftsbegriff, den er gerade seinem Hauptwerk zugrundelegt, anders als der der modernen Wissenschaft, keine weltanschauliche Neutralität gegenüber den Ergebnissen der wissenschaftlichen Arbeit beanspruchte.123 Doch ist damit der Charakter von Kählers „Wissenschaft“ getroffen? Es ist ja bedeutsam, daß sich Kähler gerade von seinem dezidiert christlichen Standpunkt aus in der Grundlegung zur Christlichen Apologetik wie gesehen eine Doppelaufgabe stellt, indem er vom Christentum aus nicht nur die übrigen Religionen bewertet, sondern auch einen Allgemeinbegriff von Religion bestimmt. Man kann das Eigengewicht dieser zweiten Aufgabe nicht mit dem Hinweis darauf mindern, daß ja auch der gesuchte allgemeine Religionsbegriff vom Christentum aus gewonnen wird, also das Wesen des Christentums schlechthin mit dem Allgemeinbegriff der Religion identisch und die zweite Aufgabe somit überflüssig wäre. Kähler dagegen unter120 Gegen dieses Verständnis von Prinzipien als „Begriffen[…], aus denen sich beliebige Inhalte deduzieren lassen“, ist das Buch von GÖLL (1991) 14f. u.ö. geschrieben. Zu den drei Beispielen vgl. SAUTER (1998a) 310–319. 121 KÄHLER (1905) 17 (§ 15): „Voraussetzung für das theologische Erkennen ist der Glaube.“ Dieser Satz ist noch vor dem Eintritt in die Lehrkreise in der zur allgemeinen Einleitung gehörenden Enzyklopädie gesagt – ohne daß deswegen nun diese als Fundamentaltheologie im o.g. Sinne verstanden werden dürfte. 122 Zitate a.a.O. 76.171.199 (§§ 76.196.226). Die dritte (nicht zweite) Stelle differenziert Juden- von Heidentum. 123 Wissenschaftlichkeit der Theologie bedeutete dann, daß sie sich über ihre Gehalte in „nichttheologischer Begrifflichkeit“ (GÖLL [1991] 205; vgl. a.a.O. 40) mit außertheologischem Denken verständigte. So auch WIRSCHING (1963) 272 exemplarisch anhand der altkirchlichen „Übernahme des philosophischen Logosbegriffes“. Beide kritisieren Kählers Vorgehen in der Christlichen Apologetik jedoch zugleich als außertheologisch!

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scheidet vom Wesen des Christentums das „Allgemeingültige an seiner Erscheinung“, welches der „maßgebende Religionsbegriff“ ist. Dieser Begriff gibt das Maß für den Vergleich des Christentums mit anderen Religionen. In dieser Funktion ist er daher vom Christentum unterschieden. Kählers Apologetik läuft also trotz ihres christlichen Standpunktes grundlegend auf einen Begriff von Menschheitsreligion hinaus, der vom Begriff des Christentums zu unterscheiden ist.124 Das Christentum ist also nicht schon die Menschheitsreligion, so sehr es die Menschheitsreligion werden soll. Diesen Eindruck aus der Grundlegung der Christlichen Apologetik unterstützen die einzelnen Belege des Terminus der Menschheitsreligion. Freilich heißt es in Kählers einleitender Definition der systematischen Theologie: „die christliche Lehre aber ist die Erkenntnis des Christentumes als der sittlichen Menschheits-Religion“.125 Im entsprechenden Leitsatz aus der Grundlegung der Christlichen Apologetik, auf den mit diesem Satz verwiesen wird, heißt das Christentum in dieser menschheitlichen Bedeutung aber mit kennzeichnendem Unterschied „das Reich Gottes in seinem Kommen“, was ausweislich der den Leitsatz erläuternden Paragraphen die Vorstellung der Menschheitsreligion zu einem eschatologischen Begriff macht.126 Folglich ist die Menschheitsreligion eine Größe, auf die auch das Christentum trotz seiner „Imperfectibilität“ noch zugeht.127 Dieser Eindruck der Textbelege ist nun an der systematischen Bedeutung der Vorstellung einer Menschheitsreligion zu verifizieren. Tatsächlich schließt dieser Begriff in Kählers Ausführung der Christlichen Apologetik denselben Argumentationsbogen, wie er in dem untersuchten Vortrag von 1867 vorlag: In beiden Fällen wird die Religion zunächst als Grund der Sittlichkeit ermittelt, muß dann aber von ihrer geschichtlich positiven Erscheinung als bestimmter Religion unterschieden werden. Der erste Schritt128 zeigt, daß sittliche Freiheit, ein Wechselverhältnis des Einzelnen 124 Im Register (KÄHLER [1905] 712) erscheint als Beleg für den Terminus der Menschheitsreligion der § 113 („Der maßgebende Religionsbegriff“), obwohl er diesen nicht gebraucht. Das o.g. „Allgemeingültige“ (a.a.O. 108) des Religionsbegriffs, welches an seiner Stelle auftritt, ist aber ja dessen menschheitliche Bedeutung. 125 A.a.O. 42 (§ 40). Vgl. a.a.O. 475 (§ 551) zum Anspruch des Christentums, „die Menschheitsreligion zu sein“. 126 Zitat im Leitsatz zum Abschnitt „Das Christentum das Reich Gottes und darum die Menschheits-Religion“ a.a.O. 99 (§ 105). A.a.O. 100.101 (§ 107) macht Kähler dies am „weltumspannenden Abschluß“ fest, hat also das „übergeschichtliche Weltziel stets im Auge“ und fußt so auf einem eschatologischen Begriff. 127 Zitat a.a.O. 204 in der Überschrift von § 229. Vgl. auch DERS. (1908) 363. 128 Vgl. die „[z]wei entscheidende[n] Irrtümer“ im vierten Abschnitt des Vortrags (DERS. [1867] [1913] 182) mit den zwei Stücken im 1. Hauptstück der Christlichen Apologetik (1905).

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zur Gesamtheit, in dem jener sich einzig129 das „Allgemein- und Gleichartig-Menschliche“ zum Zwecke setzt (so 1905) und doch „jeder Mensch bestimmt ist, Anteil zu haben“ am sittlichen Ertrag der Gesamtgeschichte (so 1867), nur möglich ist aufgrund religiöser Freiheit von ebendieser Gesamtheit durch „Abhängigkeit von der Gottheit“ (so 1905) oder „Gemeinschaft mit dem Ewigen“ (so 1867).130 Wie 1867 die „Religion der tragende Grund echter Sittlichkeit“ genannt wurde, so heißt es daher auch 1905: „Die Zusammenfassung des sittlichen und des religiösen Lebens ist also von dem letzten aus zu suchen“.131 – Der zweite Schritt zeigt aber dann, daß diese als Bewußtsein der Freiheit von der Geschichte begriffene Religion doch selbst „eine geschichtliche Erscheinung“ ist (so 1867), ihr Begriff also im Vergleich mit den positiven Religionen bewährt werden muß (so 1905),132 darunter besonders dem Judentum, weil das Christentum nur zu ihm, nicht zum Heidentum, in einem geschichtlichen Verhältnis steht. Kählers Wahrnehmung des Judentums steht also durch den Aufriß der Christlichen Apologetik von vornherein in demselben eschatologischen Spannungsbogen, den die ihrerseits „apologetische“ Argumentation des Vortrags von 1867133 beschreibt. Damit aber kann die Bedeutung des Judentums sich nicht in der Selbstaufhebung ins Christentum erschöpfen, und dann geht die Zuordnung von Judentum und Christentum als Verheißung und Erfüllung nicht mehr auf. Auf der einen Seite kann das Christentum nicht als Erfüllung im absoluten Sinne verstanden werden und ebensowenig seine Imperfektibilität. In unmittelbarer Nachbarschaft zu diesem Stichwort schreibt Kähler vielmehr: „Der neue Bund begründet eine neue Weltzeit. Diese ist freilich auch noch Geschichte; deshalb kann die Vollkommenheit ihrer Eröffnung nicht darin bestehen, daß die begonnene Entwickelung fertig, sodann nur darin, daß ihr befriedigender Abschluß ausreichend verbürgt ist.“ Demgemäß heißt es weiterhin nur, „daß der neue Bund die Menschheitsreligion begründet 129 In dieser Ausschließlichkeit liegt der Unterschied zwischen Sittlichkeit und Gesittung, den Kähler a.a.O. 175 einschärft in Vorwegnahme von DERS. (1905) § 138. 130 Zitate a.a.O. 129 (§ 138); DERS. [1867] (1913) 183 sowie DERS. (1905) 143 (§ 162); DERS. [1867] (1913) 186. 131 Man vergleiche die beiden Zitate: a.a.O. 187 (Hervorhebungen aufgehoben) bzw. DERS. (1905) 144 (§ 162). Die Abgrenzung der sittlichen und religiösen Freiheit gegen die Nivellierung von Geschichte und Natur (DERS. [1867] [1913] 181) kehrt zudem bei DERS. (1905) 183 (§ 209) als „Naturalismus“, ein Kennzeichen des Heidentums, wieder. 132 Vgl. den fünften Abschnitt des Vortrags (1867) (Zitat DERS. [1867] [1913] 192) mit dem 3. Hauptstück der Christlichen Apologetik (1905), welches das Christentum mit Heidentum und Judentum ins Verhältnis setzt. 133 S. nach S. 138 Anm. 13.

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hat“.134 Ist aber das Christentum nicht schlechthin Erfüllung, dann ist weiterhin auf der anderen Seite auch zu fragen, ob mit der Weissagung einer Vollendung, in welche sich aufzuheben das alttestamentliche Judentum bereit ist, tatsächlich das Christentum gemeint ist oder nicht vielmehr die davon zu differenzierende Menschheitsreligion.135 Denn Kähler sieht eine „bleibende Bedeutung jener [alttestamentlichen] Geschichte für die Menschheit“, die er (freilich ausschließlich) religiös bestimmt: „ihr letzter Ertrag ist die lautere, wahre und wirkliche Menschheitsreligion“.136 Die Menschheitsreligion ist also eine dem alttestamentlichen Judentum wie dem Christentum zuzuschreibende Erwartung, und damit ist dann auch die geradlinige Verrechnung von Judentum und Christentum mit Verheißung und Erfüllung nach beiden Seiten dieses Schemas durchkreuzt. Dieser Eindruck der referierten Stellen empfängt nun seine Bestätigung von der Gesamtanlage der Apokalyptik, denn sie führt ganz stringent auf den von der Grundlegung zur Christlichen Apologetik bereits vorgezeichneten Begriff der Menschheitsreligion in seiner charakteristischen Unterschiedenheit vom Christentum: „Es ist der von dem Christentum als geschichtlicher Erscheinung abgezogene Religionsbegriff, welcher sich als ausreichender Maßstab erweist, nicht nur für das Verständnis und die Beurteilung alles sonstigen religiösen Lebens, sondern auch für das Verständnis und die Beurteilung der befremdenden Erscheinungen an der Kirche und ihrer Geschichte“.137 Dieser Abschluß der ausgeführten Apologetik entspricht in jeder Hinsicht dem ihrer Grundlegung. Sie führte den Begriff der Menschheitsreligion ein als einen „Hilfsbegriff“, anhand dessen das ihn sprengende Christentum mit den anderen Religionen verglichen wird,138 der aber doch der „maßgebende“ Begriff religiöser Wirklichkeit ist, an dem sich auch das Christentum „als Verwirklichung oder als Verkümmerung ihres Wesens“ messen lassen muß.139 134 Zitate DERS. (1905) 204 (beide § 228). 135 Für den Paragraphen über den neuen Bund als Erfüllung des alten (a.a.O. 202 [§ 227]) findet zwar die alttestamentliche Geschichte mit der Erhöhung Jesu „ihren Abschluß und die vorausdeutende Weissagung an seiner Erhöhung zum Herrn des Gottesreiches ihre das Ende verbürgende Erfüllung“. Doch immerhin wird hier mit einem Ende noch über die Erhöhung Jesu hinaus, so zu sagen: nach Himmelfahrt, gerechnet, wie es auch dem Verständnis der Geschichte Jesu in der Versöhnungslehre (s. Exkurs 5, hier S. 153) entspricht. 136 Zitate a.a.O. 190 (§ 217). Vgl. den Leitsatz a.a.O. § 96, wo vom „übergeschichtlichen Grund und Gehalt“ (a.a.O. 94) des alten wie des neuen Bundes die Rede ist. 137 A.a.O. 214 (§ 241). 138 Zitat a.a.O. 83 im Leitsatz (§ 80) zu der der Grundlegung vorausgeschickten Einleitung in die Apologetik; a.a.O. 85 (§ 84) zur Überschreitung des Religionsbegriffs durch das Christentum. 139 Zitate a.a.O. 107 (Überschrift des die Grundlegung beschließenden § 113) bzw. a.a.O. 108.

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b) Begriff und Wesen der Religion. Dies gibt nun Anlaß zu einer weitergehenden Überlegung: Die soeben zitierten Sätze sprechen explizit aus, daß der Allgemeinbegriff der Religion als Menschheitsreligion nicht leer ist, sondern das Wesen der Religion enthält, das ohne ihn blind wäre. Begriff und Wesen der Religion sind also nicht voneinander zu trennen; und wenn das Christentum zur Menschheitsreligion bestimmt ist, wenn es das Wesen religiöser Wirklichkeit verwirklichen soll, dann muß es diesen Begriff der Religion verwirklichen. Der Begriff ist also zwar vom christlichen Standpunkt aus geprägt, jedoch „behufs der Vergleichung mit andern entsprechenden Lebenserscheinungen“; er hat also eine das Christentum überschreitende Reichweite, und in dieser Funktion auch geschieht es, daß das Christentum sich ihm „unterstellen kann“,140 weil er das Wesen der Religion enthält, welches das Christentum zu verwirklichen beansprucht. D.h. der Begriff der Menschheitsreligion gibt Möglichkeiten an die Hand, auch in anderen Religionen als dem Christentum das Wesen der Religion verwirklicht zu denken, weil er selbst dieses Wesen enthält. M.a.W. das Wesen der Religion, wie es im Begriff der Menschheitsreligion enthalten ist, ist nicht kongruent mit dem Wesen des Christentums, so gewiß nur an ihm dieser Begriff gewonnen werden kann. Was aber ist das Wesen des Christentums? Man mag zunächst überrascht sein, festzustellen, daß gerade der Soterologe Kähler, der zufolge K. Barth als einziger neuerer evangelischer Theologe den articulus stantis et cadentis ecclesiae ins Zentrum seiner Dogmatik stellt,141 als „das Wesentliche“ des Christentums, „wodurch es sich von andern Religionen unterscheidet“, nicht die Rechtfertigung durch Christus anführt, sondern das Übergeschichtliche!142 Dies entspricht aber durchaus der Christlichen Apologetik, die ausweislich ihrer Grundlegung das „Wesen des Christentumes vom Standpunkte des RechtfertigungsGlaubens aus betrachtet“143 und dabei, wie wir sahen, zur Menschheitsreligion als dem Allgemeinbegriff der Religion geführt wird. Beide Auskünfte – das Übergeschichtliche und die Menschheitsreligion als Wesen des Christentums – widersprechen sich keineswegs, sondern decken sich vielmehr, da die Menschheitsreligion als Übergeschichtliches zu verstehen ist,144 wie 140 Zitate a.a.O. 85 (§ 84). Für Kähler „besteht dagegen vom christlichen Standpunkt aus kein Bedenken“ (ebd.). 141 Vgl. Karl BARTH, Die Kirchliche Dogmatik IV/1, Zollikon/Zürich 1953, 582. Es besteht kein Anlaß, mit der Kählerkritik von FÜHRER (1993) 49 die soterologische Einheit von Person und Werk Christi bei Kähler gegen die Rechtfertigungslehre auszuspielen. 142 Zitate KÄHLER (1905) 64 (§ 63,2). 143 Überschrift zur Grundlegung der Christlichen Apologetik a.a.O. 88. 144 Zum Übergeschichtlichen s. bei S. 157 Anm. 105.

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es ihre bisherigen Charakterisierungen als einer Größe, auf die das Christentum, wie auch das Judentum, noch zugeht, ohnehin nahelegten. Es ergäbe sich dann, daß das Christentum sein Wesen nicht in sich hat, so wie es ja auch nicht die Menschheitsreligion ist. Vielmehr streckt es sich auf beides aus als auf Gottes „große Verheißung“.145 Dies hätte Konsequenzen für die Wahrnehmung des Judentums. Das geschichtliche Verhältnis zwischen Judentum und Christentum – z.B. die Übernahme des jüdischen Geschichtsverständnisses ins Christentum – würde dann für beide Seiten jeweils bezogen auf ein Verhältnis zur Menschheitsreligion als zum Übergeschichtlichen, ein Verhältnis, das seinerseits geschichtlich wäre und das auf jeder der beiden Seiten sehr unterschiedlich aussehen könnte. Deswegen kann das Christentum im Begriff einer übergeschichtlichen Menschheitsreligion zwar denken, daß auch etwa das Judentum das Wesen des Religiösen erfüllen kann; eine Anschauung davon kann es aber immer nur für die eigene Religion haben. Dies dürfte erklären, warum Kähler nur für das Christentum die Bestimmung zur Menschheitsreligion beansprucht. Er kann freilich ähnliche Ansprüche anderer Religionen ebensowenig erheben wie abweisen; sie sind ihm vielmehr als deren jeweiliger Tradition angehörig nicht nachvollziehbar.146 Er kann sie daher nur hören im Gespräch über die Ausrichtung auf dieselbe Ewigkeit, in diesem Gespräch hört er sie jedoch als Gegenstimme. Anders gesagt: Christentum und Judentum haben eine gemeinsame, doch nicht die gleiche Zukunftshoffnung. Kählers Konzept der Menschheitsreligion läßt sich so weiterführen zu einer eschatologischen Verhältnisbestimmung zwischen Judentum und Christentum, die auf einen konstitutiven, jedoch konstitutiv antagonistischen Dialog hinausläuft. Kähler nennt in der „Wissenschaft“ zwei Arten, wie das Christentum zur Menschheitsreligion „wird“, und beide sind mit einer derartigen Verhältnisbestimmung kompatibel. Einerseits nennt er die Anlagenentfaltung, die sich auch schon bei der Analyse seines Eschatologiekonzepts im ganzen als von der Ewigkeit gesteuert erwies,147 andererseits die Mission, die ebenfalls schon in Kählers frühem Vortrag ein145 DERS. [1867] (1913) 194. 146 Zu diesem Problem vgl. RATSCHOW (1979) 127 (These): „Der Absolutheitsanspruch der Religionen ist daher für die eigene Religion unabweisbar, für jede fremde Religion nicht nachvollziehbar.“ 147 KÄHLER (1905) entfaltet die ganze Theologische Anthropologie als Theorie von den Anlagen zur Religion (1. Stück; v.a. a.a.O. § 123) und zur Sittlichkeit (2. Stück; v.a. a.a.O. § 146), vgl. besonders a.a.O. 114 (§ 118) zum Begriff der Anlage als eines Untergeschichtlichen. Vgl. DERS. [1867] (1913) 180 und s. bei S. 138 Anm. 14.

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schlägig war.148 Diese Entsprechung legt nahe, auch die Mission nicht als Kulturleistung im Sinne einer „Ausbreitung des Christentums“ zu verstehen, in der eine Linie, auf die das Christentum die Menschheit gesetzt hätte, nur noch auszuziehen wäre, sondern, solche Linien im Gegenteil durchkreuzend, als das Bekenntnis zu Gottes „großer Verheißung“ einer Menschheitsreligion, die mit keiner positiven Religion gleich- oder auch nur auf eine Linie gesetzt werden kann. Kählers ausführliche Beschäftigung mit dem Missionsgedanken weist gegen zeitgenössische Bestrebungen ausdrücklich in diese Richtung.149 Man kann von einer eschatologischen Dialogik des jüdisch-christlichen Verhältnisses sprechen. Nun läßt sich allerdings gegen diese ganze unter b) aufgeführte Gedankenreihe einwenden, daß sie auf einer falschen Voraussetzung beruhe, nämlich der Vereinerleiung von Begriff und Wesen der Religion, was für Kähler selbst der „idealistische Grundirrtum, nämlich die Verwechselung des abstrahierten Gattungsbegiffes mit einer Wesenserkenntnis“,150 ist. Tatsächlich ist Kähler in diesem Sinne bleibende Verhaftung an den Idealismus vorgehalten worden. Gerade die Christliche Apologetik ist dafür kritisiert worden, daß sie mit der Rede von einer Anlage zur Sittlichkeit und Religion eine Allgemeingültigkeit beanspruche, die doch von Kählers Konzept aus erst eschatologisch möglich sei, kurz: daß der Begriff der Anlage ein abstrahierter Allgemeinbegriff sei, dem nachträglich jeder Inhalt beigelegt werden könne.151 148 KÄHLER (1905) 205 (§ 230, also in der Konsequenz der §§ 228f. über die Menschheitsreligion und die Imperfektibilität des Christentums; s. bei S. 162 Anm. 127 und S. 164 Anm. 134) spricht sehr enthusiastisch von einem „Eroberungszug durch die Menschheitsgeschichte“; auch a.a.O. § 107 redet von der Sache der Mission ohne ihren Begriff. Vgl. DERS. [1867] (1913) 192 und s. bei S. 142 Anm. 30. 149 So sagt KÄHLER (1908) 347 zur Propaganda: „Man breitet eben nur das Eigene aus“. Anders die Mission a.a.O. 365: „Statt der wissenschaftlich erweisbaren Absolutheit des Christentums steht uns hinter seinem Anspruch der bestimmte Wille des persönlichen Gottes, dessen unantastbare Majestät unsere Heilsgewißheit trägt. […] Das ist der Grund der Missionspflicht, und damit eben die Berechtigung des Christentums zur Mission.“ 150 DERS. (1905) 63 (§ 62). 151 WIRSCHING (1963) kann seinen Haupteinwand des metaphysischen Kausalismus (s. S. 158 Anm. 110) traditionsgeschichtlich als Kählers „[i]dealistische Denktechnik“ (Überschrift a.a.O. 77) bezeichnen, die gegen den Idealismus „Wesensschau“ erstrebt, aber dafür doch zuletzt den Begriff, die Kategorie einsetzt (a.a.O. 79f.). – Und GÖLL (1991) zeigt zwar überzeugend, daß Kählers Gedanke des Übergeschichtlichen ein eigenes wissenschaftstheoretisches Konzept theologischer Allgemeingültigkeit darstellt, die nur eschatologisch in der über Ostern und Himmelfahrt hinausreichenden Wirksamkeit Christi und in der Erwartung seiner Parusie Bestand hat (vgl. a.a.O. 30.63.97.126 zur eschatologischen und a.a.O. 23.51.131 zur Christusgebundenheit der Allgemeinheit); er deutet aber a.a.O. 77.88.209 weder den Gedanken einer einheitlichen Menschheit noch den der sittlichen Weltordnung noch den der Anlage im eschatologischen Sinne, vermutet an letz-

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Nach den bisherigen Überlegungen ist dagegen jedoch einzuwenden, daß der Allgemeinbegriff im Sinne Kählers kein freigewählter Ausgangspunkt ist, dem gegenüber die inhaltliche Bestimmung nachträglich wäre. Vielmehr hat das Konzept der Menschheitsreligion den Rang eines eschatologischen Begriffs.152 Dasselbe war bereits für Kählers Vorstellung einer sittlichen Weltordnung festzustellen.153 Diese Begriffe, für die sich weitere Beispiele finden ließen, sind daher auch mitnichten abstrakt und vom Christentum abstrahiert, sondern im Gegenteil mit ihm konkretisiert: So macht Kähler in Anlehnung an vier der Hoheitstitel Jesu vier Momente am Wesen des Christentums namhaft, die in der Prägung des Allgemeinbegriffs der Menschheitsreligion wiederkehren.154 Die Kon-kretion der Menschheitsreligion durch das Christentum ist hier freilich wörtlich gemeint: Erst eschatologisch kommt es zwischen Christentum und Menschheitsreligion zum Zusammen-wachsen (con-crescere).155 Die Hoffnung auf dieses eschatologische Zusammenwachsen ermöglicht dem Christentum auch das Gespräch mit dem Judentum als einem anderen Traditionsstamm von Hoffnung auf die Menschheitsreligion, denn die gemeinsame Verankerung besteht, um im Bild zu bleiben, eher in der Krone als in der Wurzel des Baumes.156 Die systematische Folgerung aus Kählers Eschatologie für die Frage nach dem Verhältnis zum Judentum besteht also darin, die christlich-theologischen Begriffe eschatologisch zu konturieren. Dies sei im folgenden an einigen weiteren Theologumena durchgeführt. 2. Alttestamentliche Konkretion der Eschatologie. Der vorige Punkt dieses Unterabschnittes führte am Beispiel der Menschheitsreligion auf das terer Stelle vielmehr Abstraktbegriffe wie Wirsching. – Bereits HERMANN (1917) 17 kritisiert Kählers Begriff der religiös-sittlichen Anlage und fordert im Sinne der Lutherrenaissance, ihn auf dem Gewissenskonzept zu fundieren. 152 So für Kähler m.W. bislang nur der Hermannschüler H. PETRAN (1931) 122: „Von größter Bedeutung für das geschichtliche Verständnis der Menschheitsbedeutung Jesu ist ihm aber namentlich[…] die Eschatologie“. Freilich habe Kähler die Geschichte Jesu nach Ostern nicht mehr als echte Offenbarung verstanden (a.a.O. 179). 153 S. bei S. 151 Anm. 73. Ähnliches gilt für die sittlich-religiöse Anlage (s. S. 140 Anm. 21), obwohl sie selbst – im Unterschied zu dem, worauf sie angelegt ist – ein Untergeschichtliches ist. 154 Vgl. KÄHLER (1905) § 113a.b.c.d mit a.a.O. §§ 96–98 (Messias) bzw. a.a.O. §§ 99–101 (Gottessohn) bzw. a.a.O. §§ 105–107 (Menschensohn) bzw. a.a.O. §§ 102–104 (Gekreuzigter). 155 Prägnant ist ein Passus der Altersvorlesung zur Eschatologie (DERS. [1911] 101): „Als geschichtliche Größe ist der irdische Jesus partikular, – gebunden an Israel –, schickt seine Jünger nicht weiter als zu den verlorenen Schafen vom Hause Israel; als der erhöhte Heiland ist er für alle da, – und dieser Universalismus prägt sich nun darin aus, daß er keine organisierte Massenbewegung einrichtet, keine geschichtliche Kulturarbeit an Israel treibt und andere Völker dem angliedert, – sondern unaufhörlich mit jedem Einzelnen in Beziehung tritt. Seine Grundbeziehung ist nicht die zu Israel, sondern zu den Menschen.“ 156 S. zum Vergleich S. 216 Anm. 103.

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Desiderat eines eschatologischen Verständnisses theologischer Begriffe. Wie dies aussehen könnte, soll im vorliegenden Punkt an einem weiteren Thema erörtert werden, das für Kählers Sicht auf das Judentum wichtig ist, nämlich seiner Einschätzung des Alten Testaments. a) Eschatologischer Begriff des Selbstbewußtseins Jesu. Dieses Thema ist nicht nur deshalb einschlägig, weil „Die Bibelfrage“ neben der Versöhnungslehre das andere große Thema von Kählers theologischem Schaffen ist. Zugleich war das Alte Testament zur Zeit des Vortrags über „Jesus und das Alte Testament“ auch Gegenstand kirchlicher und theologischer Kontroversen, deren Thema dem des unmittelbar vorausgegangenen Apostolikumsstreits ähnelte: Durch die Fragen, welche die inzwischen universitär etablierte historische Kritik aufwarf, schien der feste Boden einer geschichtlichen Grundlage der Theologie, hier des Alten Testaments, ins Wanken geraten zu sein. Damit ist die theologiehistorische Stellung des Vortrags bezeichnet, die Kähler sofort zu Beginn bezieht, wenn er als sein Ziel, ja theologisches Lebensziel angibt: „Ich will ein zuversichtliches Verhältnis zu meiner Bibel gewinnen“, „ohne wegen der Entdeckungen, Zweifel und Beweise geschichtlicher Forschung in fortwährender Besorgnis zu sein“. Trotz dieser deutlichen Parteinahme wäre allerdings der argumentative Spannungsbogen von Kählers Vortrag kaum erfaßt, wenn man ihn als Versuch verstünde, der Theologie ein windstilles Plätzchen zu sichern, an dem sie sich ungerührt von den Stürmen der Geschichtswissenschaft entfalten könnte. Vielmehr wie es die Ergebnisse geschichtlicher Forschung sind, von denen Kähler angestoßen wird, so zielt er selbst auf „das Grundproblem des geschichtlichen Christentums“.157 Er hebt also selbst die Geschichte als das Interesse hervor, welches ihn mit der kritischen Forschung verbindet. Von besonderem Gewicht ist deswegen der 1. Abschnitt des Vortrags, der „Das geschichtliche Verhältnis im ganzen“ darstellt.158 Kähler selbst nennt die These, welche den Abschnitt über „Die geschichtliche Aus157 Zitate KÄHLER [1896] (1965) 20.21.21 (zu These 1); vgl. a.a.O. 18 über die „kirchlichen Kämpfe“ um das Alte Testament. Eine Trennung zwischen kritischem und theologischem Geschichtsbegriff hieße „Dogmatiker“ und „Christ“ (a.a.O. 21), hieße Theologie und Glauben auseinanderreißen und wäre weder im Sinne Kählers (s. bei S. 161 Anm. 121) noch der kritischen Geschichtswissenschaft, die mehr ist als bloße Faktenerhebung. Beide erheben einen normativen Anspruch. 158 Der 3. Abschnitt zieht daraus „Folgerungen für unsere Stellung zur Bibel“, die als unmittelbare Wahrnehmung des Alten Testaments für unsere Fragestellung ebenfalls von Belang sind, während der 2. Abschnitt die Ergebnisse durch „Jesu Unfehlbarkeit und seine Benutzung der alttestamentlichen Schrift“ illustriert, was dem im vorliegenden Abschnitt unserer Untersuchung verfolgten Ansatz bei der geschichtlichen Seite weniger entspricht (vgl. die Übersicht über die Thesen a.a.O. 13–17).

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prägung“ des Verhältnisses von Jesus und dem Alten Testament einleitet, „das Ganze meiner grundlegenden Ausführung“, was die folgenden Thesen desselben Abschnitts noch begründen.159 Kähler entwickelt hier einen Begriff von Geschichte in impliziter Auseinandersetzung mit dem der kritischen Geschichtswissenschaft. Sein Begriff soll nun rekonstruiert werden. Er deckt sich mit dem geschichtswissenschaftlichen nicht, nimmt aber denselben Ausgangspunkt bei der Faktizität, dem positiven Gegebensein des Geschichtlichen. In diesem Sinne ruft Kähler bei der Erläuterung seiner These 4 aus: „Das ist eine geschichtliche Tatsache ersten Ranges“, daß das Alte Testament im abendländischen Denken eine nicht weg zu diskutierende Wirkung gehabt hat.160 Freilich geht es Kähler über diese Feststellung hinaus um die Prüfung der Gründe für ihre Geltung. Er antwortet darauf zunächst (in These 5), die epochemachende Bedeutung des Alten Testaments rühre daher, daß Jesus selbst in einem „mit seinem inneren Leben verwachsenen“ Verhältnis der Treue zum Alten Testament gestanden habe.161 Er weiß aber, daß er damit nur erklärt, wie „das Alte Testament zur Geltung gekommen“ ist, und fragt daher weiter nach dem „Sachgrund“ der Geltung, dem dann die Thesen 6 und 7 gewidmet sind: „Ist das Zufall, ist das nur eine Abhängigkeit Jesu von geschichtlichen Verhältnissen, die keine Bedeutung hat, oder hat es einen inneren Zusammenhang?“162 Solch ein innerer Zusammenhang läge vor, wenn nicht nur die Wirkungsgeschichte des Alten Testaments auf Jesu Stellung zu diesem fußte, sondern auch diese wiederum im Alten Testament, noch abgesehen von jener Wirkung, wurzelte. Der innere Zusammenhang bestünde dann präzise darin, daß die Thesen 6 und 7 über These 5 auf These 4 zurückgreifen könnten. Und genau dies führt Kähler aus. Daß Jesus aus dem Alten Testament lebt, wie These 5 festgehalten hatte, sagt nämlich nicht nur etwas darüber aus, mit welchen Augen Jesus die heiligen Schriften seines Volkes liest, sondern auch, daß er selbst mit den Augen dieser Schriften gelesen werden muß: Jesus selbst, sein Selbstbewußtsein ist nur aus dem Alten Testament verstehbar, so daß „die alttestamentliche Offenbarung zur wirksamen Voraussetzung seiner inneren Entwicklung geworden ist“ (These 6).163 159 Zitate a.a.O. 13 in der Überschrift des fraglichen Abschnitts bzw. a.a.O. 31 (zu These 4); zu den Thesen 5–8 vgl. den Überblick a.a.O. 32. 160 A.a.O. 32 (zu These 4). 161 A.a.O. 33 (zu These 5). 162 Zitate a.a.O. 32.32.34, jeweils als überleitende Bemerkungen zur Gliederung. 163 A.a.O. 35 in der Ausführung = a.a.O. 13 in der Thesenreihe.

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Mit diesem Gedanken bezieht Kähler implizit Stellung gegen die damals schon jenseits ihres Zenits stehende Leben-Jesu-Forschung. Für sie ist das Alte Testament Voraussetzung für Jesu innere Entwicklung nur als traditionsgeschichtlicher Verstehenshintergrund, vor dem Jesus sich erst allmählich bewußt wurde, der im Alten Testament verheißene Messias zu sein. Denn dann wurzelt Jesu Stellung zum Alten Testament in seiner Messianität und nicht, wie für einen „inneren Zusammenhang“ erforderlich, im Alten Testament selbst. Kähler lehnt einen derartigen alttestamentlichen Vorbau für Jesu Selbstbewußtsein daher ab mit dem Hinweis, dieses sei „von Anfang an“164 dasselbe gewesen. Zugleich wendet Kähler sich jedoch gegen W. Herrmann, der ebenfalls gegen die Leben-Jesu-Forschung ein allmähliches Werden des Selbstbewußtseins Jesu bestritten und statt dessen für Jesus eine fertig abgeschlossen gegebene religiöse Persönlichkeit angenommen hatte, die bei denen, die ihm entgegentreten, zu einer „Überwältigung“ führe.165 Mit dieser Doppelfront bestreitet Kähler sowohl ein unfertiges als auch ein fertiges Selbstbewußtsein Jesu. Statt dessen schreibt er: Jesus ist sich von Anfang an (ich kann es wenigstens in den Evangelien nicht anders finden) bewußt gewesen, nicht bloß für Israel, ja sogar dem Erfolge nach gar nicht für Israel, sondern unter Verwerfung Israels für die Menschheit dazusein. Dieses Bewußtsein hat sich ihm einfach über dem Alten Testament erschlossen. Wie es so vor uns liegt und wie es vor Jesus lag, anfangend mit der Schöpfungsgeschichte und ausgehend in die große Prophetie von dem Gericht und der Vollendung, ist es durchaus universalistisch; mitten in der zerklüfteten Völkerwelt kennt es ohne die toten Abstraktionen der Philosophie eine einheitliche Menschheit, eine Menschheit mit einem Ausgang und einem Ziel.166

Indem Jesu Selbstbewußtsein hier in eine umfassende Geschichte gestellt wird, beantwortet sich die Frage nach dem Sachgrund für die Geltung, die das Alte Testament durch Jesu Stellung zu ihm in der Menschheitsgeschichte erlangt hat; denn den menschheitlichen Horizont dieser Geltung faßt das Alte Testament mit dem Gedanken einer einheitlichen Menschheit 164 A.a.O. 37. 165 Zitat a.a.O. 39 (zu These 7). Dieselbe Abgrenzung findet sich auch bei KÄHLER (1892) 55, wo a.a.O. Anm. 1 ausdrücklich Herrmann genannt ist. 166 DERS. [1896] (1965) 37 (zu These 6). Kähler plädiert hier für eine lectio continua des Alten Testaments, wie sie in der gegenwärtigen Revision christlicher Theologie im Blick auf das Judentum gefordert wird (z.B. von F.L. Hossfeld und E. Zenger für den Psalter) – allerdings bleibt Kähler bei der christlichen Kanonanordnung mit den Propheten am Schluß als Übergang zum Neuen Testament.

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selbst ins Auge. Der Sachgrund für Jesu Stellung zum Alten Testament ist also das Alte Testament selbst, und damit ist der innere Zusammenhang erreicht, den These 5 forderte. Damit ist auch klar, daß Kählers Rede von einer inneren Entwicklung des Selbstbewußtseins Jesu weder auf sein Verhältnis zum Alten Testament zu beziehen ist wie in der Leben-Jesu-Forschung noch, wie W. Herrmann es in einem Buchtitel ausdrückte, auf Jesu unvergleichlichen „Verkehr mit Gott“ – denn „der innere Haushalt einer unsündlichen Entwicklung ist für uns so unvorstellbar wie das Leben auf den Sandwichinseln für einen Lappen“167 –, sondern auf die menschheitliche Geschichte, deren Horizont das Alte Testament eröffnet. Jesu Selbstbewußtsein entwickelt sich auch zufolge Kähler, aber nicht „von rückwärts“, sondern „nach vorne“ auf den Horizont dieser Geschichte zu. Diesen aber steckt nach Kählers Eschatologiebegriff die Ewigkeit selbst ab. M.a.W. für Kähler ist Jesu Selbstbewußtsein dessen Wissen um die eigene zukünftige Parusie. Das ist Kählers eschatologischer Begriff von Selbstbewußtsein Jesu. b) Eschatologischer Begriff des Alten Testaments. Dieser eschatologische Begriff des Selbstbewußtseins Jesu entspricht genau dem Konzept der Geschichtlichkeit, das Kählers Eschatologieentwurf prägt: die Erstreckung eines historischen Ereignisses auf seine zukünftige Vollendung.168 These 7 von Kählers Vortrag zieht die entsprechenden eschatologischen Folgerungen. Jesus fügt sich demnach in eine „große geschichtliche Entwicklung, die bis heute reicht, und die er vorwärts und rückwärts beherrscht“. Mit Blick auf diese menschheitliche Geschichte kann Kähler die alttestamentlichen Schriften „ein gewachsenes Ganzes“ nennen, das er inhaltlich mit „ihrem letzten vormessianischen Ergebnis“ gleichsetzt.169 Dies ist sein eschatologischer Begriff des Alten Testaments. Er wirkt freilich dadurch doppelgesichtig, daß hier als Ganzes das Vormessianische, also etwas Unabgeschlossenes angegeben wird. Das hat in These 9 des Vortrags zur Folge, daß einerseits die christliche Bedeutung des Alten Testaments auf seine messianische Erwartung, diese aber andererseits nicht auf den Charakter einer Vorstufe zum Christentum festgelegt wird. M.a.W. das Alte Testament hat nach Kähler für das Christentum nur 167 KÄHLER (1896a) 53; nicht abgedruckt in der Ausgabe von E. Wolf (DERS. [1892] [1956]). 168 DERS. [1896] (1965) 46 nennt mit Bezug auf H. v. Treitschke als Beispiel einer geschichtlichen Auffassung „im großen Stil“ die Beziehung aller Einzeldaten der deutschen Geschichte auf die Reichsgründung 1871, was LINK (1975) 175 Anm. 146 scharf kritisiert. Jedoch versteht Kähler dieses Beispiel nicht eschatologisch, d.h. die Reichsgründung wird nicht übergeschichtlich überhöht, sondern soll nur das Konzept der Geschichtlichkeit als solches erläutern. 169 Zitate KÄHLER [1896] (1965) 41.42.42 (alle zu These 7; Hervorhebungen aufgehoben).

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als Eröffnung eines eschatologischen Horizonts Gewicht, als solche aber hat es auch bleibendes Gewicht. Daraus ergibt sich einerseits, daß Kähler eine christliche Bedeutung des Alten Testaments in nichtmessianischer Auffassung abweist. Dazu zählt er das Verständnis des Alten Testaments als Ritualgesetz,170 aber auch die Rezeption des Alten Testaments im Frühjudentum, das er als möglichen Interpretationskontext der Person Jesu gegen die zeitgenössische Exegese bestreitet.171 Andererseits lehnt Kähler es ab, Christus als die Erfüllung der alttestamentlichen Verheißung zu sehen: Es ist der Bibel gegenüber willkürlich, Jesus in seinen Fleischestagen, den irdischen Christus, für den anzusehen, in dem alle Verheißungen Ja sind. Der geschichtliche Christus ist der gepredigte Jesus Christus[…]. Seine Predigt, d.h. die Predigt, deren Inhalt er ist, gehört nach dem Neuen Testament in das alttestamentliche messianische Programm[…].172

Diese Sätze zielen durch den Verweis sowohl an den gepredigten Christus als auch an den alttestamentlichen Messianismus auf die Parusie Christi. Diese Zukunftshoffnung kann daher für Kähler nur mit „alttestamentlichen Anschauungsformen“ ausgesagt werden. Jesu „Stellung zur ganzen Menschheit, und zwar rückwärts wie vorwärts, ist unfaßbar, wenn man ihn lediglich zeitgeschichtlich ansieht und schätzt […]; das Alte Testament ist unentbehrliches Mittel für ihre Klarstellung“.173 In diesem Satz ist die Klarstellung nicht als Zweck von ihrem alttestamentlichen Mittel abzulösen; Jesu Stellung zur Menschheit ist kein Abstraktum, das auch unabhängig von der Konkretion gedacht werden könnte; d.h. die Unentbehrlichkeit des alttestamentlichen Messianismus ist eine unbedingte, weil sie ebenso eschatologischen Rang hat wie die Parusie Christi selbst. Christus ist eine eschatologische Gestalt nur als der alttestamentliche Messias, und der alttestamentliche Messias gewinnt Gestalt erst als der eschatologische Christus 170 A.a.O. 47f. (zu These 9), die christliche Gesetzesfreiheit ist allerdings eingeschränkt „durch den gepredigten Christus“ (a.a.O. 49), so daß a.a.O. 48 auch eine „christliche Würdigung des Sittlichen in aller Gesetzgebung“ in Betracht kommt. 171 DERS. (1892) 39f. polemisiert gegen die „jüdische Theologie und ihre Eschatologie“ als Quelle für das Verständnis Jesu, die zur selben Zeit J. Weiß epochemachend in den Vordergrund stellt. Kählers Losung von „dem geschichtlichen Christus der Bibel“ bzw. „der ganzen Bibel“ hat also auch diese Stoßrichtung gegen das Frühjudentum, das DERS. [1896] (1965) 58f. nur in Fragen, die nicht die Ganzheit des Alten Testaments betreffen, zum Verständnis Jesu herangezogen wissen will. 172 A.a.O. 75 (These 13, auf die bereits a.a.O. 49 ein Vorverweis gegeben wurde). 173 Zitate a.a.O. 76. Ein „Verzicht auf die alttestamentliche Verheißung“ (Überschrift DE BOOR [1990] 120) ließe sich bei Kähler nur konstatieren, wenn man diese auf Bibelzitate festlegte.

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der Parusie. Diese beiden Gedanken sind in Kählers eschatologischer Wahrnehmung des Judentums unlösbar verknüpft. So ist das Alte Testament selbst die Konkretion der Eschatologie, allerdings nicht in dem Sinne, daß dadurch die Zukunftshoffnung für die Gegenwart mehr Gegenständlichkeit und Farbigkeit gewänne, sondern das Alte Testament ist die Konkretion der Parusieerwartung, also in seiner Konkretion selbst zukünftig. Wie Christus in seinem irdischen Auftreten aus dem Alten Testament lebte, mit ihm „verwachsen“ war – die Wachstumsmetapher gebraucht Kähler in seinem Vortrag mehrfach174 –, so ist auch das Alte Testament gerade in seinem „letzten vormessianischen Ergebnis“ ein „gewachsenes Ganzes“, so daß man sagen kann, die Parusie Christi und der messianische Horizont des Alten Testaments wachsen in der erhofften Zukunft zusammen: das ist im wörtlichen Sinne des lateinischen con-crescere die Kon-kretion der christlichen Eschatologie,175 und das ist Kählers eschatologischer Begriff des Alten Testaments. 3. Zwischenergebnis. Kählers Wahrnehmung des Judentums, die hier am Beispiel seiner Konzeptionen von Menschheitsreligion, Selbstbewußtsein Jesu und Altem Testament vorgestellt wurde, geschieht jeweils in der Perspektive eschatologischer Begriffe, die den Sachverhalt des Übergeschichtlichen – eine nichtgeschichtliche Größe, die aber in einem geschichtlichen Verhältnis zur Geschichte steht – auf verschiedene Einzelthemen anwenden. Der vorige Punkt dieses Unterabschnitts deutete an, welche Auswirkungen dies auf die Wahrnehmung des Judentums überhaupt hat; ihm wird nämlich eine tragende Bedeutung für das Christentum zugewiesen, sofern es eine messianische Ausrichtung auf das Menschheitliche hat, allerdings auch nur unter dieser Voraussetzung. Diese Wahrnehmung führt zu einer Einteilung der verschiedenen Gestalten des Judentums; bereits erwähnt wurde, daß halachische Strömungen des Judentums aus Kählers Betrachtung ausscheiden, weil er ihnen keine messianische Ausrichtung zuschreiben kann. Des weiteren ergibt sich, daß eine andere als eschatologische Bedeutung – also etwa eine kulturgeschichtliche – auch für messianische Gestalten von Judentum nicht in Betracht kommt, jedenfalls nicht als theologisch relevant. Andererseits kann Kähler so auch nachbiblischen Gestalten von Judentum ein theologisches Gewicht für das Christentum zuschreiben, wenn sie in messianischer Perspektive gesehen werden können. Damit hat Kähler die Möglichkeit, die Beschränkung der Sicht auf das Judentum als bloß alttestamentliches und 174 KÄHLER [1896] (1965) 33 (zu These 5) und a.a.O. 42 (zu These 7). 175 Zitate a.a.O. 42.41 (Hervorhebungen aufgehoben).

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endzeitliches Israel aufzuheben, die die Heilsgeschichtliche Theologie kennzeichnete. Kählers Wahrnehmung des Judentums ergibt so auf den ersten Blick kein eindeutiges Bild. Die exklusive Annahme einer religiösen, näherhin eschatologischen Bedeutung des Alten Testaments für das Christentum mutet zunächst wie eine Restriktion des Judentums an; andererseits verhindert sie eine Usurpation jüdischer Traditionselemente durch das Christentum, indem dieses etwa alttestamentliche Texte unmittelbar auf sich bezieht.176 Gerade hiergegen nämlich macht sich das theologische Gewicht von Kählers ausgearbeitetem Eschatologiekonzept als Rahmen aller theologischen Verhältnisbestimmung von Christentum und Judentum bemerkbar: Christliche Theologie nimmt nach Kähler das Judentum in eschatologischer Perspektive, also in der Blickrichtung der eigenen, christlichen Zukunftshoffnung wahr, die aber als Horizont alttestamentlicher Geschichte auch die Hoffnung der fremden, jüdischen Tradition ist. So hängt die Art und Weise, wie christliche Theologie auf das Judentum blickt, also daran, inwieweit sie selbst ihren eschatologischen Einsichten folgt. Kähler legt damit das Judentum grundsätzlich nicht auf eine bestimmte, sei es alttestamentliche oder endzeitliche, sei es messianische oder eine andere Gestalt fest, sondern macht die Einschätzung des Judentums jeweils von einem eigenen Akt der Urteilsbildung christlicher Theologie abhängig. Es zeigt sich auch hier, daß christliche Theologie ihre Stellung zum Judentum nur durch eine kritische Klärung ihrer eigenen Argumentation gewinnen kann.177 Dies zeigt deutlich ein geschichtseschatologischer Aufsatz von 1906, in dem Kähler im Anschluß an seine grundlegende „Geschichtsanschauung“ den „Gang der Menschheit“ als deren Verifikation rekonstruieren will. Die Geschichtsanschauung deckt sich mit dem nun schon bekannten Eschatologiekonzept. Es wird hier so begründet, daß der Zusammenhang der Menschheitsgeschichte zwar nicht von ihrem Anfang aus zu gewinnen sei, denn dieser liege im vorgeschichtlichen Dunkel, aber eben von ihrem Ziel her: der „Einheitshoffnung“, d.h. der Hoffnung auf eine geeinte Menschheit, welche die letzten Worte des Textes als Christi Wiederkunft identifizieren. Da mit diesen Worten zugleich Kählers Aufsatzsammlung endet, handelt es sich hier um so etwas wie sein theologisches Vermächtnis.178 176 Dies ist die Gefahr z.B. der altorthodoxen christologischen dicta probantia. 177 Das entspricht unseren methodischen Grundentscheidungen (s. bei S. 20 Anm. 26). 178 Zitate KÄHLER [1906] (1913) 198.200; zur Parusie a.a.O. 212. Der erste Abschnitt (a.a.O. 196–200) entfaltet die „Geschichtsanschauung“ als Grundlegung, wozu der zweite Abschnitt (a.a.O. 200–208) die Ausführung und der dritte (a.a.O. 208–212) das Resümee bietet.

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Die Menschheitsgeschichte sieht Kähler sodann in „drei Epochen“ gegliedert, die vom Ende der babylonischen Gefangenschaft, also dem Aufkommen des historischen Judentums, bis zur Etablierung der christlichen Staatskirche, von dort bis zur Reformation und von dort bis zur Gegenwart reichen.179 Wichtiger als die historische Triftigkeit dieser Epocheneinteilung ist die Frage, wie Kähler sie begründet. Und hier nennt Kähler als Motiv, das den Gang der Menschheit antreibt, die Mission. Explizit geschieht dies freilich nur in dem Satz: „Deshalb ist die dritte Erscheinung der werdenden Einheit die kirchliche Mission.“ Die damit vorausgesetzte erste und zweite Erscheinung dieser Einheit werden nicht ausdrücklich als solche bezeichnet, sie sind aber in der Beschreibung der Grenze von erster zu zweiter Epoche erkennbar in Gestalt der „christlichen Mission“, die in dem einen Fall auf das Judentum folgt und in dem anderen als „kirchliche Culturmission“ die Antike durch das Mittelalter ablöst:180 Wie aus der Puppe des Judenvolkes der Falter der christlichen Mission aufflog, so fliegt derselbe Falter nun aus dem verwesenden Leichnam der Antike hinüber zu den herandrängenden Germanen und Slaven. Die kirchliche Culturmission vollzieht sich während des folgenden Jahrtausends in nördlicher Richtung.181

Die christliche Mission setzt dabei zufolge Kähler die Einheit der Menschheit als von Gottes Ewigkeit motivierte gegen verschiedene Kräfte durch, so besonders gegen die beiden einseitigen Abstraktionen der Einheit in den theoretischen, vom Bezug auf den Menschen gelösten Monotheismus des Islam einerseits und in die „anthropocentrische“, von Gott gelöste „Conventikelreligion“ des Buddhismus andererseits; sodann gegen eine bloß formale gottgegebene Einheit des Menschlichen wie im starren Hierarchiedenken des römischen Katholizismus.182 Die stärkste Front, welche die christliche Mission als von Gottes ewiger Zukunft begründeter Fortschritt im Gang der Menschheit zu durchbrechen hat, sieht Kähler allerdings in folgendem: Vollends die befremdliche Gestalt des internationalen Nationalismus, das zähe Volkstum ohne Vaterland und Muttersprache, das seit der römischen Kaiserzeit als 179 A.a.O. 201. 180 Zitate a.a.O. 208 für die dritte bzw. a.a.O. 203 für die zweite und erste Epoche. 181 Ebd. 182 Gegen den Islam als „Karrikatur [sic!] des vorjüdischen Israel“ a.a.O. 204; gegen den Buddhismus a.a.O. 202; gegen den römischen Katholizismus a.a.O. 212. Zum Buddhismus vgl. DERS. (1905) 185 (§ 212).

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solches anerkannte „Element der Decomposition“ [sic!], der ewige Jude, das Gespenst des messianischen Volkes, seit es seinen Messias verworfen hat. Die goldene Internationale mit ihrer Weltpolitik im Dienste des Mammonismus, mit ihrem gottlosen Rassenegoismus, mit ihrer Ausnützung eines abstracten Humanitarismus und imaginären Kosmopolitismus, hält das letzte und schwerste Problem auf dem Wege zur Einheit der Menschheit vor Augen und prägt es damit ein (Eph 2; Röm 9–11).183

Diese Tirade ist unverkennbar auf das Judentum der nachbiblischen Zeit bis zu Kählers Gegenwart bezogen, und es fällt nicht schwer, verschiedenste Schemata des landläufigen Antisemitismus bis in die Formulierungen hinein nachzuweisen: so die Ahasverlegende, die theoretisch auf der substitutionstheologischen Annahme der Enterbung Israels infolge der Verwerfung Christi beruht;184 so die Behauptung vom jüdischen „Weltkapital“ (verbunden mit dem Vorurteil jüdischer Geldgier), welche die bis weit in die Zeit der Emanzipation wirksamen ökonomischen Restriktionen an das gewerbetreibende Judentum, also dessen Abdrängung vom zünftigen Handwerk in den Handel, mit einem Nationalcharakter verwechselt;185 einhergehend damit die Verquickung von jüdischer Diasporaexistenz mit der sozialistischen Internationale, gegen die Kähler sich kurz vor diesem Zitat eigens abgegrenzt hatte: eine Zuschreibungsfigur, die als Vorwurf einer angeblichen jüdischen Weltverschwörung bekannt ist.186 Theologische Varianten solcher Wahrnehmungen sind in dem Absatz ebenfalls enthalten. Über den Grund für diese gegenüber Kählers sonstiger Wahrnehmung des Judentums auffallende Verschiebung läßt sich nicht in einem Satz Aufschluß geben; es fällt jedoch auf, daß in dem fraglichen Passus das Judentum als Hindernis der christlichen Mission geschildert wird, die in den vorigen Zitaten z.T. ausdrücklich als Kulturleistung („kirchliche Culturmissi183 DERS. [1906] (1913) 208. Die Passage hat gewisse Entsprechungen in einem Abschnitt von Kählers später Eschatologievorlesung (DERS. [1911] 67–69), wo das Verhältnis Israels zur „vollkommenen Offenbarung“ (gemeint: Jesu irdisches Auftreten) behandelt wird; vgl. daneben DERS. (1913) 426–428. 184 Kähler spricht in dem genannten Zitat (DERS. [1906] [1913] 208) vom „ewigen Juden“. Mit der Rede vom „Element der Decomposition“ zitiert Kähler ungenau Theodor MOMMSEN, Römische Geschichte, Berlin 91902/04, III,550, der das antike Judentum ein „wirksames Ferment des Kosmopolitismus und der nationalen Dekomposition“ im römischen Reich nannte. Ungenaue bzw. kontextfremde Zitation dieses Dictums, zunächst durch H. v. Treitschke, löste den sog. Berliner Antisemitismusstreit aus, in dem, wie HOFFMANN (1988) 98–103 zeigt, verschiedene Abwandlungen des Mommsenzitats für antisemitische Zwecke herangezogen wurden, so die Variante als „Element“ von A. Stoecker im preußischen Abgeordnetenhaus. 185 KÄHLER [1906] (1913) 208 spricht von Mammonismus. 186 Kähler ebd. gebraucht die Termini „imaginärer Kosmopolitismus“ und Weltpolitik. Wichtigstes Beispiel des Stereotyps der Weltverschwörung ist die um 1914 in Rußland entstandene antisemitische Erfindung angeblicher „Protokolle der Weisen vom Zion“.

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on“) aufgefaßt wurde – im Gegensatz zu Kählers sonstiger Auffassung von Mission, die bei ihm den Status eines eschatologischen Begriffs von Bekenntnis zum Übergeschichtlichen hat.187 Sollte diese Dimension im vorliegenden Text tatsächlich ausfallen, so müßte sich der Begriff der Mission auf geschichtliche Gegebenheiten beschränken, und in diesem Fall böten Judentum und Christentum ein ausschließendes Gegenüber, dem die jeweilige Ausrichtung auf eine übergeschichtliche Zukunft fehlte. Dies könnte den Wechsel zu einer schroffen Negativwertung des Judentums erklären. Diesem Problem ist im folgenden weiter nachzugehen.

2. Erhebung von Wahrnehmungsschemata Kählers Eschatologiekonzept ist durch das Verfahren einer eschatologischen Begriffsbildung charakterisiert, das die Ewigkeit als Grund und zugleich Grenze geschichtlicher Entwicklungsverhältnisse versteht. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf gängige Schemata von Wahrnehmung des Judentums.188 So löst er z.B. die lineare Zuordnung von Verheißung und Erfüllung auf und einhergehend damit lineare Zeitverständnisse. All dies kommt in der Abgrenzung gegen die zeitgenössische liberale Progreßeschatologie deutlich zum Ausdruck. Es ist daher um so überraschender, daß Kähler sein Eschatologieverständnis häufig mit Bildern verdeutlichen kann, die der Naturbeobachtung entlehnt sind und Wachstumsprozesse darstellen (wie Fluß und Meer, Keim und Frucht, Puppe und Schmetterling). Daß Kähler diese Bilder oft paarweise gebraucht, läßt noch stärker an die polaren Wahrnehmungsschemata denken. Im Sinne des hier befolgten methodischen Umgangs mit dem Problem der Wahrnehmungsschemata189 ist daher zu fragen, wie Kähler diese Bilder in seiner Argumentation verwendet. Dabei ist einerseits zu fragen, welcher mögliche Referenzgegenstand mit den jeweiligen Metaphern bezeichnet ist, und andererseits, welcher argumentative Gehalt sich mit dem Gebrauch der Bildpaare verbindet. Bezeichnet man in lockerer Anlehnung an G. Frege erstere Dimension als Bedeutung der Metapher und letztere als ihren Sinn,190 so zeitigt der Überblick über Kählers eschatologischen Metapherngebrauch ein interessantes Ergebnis: 187 S. bei S. 167 Anm. 149. 188 S. z.B. Kap. IV.1.2, hier S. 168–174 zur alttestamentlichen Konkretion der Eschatologie. 189 S. Kap. I.2, hier S. 23f. 190 Vgl. Gottlob FREGE, Funktion, Begriff, Bedeutung. Fünf logische Studien [1892], hg.v. Günter Patzig, Göttingen 1962 (KVR 144/145).

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Die Metaphern, die Kähler verwendet, sind im bildungsbürgerlichen Sprachgebrauch großenteils konventionalisiert, teils stehende Wendungen für die Ewigkeit: so das Bild des Meeres, das ihre Unbeweglichkeit und Unfaßbarkeit ausdrückt; so die Rede vom Schmetterling, seit der Antike Symbol der unsterblichen Seele. Dennoch gelingt es Kähler, diesen beinahe abgenutzten Metaphern durch die paarweise Verwendung und im Kontext seiner eschatologischen Argumentation einen Sinn abzugewinnen, der solch traditionellem Verständnis gerade zuwiderläuft. Denn in den hier betrachteten Texten werden, wie sogleich an einigen Beispielen zu zeigen ist, die genannten Bildpaare stets zur Brechung der Wachstumsvorstellung und damit des Progreßgedankens eingesetzt – ganz im Sinne von Kählers Eschatologiekonzept im ganzen. Kählers eschatologischer Metapherngebrauch bürstet somit, ähnlich seinem Verfahren eschatologischer Begriffsbildung,191 die vorgegebene und im Falle der Metaphern scheinbar zum Traditionalismus erstarrte Begriffsgeschichte gegen den Strich und erblickt in ihr so einen neuen Sinn. – Was hingegen die Bedeutung der Metaphern angeht, so ist das Ergebnis weniger klar, weil mit dem eschatologischen Sinn der Metapher bald auf die Ewigkeit selbst referiert wird, bald auf das Christentum; und diese Diskrepanz ist nun gerade für die Frage aufschlußreich, wie Kählers Metapherngebrauch mit seiner Wahrnehmung des Judentums zusammenhängt. In der Bedeutung der eschatologischen Metaphern als bald Ewigkeit, bald Christentum spiegelt sich ja die Unterscheidung der Menschheitsreligion von der positiven Religion (auch der positiven Religion Christentum), also jene Unterscheidung, die Kählers Pointe bei der Frage nach der Wahrnehmung des Judentums ausmacht.192 Wie fein diese Pointe und wie zart jener Unterschied ist, zeigt sich auch bei der Analyse von Kählers Metaphorik, die eben diese Finessen umspielt. 1. Fluß und Meer. In Kählers grundlegendem Eschatologievortrag von 1867 etwa erfahren die den ganzen Text durchziehenden Metaphern „Fluß“ und „Meer“ einige Nuancierungen, die exakt den Gedankengang des Vortrags wiedergeben: Stets bedeuten beide Fortschritt bzw. Ewigkeit; doch während sie als Gegensatz eingeführt werden (wie der antithetische Aufsatztitel es auch nahelegt), wird die Metaphorik bald durch das Bild der Mündung erweitert, die eine Verbindung beider als Überfließen des Fortschritts in die Ewigkeit suggeriert. Als Quelle dieses Überflusses erweist sich jedoch dessen Ziel, also das Meer, wenn zuletzt in einer Inclusio mit dem Begriffspaar vom Anfang das Meer hervorgehoben wird, in dem kein 191 S. bei S. 168 Anm. 152f. zur Menschheitsreligion und zur Weltordnung. 192 S. Kap. IV.1.2, hier S. 159–168.

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„Tröpflein“ – d.h. doch wohl: des speisenden Flusses – verloren ist.193 Sinn der gesamten Metaphorik ist also von diesem Ende her, die Ewigkeit als Grund des Fortschritts zu markieren.194 2. Strahl und Sonne. In demselben Sinne gebraucht Kähler in diesem Vortrag auch die aus der Christologie altbekannte Metapher des Strahls und der ihn erst hervorbringenden Sonne, um das Verhältnis des Fortschritts zu Christus auszudrücken, und zwar zur Geschichte Christi, die sich von seinem Erdenleben aus auf die Ewigkeit erstreckt.195 Besonders im Vergleich mit dem Berner Theologen und Schüler von Kählers Weggenossen H. Cremer, W. Hadorn, der dasselbe Bild für die eschatologische Wahrnehmung des Judentums gebraucht, wird kenntlich, daß die Sonne für Kähler den Christus der Parusie, also die Ewigkeit bedeutet, und nicht etwa bloß den historischen Christus (während Hadorn hier auf das Christentum als positive Religion Bezug nimmt).196 3. Puppe und Schmetterling. Freilich bedeutet zuweilen auch bei Kähler die Ewigkeitsmetaphorik das Christentum. So steht in seinem universalgeschichtlichen Versuch „Der Gang der Menschheit“ das Bild des Schmetterlings (Falters) einmal ausdrücklich für die „kirchliche Culturmission“, die zunächst das Judentum und dann die klassische Antike verwandelt habe, die dann als „Puppe“ bzw. „Leichnam“ bezeichnet werden. Wenn zwar auch hier dem Sinne nach nicht an ein bloßes Entwicklungsschema gedacht ist – die Entsprechung zwischen „Puppe“ und „Leichnam“197 suggeriert hier doch zu sehr Abbruch –, so ist hier jedenfalls das historische Christentum als Gipfel der Universalgeschichte gedacht198 – anders als in dem Aufsatz „Mit Christo auferweckt sein“, wo dieselbe Metaphorik festhält, Christus der Erhöhte sei im Vergleich zum Irdischen nicht einfach der „Schmetterling, wenn er das verdeckende Puppenkleid abgestreift hat“:199 Kähler sieht hier vorbehaltlich des Christus der Parusie anscheinend keine Entwick193 KÄHLER [1867] (1913) 170 zur Mündung; a.a.O. 193 bzw. a.a.O. 167 zur Inclusio. 194 Ebenso DERS. (1896) 496, wenn es heißt, die – freilich eschatologisch begründete – „Entwicklung der Menschheit“ trage als ein Strom „die Schiffe zum Meere“ eines sittlichen Gesamtzieles. 195 DERS. [1867] (1913) 188: „Was wir heute als die erhabensten Ideen der Humanität preisen, es sind nur Strahlen jener Sonne, welche der Welt am See Genezareth aufging und auf Golgatha nur scheinbar erlosch, um vom Ostermorgen ab mit unwandelbarer Klarheit zu leuchten.“ 196 HADORN (1914) 37. 197 KOEPP (1921) 35 wird das Judentum wegen seines Konzepts von Ewigkeit als „Mumie“ bezeichnen, so Eigenschaften von Puppe und Leichnam verbindend. 198 Zitate KÄHLER [1906] (1913) 203, dessen Rede von Kulturmission seinem Missionsverständnis widerspricht. 199 DERS. (1906) 180.

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lungslinie, die vom Irdischen zum Auferweckten führt, genauso wenig also auch vom irdischen Menschen zum Mitauferweckten (worum es dem Aufsatztitel nach ja geht), sondern er macht hier vielmehr einen nur von Gottes Zukunft her bestehenden Zusammenhang geltend. Darin zeigt sich wiederum sein Konzept von Eschatologie im Unterschied zur Auffassung etwa des Berner Reformierten E. Güder, der zur Verdeutlichung seiner Unterscheidung von vier Lebensständen Christi die Abfolge von Ei, Raupe, Puppe und Schmetterling als naturhafte Entwicklung heranzieht.200 4. Keim und Frucht. Besonders verbreitet und am unmittelbarsten der Naturbeobachtung angelehnt scheint aber die Metaphorik von Keim und Frucht. Mit ihr erläutert Kähler in Ausführung seiner These von der geschichtsstiftenden Kraft der Eschatologie 1896 den Lehrsatz von der Sündhaftigkeit der ungetauften Neugeborenen: Hier werde der „Keim schon an der voll ausgetragenen Frucht“201 gemessen. In diesem Fall erhellt der Zusammenhang von Sinn und Bedeutung besonders klar Kählers Metapherngebrauch, denn indem die Frucht hier das Endgericht und den ewigen Tod bedeutet und zudem der ganze Satz zur Entfaltung der These vom Vorrang der Eschatologie vor der Geschichte dient, ist klar, daß sein Sinn ist, den natürlichen Wachstumsprozeß, der vom Keim zur Frucht geht, zu durchkreuzen. Und dies trifft ja gerade im Falle des Keimes, der die Erbsünde bedeutet, wiederum genau den theologischen Sinn, denn wenn die dogmatische Tradition die Erbsünde bevorzugt mit botanischem Bildmaterial beschreibt, dann ja als die Wurzel eines mit Stumpf und Stiel auszurottenden Mißwuchses.202 Kähler kann dieses neuartige Verständnis der Metaphorik von Keim und Frucht daher auch mit der „Aufstellung von Typus und Antitypus“ gleichsetzen, um klarzumachen, daß das Verhältnis, in dem Jesus zum Alten Testament steht, kein naturhafter Entwicklungsprozeß ist, sondern ein Verwachsensein.203 Gerade in diesem Ausdruck, der nicht nur gegenseitige Durchdringung, sondern auch Mißbildung besagen kann, kommt zur Spra200 GÜDER (1853) 355 in dem Bestreben, den Zwischenzustand zwischen Diesseits (Ei) und Jenseits (Schmetterling) soteriologisch auf Christus anzuwenden, was einen diesseitigen und einen jenseitigen Zwischenzustand, also den Erdenwandel vor Himmelfahrt (Puppe) und die Höllenfahrt (Raupe) annehmen läßt (a.a.O. 346). 201 KÄHLER (1896) 503. 202 So FC SD I,5 (BSLK 846,95) und besonders die Rede vom Zunder, also bereits abgebrochenem und verdorrtem Gehölz: AC II,7 (BSLK 148,21 mit den scholastischen Belegen ebd. Anm. 1). 203 Zitat KÄHLER [1896] (1965) 46 neben dem umstrittenen Beispiel für geschichtliches Denken „im großen Stil“, der Reichsgründung von 1871. Zum Verwachsensein vgl. a.a.O. 33.42; DERS. (1906) 182.

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che, daß Kähler die Wachstumsmetaphorik nur per nefas gebraucht, um ihr seine Vorstellung einer eschatologisch begründeten Entwicklung aufzuprägen. Der Grund für diesen so unnatürlichen, ja unphysiologischen Metapherngebrauch könnte schlicht und einfach in Kählers Bibellektüre liegen. Denn liest man das Gleichnis vom vierfachen Acker, das als altkirchliches Evangelium zu Sexagesimä zugleich der locus classicus der Metaphorik von Keim und Frucht ist, so hat man in den vier ausgeführten Szenen ja weder ein „Wachstumsgleichnis“ im eigentlichen Sinne vor Augen noch eine Typologie menschlicher Herzensbeschaffenheit, sondern dem Betrachter bietet sich eine Saat- und Erntesaison im Zeitraffer dar, bei der bis zur Ernte ein Teil der Saat nach dem anderen vergeht, so daß man aufgrund der Zeitphänomenologie dieses Gleichnisses204 also tatsächlich sagen kann, erst die Ernte selbst – also die Frucht – erhalte den Keim am Wachstum. Mit solch eschatologischem Sinn dieser Metaphern korrespondiert dann auch ihre bei Kähler allermeist eschatologische Bedeutung, m.a.W. wo die Metapher zwar eschatologischen Sinn, aber keine eschatologische Bedeutung hat, da liegt ein Hinweis auf ein dem theologischen Konzept innewohnendes Problem, da kann das sprachliche Potential der Metapher wieder zum Schematischen erstarren und die Metapher zum Wahrnehmungsschema werden. Und im Falle Kählers zeigten die Beispiele, daß immer dann, wenn mit den eschatologisch gemeinten Metaphern auf das Christentum als positive Religion referiert wurde, eine Abwertung des Judentums zur bloßen Vorstufe damit verbunden war,205 während da, wo die Metaphorik in Sinn und Bedeutung eschatologischen Charakter hat, wo also der Unterschied zwischen Christentum und Menschheitsreligion gewahrt bleibt, Kählers größtes Potential für eine Erneuerung christlicher Theologie in ihrem Verhältnis zum Judentum liegt.206 In Kählers Metapherngebrauch bündelt sich also zum einen sein gesamtes eschatologisches Konzept, und zum anderen wird hier zugleich die Be204 Zuerst vergeht der Teil auf dem Weg (noch vor dem Aufgehen), dann der auf dem Stein („sofort“ nach dem Aufgehen), dann der unter den Dornen (nach deren Mitaufgehen). Vgl. Michael WOLTER, Interaktive Erzählungen. Wie aus Geschichten Gleichnisse werden und was Jesu Gleichnisse mit ihren Hörern machen, in: GlLern 13 (1998) 120–134, 132. 205 S. bei S. 177 Anm. 183. 206 KÄHLER kann in Abwandlung der Metaphorik von Keim und Frucht auch das Schema von Frucht und Schale so eschatologisch akzentuieren, daß sein verbreiteter Unterton gegen das (vermeintlich schalenhaft äußerliche) Judentum wegfällt: DERS. (1906) 188 vergleicht das Leben der Getauften mit einem österlichen Keim, der solange nicht beherrschend sei, wie die Christen ihr altes Wesen noch nicht wie eine Schale abgestoßen hätten: Hier ist (altes) Wesen Schale!

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deutung dieses Ansatzes für die Frage nach der Wahrnehmung des Judentums kenntlich.207

3. Problemgeschichtlicher Ertrag 1. Das Problem der Menschheitsdimension. Kählers Entwurf der Eschatologie fußt auf einem Konzept von Ewigkeit, die allein Grund und Grenze geschichtlichen Fortschritts ist: Alleiniger Grund des Fortschritts ist sie im Gegensatz zu dessen progreßoptimistischer, liberaler Begründung auf dem transzendierenden Potential von Geschichte; seine alleinige Grenze ist sie im Gegensatz zu seiner skeptischen Begrenzung durch das Reich der Sünde, die zugleich eine Begrenzung auf ein Reich der Zwecke ist; diese können dann (wie bei Ritschl) auch ohne ihre Verwirklichung die sündige Gemeinde heiligen.208 Kähler kann so in seinem grundlegenden Vortrag von 1867 neben dem sittlichen Fortschreiten des Einzelnen einen überindividuellen Fortschritt denken, der weder (kausalistisch) bloße Entfaltung von Anlagen noch (rein teleologisch) Heiligung diesseitiger Mittel durch einen jenseitigen Zweck ist. Dabei besteht der kritische Punkt darin, daß die Ewigkeit, um einen geschichtlichen Fortschritt begründen zu können, selbst geschichtlich werden muß, ohne ihren ewigen Charakter aufzugeben, ohne den sie nicht Grenze des Fortschritts sein könnte. Kähler bearbeitet dieses Problem mit seinem Konzept des Übergeschichtlichen. Die Schwierigkeit dieses vielfach thematisierten Schlüsselbegriffs in Kählers Denken ist die Frage, welches Phänomen damit bezeichnet sein soll. In seinem eher wenig erforschten Vortrag von 1867 sagt Kähler es so: Die ewige Religion erweist sich selbst als geschichtliche Erscheinung. Unsere Analysen zu Kählers impliziter Wahrnehmung des Judentums ergaben, daß der entscheidende Punkt bei Kählers Zuordnung der Ewigkeit zur Geschichte als dem Fortschritt zu ihr tatsächlich in der Differenzierung zwischen geschichtlichem Christen207 Erhellend ist ein Abschnitt der noch unpublizierten Altersvorlesung, KÄHLER [1911] 16f.: „Freilich sagten wir eben: die Erfüllung habe erst klar gemacht, was an der Vorhersagung Bild und was Ding sei. Das ist eine andere Wendung dafür: nicht die Juden haben die Erfüllung gebracht, sondern der sich offenbarende Gott. Wie unser Christentum nicht das geschichtliche Ergebnis des Zusammenwachsens von Judentum und Heidentum ist, sondern wie es für die Apostel durchaus in das Bewußtsein trat: Neuschöpfung, kaine ktisis, – so wird auch unser christliches Leben nicht zur Vollendung kommen können ohne ein neues Eingreifen, eine neue Tat Gottes. Wir erwarten und dürfen und sollen erwarten große Taten Gottes, welche die Vollendung bringen, die aus Unserem einfach nicht hervorgehen.“ 208 Zu der doppelten Positionierung gegenüber liberaler Theologie und Ritschl s. Exkurs 4 (S. 144ff.).

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tum und seiner erhofften ewigen Zukunftsgestalt zu finden ist. Hier stießen wir in der Apologetik innerhalb der „Wissenschaft der christlichen Lehre“ auf das Konzept der Menschheitsreligion, die das Christentum seiner Hoffnung für die eigene Zukunft gegenüberstellt. Die eigene Zukunftshoffnung tritt dem Christentum also als etwas Fremdes gegenüber und verweist es so an eine andere, nämlich jüdische, Gestalt von Hoffnung auf dieselbe Zukunft. Schon diese Erwägungen zeigen, daß der Begriff der Menschheitsreligion bei Kähler eine wichtige mögliche Fragestellung evangelischer Eschatologie im Gespräch mit dem Judentum ist, denn die hier geschilderte Konstellation erinnert an F. Rosenzweigs Vorstellung eines Dialogs von Judentum und Christentum, in dem beide Seiten aufeinander gespannt sind in der gegensätzlichen Ausrichtung auf dieselbe ewige Zukunft.209 Daneben aber ist der Begriff der Menschheitsreligion in sich ein Anknüpfungspunkt für die jüdische Gesprächslage der Zeit, denn gerade die im ersten Teil dieser Untersuchung vorgestellten L. Baeck und H. Cohen verstanden das Judentum als sittliche Menschheitsreligion.210 Darin erblickten beide Autoren den missionarischen (so besonders Baeck) und messianischen (so besonders Cohen) Charakter des Judentums, und in vergleichbarer Weise ist Kählers Verständnis der Menschheitsreligion gekoppelt mit seinem Missionsverständnis und seinem Konzept von Soterologie, also Messiaslehre. Die entscheidende Frage ist freilich, wie der Begriff der Menschheit jeweils gebildet wird. Und hier scheinen charakteristische Unterschiede zu bestehen. Cohen sieht das Spezifikum seines Religionskonzeptes gegenüber dem Idealismus darin, daß es den Einzelnen nicht nur als Exemplar des Allgemeinen in den Blick nimmt, sondern am logisch dazwischenliegenden Begriff der Mehrheit den Einzelnen in seiner Eigenheit erfaßt, und zwar am Mitmenschen (spätere jüdische Philosophie prägt hier den Begriff der Anderheit). Auch Kähler grenzt sich von idealistischer Verrechnung des Einzelnen mit dem Ganzen ab und betont den Eigenanteil des Einzelnen, ohne jedoch einen spezifischen Begriff des Mitmenschen zu prägen. Dies dürfte mit der Eigenart von Kählers Begriffsbildung zusammenhängen, die wir im analytischen Abschnitt dieses Kapitels als eschatologische Begriffsbildung rekonstruiert haben.211 Dabei wurde schon die Bedeutsamkeit eines solchen begrifflichen Verfahrens gerade im Unterschied zum idealistischen kenntlich. Das Konzept der Menschheit macht den Unterschied freilich noch auffälliger, worauf der Rabbiner Max Wiener 1928 hingewiesen hat: Demnach 209 S. Kap. I.3, hier S. 34–37. 210 S. Kap. I.3, hier S. 31–34. 211 S. bei S. 168 Anm. 153.

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kann die menschheitliche Dimension des Messianismus entweder aus dem „Inhalt der messianischen Erwartung“ gewonnen werden oder aus der „universalistischen Tendenz der Messiasidee“, ihrem geschichtsantreibenden Potential; in jenem Falle bleibt „die Sonderstellung Israels“,212 gerade weil von der Zukunftserwartung aus argumentiert wird, erhalten, im andern Fall wird sie im Laufe der geschichtlichen Entwicklung eingeschmolzen.213 Wieners Einwand (der sich gegen die Tradition Cohens richtet) läßt das Profil von Kählers Menschheitsbegriff klar werden: Kähler zielt nicht auf eine Amalgamierung der einzelnen Religionen; seine Vorstellung einer sittlichen Menschheitsreligion ist kein Projekt Weltethos, sondern im Sinne von Kählers Ewigkeitsbegriff eine Projekten und Projektionen unzugängliche Zukunft, die von sich aus in die Zeit und Geschichte „hineinragt“. Die Menschheit als Reichweite dieser Eschatologie ist also nicht schon gegeben, sondern selbst Gegenstand der Hoffnung. Wer also in der Eschatologie von der Menschheit spricht, sagt damit aus, was Gott zu tun verheißt. Die menschheitliche Dimension der Eschatologie ist für Kähler selbst eschatologisch, und dementsprechend hat auch der begriffliche Rahmen seiner Eschatologie wissenschaftliche Aussagekraft nur in eschatologischer Hinsicht, und dies ist auch Kählers Geltungsanspruch. Die Begriffe und Parameter der Theologie sind im Anschluß an Kähler also nicht als Propädeutik zu verstehen, sondern sie eröffnen den Raum, innerhalb dessen der wissenschaftliche Diskurs Verständigung erzielen kann über die Geltung theologischer Sätze. Die Begriffe der Theologie haben so zukunftsöffnenden Charakter.214 Wissenschaftliche Geltungsansprüche von Theologie setzen deshalb Einvernehmen über die Reichweite von Hoffnung voraus. Theologie ist so in wissenschaftstheoretischer Hinsicht Eschatologie. Die Bedeutung eines derartigen Menschheitskonzeptes für das Gespräch mit dem Judentum liegt auf der Hand, da es die jeweiligen Traditionen von Christen und Juden nicht auflöst, sondern auf ihre gemeinsame, wenn auch nicht gleiche, Zukunft hin kritisch erhält und zugleich aneinander verweist. Die Frage der menschheitlichen Dimension der Eschatologie und ihrer Geltungsansprüche ist also ein wichtiges Thema der Eschatologie gerade als Revision der eigenen Tradition hinsichtlich ihres Verhältnisses zu anderen Traditionen. 212 Zitate WIENER (1928) 155. 213 Eine interessante Zwischenstellung vertritt in seiner Eschatologie KOHLER (1910) 235: Einzelner Mensch und Menschheit stehen in einer wechselseitigen sittlichen Verpflichtung, so daß nur der sittlich handelnde Einzelne Anteil an der Menschheit hat. Hier dürfte Kants sog. moralischer Gottesbeweis Einfluß genommen haben. 214 Zu diesem Verständnis theologischer Begrifflichkeit s. bei S. 82 Anm. 13.

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2. Das Problem geschichtlicher Gestaltwerdung. Mit den vorstehenden Überlegungen zur Menschheitsreligion ist zwar das Phänomen benannt, welches der Begriff des Übergeschichtlichen bezeichnet; seine Funktion bedarf jedoch noch weiterer Klärung. Bislang wurde sie lediglich so bestimmt, daß das Übergeschichtliche eine nichtgeschichtliche Größe ist, die jedoch in einem geschichtlichen Verhältnis zur Geschichte steht. Wenn nun laut dem vorigen Punkt dieses Abschnitts das Übergeschichtliche die zukünftig erhoffte Menschheitsreligion in ihrer charakteristischen Differenziertheit vom geschichtlichen Christentum ist, so heißt das für die hier in Rede stehende Funktion des Übergeschichtlichen, daß sie das Verhältnis der Zukunftserwartung des Christentums zu seiner geschichtlichen Gestalt angibt. M.a.W. das Übergeschichtliche sagt, worauf gehofft wird, und gibt damit zugleich an, wofür gehofft wird. Dies ist die Frage, wie die Zukunftshoffnung in der geschichtlichen Wirklichkeit Gestalt gewinnt; die Frage, wo und wie Menschen Gottes verheißendes Handeln erfahren.215 Es ist besonders diese Frage nach der geschichtlichen Gestaltwerdung von Hoffnung, die in der Forschung immer wieder als Kennzeichen des Messianismus angeführt und mit dem Alten Testament verbunden wurde.216 Die Analyse von Kählers Eschatologiekonzept ergab nun, daß er solche Gestaltwerdung von Zukunftshoffnung als Konkretion im Sinne seines eschatologischen Grundkonzepts versteht:217 Konkretion ist demnach eine Hoffnungsperspektive auf den Zusammenhang christlicher Zukunftserwartung mit der jüdischen in der Zukunft desselben Gottes. Geschichtliche Konkretion ist diese Konkretion dadurch, daß sie in einer durchgehenden, doch gegliederten Geschichte „vom Protevangelium bis zum Herrentage“218 steht, wie es Kählers Verständnis von Geschichtlichkeit besagt. Geschichtliche Konkretion von Zukunftshoffnung heißt demnach für Kähler formal gesprochen, die geschichtlichen Lebensumstände, unter denen sich christliche Hoffnung artikuliert, auf die ewige Zukunft des kommenden Gottes zu beziehen. Geschichte ist also für Kähler ein Relationsbegriff, nämlich in Relation zum Übergeschichtlichen stehend. Dieser relationale Geschichtsbegriff ist zu unterscheiden von einem relativistischen Geschichtsbegriff, den H.-G. Link bei Kähler ausgemacht hat. 215 Dieser Frage nach der Erfahrung des Glaubens widmet sich für Kähler v.a. die Dissertation von MENCKE (2001). 216 S. Kap. I.1, hier S. 19f., v.a. bei Anm. 25. 217 S. bei S. 168 Anm. 155 bzw. S. 174 Anm. 175. 218 Martin KÄHLER, Das schriftgemäße Bekenntnis zum Geiste Christi [1884], in: ders., Angewandte Dogmen (Dogmatische Zeitfragen. Alte und neue Ausführungen zur Wissenschaft der christlichen Lehre, 2. Aufl., Bd. II), Leipzig 1908, 193–233, 222.

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Demnach führt Kählers Einspruch gegen das idealistische Denken zu einem „wahrhaft geschichtlichen Denken“, dessen Merkmal es ist, daß es gerade die Bruchstücke und Widerständigkeiten geschichtlichen Lebens „positiv aufgreift und zu einer Theologie der vollzogenen, verkündigten und verheißenen Versöhnung verarbeitet“, wie Link zu Kählers Verteidigung des historischen Jesus gegen A. v. Harnack bemerkt.219 Das Spannungsfeld dieser beiden Verständnisse von Gestaltwerdung der Hoffnung hat Ignaz Maybaum, der später besonders zur Shoa eine jüdische Stimme erhob, 1928 in einem kurzen, doch vielschichtigen Aufsatz durch die Gegenüberstellung von geschichtlichem und eschatologischem Messianismus deutlich gemacht. Beide Gestalten haben demnach lebensweltliche Auswirkungen, der geschichtliche Messianismus eher durch „praktische Forderung“, der eschatologische dagegen als „Appell an das Wunder“, das, „wenn es einmal geschehen ist, den Rahmen der Geschichte gesprengt hat“. Maybaum selbst plädiert für eine Verbindung beider, d.h. der eschatologische Messianismus „gehört in das Gotteshaus“, wird aber in „die Welt hinaustretend“ zum geschichtlichen Messianismus.220 In dieser Terminologie wird der Abstand Links zu Kähler sichtbar: Links Konzeption erscheint als Versuch, die Sprengkraft des eschatologischen Messianismus in den geschichtlichen herüberzuziehen, während Kähler bestrebt ist, den geschichtlichen Messianismus in die religiöse Dimension des eschatologischen aufzunehmen. In jedem Falle erweist sich so der Messianismus als vielschichtiger, denn seine schematische Wahrnehmung als Paradigma der tätigen sozialen Gestaltung von Zukunft erwarten läßt. Nicht nur das Geschichtsverständnis, in dessen Tradition Link steht, kann sich messianisch nennen, sondern auch Kählers eschatologisches Konzept hat deutliche Verbindungen zu Gestalten von jüdischem Messianismus,221 weswegen es im vorliegenden Kapitel als messianisch-soterologische Eschatologie überschrieben wurde. Somit nötigt Kählers Verständnis geschichtlicher Konkretion der Eschatologie dazu, das Konzept des Messianismus in einem umfassenderen Sinne zu verstehen. 219 Zitate LINK (1975) 397. Links gesamte Kählerinterpretation fußt auf der Unterscheidung einer ersten idealistischen Etappe, in der Kähler bei der Zuordnung von Glaube und Geschichte dem Totalvermittlungsanspruch des Hegel'schen Idealismus erlegen sei, von einer späten christologischen, in der die Zuwendung des Glaubens zum positiv Geschichtlichen angebahnt werde. Dazwischen liege eine Übergangsphase, in der Kähler Geschichte und Glauben schroff getrennt habe. Link folgt hier, wie SCHMID (1978) 449f. richtig angemerkt hat, dem Geschichtsverständnis seines Lehrers J. Moltmann. 220 Zitate MAYBAUM (1928) 111.112.113.113.113. 221 S. S. 20 Anm. 25 zu G. Scholems Verständnis der religiösen Dimension von Messianismus. Kählers Messianismus zielt so auch auf eine Überwindung von Cohens Alternative von Eschatologie und Messianismus (s. Kap. I.3, hier S. 34).

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Dann aber ist das Problem geschichtlicher Gestaltwerdung ein Thema, das für die Eschatologie im Gespräch mit dem Judentum wichtig ist. 3. Das Problem metaphorischer Rede. Der vorige Punkt wies auf ein Problem hin, das die Interpretation Kählers nicht unwesentlich erschwert: Kähler gebraucht Begriffe in einem sehr speziellen – für die vorliegenden Beispiele könnte man sagen: eschatologischen – Sinne, der quer zur Begriffsgeschichte liegt. Dies gilt nicht nur für sein Verständnis von Geschichtlichkeit, sondern auch für das der Konkretion. Dieser Terminus tauchte in seinen eschatologischen Schriften zwar nicht an prominenter Stelle auf, wohl aber hat die deutsche Übersetzung des lateinischen Wortes als „Zusammenwachsen“ herausragende Bedeutung.222 Die Sichtung von Kählers Gebrauch der Wahrnehmungsschemata ergab ja, daß er für zentrale Gedanken seines Eschatologiekonzepts Metaphern heranzieht, die Naturwüchsigkeit suggerieren, um sie dann gegen den Strich zu bürsten. Der Gebrauch von Bildern in der Eschatologie wäre im Sinne von Kählers Konzept also keinesfalls der Beliebigkeit überlassen und auch nicht auf die Aufgabe zu beschränken, einen feststehenden theoretischen Gehalt nachträglich plastisch werden zu lassen. Vielmehr ist die Frage des eschatologischen Bildgebrauchs eine direkte Fortführung der Frage nach der konkreten Gestalt, welche die Zukunftshoffnung in der geschichtlichen Lebenswelt findet. Kähler behandelt daher auch diese Frage in Entsprechung zu seinem ganzen Eschatologiekonzept, und sie ist denn auch einschlägig für die eschatologische Wahrnehmung des Judentums, denn an ihr hängt in besonderem Maße der Umgang mit den alttestamentlichen und frühjüdischen Traditionsmaterialien, die in die christliche Eschatologie Eingang fanden. Kählers eigener Gebrauch eschatologischer Metaphern ist zudem ebenso geprägt vom Umgang mit den biblischen Texten.223 Das Problem der Metaphorik bündelt sich somit in der Frage, welche Bedeutung die Bibel für die Eschatologie hat, und zwar gerade auch eingedenk dessen, daß der für diese Metaphorik einschlägigere, alttestamentliche Teil der Bibel auch von Juden als religiös autoritativer Text gelesen wird. Mit diesen drei Themen ist Kählers Konzeption in problemgeschichtlicher Hinsicht sehr ergiebig für eine christliche Eschatologie im Gespräch mit dem Judentum. Aber auch auf die Eschatologiegeschichte im engeren Sinne fällt durch dieses Verständnis von Kählers Ausführungen ein anderes Licht:

222 S. Kap. IV.1.2, hier S. 168–174 und bei S. 168 Anm. 152. 223 S. S. 182 Anm. 204.

IV. Martin Kählers messianisch-soterologische Eschatologie

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Exkurs 6: Theologiegeschichtliche Kontexte von Kählers Eschatologie 1. Kählers Rezeption durch die Kerygmatheologie. Die vorstehende Analyse erwies den Gedanken des Übergeschichtlichen als zentral für Kählers Eschatologie. Im Konzept des Übergeschichtlichen ist die Verbindung von Geschichte und Eschatologie, die geschichtliche Dimension der Eschatologie auf den Begriff gebracht; man könnte zuspitzend sagen, daß Übergeschichtliches und Eschatologisches für Kähler Wechselbegriffe sind. Sie sind es jedoch nicht in dem Sinne, wie ab 1953 im Streit der Bultmannschule um den „historischen Jesus“ Kählers Konzept des Übergeschichtlichen als eschatologisch reklamiert wurde.224 In diesem Streit bemühten die Kombattanten Kählers 1892 gedruckten Vortrag über den historischen Jesus als Beleg für die Trennung von empirischer Historie und kerygmatischer Geschichte. Als Mittelbegriff wurde dabei das Kerygma herangezogen. Dies schien berechtigt aufgrund einer Passage des Vortrags, die Jesu Geschichtlichkeit erklärt mit „seiner bleibenden Fortwirkung“, die „der Glaube seiner Jünger“ ist, so daß Kähler zu der These gelangt: „der wirkliche Christus ist der gepredigte Christus“.225 Wenn nun H. Leipold „das Übergeschichtliche oder Eschatologische“ bei Kähler unter diesen Voraussetzungen synonym findet, läßt er dessen Konzept des Übergeschichtlichen kongruieren mit dem Begriff des Eschatologischen bei Bultmann – nicht bei Kähler selbst.226 Denn was Kähler selbst das Eschatologische nennt, deckt sich nicht mit dem, was Bultmann als Kerygma kennt. Kerygma bedeutet für Bultmann, daß das Existential in die Existenz hineinragt, indem eine allgemeine Existenzmöglichkeit als die eigene ergriffen wird. Eine solche Möglichkeitsstruktur ist aber genau das, was Kähler als Untergeschichtliches definiert, während Eschatologie für ihn das Hineinragen des Übergeschichtlichen ins Geschichtliche bezeichnet.227 Komplementär dazu verhält sich H.-G. Links Interpretation von Kähler, die in dessen Vortrag von 1892 hinter dem Konzept des Übergeschichtlichen zeitlos gültige Ideen vermutet. Auch solche zählen für Kähler ja nicht zum Übergeschichtlichen, freilich auch nicht zum Untergeschichtlichen, sondern zum Ungeschichtlichen.228 224 Der Streit wurde 1951 durch E. Käsemann in der „Zeitschrift für Theologie und Kirche“ ausgelöst. 1953 und erweitert 1956 gab E. Wolf Kählers Schrift über den „historischen Jesus“ neu heraus. 225 Zitate aus dem Vortrag: KÄHLER (1892) 37.39.44 (alle Hervorhebungen aufgehoben). 226 Zitat LEIPOLD (1962) 161, der a.a.O. 139 ausdrücklich Bultmann heranzieht, nachdem er a.a.O. 132f. für Kähler Eschatologie und Kerygma ineinander übergehen läßt. 227 Z.B. Rudolf BULTMANN, Das Problem der Hermeneutik [1950], in: ders., GuV II, Tübingen 51968, 211–235, hier 221.228.230. Dagegen KÄHLER (1905) 12f. (§ 12α). 228 Vgl. LINK (1975) 250, der die kerygmatheologische Kählerdeutung überwinden will, sie für den Vortrag von 1892 aber übernimmt, da er diesen a.a.O. 267 für einen „theologischen Betriebsunfall“ hält, mit dem Kähler „mehr die Probleme seiner eigenen theologischen Vergangenheit“ (a.a.O. 264 Anm. 409) aufarbeite. Link beharrt so darauf, das (erstmals von ihm gesichtete) historische Material zu Kähler rein biographisch anstatt zur theologiegeschichtlichen Situierung zu

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Zweiter Teil

Das Problem der ganzen Kählerrezeption in der Auseinandersetzung mit Bultmann229 ist also, daß zwischen Geschichtlichem und Übergeschichtlichem nicht hinreichend unterschieden und damit auch der spezifische Zusammenhang beider nicht getroffen wird, der sich uns gerade als die Pointe von Kählers Eschatologie erwies. Damit aber verliert die eschatologiegeschichtliche Behauptung einer Magistrale von J. Weiß' und A. Schweitzers Wiederentdeckung der Eschatologie über Kählers „Historischen Jesus“ zum dialektisch-theologischen Aufschwung der Eschatologie am Beginn des 20. Jh.230 eine wichtige Stütze. Es fragt sich, wie es im Lichte der hier vorgelegten Kähleranalyse um die andere Stütze steht, die Konsequente Eschatologie: 2. Zur Wahrnehmung des Judentums in der Konsequenten Eschatologie. Ein wichtiges Charakteristikum von Kählers Eschatologie ist nach den vorstehenden Analysen sein Verständnis von Metaphorik, das ihm eine Rezeption des alttestamentlichen Kolorits von Eschatologie, ihrer Vorstellungen und Bilder erlaubt, ohne den Kurzschlüssen der Heilsgeschichtlichen Theologie aufzusitzen. Dies legt den Vergleich mit der sog. Konsequenten Eschatologie nahe, die ebenfalls die Bedeutung der antikjüdischen Vorstellungswelt hervorhebt. Daß Jesu Verkündigung eins mit der sog. Naherwartung, der apokalyptischen Erwartung des zeitgenössischen Judentums von Gottes baldiger Beendigung des Weltlaufs, ist: diese Erkenntnis sichert Johannes Weiß und, ihm folgend, ALBERT SCHWEITZER ihren bleibenden Platz in der Eschatologiegeschichte. Dabei betont Schweitzer, daß die jüdische Form der neutestamentlichen Eschatologie nicht von ihrem Inhalt zu trennen sei: „Es ist der Geschichte nicht gegeben, das Bleibende und Ewige des Wesens Jesu von den geschichtlichen Formen, in denen es sich ausgewirkt hat, abzulösen und es als etwas lebendig Wirkendes in unsere Welt hineinzustellen. Sie hat sich vergebens mit diesem Beginnen abgemüht. Wie eine Wasserpflanze, solang sie auf dem Wasser treibt, schön blühet, aber abgerissen von ihrem Grunde alsbald welk und unkenntlich wird: so der historische Jesus, den man von dem Boden der Eschatologie loslöst und historisch als zeitlose Größe begreifen will.“ Und sein Schüler in zweiter Generation, FRITZ BURI, erklärt bündig: „Das neue Testament weiß nichts von einer Unterscheidung von Form und Inhalt, sondern die Naherwartung in ihrer endgeschichtlichen Form bildet den Inhalt des neuen Testaments.“231 Dennoch zieht die Konsequente Eschatologie aus dieser exegetischen Einsicht die dogmatische Konsequenz, für eine gegenwärtige Esverwenden. Auch die Forderung nach einem kritischen Vergleich der zwei Auflagen des Vortrags (a.a.O. 266f. mit Anm. 424.427) erhebt Link v.a. aus biographischem Interesse. 229 Es verdient Beachtung, daß Bultmann selbst, jedenfalls in seinen gedruckten Texten, Kählers Vortrag niemals für die Trennung von Geschichte und Historie herangezogen hat, sondern nur für vorweggenommene formgeschichtliche Erkenntnisse. Dies gilt neben der beiläufigen Bezugnahme in BULTMANN: GuV IV,33 auch für die vielzitierte Stelle DERS., Geschichte der synoptischen Tradition [21931], hg.v. Gerd Theißen, Göttingen 101995, 6 Anm. 2, da hier Stücke aus der 1896 erweiterten Buchausgabe von Kählers Vortrag zitiert werden, die nicht zum Vortrag selbst gehören. 230 So nach dem Vorgang Bultmanns im Vorwort zu WEISS [1892] (1964) V z.B. die große Untersuchung von HJELDE (1987) 233.345f. zu Weiß und Schweitzer und jüngst wieder ROSENAU (1999) 1568. 231 Zitate SCHWEITZER (1906) 399; BURI (1935) 137.

IV. Martin Kählers messianisch-soterologische Eschatologie

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chatologie nun doch den Inhalt von der Form zu trennen: „Unser Verhältnis zum historischen Jesus muß zugleich ein wahrhaftiges und ein freies sein. Wir geben der Geschichte ihr Recht und machen uns von seinem Vorstellungsmaterial frei“ – so Schweitzer. Und Buri: „Nur durch die Unterscheidung von Inhalt und Form, von ethischem Willen und zeitgeschichtlich bedingtem Ausdruck desselben kann das tragische Verhängnis der neutestamentlichen Eschatologie erkannt und ihr damit ihre wahre Bedeutung zurückgegeben werden.“ Die abzustreifende Form ist dabei die „spätjüdisch-eschatologische Apokalyptik“.232 Die Konsequente Eschatologie bietet somit trotz ihrer scheinbaren Nähe zu Kähler ein Musterbeispiel für diejenige Metaphorik, die dieser überwinden will: die Metaphorik von Form und Inhalt, Schale und Kern, Bild und Sache, welche die beiden Momente auf Judentum bzw. Christentum verteilt und so die jüdische Theologie für das christliche Denkgebäude zu einem nach Bauschluß abbruchreifen Gerüst macht.233 Dieses janusköpfige Gesicht der Konsequenten Eschatologie erklärt sich so, daß sie die Naherwartung Jesu durch das Ausbleiben des erwarteten Weltendes für widerlegt hält und damit eben wegen der Zusammengehörigkeit von Inhalt und Form auch die ganze jüdische Zukunftserwartung. Die Konsequente Eschatologie heißt aber gerade danach, daß sie die Konsequenz besitzt, ihren Irrtum bezüglich der Naherwartung durch Retraktion zu quittieren; Konsequente Eschatologie bedeutet deswegen mit Schweitzers typischem Stichwort konsequente – „Enteschatologisierung“, die Jesu Erwartung aufgibt, aber den Geist Jesu in der Sprache der modernen Neuzeit festhält.234 Der entscheidende Unterschied zu Kähler besteht also im Verständnis der Parusie Christi. Während der Kern von Kählers Eschatologie, die Umkehr des liberalen Progreßgedankens, gerade an der Angel des „Grunddogmas“ Parusieverheißung hängt, die alle Zeit an das Konzept der Ewigkeit rückbindet, gründet für die Konsequente Eschatologie Zeit in der Parusieverzögerung, also darin, daß die Parusieverheißung sich nicht erfüllt.

Das Ergebnis des vorstehenden Exkurses ist, daß Kählers Eschatologie weder mit der Kerygmatheologie Bultmanns noch mit der Konsequenten Eschatologie Schweitzers die immer wieder behauptete Magistrale bildet, auf der sich der eschatologische Diskurs fortbewegt. Es scheint daher plausibel, 232 Zitate SCHWEITZER (1913) 640; BURI (1935) 163.161. 233 KÄHLER [1911] 7–9 wendet sich in einer sog. Expauke gegen die Konsequente Eschatologie, „eine Tatsache unserer Gegenwart“ (a.a.O. 7), und a.a.O. 14 gegen die Trennung von Bild und Sache. Diese Trennung übersieht KICKEL (1992) 158–162, der Schweitzers Jesusbild dem der neueren jüdischen Forschung ähnlich findet. 234 Zitat SCHWEITZER (1913) 282. Auf die Differenzierung zwischen Jesus und dem Geist Jesu macht HOLMSTRÖM (1936) 93f. aufmerksam. BURIS Protest gegen die Enteschatologisierung (DERS. [1935] 147–158) wird neutralisiert, wenn er die „spätjüdisch-eschatologische Apokalyptik“ (a.a.O. 161) als Form vom Inhalt abstreift. Dasselbe intendiert der Schweitzeradept J. RICHTER (1956) 31, für den „ein verborgener tieferer Sinn“ in den Bildern der jüdischen Apokalyptik schlummert.

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Kählers Eschatologie in eine andere Tradition, nämlich die der Heilsgeschichtlichen Theologie zu stellen, jedoch als deren kritische Weiterführung. Die Verschiebung vom Schlagwort „Heilsgeschichte“ zum Terminus „Ökonomie“, die Modifikation des Begriffspaares von Person und Natur zur Betonung der Personalität (Soterologie) sind nur einige Anzeichen dafür. Im ganzen bleibt Kähler aber dem großen Anliegen der Eschatologie der Heilsgeschichtlichen Theologie treu, nämlich entgegen Schleiermachers Dilemma den Zusammenhang von Geschichte und Eschatologie theologisch plausibel zu machen. Die Eschatologietradition nach Kähler, in der ersten Hälfte des 20. Jh., hat das Verhältnis von Geschichte und Eschatologie ebenfalls in den Mittelpunkt gerückt. Es wurde aber hier, nicht zuletzt unter dem Eindruck des Abbruchs der geistesgeschichtlichen Tradition nach dem ersten Weltkrieg, als äußerst angespannt aufgefaßt. Wir wenden uns damit dem vielleicht am lebhaftesten verhandelten Diskussionszusammenhang dieser Debatte zu.

V. Die antiapokalyptische Eschatologie von Paul Althaus

Das „eschatologische Bureau“, welches E. Troeltsch im 19. Jh. „geschlossen“ vorgefunden hatte, macht zufolge H.U. v. Balthasar „seit der Jahrhundertwende Überstunden“.1 Dabei läßt sich für die systematische Eschatologie des Protestantismus die Jahrhundertwende auf 1922 datieren. Denn in diesem Jahr erscheint nicht nur die zweite Bearbeitung von K. Barths „Römerbrief“, die mit noch vierzehn Nachdrucken bis zum Ende des Jahrhunderts ein selbst für den Autor verdächtiger Erfolg wird,2 sondern auch das Buch „Die letzten Dinge“ von PAUL ALTHAUS, das im selben Zeitraum zehn Auflagen erlebt.3 Trotz ihrer gemeinsamen Auflagenstärke unterscheiden sich die beiden eschatologischen Hauptwerke von 1922 aber auch schon in ihrer äußeren Werdens- und Wirkungsgeschichte: Barth ersetzt die Erstauflage des „Römerbriefes“ von 1919 durch eine Zweitfassung, in der gegenüber der ersten „kein Stein auf dem andern geblieben“4 war, und läßt diese neue Version dann wie einen erratischen Block unverändert in den acht Nachdrucken zu seinen Lebzeiten stehen, er beschränkt 1 Zitate Ernst TROELTSCH, Dogmatik [Vorlesung WS 1911/12], München/Leipzig 1925, 36; Hans Urs V. BALTHASAR, Eschatologie, in: Fragen der Theologie heute, hg.v. Johannes Feiner/Josef Trütsch/Franz Böckle, Einsiedeln/Zürich/Köln 1957, 403–421, 403. 2 BARTH beginnt das Vorwort zur fünften Auflage 1926 mit dem Satz: „Der fortgesetzte literarische und sachliche ‚Erfolg‘ dieses Buches gibt mir, dem Verfasser, zu denken“ (DERS. [1922] [1999] XXXIII). H. Stoevesandt weist a.a.O. III darauf hin, daß die Auslieferung des Buches freilich schon im Dezember 1921 begann. 3 Die ersten drei Auflagen erschienen mit dem Untertitel „Entwurf einer christlichen Eschatologie“ als Band 9 der von C. Stange, einem der Antipoden von Althaus' Eschatologie, herausgegebenen Studien des Apologetischen Seminars in Wernigerode. Die Erstauflage ging auf eine Rostocker Lehrveranstaltung vom Sommer 1921 zurück, deren Ergebnisse Althaus im Herbst des Jahres dem Wernigeroder Seminar vorgetragen hatte (ALTHAUS [1922] 9 Anm. 1). Bereits 1924, bei Erscheinen der Zweitauflage (Nachdruck der ersten), war Althaus mit der durchgehenden Überarbeitung befaßt, die 1926 als dritte Auflage erschien (DERS. [1926] VII). Diese heute vergessene Auflage löste die größte Diskussion aus, so daß Althaus schon für 1928 eine völlige Neuschrift plante (MEISER [1993] 72 Anm. 124), die freilich erst 1933 und jetzt ohne den Untertitel erschien. Diese grundsätzliche Letztgestalt erfuhr noch Veränderungen, als für die folgenden, nunmehr selbständigen Auflagen 1949 der Druck von Fraktur auf Antiqua umgestellt wurde (ich gebe daher bei Zitaten aus der 4. Auflage die Seitenzahlen auch der letzten zu Althaus' Lebzeiten erschienenen [8.] Auflage in eckigen Klammern mit an); jetzt erst trägt das Werk den Untertitel „Lehrbuch der Eschatologie“. 4 BARTH im September 1921 im Vorwort zur zweiten Auflage: DERS. [1922] (1999) XII.

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Zweiter Teil

sich auf Neueinschätzungen aus seiner jeweiligen späteren Perspektive, die er bis 1928 in neuen Vorworten niederlegt. Althaus dagegen versteht schon seine Neubearbeitung von 1926 nicht als Widerruf, sondern Weiterführung und Straffung5 des ersten Entwurfs, und selbst nach der nochmaligen Neuschrift beruft er sich 1949 gerade für eine der am meisten durch die Kritik gegangenen Passagen auf die Kohärenz seines Buches seit 1922. Andererseits weist er noch bis 1961 detailliert auf Änderungen seiner Position hin.6 Beide Autoren haben, bildlich zu reden, dem eschatologischen Stoff ein scharf geprägtes Profil eingemeißelt. Doch idealtypisch gesprochen erscheint der Barth von 1922 wie ein v. Hase'scher Aerolith, schroff abgehoben von den Gedanken des Jahres 1919 und in Gestalt der zahlreichen Nachdrucke ungerührt von Barths späterer Entwicklung. Dagegen erinnert Althaus' Eschatologie an einen Monolith, aus dem erst allmählich das charakteristische Profil herausgehauen wird.

1. Analyse Die Art und Weise, wie Althaus in intensiver Auseinandersetzung mit den verschiedensten Gesprächspartnern erst allmählich seine theologische Position bezieht, legt nahe, die Untersuchung seiner Eschatologie als Vergleich der maßgeblichen Auflagen seines eschatologischen Hauptwerkes anzulegen. Im Sinne einer problemgeschichtlichen Vorgehensweise7 ist damit freilich keine theologische Biographie angestrebt, sondern die Herausarbeitung charakteristischer argumentativer Konstellationen und der ihnen gemeinsamen Problemstellungen. 1.1. Eschatologie der Ewigkeit als Jenseits der Geschichte 1. Der systematische Aufriß. Einen ersten orientierenden Aufschluß über die verschiedenen Auflagen der Althaus'schen Eschatologie geben ihre Aufrisse. Die erste bis dritte Auflage haben denselben Aufriß in fünf Kapiteln, der ab der vierten auf acht wesentlich ausgeweitet wird. Doch in allen Auflagen stellt Althaus nach der knappen Einleitung eine „Grundlegung“ voran, der 5 So ALTHAUS (1926) VIII bzw. IX gerade zu dem gegenüber 1922 am stärksten veränderten Kap. III. 6 ALTHAUS (1949) XII zur Wirklichkeit des Endgerichts bzw. DERS. (1961) XIII. 7 S. bei S. 20 Anm. 26.

V. Die antiapokalyptische Eschatologie von Paul Althaus

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ein das Buch abschließender Teil korrespondiert, 1922 und 1926 „Ausbau“, 1933 „Entfaltung“ genannt.8 Die Grundlegung umfaßt 1922 und 1926 zwei Kapitel (I.II), die die Eschatologie einmal religionsphilosophisch und einmal theologisch-dogmatisch begründen; 1933 ist diese Zweiteilung formal erhalten geblieben, aber ein drittes Kapitel über die Methode der Eschatologie hinzugefügt. Der abschließende Teil umfaßt 1922 und 1926 zwei Kapitel (IV.V) zu den Lehrstücken Gericht und Ewigkeit. Sie werden 1933 beide übernommen, doch während das Ewigkeitskapitel als Kap. VIII seine Schlußposition behält, wird davon das Kapitel über das Gericht (V) nach einem neuen über den Tod (IV) durch zwei weitere zum „Kommen des Reiches“ und zur endgeschichtlichen Eschatologie (VI.VII) getrennt. Diese beiden eingeschobenen Kapitel behandeln den Stoff des Kap. III von 1922 und 1926, das zwischen Grundlegung und Ausbau als „Abgrenzung“ „aller endgeschichtlichen Eschatologie“ einen eigenen, dritten Abschnitt bildete. Als solcher ist er 1933 nicht mehr vorhanden. Durch alle Auflagen bleibt also die Konstellation von zwei voranstehenden, begründenden und einem letzten, die Ewigkeit behandelnden Kapitel erhalten, und diese zunächst rein formale Beobachtung gewinnt an sachlichem Interesse, wenn man den Inhalt der fraglichen Kapitel heranzieht, wenn man also Althaus' Begründung der Eschatologie (Grundlegungskapitel) in ihrem Verhältnis zum Ewigkeitsbegriff (Schlußkapitel) näher ins Auge faßt. 2. Axiologie und Teleologie. Sowohl die religionsphilosophische als auch die dogmatische Begründung von Eschatologie vollzieht Althaus 1922 und 1926 in der Doppelgestalt zweier „Grundformen“9 von Eschatologie als „axiologisch“ bzw. „teleologisch“. Bei beiden Formen handelt es sich um die gedankliche Ausbildung von Zukunftserwartung, die durch religiöse Erfahrung oder metaphysische Besinnung notwendig gemacht wird. Den sachlichen Gehalt solcher durch denkerische Notwendigkeit gewissen Zukunft nennt Althaus „letzte Dinge“ oder „das Ewige“.10 Althaus versteht unter Eschatologie also die denknotwendige Beziehung von Religion oder Metaphysik auf das Ewige und unterscheidet zwei Weisen der Bezugnahme je nach Art dessen, was auf das Ewige bezogen wird: Axiologische Eschatologie bezieht einen unbedingten sittlichen, d.h. normhaften, Wert auf das Ewige, indem sie seine Unbedingtheit erkennt als Gegensatz der Zeit, 8 ALTHAUS (1949) bringt diese kapitelübergreifende Gliederung nicht im Inhaltsverzeichnis, sondern im Text a.a.O. 6 bzw. 83 an. 9 DERS. (1922) 16 = DERS. (1926) 14. 10 DERS. (1922) 16 = DERS. (1926) 14 gebraucht beide Ausdrücke synonym.

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die der „Ort des Bedingten“ ist, und somit als ewig.11 Teleologische Eschatologie dagegen bezieht die Geschichte, verstanden als Stätte personalen Tuns und seiner Bestrebungen, auf das Ewige, welches ihr ein Ziel setzt, das sie erreichen oder verfehlen kann.12 In der axiologischen Eschatologie tritt also gewissermaßen die Ewigkeit in die Zeit, in der teleologischen streckt sich die Zeit in die Ewigkeit aus. Axiologische Eschatologie ist daher Gegenwart des Ewigen, teleologische aber Zukunft des Ewigen. Im Falle des Christentums wird axiologische Eschatologie durch die Endgültigkeit von Gericht und Heil begründet, teleologische dagegen durch die Spannungen, in denen der Christ zwischen Versöhnung und Erlösung steht und die nach einer Auflösung rufen.13 Zugleich stehen so Axiologie und Teleologie selbst in Spannung zueinander. Axiologie und Teleologie können nur dann als Begründung der Eschatologie fungieren, wenn sie nicht bloß zwei beliebig unter vielen herausgegriffene Formen sind, sondern zusammen die Eschatologie vollständig beschreiben.14 Deswegen betrachtet Althaus sie nicht nur einzeln, sondern sodann auch in ihrem Verhältnis zueinander, in welchem sie „sich innigst zusammenschließen“.15 Sachlich besteht dieser Zusammenschluß in dem Konzept der Unsterblichkeit oder der persönlichen Fortdauer, was Althaus freilich erst 1926 ausdrücklich betont.16 Für die teleologische Eschatologie, in der sich die Zeit in die Ewigkeit ausstreckt, liegt der Zusammenhang mit der persönlichen Fortdauer auf der Hand;17 für die axiologische, in der umgekehrt die Ewigkeit selbst schon in die Zeit eintritt, ergibt er sich erst in zweiter Linie: Die ewige Unbedingtheit des sittlichen Wertes ist so umfassend, daß sie zuletzt auch die Fortdauer einschließen muß.18 Wenn somit 11 DERS. (1922) 16f. (Zitat 17) = DERS. (1926) 14f. (Zitat 15). 12 DERS. (1922) 21 = DERS. (1926) 20: Die Zeit wird „zur Geschichte [1926 gesperrt], zur Bewegung auf ein Ziel hin“. 13 Grundsätzlich DERS. (1922) 33 = DERS. (1926) 28: „Auch hier [sc. in der christlichen Eschatologie] sind die beiden Wurzeln [1926: Formen], der axiologische und der teleologische [1926 kursiv] Gedankenkreis, festzustellen und zunächst gesondert zu untersuchen.“ Im einzelnen dann DERS. (1922) 33–38 par. DERS. (1926) 28–35 (Axiologie) bzw. DERS. (1922) 39–58 par. DERS. (1926) 36–68 (Teleologie). 14 Das betont besonders der Schluß von Kap. II über Axiologie und Teleologie in der christlichen Eschatologie: DERS. (1922) 58–63 par. DERS. (1926) 69–76. 15 DERS. (1922) 26 = DERS. (1926) 25. 16 DERS. (1926) 25 bemerkt, „daß sowohl der axiologische wie der teleologische Gedanke letzter Dinge auf einen ernsthaften und edlen Glauben an das persönliche Fortleben führen“. 17 DERS. (1922) 24 = DERS. (1926) 22 leitet dies ab aus der „Gewißheit, ganz persönlich von Gott gewollt und erzogen zu werden“. 18 DERS. (1922) 20 par. DERS. (1926) 18: „Ja, diese Gewißheit, von dem Ewigen erfaßt und auf letzte Dinge bezogen zu sein, kann [1926: auf den Anfangsstufen des Gottesglaubens] mit dem

V. Die antiapokalyptische Eschatologie von Paul Althaus

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Axiologie und Teleologie im Gedanken der Unsterblichkeit oder persönlichen Fortdauer zusammengeschlossen sind, dann ist der denknotwendige Ewigkeitsbezug, der Althaus' religionsphilosophische Begründung von Eschatologie trägt, immer auch ein Zukunftsbezug. Zugleich kann Althaus umgekehrt die traditionell als zukünftig verstandenen „letzten“ Dinge sinngleich als „Ewiges“, das in die Zeit einbricht, begreifen. Das Gespann von Axiologie und Teleologie (Grundlegungskapitel) zielt also auf den Ewigkeitsbegriff (Schlußkapitel), und so gibt der formale Aufriß auch das innere Bauprinzip, die ganze Statik von Althaus' Entwurf ab. Beredten Ausdruck für die Korrespondenz zwischen der Begründung der Eschatologie und dem Ewigkeitskonzept legt eine Passage des ersten Kapitels ab, in der Althaus den Ewigkeitsbegriff einführt und dabei die Lösung für das sog. „Formproblem der Ewigkeit“19 im Schlußkapitel vorwegnimmt: Dieser Begriff der Ewigkeit hat also mit dem naiven der endlosen Dauer in der Zeit (Gegensatz: die Begrenztheit in der Zeit) und mit dem erkenntnistheoretischen der Zeitlosigkeit (Gegensatz: die Zeitform überhaupt) nichts zu tun. Sein Gegensatz ist die Zeit als Ort des Bedingten.

Damit vergleiche man die Sätze im Schlußkapitel: Daher ist der philosophische Begriff der Ewigkeit als des veränderungslosen, still in sich ruhenden Seins – wir können ihn den eleatischen nennen –, so viel anspruchsvoller er auch auftritt, ebenso unbrauchbar wie die naive Vorstellung der Ewigkeit als der endlosen Dauer in der Zeit. […] Die Ewigkeit aber ist das Jenseits der Zeitlichkeit.20 [1926: sich in das Menschheitslos ergebenden] Verzichte auf persönliches Fortleben über den Tod hinaus verknüpft sein. Die alttestamentliche Freude an der Gottesgemeinschaft ist ein ergreifendes Zeugnis davon, allerdings auf ihren herrlichsten Höhepunkten (z.B. Psalm 73) zugleich ein Beweis dafür, daß die Ewigkeitserfahrung, wenn sie als Erschließung von wirklicher persönlicher Gemeinschaft zustande kommt, einmal notwendig weiterdrängt zu der Gewißheit, daß ein solcher Lebensinhalt durch den Tod brechen muß – persönliche Gemeinschaft mit dem von Ewigkeit zu Ewigkeit Lebendigen!“ 19 DERS. (1926) 243 = DERS. (1933) 317 [329]; DERS. (1922) 127 nur: „Formproblem“ (im Original je gesperrt). 20 Für das Gewicht dieser Sätze dürfte schon sprechen, daß Althaus sie durch alle Auflagen fast unverändert beibehalten hat: DERS. (1922) 17 = DERS. (1926) 15 par. DERS. (1933) 19 [20] bzw. DERS. (1922) 129.130 = DERS. (1926) 245.246 par. DERS. (1933) 318.319 [331.332]. Die Abweichungen sind minimal: DERS. (1933) 19 [20] schreibt im Grundlegungskapitel „Dieser idealistische Begriff“ usw., da der Satz hier in einem Anhang über die philosophische Eschatologie steht. A.a.O. 319 [332] finden sich zwei Änderungen: „Ewigkeit als Zeitlosigkeit, als des“ usw. und: „das Jenseits unserer Zeitlichkeit“.

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An der zuletzt zitierten Stelle beschreibt Althaus den Jenseitscharakter der Ewigkeit sodann als Jenseits von Gegensätzen, d.h. die Ewigkeit hebt Polaritäten auf, und zwar im strengen Sinne, d.h. sie hebt die Polarität auf, doch unter Beibehaltung ihrer Pole, indem sie deren Gegensatz als unangemessen erweist.21 Althaus kann für die Ewigkeit daher an der erwähnten Stelle von einem Zugleich von Ruhen und Tun, Sein und Werden reden. In bezug auf den Aufbau des Gesamtkonzepts heißt dies, daß die Ewigkeit die Polarität von Axiologie und Teleologie aufhebt, und deshalb ist sie der Spannung von Axiologie und Teleologie jenseitig. Ewigkeit gibt also für Althaus nicht in einer abschließenden Entscheidung einer der beiden Formen ihrer Erwartung gegen die andere recht, sondern beseitigt das Widersprechende zwischen ihnen. Althaus' gesamte Eschatologie steht somit in dem Spannungsbogen, dessen Pole Anfang und Ende seines Buches beschreiben; den Axiologie und Teleologie eröffnen und den nur die Ewigkeit selber schließt. Die letzten Dinge sind zugleich Ewigkeit in der Zeitlichkeit und Zeitlichkeit, die sich in die Ewigkeit erstreckt.22 Doch dieses ganze axiologischteleologische Doppelkonzept von Eschatologie fußt auf dem Zusammenschluß beider Formen im Unsterblichkeitsgedanken. Er ist daher ein entscheidender Punkt der Althaus'schen Argumentation in der Grundlegung der Eschatologie. 3. Die Frage der Unsterblichkeit als „neutrale“ Eschatologie. Hier ist daher von dem „‚siebenjährigen Krieg‘“23 in der Eschatologie zu reden, den Althaus mit Carl Stange über Luthers Verständnis der Unsterblichkeit geführt hat. Wie Althaus verbindet auch sein Göttinger Kollege mit dieser historischen Frage ein systematisches Interesse; vielmehr für die sog. Lutherrenaissance, zu deren Exponenten Stange als Herausgeber und Hauptautor der programmatischen „Zeitschrift für systematische Theologie“ zählt, besteht die Renaissance auf historischem Gebiet in der Entdekkung eines ganzen systematischen Konzepts, des Verständnisses des Rechtfertigungsglaubens als Gewissensreligion.24 Man sehe daher Stanges Eschatologie: 21 In Anlehnung an SCHRÖER (1960) 35 soll der Ausdruck „Polarität“ hier die theologisch konstruktive, positive Interpretation eines paradoxen Widerstreits andeuten. Den grundsätzlich ebenso verstehbaren Terminus „Dialektik“ beziehe ich hier nur auf theologiegeschichtliche Zusammenhänge, in deren Quellen er vorkommt. 22 Man erkennt in diesem Zugleich den Versuch, Schleiermachers eschatologisches Dilemma von Vergeltung und Entwicklung zu überwinden, den schon Althaus' Großvater August unternommen hatte (s. S. 72 Anm. 114). 23 HOLMSTRÖM (1936) 295 Anm. 2. 24 V.a. durch Karl HOLL, Luther (GAufs. I), Tübingen 2/31923.

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Exkurs 7: Carl Stanges unmittelbar theo-logische Eschatologie Auch für CARL STANGE ist die Ewigkeit der eigentliche Gegenstand der Eschatologie,25 doch denkt er dabei nicht an das Problem von Zeit und Ewigkeit, sondern an eine „bestimmte Qualität des Lebens“, und zwar in Form einer durch nichts aufzuhebenden „inneren Verbundenheit mit Gott“, wie sie Jesu eigen war.26 Stange versteht Ewigkeit also in eminent theo-logischer Weise als innere Gottverbundenheit, oder in eher begrifflicher Sprache: als einen unmittelbaren Gottesbezug. In einem solchen Gottesverhältnis sind das Selbst- und Weltverhältnis bereits unmittelbar enthalten, weswegen Stange betont, daß das ewige Leben nach christlicher Anschauung „schon hier auf Erden“ beginnt.27 Dies richtet sich gegen alle Eschatologumena, die, wie das Millennium und die Vollendung der Mission, eine übergangsweise Vervollständigung des Gottesverhältnisses oder die ein neutrales Gottesverhältnis als Grundlage der Alternative von seligem und unseligem Gottesverhältnis annehmen – für Stange Kennzeichen der jüdischen Apokalyptik.28 Im Unsterblichkeitsstreit lehnt Stange daher gegen Althaus die allgemeine Auferstehung auch der Gottlosen als logische Voraussetzung des Gerichts ab: Die Auferstehung sei als Mitteilung von Leben per se seliger Gottesbezug, und die Gottlosen hätten nicht ein unseliges, sondern gar kein Gottesverhältnis.29 Dementsprechend ist das Gericht für Stange keine Zuteilung von Lohn oder Strafe an ein bestimmtes Gottesverhältnis, sondern unmittelbar mit diesem selbst gegeben im Gewissen als Bewußtwerdung des bestehenden oder des verlorenen und damit gar nicht vorhandenen Gottesverhältnisses.30 Da Stange aber mit der Lutherrenaissance das Gewissen als Ort des Gottesverhältnisses versteht und ein gottloses Gottesverhältnis nicht kennt, geraten beim Gericht über den Gottlosen Gerichts- und Gewissenskonzept in Konflikt. Stange versteht das verwerfende Gericht, weil es im Gewissen (das den Gottesbezug repräsentiert) geschieht, noch als Werbung um Bekehrung31 und damit nicht als verwerfend; endgültig verwerfend kann er es nur denken als Gewissen von einem verlorenen Gewissen (d.h. 25 STANGE (1930) 96f. und das ganze Kap. I als Erörterung von Ewigkeitsverständnissen. 26 Zitate a.a.O. 73.88; vgl. 96 (alle Stellen mit Bezug auf Luther). 27 A.a.O. 156. 28 Gegen den Chiliasmus merkt Stange a.a.O. 227 an, daß er kein Beginn der universellen Vollendung schon auf Erden in Entsprechung zum Beginn der individuellen Vollendung „schon hier auf Erden“ (a.a.O. 156) sei. Die universelle Vollendung fängt vielmehr als individuelle an. Mit diesem Verhältnis von Individual- und Universaleschatologie will Stange „den gesamten Vorstellungskreis“ der Eschatologie abdecken (a.a.O. 109) – also Schleiermachers erste Gestalt des eschatologischen Dilemmas. Von da aus versteht man, warum gerade an den genannten Stellen die jüdische Eschatologie als partikulare Vorstufe der christlich universellen erscheint. 29 A.a.O. 198 nennt Stange dies die „Vollendung ihrer Nichtigkeit“ im Gegensatz zu einer Vernichtung. 30 A.a.O. 154 gegen den „jüdischen Vergeltungsbegriff“. Vgl. DERS. (1932b) 442–446, v.a. a.a.O. 446 zum Gewissen als Ort des Gerichts. 31 A.a.O. 448.

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als Gottesverhältnis des Bewußtseins von einem verlorenen Gottesverhältnis) und damit nicht mehr als im Gewissen bewußtes Gericht, so daß er das endgültig verwerfende Gericht „das unfertige Gericht“ nennen muß.32 Da jedoch Endgültigkeit und Unfertigkeit sich widersprechen, dürfte die strenge Durchführung der Gewissenstheorie hier an Grenzen stoßen.

Stanges Auffassung im Unsterblichkeitsstreit mündet somit in eine Aporie bei der Gerichtslehre. Dieses Problem hat Althaus nicht, da seine Verfechtung einer allgemeinen Auferstehung auch der Gottlosen gerade auf den Gerichtsgedanken zielt, für den sie bloß die logische Voraussetzung bildet, d.h. die Auferstehung selbst ist neutral gegenüber der Alternative von Seligkeit und Unseligkeit. Althaus ist somit, in genauem Gegensatz zu Stanges unmittelbar theologischer Eschatologie, an einer „neutralen“ Eschatologie interessiert, was sich in seiner Würdigung des Unsterblichkeitsgedankens niederschlägt, und dieses Interesse hält er stets gegenüber Stange fest bei allen historischen und terminologischen Zugeständnissen, die er ihm im Laufe der Auseinandersetzung macht.33 Der systematische Ertrag der Unsterblichkeitsdebatte für die Analyse von Althaus' Eschatologie ist also die Frage, in welchem Sinne Althaus eine „neutrale“ Eschatologie anstrebt. Zunächst ist „neutrale“ Eschatologie keine natürliche Eschatologie, sie ist trotz der Zweiteilung von Althaus' Grundlegung zur Eschatologie kein religionsphilosophisches Fundament, auf dem die Theologie den Bau dogmatischer Eschatologie aufführen könnte. So schreibt Althaus zum Verhältnis von neutraler und christlicher Eschatologie: Dieser Unterschied „muß mit dem ganzen schweren Ernste […] betont werden: die Gewißheit des Fortlebens kann […] jedenfalls Heilsungewißheit sein.“34 Und mit ausdrücklichem Bezug auf den Unsterblichkeitsgedanken, den J.G. Fichte im Angesicht des Rheinfalls von Schaffhausen ausspricht: „die Doppelung der Eschatologie in Unsterblichkeit und ewiges Leben, die für uns um der Schuld- und Heilsfrage willen eintritt, liegt ihm [sc. Fichte] fern.“35 M.a.W. die „neutrale“ Eschatologie kann für die christliche nur im Durchgang durch das Gericht, die Schuld- und Heilsfrage, von Bedeutung sein. So hat Althaus es 1933 selbst formuliert: „Das ist das Feuer, in das alle Unsterblichkeitsgedanken hinein müssen. Sie werden darin so, wie sie sind, ver32 A.a.O. 451: „Das Gericht des Gottlosen ist deshalb das unfertige Gericht.“ 33 Zur Zusammenfassung vgl. ALTHAUS (1933) 109 Anm. 2 [114 Anm. 1]. 34 DERS. (1922) 30 = DERS. (1926) 32 trotz einiger Unterschiede in den hier ausgelassenen Stellen; der letzte Halbsatz auch DERS. (1933) 110 [114f.]. 35 DERS. (1922) 32 (Kap. II!) = DERS. (1926) 27 (Kap. I!).

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zehrt. Zwischen die ursprüngliche Bestimmung und ihre Erfüllung tritt der Tod als Gericht, das den ganzen Menschen trifft.“36 Althaus hat damit alle Eschatologie, die religionsphilosophische und auch die christlich-theologische, an den Durchgang durch das Gericht geknüpft. So ergibt sich bei Althaus wie bei Stange das Gerichtsthema als systematischer Kern der Unsterblichkeitsdebatte; speziell für Althaus heißt dies aber, daß der Unsterblichkeitsgedanke, in dem sich axiologische und teleologische Eschatologie zum Ewigkeitskonzept zusammenschließen, diese systematische Tragweite nur unter Voraussetzung der Gerichtslehre hat – unter dieser Voraussetzung aber hat er sie freilich auch wirklich. M.a.W. der Spannungsbogen zwischen Axiologie und Teleologie einerseits sowie der Ewigkeit andererseits, der unseren formalen anfänglichen Beobachtungen zufolge Althaus' Eschatologiebuch umspannt, hat seine Spannung thematisch gesehen daher, daß er den Durchgang durch das Gericht bezeichnet. In der Gerichtslehre bündelt sich also das für Althaus' konzeptuellen Ansatz grundlegende Verhältnis von Diesseits und Jenseits, von Axiologie und Teleologie einerseits sowie der Überwindung ihres Widerspruchs in der Ewigkeit andererseits. Das Gericht wird daher ebenso im Grundlegungsteil bei der Axiologie und Teleologie verbindenden Unsterblichkeitsproblematik thematisch, wie es, v.a. 1922 und 1926, im „Ausbau“ der Eschatologie zusammen mit dem Ewigkeitskonzept herangezogen wird. Althaus kann daher von der Gerichtsproblematik, wie vom Formproblem der Ewigkeit, zugleich aussagen, was für das von der Anschauungsform der Zeit bestimmte Verstandesdenken nur alternativ ausgesagt werden kann, das Miteinander nämlich zweier sich ausschließender Pole, die traditionell als Apokatastasis und doppelter Ausgang bezeichnet werden: „Wir müssen jedes Menschen mit beiden Gedanken gedenken“.37 Ewigkeit als Gericht bedeutet demnach in Anlehnung an ihre bereits genannten paradoxen Bestimmungen auch die Aufhebung des Gegensatzes von Apokatastasis und doppeltem Ausgang. Allerdings scheint solche Aufhebung in diesem Fall weniger zu bedeuten, daß beide Pole miteinander auftreten, als vielmehr, daß die Ewigkeit den Gegensatz der beiden Pole als unangemessen erweist.38 36 DERS. (1933) 104 [109]. 37 DERS. (1922) 119 = DERS. (1926) 214 = DERS. (1933) 188 [195]. Dieser Satz steht in allen Auflagen unverändert und in Hervorhebung, vergleichbar mit den in S. 197 Anm. 20 zitierten Sätzen zur Ewigkeit. 38 Dies scheint mir der Passus zu besagen: „Gewiß kann nur das eine wahr sein. Aber die Entscheidung, welches das wahre ist, steht für unser Denken aus“ (a.a.O. 189 [196]), da hier der Akzent auf „unser Denken“ liegt.

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4. Ewigkeit als Gericht über die Geschichte. Nachdem so geklärt ist, daß die „neutrale“ Eschatologie, auf die Althaus mit seinem Zusammenschluß von Axiologie und Teleologie im Unsterblichkeitsgedanken zielt, im Unterschied zu einer natürlichen Eschatologie durch das Gericht hindurch muß, ist noch zu fragen, welches Phänomen denn mit diesem Neutrum bezeichnet sein soll: Was ist es, das durchs Gericht muß? Hier ist wichtig, daß Althaus die „neutrale“ Eschatologie aus Axiologie und Teleologie herleitet, also aus geschichtsphilosophischen Begriffen, wenn man darunter in einem weiteren Sinne die philosophische Beschäftigung mit dem Problem der Geschichte versteht. Es ist demnach die Geschichte, die als solche eschatologisch „neutral“ ist. Althaus nennt 1922 und 1926 W. Windelbands Wertephilosophie und W. Mundles Religionspsychologie als seine Quellen für den Begriff der Axiologie bzw. Teleologie. Vor allem aber hat Althaus' Terminologie in der evangelischen Eschatologiegeschichte mit E. Troeltschs Lexikonartikel in der ersten Auflage von „Die Religion in Geschichte und Gegenwart“ einen Vorläufer. Althaus nennt ihn 1933 denn auch explizit.39 Die von Troeltsch nachgelassene Fragestellung ist nun ausdrücklich diejenige nach der Geschichte, nämlich „Das Problem des Historismus und seine Überwindung“. Althaus selbst hat einen durchaus weiten Begriff von Geschichte; auch in seiner Eschatologie notiert er, daß darunter das ganze personale „Entscheidungsleben“ des Menschen zu verstehen sei.40 Das darin enthaltene Moment des Personalismus verbindet Althaus mit der Lutherrenaissance; sein Spezifikum stellt dagegen die Betonung des eschatologischen Entscheidungscharakters dar. Dies erklärt, warum Althaus' Eschatologie die Geschichte grundsätzlich als Spannung von Axiologie und Teleologie einführt. Es ist also festzuhalten, daß das mit den Begriffen Axiologie und Teleologie in eschatologischer Hinsicht beschriebene Phänomen die Geschichte ist.41 Es ist also auch dieser Begriff einer spannungsvollen Geschichte, dem Althaus das Ewigkeitskonzept als Jenseits der zeitlichen Gegensätze gegenüberstellt. Damit ergibt sich freilich, daß Althaus' Eschatologie von einer 39 Vgl. DERS. (1922) 17f.; 21 Anm. 2 par. DERS. (1926) 15f.; 20 Anm. 1 für die Berufung auf Windelband bzw. Mundle und DERS. (1933) 18 [18] für die Erwähnung Troeltschs. 40 A.a.O. 244 [253]; vgl. a.a.O. 40 [42]. 41 DERS. (1922) 17 führt die Axiologie sogleich am Gegensatz von Geschichtlichem und Übergeschichtlichem ein (wofür DERS. [1926] 15 freilich von Zeitlichem bzw. Überzeitlichem spricht), und DERS. (1926) 20 definiert die Teleologie so: „Die Zeit wird jetzt zur Geschichte“ (par. DERS. [1922] 21). Ausdrücklich sagt auch DERS. (1933) 8 [8], daß „miteinander die Eschatologie und die theologische Erkenntnis der Geschichte geboren“ werden, und weiter: „Nur von der Eschatologie her ist das Wesen der Geschichte theologisch gültig zu bestimmen“.

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doppelten Spannung gekennzeichnet ist:42 Dies ist zum einen die Spannung von Axiologie und Teleologie, die innerhalb der Geschichte besteht dadurch, daß menschliche Entscheidungen nicht spannungslos nebeneinander herlaufen. Zum anderen steht diese Spannung als ganze, also in der doppelten Gestalt von Axiologie und Teleologie, der Ewigkeit als ihrem Jenseits gegenüber, das die Spannung auflöst. Der Gegensatz von Spannung in diesem zweiten Sinne ist also nicht Spannungslosigkeit, sondern Auflösung der Spannung, so daß man mit einem Bild sagen könnte, die beiden Dimensionen von Spannung stehen zueinander wie die Achsen in einem Koordinatenkreuz.43 Althaus, so läßt sich zusammenfassen, fragt also gerade angesichts der Zweideutigkeit, die der Geschichte als dem Bereich willkürlicher Entscheidungen anhaftet, nach einer eschatologischen Bedeutung der Geschichte und gibt zur Antwort, daß die Geschichte eine Bedeutung für die Ewigkeit hat nur im Durchgang durch das Gericht. Das zunächst formal festgestellte Korrespondenzverhältnis der Grundlegungs- mit dem Schlußkapitel von Althaus' Eschatologie läßt sich also auf die Begriffe der zweidimensionalen Spannung zwischen Axiologie und Teleologie sowie zwischen diesen beiden und der Ewigkeit bringen und zielt auf das Phänomen der ihrem Wesen als Raum der Betätigung menschlicher Sittlichkeit nach zweideutigen Geschichte und der Überwindung dieser Zweideutigkeit. Es geht Althaus bei seiner doppelten Begründung der Eschatologie als „neutral“ und als theologisch also jeweils um dasselbe Problem: um die Ewigkeitsbedeutung des zweideutigen Phänomens Geschichte. 5. Die begrifflichen Gestaltungen von Althaus' Konzept. Die vorstehende Rekonstruktion von Althaus' Eschatologiekonzept geschah mit dem Anspruch, alle Auflagen seines Entwurfs zu erfassen; jedoch haben gerade die Grundlegungskapitel durch die Auflagen hindurch Änderungen erfahren, die sich vor allem im Wechsel der tragenden Begrifflichkeit von Axiologie und Teleologie sowie in der durch die Auseinandersetzung mit Stange veränderten Einschätzung der Unsterblichkeit als dem Zusammenschluß beider niederschlagen. Am ersten Moment hängt das Verständnis von Geschichte, am zweiten ihr Verhältnis zur Ewigkeit. Die hier geleistete Rekonstruktion 42 „Kennzeichnend“ (BEISSER [1993] 175) für Althaus ist daher weder die Spannung seines Eschatologiekonzepts als solche noch eine „Eschatologie der Spannungslösung“ (HOFFMANN [1929] 25; vgl. a.a.O. 43 zu Althaus). 43 Vgl. ALTHAUS (1922) 26f. = DERS. (1926) 25: „Schon im voraus ahnen wir, daß dann das Verhältnis der Geschichte und der letzten Dinge ein dialektisches wird: die letzten Dinge als übergeschichtliche Gegenwartsbeziehung der Geschichte und die letzten Dinge als – irgendwie ‚endgeschichtlicher‘ – Ertrag der Geschichte.“

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des Althaus'schen Konzepts muß sich darum mit diesen beiden Punkten auseinandersetzen. a) Axiologie/Teleologie – Bleiben/Kommen, Glaube/Hoffnung. Althaus spricht 1933 in den Grundlegungskapiteln nicht mehr von Axiologie und Teleologie,44 sondern vom Bleiben und Kommen des Ewigen bzw., synonym dazu, von Eschatologie als Glaube und als Hoffnung auf das Ewige. Seine eigene Behauptung, daß diese neuen Begrifflichkeiten sachlich mit der vorigen kongruent seien, scheint insofern vertrauenswürdig, als Althaus sie bereits 1926 neben dieser gebraucht hatte.45 Ein etwaiger Unterschied könnte allenfalls darin gesehen werden, daß eine philosophische durch eine theologische oder biblische Begründung von Eschatologie abgelöst worden wäre. Diese Alternative verliert allerdings ihre Ausschließlichkeit, wenn es Althaus, wie hier vorgeschlagen, tatsächlich um die theologische Würdigung der philosophisch erfaßbaren Zweideutigkeit der Geschichte geht. In diesem Sinne können jedenfalls die wichtigsten Änderungen der Grundlegungskapitel von 1926 gegenüber der Fassung von 1922 erklärt werden, auch wenn die Entwicklung 1933 wieder ihre eigene Wende genommen hat. So hat Althaus z.B. ab 1926 in Absetzung von der eschatologischen Methode G. Wobbermins die religionspsychologische Dimension der Eschatologie ausdrücklich zurücktreten lassen, um die Zweideutigkeit der Geschichte im Sinne der o.g. Rekonstruktion seines Eschatologiekonzepts klarer herauszustellen. Dazu wird 1926 in der Darlegung der axiologischen Eschatologie ein früherer Abschnitt zum seelischen Niederschlag der charakteristisch axiologischen Doppelheit von Gericht und Heil gestrichen46 und, um ein anderes Beispiel zu nennen, in einer zusammenfassenden Bemerkung zur Doppelheit von Axiologie und Teleologie die auch psychologisch deutbare Rede von einer „Polarität der seelischen Haltung von ‚Erfahren‘ und ‚Hoffen‘“ durch diejenige „von Glaube und Hoffen, Haben und Harren“ ersetzt.47 – 1933 freilich hat Althaus in Auseinandersetzung mit dem Wobberminschüler G. Hoffmann neben einem Akzent auf der zweideutigen 44 Bereits DERS. (1928) 354 verzichtet auf diese Begrifflichkeit. 45 DERS. (1933) 18.53 [18.56] behauptet für die Begriffspaare Bleiben/Kommen bzw. Glaube/Hoffnung Gleichsinnigkeit mit Axiologie/Teleologie; vgl. DERS. (1926) 16 Anm. 2; 61–64 zur früheren Verwendung beider Paare. 46 DERS. (1926) 71 Anm. 2 erklärt die Streichung von DERS. (1922) 36–38 mit Blick auf WOBBERMIN, der die Eschatologie ähnlich wie die Vermittlungstheologie als Bezugspunkt aller Theologie denkt (DERS. [1926] III,253f.), diesen aber im Gegebensein der religionspsychologischen Phänomene als eine reale Größe ansieht. Die Differenz zu Althaus ist also in erster Linie methodischer Art. 47 Zitate ALTHAUS (1922) 27 par. DERS. (1926) 25.

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Zusammengehörigkeit von Glaube und Hoffnung zugleich den Vorrang des Glaubens vor der Hoffnung betont.48 Ähnliche Phänomene zeigt Althaus' Ausführung der teleologischen Eschatologie. Hatte er hier 1922 Offenbarung, Versöhnung und Geisteinwohnung als die drei Gestalten des Paradoxes „Gott in der Geschichte“ unterschieden, so differenziert er 1926 nur noch deren zwei, nämlich die Offenbarung und das Heil. Dabei umfaßt letzteres jedoch Versöhnung und Geisteinwohnung,49 so daß hier keine materiale Änderung, sondern lediglich eine konzeptionelle Straffung angestrebt ist: So wird aus dem „dreifach-“ ein „zwiefach-einheitlicher Widerstreit“, dem Glaube und Hoffnung als „zwiefach-einheitliche Wurzel der Eschatologie“50 entsprechen. Die Absicht ist offensichtlich, die theologische Zweideutigkeit der Geschichte zu betonen. – Zugleich hat Althaus freilich trotz bleibendem Nachdruck auf der Zusammengehörigkeit der Pole dieser Zweideutigkeit51 die Stellung der so konzipierten teleologischen Eschatologie zur axiologischen modifiziert. Während 1922 jene gegenüber dieser in „ganz neue Gründe weist“, lautet derselbe Satz 1926 so, daß sie an „der gleichen Stelle entspringt“,52 so daß die Teleologie aus der Axiologie bloß abgeleitet ist; und etliche gegenüber 1922 neue weil-Sätze beschreiben das Verhältnis als Kausalverknüpfung.53 Dies ist 1933 zugespitzt worden durch eine Theorie der Verheißung, die in die entsprechenden Textpartien eingearbeitet wurde.54 b) Unsterblichkeit – Gottesgewißheit – Gottesverhältnis. Der zweite Gesichtspunkt für die Einschätzung von Althaus' terminologischen Veränderungen ist die Unsterblichkeitsthematik. 1922 spricht er, um gegen Stange die allgemeine Auferstehung festzuhalten, von Unsterblichkeit, schreibt dann aber 1926: „Freilich empfiehlt sich das letztere Wort nicht“;55 jetzt unterscheidet er (wie auch schon 1922) gegen Stange eine durch die Gerichtserwartung gekennzeichnete „Gottesgewißheit“, die der Unsterblich48 DERS. (1933) 41–43 [43–45]. S. zur Auseinandersetzung mit Hoffmann Kap. V.2.2 (S. 247ff.). 49 Die Einteilung DERS. (1922) 41.45.47 kehrt wieder als DERS. (1926) 40.44f. 48, wobei hier die letzten beiden Abteilungen als a) und b) unter 2. zusammengefaßt werden. 50 Zitate DERS. (1922) 41, die Parallelstelle DERS. (1926) 39 und a.a.O. 63 (alle Hervorhebungen aufgehoben). Die beabsichtigte Korrespondenz der beiden Stellen von 1926 ist deutlich. 51 DERS. (1922) 58–63 par. DERS. (1926) 69–76 zum Zusammenhang Axiologie – Teleologie. 52 DERS. (1922) 21 par. DERS. (1926) 20. In demselben Sinne hat DERS. (1926) 36 vgl. DERS. (1922) 39 ergänzt. 53 DERS. (1926) 74 vgl. DERS. (1922) 61. 54 Dazu s. Kap. V.1.2, hier S. 230–234. 55 DERS. (1922) 28: „Daraus folgt die Unsterblichkeitsgewißheit des Christen“; das Zitat DERS. (1926) 31.

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keit entspricht, von der „Heilsgewißheit“.56 Erst 1933 wird die Unsterblichkeitslehre sogar formell verworfen und der fragliche Gedanke durch den Begriff des personal verstandenen „Gottesverhältnisses“ ausgedrückt.57 Der Zusammenhang dieser drei Fassungen des Gedankens wird schon daraus ersichtlich, daß Althaus jedesmal gemeinsam mit den genannten Stellen das berühmte Wort Luthers zitiert: „Wo er oder mit wem Gott redet, es sei im Zorn oder in der Gnade, derselbe ist gewißlich unsterblich.“58 Dabei ist aufschlußreich, wie Althaus dieses Zitat in den verschiedenen Auflagen in die jeweilige Argumentation einfügt. 1922 und 1926 steht der betreffende Passus in Kap. II über die Begründung der christlichen Eschatologie. Dieses Kapitel eröffnet Althaus 1922 mit einem „Exkurse von der Unsterblichkeitsgewißheit“59 und darin der fraglichen Passage, ehe er die Darlegung der axiologischen und teleologischen Eschatologie im Christentum anschließt. 1926 ist der Exkurs gestrichen, und das Kapitel beginnt sogleich mit der Gegenüberstellung von Axiologie und Teleologie, doch in die von 1922 übernommenen Ausführungen zur Axiologie inkorporiert Althaus diejenige Hälfte des Exkurses, die das Lutherzitat enthält.60 Er fügt ihr aber noch etwa eine Druckseite neuen Text hinzu, ehe er den Duktus der axiologischen Eschatologie von 1922 wieder aufnimmt: die unmittelbare Ewigkeit in Form von Gericht und Heil. Auffallend ist, daß Althaus den Exkurs dabei genau auf der Nahtstelle zwischen Gericht und Heil einschaltet: 1922 wird die axiologische Eschatologie im Christentum so dargestellt: Freilich, das Letzte auf Seiten des Menschen, das durch die Erscheinung des Heiligen unwidersprechlich offenbar wird, ist die Schuld und der Tod. Gottes Nahekommen heißt Gericht und Enthüllung des Todescharakters in allem Menschenwesen. Aber diese Eschatologie des Gerichtes und Todes wird von Gott aus überboten, mitten in ihrer Bejahung.61

1926 dagegen trennen nicht weniger als vier Druckseiten den vorletzten dieser Sätze vom letzten, also das Gericht vom Heil – eben die vier Seiten des (erweiterten) Unsterblichkeitsexkurses. Dabei verstärken die Erweite56 Vgl. die Unterscheidung DERS. (1922) 28 mit DERS. (1926) 28f. 57 Nach der förmlichen Widerlegung der Unsterblichkeitslehre (DERS. [1933] 104 [108]) vgl. das Zitat a.a.O. 105 [110] (vgl. schon DERS. [1926] 31: „Personbeziehung“). 58 DERS. (1922) 29 par. DERS. (1926) 29 par. DERS. (1933) 105f. mit 106 Anm. 1 [110 mit Anm. 1] (nur hier mit der Quellenangabe WA XLIII,481,32ff. und daher nur hier wörtlich zitiert). 59 DERS. (1922) 28–33 (Zitat 33). 60 Verteilt auf DERS. (1926) 28.29.32; die andere Hälfte über Fichtes und Kants Unsterblichkeitsgedanken ist jetzt in Kap. I verschoben: a.a.O. 26f. 61 DERS. (1922) 34.

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rungen durchgehend diejenige Seite der Unsterblichkeit, nach der sie Voraussetzung des Gerichts ist. Zu dem Passus mit dem Lutherzitat, 1922 als Einleitung der Thematisierung der inhaltlichen Axiologie von Gericht und Heil dargeboten, wird nun übergeleitet mit den neuen Sätzen: Die Begegnung mit Gott erfahren wir als Gericht, das Gericht Gottes aber trägt in sich Unendlichkeit, Ewigkeit. Es wäre nicht mehr das Gericht Gottes, wenn ihm […] entfliehen könnten. […] Hier hat es seinen Grund, wenn wir sagen:62

– und nun folgt der Passus mit dem Lutherzitat, dem die schon zitierte Klarstellung über die Gottesgewißheit als Gerichtsgewißheit folgt, ehe sich nach zwei weiteren Seiten endlich die Überbietung der „Eschatologie des Gerichtes und Todes“ durch das eschatische Heil anschließt.63 Althaus bezieht also dasselbe Lutherzitat 1922 auf eine eschatologisch ungebrochen aufnehmbare Unsterblichkeit, 1926 dagegen auf die gerichtliche Brechung jedes Ewigkeitswertes von Geschichte. Und diese Tendenz scheint sich 1933 fortzusetzen, da das Zitat jetzt kommentiert wird mit dem Satz: „Im Wissen um Gottes ‚Reden im Zorne‘ mit uns, also um Gottes Gericht wissen wir um ‚Unsterblichkeit‘“ – das „Reden in der Gnade“ wird hier vorerst gar nicht mehr erwähnt. Zudem erfahren die philosophischen Unsterblichkeitsgedanken jetzt eine regelrechte Widerlegung: „Nun verlieren alle jene Gedanken […] ihre Schlagkraft gegenüber der niederschmetternden Frage: ist der Sünder wert weiterzuleben?“64 – hinzu kommt, daß die philosophische Eschatologie 1933 aus der Grundlegung in einen Anhang derselben ausgegliedert wird. Die Eindrücke dieser Veränderungen lassen sich so zusammenfassen, daß zwar einerseits das Konzept einer eschatologischen Bedeutung der theologisch zweideutigen Geschichte in allen Auflagen von Althaus' Buch gleichgeblieben und als solches auch durch die wechselnde Begrifflichkeit nicht verändert ist, daß aber andererseits Tendenzen zu einer allmählichen Hervorhebung der durch Gericht und Heil bestimmten Dimension der Eschatologie gegenüber der geschichtlichen Dimension (a) sowie zu einer Aufwertung der theologischen vor der philosophischen Argumentation (b) aufkommen. Dieses Bild ist nicht ohne Widersprüche und fordert auf zu einer detaillierten Analyse der einzelnen Gestalten von Althaus' Eschatologie. Zwar hat man es durchgehend mit dem Interesse einer es62 DERS. (1926) 29. 63 DERS. (1926) 33 = DERS. (1922) 34. 64 Zitate DERS. (1933) 106.104 [110.108].

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chatologischen Würdigung der Zweideutigkeit von Geschichte zu tun; aber eben dies macht das im ganzen umfassend nachweisbare Konzept selbst zu einer zweischneidigen Angelegenheit.65 Darum sind im folgenden Althaus' theologische Würdigungen der Geschichte zu untersuchen. Diese Aufgabe schließt die Frage nach Althaus' Sicht des Judentums ein, da das Profil seines Geschichtsverständnisses verknüpft ist mit der Einnahme einer bestimmten Position gegenüber dem Judentum. Diese Verknüpfung ist daher vorab darzustellen: 1.2. Implikationen für die Wahrnehmung des Judentums Althaus' Eschatologiekonzept zielt auf die Ermittlung einer Ewigkeitsbedeutung der zweideutigen Geschichte. Dabei ist die Ewigkeit als Jenseits der Gegensätze geschichtlicher Zweideutigkeiten einerseits unvereinbar mit der Geschichte, muß sie aber andererseits, da ihre Polarität nur unter Beibehaltung ihrer Pole aufgehoben wird, in sich aufnehmen. Diesen differenzierten Zusammenhang von Geschichte und Eschatologie gilt es zu ermitteln. Von dieser Aufgabe her versteht sich die Front, gegen welche Althaus sein Konzept abgrenzt; es ist eine fehlerhafte Bestimmung dieses Zusammenhangs dergestalt, daß die Eschatologie in Gestalt einer letzten Geschichtsepoche aus der gesamten Geschichte heraustrete. Diese Verhältnisbestimmung nennt Althaus die „endgeschichtliche Eschatologie“, und im Rückblick auf die Auseinandersetzung mit ihr hält er fest: „Am Abschluß dieses Kapitels sei ausgesprochen, daß ich nicht verhüllen will, wie weit sich die hier vorgetragene Auffassung der Vollendung von dem jüdischbiblischen Bilde der letzten Zeit entfernt.“66 Später schreibt er: „Und wir haben die These vom ‚Judenzen‘ der endgeschichtlichen Eschatologie zu einem systematischen Urteil zu machen, indem wir zeigen, daß die rechtverstandene Sache (Christus und seine Beziehung zur Geschichte) solche Eschatologie nicht fordert, sondern gerade ausschließt.“67 Diese sehr grund65 Es scheint freilich überspitzt, wenn bei SCHMIDT (1927) 125–134 Althaus' Verständnis der Geschichte als zweideutig im Grundsatz wie ein „unvollkommener Versuch“ (a.a.O. 126) gewertet wird, die radikale Entgegensetzung von Geschichte und Ewigkeit in der Dialektischen Theologie zu ermäßigen. Althaus' Einsicht, daß die Geschichte allererst theologischer Würdigung bedarf, wird damit nicht getroffen. 66 ALTHAUS (1922) 100 Anm. 1 = DERS. (1926) 185 Anm. 3 (Reflexivpronomen umgestellt). 67 DERS. (1924/25) 629 = DERS. (1926) 118. Vgl. auch a.a.O. 108 kritisch: „Überall macht sich naturgemäß das jüdische Geschichts- und Zukunftsbild geltend.“ Althaus dürfte hier Kliefoths endgeschichtliche Eschatologie vor Augen stehen, auch wenn er diesen 1926 noch nicht nennt, wie EBERT (1927) 755.756.758 massiv kritisiert.

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sätzlich formulierten Zitate zeigen, daß Althaus sein Konzept der Ewigkeit als Jenseits der Geschichte gegen eine als jüdisch wahrgenommene Endgeschichte profiliert, ja daß möglicherweise sein Konzept schon in sich als strenge Alternative zu jüdischer Eschatologie verstanden sein will. Das Interesse eschatologischer Würdigung der Geschichte erweist sich also als einschlägig für eine sehr dezidierte Wahrnehmung des Judentums, das assoziiert wird mit einer als problematisch empfundenen Verbindung von Geschichte und Eschatologie. Wie bereits angedeutet, kann Althaus eine derartige Verbindung als charakteristisches Merkmal der jüdischen Apokalyptik bezeichnen,68 und 1933 wird er dies verstärkt tun. Hier liegt der Grund dafür, daß die schroffe Absetzung gegen die endgeschichtliche Eschatologie auch 1933, nach Wegfall des als „Abgrenzung“ überschriebenen Teils, nicht zurückgenommen wird, ja daß vielmehr Althaus' Konzept im ganzen von hier aus den Namen einer antiapokalyptischen Eschatologie tragen kann. Die Stadien von Althaus' Würdigung der Geschichte seien nun im einzelnen untersucht – nicht, um eine Entwicklungsgeschichte nachzuzeichnen, sondern um im Vergleich verschiedener Fassungen desselben Konzepts das systematische Problem offenzulegen, um das die Fassungen gerade in ihrer Verschiedenheit ringen: daß nämlich die Ewigkeit die Geschichte, wie gesehen, einerseits ausschließen, andererseits aufnehmen muß. Hierfür kommen dann mehrerlei Abschnitte aus den unterschiedlichen Auflagen in Betracht, und zwar die Abgrenzung gegen die Endgeschichte einerseits sowie die Punkte, an denen Althaus ausdrücklich eine geschichtliche Begründung bestimmter Eschatologumena fordert, andererseits. Letzteres geschieht in der Ewigkeitslehre mit Blick auf die Welthaftigkeit der Erlösung und die Leiblichkeit der Auferstehung sowie in der Gerichtslehre hinsichtlich der Notwendigkeit eines ewigen Gerichts.69 Damit ergeben sich als wiederkehrende Gliederungspunkte des vorliegenden Unterabschnitts Endgeschichte, Ewigkeit und Gericht. 1. Die Geschichte als Ethik unter dem Gericht (1922). Die grundlegenden Konturen der Althaus'schen Würdigung der Geschichte treten in der Erstauflage seiner Eschatologie klar zutage. 68 S. bei S. 17 Anm. 18. 69 Die geschichtlich begründeten Abschnitte sind ALTHAUS (1922) 132–137.137–142 par. DERS. (1926) 250–256.256–266 für Welthaftigkeit bzw. Leiblichkeit der Erlösung. Althaus hebt a.a.O. 251 den geschichtlichen Charakter der Begründung ebenso eigens hervor wie DERS. (1922) 101 = DERS. (1926) 187 für das Gericht. DERS. (1933) 327–335.116–132.165 [341–349.121– 137.172] hat alle diese geschichtlichen Begründungen beibehalten.

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a) Abwehr der Endgeschichte. Althaus' wichtigstes Argument gegen alle Gestalten endgeschichtlicher Eschatologie (Kap. III) ist die Abwehr des Fortschrittsgedankens: Das Eschaton ist nicht das Ende als der Abschluß eines Fortschritts, der zu jedem Punkt alle Erträge der gesamten jeweils vorangegangenen Zeit in sich aufnähme und der darum am Ende der Zeit, freilich auch erst am Ende der Zeit, vollendet sein müßte, so daß die letzte Zeit vor allen anderen ausgezeichnet wäre.70 Diesem Verständnis setzt Althaus am Beispiel des biologischen „Fortschrittes“ die Eigenständigkeit jedes Lebensalters entgegen und kontrastiert das biblizistische Verständnis der Bibel als „Organismus“ mit der zeitgeschichtlichen Exegese. Damit erübrigt sich auch die unterschiedliche Gewichtung der Zeiten, so daß Althaus zu der These kommt, daß „jede Zeit […] gleich unmittelbar zur Vollendung“ sei: „Jede Zeit ist in diesem Sinne letzte Zeit.“71 Eine theologische Würdigung der Geschichte als eschatologisch bedeutsam, also als „Heilsgeschichte“, schließt allerdings unabdingbar das historische Christusereignis ein, so daß Althaus die Qualifikation jeder Zeit als letzter Zeit zunächst nur auf die Zeiten nach Christus anwendet. Für die übrigen Zeiten greift er zur Annahme eines jenseitigen „Mittelzustandes“, in dem den vom Christentum unberührten Völkern die Begegnung mit Christus widerfährt: „Es gilt dann also doch, daß jedes Geschlecht unmittelbar zur Vollendung ist.“72 Althaus wendet diesen Satz dann fast wortgleich auf alle Einzelthemen der endgeschichtlichen Eschatologie, die sog. Vorzeichen des Endes, an: Sie alle sind aktualisierend auf die jeweilige Generation zu beziehen.73 Die entsprechenden Prophetien liest die Eschatologie daher nicht im Sinne der „Wahrsagung“, d.h. der „Voraussage einzelner bestimmter äußerer Ereignisse“, sondern im Sinne der „Weissagung“, der „aktuellen, konkreten Verkündigung der heiligen Gesetze, die […] notwendig gelten“.74 Die methodisch gesicherte Quelle der Eschatologie liegt demnach nicht in den „Verheißungsworten Jesu“, sondern der „Christustatsache“.75 Althaus charakterisiert seine Eschatologie daher 70 ALTHAUS (1922) 92: Die Endgeschichte „würde dann ja nur von einer Generation erlebt.“ 71 Zitate a.a.O. 71.73.84.84. 72 Zitate a.a.O. 86.85.85. Zum Gedanken des Mittelzustands vgl. auch a.a.O. 44.99.110. S. S. 236 Anm. 197. 73 A.a.O. 86 (vgl. a.a.O. 87.88): „Mit jeder neuen Generation ist die Aufgabe [der Weltmission] wieder neu.“ A.a.O. 94: „Jedes Geschlecht soll die Macht des Antichristlichen in seiner Gegenwart suchen.“ A.a.O. 96: „Das Gericht bezieht sich auf jede Generation.“ – „Die Parusie ist als überzeitliches Ereignis jedem Geschlechte gleich nahe“. 74 A.a.O. 78. 75 Zitate a.a.O. 52 (im Original gesperrt) bzw. a.a.O. 52.53.54 u.ö.

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im Gegensatz zur endgeschichtlichen als „reichsgeschichtliche“ oder als „reichsgeschichtlich-typisch“;76 er sucht die Vollendung nicht in der „Längslinie“ der Geschichte, sondern errichtet „überall Senkrechte auf ihr“.77 Dieses geometrische Bild veranschaulicht das Profil des Konzepts besonders deutlich: Althaus wendet sich gegen eine eindimensionale Eschatologie in der bloß waagerechten Ausdehnung des Zeitstrahls. Er setzt aber gegen den eindimensionalen Strahl nicht den nulldimensionalen Punkt und darum nicht das „Jederzeit“, sondern „jede Zeit“, d.h. das zweidimensionale Achsenkreuz der Senkrechten auf der Längslinie. Dies entspricht genau der grundsätzlich doppelten Spannung seines Konzeptes.78 Gegen die endgeschichtliche Auszeichnung der letzten Epoche behauptet Althaus die Unmittelbarkeit jeder Epoche, er hält aber an der epochalen Gliederung der Zeit überhaupt fest. Die geschichtliche Längendimension der Eschatologie wird nicht getilgt, sondern aktualisierend auf die jeweilige Generation umgelegt. – Freilich schreibt derselbe Althaus 1922 auch: „Alle Senkrechten, die wir auf der Zeitlinie errichten, um auf die Ewigkeit, die Parusie, die Vollendung zu stoßen, treffen sich im Überzeitlichen in einem Punkte.“ – „Damit wird schließlich auch die Frage nach dem Wann? der Vollendung sinnlos. Sie ist nicht nur unbeantwortbar, sondern auch falsch gestellt.“79 Den Grund für diese Reserve gegenüber einem zeitlichen Verständnis der Bedeutung von Geschichte zeigt die Ewigkeitslehre. b) Ewigkeitslehre. Althaus argumentiert für Welthaftigkeit und Leiblichkeit der Ewigkeit (Kap. V) deswegen geschichtlich, damit die eschatologische Bedeutung der Geschichte für die Ewigkeit nicht mit der Ewigkeit selbst begründet wird, so daß die geschichtliche Begründung ein bloßes Mittel zum Zweck der Ewigkeit würde; Althaus richtet sich also gegen eine „ausschließliche teleologische“, d.h. zweckgesteuerte Würdigung der Geschichte.80 Statt dessen weist er in der Frage der „neue[n] Welt“ den Forderungen der „Kulturarbeit“ als „Aufgaben eigenen Sinnes und Rechtes“ einen „Selbstzweck nach Gottes Willen“ zu und begründet in genauer Entsprechung dazu die „neue[…] Leiblichkeit“ als einen „selbständigen Gegenstand der Heiligung“.81 76 A.a.O. 94.95. „Reichsgeschichtlich“ ist wohl die Antwort auf Althaus' eigene Frage nach dem „irgendwie ‚endgeschichtliche[n]‘“ Ertrag der Geschichte (a.a.O. 27). 77 Zitate a.a.O. 84. 78 S. bei S. 203 Anm. 42. 79 Zitate a.a.O. 98.96. 80 A.a.O. 133. Vor Augen steht die Theologie der Ritschlschule (a.a.O. 133 Anm. 1). 81 Zitate a.a.O. 132.135.135.133.137.138 (alle Hervorhebungen aufgehoben).

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An den Beispielen der Kulturarbeit und der Heiligung wird das Profil von Althaus' Würdigung der Geschichte deutlich: Ewigkeitsbedeutung hat die Geschichte da, wo und insofern sie Gegenstand der Ethik ist. Althaus versteht also den Ewigkeitssinn der Geschichte nicht zeitlich, sondern ethisch; wenn er an der Gliederung der Zeit in Epochen oder Generationen festhält, dann deshalb, weil diese jeweiligen Epochen und Generationen das Feld der Ethik sind. Die Ethik ist dabei der Dogmatik nicht nach-, sondern nebengeordnet. Dies entspricht Althaus' personalistischem Geschichtsbegriff, und daher kann die geschichtliche Begründung der fraglichen Eschatologumena auch als „ausschließlich in der christlichen Ethik“ liegend bezeichnet werden. Ja, Althaus kann schreiben: „Ethik und Eschatologie suchen einander.“82 Diesem Verständnis der Geschichte als Ethik entspricht auch Althaus' Gerichtslehre. c) Gerichtslehre. Althaus entfaltet die Gerichtslehre (Kap. IV) nicht in dem traditionellen und semantisch naheliegenden Zusammenhang mit der Rechtfertigung des Sünders, sondern im Rahmen des sittlichen Personalismus, wobei er freilich das Spezifikum seiner Eschatologie, den jenseitigen Ewigkeitsbegriff, wahrt. Er unterscheidet drei Dimensionen des Gerichts als Gericht über den „Glauben“, Gericht nach den „Werken“ und als Gericht zur Ernte der sittlichen „Frucht“ eines Lebens.83 Althaus' argumentatives Ziel ist, für jede dieser drei Dimensionen zu zeigen, daß aus den geschichtlichen Ereignungen von Gericht ein ewiges Gericht folgt, also die o.g. geschichtliche Begründung. Diese Begründung führt Althaus in zwei nicht weiter gekennzeichneten Abschnitten zum geschichtlichen bzw. ewigen Gericht mit jeweils drei Punkten zu den Dimensionen des Gerichts durch.84 Daß die Begründung geschichtlicher Art ist, gewährleistet er dabei, indem er das Jüngste Gericht mit dem Personalismus der Lutherrenaissance als Bewußtwerden des geschichtlichen Gerichts85 und so als in diesem begründet begreift. Althaus' Spezifikum gegenüber der Lutherrenaissance ist nun, daß das Verhältnis zwischen geschichtlichem und Jüngstem Gericht notwendig, aber paradox ist und darum weder Reduktion des einen auf das andere noch Entwicklung vom einen zum anderen erlaubt. Es besteht vielmehr 82 Zitate a.a.O. 138.137. 83 Zitate a.a.O. 102, wo er die drei Dimensionen auch Sein, Akt und Werden des sittlichen Lebens zuordnet. 84 Grundsätzlich a.a.O. 101: „Es gilt zu zeigen, wie Gottes geschichtliches Richten über sich selbst hinausweist und ein abschließendes Endgericht fordert.“ Sodann spiegelt sich in den zwei Abschnitten die o.g. Dreiteilung: geschichtliches Gericht: a.a.O. 104f. 105–107.108 – ewiges Gericht: a.a.O. 108–120.120–122.122–125. 85 A.a.O. 108 im Kontext des Gerichts über den Glauben (das Sein) des Gerichteten.

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in Althaus' bekanntem Konzept eines ewigen Jenseits der geschichtlichen Gegensätze, wie Althaus für alle drei Gerichtsdimensionen ausführt: Seiner ersten Dimension nach macht das Jüngste Gericht die geschichtliche Entscheidung für oder gegen den Glauben als Entscheidung für bzw. gegen Gott bewußt, was jedoch nur als Spannung beschrieben und nicht aus der geschichtlichen Entscheidung entwickelt werden kann, weil die nichtchristianisierten Völker im Mittelzustand eine solche Entscheidung noch gar nicht gefällt haben. Althaus behandelt hier das Thema von Apokatastasis und doppeltem Ausgang, welche die erwähnte Spannung bilden.86 – Ebenso ist das Gericht nach den Werken, die zweite Dimension des Jüngsten Gerichts, nichts, was sich aus den geschichtlichen Taten der Menschen als daraus folgendes Ergehen entwickelt, sondern besteht im klaren Bewußtsein des unwiderruflich Vertanen, das in sich Strafe genug ist.87 Althaus thematisiert hier den Fragenkomplex von Vergeltung, Strafe und Tatfolge, der für die Wahrnehmung des Judentums von hohem Gewicht ist.88 – Auch der dritte Aspekt des Gerichts, die Ausreifung dessen, was Menschen in ihrem sittlichen Leben geworden sind, läßt sich nur paradox so beschreiben, daß sie weder „mit einem Schlage“89 noch als Entwicklung geschieht. Althaus hat hier den Topos des Läuterungsgerichts vor Augen, den er gegen die katholische Purgatoriumslehre absetzt. d) Zwischenergebnis. Althaus' Würdigung der Geschichte ergibt nach den hier gesammelten Beobachtungen zu seinem Eschatologieentwurf von 1922 ein zusammenhängendes Bild, das von einer als kennzeichnend jüdisch verstandenen Folie alternativen Geschichtsverständnisses abgehoben wird. In deutlicher Wendung gegen den Fortschrittsgedanken vertritt Althaus ein aktualisierendes Verständnis der Eschatologumena, bei dem jedoch die zeitliche Dimension der Eschatologie nicht aufgegeben, sondern in die Gegliedertheit der Geschichte in Generationen transformiert wird (a). Diese gibt die Struktur- und Ordnungsbegriffe einer Ethik ab (b), und in dieser besteht der Ewigkeitswert der Geschichte, der freilich wie sie unter dem Gericht steht (c) und so zweideutig bleibt. Wenn Althaus diese eschatologische Würdigung der Geschichte gegen das jüdische Geschichts86 A.a.O. 119 zur Spannung von Apokatastasis und doppeltem Ausgang, die a.a.O. 112–114 gegen den Entwicklungsgedanken abgegrenzt wird. Das Argument des Mittelzustands gebraucht Althaus a.a.O. 110. 87 A.a.O. 122 mit Anm. 1. 88 Die seinerzeit geläufige, in unserem Exkurs 7 (S. 199f.) für Stange belegte Kritik des Vergeltungsgedankens als kennzeichnend jüdischer Vorstellung wird seit K. Kochs Untersuchungen zum Tun-Ergehens-Zusammenhang auf breiter Front hinterfragt. 89 A.a.O. 123.

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verständnis absetzt, reklamiert er also als Spezifikum christlicher Geschichtsauffassung gegenüber dem Judentum, daß sie den Zweideutigkeiten der Ethik eschatologische Bedeutsamkeit zumißt, m.a.W. er vermißt im Judentum die eschatologische Gewichtung der Ethik. Genau diese betonten aber bedeutende, zeitgenössische jüdische Gelehrte, die das Judentum als Religion der Sittlichkeit, also als ethische Größe, in menschheitlichem (und damit eschatologischem) Horizont sahen. Für L. Baeck als einen der prominentesten unter ihnen gründet diese eschatologische Bedeutung jüdischer Ethik ausdrücklich darin, daß sie die Zweideutigkeiten der Sittlichkeit in Paradoxien zusammenhalte, was mit Althaus' Ewigkeitskonzept vergleichbar ist.90 Das Judentum seiner Zeit böte also einen möglichen Gesprächspartner von Althaus' Eschatologie. Statt seiner ist jedoch meist eine andere Stimme im Vergleich mit Althaus zu Wort gekommen: Exkurs 8: Eschatologie bei Althaus und der Dialektischen Theologie Althaus' erster Entwurf der Eschatologie ist charakterisiert durch ein kritisches Interesse an der Geschichte. Ein solches kennzeichnet auch die zeitgleich auftretende Dialektische Theologie. Bei aller Eigenständigkeit, die deren Vertretern je einzeln zuzuschreiben ist (wie bei den meisten theologischen Schulgestalten), hat sie einen gemeinschaftlichen Schwerpunkt auf der Paradoxie von Geschichte und Eschatologie. Tatsächlich ist in der Forschung die Eschatologie des frühen Althaus oft mit derjenigen der frühen Dialektischen Theologie parallelisiert worden; Althaus habe 1922 wie sie den schroffen Einbruch der Ewigkeit in die Geschichte vertreten und sich erst später traditionellen Gedanken einer zeitlichen Erstreckung der Eschatologie zugewandt.91 Zugleich wird für die einzige ausgeführte Eschatologie der frühen Dialektischen Theologie, Karl Barths einstündige Vorlesung vom Wintersemester 1925/26, neuerdings angenommen, daß sie mit der zeitlichen Differenzierung von Versöhnung und Erlösung über die Augenblickseschatologie der Dialektischen Theologie hinausgehe und die Eschata als „zeitliches Ereignis“ denken lehre.92 In dieser komplexen Diskurslage will der vorliegende Exkurs Position beziehen, indem er beide Fragen nacheinander behandelt. 1. Die unterschiedliche Wertung der Geschichte. Beide, Althaus und die Dialektische Theologie, sehen eine Paradoxie: Einerseits sind Geschichte und Eschaton unverträglich miteinander. Althaus profiliert sein gesamtes Konzept gegen die endge90 S. Kap. I.3, hier S. 31f. 91 So schon andeutungsweise HOLMSTRÖM (1936) 339.412, dann an einflußreicher Stelle der Althausschüler GRASS (1978) 334 und seither z.B. WIMMER (1979) 117f. u.ö.; PANNENBERG (1995) 79. MOLTMANN (1964) 33 verbindet den Althaus von 1922 ganz mit der Dialektischen Theologie wegen der Hervorhebung der Axiologie, HJELDE (1987) 411 sieht dagegen bei Althaus durchweg die Teleologie dominieren. 92 ETZELMÜLLER (2001) 127 mit Berufung auf Stellen wie BARTH [1925/26] (2003) 435f.

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schichtliche Eschatologie, die diese Unverträglichkeit mißachtet und die Ewigkeit als Teil der Geschichte behandelt; die Dialektiker betonen, daß Gottes eschatisches Kommen das Gericht über die Welt ist. Doch andererseits wird, was bei beiden Autoren zunächst wie ein planer Gegensatz scheint, zur Paradoxie, wenn Althaus seine Gerichtslehre auf die Frage nach einer Ewigkeitsbedeutung der Geschichte zuspitzt93 und wenn das Wesen der Dialektischen Theologie darin besteht, daß das Gericht als die Grenze, auf die alle Welt stößt, zugleich die Gnade ist, die neues Land begründet.94 Die Dialektische Theologie wird nicht müde einzuschärfen, daß im Nein des Gerichtes Gottes über die Welt zugleich sein Ja zu ihr liegt,95 daß das Gericht, wenn der Mensch es annimmt, zugleich die Gnade ist.96 Dennoch besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Konzeptionen. Für Althaus sagt das Gericht zur Geschichte, d.h. zu ihrem Ewigkeitswert, gerade aufgrund ihrer Doppeldeutigkeit zugleich Ja und Nein.97 Für die Dialektische Theologie hingegen spricht das Gericht zur Geschichte als ganzer sein blankes Nein, und erst auf der Basis dieser Voraussetzung erkennt der Glaube im Gericht die Gnade und läßt so die Geschichte doppeldeutig im Sinne des lutherischen simul iustus et peccator werden. Bei Althaus ruft also die Geschichte wegen ihrer Doppeldeutigkeit nach dem Gericht, während in der Dialektischen Theologie das Gericht erst die Doppeldeutigkeit der Geschichte hervorruft. Damit kennt die Dialektische Theologie zwar einen Ewigkeitswert der Geschichte, aber nur als einen Negativwert: „Ihr unverkennbarer Unsinn ist ihr einziger Sinn“, wie Althaus treffend schreibt.98 Dagegen steht bei Althaus das Beharren auf einer positiven geschichtlichen Begründung verschiedener Eschatologumena. Ein rein negatives Verständnis von Geschichte beherrscht nun auch die grundlegende Argumentation in KARL BARTHS Eschatologievorlesung von 1925/26: Ihr Grundthema ist, wie schon in Barths „Römerbrief“ von 1922, die Hoffnung.99 Hoffnung läßt sich laut Barth nicht mit der Erfüllung irgendeiner Vorgegebenheit, etwa der Fülle Gottes oder der Gottebenbildlichkeit des Menschen, begründen,100 sondern nur mit dem Theologumenon des Bundes, aber einzig so, daß der Mensch immer der Übertreter dieses Bundes ist, dem Gott als Erbarmer des Gnadenbundes hoffnungs93 Das ist Althaus' Spezifikum gegenüber C. Stange, s. Exkurs 7 (S. 199f.). 94 BARTH [1922] (1999) 14 zu Röm 1,16: „Was uns begrenzt, das ist neues Land.“ Vgl. den ganzen Abschnitt a.a.O. 11–18. 95 Z.B. DERS. (1922) 170: „keine Negation, die wir ihm [sc. dem Menschen] empfehlen können (und wenn wir ihm Selbstmord empfehlen würden!) ist so groß, so prinzipiell wie die Negation […], die unmittelbar erfüllt ist von der Positivität Gottes“; DERS. [1922] (1999) 14: „Gerade weil Gottes Nein! ganz ist, ist es auch sein Ja!“ Vgl. DERS. (1919) 62. 96 GOGARTEN (1920) 121.111: „dieses Gericht zum Tode ist der Eingang zum Leben“; DERS. (1922) 363f. 97 S. bei S. 201 Anm. 37. 98 ALTHAUS (1923/24) 747 in „Auseinandersetzung mit der Dialektischen Theologie“ (Untertitel a.a.O. 741). 99 Der einschlägige Paragraph nimmt als einer von vieren 45 der 110 Druckseiten der ganzen Vorlesung ein. 100 Zu diesen Fehlwegen BARTH [1925/26] (2003) 389–393.

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stiftend gegenübertritt.101 Die Geschichte des Menschen ist hier also schlechterdings das Gericht, welches nur die Hoffnung auf Gottes Gnade zu wenden vermag. Das ist für Barth in dialektisch-theologischer Diktion „der Mensch, der eben in dieser ihm widerfahrenden Begegnung mit Gott sich selber schlechterdings nur als Geschöpf […] und als in seinem ganzen Tun gerichteter Sünder, aber nun gerade als das: gerade als Geschöpf und verlorener Sünder sich von Gott angenommen weiß“.102 Zwar bestreitet Barth, daß die Eschatologie, wie wir es bei der Vermittlungstheologie beobachten konnten, nur der virtuell bleibende Bezugspunkt aller Theologie sei, indem er in einer an Kähler gemahnenden Metaphorik die erhoffte Zukunft als reale Wurzel der Hoffnung bezeichnet.103 Doch was da erhofft wird, ist ganz im Sinne der Dialektischen Theologie die Ewigkeit als „Negation der Zeit“ und Überwindung der Geschichte, wenn im Verlauf der Vorlesung die Hoffnung als bezugslos in Raum und Zeit104 charakterisiert wird.105 2. Restitutionseschatologie in der Dialektischen Theologie. Wenn Barths Vorlesung gleichwohl betonen kann, daß die Parusie als das Eschaton schlechthin eine die Geschichte abschließende und damit der Zeit zugekehrte Dimension habe, so wird damit zwar in der Tat eine Zeitlichkeit der Eschatologie behauptet, jedoch nur als Abschluß im Verhältnis zu einem Anfang, also im Sinne einer „restitutio ad integrum“.106 Dies aber deckt sich mit der reinen Negativwertung der Geschichte, wie bereits zwei Jahre vor Althaus HORST STEPHAN in der Erstauflage seiner Dogmatik bemerkt. Demnach darf die Eschatologie keine Urstand-Eschaton-Klammer um die Geschichte bilden und diese so als theologisch letztlich belanglos ausklammern.107 101 Zur Begründung heißt es a.a.O. 395: „Weil wir vom Menschen nichts Anderes wissen, als daß er diesen von Gott zwischen sich und ihm aufgerichteten Bund gebrochen hat.“ Vgl. das biblische Beispiel a.a.O. 477, wo Röm 7 erscheint als negative Eingangsvoraussetzung zum Kapitel Röm 8, das „in keinem Augenblick anders zu haben ist als eben in dem Schritt von Röm. 7 her“. 102 A.a.O. 402. 103 A.a.O. 407: „Nicht so steht es, als ob der Baum der christlichen Wahrheit, nachdem seine Wurzeln und Äste nach allen möglichen Seiten sich ausgebreitet haben über und unter der Erde, nun […] auch noch ein ach so fadenscheiniges Würzelchen in den ach so harten Felsenboden der eschatologischen Möglichkeiten oder vielmehr Unmöglichkeiten zu treiben versuchen müßte, sondern so steht es, daß er vielmehr gerade von dorther gewachsen ist, dort gerade seine ursprüngliche eigentlich tragende und nährende Wurzel hat.“ Ebd.: „Nicht die Fragen sind das Erste, sondern die Antwort.“ Vgl. Kählers Metaphorik (s. S. 168 Anm. 156; S. 174 Anm. 174). 104 Zitat a.a.O. 430. Vgl. a.a.O. 412 zur Zeit als „Hülle“ und a.a.O. 414 zur Raumlosigkeit: „darum muß es so sein, daß der Glaube blind ist“. 105 Bemerkenswert ist, daß die Dialektiker die nur negativ theologisch verwertbare Geschichte öfter mit dem Judentum assoziieren. Es kann dann als Prototyp des Menschen fungieren, doch so, wie er vor Gottes Gericht vergeht. Bei BARTH [1922] (1999) 16 steht der „Jude“ für den religiösen Menschen, dem der Glaubende entgegengesetzt wird (vgl. STADTLAND [1966] 150 zum Judentum in Barths Eschatologie). Und BULTMANN (1940) 38 weitet seine am jüdischen Gesetz begonnene Argumentation, „so merkwürdig es zu sein scheint“, ins Anthropologische. 106 Zitat BARTH (1925/26) [2003] 474. Zur Zeitlichkeit der Parusie äußert sich Barth a.a.O. 451–453 sehr zurückhaltend bis abwägend. 107 STEPHAN (1921) 116 (§ 14), der in diesem Geschichtsinteresse die „Weltanschauung“ in die Dogmatik aufnimmt, den Ausdruck aber später durch „Weltverständnis“ ersetzt, um sich von

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Eschatologie würde sich dann auf die Restitution des Urstandes beschränken, und tatsächlich sind für einige Dialektiker dahingehende Tendenzen nachweisbar.108 Wie das Vorwort zur Zweitauflage von Stephans Buch zeigt, hat am meisten Diskussion gerade sein Paragraph zur Eschatologie ausgelöst, der als Verzicht auf deren zeitliche Dimension und damit als Entsprechung zur Dialektischen Theologie aufgefaßt wurde.109 Da Stephan eigens deshalb einen neuen Paragraphen konzipiert, darf man annehmen, daß seine Kritik an einer Ausklammerung der Geschichte eben der Dialektischen Theologie gilt.110 Einer solchen Ausklammerung entspricht es, wenn Dialektische Theologie die Geschichte nur via negationis theologisch zu würdigen vermag. Wenn Althaus dagegen für einen positiven Ewigkeitswert der Geschichte plädiert, dann will er nicht behaupten, daß irgendein Geschichtsdatum der Verfallenheit aller Geschichte entnommen sei, wie später Barth an früheren Weggenossen kritisierte;111 auch geht es Althaus nicht darum, daß alles Nein doch in einem ursprünglichen Ja wurzele, das es bloß verneine, wie P. Tillich etwa zur selben Zeit gegen Barths Dialektik einwandte.112 Althaus will vielmehr einfach die Doppeldeutigkeit der Geschichte vor dem Eschaton festhalten, ohne sie damit zum System zu machen und so doch wieder zu vereindeutigen – denn dieser Systemwille ist für Althaus gerade der Fehler der Dialektischen Theologie, die er darum in einem grundlegenden Aufsatz mit einer spannungslosen Mystik gleichsetzt.113

2. Die Geschichte als Hingabe an die Ewigkeit (1926). Die Neubearbeitung von Althaus' Eschatologie zeigt infolge der Auseinandersetzung mit den Kritikern gegenüber der Erstauflage Veränderungen besonders an den drei von uns betrachteten Punkten.114 Zum Problem der Endgeschichte hat Altseiner NS-freundlichen Interpretation durch A. Rosenberg abgrenzen zu können (DERS. [1941] 258 Anm. 2). 108 Vgl. die Rede von einer ursprünglichen Schöpfung bei BARTH (1919) 55; GOGARTEN (1920) 118. A.a.O. 111 ist zudem das Gericht, das zugleich die Gnade ist, deshalb nur für den Glauben erkennbar, weil nur er sich an die Güte der Schöpfung zu erinnern vermag, von der ihn der „furchtbare Fall“ trennt (mit Bezug auf Lk 15,17f.). 109 STEPHAN (1928) VIII. Stephan wurde also, ähnlich wie Althaus, unzutreffend eingeschätzt. 110 Eine Vorzeichenumkehr vor Stephans Urstand-Eschaton-Klammer nimmt W. KÜNNETH (1933) vor: Christi Gottheit und Menschheit sind erst mit dem „Urwunder“ der Auferstehung ganz geeint (a.a.O. 104), so daß Christus, wenn er bei der Reichsübergabe (1 Kor 15,28) den Kyriostitel preisgibt (a.a.O. 260), den Urzustand restituiert. Urstand und Eschaton klammern hier die Geschichte zwar nicht aus, aber doch ein. ALTHAUS (1933) 334f. [349] kritisiert daher, daß Künneth (wie die Dialektische Theologie) Theologie auf Christologie beschränke. 111 S. Kap. I.3, hier S. 39f. 112 TILLICH [1923] (1987) 96f. erwähnt mehrfach die „positive Wurzel“ aller Paradoxie. 113 ALTHAUS (1924/25a) 309 Anm. 1 will zwar mit E. Brunner als einem Vertreter der Dialektischen Theologie gegen die spannungslose Mystik angehen, nennt als deren Beispiel aber a.a.O. 313 Anm. 1 eine Christologie des „ruhenden Ausdruck[s]“, für deren Kritik er auf seine S. 215 Anm. 98 zitierte Auseinandersetzung mit der Dialektischen Theologie verweist, so daß mit der „Mystik“ diese gemeint ist (so auch BEISSER [1993] 180 Anm. 17). 114 MEISER (1993) 69f. zeigt zudem, daß Althaus 1926, angeregt durch K. Barth, die Bibel stärker berücksichtigt.

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haus bereits im Herbst 1924 in Helmstedt dem Wernigeroder Apologetischen Seminar vorgetragen und diese Überlegungen in erweiterter Form im folgenden Jahr veröffentlicht; das neue Kap. III ist eine Kompilation dieses Aufsatzes115 und der Fassung der Erstauflage sowie wenigen neuen Passagen. Die Gerichtslehre (Kap. IV) modifiziert Althaus nach einem implizit kritischen Aufsatz seines Freundes E. Hirsch zum Thema, und beim Kapitel über die Ewigkeit (Kap. V) hat Althaus Erweiterungen vorgenommen, die mit der Aufnahme von Anfragen K. Heims in Kap. II116 korrespondieren – so wie im unveränderten Gesamtaufriß von Althaus' Eschatologie die Grundlegungs- mit dem Schlußkapitel korrespondieren. a) Abwehr der Endgeschichte. Im neugestalteten Kap. III ist die detaillierte Gliederung von 1922 noch weiter unterteilt und so gewissermaßen „verdoppelt“: Zwar ist die Kritik des säkularen Fortschrittsglaubens als Selbstverständlichkeit fortgelassen, dafür aber die des biblizistischen Entwicklungsgedankens sowohl an das Konzept der Heilsgeschichte als auch an das der Endgeschichte gerichtet, und beidemale werden das Schriftverständnis, der systematische Begriff und dessen einzelne Anwendungen untersucht.117 Dieses formale Gestaltungsmittel erlaubt Althaus die Unter115 Ich ziehe ALTHAUS (1924/25) durchgängig heran, zitiere daraus aber nur bei Unterschieden zu DERS. (1926). 116 Die genannten Änderungen führt ALTHAUS (1926) VIIIf. selbst an. 117 DERS. (1926) Kap. III ist im einzelnen so gegliedert (Vergleich mit 1922 kursiv): Theologiegeschichtlicher Vorspann: a.a.O. 77–83 = DERS. (1922) 64–69. Vorstellung des Aufrisses: DERS. (1926) 83f. = DERS. (1924/25) 605f. Kritik der Heilsgeschichte: DERS. (1926) 85–96 = DERS. (1924/25) 606–616; Schriftverständnis: DERS. (1926) 87–90 par. DERS. (1924/25) 608–611, DERS. (1922) 72–81; systematischer Begriff: DERS. (1926) 90–96 = DERS. (1924/25) 611–616, DERS. (1922) 81ff.; – bzgl. Urgeschichte: DERS. (1926) 91–93= DERS. (1924/25) 611–613, vgl. DERS. (1922) 83; – bzgl. Religionsgeschichte: DERS. (1926) 93–96 = DERS. (1924/25) 613–616, DERS. (1922) 83. Kritik der Endgeschichte: DERS. (1926) 96–174 vgl. DERS. (1924/25) 616–668; ihre biblische Begründung: DERS. (1926) 97–119 = DERS. (1924/25) 617–629; unkritisch: DERS. (1926) 97–112 par. DERS. (1924/25) 616–625, vgl. DERS. (1922) 72–81; kritisch: DERS. (1926) 112–119 par. DERS. (1924/25) 625–629, nur angedeutet DERS. (1922) 90. ihr systematischer Begriff des Fortschritts: DERS. (1926) 119–149 = DERS. (1924/25) 630–651; positiv: DERS. (1926) 121–143 par. DERS. (1924/25) 631–647, vgl. DERS. (1922) 86–89; – Mission: DERS. (1926) 121–126 par. DERS. (1924/25) 631–635, vgl. DERS. (1922) 86; 122f.; – Erkenntnis: DERS. (1926) 127–134 par. DERS. (1924/25) 635–640, nicht in DERS. (1922); – Ethik: DERS. (1926) 134–143 = DERS. (1924/25) 641–647, angedeutet DERS. (1922) 87.71. negativ: DERS. (1926) 143–149 par. DERS. (1924/25) 647–651, DERS. (1922) 91; 93 Anm. 2. Anwendungen: DERS. (1926) 149–174 = DERS. (1924/25) 651–668, vgl. DERS. (1922) 89–98; Parusie: DERS. (1926) 149–153 = DERS. (1924/25) 651–655, vgl. DERS. (1922) 95; Chiliasmus: DERS. (1926) 153–162 = DERS. (1924/25) 655–661, vgl. DERS. (1922) 95; Antichrist: DERS. (1926) 162–174 par. DERS. (1924/25) 662–668, vgl. DERS. (1922) 90–94. Geschichte: DERS. (1926) 174–186 par. DERS. (1924/25) 668–676, vgl. DERS. (1922) 94–100.

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scheidung zwischen einem sozusagen eher „negativen“ und einem eher „positiven“ Element der endgeschichtlichen Eschatologie: Demnach wäre Heilsgeschichte eine „stetig fortschreitende“ Geschichte zwischen Urstand und Eschaton als eine einzige fortschreitende Degeneration infolge des Sündenfalls, der auf ihrem Tiefpunkt die Überwindung in einer „Endgeschichte“ korrespondiert.118 Heilsgeschichte ginge dann einfach in Endgeschichte über, so daß Heilsgeschichte einerseits grundsätzlich negativ und nur an ihrem Ende Aufstieg wäre und Endgeschichte andererseits grundsätzlich positiv und nur an ihrem Anfang Verfall. Wenn jedoch Althaus Heilsgeschichte „nicht mehr“ in diesem Sinne versteht, sondern auf die alttestamentliche Vorgeschichte bis zu Christi Erdenleben als terminus ad quem begrenzt,119 dann bestreitet er, daß die Geschichte im Sinne eines Konzepts von degenerativer Heilsgeschichte eindimensional aus dem Sündenfall abzuleiten sei. Was hier im Ausgang von Althaus' erweiterter Gliederung formal festgestellt wurde, ist nun an den wesentlich umfangreicheren Detailausführungen zur Endgeschichte zu überprüfen, also besonders zu den Einzelthemen Parusie, Chiliasmus und Antichrist, die Althaus die „Postulate der Endgeschichte“ nennt.120 Als solche verwirft er sie, da die Vorstellung eines „geschichtlichen Heraustretens“ des Eschaton, wie Althaus zum Parusiethema schreibt, eine „contradictio in adjecto“ sei; ihrem Gehalt nach sind die Postulate bereits das Eschaton, und ihre Verwirklichung ist daher die Aufhebung der Geschichte. Unter den Bedingungen der Geschichte sind sie dagegen „nur dem Glauben zugänglich“, so daß Althaus sie nur als Postulate des Glaubens akzeptiert.121 Die Folgerungen aus diesem Argument decken sich 1924/25 und 1926 aber nicht exakt. In dem früheren Aufsatz bringt Althaus gegen die Postulate den Gegensatz von Geschichte und Eschaton zur Geltung, so schreibt er Das formale Ergebnis des Vergleichs lautet demnach: Was 1922 oft nur angedeutet war, hat Althaus 1924/25 und 1926 an den verschiedenen Stellen des neuen Aufrisses ausgebreitet, nur der Abschnitt über theologischen Erkenntnisfortschritt ist ohne jeden Vorläufer. – Also ist ein inhaltlicher Vergleich durchführbar. 118 Zitat DERS. (1926) 95; zum degenerativen Schema vgl. a.a.O. 91. Dieser Begriff von Heilsgeschichte leitete ja 1922 die Begründung des Mittelzustands, s. bei S. 210 Anm. 72. 119 Zitat DERS. (1924/25) 615; übernommen DERS. (1926) 95; DERS. (1922) 81 bereits als mögliche Definition erwogen, aber nicht durchgeführt. 120 Zitat DERS. (1926) 149 (Überschrift). Althaus behandelt auch die endgeschichtliche Behauptung endzeitlicher Vollendung von Mission, Erkenntnis und Sittlichkeit. Doch bieten diese Themen keine Peripetie von „negativer“ Heilsgeschichte zu „positiver“ Endgeschichte wie die anderen und sind daher weniger kennzeichnend. 121 Zitate DERS. (1924/25) 653 = DERS. (1926) 151.

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zur Erwartung des Antichrist: „Was heraustritt in der Geschichte, ist nicht unbedingt. Und was unbedingt ist, tritt nicht heraus.“122 – 1926 hat dieser (und nur dieser) Abschnitt eine Änderung erfahren, die gerade den zitierten Spitzensatz streicht. Jetzt wird gegen den Antichrist vielmehr mit der Doppeldeutigkeit der Geschichte argumentiert, die es z.B. verbietet, eine geschichtliche Größe wie die römische Kirche eindeutig mit dem Antichrist als einer eschatologisch geistigen Größe zu identifizieren.123 Im Hintergrund dieser feinen Verschiebung dürfte diese Überlegung stehen: Wenn die Postulate der Endgeschichte unter den Bedingungen der Geschichte nur geglaubt werden können, dann ist die Geschichte eine Bedingung des Glaubens; dies aber verbietet, sie zum kontradiktorischen Gegensatz des Eschaton zu machen. Sie muß dann vielmehr auch eine positive Bedeutung für den Glauben haben. Dies deckt sich mit der Ablehnung des Konzepts einer rein durch den Sündenfall bedingten Geschichte, also mit dem, was sich aus unseren Überlegungen zur Gliederung nahelegte. In diesem Sinne hat Althaus in den grundsätzlichen Überlegungen zum Verhältnis von Geschichte und Eschaton diejenigen Sätze zurückgenommen, die 1922 den Eindruck erwecken konnten, als würde die „Längslinie“ der Geschichte ganz von ihrer „Senkrechten“, dem Eschaton, verschlungen. Es heißt daher jetzt nicht mehr, daß sich alle Senkrechten in der Ewigkeit in einem Punkte treffen,124 dafür malt Althaus das ausdrucksstarke Bild: „Nicht nur die letzte Welle, sondern jede Welle schlägt an den Strand der Ewigkeit.“125 Bei der Aufwertung der einzelnen Welle dürfte an den „Selbstwert jeder Epoche“ gedacht sein.126 Des weiteren verwirft Althaus die Frage nach dem Wann des Endes nicht mehr als sinnlos,127 schreibt aber dennoch: „Ich antworte daher ausdrücklich: die geschichtliche Seite der Vollendung kommt dadurch zur Geltung, daß die Geschichte ein Ende hat.“128 122 DERS. (1924/25) 666. 123 DERS. (1926) 170. 124 ALTHAUS (1926) 181 Anm. 1 revidiert entsprechende Äußerungen (DERS. [1922] 98) explizit. 125 DERS. (1926) 174 = DERS. (1924/25) 669. 126 Expressis verbis DERS. (1926) 174. Darum auch erwähnt Althaus L. v. Rankes berühmtes Dictum: „Jede Epoche ist unmittelbar zu Gott“ (Leopold V. RANKE, Über die Epochen der neueren Geschichte. 19 Vorträge vor König Maximilian von Bayern [1854], hg.v. A. Dove, München 1917, 17). 127 ALTHAUS (1926) 177 Anm. 1 relativiert, was DERS. (1922) 96 hierzu gesagt hat. 128 DERS. (1926) 178 Anm. in der Fortsetzung der in der vorigen Anmerkung zitierten Selbstrelativierung. Anders als bei K. Barth (s. S. 216 Anm. 106) zielt dieser Gedanke bei Althaus nicht auf eine Restitutionseschatologie.

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In diesem Zitat findet sich das Interesse von Althaus' Überarbeitung der Abwehr endgeschichtlicher Eschatologie zugespitzt: Gegen eine einlinige Ableitung der Geschichte aus dem Sündenfall, die ihr nur eine negative Bedeutung für die Ewigkeit zuerkennen könnte, setzt Althaus eingedenk der Doppeldeutigkeit der Geschichte deren auch positiv inhaltliche Bedeutung, erblickt diese aber in der Endlichkeit der Geschichte. Dieses paradoxe Bild wird bestätigt von der Ewigkeitslehre, wie Althaus sie 1926 modifiziert: b) Ewigkeitslehre. Die geschichtliche Begründung von Welthaftigkeit und Leiblichkeit der Ewigkeit beschränkt sich 1926 nicht mehr auf das Schlußkapitel, sondern wird bereits in Kap. II thematisch. Auf kritische Anfrage von K. Heim, der den Zusammenhang der Individual- mit der Universaleschatologie vermißt hat,129 ergänzt Althaus hier Abschnitte zur welthaften Dimension von axiologischer und teleologischer Eschatologie.130 Dabei heißt es im Abschnitt über die teleologische Eschatologie, die Bedeutung der Welt für das Kommen des Ewigen bestehe darin, „daß der ganze Weltbestand, in dem wir leben, aufgehoben wird“, im „Ende unseres Weltbestandes“, der „überall eine Welt des Kampfes und daher des Todes“ ist. Und in der axiologischen Eschatologie ist zufolge Althaus jetzt die Welt, „einschließlich des Dämonischen und Bösen, Gottes Welt.“131 Althaus nennt als Momente der eschatologischen Bedeutung der Welt hier also durchweg ihre Endlichkeit. Dem entspricht die geschichtliche Begründung für Welthaftigkeit und Leiblichkeit der Ewigkeit in Kap. V. Sie wird nun nicht mehr, wie noch 1922, ethisch akzentuiert,132 sondern eher ästhetisch: Welt und Leib sind als eigene Gestalten und Gestaltungen von Ewigkeit bedeutsam für die Eschatologie.133 Mit diesem auch 1922 schon gebrauchten Interpretament will 129 A.a.O. IX. 130 Zur einhergehenden Neugliederung der teleologischen Eschatologie s. bei S. 205 Anm. 49. 131 Zitate a.a.O. 43.48.51 zu den drei teleologischen Paradoxa (s. bei S. 205 Anm. 49) bzw. a.a.O. 35 zur Axiologie. A.a.O. 43 explizit zum Zusammenhang dieser Stellen; er zeigt sich auch in den Rückverweisen ersterer auf die letzte. 132 In einigen Schlüsselsätzen hat Althaus den Begriff der Sittlichkeit 1926 gestrichen: Bestand für DERS. (1922) 139 „in dem sittlichen Verhältnis von Seele und Leib ein selbständiger Gottesgedanke“, so für DERS. (1926) 261 „in dem lebendigen Verhältnis“ usw. Erblickte DERS. (1922) 142 einen „wesentlichen Zusammenhang“ „zwischen der sittlichen Treue, in der wir das Körperliche zum Gepräge der Seele werden lassen, und unserer ewigen Gestalt“, so spricht DERS. (1926) 265 von einem „wesentlichen Zusammenhang“ „zwischen der persönlichen Geschichte, in der das Leibliche zum Gepräge der Seele wird, und unserer ewigen Gestalt“, statt von sittlicher Treue also von persönlicher Geschichte. Auch die S. 212 Anm. 82 zitierten Sätze fehlen 1926. 133 Die „sinnliche Schönheit“ der „Natur in ihrer Selbstzwecklichkeit“ führte auch schon DERS. (1922) 135 an; doch DERS. (1926) 255.254 flankiert dies durch neue Erwägungen zur eschatologischen Bedeutung der Kunst, die aber abwägend gehalten sind (a.a.O. 253f.).

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Althaus nun noch stärker als vier Jahre zuvor dem Eindruck entgegentreten, die eschatologische Bedeutung von Welt und Leib sei nicht Selbstzweck, sondern ein bloßes Mittel zum Zweck der Ewigkeit. Inhaltlich aber zeigt die Aufwertung beider als Gestalten von Ewigkeit dasselbe Doppelgesicht wie die Abwehr der Endgeschichte. In einem gegenüber 1922 neuen Absatz schreibt Althaus: „zwischen hier und dort steht auch für die ‚Gestalt‘, die die Seele sich prägt, der Tod und das Gericht Gottes“.134 Und hatte es 1922 geheißen: „Die irdische Natur weist als Verheißung auf eine Erfüllung“, so fügt Althaus dem 1926 hinzu: „aber eine Erfüllung (das sei gegen alle christlich-theosophische Naturphilosophie gesagt!) jenseits des Todes dieser unserer Natur“.135 Althaus wertet also die positive Ewigkeitsbedeutung der Geschichte auf, erblickt sie aber umso mehr in der Endlichkeit und Sterblichkeit. Erst recht dürfte dies für die Lehre vom Gericht gelten, das in sich schon die Begrenztheit der Geschichte bedeutet. c) Gerichtslehre. Althaus hat 1926 seine Gerichtslehre nach einem Aufsatz von Emanuel Hirsch zum Thema umstrukturiert. Hirsch hatte vor dem Hintergrund von Althaus' Eschatologie die Aufteilung des Gerichts in ein Gericht nach dem Glauben und eines nach den Werken kritisiert und dagegen als strenger Vertreter des Personalismus die Einheit beider in der Person, nämlich der Person Christi, zum einzigen Maßstab des einen Gerichts erklärt.136 Althaus gliedert daraufhin Kap. IV nicht mehr nach dem Schritt vom geschichtlichen zum ewigen Gericht, der an zwei unabhängige Gerichtsereignisse erinnern könnte, sondern nach den Dimensionen des Gerichts, deren er jetzt zwei unterscheidet: das „Gewissensgericht“ vertritt das vormalige Gericht über das Sein, und das „Geschichtsgericht“ vertritt zusammenfassend das frühere Gericht nach den Werken und dem Werk.137 Trotz dieser Anpassung an Hirsch bleibt der entscheidende Unterschied zu dessen Personalismus bestehen, nämlich die geschichtliche Begründung des ewigen Gerichts, die Althaus in jeden der neu gegliederten Abschnitte inkorporiert.138 Ja sie erfährt sogar eine zusätzliche Akzentuierung. So sagt 134 DERS. (1926) 266, nicht in DERS. (1922) 142f. 135 DERS. (1922) 136 par. DERS. (1926) 255. 136 HIRSCH (1923/24) 206.211. 137 ALTHAUS (1926) 189 Anm. 1 zu Hirschs Einfluß. Die gliedernden Termini a.a.O. 191.215. Da Althaus beim Geschichtsgericht äußere und innere Geschichte unterscheidet (a.a.O. 215.222), ist materialiter nichts gestrichen. 138 A.a.O. 187 grundsätzlich und a.a.O. 201 für das Gewissens- sowie a.a.O. 218 für das Geschichtsgericht. Für HIRSCH (1923/24) dagegen ist das Gericht, obwohl er es wie Althaus vorbehaltlich des Eschaton als Verdammungs- und Läuterungsgericht zugleich lehren will (a.a.O. 223), gar kein Gegenstand der Erwartung mehr.

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Althaus zum Geschichtsgericht in der wesentlich erweiterten Auseinandersetzung mit der Fegfeuerlehre, daß das Gericht als Läuterung zwar vollendet, was Menschen in ihrem geschichtlichen Dasein geworden sind, in eins damit aber auch beendet: „Aber es gilt eben beides zusammen festzuhalten: die Bedeutung der Werdegesetze und ihre Aufhebung durch Gott.“139 Hatte er 1922 noch ein „Wahrheitsmoment“ in der Purgatoriumslehre anerkannt, so heißt es 1926 schroff: „Daher warten wir nicht auf ein Fegefeuer, sondern auf den Tod“.140 Das ist auch ein Rückbezug auf den Abschnitt zum Gewissensgericht, dem Althaus sieben neue Seiten über die theologische Lehre vom Tode eingefügt hat mit der Spitzenaussage: Der Tod „ist auch uns der Befreier […]: ich, der alte Mensch, darf sterben. Und ich darf ihm, dem Herrn, sterben.“141 Hier wird ganz handgreiflich, daß Althaus' Aufwertung der Geschichte als positiv bedeutsamer für die Ewigkeit in der Hervorhebung ihrer Endlichkeit besteht. Somit ergibt sich für alle maßgeblichen Änderungen in der Drittauflage derselbe Eindruck: d) Zwischenergebnis. Althaus ist 1926 wie 1922 an einer kritischen Würdigung der Geschichte interessiert, widmet sich dabei aber verstärkt deren positiver Ewigkeitsbedeutung, die er paradoxerweise in der Endlichkeit der Geschichte erblickt. Da sich Althaus' Stellung zur Dialektischen Theologie ebensowenig wie seine Front gegen die jüdische Vorstellung der Endgeschichte verschoben hat, kann diese Betonung geschichtlicher Endlichkeit weder die Auflösung der Geschichte durch das Eschaton noch ihre Verrechnung mit demselben bezeichnen, sondern muß eine dritte Größe jenseits dieser Alternative vor Augen haben. Dies kennzeichnet auch Althaus' Geschichtslehre, die er parallel zur Ausformung seiner Eschatologie in Auseinandersetzung mit dem Personalismus der Lutherrenaissance, aber auch mit K. Heim, entwickelt. Wie z.B. Hirsch begreift Althaus Geschichte in erster Linie als menschliches Entscheidungsleben, dessen Bedeutung sich dann besonders in der Eschatologie als Frage nach der Endgültigkeit solcher Entscheidung niederschlägt. Hatte hier die (vermittlungstheologische) Tradition142 mit ihrer Antwort, daß Gott in der Geschichte um seine Anerkennung durch den Menschen ringe und sie 139 ALTHAUS (1926) 235. DERS. (1922) 125 sah noch eine „ernste Bedeutung“ des Werdens für die Ewigkeit. 140 DERS. (1926) 232; auf die frühere Stelle DERS. (1922) 122 Anm. 1 („Wahrheitsmoment“) verweist DERS. (1926) 227 Anm. (Fortsetzung von a.a.O. 226 Anm. 3) selbst. 141 A.a.O. 198f.; der ganze Passus a.a.O. 194–200; a.a.O. 231 als „Theologie des Todes“ aufgegriffen. 142 S. Exkurs 2 (S. 69ff., besonders bei Anm. 111).

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nicht gegen dessen Willen durchsetze, menschliches Entscheidungsleben einseitig mit der Möglichkeit zum Bösen, also dem Sündenfall, verbunden, so will Althaus mit seiner Auffassung vom positiven Ewigkeitswert der Geschichte hinter diese infralapsarische Ableitung der Geschichte bloß aus dem Sündenfall zurück zu einem supralapsarischen Verständnis der Geschichte in eigenständiger schöpfungstheologischer Dimension neben ihrer Bedeutung für Sünde und Gnade. 1932 formuliert Althaus daher eine dreistellige Geschichtslehre,143 die in der ebenfalls dreiwertigen Lehre vom Tode kulminiert: „Der Tod (und mit ihm die Gestalt unserer Welt überhaupt) liegt für uns in einem dreifachen Lichte: von Gottes Zorn über die Sünde her, von der Erlösung durch seine Gnade her, von der ursprünglichen, immerdar gegenwärtigen Liebe Gottes zu seinem Geschöpfe her.“144 Die dreistellige Geschichtslehre hat darum Konsequenzen für die Anthropologie, die Althaus nun auch in Überwindung der klassischen Alternative von Aktiv und Passiv in Kategorien des Opfers und der Hingabe zu entwickeln versucht.145 Opfer und Hingabe drücken hier die positive eschatologische Bedeutung des geschichtlichen Menschen aus; in ihrer Begrifflichkeit bündelt sich also das Interesse der Eschatologie von 1926, den Ewigkeitswert der Geschichte in der Betonung ihrer Endlichkeit zu erblicken, und dieser Versuch einer Anthropologie jenseits gegebener Alternativsetzungen erklärt auch das merkwürdige Doppelgesicht dieser Stufe von Althaus' eschatologischem Denken. 3. Die Ewigkeit als Enthüllung der verheißenden Geschichte (1933). Die nochmalige Neuschrift der Eschatologie, die Althaus 1933 als vierte Auflage publiziert, ist in der Anzahl und Anordnung der Kapitel stark erweitert, doch sie wahrt die Kontinuität mit den entscheidenden Charakteristika ihrer Vorgänger. Das 1922 begründete systematische Gerüst einer Ewigkeit als Jenseits der Geschichte, also die Korrespondenz der beiden eröffnenden Grundlegungs- mit dem abschließenden Ewigkeitskapitel, bleibt erhalten. 143 Hierfür ist die Auseinandersetzung mit Heim bei ALTHAUS (1932) maßgeblich, a.a.O. 335: „Auch für uns ist die Geschichte mit ihren Bedingungen, dem Kampf und Tode usw., nicht Gottes endgültiger Wille. Aber sein ursprünglicher Wille. Die Geschichte ist nicht zwischeneingekommen, sondern auch sie ist Gottes ‚sehr gute‘ Schöpfung.“ Gegen Heim DERS. (1926a) 98f.: „Nun lehren auch wir, daß die Welt als geschichtliche nicht Gottes letzter Wille […] ist […]. Aber obgleich nicht sein letzter Wille, so ist sie doch sein ursprünglicher Wille.“ 144 DERS. (1932) 337. 145 A.a.O. 333: „Man darf sagen: der Begriff, unter dem das Sterben hier eingeordnet wird, gehört dem ursprünglichen Verhältnisse zwischen Gott und Mensch an. Denn darin ist Gott Gott und dazu ist der Mensch Mensch, daß er sein Leben Gott zum Opfer hingebe.“ A.a.O. 334 wird dies am Soldatentod exemplifiziert!

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Auch das hauptsächliche Interesse der Überarbeitung von 1926, die positive Ewigkeitsbedeutung der Geschichte stärker zu betonen, findet Aufnahme. So wird in einem neugeschaffenen Kapitel über den Tod die seit 1926 entdeckte dritte, schöpfungsmäßige Dimension der Todeslehre gegenüber den früheren Ausführungen zum Thema erkennbar ergänzt.146 Und das andere neue Kapitel147 über die Methode der Eschatologie hält – neben der schon bekannten Begründung auf dem Christusereignis statt auf den biblischen Weissagungen148 – fest, daß von Ewigkeit nicht nur in Negationen der Geschichte zu reden ist, sondern auch via analogiae, so daß „[u]nser Leben und unsere Welt […] doch auch Gleichnis des Ewigen Lebens und der neuen Welt“ sind.149 Freilich wird damit die ursprüngliche Einsicht, daß alle Geschichte durch das Gericht hindurch muß, nicht zurückgenommen; das Gerichtskapitel erfährt 1933 trotz einer hernach zu erwähnenden deutlichen Zuspitzung keine wesentliche Veränderung und bleibt am ehesten unbeeindruckt von der Neubearbeitung. Vielmehr scheint es, daß ein entscheidendes Kennzeichen dieser Neubearbeitung darin liegt, die 1926 begonnene Aufwertung der positiven Ewigkeitsbedeutung von Geschichte fortzuführen. In diesem Sinne wird auch das tragende Korrespondenzverhältnis von Grundlegungs- und Ewigkeitskapitel modifiziert. So macht Althaus im Schlußkapitel (Kap. VIII) für die geschichtliche Begründung der Welthaftigkeit und Leiblichkeit der Ewigkeit 1933 eine bestimmte Art von Realismus geltend: „Die Frage nach der kommenden Leiblichkeit und die Frage nach der Welt müssen einheitlich beantwortet werden. […] Hier wie dort muß der gleiche ‚Realismus‘ – wenn auch eben nicht der Realismus der orthodoxen Auferstehungs-Lehre – zur Geltung gebracht werden.“150 Diese Unterscheidung eines eschatologischen Realismus von einem „orthodoxen“ Realismus ist ein Rückbezug auf Kap. VII, wo Althaus wiederum in Abwehr eines „orthodoxen“ (d.h. altprotestantischen) Gedankens, diesmal der 146 DERS. (1933) 84 [87]: „Aber er [der Tod] hat als solcher dann doch [1949ff.: doch dann] selbständige Bedeutung gegenüber dem Sinne des Todes als Zornes- und Gnadengerichtes über die Sünde“ und a.a.O. 84 [88] (Hervorhebungen aufgehoben): „Der Tod will von unserer Geschichte mit Gott aus und zwar nach allen [1949ff.: recte] ihren Beziehungen verstanden werden: vom Schöpfungs-, Zornes- und Gnadenverhältnis aus“ sind Nachträge gegenüber DERS. (1926) 194–200 aufgrund von DERS. (1932) 337. Ebenso DERS. (1933) 330 [344] zum dreistelligen Verständnis von Welt: „Wir erfahren darin, daß Gottes nicht nur die Wahrheit und die Liebe, sondern auch die Schönheit ist.“ 147 Kap. VI und VII können inhaltlich kaum als neu gelten; sie bringen das zuvor in Kap. III gebotene Material. 148 S. bei S. 210 Anm. 75. 149 ALTHAUS (1933) 78 [81]. 150 A.a.O. 344 [359].

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Endgeschichte, einen „eschatologischen Realismus“ von einem „nationalen Realismus“ unterscheidet und sich damit gegen jüdische Zukunftserwartung abgrenzt, wie einige Zusätze zu übernommenen Äußerungen der Drittauflage zeigen.151 Für die Konzeption der Eschatologie heißt dies, daß bei Althaus 1933 die Ewigkeit nicht mehr nur wie bisher als Jenseits der zeitlichen Gegensätze (Kap. VIII) mit der zweideutigen Geschichte (Kap. I.II) verklammert wird, sondern auch mit einer Aufteilung dieser Zweideutigkeiten auf zwei Arten von Realismus (Kap. VII). Zugleich ist mit dieser neuen Verklammerung eine kritische Abgrenzung vom Judentum nicht in einem einzelnen Punkt, sondern auf der konzeptionellen Ebene verbunden. Es scheint also, daß Althaus mit der letzten großen Umarbeitung seiner Eschatologie eine Wendung gegen das Judentum genommen hat. Dies ist an den schon bekannten Einzelmomenten zu überprüfen. a) Abwehr der Endgeschichte. Gegen die Endgeschichte argumentiert Althaus wie seit 1922 grundsätzlich mit der spätestens seit Tholuck einschlägigen Gegenüberstellung von Wahrsagung und Weissagung, woraus sich für Althaus die aktualisierende Deutung der endgeschichtlichen Postulate ergibt.152 Diese wird 1933 jedoch weniger ethisch wie 1922 oder ästhe151 WIMMER (1979) 323 bemerkt die Differenzierung von zweierlei Realismus, aber nicht ihren konzeptionellen Zusammenhang mit ALTHAUS' Kap. VIII. Die zitierte begriffliche Unterscheidung (DERS. [1933] 298 [309]) findet sich in der Erörterung des chiliastischen „Realismus“ – DERS. (1926) 154–159.162 Anm. 1 nennt „eschatologischen ‚Realismus‘“, doch ohne Gegenbegriff – noch nicht; a.a.O. 110f. ist sie nur erst angebahnt z.B. in folgenden Sätzen: „Viele der herrlichsten, Israel betreffenden Weissagungen seien einfach noch nicht erfüllt, z.B. die von Israels Herrscherstellung in der erlösten Menschheit, der künftigen Bedeutung von Jerusalem u. dergl. […] die ‚Erfüllung‘ ist auch Kritik und Überwindung der ‚Weissagung‘. Christus ist nicht nur Erfüllung der messianischen Weissagung, sondern Christus ist auch des Messias Ende; d.h. die Verheißungen der Weltstellung Israels sind in Christus nicht nur ‚geistlich‘ erfüllt, sondern in ihrer nationalen Art auch zerbrochen und abgetan. […] Wenn Jesus das nationale Messiasideal seiner Zeitgenossen abweist, so steht er damit zum Teil auch wider die großen Propheten.“ DERS. (1933) 297–299 [308–310] spitzt diese Sätze dann in der Abgrenzung gegen das Judentum noch zu (Änderungen gegenüber 1926 kursiv; Originalhervorhebungen aufgehoben): „Viele der klarsten und herrlichsten, Israel betreffenden Weissagungen seien einfach noch nicht erfüllt, z.B. die von Israels Wiederbringung und Herrscherstellung in der erlösten Menschheit, der künftigen herrlichen Wiederherstellung Jerusalems und des Tempels und seiner Menschheitsbedeutung u. dergl. […] die ‚Erfüllung‘ des Alten Testaments durch Christus ist auch Kritik und Abtun der Weissagung, nämlich des irdisch-nationalen Realismus. Christus ist der Israel verheißene Messias, aber Christus ist auch des Messias Ende, d.h. die Verheißungen der Weltstellung Israels sind und werden in Christus nicht nur ‚geistlich‘ erfüllt, sofern der Sohn und Messias Israels zum ‚Herrn‘ über alle Menschheit wird, sondern eben diese Erwartungen sind in ihrer irdisch-nationalen, ‚judaistischen‘ Art durch Christus mit der geistlichen Erfüllung zerbrochen und abgetan. […] Wenn Jesus das nationale Messiasideal seiner Zeitgenossen leidenschaftlich abweist, so steht er damit zum Teil auch wider die großen Propheten.“ 152 Die Kontinuität dieser aktualisierenden Kritik betont ALTHAUS (1933) 267 [277] selbst.

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tisch wie 1926 akzentuiert, sondern im Rahmen der Entgegensetzung jüdischer und christlicher Zukunftserwartung gesehen. So parallelisiert Althaus 1933 die Gegenüberstellung von Weissagung und Wahrsagung mit derjenigen von „Prophetischem und Apokalyptischem“, wobei letzteres von der „jüdischen Apokalyptik“ gemeint ist.153 Bei den Einzelthemen der Endgeschichte wird dann das Judentum zur Folie der Argumentation, etwa wenn Althaus das Postulat endgeschichtlicher „Evangelisierung der Welt“ jetzt auf das Verhältnis der Weltreligionen zueinander anwendet, was der Logik der Argumentation nach einen „Sieg“ des Christentums auch über das Judentum einschließt.154 Oder das Thema Antichrist: Hatte Althaus 1926 die Doppeldeutigkeit der Geschichte gegen das als „unreformatorisch“ und „pietistisch“ bezeichnete Bild eines geschichtlichen Heraustretens des Eschaton geltend gemacht, so äußert sich derselbe Gedanke 1933 als Ablehnung der „judaistisch-pietistischen Bilder endgeschichtlicher reiner Geschiedenheit von Kirche und Welt“.155 Vollends beim Chiliasmus, den Althaus durchaus als Weissagung anerkennt, wird die Unterscheidung von Wahrsagung und Weissagung weiterentwickelt zu der erwähnten Differenzierung zwischen dem „irdisch-nationalen, ‚judaistischen‘“ Realismus und dem „Realismus der Verheißung“.156 Das ist eine Binnendifferenzierung der Weissagung, in die der Unterschied zwischen Voraussicht zufälliger Geschichtsereignisse und Einsicht in ewige Notwendigkeiten, also der Unterschied von Wahrsagung und Weissagung selbst, nochmals eingetragen wird. Der Unterschied von Wahrsagung und Weissagung ist aber ja seinerseits eine Binnendifferenzierung von Verheißung, und deswegen ist die Wurzel der Unterscheidung von christlichem und jüdischem Realismus im Verständnis von Verheißung zu suchen. Und in der Tat unterscheidet Althaus hier Verheißung im christlichen und im jüdischen Sinne je nach Art der Erfüllung:157 Christlicher Realismus erblickt demnach die Ewigkeitsbedeutung der Geschichte nicht wie sein jüdisches Pendant in der irdischen Dimension der Nationalität, sondern in einer geistlichen Dimension, die einerseits – unter Aufnahme von eschatologiegeschichtlich reich belegten bipolaren Schemata – als Gegenpol des Irdischen erscheint, andererseits diesen Gegensatz selbst schon um153 Zitate a.a.O. 260.261 [270.271] (Kap. VII.1) zur Endgeschichte im Prinzipiellen. 154 Zitate a.a.O. 271.272 [282.282]. 155 Die beiden ersten Zitate: DERS. (1926) 170, vgl. damit den Kontext des dritten (DERS. [1933] 286 [296]). 156 Zitate a.a.O. 298.298 [310.309]. 157 A.a.O. 298 [309]: „Man kann es nicht historisch scheiden, aber theologisch unterscheiden, in Hinsicht auf die Frage der Erfüllung.“

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greift, wie sonst nach Althaus' Eschatologiekonzept erst die Ewigkeit Gegensätze umgreift.158 Althaus kann daher behaupten, daß dem christlichen Realismus der Verheißung, im Unterschied zum jüdischen, in der Ewigkeit eine Erfüllung zuteil werde.159 Es ist also zu erwarten, daß der zweifache Realismusbegriff Auswirkungen auf die Erörterung des Ewigkeitsthemas hat. b) Ewigkeitslehre. Grundsätzlich besteht eine derartige Auswirkung vor allem in der o.g. Aufnahme des zweifachen Realismusbegriffs im Ewigkeitskapitel. Daneben weisen aber auch die Ausführungen zur geschichtlichen Begründung von Welthaftigkeit und Leiblichkeit der Ewigkeit in diese Richtung. Zum Thema der „neuen Welt“ verfaßt Althaus 1933 einen zehnseitigen theologiegeschichtlichen Exkurs, der gegen die Weltvernichtungslehre des orthodoxen Luthertums nachdrücklich für eine eschatologische Weltverwandlung argumentiert160 und so das Anliegen eines „eschatologischen Realismus“ stärkt. Zugleich betont Althaus allerdings, daß dieser Realismus sich auf irdische Entitäten wie „[u]nsere Natur“ und „unseren Leib“ nur insofern richte, als sie „ganz dem Durchdringen des Geistes offen“ sind;161 Althaus statuiert also das schon vom Chiliasmusthema bekannte Verhältnis von Irdischem und Geistlichem;162 und wie es dort als Verheißung und Erfüllung beschrieben werden konnte, so nennt Althaus auch hier Verheißung und Erfüllung als die angemessenste Begrifflichkeit,163 um zu erfassen, welche eschatologische Bedeutung der Ge158 Die Diastase von Geistlichem und Irdischem spricht z.B. aus dem Satz a.a.O. 298 [310]: „diese Erwartungen sind in ihrer irdisch-nationalen, ‚judaistischen‘ Art durch Christus mit der geistlichen Erfüllung zerbrochen und abgetan“; daß der christliche Realismus das Irdische aber auch umgreift, sagt Althaus a.a.O. 298 [309]: „wo immer echte Verheißung des Heils geschenkt wird, da geht sie auf das Ganze, leiblich-reale Erlösung, nicht nur geistlichen Frieden, sondern auch äußeren, nicht nur inneres Leben, sondern auch reale Todesüberwindung“. 159 Ebd.: „Die Spannung des neutestamentlichen Heilsbewußtseins auf die kommende Erlösung hin lebt geradezu von der noch unerfüllten alttestamentlichen Weissagung, zu der Jesus sich mit dem Christus-Namen bekannt hat.“ 160 A.a.O. 335–345 [350–359] mit Fazit a.a.O. 345 [360]: „Umdenken von der weltlosen ‚Himmels‘-Hoffnung zur biblischen Erwartung einer neuen ‚Welt‘“. 161 Zitate a.a.O. 347.347.348 [362.362.363] (alle Hervorhebungen aufgehoben). 162 Den Ebenenunterschied beider drückt Althaus beim 1933 in das Todeskapitel verschobenen Parallelthema des neuen Leibes dadurch aus, daß nicht der Leib, sondern die Leiblichkeit zur Begründung herangezogen wird. Der Akzent liegt kaum, wie MEISER (1993) 78 mit Anm. 161 von seinem exegetischen Standpunkt aus nahelegt, darauf, daß die Leiblichkeit eine biblische Anschauung ist. Dieser Annahme widerrät die parallele Unterscheidung von Sterblichem (d.h. Leib) und Sterblichkeit bei ALTHAUS (1933) 123.127 [128.132]. 163 Das „Verhältnis der kommenden Welt zu der jetzigen“ (a.a.O. 347 [361]) ist a.a.O. 349 [364] „das Verhältnis von Verheißung und Erfüllung“; vgl. a.a.O. 348 [363]: „Erfüllung der Verheißung“. Ebenso schon DERS. (1926) 256 = DERS. (1922) 137.

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schichte zukommt, m.a.W. wie das Verhältnis der Geschichte zu ihrem positiven Ewigkeitswert ausgedrückt werden kann.164 c) Gerichtslehre. Die Unterscheidung von zweierlei eschatologischem Realismus wirkt sich auch in der geschichtlichen Begründung des ewigen Gerichts aus, da Althaus hier 1933 in zuvor nicht gekanntem Maße das ewige Gericht nach seinen beiden Dimensionen mit dem Tode des Einzelnen in Verbindung bringt: Zur ersten Dimension heißt es bündig, daß „der Ausblick auf die Todesstunde und der Ausblick auf das Jüngste Gericht, theologisch genommen, eins und dasselbe“ sind, und bei der zweiten vertritt Althaus nunmehr nachdrücklich gegen die Purgatoriumslehre, daß die notwendige Vollendung der Heiligung im Tode „mit einem Male“ geschehe, was er 1922 noch bestritten hatte.165 Diese Verbindung von Tod und Gericht rückt das ewige Gericht merklich an das geschichtliche heran, was einerseits dem Interesse des eschatologischen Realismus an einer positiven Bedeutung der Geschichte entspricht, andererseits aber Althaus' Gerichtslehre immer näher an die personalistische heranführt, für die sich das ewige Gericht auf die Enthüllung der im geschichtlichen Gericht gefallenen Entscheidung beschränkt. Dem stellt Althaus zwar für das zukünftige Gericht nach seiner ersten Dimension 1933 noch den Charakter einer „letzten Entscheidung“ zur Seite, doch das zukünftige Gericht nach seiner zweiten Dimension, als Läuterungsgericht für die Gläubigen, beschränkt sich darauf, daß das, was „als totaler Akt mit ihnen schon geschehen ist“, „aus der Verborgenheit herausbricht“.166 Die Metaphorik von Verbergung und Enthüllung aber stellt ein bestimmtes Interpretament des Zusammenhangs von Verheißung und Erfüllung dar, also desjenigen Themas, auf das Althaus' zweifacher Realismusbegriff in der Abwehr der Endgeschichte und in der Ewigkeitslehre hinauslief. So spitzt sich die Argumentation in allen Einzelpunkten der Würdigung der Geschichte auf das Verheißungsthema zu. d) Auswertung. Damit liegt die Aufgabe, die sich zusammenfassend aus Althaus' abschließender Überarbeitung seines Eschatologiekonzepts ergibt, 164 DERS. (1933) 349 [gestrichen ab der 5. Auflage] behauptet Althaus selbst beim Thema der neuen Welt freilich, 1933 gegenüber 1926 größere Zurückhaltung in der eschatologischen Wertung der Kultur zu zeigen; nurmehr, daß sie „über sich hinausweise“, könne er behaupten. Dazu ist aber zu sagen, daß dieser Verweischarakter 1933 eben nicht mehr wie 1926 via negationis, sondern via analogiae gedacht ist. 165 Zitate a.a.O. 175 [181] zur ersten Dimension (jetzt: „Das Gericht als Entscheidung“, a.a.O. 168 [175]) bzw. zur zweiten (jetzt: „Das Gericht der Wirkung“, a.a.O. 189 [196]) a.a.O. 204.216 [211.223]; dagegen DERS. (1922) 123. 166 Zitate DERS. (1933) 172.217.217 [179.224.224]. ETZELMÜLLER (2001) 21f. hebt diese Veränderung im Althaus'schen Gerichtskonzept sehr kritisch hervor, da er sich besonders für die positive Funktion des Gerichts beim Aufbau des Reiches Gottes interessiert.

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auf der Hand: Althaus transformiert das 1926 dominierende Interesse an der Geschichte als einer „Hingabe“ an die Ewigkeit in die Betonung eines eschatologischen Realismus, womit eine bestimmte, von einem jüdischen Realismus abgegrenzte Gestalt des Verheißungskonzepts gemeint ist. Im folgenden ist also zu klären, wie Althaus in der vierten Auflage der Eschatologie von Verheißung redet und welches Phänomen von Judentum damit indirekt in den Blick genommen wird. Hierfür ist aufschlußreich, daß für Althaus die Unterscheidung von zweierlei Realismus zuletzt in der Person Christi gründet: „Seit Christus da ist“, heißt es zweimal, ist geschichtliche Weissagung abgetan.167 Und gegen den jüdischen Realismus sagt er: „Dabei wird verkannt, daß die Zeit für diese Weissagungen und ihre Erfüllung mit dem Kommen Christi zu Ende gegangen ist.“168 In geradezu methodischer Grundsätzlichkeit beendet Althaus den Abschnitt zum zweifachen Realismus mit einem schon 1926 verwendeten Lutherzitat: „urgemus Christum contra scripturam“.169 Mit dieser Hervorhebung Christi folgt Althaus exakt den Grundsätzen seines Methodenkapitels, in dem er gegen eine auf der Bibel begründete Eschatologie „ein Prinzip der Sichtung für den biblischen Stoff“170 sucht und dieses findet in Luthers „was Christum treibet“: „Dieses Prinzip kann kein anderes sein als das soeben schon genannte: die Verheißung, die Jesus Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene selber ist.“171 Althaus spricht von einer „Verheißung“, „Weissagung“, einem „Wort“, was er jeweils singularisch gebraucht und den pluralischen „Verheißungen“, „Weissagungen“ und „Worten“ gegenüberstellt.172 Den Terminus „Christustatsache“, mit dem Althaus 1926 in den z.T. 1933 übernommenen methodischen Passagen173 167 Zitate ALTHAUS (1933) 300.301 [312.312]. 168 A.a.O. 300 [312]. 169 A.a.O. 300 [311] par. DERS. (1926) 111. 170 DERS. (1933) 68 [71]; a.a.O. 66 [69] nennt das Prinzip „‚kritisch‘“; vgl. a.a.O. 62 [65]: „Prinzip der Deutung und Ordnung“; a.a.O. 64 [67]: „systematisches Prinzip“. Die Sichtung der Bibel ist auch die interesseleitende Frage im Exkurs a.a.O. 67–70 [70–73] über v. Hofmanns, Kliefoths und Kählers eschatologische Methode. 171 A.a.O. 64 [67]; mit Berufung auf Luther a.a.O. 61 Anm. 1 [64 Anm. 1]. 172 „Quelle der eschatologischen Erkenntnis kann nichts anderes sein als die Verheißung Gottes. Aber das verheißende Wort Gottes ist nicht einfach identisch mit den prophetischen Verheißungen, den apokalyptischen Zukunftsbildern der Bibel“ (a.a.O. 62 [65]). A.a.O. 62 [65f.] ist Althaus bestrebt, „aus den Weissagungen die Weissagung Gottes zu hören, die Quelle und Norm unseres eschatologischen Denkens ist“. Ganz knapp a.a.O. 61 Anm. 1 [64 Anm. 1]: „Es handelt sich also um das Verhältnis des Wortes zu den Worten“. 173 Die Übernahmen lassen sich synoptisch so veranschaulichen: DERS. (1933) 63 Anm. 1 [66 Anm. 1] = DERS. (1926) 55 Anm. 1, nicht in DERS. (1922); DERS. (1933) 64 Anm. 1 [67 Anm. 1] = DERS. (1926) 53 Anm. 1, nicht in DERS. (1922);

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dasselbe Verhältnis von Christus und ihn bezeugender Bibel bezeichnet hatte, vermeidet er jetzt. Die neue Terminologie unterscheidet mit der bewußten Verwendung von Singular und Plural schärfer die Ebenen, auf denen Christus und Bibel liegen. Entsprechend wird eine „biblische Weissagung“ – im Singular! – nur per nefas erwähnt und dabei, was für unsere Fragestellung wichtig ist, als „judaisierender“ Irrtum bezeichnet.174 Man kann daher den zweifachen Begriff von Realismus so akzentuieren, daß Eschatologie für Althaus nicht auf Christi Verheißungen, sondern der Verheißung Christi gründet.175 Dem entsprechen fünf gegenüber 1926 neue Absätze aus Kap. II, in denen Althaus das Konzept der Verheißung entfaltet „in Entsprechung zu der Folge der Gedanken über den Widerstreit“ von Geschichte und Ewigkeit, den nach Althaus' Grundgedanken erst die Ewigkeit selbst unter Beibehaltung seiner Pole löst.176 Auflösung der eschatologischen Spannung und Erfüllung der Verheißung müßten demnach für Althaus strukturgleiche Sachverhalte sein. Tatsächlich verbindet Althaus beide mit dem Satz: „Die Verborgenheit der Offenbarung Gottes und des Heiles[177] bedeutet Verheißung kommender Enthüllung“, und er argumentiert für beide mit der Gottheit Gottes.178 Doch im ersten Falle liegt der Akzent auf der Auflösung der Spannung, im zweiten auf der Verheißung der Erfüllung; dort auf Gottes offenbarer Gottheit, hier auf der Verborgenheit seiner Gottheit. Der Schein völliger Entsprechung beider Argumentationen entsteht erst dadurch, daß Althaus betont, die verborgene sei doch keine andere als die volle Gottheit Gottes: „Denn auch in der Verborgenheit ist die Offenbarung und das Heil dem Glauben eben doch als Gottes Wirklichkeit und Gottes eines, ganzes DERS.

(1933) 64f. [68 oben] par. DERS. (1926) 53 Mitte, nicht in DERS. (1922); (1933) 65 Anm. 2 [68 Anm. 1] = DERS. (1926) 56 Anm. 1, nicht in DERS. (1922); DERS. (1933) 66 Mitte [69 Mitte] par. DERS. (1926) 55f. = DERS. (1922) 54. 174 „Wer […] die in sich einheitliche ‚biblische Weissagung‘ erheben zu können meint, der judaisiert entweder die neutestamentliche Hoffnung oder er deutet heimlich die alttestamentliche Erwartung nach der neutestamentlichen und läßt Jüdisch-Nationales stillschweigend beiseite“ (DERS. [1933] 62 [65]). 175 Dagegen spricht nicht der Nachweis von MEISER (1993) 77f., daß Althaus 1933 durchaus die biblische Argumentation verstärkt. Denn für Althaus bezeugt die Bibel ja gerade die Überordnung Christi über sie. 176 ALTHAUS (1933) 36 [37]. 177 Dies sind die zwei Gestalten des Paradoxes der teleologischen Eschatologie von 1926 (s. bei S. 205 Anm. 49), die 1933 als Eschatologie des Kommens der Ewigkeit firmiert. 178 Zitat a.a.O. 35 [37]. Vgl. a.a.O. 35 [36]: „weil er Gott ist und als Gott frei erkannt sein will, stellt er uns in den Widerstreit; und: weil er Gott ist und als Gott herrlich sein will, hebt er den Widerstreit auf“ mit a.a.O. 35f. [37]: „Die verborgene Wirklichkeit, für den Glauben gegenwärtig, muß, weil Gott Gott ist, die sie verhüllende Wirklichkeit einmal zerbrechen“. DERS.

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Heil kund“.179 Daraus ergibt sich aber, daß die Erfüllung ihrem Gehalte nach mit der Verheißung identisch ist und nur dem Modus der Gegebenheit nach differiert: Für die Christen wird der „Glaube […] zur Hoffnung auf die […] Verwirklichung dessen, was sie aller empirischen Wirklichkeit ihres Daseins zum Trotz ‚in Christo‘ schon heute verborgen sind.“180 Gleich im ersten Absatz bezieht Althaus daher die Verheißung auch gar nicht auf Erfüllung, sondern auf Enthüllung: „Die Verborgenheit der Offenbarung Gottes und des Heiles bedeutet Verheißung kommender Enthüllung“, und in streng logischer Umkehr eröffnet er den fünften Absatz: „Verheißung, Grund der Hoffnung ist Gottes Heils-Offenbarung durch die Verhüllung, den Widerstreit, in dem sie erscheint.“181 Althaus behauptet damit, daß die Verhüllung der Grund für die Hoffnung auf Enthüllung sei. In der angeblich parallelen Argumentation zur Auflösung der Spannung würde dem entsprechen, daß die Polarität, in der die Spannung erscheint, selbst deren Auflösung verbürgte; Althaus' gesamter Grundansatz bei der Ewigkeit als Jenseits der geschichtlichen Polaritäten unter Beibehaltung ihrer Pole besagt aber genau das Gegenteil. D.h. Althaus weicht in den vorliegenden Absätzen von seinem grundlegenden Ansatz ab; in den beiden letzten Zitaten werden Verhüllung und Enthüllung der Offenbarung zu Modalbegriffen, die von der Offenbarung abgelöst und beliebigen Sachverhalten übergestreift werden können wie ein Mantel, den man aus- oder anziehen kann. Wird Offenbarung als Apo-kalypsis in diesem prägnanten Sinne verstanden, dann ist es freilich nur konsequent, daß der Verheißung auch eine Ent-hüllung korrespondieren muß, die dann nur ein Modus jener ist, sachlich von ihr aber nicht zu unterscheiden. Dies sagt Althaus nun ausdrücklich, indem er die Verheißung mit Christus gleichsetzt: „Jesus Christus, wie der Glaube ihn kennt, ist Verheißung. Der Inhalt aber der Verheißung ist kein anderer als: Jesus Christus selber. Weil er gegenwärtig in seiner Verborgenheit der ist, als den der Glaube ihn kennt, darum ist die Zukunft: Er. Der Glaube braucht und vermag auf nichts anderes, auf keinen anderen zu warten als auf ihn als den, der er ist.“ Und für die Eschatologie folgert Althaus sogleich: „Das fromme Judentum wartet auf das Kommen des Messias, nicht auf Jesu Kommen, denn es glaubt nicht an Jesus als Christus. Der Glaube an Christus wartet auf das Wieder-kommen Jesu Christi, den er kennt.“182 179 A.a.O. 35 [37]. 180 A.a.O. 39 [41]. 181 A.a.O. 35.40 [37.41]. 182 Zitate a.a.O. 36f. [38].

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Althaus' modifiziertes Verständnis von Verheißung führt also zu derselben Begrenzung der Eschatologie durch den gekommenen Christus, in die schon der zweifache Realismusbegriff mündete, und dies erklärt, warum es wie dieser mit einer Abwertung jüdischer Zukunftserwartung verbunden ist, denn im Judentum hat Jesus ja nicht dieselbe Bedeutung wie im Christentum. Damit läßt sich nun auch der Charakter von Althaus' Umarbeitung der Eschatologie zu ihrer Letztgestalt von 1933 auf den Punkt bringen: Es geht dieser Umarbeitung (wie schon derjenigen von 1926) um einen positiven Ewigkeitswert der theologisch zweideutigen Geschichte. 1926 sah Althaus diesen in der Hingabe und dem Opfer des Menschen für Gott. Dieser Gedanke wird 1933 überlagert und teils ersetzt durch den einen Menschen, der sich nach christlichem Verständnis an Gott hingab und opferte: Jesus Christus selbst und er allein wird als die positive Ewigkeitsbedeutung der Geschichte verstanden; in ihm und nur in ihm ist die Zweideutigkeit der Geschichte überwunden. Mit Christi historischem Auftreten beginnt daher eine höhere, eindeutige Geschichte. Eschatologie verhandelt daher lediglich die Abwicklung des mit Christus bereits wirklich gewordenen Eschaton. Die Ewigkeit hat so den Verheißungsgehalt der Geschichte nur noch zu enthüllen, und dieser ist auf Christus festgelegt. Mit einem glücklichen Ausdruck ist ein derartiges Eschatologieverständnis auf ein „Apokalypsismotiv“ zurückgeführt worden.183 Glücklich ist der Ausdruck deshalb, weil mit ihm der Terminus korrespondiert, durch welchen Althaus das aus diesem Eschatologieverständnis heraus wahrgenommene Judentum charakterisiert, nämlich die „jüdische Apokalyptik“.184 Damit sollte ausgedrückt werden, wie sich vom Realismus der Verheißung Christi aus die Zukunftserwartung des jüdischen Realismus ausnahm: als national beschränkt und auf die tätige Gestaltung sozialer Zukunft gerichtet. Im ganzen erscheint das Judentum bei Althaus 1933 somit „noch nicht“ auf dem Stand der Vollendung, den das Christentum „schon jetzt“ erreicht habe. In der Letztgestalt von Althaus' Eschatologie, so läßt sich rückblickend feststellen, wirken somit viele der bereits erwähnten bipolaren Wahrnehmungsschemata zusammen, noch dazu unter einem Begriff – dem Begriff der Apokalyptik –, der für viele Autoren als Kennzeichnung des Judentums fungiert hat. Dem Gebrauch dieses Begriffs in der evangelischen Eschatologiegeschichte sei daher ein Exkurs gewidmet:

183 SAUTER (1965) 123 u.ö.; freilich meist mit Bezug auf K. Barth, doch vgl. a.a.O. 120–122 für Althaus. Auch MOLTMANN (1964) 208 kritisiert die Reduktion von Erfüllung auf Enthüllung. 184 So v.a. ALTHAUS (1933) 74.261 [77.271].

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Exkurs 9: Zum Apokalyptikbegriff der Religionsgeschichtlichen Schule Althaus beruft sich für sein Verständnis der jüdischen Apokalyptik auf das Standardwerk des Hauptvertreters der Religionsgeschichtlichen Schule, WILHELM BOUSSET, über die Religion des antiken Judentums. Bousset hält hier zur Eschatologie weithin anerkannte Beobachtungen fest, die durch die nicht im engeren Sinne der Religionsgeschichtlichen Schule zugehörige Monographie von PAUL VOLZ zum Thema bestätigt, wenn auch anders bewertet wurden.185 Nach dieser religionsgeschichtlichen Schulmeinung zeichnet sich die jüdische Eschatologie durch eine Zweisträngigkeit aus:186 Eine ältere, „altnational“ oder „messianisch“ genannte Zukunftserwartung läuft neben einer in die Spätzeit des Alten Testaments datierten „apokalyptischen“ Eschatologie her. Inhaltlich ist damit gemeint, daß die Erwartung einer nationalen Blütezeit unter messianischer Führung durch die einer geistigen Höhe sittlichen Gottesglaubens ersetzt wird, den eschatologisch der „jenseitige“ oder „individuelle Vergeltungsgedanke“187 kennzeichnet, d.h. das Gericht über den mit dem Tode abgeschlossenen sittlichen Ertrag jedes Einzelnen und nicht das Jüngste Gericht am Ende einer Reihe von kosmischen Vorzeichen. Anders als Althaus sehen also sowohl Bousset als auch Volz (den Althaus freilich nicht erwähnt) die Apokalyptik nicht als national-irdische Beschränkung der Zukunftserwartung an, sondern im Gegenteil als deren Ausweitung ins Geistige und Universelle! Althaus stellt also den Begriffsgebrauch seines Kronzeugen gewissermaßen auf den Kopf, freilich mag dies daran liegen, daß Bousset als das Wesen der antikjüdischen Eschatologie gerade ihre Widersprüchlichkeit und Vermischung ansieht, die sie daran hindere, prophetisch-messianische und „spätjüdisch“-apokalyptische Erwartung zu scheiden.188 Allerdings stimmt gerade hier sein ungleicher Zwilling Volz nicht zu; 185 Althaus nennt Bousset v.a. a.a.O. 13 Anm. 2; 136 Anm. 1; 286 Anm. 3 [13 Anm. 2; 142 Anm. 1; 297 Anm. 1]. Boussets ursprünglich monographisches Werk von 1903 gelangte in der postumen Drittauflage 1926 als Ergänzungsband zum „Handbuch zum Neuen Testament“ zu großer Wirksamkeit. Volz (zu ihm vgl. KRAUS [1956] 349.363) wird bei Althaus nicht erwähnt, obwohl auch sein Buch in der Zweitauflage von 1934 große Verbreitung fand (Nachdruck 1966). 186 Die Zweisträngigkeit bezeugt via negationis klar der krasse Außenseiter MESSEL (1915) v.a. in seinem § 1, der gegen sie die Einheitlichkeit der jüdischen Eschatologie als nur national nachweisen will; Universalität kenne die jüdische Zukunftserwartung nur als Herrschaft Israels über tributpflichtige Vasallenvölker. 187 Eine „altnationale“ Eschatologie erwähnt VOLZ (1903) 3; in den §§ 21–25 stellt er sie dann (jeweils im ersten Kolon der Paragraphenüberschriften) einem allgemeinmenschlichen Eschatologumenon (als zweitem Kolon) gegenüber; dasselbe Verhältnis besteht zwischen § 26 und § 27. Die Stichworte „messianisch“ und „apokalyptisch“ entstammen den Kapitelüberschriften bei BOUSSET (1903) Kap. III,3 bzw. Kap. III,4 ( = DERS. [1906] Kap. IV,12 bzw. Kap. IV,13). Vgl. sodann a.a.O. 335 ( = DERS. [1903] 279) zum jenseitigen bzw. VOLZ (1903) 128 (= DERS. [1934] 95) zum individuellen Vergeltungsgedanken (a.a.O. 134: „individualisierte und spirituelle Weltanschauung“ par. DERS. [1903] 161). 188 BOUSSET (1903) 287 = DERS. (1906) 343: „Wie überall ist auch hier das Judentum seinem Wesen nach widerspruchsvoll und verworren“; vgl. dazu STANGE (1930) 227 (s. S. 17f.).

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wo Bousset bloße Verwicklung erblickt, sieht er klare Entwicklung vom nationalen zum geistigen und von dort zum christlichen Zukunftsdenken.189 Das Zustandekommen dieser schulinternen Diskrepanz läßt sich wahrscheinlich mit der jeweiligen Anlage der Bücher erklären: Bousset und Volz disponieren ihr Material unterschiedlich; Volz gliedert sein Buch nicht (im Längsschnitt) nach der Unterscheidung von altnationaler und apokalyptischer Phase der eschatologischen Gedankenbildung, sondern rekonstruiert (im Querschnitt) diese Abfolge einzeln für jedes Thema der Eschatologie.190 Bousset dagegen unterteilt die Darstellung scharf in messianische und apokalyptische Epoche und muß daher Widerspruchsfreiheit für die jeweilige Gedankengestalt fordern. Deswegen wirkt der Chiliasmus bei ihm wie ein angehängter Versuch des logischen Ausgleichs zwischen nationaler und universaler Eschatologie.191 Bei beiden Autoren erscheint also das jeweilige Charakteristikum, das die jüdische Apokalyptik mit dem Christentum verbindet oder von ihm trennt, als das aus der Gliederung der Darstellung sich ergebende Problem. D.h. was die Eschatologie der Religionsgeschichtlichen Schule am Judentum jeweils als problematisch wahrnimmt, ist zunächst eine Frage ihrer eigenen Rekonstruktion jüdischer Zukunftserwartung. Die Wirkungsgeschichte des Apokalyptikbegriffs bildet somit ein Beispiel dafür, wie die begrifflichen Wahrnehmungsschemata, obwohl sie das Verhältnis des Christentums zum Judentum zu bündeln beanspruchen, zugleich Anzeiger für interne Problematiken des christlich-theologischen Diskurses sind.

4. Ergebnis. Nach Analyse der verschiedenen Auflagen von Althaus' Eschatologie ist Bilanz zu ziehen: Althaus geht grundsätzlich von einem Eschatologiekonzept der Ewigkeit als Jenseits der Geschichte aus, das allein in der Lage ist, die geschichtlichen Polaritäten unter Beibehaltung ihrer Pole zu überwinden. Daraus ergibt sich Althaus' auffallendes Interesse an einer positiven Ewigkeitsbedeutung der Geschichte (im Unterschied zu ihrer rein negativen Wertung durch die Dialektische Theologie). Sie ist jedoch nur im Durchgang durch das Gericht denkbar. Während er diese Bedeutung der Geschichte 1922 ethisch und 1926 ästhetisch als Hingabe des Menschen an Gott akzentuiert, spitzt er sie 1933 auf die Person Jesu Christi zu. Damit wird jedoch die Zweideutigkeit der Geschichte an diesem bestimmten Punkt vereindeutigt, das Christusereignis wird einerseits aus der Spannung herausgenommen, in der doch andererseits alle Geschichte gegenüber der Ewigkeit und so eben auch das Auftreten Jesu gegenüber seiner 189 Vgl. VOLZ (1903) 1–3 zur Methode und a.a.O. 8.161 zum Zusammenhang von apokalyptisch-jüdischer und christlicher Eschatologie. 190 Diesen Unterschied deutet VOLZ (1903) 3 selbst an. 191 BOUSSET (1903) Kap. III,5; in DERS. (1906) Kap. IV,13 als Anhang. Bousset hat 1906 den Aufriß verändert (a.a.O. VII): Stand die Eschatologie 1903 im Abschnitt über die nationale Fixierung, so erscheint sie 1906 von vornherein in der geschilderten Zweisträngigkeit, der Bousset zudem einen neuen Einleitungsabschnitt widmet.

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erhofften Parusie stehen soll.192 Althaus' Eschatologie erlebt so hinsichtlich ihrer Wahrnehmung des Judentums 1933 einen Einschnitt: Sie zeigt nunmehr all die Probleme, vor denen die Heilsgeschichtliche Theologie stand, weil auch sie historischen Jesus und Parusiechristus nicht deutlich ins Verhältnis zueinander setzte: hier wie dort erscheint jüdische Zukunftserwartung dann auf geschichtlich gestaltbare Konkretion von Hoffnung fixiert. Für diesen Wandel in Althaus' Theologie finden sich weitere Belege: So entsprechen ihm die Wandlungen, die Althaus' Verständnis des Begriffs „Heilsgeschichte“ durchläuft: 1922 leitet Althaus aus ihm das Theorem des Mittelzustands her, mit dessen Hilfe die Eschatologie die ganze Geschichte, also auch die Völker vor und außer Christus, zu umspannen vermag.193 Die dem widersprechende eindeutig negative Wertung der Geschichte durch die Dialektische Theologie kann Althaus 1923/24 einen „Verzicht auf die Heilsgeschichte“194 nennen. 1925 will er zwar den Begriff „nicht mehr“ in diesem Sinne verwenden, sondern ihn auf die alttestamentliche Vorgeschichte Christi beschränken,195 hält aber auch 1926 an der Mittelzustandslehre fest, wenngleich weniger massiv.196 Ebenso vage äußert er sich jetzt zur Zwischenzustandslehre, die ja bloß die auf das Problem von Individual- und Universaleschatologie bezogene Kehrseite jener anderen Lehre ist.197 Erst mit der Fixierung eschatologischer Bedeutung von Geschichte auf die Person Christi läßt Althaus 1933 explizit die Zwischenzustandslehre und implizit die Mittelzustandslehre fallen, indem er im Apokalypsismotiv, wie wir sahen, die Geschichte nach Christus gerade auch als nichtchristliche Geschichte auf die Geschichte Christi festlegt: „seit Chri192 SOMMERLATH (1927) 17 behauptet gegen Althaus eine endgeschichtliche Eschatologie als „Epiphanie des Neuen, das schon jetzt in die Geschichte eingetreten ist“; ebenso argumentiert der Hofmannschüler BACHMANN (1928) 106f.: Wenn in Jesus das Eschaton in der Geschichte auftreten kann, wieso dann nicht auch sonst? – Man sieht, wie weitreichend die Folgen von Althaus' Ausklammerung des Christusereignisses aus der eschatologischen Spannung sind. 193 ALTHAUS (1922) 85. 194 DERS. (1923/24) 763 (Überschrift). 195 DERS. (1924/25) 615. 196 Den Beleg DERS. (1922) 85 hat DERS. (1926) 95f. zwar gestrichen, a.a.O. 43f. 229f. 237 sind aber eindeutig. 197 Den Zusammenhang beider Lehren (s. bei S. 217 Anm. 113) scheint Althaus nie voll bejaht zu haben; dabei ist er schon aus der Anmerkung zur Mittelzustandslehre DERS. (1922) 85 Anm. 1 zu erkennen: Sie bildet deren Problem auf das Verhältnis von Individual- und Universaleschatologie, also den Zwischenzustand, ab, was dann a.a.O. 125 Anm. 1 aufgenommen wird. Letztere Stelle formt DERS. (1926) 238 Anm. 2 zur Kritik der Zwischenzustandslehre um, während er a.a.O. 180f. mit Anm. 3 vorsichtig bleibt. DERS. (1933) 135–152 [141–159] verwirft diese Lehre dann in aller Form, bleibt aber bei jener anderen undeutlich; so ersetzt er a.a.O. 222 [229] das Wort vom „Mittelzustand“ aus der Parallelstelle DERS. (1926) 237 durch „Lebensstand“.

V. Die antiapokalyptische Eschatologie von Paul Althaus

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stus“ gibt es nur noch die Verheißung Christi. In genau diesem Sinne wird Althaus 1937 über „Völker vor und nach Christus“ schreiben,198 und daher scheint für Althaus seit 1933 die Heilsgeschichte Christus selbst zu sein als eine Zäsur in der Geschichte – in ebendem Sinne, den Buber im selben Jahr, kurz vor der nationalsozialistischen Machtergreifung, kritisiert hatte, weil damit das nachbiblische Judentum als Thema für die christliche Theologie ausfällt. Althaus zieht in dieser Zeit auch verstärkt sozialethische Konsequenzen aus seiner eschatologischen Geschichtsdeutung, die den geschilderten Wandel in seiner Theologie weiter verdeutlichen, müssen sie sich Althaus doch gerade aufgrund seines Interesses an einer theologischen Würdigung der Geschichte nahelegen: 1935 veröffentlicht Althaus seinen aufsehenerregenden Aufsatz zur „UrOffenbarung“. Er erscheint kaum zufällig in der Zeitschrift „Luthertum“; wie die frühere „Neue kirchliche Zeitschrift“ seit dem Vorjahr heißt. Denn die Umbenennung rührt daher, daß hier lutherische Theologen, vor allem aus den sog. intakten Landeskirchen, die „Stunde“ des Nationalsozialismus, auf die, durchaus im Bewußtsein ihrer weltanschaulichen Aufladung, immer wieder Berufung geschieht, nutzen wollen zur Einung des deutschen Luthertums. Verfassung, Bekenntnis, Ordnung, Einheit der Kirche, die von der damaligen nationalsozialistischen Kirchenpolitik der Gleichschaltung am offensichtlichsten betroffen sind, werden programmatisch bevorzugte Themen der Zeitschrift,199 wohl auch deshalb, weil sie lutherischer Theologie traditionell näher liegen als reformierter. In diesem topologischen, nicht theologischen oder politischen Sinne nimmt die Zeitschrift als ganze ein Interesse am Nationalsozialismus.200 Vielmehr lehnt sie die offen nationalsozialistisch geprägte Form von Kircheneinung, die Glaubensbewegung der Deutschen Christen, ganz überwiegend ab. Auf der anderen Seite kennzeichnet gerade den ersten Jahrgang 1934 die Kritik an der Barmer Theologischen Erklärung, in der das lutherische Interesse an der Geschichte im Sinne der Schöpfungslehre, wie Althaus es 1932 dargestellt hat, zu kurz komme. Und genau diese (dort sog.) dritte Dimension von Geschichte 198 ALTHAUS (1937) 17 macht, was ja 1922 sein Motiv für die Mittelzustandslehre war, zwar Zugeständnisse an die vorchristlichen Völker: „Echtes Heidentum fürchtet die Gottheit“; er fährt aber a.a.O. fort: „Es ist nur vor Christus möglich.“ Althaus denkt also zwar nicht die Völker vor Christus vom Heil ausgeschlossen, wohl aber, daß das Heil seither ausschließlich für die christlichen Völker sei. 199 Vgl. den Kopfaufsatz (von S. Schöffel) der neuen Folge und die Inhaltsverzeichnisse der ersten Bände. 200 Im „Luthertum“-Jahrgang von Althaus' Uroffenbarungsaufsatz (1935) transportiert freilich z.B. das Pamphlet von H. Goebel nationalsozialistische Geschichtsauffassung reinsten Wassers.

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theologisch zur Geltung zu bringen, ist nun die grundsätzliche Absicht von Althaus' Konzept der Uroffenbarung.201 Uroffenbarung erscheint hier in Entsprechung zu Althaus' eschatologischer Geschichtslehre als „das Gemeinsame in Glaube und Unglaube“, das vom Gericht „gehalten, gefordert, gerichtet“202 wird. So weit wird man die Uroffenbarung nicht anders bewerten können und dürfen als das Interesse an einem Verständnis des Geschichtslaufs aus dem Glauben heraus, das Althaus' Eschatologie kennzeichnet. Freilich erweckt Althaus' Uroffenbarung durch die ein Jahr zuvor geführte Auseinandersetzung zwischen E. Brunner und K. Barth sogleich den Anschein, natürlich-theologische „Anknüpfungspunkte“ im Sünder für die Gnade zu liefern und so die Radikalität der Erbsünde und der Rechtfertigung gleichermaßen zu verwässern. Althaus bemerkt dazu gewissermaßen vorsorglich, daß gerade das Gericht über die völlige Sündigkeit etwas voraussetze, woran der Mensch sündig werde: eben Uroffenbarung, die dann als Offenbarung des Heils freilich dennoch zum Gericht führt.203 Althaus will also mit dieser Uroffenbarungslehre gerade die volle Gottheit Gottes, d.h. seinen offenbaren Gnadenwillen für alle Menschen, als Sinn und höchsten Punkt der reformatorischen Theologie herausstellen, bei dem daher auch die Dogmatik an- und einzusetzen habe – damit nicht Gottes Verborgenheit die Spitze des theologischen Denkgebäudes bilde, wie Althaus an Luthers „De servo arbitrio“ kritisiert.204 Althaus versteht daher unter Gottes Gottheit nicht im Sinne Luthers die absolute und für den Menschen undurchdringliche Majestät, sondern seine Größe, die in der Alternative von Offenbarung und Verborgenheit nicht einzufangen ist. Damit aber steht Gottes Gottheit jenseits von Offenbarung und Verborgenheit;205 beide sind hier also zu bloßen Modi der 201 Die Uroffenbarungslehre legt sich also wohl schon aufgrund der früheren Auflagen der Eschatologie nahe, wie mit KNITTER (1973) 142 Anm. 22 (Terminierung auf 1923) gegen MANN (1987) 27.92 zu sagen ist. Nach PÖHLMANN (1970) 255 zielt die Uroffenbarungslehre auf eine methodische Korrelation von Philosophie und Theologie im Sinne Tillichs. Dies verwechselt m.E. Althaus' „neutrale“ mit einer natürlichen Eschatologie. 202 Zitate ALTHAUS (1935) 24.21. 203 A.a.O. 11. 204 Bei ALTHAUS ist der Kern von „Gottes Gottheit als Sinn der Rechtfertigungslehre Luthers“ (Aufsatztitel von 1931) die Eindeutigkeit des göttlichen Gnadenwillens (z.B. DERS. [1947/48] I,111), die Luther durch die Annahme eines verborgenen Willens Gottes in seiner Majestät verdunkelt habe (a.a.O. II,428). 205 Mehr, als er in der Offenbarung von sich gibt, und insofern verborgen ist Gott freilich auch nach Althaus („Die Offenbarung wird durch dieses Verborgenbleiben nicht in Frage gestellt, aber auch die bleibende Verborgenheit durch die Offenbarung nicht aufgehoben“, a.a.O. I,34), doch sei diese Verborgenheit einfach der Unterschied des Schöpfers vom Geschöpf (a.a.O. I,288), so daß Schöpfung jenseits von Offenbarung und Verborgenheit steht. DERS. (1932) 333 stellt Gottes

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Gotteserkenntnis geworden wie in der Eschatologie von 1933. Althaus verbindet die Verborgenheit Gottes auch gar nicht, wie es von Luther aus naheläge, mit der Theodizee,206 m.a.W. der verborgene Gott ist für Althaus nicht mehr der deus absconditus aus WA XVIII,685, sondern er ist der unbekannte Gott, der agnostos theos aus Apg 17,23, dessen Altar nur noch enthüllt werden muß.207 Auf seiten des Begriffs der Verborgenheit heißt dies, das Motiv des tectum cruce nimmt auch die Stelle der absconditas dei ein. Das Motiv der Uroffenbarungslehre verschiebt sich so von einem eschatologischen Interesse an der Geschichte zum Apokalypsismotiv, das die Geschichte seit Christus als bloße Abwicklung des Christusgeschehens vereindeutigt und sanktioniert. Althaus' Uroffenbarungslehre und mehr noch der zeitgleiche Versuch, ihrer Geschichtsaufwertung in einer „Theologie der Ordnungen“ (1934) Formen und Strukturen zu geben wie Volk und Rasse, konnten daher kritisiert werden als theologische Aufwertung der antisemitischen Geschichtsideologie des Nationalsozialismus.208 Gemein hat sich Althaus damit freilich nie gemacht; eine aktualisierende Deutung des Antichristthemas, die er 1933 der „jüdischen“ Auffassung von Endgeschichte entgegensetzt, dürfte vielmehr sogar kritisch auf den gerade zur Macht gekommenen Nationalsozialismus zu beziehen sein, wenn es heißt, man könne beim Antichrist „auch an einen sich selbst vergötzenden Nationalismus denken, der Christus geradezu oder durch Umdeutung verdrängen will“.209 Das Problem bei Althaus' eschatologischer Wahrnehmung des Judentums liegt offensichtlich in der fast unmerklichen Verschiebung, die sein theoloGottheit („darin ist Gott Gott“) dagegen als schöpfungstheologische Dimension der Geschichte neben Gnade (Offenbarung) und Sünde (Verborgenheit). 206 Diese behandelt DERS. (1947/48) II,161 in paradoxen Sätzen über den Satan, ähnlich dem Ewigkeitskonzept. 207 Auf den Altar des unbekannten Gottes spielt DERS. (1935) 23 selbst an. 208 Zum Überblick vgl. KNITTER (1973). Nach MANN (1987) 29 büßte die Eschatologie bei Althaus 1933 ihre Funktion ein, die (grundsätzlich zugestandene) Eigengesetzlichkeit der Ordnungen wieder auf das (theologisch verstandene) Eschaton hinzuordnen, und trägt dann zu einer Verselbständigung der Ordnungen bei. Ähnlicher Auffassung wie Mann scheint SAARI (1993) zu sein, der eine „eschatologische ‚Erhöhung‘“ der Ordnungen, durch die diese „umgewandelt“ werden, annimmt, sie allerdings vom „gegenwärtigen Gottesverhältnis“ erwartet (Zitate a.a.O. 225). Dies stuft m.E. den Jenseitscharakter von Althaus' Ewigkeitskonzept zu gering ein. 209 ALTHAUS (1933) 274 [284], noch nicht so DERS. (1926) 165. Eine weitere wichtige zeitgeschichtliche Bezugnahme ist, daß DERS. (1949) 245 emphatisch einen „übernationalen Staatenbund“ begrüßt, während DERS. (1933) 236 ( = DERS. [1926] 138) noch unschlüssig war gegenüber dem Völkerbund. (Bekanntlich trat das nationalsozialistische Deutschland wenig später aus diesem aus.) MEISER (1993) 76 Anm. 149 bescheinigt Althaus für seinen doppelten Realismusbegriff ähnliche Unschlüssigkeit und nennt a.a.O. 229 Beispiele dafür, wie Althaus seine theologische Wahrnehmung des Judentums zur Abgrenzung von den Deutschen Christen umakzentuiert.

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gisches Interesse an der zweideutigen Geschichte zu ihrer christologischen Vereindeutigung 1933 nimmt.210

2. Erhebung von Wahrnehmungsschemata Das eschatologische Konzept von P. Althaus zeigt durch seine verschiedenen Auflagen hindurch in den kleinen Ergänzungen, Streichungen, Umformulierungen und Umdispositionen, die im vorigen Abschnitt analysiert wurden, eine allmähliche Verschiebung von einem eschatologischen Ringen um die Ewigkeitsbedeutung der Geschichte hin zu ihrer christologischen Sanktionierung mit der Folge, daß ein jüdisches Geschichtsverständnis demgegenüber abgewertet wird. Die These, daß für diese Entwicklung dem eschatologischen Entwurf von 1933 eine Schlüsselstellung zukommt, läßt sich nun erhärten, da für diese Auflage neben der vorstehenden entwurfsimmanenten Analyse auch äußere Vergleichspunkte auf eine Wende hinweisen. Hierfür kommen besonders die Wahrnehmungsschemata in Frage, wie sie auch von anderen Autoren gebraucht werden. Der vorliegende Abschnitt untersucht daher zwei bisher nicht zur Sprache gekommene Schemata im Vergleich mit denjenigen Autoren, auf die Althaus im Laufe der Debatte selbst Bezug nimmt, und zwar 1933 in deutlich anderer Weise als zuvor. Die beiden Schemata sind zum einen das Verständnis der Paradoxie, die Althaus' zwei Dimensionen der Spannung im Ansatz seines Konzepts von Ewigkeit als Jenseits der Geschichte prägt, und zum anderen die Gegenüberstellung von Glaube und Hoffnung, die am Ende der Auseinandersetzung um axiologische und teleologische Eschatologie steht.211

210 Ein Beispiel, wie Althaus' eschatologischer Ansatz ohne die Vereinseitigungen fortgeführt werden kann, die er beim Autor selbst ab 1933 erlitten hat, bietet die Eschatologie von WEBER (1955/62) II,744: „Axiologie kann nicht eine ‚Überzeitlichkeit‘, und ‚Teleologie‘ kann nicht verlaufsmäßige ‚Endzeitlichkeit‘ sein.“ Für Weber wartet die christliche Gemeinde auf Christus als den Kommenden, also einen, wie die partizipiale Formulierung zeigt, gegenwärtig Kommenden (vgl. a.a.O. II,751). Sie hat ihn also nur, indem sie ihn erwartet (a.a.O. II,749). Weber expliziert diese Paradoxie mit Luthers Worten so, daß die Gegenwart des Zukünftigen „extra nos“ liegt (a.a.O. II,750). Dies scheint eine adäquate Bestimmung der von Althaus anvisierten Ewigkeitsbedeutung von Geschichte zu sein. Sie unterscheidet sich präzise von BRUNNER (1953) 36f., der die Gegenwart des Zukünftigen im Auftreten Christi als der Pointierung des linearen (jüdischen) Zeitverständnisses sieht (s. dazu bei S. 18 Anm. 21). 211 Zum für Althaus ebenfalls wichtigen Schema von Wahrsagung und Weissagung s. bei S. 227 Anm. 156.

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2.1. Paradoxie von Geschichte und Eschatologie? Der Ausdruck „Paradoxie“ ist hier in einem „weiteren Sinne“212 als Sammelbezeichnung gewählt für die sehr unterschiedlichen Ausprägungen von irgendwie dem Verständnis aufgegebenen Gegensätzen, die in der eschatologischen Debatte zwischen Geschichte und Ewigkeit angenommen und die als Polarität, Antinomie, Dialektik usw. akzentuiert werden können. Für Althaus' Eschatologie hat das Konzept der Paradoxie213 unmittelbar Auswirkungen auf seine Sicht des Judentums, da sein spezifisches Verständnis einer doppelt paradoxen Spannung von Geschichte und Ewigkeit214 im Gegenzug zu einer Verbindung dieser beiden Größen entworfen ist, die Althaus als Anschauung der „jüdischen Apokalyptik“ kennzeichnet. Als Althaus' Partner im Gespräch um ein derartiges Verständnis von Paradoxie kommen dabei vor allem K. Dunkmann, T. Siegfried und K. Heim in Betracht. 1. Paradoxie als kantisches Regulativ der Ewigkeit. Althaus schließt sich mit seinem Konzept der Ewigkeit als Jenseits der Geschichte 1922 geradezu emphatisch an KARL DUNKMANN an, denn dieser hat 1918 in seiner Dogmatik Eschatologie als „Auflösung der Antinomien“215 verstanden. Zugrunde liegt hier jedoch der Antinomiebegriff Kants, und daher ist solche Auflösung streng kantisch gemeint als Aufdeckung fehlerhaften Vernunftgebrauchs. Solche Fehler rühren daher, daß sich die spezielle Dogmatik, wie Dunkmann die einzelnen Loci im Unterschied zur allgemein materialdogmatischen Frage nach dem Wesen des Christentums nennt, „fremdartiger Kriterien“ bedient, um nicht die „esoterische“ Binnensprache der Kerngemeinde sprechen zu müssen. Diese Kriterien sind mit der Rationalitätsform der Wissenschaft gegeben; sie ist aber Dunkmann zufolge dem Gegenstand der Theologie, wie er im Credo vorgegeben ist, von vornherein nicht ange212 SCHRÖER (1960) 30 versteht Paradoxie in „diesem weiteren Sinne“ als das theologische Problem der Hermeneutik im Unterschied zur Paradoxie im logischen Sinne als einer bestimmten Aussageform dieses Problems. 213 In ALTHAUS' Eschatologie ist trotz gewiß paradoxer Anlage der Terminus der Paradoxie freilich kaum hervorgehoben, wohl aber in seiner Christologie (z.B. DERS. [1947/48] II,222 u.ö.), vgl. RATSCHOW (1982) 92f. 96f. 214 S. bei S. 203 Anm. 42. 215 So DUNKMANN (1918) X im Inhaltsverzeichnis; a.a.O. 362 freilich: „Auflösung der Paradoxien“, was ALTHAUS (1922) 41 Anm. 2 = DERS. (1926) 39 Anm. 1 übernimmt. SCHRÖER (1960) 35 differenziert so, daß die Antinomie „die Grenze der Logik negativ“ interpretiert, die Paradoxie aber positiv. Dunkmann tut ersteres.

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messen.216 Die Eschatologie kann daher nicht dogmatisch gelehrt werden, sondern dient der Wissenschaft nur als regulative Idee.217 Dunkmann radikalisiert damit Schleiermacher: Hatte dieser festgehalten, daß Eschatologie nicht lehrbar sei, so ist für Dunkmann in dieser Frage das „Gesamtresultat“ für alle spezielle Dogmatik „ein durchgehend negatives“.218 Der Gegensatz zu Althaus könnte also nicht schärfer sein: Für Dunkmann ist Dogmatik überhaupt nicht lehrbar,219 aber Althaus schreibt ein „Lehrbuch der Eschatologie“.220 Relevant für die Wahrnehmung des Judentums wird dieser Gegensatz 1933 mit der vierten Auflage von Althaus' Eschatologie. Dunkmann versteht den Chiliasmus als „rein intellektualistisch“ motivierten Versuch, die bloß erkenntnisregulierende Eschatologie doch selbst erkenntnisfähig zu machen; er begreift ihn also nicht als den Ausdruck einer „bildlichen Vorstellungsweise“,221 als den ihn Althaus 1933 unter dem Begriff des jüdischen Realismus rubriziert. Doch dieser Gegensatz zu Althaus wird erst 1933 vom Apokalypsismotiv aus bestimmend; von seinem antiapokalyptischen Ansatz her war Althaus der Chiliasmus noch 1926 durchaus wie Dunkmann als Vermischung von geschichtlicher Erkenntnis mit der eschatologischen Bedingung ihrer Möglichkeit erschienen.222 Als hätte Althaus diese allmähliche Entfernung von Dunkmann bemerkt, glaubt er von diesem 1926 nicht mehr wie noch vier Jahre zuvor „am meisten“, sondern nurmehr „viel“ zu lernen; 1933 wird Dunkmann bloß noch zitiert.223 2. Paradoxie als Symbol der Ewigkeit. Gerade für sein kritisches Interesse an einer Ewigkeitsbedeutung der Geschichte nennt Althaus 1926 zustimmend als einen weiteren Zeugen THEODOR SIEGFRIEDS Konzept einer 216 Zitate DUNKMANN (1918) 164.163 (§§ 79.78, jeweils im Leitsatz); zur Unangemessenheit z.B. a.a.O. 302. 217 Die von Dunkmann bemängelte Antinomie vertritt H.E. WEBER (1926), der a.a.O. 304 die universale, unsichtbare Kirche als eschatologisches Regulativ versteht, zugleich aber ihre objektive Realität betont (a.a.O. 308). Ähnlich argumentierte schon A. Althaus (s. S. 72 Anm. 114). 218 DUNKMANN (1918) 368 in seinem § 168, der die ganze spezielle Materialdogmatik abschließt. Neben der Eschatologie münden daher auch Gotteslehre und Christologie in die Auflösung von Antinomien. 219 Dunkmann hat persönlich die Konsequenzen aus der Nichtlehrbarkeit von Dogmatik gezogen, indem er 1917 seinen theologischen Lehrstuhl freiwillig aufgegeben und einen Berliner Lehrauftrag für Soziologie angenommen hat; nach 1922 hat er auch keine theologischen Werke mehr veröffentlicht (vgl. WOLFES [1999] 406). 220 So im Untertitel des Buches „Die letzten Dinge“ ab der fünften Auflage (1949). 221 Zitate DUNKMANN (1918) 364. 222 ALTHAUS (1926) 156: Der Chiliasmus „lebt von seiner eigenen Unklarheit“. DERS. (1928) 354 wertet den identisch beschriebenen Sachverhalt etwas positiver. 223 Zitate DERS. (1922) 15; par. DERS. (1926) 11; vgl. DERS. (1933) 35 Anm. 1 [36 Anm. 1].

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paradoxen „aktuellen Eschatologie“.224 Ihre Paradoxie besteht darin, daß das geschichtliche Leben und besonders das kulturelle Handeln gerade in der Erkenntnis, die Ewigkeit weder aufnehmen noch hervorbringen zu können, lediglich durch symbolisches Handeln „Zeichen setzen“ kann für die Ewigkeit. Die „aktuelle Eschatologie“ hat so nachgerade tragische Züge.225 Ausdruck dieser tragischen Paradoxie ist für Siegfried der Chiliasmus;226 Althaus findet 1926 denselben Gedanken durch seinen „eschatologischen ‚Realismus‘“ ausgedrückt. Als er dieses Konzept jedoch 1933 zuspitzt zur Gegenüberstellung mit dem irdischen Realismus, ändert sich seine Einschätzung Siegfrieds, dessen Chiliasmus ihm jetzt als zu enge Verbindung von Kultur und Reich Gottes erscheint.227 Dieser Wandel zeigt an, daß Althaus' 1933 gesteigertes Interesse an einer benennbaren ewigen Bedeutung der Geschichte gar nicht mehr der Geschichte als solcher gilt, sondern einzig der Person Jesu Christi. Mit dieser Verschiebung geht parallel, daß Althaus 1933 die Kritik des Chiliasmus erheblich verschärft, so daß auch seine gewandelte Ansicht über Siegfried mit seiner Sicht auf das Judentum zusammenhängt. 3. Paradoxie als Schwelle zur Ewigkeit. Althaus' Hauptgesprächspartner im Ringen um eine positive Ewigkeitsbedeutung der Geschichte ist jedoch der Tübinger Dogmatiker KARL HEIM. Als Althaus 1932 seinen dreistelligen Geschichtsbegriff, der wohl die konziseste Form seines theologischen Nachdenkens über Geschichte abgibt, vorstellt als Frucht eines „seit langem“ (seit 1923) währenden Nachdenkens, da ist sein Hauptinteresse einer positiven Würdigung des Schöpfungsmäßigen in der Geschichte wesentlich konturiert durch die Abhebung von der Auffassung Heims, der die Geschichte ganz aus dem Sündenfall ableite.228 Was Heim gesagt hatte, war dies, daß die Paradoxie von Zeit und Ewigkeit, die „Hauptfrage“ der Eschatologie, das Verhältnis einer Form (geschichtliche Zeit) zu einem sie sprengenden Inhalt (Ewigkeit) darstelle und deswegen Eschatologie von der Aufhebung der geschichtlichen Zeit han224 DERS. (1926) 12; 81 Anm. 4; 162 Anm. 1 (!); 256 Anm. 1. 225 SIEGFRIED (1923/24) nennt 370.362f. als Beispiel den Januscharakter von Mönch und Ritter bzw. von Heiligem und Helden: Seiner Sünde sich bewußt, tritt er für die neue Weltordnung ein, die er doch nicht verwirklichen kann. 226 A.a.O. 366f. 227 ALTHAUS (1926) 162 Anm. 1 vgl. DERS. (1933) 350 (gestrichen: DERS. [1949] 363; dazu s. S. 229 Anm. 164). 228 DERS. (1932) (Zitat a.a.O. 326) hat neben Heim zwar auch Hirschs Personalismus vor Augen; DERS. (1926a) 98 Anm. 2 und der Verweis darauf (DERS. [1926] IX) konzentrieren sich aber auf Heim.

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dele.229 Heims gesamte Eschatologie von 1937 basiert dann darauf, daß Zeit und Geschichte als dieses Aufzuhebende nichts anderes bedeuten denn das Problem der Sünde, nämlich daß Sünde und Übel, Schuld- und Machtfrage auseinandertreten. Das mit diesen beiden Termini benannte Paradox, daß Christus „schon jetzt“ die Versöhnung der Welt und ihrer Sünde bedeutet, diese Versöhnung sich aber in der Welt „noch nicht“ vollends manifestiert,230 hat nun Althaus bei seinem Monitum gegen Heims hamartiozentrische Geschichtsdeutung im Blick; so spielt er selbst mit der wiederholten Rede vom „Machtkampf“231 möglicherweise bereits kritisch auf Heim an. Um so überraschender ist es, daß Althaus später gerade Heims Konzept von Schuld- und Machtfrage heranziehen kann, um seine 1933 getroffene Verhältnisbestimmung von Verheißung und Erfüllung nachträglich plausibel zu machen.232 Dieser Umschwung233 erklärt sich jedoch, wenn man Althaus' Hinwendung zum Apokalypsismotiv als Kennzeichen der Überarbeitung von 1933 in Rechnung stellt. Denn auch Heims Paradoxmethode zielt zuletzt auf eine Art Apokalypsismotiv, da er unter der Paradoxie eine Polarität versteht, die auf einer höheren Ebene aufgelöst werden kann. Wenn dort auch wieder höherrangige Polaritäten denkbar sind, so verhindert Heim hier doch einen unendlichen Regreß, indem er den Begriff „überpolare Urwirklichkeit“ zur Bezeichnung der Wirklichkeit Gottes prägt, die alle polaren Räume erst begründet.234 Freilich läßt sich rein logisch auch an die Wirklichkeit Gottes eine Polarität anlegen: Entweder Gott ist, oder er ist nicht. Diese Frage ist denkerisch oder logisch nicht zu entscheiden. Doch gerade hier zeigt sich die Absicht von Heims Paradoxiekonzept: Angesichts 229 So will HEIM (1926) 422f. die „Hauptfrage“ der Eschatologie (das Stichwort aus dem Aufsatztitel) lösen. 230 DERS. (1937) Kap. I/3 widmet sich ganz „Schuldfrage und Machtfrage“, a.a.O. 44ff. am Beispiel von Sündenvergebung und Krankenheilung in Mk 2,1–12; die Folgerungen für die Eschatologie a.a.O. Kap. I/4 unter der Überschrift „Weltversöhnung und Weltvollendung“. 231 ALTHAUS (1926a) 96.98. 232 DERS. (1949) 39 Anm. 2; selbstverständlich noch nicht in der vierten Auflage. 233 DERS. (1926) 29 Anm. 1 = DERS. (1933) 106 Anm. 1 [110 Anm. 2] zitiert zudem für die Auffassung, daß die Geschichte nur im Durchgang durch das Gericht Ewigkeitswert haben könne, HEIM (1921) 344, wo dieser die natürliche Gottesgewißheit als Gerichtsgewißheit bezeichnet. Da dieser Gedanke von den Verschiebungen in Althaus' Eschatologie von 1933 nicht berührt ist (s. nach S. 225 Anm. 149), erklärt sich, daß das Zitat erhalten bleibt. 234 Z.B. DERS., Jesus der Herr. Die Führervollmacht Jesu und die Gottesoffenbarung in Christus (Der evangelische Glaube und das Denken der Gegenwart. Grundzüge einer christlichen Lebensanschauung II), Berlin 1935, 108 u.ö. WILD (1976) 151 zeigt die Konsequenzen für die Eschatologie: In überpolarer Sicht erscheint die polare Zeitlichkeit als Heilsgeschichte, d.h. als Erfüllung der Zeit; die Enthüllung dieser Erfüllung ist das Eschaton. Man vergleiche beim Althaus von 1933 das Verhältnis von Erfüllung und Enthüllung.

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der Gottesfrage ist die Entscheidung zum Glauben oder Unglauben unausweichlich gestellt.235 Mit ihr entscheiden sich dann auch wie in einer Kettenreaktion alle darunter abgestuften polaren Paradoxien. Die Paradoxie ist so gewissermaßen die Schwelle zur Wahrheit, die in der Glaubensentscheidung überschritten werden kann.236 In der Eschatologie zeigt sich dies daran, daß die Weltversöhnung die Weltverwandlung unfehlbar im Gefolge hat, obwohl beide zeitlich auseinandertreten. Dieser Gedanke ist mit Althaus' Apokalypsismotiv verwandt, nicht zuletzt, weil Heim mit der seit I.A. Dorner belegbaren Tradition das spezifische Verhältnis von Weltversöhnung und –verwandlung für das entscheidende Charakteristikum christlicher Zukunftserwartung gegenüber dem Judentum hält.237 Ähnlich war ja Althaus' Neubestimmung von Verheißung und Enthüllung gegen den jüdischen Realismus in der Eschatologie gerichtet.238 4. Ergebnis. Althaus' Konzept einer eschatologischen Würdigung der Geschichte steht durch seine verschiedenen Auflagen hindurch im Austausch mit anderen Verhältnisbestimmungen von Geschichte und Ewigkeit. Dabei vollzieht Althaus 1933 gegenüber allen einschlägigen Gesprächspartnern eine Kehrtwende, so daß man folgern kann, die auch bei der werkimmanenten Analyse für diese Auflage beobachtete Verschiebung in der Wahrnehmung des Judentums hänge eben mit dem Problem der Paradoxie von Geschichte und Ewigkeit zusammen. M.a.W. das Begriffspaar von Geschichte und Ewigkeit fungiert im hier vorgestellten Diskurszusammenhang als Wahrnehmungsschema, das ein systematisches Problem christlicher Theologie repräsentiert,239 nämlich die Paradoxie in der Eschatologie. 235 Daß nur die Glaubensgewißheit der Paradoxien Herr wird, die der erkenntnismäßigen Gewißheit aus dem subjektiv-objektiven Doppelcharakter ihrer Vorstellungsformen erwachsen, behauptet schon HEIM (1920) 120f. 236 SCHRÖER (1960) 180f. bezieht diesen Punkt nicht mehr zurück auf Heims Paradoxieverständnis und sieht darum bei Heim die Antinomie das letzte Wort behalten. Treffender scheint mir, daß für Heim die Überpolarität alle Paradoxie löst, nur kennt er neben der Überpolarität Gottes auch eine solche Satans (z.B. HEIM [1937] 39). 237 A.a.O. 177.237; a.a.O. 185 zur „Auferstehung Christi als Anbruch der Endzeit“. S. S. 125 Anm. 197. 238 Die Pragmatik von Heims Konzept einer Auflösung der Paradoxien durch den Glauben könnte allerdings von Althaus' Absichten abweichen. So versteht HILLE (1990) 122f. u.ö. die zur Glaubensfrage nötigende Paradoxie des für HEIMS Stil typischen Entweder-Oder (z.B. für die Gottesfrage: DERS. [1937] 217) programmatisch als die missionarische Ausrichtung seiner ganzen Theologie, während WILD (1976) 122–124 betont, daß die Entscheidungsfrage nicht den „Sprung“ in den Glauben, sondern „Zwiesprache auf der Basis des Denkens“ beabsichtige. Wild rekonstruiert dabei Heims systematische Argumentation, während Hille eine biographische Plausibilisierung heranzieht. 239 S. zu dieser Bedeutung der Schemata Kap. I.2, hier S. 23f.

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Zweiter Teil

Während sich jedoch die Paradoxie bei Dunkmann, Siegfried und Heim bloß als Regulativ, Symbol bzw. Schwelle zur Ewigkeit darstellt, fungiert sie für Althaus vom Grundansatz seiner Eschatologie her als Ausdruck der Ewigkeit, wird diese doch dort paradox bestimmt als Aufhebung der geschichtlichen Polaritäten, doch unter Beibehaltung ihrer Pole. Noch zugespitzter wäre jedoch die Identifikation von Paradoxie und Ewigkeit, so daß die logische Paradoxie zum Bürgen für theologische Wahrheit würde. Genau dies ist Althaus auch von F. Holmström vorgehalten worden;240 es ist aber vielmehr die Position der Dialektischen Theologie und ihrer Rezeption, und hier kristallisiert sich denn auch im Verhältnis von Geschichte und Ewigkeit die Wahrnehmung des Judentums. So kann R. Bultmanns These, daß die „Geschichte von der Eschatologie verschlungen“241 werde, das Judentum zur (geschichtlichen) Folie christlicher Eschatologie werden lassen, selbst wo versucht wird, der christlichen Eschatologie nachträglich einen geschichtlichen Anstrich zu geben.242 Im Gegenzug versteht sich der Versuch seit den 1960er Jahren, Eschatologie als Geschichte zu begreifen,243 zugleich als Hinwendung zu jüdischen Themen der Eschatologie und polt so das polare Wahrnehmungsschema von Geschichte und Eschatologie um. Das Schema als solches zeigt aber in beiden Blickrichtungen dasselbe systematische Problem an, nämlich die theologische Valenz der logischen Paradoxie, oder anders gesagt: Wieweit ist die Eschatologie fähig des Logos? Das ist die grundsätzliche Frage an die Wissenschaftlichkeit der Eschatologie: Wenn nämlich Eschatologie, wie es gerade an Althaus' Konzept von Paradoxie zu beobachten war, nicht auf der Logik vom Satz des ausgeschlossenen Dritten aufruht, wie läßt sie sich dann noch in vernünftige Rede (Logos) fassen? Es ist dieses, wohl das wissenschaftstheoretisch gravierendste, Problem der Eschatologie, das sich in der, nicht zufällig so umfassenden, Begrifflichkeit von Geschichte und Ewigkeit ausdrückt. Diesem Problem sinnt Althaus nach, und ihm gilt auch die Behandlung der Wahrnehmungsschemata in der vorliegenden Untersuchung.244 240 HOLMSTRÖM (1936) 297ff. grundsätzlich und a.a.O. 406ff. für den Althaus von 1933. 241 BULTMANN (1958) 42 (dort mit Bezug auf neutestamentliche Texte). 242 Dies will Bultmanns Interpret KÖRNER (1957); doch vgl. a.a.O. 22.42.87.94 zur Einschätzung des Judentums. 243 Zu denken wäre an PANNENBERG (1961) 93 (Aufnahme der jüdischen Apokalyptik); MOLTMANN (1964) 120ff. (dasselbe) und auch CULLMANN (1965) 140f., der die bleibende Besonderheit des Judentums für die christliche Eschatologie mit der „Einreihung“ (a.a.O. 150) Christi in die alttestamentliche Geschichte begründet. 244 Auch das riesenhafte Buch „Allversöhnung“ von JANOWSKI (1999) will den eschatologischen Dualismus im Satz des ausgeschlossenen Dritten wissenschaftlich überwinden, doch, wie der Titel sagt, durch den Monismus.

V. Die antiapokalyptische Eschatologie von Paul Althaus

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2.2. Hoffnung und Glaube? Wenn das Begriffsschema „Geschichte“ und „Ewigkeit“ das Problem der Logizität von Eschatologie ausdrückt, also die Frage nach der Wahrheitsfähigkeit der Eschatologie, dann könnte man sagen, daß die Begriffe „Hoffnung“ und „Glaube“ auf ihre Wirklichkeit zielen, indem sie nämlich als Tugendbegriffe und damit anthropologische Termini ausdrücken, auf welche Weise der Gegenstand der Eschatologie für den Menschen erfahrbar wird. Der vorstehende Unterabschnitt zeigte, daß Althaus 1933 anders von Geschichte und Ewigkeit redet als zuvor. Im Zusammenhang nun seiner Ausführungen zum Thema „Verheißung“, die ihn 1933 das Judentum in einer anderen Weise wahrnehmen lassen als zuvor, erlebt auch Althaus' Gebrauch der Termini „Hoffnung“ und „Glaube“ 1933 einen Wandel. Hatte Althaus seit 1926 beide als Entsprechungen für das Begriffsgespann von teleologischer und axiologischer Eschatologie auf eine Ebene gestellt, so bekommt 1933 der Glaube den sachlichen Vorzug: Und darum wird der Glaube, der sich das gegenwärtige Heil aneignet, unmittelbar zur Hoffnung, daß das gegenwärtige Heil „offenbar werde“ (Röm. 8,19; Kol. 3,4). Das Verhältnis von Gegenwart und Zukunft ist also das von verborgener und offenkundiger Heilswirklichkeit. Der Glaube wird nicht der Gegenwart von einer in Gottes Zusage verheißenen Zukunft her, sondern der Zukunft von einer in Gottes Zusage bereiteten Gegenwart aus gewiß.245

Diese Sätze sind unmittelbar gegen GEORG HOFFMANN gerichtet, der 1929 in einer eschatologiegeschichtlichen Studie in Auseinandersetzung mit Althaus den Vorrang der Hoffnung vor dem Glauben behauptet hatte. Sein entscheidendes Argument läßt sich so rekonstruieren: Die Wirklichkeit des Eschaton, die völlige Gottesgemeinschaft, liege, so Hoffmann mit Althaus' Abwehr der Endgeschichte, so sehr jenseits der Geschichte, daß sie – dies nun gegen Althaus – auch in Christus keine geschichtliche Heilsgegenwart finden könne, sondern nur unmittelbar in der verheißenen Zukunft jenseits der Geschichte selbst wirklich sei. In Hoffmanns Worten: „Wenn wir den Glauben auch nicht völlig in der Hoffnung aufgehen lassen […], so behaupten wir allerdings doch […], daß die Hoffnung, die Beziehung auf die ewige Zukunft der Erfüllung das ‚schlechthin entscheidende Merkmal am

245 ALTHAUS (1933) 43 [45].

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Glauben‘ ausmache.“246 Eschatologie gründe deshalb im Zukunftswort der Hoffnung, nicht in der Heilsgegenwart des Glaubens. Die Folge ist, daß solche Eschatologie, die auf einer in sich geschichtssprengenden Zukunft gründet, gar nicht materialiter durchgeführt werden kann, also nicht von der Ewigkeit selbst als Jenseits der Zeit, sondern vom Ewigkeitsbezug der Zeit handelt.247 1. Vorrang der Hoffnung. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangen Autoren, die ebenso wie Hoffmann, doch unabhängig von ihm und seiner Auseinandersetzung mit Althaus, einen sachlichen Vorrang der Hoffnung vor dem Glauben annehmen. GOTTLOB MAYER etwa versteht sein „System der christlichen Hoffnung“ ausdrücklich als eine Hoffnungslehre,248 die, anders als eine Eschatologie (exemplarisch der jüdische Chiliasmus), die Erwartungsgüter nicht an sich, als extensive Größen, „nach dem möglichst grossen Umfang ihres Inhalts“ bewertet,249 sondern, als intensive Größen, nach ihrem notwendigen Bezug auf das absolute Gut.250 Als dieses absolute Gut sieht Mayer die Hoffnung auf die ewige Gottesgemeinschaft selbst an. Demgegenüber sei der die Hoffnung hervorbringende Glaube ein relatives Gut.251 Ganz ähnlich behauptet WILHELM HADORN in seiner ebenfalls am Thema Hoffnung orientierten eschatologischen Skizze einen Vorrang der Zukunft vor der Gegenwart, indem er das Wesen vom Grund der Hoffnung unterscheidet: Hoffnung sei, obwohl sie im gegenwärtigen Glauben gründe, wesentlich zukünftig, d.h. der Glaube hat zwar Hoffnung, kann sie aber 246 HOFFMANN (1929) 68 (vgl. a.a.O. 72) gegen E. Schaeder; doch vgl. a.a.O. 87 bei Anm. 3 auch gegen Althaus. 247 A.a.O. 93. Hoffmann liegt damit auf der Linie der im kantischen Sinne regulativen Eschatologie (s. S. 73 Anm. 121) als eines jenseitigen Bezugspunktes der Theologie (a.a.O. 117f.), er versteht aber diesen Ewigkeitsbezug als religionspsychologisches Phänomen und folgt damit seinem Lehrer G. Wobbermin (s. S. 204 Anm. 46). 248 MAYER (1900) 65 u.ö. – Mayer, tätig als Pfarrer hauptsächlich im brandenburgischen Jüterbog, hatte seinerzeit als Herausgeber der O. Baumgartens Konzept der Modernen Predigt nahestehenden Reihe „Das Neue Testament in religiösen Betrachtungen für das gegenwärtige Bedürfnis“ einiges Renommee. Seine Hoffnungslehre erinnert durch den Titel und die gütertheoretische Methode an die Erlanger Erfahrungstheologie eines F.H.R. v. Frank, der in seinem „System der christlichen Gewißheit“ für alle dogmatischen Loci den Erfahrungsbezug im christlich frommen Selbstbewußtsein nachzuweisen suchte. 249 A.a.O. 137. Dies ist nach Mayer der „Kern aller chiliastischen Verirrung“ (ebd.). 250 Nach Mayer sind sie „begehrenswerte Güter, weil sie teils Mittel der Verwirklichung, teils Vorstufen der absoluten Gottesgemeinschaft sind. Nur wegen dieses ihres Charakters werden sie erhofft“ (a.a.O. 138). Mayer nutzt hier aus, daß elpis im christlichen (anders im profangriechischen) Gebrauch immer auf ein Gut bezogen ist. 251 Wie „das absolute Gut zu einem relativen, so verhält sich subjektiv die Hoffnung zum Glauben“ (a.a.O. 48).

V. Die antiapokalyptische Eschatologie von Paul Althaus

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nicht aus sich heraussetzen,252 sondern empfängt sie von der Zukunft, wie die Morgenröte ihr Licht von der noch hinter dem Horizont liegenden Sonne empfängt. Diese Metaphorik von Sonnenaufgang und –strahl gehört zu den Ausdrucksmitteln des zeitgenössischen Zionismus, den Hadorn als Zeichen der Hoffnung hervorhebt;253 sie impliziert, daß auch nach Hadorns Differenzierung von Grund und Wesen der Hoffnung der Inhalt der Eschatologie nicht die Zukunft als solche ist, sondern der Zukunftsbezug der Gegenwart.254 Hadorn folgt damit ebenso wie Mayer und noch deutlicher Hoffmann der Tradition der Vermittlungstheologie: Weil die Realität des Gegenstandes der Eschatologie gerade als Regulativ der Theologie rein hypothetischer Art ist, handelt sie von der Zukunft nicht als solcher, sondern als Bezugsrahmen der Gegenwart. Die genannten Autoren drücken dieses Problem eschatologischer Realitätsart gerade durch die Akzentuierung der Hoffnung vor dem Glauben aus, also in einem Begriffsschema, das, wie gesehen, die Frage der Wirklichkeit von Eschatologie zum Thema hat. 2. Vorrang des Glaubens. Ein anderes, doch in sich ebenso gerundetes Bild bieten solche Autoren, die zur selben Zeit teils nachdrücklich den Vorrang des Glaubens vor der Hoffnung betonen. Hier ist zuerst WILHELM KOEPP zu nennen, dessen kleine Monographie über „Die Welt der Ewigkeit“ schnell Althaus' Zustimmung findet. Koepp geht es mit diesem Titel um die „Zukunftswelt des Glaubens“, die als zeitund wandellose Ewigkeit im „absoluten Gegensatz zu der endlichen Sphäre“ stehe255 und darum über den rocher de bronze „Ewigkeitsglaube“ hinaus auch mittels „Hilfsvorstellungen“ nicht in „Einzelheiten“ entfaltet werden könne; der darauf zielende „Typus der christlichen Hoffnung“ komme zu „absoluten Widersprüchen“ und könne „nur in Antinomien reden“.256 Hoffnung ist hier ein problematischer Grenzbegriff, der in die Eschatologie nur 252 HADORN (1914) 34: „Eine Hoffnung, die sich nicht auf ein gegenwärtiges Erleben stützen kann, ist unwirksam“; a.a.O. 38 zu Grund bzw. Wesen der Hoffnung (Kap. I.1/2); a.a.O. 115f. gegen die Folgerbarkeit der Hoffnung aus dem Glauben am Beispiel der Überwindung des Bösen. ALTHAUS (1922) 15 = DERS. (1926) 12 erwähnt Hadorn zunächst zustimmend, findet in ihm aber 1933 keinen Gesprächspartner mehr. 253 HADORN (1914) 123 zum Zionismus und a.a.O. 36f. zur Sonnenmetaphorik (mit der Sonne ist dort das Christentum gemeint). Zu entsprechender Emblematik im Zionismus vgl. STÄHLER (2003) 146.148 mit Abb. 2, 3. 254 HADORN (1914) 23f. zeigt, daß sich der Inhalt der Hoffnung (Kap. I.3) nicht gegenständlich beschreiben läßt. 255 Zitate KOEPP (1921) 27.23 (alle Hervorhebungen aufgehoben). Zu Koepps Ewigkeitskonzept vgl. a.a.O. 24f. 256 Zitate a.a.O. 24.39.38.31.28.31 (alle Hervorhebungen aufgehoben).

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Zweiter Teil

per nefas Eingang findet; und es sind gerade die Eschatologumena jüdischer Provenienz, die Koepp dabei abweist.257 In den ähnlich gelagerten Erörterungen von FRIEDRICH TRAUB steht an Stelle des Begriffspaares von Glaube und Hoffnung das Gegenüber von Glauben und Wissen (Denken), und zwar fraglos wegen Traubs kantischen Grundansatzes, demzufolge die Erkenntnistheorie für die Eschatologie nur kritische, nicht begründende Funktion haben kann, da sie ihr nur Postulate liefert.258 Eschatologie baut vielmehr ihre theologische, nicht philosophische „Begründung auf die geschichtliche Offenbarung“ in Christus;259 darum sind ihre Lehrgegenstände ausschließlich Glaubensgegenstände und was damit logisch oder zur Veranschaulichung unmittelbar zusammenhängt, jedoch keine bloßen Wissensfragen wie z.B. das Problem von Apokatastasis und doppeltem Ausgang.260 Das Problem dessen, was in die Eschatologie hineingehört und was nicht, findet bei dem Ritschlschüler THEODOR HAERING Ausdruck in der Unterscheidung und Inhalt und Form, die dem Glauben bzw. der Hoffnung zu- und untereinander nachgeordnet werden: „Nur die Glaubensnorm der Offenbarung kann bestimmen, was christliche Hoffnung ist.“ Der so durch den Glauben vorgegebene Inhalt der Eschatologie stoße in der Form auf das Zeitproblem, das nicht die Dogmatik, sondern allenfalls die Spekulation abschließend behandeln könne.261 Praktisch gleichbedeutend schreibt JULIUS KAFTAN, daß „die Grundgedanken der christlichen Hoffnung aus inneren Gründen des christlichen Glaubens zu entwickeln“ seien und damit das „Dass“ vom „Wie“ der Eschatologie zu unterscheiden.262 257 Koepp, als Schüler H. Cremers der Positiven Theologie verpflichtet wie Hadorn, nennt kritisch a.a.O. 38–40 den Chiliasmus, den Gerichtsgedanken, den Zwischenzustand, die Auferstehung der Toten und die Parusieerwartung. Dazu stimmt, daß ALTHAUS, der Koepps Ansatz begrüßt (DERS. [1922] 15 = DERS. [1926] 11), die Kritik an dessen Vernachlässigung der Zukunftshoffnung nicht erneuert, als er sich 1933 selbst stärker von jüdischer Eschatologie abgrenzt (DERS. [1922] 58 Anm. 1 = DERS. [1926] 69 Anm. 1; vgl. DERS. [1933] 53f. [56]). Die Rezeption Koepps durch Althaus gleicht damit derjenigen Dunkmanns, Siegfrieds und Hadorns. 258 TRAUB (1925) 33f. A.a.O. 29 zum Problem des Wissens und a.a.O. 91 zu Glauben und Denken. Vgl. KANTS Ausspruch „Ich mußte also das Wissen aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen“ (DERS. [1787] B XXX). 259 TRAUB (1925) 42 (Hervorhebungen aufgehoben). Traub war es, der mit diesem betont theologischen Ansatz Althaus bewog, die Begriffe „Axiologie“ und „Teleologie“ allererst durch die biblischen „Glaube“ und „Hoffnung“ zu ersetzen (vgl. ALTHAUS [1926] 16 Anm. 2). 260 Dies geht gegen Althaus (TRAUB [1925] 111f. 116); lehrbar ist nur die Vollendung im Jenseits (a.a.O. 91f.). 261 Das Zitat des Inhalts von Eschatologie: HAERING (1912) 643; zum Formproblem vgl. a.a.O. 669. 262 Zitate KAFTAN (1920) 670 (§ 73,2) bzw. a.a.O. 671 (§ 73,3).

V. Die antiapokalyptische Eschatologie von Paul Althaus

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Mit der in den letzten Beispielen besonders deutlichen Abstufung zweier eschatologischer Gegenstandsbereiche in Glaube und Hoffnung folgen Kaftan und Haering ebenso wie Traub und Koepp Schleiermachers Argument,263 daß die Eschatologie infolge ihrer ebenso notwendigen wie inadäquaten, jedenfalls nicht auszugleichenden Bilder, Denk- und Veranschaulichungsformen nicht in einem umfassenden Gesamtbild lehrbar und daher nicht Teil der Dogmatik sei. 3. Pneumatologische Eschatologie. Es scheint daher, daß das Problem der Wirklichkeit von Eschatologie, das wir mit dem Begriffspaar Glaube und Hoffnung angeschnitten sahen, zuletzt doch, wie das Schema von Eschatologie und Geschichte, in die wissenschaftstheoretische Frage einmündet, ob die Eschatologie dem theologischen Denken den Rahmen vorgibt (Vorrang der Hoffnung) oder aber ihm die veranschaulichenden Bilder nachliefert (Vorrang des Glaubens). Aber die Alternative von Rahmen und Bild besteht nur zum Schein, und der Überblick über das Problem von Glauben und Hoffnung kann nicht abgeschlossen werden, ohne Althaus' zentralen Gewährsmann für diese Frage heranzuziehen. ERICH SCHAEDER kritisiert 1924 die ganz auf dem Konzept der Hoffnung aufgebaute Dialektische Theologie K. Barths und hält in einer Zusammenfassung seines Buches fest: „Diese ganze Arbeit ist geschrieben, um u.a. dieser [Barth'schen] Übertreibung, welche das Christentum auf die alttestamentliche Stufe zu drücken droht, zu wehren.“ Dagegen nun Schaeder: „Man ist wirklich in der Form des Glaubens am Ziel der Geschichte. Aber immer nur in der Form des trauenden Glaubens.“ Hier wird anscheinend die Hoffnung der alttestamentlichen, der Glaube aber der christlichen Religion zugeschrieben. Althaus führt diese beiden Stellen 1926 und 1933 denn auch zur Untermauerung seiner Verhältnisbestimmung von Glauben und Hoffnung an. Dabei fällt allerdings auf, daß Althaus das zweite Zitat 1926 im Sinne eines schon vollendeten Glaubens gebraucht, 1933 aber damit den Glauben austariert durch sein Angewiesensein auf Hoffnung.264 Tatsächlich steht Schaeder selbst zwischen diesen beiden Extremen. Sein theologisches Zentralthema ist das Problem, daß der Glaube schon aufgrund der Schwächen, die dem geschichtlichen Jesus Christus selbst anhafteten – gedacht ist z.B. an Gethsemane –, nicht stark genug ist, um ohne die Bestä263 KOEPP (1921) 28–31 übernimmt in den Fragen der persönlichen Fortdauer und der zukünftigen Leiblichkeit alle Argumente Schleiermachers; HAERING (1912) 665ff. rekonstruiert das Formproblem der Eschatologie (Zeit und Ewigkeit) im Anschluß an Schleiermacher. 264 Die Kritik an Barths Hoffnungseschatologie steht bei SCHAEDER (1924) 39; die Zitate a.a.O. 149.199; ersteres wird erwähnt von ALTHAUS (1933) 55 Anm. 3 [58 Anm. 2]; letzteres zitiert DERS. (1926) 72 Anm. 1 = DERS. (1933) 58 Anm. 1 [61 Anm. 1].

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tigung durch fortgehende geschichtliche Erfahrung zu überleben.265 Glaube kann daher weder bloß in der Hoffnung auf Christus gründen noch allein in der geschichtlichen Erfahrung der eigenen Wiedergeburt. Schaeder setzt dagegen die Verbindung beider durch eine „Theozentrische Theologie“,266 in der die unsichtbare Gegenwart des Auferstandenen erfahrbar gemacht wird durch gute Werke, durch die Kirche, besonders aber durch die alttestamentliche Gestalt der Christusgeschichte, für die sich Schaeder auf v. Hofmann beruft.267 Dabei ist „das Entscheidende“,268 daß diese glaubensstärkende Erfahrung Eschatologie „entbindet“ als die „notwendige Konsequenz“,269 mit der Christi Parusie die verborgene Herrlichkeit des Auferstandenen offenbar machen wird. Schaeder verbindet in diesem Konzept die beiden Charaktere, die Althaus' Eschatologie nach bzw. vor 1933 kennzeichnen, denn in ihrer Schlüsselstellung für die Theozentrische Theologie folgt die Eschatologie einerseits einer Art Apokalypsismotiv, das erlaubt, sie aus der Heilsgegenwart zu folgern; andererseits bildet die Eschatologie durch die doppelte Frontlinie des Grundansatzes derselben Theozentrischen Theologie das Jenseits der Alternative von geschichtlichem Glauben und zukünftiger Hoffnung, das keines von beiden auflöst. Und in dieser letztgenannten Funktion bildet die Eschatologie als „Das Geistproblem der Theologie“ den „Übergang“ zwischen den Fronten von Schaeders Theozentrischer Theologie.270 Bei Schaeder selbst ist mit dem Begriffspaar von Glaube und Hoffnung die pneumatologische Dimension von Eschatologie angesprochen, und in dieser Bedeutung, d.h. als Versuch, die eschatologischen Polaritäten zu überwinden, hat Schaeders Behandlung des Geistproblems einen heute weithin 265 SCHAEDER (1909/14) II,275: „Es gibt auch hier kein Glauben ohne ein Sehen, ohne Glaubensstützen in kundbarer Erfahrung“. 266 Der Buchtitel erklärt sich v.a. für die Erstauflage durch die Doppelfront von Christozentrismus und Anthropozentrismus, die Schaeder weniger mit konkreten Autoren besetzt, sondern als Antagonismus von biblizistischem Supranaturalismus und neuprotestantischem Subjektivismus bei verschiedensten Theologen konstatiert. In der Letztgestalt des Buches wird der Christozentrismus jedoch abgelöst durch Barths Dialektische Theologie (SCHAEDER [1925/28] II,63 Anm. 1 im Verbund mit a.a.O. I,Vf.), an der Schaeder bemängelt, daß sie nicht Gott in Christus, sondern abstrakterweise den Abstand zwischen Gott und Mensch als Ausgangspunkt nehme (a.a.O. II,VII: der „rational-dialektische Subjektivismus“). 267 DERS. (1909/14) II,277f. 276.273. 268 DERS. (1925/28) II,263. 269 Zitate DERS. (1909/14) II,272.285. Vgl. DERS. (1925/28) II,263 zur Bedeutung der Eschatologie: Sie ist „in der Form gewisser Hoffnung vom Glauben unabtrennbar“. 270 Das mit dem ersten Zitat betitelte Buch DERS. (1924) erschien, als nur der erste Band der Theozentrischen Theologie in zweiter Auflage vorlag (1916), nicht auch der zweite, so daß die spätere Rede vom „Übergang“ (DERS. [1925/28] I,VI) wörtlich gemeint ist.

V. Die antiapokalyptische Eschatologie von Paul Althaus

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in Vergessenheit geratenen Vorläufer mit der Eschatologie des baltischen Luthertums: Der heute nurmehr als Moralstatistiker bekannte Dorpater Systematiker ALEXANDER V. OETTINGEN leistet zur Eschatologie nach zwei einschlägigen Qualifikationsarbeiten einen originären Beitrag mit einer Monographie zur Pneumatologie. Demnach vermittelt der Geist in der theologischen „‚Meisterfrage‘“271 nach der menschlichen Beteiligung am göttlichen Heilshandeln, indem er zwischen aktionistischer Leidenschaftlichkeit und passivistischer Leidentlichkeit eine Leidensbereitschaft und –willigkeit setzt.272 v. Oettingen kommt so zu seiner „‚Konzentrations-Hypothese‘“, derzufolge Gott sich über die Kondeszendenz am Kreuz Christi hinaus im heiligen Geist konzentriert und so weiterhin den christologischen status exinanitionis erleidet.273 Weder ist der Geist hier die den Menschen zur Passivität verurteilende, unwiderstehliche Naturmacht, als die er im Alten Testament nicht selten auftritt, noch wird er als dritte Person der Trinität der Gemeinde appropriiert und so zum Gemeingeist hypostasiert, der in der Aktivität des christlichen Gesamtlebens erscheint,274 sondern er verbindet Person und Natur, indem er jeden Einzelnen persönlich zum Glauben ruft und zur Naturverklärung führt.275 Ist aber damit die Alternative von Gottes allein aktiver und des Menschen ausschließlich passiver Beteiligung am Heilsgeschehen gegenstandslos, weil die Gegenüberstellung von Aktiv und Passiv als solche zu unscharf ist, dann verliert auch für den Menschen die Gegenüberstellung von Aktiv und Passiv ihre Bedeutung. Der fortgesetzten Leidensbereitschaft Gottes entspricht daher auf seiten des Menschen die „noch nicht“ erreichte Vollendung, die v. Oettingens Buch den Titel gibt und die auf eine eschatologische Würdigung menschlichen Leids zielt, an 271 Zitat V. OETTINGEN (1895) 39 und vgl. a.a.O. 40 zur „Dissonanz zwischen göttlicher Alleinwirksamkeit und menschlicher Selbstthätigkeit“. 272 A.a.O. 6f. 273 Dieses, vielleicht von der Kabbala (und ihrer Lehre von Gottes Selbstkonzentration im sog. Zimzum) beeinflußte, Konzept soll die kenotische Christologie v. Hofmanns korrigieren (Zitat a.a.O. 122), freilich kaum deren Idealismus (so PAWLAS [1990] 209), sondern eher deren Axiomatik (s. S. 253 Anm. 275). 274 V. OETTINGENS pneumatologische Frontstellung ist vielfältig; vgl. DERS. (1895) 57.79.34 gegen ein naturalistisches (alttestamentliches) bzw. personalistisches (hypostasiertes) bzw. kongregationalistisches Geistverständnis; jeweils in Auseinandersetzung mit H. Gunkel bzw. R. Seeberg bzw. A. Ritschl. 275 A.a.O. 59. Daß der Geist persönlich und individuell zum Glauben beruft (a.a.O. 101 vgl. DERS. [1897/1902] II/2,299), verbindet demnach Eschatologie und Pneumatologie (a.a.O. II/2,723 und schon die Habilitation 1856). Indem der Geist die Stufung von Person und Natur überwindet, führt v. Oettingen v. Hofmanns Konzept weiter und gehört daher auch eschatologiegeschichtlich in dessen Tradition (gegen PAWLAS [1991] 21 Anm. 15).

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Zweiter Teil

dem bis in das 20. Jh. hinein gerade die baltische Landeskirche zu tragen hatte.276 Dies läßt verständlich erscheinen, warum der aus Westfalen stammende Tallinner Missionar TRAUGOTT HAHN, als Student in Dorpat zeitweise Hörer v. Oettingens,277 die Frage nach dem Leid in den Mittelpunkt seiner beiden Bücher zur Eschatologie stellte.278 Eschatologie handelt demnach von der Durchsetzung des Guten gegen das Böse. Dies kann jedoch gegen eine innerliche, „geistige Macht“ wie das Böse nicht durch die Wirkung göttlicher Allmacht geschehen, denn diese gilt nach Hahn nur „der äußeren Regierung der Welt“ und gehört nicht zu Gottes Wesen, das Hahn unter – m.W. analogieloser – Berufung auf das Bilderverbot des alttestamentlichen Judentums in der Geistigkeit erblickt.279 Aus dieser für Hahn kennzeichnenden Allmachtskritik ergibt sich, daß Gott das Böse nur in innerer Auseinandersetzung mit ihm überwindet, indem er es durchleidet, und dementsprechend wird „am Ende der Zeit die leidende Gemeinde der Märtyrer siegen“. Hahn hat diesen, ohne v. Oettingens dreifache Leidensbegrifflichkeit und ihre Folgerungen für eine Theologie des Leids kaum denkbaren, Grundgedanken später noch zugespitzt und damit wohl auch überspitzt. Denn ein Jahrzehnt später beschränkt er Eschatologie auf die innerliche Überwindung des Bösen, und die Erwartung einer auch äußeren Überwindung des Leids wird als fleischliches Motiv und als Leidensscheu abqualifiziert.280 Wenn sich diese Kritik auch historisch gegen die Entrückungslehren der Irvingianer richtet, so geht mit dieser Veränderung doch auch eine gewandelte Wahrnehmung des Judentums einher. 1929 lehrt nicht mehr das Judentum die Christenheit den Vorrang des Geistigen vor dem Anschaulichen, sondern lernt diesen umgekehrt erst daran, wie die Christen „stand276 V. OETTINGEN steht gegen eine verbreitete Lesart des Wahrnehmungsschemas „Schon jetzt“ – „Noch nicht“, wenn er die „fertigen Christen“ (DERS. [1895] III) mahnen will, daß „noch nicht“ alles Leid behoben, damit aber auch Gottes Langmut „noch nicht“ am Ende sei (a.a.O. 6f.). 277 HAHN hörte im zweiten Semester v. Oettingen, bei dem er mittwochs Freitisch hatte, gegen dessen Rat und war, auch später bei der Lektüre, von seiner unerbaulichen Theologie enttäuscht; DERS. (1919) 272.276. 278 Das erste Buch erschien erstmals 1919 – wenige Monate, nachdem Hahns Sohn, der Dorpater praktische Theologe Traugott Hahn jun., von Bolschewisten ermordet worden war. 279 Zitate HAHN (1920) 48.47. Zur Allmachtslehre a.a.O. 46–48 vgl. die Zuspitzung DERS. (1929) 79: „es ist nicht anders möglich gewesen, Satan zu überwinden, als durch das Leiden und den Tod des Erlösers“. Vgl. DERS. (1920) 35 zum Bilderverbot des alttestamentlichen Judentums (das Hahn a.a.O. 38ff. 42f. vom gegenwärtigen und vom zukünftigen Judentum differenziert). 280 A.a.O. 57 (Zitat) vgl. DERS. (1929) 101. Wagte HAHN (1920) 67 „nicht zu entscheiden“, ob der Chiliasmus als verklärtes Irdischsein oder himmlisch zu denken sei, so legt sich DERS. (1929) 102 auf letzteres fest und kritisiert a.a.O. 82 jedes „ungeistliche, fleischliche Denken“ (wofür die „Leidensscheu“ [a.a.O. 19] ein Beispiel wäre).

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haft alle Leiden ertragen“.281 In der Konsequenz dieser Überlegungen richtet sich das Stichwort der Leidensscheu dann aber auch gegen die Juden. Hahn zeigt mit seinem Interesse an einer eschatologischen Würdigung der Leidensthematik also eine ähnliche Entwicklung wie Althaus mit seinem Bestreben, einen Ewigkeitswert der Geschichte zu ermitteln. Wie bei ihm der Versuch, geistlichen von irdischem Realismus zu unterscheiden, zur Wendung gegen das Judentum führt, so ergibt sich dieses selbe Resultat bei Hahn aus der Trennung des geistigen Übels, also des Bösen, vom vermeintlich fleischlichen, dem Leid, obwohl Hahn zuvor doch selbst mit v. Oettingens dreifachem Leidensbegriff die Durchdringung beider erkannt hatte. Was sich daher bei Althaus in der Abhebung des Glaubens von der Hoffnung ausdrückt, hat eine Entsprechung in Hahns anthropologischer Dissoziierung von Geist und Fleisch. 4. Ergebnis. Das problemgeschichtliche Ergebnis dieses Überblicks über die Eschatologiedebatte um Althaus lautet, daß das Schema von Glaube und Hoffnung tatsächlich einen eigenständigen Fragenkomplex markiert. Er betrifft im Unterschied zum wissenschaftstheoretischen Problem der Wahrheitsfähigkeit von Eschatologie, das das Schema von Geschichte und Eschatologie ausdrückt, tatsächlich die Wirklichkeit der Eschatologie, und zwar, wie erst anhand der pneumatologischen Eschatologie bei den genannten baltisch-lutherischen Autoren kenntlich wurde, als Frage nach der menschlichen Beteiligung am göttlichen Heilshandeln. Mit den Termini „Glaube“ und „Hoffnung“ verbindet sich also die Aufgabe der theologischen Anthropologie.282 Wie zuletzt die Entsprechung in den konzeptionellen Verschiebungen bei T. Hahn und P. Althaus zeigte, liegt hier auch die Bedeutung der Begrifflichkeit von Glaube und Hoffnung für die Frage der Wahrnehmung des Judentums, die sich bei allen in diesem Unterabschnitt vorgestellten Autoren untergründig mit den Begriffen verband. Man kann daher das Begriffspaar von Glaube und Hoffnung als ein Wahrnehmungsschema im Sinne der hier befolgten problemgeschichtlichen Methode283 ansprechen. Die Bedeutung dieses Schemas wurde und wird einzig dadurch überdeckt, daß kurz nach dem Zeitraum, in dem die hier verhandelten Autoren schreiben, die Dialektische Theologie ihren Siegeszug antrat und in ihrer Eschatologie Glaube 281 A.a.O. 91. Dadurch würden die Juden aus ihrer „Christusfeindschaft“ aufwachen (ebd.). 282 Die Frage nach dem Verhältnis von göttlicher und menschlicher Beteiligung am Heilsgeschehen kann sich auch, unter Hinzunahme der dritten theologischen Tugend, im Schema von Glaube und Liebe ausdrücken, wie es in Teilen der pietistischen Tradition einschlägig war für die Wahrnehmung des Judentums (s. bei S. 24 Anm. 37f.). 283 S. dazu Kap. I.2, hier S. 23f.

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Zweiter Teil

und Hoffnung praktisch austauschbar verwenden konnte, um den Zusammenhang von Gericht und Gnade auszudrücken.284

3. Problemgeschichtlicher Ertrag 1. Althaus und die heilsgeschichtliche Tradition. Althaus ist in seinem gesamten eschatologischen Denken grundlegend an einem Ewigkeitswert von Geschichte interessiert, und dieses Interesse als solches verbindet ihn mit der zeitgleichen Dialektischen Theologie. In ebenso grundlegend vollzogener Abkehr von dieser bestimmt er jenen Wert jedoch nicht rein negativ, sondern konzipiert Geschichte dreistellig. Damit drückt er aus, allein die Ewigkeit als das Jenseits geschichtlicher Polaritäten vermöge deren Zweideutigkeiten so aufzuheben, daß ihre Pole beibehalten werden. Die Analyse zeigte jedoch, daß Althaus in der Letztgestalt seines Konzepts durch ein verändertes Verständnis von Verheißung den historischen Jesus Christus aus der Spannung aller Geschichte gegenüber der Ewigkeit entläßt und so zu einer Abwertung jüdischer Zukunftserwartung gelangt. M.a.W. das Problem, wie Eschatologie jenseits der Alternativlogik vom Satz des ausgeschlossenen Dritten wissenschaftlich verantwortet über christliche Zukunftshoffnung reden kann, ist bei Althaus nicht letztlich gelöst, und dies zeigt sich gerade an seiner Wahrnehmung des Judentums.285 Das verbindet Althaus mit der Eschatologie der Heilsgeschichtlichen Theologie, denn auch sie wollte mit ihrem Ansatz bei der verheißenen Parusie Christi die Diastase von Person und Natur im theologischen, von Geschichte und Natur im allgemein geistesgeschichtlichen Diskurs überwinden, doch auch sie geriet durch die Stufung ihrer Axiomatik von Person und Natur in die Abwertung des Judentums. Festzuhalten ist also: In problemgeschichtlicher Sicht gehört die Eschatologie von Paul Althaus zusammen mit der heilsgeschichtlichen Tradition – und nicht mit der Dialektischen Theologie.286 Dagegen spricht nicht, daß 284 Vgl. R. BULTMANNS These (DERS. [1924] 50) von der Identität des Sünders mit dem Gerechtfertigten, die „geglaubt“ wird; zur Hoffnung bei K. Barth s. Exkurs 8, hier S. 214–216. 285 Dieser problemgeschichtliche Ertrag aus Althaus' Eschatologie unterstreicht die Bedeutung des Wahrnehmungsschemas von Geschichte und Ewigkeit für das Problem einer Eschatologie im Gespräch mit dem Judentum, denn das Schema ist besonders virulent eben bei Althaus und der Dialektischen Theologie (s. S. 246 Anm. 241), und dort findet es seine Zuspitzung eben an der Frage, wie das Judentum eingeschätzt wird (s. S. 246 Anm. 243). 286 Die verbreitete gegenteilige Ansicht (s. S. 214 Anm. 91) hat jedenfalls an der Problemgeschichte keinen Anhalt.

V. Die antiapokalyptische Eschatologie von Paul Althaus

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Althaus sich gerade gegen die Heilsgeschichtler v. Hofmann und Auberlen abgrenzt, da auch der umso mehr herangezogene M. Kähler, wie wir sahen, das eschatologische Erbe der Heilsgeschichtlichen Theologie bei ähnlicher Skepsis gegen deren Vertreter antrat. Viel wichtiger ist, daß Althaus sein Konzept überhaupt nur vor diesen heilsgeschichtlich denkenden Autoren legitimiert.287 Engste Verbindungen schafft daneben das Schema von Wahrsagung und Weissagung, das für Althaus ebenso wichtig ist wie für die Heilsgeschichtler – obwohl er sich hierfür nicht auf sie beruft, sondern auf Erich Haupt, der dieses Schema in seiner Untersuchung der eschatologischen Jesuslogien von 1895 festhält. Haupts Besonderheit liegt aber nicht in diesem seit Schleiermachers Zeit gängigen Schema, sondern darin, daß er Jesu Eschatologie ganz aus dem messianischen Selbstbewußtsein Jesu entwickeln will – kaum drei Jahre, nachdem J. Weiß in seinem bahnbrechenden Buch eine jegliche derartige Ableitung aufgrund des durchgehend eschatologischen Charakters der Verkündigung Jesu verworfen hat! Sollte man aus Althaus' Berufung auf den gegen den Strom der Zeit schwimmenden Haupt nicht entnehmen können, daß er sich seinerseits gegen die eschatologische Hochflut der Weiß und Schweitzer folgenden Dialektischen Theologie stemmt und vielmehr an die Seite des heilsgeschichtlichen Traditionsstromes stellt?288 2. Das Problem der theologischen Anthropologie. Und schließlich sieht die Literatur zu Althaus diesen zum Teil selbst indirekt in der heilsgeschichtlichen Tradition, wenn sie sein charakteristisches Interesse an der dreistellig verstandenen Geschichte (und dessen inhärente Problematik) in der – bei Althaus selbst keineswegs so prominenten – axiomatischen Begrifflichkeit der Heilsgeschichtlichen Theologie ausdrückt: derjenigen von Person und Natur. Natur und Person sind dabei neueren Stimmen zufolge bei Althaus aufeinander bezogen wie Natur und Gnade im Sinne des vorkonziliaren Katholizismus289 oder wie eine existentiale Struktur und ihre gnadenhafte Ausfüllung im Sinne des nachkonziliaren Katholizismus eines 287 Vgl. ALTHAUS (1933) 67–70 [70–73], wo er in allen Punkten Material der früheren Auflagen verarbeitet (s. S. 230 Anm. 170). S. auch die Ausführungen zu Althaus' Begriffsgebrauch von „Heilsgeschichte“ bei S. 236 Anm. 193–195. 288 DERS. (1922) 78 Anm. 1 = DERS. (1926) 104 Anm. 1 beruft sich auf Haupt, kritisiert aber a.a.O. 78 Anm. 1 = DERS. (1922) 65 Anm. 1 dessen überweltliche Eschatologie; 1933 wird Haupt nicht erwähnt. 289 Laut WIMMER (1979) 143 bleibt Althaus' Anthropologie deshalb zwiespältig, weil er das boethianische Konzept der Person als Substanz durch den Verhältnisbegriff der Personalität ersetzt und so die menschliche Natur durch das nach reformatorischer Einsicht sündige Gottesverhältnis definieren, also die Person mit der (sündigen) Natur identifizieren muß. Der Mensch habe so keine positive Bedeutung mehr für die Eschatologie (a.a.O. 205).

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Zweiter Teil

K. Rahner290 oder, in den Augen der finnischen Lutherforschung, wie die kantischen Bürgertümer zweier Welten in Natur- und Sittengesetz.291 In all diesen Fällen erscheint Althaus als Vertreter einer theologischen Anthropologie, die je nach Standort des betreffenden Autors aufgefaßt wird als natürliche Theologie bzw. als Fundamentalanthropologie bzw. als Ethik der Zweireichelehre im Sinne des Personalismus der Lutherrenaissance. Doch ersteres deckt sich, wie gesehen, nicht mit Althaus' Interesse an einer „neutralen“ Theologie (in Auseinandersetzung mit C. Stange292), und zweiteres übergeht Althaus' Differenz zur Kerygmatheologie (besonders R. Bultmanns293) ebenso wie letzteres sein eschatologisches Spezifikum gegenüber dem Personalismus (etwa bei E. Hirsch294). Unsere Analyse ergab demgegenüber, daß theologische Anthropologie für Althaus eine Überwindung des Alternativschemas von Aktiv und Passiv verlangt, daß aber gerade in der statt dessen vorgeschlagenen Begrifflichkeit des Opfers und der Hingabe diejenigen Tendenzen Vorschub erfahren, die, besonders in Althaus' Sozialethik, mit einer Abwertung des Judentums zusammenhängen.295 Erst die Erhebung der Wahrnehmungsschemata zeigte darüberhinaus, daß in jenem Verständnis von Anthropologie ebenso wie in dieser Problematik der Wahrnehmung des Judentums Parallelen bestehen zur pneumatologischen Eschatologie des baltischen Luthertums,296 die darin, nicht anders als Althaus, einen weiteren Zweig am Stamm der Heilsgeschichtlichen Theologie darstellt. Man kann daher für die Problemgeschichte folgern, daß Althaus mit seinem Konzept eines dreistelligen Geschichtsbegriffs, das ihn mit der Heilsgeschichtlichen Theologie verbindet, das Thema einer theologischen Anthropologie anschlägt, das sich uns ja als die Frage enthüllte, die in dem Begriffsschema von Glaube und Hoffnung impliziert ist. Ein Blick auf die jüdischen Anfragen an die christliche Eschatologie zeigt nun, daß gerade die theologische Anthropologie ein Thema ist, das für eine Eschatologie im 290 Dieses Konzept ähnelt der protestantischen Existentialtheologie, beansprucht aber für die Ebene des Existentialen, also für die Natur als ein durch den persönlichen Glauben auszufüllendes Raster des Glaubens, Offenbarungsrang. KNITTER (1974) 82 spricht daher mit Bezug auf Althaus von einem „supernatural existential“. 291 MARTIKAINEN (1988) 6 sieht gegen Wimmer bei Althaus eine theologische Bedeutung des Menschen für die Eschatologie: „das Gewissen ist das Zentrum der Person. Somit ist das Gewissen nicht vom Naturgesetz abhängig, sondern von Gottes unmittelbarem Willen“. 292 S. Exkurs 7 (S. 199f.). 293 S. Exkurs 8 (S. 214f.). 294 S. bei S. 202 Anm. 40 bzw. S. 212 Anm. 85 bzw. S. 222 Anm. 138. 295 S. Kap. V.1.2, hier S. 235–240. 296 S. Kap. V.2.2, hier S. 253–255, v.a. zu T. Hahn (bei S. 254 Anm. 279–281).

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Gespräch mit dem Judentum höchste Bedeutung hat. Besonders L. Baeck betont, daß die Gegenüberstellung von menschlicher Passivität gegenüber göttlicher Aktion, wie sie sich aus der reformatorischen Sünden- und Gnadenlehre, besonders der Lehre vom unfreien Willen, ergebe, für keine Strömung des Judentums plausibel ist, daß hier vielmehr mit einem Zusammenwirken von Gott und Mensch gerechnet wird. Und H. Cohen, der dieses Zusammenwirken im Begriff der Korrelation zum Zentrum seiner jüdischen Religionsphilosophie macht, wählt dafür mit dem heiligen Geist denselben biblischen Ausdruck wie die pneumatologische Eschatologie. Ja, indem er darunter mit der zugrundeliegenden hebräischen Vokabel (Ps 51,6) den Geist der Heiligung versteht und die „Heiligung des Namens (Gottes)“ der Terminus für das Martyrium ist, berührt er mit dem Theorem der gottmenschlichen Korrelation zugleich das Thema des Leids. Dieses bildet für die pneumatologischen Ansätze der baltischen Lutheraner den Entdeckungszusammenhang der Eschatologie. So entwerfen sowohl v. Oettingen als auch Hahn ihr Verständnis von Anthropologie in einer dreistelligen Leidensbegrifflichkeit. Man kann daher annehmen, daß eine eschatologische Anthropologie auch das Thema der Theodizee wird behandeln müssen. Mit alldem verdichten sich die Hinweise, daß mit der Eschatologie von Paul Althaus und der breiten Diskussion darüber ein problemgeschichtlicher Zusammenhang angeschlagen ist, der die gesamte heilsgeschichtliche Tradition von v. Hofmann über Kähler durchzieht und der für die Revision christlicher Theologie hinsichtlich ihres Verhältnisses zum Judentum von allerhöchster Bedeutung ist. Es ist darum nun an der Zeit, die so gewonnenen Ergebnisse zuammenzufassen und systematisch im Gespräch mit dem gegenwärtigen eschatologischen Diskurs auszuwerten.

VI. Ergebnisse und Ertrag für Systematik und Ökumene

Die vorliegende Untersuchung hat sich die Aufgabe gestellt (Kap. I), Themen für ein evangelisches Verständnis von Eschatologie besonders im Hinblick auf eine theologische Würdigung des Verhältnisses zum Judentum zu ermitteln. Die Ergebnisse, welche die problemgeschichtliche Analyse im Hauptteil (Kap. II–V) hierzu erbracht hat, sollen nun zunächst für die einzelnen Rubriken der analytischen Kapitel zusammengefaßt (Kap. VI.1–3) und dann in einem Entwurf von Eschatologie als Lehre von der Verheißung systematisch entfaltet werden (Kap. VI.3.1–4).

1. Ergebnisse für die Theologiegeschichte In den ersten Abschnitten der vorstehenden Kapitel wurden die ausgewählten eschatologischen Konzeptionen aus inneren Sachgründen im Dienste einer Problemgeschichte evangelischer Eschatologie werkimmanent analysiert;1 die Problemzusammenhänge, die so erkennbar wurden, liefern aber auch einer im engeren Sinne theologiegeschichtlichen Fragestellung einige Ergebnisse, d.h. es bilden sich theoriegeschichtliche Knotenpunkte, an denen eschatologische Typen unterschieden werden können. Ausgang unserer Analysen war der Nachweis, daß Schleiermacher ein systematisches Dilemma der Eschatologie konstatiert, das der spätere Diskurs entweder bejaht (umsetzt) oder bestreitet (aufhebt), so daß sich im wesentlichen zwei Stränge ergeben:2 Der eine versteht die Eschatologie fundamentaltheologisch als Problem der Voraussetzungen theologischen Denkens und Redens, der andere begreift sie heilsgeschichtlich als Frage des theologischen Verständnisses von Zeit und Geschichte. Jene erste Richtung konzentriert sich charakteristischerweise auf die prinzipielle Bedeutung der Eschatologie für ein theologisch wissenschaftlich verantwortbares, nicht naiv gegenständliches Reden von der erhofften Zukunft Gottes. Für diese Richtung sind bestimmte Fragestellungen ein1 S. Kap. I.1, hier S. 20, besonders bei Anm. 26. 2 S. Kap. II.3, hier S. 78.

VI. Ergebnisse und Ertrag für Systematik und Ökumene

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schlägig, welche die vorliegende Untersuchung mit teils bisher unerforschten, teils neu zu bewertenden Konzeptionen verbinden konnte: Zu diesen Fragen zählt das Verständnis der Eschatologie als regulativer Idee, das auf H.C. Schmidt zurückgeht3 und ebenso wie die Vorstellung vom progressus in infinitum besonders bei R.A. Lipsius und A.E. Biedermann4 in unmittelbarer Auseinandersetzung mit der Tradition Kants steht. Letzteres gilt auch für das Problem der eschatologischen Anschauungsformen, das sich uns als Motiv der Bevorzugung des Glaubens- vor dem Hoffnungsthema etwa bei F. Traub ergab.5 Unter solchen Formen spielt die auf H. Steffens zurückgehende Lehre von der Involution der unsterblichen Seele eine besondere Rolle; auf sie greifen neben dem Liberalen F.H. Kern praktisch alle Vertreter der Vermittlungstheologie zurück, deren eschatologischer Entwurf hier erstmals als solcher rekonstruiert wurde. Er repräsentiert idealtypisch diese ganze theologiegeschichtliche Richtung, besonders in ihrer prinzipientheoretischen Bedeutung.6 An dieses prinzipielle Moment schließt der vielbeachtete Aufschwung der Eschatologie in der Dialektischen Theologie und der sie vorbereitenden Konsequenten Eschatologie an. Letztere ist nach unseren Analysen zugleich charakteristisch für die Frage nach den eschatologischen Rede- und Veranschaulichungsformen.7 Eine weitere Rückbindung an die Vermittlungstheologie besteht darin, daß sowohl beim Schulhaupt der Konsequenten Eschatologie, A. Schweitzer, als auch bei den wenig untersuchten Vermittlungstheologen J.P. Lange, H.C. Schmidt und H. Gerlach die Eschatologie neben Arbeiten zum „Leben Jesu“ steht, also dem zeitgenössischen Streitthema, das durch E. Renans gleichnamiges Buch angefacht wurde.8 Die andere, heilsgeschichtliche Richtung hat demgegenüber ein klar unterschiedenes, aber ebenso kennzeichnendes Profil. Sie wird durch J.C.K. v. Hofmann begründet, der neben C.E. Luthardt besonders in Mecklenburg (außer T. Kliefoth die bislang unerforschten H. Karsten und W. Floerke) eine breitgefächerte Schülerschaft findet.9 Kennzeichnend ist hier neben der gemeinsamen Axiomatik von Person und Natur (Gottes- und Weltverhältnis 3 S. S. 73 Anm. 120. 4 S. S. 148 Anm. 62. 5 S. S. 250 Anm. 258. 6 S. Exkurs 2 (S. 69ff.) zur Vermittlungstheologie und zur Involutionslehre. 7 S. Exkurs 6, hier S. 190–192. 8 Vgl. Johann Peter LANGE, Das Leben Jesu nach den Evangelien dargestellt I–III, Heidelberg 1844/47; Hermann GERLACH, Gegen Renan, Leben Jesu, Berlin 1864; Hermann Christoph SCHMIDT über Aufgaben und Grenzen eines Lebens Jesu, in: ThStKr 51 (1878) 393–457. 9 S. Kap. III.1.1, hier S. 103–118 und vgl. dazu THEISSEN (2002).

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Dritter Teil

des Menschen) die intensive Auseinandersetzung mit dem Alten Testament und mit dem Chiliasmus, die für die systematische Frage nach dem theologischen Verständnis der Geschichte steht. Diese Punkte machen es auch sinnvoll und notwendig, die bedeutenden Eschatologen M. Kähler und P. Althaus (und als Bindeglied dazwischen die hier erstmals untersuchte Eschatologie des baltischen Luthertums10) nicht der Konsequenten Eschatologie bzw. der Dialektischen Theologie, sondern eben der heilsgeschichtlichen Denkrichtung zuzuordnen.11 Für sie ist kennzeichnend, daß sie das Thema der Anthropologie, das in jener ersten Richtung mit Steffens' Seelenlehre gegeben ist, als Überwindung der gängigen Dichotomien behandelt, wie jeweils aus der Auseinandersetzung mit benachbarten Eschatologiekonzepten deutlich wurde: so für J.C.K. v. Hofmann im Unterschied zur theosophischen Eschatologie; so für M. Kählers Verständnis von Menschheit im Gegenüber zu liberaler Dogmatik und Ritschlschule; so für P. Althaus im Unterschied zur Dialektischen Theologie.12 Angesichts dieser beiden, dicht geflochtenen Traditionsstränge erscheint die Auffassung, die Eschatologie im 19. Jh. sei ein bloßes „Loch“ und ihr Büro „geschlossen“, kaum mehr haltbar; besonders der zweite der o.g. Stränge war nicht im Blickfeld dieser Auffassung.

2. Ergebnisse für die Wahrnehmungsschemata Die polaren Begriffsschemata, in denen sich die theologische Auffassung vom Judentum in den Quellen dieser Untersuchung oftmals niederschlägt, wurden hier in erster Linie als Anzeichen für Problematiken im christlichtheologischen Diskurs gewertet.13 Dieser Zugriff erlaubte aber zugleich, an bestimmten Punkten der Problemgeschichte Verdichtungen im Gebrauch solcher Begriffspaare nachzuweisen, die über die bekannten Gegenüberstellungen (Fleisch/Geist, Noch nicht/Schon jetzt, Partikularität/Universalität usw.) hinaus von eigenständigen Wahrnehmungsschemata und deren jeweiliger Wirkungsgeschichte zu sprechen erlauben. Hier ist vor anderen die begriffliche Binnendifferenzierung der Verheißung zu nennen, also das Gegenüber von Weissagung und Wahrsagung, das sich bei Schleiermacher 10 S. Kap. V.2.2, hier S. 253–255. 11 S. den Schlußabsatz von Kap. IV zu Kähler bzw. Kap. V.3, hier S. 256f. zu Althaus. 12 S. Kap. III.1.1, hier S. 96–102 zu v. Hofmann bzw. Kap. IV.3, hier S. 183–186 zu Kähler bzw. Exkurs 8 (S. 214ff.) und Kap. V.1.2, hier S. 224 zu Althaus. 13 S. Kap. I.2, hier S. 23f.

VI. Ergebnisse und Ertrag für Systematik und Ökumene

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anbahnt, bei A. Tholuck ausdrücklich wird und dann vor allem bei P. Althaus (als Apokalypsismotiv) wirksam wird.14 Auf diesem Schema baut wiederum eine charakteristische Auffassung von einer bestimmten Verheißung, nämlich der der Parusie, auf: die Lehre von den zwei Adventen Christi (im Unterschied zur nur einen Ankunft des Messias im Judentum), die wohl auf I.A. Dorner zurückgeht und bei den unterschiedlichsten Autoren bis weit ins 20. Jh. hinein wirkt15 – ein weiteres Indiz dafür, diese Zeit nicht auf den eschatologischen Aufbruch um Weiß, Schweitzer, Bultmann und Barth zu reduzieren. Dies gilt auch für die Unterscheidung von Glaube und Hoffnung, deren Betonung im Diskurs vor 1922 oftmals theologische Einschätzungen des Judentums transportiert, ehe die Dialektische Theologie mit ihrem beherrschenden Auftreten beide Termini sinngleich gebrauchen kann.16

3. Ertrag für die Eschatologie im Verhältnis zum Judentum Die Themen, die sich aus unseren Analysen für eine evangelische Eschatologie ergaben, sollen im vorliegenden Abschnitt zunächst für die jeweiligen Kapitel zusammengefaßt werden. Danach können sie auch abgelöst von der Bindung an bestimmte Autoren in einer systematischen Betrachtung vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Diskussionslage in der christlichen Theologie sowie der Eschatologie und ihrer Beziehung zum Judentum entfaltet werden. 1. Schleiermacher: Verheißung und Zeitverständnis. Schleiermachers Eschatologie läuft auf den Aufweis hinaus, daß die im Protestantismus obligaten vier letzten Dinge kein geschlossenes Gesamtbild ergeben, sondern immer in partikularen Vorstellungen hängenbleiben. Diese Partikularität ist nach Schleiermachers Religionsauffassung das charakteristisch jüdische Moment der Eschatologie und mit dem christlichen Konzept der Universalität unvereinbar. Schleiermacher hat seit seinen „Reden“ dieses Gegenüber von Judentum und Christentum am Phänomen der Weissagung festmachen können, denn hier stehen die auf einen „Schauplatz ohne Verwickelungen“ berechnete Weissagung des (atl.) Judentums und der christologische „Gipfel“ der Weissagung, der zugleich ihr „Ende“17 ist, zueinander wie Partiku14 S. S. 127 Anm. 204 zu Tholuck und bei S. 227 Anm. 157 zu Althaus. 15 S. S. 125 Anm. 197. 16 S. Kap. V.2.2 (S. 247ff.). 17 Zu den Zitaten s. S. 61 Anm. 66 bzw. S. 63 Anm. 70.

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Dritter Teil

larität und Universalität. Die Frage nach Partikularität und Universalität erwies sich aber gerade im Vergleich mit der zeitgenössischen Eschatologiedebatte der rechten Hegelschule als das Problem des Zeitverständnisses, nämlich der linearen Auffassung von Zeit als einem „bloßen Nacheinander“ (Kant). Man kann daher auch das Problem der Verheißung als eine Gestalt des Zeitverständnisses auffassen: Eschatologie redet von der Zukunft in einer bestimmten Hinsicht, nämlich soweit sie als Gottes Zukunft erhofft wird, im Modus der Verheißung. Diese Verbindung des Zeitthemas mit dem der Verheißung drückt sich in gewichtigen Anfragen aus, welche die jüdische Religionsphilosophie der christlichen Eschatologie gestellt hat: So drückt F. Rosenzweig seine Kritik am christlichen Schema von Verheißung und Erfüllung als eine Umkehrung der Zeitfolge aus und flankiert damit M. Bubers Abwehr des Zeitkonzepts einer (christologischen oder sonstwelchen) Zäsur in der Geschichte.18 Zeit und Verheißung sind also ein wichtiges Thema, das Schleiermachers Problemstellung einer evangelischen Eschatologie im Gespräch mit dem Judentum aufgibt; mit dem traditionellen Terminus ist die durch die Verheißung als theo-logisch qualifizierte, erhoffte Zeit die Ewigkeit. 2. Heilsgeschichtliche Theologie: Parusieerwartung. Die drei hier schwerpunktmäßig untersuchten Konzeptionen außer Schleiermacher ließen sich mit je einem der eschatologischen Charaktere „Chiliasmus“, „Messianismus“ und „Apokalyptik“ verbinden.19 Die Heilsgeschichtliche Theologie kennzeichnet ihr Chiliasmus. Dieser entspringt, so zeigte die Analyse, aus der heilsgeschichtlichen Axiomatik von Person und Natur, welche die eschatologische Erwartung aufteilt in eine das Gottesverhältnis des Menschen und eine sein Weltverhältnis betreffende Seite. Diese Einteilung ist, wie der Vergleich mit der zeitgenössisch bedeutsamen Unterscheidung von Geschichte und Natur lehrte, dem Thema der Parusie, dem nach Gottes- und Weltverhältnis vollendeten Christus, entnommen. Deswegen fußt der oft beobachtete Übergangs- oder Mischcharakter des Chiliasmus weniger auf zeitlichen oder räumlichen Doppelungen (Chiliasmus als Zwischenreich oder Himmel auf Erden), sondern auf dem ungeklärten Verhältnis des historischen Kommens Jesu zu seiner erhofften Parusie.20 Hierunter wird in der Heilsgeschichtlichen Theologie, wie Beck lehrte, oftmals eine Zeit der Kirche verstanden: Sie bildet eine höhere Epoche der Geschichte, aus der das Judentum ausgeschlossen wird, so daß sich das unbestreitbar starke Interes18 S. zu Rosenzweig Kap. I.3, hier S. 34–37; besonders Anm. 89. 19 Zu diesen Charakteren s. Kap. I.1, hier S. 15–20. 20 S. Kap. III.1.2, hier S. 120–123.

VI. Ergebnisse und Ertrag für Systematik und Ökumene

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se an Israel auf Ur- und Endzeit beschränkt.21 Man kann vor diesem Hintergrund sagen, daß Bubers Einwand gegen eine Zäsur in der Geschichte22 besonders heilsgeschichtlichen Entwürfen von Eschatologie gilt, eben dem Verständnis einer mit Jesu Kommen angebrochenen höheren Geschichte. Da Heilsgeschichtliche Theologie aber gerade beim Kommen Jesu, freilich seinem zukünftig verheißenen Kommen ansetzt, bedeutet Bubers Einwand, daß die systematische Kernfrage des Konzepts der Heilsgeschichte in der Klärung der Parusieerwartung besteht, besonders in ihrem Bezug auf das Kommen Jesu in Zeit und Geschichte. 3. Kähler: Metaphorische Rede. Wie die Heilsgeschichtliche Theologie an Schleiermachers Verheißungskonzept ansetzt, so greift auch Kähler den neuralgischen Punkt der vorangegangenen Tradition auf. Das ist die Parusieerwartung, die für Kähler wie für die Heilsgeschichtliche Theologie geschichtserschließende Funktion hat, bei jenem aber die heilsgeschichtliche Stufung nach Person und Natur aufhebt. An ihre Stelle tritt Kählers Konzept einer soterologischen, d.h. an der Person des Messias (Soter) orientierten, Eschatologie, die darum mit dem Messianismus assoziiert werden kann.23 Kähler befolgt dabei ein Verfahren eschatologischer Begriffsbildung,24 in dem die erhoffte Zukunft selbst – Kähler spricht vom Übergeschichtlichen – zugleich Grund und Grenze geschichtlicher Ausrichtung auf sie (z.B. in Hoffnung oder in Fortschritt) ist und darum an der Geschichte teilhat und sie doch zugleich übersteigt.25 Hierin liegt das metaphorische Potential eschatologischer Rede, so daß sich Kählers Konzept am gebündeltsten zeigt in seinem Bibelverständnis und dem Gebrauch von Bildern,26 mit denen er sein Verständnis von Menschheit – im Konzept der Menschheitsreligion, das sich, etwa im Vergleich mit dem Spätwerk H. Cohens, als besonders einschlägig für die Einstellung zum Judentum herausstellte27 – konkretisiert. Kähler positioniert sich damit auch in den einschlägigen Kontroversen des Untersuchungszeitraums, in denen über die Fronten verschiedener Gestalten des Messianismus hinweg der menschheitliche Horizont und die geschichtliche Konkretion der Zukunftshoffnung das kennzeichnend messianische Moment bilden,28 mag dieses nun auch im einzel21 S. Kap. III.1.2, hier S. 118–120. 22 S. Kap. I.3, hier S. 37–41. 23 S. Exkurs 5 (S. 153f.) zur Soterologie. 24 S. bei S. 168 Anm. 153f. 25 S. Kap. IV.1.1 (S. 137ff.) anhand des wenig untersuchten Eschatologievortrags von 1867. 26 S. Kap. IV.1.2, hier S. 168–174 und Kap. IV.2 (S. 178ff.). 27 S. Kap. IV.1.2, hier S. 159–168. 28 S. Kap. I.1, hier S. 19f.

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Dritter Teil

nen als weltweite Praxis des Evangeliums oder als Menschheitskatastrophe verstanden werden.29 Kählers eschatologische Metaphorik als Konkretion seines Konzepts von Menschheit stellt so ein wichtiges Thema evangelischer Eschatologie im Verhältnis zum Judentum dar. 4. Althaus: Theologische Anthropologie. Der Umgang mit den biblischen Bildern, Kählers thematischer Ertrag für die Eschatologiegeschichte, ist nun aber die Front, die Althaus in seiner Eschatologie vor Augen hat. Sie kann als antiapokalyptisch charakterisiert werden, weil Apokalyptik für Althaus (ebenso für Stange und Brunner)30 heißt, diesseitiges Bild und jenseitige Sache der Eschatologie, Menschliches und Göttliches unzulässig zu vermischen, und zwar gerade in dem Bestreben, beides zu unterscheiden.31 Gegen dieses Dilemma setzt Althaus sein schon am Aufbau des Buches ablesbares Konzept der Ewigkeit, die als das Jenseits der Zeitlichkeit deren Pole festhält, aber ihre Polarität aufhebt.32 Bei Althaus schlägt sich dieses paradoxe Verständnis von Ewigkeit nieder in der Dreistelligkeit, die seinen Geschichtsbegriff und seine Anthropologie kennzeichnet, ja überhaupt in seinem unübersehbaren Interesse an der theologischen Sozialethik, die durchweg von dieser Dreistelligkeit geprägt ist.33 Damit wird der Satz vom ausgeschlossenen Dritten in Abrede und zugleich die Frage nach der Wahrheitsfähigkeit der Eschatologie gestellt;34 Althaus antwortet darauf mit der Wirklichkeit der Eschatologie, indem er die Ewigkeit als Zugleich von Tun und Ruhe, Aktivität und Passivität bzw. menschlicher Aktivität und göttlicher Aktivität beschreibt, kurz: indem er, der pneumatologischen Eschatologie bei E. Schaeder und den Balten Hahn und v. Oettingen folgend, die anthropologische Alternative von Handeln und Erleiden und ihre soteriologische Entsprechung, die Alternative von Gottes Handeln und menschlichem Erleiden von Gottes Handeln, neu zur Diskussion stellt.35 Althaus' Es29 Dies sind die Standpunkte in der Debatte zwischen H. Gollwitzer und G. Scholem (s. S. 20 Anm. 25). 30 S. Kap. I.1, hier S. 16–19. ALTHAUS (1933) 74 [77] nennt selbst einmal die Eschatologie Jesu und des Paulus, auf die er sich beruft, „wider-apokalyptisch“. 31 Erst 1933 versteht Althaus Apokalyptik eher einseitig als Vergegenständlichung statt als Vermischung und setzt dem, ebenso einseitig, eine vergeistigte Eschatologie entgegen. Ursprünglich galt sein Interesse in charakteristischem Unterschied zur Dialektischen Theologie (s. Exkurs 8 [S. 214ff.]) gerade dem Problem, wie die Zweideutigkeit der Geschichte angesichts des Eschaton zu erfassen sei, ohne vereindeutigt zu werden. 32 S. Kap. V.1.1 (S. 194ff.). 33 S. S. 224 Anm. 145. 34 Diese Frage steckt im Wahrnehmungsschema von Geschichte und Eschatologie (s. Kap. V.2.1 [S. 241ff.]). 35 Zur Wirklichkeitsfrage im Wahrnehmungsschema von Hoffnung und Glaube s. Kap. V.2.2 (S. 247ff.).

VI. Ergebnisse und Ertrag für Systematik und Ökumene

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chatologiekonzept erinnert so an Cohens Korrelationsmethode, die dieser der zeitgenössischen christlichen Eschatologie gegenüberstellt, sowie allgemeiner an Baeck, der das Judentum überhaupt als die Religion der Paradoxien der Sittlichkeit definiert und unterstreicht, daß im Judentum die Anthropologie nirgends in einen soteriologischen Zusammenhang wie im Christentum eingespannt ist.36 Die anthropologische Wirklichkeit erscheint hier geradezu als Markenzeichen des Judentums. Wenn nun Althaus mit diesem für das Verhältnis zum Judentum so ausschlaggebenden Thema der anthropologischen Wirklichkeit auf das Problem der Wahrheit der Eschatologie antwortet, das einst den Anstoß für Schleiermachers Eschatologiekritik gegeben hatte, dann schließt sich in dieser Antwort ein thematischer Bogen, der den Quellenzeitraum der vorliegenden Untersuchung umspannt. Die Überlegungen können sich daher nun der systematischen Entfaltung dieser Themen im gegenwärtigen Diskurs von systematischer Theologie und christlich-jüdischer Ökumene zuwenden. Dabei ruht das Augenmerk auf dem sachlichen Ertrag der bisherigen Analysen für den systematischen (in den folgenden Abschnitten als Pkt. 1) und ökumenischen Diskussionsstand (Pkt. 2). 5. Ergebnis. Für eine evangelische Eschatologie im Verhältnis zum Judentum ergeben sich somit vier Themen, nämlich das Verständnis von Zeit und Ewigkeit, die Parusieerwartung, die Metaphorik und die theologische Anthropologie. Daß damit genau der Vierzahl der Eschata entsprochen ist, welche die protestantische Tradition vorschreibt, hat keine inneren Gründe, zumal dieser Themenkatalog nicht abgeschlossen ist. Vielmehr ist darauf hinzuweisen, daß schon diese Themen nicht auf einer Ebene liegen, sondern teils traditionsgeschichtliche Topoi, teils eschatologische Charaktere und teils Prinzipienfragen betreffen. Es scheint jedoch, daß sich alle vier Themen im Stichwort der Verheißung bündeln, denn Verheißung ist die religiöse Qualifikation der in der Eschatologie thematischen zukünftigen Zeit, während die Parusie der Inhalt der Verheißung ist, die Metaphorik hingegen ihre Form. Die theologische Anthropologie schließlich ist als Verhältnisbestimmung göttlicher und menschlicher Beteiligung am Heilsgeschehen dasjenige Thema, das von Verheißung überhaupt erst sinnvoll reden läßt, nämlich als Verheißung Gottes an den Menschen.37 Daher wird in der folgenden Skizze eines evan36 S. Kap. I.3, hier S. 31f. und bei S. 26 Anm. 46 zu Baeck bzw. Kap. I.3, hier S. 32–34 zu Cohen. 37 Auch bei den Wahrnehmungsschemata (s. Kap. II–V/2) ist das Thema „Verheißung“ in seinen verschiedenen Binnendifferenzierungen stets präsent.

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Dritter Teil

gelischen Verständnisses von Eschatologie im Verhältnis zum Judentum Eschatologie als Lehre von der Verheißung thematisiert. Will man dabei die Vierzahl zur Gliederung nutzen, was sich im Rahmen der vorliegenden Untersuchung anbietet, so kann man am ehesten auf die aristotelische Lehre von der vierfachen Kausalität verweisen, da diese die unterschiedlichen Dimensionen der jeweiligen causae unterstreicht. Dabei entspräche die als Verheißung religiös qualifizierte erhoffte Zukunft, also die Ewigkeit, der causa finalis der Eschatologie, die Parusie hingegen der causa materialis. Die Frage der Metaphorik stellte die causa formalis dar, und der Zusammenhang von göttlichem und menschlichem Handeln in der theologischen Anthropologie wäre als causa efficiens anzusehen. 3.1. Zeit und Ewigkeit 1. Systematischer Ertrag eines eschatologischen Zeitverständnisses. Welches Problem ist der Eschatologie mit dem Thema „Zeit und Ewigkeit“ eigentlich gestellt? Wenn Eschatologie sich in einem allgemeinsten Sinne als wissenschaftliche Reflexion der religiösen Zukunftserwartung definieren läßt, dann steht sie vor dem Problem, daß ihr Reflexionsgegenstand, die erhoffte Zukunft Gottes, als zukünftig dem Gegenstandsbereich der Erfahrung entzogen ist; daher redet Eschatologie von ihm nur im Modus der Verheißung. Das Konzept der Verheißung qualifiziert also nicht nur den Erwartungsgehalt der in der Eschatologie thematischen Zukunft als religiös, sondern hat in eins damit auch wissenschaftstheoretische Bedeutung infolgedessen, daß diese selbe Zukunft ein unabgeschlossener Gegenstandsbereich ist. Als Verheißung wird ja beides bezeichnet: sowohl das, was verheißen ist, also die Zukunft Gottes selbst – mit dem traditionellen Ausdruck: die Ewigkeit –, als auch die in der Zeit ergehende verheißende Rede. Eschatologie als Lehre von der Verheißung muß diese daher sowohl auf die Ewigkeit als auch auf die Zeit beziehen. Das Thema „Zeit und Ewigkeit“ – für sich betrachtet zunächst eine philosophische Fragestellung – stellt der Eschatologie also die Aufgabe, im theologischen Konzept der Verheißung beide miteinander ins Verhältnis zu setzen. Die Problemgeschichte der Eschatologie kennt zwei grundsätzliche derartige Verhältnisbestimmungen, die sich als Zeit-Ewigkeits-Kontinuum und als Zeit-Ewigkeits-Diastase beschreiben lassen; bald wird die Ewigkeit unter dem gemeinsamen Oberbegriff der Dauer als deren unendliche Ausdehnung (im Gegensatz zur endlichen Zeit) aufgefaßt, also wie eine ins Endlose verlängerte Zeitachse; bald erscheint sie als senkrecht dazu einschnei-

VI. Ergebnisse und Ertrag für Systematik und Ökumene

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dendes nunc aeternum. Es ist nun bemerkenswert, daß die evangelische Eschatologie, wie sie hier untersucht wurde, dazu neigt, die o.g. doppelte Dimension der Verheißung in beiden Verhältnisbestimmungen durch eine lineare Abfolge von Verheißung und Erfüllung auszudrücken. Das zeigt sich gerade in der Wahrnehmung des Judentums: Innerhalb eines ZeitEwigkeits-Kontinuums erscheint das Judentum dann als Zeit der Verheißung, die eine wohl notwendige, aber auch notwendig zu überwindende Vorstufe des Christentums als der Zeit der Erfüllung darstellt.38 Aber auch bei Annahme einer Zeit-Ewigkeits-Diastase, die die Ewigkeit jenseits aller Zeitkategorien theologisch, etwa als Gericht versteht, war zu beobachten, daß das Judentum gerade und nur „in seinem Scheitern“ als Verheißung betrachtet wird und so wiederum zur Negativfolie des Christentums wird, das dann dem Judentum als dessen Erfüllung linear zugeordnet werden kann.39 D.h. selbst wenn die Ewigkeit an sich nicht zeitlich (als „Zeit nach der Zeit“), sondern gerade als Gegensatz der Zeit verstanden wird, kann das Verhältnis von Zeit und Ewigkeit dennoch linear, also nach Art des Zeitstrahls, gedacht sein.40 Dies ist, was ich abgekürzt das Problem eines „linearen Zeitverständnisses“ nennen möchte. Es kommt demgegenüber also für eine evangelische Eschatologie auf das an, was ich als „eschatologisches Zeitverständnis“ bezeichnen würde, nämlich darauf, das Verhältnis von Zeit und Ewigkeit in nichtlinearer Weise zu denken, und hier liegt eben die Bedeutung des Verheißungskonzepts, das ja Zeit und Ewigkeit aufeinander beziehen soll. Führt man sich diese Aufgabenstellung vor Augen, dann wird sogleich klar, wo die Wurzel des Problems liegt: nämlich in dem Begriffsgespann von Verheißung und Erfüllung, das die Verhältnisbestimmung von Zeit und Ewigkeit doch nicht an die Verheißung bindet, sondern auf (zeitliche) Verheißung und (ewige) Erfüllung aufteilt und schon damit beide in einer lineare Abfolge bringt. Die Verheißung wird hier auf kausalem Wege mit der Erfüllung verknüpft und muß ihr deshalb vorausgehen. Die Verheißung ist dann zwar die Ursache der Erfüllung und als solche auch die Ur-Sache, der ureigenste Gegenstand der Eschatologie als Reflexion über Zukunftshoff38 S. dazu (anhand der Frage von Partikularität und Universalität) Kap. II.2.2 (S. 63ff.) mit Exkurs 1 (S. 64ff.). 39 S. Exkurs 8 (S. 214ff.) zur Eschatologie in BULTMANNS Dialektischer Theologie (Zitat DERS. [1949] 183). 40 Beides zusammen nimmt etwa K. Barth im Ewigkeitsverständnis aus Bd. I/2 seiner „Kirchlichen Dogmatik“ an, wenn er die Ewigkeit als die Gotteszeit begreift, welche die Menschenzeit umgrenzt, indem sie ihr gegenüber überzeitlich und zugleich vor- und nachzeitlich ist. Vgl. dazu OBLAU (1988).

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nung, aber Wirkung dieser Ursache und damit Inhalt dieser Hoffnung ist nur die Erfüllung: Christliche Zukunftshoffnung hätte demnach im letzten Sinne alles zu erwarten, nur keine Verheißung, die Verheißung selbst wäre kein Eschaton, sondern als Ursache, die der Wirkung notwendig vorangeht, eine sub specie aeternitatis vergangene Größe. Dies widerspricht aber schon der sprachlichen Struktur von Verheißung, denn bereits der Ausdruck berührt ja wie gesehen Ewigkeit und Zeit, Hoffnungsgut und Hoffnung gleichermaßen. Gegen ein lineares Zeitverständnis muß daher ein eschatologisches Konzept von Zeit betonen, daß die Verheißung eine bleibend zukünftige Größe ist; sie ist nicht nur Ursache der Zukunftshoffnung, sondern auch deren Sache, ihr Grund und ihr Gehalt. Die Verheißung, so ergibt sich aus unseren Überlegungen, ist nicht erst durch die Erfüllung vollwertig gemacht,41 das Begriffsgespann von „Verheißung und Erfüllung“ ist zu ersetzen durch die Korrelation von „Zukunft und Verheißung“.42 Was diese Entkoppelung der Verheißung von ihrem vermeintlichen Korrelat der Erfüllung bedeutet, wird wiederum vom Thema „Zeit und Ewigkeit“ her klar. Setzt die Verheißung nämlich Zeit und Ewigkeit ins Verhältnis, dann verbindet sie menschliches Hoffen mit der Zukunft Gottes, dann ist Verheißung kein bloßer Redemodus, sondern verbindet zeitliche und ewige Gestalt der Zukunft Gottes, die Verheißung ist also ein im wörtlichen Sinne theo-logisches Konzept. Dieses Verständnis der Zeit aufgrund der Verheißung ist nicht auf die Alternative festgelegt, die Zeit entweder ontotheologisch aus einem Begriff von Ewigkeit Gottes abzuleiten oder subjektivitätstheoretisch als Produkt der Verstandestätigkeit des Ich zu begründen,43 sondern kann einen differenzierten Zusammenhang von göttlicher und menschlicher Beteiligung44 am Verheißungsgeschehen annehmen. Der Grund menschlicher Zukunftshoffnung ist dann – im Unterschied zu einem linearen Kausaldenken, für das die Ursache der Wirkung vorangehen muß – die Zukunft selbst, nämlich das Kommen Gottes zu den Menschen und sei41 S. Kap. II.2.1, hier S. 63. 42 Unter diesem Buchtitel skizziert SAUTER (1965) 45 anhand von Gen 15,1–6 die Zukunftsverheißung als die Eröffnung der „‚größere[n] Welt Gottes‘“, bei der die menschliche Hoffnung „vor Anker“ gehen soll. Dieser Metapher entsprechend nennt DERS. (1997) 317 die Verheißung einen „Fixpunkt“. 43 Diese Alternative strukturiert die umfangreiche Untersuchung von MANZKE (1992), der in diesem Sinne einerseits Augustin und andererseits Kant und Heidegger behandelt. 44 Die großangelegte Zeittheorie bei SCHMIDT (1927) 382 zielt unter der Überschrift eines „eschatologische[n] Rhythmus“ der Geschichte entgegen der kantischen Bestimmung der Zeit als einer nicht wegdenkbar vorgegebenen Form der Anschauung (a.a.O. 219f. u.ö.) auf einen solchen Zusammenhang: Dem Menschen ist die Zeit als Formgebung für die ewige Liebe Gottes aufgegeben in einer bis in die Gegenwart reichenden Wundergeschichte (a.a.O. 327f.).

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ner Schöpfung, das sich in Gestalt seiner Verheißung vollzieht. Wenn Gott nach reformatorischer Anschauung mit den Menschen nicht anders handelt als durch Wort und Glauben, dann charakterisiert das Verheißungswort, auf das hin der Glaube glaubt, Gottes Handeln an den Menschen. Verheißung ist demnach ein Begriff, der ebenso wie das erinnerte vergangene und das gegenwärtig erfahrene auch das zukünftig erhoffte Handeln Gottes kennzeichnet und nicht etwa eschatologisch von einem damit zu kontrastierenden Erfüllungshandeln abgelöst wird. Mit diesen Erwägungen ist keineswegs behauptet, daß die Verheißung sich selbst genüge und nicht etwa über sich hinausweise; im Gegenteil ist die Verheißung ihrem Wesen nach Verweisung über sich hinaus. Allein worauf sie verweist, wäre als Erfüllung nicht nur linear gedacht, sondern auch losgelöst vom verheißenden Gott selbst. Daß jede Verheißung über sich hinausweist, beruht aber ja darin, daß sie eben auf nichts anderes als Gott verweist. Das Thema der Verheißung geht an diesem Punkt über in das andere nach der metaphorischen Redeform von Verheißung, die durch eben diese Art von Verweisungszusammenhang gekennzeichnet ist.45 Besonders konzentriert drückt sich dieser Zusammenhang von Gott und Verheißung aus, wenn Jesus Christus im Neuen Testament das Ja Gottes zu seinen Verheißungen genannt wird (2 Kor 1,20). 2. Ökumenischer Ertrag eines eschatologischen Zeitverständnisses. Mit diesen Überlegungen zum Thema „Zeit und Ewigkeit“ ist ein zentraler Punkt des gegenwärtigen christlich-jüdischen Gesprächs getroffen, denn auch hier plädieren mit z.B. Wolfhart Pannenberg, Jürgen Moltmann und Friedrich-Wilhelm Marquardt gewichtige Stimmen für ein eschatologisches Zeitverständnis.46 Zugrunde liegt auch hier die Einsicht, daß die Verheißung selbst als erfüllte nicht, wie die israeltheologische Substitutionstheorie annahm, abgegolten und gleichsam erledigt ist. Vielmehr bringe das überbordende Hoffnungspotential, wie es Israel in den Verheißungen des Alten Testaments gegeben ist, einen „Überschuß“ über jede Erfüllung.47 Eschatologie als Lehre von der Verheißung handelt daher von „zukunftsweisenden Erinnerungen“ und geschieht materialiter als Wiederholung der Ge45 Dazu s. Kap. VI.3.3 (S. 282ff.). 46 Für PANNENBERG vgl. sein Konzept der „Offenbarung als Geschichte“ (seit DERS. [1961]), für MARQUARDT (1993/96) dessen Zeittheorie im § 6 seiner Eschatologie, und MOLTMANN (1995) 308 Anm. 55 spricht selbst von einer „Theologie der Zeit“ in eschatologischen „Kategorien“ (a.a.O. 44). – Im folgenden sollen nicht diese drei Entwürfe analysiert, sondern das sie verbindende israeltheologische Moment als solches betrachtet werden. 47 K.H. Miskottes Rede vom Verheißungsüberschuß rezipiert v.a. MARQUARDT (1993/96) I,159 (Zitat).

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Dritter Teil

schichte Israels.48 Wiederholung bedeutet hier jedoch keine Repetition, die für die Zukunft nichts Neues unter der Sonne erwarten ließe, sondern heißt, die im Lauf der Geschichte „verhinderten Möglichkeiten“ in ihrer unverbrauchten Potentialität, wie sie im Hoffnungspotential des alttestamentlichen Verheißungsüberschusses gegeben ist, wieder an die Oberfläche zu holen, so daß sie „ständig diese Welt in Frage“ stellen.49 Zeittheoretisch werden daher der Vorrang der Zukunft und deren Neuheit gegenüber den geschichtlichen Gegebenheiten betont.50 Diese Zukunft sei, wie im Anschluß an die frühjüdische Apokalyptik und ihre Auffassung vom „Ende“ gesagt wird, der geschichtlichen Wirklichkeit selbst nur ausnahmsweise auf dem Wege der Antizipation zugänglich:51 indem nämlich das Wirkliche sich durch das Mögliche, durch das, was auch anders und wie es auch anders sein könnte, hinterfragen läßt. Tatsächlich ist die Möglichkeit die Schlüsselkategorie solcher Konzeptionen, und zwar nicht die kantische Modalkategorie im Unterschied zu Wirklichkeit und Notwendigkeit, sondern M. Heideggers Konzept der Möglichkeit: Sie ist gegenüber der Wirklichkeit „die ursprünglichste und letzte positive ontologische Bestimmung des Daseins“, das eigentlich in ihm „Vermögend-Mögende“. Denn sie ist nicht der normativen Kraft des Faktischen unterworfen und kann darum gerade angesichts des Geschichtslaufs und gegen ihn als das Wahre angerufen werden – mit der Pointe, daß die so mit der Wahrheit verknüpfte Möglichkeit gar nicht auf Verwirklichung zielt, wie dies noch in dem traditionellen, problematischen Begriffsgespann von Verheißung und Erfüllung der Fall ist.52 48 Vgl. die Vorstellung der Pesachhaggada, daß die Generation jeder Sederfeier mit der des Exodus verschmilzt. So auch Marquardt und MOLTMANN (Zitat DERS. [1989] 40 [dort kursiv]). 49 Diesen gesellschaftskritischen Akzent setzt MOLTMANN (1964) 247.149 (Zitate). 50 Z.B. MARQUARDT (1993/96) I,73ff. in der Rehabilitation des Lohngedankens; MOLTMANN (1995) 42f. mit der Unterscheidung von Futur und Advent. 51 Der Antizipationsgedanke ist zentral für MOLTMANN, der ihn a.a.O. 44 am Sabbat als einer rhythmisch wiederkehrenden „Vorwegnahme der messianischen Zeit“ (Äonenzeit) entfaltet, und für PANNENBERG (1961) 96.103, der mit der jüdischen Apokalyptik das Ende der Zeit als Offenbarung ihres Gesamtsinns versteht, den historische Ereignisse vorwegnehmen könnten; vgl. DERS. (1988/93) III,692.694 zum „Sichzuvorkommen“ Gottes. 52 Zitate HEIDEGGER (1927) 143f.; DERS. (1946) 8. Dieses Möglichkeitskonzept versteht E. JÜNGEL (1971) eschatologisch, wenn er die Auferstehung als „Verewigung gelebten Lebens“ (a.a.O. 160) versteht: sie holt Lebensmöglichkeiten wieder (DERS. [1977] 292 Anm. 58). Auch solches Reden von „Wieder-Holung“ geht, wie KLAPPERT (1995) 55 für Marquardt zeigt, auf Heidegger zurück. Der einhergehende Akzent auf der Wahrheit statt der Wirklichkeit trifft dabei weniger für Marquardt und Moltmann zu, spricht aber aus der Metapherntheorie von JÜNGEL (1974) und schlägt sich bei dessen Schüler Mencke nieder im Begnügen bei der historischen Möglichkeit der Glaubenstatsachen (s. S. 158 Anm. 112); ebenso PANNENBERGS rein wissenssoziologisches Verständnis der Historizität etwa von Ostern (DERS. [1964] 95).

VI. Ergebnisse und Ertrag für Systematik und Ökumene

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Dies kann freilich dazu führen, daß das Eschaton, nunmehr als Bewahrheitung (Verifikation) der Geschichte begriffen, zugleich als Ende einer linearen Zeit verstanden werden muß, weil sonst mit der Geschichte kein abgeschlossener Gegenstandsbereich vorläge, wie ihn eine Verifikation voraussetzt.53 Auch wenn die Eschatologie als Wieder-Holung von Möglichkeiten in Entsprechung zur Protologie gedacht wird, ergibt sich ein restitutives (zyklisches) Zeitverständnis, das mit dem grundsätzlich angenommenen Vorrang der Zukunft jedenfalls in Konflikt steht.54 Im Unterschied dazu verstehe ich im Rahmen eines eschatologischen Zeitverständnisses die erhoffte Verheißung weder vom Primat der Wahrheit noch der Möglichkeit her, sondern als eine Wirklichkeit, nämlich die Wirklichkeit des verheißenden Gottes selbst. Es geht in Auseinandersetzung mit der berechtigten israeltheologischen Kritik an der Vorstellung von Erfüllung als Verwirklichung der Verheißung nicht darum, die Dimension der Wirklichkeit in die Wahrheit auf- oder untergehen zu lassen und dieser so den Realitätsbezug zu verstellen, sondern darum, zur Geltung zu bringen, daß Gott selbst in der Verheißung zu den Menschen kommt und darum in diesem Kommen, seiner Zukunft, selbst ihre letzte und tragende Wirklichkeit ist. In diesem menschheitlichen Horizont sind auch Christentum und Judentum miteinander verbunden – in einer Weise freilich, die der folgende Unterabschnitt weiter zu klären hat. 3.2. Die Hoffnung auf die Parusie Christi 1. Systematischer Ertrag eines Parusieverständnisses in menschheitlichem Horizont. Wenn es wahr ist, daß Eschatologie von der zukünftigen Wirklichkeit Gottes handelt, dann muß sich dies besonders auf das Thema der Parusiehoffnung auswirken. Denn die Vorstellung, daß Jesus vom Himmel zur Erde wiederkehrt, mutet doch scheinbar zu phantastisch an, widerspricht zu sehr der Erfahrung von Wirklichkeit – und wie 2 Petr 3,4 zeigt, nicht erst aufgeklärter Erfahrung –, um selbst als Wirklichkeit erwartet werden zu können. Doch beim Thema der Parusie geht es gar nicht darum, ein isoliertes Eschatologumenon als wirklich zu behaupten oder preiszugeben. Die biblische Versicherung, daß Jesus „so, wie ihr ihn habt gen Him53 PANNENBERG (1995) 76.79 und schon DERS. (1988/93) III,638f. 54 Vgl. die Entsprechung von Gottes ursprünglicher Selbstbeschränkung (kabbalistisch sog. Zimzum) in der Schöpfung zu seiner eschatischen Einwohnung (Schechina) in ihr bei MOLTMANN (1995) 327f. 336, bei dem nach GRIMMER (2000) 196 „letztlich doch ein lineares Modell der Zeit vorherrscht“.

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mel fahren sehen“ (Apg 1,11), kommen werde, trifft keine Aussage über den Modus der Wiederkehr, sondern hält die Identität des Kommenden mit dem Gekommenen fest.55 Die christliche Parusiehoffnung erwartet, in dem Kommenden den zu erkennen, zu dem sie sich bekennt. Auf diesen Zusammenhang von Bekenntnis und Erkenntnis zielt womöglich auch die zweimalige Schilderung der Himmelfahrt durch den Evangelisten Lukas: Die erste mündet in das anbetende Bekenntnis zum Gekommenen (Lk 24,52f.), die zweite in die Zusage der Erkenntnis des Kommenden (Apg 1,11). Auch die für neuzeitliches Denken befremdlichen Auslassungen traditioneller Eschatologie darüber, unter welchen kosmischen Begleitumständen die Parusie zu denken ist, sollen diese ja gar nicht als physikalisch „möglich“ erweisen, sondern wollen erklären, wie der Kommende sich allen Menschen als Christus zu erkennen geben kann. Daß dies aber der Diskussion bedarf, zeigt, wie wenig selbstverständlich es der eschatologischen Tradition scheint, daß die Menschen den Kommenden als den erkennen werden, den sie kennen und bekennen. Die Parusie ist demnach nicht als Bewährung oder Bewahrheitung (Verifikation) des Glaubens zu verstehen, auch nicht in dem bloß umgekehrten Sinne, daß die Parusie, etwa im Interesse einer produktiven Aufnahme des jüdischen Neins zu Christus als dem Messias,56 verstanden würde als der Lackmustest (Falsifikation), der den christlichen Glauben nachträglich als wahr oder falsch erwiese. In beiden Fällen würde an die Parusievorstellung das klassische Wahrheitskriterium der Adäquation (adaequatio rei et intellectus) wie eine Meßlatte von außen angelegt; es ist aber der Wirklichkeit der Parusie nicht adäquat, weil es voraussetzt, daß die eschatologisch verheißene Erkenntnis Christi den Glauben in ein Wissen im mechanischen Sinne „überführt“ wie die Gebeine eines Heiligen, ohne daß der Glaube selbst davon berührt wäre. Dies widerspricht aber dem Wesen des Glaubens, dessen grundlegende Frucht, seine „Äußerung“ am Glaubenden, ja nach der reformatorischen Rechtfertigungstheologie die Heilsgewißheit (certitudo) ist;57 und die kann im Unterschied zu einem Wissen (securitas) nicht bei sich bleiben, ja sie muß ganz von sich ab55 Im rabbinischen Judentum kann der Modus der erhofften Parusie des Messias mit dem des Handelns der Hoffenden verbunden werden: Zeigt sich Israel würdig, so kommt der Messias mit den Wolken des Himmels; zeigt es sich unwürdig, so kommt er auf einem Esel. 56 Dieses Interesse machen z.B. MARQUARDT (1977) 311 und (mit Zitat davon) MOLTMANN (1989) 52 geltend. 57 So KÄHLER (1905) 428 (§§ 497f.). Die Alternative, Heilsgewißheit im Zusammenhang der Prädestinationslehre zu behandeln und als Frucht des Glaubens vielmehr die Liebe hervorzuheben, eröffnet dagegen eine lineare Gefällstrecke von der Christologie über die Ethik zur Eschatologie (vgl. WEBER [1955/62] II,352 zu Gal 5,6).

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sehen und auf Gottes Verheißung blicken – und wird genau darin ihrer selbst gewiß. Anstatt also dem menschlichen Bekenntnis das göttliche Siegel der Erkenntnis aufzuprägen, „überführt“ die Parusie den Glauben in einem ganz anderen, rechtfertigungstheologischen Sinne: sie überführt ihn nämlich des unhintergehbaren Erkanntseins58 durch Gott (1 Kor 13,12), das Paulus so erklären kann, „daß Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren“ (Röm 5,8); und in diesem Zusammenhang ist die menschliche Erkenntnis des kommenden Christus zugleich Sündenerkenntnis und das Bekenntnis zu ihm zugleich Sündenbekenntnis. Beide sind aber, wie Paulus mit seiner Schilderung des Lebens unter dem Gesetz in der Retrospektive des Lebens aus der Gnade sagt (Röm 7,7–24), bereits von Gott gewirkt,59 so daß in dem ganzen, schon semantisch gegebenen Zusammenhang von Rechtfertigung und Gericht, aber auch in dem ganzen geschichtlichen Zusammenhang von Jesu historischem Ergehen und seinem eschatologischen Kommen die außerhalb menschlicher Möglichkeiten liegende (Luther sagt: extra nos) Zukunft Gottes selbst wirksam ist; und dies zeigt das durchgehend eschatologische Gepräge der Parusieverheißung, und darin beruht auch ihr evangelischer, d.h. froher und heilsamer Charakter: Gott macht alle Menschen, die gegen ihre Sündigkeit auf ihn vertrauen, gerecht. Schon diese grundsätzlichen Erwägungen machen deutlich, daß die Parusieverheißung das Menschenmögliche übersteigt; sie beansprucht für das Christentum eine Bedeutung, die jenseits von dessen eigenem Horizont reicht, nämlich, wie auch die kosmische Bildersprache nahelegt, eine menschheitliche Bedeutung; und Menschheit ist hier nicht einfach der Geltungsradius des Christentums, den es durch seine Missionstätigkeit ausdehnen könnte. Vielmehr wenn schon für die Christen als die Menschen, die sich zu Jesus bekennen, die Erkenntnis des Kommenden außerhalb des Menschenmöglichen ist, dann kann auch eine zukünftig christianisierte Menschheit nicht schon Menschheit im Sinne der menschheitlichen Bedeutung der Parusie sein. Vielmehr bedeutet Menschheit in diesem Sinne für das Christentum, daß es durch das Kommen Christi zum Gericht, wie die Vorstellung des Credo lautet, in die Auseinandersetzung mit anderen Religionen der Menschheit geführt wird. Für das Verhältnis zum Judentum heißt das, daß mit dem Parusiethema so wichtige und zugleich schwierige 58 Die genitivische Syntax kennzeichnet das Überführen in der Rede vom usus elenchticus legis, der als Überführung (darum „elenchticus“) von der Sünde (mit Röm 3,20: Sündenerkenntnis als Hauptfunktion des Gesetzes) zugleich zum Glauben führen will, darin besteht ja sein „usus“, sein Nutzen. 59 Vgl. zum Zusammenhang von Sündenbekenntnis und Rechtfertigung gerade innerhalb eines eschatologischen Zeitverständnisses SAUTER (1998a) 153–155.

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Themen verbunden sind wie die Judenmission, die nationale Restitution und die traditionell sog. christliche Bekehrung Israels. Angesichts dieses Sachverhalts ist das Thema der Parusieverheißung in einer evangelischen Eschatologie im Verhältnis zum Judentum also im Horizonts eines theologischen Konzepts von Menschheit zu bedenken. Gerade die hier untersuchte Problemgeschichte der Eschatologie liefert dafür wichtige Erträge, unter denen das Konzept der Menschheitsreligion herausragt.60 Zunächst ist zur Begrifflichkeit der Parusie zu sagen, daß von Wiederkommen oder Wiederkunft nicht gesprochen werden sollte, weil dies hieße, daß Christus zurückkäme, nachdem er zuvor eine Zeitlang von den Seinen abwesend war. Parusie wäre dann so etwas wie eine eschatologische Familienzusammenführung. Aber daß der kommende Christus als der von den Christen Bekannte erwartet wird, heißt ja nicht, daß diese dann einen alten Bekannten (oder gar Verwandten) wiederträfen, wie auch die Erkenntnis des Kommenden nicht das Wiedererkennen eines Wiederkommenden bedeutet. Gewiß ist der Kommende mit dem Gekommenen, der Zukünftige mit dem Gegenwärtigen identisch, doch diese Identität ist in sich differenziert zu denken, konkret: Wenn die eschatologische Parusie als Überwindung der geschichtlichen Polaritäten und menschheitlichen Spannungen unter Beibehaltung ihrer, so zu sagen, spannungsführenden Pole verstanden wird, wie dies in der heilsgeschichtlichen Tradition der Fall ist, dann kann auch das geschichtliche Datum, an dem alles Christentum hängt, das Christusereignis selbst, nicht aus der Spannung von Geschichte und Eschaton ausgespart werden.61 Wer Christus wirklich ist, ist also ohne die Parusie nicht offenbar; Christus selbst ist ein Hoffnungsgut, ja das Hoffnungsgut schlechthin. Terminologisch gesprochen: Der durch das Parusiethema gegebene Zusammenhang von Eschatologie und Christologie ist nicht auf letztere reduzierbar. Man könnte metaphorisch von einem Weg Jesu Christi sprechen, der erst in der Parusie Ziel und Richtung bekommt – freilich nicht in dem Sinne, daß er erst mit dem letzten Schritt ausgeschritten wäre, vielmehr besteht dieser Weg in jedem Augenblick nur kraft der Orientierung am Ziel der Parusie.62 Für die Begrifflichkeit heißt das: Christus ist nicht 60 S. zum Folgenden Kap. IV.1.2, hier S. 159–168. 61 Bei Althaus, Stange und Brunner, deren Eschatologiekonzepte auf der Spannung von Zeit und Ewigkeit aufbauen, bedingte die Aussparung Christi selbst aus dieser Spannung, also die Vernachlässigung der Parusiehoffnung, die Einschätzung des Judentums als Vorstufe des Christentums (s. S. 236 Anm. 192 zu Althaus; S. 199 Anm. 26–28 zu Stange; S. 18 Anm. 21 zu Brunner). 62 Ein solches Parusie- und entsprechendes Zeitverständnis zeigt v.a. die Eschatologie bei O. Weber (s. S. 240 Anm. 210), aber auch die Bibelarbeit IWAND (1966) 42: „Nur als der Kommende ist er der, der gekommen ist.“

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der Wiederkommende, sondern, wie die biblische Partizipialformulierung (Offb 1,8; 22,13) sagt, der Kommende: er ist nur, indem er kommt, und er ist wirklich im Kommen – auch in der Gegenwart, die eben kein eschatologischer Leerlauf ist, und auch in der Zukunft, denn selbst die letzte Zukunft Jesu Christi zum Gericht ist kein Da-sein, sondern eine Gestalt des Kommens: das Ankommen freilich, das die Frage „Was kommt danach?“ obsolet macht. All dies ergibt sich im Grunde schon aus der Ersetzung des linearen durch ein eschatologisches Zeitverständnis, weil damit jedes Verständnis der Parusie vom Gedanken des (noch) Ausstehenden her – besonders das Theorem der Parusieverzögerung63 – durchkreuzt ist, die Parusie vielmehr selbst der Angelpunkt allen theologischen Denkens in zeitlichen Abfolgen ist und bleibt. Daher sind auch die mit dem Parusiethema verknüpften Fragen in Entsprechung zur Gedankenfigur des Weges Jesu Christi zu verstehen. Daß z.B. die zahllosen Daten und Fakten eines einzelnen Lebenslaufes, die Fäden und Bruchstücke, die kein Mensch entwirren oder zusammenfügen kann, ausschließlich durch Christi Kommen zum Gericht – also ohne Hilfe von Schnitt oder Kitt, die dem so und nicht anders gelebten Leben auf dem Totenbett noch eine Maske ewigen Lebens anmodellieren wollen – einen Lebensweg bilden, der als gangbar bejaht werden kann: dies wäre ein Ausdruck persönlicher Parusiehoffnung.64 Vollends gilt dies für den Lauf der Menschheitsgeschichte, die, wie das Gleichnis vom Jüngsten Gericht mit der überraschenden Selbstkundgabe Christi in den Werken der Barmherzigkeit zeigt (Mt 25,31–46), ebenfalls ihre Einheit allein im kommenden Christus hat. 2. Ökumenischer Ertrag eines Parusieverständnisses in menschheitlichem Horizont. Wenn man die Parusieerwartung vor dem menschheitlichen Horizont des Weges Jesu Christi sieht, so befindet man sich bereits mitten im christlich-jüdischen Gespräch, denn in diesem Begriff der Menschheit muß das Christentum mit dem Judentum ins Verhältnis gesetzt werden, und daher ist hier auch der Ort zur Klärung der Themen von Judenmission und sog. Bekehrung Israels. Bringt man nun, wie es dem menschheitlichen Weg Jesu Christi „vom Protevangelium bis zum Herrentage“ (M. Kähler) entspricht und wie es unter den gegenwärtigen Dogmatikern vor allem Gerhard Ebeling tut, den Zusammenhang der Eschatologie mit der Christologie zur Geltung und fragt nach einer Bedeutung Christi für die „Weltgeschichte 63 Hierauf baut die Konsequente Eschatologie auf (s. Exkurs 6, hier S. 190–192). 64 M.E. ist dies die theologische Dimension des kirchlichen Handelns im sog. Lebenszyklus, d.h. der Kasualien.

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post Christum natum“, so ist darauf zu achten, daß dabei die Eschatologie nicht wieder auf Christologie reduziert wird. Z.B. würdigt Ebeling Weltund Menschheitsgeschichte so, daß sie „nicht Errichtung des Paradieses“, sondern bloß „Herstellung solcher Lebensbedingungen“ bewerkstelligen sollen, „unter denen die Auswirkung des Bösen begrenzt“ ist.65 Damit dienten die außer- und nachchristliche Welt und Menschheit lediglich dazu, daß das Christentum an ihnen seine Spannkraft erweist, mit der es die Ankunft des Messias auf die Welt beziehen kann, ohne diese sogleich in jene hinein aufzuheben. Dies nicht zu vermögen, ist es ja, was die Lehre von den zwei Adventen Christi dem Judentum vorwirft, und daher kommt die skizzierte Würdigung der nichtchristlichen Menschheit nahe an diese Lehre heran. Das darin verborgene, hier aber deutliche Problem ist, daß das historische Auftreten Jesu aus sich heraus, also ohne Bezug auf das Kommen Christi in der Parusie, als welt- und menschheitsgeschichtliche Zäsur oder „Wende“ beansprucht wird,66 so daß das Christentum gegenüber anderen Religionen der Menschheit absolut gesetzt wird. Diesem Problem tritt nun gerade ein Konzept von Menschheitsreligion entgegen, das die Menschheit selbst nicht als gegebene Größe auffaßt, sondern ihre Einheit allererst vom kommenden Christus erwartet. Denn dann kann das Christentum nicht im absoluten Sinne die Menschheitsreligion sein, sondern das Christentum ist im relativen Sinne Menschheitsreligion. Die Relativierung in diesem Satz ist wörtlich zu verstehen, d.h. sie bezieht sich nicht auf die Menschheitsreligion – nicht also, als ob der universelle Anspruch des Christentums (den man eben nur nicht Absolutheitsanspruch nennen sollte), sein missionarischer Impetus, in Abrede gestellt werden sollte –, sondern auf das „ist“, also den Seinsmodus, nach dem in diesem Satz Christentum und Menschheitsreligion aufeinander bezogen werden: Das Christentum ist Menschheitsreligion nur in Relation zur Menschheitsreligion, also indem es auf die Menschheitsreligion bezogen wird. Diese quasi doppelte Syntax, nach der das Christentum einerseits die Menschheitsreligion ist und sie andererseits noch werden muß (und dabei selbst etwas anderes werden, sich also verändern lassen muß), entspricht genau dem metaphorischen Potential des Verheißungskonzepts, nach dem die Verheißung die zeitliche Rede von Ewigkeit ist und doch auch die darin zur Rede stehende Ewigkeit selbst. Theologisch gesprochen handelt es sich hier um die Differenzierung jeder geschichtlichen Gestalt des Christentums von 65 Zitate EBELING (1979) III,387 (Überschrift § 37) bzw. für die drei übrigen Zitate a.a.O. III,391. 66 Zitat ebd. III,448; ähnlich DERS. (1975) 444.446.

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seiner eigenen Hoffnungsgestalt, die mit keiner zukünftigen Entwicklung jener Gestalt verrechnet werden kann, sondern jeder solchen Entwicklung als ihr ewiger Grund voraus ist, und nur aufgrund eben dieses Grundes, dieser eschatologischen Menschheitsreligion kann die geschichtliche Gestalt, also die Kirche, überhaupt als christliche Kirche angesprochen werden. Die eschatologische Menschheitsreligion ist also der Bestandsgrund der christlichen Kirche – nicht im Sinne einer Bestandsgarantie, sondern so, daß das Christentum als geschichtliche Gestalt der Menschheitsreligion in den Vergleich mit den anderen geschichtlichen Religionsgestalten gestellt ist, zu denen es ein geschichtliches Verhältnis hat, und dies ist in besonderem Maße das Judentum. Dieser Vergleich, die Tatsache, daß die „wahre Religion selbst […] eine geschichtliche Erscheinung“ unter anderen geschichtlichen Religionen ist, erwies sich ja schon bei der Analyse des Konzepts der Menschheitsreligion als die Pointe,67 und hierauf liegt nun auch der Akzent bei der Frage nach dem christlich-jüdischen Verhältnis. Denn für dieses leistet das Konzept der Menschheitsreligion zweierlei: Zum einen stellt die Menschheitsreligion den theologischen Grund für Existenz und Bestand des Christentums dar, der außerhalb aller menschlichen Begründungsmöglichkeiten liegt, seien sie religionssoziologischer oder –geschichtlicher oder –wissenschaftlicher Art. Zum anderen weist sie aber eben damit das Christentum auch an die anderen geschichtlichen Religionen, die ebenso in ihr gründen wie das Christentum und schon darum nicht auch dessen Grund sein können. Das Christentum ist also durch die Menschheitsreligion in seiner geschichtlichen Stellung begründet und zugleich an das Judentum gewiesen, da es zu ihm in einem besonderen geschichtlichen Verhältnis steht wie zu keiner anderen Religion. Das christliche Gespräch mit dem Judentum ist also unbeschadet aller Einsichten, welche die Geschichte, besonders das 20. Jh. mit seiner Feindschaft des Christentums gegen das Judentum, gelehrt hat, theologisch begründet und bildet eine unmittelbare Gestalt der so begründeten Existenz des Christentums, auch wenn das Gespräch mit dem Judentum gerade darin nicht selbst Grund des Christentums sein kann. Das (theologische) Gespräch mit dem Judentum gehört also zum Wesen, nicht zum Grund der Kirche; man könnte es neben die vier Kennzeichen der Kirche nach dem Apostolicum stellen und als eine weitere nota ecclesiae bezeichnen. Ein vorrangiges Thema eines theologischen christlich-jüdischen Gesprächs müßte dabei die Menschheitsreligion sein, in der beide gründen und auf die beide hoffen, und weil dieses 67 S. bei S. 142 Anm. 31.

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Gründen nicht von geschichtlicher Art ist, wird die Weise, wie Christentum und Judentum auf die gemeinsame Menschheitsreligion hoffen, bei beiden je eigenständig ausgeprägt und nicht ineinander überführbar sein. Christentum und Judentum haben darum in der Menschheitsreligion zwar eine gemeinsame, aber nicht die gleiche Hoffnung. Christliche und jüdische Hoffnungsgestalt stehen darum in einem konstitutiven, doch konstitutiv antagonistischen Bezug aufeinander. Christliche Theologie kann darum das Gespräch mit dem Judentum im Unterschied zu innerchristlichen ökumenischen Lehrgesprächen nicht als Konsensgespräch mit dem Ziel der Einigung führen und also auch die Zusammenführung des einen Gottesvolkes aus Juden und Heiden nicht als Werk des christlich-jüdischen Dialogs verstehen, sondern kann die Hoffnung darauf nur in den kommenden Christus setzen.68 Von hier aus wären auch die speziellen eschatologischen Fragen des christlich-jüdischen Verhältnisses zu beantworten. Ist die Zusammenführung des einen Gottesvolkes zur Menschheitsreligion nämlich das Werk des kommenden Christus, dann sind auch die sog. Bekehrung Israels und die Judenmission danach auszurichten. Bekehrung Israels kann dann in keinem Fall als Bekehrung zum Christentum verstanden werden, da dieses ja selbst nur die geschichtliche, nie die erhoffte Gestalt der Menschheitsreligion sein kann. Gemeint sein kann nur, daß das Judentum der Erlösung entgegengeht, die in wie auch immer zu bestimmender Weise mit dem Kommen seines Messias verbunden ist. So sehr in dieser dialogischen Verhältnisbestimmung festzuhalten ist, daß die Christen als diesen Messias Israels niemand anders als den kommenden Jesus erwarten, der mit dem Gekommenen identisch ist, so wenig können sie sich (vollends gar die jüdischen Gesprächspartner) in dieser Messiaserwartung auf die gekommene Gestalt Jesu festlegen, ohne die Parusiehoffnung zu vernachlässigen. Wie Christus als Messias Israels und aller Welt kommt, ist, das zeigten schon die Überlegungen zu Beginn dieses Unterabschnitts, nicht Gehalt der Parusiehoffnung. Daher ist auch jede christliche Mission nicht als geschichtliche oder kulturelle Leistung, sondern wiederum nur Bekenntnis zum Werk des kommenden Christus zu verstehen. Auch für die Frage der Judenmission ist theologisch entscheidend, daß Christen ihren Glauben nicht anders beken68 Mit dieser Bindung an die Parusiehoffnung setzt das Konzept der Menschheitsreligion einen anderen Akzent als dies IWAND (1946) 20 tut (mit dessen Zeit- und Verheißungsverständnis der vorige Unterabschnitt einige Berührung aufwies), denn er betont aufgrund von Eph 2 den eschatologisch unaufhebbaren Dual von Juden und Heiden. Auch die Menschheitsreligion amalgamiert beide nicht, betont aber Gottes künftiges Handeln in Christus als beiden gemeinsame Ausrichtung.

VI. Ergebnisse und Ertrag für Systematik und Ökumene

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nen und dann auch bezeugen können als im Aufblick zum Kommen Jesu. Wie der kommende Christus auch den Juden als Messias erscheinen kann, ist dabei wiederum eine Frage, die nicht zum Wesen des christlichen Bekenntnisses, sondern zum Begründungszusammenhang jüdischen Hoffens gehört und die zu beantworten christlicher Theologie ebensowenig möglich ist, wie die Bestimmung dessen, was jüdische Zukunftserwartung ist, Aufgabe einer Revision christlicher Eschatologie sein kann. Damit ist auch klar, daß das vieldiskutierte Stichwort eines jüdischen „Sonderwegs“ zum Heil für christliche Theologie überhaupt kein arbeitsfähiger Begriff ist, denn wenn es einen solchen geben sollte, läge er gerade als besonderter außerhalb des theologischen Aufgabenfeldes. Hier zeigt sich erneut, wovon die vorliegende Untersuchung auch ausging: Christliche Theologie kann ihr Verhältnis zum Judentum nur bestimmen oder gar erneuern, wenn sie sich mit den systematischen Problemstellungen ihres eigenen Theoriediskurses auseinandersetzt. All dies heißt: Die Menschheitsreligion verbindet Judentum und Christentum eschatologisch miteinander, doch gerade damit ist eine geschichtliche Zusammenführung ausgeschlossen. Menschheitsreligion bedeutet also keinesfalls eine Amalgamierung verschiedener Religionen, weder im synkretistischen Sinne noch als ethisch oder sonstwie kategorisierter Minimalkonsens der beteiligten Religionen unter Hintanstellung ihrer jeweiligen Eigenheiten. Die Menschheitsreligion ist kein Projekt Weltethos, sie ist, da nicht linear aus irgendwelcher Religion zu extrapolieren, überhaupt kein Projekt, das es „umzusetzen“ gälte, freilich auch keine Leitvorstellung, die von der geschichtlichen Realität überholt und als bloße Projektion erwiesen würde. Auch eine traditionsgeschichtliche Zusammenfügung von Judentum und Christentum als Einfügung des einen in die menschheitliche Wirkungsgeschichte des anderen ist nicht im Sinne der Menschheitsreligion. Gegenüber all diesen Verhältnisbestimmungen positioniert sich das Konzept der Menschheitsreligion in dem Sinne, wie ich sie in dieser Untersuchung verstehe, im christlich-jüdischen Gespräch in eigenständiger Weise. Das Konzept wurde hier im Anschluß vor allem an Martin Kähler entwikkelt, überschneidet sich aber mit der Auffassung, die Franz Rosenzweig vom christlich-jüdischen Verhältnis vorgetragen hat. Demzufolge sind Judentum und Christentum durch die gemeinsame, wenn auch nicht gleiche, Ausrichtung auf den Namen Gottes miteinander verbunden, jedoch verbunden in einem notwendigen Antagonismus, denn die jeweiligen Formen dieser Ausrichtung auf den Namen sind nicht miteinander zu vereinbaren. Man kann daher das Konzept der Menschheitsreligion verstehen als ein Modell dialogischer Verhältnisbestimmung von Christen und Juden, und in diesem

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Sinne bildet es sowohl eine Wesensäußerung christlicher Kirche als auch einen wichtigen Beitrag zum christlich-jüdischen Gespräch, der eventuelle Aporien mancher in solchem Gespräch erprobten Verhältnismodelle womöglich zu öffnen und zu überwinden vermag. 3.3. Die biblische Metaphorik der Eschatologie 1. Systematischer Ertrag eines eschatologischen Metaphernverständnisses. Zukunftshoffnungen wie etwa die Erwartung, daß Christus kommt, sind dem christlichen Glauben vor allem in Gestalt der biblischen Verheißungen gegeben; sie bilden die Form der Eschatologie, und diese im wörtlichen Sinne formgebende, bildnerische Bedeutung der Bibel für die Eschatologie läßt von Verheißungsbildern sprechen, welche die Bibel malt. Die Auseinandersetzung um diese biblischen Bilder war es nun, die im Anschluß an Schleiermachers Fehlanzeige eines eschatologischen Gesamtbildes zur Binnendifferenzierung der Verheißung in Weissagung und Wahrsagung führte, einem der wichtigsten Schemata von Wahrnehmung des Judentums.69 Dabei werden die Bilder der Bibel auf seiten der Weissagung wie „der Laien Bücher“ (Heidelberger Katechismus, Frage 98) verstanden, derer eine christlich-vollendete Gläubigkeit entraten könne, da sie die Zukunftshoffnung der Sache nach in ihrem frommen Bewußtsein innehabe. Seitens der Wahrsagung hingegen erscheinen die biblischen Bilder als die angesichts der unvorhersehbaren Zukunft einzige eschatologische Erkenntnisquelle, weil geoffenbart, so daß die Sache der Hoffnung nur in diesen Bildern zu haben ist. Im ersten Fall wird der Glaube in seiner Zukunftshoffnung gegenüber dem Sehen, im zweiten gegenüber dem Schauen profiliert. Jenes kann unter Berufung auf Joh 20,29 geschehen, während man für dieses auf 2 Kor 5,7 verweisen könnte. Diese zwiespältige Einschätzung der Bedeutung, welche die biblischen Bilder für den Glauben haben, findet nun eine Entsprechung an der Theorie der sprachlichen Bilder, also der Metaphern, denn hier stehen sich in der neueren evangelischen Theologie zwei größere Theorietraditionen gegenüber. Klassischerweise werden Metaphern als ein Stilmittel übertragener (tropischer) Rede aufgefaßt, bei dem ein prägnanter Ausdruck durch einen anderen ersetzt wird, der zur gemeinten Sache im gleichen Verhältnis steht wie jener. Die logische Grundlage der Metapher im Sinne dieser Theorietradition ist demnach die Analogie, und zwar die Analogie, wie sie von 69 Die einschlägige Problemgeschichte wurde in Kap. III.2.2 (S. 126ff.) nachgezeichnet.

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Aristoteles als Gleichheit von Verhältnissen definiert worden ist.70 Dieser Analogiebegriff ist freilich in der neueren evangelischen Theologie auf schwere Kritik gestoßen, seit K. Barth die analogia entis als „die Erfindung des Antichrist“ bezeichnet hat,71 die zwingend gegen den römischen Katholizismus spreche, weil sie eine Gleichheit in der Seinsbeschaffenheit von Gott und Mensch annehme, so als spräche Gott zum Menschen: „Bein von meinem Bein, Fleisch von meinem Fleisch“. Barths später Schüler E. Jüngel hat allerdings in kritischer Auseinandersetzung mit der analogia entis dafür votiert, die Analogie anders aufzufassen, nämlich nicht als Gleichheit von Relationen, die ihre Relate schon voraussetzen müßte, sondern als Funktionsweise des „Sprachereignisses“ (E. Fuchs72), welches allererst ins Dasein emporruft, was nicht ist (also auch nicht vorausgesetzt ist). Analoge Rede läßt also Abwesendes anwesen und stiftet damit in aller noch so großen Ferne eine noch größere Nähe.73 Genauso stiftet die Metapher als die auf dem Analogiekonzept beruhende Redeform Nähe, indem sie nicht wie die Metapher im klassischen Sinne Bild und Sache trennt, sondern die Sache dem Bild annähert. Dieses, neben Jüngel besonders von P. Ricœur vertretene Konzept der Metapher erblickt deren Triftigkeit gerade darin, daß sie die Lebendigkeit hat, die Dinge so anzusprechen, daß sie von diesem Anspruch verändert werden.74 Während die klassische Rhetorik bei der Metapher darauf zielt, die kunstfertige Anwendung bestimmter Stilmittel einzuüben, ist es die Aufgabe einer Metaphorik im Sinne Jüngels und Ricœurs, produktiv und schöpferisch zu sein in der immer fortgehenden Bildung neuer, lebendiger Metaphern, da diese sich beim allmählichen Gebrauch zu konventionalisierten Metaphern und stehenden Wendungen abkühlen und abnutzen. Die Metapher ist hier das kreative Potential theologischer Rede. Eine Entscheidung zwischen diesen beiden (Analogie- und) Metaphernkonzepten ist schwierig zu treffen. Sie ist aber eingedenk dessen, daß beide in ihrer Juxtaposition die Pole des Wahrnehmungsschemas von Wahrsagung und Weissagung abbilden, auch gar nicht nötig und vielleicht nicht einmal erstrebenswert, wenn anders nach Auffassung unserer Untersuchung 70 So bei dem Rhetoriker Quintilian (vgl. Heinrich LAUSBERG, Handbuch der literarischen Rhetorik. Eine Grundlegung der Literaturwissenschaft, München 1960, 285 [§ 558]). 71 Karl BARTH, Die Kirchliche Dogmatik I/1, Zollikon/Zürich 1932, VIII. 72 Knapp zusammengefaßt: FUCHS (1965) 414ff. 73 JÜNGEL (1977) 377 zusammenfassend zur analogia entis. A.a.O. 402f. zur Analogie des Sprachereignisses. 74 Vgl. JÜNGEL/RICŒUR (1974). Ricœur hat das Konzept der lebendigen Metapher auch monographisch entfaltet.

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die polaren Wahrnehmungsschemata in ihrer Polarität überwunden werden müssen, doch so, daß ihre Pole erhalten bleiben. Daher ist hier das eschatologische Verständnis der Metapher von Interesse, das sich im Anschluß an M. Kähler ermitteln ließ.75 Er gebraucht in seiner Eschatologie ausgesprochen konventionelle Metaphern aus dem Bereich der Natur, liest sie aber in einem Sinne, der quer zur metaphorischen Tradition steht, weil er gerade nicht Naturwüchsigkeit bedeutet, sondern die Ewigkeit als Grund und Grenze aller geschichtlichen Entwicklung namhaft macht: Wir sahen, daß Kählers Metapherngebrauch mit der Unterscheidung von ewiger und geschichtlicher Zukunft genau seinem Eschatologiekonzept entspricht. Dort aber wurde die Ewigkeit so aufgefaßt, daß sie, ihrerseits metaphorisch gesprochen, in Zeit und Geschichte hinein „ragt“, so in innigsten Austausch mit Zeit und Geschichte gerät und doch zugleich beiden voraus („übergeschichtlich“) bleibt. In der Metaphorik entsprach dem die hauchfeine, aber unverzichtbare Unterscheidung zwischen ewiger Menschheitsreligion und zukünftigem Christentum: Das Christentum ist nicht die Menschheitsreligion, sosehr es diese werden soll. Vor dem soeben skizzierten metapherntheoretischen Hintergrund läßt sich diese Verhältnisbestimmung, die Pointe von Kählers eschatologischer Metaphorik, nun so auf den Begriff bringen, daß zwischen Menschheitsreligion und Christentum, ewiger und geschichtlicher Zukunft, Sinn und Bedeutung der Metapher das Verhältnis der Analogie besteht, und zwar Analogie nicht im Sinne des Sprachereignisses, sondern im klassischen Sinne der analogia entis: als die in aller Ähnlichkeit „noch größere Unähnlichkeit“.76 Für dieses Verständnis ist die Metapher also einerseits das sprachliche Bild und ist doch andererseits mehr und etwas anderes als dieses. Die Metapher ist, um es seinerseits metaphorisch zu sagen, ein Bild, das seinen Rahmen sprengt, doch dies wiederum nicht nach Art und Weise der lebendigen Metapher deshalb, weil diesem Bild ein überbordendes kreatives Potential innewohnte. Eingedenk dessen, daß hier allein die Ewigkeit als Grund geschichtlicher Entwicklung verstanden ist, geschieht diese Rahmensprengung vielmehr kraft eines Größeren, das sich in diesem Bild kundgibt – freilich aber in solchem Bild auch wirklich kundgibt: Daß sein Rahmen gesprengt würde, heißt also nicht, daß damit auch das Bild als solches überholt wäre und Metaphorik zuletzt doch ganz quintilianisch hieße, die Sache aus einem bildlichen Rahmen herauszulösen. Vielmehr so steht es, daß im Bild, das seinen Rahmen sprengt, ein weiteres Bild auftaucht, in 75 S. zum Folgenden Kap. IV.2 (S. 178ff.). 76 So die Definition seit dem 4. Laterankonzil 1215 (DH 806 in Abwehr des Joachimismus).

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das hinein jenes im metaphorischen Prozeß verwandelt wird, so wie im zugrundeliegenden Eschatologieverständnis die Ewigkeit, indem sie in die Geschichte „ragt“, diese verwandelt. Im theologischen Sinne ist die Metapher schlechthin also das Bild Jesu Christi, in das hinein wir verwandelt werden, wie Paulus es sagt (2 Kor 3,18). Man kann diesen Bibelvers ohne weiteres als Leitfaden einer eschatologischen Metaphorik im hier skizzierten Sinne auffassen. Für den Bildgebrauch besagt er, daß die Ewigkeit dem theologischen Reden ihre eigenen Bilder zugleich an die Hand gibt und aus der Hand schlägt. Und dies ist nun ein Punkt, der über die Metapherntheorie hinaus und in die Frage des eschatologischen Bibelgebrauchs hineinführt, denn wenn die Ewigkeit selbst ihre Bilder gibt und nimmt, dann sind diese Bilder nicht frei wählbar. Hier unterscheidet sich das vorliegende Metaphernverständnis maßgeblich vom Konzept der lebendigen Metapher: Dieses sieht in der Metapher ein kreatives Potential der Theologie und fordert zu schöpferischer Produktivität im Metapherngebrauch auf. Eine Metaphorik am Leitfaden von 2 Kor 3,18 läßt sich dagegen ihre Bilder vorgeben (und nehmen), die Bilder bilden hier gewissermaßen einen Sprachraum, in dem sich theologisches Reden bewegt. Solcher Raum zu sein, ist auch die Bedeutung der Bibel für eine eschatologische Metaphorik, denn die Bibel ist dieser Fundus, welcher der theologischen Sprache Worte und Bilder gibt, sie ist, metaphorisch gesprochen, der Atem theologischen Redens.77 Begrifflich, nämlich in der Unterscheidung von Wahrheits- und Wirklichkeitsbezug der Theologie gesprochen: Die Bibel offenbart nicht theologische Wahrheiten, sondern ihr Offenbarungscharakter besteht darin, daß sie schlechthin Ausdruck derjenigen Wirklichkeit ist, die den Gegenstand der Theologie bildet. Damit hat die Bibel (und gerade ihre Bildersprache) für die Eschatologie eine viel grundlegendere Bedeutung, als sie sie jemals haben könnte, wenn sie die übernatürlich geoffenbarte Quelle der Erkenntnis kommender Dinge wäre. Deswegen soll eine theologische Metaphorik auch gar nicht schöpferisch im Finden und Erfinden lebendiger Metaphern, neuer oder zeitgemäßer Ausdrucks- und Gestaltungsformen des Glaubens sein. Wenn die Sprache des Glaubens sich biblischer Metaphern bedient, dann ist dies nicht Ausdruck seiner schöpferischen Kreativität, sondern seiner Rekreativität, die Einkehr hält in Gottes Schöpfermacht, nämlich in sein Wort, wie es in der Bibel gegeben ist. Eschatologische Metaphorik hat darum die „unab77 So versteht auch Kähler im Einklang mit seiner Metaphorik die Bibel, und darin fußt sein Interesse an ihr; dies zeigen nicht zuletzt seine Hinzufügungen von Bibelstellen in der 3. Auflage seiner „Wissenschaft“.

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dingbare Aufgabe“, in die biblische Sprache „einzuüben“.78 In dieser Funktion als „Sprachmeisterin des Glaubens“,79 nicht als eschatologischer Fahrplan, hat die Bibel tatsächlich eine unverzichtbare und unvergleichliche Bedeutung für die Eschatologie, und der systematische Ertrag solch eines eschatologischen Metaphernverständnisses ist, daß es die normative Stellung der Bibel mit theologischen Gründen zu untermauern vermag. 2. Ökumenischer Ertrag eines eschatologischen Metaphernverständnisses. Das Verständnis der biblischen Sprache als Atem theologischen Redens führt, so zeigte der vorstehende Punkt, über die Alternative von Bibel und Bewußtsein als Quelle der Eschatologie hinaus und damit auch über das Schema von Wahrsagung und Weissagung, das parallel zu dieser Alternative liegt. Mit dem Schema einhergehende Wahrnehmungen des Judentums, die es als bloße Vorstufe oder aber äußerliche Schale des Christentums verstehen, lassen sich so im Grundsatz ebenfalls vermeiden.80 Freilich wirft aber das skizzierte Bibelverständnis für das christlich-jüdische Verhältnis sogleich die Gegenfrage auf: Wenn die biblische Sprache und das Bild Jesu Christi als ihr Inbegriff beansprucht werden als die eschatologische Metapher, in die hinein alles geschichtliche Reden von Hoffnung verwandelt werden soll, wird dann die Bibel nicht in einer Weise als menschheitliche Größe beansprucht, die das Judentum vereinnahmt, jedenfalls aber seine Besonderheit als geschichtliche Religionsgestalt neben dem Christentum nivelliert? Angesichts dieser gewichtigen Anfrage ist es notwendig zu betonen, daß eine biblische Metaphorik, wie sie hier skizziert wurde, gerade weil sie nicht frei wählbar, sondern eben bibelgebunden ist, keine Uniformität theologischer Sprache und der Rede in Glaubensdingen bedeutet. Dies macht ein Vergleich der metaphorischen Eschatologie, wie sie hier im Anschluß an Kähler entwickelt wurde, mit der symbolischen Eschatologie Paul Tillichs deutlich. Eschatologie handelt nach Tillich von der Überwindung aller geschichtlichen Zweideutigkeiten und eben auch der Zweideutigkeit, die gerade das religiöse Symbol als den sprachlichen Verweis auf diese Überwindung kennzeichnet, nämlich das „Schweben zwischen Setzung und 78 Mit SCHOBERTH (1997) 449 (Zitate). 79 Diese Formulierung von Martin KÄHLER (DERS., Zeit und Ewigkeit, hg.v. Walter Kähler, Leipzig 1913, 3) bezieht sich zunächst auf die Theologie; diese ist bei Kähler aber, wie gesehen, immer als biblische Theologie verstanden, so daß der Satz auch für die Bibel gilt. 80 Zu ersterem neigt das dialektisch-theologische Plädoyer für eine bildlose Hoffnung (s. Exkurs 8 [S. 214ff.] sowie vgl. die Belege bei SAUTER [1995] 88–90); letzteres zeichnet sich in der Konsequenten Eschatologie, die zwar im Ansatz Form und Inhalt des Glaubens zusammenhalten will, die spezifisch jüdisch-apokalyptische Form aber ablehnt, s. Exkurs 6, hier S. 190–192.

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Aufhebung des religiösen Gegenstandes“.81 Eschatologie hat daher (wie alle Theologie) „das, was indirekt im religiösen Denken und Ausdruck enthalten ist, begrifflich auszusprechen“, und sie tut dies, indem sie alle ihre Sätze aus dem (einzigen) Indifferenzpunkt von begrifflicher und symbolischer Rede deduziert, nämlich dem Gottestitel, der zugleich Begriff ist: dem SeinSelbst.82 Dieser Begriff macht aber Eschatologie zur Ontologie im Vollzug, und dies erlaubt Tillich, den Rahmen der eschatologischen Symbolik sehr weit zu spannen, in ihn Ausdrücke der religiösen Auffassungslage allgemein, von interreligiösem oder überhaupt weltanschaulichem Charakter einzubeziehen. In diesem ontologischen Rahmen der Eschatologie geraten aber die geschichtlichen Differenzierungen der Religionen aus dem Blick, die gerade das Verhältnis von Christentum und Judentum kennzeichnen. Entgegen solch symbolischer Eschatologie ist darum im Einklang mit dem, was im vorigen Unterabschnitt anhand des Konzepts der Menschheitsreligion grundsätzlich zum christlich-jüdischen Gespräch gesagt wurde, festzuhalten, daß auch die biblische Sprache, wie ich sie bislang singularisch bezeichnet habe, nicht schon eine „gemeinsame Sprache der Hoffnung“ bereitstellt, auf die Christen und Juden im eschatologischen Diskurs einfach zurückgreifen könnten als auf einen größten gemeinsamen Nenner.83 Gewiß ist die gemeinsame Lektüre und Untersuchung derjenigen religiösen Texte, die beide Glaubensgemeinschaften gemein haben – vornehmlich das Alte Testament –, ein wesentlicher Vollzug des christlich-jüdischen Gesprächs,84 er wird sich aber nur so vollziehen können, daß jede Seite mit ihrer jeweiligen Lektüreweise in das Gespräch geht, daß also jede Seite mit der ihrer Tradition eigenen Argumentation operiert.85 Die jeweiligen Ausprägungen biblischer Lektüre, die ja gerade in ihrem Spannungsverhältnis auf die Zukunft des in beiden Ausprägungen selben Gottes verweisen, können so überhaupt erst wahrgenommen werden. Ein wichtiges Beispiel dafür bietet das letzte der vier Themen dieses Entwurfs.

81 Vgl. TILLICH (1956/66) III,448 zur eschatologischen Überwindung der Zweideutigkeiten und das Zitat aus DERS. [1928] (1987) 222 zur Zweideutigkeit der Symbole. 82 DERS. (1956/66) I,277. 83 Auf dieses Problem macht SAUTER (1982) aufmerksam (Zitat aus dem Aufsatztitel). 84 Bekannt ist die Antwort, die K. Barth J.J. Petuchowski auf dessen Einwände gegen die substitutionstheoretischen Mängel der (gleichwohl als wegweisend für die Israeltheologie angesehene) Erwählungslehre der Kirchlichen Dogmatik gab: Christen und Juden läsen dasselbe Alte Testament. 85 Hierzu (in Kritik der Ergänzung des Grundartikels der rheinischen Kirchenordnung) SAUTER (1998) 356.

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3.4. Gottes Handeln und menschliche Hoffnung 1. Systematischer Ertrag einer eschatologischen Anthropologie. Die Eschatologie, die hier als Lehre von der Verheißung skizziert wird, ist per Nominaldefinition die Lehre von den letzten Dingen, und dieser zeitliche Sinn von Letztheit ist für die Eschatologie auch und gerade dann unverzichtbar, wenn sie, wie es hier der Fall ist, grundlegend nicht von einem linearen Zeitverständnis aus entfaltet wird. M.a.W. auch wenn der Verheißung als solcher schon Gottes Zukunft und damit zeitliche Letztheit innewohnt – dies erlaubt ja allererst, Eschatologie als Lehre von der Verheißung zu definieren86 –, so bleibt die Frage nach einer letzten Verheißung, der „großen Verheißung“, auf die alle Zeit und Geschichte zugeht, doch möglich und nötig. Und wie immer diese Antwort im einzelnen ausfallen mag, so müßte sie jedenfalls ein Verständnis des gesamten Welt- und Geschichtslaufs aus dem Glauben heraus ermöglichen. In diesem Sinne versteht M. Kähler die „Theodicee“ als letzte Aufgabe der Eschatologie.87 Daß damit ein Thema angeschlagen ist, das sich einer Revision christlicher Theologie eingedenk der Shoa nahelegt, ist unübersehbar; und wenn angenommen wird, daß Theologie und speziell Eschatologie nach der Vernichtung des europäischen Judentums überhaupt nur noch als Lehre von der „Selbsterneuerung Gottes“,88 also als Theodizee, möglich sei, dann ist damit eine weit über den akademischen Diskurs hinaus verbreitete Gesprächslage aufgenommen, für die der inzwischen schon berühmte Vortrag von Hans Jonas zum „Gottesbegriff nach Auschwitz“ (1984) vielleicht das bedeutendste Zeugnis ist. Wie Menschen angesichts eines gleichermaßen unmenschlich wie gottlos anmutenden Geschichtslaufs überhaupt an die Verheißung eines Gottes glauben können, der in der Geschichte heilsam an den Menschen handelt: das, also die Begründbarkeit von Verheißung, ist die Theodizeefrage in theologisch-eschatologischer Perspektive, und damit zeigt sich, daß die Theodizee nach einem präzisen Zusammenhang von Gottes Handeln und menschlichem Ergehen im Geschehen von Sünde und Gnade fragt, dem Thema dieses Unterabschnitts. So entspricht es auch der Theorietradition in der Theodizeefrage: G.W. Leibniz als Schöpfer des Ti86 Es dürfte deutlich sein, daß mit dieser Definition nicht zuletzt die Überwindung der allenfalls zu Orientierungszwecken hilfreichen Alternative von präsentischer und futurischer Eschatologie angestrebt wird. 87 Zu den Zitaten s. S. 143 Anm. 35 bzw. S. 151 Anm. 73. 88 MARQUARDT (1993/96) I,142 (Hervorhebung aufgehoben).

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tels unterscheidet in der hergebrachten Fragestellung „unde malum?“ dreierlei Begriff von malum, nämlich das metaphysische Übel sowie als dessen Manifestationen das moralische Böse und das physische Leid, so daß Böses und Leid aus dem (metaphysischen) Übel hervorgehen, daß Menschen keine Götter sind, sondern die Sünde – so der theologische Titel des metaphysischen Übels – Gott und Mensch trennt. Auch in dieser dreigliedrigen Theodizee geht es also um das Beteiligungsverhältnis von Gott und Mensch am Heilsgeschehen. Die evangelische Eschatologiegeschichte zeigt nun durch ihre Wahrnehmung des Judentums, daß die Verhältnisbestimmung dieser drei Glieder entscheidend ist für die Erfassung des Verhältnisses von Gott und Mensch: Die Theologie darf nämlich im Begriff des Übels das Leid weder mit dem Bösen kurzschließen noch von ihm abkoppeln. Das eine Extrem geschieht, wenn das Leid, womöglich unter dem Eindruck der Shoa, als Hauptthema der Theodizee mit dem Bösen geradezu gleichgesetzt wird als das, was mit Gott schlechterdings unvereinbar, darum aber auch gar keiner theologischen Bearbeitung zugänglich ist, sondern nur in der Klage herausgeschrien werden kann; die Theodizeefrage bleibt dann notwendig ohne Antwort.89 Das andere Extrem unterbindet noch vor aller Antwort die Theodizeefrage nach dem Leid, indem es die Bedeutung des Glaubens auf die Überwindung des als innerlicher Geistesmacht verstandenen Bösen beschränkt und dagegen das Leid als Äußerlichkeit und den Wunsch nach seiner Überwindung als fleischlichen Irrtum des Judentums abtut; letzteres war in der evangelischen Eschatologiegeschichte bei den Vertretern der leidgeprüften baltischen Nationalkirche zu beobachten.90 – Mit der Überlegung, daß Gott das Böse nur überwindet, indem er es durchleidet, hat allerdings dieselbe theologische Tradition beide Extreme durch das Phänomen des Erleidens überbrückt und damit die Alternative von Aktiv und Passiv zunächst für die Soteriologie (aktiver Gott und passiver Mensch) und in unmittelbarem logischen Anschluß auch für die Anthropologie als gegenstandslos erwiesen.91 Damit ist nicht weniger geleistet als die Überwindung der seit Aristoteles klassischen Alternative von bios praktikos und bios theoretikos, vita activa und vita contemplativa, denn in diese Polarität zieht mit dem Phänomen des Erleidens eine dritte Größe ein. Das gibt insofern dem Leiden einen Sinn, als 89 Z.B. die einer israeltheologischen Revision christlicher Dogmatik zuarbeitende Untersuchung: KRESS (1999). 90 S. bei S. 255 Anm. 281. 91 S. Kap. V.2.2, hier S. 253–255, v.a. bei Anm. 279.276 zur theo-logischen Frage (Hahn) bzw. zur anthropologischen Konsequenz (v. Oettingen).

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damit der sprachliche Sinn von „leiden“ erweitert wird und über die Erfahrung bestimmten, mit der Empfindung der Unlust verbundenen Geschehens hinaus einen anthropologischen Sachverhalt jenseits von Aktivität und Passivität bezeichnet. Begreift man es so, dann steht diese Erkenntnis des baltischen Luthertums auch gar nicht allein da, denn im Mittelpunkt aller derjenigen eschatologischen Traditionen, die sich in irgendeiner Weise auf die anthropologische Spekulation bei H. Steffens (Involutionslehre) oder F.C. Oetinger (Lehre vom Abendmahlsleib) stützen, war zu beobachten, daß sie die Insuffizienz der Alternative von Aktiv und Passiv aufdecken. Dies gilt für so unterschiedliche Strömungen wie die Auseinandersetzung erwecklicher Theologie mit der theosophischen Spekulation einerseits und die liberale, historisch-kritische Eschatologie im 19. Jh. andererseits, besonders freilich für die Vermittlungstheologie.92 Aber auch schon eine frühere Form vermittelnder Theologie, nämlich die sog. philippistischen Lehrstreitigkeiten, konzentriert sich, etwa im synergistischen Streit, auf die melanchthonische Litotes, des Menschen Wille sei „nicht müßig in der Bekehrung“, was die Unzulänglichkeit der anthropologischen Alternativsetzung unterstreicht.93 Letztlich fußen all diese Problemanzeigen auf M. Luthers Konzept der vita passiva, mit dem er die Alternative von vita activa und vita contemplativa überwinden will.94 Vita passiva ist dabei nicht der Mittelweg, der von beiden Polen der Alternative gleich weit entfernt ist,95 sondern steht quer zu ihr als ganzer, wie denn Luther damit traditionsgeschichtlich auf die in jener Alternative ebenfalls nicht unterzubringende deutsche Mystik zurückgreift, welche die anthropologische Dimension des Glaubens als Widerfahrnis, besonders des Hingerissenseins, beschreibt. Entscheidend ist dabei die Erkenntnis von C. Link, daß der frühe Luther in Anlehnung an J. Tauler unter vita passiva eine Leidensfrömmigkeit der imitatio passionis Christi versteht, während ab Luthers zweiter Psalmenvorlesung (seit 1518/19) Christus Exempel nicht mehr des Leidens, sondern des Sterbens und Aufer92 S. einerseits Exkurs 3, hier bei S. 102 Anm. 94, andererseits Exkurs 4 (S. 144ff.) und besonders Exkurs 2, hier S. 72. 93 Der Melanchthonsatz (aus den Loci von 1535 und 1543: CR XXI,376.658), der auf Johannes Chrysostomus und (Pseudo-) Basilius zurück (PG LI,143 bzw. a.a.O. XXXI,1482) und wird in FC Epitome II, Negativa 8 (Bekenntnisse [1997] II,222) als mißverständlich kritisiert. 94 Dazu vgl. BAYER (1994) 42–49. 95 Gegenwärtig nimmt HÄRLE (1992) 77 für den Glauben eine „aktive Passivität“ im Sinne eines „Sich-bestimmen-Lassens“ an, qualifiziert dies aber näherhin als „Unterlassen einer gegebenen Handlungsmöglichkeit“ (Zitate DERS. [1995] 516.517), was doch noch sehr am Gegensatz von Aktivität und Passivität orientiert ist.

VI. Ergebnisse und Ertrag für Systematik und Ökumene

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stehens ist, so daß das leidentliche Moment des Menschseins in der Hoffnung auf die Gleichgestalt mit diesem Ergehen Christi besteht.96 Mit diesem Bezug auf Tod und Auferstehung aber bekommt die Anthropologie eine klare eschatologische Ausrichtung. Vita passiva ist demnach nicht die Vermittlung der Alternative von Aktivität und Passivität, sondern ihre wirkliche Überwindung durch die Zukunftsverheißung. Vita passiva bezeichnet also einen Sachverhalt theologischer Anthropologie: daß der Mensch durch eine Größe konstituiert ist, die außerhalb des anthropologisch erfaßbaren Möglichkeitsrahmens anzusiedeln ist. So konnte Luther den Menschen definieren als dasjenige Wesen, das durch Gott gerechtfertigt werden soll.97 Anthropologie in theologischer Perspektive handelt darum von der Externität des Menschen, der von außerhalb des Menschen durch den rechtfertigenden Gott konstituiert wird, während die Philosophische Anthropologie in umgekehrtem Richtungssinne von der Exzentrizität des Menschen redet, weil er, anders denn das Tier, sich als Person von seinem Zentralorgan distanzieren kann. Diese wichtige Nuance markiert einen grundlegenden Unterschied zwischen theologischer und philosophischer Anthropologie, denn Gegenstand der philosophischen Anthropologie ist die „conditio humana“ (H. Plessner), also das Menschsein im Unterschied zu den Phänomenen der außermenschlichen Natur der Tiere und Pflanzen. Gegenstand der theologischen Anthropologie ist dagegen der Mensch als Mensch in seinem Verhältnis zu Gott, also als Geschöpf Gottes.98 Das ist nicht der Mensch schlechthin, sondern so, wie er sich in der Sicht des Glaubens darstellt. Dies heißt nun wiederum nicht, daß für eine theologische Anthropologie nur der glaubende Mensch thematisch wäre; im Gegenteil ist ihr Thema der Mensch überhaupt, aber eben in theologischer Perspektive, d.h. Gegenstand der theologischen Anthropologie ist der Mensch als Geschöpf Gottes des Schöpfers.99 Von hier aus erklärt sich, daß theologische Anthropologie als eschatologisch verstandene Schöpfungslehre durchzuführen ist. Die Schöpfungslehre 96 LINK (1984) 320ff. 336ff. zum frühen bzw. späten Luther. 97 So in These 32 der Disputatio de homine (1536): WA XXXIX/1,176,33. 98 Die Schwäche der „Studien zu den anthropologischen Implikationen der Eschatologie“ bei HERRMANN (1997) ist m.E., daß er „das Ich, an dem sich das auferweckende und verwandelnde eschatologische Handeln Gottes im Geist ereignet“, als Seelesein bestimmt (a.a.O. 63) und nicht als Geschöpflichkeit. Dabei hätte gerade diese dezidiert theo-logische Kategorie ausdrücken können, was für Herrmanns Arbeit „ein roter Faden“ (a.a.O. 15) sein soll, daß nämlich Eschatologie nur „von Gott als der wirkenden externen Größe“ (a.a.O. 307) her begründet werden kann. Herrmann selbst drückt dies statt dessen durch eine Repristination Kliefoths (a.a.O. 307–310) aus. 99 Zum wissenschaftstheoretischen Status solcher Aussagen s. bei S. 185 Anm. 214.

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Dritter Teil

handelt demnach nicht von einem „Urstand“ (und die Eschatologie dementsprechend nicht von dessen, vielleicht überbietender, Restitution); sie sagt nicht, was der Mensch einmal war, aber durch die Schuld seines Willens nicht mehr ist, sondern was er nach Gottes Willen sein soll. In der altprotestantischen Dogmatik wird dieser Aspekt von Schöpfung in der Vorsehungslehre bearbeitet, denn diese handelt ja nicht von einem vorgezeichneten oder gar vorherbestimmten Weg des Menschen, sondern von der Hoffnung, daß aus den einzelnen Lebensdaten des Menschen – in der Sprache der Berufswelt wäre von einem Lebenslauf zu reden – allererst ein Lebensweg wird,100 denn daß dies geschieht, ist nicht in das Belieben des Menschen gestellt, der „mitten im Leben stehend“ nicht das Ganze dieses Lebens erfassen, sondern nur Gottes Verheißung ergreifen kann. Wenn so die Vorsehungslehre als individualeschatologische Schöpfungslehre gelten kann, dann ist ihre universaleschatologische Entsprechung eben die Theodizee, die nun nicht den Lebenslauf des einzelnen, sondern, wie oben gesagt, den Weltlauf im ganzen aus dem Glauben heraus zu verstehen sucht. Hier zeigt sich, daß die evangelische Eschatologie auch des 20. Jh. mit ihrem bei den beiden Hauptantipoden K. Barth und P. Althaus zentralen Thema der Geschichte einer eschatologischen Anthropologie zuarbeitet. Althaus' beherrschendes und (gegenüber Barth) kennzeichnendes Interesse an einem positiven Ewigkeitswert der Geschichte führte ja zu dem Versuch, soteriologische Alternativsetzungen durch eine dreidimensionale Geschichts- und Schöpfungslehre in den anthropologischen Kategorien der Hingabe und des Opfers aufzubrechen;101Althaus liegt darin auf einer Linie mit Kählers Verständnis der Theodizee. Es wird vor diesem Hintergrund naheliegen, auch die Theodizee (wie die Vorsehungslehre) an der Verheißung Gottes auszurichten, so daß die Eschatologie als Theodizee letzte Fragen weder offenläßt (schon gar nicht programmatisch) noch beantwortet, sondern überantwortet an Gottes Zukunft. Von der Entsprechung zur Vorsehungslehre her ist dieses Überantworten für den Menschen, der die Theodizeefrage stellt, Ausdruck der vita passiva, d.h. die Theodizeefrage erschöpft sich nicht in der Klage, die in all ihrer legitimen Expressivität immer ungerichtet bleibt (auch als Klage vor Gott102), sondern richtet sich auf ein klares Gegenüber aus in der Anklage Gottes, die dann freilich angesichts ihrer inhaltlichen Schwere eben nur vor 100 S. bei S. 277 Anm. 64. 101 S. bei S. 224 Anm. 145. 102 Die Rede von einer „Klage zu Gott“, mit der KRESS (1999) 265 anscheinend dieses Problem beheben will, ist syntaktisch und semantisch schwierig.

VI. Ergebnisse und Ertrag für Systematik und Ökumene

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dem Forum Gottes selbst verhandelt werden kann. Theodizee wird so als Anklage gegen Gott immer zugleich Appellation an Gott, ebenso Klage wie Bitte (letztlich die letzte Vaterunserbitte).103 Theodizee ist also ein vieldimensionales Gebet, und schon daran, selbst an diesem Thema, bei dem der Mensch in einem sonst unerreichten Maße als Ausgelieferter erscheint, zeigt sich, daß die Beteiligung des Menschen an Gottes Heilshandeln weit vielfältiger ist als die Entgegensetzung von Aktivität und Passivität erahnen läßt, und in diesem Sinne ist die Theodizee in der Tat ein Thema eschatologischer Schöpfungslehre. Der systematische Ertrag einer eschatologischen Anthropologie und Schöpfungslehre liegt denn auch genau darin, daß so ein sehr viel breiteres und feiner unterteiltes Spektrum von menschlichem Leben als geschöpflichem Leben im Angesicht des Schöpfers theologisch thematisch werden kann, m.a.W. daß die Theologie eine Vielfalt religiöser Phänomene in den Blick nehmen kann, die zum Leben des Glaubens und der Menschen hinzugehören. Und diesen geweiteten Blick auf das religiöse Menschsein erreicht eine eschatologische Anthropologie, indem sie den Menschen, nur scheinbar den Blick auf ihn verstellend, gänzlich in seiner Geschöpflichkeit, also im Gegenüber zu seinem Schöpfer und damit theo-logisch betrachtet. Gerade die Theodizee, das Thema, wo Gott schweigend oder abwesend scheint wie Baal nach den Worten Elias, konnte hier so als universaleschatologische Schöpfungslehre skizziert werden, und tatsächlich ist die Theodizee schon dadurch mit einer eschatologischen Schöpfungslehre verbunden, daß hier der Ort ist, über die Neuschöpfung von Himmel und Erde zu reden. Denn das Bekenntnis zur Neuschöpfung kann nie der Entwurf der zukünftigen Stadt vom Reißbrett her oder gar auf den Trümmern der alten Welt sein, sondern ist gerade in der paradigmatischen Situation der Theodizee, also entgegen allem, was die Schöpfung gegen Hoffnung sprechen läßt, die Hoffnung auf ihren Schöpfer. Am gebündeltsten spricht sich christliche Zukunftshoffnung darum in einem paulinischen Aphorismus aus, in dem Gottes Kraft ausgedrückt ist, die Schöpfung und auch die Menschen, die als Bestandteil dieser Schöpfung an ihr selbst oder an ihren Mitgeschöpfen und in all dem an ihrem Schöpfer schuldig geworden sind, durch Umkehr neu zu erschaffen: „Glaube wider Hoffnung auf Hoffnung hin“ (Röm 4,18). 103 BAYER (1983) 259ff. spricht von „erhörter Klage“ und bringt damit genau den doppelten Gottesbezug in Anklage und Bitte zum Ausdruck. Eingedenk der Unterscheidung von aktiver und kontemplativer Theodizee, die DERS. (1990) 22–24 in Entsprechung zu vita activa und vita contemplativa vornimmt, könnte man analog zur vita passiva auch von einer passiven Theodizee sprechen.

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Dritter Teil

2. Ökumenischer Ertrag einer eschatologischen Anthropologie. Den Menschen als Geschöpf Gottes des Schöpfers wahrzunehmen, ist die Aufgabe einer eschatologischen Anthropologie und Schöpfungslehre. Wenn diese Aufgabe gipfelt in dem Gedanken von Röm 4,18, daß die menschliche Hoffnung auf Gott in sich das Menschenmögliche an Hoffnung durchkreuzt, dann ist damit eine Einsicht berücksichtigt, die gerade von jüdischer Seite unter dem Eindruck der Shoa gewonnen wurde, daß nämlich die „große Verheißung Theodicee“ (um es mit Kähler zu sagen) nur wirklich wird, indem die Menschen – und die Klage angesichts der Shoa ist ja in der Tat offensichtlicher eine Anklage bestimmter Menschen als eine solche Gottes104 – sich durch Umkehr daran beteiligen (lassen). Auch hier meldet sich daher die Frage nach der Beteiligung von Gott und Mensch am Heilsgeschehen, und hier scheint jüdische Theologie und Religionsphilosophie sehr viel unbefangener als christliche von einer tätigen Beteiligung des Menschen, besonders durch Umkehr, zu reden. Zumal evangelische Theologie scheint hier aufgrund der reformatorischen Lehre vom unfreien Willen und des Streits gegen jeden Pelagianismus keinerlei Verhandlungsspielraum zu besitzen. Aber wie in der gesamten Selbstrevision christlicher Theologie eingedenk der Shoa, und im christlich-jüdischen Dialog überhaupt, so geht es auch hier nicht darum, durch Übernahme und Modifikation anderer Denktraditionen einen Ausgleich mit dem Gesprächspartner auszuhandeln. Was die hier vorgetragenen Überlegungen, sowohl zum christlich-jüdischen Gespräch als auch zum Verhältnis von Gott und Mensch, jedoch erbringen sollten, ist, daß die Problemlage in dieser Frage von Aktivität und Passivität aufgrund der jeweiligen Traditionen genau bestimmt und damit auch geklärt werden kann. Und so wird das Wahrnehmungsschema, dem der Christ als rein empfangend, der Jude dagegen als tätig erscheint – mitsamt den sich anschließenden Schemata wie Spiritualisierung vs. geschichtliche Konkretion, Individualität vs. Gemeinschaftlichkeit usw. –, zu einem großen Teil darauf zurückgehen, daß Luthers Konzept der vita passiva, das sich uns als maßgeblich für die evangelische Position in dieser Frage erwies, mit der Passivität einen Begriff verwendet, der eine Seite des Schemas (Aktivität vs. Passivität) abzudecken scheint, tatsächlich aber als Überwindung gemeint ist, denn das Luther vorliegende Schema lautet ja Aktivität vs. Kontemplation. Daß dieser Sinn von Passivität jedoch hinter dem neuzeitlichen Gegenüber zur Aktivität verschwindet, war an manchen Stellen des Theoriediskurses zu beobachten; so waren sowohl die Darstellung des Christen104 Mit diesem Argument läßt sich sogar fragen, ob die Shoa überhaupt das Theodizeeproblem aufwirft. Vgl. S. 11 Anm. 1.

VI. Ergebnisse und Ertrag für Systematik und Ökumene

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tums in den „Lehren des Judentums“ als auch das gegenwärtig vertretene anthropologische Konzept einer „aktiven Passivität“ von dem neuzeitlichen Verständnis der Passivität als Gegenteil der Aktivität bestimmt. Passivität im Sinne Luthers (und ebenso die Rede vom Erleiden) zielt dagegen auf die im neuzeitlichen Sinne „aktive“ Beteiligung des Menschen am Heilsgeschehen; so dürfte auch Luthers Schrift „De servo arbitrio“ zeigen wollen, wie Gott den Menschen am Heilsgeschehen beteiligt (nur daß er dies eben nicht in einer Weise tut, die mit menschlichem Wollen und Vollbringen gleichzusetzen wäre). – Auf der anderen Seite sollte im Sinne eines christlich-jüdischen Gesprächs klar werden, daß die Rede von Schöpfung in keiner Richtung des Judentums die innere Verbindung mit dem Thema von Schöpfung und Fall hat, die im Christentum zunächst in der Auseinandersetzung mit der Gnosis und dann in der Soteriologie seit Augustin obligat wurde für die Lektüre von Gen 1–3, der sog. Schöpfungserzählung. Hier differieren christliche und jüdische Lektüreweisen deutlich, und dies festzuhalten, ist bereits ein Vollzug christlich-jüdischen Gesprächs. Der nur vermeintlich weiterführende Versuch, beide Lektüren auf einen gemeinsamen Ursprung zurück- oder eine Entscheidung zwischen beiden herbeioder die eine in die Wirkungsgeschichte der anderen zu überführen, würde dagegen vom gemeinsamen Gespräch nur wegführen. Die Schöpfungslehre in ihren unterschiedlichen Gestalten in Judentum und Christentum ist so wie die Menschheitsreligion ein vorrangiges Thema christlich-jüdischen Gesprächs, und sein Ertrag für dieses Gespräch ist, daß die Schöpfungslehre einen Sprachraum bietet, in dem auf beiden Seiten die religiösen Phänomene von Menschsein beschrieben werden können, die durch Alternativschemata eher verdeckt werden. In dieser konvergierenden Bestrebung, solche Schemata zu überwinden und etwa die Beteiligung von Gott und Mensch am Heilsgeschehen in Schöpfungssprache auszudrücken, zeigt sich, daß in den verschiedenen Lektüren der Schöpfungserzählung derselbe Schöpfer am Werk gesehen wird: der Gott Israels und Vater Jesu Christi.

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Die Literaturangaben werden mit den in der Untersuchung verwandten Kurztiteln, bestehend aus Autorname bzw. Titelstichwort (bei Herausgeberwerken) und Jahreszahl(en), angeführt. Abkürzungen folgen Siegfried M. SCHWERTNER, Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, Berlin/New York 21992 (IATG2).

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haben, in: Gottes Treue – Hoffnung von Christen und Juden. Die Auseinandersetzung um die Ergänzung des Grundartikels der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche im Rheinland, hg.v. Katja Kriener/Johann Michael Schmidt, NeukirchenVluyn 1998, 296–306. SWARAT, Uwe (1986): Die heilsgeschichtliche Konzeption Johannes Christian K. von Hofmanns, in: Glaube und Geschichte. Heilsgeschichte als Thema der Theologie, hg.v. Helge Stadelmann, Gießen 1986 (TVG.MS 322), 211–239. TALMON, Shemaryahu (1976): Partikularität und Universalismus aus jüdischer Sicht [1976], in: ders., Juden und Christen im Gespräch (GAufs. II), Neukirchen-Vluyn 1992 (InfJud 11), 159–165. TALMON, Shemaryahu (1980): Eschatologie und Geschichte im biblischen Judentum, in: Zukunft. Zur Eschatologie bei Juden und Christen, hg.v. Rudolf Schnackenburg, Düsseldorf 1980 (SKAB 98), 13–50. TALMON, Shemaryahu (1982): Der Gesalbte Jahwes. Biblische und frühnachbiblische Messias- und Heilserwartungen, in: Hans-Jürgen Greschat/Franz Mußner/Shemaryahu Talmon/R.J. Zwi Werblowsky, Jesus – Messias? Heilserwartung bei Juden und Christen, Regensburg 1982, 27–68. THEISSEN, Henning (2002): Spuren einer eschatologischen Schulpartnerschaft im 19. Jahrhundert. Ein theologisches Thema in Erlangen – Rostock – Dorpat, in: ZBKG 71 (2002) 113–131. THOMA, Clemens (2000): Erlösung in jüdischer Optik, in: Erlöst durch Christus, hg.v. Eduard Christen/Walter Kirchschläger, Fribourg 2000 (ThBer 23), 13–28. TILLICH, Paul [1923] (1987): Kritisches und positives Paradox. Eine Auseinandersetzung mit Karl Barth und Friedrich Gogarten [1923], in: ders., Main Works/Hauptwerke IV, hg.v. John Clayton, Berlin/New York 1987, 91–98. TILLICH, Paul [1928] (1987): Das religiöse Symbol [1928], in: ders., Main Works/ Hauptwerke IV, hg.v. John Clayton, Berlin/New York 1987, 213–228. TILLICH, Paul (1956/66): Systematische Theologie I/II/III, übers.v. Renate Albrecht u.a., Stuttgart 21956/11958/11966. Umkehr (1980): Umkehr und Erneuerung. Erläuterungen zum Synodalbeschluß der Rheinischen Landessynode 1980 „Zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden“, hg.v. Bertold Klappert/Helmut Starck, Neukirchen-Vluyn 1980. VÁLYI NAGY, Ervin (1993): Die messianische Idee in christlichen Theologien des 20. Jahrhunderts, in: Messias-Vorstellungen bei Juden und Christen, hg.v. Ekkehard Stegemann, Stuttgart/Berlin/Köln 1993, 121–128. VOLKOV, Shulamit (2000): Antisemitismus als kultureller Code. Zehn Essays [11990], München 2000. WAPLER, Paul (1905): Die Theologie Hofmanns in ihrem Verhältnis zu Schellings positiver Philosophie, in: NKZ 16 (1905) 699–718. WAPLER, Paul (1914): Johannes v. Hofmann. Ein Beitrag zur Geschichte der theologischen Grundprobleme, der kirchlichen und der politischen Bewegungen im 19. Jahrhundert, Leipzig 1914. WEBER, Hans Emil (1926): Die Kirche im Lichte der Eschatologie, in: NKZ 37 (1926) 299–339. WEBER, Otto (1955/62): Grundlagen der Dogmatik I/II, Neukirchen-Vluyn 1955/62.

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Register

Halbfett gedruckte Seitenzahlen weisen auf grundsätzlichere Ausführungen zum betreffenden Registereintrag.

1. Namen Abaelard, Peter 99 Abrabanel, Isaac 25, 29f. 106 Anm. 117 R. Akiba 34 Althaus, August 25 Anm. 39, 72 Anm. 114, 76 Anm. 134, 98 Anm. 77, 198 Anm. 22, 242 Anm. 217 Althaus, Paul (jr.) 15, 17, 21, 39f., 64 Anm. 75, 82 Anm. 16, 98 Anm. 77, 127 Anm. 201, 132 Anm. 234, 151 Anm. 74, 193–259, 262f., 266f., 276 Anm. 61, 292 Anselm von Canterbury 93, 99 Ariel, Yaakov Shalom 14 Anm. 7 Aristoteles 28, 268, 283, 289 Arnoldi, Udo 24 Anm. 37 Auberlen, Carl August 25 Anm. 39, 105–108, 117–120, 125 Anm. 197, 127 Anm. 201, 129 Anm. 208, 257 Augustinus 270 Anm. 43, 295 Aulén, Gustaf 99 Anm. 80 Avneri, Zvi 29 Anm. 58, 30 Anm. 66 Bachmann, Philipp 79 Anm. 3, 81 Anm. 7, 92 Anm. 51.54, 100 Anm. 82, 236 Anm. 192 Bader, Günter 9 Baeck, Leo 26 Anm. 46, 31f., 41, 134, 184, 214, 259, 267 Baer, Jizchak Fritz 29 Anm. 59 Ballhorn, Egbert 30 Anm. 70 v. Balthasar, Hans Urs 193 Anm. 1 Barth, Karl 12 Anm. 3, 39f., 69 Anm.

104, 73 Anm. 116, 80 Anm. 5, 81 Anm. 7, 146 Anm. 45, 165, 193, 214–217, 221 Anm. 128, 233 Anm. 183, 238, 251f., 256 Anm. 284, 263, 269 Anm. 40, 283, 287 Anm. 84, 292 Baumgarten, Otto 147 Anm. 57f., 248 Anm. 248 Baumgartner, Markus 73 Anm. 116 Baur, Ferdinand Ch. 67 Anm. 97, 144 Bayer, Oswald 290 Anm. 94, 293 Anm. 103 Beck, Johann Tobias 103–105, 117f., 120, 123, 129 Anm. 208, 155f. Anm. 101, 265 Beckmann, Klaus 20 Anm. 26, 61 Anm. 64, 62 Anm. 67.69, 88 Anm. 37, 102 Anm. 95, 120 Anm. 184, 126f. Anm. 200, 129 Anm. 208 Behr, Wilfried 86 Anm. 27, 89 Anm. 44, 93 Anm. 57, 97 Anm. 70–72, 120 Anm. 185 Beißer, Hans Friedrich 203 Anm. 42, 217 Anm. 113 Bengel, Johann Albrecht 15f. Anm. 11, 107 Anm. 119, 143 Berkovits, Eliezer 11 Bertrams, Oliver 29 Anm. 62 Beyschlag, Karlmann 100 Anm. 82 Biedermann, Alois Emanuel 147f., 261 Blaschke, Oliver 20 Anm. 26

320 Böckle, Franz 193 Anm. 1 Böhme, Jakob 101 Böklen, Ernst 14 Anm. 6, 17 Anm. 16 Boethius 124, 257 Anm. 289 Bonhoeffer, Dietrich 12 Anm. 3 de Boor, Matthias 136 Anm. 7, 137 Anm. 10, 138 Anm. 13, 140 Anm. 22, 141 Anm. 28, 151 Anm. 74, 173 Anm. 173 Bousset, Wilhelm 17, 27 Anm. 47, 31 Anm. 75, 234f. Breidert, Martin 88 Anm. 38, 89 Anm. 42, 93 Anm. 55f., 99 Anm. 78, 104 Anm. 106 Brenner, Michael 25 Anm. 41, 124 Anm. 195 Brod, Max 23 Anm. 33, 27 Anm. 52 Brunner, Emil 18, 39, 42 Anm. 2, 78, 217 Anm. 113, 238, 240 Anm. 210, 266, 276 Anm. 61 Brunner, Peter 134 Anm. 221 Buber, Martin 37–41, 76, 131, 237, 264 Bultmann, Rudolf 32 Anm. 79, 39, 136, 189f., 216 Anm. 105, 246, 256 Anm. 284, 263, 269 Anm. 39 Buri, Fritz 191f. Callenberg, Johann Heinrich 24 Anm. 38 Calvin, Johannes 23 Charles, Robert Henry 17 Anm. 16 Clark, Christopher M. 24 Anm. 38 Cohen, Hermann 32–34, 35f., 41, 130f., 134, 184f., 188 Anm. 221, 259, 267 Cornehl, Peter 64 Anm. 76, 67 Anm. 91, 68 Anm. 98 Cremer, August Hermann 144 Anm. 38, 180 Cullmann, Oscar 134 Anm. 221, 246 Anm. 243 Dahle, Lars 125 Anm. 197 Delitzsch, Franz 27 Anm. 51 Descartes, René 147 Dilthey, Wilhelm 133 Anm. 220

Anhang

Dörpholz, Dirk 10 Dorner, Isaak August 23 Anm. 36, 71 Anm. 107.111f., 72, 112, 125 Anm. 197, 145, 245 Dunkmann, Karl 241–243, 246, 250 Anm. 257 Ebeling, Gerhard 278 Ebeling, Heinrich 98 Ebert, Paul 208 Anm. 67 Eißler, Tobias 79 Anm. 4 R. Eliezer 28 Eschelbacher, Joseph 27 Anm. 52 Etzelmüller, Gregor 214 Anm. 92, 229 Anm. 166 Feiner, Johannes 193 Anm. 1 Fichte, Immanuel Hermann 101 Fichte, Johann Gottlieb 200, 206 Anm. 60 Floerke, Wilhelm Friedrich Carl Heinrich 112–115, 117f., 261 v. Frank, Franz Hermann Reinhold 16, 81 Anm. 7, 99f., 248 Anm. 248 Frege, Gottlob 179 Friedlaender, Michael 28 Anm. 57 Friedland, Eric L. 29 Anm. 61 Friedrich, Martin 15 Anm. 9, 23 Anm. 35 Fuchs, Ernst 39, 283 Führer, Werner 165 Anm. 141 Fünning, Albert 31 Anm. 72 Gäckle, Volker 123 Anm. 191, 125 Anm. 197 Gans, Eduard 29 Anm. 62 Gebhardt, Jürgen 65 Anm. 81 Gerhard, Johann 87, 98 Gerlach, Hermann Martin Theodor 49 Anm. 29, 71 Anm. 107f. 111, 73 Anm. 118 Gese, Hartmut 18 Anm. 21 Geß, Wolfgang Friedrich 104 Anm. 106 Gewirtz, Leonard B., 30f. Anm. 71 Goebel, Hans 237 Anm. 200 Göll, Hans-Peter 154 Anm. 89, 161 Anm. 120.123, 167f. Anm. 151

Register

Göschel, Carl Friedrich 66f., 68 v. Goethe, Johann Wolfgang 141 Anm. 23 Gogarten, Friedrich 39f., 215 Anm. 96, 217 Anm. 108 Goldmann, Alain 29 Anm. 63 Goldmann, Manuel 25 Anm. 40 Gollwitzer, Helmut 20, 266 Anm. 29 Gow, Andrew Colin 14 Anm. 7 Gräder, Karl 92 Anm. 51, 99 Anm. 80 Graetz, Michael 31 Anm. 74 Graf, Friedrich Wilhelm 70 Anm. 105 Graß, Hans 214 Anm. 91 Greig, A. Joseph 21 Anm. 27, 79 Anm. 1 Grimmer, Karl F. 273 Anm. 54 Grossman, Avraham 29 Anm. 58, 30 Anm. 66 Güder, Eduard 181 Gunkel, Hermann 27 Anm. 47, 253 Anm. 274 Hadorn, Wilhelm 25 Anm. 39, 180, 248f., 250 Anm. 257 Haering, Theodor 250f. Härle, Wilfried 87 Anm. 35, 153f. Anm. 88, 290 Anm. 95 Hahn, Traugott (jun.) 254 Anm. 278 Hahn, Traugott (sen.) 254f., 259, 267, 289 Anm. 91 Hain, Roland 10 Hake, Claudia 105 Anm. 108f. v. Harleß, Adolf 110 Anm. 141 Harms, Theodor 102 Anm. 94 v. Harnack, Adolf 31, 144 Anm. 38, 187 v. Hase, Karl 90 Anm. 46, 194 Haubold, Arndt 67 Anm. 90 Haupt, Erich 257 Hebart, Johann Albrecht Ludwig 126– 128 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 19, 23 Anm. 33, 64–67, 73, 79, 83 Anm. 17, 145 Anm. 43, 187 Anm. 219 Heidegger, Martin 270, 272f.

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Heim, Karl 125 Anm. 197, 218, 221, 224, 241, 243–245, 246 Heine, Heinrich 61 Heinrichs, Wolfgang E. 20 Anm. 26 Heller, Hans 31 Anm. 72 Hengstenberg, Ernst Wilhelm 106 Anm. 112, 126f. Anm. 200, 129 Hermann, Rudolf 167f. Anm. 151f. Herms, Eilert 43 Anm. 8, 44 Anm. 11, 46 Anm. 18, 47 Anm. 20, 48 Anm. 23, 56f. Anm. 51 Herrmann, Christian 98 Anm. 77, 291 Anm. 98 Herrmann, Wilhelm 171f. Hesse, Friedrich 132f. Anm. 218f. Hieronymus 21f. Hilgenfeld, Adolph 16 Anm. 14, 107 Anm. 124 Hille, Rolf 245 Anm. 238 R. Hillel 128 Anm. 105 Hirsch, Emanuel 218, 222f., 224, 258 Hirsch, Samson Raphael 30 Hirschberg, Haim Zwi 14 Anm. 6 Hjelde, Sigurd 12 Anm. 5, 45 Anm. 13, 73 Anm. 120, 116 Anm. 173, 125 Anm. 197, 136 Anm. 5.7, 151 Anm. 74, 157 Anm. 106, 190 Anm. 230, 214 Anm. 91 Hoffmann, Christhard 177 Anm. 184 Hoffmann, Georg 74 Anm. 121, 204f., 247f. Hoffmann, Willi 103 Anm. 98, 104f. Anm. 107f. v. Hofmann, Johann Christian Konrad 16, 21, 79–135, 230 Anm. 170, 252, 257, 259, 261f., 264f. Holl, Karl 198 Anm. 24 Holmström, Folke 12 Anm. 5, 136 Anm. 5, 191f. Anm. 234, 198 Anm. 23, 214 Anm. 91, 246 Holthaus, Stephan 31 Anm. 72 Hossfeld, Frank Lothar 171f. Anm. 166 Hübner, Eberhard 80 Anm. 5, 86 Anm. 27, 97 Anm. 70–73

322 Hüttenhoff, Michael 148 Anm. 62 Irenäus von Lyon 79 Irving, Edward 108, 151 Iwand, Hans Joachim 277 Anm. 62, 280 Anm. 68 Jahn, Friedrich Ludwig 70 Anm. 106 Janowski, Johanna Christine 247 Anm. 244 R. Jehoschua 28 Joachim von Fiore 284 Anm. 76 Jochanan ben Zakkai 288 Johannes Chrysostomus 290 Anm. 93 Jonas, Hans 280 Jüngel, Eberhard 158 Anm. 112, 273 Anm. 52, 283 Jung, Martin H. 15f. Anm. 21, 30 Anm. 67 Kähler, Martin 21, 135, 136–192, 216 Anm. 103, 230 Anm. 170, 257, 259, 262, 265f., 275 Anm. 57, 278, 282, 284–286, 288, 292, 294 Kähler, Walter 286 Anm. 79 Käsemann, Ernst 189 Anm. 224 Kaftan, Julius 125 Anm. 197, 250f. Kant, Immanuel 33, 50, 66f., 73, 75 Anm. 129, 76 Anm. 133, 133, 148 Anm. 62, 165, 185 Anm. 213, 206 Anm. 60, 241, 248 Anm. 247, 250, 258, 261, 264, 270 Anm. 43, 270 Anm. 44, 272 Karsten, Hermann 111f., 117, 120, 123 Anm. 191, 261 Kern, Friedrich Heinrich 52 Anm. 39, 67 Anm. 97, 71 Anm. 107, 125 Anm. 197, 144f., 148, 261 Kesten, Hermann 29 Anm. 60 Kickel, Walter 191 Anm. 233 Kinder, Ernst 18 Anm. 20 Kinzig, Wolfram 10 Klappert, Bertold 273 Anm. 52 Kliefoth, Theodor Friedrich Dethlof 16 Anm. 13, 95 Anm. 64, 96 Anm. 67, 115–117, 118f., 121 Anm. 187, 208 Anm. 67, 230 Anm. 170, 257 Anm. 287, 261, 291 Anm. 98

Anhang

Kling, Christian Friedrich 71 Anm. 107, 72 Anm. 113, 73 Anm. 119 Knitter, Paul 238 Anm. 201, 239 Anm. 208, 258 Anm. 290 Koch, Klaus 213 Anm. 88 Koch, Kurt 131 Anm. 212 Koepp, Wilhelm 180 Anm. 197, 249f., 251 Körner, Johannes 138 Anm. 12, 246 Anm. 242 Körtner, Ulrich H.J. 98 Anm. 77 Kohler, Kaufmann 185 Anm. 213 Konkel, Michael 9 Kook, Abraham Isaak 30f. Kraus, Hans Joachim 234 Anm. 185 Kress, Christine 289 Anm. 89, 292 Anm. 102 Küng, Hans 185, 281 Künneth, Walter 217 Anm. 110 Kusche, Ulrich 17 Anm. 17 Lange, Johann Peter 71 Anm. 108.111, 73 Anm. 118, 261 Lausberg, Heinrich 283 Anm. 70 Leibniz, Gottfried Wilhelm 289 Leipold, Heinrich 153 Anm. 83, 189f. Leitz, Hermann 123 Anm. 191 Lessing, Gotthold Ephraim 29 Anm. 60, 33, 152 Anm. 79 Lessing, Theodor 25 Anm. 39, 100f., 102, 123 Anm. 191 Levinas, Emanuel 185 Levinson, Nathan Peter 29 Anm. 61, 31 Anm. 73 Lindenmeyer, Julius 103 Anm. 96 Link, Christian 290f. Link, Hans-Georg 140 Anm. 20, 141 Anm. 28, 172 Anm. 68, 187f., 189 Lipsius, Richard A. 146–148, 261 Lohff, Wenzel 132 Anm. 215 v. Lüpke, Johannes 10 Luthardt, Christoph Ernst 16, 108– 110, 117f., 121 Anm. 187, 133, 261 Luther, Martin 67 Anm. 96, 97, 112, 198, 206f., 230, 237, 239f., 253, 258, 262, 275, 290f., 294f.

Register

Maier, Johann 22 Anm. 32, 25 Anm. 41, 28 Anm. 56, 30 Anm. 65, 31 Anm. 74 Maimonides 28–30, 36 Anm. 93f. Mann, Walther 238 Anm. 201, 239 Anm. 208 Manzke, Karl Hinrich 270 Anm. 43 Marheineke, Philipp Konrad 145 Anm. 43, 64, 66 Anm. 88 Markion 152 Anm. 79 Markower, Felix 26 Anm. 46 Marquardt, Friedrich Wilhelm 20 Anm. 25, 22 Anm. 31, 271–273, 288 Anm. 88 Martensen, Hans Lassen 69 Anm. 100, 71 Anm. 107.109f., 73 Anm. 117, 74 Martikainen, Eeva 258 Anm. 291 Mau, Rudolf 15 Anm. 10 Maximilian König von Bayern 220 Anm. 126 Maybaum, Ignaz 187 Mayer, Gottlob Samuel 248 Meiser, Martin 193 Anm. 3, 217 Anm. 114, 228f. Anm. 162, 231 Anm. 175, 239f. Anm. 209 Melanchthon, Philipp 290 Mencke, Martin 158 Anm. 112, 186 Anm. 215, 273 Anm. 52 Mendelssohn, Moses 29 Messel, Nils 234 Anm. 186 Mildenberger, Friedrich 79 Anm. 2, 81 Anm. 9, 132 Anm. 216 Miskotte, Kornelis Heiko 272 Anm. 47 Moltmann, Jürgen 12, 187 Anm. 219, 214 Anm. 91, 233 Anm. 183, 246 Anm. 243, 271–273 Mommsen, Theodor 177 Anm. 184 Mühling, Andreas 40 Anm. 107 Müller, Julius Georg 66 Anm. 85 Müller, Karlheinz 17 Anm. 17 Müller-Goldkuhle, Peter 122 Anm. 188 Mundle, Wilhelm 202

323

Napoleon Bonaparte 70 Anm. 106, 140 Nietzsche, Friedrich 135 Nitzsch, Carl Immanuel 71 Anm. 107. 110–112, 73, 128f. Oblau, Gotthard 269 Anm. 40 Ochs, Peter 9 Ölsner, Willi 71 Anm. 110 Oesterley, William 14 Anm. 6 Oetinger, Friedrich Christoph 25 Anm. 39, 30 Anm. 67, 101, 105, 107 Anm. 119, 290 v. Oettingen, Alexander 25 Anm. 39, 253f., 255, 259, 267, 289 Anm. 91 Origenes 146 Anm. 50 Osiander, Andreas 159 Anm. 115 v.d. Osten-Sacken, Peter Frhr. 40 Anm. 107 Osthof, Friederike 146 Anm. 50 Ott, Heinrich 132 Anm. 213 Pae, Kyung Sik 105 Anm. 111 Pannenberg, Wolfhart 134 Anm. 221, 214 Anm. 91, 246 Anm. 243, 271– 273, 291 Patzig, Günter 179 Anm. 190 Pawlas, Andreas 253 Anm. 273.275 Petran, Heinrich 168 Anm. 152 Petuchowski, J.J. 287 Anm. 84 Pfisterer, Rudolf 124 Anm. 195 Pfleiderer, Otto 74 Anm. 121 Philippi, Friedrich August 81 Anm. 7 Pick, Seligmann 26 Anm. 46 Platon 65, 70 Plessner, Helmuth 291 Plitt, Gustav 15 Anm. 10 Pöhlmann, Hans Georg 238 Anm. 201 Pontzen, Alexandra 9 Procksch, Otto 82 Anm. 15, 83 Anm. 18, 86 Anm. 27 Quintilian 283 Anm. 70, 285 Rahner, Karl 133f., 258 v. Ranke, Leopold 220 Anm. 126 Ratschow, Carl Heinz 166 Anm. 146, 241 Anm. 213 Ravitzky, Aviezer 31 Anm. 72

324 v.d. Recke-Volmarstein, Adalbert Graf 24 Anm. 38 v. Reiff, Jakob Friedrich 104 Anm. 106 Reines, Alvin J. 29 Anm. 58, 30 Anm. 66 Renan, Ernest 93 Anm. 55, 261 Richter, Friedrich 19, 64f., 66–68 Richter, Julius 191f. Anm. 234 Ricœur, Paul 283 Rieske-Braun, Uwe 110f. Anm. 141 Ritschl, Albrecht 93 Anm. 57, 99, 125 Anm. 197, 136, 148f., 153 Anm. 86, 183, 211 Anm. 80, 250, 253 Anm. 274, 262 Rohls, Jan 88 Anm. 37, 92 Anm. 51 Rosenau, Hartmut 52f. Anm. 38f., 190 Anm. 230 Rosenberg, Alfred 216 Anm. 107 Rosenzweig, Franz 29 Anm. 64, 34– 37, 41, 76f., 184, 264, 282 Rothe, Richard 145f., 148 Rousseau, Jean Jacques 139 Saadja Gaon 28 Saari, Jaakko 239 Anm. 208 Sabbatai Zwi 30 St.-Simon, Claude Henri Comte de Rouvroy 73 Anm. 118 Sauter, Gerhard 9, 12 Anm. 4, 20 Anm. 24, 82 Anm. 13, 154 Anm. 95, 161 Anm. 120, 233 Anm. 183, 270 Anm. 42, 275 Anm. 59, 286 Anm. 80, 287 Anm. 83, 287 Anm. 85 Schaeder, Erich 248 Anm. 246, 251– 253, 267 Schäfer, Peter 28 Anm. 55, 29 Anm. 63f. Schär, Johann Friedrich 160 Anm. 118 Schatz-Uffenheimer, Rivka 30 Anm. 69, 30f. Anm. 71 v. Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 70 Anm. 106, 100 Schlatter, Adolf 144 Anm. 38

Anhang

Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst 12, 21, 34, 42–78, 81 Anm. 7, 82 Anm. 14, 99, 124, 126, 128, 130, 136f., 144, 148, 152 Anm. 79, 158 Anm. 111, 184, 198 Anm. 22, 199 Anm. 28, 242, 251, 257, 260, 263– 265 Schmid, Hartmut 127 Anm. 202 Schmid, Johannes Heinrich 187 Anm. 219 Schmidt, Hans Wilhelm 208 Anm. 65, 271 Anm. 44 Schmidt, Hermann Christoph 53 Anm. 42, 73 Anm. 117, 74 Anm. 121, 261 Schmidt, Karl Ludwig 37–41, 76, 131 Schmitt, Rainer 133 Anm. 219 Schneerson, Moses Mendel 31 Schoberth, Ingrid 286 Anm. 78 Schöffel, Simon 237 Anm. 199 Scholem, Gershom 20, 22 Anm. 31, 30 Anm. 68, 188 Anm. 221, 266 Anm. 29 Schreurs, Nico F.M. 56f. Anm. 51 Schröer, Henning 54 Anm. 45, 198 Anm. 21, 241 Anm. 212.215, 245 Anm. 236 Schütt, Josef 10 Schweitzer, Albert 12, 136, 190–192, 261, 263 Schweizer, Alexander 73 Anm. 116 Seeberg, Reinhold 253 Anm. 274 Siegfried, Theodor 241, 243, 246, 250 Anm. 257 Slenczka, Reinhard 10 Sommerlath, Ernst 236 Anm. 192 Spener, Philipp Jakob 15f. Anm. 11 Stadelmann, Helge 79 Anm. 4 Stadtland, Tjarko 216 Anm. 105 Stähler, Axel 23 Anm. 33, 249 Anm. 253 Stange, Carl 18, 132 Anm. 214, 193 Anm. 3, 198–200, 203, 205, 213 Anm. 88, 235 Anm. 188, 258, 266, 276 Anm. 61

Register

Steck, Karl Gerhard 79f. Anm. 4f., 132 Anm. 217 Steffen, Bernhard 81 Anm. 7, 92 Anm. 51, 93 Anm. 57, 99 Anm. 80 Steffens, Henrich 70f., 145, 147, 261f., 290 Stegemann, Ekkehard W. 40 Anm. 108 Steiger, Johann Anselm 49 Anm. 29, 51 Anm. 33, 74 Anm. 123f. Steinbeck, Wolfram 10 Steinmetz, Rudolf 128 Stemberger, Günter 25 Anm. 41, 30f. Anm. 71 Stephan, Horst 216f. Stock, Konrad 98 Anm. 77 Stoecker, Adolf 177 Stoevesandt, Hinrich 193 Anm. 1 Strack, Hermann Leberecht 27 Anm. 51 Stuhlmann, Rainer 74 Anm. 125 Swarat, Uwe 81 Anm. 8 Talmon, Shemaryahu 22 Anm. 31, 28 Anm. 54, 77 Tauler, Johannes 290 Theißen, Gerd 190 Anm. 229 Theißen, Henning 10, 261 Anm. 9 Tholuck, August 128, 263 Thoma, Clemens 22 Anm. 31, 25 Anm. 41 Tillich, Paul 217, 238 Anm. 201, 286f. Traub, Friedrich 250, 251, 261 v. Treitschke, Heinrich 172 Anm. 168, 177 Anm. 184 Troeltsch, Ernst 151 Anm. 74, 193, 202 Trütsch, Josef 193 Anm. 1 de Valenti, Ernst Joseph Gustav 101f. Vályi Nagy, Ervin 22 Anm. 31 Vetter, Jakob 126f. Anm. 200 Volkov, Shulamit 23 Anm. 36 Volz, Paul 17 Anm. 16, 234f. Wächter, Oskar 143 Anm. 34 Wapler, Paul 81 Anm. 7, 82 Anm. 15,

325

86 Anm. 28, 88 Anm. 37, 92 Anm. 51, 100 Anm. 82f. Weber, Hans Emil 242 Anm. 217 Weber, Otto 117 Anm. 178, 153 Anm. 85, 240 Anm. 210, 275 Anm. 57, 277 Anm. 62 Weeber, Martin 45 Anm. 15, 46 Anm. 18, 48 Anm. 23, 55 Anm. 49, 56f. Anm. 51, 69 Anm. 100.102 Weiß, Johannes 12, 31, 173 Anm. 171, 190f., 257, 263 Weiße, Christian Hermann 65f., 67, 145 Anm. 43 Wellhausen, Julius 17, 23 Anm. 36 Wendebourg, Ernst Wilhelm 97 Anm. 69, 100 Anm. 83 Wenz, Gunther 10 Werblowsky, R.J. Zwi 28 Anm. 54, 29 Anm. 64, 40 Anm. 109 Werner, Martin 160 Anm. 118 Weth, Gustav 79f. Anm. 4, 82 Anm. 16, 86 Anm. 27, 106 Anm. 112, 129 Anm. 208 Weyer-Menkhoff, Martin 101 Anm. 88 Wiener, Max 26 Anm. 45, 185 Wiese, Christian 26 Anm. 42, 27 Anm. 51 Wiesel, Elie 11 Anm. 1 Wild, Martin 244 Anm. 234, 245 Anm. 238 Wimmer, Walter 214 Anm. 91, 226 Anm. 151, 257 Anm. 289, 258 Anm. 291 Windelband, Wilhelm 133 Anm. 220, 202 Wirsching, Johannes 158 Anm. 110, 158f. Anm. 112–115, 161 Anm. 123, 167f. Anm. 151 Wobbermin, Georg 74 Anm. 121, 204, 248 Anm. 247 Wolf, Ernst 172 Anm. 167, 189 Anm. 224 Wolf, Immanuel 29 Anm. 62 Wolfes, Matthias 242 Anm. 219

Anhang

326 Wolter, Michael 182 Anm. 204 Wurzburger, Walter S. 30 Anm. 65

Zaas, Peter S. 22 Anm. 32 Zenger, Erich 171f. Anm. 166

2. Sachen und Begriffe Anthropologie 71f., 84, 96–102, 138– 140, 224, 253–255, 266f., 288–295 Antichrist 14, 94f. Anm. 62, 114 Anm. 163, 129, 220, 239, 283 Antinomie 241f. Antisemitismus/Antijudaismus 23, 32, 37–39, 61–63, 76, 120 Anm. 184, 124 Anm. 195, 177, 227 Apokalyptik 16–19, 31, 98 Anm. 77, 106f., 191f., 199, 209, 227, 233– 235, 244, 264, 266 Apokatastasis 31 Anm. 72, 51f., 73 Anm. 116, 101, 144f., 201, 213, 246 Anm. 244 Auferstehung 13, 28, 57 Anm. 53, 145, 199, 209 Aufklärung/Haskala 29, 33, 138f. Begriffsbildung 49f., 82, 103, 161 Anm. 120, 167–169, 185f., 265 Bekenntnisschriften 12, 15, 150, 181 Anm. 202, 282, 290 Anm. 93 Bibel 13, 30, 80f., 87, 103, 105, 126– 128, 144f., 168–174, 182, 208, 210, 217f., 230f., 282–286 Bild 49, 53f., 74, 178–183, 191, 251, 275, 282–287 Chiliasmus 15f., 20, 22, 94f., 100, 104f., 107–114, 116f., 118–122, 126f., 131, 147, 199 Anm. 28, 218f. Anm. 117, 226 Anm. 151, 227f., 235, 242f., 248, 250 Anm. 257 Christologie 28 Anm. 54, 89f., 92–99, 112, 120–123, 148–155, 168 Anm. 154, 217 Anm. 110, 230–233, 235, 240, 242 Anm. 218, 276–278 Deutsche Christen 39f., 237, 239f. Dialektische Theologie 34, 39, 190, 208 Anm. 65, 214–217, 223, 235,

246, 252 Anm. 266, 255–257, 269 Anm. 39, 286 Anm. 80 Diaspora/Galut 14 Anm. 7, 29, 31, 37, 106 Anm. 113.115, 119f., 127, 171, 175, 177, 184 Dilemma 54–57, 130, 137, 142, 144, 148, 183f., 198 Anm. 22, 199 Anm. 28, 260 Emanzipation/Assimilation 23f., 29, 61, 177 Erfahrung 81 Anm. 7, 99f., 126, 132f., 158 Anm. 112, 186, 247f., 252, 274, 289–291 Eschatologie 12, 14–20, 27–31, 34, 36f., 44, 55 Anm. 49, 70–73, 77f., 96f., 151 Anm. 74, 189–192, 195f., 199f., 214–217, 253 Anm. 275, 256f., 260–262, 267f. Ethik 26, 29, 31–33, 51 Anm. 33, 71 Anm. 110, 138–142, 150, 154, 158 Anm. 111, 209–214, 221, 235–238, 258, 266, 275 Anm. 57, 281 Ewigkeit 17, 42, 66, 129, 137–144, 149, 156f., 179, 194–203, 211f., 221f., 224, 228f., 233, 241–247, 251 Anm. 263, 268–273 Form und Inhalt 191, 250f., 286 Fortschritt 29, 55 Anm. 49, 115, 138– 150, 157, 210, 213, 218 Französische Revolution 138–140 Freiheit 26, 44 Anm. 10, 71, 73, 134, 139f., 147, 149 Anm. 65, 294 Frühjudentum 12, 17, 57f., 106, 119, 146, 173, 190f., 234f., 272 Geist 19f., 22, 66, 84, 96, 107, 109f., 146f., 234, 252–255, 259, 266, 289 Gericht 14, 26, 28, 64 Anm. 72, 72 Anm. 114, 94f. Anm. 62, 100, 104,

Register

108, 111, 115f., 123, 127, 145f., 150, 158f., 199–203, 206f., 209, 212f., 215, 218, 222f., 229f., 250 Anm. 257, 276f. Geschichte 38, 84, 95, 104, 106 Anm. 112, 120, 131–133, 152, 156–158, 169–172, 175f., 187, 196, 202f., 208f., 212–216, 220f., 224, 236, 243f., 246, 265f. Gewissen 138, 140f., 198, 212, 222f. Glaube 24, 45, 160f., 204f., 232, 247– 252, 255, 261, 263, 274f., 282 Heilsgeschichte 21 Anm. 27, 79, 95, 97 Anm. 69, 103, 110f., 131–134, 155, 210, 218f., 236 Hoffnung 11, 159, 166, 184, 204f., 215f., 247–252, 255f., 263, 273– 275, 280, 293 Idealismus 82f. Anm. 16f., 99, 124 Anm. 194, 167, 184, 187 Anm. 219, 253 Anm. 273 Involution 70f., 73, 145, 261, 290 Islam 14, 36 Anm. 93f., 58–60, 176 Israel 14 Anm. 7, 16f., 30f., 38, 95, 98, 108–110, 112 Anm. 148, 118– 120, 124, 226 Anm. 151, 234 Anm. 186, 265, 272, 280f., 295 Judentum 11, 13f., 24–41, 60–62, 74, 77, 118–120, 160–168, 174–177, 208f., 216 Anm. 105, 233, 254, 269–272, 276–282, 287, 295 Konkretion 74, 168, 174, 186–188, 216 Anm. 103, 294 Konsequente Eschatologie 12, 190– 192, 255 Anm. 282, 261f., 274 Anm. 57, 277 Anm. 63 Liebe 22, 24, 32, 36, 53 Anm. 57, 100, 274 Anm. 57 Lutherrenaissance 198–202, 212, 258 Menschheit 27, 32, 34, 67 Anm. 94, 88–90, 122–126, 159–168, 171– 173, 175f., 183–185, 265, 275–282 Messianismus 19–22, 28–30, 32, 34, 65, 75, 106, 172–175, 184f., 187, 226 Anm. 151, 264f.

327

Metaphorik 74, 178–183, 188–191, 216, 249, 265–268, 277f., 282–287 Methode 13, 20f. Anm. 26, 24, 64f., 82 Anm. 13, 124 Anm. 193, 137 Anm. 8, 144, 175 Anm. 177, 178 Anm. 189, 195, 204, 210, 231, 241f., 248 Anm. 248, 249f., 255, 260 Anm. 1, 262 Anm. 13 Mission 14, 24, 27 Anm. 51, 32, 41, 102 Anm. 94, 110 Anm. 140, 125f. Anm. 200, 142, 167f., 176–178, 180, 184, 199, 218 Anm. 117, 219 Anm. 220, 227, 245 Anm. 238, 254, 275, 278–280 Möglichkeit 158 Anm. 112, 272 Mystik/Kabbala 25 Anm. 39, 30, 42 Anm. 2, 67 Anm. 96, 101, 217, 253 Anm. 273, 273 Anm. 54 Nationalsozialismus 37, 39, 216 Anm. 107, 237, 239f. Anm. 209 Natürliche Theologie 39, 151, 200, 238 Anm. 201, 239 Noch nicht – Schon jetzt 22f., 37, 40, 233, 244, 254 Anm. 276, 262 Offenbarung 33, 35, 85 Anm. 25, 99, 126, 152, 177 Anm. 183, 205, 231f., 238f., 250, 268, 285 Orthodoxie 29 Anm. 61, 30f., 93, 98, 124, 126, 130f., 134, 175 Anm. 176, 226, 228 Paradoxie 54f., 70, 198 Anm. 21, 201, 205, 212–215, 221, 241–247 Partikularität – Universalität 19, 22, 27, 32, 34, 54, 56, 60–62, 63–68, 75, 77, 234f., 262, 264 Parusie 28f., 40, 45 Anm. 13, 56f. Anm. 51, 72, 85f., 98, 102, 104f., 110f., 114f., 117, 120–125, 127, 130, 133–135, 152, 157–159, 173– 175, 181, 218f., 232, 250 Anm. 257, 256, 263–265, 267f., 273–282 Person 47, 66 Anm. 86, 84–86, 91– 99, 104f., 107, 109f., 112–114, 117–126, 130, 133f., 138, 144f., 147, 151–159, 192, 202, 206, 212, 222, 230, 243 Anm. 228, 253, 256–

328 230, 243 Anm. 228, 253, 256–258, 264f., 277 Polarität 198, 208, 231f., 235, 244f., 256, 266, 276, 284 Preußen 17 Anm. 15, 19, 23, 61, 70 Anm. 106, 114 Anm. 163 Rabbinismus 25 Anm. 39, 26–32, 128 Anm. 205, 174, 274 Anm. 55 Rechtfertigung 111f., 116, 148, 153, 159, 165, 198, 212, 216, 238, 256 Anm. 284, 274f. Regulative Idee 53, 69, 74f., 154, 241f., 246, 248 Anm. 247, 261 Religionsgeschichtliche Schule 14, 17f., 27, 107 Anm. 124, 234f. Romantik 70, 84f., 140 Anm. 20 Schema 21–24, 27f., 31f., 34, 40f., 49, 59, 63, 99, 124f., 129, 161, 164, 182, 188, 240, 245f., 255, 258, 262f., 282, 284, 286, 294f. Schöpfung 33, 35f., 47 Anm. 22, 52 Anm. 39, 87, 90f., 98, 103, 127, 146, 171, 216f., 224f., 238f., 243, 273 Anm. 54, 285, 291–295 Seele 29–31, 70f., 84, 96, 101, 116f., 147, 291 Anm. 98 Shoa 11f., 24, 187, 288f., 294 Sünde 47 Anm. 22, 71, 91f., 97, 102 Anm. 94, 111–115, 121, 149, 156, 207, 215, 224, 238, 243, 256f., 275 Teleologie 58, 149, 195–198, 201– 206, 211, 214 Anm. 91, 221, 240 Anm. 210, 250 Anm. 259 Theodizee 150, 239, 259, 288f., 292f. Theosophie 100–102, 105, 146 Anm. 45, 222, 290

Anhang

Tod 36 Anm. 96, 47 Anm. 22, 66, 70, 100f., 111, 113, 115, 139, 154, 206, 221–225, 229, 254 Anm. 279 Trinität 23, 30 Anm. 67, 43, 87–95, 153, 253 Unsterblichkeit 19, 29, 42, 47, 49, 54– 57, 64–67, 102 Anm. 93, 115 Anm. 168, 145, 147, 196–203, 205–208 Verheißung 35–37, 47, 62f., 76, 80– 86, 106, 118f., 126–130, 133, 143f., 148, 150–152, 166f., 171, 173, 205, 210, 222, 226f., 229–233, 240 Anm. 211, 256f., 262–267, 268– 273, 275, 278, 288, 292 Vermittlungstheologie 69–74, 94 Anm. 61, 125 Anm. 197, 128, 145, 216, 224, 249, 261, 290 Volk/Nation 17, 19, 23, 30, 37, 61, 63, 65, 70 Anm. 106, 110, 112, 116, 124, 138f., 142, 177, 210, 231 Anm. 174, 233–237, 239 Wahrheit und Wirklichkeit 73–75, 81f., 158, 246f., 255, 266f., 272– 274, 285 Wesen der Religion 31f., 42, 61, 165– 167, 234 Anm. 188, 280 Zeit 18, 37, 40, 66, 75f., 126f., 142f., 216, 250, 264, 268–273, 277, 280 Anm. 68 Zeitschriften 19, 69, 108, 189 Anm. 224, 198, 237 Zionismus 23 Anm. 33, 25 Anm. 39, 30f., 249 Zwischenzustand/Mittelzustand 72, 210, 219 Anm. 118, 236f.