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German Pages 300 [316] Year 2019
Zentrum Moderner Orient Geisteswissenschaftliche Zentren Berlin e.V.
• Henner Fürtig
Islamische Weltauffassung und außenpolitische Konzeptionen der iranischen Staatsfiihrung seit d e m Tod Ajatollah Khomeinis
Studien 8
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Verlag D a s Arabische B u c h
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Fürtig, Henner: Islamische Weltauffassung und außenpolitische Konzeptionen der iranischen Staatsführung seit dem Tod Ajatollah Khomeinis / Henner Fürtig. Zentrum Moderner Orient, Geisteswissenschaftliche Zentren Berlin e.V. - Berlin : Verl. Das Arab. Buch 1998 (Studien / Zentrum Moderner Orient, Geisteswissenschaftliche Zentren Berlin e.V.; 8) ISBN 3-86093-183-0
Zentrum Moderner Orient Geisteswissenschaftliche Zentren Berlin e.V. Direktor: Prof. Dr. Ulrich Haarmann Kirchweg 33 14129 Berlin Tel. 0 3 0 / 80307 228 ISBN 3-86093-1834 STUDIEN Bestellungen: Das Arabische Buch Horstweg 2 14059 Berlin Tel. 030 / 3228523 Fax 030 / 3225183 Redaktion und Satz: Margret Liepach
Druck: Druckerei Weinert, Berlin Printed in Germany 1998 Gedruckt mit Unterstützung der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Berlin
Inhalt
Einführung
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I. Außenpolitische Vorstellungen und Zielsetzungen des Begründers der Islamischen Republik Iran, Ajatollah Khomeini
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Erste politische Positionsbestimmungen Offene Kritik am Westen Politischer Islam als "Drittweltismus"? Der islamische Staat Die Außenpolitik des islamischen Staates Der außenpolitische Praktiker
9 13 22 24 27 32
II. Außenpolitische Bestimmungen der iranischen Verfassung
43
Die Verabschiedung der Verfassung Paragraphen mit außenpolitischem Bezug Die Revision der Verfassung Revidierte Paragraphen Die neue Rolle des herrschenden Faqih
43 45 49 51 52
III. Westwahrnehmung und außenpolitische Konzeptionen der iranischen Führung seit 1989
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Differenzierung in der Führung Wandel im Bezugssystem der iranischen Außenpolitik Auswirkungen auf die Außenpolitik
63 66 71
Staatliche Institutionen Präsident und Stellvertreter Parlament Regierung
86 88 103 112
Geistliche Institutionen Revolutionsführer Hämene 3 ! Die Betonung des Eigenen Dualismus Universalismus Beispielgebung Gegnerschaft zum Westen
127 142 143 145 147 149 151
Konfliktfeld Kultur Wissenschaft und Technik als Politikum Freitagsprediger Export der Revolution Freitagsgebete als Ausgangspunkt von Kampagnen Unterschiedliche persönliche Handschriften
161 164 166 167 169 174
IV. Der außenpolitische Diskurs in den Printmedien
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Zeitungen Zeitschriften und Fachpublikationen Publikationen der Opposition Regierungsnahe Publikationen Der Geistlichkeit nahestehende Publikationen
193 201 206 209 212
Schlußbemerkungen
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Anhang Auswahlbibliographie Constitutional Law of Islamic Republic of Iran The Islamic Republic of Iran's Foreign Policy: The View from Iran (Abbas Maleki) Iran's Relations with Western Europe (Abbas Maleki) Iran's Foreign Policy: Principles and Objectives (Mohammad Javad Larijani) Interview Präsident Khatamis mit CNN (7.1.1998)
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Einführung Die iranische Revolution von 1978/79 gilt seit langem als weltpolitisches Ereignis des 20. Jahrhunderts. In der neueren Geschichte offenbarte sich in ihr erstmals einem globalen Publikum die gestalterische Kraft eines politisierten Islam, der nicht nur auf theoretischer, sondern auch auf praktischer Ebene ansetzte, bislang wenig erfolgreiche Entwicklungsstrategien von Staaten und Gesellschaften in der islamischen Welt konsequent in Frage zu stellen und sie durch eine an den "Fundamenten" des Islam orientierte Strategie zu ersetzen. Der Versuch durfte sich deshalb wacher Aufmerksamkeit nicht nur in der islamischen Welt, sondern auch in den Hauptstädten des Westens sicher sein. Schließlich betraf das "Vorkommnis" ein Land und eine Region, deren Bedeutung der industrialisierte Westen seit Jahrzehnten als lebenswichtig einstuft. Mit der globalen politischen Neuordnung nach dem Zweiten Weltkrieg und der fast zeitgleich beginnenden Dominanz flüssiger und gasförmiger Kohlenwasserstoffe als wichtigsten Trägers von Primärenergie und bedeutendsten Einzelrohstoffs für die Industrien der entwickelten Länder fiel diesem Raum, in dem immerhin 60 Prozent der prospektierten Vorkommen dieses vitalen Rohstoffs lagern, eine einzigartige Rolle zu. Hinzu kam seine herausragende strategische Position als Nahtstelle dreier Kontinente, zudem in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Grenzlinien der Ost-West-Auseinandersetzung gelegen. Selbst wenn von anderen Motiven bewegt, sahen auch die iranischen Revolutionäre ihre Aktionen in einem adäquaten Bedeutungsrahmen. Ihr Kampf galt nicht nur dem einheimischen Regime Mohammad Rezä 3 PahlavTs, sondern auch dessen tatsächlichen oder vermeintlichen "Hintermännern" im Westen, die ihn ihrer Auffassung nach nur als "Popanz" zur Sicherung eigener Interessen aufgebaut hätten. Die zum Zeitpunkt der Revolution vorgefundenen postkolonialen Abhängigkeitsverhältnisse der Dritten Welt vom Westen und - mit Abstrichen - auch vom Osten, wurden von ihnen als unerträglich empfunden und grundsätzlich in Frage gestellt. Ajatollah Khomeini und seine Getreuen sahen sich als Avantgarde aller Unterdrückten und Benachteiligten der Welt, die den politischen, ökonomischen, militärischen und kulturellen Dominanzbestrebungen des Westens ein unverbrauchtes und ihrer festen Überzeugung nach ewig gültiges, Normen-, Werte- und Rechtssystem in Gestalt des Islam entgegenstellte, das - wenn im Weltmaßstab erfolgreich - die Fortdauer oder das Wiederentstehen von Abhängigkeit und Unterdrückung unmöglich machen würde. Sie entnahmen dieser Auffassung daher den Auftrag, dem Islam universelle Geltung zu verschaffen. Sie wiesen jeden nationalen Bezug der Revolution zurück und propagierten sie als "Geschenk an die Menschheit", namentlich an die Unterdrückten und Unterprivilegierten in den Entwicklungsländern. Khomeini definierte die Revolution primär als beim Individuum beginnende und sukzessive die gesamte Menschheit umfassende Evolution zu Gott und erst in zweiter Linie als Prozeß sozio-ökonomischen und politischen Wandels. Das Schlagwort vom "Export der Revolution" war damit geboren worden, die iranische Revolution erhielt eine gewichtige außenpolitische Komponente.
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Einführung
Erste diesbezügliche praktische Anstrengungen der iranischen Staatsführung in Libanon, Bahrain, Saudi-Arabien, Afghanistan, später insbesondere in Irak und Sudan untermauerten die Annahme, daß die iranische Revolution und ihr Export einander bedingten. Im Westen führten diese Entwicklungen zu einer eingehenden Analyse der chriften Khomeinis, dabei wurde vor allem sein Hauptwerk, Veläyat-e Faqlh, untersucht und kommentiert. Darüber hinaus stützte man sich insbesondere auf die von Hamid Algar 1981 unter dem Titel "Islam and Revolution" herausgegebene Zusammenfassung von Äußerungen des iranischen Revolutionsführers zu den Themen "islamischer Staat" und "Revolutionsexport". Dagegen fanden bedeutende Werke ähnlichen Tenors aus der Feder anderer iranischer Religionsgelehrter und Intellektueller wie Ajatollah Motahhari, CA1T SaricatT, Ahmad Qäzi, c Abd al-Karfm Sorüs oder selbst Präsident Rafsangänls zunächst nur geringere Beachtung. Gleiches gilt auch für die Suche nach bestimmenden ideellen Ausgangsprämissen für die Staatskonzeption Khomeinis, beispielsweise für den schon Anfang der sechziger Jahre von Galäl Al-e Ahmad entwickelten Begriff der "Westvergiftung". Insgesamt verstärkten der Sieg der Revolution und die Bedingungen für den Aufbau einer Islamischen Republik in Iran die zutiefst dualistische Weltsicht Khomeinis. Sämtliche globalen Entwicklungen verliefen in seinem Verständnis grundsätzlich in einem Raster, dessen Pole auf der einen Seite von den "Unterdrückern", namentlich dem Westen, und auf der anderen Seite von den "Unterdrückten", insbesondere den Muslimen, eingenommen wurden. Deshalb muß zunächst davon ausgegangen werden, daß diese geistige Grundeinstellung auch die Haltung des iranischen Revolutionsführers zu diversen Prozessen der Globalisierung, der immer dichteren und schnelleren, tendenziell den gesamten Erdball umspannenden Verflechtung zwischen lokalen und räumlich weit entfernten Strukturen, Prozessen und Ereignissen bestimmte. In keiner von Khomeinis Schriften fand der Begriff "Globalisierung" Verwendung, aber die o.g. Prozesse, die dem Begriff zugrunde liegen, nahm der Führer der iranischen Revolution sehr wohl wahr. Die folgenden Kapitel stellen sich daher die Aufgabe, das Wechselverhältnis zwischen islamisch determinierter Wahrnehmung von Globalisierungsprozessen durch die iranische Staatsführung einerseits und ihren daraus abgeleiteten Konzeptionen andererseits zu untersuchen. Ajatollah Khomeini gehörte zweifellos zu den islamischen Führern, die am konsequentesten einen islamischen Universalismus propagierten, den sie als Gegenmodell zu dem aus ihren Globalisierungswahrnehmungen unterstellten westlichen Universalismus konzipierten. Dem Grundanliegen des Revolutionsführers folgend, entwarfen seine Anhänger in der Regierung detailliertere Vorstellungen von anzustrebenden gesellschaftlichen und politischen Strukturen innerhalb von und zwischen Staaten. Die Untersuchungen hatten dabei zwei wichtige Probleme zu beachten.
Einführung
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Zum einen geht es um den Komplex der Wahrnehmung von Weltpolitik und rasch voranschreitender Globalisierung durch die iranische Staatsführung, ihre geistigen und weltanschaulichen Quellen. Inwieweit geben die relevanten schriftlichen Dokumente tatsächlich einen originären islamischen Denkansatz wieder? Wird dieser nicht entscheidend von spezifisch schiitischen, manichäischen, paniranischen, nationalistischen oder dem Westen entlehnten Denkmustern überlagert? Stellen islamische Leitideen gar nur eine Modifizierung des vordem geltenden iranischen Staatsgedankens dar? Zum anderen mußte die Frage der Langfristigkeit und Originalität der islamischen Universalismuskonzeption in der Außenpolitik Irans, d.h. das Wesen und die Zielrichtung der konzeptionellen Umsetzung der Wahrnehmung von Globalisierung, untersucht werden. Wurde die Konzeption tatsächlich inhärenter Bestandteil der iranischen Staatsdoktrin oder änderte sie sich mit dem Tod Khomeinis? Auch wenn damit die eigentliche, die praktische Außenpolitik hinsichtlich des Westens, der Region oder einzelner Nachbarstaaten nicht im Mittelpunkt der Analyse steht, sondern vielmehr die Quellen ihrer Konzipierung - insbesondere beruhend auf der Wahrnehmung des Westens - läßt die Untersuchung sich nicht auf eine ausschließlich akademische Fragestellung reduzieren. Sie besitzt dennoch eine außerordentliche Relevanz für Inhalt und Form gegenwärtiger und zukünftiger iranischer Außenpolitik. Gelang schon zu Lebzeiten Khomeinis die adäquate wissenschaftliche Widerspiegelung der außerordentlichen Heterogenität der außenpolitischen Zielvorstellungen Irans nach 1979 (langanhaltender interner Machtkampf mit unterschiedlichen, sich teilweise widersprechenden Aussagen und Programmen der verschiedenen Fraktionen des Regimes, diametral anderen Vorstellungen der Opposition etc.) bisweilen nur in Ansätzen, so drifteten die wissenschaftlichen Meinungen über Inhalt und Form iranischer Außenpolitik nach dem Tod Khomeinis im Jahre 1989 weit auseinander. Eine Linie vertiefte die konfrontativen Aspekte, die insbesondere die amerikanische Beschäftigung mit iranischer Außenpolitik seit 1978/79 gekennzeichnet hatte. Die offizielle Politik der USA gegenüber Iran fußt auch nach 1989 auf der Uberzeugung, daß das Ableben Khomeinis keinesfalls ein Abrücken der iranischen Außenpolitik von - unterstelltem - Revolutionsexport und Staatsterrorismus bedeutet, und daß Iran daher, wie auch Irak, einer Politik des "dual Containment" auszusetzen sei. In Anlehnung an Samuel P. Huntington (clash of civilizations) versieht eine Vielzahl von Forschern - nicht nur, aber vor allem in den USA - diese politische Sicht mit einer wissenschaftlichen Begründung. Eine diametral entgegengesetzte Linie vertritt dagegen die Meinung, in Iran sei nach 1989 eine "Zweite Islamische Republik" entstanden, in der außenpolitisch vor allem Vernunft, Augenmaß, Pragmatismus und das nationale Interesse des
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Einßhrung
Landes walteten. Beide Standpunkte sind geeignet, die übrige Fachwelt zu polarisieren. Die folgende Analyse strebt insofern eine Versachlichung der Debatte an, als sie sich neben der Auswertung relevanter Sekundärliteratur insbesondere auf die Untersuchung schriftlicher Dokumente einschlägiger iranischer Institutionen, in Zeitungen abgedruckter Reden von Vertretern der Führung und ihrer mündlichen Aussagen (Mitschnitte von Rundfunk- und Fernsehansprachen) stützt. Die Schreibweise von Eigennamen folgt der üblichen wissenschaftlichen Umschrift, wobei emphatische Zeichen im Persischen vereinfacht wurden. Zudem wird das arabische waf im Persischen mit "v" wiedergegeben. (Eigen)namen, die im Zusammenhang mit Literaturquellen angeführt werden, folgen der dortigen Schreibweise. Arabische und persische Begriffe, die in die deutsche Sprache Eingang gefunden haben (Koran, Ajatollah, Khomeini usw.), werden entsprechend dem Regelwerk der deutschen Rechtschreibung (Duden) geschrieben. Abschließend ist es dem Autor ein tiefes Bedürfnis, Dank zu sagen: zum einen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), die die Grundlage für die Erarbeitung des Buches schuf, und zum anderen Frau Margret Liepach vom Zentrum Moderner Orient Berlin für die engagierte redaktionelle Fertigstellung der vorliegenden Arbeit, bei der sie von Frau Karin Schweißgut als Korrekturleserin unterstützt wurde.
I. Außenpolitische Vorstellungen und Zielsetzungen des Begründers der Islamischen Republik Iran, Ajatollah Khomeini1 Nur selten hat eine einzelne Person einen derart gravierenden Einfluß auf Inhalt, Tempo und Richtung einer Revolution genommen wie Ajatollah Rüholläh Khomeini in der Dekade zwischen 1979 und 1989 in Iran. In dieser Hinsicht ist seine Bedeutung wohl nur mit der Wladimir Iljitsch Lenins in der russischen Oktoberrevolution von 1917 vergleichbar. Nicht nur, daß er mit dem Prinzip der Herrschaft des Rechtsgelehrten (Veläyat-e Faqlh) die grundlegende Machtstruktur der zu schaffenden Islamischen Republik festlegte und wesentliche Paragraphen der Verfassungen von 1979 und 1989 diktierte, der iranische Revolutionsführer trug ebenso dafür Sorge, daß seine Überzeugungen, Standpunkte, Haltungen und Visionen auch in die Ausgestaltung und Richtungsgebung der einzelnen Machtorgane der Republik Einzug fanden. Die Identität der Islamischen Republik Iran wurde auf diese Weise untrennbar mit dem Wirken und der geistigen Hinterlassenschaft Ajatollah Khomeinis verknüpft. Auch Jahre nach dem Ableben des Revolutionsführers gilt die "Linie des Imäm" weit über Deklarationen und Propaganda hinaus als geistige und politische Richtschnur der iranischen Staatsführung. Selbstverständlich gilt diese Feststellung in besonderem Maße auch für die Außenpolitik der jungen Republik, der Khomeini stets großen Stellenwert beigemessen hatte. Eine Untersuchung der außenpolitischen Konzeptionen der iranischen Staatsführung setzt deshalb auch nach dem Tod des "Imäms" die Berücksichtigung seiner diesbezüglichen Hinterlassenschaft zwingend voraus.
Erste politische Positionsbestimmungen Herkunft, Ausbildung und frühes Wirken Rüholläh Khomeinis ließen seine spätere Rolle und Bedeutung nicht unausweichlich erwarten. Sein Geburtstag ist umstritten. In der biographischen Literatur über den Führer der iranischen Revolution von 1978/79 findet sich in der Spanne zwischen 1900 und 1904 nahezu jedes Jahr wieder. Am wahrscheinlichsten erscheint der 24. September 1902 als der Tag, an dem Rüholläh in dem kleinen Dorf Homein etwa 90 Kilometer südlich von Teheran zur Welt kam.2 Sein Vater wurde schon 1903 in einer Auseinandersetzung mit dem Landeigentümer getötet. Seine Mutter Hagar, Tochter eines örtlichen Geistlichen, übernahm zusammen mit Tanten und älteren Geschwistern die Erziehung des jungen Rüholläh. Religiöse Schwerpunkte rückten dabei nicht nur auf Grund der dörflichen Tradition in den Mittelpunkt, sondern auch wegen des nachhaltigen Einflusses seines älteren Bruders Mortedä, des späteren Ajatollahs Pasandideh. 3 Im Alter von siebzehn Jahren ging Khomeini in die nahegelegene Stadt Arak, um bei Ajatollah cAbdolkarIm Hä 5 eri Yazdl eine umfassende religiöse Ausbildung zu beginnen. 1920 folgte er seinem Lehrer nach Qom. 1926 schloß
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Kapitel I
er seine Studien ab und heiratete 1929 eine Tochter des bekannten Geistlichen Mirzä Mohammad TaqavT Tehränl. Aus der Ehe gingen drei Töchter und zwei Söhne, Mostafä (gest. 1978) und Ahmad (gest. 1995), hervor. Ende der zwanziger Jahre begann der junge Hoggat ol-Esläm auch selbst Vorlesungen zu halten. Sie beschäftigten sich zunächst hauptsächlich mit islamischer Mystik und Philosophie. Bis zum Ende der dreißiger Jahre hatte Khomeini bereits 25 Arbeiten veröffentlicht.4 Die geistliche Lehrerschaft in Qom achtete die Gelehrsamkeit in Khomeinis Schriften, trotzdem unterschieden sie sich inhaltlich und formal noch nicht wesentlich von der Mehrheit der in der Heiligen Stadt Irans veröffentlichten religiösen Abhandlungen. 5 Eine für seine Zukunft wegweisende Überzeugung bildete sich allerdings schon in seiner Jugend heraus - die unverrückbare Gewißheit, daß der Islam zu allen Zeiten und allein in der Lage sei, alle Menschheitsprobleme zu lösen. Die Orientierung auf den Westen oder jedes andere nichtislamische System erschien ihm zunächst nur als unbegreiflicher Irrweg, später als offener Verrat an der Sache des Islam. Warum einer Schimäre nachjagen, wenn der Islam vollkommen ist und Antworten auf jede mögliche Frage bereithält? Zu dieser unbeugsamen Haltung mag beigetragen haben, daß Khomeini, im Gegensatz zu vielen Theoretikern des politischen Islam in der Gegenwart, keine persönliche und unmittelbare Kenntnis des Lebens im Westen besaß. Gezwungenermaßen hielt er sich während seines Lebens nur einmal in einem westlichen Land auf, als er 1978 aus Nagaf in den Pariser Vorort Neuphle le-Chateau wechselte. Dort lebte er aber praktisch in einer Enklave, abgeschirmt und umsorgt durch Dutzende von Anhängern und Sympathisanten. Praktisch fehlte ihm bis zu seinem Lebensende jeder persönliche Augenschein des Lebens in einem westlichen Land. Auch die Klassiker der geistigen Moderne Europas und Amerikas blieben ihm unbekannt. Seinen Schriften und programmatischen Reden fehlt daher auch alles Relative, Abwägende, Vergleichende, wie es in zahlreichen Schriften etwa Ahmad Turäbls oder Räsid GanüsTs, die beide eine fundierte akademische Ausbildung im Westen erhielten, anzutreffen ist. Khomeinis Islambild ist von Anfang an unerschütterlich und ohne Fehl, weil es nie ernsthaften Gefährdungen ausgesetzt war.6 Als in höchstem Maße gefährlich erachtete er allerdings den "Einbruch des Westens" in die Lebenswelt des Islam. Die 1925 nach der Machtergreifung Rezä 3 Shahs massiv einsetzende Reformierung Irans nach westlichen Vorbildern erschien ihm als Angriff auf die grundlegenden Wurzeln des muslimischen Selbstverständnisses. Er sah sich und seine Glaubensgenossen immer nachhaltiger einer Belagerung durch nichtislamische Werte, Normen und Verhaltensweisen ausgesetzt, die die muslimische Identität bedrohte. Khomeini, überzeugt von der Überlegenheit der koranischen Offenbarung Gottes gegenüber jeder anderen Religion und Weltsicht, verlegte sich nicht einmal ansatzweise auf Überlegungen, die geistige Ausein-
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andersetzung mit der westlichen Welt als Chance und Quelle für Reformen im Islam - etwa in der Tradition von Gamal ad-DIn al-Afgänl oder Räsid Ridä wahrzunehmen. Für ihn hatten sich Islam und Muslime nicht etwa zu wenig entwickelt, sondern jede Veränderung oder Modifizierung theologischer oder juristischer Aussagen im Islam barg für ihn eher die Gefahr der unzulässigen Erosion einer göttlichen Verkündigung, die schon zum Zeitpunkt ihrer Offenbarung vollkommen war. Aus der Belagerung herrührende Bedrohungsgefühle waren für ihn deshalb am konsequentesten durch eine - de facto selektive - Wiederbelebung von Doktrinen, Glaubensvorstellungen und Praktiken aus der "intakten, heiligen Vergangenheit"7 zu bekämpfen. Da Khomeini den Westen nicht dortselbst, unmittelbar und aus eigener Anschauung wahrnahm, sah er in ihm stets nur primär das Fremde, das von außen auf die Welt des Islam eindrang und sie bedrohte. O.J. Krieger konstatierte für derartige Konstellationen fast zwangsläufige Verhaltensweisen: "When we cannot bear the psychological bürden created by the Claims of other worldviews, we react out of fear and jump-back into the worldview, religion and culture in which we ... (are) originally rooted..."8 Trotz der sich im Zuge der PahlavT-Reformen verfestigenden antiwestlichen Weltsicht Khomeinis stellten seine ersten zusammenhängenden politischen Äußerungen die Kritik am Westen noch nicht allein in den Mittelpunkt. Ermutigt sowohl durch eine Pause innenpolitischer Repressionen nach der durch die Alliierten 1941 erzwungenen Abdankung Rezä 3 Shahs als auch durch das reale Machtvakuum in Iran bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs, sah Khomeini 1944 die Chance, sein erstes "politisches" Buch -Kasf-e Asrär - zu veröffentlichen. Er rechnete darin mit der "antiislamischen und antireligiösen" Politik der Pahlavi-Schahs ab, wandte sich gegen die Vielzahl säkularistischer Tendenzen in Iran, gegen die Despotie und die zunehmende Orientierung auf den Westen. "Europa ist nichts als eine Gesamtheit von Diktaturen voller UnrechtWenn der Islam den Westen geleitet hätte, wäre man nicht gezwungen, Zeuge dieses wilden Treibens zu sein..."9
Allerdings findet sich in diesem Buch noch keine ausdrückliche Ablehnung der Monarchie. Vielmehr spricht sich Khomeini für eine vollständige Geltendmachung der Verfassung von 1907 aus, die die Rechte und Pflichten des Monarchen festschreibt und der Geistlichkeit wichtige Kontrollfunktionen zubilligt.10 Kasf-e Asrär beinhaltet auch erstmals zwei Politikfelder, die zu den zukünftigen Konstanten seiner Schriften zählen werden. Neben dem Westen betrifft das besonders das Problem des Nationalismus.11 Den im Westen nach dem Westfälischen Frieden entstandenen Nationalstaat lehnte Khomeini kategorisch ab. Dieser Staat sei das Produkt der begrenzten menschlichen Ideen und stehe dem Gesetz Gottes, daß die ungeteilte Welt die
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Heimat aller Menschen sei, entgegen.12 Der Nationalstaat fördere die Ungleichheit der Menschen und bewirke, daß sich eine Nation über die andere erhebe. An dieser Einstellung hielt der Ajatollah sein Leben lang fest. Er nahm den Nationalstaat als Funktion der westlichen, fremden Kultur wahr, seine Übernahme würde die Fremdbestimmung der Muslime weiter verfestigen.13 Insbesondere der Nationalismus, als mögliche ideologische Erscheinungsform des Nationalstaats, erschien ihm immer als "Trick" des Westens, um den Islam zu untergraben. "Nach der Entstehung des Nationalismus im Westen haben ihn seine Lakaien in der islamischen Welt propagiert."14 Islamische Gesetze forderten dagegen die Beseitigung von Grenzen zwischen Staaten und die Schaffung eines allgemeinen Staates (yek kesvar-e hamegäni), der alle Menschen unter eine Fahne und ein Gesetz stelle.15 Muslime sollten daher für die Entmachtung des Nationalstaates und für die Entstehung dieses einheitlichen Gottesstaates eintreten. Khomeinis konsequenter Nativismus, d.h. seine vollständige Ablehnung fremder Kultur und Fremdbestimmung bei gleichzeitiger Idealisierung eigener Normen und religiös-kultureller Werte beinhaltet zudem chiliastische Aspekte im Sinne einer "kollektiven Aufbruchbereitschaft zur Erlangung oder Verwirklichung eines heiß ersehnten 'paradiesischen' Glückszustandes auf Erden"16. Nach dem Sieg der Revolution gelang es Khomeini zunächst, durch diesen nativistisch geprägten Chiliasmus die Mehrheit der iranischen Bevölkerung gegen den Nationalstaatsgedanken zu mobilisieren.17 Es sei allerdings schon an dieser Stelle darauf verwiesen, daß die vielfältigen Zwänge der Administrierung des "Nationalstaats" Iran den Revolutionsführer zu Flexibilität und Kompromissen veranlaßten, die auch den Nationalstaat nicht gänzlich aussparten. Schon unmittelbar in den Revolutionstagen rief es bei seinen Anhängern einige Verwirrung hervor, als Khomeini den Begriff der "Nation" verwendete. "Jede Nation hat das Recht auf Selbstbestimmung"18, erklärte er z.B. im Oktober 1978. In diesem konkreten Fall wurde allerdings rasch klar, daß er mit "Nation" die Muslime meinte, die durch die sarFa miteinander verbunden sind. Er hatte die umma im Sinn und nicht unmittelbar Iran.19 Die vielfältigen inneren und äußeren Bedrohungen für die junge Republik ließen es aber bald unabdingbar erscheinen, den Iranern selbst die islamische Rechtmäßigkeit ihrer patriotischen Gefühle zu bestätigen. Khomeini betonte später wiederholt, daß Nationalismus nicht mit Patriotismus verwechselt werden dürfe. Liebe zum Vaterland und die Bereitschaft, seine Grenzen zu verteidigen, seien keinesfalls mit dem Islam unvereinbar.20 Hierin zeigt sich die möglicherweise unbewußte - aber doch tiefe Verwurzelung Khomeinis in der politischen Kultur Irans, die Uberzeugung, Großes und Dauerhaftes für die Entwicklung der Menschheit geleistet zu haben und dieses Erbe bewahren zu müssen.21 Stolz auf die eigene Herkunft und Selbstbewußtsein auch in der
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Welt des 20. Jahrhunderts sah Khomeini immer in Übereinstimmung mit seiner Islamauffassung. "... the Aryans and the Arabs are not inferior to the Europeans, to the Americans and to the Soviets..."22 Deshalb scheint es auch nur paradox, wenn Khomeini seine Leser auf den letzten Seiten von Kasf-e Asrär mit "Landsleute" (ham-mihanän) und "Patrioten" (Irändüst) anspricht.23
Offene Kritik am Westen Nach dem Zweiten Weltkrieg lösten die USA innerhalb weniger Jahre Großbritannien als westliche Hegemonialmacht in Iran ab. 1953 gilt als das Geburtsjahr einer außerordentlich festen Verbindung zwischen Schah Mohammad Rezä 5 PahlavT und allen darauffolgenden Regierungen der USA. Die CIA hatte in jenem Jahr einen Militärputsch in Iran inszeniert, der Ministerpräsident Mosaddeq stürzte und dem ins Ausland geflohenen Schah die Möglichkeit gab, auf den Pfauenthron zurückzukehren. 1959 zementierte ein Militärabkommen die außerordentlich engen Beziehungen, es entwickelte sich ein nahezu symbiotisches Verhältnis zwischen den Machtambitionen des Schahs und den wirtschaftlich-strategischen Interessen der USA im Mittleren Osten und in der Golfregion. Enthusiastisch forcierte der Monarch den "American way of life" in seinem Land, bei gleichzeitiger Verstärkung eines autokratisch-diktatorischen Regierungsstils. Aufoktroyierte fremde Lebensformen und Verhaltensweisen ebenso wie die allenthalben spürbare politische Unterdrückung häuften in der Mehrheit der iranischen Bevölkerung bis zum Ende der fünfziger Jahre ein erhebliches Widerstandspotential an. Viele Intellektuelle suchten nach geistigen und sozialen Alternativen zu den als fremdbestimmt und repressiv empfundenen Verhältnissen. Wohl nicht von ungefähr erreichte das 1961 erstmals erschienene Buch "GarbzädeghT (Westvergiftung)" von Galäl Al-e Ahmad einen sehr hohen Bekanntheitsgrad, der bis in die Gegenwart anhält. Wie mit einem Seziermesser legte der Autor die großen und kleinen, offenen und versteckten Abhängigkeiten bloß, die Iran an den Westen ketteten und seine Bevölkerung demütigten.24 Auch wenn das Buch nicht unkritisch reflektiert wurde, traf "Garbzädeghi" doch den "Nerv der Zeit" und beeinflußte Generationen iranischer Intellektueller und oppositioneller Politiker, einschließlich der Geistlichkeit. Dafür stehen Namen wie CA1I SarFati und die der Ajatollahs Täleqäni und Motahhari. Der Diskurs berührte zweifelsohne auch Khomeini, der sich zu Beginn der sechziger Jahre von der Woge der Massenpolitisierung mitreißen ließ. In seinen Vorlesungen und Seminaren in Qom knüpfte er nicht nur an seine Kritik des Westens in Kasf-e Asrär an, sondern ging weit darüber hinaus, indem er nun die Monarchie, den Schah, als mindestens ebenso verhängnisvoll für die Lage
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Kapitel I
Irans geißelte. Er zeigte sich in Fragen der Monarchie wesentlich unversöhnlicher als die Parteigänger Mosaddeqs in der illegalen Nationalen Front25 und veranlaßte so, daß sich das geistige und politische Zentrum oppositioneller Aktivitäten in Iran zu Beginn der sechziger Jahre von Teheran nach Qom verlagerte. Dieser Ortswechsel sollte bald erhebliche politische Folgen zeitigen. Der Schah reagierte - in enger Abstimmung mit der Kennedy-Administration - mit einem umfangreichen Reformprogramm auf die politische und wirtschaftliche Krise in seinem Land. Seine politische Basis dünkte ihm zu schmal und mit der Landoligarchie auch zu unbeweglich und unbeständig. Seine als "Weiße Revolution" bezeichneten Reformen sollten im Kern die archaischen Besitzverhältnisse in Iran aufbrechen, die Grundbesitzer an der Wandlung in eine moderne Bourgeoisie interessieren, durch die inhärente Agrarreform eine loyale Bauernschaft hervorbringen, den sozialen Widersprüchen damit die Schärfe nehmen und seine Herrschaft auf ein stabileres Fundament setzen.26 Am 26. Januar 1963 hatte der Schah sein Reformprogramm offiziell verkündet. Nicht zuletzt motiviert durch die eindringlichen Appelle Khomeinis kam es dagegen zu heftigen Protesten unter den Studenten Qoms, gegen die der Schah am 22. März Armeeinheiten einsetzte. Am 3. April verurteilte Khomeini die Gewaltakte des Monarchen, Rede und Gegenrede gingen bis Juni 1963 zwischen Teheran und Qom hin und her. Am 5. Juni veranlaßte Mohammad Rezä 3 PahlavT schließlich die Verhaftung Khomeinis. Von Qom ausgehend, erhob sich daraufhin eine Woge des Protestes, die innerhalb weniger Stunden auch die Hauptstadt erreichte. Der Aufstand vom 5. Juni 1963 (15. Hordäd), den der Schah unter massivem Einsatz der Streitkräfte schließlich niederrang, gilt unterdessen als Vorbote der Revolution von 1978/79. Nichtsdestotrotz mußte der Monarch Khomeini am 2. Juli aus dem Gefängnis entlassen, er stellte ihn aber unter Hausarrest. Spätestens seit diesen Ereignissen war der Ajatollah zur Galionsfigur der antimonarchistischen Bewegung in Iran geworden.27 Er sah die Wirkungen des Westens auf sein Land primär durch die Politik zweier Staaten vermittelt, der USA und Israels. Seine Gegnerschaft zu diesen beiden Ländern sollte eine weitere Konstante seines politischen Wirkens werden. Im Falle Israels mögen auch konfrontative Aspekte des Verhältnisses zwischen Islam und Judentum eine wesentliche Rolle gespielt haben, unter politischen Gesichtspunkten nahm Khomeini den jüdischen Staat allerdings in erster Linie als "Stellvertreter der USA und des Westens" in der Region wahr.28 Im Zusammenhang mit den gewaltsamen Unruhen in Iran im Jahre 1963 unterstellte er dem jüdischen Staat direkte Einmischungsversuche. "It was Israel that assaulted Fayziya Madrasa (Khomeinis Wirkungsstätte in Qom - H.F.) by means of its sinister agents. It is still assaulting us, and
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assaulting you, the nation; it wishes to seize your economy, to destroy your trade and agriculture, to appropriate your wealth."29 In heftiger Form kritisierte er den Schah für dessen politische, wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit mit Tel Aviv. Ihm waren Pläne zur Unterzeichnung eines Vertrages mit Israel hinterbracht worden, der dem jüdischen Staat weiterhin großen wirtschaftlichen Einfluß in Iran und Zusammenarbeit mit Armee und Geheimdienst verschafft hätte. Iran sollte dafür Israel in seinen Konflikten mit den arabischen Staaten mit Erdöllieferungen unterstützen. 30 In der Sicht Khomeinis fungierte Israel gegenüber den U S A aber nur als Juniorpartner. Quantitativ und qualitativ überwogen deshalb auch seine Vorwürfe gegen Amerika. Die Politik des Schahs gegenüber den U S A stand deshalb auch folgerichtig im Zentrum der nächsten Kraftprobe zwischen ihm und Mohammad Rezä 3 PahlavT. Im Oktober 1964 sicherte der Schah allen in Iran tätigen Bürgern der U S A diplomatische Immunität zu. Am 27. Oktober attackierte Khomeini diese Maßnahme mit einem flammenden Appell: "Does the Iranian nation know what has happened in recent days in the Assembly? Does it know what crime has occurred surreptitiously and without knowledge of the nation? Does it know that the Assembly, at the initiative of the government, has signed the document of the enslavement of Iran? It has acknowledged that Iran is a colony; it has given America a document attesting that the nation of Muslims is barbarous, it has struck out all our Muslim and national glories with a black line. By this shameful vote, if an American adviser or the servant of an American adviser should take any liberty with one of the greatest specialists in Shiah law ... the police would have no right to arrest the perpetrator and the courts of Iran have no right to investigate. If the Shah should run over an american dog, he would be called to account but if an American cook should run over the Shah, no one has any claims against him ... I proclaim that this shameful vote of the Majlis is in contradiction to Islam and has no legality."31 Auch dieser Appell sieht die Bewahrung der iranischen Identität eher als religiöse denn als nationale Verpflichtung. Der Protest gegen die amerikanische Dominierung Irans wird durch Khomeini in einen globalen islamischen Kontext gestellt. 32 Gleichzeitig attackierte er aber nicht nur die eigene Regierung und die "korrupten" Parlamentsabgeordneten, sondern er fand auch klare Worte der Ablehnung gegenüber den USA. "Es ist Amerika, das uns unsere Abgeordneten direkt oder indirekt aufzwingt. Es ist Amerika, das den Islam und den Koran als für seine Interessen schädlich betrachtet und zu beseitigen versucht. Es ist Amerika, das die islamischen Gelehrten als Hindernis für die Verfolgung seiner kolo-
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nialistischen Ziele ansieht und sie mit Diskriminierungen, Verhaftungen und Folterungen aus dem Wege zu räumen sucht. Es ist Amerika, das unser Parlament unter Druck setzt, solche verwerflichen Gesetze zu verabschieden, durch die all unsere islamischen und nationalen Errungenschaften mit Füßen getreten werden. Es ist Amerika, das unser islamisches Volk wie Untermenschen und schlimmer behandelt."33
Der Schah nahm den Appell zum Anlaß, Khomeini am 4. November 1964 des Landes zu verweisen. Der Ajatollah wandte sich zunächst in die Türkei, ehe er ab Oktober 1965 für mehr als ein Dutzend Jahre im irakischen Nagaf Zuflucht fand. Die nahezu ausschließliche Fokussierung seiner Westkritik auf die USA zeigt auf indirekte Weise die politische Denkweise Khomeinis. In den Dekaden seiner politischen Aktivität standen die USA eindeutig als politische, wirtschaftliche und militärische Supermacht an der Spitze des Westens und wirkten auch kulturell in vielen Bereichen prägend. Im Fall Irans kam noch hinzu, daß es die USA waren, die westliche Dominanzbestrebungen in diesem Land am deutlichsten manifestierten. In seinen Schriften und Reden gebrauchte Khomeini die USA und den Westen fortan de facto synonym. Für ihn waren die USA für nahezu alle Übel dieser Welt verantwortlich, ihr Wirken behindere die Annahme des Islam durch alle Menschen. "Alle Probleme des Orients sind auf den Westen und auf Amerika zurückzuführen. Alle unsere Probleme kommen von Amerika. Alle Probleme der Moslems kommen von Amerika."34
Immer wieder betonte Khomeini, daß die USA der Hauptfeind Irans und aller Muslime seien. "America is the number-one enemy of the deprived and oppressed people of the world. There is no crime America will not commit in order to maintain its political, economic, cultural, and military domination of those parts of the world where it predominates. It exploits the oppressed people of the world by means of the large-scale propaganda campaigns that are coordinated for it by international Zionism."35
Oder an anderer Stelle: "We, you and our people, all consider America to be their first enemy."36 Der iranische Revolutionsführer charakterisierte sogar die gesamte gegenwärtige Epoche als die der Auseinandersetzung zwischen den Muslimen und den USA. "The present era ... is the epoch of oppression against the Muslim world by America..."37 Die Wortwahl des Ajatollahs blieb über alle Jahre hinweg unverändert und unversöhnlich. Mit den Vereinigten Staaten kann nach seinem Verständnis niemals und unter keinen Umständen eine Verständigung erzielt werden.
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"And our nation, and also Islamic and oppressed nations of the world are proud that their enemy ... are savages who would not hesitate to commit crimes and treacherous acts for their wicked and criminal goals and for obtaining domination and for satisfying their basic interests (and in so doing), they recognize no enemy or friend. Chief among them, America, this self-indulging terrorist, is a government which has inflamed the whole world and its ally is international Zionism, which, in order to satiate her desires will commit crimes which pens are embarrassed to enumerate and tongues likewise to describe..."38 Gänzlich gefangen in dieser eindimensionalen Sicht, wurde Khomeini auch nie müde, seine Anhänger dazu aufzurufen, sich durch den "Teufel Amerika" nicht beirren und vom Weg des Islam abbringen zu lassen. "My dear sisters and brothers, in whatever country you may reside, you must defend your Islamic honour. You must stand fearless against your enemies whether they be America, International Zionism or Eastern or Western super-powers... You must not accept oppression. You must intelligently reveal the evil plans of international and world oppressors and imperialists who regulate them in America."39 Es wäre unvollständig, die Angriffe Khomeinis gegen den "Großen Satan Amerika" nur in diesen eher abstrakten Bereichen zu suchen. Die praktische amerikanische Politik in der Region bot ihm genügend Anlaß, weitere unbequeme und auch für Nichtmuslime verständliche Fragen zu stellen. "Amerika behauptet, Interessen in der Region zu haben. Warum sollte es Interessen in unserer Region haben? Warum sollten die Interessen der Muslime die Interessen Amerikas sein, und warum sollte es daher Interessen in der Region haben?"40 In seinem Bestreben, für seine Anhängerschaft und die Adressaten seiner R e d e n und Schriften stets einen islamischen Kontext für politischen Aussagen zu schaffen, aber auch selbst tief verwurzelt in der islamischen Theologie, projizierte Khomeini islamische Sachverhalte und Begriffe auf politische Tatbestände. Er charakterisierte die USA z.B. permanent als den "Großen Satan". Westliche Analytiker postrevolutionärer iranischer Politik waren nicht immer in der Lage, die volle Bedeutung dieser Metapher Khomeinis zu begreifen, sie setzten sie quasi mit der christlich-jüdischen Rolle des Teufels gleich. Für muslimische Iraner ist die Gestalt des "Großen Satan" aber weitaus vielgestaltiger und facettenreicher als die westliche Mephistopheles-Figur, ihre Übertragung auf eine konkrete Macht beinhaltete daher eine ungleich größere Bedeutung als nur die Herabsetzung eines weit entfernten Feindes. Ihr Gebrauch wurde zum wichtigen Mittel der massenhaften Verinnerlichung revolutionärer islamischer Ideologie. 41
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Im Volksislam gilt der "Große Satan" vor allem als Verführer, der seine Rolle darin sieht, den Menschen vom Pfad zu Gott abzubringen und ihn auf den Weg der Sünde und der Zerstörung zu führen. Der Schwerpunkt seines Wirkens ist dabei der Alltag, das Diesseits. Der Schah konnte in diesem Sinne vom rechten Weg abgebracht werden, aber es waren die USA, die als letztendliche Quelle der Korrumpierung identifiziert wurden. In den iranischen Moscheen wurde Präsident Carter in den Tagen der Revolution als Yazld tituliert, der Schah lediglich als Simr, als General YazTds. Mit der Titulierung der USA als "Großer Satan" konnte das Gegenüber auf diese Weise personifiziert werden. Als ihren gefährlichsten Gegner auf Erden stellte Khomeini die c ulamä dar, die ihre Verantwortung aus der kollektiven Wahrnehmung der Funktion der Imäme bezogen.42 Seine Fähigkeit, "zugleich die eigene charismatische Gemeinschaft zu bestimmen sowie die Gemeinschaft von der Schuld an ihrer eigenen, bis dato vorhandenen Rückständigkeit freizusprechen und diese Schuld mit allem Ressentiment dem anderen zuzuweisen, ist bemerkenswert. Dadurch wird mit einem Schlag die Ehre wiederhergestellt, das Ressentiment in Bahnen gelenkt und eine überzeugende Zustandserklärung gelieferf 4 3 . Über die Kritik der Rolle der USA in der internationalen Arena kam Khomeini zu allgemeineren antiwestlichen Stellungnahmen. Die von beiden Pahlavi-Schahs forcierte Säkularisierung Irans und der damit einhergehende massive Einbruch der westlichen Moderne traf auf seine rigorose Ablehnung.44 Gerade der Modernisierungsaspekt des 1963 eingeleiteten Reformwerks erschien ihm als geeignet, Iran noch unwiderruflicher von seinen islamischen Wurzeln zu entfernen und ausschließlich nach westlichen Normen auszurichten. Auch hier bemühte er in seiner Argumentation wieder das Bild des westlichen "Verführers", der alles daransetzt, daß ihm die Zielpersonen auf seinem Weg folgen, ihn imitieren. "Among the gravest conspiracies ... has been the plot to alienate colonialized countries and make them look to the West... as their model. So much so that those nations eventually lost their self-esteem and their trust in their own cultures (and are) looking to the West... as ... pole(s) of power with a nobler generation and loftier culture and concluded that their countries could not but become dependent on ... them... More saddening, however, is that the (West) ha(s) checked the progress of the nations whom (it) attempt(s) to make consumption-orientated, and install a fear in us of (its) technological advancements and of (its) satanic power and destroy our self-confidence to test our own intuition, so that we entrust whatever we have to (its) hands and sit quiet and blindfolded and leave the administration of the state to those powers. This sense of self-nothingness and this feeling of dullness is inculcated in us by the big powers served to make us distrust our own knowledge and expertise and capacity
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in all areas and let us simply try to Imitate the West ... blindfoldedly ... even though (this) might be totally absurd and ridiculous..."45 Die bloße Imitation des Westens, das Nachahmen seiner Normen und Werte und die Nichtachtung der eigenen Kultur und Geschichte erschienen Khomeini besonders verdammungswürdig. Die Imitation würde den Iranern, Khomeini zufolge, am Ende jegliche Selbstachtung rauben. "Es gibt zwei Dinge, die einander gegenüberstehen - das Herausführen aus der Dunkelheit in das Licht und das Herausführen aus dem Licht in die Dunkelheit - die Bekämpfung der Dunkelheit und das Herausführen der Menschen in das Licht und das Gegenteil: Kampf gegen das Licht und Führen der Menschen in die Dunkelheit. Letzteres kennzeichnet das Handeln der Tyrannen (tagut). Alle Disharmonie ist Dunkelheit, alle Rückständigkeit ist Dunkelheit, alle 'Westvergiftung' ist Dunkelheit. Diejenigen, die ihre Aufmerksamkeit auf den Westen und Ausländer richten, haben den Westen als ihre Gebetsrichtung auserkoren. Sie haben sich in die Dunkelheit bewegt und ihre Heiligen sind Idole. Orientalische Gesellschaften, die sich - geführt von inneren und äußeren Agenten - am Westen orientieren, haben sich selbst verloren. Sie kennen sich nicht mehr. Sie haben ihren Stolz und ihre Ehre verloren und an deren Stelle sitzt ein westliches Bewußtsein... Alle Probleme der Orientalen, darunter auch unsere Probleme und Schwierigkeiten, fußen darauf, uns selbst verloren und etwas anderes an diesen Platz gestellt zu haben. So seht ihr, in Iran, wenn etwas keinen westlichen Namen trägt, wird es nicht anerkannt. Jeder kleine Laden muß einen westlichen Namen tragen. Der Stoff, der in unseren Fabriken gewebt wird, muß ein Etikett in lateinischer Schrift aufweisen, und ihm wird ein westlicher Name gegeben... Wenn der Stoff diese Etikett nicht trägt oder der Laden nicht diesen Namen aufweist, schenken wir ihnen weniger Aufmerksamkeit. Wenn wir uns ein Buch vornehmen, sind wir sehr darauf bedacht, ausländische Worte darin zu finden. Wir haben unsere eigenen Worte und Wendungen vergessen. Die Orientalen haben ihre Ehre vollständig vergessen... Wir haben gute Ärzte, aber unser Bewußtsein ist westlich geworden. Das gilt auch für die Ärzte. Wenn ihr einen aufsucht, sagen sie sofort: 'Sie müssen nach Europa gehen', weil ihr Bewußtsein sie dazu drängt. Sie haben sich selbst verloren. Sie haben ihre Stärke verloren. Wir und sie haben beide unseren Selbstrespekt und unsere nationale Würde verloren. Bis diese Nation nicht aus dieser 'Westvergiftung' findet, wird sie keine Unabhängigkeit erreichen."46 Wiederholt warnte der Ajatollah auch vor der "Verführungskraft" von Schlagworten wie "Modernität" und "Zivilisation". Sie erzeugten in der islamischen Welt häufig ein Minderwertigkeitsgefühl, weil die dortigen Menschen und Gesellschaften den ausschließlich westlichen Inhalten derartiger Begriffe nicht
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entsprechen würden. Für Khomeini transportierten sie aber außerordentlich fragwürdige Botschaften. "But if 'civilization and modernity' is to be interpreted according to the terminology of some professional intellectuals who define it as liberty to engage in religiously prohibited acts, including prostitution ... and the like, then I can only say that the idea is invariably opposed by all divine religions and people, however, the West and the East may advocate the idea and propagate these same practices in their blindfold adherence to conventionalism."47
Eindringlich und nachdrücklich vertrat Khomeini dagegen die Meinung, dem Westen käme es nicht wirklich darauf an, den islamischen Orient aus altruistischen Motiven zu "modernisieren", sondern ihn für seine Wirtschaft adaptionsfähig und für seine Produkte aufnahmebereit zu machen. "The importation of foreign-made products of whatever category, the induced preoccupation of women and men, especially the youth, with a wide variety of imported goods, including cosmetics, luxury items and childish toys, the pitting of people and families against each other in a race for consumption ... and the attraction of our youth ... to prostitution and to places for that purpose and for sensual pleasures ... are schemes for keeping the countries backward."48
Sein Credo in dieser Hinsicht lautete: "Rely on the culture of Islam, resist Western imitation, and stand on your own feet."49
In seiner rigorosen Ablehnung westlicher Modernisierung ließ Khomeini als gläubiger Muslim ein tiefes Dilemma erkennen. Fest davon überzeugt, daß der Islam als letzte Offenbarung Gottes allen früheren, auch monotheistischen Religionen überlegen ist, fiel es ihm schwer, die offensichtliche Vorherrschaft des (christlichen) Westens in der Welt zu akzeptieren. Er behalf sich damit, diese Überlegenheit nur auf materiellem Gebiet zu konzedieren und dem Westen die völlige Negierung spiritueller und ideeller Werte vorzuhalten. Die ausschließliche Orientierung der Menschheit auf diesseitige und materielle Werte würde sie aber unausweichlich an Grenzen führen, die nur durch die spirituelle, d.h. letztlich islamische Läuterung zu überwinden wären.50 Deshalb seine Hervorhebung islamischer Werte wie Bereitschaft zum Martyrium, Selbstlosigkeit, gihäd usw. gegenüber säkularen westlichen Werten wie Fortschritt, Technik, Wissenschaft, Gleichheit der Menschen, nationale Zugehörigkeit und anderes.51 Er geißelte den Westen für seinen angeblichen Anspruch, über die alleinigen Antworten für die Entwicklungsprobleme der Menschheit zu verfügen.
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"This propaganda claims that civilization, science and development are peculiar to imperialist and communist blocs and they - especially Western and more recently American - are the 'superior race' while others are of lower races; therefore, there progress is the result of their 'noble race' and these other people's backwardness stems from their being an imperfect race. They - Americans and Europeans - according to this thinking, are the perfect race and these others are still on the way to perfection which, after millions of years, will gain proportional perfection; therefore, the effort for our own progress is useless and we must either be dependent on the West's capitalism or the East's communism. In other words, we don't have anything and must beg everything from either East or West, be it science, civilization, law or development."52 Da Khomeini die westliche Modernisierungskonzeption ablehnte, konnte er auch keine Unterlegenheit der islamischen Welt gegenüber dem Westen feststellen. Er unterstellte dem Westen vielmehr eine permanente Propaganda, die darauf abziele, diese Unterlegenheitsgefühle im Bewußtsein der Muslime erst zu erzeugen, um sie danach fest zu verankern. "... they (the Western imperialists - H.F.) say: 'The East is backwards from the point of view of thought'... They design these words in the midst of their own society. American media and the media which is directly under the influence of Zionism expresses that."53 An anderer Stelle ergänzte er, wiederum den Verführungsaspekt aufgreifend: "Television series were products of either Western or Eastern countries, tending to lead the young generation of men and women away from the healthy business of life, work, and industry and production and learning, and plunge them into a world of self estrangement or of disrespect for and mistrust of everything native, including their country and even their culture, and their native artefacts, many of which were taken to museums and libraries in the Western and Eastern bloc countries."54 Khomeini plädierte dagegen unbeirrt für ein höheres Selbstbewußtsein der Muslime, Stolz auf ihre Religion und Geschichte mit ihren eigenständigen Werten. Die Parameter, die der Westen für Fortschritt und Entwicklung vorgebe, seien nicht universell gültig. "Als die Kolonialmächte sich durch den wissenschaftlichen und industriellen Fortschritt oder durch die koloniale Unterwerfung und Ausplünderung der Länder Asiens und Afrikas bereicherten, sich ein luxuriöses Leben sicherten, wurden diese Leute (Manipulierte des Westens - H.F.) nervös. Sie meinten, daß man, um den Weg des industriellen Fortschritts einzuschlagen, seine eigenen Gesetze und Überzeugungen wegwerfen muß. Die Tatsache, daß man auf dem Mond gelandet ist, rechtfertigt nach der Auffassung dieser Gruppe die Außerkraftsetzung der eigenen Gesetze.
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Was hat die Landung auf dem Mond mit den islamischen Gesetzen zu tun? Sieht man nicht, daß Länder mit unterschiedlichen Gesetzen und Gesellschaftsordnungen imstande waren, auf den Gebieten des industriellen und wissenschaftlichen Fortschritts und der Eroberung des Weltalls miteinander zu konkurrieren und gemeinsam voranzuschreiten? Wenn sie auf dem Mars landen, die Milchstraße erreichen, fehlen ihnen doch Glück, moralische Werte und seelische Größe; sie sind nicht fähig, ihre gesellschaftlichen Schwierigkeiten zu überwinden. Denn die Überwindung der gesellschaftlichen Schwierigkeiten und des Unglücks erfordert geistige und ethische Lösungen. Materielle Macht, Reichtum, Eroberung der Natur und des Weltalls bieten keine Lösung. Reichtum, materielle Macht und Eroberung des Weltalls bedürfen des Glaubens, der Überzeugung und der Ethik des Islams, um sich zu vervollkommnen, Ausgeglichenheit zu finden und den Menschen zu dienen, anstatt ihnen Unglück zu bringen."55 Gerade weil sich der Westen von seinen religiösen Wurzel getrennt habe, sei sein Fortschritt relativ und fragwürdig. "The deceptive colonialists have tried through their supposed intellectuals (mostly western educated) to isolate Islam and deviate it from its true course, as it happened to Christianity."56 Khomeini vertrat für sein Anliegen dagegen eine sehr optimistische Voraussage: "Die Kolonialisten sind seit drei-, vierhundert Jahren am Werk. Sie fingen bei Null an und erreichten den heutigen Stand. Wir beginnen auch bei Null."57 Politischer Islam als "Drittweltismus"? Eine Reihe namhafter Iranspezialisten machte im Weltbild Khomeinis deutliche Parallelen zum "Drittweltismus" aus.58 Der Vergleich der Tradition des schiitischen Islam mit der Ideologie Khomeinis würde ergeben, daß letztere besser in die Kategorie einer spezifischen revolutionären politischen Ideologie, nämlich dieses "Drittweltismus" passe, behauptete Edwige Durand.59 Die Reislamisierung sei demnach keine lineare Verstärkung bestehender islamischer Traditionen. Vielmehr würden westliche Konzepte und Einflüsse aufgenommen, die die Tradition dynamisierten und veränderten. "Die Dialektik von Re-Islamisierung und Verwestlichung ist nur ein Sonderfall der... Dialektik von kolonialer Unterdrückung und antikolonialem Widerstand. In keinem Fall handelt es sich um singuläre, voneinander strikt abgesetzte Phänomene..."60
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Die auch von Khomeini immer wieder hervorgehobene Zweiteilung zwischen unterdrückten Muslimen und westlichen Unterdrückern entspreche einem weitverbreiteten Ansatz von Intellektuellen und Politikern in der Dritten Welt wie z.B. Frantz Fanon, aber auch CA1I SarfatI, Abolhassan Banlsadr oder Sädeq Qotbzädeh in Iran selbst - die ebenfalls eine schematische Dichotomie zwischen entwickelter, arroganter und repressiver erster, westlicher Welt und politisch, wirtschaftlich und kulturell unterdrückter dritter Welt propagierten. 61 Zentrale Forderungen und Begriffe der Dritten Welt seien von Khomeini lediglich mit Begriffen aus der Sprache des Islam übersetzt worden. Das stehe für die Beseitigung der Unterdrückung (zolm) oder den gerechten Staat (dovlat-e cädel)62 ebenso wie für die klassenlose Gesellschaft (gameceyat bl tabätehe tovhld), Proletariat (mostazcafin - ihrer Rechte Beraubte), Ausbeuter (mostakbarin) oder diktatorisches Regime (nezäm-e tägütl - System des Satans, des Rebellen gegen Gott).63 Das mag auf eine Vielzahl namhafter Theoretiker des zeitgenössischen politischen Islam, die den Westen aus genauer Kenntnis desselben häufig auf dessen theoretischem Terrain und mit dessen Begriffen attackieren, durchaus zutreffen, es kann aber kaum behauptet werden, Ajatollah Khomeini habe sich wissentlich auf diesen Diskurs eingelassen. "Khomeini ... makes no Claims or references to Western thought - he writes as if it does not exist."64 Als politisch denkendem Geistlichen wird Khomeini vielmehr die Denk- und Diskussionsrichtung in der studentischen Jugend und innerhalb der intellektuellen Szene seines Landes nicht entgangen sein. Deren westkritische, "antiimperialistische" Sicht mag ihm als hilfreiche Grundlage für sein Bestreben erschienen sein, die ablehnende Haltung zum Westen wieder in einen islamischen Rahmen zu dirigieren.65 Khomeinis Bemühungen mögen dabei aber auch von Haltungen gesteuert worden sein, die ihre Ursprünge in prägenden Einflüssen vorislamischen iranischen Denkens, etwa der Propheten Zaratustra und Mani, haben, die das Schicksal des Menschen in einem stetigen Kampf zwischen Gut und Böse sahen. Diese dichotomische Weltsicht beeinflußte nachweislich auch den iranischen Schiismus, seine Philosophie und seine Mystik. Als schiitischem Gelehrten waren Khomeini diese Traditionen durchaus vertraut, er bewegte sich - bewußt oder unbewußt - in ihnen.66 Die weitreichende Kongruenz zwischen Khomeinis dualistischer Sicht auf die gerechte, aber unterdrückte islamische Welt, der die westlichen oder im Auftrag des Westens handelnden Unterdrücker gegenüberstanden, und den Haltungen der Drittwelt-Ideologie, die die Mehrheit der Staaten einer wirtschaftlichen und kulturellen Ausbeutung durch eine Minderheit westlicher Staaten ausgesetzt sah, liegt auf der Hand. Beiden Strömungen war darüber hinaus eigen, daß sie in ihrer Wahrnehmung von "uns" und "ihnen", Dritter bzw. islamischer Welt und dem Westen kaum Zwischentöne zuließen, nur selten auf
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Überschneidungen zwischen den "Lagern" bzw. auf Widersprüche und Probleme innerhalb der jeweiligen "Welten" verwiesen.67 Dieser Kongruenz ist es auch zuzuschreiben, daß Khomeinis Ideen, wiewohl sie in der islamischen Tradition wurzelten, eine außerordentliche Brisanz in der Gegenwart entwickelten. "Both the ideas themselves, and even more the political and social effect they had, were novel, dependent upon modern social conditions and modern political debates on which they drew quite freely, though without attribution"68, bemerkte Fred Halliday richtig. Trotzdem blieb das Verhältnis zwischen Khomeinis politischem Islam und dem Drittweltismus ein dialektischer Widerspruch. Die partielle Interessenübereinstimmung führte nicht zur Austauschbarkeit bzw. zum Ineinanderaufgehen. Der islamische Staat Khomeinis besondere Bedeutung besteht darin, daß er - im Gegensatz zu vielen anderen muslimischen und nicht-muslimischen Analytikern und Kritikern des Westens - sein Wirken nicht auf die Analyse beschränkte, sondern eine Synthese zwischen seinen Ideen und Visionen und der gesellschaftlichen und politischen Realität anstrebte. In zahlreichen Diskussionen mit Religionsstudenten in Nagaf festigte er seine Überzeugung, daß die Verbreitung der Botschaft des Islam und der Gesetze Gottes letztlich nur durch die Formierung einer islamischen Regierung möglich sei. Eine islamische Regierung in einem islamischen Staat werde zur unabwendbaren Notwendigkeit, wenn wirklich eine Regierung des Rechts, eine Regierung Gottes vermittels seines Rechts, etabliert werden soll.69 Diese Grundüberzeugung durchlief in den sechziger Jahren verschiedene Stadien der Entwicklung70, ehe sie schließlich in seinem Hauptwerk "Velä-yat-e FaqIh"(Die Herrschaft des Rechtsgelehrten, auch unter "Der islamische Staat" bekannt) gipfelte, das 1970 erstmals als Sammlung von um dieses Thema gruppierten Reden und Aufsätzen erschien. Mit seiner zentralen Forderung nach der Errichtung eines islamischen Staates unter der Führung eines Geistlichen war Ajatollah Khomeini endgültig Politiker geworden. In strikter Ablehnung der de facto-Unterscheidung von religiöser und politischer Autorität im traditionellen iranischen Schiismus71 begründete Khomeini in "Veläyat-e FaqTh" seine Auffassung, daß die Trennung der Religion von der Politik und ihre Beschreibung als Regelwerk von Gebet und Ritual dem Geist und den Lehren des Islam fundamental widersprächen. Der Islam sei vor allem ein göttliches Gesetz, nicht dazu gegeben, um studiert und in religiösen Schulen gelehrt, sondern angewendet und in Form eines Staates institutionalisiert zu werden. Der Prophet habe eindeutig einen islamischen Staat vorgesehen.72 Die Trennung sei daher künstlich und den Muslimen vom imperialistischen Westen
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aufgezwungen worden, um sie besser kontrollieren und ausplündern zu können. "Während der Besetzung Iraks fragte einmal so ein Kerl, ein englischer Militär, ob das, was der Gebetsrufer vom Minarett ausruft, der Politik Englands schadet. Die Antwort war: 'Nein'. Dann sagte er: 'Laßt ihn rufen!' Wenn ihr euch nicht gegen die Politik der Kolonialisten wendet, wenn ihr den Islam nur als Bündel Gesetze betrachtet, immer nur von ihnen redet und diese Sphäre nie verlaßt, unternimmt niemand etwas gegen euch. Ihr könnt rituelle Gebete verrichten, soviel ihr wollt. Sie wollen euer Erdöl. Um eure rituellen Gebete kümmern sie sich nicht. Sie wollen unsere Bodenschätze. Sie wollen unser Land zu einem Absatzmarkt für ihre Waren machen. Deshalb verhindern die ihnen hörigen Regierungen die Industrialisierung unseres Landes. Oder sie konzentrieren sich auf die Schaffung abhängiger Industriezweige und Montageindustrie. Sie wollen verhindern, daß wir wie Menschen leben, da sie Menschen fürchten. Wenn einmal Menschen da sind, vermehren sie sich, üben auf ihre Umgebung Einfluß aus und könnten es zum Sturz der Despotie, des Kolonialismus und der abhängigen Regierung bringen."73 In ähnliche Richtung zielten auch seine Anklagen gegen westliche Islamspezialisten, die er als Handlanger des Kolonialismus bezeichnete. Dem Westen liege die Missionierung fern, ihm genüge die Trennung der Muslime von ihrer Religion. "Auf der anderen Seite versuchen einige Orientalisten, die Handlanger kolonialistischer Propagandainstitutionen sind, die Wahrheiten des Islams zu entstellen. Die Propagandisten des Kolonialismus sind in den islamischen Ländern am Werke, unsere Jugend durch irreführende Propaganda von uns zu trennen. Sie wollen sie nicht zu Juden oder Nazarenern machen, sondern zu verdorbenen, ungläubigen und leichtsinnigen Menschen. Das genügt den Kolonialisten."74 Große Beredsamkeit entwickelte Khomeini auch bei seinen Versuchen, die Adressaten seiner Schrift davon zu überzeugen, daß der Islam durchaus dazu geeignet sei, die Grundlage für die Führung eines modernen Staatswesens zu bilden. "Sometimes they (propagate) ... that the edicts of Islam which were established one thousand and four hundred years ago cannot possibly be relied on as laws on the basis of which to administer countries in the present Century; that Islam is a reactionary religion opposed to every innovation and to the manifestation of modern civilization, or that in the present era the world's countries cannot discard the world's civilization and its manifestations."75
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Wie der Titel seines Buches verhieß, beantwortete Khomeini auch die Frage, wer in einem islamischen Staat herrschen sollte - die Rechtsgelehrten. Er spricht sowohl von der Herrschaft als auch vom Wächteramt der Rechtsgelehrten. Dieser scheinbare Widerspruch löst sich dahingehend auf, daß eigentlich das islamische Gesetz herrschen sollte. Da sich nach dem Sieg der cUsüliyaRichtung in der Schia durchgesetzt hatte, daß nur die mugtahids zu einer gültigen Interpretation und schöpferischen Weiterentwicklung der sarica befähigt seien76, führte das zu der logischen Schlußfolgerung, daß nur die Rechtsgelehrten eine Herrschaft des Rechts garantieren könnten. Khomeini zufolge berechtige sie ihr Führungsamt zu nichts anderem als zur getreuen Erfüllung der islamischen Gesetze.77 Dabei seien zur "Ausübung der Regierungsfunktion ... alle diejenigen Rechtsgelehrten gleichermaßen qualifiziert, die über das religiöse Wissen und die persönlichen Qualitäten von Moral und Gerechtigkeit verfügten"78. Mit diesem Ansatz revolutionierte Khomeini die schiitische Theologie. Aus der Vielzahl von Doktrinen, Praktiken und Interpretationen, die die schiitische Tradition bereithielt, nahm er eine wohlüberlegte Auswahl vor, die auch die lange unbeachtet gebliebene Doktrin vom "Wächteramt des Rechtsgelehrten" umfaßte.79 c Abd al-AzTz SähedTna bezeichnete deshalb die Wiederbelebung von Lehren, die es ermöglichten, ein islamisches System zu schaffen, das sich modernen Gegebenheiten anpaßt, als selektiven Vorgang. Diese "Form von Fundamentalismus kann man als einen aktivistischen Reaktionstypus beschreiben, der sich durch eine kreative Interpretation religiöser Ideen und Symbole auszeichnet, um sie auf die gegenwärtige moslemische Geschichte anwenden zu können."80 Das eigentlich Revolutionäre bestand aber in der in Aussicht gestellten Möglichkeit, daß das Reich von Frieden und Gerechtigkeit nicht letztendlich nur vom Imäm Mahdl herbeigeführt würde, sondern daß dazu auch bestimmte andere Menschen in der Lage wären. Die Unvollkommenheit der Welt höre damit auf, eine hinzunehmende Tatsache zu sein. Um eine gerechte Ordnung einzuführen, müsse man keineswegs auf die Rückkehr des verborgenen Imäm warten, schon gar nicht solle man versucht sein, diese Rückkehr durch Beförderung von Sünde und Niedergang zu beschleunigen.81 Erwartungsgemäß stieß diese Abkehr Khomeinis von der unveränderten Gültigkeit des Gebots, einzig legitime Macht dem zwölften Imäm zuzugestehen, auf erbitterten Widerstand innerhalb der schiitischen Geistlichkeit.82 Dabei gereichte es Khomeini allerdings zum Vorteil, daß die iranische Geistlichkeit erst relativ spät umfassende Kenntnis von seinen Ansichten und Plänen erhielt. Bis in die späten siebziger Jahre untersagte der Schah jeden Kontakt zu dem Geächteten in Nagaf. Als Khomeini ab 1979 seine Vorhaben in die Tat umsetzte, wurde er von einer so massenhaften Unterstützung getragen, daß Widerspruch, selbst von höchster schiitischer Autorität, kaum Gehör fand. Das
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Schicksal von Großajatollah SarPatmadäri, der sich wiederholt gegen das Prinzip der Herrschaft des Rechtsgelehrten aussprach, um schließlich, unter Hausarrest gestellt, vereinsamt zu sterben, steht dabei auch für das Scheitern zahlreicher weniger prominenter Geistlicher. Nur so ist erklärlich, daß die Kritik von Muhammad Gawäd Mugnlya, einem hochangesehenen libanesischen schiitischen Gelehrten, an Khomeinis Buch "Veläyat-e Faqih" in der Literatur am breitesten reflektiert wurde. Mugnlya hatte mehrfach Gelegenheit, Khomeini in Nagaf und Karbala zu besuchen und mit ihm zu diskutieren. Auch im Anschluß daran beharrte Mugnlya auf seiner Ansicht, daß nur die zwölf Imäme berechtigt seien, legale Macht auszuüben, während auch Khomeinis Faqih lediglich dazu befugt sei, islamisches Recht zu interpretieren und zu sprechen.83 Im Mai 1979 veröffentlichte Mugnlya in Beirut ein Buch unter dem Titel "Al-HumainI wa'd-dawla al-islämlya", in dem die Kritik an der von Khomeini avisierten Übertragbarkeit der "wiläya" des Imäms oder der Imäme auf den Faqih eine zentrale Position einnahm. Khomeinis gewachsene Stellung in der islamischen Welt berücksichtigend, betonte auch Mugnlya das enge Verhältnis von Staat und Religion im Islam. Er lehnte aber weiterhin die Herrschaft der Geistlichkeit ab. Dabei argumentierte er mit vielen Beispielen, wo Geistliche sich geirrt und fragwürdige Urteile abgegeben hatten. Die fehlerhafte menschliche Natur des Faqih spreche gegen eine Übertragung der Macht des unfehlbaren Imäms auf ihn, vielmehr würden eventuelle politische Fehlentscheidungen dem Ansehen der Geistlichkeit und des Islam schaden.84 Es spricht für die tiefe Überzeugung von der Richtigkeit seiner Ansichten, daß sich Khomeini auch durch prominente Kritik an seinem Prinzip der Herrschaft des Rechtsgelehrten nicht davon abhalten ließ, es in die Tat umzusetzen. Die Außenpolitik des islamischen Staates Mit der Revolution von 1978/79 waren in Iran die Voraussetzungen dafür geschaffen worden, Khomeinis Staatsidee in die Praxis umzusetzen. Er besaß klare, wenn auch wenig detaillierte Vorstellungen über den Aktionsraum, in dem der islamische Staat zukünftig agieren sollte. Entsprechend seiner zutiefst dualistischen Weltsicht hatte sich das "wir" zum Staat verfestigt, der seinen Platz nun gegenüber "ihnen" bestimmen mußte. "Wir" und "sie" waren vor allem durch Macht und Ideologie scharf voneinander getrennt. Khomeini erkannte an, daß "sie" vom Standpunkt der realen politischen Macht überlegen waren. Dabei unterschied er zu seinen Lebzeiten, die international vom Ost-WestKonflikt geprägt waren, nicht grundsätzlich zwischen westlichem Kapitalismus und östlichem Kommunismus. Im gegnerischen Lager versammelten sich somit die Staaten, die über andere Macht ausüben, sie unterdrücken und ausbeuten.
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Er bedachte sie mit dem islamischen Begriff "mostakbarin". Das Lager bestand für ihn aus den beiden Supermächten und wenigen mit ihnen verbündeten Staaten. Sie stehen der großen Masse der unterdrückten Länder - mostazcafIn gegenüber, die in unterschiedlichen Abhängigkeitsverhältnissen zu ihnen stehen.85 Farhang Rajaee verglich diesen Ansatz mit dem "secondary states system" von Martin Wright.86 Demnach habe sich ein internationales System herausgebildet, in dem formal unabhängige Staaten real von anderen politisch und wirtschaftlich abhängig sind und deren Autorität unterstehen. Er nannte das Römische Reich, das abbasidische Kalifat und das kaiserliche China als Beispiele für "secondary states systems" in der Vergangenheit. Laut Rajaee existierten für Khomeini in der Gegenwart zwei derartige Systeme, eines angeführt von den USA und das andere unter der Hoheit der Sowjetunion.87 Beide stünden aber auf einer Seite, wenn es um die Ausbeutung und Unterdrückung der Dritten Welt gehe. Er führt dazu eine Äußerung Khomeinis anläßlich des Jahrestages der Besetzung der USA-Botschaft in Teheran an, in der der Ajatollah erklärte: "The threat to the world today stems from the two superpowers. They have manipulated the whole world under their own control and use it for their own interests. They formulate plans, some of which, such as the building of arsenals, are dangerous for humanity."88
Auf der Seite der mostaz c afin ließ Khomeini aber eine weitere Unterteilung zu. Zu ihnen gehörten seiner Meinung nach die muslimische umma, d.h. die supranationale Gemeinschaft der Muslime, deren Macht sich in dem Maße erhöhen werde, wie mehr und mehr Muslime ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen, islamische Regierungen bilden und eine gemeinsame Front gegen die Feinde des Islam formieren. Zugehörig seien aber auch die nichtmuslimischen Bewohner von Dritt-Welt-Ländern, die sich in natürlicher Allianz mit der umma befänden. Ihre miserable Lage und die Hoffnungslosigkeit ihrer Lebensumstände berge die große Hoffnung, daß sie in ihrer Mehrheit zum Islam fänden.89 Zwar hätten sich einige dieser unterdrückten Länder während des Ost-West-Konflikts mit der Nichtpaktgebundenen-Bewegung eine eigene Institution geschaffen, da diese aber nicht eine wirklich alternative Politik hervorgebracht habe, sei ihr Veränderungpotential gering geblieben.90 Eine rasche Abhilfe an dieser ungerechten Weltordnung könne nur die Verlagerung des Kampfes auf das Feld der Ideologie bringen, konkret der islamischen Weltanschauung, denn diese sei dem westlichen und östlichen Materialismus spirituell mindestens in dem Maße überlegen, wie der es auf dem Gebiet der politischen Macht sei. Demnach ergebe sich eine neue Teilung zwischen denjenigen, die Gottes Weg folgen und denjenigen, die den "korrupten" Weg gingen, den "Pfad Satans und des Unglaubens".
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Entsprechend dieser Aufteilung verwischten sich für Khomeini die Unterschiede zwischen Kapitalismus und Kommunismus bis zur Unkenntlichkeit, denn wenn es um den Islam geht, werden westlicher Liberalismus und östlicher Kommunismus austauschbar. Beides seien menschliche Schöpfungen (makätebe ensäm), die dem göttlichen Gebot des Islam unterlegen seien. Aus dieser Sachlage entstehe eine unüberbrückbare Gegnerschaft. "Never confuse the Noble Qur'an and the salvation-bestowing path of Islam with erroneous and delusive schools of thought that are the product of the human mind. You must be aware that as long as the people of Islam are subjected to these imperialist schools, as long as they compare divine laws with those other schools and put them together on the same level, tranquillity and freedom will be denied to the Muslims."'1
Es ginge weder um West noch um Ost, weder um Kapitalismus noch um Kommunismus, sondern um den Islam.92 Nur der Islam könne den Gegensatz zwischen Unterdrückern und Unterdrückten dauerhaft aufheben, denn die Geschichte halte viele Beispiele bereit, in denen die vormals Unterdrückten die neuen Unterdrücker wurden. Die unwandelbaren Gesetze des Islam würden diesen Kreislauf hingegen unterbinden.93 Laut Khomeini hätten die Unterdrücker diese vom Islam ausgehende Gefahr für sie längst erkannt und würden deshalb gemeinsam gegen den Islam und insbesondere gegen die Islamische Republik Iran vorgehen. Er wertete die Gegnerschaft des Westens als untrügliches Zeichen für die Richtigkeit des eingeschlagenen Weges. "We and other oppressed nations of the world are proud that international mass media and the propaganda machine accuse us of crimes and treasons that only the criminal superpowers dictate and order. What pride would be more sublime and more dignified than to witness that America, despite her claims, military machine, her puppet governments, her having access to the wealth of the oppressed nations, and her control of mass media, failed and lost face before the upright nation of Iran... You should know that the more the international mass media is antagonistic towards you, the more it reflects your divine power..."94
Die Irritation, häufig sogar offene Gegnerschaft, die Khomeini im Westen und im Osten hinsichtlich der iranischen Revolution und den von ihr transportierten Inhalt ausmachte, existierte nicht nur in seiner Einbildung. Sein radikaler Versuch, internationale Gesetze neu zu interpretieren, völkerrechtliche Verhaltensnormen und Konventionen zu "islamisieren" und damit das im wesentlichen westlich geprägte und dominierte internationale System nach seinen Ideen umzugestalten, mußte insbesondere das westliche Staatensystem herausfordern.95 Khomeini trat auf der internationalen politischen Bühne immerhin nicht nur als Kritiker und Mahner auf, sondern er propagierte ein eigenes
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Herrschafts- und Regierungssystem, dem er universelle Geltung verschaffen wollte." Letztlich bewirkten die zahlreichen Attacken aus dem In- und Ausland gegen die islamische Revolution aber nur, daß Khomeini in den achtziger Jahren noch weniger zwischen den tatsächlichen oder vermeintlichen Feinden der islamischen Revolution differenzierte. Mochten die Gegner aus dem Osten oder dem Westen kommen, mochten sie ein sozialistischer, ein kapitalistischer Staat oder ein Entwicklungsland sein, es entschied eine einfache Formel: Alle diejenigen, die gegen die Islamische Republik Iran argumentierten oder handelten, waren Imperialisten, alle, die sie unterstützten, wahre Muslime.97 In sehr allgemeiner Form umriß Khomeini auch die Ziele und Methoden, denen die Außenpolitik eines islamischen Staates folgen sollte. Da für ihn der Islam ein vollständiges und vollkommenes System war, das für alle Aspekte des Lebens Normen setzte und Hinweise bereithielt, besaß es universelle Geltung. Dem Islam mußte in seiner Gesamtheit und nicht nur in beliebigen Bestandteilen Weltgeltung verschafft werden.98 Demzufolge rief er die Muslime in aller Welt immer wieder auf, sich gegen ihre mächtigen, aber "degenerierten" prowestlichen und prosowjetischen Herrscher zu erheben und einen islamischen Staat zu errichten.99 Sein Ideal für das politische Wirken des Islam war die umma zu Zeiten des Propheten und Imäm cAlis. Als deren korrespondierendes Gegenstück in der modernen Welt sah er die islamische Welt in ihrer Gesamtheit an, d.h. alle Nationalstaaten, in denen die Muslime die Mehrheit der Bevölkerung stellten. Allerdings achtete Khomeini die Chancen für eine islamische "Weltrevolution" gering, vielmehr sollten sich die Muslime innerhalb dieser Nationalstaaten auflehnen und über die sukzessive Schaffung islamischer Staaten die Voraussetzung für die Existenz einer umma ohne nationale Grenzen schaffen, vereint in Wort und Tat unter dem Banner des Islam. "We have in reality then no choice but to destroy those systems of government that are corrupt in themselves and also entail the corruption of others, and to overthrow all treacherous, corrupt, oppressive and criminal regimes. This is a duty that all Muslims must fulfil in every one of the Muslim countries, in order to achieve the triumphant political revolution of Islam."100
Khomeini sah die iranische Revolution als Ausgangspunkt für eine weltweite Ausbreitung der islamischen Staatsidee. Sie sollte Kern dieser Bewegung und gleichzeitig Beispiel sein. Nichts lag ihm ferner, als die islamische Revolution auf Iran zu beschränken. "Die iranische Revolution gehört nicht allein Iran, denn der Islam gehört nicht einem bestimmten Volk. Der Islam ist der gesamten Menschheit offenbart worden, nicht nur Iran... Eine islamische Bewegung kann sich
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daher nicht nur auf ein bestimmtes Land beschränken, nicht einmal nur auf islamische Länder, denn sie ist die Fortsetzung der Revolution des Propheten."101 Immer wieder betonte er die Verantwortung der iranischen Revolution, die islamische Botschaft zu verbreiten. "The Islamic Republic intends to implement the ordinances of the Qur'an and those of the messenger of God in all countries. Iran is the starting point. It intends to demonstrate to all countries that Islam is based on equality, brotherhood and unity."102 Damit hatte er die wesentliche Methode der Außenpolitik des iranischen islamischen Staates umrissen, nämlich die Revolution zu "exportieren". Revolutionsexport (Sudür-e Enqeläb) wurde zum bestimmenden Credo der frühen, von Khomeini direkt bestimmten iranischen Außenpolitik. "Wir werden unsere Revolution in alle Welt exportieren, weil sie eine islamische ist. Der Kampf wird solange fortgesetzt, bis überall der Ruf zu hören ist: 'Es gibt keinen Gott außer Gott und Muhammad ist sein Prophet'. Solange Menschen auf dieser Erde unterdrückt werden, wird unser Kampf fortgesetzt."103 In der Praxis umfaßte der Revolutionsexport ein vielfältiges Instrumentarium: Waffen, finanzielle Unterstützung, und Ausbildung für muslimische Oppositionsbewegungen in anderen Ländern, die Ausrichtung internationaler islamischer Kongresse, die Nutzung von elektronischen und Printmedien für eine umfangreiche Propaganda und vieles mehr.104 Auch wenn Khomeini immer wieder versicherte, daß er unter Revolutionsexport keinesfalls die Durchsetzung der islamischen Revolutionsideale mit militärischer Gewalt verstehe,105 ließ er doch nie Zweifel daran aufkommen, daß er damit lediglich eine militärische Intervention Irans zu diesem Zweck ausschloß. Die Idee der Auflehnung sollte hingegen sehr wohl exportiert werden. "Wir unterstützen alle Völker unter Fremdherrschaft, die kämpfen, um Unabhängigkeit und Freiheit zu erreichen. Wir sagen ihnen aber auch sehr direkt, daß ein 'Recht' etwas ist, das erkämpft werden will. Sie sollten aufstehen und der Herrschaft der Supermächte in der Welt ein Ende machen."106 In diesem Zusammenhang verwendete er besonders häufig den gihäd-Begriff. "Give the people Islam, then, for Islam is the school of jihad, the religion of struggle; let them amend their characters and beliefs in accordance with Islam, and transform themselves into a powerful force, so that they may overthrow the tyrannical regime imperialism has imposed on us and set up an Islamic government."107
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Er ging dabei soweit, Muslime in islamischen Ländern zu legitimieren, Herrscher, die sich nicht an islamische Gesetze hielten, exemplarisch zu bestrafen. "If certain heads of state of Muslim countries...permit foreigners to expand their influence ... they automatically forfeit their posts... Furthermore, it is the duty of the Muslims to punish them by any means possible."108
Es sollte sich allerdings nach dem Sieg der islamischen Revolution zeigen, daß Khomeini und seine Anhänger von einigen besonders optimistischen Hoffnungen des Revolutionsexports Abschied nehmen mußten. Der außenpolitische Praktiker Khomeini hatte als Staatstheoretiker stets im Rahmen allgemeingültiger Normen und Bestimmungen gedacht. Seine Vorstellungen über den islamischen Staat waren nicht an eine bestimmte Nation oder an ein bestimmtes Volk gebunden, sondern legten lediglich fest, welche Voraussetzungen unabänderlich seien, um einen wahrhaft islamischen Staat zu errichten. Im Grunde genommen hatte Khomeini die umma vor Augen, als er den islamischen Staat konzipierte. In diesem Sinne war der islamische Staat eigentlich ein universeller Staat. Noch in den Wochen und Monaten nach der Machtübernahme in Iran sprach der Revolutionsführer de facto nicht über Iran, sondern über die Aufgabe, einen islamischen Staat für die umma aufzubauen. Es kostete seine Umgebung einige Mühe, ihn zu überzeugen, daß er die Macht in einem Gebiet mit vorher definierten territorialen Grenzen übernommen hatte und es zunächst nur darum gehen könne, in diesem Gebiet - Iran - einen islamischen "Muster"staat zu errichten, der der umma ein Beispiel setzen könne.109 Für Khomeini war es zunächst nicht einmal unabdingbar, daß der Präsident der Islamischen Republik Iran ein Iraner und nicht nur schlechthin ein Muslim sein müsse.110 Wie rasch er jedoch lernte, die Realität zu berücksichtigen, zeigt u.a. seine Ablehnung von Galäl ad-DIn FärsI als Kandidat für die erste nachrevolutionäre Präsidentenwahl unter dem Vorwand, daß dessen Vorfahren nicht aus Iran stammten. Auch die anderen vielfältigen Zwänge, die auf ihn zukamen, als es galt, einen jungen, revolutionären Staat durch die Klippen des Alltags zu führen, taten aber bald ein übriges, um ihn zum Umdenken zu bewegen. Im Grunde genommen existierten für Khomeini nur zwei Möglichkeiten: Entweder er versuchte weiterhin seine universellen Ambitionen umzusetzen und riskierte damit die Niederlage der Revolution, oder er konzentrierte sich mit aller Kraft auf den Aufbau des islamischen Staates in Iran, um zunächst erst einmal Sicherheiten zu schaffen, auch wenn damit Verzögerungen in seinen weiterge-
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steckten Plänen verbunden waren. Es spricht für die politischen Führungsqualitäten Khomeinis, daß er sich für die zweite Variante entschied. Trotzdem blieb sein Vorgehen ein Balanceakt. Als iranisches Staatsoberhaupt konnte er die Idee des Nationalstaates nicht grundsätzlich ablehnen, als revolutionärer islamischer Führer war er hingegen gehalten, seine Verpflichtungen gegenüber der nationalen Idee nicht über die gegenüber der umma zu stellen. Um zu einer handhabbaren Vorgehensweise zu gelangen, legte Khomeini seine Anhänger auf drei Prämissen fest, die ihre Vorläufer schon in den in Kasf-e Asrär geäußerten Überlegungen hatten. Erstens seien Heimatliebe und Patriotismus gestattet und natürlich. Nur wenn diese zu Konflikten zwischen Muslimen führten, widersprächen sie dem Geist des Koran. Zweitens sei der Islam in jedem Fall stärker als der Nationalismus, denn er fördere in höherem Maße Loyalität und setze diese voraus. Drittens sei es nötig, die iranische Nation zu stärken, um sie in die Lage zu versetzen, die Bewegung für die Einheit der Muslime zu führen. "The preservation of the Islamic Republic (Iran) is a divine duty which is above all other duties."111 In der praktischen Außenpolitik setzte sich vor allem die dritte Prämisse durch. Khomeini selbst bezog seine diesbezüglichen Erklärungen nun fast durchweg auf die Stärkung der iranischen Nation, sprach vom Export der Revolution über iranische Grenzen hinaus und identifizierte die Hauptfeinde der Revolution, die USA, Israel und die Sowjetunion, in ihren territorialen Grenzen.112 Die grundsätzliche Ambivalenz in Khomeinis Wirken als Staatsmann blieb allerdings erhalten. Immer wieder erinnerte er seine Landsleute daran, daß die Revolution nicht in erster Linie für wirtschaftliches Wohlergehen, ein anderes politisches System oder für die Erhaltung der territorialen Integrität Irans stattgefunden habe, sondern für den Islam.113 Er blieb bei seiner Überzeugung, daß die Revolution nur dann wirklich erfolgreich genannt werden dürfe, wenn sie den Menschen in seiner spirituellen Verfaßtheit auf den Pfad des Islam zurückgeführt habe; wirtschaftlicher Erfolg, politische und soziale Gerechtigkeit, kultureller Aufschwung usw. stellten sich dann automatisch, gewissermaßen als Dreingabe ein. Auf der anderen Seite konnte er sich der Erkenntnis nicht verschließen, daß in der alltäglichen Realität sein primär auf die innere Vervollkommnung des Menschen ausgerichteter Politikansatz nicht genügte, um die Fülle praktischer Fragen zu bewältigen. So mußte er sich als Staatsmann beispielsweise auch zu Problemen von Technologie und Wirtschaft äußern. "I must hasten to add that our need for advanced countries is indisputable, but that is not to be vanced technology and scientific know-how we either of the two power blocs politically. Our
industries of progressive interpreted that for adwill have to depend on government and armed
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forces should make an effort to send self-committed students for higher studies to the countries which do not adhere to colonialism or pursue colonialistic policies rather than send them to the U.S..."114 An neuralgischen Punkten der iranischen Innen- und Wirtschaftspolitik legte Khomeini auch später ein hohes Maß an Pragmatismus an den Tag. Eine ähnliche Ambivalenz kennzeichnete auch sein Wirken als Außenpolitiker. Auf der einen Seite stehen sein Ideal einer vollkommen unabhängigen und von außen unbeeinflußten Entwicklung der Islamischen Republik, das er selbst in Perioden extremen äußeren Drucks (z.B. Wirtschaftssanktionen, Geiselaffäre) mit den Worten "wir müssen isoliert sein, um unabhängig werden zu können"115 umriß, und sein ungebrochenes Sendungsbewußtsein. "Ich beschwöre alle Länder im Osten und in Afrika, alle Länder unter Knechtschaft und Unterdrückung, sich zu vereinigen, um der kriminellen amerikanischen Regierung die Hände zu binden. Die Hände der amerikanischen Regierung und die anderer Supermächte sind besudelt mit dem Blut unserer Jugend und dem anderer unterdrückter und kämpferischer Völker der Welt. Wir werden diese Mächte bis zum letzten Blutstropfen bekämpfen, weil wir mutige und kämpferische Menschen sind."116 Oder nicht minder deutlich: "Wieder erhebe ich meine Stimme in Unterstützung für die Befreiungsbewegungen der Welt und wünsche ihnen den Sieg bei der Gestaltung ihrer eigenen freien Gesellschaften. Die islamische Regierung wird ihnen helfen, soweit es in ihrer Macht steht und es ratsam erscheint."117 Auf der anderen Seite äußerte er nicht weniger häufig Worte der Mäßigung und des Ausgleichs. So erkannte er bald die Unmöglichkeit außenpolitischer Isolation in der modernen interdependenten Welt, stellte diese Erkenntnis aber als Sieg über die "Machenschaften der Supermächte" dar. "Die Supermächte und die USA haben gedacht, daß Iran ... in die Isolation gedrängt werden könne. Das ist nicht passiert, sondern unsere Beziehungen mit Ausländern haben sich ausgeweitet. Jetzt argumentieren manche, Beziehungen mit Regierungen seien nutzlos, wir sollten lieber Beziehungen zu Völkern unterhalten. Das widerspricht der Vernunft und der sarPa. Wir müssen mit Regierungen Beziehungen pflegen."118 Ein Jahr später vertiefte er den Gedanken auf eine Weise, die sogar sein Verständnis für Prozesse der Globalisierung nahelegen. "...we do not want to live in a country which is isolated from the rest of the world. Today's Iran cannot be that way. Other countries cannot close their borders to others either; it would be irrational. Today the world is like one family, one city. In the present world circumstances we should not be isolated."11'
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An anderer Stelle verkündete er: "Our relations with all foreigners will be on the basis of the principle of mutual respect. In these relations we will not submit to oppression, nor will we seek to oppress anyone. With respect to all contracts, we will act on the basis of the political, social, economic and cultural interests of our own people."120 Übereinstimmend mit dem Bestreben, nicht in die außenpolitische Isolation zu geraten, erklärte Khomeini: "Der Islam wünscht der Freund aller Staaten der Welt zu sein, und die islamische Regierung möchte Beziehungen des korrekten gegenseitigen Verstehens mit allen Völkern und allen Regierungen unterhalten, vorausgesetzt, diese zeigen ebenfalls Achtung vor dem islamischen Staat."121 Es paßt zu Khomeini als homo politicus, daß er die teilweise extrem divergierenden Erklärungen dem jeweiligen Anlaß anpaßte. Kämpferische Töne schlug er vor allem gegenüber seinen Landsleuten, muslimischen Delegationen aus anderen Ländern oder in Phasen außen- und innenpolitischer Erfolge der Islamischen Republik an, während er beschwichtigende Worte insbesondere vor dem endgültigen Sieg über das Schahregime bzw. in Phasen extremer Belastungen der Revolution fand. Wenn die Untersuchung seiner außenpolitischen Haltung nicht nur auf seine Äußerungen beschränkt bleiben soll, sondern auch sein praktisches Wirken einbezogen wird, ergibt sich per Saldo das Bild eines außerordentlich pragmatisch handelnden Revolutionsführers. Obwohl er die institutionelle Parallelität iranischer Entscheidungsfindung auch in der Außenpolitik immer unterstützte, um seine Rolle als finale Entscheidungsinstanz zu festigen, griff er, sobald elementare Richtungsentscheidungen auf der Tagesordnung standen, fast immer zugunsten der Praktiker Rafsangäni und VeläyatI in den Prozeß ein. Seine Position, das Schicksal der Islamischen Republik Iran nicht dem ungewissen Ausgang einer islamischen "Weltrevolution" zu opfern, bewies Khomeini am augenfälligsten, als er 1986/87 - um Irans Verteidigungskraft gegen Irak zu bewahren - letztlich den geheimen Tauschhandel "Waffen gegen Geiseln" mit dem "Großen Satan" USA sanktionierte. 122 Als nach dem Waffenstillstand mit Irak der ökonomische Wiederaufbau Irans auf der Tagesordnung stand, um das Überleben der Islamischen Republik zu sichern, unterstützte er die Wiederaufnahme offizieller Beziehungen mit westlichen Staaten wie Großbritannien, Frankreich und Kanada. Er ließ sich überzeugen, daß Iran auf die Handelskooperation mit diesen und anderen entwickelten westlichen Mächten angewiesen war.123 Obwohl so, trotz häufig anderslautender politischer Proklamationen, die pragmatischen, Iran in den Mittelpunkt stellenden Taten Khomeinis über-
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wogen, ließ er sich bis an sein Lebensende doch nie auf den praktischen, nationalen Politiker reduzieren. Als er beispielsweise nach dem de facto verlorenen Krieg gegen Irak und dem Zwang, sich auf iranische Angelegenheiten zu konzentrieren, befürchtete, seine hervorgehobene Stellung in der islamischen Welt zu verlieren, besann er sich einmal mehr auf sein Sendungsbewußtsein. Dafür mögen nur zwei Beispiele stehen. Zum einen hatte Khomeini mit großer Genugtuung den Zusammenbruch der Zweiten, der realsozialistischen Welt beobachtet. Er interpretierte ihn als Beweis für seine Prophezeiungen, daß materialistische Alternativen zum westlichen System zum Scheitern verurteilt sind und daß nunmehr der Islam als einzige Instanz übriggeblieben sei, der Menschheit einen Ausweg aus Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Unvollkommenheit zu weisen. Im Januar 1989 sandte er einen offenen Brief an den sowjetischen Präsidenten Gorbatschow, der diese Überzeugung reflektierte und sie gleichzeitig auf spektakuläre Weise den Muslimen der Welt wieder in das Bewußtsein rücken sollte. "Your Excellency, Mr. Gorbachev, One should turn to the truth. The main difficulty of your country is not the issue of ownership, economics or freedom. Your difficulty is lack of true faith in God, the same difficulty which has also dragged the West towards decadence and a dead end. Your principal problem is a long and futile combat with God, the origin of existence and creation... It is clear to all that henceforth Communism should be sought in the museums of world political history, because Marxism does not provide any answers to the real needs of man, since it is a materialistic ideology. It is not possible to save humanity by materialism from the crisis brought about by a lack of conviction in spirituality, which is the most fundamental ailment of human society in both the West and the East."124
Es lag durchaus in den Intentionen Khomeinis, daß viele Muslime diesen Brief mit den Delegationen und Schreiben verglichen, die der Prophet an die Staatsführer in den Tagen seines Wirkens gesandt hatte. Haften blieb bei ihnen der Eindruck, daß Khomeini sowohl Marxismus als auch westlichen Liberalismus verdammte, den Islam als Alternative verhieß und deshalb Gorbatschow einlud, "den Islam ernsthaft zu studieren"125. Der iranische Revolutionsführer hatte sich wieder als "Gewissen des wahren Islam" in das Gedächtnis gerufen. Zum anderen präsentierte sich Khomeini mit seinem Todesurteil gegen Salman Rushdie als Autor der "Satanischen Verse", die in der islamischen Welt für ungleich größeres Aufsehen sorgten als der Brief an Gorbatschow, einmal mehr als konsequentester Verfechter der "islamischen Sache". Er wußte sehr wohl, daß nur wenige Muslime fürchteten, das Buch untergrabe ihren islamischen Glauben - weil ein wahrhaft Gläubiger es ebensowenig lesen würde wie er selbst! Woran er anknüpfte, waren vielmehr die Befürchtungen vieler Muslime, das Kernstück ihres Glaubens, die unwandelbare Heiligkeit des
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Korans als Preis für die gleichberechtigte Aufnahme in das globale System immer noch dominiert von Nicht-Muslimen - relativieren zu müssen. Khomeini verglich die ihm hinterbrachte angebliche Relativierung des Islam in den "Satanischen Versen" mit der Marginalisierung der Muslime in der Weltpolitik. "Khomeini's condemnation of Rushdie is therefore part of a much larger Muslim effort to counter inequalities within the global system through the revitalization of Islamic particularity."126 Mit dem Todesurteil gegen Rushdie konnte Khomeini somit zwei Ziele gleichzeitig verfolgen: nationale Mobilisierung angesichts des günstigstenfalls unentschiedenen Ausgangs des Krieges mit Irak und internationale Polarisierung. "Both of these policies reflected the political thinking of Khomeini, and the way in which priorities of power and maintenance of state control determined his use of Islamic concepts and interpretation of 'tradition'."127
Nachdem er den "Schierlingsbecher" des Waffenstillstands mit Irak hatte leeren müssen, stand er nun innerhalb weniger Monate wieder an der Spitze der weltweiten islamischen Bewegung, wie er sie interpretierte. 128 Mit vollem Bewußtsein präsentierte er sich dabei als höchste islamische Instanz unter den Lebenden, denn eigentlich hätte er seinen Aufruf, Rushdie zu töten, nur an die Schiiten richten dürfen, die seine Autorität anerkannten und sich hinter seine Interpretation des Islam stellten. "Indem er die Kampagne gegen Rushdie dazu benutzte, sich an alle Muslime weltweit zu wenden, ernannte Khomeini sich selbst zum geistigen Führer aller und machte (zudem) Saudi-Arabien seine führende Rolle streitig. Zweitens existierte kein Präzedenzfall, in dem eine fatwä im Namen des Islam gegen eine Person außerhalb der muslimischen Welt ausgesprochen worden wäre. Auch in dieser Hinsicht zeigte Khomeini, daß für ihn die universelle Geltung des Islam nicht an Grenzen haltmachte, sondern auch die nach Europa ausgewanderten Bevölkerungsgruppen mit einschloß, die als islamische Enklaven, als Brückenköpfe der umma, vereinnahmt wurden."129
Trotz dieser und anderer spektakulärer Aktionen Khomeinis, die ihm in bestimmten radikalen muslimischen Kreisen einen Nimbus schufen, überwog in seiner "Außenwirkung" am Ende doch sein Wirken als Führer der iranischen Revolution. Ungeachtet seiner eloquenten Forderungen, als Führer der umma und als Sprecher aller Unterdrückten anerkannt zu werden, nahm ihn die Mehrheit der Muslime häufig nur als Verfechter iranischer und/oder schiitischer Ziele wahr.130 Khomeini gewann letztlich auch dieser Wahrnehmung seiner Person und ihrer Rolle noch etwas Positives ab. Er hinterließ seinen Anhängern ein außenpolitisches Vermächtnis in Form einer "Linie (des Imäm)": Primäres Ziel der
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Außenpolitik Irans und der islamischen Revolution hat ihre eigene Stärkung zu sein. Diese darf allerdings nicht zum Selbstzweck werden, sondern sie bedeutet nicht mehr als die Schaffung von Voraussetzungen, um den Islam in die Welt zu tragen.
Anmerkungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
Wesentliche Aussagen dieses Kapitels finden sich auch in: H. Fürtig, Ayatollah Chomeinis Bild vom Westen. In: asien, afrika, lateinamerika, Berlin 25 (1997) 3, S. 355375. Vgl. H. Dabashi, Theology of Discontent. The Ideological Foundation of the Islamic Revolution in Iran, New York-London 1993, S. 409. Für weitere biographische Studien empfehlen sich: A. Rühäni, Nehzat-e Emäm Homeini. 2 Bde., Teheran o.J., und Veydani/Se c rbäf (Hg.), SargozaSthä-ye vlze az zendegl-ye Hezrat-e Emäm Homeini, Teheran 1987. Vgl. M. Sobhäni, Gamelyat-e celmi va camallye Emäm Homeini, Teheran 1985. Vgl. Fürtig, Ayatollah Chomeinis Bild..., a.a.O., S. 356. Ebenda. Vgl. M.E. Marty/R.S. Appleby, Herausforderung Fundamentalismus: Radikale Christen, Moslems und Juden im Kampf gegen die Moderne, Frankfurt/M.-New York 1996, S. 45. O.J. Krieger, The New Universalism. Foundations for a Global Theology, New York 1991, S. 35. R. Homeini, KaSf-e Asrär, Teheran 1980, S. 38. Vgl. R.K. Ramazani, Khumayni's Islam in Iran's Foreign Policy. In: A. Dawisha (Hg.), Islam in Foreign Policy, Cambridge u.a. 1983, S. 16. Vgl. Fürtig, Ayatollah Chomeinis Bild..., a.a.O., S. 357. Homeini, KaSf-e Asrär, a.a.O., S. 267. Vgl. H. Motabaher, Vom Nationalstaat zum Gottesstaat. Islam und sozialer Wandel im Nahen und Mittleren Osten, Stuttgart-Berlin-Köln 1995, S. 124. Emäm va Gang, Teheran 1982, S. 71. Homeini, Kaäf-e Asrär, a.a.O., S. 337. W.E. Mühlmann, Chiliasmus und Nativismus, Berlin 1964, S. 325. Vgl. Motabaher, Vom Nationalstaat..., a.a.O., S. 125. Nedä-ye haqq, Teheran 1980, S. 189. Vgl. F. Rajaee, Islamic Values and World View: Khomeyni on Man, the State, and International Politics, Lanham-New York-London 1983, S. 71. Vgl. S.T. Hunter, Iran and the Spread of Revolutionary Islam. In: Third World Quarterly, 10 (1988) 2, S. 735. Vgl. dazu insbesondere H. Corbin, En Islam Iranien: Respects Spirituels et Philosophiques, Paris 1972, und F. Rajaee, Iranian Ideology and Worldview: The Cultural Export of Revolution. In: J.L. Esposito (Hg.), The Iranian Revolution. Its Global Impact. Miami 1990, S. 70ff.
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Imam's Final Discourse. The Text of the political and religious testament of the Leader of the Islamic Revolution and the Founder of the Islamic Republic of Iran, Imam Khomeini. In: T h e Iranian Journal of International Affairs, Teheran 1 (1989) 1-2, S. 330. HomeinI, KaSf-e Asrär, a.a.O., S. 424. Fürtig, Ayatollah Chomeinis Bild..., a.a.O., S. 358. Vgl. N.R. Keddie, Iran and the Muslim World. Resistance and Revolution, London u.a. 1995, S. 169. Vgl. Fürtig, Ayatollah Chomeinis Bild..., a.a.O., S. 359. Vgl. ebenda, S. 361. Vgl. dazu u.a. Al-Imäm fi muwägaha as-sahlyünlya, Teheran 1982, ein Kompendium von Redeauszügen Khomeinis zu Israel, Judentum und Zionismus. Zit. in: M. Riesebrodt, Fundamentalismus als patriarchalische Protestbewegung, Tübingen 1990, S. 159. Vgl. ebenda, S. 160. Zit. in: N. Rahimieh, Oriental Responses to the West. Comparative Essays in Selected Writers from the Muslim World, Leiden u.a. 1990, S. 101. Vgl. ebenda, S. lOlf. Khomeinis Aufruf gegen das Kapitulationsgesetz, 27.10.1964. In: M. Opperskalski, Iran gestern und heute, Dortmund 1980, S. 98. Rede vor Mitgliedern der islamischen Studentenvereinigung in Qom, 28.10.1979. In: Opperskalski, Iran..., a.a.O., S. 118. Message to the Pilgrims. In: H. Algar (Hg.), Islam and Revolution. Writings and Declarations of Imam Khomeini, Berkeley 1981, S. 305. T h e U.S. can't do a damn thing. Ansprache Khomeinis an eine Studentengruppe der Universität von Isfahan, 5.11.1979. In: Selected messages and speeches of Imam Khomeini, Teheran 1981, S. 58. Imam's Final Discourse..., a.a.O., S. 315. Ebenda, S. 313. Islam is the great religion of unity. Rede Khomeinis an Pilger, 24.9.1979. In: Selected messages and speeches of Imam Khomeini, Teheran 1981, S. 41. Kalimät al-Imäm al-Humaini qäcid at-tawra al-islämiya ilä muslimi al- c älam bl-munäsaba al-mawälid an-nabawi as-£arif wa 'usbü c al-wahda, Teheran o.J., S. 11. Vgl. W.O. Beeman, Images of the Great Satan: Representation of the United States in the Iranian Revolution. In: N.R. Keddie (Hg.), Religion and Politics in Iran; Shi'ism from Quietism to Revolution, New Haven-London 1983, S. 191. Vgl. ebenda, S. 196, 216. E . Gellner, Der Islam als Gesellschaftsordnung, München 1992, S. 157. Vgl. R. Yann, Von der Religion zur Revolution: Der Schiismus. In: C. Burgmer (Hg.), Der Islam in der Diskussion, Mainz 1996, S. 52. Imam's Final Discourse..., a.a.O., S. 328f. Bayänät-e Emäm be monäsabat sälgerd-e 17 äahrivar. In: Kütar: haläse-ye bayänät-e Emäm Homeini. Bd. 1, Teheran 1993, S. 673. Imam's Final Discourse..., a.a.O., S. 320f. Ebenda, S. 330. Message to the Pilgrims. In: H. Algar (Hg.), Islam and Revolution. Writings and Declarations of Imam Khomeini, Berkeley 1981, S. 304. Vgl. H. Käufeier, Modernization, Legitimacy and Social Movements, Zürich 1988, S. 280.
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Vgl. P. Beyer, Religion and Globalization, London-Thousand Oaks-New Delhi 1994, S. 178. Message of Revolution (Islamic Revolution Guard's Corps), Teheran (1983) 21, S. 6. Moslems must find Islam. Ansprache Khomeinis an eine Studentengruppe aus SaudiArabien, 3.11.1979. In: Selected messages and speeches of Imam Khomeini, Teheran 1981, S. 49. Imam's Final Discourse..., a.a.O., S. 345f. Der islamische Staat..., a.a.O., S. 25f. Message of Revolution (Islamic Revolution Guard's Corps), a.a.O., (1983) 21, S. 6. Der islamische Staat..., a.a.O., S. 28f. Vgl. F. Halliday, The politics of Islamic fundamentalism. Iran, Tunisia and the challenge to the secular state. In: A.S. A h m a d / H . Donnan (Hg.), Islam, Globalization and Postmodernity, London-New York 1994, S. 98. E. Durand, Tradition chiite et islamisme Khomeiniste. In: Etudes Internationales, Paris, 25 (1994) 1, S. 5-24. K. Greussing, Vom "guten König" zum Imam. Staatsmacht und Gesellschaft im Iran, Bregenz 1987, S. 313f. Vgl. z.B. N.R. Keddie, Islamic Revival as Third Worldism. In: J.-P. Digard (Hg.), Le Cuisinier et le Philosophe: Hommage ä Maxime Rodinson, Paris 1982, S. 275-281. Vgl K.L. Afrasiabi, State and Populism in Iran, Ann Arbor 1988, S. 273. Vgl. J.P. Piscatori, Islam in a world of nation-states, Cambridge-London-New York 1986, S. 113. S. Zubaida, Islam. The People & The State, London-New York 1993, S. 13. Vgl. F. Halliday, Islam & the Myth of Confrontation. Religion and Politics in the Middle East, London-New York 1995, S. 62f. Vgl. Hunter, Iran..., a.a.O., S. 38. Vgl. Keddie, Iran and the Muslim World, a.a.O., S. 110. Halliday, Islam & the Myth..., a.a.O., S. 45. Vgl. W.G. Millward, The Principles of Foreign Policy and the Vision of World Order expounded by Imam Khomeini and the Islamic Republic of Iran. In: N.R. Keddie/E. Hooglund (Hg.), The Iranian Revolution and the Islamic Republic, Washington D.C. 1982, S. 192. Nachzuvollziehen in Sahife-ye Nur, Teheran 1992, insbesondere Bd. 1. Vgl. Beyer, Religion..'., a.a.O., S. 172. Vgl. Zubaida, Islam..., a.a.O., S. 16. Der islamische Staat..., a.a.O., S. 30. Ebenda, S. 146f. Imam's Final Discourse..., a.a.O., S. 319. Vgl. W. Ende, Der schiitische Islam. In: Ders./U. Steinbach (Hg.), Der Islam in der Gegenwart. Entwicklung und Ausbreitung, Staat, Politik und Recht, Kultur und Religion, München 1996, S. 80f. Vgl. Riesebrodt, Fundamentalismus..., a.a.O., S. 166. Ebenda, S. 167. Vgl. Ende, Der schiitische Islam..., a.a.O., S. 85. Zit. in: Marty/Appleby, Herausforderung..., a.a.O., S. 174. Vgl. Riesebrodt, Fundamentalismus..., a.a.O., S. 167f. Vgl. F. Steppat, Schi'a und Sünna: Religiöse Konfliktlinien und politische Brisanz. In: F. Scholz (Hg.), Die Golfstaaten: Wirtschaftsmacht im Krisenherd, Braunschweig 1985, S. 47.
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Vorstellungen und Ziele Khomeinis
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Vgl. Y.M. Choueiri, Islamic Fundamentalism, London 1990, S. 159. Vgl. K.-H. Göbel, Moderne schiitische Politik und Staatsidee, Opladen 1984, S. 131f. Vgl. S.T. Hunter, Iran and the World. Continuity in a Revolutionary Decade, Bloomington 1990, S. 37. M. Wright, Systems of State, London 1977. Vgl. Rajaee, Islamic Values..., a.a.O., S. 74f. Kayhän, Teheran, 6.11.1982 Vgl. Millward, The Principles..., a.a.O., S. 202. Vgl. Hunter, Iran..., a.a.O. Message to the Muslim students in North America. In: Algar (Hg.), Islam..., a.a.O., S. 209f. Nedä-ye haqq, a.a.O., S. 267. Vgl. Rajaee, Islamic Values..., a.a.O., S. 80f. Imam's Final Discourse..., a.a.O., S. 314. Vgl. J. Piscatori, Preface. In: A. Ehteshami/M. Varasteh, Iran and the International Community, London-New York 1991, S. xii. Vgl. J.M. Landau, The Politics of Pan-Islam. Ideology and Organization, Oxford 1990, S. 259. Vgl. auch A. Rahnama/F. Namani, The Secular Miracle: Religion, Politics & Economic Policy in Iran, London-New Jersey 1990, S. 4f. Vgl. A.R. Moten, Political Science: An Islamic Perspective, New York 1996, S. 136. Vgl. M.Z. Husain, Global Islamic Politics, New York 1995, S. 234. Zit. in Algar (Hg.), Islam..., a.a.O., S. 48f. Ettelä c ät, Tehran, 3.11.1979. Zit. in: Rajaee, Islamic Values..., S. 83. Rahnemünhä-ye Emäm, Teheran 1979, S. 28. Vgl auch Halliday, Islam & the Myth..., a.a.O., S. 70. Vgl. M. Dashti, The Selected Messages of Imam Khomeini Concerning Iraq and the War Iraq imposed on Iran, Teheran 1981, S. 32. Bayänät-e Emäm Homeiní be monäsabat yekom sälgerd-e enqeläb, Teheran 1982, S. 5. Zit. in: T. Sonn, Irregular Warfare and Terrorism in Islam: Asking the right questions. In: J.T. Johnson/J. Kelsey (Hg.), Cross, Current and Sword: The Justification and Limitation of War in Western and Islamic Tradition, New York-Westport-London 1990, S. 141. Ebenda, S. 142. Vgl. auch Halliday, Islam & the Myth..., a.a.O., S. 62. Vgl. auch M.M.J. Fischer/M. Abedi, Debating Muslims. Cultural Dialogues in Postmodernity and Tradition, Madison-London 1990, S. xxvii. Zit. in. K.L. Afrasiabi, After Khomeini. New Directions in Iran's Foreign Policy, Boulder-San Francisco-Oxford 1994, S. 17. Vgl. Piscatori, Islam..., a.a.O., S. l l l f . Vgl. M.M.J. Fischer, Imam Khomeini: Four Levels of Understanding. In: J.L. Esposito (Hg.), Voices of Resurgent Islam, New York-Oxford 1983, S. 169. Imam's Final Discourse..., a.a.O., S. 345. Gozäres-e Seminar, Teheran, Nr.2/1983-84, S. 36. Bayänät-e Emäm Homeiní be monäsabat yekom sälgerd-e enqeläb, Teheran 1982, S. 6. Ebenda, S. 19. Kayhän, a.a.O., 29.10.1984.
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Foreign Broadcast Information Service-Near East Section (FBIS-NES), Washington D.C., 4.11.1985. The Guardian, London, 1.11.1978. Ettelä c ät, a.a.O., 15.7.1979. Vgl. Afrasiabi, After Khomeini..., a.a.O., S. 29. Vgl. H. Amirahmadi, Economic reconstruction of Iran: costing the war damage. In: Third World Quarterly, London (1990) 1, S. 35f. Zit. in: D. Harney, The Iranian Revolution Ten Years On. In: Asian Affairs, London 20 (1989) 6, S. 158. Vgl. Rajaee, Iranian Ideology..., a.a.O., S. 76. Beyer, Religion..., a.a.O., S. 3. Halliday, The politics of Islamic fundamentalism..., a.a.O., S. 102. Vgl. Afrasiabi, After Khomeini..., a.a.O., S. 30. G. Kepel, Allah im Westen. Die Demokratie und die islamische Herausforderung, München-Zürich 1996, S. 203. Vgl. R. Cottam, Inside Revolutionary Iran. In: R.K. Ramazani (Hg.), Iran's Revolution: The Search for Consensus, Washington D.C. 1990, S. 20.
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II. Außenpolitische Bestimmungen der iranischen Verfassung Neben den von Ajatollah Khomeini hinterlassenen allgemeinen Richtlinien für die Außenpolitik der von ihm geschaffenen Islamischen Republik muß die Verfassung des Staates als zweite Grundlage außenpolitischer Zielsetzung betrachtet werden. "Der wichtigste Leitfaden für die Außenpolitik der Islamischen Republik Iran ist die Verfassung"1, schrieb Mohsen Mohammad! und brachte damit einen Konsens der iranischen Führung zum Ausdruck. Die Verabschiedung der Verfassung Nachdem sich die iranische Bevölkerung am 30. und 31. März 1979 in einem Referendum mit überwältigender Mehrheit für die Errichtung einer Islamischen Republik ausgesprochen hatte, ging es in den darauffolgenden Monaten darum, dem neuen Staat Organe und Institutionen zu geben, die seine Namensgebung rechtfertigten. Dazu gehörte in erster Linie auch die Verabschiedung einer Verfassung. Ihre Bedeutung wurde von allen politischen Kräften des Landes gleichermaßen als grundlegend erachtet. Deshalb kam es im Zusammenhang mit der Konzipierung der Konstitution zu erbitterten politischen Auseinandersetzungen im nachrevolutionären Iran. Die Machtfrage war 1979 noch nicht entschieden. Obwohl die überragende Rolle Khomeinis allgemein anerkannt wurde, galt das doch nicht gleichermaßen auch für die herrschende Funktion der Geistlichkeit insgesamt. Der entscheidende Beitrag nicht-geistlicher Kräfte wie der Mogähedln-e halq, der Fedäyln-e halq, der Freiheitsbewegung und der Nationalen Front für den Sieg über den Schah waren unvergessen. Auch Khomeini konnte sich über dieses Kräfteverhältnis nicht hinwegsetzen. Immerhin ernannte er den Führer der Freiheitsbewegung, Mehdl Bäzärgän, zum Ministerpräsidenten der provisorischen Regierung, wurden die wichtigsten Ministerposten mit bekannten Persönlichkeiten dieser Bewegung und der Nationalen Front besetzt. Islamische Rechtsgelehrte traten im allgemeinen als stellvertretende Minister in die provisorische Regierung ein, um gleichzeitig Erfahrungen in der Regierungsarbeit zu erwerben und Kontrolle auszuüben. Das Kräfteverhältnis spiegelte sich auch im Prozeß der Verfassungsgebung wider. Die Regierung und die sie unterstützenden Kreise strebten die Etablierung einer verfassunggebenden Versammlung an, in der alle an der Revolution beteiligten Kräfte gleichermaßen vertreten sein sollten. Mehdl Bäzärgän legte einen Verfassungsentwurf vor, der eine Präsidialrepublik vorsah, die der Geistlichkeit kaum mehr politischen Handlungsspielraum zugestanden hätte, als in der Verfassung von 1907 vorgesehen. Khomeini sah seine Vision einer islamischen Republik und ihrer Führung durch einen Rechtsgelehrten akut gefährdet. Eine Verfassung, die den Stempel Bäzärgäns oder der verfassunggebenden Versammlung getragen hätte, hätte den adjektivischen Zusatz
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"islamisch" in der Staatsbezeichnung aus seiner Sicht unzulässig verwässert, er wäre zur bloßen Fassade verkommen. In der nun zwangsläufig folgenden innenpolitischen Konfrontation setzte sich Khomeini letztendlich durch. Die verfassunggebende Versammlung wurde zugunsten eines Expertenrates aufgegeben. Khomeini nahm entscheidenden Einfluß auf die Wahl der Ratsmitglieder, um durch ihre Zusammensetzung Einfluß auf das Endprodukt zu nehmen. Islamische Rechtsgelehrte und einige handverlesene Experten gaben in diesem Gremium nun den Ton an. Trotzdem stand auch der Expertenrat vor einem Dilemma. Einerseits betrieb er mit Enthusiasmus und Hingabe die Transformation von Khomeinis Staatsgedanken in Paragraphenform; andererseits konnte er nicht negieren, daß sich die nähere und weitere Umgebung dieses Staates nicht entsprechend dieser Vision verhielt: Ergo mußten auch internationale Rechtsnormen, insbesondere das Völkerrecht, berücksichtigt werden. So stellt die Verfassung von 1979 bei näherer Betrachtung einen Kompromiß dar. Sie enthält auf der einen Seite international übliche republikanische Bestandteile wie einen gewählten Präsidenten, ein gewähltes Parlament und eine unabhängige Rechtsprechung. Diese Bestandteile widersprechen islamischem Recht nicht a priori, nur sind sie ihrem Ursprung und ihrer Form nach westlicher Natur. Auch an den in der Schahzeit aufgebauten bürokratischen Strukturen nahmen sie keine grundlegenden Änderungen vor, auch wenn Personen ausgetauscht wurden. Alle diese Institutionen erachteten sie als notwendig, um die Islamische Republik operabel zu machen. Auf der anderen Seite wird der spezifisch (schiitisch)islamische Charakter der Verfassung aber vor allem in zwei Bestimmungen ebenso deutlich: die Festschreibung der ultimativen Macht des islamischen Rechtsgelehrten und die Etablierung eines Wächterrates, um die Islamkonformität der Legislative zu überprüfen. 2 Trotz des Kompromisses waren die Geistlichen im Expertenrat insgesamt darauf bedacht, ihre führende Rolle und ihre Interessen in der Verfassung festzuschreiben, indem Garantien für die Permanenz ihrer privilegierten Stellung formuliert wurden. Größte Bedeutung bekam dabei die Verankerung der Veläyat-e Faqih in den Artikeln 5, 57, 107 und 110 der Konstitution.3 Obwohl im Schiismus als Idee nicht unbekannt, wurde die Wahrnehmung der Rolle des 12. Imäm durch einen Rechtsgelehrten - ganz im Sinne Khomeinis erstmals in einer Verfassung geltendes Recht. 4 Der herrschende Faqih steht laut Verfassung über allen anderen Institutionen, Organen und Personen.5 Farhang Rajaee formulierte drastisch: "The Islamic revolutionary Iranian State under the general guardianship of the theologian jurisconsult, with an absolute power, was to become the final meaning of the 'islamic Republic', not one word less and not one word more."6
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Die Betonung der Rolle des Faqih bedeutete gleichzeitig die Akzeptanz einer schwachen und zersplitterten Exekutive, die z.B. dem Präsidenten kaum mehr als zeremonielle Pflichten zumaß. Im unentschiedenen Machtkampf der Jahre 1979/80 galt es immerhin, einen Machtfokus außerhalb der klerikal kontrollierten Strukturen zu verhindern. Deshalb setzten die Gründerväter der Islamischen Republik alle Hoffnungen auf die Funktion des Faqih,7 der - wie gesagt - über Exekutive, Legislative und Judikative stehen und mittels Direktiven auf sie Einfluß nehmen sollte. "Alle drei Funktionen müssen dem Faqih untergeordnet werden, und nur er sollte die Richtung des Landes bestimmen"8, äußerte Ajatollah Müsavi Gazäceri, einer der Verfassungsautoren. MüsavT TabrizT, einer seiner Koautoren erklärte: "Ein starker Präsident könnte das Parlament auflösen, den Ministerpräsidenten entlassen und sich selbst als Diktator Irans installieren."9 Er hätte in jedem Fall die Macht des Parlaments beschnitten, in dem die Geistlichkeit eine bevorzugte Stätte ihres politischen Wirkens sah.10 Die im Prinzip der Herrschaft des Rechtsgelehrten eingeschlossene Akzeptanz einer außerordentlich begrenzten Souveränität des Volkes harmonisierte durchaus mit der schiitischen Geschichte und Hermeneutik. Als Minderheitsrichtung im Islam hatte der Schiismus ein Bewußtsein entwickelt, das davon ausging, daß die Mehrheitsmeinung nicht notwendigerweise die richtige sein müsse.11 Der Expertenrat schloß seine Arbeit mit der Ratifizierung der Verfassung am 15. November 1979 ab. Wenig später, am 3. Dezember 1979, wurde sie in einem Volksentscheid angenommen.12
Paragraphen mit außenpolitischem Bezug In der Präambel legt die Verfassung der Islamischen Republik die Aufgabe auf, eine "mustergültige Gesellschaft" mit Hilfe "islamischer Prinzipien" zu errichten. Als weitere Ziele werden die "Verwirklichung der glaubensmäßigen Grundlagen der Bewegung" und die "Schaffung von Voraussetzungen" genannt, unter denen sich der Mensch mit Hilfe der "erhabenen und universellen islamischen Werte" formt. Diese Aufgabenstellung wird nicht nur an das iranische Volk gerichtet, sondern sie bezieht sich ausdrücklich auf die Gesamtheit aller Muslime und darüber hinaus auf alle Unterdrückten der Welt.13 Weiter heißt es, die Islamische Republik habe sich darum zu bemühen, den Weg zu einer einzigen, weltumspannenden islamischen Gemeinschaft zu ebnen.14 Artikel 2 postuliert gleichzeitig die Permanenz der islamischen Revolution.15 Artikel 3 verpflichtet die Außenpolitik des Landes, auf der Basis islamischer Kriterien zu operieren. Gleichzeitig fordert er brüderliche Beziehungen zu allen Muslimen und Hilfe für alle bedürftigen Menschen in der Welt.16
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Artikel 9 untersagt Behörden und Bürgern der Republik gleichermaßen, "im Namen der Freiheit" Regierungsprinzipien wie die Bewahrung von territorialer Integrität, Unabhängigkeit und Freiheit zu unterlaufen.17 Mit der aus dem Koran abgeleiteten Gewißheit, daß alle Muslime der Welt eine einzige Gemeinschaft, die umma, bilden,18 verpflichtet Artikel 11 die Islamische Republik Iran, für die Einheit der Muslime und die Errichtung einer islamischen Weltordnung einzutreten.1' Konkret heißt es dazu: "All Muslims form a single nation, and the government of the Islamic Republic has the duty of formulating its general policies with a view to the merging and Union of all Muslim peoples, and it must constantly strive to bring about the political, economic and cultural unity of the Islamic world."20
Das bedeutet für Iran und die aufgerufenen Muslime, gleichzeitig gegen zwei miteinander verbundene Gegenspieler anzutreten: die "Tyrannen", die islamische Gesellschaften regieren, und die nicht-islamischen Länder, die diese "Tyrannen" unterstützen. Iran hat dabei die spezifische Aufgabe, die Revolution zu verteidigen und sie gleichzeitig zu "exportieren".21 Damit bildet Artikel 11 de facto die Rechtsgrundlage für den außerhalb Irans so kontrovers diskutierten "Export der islamischen Revolution". Er verläßt auf diese Weise die Sphäre einer bloßen politischen Bestrebung und gerät zur religiösen und politischen Pflicht gegenüber anderen Muslimen.22 Da die Herstellung der Einheit der Muslime aber als Aufgabe formuliert wird, bedeutet das gleichzeitig die indirekte Anerkennung der Tatsache, daß die islamische Welt zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Verfassung in verschiedene Staaten unterteilt ist. Andere Artikel (77, 125) regeln deshalb das Vorgehen beim Abschluß internationaler Verträge.23 Artikel 12 besitzt insofern außenpolitische Bedeutung, als daß er den gacfaritischen Zwölfer-Schiismus zur offiziellen iranischen Religion erklärt. Dadurch dürften die im elften Artikel niedergelegten Zielstellungen beeinträchtigt werden, denn es werden stärkere Bindungen an die genannte schiitische Richtung apostrophiert als an den Islam allgemein.24 Die Artikel 152-154 stellen die Außenpolitik direkt in den Mittelpunkt. Basierend auf dem außenpolitischen Credo der Islamischen Republik Iran "Weder Ost noch West, Islamische Republik" lehnen die Artikel jede Form von Vorherrschaft, sei sie östlich oder westlich, auf politischem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet ab. Gleichzeitig wird versichert, daß auch Iran seine politische Doktrin keiner anderen Macht aufzwingt. Allerdings wird die Hilfe, Unterstützung und Zusammenarbeit für und mit unterdrückten Völkern und Nationen in ihrem Kampf für Gerechtigkeit und Unabhängigkeit zur religiösen Verpflichtung erklärt.25 Mit dem Hinweis auf diese verfassungsmäßige Verpflichtung antworten Führer der Islamischen Republik gewöhnlich auch auf
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Vorwürfe, ihr Land würde den internationalen Terrorismus unterstützen. Die Unterstützung unterdrückter, insbesondere muslimischer Völker sei nicht mit Terrorismus zu verwechseln. Ersteres betreibe Iran entsprechend seiner Verfassung. Dafür bestehe sogar ein offizieller Posten im Budget, obwohl die Regierung einräume, daß Hilfe auch von Stiftungen oder einzelnen Personen geleistet werde.26 In Stichworten läßt sich der Inhalt der Artikel 152 bis 154 folgendermaßen zusammenfassen: Zurückweisung aller Formen von Dominierung, Schutz der Unabhängigkeit des Landes und seiner territorialen Integrität, Verteidigung der Rechte aller Muslime, Ablehnung jeglicher Pakte mit hegemonialen Mächten, friedliche Beziehungen mit nicht-militanten Staaten, Schutz und Hilfe für den Kampf der Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker. 27 Die Übertragung dieser Prinzipien in praktische Außenpolitik bedeutete Anstrengungen, die "Supermächte" nach Möglichkeit und insbesondere in der Dritten Welt zu isolieren, wirtschaftliche Beziehungen vor allem mit "neutralen" Staaten zu entwickeln und politische, ökonomische, kulturelle und militärische Süd-SüdVerbindungen zu fördern. 28 Es sei nicht verschwiegen, daß es bei der Formulierung aller die Außenpolitik tangierenden Artikel zu intensiven Auseinandersetzungen im Expertenrat kam. So stellte sich bei der Erarbeitung des Artikels 152 z.B. die Frage, ob die Interessen aller Muslime oder die einer bestimmten muslimischen Nation und ihres Landes zugrunde gelegt werden sollten. Ein Kommissionsantrag betrachtete Iran als einen "untrennbaren Teil der Heimat der islamischen Gemeinschaft". Deshalb wäre die iranische Außenpolitik nicht nur zur Wahrung der Interessen des eigenen Landes verpflichtet, sondern müsse die "Verteidigung der territorialen Integrität Irans und der Heimat der gesamten muslimischen Gemeinschaft" im Auge behalten. Obwohl sich der Vorschlag deutlich an die s a r f a anlehnte, stieß er auf Widerstand. Ajatollah Esräql unterstützte zwar die Verbundenheit aller Muslime, mahnte jedoch die Konzentration auf Iran an. Ajatollah Haz'ali und Abolhassan Banisadr wandten ein, daß entsprechende Formulierungen Mißverständnisse dergestalt heraufbeschwören könnten, daß Iran beabsichtige, andere Länder zu erobern. Es gelte eine Verfassung für Iran zu schreiben und nicht für die umma. Ajatollah Hämene 3 ! erklärte die Verteidigung der territorialen Integrität der muslimischen Gemeinschaft zur Unmöglichkeit, da Iran dann an zehn Fronten gleichzeitig kämpfen müßte. Der Expertenrat einigte sich schließlich darauf, keine Beziehung zwischen der Islamischen Republik Iran und der Heimat der muslimischen Gemeinschaft in der Verfassung herzustellen, sondern sich auf die Verteidigung der Rechte aller Muslime zu beschränken. 29 So lautete der Artikel denn in der Endfassung:
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"The foreign policy of the Islamic Republic of Iran shall be based on negation of any kind of domination and being dominated, protection of overall independence and territorial integrity of the country, defending the rights of all Moslems and the non-alignment policy before dominating powers and mutual peaceful relations with non belligerent states."30
Der Aufruf zur Verteidigung der Rechte aller Muslime beinhaltete in der Praxis, vor allem in Verbindung mit Artikel 11, trotzdem die Inanspruchnahme des Rechtes, sich in die Angelegenheiten anderer Länder einzumischen, wenn Muslime involviert sind.31 Artikel 153 konzentriert sich nochmals auf die Verteidigung der Unabhängigkeit, die sich wie ein roter Faden durch alle relevanten Passagen der Verfassung zieht. Er verbietet ausdrücklich jede Form von Vereinbarungen und Verträgen, die die Etablierung ausländischer Herrschaftspositionen - gleich in welchem Bereich - herbeiführen könnte.32 Von besonderem außenpolitischem Gewicht ist Artikel 154: "The Islamic Republic of Iran shall aspire after prosperity of man in all human societies and shall recognize independence, liberty and the rule of justice as universal rights to be enjoyed by all the peoples of the world alike. Hence, while refraining from any intervention in internal affairs of other nations, it shall support any rightful struggle of the weak against the strong on the face of the globe."33
Uber den Inhalt diese Artikels war sich der Expertenrat rasch einig. Seine nahezu einhellige Unterstützung wurde von vielen Beobachtern als weiterer Beweis für die Bestimmtheit gewertet, mit der die Führung der Islamischen Republik beabsichtige, ihrer Revolution universellen Charakter zu verschaffen.34 Im Kommentar eines Ratsmitgliedes heißt es dazu: "Diese Übereinstimmung ist ein Beweis dafür, daß unsere Revolution ... eine universelle ist und im Gegensatz zu dem, was manche sagen werden, nicht nur auf die Grenzen Irans beschränkt bleiben wird, vorausgesetzt, wir schaffen in unserem Land eine Modellgesellschaft."35
Natürlich fallen sofort Widersprüche im Inhalt dieses Artikels auf. Auf der einen Seite ist Iran gehalten, sich nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einzumischen, auf der anderen Seite soll die Islamische Republik Bewegungen in anderen Staaten darin unterstützen, ihre unislamischen Regierungen zu stürzen.36 Ein ähnlicher Widerspruch ergibt sich auch beim Vergleich der Artikel 152, der quasi "islamischen Internationalismus" einfordert, und bei den Forderungen nach Nichteinmischung in Artikel 154.37 Für die iranischen Verfassungsväter existierte in dieser Hinsicht allerdings kein Widerspruch. Entsprechend den Regeln des Islam ist die gegenseitige Hilfe von Muslimen Pflicht, ein wahrhaft islamischer Staat kann deshalb die
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Unterdrückung von Muslimen durch eine nichtmuslimische Herrschaft nicht als innere Angelegenheit des betreffenden Landes behandeln, genauso wenig wie es für eine westliche Regierung die innere Angelegenheit eines Staates wäre, wenn ihren Bürgern auf seinem Territorium Unrecht zugefügt würde.38 Damit bezieht sich dieser Passus de facto nur auf die Behandlung von Nicht-Muslimen durch Nicht-Muslime. Inwiefern hierbei die verfassungsmäßige Forderung nach der Unterstützung für unterdrückte Völker allgemein tangiert wird, fand in den Erörterungen der iranischen Verfassungsautoren keinen Niederschlag. Die Revision der Verfassung Es zeigt sich in der Rückschau, daß der irakisch-iranische Krieg die allseitige Ausgestaltung der in der Verfassung von 1979 niedergelegten revolutionären islamischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung de facto verhinderte.39 Nach der Erfüllung der vorrangigen Aufgabe klerikaler Machtsicherung erwies sich die Verfassung in wesentlichen Teilen als nicht realisierbar. Der 1. Golfkrieg hatte diesen Umstand nur über mehrere Jahre hinweg kaschiert. Schon wenige Monate nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens mit Irak, d.h. im Dezember 1988, gingen deshalb Präsident Hämene 3 ! und Ajatollah Mesklni, der Vorsitzende des Expertenrates und Freitagsprediger von Qom, mit dem Ansinnen auf Khomeini zu, die Verfassung von 1979 zu ändern.40 Aus ihrer Sicht hatten die Bestimmungen dieser Verfassung insgesamt nicht die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt. Dazu war sie wohl auch zu sehr ein "Kind ihrer Zeit", denn ihre Zielstellung bestand unmittelbar nach dem Sturz des Schahs primär darin, den bei weitem noch nicht entschiedenen Machtkampf um die führenden Positionen in der Islamischen Republik zugunsten der Geistlichkeit zu entscheiden. Udo Steinbach stellte deshalb richtig fest, daß die Verfassung von 1979 vor allem wesentliche Elemente des schiitischen Staats- und Herrschaftsverständnisses widerspiegelt.41 Durch die Schaffung der Institution des Faqih als höchster Machtinstanz Irans trug sie tatsächlich entscheidend dazu bei, den Konsolidierungsprozeß der klerikalen Macht zu beschleunigen und ihn bis Ende 1981 abzuschließen.42 Die Kehrseite der Hyperkonzentration von Macht in den Händen des Faqih bestand jedoch in einer außerordentlich vagen Kompetenzzuteilung für die übrigen staatlichen Institutionen und Ämter, insbesondere das des Präsidenten. Die Indifferenz in der Machtausstattung dieses Amtes hatte seit 1980 dazu geführt, daß der Präsident in entscheidenden Fragen kaum Gelegenheit bekam, seine Auffassungen durchzusetzen. Nach der Annahme der Verfassung von 1979 durfte der Präsident zwar den Ministerpräsidenten und eine Ministerliste vorschlagen, das Parlament behielt sich aber das letzte Entscheidungsrecht vor. Nicht zuletzt an dieser Verfügung
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scheiterte Abolhassan Bariisadr, der erste Präsident der Islamischen Republik Iran, der sich als gewählter Repräsentant des Volkes verstand (75% der Wählerstimmen) und gegen eine ausschließliche politische Führung des Landes durch Religionsgelehrte eintrat. Nach dem kurzen Intermezzo des Präsidenten Ragä 3 ! übernahm CA1I Hämene 3 ! im Oktober 1981 das verwaiste Amt. Da aber - wie gesagt - zu diesem Zeitpunkt die Machtkonsolidierung der Geistlichkeit als abgeschlossen gelten konnte, verstand sich HämeneT denn auch eher als Verweser des Amtes und sah seine Ziele vor allem darin, den Beweis dafür anzutreten, daß die Bestimmungen der Verfassung umsetzbar seien. Durch den Krieg mit Irak zeitweise überdeckt und entschärft, konnte er aber das Grundproblem permanenter Kompetenzstreitigkeiten zwischen Exekutive, Legislative und Wächterrat in seiner Amtszeit nicht lösen. Mit den gigantischen Aufgaben des Wiederaufbaus nach dem Waffenstillstand mit Irak konfrontiert, kollabierte die Struktur endgültig. Der gegenseitigen Blockade von Entscheidungen des Parlaments, der Regierung und des Wächterrates versuchte Khomeini schon am 6.Dezember 1988 mit der Etablierung eines Schlichtungsrates aus sechs geistlichen Mitgliedern des Wächterrates und sechs Juristen zu begegnen,43 ohne damit der Lösung des Problems insgesamt näherzukommen. Im Gegenteil, als sich der Schlichtungsrat verschiedentlich anmaßte, selbst Gesetze zu erlassen,44 äußerten vor allem Parlamentarier Kritik an der neuen Institution, die aus ihrer Sicht dazu angetan war, ihre eigene Arbeit zu deklassieren 45 Khomeini kam zu der Überzeugung, daß die Verfassung den neuen Gegebenheiten anzupassen sei. Da die Bestimmungen von 1979 eigentlich keine Veränderungsmöglichkeiten vorsahen, konnte auch nur der Faqih seine Machtvollkommenheit nutzen, um den Prozeß in die Wege zu leiten. Anfang April 1989 erhielt er einen Brief von 170 Parlamentsabgeordneten, die ihn dringend um die Zustimmung zu notwendigen Verfassungsänderungen baten. Das dürfte der letzte Anstoß für ein Schreiben Khomeinis an Präsident Hämene 3 ! vom 24. April 1989 gewesen sein, worin er diesem grundsätzlich zustimmte, daß die Verfassung von 1979 Schwächen enthalte, und worin er ihn deshalb aufforderte, eine Kommission zur Revision der Verfassung (magles-e bäznegäri-ye qänün) zu gründen.46 In Anerkennung der Vorleistungen beider sorgte er dafür, daß Ajatollah Mesklni auf der ersten Sitzung der Kommission zu ihrem Vorsitzenden gewählt wurde. Khomeini gab ihm detaillierte Anweisungen, worauf er bei seiner Arbeit besondere Obacht zu geben habe. Dabei standen die Probleme der islamischen Führung, die Stärkung der Exekutive und der Justiz, größere Verantwortlichkeiten für die Massenmedien, Kompetenzen des Schlichtungsrates, Verfahren zur Verfassungsänderung, selbst Vorgaben über die Zahl der Parlamentssitze im Vordergrund.
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Die Kommission beendete ihre Tätigkeit am 8. Juli 1989. Zwanzig Tage später sprach sich die iranische Bevölkerung mit 97,3 Prozent Ja-Stimmen für die neue Verfassung aus.47 Revidierte Paragraphen Insgesamt wurden mehr als fünfzig Zusätze und Veränderungen an der Verfassung von 1979 vorgenommen. Veränderungen betrafen besonders die Artikel 5, 57, 60, 64, 69, 70, 85, 87-91, 107-113, 121, 122, 124, 126-128, 130-142, 157, 158, 160-162, 164 und 173-176. Um die Zielrichtung dieser Veränderungen sichtbar zu machen, sei auf einige wesentliche verwiesen. Artikel 5 beinhaltete in der ursprünglichen Form die Forderung, daß der Faqih von der Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert werden müsse. Nun sollte er durch den Expertenrat nicht nur schlechthin nominiert und bestätigt, sondern gewählt werden. In engem Zusammenhang dazu steht Artikel 107, der bisher die kollektive Wahrnahme der Faqlh-Funktion im Fall plötzlicher Vakanz vorsah. Der geänderte Artikel sah eine ausschließlich individuelle Wahrnehmung vor. Artikel 57 hatte die Kontrolle von Exekutive, Legislative und Judikative durch den Faqih festgelegt. Nichtsdestotrotz sollte der Präsident ihr Zusammenwirken koordinieren. Die Neufassung konzentrierte die Verantwortlichkeiten des Präsidenten auf die Exekutive, wofür die Funktion des Ministerpräsidenten eliminiert wurde. Von besonderer Bedeutung war die Änderung von Artikel 109. Er definierte die notwendigen Qualifikationen und Eigenschaften des herrschenden Faqih neu. Insbesondere wurde auf die Forderung verzichtet, daß der Faqih auch notwendigerweise margä c at-taqlld sein müsse. Artikel 122 hatte den Präsidenten zur Rechenschaft vor dem Volk verpflichtet. Die geänderte Verfassung erklärte ihn auch gegenüber dem Faqih für rechenschaftspflichtig. Artikel 130 sieht vor, daß der Präsident ein eventuelles Rücktrittsgesuch an den Faqih zu richten hat. Artikel 131 hatte bis zur Revision beinhaltet, daß der Präsident im Fall der Entlassung oder der Amtsunfähigkeit durch ein kollektives Gremium vertreten werden sollte. Danach bestimmte die Verfassung, daß der Faqih den ersten Stellvertreter mit der Amtsgewalt betrauen sollte bzw. in seiner Abwesenheit einen neuen Präsidenten ernennen könne. Die neuen Artikel 157 und 158 setzten das Recht für den Faqih fest, eine einzelne Person mit der Verantwortung für die Judikative zu betrauen. In der ursprünglichen Form sollte diese Funktion durch ein mehrköpfiges Gremium wahrgenommen werden.48
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Nur zwei Artikel wurden der Verfassung neu hinzugefügt: 112 und 176. Artikel 112 führte den Schlichtungsrat als legale Institution der Islamischen Republik ein. Der Artikel beschreibt ihn dabei als Körperschaft "formed for the purposes of determining the proper acts and things deemed expedient in cases where a ratification of the (Majlis) shall be rejected by the Guardians Council on grounds of inconsistency with the principles of the Holy Sharia or the Constitution...The Congregation shall be formed upon the instructions of the Leader (Faqih - H.F.)"49. Artikel 176 autorisierte schließlich die Einrichtung eines "Hohen Rates für Nationale Sicherheit", der dem Präsidenten beigeordnet werden sollte.50 Da die für die Außenpolitik relevanten Artikel unverändert blieben, soll auf eine detailliertere Erörterung der einzelnen Zusätze und Veränderungen verzichtet werden - mit einer Ausnahme: die Stellung des herrschenden Faqih. Jede Änderung seiner Funktion und seiner hierarchischen Position besitzt - zumindest indirekt - auch außenpolitische Relevanz.
Die neue Rolle des herrschenden Faqih Eine der wesentlichen Veränderungen im Text der neuen Verfassung betraf die Aufwertung des Präsidentenamtes, das jetzt mit einer Reihe tatsächlicher exekutiver Vollmachten ausgestattet wurde. Khomeini dürfte aber schon im April 1989 gewußt haben, daß eine Stärkung des Präsidenten zwangsläufig zu einer gewissen Einschränkung der Omnipotenz des Faqih führen mußte. Trotzdem ließ er die entsprechenden Artikel in der neuen Verfassung passieren. Erst die genaue Analyse offenbart das große strategische Geschick Khomeinis in dieser Frage. Die Verfassung von 1979 hatte für den herrschenden Faqih Eigenschaften vorgeschrieben, die nur durch einen margä c at-taqlld zu erfüllen waren. Im Grunde genommen erwiesen sich alle diesbezüglichen Bestimmungen auf die Person Khomeinis zugeschnitten. Nach Abschluß der klerikalen Machtkonsolidierungsphase kamen jedoch erste Bedenken auf, die gerade deshalb ein bedenkliches Machtvakuum für die Zeit nach dem gegenwärtigen Faqih voraussagten. So wurde 1982 entschieden, daß der Expertenrat noch zu Lebzeiten Khomeinis einen Nachfolger auszuwählen habe. Wäre eine Einigung auf einen Kandidaten unmöglich, sollte ein drei- bis fünfköpfiges Gremium mittelfristig die Funktion des Faqih kollektiv wahrnehmen. Der designierte Nachfolger Khomeinis, Ajatollah Montazeri, schied im März 1989 aus der Regelung aus. Es zeigte sich aber, daß die kollektive Lösung keine Mehrheiten fand, da sie möglicherweise zentrifugale Kräfte gestärkt hätte. 51 Keine lebende Einzelperson konnte jedoch die gleichen Intentionen und das gleiche Charisma wie Khomeini garantieren. Viele prominente Groß-
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ajatollahs lehnten das Prinzip des Veläyat-e Faqlh gänzlich ab. Ergo mußte das Amt des Faqlh modifiziert werden. Unter dem Eindruck der sozialen und ökonomischen Probleme nach dem achtjährigen 1. Golfkrieg und seiner schwindenden Gesundheit traf Khomeini primär Vorsorge für die Konservierung seines Modells eines islamischen Staates in Iran. U m dabei möglichst wenig Raum für Mißverständnisse zu lassen, legte Khomeini seine Auffassungen in Form eines "Letzten Willens", eines Testaments, für die Nachwelt fest. Dieses Dokument wurde nicht nur in Iran, sondern auch in der übrigen islamischen Welt in breitem Umfang diskutiert und kommentiert, da man sich weiterführende Impulse für die Ausgestaltung des "islamischen Staates" versprach. Die Mehrheit der Analytiker kam jedoch zu dem Ergebnis, daß das Testament im wesentlichen auf eine unmittelbare Handlungsanweisung zu reduzieren ist, die den politischen Protagonisten in Iran eben jenen Weg vorschrieb, der auf eine mittelfristige Stärkung pragmatischer Elemente hinauslief. 52 Nur scheinbar konträr zu seinen bisherigen Auffassungen billigte Khomeini darin deshalb auch die entscheidende Verfassungsänderung, die nicht länger vorschrieb, daß der Faqlh auch margä c at-taqlld sein müsse. Er fürchtete die Führung der Islamischen Republik durch "unpolitische" Geistliche wie z.B. die Großajatollahs Golpäyegänl oder MarcasT-Nagafi.53 Um die Fortexistenz der Islamischen Republik in seinem Sinn zu garantieren, scheute sich Khomeini nicht, das Herzstück seines Prinzips der Herrschaft des Rechtsgelehrten zu ändern, das diesem Rechtsgelehrten die ultimative Macht sowohl in politischen als auch in religiösen Angelegenheiten zusprach. 54 Die Substanz der von ihm in die Wege geleiteten Änderungen ist nicht zu übersehen. Anstatt mit allen Eigenschaften eines margä c at-taqlld ausgestattet zu sein, sollte der Faqlh fortan nur "gerecht" sein, über großen politischen und menschlichen Sachverstand verfügen und "ausreichendes" religiöses Wissen besitzen. Indem der Faqlh damit auf "menschliches Maß" reduziert wurde, ging er der Unfehlbarkeit verlustig und konnte notfalls abgelöst werden. Ein Rat, bestehend aus dem Präsidenten, dem Chef der Judikative und einem Rechtsgelehrten aus dem Wächterrat, könnte seine Vollmachten dann interimsweise übernehmen - vorausgesetzt, Religionsgelehrte sind in diesem Rat in der Uberzahl. Natürlich bedeutete die Rückführung des Faqlh in die Position eines "gewöhnlichen Sterblichen" ein ernstes Problem für die Legitimität eines Staates, der auf der Grundlage der vollständigen Unterordnung unter die Gesetze Gottes und der Dekrete des Sachwalters ihrer Umsetzung, des herrschenden FaqTh, funktioniert. Wenn dieser Faqlh nicht länger margä c attaqlld ist, wer besitzt dann die absolute Autorität und das Recht, im Namen Gottes zu herrschen? 55 In der kritischen Phase der Republik an der Wende zu den neunziger Jahren erschien Khomeini ein Gefolgsmann wie RafsangänT auf einem mit erweiterten
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Vollmachten ausgestatteten Präsidentenstuhl trotzdem aussichtsreicher zu sein, das "Staatsschiff durch schwere See zu steuern", als greise, apolitische Großajatollahs.56 Der Präsident bedurfte für seine umfangreiche Aufgabe eines Mindestmaßes an exekutiver Macht, das ihm Khomeini unter diesen Umständen zubilligte. Das Amt des Faqlh wurde hingegen allein durch die Tatsache "politischer", daß er nicht länger zwingend die höchste theologische Instanz der Republik ausmachte. Es gilt als wahrscheinlich, daß Khomeini schon im April 1989 an Hämene 3 ! dachte, als er den Modifizierungen des Faqlh-Amtes zustimmte.57 Um die Folgen der "Demontage" des Faqlh in Grenzen zu halten, ergriff Khomeini allerdings die Gelegenheit, die Rechtsstellung des Faqlh, eindeutiger als in der Verfassung von 1979 geschehen, herauszuarbeiten. Bislang war weitgehend unklar geblieben, ob der Faqlh über der Verfassung stehe, sie quasi erst durch seine Unterschrift legitimiere oder ob er an sie gebunden sei. Zu Lebzeiten Khomeinis wagte niemand, auf diesen Widerspruch offen und wiederholt hinzuweisen. Einem Nachfolger hätte die Unklarheit aber wahrscheinlich zu schaffen gemacht. So hob dann die Verfassung von 1989 die Macht des Faqlh eindeutig als "absolut" hervor und bescheinigte ihm außerdem eindeutig die Richtlinienkompetenz in politischen Fragen. Der Schlichtungsrat wurde ihm als Beratungsgremium zur Seite gestellt, ohne daß er an dessen Meinung gebunden wäre. Viele Beobachter lasen aus der Verfassung von 1989 nur heraus, daß der Präsident gestärkt und der Faqlh durch die Annullierung der Bedingung, auch margäc at-taqlid sein zu müssen, geschwächt worden sei. Dem stehen die Inhalte mehrerer Artikel der revidierten Verfassung gegenüber. Artikel 110 listet die Vollmachten des Faqlh wie folgt auf: "A) Determining the general policies of the Islamic Republic in consultation with the Council for the Determination of Exigencies of the State; B) Supervising the proper implementation of the general policies; C) Ordering referendums; D) Supreme command of the Armed Forces; E) Declaring war, peace, and troop mobilization; F) Appointing, dismissing, and accepting resignation of the: 1. Members of the Council of Guardians, 2. Head of Judiciary, 3. Director of the Voice and Vision of the Islamic Republic of Iran..., 4. Chief of Staff of the Armed Forces, 5. Commander in Chief of the Islamic Revolutionary Guards Corps, 6. Commanders in Chief of the military and security forces; G) Resolving differences and regulating relations among the three branches of government; H) Resolving, by means of the Council for the Determination of Exigencies of the State, problems which cannot be resolved by ordinary means; I) Signing the decree naming the President after popular elections. The competence of the presidential candidates, as per conditions stipulated by the Constitution, must be approved prior to the elections by the Council of Guardians and confirmed by the Imam during the first electoral round;
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J) Impeaching the president for reasons of national interest pursuant to a verdict by the Supreme Court confirming his violation of his legal duties or a vote of no confidence by the Islamic Consultative Assembly (Magles H.F.), as per Principle 89; K) Pardoning convicts or commuting their sentences in accordance with Islamic criteria and subsequent to a request from the Head of Judiciary."58 Artikel 113 ordnete den Präsidenten zudem protokollarisch eindeutig hinter dem Faqih ein, und Artikel 122 erklärt den Präsidenten - wie angeführt - dem Faqih verantwortlich. 59 Von immenser Bedeutung ist auch der Oberbefehl über alle Streitkräfte durch den Faqih. Damit scheint Iran weltweit das einzige Land zu sein, in dem die Exekutive nicht über die nationale Streitmacht verfügt. Außerdem bleibt es einzigartig, daß ein gewählter Präsident von einem nur indirekt gewählten Faqih bestätigt werden muß bzw. entlassen werden kann. Zusätzlich dazu eröffnete die neue Verfassung lediglich die Möglichkeit, die politischen und geistlichen Funktionsbereiche des Faqih personal zu trennen, sie schreibt es aber nicht vor. Damit wäre es jederzeit denkbar, daß ein vom Konsens der Gläubigen getragener Ajatollah die beiden Bereiche des Amtes auch wieder in Personalunion übernimmt - der Ursprungszustand wäre wiederhergestellt. Erst mit der Sicherheit ausgestattet, den Willen des Revolutionsführers umzusetzen, konnten es die Führer der Islamischen Republik wagen, Hoggat olEsläm Hämene 3 ! nach dem Tod Khomeinis die Funktion des Faqih zu übertragen. Zwar gewöhnte sich seine Umgebung an, ihn fortan "Ajatollah" zu titulieren, aber er wußte, daß ihm der Rang eines margä c verwehrt bleiben würde. Faktisch kam es zu einer Zweiteilung der Funktion des Faqih. Hämene 3 ! sollte den politischen Aufgabenbereich abdecken, während einige seiner Anhänger die Person Ajatollah Aräkls als neuen Führer in religiösen Angelegenheiten, als margä c at-taqlld, in die Debatte einbrachten. Vielen geistlichen Würdenträgern blieb nicht verborgen, daß die Staatsführung ebenso massiv auf die Ernennung eines margä c at-taqlld Einfluß nahm wie vordem der Schah. Allenthalben äußerte sich Kritik. Ajatollah Azärl QomI sprach sich für Großajatollah Golpäyegänl aus und forderte Hämene 3 ! auf, sich ausschließlich auf die politischen Funktionen des Amtes zu beschränken. Gleichzeitig nutzte der prominente Geistliche aber auch die "Gunst der Stunde", um an der vergangenen Allmacht Khomeinis zu rütteln. Scheinbar in paradoxem Widerspruch zu seinen Mahnungen an Hämene 5 ! stehend, nur die politischen Aspekte des Faqih-Amtes abzudecken, forderte er das Recht für Khomeinis Nachfolger, dessen Erlasse zu revidieren. Gültigkeit sollten jeweils nur die fatwäs des aktuellen Faqih besitzen, dieser müsse gegebenenfalls die Erklärungen seiner Vorgänger bekräftigen. Viele "Radikale" sahen darin eine "Entkhomeinisierung
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(emam-zedaT)" der islamischen Republik.60 Wieder andere Geistliche und viele Gläubige sandten dagegen Ergebenheitsadressen an Großajatollah Ho 0 ! in Nagaf.61 Immerhin erfüllte das Anfang 1989 entworfene Modell der Machtstruktur für die Zeit "nach Khomeini" insgesamt die in es gesetzten Erwartungen. Der Machtwechsel vollzog sich ohne größere Komplikationen, Anhänger Rafsangänls übernahmen entscheidende Positionen in der Exekutive. In den Ministerien und staatlichen Ämtern wurden Sympathisanten der "Radikalen" sukzessive ersetzt, einige radikale "Hochburgen" (z.B. die Angomanhä-ye esläml) sogar aufgelöst.62 Auch der Wächterrat, faktisch das iranische Oberhaus (sechs Geistliche und sechs Laien mit minderen Befugnissen) funktionierte in ihrem Interesse und lehnte die Übernahme entscheidender Positionen durch Gegner Rafsangänls ab. Der erste Fünfjahrplan der Republik fand die Zustimmung des Parlaments und des Wächterrates. Von Truppenführern während des Krieges gegen Irak immer wieder gefordert, ordnete der Präsident zun 1.April 1991 sowohl die Zusammenführung von Armee und Päsdärän als auch von Polizei, Gendarmerie und den Komitees in jeweils gemeinsamen Kommandostrukturen an. Dadurch versprach er sich eine straffere staatliche Kontrolle über die bewaffneten Kräfte des Landes und ein Zurückdrängen radikaler Abenteurer. Trotzdem kann angesichts des beschriebenen Kalküls Khomeinis kaum von einer irreversibel neuen Entwicklung der Islamischen Republik seit 1989 die Rede sein. Der Mehrheit der unterdessen getroffenen Maßnahmen fehlt auch weiterhin das Attribut der Unumkehrbarkeit. So bedeutete die Schaffung obengenannter gemeinsamer Kommandostrukturen nicht die konsequente Auflösung jeglicher separater Machtzentren in den Streitkräften, die nachrichtendienstlichen Abteilungen der Komitees wurden sogar den Päsdärän unterstellt, deren Übergewicht über die reguläre Armee erhalten blieb.63 Rafsangänls Zielstellung war offensichtlich, aber möglicherweise zieht der radikale "Geist" der Komitees und der Päsdärän eher in die Polizei und in die Gendarmerie ein, als daß diese umgekehrt diszipliniert würden. Für abschließende Urteile fehlt jedenfalls noch die Grundlage. Für die Außenpolitik der Islamischen Republik Iran gelten jedenfalls weiterhin die schon 1979 formulierten und verabschiedeten Artikel. Vorgaben und Direktiven werden aber nach 1989 von einem "Zweigestirn", bestehend aus dem Faqih und dem Präsidenten, erlassen. Obwohl sich beide in der Außenpolitik in die Gesamtverantwortung gestellt sahen, überwogen in den Handlungen und Wortmeldungen des Faqih doch eher ideologische und religiöse Aspekte, während sich der Präsident auf die praktische Außenpolitik konzentrierte.
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Anmerkungen 1 2 3 4 5 6 7
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Mohammad!, M., Osül-e siyäsat-e härigi-ye öomhüri-ye Eslämi-ye Iran, Teheran 1987, S. 35. Vgl. P. Beyer, Religion and Globalization, London-Thousand Oaks-New Delhi 1994, S. 177f. Vgl. Constitutional Law of Islamic Republic of Iran, Teheran o.J., S. 6f. Vgl. auch U. Steinbach, Iran. In: W. Ende/U. Steinbach (Hg.), Der Islam in der Gegenwart. Entwicklung und Ausbreitung, Staat, Politik und Recht, Kultur und Religion, München 1996, S. 256f. Vgl. A. Kasravi, On Islam and Shi'ism, Costa Mesa 1990, S. 20. F. Rajaee, Globalization and Factionalism in revolutionary Iran. Draft Paper, o.J. o.O., S. 5. Eine ausführliche Erläuterung des Prinzips "Veläyat-e Faqlh" findet sich in: M.M. Tahini, Maca 1-wasiya: diräsa fiqhiya istidlällya li-mas3 ala al-iltizäm bil-wasiya as-siyäslya lil-imäm al-Humaini, Beirut 1990, S. 29-32. Der Autor billigt dem Prinzip eine Grundfunktion für jedes islamische Staatswesen zu und bezeichnet es als "Schlüssel zur Sarica (miftäh aä-Sarica)". Ebenda, S. 43. Sürat-e maSrüh-e mozäkerät-e magles-e barrasi-ye nehä'-ye qänün-e asäsi-ye Iran. Bd. 1, Teheran 1986, S. 80. Ebenda, S. 85f. Khomeini sah im Parlament von Beginn an eine wichtige Balance-Institution gegen das Herauskristallisieren neuer personaler Macht unterhalb der Ebene des Faqih. Vgl. Grußadresse Khomeinis an die erste Sitzung des Parlamentes. In: NegareSi be avvallne davrä-ye magles-e Sörä-ye eslämi, Teheran 1985, S. 15f. Vgl. M. Milani, Shi'ism and the State in the Constitution of the Islamic Republic of Iran. In: S.K. Farsoun/M. Mashayeki (Hg.), Iran. Political Culture in the Islamic Republic, London-New York 1992, S. 154. Zur Gesamtproblematik der Erarbeitung und Annahme der Verfassung von 1979 vgl. A. Schirazi, The constitution of Iran. Politics and State in the Islamic Republic, London 1997, S. 22-52. Vgl. Ders., Die Widersprüche in der Verfassung der Islamischen Republik vor dem Hintergrund der politischen Auseinandersetzung im nachrevolutionären Iran, Berlin 1992, S. 13. Vgl. S. Teilenbach, Untersuchungen zur Verfassung der Islamischen Republik Iran vom 15. November 1979, Berlin 1985, S. 232. Vgl. Constitutional Law of Islamic Republic of Iran, Teheran o.J., S. 3f., und K.L. Afrasiabi, After Khomeini. New Directions in Iran's Foreign Policy, Boulder-San Francisco-Oxford 1994, S. 15. Vgl. Constitutional Law..., a.a.O., S. 6. Vgl. ebenda, S. 8, und Yearbook Iran 1989/90, Bonn 1990, S. 4. Vgl. Schirazi, Die Widersprüche..., a.a.O., S. 15. Vgl. K.S. Durrany, The Impact of Islamic Fundamentalism, New Delhi 1993, S. 133. Constitutional Law..., a.a.O., S. 9. Wegen der besseren Übersetzung wurde der Text des Artikels entnommen aus: H. Ram, Myth and Mobilization in Revolutionary Iran; The Use of the Friday Congregational Sermon, Washington D.C. 1994, S. 200f.
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Vgl. J. Calabrese, Revolutionary Horizons. Regional Foreign Policy in Post-Khomeini Iran, London 1994, S. 27. Vgl. auch S.T. Hunter, Iran and the Spread of Revolutionary Islam. In: Third World Quarterly, London 10 (1988) 2, S. 736. Vgl. Tellenbach, Untersuchungen..., a.a.O., S. 232. Vgl. F. Steppat, Schi'a und Sünna: Religiöse Konfliktlinien und politische Brisanz. In: F. Scholz (Hg.), Die Golfstaaten: Wirtschaftsmacht im Krisenherd, Braunschweig 1985, S. 48. Vgl. M. Muhajeri, Islamic Revolution - Future Path of the Nations, Teheran 1983, S. 116. Vgl. Echo of Iran (EOI), London 41 (1993) 67, S. 24. Vgl. auch W.G. Millward, The Principles of Foreign Policy and the Vision of World Order expounded by Imam Khomeini and the Islamic Republic of Iran. In: N.R. Keddie/E. Hooglund (Hg.), The Iranian Revolution and the Islamic Republic, Washington D.C. 1982, S. 194. Vgl. A. Ehteshami, After Khomeini. The Iranian Second Republic, London-New York 1995, S. 202f. Vgl. Schirazi, Die Widersprüche..., a.a.O., S. 81f. Constitutional Law..., a.a.O., S. 55. Vgl. Tellenbach, Untersuchungen..., a.a.O., S. 233, und S.K. Anderson, The Impact of Islamic Fundamentalist Politics within the Islamic Republic of Iran on Iranian State Sponsorship of Transnational Terrorism, Ann Arbor 1994, S. 153. Vgl. Constitutional Law..., a.a.O., S. 55, und Tellenbach, Untersuchungen..., a.a.O., S. 231. Constitutional Law..., a.a.O., S. 55. Vgl. F. Rajaee, Iranian Ideology and Worldview: The Cultural Export of Revolution. In: J.L. Esposito (Hg.), The Iranian Revolution. Its Global Impact, Miami 1990, S. 68. Sürat-e... Bd. 3, Teheran 1986, S. 1520f. Vgl. auch M. Behrooz, Trends in the Foreign Policy of the Islamic Republic of Iran, 1979-1988. In: N.R. Keddie/M.J. Gasiorowski (Hg.), Neither East nor West. Iran, the Soviet Union and the United States, New Haven-London 1990, S. 15. Vgl. T. Wöhlert, Iran: Die pragmatische Republik Gottes? Frankfurt/M. u.a. 1993, S. 151f. Vgl. auch Tellenbach, Untersuchungen..., a.a.O., S. 234f. Vgl. U. Steinbach, Die "Zweite Islamische Republik". Der Gottesstaat auf dem Weg in die Normalität. In: Außenpolitik, Bonn (1990) 1, S. 80. Vgl. S. Tellenbach, Zur Änderung der Verfassung der Islamischen Republik Iran vom 28. Juli 1989. In: Orient, Hamburg (1990) 1, S. 45. Vgl. Steinbach, Die "Zweite..., a.a.O., S. 76. Vgl. auch S. al-Ansäri, al-fuqahä' hukkäm calä al-mulük: c ulamä 3 Iran min al-cahd assafawl ilä al-cahd ai-bahlawi, o.O. Í986, besonders Kapitel 13-16, S. 337-472. Vgl. Steinbach, Die "Zweite..., a.a.O., S. 82. Vgl. EOI, 42 (1994) 79. Vgl. Tellenbach, Zur Änderung..., a.a.O., S. 45. Vgl. Kayhän havä% Teheran, 3.5.1989. Vgl. Tellenbach, Zur Änderung..., a.a.O., S. 46. Zum genaueren Inhalt der Verfassung vgl. auch Afäq al-Isläm, Amman, Nr. 3/1993, Länderteil Iran. Ausführliche Erläuterung der Verfassungsänderungen. Zuordnungen politischer Macht in der IRI, S. 141146; ebenso A.F. Qäzi, Hoqüq-e asäsi va nehädhä-ye siyäsi, Teheran 1991, S. 28ff.
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Vgl. M. Mohadessin, Islamic Fundamentalism. The new global threat, Washington D.C. 1993, S. 29ff. Zit. in: Ehteshami, After Khomeini..., a.a.O., S. 41. Vgl. ebenda, S. 38. Vgl. Tellenbach, Zur Änderung ..., a.a.O., S. 48. Vgl. z.B. Tahlni, Ma'a.., a.a.O., S. 11-25. Wortlaut des Testaments Khomeini's u.a. in: The Iranian Journal of International Äff airs, Teheran, Sommer-Herbst 1989, S. 309-362. Tahlni und andere Autoren gaben zwar in ihren Werken verbale Zustimmungen der genannten und anderer Ajatollahs (Baqr Sadr, Yazdi, Hol, MQsä Sadr u.a.) zum Prinzip der Veläyat-e Faqih zu Protokoll, dabei überwog aber der Rechtfertigungsgedanke (ebenda, S. 145-151). In Wirklichkeit hatten sich die Genannten kaum und dann auch - zumindest indirekt - ablehnend geäußert. Khomeini kannte seine Amtskollegen immerhin besser als die zahlreichen Apologeten. Vgl. Beyer, Religion..., a.a.O., S. 176f. Vgl. auch H. Omid, Islam and the Post-Revolutionary State in Iran, New York 1994, S. 148f. Vgl. auch A. Rahnama/F. Namani, The Secular Miracle: Religion, Politics & Economic Policy in Iran, London-New Jersey 1990, S. 361. Vgl. Tellenbach, Zur Änderung..., a.a.O., S. 49. Zit. in: Mohadessin, Islamic..., a.a.O., S. 30. Vgl. Tellenbach, Zur Änderung..., a.a.O., S. 52-64. Vgl. A. Rieck, Iran. In: Nahost Jahrbuch 1990, Opladen 1991, S. 78. Vgl. H.E. Chehabi, Religion and Politics in Iran. In: Daedalus, Cambridge, Sommer 1991, S. 85f. Vgl. Rieck, Iran. In: Nahost Jahrbuch 1990, a.a.O., S. 79. Vgl. Rieck, Iran. In: Nahost Jahrbuch 1991, Opladen 1991, S. 79.
III. Westwahrnehmung und außenpolitische Konzeptionen der iranischen Führung seit 1989 Der Tod Ajatollah Khomeinis am 3. Juni 1989 traf die Führung der Islamischen Republik Iran zu einem außerordentlich ungünstigen Zeitpunkt. Seit dem Sturz des Schahs war es ihr immer wieder gelungen, Entschuldigungen und Ausflüchte für den ausbleibenden Wirtschaftsaufschwung zu entwerfen. Die enthusiastische Bevölkerungsmehrheit Irans begrüßte in den ersten Wochen und Monaten des Jahres 1979 die asketischen, auf die Entfaltung der inneren, "islamischen" Werte gerichteten Appelle Khomeinis. Danach diente vor allem der Krieg mit Irak als stets probate Entschuldigung für die wirtschaftlichen Probleme des Landes. Der Waffenstillstand vom 20. August 1988 wurde deshalb auch von Abermillionen Iranern als Startpunkt für das Ende ihrer Leiden gefeiert. Fast ein Jahrzehnt nach dem Sieg der Revolution durften die Iraner nun von ihrer Regierung erwarten, daß diese in Friedenszeiten die zahlreichen Revolutionsversprechen einzulöste.1 Nur Ajatollah Khomeini wäre wohl für einen längeren Zeitraum in der Lage gewesen, weiter Geduld zu predigen und damit Gehör zu finden. Sein Tod stellte die Staatsführung daher vor große Probleme. 2 Ohne sein Zutun hatte sie nun zu beweisen, daß der Islam "as the complete way of life they claimed it to be, could actually run a country"3. Im Sommer 1989, d.h. sowohl nach dem Waffenstillstand mit Irak als auch nach dem Hinscheiden des Revolutionsführers, hieß es für die iranische Revolution, ihre Überlebensfähigkeit zu beweisen. Dabei hatten sich die Ausgangsbedingungen selbst im Vergleich zu der Periode unmittelbar nach dem Sturz der PahlavT-Herrschaft weiter verschlechtert. "... from the beginning of the war in September 1980 to the cease-fire in August 1988, some $ 592 billion in damage has been inflicted on the economy, of which around $ 210 billion relate to damages inflicted on the country's infrastructure... The war damage figures do not include destruction of the population, military expenditures and the reconstruction costs of the war damage."4
Die Plan & Budget Organisation mußte 1989 feststellen, daß das iranische Produktionsniveau von 1989 nur dem der Jahre 1972/1973 entsprach, allerdings bei einer seitdem um 12 Millionen Menschen gewachsenen Bevölkerung.5 Die iranische Industrie arbeitete zum Zeitpunkt des Waffenstillstands mit einem Auslastungsgrad von 20-40 Prozent, mehrstündige Energieabschaltungen pro Tag waren eher Regel als Ausnahme. 65 Prozent der Rohmaterialien für die Industrie mußten eingeführt werden. Um das Industrieniveau erst einmal wieder auf den vorrevolutionären Stand zu bringen, wären mittelfristig Investitionen von 6,5 Md. $ pro Jahr notwendig gewesen,6 Summen, die zum damaligen Zeitpunkt nicht zur Verfügung standen.
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Während des Krieges mit Irak hatte die Arbeitslosenzahl die Grenze von vier Millionen überschritten, die Demobilisierungsphase nach dem Waffenstillstand - insbesondere im Bereich des Bonyäd-e Basig - sorgte für einen weiteren drastischen Zugang an Arbeitslosen. Schon 1988 hatte die Plan & Budget Organisation angegeben, daß zum Zeitpunkt des Waffenstillstandes 39 Prozent der ökonomisch aktiven Bevölkerung Irans von Arbeitslosigkeit betroffen seien, d.h. die Arbeitslosen und ihre Familien umfaßten einen Personenkreis von 12 Millionen Menschen.7 Auch die Inflationsrate gab Anlaß zu Besorgnis. Da die iranische Regierung selten Zahlen über diese Rate publiziert, sind Beobachter auf Schätzungen angewiesen. Sie schwanken zwischen 30-40 Prozent8, 50 Prozent' und 80-90 Prozent10. In seltener Offenheit beschrieb der Parlamentarier Hoggat ol-Esläm Goläm Rezä' Mesbähl 1989 die ökonomische Misere Irans, die die neue iranische Regierung zu bekämpfen habe, wie folgt: "Am Vorabend des 11. Jahrestages unserer Revolution haben wir immer noch eine rückständige Wirtschaft, die Arbeitslosen- und die Inflationsrate bleiben hoch, die Einwanderung der Bauern in die Städte hält unvermindert an, und von sozialer Gerechtigkeit ist unsere Gesellschaft noch sehr weit entfernt."11
Mesbähl ließ allerdings jeden Lösungsansatz, der über die unbeschönigte Beschreibung der wirtschaftlichen Situation hinausging, vermissen. Dabei war auch er - wie das gesamte geistliche Regime - in die Pflicht genommen. Die Bemühungen um die Errichtung einer "islamischen Wirtschaftsordnung" nach der Revolution hatten per Saldo zu einer Verstaatlichungswelle geführt. Über die Kontrolle des Staatsapparates war die Geistlichkeit zum größten kollektiven Eigentümer an Produktionsmitteln in Iran aufgerückt. Logischerweise wurde sie - und insbesondere ihre Führer - von der Mehrheit der iranischen Bevölkerung nach dem Ende des Krieges mit Irak und dem Wegfall des "Schutzschildes Khomeini" auch in der kollektiven Verantwortung für die zahllosen Schwierigkeiten der Wirtschaft gesehen. Die Machtfrage begann sich erneut zu stellen, rasche Abhilfe tat not. Die relativ ausführliche Darlegung der wirtschaftlichen und damit auch innenpolitischen Schwierigkeiten der iranischen Führung nach dem Tod Khomeinis ist insofern notwendig, als daß sie Rückschlüsse auf den Stellenwert der Außenpolitik zuläßt.12 Nach dem Tod des Revolutionsführeres sahen Irans Politiker die Welt und die Position ihres Landes darin zunächst vorrangig durch das Prisma inländischer revolutionärer Entwicklung. So ordnete sich die Außenpolitik auf ihrer Prioritätenliste fast durchweg hinter der Wirtschaftsund Innenpolitik ein.13 Ihre vergleichsweise untergeordnete Stellung zeigte sich auf zweierlei Weise: zum einen, daß sie als sekundär angesehen wurde und
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zum anderen, daß sie stets danach beurteilt wurde, wie sie die Innen- und Wirtschaftspolitik beeinflußte.14 Dieser Zustand blieb nicht auf den Zeitpunkt des Waffenstillstands mit Irak und den Tod Khomeinis beschränkt. Außenminister Veläyati bemühte sich noch 1994 in der Presse, den Nutzen der Außenpolitik für die Erdölwirtschaft des Landes nachzuweisen.15 Trotzdem fand die Außenpolitik z.B. keinerlei Erwähnung, als 1994, während eines gemeinsamen Treffens von Regierung und Parlament, die wichtigsten Probleme des Landes aufgelistet wurden.16 Allerdings bestätigten auch in diesem Fall Ausnahmen die Regel. Im Sinne der Beeinflussung der Innenpolitik wuchs angestrebten außenpolitischen Erfolgen häufig die Rolle zu, von der Unfähigkeit zur Lösung der dringendsten wirtschaftlichen und innenpolitischen Probleme abzulenken. Hier konnte die Führung ihre Legitimität untermauern, indem sie Vitalität und Stärke bewies. Unter diesem Aspekt ist die Außenpolitik "serving as a diversion from the hopeless tasks of day-to-day governance; maintaining a sense of momentum and mission; and preserving some semblance of consensus among the leadership and factions who are otherwise divided about the course the country ought to adopt"17. Insgesamt konnten die Außenpolitik und die mit ihr befaßten Institutionen und Personen ihren Nutzen in der Nach-Khomeini-Zeit aber nur nachweisen, wenn sie zur Milderung der Isolation des Landes beitrugen, damit Wege für äußere Hilfe beim Wiederaufbau ebneten und so den Bestand der Islamischen Republik sicherten.
¡Differenzierung in der Führung Obwohl die von Revolutionsführer Khomeini gesteckten und in der Verfassung verankerten Ziele der iranischen Außenpolitik den gültigen und für die Regierung verbindlichen Rahmen absteckten, fußten sie doch auf vielen und teilweise divergenten politischen Strömungen in der Islamischen Republik, zwischen denen der Revolutionsführer moderierte, die er ausbalancierte, um jedoch gegebenenfalls auch ein Machtwort zu sprechen. Die auf die Wiederherstellung der Monarchie ausgerichteten Kräfte waren bis 1981 ebenso politisch und teilweise auch physisch eliminiert wie die eine säkulare republikanische Staatsform anstrebenden Flügel. So blieben bis zum Tod Khomeinis im wesentlichen zwei Strömungen in der iranischen Politik aktiv, die zwar eine ähnliche Strategie, nämlich die Stärkung der Islamischen Republik und ihr beispielgebendes Wirken auf die Welt, auszeichnete, die aber dabei eine sehr unterschiedliche Taktik befolgten und auch für Iran selbst unterschiedliche Modelle entwickelten. Eine Richtung favorisierte den Schutz privaten Eigentums und ein ökonomisches System, das privates Unternehmertum gegenüber staatlichem Dirigismus
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fördert. Bei strikter Befolgung islamischer Gesetze und Normen im Inhalt war sie doch in der Form zu einigen Zugeständnissen bereit und lehnte Überspitzungen ab. Außenpolitisch trug sie die Maxime "Weder Ost noch West" in vollem Umfang mit, sie hegte aber gegenüber der Sowjetunion einen ähnlich großen Argwohn wie gegenüber den USA. Deren antiiranische Politik wollte sie somit nicht durch eine Annäherung an den Ostblock konterkarieren, sondern durch die Öffnung zu den Staaten Westeuropas, zu Japan und China. In der Außenpolitik auch gegenüber islamischen und anderen Staaten der Dritten Welt vertraute sie mehr auf traditionelle Diplomatie und interstaatliche Formen. Die andere Richtung sprach sich für ein höheres Maß an Egalitarismus in der iranischen Gesellschaft aus, sie prangerte die Kapitalakkumulation in wenigen Händen an und bevorzugte eine weitgehende staatliche Kontrolle in der Wirtschaft. Der inneriranische Alltag sollte durch eine buchstabengetreue Befolgung islamischer Verhaltens- und Moralnormen gekennzeichnet sein. In der Außenpolitik bedeutete "Weder Ost noch West" vor allem Antiamerikanismus. Um den "Großen Satan" zu bekämpfen, dürfe man bei der Wahl seiner Bündnispartner nicht zu wählerisch sein. Zudem genieße der "Export der islamischen Revolution" Priorität gegenüber allen Völkerrechtsnormen, Beziehungen sollten eher zu Völkern als zu Regierungen hergestellt werden.18 Getragen vom revolutionären Enthusiasmus, dem ihre Postulate eher entsprachen, aber auch beeinflußt durch die vielfältigen inneren (Wirtschaftsblockade, bürgerkriegsähnliche Wirren) und äußeren (Krieg mit Irak) Pressionen, verschaffte sich die zweite Richtung in den achtziger Jahren ein gewisses Übergewicht. Die beschriebene wirtschaftliche und innenpolitische Misere der Republik veranlaßte Khomeini jedoch zu einem radikalen Kurswechsel, den er seinen Anhängern auch als Vermächtnis für die Zeit nach seinem Tod empfahl. Nicht seinen bis dahin bevorzugten Schülern und "Jüngern", den Eiferern, bedingungslosen Visionären, den Revolutionsexporteuren und Egalitaristen, also der in den achtziger Jahren dominierenden "zweiten" Richtung, galt seine finale Unterstützung, sondern rationalen Pragmatikern. Die Fortexistenz der Islamischen Republik Iran stand auf dem Spiel, jetzt waren Vernunft, Augenmaß und Machtgespür gefragt und nicht Vision und idealistische Verve. Khomeinis Initiative hob also eine dritte, zentristische Richtung aus der Taufe und stärkte sie zugleich dergestalt, daß sie nach seinem Tod relativ problemlos die Macht übernehmen konnte. Ihr gehörten vor allem der zum Präsidenten gewählte ehemalige Parlamentssprecher RafsangänT und Außenminister VeläyatI an. Wenn auch in unterschiedlichem Maße, zeichnete sie Pragmatismus aus, sie rückten iranische Interessen in den Mittelpunkt der Außenpolitik und tolerierten, daß das religiöse Sendungsbewußtsein demgegenüber temporär in den Hintergrund trat.19
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Es darf als sicher angenommen werden, daß Khomeinis Billigung der Machtübernahme durch die Kräfte um Rafsangänl fast ausschließlich aus ökonomischen Notwendigkeiten herrührte. Die Brisanz der wirtschaftlichen Probleme der Revolution war ihrem Führer zweifellos gut bekannt. Der pragmatische, auf rasche Ergebnisse zielende Ansatz des damaligen Parlamentspräsidenten erschien deshalb als geringstes unter mehreren Übeln. Zwar stand Rafsangänl einerseits für eine ausgebaute staatliche Wirtschaftsplanung (Fünfjahrplan), aber andererseits auch für eine Politik des schnellen Wachstums und der raschen Hebung des Lebensstandards einer Bevölkerung, die zu 65 Prozent unter der Armutsgrenze lebt.20 Deshalb sprach er sich u.a. für einen vermehrten Kapitalzufluß aus dem Ausland und für eine verminderte staatliche Kontrolle über die Privatwirtschaft aus. Noch zu Lebzeiten Khomeinis nahm Iran wieder größere Kredite auf den internationalen Finanzmärkten auf,21 der Revolutionsführer selbst entschied: "Privatpersonen sollten an Importen teilhaben und mitentscheiden, die Regierung hingegen nur überwachen."22 Insgesamt sollten Kenntnisse und Fähigkeiten in der Wirtschaft nun im Zweifelsfall wieder vor revolutionärem Elan gelten. In diesem Zusammenhang muß auch das Bestreben der iranischen Regierung gesehen werden, ausländisches know how und das Wissen der Hunderttausende von Exiliranern wieder in den Dienst des Landes zu stellen. Obwohl er sein Mißtrauen gegenüber dieser Offerte nie gänzlich ablegte, erklärte selbst der neue herrschende Faqih Hämenel: "Im Prozeß des Wiederaufbaus nach dem Krieg ist es unmöglich, auf das know how, auf die Kenntnisse und Fertigkeiten von Ausländern und emigrierten Landsleuten zu verzichten."23 Die Regierung Rafsangänl beließ es nicht bei bloßen Worten. Sie verhandelte u.a. mit westeuropäischen Erdölfirmen über Investitionen in Iran und über eine Aufhebung der Obergrenze für die Anteile ausländischer Investoren (49 Prozent),24 verfügte die Privatisierung von Staatsbetrieben und veranlaßte die Schaffung von speziellen Investitionszonen am Persischen Golf (Insel Qis).25 Außerdem nahm sie auch Gespräche mit Weltbank und IWF auf,26 um die Voraussetzungen für die Gewährung dringend benötigter niedrigverzinster Kredite zu klären. Wiederholt traten Rafsangänl, Hämene3!, Veläyati und andere mit Verlautbarungen an die Öffentlichkeit, die Prioritäten der islamischen Revolution neu zu bestimmen und ein günstigeres Klima für die Wirtschaftsvorhaben herzustellen. "Reconstruction has become our nation's slogan,"27 proklamierte Hämenel im Sinne einer Vorrangbestimmung. Dazu war der Zugang zu potentiellen regionalen und internationalen Partnern notwendig. Schon Tage nach dem Waffenstillstand mit Irak reisten hochrangige Wirtschaftsdelegationen aus Japan, Australien, Italien, Indien, Pakistan, Kuwait und der Türkei nach Teheran, um Anteile an den umfangreichen Ausschreibungen zum Wiederaufbau zu
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erhandeln. Allein Südkorea erhielt Bauaufträge für die Zeit von 1988-1993 in Höhe von 15-16 Md. $.28 Spie-Batignolles aus Frankreich und die Bechtel Company aus den "verhaßten" USA bekamen den Zuschlag für den Aufbau einer hochmodernen Raffinerie in Aräk bei Bandar cAbbäs.29 Die Wirtschaftskontakte zu diesen Partnern setzten in der Regel verbesserte politische Beziehungen zu ihren Herkunftsländern voraus oder hatten diese zum Ergebnis. Zum damaligen Zeitpunkt entstand bei vielen Beobachtern kurzfristig der Eindruck, als habe sich das Motto der iranischen Außenpolitik gewandelt: anstatt "weder Ost noch West" schien es auf "sowohl Ost als auch West" hinauszulaufen.30 Dazu trugen allerdings auch die veränderten Rahmenbedingungen für die Außenpolitik der Islamischen Republik bei.
Wandel im Bezugssystem der iranischen Außenpolitik Die iranische Revolution von 1978/79 und die Entstehung und Ausgestaltung der Islamischen Republik fielen zeitlich in die letzte Dekade der Ost-WestAuseinandersetzung, die qualitativ noch einmal von besonderer Schärfe gekennzeichnet war. Immerhin fand in den achtziger Jahren eine neue Runde des Wettrüstens statt, bedrohten sich beide Seiten mit atomaren Mittelstreckenraketen in Europa, versuchte USA-Präsident Reagan, das "Reich des Bösen" mit seinem "Strategie Defence Programme" totzurüsten. In dieser außerordentlich gespannten Atmosphäre geriet auch die Region des Nahen und Mittleren Ostens, die schon seit dem Beginn des Kalten Krieges auf Grund ihrer exponierten geographischen Lage als Nahtstelle dreier Kontinente in unmittelbarer Nachbarschaft zur Sowjetunion und als größtes zusammenhängendes Reservoir des bedeutendsten Einzelrohstoffs der Nachkriegszeit - Erdöl - besonderes strategisches Gewicht besessen hatte, in den Blickpunkt der Hauptkonfliktparteien. Es gehört zu den wesentlichen außenpolitischen Wirkungen der iranischen Revolution, daß sie das Ost-West-Kräfteverhältnis in der Region gerade in dieser entscheidenden Phase zuungunsten der USA veränderte. Der Sturz ihres wichtigsten Verbündeten in diesem Raum, Schah Mohammad Rezä 3 Pahlavis, die Auflösung der amerikanisch dominierten Central Treaty Organization (CENTO), der erzwungene Abzug ihrer Berater und der nachrichtendienstlichen Geräte von der 2500 Kilometer langen iranisch-sowjetischen Grenze, zusammen mit der elementaren weiteren Bedrohung von regionalen Verbündeten wie Israel und Saudi-Arabien durch den avisierten iranischen Revolutionsexport, ließ die USA-Regierung die Größenordnung der Niederlage erkennen. Fast zeitgleich ordnete Moskau zudem den Einmarsch seiner Truppen in Afghanistan an.
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Die tiefe iranisch-amerikanische Gegnerschaft seit der Revolution rührt aus dieser Konstellation. Sie wurde einerseits durch die iranischen Bestrebungen, der islamischen Revolution Weltgeltung zu verschaffen, verlängert und verschärft, andererseits aber auch durch das stetige Bemühen der USA, den Status quo ante zunächst mindestens wiederherzustellen und, wenn möglich, zu ihren Gunsten qualitativ weiterzuentwickeln. Khomeini und die neue iranische Regierung weigerten sich dennoch strikt, zugunsten einer der beiden Parteien im Ost-West-Konflikt Position zu beziehen. Diese Haltung schlug sich im Credo der iranischen nachrevolutionären Außenpolitik "Weder Ost noch West - Islamische Republik" nieder. Bewußt oder unbewußt, in jedem Fall wirksam, verarbeitete sie mit diesem Credo die tiefen Frustrationen der iranischen Bevölkerung über die jahrzehntelange äußere Bevormundung. Obwohl nie offizielle Kolonie, befand sich Iran seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in halbkolonialer Abhängigkeit von zunächst Großbritannien und Rußland sowie später von den USA. Die erfolgreiche Revolution wurde deshalb auch als klarer Schlußstrich unter jedwede ausländische Bevormundung bewertet.31 Statt dessen sollte die Islamische Republik zu einem Motor für die eigenständige Entwicklung der islamischen Welt werden, diese aus der Unterordnung und Zweitrangigkeit herausführen und sich auf diese Weise zu einer "moralischen Supermacht" entwickeln. Obwohl sie sich selbst entlang außerordentlich heterogener nationaler, pan-islamischer und republikanischer Linien und Traditionen strukturierte, ordnete sie ihre Außenpolitik primär der Aufgabe der Internationalisierung islamischer Werte unter. Trotzdem ließ sich aus den oben genannten Gründen die national-iranische Komponente der Außenpolitik, die sich gegen den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Einfluß des Westens und insbesondere der USA richtete, nicht leugnen.32 Fritz Steppat faßte diese permanente Dichotomie gekonnt zusammen: "In der Außenpolitik der Islamischen Republik Iran durchdringen einander neue religiöse und alte nationalistische Elemente."33 Dieser Aspekt blieb für die nachrevolutionäre iranische Außenpolitik bezeichnend. Irans Aktivitäten gegen Ende des Ost-West-Konflikts belegten insgesamt zweierlei: Erstens löste sich die alte, bipolare Welt nicht abrupt auf, sondern ihr Unvermögen, die iranische Revolution zu absorbieren, zeigte bereits ihre Agonie, und zweitens trugen die Ereignisse in Iran selbst in hohem Maße zum Ende der Bipolarität und damit zum Ende des Kalten Krieges bei. Die in der Losung "Weder Ost noch West" zum Ausdruck gebrachte und praktisch durchgesetzte Equidistanz von beiden Supermächten kann als Signal für die Chance des Entstehens einer multipolaren Welt gewertet werden, die die von Ost und West gesetzten Parameter nicht länger als omnipräsent und gültig erachtet.34 Es bleibe nicht unerwähnt, daß sich von Khomeinis Warte aus der Abstand zu beiden Supermächten aus unterschiedlichen Quellen speiste. Während er
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die USA sowohl aus politischen als auch aus ideologischen Gründen ablehnte, sah er die Sowjetunion primär als ideologischen Gegner. Es ist der konkreten Entstehungsgeschichte der Islamischen Republik geschuldet, daß in der praktischen Außenpolitik die politischen Aspekte überwogen, d.h. die USA firmierten als der "Große Satan", hinter der die in der Sowjetunion ausgemachte Gefahr zurückblieb. Zwar wurde aus den genannten historischen Gründen eine mögliche militärische Bedrohung seitens der Sowjetunion nicht gering geschätzt, diese hielt aber aus Sicht der iranischen Revolutionäre keinem Vergleich mit den amerikanischen Ambitionen stand, die Islamische Republik Iran mit allen möglichen Mitteln zu bekämpfen. Außerdem hatten die USA Politik, Wirtschaft und Kultur des gestürzten PahlavT-Regimes dominiert und nicht die Sowjetunion. Die USA waren das bevorzugte Exilland der iranischen "Konterrevolution". Im übrigen sah sich die iranische Revolutionsführung zwar als ideologischen Antipoden zum sowjetischen Marxismus/Leninismus, ihr war aber nichtsdestotrotz machtpolitisch bewußt, daß die wenigen iranischen Marxisten oder die Mitglieder der Tudehpartei - obwohl bis 1983 radikal bekämpft und de facto eliminiert - keine wirkliche Gefahr für sie bedeutete. Nur eine kleine Minderheit hatte in Iran jemals das sowjetische Staats- und Gesellschaftsmodell als erstrebenswerte Alternative erachtet.35 Das im Vergleich zu den USA "nüchterne" Verhältnis zur Sowjetunion ermöglichte der iranischen Führung eine pragmatischere Politik, zu der sie situationsbedingt gezwungen war. Denn ökonomisch, politisch und militärisch stand die Islamische Republik in den achtziger Jahren auf einem schwachen Fundament. Die wirtschaftlichen Folgen der Revolution waren noch nicht überwunden, als sie durch den Krieg mit Irak enorm verschärft wurden. Irans Propaganda erklärte den Krieg zum Bewährungsfeld für die Revolution. In der Praxis mußten jedoch andere als die erwarteten Erkenntnisse aus dem Kriegsverlauf gezogen werden. Die hochmotivierten iranischen Kombattanten konnten mehr als eine Schlacht gewinnen, zeigten sich mehrfach in der Lage, scheinbar aussichtslose militärische Situationen zu meistern, aber der Sieg ließ sich mit ihrem Enthusiasmus und ihrer Opferbereitschaft allein nicht erringen. Dazu hätte es des ständigen Nachschubs hochwertiger Rüstungsgüter und ausreichender Finanzen bedurft. An beiden herrschte eklatanter Mangel. Die Erdölpreise sanken in den achtziger Jahren permanent und stagnierten gegen Ende des Jahrzehnts auf niedrigem Niveau. Die politischen Bemühungen zum Export der iranischen Revolution waren nicht nur wenig erfolgreich, sie hatten das Land vielmehr in eine nahezu vollständige außenpolitische Isolation getrieben. Darunter litten - neben mangelnder diplomatischer Unterstützung vor allem jene Nachschublinien, die das Land dringend benötigt hätte.36 Es entstand die reale Gefahr, den Krieg gegen Irak zu verlieren - genügend
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Gründe, um auch nach unkonventionellen Auswegen zu suchen. Ein Weg eröffnete sich darin, das Verhältnis mit der Sowjetunion zu normalisieren.37 Wie stark nun handfeste wirtschaftliche und militärische Faktoren das bilaterale Verhältnis bestimmen sollten und wie offensichtlich die Ideologie zeitweise in den Hintergrund trat, dokumentiert nicht nur der iranische Verzicht auf die Bezeichnung der Sowjetunion als "Kleiner Satan". Vielmehr trafen beide Seiten Vorkehrungen zur gemeinsamen Erdölförderung im Kaspischen Meer. Iran schloß sogar eine sowjetische Beteiligung an ähnlichen Aktivitäten in seinen nördlichen Provinzen nicht mehr kategorisch aus. Wie gravierend dieser Wandel in den iranischen Positionen gegenüber der Sowjetunion war, kann auch daran ermessen werden, daß der Kriegsgegner Irak zu Beginn der Auseinandersetzungen im September 1980 als regionaler Verbündeter der Sowjetunion galt. Diese hatte jedoch nie ein Hehl aus ihrer Ablehnung hinsichtlich des irakischen Angriffs auf Iran gemacht, da sie befürchtete, daß auf diese Weise die USA rasch wieder in das regionale Geschehen involviert werden würden. In den Phasen des irakischen Angriffskrieges setzte die Sowjetunion daher die Waffenlieferungen an ihren Verbündeten aus. Zudem forderte sie ihn auf, sich aus den okkupierten iranischen Territorien zurückzuziehen und die den Schatt al-Arab betreffenden Bestandteile des Algier-Abkommens von 1975 wieder in Kraft zu setzen.38 Die iranische Regierung behauptete zwar später, während des Krieges gegen Irak beiden Supermächten getrotzt zu haben39, de facto war sie aber vor allem nach 1987, als der Krieg zuungunsten Irans internationalisiert wurde, darauf bedacht, von der Sowjetunion und anderen Ostblockstaaten sowohl Waffenlieferungen als auch diplomatische Unterstützung zu erlangen. Im Februar 1989 empfing Ajatollah Khomeini den sowjetischen Außenminister Shevardnadse,40 im Juni des gleichen Jahres, d.h. kurz nach dem Tod Khomeinis, erfolgte der Besuch des - damals noch Parlamentssprechers Rafsangänl in der Sowjetunion. Er traf am 20. Juni mit dem sowjetischen Präsidenten Gorbatschow zusammen und unterzeichnete während des Besuches ein Wirtschaftsabkommen mit einer Laufzeit von zehn Jahren und ein "Abkommen über technische Kooperation auf militärischem Gebiet" über einen Gesamtwert von 6 Md. Dollar.41 Auch die Sowjetunion zeigte aus zwei wesentlichen Gründen Interesse, auf die diplomatische Offerte Irans einzugehen. Erstens sollten Irans Beziehungen zum Westen unter den Bedingungen der neuen, pragmatischeren Außenpolitik nicht auf Kosten Moskaus ausgebaut werden und zweitens sollte Iran zumindest in der wirtschaftlichen Einflußsphäre der Sowjetunion verbleiben. Beide Seiten sahen deshalb den Besuch des designierten iranischen Präsidenten als Versicherung für eine Stabilisierung der 1987 begonnenen bilateralen Politik in den kommenden Jahren.42 In den noch verbleibenden knapp zweieinhalb Jahren ihres Bestehens konnte die Sowjetunion aber die ihr von Iran zugedach-
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te Rolle nur noch unzureichend ausfüllen, es wurde Zeit für die Führung in Teheran, sich politisch auf das Ende des Ost-West-Konflikts einzustellen. Eingedenk der besonderen Bedeutung dieses Konflikts für die Entwicklung der gesamten Region des Nahen und Mittleren Ostens bedeutete sein Ende auch für die Islamische Republik Iran eine tiefe Zäsur.43 Die Rahmenbedingungen für Politikgestaltung hatten sich grundlegend gewandelt. Die Ost-WestAuseinandersetzungen hatten zwar die Chancen selbstbestimmter Entwicklung der Staaten und Völker des Nahen und Mittleren Ostens erheblich eingeschränkt, gleichzeitig aber ein festes und berechenbares Rahmenwerk jeglichen politischen Handelns geschaffen. An die Stelle der Bipolarität schien zunächst nur eine diffuse Multipolarität getreten zu sein. Bald jedoch zeigte sich, daß sich der Nahe und Mittlere Osten zwar nicht länger auf eine bipolare Welt einzustellen hatte, die angenommene Multipolarität aber einer Unipolarität gewichen war. Die verbliebene Supermacht USA setzte nun, gemeinsam mit ihren westlichen Verbündeten, Rahmen und Maßstäbe für internationales politisches Handeln. Dieser Eindruck wurde durch den Verlauf und den Ausgang des 2. Golfkrieges nachhaltig verstärkt. Nicht nur, daß nach dem Ende der Ost-WestAuseinandersetzung erstmals zwei arabische Staaten einen offenen Krieg gegeneinander führten, die übermächtige Rolle des Westens in der Region wurde auch für die Zeit nach dem Kalten Krieg offenkundig. In der Quintessenz erfuhren die Staaten des Nahen und Mittleren Ostens auf besonders zugespitzte, konfliktive Weise - mit dem 2. Golfkrieg als Katalysator - die zunehmende Akzeleranz und die veränderten Erscheinungsformen des Globalisierungsprozesses nach dem Ende des Ost-West-Konflikts. Globalisierung, als immer dichtere und schnellere, tendenziell den gesamten Erdball umspannende Verflechtung zwischen lokalen und räumlich weit entfernten Strukturen, Prozessen und Ereignissen44 war als Phänomen auch schon weit vor dem Beginn der neunziger Jahre zu beobachten. Nur hatte der Ost-WestKonflikt seine politischen, kulturellen und ökonomischen Wirkungen für mehrere Dekaden geprägt und modifiziert. Er lag gewissermaßen als "Maske" über dem darunterliegenden Globalisierungsprozeß. Zwar waren und sind Bestrebungen, Ereignisse und Entwicklungen im Nahen und Mittleren Osten selbst inhärenter Teil von Globalisierung, aber eines wurde nach dem für den Westen erfolgreichen Ausgang des Ost-WestKonflikts offenkundig: Sein nun übermächtiges politisches, wirtschaftliches, militärisches und technologisches Gewicht dominiert Inhalt, Tempo und Richtung von Globalisierungsprozessen mehr als je zuvor. Die Regierungen des Nahen und Mittleren Ostens sahen sich, gerade nach den Erfahrungen des 2. Golfkrieges, gezwungen, sich geistig und in der Realität mit dem Phänomen der Globalisierung auseinanderzusetzen.
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Auswirkungen auf die Außenpolitik Auch wenn die iranische Führung das Beziehungsgefüge ihrer Außenpolitik nicht mit "Globalisierung" umschrieb, war sie doch Bestandteil derselben. Gleichzeitig wurde die Globalisierung - bewußt oder unbewußt - auch ihr Bezugspunkt. In dem dialektischen Prozeß aus Aneignung und Abgrenzung von Globalisierung, dem Personen, Institutionen, Staaten und ganze Regionen unterworfen sind, hatte sie mit ihrer Revolution sogar besonders deutliche Akzente gesetzt. Peter Beyer ist zuzustimmen, wenn er behauptet: "... the Islamic revolution demonstrates rather unequivocally how public religious influence through religious performance is possible in today's globalizing society; and this as a direct response to globalization."45
Die vielfältigen Aspekte von Globalisierung bestimmten letztlich - von Irans Führung als gegeben hinzunehmen - den Rahmen ihrer Bemühungen, einen islamischen Staat in einer Welt zu errichten, die dafür in der Gegenwart keinen Präzedenzfall bereithielt. Die mannigfaltigen alltäglichen politischen Herausforderungen nach dem Tod Khomeinis im Inland und des Endes des Ost-WestKonflikts im Ausland ließen diesen Makrobereich aber zunächst kaum in das Bewußtsein der politischen Theoretiker und Praktiker Irans rücken. Erst einmal galt es zu konstatieren, daß die Islamische Republik Iran als direkter Nachbar der Sowjetunion von deren Zusammenbruch unmittelbar betroffen war. Der Regierung in Teheran blieben nur wenig Zeit und Spielraum, sich auf die fundamental veränderten Bedingungen an ihren nördlichen Grenzen einzustellen. Ajatollah HämeneT, Nachfolger Khomeinis im Amt des Faqlh und damit des Revolutionsführers, kleidete die Überraschung in die Worte: "Who would have believed that the Soviet Union's system, which ruled over almost one-third of the world - in various countries and in five continents would so disintegrate?"46 Die Reaktionen der iranischen Führung auf die veränderte Lage durchliefen im wesentlichen drei Stadien. Zunächst überwog die Besorgnis über die Eliminierung des Gegengewichts zur westlichen Supermacht. Obwohl sich die iranische Regierung in Gegnerschaft zu Ost und West sah, war ihr doch - zumindest unbewußt - immer gegenwärtig, daß der Ost-West-Konflikt das Bedrohungspotential beider Supermächte gegenüber Iran limitierte. Mit der Auflösung der Sowjetunion waren zwar nun die "kommunistische Gefahr" und die latente militärische Bedrohung seitens des Kolosses im Norden verschwunden, ebenso aber auch der strategische Nutzen, den Iran aus der Rivalität zwischen den Supermächten gezogen hatte. Die "Arbeitsbeziehungen", die Iran mit der Sowjetunion unterhielt, dienten doch aus strategischer Sicht primär der Eindämmung der Bedrohung durch die USA, die in Teheran immer als schwerwiegender betrachtet wurde.
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Der Bedarf an Kapital und hochwertiger Technologie für den Wiederaufbau veranlaßte die iranische Führung bekanntlich, eine Trennlinie zwischen den USA und Europa zu ziehen, um diesen Bedarf in den westlichen Industrieländern zu befriedigen. Präsident Rafsangänl bezifferte die kriegsbedingten Verluste und Zerstörungen seines Landes mit 600 Md. Dollar. Deshalb erhoffte er sich auch europäische Unterstützung bei der Durchsetzung der Sicherheitsratsresolution 598, die Irak zu Reparationsleistungen im Falle der Feststellung seiner Kriegsschuld verpflichtete. Die USA wurden in Teheran hingegen als Hindernis für die Implementierung der Resolution eingestuft.47 In der Perspektive wäre es Iran somit nicht unangenehm gewesen, amerikanischem Druck durch ein europäisches Gegengewicht zu begegnen. Die Europäische Union sah durchaus den wirtschaftlichen Nutzen eines derartigen Engagements. Immerhin wurde der Wert diverser Wiederaufbaukontrakte auf etwa 90 Md. Dollar geschätzt.48 Insbesondere Deutschland, Osterreich und die Niederlande wurden zu europäischen Initiatoren verbesserter (wirtschaftlicher) Kontakte zu Iran.49 Per Saldo mußte die iranische Regierung aber einsehen, daß die vielfältigen Vertrags- und Paktbeziehungen zwischen den westlichen Staaten ihr Gegeneinanderausspielen unmöglich machten, d.h., daß auch Versuche, die Beziehungen zu europäischen Ländern zu verbessern, die Folgen der Verschiebung des internationalen Kräfteverhältnisses zugunsten des Westens nicht mildern konnten.50 Weitsichtige Kreise innerhalb der iranischen Führung befürchteten deshalb die Herausbildung eines unipolaren internationalen Systems, dominiert durch die USA. Die Ergebnisse des zweiten Golfkrieges, obwohl sie den ehemaligen Kriegsgegner Irak entscheidend schwächten, bestätigten diese Befürchtungen auf drastische Weise, denn sie erhöhten nicht nur den amerikanischen Einfluß in der Golfregion und im Mittleren Osten, sondern sie bewiesen darüber hinaus das Vermögen der USA, ihre strategischen Ziele nahezu ungehindert und weltweit durchzusetzen.51 Irans Situation unterschied sich in dieser Hinsicht kaum von der anderer Dritt-Welt-Staaten, die nach der Eliminierung der "Ost"-Komponente im OstWest-Konflikt gezwungen waren, eine Beschränkung ihrer politischen Optionen in der internationalen Arena, nun dominiert durch eine einzige westliche Supermacht und ihre Verbündeten, zu konstatieren.52 Irans Führung versuchte zunächst, den westlichen Druck durch eine außenpolitische Orientierung auf Asien und Afrika zu mildern. Innerhalb weniger Monate leitete sie diesbezügliche Initiativen mit nicht weniger als 38 asiatischen und afrikanischen Staaten ein.53 Als wirksames Gegengewicht zur Behauptung im westlich dominierten Globalisierungsprozeß taugten sie jedoch nicht. Angesichts dieser Lage empfahl Revolutionsführer Hämene 3 ! deshalb zunächst Vorsicht und genaue Analyse der veränderten Bedingungen.
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"The current developments in today's world, although occurring in other regions around the world are nevertheless connected to us. Today the European scene is tainted with the impacts, consequences and results of these developments. The issue of the unification of the two Germanys, a united Europe and the ensuing impact, as well as issues related to the Soviet Union, are major issues in the creation of which Islam and the Islamic revolution of Iran have played a significant role, in the light of which new factions were and will be evolved around the world."54
Die Unsicherheit über die unmittelbaren Folgen des Endes der bipolaren Welt für Iran leitete das nächste Stadium ein, die Suche nach Antworten auf die komplizierter gewordenen außenpolitischen Fragestellungen. Die Erkenntnis, daß die Sicherheitslage für die Islamische Republik nach dem Ende des Ost-West-Konflikts und mit beschleunigter Globalisierung komplizierter und unüberschaubarer geworden war, wurde durch eine politische Bestandsaufnahme der regionalen Situation schon zu Beginn der neunziger Jahre gefördert, wobei die brisanten Folgen des zweiten Golfkrieges noch nicht einmal allein im Mittelpunkt stehen sollten. Die stabile und damit berechenbare Macht der Sowjetunion im Norden hatte sich in einen instabilen staatlichen "Flickenteppich" aufgelöst. Im Osten kam Afghanistan auch nach dem Abzug der sowjetischen Truppen nicht zur Ruhe, Pakistan kämpfte mit innenpolitischen Dauerspannungen. Im Westen blieb Irak trotz seiner Schwäche feindlich eingestellt, im Nordwesten wuchs die Konkurrenz mit der Türkei um Einfluß in Mittelasien und um die Behandlung des beiderseits vitalen Kurdenproblems. Wegen des multiethnischen Charakters Irans und der Tatsache von "trans-border populations" mit nahezu allen Nachbarstaaten bestanden in fast allen der genannten Fälle Gefahren für die territoriale Integrität Irans. In den Forschungsinstituten des iranischen Außenministeriums wuchsen die Bemühungen, einen Planungsvorlauf für die neue Situation zu erarbeiten. Maßgebliche Wissenschaftler kamen resümierend zu dem Schluß, daß die stabilisierenden Auswirkungen der Bipolarität des internationalen Systems, die beispielsweise dafür gesorgt hätten, daß auch Regionalkonflikte nie ein gewisses Eskalationsmaß überschritten, bisher überschätzt worden seien. Dabei sei die Tatsache in den Hintergrund geraten, daß die überwiegende Mehrheit von regionalen Konflikten auf Grund innerer Ursachen und Faktoren ausgebrochen sei. Der Ost-West-Konflikt habe sie zudem häufig unnötig verlängert. Für den Makrobereich des internationalen Systems sei zwar eine Multipolarität erstrebenswert, mittelfristig habe man sich aber auf westlich dominierte Unipolarität und langfristig auf eine neue Bipolarität einzustellen - diesmal nicht mehr zwischen Ost und West, sondern zwischen Nord und Süd.55 Darüber hinaus wurden Irans Politiker darin bestätigt, daß sich der Schwerpunkt internationaler Rivalität um politische Macht auf ökonomisches Gebiet
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verlagern würde. Seyyed Täceb, ein Wirtschaftsexperte im dem iranischen Außenministerium angeschlossenen Institute for Political and International Studies (IPIS), kam zu dem Schluß: 'Today the universally accepted thought is that the age of economic competition has replaced the era of military and political rivalry. Now strength of nations are measured by their industrial productivities and economic capacities rather than size of their armed forces and types of their weaponry systems... One could possibly claim that current exerted pressure from the United States over Iran and Japan is the reflection of the US international strategy in the post Cold-War era... (Therefore) Iran is elevating its national security to a new level ... the government made the economic development one of its highest priorities."56
Täcebs Auffassung floß auch in eine Expertise ein, die die iranische Regierung beim IPIS in Auftrag gab. Die Fragestellung lautete: Ist das Regime der Islamischen Republik in Gefahr und wenn ja, woher rührt diese Gefahr? In seiner Antwort negierte das IPIS eine reale und unmittelbare Bedrohung von außen oder durch innere Umsturzversuche. Die Hauptgefahr liege vielmehr in der Schwäche der Wirtschaft, die ein Ende wie in der Sowjetunion herbeiführen könne.57 Damit wurde ein weiteres Studienfeld eröffnet: Welche Lehren sind aus dem Zusammenbruch der Sowjetunion zu ziehen? Pragmatiker wie Rafsangänl und Außenminister VeläyatI trugen sich nach intensiver Beobachtung der Perestroika zunächst mit dem Gedanken, einige sowjetische Erfahrungen zu berücksichtigen. Sie erkannten, daß der Kalte Krieg, d.h. die Politik des Westens und seiner amerikanischen Hauptmacht, die Wirtschaft der UdSSR ruiniert hatte. Gorbatschows Zugeständnis gewisser politischer Freiheiten war mit ökonomischen Reformen einhergegangen, ohne zunächst das Regime zu untergraben oder die Herrschaft der Kommunistischen Partei in Frage zu stellen. Besondere Faszination ging für die iranischen Politiker dabei gerade von dieser sowjetischen Fähigkeit aus, weitgesteckte wirtschaftliche Reformen und außenpolitische Erfolge ohne einschneidende Änderungen am politischen System vorzunehmen. Die Aussicht, durch wirtschaftliche Reformen und ökonomische Liberalisierung die Massenbasis des Regimes zu stärken und gleichzeitig die Opposition zu schwächen, erschien der politischen Führung Irans außerordentlich attraktiv. Es gehört zu den historischen Zufällen, daß sich das Scheitern der Perestroika gerade zu dem Zeitpunkt zutrug, als sich der politische Richtungswechsel in Iran abzeichnete. Ende 1989, als Iran eine revidierte Verfassung verabschiedet und Rafsangänl die Präsidentschaft übernommen hatte, war die Erfolglosigkeit von Gorbatschows Reformen offensichtlich geworden. Sie hatten sowohl das sowjetische System selbst als auch den Initiator der Reformen geschwächt. Die
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Perestroika hatte ihren möglichen Beispielcharakter für die iranische Führung verloren, Lehren konnten nun eher aus ihrem Scheitern gezogen werden.58 Rafsangänl bemühte fortan das sowjetische Beispiel als Beweis dafür, daß ökonomische Liberalisierung und Reformen in maßvollem Tempo ablaufen müßten, um die Gesellschaft insgesamt intakt zu halten. Gorbatschow sei in zu kurzer Zeit zu weit gegangen und habe deshalb die Macht verloren. Wenn die Islamische Republik ein Beispiel benötige, dann lägen die Erfahrungen Chinas viel näher. Das graduelle und vorsichtige Vorgehen der chinesischen Regierung "was much more logical than the Soviets'... now the Soviets are facing all these problems and the Chinese have maintained their domestic power and strength"5'. Für Ajatollah Hämenel nahm das Zitieren von Beispielen und Lehren aus nichtislamischen Ländern für die iranische Revolution durch die Regierung überhand. Er forderte Konzentration auf das Potential des Islam und verwies auf die "Künstlichkeit" von Unterschieden zwischen sozialistischen Ländern. "Those revolutionary countries with leanings towards the Eastern bloc and most of the revolutionary countries in the present century were leaning towards the East - they benefited from eastern governments and powers. For instance, when China staged her revolution, for 10 years or more the Soviet Union which was regarded as the older brother and which had led the way in the socialist revolution provided assistance for China, economic assistance, technical assistance, the despatch of experts and technicians. The same is true of other communist countries. However, the Islamic Republic, to sever her economic ties and economic dependence, only relied upon the powerful determination of its people and the brilliant talent of the Iranians, and still continues to do so."60
Obwohl Rafsangänl und seine Regierung in Erkenntnis der weltweiten ökonomischen Interdependenz unvermindert bestrebt waren, die Wirkungen des letztgenannten Postulats HämeneTs auf den ökonomischen Wiederaufbau Irans abzuschwächen, beeilte sich der Präsident doch zuzugestehen, daß das chinesische Modell für Iran fragwürdig sei, da zu viele und fundamentale Unterschiede zwischen beiden Ländern bestünden." Als mit einigem zeitlichem Abstand immer offensichtlicher wurde, daß vom Zusammenbruch der Sowjetunion und der Auflösung des Warschauer Pakts keine unmittelbare Gefahr für die Islamische Republik ausgingen, kam ein dritter Aspekt in dem Versuch zum Tragen, die Niederlage des Ostens propagandistisch als Sieg umzumünzen. Präsident Rafsangänl begann, in der Öffentlichkeit ein positives Fazit aus dem Ende des Ost-West-Konflikts und den Umbrüchen in Osteuropa zu ziehen. Wiederholt erklärte er, daß, entgegen den Erwartungen des Westens, die geopolitische Position der Islamischen Republik mit der Eliminierung des
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Kommunismus wesentlich gestärkt worden sei.62 Er ging sogar soweit zu behaupten, daß die Erhebung der Völker in den Ostblockstaaten und ihre machtvolle Forderung nach Recht und Freiheit nur eine Folge der Ereignisse sei, die 1978/79 in Iran stattgefunden hätten. "It is the legacy of the Islamic Republic of Iran that we today see the people of the world are victorious."63 Auch Revolutionsführer Hämene 3 ! wollte in dieser Hinsicht nicht zurückstehen. Anläßlich des ersten Todestages Ajatollah Khomeinis erklärte er im iranischen Rundfunk: "Today in a world which surrendered to the dominating powers and did not express its free will for decades after the second world war we suddenly see the masses in Eastern Europe moving in the same pattern and entering the arena that was used by our Muslim nation in confronting and struggling against the despotic monarchy. The humanistic characteristic of this new era is the victory of blood over the sword."64
Dieses dritte Stadium der iranischen Antwort auf das Ende des Ost-WestKonflikts sollte zu einer Konstante in späteren Reaktionen auf die darin implizierten weltweiten Veränderungen werden, denn die Folgen des Auseinanderbrechens der Sowjetunion und des Ostblocks spielten in der iranischen Politik im gesamten Verlauf der neunziger Jahre weiterhin eine große Rolle. Ihre Verarbeitung erfolgte im wesentlichen auf drei Ebenen. Der Präsident und die Regierung konzentrierten sich vor allem auf politische Faktoren, während Ajatollah HämeneT und die Freitagsprediger insbesondere ideologische Aspekte in den Vordergrund rückten. Das hieß jedoch nicht, daß beide Hauptflügel der iranischen Führung nicht auch Meinungen zu den jeweils anderen Faktoren äußerten. Hinzu kam eine von beiden Seiten und der gesamten politischen Klasse Irans intensiv betriebene Nutzung der Beispiele aus dem Zusammenbruch der sozialistischen Welt für die innenpolitische Auseinandersetzung. Maßgebliche iranische Politiker und Geistliche sollen im folgenden vor allem selbst zu Wort kommen, um ihre Standpunkte aus erster Hand zu belegen. Die Nachwirkungen des Endes des Ost-West-Konflikts auf der politischen Ebene zeigten eine Vielzahl unterschiedlicher Nuancen. An dieser Stelle soll das Augenmerk daher nur auf einige besonders plastische Beispiele gerichtet werden. Präsident Rafsangänl verwies mit Vorliebe auf das Verhalten Rußlands gegenüber dem Westen nach dem Ende der Sowjetunion, um das Selbstbewußtsein der Iraner zu stärken und sie die wirtschaftlichen Entbehrungen, die aus der isolierten Stellung Irans in der Weltarena herrührten, gelassener ertragen zu lassen. Während einer Freitagspredigt am Grab Khomeinis führte er z. B. aus: "Look at our neighbouring countries: you have undoubtedly read in the newspapers in recent days that the leader of a great country such as
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Russia, with that population level, with that level of industry, with that past history, has gone to the West and said: If you do not help us, our country will return to dictatorship. That country is thinking of moving that way. Your country has not extended a hand to enemies even once. We never have the fears the Russians do. Why? Because our people do not think that their every need must be met to the highest level tomorrow; and they are not met in that way in any country anywhere in the world."65 Außenminister Veläyati und andere Politiker interessierten sich dagegen weiterhin eher für die praktischen Folgen des vorläufigen Endes der Bipolarität des internationalen Systems und den Platz Irans in den von den USA betriebenen Versuchen der Errichtung einer "Neuen Weltordnung". Veläyati bezweifelte die Dauerhaftigkeit der unipolaren "Neuen Weltordnung". Während eines Interviews mit dem iranischen Fernsehen führte er dazu aus: "The previous order, i.e. the order after the Second World War and Yalta, was a bipolar order. Now, that bipolar order has collapsed. There are two views, one that says the future of the world will be based on a single-pole order, in other words a pyramid with one superpower at the top. The other view states that the future of the world depends on a multi-polar order. From my point of view based on existing realities, even though one superpower exists now that dictates its viewpoints to the different regions of the world and international circles - or at least tries to dictate - this state of affairs will not last long. There are various reasons for this. This is not just a wish or aspiration..."66 Veläyati versäumte es aber, die Gründe für seinen Optimismus anzugeben. Er wußte sich immerhin in Ubereinstimmung mit Revolutionsführer Hämene3!, der ähnlich argumentiert hatte. "... history is a good teacher. History teaches us that no power, with such bullying that we witness among the great powers today - especially in America - will continue, will last. They will fall, just as in the very recent past the other superpower fell. Everyone falls in a certain way. Everyone falls for a reason. All that greed, that extension of clutches across the globe, confronting the pure sentiments of nations, will certainly not have a good future. It has no future and it fails."67 Veläyatls Stellvertreter, CA1I BesäratI, blieb bei seiner Einschätzung dagegen eher in der Gegenwart, d.h. er umriß in klaren Worten die neue Situation, auf die sich Iran unmittelbar einzustellen habe. "Following the disintegration of communist regimes and the death of the Eastern bloc and the destruction all the barricades and trenches that had been built by Marxism-Leninism to oppose capitalism, the USA took the opportunity to put forward the sinister plan for a new world order. What
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is meant by this plan is that - bearing in mind that the USA has no competitors - the world has turned into a unipolar one with the USA as its centre, and thus the world has to accept the USA's domination and fulfil the latters objectives."68 Der stellvertretende Informationsminister Mohammad! konzedierte dagegen, daß das sozialistische Lager doch eine entscheidende Rolle bei der Eindämmung der "amerikanischen Weltherrschaftspläne" gespielt habe, die letztlich auch Iran zum Vorteil gereichte. Die Islamische Republik müsse sich nun zunutze machen, daß die Pläne für die "Neue Weltordnung" letztlich vage und ohne erkennbaren Handlungsablauf seien. "The American authorities and their theoreticians have no clear and coordinated analysis of the new world order theory. But what caused the spread of that word and view was the downfall of the East, which had been the arch-rival of world arrogance (USA)."69 Auch Revolutionsführer Hämenel griff in diese Debatte ein. Da er ähnliche Argumente verwendete und eine ähnliche Sichtweise vermittelte, darf angenommen werden, daß diese Politik in der gesamten iranischen Führung abgestimmt wurde. "Because their rival, the former Union of Soviet Socialist Republics, has been torn to pieces and fallen on miserable times, they (US leaders) think that the whole world belongs to them - as if the world belonged to two rivals and now that one has fallen the other can claim the entire world."70 Hämene 3 ! ging allerdings einen Schritt weiter. Er warf den USA nicht nur vor, sich aus der "Erbmasse" des sozialistischen Lagers zu bedienen und gleichzeitig der gesamten Welt ihren Willen aufzuzwingen, sondern nun auch die "Konfrontation mit dem Islam" zu suchen. "After recent developments in the world which resulted in the disintegration of heathen communist systems, and in the loss by the Soviet Union of its status as a rival power to America, this oppressor and hegemonist America now intends to transform all the resource-rich regions throughout the world, and specifically those in the Islamic lands, into its own unchallenged zones of influence. And, after finding itself free from the socalled cold war, it also intends to embark on an all-encompassing war against Islamic awakening which stands as a powerful obstacle in the way of the exercise of its influence."71 Hämenel entwickelte sich damit zum Propheten einer neuen Bipolarität des internationalen Systems, eines neuen Antagonismus, deren Hauptprotagonisten der Westen und die islamische Welt sein würden. Als höchste Instanz der Islamischen Republik sorgte er dafür, daß sich die anderen politischen Wür-
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denträger des Staates diese Sichtweise zueigen machten. Fast deckungsgleich formulierte Präsident Rafsangäni: "In the past Western attention gave priority to the Soviet Union and Marxism but now their attention is focused on our region which is the most important region in the world because the Islamic revolution has formed its place in the world."72
Hämene^is Argumente bezogen sich aber in der Folgezeit insgesamt weniger auf das Gebiet der praktischen Politik, sondern eher auf das Feld der Ideologie. H ä m e n e l und mit ihm die gesamte Führung der Islamischen Republik versuchten, neben der politischen Standortbestimmung vor allem ideologisch aus dem Ende des realsozialistischen Experiments Kapital zu schlagen. Dazu bedienten sie sich einer nahezu homogenen Argumentation. Sie erinnerten zunächst daran, daß fast alle revolutionären Bewegungen in der Zeit des Kalten Krieges und vor allem bis zum Sieg der iranischen Revolution von einer linken, sozialistischen Idee getragen waren. Hämenel vermerkte, daß der Islam zum Zeitpunkt der Revolution in Iran nicht mit einer Befreiungsideologie in Verbindung gebracht wurde. "Even in Islamic countries, when someone was thinking of staging a revolution, the foundations of the revolution were based on Marxism. The word revolutionary was synonymous with communism. This is how the world was."73
Der Faqlh dehnte diese Einschätzung später auf jede Form von Reformbewegung in der Welt aus, die seiner Meinung nach ebenfalls marxistisch oder von radikalem linkem Nationalismus beeinflußt worden war. In jedem Fall seien die Ziele der revolutionären oder Reformbewegung materialistischer Natur gewesen, obwohl sie ideologisch begründet wurden.74 Die Haltlosigkeit einer derartigen Position sei an der Wende zu den neunziger Jahren eindrucksvoll nachgewiesen worden. "Those revolutions born on the basis of materialism have now collapsed like children's toys. The system which was proud of materialism, that is marxism and socialism, and had established a vast empire and was proud of its enmity with spirituality and religion, that empire has disintegrated and disappeared."75
HämeneT stellte somit einen direkten Zusammenhang zwischen dem Scheitern des Kommunismus und dessen Negierung religiöser Ziele her. "Our nation saw with its own eyes ... the decadence of a doctrine and an establishment which had blatantly turned its back on divine tenets."76 Am Beispiel der Beständigkeit der islamischen Revolution in Iran könne man hingegen die Überlegenheit spiritueller Werte gegenüber materiellen ermessen.77
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In enger Abstimmung mit H ä m e n e T argumentierte auch Präsident R a f sangänl auf ähnliche Weise. "Now that the iron walls of apostatical and communist ideologies are crumbling one after the other and, as God has promised, east and west are suffering the consequences of immoralities and turning their back on human ideals, the only way for them to be free of inner desires is to join the heavenly spirits and the strong links of the prophets."78 Rafsangänl und anderen Geistlichen, wie z.B. dem Teheraner Freitagsprediger Ajatollah Müsavi-ArdeblE, war allerdings bewußt, daß angesichts des klaren Sieges des Westens in der Auseinandersetzung mit dem Osten Fragen dergestalt aufkommen würden, ob der politische Islam, staatlich verfaßt in der Islamischen Republik Iran, den Sieg über den Kommunismus tatsächlich für sich reklamieren dürfe. Immerhin sei der Marxismus vor allem auch eine Ideologie! Rafsangänl unterstellte dem triumphierenden Westen, daß er aus dem Zusammenbruch sozialistischer Staaten insbesondere den Schluß gezogen habe "that the era of all governments based on ideology was now over and that today materialist regimes, divorced from moral and humanistic thoughts, must rule over world societies"79. Noch detaillierter ging Müsavi-ArdeblE auf diese Fragestellung ein. Er verdächtigte die Regierungen des Westens ebenfalls, den Sieg über den Kommunismus primär als Triumph von Technik und Technologie über die Ideologie zu bewerten. Ihre Botschaft an die Welt würde daher lauten: Vergeßt Ideologien, Macht der Gedanken, Philosophie usw. Jetzt leben wir in einer unipolaren Welt, in der Amerika, ausgerüstet mit seiner überlegenen Technologie, das Sagen hat. Für Müsavi-ArdebUT war die Frage aber damit nicht beantwortet. "What is it that has fallen into pieces? Is it the materialist ideology or the spiritual ideology? The issue is very clear... It is evident that from the point of view of ideology we cannot roll the two ideologies (Islam and communist) into one and then put that combination against technology. The one which has broken into pieces was different (from Islamic ideology) - it was a materialistic ideology. The one which was victorious (Islam) is universal spirituality. We say technology can overcome a materialistic ideology, while a spiritual ideology can triumph over technology."80 Aus dieser Feststellung zogen MüsavI-ArdebHi und die anderen führenden Geistlichen der Islamischen Republik zwei Schlußfolgerungen, die sie im In- und Ausland propagierten. Die erste besagte, daß nur eine Besinnung auf Spiritualität, Religion und insbesondere den Islam vor einem Irrweg, wie ihn die Ostblockstaaten begingen, bewahren können. Zum Lernen und Umdenken sei es nie zu spät. Dabei wurde häufig an den Brief erinnert, den Ajatollah Khomeini in seinem letzten Lebensjahr, d.h. im Januar 1989, an den sowjetischen Präsidenten Gorbatschow richtete. Da dieser Khomeinis Offerte ablehnte, sei sein Scheitern nur folgerichtig gewesen, versuchte die iranische Führung später zu vermitteln. Dabei sei schon in der Amtszeit Gorbatschows offensichtlich gewesen, erklärte Ajatollah Hämenel, daß immer, wenn sich in
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der Welt eine wahrhaftige Bewegung gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung herausbildete, diese einen religiösen Charakter getragen habe.81 Zum anderen sei dem Westen nun im Islam die einzige wirkliche Alternative entstanden. Die politische Welt schare sich in der Gegenwart wieder um zwei Pole: um die Welt der Arroganz, d.h. den materialistischen Westen, und die Welt des Islam.82 Auch in dieser Einschätzung zeigten sich die politische und die geistliche Führung Irans einig. FaqTh Hämenel verwies mit Stolz darauf, daß sich seiner Meinung nach Jugendliche, Intellektuelle, Akademiker, Arbeiter in der Dritten Welt dem Islam zuwendeten, wenn sie eine dauerhafte Lösung ihrer Probleme anstrebten. "This shows the great capacity of Islam. It shows the power of Islam. The enemy sees this and has become sensitive as a result."83 Mohammad Ragäl Horäsänl, Vorsitzender des Parlamentsausschusses für Auswärtige Beziehungen, sprach für die politische Fraktion, wenn er feststellte: "Disappointed by materialist and worldly governments, the world has turned its attention today to the Islamic nation and sovereignty of God. People have concluded that a government not ruled by Islam is doomed to destruction and annihilation. Today, the victory of Islamic Iran in the international arena is the victory of the Islamic world."84
Wenn sich damit im politischen Bereich die Unsicherheiten und die Chancen, die die iranische Führung im Ende des Ost-West-Konflikts ausmachten, etwa die Waage hielten, so muß anerkannt werden, daß sie den Zusammenbruch der Zweiten Welt ideologisch und propagandistisch optimal für sich ausnutzte. Es bleibe nicht unerwähnt, daß das Ende der Sowjetunion und des Ostblocks auch als Reservoir für Argumente in der innenpolitischen Auseinandersetzung genutzt wurde. Die bereits erwähnte zeitliche Kongruenz zwischen dem Ende der Sowjetunion und dem Machtantritt Hämenels und Rafsangänls in Iran führte vor allem zu Beginn der neunziger Jahre zu einer Situation, in der sich der entmachtete Flügel des iranischen Regimes um Ministerpräsident Müsavi, Innenminister Mohtaseml, Parlamentssprecher Karrübi, Studentenführer Hö'enlhä und andere auf Beispiele bezog, die die letzten Jahre der Sowjetunion bereithielten, um den moderaten und pragmatischen Kurs der neuen Führung zu attackieren. Wenn es ihnen innenpolitische Vorteile versprach oder wenn sie wähnten, daß der RafsangänI/Veläyatl-Kurs der außenpolitischen Normalisierung zu viele Zugeständnisse an den Westen beinhaltete, benutzten allerdings auch in Amt und Würden befindliche Geistliche und Politiker wie die Ajatollahs MüsavT-ArdebHI, Emäml-KäsänT, Hoggat ol-Esläm Ahmad Khomeini oder Päsdärän-Chef Mohsen Rezä 3 ! die mit dem Ende der Sowjetunion gesammelten Erfahrungen, um die Regierung wieder "auf den rechten Weg" zu bringen. Dabei verwiesen sie vor allem auf die direkte Rolle, die der Westen und insbesondere die USA ihrer Meinung nach bei der Auflösung der Sowjetunion
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gespielt hätten. Freitagsprediger Ajatollah Emami-Käsam warnte beispielsweise: "At one time they (the United States) used to hold talks with the USSR. I remember they said that Marxism had to be harnessed and controlled, and democracy had to be defended. Under the pretext of harnessing Marxism and defending democracy they caused the dismantling of the Soviet Union."85 Auch das persönliche Schicksal Michail Gorbatschows wurde zitiert, um auf mögliche Gefahren und Parallelen aufmerksam zu machen. Päsdärän-Kommandeur Rezäl ging von einer Isolierung der Reformer um Gorbatschow durch die USA-Regierung aus, die die Ausstrahlung eines reformierten Sozialismus auf Europa und darüber hinaus fürchtete. 86 Dabei habe Gorbatschow Entspannung und Ausgleich mit dem Westen gesucht. Man könne jedoch sehen, "how America supported a person who had turned to it"87, bemerkte Ajatollah Müsavi-ArdebUT. Der Putsch gegen Gorbatschow im August 1991 wurde somit von der iranischen Führung fast durchweg als westliche Verschwörung betrachtet, um dem Sozialismus ein für alle Mal ein Ende zu machen, die Sowjetunion zu zerschlagen und Gorbatschow durch eine genehmere Person zu ersetzen. Mit indirekten, nichtsdestotrotz jedoch deutlichen Verweisen auf Rafsangäni wurde vor der mangelnden Vertrauenswürdigkeit und Illoyalität des Westens gewarnt.88 Von welcher Provenienz Gorbatschows Nachfolger Jelzin sei, habe dieser laut Müsavi-ArdebÜI u.a. mit seinem militärischen Schlag gegen das russische Parlament gezeigt. "... on a clear day Yeltsin shells the legislative assembly, he kills 500 people, he arrests the deputies, yet the world says well done."89 Das Sprachrohr der politischen Kreise um Mohtaseml, KarrübT und Hö'enlhä, die Tageszeitung "Saläm", wurde noch deutlicher. In einem Kommentar äußerte sie scheinbar Verständnis für Rafsangänls "Schmusekurs" mit Rußlands Präsident Jelzin. Gleichzeitig machte sie aber deutlich, daß Jelzin eine "westliche Marionette" sei und der iranische Präsident daher von Rußland letztlich nicht erhalten würde, was er sich erhoffe, nämlich ein Gegengewicht zu den amerikanischen Pressionen.90 Wie deutlich diese kaum verhüllten Angriffe durch den innenpolitischen Machtkampf geprägt waren, wird allein durch entsprechende Äußerungen Rafsangänls sichtbar, der das Verhältnis zur Sowjetunion und Rußland sowie die Rolle des Westens durchaus realistisch sah. Auch er warf dem Westen Opportunismus im Umgang mit den Umwälzungen in Osteuropa vor.91 Mit dem schwindenden Einfluß der egalitaristischen Fraktion in der iranischen Innenpolitik und dem gleichzeitig größer werdenden zeitlichen Abstand zum Ende des Ost-West-Konflikts nahm auch die Bedeutung von Beispielen
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aus dem Zusammenbruch der Sowjetunion für den innenpolitischen Machtkampf ab. Als potentielles Reservoir für Argumente blieb es jedoch bis in die Gegenwart bestehen. Die Veränderungen in den äußeren Rahmenbedingungen für die Außenpolitik der Islamischen Republik Iran stärkten paradoxerweise zwei sich scheinbar ausschließende Strömungen. Der Widerspruch wird nur im Rahmen des bereits erwähnten dichotomischen Charakters postrevolutionärer iranischer Außenpolitik erklärbar. Die "ungefilterten" Wirkungen der Globalisierung, der Wegfall der Sowjetunion und des Warschauer Paktes als Gegengewicht zu amerikanischem und westlichem Druck vermittelten, zusammen mit den ruinösen politischen und wirtschaftlichen Folgen des ersten Golfkrieges, auf der einen Seite Impulse für eine moderatere, pragmatischere Außenpolitik, die die Interessen der Islamischen Republik als Nationalstaat in der Vordergrund rücken ließ und deshalb bestrebt war, die außenpolitische Isolation zu durchbrechen. Diese Politik suchte einen optimalen Platz für die Islamische Republik in den bestehenden internationalen Verhältnissen zu finden, deren Stabilität man hatte lernen müssen anzuerkennen.92 Es erwies sich als inopportun, Staaten den Export der islamischen Revolution anzudrohen, mit denen man gleichzeitig in fruchtbare Handelsbeziehungen zu treten gedachte. Präsidentenbüro und Außenministerium standen für die Implementierung dieser pragmatischen, national orientierten Außenpolitik.93 Beide Institutionen veröffentlichten Dementis und artikulierten Protest, wenn das Ausland Vorwürfe hinsichtlich iranischer subversiver oder terroristischer Aktivitäten erhob. Rafsangänl äußerte beispielsweise: "Everywhere there is a movement, the name of Islam and Iran is mentioned. The enemies even mention Iran's name where Iran is not present... In many events we really are not involved; yet, they point to Iran."94
Auf der anderen Seite verstand die Islamische Republik ihre Identität nie schlechthin nur als Staat, sondern als Revolution, d.h. die veränderte Weltlage an der Wende zu den neunziger Jahren bestärkte gleichwohl Tendenzen in der iranischen Führung, bewußt und mit Bedacht eine neue Bipolarität in der Weltpolitik zu apostrophieren, auf deren einem Pol sie sich selbst als Kern eines revitalisierten und politisierten Islam ausmachte, während der andere Pol dem Westen und insbesondere seiner amerikanischen Führungsmacht zugeschrieben wurde.95 Die gesamte Führung Irans empfand sich nicht lediglich mit Staatsgeschäften betraut, sondern als Sprachrohr einer universellen Botschaft - der Durchsetzung des Islam entsprechend ihrer Lesart.96 Die Errichtung eines "Gottesstaates" in Iran erschien ihr lediglich als Vorstufe für die generelle Etablierung islamischer Staaten auf der Erde.
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"This identification of the Revolution with faith, and with a larger universalistic purpose, has woven together inextricably Iran's domestic and foreign policy. Both defending the Revolution and 'vouchsafing Islam to the entire world' have constituted sacred responsibilities."'7 So fuhr sie also mit der materiellen und politischen Unterstützung des politischen Islam in aller Welt fort und nahm Kritik an diesem Gebaren eher als Bestätigung. Das Staatsbudget wies für 1990 120 Mill. Dollar Unterstützungsleistungen für islamische Gruppen und Bewegungen aus, 1991 wurde diese Summe noch um 20 Prozent erhöht.'8 Dieser in der Außenpolitik sichtbare grundlegende Widerspruch fußte letztlich auf der uneinheitlichen Meinung innerhalb der iranischen Revolutionäre, was den islamischen Staat ureigentlich in der Gegenwart ausmache. Die Islamische Republik war nun einmal in den Grenzen entstanden, die das westlich inspirierte Nationalstaatssystem einem Land zustand." Diese Staatskonstruktion besaß aber nicht nur keine Wurzeln in der islamischen Geschichte, sondern sie lief der islamischen Vision der umma, der Gemeinschaft der Gläubigen, zuwider. Auf der anderen Seite konnte die iranische Führung nicht ignorieren, daß Staatsgründungen in der islamischen Welt sich bis dato am Nationalstaatsmodell orientiert hatten.100 Das Dilemma bestand also im folgenden: "Ein moderner ... Staat muß drei Kennzeichen aufweisen: er muß volle Souveränität besitzen, er muß ein Nationalstaat sein, und er muß genau definierte Territorien umschließen. Wenn diese drei Bedingungen erfüllt sind, kann ein Staat legitimerweise von sich sagen, er sei souverän. Ein islamischer Staat jedoch, der von diesem Standpunkt aus betrachtet zwar souverän ist, besitzt tatsächlich aber keine volle Souveränität, weil gemäß dem islamischen Glauben die letzte Souveränität allein bei Gott liegt. Genau genommen handelt es sich nicht um einen nationalen Staat, weil die moslemische Gemeinschaft (umma) auch eine Gemeinschaft des Glaubens ist, der Menschen unterschiedlicher Abstammung, Rassen oder Nationalitäten angehören können, die verschiedene Sprachen sprechen oder verschiedener Hautfarbe sind, aber in einer allen gemeinsamen spirituellen Welt leben, die im islamischen Glauben verankert ist. Demzufolge ist ein islamischer Staat ein multinationaler Staat. Ein islamischer Staat ist kein Territorialstaat im strengen Sinne des Wortes, weil er danach strebt, ein universaler Staat zu werden. Trotzdem ist er kein utopischer oder imaginärer Staat. Er muß anfangs als territorialer Staat gegründet werden, obgleich man von ihm erwartet, daß seine Grenzen ausgedehnt werden."101 Die der ausschließlich bei Gott liegenden Souveränität in einem islamischen Staat innewohnende Problematik hatte Staatsgründer Khomeini versucht, durch sein System der Veläyat-e Faqih operabel zu gestalten. Den darüber hinausge-
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henden Widerspruch vermochte er jedoch nicht zu lösen und mußte ihn seinen Erben überlassen. "Iran cannot give up its revolutionary rhetoric for fear of losing its legitimacy at home and surrendering its potential role in the international Islamic movement. And yet, Iran wants and needs to be part of the world community - if for no other reason than to rebuild its economy. Reconciling these two contradictory imperatives is the challenge facing the country's foreign policy makers."102
Natürlich trugen diese widerstreitenden Zielrichtungen iranischer Politik nicht zu einer Homogenisierung ihrer Führung bei. Wenn das Duo Rafsangänl/ Hämene 3 ! von Khomeini auch zunächst an die Spitze des Staates gestellt worden war, um dem Richtungskampf ein "neutrales" Zentrum zu geben und den staatlichen Fortbestand zu sichern, so blieb nicht aus, daß sich die bekannten Fraktionen nach seinem Tod den neuen Gegebenheiten anpaßten. Vereinfacht gesagt, mehrheitlich mit staatlichen Aufgaben befaßte Personen und Institutionen übten Druck auf den Präsidenten aus, in den Mittelpunkt seiner Politik vor allem die Nation, den Staat zu stellen, während die geistlichen Organisationen und ihr gesellschaftlicher "Unterbau" insbesondere danach trachteten, Ajatollah Hämene 3 ! zum Wächter islamischer Tugenden und Interessen in Innen- und Außenpolitik zu bestellen. Eine Versöhnung zwischen beiden Strömungen ist letztlich nur denkbar, wenn die iranische Führung insgesamt von der Gleichzeitigkeit bei der Durchsetzung ihrer unterschiedlichen Zielstellungen Abschied nimmt. Es gilt, zeitliche und inhaltliche Prioritäten zu setzen. Auch Präsident Rafsangänl handelte nicht nur als Staatsmann, sondern als engagierter islamischer Rechtsgelehrter. Es blieb sein und das Anliegen vieler Geistlicher in staatlichen Funktionen, der aus ihrem Islamverständnis abgeleiteten universellen Botschaft ihrer Religion Gehör zu verschaffen - aber vom Fundament einer gefestigten und stabilen Islamischen Republik Iran aus.103 In der praktischen iranischen Außenpolitik kann auch bis in die Gegenwart trotzdem nicht von einem eindeutigen Überwiegen einer der beiden Richtungen gesprochen werden. Iran konnte durch kluges und abwägendes Verhalten im zweiten Golfkrieg seine Akzeptanz in der Region und in der Weltarena deutlich verbessern und auf diese Weise seine Interessen klarer positionieren. Mit zahlreichen zentralasiatischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion wurden fruchtbare bilaterale Beziehungen auf- und ausgebaut. Gemeinsam mit der Türkei und Pakistan strebt Iran im Economic Cooperation Council (ECC), der Nachfolgeorganisation des RCD (Regional Cooperation for Development) aus der Schahzeit, gemeinsam mit der überwiegenden Mehrheit der zentralasiatischen Staaten wirtschaftliche Erfolge zum Nutzen aller Beteiligten an.
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Bis zu den bekannten Folgen des "Mykonos-Prozesses" in Berlin kann auch von wirtschaftlichen und politischen "Arbeitsbeziehungen" Irans zu den Staaten der Europäischen Union gesprochen werden. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen. Gleichzeitig erhöhte die im zweiten Golfkrieg zum Ausdruck gekommene Krise der Panarabismus bzw. des arabischen Nationalismus die Attraktivität einer "islamischen Alternative" in der Region, von der die Islamische Republik Iran kräftig zu profitieren hofft. Die Beziehungen zu Zentralasien sind nicht nur von gegenseitigem wirtschaftlichem Nutzen geprägt. Die iranische Führung zeigte in ihren Versuchen, die zentralasiatischen Republiken in ihrem Sinne zu islamisieren und sich als "moralische Supermacht" zu etablieren, mindestens ebensoviel Engagement wie in wirtschaftlichen Fragen. Mit Vorliebe verbuchte sie außerdem das Wirken islamistischer Bewegungen in Sudan, Ägypten oder Algerien als Beispiel für die Ausstrahlungskraft ihrer Revolution.104 Es bedarf keiner prophetischen Gaben, um die Fortdauer des dialektischen Charakters und der tiefen Ambivalenz der iranischen Außenpolitik auch für die mittelfristige Perspektive vorauszusagen. Staatliche Institutionen Die unterschiedlichen institutionellen Quellen für die Zielsetzung und Gestaltung iranischer Außenpolitik sollen in den folgenden Abschnitten detaillierter untersucht werden. Im Bereich der Führungsinstitutionen des Staates sind vor allem der Präsident und seine Stellvertreter, sein Büro, die Regierung und dabei insbesondere das Außenministerium, sowie das Parlament, primär sein außenpolitischer Ausschuß, sowohl in Theorie als auch in Praxis mit Außenpolitik befaßt. Hinzu kommt der nationale Sicherheitsrat, der für die Konzipierung von Außenpolitik eine besondere Verantwortung trägt, seine Dokumente aber nicht zugänglich macht. Die Funktionsträger sind in diesen Gremien bis in die Spitzenpositionen hinein mehrheitlich graduierte islamische Rechtsgelehrte. Ihre Verbundenheit mit der islamischen Revolution kann als sicher vorausgesetzt werden - andernfalls hätten sie diese Positionen unter den Bedingungen des harten Machtkampfes und der stetigen Kontrolle durch Ajatollah Khomeini weder besetzen noch behaupten können. Daher ist von ihrer grundsätzlichen Bereitschaft auszugehen, das Wagnis einer präzedenzlosen Außenpolitik gemäß den Richtlinien der Veläyat-e Faqlh einzugehen. Erhellend ist in dieser Hinsicht eine von RafsangänT während einer Freitagspredigt im Januar 1982 geäußerte Meinung: "Wenn die Welt des Islam nur auf der Basis des Islam und der Richtlinien des Propheten gehandelt hätte, wäre sie heute die mächtigste Kraft der
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Welt. Ich übertreibe nicht ... wenn ich sage, die größte (Macht)... Vielleicht mögen einige fragen: 'Größer als Amerika? Stärker als die Sowjetunion? Auch stärker als China?' Ich sage ja! Wir können stärker als China, stärker als die Sowjetunion, stärker als Amerika und alle seine Satelliten sein ... wenn wir nur eine einige, globale islamische Regierung zusammenbrächten."105
Es war die Macht des Faktischen, die ihn und andere Politiker der Islamischen Republik später letztlich zu immer größeren Modifizierungen ihrer ursprünglichen Positionen zwang. Innerhalb einer Dekade revolutionärer Entwicklung lernten sie, staatsmännisch und politisch zu denken. Von ihnen selbst möglicherweise nicht bemerkt, wandelten sie sich von Theologen zu Politikern bzw. zu einem eigentümlichen Konglomerat aus beiden.106 Der entscheidende Aspekt dieses "Faktischen" war der Sieg der Revolution in dem bestehenden Staat Iran. Nachdem die hochfliegenden Pläne der unmittelbaren Ausweitung der Revolution in der islamischen Welt und darüber hinaus genauso rasch scheiterten wie das Herbeisehnen der proletarischen Weltrevolution durch Lenin und Trotzki nach 1917, standen sie de facto nur noch vor der Wahl, ein gesellschaftliches Modell für Iran zu ersinnen. Aus der islamischen Geschichte, einschließlich der vormodernen Zeit, ließen sich im Grunde genommen nur zwei Möglichkeiten ableiten: ein einheitlicher, integraler Staat unter politischer und religiöser Führung einer integrierenden, charismatischen Persönlichkeit oder ein Staat, der in Wort und Tat zwischen staatlichen und religiösen Institutionen, Personen und Aufgaben unterschied, obgleich dem religiösen Faktor dabei Kontrollfunktionen zugestanden wurden. Khomeini hoffte über eine längere Zeitspanne hinweg, mit dem Prinzip der Veläyat-e Faqlh hinreichende Voraussetzungen für die erstgenannte Variante geschaffen zu haben. Auch er mußte gegen Ende seines Lebens die Unerfüllbarkeit dieser Vision einsehen. Selbst das innovativste Experiment islamischer Staatsgestaltung war objektiven Zwängen unterworfen, sobald es im vorgefundenen nationalstaatlichen Rahmen ablief. In Iran stellte sich dieser Aspekt als besonders prägend dar. Anders als andere Dritt-Welt-Staaten kann das Land auf eine jahrtausendealte Geschichte als Großmacht zurückblicken, die ein identitäts- und mentalitätsbestimmendes Erbe hinterließ.107 Immerhin gelang zwar die Islamisierung des Landes, nicht aber seine Arabisierung. Das gleichberechtigte Aufeinanderbezogensein von Iran und Islam begleitete die Entwicklung des Landes seit dem 7. Jahrhundert. Ähnlich traditionsreich sind die Bemühungen, in der umma für die Gleichheit arabischer und nichtarabischer Muslime einzustehen (sucbiya-Bewegung).108 Vergleichsweise jüngeren Datums, aber für den Handlungsspielraum der islamischen Revolutionäre mindestens ebenso bedeutsam war die Hinterlassenschaft jahrzehntelanger Modernisierungsbestrebungen der Pahlavi-Dynastie. Die von
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Khomeini initiierte Verfassungsänderung, die u.a. eine klare Aufgabentrennung zwischen Präsidenten und Faqih festschrieb, bedeutete so das Eingeständnis des Unvermeidlichen und gleichzeitig den unbedingten Willen, zumindest die Kernbestandteile der Veläyat-e Faqih zu erhalten. "The Iranian Islamic republic, as much as it is Islamic in identity, remains a national State in terms of its institutional bureaucratic structure and the kind of economic and political policies it pursues."109
Die zu Politikern "mutierten" Theologen in der iranischen Führung erlernten deshalb rascher und zwangsläufiger als ihre mit vornehmlich geistlichen Aufgaben betrauten Kollegen, sich einerseits den Gegebenheiten zu beugen und andererseits identitätsstiftende Merkmale der islamischen Revolution aufrechtzuerhalten. Für die Außenpolitik bedeutete das vornehmlich die Entwicklung "normaler" diplomatischer Beziehungen mit dem Ausland, damit Zugang zu Hochtechnologie und die Integration Irans in den Weltmarkt: denn mit dem Prosperieren der Wirtschaft stand und fiel für sie auch die Revolution. Die Islamische Republik als politische, wirtschaftliche und kulturelle "Erfolgsstory" würde sich in der islamischen Welt quasi im Selbstlauf durchsetzen und müßte nicht aufgezwungen werden. 110 Entsprechend ihren Bestrebungen sollte in Iran eine "Modellgesellschaft" (madine-ye nemüneh) entstehen. Damit müßte die Revolution nicht exportiert werden wie eine Ware, sondern sie böte sich als nacheifernswerte Alternative für die Muslime an. 111 Wie bereits angeführt, setzten sich diese Konzeptionen in der Außenpolitik nur teilweise durch, obwohl sie eine ihrer wesentlichen Komponenten bildeten. Ihre Erwähnung bleibt dennoch von Bedeutung, da sie den Zugang zu den nun folgenden Postulaten von Vertretern dieser Denkrichtung erleichtert.
Präsident und Stellvertreter Wie in der Einführung angekündigt, sollen im folgenden vor allem dokumentierte Aussagen führender Persönlichkeiten der Islamischen Republik herangezogen werden, um die unterschiedlichen Quellen und Z i e l e der Außenpolitik zu belegen. Ausgehend von der Häufigkeit und Konsistenz bestimmter Aussagen und Postulate werden sich hierbei Schwerpunkte bilden. Die relative Gleichförmigkeit von Standortbestimmungen etwa hinsichtlich des Westens verbietet allerdings jeden Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr werden aus dem untersuchten Zeitraum, d.h. seit der Wende zu den neunziger Jahren, besonders charakteristische Aussagen für die Beweisführung herangezogen. A m Anfang stehen dabei der Präsident und seine Stellvertreter. Rafsangäni m war sich nach dem unentschiedenen Kriegsausgang gegen Irak mit Revolutionsführer Khomeini einig, daß die Fortexistenz der islami-
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sehen Revolution und der Islamischen Republik Iran auf dem Spiel stand. Stolz und gleichzeitig besorgt konstatierten sie die Konfrontation Irans mit dem "Rest der Welt". Der Präsident dazu an Khomeinis Grab: "... the enemy is global infidelity together with its branches - the Western imperialist camp, the Marxist and infidel camp in the past, the reactionary and the Zionist camp and all the offshoots which they have created for themselves. We encountered a confrontation... On one side stood Islam, and on the other side was infidelity - both in the full sense of those words, and each having its instruments. In this encounter, the good management of the revolution is one of the most important elements, both in the past and in the future."113 In Erinnerung an die Erfahrungen früherer Revolutionen machte der Präsident gleichzeitig seine Empfehlungen für das gute Management einer Revolution deutlich: "During the past 400 years the weak point of revolutions in the world was this: due to crudeness, inexperience and foreign pressures the revolutionary forces failed to rebuild their country, to make it independent so that it might stand on its own feet. After a while they were back to square one. The essence of the continuation of (any) revolution is this point."114 Rafsangänl ließ es sich nicht nehmen, sein Verständnis von Unabhängigkeit zu erläutern. "Regarding independence - well, independence has certain dimensions and one cannot say that it is something specific which has been achieved. If you look at it from the political standpoint, our society has really become independent... One of the dimensions of independence relates to issues concerning the country's needs - whether we have become independent or not (in the sphere of material needs). Here I should say that we are on the way to becoming independent and have not yet become fully independent. We still have some serious needs and time is needed for us to be able to become independent. Of course, independence in the sense of complete non-dependence on anything from abroad is not a goal which anyone pursues and no country is independent in this sense..."115 Der Argumentationsbogen des Präsidenten verdeutlicht dabei zweierlei: Erstens ging es ihm um ein möglichst hohes Maß an Unabhängigkeit und Selbständigkeit für die Islamische Republik als Staat und zweitens versuchte er Verständnis dafür zu wecken, daß das Streben nach Unabhängigkeit keinesfalls Autarkie bzw. völligen Rückzug von der internationalen Arena bedeutet. Im Gegenteil, eine wirtschaftlich, politisch, militärisch und kulturell starke und attraktive Islamische Republik sollte im Konzert der "Großen dieser Welt" mitspielen. Deshalb auch, nur scheinbar widersprüchlich zu seinen obengenann-
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ten Aussagen, die folgende Äußerung: "I will not now engage in fantasies of an independent and self-sufficient society..."116 Rafsangänl erkannte als einer der ersten maßgeblichen Führer der Islamischen Republik, daß das Land zumindest mittelfristig nicht in der Lage sein werde, sich außerhalb des bestehenden internationalen Systems zu bewegen, wie korrupt und ungerecht es in seinen Augen auch sein mochte. "The Islamic movement does not require revolting against the international order. We can operate within the limits of international rules. The time is ripe and the enemy is gripped with contradictions and we must exploit this contradiction."117
Wie im folgenden noch vielfach festzustellen sein wird, weist der zweite Teil des Zitats auf die Folgen des permanenten Zwangs hin, dem sich der Präsident bei der Propagierung seiner außenpolitischen Grundpositionen ausgesetzt sah. Jede Neuerung, jede Modifizierung am bisherigen Kurs bedurfte der Rechtfertigung und der Beteuerung, an den bekannten Feindbildern festzuhalten. Dieser Feind sollte eben nur mit effektiveren Mitteln bekämpft werden. Im Grund genommen vollzog Iran unter seiner Führung aber nur einen Anpassungsprozeß an das internationale System, der auch die Entwicklung anderer Revolutionen begleitete. Als Rechtsgelehrter und maßgeblicher Mitinitiator der iranischen Revolution ließ Rafsangänl aber nie Zweifel daran aufkommen, daß diese Anpassung auch für ihn nie die Aufgabe der revolutionären Ziele bedeutete.118 Er stand lediglich für eine Umkehrung der Prioritäten: erst Vorsorge für das Gedeihen der Islamischen Republik als Staat zu treffen und danach die revolutionären Vorhaben diesem Prozeß anzupassen.119 In einem Seminar an der Teheraner Universität umriß er in diesem Sinne seine Vorstellungen von den außenpolitischen Zielen Irans: "The establishment and expansion of cultural, political and economic relations with the various countries of the world, while maintaining Islamic ideals and principles, is an aim of the government."120 Die genannten Beziehungen könnten dann partiell sogar zu Kooperation führen. Geschickt knüpfte der Präsident an die kollektiven Erfahrungen der Iraner hinsichtlich der Nachteile eines schwachen Staates im Prozeß internationaler Behauptung an, um weitere Zustimmung für sein Ziel der Stärkung Irans zu erreichen. "In any case, where there is world cooperation then a country which has advanced industry, advanced science or greater capital, naturally makes greater profit. And there is nothing wrong with that. There can be cooperation in the world if conditions of plundering, colonising, bullying and imposing particular opinions disappear... We are trying to promote and proclaim this opinion but I must admit that we have not been very sue-
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cessful. As you know, the world powers do not comply with our spirit, and they do not want to accept that."121 Rafsangänl ergänzte bei dieser Gelegenheit auch, daß seiner Überzeugung nach Iran durch seinen außenpolitischen Kurs in der ersten Dekade der Revolution den Gegnern Auftrieb gegeben habe. Durch radikales Auftreten in Inhalt und Form habe sich die islamische Revolution auch dort Feinde gemacht, wo man den Ereignissen in Iran mit neutralem Interesse begegnet sei. Viele außenpolitische Aktionen dieser Jahre seien wenig durchdacht und qualifiziert gewesen. Deshalb Rafsangänl: "In relation to foreign policy, I would like to stress once again that the Islamic Republic of Iran's policy has never been and will never be an adventurous one. We think and we believe that Islam can spread further and gain more influence in a calm and secure atmosphere rather than in an atmosphere filled with tension and adventurism... Our policy is that we should try to make our presence (felt) in the world by being a cultural and spiritual centre, rather than by resorting to the might of weapons or to the policy of terror or other things which we are accused of in a dastardly fashion."122 An der Wende zu den neunziger Jahren, als der Westen mit den Folgen des Zusammenbruchs in Osteuropa und dem 2. Golfkrieg beschäftigt war, erhielt Rafsangänl den notwendigen Spielraum, seine Außenpolitik - zumindest in Ansätzen - umzusetzen. Iran gelang ein zeitweiliger Interessenausgleich mit Westeuropa, es nahm Abschied von der kontraproduktiven "Geiseldiplomatie" der achtziger Jahre und stellte seine Berechenbarkeit und Reife in der regionalen Krisensituation unter Beweis, die der Zusammenbruch der Sowjetunion und der irakische Expansionismus hervorgerufen hatten.123 Hinsichtlich außenpolitischer statements und Aussagen läßt sich in der Amtszeit Rafsangänis neben genereller Standortbestimmung eine besondere Konzentration auf die Wesensbestimmung des Westens und insbesondere der USA, der Kultur, Wissenschaft und Technik unter den Bedingungen der Globalisierung und das Selbstverständnis der islamischen Revolution ausmachen. In seinen Einschätzungen des Westens zeigten sich die politischen und religiösen Aspekte seiner Persönlichkeit nahezu ausgeglichen. Ausgehend von seinen Lebenserfahrungen empfand er den Westen durchaus als politischen Gegner.124 Andererseits war der Westen für ihn auch stets Projektionswand und Maßstab für das Gelingen der Revolution. Je deutlicher und schärfer es die islamische Revolution vermochte, ihre Konturen gegenüber westlichem Homogenisierungsdruck herauszuheben, umso erfolgreicher sei sie einzuschätzen.125 Als Muslim verfocht er in seinen Reden eindeutig den Standpunkt von der Inkompatibilität zwischen Islam und Westen. Der Islam basiere auf Unabhängigkeit und Freiheit, die der Westen in der islamischen Welt zu unter-
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drücken bemüht sei. Die Unvereinbarkeit von Islam und westlicher Kultur sei eine weitere offensichtliche Tatsache. Der Westen erkenne diese Unterschiede selbst und sei nicht an ihrer Aufhebung interessiert. Dabei müsse er doch, wenn er sich nur an seine eigenen Standards von Demokratie und Menschenrechten halte, die öffentliche Meinung und die Mehrheitsentscheidung in der islamischen Welt respektieren. "The optimal outcome is that the West should let the Islamic countries be, so that they may choose their own path based on their own beliefs. But unfortunately we do not see such forbearance and tolerance for opposition in the West."126
Die Vorwürfe westlicher Doppelstandards gehörten zu den Konstanten in Rafsangänls Reden und erstreckten sich auf sehr verschiedene Themen: die Ungleichbehandlung Israels und der Palästinenser im Nahostfriedensprozeß, 127 die eklatanten Unterschiede in der Behandlung der Bosnien- und der Kuwaitkrise durch die "westlich dominierte" UNO,128 die unverminderte eigene sowie die Aufrüstung von Verbündeten, bei gleichzeitiger Abqualifizierung jeglicher Verteidigungsmaßnahmen als "Terrorismus" im Falle "unbotmäßiger" Staaten wie Iran,129 aber auch auf allgemeinere Punkte wie den Freiheitsbegriff und die Einhaltung der Menschenrechte, einschließlich der Behandlung der Frauen.130 Als homo politicus waren ihm die negativen Folgen der westlichen Wahrnehmung des islamischen Frauenbildes für die internationale Anerkennung der Islamischen Republik bewußt. Zu verschiedenen Gelegenheiten erkannte er an, daß der Westen seit dem Mittelalter durch umfassende Modernisierungen entscheidende Fortschritte für die Lage der Frauen erreicht habe. Diese Fortschritte seien allerdings mit einer fehlentwickelten Kultur einhergegangen, die viele der Vorteile relativiere. Bis in die Gegenwart versuche der Westen, gerade diese "vergiftete Kultur" als unabdingbare Voraussetzung für eine Verbesserung der Situation von Frauen in anderen Teilen der Welt, insbesondere der islamischen, zu präsentieren. Die Islamische Republik Iran habe sich hingegen, basierend auf den Lehren des Islam, den im Westen geborenen Fortschritten geöffnet, ohne die kulturellen Deformationen zu übernehmen, die nichtsdestotrotz vom Westen als Modell für die Welt gepflegt würden.131 Für Rafsangänl existierte in der Gegenwart "a serious battle ... between Islam and Western culture over the destiny of women... Today, when they (the Western countries - H.F.) see this splendid and vast gathering of Iranian women wearing the hijab, they become angry and enraged. They do not want to accept a culture which highlights the faults of their own immoral culture"132. Der iranische Präsident machte in dieser Haltung auch die Angst des Westens vor Fremdem und Unbekanntem aus.
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Obwohl der Kulturbegriff vor allem in der Auseinandersetzung um die Frauenfrage permanent bemüht wurde, ließ er sich nicht auf diese beschränken. Der von Rafsangäni ausgemachte Kampf zwischen islamischer und westlicher Kultur in der Frauenfrage besaß für ihn auch allgemeinere Dimensionen. Seine Bewertung der kulturellen Unterschiede zeigte allerdings nur geringe Konsequenz. Es mag dahingestellt bleiben, ob er sie dem jeweiligen Publikum, der außenpolitischen Lage oder den Konstellationen im innenpolitischen Machtkampf anpaßte, seine Äußerungen zu dieser Problematik widersprachen sich nicht selten grundlegend. Zum einen stellte er kategorisch fest: "...we have no need to benefit from the cultures of others. We believe that we have the richest and most authentic of cultures..."133
Nur wenige Wochen zuvor hatte er auf einer internationalen Pressekonferenz erklärt: "Contact between various cultures is a historic fact. One should not imagine that different cultures remain stagnant within their own boundaries. Every culture wishes to strengthen itself and expand its realms. This is true in the case of Islamic culture and Western culture. The cultural challenge has existed in the past and shall continue in the future. We should not be concerned about contacts between different thoughts and cultures. The people should be free to approach other thoughts and cultures with an open mind and by free thinking. We see this capability in islamic culture to advance, when it comes into contact with other cultures under equal circumstances. If you see some concern being expressed, it is because the propaganda apparatus of Western culture is currently stronger than that of Islamic culture. This is an unfair clash."134
Im letztgenannten Aspekt vereinigen sich die ansonsten unvereinbaren Bewertungen für den Umgang mit Kultur wieder. Rafsangäni bewertete die westliche Normierung von Kultur als einen der prägnantesten Wesenszüge der Gegenwart und sah darin ein Hauptfeld der Auseinandersetzung in der Zukunft. Er verknüpfte das Schicksal der Revolution direkt mit erfolgreicher kultureller Behauptung. "We believe that our enemies know that the roots of this revolution are based in our culture, whether in our national or religious culture. They have targeted that and are trying to deprive us of it. If they can sever people's links with their culture, then they have been successful in weakening the revolution..."135
Der Präsident setzte sich daher für die Ausarbeitung eines detaillierten Planes einer "kulturellen Offensive" durch den "Höchsten Rat für nationale Sicherheit" ein und machte dabei deutlich, daß "our problem is not the home video
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sets"134. Dieser Vergleich wird nur im Zusammenhang mit einer bestimmten inneriranischen Debatte verständlich. Der iranischen Führung war daran gelegen, die Bedingungen für die "kulturelle Offensive" optimal zu gestalten. Sie fühlte sich jedoch im Bereich des technischen Niveaus der Verbreitung kultureller Standards unterlegen. Auf rigide Weise versuchte sie deshalb, den Zugriff auf "schädliche" und "islamfeindliche" Videoprogramme zu minimieren. Eine regelrechte Kampagne startete sie, um den Gebrauch von Satellitenantennen zu verbieten. Offensichtlich war sie sich des Bewußtseinsstandes der Bevölkerung nicht sicher, um diese selbst entscheiden zu lassen, ob und wie sie den technisch möglichen Zugriff auf global verbreitete Medienprogramme zu verarbeiten gedachte. Rafsangänl sah sich insgesamt nicht in der Lage, sich dieser Kampagne zu entziehen. In mehreren Reden versuchte er, seine Landsleute vor den "Gefahren" der ungezügelten Konsumierung insbesondere westlicher TV-Sendungen zu warnen, da diese auf besonders subtile Weise geeignet seien, die Muslime zu verunsichern und sie vom revolutionären Kurs abzubringen.137 Trotzdem wandte er sich nicht gegen Einrichtungen wie Rundfunk und Fernsehen per se, sondern versuchte vielmehr, ihre Vorzüge für die islamische Revolution und ihre Verbreitung hervorzuheben. "From a political viewpoint, you can feel today that the only radios, televisions or platforms talking freely and bravely about what is right in the whole world are those of the Islamic Republic of Iran."138
Darüber hinaus sah es der Präsident als eine seiner wesentlichen Aufgaben an, den westlichen Vorsprung in der Kommunikationstechnologie so rasch wie möglich aufzuholen und technische Eckpfeiler von Globalisierung wie Computer und das Internet in den Dienst der islamischen Revolution zu stellen. Rafsangänl sprach sich für die umgehende Nutzung des Internets für die Verbreitung der islamischen Botschaft aus,139 er setzte seine ganze Autorität für die Umsetzung dieses Planes ein. Am 22. November 1995 meldete Radio Teheran die Beteiligung Irans am internationalen e-mail-Netzwerk140, das zweite Programm des staatlichen Fernsehens verbreitete im Juni 1996 die Meldung, daß die Islamische Republik elektronisch mit 160 Staaten vernetzt sei.141 Eventuellen Skeptikern mit dem Argument entgegentretend, daß es vor allem die USA und ihre Verbündeten seien, die der Islamischen Republik die Nutzung moderner Techniken und Technologien vorenthalten wollten,142 flocht Rafsangänl fortan in eine Vielzahl seiner öffentlichen Reden und Auftritte die Forderung an die Ingenieure, Erfinder, Techniker und Spezialisten ein, vermehrte Anstrengungen für eine Verschmelzung von modernster Technik und islamischer Gesellschaft in Iran zu unternehmen. 143 Enthusiastisch forderte er die Etablierung einer eigenständigen Produktion elektronischer Geräte
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in Iran.144 Eigens dafür vorbereitete Reden des Präsidenten begleiteten die Eröffnung von Computerkabinetten in Hochschulen und Industriebetrieben.145 Bewußt oder unbewußt versuchte Rafsangänl jedenfalls, sich den Herausforderungen der Globalisierung zu stellen. Das Hauptproblem sah er jedoch nach wie vor in der Gegnerschaft seines Landes zum Westen. Allgemeinere Äußerungen Rafsangänls zu verschiedenen Aspekten dieser Gegnerschaft stehen insgesamt an Zahl und Schärfe hinter denen zurück, die auf das Verhältnis zwischen Iran und den USA eingehen. In dieser Hinsicht weisen seine Aussagen kaum Unterschiede etwa zwischen dem Beginn und dem Ende seiner Amtszeit oder vor unterschiedlichen Gremien auf. Es scheint müßig zu hinterfragen, ob die betonte Abgrenzung und Gegnerschaft zu den USA einem tiefen Bedürfnis Rafsangänls entsprang. Viel wichtiger ist es zu erkennen, daß er sich mit konsequenter antiamerikanischer Polemik die notwendigen Freiräume für andere, teilweise wenig populäre Maßnahmen in der Innen- und Außenpolitik schuf. Rafsangänl schrieb den USA nicht nur schlechthin die gleiche Doppelzüngigkeit wie dem Westen insgesamt zu. Es ging ihm nicht um eine formale Gleichstellung des Westens mit den USA oder das Aufzeigen vollständiger Kongruenz zwischen beiden. Vielmehr sah er die USA als treibende und führende Kraft hinter der westlichen Welt. Deren feindliches Gebaren gegenüber dem Islam und insbesondere Iran ging für ihn letztlich vor allem auf amerikanische Initiative zurück. So seien es die USA gewesen, die dem Westen und den von ihm dominierten internationalen Gremien die obengenannten Doppelstandards vorschrieb, seien es die Vorbehalte bei der friedlichen Nutzung von Kernenergie durch Iran,146 Verteidigungsausgaben147 oder die einseitige Bevorzugung Israels.148 Ohne signifikante Unterschiede etwa zur Wortwahl der geistlichen Führer des Landes stellte er fest: "In view of the long-standing hostility and enmity of the United States against the Muslim nation of Iran, our people consider the United States to be an accomplice of the former regime and the creator of the problems and difficulties experienced after the victory of the Islamic revolution."149
Mit politischen Argumenten lehnte er die neue Weltordnung, die die USA nach der Beendigung des 2. Golfkrieges anvisierten, ab. Für ihn bedeutete das, wie er in einem Interview mit dem ägyptischen Journalisten Muhammad Haikai betonte, das Streben nach einer unipolaren Weltordnung. Die übrige Welt müsse sich mit aller Macht gegen derartige Pläne wehren.150 In der Tat bedürfe die Welt dringend einer neuen Ordnung, aber: "... can this new order be such that America, as a dominant power, becomes the ruler, the ringleader? If this is the purpose, then I believe it
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cannot happen...Humans will never accept America becoming the arbiter, employer and ruler of the people of the world"151. Rafsangänl erinnerte in diesem Zusammenhang an das d'Amato-Gesetz, das allen Wirtschaftsunternehmen Sanktionen androhte, die - über ein sehr niedriges Niveau hinweg - mit Iran Handel trieben. Vor allem die ablehnenden Reaktionen der westlichen Verbündeten Amerikas gegenüber diesem Gebaren ermutigten ihn, die Unmöglichkeit einer dauerhaften, unipolaren, amerikanischen Weltordnung vorauszusagen.152 Aber auch innere wirtschaftliche, politische und kulturelle Probleme der USA, die dort teilweise selbst auf Kritik stießen, griff Rafsangänl in außerordentlich selektiver Weise auf, um den Amerikanern Unfähigkeit bei der Führung der Welt zu bescheinigen. Im Juli 1995 erklärte er während einer Freitagspredigt: "... the president of America delivered a speech at one of the universities there. He really sounded the alarm bells, listing or implicitly referring to several things, saying that these things were undermining national cohesion and America as a superpower. Among the things he mentioned was the serious moral corruption that has enveloped society there and has had a devastatingly bad effect on the young, especially on girls. He talked about drugs and said that this had turned into an incurable disease for the country... So, American society is really fraught with problems...We know this and can see that because they have such great domestic problems, they have to focus on something outside. This is a traditional policy practised by the world's statesmen who, in such circumstances, create problems outside in order to divert public opinion from internal problems... They thought that if they could wrestle with Iran, bring it down to its knees over economic issues and create problems for the revolution, they could present this as a victory to their societies..."153 Aus den ausgemachten inneren und äußeren Problemen der USA leitete Rafsangänl seinen Optimismus von der Kurzlebigkeit der unipolaren Weltordnung ab. Darauf aufbauend, wagte er auch eine Prognose: "Now, as to what order will come about; in the long run it will either be the same as now, that is to say multi-polarity where every corner has a sphere of influence according to its capabilities, or blocs will be formed and will become powerful. There is nothing wrong if it stays the way it is; after all this is a kind of order. It is nice if the world doesn't have a bully as an owner."154 In einer wesentlichen Beziehung unterschieden sich die Äußerungen Rafsangänls zu den USA aber von denjenigen etwa Ajatollah HämeneTs. Politisch denkend, lehnte er Kontakt mit Washington nicht kategorisch ab, wenn er dafür auch derart ultimative Bedingungen stellte, daß ein Einlenken des Weissen Hauses höchst unwahrscheinlich war und ihm seine Gegner kein Kapitu-
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lantentum vorwerfen konnten.155 Unbeirrt hielt er den USA vor, alleinige Schuld am Tiefstand des bilateralen Verhältnisses zu tragen. Jeglichen Wunsch nach Verbesserung derselben setzte deshalb eine grundsätzliche Initiative der USA voraus. Dazu müßten sie zunächst Ursachenforschung betreiben. "If the Americans want to look at the situation in real terms, in fundamental terms, they should look back and find out the causes that have made the Iranian nation hate them so. And then they should correct them. They should then prove that they are honest. They should prove that the period of hostility has passed and that they will compensate them (the Iranians)."156 Solange die USA also ihr Verhalten nicht grundsätzlich änderten, solange wäre an eine Wiederaufnahme normaler zwischenstaatlicher Beziehungen nicht zu denken. Diese Botschaft diktierte Rafsangänl sowohl führenden amerikanischen Medien wie CNN157 als auch der internationalen Presse. Dabei ging er durchaus auch ins Detail. "Wenn Amerika seine Politik ändert, sehe ich keinen Grund für ein Andauern der schlechten Beziehungen. Natürlich wird das den Amerikanern schwerfallen. Warum, zum Beispiel, sind unsere Guthaben in den USA immer noch eingefroren? Ich glaube, kein Amerikaner ist in der Lage, uns darauf eine befriedigende Antwort zu geben."158 Rafsangänl versuchte auf diese Weise den Eindruck zu vermitteln, als ob die Außenpolitik Irans durch die permanente Gegnerschaft des Westens und insbesondere der USA zu einem bestimmten Verhaltensmuster gezwungen würde. Als Beispiel dafür sollen nur zwei Redeauszüge herangezogen werden. "It is not as if we have sought to make enemies. Basically, for the sake of their interests and preserving their power, our enemies are against the plan entitled the Islamic way of life in the world. They do not accept the rule of religion, even if it were Christianity, Buddhism or whatever, if it did not conform to their views. For that reason our task in the world is so difficult and important."159 Oder: "The reason for the defenders of materialistic thought's fear of the Islamic revolution today is that a successful experiment is now beckoning the peoples of the world to experience a form of government based on morality, aspiration and ideology. They insinuate to the youth of the world that Islam is an ideological movement which must, like the Church, be on the periphery of the life of the people, while the administration of the affairs of the world is entrusted to those who belong to the world of temporal affairs. In fact, that is where we fight our war with global infidelity."160
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Spätestens an dieser Stelle wird jedoch die Brücke von passiver zu aktiver Außenpolitik geschlagen. Ob propagandistisch in den Vordergrund gestellt oder nicht, auch Rafsangänl sah nicht nur reaktive Aufgaben für die islamische Revolution, sondern er unterstellte ihr - gänzlich im Einvernehmen mit Khomeini und den anderen geistlichen Führern - eine Mission. Unzweideutig erklärte er: "If the success of the revolution does not lie in its mission, then where does it lie?"161 Er vermied Schlagworte wie etwa "Export der Revolution", aber Ausstrahlungskraft und Beispielwirkung der islamischen Revolution wollte Rafsangänl - wenn auch mit verbesserten Mitteln und anderen Prioritäten - ebenso stärken. "Conditions might have changed, but our policy has not."162 Auch Rafsangänl plädierte uneingeschränkt für ein Selbstverständnis der Islamischen Republik als globales Zentrum der islamischen Erneuerung. "Islamic Iran is the base for all Muslims the world over. There is not the slightest doubt in my mind, and I am certain that His Holiness the Imam would have said that we do not want this revolution only for ourselves, that we care about others. He truly and deeply hated the idea that we be limited by nationalism, by race, or by our own land."163
Mit dieser Aussage schien er sich hinter der Autorität Khomeinis zu verstekken, denn andererseits war es gerade Rafsangänl, der den Nachbarstaaten die Furcht vor dem Export der islamischen Revolution nehmen wollte. Es sei daran erinnert, daß er im wesentlichen für Aussagen wie die folgende stand: "We have never said that we would take our Revolution to other countries. We say we put forward our ideas and if anybody is interested they can accept those ideas. Followers of any ideology would do the same. It is not interfering in the affairs of others. In practice, we are now using all our facilities to build our own country; we are not using them abroad."164
Auch mit letztgenannter Aussage schloß er lediglich die gewaltsame Einflußnahme auf andere Staaten und Bewegungen aus, denn Rafsangänl war stolz auf die immateriellen Wirkungen der Revolution. "We ... see that at the international level, in all fields such as science, literature, arts, sports, important issues in the world - our youth are demonstrating the power of Islam in America, Locarno, Canada, China and Australia. In all these places we have seen a demonstration of the mental, scientific, physical and spiritual power of Islamic forces."165
Diese und andere widersprüchliche Aussagen Rafsangänls belegen letztlich nur das komplizierte Aufgabenfeld des in der Verfassungsrevision von 1989 neu be-
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stimmten Präsidentenamtes: religiöses Sendungsbewußtsein mit politischen Mitteln und Methoden in die Praxis umzusetzen. In der Häufigkeit abgestuft, traten auch die Vizepräsidenten und einzelne Ratgeber des Präsidenten mit außenpolitischen Äußerungen an die Öffentlichkeit. Erwartungsgemäß unterschieden sich deren Redeinhalte nicht wesentlich von der Linie Rafsangänls. Die Hauptaufgabe dieser Auftritte bestand vielmehr in der Vertiefung und Akzentuierung von außenpolitischen Zielstellungen, die Rafsangänl aus politischer Rücksichtnahme häufig vermied. Vizepräsident HablbT profilierte sich dabei mit Reden gegen die kulturelle Aggression des Westens gegenüber der islamischen Welt und insbesondere Iran - ohne sich dabei in der Sache über die von Rafsangänl gesetzten Grenzen hinwegzusetzen - und für das Recht seines Landes auf den Aufbau eines entwickelten Nuklearsektors.166 In der letztgenannten Problematik wurde er auch wiederholt von Vizepräsident Mohägeräni unterstützt, der z.B. in scharfer Form gegen den angeblichen Anspruch der USA polemisierte, einzelnen Staaten das Recht auf die eigene Nutzung von Kernenergie abzusprechen. Er verwies auf die Gefahren, die für den Nahen und Mittleren Osten aus dem alleinigen Kernwaffenbesitz Israels erwüchsen. "... da der Feind über Nuklearanlagen verfügt, sollten die islamischen Staaten die gleiche Kapazität besitzen... Deshalb sollten die Muslime aktiv werden... Ich spreche nicht über ein islamisches Land allein, sondern über die Gesamtheit der islamischen Staaten."167
Als ein weiteres Beispiel der Auslegung von Meinungen des Präsidentenamtes zu bestimmten außenpolitischen Vorgängen und Situationen soll ein Interview des Präsidentenberaters für internationale Angelegenheiten, CA1I Rezä3 Mocäyeri, herangezogen werden. Er unterstrich darin, daß es sich Washington zur Aufgabe gemacht habe, die islamische Revolution in ihren staatlichen Grenzen einzudämmen. Trotzdem seien die Ideen und die Botschaft der Revolution exportiert worden, was die islamischen Erhebungen in Afrika und Palästina eindrucksvoll belegen würden. Er wandte sich gegen die amerikanischen Versuche der Errichtung einer neuen Weltordnung, die nur neue Probleme mit sich brächte und den Boden für die Ausplünderung unterentwickelter und abhängiger Staaten bereitete. Iran sei dagegen fest entschlossen, seine durch die Revolution erworbene Unabhängigkeit zu verteidigen und zu verhindern, daß seine inneren Angelegenheiten je wieder in Washington, London, Paris oder Moskau entschieden würden. "Wir werden nicht in die Falle der neuen Weltordnung laufen, die uns verpflichten würde, Dinge zu unternehmen, die im Widerspruch zu islamischen Prinzipien und unseren nationalen Interessen stehen."168
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Allerdings endete an dieser Stelle auch die Detailbereitschaft Mocäyeris. Er vermied es, die Widersprüche einzeln zu benennen. Im Ergebnis der Wahlen vom Mai 1997 kam es im August desselben Jahres zu einem Wechsel im Präsidentenamt. Nach zwei Amtsperioden wurde CA1T Akbar Häsemi Rafsangänl durch Mohammad HätamI abgelöst. Er wurde insbesondere von den Teilen der Bevölkerung gewählt, die sich ein höheres Maß an Meinungsfreiheit und Partizipation, an wirtschaftlicher Genesung und kultureller Toleranz erhofften. Hoggat ol-Esläm HätamI gehört zwar ebenfalls der Geistlichkeit an, er war aber vor allem ab Mitte der neunziger Jahre durch unorthodoxe Lehrmeinungen aufgefallen, die er auch mutig in der Öffentlichkeit vertrat. Er setzte sich z.B. für einen "freieren Geist" an den Universitäten ein, wo Fragen nicht verdächtig, sondern belebend seien.169 Von noch grundsätzlicherer Art waren seine wiederholten Aufforderungen zu einer Reform des religiösen Denkens.170 HätamI sprach sich dafür aus, die westlichen Kultureinflüsse nicht durch Verbote zu bekämpfen, sondern eine Immunisierung durch eigene kulturelle Kreativität zu erreichen. Dazu sei mitunter auch die "Injektion mancher Mikroben der zu bekämpfenden Kultur in den eigenen Körper"171 unausweichlich. Er vertrat zudem die Ansicht, daß die Moderne, die er mit der westlichen Zivilisation gleichsetzte, nicht durch eine Willensentscheidung übersprungen werden könne. Sie sei als Übergang zu einer künftigen islamisch-iranischen Kultur zu betrachten, in der dann die dem Westen verlorengegangene innere Freiheit bestimmend sein werde, gewonnen durch Spiritualität, Tugend, Enthaltsamkeit usw.172 Geht man von diesen Meinungen und Standpunkten des neuen Präsidenten aus, durfte von ihm auch eine veränderte Akzentsetzung in der Außenpolitik erwartet werden. Nicht nur die Tatsache, daß er den im Westen hochangesehenen ehemaligen UNO-Botschafter Kamäl Harräzl zum Außenminister berief, sondern auch erste außenpolitische Stellungnahmen schienen diese Erwartungen zu bestätigen. Den eindrucksvollsten Beweis legte HätamI während der OIC-Tagung in Teheran im Dezember 1997 vor, als er die Normalisierung der Beziehungen zu den USA möglich nannte, ohne im gleichen Atemzug die bekannten Vorbedingungen zu erwähnen und sich für eine Anerkennung der positiven wissenschaftlichen, technologischen und sozialen Errungenschaften der westlichen Zivilisation aussprach.173 Insgesamt ist die Zahl veröffentlichter und zugänglicher Stellungnahmen Hätamls als Präsident aber noch zu gering, um zu abschließenden Urteilen zu gelangen. Trotz seines Eintretens für Partizipation und Demokratie plädiert er immerhin unzweideutig für die Beibehaltung der Veläyat-e Faqih. Für ihn schließen sich Demokratie und Herrschaft des Rechtsgelehrten nicht aus. "There are some absolute immovable laws of God that are eternal and never changing; but the laws which govern the day-to-day administration
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of the land may well change over time ... different historical periods demand different regulations."174
Der neue Präsident ist nicht in erster Linie "Freigeist", sondern islamischer Rechtsgelehrter in der zweithöchsten Position der Islamischen Republik. Er wird versuchen, neue Freiräume zu erschließen und durch kluge und flexible Politik Ventile für Unzufriedenheit und Frustrationen in der iranischen Bevölkerung zu öffnen. Seine Biographie läßt hingegen nicht erwarten, daß er eine "Revolutionierung der Revolution", d.h. eine andere Republik, plant. HätamI war nie ein Außenseiter im Regime. 1980 zog er als Abgeordneter seiner Heimatstadt Ardakän in den Magles und wurde im gleichen Jahr von Khomeini zum Chef von Kayhän, der auflagenstärksten Tageszeitung Irans, ernannt. Von 1982 an hatte er für zehn Jahre das Amt des Ministers für Kultur und islamische Führung inne, eine Schlüsselposition in der "islamischen Kulturrevolution". In der Mehrzahl seiner Amtsjahre fiel er dabei nicht durch Abweichung von der "Linie des Imäm" auf. Die Zahl der Presseerzeugnisse fiel in den ersten sechs Jahren seiner Amtszeit von 444 auf etwas mehr als 100, gleichzeitig wurde das repressive Pressegesetz verabschiedet.175 Die vom Exil aus operierenden Mogähedin-e halq behaupteten im Besitz von Dokumenten zu sein, die für den 28. Mai 1984 die Zusammenkunft eines Gremiums aus Militärführern und Ministern Irans mit Ajatollah Bakr Häkim, dem exilierten Führer des "Supreme Council of the Islamic Revolution for Iraq", in Teheran beweisen würden. Das Gremium habe den Plan verabschiedet, "Selbstmordkommandos" zu rekrutieren und auszubilden, um Terroraktionen gegen Personen und Institutionen zu verüben, die gegen die Islamische Republik eingestellt seien. Die Zusammenkunft habe unter verantwortlicher Führung von Mohammad HätamI gestanden.176 Der Wahrheitsgehalt dieser Behauptungen wurde nicht überprüft, sie sind lediglich ein weiteres Indiz für das systemkonforme Funktionieren Hätamis als Minister für Kultur und islamische Führung. Bekannt wurde aber auch sein Vorsitz in einem Rundtischgespräch über "Die nationale Sicherheitsstrategie der Islamischen Republik Iran", das sich auch mit dem Konzept des Revolutionsexports befaßte. Während der Veranstaltung habe HätamI immerhin erklärt: "Where do we look when drawing up our strategy? D o we look to preserve the integrity of our land, or do we look to expansion? D o we look to bast (expansion) or to hefz (preservation)? We must definitely focus on expansion."177
Nicht unterscheidbar von anderen Führern der Islamischen Republik, warf er der westlichen Welt vor, alle verfügbaren Mittel zu benutzen, um den Islam zu bekämpfen und die religiöse, kulturelle und nationale Identität der Muslime
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in Frage zu stellen.178 Ähnlich polemisch brandmarkte er auch die angebliche Allianz des Westens mit dem Zionismus: "The creation of the usurper Zionist regime is the result of a deep Western hatred towards Islam, and in particular it (the Zionist regime) was formed since the Crusade wars (sic) to suppress Islamic movements and their growth in the world of Islam."179
In längeren Wortmeldungen machte er eine Krise der westlichen Zivilisation aus, die es verbiete, daß gerade sie die neue Weltordnung bestimme180, und verwies auf die mannigfaltigen Widersprüche zwischen islamischer Religion und Kultur und westlicher Lebensweise.181 Wenig überraschend, sprach sich Hätaml während seiner Amtszeit auch gegen die Freigabe von Satelliten-TV aus182 und stimmte in die Verurteilung der "Satanischen Verse" ein. "The fatwa of His Eminence the Imam ... is accepted by all Muslims as a fundamental Islamic decree... With this action the confrontation of arrogance against Islam took the form of a declaration of war by the West against Islam, and the fatwa issued by His Eminence the Imam was an edict about the death of arrogance and the death of the domination of the West over the lifes of Muslims and the oppressed of the world."183
Für die Kulturpolitik seines Landes sah HätamI aber nicht lediglich defensive Aufgaben, sondern er gilt als einer der maßgeblichen Architekten der islamischen "kulturellen Offensive".184 Während eines zweitägigen Seminars über Kultur und Propaganda wurde unter seiner Leitung eine Resolution in acht Punkten verabschiedet, die unter Hinweis auf die "Aggression der kolonialistischen und westlichen Kultur gegen die Wesensart unabhängiger Nationen, gegen ihre religiösen und nationalen Werte" die Forderung erhob, den "wahrhaften Islam Muhammads" in der Welt zu verbreiten.185 Gegen Ende seiner Amtszeit änderte HätamI jedoch seine Kulturpolitik. Er lockerte die Zensur und lizensierte auch kritische und reformorientierte Presseerzeugnisse. 1992 konnte der Leser wieder zwischen 369 unterschiedlichen Zeitungen und Zeitschriften auswählen.186 Außerdem trat HätamI mit ersten Forderungen nach Reformen der Universitäten und der akademischen Lehrmeinungen an die Öffentlichkeit.187 Konservative Kräfte erzwangen daraufhin im April 1992 seinen Rücktritt als Kulturminister. Angesichts der zahlreichen Widersprüche in den Aussagen Hätamls bleibt offen, ob er sich während seiner Amtszeit als Kulturminister wider besseres Wissen äußerte und lediglich auf seine Chance wartete oder ob er einen längerfristigen Lernprozeß durchlief. Für letztgenannte Annahme spricht die Tatsache, daß sich die Inhalte seiner Stellungnahmen zeitlich weitgehend zuordnen lassen und daß seit 1992 kaum verbale "Rückfälle" in das Vokabular seiner Zeit als Kulturminister zu verzeichnen sind. Als Staatspräsident scheint
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Mohammad HätamI damit für eine Vertiefung und Ausweitung des von Rafsangänl eingeleiteten außenpolitischen Kurses zu stehen, der zuletzt zu stagnieren drohte. Ob ihm jedoch eine Aufhebung der Pattsituation gelingt, kann erst die Zukunft zeigen. Parlament Das Parlament, der Magles, spielt im politischen Leben der Islamischen Republik eine wichtige Rolle. Obwohl im eigentlichen Sinne keine Parteien existieren, gilt das Parlament seit der Gründung der iranischen Republik als maßgebliche Plattform des Ausbalancierens der wichtigsten politischen Strömungen innerhalb des Regimes. Von Beginn an, und selbst nach Wahlen nur graduell personell verändert, lieferten sich verschiedene Fraktionen und Interessengruppierungen erbitterte Kämpfe um die Vorherrschaft und damit die Meinungshoheit. Über die Resultante der Haltung des Parlaments zu den wichtigsten politischen Fragen des Landes vermag sich jeder Funktionsträger der Islamischen Republik nur in Ausnahmefällen und unter Inkaufnahme heftiger Gegenwehr hinwegzusetzen. Das Parlament entscheidet über die letztendliche Zusammensetzung der Regierung und nimmt damit zwar nur indirekten, aber nichtsdestotrotz nachhaltigen Einfluß auf ihren Kurs. Obwohl die vorherrschende Meinung in den unterschiedlichen Parlamentsperioden und -Zusammensetzungen durchaus auch ein Spiegelbild der politischen Hauptlinien einer bestimmten Entwicklungsperiode der Islamischen Republik darstellte, ist insgesamt zu verzeichnen, daß es sich primär als Hort und Wächter der Grundlagen und Zielsetzungen der islamischen Revolution versteht. Das mußte selbst Präsident Rafsangänl eindrucksvoll erfahren, als er nach dem Kurswechsel von 1989/90, der zunächst auch in den Parlamentswahlen von 1992 seinen Niederschlag fand, vergeblich hoffte, von den Parlamentariern nachhaltige Unterstützung zu erhalten. Zum Zeitpunkt seiner Amtsübernahme fungierte Hoggat ol-Esläm Mehdl Karrübl, ein namhafter "Radikaler", als Sprecher des Parlaments. Er warnte den neuen Präsidenten vor jeder Form von Annäherung an die USA. "It would be naive to try to mend relations with the USA... Friendly relations between Iran and the USA, any day, will mean that Iran has deviated from its principies... We will have relations with all countries of the world except for the USA."188
Karrübl durfte mit dieser Meinung auf eine respektable Mehrheit im Parlament hoffen. Zahlreiche Abgeordnete nahmen die Spannungen zwischen den USA und Libyen zum Anlaß, um das "aggressive Verhalten" Amerikas gegen ein islamisches Land zu tadeln,189 darüber hinaus angebliche Versäumnisse Wa-
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shingtons bei der Wahrung der Menschenrechte anzuprangern190 und sich mit großer Schärfe gegen die Pläne einer neuen Weltordnung auszusprechen.191 KarrübT forderte auch nachdrücklich eine Abkoppelung der islamischen von der westlichen Kultur, da der Westen die Kultur zur Infiltrierung nutze." 2 Viele Parlamentarier unterstützten ihn in der Absicht, der "westlichen Kulturoffensive" entschiedenen Widerstand entgegenzusetzen;193 der Delegierte Gorgäns, RazavT, sprach sich für ein generelles Verbot von Videonutzung und Satelliten-TV aus.194 Karrübi enthielt sich selbst nicht direkter Vorgaben an die Regierung. "... here and now we advise our government, our officials and the Foreign Ministry to support and back such governments (which support Islam and oppose Israel) because such movements undoubtedly face obstacles and problems and we must support and assist them."195
Zu Rafsangänis Erleichterung fand aber noch während der Amtszeit Karrübls ein Wechsel an der Spitze des außenpolitischen Komitees des Magles statt. Der frühere iranische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Mohammad RagäT Horäsänl, löste den berüchtigten "Scharfrichter" der Revolution, Hoggat olEsläm Halhali, in dieser Funktion ab.196 Die Chancen würdigend, die aus dem Zusammenbruch der Sowjetunion für die Ausbreitung der islamischen Revolution erwüchsen, führte sich Horäsänl durchaus konform in seine neue Funktion ein. "Disappointed by materialist and worldly governments, the world has turned attention today to the Islamic nation and sovereignty of God. People have concluded that a government not ruled by Islam is doomed to destruction and annihilation. Today, the victory of Islamic Iran in the international arena is the victory of the Islamic world. And the Islamic world sees its salvation as dependent on the Islamic government of Iran."197
Damit dürfte es ihm aber zunächst nur um Akzeptanz gegangen sein. Später fiel er durch mutige und unkonventionelle außenpolitische Initiativen auf. Er behauptete z. B., daß diplomatische Beziehungen mit jedem beliebigen Land Iran nicht per se schaden würden. "In case we pursue aggressive diplomacy with minute international planning, resumption of diplomatic relations with whom we do not have at present would not cause us any problems."198
Erst 1993 wurde bekannt, daß Horäsänl in einem Brief an Hämene 3 ! den Vorschlag unterbreitet habe, mit den USA in Verhandlungen zu treten, da mit einer vollständigen Verweigerungshaltung in den gegenwärtigen internationalen Machtkonstellationen nichts zu gewinnen sei. Eine derartige Politik schade der Islamischen Republik letzten Endes mehr als den USA.199 Zeitungen melde-
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ten, der Inhalt des Briefes sei fast ein Jahr lang zurückgehalten worden. Horäsänl ließ sich jedoch nicht beirren. Er forderte die Führung auf, den Westen nicht homogen zu sehen und en bloc zu verurteilen. Damit schaffe man sich unnötig Gegner und bediene amerikanische Interessen.200 Er hatte mit diesen Vorstößen allerdings die Aufnahmebereitschaft und Toleranz seiner Mitparlamentarier überschätzt. Er sah sich massiver Kritik aus nahezu allen politischen Lagern ausgesetzt und verlor seine Position im 1992 neu gewählten Parlament. Wie bereits erwähnt, setzten Rafsangäni und seine Anhänger gerade in dieses Parlament große Erwartungen. Der neue Sprecher, Ajatollah Näteq Nüri, galt nicht als sein Gegner. Die Hoffnungen sollten jedoch sukzessive enttäuscht werden. Dazu trug unter anderem der Umstand bei, daß die Tätigkeit als Abgeordneter eine zu gute Grundlage für die weitere politische Karriere verhieß. Deshalb versuchte die Mehrheit der Delegierten, sich gegenseitig in ihren Verbundenheitsbeteuerungen für die islamische Revolution zu übertreffen. Das Parlamentsleben entwickelte so eine Eigendynamik, die Kritik lediglich an vorgeblich mangelnder islamischer Überzeugung bzw. Mißständen bei der Weiterführung der Revolution ermutigte. Näteq Nüri war in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Er gehörte zu den treibenden Kräften, die das Parlament auf eine unerschütterlich antiwestliche Haltung einzuschwören bestrebt waren. Er stellte den Westen als Antipoden der islamischen Welt dar und leitete aus der Avantgardeposition, die er der Islamischen Republik zuschrieb, einen besonders unversöhnlichen Standpunkt des Westens ihr gegenüber ab.201 Die Kritik des Westens an Iran sei unangemessen, da er selbst in seinen Hauptkritikpunkten, wie etwa Terrorismus und Einhaltung der Menschenrechte, unübersehbaren Nachholbedarf habe.202 Diese Haltung fand in zahlreichen Reden anderer Parlamentarier ein zustimmendes Echo.203 Unter den Bedingungen der Abwesenheit militärischer Gewalt habe sich das Hauptfeld der Auseinandersetzung laut Näteq Nüri auf das Feld der Kultur verlagert. Der Westen unternehme eine kulturelle Offensive, um der übrigen Welt auf diese Weise seine Werte und Lebensart aufzuzwingen und damit die Widerstandskraft gegen seine übrigen "Segnungen" abzuschwächen.204 Iran müsse sich im Angesicht dieser Offensive sowohl auf seine eigene reiche islamische Kultur besinnen und diese zur Blüte bringen,205 wobei alle Medien und vor allem die Presse eine besondere Verantwortung besäßen,206 als auch der westlichen Kulturoffensive gegenüber abschotten. Von Näteq Nüri gingen entscheidende Initiativen zum Verbot von Satellitenantennen und zur Einschränkung der Nutzung von Videogeräten aus.207 1994 begann das Parlament sogar unter seiner Führung eine Debatte über den eingeschränkten Gebrauch westlicher Begriffe in Iran,208 die 1995 zu einer Gesetzesvorlage führte, die allen legislativen, exekutiven und judikativen Körperschaften, aber auch Firmen und gesellschaftlichen Organisationen den
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Gebrauch "ausländischer und ungebräuchlicher Begriffe und Worte" untersagte.209 Erwartungsgemäß konzentrierte Näteq Nüri seine Westkritik aber insbesondere auf die USA. Im Unterschied aber etwa zu den Vorstellungen Horäsänls konzedierte er damit jedoch nicht in erster Linie Unterschiede im westlichen Lager, sondern er plazierte die USA an die Spitze eines imaginär-homogenen Westens.210 Er nutzte vor allem die jeweiligen Jahrestage der Besetzung der Teheraner US-Botschaft am 4. November 1979, um u.a. herauszustellen, daß die "mutige Aktion der muslimischen Studenten auf dem Weg des Imäm, indem sie das amerikanische Spionagenest besetzt hätten, den Mythos der amerikanischen Unbesiegbarkeit zerstört und bewiesen hätten, daß Widerstand gegen die Hegemonisten möglich ist"211. Immer wieder betonte er, daß jede Verständigungspolitik mit den USA den Prinzipien der islamischen Revolution zuwiderlaufe. "Es gibt Tausende von Wegen, um Beziehungen mit der Welt zu unterhalten. Aber die Allee, die nach Amerika führt, ist definitiv eine Sackgasse."212 Die Entscheidung Washingtons vom Dezember 1995, 20 Millionen Dollar für die Unterstützung iranischer oppositioneller Kräfte zur Verfügung zu stellen, bedeutete für Näteq Nüri den Beweis erbitterter Feindschaft und die Gelegenheit zu massiver Konterpropaganda. Er rief das Parlament auf, einen Fond einzurichten "... to combat US terrorist activities and plots against Muslim nations, particularly the Islamic Republic of Iran... the US decisions are aggressive, imperialistic and stupid. In the past the US spent billions to overthrow our sacred regime and could do nothing. It will be the same in the futur e
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Bei gleicher Gelegenheit rief er die Muslime der Welt auf, Iran in seinem Kampf gegen die "amerikanischen Verschwörungen gegen den Islam" zu unterstützen und kritisierte UNO-Generalsekretär Butros Ghali "for doing nothing to oppose America's gross violations of international law"214. Näteq Nüri konnte sich im Regelfall der Unterstützung durch die Mehrheit der Parlamentarier sicher sein. Erpicht darauf, seine Chancen zur Wiederwahl nicht zu schmälern, war manches Parlamentsmitglied zwar zeitweise durchaus darauf bedacht, eine pragmatische und realistische Politik im Sinne seiner Klientel zu betreiben. Aber selbst dann bot sich ihm die Möglichkeit, durch Unnachgiebigkeit und Radikalität in außenpolitischen, seinen Wahlkreis also nicht unmittelbar betreffenden Fragen seine Verbundenheit mit der islamischen Revolution zu beweisen. Diese Möglichkeit wurde schon dadurch gestärkt, daß der Einfluß des Magles in der Außenpolitik auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit internationaler Abkommen und Verträge beschränkt ist, die die Regierung abschließt, sowie auf die Gewährleistung, daß diese Verträge mit den nationalen Inter-
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essen und ideologischen Prinzipien der Islamischen Republik harmonieren. Ohne für die Ausarbeitung und Umsetzung von Außenpolitik direkt verantwortlich zu sein, fällt den meisten Abgeordneten daher auf diesem Gebiet die radikale Profilierung leicht. Zudem besitzen sie das Recht, einzelne Minister zur Rechenschaftslegung zu zitieren, womit sie z.B. Außenminister Veläyati heftig zusetzten, wenn dieser bestimmte ausgleichende und pragmatische Initiativen in seinem Ressort zu rechtfertigen hatte. 2 " Summa summarum zeigen Äußerungen von Parlamentariern zu außenpolitischen Problemen und Fragestellungen deshalb ein ähnlich konfrontatives und zuspitzendes Bild wie die des Parlamentssprechers. Zustimmung zu Näteq Nüri schien vor allem in der Verurteilung der USA geboten. Es entstand häufig der Eindruck, als seien die Abgeordneten bemüht, sich in dieser Hinsicht gegenseitig zu übertreffen.216 Eine besondere Rolle spielte in diesem Zusammenhang der stellvertretende Parlamentssprecher, Hoggat ol-Esläm Hasan RöhänI. Wenn er auch mit seinem Vorgesetzten in der ablehnenden Bewertung des Westens übereinstimmte217 - wobei er sich außenpolitisch vor allem auf die Beziehungen Irans mit Europa spezialisierte218 - bevorzugte er doch ein anderes Bild der globalen Stellung der USA. Während Näteq Nüri die USA als führende Macht eines gegen den Islam gerichteten westlichen Blocks sah, erkannte RöhänI vielmehr eine "einsame" Position Amerikas selbst innerhalb der westlichen Welt, die es auszunutzen gelte. "Culturally, Islamic republic of Iran and the revolutionary Islam are on the top of the U.S. enemies. Thus we can say U.S. has many enemies. All nations are enemies of U.S. Third world is an enemy of U.S. In fact several superpowers are opposing U.S. Military superpowers are Russia, China and France. Economic superpowers are Japan and Germany and Iran as the cultural superpower confronting U.S. Therefore not all the world is friendly with U.S. but the way of expression is different."219
Im übrigen überwog aber, wie eingangs festgestellt, im Parlament eher Zustimmung für Näteq Nüri. Das zeigen die ablehnenden und verurteilenden Haltungen der Abgeordneten Novbahat, Moqaddam, Kermäni, Zorgäml und Mohtäri220 gegenüber der unterstellten kulturellen Offensive des Westens. Stellungnahmen zum "Kulturkampf umfaßten ein breites Spektrum, wobei zwei wesentliche Aspekte herausgehoben werden sollen. Zum einen ist dies die Behandlung der Frauenfrage, in der sich das Parlament durch westliche Medienberichte besonders herausgefordert fand. Auf diesem Gebiet entwickelten die weiblichen Parlamentarier ein spezielles Engagement. Marziyeh DastgerdI, Fätemeh Moqaddam und die Vertreterinnen Kermanshahs und Mashads im Parlament, Darahsandeh und Seyyedi cAlavI, erkannten zwar westliche Errungenschaften wie weibliche Berufstätigkeit und Bildung an, bemängelten aber Freizügigkeit und Promiskuität als dem Wesen
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der Frau nicht gemäß. Die Islamische Republik offeriere ihren weiblichen Bürgern ebenfalls Bildung und Berufschancen, bewahre aber durch klare islamische Normen und Verhaltensregeln die Würde der Frau.221 Zum anderen ist das überwiegend positive Echo auf das Verbot von Satelliten-TV und die kontrollierte Nutzung von Videogeräten zu nennen.222 Nach längerer Debatte bestätigte das Parlament im Sommer 1994 ein Gesetz, das den Import, die Produktion, die Verteilung und den Gebrauch von Satellitenempfangsgeräten untersagte und das Innenministerium anwies, vorhandene Geräte auszumachen und einzuziehen. Zuwiderhandlungen würden von Revolutionsgerichten geahndet. Der Wächterrat bestätigte das Gesetz im Januar 1995.223 Der Vorsitzende des Komitees für islamische Kultur und Führung des Parlaments, Hoggat ol-Esläm TaqavI, erklärte dazu erläuternd, daß die Islamische Republik sich nicht gegen moderne Technologie stemme, sich aber gegen alle über Satellitenfernsehen gesendete Botschaften wende, die geeignet seien, "die indigenen Kulturen der Nationen zu vergewaltigen"224. Rundfunk und Fernsehen der Islamischen Republik sei es gestattet, über Satelliten Sendungen zu empfangen, diese aber erst nach Prüfung auszustrahlen, "ob sie unseren Werten und den islamischen Prinzipien entsprechen"225. Wie bei TaqavI anklingt, war die Debatte um die Nutzung von Videogeräten und Satellitenfernsehen in eine umfassendere Diskussion über Nutzen und Gefahren moderner Techniken und Technologien eingebettet. Gegenüber vereinzelten Stimmen pauschaler Technikfeindlichkeit setzte sich dabei per Saldo die Meinung durch, daß zwar angesichts der im Westen gesetzten Standards moderner Hochtechnologie höchste Wachsamkeit geboten sei, nicht in einen Wettstreit zu geraten, dessen Regeln der Westen bestimme, daß die islamische Revolution aber gleichwohl von moderner Technik Gebrauch machen müsse, um ihre eigenen Werte und Botschaften zu verbreiten. Unter den Bedingungen der globalen Kommunikationsrevolution genüge es nicht, die Hauptziele der Revolution mit der spirituellen Vervollkommnung des Menschen allein zu bestimmen, sondern es komme auch darauf an, dieser Sicht der Dinge in der Welt Geltung zu verschaffen. Dazu sei die Beherrschung modernster Technik Voraussetzung.226 In dieser Resultante unterschied sich die Meinung des Parlaments nicht wesentlich von der Rafsangänis. Naturgemäß spielte in außenpolitischen Fragen das dafür zuständige Komitee des Parlaments auch nach der Entlassung Horäsänls eine wesentliche Rolle. Ajatollah Sabestari übernahm den Vorsitz, wenn auch vor allem sein Stellvertreter, Mohammad Gaväd Lärigäni, durch besondere Produktivität auffiel. Beide widersetzten sich der grundsätzlichen Haltung des Parlaments nur selten. Allerdings waren sie um seriösere außenpolitische Analyse bemüht, die das Für und Wider bestimmter Entscheidungen und Prozesse genauer abwog, wodurch sie in ihren Äußerungen oft ein differenzierenderes Bild boten.
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In einem vom iranischen Fernsehen übertragenen Rundtischgespräch äußerte Lärlgäni einmal indirekt, in der vom Westen verwendeten Bedeutung des Begriffs sei er stolz, ein "Fundamentalist" zu sein. "One of the good points about Iran's stance regarding its foreign policy is that, as they call us, we are fundamentalists. I do not dislike the word fundamentalism; I believe it is a very beautiful word."227
Nur die Behauptung und Ausformung einer "fundamentalen" Alternative zur gegenwärtigen Weltordnung verschaffe den Muslimen die Möglichkeit gleichberechtigter Mitgestaltung. Schon gegenwärtig seien "the Islamic movement and the movement for revival of Islamic thought... among the most powerful politico-social motivating forces in the world..."228 Solange das internationale System in seiner bestehenden Form existiere und wirke, besäße diese islamische Erneuerung aber nur eingeschränkte Chancen. "After the Second World War that international system was set up to apportion the war booty. Today, after the so-called cold war, (the same system) is being used for the purpose of consolidating the seniority of some in the world. That is why if America seeks to attack Haiti, the Security Council must give authorization for it; if France wishes to have a military expedition in Rwanda it must give authorization for it; and if Russia wish to intervene in Abkhazia, it must give authorization for it. That is, the United Nations has become a scribe for issuing authorizations for the powerful in the world."229
Fundamentaler Widerstand gegen dieses System sei eben gerade deshalb nötig, weil die gleichen Vereinten Nationen stereotyp Anklagen gegen diejenigen erhöben, die auf diese oder jene Weise gegen die Interessen der Großmächte verstießen. Lärlgäni stellte in diesem Zusammenhang die Frage: "... why the Islamic Republic of Iran's decisive and effective action against drug smugglers - which is a service to all nations of the world - is depicted in the special envoy's (of the U N - H.F.) report as a violation of human rights."230
Wiederholt beantwortete er diese Frage selbst. Die Hauptursache liege in der grundsätzlichen Feindschaft des Westens - der die UNO dominiert - gegenüber dem Islam und denjenigen Ländern und Bewegungen, die sich auf ihn berufen.231 Ohne grundsätzliche Veränderungen des Handlungsrahmens sei dieser Konflikt auch nicht zu lösen, da "der Westen gegenwärtig die islamische Welt beherrscht und bestrebt ist, diese Herrschaft aufrechtzuerhalten und auszuweiten"232. Je grundsätzlicher und konsequenter sich die Islamische Republik als Hoffnungsträger aller Muslime daher den westlichen Herrschaftsansprüchen widersetze, je mutiger sie gegen das westliche Regelwerk opponiere, um so deutli-
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eher werde es ihr gelingen, eine Bresche in das westliche Bollwerk zu schlagen. Die Behandlung der Rushdie-Affäre durch die iranische Führung sei ein besonders plastisches Beispiel für die Erfolgsträchtigkeit konsequenter Verweigerung gegenüber vom Westen aufgestellten internationalen Regeln, da dieser dadurch in die Defensive gedrängt worden sei. "The West's approach to the Rushdie affair is actually defensive rather than offensive because the attention of the Muslim world has been finally drawn to the legitimacy of Iran's Islamic doctrines."233
Lärigänl beschränkte sich aber nicht nur auf die Bestimmung reaktiver Aspekte von Außenpolitik, er wich auch der Benennung eigenbestimmter Ziele nicht aus.234 Zunächst charakterisierte er dabei den Staat, der diese Außenpolitik verfolgte. "Many in the West see the Islamic state in terms of the claims made to state power by the clergy. But the fact is that the Islamic state of Iran is not simply a state characterized by the superiority of the clergy; it is a state built upon Islamic rationality. By this I mean a commitment to 'right' action and duty. Islam is a comprehensive religion and thought that not only responds to the heartfelt worries of human beings but also addresses their concerns about responsibility toward society, themselves and others... As such, Islam must have its own particular government and the 'Islamic state' is indeed the distinguishing feature of the contemporary movement to rehabilitate and revitalize Islam."235
Auf dieser Basis umriß Lärigänl zwei Hauptziele iranischer Außenpolitik: "Principle One: Iran should become a successful model of social order based on Islamic rationality in the modern and post-modern era. Principle Two: The Islamic renaissance should be propagated, consolidated and enriched to become a dominant rationality in the Islamic world in order to generate its own particular social structure."236
An gleicher Stelle verwahrte er sich aber gegen Methoden für die Durchsetzung dieser Ziele, wie sie vom Ostblock bei der Unterstützung nationaler Befreiungsbewegungen und vom Westen bei der Inszenierung von Staatsstreichen angewendet worden seien."... our understanding of the Islamic renaissance values (is) its generative potential within various countries."237 Gleichwohl zeigen andere Äußerungen Lärlgäms, daß ihm primär an der Durchsetzung seines erstgenannten Prinzips gelegen war. Er bewertete die Islamische Republik Iran als natürliche Führerin der islamischen Welt. "We have a huge position in the Islamic world. No country other than Iran can lead the Islamic world; this is a historical position."238
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Allerdings blieb auch Lärigäni vage in seinen Vorschlägen, wie diese apostrophierte Führungsposition umgesetzt werden sollte, wenn gleichzeitig die Methoden des Westens und des Ostblocks verdammt wurden. "... Iran must not be limited by its geographic boundaries... Iran is not just one among many Islamic countries. Today we face a division of the world into geographic states that has no justice and that has a very bitter past. Now, should we accept these frontiers or not?... We do (in fact) accept the world's geographic boundaries - in order to avoid trouble. (But) our Islamic responsibility does not (just) go away. This responsibility crosses borders... We have to plan our policies and our diplomacy in such a way that they match our position in the Islamic world."23'
In diesem Sinn bezeichnete Lärigäni die Führung des Rechtsgelehrten in Iran als gültig für die gesamte islamische Welt. "... we have and have had the velayat, both during the Imam's (Khomeini's) time and during Ayatollah Khamenei's. This velayat is a righteous jurist ruling the entire Islamic nation. Muslims may not even realize that we have such a jurist ruling here, but this does not undermine the reality of this guardianship. Of course, it affects the ruling jurist's effectiveness, but not the principle. As long as this guardianship exists, the velayat is responsible for the Islamic world, and it is the duty of the Islamic world to protect the ruling jurist... As long as our country is the seat of the true ruling jurist, we are responsible for the whole Islamic nation, and the Islamic nation is duty-bound to safeguard the Umm ol-Qura."240
Mit dieser kühnen These setzte sich Lärigäni nicht nur über Einwände namhafter schiitischer Rechtsgelehrter gegen das Prinzip der Veläyat-e Faqlh hinweg, sondern er erweckte den Eindruck, als sei es gleichzeitig auch für die sunnitische Mehrheit der Muslime akzeptabel. In dieser Hinsicht zeigte er sich als idealistischer Visionär mit geringem Realitätssinn. In seiner gleichzeitigen Eigenschaft als Leiter des Forschungszentrums des Magles beschränkte sich Lärigäni aber nicht ausschließlich auf außenpolitische Probleme. Er meldete sich vielmehr zu einer Reihe weiterer Fragen zu Wort, seien es sein vehementes Eintreten für eine "Computerisierung" der iranischen Gesellschaft241 oder seine Abrechnung mit CA1I SarFati, dem er vorwarf, mit seinen Vorstellungen aus dem Islam einen "halben Sozialismus und Marxismus" gemacht zu haben.242 Besonderen Widerhall fand auch seine Artikelserie in der "Tehran Times" zum Thema "Islamic Society and Modernity". Er sprach sich darin nachdrücklich gegen eine westliche Besetzung des Begriffs "Modernität" aus, der es diesem ermögliche, nach seinen Maßstäben Bewegungen, Vorgänge, Prozesse und Entwicklungen als "modern" zu qualifizieren oder nicht. "To some a 'modern society' is a unique historical phenomenon applicable only to the U.S., France and other similar liberal-democratic
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societies."243 Auf seriöse Weise müsse man jedoch unvoreingenommen und neutral mit diesem Begriff umgehen. Eine Idee, Erscheinung oder Bewegung, die der Menschheit Entwicklung verspreche, auch wenn sie dem herrschenden Meinungsmonopol nicht entspreche, könne nicht per se als "unmodern" abgestempelt werden. Lärigänl steht mit seiner Konsequenz und Produktivität für einen Teil iranischer Intellektueller, die aus einem bestimmten Religionsverständnis heraus konzeptionelle Grundlagen für die Außenpolitik der Islamischen Republik entwerfen und ihr damit eine strategische Dimension verleihen. Damit besetzt er jedoch kein ideelles Monopol. Es existieren weitere Institutionen und "Denkfabriken" in der Islamischen Republik, die aus teilweise anderen Blickwinkeln ihren Beitrag für die konzeptionellen Voraussetzungen von Außenpolitik leisten.
Regierung Innerhalb der iranischen Regierung wurde naturgemäß in erster Linie das Außenministerium damit betraut, einerseits außenpolitische Entscheidungsvorlagen zu erarbeiten und andererseits die von der Staatsführung vorgesehene Außenpolitik in die Praxis umzusetzen. Werden in die Analyse allerdings auch Standpunkte führender Repräsentanten der Islamischen Republik zu Aspekten und Folgen von Globalisierung, von kultureller Identitätswahrung bis hin zu Kommunikationstechnologie und Computerisierung einbezogen, dann sind auch Äußerungen anderer Fachministerien, etwa für Kultur und islamische Führung, Information, Handel etc. von großem Interesse. Trotzdem sollte - im Sinne der Wahrung von Prioritäten - eine exkursartige Darstellung von außenpolitischen Standpunkten der iranischen Staatsführung in diesem Kontext mit dem Außenminister beginnen. C A1T Akbar VeläyatT übernahm nach den Außenministern der provisorischen Regierung, Karlm SangäbT und Ibrahim YazdT, sowie dem bei einem Attentat umgekommenen Premier- und Außenminister Mohammad CA1I Ragä 5 i 1981 das Amt. Er hatte in Teheran Medizin studiert, allerdings für einige Zeit vor der Revolution in den USA als Kinderarzt praktiziert. Als überzeugter Muslim gehörte er dem religiösen Flügel der Nationalen Front an, dem illegalen Sammelbecken moderater iranischer Oppositioneller. 1978/79 stieß er zu dem Kreis um Ajatollah Khomeini in dessen Exil in Neuphle le Chateau und verschrieb sich fortan konsequent der islamischen Revolution. Durch seinen Exilaufenthalt bei der westlichen Führungsmacht verfügte VeläyatT trotz seiner islamischen Überzeugung über ein differenziertes Weltbild und die Fähigkeit, Anspruch und Realität in ein praktikables Verhältnis zu setzen. Allerdings war dieses Vermögen in den ersten Jahren seiner Amtszeit
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nicht unbedingt gefragt. Zwar zeigte sich die klerikale Macht seit 1981 gefestigt, aber innerhalb der Führung existierten zahlreiche quasi unabhängige Machtzentren, die teilweise auch eine eigenständige Außenpolitik betrieben. Viele einflußreiche Persönlichkeiten, Institutionen und Stiftungen widmeten sich in den ersten Jahren nach der Revolution vorrangig Versuchen des Exports derselben und konterkarierten auf diese Weise häufig Bestrebungen Veläyatis und seines Ministeriums, islamische Außenpolitik mit traditionellen diplomatischen Mitteln zu betreiben. Die Pläne zum sofortigen Export der islamischen Revolution waren häufig von massiven Angriffen auf das Außenministerium und seine Führung begleitet, mit ihrem Beharren auf "überkommenen Mitteln und Methoden" die Ausbreitung der Revolution zu behindern. VeläyatI überstand die Kritik im wesentlichen aus zwei Gründen. Zum einen stand seine völlige Verbundenheit mit der islamischen Revolution bei deren Führer, Ajatollah Khomeini, nie in Zweifel und zum anderen bestimmte der Krieg gegen Irak die Prioritäten der iranischen Politik. Kriegsentscheidende Institutionen besaßen so eine höhere Bedeutung als das Außenministerium. Auf der anderen Seite war es häufig der diplomatischen Kunst Veläyatis zu verdanken, daß die vitalen Nachschubverbindungen in das Ausland nicht vollends zusammenbrachen und die Interessen des Landes in internationalen Gremien weiterhin Gehör fanden. VeläyatI war nicht zu ersetzen. Neben den relevanten Verfassungsartikeln, die zu beachten waren, hatte ihm das Parlament im April 1985 einen groben Handlungsrahmen gesetzt, indem es das "Gesetz über die Aufgaben des Außenministeriums" ratifizierte. In Artikel 4 des Gesetzes hieß es: "The Foreign Ministry must provide the necessities for the defence of the just struggles of the mustaazafans, especially the Moslems (struggling) against oppressors in every corner of the globe, without interfering in the affairs of other nations, on the basis of the foreign policy objectives of the country and in coordination with other relevant apparatuses."244
Dieser Artikel beließ dem Außenminister genügend Interpretationsspielraum. So versuchte er auch in den Kriegsjahren, die nationalen Interessen Irans, d.h. die territoriale Integrität des Landes und die Sicherung eines Minimums an vitalen Außenbeziehungen, zu bewahren und sie nicht zugunsten des Vabanquespiels eines Revolutionsexports zu opfern. Gleichzeitig ging VeläyatI umsichtig daran, die Belegschaft des Ministeriums in seinem Sinne zu qualifizieren, d.h. aus jugendlichen revolutionären "Feuerköpfen", die sukzessive die Mitarbeiter aus der Schahzeit ersetzt hatten, erfahrene Diplomaten zu machen, die durchaus in der Lage waren, zugunsten ihrer strategischen Ziele auf kurzfristige taktische Vorteile zu verzichten.245 Nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes mit Irak 1988 und dem Tod Khomeinis 1989 gehörte VeläyatI deshalb auch folgerichtig zu den entschei-
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denden Befürwortern eines Kurswechsels in der Außenpolitik. Gemeinsam mit Präsident Rafsangäni, an der Wende zu den neunziger Jahren auch mit Hämene3!, sollte diese Politik das internationale Kräfteverhältnis berücksichtigen, das wirtschaftliche und damit politische Überleben der Islamischen Republik sichern und ihrer ideellen, d.h. religiösen Verpflichtung primär durch Beispielsetzung und weniger durch aktive Einmischung gerecht werden.246 Begründet durch die Notwendigkeit, sah Veläyati jetzt endlich die Gelegenheit, sein Verständnis von Außenpolitik ungehinderter umzusetzen. "Iran wird sich nicht selbstgerecht isolieren. Wir werden in einer Vielzahl von Gremien mitarbeiten, auch wenn wir wissen, daß beispielsweise die U N O durch den Westen dominiert wird. Nur durch Beharrlichkeit werden wir unserer Sicht zum Durchbruch verhelfen."247
Von nun an warb Veläyati im In- und Ausland für die Akzeptanz seiner neuen Außenpolitik.248 Immer wieder hob er deren Grundsätze hervor: "... understanding the existing realities in the world, searching and discovering ways of maintaining IRI, promoting this country, defending Islamic and Iranian ideals at the international level, providing suggestions for senior IRI officials and implementing the decisions made by the organisations responsible for the formation of foreign policy"249.
Natürlich war ihm bei dieser Formulierung bewußt, daß er sich dem Sendungsgedanken der islamischen Revolution auch in der alltäglichen außenpolitischen Praxis nicht vollständig entziehen könnte. Ähnlich wie Rafsangäni versuchte er, beide Aspekte zu vereinen, indem er zeitliche und inhaltliche Prioritäten setzte bzw. eine Abfolge empfahl. "During the past years, based on the same foundations and principles which we believe in - since these principles stem from the precepts and principles of the holy ruling system of the Islamic Republic - they have been these: one is defending Islamic values and Muslims at world level. The second one is defending the national values and interests of the Islamic Republic of Iran. Thirdly, defending the interests of the people. These are general concepts which need to be expanded. Of course, in practice, it is most difficult for us to distinguish specifically in our foreign policy performance which measure is concerned with the defence of Islamic values and which with national values. That is because Islam and Iran, the interests of Islam and Iran are intertwined."250
Angesichts dieser komplexen und komplizierten Aufgabenstellung sprach sich Veläyati nachdrücklich für eine Verbesserung des Forschungsvorlaufs in der Außenpolitik aus. Erfolgreiche Außenpolitik basiere nicht auf Zufällen und einsamen Entscheidungen, sondern auf seriösen wissenschaftlichen Studien, die mehrere Szenarien untersuchen und dann die optimale Variante empfehlen.251
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Deshalb sorgte der Außenminister auch für den materiellen und personellen Ausbau des ihm unterstellten Institute for Political and International Studies (IPIS). Trotz oder gerade auf Grund dieser Einstellung sah sich Veläyati auch nach 1989 Angriffen und Kritiken einflußreicher Kreise der Geistlichkeit ausgesetzt, die "Normalisierung" der Außenpolitik als Preisgabe revolutionärer Prinzipien mißverstanden. Sie warfen dem Außenminister "Diplomatie um der Diplomatie willen und nutzlose Zeitverschwendung" vor. Veläyati hielt dem entgegen, daß es keine Diplomatie um ihrer selbst willen geben könne. Sie sei keine Einbahnstraße. Wenn Diplomatie von einer Seite nur als Camouflage betrieben würde, fände sie keine seriöse Entsprechung. "Länder mit wirtschaftlichem, politischem und militärischem Gewicht verschwenden keinen Augenblick an solche Beziehungen, wenn sie nicht sicher sind, daß die andere Seite strategische Bedeutung besitzt. Ein anderer Vorwurf ist, daß die Ausdehnung und Verbesserung unserer diplomatischen Beziehungen mit dem Westen im allgemeinen und drei mächtigen europäischen Ländern, d.h. Frankreich, Deutschland und Großbritannien, die auch NATO-Mitglieder sind, im besonderen, ein Aufgeben unserer Werte, Ideale und Standpunkte bedeutet... (Dabei) sind wir niemals von unseren Werten und Idealen abgewichen. Vielmehr haben die anderen Länder, vor allem die westlichen, (auf Grund unserer Diplomatie) ihre Ansichten und Haltungen gegenüber der Islamischen Republik verändert... Vielleicht haben aber auch wir den Ausdruck und die Darbietung unserer Ansichten verändert."252
Dafür stand vor allem Veläyati selbst. Prinzipientreue bedeutete für ihn nicht Prinzipienreiterei. Letztere würde der Islamischen Republik und damit auch der Revolution auf lange Sicht nur schaden. Iran sei vielmehr gehalten, im sich nach dem Ende des Ost-West-Konflikts neu formierenden internationalen System einen optimalen Platz zu finden. Unterstützt durch entsprechende Expertisen des IPIS kam Veläyati zu der Uberzeugung, daß dieser Platz in erster Linie durch wirtschaftliche Parameter bestimmt würde. Durch die Aufhebung des westlichen und östlichen Klientelsystems seien alle Staaten der Welt nun direkt in die globale Wirtschaft und Politik einbezogen, ob sie darauf vorbereitet seien oder nicht.253 Bisweilen deckte sich Veläyatls Lageeinschätzung sogar punktuell mit der seiner innenpolitischen Gegner. Aus eigener Anschauung sah er den Westen nüchtern. Er kam nicht umhin, den großen wissenschaftlichen und technologischen Vorsprung zu würdigen,254 unterstellte dem Westen jedoch unvermindertes Hegemonialstreben, neuerdings neben wirtschaftlichen und militärischen vor allem mit kulturellen Mitteln operierend,255 und innerhalb der herrschenden Kreise der westlichen Hemisphäre eine wachsende islamfeindliche Haltung.256 Vollends einig war er sich mit der übrigen Führung in der Ablehnung
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der von den USA nach dem 2. Golfkrieg vorgeschlagenen Neuen Weltordnung. "... Es ist richtig, daß die Welt einer neuen Ordnung bedarf. Aber der amerikanische Stil dieser neuen Weltordnung ist etwas, das nicht akzeptiert werden kann."257 Im übrigen war sich VeläyatI aber sicher, daß der amerikanische globale Führungsanspruch nicht unwidersprochen bleiben würde und Iran damit die Möglichkeit bekäme, aus diesen Widersprüchen zu profitieren. "Currently, when the world is revolving around one pole, we can see policy differences between stronger and weaker countries. What is said is different to what is practised. If the American view is to be implemented everywhere in the world without any resistance, the world right now would be a different place. Practically, we can see fundamental differences, sometimes hidden and sometimes half-hidden, in the position of some European countries and America, even in the policies of Latin America and the USA... We have advanced our economic cooperation with Latin American and European countries. The Americans do not like the taste of this cooperation between the Islamic Republic of Iran and a number of those countries..."258 Veläyatis Avancen an Europa waren seiner eigenen Erkenntnis geschuldet, daß "from a global perspective, a new order is gradually superseding in which economic considerations overshadow political priorities"259. Unzählige Male pries VeläyatI nun die Vorteile, die Iran aus einem Technologietransfer aus und Handel mit Europa erwüchsen, wobei es bei entsprechender Vorsicht möglich sei, nicht in neue Abhängigkeiten zu geraten.260 In einem Fernsehinterview erklärte er: "One of our key priorities is our relations with Europe. Initially, when we first started working on our ties with the new united Europe, that is around four or five years ago, some people did not believe that one could work with Europe without necessarily having anything to do with America. These people were quite open about what they thought and believed. However, we believed that such a process was possible. This, of course, does not mean that we want to increase antagonisms between America and Europe. But the independent identity of Europe entails that the Europeans should pursue their own particular interests, which are not necessarily always congruent with the interests of America... We interpret the reaction of Europe to the issue of the American sanctions as a confirmation of the view of the Foreign Affairs Ministry that one can work with an independent and united Europe..."261 Trotzdem mußte VeläyatI die Erfahrung sammeln, daß wirtschaftlicher Vorteil aus der Kooperation mit Europa sich in der internationalen Arena nicht in adäquatem politischem Nutzen niederschlug/Vor allem in der UNO und ihren
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Unterorganisationen durfte die Islamische Republik nur selten auf europäische Unterstützung zählen. In dieser Hinsicht verfestigte sich in Teheran eher der Eindruck, es mit einem geschlossenen westlichen Block zu tun zu haben. Veläyati verfocht jedoch weiterhin unbeirrt den Kurs, sich durch Widerspruch nicht zum Boykott drängen zu lassen, sondern jede Möglichkeit zu nutzen, um vor der UNO den Standpunkt seines Landes zu verdeutlichen. Nachdrücklich wies er darauf hin, daß die UNO und vor allem der Sicherheitsrat Doppelstandards im Völkerrecht und insbesondere in der Definition von Aggression oder Staatsterrorismus verwende,262 wie z.B. im Fall der Ungleichbehandlung der Bosnienfrage bewiesen.263 Einige Beschlüsse des Sicherheitsrates würden mit Nachdruck durchgesetzt, andere dagegen unbegrenzt aufgeschoben. Darüber hinaus nutzte Veläyati nahezu jede UNO-Vollversammlung, um Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen in seinem Land zu entkräften. Menschenrechte bedeuteten vor allem die Achtung vor moralischen, kulturellen und religiösen Werten der Völker, eine willkürliche Auswahl, Doppelstandards und Manipulationen seien dagegen unzulässig.264 In diesem Zusammenhang kennzeichnete der Außenminister besonders die Rushdie-Affäre als Versuch des Westens, die Weltmeinung gegen den Islam im allgemeinen und Iran im besonderen zu manipulieren.265 Für Veläyati lag es in der Logik des Islam, daß Gott als Schöpfer den Menschen mit gewissen unveräußerlichen Rechten ausgestattet habe. Diese Rechte seien damit universell und weder an geographische oder zeitliche Grenzen noch an bestimmte Konventionen gebunden. Die Definition von Menschenrechten könne deshalb nicht die Angelegenheit einzelner Länder oder Allianzen sein, die zeitweilig mit politischer, wirtschaftlicher und militärischer Übermacht ausgestattet seien.266 Die UNO diente ihm aber auch als Forum, wenn es galt, Iran besonders beeinträchtigende Aktionen des Westens und vor allem der USA zu kritisieren. Als Washington das besagte 20 Millionen-Dollarprogramm zur Unterstützung der iranischen Opposition auflegte und der Senat fast gleichzeitig das d'AmatoGesetz verabschiedete, das Strafen für umfangreicheren Handel mit Iran vorsah, sandte Veläyati einen deutlichen Protestbrief an Generalsekretär Butros Ghali. "The United States' current policy is nothing but a flagrant support of State terrorism in a clear and official form ... it violates international law ... set(s) a dangerous precedence and lead(s) to unforeseeable consequences... The U N should rapidly react to the decision."267
Auch wenn eine Iran zufriedenstellende Antwort der UNO ausblieb, setzte das Land seine aktive Mitwirkung in der Organisation fort. Nicht von ungefähr hatte Veläyati mit Dr. Kamäl Harräzl einen seiner erfahrensten Diplomaten als Ständigen Vertreter nach New York gesandt. Harräzl gab sich in der heimischen Presse als Kritiker des Westens und der USA268
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und äußerte im wesentlichen konforme Meinungen zu Problemen wie z.B. der Rushdie-Affäre269 oder zur kulturellen Offensive des Westens.270 Das ermöglichte ihm jedoch - im Sinne seines Auftraggebers - ein relativ ungefährdetes Manövrieren in New York. Harräzi erwarb sich den Respekt seiner westlichen Verhandlungspartner nicht nur bei der Lösung der Geiselfrage in Libanon,271 sondern auch durch unermüdliche Versuche, sein Land vom Stigma des Unruheherds zu befreien. Er versuchte ihnen die Erkenntnis zu vermitteln, daß Aufbruchstimmung im Namen des Islam von der konkreten Situation in bestimmten Ländern ausgehe und nicht von Iran. Ähnlich wie die französische oder die amerikanische Revolution möge die iranische Revolution inspirierend gewirkt haben, aber Iran zwinge seine Vorstellungen niemandem gewaltsam auf.272 Gegen den zeitweise heftigen Widerstand HämeneTs ernannte Präsident HätamI Kamäl Harräzl im August 1997 zum neuen Außenminister und damit zum Nachfolger Veläyatis. Dieser hatte zuvor ein insgesamt positives Resümee seiner Amtszeit gezogen. Auch die Außenpolitik habe dazu beigetragen, die Islamische Republik aus Krisen zu führen und ihre Position in der internationalen Arena und vor allem in der islamischen Welt zu festigen.273 Das iranische Außenministerium trat allerdings nicht nur über die Person seines Ministers in Erscheinung. Je nach Verantwortungsbereich äußerten sich auch einige seiner Stellvertreter zur Westwahrnehmung des Hauses und der daraus abgeleiteten Außenpolitik. Dabei wäre an erster Stelle c Abbäs MalekT zu nennen, nicht allein weil er dem Ressort Bildung und Forschung vorstand, sondern weil er in dieser Eigenschaft auch das IPIS leitete. Er sprach sich für ein umfassendes Wissen zukünftiger iranischer Diplomaten aus, für das nicht nur das IPIS, sondern auch die Universitäten des Landes zu sorgen hätten.274 Malekl warf dem Westen eine einseitige und simplifizierende Sicht auf die iranische Außenpolitik vor. Aus der expansiven islamischen Außenpolitik der ersten nachrevolutionären Jahre sei längst eine iranische Außenpolitik geworden, die ein Konglomerat aus islamischen und nationalen Elementen darstelle. Ausgehend von der gegenwärtigen geostrategischen und wirtschaftlichen Lage des Landes, ergäben sich deshalb folgende außenpolitische Ziele: "Erhalt unserer territorialen Integrität und Sicherheit, Schutz unseres entstehenden politischen Systems, grundlegende Bedürfnisbefriedigung für unsere Bevölkerung und Verfolgung einer Außenpolitik, die unsere muslimische Identität als Nation berücksichtigt und im Rahmen der vom Islam begründeten Werte operiert."275
Das Erreichen dieser Ziele sei jedoch nur auf unterschiedlichen Ebenen möglich. Iran benötige daher das methodologische Handwerkszeug für ein unterschiedliches Herangehen etwa an bilaterale und multilaterale Beziehungen bzw. an regionale, intraregionale und internationale Zusammenarbeit. 276
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Malekl profilierte sich auch bei der Unterstützung seines Ministers in Fragen der Verbesserung der Beziehungen zu Europa.277 Während einer Konferenz in St.Gallen versuchte er seinen europäischen Zuhörern zu vermitteln, daß, solange die nationalen Interessen und die Unabhängigkeit Irans gewahrt bleibe, sein Land zu weitreichender Zusammenarbeit mit anderen Ländern, insbesondere mit Europa, bereit sei. Iran beobachte den europäischen Integrationsprozeß mit großer Sympathie, da ein starkes und einiges Europa, unweit der Grenzen zu Iran, beiderseitigen Nutzen verspreche. Gleichzeitig meldete er Zweifel daran an, daß die Politik des vereinigten Europa gegenüber einem beliebigen Mitteloststaat auch tatsächlich homogen sein könne. Zwischen einzelnen europäischen und einzelnen Staaten des Nahen und Mittleren Ostens seien traditionelle Beziehungen entstanden, die auch die europäische Einigung überdauern würden. "It is inconceivable that the foreign policy of Finland regarding Iraq will be the same as that of France regarding Iraq. It also does not seem likely that France's foreign policy would be the same as that of Britain. Such Utopia has never existed in the international system. Another question that comes to mind regarding the future of Europe is to what extent will the European Union follow the foreign policy of the United States? Furthermore, would it be possible for the European Union to follow U.S. foreign policy pertaining to all areas in the world?... Of course, I reject the view that Europe will follow the American model at the global level. I very much doubt that Europe would even accept the American model. It would not be in the interest of Europe not to utilise the irreconcilable differences between the U.S. and the countries of a certain region. It is quite possible that the differences between European policies or the policies of any of the members of the Union could be in contradiction with U.S. foreign policy which means that the very doors that are normally closed to Americans could be opened to Europeans. This will be the task of European policy makers as to how and in what ways they want to seize the moment and take advantage of the opportunities."278
Selten sprach ein offizieller iranischer Regierungsvertreter davor und danach so offen die Absicht seines Landes aus, einen Keil zwischen Europa und die USA zu treiben. Zwar äußerte sich mit Mahmüd Vä c ez! auch der für Europa zuständige stellvertretende Minister bisweilen zu seinem Ressort in der Presse279, er war aber insgesamt eher für die praktische Seite der Beziehungen verantwortlich. Ein anderer Stellvertreter, der sich häufiger in den Landesmedien zu Wort meldete, war der Leiter des Ressorts für internationale Angelegenheiten, Mohammad Gaväd Sarif, der seinem Minister vor allem bei der Vertiefung der iranischen Ansichten zur Menschenrechtsproblematik assistierte.280 Auch Innenminister Mohammad CA1I Besäratl stimmte den Ansichten Veläyatls be-
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züglich des Westens und seiner unterstellten Kulturoffensive zu,281 empfahl aber z.B. einen souveräneren Umgang mit dem Satellitenfernsehen.282 Auch in bezug auf die Aussichten der Neuen Weltordnung trat er mit eigenen Ansichten hervor. "... the new world order will not materialise as easily as it is imagined and America will not be able to achieve its desires - at least, not in the last decade of the 20th century and the first decade of the 21st. And rest assured that by then Islam will be stronger and more powerful and her influence more widespread and it will most certainly block these aggressions and assaults."283
Es bleibe nicht unerwähnt, daß das Außenministerium bisweilen auch als Gremium und nicht in den Worten des Ministers oder seiner Stellvertreter auftrat. Stellungnahmen erreichten die Presse insbesondere zur Menschenrechtsproblematik,284 zu der auch gemeinsam mit dem Parlament eine Resolution herausgegeben wurde, in der es u.a. hieß: "... if human rights standards and the criteria for advancing human rights are to be based on the cultural and philosophical foundations of a specific group of countries, the survival of the cultures and civilisations of the rest of the nations will be placed in jeopardy."285
Eine Analyse der konzeptionellen Arbeit des Außenministeriums bliebe ohne die Berücksichtigung der Tätigkeit des IPIS unvollständig. Vor allem in der Zeitschrift für Außenpolitik meldeten sich dessen Mitarbeiter zu Wort. Ihre Auswertung ergibt sowohl eine große Bandbreite der behandelten Themen als auch das weitgehende Fehlen offenkundiger Tabus. Die Führung des Ministeriums scheint auf die wissenschaftliche Grundlage ihrer Entscheidungsfindung großen Wert zu legen. Dafür nur einige Beispiele. Hossein Saifzädeh mahnte an, daß iranische Außenpolitik nur dann erfolgreich sein werde, wenn sie ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Idealen und Realität herstellen könne. Deshalb sei grundsätzlich die reale internationale Arena die Wirkungsstätte von Außenpolitik und nicht eine imaginäre Welt, auch wenn diese den Revolutionsidealen besser entspräche.286 In ähnliche Richtung zielte cAbd al-cAlI Qaväm, der feststellte, daß die nationalen Interessen eines Landes in engem Zusammenhang mit den Strukturen seines politischen Systems stehen. Insofern seien nationale Interessen das Endprodukt und Resultat der Reaktionen zwischen einem spezifischen politischen System und der es umgebenden Umwelt. Das politische System kann somit in die Lage kommen, keine andere Wahl zu haben, als seine Ziele und nationalen Interessen neu zu definieren, wenn sich die äußeren Rahmenbedingungen ändern oder geändert haben.287 Der Artikel spielte damit nicht nur auf die geänderte Weltlage nach dem Ende des Ost-West-Konflikts an, sondern
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versuchte auch die Notwendigkeit zu begründen, von irrationalen außenpolitischen Abenteuern Abstand zu nehmen. Mohammad Kazem Saggädpür untersuchte hingegen die Auswirkungen der amerikanischen "dual containment"-Politik auf sein Land. Er stellte fest, daß sich die USA mit dieser Strategie von der Politik der Machtbalance zwischen Iran und Irak verabschiedet hätten. "Dual Containment" beinhalte trotzdem nicht nur Elemente des Wandels, sondern auch der Kontinuität, denn die Gegnerschaft zur Islamischen Republik bleibe bestehen und werde nur mit anderen Methoden verfolgt. Die Rolle proisraelischer Strategen sei bei ihrer Konzipierung unübersehbar. Mit dieser Überschätzung israelischer Interessen würden sich die USA aber auf lange Sicht schaden, denn sie leisteten mit dieser Politik letztlich einer Annäherung zwischen Irak und Iran Vorschub, die den USA keinerlei Vorteile bringen könnte.288 Als beispielhaft für Teilnehmerschaft, Diskussionsstil und Themen von internen Planungsgesprächen des IPIS sei ein zweitägiges Treffen vom 10. und 11. Juli 1996 ausgewählt, auf dem die stellvertretenden Außenminister Malekl und Sarmadi, der Vertreter der MostazcafTn-Stiftung, Rafiqdüst, der amtierende IPIS-Direktor SaräbT und die IPIS-Wissenschaftler Dovlatäbädl, Qäderi und Kazempür mit vorbereiteten Beiträgen auftraten und das unter dem Thema "Prioritäten bei der Kooperation der Islamischen Republik mit anderen Ländern" stand. Malekl und Rafiqdüst hoben vor allem die möglichen Vorteile einer intensiven Suche nach strategischen Partnern hervor, während Firüzeh Dovlatäbädl als Discussant auf die inhärenten Gefahren aufmerksam machte und damit eine lebhafte Diskussion einleitete. Malekl stellte in seinem Referat fest, daß wirtschaftlicher Nutzen eine zentrale Rolle in der Außenpolitik spielen müsse. Strategische Partner Irans sollten mehr als bisher nach ökonomischen Gesichtspunkten ausgewählt werden. Außerdem machte er vier Fundamente namhaft, von denen außenpolitische Gestaltung bestimmt werde: der Islam, die Verfassung, der Revolutionsführer und das Parlament. Ausgehend von einer realistischen Sicht auf die Welt hätten sich Außenministerium und IPIS vor allem mit folgenden Fragen zu beschäftigen: wie ist die Welt nach dem Ende des Ost-West-Konflikts wirklich beschaffen? Wo steht die Islamische Republik? Welche Voraussetzungen bringt Iran mit? Werden uns Partner beim Erreichen der Ziele eher helfen oder behindern? Malekl erinnerte aber auch an die einzigartige Stellung Irans in der gegenwärtigen Zeit und vermutete, daß Iran deshalb wohl keinen Partner finden würde, der nur vorteilhaft wäre. Rafiqdüst unterstützte den Gesichtspunkt seines Vorredners, daß wirtschaftliche Gründe eine primäre Rolle bei der Partnersuche spielen müßten, da die internationalen Beziehungen vorrangig ökonomischer Natur seien. Die Außenwelt sei nicht homogen, selbst innerhalb des Westens, d.h. zwischen den USA, der EU und Japans zeigten sich große Unterschiede und Widersprüche. In der
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gegenwärtigen interdependenten Welt seien internationale Beziehungen Irans unvermeidlich und unter bestimmten Umständen auch wünschenswert. Diese Umstände würden durch eine stabile Wirtschaft, eine erfahrene Diplomatie, militärische Macht und starke strategische Position sowie eine lebendige Kultur und Ideologie bestimmt. Wenn auch in unterschiedlichem Maße, erfülle Iran diese Voraussetzungen, so daß es nur an der Führung des Landes liege, auf Partnersuche zu gehen. Dem hielt FTrüzeh Dovlatäbädi entgegen, daß innerhalb des vom Westen definierten und dominierten internationalen Systems kein dauerhafter Frieden möglich sei. Es existierten keine moralischen Prinzipien, die global gültig seien und von allen Staaten und Völkern akzeptiert würden. Die Hauptziele der iranischen Außenpolitik seien nach wie vor Da°va, Nafi-ye Sabll und Ausdehnung des Dar al-Isläm. Deshalb werde Iran keinen adäquaten Partner finden, der bei der Erfüllung dieser Hauptziele helfen würde. In der sich anschließenden Diskussion unterstützte Hoggat ol-Esläm Kermäni vom Außenministerium den Standpunkt Dovlatäbädis. Auf Grund des einzigartigen Charakters der Islamischen Republik Iran sei eine strategische Partnerschaft mit einem anderen Land unmöglich. Iran sei der einzige schiitische Staat der Welt, strebe nach vollständiger Unabhängigkeit und sei die "moralische Supermacht" der Erde. Ziel jedweder Politik Irans sei nach wie vor nicht das Land allein, sondern die gesamte Welt. Dem widersprachen der ehemalige Vorsitzende des außenpolitischen Komitees des Parlaments, HoräsänT, und Rafiqdüst nachdrücklich. Horäsänl mahnte, die Führung müsse sich entscheiden, ob sie vorrangig einen starken Staat schaffen oder einen Sendungsauftrag erfüllen wolle. Die gleichzeitige Realisierung beider Ziele sei unmöglich. Rafiqdüst verwies hingegen auf die objektiven Zwänge der Globalisierung. Unter diesen Bedingungen sei es ausgeschlossen, daß Iran seine Ziele allein verwirkliche. Der stellvertretende Außenminister SarmadT stellte sein Referat unter den Titel "Herausforderungen bei der Kooperation Irans mit dem Ausland" und unterstrich darin die komplizierte Position seines Landes in der Welt. Einmal werde es von vielen Ländern als Feind betrachtet, für andere sei es dagegen ein begehrter Handelspartner. Die Regierung müsse verdeutlichen, an welcher Sicht ihr mehr liege. Iran sollte die Betonung seiner einzigartigen Rolle und die Aufforderung, als Modell nachgeahmt zu werden, vermeiden, um sich nicht als "Besserwisser" zu isolieren. C A1I Qäderi sprach über Wege zur Erhöhung der Sicherheit und des außenpolitischen Einflusses der Islamischen Republik. Obwohl die iranische Führung seiner Meinung nach die Funktionsmechanismen des internationalen Systems immer noch ungenügend verstehe, könne er keine ernsthafte äußere Bedrohung der Republik ausmachen. Gewaltsame Mittel für die Realisierung außenpolitischer Ziele würden international immer stärker geächtet, daher seien
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selbst Angriffe gegen Iran eher rhetorischer bzw. polemischer Art. Iran könne daher fruchtbare Beziehungen zu vielen Partnern wie etwa der EU, den südostasiatischen "Tiger"staaten und internationalen Organisationen aufbauen. Radikaler Islamismus würde die Suche nach Partnern und damit nach Sicherheit aber nachhaltig behindern. Das forderte den Widerspruch von Hoggat ol-Esläm Kermänl heraus. Eine derartige Außenpolitik würde sich nicht grundlegend von derjenigen unterscheiden, die der Schah betrieben habe. Iran sei unzweifelhaft der Motor und Impulsgeber der islamischen Erneuerung in der Welt und müsse eine dem angemessene Außenpolitik betreiben. Kazempür wandte sich "existentiellen Herausforderungen" bei der strategischen Kooperation zu. Zunächst ebenfalls die herausragende Bedeutung von Wirtschaft und Technologie in den internationalen Beziehungen unterstreichend, forderte er dann, zunächst die außenpolitischen Ziele klar zu definieren, bevor eine Strategie für ihre Realisierung gefunden werden könne. Kazempür bemängelte auch zahlreiche Unklarheiten bei der Einschätzung der eigenen Position und der Haltung anderer. Es stünde zur Entscheidung an, ob die Außenpolitik primär einer Ideologie oder einem Staat verpflichtet sei. Außerdem müsse umgehend davon Abstand genommen werden, die Außenwelt als "Ansammlung von Verschwörern gegen die Islamische Republik" wahrzunehmen. Zunächst sollte die nationale Macht Irans verstärkt werden, ehe nach langfristigen Partnern gesucht werde. Das könnten international die EU und Kanada und regional Saudi-Arabien und Irak sein. Wichtig sei, mit den zukünftigen Partnern eine auf beiderseitigem Interesse beruhende Interdependenz aufzubauen. Sohräb Saräbl versuchte als letzter Redner, zwischen den Standpunkten zu vermitteln. Gegenwärtig sei die internationale Position Irans so unsicher, daß noch keine Prioritäten bei der Partnerwahl gesetzt werden könnten. Iran könne sehr wohl außenpolitische Beziehungen unterhalten, aber keinen strategischen Partner bestimmen. Deshalb müßten zunächst die "normalen" Beziehungen belebt und innerhalb dieser Prioritäten gesetzt werden. Da die Wirtschaft letztlich ausschlaggebend sei, sollten diese Prioritäten wie folgt lauten: Vorrang genießen die Beziehungen zu den Mitgliedsstaaten der Economic Cooperation Organisation (ECO). Dann folgen regionale Beziehungen zu Staaten wie Syrien und den Mitgliedsländern des GCC. Außerhalb der Region bliebe nur der Ausbau der Beziehungen zu Europa.289 Obwohl die Konferenz nur unter ein bestimmtes Teilthema von Außenpolitik gestellt war, offenbaren die Diskussionen Grundsätzliches. Zum einen existiert weiterhin selbst in der Regierung Unsicherheit über Charakter und Zielsetzung der Außenpolitik einer islamischen Republik und zum anderen überrascht die große Offenheit, mit der selbst einander ausschließende Positionen präsentiert werden. Das in den internationalen Medien häufig verbreitete
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Bild einer allwaltenden (Selbst)Zensur in Iran trifft keinesfalls für die interne Suche nach optimalen Entwicklungswegen der islamischen Revolution und des von ihr geschaffenen Staates zu. Wie eingangs dieses Abschnitts erwähnt, befassen sich außer dem Außenministerium und angeschlossenen Institutionen innerhalb der Regierung noch andere Ministerien mit verwandten Problemen. Dazu gehört in erster Linie das Informationsministerium, das primär nachrichtendienstliche Aufgaben erfüllt. Bis zum Sommer 1997 stand ihm Hoggat ol-Esläm CA1I Fallähiän als Minister vor. Er empfand sich als "Gewissen" und "Bollwerk" des Prozesses der Beibehaltung und Vertiefung seiner Auffassung von islamischen Normen, Zielen und Verhaltensweisen, die er in Übereinstimmung mit der Haltung der geistlichen Führung des Landes sah. Immer wieder forderte er die Behörden des Landes auf, nachdrücklicher gegen westliche Versuche der Untergrabung der islamischen Identität Irans vorzugehen.290 Stil und Inhalt seiner Reden wiesen ihn stets als Chef eines Geheimdienstes aus, wobei er nie verleugnete, daß er auch den angenommenen oder tatsächlichen Gegnern geheimdienstliche Methoden unterstellte. "... the Islamic Republic enemies ... are working to impose their values on Iran through cultural exchanges and under cover of books, films and newspapers circulated in educational centres."291
Fallähiän fungierte auch häufig als Sprachrohr antiamerikanischer Ressentiments, indem er die angeblichen kulturellen Unterwanderungsversuche des Gegners primär mit den USA in Verbindung brachte. "As our nation is aware, global arrogance is striving to make countries lose their identity through the issue of sex, narcotics and propaganda against our cultural and religious heritage. This is because America itself lacks a solid and long-established culture. It lacks identity and, therefore, not only our country, which is a revolutionary and Islamic state, but even some European countries are unhappy with America's cultural activities. They (the Americans) concentrate all their efforts on making a society lose its identity by putting a question mark on its cultural and religious values and by promoting sex and narcotics. As a result, the Americans would be able to serve their own interests."292
Wiederholt malte Fallähiän Bilder einer "sterbenden und dekadenten" amerikanischen Kultur für seine Hörer, die von Drogenmißbrauch und Plagen wie Aids gezeichnet sei. Sympathie für eine derartige Kultur sei somit keine persönliche, sondern eine Angelegenheit der gesamten Gesellschaft. Deshalb forderte er seine Landsleute direkt zur Anzeige entsprechender Aktivitäten auf. "If they see somebody who propagates ideas taken from Western culture or who is spreading moral corruption in an organised way, then the
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people must inform us of such happenings so that we can confront them."293
Fallähiän vermutete auch unlautere Absichten der amerikanischen Regierung bei ihrer Propagierung einer Neuen Weltordnung. Damit befand er sich in Gemeinschaft mit nahezu allen Funktionären der Islamischen Republik. Außergewöhnlich waren nur seine Ansichten über die Motive, die er den USA bei ihrer Initiative unterstellte. Laut Fallähiän behaupteten die USA, ein wesentliches Ziel der Neuen Weltordnung sei die weltweite Verbreitung von Demokratie und Pluralismus. Man müsse dagegen nur nach Afrika sehen, um die wahren Absichten zu erkennen. Dort existierten hauptsächlich Einparteienregierungen, die auf diese oder jene Weise noch mit den ehemaligen Kolonialmächten Großbritannien und Frankreich verbunden seien. Mit der Propagierung von Mehrparteiensystemen strebten die USA nichts anderes an, als anderen Konkurrenten ihr Terrain streitig zu machen, eigene Gefolgsleute zu etablieren und auf diese Weise Afrika selbst auszuplündern. Wie sonst wäre es zu erklären, daß sich Washington merkwürdig zurückhaltend in Regionen verhalte, wo es bereits über Dominanz verfüge? Mit deutlichem Verweis auf die GCC-Staaten vermerkte er: "America is not raising these topics (democracy and multi-party systems) in the countries where she has a military presence, where she has control over all their affairs and exploits all their resources. Even if in these countries there is no multi-party system, even if in these countries medieval tribe systems rule, America supports them and does not envisage a multi-party system for them."294
Die spezifische Funktion, die Fallähiän und sein Ministerium ausübten, verbieten es, die hier geäußerten Ansichten als repräsentativ für die Regierung anzusehen. Per Saldo verweisen sie eher auf eine Brückenfunktion zu den Haltungen der geistlichen Führung des Landes. Für die Position der Regierung ist neben dem Außenministerium eher das Ministerium für Kultur und islamische Führung typisch. Seiner Aufgabe gemäß schaltet es sich zwar nicht direkt in die Außenbeziehungen Irans ein, verdeutlicht aber um so genauer die amtliche Position zu den kulturellen Aspekten von Globaliserung. Bis zum Frühjahr 1994 stand das Ministerium unter Führung von Dr. cAli Lärigäni. Er gehörte zu den "festen Größen" in den Medien des Landes und stand dort vor allem für eine loyale Umsetzung der ideologischen Vorgaben der geistlichen Führung. So polemisierte er mit den bekannten Argumenten gegen die angeblichen Absichten des Westens, die Muslime ihrer kulturellen Wurzeln berauben zu wollen und sich dabei auf Iran, das Land, in dem der wirkliche Islam regiere, zu konzentrieren.295 Obwohl die iranische Bevölkerung über ein festes revolutionäres Bewußtsein verfüge, dürfe die von unbeschränkter
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Nutzung von Satellitenfernsehen ausgehende Gefahr nicht unterschätzt werden. Es sei nicht einzusehen, warum Iran ein Medium gewähren lassen sollte, in dem der Westen quasi über ein Meinungsmonopol verfüge.296 Besonders besorgt zeigte sich Lärlgänl über die westliche Vermittlung eines bestimmten Frauenbildes, das der islamischen Tradition in nahezu allen Belangen zuwiderlaufe.297 Der Minister zeigte sich überzeugt, daß die beste Antwort auf die ausgemachten Gefahren die allseitige Entwicklung der eigenen Kultur sei. Dabei legte er besonderes Augenmerk auf die nationale Filmproduktion, die ein großes Publikum erreiche und an die daher besonders hohe Maßstäbe hinsichtlich ihrer Qualität und ideologischen Botschaft gelegt werden müßten. Gleiches gelte für die Spielpläne der Filmtheater.298 Immerhin überraschte Lärigäni 1993 mit der Ankündigung, unter bestimmten Umständen den Gebrauch von Videogeräten freizustellen.299 Nach seiner Amtszeit als Kulturminister übernahm er den Vorsitz der Rundfunk- und Fernsehanstalt Irans. Sein Nachfolger wurde Mustafa 3 Mir Sallm, ohne daß in Inhalt und Diktion von Verlautbarungen des Kulturministeriums wesentliche Änderungen festzustellen gewesen wären.300 Schon als nominierter Kulturminister hatte Mir Sallm behauptet, daß "die Kultur zu den wichtigsten Elementen aller Aktivitäten unseres Landes zählt"301. Deshalb sei es wichtig, daß die Künstler ihre Inspiration aus der indigenen islamischen Kultur Irans gewännen und nicht aus einer Kopierung westlicher Stile. "Die Konzepte..., die im Westen verfolgt werden, basieren auf menschlichen Schwächen wie fleischlichem Gelüst und intellektueller Trägheit."302 Bei einem Besuch in der Hafenstadt Bandar cAbbäs kündigte der neue Kulturminister an, daß von nun an ein Prozent des Staatsetats für die Abwehr der westlichen Kulturoffensive aufgewendet werde,303 ohne allerdings zu spezifizieren, in welche Projekte die Mittel im einzelnen fließen sollten. Das ideologische Engagement des Kulturministeriums muß unter Berücksichtigung seiner speziellen Aufgabenstellung gesehen und bewertet werden. Andere Fachministerien, die ebenfalls mit Wirkungen des Globalisierungsprozesses umzugehen hatten, sahen ihre Funktion in diesem Zusammenhang nichtsdestotrotz unaufgeregter. Der Handelsminister berichtete z.B. stolz über die umfangreiche Nutzung moderner Technik in seinem Haus, die den internationalen Vergleich nicht zu scheuen brauche,304 während Dr. Ga c far Valdänl, der Chef der "World Economy Group" im Ministerium für Wirtschaft und Finanzen unumwunden erklärte, daß allein die Weltmarktverhältnisse eine ökonomische Liberalisierung in Iran erzwingen würden. Das wirtschaftliche Überleben des Landes sei nur zu sichern, wenn es sich den internationalen Gepflogenheiten und Normen anpasse. Erst wenn die Wirtschaft funktioniere, könne über alle anderen Zielstellungen des Staates nachgedacht werden. Sie seien deshalb naturgemäß nachgeordnet.305
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Resümierend muß festgehalten werden, daß trotz der Bemühungen insbesondere Rafsangänis und Veläyatls, eine fundierte und realistische Sicht der internationalen Lage durchzusetzen und daraus entsprechende Initiativen abzuleiten, selbst im Regierungsapparat die grundsätzliche Unsicherheit in den Antworten auf die Herausforderungen der Globalisierung nicht überwunden werden konnte.
Geistliche Institutionen Während in der Schahzeit die Außenpolitik Irans ausschließlich von staatlichen Institutionen - an deren Spitze der autokratische Herrscher stand - formuliert und durchgeführt wurde, brachte die islamische Revolution ein System hervor, das auf mehreren Machtzentren basierte. Sowohl Entscheidungen der Innenwie der Außenpolitik waren so häufig nur Resultanten ausführlicher, teilweise auch kontroverser Diskussionen innerhalb und zwischen diesen Machtzentren. Jedes dieser Zentren war darauf bedacht, seine Position gegenüber den Konkurrenten zu behaupten und auszubauen. Dadurch bestimmte in der Regel innenpolitisches Kalkül relevante Entscheidungen. Außenpolitische Unternehmungen waren daher oft inkonsistent, bisweilen sogar in sich widersprüchlich. Insgesamt bedingte aber das auf Veranlassung Ajatollah Khomeinis eingeführte Prinzip der Veläyat-e Faqlh das absolute Primat des Faqlh und der ihm nachgeordneten geistlichen Institutionen in der politischen Entscheidungsfindung, einschließlich der Außenpolitik. Dadurch werden Standpunkte, Maßnahmen und Initiativen staatlicher Organe in hohem Maße relativiert. Wenn unter diesen Bedingungen die hartnäckigen Versuche innerhalb der staatlichen Institutionen Irans, den nationalen Interessen des Landes in der Außenpolitik Priorität einzuräumen, selbst in den eigenen Reihen so häufig auf Widerstand stoßen, wie im vorigen Abschnitt angeführt, so ist daraus abzuleiten, daß sie sich gegenüber den Bestrebungen der geistlichen Führungsinstanzen, aus dem Erfolg der Revolution in Iran einen Führungsanspruch in der islamischen Welt abzuleiten, nicht entscheidend durchzusetzen vermochten. Insofern ist K.L. Afrasiabi zuzustimmen, wenn er feststellte, daß "the empirical trends in the post-Khomeini era did not indicate a consistent erosion of the fundamentalist Manichean conception of the world order according to which the Islamic Iran had a predestined place in the struggle between the abode of Islam and the abode of infidels"306. Daraus leitet sich zwingend die Aufgabe ab, diese "fundamentalistische, manichäische Konzeption der Welt" einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Die islamische Revolution in Iran war ein besonders markantes Merkmal muslimischen Protestes gegen als elementar empfundene Zurücksetzung und Zweitrangigkeit in der Weltarena. Dabei reichen die Wurzeln dieser Empfin-
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düngen bis weit in das 19. Jahrhundert zurück. Die europäisch-westliche Kolonialexpansion erfaßte in jenem Jahrhundert auch den islamischen Orient und rückte ihn nicht nur schlechthin in das weltpolitische Abseits,307 sondern überzog ihn in weiten Teilen mit brutalen Unteijochungs- und Ausbeutungspraktiken. Der iranische Revolutionsführer HämeneT beschrieb diese Politik mit dem traditionellen Begriff "globale Arroganz". Er führte dazu aus: "Global arrogance means that there are governments and powers in the world which meet other nations in an arrogant manner - they plunder other nations' wealth, interfere in the way they govern themselves and influence their policies. That is global arrogance which began in the 18th and 19th centuries with colonialism and then developed into neo-colonialism in the 20th Century."308
Widerstand gegen ausländische Bevormundung und Unterdrückung regte sich von Beginn an, wenn auch mit unterschiedlichem Grad an Organisation und ideologischer Begründung. Da der Kolonialismus nicht monolithisch auftrat, sondern in Gestalt unterschiedlicher, miteinander konkurrierender westlicher Mächte, die dem Osmanischen Reich, dem "kranken Mann am Bosporus", sukzessive Teile seiner mehrheitlich von Muslimen besiedelten Einflußgebiete abrangen und sich nach seinem endgültigen Zusammenbruch, 1918, aus der Konkursmasse bedienten, zwangen die Kolonialmächte dem islamischen Orient neue, ihrer jeweiligen Stärke angepaßte Grenzen auf. Selbst nicht zum Osmanischen Reich gehörende Staaten wie Iran verblieben zwar im wesentlichen innerhalb traditioneller territorialer Grenzen, wurden aber auf diesem Territorium zum Schauplatz westlicher Rivalität um Einflußzonen, zunächst zwischen Rußland und Großbritannien, nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen Großbritannien und den USA. Kurzum, der Widerstand richtete sich primär gegen die jeweilige Kolonialbzw. Einflußmacht und hatte die Befreiung innerhalb der von ihr definierten Grenzen zum Ziel. Insofern initiierte der Kampf gegen den Kolonialismus Nationalgefühl und Nationalismus, die sich z.B. im arabischen Raum nicht mehr auf die Gesamtheit der Araber bezogen, sondern auf das jeweils zur Unabhängigkeit zu führende Gebiet - seien es Algerien, Tunesien, Irak oder Syrien. Von nun an galt jede erfolgte Unabhängigkeitsdeklaration als Triumph des Nationalismus, der deshalb bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts seine Rolle als bestimmende und treibende ideologische Komponente im Vorderen Orient und Nordafrika behielt. Hinter dieser dominanten Stellung stand der Islam als einigende und motivierende Kraft zunächst zurück. Zwar bestimmte er nach wie vor das Alltagsleben und -bewußtsein der überwiegenden Mehrheit der in diesem Raum lebenden Menschen, aber seine politisch mobilisierende Wirkung blieb vergleichsweise gering. Obwohl ihn z.B. die iranischen Revolutionäre stolz zu
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ihrem Erbe erklärten, blieb der 1898 von Ajatollah SIräzi dekretierte und gegen den britischen Einfluß in seinem Land gerichtete Tabakboykott eine von mehreren Ausnahmen von der Regel. Einzelne muslimische Intellektuelle hatten zwar schon seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert versucht, mittels eines reformierten Islam Anschluß an den westlichen Fortschritt zu finden, ohne die eigene Identität aufzugeben, aber die Mehrheit der Gläubigen und geistlichen Würdenträger verharrte in gewohntem Traditionalismus, d.h. in der Bewahrung von islamischen Gesetzen, Regeln und Traditionen, wie sie seit der klassischen Periode bekannt waren. Sie lehnten die Vernunftentscheidung (igtihäd) in allen die Religion betreffenden Fragen mehrheitlich ab und bevorzugten taqlld, die nicht hinterfragende Befolgung von Rechts- und anderen Entscheidungen, die bereits im islamischen Mittelalter gefällt worden waren. Zwar existierten im schiitischen Iran in Gestalt der mugtahids, d.h. der zum igtihad befähigten Rechtsgelehrten, gewisse Ausnahmen, aber auch die Mehrzahl der schiitischen Würdenträger befleißigte sich der Fiqh-e Ga c farlya, wie ihre sunnitischen Glaubensbrüder der hanafitischen, malikitischen, hanbalitischen oder safi'itischen Rechtsschule folgten.309 Erst als der Nationalismus die in ihn gesetzten Hoffnungen sukzessive zu enttäuschen begann, weil es ihm offensichtlich nicht gelang, über die Erzielung der nationalen Unabhängigkeit hinaus die fortbestehende Unterordnung unter fremde, vor allem westliche Dominanz zu beseitigen, begann die Suche nach Alternativen. Erfolge des Panarabismus oder des Sozialismus blieben kurzlebig, da sie entweder den Nationalismus nur auf eine höhere Stufe hoben oder als Folge des Ost-West-Konflikts ebenfalls von außen importiert worden waren. Unter vielen Muslimen begann sich daher die Erwartung zu verbreiten, daß nur die konsequente Rückbesinnung auf das Eigene eine wirkliche Alternative verhieß. Die nach der Unabhängigkeit an die Macht gekommenen politischen Eliten waren offensichtlich nicht in der Lage, den wissenschaftlich-technischen und damit wirtschaftlichen Abstand zum Westen zu verkürzen und damit die Abhängigkeitsverhältnisse zu mildern. Im Gegenteil, in ihrer unkritischen Übernahme westlicher Entwicklungsmodelle hatten sie nicht nur das - nach verbreiteter Meinung - a priori hoffnungslose Unterfangen begonnen, den Westen auf seinem Terrain und mit seinen Mitteln zu schlagen, sondern ihre Gesellschaften der elementaren Gefahr ausgesetzt, die eigene Kultur, Tradition und Lebensweise nicht nur irreparabel zu beschädigen, sondern sie gänzlich zu verlieren.310 Mangels eigener Identität wäre die Zweitrangigkeit dann für unbestimmte Zeit festgeschrieben. Angesichts dieser frustrierenden Erfahrungen mit fremdimportierten Weltanschauungen und Ideologien konnte die Konzentration auf das Eigene nur Besinnung auf den Islam bedeuten. Innerhalb der muslimischen Gemeinschaft begann deshalb eine Tendenz an Kraft und Einfluß zu gewinnen, die den Islam
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nicht nur im Sinne der Tradition zu befolgen beabsichtigte, sondern - ganz im Geiste früherer radikaler Mahner wie Ibn Taimlya oder Ibn cAbd al-Wahhäb zu seinen Fundamenten zurückzukehren trachtete. Staatliche Verfassung und Lebenswelt unter Prophet Muhammad und den vier "rechtgeleiteten" Kalifen wurden zum Ideal erklärt. Für diese Denkrichtung hat sich in der Literatur der Begriff "Fundamentalismus" durchgesetzt, obwohl er Mißverständnissen Platz gibt. Er ist nämlich vornehmlich dem protestantischen Christentum entlehnt, wo sich eine gleichnamige Strömung durch ihr Festhalten am Wortverständnis der Heiligen Schrift auszeichnet. Das allein charakterisiert den islamischen "Fundamentalisten" aber nicht. Für ihn trifft eher die Bezeichnung "Integralist" zu, der, um bei Beispielen aus dem Christentum - dieses Mal vornehmlich dem katholischen - zu bleiben, aus dem Glauben und seinen Lehren Antworten auf alle Fragen des privaten und öffentlichen Lebens zu entnehmen gewillt ist und sich damit direkt und ausdrücklich gegen die Säkularisierung wendet. Islamische Integralisten nennen sich, wenn sie einen die einzelnen Bewegungen übergreifenden Namen suchen, eher Islämiyün, also Islamisten.311 Wenn im folgenden, die Bezeichnungen in der relevanten Literatur aufgreifend, von islamischen Fundamentalisten gesprochen wird, sind also eigentlich jene Islamisten gemeint. Es wäre zu einfach, die von den Islamisten propagierte Rückkehr zu den Verhältnissen des 7. Jahrhunderts als unrealistischen Obskurantismus abzutun. Obwohl einzelne von ihnen tatsächlich aus der existierenden Gesellschaft "aussteigen" und versuchen, ihr Ideal in entlegenen Gegenden zu leben, bedeutet das Postulat jedoch für ihre überwiegende Mehrheit, die bestehende Gesellschaft nicht zu verlassen, sondern sie zu verändern. Das Ideal dient eher als Fixpunkt, dem man sich bestenfalls annähern kann, wobei dieses Bestreben aber eigene Kräfte mobilisiert und die Abhängigkeit von fremden Mächten überwinden hilft.312 Auf dieser Grundlage zeichnen den Islamismus bzw. islamischen Fundamentalismus einige spezifische Merkmale aus. Mit seinem Ziel, das diesseitige Leben zu verändern, d.h. auf die bestehende Gesellschaft mit dem Streben Einfluß zu nehmen, das gesamte öffentliche und private Leben mit der und durch die islamische Religion zu prägen, erfüllt der Islamismus die Charakteristika einer Ideologie. "The massive redefinition of Islam from a religión promising other-worldly salvation to an ideology harboring this-worldly utopia is perhaps the single most important feature of Muslim collective consciousness in modern times,"313 schrieb Hamid Dabashi richtig, obwohl mit dem "kollektiven muslimischen Bewußtsein" wohl übertreibend. Auch andere Autoren sehen im islamischen Fundamentalismus die Umformung des islamischen Glaubens in eine politische Ideologie, die auf die Beseitigung von Fremdzwang und -bestimmung drängt, und zwar auf der Basis einer totalen Negation alles Fremden, zur Befreiung der Muslime von allen denkbaren
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Bevormundungen und Abhängigkeiten wie auch der ihnen auferlegten Fesseln innergesellschaftlicher Tyrannei.314 A. Faridzadeh bezeichnete den Islamismus als "Umwandlung des Islam in die politische Ideologie des Chiliasmus und Nativismus"315. Damit ist letztlich auch die Ideologie ausgemacht, die Khomeini verfolgte, die die iranische Revolution zum Erfolg führte und den Charakter der entstehenden Islamischen Republik bestimmte. Cyrus Bina vermerkte in diesem Zusammenhang, daß "(t)he Islamic Revolution in Iran is the most recent institutional expression of ... (the transformation of Islam from) a universal religion to a political ideology with universal Claims"316. Doch zu den universalistischen Aspekten später. Daß diese Ausformung ideologischer Aspekte den iranischen Revolutionären nur recht war, belegen Äußerungen des 1981 bei einem Attentat umgekommenen Ajatollahs Behesti, der der richtigen Ideologie bei der Etablierung einer gerechten Gesellschaft eine entscheidende Funktion zusprach. "... wenn eine Gesellschaft bar jeder Ideologie ist, wird sie ganz leicht und ohne beachtenswerten Widerstand zum Sklaven anderer. Aus diesem Grunde wurde das Verbreiten von Zweifeln und der Kampf gegen den Glauben an jegliche Art konstruktiver und wirksamer Prinzipien zu einem der bedeutsamsten strategischen Programme der Kolonialisten in den von ihnen besetzten Ländern."317
Ein anderes Merkmal erschließt sich erst bei genauerer Betrachtung. Zunächst wurde der islamische Fundamentalismus nämlich allgemein als anti-modern charakterisiert. Er sei eine religiöse Ideologie, die sich im Konflikt mit dem Modernismus herausbildet und sich durch fünf Merkmale charakterisieren läßt: ihren sektiererischen Minderheitsstatus, ihre oppositionelle Attitüde, ihre männlich dominierte charismatische Führung aus nachgeordneten Eliten, ihr ausgefeiltes technisches Vokabular und ihre historische Neuartigkeit auf Grund ihres antimodernistisch-reaktiven Impetus.318 Die alleinige Zuordnung des "antimodernistisch-reaktiven Impetus" zum Fundamentalismus greift jedoch zu kurz. Sie fußt im wesentlichen auf den verklärenden Beschreibungen der Vergangenheit durch islamistische Autoren und den vermeintlich technik- und fortschrittsfeindlichen Äußerungen namhafter islamischer Gelehrter. Diese behaupteten, der Orient sei generell eher spirituell interessiert, während der Okzident mehr dem Materialismus zuneige. So sei der Orient eher die Heimat der Kultur und der Okzident eher die Heimat der Technik. Nicht zufällig hätten alle großen Religionen der Menschheit ihren Ursprung im Orient. Daraus würden diese Gelehrten ein antagonistisches Verhältnis zwischen dem Orient und dem mit dem Christentum assoziierten Okzident konstruieren, wobei sie die im politischen, wirtschaftlichen und militärischen Bereich herrschenden Machtverhältnisse in ihr Gegenteil verkehrten. In ihren Schriften sei
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der in obengenannten Bereichen unterlegene Orient dafür auf geistigem und kulturellem Terrain überlegen.31' Dafür lassen sich in der Tat zahlreiche Belege finden. A.M.H. Tabätabä3! erklärte z.B., daß der Islam das beste aller Systeme sei und der Menschheit den größten Nutzen gebracht habe. Die meisten der wirklich von anschaulichem Nutzen gekennzeichneten Errungenschaften der modernen Zivilisation beruhten auf der islamischen Religion.320 Seyyed Mugtabä Müsavi Läri wiederum bezweifelte generell, daß die westlichen Maßstäbe von Zivilisation und Fortschritt als Meßlatte für den Islam gelten könnten. Außerdem könne sich auch die christliche Welt die Urheberschaft des westlichen Fortschritts nicht unwidersprochen selbst zuschreiben. "Wenn Jemens Mangel an materiellem Fortschritt der dort herrschenden Religion zugeschrieben wird, wie ist dann die Rückständige^ Süditaliens zu erklären, wo der Papst über immensen Einfluß verfügt?"321 Im übrigen bezeichnete er das Leben des westlichen Menschen als "von Maschinen bestimmt". Obwohl Errungenschaften der Zivilisation viele materielle Mängel, Unbequemlichkeiten und Schwierigkeiten beseitigt hätten, habe das Leben Wärme und Geist verloren. Das soziale Leben, das daraus erwüchse, vermittle keinen Beweis mehr für die Größe und den Geist des Menschen.322 Woraufhin Tabätabä3! hinzufügte: "If we look closely into the ways and means of the developed societies, we find that though they have made enormous progress in educational and industrial development such as they have explored the moon and the mars and have stunned the man with unbelievable discoveries, yet they have brought the mankind to the verge of ruination and not only that, in so short a period of the past quarter of a century, they have shed twice the blood of hundreds and thousands of innocent people."323
Auch die geistlichen Machthaber Irans schöpften nach der Revolution von 1978/79 aus diesem geistigen Reservoir. Erinnert sei nur an die im ersten Kapitel angeführten Äußerungen Ajatollah Khomeinis zu diesem Thema. Aber auch andere iranische Rechtsgelehrte unterstützen einen derartigen Standpunkt. Sie leugneten die Allgemeingültigkeit von Kategorien wie militärischer Stärke, technischem Fortschritt oder ökonomischer Effektivität für die Bestimmung zwischenstaatlicher Überlegenheit. "The Iranian revolution, grounded upon Islamic and Shia percepts, challenged the predominant global consensus on what is power and how it is aquired... Iranian leaders and representatives expressed a strong belief that economic and military power is not an end in itself; real human power rests upon ethics and the development of virtue."324
Diese Relativierung materiell-technischen Fortschritts darf aber nicht alleiniger Maßstab für die Charakterisierung der Islamisten als "antimodern" sein. Besonders das in Chicago angesiedelte "Fundamentalism Project" brachte Bewegung
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in die einseitige Sicht auf den Fundamentalismus.325 Die Leiter des Projekts, Martin Marty und Scott Appleby, kamen zu der Erkenntnis, daß entgegen der fundamentalistischen Rhetorik, die vergangene Zeiten und die Verwurzelung in dualistischen und apokalyptischen Vorstellungen von der Welt beschwört, der Fundamentalismus des 20. Jahrhunderts in seinen Manifestationen ein modernes Phänomen sei. Fundamentalisten seien nicht nur scharfsinnige und aufmerksame Beobachter der Moderne, sie eigneten sich auch durch Nachahmung ihrer wesentlichen Prozesse deren nützliche Errungenschaften an. Gerade weil die Fundamentalisten sensibel auf die ihnen vertraute Welt reagierten, seien sie mehr Erfinder als Bewahrer. Martin und Appleby begründeten ihre Aussage mit der weitverbreiteten Praxis fundamentalistischer Gruppen und Bewegungen, sich die moderne Kommunikationstechnik für den Transport ihrer Botschaften nutzbar zu machen. Dabei führten sie das Beispiel der iranischen Revolution an, in der die rasche Verbreitung der Anweisungen Khomeinis nicht zuletzt durch den massenhaften Gebrauch von Kassettenrecordern gelang.326 Daß auf diesen positiven Erfahrungen aufgebaut wurde, belegen z.B. die Anstrengungen der iranischen Führung, Computer und andere technische Hilfsmittel nicht nur in Wirtschaft und Verwaltung einzusetzen, sondern mit diesen und anderen modernen Kommunikationsmitteln, wie dem Internet, die islamische da°va zu qualifizieren.327 So bekämpfen die Islamisten zwar die von ihnen als negativ empfundenen Auswirkungen der westlich definierten Moderne, bedienen sich aber ihre Errungenschaften. Im Gegensatz zu den Traditionalisten steht bei ihnen der igtihäd in hohem Ansehen. "The Fundamentalist revivalists tend to be puritanical and revolutionary in their religiopolitical orientation. They support ijtihad, independent reasoning, in matters of Islamic law and theology, whüe rejecting Western ideas and ideals."328
Somit agieren sie nicht vernunftlos, sondern mittels einer anderen Modalität von Rationalität. "Fundamentalisten zielen nicht darauf ab, dem Menschen archaische Praktiken und Lebensstile aufzuzwingen oder sie in ein goldenes Zeitalter, eine heilige Vergangenheit, eine verlorengegangene Welt der Ursprünglichkeit zurückzuführen - wenngleich die Sehnsucht nach einer solchen Ära ein Kennzeichen fundamentalistischer Rhetorik ist. Fundamentalisten wollen mit Hilfe ausgewählter Elemente aus Tradition und Moderne die Welt wieder herrichten. Eine erneuerte religiöse Identität wird zur exklusiven und absoluten Grundlage für die Wiedererschaffung einer politischen und sozialen Ordnung, die mehr auf die Zukunft denn auf die Vergangenheit ausgerichtet ist. Diese neue Weltordnung ist in
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Prophezeiungen vorausgesagt worden und entfaltet sich unter den aufmerksamen Augen Gottes."329
So kann behauptet werden, daß der islamische Fundamentalismus eine von mehreren möglichen Konstruktionen von Tradition ist. Konstruktion im Sinne von einer besonderen Aufbereitung von Tradition, die auf Selektion beruht, indem bestimmte historische Präzedenzfälle und Lehrmeinungen stärker gewichtet werden als andere.330 Diese differenzierende Sicht auf das Phänomen des Fundamentalismus, einschließlich seiner islamischen Variante, fand viele Befürworter. Gudrun Krämer merkte an, daß häufig verkannt und übersehen werde, daß viele Muslime nicht die Moderne an sich verwerfen, sondern Fremdbestimmung im Namen "moderner" Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen.331 Ein zusätzlicher Aspekt geht auf Bryan Turner zurück, der behauptete, daß islamischer Fundamentalismus grundsätzlich nur geringe Reibungsflächen mit der Moderne aufweise. Schwierigkeiten erwüchsen vielmehr aus der Konfrontation mit der Postmoderne. "... Islam cannot deal satisfactorily with postmodernism which threatens to deconstruct religious messages into mere fairy tales and to destroy the everyday world by the challenge of cultural diversity... Modern fundamentalism is a two-pronged movement to secure control within the global system and also to maintain a local regulation of the life-world. Fundamentalism in both Islam and Christianity can therefore be analyzed as a value-system which actually promoted modernization, because modernization was an attack on magical beliefs, local culture, traditionalism, and hedonism."332
Daraus zog Turner eine verblüffende Schlußfolgerung, die in ihrer Zuspitzung möglicherweise wieder unzulässig vereinfacht: "Fundamentalism is ... the cultural defense of modernity against postmodernity."333 In einem anderen Punkt besteht jedoch weniger Grund für Dissens. Wird das Vokabular Max Webers, wie etwa Weltbejahung, -ablehnung, -beherrschung, -anpassung oder -flucht für die Einschätzung von Fundamentalismus verwendet, so ist diesem eine weltablehnende Haltung zu attestieren. Aus dieser Ablehnung kann nun entweder das Streben nach Weltflucht oder nach Weltbeherrschung erwachsen. Wie bereits erwähnt, versucht tatsächlich ein geringer Teil der mit dem gegenwärtigen Gesellschaftszustand unzufriedenen Muslime sich diesem durch Flucht bzw. Verweigerung zu entziehen, was zumeist in der Etablierung unpolitischer Sekten endet, während die überwiegende Mehrheit derjenigen, die als Islamisten zu bezeichnen wären, als eminent politische, diesseitige Bewegung auf die Weltbeherrschung zielen.334 Dem politisch relevanten islamischen Fundamentalismus ist somit der Hang zueigen, seinen Auffassungen universale Geltung zuzusprechen. Der universale
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Geltungsanspruch rechtfertigt sich aus dem Anspruch, zu den Fundamenten des Islam zurückzukehren. Aus dieser Sicht ist die Lebensordnung des Islam für alle Menschen und sozialen Gemeinschaften verbindlich. Daraus ergibt sich notwendigerweise die Tendenz zur Ausdehnung seines Geltungsbereichs entsprechend dem Motto, daß der Islam herrscht und nicht beherrscht wird. Laut Martin Honecker drückt sich das Selbstverständnis des Islam in einem dreifachen Anspruch aus: einem Absolutheits- (der Islam ist die endgültige Gestalt der Religion), einem Totalitäts- (der Islam bestimmt das gesamte Leben) und einem Universalitätsanspruch (die Uberzeugung der Muslime, "die beste Gemeinschaft unter den Menschen zu sein" - Koran 3, HO).335 Der Anspruch wäre aber noch weiter zu untergliedern. Beispielsweise bemerkte Abdul Rashid Moten: "Islam is not a religion in the sense commonly understood as no more than the sum of several beliefs, rituals and sentiments - but rather a system of life that deals with all aspects of human existence and performance. It is a well-ordered system, a consistent whole, comprising a set of universal principles and pan-cultural values for socio-economic, political and moral guidance of humanity. The Qur'an teaches, as Sayyid Mawdudi points out, not simply 'to preach' Islam but 'to act upon it', promote it, and actually enforce it."336
Die Totalität des göttlichen Willens läßt also keine menschliche Existenz außerhalb dieses Willens zu, die gesamte Welt ist sein Objekt, die Menschheit Objekt und Subjekt zugleich, da sie ihrem Wesen nach über Bewußtsein und damit über die Möglichkeit der Wahl verfügt. Menschen, die sich dem Willen unterwerfen, müssen daher auch seinen Wirkungsbereich, d.h. die gesamte Welt, als ihren Bezugspunkt ansehen.337 Andere, die dieser Wahrheit noch nicht teilhaftig geworden sind, gilt es zu überzeugen. In diesem Bezugsrahmen wäre es daher besonders verwerflich, die Absolutheit des göttlichen Willens zwar anerkannt zu haben, sich aber als Individuum oder Gesellschaft moralisch indifferent oder lethargisch zu verhalten. "When it is practized in face of injustice, aggression, crime, hunger, ignorance, and non-actualization of values, it is downright criminal, a thumbing of one's nose at God or defiance... However, the real opposite of universalism is particularism, which has taken the form of henotheism and tribalism in the past, and racism and nationalism in our day,"
schrieb Ibrahim Faruqi, um an anderer Stelle zusammenzufassen: "Islam's political ideal is the world-state where man is free to move and dwell wherever he pleases without exit, entry, or customs permit; where the order is peace and competition is in righteousness. From its purview,
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the present division of the globe into parties competing for world domination at the risk of world-destruction, for nationalistic (egotistic) monopoly on God's bounty, is not only crazy. It is Satanic."338
Deshalb die vehemente Ablehnung des Nationalismus durch den islamischen Fundamentalismus, nicht nur als lästiger Konkurrent im Kampf um das Bewußtsein der Muslime, sondern als westlich oktroyiertes Hindernis auf dem Weg zum weltumspannenden islamischen Staat. Irans Staatsoberhaupt Hämene 5 ! erklärte dazu eindeutig: "You have seen what nationalism wreaked on mankind. Now it is possible that for a short while nationalism creates a feeling of warmth, pride, enthusiasm and joy. But it destroys mankind. In this very region,they tried to bring Iranian nationalism, Arabic nationalism and Turkish nationalism amongst Muslim brothers and again tried to create peripheral and multifarious nationalisms within the states to separate them from each other. Thank God, the Islamic revolution, at least in a sector of the region, remedied these ills."339
Da sie die Rückkehr zu den Fundamenten der islamischen Religion als Idealziel erklären, gelingt es den Integralisten zu ignorieren, daß die verheißene Einheit von Staat und Glauben in der umma nur in der Frühzeit existierte. Die umma blieb zwar ein konstanter Bezugspunkt im Islam, aber ihre Interpretation war zeitabhängig, d.h. durch die islamische Geschichte hindurch wurde damit zu verschiedenen Zeiten Unterschiedliches bezeichnet. In der von den Islamisten beschworenen islamischen Frühzeit war die umma hingegen de facto eine Konföderation von Stämmen, also eine auf die Stammesgesellschaft bezogene Kategorie.340 Die Mehrheit der gegenwärtig existierenden islamischen Staaten ist dagegen ein Produkt der Kolonialzeit, die die territorialen Grenzen, aber auch Verfassung und Gesetzgebung maßgeblich beeinflußte. Selbst wenn der Islam zur Staatsreligion erklärt wurde, hatte das in der Praxis selten mehr zur Folge, als daß das Staatsoberhaupt Muslim sein mußte. "Das alles bedeutet, daß ein Bruch mit der Tradition stattgefunden hat. Er war viel tiefer als die Umwälzungen, die sich im Westen seit der französischen Revolution vollzogen haben. Um dies zu verstehen, muß man sich vergegenwärtigen, daß der Staat im Islam ein von Ursprung und Natur her religiöses Gebilde war."341
Das Bestreben, den Bruch zu beseitigen, ist im islamischen Fundamentalismus daher zwar allgegenwärtig, es muß sich aber gegen faktische Resultate jahrhundertelanger historischer Entwicklung behaupten. Bryan Turner argumentierte mit Wallerstein, daß sich das globale System von der Struktur von Großreichen, basierend auf lokalen Wirtschaften, zu einer
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Struktur globaler Wirtschaft hinentwickelt habe, die sich in lokalen politischen Systemen offenbare. "If we transpose this argument into the context of the world religious systems, at least Islam and Christianity conceptualized themselves or thematized themselves as world religions, and therefore they have a particularly problematic relationship to local political systems."342
Damit ist ein offensichtliches Paradoxon angesprochen. Der akzelerierende Prozeß der Globalisierung relativiert in immer stärkerem Maße die Funktionen, die der Nationalstaat bis dato ausgefüllt hat. Diese Schwächung des Nationalstaats müßte den Islamisten also entgegenkommen. Gleichzeitig ist die Globalisierung aber aus ihrer Sicht mit einer Vielzahl von Gefahren und Unwägbarkeiten verbunden. Auf die iranische Revolution bezogen, stellte Farhang Rajaee z.B. fest: "What makes the task for modern days revolutions all the more difficult relates to the fact that they have to grapple with a double layer adjustment and modification: One layer is related to their localities, internal forces and dynamics and the other relates to the external pressures of the global demands. Not that the previous revolutions did not have to reckon with global demands, but that the latters were not as comprehensive and encompassing as they are now, in the age of mass communication, media, high speed transportation, computer, fax and internet."343
Nur wenige fundamentalistische Führer - auch in Iran - sehen die Globalisierung als objektiv ablaufenden Prozeß und verfahren - salopp gesagt - nach der Maxime: If you can't beat it, join it. Die weltweiten Kommunikationsströme haben z.B. gegenwärtig ein solches Niveau erreicht, daß kaum noch "weiße Flecken" auf dem Globus existieren. Dadurch wurde die Informationsgesellschaft auch gleichzeitig eine Massengesellschaft, d.h. Wissen und Information, die früher nur einer Elite zugänglich waren, erreichen in der Gegenwart per Rundfunk, Fernsehen und Video auch einfache Muslime und werden von ihnen auf Märkten, in Teestuben und Moscheen ausgetauscht. Nicht nur auf diese Weise wurde den Islamisten durch die Globalisierung ein Mittel in die Hand gegeben, ihrer universalistischen Botschaft Massenzulauf zu sichern.344 Obwohl sie sich dieser Chancen in wachsendem Maße bewußt sind und sie zu nutzen versuchen, überwiegt jedoch nach wie vor das Bestreben der Mehrheit ihrer Wortführer, sich den Folgen der Globalisierung zu entziehen. Dem liegt ein kolossales Mißverständnis zugrunde. Da auf Grund des internationalen Macht- und Kräfteverhältnisses Inhalte und Formen der Globalisierung weitgehend vom Westen bestimmt sind, wird der Prozeß nicht als objektiv wahrgenommen, sondern de facto als Fortsetzung bekannter westlicher Hegemonialbestrebungen in neuem Gewand. Selbst moderate und gebildete Muslime verlieren sich nicht selten in Verschwörungs-
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theorien, wonach der Westen schon seit mehr als eintausend Jahren einen Kampf gegen die islamische Welt führe, auch wenn dieser immer wieder neue Formen annahm und -nimmt. Nach der direkten Herrschaft des Kolonialismus seien die Dominanzbestrebungen gegenwärtig nur indirekter und subtiler geworden. Warum sei der Westen stetig bemüht gewesen, jeden muslimischen Staatsmann, der sich - mit unterschiedlicher Konsequenz und mit unterschiedlichen Mitteln - seinem Einfluß zu entziehen suchte, wie Gamal c Abd al-Näsir, Mü c ammar al-Gaddäfi, Rüholläh Khomeini oder Saddam Husain, zu bekämpfen, auch wenn dessen Potential mit dem des Westens nie vergleichbar war? Warum setzten die führenden westlichen Medien ständig ein Gleichheitszeichen zwischen Islam und Terrorismus, obwohl erstens in der jüngeren Vergangenheit weit mehr Muslime von westlicher Hand zu Tode gekommen seien als umgekehrt und der Westen zweitens durch sein deutliches Übergewicht stetigen "strukturellen Terrorismus" ausübe?345 An dieser Stelle ist nicht der Platz, diese teilweise sehr emotionalen Argumente mit Rationalität zu diskutieren, vielmehr sollen sie eher illustrieren, auf welchem Nährboden Islamisten aufbauen können, um diese Vorwürfe nicht nur zu verschärfen, sondern sie noch durch eigene zu ergänzen. Die geistlichen Führer der iranischen Revolution erfüllten nahezu alle der genannten Merkmale des islamischen Fundamentalismus. Den Sturz des Schahs und die Errichtung der Islamischen Republik sahen sie als Fanal für den Widerstand gegen alle fremden, insbesondere westlichen Modelle, die dem Land bis dahin aufgezwungen worden waren und seine Abhängigkeit vertieften. Heuchlerisch habe der Westen zivilisatorische Werte wie Demokratie, Pluralismus, Menschenrechte, Fortschritt, Wohlstand usw. propagiert346, in der Realität aber die Abhängigkeitsverhältnisse für die Ausbeutung der Ressourcen in den unterdrückten Ländern genutzt. Wie einen Virus habe er seine materialistische Weltanschauung verbreitet, um die Menschen in seinem Einflußgebiet ihrer eigenen Kultur und Religion zu entfremden und sie ihrer Identität zu berauben.347 Man solle sich nur an die letzten Jahre der Schahherrschaft erinnern, um sich zu vergegenwärtigen, wie weit westliche Lebensart schon in den Alltag der Iraner eingedrungen war. Westliche Begriffe und lateinische Buchstaben hätten im Schrifttum gewuchert, von der technischen Literatur bis zur Werbung, und so die reiche persische Sprache unterminiert. Seifenopern im Fernsehen und Rockmusik im Radio hätten die traditionelle Familienunterhaltung, die sich mit dem umfangreichen kulturellen und religiösen Erbe des Landes beschäftigt hätte, verdrängt. Selbst Fast Food wäre gegenüber der raffinierten nationalen Küche auf dem Vormarsch gewesen.348 Ohne islamische Revolution wäre in Iran über kurz oder lang ein dekadenter Mensch die Norm gewesen, der seiner eigenen Wurzeln beraubt und daher "leichte Beute" für westliche Herrschaftsambitionen gewesen wäre.
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Die revolutionäre iranische Führung sah es daher als erstrangige Aufgabe an, sich von den korrumpierenden und "vergiftenden" westlichen Einflüssen zu lösen und sich ganz auf das Eigene zu konzentrieren.349 Deshalb auch ihre landesweiten Attacken gegen Akademiker, Journalisten, Künstler und Intellektuelle, denen sie vorwarf, vom "westlichen Virus" angesteckt zu sein, westliche Ideen zu verbreiten und islamische Werte geringzuschätzen.350 Diese Angriffe erreichten zwar in der Periode der "Kulturrevolution", in den frühen achtziger Jahren, einen gewissen Höhepunkt, wurden aber auch danach nie gänzlich eingestellt. Mit diesen Haltungen und Maßnahmen erfüllte die Revolutionsführung die bereits genannte fundamentalistische Eigenschaft der "Weltflucht". Das Ursprüngliche und Eigene konnte aus ihrer Sicht nur der Islam sein. Jahrhundertelang hatte er Kultur und Weltanschauung der Iraner bestimmt, die Rückkehr zu seinen Fundamenten verhieß daher die Freisetzung mobilisierender politischer Kräfte. Außerdem verkörperte er aus ihrer Sicht die konsequenteste Alternative zur westlichen Kultur und Lebensweise. Die in der westlichen Hemisphäre ausgemachte Feindschaft gegenüber der iranischen Revolution wurde als Bestätigung für die Richtigkeit des eingeschlagenen Weges ausgemacht. Offensichtlich aus guten Gründen weigerten sich der Westen und vor allem die USA aus ihrer Sicht, das Experiment einer Staatsgründung auf wahrhaft islamischer Grundlage zu tolerieren.351 Die besondere Fixierung der iranischen Revolutionäre auf die USA, selbst wenn letztlich der gesamte Westen gemeint war, ist nur aus der Geschichte der symbiotischen Beziehung Washingtons mit Schah Mohammad Rezä 3 Pahlavi seit dem Sturz Mosaddeqs im Jahr 1953 zu erklären. Jede Öffnung gegenüber den USA wäre für sie Verrat an einem Primärziel der Revolution gewesen: den Einfluß des "Großen Satans" auf Dauer zu unterbinden. Trotz aller nachrevolutionärer Fraktionskämpfe innerhalb Irans blieb unnachgiebige Opposition zu den USA stets ein wichtiges gemeinsames Merkmal und ein entscheidendes legitimatorisches Mittel.352 Deshalb die auch fast unisono vorgebrachte Ablehnung der von den USA nach dem 2. Golfkrieg propagierten Neuen Weltordnung. "Almost invariably, various top politicians, academics, and journalists in Iran intepreted the jargon (of a New World Order) so appreciatively talked about in the West as the linguistic metaphor of a new Pax Americana, i.e. as the normative counterpart of a Western imperialistic agenda."353
Die politische Instrumentalisierung des Islam als ganzheitliche Alternative zum Westen hob die Ziele der iranischen Revolutionäre weit über den nationalen Rahmen hinaus. Insofern bemühte sich die Revolutionsregierung auch intensiv darum, dem tiefverwurzelten Patriotismus ihrer Landsleute eine neue Richtung zu geben. Entsprechend ihrer Propaganda verhieß primär auf den Islam bezo-
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gener Patriotismus weitaus höheren Lohn in dieser Welt und im Jenseits als nur auf Iran bezogene Vaterlandsliebe.354 Revolutionsführer Hämene 3 ! fand dafür eindringliche Worte: "Reconstruction of the world and of the hereafter goes hand in hand. The Islamic system wishes for people to flourish in this world but hopes they will not content themselves with that. The world and the hereafter are interrelated in the Islamic system and in the programme of this system. Human beings should live in an honourable and comfortable manner, but comfort and welfare and all that ensures such comfort are mere preliminaries, subject to God's pleasure... Everyone wishes to reform the material world for the people, but apparently they are not able to. However, the Islamic system reforms the world and the hereafter; it is capable of doing so. This is the strength which has been revealed by Islam."355
Dem unterstellten universalen Geltungsanspruch westlicher Werte wurde damit ein Modell mit ebenso universaler Anmaßung entgegengestellt und zur Verfassungsaufgabe erklärt. Mit der Behauptung der Wiedergeltendmachung des wahren und unverfälschten Islam, d.h. auch seiner die gesamte Menschheit umfassenden Bedeutung, stellte sich die iranische Revolution als Nukleus für die Gestaltung einer "Gegenzivilisation" dar, wobei ihre führenden Repräsentanten eifrig betonten, daß "the advancement of Islamic sovereignty does not mean the domination of the Islamic Republic of Iran; rather it means the domination of Islam, i.e., rule of Islamic laws and precepts"356. Nach ihren Hauptzielen befragt, nannten sie mit nur geringen Abweichungen die folgenden Punkte: - alles für die Stärkung des Dar al-Isläm zu unternehmen und für seine Ausdehnung Sorge zu tragen. Damit erfüllten sie den zweiten genannten Aspekt fundamentalistischer Positionen, nämlich das Streben nach "Weltbeherrschung"; - weltweit den Triumph der Mostaz c afin über die Mostakbarin zu sichern und die Rechte der Muslime zu verteidigen.357 In diesem Grundanliegen konnte die Führung Einigkeit demonstrieren und Legitimität einfordern.358 So brachte sie sich weltweit immer dann zu Gehör, wenn muslimische Interessen gefährdet schienen, sei es in westlichen Hauptstädten, in Bosnien, Algerien, Sudan, Palästina, Libanon, Afghanistan oder Indien und nahm dabei Kritik der jeweils betroffenen Regierungen - als im Sinne der Sache unvermeidbar - auf sich. Trotz der angespannten wirtschaftlichen Lage im eigenen Land, investierte die iranische Führung in diese Position nicht nur politische, sondern auch erhebliche finanzielle Kraft erinnert sei nur an die bereits genannten Summen. Die Beherbergung von Millionen afghanischer Flüchtlinge seit der sowjetischen Invasion belastete das Budget spürbar, Einigkeit in der Verurtei-
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lung Salman Rushdies erschien de iranischen Führung wichtiger als Nachteile im Handel mit dem Westen. Vorwürfe der ägyptischen oder der algerischen Regierung, islamistische Oppositionsbewegungen in den jeweiligen Ländern oder in Nachbarstaaten wie Sudan zu unterstützen, ließen sie weitgehend unbeeindruckt (zumal die genannten Regierungen diesen iranischen Einfluß aus innenpolitischen Gründen bzw. im Streben nach westlicher Unterstützung häufig maßlos übertreiben). Einzelne Aktivitäten, wie die Offerte an die UNO, 10 000 Soldaten als Friedenstruppen für Bosnien zur Verfügung zu stellen, hatten eher einen propagandistischen Hintergrund, aber Iran war sich auch für solche Gesten nicht zu schade, wenn sie nur dem Anspruch auf Führerschaft in der islamischen Welt dienten und Konkurrenten in diesem Anspruch, wie etwa Saudi Arabien, ins Hintertreffen geraten ließen.359 Nichtsdestotrotz herrschte innerhalb der Führung weiterhin Uneinigkeit über die Methoden zur Erreichung dieser Ziele. Während der politische Teil der Führung - wie bereits ausführlich dargelegt - vor allem auf die Beispielgebung einer starken Islamischen Republik setzte, fanden sich unter der Geistlichkeit stets auch Kräfte, die einem aktiven "Revolutionsexport" das Wort redeten und dabei auch auf völkerrechtlich fragwürdige bzw. sogar verbotene Mittel setzten.360 Als Kronzeuge für eine derartige Haltung wird häufig einer der namhaftesten "radikalen" geistlichen Vertreter der iranischen Führung, Hoggat ol-Esläm Hö'eniha, erwähnt, der angeblich 1991 auf einer Konferenz in Teheran bedauert haben soll, daß Iran nicht über Nuklearwaffen verfüge. Der bloße Besitz derartiger Waffen würde der Ausbreitung der islamischen Revolution dienen und andere Befreiungsbewegungen noch nachdrücklicher veranlassen, sein Land als ihr Zentrum anzusehen.341 - Dacva, d.h. Missionierung und - unbeirrtes Festhalten an der Losung "Weder Ost noch West, Islamische Republik", d.h. konsequente Verfolgung des eigenen, schädliche äußere Einflüsse ausschließenden Weges.362 Von Fred Halliday stammt eine gekonnte Zusammenfassung der universalistischen Ideen der geistlichen Führung Irans: "... the Iranian revolution was undertaken in the name of universalistic religion, and comparatively little stress was placed on Iran as a national entity. Its universalism was more pronounced than that of the French or Russian revolutions. This was evident both in the cultural shift that accompanied the revolution, which saw the rejection of many features of indigenous Iranian culture as well as values that were regarded as Western, and the projection of Iran's revolution as the first episode by an insurgent Muslim world in the overthrow of its oppressors."363
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Ähnlich wie in vorherigen Abschnitten sollen im folgenden vor allem namhafte geistliche Führer Irans selbst zu Wort kommen, um die hier getroffenen Einschätzungen authentisch zu unterlegen. Dabei sind insbesondere Äußerungen von Revolutionsführer HämeneT und den Freitagspredigern aus Teheran und Qom von außenpolitischer Bedeutung. Revolutionsführer Hamern 'i Als CA1I Hämene 3 ! nach dem Tod Khomeinis dessen Erbe als Revolutionsführer, als Faqih antrat, war ihm die Problematik dieser Aufgabe durchaus bewußt. Nicht nur, daß er beständig an seinem Vorgänger gemessen werden würde, einem Vergleich, dem zum damaligen Zeitpunkt kein iranischer Rechtsgelehrter standgehalten hätte, er war auch nur "zweite Wahl", nachdem der designierte Nachfolger Khomeinis, Ajatollah Montazeri 1987 in Ungnade gefallen war. Hinzu kamen die erwähnten, außerordentlich turbulenten politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse am Ende des 1. Golfkrieges und des Ost-WestKonflikts, mit denen der neue Faqih gleich zu Beginn seiner Amtszeit konfrontiert war und die zu den kompliziertesten Problemen gehörten, die die Islamische Republik je zu meistern hatte. Auch aus jenen Gründen hatte Khomeini bekanntlich der Verfassungsänderung zugestimmt, die dem Faqih einen mit erweiterten Vollmachten ausgestatteten Präsidenten an die Seite stellte. An der Wende zu den neunziger Jahren hatten beide kaum eine andere Wahl, als zusammenzuarbeiten und gemeinsam zu versuchen, die Islamische Republik durch diese schwierige Periode zu manövrieren. Äußerungen Hämene'Ts aus dieser frühen Phase seiner Amtszeit belegen deshalb auch sein Bestreben, den primär auf den wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes gerichteten Plänen Rafsangänls keine Hindernisse in den Weg zu stellen. Shireen Hunter attestierte ihm immerhin noch 1989/90, daß seine Positionen als neuer geistiger Führer Irans "have gradually become more moderate and realistic"364. Allerdings deutete sich schon damals die später zur Regel werdende Arbeitsteilung zwischen beiden an. Obwohl die modifizierte Verfassung einen "politischeren" Faqih vorsah, überließ Hämenel das Feld der praktischen Politik, auf dem bekanntlich auch die größten Probleme zu bewältigen waren, dem Präsidenten und konzentrierte sich eher auf das ihm bekanntere Terrain von Religion und Ideologie. Es schien ihm erfolgversprechender zu sein, durch konsequente islami(sti)sche außenpolitische und kulturelle Richtungsweisung "in die Schuhe Khomeinis zu wachsen", als sich im politischen Alltagsgeschäft zu verschleißen. Mit diesem Rückzug hätten Rafsangänl und seine Anhänger wohl umzugehen gelernt, wenn Hämenel nicht sukzessive dazu übergegangen wäre, durch besondere Unnachgiebigkeit in ideologischen Fragen, die er als
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Standhaftigkeit propagierte, die Politik der Regierung nicht nur zu konterkarieren, sondern sie partiell und temporär sogar zu paralysieren. Als Rafsangänl beispielsweise, um die Beziehungen zum Westen zu normalisieren, zaghaft andeutete, daß Khomeinis Rushdie-Fatwä kein Verdikt sei, sondern nach dessen Tod verhandelbar, wurde er von Hämene 3 ! scharf zurechtgewiesen.365 Aber auch für dieses Verhalten des Revolutionsführers existierten gute Gründe. Selbst wenn er sich in seiner Funktion auf die Propagierung und Kontrolle von ideologischer Reinheit zurückzog, haftete ihm doch seine mangelnde Akzeptanz als religiöse Instanz an. Seine Umgebung und seine Anhängerschaft begannen zwar aus opportunistischen Gründen, Hoggat ol-Esläm Hämene 3 ! "Ajatollah" oder gar "Großajatollah" zu titulieren, aber ihm blieb bewußt, daß diese Geste nicht genügte, um ihn in die Reihen der gelehrten und hochgeachteten mugtahids in Qom oder Mashad aufzunehmen oder ihn sogar margä c at-taqlld werden zu lassen.346 In diesem Dilemma entschied sich Hämene 5 ! für die Flucht nach vorn, d.h. für eine Profilierung, die ihm am geeignetsten schien, den Beifall und die Akzeptanz derjenigen Geistlichen zu finden, die durch die Revolution an die Macht gekommen waren und bei ihrer Niederlage alles verlieren würden. Mit dem Ziel, sich sukzessive eine Hausmacht zu schaffen, präsentierte sich Hämene 3 ! im Parlament, im Basar, in den verschiedenen Stiftungen, im Rechtswesen, im Militär und dabei besonders bei den Revolutionswächtern (Päsdärän) und in den großen, meinungsbildenden Medien als konsequenter Wächter islamischer Tugenden, als "Gewissen" der Islamischen Republik im Sinne Khomeinis. Viele seiner nun folgenden Aussagen zur Rolle der islamischen Revolution und der aus ihr erwachsenen Republik, zum Verhältnis zum Westen und insbesondere zu den USA, zur Kultur- und Frauenfrage, zu Globalisierungsaspekten in Technik und Kommunikation usw. werden deshalb an bereits angeführte, besonders dogmatische Äußerungen im Parlament und sogar in der Regierung erinnern und damit zeigen, daß sie deren Quelle und Inspiration waren. Deshalb wird es kaum überraschen, daß Hämene 3 ! quasi als Kronzeuge für die im vorherigen Abschnitt genannten Wesenszüge des islamischen Fundamentalismus dienen kann. Die Betonung des Eigenen Hämene 3 ! hob das Eigene, Authentische und Identitätsstiftende als Weg und Ziel einer erneuerten islamischen Politik hervor. Um dazu den entsprechenden Kontrast herzustellen, erinnerte er wiederholt an die Jahrhunderte muslimischer Unterdrückung. "The Islamic ummah's past is that with colonialism, ever since its arrival in Asia and Africa, has endeavoured to damage and send to oblivion. Domination over the material and human resources in Islamic states and
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the seizing of the fate of Muslim nations, which have been the direct or indirect objectives of the colonialists since the end of the eighteenth century, naturally entailed the breaking of the pride and personality of Islamic nations and completely severing them from their glorious past so that they (Islamic nations) thus relinquish their culture and ethics and prepare to embrace the Western culture and colonial teachings... The result was such that for two hundred years Islamic states, et al, were transformed into an expansive table with no obstacles for Western plunderers, and they (the Western plunderers) forged forward in those states through direct rule, to possession of underground wealth, change of policy or language, or by complete invasion of a Muslim state such as Palestine and the humiliation of the Islamic sanctities, etc. and prevented the Muslims from the blessings of political, economic and cultural independence - including scientific and cultural development."367
Außerdem habe die von den Kolonialisten transportierte Weltanschauung nach und nach das Bewußtsein der Muslime infiltriert und bei ihnen das Gefühl erzeugt, als seien Religion und moderne Wissenschaft unvereinbar. Jede Betonung von Spiritualität und Religion sei von ihnen als Rückständigkeit gebrandmarkt worden. Politische, wirtschaftliche und kulturelle Fesseln hätten so allmählich die Selbstachtung der Muslime untergraben. Erst die islamische Revolution von 1978/79 habe eine grundlegende Kehrtwendung vollzogen. "The revolution gave back to the people their lives, their cheerfulness, their faith"368, bemerkte Hämene 3 !, um an anderer Stelle fortzufahren: "This nation managed to perform the most difficult tasks, that is, the establishment of an Islamic system, a divine haven of peace and security in the midst of this tumultuous ocean of materialism, blasphemy and rebellion."369 Das durch die Revolution geschaffene islamische System orientiere sich ganz bewußt an den Fundamenten des Islam und an den in seiner Frühzeit herrschenden Verhältnissen. "Solch ein System hat im Verlauf der Geschichte noch nicht existiert und es existiert auch heute nirgendwo anders in der Welt, mit Ausnahme der Frühzeit des Islam... Dieses System ist exklusiv, eine Ausnahme und von den Materialisten verkannt, obwohl es den Muslimen, die sich mit Koran und Islam auskennen, gewärtig ist. Natürlich hat niemand angenommen, daß ein solches System in unseren Tagen und in unserem Zeitalter eingeführt werden könnte."370
Erst die Orientierung an den Fundamenten des eigenen Glaubens und der eigenen unverwechselbaren Identität habe Iran von den tyrannischen Mächten unabhängig gemacht und Voraussetzungen geschaffen, seine Bewohner gegenüber deren Einflüssen zu immunisieren. Dabei erkannte Hämene 3 ! an, daß der eingeschlagene Weg zwar richtig, die Islamische Republik aber noch nicht am Ziel sei. In einer Rede vor Arbeitern und Studenten anläßlich des 1. Mai 1993
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beschrieb er drei verschiedene Formen von Unabhängigkeit, die aufeinander folgten und wachsende Schwierigkeiten verursachten. Iran habe nun die erste Stufe, d.h. die politische Unabhängigkeit, erreicht und sei gegenwärtig inmitten der zweiten Etappe, dem Erringen wirtschaftlicher Unabhängigkeit, wobei das den gleichberechtigten Handel mit anderen Ländern nicht ausschließe. Obwohl noch in dieser zweiten Phase befindlich, dulde die Inangriffnahme der dritten Stufe keinen Verzug, die Erzielung kultureller Unabhängigkeit. Dabei ließ Hämene 3 ! keine Zweifel zu, daß "the fight for cultural independence is the most difficult"371. Deshalb war abzusehen, daß er der Erörterung dieses Prozesses große Aufmerksamkeit schenken und in einer Vielzahl von Verlautbarungen auf ihn eingehen würde. Doch dazu später. Dualismus Vorerst soll es noch darum gehen, weitere Belege für die Kongruenz der Positionen Hämene^Ts mit integralistischen Standpunkten zu finden. So läßt sich ein weiteres Merkmal mit ausgeprägtem Dualismus beschreiben. Für Hämenel stand fest, daß die Mächte, die die Muslime bisher am nachhaltigsten unterdrückten, sich auch am feindseligsten gegenüber jeder Form von Auflehnung verhalten würden. Nach Unabhängigkeit und Eigenständigkeit strebende Muslime hätten deshalb einen gemeinsamen Feind, den militärisch, wirtschaftlich und kulturell expansiven Westen.372 Nach dem Motto "Viel Feind, viel Ehr'" ergänzte er, daß damit dem Islam nicht mehr wie in den Tagen des Propheten ein Konglomerat zersplitterter Stämme als Feind gegenüberstehe, sondern die Gegner seien "equipped with the most advanced weapons; they have the greatest wealth; they have the most advanced knowledge, and they are opposed to Islam"373. Diesem materiell überlegenen Gegner die Stirn zu bieten, sei deshalb ein Zeichen von Wahrhaftigkeit für eine islamische Bewegung, denn es stünden sich zwei unversöhnliche Systeme gegenüber, Systeme mit unterschiedlichen Werten und unterschiedlicher Kultur: "the culture of chaining mankind and the culture of liberating mankind"374. Innerhalb dieser wahrhaft islamischen Bewegung nehme die Islamische Republik Iran eine spezielle Position ein, da sich die Bewegung in ihr erstmals als Staat konstituiert habe. Dadurch ginge von ihr die größte Gefahr für die Unterdrücker aus, mit der Folge, daß sich deren Feindschaft auf Iran konzentriere, denn "we propagate the Islam which world arrogance directly confronts, with its material, military, technological and scientific might..."375 Seit 1978/79 habe sich der Westen der Revolution, dem Islam, Iran und Ajatollah Khomeini gegenüber feindlich verhalten. Immer wieder höre er Vorwürfe, warum sich die Islamische Republik so viele Gegner geschaffen habe. Aber diese Zweifler "do not really understand what they are saying ... this order which now rules the world considers any human being who calls out for independence as its ene-
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my"376. Im Gegenteil, die Führung der Islamischen Republik müsse sich fragen, ob sie noch prinzipientreu sei, wenn die Feindschaft des Westens ihr gegenüber nachlasse. "The more the Islamic Republic is despised in the eyes of arrogance, the world-devourers, the savages and the devils, the happier we will become. The day they begin to be pleased with us and become happy with us, that day we will become suspicious of the accuracy of our chosen path and our work."377 Für Hämene 3 ! war es nur natürlich, daß die Islamische Republik mit dieser Haltung Wirkung in der gesamten islamischen Welt erzielt. Es wären in nicht zu ferner Zukunft Verhältnisse denkbar, in denen sich der Westen mit einer Milliarde hochmotivierter Muslime auf verschiedenen Kontinenten konfrontiert sehe. "Any Islamic movement which is sincere will attract the Muslims of the world who constitute a vast number of people. This is a danger for the big powers. This is why world domination, world arrogance has not been as frightened of other revolutions in other parts of the world as it has been of the revolution based on Islam, because it knows that the Muslims inhabit an extensive part of the world, and the most sensitive parts of the world, from an economic point of view, from the viewpoint of resources, from a strategic point of view and from a social point of view. The meeting point of the three large and important continents of the world namely Asia, Africa and Europe - is under the control of the Muslims."378 Aus Hämenels bisherigen Äußerungen wird ersichtlich, daß er die gesamte Welt in die von ihm ausgemachte Konfrontation verwickelt sah. "I did emphasise this point in two or three speeches delivered at international forums, referring to it as: global hegemony. I feel today that the use of the term global despotism is a more descriptive title; international dictatorship is a more effective term; they are practising dictatorship over the nations of the world. This is the great calamity faced by humankind today. The peoples (of the world) have no more than two choices: they must either surrender - which, unfortunately, is what their governments want of them to do, which means they must consent to be plundered and yet help the existing dictatorial and colonial system on a worldwide level. That is one choice. The other choice is for the peoples to stand up and fight... They must fight against whatever set-up or establishment strengthens the international dictatorship. They must fight that phenomeEine am 7. Februar 1993 vor ausländischen muslimischen Gästen gehaltene Rede Hämenels anläßlich des 14. Jahrestages der Revolution kann als gewisser
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Höhepunkt seiner Propagierung eines militanten Dualismus gelten. Laut Radio Teheran führte er aus: "Islamic struggle is like a traditional military battle, a classic battle. It is exactly the same, it is a confrontation. When you see the enemy in a military battle showing initiative and starting a move, you try to counter it. When the enemy invents or gets hold of a new weapon, you try to get hold of a weapon to counter that. He gets hold of a tank, you get hold of an anti-tank (weapon). He gets hold of a fighter aircraft, you build antiaircraft weapons. You sit, think, show initiative and counter any move of the enemy. Struggle is just the same. The Islamic movement is just the same."380
Universalismus Das Bestreben Hämene^s, den gesamten Globus zum Schauplatz der beschriebenen Konfrontation zu erklären, deutet auf einen weiteren Aspekt des islamischen Fundamentalismus hin, nämlich auf seinen universalen Anspruch. Über einen langen Zeitraum hinweg habe es der Gegner verstanden, den Eindruck zu erwecken, als verfüge Iran nicht über die Fähigkeit, in globalen Entscheidungen eine Rolle zu spielen. "For at least one or two centuries, colonialism tried to exclude Iranians from comprehensive global activity."381 Das habe sich jedoch mit dem Stattfinden der islamischen Revolution grundlegend geändert. "It acquired global dimensions. Why? Because the world nations, especially the Islamic nation, suddenly felt that there was a shared problem between the Iranian nation and the billion-strong Muslims, which was alienation from their origin and being ensnared by the idols of arrogant powers..."382
Die iranische Revolution habe de facto nicht nur das politische und soziale System in einem Land geändert, nicht nur ein Regime gestürzt und durch ein neues ersetzt, sondern sie sei ein Wendepunkt in der modernen Weltgeschichte gewesen. Die islamische Revolution habe eine Richtungsänderung in der Geschichte bewirkt, die anderen als den bisher gültigen Werten folge: "... raising morale, religious affiliation, the establishment of popular governments, weakening the position of the world's tyrants and the collapse of tyrannical, atheistic and inhumane regimes"383. Hamene 3 ! bemühte sogar den Begriff einer "neuen Ära", die die iranische Revolution seiner Meinung nach eingeleitet habe. "This new era has special characteristics that are different from past eras. A new era has been created with characteristics that are peculiar to it. And whether the materialistic powers of the world want it or not ... this era has begun in the world and has progressed... When a new era starts in
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the history of mankind, no one can be immune from its impact... No one can distance himself from the impact of an era which has begun in the world and which has strong divine and humanistic principles ... we do not expect the major political analysts of the world to confess that this era has begun. Even though they do not confess that a new era has started, they have been influenced by this era and can feel it. This new era should be named the era of Imam Khomeyni.11,384
Der Islamischen Republik Iran bleibe auf Grund ihrer einzigartigen Situation keine andere Wahl, als die Bürde der Verantwortung in dieser neuen Ära zu übernehmen. Hämenel stellte klar, daß Iran nicht nur an seine eigenen Belange denken dürfe, denn "our historical movement is creating a new civilization...We are building a civilization, whose main foundations are culture, insight, wisdom and the perfection of human thought"385. Dabei sei es von untergeordneter Bedeutung, ob sich die iranischen Revolutionäre dieser Aufgabe subjektiv gewachsen fühlten. "It may be the case that we might be very bad, that we might have many shortcomings, that we might be very weak for carrying this message. Nevertheless, that is the message. It is the message of salvation of humanity. You cannot argue or haggle over this message. We have no right to diminish the message in any way... We are not just managers and rulers. We must see ourselves as presenters of a new idea in today's world. We must act on that basis."386
Einer Gruppe libanesischer Schiiten gegenüber machte er deutlich, daß diese Verantwortung praktische Schritte nach sich ziehe. Die islamische Revolution könne eben keinesfalls innerhalb der Grenzen Irans verbleiben. "It is in our revolution's interest, and an essential principle, that when we speak of Islamic objectives, we address all the Muslims of the world, and when we speak of the Arrogant West, we address all the oppressors of the world."387
Hämene 3 ! sollte aber bald bemerken, daß genau diese Haltung und exakt dieser Anspruch nicht nur von den ausgemachten Gegnern, sondern auch von vielen Muslimen als Versuch gedeutet wurde, die iranische Revolution zu exportieren. Dahinter verbarg sich die Sorge, daß am Ende nicht primär islamische Interessen obsiegen würden, sondern schiitische oder nur iranische. Deshalb sah es Hämene^T als wichtige Aufgabe an, diese Sorgen zu zerstreuen. Er betonte, daß Iran nicht beabsichtige, Kriege anzuzetteln und andere Völker zu zwingen, Revolten oder Revolutionen zu beginnen. Aus durchsichtigen Gründen versuche der Gegner vielmehr, diese Absichten zu unterstellen. "The enemy is trying to say: You give financial support. This is a lie. The enemy is trying to say: You are linked with Islamic movements in Islamic
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states. We strongly deny organisational connection and any connection in the way the enemy has in mind. Of course, today all those in the Islamic world who raise their voice in the name of Islam are influenced by our exalted Imam - there is no doubt about that."388
Obwohl die Glaubwürdigkeit der Beteuerungen fragwürdig ist, beharrte Hämene^ darauf, daß Export der Revolution vor allem bedeute, die unterdrückten Nationen zu befähigen, auf eigenen Füßen zu stehen, der Unterdrückung aus eigener Kraft zu widerstehen und dabei Gott zu vertrauen. Sein Kernargument lautete, daß nicht Iran seine Revolution exportiere, sondern daß deren Inhalt und Botschaft sich quasi selbst verbreiteten. "A revolution is not a commodity, which can be exported. A revolution is not something that could be carried somewhere else and exported to another country. A revolution will export itself if it is justified, if it is rational and if it appears attractive to other nations. Yes the revolution has been exported, but we did not export it. It exported itself. That was the first point... The second point is that we do not intend to export the revolution today. A revolution can be exported only once and it did so."389
Beispielgebung Trotzdem sorgte HämeneT bei anderen Gelegenheiten wiederholt selbst dafür, daß die Sorgen, die er zu beschwichtigen suchte, lebendig blieben. Vornehmlich in Reden an seine Landsleute war es ihm stets ein wichtiges Anliegen, deren Stolz auf die Revolution und die Islamische Republik zu mehren, damit die Verbundenheit zwischen Führung und Gefolgschaft zu festigen und ersterer ein höheres Maß an Legitimität zu verleihen. Überschwengliches Lob Irans und seiner Revolution sowie ein daraus abgeleiteter Führungsanspruch in der islamischen Welt mußten in dieser selbst aber geradezu zwangsläufig so aufgefaßt werden, als ginge es in Wahrheit um die Führung durch Iran und nicht durch den Islam. Als die Welt bereits hoffnungslos in den Abgrund dekadenten Materialismus zu stürzen drohte, "a sudden phenomenon occured in the world which was that of the religious and spiritual movement, the flame of which was lit in Iran ... and culminated in the establishment of the Islamic Republic", erklärte Hämenel mit Nachdruck, um an anderer Stelle im gleichen Geist fortzufahren: "We should have no doubt that the most important source of hope for nations, in the past ten years, has been the victory of the Islamic revolution in Iran and the formation of a people's government; the formation of a government of neither East nor West; and the progress of the policy of resistance in the face of arrogant powers. These things have given hope to the people of the world, notably to Muslims."390
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Aus alledem leitete Hämene 3 ! ab, daß "the world of Islam has no alternative but to emulate the line of Islamic Iran and the path of the Imam"391. Dieser direkte Aufruf, Iran nachzufolgen und (Imäm) Khomeini bzw. dessen Lehren als Richtschnur anzuerkennen, erwies sich unter Berücksichtigung oben erwähnter Vorbehalte als taktischer Mißgriff. In verbindlicheren Worten blieb das iranische Staatsoberhaupt jedoch auch später bei seiner Forderung an die Muslime der Welt, die iranische Revolution als Lehrstück zu begreifen und als Beispiel anzunehmen. Dafür spreche allein die Macht des Faktischen eine beredte Sprache. "In the present world where politics is used to plunder the people and where wealth has become the ultimate desired object of worship; in a world where politics and international relations and even relations between governments and peoples have been based on duplicity, deception and tyranny; and in a world where a government such as the US government is proud of causing a tragedy such as Hiroshima, a system has come into being which is based on divine Islamic values and has presented faith and spirituality to the world in a clear and realistic framework,"392
begann Hämenel, um den Gedanken fortzuführen: "If someone wants to call (the revolution) a miracle, let them do so. But this is not one of those miracles that are unrepeatable. It is one with a clear analysis and repeatable everywhere in the world and at all times. Any nation, any great group of people that believes in God and whose hearts are illuminated with the light of faith, and ready for sacrifices, such a people can defeat any power no matter how powerful it be."393
Nachdem es für lange Zeit unmöglich schien, sich gegen die Supermächte durchzusetzen, habe seit der iranischen Revolution ein Bewußtseinswandel bei den Muslimen eingesetzt, denn "the Islamic Republic demonstrated that it is possible to act, to stand up"394. Trotz der erwähnten Gefahren, mißverstanden zu werden, forderte Hämene 5 ! weiterhin, daß die islamische Revolution nicht nur passiv als Beispiel gelten dürfe, sondern daß die Führung der Islamischen Republik aktiv dazu beitragen müßte, daß sich die Beispielwirkung festigt. In seiner Rede zum ersten Todestag Khomeinis betonte er, daß das iranische Volk die Aufgabe habe, durch den engagierten Aufbau einer islamischen Gesellschaft ein Beispiel zu setzen. "Wir müssen beweisen, daß westliche Werte und Lebensweise nicht universell gültig sind, sondern durch bewußtes Befolgen islamischer Normen ersetzt werden können. Die Augen anderer Länder sind auf uns gerichtet, Erfolg und Mißerfolg werden genau abgewogen. An uns liegt es, den Islam als mögliche Alternative attraktiv zu machen."395
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Die unterdrückten Muslime anderer Länder bedürften nun einmal der Ermutigung und der Kraft des Beispiels. "This role model is Islamic Iran."396 Eingedenk der bekannten Vorbehalte gestand Hämene 3 ! allerdings zu, daß die anderen Muslime keinesfalls die Strukturen der Islamischen Republik kopieren müßten. "I do not mean that Muslim countries should have the same organisation, the same particular activities, the same special system which we have set up in Iran. Undoubtedly conditions - the geographic and historical situation, and so forth - differentiate between Muslim nations. Each country may have its own particular requirements when it comes to method of implementation. However, the principle and the spirit of the argument what brought about victory in Islamic Iran and the spread of this ideology throughout the world, and was able to blunt the sharp sword of the superpowers which was hovering over the Iranian nation and which stopped them from carrying out their plans in this country - is summed up in one phrase, which is the spirit of all things. And this is steadfast, unyielding, uncompromising and inflexible spirit in the face of global power and world domination... That is the spirit of the point."397 Indem er ebenfalls die Ausgestaltung der Islamischen Republik als Beispiel für andere Muslime zur primären Aufgabe erklärte, ging Hämene 7 ! zeitweise mit Rafsangäni konform. Bekanntlich kam es diesem darauf an, mögliche Partner nicht zu verprellen und Zeit für den Auf- und Ausbau der Islamischen Republik zu erhalten. Deshalb unterstützte er auch den Revolutionsführer, wenn dieser zugestand: "This nation has decided to build its country without relying on foreigners in a way that would turn it into a model for all Islamic countries - even a model for all other countries in the world. Do not be surprised, this could very well happen."3'8 Im Sommer 1996 zog H ä m e n e l ein Fazit der Anstrengungen, Iran als Beispiel in der islamischen Welt wirken zu lassen. Er kam dabei zu dem Schluß, daß die Gegner nicht von ungefähr versuchten, der Islamischen Republik Abweichungen von ihrem Programm und ihren erklärten Zielen zu unterstellen. "Why this? Because (they) see that the Imam's message has awakened Islamic nations. Look at the world's different nations - especially Islamic nations - and see how they have become influenced by the message of the exalted Imam."399 Gegnerschaft zum Westen Aus dem bisher in diesem Abschnitt Gesagten und aus dem Gesamtkontext der Fragestellung dürfte nicht überraschen, daß Hämene 3 ! den Westen insgesamt
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zum Gegner seines Landes und aller Muslime erklärte. Wie könne sein Land auch dulden, daß Völker hungrig seien, während sie über gottgegebenen Reichtum verfügten. "There are nations who cannot utilise their water and soil and national resources. Foreign (Western) corporations come to their territory and make themselves rich while those nations are left hungry... Today, unfortunately, many nations cannot gain from their own talents and if they do find among their own people a handful of educated individuals, they are attracted by the money offered by the superpowers. That is brain drain or rather brain robbery."400 In der Ausbeutung der Mehrheit der Menschen zugunsten einer Minderheit könne jedoch nicht die Zukunft der Erde liegen. Der Westen habe über Jahrhunderte die falschen Entwicklungsziele gesetzt und habe daher den Anspruch verwirkt, spirituelles Zentrum der Welt zu sein.401 In Wirklichkeit sei er längst "hohl" und regiere mehr über seine Aura als über seine Substanz. "... I said that the superpowers rule more through their aura of power than through their money and weapons. It is a fact that the aura of the might of the superpowers ... made the nations and the governments and politicians and leading figures tremble in many parts of the world, maybe in all parts of the world... Their (Western) real power is less than their show of power. Their weapons and their money and their politics and their intelligence are much weaker than their show of power. It is their awesome appearance which frightens everyone..."402 Die erste Kraft, die diese Schwäche in der Gegenwart aufgedeckt habe, sei die islamische Revolution Irans gewesen, "(which) has questioned the identity, goal and strength of the Western system"403. Der Westen habe diese Herausforderung sehr wohl verstanden. Es sei kein Zufall, daß er alle seine Erfahrung, sein gesamtes Potential in die Waagschale werfe, um die Islamische Republik Iran zu zerstören. "This sensitivity arises from the fact that it can see that Islam can go beyond a (mere) ethical injunction and can present itself as an idea which brings a system (of government) into existence. They can see that. They saw that Islam was able to bring about a lasting and strong system. They saw that Islam was able to bring about self-awareness in a nation, to raise it from a spiritual abyss to steadfastness, self-reliance and reliance on religion..."404 In seiner am 18. Mai 1993 verkündeten Botschaft an die iranischen MekkaPilger nannte er folgende Gründe für die Feindschaft des Westens gegenüber seinem Land:
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- die Abwesenheit von jeglicher Trennung zwischen Religion und Politik in Iran und seine islamischen Grundlagen; - die politische Unabhängigkeit Irans und seine Weigerung, nach westlichen Regeln zu agieren; - die kompromißlose Unterstützung für die Palästinenser in ihrem Kampf gegen das "usurpatorische zionistische Regime" bis zur Gründung eines palästinensischen Staates, der auf der Koexistenz von Muslimen, Christen und Juden beruht; - die moralische und politische Hilfe für alle islamischen Bewegungen in der Welt und unnachsichtige Verurteilung von jeglicher Unterdrückung von Muslimen; - die Abwehr jeder Form von Verunglimpfung des Islam, wie sie im Fall des Buches "Die Satanischen Verse" von Salman Rushdie geschehen ist; - die iranischen Bemühungen um die Einheit der Muslime und die Stärkung ihrer wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Zusammenarbeit. - die Zurückweisung aufgezwungener westlicher Kultur mit allen ihren Verirrungen und achtens, seine Kampagne gegen die Korrumpierung und Verletzung der sexuellen Ethik durch den Westen.405 Auf einzelne dieser Gründe wird im folgenden noch einzugehen sein. Zunächst ist es jedoch an der Zeit zu erwähnen, daß für Hämene 5 ! - erwartungsgemäß die USA in das Zentrum seiner Westkritik rückten.406 "Of course, America and the American regime alone does not reside on the throne of arrogant power, but its most important pillar today is America. Other nations are ensnared by that regime and enslaved by those policies."407
HämeneT stellte die USA als Verkörperung jener Eigenschaften und Haltungen dar, die die islamische Revolution zu überwinden trachtete. "Who can doubt that a government like the American government is the embodiment of evil and corruption? What evil action can you think of in the world which it has not committed? The slaughter of human beings in the course of many years you have witnessed that in Africa, in Asia, in Latin America, in the Middle East, in the sea or on land, wherever the Americans have felt that they have certain interests there and those interests would require a number of human beings to be killed, they have not refrained from doing so."408
Amerika sei allerdings nicht allein die "Verkörperung des Bösen" schlechthin, sondern es versuche auch, diese Eigenschaften durch Einmischung und "Interessenwahrnehmung" in andere Länder zu transportieren. "The interference of the Satanic and evil power America ... in the lives of nations is today greater than ever before. They interfere in all the major
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and fundamental affairs of nations. It s not only a question of the economic problems of nations. They interfere in their culture, politics and the administration of their affairs and with their destinies and their administrators."409
Die USA gebärdeten sich nicht nur als "böseste" Macht, sondern sie versuchten auch, gleichzeitig die dominierende Macht der Welt zu sein. Das gegenwärtige internationale System sei beherrscht vom Streben nach Hegemonie, was wiederum auf die USA zurückzuführen sei, denn "America is the symbol of hegemony"410. Dieses Hegemoniestreben bekämen auch die islamischen Länder zu spüren, vor allem durch die stetig zunehmende politische, wirtschaftliche und militärische Präsenz der Amerikaner im Nahen und Mittleren Osten. Kurzum, "the American rulers naively and foolishly think that they are the bosses of the world. They talk as if they are the managers of the whole earth"411. Sie seien bestrebt, sich auch die Vereinten Nationen gefügig zu machen und mit dem Sicherheitsrat ein von ihnen kontrolliertes "Präsidium der Welt" zu schaffen.412 Damit würden sie nicht nur die Interessen anderer Länder beschneiden, sondern sogar mißliebige Wortmeldungen und Ansichten anderer Staaten unterdrücken. "Sie machen alles, was sie selbst für richtig halten, auch wenn das den Wünschen anderer Nationen in keiner Weise entspricht."413 Für Iran seien diese Erfahrungen nicht neu. Im Gegenteil, die Führung der Islamischen Republik könne heute Vorteile aus der genauen Kenntnis amerikanischer Unterdrückungsmethoden ziehen. "... from the exalted Imam's exile in 1343 (1964) which followed his protest against the (diplomatic) immunity enjoyed by American advisers (in Iran) to the killing of students in 1357 (1978) and to the occupation of the 'den of spies' in the year 1358 (1979), there was confrontation between the Islamic revolution on the one side, and America and its puppet regime in Iran, on the other. And the struggle which continued between these three events and before and after them, defined the nature of Islam and the Islamic Revolution, their aims and path, and also showed up the true face and identity of global arrogance and its manifestation, America, her methods and the degree of her strength and vulnerability."414
Aber auch die Amerikaner hätten in und mit Iran eine einzigartige Erfahrung gemacht. Niemals hätten sie angenommen, die Kontrolle in einem Teil der Region zu verlieren, die vorher vollständig unter ihrem Einfluß stand. Deshalb war und ist es "from the onset of the revolution's victory, the definite policy of America ... to do anything possible to tire the Iranian nation ... (because) God Almighty chose you, the Iranian nation, to be the first base for the flame of Islamic zeal and morality during the domination of materialism..."415 Die Revolution selbst sei der tiefere Grund für die amerikanische Feindschaft und deshalb "this enmity will never end"416.
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Auf Grund der spezifischen Aufgaben und Ziele der Revolution gehe die Feindschaft zu den USA aber auch von Iran aus. "As long as Muslims in every corner of the world ... are directly and indirectly pressured by and suffering from American policies, can we have good feelings towards that bullying, murderous and genocidal regime? Can something like this happen?"417 Hämene 3 ! beantwortete diese polemische Frage mehrfach selbst. Es sei daran erinnert, daß er während des 2. Golfkrieges die Muslime der Welt zu einem "Heiligen Krieg" gegen die USA aufrief. "Anybody who stands up to fight and to confront America's aggression, greed, plans and policies aimed at committing aggression in the Persian Gulf region will have participated in the jihad on the path of God and anybody who is killed on that path is regarded as a martyr."418 Auch später lehnte er jede Chance einer Normalisierung der Beziehungen zu den USA kategorisch ab. Washington verfolge mit derartigen Offerten andere Ziele, denn "they will never have normal relations with a system that talks of Islamic values, as its most vital aims... In that case, the 'Islamic Republic' will be a false name"419. Zusätzlich dazu nutzte H ä m e n e l vor allem die jährlichen Reden anläßlich der Besetzung der Teheraner USA-Botschaft am 4. November 1979 für eine Erneuerung dieser Ablehnung. 1993 erklärte er bei dieser Gelegenheit: "Amerika sagt, laßt uns verhandeln. Es sagt nicht, laßt uns Beziehungen aufnehmen. Was bedeuten Verhandlungen? Sie bedeuten, daß die Verbindungen, die durch die Islamische Republik unterbrochen wurden, repariert werden. Wir erinnern daran, daß uns die Aufkündigung dieser Verbindung die ehrliche Zuneigung aller unterdrückten Nationen der Erde eingebracht hat. Durch Verhandlungen beabsichtigen sie, der Islamischen Republik Iran einen Schlag zu versetzen. Durch die Kontrolle ihres Propagandaapparates werden sie dann behaupten, die Islamische Republik habe ihre Positionen verlassen... Dadurch würde ein allgemeiner Zustand der Verzagtheit unter den Nationen Asiens und Afrikas erzeugt, sogar unter den Muslimen Europas und Amerikas, unter allen Muslimen und Nicht-Muslimen, die ihre Hoffnungen auf uns gesetzt haben."420 Ein Jahr später war es HämeneT wichtig zu betonen: "Wir haben nichts mit ihnen zu tun. Es gibt keine Verbindungen der Freundschaft zwischen uns und Amerika. Haß kommt von unserer Seite, während boshafte Feindschaft von ihrer Seite ausgeht. Dieses Verhältnis wird solange andauern, solange sich das System der Islamischen Republik auf dem richtigen Weg befindet. Solange koranische, islamische und göttliche Bestrebungen uns und das System beherrschen, werden der Haß
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und die Konfrontation auf die und mit den Führer(n) der globalen Arroganz, geführt von den USA, andauern."421
Sporadisch kam es darüber hinaus immer dann zu antiamerikanischen Stellungnahmen Hämene^is, wenn Washington Schritte unternahm, die in Teheran als besonders schädlich oder feindselig angesehen wurden. Das betrifft z.B. den gesamten Komplex der von Präsident Bush nach dem 2. Golfkrieg apostrophierten "Neuen Weltordnung". Für den iranischen Revolutionsführer war diese neue Ordnung nichts anderes als eine verbale Camouflage für die Ausdehnung der amerikanischen Macht,422 "a principal linguistic helper of the Great Satan. Seen from the cameralist logic of Islamicism, a wholesale rejection of the NWO served the Islamic regime's goal of decentering world power by leaping out of Westernist politics into the 'authentic' faith"423. Ein anderer Fall, der Hämene 3 ! in Rage versetzte, war die Existenz einer amerikanischen Liste von Staaten, die Terrorismus ausübten oder ihn unterstützten: "The Americans have put some on the list of terrorists. How dare they! If anyone is to be put on a list of terrorists, the American regime should be the first, because it is more terrorist than others and is the supporter of the most evil of the world regimes, i.e. the Zionist regime."424
Dies gilt auch für den Empfang Salman Rushdies durch Präsident Clinton, der in Hämene'Ts Vorwurf mündete, die USA ließen nichts unversucht, um die Muslime zu provozieren.425 Ein spezifischer Bereich der Auseinandersetzung manifestiert sich darüber hinaus in den gegenseitigen Vorhaltungen hinsichtlich der Einhaltung der Menschenrechte. Für Hämene 3 ! war klar, daß Menschenrechte nur innerhalb des islamischen Rechtssystems vollständige Achtung genießen würden. Da der Islam vollkommen sei, wären auch die Menschenrechte in ihm am besten gesichert. Die im Westen gepriesenen Menschenrechte seien dagegen vom Menschen selbst geschaffen und definierten daher bestimmte Interessen zu einem bestimmten Zeitpunkt und in einer bestimmten Region.426 Demgegenüber forderte er das Rechtssystem seines Landes auf, den Menschenrechten große Aufmerksamkeit zu widmen, aber "not with the deceitful measures and standards that today the West is putting forward, but with Islamic standards"427. Der Westen benutze hingegen seine Auffassung von den Menschenrechten als Waffe. Sobald sich eine Nation oder ein Staat seinen Ansichten widersetze, würde sie gegen ihn gerichtet. "Sie klagen eine solche Regierung - oder auch Nation - an, die Menschenrechte zu verletzen oder den Terrorismus zu unterstützen,"428 behauptete HämeneT in seiner Rede zu Jahrestag der Botschaftsbesetzung, um später zu vertiefen: "They raise cries of human rights wherever they see something which they could use as a pretext for exerting pressure on
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governments on which they want to exert pressure."429 Auch hierbei würden sich die USA auf besonders unrühmliche Weise hervortun. "Yet the Americans claim to be supporters of human rights... A certain regime is blacklisted because, they (the Americans) claim that it does not observe human rights. They blacklist one regime and then they remove another regime from their blacklist, and in this way they manipulate the whole world. This way they make fun of humanity."430 Dabei legten sie ihre eigenen Maßstäbe selbst in höchstem Maße selektiv an. So unterhielten sie weitreichende Beziehungen mit Staaten und Regimes, die selbst die grundlegenden Bestandteile von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten nicht beachteten." (The Americans) do not criticise them (the undemocratic regimes) countries which do not have even parliaments, and countries where people have no political presence. However, such things are not considered as wrong by leaders of America. What they are facing is Islam, and it is Islam that they constantly try to find faults with."431 Daß sich ausgerechnet die USA zum Hort der Bewahrung der Menschenrechte ernannte hätten, entbehre laut Hämenel nicht einer gewissen Komik. Gerade jene, die die Menschenrechte ständig verletzten, ernannten sich zu ihren Beschützern. "It is laughable and ironic, for instance, that those who claim to be caring for human rights are the same people from whose paws drips the blood of the people of Palestine... They accuse Islamic Iran of violating human rights whereas Islam is the greatest guarantor of human rights. Why do we, as a nation, defend the nation of Palestine?... We defend those defenceless people who, in various parts of the world, dare not observe their Islamic principles because of the domination of sinister governments which are democratic in appearance but fascist in nature and action."432 Aber nicht nur, daß die USA bei der Propagierung der Menschenrechte heuchelten, sie hätten selbst im eigenen Land enormen Nachholbedarf. Welche Rechte würden denn die Armen in den Slums von Los Angeles und Washington genießen? Welche Bewandtnis habe es mit den immer noch großen Unterschieden, die zwischen weißen und farbigen Amerikanern existierten? "There are tens of millions - perhaps 50 million or more... - of black Americans. They are deprived of human rights, living in America's towns under the shadow of a government which brands itself as the standard bearer of human rights ... you (Americans) do not believe in human rights. You believe in the rights of corporations: big American capital. You believe in the illegitimate interests of the American regime all over the world."433
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Die Grundlage dafür, eine Kampagne wie die für die Bewahrung der Menschenrechte überhaupt weltweit durchführen zu können, machte Hämene^I in der hochentwickelten Propaganda des Westens und insbesondere der USA aus. Genau genommen basiere das gesamte System des Westens auf "hypocrisy and propaganda. In such systems massive propaganda organisations besiege the entire lives of the people. They are placed in such conditions that they are no longer capable of discovering realities and facts. Whenever the wall of conspiracy collapses, force and dictatorship are revealed"434. Allein an der Bedeutung der Propaganda für den westlichen Systemerhalt könne man ermessen, welcher Stellenwert ihr auch außerhalb des westlichen Systems zuerkannt wird. So werde er z.B. häufig gefragt, warum die islamische Welt dem iranischen Beispiel so zögernd folge. Darauf gebe es mehrere Antworten. Eine wesentliche sei, daß sich die meinungsbildenden Medien der Welt fast ausschließlich in den Händen des Westens befänden und dieser daraus Kapital schlage.43S Er sei sogar in der Lage, mittels seiner Propaganda Regierungen zu stürzen. "(It) takes some rulers away and replaces them with others by means of propaganda. That is how effective the propaganda machinery of global arrogance is when dealing with rootless regimes which do not rely on their peoples."436
Weil sich der Islam als einzige Grundlage für das gerechte Funktionieren einer Gesellschaft erwiesen habe, wenn sich sowohl Führende als auch Geführte an seine Normen halten, habe sich die westliche Propaganda seit der jüngsten Vergangenheit auf ihn konzentriert. Sie porträtierte ihn "as being incapable of organising the political and economic life of Muslim nations, which have no alternative but to live according to the criteria and the contents of the capitalist rules and systems of the West. This is a deceitful machination and lie that has been used for years to make Islamic nations dependent on the arrogant camp of the West, which exploits their material resources"437. Innerhalb dieser Infragestellung des politischen, sozialen, wirtschaftlichtechnischen und kulturellen Potentials des Islam habe die Islamische Republik Iran fast zwangsläufig eine besondere Position eingenommen, da der Islam in ihr - erstmals in der Gegenwart - zum Fundament des Staates wurde. "After the victory of the Islamic revolution, the establishment of the Islamic republic of Iran, and the declaring that the Iranian nation intends to create a society based on Islamic values and realise Islamic laws in it, the wave of propaganda ... poured on the Islamic Republic, attacking it and accusing it of being fundamentalist, reactionary, regressive and so forth. And on the pretext of progressiveness, they criticised Islamic Iran for wanting to be faithful to past traditions."438
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Betrachte man die Vielfalt der Methoden, die Brutalität und Skrupellosigkeit, "so hat die Propagandakampagne des Westens gegen Iran nach der islamischen Revolution beispiellose Ausmaße angenommen,"439 führte Hämene 3 ! vor Pilgern aus. Die Zahl der audio-visuellen und Printmedien, die den Islam und die Islamische Republik ins Visier genommen hätten, sei hoch und steige ständig weiter. "Gemietete Experten sind nur damit beschäftigt, Nachrichten zu produzieren und zu verbreiten, die das Bewußtsein der Konsumenten manipulieren sollen, um den Islam in ein negatives Licht zu rücken."440 Dafür würden enorme finanzielle Mittel aufgewendet. "They spend billions trying to falsify news, so that when it goes on the airwaves over their radios and is heard by one Iranian, via one or two middlemen, it can be effective. How many lies have they manufactured? They have experts. Their aims should be understood. Their aim is to separate us from Islam, to separate the nation from the officials, to make the nation disappointed in the revolution, to make the nation disheartened about the future of its holy war and defence, to drive the nation away from the arena and the centre of the struggle."441
Einzelbeispiele für diese Lügen seien Legion. So würde behauptet, daß nur wenige "verbohrte" Führer Extremismus predigten, während die Mehrheit der Iraner gemäßigten Ansichten folge, oder daß nur eine Minderheit der Nation den Lehren Khomeinis folge, während der Mehrheit primär an ihrem materiellen Wohlergehen gelegen sei, bzw. daß die Botschaft der Revolution in der Welt im Abklingen sei. "But this is a lie and a falsification. Today, in all parts of the world, even places where there are no signs of a Muslim, the name and the symbol of our great revolution, the great movement of our nation and the great movement of that noble man is evident among the people."442
Im Grunde genommen stehe der Feind über seine Propaganda direkt im Land, zwar nicht physisch, aber nicht minder gefährlich. Stetig versuche er den Gedanken zu suggerieren, daß sich Widerstand nicht lohne, daß es keinen Sinn mache, den Islam zu verteidigen, daß der Westen überlegen sei und sich am Ende deshalb auch durchsetzen werde. Dabei gehe es nur vordergründig darum, ob die islamischen Bekleidungsnormen eingehalten würden. "It is not these issues. That which is on the street is secondary. The main issue is what occurs indoors, which starts in schools and gatherings of young people, and this is where our enemies are busy. That which is not obvious, that which is hidden - that is where the danger lies."443
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Die Raffinessen westlicher Propaganda sei unterdessen so weit gediehen, daß auch auf indirekte Weise vorgegangen werde. Einige Medien vermieden direkte Angriffe. "But this does not mean that they are friends. They know that their clear insult against us will bring the hearts of the nations of the world closer to us. Instead of clearly insulting us, they malign us. They portray themselves as being close to us and portray us as optimistic towards them. But this is one of their plots and maliciousness."444
Wenn beispielsweise verkündet würde, daß die Feindschaft gegenüber Iran aus der Feindschaft gegenüber dem Islam herrühre, wären Millionen Muslime aufgebracht. "If she were to admit that the motive behind this enmity lies in the fact that Islamic Iran has wished to exist independently, freely and without American interference, she would place all the liberals and freedomseekers of the world against her. If she were to admit that the reason for her malicious enmity towards Iran and the freezing of Iran's assets and her on-going conspiracy against the Islamic Republic of Iran is that the Iranian revolution has deprived her of this country's riches and brought to a halt the economic plunder of this nation ... all the oppressed nations of the world and those who have suffered from colonialist plundering would stand alongside the Iranian nation and fight against America. Therefore it is perfectly natural and obvious that America and other governments on the arrogant front ... are forced to spend all their energy distorting the facts about Iran and distracting world public opinion..."445
Hämene 3 ! erklärte es als bezeichnend, daß in den westlichen Medien nichts über die großen Aufbauleistungen der Iraner zu finden wäre, über die Aufnahme von Millionen Kriegsflüchtlingen aus benachbarten Ländern, über den Einsatz gegen den Drogenhandel und, um in die Vergangenheit zurückzugehen, die Opferbereitschaft und Tapferkeit im Krieg gegen Irak.444 Trotzdem warnte der iranische Revolutionsführer vor Verzagtheit. Es mache keinen Sinn, angesichts der weltweiten Nachrichtenströme das Heil in deren Ignorierung zu suchen. Vielmehr müsse Iran seinerseits in die Offensive gehen und die Nachrichten einspeisen, die der Westen unterdrücke. Die iranischen Medien "should present the beautiful points of the revolution to their viewers and listeners and should act like an Islamic university by explaining and elaborating upon the principles of pure Mohammadan Islam, including its messages, sources, concepts and its mind-developing teachings"447. Gegenwärtig sei das zwar noch ein ungleicher Kampf, aber Iran könne und dürfe ihm nicht ausweichen. Den Angestellten der iranischen Nachrichtenagentur IRNA gab Hämene 3 ! zu verstehen:
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"You are the capable arms of the Islamic system on the arena of news and publicity. Your important duty in that field is to deal blows to the enemy and to counter the enemy's strikes. That fight requires thought and knowledge. For defeating the enemy would be dependent on learning the knowledge of combat and concentrating on decision making."448
Konfliktfeld Kultur Propaganda und Konterpropaganda sind allerdings auch für HämeneT nur Teil der umfassenderen Auseinandersetzung auf kulturellem Gebiet. Kultur ist für Hämene 3 ! ein sehr komplexer Begriff, der sich vor allem auf Werte und Lebensweise bezieht. "Culture is like water or air. Culture means the manners and customs which govern our lives. Culture means our beliefs and values and all those things upon which a society bases all its personal and social values, its manner inside the home, inside the place of work."449 "... our policy is dependent on our culture, and the outward, evident face of the revolution is a cultural one. Our culture is forged by our history, school and revolution."450
Es sei daran erinnert, daß er den Kampf um kulturelle Unabhängigkeit auf Grund der übergeordneten Bedeutung, die er der Kultur zumaß, für den wichtigsten, gleichzeitig aber auch schwierigsten hielt. Schon bald nach seinem Amtsantritt als Nachfolger Khomeinis machte Hämene 3 ! klar, daß er der Erringung kultureller Unabhängigkeit einen zentralen Platz in seinem Wirken einräumen werde. In einer Freitagspredigt erinnerte er im April 1990 daran, daß die Hegemonie fremder Mächte in erster Linie durch kulturelle Hegemonie sichtbar werde und noch andauere, wenn die politische oder wirtschaftliche längst beendet sei. "In other words, if a nation can impose its culture, its beliefs, its values, its customs and manners, and at a higher level its languages and script upon another nation she will be able to dominate that nation; and her domination will be real domination."451
Das hätten Franzosen und Briten seit zweihundert Jahren gewußt und danach gehandelt, nur um zu sehen, daß die Amerikaner diese Erfahrungen in der jüngeren Vergangenheit aufgegriffen hätten. Allen gemeinsam sei die Verbreitung einer Kultur der Korruption und Verantwortungslosigkeit, einer Kultur "of consumerism, which day-by-day drowns our people deeper in its swamps, so that the Western companies which are the brain and the heart of the camp of arrogance, may reap greater profits"452. Mindestens ebenso verdammungswürdig sei es, daß der Westen mit seinem Kulturexport auch Erscheinungen verbreite, die er auch für sich selbst längst
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als fragwürdig erkannte habe. HämeneT nannte dabei das Drogenproblem und vor allem die sexuellen Freiheiten, die die Substanz einer Gesellschaft von innen auszuhöhlen vermögen. Deshalb müsse sich die Islamische Republik mit allen Mitteln gegen die "kulturelle Unterwanderung" schützen und sich auf die eigenen kulturellen Wurzeln stützen, die im Islam begründet seien. "Islam has defined the duties of Muslims in their social contacts. Islam has defined the duties of the Muslims in the quality of their private lives, in their eating and drinking, in their dress, in their education, in their relations with the government, in their relations with one another and in their transactions. We do not wish to learn these things from the Westerners and to imitate them. The Islamic Republic demonstrated this from the start."453
Durch die besondere Bedeutung, die der Kultur nicht nur von Hämene 3 ! beigemessen wurde, sondern die die Revolution von Beginn an begleitete, wurde in ihrem Namen auch seit 1978/79 Machtkampf ausgetragen. Die "Kulturrevolution" der ersten nachrevolutionären Jahre diente auf unübersehbare Weise der Machtstabilisierung der geistlichen Führung Irans. Dieser Aspekt kam auch zu Beginn der neunziger Jahre zum Tragen, als die "Schonfrist" für Hämene 3 ! und Rafsangänl abgelaufen war und sich abzeichnete, daß sie nicht in der Lage waren, die hochgesteckten Erwartungen der Bevölkerungsmehrheit zu befriedigen. Im Mai 1992 kam es zu gewaltsamen Protestbewegungen in Mashad und Arak. Die gespannte Lage veranlaßte den Revolutionsführer einmal mehr, den Volkszorn gegen das Ausland und insbesondere den Westen zu dirigieren. Am 13. Juli 1992 startete er eine Kampagne gegen die "westliche Kulturoffensive'454. Im Verlauf mehrerer Reden kam er immer wieder auf die seiner Meinung nach wichtigsten Bestandteile dieser Offensive zurück. Zunächst gelte es, zwischen Kulturaustausch und Kulturinvasion zu unterscheiden. Auch Iran benötige kulturellen Austausch, da keine Nation existieren könne, ohne von anderen zu lernen. "Faktisch ist kultureller Austausch einer der wichtigsten Wege der Kommunikation zwischen Völkern, wichtiger als wirtschaftlicher Austausch oder Handelsverkehr."455 Daß er diesem Austausch durchaus eine Richtung gab, beweist sein ausgewähltes Beispiel. Der Handel der Muslime mit Südostasien, vor allem mit Indonesien, Malaysia und dem indischen Subkontinent, habe dort die islamische Botschaft zu verbreiten geholfen. "Eine kulturelle Invasion vollzieht sich hingegen, wenn eine politische oder wirtschaftliche Allianz die kulturellen Grundlagen einer Nation attackiert, um politische Ziele, nämlich die Versklavung dieser Nation, zu verwirklichen. Sie führen ihre Kultur mit Gewalt ein. Sie beabsichtigen, die nationale Kultur durch die ihre zu ersetzen. Das ist Kulturinvasion. Im Kulturaustausch besteht hingegen das Ziel, die eigene Kultur zu berei-
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ehern. Im Prozeß dieses Austausches wird die empfangende Nation versuchen, die besten, wünschenswertesten und interessantesten Ideen zu absorbieren. Zum Beispiel teilt man das Wissen des Anderen. Wenn Iraner z.B. nach Europa gehen, sehen sie, daß die Europäer hart arbeitende Menschen sind, mit der Moral, sich Gefahren auszusetzen. Das zu lernen, ist eine sehr gute Idee... Aber als die Europäer ihre Kulturoffensive gegen uns unternahmen, propagierten sie nicht das Ideal von Mut und Unerschrockenheit gegenüber Gefahren. Sie vermittelten nicht die Mentalität wissenschaftlicher Neugier. Sie hatten nicht vor, die iranische Nation Arbeitseifer und Wissensstreben zu lehren. Dagegen exportieren sie ihre sexuelle Freizügigkeit... Europäer besaßen immer ihre öffentlichen Trinkhallen... Das ist ihre Geschichte ... aber genau das planen sie in unser Land zu exportieren. Im Verlauf der Kulturoffensive exportiert der Feind genau jenen Teil seiner Kultur, von dem er weiß, daß er den größten Schaden anrichten wird... Es ist so, als beabsichtige eine Gruppe von Soldaten eine Festung zu erobern. Ihre erste Maßnahme würde die Unterspülung der Festungsmauern sein, um sie vor dem Angriff zum Einsturz zu bringen."456 Hämene 3 ! ergriff deshalb diverse Maßnahmen der Abschottung. Den Verzicht auf alkoholische Getränke setzte er auf Grund der islamischen Gebote voraus, aber er untersagte fortan auch generell den Genuß westlicher Getränke wie Pepsi oder Coca Cola.457 Noch mehr lag ihm allerdings an der Stärkung der Abwehrkraft der Iranerinnen, wenn er mehrfach die sexuelle Freizügigkeit als Hauptwaffe der westlichen Kulturoffensive bezeichnete. Entweder er adressierte seine Botschaften in dieser Hinsicht direkt an den Frauenverband seines Landes458, oder er flocht in seine zahlreichen Reden über die kulturelle Auseinandersetzung mit dem Westen Passagen über die Frauenproblematik ein.459 Er beschwor die iranischen Frauen, Umgangsformen und Bekleidung nicht als Ausdruck persönlichen Geschmacks zu nehmen, sondern als Manifestation des Bestehens auf der eigenen Kultur. Nicht umsonst erhebe der Westen das Tragen des hegäb zum Politikum. "Aber unsere Frauen lieben den hegäb. Er ist unsere weibliche Nationalkleidung. Er gehört zu unserem Volk. Sie tragen ihn und er sieht gut aus... Der Westen will seine Kultur jedermann aufzwingen und seine Kultur ist Nacktheit. Diese Nacktheit ist auf Grund seiner Propaganda auf dem Vormarsch. Er möchte diese Unmoral und Korruption in die islamischen Länder exportieren. Wir wollen das nicht. Es ist etwas, das unser soziales Zusammenleben stört. Für uns ist der islamische Weg der beste... (Aber) wo werden die Rechte der Frauen wirklich beschnitten? An diesen Orten wird den Frauen Bildung vorenthalten. Dort dürfen sie nicht arbeiten und erhalten keine angemessenen Positionen. Dort werden sie belästigt. Wo ist dieser Ort? Sie sollten die amerikanische Gesellschaft beobachten, um zu sehen, wie die Frauen dort belästigt werden. Frauen in
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den Familien werden von ihren Ehemännern belästigt, Mütter von ihren Kindern. Dort bedeuten die Rechte einer Mutter nicht das, was sie in islamischen Gesellschaften bedeuten..."460,
erläuterte Hämene 3 ! 1994 zum nationalen Tag der Krankenschwestern. Wissenschaft und Technik als Politikum Richtlinienkompetenz erwartete der Revolutionsführer darüber hinaus allerdings noch auf weiteren Politikfeldern. Für die Positionierung der Islamischen Republik im internationalen System und ihre Behauptung im Globalisierungsprozeß waren seine Aussagen zu Wissenschaft und Technik und dabei insbesondere zur Kommunikationstechnologie von besonderer Bedeutung. Dabei gestand er zunächst zu, daß die Hegemonie des Westens durch seinen technologischen Vorsprung und die kenntnisreiche Nutzung von Kommunikationsmitteln wie Rundfunk, Fernsehen, Video, Computer, Internet usw. erleichtert wurde. "Arrogant powers with America at their head have monopolised human science and advanced technology. They intend to dictate to all the world."461 Deshalb sei es auch nicht verwunderlich, daß die USA und der gesamte Westen sich davor hüteten, grundsätzliches know-how und Spitzentechnologien in Länder zu exportieren, die sich ihrem Einfluß zu entziehen suchten. Iran habe deshalb in den Jahren ohne Beziehungen zu den USA lernen müssen, auch auf wissenschaftlich-technischem Gebiet auf eigenen Füßen zu stehen.462 Dieser Prozeß habe im Kopf begonnen, und zwar zunächst auf zwei Ebenen. Für die Wiedergewinnung eines gesunden Selbstvertrauens müsse einerseits die Überzeugung erschüttert werden, daß Wissenschaft und Technik typische Produkte westlichen Denkens und Handelns seien. Richtig sei vielmehr, daß "... this science does not belong to them, it belongs to the whole of humanity, as such sciences were created by those who did not belong to those powers, belonging rather to the human community, and creating all those discoveries, innovations and scientific advances for the sake of humanity."463
Andererseits bemühte auch Hämene 3 ! die bereits erwähnte integralistische These von der Unvereinbarkeit westlichen und islamischen Denkens hinsichtlich der Priorität materieller oder spiritueller Werte. Die iranische Revolution habe eindrucksvoll bewiesen, "that materialistic forces did not have the power to confront spiritual values, movement or the will of the people. There are very few people left in the world who do not realise this truth"464. Die iranischen Revolutionäre seien sich deshalb sicher, daß das Streben nach Verständnis des Koran weit höher einzuschätzen sei als richtungsloser Wissensdurst. Wissen und Erfindungen dürften nicht bloßer Selbstzweck sein, sondern darauf gerich-
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tet, den göttlichen Willen zu erkennen und danach zu handeln.465 Es sei Ignoranz oder Manipulationsabsicht, wenn der Westen dieses Denken und dieses Streben als "altmodisch" abwerte. "Nein, das ist nicht altmodisch. Das ist die Kur für die chronischen Krankheiten der Menschheit."446 Trotzdem war auch Hämene 3 ! bewußt, daß dieses Selbstverständnis allein nicht genügte, um den realen, sehr wohl materiellen Erfordernissen des Funktionierens eines Staates nachzukommen. Sein Lernprozeß führte in dieser Hinsicht zu drei wesentlichen Erkenntnissen. Die erste war, daß nützliches Wissen aus dem Ausland durchaus importiert werden sollte, wenn es nur gelänge, moralisch fragwürdige und korrumpierende Bestandteile vorher herauszufiltern.467 Zum zweiten sprach er sich dafür aus, die bisherige Praxis zu beenden, daß westliche Firmen Endprodukte im Austausch gegen Rohstoffe liefern. Man gewinne den Eindruck, als glaubten einige reiche Staaten auf der Arabischen Halbinsel, daß sie dem Westen überlegen seien, weil dieser für sie baue und nach Wunsch beliefere, um dafür großzügig bezahlt zu werden. Dabei sei das kein Herren-Diener-Verhältnis, sondern der Mißbrauch gottgegebenen Reichtums an Erdöl. "Warum muß die islamische Welt so schwach und abhängig von anderen sein? Warum muß die islamische Welt bei ihren Feinden betteln? Heute müssen einige reiche islamische Länder die Europäer dafür bezahlen, ihr Frischobst und -gemüse zu transportieren, ganz zu schweigen von Maschinen oder Material für den Hafenbau usw. Warum muß die islamische Nation in so einem bedauernswerten Zustand sein?... Ein anderes Denken ist richtig. Das heißt, wir sollten das Wissen, die Technologie oder Industrie von Ausländern beziehen, die wir nicht besitzen, aber die Kontrolle über das Management behalten. Die Auswahl wird unsere sein... Man sollte Wissen von jedermann erwerben, der es besitzt, aber nicht lernen, um Lakai zu werden."468
Zum dritten betonte er, daß die Islamische Republik sich nicht auf den Erwerb fremden Wissens beschränken dürfe, sondern auch auf wissenschaftlich-technischem Gebiet den Anschluß an das internationale Niveau suchen müsse. "Die Feinde des Islam ... benutzen moderne Technologie und massive Investitionen gegen das islamische System ... und die einzige Methode, dem zu begegnen, ist die richtige und bewußte Nutzung derselben Dinge."469 Immer wieder bekräftigte der Revolutionsführer seinen Standpunkt, daß die Verwendung der besten Errungenschaften von Wissenschaft und Technik in allen Lebensbereichen des Staates nützlich und notwendig seien.470 Voller Stolz berichtete er iranischen Pilgern, daß diese Weichenstellung durch die Führung der Islamischen Republik unterdessen dazu geführt habe, daß sich Zehntausende begabter Jugendlicher auf das Studium des Koran konzentrierten, aber unter Zuhilfenahme und
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in genauer Kenntnis aller Errungenschaften menschlichen Wissens.471 Die Verbindung zwischen islamischer Überzeugung und hohem wissenschaftlichem und technischem Erkenntnisstand werde auf längere Sicht zu einer von Iran ausgehenden Explosion an Wissen und Innovationen führen, hinter der selbst der Westen zurückbleibe. Hämene'Ts Haltung erleichterte es der Regierung erheblich, die mißtrauische Obstruktion vieler Geistlicher auf den unterschiedlichen Ebenen der Administration gegenüber technischen Produkten wie Computern usw. zu unterlaufen und in Staatsapparat und Wirtschaft erhebliche Kreativität freizusetzen.
Freitagsprediger
Nach der Revolution von 1979 und der Errichtung der Islamischen Republik in Iran entwickelten sich die Freitagspredigten in allen größeren Städten und Gemeinden des Landes zu einem entscheidenden Mittel der Verwirklichung von Khomeinis Ideal, nämlich der Verschmelzung von Religion und Politik. Das traditionelle Freitagsgebet verlor sukzessive seine primär religiöse Bedeutung und wurde dazu umfunktioniert, die Ideologie der neuen Führung in die Massen zu tragen, Stimmungen und Meinungen zu kanalisieren und die Zuhörer für bestimmte politische Aktionen zu mobilisieren. Zu diesem Zweck wurden traditionalistische und quietistische Ajatollahs und Großajatollahs von den Kanzeln vertrieben und durch "politische" Geistliche ersetzt. Das waren in der Hauptstadt durchaus namhafte Gelehrte wie z.B. die Ajatollahs Yazdi, Emämi-Käsäni, Müsavi-ArdebllT oder GannatT, im Regelfall erhielten aber jüngere, engagierte und auf die "Linie des Imäm" eingeschworene Hoggat olEsläms eine Chance.472 Das Regime zeigte sich mit dieser Umfunktionierung des Freitagsgebets in der Lage, binnen Wochenfrist und flächendeckend auf politische Entwicklungen zu reagieren bzw. diese selbst auf den Weg zu bringen. Die Prediger bezogen sich in der Regel auf bereits bekannte Ereignisse, veröffentlichte Stellungnahmen und geplante Schritte und konnten so durch Zitate, Kommentare, bisweilen sogar Persiflagen, Verbindungen zur Zuhörerschaft aufbauen.473 Der im September 1979 verstorbene Ajatollah Täleqänl hielt am 27. Juli 1979 in Teheran die erste Freitagspredigt "neuen Stils". Darin betonte er den ursprünglich politischen Charakter der Freitagspredigten, wie er schon zu Zeiten des Propheten sichtbar gewesen sei, nur um in späteren Perioden zum bloßen Gebet zu deformieren. Der Freitagsprediger habe hingegen die wichtige Aufgabe, die Gläubigen politisch zu informieren, zu mobilisieren und Intrigen des Feindes aufzudecken.474 Von Mahmüd Täleqänl stammt eine Funktionsbeschreibung der neuen Form des Freitagsgebets, die bis in die Gegenwart ihre Gültigkeit behalten hat:
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"Das Freitagsgebet ... ist der Auftrittsort der fähigen Armee des Monotheismus und ein quälender Dorn in den Augen der Abtrünnigen und Atheisten. Das Freitagsgebet vermittelt Hoffnung auf Sieg und Eroberung. Das Freitagsgebet ist die Hinterlassenschaft der Märtyrer, die Erneuerung des Versprechens an die tapferen Kämpfer gegen Unterdrückung und ein Zeichen der Allianz mit dem Husain unseres Zeitalters, dem Idol-zerstörenden, machtvollen Khomeini. Das Freitagsgebet ist Hoffnung in den Herzen von Freunden und Gefährten ... aber Tod und Frustration in den Reihen der Feinde... Das Freitagsgebet ist eine Manifestation der sozialen und politischen Macht des Islam. Es ist ein Stützpfeiler der Revolution und eine mächtige Festung des Islam."475
Im Oktober 1982 wurde ein Zentraler Rat der Freitagsprediger eingerichtet, der Richtlinien für die Form der Gebete verabschiedete. Es wurde erwartet, daß die Gläubigen während der Gebete nicht sprechen, rauchen, essen oder trinken, daß die Prediger in allen Lebensbereichen ein Beispiel für Frömmigkeit und revolutionäre Überzeugung setzen, und nicht zuletzt beschlossen, daß zumindest die Teheraner Freitagspredigt direkt im Rundfunk übertragen wird.476 Auf Grund der zentralen politischen Bedeutung der Hauptstadt und der landesweiten Verbreitung avancierten die Teheraner Freitagspredigten zu den wichtigsten des Landes. Von den dort auftretenden Geistlichen durften grundsätzliche, die jeweilige Haltung der Führung am umfassendsten und treffendsten beschreibende Predigten erwartet werden. Nach genauer Auswertung der seit der Revolution gehaltenen Freitagspredigten kam Haggay Ram 1994 zu dem Ergebnis, daß die Veranstaltungen im wesentlichen vier Problemkreise ansprachen: Märtyrerschaft und revolutionären Enthusiasmus, Veläyat-e Faqih, islamische Einheit und Export der Revolution.477 Im Sinne der Fragestellung soll im folgenden vor allem auf den letztgenannten Schwerpunkt eingegangen werden. Export der Revolution Es sei daran erinnert, daß die Überzeugung der geistlichen Führung Irans, die erfolgreiche Revolution von 1978/79 habe die inhärente Aufgabe, die Landesgrenzen zu überwinden und die revolutionäre islamische Botschaft in die gesamte Welt zu tragen, die Außenpolitik der Islamischen Republik seit ihren Anfangstagen bestimmte. Iran habe die Aufgabe, islamische Bewegungen in aller Welt zu ermutigen, dem Beispiel zu folgen und selbst das Modell für einen lebensfähigen und attraktiven islamischen Staat zu werden. Auch wenn mangelnde Resonanz bei den Adressaten der Botschaft und die vielfältigen Probleme bei der Festigung des islamischen Staates in Iran selbst zu zahlreichen Kompromissen zwangen, so verstanden sich nicht zuletzt die Freitagsprediger auch nach dem Tod Khomeinis als "Gewissen" für die Auf-
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rechterhaltung dieser revolutionären Verpflichtung. Immerhin sahen sie die mannigfaltigen Bemühungen zum Export der Revolution als entscheidenden Hebel, um die Rückkehr des Imäm Mahd! aus der Verborgenheit zu beschleunigen und damit die weltumspannende, gerechte islamische Regierung rascher Wirklichkeit werden zu lassen.478 Unter den verschiedenen Predigten, die das Thema "Export der Revolution" streiften, treten besonders diejenigen von Ajatollah Emämi Kasan! hervor, der schon unmittelbar nach Khomeinis Tod forderte, daß Iran den Islam in der Welt fördern müsse, d.h. konkret alle Bewegungen, die den Islam nach revolutionärem Verständnis praktizierten.479 Am 26. April 1991 widmete er seine gesamte Predigt dem Thema Revolutionsexport. "What does exporting the revolution mean? During the first year after the triumph of the revolution, our great leader, the late Imam Khomeyni said that exporting the revolution means simply to spread the word of Islam and does not mean to interfere in the affairs of other countries. This means that the Islamic Republic of Iran wants to apply Islam in a practical way. The Islamic Republic is based on faith in God, piety and the combat of all the symptoms of degeneration and corruption. The Islamic Republic is also striving to create a sound and just economy and to eradicate poverty and deprivation... Exporting the revolution is limited to the practical demonstration of the main principles of Islam and to explaining these principles, by the spoken and written word, in Islamic communities... Therefore, the Islamic Republic says with all its emphasis that the export of the revolution and the ideals of the revolution means that the country and the greatness of the revolution and Islam, in all its dimensions, pure and true Islam, should be made clear to the world and brought to the world, but no interference in the affairs of other countries is in any way permitted, because exporting the revolution is through ideas, through the mind, through the growth of nations and not by force..."480
Die gesamte Wortwahl dieser Predigt, die Betonung von Wirtschaft und Wachstum, das beständige Bestreben, die Furcht vor Einmischung zu nehmen, zeigt deutliche Querverbindungen zu den zeitgleichen Bemühungen der Regierung, den Aufbau des Landes zunächst vor revolutionären "Abenteuern" im Ausland zu forcieren. Emämi Kasan! war in dieser Hinsicht kein Einzelfall. Auch der sonst durch besondere Radikalität auffallende Ajatollah Ahmad Gannat! betonte in einer seiner Predigten, daß die Unterstützung für islamische Bewegungen im Ausland durch die Möglichkeiten Irans beschränkt sei. Es müsse eine gewisse Balance zwischen Kosten und Nutzen hergestellt werden. "Do not regard the issue of economy as separate from the revolution and spirituality."481 Da sich die Freitagspredigten zwar auch mit grundlegenden und übergreifenden Fragestellungen wie eben dem Export der Revolution beschäftigten, aber
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mindestens ebenso häufig auch mit aktuellen Fragen der Tagespolitik, lassen sich die Inhalte bestimmter Entwicklungsperioden der Islamischen Republik, einschließlich außenpolitischer Standpunkte der geistlichen Führung, besonders gut an den Predigten ablesen. Freitagsgebete als Ausgangspunkt von Kampagnen Als Rafsangänl und mit ihm die Regierung nach ihrem Amtsantritt 1989 begannen, nach Wegen zu suchen, die Iran aus der Isolation führen und dringend benötigte Mittel für den Wiederaufbau erschließen würden, machte sich in der geistlichen Führung die Sorge breit, Präsident und Regierung wären zu kompromißbereit. Ehe die Idee überhaupt in die Öffentlichkeit getragen werden konnte, mußte Rafsangänl verdeutlicht werden, daß die Normalisierung der Beziehungen zu den USA nicht toleriert werden würde. Ajatollah MüsaviArdebill erinnerte daher vorsorglich in einer Freitagspredigt daran, daß die USA hauptsächlich darauf abzielten, ihren in den vergangenen Dekaden aufgebauten Einfluß in der Region zu bewahren. Deshalb wäre ihm auch schon im Dezember 1990 klar gewesen, daß es am Golf zum Krieg kommen würde. "It is a power struggle, an economic struggle. It (America) has come to get a foothold, to take away the oil, to sabotage European unity, to put on a show of strength for its friends. Its interests are thousand-fold."482
Die USA würden daher alles daransetzen, jegliche Wiederholung eines Ereignisses wie der iranischen Revolution auszuschließen. Die amerikanischen Planungen besäßen strategischen Zuschnitt und umfaßten die nächsten dreißig bis fünfzig Jahre. "They have definitely not forgotten us; they have not forgiven our revolution. They have not forgotten the blows which Islam has dealt them. They are engaged in mischief day and night. And they work cleverly... The enemy is here once again. We must not think: They will leave us alone if we leave them alone. They seek revenge for those days; they want to retaliate to those slaps in their faces."483
Der Chef des Rechtswesens der Republik, Ajatollah YazdT, war in einer früheren Predigt noch deutlicher geworden. Er hob hervor, daß sich in der iranischen Gesellschaft angeblich immer weniger Menschen fänden, die Kontakte zu Ausländern überhaupt begrüßen würden. Auch er sei der Meinung, daß Kontakte zu Ausländern, Gespräche und Diskussionen mit ihnen eher schädlich seien, da die Gefahr bestehe, sich bestimmte Themen aufzwingen zu lassen, und darüber hinaus der Eindruck entstehen könne, Iran wäre nicht in der Lage, seiner Probleme selbst Herr zu werden. Im übrigen unterstrich er, daß nur Hämene 5 ! als Faqih berechtigt sei, eine Entscheidung von der Tragwei-
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te der Wiederherstellung von offiziellen Beziehungen mit den USA zu treffen. Dieser habe das mehrfach ausgeschlossen. "The principle of absolute Jurisconsult (Veläyat-e Faqlh-e Motlaq) and the general powers of the Jurisconsult dictate that when a decree or command is issued, everyone must obey. That is a theological interpretation, that in such cases, or at least in this particular case, no one is allowed to do the slightest thing without permission", meinte Yazdi Rafsangänl erinnern zu müssen. Genauso direkt reagierten die Freitagsprediger auch auf westliche Ermahnungen bzw. Kritiken der UNO-Menschenrechtskommission hinsichtlich mangelnder Beachtung der Menschenrechte in der Islamischen Republik. Ajatollah Gannati warf der UNO und dem Westen Doppelstandards vor. "No matter how many human beings America kills, no human rights are violated. But if we kill a drug-trafficker then that is a violation of human rights. If they create so many loose women in the world, ruin many generations and corrupt men and women, then the rights of women and the rights of men have not been trampled on. But if we say that Islamic dress must be observed so that women's honour is preserved, so that men's honour is preserved, then human rights are violated. The scandal reaches such a point where in France, with all its claims to be the cradle of civilization, they make an issue of the matter of pieces of cloth on the heads of four girls... What is going on? You talk of freedom! A girl wishes to cover her hair, what has that got to do with you? Are people not free to choose their clothes? Well, we see that is the way they act. Now, that is not against freedom! But if we say that women must cover themselves so that they are not bothered by lechers, then that is against freedom."484 Interessanterweise schränkte Gannati bei anderer Gelegenheit ein: "Well, not observing the Islamic dress code is the least of our problems, there are more important issues which have to be dealt with. Western culture must be rejected; Islamic culture must be dominant in all areas."485 Doch zum Problemkreis der Kultur später. Ajatollah Yazdi fühlte sich in seiner Eigenschaft als Chef des Rechtswesens besonders berufen, in Freitagspredigten ein Urteil über die Befolgung der Menschenrechte abzugeben. Er könne in voller Verantwortung sagen, daß Iran über die besten und umfassendsten rechtlichen Quellen verfüge. "... we have the best laws; we have the best methods of preserving human rights, which we have got from Islam, and yet the world does not know about it... it believes that we must copy France, Germany, Japan and so on in our various laws because the world does not know about our wealth
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of legal material. I have personally studied some of these (foreign) codes and found many weaknesses in them - weaknesses which we can raise at international meetings and defend Islam's views."4®6
In die generelle Debatte um die Einhaltung der Menschenrechte ordneten die Freitagsprediger auch das Problem von Khomeinis Fatwä gegen Salman Rushdie ein. Diese Frage wurde in mehreren Freitagsgebeten sowohl von Yazdl487 und Gannati488 als auch von Ajatollah Emäml-Käsänl aufgegriffen. Letzterer äußerte dazu in seiner Predigt am 19. Februar 1993: "They say what the Imam said ... has violated human rights and that people should be free (to express themselves). Why should not Salman Rushdie be free? He has (only) expressed his opinion. They say we regret that Muslims have been insulted; but he has expressed his opinion and he is free to do that. But why has the Imam ... said that his blood should be spilt? I say: Very well, free, let him (Rushdie) be free, then the Imam is also free... Should a source of emulation (Khomeyni) be free to announce God's decree or should he be restrained? How is it that a scoundrel must be free to blaspheme, but a highly-placed authority and a divine man must be restrained and not be free to demand the implementation of God's edict. Did the Imam send troops to Britain?"449
Darüber hinaus waren alle Freitagsprediger beständig bestrebt, das Feindbild "Westen" und insbesondere "USA" einerseits lebendig zu erhalten und andererseits die Zuversicht der eigenen Überlegenheit zu vermitteln. Ajatollah Yazdl bezog sich z.B. auf Äußerungen des damaligen amerikanischen Außenministers Baker, der bedeutet habe, daß ein Ausdehnen des iranischen Einflusses in Mittelasien nicht im Interesse der USA läge. Das verdeutliche einmal mehr die Mentalität der westlichen Supermacht. Hat denn Mittelasien für die USA keine andere Bedeutung, als dem Islam Einhalt zu gebieten? "For about 70 years the arrogant powers tried to uproot Islam and failed. Now the Muslims have come and expressed their interest in Islam. What right do you have in wanting to confront this wave?... The people want to be Muslims!... Worse than all this is that phrase of theirs: This wave of thought must be confronted militarily. One wonders where these people are living! Did history not show you? You cannot confront religion with the sword and the gun..."490
Yazdl führte den letztgenannten Gedanken noch zu anderen Gelegenheiten aus. Längst sei erwiesen, daß militärische Macht in der Gegenwart an ihre Grenzen stoße. Heute werde ein ideologischer Kampf, ein Kampf um den richtigen und wahren Glauben geführt, in dem Uberzeugungen und Argumente zählten und nicht Kanonen.491 Auch Gannati äußerte sich zu dieser Frage, wobei er allerdings eine andere Argumentationskette bevorzugte. Amerika wäre wirtschaftlich und finanziell
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geschwächt, selbst Regierungsangestellte würden arbeitslos. Deshalb versuche Washington, seine Probleme durch besondere Aggressivität und Konzentration auf militärische Mittel und Methoden in der Außenpolitik zu lösen. Die USA seien ein Koloß auf tönernen Füßen, den ein prinzipienfester Muslim nicht zu fürchten habe.4'2 Vielfach half allerdings die Belebung des Feindbildes allein nicht über innenpolitische Krisen hinweg. Als sich Anfang der neunziger Jahre massiver Unmut in der Bevölkerung über sich rapide verschlechternde Lebensverhältnisse in spontanen Protesten entlud, waren die Freitagsprediger gehalten, dieses Mißfallen direkt zu adressieren und nicht auf die Außenpolitik auszuweichen. Heraus kam dabei eine Kampagne zur Aufrechterhaltung der Werte der islamischen Revolution. Ajatollah Gannati bestand darauf, daß Iran keine Revolution für Brot und Butter erlebt habe. "We did not have a revolution for material well-being or for our stomachs either... This is not called a revolution, this is just satisfying and sating human desires... The thing that gave this revolution sanctity and made it an Islamic revolution was this very same point: the issue of values... The revolution occurred because values were trampled upon in the past... The revolution came to give life to values, to give life to spiritualism, faith, piety, God and human ethics... The survival of this revolution depends on values. In other words, if these values are safeguarded, the revolution will live as an Islamic revolution. And if any of these values are damaged, the revolution will be marred to the same extent as that damage."493 Mit einmaligen Appellen derartigen Zuschnitts war das Problem allerdings nicht aus der Welt zu schaffen. Die Kampagne dauerte daher mehrere Monate und schloß auch andere Prediger ein. Im August 1993 fragte Ajatollah MüsavTArdebffi seine Zuhörer polemisch: "How satisfied are you with the situation? Let me ask you something: Will we have achieved the objective of the revolution if ... our cities prosper, all the war destruction is made good, the problems of our economy are resolved, we overcome inflation, high prices are abolished, all our hospitals, our schools and universities prosper, capital starts to flow, and all devastation is made good? Was the revolution saying just that or did we revolt in order to become what we have become? If we say that, we are mistaken. Will we become just like Japan? If today in a miraculous way we become a Japan, can we claim that we have reached our objectives? It was not the objective of our revolution to become like some countries which have a strong and sound economy, a strong currency and a high standard of living... Instead, we aimed to implement the Koran. The Koran does not say that I provide you with a formula for becoming a Japan, America or Europe. These are not the objectives of the revo-
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lution...In other words, we seek what is right, righteous, expedient and finally what brings about spiritual prosperity..."494
Opportunismus ist den Freitagspredigern somit nicht vorzuwerfen, allerdings erleichterte ihnen die Arbeitsteilung mit der Regierung ihre Prinzipienfestigkeit. Wenig überraschen dürfte auch, daß sich die Freitagsprediger auf umfassende Weise dem von Hämene3! initiierten Kampf gegen die "westliche Kulturinvasion" anschlössen. Zu zahlreichen Gelegenheiten wurden die Anregungen HämeneTs aufgegriffen, mit weiteren Beispielen angereichert und so "unters Volk" gebracht. Dabei tat sich vor allem Ajatollah Emämi-Käsänl hervor. Um stetige Wiederholungen zu vermeiden, sei nur ein Beispiel angeführt, das aufzeigt, wie sich die Westkritik auf dem Gebiet der Kultur innerhalb des von Hämene3! gesetzten Rahmens bewegte. Käsäni erklärte am 28. Oktober 1994: "America says that your culture should be fused with the American culture, and the same should happen to your morality and your economy. In short, they want all aspects of Islamic nation's lives to be dissolved in what is called the Western culture."495
Von größerem Interesse dürfte ein Beispiel dafür sein, wie Emämi-Käsänl in einer seiner Predigten im Rahmen des Kulturkampfes jeglichen Gebrauch von Satelliten-TV kategorisch ausschloß und damit die zaghaften Argumente in den zuständigen Fachministerien konterkarierte, nicht die Technik abzulehnen, sondern auf den Inhalt der Sendungen Einfluß zu nehmen. "Satellitenfernsehen, die Ausstrahlung von Programmen ausländischer Sender, ist nicht geeignet, die wissenschaftlichen Kenntnisse der Völker zu erhöhen. Vielmehr wurde es entwickelt, um die Jugend in die Irre zu führen. Wenn ihr meine Bemerkungen überprüfen wollt, seht euch die Preise der wissenschaftlichen Filme an, die der Westen anbietet. Sie verkaufen obszöne Filme zu einem sehr niedrigen Preis oder verschenken sie sogar, während wissenschaftliche Filme so teuer sind, daß man sich ihren Kauf nicht leisten kann. Sie (der Westen) transferieren nicht ihr Wissen. Sie transferieren nicht ihre Erfahrungen bei der Modernisierung von Technologien. Was sie transferieren ist etwas, das Familien korrumpiert."4'6
Ajatollah Yazdl argumentierte ähnlich.497 Ein weiteres Beispiel dafür, wie weit in den Alltag hinein die Freitagsgebete geeignet waren, auf das kulturelle Verhalten der Menschen Einfluß zu nehmen, liefert eine Predigt Gannatls. Darin warnte er Textilfabrikanten vor der Herstellung von mit westlichen Symbolen versehenen T-Shirts. Auch in diesen scheinbaren Nebensächlichkeiten offenbare sich jedoch islamische Gesinnung.
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Warum kommen diese Hersteller nicht auf die Idee, die richtigen Dinge auf den millionenfach getragenen T-Shirts zu propagieren? "(What about) Quds, my homeland ... write those ones, either in pictures or in words. Promote those things! Why shouldn't there be pictures of Quds on a (T-)shirt? And if you wish to be political put cartoons of America on the clothes. Show their crimes in cartoons, show Israel's crimes in cartoons ... the suppression of the Muslims of Palestine, and the refugees of Azerbaijan. Do that sort of thing."498
Unterschiedliche persönliche Handschriften Trotz der instrumentalen Funktion der Freitagsgebete als "Scharnier" zwischen geistlicher Führung und Bevölkerung lassen sich neben alltagspolitischen Kampagnen auch persönlicher Stil und individuelle Absichten einzelner Prediger aus ihnen ablesen. Natürlich waren alle Prediger gehalten, die Weisungen Hämene'is und die daraus in ihrem Rat abgeleiteten Richtlinien umzusetzen, aber einige hoben sich durch Radikalität ihrer Ansichten und ihrer Wortwahl deutlich von anderen ab. Zu letzteren gehörte eindeutig das Mitglied des Wächterrates Ajatollah Ahmad Gannatl. Wo seine Amtskollegen die Formulierungen Hämenels nur im wesentlichen übernahmen und ausbauten, tat sich Gannatl im Regelfall durch eine Verstärkung derselben hervor. Nicht nur, daß er teilweise die Bedrohungssituation "umdrehte", d.h. den Islam als größte Gefahr für den Westen bezeichnete, 4 " er erweckte auch den Eindruck, als verstärke sich die Konfrontation quasi täglich.500 Darüber hinaus zeichnete er sich auch häufig durch ungewöhnliche, oft sogar phantasievolle Argumente aus. So setzte er z.B. in seiner Predigt vom 12. November 1993 die Eingangssure des Koran in ein Verhältnis zur außenpolitischen Hauptparole der Islamischen Republik. "Weder Ost noch West - Islamische Republik" entspreche "Es gibt keinen Gott - außer Gott"501. Natürlich waren auch ihm allgemeine Charakterisierungen des westlichen Gegners wichtig, etwa: "The enemy only thinks of his stomach. He thinks of lust, wealth, status and mundane matters of this valueless, untrustworthy and disloyal world. Divine tradition will not allow them to survive. The creation of the world is not based on this...They (the enemies) are wrong because they are moving in a direction contrary to the objectives of creation. They will be, thus, crushed..."502,
aber er reicherte seine Aussagen immer mit Beispielen an, mit denen er sich seinen Zuhörern verständlicher machen wollte.
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Um Doppelzüngigkeit und Heuchelei der USA anzuprangern, bemühte er plakativ das Beispiel von AIDS, ohne sich größere Sorgen über den Wahrheitsgehalt seiner Einschätzung zu machen. "Just look at this American plague. AIDS is a present from America to the world. If any other country had done this, they would have made such a hue and cry: that country is backward or whatever. Such a disease has been found there. O people! Do not catch this disease. But America gave this disease to the so-called uncivilised world."503
Mit solchen Argumenten, aber auch z.B. mit seiner Forderung, eine internationale islamische Armee aufzustellen, um den Glaubensbrüdern in Bosnien zu helfen,504 erwarb sich GannatI große Popularität unter jugendlichen Aktivisten der Revolution, namentlich Anhängern und Sympathisanten der Hezbollah und der Ansär-e Hezbollah. GannatI griff diese Zustimmung seinerseits auf und gebärdete sich als Schutzpatron dieser Organisationen. Mehrfach machte er deutlich, "if there were no hezbollahi, the murmurs of compromise with the United States and Israel would grow louder"505. Nicht so sehr durch Originalität und Plastizität seiner Beispiele, sondern durch die Unversöhnlichkeit und Härte seiner Argumente zeichnete sich Ajatollah MüsavI-Ardeblll aus. Das betraf insbesondere das Verhältnis zu den USA. Zum einen baute er die - vor ihm schon von anderen Würdenträgern geäußerte - Idee aus, das Verhalten Washingtons gegenüber Iran zum Gradmesser der eigenen Konsequenz bei der Verfolgung der revolutionären Ziele zu machen. Demzufolge sei jedes Kompromißangebot der USA an Iran als Aufforderung zu verstehen, nicht länger "Tod Israel!" zu rufen oder die Araber widerstandslos Frieden mit dem Zionismus schließen zu lassen. Die Forderung an Iran, "den Fundamentalismus aufzugeben, bedeutet eigentlich, unser republikanisches System und seine Ziele aufzugeben, damit Herr Clinton die Welt führen kann"506. Noch deutlicher umriß er das Wechselverhältnis bei anderer Gelegenheit: "I should mention that if they stop condemning us then we must begin to doubt our behaviour: why is it that the Americans have left us alone? It is on the day they wage an attack against us that we say to ourselves: praise be to God, that arrogance still attacks us."507
Wenn diese Idee auch Khomeini oder Hämene 3 ! gefallen hätte, so spitzten diese ihre Feindschaft zu den USA - zumindest verbal - nie in dem Maße zu wie MüsavI-Ardeblll, für den selbst die Annahme humanitärer Hilfe aus den USA für iranische Erdbebenopfer unannehmbar war. "... we are willing that, God forbid, five, ten, a hundred of our earthquake victims be killed rather than have global arrogance stretching out its hand in friendship towards us"508.
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Es war dieser im Ausland sehr wohl vermerkte Fanatismus, der es der iranischen Regierung so schwer machte, mit ihren Beteuerungen der Friedfertigkeit und Toleranz Gehör zu finden. Nicht genug damit, Müsavi-Ardebill übertraf sich noch. Er forderte alle Muslime, seien sie Kuwaitis, Iraker, Pakistaner oder Iraner auf, überall dort Widerstandszellen zu gründen, wo amerikanische Interessen im Spiel seien, "so that they would not even dare to go to the toilet, or buy a sandwich from the market and eat it, for fear of being poisoned. They should make life difficult for them. We do not know about classical warfare, but we know about that sort of thing. If a person is killed in the process he would definitely be a martyr. That is a religious duty"509. Vermutlich gingen derartige Aufforderungen selbst der geistlichen Führung zu weit. Bei seiner nächsten Freitagspredigt sah sich MüsavT-Ardeblll daher bemüßigt, seine Äußerungen aus der Vorwoche zu kommentieren, ohne sie allerdings in der Substanz zurückzunehmen. Im Gegenteil, er bestätigte, die Muslime aufgefordert zu haben, nicht auf die klassische Kriegführung zu setzen, denn diese habe zur irakischen Niederlage geführt. Auf diese Weise sei Widerstand gegen die unipolare Weltordnung in der Gegenwart unmöglich. Wenn Amerika hingegen sehe, daß seine Agenten und Vollstrecker in Europa, Afrika und Asien verhaftet und verschleppt würden, sei es hilflos. Er unterstrich selbst seine Aufforderung, amerikanische Offizielle zu töten. Ein klassischer Krieg gegen die USA sollte nur wenn notwendig geführt werden, denn diese zeigten sich weitaus verwundbarer, wenn ihre Berater oder Vertreter auf allen Kontinenten getötet würden. Vergeltung sei dann viel komplizierter zu bewerkstelligen.510 MüsavT-Ardebllls Predigten sind keinesfalls repräsentativ für die offizielle Haltung und die außenpolitischen Vorstellungen der geistlichen Führung der Islamischen Republik. Allerdings zeigen sie auch, wie weit der "radikale Rand" in die Führung hineinreicht. Immerhin handelt es sich bei ihm nicht um einen karrieristischen Hoggat ol-Esläm aus der Provinz, sondern um einen langjährigen hauptstädtischen Freitagsprediger. Um das Bild zu vervollständigen, sei zumindest erwähnt, daß die Predigten in anderen größeren Städten des Landes im Regelfall die Teheraner Generalthemen aufnahmen, sie allerdings im Einzelfall mit lokalen Beispielen anreicherten. Auch hier wurden bei der Auswahl von Themen und Beispielen bestimmte individuelle Noten sichtbar.511 Das wird besonders an den Freitagsgebeten in Qom, dem geistlichen Zentrum Irans, sichtbar. Der besondere Status der Stadt wird nicht etwa dadurch deutlich, daß die Predigten weniger "politisch" gewesen wären als in der Hauptstadt. Die nachrevolutionäre Funktion des Freitagsgebets galt auch für Qom. Insofern klingt auch eine Auswahl von Themen vertraut, denen sich Ajatollah Gavädl-Amöll, einer der langjährigen Freitagsprediger der Stadt, zuwandte: Arroganz und Hegemonialstreben
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der USA,512 Kulturinvasion des Westens513 oder Verweigerung des Rechts auf das Tragen islamischer Kleidung in Frankreich.514 Es wird jedoch sichtbar, daß die Freitagsprediger in Qom den spezifischen religiösen Bildungsstand der Mehrheit ihrer Zuhörer berücksichtigen. Ihre Predigten sind mit mehr Verweisen auf das islamische Schrifttum versehen, sie sind auf Seriosität bedacht, verbale Exzesse, wie die Ajatollah MüsavI-ArdebTlIs in Teheran, vermieden sie. Gavädi-Amöli und Ajatollah MeskinI, ein weiterer Freitagsprediger in Qom, gleichzeitig Sprecher des Expertenrats und "Vater" der modifizierten Verfassung von 1989, waren bestrebt, ihre geistliche Reputation innerhalb der religiösen Elite Qoms mindestens ebenso zu bewahren wie ihre politische Prinzipienfestigkeit zu beweisen. Trotzdem sind auch sie letztlich nur Bestandteil eines der effektivsten Instrumente politischer Machtsicherung und ideologischer Beeinflussung, über das die geistliche Führung Irans verfügt - das Freitagsgebet.
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Vgl. P. Beyer, Religion and Globalization, London-Thousand Oaks-New Delhi 1994, S. 160. Vgl. U. Steinbach, Die "Zweite Islamische Republik". Der Gottesstaat auf dem Weg in die Normalität. In: Außenpolitik, Bonn, (1990) 1, S. 86. Beyer, Religion..., a.a.O., S. 181. H. Amirahmadi, Economic reconstruction of Iran: costing the war damage. In: Third World Quarterly, London (1990) 1, S. 30. Vgl. M.M. Miläni, Zororat-e demokräsi barä-ye bäzsäzi va tovsece-ye eqtesädi. In: Ädineh, Teheran (1989) 38, S. 40. Vgl. M. Dorraj, Populism and Corporatism in Post-Revolutionary Iranian Political Culture. In: S.K. Farsoun/M. Mashayeki (Hg.), Iran. Political Culture in the Islamic Republic, London-New York 1992, S. 224. Vgl. auch A. Kashian, Can the Iranian Economy be Saved? In: Comparative Economic Studies, London (1990) 1, S. 33-66. Vgl. R.K. Ramazani, Peace and Security in the Persian Gulf: A Proposal. In: C.C. Joyner C.C. (Hg.), The Persian Gulf War: Lessons for Strategy, Law and Diplomacy, New York-Watford-London 1990, S. 226f. Vgl. N.B. Schahgaldian, Iran after Khomeini. In: Current History, Philadelphia (1990) 2, S. 61. Vgl. MacLeans, Toronto, 16.1.1989, S. 25. Zit. in: Miläni, Zororat-e..., a.a.O. Vgl. F. Kazemi, All politics is local. In: P. Clawson (Hg.), Iran's Strategic Intentions and Capabilities, Washington D.C. 1994, S. 49. Vgl. S. Chubin, Iran and its Neighbours: The Impact of the Gulf War. In: Conflict Studies, London (1987) 204, S. 1.
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Vgl. P. Clawson, Alternative Foreign Policy Views among the Iranian Policy Elite. In: Ders. (Hg.), Iran's..., a.a.O., S. 29. Vgl. Saläm, Teheran, 21.4 1994. Vgl. Kayhän, Teheran, 25.1.1994. S. Chubin, Iran's National Security Policy. Capabilities, Intentions & Impact, Washington D.C. 1994, S. 85. Vgl. S.T. Hunter, Iran and the World. Continuity in a Revolutionary Decade, Bloomington 1990, S. 43. Vgl. S. Shojai, Iran in Global Perspective. In: H. Zanganeh (Hg.), Islam, Iran & World Stability, New York 1994, S. 142. Vgl. Dorraj, Populism..., a.a.O., S. 225. Vgl. Amirahmadi, Economic..., a.a.O., S. 39. Enqeläb-e Eslämi, Teheran, 12.9.1988. Kayhän, Teheran, 21.8.1989. Vgl. Financial Times, London, 30.5.1991; 8.5.1992. Vgl. ebenda, 1.5.1992. Vgl. ebenda, 25.6.1991. Zit. in: D. Menashri, Khomeini's Vision: Nationalism or World Order? In. D. Menashri (Hg.), The Iranian Revolution and the Muslim World, Boulder 1990, S. 52. Vgl. Far Eastern Economic Review, London, 8.9.1988. Vgl. The Economist, London, 20.8.1988. Vgl. H. Vaziri, Iran & Saudi Arabia in the 1990s: From Hostility to Regional Cooperation? In: U.S.-Iran Review, Washington D.C. 2 (1994) 4, S. 5. Vgl. F. Halliday, Islam & the Myth of Confrontation. Religion and Politics in the Middle East, London-New York 1995, S. 65. Vgl. ebenda, S. 64. F. Steppat, Schi'a und Sünna: Religiöse Konfliktlinien und politische Brisanz. In: F. Scholz (Hg.), Die Golfstaaten: Wirtschaftsmacht im Krisenherd, Braunschweig 1985, S. 48. Vgl. auch K.L. Afrasiabi, After Khomeini. New Directions in Iran's Foreign Policy, Boulder-San Francisco-Oxford 1994, S. 158f. Vgl. A. Hashim, The Crisis of the Iranian State. Adelphi paper 296, London 1995, S. 36. Vgl. auch Beyer, Religion..., a.a.O., S. 180. Vgl. Amirahmadi, Economic..., a.a.O., S. 35. Vgl. S.T. Hunter, Post-Khomeini Iran. In: Foreign Affairs, Washington D.C. (1989/90) Winter, S. 143. Derartige Behauptungen gehörten zum Standardvokabular von Ajatollah Hämene3!. 1990 erklärte er z.B. in einer Freitagspredigt in Teheran: "(The world up to now knows) two types of government; one, Western democracies, which were current in Western countries and their satellites; the other, communist governments, which they themselves called workers' governments, although the leadership consisted of rich people and aristocrats, not workers; and at the top of the pyramid of those powers, those who ruled and governed were no different from those rulers and leaders who were not to their liking, however, they were called workers' governments and dictatorships of the proletariat; the so-called Marxist and socialist governments. The world knew those two types of government. They were opposed to one another; one was the Western camp, the other the Eastern camp. And they seriously confronted one another; they negated and fought one another. However, when the Islamic Republic came
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into being - this new type of government - both camps confronted the Islamic Republic, first with amazement and then with fear." (Radio Teheran, 30.3.1990, zit. in BBCSummary of World Broadcasts - BBC-SWB - Reading, ME/0728A/1, 2.4.1990) Die Kontinuität dieser Sichtweise zeigt sich z.B. anläßlich einer Rede Hämenels zum Tag der Armee, 1994, als er ausführte: "Well, America and the Soviet Union disagreed on a hundred issues and agreed on some. One, and the most important, was to put pressure on the Islamic Republic." (Radio Teheran, 13.4.1994, zit. in BBC-SWB, a.a.O., ME/1972MED /10, 15.4.1994). Vgl. Hunter, Post-Khomeini Iran..., a.a.O. Vgl. Hashim, The Crisis..., a.a.O. Vgl. S.T. Hunter, Iran after Khomeini, New York-Westport-London 1992, S. 121f. Vgl. G. Tabataba% Garb va Sarq va masä'el-e mä. In: Irän-e far da, Teheran 2 (1994) 12, S. 5-9. Vgl. A. Giddens, The Consequences of Modernity, Cambridge 1990, S. 64. Beyer, Religion..., a.a.O., S. 160. TV-Aufzeichnung einer Rede Hamenels in Qom am 19.2.1992. In: BBC-SWB, a.a.O., ME/1310A/3, 21.2.1992. Vgl. M. Massie, Rafsanjani's Iran. Vol. Ill, Gulf Centre for Strategic Studies, London 1991, S. 32. Vgl. ebenda, S. 31. Vgl. Kazemi, All politics..., a.a.O., S. 53. Vgl. H. Katouzian, Problems of Political Development in Iran. In: British Journal of Middle Eastern Studies, Durham 22 (1995) 1-2, S. 14. Vgl. auch J. Calabrese, Revolutionary Horizons. Regional Foreign Policy in PostKhomeini Iran, London 1994, S. 7f. Vgl. G.E. Fuller/I.O. Lesser, A Sense of Siege. The Geopolitics of Islam and the West, Boulder-San Francisco-Oxford 1995, S. 1. Vgl. The Islamic Revolution in Iran: A Glimpse of the First Decade, Teheran 1989, S. 54. Radio Teheran, 23.7.1990, zit. in: BBC-SWB, a.a.O., ME/0825A/7, 25.7.1990. Vgl. R. Simbar, Monäzacät mintaqäl dar gahän-e sevvom va päyän-e gang-e sord. In: Magallat-e slyäsat-e härigi, Teheran 8 (1995) 4, S. 793-812. S. Taeb, Political and Economic Developments: New National Security Strategy, Teheran o.J., S. 3f. Vgl. Echo of Iran, London 41 (1993) 70. Vgl. auch A. Ehteshami, The politics of economic restructuring in post-Khomeini Iran. In: Centre for Middle Eastern and Islamic Studies (CMEIS) Occasional Papers No. 50, Durham 1995, S. 11. Zit. in Hashim, The Crisis..., a.a.O., S. 16. Radio Teheran, 30.3.1990, zit in: BBC-SWB, a.a.O., ME/0728A/2, 2.4.1990. Vgl. Hashim, The Crisis..., a.a.O., S. 16. Vgl. BBC-SWB, a.a.O., ME/1399A/3, 5.6.1992. Rede anläßlich des 11. Jahrestages der iranischen Revolution. In: Ebenda, ME/0679A/2, 3.2.1990. Ebenda, ME/0783A/1, 6.6.1990. Radio Teheran, 7.2.1992, zit. in: BBC-SWB, a.a.O., ME/1300A/6, 10.2.1992. Ebenda, ME/1195A/3, 5.10.1991. Ebenda, ME/1300A/9, 10.2.1992. Ebenda, ME/1169A/5, 5.9.1991.
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Kapitel III
Ebenda, ME/1249A/6, 7.12.1991. Ebenda, ME/1248A/9, 6.12.1991. Botschaft Ajatollah Hämene^s an iranische Pilger. In: BBC-SWB, a.a.O., ME/1105A/3, 22.6.1991. Rede Präsident Rafsangänis vor geistlichen Würdenträgern Teherans. In: Ebenda, ME/1284A/l, 22.1.1992. Freitagspredigt am 8.2.1991. Zit. in: Ebenda, ME/0993A/26, 11.2.1991. Vgl. ebenda, ME/2384MED/7, 17.8.1995. Freitagspredigt am 8.2.1991. Zit. in: Ebenda, ME/0993A/26, 11.2.1991. Rede an die Kundgebungsteilnehmer anläßlich des 11. Jahrestages der Besetzung der Teheraner USA-Botschaft. Zit. in: Ebenda, ME/0914A/8, 6.11.1990. Vgl. ebenda, ME/0685A/2f. 10.2.1990. Neujahrsbotschaft an die Christen der Welt. Zit. in. Ebenda, ME/0652A/6, 3.1.1990. Eröffnungsrede zur 9. internationalen Konferenz islamischer Geistlicher in Teheran, 29.1.1992. Zit. in: Ebenda, ME/1292A/2, 31.1.1992. Freitagspredigt auf dem Teheraner Universitätsgelände, 4.10.1991. Zit. in: Ebenda, ME/1196A/1, 7.10.1991. Vgl. BBC-SWB, a.a.O., ME/1608A/3, 9.2.1993. Stellvertretender Außenminister Be&irati in einem Rundfunkinterview. Vgl. Ebenda, ME/1169A/5, 5.9.1991. Auch im Westen fand diese Sicht der Dinge ihre Befürworter. Graham Fuller behauptete z.B.: "With the collapse of communism, no other coherent set of beliefs dispersed among people over a wide geographic area has emerged to pose a systematic critique of the West as strongly and clearly as has radical Islam." In: G.E. Fuller/I.O. Lesser, A Sense..., a.a.O., S. 2. Rede Hämenels anläßlich Muhammads Geburtstag, 15.8.1995. Zit. in: Ebenda, ME/2384MED/6, 17.8.1995. Zit. in: M. Mohadessin, Islamic Fundamentalism; The new global threat, Washington D.C. 1993, S. 37. Freitagspredigt auf dem Gelände der Teheraner Universität, 28.10.1994. Zit. in: BBCSWB, a.a.O., ME/2140MED/6, 31.10.1994. Vgl. Interview mit der Iranian News Agency (IRNA), 16.9.1991. Freitagspredigt auf dem Gelände der Teheraner Universität, 8.10.1993. Zit. in: BBCSWB, a.a.O., ME/1816MED/19, 11.10.1993. Vgl. F. Rajaee, Globalization and Factionalism in Revolutionary Iran. Draft Paper, o.O., o.J., S. 13. Freitagspredigt auf dem Gelände der Teheraner Universität, 8.10.1993. Zit. in: BBCSWB, a.a.O., ME/1816MED/20, 11.10.1993. Vgl. Saläm, Teheran, 9.10.1993. Vgl. Ettelä'ät, Teheran, 7.9.1991. Vgl. A. Banuazizi, Iran's Revolutionary Impasse. Political Factionalism and Societal Resistance. In: Middle East Report (MERIP), Washington D.C. (1994) 11/12, S. 4f. Vgl. S.T. Hunter, Iran and the Spread of Revolutionary Islam. In: Third World Quarterly, London 10 (1988) 2, S. 736. G. Sick, Iran: The Adolescent Revolution. In: Journal of International Affairs, New York 49 (1995) 1, S. 158. Vgl. ebenda. Vgl. auch S.T. Hunter, Iran and the World. Continuity in a Revolutionary Decade, Bloomington 1990, S. 36. Calabrese, Revolutionary..., a.a.O., S. 145.
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Vgl. ebenda. Vgl. auch T. Sonn, Irregular Warfare and Terrorism in Islam: Asking the right questions. In: J.T. Johnson/J. Kelsey (Hg.), Cross, Current and Sword: The Justification and Limitation of War in Western and Islamic Tradition, New York-WestportLondon 1990, S. 132. Vgl. R.M. Eaton, Islamic History as Global History. In: M. Adas (Hg.), Islamic & European Expansion. The Forging of Global Order, Philadelphia 1993, S. 34. M.E. Marty/R.S. Appleby, Herausforderung Fundamentalismus: Radikale Christen, Moslems und Juden im Kampf gegen die Moderne, Frankfurt-New York 1996, S. 152. Echo of Iran, London 41 (1993) 62, S. 21. Vgl. auch Iran's Winning Ways. In: Gulf States Newsletter, Crawley 21 (1996) 543, S. 8. Vgl. Afrasiabi, After Khomeini..., a.a.O., S. 34. Hotbe-ye namäz-e gomce-ye Tehran. Bd. 4, Teheran 1989, S. 185. Vgl. auch D.C. Barr, Rafsanjani's Iran. Vol. I, Gulf Centre for Strategie Studies, London 1990, S. 101. Vgl. C. Benard/Z. Khalilzad, Gott in Teheran. Irans Islamische Republik, Frankfurt/M. 1988, S. 15. Vgl. B. Gorawantschy, Der Golfkrieg zwischen Iran und Irak, 1980-88. Eine konflikttheoretische Analyse, Frankfurt/M. 1993, S. 116. I.M. Lapidus, The Golden Age: The Political Concepts of Islam. In: Annals of the American Association of Political Sciences and Studies, Beverly Hills (1992) 524, S. 20. Vgl. auch A. Hashim, The Crisis of the Iranian State, London 1995, S. 30. Vgl. F. Rajaee, Iranian Ideology and Worldview: The Cultural Export of Revolution. In: J.L. Esposito (Hg.), The Iranian Revolution. Its Global Impact, Miami 1990, S. 67. Für biographische Angaben vgl. U. Steinbach, Ali Akbar Haschemi Rafsandschani. In: Orient, Hamburg 38 (1997) 2, S. 211-223. BBC-SWB, a.a.O., ME/1300A/4, 10.2.1992. Ebenda, A/5. Ebenda, ME/1654A/4, 3.4.1993. Zit. in: A. Ehteshami, After Khomeini. The Iranian Second Republic, London-New York 1995, S. 42. Zit. in: Afrasiabi, After Khomeini..., a.a.O., S. 171. Vgl. Etteläcät, Teheran, 23.8.1992. Vgl. Hunter, Iran and the World..., a.a.O., S. 44. BBC-SWB, a.a.O., ME/1065A/5, 7.5.1991. Ebenda, ME/1654A/5, 3.4.1993. Ebenda, ME/1760A/8, 6.8.1993. Vgl. auch Afrasiabi, After Khomeini..., a.a.O., S. lf. Vgl. auch Etteläcät, Teheran, 18.1.1992. Vgl. ebenda,"7.7.1993, 12.2.1994, 6.8.1994, 13.9.1994. BBC-SWB, a.a.O., ME/1604A/11, 4.2.1993; vgl. auch Ettelä'ät, Teheran, 5. u. 12.2.1995. Vgl. Etteläcät, 30.11.1991, 12.3.1994. Vgl. ebenda, 7.11.1992. Vgl. ebenda, 18.11.1992, 13.2.1993, 27.3.1993, 15.4.1993, 28.11.1993, 1.1.1995, 11.3.1996. Vgl. ebenda, 11.12.1991, 1.11.1992. Vgl. ebenda, 27.7.1991, 24.6.1992, 15.12.1992, 18.7.1993, 5.12.1993, 2.1.1994, 13.11.1995. BBC-SWB, a.a.O., ME/2461MED/7, 15.11.1995; vgl. auch Saläm, Teheran, 25.2.1992.
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Kapitel III
BBC-SWB, a.a.O., ME/1654A/4, 3.4.1993. Ebenda, ME/1604A/11, 4.2.1993. Ebenda, ME/1654A/5, 3.4.1993. Ebenda, ME/1314A/7, 26.2.1992; vgl. auch Ettelä c ät, 15.6.1992, 15.12.1992, 15.6.1995, 1.10.1995. Vgl. dazu z.B. Ettelä c ät, 7.6.1994, 7.3.1995, 13.8.1995, 12.5.1996. BBC-SWB, a.a.O.', ME/1300A/5, 10.2.1992. Vgl. Ettelä'ät, 12.9.1996. Vgl. BBC-SWB, a.a.O., ME/2469MED/18, 24.11.1995. Vgl. ebenda, MEW/0441WME/3, 25.6.1996. Vgl. c Asr-e mä, Teheran, 25.1.1995. Vgl. Ettelä c ät, 6.1.1992, 20.1.1992, 9.12.1992, 8.5.1994, 10.10.1994, 12.12.1994, 11.6.1995, 17.9.1995, 3.1.1996, 4.1.1996, 14.1.1996, 20.1.1996, 21.5.1996, 11.7.1996. Vgl. Saläm, 16.3.1993, 10.7.1994. Vgl. ebenda, 3.10.1992, 15.12.1993. Vgl. Ettelä'ät, 17.11.1991, 21.1.1995. Vgl. ebenda, 13.7.1991. Vgl. ebenda, 10.8.1991. BBC-SWB, a.a.O., ME/2455MED/14, 8.11.1995. Vgl. Islamic Republic News Agency - Bulletin, Teheran, 27.11.1993. BBC-SWB, a.a.O., ME/2701MED/20, 27.8.1996. Vgl. c Asr-e mä, Teheran, 14.2.1996. BBC-SWB, a.a.O., ME/2351MED/2, 10.7.1995. Ebenda, ME/2701MED/20, 27.8.1996. Vgl. dazu Saläm, 21.9.1993; Ettelä'ät, 18.5.1993, 6.11.1993 (Rede anläßlich des Jahrestages der Botschaftsbesetzung),' 15.4.1995, 14.10.1995. BBC-SWB, a.a.O., ME/2146MED/4, 7.11.1994. Vgl. Interview Rafsangänis mit CNN. In: Ettelä'ät, 3.7.1995; c Asr-e mä, 12. u. 26.7.1995. Ettelä c ät, 31.1.1993. BBC-SWB, a.a.O., ME/1399A/2, 5.6.1992. Ebenda, ME/1292A/2, 31.1.1992. Zit. in: S. Chubin, Iran's National Security Policy. Capabilities, Intentions & Impact. Washington D.C. 1994, S. 86. Zit. in: Mohadessin, Islamic..., a.a.O., S. 31. Ebenda, S. 37. Iranfocus, London, 7 (1994) 7, S. 7. BBC-SWB, a.a.O., ME/2384MED/6, 17.8.1995. Vgl. Ettelä c ät, 9.12.1991, 15.7.1991, 15.4.1993. Abrär, Teheran, 23.10.1991. HamSahri, Teheran, 3.3.1993. Vgl. Saläm, 4.5.1994. Vgl. ebenda, 24.7.1994. Ebenda, 1.5.1997. Vgl. A. Schirazi, Wie denkt der neue Staatspräsident? In: liga-report, Berlin 20 (1997) Dezember, S. 2f. Vgl. Time, Washington D.C., 22.12.1997, S. 19. Zit. in: H. Omid, Islam and the Post-Revolutionary State in Iran, New York 1994, S. 142.
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Vgl. Schirazi, Wie denkt..., a.a.O., S. 2. Vgl. E. O'Ballance, Islamic Fundamentalist Terrorism, 1979-95. The Iranian Connection, New York 1997, S. 75. Zit. in: Mohadessin, Islamic Fundamentalism..., a.a.O., S. 36. Vgl. Saläm, 15.6.1992. BBC-SWB, a.a.O., ME/0745A/4, 23.4.1990. Vgl. Etteläcät, 12.11.1991. Vgl. ebenda, 7.5.1992, 3.6.1992. Vgl. ebenda, 7.7.1991. BBC-SWB, a.a.O., ME/0691A/1, 17.2.1990. Vgl. Etteläcät, 18.4.1992. Radio Teheran, 28.2.1991. In: BBC-SWB, a.a.O., ME/1010A/16, 2.3.1991. Vgl. Schirazi, Wie denkt..., a.a.O., S. 2. Vgl. Etteläcät, 22.2.1992. BBC-SWB, a.a.O., ME/1080A/18, 24.5.1991; vg. auch Etteläcät, 10.12.1991. Vgl. Ettelä'ät, 21.11.1991, 2.12.1991. Vgl. ebenda, 25.11.1991, 11.12.1991. Vgl. ebenda, 27.11.1991, 2.12.1991. Vgl. ebenda, 20.5.1992. Vgl. ebenda, 2.12.1991, 9.12.1991. Vgl. ebenda, 12.12.1991. BBC-SWB, a.a.O., ME/0729A/1, 3.4.1990. Vgl. M. Behrooz, Trends in the Foreign Policy of the Islamic Republic of Iran, 19791988. In: N.R. Keddie/M.J. Gasiorowski (Hg.), Neither East nor West. Iran, the Soviet Union and the United States, New Haven-London 1990, S. 33. Zit. in: Mohadessin, Islamic Fundamentalism..., a.a.O., S. 37. BBC-SWB, a.a.O., ME/1252A/4, 11.12.1991. Vgl. Kayhän, Teheran, 4.11.1993. Vgl. HamSahri, Teheran, 8.4.1993. Vgl. z.B. Saläm, 9.6.1992, 3.9.1992; Ettelä'ät, 12.3.1994, 12.4.1994, 17.5.1994, 11.9.1994, 29.6.1996. Vgl. Ettelä'ät, 7.4.1993, 1.5.1993. Vgl. ebenda, 3.12.1992, 14.12.1992, 12.4.1993. Vgl. ebenda, 28.11.1991, 9.6.1992, 12.10.1992, 4.11.1992, 20.1.1993, 17.6.1993, 12.8.1993, 18.1.1995, 26.2.1995, 3.8.1995, 10.4.1996. Vgl. Saläm, 30.12.1992, 10.1.1993, 6.2.1993, 27.4.1993. Vgl. ebenda, 20.1.1993. Vgl. Ettelä'ät, 12.12.1992, 20.12.1992, 4.8.1994, 6.3.1995, 1.6.195, 14.12.1995. Vgl. ebenda, 18.4.1994. BBC-SWB, a.a.O., ME/2425MED/1, 4.10.1995. Vgl. Saläm, 2.7.1992,; Etteläcät, 13.6.1993,5.3.1994, 3.10.1995. Etteläcät, 3.11.1993. Saiäm, 9.1.1993; vgl. auch Ettelä'ät, 9.3.1994. Middle East International, London, Nr. 516, 5.1.1996, S. 9. Ebenda. Vgl. Hashim, The Crisis..., a.a.O., S. 32. Vgl. Etteläcät, 1.12.1993, 12.5.1993, 3.11.1993, 17.4.1995. Vgl. ebenda, 12.7.1994, 31.8.1994, 9.4.1995. Vgl. ebenda, 29.4.1993.
184
219 220 221 222 223 224 225 226 227 228 229 230 231 232 233 234 235 236 237 238 239 240 241 242 243 244 245 246 247 248 249 250 251 252 253 254 255 256 257 258 259
Kapitel III
Echo of Iran, London 42 (1994) 71, S. 15f. Vgl. Ettelä c ät, 8.1.1992, 1.6.1994, 20.10.1994, 3.10.1995, 18.10.1995. Vgl. Saiäm, 23.12.1993; Ettelä'ät, 21.4.1993, 13.4.1994. Vgl. ebenda, 23.11.1992, 4.1.1993, 14.9.1994, 20.9.1994, 21.9.1994, 11.12.1994, 12.2.1995; Saläm, 12.5.1994. Vgl. O'Ballance, Islamic Fundamentalist..., a.a.O., S. 74. Saläm, 28.7.1994. Ebenda. Vgl. Ettelä'ät, 4.9.1993, 11.1.1994, 18.5.1994, 17.12.1994, 19.9.1995. Zit. in: BBC-SWB, a.a.O., ME/2121MED/3, 8.10.1994. Zit. in: Ebenda, ME/1558A/3, 8.12.1992. Zit. in: Ebenda, ME/2068MED/10, 8.8.1994. Zit. in: Ebenda, ME/1558A/3, 8.12.1992. Vgl. Ettelä'ät, 3.10.1992, 24.10.1993, 2.8.1994, 24.12.1994; Saläm, 10.3.1993; Sobh, Teheran, 11 J.1995. Resälat, Teheran, 14.12.1993. BBC-SWB, a.a.O., ME/1736A/6, 9.7.1993; vgl. auch Ettelä c ät, 1.12.1993. Vgl. M.G. Lärigäni, KäveShä-ye nazari slyäsat-e härigi, Teheran 1995. Ders., Iran's Foreign Policy: Principles and Objectives. In: The Iranian Journal of International Affairs, Teheran 7 (1996) 4, S. 754f. Ebenda, S. 756. Ebenda. Zit. in: Mohadessin, Islamic Fundamentalism..., a.a.O., S. 35. Zit. in: Ebenda, S. 36. Zit. in: Ebenda, S. 38. Vgl. Ettelä c ät, 20.9.1995. Vgl. Saiäm, 4.5.1994. Tehran Times, 17.6.1995; vgl. auch ebenda, 18.-20.6.1995. Zit. in: Afrasiabi, After Khomeini..., a.a.O., S. 15. Vgl. Hunter, Post-Khomeini Iran, a.a.O., S. 136. Vgl. C A.A. Veläyati, Raväbet-e beyno-l-melal. In: Magallat-e slyäsat-e härigi, Teheran, 1 (1988) 2, S. 275-285. Ettelä c ät, 28.4.1990. Vgl. Sohan-räni doktor CA1I Akbar Veläyati, vazir omür-e härigi Gomhüri-ye Eslämiye Iran. In: Magallat-e slyäsat-e härigi, Teheran 5 (1991) 4, S. 817-822. BBC-SWB, a.a.O., ME/1777ME/7, 26.8.1993. Ebenda, ME/2699MED/16, 24.8.1996. Vgl. C A.A. Veläyati, Motälece celmi slyäsat-e harigiye Gomhüri-ye Esläml-ye Iran. In: Magallat-e slyäsat-e härigi, Teheran 9 (1995) 1, S. 1-4. Sorüä, Teheran, 15.5.1991; vgl. auch Saläm, 21.7.1992. Vgl. C. Bina, Farewell to the Pax Americana: Iran, Political Islam and the Passing of the Old Order. In: H. Zanganeh (Hg.), Islam, Iran & World Stability, New York 1994, S. 53. Vgl. Ettelä c ät, 12.4.1992, 13.4.1995, 3.9.1996. Vgl. ebenda, 28.11.1994. ygl. Saläm, 28.4.1993. Gomhüri-ye Esläml, Teheran, 25.8.1991; vgl. auch Ettelä c ät, 14.8.1993. BBC-SWB, a.a.O., ME/1195A/3, 5.10.1991. Zit. in: Bina, Farewell..., a.a.O., S. 54.
Außenpolitische Konzeptionen der iranischen Führung seit 1989
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Vgl. cAsr-e mä, 30.11.1994; Ettelä'ät, 25.11.1991, 27.12.1995, 5.10.1996. BBC-SWB, a.a.O., ME/2699MED/17, 24.8.1996. Vgl. Ettelä c ät, 19.12.1994. Vgl. ebenda, 8.11.1992. Zur Frage der Behandlung der Menschenrechte in der islamischen Diskussion vgl. u.a. S. Balic, Die innerislamische Diskussion zu Säkularismus, Demokratie und Menschenrechten. In: W. Ende/U. Steinbach (Hg.), Der Islam in der Gegenwart. Entwicklung und Ausbreitung, Staat, Politik und Recht, Kultur und Religion, München 1996, S. 597-603. Vgl. Ettelä c ät, 15.2.1993, 26.4.1993, 10.6.1995, 1.7.1996. Vgl. CA.A. Veläyati, Sohan-räm dar iehel va haStomin egläs magmü c ömümi säzemän-e melal mottahed, New York, Mehr 1372 (September 1993). In: ders., Didgähä-ye gahäni Gomhüri-ye Esläml-ye Iran, Teheran 1995, S. 461-472; vgl. auch Ettelä c ät, 3.4.1993, 27.6.1993, 14.2.1996. Dawn, Karachi, 29.12.1995. Vgl. Ettelä'ät, 3.4.1993, 3.4.1994; Saläm, 10.4.1993, 2.5.1993. Vgl. Ettelä c ät, 8.12.1994. Vgl. ebenda, 7.6.1994. Vgl. ebenda, 12.8.1991, 4.12.1991. Vgl. US-Iran Review, Washington D.C. 1 (1993) 2, S. 1. Vgl. Sobh, Teheran, 2.1.1996, 1.2.1996, 6.2.1996. Vgl. Etteiä c ät, 11.7.1991. Zit. in: J. Reissner, Der Iran auf dem Weg zu einer Regionalmacht. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Bonn, 26.4.19%, S. 35. Vgl. CA. Maleki, Cegünegi-ye sotuh-e mohtalef facällyat-e härigi. In: Magallat-e siyäsat-e härigi, Teheran 9 (1995) 1, S. 5-12. ' Vgl. Ettelä'ät, 3.11.1994. A, Maleki, Iran's Relations with Western Europe. In: The Iranian Journal of International Affairs, Teheran 7 (1995) 1, S. 196. Vgl. Ettelä c ät, 17.1.1994. Vgl. ebenda, 16. und 26.6.1993. Vgl. ebenda, 4.7.1994, 29.7.1996. Vgl. ebenda, 18.4.1994. BBC-SWB, a.a.O:, ME/1169A/5, 5.9.1991. Vgl. Saläm, 11.3.1994; cAsr-e mä, 27.12.1995. BBC-SWB, a.a.O., ME/1558A/2-3, 8.12.1992. Vgl. H. Saifzädeh, Esträtegl-ye melll va slyäsat godäri-ye härigi. In: Magallat-e siyäsate härigi, 8 (1994) 4, S. 705-722. Vgl. CA.Ä. Qaväm, Änätöml tacämolät-e nezäm-e siyäsl va manäfe 3 melll. In: Ebenda, 8 (1994) 1-2, S. 1-24. Vgl. M.K. Saggädpür, Slyäsat-e mahär-e dogänebeh dar te'öri va camal. In: Ebenda, 8 (1994) 1-2, S. 25-42. Die Darstellung der IPIS-Konferenz folgt den schriftlichen Aufzeichnungen aus dem persönlichen Protokoll eines dem Verfasser bekannten Teilnehmers. Vgl. Ettelä'ät, 5.9.1991, 16.12.1992, 2.6.1994, 19.11.1994, 13.9.1995. BBC-SWB, a.a.O., ME/1265A/9, 30.12.1991. Ebenda, ME/1475A/4, 2.9.1992. Ebenda, ME/1249A/7, 7.12.1991. Ebenda.
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Kapitel III
295 296 297 298 299 300 301 302 303 304 305 306 307
Vgl. Ettelä'ät, 5.12.1992, 21.12.1992, 24.8.1993, 26.9.1993; Saläm, 3.9.1993. Vgl. ebenda, 11.11.1992, 29.1.1994. Vgl. Saläm, 20.10.1993. Vgl. ebenda, 25.10.1992, 1.7.1992, 3.2.1994. Vgl. ebenda, 13.3.1993. Vgl. Ettelä'ät, 20.8.1994, 22.8.1996. Ebenda, 19.2.1994. Ebenda. Vgl. BBC-SWB, a.a.O., ME/2006MED/15, 26.5.1994. Vgl. Saläm, 25.10.1993. Vgl. Echo of Iran, 41 (1993) 61, S. 18-26. Afrasiabi, After Khomeini..., a.a.O., S. 31. Vgl. auch M. Massarat, Einleitung: Aufstieg des Okzidents und Fall des Orients. In: Ders. (Hg.), Mittlerer und Naher Osten: Geschichte und Gegenwart. Eine problemorientierte Einführung, Münster 1996, S. 11. BBC-SWB, a.a.O., ME/1531A/6, 6.11.1992. Vgl. M.Z. Husain, Global Islamic Politics, New York 1995, S. 11. Vgl. A.S. Ahmad/H. Donnan, Islam in the age of postmoderniy. In: Dies. (Hg.), Islam, Globalization and Postmodernity, London-New York 1994, S. 13. Vgl. F. Steppat, Islamische Antworten auf die Fragen der modernen Welt. In: Weltmacht Islam, München 1988, S. 416. Vgl. ebenda, S. 418f. H. Dabashi, "Islamic Ideology": The Perils and Promises of a Neologism. In: H. Amirahmadi/M. Parvin (Hg.), Post-Revolutionary Iran, Boulder-London 1988, S. 11. Vgl. H. Motabaher, Vom Nationalstaat zum Gottesstaat. Islam und sozialer Wandel im Nahen und Mittleren Osten, Stuttgart-Berlin-Köln 1995, S. 160. A. Faridzadeh, Die Umwandlung des schiitischen Islam in die politische Ideologie des Chiliasmus und Nativismus, Hannover 1987, zit. in: Ebenda. Bina, Farewell..., a.a.O., S. 49. S.M.H. Beheschti/M.M. Schabestari, Die islamische Weltanschauung, Hamburg 1993, S. 20. Vgl. M. Riesebrodt, Fundamentalismus als patriarchalische Protestbewegung, Tübingen 1990, S. 18. Vgl. dazu I. Stümpel-Hatami, Das Christentum aus der Sicht zeitgenössischer iranischer Autoren: Eine Untersuchung religionskundlicher Publikationen in persischer Sprache, Berlin 1996, S. 285. Vgl. A.M.H. Tabatabai, Universality of Islam, Accra u.a. 1985, S. 36. S.M.M. Lärl, Slmä-ye tamaddon-e garb, Qom o.J., S. 22. Vgl. ebenda, S. 25. Tabatabai, Universality..., a.a.O., S. 35. M. Sariolghalam, Conceptual Sources of Post-Revolutionary Iranian Behaviour toward the Arab World. In: H. Amirahmadi/N. Entessar (Hg.), Iran and the Arab World, London 1993, S. 20. Vgl. S. Mahmood, Islamism and Fundamentalism. In: Middle East Report, Washington D.C., November-December 1994, S. 29. Vgl. M.E. Marty/R.S. Appleby, Herausforderung Fundamentalismus: Radikale Christen, Moslems und Juden im Kampf gegen die Moderne, Frankfurt/M.-New York 1996, S. 41f. Vgl. auch Stümpel-Hatami, Das Christentum..., a.a.O., S. 86f.
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Husain, Global..., a.a.O., S. 11. Marty/Appleby, Herausforderung..., a.a.O., S. 46. Vgl. ebenda, S. 153. Vgl. G. Krämer, Politischer Islam. Kurseinheit 1, Hagen 1994, S. 35. B.S. Turner, Politics and Culture in Islamic Globalism. In: R. Robertson/W.R. Garrett (Hg.), Religion and Global Order, New York 1991, S. 162f. Ebenda, S. 163. Vgl. Riesebrodt, Fundamentalismus..., a.a.O., S. 20f. Vgl. M. Honecker, Religion und Politik: Zur Geltung der Menschenrechte in Christentum und Islam. In: H. Busse/M. Honecker (Hg.), Gottes- und Weltverständnis in Islam und Christentum, Stuttgart 1993, S. 15, 21. A.R. Moten, Political Science: An Islamic Perspective, New York 1996, S. 29. A.M.H. Tabatabai fand dafür die poetischen Worte: "... it is futile to concentrate on the reformation of only one society or nation... It is like purifying only one drop of water from a polluted pond or a rivulet and leaving out the rest." In: Ders., Universality..., a.a.O., S. 34. I.R. Faruqi, Islamic Ethics. In: S. Crawford (Hg.), World Religions and Global Ethics, New York 1989, S. 223f., 231. BBC-SWB, a.a.O., ME/0997A/14, 15.2.1991. Vgl. R. Schulze, Die islamische Moderne. In: C. Burgmer (Hg.), Der Islam in der Diskussion, Mainz 1996, S. 14. H. Busse, Gottes- und Weltverständnis in Islam und Christentum. In: Busse/Honecker (Hg.), Gottes..., a.a.O., S. 8. B.S. Turner, Orientalism, Postmodernism and Globalism, London-New York 1994, S. 83. Rajaee, Globalization..., a.a.O., S. 1. Vgl. auch Ahmad/Donnan, Islam..., a.a.O., S. 17. Vgl. G.E. Fuller/I.O. Lesser, A Sense of Siege. The Geopolitics of Islam and the West, Boulder-San Francisco-Oxford 1995, S. 43. Wobei sich der bereits zitierte Seyyed Läri grundsätzlich skeptisch zur Demokratie äußerte. "Die demokratische Regierungsform versucht, einen allgemeinen Willen zu praktizieren, indem sie eine Politik zum Gesetz erhebt, für die die Mehrheit' gestimmt hat (die nur 51 Prozent zu betragen braucht), wobei sie den Willen der Minderheit annulliert. Die Minderheit ist also überhaupt nicht frei', obwohl sie in manchen Fällen vernünftig denken und unter gegebenen Umständen sogar Recht haben kann." In: S.M.M. Läri, Bonyän-e hokümat dar Esläm, Teheran 1985, S. 80. Vgl. Sariolghalam, Conceptual..., a.a.O., S. 20. Vgl. P. Clawson, Alternative Foreign Policy Views among the Iranian Policy Elite. In: Ders. (Hg.), Iran's..., a.a.O., S. 38f. Vgl. A. Rahnama/F. Namani, The Secular Miracle: Religion, Politics & Economic Policy in Iran, London-New Jersey 1990, S. 4. Vgl. auch A. Banuazizi, Iran's Revolutionary Impasse: Political Factionalism and Societal Resistance. In: Middle East Report, Washington D.C., November-December 1994, S. 5. Vgl. G. Kemp, Forever Enemies? American Policy & the Islamic Republic of Iran, Washington D.C. 1994, S. 24. Vgl. Hashim, The Crisis..., a.a.O., S. 35. Afrasiabi, After Khomeini..., a.a.O., S. 171.
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Kapitel III
Vgl. M. Vaziri, Iran as an Imagined Nation. The Construction of National Identity, New York 1993, S. 199. BBC-SWB, a.a.O., ME/2015/MED/9, 6.6.1994. Zit. in: F. Rajaee, Iranian Ideology..., a.a.O., S. 67. M. Mohammads, Osül-e slyäsat-e härigi-ye Gomhüri-ye Eslämi-ye Iran, Teheran 1987, S. 37, 39f., 43. Es bleibe z.B. nicht unerwähnt, daß der universalistische Anspruch der iranischen islamischen Revolution und die Bemühungen, sie zu "exportieren", auch ein willkommenes Mittel waren, um von der Unfähigkeit, die Revolutionsversprechen im Inland einzulösen, abzulenken. Vgl. J. Piscatori, Preface. In: A. Ehteshami/M. Varasteh, Iran and the International Community, London-New York 1991, S. xii. Vgl. Chubin, Iran's..., a.a.O., S. 13. Vgl. auch S.M. Aliyev, Sovremenny Iran, Moskau 1993, S. 144. Vgl. Arab-Asian Affairs, London 17 (1994) 9, S. 3. Vgl. Mohammad!, Osül-e..., a.a.O., S. 43, 45. Halliday, Islam..., a.ab., S. 44f. Hunter, Post-Khomeini Iran, a.a.O., S. 139. Vgl. Iran News Agency (IRNA), Teheran, 15.2.1994. Vgl. auch Hashim, The Crisis..., a.a.O., S. 23, 31. BBC-SWB, a.a.O., ME/1103A/6, 20.6.1991. Ebenda, ME/0672A/2, 26.1.1990. Ebenda, ME/0967A/18, 11.1.1991. Ettelä c ät, 6.6.1994. BBC-SWB, a.a.O., ME/1682A/4f., 7.5.1993. Vgl. A. Hämenei, al-wahda al-islämiya: darüra wa-hadaf. Min hutäb Ayatullah Hamene 5 ! qä'id at-tawra fi usbü c al-wahda al-islämiya licäm 1410(1989), Teheran 1989, S. 21-30. BBC-SWB, a.a.O., ME/1284A/1, 22.1.1992. Ebenda, ME/1105A/1, 22.6.1991. Ebenda, ME/1508A/6, 10.10.1992. Ebenda, ME/0685A/1, 10.2.1990. Ebenda, ME/1646A/5, 25.3.1993. Ebenda, ME/0868A/5, 13.9.1990. Ebenda, ME/1531A/7, 6.11.1992. Ebenda, ME/1608A/3, 9.2.1993. Ebenda, ME/1543A/4, 20.11.1992. Ebenda, ME/1300A/8, 10.2.1992. Ebenda, ME/0686A/1, 12.2.1990. Ebenda, ME/0783A/1, 6.6.1990. Ebenda, ME/1952MED/10, 22.3.1994. Ebenda, ME/1893MED/4, 12.1.1994. Zit. in: M. Mohadessin, Islamic Fundamentalism..., a.a.O., S. 28. BBC-SWB, a.a.O., ME/1708A/2, 7.6.1993. Ebenda, ME/1646A/6, 25.3.1993. Ebenda, ME/0764A/3, 15.5.1990 und ME/0713A/1, 15.3.1990. Ebenda, ME/1399A/1, 5.6.1992. Ebenda, ME/0830A/2, 31.7.1990. Ebenda, ME/0967A/17, 11.1.1991. Ebenda, ME/0991A/13, 8.2.1991.
Außenpolitische Konzeptionen der iranischen Führung seit 1989
395 396 397 398 399 400 401 402 403 404 405 406 407 408 409 410 411 412 413 414 415 416 417 418 419 420 421 422 423 424 425 426 427 428 429 430 431 432 433 434 435 436 437 438 439 440
189
Ettelä'ät, 3.6.1990. Zit. in: Chubin, Iran's..., a.a.O., S. 12. BBC-SWB, a.a.O., ME/1399A/1, 5.6.1992. Ebenda, ME/2439MED/4, 20.10.1995. Ebenda, ME/2630MED/6, 5.6.1996. Ebenda, ME/1310A/4, 21.2.1992. Vgl. Ettelä'ät, 6.6.1990. BBC-SWB, a.a.O., ME/0685A/2, 10.2.1990. Ebenda, ME/2365MED/12, 26.7.1995. Ebenda, ME/2384MED/7, 17.8.1995; vgl. auch Ettelä c ät, 1.2., 25.4., 5.11.1995. Vgl. Payäm-e rahbar-e enqeläb va vall-ye amr muslimin-e gahän Hezrat-e Ayatollah Hämene5! beh hoggäg beyt Allah al-haräm, Teheran 1993, S. 20ff.; vgl. auch Etteläcät, 29.5.1993. Vgl. dazu vor allem: Modäkere bä Amrikä. Bayänät Hezrat-e Emäm Homeral va Ayatollah al-ozmä Hämene% Teheran 1995. BBC-SWB, a.a.O., ME/1375A/6, 8.5.1992. Ebenda, ME/0722A/1, 26.3.1990. Ebenda, ME/0713A/1, 15.3.1990. Ebenda, ME/2451MED/10, 3.11.1995. Ebenda, ME/1972MED/10, 15.4.1994; vgl. Saläm, 18.5., 9.7.1994. Vgl. Etteläcät, 8.2.1992. Ebenda', 5.11.1992. BBC-SWB, a.a.O., ME/0914A/7, 6.11.1990. Ebenda, ME/0783A/2, 6.6.1990. Ebenda, ME/0868A/6, 13.9.1990. Ebenda, ME/1091A/4, 6.6.1991. Ebenda, ME/0868A/6, 13.9.1990. Ebenda, ME/1051A/6, 20.4.1991. Etteläcät, 4.11.1993. Ebenda, 2.11.1993. Vgl. ebenda, 6.6.1992. Afrasiabi, After Khomeini..., a.a.O., S. 171. BBC-SWB, a.a.O., ME/1310A/5, 21.2.1992. Vgl. Saläm, 9.12.1993. Vgl. Etteläcät, 17.9.1991. BBC-SWB, a.a.O., ME/1587A/15, 15.1.1993. Ettelä'ät, 5.11.1992. BBC-SWB, a.a.O., ME/1646A/4, 25.3.1993. Ebenda, ME/1375A/6, 8.5.1992. Ebenda, ME/0672A/2, 26.1.1990. Ebenda, ME/0935A/8, 30.11.1990. Ebenda, ME/1375A/7, 8.5.1992. Ebenda, ME/1152A/2, 16.8.1991. Vgl. Ettelä'ät, 28.4.1990. BBC-SWB, a.a.O., ME/1310A74, 21.2.1992. Ebenda, ME/1403A/1, 10.6.1992. Ebenda, ME/1104A/7, 21.6.1991. Payäm-e rahar-e enqeläb..., a.a.O., S. 10. Ettelä c ät, 29.5.1993.
190
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Kapitel III
BBC-SWB, a.a.O., ME/1543A/5, 20.11.1992. Ebenda, ME/2630MED/7, 5.6.1996. Ebenda, ME/1682A/6, 7.5.1993. Ebenda, ME/1091A/3f., 6.6.1991. Ebenda, ME/0780A/4, 2.6.1990. Vgl. ebenda, ME/0713A/2, 15.3.1990. Ebenda, ME/0830A/2, 31.7.1990. Ebenda, ME/2059MED/22, 28.7.1994. Ebenda, ME/0728A/2, 2.4.1990. Ebenda, ME/1055A/4, 25.4.1991. Ebenda, ME/0728A/2, 2.4.1990. Ebenda, ME/1103A/5, 20.6.1991. Ebenda, ME/0728A/2, 2.4.1990. Vgl. Rajaee, Globalization..., a.a.O., S. 14. Ettelä'ät, 13.8.1992. Ebenda. Vgl. Dawn, Karachi, 11.1.1995. Dieser Vorgang beinhaltet aber noch andere interessante Aspekte, die aufzeigen, wie stark ökonomische Interessen ideologische Maßnahmen beeinflußten. Einer der größten Stiftungen des Landes, der Mostaz c fin-Stiftung, gehört u.a. eine Fabrik für die Produktion alkoholfreier Getränke, die sich im Markt gegen die Konkurrenz von Coca Cola und Pepsi Cola nur schwer behauptete. Mit der Diffamierung der Weltmarken als "amerikanische Außenposten" und dem damit begründeten Verbot veranlaßte Hämene 3 ! eine Marktbereinigung zugunsten gemeinsamer geistlicher Interessen. Vgl. dazu Kazemi, All politics..., a.a.O., S. 53f. Vgl. Ettelä c ät, Saläm, 13.5.1992. Vgl. Ettelä'ät, 14.11., 26.12.1991, 17.12.1992, 30.11., 9.12.1993, 24.11.1994, 9.12.1995, 5.11.1996. Ettelä'ät, 13.10.1994. BBC-SWB, a.a.O., ME/1598A/6, 28.1.1993. Vgl. Ettelä'ät, 28.8.1993. BBC-SWB, a.a.O., ME/0685A/1, 10.2.1990. Ebenda, ME/0991A/12, 8.2.1991. Vgl. Ettelä c ät, 6.6.1994. Ebenda", 3.2.1992. Vgl. BBC-SWB, a.a.O., ME/1370A/9, 2.5.1992. Ettelä c ät, 5.12.1991. Ebenda, 13.9.1994. Vgl. Saläm, 5.1.1993. Payäm-e rahbar-e enqeläb..., a.a.O., S. 11. Vgl. Hashim, The Crisis..., a.a.O., S. 24. Vgl. J. Piscatori/D.F. Eickelman, Muslim Politics, Princeton 1996, S. 38f. Vgl. H. Ram, Myth and Mobilization in Revolutionary Iran. The Use of the Friday Congregational Sermon, Washington D.C. 1994, S. 25. Ettelä c ät, 18.7.1987. Vgl. Ram, Myth..., a.a.O., S. 26f. Vgl. ebenda, S. 3f. Vgl. ebenda, S. 5, 160. Vgl. Ehteshami, After Khomeini..., S. 203. BBC-SWB, a.a.O., ME/1058A/10f., 29.4.1991.
Außenpolitische Konzeptionen der iranischen Führung seit 1989
481 482 483 484 485 486 487 488 489 490 491 492 493 494 495 496 497 498 499 500 501 502 503 504 505 506 507 508 509 510 511 512 513 514
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Zit. in: Calabrese, Revolutionary..., a.a.O., S. 147. BBC-SWB, a.a.O., ME/0949A/8, 17.12.1990. Ebenda, ME/1076A/5f., 20.5.1991. Ebenda, ME/2117MED/3, 4.10.1994; vgl. auch Etteläcät, 2.11.19%. BBC-SWB, a.a.O., ME/2465MED/16, 20.11.1995. Ebenda, ME/1106A/1, 24.6.1991; vgl. auch Saläm, 18.12.1993; Ettelä c ät, 14.9.1991, 21.2., 9.7., 24.10.1994. Vgl. Etteläcät, 20.4., 27.11.1993. Vgl. ebenda, 4.7.1992. BBC-SWB, a.a.O., ME/1619/A15, 22.2.1993. Ebenda, ME/1318A/16, 2.3.1992; s.a. Etteläcät, 10.10.1992, 16.10.1993, 11.3.1995. Vgl. ebenda, ME/1106A/2, 24.6.1991. Vgl. ebenda, ME/2465MED/17, 20.11.1995. Ebenda, ME/1515A/9, 19.10.1992. Ebenda, ME/1780MED/16, 30.8.1993. Ebenda, ME/2140MED/6, 31.10.1994; weitere ähnliche Stellungnahmen in: Ettelä'ät, 19.12.1992, 14.5.1994 (auch Saläm) und 4.11.1995. Ettelä c ät, 17.9.1994; vgl. auch ebenda, 10.8.1994, 14.1.1995. Vgl. ebenda, 8.9.1994. BBC-SWB, a.a.O., ME/1786MED/17,6.9.1993; allgemeinere Stellungnahmen Gannatls zur kulturellen Auseinandersetzung u.a. auch in: Ettelä'ät, 16.11.1991, 4.9.1993, 10.9.1994. Vgl. Etteläcät, 30.11.1991. Vgl. ebenda, 14.11.1992, 26.8.1993. Vgl. BBC-SWB, a.a.O., ME/1846MED/9, 15.11.1993. Ebenda, ME/1968MED/4, 11.4.1994. Ebenda, ME/1443A/7, 27.7.1992. Vgl. ebenda, ME/1557A/9, 7.12.1992. Zit. in: B. Baktiari, Bolstering Rafsanjani. In: Middle East Insight, Washington D.C., 12 (1996) 4-5, S. 52. Etteläcät, 10.7.1993. BBC-SWB, a.a.O., ME/0823A/3, 23.7.1990. Ebenda. Ebenda, ME/1196A/1, 7.10.1991. Vgl. Etteläcät, 23.11.1991. Vgl. Saiäm, 18.7.1992. Vgl. Etteläcät, 5.3.1994. Vgl. ebenda, 9.9.1995. Vgl. ebenda, 12.11.1994.
IV. Der außenpolitische Diskurs in den Printmedien Im Gegensatz zu vielen ihrer Nachbarstaaten verfügt die Islamische Republik Iran über eine reiche Presselandschaft, die darüber hinaus eine bemerkenswerte Bandbreite an politischen Standpunkten reflektiert. Acht Tageszeitungen und etwa 700 Periodika werden zwar kontrolliert, verstehen sich aber nichtsdestotrotz als unverwechselbare Sprachrohre unterschiedlicher politischer Meinungen.1 Da sich diese Untersuchung primär außenpolitischen Konzeptionen der Staatsführung widmet, soll es im folgenden Abschnitt nicht um eine vollständige Aufarbeitung der Behandlung außenpolitischer Themen in der iranischen Presse gehen, d.h. auch nicht um das Gegenüberstellen oppositioneller Meinungen.2 Mehr als eine Abrundung soll hingegen das Aufzeigen von Beispielen sein, auf welche Weise die Printmedien die außenpolitischen Postulate der Führung aufnehmen und kommentieren. Dabei geht es nicht nur um Reaktion, sondern auch um Aktion, d.h. bestimmte außenpolitische Ideen und Anregungen werden zunächst in die Presse lanciert, um ihre Akzeptanz zu testen. Damit nehmen die Printmedien zumindest indirekt Einfluß auf Weltanschauung und Konzeption der Staatsführung. Die schon zum Zeitpunkt von Khomeinis Tod festzustellende Fraktionierung in der Führung der Islamischen Republik erfuhr in den folgenden Jahren eine weitere Vertiefung. Diese Gruppenbildung, die häufig mit heftigen politischen Kämpfen einherging, wurde von einigen Beobachtern jedoch fehlinterpretiert. Es ging und geht in diesen Auseinandersetzungen nicht um Grundsätzliches wie etwa die Etablierung einer anderen als der Islamischen Republik oder die Abkehr vom Prinzip der Veläyat-e Faqlh. Alle an der Führung des Landes beteiligten Gruppen wissen nur zu genau, daß eine derartige Änderung des politischen und sozialen Kurses sie insgesamt der Macht berauben würde. Der Streit konzentriert sich vielmehr auf Weg und Inhalt der Ausgestaltung der Islamischen Republik und der Weiterführung der Revolution. Es versteht sich von selbst, daß mit der Durchsetzung eines bestimmten Weges und der Realisierung bestimmter Ziele die Machtpositionen der sie vertretenden Fraktion gegenüber den konkurrierenden gestärkt würde. Diese sehr spezifischen Interessen spiegeln sich auch in den Presseerzeugnissen wider, hinter denen die jeweiligen Fraktionen stehen. Im folgenden geht es allerdings weniger um Vollständigkeit bei der Auswertung von Zeitungsjahrgängen seit 1989, sondern vielmehr um bestimmende politische Merkmale und Standpunkte wichtiger Zeitungen und der in ihnen geführten Diskussionen.
Zeitungen Die beiden traditionsreichsten Zeitungen des Landes, Kayhän und Ettelä'ät, verstehen sich quasi als amtliche Medien. Sie eignen sich daher nur bedingt als Quelle für die Analyse interfraktioneller Auseinandersetzungen. Das KayhänInstitut untersteht Revolutionsführer Hämene 3 ! ex officio3, die durch dieses
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Kapitel IV
Institut vertretenen und verbreiteten Standpunkte unterscheiden sich daher nie wesentlich von den in bereits behandelten Positionen des Faqih. Deshalb soll an dieser Stelle insbesondere Etteläcät hinsichtlich von Debatten mit außenpolitischem Bezug ausgewertet werden. Die von ihr publizierten Nachrichten und Kommentare stellen faktisch eine Resultante der in der gesamten Führung vertretenen Meinungen dar, einen gemeinsamen Nenner, der gerade deshalb interessante Rückschlüsse auf gültige Positionen zuläßt. Diese Resultante heißt auch und vor allem Nivellierung. Deshalb fördert die Suche nach außenpolitischen Standpunkten und Meinungen in Etteläcät neben den Erklärungen von Vertretern der Regierung oder der geistlichen Führung nur wenig Neues zutage. Interessant wird es immer dann, wenn sich Fachleute, wie z.B. Professor SämiT, nicht nur der allgemeinen Aufzählung westlicher Gebrechen anschließen, sondern, die medizinische Ethik und Versorgung im Westen und in Iran vergleichend, zu dem Schluß kommen, daß beispielsweise die Verbreitung von AIDS im Westen zunähme, während sie in Iran auf Grund der Einhaltung islamischer Moralnormen verschwindend gering sei.4 Wesentlich häufiger sind allerdings Wortmeldungen von Parlamentariern zu finden, die mit Attacken gegen den Westen5 und vor allem gegen die USA6 nach Möglichkeiten der Profilierung suchen. Möglichkeiten der Karriereoptimierung ergeben sich auch stets durch die Verdammung Salman Rushdies7 oder durch die immer wieder erneuerte Feststellung von Doppelstandards des Westens in der Behandlung der Menschenrechte.8 Zu letztgenannter Problematik ergeben sich nur dann interessante Nuancierungen, wenn etwa eine der wenigen Parlamentarierinnen des Landes, wie die Delegierte Teherans, Märyam Behrüzl, sich - selbstverständlich regimekonform - vergleichend zu den Menschen- und Frauenrechten im Westen und im Islam allgemein und besonders in Iran äußert9 oder wenn Rechtsauffassungen über die Polemik hinaus sichtbar werden. Dr. Hosain Mehrpür, Laienmitglied des Wächterrates, gestand z.B. in einem Beitrag zu, daß Iran 1976 ohne Bedingungen der UNO-Menschenrechtsdeklaration beigetreten sei. Entsprechend dem Völkerrecht trete eine Nachfolgeregierung in die Verantwortung von Verträgen, die frühere Regierungen eingegangen wären. Mehrpür hielt dann dem entgegen, daß in Iran eine Revolution stattgefunden habe, die auch die Rechtsnormen fundamental veränderte. Das iranische Parlament dürfe heute keine Beschlüsse fassen oder billigen, die islamische Vorgaben verletzen. Es sei nun einmal eine Tatsache, daß Verfehlungen, die in einigen Ländern nur als geringfügig eingestuft würden, im Islam schwere Verbrechen seien.10 Ein anderer Problemkreis, der seit dem Tod Khomeinis in Etteläcät dauerhafte Behandlung erfuhr, war die unterstellte kulturelle Offensive des Westens. Neben den bekannten Wortmeldungen des Präsidenten und der Regierung sowie Hämenels und der Freitagsprediger zu diesem Thema kam es zu redaktionellen Beiträgen11, vor allem aber zu Äußerungen weniger bekannter
Der außenpolitische Diskurs in den Printmedien
195
Minister und Ministerialbeamter12, von Vertretern religiöser Organisationen wie z.B. der Säzemän-e TablTgat-e Esläml13 und Geistlichen mit weniger hervorgehobenen Führungspositionen wie z.B. Ajatollah Hä'eri oder die Hoggat olEsläms Mö c ezi und Imäni.14 In der Sache vermitteln diese Beiträge wenig Neues. Auch hier überwiegt der Eindruck, als handele es sich eher um Ergebenheitsadressen an die Führungslinie. Nur wenige Ausnahmen, wie etwa Überlegungen zum Nutzen des Akademiker- und Studentenaustausches mit dem - auch westlichen - Ausland für Iran15, bestätigen eher die Regel. Die bereits erwähnte aktive, beeinflussende Funktion der Tagespresse auf die politische Entscheidungsfindung kann im Fall von Ettelä c ät eher in der breiten Debatte über die Einführung und den Gebrauch moderner Technologien ausgemacht werden. Wie schon im dritten Kapitel angeführt, sah sich die iranische Führung der grundsätzlichen Frage ausgesetzt, wie sie sich vor allem gegenüber einem der charakteristischen Merkmale von Globalisierung, nämlich der Revolution in den Kommunikationsmitteln, verhalten sollte. Zur Debatte standen immerhin Versuche einer möglichst kompletten Abschottung oder einer zielkonformen Adaption. Zu beiden Extremen und der breiten Palette von Zwischentönen fand in Ettelä c ät eine fruchtbare Diskussion statt. Erst die Auswertung dieser Debatten erlaubt Rückschlüsse auf das Wie und Warum, auf die Motive für bestimmte, im dritten Kapitel behandelte Entscheidungen. So finden sich "embryonale" Argumente für die Nutzung der Videotechnik16, weit mehr aber für den Umgang mit dem Satellitenfernsehen. Nach 199117 verging kaum ein Monat, in dem sich in Ettelä c ät nicht Rechtsgelehrte, Regierungsbeamte, Vertreter aus Industrie und Wirtschaft sowie Ingenieure und Techniker zu diesem Thema zu Wort meldeten.18 In den Beiträgen überwogen die Warnungen vor den Gefahren des ungehinderten Eindringens westlicher kultureller Werte in die iranische Gesellschaft gegenüber Appellen zur Mäßigung, d.h. der Aufforderung, mit dieser Technik souveräner umzugehen. Auf Grund dieses Stimmungs- und Meinungsbildes durfte die Parlamentsentscheidung vom Sommer 1994, Satellitenfernsehen für den Privatgebrauch zu untersagen, kaum überraschen.19 Daß das Problem mit dem Verbot nicht aus der Welt geschafft war, belegt die Fortsetzung der Diskussion in Ettelä c ät, deren Umfang gegenüber 1994 und den Vorjahren sogar noch zunahm.20 Deutlich positiver positionierte sich die regierungsnahe Öffentlichkeit hinsichtlich der Einführung moderner Technologien und Techniken in Industrie und Wirtschaft. Ausgangspunkt war dabei die Maxime Rafsangäms und Hämenels von 1989/90, dem Wiederaufbau des Landes Priorität einzuräumen. Wortmeldungen aus dem Regierungslager und von Anhängern der geistlichen Führung sind daher nur wenig kontrovers und räumen moderner Technik eine Schlüsselrolle beim effektiven Wiederaufbau und bei der Ausgestaltung Irans zu einem erfolgreichen Beispiel eines islamischen Staates ein.21 Im Rahmen dieser positiven Bewertung kamen auch Stimmen zu Wort, die forderten, daß
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Kapitel IV
Iran wegen des Erwerbs moderner Technologien und der Einbeziehung in das internationale Wissenschaftsleben nicht nur normale, sondern entwickelte Beziehungen mit Ländern unterhalten müßte, die auf diesen Gebieten die Standards setzten.22 Wenn anhand der überwiegenden Ablehnung des Satellitenfernsehens in den Veröffentlichungen von Etteläcät ein Bogen über die positive Bewertung von Wissenschaft und Technik hin zum Einsatz von Computern gespannt wird, dann fällt die Zustimmung zu letzterem geradezu euphorisch aus. Schon 1991 richtete die Islamische Republik in Isfahan einen internationalen Kongreß zum Thema "Computer in Wissenschaft, Technik und Medizin" aus.23 Danach gehörte es quasi zum "guten Ton", entweder den Einsatz von Computern generell zu befürworten24 oder - noch besser - über die Einführung dieser Techniken im Bankbereich25 oder im Telephon- und Fernmeldewesen zu berichten.26 Eine Sonderrolle nahm die Bewertung der Computertechnik im Rahmen der theologischen Ausbildung und der Verbreitung islamischen Gedankengutes ein. Vermehrt berichtete Etteläcät über die Speicherung des Koran, islamischer Rechtstexte und bekannter Kommentare auf elektronischen Medien27, die nicht nur in Iran Verbreitung finden sollten. Im Januar 1996 stellte Etteläcät eine ausführliche Folge von acht Artikeln unter das Thema "Computer und Information - Vorbedingung für Entwicklung".28 Es gab allerdings eine wesentliche Möglichkeit der Computernutzung, die nicht a priori Zustimmung fand - die Einbindung in das Internet. Chancen der weltweiten und individualisierten Verbreitung der islamischen Botschaft und iranischer politischer Ziele standen Sorgen vor der unkontrollierbaren Kommunikation Tausender Iraner mit jedem beliebigen Internet-Anbieter gegenüber. Im Grunde genommen hätte sich damit jede Zensur erübrigt, könnte in Iran auch jedes ausländische Presseerzeugnis zugänglich gemacht werden. Zwischen diesen beiden Polen schwankend, entschloß sich die Führung zunächst für eine Experimentalphase. 1992 nahm das Institut für Mathematik und theoretische Physik der Universität Teheran offiziell Kontakt zu einem Provider in Wien auf. Diesem folgten weitere Institute, später ganze Universitäten und Hochschulen. Auf den akademischen Bereich beschränkt, zählten Beobachter trotzdem bis 1996 ca. 30 000 regelmäßige Internet-Nutzer in Iran. Allerdings war es in der Zwischenzeit immer wieder zu Sperrungen einzelner Provider gekommen, über die unverheiratete Studentinnen und Studenten Verabredungen miteinander getroffen hatten.29 Deshalb gelangte die InternetNutzung nur zögernd über den - insgesamt noch überschaubaren - akademischen Bereich hinaus. Nimmt man Zahl und Inhalt von Wortmeldungen in Etteläcät zum Internet zum Maßstab, dann hat es den Anschein, als sei 1996 eine gewisse Wende eingetreten, mit der das Internet zunehmend enttabuisiert wurde.30 Im September wurde immerhin stolz vermeldet, daß Iran unterdessen feste Absprachen mit Providern in 22 Ländern getroffen habe.31 Das Internet
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wird nun zunehmend eher als ideales Medium für revolutionäre Propaganda entdeckt. Der universale Anspruch des iranischen Gesellschafts- und Staatsmodells scheint jedenfalls so tief verwurzelt zu sein, daß für seine Umsetzung technische Voraussetzungen, die im Westen entwickelt worden sind, eher aufgegriffen als abgelehnt werden. Eine gewisse Sonderrolle innerhalb der halbamtlichen Tageszeitungen spielt die englischsprachige Tehran Times. Sie wird hauptsächlich für das in Teheran akkreditierte diplomatische Korps, in Iran tätige internationale Firmenvertreter und ausländische Abonnenten produziert. Ihre Analyse eignet sich daher nur bedingt für das Aufspüren führungsspezifischer Positionen. Vielmehr wurde die Zeitung nach der Amtsübernahme Rafsangänls ein wichtiges publizistisches Element für die Vermittlung eines Iran-Bildes an umworbene ausländische Partner, das Normalität und Berechenbarkeit verhieß. Auch wenn Regierungsinteressen hier am deutlichsten ihren Niederschlag fanden, bedeutet das nicht, daß Tehran Times nicht auch die bekannte Führungslinie etwa im Fall Rushdie, in der Menschenrechtsproblematik oder im "Kulturkampf' vertrat. Nur ging es in den Leitartikeln und Kommentaren weniger um die Wiedergabe von grober Propaganda, sondern um den Versuch, mit Argumenten Verständnis für iranische Standpunkte zu wecken. Hinzu kamen regelmäßige Kolumnen von Theoretikern des Regimes, wie Mohammad Gaväd Lärigänl, die der intellektuellen Tiefe des iranischen Gesellschafts- und Staatsmodells Ausdruck geben sollten. Auf Grund dieser Spezifik ist Tehran Times letztlich nur bedingt mit Ettelä c ät oder Kayhän zu vergleichen. Ähnliches trifft auch auf die Tageszeitung Hamsahri zu, die vor allem der hauptstädtischen Bevölkerung den Kurs der Regierung Rafsangäni nahebrachte bzw. Standpunkte vermittelte, die Verständnis für Positionen der Regierung wecken sollten. Damit rücken nun zwangsläufig Zeitungen in den Mittelpunkt, die eher die obengenannten fraktionellen Standpunkte vertreten. Konservative Haltungen, privatwirtschaftliche, vor allem Interessen des Basars, kommen insbesondere in den Zeitungen Resälat und Gomhüri-ye Esläml zu Ausdruck. Die Rolle dieser Zeitungen besteht nicht primär darin, neue oder ungewöhnliche (außenpolitische Initiativen vorzuschlagen, sondern sie sind eher publizistische Instrumente von Pressure-groups. Im Frühsommer 1993 formulierte Resälat z.B. Bedingungen an Rafsangäni, die dieser erfüllen müsse, bevor er mit der Unterstützung der Röhänyat-e Mobärez, der hauptsächlich hinter Resälat und Gomhüri-ye Esläml stehenden Kraft, für seine Wiederwahl als Präsident rechnen dürfe. Zu den Forderungen zählten die Auswahl der Minister nach ihrer erprobten antiwestlichen, vor allem antiamerikanischen Haltung, eine kulturelle Schwerpunktsetzung im zweiten Fünfjahrplan, um islamfeindlichen Einflüssen besser begegnen zu können, und eine klare Verpflichtung des Präsidenten, den "Geist
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der Revolution nicht für Fortschritt und Entwicklung zu opfern"32. Sich der Linie Resälats zu widersetzen hieß auch, die persönliche Demontage zu riskieren. Der Chefredakteur von Resälat, Nabavi, gab z.B. unumwunden zu, daß er die Entlassung von Mohammad Hätaml als Kulturminister auch als Erfolg der Aktivitäten seiner Zeitung wertete. Hätaml habe liberalen Ansichten während seiner Amtszeit zu großen Raum gegeben, er habe die Gefahren der "westlichen Kulturinvasion" trotz der Mahnungen H ä m e n e l s unterschätzt und deshalb die Arbeit von Anhängern der Hezbolläh im kulturellen Bereich sabotiert.33 Gomhüri-ye Esläml tat sich vor allem in der Unterstützung von Positionen der Führung hervor, die Beziehungen zu westlichen Staaten nur "auf dem niedrigstmöglichen Niveau" befürworteten. Jedes Nachgeben in prinzipiellen Fragen, wie etwa der permanenten Gültigkeit von Khomeinis Urteil gegen Salman Rushdie, nur um sich den Westen gewogen zu machen, sei abzulehnen.34 Demgegenüber vertrat die Zeitung die Ansicht, daß Iran, anstatt sich dem Westen anzudienen, vielmehr seine revolutionären Verpflichtungen gegenüber der islamischen Welt einlösen müßte. Schon während des 2. Golfkriegs kritisierte sie die "abwartende" Haltung der Regierung in einer Situation, in der aktives Mitwirken gefragt war. "Die erklärte Politik der Islamischen Republik Iran läßt erwarten, daß sie ihre Ressourcen in Not geratenen Staaten öffnet und die Anwesenheit von fremden Mächten in der Region ablehnt, aber die 'Laissez-faire'Politik hinsichtlich der Verletzung von Souveränität und nationaler Sicherheit ... steht in offensichtlichem Widerspruch zu dieser Politik und ist geeignet, die Menschen an der Gültigkeit dieser Politik als einer offiziellen Position zweifeln zu lassen..."35
Daß Gomhüri-ye Esläml damit einer direkten Kriegsteilnahme Irans das Wort redete, wird deutlich, als sie auch später die aktive Unterstützung von islamischen Bewegungen in Palästina, Libanon, Afghanistan und Pakistan forderte. 34 Innerhalb der konservativen Presse nimmt die seit 1995 erscheinende Zeitung Sobh (unterdessen eine Monatsschrift) eine besondere Position ein. Die Redaktion vertritt im wesentlichen Kräfte, denen das konservative Lager insgesamt zu "behäbig" erscheint. Sie werden von vielen Beobachtern als "neue Rechte" angesehen, als aktives, treibendes Element für die Belebung revolutionärer Kräfte. Sobh verdächtigte die Führung wiederholt, gegenüber dem Westen ein zu hohes Maß an Toleranz walten zu lassen. Vor allem in bezug auf die USA sei jedes noch so geringe Einlenken als Niederlage zu werten. 37 Mit Amerika dürfe es niemals Beziehungen geben. 38 Jugendliche Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem, Begeisterung für die Möglichkeiten der Nutzung neuer Techniken bei der Verbreitung der revolutionären islamischen Botschaft zeichnete Sobh hingegen bei der Behandlung des Einsatzes von Computern 39
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und der Nutzung des Internets40 aus. Die Zeitung trat damit bewußt und erfolgreich dem Eindruck entgegen, konservative Haltungen seien ausschließlich mit vorsichtigen und unflexiblen Ajatollahs wie Mahdavi Kanl oder Näteq Nüri verbunden, denen auch die Beherrschung moderner Computertechnik und des Internets nicht mehr zuzutrauen sei. Sobh verstärkte somit jene Meinung, daß Konservatismus auch Wachheit und Aktivität bedeutet. Aufgeschlossenheit gegenüber technischen Neuerungen stand aber ein gleichwertiges Beharrungsvermögen in ideologischen Fragen gegenüber. Bereitwillig machte sich Sobh zum Sprachrohr von Studenten, die im heftigen Disput um den Philosophen Abdolkarim Sorüs gegen diesen Front machten. Sie fanden in der Zeitung eine Plattform, um zu behaupten, Sorüs sei keinesfalls geistiges und ideologisches Vorbild eines signifikanten Teils der Studentenschaft, und um ihm vorzuwerfen, er beabsichtige, unter dem Vorwand der Rede- und der wissenschaftlichen Meinungsfreiheit "die religiöse Souveränität zu beseitigen"41. Eigenschaften von Resälat, Gomhüri-ye Esläml und Sobh vereinigte auf der anderen Seite des politischen Spektrums die Zeitung Saläm. Sie präsentierte sich als publizistische Plattform jenes Flügels der Führung, der egalitaristische und in der Wirtschaft eher planwirtschaftliche Positionen vertrat. Sein Streben nach der idealen islamischen Gesellschaft, die sich durch eine buchstabengetreue Befolgung islamischer Verhaltens- und Moralnormen auszeichnet und den umgehenden und umfassenden Export der Revolution in die Wege leitet, erinnert in einigen Aspekten an sozialistische Modelle. Wie an anderer Stelle ausgeführt, wurden die entscheidenden Vertreter dieser Richtung nach dem Tod Khomeinis und der Amtsübernahme Rafsangänis und Hämene^is entmachtet. Unter der Leitung von Hoggat ol-Esläm Mohammad Müsavi Hö'enlhä entwickelte sich Saläm daraufhin zu einer der kritischsten Stimmen gegen die neue Führung, insbesondere gegen Rafsangänl und die Regierung. Die Zeitung bekräftigte die Überzeugung, daß die Revolution auch für die Herstellung sozialer Gerechtigkeit gekämpft habe und daß die islamische Regierung daher die grundlegende Pflicht habe, Benachteiligte und Unterprivilegierte zu unterstützen. In der Außenpolitik sei am entschiedenen Widerstand gegen den Westen und die USA, an der uneingeschränkten Hilfe für islamische und Befreiungsbewegungen sowie an vorrangigen Beziehungen mit Entwicklungsländern festzuhalten.42 Unmittelbar nach seiner Amtsübernahme wurde Rafsangänl von Saläm wiederholt verdächtigt, mit seiner - wie auch immer begründeten - Annäherung an den Westen letztlich auch den Weg für eine Normalisierung der Beziehungen zu den USA zu bereiten. Die Zeitung erinnerte daran, daß die Weisungen Khomeinis in dieser Frage eindeutig seien und es nicht hinzunehmen sei, daß einige Kräfte in der Regierung die Bestimmungen des Imäm in der Weise umdeuteten, daß es eigentlich nur noch um das Problem der in den USA eingefrorenen iranischen Guthaben ginge.
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"Es scheint so, als ob alle Verschwörungen, Umsturzversuche, Attentate, die Einfädelung des Krieges mit Irak, das Abschießen eines iranischen Passagierflugzeuges durch die USA im Vergleich mit einigen Hundert Millionen Dollars nicht zählten. Warum? Der Grund liegt vielleicht in der Bedeutung des Wiederaufbaus. Benötigen wir die eingefrorenen Dollars so dringend, daß wir alle Verbrechen der USA übersehen und vergessen?"43
Wenig später listete Saläm die Gründe auf, aus denen auch die USA keine Annäherung an Iran beabsichtigten. Iran sei gegen den Frieden mit Israel, unterstütze Hamas und darüber hinaus andere islamische Gruppen in Palästina und in der Region. Teheran arbeite direkt und indirekt am Sturz proamerikanischer Regierungen in der Region, z.B. in Saudi-Arabien und Ägypten. Gleichzeitig unternehme es verstärkte Bemühungen, seine dominierende Rolle am Golf wiederzuerlangen. Iran habe außerdem ein Atomwaffenprogramm aufgelegt, um Israel und amerikanische Alliierte zu bedrohen. Im Fall der erstgenannten Vorwürfe dürfe Iran stolz sein, daß sie zuträfen, bemerkte Saläm, für die letztgenannten lägen keine Beweise vor. Sie dienten nur der Diffamierung der Islamischen Republik und verschärften - unbeabsichtigt - antiamerikanische Ressentiments in der iranischen Bevölkerung.'14 Diskussionen über die Gefahren der Unterschätzung eines leichtfertigen Umgangs mit dem Problem der Beziehungen zu den USA sind in allen Jahrgängen der Zeitung anzutreffen45, wobei sich Hoggat ol-Esläm cAli Akbar Mohtaseml in dieser Hinsicht besonders profilierte. Er wurde nicht müde, bei jeder Gelegenheit zu betonen, daß jedwedes Zurückweichen der Islamischen Republik vor amerikanischem Druck für alle revolutionären Bewegungen in der Welt einen Rückschlag bedeute.44 Diese Linie vertrat Mohtaseml nicht nur in "Saläm", sondern er wurde auch von anderen Zeitungen und Zeitschriften gern zitiert, wenn ein polemisch zugespitztes antiamerikanisches Statement nötig erschien. 1990 bezeichnete er die USA als ein "wildes Tier", das nur darauf aus sei, den Interessen Irans zu schaden. Die Aufrechterhaltung des Boykotts von Beziehungen zu den USA "ist notwendig, um die revolutionäre islamische Ideologie, aber auch die nationalen Interessen zu schützen ... die USA werden uns niemals die Technologie liefern, die wir für unsere Industrialisierung benötigen. Sie sind nur an der Abhängigkeit der Dritten Welt interessiert"47. Daneben gehörte Mohtaseml auch zu jenen Ideologen, die keine Entschuldigung für eine Verzögerung des Exports der Revolution gelten ließen. Gegenüber der ebenfalls auf der Linie von Saläm liegenden Tageszeitung "Abrär" erklärte er beispielsweise: "... die Annahme, daß wir uns erst wirtschaftlichen Fragen widmen sollten, um den Export der Revolution später und schrittweise in Angriff zu
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nehmen, ist ein Trugschluß. Das ist nichts anderes als der Vorwand für bestimmte Leute, der Revolution ihr Herz zu entreißen..."48 Saläm publizierte darüber hinaus vor allem jene Reden von Regierungsvertretern und geistlichen Führern, die unversöhnliche Haltungen zum Westen zum Ausdruck brachten 49 , und ergänzte sie bei Bedarf durch eigene redaktionelle Beiträge, z.B. zur "westlichen Kulturinvasion"50. Auch im Bereich der Bewertung von Wissenschaft und Technik folgte sie im wesentlichen der Linie von der Ablehnung des Satellitenfernsehens 51 über die Zustimmung zur Nutzbarmachung moderner Technologien 52 bis hin zur enthusiastischen Betonung der Vorteile von Computern 53 in den konkurrierenden Presseerzeugnissen. Unverwechselbar auf ihrer Linie blieb die Zeitung aber z.B. bei Berichten und Artikeln über die Revolutionswächter (Päsdärän) als militärisches Gewissen für die Bewahrung des Charakters und der Ziele der Revolution. 54 Etwa ab 1993 kam es allerdings zu Nuancierungen in der Veröffentlichungspolitik von Saläm, die einige Beobachter überraschten. In dem Maße, wie Rafsangänl und sein Kabinett gezwungen waren, sich dem Druck des konservativen Lagers zu beugen und vor allem dessen wirtschaftliche Interessen zu befriedigen, wuchsen die Kräfte, die Saläm repräsentierte, in den Rang der einzigen realen Opposition innerhalb der Führung. Plötzlich setzte sich Saläm für ein höheres Maß an Meinungsfreiheit ein55 und öffnete sich sogar "kritischen Geistern" wie c Abdolkarim Sorüs. Im Januar 1993 kennzeichnete sie Sorüs als einen der bedeutendsten Denker und Philosophen der Gegenwart in Iran. Er genieße große Achtung bei jenen Revolutionären, denen jeder - auch geistiger - Stillstand ein Greuel sei. Zustimmend gab sie die Meinung von Sorüs wieder, daß nur die heiligen Texte sakrosankt seien, nicht aber die Äußerungen einzelner Rechtsgelehrter. 56 Später offerierte Saläm Sorüs sogar Raum für eigene Veröffentlichungen. 57 In jedem Fall konnte Saläm ihre signifikante Stellung innerhalb der führungskritischen Presse bis in die Gegenwart bewahren, gerade weil auch die Kräfte um den neuen Präsidenten HätamI nicht zu ihrer eigentlichen Klientel zählen.
Zeitschriften und Fachpublikationen Die eigentliche Diskussion außenpolitischer Tagesfragen findet neben den Tageszeitungen in größerem Umfang nur in den Fachzeitschriften der dem Außenministerium angeschlossenen oder nahestehenden Insitutionen statt. Andere Zeitschriften greifen, je nach Publikumsecho, bisweilen Themen der von der Führung gesteuerten Kampagnen mit außenpolitischem Bezug auf, konzentrieren sich dafür aber umso mehr auf Probleme der generellen Entwicklung von islamischer Gesellschaft und islamischem Staat in der modernen
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Welt, bei besonderer Berücksichtigung von Wirkungen des Globalisierungsprozesses. Dabei gehört zum Allgemeingut, daß Globalisierung wenn schon nicht eine westliche Erfindung oder ein westliches Produkt, in ihren Inhalten und Erscheinungsformen westlich geprägt ist. Damit wird aus den Versuchen der günstigen Positionierung in diesem Prozeß eigentlich das Bestreben, sich vom Westen abzugrenzen bzw. die eigene Identität im Vergleich mit dem Westen zu definieren. Die Erkenntnis, daß auch dieses Bestreben Teil des Globalisierungsprozesses ist, wurde zumindest noch nicht publiziert. Konfrontation mit Formen westlicher Politik, Kultur, Wissenschaft und Technik gehörten nicht nur vor der Revolution zum alltäglichen - möglicherweise nicht immer bewußten - Erfahrungsschatz fast aller Iraner. Quasi von Geburt an sind sie von Produkten westlicher Wissenschaft und Technik umgeben, Freiheitskonzepte, Bildungsinhalte und Rechtsnormen werden - zumindest in rudimentärer oder fragmentierter Form - im Prozeß des Erwachsenwerdens vermittelt. Nicht wenige Iraner reisten früher regelmäßig in westliche Staaten, wo viele eine Berufsausbildung erhielten oder studierten. Diese Erfahrungen fließen selbstverständlich auch in die publizistische Auseinandersetzung ein. Bewußte oder unbewußte Vertrautheit mit oder Akzeptanz von materiellen und geistigen Produkten westlichen Lebens bedeutete jedoch nicht deren unkritische Übernahme. In dem Maße, wie diese westlichen Einflüsse die grundlegende Identität als Iraner und Muslim zu beeinträchtigen schienen, regte sich auch elementarer Widerstand.58 Bekanntlich existierte dieses Phänomen schon vor der iranischen Revolution und war in vergleichbarer Form auch in anderen Ländern zu finden, aber es gehörte zweifellos zum geistigen Nährboden, auf dem die Revolution gedieh. Einige namhafte iranische Intellektuelle wie Ahmad Fardld, Galäl Al-e Ahmad, CA1I SarFatI u.a. artikulierten diese Frustrationen und Bedenken schon vor der Revolution, danach wurden sie Wegbereiter einer neuen Generation von Intellektuellen, die zunächst vornehmlich das andere Extrem bedienten, nämlich den Westen für alle Nachteile, Beschwernisse, Unzulänglichkeiten und Probleme Irans verantwortlich zu machen. Diese Haltung rückte sie wie selbstverständlich an die Seite der geistlichen Führer der Revolution.59 Mehrzad Boroujerdi ist zuzustimmen, wenn er feststellte: "The former uneasy squabbles of a number of critical intellectuals were now transformed to the theoretical stockpile of a revolutionary movement."60 In den ersten nachrevolutionären Jahren entstand ein eigener Markt von Büchern und Periodika, der Westkritik mit intellektuellem Anspruch produzierte. Infolge der konkreten Erfahrungen der Iraner mit den USA blieben die Vereinigten Staaten auch im Zentrum der Kritik am Westen. Das Eindringen westlicher Kultur nach Iran sei demnach de facto nur den USA zuzuschreiben (interessanterweise spielen die Jahrzehnte britischen Einflusses bis nach dem
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Ende des Zweiten Weltkriegs kaum eine Rolle), weil diese den Export ihres Gesellschafts- und Wertesystems zu einem Hauptziel ihrer Außenpolitik deklariert hätten. In diesem Sinne sei es nur legitim, wenn Iran nun seinerseits daranginge, seine Systemvorstellungen zu exportieren.61 Nach dem Tod Khomeinis gewann diese Debatte jedoch an intellektueller Schärfe, weil auch Widerspruch artikuliert wurde. Es kristallisierten sich verschiedene Standpunkte heraus, die in verschiedenen Periodika mit wachender Intensität behandelt wurden. Dabei ist festzuhalten, daß das konforme Lager quantitativ überlegen blieb. In der Ausrichtung ähnlich, gewichtete es seine Argumente nur unterschiedlich. Eine sich sehr eng an der religiösen Weltsicht der geistlichen Führung orientierende Richtung vertiefte die bekannte Meinung, daß sich Wert- und Zielvorstellungen menschlichen Lebens im Westen und in der islamischen Welt fundamental voneinander unterschieden. Mortezä3 Ascadi behauptete in zwei längeren Artikeln in "Echo of Islam", daß der Westen seit der Aufklärung den Menschen selbst und seine Vernunft zum Maß aller Dinge erhoben und damit Gott seiner Allmacht beraubt habe. Mit den Folgen dieser Entscheidung wäre auszukommen, wenn der Westen nicht auf Grund seiner technologischen Überlegenheit der Auffassung wäre, seine Weltsicht sei die einzig mögliche. Damit sei die Konfrontation mit alljenen Gesellschaften vorprogrammiert, die diese Meinung nicht teilten. "Therefore, that part of the world which does not share this ontology, world-view and way of life, confronts the problem of preserving its identity and, ultimately, its very meaning and significance... And this is precisely the fundamental problem faced by an East confronted by overt and covert Western hegemonism ... The problem of the Eastern world, and the Islamic world, is that this irreligious, or, more precisely, anti religious thought, buttressed by technological superiority and the ever increasing tendency of societies towards structural differentiation, is becoming global."62
In Anlehnung an die bekannten Urteile über die angebliche wissenschaftlichtechnische Überlegenheit des Westens bei gleichzeitiger Unterlegenheit in spirituellen Fragen behauptete der Autor, daß im Westen die Wissenschaft selbst zur einer Art von Religion geworden sei. Dieser Wandel sei der Kern des Modernismus, der der Wissenschaft oktroyiere, alles abzulehnen, was über sie hinausreiche. "Its final ontological outlook is as follows: the absence of God from ontological science, rejection of idealistic, static or cyclic religious thought, and finally, belief in linear time which, contrary to the religious conception of time, does not lead to form of return to an ideal, perfect existence, but considers every tomorrow as better than every today... Western mod-
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ernism, meaning a kind of unending search for the new based on a particular set of ontological assumptions, is in fundamental conflict with religious thought."63
Von dieser Position aus bezweifelte der Autor generell, daß Modernisierung ohne Modernismus gelingen könnte. Obwohl beide Begriffe nicht identisch seien, wären sowohl bekannte geistige "Modernisierer" des Islam wie Afgäni, als auch praktische wie etwa Muhammad CA1I letztlich gescheitert. Ihr Scheitern läge hauptsächlich darin begründet, daß, bis in die Gegenwart hinein, "modernization, although of vital importance in Islamic countries, brings with it requirements which per force pave the way for acceptance of the secularist viewpoint. And acceptance of secularism in a religious society means nothing short of marginalization of religion and ultimately complete secularization of that society"64. An der unscharfen Trennlinie zwischen Religion und Ideologie argumentierte Rezä 5 Dävari. Auch er vertrat die Meinung, daß der Westen kein "Warenlager" sei, aus dem man sich nach Belieben und Bedarf bedienen könne. In diesem Sinne unterstützte er Ascadis Warnung vor der Untrennbarkeit von Modernisierung und Modernismus. Insgesamt setzte Dävari aber andere Schwerpunkte. Nicht-westliche Gesellschaften stünden nicht einzelnen westlichen Individuen gegenüber, sondern dem Westen als Ganzem, lautete seine Kernthese. "... the 'West' must be viewed as a 'totality', a 'unified whole', and an 'essence'..."65, behauptete er in Anlehnung an die Geschichtsphilosophie Hegels. Die Totalität des Westens zu unterminieren, könne laut Dävari nur gelingen, wenn man sich auf die Infragestellung seiner beiden wichtigsten Botschaften konzentriere: Humanismus und Modernismus. "Das sind eine Denkrichtung und historische Praxis, die vor vierhundert Jahren ihren Ursprung in Europa nahmen und sich seitdem mehr oder weniger über die gesamte Erde ausbreiteten. Die westliche Entwicklung schildert den Niedergang der heiligen Wahrheit und den Aufstieg der Menschheit, die sich selbst als einzigen Besitzer und Zentrum des Universums ansieht. Selbst wenn es darum ginge, die Existenz Gottes zu beweisen, würde das nicht mit dem Bestreben des Gehorsams und der Unterwerfung unternommen, sondern um sich selbst zu beweisen."66
Gegen diese westliche Totalität müsse eine islamische Identität gesetzt werden. Genau wie AscadT greift er dann das Konzept des Modernismus an. Für ihn ist der Modernismus ein intellektuelles Projekt des 18. Jahrhunderts, das die natürliche Ordnung des Mittelalters im Namen der Wissenschaft ersetzte. Damit sei Modernismus eine natürliche Fortsetzung des in der Renaissance geborenen Humanismus. Beide seien die "Essenz" des Westens, der den Menschen in das Zentrum aller Philosophien, Theorien und Wissenschaften stellte. Auf den aufgezwungenen und importierten Charakter des Modernismus in der
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islamischen Welt im allgemeinen und in Iran im besonderen abhebend, führte er aus: "Modernität ist ein Baum, der im Westen gepflanzt wurde und der sich dann überall verbreitete. Für viele Jahre haben wir unter einem der dürren und austrocknenden Äste dieses Baumes gelebt, und sein Schatten hängt immer noch über unseren Köpfen. Obwohl wir Zuflucht im Islam genommen haben, ist der Schatten dieses Astes noch nicht vollständig von unseren Köpfen verschwunden. Tatsächlich haben weder er noch wir voneinander Abschied genommen. Was können wir gegen diesen Ast unternehmen?"67
Die Antwort gab Dävari selbst: nicht nur der Ast, sondern der gesamte Baum der Modernität müsse gefällt werden.68 Sein antimodernistischer Standpunkt ließ somit keinen Raum für Zweifel, Abweichung oder gar Pluralismus. Eher stand er für eine scharfe Grenze zwischen "ihnen" und "uns". Die Positionen Ascadls und Dävarls waren nicht an ihr Wirken in Iran gebunden. Auch im Ausland arbeitende iranische Wissenschaftler teilten ihre Meinung. So behauptete z.B. der in den USA lebende Politologe Seyedibrahimi, daß der westliche Universalismus den globalen Kampf zwischen Moderne und Tradition legitimiere. "The West expanded its qualities on the unwilling and unprepared majority of humanity, and transformed the entire world in its image and established a hierarchy of prestige defined by the success of imitation."69 Nach der Kolonialepoche habe der Westen lediglich das Konzept der Verwestlichung gegen Begriffe wie "Modernisierung" und "Entwicklung" ausgetauscht. Seyedibrahimi bekannte sich als Ideologe der Islamischen Republik, als er deren Wertvorstellungen nicht nur für überlegen erklärte, sondern ihnen auch universale Bedeutung zuschrieb. "The basic feature of Iranian culture that shapes the idea system and the pattern of thinking of the people is Shüte Islam. This ideology is, in essence, a totalistic world-view that opposes oppression, and is thereby anti-imperialistic."70
Es sei an dieser Stelle eingefügt, daß eine Reihe westlicher Wissenschaftler, die sich mit dieser Problematik beschäftigen, behaupten, daß die Abschottungsbemühungen islamistischer Wissenschaftler auf Grund der obengenannten Umstände des "Hineingeborenseins" in eine konkrete, mit westlichen Werten, Begriffen und Symbolen durchsetzte Realität letztlich nicht erfolgreich sein können. Graham Fuller sah sich in geistiger Übereinstimmung mit Olivier Roy (The Failure of Political Islam), als er feststellte: "For Roy, it is already too late to contest the Western 'universal' order; The frustrations of the fundamentalists spring from the reality that they are already deeply enmeshed in Western modernism and have no real
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alternative except occasionally in the symbolic realm. They are absorbed into the Western political vocabulary of modernism - for the better or for worse - even if they choose to challenge the validity of the Western experience."71 Ohne es ausdrücklich zu erwähnen, bestätigen derartige Einschätzungen nur die Erkenntnis, daß die islamistische Suche nach Identität und Eigenständigkeit durch Abgrenzung gleichwohl Teil des Globalisierungsprozesses ist, selbst wenn dieser Vorgang für Islamisten ideologisch belastet ist und als neue Form westlichen Hegemoniestrebens betrachtet wird. Aber zurück zur inneriranischen Debatte. Auch in Iran finden sich immer wieder Stimmen, die zwischen den Extremen zu vermitteln suchen. Ibrahim Yazdi, Nachfolger Mehdi Bäzärgäns als Führer der halblegalen Nehzat-e Azädi, sprach sich wiederholt dafür aus, daß sowohl der Westen als auch die islamische Welt lernen müßten, miteinander umzugehen. Er erinnerte an die gegenseitige Befruchtung in der Vergangenheit, als die westliche Zivilisation nach dem Kontakt mit dem Islam erblühte, während der Islam Nutzen aus dem kulturellen und wissenschaftlichen Erbe der griechisch-römischen Antike zog. Keine lebendige Kultur könne in der Isolation überleben. Yazdi formulierte ein diesbezügliches Credo:"... the future of human civilization depends on healthy, normal relations between the West and Islam."72 Yazdi und seine Organisation befinden sich allerdings zu weit an der Peripherie des offiziellen politischen Lebens in Iran, um auf die Meinungsbildung der Führung entscheidend Einfluß zu nehmen. Obwohl gerade dieser Vorgang im Mittelpunkt der Untersuchung stehen soll, wird sie ohne partielle Einbeziehung des oppositionellen Hintergrundes, vor dem er stattfindet, nicht gelingen. Die Wortmeldungen As c adls, Dävaris und Gleichgesinnter erreichten u.a. deshalb eine solche Bedeutung und Aufmerksamkeit, weil sie nicht unwidersprochen blieben. Insofern scheint es wichtig, zumindest auf einige Publikationen der inneriranischen Opposition einzugehen.
Publikationen der Opposition Ständigem Druck ausgesetzt, wiederholt verboten, neu oder mit anderem Namen wiedergegründet, existiert in der Islamischen Republik Iran eine spezifische oppositionelle Presse, deren Bedeutung für die Führung des Landes nicht nur durch die aufgeworfenen Themen bestimmt wird, sondern auch durch die Tatsache, daß sich in ihr in zunehmendem Maße Personen zu Wort melden, die Teil des revolutionären Establishments waren oder sind.
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Dafür steht als besonders plastisches Beispiel der bereits erwähnte cAbdolkarím Sorüs, der in den ersten nachrevolutionären Jahren maßgeblich an der Umsetzung der islamischen "Kulturrevolution" beteiligt war73, um in den neunziger Jahren - insbesondere durch seine Wortmeldungen in Kiyän - zum bekanntesten intellektuellen und ideologischen Herausforderer der iranischen Führung zu werden. Er berührte in seinen Schriften zahlreiche Themen von außenpolitischer Relevanz, sei es durch seine Infragestellung der Methodik für die Realisierung der islamischen Einheit oder des Postulats einer einzigen Kultur in Iran. Sorüs bezweifelte beispielsweise den Nutzen einer Behauptung, daß Einheit nur über die Abwehr eines gemeinsamen äußeren Feindes definiert werden könne. Diese würde in dem Moment obsolet, in dem der Feind besiegt wäre oder verschwände. Diese Ansicht würde im Gegenteil implizieren, daß der Feind möglichst lange existieren müßte, um die Einheit zu bewerkstelligen.74 Den zweiten Aspekt betreffend, ist die gegenwärtige Kultur seines Landes für Sorüs aus mindestens drei Komponenten zusammengesetzt, nämlich der nationalen (farhang-e melll), der religiösen (farhang-e dini) und der westlichen (farhang-e garbl) Kultur.75 Anstatt eine Komponente der anderen vorzuziehen, sollten die Iraner eher versuchen, aus ihnen etwas Neues entstehen zu lassen. Zudem sei der Kompositionscharakter ihrer Kultur als Vorteil zu verstehen, denn er versetze die iranische Gesellschaft in die Lage, die besten Aspekte der verschiedenen Kulturen zu absorbieren und zu nutzen, so wie etwa einst die griechische Philosophie im eigenen Denken heimisch gemacht wurde.76 Diese dialektische Sichtweise wird in besonderem Maße auch in seiner Auseinandersetzung mit den Ansichten Dävaris und Fardlds sichtbar. Sorüs teilt deren Alternativen, das westliche Modell entweder völlig zu übernehmen oder gänzlich abzulehnen, nicht. Vielmehr solle nach gründlichem Abwägen zwischen Übernehmens- und Ablehnenswertem unterschieden werden.77 Dävaris und Fardlds Ansichten brandmarkte er als historischen Determinismus. Intelligenz akzeptiere keine Fesseln, Philosophie sei kosmopolitisch und Wissen kenne keine Grenzen, hielt Sorüs entgegen und ergänzte, daß Geburtsort und datum keine Kriterien für die Feststellung von Wahrheit sein dürften. An die Adresse Dävaris gerichtet, fragte er: "Wo ziehen Sie die Grenzen des Westens? Ist moralischer Niedergang immer dort präsent, wo der Westen ist oder ist der Westen immer dort, wo auch moralischer Niedergang ist? Sollten wir den 'westlichen Geist' aus dem Westen extrahieren oder sollten wir den Westen im 'westlichen Geist' ausmachen?"78
Dävaris Ansicht über den Westen als totales und einiges Ganzes lasse keinen Raum für einen konstruktiven Dialog und einen beiderseits nützlichen Austausch. Deshalb lehnt Sorüs auch den Gebrauch von Begriffen wie "westliche
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Philosophie", "westliche Kunst", "westliche Kultur", "westlicher Geist" etc. ab und hält entgegen, daß der Westen nicht als totales Ganzes innerhalb genau definierter kultureller und intellektueller Grenzen existiert. Nicht-westliche Gesellschaften sähen sich nicht mit "dem Westen" konfrontiert, sondern mit einzelnen Menschen aus dem Westen. Zudem sei die Auseinandersetzung mit westlichen Ideen und Gedanken, Kultur und Politik, nicht a priori schädlich. Das Verhältnis zwischen Islam und Westen sei nicht auf ein Unterordnungsverhältnis zu reduzieren, sondern es sei ein Verhältnis gegenseitiger Analyse und gegenseitigen Kennenlernens. Sorüs kritisiert auch Dävaris Haltung zu Modernität und Modernismus. Der eigentliche Unterscheidungspunkt zwischen vormodernem und modernem Zeitalter sei die Einführung einer großen Bandbreite von "...logien" und "...ismen".79 An der Toleranzgrenze des Regimes bewegte sich Sorüs zweifellos, als er dessen Bestreben in Frage stellte, die gesamte Welt zum Islam zu bekehren bzw. überall eine islamische Regierung zu etablieren. "Ich glaube nicht, daß eine religiöse Regierung wie die der Islamischen Republik Iran die Absicht hegen sollte, die ganze Welt zum Islam zu führen und eine islamische Regierung zu errichten. Der erste Schritt sollte die Unterstützung des Respekts für jedes religiöse Gedankengut in der Welt sein."80
Nicht nur mit letztgenannter Meinung hatte Sorüs sich die Gegnerschaft des Regimes und seiner intellektuellen Sympathisanten zugezogen. Ahmad FardTd bezeichnete ihn auf Grund seiner Nähe zu Karl Popper als britischen Agenten. Dävarl warf ihm vor zu vergessen, daß westliche Ideen Resultate einer Entwicklung sind, die Iran nicht durchlaufen habe. Ohne diese Erfahrungen könne Iran westliche Konzepte nicht ohne Schaden übernehmen. 81 Der Grad seiner "Verwestlichung" sei schon daran zu erkennen, daß er ernsthaft behaupte, die Iraner könnten wirklich westliche Werte selektiv und nicht nur in ihrer Gesamtheit übernehmen. 82 Es sei nicht verschwiegen, daß Dävari mit diesen Bedenken nicht allein stand. In der internationalen Wissenschaft, insbesondere in der Soziologie, existiert eine breite Strömung, die ebenfalls behauptet, daß Modernisierung, Technologie, Urbanisierung etc. nicht ohne das "kulturelle Gepäck" zu haben seien, das sie mit sich führten. Dieses Gepäck sei in seinem Kern das Ideen- und Wertesystem, das aus der Aufklärung erwuchs.83 Sorüs gelang es nicht auf Dauer, den Disput auf der wissenschaftlichen Ebene zu halten. Wirklich gefährlich wurde es für ihn deshalb, als sich auch die Führung der intellektuellen Kritik anschloß. Einmal mehr erfüllten die Freitagsgebete ihre Funktion als "Transmissionsriemen" der Führung. Mit deutlichem Bezug auf Sorüs erklärte Ajatollah Yazdl schon 1992: "In our universities a lecturer is not allowed to think that this is an open and free classroom and in universities everything can be discussed and any nonsense that
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a foreigner has said can be repeated." 84 Damit war Kräften wie der Hezbolläh die Eröffnung einer Hetzkampagne gegen Sorüs möglich, die ihn im Verlauf der neunziger Jahre zunächst sukzessive in das innere, später de facto in das äußere Exil zwang. Ein ähnliches, teilweise auch folgenreicheres Schicksal teilten weitere kritische iranische Intellektuelle. In Deutschland wurde besonders der Fall des 1996 inhaftierten Chefredakteurs der Zeitschrift "Ädineh", Faräg Sarkühi, bekannt, der sich ebenfalls zum Konflikt zwischen Tradition und Moderne zu Wort gemeldet hatte. In anderer Verwendung der Begriffe kam er zu dem Schluß, daß in Iran schon seit Jahrhunderten ein Kampf zwischen Tradition und Moderne tobe, wobei die Tradition 1979 die Macht übernommen habe. "Doch sie hat damit keineswegs triumphiert. Denn sie muß das Land führen, sie muß die Industrie entwickeln und ist zu diesem Zweck auf Beziehungen zum Westen angewiesen. All dieses hat sie stets verteufelt. So ist die Tradition gezwungen, sich zu verändern, um an der Macht zu bleiben. Ein mühseliger Prozeß."85
Kiyän und Ädineh gehören auf Grund der Prominenz ihrer permanenten oder temporären Mitarbeiter zu den bekanntesten oppositionellen Periodika Irans, obwohl sie diese Position nicht allein ausfüllen. In Teheran, aber auch in größeren Städten der Provinz, ist eine weitere Zahl von Blättern bestrebt, den Wissensdurst und den Erkenntnisdrang einer wachsenden Leserschar mit unkonventionellen Meinungen und Standpunkten zu befriedigen. Dabei versuchen sie, die Grenzen des Erlaubten stets aufs Neue auszuloten. Als Beispiel dafür mag die Einladung der Zeitschrift "Gäme c e-ye Sälem" an den amerikanischen Iranspezialisten Hosang AmirahmadT gelten, der in einer Gesprächsrunde mit der Zeitschrift seine Gesprächspartner zu mutigem Infagestellen des außenpolitischen Dogmas von der Unmöglichkeit der Wiederherstellung normaler Beziehungen zwischen Iran und den USA anregte. 86 Die Aufzählung weiterer Beispiele ließe sich fortsetzen, würde das Gewicht der Oppositionspublikationen in der Analyse aber überbewerten.
Regierungsnahe Publikationen Eine Trennung zwischen regierungskonformer und oppositioneller Presse läßt sich im Bereich von Zeitschriften und Fachpublikationen ungleich schwerer bewerkstelligen als im Zeitungssektor. Viele Zeitschriften bemühen sich um eine lebendige und durchaus problembewußte Darstellung auch außenpolitischer Themen. Fachpublikationen lassen den darin schreibenden Wissenschaftlern noch größeren Freiraum. Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal ist wohl, daß diese Presse sich vor aller Kritik als "islamisch" versteht und eine instru-
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mentalistische Konzeption von politischer Analyse ablehnt. Politische Systeme und ihre Probleme werden grundsätzlich anhand ihrer Werte und Ziele eingeschätzt. Politische Analyse und Wissenschaft sind aus ihrer Sicht deshalb nicht wertfrei, sondern sie besitzen vor allem eine ethische und moralische Aufklärungspflicht.87 Damit wird zum sekundären Bewertungsmerkmal, daß diese Publikationen keine Fundamentalkritik vornehmen, die wirklichen Kontroversen aussparen und sich auf Vorschläge zur Verbesserung und Effektivierung des Bestehenden konzentrieren. Damit wirken sie als wichtiges Korrektiv für die außenpolitische Entscheidungsfindung. Die Bandbreite derartiger Publikationen ist groß. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien hier nur wichtige erwähnt. Ettelä c ät slyäsi-eqtesädl versteht sich als Plattform journalistischer und wissenschaftlicher Meinungsäußerung zu allen Fragen von Politik und Wirtschaft. Dabei werden auch häufig außenpolitische Problemstellungen angesprochen, seien es weitere Beiträge zur konzeptionellen Debatte um Modernismus und Postmodernismus,88 ein kritischer Überblick über westliche Demokratien89, ein Appell für das Verständnis kultureller Werte90 oder Bemerkungen über die Veränderungen in der Struktur der internationalen Gemeinschaft, die auf die Frage hinauslaufen, ob Regionalismus oder Globalismus in Zukunft die Struktur bestimmen. 91 Das letztgenannte Problem beschäftigte außenpolitische Theoretiker und Praktiker gleichermaßen. Im Ergebnis der Debatten kam die Führung zu dem Schluß, daß beide Faktoren in einem engen Wechselverhältnis zueinander stehen, daß aber insgesamt die Bedeutung von Regionalpolitik im Ergebnis der Globalisierung deutlich zugenommen habe.' 2 Deshalb benötige Iran nicht nur eine "Grande Strategie", sondern müsse für jede einzelne Region eigene Konzepte entwickeln.93 Andere Fachzeitschriften griffen Themen mit außenpolitischem Bezug eher zufällig und sporadisch auf. c Abdolhädi Hä'eri beschäftigte sich z.B. in der "Vierteljahreszeitschrift für Historische Forschung" mit der Konfrontation islamischer Intellektueller und Denker mit verschiedenen Aspekten der westlichen Zivilisation94, während Mohammad Hassan Fayyäzl in der "Zeitschrift für Recht und politische Wissenschaft" eine Untersuchung über Faktoren anstellte, die die Durchsetzungsmöglichkeiten für die Ziele der iranischen Revolution verbessern.95 Direkt und unmittelbar für den außenpolitischen Vorlauf sorgen vor allem die vom IPIS herausgegebenen Zeitschriften für Außenpolitik und für internationale Beziehungen. In beiden Zeitschriften publizieren nicht nur der Außenminister und seine Stellvertreter, sondern sie präsentieren sich als Plattform für einen breiten, häufig überraschend offenen Diskurs über außenpolitische Fragen. c Abdol CA1T Qaväm untersuchte beispielsweise die Querverbindungen zwischen dem Wesen eines politischen Systems und seinen nationalen Interessen. Nationale Interessen könnten nicht endgültig definiert werden,
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sondern sie wandelten sich im Prozeß der Interaktion zwischen dem politischen System und seiner Umwelt. Wissenschaftlich verbrämt, sprach er sich damit für ein wesentlich höheres Maß an Flexibilität in der Formulierung außenpolitischer Ziele aus.96 Seyyed Mohammad Sadr bedauerte in einer anderen Ausgabe der Zeitschrift den Kompetenzverlust der iranischen Außenpolitik durch die Vielzahl der Entscheidungsträger. Beschlüsse würden sich häufig nicht nur überschneiden, sondern gegenseitig aufheben. Deshalb schlug er die Bildung eines Rates aus Präsident, Vorsitzendem des Nationalen Sicherheitsrates und den Ministern für Äußeres, Verteidigung, Industrie, Wirtschaft und Kultur vor, der außenpolitische Fragen und Entscheidungen koordinieren und durchsetzen solle.97 Das Journal für internationale Beziehungen erscheint in englischer Sprache und steht auch ausländischen Wissenschaftlern offen. Es erfüllt damit eine wichtige propagandistische Aufgabe, denn es soll in erster Linie einem internationalen Publikum ein seriöses Bild über Ziele und Methoden der iranischen Außenpolitik vermitteln. Ein gutes Beispiel für diesen Anspruch findet sich u.a. in einem Aufsatz von Amr Sabet zum Thema "Islam, Iran and the Western Discourse: Behind the Veil". Darin soll Verständnis für den einzigartigen Charakter des iranischen Experiments geweckt werden, das sich zum Ziel setzte, islamische Prinzipien nicht selektiv, sondern im ganzen in gesellschaftliche Realität umzusetzen. "As a religious phenomenon, thus, the Iranian Revolution represents a major breakthrough from discursive formations of the West, both at the theoretical and empirical levels. As a broad typological scheme and a nucleus for an Islamic paradigm and grand strategy, it has contributed immensely to the development of Islamic political theory and to the practice of Islamic authenticity. In light of its typology, organic elite, structural and processes theories could be developed, which eschew the bifurcatory impact of Western paradigms. More concretely, and despite its distinctive characteristics, the Revolution provides Muslims with a genuine experience to adopt, adapt or go beyond."98
Eine gewisse Sonderrolle auf dem Markt außenpolitischer Fachzeitschriften spielt die vom "Zentrum für wissenschaftliche Forschung und strategische Studien des Mittleren Ostens" herausgegebene Vierteljahresschrift "Faslnämeh Havärmlyäneh". Da das Zentrum nicht, wie etwa das IPIS, dem Außenministerium angeschlossen ist, nimmt es für sich noch größere Freiheiten in Anspruch als die vom IPIS herausgegebenen Zeitschriften. In ihrem Beirat wirken international renommierte Wissenschaftler wie John Esposito, James Piscatori oder Hisham Sharabi mit, andere ausländische Spezialisten veröffentlichten Aufsätze. "Faslnämeh Havärmlyäneh" betreibt keine "Auftragsforschung", sondern bestimmt seine Inhalte selbst. Deshalb steht auch nicht ausschließlich Iran im
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Kapitel IV
Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern es werden ebenso Probleme des Friedensprozesses in Nahost, zeitgenössisches arabisches Denken, die Beziehungen zwischen der E U und dem Nahen Osten, Militarisierung oder Elitenbildung im Nahen Osten usw. behandelt. Iran betreffende Themen stellen sich eher auf indirekte Weise dar, etwa durch Untersuchungen der Politik Clintons gegenüber dem Nahen und Mittleren Osten" oder der "Zukunft der islamischen Zivilisation". Im letztgenannten Aufsatz kam Mahmüd SärFolqalam zu der interessanten Schlußfolgerung, daß die Muslime endlich über die Rhetorik hinauskommen und zu konkreten Taten schreiten müßten. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, daß in der Gegenwart bereits zahlreiche erprobte Zivilisationsmodelle existierten, gegenüber denen sich neue Modelle erst bewähren müßten. Mehr denn je benötigten die Muslime eigene Theoretiker, die sowohl die internen als auch die externen Bedingungen für die Existenz ihres Systems verstünden. Die islamische Zivilisation sollte keinesfalls eine konfrontative Haltung gegenüber dem globalen System einnehmen, sondern sie sollte sich anpassen, ohne ihre Selbstachtung aufzugeben. Die erfolgreiche Durchsetzung einer islamischen Gesellschaftsordnung würde automatisch Macht und Geltung mit sich bringen. Damit würde die konfrontative Einstellung der Muslime, die sich aus Unterlegenheitsgefühlen speise, sukzessive verschwinden.100 Zeitschriften wie "Faslnämeh Havärmlyäneh" erzielen nur geringe Breitenwirkung, aber sie beschreiben erstens die Bandbreite der in Iran geführten außenpolitischen Diskussion und stellen zweitens ein wichtiges theoretisches Reservoir für die außenpolitischen Praktiker des Landes dar.
Der Geistlichkeit nahestehende Publikationen Positionen der Geistlichkeit werden im wesentlichen von zwei Gruppen von Zeitschriften und anderen Periodika vertreten und verbreitet. Zum einen handelt es sich um theologische Fachpublikationen, die häufig in Qom herausgegeben werden und sich nur selten mit Fragen praktischer Außenpolitik oder zumindest deren theoretischem Rüstzeug beschäftigen. Am häufigsten sind in dieser Hinsicht noch Abhandlungen über den Umgang mit Christen zu finden.101 Zum anderen finden sich zahlreiche Publikationen von Stiftungen und Organisationen, die sich als Hüter revolutionärer Gesinnung und Bewahrer islamischer Werte darstellen. Sie sehen sich einmal in der Pflicht, Aktionen der Regierung kommentierend zu kontrollieren und andererseits Themen und Standpunkte zu propagieren, die ihrer Meinung nach geeignet sind, das revolutionär-islamische Bewußtsein ihrer Leser zu festigen. Als eines der bekanntesten Organe von Stiftungen gilt die Zeitschrift "Ponzdahom-e Hordäd", die von der gleichnamigen Stiftung herausgegeben wird und
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deren Bezeichnung auf das Datum des Anti-Schah-Aufstandes von 1963 zurückgeht. Sie gilt nicht nur als sehr wohlhabend und einflußreich (große Teile des Kopfgeldes auf Salman Rushdie wurden von ihr ausgelobt), sondern auch als außerordentlich sendungsbewußt. Zu den Konstanten ihrer Berichterstattung zählen Beschwörungen, die Periode revolutionären Enthusiasmus nach 1979/80 nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, freiwillig und tagtäglich am Schutz der revolutionären Errungenschaften teilzunehmen102 und vor allem die antiamerikanische Grundhaltung stets erneut zu überprüfen. Nichts wäre fataler für die Revolution, als aus der "Verbannung der Amerikaner" aus ihren Angelegenheiten zu schlußfolgern, es bestünde keine Gefahr mehr. Die spürbare Abwesenheit des amerikanischen Einflusses im Iran der Gegenwart sei eben primär Ergebnis der Standhaftigkeit des iranischen Volkes und keinesfalls Resultat amerikanischer Selbstbeschränkung.103 Erwähnenswert sind auch Publikationen des iranischen Militärs und hierbei besonders das der von der Geistlichkeit gegründeten Revolutionswächter (Päsdärän). Die von "Päsdär-e Eslämi" angesprochenen Themen sind nur selten ausschließlich militärischer Art. Vielmehr versteht sich die Zeitschrift als Instrument für die ideologische Bildung der Truppe. Auf "volkstümlichem" Niveau versucht sie, den Päsdärän Argumente für den "Abwehrkampf gegen die westliche Kulturinvasion" zu vermitteln. Die hohe Analphabetenrate in der Truppe berücksichtigend, setzte sie sich z.B. vehement für eine stärkere Nutzung des Kinos in der ideologischen Bildung ein. Hoggat ol-Esläm cAlavT forderte in der Zeitschrift die Filmschaffenden seines Landes auf, den islamischen Inhalt ihrer Werke zu verstärken. Der Westen manipuliere Millionen von Menschen in der islamischen Welt durch seine Kinofilme. "Wir müssen den Spieß umdrehen und das Kino in unseren Dienst stellen."104 Derartige Artikel sind aber noch vergleichsweise subtil. Ansonsten setzt Päsdär-e Eslämi vor allem auf Bilder, Fotos, die das "Feindbild Westen" stärken sollen und somit vor allem Krieg, Dekadenz, Drogenmißbrauch, Heuchelei und Prostitution zeigen.105 Abschließend seien in dieser Gruppe von Publikationen noch Druckerzeugnisse erwähnt, die nicht eigentlich zu den Periodika zählen. Es handelt sich dabei vor allem um sporadisch bzw. aus aktuellem Anlaß erscheinende "Kampfschriften" und ideologische Traktate. Zu erstgenannter Art gehört z.B. die von den Mogähedin-e Enqeläb-e Eslämi herausgegebene Antwort auf den im dritten Kapitel erwähnten Brief des ehemaligen Vorsitzenden des außenpolitischen Komitees des Parlaments, Ragä 3 ! Horäsänl, an Hämenel, in dem er eine vorsichtige Öffnung gegenüber den USA empfohlen hatte. Auf teilweise persönlich diffamierende Weise griff die Denkschrift Horäsänl an und listete nochmals alle bekannten Argumente auf, die gegen jegliche Annäherung an die USA sprachen.106
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Zur zweiten Sorte gehören unter anderem die Publikationen der "Organisation für islamische Propaganda (Säzemän-e Tabllgat-e Esläml), die beispielsweise eine Anleitung für den Umgang mit Ungläubigen in hoher Auflage verbreitete.107 Die in diesem Abschnitt angeführte Art von Publikationen dient somit insgesamt weniger als geistiges Reservoir und ideeller Impulsgeber für die Planer iranischer Außenpolitik, sondern eher als stetiger Gradmesser für die Toleranzgrenzen ihres gestalterischen Spielraums.
Anmerkungen
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Vgl. Middle East International, London, 16.2.1996, S. 19. Die Oppositionspresse, obwohl starken Beschränkungen unterworfen, zeitweise - einzelne Zeitungen auch auf Dauer - verboten, erreicht unterdessen immer breitere Leserkreise innerhalb der Intellektuellen und der städtischen Mittelschichten. Zeitschriften wie Kiyän, die über Jahre hinweg c Abdolkarim Sorüs als Plattform für seine Kritik an der Ideologisierung der Religion und des Konzepts der permanenten Revolution dienten, stellen ein gutes Beispiel für diese Form von Presseerzeugnissen dar. Sporadisch äußerten sich in diesen Publikationen sogar Infragestellungen der Veläyat-e Faqlh und damit des Grundpfeilers der IRI. Obwohl bis auf Irän-e fardä in der Oppositionspresse sonst kaum dezidiert außenpolitische Themen angesprochen werden, tangieren so grundsätzliche Kritiken natürlich auch die Außenpolitik des Landes. Eine eigenständige Analyse der Diskurse in der iranischen Oppositionspresse hat unterdessen bereits begonnen (vgl. z.B. K. Amirpur, Ein iranischer Luther? c Abdolkarim Sorushs Kritik an der schiitischen Geistlichkeit. In: Orient, Hamburg, 37 (1996) 3, S. 465-482, und A. Schirazi, Die neuere Entwicklung der Verfassung in der Islamischen Republik Iran. In: Law and Politics in Africa, Asia and Latin America, Baden Baden 24 (1991) 2, S. 105-122.) und muß deshalb an dieser Stelle zugunsten der Konzentration auf die Führung unterbleiben. Weiter unten werden lediglich von der Opposition aufgeworfene wichtige Einzelfragen außenpolitischen Zuschnitts nochmals eine Rolle spielen. Vgl. P. Clawson, Alternative Foreign Policy Views among the Iranian Policy Elite. In: Ders. (Hg.), Iran's Strategie Intentions and Capabilities, Washington D.C. 1994, S. 39f. Vgl. Ettelä c ät, Teheran, 1.9.1991. Vgl. ebenda, 12.7.1994. Vgl. ebenda, 3.4.1993, 7.4.1994. Vgl. ebenda, 4. und 8.3.1993. Vgl. ebenda, 6.12., 9.12.1992, 18.1., 12.3.1994. Vgl. ebenda, 10.12.1992. Vgl. ebenda, 3.4.1993. Vgl. u.a. ebenda, 17.10.1993, 16.7.1994, 8.5.1995, 3.9.1996. Vgl. ebenda, 2.6.1994, 24.9., 29.10.1995. Vgl. ebenda, 26.2.1992, 30.4., 12.9.1994.
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Vgl. ebenda, 18.12.1991, 2.11.1994, 17.4.1996. Vgl. ebenda, 15.9.1991. Vgl. ebenda, 20.1., 24.4.1994. Vgl. ebenda, 12.10.1991. Vgl. ebenda, 6.4., 25.4., 10.5., 22.6.1992, 5.4.1993. Vgl. ebenda, 11.5., 1.6., 6.9., 22.10.1994. Vgl. ebenda, 11.1., 24.4., 12.7., 30.8., 6.9., 26.9., 10.10., 21.10., 11.11., 10.12.1995, 2.1., 5.2., 13.3., 21.4., 10.7., 18.11.1996. Vgl. ebenda, 22.5., 23.6., 14.8., 30.8., 27.9., 18.10.1994, 19.1., 1.5., 11.5., 30.9.1995, 16.5., 7.11.1996. Vgl. ebenda, 2.11.1991. Vgl. ebenda, 28. und 30.11.1991. Die positive Bewertung der Computertechnik durchzieht alle Jahrgänge von Etteläcät seit 1991. Eine einzelne Auflistung aller diesbezüglichen Beiträge ist daher hier nicht möglich. Etteläcät, 14.6.1995. Vgl. ebenda, 1.6.1994. Vgl. ebenda, 21.11.1991, 30.2.1992. Vgl. ebenda, 10.-18.1.1996. Vgl. Gulf States Newsletter, Crawley 21 (1996) 538, S. 3. Vgl. Etteläcät, 12.3., 26.6.9.11.1996. Vgl. ebenda, 16.9.1996. Vgl. Resälat, Teheran, 7.6.1993. Vgl. J. Kooroshy, Zwischen Theokratie und Moderne: Politische Kräfteverhältnisse im Iran. In: Blätter für deutsche und internationale Politik, Bonn (1996) 10, S. 1248. Vgl. Gomhürl-ye Eslämi, Teheran, 28.6.1992. Ebenda, 10.1.1991. Vgl. ebenda, 24.1.1993. Vgl. Sobh, Teheran, 4. und 25.7.1995. Vgl. ¿benda, 23.5.1995. Vgl. ebenda, 18.7.1995. Vgl. ebenda, 22.8.1995. Ebenda, 26.5.1996. Vgl. Saläm, Teheran, 28.7.1993. Ebenda, 29.5.1991. Vgl. ebenda, 12.6.1993. Vgl. z.B. ebenda, 13.8.1994. Vgl. ebenda, 3.11.1993, 27.7.1994. Sahed, Teheran, 24.4.1990. Abrär, Teheran, 13.11.1990. Vgl. Saläm, 7. und 9.6.1994. Vgl. ebenda, 4.8.1994. Vgl. ebenda, 5.4., 11.4., 12.4., 10.5., 17.5., 24.5., 30.5., 26.7.1994, 19.1.1995. Vgl. ebenda, 23.4., 3.8., 10.8.1994. Vgl. ebenda, 13.10.1993, 6.1., 20.2., 25.4., 13.5., 5.7., 21.8.1994. Vgl. ebenda, 27.9., 5.12.1993. Vgl. ebenda, 14.9.1993. Vgl. ebenda, 6.1.1993. Vgl. z. B. ebenda, 3.8.1994.
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Vgl. G.E. Fuller/I.O. Lesser, A Sense of Siege. The Geopolitics of Islam and the West, Boulder-San Francisco-Oxford 1995, S. 102f. Vgl. R. Savory, Muslim Perceptions of the West: Iran. In: B. Lewis/E. Leites/M. Case (Hg.), As Others See Us. Mutual Perceptions East and West, New York 1986, S. 86. M. Boroujerdi, Gharbzadegi: The Dominant Intellectual Discourse of Pre- and PostRevolutionary Iran. In: S.K. Farsoun/M. Mashayeki (Hg.), Iran. Political Culture in the Islamic Republic, London-New York 1992, S. 51. Vgl. I. Sangar, Nofüd-e Amrikä dar Iran: Bar-rasi-ye slyäsat-e härigl-ye Amrikä va raväbet-e bä irän, Teheran 1989, S. 33-35, 59. M. As'adi, Modernism and the Muslim World, Part One. In: Echo of Islam, Teheran 144 (1996) 6, S. 43f. Ders., Modernism and the Muslim World, Part Two. In: Echo of Islam, Teheran 145 (1996) 7, S. 41f. Ebenda, S. 42. Zit. in: M. Boroujerdi, The Encounter of Post-revolutionary Thought in Iran with Hegel, Heidegger, and Popper. In: S. Mardin (Hg.), Cultural Transitions in the Middle East, Leiden-New York-Köln 1994, S. 241. R. Dävari, Laväzem va natä^ig-e enkar-e garb. In: Kayhän-e farhangl, Teheran I (1984) 3, S. 18. Ders., Enqeläb-e esläm! va vazc-e qänünl-ye cälam, Teheran 1982, S. 59. Vgl. Boroujerdi, The Encounter..., a.a.O., S. 240. F. Seyedibrahimi, Cultural Incorporation of Iran into the Western Capitalist Culture, Ann Arbor 1993, S. 35f. Ebenda, S. 225. G.E. Fuller, Has political Islam failed? In: Middle East Insight, Washington D.C. I I (1995) 2, S. 9. I. Yazdi/G. Kemp, Seminar on Islamic Revivalism. In: Middle East Policy, Washington D.C. 3 (1995) 4, S. 15. Die Abhandlungen von Sorüä über den iranischen Theosophen Mollä Sadrä fanden z.B. ebenso den Gefallen Khomeinis wie seine gegen den Marxismus gerichteten Schriften (Naqdl bar tazädd-e dlyälektikl. Teheran 1993 , 4. Aufl., oder IdeolozJ-ye Seytäni, Teheran 1994, 5. Aufl.). Vgl. W. Buchta, Die inneriranische Diskussion über die islamische Einheit. In: Orient, Hamburg 35 (1994) 4, S. 571f. Vgl. A. SorüS, Se farhang. In: Älne-ye AndiSeh, Teheran (1991) 3/4, S. 50-59. Vgl. K. Amirpur, Ein iranischer Luther? c Abdolkarim Sorushs Kritik an der schiitischen Geistlichkeit. In: Orient, 37 (1996) 3, S. 468. Vgl. ebenda. A. SorüS, Tafarrug-e son3: Goftärhä dar maqülät-e ahläq va sancat va celm-e ensäni, Teheran 1988, S. 231. Vgl. Boroujerdi, The Encounter..., a.a.O., S. 243. Nämeh-ye farhang, Teheran 2 (1992) 4, S. 10. Vgl. Amirpur, Ein iranischer..., a.a.O., S. 467f. Vgl. M. Borghei, Die Schule der Zeitschrift Kiyan. In: INAMO, Berlin (1995) 4, S. 21. Vgl. u.a. B.S. Turner, Orientalism, Postmodernism and Globalism, London-New York 1994, S. 8. BBC-SWB, Reading, ME/1509A/10, 12.10.1992. Zit. in: Die Zeit, Hamburg, 22.3.1996. Vgl. Gämece-ye sälem, Teheran 5 (1995) 24, S. 50-61.
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Vgl. auch A.R. Moten, Political Science: An Islamic Perspective, New York 1996, S. 45. Vgl. H. Azadânlô, Monàzere-y modernïya va farâmodernîya dar zamineh mofâhïm. In: Ettelà c ât sïyâsï-eqtesâdï, Teheran 8 (1994) 11/12, S. 28f. Vgl. A. Naqïbzâdeh, Nazri va naqdï bar demokrâslhà-ye garbî. In: Ebenda, 7 (1993) 11/12, S. 32-38. Vgl. H. Enâyat, Ahammïyat-e Senaht-e arzeShà-ye farhangirâ nadideh gereftehâyîm. In: Ebenda, S. 20-23. Vgl. D. Zangâni, Tahavvol va takâmol sâhtâr-e gâme c e-ye beynolmelalî: mintaqâ géra3! yâ g a h à n g e r à ^ I n : Ebenda, 9 (1995) 1/2, S. 29-31. Vgl. N. Alaolmolki, Struggle for Dominance in the Persian Gulf: Past, Present and Future Prospects, New York-San Francisco-Bern 1991, S. 1. Vgl. M.R. Djalili, Iran, une puissance régionale empêtrée. In: Politique Internationale, Paris 64 (1994) été, S. 177-200. Vgl. CA. Hâ'erï, Rûyàrû-ye andàyeSgarân-e mosalmân dar keîvarhâ-ye eslàma yâ do ravïyeh tamaddon buriuàzïye garb. In: Faslnàmeh motâla c ât-e târihï, Teheran, 3 (1991) 1/2, S. 109-126. Vgl. M.H. Fayyâzï, Barrâsï-ye cavàmel movâtir dar dastiyâbl va âdam dastiyàbî beh ahdâf enqelâb-e eslàml. In: Faslnàmeh huqùq va c olûm-e sïyâsî, Teheran 2 (1992) 2, S. 61-70. Vgl. CA.CA. Qavâm, Ànàtômï tacàmolàt-e nezâm-e sïyâsî va monàfe'e mellî. In: Magallat-e sïyâsat-e hârigï, Teheran 8 (1994) 1-2, S. 1-24. Vgl. M. Sadr, Dar Zamlne-ye sîyâsat-e hârigï. In: Ebenda 9 (1995) 1, S. 73-86. A. Sabet, Islam, Iran and the Western Discourse: Behind the Veil. In: The Iranian Journal of International Affairs, Teheran 6 (1994) 1-2, S. 87. Vgl. I. Motaqï, Sïyâsathâ va gehat gïrîhâ-ye Clinton dar havàrmeyàneh. In: Faslnameh havarmeyâneh, Teheran 1 (1994) 2, S. 355-372. Vgl. M. Sarîcolqalam, Qavâ c ed-e tamaddonsàzï va âyandeh tamaddon-e eslâml. In: Ebenda, 1 (1995) 3, S. 519-532. Vgl. z.B. A. Hoqdàr, Modahel bar goft-e-gu-ye kalâmï-ye Eslàm va masïhiyat. In: Kalâm-e eslàmï, Qom 4 (1995) 13, S. 86-90. Vgl. Ponzdahom-e Hordàd, Teheran 4 (1995) 17, S. 70-83. Vgl. ebenda, S. 60-69. Pâsdàr-e eslâmï, Qom 162 (1995) 5, S. 24f. Vgl. z.B. ebenda, 50 (1986) 1. Vgl. Pâsoh beh nâmeh âqâ-ye Ragâl Horâsânï: Râbete bâ Amrîkà, hellâl hame-ye moskelàt?!, Teheran 1993. Vgl. M. Mehrïzî/M. Latïfï, Marzhâ-ye ertebât bâ kufâr, Teheran 1993.
Schlußbemerkungen Die Einschätzung der Außenpolitik eines Staates ist zwangsläufig an die Bewertung seines generellen Wesens gebunden. Die Meinungsvielfalt über den Charakter der iranischen Revolution und des aus ihr hervorgegangenen Staates wurde auch nach dem Tod von Ajatollah Khomeini am 3. Jnui 1989 nicht geringer. In der danach und vor allem seit dem 2. Golfkrieg wieder zahlreicher und differenzierter gewordenen Literatur über die Entwicklung der Islamischen Republik Iran gewann eine Betrachtungsweise Raum, die das Ableben Khomeinis als prägende Zäsur erklärt, nach der sich der Charakter des iranischen Regimes gravierend verändert habe. Bis zu dieser angenommenen Trennlinie habe Iran eine revolutionäre, populistische, irrationale und von hohem panislamischem Sendungsbewußtsein getragene Entwicklung durchlaufen, danach hätten rationale, evolutionäre, pragmatische und auf den Nationalstaat bezogene Elemente überwogen. "Ayatollah Ruhollah Khomeini's death in June, 1989, marked the end (Hervorhebg. - H.F.) of a decade of political, social, and cultural transformation in Iran,"1 befand R.W. Cottam mit Nachdruck. S.T. Hunter schrieb: "The death of Ayatollah Ruhollah Khomeini ... closed a turbulent chapter in Iran's long history and opened a new and still uncertain phase in its evolution as a nation."2 Nach S.A. Arjomand habe auch in Iran der in der Mehrheit aller Revolutionen zu beobachtende "Thermidor" stattgefunden, d.h. eine Rückkehr zu moderaterer Politik und eine Konsolidierung der Revolution.3 Das Problem des "Thermidors" wird auch in anderen Analysen aufgegriffen. "Will there be an Iranian Thermidor, as is the pattern peculiar to most revolutions?"4 fragte M. Rezun. Mehdi Mozaffari machte aus der Frage eine Feststellung und legte den Beginn des "Thermidors" auf den Tag der Ernennung Rafsangänis zum Oberbefehlshaber der iranischen Streitkräfte im Juni 1988. Danach, und vor allem mit dessen Übernahme des Präsidentenamtes, habe sich das Regime von einem paternalistischen zu einem präsidialen gewandelt, eine ideologische Regierung durch eine technokratische ersetzt und an Stelle von islamischem Totalitarismus pragmatischen Islamismus, anstatt von universellem Islamismus nationalen Islamismus auf seine Fahnen geschrieben.5 A. Ehteshami und G. Nonneman erweiterten diesen Standpunkt dahingehend, daß sie jene Berufung Rafsangänis zum Oberbefehlshaber und den Tod Khomeinis im Jahr darauf zum Beginn der "zweiten Islamischen Republik" erklärten, einer "Republik der Pragmatiker", die mit der Islamischen Republik von 1980 nur noch wenig gemein hätte.6 Andere Wissenschaftler warnen dagegen vor vorschnellen Urteilen. Udo Steinbach stellte fest, daß der Westen mit der Beurteilung des nachrevolutionären Iran bis heute Schwierigkeiten habe.7 Es überwiege bisweilen Wunschdenken: die Islamische Republik wird auf dem Weg der "Normalisierung" gesehen, wobei das letztlich auf eine Normierung nach westlichem Politik- und Gesellschaftsverständnis hinausläuft. Auf diese Weise würde jedoch übersehen, daß die Republik und ihre Führung nur solange legitimiert sind, wie sie sich auf den Islam und das Erbe Khomeinis berufen. 8 Die Bezeichnung "Zweite
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Schlußbemerkungen
Islamische Republik" für den Iran der Gegenwart ist zumindest irreführend, da sie den Abschluß einer Entwicklung vortäuscht, der so nicht festzustellen ist.9 K.L. Afrasiabi verwendete die "Zweite Republik" immerhin in Frageform, als er auf die Außenpolitik Irans seit 1989 einging. "... can we unambiguously state that the pattern of decision-making in the 'second' republic is gradually disengaged from the inveterate stream of Khomeinist guidelines? Has Iran started down a revisionist path that will soon lead to the definite abandonment of 'Khomeinist' foreign policy? If so, then how are these changes legitimated and how is the normative anchoring of policy remaking handled so far? What are the latent and manifest side effects of policy adjustments and changes? Can the Islamic Republic survive its self-initiated reforms?"10
Antworten auf diese Fragen sind nur erhältlich, wenn Klarheit in die Wesensbestimmung der Islamischen Republik Iran gebracht wird. Dieser Vorgang umfaßt kurz- und langfristige Dimensionen. Zu den eher kurzfristigen Faktoren gehört zweifellos, daß die zeitliche Koinzidenz zwischen dem de facto verlorenen Krieg gegen Irak, dem Ende des bipolaren Weltsystems und dem Tod Khomeinis das iranische Regime zu radikalen und einschneidenden Schritten zwang, um sein Überleben zu sichern. Damit bekam das - insbesondere wirtschaftliche - Funktionieren des Staates Vorrang vor der Realisierung der universalen Ziele der Revolution. Für die Außenpolitik bedeutete das, daß die neue Führung eine Balance zwischen den staatlichen und universalen Aufgaben der islamischen Mission Irans herstellen mußte. Im Ergebnis dessen wuchs die Erkenntnis, daß universale Verpflichtungen nur auf der Grundlage einer starken staatlichen Verfassung der Islamischen Republik zu realisieren seien und daß ein stabiler islamischer Staat in Iran nur zu erreichen sei, wenn Widerstand gegen westliche Bevormundung und Hilfe für islamische Bewegungen mit berechenbarer internationaler und regionaler Kooperation verbunden würden." Wird diese kurzfristige Dimension jedoch in ein Verhältnis zu der langfristigen gesetzt, ergibt sich nicht nur ihre erhebliche Relativierung, sondern auch die Infragestellung der Diskussion um die angebliche "Zweite Islamische Republik". Über die langfristige Dimension geben vor allem die Arbeiten von Farhang Rajaee Aufschluß. Dieser setzte die iranische Revolution und ihre Folgen in ein Verhältnis zu muslimischen Positionierungsversuchen in der neueren Geschichte. Dabei ließ er die traditionalistische Strömung außer acht, sondern konzentrierte sich auf jene Kräfte, die politische und ideologische Aspekte des Islam in den Vordergrund rückten. Rajaee machte vier Generationen von muslimischen "Politikern" aus. Die erste Generation, die Generation des 19. Jahrhunderts, habe dem Westen und damit Begriffen wie Modernisierung, Reform und Entwicklung im all-
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gemeinen positiv gegenübergestanden und nicht nur auf materiellem, sondern auch auf geistigem Gebiet versucht, Anschluß zu finden bzw. Übereinstimmungen herzustellen. Die zweite Generation sei von den Erfahrungen des Kolonialismus, des Kommunismus, des Faschismus, der Weltwirtschaftskrise und des Zweiten Weltkrieges geprägt worden. Während die erste den Westen und seine Errungenschaften im wesentlichen schätzte, habe sich bei der zweiten Generation Anerkennung der industriellen und technischen Überlegenheit des Westens mit Zweifeln an den Folgen von Modernisierung und Entwicklung verbunden. Es wurde eine Kluft zwischen materieller Macht und geistigen, insbesondere moralischen und ethischen Mängeln ausgemacht. Diese Generation prägte somit das Axiom von der materiellen Überlegenheit des Okzidents bei gleichzeitiger geistiger Überlegenheit des Orients. Sie legte den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten deshalb in den Kultur-, vor allem den Bildungsbereich. Explizit politische Forderungen und Aktionen blieben demgegenüber noch Ausnahmen.12 Die dritte Generation sei von den Erfahrungen des antikolonialen Kampfes ebenso geprägt worden wie vom Scheitern nationalistischer oder sozialistischer Experimente.13 Der Westen wurde nicht länger als Quelle von Fortschritt und Entwicklung angesehen, sondern als "Krankheit", deren Erreger auch auf die islamische Welt übergegriffen hätten und die es radikal zu eliminieren galt. Aus dieser Haltung erwuchs auch die bis in die Gegenwart zu beobachtende Haltung, den Westen für alle Mängel, Ungerechtigkeiten und Gebrechen im eigenen Lebensbereich verantwortlich zu machen und so die endogenen Aspekte der Ursachen entweder nicht wahrzunehmen oder sie zu negieren.14 Auf der anderen Seite wuchs das Bestreben, alternative "islamische" Modelle und Theorien einer Gesellschaft, ihrer Entwicklung und gesellschaftlichen Strukturen zu entwickeln. Bei Fortbestehen der dritten entstand mit der iranischen Revolution die vierte Generation islamischer "Politiker". Ihr Unterscheidungsmerkmal besteht in Anspruch und Aufgabe, aus den abstrakten Theorien der dritten Generation funktionierende Praxis werden zu lassen. Ajatollah Khomeini wurde somit zur Galionsfigur der vierten Generation, denn er stellte die Staatsräson nach 1979 über alle anderen Angelegenheiten.15 Die Räson bezog sich dabei auf einen Staat, der sich nicht nur schlechthin durch geistliche Führung auszeichnete, sondern der nur durch die Anwendung des Rechtsprinzips der Veläyat-e Faqlh zu legitimieren und damit zu stabilisieren sei. Die Regierungsmacht des Faqlh definierte Khomeini unmißverständlich: "I should State that the government which is part of the absolute viceregency of the Prophet of God is one of the primary injunctions of Islam and has priority over all other secondary injunctions, even prayers, fasting and hajj. The ruler is authorized to demolish a mosque or a house which
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is in the path of a road and to compensate the owner for his house. The ruler can close down mosques if need be, or can even demolish a mosque which is a source of harm... The government is empowered to unilaterally revoke any Shari'a agreements which it has concluded with the people when those agreements are contrary to the interest of the country or to Islam..."16
Khomeini erklärte damit die Interessen des Staates zum Gradmesser für die Gültigkeit einzelner islamischer Prinzipien. Allerdings verhielt er sich häufig widersprüchlich, wenn es um seine Position zu den territorialen Grenzen dieses Staates ging. Sein universales Sendungsbewußtsein ist unstrittig, deshalb darf unterstellt werden, daß er sein Staatskonzept für die gesamte umma erstellte.17 Viele seiner Anhänger und "Jünger" beharren deshalb bis in die Gegenwart darauf, daß die "Linie des Imäm" bedeute, mit den Anstrengungen zum Export der Revolution solange fortzufahren, bis der islamische Weltstaat errichtet sei. Auf der anderen Seite war Khomeini Politiker genug, um zu akzeptieren, daß vor jeder Exportabsicht die Aufgabe stand, zunächst aus dem iranischen einen islamischen Staat zu machen. Auch Khomeini mußte akzeptieren, daß die iranischen Revolutionäre die Macht nur in einem bereits vorher definierten Staat übernommen hatten. Damit mußten nun die Interessen jenes Staates mit der islamischen Doktrin in Übereinstimmung gebracht werden. Dieser kategorische Imperativ stellt de facto die langfristige Dimension der Wesensbestimmung der Islamischen Republik dar. Khomeini selbst war es, der mit der Einleitung der Verfassungsänderung, der Bestimmung HämeneTs zu seinem Nachfolger und der Unterstützung der Linie Rafsangänis der Realität Rechnung trug. Somit war der von ihm 1988/89 initiierte Kurswechsel nur Episode im Ringen um die Erfüllung der obengenannten Grundaufgabe. Denn mit oder ohne sein Zutun hatte die Führung der Republik schon seit 1979 die komplizierte Aufgabe zu bewältigen, ohne Beispiele oder Präzedenzfälle, Harmonie zwischen dem Islam, seinen Prinzipien und Normen und den alltäglichen Widrigkeiten der Institutionalisierung eines Staates herzustellen, der vorgibt, diesen Prinzipien und Normen zu folgen. Ajatollah Yazdi zeichnete in einer Freitagspredigt einmal ein plastisches Bild dieser Aufgabe: "For 1.400 years work has been done on Islam's resources, its lore, its religious laws, principles, interpretation, ethics and philosophy. They have really worked (on Islam). All the great scholars ... have toiled. And what is in our hands today is the fruit of the toil of those past great scholars. But the new point is this: we had little or no practical experience in government issues. Right now, as I speak to you, dozens of medical problems, and in my own environment, dozens of judicial problems, exist. There are generalities about them, resources for them and a certain
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amount of work has been done, but when we look for an answer with respect to the status nowadays, conditions of time and place and government characteristics, we are told: It has to be studied."18
Folgt man der Einschätzung Fred Hallidays, dann haben sogar die von Yazdl erwähnten großen Gelehrten der Vergangenheit nur wenige nutzbare Hinweise für die Etablierung eines islamischen Staates in der Gegenwart hinterlassen. Ihre Texte gäben keine wirklichen Aufschlüsse über die Frage, ob eine Gesellschaft sich "kapitalistisch" oder "sozialistisch" organisieren soll, ob der Staat das Primat in wirtschaftlichen Fragen besitzen oder ob private Initiative überwiegen sollte, wie die genaue Position des einzelnen im Staat zu definieren sei, ob die Gläubigen eher der Tradition folgen oder Modernität anstreben sollten. "Islam is as variant, flexible, and open to new interpretations as any other body of religion and thought. If those within it seek to justify their actions by reference to a particular traditional authority, this is a choice, not a necessity, and often conceals what is in fact an innovation or completely new departure under the guise of a return to some imagined past. (Khomeini's theory of Islamic government was a good example of this, as is talk of Islamic development economics and Islamic computing)."19
Eine Bewegung von Muslimen, die einen islamischen Staat zu errichten beabsichtigt, folgt somit weniger "zeitlosen" islamischen Prinzipien, als den konkreten Erfordernissen und Problemen, denen sie in der Gegenwart ausgesetzt ist. Selbst wenn aus Gründen der Legitimität an universalen Zielstellungen festgehalten wird, haben Khomeini und seine Gefolgsleute seit 1979 bewiesen, daß diese Ziele sich in der Praxis auf islamische Solidarität innerhalb einer auf viele Nationalstaaten verteilten umma reduzieren, während islamische Prinzipien auf schöpferische Weise vor allem bei der Wahrung territorialstaatlicher Eigeninteressen angewandt werden. Die Stellung als Präzedenzfall hält dabei nicht nur Nachteile bereit. Natürlich betonen die iranischen Revolutionäre zu Recht die Schwierigkeiten bei der Ausgestaltung eines islamischen Staates in der Neuzeit, wenn als "blueprint" nur die - zudem idealisierten - Erinnerungen an die Regierungszeit Muhammads und der rechtgeleiteten Kalifen herangezogen werden. Auf der anderen Seite betreten sie mit jedem Erfolg Neuland und setzen ihrerseits Standards und Beispiele. Je nach politischer Provenienz und Eigeninteressen der Beobachter dieses Prozesses überwiegen entweder Enttäuschung und Frustration über das "Gefangenbleiben" der iranischen Revolution in nationalstaatlichen Grenzen 20 bzw. sogar offene Schadenfreude oder verhaltene bis enthusiastische Zustimmung. Jahangir Amuzegar steht für die erstgenannte Reaktion, wenn er schreibt: "Ayatollah Khomeini's dream of a global, borderless Dar-al Islam has now reverted to a fiercely nationalist concept of a majestic Iran whose every
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inch of territory must be defended against all outsiders and, conspicuously, its Muslim neighbors to the south. No Muslim country in the world has been willing to accept Iran's leadership on any diplomatic position, much less a holy war against the West."21
Amuzegar vergaß dabei allerdings, daß die ausbleibende Reaktion "muslimischer Länder" das iranische Selbstbewußtsein wenig beeinflußte, da sie den Führungen jener Staaten Verharren in "amerikanischem", d.h. unpolitischem Islam vorwarf. Weitaus wichtiger waren ihr die Meinungen islamischer Oppositionsbewegungen im Ausland: und hier waren vor allem Reaktionen der zweitgenannten Art anzutreffen. Natürlich war sich die sunnitische Mehrheit der Muslime der schiitischen Aspekte der iranischen Revolution immer bewußt. Deshalb blieben Befürworter einer genauen Kopierung der iranischen Erfahrungen auch stets in der Minderzahl. Das hielt sie jedoch nicht davon ab, ihre Sympathien für den revolutionären Versuch Irans zu äußern, westliche Konzepte der Säkularisierung, Modernisierung und Materialisierung durch islamische Werte und Prinzipien zu ersetzen. "For Muslims around the world, and especially those enduring suppression of secular and Pragmatic governments that predominate in Muslim nations, the Islamic Revolution in Iran was truly an inspiring feat for devout men who have seen their aspirations for political and religious reforms crushed repeatedly in the 20th century."22
Nicht wenige Muslime sprechen - möglicherweise nur auf Grund mangelnder Alternativen - der Islamischen Republik Iran über die Beispielwirkung hinaus sogar jene führende Rolle in der globalen islamischen Bewegung zu, die Amuzegar so vehement verneinte. A.N. Memon schrieb z.B. enthusiastisch: "... Iran, as an Islamic republic, has inspired numerous Muslims to advocate changes in their own governments. The Iranian Revolution has become a symbol of defiance against the West. Iran has superseded Saudi Arabia as the leading voice among many Muslims seeking an alternative to Western culture."23
Die iranische Führung war sich allerdings bewußt, daß sie ihre Außenpolitik nicht ausschließlich und dauerhaft auf dem positiven Echo aufbauen konnte, das allein der Sieg der Revolution in der islamischen Welt ausgelöst hatte. Die Schwierigkeiten bei der Errichtung eines islamischen Staates im allgemeinen betrafen auch die Festlegung seiner außenpolitischen Prämissen im besonderen. Wenn die Anstrengungen auf die Errichtung des territorial begrenzten islamischen Staates gerichtet waren, was qualifizierte dann dessen Außenpolitik als islamisch? Bestand nicht die Gefahr, daß sich nationalstaatliche Interessenwahrnehmung in den Vordergrund schob und islamische Werte, Prinzipien und
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Parameter sukzessive auf das Niveau von bloßen Symbolen herabsanken? Konnte allein aus dem Vorhandensein einer geistlichen Führung und tiefreligiöser Minister gefolgert werden, daß deren Politik deshalb automatisch islamisch sei?24 Zu Khomeinis Lebzeiten stellten sich diese Fragen in Iran kaum. Kraft seiner Autorität erhielten quasi alle seine innen- und außenpolitischen Maßnahmen und Ideen islamische Weihen. Nach seinem Tod bedrängten aber die Planer iranischer Außenpolitik die Rechtsgelehrten des Landes in zunehmendem Maße, Vorgaben zu entwickeln, nach denen eine islamische Außenpolitik zu entwerfen sei. Mit wachsender Offenheit warfen sie ihnen vor, das Problem bisher nur sehr allgemein behandelt zu haben, unrealistische Forderungen wie die nach Tributeintreibung von Nicht-Muslimen zu stellen oder das Vorhandensein realer Grenzen innerhalb der islamischen Gemeinde zu ignorieren. Auf der anderen Seite sahen sich die außenpolitischen Praktiker nicht autorisiert, ihre Politik ohne "geistliche Gutachten" als islamisch zu dekretieren.25 Im Ergebnis intensiver Diskussionen zwischen dem Außenministerium, dem IPIS, den Büros des Präsidenten und des geistlichen Führers, dem außenpolitischen Komitee des Parlaments und den geistlichen Seminaren in Qom wurde ein Konsens dahingehend erreicht, daß die folgenden Bedingungen und Forderungen gewahrt bleiben müßten, um eine Außenpolitik als islamisch zu qualifizieren: 1. Schutz des Dar al-Isläm. Islamische Rechtsgelehrte und Praktiker stimmten darin überein, diesem Prinzip grundlegende Bedeutung beizumessen. Minister, Beamte und Diplomaten hätten ihre Aktivitäten darauf abzustimmen, mit ihm nicht in Konflikt zu geraten. 2. Wahrung der Unabhängigkeit und Ablehnung von Fremdherrschaft. Die Islamische Republik Iran habe mit ganzer Kraft darauf hinzuwirken, die Herrschaft von Nicht-Muslimen über Muslime zu vermeiden. In der Praxis bedeutet das die Ablehnung von Konzessionen, ungleichen politischen und wirtschaftlichen Verträgen sowie kultureller Unterwerfung. Diese Forderung wurde in den Artikeln 152 und 153 Verfassungsprinzip der Islamischen Republik. Viele Rechtsgelehrte sehen keine Bedeutungsunterschiede zwischen den beiden bisher genannten Prinzipien.26 Praktiker weisen dagegen auf die zunehmende Unmöglichkeit hin, unter den Bedingungen einer akzelerierenden Globalisierung genaue Trennlinien zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen zu erhalten. Globalisierung führe nun einmal unaufhaltsam zu gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen den Ländern und mache "concepts such as independence and absolute (national) sovereignty obsolete ... in the not too distant future"27. 3. Interesse (Maslahat). Khomeini selbst hatte diesem Prinzip große Bedeutung beigemessen. Der Faqlh definiere immerhin diese islamischen Interessen bzw. die Interessen des islamischen Staates und vermöge in deren Namen islamische Lehrsätze außer Kraft zu setzen.28 Unter seinen Erben kam es
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allerdings bis in die Gegenwart zu keiner Einigung hinsichtlich der fundamentalen Frage, ob die Interessenwahrnehmung primär für die Islamische Republik Iran oder für die gesamte umma gelte. 4. Unterhaltung von Beziehungen, Koexistenz und Zusammenarbeit mit anderen Staaten. Die bisher genannten Prinzipien sind nach gemeinsamer Auffassung nur einzuhalten, wenn Iran nicht in die Isolation gerät. Gegenseitig nützliche Beziehungen mit gleichberechtigten Partnern seien deshalb ein erstrebenswertes Ziel.29 5. Unterstützung von Muslimen und Unterdrückten in aller Welt. Artikel 154 der Verfassung fordert alle Bürger und alle Institutionen des Landes dazu auf, den "gerechten Kampf der Unterdrückten gegen jede Tyrannei in der Welt zu unterstützen"30. Geistlichkeit und Laien in der iranischen Führung sind sich darin weitgehend einig, daß dieser Artikel die Beziehungen mit muslimischen und nicht-muslimischen Oppositionsbewegungen, einschließlich materieller, finanzieller und ideologischer Hilfe, legitimiert. Vor allem den Diplomaten ist allerdings bewußt, daß das Prestige, das die Umsetzung dieses Prinzips in der islamischen Welt verschafft, in umgekehrt proportionalem Verhältnis zu den Nachteilen steht, die es im Umgang mit etablierten Regierungen mit sich bringt. Die gesamte Führung habe deshalb genau abzuwägen, ob die strikte Einhaltung dieser Forderung Iran nicht in die Isolation führt und damit im Gegensatz zu den Bestimmungen des dritten und vierten Prinzips steht. 6. DaVat. In der islamischen Rechtsprechung existieren kaum differierende Meinungen über die verpflichtende Natur von dacvat. Die iranischen Gelehrten sind sich allerdings uneins in der Frage, ob die Verpflichtung für jedes Mitglied der Gesellschaft und unter allen Umständen gilt.31 Einige von ihnen vertreten darüber hinaus die Auffassung, daß dieses Prinzip so wichtig ist, daß ihm Priorität über alle anderen bisher genannten eingeräumt werden sollte.32 Damit wäre es unmöglich, diese Aufgabe speziellen Institutionen, wie dem Ministerium für Islamische Führung, der Säzemän-e Tabllgat-e EslämT oder anderen Organisationen zu überlassen. Jeder Vertreter der Islamischen Republik im nicht-islamischen Ausland habe vielmehr die Pflicht zur da°vat. Seyyed c Ali Qäderi erinnerte unmißverständlich: "Die erste gesellschaftliche Verpflichtung jedes Propheten nach seiner Mission ist da°vat - dieses Prinzip bildet daher den Kern islamischer Außenpolitik... Mißachtung von daWat setzt das Dar al-Isläm nicht nur der Gefahr der Liquidierung aus, sondern führt auch zu schweren Strafen in der anderen Welt."33
7. Erringung der Zustimmung von anderen. Die Wertschätzung und Zustimmung anderer Länder und Völker zu erringen, wird als wichtig erachtet, steht aber nicht von ungefähr an letzter Stelle der Aufzählung. Es sollte nicht mit dem an fünfter Stelle genannten Prinzip verwechselt werden, sondern es
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beinhaltet Versuche, sich andere Regierungen geneigt zu machen, um die Durchsetzung der anderen Prinzipien zu erleichtern. Finanzielle Zuwendungen und zinslose Kredite an Länder wie Syrien, Nord-Korea und die frühere Volksdemokratische Republik Jemen können als Beispiele für die Umsetzung dieses Prinzips gesehen werden.34 Selbst wenn über die Unverzichtbarkeit dieser Festlegungen für eine islamische Außenpolitik Einigkeit innerhalb der iranischen Führung besteht, existiert weiterhin Dissens über die Hierarchie der einzelnen Prinzipien. Besonders die außenpolitischen Praktiker sehen sich immer wieder dem Problem ausgesetzt, bei der Befolgung eines oder mehrerer Prinzipien andere zu verletzen oder gegen ihren Geist zu verstoßen. Die Herstellung einer stabilen Balance ist jedenfalls noch nicht gelungen. Selbst wenn die außenpolitischen Strategen der Islamischen Republik bemüht sein sollten, sich im Rahmen der soeben genannten Prinzipien zu bewegen, wäre ihre praktische Politik doch jederzeit verwechselbar mit derjenigen eines beliebigen anderen Staates, der sich im gleichen Rahmen bewegt. Unterscheidende, typisierende Merkmale beginnen hingegen schon mit dem kompositorischen Charakter von Khomeinis Weltbild und setzen sich mit dem Weiterbestehen von Aspekten anderer Ideologien, wie "Drittweltismus", Iranismus und Nationalismus, unter seinen Erben fort. Bei allem Bemühen um eine islamische war die Außenpolitik der Islamischen Republik doch auch immer eine iranische. Mehr noch, in jüngster Zeit begann auch der Nationalismus die ihm von Khomeini zugeschriebene negative Bedeutung zu verlieren. Die Gestalter iranischer Außenpolitik erkennen den Einfluß vorislamischer nationaler Traditionen und Philosophien auf die Entwicklung der islamischen Zivilisation in ihrem Land stärker als zuvor an und sehen eine gegenseitige Befruchtung zwischen Islam und iranischem kulturellem Nationalerbe. 35 Auch darüber hinaus durchlief die iranische Außenpolitik seit dem Tod Khomeinis einen Entwicklungsprozeß. Wenn der Führer der iranischen Revolution schon unmittelbar nach 1979 von der Vision der sofortigen Herbeiführung der islamischen Einheit, manifestiert in einem einheitlichen Staat, Abschied nehmen mußte, so sollte zumindest die Islamische Republik Iran zum wichtigsten Vehikel für die Realisierung dieses Zieles in überschaubarer Zukunft werden - immerhin wurden die Ziele Verfassungsvorgaben. Im Verlauf der Verfolgung dieser Politik kam die Führung aber - durch neue Erfahrungen motiviert - zu dem Schluß, ein höchstmögliches Maß an Flexibilität an den Tag zu legen und die vielfältigen Reaktionen auf diese Politik besser zu beachten. Zumindest für die mittelfristige Perspektive haben die Führer der Islamischen Republik die Utopie einer islamischen Welt ohne Grenzen zugunsten einer lebendigen Solidarität zwischen Muslimen in unterschiedlichen Staaten in den Hintergrund treten lassen. "Theoretically, this reflects a shift from a monist
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concept of umma to a more complex and pluralistic concept in which the principle of ethnic and national difference (fargh) is respected."3* Die iranische Revolution, der daraus entstandene Staat und seine Außenpolitik sind Bestandteil des Globalisierungsprozesses geworden. So sehr maßgebliche Führer des Landes Globalisierung auch immer noch als bewußt gelenktes Instrument westlicher Hegemonialbestrebungen mißverstehen, so deutlich profitieren sie doch ihrerseits am "Schrumpfen von Zeit und Raum." Dieses wesentliche Element der Globalisierung hat verhindert, daß die iranischen Vostellungen eines islamischen Staates zum unwidersprochenen Konzept aller Muslime wurden; es ließ eher das polyzentrische und heterogene Gesicht der islamischen Welt stärker hervortreten.37 Wie überhaupt Globalisierung keinesfalls mit der Herausbildung und Durchsetzung einer bestimmten Weltordnungsstruktur gleichzusetzen ist, sondern vielmehr die Konkurrenz verschiedener Ordnungsangebote fördert.38 Aber die iranischen Revolutionäre unterbreiteten ihr Ordnungsangebot und nutzen die Begleiterscheinungen der Globalisierung, um ihm Gehör und Akzeptanz zu verschaffen. Ihr Angebot ist universaler Natur, und insofern ist Panayotis Kondylis zuzustimmen, wenn er feststellte, daß "Normen mit ... universellem Anspruch ... als ideelle Begleiterscheinungen von politischen Phänomenen planetarischen Umfangs ... (entstehen)"3'. Unabhängig von der universellen Annahme des iranischen Angebotes ist seine Präsentation nämlich nicht länger nur Teil des externen Kontextes westlicher Politik, sondern, wie Michel Foucoult behauptete, essentieller Bestandteil der Konstitution von Weltpolitik geworden.40 Das relativiert die Bedeutung einzelner Kampagnen der iranischen Außenpolitik ebenso wie z.B. die des Wechsels im Amt des Präsidenten. Rafsangänl oder Hätami, Khomeini oder Hämene7!. Der Stellenwert der iranischen Revolution für die Weltpolitik hat den ihrer handelnden Personen längst überflügelt.
Anmerkungen 1 2 3
4
R.W. Cottam, Charting Iran's New Course. In: Current History, Philadelphia (1991) 1, S. 21. S.T. Hunter, Post-Khomeini Iran. In: Foreign Affairs, Washington D.C. (1989/90) Winter, S. 133. Vgl. S.A. Arjomand, A Victory for the Pragmatists: The Islamic Fundamentalists Reaction in Iran. In: J. Piscatori (Hg.), Islamic Fundamentalism and the Gulf Crisis, Chicago 1991, S. 52. M. Rezun, Introduction. In: M. Rezun (Hg.), Iran at the Crossroads. Global Relations in a Turbulent Decade, Boulder 1990, S. 2.
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5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34
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Vgl. M. Mozaffari, Changes in the Iranian Political System after Khomeini's Death. In: Political Studies, Washington D.C. 41 (1993) 4, S. 611-617. Vgl. A. Ehteshami/G. Nonneman, War and Peace in the Gulf: Domestic Politics and Regional Relations into the 1990s, Reading 1991, S. 4. U. Steinbach, Iran zwischen Ideologie und Pragmatismus. In: Europaarchiv, Bonn (1993) 18, S. 517. Vgl. ebenda, S. 518. Vgl. H. Fürtig, Iran - the Second Islamic Republic? In: Journal of South Asian and Middle Eastern Studies, Villanova 35 (1997) 3, S. 20-45. K.L. Afrasiabi, After Khomeini. New Directions in Iran's Foreign Policy. BoulderSan Francisco-Oxford 1994, S. 3. Vgl. auch J. Calabrese, Revolutionary Horizons. Regional Foreign Policy in PostKhomeini Iran, London 1994, S. 28. Vgl. F. Rajaee, Globalization and Factionalism in Revolutionary Iran. Draft Paper, o.O., o.J., S. 4f. Vgl. auch M. Arkoun, Rethinking Islam. Common Questions, Uncommon Answers, Boulder u.a. 1994, S. 12. Vgl. auch M. Massarat, Einleitung: Aufstieg des Okzidents und Fall des Orients. In: Ders. (Hg.), Mittlerer und Naher Osten: Geschichte und Gegenwart. Eine problemorientierte Einführung, Münster 1996, S. 13. Vgl. Rajaee, Globalization..., a.a.O., S. 5. Zit. in: F. Halliday, Islam & the Myth of Confrontation. Religion and Politics in the Middle East, London-New York 1995, S. 69. Vgl. G.W. Choudhury, Islam and the Modern Muslim World, London 1993, S. 172. BBC-SWB, Reading, ME/i318A/15, 2.3.1992. Halliday, Islam..., a.a.O., S. 114f. Vgl. T. Wöhlert, Iran: Die pragmatische Republik Gottes? Frankfurt/M. 1993, S. 151. J. Amuzegar, Islamic Fundamentalism in Action: The Case of Iran. In: Middle East Policy, Washington D.C. 4 (1995) 1-2, S. 31. M.Z. Husain, Global Islamic Politics, New York 1995, S. 244. A.N. Memon, The Islamic Nation. Status & Future of Muslims in the New World Order, Beltsville, MD, 1995, S. 150. Vgl. auch Afrasiabi, After Khomeini..., a.a.O., S. 9f. Vgl. A. Ghazvini, On the foreign policy of Islam: A Search into the Juridical Dimension of Iranian Foreign Policy. In: The Iranian Journal of International Affairs, Teheran 7 (1996) 4, S. 780f. Vgl. A. Saküri, Osül-e slyäsat-e härigl-ye Esläm. In: Feqh-e siyäsl-ye Esläm. Bd. 2, Teheran 1982, S. 387. Ghazvini, On the foreign..., p. 786. Vgl. auch Halliday, Islam..., a.a.O., S. 70. Vgl. auch Magmüceh-ye mohemmtarin qavänin dar ertebät bä vezärat-e comür-e härigl-ye va slyäsat-e härigi-ye Gomhüri-ye Esläml-ye Iran, 1358-1369, Teheran 1990, S. 2. E. Amini, Slyäsat-e härigl-ye hokümat-e eslämi, Teheran 1985, S. 7. Vgl. Saküri, Osül-e..", a.a.O., S. 360. Vgl. CA. Qäderi, Tarh-e tahqiq mabänl-ye siyäsat-e härigi-ye Esläm. In: Magallat-e slyäsat-e härigl, Teheran (1989) 1, S. 226. Ebenda, S. 228. Vgl. Saküri, Osül-e..., a.a.O., S. 501-514.
230
35 36 37 38 39 40
Schlußbemerkungen
Vgl. S.T. Hunter, Iran at the crossroads. In: Middle East Interantional, London, 28.6.1991, S. 16. Afrasiabi, After Khomeini..., a.a.O., S. 203. Vgl. Husain, Global..., a.a.O., S. 13, 271. Vgl. W. v. Bredow, Regionale Großmächte in der Entwicklung des internationalen Systems. In: W. v. Bredow/T. Jäger (Hg.), Regionale Großmächte. Internationale Beziehungen zwischen Globalisierung und Zersplitterung, Opladen 1994, S. 10. P. Kondylis, Planetarische Politik nach dem Kalten Krieg, Berlin 1992, S. 3. Vgl. B.S. Turner, Orientalism, Postmodernism and Globalism, London-New York 1994, S. 200.
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In the name of Allah, the Bencficent, the Merciful The Constitutional Law of the Islamic Republic of Iran Chapter One - General Article I The system of government of Iran is the Islamic republic in favour of which the people of Iran voted, on the basis of their traditional faith in the rule of G o d and justice of the Koran and following their victorious revolution under the leadership of their exalted Marja'i Taqlid (authority on Islamic theological and canon law), AyatoIIah Imam Khomeini with a majority of 98/2 % of the votes of all those who had the suffrage in the referendum held on the 10th and 11th of Farvardin 1358 solar Hegira year ( 1 st and 2 n d of Jamadi-al-ula 1399 lunar Hegira year - 30th and 31st of March 1979). Article
2
The Islamic republic is a system of government based on the faith in: 1. The one God (La ilaha illa-l-lah); that He establishes the sliari'at (canon law) and that man should resign to His will.
Anhang
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