Deutsches Lesebuch. Anhang für Thüringen [Reprint 2021 ed.] 9783112603086, 9783112603079


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German Pages 156 [211] Year 1917

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Deutsches Lesebuch. Anhang für Thüringen [Reprint 2021 ed.]
 9783112603086, 9783112603079

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Deutsches Lesebuch von

Karl Hessel.

Anhang für Thüringen, herausgegeben von

Otto Anrein.

Bonn 1916.

A. Marcus und E. Weber- Verlag.

Borwort „Sie geben in ihrem Sagenschatze des Thüringerlandes dem gewöhnlichen Menschen Freude an der Vergangenheit,

dem begabteren zugleich mit dieser Freude den Genuß der Gegenwart, dem Dichter ein Herz die Vergangenheit zu

lieben, die Gegenwart zu genießen, für die Zukunft zu

leben.

Mit Freude erfüllt mich der Zauber eines Lande-,

das meine ganze Seele erfüllt: dies ist der Dank, den ich Ihnen zu bieten habe. Die alten Geschichten des Thüringer­ landes, der stets neue Zauber der Natur mit seinen Ge­

heimnissen und seinen Offenbarungen, das alles ist mehr geeignet unserem Empfinden einen festen Halt und Grund zu geben als die allgemeinen Weltgesühle, die uns an keinen Raum, an keine Zeit binden. Liebt, bewundert, kennt man die kleine Welt, die uns umgibt, genau, wird man die große Welt

auch besser verstehen und lieben lernen."

Mit diesen Worten sprach Maximilian Wolfgang von Goethe, des Dichters Enkel, Ludwig Bechstein „den Dank,

den er schon lange in sich hegte" für die Sammlung der Thüringer Sagen

aus.*) Ähnlichen Gedanken und Empfindungen ist die nach­

stehende Zusammenstellung entsprungen, die ihre Entstehung

einer Anregung des Verfassers verdankt, welche von dem Herausgeber und dem Verlag der Hesselschen Lesebücher be­

reitwillig ausgenommen wurde. Zunächst für höhere Mädchenschulen bestimmt, dürste die Sammlung auch den höheren

Knabenschulen in Thüringen willkommen sein, denen ein

Lesebuch, das sich die Einführung in den reichen und wert­

vollen Stoff der Heimatkunde zum Ziele setzt, noch fehlt.

*) Briefe an L. Bechstein vom 28. Mai 1889, mitgeteilt von Dr. Otto Mein (Bitterfeld) im »Leipziger Tageblatt* vom 25. Oktober 1910, 1*

IV

Borwort. Den ersten Versuch, diesem Mangel abzuhelfen, ver­

danken wir dem verdienstvollen Ludwig Weniger,*) dessen „Anhang für

Thüringen" zu dem „Deutschen Lesebuch"

(herausgegeb. von Dr. L. Bellermann, Dr. I. Jmelmann, Dr. F. Jvnas, Dr. B. Suphahn.

Berlin, Weidmmmsche

BuMandlung) leider nur zusammen mit diesem Buche Ab­ gegeben wird.

An diese Arbeit lehnt sich die meine stark

an, dank dem freundlichen Entgegenkommen der Verlags­ buchhandlung und des liebenswürdigen Herrn Verfassers,

der in schöner Sttbstlosigkeit „sich freut, mit seiner Arbeit anderen nützlich zu werden". Dafür ihm sowie den anderen

Herren Autoren und Verlegern, die mit der freundlichsten

Bereitwilligkeit ihre Arbeiten zur Verfügung gestellt hohen, hiermit meinen wärmsten Dank auszusprechen, ist mir eine

angenchme Pflicht. Jena, November

1910.

Prof. Dr. Ott» Unrein, Direktor der städtischen höheren Mädchenschulen. Wenn

auch

das

vorliegende kleine Thüringer

Lese­

buch in der Anordnung äußerlich hier und da von den ent­

sprechenden Bänden meines Lesebuchs abweicht, so ist es doch ganz in dessen Geiste gehalten.

Wir hielten es für

gut, auch solche Stücke nochmals abzudrucken, die bereits

im Lesebuche selbst sich vorfinden.

Wie hätte denn auch

„Der alte Barbarossa, der Kaiser Friederich" hier fehlen dürfen? er würde sicherlich von jedem Thüringer Kinde schmerzlich vermißt werden.

deren

Sagen,

die

auch

Und ähnlich geht es mit an­

außerhalb

Thüringens

wohlbe­

kannt und längst ein Gemeingut deutscher Bildung find. Koblenz,

November

1910.

Dr. Karl Hessel, Direktor der Hildaschule. ♦) Geh. Hofrat Prof. Dr. L. weniger, ehem. bherzogl. Gymnasmm» zu Weimar.

Direktor de»

1. Thüringen, du holdes Land. Ludwig Storch.

Thüringen, du holdes Land Wie ist mein Herz dir zugewandt! Deine Bergeshäupter ragen Auf gen Himmel kühn und stolz. Und auf ihren Scheiteln tragen Sie der Eichen starkes Holz. Deiner Wälder grüne Hallen Hegen, pflegen edles Wild, Und das Lied der Nachtigallen Frisch aus Busch und Haine quillt. Thüringen, du holdes Land, Wie ist mein Herz dir zugewandt! Silbern springt in deinen Gründen Mancher frische Labequell, Und durch deine Täler winden Bäche sich so klar und hell! Und des Rasens Teppich breitet Bunt sich zwischen Waldessaum, Daß der Fuß des Wandrers gleitet Stets auf hundertfarb'gem Raum.

Thüringen, du holdes Land, Wie ist mein Herz dir zugewandt! Früh auf deinen Feldern reifet Goldner Ähren Segenswucht, Daß, soweit das Auge streifet, Üppig glänzt die reiche Frucht.

2

Thüringen.

Jubelnd tönet uns entgegen Arbeitsfroher Schnitter Lied, Wann ringsum auf allen Wegen Run die Ernte heimwärts zieht.

Thüringen, du holdes Land, Wie ist mein Herz dir zugewandt! Alte, wunderbare Sagen Nachts durch deine Wälder gehn. Horch! von ihnen rauschen. Nagen Alte Wipfel, auf den Höhn. Auf den Bergen, in den Gründen, Und wohin das Auge blickt. Hat mit ihren Duftgewinden Poesie das Land geschmückt.

2. Mein Thüringen. Rudolf Baumbach.

Mein Thüringen, aus dem ich schied. Dir llingt mein Sang, dich grübt mein Lied, Ich sing's am fernen Meere. So weit der Erdengarten reicht. Kein Land dir, meine Heimat, gleicht An Wonne und an Ehre! Du bist so lieb, du bist so traut; Urahne bist du mir und Braut, Du wunderschöne Franc! Der Tannwald ist dein Mantel gut; Der blaue Himmel ist dein Hut, Dein Schemel grüne Aue.

Und drückt aufs Haupt der Winter dir Der diamantnen Krone Zier Und hüllt die stolzen Glieder In silberweißen Hermelin, Dann beug ich mich, o Königin, Andächtig vor dir nieder.

2

Thüringen.

Jubelnd tönet uns entgegen Arbeitsfroher Schnitter Lied, Wann ringsum auf allen Wegen Run die Ernte heimwärts zieht.

Thüringen, du holdes Land, Wie ist mein Herz dir zugewandt! Alte, wunderbare Sagen Nachts durch deine Wälder gehn. Horch! von ihnen rauschen. Nagen Alte Wipfel, auf den Höhn. Auf den Bergen, in den Gründen, Und wohin das Auge blickt. Hat mit ihren Duftgewinden Poesie das Land geschmückt.

2. Mein Thüringen. Rudolf Baumbach.

Mein Thüringen, aus dem ich schied. Dir llingt mein Sang, dich grübt mein Lied, Ich sing's am fernen Meere. So weit der Erdengarten reicht. Kein Land dir, meine Heimat, gleicht An Wonne und an Ehre! Du bist so lieb, du bist so traut; Urahne bist du mir und Braut, Du wunderschöne Franc! Der Tannwald ist dein Mantel gut; Der blaue Himmel ist dein Hut, Dein Schemel grüne Aue.

Und drückt aufs Haupt der Winter dir Der diamantnen Krone Zier Und hüllt die stolzen Glieder In silberweißen Hermelin, Dann beug ich mich, o Königin, Andächtig vor dir nieder.

Mein Th Klingen. Ofterdingen» Lied.

Der Thüringer Wald.

3

Bringt meiner Heimat dieses Lied, Die ihr nach jenen Wäldern zieht, Ihr Lögelein, ihr schnellen! Ahr Freunde all am Werrafluß, Nehmt's hin als einen Wandergruß Des fahrenden Gesellen.

S. Ofterdingen» Lied. Fr. Lehmenstck.

Thüringer Land, wie bist du schön! Wie eine junge Maid! Die Gliederlein find Tal und Höhn Und Wiesenschmuck dein Kleid.

Die frische Waldluft ist dein Hauch, Dein' Reden Vogelsang; Der Teich, das ist ein helles Aug'; Dein Gruß ist Glockenklang.

Der Wald, der ist dein Mantel grün. Dein Haarputz: Ährengold. Zum bunten Strauße dir erblühn Biel Blümlein zart und hold. Ls ist der Wiesenschmuck dein Kleid, Die Glieder: Tal und Höhn. Du bist wie eine junge Maid, Thüringer Land, so schön.

4, Der Thüringer Wald. I. »atzen.

Der Thüringer Wald, der einen so großen Ruf in Deutschland genießt, dehnt sich als ein mächtig emporge­ hobener, fast durchweg bewaldeter Gebirgskamm von Süd­ ost nach Rordwest, von der Saale bis zur Werra kn einer

Länge von 75 km aus und ist nirgends über 15. km breit.

Mein Th Klingen. Ofterdingen» Lied.

Der Thüringer Wald.

3

Bringt meiner Heimat dieses Lied, Die ihr nach jenen Wäldern zieht, Ihr Lögelein, ihr schnellen! Ahr Freunde all am Werrafluß, Nehmt's hin als einen Wandergruß Des fahrenden Gesellen.

S. Ofterdingen» Lied. Fr. Lehmenstck.

Thüringer Land, wie bist du schön! Wie eine junge Maid! Die Gliederlein find Tal und Höhn Und Wiesenschmuck dein Kleid.

Die frische Waldluft ist dein Hauch, Dein' Reden Vogelsang; Der Teich, das ist ein helles Aug'; Dein Gruß ist Glockenklang.

Der Wald, der ist dein Mantel grün. Dein Haarputz: Ährengold. Zum bunten Strauße dir erblühn Biel Blümlein zart und hold. Ls ist der Wiesenschmuck dein Kleid, Die Glieder: Tal und Höhn. Du bist wie eine junge Maid, Thüringer Land, so schön.

4, Der Thüringer Wald. I. »atzen.

Der Thüringer Wald, der einen so großen Ruf in Deutschland genießt, dehnt sich als ein mächtig emporge­ hobener, fast durchweg bewaldeter Gebirgskamm von Süd­ ost nach Rordwest, von der Saale bis zur Werra kn einer

Länge von 75 km aus und ist nirgends über 15. km breit.

Mein Th Klingen. Ofterdingen» Lied.

Der Thüringer Wald.

3

Bringt meiner Heimat dieses Lied, Die ihr nach jenen Wäldern zieht, Ihr Lögelein, ihr schnellen! Ahr Freunde all am Werrafluß, Nehmt's hin als einen Wandergruß Des fahrenden Gesellen.

S. Ofterdingen» Lied. Fr. Lehmenstck.

Thüringer Land, wie bist du schön! Wie eine junge Maid! Die Gliederlein find Tal und Höhn Und Wiesenschmuck dein Kleid.

Die frische Waldluft ist dein Hauch, Dein' Reden Vogelsang; Der Teich, das ist ein helles Aug'; Dein Gruß ist Glockenklang.

Der Wald, der ist dein Mantel grün. Dein Haarputz: Ährengold. Zum bunten Strauße dir erblühn Biel Blümlein zart und hold. Ls ist der Wiesenschmuck dein Kleid, Die Glieder: Tal und Höhn. Du bist wie eine junge Maid, Thüringer Land, so schön.

4, Der Thüringer Wald. I. »atzen.

Der Thüringer Wald, der einen so großen Ruf in Deutschland genießt, dehnt sich als ein mächtig emporge­ hobener, fast durchweg bewaldeter Gebirgskamm von Süd­ ost nach Rordwest, von der Saale bis zur Werra kn einer

Länge von 75 km aus und ist nirgends über 15. km breit.

Ofttittgen.

4

Er scheidet Thüringen von Franke», Nvrddeutschland von

Süddeutschland, das Gebiet des Main- von dem der nord­ deutschen Ströme. Seit uralter Zeit bieften seine beiden Gebirgsseiten einen Ratnr- und Bölkergegensad dar, einen

Gegensatz der Sprache, des ReAs, der Sitte und Eigen­ tümlichkeit in Haus unb Leben.

Deshalb sagt das Volk

am Nordfuße voq dem Landstriche der Süd- oder viel­ mehr Südwestseite: „Draußen in Franken", und das am Südfuße von dem im Norden: „Drinnen in Thüringen." Kaum erfreut sich gegenwärtig ei» anderes Gebiet einer

so wvhlgepflegten Straßenverbindung und solcher Zugäng­ lichkeit als der Thüringer Wald,

und fast zahllos

sind

in ihm die anmutig geschlängelten schattigen Promena­ denwege, welche den Fußgänger ohne Beschweren auf steile

Höhen, zackige Felsen und in wilde Schluchten führen und ihm überhaupt die reizendsten Partieen der Gebirgsnatur

erschließen.

Fast überall begrüßt unS daselbst Anmut und

trauliches Leben. Hier sesselt unsern Blick die reiche Man­ nigfaltigkeit bewaldeter

Hügü und Berge,

die

an

dem

Hauptkamme auf- und nebmeinander emporsteigen, und aus benot öfters alte Burgen oder kühne Felsen empor­ ragen; dort verfolgt er eins der tief und steil eingesenken, zahlreichen Quertäler, die. bisweilen unmittelbar bis an den Hauptkamm vordringen.

Au den Höhen wie in den

Tälern wechseln üppige Wiesengründe mit stattlichen Wal­

dungen, welche ein Hauptschmuck des Thüringer Waldes sind, der deshalb auch im SDhptbe des Volkes kurzweg „der

Wald" genannt wird, oder sie ziehen sich schlangenartig

zwischen ihnen hin.

Bor allem ladet den Wanderer der

erquickende Schatten mächtiger Buchen ein, Laubdach

nur

einzelne

Sonnenstrahlen

durch deren

hindurc^ittern.

Während sich hier sein Auge an dem grüne» Teppiche lebt,

der vor ihm ausgebreitet liegt, sieht er vielleicht im näch­

sten Augenblicke aus dem dichten Laubwalde die Rauchsäule aufwirbeln,

welche die einsame Hütte eines Köhlers an­

zeigt, und vernimmt zugleich sein Ohr aus einem fernen

Der Lhkrwgrr Wald.

5

Talwinkel die harmonisch gestimmten Mocken einer Vieh­

herde. Schade, daß keins der Täler von einem größeren Flusse durchströmt wird, der das Landschaftsbild noch uichr zierte. Desto größeren Reichtum besitzt er an schäumenden Bächen, die zum Teil von köstlichen Steinsorellen belebt sind, und an frischen mineralhaltigen Quellen, welche die Wohltat eines vorzüglichen Trinkwassers spenden. Demnach hat einer der Lobredner des Thüringer Wal­ des wohl recht, wenn er sagt: „Der Thüringer Wald ist der Park von Deutschland. Er ist weniger stapnenerregend als anziehend; er gefällt und entrückt durch wechsel­ volle Bilder und heitere Frische; er gleicht einer großen grünen Laube." Hieraus wird zugleich klar, warum der Thüringer Wald im Sommer von zahllosen Reisenden be­ sucht wird, die in der frischen Waldlust sich «Holm wollen. Die stärkste Zahl der Gäste liefert Rorddeutschland, beson­ ders Berlin. Das neckische einheimische Volk tituliert sie mit dem Namen ,Luftschnapper". Rach allen Richtungen durchziehen sie das Wald- und Berggebiet, und viele rasten in Bade- und anderen Orten, z. B. in Liebenstein, Ruhla, Friedrichroda, Elgersburg, Ilmenau, Blankenburg, Ru­ dolstadt. Reben dem stillen Naturleben des Thüringer Wal­ des hat feit langer Zeit Gewerbefleiß aller Art seine Werkstätte vielfach aufgeschlagen. Der mühsame Kornbau auf der kargen Ackerkrume der Berglehnen konnte die zahl­ reiche Bevölkerung nicht ernähren; daS Bedürfnis schärfte den erfinderischen Sinn, welche Ankömmlinge ans der Ferne, aus Nürnberg, Schwaben und Kärnten, geweckt hatten, und der durch nützliche Produtte, besonders durch reichen Schiefer-, Holz- und Eisenvorrat des Gebirge­ unterstützt wurde. Wir finden in dem Bereiche des Thü­ ringer Waldes Glashütten, Porzellanfabriken und -Male­ reien von angesehenem Namen, ferner jene wettverbrei­ tete Stahlindustrie, die bei Suhl, Schmalkalden, Zella und Mehlis als Gewehrfabrikatton, in Ruhla und Steinbach

6

Thüringen.

als Messerfabrikation einen hohen Grad der Entwicklung erreicht hat. Am bekanntesten sind die mancherlei Spiel­ warm, die von Sonneberg und Umgegend nach dm Hauptortm Europas und Über dm Ozean zu affen Völkern gehen und die Herzen der Kinder erfreuen, und denen kein PÄast und keine Hütte verschlossm bleibt. Sie sind entweder aus Hol», Schiefer, Papier oder aus Glas, Eism, Blech und Leder gefertigt. Was ins­ besondere die Holzwaren betrifft, so werden sie in unge­ heurer Mannigfaltigkeit geliefert und sind meist, abge­ rechnet die Btmalung, welche später in Sonneberg er­ folgt, die winterliche Arbeit der Bauernfamilien in den umliegenden Dörfern. Aus diesen kommen Sonnabends die Spielwarm, als da sind Trommeln, Pfeifen, Gewehre, Kegel, Nußknacker, Klappern und Tiere, dann die Rutzwarm vom Salzfaß bis »um zierlichen Nähkästchen, Schach­ teln und sonstige Hausgeräte in Körben und Schubkarren haufenweise »ach der genannten Stadt, die sich durch ihre großartige Gewerbs- und Handelstätigkeit einen weltberühmtm Namen erworben hat. Der Umsatz dieser Waren, deren Fertigung einen Distrikt von etwa 30 Ortschaften umfaßt, aus denen fast die ausschließliche Fertigung von Kinderspielwaren unge­ fähr achttausend Menschen beschäftigt und ernährt, ist von desto größerer wirtschaftlicher Bedeutung, als der Arbeits­ lohn die Kosten des Materials todt übersteigt. Gleichwohl wird der einzelne Arbeiter keineswegs durch einen auch nur mittelmäßigen Lohn für seinen Fldß und seine Ge­ schicklichkeit erfreut. Das unschuldige Kind, welche am lustig strahlenden Weihnachtsabende mit Frohsinn nach sei­ nen Spielwaren greift, hat tone Ahnung von dem trüben Dämmerlichte, das dort im Walde in der armseligen Hütte seines Verfertigers zittert; aber daß es die Eltern wüßtm und es dem Kinde erzählten, das wäre gut.

Waldreichtum.

7

s Waldreichtum. Karl Kühner. Das ist überhaupt ein großer Reichtum, der da in den Wäldern auf unsern Bergen rauscht. Denn das Holz muß den Waldleuten auf gar mannigfache Weise zu Brot und Unterhalt verhelfen. Da brennt es in den großen jDfcn von mehr als 250 Schmelzwerken, Eisen- und Stahl­

hütten, Stab-, Zinn-, Draht- und Blechhämmern. Hast du schon einmal eine solche Eisenhütte gesehen? Bis tief in die Nacht hinein kannst du da die glutroten Lohen zum schwarzen Himmel aufsteigen sehen. Dazu schlagen die mächtigen Pochwerke ihren einförmigen Takt. Der Bach, der sie treibt, rauscht in Fenerfnnken über das arbeitende Rad. Aus dem Ofen in der Hütte fließt das Eisen wie ein feuriger Strom, oder gewaltige Hämmer schlagen die Eisenmassen zu Stangen oder Blechen zurecht. Halbnackte, rußige Männer wandeln emsig zwischen den feurigen Massen, schüren den Ofen, schöpfen das flüssige Eisen, oder bringen mit gewaltigen Zangen die glutroten Eisenstücke unter den pochenden Hammer. Und der schwarze Wald ringsum sieht schweigend zu. Das ist wohl wunderbar, wie das alles zusammenhilst zum Erwerb des Menschen: der Eisenstein, der in unseren Bergen liegt, und der Bach, der die Werke treibt, und das Holz, das die Ofen heizen muß. Ferner hllft das

Holz vielen hundert geschickten Arbeitern, die aus dem Eisen die blanken Flintenläufe und Messer, Scheren, Beile, Bohrer und allerlei Geräte fertigen, die dann weit in die Welt gehen. So gibt's allein in dem Dorfe Steinbach bei Liebenstein gegen 150 Messerschmiede, die manchmal in einer Woche an 100 Dutzend Messer fertig bringen. Dann gibt es im Thüringer Walde Glasfabriken. Denen muß auch das Holz helfen; denn das Feuer schmilzt da aus Kiesel und Asche das Glas. Das ist anfangs so weich, daß die großen Tafeln, wie sie in unsern Fenstern stehen, wie Papier zusammengerollt und ausgeglättet wer-

8

X^ftrtafitn.

den, und daß Trinkgeschirre und allerlei Wasgeräte wie Seifenkugeln geblasen werden. Ferner mutz das Holz vielen Porzellanfabriken den Ofen heizen. Dabei finden auch wieder viele fleißige Ar­ beiter Nahrung, und es gibt auf dem Walde mehr als tausend Porzellanmaler, die jahraus, jahrein Pseifenköpfe,

Tasseir und dergleichen malen. DaS Thüringer Porzellan aber geht weit hinaus in den Handel, mitunter bis nach Konstantinopel. Bon dem Holze »Lhrt sich auch der rußige Köhler, der im Walde in dampfenden Meilern die Holzkohlen für Eisenhütten und Schmieden bereitet. Andere zapfen den Bäumen das Harz ab und machen Pech und Kienruß daraus. — Biele machen sich auch damit einen Verdienst, daß sie (besonders zur Winterszeit, wo eS im Freien nicht viel zu verdienen gibt) Mulden, Stiefelknechte, Quirle und allerhand Holzgeräte schnitzen. Geschicktere Hände schnitzen aus dem Hol- auch allerlei Spielwaren. Das ge­ schieht besonders in der Gegend von ^nneberg, wo über­ haupt gar viel schönes SpiÄwerk gefertigt wird. Die bun­

ten Sonneberger Waren sind auf vielen Jahrmärkten zu sehen, und selbst die Kinder in Amerika kennen sie und freuen sich, wenn ein Schiff mit Sonneberger Spielzeug ankommt. Wo die Waldungen gelichtet sind, da wächst wohl auch Getreide und etwas Obst, aber frellich nicht so gut und reichlich wie unten in den warmen Tälern und Ebenen, wo hie und da selbst Wein gebaut wird. Doch hat der Thüringer seine Kartoffeln, die auf den höchsten Bergen fortkommen. Auch hat der Wald wieder manche Frucht, die man in den Ebenen nicht findet, so zur Sommerzeit in den Wäldern den unendlichen Reichtum an Erdbeeren, Heidelbeeren und Preißelbeeren. Das ist ein Tisch, von dem jeder kecklich zulangen kann, und der Wirt fordert keine andere Bezahlung als ein frommes: Gott sei gedankt! Aber wem gehört denn der Wald? — Ei nun, wo

Waldretchtum.

Die Heidelbeere und die Preißelbeerr.

9

nicht hier und da ein reicher Mann ein Stückchen gekauft

Hat, gehört der Wald dem Fürsten oder dem Staate oder

den Gemeinden. Die Obrigkeit läßt die Bäume pflanzen und pflegen und sorgt auch, daß du unangefochten durch -en dichtesten Wald gehen kannst. Darum ist's auch Dieb­ stahl und ^ünde, wenn einer im Walde Holz haut, das ihm nicht vom Förster angewiesen ist.

6. Die Heidelbeere nnb Vie Preiselbeere. Karl Rankwitz.

„Heedelbeeren! Heedelbeeren! Wer will mir das Ding verwehren. Daß ich rufe: Heedelbeeren?" So schreit der Heidelbeermann durch die Straßen der Stadt. An seinen starken, hoch heraufgehenden Schuhen, seinen eng anliegenden schwarzen Lederhosen, der kurzen Tuchjacke und an seiner Aussprache erkennst du im Augenblicke, wo­ her der Mann ist. Er ist aus einem der acht Holzdörfer, vielleicht aus Hermsdorf ober Klosterlausnitz. Das Holzland im Herzogtum Mtenburg ist so recht die Heimat der Heidelbeere. Hier nimmt sie im inneren liefen Tannenwalde weite Strecken ein. Ihre Blätter sind lederartig, glänzend und immergrün. Die Blüten, röt­ liche, kugelige Glöckchen, erscheinen schon im April; der Strauch will fertig sein, ehe die Maiglöckchen mit ihrem schöneren Geläute kommen. Im Juli und August neigen sich die Büsche von dem Gewichte der vielen schwarzblauen Beeren zur Erde. Dann ist im Walde für die Stare, Rot­ kehlchen und viele andere Bögel vom Morgen bis zum Abend der Tisch gedeckt. An ihn kann sich setzen, wer will, und essen, so viel er will. Was die Mahlzeit kostet, braucht ihn nicht zu kümmern; es wird nicht einmal ein Hab' Dank! verlangt. Mft den Vögeln des Waldes teilen sich die Menschen in die reiche Beute. Scharenweise eilen sie hinaus, um die dichthängenden Beeren zu pflücken, vor allen die Kin-

Waldretchtum.

Die Heidelbeere und die Preißelbeerr.

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nicht hier und da ein reicher Mann ein Stückchen gekauft

Hat, gehört der Wald dem Fürsten oder dem Staate oder

den Gemeinden. Die Obrigkeit läßt die Bäume pflanzen und pflegen und sorgt auch, daß du unangefochten durch -en dichtesten Wald gehen kannst. Darum ist's auch Dieb­ stahl und ^ünde, wenn einer im Walde Holz haut, das ihm nicht vom Förster angewiesen ist.

6. Die Heidelbeere nnb Vie Preiselbeere. Karl Rankwitz.

„Heedelbeeren! Heedelbeeren! Wer will mir das Ding verwehren. Daß ich rufe: Heedelbeeren?" So schreit der Heidelbeermann durch die Straßen der Stadt. An seinen starken, hoch heraufgehenden Schuhen, seinen eng anliegenden schwarzen Lederhosen, der kurzen Tuchjacke und an seiner Aussprache erkennst du im Augenblicke, wo­ her der Mann ist. Er ist aus einem der acht Holzdörfer, vielleicht aus Hermsdorf ober Klosterlausnitz. Das Holzland im Herzogtum Mtenburg ist so recht die Heimat der Heidelbeere. Hier nimmt sie im inneren liefen Tannenwalde weite Strecken ein. Ihre Blätter sind lederartig, glänzend und immergrün. Die Blüten, röt­ liche, kugelige Glöckchen, erscheinen schon im April; der Strauch will fertig sein, ehe die Maiglöckchen mit ihrem schöneren Geläute kommen. Im Juli und August neigen sich die Büsche von dem Gewichte der vielen schwarzblauen Beeren zur Erde. Dann ist im Walde für die Stare, Rot­ kehlchen und viele andere Bögel vom Morgen bis zum Abend der Tisch gedeckt. An ihn kann sich setzen, wer will, und essen, so viel er will. Was die Mahlzeit kostet, braucht ihn nicht zu kümmern; es wird nicht einmal ein Hab' Dank! verlangt. Mft den Vögeln des Waldes teilen sich die Menschen in die reiche Beute. Scharenweise eilen sie hinaus, um die dichthängenden Beeren zu pflücken, vor allen die Kin-

10

rhikingm.

der. Die Schulen werden in den Holzdörfern aus vier­ zehn Tage geschlossen. Am Jubel der Kinder merkst du, daß ihnen das Leben im grünen Walde besser zusagt als das Sitzen in der Schulstube. An ihrem Munde siehst du, wie eifrig sie für ihren Magen, an ihren Händen, wie eisrig sie für ihren Beutel gearbeitet haben. . Bei einer guten Ernte ist der Ertrag ein reichlicher; einzelne Fami­ lien verdienen dreißig, sechsunddreißig, wohl auch poch mehr Mark, je nachdem aus der Familie Personen sam­ meln. Das einzige Dors Hermsdorf hat in manchen Jah­ ren aus Heidelbeeren und Preißelbeeren die ansehnliche Summe von fast viertausend Mark gewonnen. Der größte Teil der Heidelbeeren wird frisch genossen, und an den vielen Gesichtern, welche dir während der Mo­ nate Juli und August in Stadt und Land mit schwarzen Zähnen und schwarzen Lippen begegnen, kannst du merken,

daß Heidelbeermus und Heidelbeerkuchen für viele Leute Leibgerichte sind. Andere legen die Heidelbeeren in glä­

sernen Flaschen ein und heben sie auf; denn int langen und armen Winter schmeckt des ©ommcrS Frucht noch ein­ mal so gut als sonst. In den Apotheken werden sie getrock­ net und als Arznei verwandt. In Bremen aber und in Hamburg gibt es Kaufleute, welche Heidelbeeren im Werte von mehreren tausend Mark aufkaufen und auspresfen. Mit dem Safte färben sie den Rotwein, und mancher meint vielleicht, er trinke einen echten Medoc oder Aßmannshäufer, unzweifelhaft in Frankreich oder am Rheine ge­ keltert, und ahnt nicht, daß das Getränk, welches er mit Behagen schlürft, zum guten Teile Heidelbeersaft ist. Es ist noch finstere Nacht, aber im Walde ist ein wun­ derbares Leben. An vielen Stellen tauchen Lichter auf, und in ihrem Scheine eilen Gestalten unter den hohen Tannen dahin. Du kommst, wer weiß, auf was für Ge­ danken; aber die menschlichen Stimmen sagen dir, datz Gespenster hier nicht hausen; und das Gelächter, das Sin­ gen und Jodeln verjagt die aufsteigende Furcht vor Räu-

Di« Heidelbeere und die Preitzelbeerr. Woher

bern.

dieses sonderbare

Der Jnsettberg.

Treiben im

Walde

11 zur

Nachtzeit? Der Schulze hatte gegen Abend im Dorfe ausrufen lassen:

„Morgen werden die Preißelbeeren ausge-

tqn." Darum hat sich gleich nach Mitternacht Mann und Weib, jung und alt aufgemacht, um wo möglich die ersten auf dem Schlage zu sein und recht viele der scharlachroten

Beeren einzusammeln. Die Langschläfer machen an diesem Tage schlechte Geschäfte.

Wenn sie kommen, so ist auf­

geräumt, und wissen sie nicht etwa einen ganz besonders heimlichen Ort, so haben sie nur eine spärliche Nachlese und für viele gehorsame Diener, die sie vor den Büschen machen, nur wenig Dank. Lachend wünschen ihnen die an­

dern,

welche

ihnen

aus

dem-Heimwege

begegnen,

viel

Glück. Die gesammelten Beeren werden an diesem und den nächsten Tagen von Blättern, Reisern, Moos und dergleichen gereinigt, auf Schubkarren oder Handwagen ge­

laden und dann von den Männern nach allen Himmels­ gegenden

hin ausgeführt.

7. Der JnselSberg. Karl Kühner.

Ich will dich im Thüringer Walde auf einen Berg

führen, der ist im ganzen Gebirge nicht der höchste, aber gewiß der schönste. Land und

Als einst, so geht eine alte Mär, das

Gebirge umher

mit ungeheurem

Wasser be­

deckt war, da sah die Spitze des Berges noch hervor wie

eine Insel aus dem Meere; daher soll der Berg seinen Namen Jnselsberg haben.

Noch jetzt, wenn du auf dem

Gipfel des Berges frühmorgens des Aufganges der Sonne harrst, kann dir es begegnen, daß du rings um dich ein

weites Meer wogen siehst, nicht von Wasser, sondern von Nebel.

Aber wenn die Sonne das Nebelmeer bezwungen

und als Tau ausgegossen hat über die Täler, dann liegt

glänzend und grünend eine weite, weite Gegend um dich ausgebreitet; darin kannst du mehr als 150 Dörfer, Städte und Schlösser erblicken.

Di« Heidelbeere und die Preitzelbeerr. Woher

bern.

dieses sonderbare

Der Jnsettberg.

Treiben im

Walde

11 zur

Nachtzeit? Der Schulze hatte gegen Abend im Dorfe ausrufen lassen:

„Morgen werden die Preißelbeeren ausge-

tqn." Darum hat sich gleich nach Mitternacht Mann und Weib, jung und alt aufgemacht, um wo möglich die ersten auf dem Schlage zu sein und recht viele der scharlachroten

Beeren einzusammeln. Die Langschläfer machen an diesem Tage schlechte Geschäfte.

Wenn sie kommen, so ist auf­

geräumt, und wissen sie nicht etwa einen ganz besonders heimlichen Ort, so haben sie nur eine spärliche Nachlese und für viele gehorsame Diener, die sie vor den Büschen machen, nur wenig Dank. Lachend wünschen ihnen die an­

dern,

welche

ihnen

aus

dem-Heimwege

begegnen,

viel

Glück. Die gesammelten Beeren werden an diesem und den nächsten Tagen von Blättern, Reisern, Moos und dergleichen gereinigt, auf Schubkarren oder Handwagen ge­

laden und dann von den Männern nach allen Himmels­ gegenden

hin ausgeführt.

7. Der JnselSberg. Karl Kühner.

Ich will dich im Thüringer Walde auf einen Berg

führen, der ist im ganzen Gebirge nicht der höchste, aber gewiß der schönste. Land und

Als einst, so geht eine alte Mär, das

Gebirge umher

mit ungeheurem

Wasser be­

deckt war, da sah die Spitze des Berges noch hervor wie

eine Insel aus dem Meere; daher soll der Berg seinen Namen Jnselsberg haben.

Noch jetzt, wenn du auf dem

Gipfel des Berges frühmorgens des Aufganges der Sonne harrst, kann dir es begegnen, daß du rings um dich ein

weites Meer wogen siehst, nicht von Wasser, sondern von Nebel.

Aber wenn die Sonne das Nebelmeer bezwungen

und als Tau ausgegossen hat über die Täler, dann liegt

glänzend und grünend eine weite, weite Gegend um dich ausgebreitet; darin kannst du mehr als 150 Dörfer, Städte und Schlösser erblicken.

12

Thüringen.

Da glänzt in der ausgehenden Sonne Schloß Frie­ denstein über der Stadt Gotha und weiterhin Erfurt mit seiner Festung, von der früher Kanonen drohten, und mit seinen Domtürmen. Da blickt ziemlich von Norden her die alte, graue Wartburg zu dir herüber; den Schneekopf und den Beerberg siehst du, die dem Jnselsberg nach der einen Seite hin die Aussicht versperren, weil sie selbst «och ei« wenig höher sind als er. Gegen Süden aber siehst du den Dolmar bei Meiningen, die seltsamen Gleichberge bei Römhild, und auch zum blauen Rhöngebirge reicht dein Blick, wo der Bayernkönig regiert und aus dem hohen Kreuzberge Mönche im einsamen Kloster wohnen. Und hast du scharfe Augen, so kannst du dort im Norden, in weiter Ferne in der Goldenen Aue den Kyffhäuser er­ kennen, in dem, wie die Leute sagen, der mächtige Kaiser

Rotbart über 700 Jahre lang am steinernen Tische sitzt und schläft, und noch weiterhin zeigt sich wie eine Wolke der hohe Brocken oder Blocksberg, auf dem, wie das Mär­ chen erzählt, zu Walpurgis die Hexen ihren Tanz und Spuk halten.

8. De« NeNNftoig. L. Hertel Wer etwa von der Galerie des Erfurter Domturmes oder vom Galberge bei Gotha die langgestreckte Mauer des Thüringerwaldgebirges betrachtet, deren Zinnen sich scharf vom zarten Blau des Himmels abheben, dem regen sich gewiß die Wanderschwingen, und er möchte alsogleich hineintauchen in die grüne Dämmerung des Buchenwaldes und auf der Höhe dahinwandern von einer Kuppe zur an­ dern. Ja, herrlich ist es da oben, und der Wanderer stimmt ein in den Rus: ,Zch bin vom Berg der Hirtenknab, Seh auf die Schlösser all' herab." Schlösser glänzen in der Ebene, verfallene Burgen

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Thüringen.

Da glänzt in der ausgehenden Sonne Schloß Frie­ denstein über der Stadt Gotha und weiterhin Erfurt mit seiner Festung, von der früher Kanonen drohten, und mit seinen Domtürmen. Da blickt ziemlich von Norden her die alte, graue Wartburg zu dir herüber; den Schneekopf und den Beerberg siehst du, die dem Jnselsberg nach der einen Seite hin die Aussicht versperren, weil sie selbst «och ei« wenig höher sind als er. Gegen Süden aber siehst du den Dolmar bei Meiningen, die seltsamen Gleichberge bei Römhild, und auch zum blauen Rhöngebirge reicht dein Blick, wo der Bayernkönig regiert und aus dem hohen Kreuzberge Mönche im einsamen Kloster wohnen. Und hast du scharfe Augen, so kannst du dort im Norden, in weiter Ferne in der Goldenen Aue den Kyffhäuser er­ kennen, in dem, wie die Leute sagen, der mächtige Kaiser

Rotbart über 700 Jahre lang am steinernen Tische sitzt und schläft, und noch weiterhin zeigt sich wie eine Wolke der hohe Brocken oder Blocksberg, auf dem, wie das Mär­ chen erzählt, zu Walpurgis die Hexen ihren Tanz und Spuk halten.

8. De« NeNNftoig. L. Hertel Wer etwa von der Galerie des Erfurter Domturmes oder vom Galberge bei Gotha die langgestreckte Mauer des Thüringerwaldgebirges betrachtet, deren Zinnen sich scharf vom zarten Blau des Himmels abheben, dem regen sich gewiß die Wanderschwingen, und er möchte alsogleich hineintauchen in die grüne Dämmerung des Buchenwaldes und auf der Höhe dahinwandern von einer Kuppe zur an­ dern. Ja, herrlich ist es da oben, und der Wanderer stimmt ein in den Rus: ,Zch bin vom Berg der Hirtenknab, Seh auf die Schlösser all' herab." Schlösser glänzen in der Ebene, verfallene Burgen

Der Renasteig.

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ragen neben und über den freundlichen Dörfern und Städten, und aus der Nähe und Ferne grüßen die Häupter der heimatlichen Berge vom Hörselberg bis zum Ettersberg, und dahinter in duftiger Ferne erhebt sich am Horizont der Harz mit dem Vater Brocken. Jeder Sohn Thüringens sollte wenigstens einmal in seinem Leben jenen Höhenpfad, den altberühmten Renn­ steig, gewandert sein. Seinen Anfang nimmt der Weg im Westen bei dem Dorfe Hörschel an der Einmündung der Hörsel in die Werra, und sein Ostende erreicht er bei dem reußischen Dorfe Blankenstein, am Einslust der Selbitz in die Saale. Doch es sind nicht allein die weiten Aussichten nach Norden und Süden, die uns zu jenem Pfad empor­ locken, auch sonst noch wird manche Merkwürdigkeit dem aufmerksamen Wanderer aufstosten. Was bedeuten jene bemoosten, grauen Wappcnsteine, die in regelmätzigen Ab­ ständen meilenweit den Weg begleiten? Grenzwächter sind es aus vergangenen Jahrhunderten, der älteste von 1515 — auf dem sog. Schönwappenweg am Südfust des Leheste­ ner Wetzsteins —, der Zweitälteste von 1529 — zwischen dem Benetianerstein und dem Jnselsberg. Bildet doch der First des Thüringerwaldes auf weite Strecken, besonders in seinem Mittelstück, eine staatliche Grenze, und die Auf­ schriften der Grenzsteine — deren Abkürzungen man frei­ lich verstehen must — bieten uns einen Einblick in die Ge­ schichte der einzelnen Kleinstaaten. — Achtet besonders auf die dreiseitigen. Dreiherrensteine, die das Gebiet dreier Landesherren scheiden und deren auf dem Rennsteig zehn gezählt werden. Wie der Firstweg die Landeshoheit und damit auch die herrschaftlichen Jagdbezirke abgrenzt, so trennt er in der Hauptsache auch das thüringische Volkstum vom frän­ kischen, Norddeutschland von Süddeütschland — im Mit­ telalter aber auch die Mainzer Kirche, der die.Thüringer untergeben waren, von dem Gebiet des Würzburger Erz­ bischofes, der mit seinem Krummstab über die Franken Hessel. Lesebuch, «»hang für r-ürt»-«. 2

X$BtUQcS.

14 gebot.

Der Rennsteig diente aber nicht allein als Grenz­

weg zwischen dem Norden und Süden, Indern er bildete

auch eine Verbindung zwischen dem Westen «nd Osten. „Was Menschen trennt, das mutz sie auch verbinden."

Freilich

streiten sich noch heutzutage die Gelehrten darüber, ob er

ein alter Handelsweg war, auf dem die Kärrner und Fuhr­ leute vom Rheinlande und Hessen

au-

nach Ostfranken

und Böhmen zogen, oder ob er nur ein Kriegspfad war, der durch die Einsamkeit der Wälder hindurch kleinen, zumal

berittenen Abteilungen ein rasches und sicheres Fortkom­ men ermöglichte; auch die Vermutung ist ausgesprochen worden, aus diesem Pfade seien ehedem, als noch Thü­ ringen wegen seiner Rossezucht berühmt war, die Fohlen

und Stuten

zu ihren Sommerweiden

getrieben

worden.

Eine alte Sage berichtet, jeder neue Landgraf von Thüringen sei sogleich nach Antritt seiner Regierung im Waffenschmucke mit all seinen Reisigen von Westen nach Osten über den ganzen Rennsteig geritten,

zum Zeichen

der Besitznahme des Landes.

Die Eigenart und die mannigfaltigen Reize des Renn­ steigs,

haben auch unsere Dichter begeistert,

namentlich

waren es Viktor v. Scheffel, Rudolf Baumbach und August Trinius, die in formgewandten Liedern sein Lob sangen. Da in unserer Zeit

öfter

der Rennsteig

in seiner

ganzen Ausdehnung begangen wird, so haben es Wander­

vereine unternommen,

ihn durch besondere Wegemarken,

nämlich durch weiße R zu bezeichnen. Sie und die Grenz­ steine leiten uns sicher auf der Höhe entlang — freilich, etwas Ortssinn muß man besitzen und vor allem sich hüten,

die Berghänge

herabzuirren — der Pfad

hält

sich fast

ausnahmslos auf dem Kamm des Gebirges, wenn auch

manchmal einige Meter unterhalb der Berggipfel. Nun ziehe aus, junger Thüring, schnalle den Ruck­ sack um und wandere den Pfad, den einst die Landgrafen

mit ihren Rittern gezogen; reichlich belohnt werden.

für deine Mühen wirst du

15

Der Neanftteg.

•. Der Reunftieg. Bittoi o. Scheffel. Das war ein Ritt? — laß dir von ihm Echten Ein Ritt auf wilder moosverstrüppter Bahn: Er galt des Forstmanns friedlich heitern Pflichten, Und Heldentaten wurden nicht getan. Doch wem der Heimat reine Lüfte teuer. Wer grüne Farbe über alles hält. Der fragt nicht viel nach Kampf mit Ungeheuer, Nach Lorbeerkronen welscher Fabelwelt: Vergnügt, wenn ihm sein täglich Brot bescheret Und jener Harzdust, der die Seele nähret.

Wir trabten au- — getreue Waldespfleger, Die Henneberger, die des Abts von Fuld Und andre mehr, bestandne Meisterjäger, Wie sie berief verschtedner Landherrn Huld. Auf Bergesscheiteln läuft ein alt Geleise, Oft ganz verdeckt vom Farnkrautübersckävang;

— Schickt sich der Storch zum siebtenmal zur Reise, So neut sich dort der Nachbarn Grenzbegang: In Forst und Jagd gilt's, Zweiungen zu einen Und neu die Mark zu zeichnen und zu steinen. Der Rennstieg ist's: die alle Landesscheide, Die von der Werra bis zur Saale rennt Und Recht und Sitte, Wildbann und Gejaide Der Thüringer von dem der Franken trennt. Du sprichst mit Fug, steigst du auf jenem Raine: Hie rechts, hie link-! Hie Deutschlands Süd, dort Nord; Wenn hie der Schnee schmilzt, strömt sein Guß zum Maine, Was dort zu Tal tränst, rinnt zur Elbe fort; Doch auch da- Leben weist den Pfad zu finden. Was Menschen trennt, das must sie auch verbinden. O Lust, die grüne Wildnis zu umkreisen! Ich war als Obmann für den Zug erwählt 2»

16

Thüringen.

Und trug den Handschuh, feierlich zu weisen. Wo sich ein Markstein findet, wo er fehlt. Oft ritten Stunde» wir und ritten Meilen Und trafen keine Hütte, keinen Herd; Ost liehen wir die Rosse, und mit Beile» Ward dicht Gesträuch gerodet und gellärt. Auch schreckte in der Quellschlucht Nebelfeuchten Verfaulter Stämme nälWich Jrrlichtleuchten. Und cüs wir kamen zum Dreiherrensteine, Briet schon am Spieß das Reh, das wir erlegt; Am Steintisch ward in traulichem Vereine Im Namen der drei Herrn des Mahls gepflegt. Und da geschah nach Brauch der Nachbarmärker, Daß jeder Gast auf eigner Hoheit saß. Und doch der Thüring und der Henneberger Mit dem von Fuld aus einer Schüssel aß. „In strengen Rechten Nachbarschaft und Frieden!" So ward's durch dieses Sinnbild uns beschicken.

Viel Volks war unsrer Mahlzeit zugelaufen. Als wär's ein heidnisch Götzen-Opferfest, Sie lagerten im Gras in bunten Haufen Und schmausten des gebratnen Rehbocks Rest. Und mit dem Handschuh winkt ich sie zum Kreise: „Als wär' zur Stund' ein Waldgericht gehegt. Sei jedem jetzt nach Weidmannszeugnisweise Des Tags Bedeut sein Lebtag eingeprägt! Wir Förster schreiben ungern mit der Feder; Doch unsre Zeichenschrift versteht ein jeder."

Die Knaben zupft' ich weidlich an den Ohren, Den Mannen fuhr -ich raufend durch den Bart Und sprach: „Nun merkt, als sei es frisch beschworen. Wie hier der Rennstieg frisch bestätigt ward! Doch merket auch, daß, wie wir drei im Frieden Am gleichen Stein das gleiche Mahl verzehrt.

Der Rennstieg.

Die Wartburg.

17

Ihr drüben, wie wir hüben, ungeschieden Dem gleichen Volk als Brüder angehört: Ein Deutschland nährt den Thüring, Hessen, Franken, Und echter Liebe setzt kein Markstein Schranken!"

10. Wartburg. Senftv. Wildenbruch.

Dunkles Tal -u meinen Füßen, Nur zu Häupten lichte Höh'n, O du Herz in Deutschlands Busen, Thüringen, wie bist du schön!

Aus der Tiefe unlchsehlich Steigt des Waldes grüner Schwall, Blauer Himmel rings darüber, Wonne, Wonne überall! Und vom Berg zum Tal hernieder Lichter Zinnen froher Glanz, Wartburg, du auf Deutschlands Stirne Bräutlich unberührter Kranz!

Ob des Morgens süßes Lächeln Jauchzend alle Lande weckt. Ob des Mondes weicher Schimmer Flimmernd Tal und Hügel deckt: Immer schön und immer lieblich. Immer jung und immer neu. In der Nähe, in der Ferne Meine Seele bleibt dir treu.

11. Die Wartburg. Döbelner Lesebuch.

Über Thüringens anmutsvollen Bergen und Tälern

lag warmer Frühlingssonnenschein. Mai war es, der wun­ derschöne Monat, der in alter und neuer Zeit gerade «urch

Der Rennstieg.

Die Wartburg.

17

Ihr drüben, wie wir hüben, ungeschieden Dem gleichen Volk als Brüder angehört: Ein Deutschland nährt den Thüring, Hessen, Franken, Und echter Liebe setzt kein Markstein Schranken!"

10. Wartburg. Senftv. Wildenbruch.

Dunkles Tal -u meinen Füßen, Nur zu Häupten lichte Höh'n, O du Herz in Deutschlands Busen, Thüringen, wie bist du schön!

Aus der Tiefe unlchsehlich Steigt des Waldes grüner Schwall, Blauer Himmel rings darüber, Wonne, Wonne überall! Und vom Berg zum Tal hernieder Lichter Zinnen froher Glanz, Wartburg, du auf Deutschlands Stirne Bräutlich unberührter Kranz!

Ob des Morgens süßes Lächeln Jauchzend alle Lande weckt. Ob des Mondes weicher Schimmer Flimmernd Tal und Hügel deckt: Immer schön und immer lieblich. Immer jung und immer neu. In der Nähe, in der Ferne Meine Seele bleibt dir treu.

11. Die Wartburg. Döbelner Lesebuch.

Über Thüringens anmutsvollen Bergen und Tälern

lag warmer Frühlingssonnenschein. Mai war es, der wun­ derschöne Monat, der in alter und neuer Zeit gerade «urch

Der Rennstieg.

Die Wartburg.

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Ihr drüben, wie wir hüben, ungeschieden Dem gleichen Volk als Brüder angehört: Ein Deutschland nährt den Thüring, Hessen, Franken, Und echter Liebe setzt kein Markstein Schranken!"

10. Wartburg. Senftv. Wildenbruch.

Dunkles Tal -u meinen Füßen, Nur zu Häupten lichte Höh'n, O du Herz in Deutschlands Busen, Thüringen, wie bist du schön!

Aus der Tiefe unlchsehlich Steigt des Waldes grüner Schwall, Blauer Himmel rings darüber, Wonne, Wonne überall! Und vom Berg zum Tal hernieder Lichter Zinnen froher Glanz, Wartburg, du auf Deutschlands Stirne Bräutlich unberührter Kranz!

Ob des Morgens süßes Lächeln Jauchzend alle Lande weckt. Ob des Mondes weicher Schimmer Flimmernd Tal und Hügel deckt: Immer schön und immer lieblich. Immer jung und immer neu. In der Nähe, in der Ferne Meine Seele bleibt dir treu.

11. Die Wartburg. Döbelner Lesebuch.

Über Thüringens anmutsvollen Bergen und Tälern

lag warmer Frühlingssonnenschein. Mai war es, der wun­ derschöne Monat, der in alter und neuer Zeit gerade «urch

18

rhWcktgm.

in diesem Lande soviel besungen und gepriesen worden ist. Es war ein Tag, wie geschaffen zum Besuche der herr­ lichsten Stätte de- Thüringer Baldes, der alten Bart­ burg, um wÄche Geschichte und Sage einen nie verwelken­ den Kranz geflochten haben. Bon der Lutherstadt Eisenach, wo der große Reforma­ tor als armer Kurrendeschüler bittere Rot und herzliches Wohlwollen erfahren hat, wanderten wir durch das Prvdigertor auf schattenlosem Wege den Schloßberg hinan und gelangten nach halbstündigem Steigen auf die Höhe. Fesselte beim Rüchvärtsschauen eine liebliche Fernsicht un­ ser Auge, so wurde dieses jetzt von der kühn emporsteigen­ den Wartburg völlig in Anspruch genommen. Hell blinkte sie uns entgegen, vom glänzenden Sonnenschein übergossen, diese Perle in dem Kränze der deutschen Berghöhen. Es ist 'der letzte nordwestliche Vorsprung des langgedehnten Waldgebirges, ein schmaler schroffer Fels, auf welchem die Burg in verjüngter Pracht sich erhebt, 200 Meter über der Stadt Eisenach, 420 Meter über dem Meere, über eine Zugbrücke schritten wir durch ein düsteres Torgewölbe in das stolze gebäudereiche Landgrafenschlost, »velches aus zwei gesonderten Haupttellen, der Bvrburg oder Ritter­ burg und der eigentlichen Hofburg, besteht. Zunächst begaben wir uns über den weiten Borhof hin in das Ritterhaus, ein Gebäude, das wahrscheinlich aus dem vierzehnten oder fünfzehnten Jahrhundert stammt, dessen Grundmauern indes weit älterer Zeit angehören. Denn bis zum Jahre 1067 reicht die erste Erbauung der Burg zurück, wo der thüringische Landgraf Ludwig der Springer den Grund zu ihr legte. „Wart, Berg, du sollst mir eine Burg werden!" Diesen Ausruf soll damals der Landgraf getan haben, und darin findet das Volk die ErNärung des Namens. In dem oberen Stockwerk des Mtterhauses suchten wir jenes berühmte, von vielen Tau­ senden schon mit stiller Andacht betrachtete Zimmer auf, das zehn Monate lang, vom Mai 1621 bis zum März

Die Wartburg.

19

1623, unsern Luther beherbergte, der hier unter dem Schutze des Kurfürsten Friedrich des Weisen als Funker Görg lebte und das unsterbliche Werk seiner deutschen Bibel­ übersetzung begann. Als Zeugnis der vielfachen Anfech­ tungen, welche der Gottesmann hier von dem Teufel r« er­ leiden vermeinte, wurde uns die Stelle an der Wand ge­ wiesen, die einst von dem Wurfe des Tintenfasses geschwärzt wurde, mit dem er den Bösen abwehren wollte. Mit mancherlei wertvollen Erinnerungsgegenständen ist die Lutherstube ausgeßattet. Da hängen Luthers und seiner Eltern Bilder von Crqnach; da steht ein Tisch aus dem Lutherhause in Möhra, eine Truhe mit den ersten Bibel­ ausgaben und anderes dergleichen, was man nur mit ern­ stem Sinne betrachten kann. Bon dieser geweihten, schlichten Stätte wandten wir uns wieder hinab, vorüber an dem sogenannten Hetzen", einem überdeckten, zinnengekrünten Mauergange, der einst zur Verteidigung gedient hat, und durchschritte« nun eine -weite Torhalle. Ist diese geschossen, so hat man de» Ein­ druck, als ständen hier zwei selbständige Burgen nebenein­ ander. So traten wir in den Schloßhof und erblickten bewundernd vor uns das Landgrasenhaus oder den Palas, der sich stolz und prächtig in drei Stockwerken erhebt, und dessen zinkbelegtes Dach im Sonnenscheine wie flüssigeSilber blitzte. Im Laufe der Zeitm war dieser aus dem zwölften Jahrhundert stammenhe Bau schmählich verun­ staltet worden; jetzt prangt er wieder in seinem ursprüng­ lichen Glanze und steht in seinen Hauptforme» so da, wie er zu Landgraf Hermanns I. Zeit erschienen sein mag.

Nach der Hofseite ist die Außenwand mit Bogengängen versehen; eine Unzahl von kleinen herrliche» Säule» ge­ währt einen überaus reichen Anblick. In den unteren Räu­ men fanden wir das sogena»nte Frauengemach, den ehe­ maligen Wohnraum für Frauen und Kinder, in welchem auch ein Schrank aus den Tagen der heiligen Elisabeth steht, in dem die fromme Landgräfin Brot und Speisen für

20

Thüringen.

die Armen aufhewahrt haben soll. Born Hofe aus führte uns eine Freitreppe zu dem im zweiten Stockwerke ge­ legenen Landgrafenzimmer hinan, dessen getäfelte Decke von einer prächtigen Säule getragen wird. Kunstvolle Male­ reien bedecken die Wände. Hier sahen wir, wie Ludwig der Eiserne in Ruhla hart' geschmiedet wird, wie derselbe Landgraf um die Neuenburg über Nacht eine lebendige Schutzmauer mit seinen Mannen erbaut, wie Ludwig der Milde seinen Löwen mit festem Blick beherrscht, und an­ dere Darstellungen aus der Landgrafengeschichte. Freilich, weit schöner noch erschien uns das reizende Landschafts­ gemälde, das sich vor unsern Blicken entfaltete, als wir ans einem der Fenster das Auge über den schwindelerregen­ den Abgrund hinweg in die sonnige Nähe und in die duf­ tige Ferne sOveifen ließen. Darnach lenkten wir unsere Schritte in den anstoßenden Sängersaal, die eigentliche Fest­ halle, die vor Zeiten von den herrlichen Gesängen meister­ licher Dichter' widerhallte. Dort saßen sie in ritterlichem Gewände auf erhöhter Bühne, der „Laube", hier 'ihnen gegenüber auf der „Brückl die dem Sange lauschenden, dichterfreundlichen fürstlichen Herrschaften. Hier war der Sage nach die Stätte des Wartburger Sängerkrieges, den man. in das Jahr 1206 verlegt. Hier schlugen die großen Dichter, Walther von der Bvgelweide, Wolfram von Eschen­ bach, Heinrich von Ofterdingen, Biterolf und wie sie alle heißen, im Wettgesange die Saiten, wobei das Leben des unterliegenden Ofterdingers beinahe dem Henker verfiel; hier versöhnte der aus fernen Landen beschiedene Sanges­ meister und Zauberer Klingsor mit seinem Schiedssprüche die entzweiten Dichterherzen. Aus dem Sängersaale treten wir in die ElisabethGalerie, einen zur Kapelle führenden Gang, dessen köst­ liche Wandgemälde das Leben und Tun der frommen Landgräfin Elisabeth verherrlichen und unter anderen dar­ stellen, wie sie die Hungrigen speist, die Dürstenden tränkt, die Müden beherbergt, die Nackenden Neidet, die Gesänge-

Die Wartburg.

21

nett tröstet, die Kranken pflegt und die Toten begräbt. Das sind die sieben Wnnder der Barmherzigkeit. Bon den übrigen Bildern stellt eins das Rosenwunder dar. Die Sage erzählt,' daß Elisabeths allzugroße Freigebigkeit gegen die Armen nicht nach dem Sinne ihres Gemahls gewesen sei. Als sie nun einst wieder mit reichen Gaben für Notleidende von der Purg Herabstieg, sei ihr der heimkehrende Land­ graf mit der Frage entgegengetreten, was sie in ihrem Korbe trüge. Wie er aber auf ihr erschrockenes Schweigen nachsah, wäre der Korb mit duftenden Rosen gefüllt ge­ wesen, ein Wunder also geschehen, welches in dem Land­ grafen nun freundlichere Gesinnungen erweckt habe. Durch einen neuen Treppenbau gelangten wir in das dritte Stockwerk, welches der zweiundvierzig Meter lange Rittersaal vollständig einnimmt, der glänzendste Raum der ganzen.Burg, ein fürstlicher Prunksaal, der durch seine wette Ausdehnung wie durch feinen reichen Schmuck un­ sere Augen gefangen nahm. Bewundern mußten wir die lebensgroßen Bilder der alten Landgrafen mit ihrem Stammvater Karl dem Großen, die sinnig geschmückten Fensternischen, die altertümlichen Waffen, die kostbar ge­ stickten Teppiche an der Wand. Durch ein tief herabgehen­ des Fenster tritt man auf einen Söller hinaus, der in luftiger Höhe über dem Bärenzwinger schwebt und einen unvergleichlich schönen, weiten Blick in die tiefen grünen Waldschluchten und über die nebelumwogten Berghäupter bis zu der fernen Rhön gestattet. Wahrlich, hier bei solcher Bauanlage erkennt man wohl, welch tiefer Natursinn auch schon in unsern Vorfahren lebendig gewesen ist. Mit dem Landgrafenpalast ist durch eine offene Ter­ rasse die Kemenate verbunden. Der ursprüngliche Bau, der 1317 von einem Blitzstrahl zerstört wurde, diente als Wohnung der Landgräfinnen; der jetzige neue Ban wird von der großherzoglichen Familie von Weimar bei ihrem Aufenthalt auf der WarHurg bewohnt. Neben der Keme­ nate stellte sich der neuerbaute Bergfried unsern Blicken

Tfcftrinslen.

22

dar. der zu jeder Burg notwendig gehörende Wartturm, welcher hier zweiundfünfzig Meter hoch emporsteigt und alle Zinne» der Burg kolr überragt. Ihm gegenüber, auf

der westlichen Seite des inneren Hofes, erhebt sich die eben­ falls neuerbaute „Dirnitz",

fürstlichen Speisesaale,

d. L das Gebäude mit dem wo vormals ein

an der Stelle,

Prinzenhaus

wir

-er

Rüstkammer oder dem Waffensaale einen Besuch ab.

Wie

ähnliches

stand.

statteten

Hier

fesselten da «nsere Blicke die aufgestellten siebzig Rüstun­ gen,

darunter

Friedrich

des

die

prachtvolle

Weisen

und

des

Kurfürsten

sächsische

Rüstungen,

Rüstung

andere

die des Burghauptmanns Hans von Berlepsch, des Ritters Kunr von Kausungen und der von ihm geraubten Prin­ zen Ernst und Albrecht!

Mit welchem Staunen. betrach­

teten wir

die altertümlichen Kriegswaffen

trophäen,

kunstreich

Flamberge,

ein

gearbeitete

zweischneidiges

und

Sieges­

gezackte

Panzerhemden,

Schlachtschwert

mit

der

Jahreszahl 1003, eine riesige Streitaxt und andere feste

Wasfenstücke einer längst entschwundenen Zeit voll KriegS-

und Fehdelust,

Worauf nur unser Blick fiel, alles lenkte

unsere Gedanken zurück in die graue Vergangenheit.

Hier

auf dem Burghof schwangen sich einst Ritter und Knap­ pen in schimmernder Bewaffnung auf ihre Streitrosse zum

Heereszuge; hier tummelten sie sich im ernsten Waffen­ spiele; hier scharten sie sich zur tapferen Abwehr, wenn

mit schmetterndem Hornstoß der Turmwart von der Höhe

das Rahen feindlicher Reiter verkündete.

Hier wieherten

die Rosse und bellten die Hunde, wenn der Landgraf, wohl

auch von Edelfrauen auf schlanken Zeltern begleitet, mit seinen Getreuen zur fröhlichen Jagd hinabritt in die wild­

reichen Reviere des Thüringer Waldes.

Roch einem aus ältester Zeit stammenden Bau wen­

deten wir uns zu. Ein Turm, der sogenannte Pulverturm, erhebt sich im hinteren Hofe mit gewattigen. drei Meter

dicken Mauern

zu

stattticher Höhe

und birgt in

seiner

Tiefe ein schauerliches Burgverließ, in dem mancher ar-

Die Sariborg. Sartburg-SprSche. mer

Gefangene

fern

vom

belebenden

Lichte

23 einst

ge­

schmachtet haben mag. Hoch über diesem unheimlichen Orte

standen mir und genossen von der Zinne des Turmes, wenn auch die Burggebäude etwas beschränkend dazwischen tra­

ten, eine umfassende Rundsicht über die gesegneten Gaue von Thüringen.

Besonders reizend war der Blick auf die

weithin sich erstreckende Stadt Eisenach, welche von hüb­ schen Landhäusern am Berghange und Gartenanlagen um­

säumt wird und bis an das liebliche Mariental sich hin­ sieht. Nordöstlich erhob sich der schroffe Gipfel des Hörsel-

berges, der durch die Sage vom getreuen Eckart und dem

Müden Jäger bekannt ist, welcher mit Frau Holle und unheimlichem Gefolge in rauhen Winternächten aus dem

Hörselloch über Berg und Tal stürmt. Im Südoften stieg der Jnselsberg empor, von ansehnlichen Waldbergen um­

geben; in südwestlicher Richtung erschienen die blauen Basaltspitzen der hohen Rhön. Schwer nur trennten wir uns

von dem Genusse der wunderbaren Naturschönheiten, die hier in besonders reichem Maße ausgebreitet liegen, und

wandten uns dann mit erquickten Sinnen und erhobenem Gemüt talwärts wieder nach Eisenach.

12. Wartdurg-Stzrüchr. 1. Ls ist auf Erd kein schöner Kleid Denn Tugend, Ehr und Redlichkeit;

Je länger man dasselbe trägt, Ze mehr es ziert und wohl ansteht.

2. Wenn wir täten, was wir sollten.

So tät auch Gott, was wir wollten. 3. Aller Sinn und Mut, Steht nach dem zeitlichen Gut,

Und wenn sie das erwerben. Legen sie sich nieder und sterben.

Die Sariborg. Sartburg-SprSche. mer

Gefangene

fern

vom

belebenden

Lichte

23 einst

ge­

schmachtet haben mag. Hoch über diesem unheimlichen Orte

standen mir und genossen von der Zinne des Turmes, wenn auch die Burggebäude etwas beschränkend dazwischen tra­

ten, eine umfassende Rundsicht über die gesegneten Gaue von Thüringen.

Besonders reizend war der Blick auf die

weithin sich erstreckende Stadt Eisenach, welche von hüb­ schen Landhäusern am Berghange und Gartenanlagen um­

säumt wird und bis an das liebliche Mariental sich hin­ sieht. Nordöstlich erhob sich der schroffe Gipfel des Hörsel-

berges, der durch die Sage vom getreuen Eckart und dem

Müden Jäger bekannt ist, welcher mit Frau Holle und unheimlichem Gefolge in rauhen Winternächten aus dem

Hörselloch über Berg und Tal stürmt. Im Südoften stieg der Jnselsberg empor, von ansehnlichen Waldbergen um­

geben; in südwestlicher Richtung erschienen die blauen Basaltspitzen der hohen Rhön. Schwer nur trennten wir uns

von dem Genusse der wunderbaren Naturschönheiten, die hier in besonders reichem Maße ausgebreitet liegen, und

wandten uns dann mit erquickten Sinnen und erhobenem Gemüt talwärts wieder nach Eisenach.

12. Wartdurg-Stzrüchr. 1. Ls ist auf Erd kein schöner Kleid Denn Tugend, Ehr und Redlichkeit;

Je länger man dasselbe trägt, Ze mehr es ziert und wohl ansteht.

2. Wenn wir täten, was wir sollten.

So tät auch Gott, was wir wollten. 3. Aller Sinn und Mut, Steht nach dem zeitlichen Gut,

Und wenn sie das erwerben. Legen sie sich nieder und sterben.

24

Thüringen.

4. Das ist eine gute Traurigkeit, Wenn Man um Sünd trägt herzlich Leid. 6. Das reichste Kleid ist oft gefüttert mit Herzeleid.

6. Ein Guttat, die bei Zeit geschicht, Dieselb ist doppelt ausgericht.

7. Torheit und Stolz wachsen auf einem Holz.

8. Acht dich klein; halt dich rein; sei gern allein; mach dich nicht gemein!

13. Die Ilm. Echiller-Soethe-Xenien Meine Ufer sind arm; doch höret die leisere Welle, Führet der Strom sie vorbei, manches unsterbliche Lied.

14. Goethes Gartenhaus. Rach Adolf Stahr.

Etwa zwanzig Minuten von der Stadt Weimar ent­ fernt, hart am Wege nach dem Dörfchen Oberweimar, am Fuße eines Höhenzuges, erhÄt sich aus dem schattigen Grün hochwipfliger Baumpslanzungen -ein kleines, spitz­ bedachtes Häuschen, dessen schwarzgraueS Schieferdach reichlich die Hälfte seiner ganzen zweistöckigen Höhe aus-, macht. Die nach der Fahrstraße gelegene Borderfronte, hochhinauf von Rosen und wildem Wein umrankt, welche liebevoll den zerbröckelnden Bewurf verhüllen, blickt west­ wärts über die Wiesen nach dem Parke hin, den einstens der Herzog Karl August und Goethe mit Liebe und Ver­ ständnis angelegt haben. Der nördliche Giebel gewährt die Aussicht auf den „Stern", einen von hohen Bäumen um­ schatteten Ruheplatz, der südliche auf die Höhen von Bel-

24

Thüringen.

4. Das ist eine gute Traurigkeit, Wenn Man um Sünd trägt herzlich Leid. 6. Das reichste Kleid ist oft gefüttert mit Herzeleid.

6. Ein Guttat, die bei Zeit geschicht, Dieselb ist doppelt ausgericht.

7. Torheit und Stolz wachsen auf einem Holz.

8. Acht dich klein; halt dich rein; sei gern allein; mach dich nicht gemein!

13. Die Ilm. Echiller-Soethe-Xenien Meine Ufer sind arm; doch höret die leisere Welle, Führet der Strom sie vorbei, manches unsterbliche Lied.

14. Goethes Gartenhaus. Rach Adolf Stahr.

Etwa zwanzig Minuten von der Stadt Weimar ent­ fernt, hart am Wege nach dem Dörfchen Oberweimar, am Fuße eines Höhenzuges, erhÄt sich aus dem schattigen Grün hochwipfliger Baumpslanzungen -ein kleines, spitz­ bedachtes Häuschen, dessen schwarzgraueS Schieferdach reichlich die Hälfte seiner ganzen zweistöckigen Höhe aus-, macht. Die nach der Fahrstraße gelegene Borderfronte, hochhinauf von Rosen und wildem Wein umrankt, welche liebevoll den zerbröckelnden Bewurf verhüllen, blickt west­ wärts über die Wiesen nach dem Parke hin, den einstens der Herzog Karl August und Goethe mit Liebe und Ver­ ständnis angelegt haben. Der nördliche Giebel gewährt die Aussicht auf den „Stern", einen von hohen Bäumen um­ schatteten Ruheplatz, der südliche auf die Höhen von Bel-

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Thüringen.

4. Das ist eine gute Traurigkeit, Wenn Man um Sünd trägt herzlich Leid. 6. Das reichste Kleid ist oft gefüttert mit Herzeleid.

6. Ein Guttat, die bei Zeit geschicht, Dieselb ist doppelt ausgericht.

7. Torheit und Stolz wachsen auf einem Holz.

8. Acht dich klein; halt dich rein; sei gern allein; mach dich nicht gemein!

13. Die Ilm. Echiller-Soethe-Xenien Meine Ufer sind arm; doch höret die leisere Welle, Führet der Strom sie vorbei, manches unsterbliche Lied.

14. Goethes Gartenhaus. Rach Adolf Stahr.

Etwa zwanzig Minuten von der Stadt Weimar ent­ fernt, hart am Wege nach dem Dörfchen Oberweimar, am Fuße eines Höhenzuges, erhÄt sich aus dem schattigen Grün hochwipfliger Baumpslanzungen -ein kleines, spitz­ bedachtes Häuschen, dessen schwarzgraueS Schieferdach reichlich die Hälfte seiner ganzen zweistöckigen Höhe aus-, macht. Die nach der Fahrstraße gelegene Borderfronte, hochhinauf von Rosen und wildem Wein umrankt, welche liebevoll den zerbröckelnden Bewurf verhüllen, blickt west­ wärts über die Wiesen nach dem Parke hin, den einstens der Herzog Karl August und Goethe mit Liebe und Ver­ ständnis angelegt haben. Der nördliche Giebel gewährt die Aussicht auf den „Stern", einen von hohen Bäumen um­ schatteten Ruheplatz, der südliche auf die Höhen von Bel-

Goethes Gartenhaus.

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pedere, während die östliche Seite im Schatten der um­ gebenden Bäume dem Garten zugewendet ist und durch einen kleinen Hügelzug gegen die rauheren Ostwinde ge­ schützt wird. Keine Turmspitze, kein Ziegeldach verrät die Nähe der Stadt, deren Dasein durch die buschigen Höhen des Parks und die hohen Laubkronen des Sternwäldchens völlig dem Blick entzogen wird. Einsam, nur von wan­ dernden Landleuten oder einem seltenen Gefährte belebt, ist auch die vorbeiführende Straße, welche längs der Wie­ sen hin nach dem nahen Dorfe führt. Zwei Holzgittertüren mit wenigen Steinstufen inmit­ ten einer mannshohen, lebendigen Hecke bilden die Ein­ gänge zum Garten. Wenige Schritte aufwärts steigend er­ reicht man das Haus, dessen niedrige, dem Innern des Gartens zu gelegene Tür zu den beschränktesten Räumen führt. Ein Zimmer, Küche, Flur im untern, ein Frontezimmer und zwei kleine Seitenkabinette im obern Stock, alles niedrig, eng und schmal, bilden die ganze Räum­ lichkeit, mit der sich Goethe sieben Jahre lang Winters und Sommers begnügte. Nur in einem der oberen Zim­ mer ist ein Kamin; das Arbeitszimmer, nach Norden blickend, hat nur ein Fenster- das weite ist vermauert. So klein, so ärmlich uns das Gartenhaus erscheint, so war es doch noch kleiner zur Zeit, als Goethe es be­ zog. Es findet sich noch der Tag verzeichnet, eS war der 10. Mai des Jahres 1776, kaum ein halbes Jahr nach seiner Ankunft in Weimar, Und so bedürftig verlangt schon damals in allem Saus und Braus einer wilden Ju­ gend sein Dichterherz nach einer „Wohnung des Frieden-", wie er dies Häuschen selbst gern nannte, und so sehr liebte er diese Zufluchtsstätte der Sammlung in ungestörter Ein­ samkeit, daß er selbst bei dem Umbau und Anbau, den er ein Jahr später, im März und April vornehme» ließ, in dem halb offenen Hause bis zur Beendigung des Baue­ wohnen blieb. Erst zu Ende April schreibt er an seine Freundin, die. Frau von Stein: „Ich habe wieder Fenster,

26 samt mir wieder Feuer anmachen, das mir bei der Witte­ rung sehr gut zu Statten kommt." Freilich kannte das Abhärtung-system, mit dem er damals auf seine feurige Jugend einftürmte, keine Grenzen. Halbe Nächte des April und Mai schlief er zuweilen, nur in seinen Mantel gewickelt,

auf einem trockenen Fleckchen seiner Altane den süßesten Schlaf, während Blitz und Donner eines Frühling-»«gewitters mit dazu gehSrigem Regen einherfuhren. An kalten Bädern in frühester und in spätester Jahreszeit, ja selbst an Schneebädern fehlte es gleichfalls nicht. Dazu kam sein nächtliches halsbrechendes Klettern über Hecken und Zäune, Mauern und Pforten, mit dem er sich die Wege zu kürzen oder die Hemmnisse geschlossener Wege zu beseitigen liebte. Hinterher bekannte er sich selbst dann öfters einer allzu großen Lust an wagehalsiger Abenteuer­ lichkeit schuldig. Roch wölhen über dem keinen Häuschen die herrlichen Bäume, die er selbst gepflanzt, ihr schattiges Laubd tch ineinander, und ihrer Blätter sanftes Flüstern erzählt dem Besucher von den Zeiten, in denen sie einst dem ter und seinen geliebten Menschen gerausckst und seiner schöpferischen Einsamkeit ihren bergenden und erquickenden Schatten gewährt: Übermütig sieht's nicht au-. Hohes Dach und niedres Haus, Allen, die daselbst verkehrt. Ward ein guter Mut beschert. Schlanker Bäume grüner Flor Selbftgepflanzter, wuchs empor; Geistig ging zugleich alldort Schaffen, Hegen, Wachsen fort.

15. Die Fstrstengruft in Weimar, »ach Adolf Stahr.

Es macht einen überaus wohltuenden Eindruck, wenn man die liebende Sorgfalt gewahrt, mit welcher die Men-

26 samt mir wieder Feuer anmachen, das mir bei der Witte­ rung sehr gut zu Statten kommt." Freilich kannte das Abhärtung-system, mit dem er damals auf seine feurige Jugend einftürmte, keine Grenzen. Halbe Nächte des April und Mai schlief er zuweilen, nur in seinen Mantel gewickelt,

auf einem trockenen Fleckchen seiner Altane den süßesten Schlaf, während Blitz und Donner eines Frühling-»«gewitters mit dazu gehSrigem Regen einherfuhren. An kalten Bädern in frühester und in spätester Jahreszeit, ja selbst an Schneebädern fehlte es gleichfalls nicht. Dazu kam sein nächtliches halsbrechendes Klettern über Hecken und Zäune, Mauern und Pforten, mit dem er sich die Wege zu kürzen oder die Hemmnisse geschlossener Wege zu beseitigen liebte. Hinterher bekannte er sich selbst dann öfters einer allzu großen Lust an wagehalsiger Abenteuer­ lichkeit schuldig. Roch wölhen über dem keinen Häuschen die herrlichen Bäume, die er selbst gepflanzt, ihr schattiges Laubd tch ineinander, und ihrer Blätter sanftes Flüstern erzählt dem Besucher von den Zeiten, in denen sie einst dem ter und seinen geliebten Menschen gerausckst und seiner schöpferischen Einsamkeit ihren bergenden und erquickenden Schatten gewährt: Übermütig sieht's nicht au-. Hohes Dach und niedres Haus, Allen, die daselbst verkehrt. Ward ein guter Mut beschert. Schlanker Bäume grüner Flor Selbftgepflanzter, wuchs empor; Geistig ging zugleich alldort Schaffen, Hegen, Wachsen fort.

15. Die Fstrstengruft in Weimar, »ach Adolf Stahr.

Es macht einen überaus wohltuenden Eindruck, wenn man die liebende Sorgfalt gewahrt, mit welcher die Men-

Die Fürstengruft in Weimar

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scheu im Thüringer Lande überall ihrer Toten durch den freundlichen Schmuck ihrer Ruhestätten gedenken. In Wei­ mar wie in Gotha, Eisenach und anderen thüringischen Orten verdient der Friedhof seinen alten schönen Name» Gottesgarten. Kein Grab erscheint vernachlässigt oder ver­ wildert, fast alle -rangen im reichsten Blumenschmucke, und wvhlgehaltener Buchsbaum und blühende Gesträuche fassen überall die breiten Wandelgänge ein, welche diesen Garten der Erinnerung durchschneiden. Rings an den mäßig hohen Einfassungsmauern ziehen. sich die abgesonderten Erbbe­ gräbnisse hin für die Reichen und Wohlhabenden. Aber sie sind meist nur leicht eingefriedigte, offene Plätzchen, von denen jedes wieder durch die liebende Sorge der Ange­ hörigen zu einem kleinen Blumengarten umgewandelt ist. An der Mauer sieht man die Inschriften, Reliefbilder und andere sprechende Erinnerungszeichen, fast überall mit Kränzen, Blumenstöcken in Nischen und Blenden heiter geschmückt. Stolze Prachtgräber mit anspruchsvollen Mvuumenten in Erz und Marmor sind auf dem Weima­ rischen Friedhofe nicht vorhanden. Alles ist bescheiden, schlicht und einfach. Auf der sacht ansteigenden Höhe, recht in der Mitte des Friedhofes, erhebt sich über einem mehr­ fach abgestuften, breiten steineren Unterbau ein einfaches tempelartiges Gebäude. Es ist die Fürstengruft, in der auch die beiden großen deutschen Dichterfürsten nach der Bestimmung des Herzogs .Karl August beigesetzt sind. Das Gebäude ist mit Bordach und Säule» geschmückt. Durch eine schwere Doppelpforte schreitend gelangt man in eine gewölbte, von viereckigen Pfeilern getragene Rotunde, welche durch das von oben einfallende Licht genügend er­ hellt wird. Der Raum ist ohne allen Schmuck von Farbe und Stuckzierat, als sollte Auge und Sinn der Eintreten­ den durch nichts abgezogen werden von dem, um dessentwillen sie gekommen. Nur eine umgitterte runde Öffnung in der Mitte zeigt die Stelle, an welcher die Särge der Fürsten hinabgelassen werden in das unten befindliche Gruft-

28

Thüringen.

gewölbe. Zur Linken führt eine Steintreppe in mäßiger Windung hinab. Mit der letzten Stufe stößt der Schritt an die Sarkophage Schillers und Goethes. Sie sind gangleich gearbeitet, von antiker Form, schlicht und völlig schmucklos, aus dunkel gebeiztem Eichenkernholze. Die Na­ men Schiller und Goethe, in lateinischen Metalleltern oben auf dem Sargdeckel angebracht, umschließt meist je ein Kranz von Lorbeer, der öfters erneut wird für die be­ suchenden Verehrer, welche nach Reliquien verlangen. Karl August aber ruht nicht, wie die Sage geht, zwischen dem Diosknrenpaar seiner Dichter. Sein großer erzner, reichverzierter Sarkophag steht tiefer in die Gruft hinein. Eichengewinde, Lorbeer und Olblatt, die Sinn­ bilder der Gerechtigkeit und Tapferkeit, Schwert und Wage umfassend, schmücken in getriebener Arbeit den Sarg des Mannes, den Deutschland nie und nimmer zu ehren vergessen darf und vergessen wird, so lange die Namen Goethe und Schiller genannt werden. „Gerecht und milde, tapfer und weise" lautet die Inschrift, und sie sagt nicht zuviel von dem Manne, der als Fürst seiner ganzen Zeit ein Vorbild war freiester und edelster Menschlichkeit. Ein kleinerer Sarg birgt die sterbliche Hülle seiner Gemahlin, der Herzogin Luise. Noch viele andere Särge stehen in der Gruft/ aber wer möchte in diesen Räumen anderes suchen und andere Namen hören, als die unsterblichen, deren Ge­ denken gerade an dem Orte, der ihre verstäubende Hülle umschließt, in uns die Unendlichkeft und Ewigkeft ihres Lebens und Wirkens mit doppelter Stärke hervorruft.

16. Jena. Ludwig Weniger nach Adolf Stahr.

Je mehr ich die Umgegend von Jena kennen lerne, desto besser gefällt sie mir, und es klingt mir jetzt gar nicht mehr unwahrscheinlich, was die Sage behauptet: Kaiser Karl der Fünfte, als er nach dem Siege von Mühl­ berg das Saaltal heraufzog, habe beim Anblick von Jena

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Thüringen.

gewölbe. Zur Linken führt eine Steintreppe in mäßiger Windung hinab. Mit der letzten Stufe stößt der Schritt an die Sarkophage Schillers und Goethes. Sie sind gangleich gearbeitet, von antiker Form, schlicht und völlig schmucklos, aus dunkel gebeiztem Eichenkernholze. Die Na­ men Schiller und Goethe, in lateinischen Metalleltern oben auf dem Sargdeckel angebracht, umschließt meist je ein Kranz von Lorbeer, der öfters erneut wird für die be­ suchenden Verehrer, welche nach Reliquien verlangen. Karl August aber ruht nicht, wie die Sage geht, zwischen dem Diosknrenpaar seiner Dichter. Sein großer erzner, reichverzierter Sarkophag steht tiefer in die Gruft hinein. Eichengewinde, Lorbeer und Olblatt, die Sinn­ bilder der Gerechtigkeit und Tapferkeit, Schwert und Wage umfassend, schmücken in getriebener Arbeit den Sarg des Mannes, den Deutschland nie und nimmer zu ehren vergessen darf und vergessen wird, so lange die Namen Goethe und Schiller genannt werden. „Gerecht und milde, tapfer und weise" lautet die Inschrift, und sie sagt nicht zuviel von dem Manne, der als Fürst seiner ganzen Zeit ein Vorbild war freiester und edelster Menschlichkeit. Ein kleinerer Sarg birgt die sterbliche Hülle seiner Gemahlin, der Herzogin Luise. Noch viele andere Särge stehen in der Gruft/ aber wer möchte in diesen Räumen anderes suchen und andere Namen hören, als die unsterblichen, deren Ge­ denken gerade an dem Orte, der ihre verstäubende Hülle umschließt, in uns die Unendlichkeft und Ewigkeft ihres Lebens und Wirkens mit doppelter Stärke hervorruft.

16. Jena. Ludwig Weniger nach Adolf Stahr.

Je mehr ich die Umgegend von Jena kennen lerne, desto besser gefällt sie mir, und es klingt mir jetzt gar nicht mehr unwahrscheinlich, was die Sage behauptet: Kaiser Karl der Fünfte, als er nach dem Siege von Mühl­ berg das Saaltal heraufzog, habe beim Anblick von Jena

Jena.

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ausgerufen: „Das ist ja ein kleines Florenz!" Denn in der Tat kann die reizende Lage der kleinen altersgrauen Stadt inmitten des lieblichsten Flußtales wohl einen leich­ ten Schatten solcher Erinnerung erwecken an die pracht­ volle Steinrose, die sich in den Fluten des Arno spiegelt. Das Tal von Jena, welches sich von Süden nach Nor­ den Kinzieht, ist augenfällig nichts als ein gewaltiger Spalt, den einst die stürzenden Urgewässer durch jenes mächttge Hochland gerissen haben, das sich vom Thüringer Waldgebirge gegen Nordosten hinstreckt. So sind denn auch die Berge von Jena, welche das Tal begrenzen, nicht eigentlich Berge zu nennen. Sie sind vielmehr nur Er­ höhungen, die aus jener Hochebene durch das Wasser aus­ geschnitten wurden, oder schroffe Abhänge der oberen Tal­ ränder, die sich in sanfte fruchtbare Anberge verlieren, zu deren Füßen der üppige Wiefengrund des Tales sich hin­ breitet. Die Saale, nur für Flößholz und leichte Fischer­ nachen schiffbar, über zahlreiche Wehre schäumend, von steinernen, holzbedachten Brücken überspannt, von Erlen und Weiden, Rüstern und Pappeln beschattet, rauscht und strudelt eiligen Laufes vorbei an freundlichen Weilern und Dörfern. Wer am Fuße der naheliegenden Höhen be­ zeugen scharf eingerissene Buchten und tiefe Höhlungen, daß hier einst ein mächtiger Sttom das ganze Talbett füllte; und noch jetzt schwillt nicht fetten der Heine, scheinbar so friedlich dahintanzende Fluß, gleichsam seiner alten Mächtigkeit sich erinnernd, zu furchtbarer Höhe, den ganzen Talgrund mit Verwüstung überflutend und das mühsame Werk der bauenden und ordnenden Menschenarbeit zer­ störend. Mehr noch wie Weimar, das bedeutend höher liegt und von einem Heineren Flusse bedroht wird, hat Jena in seiner Geschichte von solchen Röten zu melden, die hier mehr als einmal zu Karl Augusts und Goethes Zeit die Energie beider in Anspruch nahmen und zweimal daS Lüben des -zur Hilfe herbeigeeilten Fürsten in Gefahr brachten. Noch verderblicher für das Saattal sind starke Hessel, Lesebuch.

Anhang filr Thüringen.

3

30 Gewitterregen, deren Wasserstürze, von den Bergen nie* derrasend, schwere Blöcke, Massen von Steingerölle und Kiessand mit sich Niederreißen, Häuser zerstören, Bäume entwurzeln und Weinberge, Felder, Gärten und Wiesen ganz oder auf Jahre hinaus zu Grunde richten. Aber immer wieder beginnt die fleißige Menschenhand den Kampf mit der Natur, und immer aufs neue trägt sie die Kultur in Saatfeldern, Baum- und Weinpflanzungen bis dicht hinan an die. kahlen, vulkanisch ausschauenden Häupter der Berge. Die eigeittlichen Bildner dieser Berge sind eine Reihe von Quertälern, welche hüben und drüben, bald riefet, bald breiter auslaufend, in das Haupttal einmünden. Die so von allen drei Seiten steil abfallenden Abhänge der Hoch­ ebene, welche zwischen jenen parallel laufenden Querein­ schnitten stehen geblieben sind, erscheinen als die Berge von Jena. Am stellsten ist bei den meisten ihr Abfall nach dem Haupttale zu. Ihre landschaftliche Schönheit, die immer aufs neue mein Auge erfreut, wird noch erhöht durch den Wechsel der mannigfaltigsten Formen, unter denen einige in der Tat durch den Schwung und die Fein­ heit ihrer Linien an italienische Gebirgsbildungen erin­ nern. Am meisten ausgearbeitet erscheinen diese Berg­ formen auf dem rechten Saalufer, während sie auf dem linken sich in nichts von der gewöhnlichen Gestalt deut­ scher Höhen unterscheiden. Bon einem dieser letzteren, auf dem linken Ufer be­ lesenen Berge, dem sogenannten Hainberge, hat man die schönste Übersicht über Stadt und Tal und Höhenzüge. Schiller soll diesen Punkt am liebsten besucht haben, auf dem, merkwürdig genug, vor Zeiten das jenaische Hoch­

gericht stand, von dem der Berg auch freute noch den Namen „Galgenberg" führt. Es muß den armen Sündern, die hier ihr Leben lassen sollten, doppelt schwer geworden sein, im Anblick der wirflich reizenden Umgegend aus der Welt zu scheiden. Das Saaltal scheint gegen Süden hin ge­ schlossen durch die Berghöhe, von deren Gipfel die statt-

Sena,

liche Leuchtenburg, einst ein Fürstenschloß, jetzt ein Ge­ fängnis,

herabschimmert.

Von dort aus, gegen Norden

zu, strecken sich die Höhen der Saalberge auf dem rechten Ufer des Flusses in stetem Wechsel der Formen und Li­

nien talabwärts.

Da hebt sich zunächst aus dem engen

Wöllnitzer Grunde in schroffer Steile der Johannisberg hervor.

Das mächtige Trümmerwerk auf seinem Rücken

sind die Reste der alten stolzen Lobedaburg, auf der die

Dynasten saßen, denen vor Jahrhunderten ein großer Teil der ganzen Umgegend samt der Stadt Jena erb und eigen gehörte. Naher nach Jena zu erhebt sich die fast senkrechte

Felsmauer

der

Kernberge,

migen Strebepfeilern.

gestützt von einigen

kegelför­

Bon zahlreichen Schluchten durch­

furcht, bilden sie mit ihren grotesken Sandsteinhöhlen, den

sogenannten Teufelslöchern, und chren nackten, fast aller Vegetation baren Höhen und Kuppen einen Vorsprung des

Talrandes, um welchen herumbiegend die Saale in

ge­

rader Richtung auf Jena zuströmt. Diese Kernberge sind es hauptsächlich, welche den Bergen von Jena den Ruf der Kahlheit gemacht haben, den die meisten der übrigen, zum Teil mit Wald und Buschwerk bewachsenen und bis zur Höhe hinauf kultivierten Höhen keineswegs verdienen.

Das kümmerlich nackte Aussehen jener Berge rührt aber

durchgus nicht von ihrer absoluten Unfruchtbarkeit, son­ dern von dem Umstande her, daß vier oder fünf in her

Nähe liegende Ortschaften aus unvordenklicher Zeit eine Tristgerechtigkeit auf diesen Höhe» besitzen, welche bisher jeden Anbau gehindert hat.

Ihnen zunächst, gegenüber der Stadt, erhebt sich der bei weitem interessanteste aller dieser Berge, berg.

der HauS-

Als ich ihn zuerst von ber Stadt aus und neulich

von der Terrasse des ehemaligen Griesbachschev Gartens

erblickte, erinnerte er mich mit seinem zweiköpfigen Gipfel und seinen sanst abfallenden Seitenlinien durchaus an den Vesuv; und schwerlich möchte sich in Deutschland noch ein ähnliches Miniaturbild jenes alten Städteverwüsters nach-

3*

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Thüringen.

weisen lassen. Von andern Seiten und Standorten be­ trachtet, schwindet aber diese Illusion. Es wird nämlich alsbald der langgestreckte, scharse, wie eine kolossale Säge ausgezackte Rücken sichtbar, durch dessen schmalen Grat er letztlich nach Osten hin mit der rings das Tal umgebenden Hochebene zusammenhängt. Jene Einschnitte des Grates sind nur zum Teil natürlichen Ursprungs, zum größeren Teile sind sie Menschenwerk. Denn hier standen noch vor ein paar Jahrhunderten nicht weniger als drei Raub­ burgen, mit denen überhaupt diese Talhöhen reich geseg­ net waren, jede von der ander» nicht viel über einen guten Pfeilschuß entfernt. Der steil aufsteigende sogenannte Fuchsturm ist ein Rest der mittelsten dieser Burgen. An­ deres Getrümmer und Mauerwerk von Gewölben und Un­ terbauten ist längst wieder zur Natur geworden und bildet, mit Erde und üppiger Vegetation überlleidet, — denn die Flora der jenaischen Umgegend ist eine der reichsten von Deutschland — einen Bestandteil der verschiedenen Berg­ gipfel. Wenn der Hausberg, auf den ich ostwärts auS mei­ nem Fenster blicke, mich an den Beherrscher des Golf- von Neapel mahnt, so führt der ihm zunächst nördlich liegende Jenzig mit seinen gelblich kahlen Abhängen von Steinge­ röll bedeckt, mit seinen phantastisch gezackten, hellfarbigen krystallinischen Formen im Glanze der Abendsonne strah­ lend, mir die Bergformen von Palermo vor die Erinne­ rung. Er bildet ein Hufeisen mit dem eine halbe Stunde weiter nördlich liegenden, grünbewaldeten, von den Trüm-^ mein der Kunidburg malerisch gekrönten Gleibberge, von dem sich sanfter gewellte Höhen, zum Teil mit Schwarz­ wald bedeckt, nach Roda hinabziehen. Drüben, auf dem rechten Saaleufer, dem Jenzig ge­ genüber, liegt der Landgrafenberg, aus dessen Höhen Na­ poleon in der Nacht des Jenaer Schlachttages biwakierte. Zu seinen Füßen schlängelt sich die Straße von Weimar durch Kieferngehöl» hinab in das enge, vom Leutrabache durchflossene Mühltal der Stadt zu, die allerdings von

Jena.

Die sieben Wander von Jena.

33

oben herab gesehen nicht sowohl in einem Tale als viÄmehr in einem Graben zu liegen scheint. Was die Höhe der jenaischen Berge anlangt, so er­ reicht keiner derselben die des Ettersberges bei Weimar, dessen höchster Punkt 1440 Fuß über der Meeresfläche liegt. Der Hausberg und der Jenzig erheben sich wenig über 700 Fuß, vom Spiegel der Saale gerechnet. Die südwestlichen Berge von Jena bilden für Jena die Wetter­ scheide und lenken die von jener Richtung heraufziehenden Gewitter meistens in östlicher oder nördlicher Richtung von

dem TÄe der Stadt ab. Für die Liebhaber der Geologie haben die jenaischen Berge zugleich das Interessante, daß ihre Schichtungsver­ hältnisse durch die zahlreichen Quertäler so zu sagen 6Iofrgelegt erscheinen, so daß man ihren Bau ohne Mühe bis ins einzelne der verschiedenen Lagen verfolgen kann. Zahl­ reiche fossile Reste von Meergeschöpfen bekunden, daß die Bildung dieser Schichten durch Einwirkung des Wassers entstanden ist. Die unterste Schicht, die Sohle der übrigen, ist durchweg meist schiefriger Und leicht zerbröckelnder Sand­ stein. Darüber gelagert zeigt sich Gips mit Ton verbun­ den; roter Mergel und endlich Kalk bilden den Schluß nach den Höhen zu. Das Klima von Jena erscheint mir bedeutend milder als das weimarische, und trotz der geringen, nur zweistün­ digen Entfernung beider Orte ist doch die Vegetation des durch seine Bergzüge geschützten Saaltats vor der wei-

marischen Umgegend meist um vierzehn Tage voraus.

17. Die siebe« Wunder vo« Jena. F. «Scher.

Das Innere der Stadt Jena, die alte Stadt, die noch zum Teil durch Türme und Reste von Stadtmauern gegen die neuen Viertel abgegrenzt ist, heimelt jeden an, der hindurchwandelt. Hochgiebelige, altertümliche Häuser

Jena.

Die sieben Wander von Jena.

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oben herab gesehen nicht sowohl in einem Tale als viÄmehr in einem Graben zu liegen scheint. Was die Höhe der jenaischen Berge anlangt, so er­ reicht keiner derselben die des Ettersberges bei Weimar, dessen höchster Punkt 1440 Fuß über der Meeresfläche liegt. Der Hausberg und der Jenzig erheben sich wenig über 700 Fuß, vom Spiegel der Saale gerechnet. Die südwestlichen Berge von Jena bilden für Jena die Wetter­ scheide und lenken die von jener Richtung heraufziehenden Gewitter meistens in östlicher oder nördlicher Richtung von

dem TÄe der Stadt ab. Für die Liebhaber der Geologie haben die jenaischen Berge zugleich das Interessante, daß ihre Schichtungsver­ hältnisse durch die zahlreichen Quertäler so zu sagen 6Iofrgelegt erscheinen, so daß man ihren Bau ohne Mühe bis ins einzelne der verschiedenen Lagen verfolgen kann. Zahl­ reiche fossile Reste von Meergeschöpfen bekunden, daß die Bildung dieser Schichten durch Einwirkung des Wassers entstanden ist. Die unterste Schicht, die Sohle der übrigen, ist durchweg meist schiefriger Und leicht zerbröckelnder Sand­ stein. Darüber gelagert zeigt sich Gips mit Ton verbun­ den; roter Mergel und endlich Kalk bilden den Schluß nach den Höhen zu. Das Klima von Jena erscheint mir bedeutend milder als das weimarische, und trotz der geringen, nur zweistün­ digen Entfernung beider Orte ist doch die Vegetation des durch seine Bergzüge geschützten Saaltats vor der wei-

marischen Umgegend meist um vierzehn Tage voraus.

17. Die siebe« Wunder vo« Jena. F. «Scher.

Das Innere der Stadt Jena, die alte Stadt, die noch zum Teil durch Türme und Reste von Stadtmauern gegen die neuen Viertel abgegrenzt ist, heimelt jeden an, der hindurchwandelt. Hochgiebelige, altertümliche Häuser

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reihen sich in den Straßen und um den geräumigen Markt; vielfach führen große und Keine Rundbvgentore in die steinbelegten Hausflure; die auSgemeißelten Steinsitze zu beiden Seiten weisen in jene gute alte Zeit zurück, da der Hausvater des Abends nach verrichteten Lagergeschäften, fein Pfeifchen schmauchend, mit dem Nachbar traute Zwie­ sprache pflog. Viele Häuser sind mit anmutigen und zier­ lichen Stuckverzierungen nach dem Geschmack des achtzehn­

ten Jahrhunderts geschmückt. Daneben findet sich auch eine Anzahl alter Fachwerkbauten mit geschnitzten Balkenlagen, mit überragendem Oberstock und eckigen Türmchen. Zahl­ reiche Schilder mit Namen berühmter Männer schmücken die Häuserfronten und verweisen auf das rege geistige Le­ ben, das von der Universität ausging. All dies zusammen kann auf den sinnigen Beschauer einen eigenartigen Ein­ druck unmöglich verfehlen und muß auf ihn einen mäch­ tigen Reiz ausüben. Wenden wir nun aber den Blick auf Einzelheiten, so wird sich uns auch da mancherlei Auffälliges entgegen­ stellen. Wie so manche Stadt ihre Wahrzeichen besitzt, die ihre Eigenart charakterisieren, so hat Jena seine sieben Wunder aufzuweisen. Der Bolkswitz hat hier sehr ver­ schiedene Gegenstände zu solchen erhoben, und zwar waren für diese Erhebung wiederum sehr verschiedene Gründe — Originalität, Altertum, Schönheit — maßgebend, wie ihre Zusammenstellung in dem bekannten Distichon beweist: Ara, caput, draco, mona, pons, vulpecula turris, Weigeliana domus — septem miracula Jenae. Als erstes Wunder führt der Bers den Mtar an; ge­ meint ist der Altar der St, Michaelskirche, die, in goti­ schem Stil erbaut, zu dem alten Nonnenkoster zu St. Michael gehörte. Reste dieses Klosters finden sich noch in der dahinter liegenden „Alten Schule" vor, und Bogenansätze an der Nordseite des Gotteshauses weisen auf ihren ehemaligen Zusammenhang mit jenem hin. Was ist es nun aber, das dem Altar die Auszeichnung, als Wunder be-

Die sieben Wunder von Jena.

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trachtet zu werden, verlieh- Da der Boden sich nach Osten hin senkt, so war eS nötig, dast die Kirche nach dieser Seite höhersteigende Grundmauern erhielt. Infolgedessen befin­ det sich der Altarraum, von dem Kirchplatze aus betrachtet,

um die Höhe eines Stockwerkes von dem Boden entfernt. Auf schweren Säulen ruhende Kreuzgewölbe tragen den­ selben und ermöglichen es, daß unter dem Altar hin dem Verkehr eine Gasse offen steht. Dies ist das Seltsame deersten Wunders. Caput, das -weite Wunder, findet sich am Turme des uralten Rathauses. Die Uhr desselben besitzt nämlich einen eigenartigen Mechanismus, welchen der Beschauer zur Kurzwell gern beobachten wird. Rechts und links vom Zifferblatt stehen zwei Engel, der links stehende hält ein Glöckchen und ein Buch, der andere einen Apfel in der Hand, über dem Zifferblatt ragt ein aus Blech gefertigter Menschenkopf, das caput, hervor, welcher im Bvlksmnnde mit dem Namen „der Schnapphans" bezeichnet wird. Die Uhr schlägt auf zwei Glocken. Sobald nun die eine Gbocke erklingt, hebt der erste Engel das Glöckchen und das Buch sovielmal, als die Uhr Stunden zeigt; beim Schlage der zweiten hält die andere Figur den Apfel nach jenem Kopfe hin, welcher jedesmal vergeblich danach schnappt. Als ein Erzeugnis studentischen Witzes ist das dritte Wunder, der Drache, entstanden. Dieses kunstvoll und selt­ sam zusammengesetzte Ungetüm, welches ehemals in der Universitätsbibliothek aufbewahrt wurde, jetzt aber im städti­ sche» Museum gezeigt wird, stellt einen Drachen dar mit sieben Köpfen, sechs Krallenfützen und drei langen, aufge­ ringelten Schwänzen. Studenten sollen das Ungeheuer bei finsterer Nacht in den am rechten Saaleufer liegenden Teuselshöhlen ausgefunden und nach seiner Überwälfigung zum ewigen Gedächtnis für die Nachwelt in der Bibliothek aufgestellt haben.

Weigeliana domus ist das letzte Wunder, das sich innerhalb der Stadt befand.

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Thüringen.

Dieser Wunderbau ist leider wie sein Nachbar, dar alte Rathaus, im Jahre 1898 der Straßenregulierung zum Opfer gefallen und mußte der Weigelstraße, welche die Johannisstraße mit dem Fürstengraben verbindet, weichen. Das Haus wurde, wie die Chronik erzählt, von dem be­ rühmten Mathematiker Weigel in den Jahren 1667—1670 „auf sonderliche Art auf- und ausgebaut", „damit die Stadt sezieret und andere zur Nachfolge angereizet" wür­ den. Schon äußerlich mußte das Haus dem Vorübergehen­ den auffallen. Es bestand aus einem Erdgeschoß und drei daraufgesetzten Stockwerken. Auf diesen bereits sehr hohen Unterbau setzten sich demnach von der Front wie von der Hofseite her je drei hintereinander aufsteigende, abgetreppte Erker mit Giebelfronten auf, die sich auf dem Scheitel des steil ansteigenden Satteldaches in einem quadratischen Türmchen vereinigten. So konnte man von sieben Stock­ werken reden, welche das Weigelsche Haus enthalte. Das untere Geschoß war in einer Art Spätrenaissance verziert, und die ganze Fassade zeigt eine Anzahl von Inschriften, die sich auf den Aufbau und Zusammenhang des Weltalls bezogen, wie es auch bei der in der Mitte des Frieses ein­ gelassenen, geschwärzten Kupferkugel der Fall war. Aber auch das Innere hat der Erbauer, der wie seine Zeit die physikalischen Künsteleien liebte, mit verschiedenen Merkwürdigkeiten ausgestattet. Die über dem Keller an­ gelegte schmale, dunkle Treppe lief um eine offene, vier­ eckige Spindel durch alle Geschosse bis hinauf in das Türm­ chen. Wurde nun dieser Hohlraum mit Tüchern verhangen, daß kein Lichtstrahl von den Seiten eindringen konnte, so entstand ein dunkler, senkrechter SchaO, durch welchen man bei Tage vom Keller aus durch das zurückgeMagene Dach die Sterne am Himmel zu erblicken vermochte. Außer­ dem diente diese hohle Treppenspindel dazu, einen Fahr­ stuhl aufzunehmen, auf dem man vermittelst eines Flaschen­ zuges aus einem Stockwerke in das andere gelangen konnte, ohne die Treppe zu benutzen. Ferner ist noch die Hhdrau-

Die sieben Wunder von Jen«.

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lische Maschine zu erwähnen, die das große, viele Miet­ zimmer enthaltende Gebäude mit Wasser versorgte und das Erstaunen der damals Lebenden in hohem Maße hervor­ ries. Noch künstlicher war die berüchtigte „Weigelsche Keller­ magd", eine aus dem Heronsbrunnen begründete Vorrich­ tung, welche bewirkte, daß ein Maß Wasser, welches in ein Gefäß gegossen wurde, die gleiche Menge Wein aus dem Keller hervorbrachte. Mögen nun uns Menschen des 20. Jahrhunderts diese letzten drei Einrichtungen auch weniger seltsam vorkommen, in jener Zeit erschienen sie den Jenensern gar wunderbar, und sie trugen nicht wenig dazu bei, dieses Haus als ein „Wundes zu bezeichnen. — Um die drei letzten Wunder zu betrachten, müssen wir die Stadt verlassen und unsere Schritte nach Osten lenken. Da führt uns der Weg zu der Camsdorfer Brücke, des pons des Distichons-Anfangs. Im 14. Jahrhundert aus Holz erbaut, wurde sie etwa im 16. Jahrhundert in neun großen Bogen aus Steinquadern aufgeführt, welche man in den Ruinen der unfern gelegenen Hausbergburgen gebrochen haben soll. Den äußersten östlichen Bogen ließ der schwedische Generalmajor Thursv Stahlhans am 3. Febr. 1637 auf seiner Flucht vor den Kaiserlichen ein­ reißen, wobei nicht weniger als sechsunddreißig Arbeiter ihr Leben verloren. Das fehlende Stück wurde darauf an­ fänglich durch Holzwerk ersetzt, dann aber, nach dem Frie­ densschluß, im Jahre 1655, von Grund aus neu erbaut, zu welchem Werke sämtliche Einwohner Jenas mit Hand an­ legen mußten. Es geht die Sage, daß der Bau der Brücke gerade drei Pfennige mehr gekostet habe als derjenige des ziemlich gleichzeitig errichteten Turmes der St. Michaels­ kirche. Bon der Wiederherstellung des gesprengte» Bogens gibt eine Inschrift an der Mittagseite desselben Kunde. Auf der Brücke stand früher ziemlich in der Mitte der Ostseite ein steinernes Kreuz, welches im Jahre 1842 durch

mutwillige Hände in die Saale gestürzt wurde. Es be­ zeichnete die Grenze des Stadt-Weichbildes und des Amtes

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Lhäriagru.

Jena und soll der Grenzstein »wischen Thüringen und dem Osterlande gewesen sein. Sein einstiger Standort ist an­ gedeutet durch ein auf der Brückenmauer eingehauenes Kreuz. Lin ähnliches Erinnerung-zeichen befindet sich auf derselben Seite einige Schritte weiter nach Osten. Zwei in die auf -er Brustlehne ruhende Platte eingemeitzelte Hufeisen und die Jahreszahl 1717 erzählen, daß hier ein Pferd mit seinem Reiter in den Strom gesprungen ist. Endlich bemerkt man auf der Südseite, in der Nähe des gesprengten und wiedererbauten Bogens, ebenfalls auf einer Steinplatte einen eingehauenen Tragkorb mit den Buchstaben M. H. und der Jahreszahl 1823. An dieser Stelle stürzte ein Mädchen, welches einen schweren Korb trug und hier ruhen wollte, hinab in das tiefe Ge­ wässer. Nun schreiten wir noch weiter nach Osten und wen­ den uns dem mons, dem Hausberge, zu. Steil und hoch hübt sich jein schmaler, langgestreckter Rücken aus dem grünen Tale empor. An dem schroff abfallenden Südhange vermag bloß niedriges Gestrüpp, der Schlehdorn und die Hecken­ rose, Wurzel zu fassen, und nur hin und wieder ist das silbergraue Gestein mit dem dunklen Grün überspvnnen, während auf der nicht minder steilen Nordseite ein frischer

Wald den an drohenden Felshängen vorüberführenden Pfad zum Fuchsturm beschattet. Wunderbar ist der Blick von der vorderen, dem Saaltal zugewendeten Spitze, der Ziegenkoppe, auf die jenseitigen Berge, auf deren Rücken sich das Schlachtfeld von 1806 ausbreitet, und in das weite Tal, in dem der Fluß, von Erlen und Weiden beglei­ tet, zwischen lachenden Gefilden an heiteren Dörfern und dem trauten Städtlein vorüberzieht. Einst krönten dm Hausberg drei stolze Burgen der Burggrafen von Kirch­ berg, die als Hüter der Marken wider die Sorben bestellt waren. Hmte sind die Gemäuer zerfallen, und nur wmige Überreste gebm Zeugnis von ihnen. Als solche sind die tiefen Einschnitte in dem Grate, ein Stück Mauer und

Die steten Wander von Jena.

Die Sabellbotg.

39

ein vor wenigen Jahren entdeckter, jetzt gänzlich verschütte­ ter Brunnen zu nennen. Nur der Turm der mittleren Burg ist erhalten, der Fuchsturm, Iums vulpecula, der allein dem Bernichtungswerke der Erfurter, welche im Jahre 1304 die Burg zerstörten, zu trotzen vermochte. Seine historische Bedeutung ist heute bei denen, die gern hier oben weilen, mehr und mehr in den Hintergrund getreten und kommt nur in huuwristischer Auffassung zur Geltung, indem in der Fuchsturmgesellschaft noch burggräflich kirch­ bergische Beamte, als da sind der Burgkaplan, der Syn­ dikus, der Hofpoet und andere, fungieren. Wo sonst die eisengepanzerten Ritter aus- und eingingen, da sieht man jetzt friedliche Bürger, Männlein und Fräulein, bei gar friedsamer Hantierung. Die einen leeren aus groben, höl­ zernen Humpen das Gebräu aus Ziegenhain, die anderen machen sich an dem Rost zu schaffen, ihr Brätchen zum Imbiß zu rösten, und wieder andere werden dem auf des Hausbergs Rücken waltenden Geiste gerecht, indem sie unter der Direktion des Fuchsturmkantors die alten Fuchsturmljeder erKingen lassen.

18. Die Rudelsburg. Bernhard Uv gl er.

An der Saale hellem Strande Stehen Burgen stolz und kühn. Ihre Dächer sind zerfallen. Und der Wind streicht durch die Hallen, Wolken ziehen drüber hin.

Zwar die Ritter sind verschwunden Nimmer klingen Speer und Schild; Doch dem Wandersmann erscheinen Auf den altbemoosten Steinen Oft Gestalten zart und mild.

Droben winken holde Augen, Freundlich lacht manch roter Mund;

Die steten Wander von Jena.

Die Sabellbotg.

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ein vor wenigen Jahren entdeckter, jetzt gänzlich verschütte­ ter Brunnen zu nennen. Nur der Turm der mittleren Burg ist erhalten, der Fuchsturm, Iums vulpecula, der allein dem Bernichtungswerke der Erfurter, welche im Jahre 1304 die Burg zerstörten, zu trotzen vermochte. Seine historische Bedeutung ist heute bei denen, die gern hier oben weilen, mehr und mehr in den Hintergrund getreten und kommt nur in huuwristischer Auffassung zur Geltung, indem in der Fuchsturmgesellschaft noch burggräflich kirch­ bergische Beamte, als da sind der Burgkaplan, der Syn­ dikus, der Hofpoet und andere, fungieren. Wo sonst die eisengepanzerten Ritter aus- und eingingen, da sieht man jetzt friedliche Bürger, Männlein und Fräulein, bei gar friedsamer Hantierung. Die einen leeren aus groben, höl­ zernen Humpen das Gebräu aus Ziegenhain, die anderen machen sich an dem Rost zu schaffen, ihr Brätchen zum Imbiß zu rösten, und wieder andere werden dem auf des Hausbergs Rücken waltenden Geiste gerecht, indem sie unter der Direktion des Fuchsturmkantors die alten Fuchsturmljeder erKingen lassen.

18. Die Rudelsburg. Bernhard Uv gl er.

An der Saale hellem Strande Stehen Burgen stolz und kühn. Ihre Dächer sind zerfallen. Und der Wind streicht durch die Hallen, Wolken ziehen drüber hin.

Zwar die Ritter sind verschwunden Nimmer klingen Speer und Schild; Doch dem Wandersmann erscheinen Auf den altbemoosten Steinen Oft Gestalten zart und mild.

Droben winken holde Augen, Freundlich lacht manch roter Mund;

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Thüringen.

Wandrer schaut wohl in die Ferne, Schaut in holder Augen Sterne; Herz ist heiter und gesund.

Und der Wandrer zieht von dannen. Denn die Trennungsstunde tust. Und er singet Abschiedslieder, Lebewohl! tönt ihm hernieder, Tücher wehen in der Luft.

19. Erfurt- Gartenbau. N Bergmann.

Erfurt, die altehrwürdige Metropole Thüringens, hat sich im Laufe der Zeit durch Gunst natürlicher Verhält­ nisse, sowie durch seine gute Lage und durch die Einsicht und Rührigkeit seiner Gärtner zu einer der bedeutendsten Pflegestätten des Gartenbaus nicht nur Thüringens und Deutschlands, sondern der ganzen gesitteten Wett empor­ geschwungen. Über die ersten Anfänge des Gartenbaus in Deutsch­ land weist die Geschichte nur wenig zu berichten. Bon einem Gartenbau im heutigen Sinne des Wortes kann vor dem 5. Jahrhundert unserer Zeitrechnung wohl überhaupt nicht die Rede sein. Erst vom 8. und 9. Jahrhunderte an gibt es einen regelrechten Gartenbau, angeregt und be­ einflußt durch die segensreiche Wirksamkeit der Benediktiner­ mönche, die eine große Anzahl römischer Kulturgewächse über die Alpen brachten. Im 7. Jahrhundert siedelten sich die ersten Benedik­ tiner aus Frankreich auf dem dicht bewaldeten Petersberge im Erfurter Weichbilde an, um in der sumpfigen, unwirt­ lichen Niederung, die der Gerastrom ohne eigentliches Bett reißend durchlief, sich heimisch zu machen. Die Mönche vom Petersberge waren die ersten Bahnbrecher aller Kultur­ arbeit in und um Erfurt. Auf der durch diese Mönche ge­ schaffenen Grundlage konnte sich Erfurts Land- und Gar-

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Thüringen.

Wandrer schaut wohl in die Ferne, Schaut in holder Augen Sterne; Herz ist heiter und gesund.

Und der Wandrer zieht von dannen. Denn die Trennungsstunde tust. Und er singet Abschiedslieder, Lebewohl! tönt ihm hernieder, Tücher wehen in der Luft.

19. Erfurt- Gartenbau. N Bergmann.

Erfurt, die altehrwürdige Metropole Thüringens, hat sich im Laufe der Zeit durch Gunst natürlicher Verhält­ nisse, sowie durch seine gute Lage und durch die Einsicht und Rührigkeit seiner Gärtner zu einer der bedeutendsten Pflegestätten des Gartenbaus nicht nur Thüringens und Deutschlands, sondern der ganzen gesitteten Wett empor­ geschwungen. Über die ersten Anfänge des Gartenbaus in Deutsch­ land weist die Geschichte nur wenig zu berichten. Bon einem Gartenbau im heutigen Sinne des Wortes kann vor dem 5. Jahrhundert unserer Zeitrechnung wohl überhaupt nicht die Rede sein. Erst vom 8. und 9. Jahrhunderte an gibt es einen regelrechten Gartenbau, angeregt und be­ einflußt durch die segensreiche Wirksamkeit der Benediktiner­ mönche, die eine große Anzahl römischer Kulturgewächse über die Alpen brachten. Im 7. Jahrhundert siedelten sich die ersten Benedik­ tiner aus Frankreich auf dem dicht bewaldeten Petersberge im Erfurter Weichbilde an, um in der sumpfigen, unwirt­ lichen Niederung, die der Gerastrom ohne eigentliches Bett reißend durchlief, sich heimisch zu machen. Die Mönche vom Petersberge waren die ersten Bahnbrecher aller Kultur­ arbeit in und um Erfurt. Auf der durch diese Mönche ge­ schaffenen Grundlage konnte sich Erfurts Land- und Gar-

Erfurt» Gartenbau.

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tenbaji allmählich weiter entwickeln zu seiner hervorragen­ den Vollkommenheit, durch welche er schon frühzeitig vielen Gegenden Deutschlands und des Auslandes zum Muster diente. Durch ungemein günstige Lage und außerordentlich fruchtbaren Boden wurde es der alten Erfordia, die schon von Karl dem Großen zum Hauptstapelplatz für Mittel­ und Norddeutschland erhoben wurde, bald möglich, mit Gar­ tenerzeugnissen einen nicht unbedeutenden Handel nach auswärts zu treiben. Dr. Martin Luther nennt in seinen Tischreden die Erfurter Gegend „ein fruchtbar Bethlehem" und die Erfurter in launiger Weise „des heiligen römi­ schen Reiches Gärtner". Bon unendlich hoher Bedeutung war für die auf­ blühende Landkultur Erfurts der Anbau des Waides (Jsati» tinctoria), der im Mittelalter neben Wein und Weizen als ein wichtiges Wahrzeichen für die Stadt galt. War es doch gerade der Waid, der den lebendigen Verkehr und die mittelalterliche Machtstellung Erfurts begründete und für vieler seiner Bürger zu einer Quelle wahrhaft fürst­ lichen Wohlstandes wurde. Bezeichnend war es, .daß Erfurter Bürger auf die Stätten der von ihnen unter Führung Kaiser Rudolfs von Habsburg gebrochenen thü­ ringischen Raubburgen Waidfamen streuten, damit das sich ansiedelnde Kraut noch späten Enkeln Kunde von der Macht und Streitbarkeit ihrer Väter gebe. An andern wichtigen Handelsgewächsen wurden im Erfurter Gebiet schon im Mittelalter gezogen: Kanariensamen, Senf, Schwarzkümmel, Winter- und Sommerrübsamen, Hirse, Anis, Koriander und Mohn. AuS dem Land­ bau, der rührig betrieben wurde, entwickelte sich natur­

gemäß ein erfolgreicher Gartenbau. Als erster hochwichtiger Zweig der Gartenkultur gilt der Gemüsebau, der von den ersten Zeiten an mit Sorgfalt und Verständnis betrieben wurde und sich ungemein gün­ stig entwickelte. Seine eigentliche vorbildliche Bedeutung er-

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LHRrtagr«.

langte er jedoch erst im 18. Jahrhundert durch Christian Reicharts schöpferische Wirksamkeit im Dreienbrunnen. Das ist ein Bezirk im Südwesten der Stflbt, der jetzt mehr und mehr mit Wohnhäusern besetzt wird. Der Dreienbrunnen, ehemals die Hauptstätte des Erfur­ ter Gemüsebaus und als solche hochberühmt in ganz Deutsch­ land und über dessen Grenzen hinaus, verdankt seinen Na­ men drei Quellen, die am Fuste des Steigers entspringen. Zwei davon bewässern heute noch das gesamte Gelände in äußerst zweckmäßiger Weise. Bis zur Mitte des 15. Jahr­ hunderts war der Dreienbrunnen ein sumpfiges Gebiet. Bon Mitte des 15. Jahrhunderts an schritt die Urbarmachung des Bodens vorwärts, bis gegen Ende des 17. Jahrhun­ derts durch Christian Reichart, den berühmten Erfurter Ratsmeister, die noch heute nutzbringenden Bewässerungs­ anlagen voll ausgebaut wurden. In breiten Abzugsgräben, sogenannten Klingen, wurde von dieser Zeit an Brunnen­ kresse planmäßig gezogen und durch kunstgerecht betriebe­ nen Anhäu in großer Menge und ausgezeichneter Be­ schaffenheit gewonnen. Die Blütezeit der Brunnenkresse­ kultur fällt in den Ausgang des 18. und den Anfang des 19. Jahrhunderts. Die Kressekultur fand den größten Bei­ fall Napoleons I., der sie während seines Aufenthaltes in der Zeit der französischen Herrschaft zu Erfurt kennen lernte und int Jahre 1809 zwei mit dem Anbau der Kresse vertraute Männer nach Versailles sandte, um dort die Anlagen einzurichten. Auch den Erfurter Gemüsebau hob Reichart durch tüchtige Bodenpslege und durch innige Ver­ knüpfung des Gartenbaus mit der Landwirtschaft zu be­ deutender Höhe. Erstaunt war der Gewaltherrscher Na­ poleon, daß ihm in Erfurt früheres und besseres Gemüse vorgesetzt wurde, als in Frankreich, und er befahl die Er­ richtung einer dem Dreienbrunnen ähnlichen Anlage in Fontainebleau. Die Dreienbrunnenselder bieten namentlich im Früh­ jahre mit ihren gründlich bearbeiteten und sorgfäftig ab-

Erfurt» Gartenbau

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geböschten Jähnen und den peinlich sauber gehaltenen Aingen, in welchen die Brunnenkesse oder der „Braunkärsch", wie sie der Erfurter Bolksmund urkräftig bezeich­ net, verlockend grünt, ein anmutiges Bild, das den Be­ schauer von der Höhe am Steiger lange zu fesseln vermag. Durch Herbeischafsung und mühsame Eingewöhnung der besten Sämereien aus Holland, Frankreich und Ita­ lien wurde schon im 18. Jahrhunderte der Grund gelegt zur Anzucht der ausgezeichnetesten Gemüse. Nach Thristiau Reicharts Nachrichten wurde beispielsweise der erste Blu­ menkohl gegen das Jahr 1660 von der Insel Ctzpern in Deutschland eingeführt. Durch verbesserte Kulturmethyde gelang es, im Dreienbrunnen Samen zu gewinnen, aus welchem sich bald die noch jetzt angebaute Form entwickelte, welche unter dem Namen „Erfurter Blumenkohl" eine be­ deutende Verbreitung gefunden hat. Der-sich immer mehr hebende Gemüsebau blieb nicht allein auf den Dreienbrunnen beschränkt, er dehnte sich aus auf Gärten und Feldmarken der Stadt ringsumher und der benachbarten Dörfer. Wohin man schaut, weitausge­ dehnte Gemüseländereien! Neben dem Gemüsebau wandte man sich in Erfurt auch frühzeitig mit liebender Sorgfalt der Blumenzucht zu. Schon zu Reicharts Zeiten wurden, wie aus dessen Schriften hervorgeht, von Liebhabern in Gärten innerhalb und außerhalb der Stadt Primeln, Hyazinthen, Tulpen, Anemonen, Ranunkeln, Kaiserkronen, Malven, Balsaminen, Gartenwicken, Goldlack, und noch manche andere heute noch in Ehren gehaltene Ziergewächse kultiviert.. Hauptsächlich war es aber die planmäßige Zucht von Nelke, Aurikel und Levkoye, welche den ersten Anlaß zum regelrecht betriebenen Blumenhandel gab. Namentlich bildete die Levkoyenkultur

die Grundlage des Erfurter Samenhandels. Was Christian Reichart für die Erfurter Kulturen im

allgemeinen gewesen, das wurde Friedrich Adolf Haage für die moderne Ziergärtnerei. Im Jahre 1822 gründete

44

Thüringen.

er in einem ganz keinen, von hohen Manern umgebenen Garten an der jetzigen Gartenstraße ein eigenes Geschäft. Hier begann er, zunächst in höchst bescheidenen Grenzen, seine erfolgreiche Tätigkeit, durch welche er allmLUich Ver­ bindungen über ganz Deutschland und Europa und weit über das Meer hinaus knüpfte. Je mchr sich der Sinn für schönere Farben steigerte, je größere Fortschritte namentlich die Naturwissenschaften machten, je leichter die Handelsverbindungen mit dem Aus­ lande wurden, je mehr sich die Gärtner selbst wissenschaftlich ausbildeten, um so größere Triumphe feierte die Erfurter Blumenzucht, die noch jetzt ihren Weltruf behauptet. Die Gärten reichten nicht mehr aus; die Blumen­ zucht wurde bald aufs Feld verlegt. Mit seinen Freiland­ kulturen ist Erfurt vorbildlich für andere Städte gewor­ den. Die ganze Umgebung Erfurts gleicht jetzt einem großen Garten. Immer mehr greisen die großartigen Pflanzungen über das Weichbild der Stadt hinaus. Die Felder ringsum prangen während der Sommer­ monate in den prächtigsten Farben mit allen möglichen Schattierungen und Wtönungen. Die herrlichsten Blumen­ düfte erfüllen die Luft. Weithin schweift der Blick ent­ zückten Beschauers über ganze Felder mit Astern, Pensees, Berbenen, Nelken, Lobelien, Balsaminen, Reseda, Malven, Levkoyen usw. Weit über 1000 Arten werden in und um Erfurt in größerem oder geringerem Maßstab gezogen. Millionen von Töpfen dienen in Gestellen der Samenge­ winnung von Levkoyen, Goldlack, Nelken, Petunien usw. Die Freilandkulturen beschränken sich nicht auf Sommer­ blumen, sie haben sich auch ausgedehnt auf Staudenzucht, Baumschulen- und Rosenschulenbetrieb, sowie auf Zucht von landwirtschaftlichm Sämereien aller Art. Ausgedehnte Gewächshäuser dienen in verschiedenen Geschäften ausschließlich der Heranziehung von Schnitt­ blumen und Bindegrün, im Winter zu Binderei- und Dekorationszweckcn. Rosenhäuser, Maiblumen- und Veilchen-

Erfurt» Gartenbau.

45

Wanderung im Unstruttale.

Häuser versetzen den Besucher mitten in der rauhen, blü­ tenlosen Zeit in den Frühling mit seinem Duft, seiner Pracht und seiner Fülle. Aus den bescheidensten Anfängen heraus hat sich die Erfurter Kunst- und Handelsgärtnerei zu einem Betriebe emporgeschwungen, der in seiner erstaunlichen Mannig­ faltigkeit und Vielseitigkeit fast unemicfot dasteht. Durch tatkräftiges Vorgehen und zielbewußte Schaffens­ freudigkeit führender Fachmänner hat sich der Erfurter Kul­ tur- und Handelsbetrieb über die ganze Erde verbreitet, so daß jetzt Thüringens Metropole glanzvoll int Mittelpunkt des gärtnerischen Welthandels steht.

20« Wauderuug im ttwftatttal, Friedrich »atzel.

Sicherlich kann man keine deutschere Landschaft fin­ den als hier, wo Saale und Unstrut zusammentreffen, wo man ja auch räumlich so recht im Herzen von Deutschland ist. Bon allen Höhen schaut der Wald hertHt, der Rest

altgermanischen Urwalds; in allen Tälern grünen und blühen die Felder und Gärten der Urenkel der alten Thü­ ringer, die vor bald anderthalb Jahrtausenden hier zu roden begonnen haben. Die Dörfer im Wiesental und die Häuschen an den rebenbepflanzten Hängen rechts und links von der Unstrut sind sauber gehalten, die Wege ge­ pflastert; da und dort sieht man einen Neubau oder Um­ bau im Werk. Entsprechend sind auch die Feldwege in Ordnung, und daß sie fast überall von KirsMäumen be­ gleitet werden, erhöht den Eindruck einer sorgsamen Wirt­ schaft. Es ist die Frucht einer Kulturarbeit von vielen Jahrhunderten und der ungestörten Friedensarbeit von fast drei Generationen, die von einem zahlreichen, fleißigen und genügsamen Volk verrichtet worden ist. Wie anders sah es hier aus, als die Kanonen von Jena herüberdonner­ ten, und als sich über die laubwaldbegrünten sanften Höhen über Freyburg die von der Leipziger Schlacht her flüchHessel, Lesebuch, «u-aug für Thürtußen.

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Erfurt» Gartenbau.

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Wanderung im Unstruttale.

Häuser versetzen den Besucher mitten in der rauhen, blü­ tenlosen Zeit in den Frühling mit seinem Duft, seiner Pracht und seiner Fülle. Aus den bescheidensten Anfängen heraus hat sich die Erfurter Kunst- und Handelsgärtnerei zu einem Betriebe emporgeschwungen, der in seiner erstaunlichen Mannig­ faltigkeit und Vielseitigkeit fast unemicfot dasteht. Durch tatkräftiges Vorgehen und zielbewußte Schaffens­ freudigkeit führender Fachmänner hat sich der Erfurter Kul­ tur- und Handelsbetrieb über die ganze Erde verbreitet, so daß jetzt Thüringens Metropole glanzvoll int Mittelpunkt des gärtnerischen Welthandels steht.

20« Wauderuug im ttwftatttal, Friedrich »atzel.

Sicherlich kann man keine deutschere Landschaft fin­ den als hier, wo Saale und Unstrut zusammentreffen, wo man ja auch räumlich so recht im Herzen von Deutschland ist. Bon allen Höhen schaut der Wald hertHt, der Rest

altgermanischen Urwalds; in allen Tälern grünen und blühen die Felder und Gärten der Urenkel der alten Thü­ ringer, die vor bald anderthalb Jahrtausenden hier zu roden begonnen haben. Die Dörfer im Wiesental und die Häuschen an den rebenbepflanzten Hängen rechts und links von der Unstrut sind sauber gehalten, die Wege ge­ pflastert; da und dort sieht man einen Neubau oder Um­ bau im Werk. Entsprechend sind auch die Feldwege in Ordnung, und daß sie fast überall von KirsMäumen be­ gleitet werden, erhöht den Eindruck einer sorgsamen Wirt­ schaft. Es ist die Frucht einer Kulturarbeit von vielen Jahrhunderten und der ungestörten Friedensarbeit von fast drei Generationen, die von einem zahlreichen, fleißigen und genügsamen Volk verrichtet worden ist. Wie anders sah es hier aus, als die Kanonen von Jena herüberdonner­ ten, und als sich über die laubwaldbegrünten sanften Höhen über Freyburg die von der Leipziger Schlacht her flüchHessel, Lesebuch, «u-aug für Thürtußen.

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Thüringen.

lenden Franzosen ins Unstruttal ergossen! Das Unstrut­ tal versank nach den Kriegsstürmen in eine Ruhe, die noch tiefer war als der Schlummer andrer deutscher Landschaf­ ten, und es hat von diesem Ruhestand mehr behalten, als sie. Die Eisenbahn, die es durchzieht, macht kein großes Geräusch, die saubere Landstraße ist nur mäßig belebt. Wenn du von Naumburg kommst und den Bergweg ins Unstruttal wählst, statt die längere Landstraße über Frey­ burg, und auf dem schattigen Waldpfad gegen Balgstädt hin­ untersteigst, liegt die Welt so wohlig eng umschlossen vor dir, daß du meinst, diesen grünen Winkel nie mehr ver­ lassen zu sollen. Du siehst über die rotbraunen Dächer hinweg in den Einschnitt des Unstruttals zwischen den gradlinigen, dachfirstartigen Höhen des Muschelkalks auf der einen und den weichern Hügeln des Keupers auf der an­ deren Seite. Es ist ein echt thüringisches Bild, daS bei Jena und in der Koburger Gegend geradeso wiederkehrt. Dazu die Erinnerung an das türmereiche Naumburg, das man zurückblickend in den baumreichen Saaleauen ver­ schwinden sah. Wir sind hier mitten im Thüringerland, die Un­ strut verdient ja mehr als die Saale der eigentliche thü­ ringische Fluß zu heißen. In ihren grünen Wiesen, die, rechts und links von Getreidefeldern umgeben, sanft zu Waldhügeln anschwellen, geht sie friedlich dahin. Rur die Fährstellen, die den Poeten gefallen, haben leicht etwas Unfertiges, Zerrüttetes. Der rasige Ufer­ saum ist zerrissen, in den Fluß hineingetreten. Ein paar Steinblöcke und ein Brett, das sich nächstens spalten wird, vermitteln den Übergang zum Wasser. Eine altersgraue Bank unter einer knorrigen Weide dient als Warteplatz. Müde Menschen ziehen vor, sich daneben in den Schatten der Weide zu betten. Ein alter Mann ruht hier im Grase, das Gesicht durch den Hut gegen die Sonnenstrahlen ge­ schützt, ein keines Mädchen neben ihm, ein weißes Tuch über dem Gesicht, ein keines Bündel liegt ihnen zu Häup-

Wanderungen im Unstruttale. keines Diebes gewärtig.

ten,

Der Kysfhäosrr.

47

Nichts stört ihren Schlaf.

Auch nicht der lange Kahn, der jetzt -wischen dem Rasen-

ufer die Unstrut unhörbar herabgleitet, schweigend gelenkt von zwei Bewohnern des alten Memlebens, die Steine nach Naumburg führen.

Seltsam ist der Eindruck des langen

Fahrzeuges auf dem schmalen, stillen Wasser, an dem Gras

und Blüten bis zum Rande stehen. Der Wald der Thüringer Borberge ist ebenso reich und mannigfaltig, wie der des eigentlichen „Waldes", des Gebirges, einförmig ist. Er ist ein heiterer Wald, in dem ich den Charakter der Thüringer eher wiederfinde als in

den dunkeln Fichtenhainen von Eisenach oder am JnfelSberg.

Hier herrschen Eichen und Buchen vor, man sieht

aber auch Linden mit herrlichem Blätterdom, als stünden sie vor einer Dorfkirche und nicht unter dem ganzen Volk

von Bäumen.

Das Unterholz sind Haselnüsse, Maßholder

mit weißer Dolde und Weißdorn. blütenreich der nehme ich

mit.

Weißdorn.

An den Rändern steht

Maiblumen und Bogelgesang

als liebes Andenken aus dem heitern Walde

Solcher Wald begleitet die Unstrut auf beiden Sei­

ten des Tals. An wenig Stellen ist er gelichtet, und dort

riehen über die runden Hügel breite Getreidefelder weg,

die vor dem Frühsommerwind grün und silbern fließen und wogen.

Wenn auch waldreich, ist doch das Land ein

Garten. Es gleicht einem Garten, den eine breite lebendige

Hecke dunkelgrün einfaßt.

21. Der Ahffhänser. «. Mauer. Unter den Bergen in Thüringen ist der Kyffhäuser

einer der merkwürdigsten.

Er hat seinen Namen von dem

alten Schlosse Kyffhausen, welches vor Zeiten auf seinem

Gipfel stand, und von welchem daselbst «och jetzt beträcht­

liche Trümmer zu sehen sind. Der Kyffhäuser

gehört zu der

äußersten nördlichen

Reihe der eigentlichen thüringischen Berge, welche durch 4*

Wanderungen im Unstruttale. keines Diebes gewärtig.

ten,

Der Kysfhäosrr.

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Nichts stört ihren Schlaf.

Auch nicht der lange Kahn, der jetzt -wischen dem Rasen-

ufer die Unstrut unhörbar herabgleitet, schweigend gelenkt von zwei Bewohnern des alten Memlebens, die Steine nach Naumburg führen.

Seltsam ist der Eindruck des langen

Fahrzeuges auf dem schmalen, stillen Wasser, an dem Gras

und Blüten bis zum Rande stehen. Der Wald der Thüringer Borberge ist ebenso reich und mannigfaltig, wie der des eigentlichen „Waldes", des Gebirges, einförmig ist. Er ist ein heiterer Wald, in dem ich den Charakter der Thüringer eher wiederfinde als in

den dunkeln Fichtenhainen von Eisenach oder am JnfelSberg.

Hier herrschen Eichen und Buchen vor, man sieht

aber auch Linden mit herrlichem Blätterdom, als stünden sie vor einer Dorfkirche und nicht unter dem ganzen Volk

von Bäumen.

Das Unterholz sind Haselnüsse, Maßholder

mit weißer Dolde und Weißdorn. blütenreich der nehme ich

mit.

Weißdorn.

An den Rändern steht

Maiblumen und Bogelgesang

als liebes Andenken aus dem heitern Walde

Solcher Wald begleitet die Unstrut auf beiden Sei­

ten des Tals. An wenig Stellen ist er gelichtet, und dort

riehen über die runden Hügel breite Getreidefelder weg,

die vor dem Frühsommerwind grün und silbern fließen und wogen.

Wenn auch waldreich, ist doch das Land ein

Garten. Es gleicht einem Garten, den eine breite lebendige

Hecke dunkelgrün einfaßt.

21. Der Ahffhänser. «. Mauer. Unter den Bergen in Thüringen ist der Kyffhäuser

einer der merkwürdigsten.

Er hat seinen Namen von dem

alten Schlosse Kyffhausen, welches vor Zeiten auf seinem

Gipfel stand, und von welchem daselbst «och jetzt beträcht­

liche Trümmer zu sehen sind. Der Kyffhäuser

gehört zu der

äußersten nördlichen

Reihe der eigentlichen thüringischen Berge, welche durch 4*

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Thüringen.

ein reizend schönes Tal, „Goldene Aue" genannt, von den Borbergen des Unterharzes getrennt wird. Er übertrifft alle umliegenden Berge an Höhe und steilem Anstiege. An seiner südlichen Seite trennt ihn ein tiefes, aber enges Tal von dem Brandberge; von seiner westlichen Seite zieht sich ein schmaler Bergrücken bis zu der Rothen­ burg, die eine keine Stunde vom Kyffhäuser entfernt ist, und auf der sich ebenfalls noch Ruinen einer alten Ritterfeste befinden. An dieser südlichen und westlichen Seite ist der- Kyffhäuser mit dichtem Wald umgeben; die nörd­ liche und östliche Seite verlaufen sich durch kleinere An­ höhen in die Goldene Aue. Nahe am Kyffhäuser liegen zwei Dörfer, an der nördlichen Seite Sittendorf, .an der östlichen Tilleda. Letzteres ist das größere, war aber vor alters noch viel ansehnlicher; denn es befand sich hier so­ gar ein kaiserlicher Palast. — Die nächsten Städte sind Frankenhausen und Kelbra. Jene liegt südlich vom Kyff­ häuser, etwas über zwei Stunden entfernt- diese nord­ westlich, in einer etwas geringeren Entfernung. Bon der Seite von Frankenhausen oder der Rothenburg her ist der Kyffhäuser am leichtesten zu ersteigen. Der Berg hat einen breiten Gipfel, und der Umfang der Ruinen, die man hier noch findet, hssweist, daß Gebäude von seltener Größe hier prangten. Man sieht noch Spuren von tiefen, in den Berg gehauenen Gräben und den daneben aufgeführten Mauern. Gegen die südliche Seite des Berges hin steht noch ein Tor, das man gewöhnlich das Erfurter Tor nennt, weil man von diesem Standpunkte aus bei heiterem Himmel die Türme von Erfurt ernennen kann. Etwas weiter aufwärts und westlich steht ein starker Turm, der bedeutendste Über­ rest jener alten Bauwerke, der wegen seiner hohen und freien Sage auf eine ziemlich weite Entfernung sichtbar ist. Die alten Mauern dieses Turmes sind 5—6 Ellen dick und auswendig von gehauenen Steinen. Bon diesem Turme etwas weiter abwärts, nach Osten zu, finden sich Ruinen von starken Mauern, welche vermutlich das eigent-

Der SyffhLuser.

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liche Wohnhaus umfaßt haben. Noch weiter herab, auf der östlichen Seite des Berges, über Tilleda, stehen noch die

Überreste einer Kapelle, etwas weniger verfallen als die

anderen Gebäude. Die Geschichte sagt uns nicht viel von dieser vormals so großen und prächtigen Burg.

Dagegen haben sich von

ihr desto mehr abenteuerliche Sagen unter den Bewohnern der

umliegenden

Gegenden

erhalten, die zum Teil sehr

spaßhaft lauten. Kaiser Friedrich, so erzählt man, der bei Lebzeiten gern auf dieser Burg und in ihrer Nähe verweilte, ist

nach seinem Tode in den Berg hineingezaubert

worden

und wohnt da, weder lebend, noch tot. Leute, die eben zur

glücklichen Zeit, als der Eingang zu seiner unterirdischen Wohnung offen war, dahin kamen, haben ihn gesehen, wie

er mit einigen seiner alten Diener aus einer Bank an einem. großen steinernen Tische sitzt. Da sitzen sie nun schon so lange und unbeweglich, daß ihnen die Bärte durch den steinernen Tisch hindurch bis auf den Boden gewachsen

Einst wird aber der Kaiser aus diesem Gefängnisse

sind.

wieder in seiner vollen Macht und Herrlichkeit hervorgehen,

sein Kaisertum wieder in Besitz nehmen, Deutschland über alle Völker

groß und glücklich machen, die Türken aus

Europa vertreiben und das gelobte Land mit dem heiligen wieder erobern. Es bedient ihn inzwischen eine

Grabe

schöne Prinzessin, die niemals alt wird und sich bisweilen außerhalb des Berges sehen läßt; auch hat er manchmal

Zwerge zu seiner Bedienung.

Daß an Gold und anderen

Schätzen in der zauberischen Wohnung

des Kaisers ein

großer Vorrat ist, läßt sich leicht denken.

Einmal saß ein Schäfer auf dem Berge und blies

auf seiner Schalmei so anmutig, daß der Kaiser im Iwnerey des Berges es mit Wohlgefallen hörte und einen hinaussandte, den Schäfer hereinzurufen. Uner­

Zwerg

schrocken folgte der Schäfer und blies dem alten Kaiser die lieblichsten Weisen vor, die er nur wußte. Der Kaiser ließ

50

Thüringen

ihm daraus aus seinem Schatze eine Menge Gold -eben und fragte ihn, ob die Raben noch um den Berg flögen. — Als nun der Schäfer antwortete: „Ja!" — sprach der Kaiser: „So mutz ich noch hundert Jahre schlafen!" — Der Schäfer aber wurde durch den Zwerg wieder glück­

lich hinausgesührt. — Ein Bauer aus einem benachbarten Dorfe wollte Korn nach Rordhausen fahren. Richt weit vom Kyffhäuser begegnete ihm ein kleines, altes Männchen nnd gab ihm den Rat, sein Korn nach dem Kyffhäuser zn fahren, wo man eS ihm gut bezahlen würde; nur müsse er nichts dafür fordern, Indern mit dem zufrieden sein, was man ihm freiwillig reiche. Der Bauer folgte diesem Rate. Am Berge kam ihm die Prinzessin entgegen, öffnete ihm eine Tür in dem Berg, hieß ihn sein Korn abladen und gab ihm, als er damit fertig war, anstatt der Bezahlung eine Hemmkette. Der Bauer ärgerte sich, daß er für sein schönes Korn weiter nichts haben fotttc; doch wagte er es nicht, seine Unzufriedenheit laut werden zu lassen, sondern warf die Hemmkette stillschweigend auf den Wagen und fuhr da­ von. Unterwegs war es ihm auffallend, daß seine Pferde gar nicht von der Stelle wollten, gleich, als ob sie an einer schweren Last zögen. Als er endlich nach Hanse kam, war er mit seiner Frau und seinem Knechte nicht imstande, die Kette vom Wagen herunter zu bringen; und als man die Sache genauer untersuchte, war die ganze Kette in pures Gold verwandelt. — So ging es auch einer Gesellschaft Musikanten, die

bei einer Hochzeit aufgespielt hatten und sich in ihrer Lustigkeit Herausnahmen, dem Kaiser Friedrich ein Ständ­ chen zu bringen. Die Prinzessin erschien und führte sie in den Berg, wo sie in einem großen Saale herrlich be­ wirtet toutbcrt. Zum Abschiede steckte die Prinzessin je­ dem einen grünen Zweig auf den Hut. Die meisten warfen diese Zweige weg, unzufrieden, daß sie kein ansehnlicheres Geschenk erhalten hätten; nur einer behielt den feinigen

Der LyffhLoser.

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unb fand, als er damit nach Hause kam, alle Blätter in lauter Goldstücke verwandelt. Dergleichen Geschichten werden noch in Menge er­ zählt, und es hat vor nicht gar langer Zeit noch Leute gegeben, die viel Mühe daran wandten, Gold im Kyffhäuser zu suchen; sie haben aber nichts gefunden, sondern meistens noch das, waS sie hatten, darüber verloren. Wenn aber auch der Kyffhäuser kein Gold darbietet, so ist es doch sehr schön, ihn zu besuchen und dort zu ver­ weilen; denn wohin man von seiner Höhe nur blicken mag, da ist die Aussicht so schön und groß, daß man gar nicht weiß, wohin man zuerst sehen soll, und sich gar nicht sehnt, wieder wegzugehen. An der nördlichen Seite des Berges breitet sich die goldene Aue mit ihre» reiche» und bunten Gefilden aus, durch welche die Helme fließt, deren

Lauf man in einer weiten Ausdehnung mit dem Auge verfolgen kann. Der westliche Teil der goldenen Aue wird zwar etwas durch die Rothenburg verdeckt; doch schimmern jenseits die Türme der Stadt Nordhause» hervor. Gerade vor sich sieht man die Borberge des Harzes und unter die­ sen hingestreckt eine ganze Reihe kleiner Otte, unter denen

Roßla und Bennungen als zwei der nächsten sich auszeichnen, während gegen Osten die Städte Artern, Sanger­ hausen und Allstädt mit seinem Schlosse als die äußersten deutlich wahrnehmbaren Ortschaften die Aussicht schließen.

Südöstlich liegt die schöne Ebene, durch welche die Un­ strut fließt, und in der man das Städtchen Heldrungen, das Schloß Wendelstein und viele andere Orte erblickt. Gegen Süden ruht das Auge zunächst auf dem dunkeln Walde; aber jenseit desselben fliegt der Blick über die Ge­ filde Thüringens dahin, bis ihn am äußersten Ende des Gesichtskreises die blauen Berge des Thüringer Waldes be­

grenzen. Dicht um die Ruinen, die verfallenen Werke von Menschenhand, regt sich das ewig junge Leben der Natur, die hier eine Menge schönblühender und gewürzreicher

52

fwr ■_»------XgönnflttT.

Pflanzen hervorbringt. Merkwürdig sind die großen Stein­ brüche, die man am Fuße de) Kyffhäusers, besonders an seiner südlichen Seite, findet. Es wird hier ein sehr fester Sandstein gebrochen, den man vorzüglich zu Mühlsteinen verarbeitet, die weit versandt werden. In einem dieser Steinbrüche, der einen sehr engen Eingang hat, sieht man einen ganz versteinerten Baum. Überhaupt findet man auf dem Kyfihäuser und in seiner Nähe viel versteinertes Holz in großen und keinen Stücken, zum Teil von ausgezeich­ neter Schönheit.

22. Barbarossa. Friedrich Rückert.

Der alt« Barbarossa, der Kaiser Friederich, Im unterirdschen Schlosse hält er bezaubert sich. Er ist niemals gestorben, er lebt darin noch jetzt: Er hat im Schloß verborgen, zum Schlaf sich hingesetzt. Er hat hinabgenommen des Und lvird «inst wiederkommen Der Stuhl ist elfenbeinern, Der Tisch ist marmelsteinern,

Reiches Herrlichkeit mit ihr, zu seiner Zeit. darauf der Kaiser sitzt; worauf sein Haupt er stützt.

Sein Bart ist nicht von Flachse, er ist von Feuersglut, Ist durch den Tisch gewachsen, worauf sein Kinn ausruht. Er nickt als wie im Traume, sein Aug -alb offen -winkt; Und je nach langem Raume er einen Knaben winkt. „Geh hin vors Schloß, o Zwerg, Und sieh, ob noch die Raben Hersliegen um den BergI Und wenn die alten Raben noch fliegen immerdar. So muß ich auch noch schlafen bezaubert hundert Jahr."

Er spricht im Schlaf zum Knaben:

23. Friedrich Rotbart. (Bmanuel Seibel.

Tief im Schoße des Kyffhäusers Bei der Ampel rotem Schein

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Pflanzen hervorbringt. Merkwürdig sind die großen Stein­ brüche, die man am Fuße de) Kyffhäusers, besonders an seiner südlichen Seite, findet. Es wird hier ein sehr fester Sandstein gebrochen, den man vorzüglich zu Mühlsteinen verarbeitet, die weit versandt werden. In einem dieser Steinbrüche, der einen sehr engen Eingang hat, sieht man einen ganz versteinerten Baum. Überhaupt findet man auf dem Kyfihäuser und in seiner Nähe viel versteinertes Holz in großen und keinen Stücken, zum Teil von ausgezeich­ neter Schönheit.

22. Barbarossa. Friedrich Rückert.

Der alt« Barbarossa, der Kaiser Friederich, Im unterirdschen Schlosse hält er bezaubert sich. Er ist niemals gestorben, er lebt darin noch jetzt: Er hat im Schloß verborgen, zum Schlaf sich hingesetzt. Er hat hinabgenommen des Und lvird «inst wiederkommen Der Stuhl ist elfenbeinern, Der Tisch ist marmelsteinern,

Reiches Herrlichkeit mit ihr, zu seiner Zeit. darauf der Kaiser sitzt; worauf sein Haupt er stützt.

Sein Bart ist nicht von Flachse, er ist von Feuersglut, Ist durch den Tisch gewachsen, worauf sein Kinn ausruht. Er nickt als wie im Traume, sein Aug -alb offen -winkt; Und je nach langem Raume er einen Knaben winkt. „Geh hin vors Schloß, o Zwerg, Und sieh, ob noch die Raben Hersliegen um den BergI Und wenn die alten Raben noch fliegen immerdar. So muß ich auch noch schlafen bezaubert hundert Jahr."

Er spricht im Schlaf zum Knaben:

23. Friedrich Rotbart. (Bmanuel Seibel.

Tief im Schoße des Kyffhäusers Bei der Ampel rotem Schein

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Pflanzen hervorbringt. Merkwürdig sind die großen Stein­ brüche, die man am Fuße de) Kyffhäusers, besonders an seiner südlichen Seite, findet. Es wird hier ein sehr fester Sandstein gebrochen, den man vorzüglich zu Mühlsteinen verarbeitet, die weit versandt werden. In einem dieser Steinbrüche, der einen sehr engen Eingang hat, sieht man einen ganz versteinerten Baum. Überhaupt findet man auf dem Kyfihäuser und in seiner Nähe viel versteinertes Holz in großen und keinen Stücken, zum Teil von ausgezeich­ neter Schönheit.

22. Barbarossa. Friedrich Rückert.

Der alt« Barbarossa, der Kaiser Friederich, Im unterirdschen Schlosse hält er bezaubert sich. Er ist niemals gestorben, er lebt darin noch jetzt: Er hat im Schloß verborgen, zum Schlaf sich hingesetzt. Er hat hinabgenommen des Und lvird «inst wiederkommen Der Stuhl ist elfenbeinern, Der Tisch ist marmelsteinern,

Reiches Herrlichkeit mit ihr, zu seiner Zeit. darauf der Kaiser sitzt; worauf sein Haupt er stützt.

Sein Bart ist nicht von Flachse, er ist von Feuersglut, Ist durch den Tisch gewachsen, worauf sein Kinn ausruht. Er nickt als wie im Traume, sein Aug -alb offen -winkt; Und je nach langem Raume er einen Knaben winkt. „Geh hin vors Schloß, o Zwerg, Und sieh, ob noch die Raben Hersliegen um den BergI Und wenn die alten Raben noch fliegen immerdar. So muß ich auch noch schlafen bezaubert hundert Jahr."

Er spricht im Schlaf zum Knaben:

23. Friedrich Rotbart. (Bmanuel Seibel.

Tief im Schoße des Kyffhäusers Bei der Ampel rotem Schein

Friedrich Rotbart. Sitzt der alte Kaiser Friedrich An dem Tisch von Marmorstein. Ihn umwallt der Purpurmantel, Ihn umfängt der Rüstung Pracht, Doch auf seinen Augenwimpern Liegt des Schlafes tiefe Nacht.

Borgesunlen ruht das Antlitz, Drin sich Ernst und Milde paart; Durch den Marmortisch gewachsen Ist sein langer, goldner Bart. Rings wie ehrne Bilder stehen Seine Ritter um ihn her, Harnischglänzend, schwertumgürtet. Aber tief im Schlaf, wie er.

Heinrich auch, der Ofterdinger, Ist in ihrer stummen Schar, Mit den liederreichen Lippen, Mit dem blondgekickten Haar.

Seine Harfe ruht dem Sänger In der Linken ohne Klang; Doch auf seiner hohen Stirne Schläft ei» künftiger Gesang. Alles schweigt, nur hin und wieder Fällt ein Tropfen vom Gestein: Bis der große Morgen plötzlich Bricht mit Feuersglut herein; Bis der Um des Daß vor Dort der

Adler stolzen Fluges Berges Gipfel zieht. seines Fittichs Rauschen Rabenschwarm entflieht.

Aber dann wie ferner Donner Rollt es durch den Berg herauf. Und der Kaiser greift zum Schwerte, Und die Ritter wachen auf.

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Thüringen.

54

Laut in seinen Angeln dröhnend

Tut sich auf das ehrne Tor;

Barbarossa mit den Seinen

Steigt im Waffenschmuck empor. Auf dem Helm trägt er die Krone

Und den Sieg in seiner Hand;

Schwerter blitzen, Harfen klingen. Wo er schreitet durch das Land.

Und dem alten Kaiser beugen Sich die Bölter allzugleich.

Und aufs neu zu Aachen gründet Er das heilge deutsche Reich.

24. Thüringer HanSinschriften. L. Werner.

Unsere Borfahren liebten es, den Giebel ihres Hauses oder den Eingang in dasselbe mit einem frommen Spruche -u schmücken, eine schöne Sitte, die in unsern Tagen wie-^

der mehr in Gebrauch gekommen ist.

In solchen Inschriften hat das Bolt seinem religiösen Gefühl, seiner Lebensweisheit, seinen Anschauungen von Welt und Menschen Ausdruck gegeben.

Bald sind dazu

die Schlußsteine über den Grundbögen der zum Hof füh­ renden

Toreingänge verwendet worden,

bald die Lang­

hölzer über dem ersten Stockwerke des echten volkstüm­ lichen Bauernhauses oder der Giebel bei dem modernen

massiven Steinhaus.

So ist an manchem Hause zu lesen:

1. Dies Haus

ist mein und doch nicht mein;

nach mir kommt wieder ein andrer^hinein. Ist auch nicht sein, nicht dein, nicht mein,

im Himmel soll unsre Wohnung sein.

2. Wir sind nur kurze Gäste und bauen uns so feste;

Thüringen.

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Laut in seinen Angeln dröhnend

Tut sich auf das ehrne Tor;

Barbarossa mit den Seinen

Steigt im Waffenschmuck empor. Auf dem Helm trägt er die Krone

Und den Sieg in seiner Hand;

Schwerter blitzen, Harfen klingen. Wo er schreitet durch das Land.

Und dem alten Kaiser beugen Sich die Bölter allzugleich.

Und aufs neu zu Aachen gründet Er das heilge deutsche Reich.

24. Thüringer HanSinschriften. L. Werner.

Unsere Borfahren liebten es, den Giebel ihres Hauses oder den Eingang in dasselbe mit einem frommen Spruche -u schmücken, eine schöne Sitte, die in unsern Tagen wie-^

der mehr in Gebrauch gekommen ist.

In solchen Inschriften hat das Bolt seinem religiösen Gefühl, seiner Lebensweisheit, seinen Anschauungen von Welt und Menschen Ausdruck gegeben.

Bald sind dazu

die Schlußsteine über den Grundbögen der zum Hof füh­ renden

Toreingänge verwendet worden,

bald die Lang­

hölzer über dem ersten Stockwerke des echten volkstüm­ lichen Bauernhauses oder der Giebel bei dem modernen

massiven Steinhaus.

So ist an manchem Hause zu lesen:

1. Dies Haus

ist mein und doch nicht mein;

nach mir kommt wieder ein andrer^hinein. Ist auch nicht sein, nicht dein, nicht mein,

im Himmel soll unsre Wohnung sein.

2. Wir sind nur kurze Gäste und bauen uns so feste;

Thüringer tzarwinschristrn. Der Untergang der Thüringer Reicher. 55 doch wo wir sollen ewig sein, da richten wir uns wenig ein. 3. Wer ein- und ausgeht durch die Tür,

der soll bedenken für und für, daß unser Heiland Jesus Christ die rechte Tür zum Himmel ist.

4. Wo der Herr nicht das Haus bauet,

da arbeiten umsonst, die daran bauen;

Wo der Herr nicht die Stadt behütet,

da wachet der Wächter umsonst.

5. Dieses Haus steht in Gottes Hand; der focrr bewahr's vor Feuer und Brand;

und alle, die gehn aus und ein, laß dir, o Herr, befohlen fein!

6. Gottes Güt und Treu Ist alle Morgen neu.

7. Wenn ich nur habe einen gütigen Gott,

Ein gut Gewissen, mein täglich Brot,

Und Christum im Herzen mein.

Wie kann ich reicher sein?

23. Dee Untergang des DhLei««er Reiche». R. Dobenecker, nach Roth«.

Als im Jahre 526 Theoderich der Große gestorben

war. versuchten die Franken, auch das Reich der Thürin­ ger sich

zu

unterwerfen.

Mit großer Macht rückte im

Jahre 531 der Frankenkönig Theoderich gegen die Thürin­ ger unter Herminafried vor. In dem ersten Treffen warm die Franken siegreich, konnten aber in einem zweitm dm

Thüringer tzarwinschristrn. Der Untergang der Thüringer Reicher. 55 doch wo wir sollen ewig sein, da richten wir uns wenig ein. 3. Wer ein- und ausgeht durch die Tür,

der soll bedenken für und für, daß unser Heiland Jesus Christ die rechte Tür zum Himmel ist.

4. Wo der Herr nicht das Haus bauet,

da arbeiten umsonst, die daran bauen;

Wo der Herr nicht die Stadt behütet,

da wachet der Wächter umsonst.

5. Dieses Haus steht in Gottes Hand; der focrr bewahr's vor Feuer und Brand;

und alle, die gehn aus und ein, laß dir, o Herr, befohlen fein!

6. Gottes Güt und Treu Ist alle Morgen neu.

7. Wenn ich nur habe einen gütigen Gott,

Ein gut Gewissen, mein täglich Brot,

Und Christum im Herzen mein.

Wie kann ich reicher sein?

23. Dee Untergang des DhLei««er Reiche». R. Dobenecker, nach Roth«.

Als im Jahre 526 Theoderich der Große gestorben

war. versuchten die Franken, auch das Reich der Thürin­ ger sich

zu

unterwerfen.

Mit großer Macht rückte im

Jahre 531 der Frankenkönig Theoderich gegen die Thürin­ ger unter Herminafried vor. In dem ersten Treffen warm die Franken siegreich, konnten aber in einem zweitm dm

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Thüringen.

Sieg nur mit schweren Opfern erkaufen, daß sie sich nach Bundesgenossen umsehen mutzten. Als solche fanden sich die Sachsen, welche damals in den Ebenen zwischen Rhein und Elbe wohnten und kriegerisch und abenteuerlustig waren. Herminafried hatte sich in die Gegend an der Unstrut zurückgezogen 'und stützte sich auf Burg Scheidungen. Mit grotzer 'Übermacht rückten die Franken und Sachsen her­ an, um dies letzte Bollwerk der Thüringer zu nehmen. In einem verzweifelten Ausfälle brachen diese heraus, wur­ den aber in die Feste zurückgedrängt und hart belagert. Da, 'in der größten Not, bat Herminafried Theodorich um Frieden; und dieser, dem die Beute, welche er den Sach­ sen versprochen hatte, leid geworden war, bewilligte nicht, nur die Waffenruhe, sondern schloß mit den Thüringern ein Bündnis gegen die Sachsen, die ahnungslos vor der Feste lagen. Am Abend dieses Tages ging nun ein junger Thü­ ringer am User des Flusses jagen und warf seinen Jagd­ falken nach einer Ente. Indem kommt ein Sachse an das andere Ufer und lockt den Falken zu sich. Da bat der Thü­ ringer ihn, daß er ihm seinen Vogel wiedergebe; der wollte es aber nicht tun. Da sprach der Thüringer: „Laß den Falken fliegen; ich will dir etwas offenbaren, das dir und deinen Freunden nützer werben wird als 100 solcher Bögel." Da sprach der Sachse: „Das sage mir, und ich sende dir dm Falken wieder!" Darauf verriet ihm der Thüringer: „Die Könige haben sich verglichen und Frieden geschlos­ sen, und wenn ihr morgen noch in euren Zelten gefundm werdet, so fängt und erschlägt man euch!"

Der Sachse ritt zu seinem Heere und gab Kunde von dem was er erfahren hatte. Die meisten Führer rieten, man solle bei Nacht entfliehen. Da stand aber einer der alten Helden auf und sprach: „Nun höret, ihr allerbesten Sachsm, ich habe manches Jahr gelebt upd bin zu die­ sem Alter gekommen; bei wie vielen Geschäften ich aber

Der Untergang, bet Thüringer Reiche».

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auch gewesen bin, nie habe ich gesehen, daß ein Sachse flöt). Wer fliehen will, der mag es tun; aber kann ich ohne Flucht nicht länger leben, so ist mir's viel süßer, daß ich sterbe mit meinen Freunden!" Er gab seinen Volksgenossen den Rat, noch in dieser Rächt über die in Sicherheit schlummernden Thüringer herzusallen und durch den leichten Erfolg den Frankenkönig zu zwingen, wieder auf ihre Seite zu treten. Diesem klugen Plane stimmen alle zu und in der Nacht wird die Burg ohne Widerstand von den Sachsen erstiegen. Die Thüringer werden entweder erschlagen oder zu Gefangenen gemacht, ivährend es der königlichen Familie gelingt zu entfliehen. In der Folge fiel nun ganz Nordthüringen bis zur Unstrut her als Beute an die Sachsen; denn der treulose FrankenKinig wagte nach diesem Verlauf der Dinge nicht, die Bundesgenossen um den bedungenen Lohn zu be­ trügen.

Der Übrige Teil Thüringens kam unter die unmittel­ bare Herrschaft der Franken, die aberwegen anderer Kämpfe in ihrem weiten Reiche die Ostgrenze nicht genug beschir­ men konnten, so daß die Slaven den ganzen Teil zwischen Elbe und Saale nach und nach in ihren Besitz brachten. Herminafried hielt sich am Königshofe des Siegers auf und soll von diesem in Zülpich hinterlistig von der Mauer gestoßen »vorden sein. Die Tochter seines Bru­ ders, Radegundis, die schon in Thüringen sehr viel für Ausbreitung des Christentums getan hatte, wurde zur Ehe mit einem Frankenkönig gezwungen und wirkte als Königin so segenSvoll, daß sie zu den Heiligen der katholi­

schen Kirche gezählt wird. Biele der thüringischen Helden wurden landflüchtig, sa daß die deutsche Sage sie an dem Zufluchtsorte so vieler Heimatlosen, am Hofe Etzels, weilen läßt. Das wird im Nibelungenliede mit diesen Worten ge­ meldet:

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Thüringen.

„Da kam von Dänemark der kühne Hawart Und Jring der schnelle, vor Falschheit wohl bewahrt, Zrnfried von Thüringen, ein stattlicher Herr, Sie empfingen Kriemhilde, wie es ihr gereichte zur Ehr. (Zrnfried ist Herminasried, Jring einer seiner Helden.)

26« ®ie Gründung von Ohrdruf. Adolf »ube. Für sein Kloster einen Quell zu suchen. Streift ein Mönch im unwegsamen Wald; Müd' im Schatten tausendjährger Buchen Ruht die braunbekuttete Gestalt. Horch! da tönt's, wie eines Bächleins Rauschen, Aus dem Grund dringt's dumpf zu ihm empor. Auf den Boden streckt er sich, zu lauschen. Faßt das Rauschen ins gespannte Ohr;

Springt und gräbt mit seinem Stabe Emsig in das Felsgeröll hinein. Gräbt und gräbt, bis aus dem dunklen Grabe Hüpft ein Quell, geschwätzig, silberrein. Freudig schaut das Mönchlein Well auf Welle, Fällt aufs Knie: „Gelobt sei, Jesu Christ! Wo du sendest solche Segensquelle, Blüht ein Städtlein wohl in kurzer Frist!"

Und noch ist kein volles Jahr entflogen. Da erhebt am Fluß sich Bau an Bau, Wächst zum Ort mit Wall und Pfortenbogen, Blüht, ein Grasensitz im schönen Gau. In des Städtleins Namen tönt die Kunde, Wie der Mönch die reiche Quelle fand; Weil sein Ohr gelauscht am lockren Grunde, Ward es Ohrdruf von dem Volk genannt.

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Thüringen.

„Da kam von Dänemark der kühne Hawart Und Jring der schnelle, vor Falschheit wohl bewahrt, Zrnfried von Thüringen, ein stattlicher Herr, Sie empfingen Kriemhilde, wie es ihr gereichte zur Ehr. (Zrnfried ist Herminasried, Jring einer seiner Helden.)

26« ®ie Gründung von Ohrdruf. Adolf »ube. Für sein Kloster einen Quell zu suchen. Streift ein Mönch im unwegsamen Wald; Müd' im Schatten tausendjährger Buchen Ruht die braunbekuttete Gestalt. Horch! da tönt's, wie eines Bächleins Rauschen, Aus dem Grund dringt's dumpf zu ihm empor. Auf den Boden streckt er sich, zu lauschen. Faßt das Rauschen ins gespannte Ohr;

Springt und gräbt mit seinem Stabe Emsig in das Felsgeröll hinein. Gräbt und gräbt, bis aus dem dunklen Grabe Hüpft ein Quell, geschwätzig, silberrein. Freudig schaut das Mönchlein Well auf Welle, Fällt aufs Knie: „Gelobt sei, Jesu Christ! Wo du sendest solche Segensquelle, Blüht ein Städtlein wohl in kurzer Frist!"

Und noch ist kein volles Jahr entflogen. Da erhebt am Fluß sich Bau an Bau, Wächst zum Ort mit Wall und Pfortenbogen, Blüht, ein Grasensitz im schönen Gau. In des Städtleins Namen tönt die Kunde, Wie der Mönch die reiche Quelle fand; Weil sein Ohr gelauscht am lockren Grunde, Ward es Ohrdruf von dem Volk genannt.

Sie Paulinzella erbaut wurde.

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27. Wie Paulinzella erbaut wurde. (Rach einer allen Handschrift.) Dr. «. Sttzschel. Die Markgräfin Pauline unternahm eine Reise nach Stadtilm, den Grafen Sizzo zu besuchen, verirrte sich aber über Blankenburg in einem unwegsamen Gehölze. Weil sie der Gegend unkundig war, schickte sie einen Diener aus, den Weg zu suchen. Dieser kehrte aber nicht wieder, und Pauline mußte nun selbst die Rosse vorwärts treiben. Nach langem Umherirren im dunkeln Forste blieben die Tiere am Ende eines Wiesengrundes, wo der Bärenbach und der Rottenbach zusammenfließen, keuchend und ermattet stehen. Während die hungrigen Rosse hier auf die Weide gingen, sah sich die ermüdete Gräfin mit ihrer Zofe nach einem Ruheplätzchen um und erblickte eine verlassene Köhler­ hütte. Sie traten ein und fanden darin einige Stückchen schwarzes Brot, dicht von Kohlenstaub überzogen, das sie in dem vorüberfließenden Bächlein erst reinigen und er­ weichen mußten, um es genießbar zu machen. In der Nacht, die sie in der engen Hütte zubrachte, träumte Pauline, sie bete vor einem hölzernen Altare und eine Stimme rufe ihr zu: „Hier wirst du ruhen!" Aus diesem Traume erwacht, errichtete sie noch in derselben Nacht unter einer mächtigen Tanne von einigen Holzstücken einen Altar, stellte ein Kruzifix darauf und betete davor, während der Mond seinen milden Glanz über sie ausgoß. Bald trat such ihre Zofe aus der Hütte, und erzählte, sie habe geträumt, daß hier unter einer Decke, gleich einem hohen Gewölbe, ihre Herrin bete. Am frühen Morgen setzten sie ihre Reise fort und ge­ langten in einem Tale an dem iJlmflusse zu einigen Fischer­ hütten, wo sie von den Bewohnern etwas Brot und Fisch zu ihrer Stärkung erhielten. Die Gräfin gab sich den Fischern zu erkennen und teilte ihnen mit, daß sie in der Nähe ein Kloster zu bauen gedenke, was auch ihnen

Nutzen bringen werde.

Bon einigen Fischern wurde sie

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Thüringen.

darauf nach Stadtilnl geleitet. Die Bewohner aber nann­ ten von nun an ihr Dorf, das bisher Fischerau geheißen, der fremden Gräfin zu Ehren Gräfinau. Graf Sittv versprach, den Klosterbau in alle Wege zu fördern, ließ Baumeister und arbeitsame Leute kommen und zu der Kirche und dem Kloster vielerlei Risse und Pläne machen. Unter diesen Meistern war einer, der den Plan entwarf, das Kirchengewölbe solle auf hohen Säu­ len ruhen, die je aus einem einzigen Stein gehauen wären, nid) weil die andern Meister begierig waren, dieses Kunst­ werk zu sehen und abzuwarten, so erklärten sie, als Ge­ sellen an dem Kirchenbau arbeiten zu wollen. Der oberste Meister gab ihnen auf, die Mauern der Kirche zu bauen, die auch, weil lauter Meister daran gearbeitet haben, ein rechtes Meisterstück geworden ist. Jener Meister aber, welcher den ganzen Plan ent­ worfen hatte, schritt gleichfalls ungesäumt an sein Werk und arbeitete eifrig mit seinen Gesellen an den riesigen Säulen, die er in einem nahen Steinbruche aus dem Ganzen herausarbeitete. So oft eine Säule im Stein­ bruche gehoben wurde, betete Pauline auf Bitten des Bau­ meisters ein brünstiges Gebet für das Gelingen der Arbeit. So waren alle Säulen bis auf zwei glücklich vollendet und aufgerichtet, als aber die beiden letzten gehoben werden soll­ ten, hielt die fromme Pauline, durch ein Gespenst er­ schreckt, plötzlich im Gebet an, und augenblicklich wurde durch eine unsichtbare Gewalt der Steinbruch so erschüt­ tert, daß beide Säulen aneinander stießen bind von jeder am oberen Teile ein Stück absprang, als ob es mit einem Messer abgeschnitten wäre. Aber der kunstfertige Meister fügte die Steine wieder so geschickt und fest zusammen, daß jedermann das Gebäude nicht ohne freudiges Staunen über des Meisters hohen Geist betrachtete. Als nun die Kirche bis auf den Altar fertig war, befahl Pauline einen sol­ chen, jedoch nicht von Erde, Stein oder Holz zu fertigen. Dieses brachte der Köhler, in dessen Hütte Pauline jenen

Sie Paulinzella erbaut wurde.

Ludwig der Springer.

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merkwürdigen Traum gehabt hatte, dadurch zustande, daß er einen starken Eichenbaum verkohlte und ihm einen sol­ chen Glanz gab, daß niemand erraten konnte, woraus er gearbeitet war. Auch der Überzug des Altars, welcher gleich­ falls weder von Holz noch von Stein noch von Erde sein

sollte, stellte der erfinderische Köhler aus einem zierlich gegerbten Kalbfell her. Auf diesen Altar stellte Pauline Pas Kruzifix, vor welchem sie einst bei der Köhlerhütte ge­ betet hatte; den Köhler aber ernannte sie zum Aufseher über Küche und Keller. Während der Vorbereitung zur feierlichen Einweihung des Klosters und der Kirche wollte Pauline nach dem Kloster Hirschau in Schwaben reisen, um den zum Abt erwählten Pater Gerung und eine Anzahl Mönche abzu­ holen. Sie hatte aber auf dieser Reise das Unglück, vom Pferde zu stürzen, einen Arm zu brechen und an diesem Armbruche zu sterben. Ihr Leichnam wurde in das von ihr gestiftete Kloster gebracht und in der Kirche vor dem Altare des heiligen Kreuzes beigesetzt.

28. Ludwig der Springer. W. »ein. 1. Wie die Wartburg erbaut wurde. Graf Ludwig von Thüringen, den man den Springer

nannte, jagte einmal am Jnselsberge und traf da ein Stück Wild an. Dem ritt er nach bis an die Hürsel bei Eisenach und von da bis auf den Berg, wo jetzt die Wart­ burg liegt. Dort wartete er auf sein Gesinde. Der Berg aber gefiel ihm wohl, so daß er Lust bekam, darauf zu baueü. Er sann deshalb auf Mittel und Wege, wie er's anfinge, um den Berg, welcher den Herren von Metilstein und Frankenstein zugehörig war, an sich zu bringen.

Da kam er auf eine List. Des Nachts schickte er Leute aus und ließ heimlich Erde in Körben von seinem Lande auf den Berg tragen. Danach erbaute er einen Bergfried, »effel,

Xttoee*.

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Sie Paulinzella erbaut wurde.

Ludwig der Springer.

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merkwürdigen Traum gehabt hatte, dadurch zustande, daß er einen starken Eichenbaum verkohlte und ihm einen sol­ chen Glanz gab, daß niemand erraten konnte, woraus er gearbeitet war. Auch der Überzug des Altars, welcher gleich­ falls weder von Holz noch von Stein noch von Erde sein

sollte, stellte der erfinderische Köhler aus einem zierlich gegerbten Kalbfell her. Auf diesen Altar stellte Pauline Pas Kruzifix, vor welchem sie einst bei der Köhlerhütte ge­ betet hatte; den Köhler aber ernannte sie zum Aufseher über Küche und Keller. Während der Vorbereitung zur feierlichen Einweihung des Klosters und der Kirche wollte Pauline nach dem Kloster Hirschau in Schwaben reisen, um den zum Abt erwählten Pater Gerung und eine Anzahl Mönche abzu­ holen. Sie hatte aber auf dieser Reise das Unglück, vom Pferde zu stürzen, einen Arm zu brechen und an diesem Armbruche zu sterben. Ihr Leichnam wurde in das von ihr gestiftete Kloster gebracht und in der Kirche vor dem Altare des heiligen Kreuzes beigesetzt.

28. Ludwig der Springer. W. »ein. 1. Wie die Wartburg erbaut wurde. Graf Ludwig von Thüringen, den man den Springer

nannte, jagte einmal am Jnselsberge und traf da ein Stück Wild an. Dem ritt er nach bis an die Hürsel bei Eisenach und von da bis auf den Berg, wo jetzt die Wart­ burg liegt. Dort wartete er auf sein Gesinde. Der Berg aber gefiel ihm wohl, so daß er Lust bekam, darauf zu baueü. Er sann deshalb auf Mittel und Wege, wie er's anfinge, um den Berg, welcher den Herren von Metilstein und Frankenstein zugehörig war, an sich zu bringen.

Da kam er auf eine List. Des Nachts schickte er Leute aus und ließ heimlich Erde in Körben von seinem Lande auf den Berg tragen. Danach erbaute er einen Bergfried, »effel,

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Deshalb verklagten ihn die Herren von Frankenstein beim Kaiser, daß er sich des Ihrigen mit Gewalt freventlich bemächtigte. Als er nun deshalb zur Rede gesetzt ward, gab er zur Antwort, er hätte die Burg auf das Seine gebaut. Da beschloß der Kaiser, wen» er mit zwölf red­ lichen Männern aus der Ritterschaft beweisen könnte oder selbst einen Eid beschwören wollte, daß das Land, darauf er gebaut und wo jetzt die Wartburg liegt, sein wäre, sollte er's behalten. Darauf hatte er bald zwölf Ritter erkoren, welche ihm zuvor behilflich gewesen waren, Erde von seinem Lande auf den Berg zu tragen. Die steckten ihre Schwerter in die Erde, die er hatte darauf tragen lassen, und schwuren, daß ihr Herr, der Graf Ludwig, da auf dem Sein« stünde und von alters her der Boden zum Lande und zur Herr­ schaft von Thüringen gehört habe. Damit behiett er den Berg und fing also an, das Schloß und die Burg zu

bauen. Er ließ nun Steine vom Seeberg bei Gotha holen und baute das Schloß, Kemnaten und Türme darauf, ließ auch den Kaiser bitten, daß er's mit Kupfer dürfte übergüldet decken. Der Kaiser aber wollte solches nicht ge­ statten; da wurde es mit Blei gedeckt. Später ist das Dach abgebrannt und nunmehr mit Ziegeln und Schie­ fer gedeckt. In der Zeit aber, als die Wartburg gebaut wurde, 'war Hunger und Sterben überall. Die armen Leute haben an der Burg um das liebe Brot gearbeitet und Gott ge­ dankt, daß sie dasselbe noch haben konnten. Als nun Ludwig der Springer die Wartburg köst­ lich errichtet und die teuern Jahre ein Ende nahmen, baute er auch den Wall und den Ring mit den Gräben und Mauern, wo jetzt die Stadt Eisenach liegt. Jede Dorfschast im Lande zu Thüringen mußte da ein Stück der Mauern machen lassen, dazu arbeiten und Fuhren tun, wie man es noch jetzt merkt an der Bauart der Mauern.

Ludwig der Springer.

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2. Warum Ludwig „der Springer" genannt wurde. Graf Ludwig saß einstmals gefangen auf dem Schloß Giebichenstein bei Halle. Zwei Jahre wurde er dort in einem Gefängnis festgehalten, doch ohne Fessel. Der Kai­ ser hatte ihm den Tod zuerkannt. Kurz vor dem Tage, an welchem die Todesstrafe ihn treffen sollte, spielte er mit einigen Männern am Schachbrett. Ms er von den­ selben vernahm, daß er nicht wohl mit dem Leben davon­

kommen möchte, stand er alsbald vom Spiele auf, ging zur Seite und gelobte, dem heiligen Ulrich eine Kirche zu erbauen, wenn er durch seinen Schutz aus der Not und vom Tode gerettet würde.

Darauf verstellte er sich, klagte über großen Frost und tat deswegen viele und weite Kleider an. Dann ging er in seinem Gefängnis auf und ab, während die Männer, die bei ihm waren, am Brett weiter spielten und seiner nicht sonderlich achteten. Unterdessen sah er durch das Fenster und gewahrte unten jenseits der Saale, die am Fuße des Berges hart vorbeifließt, einen seiner Diener, der mit sei­ nem weißen Hengste, welcher der Schtvqn hieß, dem Ufer des Flusses zuritt. Sogleich lief er »um Fenster und stürzte sich mit seinen Kleidern, die vom Winde weit ausgebreitet wurden, hinab in das Wasser. Ms er die Oberfläche des­ selben berührt hatte, erfaßte ihn der Dimer, setzte ihn auf

das Pferd und befreite ihn von der Gefahr des Todes. Graf Ludwig kam heim in seine Stadt SangerHausm, dankte Gptt für seine Rettung und erbaute dem St. Ulrich eine schöne Kirche. An ihrem Eingang ließ er einen lateinischen Bers in Stein hauen, der verdeutscht

also lautet: Empfah, Du heiliger Ulrich, Dies Daus von mir darum, daß Du mich von Fesseln hast entbunden, wie ich Dir gelobt in jenen Stundm.

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Thüringen.

Von tiefern Sprunge aus dem Schlosse aber heißt er Ludwig der Springer.

29. Der hnrlgefchmievete Lunvgraf. Ferdinand Bäßler. Landgras Ludwig zu Thüringen und Hessen war anfänglich ein gar milder und weicher Herr, demütig gegen jedermann; da huben seine Junker und Edelinge an stolz zu werden, verschmähten ihn und seine Gebote, aber die Untertanen drückten und schätzten sie aller Enden. Es trug sich nun einmal zu, daß der Landgras jagen ritt in den Wald und traf ein Wild an; dem folgte er noch so lange, daß er sich verirrte, und ward von der Nacht überfallen. Da gewahrte er eines Feuers durch die Bäume, richtete sich darnach und kam in die Ruhla zu einer Hammer- ober Waldschmiede. Der Fürst war mit schlechten Kleidern an­ getan und hatte fein Jagdhorn umhängen. Der Schmied fragte, wer er wäre. „Des Landgrafen Jäger." Da sprach der Schmied: „Pfui des Landgrafen! wer ihn nennet, sollte allemal das Maul wischen! des barmherzigen Herrn!" Ludwig schwieg, und der Schmied sagte zuletzt: „Herbergen will ich dich heut: in dem Schuppen da findest du Heu, magst dich mit deinem Pferde behelfen, aber um deines Herrn willen teilt ich dich nicht beherbergen." Der Landgraf ging beiseite und konnte nicht schlafen. Die ganze Nacht aber arbeitete der Schmied, und wenn er so mit dem großen Hammer das Eisen zusammenschlug, sprach et bei jedem Schlag: »Landgraf, werde hart! Land­ graf, werde hart wie dies Eisen!" und schalt ihn und sprach weiter: „Du böser, unseliger Herr! siehst du nicht, wie deine Räte das Volk plagen?" und erzählte also die liebe lange Nacht, was die Beamten für iUntugend mit den Unter­ tanen -Mieten; klagten dann die Untertanen, so wäre nie­ mand, der ihnen Hilfe täte, denn der Herr nähme es nicht an, die Ritterschaft spöttelte seiner hinterrücks, nennten ihn Landgras Metz und hielten ihn gar unwert. „Unser

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Thüringen.

Von tiefern Sprunge aus dem Schlosse aber heißt er Ludwig der Springer.

29. Der hnrlgefchmievete Lunvgraf. Ferdinand Bäßler. Landgras Ludwig zu Thüringen und Hessen war anfänglich ein gar milder und weicher Herr, demütig gegen jedermann; da huben seine Junker und Edelinge an stolz zu werden, verschmähten ihn und seine Gebote, aber die Untertanen drückten und schätzten sie aller Enden. Es trug sich nun einmal zu, daß der Landgras jagen ritt in den Wald und traf ein Wild an; dem folgte er noch so lange, daß er sich verirrte, und ward von der Nacht überfallen. Da gewahrte er eines Feuers durch die Bäume, richtete sich darnach und kam in die Ruhla zu einer Hammer- ober Waldschmiede. Der Fürst war mit schlechten Kleidern an­ getan und hatte fein Jagdhorn umhängen. Der Schmied fragte, wer er wäre. „Des Landgrafen Jäger." Da sprach der Schmied: „Pfui des Landgrafen! wer ihn nennet, sollte allemal das Maul wischen! des barmherzigen Herrn!" Ludwig schwieg, und der Schmied sagte zuletzt: „Herbergen will ich dich heut: in dem Schuppen da findest du Heu, magst dich mit deinem Pferde behelfen, aber um deines Herrn willen teilt ich dich nicht beherbergen." Der Landgraf ging beiseite und konnte nicht schlafen. Die ganze Nacht aber arbeitete der Schmied, und wenn er so mit dem großen Hammer das Eisen zusammenschlug, sprach et bei jedem Schlag: »Landgraf, werde hart! Land­ graf, werde hart wie dies Eisen!" und schalt ihn und sprach weiter: „Du böser, unseliger Herr! siehst du nicht, wie deine Räte das Volk plagen?" und erzählte also die liebe lange Nacht, was die Beamten für iUntugend mit den Unter­ tanen -Mieten; klagten dann die Untertanen, so wäre nie­ mand, der ihnen Hilfe täte, denn der Herr nähme es nicht an, die Ritterschaft spöttelte seiner hinterrücks, nennten ihn Landgras Metz und hielten ihn gar unwert. „Unser

Der Sängerkrieg auf der Wartburg.

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Fürst Und seine Jäger treiben die Wölfe ins Garn und die Amtleute die roten Füchse in ihre Beutel"; mit solchen und andern Worten redete der Schmied die ganze lange Nacht zu dem Schmiedgesellen, und wenn die Hammer­ schläge kamen, schalt er den Herrn 'uttb hieß ihn hart werden wie das Eisen. Das trieb er bis zum Morgen; aber der Landgraf faßte alles zu Ohren und Herzen und ward seit der Zeit scharf und ernsthaft in seinem Gemüt, begann die Widerspenstigen zu zwingen und zum Gehorsam zu bringen. Die Unbändigsten unter den Adeligen, welche von der Beraubung der Untertanen nicht lassen wollten, fing er zusammen und spannte sie je vier und vier an einen

Pflug; er selbst stand dabei und trieb sie mit der Geißel zum Ziehen. Da kam große Furcht über die Bösen im Land, littb er ward nicht mehr der Landgraf Metz genannt, sondern

von nun an hieß er der eiserne Landgraf.

80. Der Sängerkrieg g»f der Warttznrg. Ferdinand »ähler.

Am 'Hofe des edeln Landgrafen Hermann und seiner Gemahlin 'Sophia auf Schloß Wartburg stellten im Jahre 1207 sechs meisterliche Minnesänger ein WettsingeN an. Die Namen dieser Meister waren: Walther von der Bogelweide, Wolfram von Eschenbach, Reinmar von Zweier, Biterolf, Heinrich, genannt der tugendhafte Schreiber, und Heinrich von Ofterdingen. Sie hatten aber untereinander bedungen, wer im Streit des Singens unterliegender solle sterben durch des Henkers Hand. Sie sangen aber alle ihrem edeln Wirte, Hermann, dem Landgrafen von Thüringen und Hessen, zu Ehren, verglichen ihn dem hellen Tage und erhoben ihn über alle Fürsten. Nur Heinrich von Ofterdingen pries Leopolden, den Herzog von Österreich, noch höher und stellte ihn der Sonne gleich. Darüber tourben die andern, die ihn ohnehin aus Neid am Thüringer Hofe nicht'gern sahen, gegen ihn er­ bittert; und da sie alle sich wider ihn vereinten, mußte er trotz seiner hohen Kunst den Gegnern endlich unterliegen!.

Der Sängerkrieg auf der Wartburg.

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Fürst Und seine Jäger treiben die Wölfe ins Garn und die Amtleute die roten Füchse in ihre Beutel"; mit solchen und andern Worten redete der Schmied die ganze lange Nacht zu dem Schmiedgesellen, und wenn die Hammer­ schläge kamen, schalt er den Herrn 'uttb hieß ihn hart werden wie das Eisen. Das trieb er bis zum Morgen; aber der Landgraf faßte alles zu Ohren und Herzen und ward seit der Zeit scharf und ernsthaft in seinem Gemüt, begann die Widerspenstigen zu zwingen und zum Gehorsam zu bringen. Die Unbändigsten unter den Adeligen, welche von der Beraubung der Untertanen nicht lassen wollten, fing er zusammen und spannte sie je vier und vier an einen

Pflug; er selbst stand dabei und trieb sie mit der Geißel zum Ziehen. Da kam große Furcht über die Bösen im Land, littb er ward nicht mehr der Landgraf Metz genannt, sondern

von nun an hieß er der eiserne Landgraf.

80. Der Sängerkrieg g»f der Warttznrg. Ferdinand »ähler.

Am 'Hofe des edeln Landgrafen Hermann und seiner Gemahlin 'Sophia auf Schloß Wartburg stellten im Jahre 1207 sechs meisterliche Minnesänger ein WettsingeN an. Die Namen dieser Meister waren: Walther von der Bogelweide, Wolfram von Eschenbach, Reinmar von Zweier, Biterolf, Heinrich, genannt der tugendhafte Schreiber, und Heinrich von Ofterdingen. Sie hatten aber untereinander bedungen, wer im Streit des Singens unterliegender solle sterben durch des Henkers Hand. Sie sangen aber alle ihrem edeln Wirte, Hermann, dem Landgrafen von Thüringen und Hessen, zu Ehren, verglichen ihn dem hellen Tage und erhoben ihn über alle Fürsten. Nur Heinrich von Ofterdingen pries Leopolden, den Herzog von Österreich, noch höher und stellte ihn der Sonne gleich. Darüber tourben die andern, die ihn ohnehin aus Neid am Thüringer Hofe nicht'gern sahen, gegen ihn er­ bittert; und da sie alle sich wider ihn vereinten, mußte er trotz seiner hohen Kunst den Gegnern endlich unterliegen!.

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Thüringen.

Diese riefen nun Stempfel, den Henker, der sollte Heinrichen an einen Baum knüpfen. Der geängstete Sänger floh in die 'Gemächer der Landgräfin und barg sich vor den 8er* folgern unter ihren Mantel. Da mußten sie von ihm ab­ stehen; und er dingte mit ihnen, daß sie ihm ein Jahr Frist gäbe», er wolle von dannen reisen gen Ungarn und Sieben­ bürgen und Meister Klingsor holen, der sollte urteln und richten und ihren Streit entscheiden. Dieser nämlich galt für den berühmtesten deutschen Minnesänger jener Zeit und war zugleich ein großer Zauberer. Auf die Fürsprache der Fürstin wurde Heinrichen diese Frist von seinen Gegnern bewllligt, und so machte er sich auf Pnd kam erst zum Herzog von Österreich, seinem geliebten Herrn, um dessentwillen er sich in diese tödliche Gefahr ge­ bracht hatte; und von da ging er mit Briefen des Herzogs gen Siebenbürgen zu Klingsor, dem er die Ursache seiner Fahrt erzählte und seine Lieder vorsang. Der Meister war mit diesen Proben seiner Kunst wohl zufrieden und versprach, mit ihm nach Thüringen zu riehen und den Streit zu schlich­ ten. Doch hielt er seinen Gast unter allerlei Kurzweil fast ein ganzes Jahr hin, und die bewilligte Frist lief ihrem Ende zu. Weil aber Klingsor noch immer keine Anstalt zur Reise machte, wurde Heinrich bange und sprach: „Meister, ich fürchte, Ihr lasset mich im Stich, und ich muß allein und traurig meine Straße ziehn und werde zur bestimmten Zeit die Wartburg nicht wieder erreichen; dann bin ich eyrenlos nud darf zeitlebens nimmermehr nach Thüringen." Klingsor sagte lächelnd: „Sei unbesorgt! wir haben starke Pferde «nd einen leichten Wagen und wollen den Weg kürzlich ge­ fahren haben." Als es Abend geworden, gab er ihm einen Trunk ein, davon er augenblicklich in tiefen Schlummer sank, legte ihn auf eine lederne Decke und sich daneben und befahl seinen iGeistern, daß sie ihn schnell nach Eisenach im Thüringer Lande tragen Md daselbst im besten Wirtshaus niedersetzen sollten. Die Geister taten, wie ihnen befohlen war/ und

Dft Sängerkrieg ans der Wartburg.

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-rächten noch in selbiger Nacht den Meister mit seinem Gefährten gen Eisenach in den Hellegrafenhof, der zu Eisenach am St. Georgentor liegt, zur linken Hand, wenn man aus der Stadt geht. Als tarn der Tag anbrach, erwachte Heinrich; er hörte die Mocken zur Frühmem Lebe» Ernst- de» Fromme«. Saupe. Ernst, der neunte Sohn des Herzogs Johann und seiner Gemahlin Dorothea Marie, einer Prinzessin von AnhaltKöthen, wurde in der Christnacht des Jahres 1601 auf dem Schlosse zu Altenburg geboren. Das gute Anzeichen seiner Geburt täuschte nicht; es wurde aus dem Kinde

auch ein Christkind, nämlich ein Kind, das ganz dem Herrn Christus gehörte; und wie das Kind in der Krippe zu Bethlchem erwuchs zu einem König der Könige, so diese» Knäblein zu dem ausgezeichnetsten der Erdenfürsten seiner Zeit. Es war daher ganz in der Ordnung, wenn einer seiner Bauern, von einem Reisenden gefragt, was für ein Fürst das Land regiere, mit Stolz die Antwort gab: „Wir haben einen Fürsten von unserm lieben Herrgott. Wenn's nur lange so währt! Doch wollen wir das Beste hoffen." Ms Ernst im Jahre 1640 die Regierung übernahm, befand sich das Land infolge der entsetzlichen Drangsale des Dreißigjährigen Krieges in einem jammervollen Zu­ stande, aber unter seinem weisen und mildtätigen Regi-mente wurde es bald allerorten besser. Bon Haus au» nicht reich, hatte er doch immer Mittel genug, zu helfen, du er ein sehr guter Wirt und äußerst sparsam war; unnötigen Aufwand im Essen und Trinken, in Kleidern und anderen Stücken nannte er „einen unersättlichen Vielfraß." „Nicht reichliches Einkommen", sagte er, „sondern spar­ sames Ausgeben macht reich" — und reich wollte er sein, nämlich damit er recht viel habe zu Gottes Ehre und zu seines Volkes Wohl. Als einmal ein hoher Gast mehrere Tage bei ihm verweilt hatte und die Rechnung für ver-

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Thüringen.

brannte Lichte 3 Fl. 9 Gr. betrug, schrieb er darunter: „ist allzuviel". Ferner war er sehr wachsam und verstand es trefflich, seine Güter zu bewirtschaften. Über den Zustand seiner Hausgüter erhielt er sich beständig in genauester Kenntnis; wie Karl der Große wußte er, wieviel Eier jährlich auf jedem seiner Meierhöfe abgenommen wurden; keine Harke konnte er am unrechten Orte sehen und nichts durfte durch Verwahrlosung zu Grunde gehen. Bei seinen Einnahmen hütete er sich vor jedem ungerechten Pfennige. Sein Grundsatz war: „Ein löblicher Regent hütet sich, daß keine ungerechte Einnahme in die Kammer komme, durch welche der göttliche Segen wegfliegen könnte." Und weil dieser blieb und immer stärker zuflvß, kam Ernsts Kammer trotz der milden Speichen, die er in erstaunlicher Menge machte, in die blühendsten Umstände. Zu einem, der sich über den guten Stand seines Vermögens wunderte, sagte er: „Gott gibt's, der Fürst erspart's." Bei der Besetzung von Beamtenstellen kannte er keine anderen Rücksichten und Empfehlungen als allein die Tüch­ tigkeit. „Die Ämter müssen mit Leuten, nicht die Leute mit Ämtern versehen werden," war einer seiner Gedenksprüche, und zu einem Edelmannc, der nichts gelernt hatte, aber gern befördert sein wollte, sagte er: „Was seid Ihr mir nütze? Versteht Ihr doch nichts." Seine Beamten wurden fleißig vermahnt, ihres Amtes mit Gewissenhaftigkeit zu warten; hierbei empfahl er ihnen öfter den 101. Psalmen zu lesen, der darum in Gotha gemeiniglich der Fürstenpsalm genannt wird. Als Ernst einmal denselben statt alles weiteren einem ungetreuen Beamten zuschickte, so pflegte man von da an, wenn es mit einem Beamten nicht richtig zu stehen schien, zu sagen: „Der wird wohl auch bald den Fürsten­ psalm zu lesen bekommen." Biele Zeit brachte Ernst auf Reisen in seinem Lande zu; er wollte überall selbst sehen, tote es stehe, wo es fehle und wie zu helfen sei. Hierbei kam er hinter manches, was ihm sonst verborgen geblieben wäre. Einst trat er unan-

Stnige Züge aus dem Leben Ernst» de» Frommen.

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gemeldet in eine Schulstube auf dem Lande. Da fand er den treuen Schullehrer, wie er krank und elend auf dem Bette faß, aber dennoch mit Macht feine Jugend unter­ wies; von diesem Anblick ward der Herzog sehr überrascht und gerührt und hier faßte er den ersten Gedanken zur Er­ richtung einer Schullehrerwitwenkasse. Bisweilen wollte er unerkannt durch sein Land reisen; dann wanderte er allein, in schlichtem Rucke, den Knoten­ stock in der Hand, den Hut ins Gesicht gedrückt und setzte sich in den Wirtshäusern still in einen Winkel hin. So saß er auch einmal, als er bemerkte, daß jemand auf einem prächtigen Rosse draußen vorbeitrabte. „Wer ist der Edelmann?" fragte er. „Der Amtsschreiber," antwortete man. „Der Amtsschreiber? Ei wie kommt denn der zu dem stolzen Rosse?" Er erkundigte sich nach seiner Besoldung und nach' dem Stande seines Vermögens, ließ sogleich eine Untersuchung einleiten und siehe da, der Amtsschreiber ward der Untreue überwiesen.

Ernst gehörte zuerst seinem Volke, dann aber auch allen Menschen und darunter wieder näher seinen Glaubens­ genossen an. Er wußte, was für einen Schatz das evangelische Volk an der Lutherischen Bibel habe; er erkannte aber auch, daß es recht dienlich und geraten sein mußte, den Leuten das Verständnis der Bibel zu erleichtern und auch den Schwachen eine Anleitung zu geben, wie sie das Ge­ lesene auf sich zur Lehre, zum Trost und zur Besserung anwenden sollten. Deshalb beauftragte er neunundzwanzig sächsische und thüringische Theologen, über jedem Kapitel der Bibel den Inhalt anzugeben, eine faßliche Erklärung zu schreiben und zuletzt eine Nutzanwendung beizufügen. Dies große Bibelwerk kam schnell zustande und ward noch bereichert durch Zeichnungen der Stiftshütte, des Tempels, der Stadt Jerusalem, des Stammbaumes Christi usw.; als es vollendet war, dankten die Prediger zu Nürnberg öffent-

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Thüringen.

lich in der Kirche Gott für diese Wohltat. Diese Bibel heißt die Ernestinische oder die Gothaische oder auch die Nürnberger, weil sie in Nürnberg gedruckt wurde. An der Stelle, wo sonst der Grimmenstein gestanden hatte, baute er sich ein großes, prachtvolles SMoß. Es wurde 1648 vollendet und darum nannte er es Friedenstein. Er lebte darin nicht stolz, nicht alle Tage herrlich und in

Freuden. Früh begann er den Tag mit Gcket, Lesen in der Helligen Schrift und geistlichem Gesang und dazu hatte er ein besonderes Zimmer im Schlosse, das mit einem Altar versehen war. Dann arbeitete er bis zum Mittag in Regierungsgeschäften, und nun ging's zur Tafel, die aber niemals üppig besetzt war; vor und nach dem Essen mußte immer ein Edelknabe das Tischgebet sprechen, an Festtagen und wenn fremde Herrschaften da waren, tat es der Hof­ prediger. Nach dem Essen folgte ein gemeinschaftlicher Spa­ ziergang, und chann gehörte wieder der ganze Nachmittag den Regierungsgeschäften. Abends aber erholte er sich mit süßer Lust im schönen Kreise seiner Familie, seiner sanften Elisabeth Sophie und seiner lieblich blühenden Kinderschar. Zu diesen Abenden zog er gern redliche Beamte und gelehrte Männer, und da gab's schöne, lehrreiche und ergötzliche Unterhaltungen, namentlich aber auch über das Eine, das not ist. Der Tag ward wieder geschlossen mit gemeinschaft­ lichem Gebet, Bibellesen und Gesang, und so muß man denn auch sagen, daß er in seinem Schlosse allerdings alle Tage herrlich und in Freuden lebte. Aber wir müssen auch noch etwas von der Nacht erzählen. Wachte Ernst in der Nacht und bannte nicht wieder in Schlaf kommen, so suchte

er wenigstens etwas Gutes zu denken. Hatte er nun einen guten Gedanken, so erllang ein Glöcklein, das auf seinem Nachttische lag; ein Diener erschien und Ernst diktierte ihm. Biele solcher Gedanken bei Tag und bei Nacht hat er zu Papier gebracht als Gedenksprüche für sich und als Lehren für seine Kinder. Nach dem Aussterben des alten Fürstenhauses Sachsen-Altenburg fiel auch das Altenburger

Nur ein Schafhirt.

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Land an Ernst den Frommen und nahm an den Segnungen seiner Regierung teil. Es mar am 26. März 1675, als er, umgeben von den Seinen, die er noch segnete, mit gefalteten Händen entschlief. Um den Schloßberg aber unten hatte sich die Menge des Volkes gelagert und weinte um

Vater Ernst.

54.

Wut

eiu Schafhirt.

L«dwtg Weniger nach F. Wilhelm Zlethe.

Es war am 12. Oktober 1806.

Preußen hatte den

Krieg an Frankreich erklärt. Bor zwei Tagen hatte das Ge­ fecht bei Saalfeld stattgefunden, in welchem der Prinz Louis Ferdinand gefallen war. Nun waren die beiden Hanptarmeen sich näher und immer näher gekommen. Nur noch zwei Tage, und die unglückliche Schlacht bei Jena

und Auerstädt sollte geschlagen werden. Ein preußisches Armeekorps unter dem Fürsten Hohenlohe, etwa 40000 Mann stark, stand rechts von der Straße, die von Jena nach Weimar führt, zwischen den beiden Flüssen Ilm und Saale. Seine Vorposten stanben auf dem Landgrafenberge, einer steilen Höhe, die zwischen diesen Truppen und der Stadt Jena lag. Bon dem Gipfel aus konnte man das Heer ganz und gar über­ setzen, und über ihn führte der einzige Weg, der es er­ möglichte, die Preußen von vorn anzugreifen. Die Haupt­ armee wurde vom Herzog von Braunschweig befehligt. Sie war über 65000 Mann stark und hatte sich eine Stunde weiter nach Weimar aufgestellt. Die Preußen waren mit gutem Mut, ja mit Übermut in den Kampf gezogen. Ihnen gegenüber standen die Feinde, die Franzosen. Schon wur­ den die Vorbereitungen zu der großen Schlacht getroffen, die in zwei Tagen geschlagen werden sollt«. Alle Dörfer ringsum waren bereits von den Feinden geplündert, und viele von ihren Einwohnern hatten sich mit einem Teil

Nur ein Schafhirt.

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Land an Ernst den Frommen und nahm an den Segnungen seiner Regierung teil. Es mar am 26. März 1675, als er, umgeben von den Seinen, die er noch segnete, mit gefalteten Händen entschlief. Um den Schloßberg aber unten hatte sich die Menge des Volkes gelagert und weinte um

Vater Ernst.

54.

Wut

eiu Schafhirt.

L«dwtg Weniger nach F. Wilhelm Zlethe.

Es war am 12. Oktober 1806.

Preußen hatte den

Krieg an Frankreich erklärt. Bor zwei Tagen hatte das Ge­ fecht bei Saalfeld stattgefunden, in welchem der Prinz Louis Ferdinand gefallen war. Nun waren die beiden Hanptarmeen sich näher und immer näher gekommen. Nur noch zwei Tage, und die unglückliche Schlacht bei Jena

und Auerstädt sollte geschlagen werden. Ein preußisches Armeekorps unter dem Fürsten Hohenlohe, etwa 40000 Mann stark, stand rechts von der Straße, die von Jena nach Weimar führt, zwischen den beiden Flüssen Ilm und Saale. Seine Vorposten stanben auf dem Landgrafenberge, einer steilen Höhe, die zwischen diesen Truppen und der Stadt Jena lag. Bon dem Gipfel aus konnte man das Heer ganz und gar über­ setzen, und über ihn führte der einzige Weg, der es er­ möglichte, die Preußen von vorn anzugreifen. Die Haupt­ armee wurde vom Herzog von Braunschweig befehligt. Sie war über 65000 Mann stark und hatte sich eine Stunde weiter nach Weimar aufgestellt. Die Preußen waren mit gutem Mut, ja mit Übermut in den Kampf gezogen. Ihnen gegenüber standen die Feinde, die Franzosen. Schon wur­ den die Vorbereitungen zu der großen Schlacht getroffen, die in zwei Tagen geschlagen werden sollt«. Alle Dörfer ringsum waren bereits von den Feinden geplündert, und viele von ihren Einwohnern hatten sich mit einem Teil

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Thüringen.

ihrer Habe und ihres Viehes auf die bewaldeten Höhen jenseits der Saale geflüchtet. An einem Bergabhange des linken Saaleufers stand am Nachmittage des 12. Oktobers ein Mann, der den Kopf auf einen langen Stab gestützt hatte und so in das Tal hinabschaute, durch welches die Straße von Jena nach Raumburg sich hindurchzieht. Unten war ein buntes, wirres Leben. Soldaten, Pferde, Wagen drängten einander. Starr und gedankenvoll ruhte, -sein Auge auf diesem Trei­ ben. Neben ihm weideten wenige Schafe. Die Kleidung des Mannes, ein blauer, langer Rock, ein großer, breit­ krempiger, schwarzer Hut und eine lange Weste, sowie seine ganze Erscheinung zeigten auf den ersten Blick, daß er ein Schafhirt war. Nur zuweilen warf er einen traurigen Blick auf die vier oder fünf Schafe tte6«t ihm. Noch vor kurzer Zeit hatte er für seinen Herrn eine zahlreiche Herde geweidet. Diese wenigen Tiere waren sein Eigentum, und er hatte sich mit ihnen hierher geflüchtet. Der Abhang des Berges war steil, und er durfte hoffen, daß die Feinde nicht auf den Berg kommen würden. In dem Dorfe dort unten int Tale besaß der Schäfer ein Haus. Die Fran­ zosen hatten sich darin einquartiert und ihn daraus ver­ trieben. Alle Vorräte, die er für seine Familie und für seine Tiere zum Winter gesammelt hatte, waren ihm ge­ nommen worden. Was sollte er nun noch da unten im Dorfe? Er mochte das Treiben der übermütigen Feinde nicht in der Nähe ansehen. Seine beiden Söhne standen drüben in dem preußischen Heere, und zu ihnen eilten seinem Gesicht einen unheimlichen und unangenehmen Ausdie Waffen zur Hand genommen, um die Frechheit der übermütigm Eroberer züchtigen zu helfen; aber in feinen Jah­ ren konnte er nicht mehr daran denken, unter die Soldaten zu gehen. Da kam ein Mann schräg an dem Abhange des Berges daher und eilte auf ihn zu. Er hörte ihn nicht, bis der neben ihm sitzende Hund laut anschlug. Schnell wandte

Shit ein Schafhirt.

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"bet Hirt den Kopf. Doch seine Augenbrauen zogen sich finster zusammen, als er den Kommenden erkannte. „Nun, Born!" rief dieser, ein Mann von etwa fünf­ undzwanzig bis dreißig Jahren, dessen stechende Augen seinem Gesicht einem unheimlichen und unangenehmen Aus­ druck gaben: „Nun, Ihr steht hier so ruhig, als ob da unten nichts los wäre. Das ist ein Leben und Treiben ringsum. Man sollte eigentlich Gott danken, wenn man mit heiler Haut daraus wäre."

„Niemand hindert Euch daran," antwortete kalt der Schäfer. „Eure Söhne stehen dort oben unter den Preußen, nicht wahr?" fragte der Fremde. Born nickte bejahend. „Und Eure Frau und Tochter?"

„Sie sind da drüben," erwiderte der Hirt und zeigte mit der Hand nach den Bergen jenseit der Saale. „Denkt Ihr denn, daß sie dort in Sicherheit sind? Dorthin wird der Feind auch dringen." „Wer weiß?" sprach Born. „Es kommt vielleicht auf einen einzigen Tag an, und die Fremden müssen wieder aus dem Lande hinaus, wo sie hereingekommen sind." „Ha, ha!" lachte Sielert, so hieß der Mann; „denkt Ihr denn, daß die Preußen siegen werden? Ich komme heute von Kahla und Jena und habe gesehen, wie zahl­ reich die Franzosen sind. Es sollen viel über hunderttau­ send Mann sein, und die lassen sich nicht so leicht zum Lande hinausjagen."

Born blickte den Mann scharf und finster an. Dann sprach er langsam: „Ihr scheint es mit den Feinden zu halten?"

„Nein, n^tn!" war die Antwort, „aber der Napoleon versteht den Krieg." „Das mag sein, wie ihm will," erwiderte der Schäfer „Seine Reiter und Kanonen wird er doch nicht an diesen Bergen in die Höhe schaffen. Es gibt nur einen Weg, auf

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Thüringen,

dem es möglich märe, und den kennt er nicht und wirt» er auch nicht finden." „Kennt Ihr den Weg?" fragte Sielert schnell. „Ich kenn' ihn," antwortete Born ruhig; „doch wo­ hin wollt Ihr?" „Nach Naumburg," erwiderte Sielert. „Man kann auf der Landstraße vor Soldaten und Pferden, Wagen und Kanonen nicht durchkommen; ich muß deshalb Nebenwege suchen und einschlagen. Lebt wohl!" Mit diesen Worten eilte der Mann hastig von dannen. Der Schafhirt sah ihm lange nach, und seine Augen nah­ men einen düstern Blick an. Dann trieb er seine Tiere lang­ sam in ein kleines Gehölz, welches nicht weit vom Ab­ hange des Berges sich hinzog. Dort wollte er mit ihnen über Nacht bleiben. Wohl waren die Nächte schon kalt und feucht geworden; aber Born war von Jugend auf an Wind und Wetter gewöhnt und hatte schon in kälterer Zeit manche Nacht im Freien zugebracht. Der Abend br/uch ein, und stiller wurde es auf den Bergen. Um so lauter schallte das Geräusch aus dem Tale herauf. Da rollten die Wagen und die Kanonen; es dröhnten die Hufschläge der Pferde, und oft erllangen Trommelschlag und laute Stimmen. Der Schäfer hörte lange zu. Dann setzte er sich zur Erde und legte sich an einen Baum. Neben ihm lagerten sich sein treuer Hund und die kleine Herde. So schlief er endlich ein. Der 13. Oktober brach an. Der Herzog von Braun­ schweig hatte seine Armee geteilt. Der Hauptteil zog mit dem Könige von Preußen bei Tagesanbruch nach Sulza und kam am Abend jenes Tages auf den Höhen hon Auerstädt an. Der Fürst Hohenlohe war mit den Truppen, die er befehligte, auf den Bergen zwischen Jena und Wei­ mar zurückgeblieben. Leider dehnte er seine Armee über eine Länge von sechs Stunden aus und vergaß es, den wichtigsten Punkt der ganzen Stellung, den Landgrafen­ berg zu besetzen. Napoleon hatte mit scharfem Feldherrn-

Star ein Schafhirt.

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blick diesen Fehler sogleich bemerkt. Ein Teil seiner Trup­ pen besetzten den Berg, den er selbst bestieg. Bon hier aus konnte er die ganze Stellung des preußischen Heeres be­ obachten und seinen Schlachtplan für den folgenden Tag entwerfen. Noch aber fehlten ihm die Reiterei und die Artillerie, und ohne beide konnte er die Schlacht nicht wagen. Man hatte vergebens alles Mögliche aufgeboten, um sie an den hohen und steilen Abhängen des Land­ grafenberges hinaufzuschaffen. Es war unmöglich, wenn man nicht einige Tage darüber verlieren wollte. Selbst die Infanterie hatte die größte Mühe gehabt, auf den schmalen und steilen Pfaden dm Berg zu erklimmen. Am Morgen stand auch der Schafhirt wieder an dem Abhange des Berges, um seine Tiere zu weiden. Sein erster Blick war in das Tal hinab gewesm. Es leuchtete wie Freude auf dem ernsten Angesichte, als er die zahlreichm Geschütze und die Reiterei der Franzosen unten sah. Es war also nicht gefangen, sie den Berg hinaufzuschaffen, ,und er jubelte darüber in seinem Herzen. „Wenn er dm Weg wüßte," sprach er vor sich hin, „der dort auf die Höhe führt! Aber er weiß ihn nicht und wird ihn nicht finden. Es weiß ihn ja kaum jemand außer mir. Fast scheint es unmöglich, den Berg hinaufzukommm. Und doch bin ich früher mehr als einmal auf dem Wege nach seinem Gipfel geritten." Wieder kam der Mann, der ihn am Tage zuvor über­ rascht hatte, zu dem Schäfer herab. Dieser sah ihn finster und befremdet an und rief mdlich: „Ihr sagtet ja gestern, daß ihr nach Naumburg gehm wolltet." „Das war auch mein Wille," sprach Sielert. „Aber die Wege find alle wie versperrt, und es ist fast unmöglich, hindurchzukommm. Ich habe übrigms gestern noch ein gute- Geschäft gemacht, von dem ich eine Zeitlang lefcen kann." Mit diesen Wortm hielt er einen Geldbeutel empor, in dem mehrere Goldstücke glänztm. Dann fuhr er fort:

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Thüringen.

„Seht, es sind jetzt schlechte Zeiten. Handel und Wandel liegen an allen Orten darnieder; die Arbeit stockt, und es ist schwer, etwas zu verdienen. Man weiß auch nichts was aus dem allen werden wird, und welche Schicksale uns noch bevorstehen. Mit diesem Gelde will ich wieder­ einen keinen Handel beginnen, und Ihr sollt mir dazn einen guten Rat geben." „Ich verstehe von Eurem Handel nichts, und er geht mich auch nichts an," antwortete der Schafhirt, der mit diesem Menschen nicht länger zu schaffen haben mochte. „Nun, was habt Ihr denn?", fragte Sielert beruhigend. „Ihr könnt mir einen großen Gefallen tun. Hört mich doch nur einmal an! Seht, die französische Infanterie hat den Landgrafenberg und die Höhen dort besetzt. Die Sol­ daten sind wie Katzen hinaufgeklettert. Da oben gibt esnichts zu essen und zu trinken. Es getraut sich auch nie­ mand so leicht zu den Franzosen hin; ich aber fürchte mich vor ihnen nicht. Nun möchte ich gern mit einem kleinen Wagen Wein und Bier hinauffahren, und man würde es mir gut bezahlen. Aber wie soll ich hinauf­ kommen? Seht, Born, ich schenke Euch eins von diesen Goldstücken, wenn Ihr mir den Weg zeigt, von dem Ihr gestern spracht. Wollt Ihr?" Born hatte den Worten des Mannes mit steigender Aufmerksamkeit zugehört. Ernst und düster blickten seine Augen auf ihn. „Ich soll Euch den Weg zeigen? Nimmer­ mehr. Ihr werdet ihn an die Franzosen verraten." Sielert lächelte listig. Dann sprach er: „Seid kein Tor, Born! Und wenn dies wirklich meine Absicht wäre? Kommt, wir wollen beide zusammen das Geschäft machen. Ich will mit den Franzosen unterhandeln und unsere For­ derungen stellen. Und sie sollen uns, darauf könnt Ihr Euch verlassen, so viel Geld geben, daß wir beide in un­ serm ganzen Leben nicht mehr zu arbeiten brauchen." „Ich, ich soll den verwünschten Franzosen den Weg verraten?" rief Born, in tiefster Seele empört.

Nur ein Schafhirt.

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„Nun, weshalb denn nicht?" sprach lächelnd der Ver­ räter „Was ist daran gelegen, wenn es nur gut be­ zahlt wird? Und dafür will ich wohl einstehen." „Schuft!" unterbrach ihn der Hirt hastig, indem er ihn an der Brust packte, „du Schuft, du Judas! Mein eigenes Vaterland und das Leben meiner Söhne soll ich für Geld verraten? Da, fahr hin, wohin du gehörst!" rief er, in­ dem er Sielert trotz seines Alters mit starkem Arme den Abhang hinabstieß. Der Verräter überschlug sich mehrere Male, indem er hinunterrollte. Dann raffte er sich auf, stürmte wieder den Berg hinauf und drang- wütend auf den Alten ein. Dieser hatte seinen Schäferstab erhoben und schwang ihn mit kräftiger Hand. Sein Hund eilte knurrend und bellend herbei und war jeden Augenblick be­ reit, sich auf den Angreifer zu stürzen. Sielert wagte sich darum nicht heran. Er rief nur wütend: „Das sollt Ihr mir büßen!" und eilte dann den Berg wieder hinab. „Denke nur an dein eigenes Leben, das gewiß noch am Galgen endet!" rief ihm der Alte zornig nach. Sein ehrlicher und schlichter Sinn konnte die Schänd­ lichkeit dieses Menschen kaum fassen. Er setzte sich nie­ der und stützte das Haupt in die Hand. Wie war es mög­ lich, daß jemand sein eigenes Vaterland verraten konnte? Dann dachte er an seine Söhne, seine Tochter und seine Frau. Er hatte sie lange nicht gesehen. Noch waren sie in keiner Gefahr. Die Feinde waren noch nicht jenseit der Saale; die Höhen drüben waren noch von ihnen frei. Aber, was sollte aus ihnen allen werden, wenn die Fran­ zosen siegten? Nein, das konnte, das durfte nicht ge­ schehen! Der' alte Schäfer hatte wohl eine Stunde und 'darüber sinnend und sorgend' dort oben gesessen. Plötzlich hörte er das Geräusch von herannahenden Schritten und schreckte aus seinen Gedanken empor. Mehrere französische Soldaten waren den Abhang herabgekommen und näherten sich ihm. Hinter ihnen erblickte er auch in einiger Entfernung den

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Thüringen.

schurkischen Sielert. Eine bange Ahnung stieg in dem Herzen des Hirten auf. Er sprang von seinem Sitz erschrocken in die Höhe. Sollte er fliehen, so schnell er konnte? Ach, seine alten Glieder würden ihn nicht weit getragen haben. Sollte er sich zur Wehr setzen? Fest, beinahe krampfhaft ergriff er seinen Hirtenstab. Allein dies wäre eine noch viel größere Torheit gewesen. Er blieb darum, scheinbar ruhig, stehen. Die Soldaten waren unterdessen an ihn Her­ augekommen. Einer von ihnen forderte den Schäfer in ge­ brochenem Deutsch auf, ihnen sogleich zu folgen. „Wohin?" fragte Born, dessen Fassung und Ruhe in­ zwischen zurückgekehrt waren. „Zum Marschall," «lautete die Antwort. Born zögerte. Was wollte man von chm? Sollte seine Befürchtung sich wirklich erfüllen? „Hat Euch der hierher geführt?" fragte er endlich, indem er auf Sielert zeigte. Die Soldaten nickten bejahend. Jetzt war kein Zweifel mehr; er sollte den geheimen Weg auf den Landgrafenberg zeigen. Ihm schwindelte.' Sollte et sich weigern den Soldaten zu folgen? Sein Arm war ja noch kräftig. Twch es wäre Torheit gewesen, auch nur einen Versuch des Widerstandes zu wagen. Schweigend und mit bangem Herzen folgte er dm Soldatm, welche rasch die Anhöhe hinaufschritten. Sie­ lert wartete auf sie, bis sie ihn eingeholt hattm; dann ging er mit ihnen. „Ich habe es Euch versprochen, daß Ihr mir für Eure

Bosheit büßen sollt," sprach er höhnisch zu dem Hirten. „Man wird schon Mittel und Wege finden. Euch den Mund aufzutun," setzte er teuflisch lächelnd hinzu. Born schwieg; er hörte die Worte kaum. Eine innere Stimme rief ihm warnend zu: „Dies ist ein schwerer, furcht­ barer Gang für dich! Entdecke ihnen dm Weg, oder du stürzest dich und die Deinen ins Unglück. Entdecke ihn, ehe man dich mit Gewalt dazu zwingt!" Aber er beschwichtigte diese Stimme und sprach dann wieder zu sich selbst: „Man kann dich nicht zwingen. Man kann dir mit Gewalt dm

Nur ein Schafhirt.

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Mund öffnen, aber man kann das Geheimnis nicht aus deiner Brust herausholen, wenn du es ihnen nicht entboten willst." Die Soldaten hatten mit ihrem Gefangenen endlich den Landgrafenberg erstiegen. Sie führten ihn sogleich in das Hauptquartier zum Marschall Lannes, welcher den Berg besetzt hielt. Der Marschall ließ eine Weile seine Augen forschend auf dem Hirten ruhen. Dann fragte er ihn, ob er, wie er zu Sielert gesagt habe, den Weg wisse, auf welchem Pferde und Geschütze hier heraufgeschafft werden könnten. „Ja," sprach Born ruhig. Er konnte und wollte nicht lügen. „So zeigt uns den Weg!" sagte der Marschall. „Ihr sollt eine reiche Belohnung haben." Born schwieg eine Weile. Es wogte in seinem Herzen wie ein stürmendes und brausendes Meer. Er konnte, er durfte nicht zum Verräter werden. „Wollt Ihr uns den Weg zeigen?" fragte der Mar­ schall. „Nein!" antwortete der Schäfer fest und bestimmt. „Ich würde schlecht gegen meine eigenen Landsleute handeln, wenn ich es tun wollte." „Ihr wollt also nicht?" rief der Marschall. „Glaubt Ihr, daß wir nicht auch ohne Euch den Weg finden werden? Wir dürfen ja nur den Berg nach allen Seiten untersuchen. Aber es liegt mir viel daran, diesen Weg heute und noch in dieser Stunde zu erfahren." „Ich verrate ihn nicht," entgegnete Born mit aller Festigkeit eines deutschen Mannes und eines guten Ge­ wissens. „Ihr wollt nicht?" fuhr der Franzose auf. ,Zhr wagt es, mir zu trotzen? Glaubt Ihr, daß ich Euch dazu nicht zwingen kann, wenn ich will?" „Mich kann niemand dazu zwingen." erwiderte der brave Hirte. Hessel, Lesebuch. Anhang fflt Thüringen.

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Thüringen.

„Richt? Nun, ich werde es dir zeigen. Der Ausgang einer ganzen Schlacht soll nicht von deinem guten oder bösen Willen abhängen. Du erhältst eine reiche Belohnung, ivenn du uns den Weg zeigst. Beharrst du aber aus deiner boshaften Weigerung, so mußt du sterben, — hörst du? sterben, — nun entscheide dich!" Born schwieg. Keine Muskel zuckte oder verzog sich auf seinem wetterharten und ehrlichen Angesichte. „Es ist mein Ernst!" rief der Marschall noch einmal. Du stirbst, wenn du mir zu trotzen wagst!" Der Schäfer wurde bleich. Er zitterte leise, und einen Augenblick lang drohten seine Kniee unter ihm zusammen­ zubrechen. Er dachte an sein armes Weib und an seine Kinder. Die Versuchung war groß und schwer. Aber er überwand sich und erlangte bald seine frühere Fassung wieder. Dann sprach er fest: „Ich bin kein Verräter und will auch keiner werden!" Du willst also nicht?" rief der Marschall heftig. „Rein!" antwortete der wackere, heldenmütige Mann. „Führt ihn fort!" befahl der Marschall in heftigem Zorn einem Offizier. „Führt ihn fort! Gebt ihm eine halbe Stunde Zeit, sich zu besinnen. Wenn er dann noch ebenso trotzig ist, so laßt ihn ohne weiteres erschießen!" Er wandte sich ab, und Born wurde von den Soldaten fortgeführt. Sielert, dem durch den Tod des Alten ein gehoffter Gewinn entging, trat listig und schmeichelnd an ihn heran. Er stellte ihm vor, was er durch kluges Rach­ geben gewinnen und dagegen durch fortgesetzten Trotz ver­ lieren würde. Der Schäfer wandte sich unwillig und ver­ ächtlich von dem Verräter hinweg. Auch der französische Offizier redete ihm mit gütigen und freundlichen Worten zu. Er sollte nur mit einem einzigen Winke seiner Hand die Richtung bezeichnen, in welcher der gesuchte Weg lag. Dann sollte er augenblicklich freigelassen und reich belohnt tverden. Born schwieg auch diesem Zureden gegenüber. Seine Hände wurden ihm auf den Rücken gebunden, und so führte

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Nur ein Schafhirt.

man ihn den Abhang des Berges hinab. Drei Soldaten luden vor seinen Augen ihre Gewehre. Er wußte, was es bedeutete, und wandte sich ab. Eine halbe Stunde Zeit war ihm noch vergönnt, um sich zu besinnen. Er setzte sich schweigend nieder und richtete den Blick hinunter in das Tal und zu den fernen Bergeshöhen. Hier waren seine Söhne und dort sein Weib und seine Tochter. Ach, sie ahnten nicht, was ihn betroffen hatte, und was er in einer halben Stunde erleiden sollte! Dort stand sein kleines Haus. Die Fenster leuchteten so freundlich im Glanze der Morgen­ sonne. Er sollte es nie wieder betreten und seines stillm Glückes sich erfreuen. Hier und dort herum waren die Berge und die Täler seiner geliebten Heimat. Er kannte jede Stadt, jedes Dorf, jeden Wald, jeden Fluß. Auf diesen Fluren hatte er als Kind gespielt. Hier hatte er sein Leben unter Mühen und Arbeiten inti) doch glücklich und zufrieden bisher geführt. Seine Heimat, seine geliebte Heimat war so schön, so wunderschön. In wenigen Augenblicken sollte er von ihr scheiden und sie für.immer verlassen. Seine Wangen waren bleich geworden. Eine Träne war ihm in

das ehrliche Auge getreten. Er drängte sie zurück. Dann senkte er sein Haupt still zur Erde. Er konnte seine ge­ bundenen Hände nicht falten: aber er konnte auch so zu seinem Gott und Heiland beten, vor dessen Angesicht er in so kurzer Zeit treten sollte. Eine Minute nach der andern verging. Born betete still und inbrünstig, während seine Lippen sich nur unmerklich bewegten. Und das Gebet gab ihm neue Kraft, neuen Mut, Frieden und Freude. Eine stille, heitere Ruhe legte sich auf sein Angesicht und glänzte aus seinen Augen. Endlich war die bestimmte Zeit verflossen. Der Offizier trat zu dem Schäfer und fragte ihn, ob er jetzt den Weg zeigen wollte. Ein schweigendes Schütteln seines Kopses war die einzige Antwort, die er auf diese Frage gab. Der Offizier sah ihn einen Augenblick teilnehmend und mit­ leidig, aber doch auch mit stiller Bewunderung an. Dann 10*

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Thüringen.

gab er den Soldaten einen Wink, und sie nahmen ihre Gewehre zur Hand. Man verband dem Schäfer die Augen. Man stellte ihn an einen Baum, und die Soldaten traten auf das Kommando an. Noch einmal wiederholte der fran­ zösische Offizier seine vorige Frage. Ja, er legte sie ihm zögernd sogar zum drittenmal vor. Schweigmd, aber fest vemeinend schüttelte Born das Haupt. Da ertönte das furchtbare Kommandowort: „Feuer!" Drei Blitze fufrten aus dm Gewehren; drei Schüsse hallten zugleich an dm gegmüberliegmden Bergen wider. Ohne einen Laut sank der wackere Hirt zusammen. Er war gut getroffen wordm; es zuckte keine Muskel auf seinem Gesichte. Die Soldaten ließen dm Leichnam liegen und kehrten in das Lager zu­ rück. Es war ja Krieg; was hatte da ein einzelnes Mmschenleben zu bedeuten? Napoleon war sehr unwillig, daß man den Weg nicht entdeckm konnte. Endlich mdbete ihm ein Offizier, daß man einen anderen Mann gefunden hatte, welcher ihn ebenso gut kannte. Äs der Schäfer. Der Mann wurde zu ihm gebracht. Er hatte nicht den Mut und die Kraft, der For­ derung zu widerstehen und sich zu weigern; er zeigte den Weg, der durch das von einem Gießbache durchströmte, von Felsm eingeengte und mit Wald bewachsene Rautal führt. Das Bett des Baches bildete den Weg. Napoleon erkannte mit scharfem Auge sofort die Möglichkeit, die Ge­ schütze auf diesem Wege den Berg hinaufzuschaffm. Zwar mußten hier und dort einzelne Bäume gefällt, einzelne Fel­ sen gesprengt werdm. Allein diese Schwierigkeitm ließen sich überwinden, und der Kaiser befahl, sogleich an das Werk zu gehen und den Weg fahrbar zu machen. Um acht Uhr abends war man damit fertig geworden. Noch währmd der Nacht wurdm die meisten Geschütze, halb gesogen und halb getragen, auf den Gipfel des Berges gebrach. Als der 14. Oktober anbrach, war die Schlacht bei Jena beinahe schon entschiedm, ehe noch der Kampf begonnen hatte. Wir wissen, wie sie leider ausgefallen ist. Das Preu-

Rur ein Schafhirt.

Erinnerungen an Karl August

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tzische Heer wurde gänzlich geschlagen und in die wildeste Flucht auseinandergesprengt. Auf den Feldern von Jena begannen die sieben Jahre preußischer Not und Schmach, bis sie endlich durch Gottes Gnade in den glorreichen Tagen

der Befreiungskriege wieder überwunden wurden. Das Opfer das alten, wackeren Schafhirten war vergeblich ge­ wesen. Zwei Tage nach der Schlacht wurde er mit Hun­ derten von gefallenen Preußen und Framosen in ein ge­ meinsames Grab gebettet. Erst lange darauf erhielten die Seinen die Nachricht von seinem Tode. Kein Geschichtsbuch er-Lhlt die Heldentat des braven Mannes. Niemand kennt sein Grab. Bon seiner Tat redet kein glanzendes Denkmal. Er war nur ein armer Schafhirt, aber er ist getreu gewesen bis -mn Tode. Darum soll seines Namens nie und nimmer vergessen werden.

SS. Erinnerungen an Äatl Ungnst. Ludwig Weniger nach Adolf Schöll.

Wem immer Karl August nahe trat, der fühlte de» Charaktergehalt um so mehr, je einfacher des Fürsten Gehabung, Wort und Ton war. Ein Weimarscher Bürger ging am frühsten Morgen im Park spazieren. Ob er gleich wußte, daß hier zu rauchen nicht erlaubt sei, versagte er sich's doch nicht; denn zu solcher Frühstunde, dachte er, sieht's niemand und wird nie­ mand belästigt. Er schlendert um ein Boskett, und der Grvßherzog steht vor ihm, so plötzlich» daß er die Pfeise nicht beiseite'bringen kann. „Ei, Kerl," sagte der Groß­

herzog, „ich glaube gar, du rauchst." ,Lch kann's nicht leugnen. Königliche Hoheit; in der Morgenluft bebnnmt

eS gar zu gut". „Hm; da Hast du wohl auch Feuer?" „Das hab' ich, gnädigster Herr." „So gib einmal." Die Zigarre ward angezündet und nach beiden Seiten rauchend weiter gegangen.

Rur ein Schafhirt.

Erinnerungen an Karl August

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tzische Heer wurde gänzlich geschlagen und in die wildeste Flucht auseinandergesprengt. Auf den Feldern von Jena begannen die sieben Jahre preußischer Not und Schmach, bis sie endlich durch Gottes Gnade in den glorreichen Tagen

der Befreiungskriege wieder überwunden wurden. Das Opfer das alten, wackeren Schafhirten war vergeblich ge­ wesen. Zwei Tage nach der Schlacht wurde er mit Hun­ derten von gefallenen Preußen und Framosen in ein ge­ meinsames Grab gebettet. Erst lange darauf erhielten die Seinen die Nachricht von seinem Tode. Kein Geschichtsbuch er-Lhlt die Heldentat des braven Mannes. Niemand kennt sein Grab. Bon seiner Tat redet kein glanzendes Denkmal. Er war nur ein armer Schafhirt, aber er ist getreu gewesen bis -mn Tode. Darum soll seines Namens nie und nimmer vergessen werden.

SS. Erinnerungen an Äatl Ungnst. Ludwig Weniger nach Adolf Schöll.

Wem immer Karl August nahe trat, der fühlte de» Charaktergehalt um so mehr, je einfacher des Fürsten Gehabung, Wort und Ton war. Ein Weimarscher Bürger ging am frühsten Morgen im Park spazieren. Ob er gleich wußte, daß hier zu rauchen nicht erlaubt sei, versagte er sich's doch nicht; denn zu solcher Frühstunde, dachte er, sieht's niemand und wird nie­ mand belästigt. Er schlendert um ein Boskett, und der Grvßherzog steht vor ihm, so plötzlich» daß er die Pfeise nicht beiseite'bringen kann. „Ei, Kerl," sagte der Groß­

herzog, „ich glaube gar, du rauchst." ,Lch kann's nicht leugnen. Königliche Hoheit; in der Morgenluft bebnnmt

eS gar zu gut". „Hm; da Hast du wohl auch Feuer?" „Das hab' ich, gnädigster Herr." „So gib einmal." Die Zigarre ward angezündet und nach beiden Seiten rauchend weiter gegangen.

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Thüringen.

Der Gartenjunge Fritze tarn von Belvedere mit einer Tracht Blumen, wie sie um die Podeste am römische» Haus aufgestellt zu werden pflegten. Es war frühmorgens und der Herzog schon ausgegangen. Als Fritze fertig war, sagte der Kammerdiener: „Höre, Junge, weißt du mit dem Pfrop­ fen umzugehen? Da liegen die Reiser einer Blutbuche schon lange; der Herr will sie an den Baum da drüben gepfropft haben; es ist dem Hofgärtner schon mehrmals gesagt; ich weiß nicht, warum es nicht dazu kommt." Fritze war gleich bereit, machte die Operation und kehrte seines Weges nm. Im nächsten Frühling kamen alle fünf Reiser aufs schönste. Richt lange, so fragte Karl August den Kammerdiener: „Sag einmal, hast du gesehen, wer die Blutbuche eingesetzt hat? Bon den Hofgärtnern, so viel weiß ich, hat's keiner getan; denn sie wollen es alle drei getan haben." Der Kammerdiener erflärte, woher er wisse, daß es niemand an­ ders als der Gärtnerjunge Fritze gewesen. „Wenn der wied«rkommt," sagte Karl August, „so gibst du ihm zwei Laub­ taler." Nachher, als der Fürst von England zurückkam, traf er in Belvedere den Fritze im Gewächshaus: „Dir hab ich auch etwas mitgebracht." Es war ein schönes englisches Messer mit mehreren Klingen, wie sie der Gärtner brauchen kann, und eine ganze Sammlung von Mustern für verschie­ dene Arten des Pfropfens und Okulierens. Bon einem Tagelöhner aus der Umgegend, der zur Parkarbeit angenommen war, äußerte der Hofgärtner Fischer, er stehe in schlechtem Ruf; darum wolle er ihn fortschicken. „Bewahre!" sprach der Großherzog; „behalte ihn nur; es ist besser, wir haben den Kerl hier; da ist er unter Aufsicht und kann nichts machen." Bald darauf, als der Mann allein arbeitet, seine Pfeife im Mund, wird ihm, als stünde die ganze Zeit jemand hinter ihm; er sieht sich um, erblickt dsn Großherzog und wirft geschwind die Pfeife ins Gras. „Hole nur deine Pfeife wieder," sagte Karl August; „wer arbeitet, mag sich's dabei behaglich machen. Aber ich habe so mancher-

Erinnerungen an Karl August.

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lei gehört; nimm dich in acht, du! Machst du etwa Dumm­ heiten, fj sollst du merken, mit wem du's zu tun hast." Der Mann hielt sich von Stund an tadellos.

Noch als Herzog ließ einmal Karl August, als ihm ein schönes Reitpferd verendet war, die Sektion unter seinen Augen machen. Wie es getan war, gab er dem Jäger einen Laubtaler für den Scharfrichterknecht. Diesen Knecht wollte der Jäger nach dem allgemeinen Vorurteil nicht berühren und legte ihm den Taler auf den Karren. Der Herzog drehte sich herum: „Albernheit!," nahm den Taler: „Da, Lands­

mann, ein Trinkgeld von mir!" „Durchlaucht!" sagte der Knecht zugreifend, „ich bin ein sehr armer Mensch, aber der Laubtaler wird nicht klein gemacht; er bleibt in meiner Familie!" Ein Hofstallbedienter war abgeschickt, sechs Pferde aus Allstedt nach Weimar zu bringen, mit dem gemessenen Befehl, nicht durch die Unstrut fcu reiten. Er kommt an die Unstrut, vedenkt den langen Umweg, sie scheint ihm nicht groß: er wagt sich mit seinem Zug hinein, und alle sechs Pferde er­ trinken; er selbst rettet sich mit genauer Rot ans Land. Als dem Fürsten der Untergang der sechs schönen Tiere mit der ausdrücklichen Berufung gemeldet wird, wie streng -em Schul­ digen das Reiten durch die Unstrut untersagt worden, läßt er nur die Frage hören: „Aber der Kerl lebt?"

Im Jahr 1816 beim Besuch des neuen Landesteils bemerkte der Grobherzog auf den Jagden im Neustädter Kreise einen alten Jäger im grauen Kittel und Ledergama­ schen, der eine unscheinbare Flinte führte und an der Elster, auf dem Prießnitzer See, überall mit dabei war. Es war der Holzmacher und Kreiser Lucke von Lichtenau, ein tätiger, mit dem Wald- und Weidwesen von jungen Jahren her ver­ trauter Mann, den die Holzdiebe scheuten, die Bauern um Wetterregeln fragten, die Bergnügungs- und Sonntagsjäger

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Thüringen

der Umgegend zum unentbehrlichen Beistand hatten. Denn er sagte ihnen die Plätze, steifte sie an und machte ihr Jagd­ glück fertig. Karl August sah sich den Graukopf mit dem blitzenden Auge mehrmals an; sein sicheres Wesen und sein guter Schuß entging ihm nicht. Beim Abschied sagte er zu ihm: „Kannst mich einmal in Weimar besuchen." Dem alten Lucke tat das sehr wohl; doch dachte er, es bleibe ein freundlicher Gedanke und ein ehrendes Wort von dem Fürsten, auch wenn sich's nicht wohl schicken möchte, es sich buch­ stäblich zu nutz zu machen. Er ließ sich gar nicht ungern von Neckenden daran erinnern, er sei ja nach Weimar zu Hofe geladen, und blieb ruhig in seinem Lichtenau, bei Tag Holz machend, abends auf Schnepfenstrich oder Fährte, nachts auf dem Anstand. Aber da kam Brief und Siegel an den Landrat, der Landesherr lade den Kreiser Lucke zu sich ein, seine Jagden am Ettersberg mitzumachen. Eine Träne über­ raschte den Mten, als ihm das vorgelesen wurde; er stattete sich aus, so gut er konnte, machte sich, die Flinte über die Schulter, den Hund an der Leine, auf den Weg und stand an einem Septemberabend 1816 im Schloßhof zu Weimar. Der Großherzog kannte seinen Mann gleich wieder, und Lucke*fand ein hübsches Zimmer mit gutem Bett und reichliche Verpflegung für sich und seinen Hund. Am andern Morgen früh ging's nach dem Ettersberg; Lucke bekam seinen Stand nicht weit vom Herrn. Ein Spießer ward aufgejagt und entrann dem Schusse. „Laß deinen Hund los," rief der Herzog Lucken zu; der rasche Befehl reute ihn, als er schon flugs befolgt und der Hund hinter dem Wilde war; da tat Lucke seinen scharfen Pfiff, der Hund gab Appell, ließ aber vom Spießer und kehrte langsam zu seiner Leine zurück. „Jäger, du hast einen guten Hund," sagte Karl August, und die Umstehenden sahen sich den Gelobten an. Es gab des Tages noch Jagd vollauf und reichliche Beute, nicht ohne Staub und Schweiß, weshalb der Grobherzog am Abend den alten Lucke samt seinem Hund auf seine Droschke heranwinkte. Dem Lucke wollte es nun, als man der Stadt

Erinnerungen an Karl August.

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nahe war, unschicklich bünfen, daß bet Kreiser bet bem Fürsten sitze; er sprach bie Bitte aus, absteigen -u dürfen. „Schämst dich Nwhl, mit mir burch die Stabt zu fahren?" fragte Karl August lächelnb, und er bürste nicht eher als im Schloßhof aussteigen. So ging es bem Lichtenauer Jäger herrlich wie nie fast einen ganzen Jagdmonat, bis er denn doch um seine Entlassung nach Hause bat. Bei der Gewäh­ rung sprach der Großherzog noch: .Hier im Gewehrschranke lies dir eins aus, und schone mich nicht; das beste soll für dich nicht zu gut sein." Lucke brauchte seine Augen und behielt eine schöne Doppelflinte hochfroh in Händen. Nun stand er und blickte auf seinen treuen Hund, der ihm nie {eil gewesen wäre und nun gar nicht, seit Karl August gesagt hatte: .Läger, du hast einen guten Hund;" aber entschlossen sprach er: „Der Hund ist gut, nehmen Sie ihn von mir an. Königliche Hoheit; ich habe nichts Anderes, was ich für so viel Güte und Gnade bieten, könnte.^ „Ts freut mich," sagte Karl August; „ich könnte ihn wohl brauchen; aber du brauchst daheim auch einen guten Hund." So kehrte bet Kreiser mit Hund und zwei Muten nachsLichtenau zurück. Immer standen bte Fürstenworte: „Kannst mich auch einmal besuchen," „Jäger, du hast einen guten Hund," .Schämst dich wohl, mit mir zu fahren?" und wieder: „Das beste soll für dich nicht zu gut sein" und „Jäger, behalt ihn, brauchst auch einen guten Hmtb" um seine alten Tage her wie Sterne. Ms er, nicht gar lange nach Karl Augusts Hintritt, verschied, blieb die Doppelflinte ben Erben »um Kleinod, und das Gedächtnis dieser Fürstenworte an den alte« Lucke erhielt sich tut Volksgespräch von Sohn zu Enkel.

56. Thüringer Volkslied. Ach, wie ist's möglich dann. Daß ich dich lassen kann? Hab dich von Herzen lieb: Das glaube mir!

Erinnerungen an Karl August.

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nahe war, unschicklich bünfen, daß bet Kreiser bet bem Fürsten sitze; er sprach bie Bitte aus, absteigen -u dürfen. „Schämst dich Nwhl, mit mir burch die Stabt zu fahren?" fragte Karl August lächelnb, und er bürste nicht eher als im Schloßhof aussteigen. So ging es bem Lichtenauer Jäger herrlich wie nie fast einen ganzen Jagdmonat, bis er denn doch um seine Entlassung nach Hause bat. Bei der Gewäh­ rung sprach der Großherzog noch: .Hier im Gewehrschranke lies dir eins aus, und schone mich nicht; das beste soll für dich nicht zu gut sein." Lucke brauchte seine Augen und behielt eine schöne Doppelflinte hochfroh in Händen. Nun stand er und blickte auf seinen treuen Hund, der ihm nie {eil gewesen wäre und nun gar nicht, seit Karl August gesagt hatte: .Läger, du hast einen guten Hund;" aber entschlossen sprach er: „Der Hund ist gut, nehmen Sie ihn von mir an. Königliche Hoheit; ich habe nichts Anderes, was ich für so viel Güte und Gnade bieten, könnte.^ „Ts freut mich," sagte Karl August; „ich könnte ihn wohl brauchen; aber du brauchst daheim auch einen guten Hund." So kehrte bet Kreiser mit Hund und zwei Muten nachsLichtenau zurück. Immer standen bte Fürstenworte: „Kannst mich auch einmal besuchen," „Jäger, du hast einen guten Hund," .Schämst dich wohl, mit mir zu fahren?" und wieder: „Das beste soll für dich nicht zu gut sein" und „Jäger, behalt ihn, brauchst auch einen guten Hmtb" um seine alten Tage her wie Sterne. Ms er, nicht gar lange nach Karl Augusts Hintritt, verschied, blieb die Doppelflinte ben Erben »um Kleinod, und das Gedächtnis dieser Fürstenworte an den alte« Lucke erhielt sich tut Volksgespräch von Sohn zu Enkel.

56. Thüringer Volkslied. Ach, wie ist's möglich dann. Daß ich dich lassen kann? Hab dich von Herzen lieb: Das glaube mir!

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Thüringen.

Du hast die Seele mein So ganz genommen ein. Daß ich kein andre lieb als dich allein.

Blau ist ein Blümelein; Das heißt Bergißnichtmein. Dies Blümlein leg ans Herz Und denk an mich! Stirbt Blüt und Hoffnung gleich. Wir sind an Liebe reich; Denn die stirbt nie bei mir: Das glaube mir!

Wär ich ein Bögelein, Wollt ich bald bei dir sein. Scheut Falk und Habicht nicht, Flög schnell zu dir! Schöß mich ein Jäger tot. Fiel ich in deinen Schoß. Sähst du mich traurig an. Gern stürb ich dann!

Sprichwort. Wen Gott lieb hat, dem baut er ein Haus in Thüringen.

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Thüringen.

Du hast die Seele mein So ganz genommen ein. Daß ich kein andre lieb als dich allein.

Blau ist ein Blümelein; Das heißt Bergißnichtmein. Dies Blümlein leg ans Herz Und denk an mich! Stirbt Blüt und Hoffnung gleich. Wir sind an Liebe reich; Denn die stirbt nie bei mir: Das glaube mir!

Wär ich ein Bögelein, Wollt ich bald bei dir sein. Scheut Falk und Habicht nicht, Flög schnell zu dir! Schöß mich ein Jäger tot. Fiel ich in deinen Schoß. Sähst du mich traurig an. Gern stürb ich dann!

Sprichwort. Wen Gott lieb hat, dem baut er ein Haus in Thüringen.

Nachweis der Quellen.

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Nachweis der Quellen. Nur von solche« Stücken sind die Quellen hier angegeben, wo die Berfasser oder Verleger um Erlaubnis des Abdrucks von uns angegangen worden sind. Ludwig Weniger, Anhang für Thüringen ,u dem Deutschen Lesebuch von Bellermann, Jmelmann, Jonas und Suphahn. Berlin, Weidmann. Kinderschatz für Schule und Haus (Altenburger Lesebuch). Altenburg, Oskar Bonde. (Nr. 6, 25, 43, 51, 53). Drusches Lesebuch. Herausgegeben von Bellermann, Jmel­ mann, Jonas und Suphahn. Berlin, Weidmann. (Nr. 14, 15). Döbeliwr Lesebuch. Leipzig, B. G. Teubner. (Nr. 11). Meininger Lesebuch. Hildburghausen, Gadow u. Sohn. (Nr. 3, 12, 35«, 35«). Vaterländisches Lesebuch für das Grobherzogtum SachfenWeimar. Weimar, Hermann Bühlaus Rachf. (Nr. 50). Die Heimat, herausgegeben von dm thüring. Pestalozzi-Ver­ einen. Eisenach, Philipp Kühner. 1902 ff. (Nr. 8, 19, 27). Thüringen in Wort und Bild, herausgegebm von den thüring. Pestalozzi-Vereinen. Berlin, Julius Klinkhardt. (Nr. 17). Adolf Bube, Sagenkranz aus Thüringen in Romanzen. Gotha, Stollbergsche Verlagsbuchhandlung. (Nr. 26). Friedrich Ratzel, Glücksinseln und Träume. Leipzig, Fr. Wilh. Grünow. 1905. (Nr. 20). Wilhelm Rein, Lesebuch der Schuljahre. Leipzig, Heinrich B«dt. (Nr. 28). Richard v. Volkmann-Leander, Träumereien an sranzöslschen Kaminen. Leipzig, Breitkopf und Härtel. (Nr. 42). Ludwig Weniger, Die Dominikaner in Eisenach. Hamburg, Berlagsanstalt und Druckerei A.-G. (Dorrn. I. F. Richter). 1894. (Nr. 38). G. Werner, Bilder aus Thüringen. Verlag des Thüring. Evang. Sonntagsblattes in Neudietendorf. (Nr. 24).

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Inhalt.

Inhalt. •1. *2. *8. . 4. 6. 6. 7. 8. *9. *10. 11. *12. *13. 14. 15. 16. 17. *18. 19. 20. 21. *22. *23. *24. 25. *26. 27. 28.

Gedichte find durch * bezeichnet. edi» Thüringen, du holde» Land. Lvdwtg Storch . . . 1 Stein Thüringen. Rudolf Baumbach....................................... 2 Ofterdingen» Lied. Fr. Lehmenfick............................................. 3 Der Thüringer Wald. A Kutze«............................................. 3 Waldreitb tum. Karl Hübner....................................................7 Di« Heidelbeere und die Prrlhelbeere Karl Ruukwitz . 9 Der Jnsel»berg. Karl Kühner..................................................11 Der Rennsteig L. Hertel........................................................ 12 Der Reanstieg. Viktor von Scheffel..................................... 15 Wartburg Grast v. Wildenbruch............................................17 Die Wartburg. DSbelner Lesebuch........................................... 17 Wartburgsprüche...........................................................................23 Di« Mm. Schiller-Goethe........................................................24 Goethe» Gartenhau». Adolf Stahr.....................................24 Die Fürstengruft in Weimar. Adolf Stahr . ... 26 Jena, «do« Stahr.................................................................... 28 Die fiebea Wunder von Jena. F. Köcher.............................. 33 Die Rudettburg. Bernhard Kugler.....................................30 Erfurt» Gartenbau. A. Bergmann...........................................40 Wanderung im Unstruttal. Friedrich Ratzel .... 45 Der KysFaufer. A. Mauer :................................................. 47 Barbarossa. Friedrich Rückert................................................. 52 Friedrich Rotbart. Emanuel Geibel.................................... 52 Thüringer HauSinschristen. L. Werner.............................. 54 Der Untergang de» Thüringer Reiche». Rothe ... 55 Die Gründung von Ohrdruf. Adolf Bube .... 58 Die Paulinzella erbaut wurde. A. Witzschel .... 59 Ludwig der Springer. W. Rein.......................... .61 1. tote die Wartburg erbaut wurde........................................... 61 2. Warum Ludwig »der Springer* genannt wurde . . 63

33. tote Landgraf Ludwig eine» Krömer» Geselle wird. Serdtaand Bühler.......................................................................... 70 tterolf int Lager vor Akten, v. v. Scheffel.... 72 35. Die heilig« Elisabeth.................................................................... 72 1. Glifabech kommt al» vierjährige Braut auf die Wart­ burg. August Witzschel.............................................................. 72

Inhalt.

153 6dt« 2. Elisabeths Vermählung. Lodwig Sechsteln.... 74 'S. Elisabeths Vosen. Lodwig Bechstein................................ 76 4. Elisabeth erfährt de« Lod ihre» Gemahls. Fr. Lehmensick 77 5. Elisabeth wird von der Wartburg vertrieben. August »itzschel.......................................................................................78 6. Wie die heilige Elisabeth stirbt. Fr. Lehmenfick. . 80 SS. Der Streit um da» Erbe von Thüringen. August Wttzschel 81 *87. Der Mutterkuß. Karl Gerok..................................................... 86 38. Da» Große Thüringische Mysterium. Ludwig Weniger 88 88. Der Graf von Gleichen. August Widschel...........................01 40. DU weiß« Frau von Orlamünde. Wilhelm von üügelgrn 93 41. Etliche scharfsinnige Taten der Wasuager. Ludwig Bechstein............................................................................................94 1. Der Wasuager Stadtgalgen................................................ 94 2. WU dir Wasuager eine »atze lausten................................ 94 3. Der Hevbaum........................................................................... 85 42. DU AlU-Wetber-MühU. Richard Vollmann-Leander . 95 43. WU wir zu dem Namen Sachse« gekommen stad. Amende 98 44. Die Hussiten vor Naumburg. Ferdinand Väßler ... 99 45. Der sächfisch« Priuzenraob. Petrn» «lbtau» .... 101 46. Doktor Martin Luther» Jugendjahr«. Johann Mathrstu» 107 47. Luther aas der Wartburg. Augrm Witzschel .... 109 48. Luther im Schwarzen Bären -u Jena. Gustav Freytag US 49. Ende de» Bauernkriege». August Lüben.............................. 118 60. Luka» Cranach Johanna Schopenhauer.............................. 122 51. DU Fröhliche Wiederkunft. Karl Rualwttz........................ 124 52. Herzog Alba bet einem Frühstück auf dem Schloff« toi Rudolstadt. Friedrich Schm«.............................................. 126 53. Einige Züge an» dem Leben Ernst» de» Frommen. Soup« 129 54. Nur «in Schafhirt. F. Wilhelm Ziethe.............................. 133 55. Erinnerungen an Karl August. Adolf Schäll .... 145 *56. Thüringer Bolttlied....................................................................149 Sprichwort.................................................................................... 150

Druck een Juliur Beltz, Sosbuchdrucker

Lan-entalza.