Des Philosophen von Sanssouci sämtliche Werke: Band 11 [Reprint 2022 ed.] 9783112638484


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Des Philosophen von Sanssouci sämtliche Werke: Band 11 [Reprint 2022 ed.]
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Des

Philosophen von Sanssouci sämtliche

Werke. Elfter Band.

Neuübersezr.

Mit Königlich Preussischer und Kurfürstlich Sächsischer allergnädigster Freiheit.

Berlin, bet Arnold Wever. 1791-

Korrespondenz mit

Friedrich dem Einzigen.

I. den q. Januar 1774.

rt/ie Dame in Paris hatte zuverlässig Unrecht, Sie hingegen mit Ihrer Vermutung, daß ich über alles, was Sie neulich schrieben, *) nicht böse werden würde, haben das Ziel getroffen. Liebe und Has lassen sich nicht gebieten und

•) Hierunter ist Volrair's Satyre die Taktik zu verstehn, die in dem Abschnitt der ttebersezung von 'Voltiuv’s sämtlichen Schri f, ten: Vermischte Gedichte überschrieben, erscheinen wird. Hier ist die Stelle, welche den König, wie man aus den folgenden Brie­ fen ersieht, wirklich verdrossen hat. Die Helden hast' ich insgesamt. Von jenem grossen Cyruö an ViS auf den König voller Glanz, Der einen Lenrnluö erreg. Man preise immerhin, wie schön. Wie rühmlich ihr Vertagen sei. Ich fliehe doch von allen fern UM wünsche sie rum Teufel hin. A a

(

4

)

jeder ist in dem Stük zu de» Empfindungen

berechtigt, die er einmal hat.

Nichtsdestoweniger mus man gestehn: dl? alten Philosophen, die den Krieg nicht liebten, drükten sich mit mehrerer Schonung aus als unsre

neuern. Seitdem Racine das Wort Henker in seine eleganten Verse har einfliessen lassen, glau­

ben sie, daß dies Wort geadelt sei und gebrau­ chen ee ohne allen Unterschied in ihrer Prose.

Doch mnü ich Ihnen gestehn: ich höre eben so

gern gegen das Quartanfieber deklamiren als

gegen de» Krieg; Zeit und Mühe ist dabei ver­ loren.

Die Regenten lassen die Cyniker plärren

und gehn ihren Gang ungestört fort, sowie das Fieber.

Es bleibt davon nichts übrig als kräf­

tig auSgedrukre Verse, die zum Erstaunen von

ganz Europa beweisen, daß Ihr Geist nicht alt wird. Erhalten Sie stets diesen jugendlichen Geist

und sollten Sie auch im hunderten Zahre eine

blutige Satyre in Versen auf mich machen. Ich steh' Ihnen zum voraus dafür, ich will

darüber nicht böse werden.

Der Patriarch zu

Ferney kann vom Philosophen zu Sans- ©otu

pj sagen was er will. Pule.

Friedrich.

(

5

)

II.

Sire.

Am Januar 1774.

Äöiewohl ich Sie und Cyrus und den grosse»

Gustav u. s. w. zum Teufel gewünscht ha­ be , so schlag' ich dennoch Ihrer Majestät et­ was sehr Göttliches oder vielmehr sehr Mensch­ liches und Ihrer würdiges vor. Zch scherze jezt nicht, sondern beschwöre Sie, mir eine sehr we­ sentliche Gnade zu gewähren. Der junge Kavalier, der unter dem Namen de Morival als Lieutenant bei,dem Regi­ ment Eichmann zu Wesel steht, kann, so lan­ ge er in einen Kriminalprozcs verwikkelt ist und sich unter dem Druk des abscheulichen Urtheils­ spruchs befindet, der in Abbeville gegen ihn

Eichmann (Martin, Ludwig von) ward 1710den rr. Februar ru Kolb er g geboren und begab sich au- überwiegender Neigung in Krie­ gesdienste, statt den Wissenschaften sich zu wid­ men, wie er sollte. Mit dem Anfänge seines fünf, zehuten Jahres ging er unterGrumkow (ie»t Raumer.) Im Juli 1766 erhielt er das Bekwithsche Füselierregimeut ru Wesel. Er ist ein Offizier von vieler Erfahrenheit undauS« gereichneter Bravour. Wegen seines hohen A g

( 6

)

erging, weder von seiner Mutter noch von sei­

nem Barer erben.

Leztrer ist Präsident zu A b-

bstville und heisst Etallonde.

Mit dem

Sohne ist man seit der Zeit, daß er sich zu We­

sel in Ihren Diensten befindet, sehr zufrie­ den.

Ich kenne ihn als einen Ihrer bravsten

und wohlgesittetsten Officiere. Sein ganzer Ehr­

geiz geht dahin, in de» Diensten Ihrer Maje­ stät zu leben und zu sterben; er wird sich nie ei­ nen andern Köin'g und Herrn wählen.

Allein

es ist schreklich, daß er immer zu derselben To­ desstrafe verurtheilt bleibt, unter welcher der Chevalier Ve la Barre gestorben ist, der über

Ihre Kriegskunst eine»» kleinen Kommentar verfertigt hatte.

Diese Justizmorde werden auf immerjdaö ehmalige Pariser Parlement entehren, das ein

Feind seines Königs, der Vernunft und derGe-

Alters erhielt er auf fei« Gesuch im Januar 1791 die gebetne Erlassung als General von der Infanterie liebst einer jährlichen Penston von zweitausend Thalern, wie auch den fchwarre» Adlerorden. Der Generallieurenant und Gou­ verneur zu Wesel, der berühmte Heerführer, Staatsmann und Schriftsteller Schliessen bekani sein bisheriges Regiment. A. des Hebers.

(

7

)

rechtigkeit war und das durch seine Kassation

»licht genug bestraft worden ist. Es kommt jezt darauf an, für Msrival entweder Begnadigung oder Aufhebung des Ar-

rete zu bewirken, das ihn verurtheilt.

Ich bit­

te sonach Ihre Majestät allerinständigst mit>

unterthänigst, Morival'n auf ein Zahr Urlaub zu bewilligen.

Während der Zeit wird er sich bei

mir aufhalten und ich stehe Ihne»» für seine

Person. Zch will ihm zu so vieleir

Rekruten be-

hülflich sein, als Sie nur verlangen; an kei­

nem Ort in der Welt kann man leichter werben, als in dem kleinen Kanton, das ich bewohne, und das just eine Meile von der Schweiz, von Gc-

neve, von Savoien und der Franche-ComtL ent­ fernt ist.

Zch selbst will, ungeachtet meines

hohen Alters, dafür sorgen, daß er dieschön-

sten Leute bekömmt und die gesittetsten aussuchen. Zur Gnade dafür bitt' ich, daß Sie ihm

auf ein Jahr Urlaub schikken; er »vird sogleich abreisen und vielleicht nach Verlauf vo»i drei

Monaten wieder in Wesel sein. Kann er in Frankreich nicht erhalten, wa6 er begehrt, so wird er nichtsdestoweniger Ih,

A 4

(

)

8

tev Majestät höchlich verbunden sein und Sie

werden das gethan haben, was jene Cyrus

und Gustave, von denen ich so viel Böses ger sagt, gethan haben würden. Ich werfe mich Ihnen zu Füssen mit den Gesinnungen, die ich stets gehabt habe und wo­

mit ich ersterben werde. Voltaire.

III. ven io. Februar

17743bte Taktik hat mir eilte» tüchtigen Anfall

von Podagra zuwegegebracht, das ich noch nicht wieder los bin.

Dies hält mich aber nicht ab.

Ihnen zu antworten, da ich weis, daß grosse

Herrn schnellen Gehorsam heischen.

Sie verlangen von mir einen gewissen M 0? rival d'Etallonde

Wesel.

genannt,

Offieier

in

Er soll die Erlaubnis erhalten, auf ein

Jahr nach Ferncy zu gehn und es wird ledig­ lich bei Ihnen stehen, ob Sie ihn zum Anfüh­ rer Ihrer Prätorianischen Leibwache ernennen

( wollen.

9

)

Er soll dort weder Rekruten anwer­

ben , noch sonst etwas verrichten.

Doch will ich Ihnen den Wink geben, daß Sic, da er aus Frankreich verbannt ist, Sicher-

hcitsanstaltcnfürihn in Der so y treffen. Denn

ich mns Ihnen gestehn, ich traue Ihnen nicht Kredit genug zu, Pardon für ihn zu bewirken. Der Chevalier de la Barre und er sind Eines

Verbrechens angcklagt worden: es ist gegen die Würde des Königs von Frankreich, den Einen

zu begnadigen, da er den Andern hat öffentlich hinrichte» lassen.

Dadurch würd' er ja in Wi­

derspruch mit sich selbst steh».

Zch weis nicht,

daß die Richter des Chevalier de la Barre be­

straft worden sind; ich habe nicht gehört, daß man irgend einen Beisizer des Tribunals zu Amiens zu einer schweren Rechenschaft gezogen

hat, wofern Sie also nicht aus dem Innern

von Ferncy ganz Frankreich beherrschen, so kann ich mich unmöglich überreden, daß Sie

für diesen jungen Mann einige Begnadigung bewirken werden.

Der einzige Nuzen, den er von seiner Rei­

se haben kann, besteht darin, daß Sie ihn von Sen Vorurtheilen befreien, die er zu Gunsten A f

(

IO

)

seines Metierö vielleicht gefasst hat. Aber ich überlasse Ihnen denselben dennoch; und im Fall Sie ihn bekehren sollten/ wird es mir nicht schwer werden, ihn durch einen andern zu erftzen. Noch meld' ich Ihne»/ daß zu Magdeburg zwei Schupuzer sind, die ehmals unter dem Negimente Picardie waren und in Berlin ein Friseur/ dersich sonst unter den Armeen des Marechal Broglio befand. Sie stehen sammt und sondere recht gern zu Ihren Diensten, wenn Sie sie in Ferney haben wollen, um die Kolonie zu vermehren/ die Siedort anlegen. Hierüber erwart' ich Ihren Entschluö und wiewohl ich mir Ihren Haü und IhreUngnade zugezogen habe, so bitt' ich doch Apollo'n und seinen Sohn Aeskulap/ den Gott der Heilkunde/ Sie in ihre heilige Obhut zu nemen» Friedrich. IV. yotSdam Sm 16. Febe.

1774.

Sie müssen wisse», daß ich ein Teutscher von Geburt bin, und daß folglich daü Französische

rr

(

)

nicht meine Muttersprache ist.

So ungemeine

Mühe Sie Sich auch gegeben haben, mich in den

Feinheiten Ihrer Sprache zu unterrichten, so bin ich dennoch, theils wegen vieler Zerstreuung

gen, theils wegen des thätigen Lebens, welches meine Amtspflichten

mich zu führen nötigen,

nicht vermögend gewesen, von Ihrer Untere Weisung

ich

so

uieleit

Nuzen

gewünscht hatte.

zu

zieh»,

als

Mithin hab' ich Ihr

Gedicht über die Taktik falsch verstehn könne» und dies um so eher, da ich die Ausdrükke Has und zu allen Teufeln wünschen nie iir irgend einem Diktionnar für Billets doux ge-

funden habe. Nur in dem Fall möchten sie Statt finden,

wen»

es

von

Tyfiphone,

Me-

gäre und Alekto wäre geschrieben wordem Doch das hat nichts weiter zu bedeute». Sic ha­

ben einmal das Privilegium alles zu sagen und sogar das, was man gemeiniglich Injurie» nennt, durch schöne Verse zu veredeln.

Wenn

Rousseau sagt: Er, der Wrgeger Stilen'?, War' an dem Pla; des Sokrateö Der Le;re aller Sterblichen.

so hat er in Einem Sinn nicht Unrecht, weit Sokrates der weiseste und mässigste unter

(

r-

)

allen Sterblichen und Alexander der aus­ gelassenste und ungestümste aller Menschen war,

er, der in seinen Schwelgereien den Klitus

tödtete, ein andersmal in einer Anwandlung

Don Zähzorn de» Philosophen Kallisthenes umbringen lies und aus Schwachheit gegen die

Launen einer Kurtisane Persepolis verbrannte. Zuverlässig kann ein sowenig sanfter Karaktcr

auf keinerlei Weise mit dem Sokrates vergli­ chen werden. Richtigkeit,

Aber cs hat auch ebenfalls seine

daß dieser,

wenn

er Anführer

bei der Unternemung gegen die Perser gewesen

wäre, vielleicht Alexander'« nicht an Thä­

tigkeit und kühnen Entschlüssen würde gleich ge­ kommen sein, wodurch Leztercr ft> viele Natio­

nen bezwangEben so gern würd' ich gegen daö Flekfieber

als gegen den Krieg deklamiren hören.

Ma»

wird jenes so wenig abhallen, Verwüstungen, als diesen, Verwirrungen unter Nationen zu

stiften.

Es sind Kriege geführt worden, seit­

dem die Welt Welt ist und es wirb deren noch

lange Zeit geben, wenn Sie und ich werden der Natur ihren Tribut entrichtet haben.

IHv Morival hat die Erlaubnis bekom­ men, sich ans ein Zahr nach der Schweiz zu

(

13

)

begeben. Ich bin, wie ich Ihnen schon gesagt habe, überzeugt, daß sich nichts zu seinem Be­ ste» wird ausrichten lassen.

Aber er wird we­

nigstens Sie sehen und er kann das Preussische

Exercitium der Französischen Garnison beibrin-

gen, die Sie in Versoy legen werde». Man sagt, daß diese Stadt sich vergrössert

und zum Erstaunen aufnimmt.

Da« Publikum

schreibt die neue Existenz dieses Orts und dem Herrn de Choiseul zu.

Ihnen

Unstreitig

wird der neue Kriegsminister, Herr d'Aiguil-

Ion, die lezte Hand an dies Werk legen.

Inzwischen hab' ich immer das Podagra und ich schreibe nicht gegen dasselbe. Sie mögen

mich nun lieben, oder nicht, so wünsch' ich Ih,

nen

nichtsdestoweniger langes Leben.

Friedrich.

V.

Sire.

Sm tnar> 1774.

Sein Sie überzeugt, es geht mir sehr nahe, daß Sie das Podagra quält, nicht blos, weil

(

14

)

ich einen heftigen Anfall davon gehabt habt/ nnd weil man die Schmerze» beklagt, die man

selbst empfunden hat, sondern, weil die Gesund­

heit Ihrer Majestät etwas kostbarer und der Welt notwendiger ist als die meinige; und weil ich mich für Ihr Wohlsein weit mehr interes-

sire als Sie es glauben.

Zch will von allen

jenen elenden Scherzen über die Kunst zu tid-

ten nichts mehr gegen Sie erwähnen; ich 6iu

nur auf

Ihre

Erhaltung bedacht:

Ihrem

Ruhm können Sie keinen Zuwachs mehr ver, schaffen, wohl aber Ihrem Leben. Erzeigen Sie mir die Gnade, die ich für

Morival'n

von Ihnen erflehe, nicht unter

Schmollen und Cespötte über mich.

Der ar­

me Mensch verlangt nur in Ihrem Dienst sei­ ne Tage hinzubringc» und in demselben zu ster­

ben. Er Host von unsrem Kanzler ein Rehabilitationöschreiben zu erhalte», das ihn wieder erb­

fähig macht u»d wodurch

kommt,

er in

den Stand

seinem Ncgimcnte nüzlicher zu sein.

Solche Schreiben werden denjenigen leicht zuge­ standen,

die

worben sind,

nur per contumaciam verurtheilt Ucbrigenü kann ich Ihrer Ma-

(

TS

)

festat versichern, daß man jezt das gegen den

Chevalier de la Barre gefällte Urtheil bereuet. Zch habe eine authentische Erklärung einer Ma,

gistratsperson

aus Abbeville in Handen,

welche der erste Anlae 511 dieser schreklichen Ge, schichte war.

Hier find seine eignen Worte: Wir erklären, daß wir nicht nur das Urtheil gegen den Chevalier de la Barre verabscheu,

en, sondern

auch, daß uns noch bei

dem Namen des Richters, der diesen hassenswürdigen

hat,

Prozes

ein Schauder befallt.

glaubigung

dessen

haben

instruirt

Kur Be­ wir

dies

Certisikat unterzeichnet und mit un­

srem Znsiegel versehn. Abkcriuc v--.,

?loe.

de Lelleval.

1773.

Zudem, so ist es In unsrer Zurisprudenj (wenn wie eine haben) Rechtens, daß ein wäh­

rend seiner Abwesenheit Verurtheilter gehört wird, wenn er auftritt.

Solchergestalt hab'

Ich das Glük gehabt, dieFamilie Sirven wie­

der in Ihren vorigen Stand zu sezen; und in eben der Hofnung fleh' ich Ihre Majestät für

i6

(

)

Nlorival'n an, der Ihnen zugehört. Kann ich

in Frankreich für ihn nicht die Gerechtigkeit

erlangen, die ich begehre, so werd' ich Ihnen denselben auf der

Stelle zurükschikken; und

erwirb sich zufrieden geben, da er die Ehre hat, einem König zu dienen, der Krieger und Phi­ losoph

ist,

thut und

sieht

der alles

und alles

selbst

der nie diese abscheuliche Mezelei

würde geduldet haben.

Ich danke sonach Ih,

rer Majestät mit der grössten Rührung; und

wenn ich in meinem Werk nicht glükke, so werd' ich nichtsdestoweniger für Ihre ausserordentli­ che Güte erkenntlich sein.

Lassen Sie Sich, Sire, die tiefe Ehrer­ bietung des alten Kranken gefallen, der so der

Ihrige ist, als wen» er wohl wäre. Voltaire.

N. S. Zn eben diesem Augenblik find' ich eine»

Brief von Morival wieder.

Ich unter­

streiche die Stelle, worin er mir seine Ge­ danken über seinen Dienst vorlegc.

Sie

werden daraus ersehen, Sire, daß Sie

Ihre Protektion keinem unwürdigen Sub­

jekte zugestehn.

Zch

(

17

)

Zch wag' es, Sie, im Fall es ihm mit

seinem Prozee nicht gelingt, um eine andre Gnade für ihn zu bitten, — um die, ihn zur Russischen Armee unter die andern Oss

freiere Ihrer Majestät zu schikken.

Er

wird unter den Türken nicht etwas so bar, barisches sehn,

als was sich zu Abbeville

zugetragen hat.

VI. Potsdam Len 29. Marr 1774*

^Zhre Beredsamkeit gleicht der des berühmten Redners Antonius, der seine Rechtssachen

so gut zu führen wusste, daß .er 'sie! immer go, wann.

Zch fühle mich Ihnen für den Hae,

den Sie gegen mich hegen, sehr verpflichtet und ich bitte Sie um dessen Fortsczung als um dir

grösste Gewogenheit, die Sie mir erzeigen körn „en.

Bald werden Sie mich überreden, daß

es am Hellen Mittage Nacht ist.

Morival, vermut' ich, befindet sich jezt in

Ferney. Sie verstehn die Französischen Geseze besser wie ich, und Sie werden den scheinbaren

Widerspruch aufiisen, daß diese Geseze einem

B

(

iS

)

Epilirten verbieten, alle zu Frankreich gehörigen

Provinzen zu betreten und daß er sich dann doch

darinn befindet.

Sie werden ihm wohl Be­

gnadigung und überdies noch eine Belohnung

verschaffen, weil er Kopf genug gehabt hat,

sich der Todesstrafe zu entzieh», die der unglük/ lichc la Barre erlitten hat.

Ich will glauben, daß es selbst in Abbeville

verständige Leute giebt, die das barbarische Ur­

theil ihrer Richter tadeln.

Wenn aber der Fa­

natismus ruft: die Religion ist beleidigt, so wird man dieselben Richter im Taumel ihres frommen Eifers an denen, die man bei ihnen angegeben hat, die vorigen Grausamkeiten ver­

üben sehen.

Ihre Französische Richter sind wie die uns«, gen, wenn sie das hizige Fieber haben; wehe

dem Schlachtopfcr, das sich ihnen zeigt, indes ihnen der Kopf eingenommen ist.

Doch dem Befchüzcr der Lalao und der Sirven gebührt es, Morival'n beizustehn uiid feine Nation von dem ^Brandmal zu befreien,

das so himmelschreiende Barbareien, wie dir zu Abbeville und Toulouse, ihr aufgedrükt ha»

ben.

(

r9

)

Zudem ich jezt schreibe, erhalt' ich Ihren

zweiten Brief vom elften datirt. vhne

Er findet mich

Podagra, und ich bin Ihnen für das

Kompliment, das Sie mir aus Anlas meiner Krankheit

machen, nicht

wenig

verbunden.

Glauben Sie mir inzwischen, ich bin überzeugt,

daß es vor meiner Existenz recht sehr gut auf

der Welt ging und daß es eben so sein wird, wenn ich wieder mit den Elementen vermischt

bin, aus denen mich die Natur znsammcngeftzc hat.

Was ist Ein Mensch, Ein Zndividunm

gegen die Menge Wesen, welche diesen Erdball

bevölkern? Man findet Fürsten und Könige in Ucbcrflus auf demselben, aber nur selten Vir,

g i l e nnd Voltaire.

Wir kennen hier

den weissen Stier,

aber nicht den Dialog des Prinzen Eu, gen und Marlborough's, dessen Sie gegen mich

gedenken.

Man sagt, Sie hätten ein

Gespräch der heiligen Jungfrau mit der

Pompadour verfertigt.

Ich finde, daß die,

se Personen einen reichhaltigen Stof geben und

bitte Sie, mir diese Unterredung zu schikken. Die Werke Ihrer Jugend trösten mich über meine Nadotage.

B

a

(

2o

)

Bleiben Sie lange jung, hassen Sie nilch nod) lange, zcrgcisseln Sie die armen Militär--

Personen, verschreien Sie diejenigen, ihr Vaterland

welche

vertheidigen und wissen Sie,

daß mich daü alles noch nicht abhalten wird, Sie zu lieben. Volt.

Friedrich.

VII. Terney den 26. April

1774. Erlauben Sie mir, mit Ihrer Majestät von Ihre«! jungen Offieicr zu sprechen, dem Sie

die Erlaubnis gegeben haben, 311: mir zu kom­ men.

Ich glaubte in ihm einen jungen Franzo­

sen zu finden, der noch einen Ucberrest von der unsrer Nation so oft vorgeworfnen Etourdcrie

besässe,

und

sieh, es

ist der

bedachtsamste,

verständigste Mann von den sanftesten Sitten, der das Metier der Waffen, dem er sich gewid, mct hat, leidenschaftlich liebt.

Noch weis ich nicht, ob ihm sein Vorhaben gelingen wird; aber er hat mir zwanzigmal ge, sagt: er würde nie Ihren Dienst verlassen.

(

21

)

wenn er selbst das glänzendste! und dauerhafte/ sie Glük in Frankreich machen könnte. Zch war von seiner Familie und seiner erstaunenswürdigen Sache nicht hinlänglich unterrichtet. Er ist, wie ich nun weis, aus einem guten adln chen Hause, der Sohn der ersten obrigkeitlichen Person in seiner Geburtsstadt. Zch lasse mir die Akten senden. Nun ich sehe, was sein Fehltritt war und wozu er dafür verurtheilt worden ist, so kann ich vor Erstaunen gar nicht wieder zu mir kommen. Marr beschuldigt ihn blos, mit dem Hut aufdem Kopf in einer Entfernung von vierzig Schritt bei einer Prozession von Kapuzinern sehr schnell vorübergegangen zu sein, rmd mit einigen andern jungen Leuten ein lusti­ ges Liedchen gesungen zu haben, das vor mehr als hundert Zähren war gemacht worden. Es ist unbegreiflich, daß man in einem Lam de, welches sich für polizirt ausgiebt und einige liebenswürdige Staatsbürger zu besizen behaup­ tet, zur Strafe der Vatermörder einen Züng/1mg, der noch vor Kurzem Kind war, wegen einer Handlung verurtheilt hat, die selbst nicht ein Peccadiilo ist und die weder zu Madrid noch zu Rom nicht einmal mit achttägigem Gefäng­ nis würde bestraft worden fein. OCX o D

(

22

)

Ma» spricht in Europa von diesem Vorfall

noch mit Eutsezen und ich bin davon noch so

sehr frappirt, als das erstemal, da ich es erfuhr.

Zch würde dem Herrn de Morival,

einem Officier in Ihren Diensten, geraten ha­

ben, sich nicht so heruntcrlassen und wahnsinni­ ge Barbaren um Begnadigung zu bitten, wenn er diese nicht brauchte, um eine Erbschaft ankret-n zu können.

Was sich auch eräugnen mag, so wird er so lange bei mir bleiben, bis seine Sache geglükt

oder fehlgeschiagen ist und er wird die ihm von Ihrer Majestät

sobald

ertheilte Erlaubnis

nuzen,

er nur kann, wieder, zu seinem Siegt.-

mente zurükkehren und zwar an dem

Tage,

welchen Sic ihm verschreiben.

Ich danke Ihrer Majestät, daß Sie ihn

mir zuzuschikken geruht habe».

Ich werde ihm

von Tage zu Tage mehr gewogen und seine

Leidenschaft, Ihnen stets zu dienen, ist einer der stärksten Gründe meiner günstigen Gesin­

nungen für ihn.

Ich wag' es, Ihnen zu ver­

sichern , daß Niemand Ihrer Protektion wür­ diger ist als er. Das Mitleid, das seine schrek-

liche Begebenheit Ihnen einflösst, wird den

(

2Z

)

Trost seines Lebens machen, das so unglüklich begann und das unter Ihren Defelen so glüklich

endigen wird.

Mein Leben ist jczt ein Gewebe

der grössesten, zu Boden drükkendsten Schwach­

heiten; Ihre

Güte lindert das Bittre der­

selben und ich werde es mit den Gesinnungen beschliessen, die stets unwandelbar gewesen sind, mit der tiefsten Ehrerbietung für Ihre Maje,

stat und ich wag' es zu sagen, mit der zärtlich­

sten Anhänglichkeit für Ihre Person.

Der alte Rranke zu Fcrney.

VIII. Potsdam den 15. Mai X774. ist Ihnen die grössten Verbindlichkei­

ten schuldig. Ohne ihn zu kennen, hat blos seine Unschuld diesen jungen Main« bei Ihnen ver­ treten. Voller Schamröte, daß man in Ih­

rem Vaterlande barbarische Urtheile überLeichtsinnigkcitcn ausgesprochen hat, die man zu kei­

nem Verbrechen stempeln kann, übcrnemenSie grosmütig seine Vertheidigung. B 4

Dadurch er-

(

24

)

klären Sie Sich als den Dcschüzer der Unter/

drükker und den Rächer der Ungerechtigkeiten. Inzwischen wird

es bei allem Ihren guten

Willen schwer, wo nicht unmöglich sein, die Begnadigung dieses jungen Mannes zu bewir­ ken.

So viele Fortschritte die

Philosophen

auch machten, so halten sich dennoch Stupidi­ tät und falscher Glaubenscifcr in der Kirche

aufrecht und der Name der Schaudb** ist noch immer das Feldgeschrci aller Armen an

Geiste und derjenigen, welche die Wut befallen hat, daö Seelenheil ihrer Mitbürger zu beför­

dern.

Zn einem Allerchristlichstcn Kö­

nigreiche müssen auch die Unterthanen allcr-

christlichst sein;

und man wird diejenigen

nie dulden, die es unterlassen, vor einem Mehl-

küchelchen, bas man als Gott anbetet, einen Reverenz zu machen oder vor demselben nicder-

zuknicen.

Aas einzige Mittel für Morival'tt Begna­ digung zu erhalten, besteht darin, daß er sich

durch Ueberrednng entschliesst mit der Fakkel in der Hand air der Thüre irgend einer Kirche öf­

fentliche Busse zu thun, am Fus des Hochal­ tars von Mönchen seinen Schilling zu empfan-

jje» und gleich nach Verlassung der heiligen

Träte selbst Mönch zu werden.

Weder Sie

noch er werden auf eineandreArt jene Geistlichen -erweichen, die sich fürDienerdes Gottes der

Rache ausgcben, noch Richter, denen nichts so sauer ankömmt,

als einen Widerruf zu

thun.

Inzwischen wird Ihnen dies Unternemcn zur Ehre gereichen und die Nachwelt sagen,

ein Philosoph, der sich nach Fcrney zurükgezogen hatte, erhob aus dem Innern seiner Klau­ se seine Stimme gegen die Ungerechtigkeit sei­

nes Jahrhunderts, lies die Wahrheit am Fusse

des Throns glanzen und zwang die Mächtigen der Erde, Misbräuche abzuschaffcn. Soviel hat

nie Aretin vermocht.

Fahren Sie fort, Waisen,

die Witwen und

die nnterdrükte Unschuld

Menschheit zu

die

und die

schüzen, welche der betitelte

herschsüchtige Uebermut in den Staub tritt uud

sein Sie überzeugt, ldaß Ihnen Niemand mehr Glük wünscht, als der Philosoph von

Sans, Souci. Vale.

Friedrich. B y

(

-6

)

IX. Potsdam den i9- JunZ

1774«

9)1 ich hat fein Pferd abgeworfen, ich bin nicht gefallen; mir ist es nicht wie Ihrem Sankt Paulus ergangen, der ein erbärmlicher Neu ter war, aber ich habe das Fieber nebst einer starfett Rose gehabt. Gleichwohl ist mir in mei­ nen Phantasien nichts Ausserordentliches zu Ge­ sicht gekommen; kein dritter Himmel. Noch weniger hab' ich „unaussprechliche Worte gehört, welche kein Mensch sagen kann." Mein ganz alltägliches Abenteuer redueirt sich auf eine Rose, wie sie jedermann haben fmin. Der Leidner Zeitungsschreiber, der mich nicht mit seiner Gewogenheit beehrt, hat die Erzählung nach seinem Behagen aufgestuzt. Er besizt eine poetische Einbildungskraft mrd es liegt nur an ihm, ein episches Gedicht zu ver­ fertigen.

Der gute Ludwig XV. ist also mit Extrapost zum ewigen Vater abgegangen? Das thut mir leid; es war ein wakrer Mann, der keinen andern Fehler hatte, als daß er König war.

(

27

)

Sein Nachfolger tritt die Negierung mit vieler Weisheit an und lasst die Welschen eine ghlfr liehe Negierung hoffen. Zeh wünschte, daß er die dü Barry *) aus Ehrerbietung für seinen 'Grosvater gelinder behandelt hatte.

Wenn das Mönchsgefchmeis auf diesen jungen Mann Einflus hat, werden die Petitsmaitres Rosenkränze tragen und die Eingeweih­ ten der Venus mit Agrrus dei überdekt sein. Irgend ein Bischof würde sich dann für Mo, rival'n verwenden und ein Piepüffe seine Vertheidigung fuhren müssen. Man behauptet, daß sich ein Ungewitter aufziehe und die Philoso­ phen bedrohe. Ich erwarte ruhig in meinem kleinen Erdwinkel die neuen Veränderungen, welche sich unter dieser neuen Regierung zutra­ gen werden; bin gestimmt, zu bewundern, was bewundernswürdig sein wird; über das, was

e) Bekanntlich die lezte Maittesse des vorge, nannten Königs,

A. des Ueberf. Picpüffes Frantiskanermönche, von einem Dorfe nicht weit von Paris so benannt. A. des Nebers.

(

-8

)

eS nicht ist, meine Betrachtungen anzustellett

«nd mich nur für das Schikfal der Philosophen zu interessiren, hauptsächlich für des Patriar-

chen zu Ferne,) feine, dessen aufrichtiger Be­ wundrer der Philosoph zu Sans-Souri war,

ist

und sein wird. Valt.

Friedrich.

X.

Sm 3uli

Sire.

1774.

Di- Herrgottschnapper fSnntcn

wirklich

irr

Frankreich Kredit bekommen; vielleicht möchte sogar

die liebenswürdige

Tochter derjenigen,

die Sie, wie man behauptet, die Betschwe­

ster nennen,

Befestigung tragen.

mehr als irgend Jemand zur

dieses so gefarlichen Anschnö bei­

Ich habe mein Bischen Ueberrest von

Seele nicht genug exaltirt, um geläufig iin der

Zukunft zu lesen, allein

ich

befürchte alles.

Alte Personen sind schüchtern, nur Sie allein werden mit den Zähren an Mut zunemen;

aber Sie sind auch gar nicht wie andre Men­ schen beschaffen.

(

-9

)

Derjenige, von dem Ihre Majestät mit mir zu sprechen belieben, hatte, wie Sie sehr

gut sagen, den Fehler, König zu sein.

Er war

wie so viele andre, für seinen Posten wenig ge­ schaffen, gleichgültig gegen alles,

aber leicht

empfindlich über Kleinigkeiten, die ihn persön­

lich betrafen.

So z. B. hat er mir nie ver­

zeihen können, daß ich ihn nm eines andern

willen verlassen hatte, verwirklich König war. Zch konnte mir gar nicht vorstcllcn, daß er sich

darum bekümmern werde, ob ich auf der Liste seiner Domestiken stehe oder nicht. Ich schäze sein Andenken und ich wünsche, daß Sie genau

twch einmal so lange lebet« tnögcn «vie er.

Macht manMorival'n Schwierigkeiten, so

werd' ich ihn Ihrer Majestät auf der Stelle

zurükschikken.

Unsre Welschen Untertyrannm

waren rechte abgeschniakte Ungeheuer.

Dieser

junge Mann, den sie verurtheilt haben, die Hand und die Zunge durch den Büttel zu ver­

lieren, dann gerädert und ine Feuer geworfelt

z«l werden (als wenn er ein Duzend Vatcrmordebegange» hätte,) ist der sittsamste, bedächtig­ ste Züngling, den ich je gesehn habe und hat

von einem jungem Offieier nichts als die Bra-

( vour.

30

)

Seine Erziehung ist, wie es in allen

kleinen Städten von Frankreich geschieht, sehr vernachlässigt worden. Iczt lernt er bei mir

von ciiicin sehr guten Lehrer Geometrie, Forti,

fikationswescn und Zeichnen, und ich siche da­ für, er wird »ach seiner Znrükkunft im Stan­

de sein, Ihrer Majestät wahre Dienste zu lei­

sten und sich Ihrer Protektion i» jener verteu­ felten grossen Luzifcrökunst sehr würdig gemacht

haben, worin Sie der grösste Meister sind.

Ich warte auf die Gelegenheit, für ihn das zu begehren, was Menschlichkeit,

Gerechtig­

keit und Vernunft ihm schuldig sind.

Sein

Vater ist Edelmann und Präsident einer alber, ne» Stadt, sein Oheim Mtrer des Maltheser,

ordens; sein Bruder hat nm eine adliche Bail,

li- Stelle angcsucht und keiner von ihnen cs

gewagt, für ihn zu sprechen.

Geruhen Sie zu überlegen, Sire, ob Sie wohl ohne Sich zu kompronnttiren, jenen bra­

ven nnd tugendhaften Officier, der Ihnen zu,

gehört, in Schn; ncmen und ob Sie mich au, rorisiren wollen, zu sagen, er befinde sich un­ ter Ihrer Proteklivl» und man würde Ihnen

ein Vergnügen machen, wenn man ihm zu sei,

3i

(

;

nein Zwck beförderlich wäre. Mich dünkt, diese

Wendung könnte ihm sehr viel Nuzen verschaf­ fen, ohne Ihre Majestät dem geringsten Verdrue auszusczei«.

Ich gestehe, wem« ich an Morivala Stel­

le wäre, so würd' ich mich sehr hüten, das Geringste von den Welsche» zn verlangen; aber

er ist dazu gezwungen, er darf seine Erbschaft

nicht fahre«« lassen.

Zch bitte Ihre Majestät,

mir eine Behelligung zn verzeihen, deren Mo­

tive Sie billigen. Mit der Ehrerbietung, der Anhänglichkeit «nid der Betrübnis, die mich in's Grab bcgleitet« werden, werf' ich mich Ihne«: z«« Füssen. Voltaire.

XI. Por-'-am freu 30. Zurr »774.

Noch wag' ich es nicht, über Ludwig XVI. mein Urtheil zu fällen.

Man mus Zeit haben

eine Reihe voi« seinen Handlungen z«i sammeln titib alle seine Schritte und zwar einige Zahrr

hinter einander beobachten. Zu rasches rnch übereiltes Entscheiden täuscht stets.

Sie, der Sie Bekanntschaften in Frank, reich haben, können in Betref des Hofes Anek­ doten wissen, die mir unbekannt sind. Behält die Partei der Schandb" über die Anhäiu ger der Philosophie die Oberhand, so beklag ich die armen Welschen; sie laufen Gefahr, vo» irgend einem Scheinheiligen in der Mönchs­ kutte oder Soutane beherrscht zn werden, dee ihnen mit der Einen Hand dieDiseiplin geben und mit der andern das Krnzifix um den Kopf schlage wird. Geschieht das, so gehabt Euch wohl schöne Künste und höhere Wissenschaf­ ten! Der Rost des Aberglaubens wird vollende ein sonst liebenswürdiges und für die Geselligfeit gebornes Volk verderben. Doch es ist noch nicht gewis, daß die traurige religiöse Thorheit ihre Schellen am Throne der Kape, tinger. schüttelt. Wir Soutane, ein enger und langer Rok mit dicht anliegenden Aermeln bei den Römisch »katholi/ scheu Geistlichen. 2l. des Uebers.

(

33

)

Wir wollen die Manen Lndwig's XV. in Ruhe lassen. Er hat Sie aus feinem Reiche ver--

bannt und gegen mich einen ungerechten Krieg

geführt:

man darf gegen Beleidigungen aller,

bings empfindlich fein, aber man mns zn ver­ zeihen wissen.

Die düstre und gallfüchtige Lei­

denschaft der Rache ziemt sich nicht für Men-, fchen, die nur für einen Angenblik existiren.

Wir müssen uns

wechselseitig unsre Sottisen

verzeihen und uns auf den Genus des Glüks

beschränken, das unsre Natur verträgt.

Ich will gern zum Glük des armen iTTotü

val

beitragen, meint ich kann; die Neigung,

Ungerechtigkeiten gut zu machen und wohlzurhun mus sich in der Brust jedes Menschen befinden.

rechtlichen

Bauen Sie indes auf den

Kredit, den ich in Frankreich habe, als gar nicht; ich kenne dort Niemanden.

so viel

Vor

zwanzig Jahren sah' ich den Herrn de Ber­

ge nn es, wie cr hier durch nach Pohlen ging, allein dies ist nicht genug, um auf feine Un­

terstützung mit Gewisheit zu rechnen.

Kurz,

Sie werden in dieser Sache so zu Werke gehn, wie Sie cs für das Beste des jungen Mannes

am zuträglichsten halten.

C

(

34

)

Ach habe Aufresne'n auf unsrem Theater

spielen sehn und zwar die Nollen des Cöuei und des Mithridat.

Man sagte mir, cr

sei zu Ferney gewesen; sogleich lies ich ihn zu mir kommen, um mich nach Ihnen zu erkun­

digen; und da erfuhr ich: Sie waren bei seinem

Dortsein bettlägerig gewesen und hätten Blut urinirt.

Diese Erzählung erschrekte mich; aber

er sezte hinzu: Sie hätten ihm einige Rohen

vordeklamirt und da erholt' ich mich wieder. So lange Sie mit so vieler Kraft gegen die

Kunst Blize abschlendern, welche Sie die höl­ lische nennen,

werden Sie leben; und ich

werde erst dann Ihr Ende für nahe halten,

wenn Sie aufhören Schmähungen den Rä­ chern des Staats, den Helden zu sagen, wel­ che ihre Gesundheit, ihre Glieder und ihr Le­

ben in Gefahr sezen, um ihren Mitbürgern das ihrige zu erhalten.

Da wir Sie verlieren

würden, wenn Sie Sich nicht jener Sarkas­

men gegen die Krieger entlüden, so gesteh' ich Ihnen das ausschliessende Privilegium zu, Sich auf Konto derselben lustig zu machen.

Aber

nemen Sie einmal an, der Feind wäre im De-

grif in die Gegenden um Ferney einzubrechen.

( 35

)

würden Sie nicht den Schläger, der Ikre Be-

sizungcn vertheidigte und jenen zurükdrängte, als Ihrer» Schuzgott betrachten? Zch sehe Ihre Antwort zuvor.

Selbstver­

theidigung, werden Sie sagen, ist billig, aber angreifen mus man Niemanden.

Rechnen Sie

dann den Willensvollstrekkern der Fürsten nur nicht das zu, was die Befehle der Leztcrn Gc,

häffigcs haben können.

Wenn Türenne und

Louvoie die Pfalz in die Asche legten, wenn der Marechal Belleisle den Vorschlag wag­

te, aus Hessen eine Wüste zu machen, so ge­ reichen dergleichcu Vorschläge der Französischen

Nation zur ewigen Schande.

So sehr abge-

schliffen dieselbe auch ist, so lässt sie sich doch unterweilcn zu Grausamkeiten hinreissen, welche der barbarischten Nationen würdig sind.

Ver­

gesse»» Sie hierbei die Bemerkung nicht, daß

Ludwig XV. den Vorschlag des Marechal d e Belleisle verwarf und sich dadurch grösser

zeigte als fein Vorfahr. Aber ich weis nicht, wohin ich mich verirre?

Ziemt es sich für mich, jenem einsiedlerifcheir Philosophen, der aus seinem Kabinet ganz En, ropa mit Stof zum Nachdenken versorgt.

C -

Re-

(

36

)

flcxioiicn vorzulegen? Ich überlasse Sie allen Lenen, welche Ihr unerschöpflicher Geist Ihneu an die Hand geben wird. Unstreitig wird cr Obnen sagen: gegen den Krieg deklamiren fruchte eben so viel als dies gegen Schnee und Hagel thun; dies waren notwendige Uebel und cs sei eines Philosophen nicht würdig, unnüze Dinge zu initcvnemcn. Man verlangt von einem Arzte, daß er das Fieber heile, nicht daß er eine Satyro gegen dasselbe schreibe. Haben Sie Heilmittel, so geben Sic sie uns, wo nicht, so haben Sie Mit, leid mit unsrer Krankheit. Denn wenn gleich nicht alles gut ist in dieser Welt, so ist es doch erträglich, wollen wir mit dem Engel Ituriel sagen *) und wir müssen einmal mit unsrem Schiksal zufrieden sein.

Inzwischen häufen Ihre Russischen Helden Siege auf Siege an den Ufern der Donau, um Len Starsinn des Sultans zu brechen. Sie lesen Ihre Libelle und eilen daraufzum Gefecht. Und Ihre Kaiserin, wie Sie sie nennen, hat ') S. int 2tenBand vonVolrair's sämtlichen Schriften S. 146. Wie es in der Mclt geht. Ein Gesicht Dabuk'S.

(

)

37

eine neue Flotte in das Mittelländische Meer geschikt, und indes, daß Sie jene Kunst ver/ schreien, die Sie in Ihren Schriften höllisch nennen, muntern mich Ihre Briefe zu Dlu zenden auf, mich in die Unruhen des Orients

einzulassen.

Neimen Sie, wenn Sie es ver­

mögend sind, diese Widersprüche und sein Sie so gütig, mir die 'Konkordanz derselben zu-

zuschikken. Wir haben hier die Verse eines angeblichen

Russen an Ninon de l'Enelos, Pegasus und den Greis erhalten und wir erwarten

Ludwig XV. in den Elysaifchen Fel­ dern.

Alles das kömmt aus der Fabrike des

Patriarchen zu Ferney, dem der Philosoph von Sans - Souei langes Leben, Munterkeit und

Vergnügen wünscht. Vale»

Friedrich.

XII.

Sire,

rer,

Ms. 1774»

(V ^Zch

habe endlich unserm Kanzler den Antrag

gemacht, für Obren Officier zu thun, was er

filme; habe ihm geschrieben; Ihre Majestät C 3

(

38

)

geruhen Sich für diesen jungen Mann zu inle-

rcssire», der in der That wegen seiner aussen

ordentlichen Sittsamkeit, wegen der beständi­

gen Befleissigung auf alle seine Obliegenheiten und zumal wegen seines unerschütterlichen Ent­

schlusses, Ihnen Zeitlebens dienen, Ihre Pro­

tektion verdient. Vielleicht können Formalitäten, die dazu erfunden scheinen, daß sie den Gang der Ge­

schäfte verzögern sollen, Morival'n noch einige Zeit bei mir aufhalten; aber er wird sich in dem Augenblik, da Ihre Majestät es befehlen, wieder nach Wesel begeben.

Wahrhaftig, Sire, ich bin und war stets

Ihrer Meinung.

Sie schreiben mir in Ihrem

Briefe von zo. Juli: Nemen Sie an, der Feind wäre im Begrif, in die Gegend

von

Ferney

Sie

nicht den

einzubrechen, Schläger,

würden

der Ihre

Besizunge» vertheidigte als Ihren Schuzgott betrachten? Was Sie dort in sehr guter Prose sagen, hab' ich in "der Taktik in mittelmässigen Verseik

gesagt: Wie? Ihr klaget, daß man Euch veschüzen will?

Würdet Zhr denn wohl zufrieden fein,

(

39

)

Wenn ein Gorhe Eure reiche Saar, Eure volle Scheuren, jeden Saunt, Eure Schlösser in die Asche legte? Ha! gesteht, Sbr braucht der Hunde vier Eure Heerde» zu vertheidigen; Und eö giebet, zweifelt nicht daran, Kriege, die mit allem Fug und Recht Unternommen werden u» s. w. Sie sehen , Sire, ich dachte genau so wie ein gewisser Held unsers Jahrhunderts. dam Deshoulieree sagt:

Wenn man sich nicht nähern kann. Nicht versteh'», gerät man ost Um ein NichtZ in Zwist. Ueberdies denkt ein armer, am Fue der Al­

pen vergrabner Philosoph nicht so wie die Be­ herrscher der Erde.

Zene wahre oder angebliche

Philosophen sind Leute ohne Bedeutung, aber

wenn Ihr Helden und Souveräne eine grosse Idee gefasst habt, so hangt das Schiksal der Menschen davon ab.

Ich mag seufzen oder nicht, daß ich H omer'e Vaterland eine» Raub der Türken sehe,

die von den Ufern des Hirkanischen Meere ge­ kommen sind,

ich mag Sie bitten, daß Sie C 4

(

40

)

die Güte haben, dies Gesindel fortzujagen und

Alcibiadesse an deren Stelle zu sezen, eö wird beim Alten bleiben und die Türken rnchtö'

davon erfahren.

Wenn aber Sie die Lust am

kömmt, Ihre Macht gegen den Orient oder Occident $ti

erstrekken,

so wird die

Sache'

ernsthaft und wehe dem, der sich Ihnen widersezt.

Die Epistel an Ninon ist wirklich vom Grafen Schuwalow, einem Neffen des lezr

ten Liebhabers der Kaiserin Elisabeth. Die-

ser junge Mann ist zu Paris erzogen worden und besizt überdies viel Geist und Gcschmak. Vor fünfzig Zähren erwartete man nicht, daß

einsmals ein Russe so gut in Französischer Spra­

che dichten würde, doch ist ihm ein König im

Norden zuvorgekommen, der ihm grosse Bei­ spiele ausgestellt hat. Emre Satyre unter dem Titel: Ludwigder

Vierzehnte in den Elisa i sch en Feldern kenn' ich nicht und ich glaube nicht, daß eine

solche

Schrift

existirt.--------- Eben

ist

eine

Sammlung von Briefen des verstorbnen Lords Chesterfield

an feinen natürlichen Sohn

erschienen, den er so liebte, wie die Frau de

(

4i

Sevigne ihre Tochter.

)

Zn diesen Driesen

wird sehr oft voll Ihnen gesprochen nnd man lasst Ihnen darin alle die Gerechtigkeit wider­ fahren, welche die Nachwelt Ihnen wird zu; kommen lassen.

Die Stimme des Lords Chesterfield ist von

sehr grossem Gewicht, nicht nur, weil er zu einer

Nation gehört, die garnicht daran denkt, der;

Königen zu schmeicheln, sondern, weilerviel­ leicht von allen Engländern derjenige ist, der

mit

der

mehrestcn

Grazie

schreibt.

Seine-

Bewunderung für Sie kann nicht verdächtig

sein, da er gar nicht vermutete, daß seine Brie­ fe nach seinem und seines Sohnes Tode würden

gedrnkt werden.

Man übersezt sie in Holland

ins Französische, sonach werden Ihre Majestät

sie bald zu Gesicht bekommen.

Dieser Schrift­

steller ist unter der: Britten der Einzige, der

die Kunst zu gefallen als die erste Pflicht des Lebens anempfolen hat.

Ich erinnere mich stets, daß meine grösste Leidenschaft darin bestand, Ihnen zu gefallen,

jezt sehn' ich mich nur darnach, Ihnen nicht zu m i sfallen. Alles wird mit dem Alter schwäC s

(

42

)

d)cr; je mehr man seine Armseligkeit fühlt, je bescheidner ist man. Ihr alter Lcwnndrer.

XIII. Potsdam den 19. Sept»

1774.

Der Kanzler ist, zufolge der öffentlichen Nachrichten/ gestürzt, daher werden Sie zu einem andern Protektor Ihre Zuflucht tiemen müffelt, wenn Sie Morival'n dielten wollen. Man sagt, das ehmalige Parlenrent werde wieder zurükkommen, aber bekümmre mich um keine Parlementer und baue auf die Klugheit des sechzehnten Ludwigs, der besser wissen wird, als ich, was ein Ludwig zu thun hat. Ihren schönen Versen über die Taktik, lass ich Gerechtigkeit widerfahren, so wie den eleganten Injurien, die, nach Ihrer Behaupt rung, Lobsprüche sind. Zn Betrefdessen, was Sie über den Krieg hinzusügen, verflchr' ich Ihnen, daß Niemand in Europa darnach vm langt; und wenn Sie von Ihrer Kaiserin von

c

43

)

Nusland utib der Kaiserin Königin ein Zeugnis erlangen könnten, so würde es gleichlautend nnd des Inhalts sein, daß ohne mich ein allgemeines Kriegesfeuer in Europa würde entstand den sein. Ich habe Kapuzinerdinste gethan und die Flamme gelöscht. Das wäre in Hinsicht auf die Polnischen Angelegenheiten genug! Ich könnte diese Sa­ che vor allen Tribunalen der Erde führen und bin überzeugt, daß ich sie gewänne. Inzwi­ schen beobacht' ich Stillschweigen über so neuere Erangnisse; es wäre Indiskretion, sich darüber auszulassen. Ihren Brief erhielt ich bei meiner Zurükkunst aus Schlesien, woselbst ich den Grafen Hodiz gesprochen habe, der ehmats so frcf)/ launig war und jezt so traurig und melankolisch ist. Er kann der Natur nicht die Schwach­ heiten verzeihen, die ihn behelligen und die eine Folge des Alters sind. Ich habe beiliegende Epistel an ihn gerichtet, worauf Sie, wenn es Ihnen beliebt?, einen flüchtigen Blik werfen können. So gut wie*) die an die Ninon ist

*) Sie steht im sechsten Vande der Edition von den hinterlassenen Werken Friedrichs. A. des Ueberf.

(

44

)

sie nicht; aber ich hege starken Verdacht, daß DoltaLr'o Feile über die leztere gekommen ist» .Ich habe viele Russen gesehn, aber keiner davon äusserte sich auf die Art oder hatte den Frohsinn, der diese Epistel beseelte. Sie begnügen Sich, sagen Sie, daß ich Sie nicht hasse; und ich kann mich nicht er­ wehren Sie ungeachtet Ihrer kleinen Treulo­ sigkeiten zu lieben. Nach Ihrem Tode wird Niemand Ihre Stelle ersezen; um die schöne Litteratur üi Frankreich ist es dann gethan. Liebe zu den Wissenschaften wird meine lezte Leidenschaft sein; daher seh' ich mit Schmerzen, daß sie aus Mangel an Genie oder aus Ver­ derbnis des Geschmaks, welche die Oberhand zu gewinnen scheinen, in Verfall geraten. Nach einigen Jahrhunderten wird man die gu­ ten Schriftsteller aus der Zeit Ludwig' s XIV übersezen, wie jczt die aus der Periode der Periklee und Auguste. Ich schaze mich glüklich, zu einer Zeit auf die Welt gekommen zu sein, wo ich die lezten Autoren habe gcniesftn können, welche dies schöne Jahrhundert so berühmt machten. Unsre Nachkommen werden mit wenigcrm Enthusiasmus für die Meister-

(

45

)

(hisse des menschlichen Geistes gekoren werde«/ weil die brausende Hize sich gelegt hat. Diese geht nicht über die ersten Fortschritte der Wist fenschaften hinaus, dann folgt Sättigung und Hang zu Neuigkeiten, sie mögen gut oder­ schlecht sein.

Leben Sie so lange, als es Ihnen möglich ist, und stüzen Sie, als ein andrer Atlas, mit Ihren gewölbten Schultern die Ehre der Wissenschaften und des menschlichen Geistes. Dies sind die Wünsche, welche der Philosoph von Sans / Souei für den Patriarchen von Ferney thut.

Friedrich. XIV.

Potsdam den 8. Dfr. 1774.

D ie Unterhandlungen des Westfälischen Frie­ dens haben dem Claude d'Avaux, Grafen de Mefmcs und dem berühmten Oxensiierna weniger Mühe gekostet, als Ihnen das Ansu­ chen um die Begnadigung des Zacqnce, Maria, Bertrand d'Etallonde bei dem

(

46

)

Ihren Negoeiationen wi­ derfährt aller mir mögliche Unstern. Da giebt cs einen Kanzler ohne Kanzlei, den Sie nicht brauchen können, einen neuen, den Sie Französischen Hofe.

vielleicht nicht kennen und erst durch einige

schmeichelhafte Verse für Sich einncmen müssen, ehe Sie Jacques Maria'o Sache einleiten können, endlich ein Zeugnis, daß Sie von mir

verlangen und das nicht dem Kanzleistyl ge--

mäs ist. Man behauptet, ein A t t e st a t des Generals,

unter dessen Rcgimente er dient, sei hinlänglich,

und Fürsten müssten sich nicht so weit hcrablassen, von ihres Gleichen Gnade für ihre Diener

zu erbitten; oder man müsse daraus eine Ministerialangelegenheit machen.

Das sagt man.

Zch meines Orte, der ich weder im Kanz­

leistyl geübt noch vom Pimtilia gründlich unter­ richtet bin, werde mich damit begnügen, des

Generals Zeugnis dem Herrn d'Alembert zn schikken und meinem Minister zu Paris schrei­

ben lassen, daß er dem neuen Kanzler ein Paar Wort zum Besten des jungen Mannes sage. Wenn die alten barbarischen Gewohnheiten

über die guten Absichten des Herrn Marie,

(

47

)

Francois Arouet, de Voltaire und seines

AssoeiL, des Herrn

von Sans-Souei die

Oberhand behalten, so mus man sich darüber

trösten, denn es ist keine Ursach zu einerKriegeErklärung gegen Frankreich.

Das Sprüchwsrc

sagt: man mus leben und leben lassen.

So

denkt Ihre Kaiserin; sie begnügt sich, die Pforte gedemütigt zu haben und ist zu gros,

um ihre Feinde zu zermalmen.

mag werden was es kann.

Griechenland

Di? alten Griechen

sind in Frankreich wieder anfgelebt.

Die Fran­

zosen stammen von der Kolonie in Marseille;

dies neue Vaterland der Künste hält uns für das nicht mehr existirende schadlos. Veränderung ist nun einmal das Loos aller menschlichen Dinge; Griechenland und Aegyp­

ten ist (in die Reihe gekommen, allein Frank, reich, England und Teutschland, in welchem

Aufklärung beginnt, entschädigen uns sattsam für den Peloponnes.

die

Gärten des

Rom's Sümpfe haben

Lueullns

überschwemmt.

Vielleicht wird man in einigen Jahrhunderten Kenntnisse des Schönen bei den Russen schöp­

fen müssen.

Alles ist möglich und was noch

nicht geschehen, kann sich noch immer zutragen.

(

48

)

Sonach haben Sie keinen Ludwig XV. in

den

Elysaischcn

Feldern gemacht?

Dies hat mir so viel Mut gegeben, diese Mate/

rie in L u e i a n i sch e m Geschmak zu behandeln. Vielleicht werden Sie finden, daß ich sehr üblen

(Gebrauch von meiner Musse mache; inzwischen

gewährt mir so etwas Zeitvertreib .und bringt

Niemandem Nachtheil.

Hier ifi der Aufsaz;

vielleicht lachen Sie darüber.

Ich thue feurige Wünsche, daß das Wesen

der Wesen das Leben Ihrer mitleidvollen See, le verlängere; daß es Sie noch

lange zum

Trost der Unglüklichen und zum Vergnügen des demütigen Philosophen von Sane-Souci

erhalten möge. Pale.

Friedrich.

XV, Potsdam den 20. Oktober 1774. •JJolöe Säneer, Eure Kunst

Macht die kleinsten Dinge groS: AuSgcdörrrte Skelette FUllct die geschikte Hand;

Wiederum

(

)

49

Wiederum mit Fleisch und Kraft. Arouet und feine Huld, Die beständig wirksam ist, Machte mich Horaz en gleich.

Strengt' er seine Kräfte an;

Doch ein alter Teutscher Versler Oer von seinem frühsten Lenz In des M a v o r s Schule ging, Nun alS Veteran schon dient. Der sich mit Naein e'n nie Auf den Ooppelhügel schwang, Akkert nur sein altes Feld.

Wohl mir, daß der Himmel mich Zu der Zeit entstehen lies. Wo ich so viel Meisterwerke, Denen Du daS Dasein gabst, Sehen konnte — Sie sind'S wert,

Daß man ihnen Tempel weiht, Dächte unser Alter, daS Nur an Kleinigkeiten hängt.

So wie einstmals Gräeien Und wie Rom, wo jedem Sinn Und Gefühl für Grösse ward.

Doch entartet wie wir sind. Fehlt den Künsten aller Schur. Mrd auch Volrair' uns geraubt,

D

(

So

)

Sstttn sinkt jede Wissenschaft, Stürzt Apo llo'S Hügel ein! 2hr. Virgil und Cicero, Werdet dann mit ihm verscharrt.

Sie haben von der Knust der Könige gcfpitv chen und die Todten billig beurtheilt. Dice ist, war die Lebenden befrist, weit schwerer, weil man nicht alles erfährt und weil man unterweilen durch BekamitwerLung eines einzigen Um­ standes sich genötigt sicht, das zu billigen, was man zuvor verdammt hatte. Ludwig XIV. ward bei feinem Leben getadelt, daß er de» Sueeesiionskrieg untcrnam, jczt lässt man ihm Gerechtigkeit widerfahren; und jeder unpar­ teiische Richter mue gestehn, daß er unmännlich gehandelt haben würde, wenn er das Testament des Königs von Spanien nicht angenommen hätte. Zedermann begeht Fehler, folglich auch die Regenten. Aber der wahreWcife der Stoi­ ker und der vollkomnme Fürst haben nie cxistirt und werden cs auch nie. Fürsten wie Karl der Kühne, Ludwig XI. Alexander VI. und Ludwig Sforza waren die Geissel ihrer Länder und der Mensch­ heit. Dergleichen Regenten existiren nicht mehr in unserm Europa. Wir haben zwei Könige,

(

51

)

Lje bis zum an die Kette Legen unsinnig sind, eine Menge schwacher Souveräne, aber keine Ungeheuer wie im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert. Schwache ist ein Fehler, den man nicht abzulegen vermag; man mus sich deshalb an die Natur und nicht an den Men­ schen halten. Ich räume ein, daß man aus Schwäche Böses thue; allein in einem Lande, wo die erbliche Thronfolge festgeftzt ist, müssen notwendig dergleichen Wesen den Nationen vor, stehen, weil noch kein Haus ans Erden eine ununterbrochne Reihe grosser Menschen geliefert hat. Glauben Sie, daß alle Anordnungen der Menschen nie zur Vollkommenheit gelangen Man mus sich mit dem Beinahe begnügen und gegen unabstellbare Misbräuche nicht mit Heftigkeit deklamiren. Jezt auf unsren Morival! Ich habe meinem Minister an dem Französischen Hofe aufgetra­ gen, sich für ihn zu verwenden, ohne auf den Kredit, den ich daselbst haben kann, zu viel zu rechnen. Atteste von der Aufführung eines Supplikanten werden wohl bei Nechtshändeln produeirt, allein zu Negoeiatio-nen passen sie nicht. Man sezt immer, und das mit Recht, voraus, der Souverain, der seinen Minister D 2

(

L-

)

agiren lässt, wird sich nicht für einen Umvürdh

gen intereediren.

Inzwischen hab' ich,

um

Ihnen gefällig zu sein, ein von demKommain

kanten zu Wesel unterzeichnetes kleines Attestat an d'2llembert geschikt, nm davon gehörige» Gebrauch zu machen. Ueber Ihren intermittirenden ■ Puls ivtiiv

dr' ich mich nicht; wenn man lange lebt, fangen die Arterien an sich zu verknöchern und es gehört

Zeit dazu, bis dies die Holader trift.

Da-

durch bekommen wir noch einige Jahre Frist..

Sie werden noch eine Weile leben und vielleicht

mich begraben. Körper, die wie der meinige durch Fatigucn ganz zu Grunde gerichtet sind, dauern

nicht so langeans, als die, welcheman mittelst eines regelmässigen Lebens geschont und in gutem

Stande erhalten hat.

Dies ist meine geringste

Sorge; sobald die Bewegung der Maschine auf, hört, ist es gleichviel, ob man sechs Jahrhun­

derte oder sechs Tage gelebt hat.

Weit mehr

kömmt darauf an, ob man gut gelebt hat und sich keinen Borwurf von Betätig zu ma­

chen hat. *) *) Seitdem der edle von Massenbach und der biedre Preussische Feldprcdiger dieharten Beschuldigungen warnens und des (angeb,

Das ist meine Beichte; und ich scbmeichl5 mir, daß der Patriarch zu Ferney mir die Ab­ solution in articnlo mortis geben wird. Ich wünsche ihm langes Leben, Gesundheit, Wohl ergehn, und zu meinem Vergnügen seiner Dich teradcr Unverstegbarkcit. Vals.

Friedrich.

XVI. Fernen den 19. Nev» 1774.

Einige kleine Vorboten, welche die Natur ntb

terweilen an Leute von einundachtzig Zahlichen)alten Preussischen Osficiers ber Friedrich'o Charakter so siegreich widerlegt, haben, wird jeder Unparteiische zugeben, daß Leztrer die obenstehende Maxime stets vor Au­ gen gehabt hat. Was die elenden Pfeile an­ langt'die Pantil Sekunduö noch immer mit seiner kraftlosen Hand gegen die Manen des Einzigen abdrükt, so lacht jeder herzlich darüber, dem nicht unbekannt ist, daß der erst­ genannte Philosophaster dies aus Rache für einige satyrische Züge thut, die der grosse T\o< rüg schriftlich und mündlich über ihn geaussert hat. deo Uedexs. D ;

(

54

)

rett abschtkt, habe« mir nicht erlaubt, Ihnen eher für einen allerliebsten Brief, voll der nied­

lichsten Verfe zu danken, die Sie je gemacht

haben.

Kein König und kein Mensch kömmt

Ihnen gleich; ich bin in der That nicht im

Stande, Ihnen

Verse

für Verfe wieder,

jugeben. Ohr Musen! wie bin ich beschämt! 2hn zu bewundern gebt Ihr mir Wohl Geist genug, doch nicht so viel. Daß ich ihm Antwort geben kann.

Wenigstens kann ich Ihrer Majestät ant­ worten, daß mein Herz von

der Güte, die

Sie für den armen Morival zu bezeigen geru­ hen, ganz durchdrungen ist.

Ich wünschte,

daß er mitten in unsrem Schnee den Plan Ides

Landes aufnemcn möchte, welches Sie ihm zu

bewohnen erlaubt habe».

Ihre

Majestät

würden daraus sehn, wie sehr er sich in Kurzem

in einer Kunst gebildet hat, die guten Officieren

notwendig und sehr selten ist, und wovon er bisher nicht die flüchtigste

Kenntnisse hatte.

Seine Erkenntlichkeit und der Eifer, mit wel­

chem er seine Zeit Ihrem Dienste weiht, wür­ de Sie rühren.

Seine ausserordentliche Ge,

seztheit sezt mich immer in Erstaunen.

)

55

(

Man ist Willens seinen Prozcs, bei, inare

ihm nur per contumaciam gemacht hat, JU rcvidiren; dieser Etttschlns scheint'mir weit schiklicher und edler als der, nm Begnadigung zu flehen.

Denn Gnade sezt doch immer ein Ver­

brechen voraus und er hat zuverlässig kcins

begangen, man kann nichts gegen ihn erweisen. Diese Untersuchung crfodert ein wenig Zeit;

und es ist sehr möglich, daß ich sterbe, ehe die Sache zu Ende gebracht ist; aber ich habe diese» Unglücklichen dem

Herrn

d ’ A l c m bert ver­

macht, der besser reüssiren wird, als cs mir möglich ist.

Ich erdreiste mich zu glauben, es fei Ihrer Würde nicht gemäs, wenn einer Ihrer Offiz-

eiere in der unangenemen Lage eines Verurtheilteti bleibt; dies hat für den gemeinen Haufen

stets etwas Demütigendes, so ungerecht die Sentenz auch immer sein mag.

Fürwahr es

ist eine Ihrer schönsten Handlungen, einen so schäzbaren und iso unglüklichcn jungen Mann

in Schuz zu nemen.

Sie stehn der Unschuld

und der Vernunft zugleich bei; Sie lehren den Welschen, den Fanatismus

verabscheuen,

so

wie Sie denselben das Kriegesmeticr lehrten D 4

>

56

c

vorausgesezt, daß sie es erlernt haben.

Sie

geniessen jede Art von Ruhm; und das ist gcwis

kein kleiner, dreihundert

Mcilm

von seiner

Heimat der Unschuld Schuz zu geben. Geruhen Sie, Sire,

die

Ehrerbietung,

die Erkenntlichkeit und idie Anhänglichkeit eines

Greises zu genemigcn, der in diesen Gesinnun­ gen sterben wird. Voltaire.

XVII. Potsdam den 18. Novcmv. 1774. ^agen Sie mir nichts mehr vom Elysium! Weil Ludwig XV einmal dort ist, nun, so mag

er da bleibeit.

Sie würden dort nichts als cü

fersüchtige Personen antreffen/ Homer, 23it; gil,

Sophokles,

Euripides,

Thuey/

dides, Demosthenes und Cicero. Zllle die/ ft Leute würden Sie höchst ungern dort ankorm merr sehn, statt daß Sie, wenn Sie bei uns

bleiben, einen Plaz behalten können, den Ih, neu Niemand streitig macht und der Ihnen von Gott

und Rechtswegen

gebührt.

Ein

c

57

)

Mann, der sich Unsterblichkeit errungen hat,

ist nicht mehr dem Schiksal der übrige» Men­ schen unterworfen:

mithin haben Sie Sich

ein auöschliessendes Privilegium erworben.

Inzwischen, da ich Sie mit der Angelegen» hcit des armen d'Etallonde stark beschäftigt merke, schikk' ich Ihnen einen Brief aus Pa­

ris, der einige Hofnnng giebt. daraus sehn,

wie

sich der

Sie werden

Siegelbewahrer

äussert und zugleich, daß der Herr de Vergen,

nes sich geneigt 'finden lässt, die Unschuld des Beklagten in helles Licht zu sezcn.

von Golz") betreibt diese Sache. jezt hoffe,

Der Herr

Wie ich

soll es nicht vergebens sein und

Voltaire, der Befördrer dieses frommen Werks,

wird von d'Etallonde'n und mir lebhaften Dank cinärnten.

Hielt ich Sie Nicht für unsterblich, so würd'

ich gern darein willigen, daß d'Etallonde bis zur Endigung seiner Sache bei Ihrer Nichte

bleibe, allein ich hoffe, daß Sie selber ihn be­

urlauben werden. Ihr Brief hat mich gekrankt.

Ich kann

mich nicht daran gewöhnen. Sie völlig zu vcr•) Noch jett al- Gesandter an dem Versailler Hofe befindlich. 21. des Hebers. D s

c

58

)

liere», und es scheint mir, daß Europe» etwas fes­ ten würde, wen» ihm der TodVoltaire'tt entrisse. Sein Sie wegen Ihres nnglcichen Pulses unbekümmert. Ich habe darüber einen berühm­ ten Englischen Arzt gesprochen, der sich gegen­ wärtig hier aufhält.*) Er behandelt die Sache als Kleinigkeit und sagt: Sie könnten noch lan­ ge leben. Da meine Wünsche mit seinen Aue­ sprüchen übercinstimmen, so werden Sie mir ja nicht die Hofnung »einen wollen, diedaölezte Ingredienz in Pan do re ne Büchse war. Bei diesen Gesinnungen thut der Philosoph von Sans-Souei an Apollo'» sowohl, als an dessen Sohn Aeskutap tausend Wünsche für die Erhaltung des Patriarchen zu Ferncy. Friedrich. •) William Baches, Könial. geheimer Rat und Doktor derArzeneigelehrsamkeit. Erstarb den zweiten März 1787 an einer Entzündung des Halses,'m neunundsechzigsten Jahre feines Alters zu Berlin. Noch 11t England hatte er sich durch mehrere gelehrte Schriften als Selbstdcnker gezeigt, hier gab er eine Ab­ handlung über die Blattereinimpfung heraus. Durch seine liefen praktischen Kenntnisse erwarb er sich das Zutrauen eines grossen Theils vom Königlichen Hause und von Personen aus allen Standen. Seinen Wert als Arzt erhöhte ganz ungemein das liebreiche Wesen, womit er au den Leiden seiner Kranken so innigen Antheil «am und die unermüdete Sorgfalt in Erfül­ lung seiner Berusüpflichten. Er opferte sich die­ sen gewissermaasse» auf, indem er, ohne aus seine eigne Gefahr zu achten, noch drei Tage vor seinen, Ende Krankenbesuche ablegte. A. d. llebers.

59




thun können, das zwei Drittheile'seines Lebens dnrch beständige Kriege geplagt worden ist, das sich genötigt gesehn hat, die dadurch entstände-

pen Unfälle wieder gut zu mache« und das zu

so

grossen

Unterneinungen mit zu geringen

Kräften auegestattct ist.

Epik» r gab uns

die Philosophie; Gassen di, Neulon und Lote haben sie verbessert; ich mache mir eine Ehre daraus, ihr Schüler zu sein; aber das ist alich alles. Du thar'st der ganzen Welt die Augen auf Und füUrest würdig Deine Laufbahn au5,

Wenn Du in Prof« oder Versen sprachst.

Du brachtest Licht in dikke Finsternis Und namst den Menschen ibre eitle Furcht,

2n Deine Hände übtrqab Vernunft

2br Vlizgeschos, Du schmettertest zu Etaub Den Ärrthum und deS Fanatismus Wut.

Bayle'n, Ihrem Vorläufer, und Ihnen

gebührt unstreitig der Ruhm jener Revolution, hie in den Köpfen vorgegangen ist. sen Sie lins frei herauSsprcchcn:

nicht vollständig.

Aber las­

sie ist noch

Die Frömmler haben noch ih­

ren Anhang, den man nur durch überlegne An­

zahl aüsrotten wird.

Von der Regierung muS

die Sentenz ausgehn, welche die Schandb*

( zermalmt.

187

)

Aufgeklärte Minister können dazu

viel beitragen, aber der Wille des Oberherrn mus noch unumgänglich dazu kommen.

Un­

streitig wird dies mit der Zeit geschehn; aber weder Sie noch ich werden diesen so sehnlich ge­ wünschten Anblik erleben.

Ich erwarte hier d'Etallonde'n.

Meine-

Antworten werden Sie jezt erhalten haben und

ich vermure Morival'n schon unterwegs. Was

nur. in meinen Kräften steht, werd- ich für ihn oder für Sie thun.

Er ist ein Märtirer des

Aberglaubens, der durch die Philosophie kano-

nisirt ;il werden verdient. Zjchn Sie mich nicht aus meinem Irrthum.

Ich glaube dem le Rain.

Ich hoffe und wün­

sche, daß wir Sie so lang' als nur immer mög­ lich behalten werden.

Sie sind eine zu grosse

Zierde Ihres Jahrhunderte, als ich daß Zhretwcgen gleichgültig sein könnte.

Leben Sie

und vergessen Sie nicht den Einsiedler von Sans- Souei. Vale.

Friedrich. N> S. Ich schäme mich. Ihnen Verse zu schik-

ken, weil ich damit doch nur einen Tro­

pfen Schlammwasser in: einen klarenBrun-

( neu giesse.

)

i88

Aber ich will meine Solicirv

men dadurch ganz in Vergessenheit brin,

gen, daß ich dem dient EtaHnndnr ,

dem

Märrirer der Philosophie, Gutes thue.

LT. Potsdam den 29. Sept/ V 7S. Älorival kann sich am besten bei mir empfelen, wenn er mir meldet,

daß er den Patriarchen

von Ferney in voilkommncr Gesundheit verlas» sen hat.

Er wird über diese Materie lange be,

fragt werden; auch die kleinsten Umstande sind von gewisse» durch die Natur privilcgirten We­ sen interessant.

Ich werde von ihm erfahren,

wie gut die dort unten angelegte Messe

clip.

schlägt, wie der Uhrcnhandel steigt, ferner wird er mir von dem neuerbauten Theater und allein Nachricht geben müssen, was er von dem Phi» losophcn weis, bei dem er achtzehn Monate M

gebracht hat; die merkwürdigste und kostbarste

Zeit von Morival's Leben.

Alsdann werd' ich auf seine eigne Geschick­ te kommen,

wovon mir nur das bekannt ist

( neu giesse.

)

i88

Aber ich will meine Solicirv

men dadurch ganz in Vergessenheit brin,

gen, daß ich dem dient EtaHnndnr ,

dem

Märrirer der Philosophie, Gutes thue.

LT. Potsdam den 29. Sept/ V 7S. Älorival kann sich am besten bei mir empfelen, wenn er mir meldet,

daß er den Patriarchen

von Ferney in voilkommncr Gesundheit verlas» sen hat.

Er wird über diese Materie lange be,

fragt werden; auch die kleinsten Umstande sind von gewisse» durch die Natur privilcgirten We­ sen interessant.

Ich werde von ihm erfahren,

wie gut die dort unten angelegte Messe

clip.

schlägt, wie der Uhrcnhandel steigt, ferner wird er mir von dem neuerbauten Theater und allein Nachricht geben müssen, was er von dem Phi» losophcn weis, bei dem er achtzehn Monate M

gebracht hat; die merkwürdigste und kostbarste

Zeit von Morival's Leben.

Alsdann werd' ich auf seine eigne Geschick­ te kommen,

wovon mir nur das bekannt ist

(

!S9

)

was sich, kil einem Mimtire von Loiseau be­ findet. Es ist wahr, daß das Urtheil aus Ab­ beville die Menschheit empört und daß die Rö­ mische Inquisition weniger streng gewesen sein würde; aber die Menschen halten alles für er­ laubt, wenn sie für die Ehre Gottes zu strei­ ten denken; sie bestellen die Altäre eines wohl­ thätigen Wesens mit dem Blute unschuldiger Schlachtopfer. Könnten diese Greuel ja entschuldigt wer­ den, so wäre dies in der Gährungezcit neuer schwärmerischer Elaubenenieinungen, aber die­ se Wütercien werden um so abscheulicher, wenn sic mit kaltem-Blute, ohne anfgercizte Leiden­ schaft, begangen werden. Es wird der Nach­ welt schwer fallen zu glauben, daß das acht­ zehnte Jahrhundert durch den ungereimtesten Fanatismus den Zuruf der Vernunft, der Na­ tur und der Menschheit hat erstikkcn sehn. Mo, rival ist glüklich, daß er den Klauen dieser hei­ ligen Kannibalen entronnen ist. Weit sichrer lasst es sich bei einer Horde Lapplander wohnen als bei den Ungeheuern von Abbeville. Ein Kö­ nig, der es gut meint, ein weises Ministerium, wie Sie jezt in Frankreich haben, werden ohne

(

ryo

)

Zweifel die Vollziehung unbilliger ttrthcilSsprü-

che verhindern. Sie werden nicht zugeben, daß Frankreich nnd Tannen einerlei Geseze haken.

Zndes werden sie immer die mit dein heiligen

Namen der Römisch-Katholischen Apostolischen Religion bcwafnete Klerisei gegen sich haben. Mich dünkt, ich sehe an» dieser Priestcrschaav

einen Dischof vortreten und sich an den sechs­ zehnten Ludwig folgcndermaasscn wenden.

»Sire, Sie sind der einzige König auf dem

»Erdboden, derben Titel desAllcrchrisclichstcn »trägt; Gott gab Ihnen das Schwert, das »Sie führen, nur zum Schuz der Kirche.

Dis

»Religion ist beleidigt, sie fodcrt Sie zu ihrem

„Beistand auf. Das Blut des Strafbaren muS „zuni Sühnopfer für die Beleidigung und für

„das erste und älteste Königreich auf Erden vcre „gossen werden."

Ich versichre Ihnen, wenn selbst alle En­ cyklopädisten bei dieser Rede zugegen wären, so würden sie nicht im Stande sciir, den Händen

der Priester das Schlachtopfer zu entreissen,

das diese Barbaren aufzuopfern einmal beschloß, sen haben.

(

-y-

)

Wofern so schrekliche Aergernisse wie t!e zu Abbeville und Toulouse anderwärts weniger häu­ fig begangen werden als in Frankreich, so w.ns

man dies der Lebhaftigkeit Ihrer Nation zn-

fchrciben, die immer zu Extremen hinschweift. Nicht blos in Frankreich findet man eine Mi­

schung von Gegenständen, davon einige Dewnnderung, andre Tadel erregen; ich glaube,

es ist überall so.

Da der Mensch selbst unvoll­

kommen ist, wie kann er wollkommne Werke

h'ervorbringen? Ihr Königreich ist von Römern, Saliern,

Franken, Engländern und dem Aberglauben

Unterjocht worden.

Alle diese Eroberer haben

Gcscze bekannt gemacht und dadurch ist Zhre Zurisprndenz zu einem unordentlichen Klumpe,»

geworden.

Man müsste erst alles Niederreissen

Mrd dann wieder anfbauen, um etwas Gutes

zu Stande zu bringen,

Diejenigen, die dies

unternemen, werden Herkommen, Vorurtheil

und das ganze Volk gegen sich finden, das an alten Gebräuchen hängt, ohne daß es deren

Wert zu fthäzcn weis, und das der Meinung ist, diese antasten oder das Königreich über den

Haufen werfen, sei eins.

(

IY2

)

Wahrscheinlich billigen Sie die Verfassung

von Penshlvanien, wie sie jezt ist.

Siecxistirk

nur erst seit einem Jahrhundert; lassen Sie noch fünf oder sechse verflossen sein und Sie

werden dieselbe nicht mehr wieder erkennen; so sehr ist Vergänglichkeit eines der unveränderli#

chcn Naturgeseze.

Wenn auch Philosophen die

weiseste Negierung gründen, so wird sie daö

nemlichc Schiksal treffen.

Sind selbst diese im#

mer vor Irrthum gesichert gewesen? Haben sie

nicht manchen auögebrcitet? Beläge davon sind Aristoteles Substanzen,

niatias,

Kartesius

zens Monaden. erwähne»,

Plato's Gali#

Wirbel und Lcibni,

Ich will der Paradoxen nicht

womit Jean Jacques (wenn

man ihn anders unter die Philosophen zahlen kann) Europa regaliert. Inzwischen hat er da#

durch das Gehirn einiger guten Hausväter der# niaassen verschoben, daß sie lihren Kindern eine Erziehung a la Emile gegeben haben.

Aus allen diesen Beispielen erhellet, daß die Aren scheu, ungeachtet aller ihrer guten Absich­ ten und der Mühe, die sie sich geben, nie in ir­ gend einem Stnk zur Vollkommenheit gelangen

werden,

Aber

(

193

)

Ab cd ich habe mich dem Flus meiner Fever überlassen, leide an der Wortdiarrhoe rind

besudle ohne Nuzen Papier, nm Ihnen Din­

ge zu sagen, die Sie besser wie ich wissen.

Da­

für hab' ich nur eine Entschuldigung — die, daß man Ihnen gar nichts zu sagen hätte,

wenn man Ihnen blos Sachen vorlegcn wollte,

die Ihnen unbekannt wären.

Eine von der

leztcn Art hab' ich inzwischen doch.

Sie erkundigen Sich, wie wir uns auf der

Steife nach Schlesien unterhalten haben? So

wissen Sie denn: Sie haben mir die Merope und den Mahomet vordeklamirt, und wenn die

Stösse des Wagens zu heftig wurden, lernt' ich

die Stellen auswendig, die mich am meisten frap-pirt hatten. So beschäftigt' ich mich unterwegs

-und rief dabei hundertmal: Gesegnet sei das glükliche Genie, das, gegenwärtig oder nbiue# send, mir immer gleiches Vergnügen verursacht.

Ich habe Ihre Schriften schon lange zu wiederholtenmalen gelesen.

Die darin befindli­

chen polemischen Aufsäze können zu der Zeit, La sie geschrieben wurden, notwendig gewesen

fein, aber die Defontaine, die Freron, sr

( die Paulian,

es nie

194

)

die la Deanmelle werden

verhindern,

daß

die

Henriade,

Oedip, Brutus, Zaire, Alzirc, Me/

rope, Semiramis, der Graf de Foix,

Orest, Ma ho m et mit stolzem Schritt zur

Nachwelt kommen; und daß man sie unter die Zahl der klassischen Werke fczt, womit Athen,

Slom, Florenz und Paris die Litteratur ver-

fchönert haben.

Dies ist eine Wahrheit, die

alle Kenner einräumcn und kein Konipliment,

das ich Ihnen mache. Der alte pöllni; hat Charon fein Fahr, geld reichlich bezahlen wollen und daher an fei, nein Sterbetage sogar einige Gaunerstükchen

gemacht, damit man sagen könne: er ist gcstorden, wie er gelebt hat.

biger bedauern ihn.

Nur allein seine Gläu­

Aber der Lord Marechal,

der alter ist wie jener, besizc noch ganz die Gei­

stesgegenwart seiner Jugend, frohen Sinn und

Lustigkeit und geniesst allgemeine Achtung. Grade so ist der Patriarch zu Ferncy, sagt

le Rain; und ich seze hinzu: 0 wär' er doch

«»sterblich wie seine Werke! Möcht' er doch die .Hyder

des

Fanatismus

zertrete», die u»-

terdrüktt Unschuld beschüzen und noch lange eine Zierde des Jahrhunderts sein, so wie ein O.ncit

des Vergnügens für jeden, der seine Werke liest.

Vale.

Svitbtid).

LTI. Pvrörani den 27. Moder 1775.

Äie Gicht hält mich seit vier Wochen wie gebunden und geknebelt; ich habe sie nemlich an

beiden Füssen, an beiden Knieen, an beiden

Handen und, um das Maas ihrer Güte voll zu geniessen, am Ellenbogen

gehabt.

Jezt hak

das Fieber samt den Schmerzen aufgeh-Lrt und ich fühle weiter nichts mehr als eine starke Er­ schöpfung.

Während meiner gichtischen Einfäl­

le hab' ich zwei allerliebste Briefe von Fcrncp erhalten.

Waren sie auch vom grossen Demi-

urgos gewesen, so härt' ich nicht einmal eine

Antwort darauf diktircn könne».

Ich habe mir

Apoll, dem Gott der Arzneikunst Bekannt­ schaft gemacht;

allein Apoll

der Gott des

Parnasses wird mir, wenn er mich jemals N r

C *96 ) inspirirk, mir seine Gaben nicht eher mitthellen, als bis mein Körper wieder Kräfte genug gewönne!; hat, um meinem Gehirn davon mit­ theilen zu können. Eben ist diuus EtjüondxS) derJüngting hier ««gekommen, den man den Klauen der Schandb** und den Flammen der Jnguisition entrissen hat. Er erhielt eine sehr gute vl'nf; name, weil er mir versicherte, die Aerzte ver­ sprachen noch zehn Jahre Leben seinem edelmü­ tigen Vertheidiger, dem Weisen auf dem Ge­ birge Lura, der den Welschen Schaamröte über ihre Geseze und über ihre barbarische Pro­ zeduren auspressc Morival behauptet, daß Die in Ihrer Lampe mehr Oel haben, als alle Jungfrauen im Evangelium znsammgenommcn. Möchte sie doch stets dauern, wenigstens IHv Körper sich so lange halten wie Ihr Ruhm. Dann würden Sie unsterblich sein. Ich erwarte die Rükkehr meiner Kräfte und Gedanken, um Ihnen in einem weniger lako­ nischen. Styl zu schreiben und schliesse mit der Versicherung; daß der Kranke von Sans-Souei den Patriarchen von Ferney stets liebem wird. Vale. Friedrich.

(

197

)

Lin. Den 24. Oktober

I77S.

Werwichner Tage siel mir durch ein Ungefahö.

eine Kritik derHenriade in die Hande, die sich

von la BeaunieUe

und Sveron

herschreibt^

Ich habe die Geduld gehabt, die Bemerkungen dieser Leute zu durchlaufen.

Es leuchtet abep

aus denselben mehr Liebe zu schaden als Gerech­

tigkeit und Unparteilichkeit hervor. Ich glaub/ te, daß diese Zoilusse alle ihr Gift in ihren No­

ten ausgehaucht hatten, aber wie erstaunt' ich, als ich halbe Gesänge von ihrem Machwerk an­ traf, die sie in jenes Heldengedicht eingeschoben

wissen wollten.

Diese

magern

saftlosen

Verse

verdienen

nicht von rechtlichen Leuten gelesen zu werden. Ich,

der ich weit entfernt bin,

d'ä)livet's

Kenntnisse zu besizen, befinde mich im Stande eine gute Kritik über sie zu verfertigen, so ab/

scheulich ist ihre Versifiration.

Die Dummheit,

die niedrige Eifersucht und hämische Bosheit dieser Parnasinsekten haben mir die Idee zn folgender Fabel gegeben.

N 9

güt Esel graste einst im WalUnd hörte da dem Silberren 2)er süssen Philomele zu.

Die m den: ncugcbornen Wi

Der Liebe Stetigkeiten sang.

Volt Eifersucht bewundert er Der Stimme raube'rrollen Reiz. Ich, denkt daS freche Langohr kek,

Ich mach' cS besser npeh wie sie.

Und gleich schilt sich sein rauher HalZum Singen an, (Wer schmeichelt sich BiS auf den Esel selbst nicht gern?) Doch wie gelang sein dreister Wunsch?

Sebald sein Xa nur ertönt.

Flog jeder Hainbewohncr fort. Ihr Dichterlinge merkt Euch da-, Und bleibt in Eurer niedern Bahn,

Menn man Euch nicht verspotten fo'J.

Vielleicht sind meine Verse um nichts besser «16 die von Ihre» Herrn Kritikern, inzwischen enthalten sie eine Wahrheit, die vermögend wä­ re, die zu grosse Eigenliebe dieser Leutchen etwas niederzuschlagen, Doch weg von dieser Afterbrut von Kritikern!

2ch schmeichle mir der Erste zu fein, der Ihnen zur eben erhalüiett Znlendantenstelle

(

*99

)

vom Ländcheir Gcx, und zu der Erhebung 51» tec Landguts Fcriicy wünscht.

zum Marquisate Glük

Ich iicmc an allem, was

unserm

roakkern Patriarchen Gutes begegnet, herzlichen

Antheil, und bitte denselben, sich zuweilen zu «innern

Des Emsiedlero zu Sans, Court»

LIV. Vot-5Lam de» 4. Deccmött 1 775. 5\ciner von Ihren Briefen

hat mir so viel

Vergnügen gemacht, als der, welchen ich eben erhalten habe.

nissen,

Er ris mich ans den Besorg­

worein mich die Nachricht von Ihrer

Krankheit gestürzt hatte.

Der Patriarch von

Ferner) mue zum Ruhm der Wissenschaften und

zur Ehre des achtzehnten Jahrhunderts noch lange exisiiren.

Zch

habe 1749 einen Anfall

von Schlagflus gehabt; seitdem sind sechsund: zwanzig Jahre vergangen und ich

lebe noch;

hoffentlich werden Sie es eben so machen. WaN 4

(

200

man Hemiplegie nennt,

)

ist nicht so gefarlich;

und ich hoffe, daß, wenn Sie gute Diät bei obachten und das Abendessen ga»; anfgeben.

Sie zur Zufriedenheit aller denkenden Geschöpfe noch eine Zeitlang Sich erhalten können.

Sie fragen mich, was der Geist ist. Ach,

sch will Ihnen alles sagen, was er nicht ist. Mir ist davon so wenig zu Thcilcgcwordcn, daß

ich sehr verlegen sein würde, ihn zu definiren.

Wenn Sie es inzwischen verlangen, so will ich um Sie zu amüstrcn, meinen Roman so gut

wie ein andrer zusammciidrechseln und mich an

die Begriffe halten, welche mir die Erfahrung giebt.

Ich bin sehr überzeugt, daß ich nicht, dop, pelt bin, daher seh' ich mich als ein einfaches Wesen an.

Ferner'weis ich, daß ich ein mate­

rielles, beseeltes Thier bin, das Organe hat und denken kann.

Daraus

schliess ich, daß

die beseelte Materie denken kann, so wie sie §a higkeit zur Elektricität hat.

Zch sehe, daß das Leben des Thiers von Wärme und Bewegung abhängt, daraus mut

(

)

201

tttciftff ich/ daß wohl eilt Funken Elementarfeuer

öle ftrsach beider Phänomene sein könne.

Die

Denlkraft schreib' ich den fünf Sinnen zu, dio

»ns die Natur gegeben hat.

Die Begriffe, dio

sie uns zuführen, drükken sieh den Nerven ein, die sie weiter sortpflanzen.

Jene Eindrükke,

die wir Gedächtnis nennen, verschaffen unk Ideen.

Die Wärme desElementarfeuers, weft

che das Blut in beständiger Bewegung erhält, wett jene Ideen wieder und verursacht dio

Imagination. Je lebhafter und leichter nun die­ se Bewegung ist, desto schneller ist der Strom der Gedanken; ist jene langsam und gehemmt/,

so kommen sie nur einzeln und sparsam.

Der Schlaf bestätigt diese Meinung.

Ist

er gut, so fliesst das Blut sanft, dieIdeensind gleichsam erstarrt, die Verstandesnerven abge­

spannt und die Seele wie int Stande der Ver­ nichtung. Zirkulirt das Blut mit zu grosser Hef­ tigkeit durch das Gehirn, wie bei beranfchteir

Personen oder iit hizigen Fiebern, so verwirren und zerrütten sich die Ideen; eine leichte Obstruk­ tion in den Gehirimerven erzeugt Wahnsinn.

Fliesst ein Tropfen Lympha int Cranium aus ein ander, so erfolgt der Verlust des Gedächtnisses;

N f

(

202

)

Lrükt-endlich ein aus seinem' Gefäs getretner Blutstropfen auf das Gehirn und dessen Ner­ ven, .so entsteht Apoplexie.

Sie sehn, daß ich die Seele mehr medici, »lisch als metaphysisch untersuche.

Ich halte

mid), bis ich bessre Aufschlüsse erlange, an je­ ne Wahrscheinlichkeiten und begnüge mich die Früchte Ihres Verstandes, Ihrer wiederauf­

lebenden Imagination, Ihres herrlichen Ge-

nie’5 zu geniessen, ohne mich darum zu beküm­ mern, ob diese bewundrungswürdigen Gaben

von angebornen Ideen herrühren, oder ob Gott Ihnen alle Ihre Gedanken eingiebt, oder ob

Sie ein Uhrwerk sind,

dessen Zeiger Hein,

rieh IV zeigt, indes Ihre Walzen die Hen­

riade hören lassen. Ei» andrer schaffe sich ein Labyrinth, nm

sich.darin zu verirren-, ich ergeze mich an Ihren

Werken.und segne das Wesen der Wese», daß es mich zu Ihreirl.Zeitgenpssen gemacht hat.

Ich habe Ihne»» lange nicht geschrieben; Eben bin ich den vierzehnten Anfall des Poda­

gras los geworden.

So hat es mich noch, nie

geipikhandelt; ich bjn.an allen meinen Gliedern

C halb gelähmt.

203

)

Dies hat mich nicht verhindert/

Morival'n zu sehn Md mich über Ihre Gü simdheit mit ihm zu unterhalten.

Wir müssen unsre Märtirer mit tiefer, gr; höriger Ehrerbietung behandeln, denn sie fei,-

Len für die Wahrheit, und die andern, die bic-,fett

Namen führen, sind

weiter

nichts als

Schlachtopfer des Wahns und des Aberglau­

bens gewesen.

Ich erwarte von einem Tage

zum andern, daß Morival Wunder thun wird.

Das berühmteste wäre wohl, wenn er seine un­ billige Richter, die ihn zu einer gräflichen To­ desstrafe verdammt haben, zur Schaam und zu

Gewissensbissen brächte.

Ich habe an der Guit stbezeugung Theil genom­

men,

welche der König von Frankreich dem

Herrn ve

Saint» Germain

erwiesen

hat.

Sainr - Germain (Graf kouis de) ein Mann von grossen Plane» und Ressourcen. In seinen jünger« Jahren that er sich in dem Ocflreichischen Erbsolgekriege als Vaierscher Ober­ ster de» Octtingischen Dragoncrregiments vielfältig hervor Nachher zeigte er sich als ei­ nen der geschjktesten Feldherren der Franzosen imsiebenjahrigenKriege; derMarechal beBroglia wusste ihn 1760 z« stürzen. Er slug daragk

C 204 ) Dieser brave Officier isr nur seit langer Zelt bei sannt; er wird sich des echatlnen Pestens nicht unwürdig machen. Gr hat alle dazu crfoderliche Elge^.schafren unb einen sehr lobeuswürdigen Er-» fei* für das gemeine Wohl. Lucs mus ihn aU kn Biedermännern empfekn. 1761 als Generalfeldmarschall und Präsident deö naierrid)teten Krieaeko!:ec'lums nach Däne/ mark, !To er bei Oeni Udnia Friedrich V. nr vorzüglicher Gnade stand und iveaea seiner Po-' yularf tat und voriüglid>rr Fürsorae für den gemeinen Mann ganz die Zuneigung der Sek baten desao. Er quitirte die Stelle zwenual 1768 und 1772. Ein Bankerut brachte thu tnn fein ganjes Vermögen; in welches Schiksa) er sieb als ein Pdilowph fugte, wicwohl möge eines Dolmetschers mit ihm zu spre,

chen.

Er gelte für sehr unwissend und ha,

be wenig Kopf. pa»w triumphirt Über diese. Nachricht.

Zch habe ihm geantwortet: eine Schwalbe mache keinen Sommer und nach den ewigen Gesezen derNatnr müssree unter einerVolkSt

menge von

hundertmidsechzig

Millionen

(

239

)

Menschen, womit Sie Schirm beschenken, wenigstens neunzig Millionen schwache Gei­ ster und DummkLpfe geben; und Schina's

Unstern habe cs gewollt, daß grade einsolches Wesen nach Holland gekommen sei.

Hab' ich den Abt nicht hinlänglich wider­

legt, so überlass' ich. Julien das Weitere.

LXV. VorLdam Ven 20. Apr;r 1776,

Der 2lbt Pauw glaubt nun in vollem Ernst an den Tod des Kaifebs von Schina, weil die

-artigen Jesuiten ihn gemeldet haben.

Zch als

ein strenger Pyrhoniker glaube. Laß er weder todt ist, noch daß er lebt.

Die Neugier wird

mit dem Alter schwacher; man schränkt sich auf

eine engte Sphäre ein.

Walpole sagte: ich

überlasse meinem Bruder Europa und behalte nur England für mich.

Zch meines Orts be­

gnüge mich mit dem, was in Europa geschehn ist/ geschieht und geschehn kann. Ludwig XVI, zieht meine Neugier weit

stärker auf sich als der Kaiser Rirng-lsng. Zch

(

240

)

habe eine Bittschrift oder vielmehr ein Dank­ sagungsschreiben aus dem Lande Gex an die­

sen Monarchen gelesen und segnete im Innern meines Herzens das

Gute, das er gethan

hat, und die Männer, die ihm diesen heilsamen Mat gaben.

Das Parlcment hätte den Edikten

seines Souveräns Beifall geben sollen, statt ihm lächerliche Vorstellungen zu thun.

Allein

cö besteht ane Menschen und die Gebrechlichkeit

menschlicher Tugenden verbirgt sich in den Be­ ratschlagungen grosser Corps nicht so sehr, als in den Entschlüssen weniger Personen.

Wenn unsre Nasse nicht alles misbrauchte, so würd' cs keine bessre Anstalt geben als eine Gesellschaft, die das Recht hätte, den Souve­ räns Vorstellungen über die Ungerechtigkeiten

zu thun, die sie zu begeh«, eben im Begrif wä­ ren.

Wir sehn iir Frankreich, wie wenig dies

Corps auf das Beste des Reichs bedacht ist. Herr

Tuvgot hat sogar in den Papieren seiner Vor-, gänger die Summen gefunden, die es Lud-

rvig XV kostete, die Parlementsräte zu beste­ chen, damit sie ohne Widersezlichkeit ich weis

nicht was für Edikte registrirten.

Ihre

(

241

■>

Ihre Landsleute die von der Anglomanie besessen sind/ haben die Vestechbarkeit, grade Las Tadelnswürdigste an den Engländern, nach/ geahmt.

Diese Republikaner bchanpren,

sie

hätten dae Recht ihre Stimmen zu verkaufen:

aber Richter, Zustizbeamtc, Leute,

die sich

Vormünder der Könige nennen I -------------Wir Obotriten nun sind in Vergleich mtt

dem übrigen Europa was ein Ameisenhaufen ge­ gen den Park von Versailles ist.

Wir richten

unsre kleinen Wohnungen ei», versehn uns für

den Winter mit Lebensmitteln und

arbeiten

und vegetiren tir der Stille. Meine Nachbarameise (der gute Lord Mare,

chal, von dem Sie Nachrichten verlangen,) hat gegenwärtig sein stchsundachtzigstesZahrzurük-

gelegt.

Er liest znm Zeitvertreib des Paters

Sanchez Buch d.- ihatrbhonlo und beklagt sich, daß durch dasselbe Vorstellungen in ihm rege werden, die ihn unterweilen gar bas plageir. Da er vier Zahr älter ist als der Protektor der Kapuziner zu Ferney, so schmeichl' ich mir, daß

Lcztrcr uns wohl noch, wen« er sonst Lust dazu hätte, einen Sprösling liefern könnte und da­

wäre eil» verdienstliches Werk. Q

(

242

)

Der Exjesuit zu Sans-Souci ist noch4m,

mer damit beschäftigt, seine Kräfte wieder zu er­ langen, die sich nur langsam einstellcn.

Er hat

Anmerkungen über die Bibel, *) eine morali­ sche Schrift und eine andre über die Geseze er­

halten und vermutet, woher dies Geschenk kom­ men möge.- Nur erst, wenn er diese Bücher

gelesen hat, wird er beurtheilen können, ob er

recht oder falsch geraten hat; und dann werden wie eö sich gehört und gebührt, Danksagungen

erfolgen.

Ich rufe alle meine Heiligen, Ignaz, Xa­

ver, Lainez u. s. w. u. s. w. an, den Pro­ tektor der Kapuziner zu Fernky in Schuz zu nemen und durch ihr kräftiges Gebet seine Tage

zu verlängern, damit er das trefliche Werk vol­

lende, das er im Lande Gex unternommen hat,

damit er noch lange Frankreich und die ganze Welt erleuchte und den Exjesuiten zu Sans-

Sonei nicht vergesse.

Friedrich. *) Sie mache» i» der Teutschen Nebersezung von Volrair's sämtlichen Schrif­ ten den vieriehntenund fünfzehnten Band aus.

A. der Uebers.

(

243

)

LXVI. Sjre,

§ernLy btn 31.

17 76. Sie werden erstaunen, wenn Sie Ihre Ach-

gen auf das kleine Bücbelchcn werfe», das ich

Ihnen überfchikke. Sollten Sie wohl erratenLas es vom Herrn Landgrafen von Hes­

sen ist? Seitdem er Ihr Neveu geworden,

und Ihre Werke gelesen, hat sich sein Genie entwikkelt.

Ich weis nicht bestimmt, ob er sich

als Verfasser dieser kleinen Schrift bekennt, daß

sie aber von ihm ist, behaupt' ich mit Gewis» heit. Man wird an diesem Gemälde gar leicht er­

kennen, daßersichaus IhrerSchule hersihreibt. Sie haben ein neues Jahrhundert

hervorge­

bracht und Menschen und Fürsten gebildet. Auf

wie vielerlei Art wird nicht IKr Name die Nachkommenschaft in Erstaunen sezcn. Es ist für uns sehr nötig, daß Ihre philoso p hi sch e Majestät noch lange regieren.

Wir

hatten bei den Welschen zwei philosophische Mi­

nister, die hat man alle Beide zugleich aus dem Ministerium entfernt und wer weis, ob die

Scenen der ka Barre und der d'Etallonde in Q 3

(

244

)

ttnfcrmunglüklichen Lande sich nicht wieder erneu em? Die Vernunft sangt an eine so zahlreiche Partie zu erlangen, daß ihre Feinde Waffen an­ legen, und man weis wie gesärlich die leztern sind. Die Betauernswürdige wird noch mit ihr ren Jüngern sich in Ihre Staaten flüchten müssen, wre ehmals die' Protestanten bei dem Könige, Obrem Groevater, eine Freistare fuchs­ ten. Seitdem ich aus der Welt bin, hab' ich die Vernunft nie anders als verfolgt gesehn und ich werde sie ohne Zweifel in eben dem Zustande hinterlassen. Doch wird die schmeichelhafte Vorstellung mich trösten, daß sie eine uncrschüe> rerliche Stü;e an dem Helden haben wird, der da sagte: Wicwchl icl> jener Alexander'S Und Herkules Bewundrer bin,

So lieb' Ich doch die Lugenden

Ton einem Aristides mehr.

Zch lege mich zu Len Füssen des Alcid unL Aristid unsrer Tage. Voltaire-

c

)

245 LXVII,

Potsdam den 13. Ouiji

1776.

3?ach meinem Besuch bei meinen Halbwilden in Preussen komm' ich wieder zurük und finde

zu meiner Stärkung einen Brief vor, den Sie mir zu schreiben die Güte hatten. Für den Catlchisuie Her sonoerabu dank' ich

Ihnen.

Ein solches Produkt hätt' ich aus der-

Feder des Herrn Landgrafen von nicht erwartet.

Hessen

Sie erzeigen mir zu viel Ehre

mir feine Erziehung zuzufchrciben.

Wär' er aus

meiner Schule gekommen, so würd' er weder Katholik geworden fein noch seine Unterthanen

an die Engländer verhandelt haben, wie Vieh zur Schlachtbank. Diese lczte Handlung stimmt

nicht zu dem Karakter eines Mannes, der sich zum Lehrer der Fürsten anfwirft.

Schmuziger

Elgcnnuz ist die einzige Triebfeder dieses unan­ ständigen Schritts.

Ich beklage die armen Hes­

sen, die ihre Laufbahn eben so elend als frucht-,

wefen, aber feit meiner Genesung befind' ich mich beinahe wie chmale.

Vielleicht giebt cs

Leute, denen ich zu lange lebe und die meine Ge­ sundheit in der Hosnung verschreien, daß ich

vielleicht durch das viele Schwazen darüber den gcsärlichen Schritt so schnell machen könnte, als

sic cs wüttschcn. Ludwig XIV und Ludwig XV ermüdeten die Geduld der Franzosen; ich ste­

he nun scchsunddretssig Zähre auf meinem Po­ sten; vielleicht misbrauch' ick nach ihrem Best spiel das Privilegium zu leben und bin nicht ge­

fällig genug aufzubrechen, wenn man meiner

satt ist. Was meine Methode, mich nicht zu schonen

anlangt, so ist es noch immer dieselbe. Ze sorg­

fältiger man seinen Körper in Acht nimmt, desto

schwächlicher wird er.

Mein Metier crfodcrt

Arbeit und Thätigkeit; mein Geist und mein Körper müssen sich unter ihre Psiichtcn beugen.

Daß ich lebe, ist nicht notwendig, wohl aber.

(

Laß ich wirke.

249

)

Dabei hatt' ich mich denn auch

immer wähl befunden.

Inzwischen schreib' ich

diese Methode Niemandem vor nnd begnüge mich sic; selb ft 3« befolgen.

Ich habe allen Feten beiwohnen können, wel­

che dem Grosfürsien sind gegeben worden. Dieser junge Prinz ist ein würdiger Sohn fei­

ner erlauchten Mutter.

Man har alles Mögli-

che gethan, die Beschwerlichkeiten und das Lang­

weilige einer so weiten Reise zu mindern und

ihm den hiesigen Aufenthalt angcnemer zu ma­ chen. Er schien zufrieden ;n sein. Wie wir wissen ist er bet vollkommner Gesundheit bereite wieder

eingelroffen.

Seine Braut wird den zwölften

dieses dort fein und das Bcilager nach einige« Gaukeleien zu Ehren des heiligen Niklas gc.
e ich aber darauf die Zeit zusammcnrechnere, schlos ich, daß Sie wieder ganz hergestellt seiw

wüssten. Wir haben zu Bcrlitt so schlechte Zeitungen

wie Sie zu Ferney; sie versichern: unser alter Q f

(

25o

)

Patriarch sei Mönch zu Clugny geworden. Sie werden auf allen Fall Ihren Abt nicht lan­ ge behalten. Aber ich interessire mich wenig für den Leztern und viel für das Schikfal des angeb­ lichen Mönchs. Zezt eben bin ich von Schlesien zurükgekommen, wo ich wie Sie zu Ferne») ein Oekonom war. Zch habe Dörfer gebaut, Mo­ räste urbar gemacht, Manufakturen ange­ legt und einige abgebrannte Städte wiederher­ gestellt.

Zu Breslau hat sich ei» Herr de Feriere, Äabiiietöingeuieur, mir vorstellen lassen. Er behauptet, Siezn kennen; ohne Zweifel weis er, daß dies bei mir statt einer Empfelung dient. Er ist im Elsas gebraucht worden, hat i» Kor­ sika gedient und befindet sich gegenwärtig unter dem Gefolge des Herrn de Bretenil. Sie werden ihn gesehn und vergessen haben; denn bei den unzählbaren Schaaren, die sich an Ih­ rem Hofe zeigen, müssen Ihnen ungebetene Gäste entfallen. Schwachköpfe machten ehmals die Reife nach Jerusalem oder Loretto, jeztgehk jeder, der sich Kopf zutraut, nach Ferney, nm

bei seiner Rükkehr sagen zu können: Ich habe

ihn gesehn. Geniessen Sie lange Ihres Ruhms, als

Marquis de Ferncy, Mönch von Clugny oder

Intendant des Landes Gex, unter was für ei­

nem Titel cs Ihnen beliebt, aber vergesse,» Sie nicht, daß es am Ende von Teutschland ei­

nen alten Mann giebt, der Sie ehmals besessen

hat und der Ihre Entfernung immer bedauem Wird. Vale.

Friedrich,

LXIX.

ien 11. Oktober 1776. Beinahe find cs zwei Monate, daß kein Thaukröpfen von dem Himmel zu Ferney auf die Ge­ stade des Baltischen Meers gefallen ist.

Die

fich so nennenben Musen und Bewohner unser«

sandigen Parnasses verwelken zusehends und

würden schon ganz durchsichtig sei», wenn ih­ nen nicht ein Kommentar ich weis nicht über

(

252

)

was für ein Buch *) in die Hande gefallen roä«-

re.

Diesem Werke verdanke» sie ihre Fortdau-

er.

Zedermann har herzlich gelacht, daß man

unter Nazaret Aegypten verstehen müsse mrd umgekehrt.

Dies starke Gelächter hat das

Echo von Mansfeld nach Memel getragen, die schwarzen Dünste dadurch verscheucht und die

Freude wieder in unsre (hegenden gebracht. Der Himmel segne den drolligen Kommeiu tator dieses tiefsinnigen Werks! Zch halt'ihn für

eben so geschikt, die Traktaten zwischen Nation

nett als die Hebräischen Visionen zu erklären und vielleicht hätte er die Franzosen und Eng­ länder vereinigt, wen» sie sich feiner bedient häu

te», ihre alten Zwistigkeiten wegen Kanada zu

reguliren. Mait würde sich den testen Krieg er«

spart haben und das wäre keine Kleinigkeit ge­ wesen.

Hier erhaltett Sie Verse, die ein Träumer vor Erhaltung des göttlichen Kommentars ge-

*) Cbe» dar Buch, dessen in der Note S. -42 erdacht wird.

A. des Hebers

drechselt hat; *) die er jezt macht, werden lu seiger ausfallen. Er ist Willens zu beweiset,, daß achtzig und zwanzig Zahre einerlei sind und das durch das Beispiel von Personen, die nicht alt werden und deren Winter ihrem Frühlinge gleicht. Unsre Welschen rüsterr sich zu einem Seekrie­ ge ich weis nicht gegen wen. Sie haben aus meinen Depots viel Holz gekauft, wofür sie Gott segnen wolle. So knüpft die Kette der tzraugnisse in der Welt die verschiedenstell Ge genstande zusammen. Die Portugiesen mussten ill Paraguay sich unverschämt benemen, damit Don Carlos in Harnisch kam; **) ein §a•) Diese Verse har man nicht gefunden. A. d. Lehlschen Herausg.

'*) Seit mehrern Jahren hatten diese hei ihrer Westindischen Kolonie del Sakrament t o sehr um sich gegriffen und wahre Gervalthät riakeiten verübt. Spanien lies deshalb 1776 von Kadix eine starke Flotte gegen diese tion auslanfen» Um eben die Zeit rüstete sich auch Frankreich, wie man aber bald dar­ auf sahe, galt dies den Engländern, nichr den Portugiesen. A. des Hebers,

t

254

)

MiUenpakt musste Ludwig XVI nötigen, iu Zorn zu geraten und seine Flotte auebessern zu

lassen;

und um Schiffbauholz zu bekommen,

musste er welches von unsern Lagern holen.

Da

Haben Sie den ganzen baaren Wolf! Sie ha­ ben auch zur Zeit der Frau dü Lhatelet diesen

Autor kommentirt, ohne gleichwohl alle glän­ zende Grillen vom Leibniz anzunemen. Nun, Sie mögen kommentiren oder nicht,

wie ee Ihnen beliebt; lassen Sie mir nur we­

nigstens einige Nachrichten von der Gesundheit des alten Patriarchen zukommen. Zn Ansehung

seiner versteh' ich keinen Spas.

mir,

Zch schmeichle

daß Rabelais Viertelstunde in dersel­

be!» Minute für uns schlagen wird, und daß wir dort unten zusammen metaphhsiciren kön­

nen, oder daß ich wenigstens nicht den Kum­ mer habe»» werde. Sie zn überleben und ei­

nen Verlust zu erfahren, der es für ganz Eu­

ropa sein würde.

Dies ist Ernst; sonach em-

pfel' ich Sie der heiligen Obhut A p o l l' e, der Grazien, die Sie nie verlassen, und der Musen, die tun Sie her Wache halten. Vele.

Friedrich.

(

-55-

)

LXX. den 8. November.

Sire,

1776,

Sie haben mir eine sehr seltne Schrift gischikt, denn alles darin ist wahr.

Dem Philosophen

d'Alembrrt könrmt es zu, Ihrer philosophi­

schen Majestät dafür poetisch zu danken.

Ach!

nicht meine zweiundachtzig Jahre verhindern mich Ihnen in Versen zu sagen, daß Sie Recht ha­

ben; sondern der Umstand, daß ich seit langer als zwei Monaten erfahre, was Sie in Ihrer

schönen Epistel so ausdrükken: Der König und der arme Dauer sind

Ein Rauv der Erdenleiden, dieser weint

3« seiner Hütte, jener auf dem Thron.

Wenn ich gleich, weil meine Augen soausgetroknet sind,

wie mein Körper, in meiner

Strohhütte nicht weine, so hab' ich wenigstens hinlängliche Ursach dazu.

Die Herren von Na­

zaret lachen nicht wie die Herren am Ufer des

Baltischen Meeres; sie verfolgen die Leute auf eine heimliche und grausame Art; spüren einen

armen Mann in seiner Höle aus, und bestrafen ihn dafür, baßer ehmale auf ihre Kosten ge->

c

lacht hat.

=s 6

)

Alle Ungsüksfälle, die ein elendes

Erdengeschöpf zu Boden drükkcn könne», sind

auf mich losgcstürzt, Prozesse, Verlust am Ver­ mögen, Qualen des Körpers und auch dessen, was man Seele nennt.

Ich bin ganz dieser in seiner Strdhhüst te; aber bei (Sott! Sire, Sie sind nicht je­ ne r, der auf dem Throne weint.

Sie schnieke-

te» vor vielen Zähren einige Augenblikke SSü»

derwärtigkcit; aber mit

was für Mut> mit

was für Grösse dcr-Seele leerten Sie den Kelch des Leidens.

Wie sehr dienten diese Prüfungen

zu Ihrem Ruhm; wie sehr waren Sie zu ast len Zeiten durch Sich Selbst über den Uebev test der Menschen erhaben.

Ich wag'es nicht aus der Ticfe'jsmcines

Elends und meiner morschen Hütte die Augen zu Ihnen empor zu heben.

mehr, wo ich

sterben soll.

Zczt weis ich nicht Der regierende

Herzog von Wirtemberg, Oheim der Prinzes­ sin, die Sie so gut verheuratet haben, ist mir

einiges Geld schuldig,

wofür ich

mir einen

rechtlichen Begräbnisort besorgt hätte.

Diese

Summe zahlt er mir nicht aus und das> wird nach meinem Tobe mir viel Verlegenheit »er?

ursar

Ursachen.

)

557

(

Ich würde Sie, wenn ich die Dret«

stigkeit hätte, um Ihr Fürwort bet ihm bitte»,

aber ich erkühne, mich dessen nicht, lieber würd' ich Ihre Majestät zum Bürgen aimeme». Im Ernst gesprochen, ich weis nicht, wo

ich sterben soll.

Ich bin ein kleiner Hiob, der

ans seinem Misthaufen in der Schweiz zusanv tnengeschrumpft da liegt; und von jenem mit

darin unterschieden, daß der am Ende geheilt und glücklich ward.

Eben so ging eö dem gute»

alten Tobias, der sich wie ich in ein Kanton des Landes Meden verirrt hatte, und das Drol/

ligste ist, daß in der heiligen Schrift sieht: Und seine Ktndeskinder begruben ihn gar wohlgemut

und guter Dinge; vermutlich, weil sie eine gm te Erbschaft Machten.

Verzeihen Sie mir, Sire, wenn ich, da ich fast blind gewbrden bin/ wie Tobias und

elend wie Hiob, den Kopf Nicht frei genug habe, und so dreist bin, Ihnen einen nichtsnüe zeiiden Brief zu schreibeN-

In meine Hütte ist ein Sächsischer Baron oder Graf gekommen, der, glaub' ich, Gers) dorf heisst.

Er ist ein sehr liebenswürdig«!! R

(

2Z8

)

sunger Mann, voller Geist und Grazie, wohl­ geschliffen und bedachtsam.

Man sagt, Ihre

Majestät hätten Sich die Mühe genommen,

ihn selbst zum Zeitvertreib zu erziehe».

Das

merkt man ihm auch ganz deutlich an, Achill hat diesmal den Phöin'r erzogen, statt daß

ehedem Phönir der Mehrer des Achill's war. Ich werfe mich zu den Füssen Ihrer Maje,

flfit und stimme ein: de prosundie an. Voltaire.

LXXL Ven-25 November. 1776. ^Lhr Brief hat mich gekränkt.

Ich bin nicht

im Stande zu erraten, was für Anlas zu De,

Kümmernissen Sie haben können. gen find stumm

Die Zeitlin,

die Briefe aus Geneve und der

Schwei; erwähnen nichts von Ihnen; berge,

stakt mutmaass' ich so im Allgemeinen, daß die Schaudb**, die dies mehr denn jemals, ist, sich darauf sezk. Sie noch in Ihren asset» Ta«

Aeu zu verfolgen. Aber Sie haben Geneve, Lau-

(

2ZY

)

filme, Neuchatel kn der Nachbarschaft, ustd

jeder dieser Orte ist ein Hafen für den Sturm. Die verlorne Prozesse errat' rch nicht.

Sie

Haben Ihre Meisten Kapitalien zU Kadir stehlt,

und die Gerichtsbarkeit des Bischofs von Anneei) erstttkt sich ausgemacht nicht bis dahin.

Sollte man Sie wegen der in Ger vorge«ommenen

Veränderungeir

gekränkt haben?

Hat sich etwa das Trosgesindel des P l u t u s mit den geistlichen Scharlatanen verschworen,

um Ihnen Handel zu-erregen?

Zch weis da-

von nichts; weiter lässt meine Vermutungskunst mich nichts erraten.

Inzwischen hab' ich nach Wirtemberg ge­

schrieben, um Ihnen zur Erlangung der mir bekannten Schuldforderung mit behülfiich zu

fein. Doch glaub' ich Ihnen den Wink geben

zss müssen, daß ich bei Sr.Durchlancht nicht all­

zu gut aiigeschrleben bin und daß besagte Durch­ laucht überdies

allemal einen

starken

Flus

auf den Ohren haben, wenn seine Gläubiger eine Standrede beginnen. Sonderbar,

daß mich das Schikfal znm

Trister der Philosophen hat machen wolle»!

R -

(

2ÖO

)

Ich habe qlle lindernde Mittel aus meinem £dr

den hcrgegeben, um d'Alembert'o Schmerz zu zertheilen.

Auch Ihnen würd' ich gern welche

zukommen lassen, wem» ich Ihr Mahrn gciioit

kennte.

Aber ich habe vom Hippokratcü

gehört, man müsse sich der Heilung einer Krank­ heit nicht eher nnterziehn, als bis man sie ge,

»au untersucht und studiert hat. Meine Apo, thekerkunst steht ganz zu Ihren Diensten. Bes­ ser wär's freilich. Sie bedürften derselben nicht.

Indessen thu ich aufrichtige Wünsche für Ihre Zufriedenheit Und für Ihre lange Erhaltung.

Vale.-

Friedrich N. S. Gütiger Gott.' welch eine Grausam­

keit, einen Mann in seinem'Alter zu verfol­ gen, der sein Vaterland berühmt macht,

und unserm Jahrhunderte zur grössten

Zierde gereicht l Was für Barbarei» r

(

-6-

)

LXXII, 5mit# Stil 9. SWIilM 17? 6.

Szxx,

(?s ist gar nicht zum Erstaunen, daß ein Mensch, der sein Leben damit zugebracht hat, Papier ge­ gen diejenigen voll zu sudeln, welche die Men­ schen täuschen, ausplündern und verfolgen, ge­

gen das Ende seiner Tage von diesem Schlag

Leute ein wenig verfolgt wird.

Noch weni­

ger darf man sich verwundern, daß der Mark-

Aürel unsers Jahrhunderts Mitleid gegen den alten Epiktet empfindet.

Ihre Majestät

geruhen mich mit einem Paar Fcdcrzügcn über

das Verfahren des abergläubischen und unver­ söhnlichen Gesindels zu trösten.

Ich neme mir die Freiheit, zu Ihren Füs­

sen die Gründe niederzulegcn, die mich so lange

der Ehre beraubt haben, Ihnen zu schreiben. Unter diesen Gründen war der erste, die Not­

wendigkeit, worein ich mich versezt sehe, ein

kleiner Libaniue zu sein, um den Grego­ ren von Nazianz und den Cyrillen zu antworten.

N 3

(

2 6a

)

Der Ameisenhaufen, bcn ich in meiner Eim samkeit habe aufbauen lassen, und der von den

Französischen Finauzrattcn zerwühlt wirb, war der zweite Beweggrund zu meiner Traurigkeit

und zu meinem Stillschweigen und die Vergeö-

lichkeit Ihres chmaligen Mündels, des Herrn

Herzogs Volt Wirtcliibevg, machte den dritter aus, In dem Chaos der kleinen Angelegenheiten,

die kleine..Köpfe zerrütten, wag' ich es in mess

»cm Alter nicht an Ihre Maicstar zu schreiben; ich fürchte mich vor dem Herrscher von Cm

ropa zu radotiren,

Eben die Hand, welche Könige unterrichtet und d'Zllembrrten tröstet, geruhet auch, sich

gegen mich auszustrekken,

Ihre Majestät sind

sehr gütig , daß Sie ein Paar Worte nach Wir-

reurberg zu meinem Vesten zu schreiben die Gna­ de gehabt Habel).

ne

slnglüklicherwcise haftet mei­

Schnldfordernng auf dem

Fürsteuthume

Mümpelgard, das unter die Gerichtsbarkeit des

Parlementö vyn Befancon gehört.

Dies sind

sonach Sachen, die nie ein Ende nemen; und ich

werde dies bald.

Der Herzog von wirterm

(

263

)

berg giebt mir jezt sein Wort, mich im küusci

gcir Jahre zu befriedige»; Durchlaucht ist mir

schuldig.

Seine regierend,

hunderttaüftnd Franker

Dies richtet einen Mann zu Grunde,

der durch den Aufbau einer klcincu Stadt bt.

reits um das Seinige gekommen war.

Aber ich

mus Geduld haben und die Auszahlung des

Herzogs oder den Tod, der alles auszahlt, er.warten.

Ich lege alle meine Erbärmlichkeit«» zu den

Füssen Ihrer Majestät, weil Sie cs so best-

len haben.

Die Nachwelt wird lachen, wen»

sie je erfährt, daß ein armseliger Pariser seine

Angelegenheiten Friedrich der» Grossen erhal­ te, und daß dieser ste anzuhkren geruhte.

Eben ist zu Paris ein ganz merkwürdiges Buch über die Litteratur, die Religion und

die Gebräuche der Schinefer hsrausgekommen. Der grösste Theil dieses Werks ist von einen» Schineftn verfertigt worden, den die Jesuiten

in seiner Kindheit seinen Aeltcri» jweggestohicn und sodann auf ihrem Kollegium in Paris et-ri,

gen haben.

Er spricht vollkommen Französisch,

aber leider! ist er selbst Jesuit und der frechst«' R 4

(

264

)

Cnergnmene, der sich unter ihnen befindet; aus das: Nötige sitz heretnzukommen ist er

äusserst erpicht.

Der Bösewicht ist fähig, das

ganze Königreich umznstürzcn.

Ich schmeichle

Mir, daß Ihr sehr ungeschiktcr Schüler, Rienglong, roetui er endlich von dem Fanatismus hört, der in seiner Hauptstadt brütet, alle diese Bc,

kchrer in Kurzem nach Westen schikkcn wird. Geruhen Sie, Sire, Ihre Gütigkeiten gegen meine alte Seele fortzusezen, die ihren

alten Körper bald verlassen wird,

Voltaire.

LXX1II. Potsdam den 26. December 1776.. Um an Voltaire zu schreiben, mnü man sich seiner Sprache, der Götter ihrer, bedienen. Da

ich mich in dieser aber nicht gehörig ausdrükken

kann, sy werd' ich meine Gedanken hinstammein,

SBirfl Du daL Ziel der Frömmlervrut, Oie Dich verfolsr, beständig sein? DeS schwarzen NeldS, der seinen Vrcchd

(

26z

)

Durch Deiner seltnen GavcU Glänr Verdunkelt sieht? So hassenswert DieS schändliche Verfahren ist. So häufig wird eS doch verübt; Man trieb den Frevelmut so weit Und sprach sogar den Göttern Hohn: Sie, die mit milder SeegenshanL Oie Etde überschütteten, Verschmähten selbst die Lästerer: Ost eS denn allo wunderbar, Daß Voltair', der Unsterbliche Die Streiche der Verlänmder fühlt? Bei diesen schlechten Versen hat es aber nicht sein Bewenden, sondern ich habe nach Wirtcmberg schreiben und um Ihre Nükstände fodicitb

ren lassen.

Hier ist die Antwort, die ich von

daher erhielt.

Zch glaube,

eö würde am

besten sein, wenn Sie dem Herzog (ohne ihn

merken zu lassen, wie wenig Zutrauen Sie zu

dem Tribunal in Befancon haben) zu versteh« gaben, Sie würdenlihn verklagen, wofern Sie die verlangte Summe nicht von ihm erhielten.

Dadurch wird er in Furcht geraten und zahlen;

diese Drohung wird bei ihm mehr wirken, als die triftigsten Gründe, die Sie ihm anführen

9t $

( könnten.

266

)

Das halt' ich in Nüksicht des Her,

zogs wirklich für das Beste. Uebrigenö glaub' ich, daß Sie, um sich dem strengen Eifer der Andächtler zu entziehn, nach

der Schweiz flüchten könnten, und daß Sie

dort vor allen Verfolgungen und Unannemlichfeiten, worüber Sie Sich befchivcren, gesichert

fein würden.

Was die Bedrükkungen bei Ih>

ren neuen Anlagen inFecncy betriff, so schreib' ich sie der Rachsucht der Comniiö von Ihren

Finanziers zu.

Diese Leute hassen Sie wegen

des Guten, was Sie dem Lande Ger dadurch

erwiesen, daß Sie es auf eine Zeitlang dem Heishunger dieses Volks entrissen. Was den Umstand anlangt, so gesteh ich ich bin verlegen, dem abzuhelfen, denn Buben, welche weder Veruunft noch Menschlichkeit ha­

ben kann man nicht zur Vernunft bringen. Sein Sie

inzwischen überzeugt, daß,

wen» auch

Ferncy dem Apoll sewstgehörte, diese verruch­ te Brut ihm nicht besser begegnet sein würde.

Was für Schande für Frankreich den einzigen

Kopf zu verfolge», den ein günstiges Schikfal in feinem Schoosse erzeugte. Einen Stan», des-

( =67

)

sei, Mitbürgerschaft sich zehn Reiche streitig rn.v chen könnten / wie chinals eben fo viele Städte iti Griechenland behaupteten, Homer sei in ihren. Ringmauern geboren worden.

Nein, cs

giebt keine empörendere Niederträchtigkeit, als

r>ic,WcrmutübcrIhre leztenTagc auszugicsscn. S^e's 'unwürdige Verfahren fezt mich in'Zorn titib es thut mir sehr leid, daß ich Ihnen nicht

kräftigern Beistand geben kann alsAeusserungc»

meiner höchsten Verachtung gegen Ihre Ver­ folger.

Aber Maurepas ist nicht bigot, bie-’

Königin nichtswenigcrals das-. ■ Vergennes begnügt sich, die Messe anzuhörcn, wenn er

dahin zu gehn nicht cntübrigt fein kann, Nckk c v ist eil, Kezer, — woher kann nun der Schlag kommen, der Sie zu Boden drükt? Der Erzbi­ schof von Paris ist für das bekannt, was er ist,

und ich weis nicht, ob fein Mentor, dcrExjcfuit, sich noch bei ihm.befindet.

Niemand kennt den

Beichtvater des Königs, sollte der Bischof dü

Puy, dieser eingefleischte Teufel, jenes Unge­

witter'gegen Sie erregt haben? Kurz je mehr

ich darüber nachdcnke, desto weniger errat' ich den Urheber der Kabale. Die Schrift über Schina, von der Sie mir

schreiben, hab' ich nicht gesehn.

Ich messe dem.

(

268

)

was wir aus so fernen Gegenden erhalten, um so weniger Glauben bei, da man sich oft in nicht geringer Verlegenheit befindet, was man von den Nachrichten in unserm Europa glau­ ben soll. Sein Sie i'ibrigenö versichert, daß Sie Ih,. tcn Feinden kein ärgere Herzeleid anthun kön­ nen, als wenn Sie ihnen zum Troz am Leben bleiben. Ich bitte Sie, diesen Kummer ja jenen Geschöpfen zu machen und zugleich überzeugt zu sein, daß Niemand sich für die Erhaltmrg des alten Patriarchen zu Feruey mehr interefitrt als der Einsiedler zu Sans - Souei. Val«.

Friedrich.

LXXIV. Potsdam den jo. Febr. 1777.

Es ist besser, daß Sie Ihre Sache mit dem Herzog von XVirtcmberg selbst zu Stande gebracht haben, als wenn Sie zu meinem Bei­ stand hätten Ihre Zuflucht nemen müssen. Ich stehe, wie schon gesagt, an jenem Hose nicht allzu-

(

-6y

)

gut. Seine Durchlaucht, die tief in Schulden stellen, haben jedesmal einen Flus auf den Oh­

ren, der Sie taub macht, wenn man Ihnen zuruft: Bezahlen Sie! Aus meinem Mun­ de würden Denselben diese Worte noch mehr zu­

wider sein als von einem andern.

Ihrer sieg,

reichen Beredsamkeit war es aufbchalteu, das

eherne Herz der mehrbesagten Durchlaucht zu schmelzen und ihn dahin zu bringen, daß er Ihnen zu Gunsten die Schnüre seines Geld­

beutels auflöst.

Ich wünsche Ihnen Glük, daß

Sie dieses Einen Kummers entledigt sind und werde mich freuen, wenn ich erfahre, daß auch

alle übrigen Anlässe zum Verdrus gehoben sind.

Ihr Alter sollte Ihre Person heilig und unverlezlich machen.

Ich indignire mich, gera­

te in Zorn gegen die Elenden, die das EndeIH-

rer Tage vergiften.

Gar oft hab' ich bei mir

gesagt: Wie kann jener Voltaire, der die Ehre Frankreichs und seines Jahrhunderts macht, in einem Vaterlande geboren worden sein, das un­

dankbar genug ist, um zuzugcbe», daß man ihn

verfolgt? Wie mutlos mue dies die künftige Na­

ce Machen! Welcher Franzose wird Hinsort seine Talente dem Ruhme einer Nation weihen wol-

(

270

)

fcu, die ihre grossen Männer verkennt und sie, statt zu belohnen, bestraft?

Das verfolgte Verdienst gehr mir nahe und

ich fliege ihm zum Beistand, wär' es auch am Ende der Welk.

Wenn ich Verzicht darauf'khun

mus, den unsterblichen Voltaire wicdcrzufthn, so werd' ich mich wenigstens diesen Sommer

mit dem weisen Anäxagoras unterhalten.

Wir wollen zusammen philosophircn'; IHv Na« me wird in allen Unsren Unterredungen bvrkom«-. men und wir werden über das traurige Schiksal

der Menschen seufzen, die ans Schwachsinn oder

Stupidität üi den Fanatismus zut'üksinken. Zwei Dominikaner, die den König votz

Spanien zu ihren Füssen haben-, schalten jezr über das ganze Königreich.

Zhr fals^er blut»

dürftiger Glaubenseiftr hat jene IuauWon welche, d'Arand-a so weislich abschaste, wie­

der in ihren alten Glan; eiugcftzt.

Sv wie die.

Welt läuft, werden die Abergsänbigei» immer

die Oberhand über die Philosophen behalten, Auaxasoras. So hatte öer Lönig in einer Epistel d'Alemberten getauft, der aber damals wegen Kränklichkeit nicht kam. 2L- des Uebels,

(

271

)

wett Lei dem grössten Haufen der Mensche» der

Geist nicht kultivirt ist uup nicht richtig oderinathematisch denkt.

Das Volk weis, daß man

Lurch Geschenke diejmigen besänftigt, die man beleidigt hat.

ES glaubt sonach, daß es eben

so mit der Gottheit verfahren mue und daß ss

ein unfehlbares Mittel sei,(.sich ihr wohlgefällig zu machen, wenn man tyr den Rauch von ci; ricm Scheiterhaufen zu riechen, giebt, worauf mail einen Kezcr verbrennt.

Rechnen Sie. hier­

zu die Ceremonien, die Deklamationen drr.Möm chc, den Beifall der Freunde und die stüpide

Frömmigkeit der Menge, so werden Sie.es nicht befremdlich finden,, daß die verblendete

Spanier noch Anhänglichkeit für diese Gottes­

verehrung beweisen, die der Kannibalen wert ist;

Die Philosophen konnten bei den Griechen

und Römern gedeihen, weil die Religion der Heiden keine Dogmen hatte, allein diese verder­

ben bei uns Alles.

Die Schriftsteller müssen

der Schandb" wegen mit einer Behutsam­ keit schreiben, welche der Wahrheit Zwang an»

thut.

Das Priestergeschmcis rächt die gering­

ste Verlezung der Orthodoxie; man erdreistet sich

nicht, die Wahrheit offen darzulegen; und die

(

272

)

Seelentyranncn verlangen, die Ideen aller Ein­ wohner des Staats sollen insgesamt in

Eine

Form gegossen sein. Sie werden gleichwohl den Vorzug haben,

alle Ihre Vorgänger in dem edlen Heldenmut zu Übertressen, niit dem Sie den Zrthum 5 er

kämpft haben.

So wenig wie mau dem be.>

rühmten Börhave Vorwürfe macht, daß er

nicht das hizige Fieber, die Schwindsucht, die Epilepsie

ausgerottet, sondern

begnügt

sich

hat, bei seinem Leben einige seiner Zeitgenossen

von diesen Krankheiten wiederherzustellen; eben so wenig wird man dem gelehrten Seelenarzte

zu Feruey darüber Vorwürfe machen können,

daß er den Aberglauben und den Fanatismus

nicht ganz zu zerstören im Stande war und sich seines Arzeneimittelö nur bei denen bedient hat, die noch heilbar waren.

Mein Individuum, das sich in seine Kur

begeben hat, segnet ihn tausendmal und wünscht

ihm langesj Leben und Glük.

Mit diesen. Ge.'

sinnungeii grüfft der Einsiedler zu Sans > souci

den Patriarchen der Ungläubigen. Kalt. Friedrich.

LXXV.

c

)

27z LXXV.

PotNam Len 26. Mürz.

1777.

2)on beii drei Ursache«, die Sie verhindert ha-

ben, mir zu antworten, sind die erste« beide« Folge« der Naturgeseze, die dritte aber rührt

vo« der Bosheit der Menschen her.

Dies wür/

de mich zwingen, diese Nace zu hassen, wen«

es nicht edle Seelen unter ihnen gäbe, denen

zu Liebe man den übrigen verzeiht.

Aber was

für eine Bosheit ist das nicht, einen Greis 51t

verfolgen und ein Vergnügen daran zu sindcn,

seine lcztcn Tage zu vergiften.

Das erregt Ab­

scheu und eniphrt gegen die tonsurirten Henker,

die Sie so mishandeln, und die ich, wenn ich

Macht dazu

Hütte, von

der Erde vertilgen

würde.

Der arme Morlval, der so jung er auch ist, dieVerfolgungssucht dieser Leute erfahren hat dar­

über und über die Unmenschlichkeit seiner Anver­ wandten daeHerzso verwundet, baßer vergang,

«er Tage einen Anfall von Apoplexie bekam.

Man Host indessen, daß er sich erholen wird. Er ist eii, guter und rcchtschafnerHüngling, der wegen seines Fleisses und seiner Begierde, alles

S

(

-74

)

recht zu machen, verdient, daß man ihm gut ist.

Zch bin überzeugt, Sie werden mit seiner Si­

tuation Milscid haben.

Diejenigen, die mit Ihnen von Frankreich'« Staatöverfassung sprechen, haben, mei­

nes Bedünkene, ein wenig übertrieben. Zch bi»

bei einer gewissen Gelegenheit mit den Einkünf­ ten und den Schulden dieses Staats genau be­

kannt geworden.

Seine Schulden sind unge­

heuer, die Hülfsquellen erschöpft und die Abga­

ben über die Maasse vervielfältigt. Das einzige Mittel, mit der Zeit diese Schuldenlast zu ver­ mindern, wäre, den Aufwand und allen Ucberstus einzuschrankcn.

Dahin wird man aber nie

kommen, denn statt zu sagen: ich habe nur so und so viel Einkünfte und kann nur so und so viel aufgehn lassen; so heisst es: ich brauche so

und so viel, schäft'« herbei.

Durch einen starken Aderlaß der tousurirten Buben konnte man einige Aushülfe erlangen, doch würde das nicht hinreichend sein, um die

Schulden im Kurzen abzutragen, und dem Vol­ le Erleichterungen zu verschaffen, derer» es so

bringend

bedarf

Diese

verdrieoliche

Lage

schreibt sich von den vorigen Negierungen Herdie immer Schulden gemacht und sie nie bee zahlt haben. Zezt ist dieSchuldcniuasse so ungeheuer, daß

man sich nur durch einen Bankrot wird heraus ziehen können.

Bricht (wie unvermeidlich zu

sein scheint) ein Krieg mit England aus, so hak man Geld Nötig. Zu bekommen ist durchaus keins, daher muö man die Bezahlung der Leibrenten

suspendiren; dadurch gehn wenigstens

einige

tausend Familien tm Reiche zu Grunde.

Sein-

Sie überzeugt, die Regierung hat, wenn sie dieser grausamen Katastrophe attsweichen wist,

kein andres Mittel übrig, als einen wohlüberlegt len Bankrot zu

machen; bas heisst:

Zinsen

und Kapital auf die Hälfte herunterznsezett.

Genemigen Sie diesen Schritt? hör Sie fragen.

icfr

Zuverlässig nicht, wenn ich einen

bessern vorzuschlagen wüsste; so aber findet sich

unter den gegenwärtigen Konjunkturen schiklicherer; und wie

kein

das Sprüchwort lau­

tet: aus zweien Uebeln mus man bas mindeste

wählen. Ucbrigens hat diese Zerrüttung der Finanzen auf alle Zweige der Staatsverwaltung seinen

(

276

)

Einsius; sic hemmte St. Germains Projekte,

die kaum zur Hälfte ausgeführt worden sind; sie hielt das Ministerium ab, jenen überwiegen-

den Einflus in den Europäischen Angelegerihciten wiederzuerlangcn, in dessen Deß; Frankreich

seit 'Zeinrich IV. war.

Kurz,

als denkendes

Wesen hab' ich die Zurükberufung Ihres Par.-

lements gemisbissigk, weil sie den Grundsäzeu

der Logik und des Bonsens zuwider war. Sehn Sie, so cntdekt und sieht man Feh/

ler und Gebrechen bei andern, indes man ge­

gen seine eignen blind ist.

Ich würde besser

daran thun, meine eignen Handlungen zu regn-

liren und mich vor Thorheiten zu hüten, als das ich die Triebräder genau untersuche, welche die grossen Monarchien in Bewegung sczen. Sie schreiben mir von einem Teutschen Schriftsteller, welcher sich gleichfalls daraufein-

lässt, die Europäische Politik in Ordnung zu bringen.

Ich kann Ihnen versichern, daß cs

eil« Träumer ist, der die Theilung nach dem

Fus der Polnische«« einrichtet.

Dieser grosse

Mann weis nicht, daß so ein Fass selten ist und niemals bei den Lebzc.tten derselben Mensche»

(

277

)

wieder zum Vorschein kömmt. Die wenigen Wahrheiten, die in den Behauptungen jenes grossen Staatskünstlers liegen, laufen auf die Möglichkeit neuer Unruhen hinaus, die in der Krim zwischen Nusland und der Pforte ent­ stehn können und aus der alles Maas überschrei­ tenden Begierde des Raisero sich gegen Adria, nopel hin zu vergrisscrn. Dieser Fürst ist jung und ehrgeizig; ich habe fünfundsechzig Zahre zurükgelegt und so kann man wegen meiner Ge­ sinnungen keinen Argwohn fassen. Hab' ich wohl noch Zeit Projekte zu machen? Zch schikke Ihnen hierbei statt der schlechte» Verse, die ich hätte machen können, eine Auswahl der besten Gedichte von Chaulieu und der Deshoulieres, die ich zu meinem

.Deschoulieres sAntoinette) Tochter sott Melchior dü Ligier, Ritter vom heiligen Geist, ward ru Paris um das Jahr 16;; ge­ boren. Mit Schönheit verband sie ein edles und zuvorkommendes Wesen und Uncrschrokkenheitr bisweilen war sie sehr lustig, manch, nial zu jener sanften Schwermut gestimmt, wel­ che; keine Feindin» des Vergnügens ist. Noch sehr jung lernte sie das Lateinische, Italien!, sche und Spanische; ihre Neigung für die Poesie offenbarte sich gar frühzeitig. Im Jahre i6$i heurarettsie Guillaume Deehouliercs b 3

(

278

)

uhb meiner Freunde Gebrauch hake drukkell einen Edelmann aus Poitou. Der Prinz de Conde, mit dessen Partie er es dielt, machte ihn zum Major inRoeroL, das Erstrer im Na­ men des ^önigö von Spanien eingenommen hatte. Wegen seines Postens sah er sich genö­ tigt beträchtlichen Aufwand ru machen; sein Vermögen in Frankreich war in Beschlag ge­ nommen worden und seine Besoldung in Brüs­ sel wurde rurükbehalteu. Seine Gemahlin reichte deshalb verschiedne Bittschriften ein, worauf man keine Antwort erhielt. Sie be­ schwerte sich darüber; man machte ihr aus die­ sen Klagen ein Verbrechen, nam sie fest und führte sie als Staarsgeiangne nach dem Schlos­ se Vilvorden, zwei Meilen von Brüssel. Ihr Mann, in dessen Abwesenheit sich dies zu­ getragen hatte, begab sich nach der ieztern Stadt, um ihre Freiheit auszuwirken. Da er sah, daß er kein Gehör fand, so nam er einige Soldaten zu sich, ging nach Vilvorden, schlich sich in die Festung, befreite seine Frau und ging mit ihr nach Frankreich. Sie nujten die Amnestie, diederÄönig damals allen von ihm Abgesallnen anbot. Er suchte eine Militärstelle und sie fojgte ihrem Hange zur Dichtkunst. Eie hat sich in allen Arten der­ selben versucht, das Heldengedicht allein aus­ genommen; ihre Schäferpoesien werden von Kennern am meisten geschärt. Für das Thea­ ter verfertigte sie ein Trauerspiel Genseric, d'aö keinen Beifall erhielt und weswegen man

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279

)

lassen. ') Nun wieder auf den göttlichen Patriarchen

der Ungläubigen zurük! Zch glaube, er wird gut daran thun, seine Feinde zu rauschen.

Sie sind

Willens ihn zu kränken, daher mus er ihnen nur Gleichgültigkeit und Verachtung bezeigen. Und steht er ja sich genötigt, in die Schweiz zu

flüchten, so kann er sie, von diesem freien Lau­

de ans, mit einer Schrift regaliren, worin ihre Schande und Bosheit entlarvt wird.

Die Na­

tur erhalte lange den diuur Voltarinr und mir noch lange das Vergnügen, Nachrichten von

ihm'zu bekommen. F*ie.

Friedrich. ihr riet: Germain hatte' grosse und herrliche

Plane, die Ihren Welschen sehr zum Vortheil

würden gereicht haben; aber jederman arbeitet?

und stellte sich ihm entgegen- weil die Reformen/

die er vornemcn wollte, die junge Windbeutel genötigt hätten, sich an eine Pünktlichkeit zu gewöhnen, die ihnen ganz zuwider ist.

Er be­

durfte Geld, nm die Haustrnppen des Königs

aufzuheben und das verweigerte man ihm. Auf

die Art haben-Ihre Welschen vierzigtaiiscnd Mann, womit Frankreich seine Kriegsmacht vermehren konnte, ohne einen Sons zu bezah­

len, eingebüsst, um zehntausend wohl chamarir-

te und galonnirte Müssiggänger zu behalten. Und Sie verlangen, daß ich einen so richtig denkenden Kopf nicht schäzen soll?

Nur die

(

3i8

)

schlechten Staatsbürger, die ihm entgegen ar­

beiten, kann Verachtung treffen.

Ich bitte, er-

innern Sie Sich des Paters Tournemine

Ihrer Säugamme, (bei der Sie die reine mir lautre Milch der. Musen cingesogen haben) und

söhnen Sie Sich wieder mit einem Orden aus, der Männer vom grössten Verdienste Ihren

Landeleuten im verwlchnen Jahrhunderte gelie­ fert hat.- Ich weis recht gut, daß die Mitglie­

der desselben kabalirt und sich in Staatsgeschä^ te-gemengt haben; aber das ist die Schuld der

Negierung.

Warum hat sie das geduldet? Ich

messe dies nicht dem Pater leTellier sondern Ludwig XIV. bei. Aber alles das kümmert mich weit weniger, als der Patriarch zn Ferney.

Der mus leben,

glüklich.ftin und die Abwesenden nicht vergessen. Dies sind die Wünsche des Einsiedlers von

Sans- Souci. Fak.

Friedrich.

(

319

-

LXXXVl.

den 25. November 1777.

O Mann, der Qu in Allem groS Und ohne Nebenbuhler bist. Von budwig'S Ci» 61*5 Mekka hin. Du stiftest jerr ein Hospital Für jene Sprachen LatiumS Und. Grttcien'S und stellest da Die Bücher ihrer Weisen all' Dem Zeughaus gegen Uder auf. Du rveihrest Deine Lebenszeit Dem Gott der Grenadiere hall', Und halb dem Gott der Der sie. Sie beide überschatteten Mit Lorbeern Dich voll Eifersucht. AlS Weiser hast Du sie geliebt Und kos'rrst beiden wechselSweiS; So daß man künftig zweifeln kann. Wer Dir am meisten wohlgesiel. Ich erfahre, Sire, daß Herr d'Alembert Ihnen einen Märtirer der Philosophie zu ei,

nemJhrerBibliothekaare vorgeschlagen hat. Es ist der de Lisle, von dem Ihre Majestätschon

werden gehört haben und der bei Einem Haar

von einem Sanhedrin blödsinniger Barbaren

(

3 20

)

wir Morkval wäre verdammt worden.

Für ei­

nen schönen Geist ist er gelehrt genug; überdies ist er sehr arbeitsam und bestzt so viele wahre

Tugend als die Frömmler falsche.

te ihn für sehr fähig,

Ich hal­

Obrer Majestät in

allen Fächern der Litteratur zu dienen.

Es ist

ja Ihr Beruf, unsre Sottise» und Ungerechtig­

keiten wieder gut zu machen. Ich habe den Prix de la jxfiice V de Thuing-

niti, für den Sie so edelmütige Beiträge gege­ ben haben, auf die Post geschikt; er wird an>

kommcn, wenn es Gott gefällt. Jezt bin ich vierundachtzig Jahr und habe mehr Abscheu als "jemals für die lczte Oelung

und für diejenigen, die sie ertheilen.

Inzwi­

schen werf' ich inich tzn Obren Füssen und rufe

Sie als meinen Tröster in diesem und in jenem Lebe» an.

Der alte Rrankf.

LXXXVII.

(

321

)

LXXXVII, PsrSdam den i?, December

11777.

§s ist angenem, ein Monument von allen Ge­

danken der Wlenschen zu haben, die man har

aufsammeln kinnen. Was die Werke der Zmag!Nation anlangt, so seh' ich voraus, man

wird sich

mi

Homer,

Virgil,

Tasso,

Doltaire,Ariost halten müssen. Die Gehirne in allen Ländern scheinen ausgetrokuet zu sein und we­ der Blumen noch Früchte mehr hervorzubringen.

Was die historischen Werke betrist, so müss­ ten sie, um nüzlich zu werden, wenn ee anginge,

von Parteigeist, falschen Anekdoten und Un­

wahrheiten gereinigt werden.

Und die Meta­

physiker?. Von denen lernt man nur die Un­ begreiflichkeit der

Menge von Gegenständen,

welche die Natur ausser unsern Fassungskreie ge.

stellt hat. Was nun allen den theologischen Plunder von hypochondrischen und fanatischen

Schriftstellern anlangt,

so verdient er nicht,

daß man seine Zeit damit verdirbt, die unge­ reimten Schimären zu lesen, die denselben durch den Kopf gelaufen sind.

Von den Herrn Dees­

künstlern- die beständig unnüze Linien berechnen,

X

(

322

sag' ich gar nichts.

)

Zch lasse sie bet ihren

Punkten ohne Ausdehnung und ihren Linien

ohne Breite.

Auch die Herren Aerzte lass" ich

unerwähnt, die sich zu Schiedsrichtern unsers Lebens aufwerfen und weiter nichte als Zeugen unsrer Krankheiten sind.

Wae soll ich von den

Alchymisten sagen, die, statt Eold zu ma, che», ee durch ihre Operationen zum Nauchfaug

hinausjagen? Sonach bleibt zu unserm Nuzen und Trost weiter nichte übrig ale die schönen Wissenschaf­ ten, lvelche man mir allein Fug humanlora ge­

nannt Hal; und an die halt ich mich.

Der Ue-

berrest der Sammlung kann in einer Hauptstadt brauchbar sein, wo die von Seite«» der Glüks-

göttin übel bedachten Liebhaber der Wissenschaften Citationen verisiciren wolle«», die sie in an­

dern Büchern augetroffe«» hüben. Hier finden sie die Originale, die sie suchen; dazu ist diese Bi­

bliothek bestimmt.

Aber Voltair's Werke iie-

men darin die schiMmerndste Stelle ein; die schö­

ne Quartedition ist düselbst in allem ihrcin Pomp aNfgestellr worden. Sie schlage»» mir eine»» Herri» de Lrsle zum Bibliothekar vor; aber ich mus Zhne» sagen.

(

323

)

baß wir deren bereits drei haben und daß mass nach dem Ariom der Nominalistcn die Wesen nicht ohne Notwendigkeit vervielfältigen soll.

Wir werden es meines Dafürhaltens bei der

Zahl, die wir haben, bewenden lassen müssen.

Zch bin, will ich Ihnen nur bekennen, so

thöricht gewesen, das Werk vieles de Lisle zu

lesen, dessentwegen man ihn ane Frankreich exi(trt hat. Es iss ein rhapsodisches Chaos, voll

unlogischer NäsonnemenS und schwärmerischer Gedanken, die man wohl einem.Trunknen vcr-

zeiht, wenn er schreibt, nicht aber dem denken­

den Kopfe, für den er sich affichirt.

Wird er

zu Amsterdam oder Leiden ein Flugblattler, so kann er sein Brot verdienen, ohne seine Frei­

heit einem Despoten aufzuopftrn, wie er thun müsste, wenn er hierher käme.

Zn Paris sind

einige Zesuiten »ach aufgehobnem Orden Fiakres

geworden.. Dies Metier getrau' ich mir nun freilich nicht dem Herrn dessisle vorzuschlageir;

inzwischen wär es wohl möglich/ daß er eiirgeschikter Kutscher würde, und alles genau erwo­

gen- ist es immer besser, der erste Kutscher in

Europa zu sein als der lezte Schriftsteller. Zch säg Ihnen dies mit voller Freimut; und kcn-

X -