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German Pages 706 [703] Year 2022
ARISTOTELES PHYSIKVORLESUNG
ARISTOTELES WERKE IN DEUTSCHER
ÜBERSETZUNG
BEGRÜNDET
VON
E R N S T GRUMACH HERAUSGEGEBEN
HELLMUT
VON
FLASHAR
B A N D 11
PHYSIKVORLESUNG
AKADEMIE-VERLAG 1979
BERLIN
ARISTOTELES PHYSIKVORLESUNG
ÜBERSETZT
VON
HANS WAGNER
D r i t t e , unveränderte, durch eine Nachbemerkung ergänzte Auflage
AKADEMIE-VERLAG 1979
BERLIN
Erschienen im Akademie-Verlag, DDR-108 Berlin, Leipziger Straße 3 —4 © Akademie-Verlag Berlin 1967 Lizenznummer 202 • 100/23/79 Gesamtherstellung: V E B Druckerei „ T h o m a s Müntzer", 582 B a d Langensalza Bestellnummer: 7 500792 (3022/11) LSV 0116 Printed in G D R D D R 58, - M
BUCH I
1. I m Gesamtbereich der u n t e r Prinzipien, G r ü n d e n u n d Letzt- i84a 10 m o m e n t e n stehenden Untersuchungen ergeben sich Wissen u n d Begreifen aus der E r k e n n t n i s ebendieser Grundlagen — d e n n d a n n , w e n n wir die letzten Gründe des Einzelnen u n d seine letzten Prinzipien u n d 5 wenn wir es bis in seine L e t z t m o m e n t e hinein e r f a ß t h a b e n , h a l t e n wir es f ü r e r k a n n t —. U n d so ist d e n n auch mit Bezug auf die N a t u r wissenschaft die Notwendigkeit offensichtlich, mit einem Versuch, ihre 13 Prinzipien zu bestimmen, den A n f a n g zu machen. N u n ist es aber das natürliche Schicksal unserer E r k e n n t n i s , d a ß sie auszugehen h a t io von dem, was f ü r uns das Einsichtigere u n d Deutlichere ist, u n d weiterzugehen zu dem, was an ihm selbst das Deutlichere u n d Einsichtigere wäre. E s fällt j a keineswegs die Einsichtigkeit f ü r uns m i t der Einsichtigkeit ü b e r h a u p t zusammen. So bleibt es bei der Notwendigkeit, (auch hier) so zu verfahren, d a ß wir von dem ausgehen, 15 was zwar weniger deutlich an ihm selbst ist, d a f ü r aber f ü r uns das 20 Deutlichere ist, u n d weiterschreiten zu dem, was an ihm selbst das Deutlichere u n d Einsichtigere darstellt. Dies n u n , was f ü r u n s i m Anfang jeweils klar u n d deutlich ist, ist in W a h r h e i t gerade eine ungegliederte Mannigfaltigkeit, u n d erst der anschließenden Analyse 20 werden die L e t z t m o m e n t e u n d Prinzipien f a ß b a r . Aus diesem G r u n d h a t das Denken vom Allgemeinen z u m Einzelnen fortzugehen. D e n n das jeweilige Ganze ist es, was sich vorzugsweise der sinnlichen W a h r - 25 n e h m u n g darbietet, u n d das Allgemeine ist ja eine Art von G a n z e m ; denn es umschließt ein Mannigfaltiges, das gleichsam seine Teile bildet. 25 I n gewisser Weise | haben wir die nämliche Sachlage auch bei d e m iwb 10 Verhältnis zwischen W o r t u n d Begriff; das W o r t , etwa 'Kreis', bedeutet eine A r t von Ganzem, und zwar in recht u n b e s t i m m t e r ^^eise, w ä h r e n d die Definition desselben eine Unterscheidung in die Mannigfaltigkeit des Einzelnen hinein darstellt. Die Kinder sagen j a auch 30 anfangs zu allen Männern „ V a t e r " u n d „ M u t t e r " zu allen F r a u e n und erst in der Folge vermögen sie die beiden Eltern in ihrer Individualität zu erfassen.
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Buch I
is
2. Mit Notwendigkeit n u n (bestehen folgende Alternativen:) e n t weder gibt es n u r ein Prinzip oder aber mehrere; gibt es n u r eines, so ist es entweder prozeßfrei, eine D e n k b a r k e i t , die von P a r m e n i d e s u n d Melissos v e r t r e t e n wird; oder aber prozeßhaft, die Position der Naturphilosophen, Wobei die einen als uranfängliches Prinzip die L u f t , s andere das Wasser ansetzen; gibt es hingegen eine Mannigfaltigkeit von Prinzipien, so ist diese Mannigfaltigkeit entweder eine b e s t i m m t e oder aber eine u n b e s t i m m t e ; ist sie eine b e s t i m m t e Mannigfaltigkeit, so gibt es entweder zwei oder aber drei oder aber vier oder aber eine 20 andere Zahl von Prinzipien; ist sie eine u n b e s t i m m t e Mannigfaltig- 10 keit, d a n n h a n d e l t es sich entweder u m Prinzipien von identischer G a t t u n g , aber (unterschiedlicher) Gestalt, die Position des Demokritos, oder aber u m Prinzipien von unterschiedener oder sogar entgegengesetzter A r t . W e n n übrigens andere Denker die Frage untersuchen, wieviel Seiendes es gibt, so l ä u f t diese U n t e r s u c h u n g auf das n ä m - is liehe h i n a u s ; d e n n auch ihnen geht es u m die Frage, ob das, woraus die Dinge letztlich h e r s t a m m e n , ein Einziges oder ein Mannigfaltiges sei, u n d , falls es ein Mannigfaltiges ist, ob es ein bestimmtes oder ein 2s u n b e s t i m m t e s Mannigfaltiges sei; auch sie also fragen, ob der G r u n d so u n d das L e t z t m o m e n t ein Einziges oder ein Mannigfaltiges ist. W a s n u n die F r a g e nach etwaiger Einzigkeit u n d Prozeßlosigkeit des Seienden angeht, so ist sie gar keine Frage, welche die N a t u r issa betreffen k ö n n t e . | D e n n ganz genauso, wie der Geometer einem P a r t ner gegenüber, der die Prinzipien (der Geometrie) nicht gelten l ä ß t , keine Argumentationsmöglichkeit m e h r besitzt, jedwedes weitere Ge- 2s spräch vielmehr in die T h e m a t i k einer anderen Wissenschaft oder gar einer Allgemeinen Wissenschaft fallen m ü ß t e , so ist hier auch der Prinzipienforscher a m E n d e (sobald m a n a n n e h m e n wollte, d a ß das Seiende ein einziges u n d prozeßfrei sei). D e n n es gibt kein Prinzip mehr, wenn es ü b e r h a u p t n u r ein Einziges gibt u n d das Seiende in 3» d i e s e r Weise eines ist. I s t doch ein Prinzip immer Prinzip f ü r etwas, 5 sei dieses letztere ein Einziges oder eine Mannigfaltigkeit. Eine U n t e r suchung, ob das Seiende in dieser Weise eines sei, ist d e m n a c h ebenso (sinnlos) wie eine Auseinandersetzung mit irgendeiner These, die bloßes Gerede ist — z. B. mit der Herakleitos-These oder etwa m i t 3s einem solchen S a t z : Das Seiende ist ein einziger Mensch — oder a u c h wie ein Versuch, einen eristischen Satz aufzulösen. Einen solchen eristischen Charakter h a b e n j a n u n die beiden Positionen wirklich an sich, sowohl die des Melissos wie die des Parmenides. Falsch ist n ä m -
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lieh, was sie als Prämissen ansetzen, u n d sie verstoßen gegen die 10 Schlußlogik; besonders p l u m p ist dabei die Position des Melissos, sie bietet keine echte Schwierigkeit, vielmehr ergibt sich aus dem v e r k e h r t e n Ansatz das Weitere von selbst; irgendeine K u n s t b r a u c h t 5 es dazu nicht. — F ü r uns hingegen sei dies der A u s g a n g s g r u n d s a t z : Die Naturgebilde sind prozeßhaft, u n d zwar entweder alle oder aber wenigstens z u m Teil; die- methodische E r f a h r u n g erweist es. Man b r a u c h t auch nicht jede beliebige These zu widerlegen, sondern n u r 13 solche Positionen, die zwar falsch sind, aber f ü r welche ihr Vertreter 10 immerhin einen Beweis aus den Prinzipien zu f ü h r e n versuchte, wenn er auch fehlging. So ist es f ü r einen Geometer sinnvoll, den mittels der Segmente g e f ü h r t e n Beweis f ü r die K r e i s q u a d r a t u r zu widerlegen, Antiphons Beweis hingegen ist kein möglicher Gegenstand f ü r eine geometrische Widerlegung. Aber es ist vielleicht t r o t z d e m angebracht, 15 sich kurz m i t ihnen (Parmenides u n d Melissos) auseinanderzusetzen; denn wenn ihre Thesen auch nicht die N a t u r betreffen können, so berühren sie doch b e s t i m m t e Naturprobleme. E s ist nicht ohne philo- 20 sophisches Interesse, sie zu prüfen. Da n u n der Terminus ' d a s Seiende' vieldeutig ist, geht m a n dabei 20 a m besten v o n der F r a g e aus, mit welcher B e d e u t u n g er denn in dem Satze, das Seinsganze s e i eines, gebraucht i s t : ob das Seinsganze als Substanz oder aber als Q u a n t i t ä t oder aber als Qualität gedacht wird, weiterhin, ob es als einzige Substanz gedacht wird, so wie m a n von e i n e m Menschen, e i n e m Pferd oder e i n e r Seele spricht, oder aber 25 25 ob es als einzige Qualität gedacht wird, — weiß, w a r m oder dergleichen. All das m a c h t einen b e d e u t s a m e n Unterschied, aber denkbar ist nichts von allem. Denn w e n n das Seinsganze sowohl Substanz wie Qualität u n d Q u a n t i t ä t ist, d a n n ergibt sich eine Mannigfaltigkeit des Seienden, mag m a n die drei Bestimmtheiten gegeneinander abgetrennt oder mit30 einander v e r b u n d e n denken. I s t das Seinsganze aber lediglich Qualität oder Q u a n t i t ä t , ohne d a ß es von B e d e u t u n g sein soll, ob es eine Substanz gibt oder nicht, d a n n ist der Unsinn p e r f e k t , wennanders das 30 Unmögliche Unsinn genannt werden m u ß . Denn ein Fürsichsein besitzt einzig u n d allein die S u b s t a n z ; alles andere k a n n j a n u r als (bestim35 mendes) P r ä d i k a t der Substanz als des Subjekts (im Urteil) gedacht werden. Melissos n u n b e h a u p t e t die Unendlichkeit des Seienden. Folglich ist das Seiende (nach ihm) eine Q u a n t i t ä t . D e n n die Unendlichkeit ist n u r als B e s t i m m t h e i t einer Q u a n t i t ä t möglich. Eine Substanz hingegen, eine Qualität oder ein Zustand | k a n n höchstens in ver- iasb
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Buch I
mittelter Weise Unendlichkeit besitzen, wenn sie nämlich gleichzeitig auch Größenbestimmtheit an sich haben. Denn die Definition des Unendlichen fordert als Definitionsmoment den Begriff der Quantität, aber nicht die Begriffe der Substanz oder der Qualität. Falls das Seiende (nach Melissos, da er es als unendlich bestimmt) also sowohl Substanz wie Quantität ist, dann ist es zwei Seiende, und nicht etwa s eines. Ist es jedoch ausschließlich Substanz, dann ist es nicht unendlich und hat überhaupt keinerlei Größe. Denn andernfalls m u ß es ein quantitativ Bestimmtes sein. Da nun aber auch der Terminus 'das Eine' selbst genauso wie der Terminus 'das Seiende' vieldeutig ist, muß man weiterhin die Frage nach der A r t und Weise stellen, in welcher er in dem Satz, das Seinsganze sei e i n e s , gebraucht wird. E s gibt drei verschiedene Bedeutungen des Terminus: die Einheit der Kontinuität, dann die Einheit der Unteilbarkeit, schließlich die Einheit und Identität des Wesensbegriffs, wie sie etwa vorliegt bei den zwei Wörtern 'Rebensaft' und 10 'Wein'. Legt man (a) die Einheit der Kontinuität als Bedeutungsmöglichkeit zugrunde, so ergibt sich, daß ihrem Einen statt Einheit Mannigfaltigkeit zukommt. Denn ein Kontinuum ist ins Unendliche teilbar. — Übrigens enthält das Verhältnis zwischen Teil und Ganzem eine Dunkelheit, die vielleicht im gegenwärtigen Zusammenhang keine Rolle spielt, aber an ihr selbst wichtig ist, die nämlich, ob Teil und Ganzes miteinander eine Einheit oder eine Mannigfaltigkeit darstellen, und wie dann ihre Einheit oder aber ihre Mannigfaltigkeit zu denken ist, und zwar insbesondere, wie, falls Mannigfaltigkeit vorliegen sollte, diese Mannigfaltigkeit zu denken ist; eine weitere Dunkelheit gibt es hinsichtlich des Begriffs derjenigen Teile, die Teile von nichtkonti15 nuierlichen Ganzen sind; und schließlich ist auch dies voller Dunkelheiten, daß dann, wenn von den zwei Teilen eines Ganzen jeder für sich mit diesem Ganzen zusammen eine Einheit im Sinne einer Unabtrennbarkeit voneinander darstellt, diese zwei Teile auch miteinander Eines sein müssen. — Legt man (b) hingegen die zweite Bedeutung, d. h. die Einheit der Unteilbarkeit, zugrunde, dann ist weder eine Größenbestimmtheit noch eine qualitative Bestimmtheit (des Seinsganzen) denkbar und das Seiende kann weder, wie Melissos will, unendlich noch auch, wie Parmenides meint, begrenzt sein; denn nur die Grenze ist ein Unteilbares, nicht aber das begrenzte Gebilde. — Und legt man (c) die dritte Bedeutung, die Einheit des Begriffs, zu20 gründe, soll das Seinsganze also in dem Sinne eines sein, wie Cape
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u n d U m h a n g das sind, d a n n wandeln Melissos u n d Parmenides den Weg des Herakleitos: denn d a n n sind Gutsein u n d Schlechtsein, Gutsein und Nichtgutsein miteinander identisch — mit der Folge, d a ß es zur I d e n t i t ä t zwischen G u t u n d Nichtgut u n d Mensch u n d P f e r d s k o m m t u n d d a ß das Theorem j e t z t nicht mehr v o n der Einheit des Seienden handelt, sondern zu der B e h a u p t u n g wird, das Seiende sei gar nichts — u n d ebenso sind d a n n auch qualitative u n d q u a n t i t a t i v e 2s Bestimmtheit miteinander identisch. — So m a c h t e n es denn auch die jüngeren u n t e r den V ä t e r n der Philosophie bereits zu ihrer H a u p t 10 sorge, doch j a ein Zusammenfallen von Einheit u n d Mannigfaltigkeit in einem u n d demselben Gegenstand auszuschließen. Zu diesem Zwecke entfernten die einen, wie etwa Lykophron, die Kopula aus dem Urteilssatz und versuchten die anderen eine A b ä n d e r u n g der sprachlichen Gestalt (des Urteils) dahingehend, d a ß es nicht heißen d ü r f e : der )6 Mensch ist weiß, oder: er ist umhergehend, sondern heißen müsse: der 30 Mensch erhielt die weiße Farbe, bzw.: er geht u m h e r . Diese E n t fernung u n d diese Umgehung der Kopula sollten das Eine davor bewahren, vieles zu sein; begründet aber war der ganze Vorschlag in der (falschen) Meinung, d a ß die Termini 'das E i n e ' u n d 'das Seiende' 20 eindeutig seien. Aber das Seiende ist ein Mannigfaltiges, u n d zwar (ein Begriffs- oder aber auch ein Teilungsmannigfaltiges;) ein Begriffsmannigfaltiges : denn etwas anderes ist z. B. Weißsein und etwas anderes ist Gebildetsein, u n d doch ist der eine identische Gegenstand sehr wohl beides z u s a m m e n : also ist das Eine gleichzeitig ein Mannig25 faltiges; ein Teilungsmannigfaltiges: ein Gegenstand ist das Ganze, das er ist, u n d ist doch auch die Mannigfaltigkeit seiner Teile. Und bei diesem letzteren P u n k t | w u ß t e n sie sich nicht mehr zu helfen i86a und gestanden die Möglichkeit zu, d a ß das Eine ein Mannigfaltiges sei — als ob nicht völlig grundsätzlich die Möglichkeit bestünde, d a ß 30 eins und dasselbe sowohl Einheit wie Mannigfaltigkeit besitze, ausgenommen lediglich eine Mannigfaltigkeit von einander widersprechenden Bestimmtheiten. Es gibt j a Einheit in zwei Weisen: potentielle Einheit u n d aktuelle Einheit. 3. Geht m a n (an die Thesen des Melissos u n d des Parmenides) in 3s der soeben bezeichneten Weise heran, so zeigt sich die Unmöglichkeit einer (mannigfaltigkeitslosen) Einheit des Seienden u n d die Haltlosig- s keit der Voraussetzungen, aus welchen (diese Einheit des Seienden) hergeleitet wird. Beide, Melissos wie Parmenides, arbeiten nämlich mit eristischen Scheinschlüssen [falsch nämlich ist, was sie als Prämissen
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ansetzen, u n d ihre Ableitungen verstoßen gegen die Schlußlogik; besonders p l u m p ist dabei die Position des Melissos, sie bietet keine Schwierigkeit, vielmehr ergibt sich aus dem verkehrten Ansatz das Weitere von selbst; irgendeine K u n s t b r a u c h t es dazu nicht]. Der i« Paralogismus, den Melissos begeht, liegt auf der H a n d . E r h ä l t j a 5 dies f ü r einen gültigen A n s a t z : wenn jegliches P r o d u k t eines Werdens einen Anfang h a t , so h a t das, was nicht P r o d u k t eines Werdens ist, keinen Anfang. Ebenfalls u n h a l t b a r ist auch die Meinung, d a ß alles einen Anfang h a b e n m ü ß t e — dabei ist nicht etwa an einen A n f a n g der Zeit nach, sondern an die Stelle gedacht, an welcher das jeweilige 10 Ding seinen (räumlichen) Anfang h a t , u n d auch nicht etwa bloß an eine (räumliche) Anfangsstelle f ü r das wirkliche E n t s t e h e n , sondern ebenso auch an eine (räumliche) Anfangsstelle f ü r die qualitative Verls änderung, — als ob es nicht i n s t a n t a n e Prozesse gäbe (in welchen ein Gesamtgebilde g l e i c h z e i t i g in allen seinen Teilen in seinen neuen is Z u s t a n d übergeht). W e i t e r h i n : w a r u m soll Einheit Bewegungslosigkeit nach sich ziehen? Denn ebenso wie es f ü r den Teil, der j a auch eine Einheit darstellt, etwa f ü r eine b e s t i m m t e Teilmenge Wasser, die Möglichkeit der Bewegung, nämlich die einer Bewegung in sich selbst, gibt, ist solche (Bewegung in sich selbst) auch f ü r das Ganze d e n k b a r . 2« U n d ebenso: w a r u m der Ausschluß einer Möglichkeit qualitativer Verä n d e r u n g ? U n d schließlich ist auch dies unmöglich, d a ß das Seiende der A r t nach eines sei; möglich ist höchstens eine Einheit alles Seienden 20 hinsichtlich des Grundstoffs, aus dem es besteht, — diese letztere Einheit h a t tatsächlich auch u n t e r den Naturphilosophen Vertreter ge- 25 f u n d e n , jene (Einheit alles Seienden der A r t nach) jedoch nicht —. Mensch u n d Pferd sowie die Glieder aller Gegensätze sind gegeneinander artverschieden. F ü r Parmenides gilt das nämliche, wenn freilich auch noch einiges n u r f ü r ihn Eigentümliche h i n z u t r i t t . U n d die Widerlegung besteht 3» einerseits im Nachweis der Falschheit (seines Ansatzes), andererseits im Nachweis, d a ß seine Ableitung danebengeht. Die Falschheit (des 25 Ansatzes) liegt in seiner A n n a h m e , der Terminus 'seiend' sei eindeutig, während er in W a h r h e i t doch vieldeutig ist; daneben aber geht seine Ableitung insofern, als, u m einmal n u r die weißen Dinge herauszu- 35 greifen, selbst d a n n , wenn der Terminus 'weiß' eindeutig n u r eine einzige Bestimmtheit bezeichnet, die weißen Dinge gleichwohl ihre Vielheit b e h a l t e n u n d nicht etwa zu einem einzigen Ding werden; denn es k o m m t weder zu einer Einheit alles Weißen im Sinne der
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K o n t i n u i t ä t noch auch zu einer Einheit dem Wesensbegriff n a c h ; denn ein anderes bleibt das Weißsein, ein anderes das Gegenstandsein (des weißen Gegenstandes); u n d neben d e m weißen Gegenstand gibt es nichts (weiteres), was ein Fürsichsein besäße; denn nicht etwa, weil 30 5 die B e s t i m m t h e i t 'weiß' ein Fürsichsein besäße, sondern der Weise ihres Seins n a c h sind die Bestimmtheit 'weiß' u n d das (als Weiß) B e s t i m m t e voneinander verschieden. Aber das begriff Parmenides noch nicht. So wurde (für ihn) der Ansatz unvermeidlich, d a ß das P r ä d i k a t 'seiend' mit Bezug auf jeden möglichen Gegenstand der Be10 urteilung nicht n u r Einheit, sondern wesenhafte Seinsbestimmtheit u n d wesenhafte Einheitsbestimmtheit besage. D e n n die z u s ä t z l i c h e B e s t i m m t h e i t wird j a von einem b e s t i m m t e n (von ihr verschiedenen) Gegenstand ausgesagt u n d das h ä t t e hier zur Folge, d a ß dieser Gegenstand, f ü r den die Seinsbestimmtheit bloß zusätzliche B e s t i m m u n g 35 is sein würde, selbst gar nicht wäre — denn von der B e s t i m m t h e i t 'seiend' wäre er j a verschieden —. | E s gäbe d a n n also ein Nichtseiendes (und isob von i h m würde gerade ausgesagt werden, d a ß es ist!). U n d so bleibt denn n u r dies (für Parmenides) übrig: die wesenhafte Seinsbestimmtheit (besteht f ü r sich; sie) ist nicht B e s t i m m t h e i t an etwas von ihr 20 Verschiedenem. Denn ein einzelnes, b e s t i m m t e s Seiendes k ö n n t e sie n u r u n t e r der Bedingung sein, daß der Terminus 'seiend' f ü r eine Mannigfaltigkeit stünde, u n d zwar in der Weise, d a ß jedes Glied derselben B e s t i m m t h e i t zu h a b e n vermöchte. Aber (dies geht f ü r P a r m e nides n i c h t ; denn) da s t e h t die Grundthese dagegen: der Terminus 25 'seiend' b e d e u t e t n u r Eines. — Aber n u n : W e n n doch diese wesenhafte Seinsbestimmtheit nicht zusätzliche B e s t i m m t h e i t an irgend etwas W e i t e r e m sein k a n n , sondern lediglich zu ihr selbst zusätzliche Bes t i m m t h e i t e n hinzutreten können, wie soll d a n n dieser Terminus s ' w e s e n h a f t e Seinsbestimmtheit' gerade das Seiende bezeichnen u n d 30 nicht etwa ebensogut das Nichtseiende b e d e u t e n ? D e n n wenn diese wesenhafte Seinsbestimmtheit gleichzeitig etwa weiß sein soll, Weißsein aber doch mit dieser wesentlichen Seinsbestimmtheit nicht identisch sein k a n n — denn es k a n n ihm doch nicht etwa die B e s t i m m t h e i t 'seiend' eignen, wo doch allein n u r die wesenhafte Seinsbestimmtheit 35 den C h a r a k t e r eines Seienden besitzen soll — d a n n ergibt sich (der Widersinn): Das. was weiß ist, ist gar kein Sei^nrlpis. TTnH r.war n i r h t n u r kein Seiendes b e s t i m m t e r Artung, sondern in gar keinem Sinn ein Seiendes. Das besagt aber (nichts geringeres als dies): Diese wesen- 1» h a f t e Seinsbestimmtheit ist selbst gar kein Seiendes. Denn d a r a n ist
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nicht zu r ü t t e l n , d a ß sie w e i ß i s t ; die B e s t i m m u n g 'weiß' aber (dies gehört zu dem f ü r Parmenides Ausgemachten) bezeichnet ihren Gegens t a n d als ein Nichtseiendes. Das heißt aber (daß m a n j e t z t u m g e k e h r t sagen m u ß ) : auch die B e s t i m m t h e i t 'weiß' m u ß wesenhafte Seinsb e s t i m m t h e i t sein. U n d das heißt wiederum: Der Terminus 'seiend' s bezeichnet eine M a n n i g f a l t i g k e i t . — Übrigens k a n n folglich auch das Seiende, wenn es schon (nach Parmenides) die f ü r sich bestehende Seinsbestimmtheit ist, keinerlei Ausdehnungsgröße besitzen; denn (hat es Ausdehnung, so h a t es Teile; h a t es Teile, ist es nicht eines: denn) jeder Teil h ä t t e f ü r sich sein eigenes Sein. 10 D a ß die wesenhafte Seinsbestimmtheit eine M a n n i g f a l t i g k e i t sein m u ß , die in besondere weitere Seinsbestimmtheiten auseinander ib t r i t t , lehrt uns zweifelsfrei auch (die Logik) des Begriffs; wenn z. B. der Begriff des Menschen der Begriff einer Wesensbestimmtheit ist, d a n n sind notwendigerweise auch die Begriffe des Lebewesens und des Zwei- is füßigen Begriffe von Wesensbestimmtheiten; denn andernfalls m ü ß t e n sie Begriffe von bloß zusätzlichen Bestimmtheiten sein. Und d a n n entweder solche des Menschen oder aber eines anderen Gegenstandes. Doch erweist sich beides als unmöglich. (Beweis der Unmöglichkeit des e r s t e n Alternativgliedes:) Zusätzliche Bestimmtheit heißt eine Bestimmtheit 20d a n n , wenn sie entweder dem Gegenstand nicht mit Notwendigkeit zu20 k o m m t oder aber wenn in ihrer Definition der Gegenstand, dem sie zuk o m m t , a u f t r i t t [oder auch wenn in ihr der Begriff des Gegenstandes, dem sie z u k o m m t , e n t h a l t e n ist], — so ist z . B . ' S i t z e n ' eine solche unnotwendige B e s t i m m t h e i t u n d im Begriff des Schielens ist der Begriff des 2» Auges involviert, dem wir das Schielen zusprechen —. W e i t e r h i n : Die Definitionsstücke e n t h a l t e n in i h r e m Begriff nicht den Begriff des Gan25 zen, (den sie definieren sollen); so enthält der Begriff des Zweifüßigen nicht den Begriff des Menschen, der Begriff des Bleichen nicht den Begriff des bleichen Menschen. W e n n also bei solcher grundsätzlichen Sachlage 30' Zweifüßigkeit (dennoch) eine bloß zusätzliche B e s t i m m t h e i t am Menschen sein sollte, so m ü ß t e es eine unnotwendige Bestimmtheit an ihm sein, der Mensch also auch ohne Zweifüßigkeit möglich sein — oder aber es 30 m ü ß t e im Begriff der Zweifüßigkeit der Begriff des Menschen (als Definitionsstück) stecken. Beides ist unmöglich. Denn der erstere Begriff ist 35. Definitionsstück des letzteren. — (Beweis der Unmöglichkeit des z w e i t e n Gliedes:) Sollen die beiden Bestimmtheiten 'zweifüßig' u n d 'Lebewesen' j edoch zusätzliche Bestimmtheiten an einem anderen Träger sein, keine von ihnen also die Stellung einer Wesensbestimmtheit genießen,
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d a n n wäre auch der Begriff des Menschen bloß der Begriff von solchem, das n u r als zusätzliche Bestimmtheit a n einem Anderen v o r k o m m e n k a n n . Aber die Wesensbestimmtheit soll doch (ihrem Begriffe nach) kein e m einzigen Gegenstand als bloß zusätzliche B e s t i m m t h e i t z u k o m m e n s können u n d der Gegenstand, f ü r den die beiden Glieder [und auch jedes von ihnen] als Definitionsstücke fungieren, soll doch d u r c h ihre Kom- 35 plexion auch seine Definition erfahren. — Soll ( m a n d e n n n u n denken müssen, daß) das Seinsganze aus unteilbaren Einheiten a u f g e b a u t ist? | Einige h a b e n vor den beiden Argumentationen (der Eleaten) kapituliert; w • io der einen A r g u m e n t a t i o n gegenüber, d a ß alles eines sein müsse, wenn der Terminus 'seiend' eindeutig sei, gestanden sie zu, d a ß es das Nichtseiende gebe; der A r g u m e n t a t i o n aus der Zweiteilung gaben sie ebenfalls nach u n d ließen unteilbare Größen zu. Aber a u c h die B e h a u p t u n g , wenn der Terminus 'seiend' eindeutig sei u n d nicht gleichzeitig auch das is kontradiktorische Gegenteil (seiner selbst) solle b e d e u t e n können, d a n n sei jedwedes Nichtseiende ausgeschlossen, ist evident falsch. Denn s wenn es auch ausgeschlossen ist, daß das Nichtseiende s c h l e c h t h i n nicht ist, so gibt es doch kein Hindernis, d a ß es i n b e s t i m m t e r W e i s e ein Nichtseiendes ist. Und so ist die weitere B e h a u p t u n g , wenn 2« es nicht außer dem "Seienden selbst" auch noch etwas anderes gebe, d a n n müsse alles Eines (nämlich dieses eine u n d einzige Seiende) sein, widersinnig. Denn wer sollte sich denn unter diesem 'Seienden selbst' etwas anderes als eine b e s t i m m t e Wesensbestimmtheit denken k ö n n e n ? D a n n aber gibt es also doch kein Hindernis d a f ü r , d a ß das 25 Seiende, wie dargelegt worden ist, ein Mannigfaltiges sei. — D a ß das io Seiende in dieser (von den Eleaten angenommenen) Weise eines sei, ist also n u n zweifelsfrei ausgeschlossen. 4. W a s n u n die Lehren der N a t u r p h i l o s o p h e n angeht, so sind zwei T y p e n zu unterscheiden. Die einen Naturphilosophen setzen den 30 Grundkörper als das Eine, u n d zwar entweder einen von den dreien (Feuer, L u f t , Wasser) oder einen eigenen anderen, der dichter als das Feuer u n d d ü n n e r als die L u f t sei, u n d lassen d a n n alles weitere durch is Verdichtung u n d V e r d ü n n u n g aus ihm hervorgehen u n d (auf diese Weise) das Mannigfaltige (der Welt) Zustandekommen — es handelt sich 35 also u m Gegensätze; deren Klassen bilden das Zuviel u n d das Zuwenig, ganz ähnlich wie P i a t o n v o m Großen und vom Kleinen spricht, n u r daß P i a t o n dieses Gegensatzpaar als Stoff u n d das Eine als die (formgebende) Idee n i m m t , während die Naturphilosophen jenes eine Zugrundeliegende als Stoff und die genannten Gegensätze als (be-
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20 stimmende) Unterschiede u n d F o r m e n ansetzen —. — Demgenüber lehrt die zweite Gruppe, d a ß die im Ursprungseinen gelegenen Gegensätze aus diesem heraus- u n d auseinandertreten, — eine Theorie, wie sie A n a x i m a n d r o s , aber auch alle die vertreten, welche sowohl Einheit wie Mannigfaltigkeit des Seinsganzen annehmen, etwa Empedokles u n d s A n a x a g o r a s ; denn auch diese beiden nehmen ein H e r a u s t r e t e n des K o n k r e t e n aus der (ursprünglichen) Mischungseinheit an. Worin sie voneinander abweichen, das betrifft n u r dieses, d a ß der eine (Empedokles) ein periodisches Wechseln der G r u n d z u s t ä n d e lehrt, der andere 25 (Anaxagoras) jedoch die Einmaligkeit des Grundprozesses v e r t r i t t u n d 10 d a ß der eine (Anaxagoras) eine unendliche Mannigfaltigkeit sowohl der Homöomerien wie der Gegensätze, der andere (Empedokles) jedoch n u r die sogenannten Elemente a n n i m m t . Dabei scheint Anaxagoras zu seinem Unendlichkeitsglauben deswegen gekommen zu sein, weil er die u n t e r den Naturphilosophen gängige Meinung f ü r w a h r hielt, d a ß aus is dem Nichtseienden nichts entstehen könne — eine Meinung, die den gemeinsamen Grund f ü r solche Theoreme abgibt wie: Ursprünglich war alles b e i s a m m e n ; oder: Das E n t s t e h e n eines B e s t i m m t e n ist immer 30 n u r ein qualitativer Veränderungsprozeß; oder f ü r solche Grundbegriffe der E r k l ä r u n g wie Zusammen- u n d Auseinandertreten —. U n d io zweitens, weil er die Auffassung teilte, d a ß die Gegensätze auseinander e n t s t ü n d e n , also (im Ursprung) e n t h a l t e n gewesen sein m ü ß t e n . Sie waren j a (alle) der Auffassung, daß, w e n n (die Alternative) zurecht bestehe, d a ß alles E n t s t e h e n d e notwendig entweder aus Seiendem oder aber aus Nichtseiendem entstehe, u n d wenn (das eine Glied der ss Alternative,) ein E n t s t e h e n aus Nichtseiendem, ausgeschlossen sei — die 35 durchgängige Meinung der Naturphilosophen —, d a n n mit Notwendigkeit n u r noch eine einzige Folgerung als möglich übrig bleibe, nämlich die, d a ß alles E n t s t e h e n d e aus Seiendem u n d schon Bestehendem entstehe, wobei sich dieses schon Bestehende freilich auf G r u n d der geringen 30 187 b Volumina unserer W a h r n e h m u n g | entziehen müsse. U n d so lehrten sie denn, n a c h d e m sie alles aus allem entstehen sahen, d a ß alles eine Mischung von allem darstelle. U n d wenn die Dinge in der Erscheinung Unterschiede aufwiesen u n d in der Sprache verschiedene Bezeichnungen e r f ü h r e n , so sei diese Unterschiedenheit darin begründet, d a ß inner- 3s halb der Mischung des unendlich Mannigfaltigen jeweils b e s t i m m t e Mischungselemente mengenmäßig das Übergewicht erhielten. D a ß s nämlich ein Gebilde irgendein E l e m e n t — weiß, schwarz, süß, Fleisch oder Knochenmasse — völlig rein darstelle, sei ausgeschlossen u n d das,
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was jeweils als die N a t u r eines Dinges erscheine, sei in W a h r h e i t bloß das, was in i h m q u a n t i t a t i v überwiege. Aber so gewiß n u n (der Grundsatz gilt, daß) das unendlich Mannigfaltige d e m Moment seiner Unendlichkeit n a c h der E r k e n n t n i s ents zogen ist, so gewiß ist die unendliche Menge oder auch die unendliche Größe ein unerkennbares Q u a n t u m u n d das seiner F o r m n a c h unendlich Mannigfaltige ein in seiner Qualität Unerkennbares. Falls d a r u m die Prinzipien (des Seienden) eine sowohl q u a n t i t a t i v wie quali- 10 t a t i v unendliche Mannigfaltigkeit darstellen, so ist ein Wissen von dem, 10 was von ihnen konstituiert sein soll, ausgeschlossen. E r k e n n t n i s eines Concretums besagt eben grundsätzlich E r k e n n t n i s seiner Prinzipien, u n d zwar welche Prinzipien u n d wie viele Prinzipien es a u f b a u e n . — Dazu ( t r i t t ein Zweites): W e n n (ein Ganzes), dessen Teil beliebig groß oder beliebig klein sein k a n n , auch selbst beliebig groß oder klein m u ß is sein k ö n n e n — ich spreche hier n u r von solchen Teilen, welche (von 15 N a t u r aus) in dem Ganzen v o r g e g e b e n sind —, so ist es eine zwingende Schlußfolgerung, daß, wenn doch ein Tier oder eine Pflanze n i c h t ' beliebig groß oder klein sein k a n n , auch keiner der (natürlichen Aufbau-) Teile dieses sein k a n n ; sonst m ü ß t e es j a auch f ü r das Ganze 20 so sein. Fleisch n u n , Knochen u. dgl. sind (im bezeichneten Sinne) Teile eines Tieres, die F r ü c h t e (etwa) Teile der Pflanzen. Es ist also zweifelsfrei ausgeschlossen, d a ß Fleisch, Knochen u n d dergleichen von be- 20 liebiger Größe, beliebig klein oder beliebig groß, möglich sind. E i n D r i t t e s : W e n n m a n zwar das alles gelten zu lassen bereit i s t : d a ß alle 2s Seinselemente ineinander enthalten seien, d a ß es kein Neuentstehen, sondern n u r ein H e r a u s t r e t e n aus d e m Ineinander gebe, d a ß in der unterschiedlichen Benennung der Mischungen n u r das jeweilige Übergewicht eines b e s t i m m t e n Seinselements z u m Ausdruck k o m m e , d a ß aus j e d e m jedes hervorgehe — z. B. Wasser aus dem Fleisch, einfach 30 d u r c h ein Heraustreten, u n d Fleisch aus dem Wasser —, wenn m a n 2s aber d a n n die T a t s a c h e hinzunimmt, d a ß ein K ö r p e r endlicher Größe durch fortgesetzte Wegnahme eines endlichgroßen Körperstücks exhauriert werden k a n n , so ergibt sich zweifelsfrei, d a ß jenes Ineinander nicht in jedwedem Einzelfall s t a t t h a b e n k a n n . N i m m t m a n nämlich 35 etwa aus einer b e s t i m m t e n Menge Wasser das (der A n n a h m e gemäß darin enthaltene) Fleisch heraus u n d geht aus dem zurückbleibenden Wasser (der A n n a h m e gemäß) durch H e r a u s t r e t e n nochmals Fleisch hervor, so wird zwar die Menge des heraustretenden Fleisches von Stufe zu Stufe jeweils kleiner und kleiner, aber doch (nicht beliebig
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30 klein werden können, sondern) unter eine bestimmte kleinste Menge nicht heruntergehen. Und jetzt (ist zweierlei denkbar: daß das Heraustreten einmal aufhört oder aber niemals aufhört): Hört das Heraustreten auf einer Stufe auf, dann ist die Behauptung, alles sei in allem enthalten, falsch — denn dann tritt auf einer bestimmten Stufe ein s Rest von Wasser auf, in dem kein Fleisch mehr ist —; nimmt man aber an, das Heraustreten sei unbegrenzt möglich und es gebe immer wieder die Möglichkeit einer Herausnahme von Fleisch, so ist man zur Folgerung gezwungen, daß in einer Menge von endlicher Größe unendlich viele gleichgroße Mengen endlicher Größe enthalten seien. 10 35 Aber das ist völlig unmöglich. — Überdem: Wenn jeder Körper, sobald aus ihm etwas herausgenommen wird, notwendig kleiner wird, f ü r das Fleisch es aber eine größte und eine kleinste realmögliche Menge gibt, dann kann offensichtlich aus der kleinsten realmöglichen Menge von 188« Fleisch | kein Körper mehr heraustreten, denn das restliche Fleisch is müßte dann kleiner werden als die kleinste realmögliche Fleischmenge. — Und ein weiteres Gegenargument: I n den unendlichvielen Körpern (der Welt) müßte dann ja bereits u n e n d l i c h v i e l Fleisch, Blut und Hirn usw. enthalten sein, zwar freilich (nicht) voneinander getrennt (weil auf die unendlichvielen Körper verteilt), aber darum 20 doch im Vollsinn vorhanden und sogar schon jedes einzelne von ihnen für sich ein Unendliches. Der Widersinn liegt auf der Hand. — (Sodann 5 die weitere Schwierigkeit:) Der Satz, daß es nie (wirklich und völlig) zu einer Scheidung kommen könne, wurde zwar ohne eigentliche Einsicht ausgesprochen, aber er ist richtig. Denn die Zustände (der Dinge) 2s sind (sowohl voneinander wie von den Dingen) wirklich unabtrennbar; wenn (beispielshalber) also zunächst die Farben und die Dauereigenschaften (in den Dingen) miteinander gemischt sind, dann würde ja eine Scheidung zu einem Weißen und zu einem Gesunden fuhren, das ausschließlich weiß bzw. gesund wäre und auch nicht mehr Bestimmt- so heit an einem Gegenstande sein müßte. Und der (anaxagoreische) Weltgeist wird dann mit seinem Versuch, das Unmögliche zu bewerk10 stelligen, zum Widersinn, wenn er sich doch vornimmt, die Scheidung durchzuführen, die Durchführung derselben aber unmöglich ist sowohl im Bereich der Quantität wie in dem der Qualität, dort, weil es eine 3» kleinste Größe nicht gibt, hier, weil die Zustände unabtrennbar sind. (Und schließlich:) Auch in der Weise, wie er (Anaxagoras) sich die Entstehung der Homogengebilde denkt, steckt ein Fehler. Es ist zwar richtig, daß man eine Lehmmasse in Lehmmassen zerlegen kann; aber
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es ist nur die halbe Wahrheit (und es gibt auch eine andere Möglichkeit der Zerlegung als die in Teile von der gleichen Art, wie das Ganze ist). Und die Art und Weise, wie aus der Zerlegung eines Hauses Steine is hervorgehen und \yie aus der Zusammensetzung von Steinen ein Haus s hervorgeht, ist auch mit der Art und Weise des Hervorgehens nicht identisch, die wir vor uns haben, wenn wir sagen, Wasser und Luft stammten wechselseitig -voneinander ab und entstünden wechselseitig auseinander. (Zusammenfassend:) Es ist besser, (statt einer unendlichen) eine kleinere und bestimmt begrenzte Mannigfaltigkeit an10 zusetzen, wie es Empedokles tut. 5. So stimmen denn in einem Punkt alle überein, nämlich darin, daß sie in den (Fundamental-) Gegensätzen Prinzipien erblicken: So tun es die Vertreter der Lehre, daß das Seinsganze eines und prozeß- 2» frei sei — denn auch Parmenides sieht im Warmen und Kalten Prin15 zipien, er nennt sie Feuer und Erde —; so tun es die Vertreter des Gegensatzes von Dünn und Dicht; so tut es Demokritos, der Vertreter des Gegensatzes von Voll und Leer, wobei er im ersteren Glied ein Seiendes, im letzteren ein Nichtseiendes vor sich zu haben glaubt; so tut er es auch, wenn er Lage, Gestalt und Konstellation für Prin20 zipien hält; denn sie sind Genera, unter welchen Gegensätze stehen: so ist etwa die Lage das Genus für die Gegensätze Oben—Unten, Vorne—Hinten, die Gestalt das Genus für die Gegensätze In-einem- 2s Winkel-zueinander—Keinen-Winkel-bildend, und für die Gegensätze Geradlinig—Kreislinig. Es steht also fest, daß wirklich alle in irgend25 einer Form die (Fundamental-) Gegensätze als die Prinzipien ansetzen. Und mit bestem Recht, so gewiß zum Begriff der Prinzipien diese drei Momente gehören: Unabhängigkeit voneinander, Unabhängigkeit von Sonstigem, Abhängigkeit alles Sonstigen von ihnen. Die Fundamen. algegensätze sind aber wirklich durch diese Momente charakterisiert: 30 weil sie Fundamentalität haben, eignet ihnen Unabhängigkeit gegenüber dem Sonstigen; weil sie Gegensätze sind, (schließen sie einander aus, gehen also gewiß nicht auseinander hervor, vielmehr) besitzen sie 30 Unabhängigkeit gegeneinander. Aber (die bloße Tatsache der Einhelligkeit unter den Denkern soll 35 uns nicht genügen,) wir müssen den Grund, warum es so ist, auch am logischen Verhältnis selbst aufklären. Und da ist von dem Grundsatz auszugehen: I m Gesamtbereich des Seienden kann keine Bestimmung des einen durch ein anderes beliebig und grundlos geschehen und kann nichts Beliebiges zu Beliebigem werden, es sei denn, man fasse den
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betreffenden Gegenstand lediglich hinsichtlich einer bloß zusätzlich mitgegebenen Bestimmtheit ins Auge. D e n n wie wäre es d e n k b a r , d a ß 35 ein Gebildetes weiß würde, wenn die B e s t i m m t h e i t 'gebildet' nicht eine zusätzliche Bestimmtheit an dem Gegenstand wäre, der (primär) dadurch gekennzeichnet ist, d a ß er nicht weiß war (und also weiß erst s wird) oder schwarz w a r ? (Das wesentliche Verhältnis kann) vielmehr (immer n u r dies sein, daß) ein N i c h t w e i ß e s weiß wird, u n d zwar lssb nicht ein Gegenstand von beliebiger Bestimmtheit, | sondern ein schwarzer oder ein solcher, dessen Bestimmtheit einen W e r t innerhalb der Dimension Schwarz-Weiß darstellt. U n d genauso wird (dem 10 wesentlichen Geschehen nach betrachtet) ein Nichtgebildetes zu Gebildetem, wiederum aber nicht jedes Beliebige, sondern ein Ungebildetes oder aber, falls es zwischen Unbildung u n d Bildung eine Abstufungsdimension gibt, ein solches, dessen Bestimmtheit innerhalb dieser Dimension liegt. (Das nämliche gilt auch f ü r den umgekehrten is Prozeß:) Auch beim V e r l i e r e n einer B e s t i m m t h e i t wird etwas nicht zu Beliebigem, so wird das Weiße nicht zu einem Ungebildeten, es sei denn etwa einer bloß zusätzlichen Bestimmtheit nach, sondern zu 5 einem Nichtweißen, aber auch da nicht zu irgend etwas (was n u r die eine Bedingung erfüllen würde, daß es gerade eben nicht weiß ist), 20 sondern zu einem Schwarzen oder zu etwas, das in der Dimension Schwarz-Weiß liegt. U n d genauso wird das Gebildete zu einem Nichtgebildeten, u n d zwar wiederum nicht zu j e d e m Beliebigen (das n u r gerade nicht gebildet ist), sondern zum Ungebildeten oder zu etwas, das innerhalb der Dimension Bildung—Unbildung liegt, falls es eine 2s solche Dimension gibt. Auch bei j e d e m anderen Prozeß haben wir diese Sachlage, da er auch dort, wo es sich nicht u m einfache Gegen10 stände, sondern u m Gefüge handelt, dem nämlichen Gesetz folgt; n u r d a ß diese Tatsache da verdeckt bleibt, weil der eine der entgegengesetzten Zustände jeweils ohne sprachliche Bezeichnung bleibt. Denn 30 das Verhältnis ist notwendig immer dasselbe: Nichtgefügtes wird zu Gefügtem, Gefügtes zu Nichtgefügtem, und (wenn Gefügtes diese seine Bestimmtheit v e r l i e r t , ) gerät es in einen Z u s t a n d der Nichtgefügtheit, aber nicht in irgendeinen beliebigen, sondern in den, der dem Ausgangszustand entgegengesetzt ist. Genauso aber wie hier liegt es 35 is auch dort, wo es sich u m Anordnung (und ihre Auflösung) oder u m Zusammensetzung (und Zerlegung) h a n d e l t ; denn das logische Verhältnis ist zweifellos das nämliche. Aber es ist das nämliche auch, wenn es sich u m das Werden eines Hauses, einer Bildsäule oder von
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sonst etwas handelt. Das Werden des Hauses erfolgt in der Weise, daß seine verschiedenen Bauteile aus dem Zustande der Nichtzusammengesetztheit und des Getrenntherumliegens heraustreten, das Werden der Bildsäule und überhaupt irgendeines Gestalteten durch ein Herauss treten aus der Ungestaltetheit. Und ein jedes dieser Gebilde ist ent- 20 weder eine Anordnung (von bisher nicht oder nicht so Geordnetem) oder aber eine Zusammensetzung (von bisher Auseinanderliegendem). Stimmt nun diese unsere Analyse (so können wir als Grundsatz formulieren :) Alles Werden, in dem ein Gegenstand eine Bestimmtheit erhält 1« oder verliert, ist ein Übergang zur entgegengesetzten Bestimmtheit ocfer doch zu einer innerhalb (der durch das Gegensatzpaar definierten Dimension) liegenden Bestimmtheit. Nun bestehen aber die zwischen den Gegensätzen liegenden Bestimmtheiten selber aus den Gegensätzen, z. B. die Farben aus Weiß und Schwarz. Darum (können wir 2s is den Grundsatz noch kürzer formulieren): Alles Werden in der Natur ist Übergang entweder i n Gegensätze oder aber a u s Gegensätzen. Das j s t ungefähr der Punkt, bis zu welchem unter den Allermeisten jene Einhelligkeit geht, von der wir oben gesprochen haben. Alle geben j a übereinstimmend, obzwar ohne den hinreichenden Grund f ü r ihre 20 Position zu kennen, als Letztmomente und als das, was ihnen Prinzipien heißt, Gegensatzpaare an, gerade als habe sie die Wahrheit selber dazu 30 genötigt. Worin sie auseinandergehen, (betrifft die Wahl der Gegensätze) : Die einen wählten ursprünglichere, die anderen weniger ursprüngliche, die einen solche, die mehr aus reinem Denken, die anderen 25 solche, die mehr aus der Sinnlichkeit erkennbar sind — so setzen die einen als Gründe des Werdens W a r m und Kalt, andere Naß und Trocken, weitere Geradzahlig und Ungeradzahlig oder auch Haß und Liebe; diese (Gegensätze) unterscheiden sich voneinander in der be- 35 zeichneten Weise —. In einem gewissen Sinn sind sie also alle der näm3« liehen, in einem gewissen Sinn allerdings auch verschiedener Meinung; letzteres ist natürlich vor allem auch ihre eigene Überzeugung, aber der nämlichen Meinung sind sie doch insofern, als (hinter der Verschiedenheit der Gegensätze) | immerhin ein und dasselbe Grund- 189« Verhältnis beherrschend bleibt. Alle entnehmen j a ihre Gegensätze aus 35 einer und derselben Gegensatztafel. Denn auf dieser Tafel gibt es die Abstufung der Fundamentalität und Allgemeinheit zwischen den Gegensätzen. Und darum ist es eben möglich, daß sie gleichzeitig dasselbe und doch Verschiedenes, die einen Besseres, die anderen weniger Gutes behaupten, die einen, wie gesagt, mehr rationale, die anderen s
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mehr sinnliche Gegensätze für fundamental halten — das Allgemeine ist j a das Rationale, das Konkrete das Empirische; denn das Denken bezieht sich auf das Allgemeine, die Sinnlichkeit aber auf das Einzelne —, wobei wir beispielsweise bei dem Gegensatz Groß—Klein eine rationale, bei dem Gegensatz Dünn—Dicht eine sinnliche Entgegen- s 10 setzung vor uns haben. Eines also ist geklärt: Die Prinzipien treten notwendig als Gegensatzpaare auf. 6. Anschließen muß sich jetzt Wohl (als nächstes Problem) die Frage, ob wir mit zwei oder aber drei oder aber noch mehr Prinzipien zu rechnen haben. Denn daß e i n Prinzip genügen könnte, ist aus- 10 geschlossen, so gewiß ein Gegensatz, der nur e i n Glied hätte, unmöglich ist; und ausgeschlossen ist auch eine unendliche Mannigfaltigkeit (von Prinzipien), weil sie die Begreifbarkeit des Seienden vernichten würde und Weil in j e einer Gattung nur eine einzige Entgegensetzung enthalten ist und die Substanz eine einzige bestimmte Gattung dar- is stellt und weil es schließlich (positiv) möglich ist, daß das Seiende (statt in einer unendlichen vielmehr) in einer endlichen Mannigfaltigis keit von Prinzipien seinen letzten Grund habe, den Vorzug aber der Ansatz einer endlichen Mannigfaltigkeit verdient, wie sie Empedokles vertritt, der j a mit dieser endlichen Mannigfaltigkeit genauso das 2» Seinsganze erklären zu können überzeugt ist wie Anaxagoras mit seiner unendlichen. Und dann haben wir j a auch die Tatsache der Priorität gewisser Gegensatzpaare gegenüber den anderen und die des Hervorgehens gewisser Gegensatzpaare auseinander, so der Gegensatzpaare süß—bitter und weiß—schwarz, während die Prinzipien immer (sein 2s und) bleiben müssen. 20 Aus diesen Gründen ist also klar, daß Weder der Ansatz eines einzigen Prinzips noch der Ansatz einer unendlichen Mannigfaltigkeit von Prinzipien angängig ist. Da also eine endliche Mannigfaltigkeit angesetzt werden muß, (fragt es sich, wie viele es sein müssen;) so spricht 3» einiges dafür, nicht lediglich zwei Prinzipien in Ansatz zu bringen. Denn sonst ergibt sich die schwierige Frage, wie es denn denkbar sein soll, daß z. B . die Dichte in der Lage sei, die Dünnheit zu irgend etwas (Konkretem) zu machen, oder auch umgekehrt. Und dies gilt für jedwedes Gegensatzpaar. Die Liebe führt j a nicht den Haß zur Einigkeit 3; und macht auch nicht diesen zu irgend etwas, und der H a ß macht 2s nicht die Liebe zu etwas, sondern beide miteinander wirken auf ein Drittes, von ihnen Verschiedenes, ein. Andere Denker setzen sogar noch mehr Prinzipien für die Konstitution der Natur des Seienden an.
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Darüber hinaus ergibt sich noch eine weitere Schwierigkeit, wenn man den zwei Gegensatzgliedern nicht ein drittes Naturmoment zugrunde legt: Wir finden j a nirgends ein Seiendes, bei dem die Gegensatzglieder wirklich die Substanz ausmachen könnten (vielmehr können sie immer bloß die — im Werdensverlauf sich ablösenden — Bestimmtheiten a n der Substanz sein); das (letzte) Prinzip jedoch darf nicht eine bloße B e s t i m m t h e i t an einem möglichen Urteilsgegenstande sein; denn sonst brauchen wir zum Prinzip hinzu sogleich ein Prinzip dieses Prinzips. Denn das Urteilssubjekt ist Prinzip und erscheint dem Prädikat gegenüber als das Fundamentalere. Weiterhin: Es gilt unser Satz, daß Substanzen nicht zueinander im Verhältnis der Entgegensetzung stehen. (Das besagt aber, daß alle derartigen Gegensätze keine Substanzen sein können.) Wie also soll eine Substanz ihr Bestehen aus etwas ziehen können, was keine Substanz ist? Oder auch: Wie soll etwas, das nicht Substanz ist, fundamentaler als die Substanz sein können? Will man demnach sowohl das Ergebnis der ersten Überlegung (daß die Prinzipien Gegensatzcharakter haben müssen) wie auch das Ergebnis der letzten Überlegung (daß die Gegensätze nicht schlechtweg die Prinzipiensphäre ausmachen können) für gültig halten, dann ist es, um beiden Ergebnissen gerecht zu werden, | unvermeidlich, ein drittes Moment in die Prinzipiensphäre aufzunehmen, wie es die tun, welche erklären, das Seinsganze sei eine einzige bestimmte Wesenheit, etwa Wasser oder Feuer oder etwas, das ein Mittelding zwischen diesen sei. Am meisten spräche dabei für solch ein Mittelding; denn Feuer, Erde, Luft und Wasser sind bereits G e f ü g e aus Gegensätzen. Darum geschieht es nicht ohne Vernunft, wenn einige etwas von diesen („Elementen") Verschiedenes als Letztgrundlage wählen und wenn andere (wenigstens bloß) die Luft (als solche Letztgrundlage) ansetzen; denn die Luft besitzt immerhin von allen („Elementen") am wenigsten sinnliche Unterschiede; nächst der Luft käme dann wohl das Wasser in Frage. Übereinstimmend jedoch denken sich alle das Verhältnis so, daß dieses Eine (die Letztgrundlage) durch die Gegensätze seine Gestaltung erfahre, durch die Dichte und die Dünnheit und durch das Mehr und das Minder. Diese Gegensätze aber sind offensichtlich durchwegs Spezifikationen des Grundgegensatzes Zuviel—Zuwenig, wie schon oben gesagt worden ist. Und auch diese Auffassung, daß das Eine, das Zuviel und das Zuwenig Prinzipien des Seienden seien, scheint j a wirklich alt zu sein, wenn dabei auch (im Verlauf der Geschichte)
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i n s o f e r n e i n e g e w i s s e Ä n d e r u n g e i n t r a t , als d i e A l t e n j e n e s
Doppel
( Z u v i e l u n d Z u w e n i g ) als d i e a k t i v e n P r i n z i p i e n , d a s E i n e a b e r als is d a s p a s s i v e P r i n z i p b e t r a c h t e t e n , w ä h r e n d e i n i g e der J ü n g e r e n u m gekehrt eher das E i n e als das a k t i v e u n d j e n e s P a a r als die p a s s i v e n Prinzipien ansahen.
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A u s diesen u n d anderen ähnlichen Ü b e r l e g u n g e n darf m a n
wohl
schließen, d a ß der A n s a t z v o n d r e i L e t z t m o m e n t e n in d e m dargelegten S i n n g u t e G r ü n d e h a t , w ä h r e n d e i n A n s a t z v o n m e h r a l s drei L e t z t m o m e n t e n dies n i c h t m e h r für sich b e a n s p r u c h e n k a n n . D e n n u m der F o r d e r u n g g e n u g z u t u n , e s m ü s s e s i c h u n t e r d e n P r i n z i p i e n e i n e s b e - 1» finden,
a n w e l c h e m d i e V e r ä n d e r u n g s i c h v o l l z i e h e n k ö n n e , r e i c h t der
Ansatz des E i n e n völlig aus; n i m m t m a n aber vier Prinzipien, so hat 20 m a n sie a l s z w e i G e g e n s a t z p a a r e a n z u s e t z e n u n d b r a u c h t d a n n
zu
j e d e m Gegensatzpaar hinzu noch ein weiteres, zwischen ihnen verm i t t e l n d e s , N a t u r m o m e n t ; n i m m t m a n a b e r e t w a a n , die z w e i G e g e n - is satzpaare könnten doch wechselseitig auseinander etwas konstituieren, d a n n ist vielmehr das eine der zwei Gegensatzpaare ü b e r h a u p t überflüssig.
U n d ü b e r h a u p t ist ja z u d e m eine Mehrheit v o n ersten Gegen-
s a t z p a a r e n u n m ö g l i c h ; d e n n die S u b s t a n z i s t e i n e e i n z i g e b e s t i m m t e G a t t u n g d e s S e i e n d e n u n d so k ö n n e n s i c h i h r e P r i n z i p i e n v o n e i n a n d e r 20 2s z w a r d e r F u n d a m e n t a l i t ä t n a c h u n t e r s c h e i d e n , a b e r sie m ü s s e n n o t w e n d i g i n e i n e u n d d i e s e l b e G a t t u n g f a l l e n ; d e n n s t e t s g i b t es i n j e einer G a t t u n g nur ein einziges f u n d a m e n t a l e s Gegensatzpaar u n d jede etwaige Mannigfaltigkeit v o n G e g e n s a t z p a a r e n ist w o h l auf ein f u n d a m e n t a l e s G e g e n s a t z p a a r r ü c k f ü h r b a r . ( Z u s a m m e n f a s s e n d : ) F e s t s t e h t 2s also, daß w e d e r ein A n s a t z v o n nur e i n e m L e t z t m o m e n t n o c h a u c h e i n A n s a t z v o n m e h r a l s z w e i o d e r a b e r drei P r i n z i p i e n z u l ä s s i g i s t . S e h r s c h w i e r i g h i n g e g e n i s t , w i e g e s a g t , die E n t s c h e i d u n g d i e s e r A l t e r n a t i v e (ob eine Zweiheit oder aber eine Dreiheit v o n Prinzipien anzusetzen ist). 30
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7. W e n n w i r i m f o l g e n d e n n u n z u r E n t w i c k l u n g u n s e r e r P r i n z i p i e n l e h r e ü b e r g e h e n , so w o l l e n w i r z u n ä c h s t d e n Begriff des W e r d e n s b e s t i m m e n .
eigenen
allgemeinen
D e n n es l i e g t i n der N a t u r
(der
t h e o r e t i s c h e n A r b e i t ) , erst d a s A l l g e m e i n e z u b e h a n d e l n u n d d a n n d i e Sonderverhältnisse
d e s E i n z e l n e n z u s t u d i e r e n . N u n : W o w i r v o m 35
W e r d e n sprechen, da sagen wir, eines werde aus d e m anderen, e t w a s w e r d e a n d e r e s , u n d z w a r s a g e n w i r so s o w o h l m i t B e z u g a u f e i n f a c h Bestimmtes wie auch mit Bezug auf komplex Bestimmtes. Ich meine 35 f o l g e n d e s d a m i t : E s g i b t d i e s : e i n M e n s c h w i r d g e b i l d e t ; d i e s : d a s
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Nichtgebildete wird gebildet; dies: der | nicht gebildete Mensch wird 19« • ein gebildeter Mensch. Unter einem e i n f a c h Bestimmten verstehe ich also Prozeßgegenstände wie den eben genannten Menschen (der ein Gebildeter wird) und das Nicht gebildete (das ein Gebildetes wird) und s auch das, was diese Gegenstände werden: gebildet. Von einem k o m p l e x Bestimmten jedoch spreche ich, und zwar sowohl mit Bezug auf das Werdende wie mit Bezug auf das, was es wird, wenn die Aussage dem Typus angehört: der nichtgebildete Mensch wird ein gebildeter Mensch. Dabei gibt es Fälle, in denen man, statt zu sagen: A wird B, 5 10 ebensogut sagen kann: a u s A wird B, z. B. aus einem Nichtgebildeten wird ein Gebildeter; aber das geht nicht immer; denn man kann nicht sagen: a u s einem Menschen wurde ein Gebildeter, sondern nur: ein M e n s c h wurde ein Gebildeter. Von den Gegenständen, die ich als einfach bezeichnet habe, beharren die einen im Werden (z. B. der 15 Mensch, wenn er ein gebildeter wird, beharrt als Mensch), die anderen 1« jedoch beharren nicht (z. B . : das Weiße, das schwarz wird, beharrt nicht als Weißes). Es ist nämlich so: Der Mensch ist und bleibt der Mensch, wenn er (aus einem ungebildeten) zu einem gebildeten wird (d.h. der Gegenstand, das Bestimmte, beharrt im Wechsel seiner Be20 stimmtheiten), die Bestimmtheit 'nichtgebildet' und 'ungebildet' jedoch beharrt weder, wo sie allein steht (Ungebildetes bzw. Nichtgebildetes wird zu Gebildetem), noch auch, wo sie als Bestimmtheit im komplex Bestimmten auftritt (der ungebildete Mensch wird zu einem gebildeten). 2s Nach diesen klärenden Unterscheidungen kann man aus einer Betrachtung aller Fälle von Werden, wenn man sie so wie hier vornimmt, folgenden Grundsatz herausziehen: Jedem Werden liegt (als Substrat) etwas, nämlich das Werdende selbst, zugrunde und dieses Substrat 15 (an dem das Werden sich vollzieht) ist selbst dann, wenn es numerisch 30 eines und dasselbe ist, doch nicht von bloß einer einzigen Artung — dabei setze ich Artung (einer Sache) und Begriff (einer Sache) als dasselbe —, denn es ist nicht die nämliche (Bestimmtheitsart), ob etwas ein Mensch oder aber ungebildet ist. Und die erstere Bestimmtheit beharrt, die letztere aber nicht (dem Menschen, der gebildet wird, 35 bleibt das Menschsein; dem Ungebildeten, der gebildet wird, bleibt die Ungebildetheit nicht). Eine Bestimmtheit, die n i c h t das Gegenteil darstellt (zu dem, wozu das Werdende wird), beharrt — denn die Bestimmtheit 'Mensch' beharrt —; die Bestimmtheit 'nichtgebildet' und 'ungebildet' beharrt jedoch nicht; ebensowenig auch beharrt die 20
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komplexe, aus beiden zusammengesetzte, Bestimmtheit, in unserem Beispiel 'der ungebildete Mensch'. In der Mehrzahl der Fälle wird statt der Wendung: „ A wird B " vielmehr die andere: „ a u s A wird B " dort gebraucht, wo die Bestimmtheit n i c h t bleibt — so sagt m a n : aus einem Ungebildeten wird ein Gebildetes; aber man sagt nicht: s aus einem Menschen wird ein Gebildeter —; doch kommt dieselbe Wendung vereinzelt auch dort vor, wo es sich um eine beharrende Bestimmtheit handelt; denn wir sagen doch, eine Bildsäule werde a u s Bronze und nicht etwa, die Bronze werde eine Bildsäule. Mit Bezug auf eine Bestimmtheit jedoch, die in ihr Gegenteil übergeht und nicht 10 beharrt, sind beide Wendungen möglich, sowohl: aus A wird B , wie auch: A wird B ; denn gleichgut läßt sich sagen: aus einem Ungebildeten wird ein Gebildeter, und: der Ungebildete wird ein Gebildeter. U n d darum sind beide Wendungen auch im Falle einer komplexen Bestimmtheit möglich, nämlich sowohl die: aus einem ungebildeten is Menschen wird ein gebildeter, wie auch die: ein ungebildeter Mensch wird ein gebildeter. — Nun ist aber der Terminus 'Werden' vieldeutig; es gibt dies, daß man nicht einfach sagen kann: „ e s w i r d " , sondern sagen m u ß : „es wird zu dem oder d e m " , und nur v o n den S u b s t a n z e n kann man schlechthin sagen, daß sie werden (d. h. ent-20 s t e h e n ) . Für alles übrige liegt die Notwendigkeit auf der Hand, daß dem Werden etwas (als Substrat), nämlich das Werdende, zugrunde liege — denn eine Quantität, eine Qualität, eine Bezogenheit auf Anderes, [eine Zeit und] eine Ortsbestimmtheit kann nur auftreten als Bestimmtheit a n einem (durch diese Bestimmtheiten bestimmten) 2s G e g e n s t a n d , so gewiß (die Urteilsanalyse lehrt, daß) einzig und allein die Substanz kein Prädikat eines Urteilsgegenstandes darstellt, | alles übrige aber nur als mögliches Prädikat der Substanz denkbar ist —. Aber eine genaue Betrachtung macht es auch für die S u b s t a n z e n und alles [übrige] schlechthin Seiende klar, daß auch sie nur aus etwas 30 Zugrundeliegendem entstehen. Denn stets ist etwas Zugrundeliegendes (schon) da, aus dem das Werdende wird; so entstehen z. B . die Pflanzen und die Tiere aus dem Samen. Es gibt verschiedene Weisen solchen Entstehens: Entstehen durch Gestaltwandel, wie es etwa beim Werden einer Bronzestatue vorliegt; Entstehen durch Zusatz, wie es beim 3$ Wachsen vorliegt; Entstehen durch Wegnahme, wie wir es vor uns haben, wenn aus dem Stein die Hermesfigur wird; Entstehen durch Zusammensetzung, wie es im Werden eines Hauses gegeben ist; Entstehen durch qualitative Veränderung, wie es dort vorliegt, wo der
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Kapitel 7 Stoff (eines Gebildes) sich v e r w a n d e l t . B e i all d i e s e n entstellt
nun
aber
das Werdende
zweifellos aus
Werdensweisen Z u g r u n d e - 1«
etwas
liegendem. A u s allem Obigen folgt, d a ß jegliches W e r d e n d e stets ein G e f ü g e darstellt: wir h a b e n einerseits ein W e r d e n d e s ,
andererseits
s die B e s t i m m t h e i t , w e l c h e dieses ( W e r d e n d e ) i m P r o z e ß e r w i r b t ; u n d dieses ( W e r d e n d e ) t r i t t d a b e i i n zwei W e i s e n a u f : e n t w e d e r als Zugrundeliegendes
oder
als
Gegenteiligbestimmtes.
Als
Gegenteilig-
b e s t i m m t e s f u n g i e r t d a s U n g e b i l d e t e (in d e m S a t z : d a s
Ungebildete
w i r d ein Gebildetes), als Z u g r u n d e l i e g e n d e s d e r M e n s c h (in d e m S a t z : 10 d e r M e n s c h w i r d e i n g e b i l d e t e r ) ; u n d a l s B e s t i m m u n g s g e g e n t e i l k ä m e in Frage Gestaltlosigkeit, Formlosigkeit u n d Ordnungslosigkeit,
a l s is
Zugrundeliegendes derartiges wie Bronze, Stein u n d Gold. S o g e w i ß es G r ü n d e u n d P r i n z i p i e n f ü r d i e G e b i l d e d e r N a t u r g i b t , welche f ü r das, w a s diese Dinge ihrer wesentlichen, nicht bloß etwa n z u s ä t z l i c h e n , B e s t i m m t h e i t n a c h sind u n d w a s sie a n s o l c h e r B e s t i m m t h e i t v e r g a n g e n e n P r o z e s s e n v e r d a n k e n , l e t z t k o n s t i t u t i v s i n d , so g e w i ß g i l t a l s o d e r G r u n d s a t z : F ü r j e d e s W e r d e n d e s i n d d a s Z u g r u n d e l i e g e n d e 20 und
die Gestalt
die k o n s t i t u t i v e n
Prinzipien.
Denn
der
gebildete
M e n s c h ist in gewisser Weise ein G e f ü g e a u s ' M e n s c h ' u n d ' g e b i l d e t ' ; 20 s e i n B e g r i f f i s t j a i n d i e s e b e i d e n B e g r i f f e a u f l ö s b a r ; d e m e n t s p r e c h e n d b a u t sich zweifelsohne a u c h das W e r d e n d e in seinem W e r d e n aus d e n b e i d e n M o m e n t e n a u f . W a s n u n d a s Z u g r u n d e l i e g e n d e a n g e h t , so i s t es n u m e r i s c h eines, d e r A r t u n g n a c h a b e r ein D o p p e l t e s — d e n n d e r M e n s c h u n d d a s G o l d u n d g e n e r e l l d a s b e s t i m m t e M a t e r i a l s t ü c k s i n d 2s 25 j a i n h ö h e r e m G r a d e e i n G e g e n s t a n d b e s t i m m t e n W e s e n s u n d h i e r i s t der Ausgangspunkt, aus d e m das W e r d e n d e (der gebildete
Mensch;
das Kleinod) hervorgeht, nicht bloß mittels einer zusätzlichen
Be-
s t i m m t h e i t a n g e g e b e n ; d e m g e g e n ü b e r ist die N e g a t i v b e s t i m m t h e i t u n d das Bestimmtheitsgegenteil bloß eine-zusätzliche Bestimmtheit 30 A u s g a n g s p u n k t )
—; e i n d e u t i g
ein Einziges ist hingegen
die
(am Form
(welche d e m W e r d e n d e n i m W e r d e n z u w ä c h s t ) , so z. B . d e r G e o r d n e t h e i t s z u s t a n d oder der Bildungszustand oder sonst eines der möglichen P r ä d i k a t e dieser A r t . — D a r u m ist sowohl der A n s a t z einer Zweiheit w i e a u c h d e r e i n e r D r e i h e i t d e r P r i n z i p i e n z u t r e f f e n d . U n d a u c h d i e 30 35 A u s k u n f t , d i e G e g e n s a t z g l i e d e r s e i e n d i e P r i n z i p i e n , e t w a
Gebildet
u n d Ungebildet oder W a r m u n d Kalt oder Gefügt u n d Nichtgefügt, i s t e b e n s o r i c h t i g , w i e sie a u c h w i e d e r f a l s c h i s t : d e n n d i e G e g e n s a t z glieder k ö n n e n n i c h t i m V e r h ä l t n i s eines realen Einflusses z u e i n a n d e r s t e h e n . D o c h l ä ß t sich a u c h hier E i n d e u t i g k e i t erreichen, weil j a m i t
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Buch I
dem Moment des Zugrundeliegenden ein weiteres hinzukommt: ist 35 dieses doch kein Gegensatzglied. Darum sind in einer gewissen Hinsicht die Prinzipien in der Tat nicht mehr als die Gegensatzglieder, sondern, falls man sie sozusagen zählt, wirklich nur zwei; aber sie 191 a sind wiederum auch nicht schlechterdings nur zwei, sondern | drei, 5 weil bei ihnen noch ein Unterschied in der Seinsweise mitspielt: ist es doch eine andere Seinsweise, wenn etwas ein Mensch, als wenn es ungebildet ist, und wenn etwas ungeformt, als wenn es Bronze ist. Damit ist denn also die Frage geklärt, wie viele Prinzipien für die prozeßhaften Naturgegenstände in Rechnung zu setzen sind, und wie io diese Anzahlen zu verstehen sind. Ohne Zweifel muß den Gegensatz5 gliedern ein drittes Moment zugrunde liegen und müssen es zwei Gegensatzglieder sein. In einer anderen Hinsicht ist eine Dreizahl auch wieder nicht notwendig; denn es ist auch dieser Standpunkt hinreichend, daß man sagt, das eine der beiden Gegensatzglieder bewirke die Verände- 15 rung einfach dadurch, daß es erst (am Substrat) fehlt und dann (an ihm) da ist. Die zugrunde liegende Wesenheit aber wird erkennbar aus einer Verhältnisgleichung: so wie sich die Bronze zum Standbild, io das Holz zum Bettgestell, [das Material und] das noch Gestaltlose zum Gestalteten verhält, so verhält sich diese (zugrunde liegende 20 ' Wesenheit) zur Substanz, zum bestimmten Gegenstand und zum Seienden. Das besagt: ein Prinzip ist diese zugrunde liegende Wesenheit, aber sie ist nicht im nämlichen strengen Sinne ein Einzelnes und ein Seiendes, wie der bestimmte Gegenstand das ist; ein Prinzip ist auch dasjenige, welches Gegenstand des Begriffs ist (d. h. die Gestalt), 23 ein Prinzip ist schließlich auch noch das Gegenteil dieses letzteren, die Negativbestimmtheit. Inwiefern das drei oder doch bloß zwei 13 Prinzipien sind, ist im Vorhergehenden schon erörtert worden. Erst hieß es, daß nur die (beiden) Gegensatzglieder Prinzipien seien, dann wurde die Notwendigkeit ausgesprochen, daß diesen beiden etwas zu- w gründe liegen müsse und es daher drei Momente sein müßten. Zuletzt aber klärte sich, was für ein Unterschied zwischen den Gegensatzgliedern besteht, wie sich das wechselseitige Verhältnis zwischen den Prinzipien bestimmt und was das Zugrundeliegende ist. Dies hingegen, 20 ob nun die Gegenstandsgestalt oder aber das Substrat als Substanz ss fungiert, ist noch unentschieden. Aber dies wenigstens ist jetzt geklärt: daß drei Prinzipien anzusetzen sind, in welchem Sinn drei anzusetzen sind und wie die Verhältnisse bei ihnen liegen. Damit soll die Frage, wieviel Prinzipien es gibt und was zu den Prinzipien zählt, erledigt sein.
Kapitel 7 - 8
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8. Nun wollen wir uns dem Nachweis zuwenden, daß sich auch die Problematik der Alten einzig und allein von dem erzielten Ergebnis aus auflösen läßt. Die Väter der Philosophie gerieten auf ihrer Suche nach der Wahrheit und nach dem Wesen der Dinge infolge des noch 25 s unzulänglichen Könnens auf einen Irrweg und meinten, kein Seiendes könne entstehen oder vergehen, da das Entstehende entweder aus Seiendem oder aber aus Nichtseiendem hervorgehen müßte, aus beiden aber ein Entstehen unmöglich sei. Denn (das war ihre feste Überzeugung): das Seiende könne nicht entstehen da es j a schon sei — 30 10 und nichts könne aus Nichtseiendem stammen, da ein Entstehen das Zugrundeliegen von etwas voraussetze. Und so zogen sie denn auch eine weittragende Folgerung und sagten, daß auch eine Mannigfaltigkeit von Dingen nicht existieren könne, vielmehr nur das eine „Seiende selbst". is Dies ist also die Position der Alten und dies sind die Gründe, die sie dafür hatten. Unsere eigene Position ist eine andere: Dies, daß etwas aus Seiendem oder Nichtseiendem wird, oder auch dies, daß 3s das Nichtseiende oder das Seiende einen Einfluß ausübt, einen Einfluß erfährt oder auch das und das wird, das ist in einer Hinsicht kein 20 größeres Problem | als die (vertraute) Tatsache, daß (etwa) der Arzt i9ib etwas tut oder daß auf ihn etwas einwirkt, oder auch daß aus dem Arzt etwas ist bzw. wird. Und weil diese Feststellungen (über den Arzt) stets einen doppelten Sinn haben können, hat folgerichtig auch die obige Rede vom Werden aus Seiendem (oder Nichtseiendem) und 25 vom Einflußausüben oder auch Einflußerleiden des Seienden (oder Nichtseienden) offenbar einen Doppelsinn. (Beispielshalber: Der Arzt baut ein Haus. Was heißt das?) Der Arzt baut das Haus, nicht insofern er Arzt, sondern Baumeister ist; (Der Arzt wird weiß; das besagt:) er wird weiß, nicht insofern er Arzt, s'ondern (etwa) schwarz ist; (Der s jo Arzt übt seine Kunst aus; der Arzt geht seiner Kunst verlustig; das besagt:) seine Kunst übt er aus und seiner Kunst geht er verlustig, insofern er Arzt ist. Und da unsere Sätze, der Arzt tue das und das, ihm widerfahre das und das, aus dem Arzt werde das und das, nur dann im volleigentlichen Sinne Sätze über den Arzt sind, wenn der 35 Arzt das, was er tut und erleidet und wird, in seiner Bestimmtheit als Arzt tut, erleidet und wird, (liegt es in all den Sätzen über das Seiende und Nichtseiende, die die Alten so verwirrt haben, nicht anders, vielmehr) meint auch die Wendung, etwas werde aus Nichtseiendem, nichts anderes als das M o m e n t des Nichtseins an dem-
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Buch I
jenigen, aus dem es wird. Die Alten nun machten diese Unterscheidung nicht und beruhigten sich bei dieser Unterlassung; infolge dieses Mangels an Einsicht verbauten sie sich die Möglichkeit des Begreifens in solchem Maße, daß sie schließlich meinten, gar nichts könne entstehen und außer dem Seienden selbst könne gar nichts sein, und viel- s mehr Werden in jeder Form leugneten. E s ist natürlich auch unsere Meinung, daß, im absoluten Sinne verstanden, aus N i c h t s e i e n d e m nichts werden kann, wir betonen aber gleichzeitig, daß, in einem relativen Sinn verstanden, aus Nichtseiendem sehr wohl etwas werden kann, so etwa im Sinne einer zusätzlichen Bestimmtheit, — d . h . : das 10 Werdende wird (im Werden) aus seiner Negativbestimmtheit zu dem Positivbestimmten, wobei an ihm dasjenige, was wesentlich Nichtseiendes ist, j a gar keinen (positiven) Seinsbestand darstellt; hier liegt das (für die Alten) so Rätselhafte und von hier aus kommt es dann zu dem Anschein einer Unmöglichkeit des Werdens aus Nichtseiendem —. is Genauso (ist es auch unsere Meinung,) daß aus S e i e n d e m das Seiende nicht werden kann, es sei denn (wiederum) im Sinne einer bloß zusätzlichen Bestimmtheit, und daß es in diesem letzteren Sinne aber auch wirklich Werden des Seienden (aus Seiendem) gibt — nicht anders wie wenn aus einem Tier ein Tier und (gar) aus einem Tier von einer 20 bestimmten Art ein Tier von einer (anderen) bestimmten Art werden sollte — etwa ein Hund aus einem Pferd. Da wäre doch nicht nur der eine Satz wahr, daß der Hund aus einem T i e r b e s t i m m t e r A r t (aus einem Pferd) entstanden sei, sondern auch der, daß er aus einem T i e r entstanden sei, nur freilich n i c h t a l s Tier, ein Tier (Pferd) ist j a be- 2s reits (vom Anfang des Prozesses an) da. Soll hingegen etwas nicht bloß seiner z u s ä t z l i c h e n Bestimmtheit nach zu einem Tier werden, so kann es am A u s g a n g s p u n k t (des Werdens) nicht schon Tier s e i n . Und soll etwas (in der nämlichen Weise) zu einem Seienden werden, so kann es am Ausgangspunkt (dieses Werdens) nicht schon seiend jo sein. Aber freilich auch nicht (einfach) nichtseiend; für uns ist j a jetzt der Sinn des Ausdrucks 'aus Nichtseiendem' geklärt; er bedeutet das b l o ß e M o m e n t des Nichtseins (an etwas). Übrigens steht auch das weitere fest, daß wir den Grundsatz, daß Sein und Nichtsein sich wechselseitig ausschließen, keineswegs aufheben. 3» Der eine Weg (zu einer Auflösung der Schwierigkeiten der Alten) ist im Vorstehenden angegeben, ein zweiter liegt in der grundsätzlichen Möglichkeit, ein jegliches sowohl als potentielle wie als aktuelle Bestimmtheit aufzufassen. An anderer Stelle ist das ausführlicher be-
Kapitel 8 - 9
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h a n d e l t . Als E r g e b n i s können wir also — wie angekündigt — die T a t - 30 sache der Lösung jener Schwierigkeiten festhalten, welche die Alten zur A u f h e b u n g mehrerer der genannten Grundbegriffe gezwungen h a b e n . I n diesen Schwierigkeiten liegt j a der G r u n d d a f ü r beschlossen, s w a r u m schon die Älteren so weit von dem Weg abirrten, der allein zu einem Begriff v o n W e r d e n u n d Vergehen, ü b e r h a u p t z u m Begriff des Prozesses f ü h r e n k a n n . H ä t t e n sie diese Wesenheit in den Blick bek o m m e n , sie h ä t t e sie von all ihrem Nichtbegreifen zu befreien vermocht. 10 9. Auch a n d e r e (vor uns) sind also zwar bereits auf sie gestoßen, as aber sie zulänglich zu fassen war ihnen noch verwehrt. D e n n einmal teilen doch a u c h sie noch den Begriff eines Werdens schlechthin aus Nichtseiendem, | worin sie gerade einen zutreffenden L e h r p u n k t bei 192 a Parmenides erblicken m ö c h t e n ; sodann sind sie noch der Meinung, is diese Wesenheit müsse, so gewiß sie numerisch eine sei, auch ihrer B e d e u t u n g n a c h unterschiedslos eine sein. U n d dabei ist doch gerade in diesem letzteren P u n k t ein entscheidender Unterschied im Spiel. Unsere Position ist j a diese: Material u n d N e g a t i v b e s t i m m t h e i t sind zwei v o n e i n a n d e r verschiedene Momente; das eine, das Material, ist 20 ein Nichtseiendes n u r im Sinne eines bloß zusätzlichen Moments, die N e g a t i v b e s t i m m t h e i t jedoch (ist ein Nichtseiendes) an ihr selbst; so- 5 d a n n : das eine, das Material, steht dem, was Substanz heißt, sehr n a h e u n d ist sogar in gewissem Sinne S u b s t a n z ; v o m anderen aber k a n n derartiges in keiner Weise gelten. F ü r jene (Denkergruppe) indes 25 besteht kein (wesentlicher) Unterschied zwischen dem Nichtseienden einerseits u n d d e m Gegensatzpaar Groß—Klein andererseits, u n d zwar gleichgültig, ob sie (bei solcher Gleichsetzung) das Gegensatzpaar als ganzes oder j e d e s Gegensatzglied einzeln ansetzen. U n d d a r u m h a t auch die Prinzipiendreiheit bei jener Gruppe einen ganz anderen Sinn 30 als bei uns. Bis zu dieser Einsicht dringen zwar auch sie durch, d a ß (allem Werden) eine bestimmte Wesenheit z u g r u n d e liegen müsse, aber io sie begreifen sie als eine (unterschiedslose) Einheit. D e n n selbst wenn m a n sie zunächst als eine Prinzipienzweiheit f a ß t , nämlich als das Gegensatz p a a r G r o ß u n d Klein, vollzieht m a n doch eine (entschei35 dende) Gleichsetzung; denn die andere Zweiheit (die von Material einerseits u n d Bestimmtheitsgegensätzen andererseits) h a t m a n dabei übersehen. Die i m Prozeß beharrende Wesenheit fungiert zusammen mit der Gestalt als Mitbedingung f ü r das Werdende, sozusagen als Mutter. D e m g e g e n ü b e r möchte einem das eine der beiden Glieder (der
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Buch I
a n d e r e n Wesenheit, d. h.) des Gegensatzpaares zuweilen, wenn m a n is es in seiner W e r t n e g a t i v i t ä t b e d e n k t , als ein völliges Nichts erscheinen. W e n n wir etwas Göttliches, Gutes, W e r t h a f t e s vor uns haben, so unterscheiden wir (im Hinblick auf dieses zwei Glieder:) einmal die i h m entgegengesetzte Bestimmtheit (das Ungöttliche, Schlechte, Wertwid- s rige), sodann das, was seiner ganzen N a t u r nach darauf angelegt ist, nach diesem (Göttlichen, Guten, W e r t h a f t e n ) zu streben u n d zu verlangen. J e n e Denkergruppe jedoch wird zu dem Widersinn geführt, 20 daß das eine Gegensatzglied seine eigene Vernichtung wollen m u ß . Aber es ist doch weder möglich, d a ß die positive B e s t i m m t h e i t nach 10 sich selbst verlange, denn es bleibt ihr nichts zu verlangen, noch auch möglich, d a ß die eine Bestimmtheit n a c h der entgegengesetzten Bestimmtheit verlange — so gewiß die Gegensatzglieder sich wechselseitig vernichten —. Vielmehr h a t das M a t e r i a l solches Streben ganz ähnlich, wie wenn Weibliches nach Männlichem, Häßliches n a c h Schönem is strebt. Aber wohlgemerkt: etwas, an dem Häßlichkeit lediglich zusätzliche Bestimmtheit ist, strebt nach Schönem, nicht aber ein Häßliches als solches; u n d ebensowenig (strebt) ein Weibliches (als solches nach Männlichem), sondern ein Substrat, dem die weibliche N a t u r zusätzlich eigen ist. 2» 25 Das Material ist in einer Hinsicht d e m Werden u n d Vergehen unterworfen, in anderer aber nicht. I n seiner Eigenschaft als S u b s t r a t (des W e r d e n s ) geht es seinem Wesen nach zugrunde — denn das Vergehende, d. h. die Negativbestimmtheit, h a t es als sein S u b s t r a t —. Als Material möglicher Gestaltung jedoch geht es keineswegs seinem 2s Wesen nach zugrunde, sondern ist es im Gegenteil notwendig dem Vergehen u n d E n t s t e h e n entzogen. — a) D e n n wollte m a n annehmen, dies sei selbst einmal entstanden, d a n n m ü ß t e dazu ein erstes, ihm immanentes, Ausgangsmaterial f ü r sein Werden vorgelegen haben. 30 Aber dies ist j a unsere Wesenheit gerade selbst, so d a ß sie also schon 30 bestehen m ü ß t e , bevor sie entstehen k ö n n t e — denn Material heißt ja eben das erste Substrat jedes Gegenstandes, welches nicht bloß in Gestalt einer zusätzlichen Bestimmtheit den i m m a n e n t e n Ausgangsp u n k t f ü r sein Werden bildet —. b) Und wollte m a n a n n e h m e n , es (das Material) könne vergehen, so wäre gerade es selbst das, was am 35 E n d e des Prozesses stehen bliebe, so daß es also vergangen sein m ü ß t e , bevor es vergangen sein k a n n . Was andererseits das G e s t a l t p r i n z i p angeht, so fällt seine ein35 gehende E r ö r t e r u n g in das Aufgabengebiet der F u n d a m e n t a l p h i l o -
Kapitel 9
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Sophie; dort ist zu bestimmen, ob es ein oder mehrere Gestaltprinzipien gibt, u n d was als dieses Gestaltprinzip bzw. als diese Gestaltungsprinzipien in Anschlag zu bringen ist. Dies soll also bis dorthin | zurückgestellt bleiben. Über die Gestalten aber, welche in der N a t u r 192b 5 a u f t r e t e n u n d dem Vergehen unterworfen sind, wird in den späteren Klärungen zu reden sein. Die E r ö r t e r u n g darüber, d a ß es Prinzipien gibt, welche Prinzipien u n d wie viele es gibt, soll damit abgeschlossen sein. U n d n u n wählen wir einen neuen Ausgangspunkt u n d beginnen nochmals von vorne.
BUCH II
192 b 8 1. Mail k a n n die Gesamtheit des Seienden (in zwei Klassen) einteilen : in die P r o d u k t e der N a t u r u n d in die P r o d u k t e andersgearteter Gründe. N a t u r p r o d u k t e sind die Tiere u n d ihre A u f b a u s t ü c k e , die 10 Pflanzen u n d die E l e m e n t a r k ö r p e r wie E r d e , Feuer, L u f t u n d Wasser — von diesem u n d derartigem sagen wir j a , es sei ein N a t u r p r o d u k t —, s u n d diese alle zeigen einen Unterschied gegen das, was nicht N a t u r p r o d u k t ist: h a t doch ein jedes N a t u r p r o d u k t ein Prinzip seiner Prozessualität u n d B e h a r r u n g in ihm selbst, ein Prinzip teils seiner 15 Ortsbewegung, teils seines Wachsens u n d Abnehmens, teils seiner qualitativen Veränderung. E i n B e t t , ein Mantel u n d sonstiges der- io gleichen h a t jedoch, insofern ihm jeweils diese besondere Bestimmtheit (als B e t t , Mantel usw.) z u k o m m t u n d insoweit es A r t e f a k t ist, keinerlei in ihm selbst liegende Tendenz zu irgendwelcher Veränderung seiner selbst, besitzt eine solche vielmehr n u r insofern, als es nebenher auch 20 noch aus Stein oder E r d e besteht oder auch eine Verbindung aus diesen is darstellt, u n d zwar n u r in diesen damit bezeichneten Grenzen; denn die N a t u r ist ein Prinzip u n d ein Grund f ü r Prozeß u n d B e h a r r u n g desjenigen, dem sie ursprünglich u n d als einem solchen u n d nicht etwa bloß vermittels eines seiner weiteren B e s t i m m t h e i t s m o m e n t e eigen ist — der letztere Ausdruck verweist auf die Tatsache, d a ß j a ein P a t i e n t 20 auch einmal selbst der Grund seiner Heilung werden k a n n , wenn er 25 nämlich Arzt ist. Aber diese Heilungskraft h a t er doch nicht in seiner Bestimmtheit als P a t i e n t , sondern es verbinden sich lediglich zufälligerweise die beiden Bestimmtheiten ' A r z t ' u n d ' P a t i e n t ' einmal im nämlichen Menschen; u n d eben d a r u m t r e t e n sie sonst auch wieder getrennt ss voneinander auf —. Nicht anders liegen die Verhältnisse auch bei allen übrigen Gebilden, die A r t e f a k t e sind. Keines von ihnen h a t j a das Prinzip seiner Herstellung in sich, sondern entweder ü b e r h a u p t in 30 Anderem u n d außerhalb seiner, wie es bei einem H a u s u n d bei j e d e m anderen H a n d w e r k s p r o d u k t der Fall ist, oder aber, soweit etwas wirk- 30 lieh dank einer zusätzlichen Bestimmtheit Grund f ü r irgend etwas an ihm zu werden vermag, n u r in vermittelter Weise in sich. — Dies also
Kapitel 1
33
ist N a t u r . U n d eine N a t u r besitzt alles das, was ein Prinzip von der angegebenen A r t in sich t r ä g t . Und jedes d a r a u s ist gleichzeitig auch Substanz. D e n n es ist selbständiger Gegenstand u n d die N a t u r bedarf immer eines selbständigen Gegenstands als Substrats. Naturgegeben s heißen diese Gegenstände, (naturgegeben heißen) aber auch alle Eigen- 35 schaften, durch welche diese Gegenstände wesentlich b e s t i m m t sind, wie etwa das Aufsteigen des Feuers. Solche Eigenschaften sind zwar selbst nicht N a t u r , | sie besitzen auch keine N a t u r , aber sie heißen im • n a t u r b e s t i m m t u n d naturgegeben. Geklärt sind also n u n m e h r die Be10 griffe der N a t u r , des N a t u r b e s t i m m t e n u n d des Naturgegebenen. Das U n t e r n e h m e n eines Beweises d a f ü r , d a ß es die N a t u r gibt, wäre lächerlich; liegt es doch vor aller Augen, d a ß es Seiendes angegebener A r t u n g die Fülle gibt. Wollte einer das Offenkundige aus Nichtoffenkundigem s beweisen, er erwiese sich d a m i t als einer, der das aus sich selbst Ein15 sichtige von d e m nicht aus sich selbst Einsichtigen nicht zu unterscheiden v e r m ö c h t e — was bekanntlich allerdings auch v o r k o m m t ; denn Schlüsse über Farbverhältnisse sind j a einem v o n G e b u r t Blinden wohl möglich —; so können denn solche Leute notwendig n u r über W ö r t e r reden, etwas erkennen k ö n n e n sie nicht. 20 F ü r einige Denker ist die N a t u r u n d das Wesen der N a t u r p r o d u k t e nichts anderes als das jeweilige letzte B e s t a n d s t ü c k in der ihm von 1« H a u s aus eigenen Ungestaltetheit, so gilt z. B. als N a t u r (und Wesen) eines Bettes das Holz, einer Statue die Bronze. U n d Antiphon sieht den Beweis d a f ü r in folgendem: W ü r d e ein B e t t in die E r d e ein25 gegraben u n d h ä t t e der Verfaulungsprozeß die K r a f t , aus dem verfaulenden B e t t noch einen Schößling hervorzutreiben, es würde d a n n gewiß kein B e t t , sondern Holz e n t s t e h e n ; denn das Bettsein sei eine bloß zusätzliche Bestimmtheit, das Ergebnis der Willkür menschlicher is Arbeit, das Holzsein aber das Wesen, als dasjenige, was sich fort30 gesetzt bei all solchem Schicksal identisch erhalte. U n d wenn etwa jedes dieser Materialien zu einem W e i t e r e n wieder in der nämlichen Relation stehe (wie das B e t t zum Holz) — Bronze etwa u n d Gold zu Wasser, Knochen u n d Holz zu E r d e usf. —, d a n n sei wiederum dieses W e i t e r e das Wesen u n d die N a t u r der ersteren. D a h e r erklären sich 35 die vielfältigen Meinungen in der Frage, was die N a t u r der Dinjje sei: das Feuer, oder die E r d e , oder die L u f t , oder das Wasser, oder einige von diesen Genannten, oder all die Genannten. J e n a c h d e m eben, was 2° und wie viele aus dem Genannten zum Ansatz gebracht werden, dies und so viele gelten d a n n jeweils als der Inbegriff des Seins, alles
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Buch II
25 K o n k r e t e a b e r gilt als bloße Z u s t ä n d e , E i g e n s c h a f t e n u n d Verhältnisse jenes z u m A n s a t z G e b r a c h t e n ; u n d jedes v o n diesem A n g e s e t z t e n gilt als ewig — d e n n es gebe hier keinen Verlust der I d e n t i t ä t —, das K o n k r e t e aber als einer grenzenlosen W i e d e r k e h r des W e r d e n s u n d Vergehens u n t e r w o r f e n . s D a s ist die eine A n t w o r t auf die F r a g e n a c h der N a t u r : sie sei das d e m Einzelgegenstand z u g r u n d e liegende E l e m e n t a r m a t e r i a l in allen 30 Fällen, wo der G e g e n s t a n d in sich selbst ein P r i n z i p der P r o z e s s u a l i t ä t u n d V e r ä n d e r u n g h a b e . E i n e a n d e r e A n t w o r t a b e r sieht die N a t u r der Dinge in deren Gestalt u n d F o r m , u n d zwar in derjenigen, die i» jeweils deren Begriff e n t s p r i c h t . (Diese A n t w o r t b e r u h t auf folgender vergleichender Überlegung:) W i e die Bezeichnung ' H a n d w e r k s s t ü c k ' •is (nur) dasjenige erhält, was n a c h den Gesetzen des H a n d w e r k s hergestellt u n d ein H a n d w e r k s p r o d u k t ist, so h e i ß t a u c h (nur) dasjenige ein N a t u r s t ü c k , was den N a t u r b e d i n g u n g e n gehorcht u n d ein N a t u r - is p r o d u k t i s t : W i r w e r d e n n o c h n i c h t v o n einem H a n d w e r k s s t ü c k sprechen, w e n n etwas bloß im Modus der Möglichkeit ein B e t t ist, aber die Gestalt eines B e t t e s n o c h nicht h a t ; wir w e r d e n es im gleichen Fall a u c h bei den N a t u r g e b i l d e n n i c h t t u n . D e n n was n u r im Modus i»»b der Möglichkeit Fleisch oder K n o c h e n ist, h a t seine N a t u r | noch 2» nicht erreicht, b e v o r es nicht die Gestalt e r h a l t e n h a t , die j e n e m Begriff e n t s p r i c h t , welcher das Fleisch b z w . den K n o c h e n definiert, u n d es ist n o c h kein N a t u r p r o d u k t . N a c h dieser zweiten A n t w o r t liegt d e m n a c h die N a t u r jener Gebilde, die in sich selbst ein Prinzip der P r o z e s s u a l i t ä t h a b e n , in der Gestalt u n d in der F o r m , die eine Selbständigkeit besitzt & s lediglich im begrifflichen Sinn. — D a s G e f ü g e aus Material u n d Ges t a l t , etwa ein Mensch, ist hingegen nicht als N a t u r , sondern als ein N a t u r g e b i l d e anzusprechen. — U n d in der T a t ist die Gestalt i m höheren G r a d N a t u r als das Material. D e n n etwas t r ä g t m i t viel m e h r R e c h t seine Bezeichnung, wenn es dies im Modus der Wirklichkeit, nicht •M '> bloß in dem p u r e r Möglichkeit ist. U n d zweitens bildet sich ein Mensch aus einem M e n s c h e n ; hingegen bildet sich aus einem B e t t n i c h t wieder ein B e t t ; n u r d a r u m k ö n n e n j a a u c h jene (Vertreter des ersteren N a t u r io begriffs) sagen, nicht die Gestalt, sondern das Holz sei die N a t u r (des Bettes), weil Holz sich bilden w ü r d e , und nicht ein B e t t , w e n n es » ( u n t e r e n t s p r e c h e n d e n Bedingungen) zur B i l d u n g eines Schößlings k ä m e ; falls m a n n u n d a r a u s den Schluß ziehen m u ß , d a ß also das Material N a t u r sei, so ist jedenfalls auch die Gestalt N a t u r . D e n n aus einem Menschen bildet sich wieder ein Mensch. Und d r i t t e n s : D e r
Kapitel 1 - 2
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Terminus 'Natur' im Sinne des (lebendigen) Prozesses bedeutet doch Übergang zur N a t u r . Hier liegen j a die Verhältnisse nicht so wie (etwa) bei der Heilbehandlung; diese ist ein Übergang nicht zur Heilkunst, sondern vielmehr (gerade umgekehrt ein solcher v o n der Heils kunst) zur Gesundheit; denn die Heilbehandlung kann nicht Übergang von der Heilkunst zur H e i l k u n s t sein. Aber das Verhältnis zwischen dem lebendigen Prozeß und der (in ihm sich bildenden) Natur ist eben anders: Das lebendig sich Bildende geht in diesem lebendigen Prozeß aus einem Ausgangsgebilde in ein Abschlußgebilde über; und >« was ist das nun, was sich da bildet? Doch nicht das, aus dem (das Lebendige) herkommt, sondern das, auf das es hinausgeht. (Das aber ist die im Prozeß sich bildende Gestalt.) Also ist die Gestalt die Natur. Übrigens haben die Termini 'Gestalt' und 'Natur' zwei Bedeutungen: denn im gewissen Sinn ist auch die Negativbestimmtheit Form, is Einer Untersuchung bedarf später aber noch die Frage, ob die Begriffe der Negativbestimmtheit und der entgegengesetzten Bestimmtheit auch im Begriff des echten Entstehens eine Rolle spielen oder nicht. 2. Sind auf diese Weise die verschiedenen Bedeutungen des Ter2» minus 'Natur' bestimmt, so ist nunmehr der Unterschied zwischen dem Mathematiker und dem Physiker zu bedenken — denn Flächen, Körperformen, Strecken und Punkte, welche den Gegenstand des Mathematikers bilden, eignen j a auch den Naturkörpern —. Ebenso ist zu klären, ob die Astronomie eine von der Physik verschiedene 25 oder eine zur Physik gehörende Wissenschaft ist. Denn es wäre doch widersinnig, wenn der Physiker zu den Gegenständen seiner Wissenschaft zwar das Wesen von Sonne und Mond, aber nicht deren notwendige Eigenschaften zählen sollte, noch dazu, wenn die Naturphilosophen ganz offensichtlich auch über die Gestalt von Mond und Sonne jo handeln und dann auch die Frage erörtern, ob die Erde und die Welt kugelförmig sei oder nicht. Nun sind aber alle diese Dinge auch Themen des Mathematikers, jedoch immer unter Ausklammerung der Tatsache, daß sie Begrenzungen eines Naturkörpers sind; und auch ihre Eigenschaften'betrachtet er nur unter gleichzeitiger Ausklammerung der 35 Tatsache, daß sie Eigenschaften von solchen (Begrenzungen der Naturkörper) sind. Darum behandelt er sie auch als selbständige Gegenstände; denn sie können wirklich in Unabhängigkeit vom Naturgeschehen b e t r a c h t e t werden, ihre Bestimmtheit bleibt dabei dieselbe, ihre Behandlung als selbständige Gegenstände führt zu keinem
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Buch I I
Irrtum. Die Vertreter der Ideenlehre betreiben, ohne daß sie sich freilich darüber klar sind, die nämliche Verselbständigung. Sie setzen j a 194« die Naturverhältnisse als selbständig, | die doch viel weniger als selbständig betrachtbar sind als die mathematischen Verhältnisse. Dies letztere (daß die Naturverhältnisse nicht genauso wie die mathe- » matischen Verhältnisse als selbständig betrachtet werden können) wird aber jedem klar, der sich die Mühe macht, auf die Definitionen der beiden (Arten von Verhältnissen) einzugehen, und zwar auf die Definitionen sowohl ihrer selbst (der beiden Arten der Gegenstände) wie auch ihrer (jeweiligen) Eigenschaften. Mögen j a ruhig die ungerade 10 und die gerade Zahl, die gerade und die krumme Linie sowie die 5 Zahlenreihe, die Linie, die Figur überhaupt, ohne ein Moment der Naturprozessualität (hinreichend definiert) sein, das Fleisch, der Knochen, der Mensch sind es nicht mehr: diese gehören nicht zu einem Typus, für den der Begriff der Kurve, sondern zu einem anderen, für is den der Begriff der Stupsnase als Paradigma fungieren kann. Übrigens wird das (der wichtige Unterschied zwischen den beiden Gegenstands Sphären) auch an denjenigen mathematischen Disziplinen deutlich, die einen naturwissenschaftlichen Einschlag zeigen, so aus einer Betrachtung der Optik, der Harmonik und der Astronomie; sind diese doch 2» in gewisser Weise eine Umkehrung der Geometrie. Denn während die i» Geometrie (z. B.) die Linie in der Natur unter Absehung von der Tatsache betrachtet, daß sie eine Linie in der N a t u r ist, betrachtet die Optik die mathematische Linie, aber nicht unter dem methodischen Gesichtspunkt eines mathematischen, sondern eines Naturgebildes. « Der Terminus 'Natur' bedeutet also zweierlei: sowohl die Gestalt wie das Material. Infolgedessen haben wir (in aller Naturbetrachtung) jene methodische Sachlage, wie wenn wir das Wesen der Stupsnäsigkeit bestimmen wollten; d. h.: nicht ohne Rücksicht auf ihr Materialmoment haben wir die Gegenstände solcher Art zu erforschen, aber io is freilich auch nicht hinsichtlich ihres Materialmoments. Es könnte j a doch auch die Frage aufgeworfen werden, nachdem wir es mit zwei Naturen zu tun hätten, welche von ihnen denn nun den Gegenstand des Physikers darstelle, oder ob das G e f ü g e aus beiden (Material und Gestalt) den Gegenstand des Physikers bilde. Aber wenn dieses Gefüge ss seinen Gegenstand bildet, dann bildet doch jedes der beiden (Gefügeglieder) seinen Gegenstand. Aber bilden nun beide zusammen den Gegenstand einer und derselben Wissenschaft oder fällt nicht vielmehr das eine Moment in eine andere Wissenschaft als das andere
Kapitel 2
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M o m e n t ? — B l i c k t m a n a u f die D e n k e r d e r V o r z e i t z u r ü c k , so m ö c h t e m a n g l a u b e n , G e g e n s t a n d der P h y s i k sei d a s M a t e r i a l — d e n n M ä n n e r w i e E m p e d o k l e s u n d D e m o k r i t h a b e n n u r w e n i g d a s M o m e n t d e r G e - 20 s t a l t u n d d e r W e s e n s b e s t i m m t h e i t b e r ü h r t —. W e n n a b e r
(feststeht,
3 d a ß ) in der S t r u k t u r des m e n s c h l i c h e n H e r v o r b r i n g e n s die
Struktur
der N a t u r p r o d u k t i o n wiederkehrt (und also v o n der N a t u r gelten m u ß , was v o m menschlichen Herstellen gilt), w e n n weiterhin,
(mindestens)
bis zu e i n e m gewissen P u n k t e , Gestalt u n d Material die G e g e n s t ä n d e e i n e r u n d d e r s e l b e n W i s s e n s c h a f t s e i n m ü s s e n — so b r a u c h t z . B . ein 10 A r z t d i e K e n n t n i s ( v o n b e i d e m , ) v o n d e r G e s u n d h e i t s o w o h l w i e v o n Galle und Schleim, welche
Substrate
der Gesundheit sind, u n d
ein
B a u m e i s t e r b r a u c h t die K e n n t n i s v o n d e r G e s t a l t des (zu b a u e n d e n ) H a u s e s w i e a u c h v o n d e m M a t e r i a l , d . h . v o n S t e i n e n u n d H o l z , u n d 2s s o l i e g t e s i n a l l e n F ä l l e n ( m e n s c h l i c h e n K ö n n e n s ) —, d a n n w i r d m a n >3 d e n
Schluß
momente
ziehen
zusammen
müssen,
daß
auch
den Gegenstand
in
der P h y s i k
beide
Natur-
darstellen. N o c h ein
weiteres
(beweist, d a ß a u c h die G e s t a l t z u m G e g e n s t a n d der P h y s i k
gehört):
Prozeßzweck und Prozeßabschluß bilden mit den
zweckbestimmten
Mitteln z u s a m m e n den Gegenstand einer und derselben Wissenschaft. 10 N u n i s t
a b e r die N a t u r
Prozeßabschluß
und Prozeßzweck
— denn
überall, w o b e i e i n h e i t l i c h e m Z u s a m m e n h a n g des Prozesses schließlich e i n ( i n n e r e r ) A b s c h l u ß s t a t t h a t , d a i s t d i e s e s P r o z e ß e r g e b n i s a u c h d e r 30 Prozeßzweck. Aus diesem Grunde ist auch jenes W o r t , zu d e m
der
D i c h t e r sich hinreißen ließ, z u m L a c h e n : „ N u n h a t er das E n d e , für 25 d a s e r e i n s t g e b o r e n " ; d e n n n i c h t j e d e s P r o z e ß e n d e e r h e b t d e n spruch, P r o z e ß z w e c k zu sein, sondern n u r das, welches
An-
gleichzeitig
a u c h d e n w e r t m ä ß i g e n H ö h e p u n k t d a r s t e l l t —. ( D e n k e n w i r d o c h a u c h d a r a n : ) D a unsere H a n d w e r k s z w e i g e das M a t e r i a l teils ü b e r h a u p t erz e u g e n , t e i l s es w e n i g s t e n s z u r V e r w e n d u n g
aufbereiten,
behandeln
30 w i r a u c h a l l e s , w a s e s g i b t , a l s M i t t e l f ü r u n s e r e Z w e c k e — d e n n i n 35 einem
bestimmten
Sinn
sind j a
tatsächlich
a u c h wir ein
(Natur-)
Z w e c k ; d e r T e r m i n u s ' Z w e c k ' ist j a d o p p e l d e u t i g ; es sei a u f die S c h r i f t „ Ü b e r d i e P h i l o s o p h i e " v e r w i e s e n —. N u n g i b t e s a b e r j e w e i l s z w e i | G e w e r b e , w e l c h e ü b e r d a s M a t e r i a r b e s t i m m e n u n d e i n W i s s e n u m d a s 194 b 3s M a t e r i a l i n v o l v i e r e n , n ä m l i c h e i n e r s e i t s d a s j e n i g e G e w e r b e ,
welches
(das aus d e m Material Herzustellende) in V e r w e n d u n g n e h m e n
wird,
andererseits dasjenige, welches bei der H e r s t e l l u n g die leitende F u n k tion i n n e h a t . E b e n d a h e r fällt j a auch d e m jeweils an der V e r w e n d u n g des E r z e u g n i s s e s i n t e r e s s i e r t e n G e w e r b e eine A r t l e i t e n d e F u n k t i o n zu,
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Buch II
freilich immer mit dem Unterschied, daß es sich auf das Begreifen der (fertigen) G e s t a l t beschränkt, während das andere, als hers stellendes H a n d w e r k , das Wissen über das M a t e r i a l besitzt. So versteht sich der Schiffssteuermann auf die Gestalt des (von ihm zu bedienenden) Steuerruders u n d gibt an, wie dieses zu gestalten ist, der s andere aber (der Schiffsbauer) weiß u n d gibt an, aus welchem Holz es gemacht werden m u ß u n d welche Arbeitsgänge (zu seiner Herstellung) erforderlich sind. (Wir können also sagen:) Bei den H a n d werksprodukten ist das Material Gegenstand u n s e r e r A r b e i t , und zwar im Hinblick auf das bezweckte Erzeugnis; bei den Naturerzeugnissen hingegen ist das Material vorgegeben. U n d ein letztes Argum e n t : Das Material gehört zu den Dingen, die wesentlich durch eine Bezogenheit auf Anderes charakterisiert sind; entspricht doch einer andersartigen Gestalt auch ein anderes Material. 10 Wie weit n u n m u ß der Physiker die Gestalt u n d die wesentliche Bestimmtheit (der Naturgegenstände) erkennen? Doch wohl so weit, wie ein Arzt von einer Sehne oder ein Schmied von der Bronze einen Begriff haben m u ß , nämlich bis zur E r k e n n t n i s des Zwecks, den das Betreffende jeweils zu erfüllen h a t , u n d dies mit Bezug auf solche Gegenstände, die zwar hinsichtlich ihrer Gestalt Selbständigkeit 20 (gegenüber dem Material) besitzen, aber gleichzeitig doch n u r in einem M a t e r i a l Existenz h a b e n : E r s t der (zeugende) Mensch und die Sonne lassen j a einen (neuen) Menschen geboren werden. W a s es mit dem Gedanken einer schlechthin selbständigen (also materialfreien) Gestalt auf sich h a t u n d was d a r u n t e r ü b e r h a u p t zu denken ist, dies zu klären is ist die Aufgabe (nicht der Physik, sondern) der F u n d a m e n t a l p h i l o sophie. 3. Nach diesen Klärungen müssen wir zur U n t e r s u c h u n g über d i e G r ü n d e schreiten, über die Arten u n d die Anzahl der Gründe. Denn unser Geschäft hier gilt der E r k e n n t n i s und zur E r k e n n t n i s eines Gegenstandes fordern wir doch jeweils die Erfassung des Grundes — und 20 das b e s a g t : seines letzten Grundes —. Und d a r u m stellt sich uns diese Aufgabe zweifellos auch hier, u n d zwar mit Bezug auf E n t s t e h e n u n d Vergehen u n d ü b e r h a u p t auf jegliche Naturprozessualität und mit der Zielsetzung, deren Prinzipien zu erkennen und so zu versuchen, jeglichen Untersuchungsgegenstand auf diese (Prinzipien) z u r ü c k z u f ü h r e n . Nun, in einer ersten Bedeutung besagt der Terminus ' G r u n d ' den i m m a n e n t e n Ausgangspunkt des Werdens des Gegenstands, also der25 artiges wie die Bronze f ü r das Standbild, das Silber f ü r die Schale
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und die übergeordneten Gattungen (zu Erz, Silber usw.). In einer zweiten Bedeutung besagt er die Gestalt und das Gestaltmuster, d. h. den wesentlichen Begriff des Gegenstands, und die übergeordneten Gattungen zu diesem Begriff — also derartiges wie etwa für den Oktavs abstand das Verhältnis 2 : 1 und ganz allgemein die Zahlenreihe —, wie schließlich auch die Definitionsstücke dieses Begriffs. In einer dritten Bedeutung heißt 'Grund' auch soviel wie Urquell des Prozesses 30 oder des Stillstehens, Grund also etwa in dem Sinn, wie der Ratgeber ein Grund ist, oder der Vater Grund des Kindes ist, oder wie das 10 Bewirkende Grund des Bewirkens, das Verändernde Grund des Veränderten ist. Und schließlich heißt Grund auch soviel wie Abschluß, d. h. soviel wie Zweck, so wie etwa die Gesundheit der Grund dafür sein kann, daß man spazieren geht; denn auf die Frage, warum er denn spazieren gehe, antworten wir (unter Umständen) damit, daß is wir sagen: damit er gesund bleibt, und wollen damit den Grund angegeben haben; (zu dem Typus von Grund, welchem der Zweck an- 3s gehört, gehören) auch die Mittel, welche zwischen jenem Anderen, das den Prozeß bewirkt, und dem Ziel (auf das er zustrebt) vermitteln, wie beispielshalber die Gesundheit vermittelt wird durch die Mager20 kur oder die Magenreinigung | oder die Arzneien oder die ärztlichen 195« Instrumente. Denn all das ist zielbestimmt und ein Unterschied liegt nur insofern vor, als es sich einmal um (zielbestimmte) Maßnahmen, das andere Mal um (zielbestimmte) Hilfsmittel handelt. Das sind also ungefähr die verschiedenen Bedeutungen des Terminus 25 'Grund'. Und weil der Terminus 'Grund' also mehrdeutig ist, darum kann auch eines und dasselbe mehrere Gründe haben, und zwar nicht s etwa bloß dadurch, daß man eine zufällig mitgegebene Bestimmtheit mit in Rechnung zieht. So ist beispielshalber Grund für die Bildsäule sowohl die Bildgießerei wie die Bronze, und zwar beidemale für die 30 Bildsäule als Bildsäule und nicht etwa bloß mit Bezug auf irgendeine sonstige Bestimmtheit an ihr; aber andrerseits sind sie auch nicht im nämlichen Sinn Grund (für die Bildsäule), sondern das eine (die Bronze) ist für sie Grund in der Weise des Materials, das andere (die Bildgießerei) in der Weise der Entstehungsquelle. E s kommt auch vor, •>5 daß zwei Dinge sich-wechselseitig begründen; so begründet die Arbeit einen kräftigen Körper und Kräftigkeit ist ein Grund zur Arbeit; aber 10 das Grundsein ist dabei verschieden; im zweiten Fall ist Grund gleich Zweck (Kräftigkeit als Zweck der Anstrengung), im ersten Fall ist Grund gleich Entstehungsquelle (Anstrengung als Quell der Kräftig-
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Buch II
keit). W e i t e r h i n ist der F a l l möglich, d a ß eines u n d dasselbe G r u n d f ü r e n t g e g e n g e s e t z t e Folgen ist. W i r sehen zuweilen g e n a u das n ä m liche, das wir i m Falle seiner Gegebenheit als G r u n d f ü r eine b e s t i m m t e Folge b e t r a c h t e n , a u c h als G r u n d f ü r die gegenteilige Folge a n , sobald es n ä m l i c h n i c h t ins Spiel t r i t t ; so b e t r a c h t e n wir die Abwesenheit des s S t e u e r m a n n s als G r u n d f ü r den S c h i f f b r u c h , w ä h r e n d seine Anwesenheit d e r G r u n d f ü r die R e t t u n g des Schiffs gewesen w ä r e . 15 D a s sind die vier h e r v o r s t e c h e n d s t e n T y p e n aller bisher b e s p r o c h e n e n G r ü n d e . D a finden wir i m Sinn des A u s g a n g s m a t e r i a l s die B u c h s t a b e n als G r u n d der Silben, das Material als G r u n d der H a u s g e r ä t e , F e u e r i» u n d dergleichen als G r u n d der K ö r p e r , die Teile als G r u n d des jeweiligen G a n z e n , die Schlußprämissen als G r u n d f ü r die Schlußfolgerung. A u s d e m e b e n G e n a n n t e n ist das eine Glied jeweils G r u n d i m Sinne des 20 A u s g a n g s b e s t a n d s , so e t w a die Teile ( f ü r das G a n z e ) ; das a n d e r e Glied ist jeweils G r u n d i m Sinn der W e s e n s b e s t i m m t h e i t , des Ganzen, der is V e r b i n d u n g u n d der Gestalt. Solches a b e r wie der Same, d e r A r z t u n d der R a t g e b e r , generell: das W i r k e n d e ist stets G r u n d i m Sinne des Quells f ü r V e r ä n d e r u n g bzw. Stillstehen. Anderes schließlich ist G r u n d i m Sinne des Abschlusses u n d der W e r t q u e l l e f ü r das ü b r i g e ; d e n n 25 der Zweck h a t die F u n k t i o n , die W e r t e r f ü l l u n g u n d der k r ö n e n d e A b - 20 Schluß f ü r das a n d e r e zu sein. D a b e i soll es d a r a u f nicht a n k o m m e n , ob m a n d e n e c h t e n W e r t i m Auge h a t oder bloß etwas, das m a n f ü r diesen h ä l t . D a s sind also die G r ü n d e u n d das ist die A n z a h l ihrer A r t e n . Die A r t u n d Weise a b e r , wie die G r ü n d e i m einzelnen sich darstellen, ist 25 z u n ä c h s t u n g e h e u e r m a n n i g f a l t i g , a b e r a u c h hier ist mancherlei Zus a m m e n f a s s u n g z u einigen G r u n d a r t e n sehr wohl möglich. D e n n o f t l ä ß t sich ein u n d derselbe G r u n d m i t m e h r e r e n B e s t i m m u n g e n k e n n 3« zeichnen. So gibt es i n n e r h a l b einer u n d derselben A r t v o n G r ü n d e n die Möglichkeit, einmal eine allgemeinere, einmal eine speziellere K e n n - 30 Zeichnung des G r u n d e s zu w ä h l e n ; so k a n n m a n sagen, der G r u n d der G e s u n d u n g sei ein A r z t , aber auch, d e r G r u n d der G e s u n d u n g sei der Angehörige eines p r a k t i s c h e n B e r u f s , oder a u c h : m a n k a n n als G r u n d des O k t a v v e r h ä l t n i s s e s das Verhältnis 2 : 1, a b e r a u c h die Zahlenreihe a n g e b e n , ganz allgemein f o r m u l i e r t : m a n k a n n stets ebensogut 35 das u m f a s s e n d e r e Allgemeine wie d a s Speziellere a n g e b e n . W e i t e r h i n k a n n m a n den G r u n d mittels einer i h m zusätzlich eigenen B e s t i m m t heit kennzeichnen, u n d a u c h mittels der G a t t u n g e n dieser zusätzlichen B e s t i m m t h e i t e n ; so k a n n m a n einmal sagen, der G r u n d der S t a t u e
Kapitel 3
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sei Polykleitos, aber ebensogut auch, ihr Grund sei der Bildner, (und dabei ist derselbe Grund angegeben;) denn es ist eben der Bildner der Statue dadurch zusätzlich bestimmt, daß er Polykleitos heißt; oder 35 man gibt die umfassenden Gattungen der zusätzlichen Bestimmtheit s an, indem man sagt, der Grund der Statue sei ein Mensch, | oder ganz 19s b allgemein: ihr Grund sei ein Lebewesen. Übrigens gibt es auch innerhalb der zusätzlichen Bestimmtheiten den Unterschied zwischen höherer und geringerer Wesensnähe, so z. B . wenn im einen Fall „dieser Weiße da" und im anderen Falle „dieser künstlerisch Geschulte hier" 10 als Grund der Statue bezeichnet würde. — Alle Gründe aber, seien sie nun ihrer wesentlichen Bestimmtheit nach oder aber bloß einer zusätzlichen Bestimmtheit nach bezeichnet, können einmal im potentiellen, einmal im aktuellen Sinne gemeint sein: so kann als Grund für s den Bau eines Hauses ein Baumeister, aber auch der den Bau tatis sächlich eben ausführende Baumeister angegeben werden. — Die nämliche Differenzierung der Bezeichnung wie bei den bisher behandelten Gründen ist auch auf der Seite des durch diese Gründe B e g r ü n d e t e n gegeben: man kann sagen, (der Grund sei der Grund) für diese konkrete Statue, aber auch: für eine Statue, aber auch ganz allgemein: 20 für ein Bildwerk; oder: (er sei der Grund) für dieses bestimmte Bronzestück, aber auch: für Bronze, aber auch ganz allgemein: für ein Arbeitsmaterial. Und ganz das nämliche gilt natürlich auch für die zusätzlichen Bestimmtheiten (ebendieses Begründeten). — Und schließlich 10 (die letzte Differenzierungsmöglichkeit der Bezeichnung:) sowohl der 2s jeweilige Grund wie auch das jeweilige Begründete kann seine Bezeichnung auch durch ein Bezeichnungsgefüge erfahren; dann erscheint (als Grund etwa der Statue) weder Polykleitos noch auch der Bildner, sondern der Bildner Polykleitos. — (Faßt man jedoch alle diese Differenzierungsmöglichkeiten zusammen,) so ergeben sich für 3« j eden Grund sechs verschiedene Bezeichnungsmöglichkeiten, wovon j ede wiederum noch zwei verschiedene Modi zuläßt: (Ein und derselbe Grund kann seine Bezeichnung erfahren) entweder a) in seiner konkreten Einzelbestimmtheit (dieser Bildner), oder b) in einer seiner Gattungsbestimmtheiten (ein Künstler), oder c) in einer (spezielleren) zusätzlichen 35 Bestimmtheit (Polykleitos), oder d) in einer Gattung von zusätzlicher Bestimmtheit (Mensch), oder e) in einem Bezeichnungsgefüge (der is Bildner Polykleitos), oder schließlich f) in einer einfachen Bezeichnung (Bildner). — Jede (dieser sechs Bezeichnungsweis.en) läßt aber ihrerseits noch die M o d a l d i f f e r e n z zu: tatsächlich begründender Grund —
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eines Begründens fähiger Grund. Die Modaldifferenzierung involviert einen wichtigen Unterschied: die tatsächlich begründenden u n d die konkreten Gründe sind (solche Gründe) n u r in strenger Gleichzeitigkeit mit den Prozessen, deren Gründe sie sind: so ist z. B. der konkrete Arzt tatsächlich heilend n u r innerhalb genau derjenigen Zeit- s strecke, in welcher der konkrete P a t i e n t seine wirkliche Heilbehandlung (durch diesen Arzt) erfährt, oder: der konkrete Baumeister ist nur innerhalb genau der nämlichen Zeit tatsächlich Baumeister, in welcher das konkrete Gebäude wirklich gebaut wird; bei den bloß b e g r ü n d e n s f ä h i g e n Gründen hingegen besteht keineswegs in allen i» Fällen solche Gleichzeitigkeit (zwischen dem Grundsein des Grundes u n d dem Begründetwerden des zu Begründenden). E s ist j a keineswegs (notwendig) so, d a ß das E n d e des Baumeisters u n d das des Hauses zeitlich zusammenfallen.
Man m u ß stets den a b s c h l i e ß e n d e n Grund des jeweiligen Gegen- is stands angeben, hier wie überall — z . B . : ein Mensch b a u t , weil er Baumeister ist, der Baumeister b a u t zufolge seiner Baubefähigung; 25 diese letztere ist also der ursprünglichere G r u n d ; u n d dies (solche Stufung) liegt in jedem Falle vor —. — Und schließlich (haben wir noch folgende Entsprechungen zu b e a c h t e n ) : I m m e r ist Allgemeines 20 (als Grund) f ü r Allgemeines, Konkretes (als Grund) f ü r Konkretes anzugeben — ein Plastiker f ü r eine Plastik, dieser Plastiker f ü r diese Plastik —; und die Begründungsfähigkeiten (als die möglichen Gründe) f ü r das Begründbare, die tatsächlich begründenden Gründe (als die Gründe) f ü r solches, das tatsächlich zur Begründung k o m m t . 25 D a m i t soll uns die Frage als hinreichend geklärt gelten, welcherlei 30 Gründe zu unterscheiden sind u n d auf welcherlei Weisen ein Grund jeweils angegeben werden k a n n . 4. N u n gelten aber als Gründe auch die F ü g u n g u n d der leere Zufall und m a n läßt vieles von dem, was es gibt u n d was geschieht, bloßer 30 F ü g u n g u n d leerem Zufall v e r d a n k t sein. So h a b e n wir denn zu untersuchen, in welchem Sinn F ü g u n g u n d leerer Zufall zu den Gründen zu 35 rechnen sind, ob sie beide dasselbe oder voneinander verschieden sind, u n d ü b e r h a u p t die Begriffe der F ü g u n g u n d des leeren Zufalls zu bes t i m m e n : (Dies ist erforderlich.) Denn es fehlt nicht an Stimmen, die -is Bedenken gegen eine A n n a h m e von F ü g u n g u n d leerem Zufall ä u ß e r n . ) Sie wollen eine bloße F ü g u n g im Geschehen ausschließen und fordern einen wohlbestimmten Grund auch f ü r die angeblichen bloßen Fügungen und Zufälle, so etwa f ü r einen Fall wie den, d a ß j e m a n d zu-
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fällig auf den Markt gegangen sei und dort jemanden getroffen habe, der ihm sehr gelegen kam, mit dessen Dortsein er aber gar nicht gerechnet h a t t e ; der Grund dafür sei eben dies, daß er sich entschlossen h a t t e , auszugehen und den Markt aufzusuchen. Und genauso lasse sich s s für alle übrigen angeblichen bloßen Fügungen stets der (echte) Grund finden, aber keineswegs eine bloße Fügung verantwortlich machen; denn, gäbe es so etwas wie bloße Fügung, es erschiene dann doch völlig unbegreiflich und man müßte sich dann doch die Frage vorlegen, warum dann auch nicht einer der alten Philosophen bei seiner »o Erörterung der Gründe von Entstehen und Vergehen auf den Gedanken verfallen sei, bloße Fügung ins Spiel zu bringen, vielmehr hätten an- 10 scheinend auch die Alten nichts aus bloßer Fügung für erklärbar gehalten. Aber das folgende ist genauso erstaunlich: E s gibt j a nun einmal vieles und es entsteht vieles, was bloßer Fügung und leerem is Zufall verdankt ist; und obwohl sie nach dem traditionellen Theorem, das die bloße Fügung ablehnt, sehr wohl wußten, daß jedes Werdende auf einen bestimmten Grund seines Werdens rückführbar ist, haben sie dennoch alle manches auf bloße Fügung, manches freilich auch u wieder nicht auf bloße Fügung zurückgeführt. Darum hätten sie sich 20 tatsächlich in irgendeiner Form über das Problem äußern müssen. Aber die bloße Fügung galt ihnen j a auch nicht als einer jener letzten Gründe, wie es Liebe, Haß, Vernunft, Feuer oder dergleichen sein sollen. So ist denn ihr Schweigen tatsächlich in gleicher Weise unbegreiflich, ob sie nun bloße Fügung ausgeschlossen oder ob sie sie zwar an25 genommen, aber unerörtert gelassen haben mögen; unbegreiflich um so 20 mehr, als sie sie bisweilen ausdrücklich eingesetzt haben, wie etwa Empedokles mit seinem Satz, daß die Luft nicht immer ganz nach oben austrete, sondern daß dies davon abhänge, wie es sich gerade füge; sagt er doch wörtlich in der Weltentstehungslehre: „Bisweilen 30 trieb sie in dieser Richtung, oft aber auch in anderer." Nicht weniger auch führt Empedokles die Ausbildung der meisten Organe der Tiere auf bloße Fügung zurück. E s wird von mancher Seite , der blinde Zufall sogar für die Ent-25 stehung unserer Welt und aller Welten überhaupt als Grund angesehen. 3s Wird doch die Meinung vertreten, aus blindem Zufall sei der Urwirbel und jene Bewegung entstanden, die das Seinsganze habe auseinandertreten und in die gegenwärtige Anordnung kommen lassen. Und dies gerade ist äußerst befremdlich, auf der einen Seite für das Sein und Entstehen der Tiere und der Pflanzen bloße Fügung auszuschließen 30
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und als erforderlichen Grund die Natur, die Vernunft oder ein anderes solches Prinzip anzusetzen — mit der zutreffenden Begründung, aus einer bestimmten Samenart entstehe nicht einfach das, was sich gerade eben so füge, sondern aus dieser Samenart ein Ölbaum, aus jener ein Mensch —, aber auf der anderen Seite es f ü r denkbar zu halten, daß s der Himmel und die Gestirne, diese göttlichsten von allen sichtbaren Gebilden, aus blindem Zufall entstanden seien und ohne irgendeinen 3s solchen Grund, wie ihn Tiere und Pflanzen haben. Aber für den Fall, daß dies Befremdliche tatsächlich statthat, muß man doch erst recht 196b darauf eingehen und das Problem | behandeln. Denn ist eine solche io Auffassung schon in manch anderer Hinsicht ungereimt, so wird sie es noch mehr, wenn man daran denkt, daß wir es doch vor unseren Augen haben, wie am Himmel auch nicht ein Vorgang aus blindem Zufall statthat, während umgekehrt im Bereich der Dinge, die aus bloßer Fügung nicht sollen entstehen können, gar manches das Er- >s gebnis lediglich einer bloßen Fügung ist. Man möchte doch viel eher s an das Umgekehrte glauben (daß dasjenige, in dessen Bereich Fügung und Zufall j e t z t keinen Raum haben, a u s Fügung und Zufall auch nicht dereinst e n t s t a n d e n sein könne). Bei manchen gilt übrigens die bloße Fügung als ein echter Grund, 20 nur freilich als ein solcher, der sich dem menschlichen Verstand entziehe, da er einen göttlichen und übernatürlichen Charakter habe. So ist also eine Untersuchung über den Begriff der Fügung und den des Zufalls unvermeidlich, ebenso auch der Frage nach ihrer Identität oder Unterschiedenheit sowie nach der Art ihrer Einbezogenheit in 25 den Kreis der (oben behandelten) bestimmten Gründe, io 5. Gehen wir zunächst von der augenfälligen Tatsache aus, daß in manchen Gegenstandsbereichen die Prozesse ausnahmelos stets in gleicher Weise verlaufen, daß sie in einigen anderen Bereichen wenigstens in der Regel gleichförmig wiederkehren, so ist es sofort ersieht- » lieh, daß weder hier noch dort davon die Rede sein kann, daß bloße Fügung oder ein bloßes Fügungsergebnis als Grund fungiere, weder hier im Bereich einer wenigstens die Regel bildenden, noch dort im Bereich der notwendigen und ausnahmelosen Prozeßwiederkehr. Aber da es auch Prozesse gibt, die g e g e n Gesetz und Regel verlaufen, und ss allgemein an d i e s e Prozesse gedacht ist, wenn man sagt, etwas sei i5 aus bloßer Fügung zustande gekommen, besteht kein Zweifel darüber, daß bloße Fügung und blinder Zufall Realitäten sind. Denn dies wissen wir, daß die Ergebnisse solcher Prozesse Zufallsprodukte und die Zu-
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fallsprodukte Ergebnisse solcher Prozesse sind. N u n geht aus den Proz e s s e n e n t w e d e r Z w e c k m ä ß i g e s oder a b e r k e i n Z w e c k m ä ß i g e s h e r v o r — u n d die E n t s t e h u n g eines Z w e c k m ä ß i g e n b e r u h t e n t w e d e r a u f ü b e r l e g e n d e m Z w e c k b e w u ß t s e i n o d e r a b e r es stellt sich o h n e ein s o l c h e s s B e w u ß t s e i n e i n ; in b e i d e n F ä l l e n l i e g t Z w e c k m ä ß i g k e i t v o r —. F o l g lich g i b t es zweifellos a u c h u n t e r d e n P r o d u k t e n d e r j e n i g e n P r o z e s s e , die w i d e r G e s e t z u n d R e g e l v e r l a u f e n , einige, b e i d e n e n ein A u f t r e t e n 2« v o n Zweckmäßigkeit m ö g l i c h ist. Als Zweckmäßiges nun h a t sowohl j e d e s W e r k p l a n e n d e r Ü b e r l e g u n g wie a u c h j e d e s E r z e u g n i s d e r N a t u r 10 z u g e l t e n . W o i m m e r n u n s o l c h e Z w e c k m ä ß i g k e i t (sei es i m R a h m e n p l a n e n d e r Ü b e r l e g u n g , sei es i m R a h m e n d e r N a t u r ) b l o ß a u f G r u n d z u s ä t z l i c h e r U m s t ä n d e a u f t r i t t , l i e g t d a s v o r , w a s wir ein W e r k b l o ß e r F ü g u n g n e n n e n — d e n n wie S e i n ü b e r h a u p t in w e s e n t l i c h e s u n d b l o ß z u s ä t z l i c h e s S e i n sich a u f t e i l t , s o ist a u c h b e i m G r u n d s e i n eine s o l c h e 2s is A u f t e i l u n g (in w e s e n t l i c h e s u n d bloß z u s ä t z l i c h e s G r u n d s e i n ) m ö g l i c h ; u m ein B e i s p i e l z u g e b e n : soll d e r G r u n d eines H a u s e s seiner w e s e n t lichen B e s t i m m t h e i t n a c h b e z e i c h n e t w e r d e n , so i s t d a s seine F ä h i g k e i t , ein H a u s z u b a u e n ; d a r f er j e d o c h m i t t e l s einer seiner b l o ß z u s ä t z l i c h e n B e s t i m m t h e i t e n b e z e i c h n e t w e r d e n , so k o m m t d a f ü r o h n e 20 weiteres a u c h ein W e i ß e s o d e r ein G e b i l d e t e s in F r a g e ; dies b e s a g t n u n : wo d e r G r u n d in e i g e n t l i c h e r W e i s e a n g e g e b e n i s t , d a ist er ein v ö l l i g b e s t i m m t e r ; w o er eine n u r z u s ä t z l i c h e K e n n z e i c h n u n g e r f ä h r t , d a b l e i b t er u n b e s t i m m t ; d e n n u n b e g r e n z t viele z u s ä t z l i c h e B e s t i m m t h e i t e n k ö n n e n d e m einen G r u n d z u k o m m e n —. W o i m m e r a l s o , w i e « g e s a g t , bei d e r E n t s t e h u n g d e s Z w e c k m ä ß i g e n d i e s e s ( ä u ß e r l i c h e ) Y e r - 30 h ä l t n i s a u f t r i t t , d a heißt es ein W e r k b l i n d e n Z u f a l l s u n d b l o ß e r F ü g u n g — der U n t e r s c h i e d z w i s c h e n d i e s e n b e i d e n i s t s p ä t e r z u k l ä r e n . V o r l ä u f i g soll n u r d i e s f e s t s t e h e n , d a ß sie b e i d e in d a s F e l d des Z w e c k m ä ß i g e n g e h ö r e n —. D a w ä r e b e i s p i e l s w e i s e j e m a n d , h ä t t e 30 er alles g e a h n t , m i t d e r Z w e c k s e t z u n g , sich sein G e l d v o n e i n e m Schuldner, der selbst g e r a d e Geld einzog, r ü c k e r s t a t t e n zu lassen, (auf einen b e s t i m m t e n P l a t z ) g e k o m m e n ; so a b e r w a r sein A u f s u c h e n des P l a t z e s n i c h t d u r c h d i e s e n Z w e c k b e s t i m m t , s o n d e r n e s f ü g t e s i c h 3s i h m n u r s o , d a ß er d o r t h i n g e k o m m e n w a r u n d d a ß er es g e t a n äs h a t t e , u m so zu s e i n e m G e l d e zu k o m m e n . D a b e i ist a b e r V o r a u s s e t z u n g , d a ß er n i c h t r e g e l m ä ß i g d o r t h i n zu g e h e n p f l e g t e | u n d d a ß 197a es sich nicht u m ein s t e t s n o t w e n d i g e s T u n h a n d e l t e . N u n z ä h l t a b e r (hier) d a s R e s u l t a t , die E i n z i e h u n g d e r S c h u l d s u m m e , n i c h t zu d e n inneren G r ü n d e n der S a c h e , s o n d e r n zu d e n m ö g l i c h e n G e g e n s t ä n d e n
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aus Zwecksetzung und aus planender Überlegung. I n dem angenommenen F a l l wird m a n sagen, der M a n n sei aus bloßer F ü g u n g dorthin gegangen; w ä r e er aber mit A b s i c h t und zu j e n e m Z w e c k e (sich das Geld zu holen) oder auch einer ständigen Gewohnheit oder doch wenigs stens einer R e g e l folgend dorthin gegangen [und so zu seinem Geld gekommen], so läge kein R e s u l t a t einer bloßen F ü g u n g v o r . O f f e n b a r k a n n m a n die F ü g u n g demnach so definieren: sie ist der im B e r e i c h möglicher Gegenstände des Zweckbewußtseins a u f t r e t e n d e , aus bloßen zusätzlichen U m s t ä n d e n bestehende G r u n d zweckmäßiger R e s u l t a t e . D a r u m k a n n eines und dasselbe ein E r g e b n i s des (planenden) D e n k e n s , aber auch bloßer F ü g u n g sein. D e n n ohne (planendes) D e n k e n ist Z w e c k b e w u ß t s e i n nicht denkbar. Die G r ü n d e f ü r bloße Fügungsergebnisse müssen also stets unb e s t i m m t sein. U n d dies ist der G r u n d d a f ü r , w a r u m denn a u c h die F ü g u n g selbst den E i n d r u c k eines U n b e s t i m m b a r e n und f ü r den 10 Menschen Unerforschlichen erweckt u n d w a r u m es zu dem G l a u b e n k o m m t , aus bloßer F ü g u n g könne nichts geschehen. U n d das h a t j a auch alles seinen guten Sinn. Z w a r gibt es unbestreitbar E r g e b n i s s e bloßer F ü g u n g ; denn es gibt E r g e b n i s s e bloß zusätzlicher U m s t ä n d e und die bloße F ü g u n g ist ein aus bloß zusätzlichen U m s t ä n d e n bestehender G r u n d ; aber f ü r nichts ist die bloße F ü g u n g schlechthin der G r u n d . So ist (im wesentlichen Sinne nur) der B a u m e i s t e r G r u n d f ü r •s das H a u s ; genügt jedoch auch eine Charakterisierung des G r u n d e s mittels einer bloß zusätzlichen B e s t i m m t h e i t , so k a n n dieser G r u n d (für das Haus) auch ein Flötenspieler sein, und eine unbegrenzte F ü l l e zusätzlicher U m s t ä n d e k a n n als E r k l ä r u n g d a f ü r dienen, w a r u m j e n e r Mann auf den P l a t z gegangen u n d so zu seinem Geld g e k o m m e n ist, falls er nur nicht mit dieser A b s i c h t (zu seinem Geld zu k o m m e n ) dorthin gegangen i s t : daß er auf dem P l a t z j e m a n d treffen wollte, daß er als A n k l ä g e r oder auch als A n g e k l a g t e r auf dem W e g zum Gericht w a r , oder daß er auf dem Weg zu einem Schauspiel w a r . Weiterhin hat auch die B e h a u p t u n g , die A n n a h m e einer bloßen F ü g u n g verstoße gegen alle B e g r e i f b a r k e i t , ihren guten S i n n ; denn der B e g r i f f einer Sache bezieht sich j a tatsächlich auf das, was sie schlechthin i m m e r oder 2« doch wenigstens in aller R e g e l ist, die bloße F ü g u n g hingegen gehört zu den Geschehnissen gegen Gesetz und Regel. U n d so liegt es denn an der U n b e s t i m m b a r k e i t jener zusätzlichen Gründe, w a r u m auch die bloße F ü g u n g selbst als etwas U n b e s t i m m b a r e s gilt. Indes erhebt sich im Hinblick auf manche Fälle noch die eine F r a g e , ob denn nun j e d e r
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b e l i e b i g e zusätzliche Umstand als Grund für das Ergebnis einer bloßen Fügung fungieren könne; so mag man für eine Wiedergesundung die Wirkung von frischer Luft oder des Sonnenscheins, aber doch nicht das Haarschneiden als solchen Grund angeben. E s s gibt nämlich unter den zusätzlichen Umständen eine Abstufung, der gemäß sie nicht alle im gleichen Grade als solche Gründe in Frage 25 kommen. (Man spricht von glücklicher und von unglücklicher Fügung.) Von glücklicher Fügung spricht man, wenn das Ergebnis erfreulich, von 10 unglücklicher, wenn das Ergebnis unerfreulich ist. Von Glück bzw. Unglück spricht man, sobald diese Ergebnisse ein größeres Ausmaß haben. Darum sagen wir j a auch, wir hätten Glück gehabt, wenn uns beinahe ein großes Übel getroffen hätte, und es habe uns das Unglück verfolgt, wenn uns beinahe ein recht Erfreuliches zuteil geworden wäre; 15 denn unsere Vorstellung behandelt solches (ein solches drohendes Übel und einen solchen winkenden Vorteil) bereits wie etwas tatsächlich schon Vorliegendes; denn das, wovon uns nur noch eine Kleinigkeit 30 zu trennen scheint, erleben wir als etwas, das schon völlig da ist. — Und mit Recht auch heißt das Glück unbeständig; denn es liegt im JO Begriff der bloßen Fügung, daß sie nicht beständig auftritt; kein E r gebnis bloßer Fügung kann j a ununterbrochen wiederkehren oder auch nur zum Regelfall werden. (Fassen wir zusammen:) Beide, die bloße Fügung wie der blinde Zufall, sind also, wie gesagt, Gründe, die nur aus bloß zusätzlichen Umständen bestehen; sie haben ihren Ort in 25 dem Bereich, in dem ein nichtstriktes und aus der Regel fallendes 35 Geschehen möglich ist; und sie fungieren als Grund zweckmäßiger Geschehnisse. 6. Bloße Fügung und blinder Zufall unterscheiden sich (zunächst) darin, daß letzterer der weitere B e g r i f f i s t ; d. h . : alle Fügung ist Zu30 fall, aber nicht ist jeder Zufall auch | Fügung. Denn Fügung und 1971> Fügungsergebnisse gibt es nur für Wesen, mit Bezug auf welche sinnvollerweise gesagt werden kann, sie hätten Glück gehabt, allgemein gesagt: welche des Handelns fähig sind. Und darum bezieht sich alle Fügung notwendig auf Ergebnisse möglichen Handelns — was sich :is darin verrät, daß Glückhaben und Glückseligkeit entweder als völlig oder doch als nahezu miteinander identisch gelten, die Glückseligkeit & aber zweifellos den Charakter der Handlung zeigt, so gewiß sie die Wertfülle des Handelns ist —. So läßt sich denn sagen: Wo keine Fähigkeit zum Handeln gegeben ist, da ist auch ausgeschlossen, daß
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e t w a s a u s b l o ß e r F ü g u n g g e t a n w e r d e . A u s diesem G r u n d e t u t k e i n unbeseeltes Wesen, kein Tier, kein kleines K i n d jemals e t w a s
aus
b l o ß e r F ü g u n g , w e i l es p r i n z i p i e l l eines Z w e c k b e w u ß t s e i n s u n f ä h i g i s t ; e b e n s o w e n i g k a n n m a n f ü r sie die W e n d u n g g e b r a u c h e n : sie h a b e n G l ü c k g e h a b t oder w a r e n v o n U n g l ü c k v e r f o l g t , — es sei d e n n i n e i n e m s IO b l o ß ü b e r t r a g e n e n S i n n , so w i e e t w a P r o t a r c h o s s a g t e , die S t e i n e , a u s d e n e n die A l t ä r e a u f g e b a u t seien, h ä t t e n G l ü c k g e h a b t , d e n n sie genössen V e r e h r u n g , w ä h r e n d m a n a u f i h r e n K a m e r a d e n h e r u m l ä u f t . A l s b l o ß e p a s s i v e O b j e k t e f r e i l i c h h a b e n a u c h diese ( g e n a n n t e n W e s e n ) e i n m a l e t w a s m i t F ü g u n g z u t u n , n ä m l i c h w e n n der H a n d e l n d e a u s b l o ß e r 10 F ü g u n g i r g e n d e t w a s m i t i h n e n t u t ; a b e r d a s ist die einzige M ö g l i c h k e i t . D e n Z u f a l l h i n g e g e n g i b t es a u c h b e i d e n ü b r i g e n L e b e w e s e n IS u n d b e i v i e l e n u n b e s e e l t e n D i n g e n ; so k ö n n e n w i r z. B . s a g e n : E s w a r ein Z u f a l l , d a ß d a s P f e r d h i e r h e r k a m , ( u n d w i r s a g e n so,) w e i l es d a d u r c h , d a ß es h e r k a m , d e m V e r d e r b e n e n t g i n g , a b e r k e i n e s w e g s is h i e r h e r g e l a u f e n w a r m i t der A b s i c h t , sich d a d u r c h i n S i c h e r h e i t z u b r i n g e n . O d e r a u c h : I n einer r e i n z u f ä l l i g e n W e i s e ist der S t u h l u m gefallen. U m als S i t z g e l e g e n h e i t z u d i e n e n , d a z u ist der S t u h l
da;
a b e r u m g e f a l l e n ist er n i c h t z u d e m Z w e c k , u m als S i t z g e l e g e n h e i t z u dienen. A u s a l l e d e m w i r d also f o l g e n d e s d e u t l i c h : w i r s p r e c h e n bei M d e n a n i h n e n selbst z w e c k m ä ß i g e n
Ereignissen dann v o n
Zufalls-
geschehen, wenn das durch den außer i h m liegenden G r u n d B e g r ü n d e t e 20 (d. h . d a s z w e c k m ä ß i g e E r e i g n i s ) n i c h t u m der e i n g e t r e t e n e n
Folge
willen e i n g e t r e t e n ist. E r g e b n i s s e b l o ß e r F ü g u n g n e n n e n w i r h i n g e g e n aus d e m g e n a n n t e n K r e i s alle d i e j e n i g e n E r g e b n i s s e , w e l c h e , a n sich " z u r K l a s s e der m ö g l i c h e n Z w e c k e f ü r die z w e c k t ä t i g e n W e s e n z ä h l e n d , a u s b l i n d e m Z u f a l l e i n t r e t e n . E i n H i n w e i s ( a u f die B e d e u t u n g W o r t e s avrofiarov)
des
ist s c h o n ( d a s in d i e s e m W o r t s t e c k e n d e A d v e r b )
fiaTrjv ( ' z w e c k l o s ' ) , d e n n m a n s p r i c h t v o n Z w e c k l o s i g k e i t , w e n n d a s M i t t e l f ü r e i n e n Z w e c k s c h l i e ß l i c h d o c h n i c h t u m dieses Z w e c k e s willen e r f o l g t ist (weil es i h n n i c h t h e r b e i f ü h r t e ) ; w e n n z. B . d a s S p a z i e r e n g e h e n d e m Z w e c k einer b e s c h l e u n i g t e n V e r d a u u n g d i e n e n soll, diese W i r k u n g sich a b e r f ü r d e n S p a z i e r g ä n g e r n i c h t eingestellt h a t , so sagen 25 w i r , er sei z w e c k l o s s p a z i e r e n g e g a n g e n , u n d der S p a z i e r g a n g w a r ein z w e c k l o s e s , b l i n d e s U n t e r n e h m e n ; d e n n z w e c k l o s , b l i n d ist ein U n t e r - ss n e h m e n , d a s seinen S i n n n u r d a r i n h a t t e , einen Z w e c k z u e r r e i c h e n , w e n n es diesen seinen e i g e n t ü m l i c h e n Z w e c k n i c h t e r r e i c h t e ; denn w o l l t e j e m a n d sagen, er h a b e sein B a d v ö l l i g z w e c k l o s
genommen,
w e i l es d a n n d o c h n i c h t z u einer S o n n e n f i n s t e r n i s g e k o m m e n sei, so
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würden wir über einen solchen Unsinn lachen; denn das B a d h a t t e diesen Zweck gar nicht (eine Sonnenfinsternis herbeizuführen). So liegt denn also schon dem bloßen Wort nach ein blinder Zufall (avTÓfzarov) vor, wenn das Geschehen selbst (avró) ein blindes Geschehen ist, zweck5 los (fiárrjv) erfolgt. Der Stein, der vom Dache fiel, h a t t e nicht den 3» Zweck, jemanden zu treffen; also fiel der Stein (ohne Zweck u n d blindlings,) aus blindem Zufall; er h ä t t e j a doch auch herunterfallen können auf Grund einer bestimmten Ursache u n d mit dem Zweck, zu treffen. Am deutlichsten treten Zufall und Fügung im Bereich der naturio gegebenen Prozesse auseinander; ein widernatürliches P r o d u k t bezeichnen wir ja keinesfalls als Ergebnis einer Fügung, viel eher noch 3s als Ergebnis eines blinden Zufalls. Aber in Wahrheit ist es nochmals etwas anders; denn der Grund des Zufallsprodukts liegt außerhalb seines Produkts, der Grund eines widernatürlichen P r o d u k t s aber inneri5 Jialb dieses P r o d u k t s selbst. | Die beiden Begriffe des blinden Zufalls u n d der bloßen Fügung sind i98» zusamt dem Unterschied zwischen ihnen nunmehr geklärt. Beide gehören zu jenem Typus von Grund, welcher Urquell des Prozesses heißt. Denn das, was im Zufall u n d in der Fügung wirkt, ist stets entweder 2o ein n a t u r h a f t wirkender oder aber ein denkender G r u n d ; nur ist die Fülle dessen (was da als Gründe in Frage kommen kann) jedesmal s unübersehbar. Wenn wir nun dies festhalten, daß Zufall u n d Fügung solche Geschehnisse, f ü r die auch das Denken oder auch die N a t u r als Grund fungieren könnte, nur d a n n begründen, wenn eines von 2s letzteren selbst bloß auf Grund zusätzlicher Umstände f ü r derartige Geschehnisse der Grund wird; wenn wir weiterhin auch dessen uns bewußt bleiben, daß jede zusätzliche Bestimmtheit einer Sache ihren wesentlichen Bestimmtheiten gegenüber sekundär bleiben muß, so besteht f ü r uns darüber kein Zweifel, daß auch dasjenige, was 30 bloß auf Grund zusätzlicher Umstände einmal als Grund fungieren kann, alldem gegenüber sekundär bleibt, was an ihm selbst ein Grund ist. Das besagt: Auch Zufall und Fügung sind sekundär i» gegenüber Denken und N a t u r . Mag also der Zufall noch sosehr Grund des Weltalls sein, lange vor ihm sind notwendigerweise das 35 Denken u n d die N a t u r der Grund f ü r viele andere Dinge u n d f ü r dieses Seinsganze. 7. So ist die Tatsache, daß es Gründe gibt, und die Frage der Anzahl ihrer Arten geklärt. Es ist dieselbe Anzahl wie die der Bedeu- is tungen, die die Frage nach dem W a r u m anzunehmen vermag. E n t -
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weder nämlich f ü h r t die Warumfrage abschließend (a) auf die wesentliche Bestimmtheit zurück, nämlich bei den prozeßfreien Gegenständen — z. B. in den reinen Wissenschaften; hier wird zuletzt auf die Definition zurückgegangen, des Begriffs der Geraden oder des Kommensurablen oder eines ähnlichen —, oder aber (b) auf den Ausgangspunkt, s der den Prozeß in Bewegung setzte — etwa in der Frage: warum kam es zum Krieg? weil ein Raubüberfall geschehen war —, oder (c) auf den beabsichtigten Zweck — um Macht zu gewinnen —, oder aber (d), bei den Prozessen des Werdens, auf das Material. Dies also sind die Arten der Gründe und deren Anzahl. Gibt es 10 demnach vier Typen von Gründen, so sind alle vier das Forschungsthema des Physikers und physikalisches Begründen besagt Rückgang auf alle (diese vier Typen von Gründen): auf das Material, das Wesen, die Prozeßquelle und den Zweck. Nicht selten fallen dabei die drei letztgenannten Gründe im Konkreten zusammen: denn das Weseq is und der Zweck sind eines und dasselbe, die letzte Prozeßquelle aber ist mit diesen wenigstens artgleich: es ist ja ein Mensch, was einen Menschen hervorbringt — oder allgemein: die Prozeßquelle, die selbst auch Prozeßgegenstand ist; — wo dies nicht der Fall ist, da haben wir nicht mehr Physik vor uns; denn dann ist eine Prozeßquelle am so Werke, die selbst ohne Prozeß besteht und kein Prozeßprinzip in sich hat, sondern prozeßfrei existiert. Und so gibt es denn auch drei Disziplinen : die Wissenschaft vom Prozeßfreien, die Wissenschaft vom unvergänglichen Prozeßhaften, die Wissenschaft vom Vergänglichen —. So wird denn also die Warumfrage durch Rückgang auf das Material, 25 auf die wesentliche Bestimmtheit sowie auf die letzte Prozeßquelle beantwortet; denn einem Werden gegenüber nimmt die Warumfrage zumeist doch diese Gestalt a n : Was geschieht am Anfang, was geschieht darauf? Was hat zuerst eine Wirkung ausgeübt oder was zuerst eine Einwirkung erfahren, (und was daraufhin?) und so hintereinander 30 immer weiter. — Dabei gibt es zweierlei physikalische Prozeßprinzipien, von denen freilich die eine Art (zwar in der Natur prozeßbestimmend, b aber) nicht selbst physisch ist; denn sie besitzt | in ihr selbst kein Prozessualitätsprinzip; dazu gehört alles, was Prozesse in Bewegung setzt, aber selbst prozeßfrei besteht, wie das schlechthin Prozeßfreie 35 und Allerletzte, sowie die wesentliche Bestimmtheit und die Gestalt; denn es ist das Ziel (auf das ein Prozeß zuläuft) und sein Zweck. Da nun die Natur (als Geschehen) unter Zwecken steht, ist auch diese Art von Prozeßprinzip notwendig mitzuerforschen und (auf diese
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Weise) die Warumfrage völlig umfassend zu bearbeiten: z. B . : „(dies s ist so,) weil aus jenem notwendig dies sich bildet" — sei es schlechterdings, sei es doch wenigstens in aller Regel—; oder: „wenn dies soll statthaben können, (so nur, weil es aus jenem sich ergibt)" — wie die s Konklusion aus ihren Prämissen —; oder: „(dies ist so,) weil jenes seine wesentliche Bestimmtheit i s t " ; oder: „(dies ist so,) weil es so besser i s t " — und zwar nicht etwa einfach überhaupt (besser, sondern besser) im Hinblick auf das bestimmte Wesen, welches dem jeweiligen Naturgebilde eignet. 10 8. Wir haben nunmehr (zwei Dinge) zu behandeln: erstens, warum i» die Natur zu den Gründen gehört, die unter Zwecken stehen; sodann das Problem, welche Rolle das Notwendige im Naturgeschehen spielt. Die Notwendigkeit gilt j a allgemein als der Grund, auf den zurückzugehen sei, indem man sagt: weil das Warme und das Kalte und i5 jedwedes derartige (Letztmoment) von Hause aus so und so ist, darum muß mit Notwendigkeit dies und das statthaben und dies und das geschehen. Dies ist auch dann nicht anders, wenn (zunächst) ein an- is derer Grund eingeführt wird, etwa von dem einen Denker die Liebe und der Haß, von einem anderen die Vernunft: kaum eingeführt, bleibt 20 er sogleich wieder außer dem Spiel. Da tritt die Frage auf: Warum soll es denn undenkbar sein, daß die Natur ohne alle Finalität und Rücksicht auf das Bessere arbeite, (daß vielmehr alles in der Natur nur der Regel der Notwendigkeit folge,) wie beispielsweise Zeus es regnen lasse, nicht um das Getreide wachsen zu lassen, sondern aus is reiner Notwendigkeit — denn die aufgestiegene Luft müsse abkühlen und die abgekühlte Luft müsse, zu Wasser geworden, herunterfallen; 20 sei es aber dazu gekommen, so sei das Wachsen des Getreides bloß eine (beiläufige) Folge der Umstände —; und genauso, wenn einem (Bauern) das Getreide (infolge des Regens) auf dem Dreschhof ver30 dirbt: es regne nicht zu dem Zweck, daß das Getreide verderbe, sondern das Verderben des Getreides sei die bloße Folge aus den Umständen? Was soll demnach die Annahme unmöglich machen, daß die Dinge auch bei der Gestaltung der Organe in der Natur ebenso liegen, daß z. B . die zum Schneiden der Nahrung tauglichen Vorderzähne aus 25 35 r e i n e r N o t w e n d i g k e i t als scharfe Zähne, die Backenzähne (aus gleicher Notwendigkeit) als breite und zum Mahlen der Nahrung zweckmäßige Zähne hervorgekommen seien? Denn dies sei j a nicht etwa mit solcher Zwecksetzung geschehen, sondern es habe sich beides eben so zusammengefunden; und nicht anders lägen die Dinge bei allen
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Organen, bei denen zunächst eine Zweckbestimmtheit (der Gestaltung) vorzuliegen scheine. Alle Gebilde, bei deren E n t s t e h e n sich alles gerade so ergeben habe, wie es auch ein zweckbestimmtes W e r d e n hervorgebracht h a b e n würde, h ä t t e n sich n u n a m Leben erhalten können. 30 da sie d a n k dem blinden Zufall einen lebensdienlichen A u f b a u besessen > ' h ä t t e n . Das Übrige aber sei zugrunde gegangen u n d gehe stets zugrunde, Gebilde also wie die, von denen Empedokles spricht: Rinder mit dem Vorderleib eines Menschen. Dies also wäre die Argumentation, mit welcher m a n den Gedanken einer Zweckmäßigkeit in der N a t u r in Schwierigkeiten bringen k ö n n t e ; i» vielleicht gibt es noch weitere A r g u m e n t a t i o n e n ähnlicher A r t . Aber es ist völlig ausgeschlossen, d a ß die Verhältnisse so liegen (wie m a n 35 da meint). Die dabei angezogenen Dinge erfahren wie alle Naturgebilde Prozesse, die entweder ausnahmelos oder aber doch wenigstens in aller Regel in der nämlichen Weise s t a t t h a b e n , bei Prozessen bloßer F ü g u n g is i99a u n d blinden Zufalls hingegen ist das niemals der Fall. | Denn es gilt nicht als Folge bloßer F ü g u n g u n d blinden Zufalls, d a ß es im W i n t e r häufig regnet, wohl aber, falls dies in den H u n d s t a g e n geschieht; u n d so auch keine Hitzewelle in den H u n d s t a g e n , wohl aber eine etwaige Hitzewelle mitten im Winter. W e n n n u r diese beiden D e n k b a r k e i t e n ?o zur Wahl stehen, ein bloßes Resultieren aus U m s t ä n d e n oder aber eine Finalität, dann bleibt also wohl n u r Finalität als Möglichkeit übrig, sobald die andere D e n k b a r k e i t ausgeschieden werden m u ß , d a ß es sich s u m ein Ergebnis aus dem bloßen Zusammentreffen von U m s t ä n d e n oder u m ein Zufallsereignis handeln könne. N u n h a n d e l t es sich aber " doch bei allem derartigen, wie wohl die Vertreter jener Meinung a u c h selbst sagen werden, u m Verhältnisse der N a t u r . Folglich gibt es in den P r o d u k t e n u n d Gebilden der N a t u r Finalität. Ein weiterer Beweis (für eine Finalität in der N a t u r ) : Bei allen Tätigkeiten, die einen b e s t i m m t e n Abschluß in einem Ziel besitzen, so gilt der Satz, daß die E t a p p e n der Tätigkeit eine n a c h der anderen u m dieses Zieles willen vollzogen werden. N u n decken sich aber — vorio ausgesetzt, daß äußere Hindernisse nicht a u f t r e t e n — die S t r u k t u r des ^menschlichen Herstellens u n d die S t r u k t u r der N a t u r p r o d u k t i o n völlig. Das Handeln ist aber final b e s t i m m t . D a r a u s folgt, d a ß die N a t u r - 3s bildung genauso final b e s t i m m t ist. Wäre beispielshalber ein H a u s ein N a t u r p r o d u k t , es k ä m e dann genau auf demselben Wege zustande, wie es faktisch durch die menschliche Arbeit hergestellt wird. W ü r d e n umgekehrt die Naturgebilde auch durch Menschenarbeit zustande-
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kommen können, sie würden in derselben Weise dabei Zustandekommen, wie sie in der Natur sich bilden. Auch in der Natur würden 15 sie sich also in der Ordnung von Mittel und Zweck bilden. Ganz allgemein gilt: Das menschliche Herstellen bringt Gebilde der Natur teils zum Abschluß, nämlich dort, wo sie die Natur selbst nicht zu einem Abschluß zu bringen vermag; teils bildet es Gebilde der Natur nach. Entstehen also die Gebilde des menschlichen Herstellens auf finalem Wege, so ohne Zweifel auch die Produkte der Naturprozesse; denn das Verhältnis der Prozeßetappen zueinander ist beim menschlichen Herstellen und bei der Naturproduktion das gleiche. 20 Am augenfälligsten ist das (die Naturfinalität) bei den nicht-menschlichen Lebewesen, deren Leistungen weder auf gelerntem Können noch auf Ausprobieren noch auf Überlegung beruhen. Aus diesem Grund gibt es ja auch die Streitfrage, ob die Spinnen, die Ameisen und dergleichen ihre Leistungen einem Verstand oder sonst etwas anderem verdanken. Man braucht nur einen Schritt weiter zu gehen, auch bei den Pflanzen bilden sich die lebensdienlichen Organe zweckbestimmt 52 aus, so etwa die Blätter zum Schutz der Frucht. Wenn daher die Schwalbe ihr Nest und die Spinne ihr Netz auf Grund ihrer Natur und zweckmäßig bauen, und wenn die Pflanzen ihre Blätter um der Früchte willen ausbilden und ihre Wurzeln um der Nahrung willen nicht nach oben, sondern nach unten vortreiben, so ist dies ein Beweis dafür, daß diese Art von Grund (die Finalität) in den Produkten und 30 Gebilden der Natur tatsächlich am Werke ist. Und da der Terminus 'Natur' doppeldeutig ist, sowohl das Material wie die Gestalt bedeutet, die letztere aber das Endergebnis der Prozesse darstellt, alles übrige aber um dieses Endergebnisses willen geschieht, steht auch dies fest, daß diese (die G e s t a l t ) der Zweckgrund ist. Fehlleistung aber gibt es auch bei der menschlichen Arbeit — daß der Schreiber einen Fehler beim Schreiben, der Arzt einen Fehler bei der Verabreichung des Medikaments macht —; daher können sie auch 35 an den Werken | der Natur auftreten. Wenn es also unter den Arte- 199b fakten solche gibt, wo die Zweckmäßigkeit erreicht ist, und wenn bei den Fehlprodukten eine Zweckmäßigkeit zwar versucht wurde, aber mißlang, dann ist es wohl auch bei den Naturprodukten nicht anders und die Mißgeburten sind das Ergebnis eines Mißlingens jener Zweckmäßigkeit. Und wenn folglich unter den (empedokleischen) Bildungen s der Urzeit jene „Rinder" (mit dem Vorderleib eines Menschen) unfähig gewesen sein sollten, zu einer eindeutigen und abschließenden
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Gestaltung zu gelangen, dann wäre dies geschehen infolge der Schädigung irgendeines Ausgangsmaterials, genauso, wie es heutzutage (infolge einer Schädigung) des Samens (geschieht). A u c h mußte sich j a erst einmal Same bilden und (es konnten sich) nicht sofort die Tiere (bilden). Jenes „Ungegliederte am A n f a n g " (von dem Empedokles s spricht) war nichts anderes als Same. 10 A u c h bei den Pflanzen gibt es die Finalität, nur ist sie hier nicht so deutlich faßbar. Soll es nun etwa auch bei den Pflanzen als Entsprechung zu den „Rindern mit menschlichem Vorderleib" vielleicht Weinstöcke mit einer Ölbaumvorderseite gegeben haben? Die Annahme 10 ist widersinnig. Aber sie wäre unvermeidlich, sobald derartiges bei den Tieren (für möglich gehalten würde). A u c h müßte sich dann bei der Samenfortpflanzung jedes Beliebige bilden. Wer auch das noch meint, hebt die Begriffe des Naturprodukts und der Natur vollends auf. Denn ein Naturprodukt ist ein Gebilde, is welches von einer bestimmten, in ihm selbst begründeten Ausgangsgegebenheit aus in einem kontinuierlichen Prozeß an ein bestimmtes Prozeßziel gelangt. V o n jeder (der verschiedenen Ausgangsgegebenheiten) aus bildet sich dabei weder für alle Wesen stets das nämliche noch ein beliebiges Zufallsergebnis heraus; vielmehr führt der Prozeß n> stets zur Wiederbildung genau desselben (Artwesens, das auch an seinem Ausgangspunkt gestanden hat) — es sei denn, daß einmal ein Störfaktor dies verhindert. N u n kann zwar freilich ein Zweck und ein Zweckmäßiges auch dank bloßer Fügung zuwege kommen, wie wenn 20 wir etwa sagen: „ d a k a m z u m Glück der Gastfreund daher, (erfuhr 2s von dem Unglücklichen,) löste ihn aus und fuhr wieder w e g " , und zwar im Falle, daß der Gastfreund dies t a t , gerade als wäre er zu diesem Zwecke überhaupt gekommen, daß er aber in Wahrheit keineswegs zu diesem Zwecke gekommen war. U n d zwar muß es aus irgendwelchen zusätzlichen Umständen dazu gekommen sein — denn, wie oben er- 30 örtert, die bloße Fügung ist einer der Gründe, die lediglich aus irgendwelchen zusätzlichen Umständen bestehen —. Wo immer aber das in Frage Stehende a u s n a h m e l o s o d e r d o c h i n a l l e r R e g e l eintritt, 25 da handelt es sich nicht bloß um zusätzliche Umstände oder ein Resultat aus bloßer Fügung. Naturprozesse aber verlaufen stets gleich, es 35 sei denn, sie werden einmal gestört. Widersinn aber ist es, wenn man an ein zweckbestimmtes Werden mit der Begründung nicht glauben will, es sei nichts davon zu sehen, daß die Prozeßursache zuvor überlegt habe. A u c h der erfahrene Hand-
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werker b r a u c h t nicht erst zu überlegen. U n d h ä t t e die Schiffbaukunst ihren Sitz im Bauholz, so wäre ihre Arbeitsweise wie die der N a t u r . D a r a u s f o l g t : W e n n i m menschlichen Herstellen F i n a l i t ä t vorliegt, 3» d a n n auch in (der P r o d u k t i o n ) der N a t u r . A m aufschlußreichsten aber 5 ist der Fall, d a ß ein Arzt sich selbst b e h a n d e l t ; denn genauso liegen die Dinge auch bei der N a t u r . E s steht also fest, d a ß die N a t u r der Dinge ein G r u n d ist, u n d zwar wie einer, der u n t e r Zwecken steht. 9. Das Notwendige aber (in der Natur), existiert es in bedingter i» oder absoluter Notwendigkeit? H e u t z u t a g e versteht m a n j a u n t e r Not- 35 wendigkeit | im E n t s t e h e n gerne dasselbe, wie wenn m a n meinen 200 • wollte, diese Mauer dort sei deswegen aus Notwendigkeit e n t s t a n d e n , weil das schwere Material von N a t u r u n t e n zu liegen komme, das leichte Material aber obendrauf liege, weshalb denn auch (bei dieser is Mauer) die Natursteine u n d das F u n d a m e n t ganz u n t e n , der Lehm d a n k seiner Leichtigkeit darüber, die Holzteile schließlich, weil die 3 allerleichtesten, ganz obendrauf liegen m ü ß t e n . N u n ist j a freilich (die Mauer) n i c h t o h n e dies alles zustande gekommen; aber der G r u n d (warum die Mauer zustande gekommen ist) ist dies alles nicht, aus20 genommen in d e m Sinne, wie das Material (ein Grund f ü r etwas ist); vielmehr ist sie deswegen zustande gekommen, u m einiges zu bergen u n d zu schützen. Die gleiche Sachlage h a b e n wir auch sonst überall, wo ein Zweckverhältnis vorliegt: (da entstehen die Dinge) nicht ohne das durch Notwendigkeit gekennzeichnete (Material), aber dies ist 25 nicht der wirkliche Grund, sondern Grund n u r im Sinne von Material; iu vielmehr (entstehen sie) zu einem Zweck. E i n Beispiel: W a r u m ist die Säge so u n d so? D a m i t sie eben dies sei u n d zu dem u n d d e m Zwecke (dienen könne). N u n k a n n jedoch dieser Zweck nicht erreicht werden, wenn sie nicht aus Stahl ist. Also besteht die N o t w e n d i g k e i t , d a ß 30 sie aus Stahl sei, w e n n sie eine Säge sein u n d wenn ihre F u n k t i o n erfüllt werden soll. (Das besagt:) Die Notwendigkeit ist also eine bloß bedingte, aber nicht Notwendigkeit eines Zweckes. D e n n sie ist ein Moment am Material, w ä h r e n d der Zweck ein Moment a m Begriff (der betreffenden Sache) ist. 15 35
I n gewisser Hinsicht ist das Notwendigkeitsverhältnis in der Mathem a t i k u n d bei den N a t u r p r o d u k t e n dasselbe. (In der M a t h e m a t i k sagt m a n ja:) Weil der Begriff der Geraden so u n d so definiert ist, d a r u m h a t das Dreieck n o t w e n d i g eine Winkelsumme, die gleich zwei Rechten ist. Aber m a n kehrt das Verhältnis nicht u m . U n d doch (sagt
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man auch so): w e n n dieses (Abgeleitete) nicht gilt, so gilt auch die Definition der Geraden nicht. Bei den zweckbestimmten Prozessen 20 ist es (zunächst) umgekehrt. (Hier gilt der Satz:) Wenn das Endglied statthaben soll oder auch statthat, dann muß auch die Voraussetzung erfüllt werden bzw. bereits erfüllt sein. Wenn die Voraussetzung hin- s gegen n i c h t erfüllt ist, dann ist hier das Endglied, der Zweck, so unmöglich, wie dort (in der Mathematik) der Ausgangspunkt nicht gelten kann, wenn die Schlußfolgerung nicht gilt. Denn einen Ausgangspunkt stellt ja auch das Prozeßziel dar, natürlich nicht für das Handeln (hier ist es vielmehr der Abschluß des Prozesses), wohl aber 10 für die Überlegung (die vom entworfenen Zweck ausgeht und die erforderlichen Mittel zu seiner Realisierung auswählt) — dort aber (bei den mathematischen Verhältnissen ist der Ausgangspunkt Ausgangspunkt immer) für die Überlegung, denn da gibt es j a kein Handeln —. Das besagt: W e n n es ein Haus geben soll, so besteht die N o t w e n d i g - is 25 k e i t , daß erst das und das geschehen sei oder daß das und das vorhanden sei; oder allgemein formuliert: daß das zweckmäßige Material da sei, z. B . , im Falle eines Hauses, die („notwendigen") Ziegel und Natursteine. Aber keinesfalls ist dies alles der G r u n d für das Ziel, es sei denn im Sinne von Materialgrund, noch kommt das Ziel etwa 20 durch dies alles zustande. Nur kommt allerdings, wenn all dies überhaupt nicht da ist, weder das Haus noch die Säge zustande, das Haus nicht ohne die Steine, die Säge nicht ohne den Stahl. (Ähnlich wie in 3« der Mathematik:) Denn auch da gelten die Ausgangspunkte nicht, wenn der Satz nicht gilt, daß das Dreieck eine Winkelsumme von 25 zwei Rechten bildet. Damit ist also geklärt, daß die Notwendigkeit sich bei den Naturverhältnissen auf das, das wir als Material bezeichnen, und auf dessen Prozesse beschränkt. Beide Gründe, Material wie Zweck, hat der Physiker zu erörtern, vorzüglich aber den Z w e c k ; denn der Zweck ist 30 Grund für das Material, aber das Material nicht für das Ziel. Der 35 Prozeßabschluß ist (gleichzeitig) Prozeßzweck und der Ausgangspunkt (des Prozesses) ist die Definition und der Begriff. Ganz wie in den Be2(10b reichen menschlichen Könnens: | weil das Haus so und so definiert ist, darum muß mit Notwendigkeit das und das geschehen und (das 35 und das) zuhanden sein; und weil Gesundheit so und so definiert ist. muß mit Notwendigkeit das und das geschehen und zuhanden sein — ganz so auch (liegt es in der Natur): wenn der Mensch so und so definiert ist, so (ist) das und das (notwendige Bedingung für sein Zu-
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standekommen); wenn das und das (zustande kommen soll), so ist jenes und jenes notwendig. Es gibt wohl auch im Begriff das Notwendige (als Moment). Ist s nämlich die (von der Säge zu erfüllende) Leistung des Sägens als so s und so geartetes Durchtrennen definiert, so ist dieses Durchtrennen nicht möglich, wenn die Säge nicht solche und solche Zähne hat; und ihre Zähne können nicht (so und so sein), wenn sie nicht aus Stahl besteht. Denn es enthält der Begriff einzelne Definitionsstiicke als das Material (-moment) des Begriffs.
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200 b 12 1. So gewiß nun die Natur ein Prinzip von Prozeß und Veränderung ist und unsere Untersuchung ebendiese Natur zu ihrem Gegenstand hat, ist eine Klärung des Wesens des P r o z e s s e s unumgänglich. Solang 15 wir keinen Begriff vom Prozeß haben, ist auch ein Begriff von der Natur unmöglich. Sobald wir dann den Begriff des Prozesses geklärt s haben, werden wir uns ebenso den Begriffen zuzuwenden haben, die sich unmittelbar an den Prozeßbegriff anschließen. Nun gilt der Prozeß als ein Typus des Kontinuierlichen und tritt der Begriff des Unendlichen ursprünglich am Begriff des Kontinuierlichen auf. Darum nimmt es nicht wunder, daß der Begriff des Unendlichen häufig (als Defi- i« nitionsstück) in der Definition des Kontinuierlichen verwendet wird, 20 etwa in der Form einer Identifikation von unendlicher Teilbarkeit und Kontinuität. Weiterhin gilt (eine Definition) des Prozesses als unmöglich ohne (die Begriffe) des Ortes, des Leeren und der Zeit. Zweifellos geht aus diesen (Begriffsverhältnissen) wie auch aus der Tatsache, daß IS es sich bei diesen (Begriffen) überhaupt um durchgängige und universale Begriffe (der Natur) handelt, die Notwendigkeit hervor, jeden von ihnen einzeln zu besprechen und zu klären — Sonderuntersuchungen (haben j a ihren logischen Ort immer erst) hinter den allgemeinen 25 Untersuchungen —; anfangen aber müssen wir, wie gesagt, mit dem 20 Begriff des Prozesses. (Auszugehen haben wir von den folgenden Unterschieden in den Weisen, wie Seiendes sein kann:) Etwas kann ausschließlich wirklich, sowohl möglich wie wirklich, ein bestimmter Gegenstand, eine Größenbestimmtheit, eine qualitative Bestimmtheit, oder auch eine von den 25 übrigen Grundklassen der Seinsprädikate sein. Von den Bezogenheiten betrifft die eine Gruppe Vergleichsunterschiede in der Quantität (a größer oder kleiner, mehr oder weniger als b), eine zweite Gruppe 30 den Gegensatz zwischen dem, was Einfluß ausüben, und dem, was Einfluß erleiden, allgemein: zwischen dem, was einen Prozeß verur- 30 Sachen, und dem, was ihn erfahren kann. Denn die mögliche Prozeßursache ist Prozeßursache für das möglicheProzeßobjekt, und das mög-
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liehe Prozeßobjekt ist Objekt für die mögliche Prozeßursache. Es gibt keinen Prozeß außerhalb der Dinge. Denn bei jedem Prozeß ändert sich e t w a s , und zwar entweder seiner wesentlichen Bestimmtheit nach, oder seiner Quantität nach, oder seiner Qualität nach, oder s seinem Ort nach; bei keiner Änderung läßt sich irgendeine umfassende ss Klasse finden, die nicht, wie gesagt, unter eine der Grundklassen fiele: (bestimmter) Gegenstand oder Quantität | oder Qualität oder sonst 2ou eine der Prädikatsklassen. So kann es denn auch bei nichts anderem als bei diesen Klassen Prozeß und Änderung geben, so gewiß es nichts i« gibt außer diesen Klassen. Jede (dieser Klassen) fungiert dabei für alle ihre Glieder in zwei (einander entgegengesetzten) Weisen: so etwa die Klasse des bestimmten Gegenstands — einmal als seine Wesensgestalt, sodann auch als deren Negativbestimmtheit —, oder die der s Qualität — einmal etwa als weiß, sodann aber auch als schwarz —, 15 oder die der Quantität — einmal als vollständige, einmal aber auch als unvollständige Größe; genauso auch die Klasse der Ortsveränderung — einmal etwa als solche nach oben, ebenso aber auch als solche nach unten, oder auch als Ortsveränderung einmal des Leichten, ebenso aber auch als solche des Schweren. Das besagt, daß es genauso viele 2« Ärten von Prozeß und Änderung wie Seinsklassen gibt. Gibt es nun mit Bezug auf jede Seinsklasse den Unterschied zwischen 10 dem Wirklichen und dem Bloß möglichen, (so läßt sich der Begriff des Prozesses so bestimmen:) Prozeß heißt die Verwirklichung des Möglichkeitsmoments an einem Gegenstand. Und zwar (heißt die Veras wirklichung) einer möglichen Qualität an einem qualitativbestimmten Gegenstand V e r ä n d e r u n g , (die Verwirklichung) einer möglichen Quantität an einem quantitativbestimmten Gegenstand Z u n a h m e bzw. Ä b n a h m e , (die Verwirklichung) möglichen Bestehens oder Nichtbestehens an einem nichtbestehenden bzw. bestehenden Gegen30 stände E n t s t e h e n u n d V e r g e h e n , (die Verwirklichung) einer mög- is liehen Ortsbestimmtheit an einem ortsbestimmten Gegenstand O r t s veränderung. Die Gültigkeit dieses Begriffs des Prozesses geht aus folgender Überlegung hervor: Wenn sich die Möglichkeit eines Gegenstandes, gebaut 35 zu werden, im Zuge der Verwirklichung befindet, so wird er gebaut; und der Prozeß selbst heißt Bauen. Nicht anders liegen die Verhältnisse bei den Prozessen des Lernens, des Heilens, des Wälzens, des Springens, des Reifens, des Alterns usw. Da es nun eine Mannigfaltigkeit von 20 Gegenständen gibt, die sowohl Möglichkeitsmomente wie auch Wirk-
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l i c h k e i t s m o m e n t e a n sich h a b e n — n a t ü r l i c h n i c h t (alle) gleichzeitig oder (jedenfalls n i c h t gleichzeitig beiderlei) m i t B e z u g auf die n ä m liche B e s t i m m t h e i t , s o n d e r n e t w a das W i r k l i c h k e i t s m o m e n t m i t Bezug auf das W a r m s e i n , das Möglichkeitsmoment m i t B e z u g auf das K a l t sein —, w e r d e n diese G e g e n s t ä n d e vielfältig a u f e i n a n d e r einwirken u n d 5 v o n e i n a n d e r beeinflußt w e r d e n . D e n n j e d e r dieser G e g e n s t ä n d e ist gleichzeitig a k t i v u n d passiv (in diesem Spiel der W e c h s e l w i r k u n g ) , so d a ß j e d e P r o z e ß u r s a c h e , die (selbst z u r N a t u r gehört u n d ) als N a t u r u r s a c h e w i r k t , a u c h P r o z e ß o b j e k t i s t ; j e d e solche erleidet 2s ebenso selber Prozesse, wie sie a n d e r e (an A n d e r e m ) v e r u r s a c h t . Einige 10 meinen j a n u n sogar, d a ß schlechterdings j e d e P r o z e ß u r s a c h e Prozesse a u c h erleiden müsse, a b e r ü b e r diesen P u n k t wird a n d e r w e i t i g die Sachlage i h r e K l ä r u n g finden — es gibt n ä m l i c h a u c h eine p r o z e ß f r e i e P r o z e ß u r s a c h e —; (was f e s t s t e h t , ist d a g e g e n dies:) P r o z e ß h e i ß t stets (Verwirklichung) einer Möglichkeit des G e g e n s t a n d e s , wobei der Gegen- is s t a n d selbst (bereits) i m Modus der W i r k l i c h k e i t s t e h t u n d nicht als solcher, s o n d e r n n u r seinem M ö g l i c h k e i t s m o m e n t nach, in Verwirk30 lichung begriffen ist. I c h will es e r l ä u t e r n : Diese B r o n z e hier ist mögliches S t a n d b i l d (sie h a t in i h r e m W e s e n d a s M ö g l i c h k e i t s m o m e n t , zu einem S t a n d b i l d zu w e r d e n ) ; a b e r nicht die V e r w i r k l i c h u n g der B r o n z e 2« als B r o n z e ist doch der P r o z e ß : es sind j a d a s Bronzesein der B r o n z e u n d ihr M ö g l i c h k e i t s m o m e n t (etwas zu werden) n i c h t identisch miteina n d e r ; d e n n , w ä r e n die b e i d e n M o m e n t e (ihr Bronzesein u n d ihr Mögl i c h k e i t s m o m e n t ) eines u n d dasselbe, schlechthin u n d i h r e m Begriffe nach, d a n n w ä r e j a die Verwirklichung des B r o n z e s e i n s der B r o n z e 2s der (in F r a g e stehende) P r o z e ß . A b e r , wie gesagt, sie sind n i c h t mit35 einander i d e n t i s c h ; — sobald m a n B e s t i m m t h e i t s m o m e n t e w ä h l t , die gegensätzlich z u e i n a n d e r stehen, wird es h a n d g r e i f l i c h : Die Möglich201 b keit gesund zu sein ist e t w a s a n d e r e s als die | Möglichkeit k r a n k zu sein — sonst w ä r e j a a u c h d a s K r a n k s e i n selbst m i t der G e s u n d h e i t 30 selbst i d e n t i s c h —, a b e r der G e g e n s t a n d ( f ü r d e n die g e n a n n t e n Bes t i m m t h e i t e n in F r a g e k o m m e n ) u n d das G e s u n d e u n d das K r a n k e , sei dies der L e b e n s s a f t oder das B l u t , sind (dreimal) eines u n d dasselbe —. N a c h d e m die b e i d e n M o m e n t e (das Bronzesein u n d das Möglichkeitsm o m e n t der Bronze) also n i c h t m i t e i n a n d e r identisch sind, wie a u c h 3s die F a r b e selbst n i c h t m i t i h r e m M o m e n t möglichen Gesehenwerdens s identisch ist, b e s t e h t die Definition des Prozesses zweifellos z u r e c h t : er ist die Verwirklichung eines Möglichkeitsmomentes a n e i n e m Gegenstande.
61
Kapitel 1 - 2
E s ist also n u n m e h r geklärt, d a ß dies der Begriff (des Prozesses) ist die Z e i t s p a n n e u m f a ß t , in welcher
diese
A r t v o n Wirklichkeit stattfindet, also weder schon vorher noch
u n d d a ß ein P r o z e ß
genau
auch
d a r ü b e r h i n a u s n o c h b e s t e h t . D e n n es b e s t e h t f ü r j e d w e d e
Bestimmt-
s heit die Möglichkeit, d a ß sie e i n m a l wirklich u n d e i n m a l nicht
wirk-
lich ist. W ä h l e n wir als Beispiel die Möglichkeit eines
Gegenstandes,
g e b a u t zu w e r d e n ! D a n n ist die Verwirklichung dieser
Möglichkeit,
g e b a u t z u w e r d e n , d a s B a u e n — e n t w e d e r n ä m l i c h h e i ß t d i e W i r k l i c h - 10 keit (in u n s e r e m
Beispiel)
B a u e n oder aber
Haus. Aber
sobald
das
io H a u s d a s t e h t , i s t s e i n e M ö g l i c h k e i t , g e b a u t z u w e r d e n , v e r g a n g e n ; Bau
befindlich
kann
(nicht das
fertige H a u s ,
im
s o n d e r n ) n u r ein B a u -
b a r e s sein. Also ist die Wirklichkeit ( v o n der hier die R e d e ist, nicht das
Haus,
sondern)
notwendigerweise
das
Bauen
—. D a s
Bauen
ist
(nur) eine b e s t i m m t e A r t v o n Prozeß. A b e r die V e r h ä l t n i s s e sind bei is d e n ü b r i g e n A r t e n v o n P r o z e s s e n n i c h t a n d e r s .
is
2. Die Richtigkeit unserer Definition (des Begriffs v o n Prozeß)
findet
ihre o f f e n k u n d i g e B e s t ä t i g u n g einmal in d e n E r l ä u t e r u n g e n , die dieser Begriff bei den a n d e r e n D e n k e r n g e f u n d e n h a t , s o d a n n in der T a t s a c h e , daß eine andere Definition schwerlich möglich ist. E i n Versuch, P r o z e ß 20 u n d Ä n d e r u n g u n t e r e i n e a n d e r e G a t t u n g z u s t e l l e n ( a l s w i r e s t a t e n ) , erweist sich als u n d u r c h f ü h r b a r u n d m a n sieht es sofort, w e n n
man
d i e d i e s b e z ü g l i c h e n V e r s u c h e m a n c h e r D e n k e r b e t r a c h t e t , w e l c h e d e n 20 P r o z e ß als A n d e r s h e i t u n d als Ungleichheit u n d als Nichtsein definieren m ö c h t e n . F ü r keine v o n diesen drei B e s t i m m t h e i t e n ergibt sich irgend25 e i n e N o t w e n d i g k e i t ,
sieb zu v e r ä n d e r n ,
m a g nun (dasjenige, das
sich v e r ä n d e r n soll,) als A n d e r e s , als U n g l e i c h e s o d e r a u c h als
da
Nicht-
seiendes (bezeichnet) sein. A u c h ist der P r o z e ß keineswegs in h ö h e r e m M a ß ein Ü b e r g a n g a u s oder zu d i e s e n B e s t i m m t h e i t e n
(Andersheit,
Ungleichheit, Nichtsein) als a u s (oder zu) d e n e n t g e g e n g e s e t z t e n 30 s t i m m t h e i t e n ( I d e n t i t ä t , G l e i c h h e i t , S e i n ) . D i e V e r s u c h e , d e n
Be-
Prozeß
u n t e r d i e s e ( G a t t u n g e n d e r A n d e r s h e i t u s w . ) z u s t e l l e n , b e r u h e n l e d i g - 2s lieh d a r a u f , d a ß der P r o z e ß als e t w a s in sich U n b e s t i m m t e s gilt, die Prinzipien der zweiten Prinzipienkolumne aber infolge ihres C h a r a k t e r s als N e g a t i v b e s t i m m t h e i t e n u n b e s t i m m t sein sollen. K e i n e s v o n ihnen 35 i s t j a s o e t w a s w i e b e s t i m m t e r G e g e n s t a n d , q u a l i t a t i v e
Bestimmtheit
oder sonst eine der P r ä d i k a t s k l a s s e n . J e n e r A n s c h e i n aber, der Prozeß sei e t w a s in sich U n b e s t i m m t e s , (eindeutig)
sei es a u f
die
wurzelt in der Unmöglichkeit,
Seite der
Seinsmöglichkeit,
sei es a u f
Seite der (Seins-) Wirklichkeit zu setzen. D e n n weder der
ihn die
Gegenstand
62
Buch III
30 e i n e r m ö g l i c h e n n o c h d e r e i n e r w i r k l i c h e n Q u a n t i t ä t m u ß
notwendig
. eine V e r ä n d e r u n g erfahren. A b e r der P r o z e ß scheint n u n einmal
ein
T y p u s der W i r k l i c h k e i t zu sein. ( E r ist es a u c h tatsächlich.) A b e r er ist
noch
unvollendete
Wirklichkeit.
Und
dies h a t
darin
seinen
G r u n d , d a ß die Möglichkeit, d e r e n V e r w i r k l i c h u n g er (der Prozeß) ist, e t w a s U n v o l l s t ä n d i g e s darstellt. U n d h i e r i n w u r z e l t n u n ihrerseits die zu fassen: Denn
man
m ö c h t e ihn in die G a t t u n g entweder der N e g a t i v b e s t i m m t h e i t
Schwierigkeit,
den
Prozeß in seinem Wesen
oder
35 a b e r d e r M ö g l i c h k e i t o d e r a b e r d e r u n m o d i f i z i e r t v e r s t a n d e n e n W i r k lichkeit
setzen, aber keine der drei Denkbarkeiten
erweist sich
als
202> d u r c h f ü h r b a r . U n d s o b l e i b t d e n n n u r | d i e a n g e g e b e n e L ö s u n g ü b r i g : Der Prozeß ist ein b e s t i m m t e r T y p u s v o n Wirklichkeit, jener
Typus
v o n W i r k l i c h k e i t , d e n wir a n g e g e b e n h a b e n ( W i r k l i c h k e i t als V e r w i r k lichung) ; es ist schwierig, i h n i n d e n Blick z u b e k o m m e n , a b e r er ist möglich. Jedwede
Prozeßursache,
welche
selbst
auch
einer
Prozessualität
f ä h i g ist u n d bei welcher eine e t w a i g e Prozeßlosigkeit n u r d e n
Cha-
r a k t e r eines (vorübergehenden) R u h e z u s t a n d s h a t , ist gleichzeitig, wie schon einmal gesagt, auch P r o z e ß o b j e k t — die Prozeßlosigkeit heißt 5 j a bei e i n e m G e g e n s t a n d , d e r ü b e r h a u p t P r o z e s s u a l i t ä t (als m ö g l i c h e n Z u s t a n d ) k e n n t , R u h e z u s t a n d —. P r o z e ß u r s a c h e f ü r e t w a s s e i n , h e i ß t j a auf j e n e s als mögliches P r o z e ß o b j e k t v e r w i r k l i c h e n d e i n w i r k e n . Dies aber t u t die P r o z e ß u r s a c h e d u r c h K o n t a k t (mit i h r e m
Prozeßobjekt),
w a s z u r F o l g e h a t , d a ß sie selbst a u c h gleichzeitig ( v o n Seiten i h r e s P r o z e ß o b j e k t s ) einen E i n f l u ß erleidet. D a r u m (läßt sich formulieren): D e r P r o z e ß ist die Verwirklichung der i m G e g e n s t a n d e als liegenden Möglichkeit; er k o m m t Prozeßursache
(mit ihrem
zustande
durch
Moment
den Kontakt
der
Objekt), was eine Rückbetroffenheit
der
Prozeßursache zur Folge h a t . Stets wird die P r o z e ß u r s a c h e eine beio s t i m m t e G e s t a l t a n s i c h h a b e n , d . h . : d i e s e r b e s t i m m t e
Gegenstand
oder v o n dieser b e s t i m m t e n Qualität oder a u c h Q u a n t i t ä t sein. diese b e s t i m m t e
Gestalt w i r d jeweils als Quell u n d
Grund für
Und den
P r o z e ß f u n g i e r e n , w e n n die P r o z e ß u r s a c h e e i n e n s o l c h e n b e w i r k t ; so b r i n g t z. B . d e r w i r k l i c h e M e n s c h a u s e t w a s , w a s seiner n a c h ein M e n s c h ist, einen (neuen) M e n s c h e n
Möglichkeit
hervor.
3. A u c h die (zunächst) r ä t s e l h a f t e Sachlage k l ä r t sich auf, d a ß der P r o z e ß sich a m m ö g l i c h e n P r o z e ß g e g e n s t a n d v o l l z i e h t . ( D e n n es ist klar:) D e r P r o z e ß ist die Verwirklichung des M ö g l i c h k e i t s m o m e n t s
am
P r o z e ß o b j e k t d u r c h den Gegenstand, der seinerseits d u r c h die Mög-
Kapitel 2 - 3
63
lichkeit charakterisiert ist, diesen Prozeß zu verursachen. U n d die Yer- is wirklichung der Möglichkeit des einen Gegenstandes, den Prozeß zu verursachen, ist identisch (mit jener Verwirklichung des Möglichkeitsm o m e n t s a m Prozeßobjekt). Der Prozeß m u ß j a die Verwirklichung s (des Möglichkeitsmoments) beider Gegenstände (der Ursache wie des Objekts des Prozesses) sein. M ö g l i c h e Prozeßursache ist die Prozeßursache d a n k der in ihr als Moment liegenden Möglichkeit (einen Prozeß zu verursachen), w i r k l i c h e Prozeßursache ist sie d a n k ihrer eigenen Wirklichkeit (die ihr ein Wirken g e s t a t t e t ) : Aber ihre Wirkio fähigkeit gilt dem Möglichkeitsmoment des P r o z e ß o b j e k t s . D a r u m ist die Verwirklichung der Möglichkeitsmomente der beiden (der Prozeßursache u n d des Prozeßobjekts) ebenso eins u n d dasselbe wie der A b s t a n d der Zahl 1 von der Zahl 2 identisch ist m i t dem Abstand der Zahl 2 von der Zahl 1 oder wie die Steigung einer S t r a ß e mit ihrem •s Gefälle identisch i s t ; in allen diesen Fällen besteht I d e n t i t ä t , freilich 20 nicht auch dem Begriffe n a c h . Genauso fallen auch der Prozeß an der Prozeßursache u n d der a m Prozeßobjekt z u s a m m e n . N u n steht dem aber eine begriffliche Schwierigkeit entgegen: m a n m u ß nämlich vielleicht doch eine Verwirklichung auf Seiten der Prozeß20 Ursache u n d eine Verwirklichung auf Seiten des Prozeßobjekts unterscheiden; gibt es doch einerseits die A k t i v i t ä t (der Ursache), andererseits die Passivität (des Objekts des Prozesses) u n d das Ergebnis und Resultat ist auf Seiten der Ursache eine ausgeübte Einwirkung, auf Seiten des Prozeßobjekts ein erlittener Einfluß. D a also auf beiden 25 25 Seiten ein Prozeß vorliegt, müssen wir, falls sie wirklich voneinander unterschieden sind, nach dem Ort fragen, in d e m sie spielen. N u n : E n t w e d e r spielen beide im Prozeßobjekt oder aber die A k t i v i t ä t im aktiven Glied, die Passivität im passiven Glied — sollte m a n auch noch die Passivität als eine Aktivität bezeichnen wollen, d a n n bloß •10 u m den Preis einer Äquivokation —. N i m m t m a n aber das letztere Glied (der Alternative) an, d a n n h a t m a n den Prozeß auf der Seite der Prozeßursache — ergibt sich d a n n doch f ü r Prozeßursache und Prozeßobjekt die nämliche Sachlage — u n d die Folgerung wird un- 30 vermeidlich, d a ß entweder jede Prozeßursache (ausnahmelos auch 15 selbst) einen Prozeß erleide, oder aber, d a ß (die Prozeßursache) trotz ihrer Prozessualität keinen Prozeß d u r c h m a c h t . Legt m a n aber beide Prozesse auf die Seite des Prozeßobjekts u n d passiven Gliedes, sowohl also den aktiven wie den passiven Prozeß, (beispielshalber) das Ausbilden u n d das Ausgebildetwerden b e i d e auf die Seite des Schülers,
64
Buch III
so (ergeben sich zwei Mißlichkeiten:) e i n m a l ist es n i c h t m e h r möglich, j e d e der beiden Möglichkeitsverwirklichungen bei d e m Glied zu lassen, dessen Möglichkeit jeweils verwirklicht wird, s o d a n n ist es widersinnig, d a ß das P r o z e ß o b j e k t j e t z t m i t e i n m a l gleichzeitig zwei Prozesse er35 leiden m u ß ; d e n n w a s sollen das f ü r zwei V e r ä n d e r u n g e n sein, w e n n s der G e g e n s t a n d d o c h bloß ein einziger ist u n d es n u r eine einzige Bes t i m m t h e i t ist, die i h m dabei z u w ä c h s t ? D a s ist völlig u n d e n k b a r . J a , (wird m a n j e t z t sagen), die Verwirklichung selbst solle n a t ü r l i c h 2«2b bloß eine sein. A b e r | das ist w i e d e r u m widersinnig, d a ß es sich bei zwei a r t v e r s c h i e d e n e n Möglichkeiten doch b l o ß u m eine u n d dieselbe io Verwirklichung h a n d e l n soll. U n d sobald der L e h r p r o z e ß u n d der L e r n prozeß u n d (generell) A k t i v i t ä t u n d P a s s i v i t ä t als identisch gelten, m ü s s e n a u c h L e h r e n u n d L e r n e n b z w . W i r k e n u n d Leiden eines u n d dasselbe sein — m i t der unausweichlichen Folge, d a ß der L e h r e r selbst 5 es ist, der alles l e r n t , u n d d a ß der W i r k e n d e selbst es ist, der alle seine is W i r k u n g e n erleidet. Bleibt n u r n o c h eine Möglichkeit: d a ß es erstens keineswegs widersinnig ist, a n z u n e h m e n , d a ß die Verwirklichung (des Möglichkeitsm o m e n t s ) des einen Gliedes sich a l s Verwirklichung a m a n d e r e n Gliede vollzieht — so ist j a d a s L e h r e n die Verwirklichung der Möglichkeit 20 des Lehrers, auszubilden, a b e r (die Verwirklichung dieser Möglichkeit des Lehrers vollzieht sich) a n einer a n d e r e n P e r s o n ( a m Schüler), sie geschieht nicht in Isolation (des Lehrers), s o n d e r n (als Verwirklichung der Möglichkeit) des einen Gliedes a m a n d e r e n Glied (des V e r h ä l t nisses) —, u n d d a ß es zweitens d u r c h a u s möglich ist, d a ß die Verwirk- 2s lichung zweier Möglichkeiten (derjenigen der P r o z e ß u r s a c h e u n d derj e n i g e n des P r o z e ß o b j e k t s ) bloß eine u n d dieselbe Verwirklichung darstellt — nicht in d e m Sinne, d a ß begrifflich die zwei M o m e n t e identisch w ä r e n , sondern so, wie der erst d u r c h den Möglichkeits-, d a n n d u r c h 10 den W i r k l i c h k e i t s m o d u s c h a r a k t e r i s i e r t e G e g e n s t a n d (identisch) exi- 30 stiert — u n d d a ß es d r i t t e n s keineswegs n o t w e n d i g ist, d a ß deswegen der Lehrer (alles) selber l e r n e n müsse, u n d zwar selbst d a n n n i c h t , w e n n W i r k e n u n d E r l e i d e n ein u n d dasselbe Geschehen sind, freilich (ebenfalls wieder) nicht in d e m Sinne, d a ß sie i h r e m Wesensbegriff n a c h u n u n t e r s c h e i d b a r w ä r e n , n u r zwei verschiedene W ö r t e r wie Cape 3s u n d U m h a n g , s o n d e r n in d e m Sinne, wie der W e g v o n T h e b e n n a c h A t h e n m i t d e m W e g v o n A t h e n n a c h T h e b e n identisch ist, was bereits o b e n (a 18—20) a n g e d e u t e t w u r d e . D e n n es g e n ü g t n i c h t eine beliebige 15 I d e n t i t ä t a n G e g e n s t ä n d e n , u m schließen zu k ö n n e n , es k ä m e n ihnen
Kapitel 3-4
65
identisch auch alle Bestimmtheiten zu; vielmehr gilt das nur für die, die dem B e g r i f f e nach miteinander identisch sind. Selbst dann, wenn der Lehrprozeß mit dem Lernprozeß identisch ist, sind noch keineswegs Lernen und Lehren identisch, wie es j a auch selbst dann, wenn s die Entfernung zwischen zwei Punkten eine und dieselbe ist, keineswegs dasselbe ist, ob sich etwas von A nach B oder aber von B nach A wegbewegt. Überhaupt besteht im wirklichen Sinne keine Identität zwischen Ausbilden und Ausgebildetwerden und keine auch zwischen 20 Aktivität und Passivität; eines und dasselbe ist nur dasjenige, woran 10 sie die beiden Seiten darstellen, der Prozeß selbst. Denn begrifflich bleibt der Unterschied erhalten zwischen der Verwirklichung (der Möglichkeit) des einen Gegenstands a m anderen Gegenstand und der Verwirklichung (der Möglichkeit) des einen Gegenstandes d u r c h den anderen Gegenstand, is Damit ist das Wesen des Prozesses im Generellen, aber auch im Einzelnen, geklärt. Denn auch auf jede einzelne Prozeßart ist damit der Blick nunmehr frei. So ist qualitative Veränderung nichts anderes 2s als die Verwirklichung einer qualitativen Möglichkeit am Prozeßobjekt. Noch deutlicher sogar ist der Begriff der Verwirklichung der Möglich20 keit eines Gegenstands, etwas zu bewirken bzw. etwas zu erleiden, geworden, und zwar sowohl der allgemeine Begriff wie auch wiederum seine Verbesonderungen, sei es etwa das Bauen oder sei es das Heilen. Die Definition jedes weiteren Prozeßtyps wird dem nämlichen Schema folgen. 2s
4. Da zu den Gegenständen der Naturwissenschaft die (ausgedehnten) 30 Größen, der Prozeß und die Zeit zählen, welche sämtlich entweder unendlich oder aber endlich sein müssen — auch wenn nicht alles unter diese Alternative fällt, man denke an die qualitative Zuständlichkeit oder an den Punkt; — denn solches fällt vielleicht wirklich nicht not30 wendig unter diese Alternative —, so ist im Rahmen einer Abhandlung über die Natur eine Untersuchung über das U n e n d l i c h e wohl ange- 35 bracht: Gibt es Unendliches? Und wenn ja, was ist sein Begriff? Diese (Zugehörigkeit des Unendlichkeitsproblems zur Problematik der Naturwissenschaft) verrät sich bereits in der Tatsache, daß das Thema der Un35 endlichkeit | ein angestammtes Thema der Naturwissenschaft darstellt. 203« Denn alle nennenswerten Naturphilosophen haben über das Unendliche gehandelt, alle sahen in ihm irgendwie ein Prinzip des Seienden. Eine Gruppe, zu der die Pythagoreer und Piaton zählen, behandelt das Unendliche als etwas Selbständiges, nicht bloß als eine zusätz- s
66
Buch III
liehe B e s t i m m t h e i t a n e i n e m A n d e r e n , s o n d e r n es s e l b s t als
Substanz.
D i e P y t h a g o r e e r m a c h e n es d a b e i (zu e i n e m P r i n z i p ) in d e n
sinnlichen
Gegenständen zu
— und
— sie e r k e n n e n d e r Z a h l j a k e i n e s e l b s t ä n d i g e
auch
das, was
außerhalb
des
Himmels
Existenz
sei, g a l t i h n e n
als
u n e n d l i c h . P i a t o n h i n g e g e n b e s t r e i t e t , d a ß es a u ß e r h a l b des H i m m e l s s irgendeinen
Körper
gebe,
er versetzt
auch
die
Ideen
nicht
dorthin,
d e n n sie seien ü b e r h a u p t n i c h t a n e i n e m O r t e , a b e r er m a c h t d a s 10 e n d l i c h e ( z u e i n e m P r i n z i p ) s o w o h l i n d e r S i n n e n w e l t w i e i n d e r welt. Die Pythagoreer identifizieren das Unendliche Zahl
— die g e r a d e Z a h l sei j a
ihre Begrenzung den
Dingen
durch
stets eingeschlossen
die u n g e r a d e
die Unendlichkeit
Zahl und
mit der
und
Ideengeraden
e r f a h r e d a b e i 1»
darum
verleihe. Dies verrate
Un-
sei sie es,
die
sich darin,
daß
wir bei den Zahlen folgende Sachlage f ä n d e n : Legt m a n einerseits die Eins, andererseits u n t e r Auslassung der Eins jeweils die herum,
so erhält
15 a n d e r e
Figur, im
man
im letzteren
ersteren
Fall von
aber immer
Schritt
dieselbe
zu
Schritt
nur
als
genannten
zwei
Unend-
Kleine.
Die Gruppe der Naturphilosophen kennt das Unendliche los
e i n e 15
—. P i a t o n l e h r t
U n e n d l i c h e , d a s (ins U n e n d l i c h e g e h e n d e ) G r o ß e u n d d a s (ins liche gehende)
um
Gnomone
Unendlichkeit Elemente,
an
z. B . a m
einem
S u b s t r a t ,
Wasser,
an
der
an
ausnahms-
einem
Luft
oder
s o - 20
der
an
einem
Mittelding zwischen diesen. Keiner, der endlich viele „ E l e m e n t e "
an-
setzt, vertritt eine unendliche Größe derselben. Diejenigen jedoch,
die
20 w i e
Anaxagoras
und
Demokritos
unendlich
viele
Urbestandteile
in
R e c h n u n g s e t z e n , f a s s e n d a s U n e n d l i c h e a l s e i n l ü c k e n l o s e s A g g r e g a t : 25 entweder aus den Homöomerien
— Anaxagoras, oder aus dem
Pflanz-
beet der Gestalten — Demokritos. A n a x a g o r a s b e r u f t sich auf die
Be-
o b a c h t u n g , d a ß a u s allem m ö g l i c h e n alles mögliche e n t s t e h e , u n d
er-
klärt d a r u m , jeglicher Naturbestandteil (von
allem
möglichen)
¡s s c h e i n e n d
auch
der
einander
gewesen
stelle genauso eine
dar wie das Weltganze
Grund
für seinen
Satz,
selbst.
daß
Dies ist j a
einst
seien, z. B . dieses F l e i s c h h i e r u n d
Mischung
dieser
treten nicht
es g e b e e i n e n A u s g a n g s p u n k t f ü r d a s
nur im
Einzelgegenstand,
sondern
Körper
entstehe
— und
es e n t s t e h e
a u c h i m W e l t g a n z e n . 3s
ja
schlechthin
n u r freilich nicht in der nämlichen Zeitphase (sondern 30 u n d
mit
der Zeit)
also
Auseinander-
W e i l a b e r n u n das, w a s e n t s t e h e , a u s e i n e m solchen (alles in sich haltenden)
in-
JCnochen
hier, u n d so jegliches beliebige; folglich alles (in j e g l i c h e m ) ; u n d ineinander. Denn
a n - 30
alle D i n g e
— , m ü s s e es e i n e n A u s g a n g s p u n k t
entalles,
hintereinander auch des
Welt-
67
Kapitel 4 geschehens
geben,
und
zwar
sei dieser
ein
einziger
— er
nennt
ihn
W e l t v e r n u n f t —, u n d d i e s e W e l t v e r n u n f t s e i n a c h M a ß g a b e i h r e s nenden) Denkens von einem bestimmten Anfangspunkt an a m Daraus s
e r g e b e sich, d a ß dereinst alles i n e i n a n d e r
(pla-
Werke.
gewesen und
dann
z u e i n e m b e s t i m m t e n Z e i t p u n k t in B e w e g u n g g e k o m m e n sei. — D e m o kritos seinerseits verneint die Möglichkeit, d a ß irgendein der Welt
aus
einem
(alle E i n z e l g e b i l d e )
anderen
entstehe;
umfassende
u n d z w a r in der F o r m
gleichwohl
| Weltkörper
Letztbaustein
gilt i h m
der
einer Differenziertheit der Teile (dieses
10 k ö r p e r s ) n a c h A u s d e h n u n g s g r ö ß e u n d
eine
a l s P r i n z i p a l l e r D i n g e , 203b Welt-
Gestalt.
D i e s e g e s a m t e S a c h l a g e m a c h t es a l s o e v i d e n t , d a ß d i e U n t e r s u c h u n g (über das Unendliche) zu den A u f g a b e n der Naturforscher gehört. v o l l e m R e c h t a u c h setzen alle d a s U n e n d l i c h e als P r i n z i p . D e n n
Mit
beides
ist ausgeschlossen: d a ß i h m gar keine F u n k t i o n z u k ä m e , wie auch d a ß s JS e s e i n e a n d e r e F u n k t i o n h a b e n k ö n n t e a l s d i e , P r i n z i p z u s e i n . entweder
sei e t w a s
Denn
ein Prinzip oder aber ein P r i n z i p i a t u m . A b e r
d a s U n e n d l i c h e sei ein P r i n z i p u n d e n k b a r ; d e n n dieses w ä r e d a n n
für eine
B e g r e n z u n g f ü r j e n e s . S o g e w i ß es also in i r g e n d e i n e r W e i s e ein P r i n z i p sei, sei es w e i t e r h i n a u c h des E n t s t e h e n s u n d V e r g e h e n s u n f ä h i g .
Denn
2« j e d e s E n t s t a n d e n e m ü s s e a n e i n E n d e ( s e i n e s E n t s t e h u n g s g a n g e s )
ge-
k o m m e n sein (sonst w ä r e es i m m e r n o c h nicht) u n d e b e n s o m ü s s e j e d e s V e r g e h e n e i n e n A b s c h l u ß h a b e n ( k ö n n e n ) . D a r u m s e i , w i e s c h o n e b e n 10 gesagt, ein Prinzip f ü r dieses Prinzip u n d e n k b a r ; vielmehr m ö c h t e meinen, daß umgekehrt 25 a l l d a s wirklich
Konkrete
dieses d a s Prinzip alles K o n k r e t e n
in sich beschließe
die M e i n u n g
aller
und
es beherrsche,
derer ist, die n e b e n
das
man
darstelle,
was ja
auch
Unendliche
kein
weiteres Prinzip m e h r Stellen wollen — W e l t v e r n u n f t , L i e b e oder gleichen
—. U n d
so gilt es d e n n
dann
auch
als d a s
Göttliche.
es sei u n s t e r b l i c h u n d u n v e r g ä n g l i c h , w i e es d i e a u s d r ü c k l i c h e 30 d e s A n a x i m a n d r o s u n d d e r m e i s t e n N a t u r p h i l o s o p h e n
derDenn
Meinung
ist.
E s s i n d i m w e s e n t l i c h e n w o h l f ü n f A r g u m e n t e , a u f d i e s i c h d i e A n - 15 nähme
einer
Realität
des
Unendlichen
Zeit — diese (sei) j a ein U n e n d l i c h e s dehnungsgrößen
— darum
hauptsächlich
stützt:
a)
—; b ) d i e Z e r l e g b a r k e i t d e r
arbeiteten ja
auch
die M a t h e m a t i k e r
die Ausmit
is d e m B e g r i f f d e s U n e n d l i c h e n — ; c)~ d i e T h e s e , e i n e F o r t d a u e r v o n
Ent-
s t e h e n u n d V e r g e h e n sei n u r d e n k b a r , w e n n d e r U r b e s t a n d , d e r
alles
E n t s t e h e n d e a u s sich hergeben müsse, unendlich sei; d) aus d e m griff des E n d l i c h e n ,
das immer
nur an einem Weiteren
seine
h a b e n ( u n d d a d u r c h allererst endlich sein) k ö n n e ; w e n n a b e r
B e - 20
Grenze jegliches
68
Buch III
n u r a n einem a n d e r e n seine Grenze h a b e , d a n n ergebe sich die U n möglichkeit einer (definitiven) G r e n z e ; e) das h ä u f i g s t e u n d h a u p t sächlichste A r g u m e n t , m i t d e m keiner bisher f e r t i g g e w o r d e n i s t : die 25 Zahlenreihe, die m a t h e m a t i s c h e n A u s d e h n u n g s g r ö ß e n u n d d e r R a u m jenseits des H i m m e l s m ü ß t e n u n e n d l i c h sein, d a sie d e m D e n k e n k e i n e n s A b s c h l u ß e r l a u b t e n . U n d w e n n der R a u m j e n s e i t s des H i m m e l s u n endlich sei, d a n n gebe es a u c h einen u n e n d l i c h g r o ß e n W e l t k ö r p e r u n d u n e n d l i c h viele W e l t e n . D e n n w a r u m sollte a n irgendeiner Stelle m e h r Leere existieren als a n einer a n d e r e n ? Gebe es also r a u m e r f ü l l e n d e Massen a n einer Stelle, so gebe es sie überall. U n d ü b e r d e m , sobald 10 m a n n u r a n n e h m e , d a ß es eine u n e n d l i c h e Leere u n d einen u n e n d l i c h e n O r t gebe, müsse es unweigerlich a u c h einen u n e n d l i c h e n W e l t k ö r p e r 3» (darin) geben. D e n n i m E w i g e n gebe es kein A u s e i n a n d e r f a l l e n zwischen g r u n d s ä t z l i c h e r Möglichkeit u n d f a k t i s c h e r Sachlage. Die Theorie des U n e n d l i c h e n h a t ihre Schwierigkeiten; m a g m a n is die E x i s t e n z eines U n e n d l i c h e n a n n e h m e n oder n i c h t , sofort d r o h e n viele u n a n n e h m b a r e K o n s e q u e n z e n ; schwierig a u c h ist die B e s t i m m u n g seiner Seinsweise: h a t es die Seinsweise einer S u b s t a n z oder die einer u n m i t t e l b a r e n B e s t i m m t h e i t a n einem W e s e n oder besitzt es keine dieser beiden Seinsweisen u n d gibt es gleichwohl d o c h ein U n e n d l i c h - 20 2o«a großes u n d u n e n d l i c h e | M a n n i g f a l t i g k e i t ? F ü r den P h y s i k e r ist v o r allem die eine F r a g e wichtig, ob es eine u n e n d l i c h e sinnliche Größe gibt. J e d e n f a l l s ist z u n ä c h s t die V i e l d e u t i g k e i t des T e r m i n u s ' u n e n d lich' a u f z u k l ä r e n . I n einer ersten B e d e u t u n g h e i ß t u n e n d l i c h dasjenige, 25 das m a n deswegen nicht d u r c h l a u f e n k a n n , weil es prinzipiell nicht d u r c h l a u f b a r ist, so wie der S p r a c h l a u t prinzipiell u n s i c h t b a r ist. I n 5 einer zweiten B e d e u t u n g h e i ß t u n e n d l i c h dasjenige, w a s zwar prinzipiell sehr wohl d u r c h l a u f b a r ist, bei d e m a b e r das D u r c h l a u f e n zu k e i n e m A b s c h l u ß k o m m t , sei es n u n , weil m a n schwerlich so weit 30 gelangt, sei es, weil es t r o t z aller a n g e s t a m m t e n D u r c h l a u f b a r k e i t keinen A b s c h l u ß des D u r c h l a u f e n s oder keine Grenze b e s i t z t . I n einer d r i t t e n B e d e u t u n g schließlich (ist der T e r m i n u s ' u n e n d l i c h ' auf die O p e r a t i o n e n der A d d i t i o n u n d Teilung bezogen u n d d e m e n t s p r e c h e n d ) gibt es d a s A d d i t i o n s u n e n d l i c h e , das T e i l u n g s u n e n d l i c h e u n d ein Un- 35 endliches m i t Bezug auf beide O p e r a t i o n e n zugleich. 5. E i n Unendliches, das, selbständig gegenüber den sinnlichen Gegens t ä n d e n , f ü r sich ein eigenes Unendliches Wäre, ist ausgeschlossen. 10 D e n n w e n n es weder A u s d e h n u n g s g r ö ß e n o c h A n z a h l (einer S u b s t a n z
Kapitel 4—5
69
bzw. von Substanzen), sondern selbst Substanz u n d d e m n a c h nicht eine bloße B e s t i m m t h e i t (an einer Substanz) ist, d a n n ist es unweigerlich unteilbar — denn teilbar sind n u r Ausdehnungsgrößen u n d Anzahlen —. I s t es aber unteilbar, so ist es nicht unendlich, es sei denn" s bloß in d e m Sinne, wie der Sprachlaut unsichtbar ist. Aber in dieser B e d e u t u n g meint den Terminus keiner, der eine Existenz des Unendlichen v e r t r i t t , so meinen auch wir ihn nicht, wenn wir j e t z t das Unendlichkeitsproblem u n t e r s u c h e n ; es geht (uns wie jenen) u m das Unendliche im Sinne des nicht bis zu einem A b s c h u ß D u r c h l a u f b a r e n . — l« I s t das Unendliche aber bloß eine Bestimmtheit (an einem Anderen), is d a n n k a n n es als solche Unendlichkeit ebensowenig ein letztes Weltelement sein, wie die Unsichtbarkeit ein E l e m e n t der Sprache ist, obwohl doch der L a u t (welcher sehr wohl das E l e m e n t der Sprache ist) u n s i c h t b a r ist. U n d weiterhin: Wie sollte es eine f ü r sich bestehende is Unendlichkeit geben können, wenn es doch auch kein Fürsichbestehen von Zahl u n d Ausdehnungsgröße geben k a n n , an denen die Unendlichkeit eine spezifische Bestimmtheit darstellt? Sie ist j a notwendigerweise noch viel weniger selbständig, als es Anzahl u n d Ausdehnungs- 20 große sind. Zweifellos ausgeschlossen ist aber auch eine Existenz des 20 Unendlichen im Modus der Wirklichkeit u n d in der Seinsweise einer Substanz u n d eines Prinzips. Denn sonst ist, falls es ü b e r h a u p t ein Teilbares ist, jeder beliebige seiner Einzelteile, den m a n herausgreifen mag, selbst auch wiederum ein Unendliches — denn wenn das Unendliche Substanz ist und nicht bloß eine B e s t i m m t h e i t an etwas, d a n n 25 ist keinerlei Unterschied zwischen Unendlichkeit u n d Unendlichem —, so d a ß immer n u r diese Alternative b l e i b t : völlige Unteilbarkeit oder Teilbarkeit in unendlich große Teile. Aber dies ist unmöglich, d a ß eines 25 u n d dasselbe eine Vielheit von Unendlichen sei — aber wenn das Unendliche eine Substanz u n d ein Prinzip sein soll, m u ß unweigerlich 3« jeder Teil des Unendlichen genauso wieder unendlich groß sein, wie jeder Teil der L u f t wieder L u f t ist —. Bleibt also die eine Möglichkeit, d a ß das Unendliche (unter der angenommenen Voraussetzung) unteilb a r u n d unzerlegbar gedacht werden m u ß . Aber n u n k a n n ein Unendliches im Modus der Wirklichkeit keinesfalls unteilbar sein, denn 35 es m u ß von b e s t i m m t e r Q u a n t i t ä t sein. J e t z t ist die Konsequenz zu ziehen, d a ß das Unendliche n u r als B e s t i m m t h e i t an etwas möglich 3» ist. D a n n aber darf, wie schon b e t o n t , nicht gesagt werden, das Unendliche sei ein Prinzip; Prinzip k a n n vielmehr n u r das sein, d e m die Unendlichkeit als Bestimmtheit eigen ist, die L u f t etwa oder die gerade
Buch III
70
Zahl. E i n e Unendlichkeitstheorie wie die der Pythagoreer bricht damit zusammen; denn hier wird der (in sich widerspruchsvolle) Versuch unternommen, eine subsistierende Unendlichkeit anzunehmen und sie gleichzeitig f ü r teilbar zu halten. N u n sollte die gegenwärtige Untersuchung vielleicht ganz generell ge- s 35 f ü h r t werden, d. h. unter Einschluß der F r a g e nach der Möglichkeit 204 b einer Unendlichkeit im Mathematischen | und im F e l d der größelosen Gegenstände des reinen Verstandes. A b e r wir begnügen uns hier mit einer Erörterung im Bereich der sinnlichen W e l t und unseres gegenwärtigen Gegenstandes (d. h. der N a t u r ) : Gibt es in d i e s e m Bereich io einen unendlich großen K ö r p e r ? 5
Die rein begriffliche Überlegung sagt aus folgenden Gründen nein. Sobald der K ö r p e r als das durch eine Oberfläche begrenzte Gebilde definiert ist, ist ein unendlich großer K ö r p e r wohl ausgeschlossen, und zwar gleichgültig ob man dabei an einen ideellen oder einen sinnlichen is K ö r p e r denken mag — übrigens ist j a auch, als ideelle verstanden, eine unendliche Z a h l unmöglich; denn jede Zahl, sei sie Zählzahl oder Anzahl, ist notwendig abzählbar; wenn es also möglich ist, das A b -
io zählbare abzuzählen, dann müßte auch eine unendliche Z a h l gezählt werden können —. Bei einer primär physikalischen P r ü f u n g der F r a g e 20 (erhellt die Unmöglichkeit eines unendlich großen Körpers) aus den nachstehenden Gründen. F a ß t man ihn als einen zusammengesetzten oder faßt man ihn als einen einfachen Körper, in beiden Fällen geht es nicht. A l s z u s a m m e n g e s e t z t den (angenommenen) unendlichen K ö r p e r 25 zu denken, scheidet aus, sobald nur die A n z a h l der ihn aufbauenden Elemente endlich sein soll. Denn mehr als ein E l e m e n t müßte es ja sein, die gegensätzlichen E l e m e n t e müßten sich fortgesetzt das Gleichgewicht halten, kein E l e m e n t dürfte in unendlicher Menge vertreten IS sein — denn selbst wenn auch die W i r k k r a f t eines Elements beliebig .10 geringer sein möchte als die seines Gegenelements, wenn also etwa die Menge des Feuers begrenzt, die Menge der L u f t unbegrenzt wäre, dabei aber eine bestimmte Menge Feuer ein beliebiges, aber doch endliches, Vielfaches an W i r k k r a f t besäße gegenüber einer gleichgroßen Menge L u f t —, zweifellos würde dann das in unendlicher Menge vertretene 35 Element obsiegen und das andere, bloß in endlicher Menge vertretene Element vernichten —. D a ß j e d e s Element aber Unendlichkeit besäße, 20 ist völlig unmöglich. E i n K ö r p e r ist als das nach allen Richtungen Ausgedehnte definiert, das Unendliche ist das unbegrenzt Ausgedehnte.
Kapitel 5
71
der unendliche K ö r p e r wäre also ein nach allen Richtungen ins Unendliche Ausgedehntes (unendlich große Elemente würden sich folglich wechselseitig total verdrängen, können darum nicht gleichzeitig existieren). 5 Aber ebensowenig ist es möglich, einen einzigen und e i n f a c h e n unendlichen Körper f ü r gegeben zu halten, und zwar weder in der F o r m , wie einige einen solchen neben den Elementen als deren Urgrund annehmen möchten, noch überhaupt (in irgendeiner Form). E s gibt j a den Unendlichkeitsgedanken in dieser Ausprägung: das Unendliche " io als dieser Urgrund, nicht aber (etwa als eines der Elemente selber:) als L u f t oder als Wasser, damit nicht das unendliche Element aus ihnen die übrigen vernichte. Die Elemente stehen j a zueinander im Gegensatz: die L u f t etwa ist kalt, das Wasser feucht, das Feuer warm. Wäre nun eines von ihnen unendlich, die übrigen wären bereits ver15 nichtet. D a r u m setzen sie ein weiteres Glied mit an, das der Urgrund der Elemente sein soll. Aber es kann ein solches nicht geben, und zwar so nicht etwa bloß deswegen nicht, weil es unendlich sein soll — f ü r diesen P u n k t gilt in allen Fällen dasselbe Argument, ob es sich um L u f t , Wasser oder sonst etwas handle —, sondern weil es neben den so20 genannten Elementen einen derartigen K ö r p e r in der gesamten E r fahrung nicht gibt. Alles löst sich j a in das auch wieder a u f , woraus es entstanden ist. Darum müßte (ein solcher Urkörper) neben L u f t , Feuer, E r d e und Wasser j a wohl sich auffinden lassen; aber nichts »s davon ist zu sehen. — Auch das Feuer, oder sonst eines | der Elemente, 20s» 25 kann nicht unendlich sein. Denn abgesehen davon, daß dann wieder eines der Elemente unendlich wäre, besteht grundsätzlich die Unmöglichkeit, daß das Seinsganze, auch wenn es endlich ist, nur ein einziges Element wäre oder in ein einziges Element überginge, was Herakleitos freilich f ü r möglich hielt mit seinem Satze, daß zuweilen alles zu Feuer 30 werde — das nämliche Gesetz der Unmöglichkeit gilt übrigens auch s f ü r jenen einen Urkörper neben den Elementen, den die Naturphilosophen ansetzen möchten —; denn in Wahrheit haben wir vielmehr einen allgemeinen Prozeß vor uns, in dem die gegensätzlichen Zustände, z. B . W a r m und K a l t , einander ablösen. 35 Mit Bezug aber auf jedes (derartige Weltelement) ergibt sich die Antwort auf die Frage nach seiner möglichen oder nichtmöglichen (Unendlichkeit) aus den nachstehenden Überlegungen. Aus folgenden Gründen ist g a n z a l l g e m e i n ein unendlich großer sinnlicher K ö r p e r unmöglich: J e d e r sinnliche Gegenstand ist naturnotwendig an einem 1«
72
Bach III
Orte; jeder hat seinen bestimmten Ort; und zwar haben der Teil und das Ganze (zu dem dieser gehört) denselben Ort; so hat beispielsweise die ganze Erde und ein einzelnes Erdstück (denselben Ort), ebenso das Feuer und der einzelne Funke. Für den Fall, daß wir jenen unendlichen Körper als aus einem einzigen Element bestehend annehmen, ergibt s sich (aus den eben formulierten Grundsätzen) entweder, daß es in ihm keinerlei Bewegung gibt, oder aber, daß es in ihm keinerlei Ruhe gibt. Nun ist aber beides undenkbar. — Denn wie soll es denn einen Grund dafür geben, daß etwas, was unten ist, unten bleibt, was oben ist, oben bleibt, allgemein: an irgendeinem Ort b l e i b t , (statt ihn zu 10 wechseln)? (Genauso: wie soll es denn einen Grund dafür geben, daß etwas, was unten ist, nach oben geht, was oben ist, nach unten geht, ls allgemein: seinen Ort w e c h s e l t ? ) Z. B. ein Erdstück: Wo könnte es denn sein, um in Bewegung kommen zu müssen? Wo sollte es (zur Ruhe kommen und) bleiben müssen? Ist doch der Ort des Körpers, is zu dem es gehört, unendlich groß (so kann es überall bleiben, aber auch überall hingehen). Soll es also diesen ganzen Ort (den unendlich großen Ort des unendlich großen Körpers) einnehmen? Wie soll es dies können? Wie oder wo soll es also zur Ruhe kommen? Wie oder wo soll es in Bewegung kommen? Oder soll es überall bleiben können? 20 Dann kommt es nie in Bewegung. Oder soll es überall in Bewegung kommen müssen? Dann kommt es also nie zur Ruhe. — Nehmen wir 20 aber an, daß jener (unendliche) Gesamtkörper aus verschiedenen Elementen besteht, dann sind auch deren örter untereinander verschiedenwertig. Erstens besitzt dann der Allkörper nur in einem sehr beschränk- 2$ ten Sinn Einheit: lediglich in der Weise eines lückenlosen Zusammenhängens seiner Bestandstücke. Zweitens ergibt sich dann die Notwendigkeit, entweder endlich oder aber unendlich viele verschiedenartige Bestandstücke anzunehmen. Eine e n d l i c h e Mannigfaltigkeit erweist sich aber sofort als unmöglich — denn (wenn der Allkörper, so wie angenommen, unendlich groß sein soll) dann müssen die einen Bestandstücke, etwa das Feuer oder das Wasser, Unendlichkeit, die 25 anderen Endlichkeit besitzen; und dies bedeutet [wie bereits oben einmal betont] die Vernichtung der entgegengesetzten Bestandstücke —. * * Dies war auch der Grund dafür, warum kein Naturphilosoph jemals 35 das Feuer oder die Erde als das Eine und Unendliche ansetzte, warum man vielmehr dafür das Wasser, die Luft oder deren Mittelding wählte; denn jedes der ersteren besitzt ja allzudeutlich einen eindeutig bestimmten Ort, während die letzteren immerhin ihren Ort weder ein-
Kapitel 5
73
deutig oben noch eindeutig unten haben. Nimmt man hingegen une n d l i c h viele (verschiedenartige) Bestandstücke, und zwar elementarer Art, an, dann ist man zur Annahme einer unendlichen Anzahl 30 von örtern und auch von Elementen gezwungen. Steht aber die Uns möglichkeit dieses letzteren und die Endlichkeit der Anzahl der örter fest, so ist der Folgerung nicht auszuweichen, daß auch das Weltganze von endlicher Größe ist. Denn die Deckung von Ort und Körper ist schlechterdings unerläßlich. Weder kann der Weltort größer sein als die mögliche Größe des Weltkörpers — übrigens wäre dann auch der 10 Weltkörper gar nicht mehr unendlich groß — noch kann der Welt- 35 körper größer sein als der Weltort. Denn im ersteren Fall gäbe es ein Leeres, | im letzteren einen Körper, der von Natur aus keinen Ort 205 b besäße. Die Theorie, die Anaxagoras von der Ruhe des Unendlichen aufis gestellt hat, ist absurd. Danach soll j a das Unendliche sich in sich selbst halten, und zwar deshalb, weil es sich selbst enthalte — denn es gebe j a nichts, in dem es enthalten sein könnte —, denn alles habe den Ort, wo es ist, auf Grund seiner Natur inne. Aber dies ist falsch: s Denn es ist auch möglich, daß etwas statt auf Grund seiner Natur zo vielmehr lediglich durch äußerliche Krafteinwirkung an dem Ort sich befindet, an dem es gerade ist. Mag also das Seinsganze noch so sehr ohne jede Ortsveränderung bestehen — denn natürlich muß etwas, das in sich selbst ruht und sich selbst enthält, ohne Translation existieren —, das befreit alles nicht von der Notwendigkeit, den G r u n d für solche 25 prinzipielle Bewegungslosigkeit anzugeben. Mit dieser bloßen Behauptung kann man sich j a dem Problem nicht entziehen. E s könnte j a auch sein, daß (das Seinsganze nur deswegen ohne Translation existiert, weil) es keinen Ort gibt, wohin es wandern könnte, daß es aber keine 10 prinzipielle Unmöglichkeit für eine Translation des Seinsganzen gibt. 30 Denn auch die Erde ist ohne Bewegung im Raum, (aber nicht ohne Grund, sondern) deswegen, weil sie vom Weltzentrum festgehalten wird — und das gälte auch, wenn sie unendlich groß wäre. Sie ruht also fest [im Weltzentrum] nicht deswegen, weil es keinen Ort gäbe, wohin sie wandern könnte, sondern weil das (Weltzentrum) ihr natür35 licher Ort ist. Und auch da könnte man j a sagen, sie halte sich in sich selbst. Wenn also auch für die Erde, selbst wenn sie unendlich wäre, is nicht solches (Sichhalten in sich selbst) der G r u n d (für die Translationslosigkeit) ist, dieser vielmehr darin besteht, daß die Erde Schwere besitzt, das Schwere aber im Zentrum und die Erde demnach
74
Buch III
im Weltzentrum verbleibt, dann wäre auch für ein Ruhen des Unendlichen in sich selbst ein a n d e r e r G r u n d verantwortlich zu machen und nicht einfach bloß dies, daß es unendlich sei und sich in sich selber halte. — Gleichzeitig wäre die Folgerung unabweisbar, daß es dann auch keinerlei Ortsbewegung an irgendeinem T e i l des Seinsganzen 5 geben könne. Denn so gewiß da das Unendliche sich in sich halten 20 und in sich bleiben soll, muß dann auch jeder beliebige ins Auge gefaßte Teil desselben in seinem Ort verbleiben. Denn die Artung der (natürlichen) örter ist beim Ganzen und bei den Teilen die nämliche: so ist für das Erdganze und für jedes Erdstück der Ort unten und für 10 das Feuerganze und für jeden Funken der Ort oben. Soll also das Unendliche in sich selbst seinen Ort haben, dann hat auch jeder seiner Teile seinen Ort in sich selbst: er muß dann in seinem Ort verbleiben. E s stellt prinzipiell eine offensichtliche Unmöglichkeit dar, einer25 seits einen unendlichen Weltkörper und andererseits bestimmte ö r t e r is für die Körper vertreten zu wollen, wenn doch (die Tatsache nicht aus der Welt zu schaffen ist, daß) jeder sinnliche Körper entweder schwer oder aber leicht ist und sich im ersteren Fall naturgegeben auf das Weltzentrum zu, im letzteren Fall nach oben bewegt. Denn genauso müßte es auch bei einem unendlichen Weltkörper sein. Aber 20 sowohl dies eine, daß der ganze Weltkörper eine der beiden Translationen erführe, ist ausgeschlossen wie auch das andere, daß die eine Hälfte die eine, die andere Hälfte die andere Translation erführe: .10 denn wie soll im Unendlichen eine solche Teilung denkbar sein? Wie soll es im Unendlichen ein Oben und Unten geben, wie soll es ein 25 Äußerstes und ein Zentrum geben? — Ein weiterer Grund: jedweder sinnliche Körper ist in einem Orte, die Ortsarten und Ortsunterschiede aber heißen: oben und unten, vorne und hinten, links und rechts. Und das sind Unterschiede nicht etwa bloß relativ auf uns und nicht bloße Lagerelationen, sondern auch im Seinsganzen selbst absolut ge- M .15 gebene Unterschiede. I m Unendlichen aber könnte es sie nicht geben. — 2 0 6 « Schlicht und einfach: So gewiß ein unendlicher Ort | ausgeschlossen ist und jedweder Körper in einem O r t sein muß, ist auch ein unendlicher Körper ausgeschlossen. Aber (nur) was irgendwo ist, ist überhaupt in einem Ort, und was überhaupt in einem Ort sein soll, muß ss irgendwo sein. Wenn nun das Unendliche keinerlei Quantität besitzen kann — es müßte sonst eine b e s t i m m t e Größe haben: zwei Ellen, drei Ellen Länge und dergleichen; denn solches ist die Bedeutung des 5 Terminus Quantität —, so bedeutet auch eine Behauptung, (das Un-
Kapitel 5—6
75
e n d l i c h e ) sei in e i n e m O r t e , n o t w e n d i g , d a ß es a n e i n e m w o h l b e s t i m m t e n Ort sein m ü ß t e , d. h. e n t w e d e r o b e n oder a b e r u n t e n oder in einer anderen der sechs W e l t g e g e n d e n ; j e d e v o n diesen aber ist gleichzeitig eine Grenze (für d a s in ihr Liegende). 5
( Z u s a m m e n f a s s e n d : ) A u s all diesen Ü b e r l e g u n g e n g e h t zweifelsfrei hervor, daß es i m M o d u s der Wirklichkeit keinen unendlichen K ö r p e r gibt. 6. S o b a l d m a n j e d o c h Unendlichkeit schlechthin ausschließen wollte, w ä r e n die K o n s e q u e n z e n zweifellos voller W i d e r s i n n i g k e i t e n : der Zeit m
io m ü ß t e d a n n e i n A n f a n g u n d e i n E n d e z u g e d a c h t w e r d e n , d i e A u s d e h n u n g s g r ö ß e n d ü r f t e n d a n n nicht ( i m m e r wieder) in A u s d e h n u n g s größen zerlegt w e r d e n k ö n n e n , die Zahlenreihe d ü r f t e d a n n nicht unendlich sein. E r w e c k t d e m n a c h die S a c h l a g e d e n E i n d r u c k , als l a s s e sich U n e n d l i c h k e i t w e d e r b e j a h e n n o c h v e r n e i n e n , so b e d a r f es eines is F r i e d e n s r i c h t e r s u n d d i e W a h r h e i t i s t z w e i f e l l o s d i e , d a ß s o w o h l in einer B e j a h u n g wie a u c h in einer V e r n e i n u n g der U n e n d l i c h k e i t eine h a l b e W a h r h e i t s t e c k t . — Mit B e z u g a u f d a s Sein h a b e n wir n u n die b e i d e n M o d i d e r M ö g l i c h k e i t u n d d e r W i r k l i c h k e i t , m i t B e z u g a u f d a s is Unendliche die beiden T y p e n der ins Größere u n d der ins
Kleinere
20 g e h e n d e n U n e n d l i c h k e i t z u u n t e r s c h e i d e n . D a ß d i e A u s d e h n u n g s g r ö ß e i m W i r k l i c h k e i t s m o d u s nicht unendlich ist, ist schon g e s a g t ; a b e r sie ist unendlich t e i l b a r ; denn das T h e o r e m v o n den unteilbaren Linien ist leicht zu widerlegen. D a r a u s ergibt sich n u n z w i n g e n d : das U n endliche gibt es (nur) i m M o d u s der Möglichkeit. D a b e i ist der Ter25 m i n u s
'Möglichkeit'
bedeutungsverschieden
gegenüber
einem
Ge-
b r a u c h , w i e ( w i r i h n in e i n e m S a t z v o r u n s h a b e n w i e d i e s e m ) : D i e s h a t die Möglichkeit, zu einer S t a t u e zu w e r d e n , — d a s w ü r d e j a d a n n
»
b e s a g e n , daß es (im L a u f e eines Prozesses) g e n a u s o zu einem wirklichen U n e n d l i c h e n k o m m e n k ö n n t e , wie es ( i m L a u f der B i l d h a u e r t ä t i g k e i t ) 30 z u e i n e r w i r k l i c h e n S t a t u e k o m m t . D e r T e r m i n u s ' s e i n ' i s t v i e l d e u t i g . U n d so i s t d a s U n e n d l i c h e v i e l m e h r i n d e m S i n n , w i e g e s a g t w e r d e n k a n n : D e r T a g i s t , d a s K a m p f s p i e l i s t , d. h. i m S i n n e einer
Suk-
zession i m m e r n e u e r P h a s e n desselben — a u c h bei s o l c h e m g i b t es j a den U n t e r s c h i e d der Möglichkeit u n d der Wirklichkeit; in d e m 35 „ D i e O l y m p i s c h e n S p i e l e
finden
Satz:
s t a t t " k a n n ebenso Möglichkeit wie
auch Wirklichkeit des K a m p f s p i e l s z u m A u s d r u c k k o m m e n
—. I m 25
ü b r i g e n a b e r i s t [die U n e n d l i c h k e i t ] k e i n e s w e g s d i e s e l b e , w e n n e s s i c h u m die U n e n d l i c h k e i t d e r Z e i t u n d d e r m e n s c h l i c h e n
Zeugungskette
oder aber u m die Unendlichkeit der Größenteilung handelt. Allgemein
76
Buch III
n u n ist U n e n d l i c h k e i t lediglich f o r t w ä h r e n d e Sukzession v o n Gliedern (einer Reihe), wobei also j e d e s Glied d u r c h a u s endlich ist, a b e r eben auf jedes Glied j e d e s m a l wieder ein weiteres f o l g t . [Der T e r m i n u s 'sein' ist m e h r d e u t i g . D a s U n e n d l i c h e ist n i c h t in d e r Weise eines b e s t i m m t e n G e g e n s t a n d e s — n i c h t so wie ein Mensch oder ein H a u s —, s o n d e r n wie ein T a g oder ein K a m p f s p i e l ist, die j a a u c h keine Subs t a n z e n sind, s o n d e r n n u r in der Sukzession der k o m m e n d e n o d e r verg e h e n d e n P h a s e n b e s t e h e n , v o n d e n e n j e d e endlich ist, n u r d a ß auf j e d e stets eine weitere folgt.] A b e r (doch ist ein U n t e r s c h i e d n i c h t zu ü b e r s e h e n ; ) b e i der | G r ö ß e n t e i l u n g bleibt der jeweils herausgegriffene Teil (als das Weiterzuteilende) e r h a l t e n , w ä h r e n d die P h a s e n d e r Zeit u n d die Glieder der menschlichen Z e u g u n g s k e t t e jeweils v e r g e h e n , o h n e d a ß j e d o c h (die Sukzession selbst) ein E n d e h ä t t e . I n gewisser Weise ist die ins Größere g e h e n d e U n e n d l i c h k e i t m i t d e r ins Kleinere gehenden identisch. D e n n i n n e r h a l b einer endlichen A u s d e h n u n g s g r ö ß e stellt die ins Größere g e h e n d e U n e n d l i c h k e i t einf a c h die U m k e h r u n g (der ins Kleinere gehenden) d a r . D e n n n a c h eben d e m V e r h ä l t n i s , n a c h welchem (eine endliche A u s d e h n u n g s g r ö ß e ) ins U n e n d l i c h e geteilt wird, l ä ß t sie sich d u r c h H i n z u f ü g u n g (weiterer Stücke) zu d e m (als A u s g a n g s s t ü c k gewählten) B r u c h t e i l d a n n a u c h (wieder ins Unendliche) a u f b a u e n . N i m m t m a n nämlich i n n e r h a l b einer endlichen A u s d e h n u n g s g r ö ß e einen ihrer B r u c h t e i l e (als Ausgangss t ü c k ) u n d f ü g t diesem (weitere Stücke) a n , so wird m a n j e n e endliche A u s d e h n u n g s g r ö ß e (selbst bei u n e n d l i c h e m Addieren) n i c h t m e h r wiedererreichen, (sofern m a n sich n u r a n folgende Regel b i n d e t , d a ß die zu a d d i e r e n d e n S t ü c k e z u e i n a n d e r durchwegs) i m n ä m l i c h e n Verh ä l t n i s (stehen müssen, d a b e i aber) n i c h t e t w a irgendein B r u c h t e i l des G a n z e n e r n e u t in gleicher Größe h i n z u a d d i e r t w e r d e n d a r f . W e n n m a n dieses V e r h ä l t n i s so groß n i m m t , d a ß m a n stets ein gleichgroßes S t ü c k h i n z u f ü g t , d a n n erreicht m a n die endliche Größe n a t ü r l i c h w i e d e r ; d e n n ' j e d e s endliche Ganze l ä ß t sich n o t w e n d i g d u r c h j e d w e d e s seiner Bruchteile (als ein Vielfaches des g e w ä h l t e n Bruchteils) d a r s t e l l e n . Dies ist schlechterdings die einzige Weise, in der U n e n d l i c h k e i t denkb a r i s t : i m Modus der bloßen Möglichkeit u n d i m R a h m e n des Auss c h ö p f u n g s v e r f a h r e n s — sie ist a u c h i m Modus der Wirklichkeit gegeben, a b e r n u r in d e m Sinne, wie wir v o m T a g u n d v o m K a m p f s p i e l sagen k ö n n e n , sie seien —. D a s Unendliche h a t d e n M o d u s der Möglichkeit, wie i h n das Material besitzt. E s h a t keinen B e s t a n d a n i h m selbst, wie ihn d a s E n d l i c h e h a t . U n d in derselben W e i s e gibt es i m M o d u s
Kapitel 6
77
der bloßen Möglichkeit also auch eine Unendlichkeit im R a h m e n additiven A u f b a u s , jene, von der wir gesagt haben, sie sei in gewissem Sinne mit der Teilungsunendlichkeit identisch. D e n n (auch hier) besteht immer erneut die Möglichkeit eines Weitergehens zu Neuem, nur 5 d a ß sich nicht über j e d e Größe hinausgehen l ä ß t , wie es andrerseits bei der Teilungsunendlichkeit der Fall ist, wo jedwede bestimmte 20 Größe unterschritten werden k a n n u n d immer nochmals eine kleinere besteht. Bei der additiven Unendlichkeit besteht ein unbegrenzter F o r t g a n g ü b e r jede Größe hinaus nicht einmal im Modus bloßer Mög1« lichkeit, es sei denn m a n glaube an einen Körper, der als zusätzlichen Charakter a k t u a l unendliche Ausdehnung besitze, wie das die Naturphilosophen glaubten, wenn sie erklärten, der Körper außerhalb der Welt, dessen Wesen L u f t oder dergleichen sei, besitze Unendlichkeit. Aber w e n n in dieser F o r m kein sinnlicher Körper d e n k b a r ist, der im 2s 15 Modus der Wirklichkeit Unendlichkeit besäße, so gibt es zweifellos nicht einmal im Modus der Möglichkeit ein additiv Unendliches in einem anderen Sinn als in dem erwähnten einer E n t s p r e c h u n g z u r Teilungsunendlichkeit. Denn selbst P i a t o n h a t zwei Unendlichkeiten n u r deswegen angesetzt, weil es unendlichen Weitergang einerseits ins 20 Unendlichgroße, andrerseits ins Unendlichkleine zu geben scheint. Aber er m a c h t von ihnen d a n n keinerlei Gebrauch. D e n n bei ihm gibt es bei 30 den Zahlen weder ein Unendlichkleines — die Eins ist i h m die kleinste arithmetische Größe —, noch auch ein Unendlichgroßes — nach ihm geht die Zahlenreihe n u r bis zur Zehn —. 15 Aus alldem geht hervor, d a ß Unendlichkeit genau das Gegenteil von dem ist, wofür es zu gelten pflegt. | Unendlich ist nicht das, was nichts 207« außer sich h a t , sondern gerade das, welches i m m e r noch etwas außer sich h a t . D a f ü r gibt es einen Beleg: auch die steinlosen Ringe heißen deswegen unendlich, weil nach jedem P u n k t i m m e r noch einer k o m m t , 30 zu dem m a n übergehen k a n n . Das ist freilich eine Unendlichkeit im übertragenen, uneigentlichen Sinn. Denn (bei echter Unendlichkeit) m u ß es dies (wozu weitergegangen werden soll), wirklich geben und 5 es darf nicht wieder einmal zum selben zurückgekehrt werden. Beim Kreis sind diese F o r d e r u n g e n nicht erfüllt; da gibt es einen Übergang 35 zu i m m e r Anderem n u r , wenn m a n bloß auf das Verhältnis zwischen den nebeneinanderliegenden Stücken a c h t h a t (die periodische Wiederkehr jedes P u n k t e s aber außer acht läßt). Unendlich also ist das, das hinsichtlich seiner Q u a n t i t ä t nie so erfaßt werden k a n n , daß es nicht noch Weiteres außer sich h ä t t e . Dasjenige hingegen, das nichts außer
78
Buch III
sich h a t , heißt das Vollständige u n d das Ganze. Dies ist ja die Defi10 nition des Ganzen: dasjenige, an dem n i c h t s f e h l t ; z. B. ein ganzer Mensch, ein ganzer Schrank. U n d zwar wie mit Bezug auf den Einzelgegenstand so auch im umfassenden S i n n : so ist das Seinsganze das, das nichts außer sich h a t . Was hingegen etwas außer sich h a t , das s ihm fehlt, ist kein Ganzes, m a g das Fehlende sein, was es will. T o t a l i t ä t u n d Vollständigkeit sind entweder völlig miteinander identisch oder doch wesensverwandt miteinander. W a s vollständig ist, h a t i5 stets einen Abschluß. Abschluß aber heißt Grenze. D a r u m h a t P a r m e nides immer noch eher recht als Melissos: dieser nämlich n e n n t das i» Unendliche ein Ganzes, während P a r m e n i d e s das Seinsganze als endlich bezeichnet „ m i t allseitig gleicher S t ä r k e v o m Z e n t r u m a u s " . Es sind doch zweierlei Schuh, ob ich Ganzheit u n d Totalität oder ob ich Unendlichkeit sage; denn die ganze E r h a b e n h e i t des Unendlich20 keitsbegriffs — das Unendliche sei das Allbefassende und es schließe is das Seinsganze in sich — s t a m m t j a n u r v o m Totalitätsbegriff; jener ist j a ein Abglanz dieses letzteren. D e n n das Unendliche steht der Vollständigkeit der Ausdehnungsgröße lediglich als deren Material gegenüber; es ist das Ganze bloß im Modus der Möglichkeit, keineswegs in dem der Wirklichkeit, teilbar im Sinn des Ausschöpfungs- 20 Verfahrens und seines Gegenstücks, des Additionsverfahrens; derartiges wie Ganzheit u n d Größenbestimmtheit besitzt es niemals an ihm selbst, 25 sondern n u r im Hinblick auf ein Anderes; ein Unendliches h a t keineswegs die Stellung eines Umfassenden; vielmehr ist es, soweit es auf seine Unendlichkeit a n k o m m t , gerade ein in Anderem E n t h a l t e n e s . 2s D a r u m ist ein Gegenstand seinem Unendlichkeitsmoment nach auch u n e r k e n n b a r ; das (bloße) Material ist j a ohne Gestalt. Daraus ergibt sich zweifelsfrei, d a ß das Unendliche nicht so sehr u n t e r den Begriff des Ganzen als u n t e r den des Teils f ä l l t ; denn das Material ist ein Stück im Ganzen wie das Erz ein Stück in der E r z s t a t u e ; würde es 30 im Bereich der sinnlichen Gegenstände den R a n g eines Umfassenden besitzen, so m ü ß t e j a auch im Bereich der übersinnlichen Gegenstände 10 dem (platonischen) Gegensatzpaar des Großen und Kleinen die K r a f t zukommen, diese übersinnlichen Gegenstände in sich zu befassen. Aber es ist völlig u n d e n k b a r , daß das Unerkennbare und U n b e s t i m m t e eine 35 umschließende und bestimmende F u n k t i o n übernehmen könnte. 7. Es h a t seinen guten Grund, wenn das ins Größere gehende Unendliche nicht in dem Sinne als unendlich gilt, daß es über jedwede 35 Ausdehnungsgröße hinausgehen könnte, und wenn das Teilungsunend-
79
Kapitel 6—7 l i e h e (in d i e s e m S i n n e d a f ü r gilt, d a ß es u n t e r j e d w e d e
Ausdehnungs-
k a n n — das Material und das Unendliche
größe heruntergehen)
sind
j a s t e t s s o l c h e s , d a s i n n e r h a l b d e r b e s t i m m e n d e n G r e n z e n l i e g t ; | i h r e 207b b e s t i m m e n d e G r e n z e i s t d i e G e s t a l t —. S e i n e n g u t e n G r u n d h a t
auch
5 dies, d a ß es bei der Z a h l eine u n t e r e , a b e r k e i n e o b e r e G r e n z e d a ß es h i n g e g e n b e i der A u s d e h n u n g s g r ö ß e
gibt,
gerade umgekehrt
keine
untere Grenze gibt, während nach oben zu keine unendliche Quantität s auftreten k a n n . U n d zwar liegt der G r u n d für diese Verhältnisse folgenden 1«
in
Tatsachen:
Die E i n z a h l ist unteilbar, m a g das in E i n z a h l A u f t r e t e n d e sein, was e s w i l l — e i n M e n s c h z . B . i s t e i n M e n s c h u n d n i c h t v i e l e —; d i e Z a h l a b e r ist (stets A n z a h l u n d als solche n i c h t s a n d e r e s als) m e h r e r e
„Eine"
u n d irgendeine M e n g e v o n „ E i n e n " ; bei der u n t e i l b a r e n E i n s ist also ( n a c h u n t e n zu) stehenzubleiben
— d e n n die D r e i u n d die Zwei
15 j a n u r a b g e l e i t e t e T e r m i n i , n i c h t a n d e r s n a t ü r l i c h a u c h a l l e Zahlen
—; n a c h
weiterzählen;
oben
zu
denn jede
aber
kann
man
in
Ausdehnungsgröße
Gedanken
läßt
sich
sind
übrigen
u n b e g r e n z t 10
unendlich
oft
halbieren. Die Zahlenreihe ist also im Modus der Möglichkeit unendlich g r o ß , i m M o d u s d e r W i r k l i c h k e i t ist sie es n i c h t . A b e r sie g e h t
über
20 j e d e b e s t i m m t e A n z a h l i m m e r n o c h m a l s h i n a u s . D i e Z a h l e n r e i h e , hier v o n ihr die R e d e ist, ist kein selbständiges Gebilde[, das hängig von der (immer nochmals möglichen)
wie
unab-
Halbierung (jeder
Aus-
dehnungsgröße wäre)]; ihre Unendlichkeit h a t keinen bleibenden
Be-
s t a n d , s o n d e r n b e s t e h t n u r i m P r o z e ß , w i e a u c h d i e Z e i t n u r i m P r o z e ß 15 2 s b e s t e h t u n d m i t der Zeit w i e d e r u m a u c h die W e r t e der
Zeitzählung.
G e r a d e u m g e k e h r t liegt es bei den A u s d e h n u n g s g r ö ß e n : tinuum läßt groß
werden.
sich ins Denn
Unendliche auch im
teilen,
Modus
kann
aber
nicht
der Möglichkeit
das
Kon-
unendlich
kann
es
nicht
g r ö ß e r sein, als es i m M o d u s der W i r k l i c h k e i t z u sein v e r m a g . W e i l es ao n u n k e i n e u n e n d l i c h e s i n n l i c h e A u s d e h n u n g s g r ö ß e g i b t , i s t i n Bereich
auch
kein
Hinausgehen
über jedwede
bestimmte
diesem
( e n d l i c h e ) 2«
Q u a n t i t ä t m ö g l i c h . S o n s t w ü r d e es j a e t w a s g e b e n , d a s g r ö ß e r als das Weltall
wäre.
D i e B e d e u t u n g des T e r m i n u s ' U n e n d l i c h k e i t ' ist n i c h t i d e n t i s c h « den A u s d r ü c k e n : Unendlichkeit der Ausdehnungsgröße,
in
Unendlichkeit
des W e l t p r o z e s s e s , U n e n d l i c h k e i t der Z e i t ; U n e n d l i c h k e i t ist n i c h t ein i d e n t i s c h e r W e s e n s b e s t a n d , sie h a t v i e l m e h r in s i c h e i n e V e r m i t t l u n g s s t r u k t u r : so ist d e r p h y s i s c h e P r o z e ß u n e n d l i c h , w e i l d i e A u s d e h n u n g s größe, ü b e r welche hinweg sich T r a n s l a t i o n , q u a l i t a t i v e
und
quanti-
80
Buch III
tative Veränderung vollziehen, unendlich ist; die Zeit aber ist unend25 lieh, weil der Prozeß es ist. Damit ist allerdings auf Künftiges vorgegriffen; in einem späteren Zusammenhang wird jeder dieser Begriffe und der Grund für die unendliche Teilbarkeit jedweder Ausdehnungsgröße erörtert werden. s Keineswegs entzieht dieses unser Ergebnis den Mathematikern den Boden für ihre Arbeit, wenn es ein im Modus der Wirklichkeit stehendes, undurchlaufbares Unendlichgroßes ablehnt. Denn solche Unendlich30 keit ist keinesfalls nötig für den Mathematiker — tatsächlich benutzt er sie auch gar nicht —; was der Mathematiker braucht, ist 10 nur die Berechtigung, die endliche (Gerade) so groß anzusetzen, wie er sie jeweils haben will. Nun läßt sich aber nach denselben Verhältnisgesetzen wie die größte Ausdehnungsgröße genausogut jedwede andere Ausdehnungsgröße teilen. Für die mathematischen Beweise macht es daher keinerlei Unterschied aus, ob sich unter den is real vorhandenen Ausdehnungsgrößen eine unendliche befindet oder nicht. Es sind (wie wir wissen) vier Arten von Gründen zu unterscheiden. 35 Zweifellos ist das Unendliche (nur) im Sinne des Materials als ein Grund zu betrachten; zweifellos auch ist das Unendliche (kein selbständiger 20 Gegenstand, sondern bloß Bestimmtheit an einem Gegenstand, und 208» zwar) [ Negativbestimmtheit; der selbständige Gegenstand (dessen Bestimmtheit die Unendlichkeit ist) ist das sinnliche Kontinuum. Übrigens haben alle Denker ganz offensichtlich das Unendliche stets als bloßes Material behandelt; und gerade deswegen war es so widersinnig, 2s es gleichzeitig als das Umfassende statt als das Umfaßte denken zu wollen. 5 8. Wir haben noch die Aufgabe, auf die Argumente einzugehen, die dafür sprechen könnten, daß das Unendliche sich nicht in bloßer Möglichkeitsmodalität erschöpfe, sondern ein selbständiger, vollbestimmter 30 Gegenstand sei. Einige dieser Argumente haben keinen zwingenden Charakter, die anderen haben stichhaltige Argumente gegen sich, a) Ein Fortbestehen der Werdeprozesse (in der Welt) verlangt keines10 wegs, daß es einen aktual unendlich großen sinnlichen Weltkörper gebe. Denn es ist ebensogut möglich, daß das Vergehen des einen Gebildes 35 in der Welt identisch ist mit dem Entstehen des anderen — bei Endlichkeit des Seinsganzen, b) Aneinandergrenzen und Endlichkeit sind zu unterscheiden. Aneinandergrenzen freilich besagt eine Bezogenheit . des Einen auf ein Anderes — was angrenzt, grenzt an ein Anderes an —;
Kapitel 7 - 8
81
und tatsächlich grenzt manches Endliche zusätzlicherweise (gleichzeitig auch) an ein Anderes an; aber Endlichkeit selbst ist keineswegs eine Bezogenheit auf ein Anderes; und es ist j a auch Angrenzen nicht zwischen allen beliebigen Dingen möglich, c) Dem bloßen Denken s (mit seiner Möglichkeit, unbegrenzt weiterzugehen) Beweiskraft ein- 1» zuräumen, wäre widersinnig. Denn die Möglichkeit unbegrenzten Fortgangs nach oben und nach unten liegt keineswegs auf der Seite der Sache, sondern ausschließlich auf der Seite der gedanklichen Operationen. Denn es könnte sich j a auch jemand einen jeden von uns un10 endlichmal größer denken, als er selbst ist. Aber deswegen, weil sich einer dies denkt, ist keiner von uns größer, als wir faktisch sind, vielmehr ( w e n n einer größer ist, dann deshalb,) weil er es i s t . Das Denken ist bloß ein zusätzliches Moment an der Tatsache, d) Die Zeit freilich, 2» der Prozeß und das Denken sind unendlich — aber bei keinem von ihnen kann die Einzelphase beharren. Die Ausdehnungsgröße hingegen ist allen Verfahren der Ausschöpfung und des gedanklichen Größerund-größerwerdenlassens zum Trotz gleichwohl endlich. Aber damit soll die Erörterung des Unendlichen abgeschlossen sein, (die Frage,) in welchem Sinn es ein Unendliches gibt, in welchem nicht, und was das Unendliche ist.
BUCH IV
208« 27
1. Genauso wie für das Unendliche muß der Physiker auch für den Ort die Fragen nach Existenz, Seinsweise und Wesensbegriff stellen. E s ist j a die allgemeine Auffassung, daß Seiendes an einem Orte sei 3« — denn an keinem Orte sei das Nichtseiende; wo denn wäre ein Ziegenbockhirsch oder eine Sphinx? —. Sodann: Die allgemeinste und be- s herrschende Weise des Prozesses ist die Ortsveränderung, die wir als Bewegung bezeichnen. Aber die Frage nach dem Wesensbegriff des Ortes hat mancherlei Dunkelheiten an sich. Berücksichtigt man nämlich alle mit ihm verbundenen Tatsachen, so hält es schwer, hinter ihnen sein einheitliches 10 35 Wesen zu erblicken. Zudem fehlen alle Vorarbeiten zu diesem Problem, Fragestellungen wie Lösungsvorschläge. | 208 b Über die Existenz des Ortes freilich scheint kein Zweifel bestehen zu können, wenn man an die Tatsache des Ortsaustausches denkt. Wo nämlich jetzt etwa Wasser ist, da ist hernach wieder, wenn es is weggelaufen ist, wie (Wasser) aus einem Gefäß (wegläuft), L u f t ; ein drittes Mal kann den nämlichen Ort wiederum ein anderer Körper 5 einnehmen. Dieser (Ort) scheint also von dem allen, was da kommt und wechselt, unterschieden zu sein: Worin jetzt Luft ist, darin war zuerst Wasser, so daß kein Zweifel bestehen kann, daß der Ort und 20 der Raum, in welchem sie kamen und gingen, von ihnen beiden unterschieden war. — Ein zweites Argument: Die Ortsbewegungen der natürlichen Grundkörper, wie des Feuers, der Erde usw., beweisen nicht io nur, daß der Ort eine Realität besitzt, sondern auch, daß er eine wohlbestimmte Funktion ausübt. Denn jeder Grundkörper bewegt 2& sich, sofern er nicht daran gehindert wird, an seinen angestammten Ort hin, der eine nach oben, der andere nach unten. Das aber sind die Teile und Arten des Ortes: das Oben und das Unten und die rest15 liehen der sechs Erstreckungsrichtungen. Oben und Unten, Rechts und Links, solche Bestimmungen erschöpfen sich nicht in bloßer Relati- 30 vität auf uns; denn gerade im Verhältnis zu uns haben sie keine beharrende Identität, sondern hier erweisen sie sich als abhängig von
Kapitel 1
83
unserer Position, wie wir sie gerade einnehmen, — weshalb denn auch oftmals eines und dasselbe sowohl rechts wie links, sowohl oben wie unten, sowohl vorne wie hinten sein kann —; in der Natur selbst aber hat jede (dieser Bestimmtheiten) ihren selbständigen Unterschied: s 'Oben' ist j a nicht eine beliebige Bestimmung, es ist der Ort, zu dem sich das Feuer und das Leichte hinbewegt. Ebensowenig auch ist 20 'Unten' eine beliebige Bestimmung, sondern der Ort, wohin sich das Schwere und das Erdige bewegt. Es handelt sich eben nicht um bloße Lagegegensätze, sondern um Unterschiede in ihrer Funktion. Diese 10 Sachlage wird auch durch die Verhältnisse, wie wir sie an den mathematischen Gegenständen finden, unterstrichen. Diese letzteren sind j a an keinem Orte, haben aber dennoch den Unterschied von rechts und links an sich als Lagebestimmung im Verhältnis zu uns, als bloße äußerliche Lageangaben, an ihnen selbst hingegen besitzen sie keine 2s 15 von diesen Bestimmtheiten. — Ein weiteres Argument: Die Vertreter der Existenz eines leeren Raumes sind gleichzeitig Vertreter der Existenz des Ortes; denn der leere Raum wäre j a wohl ein körperfreier Ort. Die Realität des Ortes, unabhängig von den Körpern, und die Orts20 bestimmtheit jeglichen sinnlichen Körpers dürfte man also aus den angegebenen Argumenten annehmen können. Auch Hesiodos scheint mit seiner Lehre, daß am Anfang das Chaos geherrscht habe, recht 30 beraten gewesen zu sein. Sagt er doch: „Allem andern voran entstand das Chaos; die Erde aber erst dann, die breite . . . ; " denn zunächst 2s müsse eben einmal Raum dasein für die Dinge, weil Hesiod in Übereinstimmung mit der allgemeinen Auffassung annahm, daß alles irgendwo sei und an einem Orte. Wenn das nun die Wahrheit ist, dann ist freilich die Funktion des Ortes wunderbar und für alles andere funda- 3S mental. Denn das, was für das Übrige die unerläßliche Bedingung ist, 3« selbst aber | unabhängig von diesem Übrigen ist, ist mit Notwendigkeit 209» das Fundamentalste. (Der Ort scheint aber solche Unabhängigkeit der Existenz zu besitzen:) Denn er vergeht nicht, wenn das an ihm Befindliche zunichte wird. Aber falls also der Ort Existenz besitzt, so ist doch die Frage schwie35 rig, was er denn nun ist, ob eine Art Körperausmaß oder eine andere Art von Wesenheit. Denn zunächst haben wir seine Gattungsbestimmtheit zu klären. — Nun hat er drei Dimensionen: Länge, Breite und s Tiefe — diejenigen also, welche jeglichen Körper begrenzend bestimmen. Aber daß der Ort ein Körper sei, ist völlig ausgeschlossen: es ergäbe
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sich dann eine Koinzidenz zweier Körper. — Weiterhin: Wenn es f ü r den Körper Ort und R a u m gibt, dann auch für seine Oberfläche und seine4 übrigen Begrenzungen. Denn hier gilt, was f ü r das eine gilt, 10 immer auch für das andere: Wo zuerst die Oberflächen des Wassers waren, sind nunmehr die Oberflächen der L u f t ; nun gibt es aber keiner- s lei Unterschiedenheit zwischen einem Punkt und dem Ort dieses Punktes, so daß ,wenn der Ort eines Punktes nicht vom Punkt unterschieden ist, auch der Ort aller übrigen Begrenzungsmomente (so der Oberflächen) nicht von diesen selbst unterschieden sein kann: der Ort ist nichts anderes als sie selbst. — Als was denn sollten wir den Ort auch 10 fassen? Denn so, wie er einmal ist, kann er weder ein Element sein is noch aus Elementen bestehen, und zwar weder aus körperlichen noch aus unkörperlichen. Einerseits besitzt er j a Ausdehnungsgröße, aber andrerseits keinen Körper. Die Elemente der sinnlichen Gegenstände aber sind Körper; Ausdehnungsgröße hinwiederum kommt niemals aus is (immateriellen und) bloß intelligiblen Elementen zustande. — Sodann die F r a g e : Was soll der Ort am Seienden denn begründen? E r gehört 20 zu keinem der vier Gründe: weder ist er ein Material f ü r das Seiende — nichts besteht j a aus ihm —, noch ist er Gestalt und Wesen f ü r die Sachen, noch ein Zweck, noch auch eine Quelle f ü r die Prozesse an xo ihnen. — Weiterhin: Wenn der Ort ein Seiendes ist, dann muß auch er selbst irgendwo sein. Zenons Problem fordert j a eine Erörterung: Wenn jegliches Seiende an einem Orte ist, so muß es zweifellos auch 2s einen Ort für den Ort geben, und so fortgehend ins Unendliche. — Und dann schließlich: Wie jeder Körper an einem Ort ist, so ist auch zs an jeglichem Ort ein Körper. Aber was sollen wir nun angesichts der Tatsache von Körpern sagen, die größer werden? Denn aus dem eben aufgestellten Grundsatz folgt mit Notwendigkeit, daß der Ort mit ihnen mitwachsen muß, wenn er weder kleiner noch größer sein darf als der Körper, der an ihm ist. 3« Aus all dem Gesagten erweist sich notwendig nicht nur die Frage 30 nach dem Wesensbegriff des Ortes, sondern auch diejenige nach seiner Existenz als schwierig. 2. Bestimmungen betreffen das Bestimmte teils an ihm selbst, teils nur dank seinem Verhältnis zu anderem; so sind auch hier der Uni- js versalort, als der Ort aller Körper überhaupt, und der Eigenort, als der unmittelbare Ort (des Einzelkörpers), zu unterscheiden — ich meine das so: du bist in der Welt, weil du in der L u f t bist, die Luft- aber 35 in der Welt ist; und du bist in der L u f t , weil du auf der Erde bist;
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du bist auf der Erde, weil du an diesem bestimmten Orte h i e r bist, | der nur dich allein enthält —. Ist nun der Ort (als Eigenort) dasjenige, 209b was den Einzelkörper unmittelbar enthält, so ist er eine Art Begrenzung: und es könnte demnach den Anschein haben, als würde der 5 Ort des Einzelgegenstandes einfach dessen Gestalt und Form sein, durch welche seine Ausdehnungsgröße und das Material seiner Ausdehnungsgröße begrenzende Bestimmung erfahren; Gestalt und Form bilden j a die Begrenzung des Einzelgegenstandes. Bei solcher Betrachtung er- s gäbe sich als Ort also die Gestalt des Einzelkörpers. — Insofern der 10 Ort aber die Erstreckung der Ausdehnungsgröße ist, erscheint er (umgekehrt) als Material. Die Erstreckung ist j a von der Ausdehnungsgröße selbst unterschieden, die letztere aber genau dasjenige, was in der Gestalt enthalten und von ihr begrenzt wird — z. B . von Oberfläche und Grenzlinien; das so in einer Gestalt Enthaltene und von einer Gestalt Begrenzte aber ist hinwiederum nichts anderes als das Material und (für sich) Unbestimmte. Denn nimmt man etwa von einer 10 Kugel die Begrenzung und die Eigenschaften weg, bleibt allein ihr Material zurück. Und dies ist j a auch der Grund, warum Piaton im Timaios die Identität von Raum und Material vertritt. Ausdrücklich 20 bezeichnet er j a das Bestimmungsfähige und den Raum als miteinander identisch. Und mag er dieses Bestimmungsfähige auch im Timaios anders charakcerisieren als in den sogenannten Ungeschriebenen Lehren, is Ort und Raum hat er jedenfalls als eines und dasselbe charakterisiert. Und so hat Flaton im Gegensatz zu allen übrigen, die uns bloß über 2s die Realität des Ortes belehren, als einziger auch eine Bestimmung des Wesens dieses Ortes versucht. So muß denn, wenn man einmal solche Überlegungen überhaupt zugrunde gelegt hat, eine Bestimmung des Wesensbegriffes des Ortes wohl schwierig erscheinen, — sobald der Ort eben eines von diesen 30 beiden sein soll, gleichgültig ob Material oder Gestalt. Denn abgesehen davon, daß Material und Gestalt die schwierigsten Begriffe darstellen, 20 ist es keine leichte Sache, sie als gegeneinander selbständige Begriffe bestimmen zu wollen. Aber dies ist dennoch leicht einzusehen, daß der Ort weder Material noch Gestalt sein kann. Denn Gestalt und 35 Material besitzen kein Fürsichsein gegenüber der Sache, welche sie konstituieren; wohl aber ist der Ort eines Fürsichseins fähig. Denn wo zunächst Luft war, dahin tritt hernach etwa, wie schon einmal gesagt, Wasser, wobei also Wasser und Luft ihren Ort vertauschen, und 25 in gleicher Weise (tauschen) auch die anderen Körper (ihre örter gegen-
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einander aus), ein Beweis dafür, daß der Ort des Einzelgegenstands nicht einen Teil oder einen Zustand dieses Gegenstandes darstellt, sondern ihm gegenüber eines Fürsichseins fähig ist. Und es stellt der Ort j a auch fast so etwas wie ein Gefäß dar — das Gefäß ist j a nichts anderes denn ein transportabler Ort —; das Gefäß aber ist keinerlei s 30 Bestandstück der (in ihm enthaltenen) Sache. Insofern der Ort also gegenüber der Sache Fürsichsein gewinnen kann, ist er nicht ihre Gestalt; insofern er sie enthält, ist er von ihrem Material wohlunterschieden. Und dann hat es j a auch den Anschein, daß überall dort, wo ein Ding an einem Ort ist, einerseits es selbst das eine ist, anderer- 10 seits außerhalb seiner ein anderes sich findet. — Piaton aber muß man, wenn diese Abschweifung schon sein soll, die Frage vorlegen, warum 3s denn die Ideen und die Zahlen (nach ihm) nicht Ortsbestimmtheit besäßen, wenn doch schon einmal sein „Bestimmungsfähiges" der Ort sein soll, sei es, daß es sich bei diesem Bestimmungsfähigen näherhin | is 210a um das Gegensatzpaar Groß—Klein, sei es, daß es sich um das Material handle, wie es im Timaios heißt. — Und dann auch: Wie soll es zur natürlichen Bewegung eines Körpers auf seinen angestammten Ort hin kommen können, wenn der Ort sein Material oder seine Gestalt sein soll? Unmöglich kann doch das den Begriff des Ortes erfüllen, 20 was mit Bewegung und dem Richtungsgegensatz Oben—Unten übers haupt nichts zu tun hat. Zweifellos muß also der Ort bei solchem gesucht werden (wo zu den Begriffen von Bewegung und Oben—Unten ein affirmatives Verhältnis besteht). Nimmt man aber an, der Ort (eines Gegenstandes) liege in diesem Gegenstand selbst — und dies muß 25 man, wenn das Material oder auch die Form der Ort sein soll —, so ergibt sich (die leidige Folgerung), daß dieser Ort selbst in einem Ort wäre. Denn mit dem Gegenstand selbst wandeln und bewegen sich notwendig auch die Gestalt und das Material des Gegenstandes, sie bleiben nicht ständig an derselben Stelle, sie gehen mit dem 30 Gegenstand mit. Die Folge ist, daß man dann für den Ort nochmals einen Ort ansetzen müßte. — Und abschließend noch: Wenn 10 dann Luft zu Wasser wird, müßte der Ort der Luft zugrunde gehen; denn der sich bildende Körper nimmt doch nicht denselben Ort ein, wie der vorige Körper. Was soll aber ein Zugrundegehen eines Ortes .?s sein? Damit ist erörtert, warum der Ort notwendigerweise Realität besitzt, und wiederum auch, warum die Bestimmung seines Wesensbegriffs so schwierig ist.
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3. Wir müssen nunmehr die Bedeutungen zusammenstellen, welche der Ausdruck: „ein A ist in oder an einem B " haben kann: a) der is Finger ist an der Hand, allgemein: Der Teil ist im oder am Ganzen; b) das Ganze ist in seinen Teilen; denn das Ganze erschöpft sich in 5 seinen Teilen; c) der Begriff des Menschen liegt im Begriff des Lebewesens, allgemein: der Artbegriff liegt im Gattungsbegriff; d) der Gattungsbegriff steckt (als Definitionsstück) im Artbegriff, allgemein: das den Artbegriff bestimmende Definitionsstück liegt im Wesensbegriffe; 2» e) die Gesundheit befindet sich am Warmen und Kalten, allgemein: 10 die Gestalt befindet sich am Material; f) das Schicksal der Griechen hängt am König, allgemein: ein Prozeß am Prozeßquell; g) ein Prozeß gründet im leitenden Wert, allgemein: in seinem Ziel, d. h. in seinem Zweck; h) und die wichtigste Bedeutung schließlich: etwas ist in einem Gefäß, allgemein: an einem Orte, is Man kann die Frage stellen: Kann etwas in s i c h s e l b s t sein oder 2s aber muß jegliches entweder nirgends oder aber in einem von ihm Unterschiedenen sein? Der Ausdruck „in sich selbst" ist noch doppeldeutig: er kann besagen: „in sich als solchem selbst". Er kann auch bloß besagen wollen: „vermittelterweise in sich selbst". Wenn nämlich 20 der Ort (des Inhalts) und der Inhalt selbst Teile eines und desselben Ganzen sind, so läßt sich sagen, das Ganze sei in ihm selbst; denn vom Ganzen läßt sich auch in der Form reden, daß man von seinen Teilen spricht: so kann ich jemand als weiß bezeichnen, weil seine 30 Oberfläche es ist; als wissenschaftlich gebildet, weil sein Denkvermögen 2s es ist. Der Krug also ist nicht in ihm selbst, auch der Wein ist es nicht. Aber der Krug mit dem Wein (als ein Ganzes) kann es sehr wohl sein; denn Inhalt und Gefäß sind beides die Teile des einen Ganzen. In diesem (abgeleiteten) Sinn also kann es ein Insichselbstsein geben, nicht aber in einem ursprünglichen Sinn. So ist freilich die Bestimmt30 heit weiß am Leib — denn die Oberfläche [ ist am Leib —, die wissen- 210b schaftliche Bildung in der Seele (denn das Denkvermögen ist in der Seele). — Die getroffenen Bestimmungen beziehen sich auf die letzteren Glieder (Leib, Seele), als Teile am Ganzen, das da der Mensch ist. — Für sich genommen sind Krug und Wein keine Teile, sondern erst in 35 Verbindung miteinander zu einem Ganzen. Darum ist dieses Ganze in sich selbst nur, wenn jene beiden wirklich als Teile fungieren. — So ist z. B. die Bestimmtheit weiß am Menschen, weil sie an seinem Leib s ist, und an seinem Leib, weil sie an dessen Oberfläche ist. Aber an dieser ist sie schließlich in unmittelbarer Weise. Übrigens sind die
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beiden Glieder, die Oberfläche und die Bestimmtheit 'weiß', v o n verschiedener Art, verschiedenem Wesen und verschiedenem Seinsrang gegeneinander .— Einerseits bietet uns also die methodische Erfahrung kein Beispiel für ein Insichselbstsein in irgendeiner der möglichen Bedeutungen, andrerseits schließt die begriffliche Überlegung ein Insich- s i« selbstsein sogar als Unmöglichkeit aus; denn es müßte jedes der beiden Glieder beides zusammen sein, der K r u g beispielsweise gleichzeitig das Gefäß und der Wein, der Wein gleichzeitig der Wein und der K r u g , wenn es möglich sein sollte, daß etwas in sich selbst wäre; mögen also die beiden Glieder noch so sehr ineinander sein, der K r u g enthält den 10 Wein gleichwohl nur, insofern er selbst nicht der Wein, sondern eben 15 der K r u g ist, und der Wein ist im K r u g nur, insofern er selbst nicht der Krug, sondern eben der Wein ist. Zweifellos also sind die beiden Glieder ihrem Wesen nach voneinander unterschieden; denn der Begriff des Ortes (an dem sich der Inhalt befindet) ist ein anderer als is der Begriff des Inhalts (der an diesem Ort sich befindet). J a , nicht einmal einer bloß zusätzlichen Bestimmtheit nach, die ihm zukommen mag, kann ein Ding in ihm selbst sein; denn dann würden zwei Dinge to gleichzeitig in einem und demselben Dinge sein. E s würde j a erstlich der K r u g selbst in ihm, dem K r u g , sein müssen, wenn schon (dieser 20 Widersinn) für möglich gehalten wird, daß ein Gefäß in ihm selbst sein könne, sodann aber (müßte im Krug) auch der Inhalt, beispielsweise also der Wein, sein. Die Unmöglichkeit eines Insichselbstseins im ursprünglichen Sinn ist also offenkundig. W a s aber jene Schwierigkeit angeht, auf die Zenon 2s hingewiesen hat, daß nämlich der Ort, wenn er Realität besitzt, in etwas sein müsse, so ist sie leicht zu beheben. Mag der unmittelbare Ort eines Dinges in einem Anderen sich befinden, so muß er doch 25 keineswegs in diesem letzteren sich so befinden, als sei dieses wiederum sein Ort, er kann sich vielmehr darin auch so befinden, wie etwa Ge- 3« sundheit im Warmen wohnt — als dessen Dauereigenschaft, Wärme ihrerseits in einem Körper — als dessen Zustand. Keineswegs also ist hier ein unendlicher Fortgang unvermeidlich. — Eines aber ist sicher: Da das Gefäß nicht ein Stück seines Inhalts bildet — denn, ursprünglich genommen, sind Inhalt und Ort des Inhalts gegeneinander wohl- 35 unterschieden —, ist der Ort eines Gegenstandes weder das Material 30 noch die Gestalt dieses Gegenstands, sondern v o n beiden wohlunterschieden. Beide, Material wie Gestalt, gehören j a (als Momente) vielmehr zum Inhalt (des Ortes).
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In diesen Punkten sollen die Probleme damit gelöst sein. 4. Das (positive) Wesen des Ortes dürfte auf folgendem Wege bestimmbar werden. Geben wir von dem aus, was ihm als solchem wahrhaft an Bestimmungen zugedacht wird! Wir treffen also folgende funs damentale Feststellungen: der Ort ist einmal | das, was den an ihm 211« befindlichen Gegenstand enthält; er ist kein Moment an dem Gegenstand selbst; der unmittelbare (Ort eines Gegenstandes) sodann ist nicht kleiner und nicht größer (als dieser letztere selbst); der einzelne Gegenstand kann den Ort verlassen und der Ort ist ihm gegen10 über etwas Selbständiges; weiterhin: jeder Ort ist durch den Richtungsgegensatz Oben—Unten gekennzeichnet; jeder Körper bewegt sich von Natur zu seinem angestammten Ort und bleibt an diesem, je nachdem b entweder oben oder aber unten. — Alles Weitere ist auf der Basis dieser fundamentalen Tatsachen zu klären. Die Untersuchung ist unter dem is Gesichtspunkt zu führen, wie eine solche Bestimmung des Wesensbegriffs (des Ortes) erzielbar werde, daß erstens die erwähnten Schwierigkeiten ausgeschieden werden können, daß weiterhin dem Ort das wahrhaft zuerkannt werden kann, was ihm an Charakteren zugesprochen wird, und daß schließlich der Grund aller dieser Schwierig20 keiten und der Dunkelheiten, die ein Begreifen des Wesens des Ortes 1« hemmen, sich aufklären kann. In dieser Weise geschieht j a wohl allen Gegenständen gegenüber die Klärung am erfolgreichsten. Zunächst ist nun zu bedenken, daß die Frage nach dem Wesensbegriff des Ortes überhaupt nur deswegen gestellt wird, weil es die 2s Ortsveränderung gibt. Auch der Glaube, daß selbst der Himmel an einem Ort sich befinde, beruht j a hauptsächlich auf der Tatsache, daß er unablässig in Bewegung begriffen ist. Die Ortsveränderung nun ist teils Translation, teils Größenzunahme und Größenabnahme. Auch in is diesen letzteren liegt j a Veränderung des Ortes vor; was zuerst an 30 diesem Ort war, ist anschließend in einem kleineren bzw. größeren Ort. Es gibt zwei Grundweisen der Ortsveränderung: in der einen befindet sich das Bewegte als solches selbst in aktualer Bewegung, in der zweiten nur in vermittelter Weise. Und dies letztere (wiederum in zwei unterschiedenen Ausprägungen): entweder besitzt das, was sich gerade bloß 35 in vermittelter Weise bewegt, die grundsätzliche Fähigkeit, auch als solches selbst (d. h. seiner wesentlichen Bestimmtheit nach) in Bewegung zu sein — so etwa die Glieder des Leibes und der Nagel im 2» Schiff —, oder aber es besitzt solche Fähigkeit nicht, kann also immer nur in vermittelter Weise in Bewegung sein — wie beispielshalber die
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Bestimmtheiten 'weiß' und 'gelehrt'. Seiendes letzterer Art kennt ja eine Ortsveränderung immer nur in der Form, daß dasjenige in Bewegung ist, dem es als Bestimmtheit anhaftet. — Nun sagen wir doch, wir seien in der Welt als an einem Orte, weil wir in der Luft sind, 25 diese aber in der Welt ist. Dabei sind wir aber in der Luft nicht in dem s Sinne, als wären wir in der gesamten Luft, sondern nur im Hinblick auf deren u n m i t t e l b a r an uns angrenzenden und uns enthaltenden Teil sprechen wir davon, daß wir in der Luft seien — wäre nämlich die Gesamtluft der Ort, so wäre ja der Ort des Gegenstandes nicht genau gleich groß dem Gegenstand (der sich an ihm befindet); es soll "> aber doch nach unseren Feststellungen die Ausdehnungsgröße beider völlig gleich sein, und diese Bedingung erfüllt nur der den Gegenstand ganz unmittelbar enthaltende Ort —. Wo immer daher das Enthaltende (gegen das in ihm Enthaltene) sich nicht absetzt, sondern mit diesem 30 ein Kontinuum bildet, da kann man nicht sagen, das in ihm Ent- is haltene sei in ihm als an seinem Orte, sondern (wird sagen müssen) es sei in ihm als ein Teil in seinem Ganzen. Setzen sich jedoch die beiden Glieder gegeneinander ab und besteht zwischen ihnen bloß Kontiguität, so befindet sich der Gegenstand an der unmittelbaren Angrenzungsoberfläche des ihn Enthaltenden, die weder ein Teil dessen 2» ist, was in ihr enthalten ist, noch auch eine größere Ausdehnung besitzt als das in ihr Enthaltene, sondern die gleiche Größe wie das in ihr Enthaltene ; denn stets fallen die Grenzen zwischen zwei sich berührenden Gebilden zusammen. Und wo immer etwas mit dem, worin es sich 35 befindet, ein Kontinuum bildet, da bewegt es sich nicht in dem, worin 25 es sich befindet, sondern nur zusammen m i t ihm; in ihm bewegt es sich nur, wenn es sich (gegen das, worin es ist) absetzt; und dann kommt es nicht darauf an, ob das den Gegenstand Enthaltende selbst 211b auch in Bewegung begriffen ist oder nicht. | [Weiterhin: Setzen sich die Glieder nicht gegeneinander ab, so muß man sagen, (daß das Ent- 30 haltene in dem es Enthaltenden ist) wie ein Teil in seinem Ganzen, d. h. wie etwa das Sehorgan im Augapfel oder die Hand am Leib. Setzen sich die Glieder hingegen gegeneinander ab, dann (ist das eine Glied im anderen, als in seinem Orte) wie etwa das Wasser im Faß oder der Wein im Krug. Denn die Hand verändert ihren Ort zusammen 35 m i t dem (sich fortbewegenden) Leib, das Wasser aber (verändert seinen Ort) im Faß.] 5
Aus dem Bisherigen nun geht das Wesen des Ortes bereits hervor: denn eines von den folgenden vier wohl muß der Ort mit Notwendig-
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keit sein: entweder Gestalt oder aber Material oder aber eine Art H o h l r a u m , der sich innerhalb der Angrenzungsflächen erstreckt, oder aber diese Angrenzungsflächen selbst, u n d zwar in dem Fall, d a ß es unabhängig von der Ausdehnungsgröße des den Ort besetzenden Kör5 pers keinerlei solchen H o h l r a u m gibt. Von den ersten drei Denkbar- 10 keiten k a n n n u n aber zweifellos keine wirklich s t a t t h a b e n , a) Zwar scheint die G e s t a l t den Ort darzustellen, weil sie (ebenso wie der Ort) den Gegenstand begrenzt. I n der T a t j a fallen die Grenzen des umschlossenen Gegenstandes und des ihn Umschließenden zusammen. io Tatsächlich auch sind beide (die Gestalt u n d der Ort) Begrenzungen; aber (sie sind keineswegs die Grenzen des einen u n d desselben, sondern) die Gestalt ist die (äußere) Begrenzung des Gegenstandes, der Ort aber die (innere, mit der Grenzoberfläche des Gegenstandes lediglich zusammenfallende, aber von dieser zu unterscheidende) Begrenzung des 15 den Gegenstand umschließenden Körpers. — b) Da n u n das Umschlossene u n d (gleichzeitig) sich gegen das Umschließende Absetzende is nicht selten den Ort wechselt, während das Umschließende an seinem Orte bleibt — so etwa, wenn das Wasser aus d e m Gefäß a b l ä u f t —, scheint das zwischen den Angrenzungsflächen Liegende eine Art 20 H o h l r a u m zu sein, der etwas von dem seinen Ort wechselnden Körper Unabhängiges darstellen würde. Aber das ist keineswegs der Fall, sondern es setzt sich einfach an die Stelle (des weggegangenen Gegenstandes) irgendein anderer der in den ö r t e r t a u s c h miteinbezogenen Körper, denen es gegeben ist, den freiwerdenden Platz auszufüllen, äs Gäbe es einen solchen selbständigen u n d sich u n v e r ä n d e r t erhaltenden 20 H o h l r a u m , so gäbe es eine Unendlichkeit von ö r t e r n an diesem einen Orte — denn wenn d a n n etwa Wasser u n d L u f t ihre ö r t e r wechseln, m ü ß t e n innerhalb des Ganzen alle einzelnen Teile genau dasselbe auch t u n , was das Gesamtwasser im Gefäß t u t — u n d überdies m ü ß t e dann 30 der Ort den Ortswechsel m i t m a c h e n : es gäbe d a n n f ü r den Ort die Möglichkeit, an einen anderen Ort zu k o m m e n , u n d eine Menge ö r t e r wäre an einer u n d derselben Stelle. Aber in dem Fall, d a ß das ganze 2s Gefäß seinen Ort ä n d e r t , ist es gar nicht wahr, d a ß der Ort des Teils, an welchem dieser Teil (sich befindet u n d an d e m er) die Bewegung 35 m i t m a c h t , ein anderer würde, er bleibt vielmehr derselbe. Der ö r t e r austausch zwischen der L u f t und dem Wässer oder auch zwischen den Teilen des Wassers vollzieht sich ja an dem Ort, an dem sie nach wie vor sind, und nicht e t w a an dem Orte, an den sie (d. h. jedes von ihnen bei seinem ö r t e r austausch) gelangen u n d der d a n n ein Teil jenes
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O r t e s w ä r e , welcher d e n W e l t a l l o r t d a r s t e l l t e . — c) D a s M a t e r i a l 30 schließlich k ö n n t e der O r t zu sein s c h e i n e n , falls m a n d e n O r t n u i a m r u h e n d e n G e g e n s t a n d b e t r a c h t e t , u n d z w a r a n e i n e m solchen, d e r sich v o n d e m i h n U m s c h l i e ß e n d e n n i c h t a b h e b t , s o n d e r n m i t i h m einen kontinuierlichen Z u s a m m e n h a n g b i l d e t . D e n n wie es bei einer quali- s t a t i v e n V e r ä n d e r u n g e t w a s gibt, d a s e r s t schwarz u n d d a n n weiß u n d erst weich u n d d a n n h a r t ist — u n d deswegen sprechen wir j a d e m Material R e a l i t ä t zu —, so f ü h r t u n s eine ähnliche Vorstellung a u c h 35 auf d e n G e d a n k e n der R e a l i t ä t des Ortes, n u r m i t d e m U n t e r s c h i e d , d a ß wir d e m Material R e a l i t ä t z u s p r e c h e n auf G r u n d der T a t s a c h e , d a ß d a s , i» w a s erst L u f t w a r , n u n m e h r W a s s e r ist, d e m O r t a b e r auf G r u n d der T a t s a c h e , d a ß d o r t , w o erst L u f t war, n u n m e h r W a s s e r ist. A b e r das 212a Material ist, | wie b e r e i t s oben a u s g e f ü h r t , n u r ein u n s e l b s t ä n d i g e s M o m e n t a m G e g e n s t a n d u n d es e n t h ä l t diesen n i c h t , w ä h r e n d d e r O r t selbständige R e a l i t ä t besitzt u n d d e n G e g e n s t a n d in sich e n t h ä l t . is W e n n also der O r t keines v o n d e n dreien ist, w e d e r G e s t a l t n o c h Material n o c h a u c h eine A r t H o h l r a u m , welcher u n a b h ä n g i g v o n d e m V o l u m e n des seinen O r t wechselnden G e g e n s t a n d s u n d in bleibender s Weise B e s t a n d besäße, so k a n n der O r t n o t g e d r u n g e n n u r das sein, w a s als viertes d e n k b a r geschienen h a t : die Grenzfläche des d e n Gegen- 20 s t a n d in sich e n t h a l t e n d e n K ö r p e r s (die dieser m i t d e m e n t h a l t e n e n G e g e n s t a n d gemeinsam h a t ) . U n t e r d e m e n t h a l t e n e n G e g e n s t a n d verstehe ich aber den einer T r a n s l a t i o n f ä h i g e n G e g e n s t a n d . Die Wesensb e s t i m m u n g des Ortes erscheint deswegen als ein so großes u n d schwieriges P r o b l e m , weil Material u n d G e s t a l t störend mitspielen u n d weil as 10 der Ortswechsel des b e w e g t e n G e g e n s t a n d e s sich i n n e r h a l b eines U m schließenden vollzieht, d a s seinerseits in R u h e v e r h a r r t . D e n n aus diesem G r u n d m ö c h t e m a n es f ü r möglich h a l t e n , d a ß n o c h ein I n n e n r a u m i m Spiele sei, der d e n in B e w e g u n g begriffenen G r ö ß e n g e b i l d e n g e g e n ü b e r e t w a s E i g e n e s darstelle. U n d a u c h die T a t s a c h e w i r k t 3» (störend) m i t , d a ß m a n die L u f t f ü r e t w a s U n k ö r p e r l i c h e s h a l t e n m ö c h t e . D e n n es d r ä n g t sich d a m i t die V o r s t e l l u n g a u f , der O r t sei nicht einfach n u r die (innere) Grenzfläche des Gefäßes, zu i h m gehöre a u c h n o c h der I n n e n r a u m (des Gefäßes), d e n m a n sich (vergeßlicher15 weise) als leer d e n k t . — A b e r , wie das G e f ä ß ein t r a n s p o r t a b l e r O r t 35. ist, so ist der O r t ein G e f ä ß o h n e B e w e g u n g . W e n n d a h e r das E n t h a l t e n e sich in einem selbst in B e w e g u n g Befindlichen b e w e g t u n d seinen O r t v e r ä n d e r t , e t w a ein Schiff i m F l u ß , d a n n h a t der es u m g e b e n d e K ö r p e r nicht so sehr die F u n k t i o n eines Ortes als die eines
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Gefäßes. Der Ort aber soll aller Bewegung entzogen sein. Darum ist eigentlich nur der Fluß als Gesamtgebilde ein Ort, denn als Gesamtgebilde ist er ohne Bewegung. Somit (ergibt sich jetzt als Volldefinition des Ortes): Der Ort ist die unmittelbare (d. h. nächstgelegene) nicht 20 s in Bewegung begriffene Angrenzungsiläche des (den Gegenstand) umschließenden Körpers. Und darum gilt ja auch der Mittelpunkt der Welt (d. h. die Erde) als das definitive Unten und die uns zugewendete Grenzfläche des rotierenden Himmelssystems als das definitive Oben, und zwar deswegen, weil der Weltmittelpunkt stets an seiner Stelle bleibt, die Grenzfläche des Himmelssystems sich gleich bleibt. Und weil das Leichte sich in natürlicher Bewegung nach oben, das Schwere sich in is natürlicher Bewegung nach unten bewegt, ist die einen Gegenstand auf der Seite des Weltzentrums einschließende Grenze und das Welt15 Zentrum selbst jeweils das Unten, die ihn auf der Seite der Weltgrenze einschließende Grenze und die Weltgrenze selbst hingegen jeweils das Oben. Und ebenfalls darum ist der Ort eine Art Fläche und so etwas wie ein Gefäß und ein Umschließendes. Und schließlich noch: immer ist der Ort dort, wo der Gegenstand ist; denn immer sind die Grenzen io 30 dort, wo das (durch sie) Begrenzte ist. 5. Ein Körper, der außer sich einen ihn enthaltenden Körper hat, ist an einem Orte; und nur ein solcher ist an einem Orte. H a t aber etwas, auch wenn es Wasser wäre, nichts mehr außer sich, so mögen sich zwar seine Teile in Bewegung befinden — denn die umfassen sich 25 j a wechselseitig —; das All selbst aber ist nur in einem sehr eingeschränkten Sinn in Bewegung befindlich denkbar. Als Ganzes selbst as nämlich ändert es seinen Ort nicht, bewegt sich aber gleichzeitig in Rotationsform; | (in solcher Rotation kann es sich befinden,) denn 212b es selbst ist der Ort seiner Teile (welche ihren Ort verändern, wenn 30 das All rotiert); es gibt da keine Bewegung nach oben oder unten, aber Kreisbahnen bestimmter Glieder (des Systems); Bewegung nach oben und unten finden wir hingegen an Gliedern, wo Verdichtung und Verdünnung am Werke sind. — Wie schon einmal erwähnt, haben wir Ortsbestimmtheit in bloßer Möglichkeit und solche in Wirklichkeit zu 3s unterscheiden. Wenn demnach ein homogenes Gebilde ein Kontinuum s bildet, dann sind seine Teile nur im Modus der Möglichkeit an einem Orte; wo immer hingegen die Teile auseinanderliegen, mögen sie sich auch berühren, wie etwa in einem (Sand-) Haufen, da sind sie im Modus der Wirklichkeit an einem Orte. — Und wiederum sind zu
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unterscheiden a) Ortsbestimmtheit des Gegenstandes a l s s o l c h e n s e l b s t — so ist etwa jeder Körper, der einer Bewegung oder einer Veränderung seiner Größe fähig ist, als solcher selbst ortsbestimmt; das Weltall hingegen als Ganzes ist, wie eben erst gesagt, weder irgend10 wo noch an einem Orte, so gewiß es in keinem Körper enthalten ist; s seine Teile jedoch besitzen, sofern sie ja in Bewegung sind, sehr wohl einen Ort; denn diese Teile schließen sich wechselseitig an und zusammen — und b) Ortsbestimmtheit des Gegenstandes in bloß v e r m i t t e l t e r Weise, wie dies bei der Seele und eben auch beim Himmel der Fall ist; hier sind die T e i l e ja alle in gewissem Sinn an einem 10 Orte, denn auf der Kugelschale steht neben jedem Teil ein weiterer, der ihn umfaßt; darum gibt es ja auch Kreislauf bei diesem oberen Reiche, aber das All ist nicht an einem Orte. Denn (dazu gehören 15 immer zwei:) eines ist der Ort selbst und neben diesem Ort muß es ein Anderes geben, das er in sich enthält. Aber neben dem Weltall is ist außerhalb seiner nichts mehr da und darum eben ist ja alles in der Welt. Denn die Welt ist ja wohl das All. Nicht freilich ist die Welt als solche der Ort (für die Körper in der Welt), sondern eine äußerste Begrenzungsiläche der Welt, die sich um den bewegten (Welt-) Körper 20 [als eine in Ruhe verharrende Grenze] herumlegt. Und so ist denn die 20 Erde im Wasser, das Wasster in der Luft, die Luft im Äther, der Äther in der Welt, die Welt aber ist nicht mehr in einem Weiteren. Ist der Begriff des Ortes einmal so definiert, so lassen sich zweifellos alle (mit ihm verbundenen) Dunkelheiten aufhellen. Der Ort muß nicht mit (dem seine Größe verändernden Gegenstand) seine Größe 2s. verändern, es muß für den Punkt keinen Ort geben, es müssen nicht 25 zwei Körper am selben Orte sein, es muß keinen körperlichen Hohlraum geben — denn jener Innenraum des Ortes ist einfach der Körper, der sich eben gerade dort befindet, nicht aber ein Zwischenraum (im Inneren) des (umschließenden) Körpers —. Auch ist der Ort tatsächlich 30 irgendwo, aber nicht als an einem Ort (seiner selbst), sondern als die Grenze, die sich am begrenzten Gegenstand befindet. Keineswegs ist ja jedwedes Seiende an einem Orte, sondern nur der der Bewegung 30 zugängliche Körper. Erklärlicherweise auch geschieht es jetzt, daß jedweder Körper sich zu seinem angestammten Ort bewegt — denn 3s läßt man Gewaltkräfte außer dem Spiel, so gehört das, was aufeinander folgt und aneinander anschließt, immer auch innerlich (dank jeweils einer gemeinsamen Eigenschaft) zueinander; und wo Elemente sich zu einer naturgewachsenen Einheit verbunden haben, gibt es keinerlei
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Einwirkung aufeinander bei i h n e n ; wo sie hingegen n u r einander berühren, da stehen sie miteinander im Verhältnis wechselseitigen Einwirkens u n d Rückwirkens —; u n d es bleibt j e t z t auch keineswegs unverständlich, d a ß jeder K ö r p e r (von sich aus) an seinem N a t u r o r t e i r u h e n bleibt. Denn auch der Teil eines E l e m e n t a r k ö r p e r s (hat stets diese Tendenz); der an seinem Ort befindliche K ö r p e r verhält sich (zu seinem Elementganzen) wie ein loser Teil z u m G a n z e n ; (er h a t die 35 nämliche Tendenz) wie, wenn m a n z. B. eine Teilmenge von Wasser oder L u f t von ihrem Ort wegbewegt h a t (diese an ihren Ort zurück10 strebt). | U n d dieses Verhältnis liegt n u n ebenfalls (etwa) zwischen 213, L u f t u n d Wasser v o r ; sie verhalten sich j a wie Material u n d Gestalt; das Wasser ist das Material f ü r die L u f t , die L u f t aber ist so etwas wifc der Verwirklichungsmodus des Wassers; denn das Wasser ist von Hause aus mögliche L u f t , während freilich die L u f t nicht gerade im IS nämlichen Sinn mögliches Wasser ist. Über diesen P u n k t ist später 5 zu handeln. N u r verlangte eben der Zusammenhang eine E r w ä h n u n g dieses P u n k t e s ; bleibt er hier ungeklärt, so wird er später klarer werden. Ist also eines u n d dasselbe einerseits bloßes Material, andrerseits selbst auch ein Gebilde im Modus der Wirklichkeit — denn das Wasser ist j a 20 beides, mögliche L u f t u n d wirkliches Wasser —, so v e r h ä l t es sich in gewisser Weise wie ein Teil zum Ganzen. Und eben d a r u m schließen auch Wasser u n d L u f t aneinander an. Zu einer V e r b i n d u n g hingegen k o m m t es zwischen ihnen, wenn sie beide im Modus der Wirklichkeit 10 eins werden. 2s
D a m i t ist die E r ö r t e r u n g über den Ort, seine Existenz u n d sein Wesen, abgeschlossen. 6. Wir haben anzunehmen, daß genauso wie eine E r ö r t e r u n g über den Ort auch eine E r ö r t e r u n g über das L e e r e zur Aufgabe des P h y sikers zähle, ob es ein Leeres gebe, wie es sei u n d was es sei. D e n n 30 je nach den G r u n d a n n a h m e n , die getroffen werden, findet der Begriff des Leeren ganz ähnlich wie der des Ortes bei den einen Anerkennung, is bei den anderen Ablehnung. Die ihn vertreten, fassen das Leere als eine Art Ort und G e f ä ß ; und dies wäre d a n n voll, wenn es das Körperq u a n t u m , das es a u f n e h m e n k a n n , enthält, u n d d a n n leer, wenn das 3s K ö r p e r q u a n t u m daraus entfernt ist. Es wären d e m n a c h das Leere, das Volle und der Ort dieselbe Sache, aber u n t e r verschiedenen Seinsweisen. — Anfangen m u ß die Untersuchung mit der Feststellung der 2o Auffassungen, welche einerseits die Vertreter des Leeren, andererseits seine Leugner, schließlich das Alltagsbewußtsein von diesen Dingen
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haben. Diejenigen Denker nun, welche die Irrealität des Leeren beweisen wollen, richten ihre Widerlegungen nicht gegen das, was man gemeinhin unter dem Leeren versteht, sondern gegen etwas, was sie selbst irrigerweise unter diesem Terminus denken: so jedenfalls A n a x a goras und alle, die nach seinem Schema argumentieren. Was sie dabei s beweisen, ist nämlich lediglich die Realität der L u f t , wenn sie ihre Schläuche (aufblasen und) martern, u m die Widerstandskraft der L u f t vorzuführen, oder auch wenn sie die L u f t in den Wasseruhren festhalten. Gemeinhin versteht man jedoch unter dem Leeren ein Raumstück, in dem sich kein wahrnehmbarer Körper befindet. Und da man i« gleichzeitig alles Seiende für derartig körperlich hält, denkt man also unter dem Leeren ein Raumstück, in dem überhaupt nichts ist, und hält sodann das für leer, was in Wahrheit voller L u f t ist. Die wirkliche Aufgabe besteht hier also darin, nicht die Realität der L u f t , sondern die Irrealität eines Raumstückes zu erweisen, das eine un- is körperliche Natur hätte und das selbständig und im Modus der Wirklichkeit existieren könnte und das die gesamte Körperwelt durchsetzte, so daß diese in lauter diskrete Stücke auseinanderfiele, wie Demokritos, Leukippos und [ viele andere Naturforscher es annehmen möchten, — oder auch (zu klären), ob es denn eine solche Leere außer- 20 halb des Weltkörpers, der als solcher ein einziges Kontinuum bilden würde, geben könne. Diese Leugner eines Leeren gehen also an das Problem heran wie einer, der das Pferd v o m Schwanz aus a u f z ä u m t ; da argumentieren eher noch die Vertreter eines Leeren in stichhaltiger Weise. Diese 2s betonen zunächst einmal, daß (ohne ein Leeres) Ortsveränderung, — d. h. Translation und Größenzunahme — nicht möglich wäre. Die Möglichkeit einer Bewegung sei j a ohne die Existenz eines Leeren nicht vorstellbar. Denn ein volles Raumstück könne unmöglich noch für ein Weiteres Platz bieten. Könnten aber zwei Dinge am nämlichen 1« Orte sein, dann könnten es ebensogut beliebig viele; denn mit welchem Recht wolle man da noch eine Grenze ziehen? Und sei dies möglich, dann müsse auch noch das kleinste Raumstück dem größten Ding Platz bieten können; denn schließlich sei j a ein großes Ding nichts anderes als eine Menge kleiner Dinge. Und daraus (ergebe sich weiter- .is hin die Folgerung), wenn viele gleichgroße Körper am nämlichen Ort Platz finden könnten, dann ebensogut auch viele von unterschiedlicher Größe. Und so beweist denn Melissos auch daß alledem zufolge das Seinsganze ohne jede Bewegung sein müsse; denn sollte es die
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Möglichkeit irgendeiner Bewegung geben können, so m ü ß t e es (nach ihm) notwendig ein Leeres geben, das Leere aber gehöre nicht zu dem, was ist. — Auf der einen Seite beweisen also (die Vertreter eines Leeren) is m i t solchen A r g u m e n t e n die Realität eines Leeren, auf der anderen 5 Seite verweisen sie auf das P h ä n o m e n , d a ß es Dinge gibt, die Volumen verlieren u n d komprimiert werden k ö n n e n ; so sagen sie etwa, die Fässer k ö n n t e n (nach Umfüllung) neben dem Wein (den sie enthalten h a t t e n ) a u c h den Schläuchen (in die er d a n n abgefüllt worden war) noch zusätzlich Platz bieten, weil nämlich der Körper (der umgefüllte io Wein) Volumen verlieren könne dadurch, d a ß er die in ihm liegenden Leerstellen auffülle. — Weiterhin erklären sie auch das W a c h s t u m (aller Organismen) mittels der A n n a h m e eines Leeren. Denn die N a h r u n g sei j a ein K ö r p e r , zwei Körper aber k ö n n t e n nicht am nämlichen Orte 2« sein. Als einen Beleg aber f ü r ihre These b e t r a c h t e n sie auch jene 15 (merkwürdige) Tatsache bei der Asche, d a ß nämlich (ein mit) Asche (gefülltes Gefäß) ebensoviel Wasser a u f n e h m e n könne wie das leere Gefäß. — Auch die Pythagoreer v e r t r a t e n die Existenz eines Leeren: es dringe aus dem unendlichen Odem in die Welt ein, die auch dieses Leere mit e i n a t m e ; u n d dieses Leere t r e n n e die Wesenheiten (der 2s 20 Dinge) voneinander, denn das Leere fungiere als ein Prinzip der Trennung zwischen d e m miteinander B e n a c h b a r t e n u n d als ein Prinzip des bestimmenden Unterschieds. U n d fundamentalerweise fungiere es so f ü r die Zahlen; denn was die Wesenheiten der Zahlen auseinanderhalte u n d gegeneinander unterscheide, sei nichts anderes als das Leere. 25 Dies also sind im großen u n d ganzen die Gründe, welche die einen zur A n n a h m e , die anderen zur Ablehnung eines Leeren veranlassen. 7. Soll die Alternative entscheidbar werden, so ist zunächst die Be- 30 d e u t u n g des Terminus selbst zu klären. Da gilt nun das Leere als ein Ort, an d e m nichts ist. U n d dies deshalb, weil m a n das Seiende mit 30 dem Körperlichen gleichsetzt, weil jeder Körper aber an einem Orte ist und weil schließlich eine Stelle als leer gilt, an der kein Körper sich befindet, woraus freilich folgt, daß dort, wo kein K ö r p e r ist, nichts ist. Und n u n ist m a n hinwiederum auch der (weiteren) Meinung, jeder Körper müsse | mit H ä n d e n zu greifen sein, d. h. er müsse entweder 214« .15 schwer oder aber leicht sein. So daß sich aus obigem Schluß n u n m e h r (folgende weitere F o r m der Definition) ergibt: leer sei dasjenige, worin sich weder etwas Schweres noch etwas Leichtes befinde. GewTß; wie soeben schon gesagc, das folgt aus jenem Schluß. Aber all das erweist sich als Widersinn, wenn damit der P u n k t zu einem Leeren wird: denn 5
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dieser m ü ß t e n u n m e h r ein Ort sein, (und zwar ein Ort,) an d e m die greifbare Körperwelt einen Leerraum aufweist. — Aber n u n h a t der Terminus 'das Leere' anscheinend (zwei verschiedene Bedeutungen). E i n m a l also k a n n als Leeres das gelten, was keinen handgreiflich w a h r n e h m b a r e n Körper in sich enthalte, wobei handgreiflich wahr- s n e h m b a r das heißen soll, was schwer oder aber leicht ist — wobei die A n t w o r t auf die F r a g e schwierig wird, ob m a n eine Raumstelle, die io (zwar keinen Körper, aber immerhin) eine F a r b e oder einen T o n in sich enthält, leer oder erfüllt nennen müsse; oder aber (man m a c h t die Sachlage) d a d u r c h klar, d a ß (man n u n m e h r so definiert): die R a u m - 10 stelle ist leer, wenn sie einen greifbaren K ö r p e r a u f n e h m e n k a n n , sie ist es nicht, wenn sie das nicht (oder nicht mehr) k a n n —. S o d a n n aber (kann als Leeres auch das bezeichnet werden), worin sich kein bestimmter Gegenstand, keine körperliche Wesenheit befindet. Diesem zweiten Begriff gemäß wird von einigen Denkern eine Gleichsetzung 15 des Leeren mit d e m Material des Körpers vollzogen — u n d zwar von denjenigen, die auch den Ort (mit dem Material) gleichsetzen —; aber 15 das h a t wenig Berechtigung. Denn das Material ist ein unselbständiges Moment am Gegenstand; u n t e r dem Leeren aber, dessen Wesensbestimmung sie suchen, verstehen sie etwas (gegenüber den Gegen- 20 ständen) Selbständiges. Da der Begriff des Ortes inzwischen geklärt ist und da das Leere, wenn es ü b e r h a u p t existiert, ein Ort sein m u ß , an dem sich kein Körper befindet, u n d da wir wissen, in welcher F o r m es einen Ort gibt u n d in welcher nicht, k a n n kein Zweifel m e h r bestehen, d a ß es in d e m Sinne 2s jedenfalls, wie es da vertreten wird, ein Leeres n i c h t gibt, weder als ein f ü r sich Existierendes noch auch als ein unselbständiges A u f b a u moment der Körperwelt, zo Denn seinem Begriffe nach ist das Leere j a nicht ein Körper, sondern eine Lücke in der Körperweit. U n d dies ist auch der Grund dafür, 30 w a r u m m a n dem Leeren Realität zudenken will, weil m a n sie j a auch dem Ort z u d e n k t , und zwar mit den nämlichen Argumenten (hier wie d o r t ) : die Ortsbewegung eben ist in gleicher Weise das Motiv f ü r die A n n a h m e eines gegenüber den enthaltenen Gegenständen selbständigen Ortes wie auch f ü r die eines Leeren. Man sieht im Leeren einen .is 2s Grund (der Möglichkeit) der Bewegung, nämlich das notwendige Medium, in dem sie allein sich vollziehen könne; genau also das, was andere wiederum im Ort erblicken wollen. Aber das Leere ist in Wahrheit keineswegs eine unerläßliche Bedingung f ü r die Möglichkeit einer
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Bewegung. Und zwar schon gar nicht einer Bewegung ganz allgemein, d. h. eines Prozesses, — was auch Melissos die Einsicht in die wahre Sachlage gekostet hat. Denn eine qualitative Veränderung ist j a unstreitig am erfüllten Raumstück möglich. Aber auch Ortsveränderung hat keineswegs die Existenz eines Leeren zur unerläßlichen Voraussetzung. Denn die in Bewegung befindlichen Körper können einander gleichzeitig verdrängen, ohne daß es also irgendeinen von den bewegten 3« Körpern unabhängigen Hohlraum gibt. Und diese Sachlage ist vor unser aller Augen sowohl bei der Rotation körperlicher Kontinuen wie auch bei der (Rotation) von Flüssigkeiten. — Auch Verdichtung von Körpern ist nicht durch die behauptete Auffüllung von in ihnen liegenden Leerstellen möglich, sondern durch Abgabe in ihnen enthaltenen Stoffes | — so gibt z. B . Wasser, wenn es komprimiert wird, 2Hb in ihm enthaltene Luft ab —. Ebenso auch gibt es Volumenzuwachs nicht bloß durch den Eintritt von neuem Stoff (in den Körper), sondern auch durch Eigenschaftsveränderung (des Körpers), so z. B . bei der Umwandlung von Wasser in Luft. Überhaupt bricht das ganze Argument aus der Tatsache des Wachstums und aus (dem Experiment mit) dem in die Asche gegossenen Wasser in sich selbst zusammen. Denn s (auf ¿ine dieser vier Unmöglichkeiten kommt es hinaus): entweder muß es sagen, es nehme nicht jedes Glied gleicherweise am Wachstum teil, oder aber leugnen, daß das ein Körper sei, durch dessen Hinzutritt das Wachstum geschehe; oder aber akzeptieren, es könnten zwei Körper an einem und demselben Platz sein — in diesem Fall haben die Gegner die Schwierigkeit, deren Lösung sie von uns fordern, mit uns gemeinsam; aber sie beweisen dadurch keineswegs die Realität eines Leeren — oder aber, schließlich: der Gesamtorganismus muß leer sein, wenn er an allen Stellen soll wachsen können und wenn dieses Wachstum dem (in den Körpern enthaltenen) Leeren verdankt sein soll. Und die nämliche Sachlage haben wir auch hinsichtlich des Aschenexpe- 10 riments. Kein Zweifel also, daß sich die Argumente zugunsten der Existenz eines Leeren leicht widerlegen lassen. 8. Aber gehen wir nochmals an den Nachweis, daß ein Leeres in diesem (von mancher Seite vertretenen) Sinne einer selbständigen Realität nicht existiert! — Wenn jeder der Grundkörper seine natürliche Bewegung besitzt, das Feuer z. B . die natürliche Aufwärtsbewegung, die Erde die natürliche Bewegung nach unten und zum WeltZentrum hin, dann ist es zweifelsfrei nicht das Leere, welches als
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Grund dieser B e w e g u n g angesprochen w e r d e n könnte. W o f ü r also soll das Leere d a n n der G r u n d sein? Man m e i n t , f ü r die O r t s v e r ä n d e r u n g ; aber eben das ist nicht der Fall. — W e i t e r h i n : W e n n das Leere so etwas wie ein Ort ohne K ö r p e r ist, wohin soll sich d a n n , w e n n es ein solches Leere gibt, ein in dieses Leere geratener K ö r p e r b e w e g e n ? s 20 D o c h nicht an alle Stellen in diesem L e e r e n ! Übrigens gilt dasselbe A r g u m e n t a u c h gegen j e n e Meinung, die den Ort, z u d e m sich ein K ö r p e r b e w e g t , zu einem selbständigen Gebilde m a c h e n m ö c h t e (und der m a n entgegnen m u ß mit der F r a g e ) : W i e soll es denn f ü r den an einem solchen Ort befindlichen K ö r p e r zur B e w e g u n g oder zur R u h e i» k o m m e n k ö n n e n ? U n d hinsichtlich des Gegensatzes O b e n — U n t e n gilt die Sachlage doch wohl u n v e r ä n d e r t a u c h f ü r das L e e r e ; denn diejenigen, die dem L e e r e n E x i s t e n z zuschreiben, fassen es j a als einen Ort. U n d in welcher F o r m soll sich denn nunmehr e t w a s a n einem 2s Ort oder im Leeren b e f i n d e n ? E s erweist sich als widersinnig, sobald is irgendein ganzer K ö r p e r an einem solchen selbständigen u n d identisch beharrenden Orte z u liegen k o m m e n soll! D e n n der T e i l eines solchen K ö r p e r s ist j a doch : sofern er nicht v o m G a n z e n losgelöst sein soll, gar nicht an einem Orte, sondern nur i m G a n z e n . U n d schließlich a u c h : W e n n es keinen (selbständigen) Ort gibt, so gibt es a u c h kein solches »o Leeres. N u n passiert es aber denjenigen, welche die E x i s t e n z eines Leeren für eine unerläßliche B e d i n g u n g möglicher B e w e g u n g halcen m ö c h t e n , 3t» d a ß sie sich bei genauerer B e t r a c h t u n g der Sachlage eher das Gegenteil sagen lassen m ü s s e n : a u c h nicht für ein einziges D i n g gibt es eine 2.1 Möglichkeit der B e w e g u n g , w e n n ein Leeres existiert. D e n n wie es diejenigen meinen, welche sagen, die E r d e müsse, da sie sich in einem völlig homogenen M e d i u m befinde, i m R u h e z u s t a n d verharren, so ist auch i m L e e r e n nur R u h e z u s t a n d möglich. D e n n hier gibt es wirklich keinen G r u n d , w a r u m sich etwas dorthin s t a t t dahin b e w e g e n sollte. .»» 215a D e n n eben als Leeres h a t das Leere j a gar keine | Unterschiede an ihm. — E i n weiteres A r g u m e n t (gegen die A n n a h m e eines L e e r e n ) : Jede B e w e g u n g ist entweder g e w a l t b e w i r k t oder aber n a t u r b e d i n g t . N u n m u ß es, wenn es g e w a l t b e d i n g t e B e w e g u n g geben soll, a u c h naturbedingte B e w e g u n g geben — denn die g e w a l t b e d i n g t e B e w e g u n g ist .11 B e w e g u n g gegen die N a t u r t e n d e n z ; n a t u r w i d r i g e B e w e g u n g aber ist nur möglich unter V o r a u s s e t z u n g einer n a t u r g e m ä ß e n B e w e g u n g —. 5 G i b t es also keine n a t u r g e m ä ß e B e w e g u n g f ü r j e d e n physikalischen K ö r p e r , so gibt es auch keinerlei andere B e w e g u n g . A b e r wie soll e.s
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denn n a t u r b e d i n g t e Bewegung geben können, wenn es im Bereich des Leeren u n d Unendlichen keinerlei Unterschiede gibt? D e n n so gewiß das Unendliche unendlich sein soll, k a n n es in ihm kein Oben, kein U n t e n , keinen Mittelpunkt geben; so gewiß das Leere leer sein soll, 5 k a n n sich in ihm das Oben vom U n t e n nicht unterscheiden — denn wie das Nichts keine Unterschiede in sich h a t , so a u c h das Leere; io denn das Leere gilt j a als ein Nichtseiendes u n d als eine Negativb e s t i m m t h e i t —. Die natürliche Bewegung hingegen h a t ihre bestimmten Unterschiede, so d a ß (der Schluß unvermeidlich ist, daß) die (für io die Bewegung vorausgesetzten Unterschiede: Oben, U n t e n , Mittelp u n k t ) naturgegebene Unterschiede sein müssen. (Um die Alternative ist also nicht h e r u m z u k o m m e n : ) entweder schlechterdings keine n a t ü r liche Bewegung oder aber — falls es eine solche gibt — kein Leeres. — Noch ein A r g u m e n t : Wir haben das F a k t u m , d a ß bei der Wurfi5 bewegung der Gegenstand seine Bewegung fortsetzt, wenn er die Verbindung mit der stoßenden K r a f t verloren h a t , und dies b e r u h t ent- is weder, wie einige es erklären wollen, auf dem ö r t e r a u s t a u s c h (zwischen dem bewegten Körper u n d der verdrängten Luft) oder aber darauf, daß die angestoßene L u f t den Gegenstand mit einer Geschwindigkeit 2o vorwärtstreibt, die größer ist als die Geschwindigkeit, mit welcher der vorwärtsgetriebene Gegenstand seinerseits auf seinen natürlichen Ort zueilt. I n einem Leeren hingegen ist nichts von alledem der Fall und es k ö n n t e in ihm als einzige Bewegungsart eines Körpers n u r den Transport geben. — U n d nochmals: Es wäre unerfindlich, wie (in einem 20 25 Leeren) ein einmal in Bewegung gekommener K ö r p e r an irgendeiner Stelle wieder zur R u h e k o m m e n könnte. Denn welche Stelle sollte in einem Leeren eine solche Auszeichnung vor den übrigen Stellen besitzen k ö n n e n ? Es bliebe also n u r die Alternative: entweder ständige Ruhe oder aber, sofern nicht etwa eine überlegene Gegenkraft h e m m e n d 30 ins Spiel t r e t e n sollte, unendlich fortgehende Bewegung. — Und nochmals: Man arbeitet hier mit dem Anschein, daß die Bewegung eines Körpers eine solche in ein Leeres hinein sei; denn dieses eben gebe (einer Bewegungstendenz) nach. Aber im Leeren gälte diese Sachlage sofort in gleicher Weise nach allen Richtungen, so d a ß sich ein (im 35 Leeren bewegender) K ö r p e r gleichzeitig nach allen Richtungen bewegen m ü ß t e . Weiterhin ergibt sich die b e h a u p t e t e (Unmöglichkeit eines Leeren) zweifelsfrei auch aus folgender Sachlage. Wie wir es jederzeit sehen 25 können, gibt es zwei Gründe dafür, warum eine und dieselbe Gewichts-
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große u n d ein Körper eine höhere Bewegungsgeschwindigkeit erhalten k a n n : entweder weil das Medium der Bewegung ein anderes wird, z. B. Wasser—Erde oder Wasser—Luft, oder aber, weil der bewegte Gegenstand selbst (anderen gegenüber) einen Unterschied aufweist, nämlich — bei sonst gleichen Verhältnissen — eine größere Schwere oder auch eine größere Leichtheit. Das Medium der Bewegung ist n u n ein Grund (für geringere Ge30 schwindigkeit), weil es Widerstand leistet, a m meisten im Fall eigener Gegenbewegung, aber auch im Fall eigener R u h e ; ein Medium, das schwer zu durchteilen ist, leistet dabei mehr W i d e r s t a n d ; es ist das isb Dichtere. Ein Körper A | soll das Medium B in der Zeit C durchlaufen, das dünnere Medium D jedoch in der Zeit E ; d a n n sind, wenn die Erstreckungen der Medien B u n d D gleichgroß sind, die Durchlaufzeiten C u n d E proportional zu den spezifischen Widerständen der 5 Medien. Es sei B Wasser, D L u f t ; im nämlichen Verhältnis, als L u f t dünner u n d unkörperlicher als Wasser ist, ist die Geschwindigkeit von A im Medium D größer als im Medium B. Es soll also Geschwindigkeit zu Geschwindigkeit im nämlichen Verhältnis stehen wie L u f t zu Wasser, d. h . : wenn etwa die L u f t doppelt so d ü n n ist, d a n n durchläuft der Körper das Medium B in doppelt so langer Zeit als das Medium D 10 u n d ist die Zeit C also doppelt so lang als die Zeit E . Und dies ganz allgemein: je unkörperlicher, widerstandsärmer und leichter durchteilb a r das Medium, desto schneller die Bewegung in ihm. Das Leere n u n k ö n n t e zum K ö r p e r m e d i u m in keinerlei Verhältnis größerer oder geringerer Dichte stehen, wie ja auch das Nichts zur Zahl in keinerlei Verhältnis steht. So ist j a 4 u m eins größer als 3, u m mehr (als u m is eins) größer als 2, u m mehr als u m zwei größer als 1, aber es gibt keinerlei Verhältnis, gemäß dem es größer als Nichts wäre. Es m u ß sich j a der größere Wert in den Differenzbetrag und den kleineren W e r t zerlegen lassen, und d a n n wäre ja 4 das Resultat aus. dem Differenzbetrag, v e r m e h r t u m Nichts. D a r u m ist ja auch eine Linie nicht a u f f a ß b a r als etwas, das größer sei als ein P u n k t — es sei denn, m a n wolle sie aus P u n k t e n bestehen lassen. Und ganz genauso k ö n n t e 20 auch das Leere niemals in einem Verhältnis z u m Vollen stehen, folglich auch die Bewegung in ihm niemals (ein Verhältnis zur Bewegung in einem Vollen haben), vielmehr m ü ß t e ein Körper, wenn er im denkb a r dünnsten Medium in b e s t i m m t e r Zeit eine b e s t i m m t e Strecke d u r c h l ä u f t , im Leeren eine Geschwindigkeit besitzen, die durch keinerlei Verhältnis (zu jener Geschwindigkeit) mehr ausdrückbar wäre.
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Es sei der Bereich F leer, aber gleichgroß den Bereichen der Medien B u n d D ! W e n n n u n der K ö r p e r A in einer Zeit G, die jedoch kleiner ist als die Zeit E , diesen Bereich F durcheilt, d a n n m u ß dieses Leere 2s zu diesem Vollen in genau demselben Verhältnis (wie es zwischen G s u n d E besteht) stehen. Aber in der nämlichen Zeitstrecke G durchl ä u f t A d a n n eine Strecke H innerhalb des Mediums D. Gibt es n u n ein Medium, das noch dünner ist als die L u f t , so d u r c h l ä u f t A dieses Medium F nach dem Verhältnis der Zeiten E : G. W e n n nämlich das 30 Medium F nach demselben Verhältnis dünner ist als D, nach welchem io die Zeit E länger ist als G, d a n n | durchläuft A dieses Medium F in 216« einer Zeit = G, reziprok zu seiner Geschwindigkeit. N e h m e n wir alsd a n n wirklich völlige Leere in F an, so wird die Geschwindigkeit noch höher (und die Zeit G noch kürzer). Aber bei der Zeit G m u ß es j a doch bleiben. Also k o m m e n wir zu dem Ergebnis, d a ß A f ü r seinen is Weg genau die gleiche Zeit b r a u c h t , ob dieser Weg es durch ein Volles oder ein Leeres f ü h r t . Dieses Ergebnis ist aber völlig u n a n n e h m b a r . E s besteht d e m n a c h kein Zweifel: Sobald irgendein K ö r p e r f ü r seine Bewegung im Bereich eines Leeren Zeit brauchen soll, erhalten wir 5 stets dieses u n a n n e h m b a r e Resultat, d a ß wir es hinzunehmen h ä t t e n , 20 d a ß dieser K ö r p e r Volles und Leeres in genau der gleichen Zeit durchlaufen w ü r d e ; denn wir h ä t t e n d a n n ein Medium, das sich zu einem anderen E l e m e n t n a c h dem gleichen Verhältnis verhielte wie die Durchlaufszeit durch das erstere zur Durchlaufszeit durchs letztere. — Zus a m m e n f a s s e n d : Der Grund f ü r das Ergebnis liegt in d e m U m s t a n d , 2s d a ß wir zwar ein Verhältnis zwischen allen Bewegungen vor u n s haben — denn jede v e r l ä u f t in der Zeit; die Zeiten aber stehen, solange sie 10 endliche W e r t e besitzen, zueinander in einem Verhältnis —, d a ß es ein Verhältnis zwischen einem Leeren und einem Vollen hingegen niemals geben kann.— 30
Dies ist also die Sachlage, die sich infolge Verschiedenheit der Medien der Bewegung ergibt; was nun die Verschiedenheit der Körper (nach Schwere oder Leichtheit) anbelangt, so ergibt sich daraus folgender Beweis: Wir wissen aus der Beobachtung, d a ß die Körper mit größerer Fall- bzw. Steigkraft bei sonst gleichen U m s t ä n d e n [ihrer Gestalt] eine is 35 Strecke schneller zurücklegen (als solche mit geringerer Fall- bzw. Steigkraft), u n d zwar proportional zu ihren Ausdehnungsgrößen.Dieses Gesetz m ü ß t e auch innerhalb eines Leeren gelten. Aber das ist ausgeschlossen. Denn worauf sollte hier eine höhere Geschwindigkeit des einen Körpers gegenüber einem anderen beruhen k ö n n e n ? I m Vollen
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freilich ist die genannte Sache wesensnotwendig. Denn der K ö r p e r größerer Ausdehnung teilt (das Medium) dank seiner Stärke schneller; solche Teilung (eines Mediums) richtet sich j a entweder nach der Gestalt, die er hat, oder aber nach der Steig- und F a l l k r a f t , die ihm in 20 seiner natürlichen oder auch in seiner W u r f b a h n eignet. I m Leeren s müßten diese Körper demnach allesamt gleiche Geschwindigkeit haben. Und das ist ausgeschlossen (und damit auch die Existenz eines Leeren). E s ergibt sich also aus der Annahme eines Leeren offenbar genau das Gegenteil dessen, was sich die erhoffen, die es ersonnen haben. 10 Man meint, ein f ü r sich bestehendes Leeres sei die unerläßliche Bedingung möglicher Ortsbewegung; aber f ü r diese Meinung gilt genau 2s dasselbe wie f ü r die Behauptung, der Ort habe ein selbständiges Fürsichsein. W a r u m letztere Behauptung unhaltbar ist, wurde oben bereits erläutert. is Aber auch dann, wenn man das Leere (nicht unter dem irrigen Gesichtspunkt einer unerläßlichen Möglichkeitsbedingung f ü r die Ortsbewegung, sondern) an ihm selbst betrachten wollte, erweist sich die Annahme eines Leeren als eine wahrhaft leere Annahme. Wie ein in Wasser gelegter Würfel soviel Wasser verdrängt, wie seiner eigenen 20 Größe entspricht, so verdrängt er auch in der L u f t (ebensoviel L u f t ) ; so freilich ist das dann nicht wahrnehmbar. U n d das gilt notwendig bei jeglichem Körper, soweit er die Fähigkeit zu Ortswechsel besitzt: er muß, sofern er nicht eine Komprimierung erfährt, (in der ihm natürlichen Bewegungsrichtung) ausweichen: entweder stets nach unten, 2s wenn seine (natürliche) Bewegungsrichtung die nach unten ist — wie bei der E r d e , oder nach oben — der Fall des Feuers, oder nach beiden Seiten zugleich (— der F a l l der beiden mittleren Grundkörper), wobei es gleichgültig bleibt, von welcher A r t der verdrängende K ö r p e r selbst sein mag. Dies nun gerade ist aber in einem Leeren ausgeschlossen :io •is — denn es ist kein Körper —, es müßte also genau das gleich große 216b R a u m s t ü c k , das schon zuvor im Leeren vorhanden war, | nunmehr sich durch den Würfel hindurchziehen, so wie wenn das Wasser (in das man den Würfel taucht) oder auch die L u f t vom hölzernen Würfel nicht verdrängt würde, sondern sich allseitig durch ihn hindurchziehen würde (der Würfel im Wasser also gleichzeitig Wasser im Würfel wäre). Nun hat aber doch der Würfel genau dieselbe Ausdehnung wie das Leere (in dem er sich befinden soll). Und wenn dieses Ausgedehnte gleichzeitig auch w a r m oder kalt oder auch schwer oder leicht sein
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mag, es bleibt — auch wenn man ihm keine Abtrennbarkeit von alldem 5 zusprechen mag — seinem Wesen nach unterschieden von allen solchen Zustandseigenschaften (die es an sich hat). E s geht um das Volumen des Holzwürfels. Würde demnach dieses Volumen auch als völlig ent5 blößt gedacht von allen seinen Bestimmungen — ohne Schwere auch und ohne Leichtheit —, das Leere, das es einnehmen würde, und eben der Teil des Ortes und des Leeren, in dem es sich befinden würde, wären doch genausogroß wie dieses Volumen selbst. Wo sollte alsdann aber noch ein Unterschied bestehen können zwischen dem Würfelio körper und dem mit diesem völlig gleich großen Stück des Leeren und 10 dem Ort ? Und wollte man doch zweierlei darin sehen, weswegen sollte dann nicht beliebig Vieles an einer einzigen Stelle sein können? Das ist die eine Ungereimtheit und Unmöglichkeit, die sich ergibt. Aber auch (über folgendes) besteht kein Zweifel: Der Würfel behält, wie 15 auch alle übrigen Körper, wenn er seinen Platz ändert, sein Volumen unverändert bei. Unterscheidet sich (das Volumen) also vom Ort in keinem Punkt, wie soll es noch eine Notwendigkeit geben, den Körpern neben ihrem jeweiligen Volumen noch einen Ort zuzusprechen, wenn is doch dieses Volumen ohnehin ohne Zustandseigenschaften existiert? 20 Denn dies ändert j a nichts an der Sache, wenn es etwa um das Volumen herum einen solchen von diesem verschiedenen (aber gleich großen) Hohlraum geben soll. [Weiterhin müßte man fordern, daß so etwas wie dieses Leere in den Bewegungsgegenständen auch faßbar würde. Davon aber ist nirgends innerhalb der ganzen Welt die Rede. Die Luft ist j a 2s etwas, nur tritt sie freilich nicht in- Erscheinung — auch das Wasser wäre den Fischen nicht empfindbar, wenn sie aus Eisen wären. Dem Tastsinn ist eben nur Tastbares empfindbar.] Alle diese Ausführungen 20 setzen außer allen Zweifel, daß es ein selbständiges Leeres nicht gibt. 9. Einige (Naturforscher) sehen den Beweis für die Existenz eines so Leeren in dem Gegensatzverhältnis von Dünn und Dicht. (Sie argumentieren so:) Ohne den Gegensatz von Dünn und Dicht ist ein Volumenverlust und eine Komprimierung ausgeschlossen. Ohne diese beiden aber wiederum (bleiben nur die folgenden Denkbarkeiten übrig:) entweder völlige Unmöglichkeit einer Bewegung oder aber ein Wogen 2s 35 der Grenzen des Weltalls — die Meinung von X u t h o s — oder aber Konstanz der Gesamtmengen bei jedem Umsatz von Luft in Wasser (und umgekehrt) — d. h. wenn aus einem Becher Wasser Luft geworden ist, dann müsse gleichzeitig eine ebensogroße Luftmenge wiederum zu einem Becher Wasser geworden sein — oder aber es muß schließlich
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ein Leeres geben: Denn (so sagen sie) Komprimierung u n d Expansion 3« sind n u n einmal anders (ohne ein Leeres) nicht denkbar. Verstehen sie n u n u n t e r d e m D ü n n e n dasjenige, was viele selbständige Leerstellen e n t h ä l t , d a n n ist sofort ersichtlich: so gewiß ein selbständiges Leeres genauso unmöglich ist wie ein Ort im Sinne eines mit dem Ort gleich- s großen Leerraums, so gewiß ist auch ein Dünnes so (wie sich diese Leute es vorstellen) unmöglich. L ä ß t m a n zwar den Gedanken eines selbständigen Leeren fallen, behält aber doch die A n n a h m e bei, in irgendeinem Sinne sei im D ü n n e n Leeres enthalten, so ist diese Position zunächst zwar weniger u n h a l t b a r , aber es ergibt sich d a n n erstens, 10 35 d a ß das Leere keineswegs der G r u n d f ü r jedwede Bewegung, sondern (höchstens) f ü r Aufwärtsbewegung sein könnte — das D ü n n e ist j a das 2i7a Leichte, u n d das ist j a der G r u n d , w a r u m | sie das Feuer als Dünnes bezeichnen —, sodann, daß das Leere nicht in dem Sinne Grund der Bewegung sein k a n n , daß es das Medium möglicher Bewegung dar- is stellen würde, sondern (höchstens) in dem Sinne, daß es in die Höhe t r ä g t wie Schläuche, welche, indem sie selbst nach oben steigen, auch das mit ihnen Verbundene nach oben tragen. Aber n u n (die Schwierigkeit) : Wie soll es f ü r dieses (im D ü n n e n als enthalten gedachte) Leere eine Bewegung u n d einen (natürlichen) Ort geben k ö n n e n ? Hier wird 20 j a (der Ort), zu dem das D ü n n e (mit dem in ihm enthaltenen Leeren) s aufsteigt, z u m leeren Platz f ü r das Leere! — U n d folgende F r a g e : wie wollen diese Leute denn die f ü r das Schwere charakteristische Bewegung nach u n t e n erklären? U n d noch eines ist offensichtlich: W e n n der Satz gilt, d a ß die Bewegung n a c h oben eine F u n k t i o n der D ü n n h e i t 25 u n d des im Körper befindlichen Leeren ist, so m u ß ein Körper, der völlig leer ist, mit absoluter Geschwindigkeit nach oben steigen. Aber es ist doch wohl auch in diesem Fall Bewegung (gerade) ausgeschlossen. U n d zwar aus demselben G r u n d : Dort, weil im Leeren alles ohne Be10 wegung bleiben m u ß , hier, weil das Leere ohne Bewegung bleiben m u ß . 30 (Dort wie hier) stünde j a die Geschwindigkeit außerhalb jeder Verhältnisgleichung. N u n verneinen wir (das vierte Glied der obigen Disjunktion:) die Realität eines Leeren; aber die (drei) restlichen Glieder der aporetischen Disjunktion bestehen z u r e c h t : d a ß es ohne Verdichtung u n d Ver-3s d ü n n u n g entweder keine Bewegung geben k a n n , oder aber das Weltall in Wellenbewegung sein m u ß , oder aber bei Verwandlungen von L u f t in Wasser u n d umgekehrt die Gesamtmengen k o n s t a n t bleiben müssen — denn zweifellos ist das Volumen der L u f t , das sich bei einer
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Umwandlung von Wasser in Luft ergibt, größer (als das Volumen des Wassers war); gibt es nun keine Komprimierung, so ist es unvermeid- is lieh, daß (bei Bildung eines solchen größeren Volumens) entweder der angrenzende Körper jeweils fortgestoßen wird und eine Verdrängungs-s welle auf das Ende des Weltalls zu auslöst; oder aber daß an irgendeiner anderen Weltstelle (der umgekehrte Prozeß einen Ausgleich bildet, nämlich daß) eine gleich große Menge Luft zu Wasser wird, damit eben das Gesamtvolumen der Welt gleich groß bleibe; oder aber daß es wirklich keine Bewegung gibt. Denn wo immer es einen Ortswechsel gibt, 10 hat er diese (Problematik) zur Folge — ausgenommen lediglich den Fall der Rotation: aber die ist j a nur einer der Bewegungstypen; neben ¡¡o ihr steht die geradlinige Bewegung —. Während also für manche Denker diese Verhältnisse das Motiv für ihren Ansatz eines Leeren darstellen, ergibt sich für uns dank unseren Grundpositionen (etwas ganz anderes:) is das Material ist der identische (Träger) der entgegengesetzten Bestimmtheiten, von Warm und K a l t und von allen übrigen Naturgegensätzen ; es erfährt den Übergang aus einem bloß möglichen Zustand in einen wirklichen; dabei ist das Material kein für sich selbständiges Glied, aber doch ein wohlunterschiedenes Moment, numerisch eines 2s 20 und dasselbe gegenüber den mannigfachen Bestimmtheiten,'sei es nun Farbe, Wärme oder auch Kälte. Diese Identität des Materials eines Körpers erhält sich auch gegenüber dem Wechsel der quanticativen Bestimmtheiten Groß—Klein. Am folgenden Sachverhalt wird es deutlich: Wenn Wasser zu L u f t wird, 25 so beharrt das Material in seiner Identität, es nimmt nicht eine ihm fremde Bestimmtheit an, sondern wird im Wirklichkeitsmodus zu dem, was es im Möglichkeitsmodus bereits vorher ist; nicht anders auch ist es im umgekehrten Fall, nur handelt es sich im eisten Fall um einen Übergang von geringem zu großem, im letzteren von großem zu kleinem 30 -ig Volumen. Die nämliche Sachlage haben wir folglich im weiteren Fall, wenn die L u f t erst ein großes, dann ein kleines Volumen hat oder auch umgekehrt: beidemale hat das Material die betreffende Bestimmtheit im Möglichkeitsmodus bereits an sich, die es dann wirklich annimmt; denn wie es unter Bewahrung seiner Identität erst kalt, dann warm 35 bzw. erst warm, dann kalt ist und diese Veränderung nur erfährt, weil es, was es wird, im Möglichkeitsmodus zuvor bereits ist, so kann sich Warmes auch | weiter erwärmen,, ohne daß im Material dabei sich ein 217 b Warmsein bildete, das nicht schon bestanden hätte, als das Material noch nicht so warm war. (Es ist hier) nicht anders als bei Kreis-
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peripherie und Kreiskrümmung: nimmt sie die Gestalt der Peripherie und Krümmung eines kleineren Kreises an — mit oder ohne Erhaltung ihrer Identität —, in keiner Kreisgestalt tritt eine Krümmung auf, die nicht schon Krümmung, sondern Geradlinigkeit gewesen wäre — denn der verschiedene Grad der Krümmung beruht nicht auf einem Aus- s setzen derselben —. Auch in der Flamme gibt es kein Bestandstück, in dem nicht Wärme und Leuchtkraft enthalten wäre. Genau dieses (Abstufungsverhältnis) liegt nun auch (bei jedem Erwärmungsprozeß) zwischen dem vorausgehenden und dem darauffolgenden Wärmezustand vor. Und eben darum dehnt sich auch das große oder kleine n Volumen eines sinnlichen Körpers aus, ohne daß sein Material dabei eine (ihm fremde, neue) Bestimmtheit erhält, vielmehr einfach deswegen, weil sein Material im Möglichkeitsmodus (Träger) jeder der beiden Bestimmtheiten ist. Es ist also ein und derselbe Gegenstand dicht und dünn zugleich und das Material ist der identisch eine Träger i dieser Bestimmtheiten. Dabei ist das Dichte schwer, das Dünne leicht. [Weiterhin: So wie die Kreisperipherie im Fall der Krümmung zu einem kleineren Umfang die Krümmung nicht erst als eine neue (und fremde) Bestimmtheit erhält, sondern diese schon bestehende Krümmung der Kreislinie nur verstärkt wird, und wie jegliches Teilstück des Feuers warm ist, genauso ist auch das All ein Schwanken des Volumens eines und desselben Weltmaterials.] Denn es entsprechen jedem der beiden, dem Dichten wie dem Dünnen, zwei Glieder: Das Schwere und das Harte gelten als dicht, deren Gegenglieder, das Leichte und das Weiche, hingegen als dünn. Freilich entsprechen sich die beiden Bestimmtheiten Schwer und Hart im Vergleich von Blei und Eisen (ausnahmsweise) nicht. Diese Ausführungen entheben es allem Zweifel, daß es (kein Leeres) gibt: weder ein selbständiges Leeres, und zwar dies ebensowenig im absoluten Sinne wie innerhalb des Dünnen, noch auch ein im bloßen Möglichkeitsmodus existierendes — es sei denn, es halte es einer für richtig, den Grund möglicher Bewegung einfach so zu benennen; in diesem Fall wäre das Leere dann dasjenige Moment am Material, demzufolge diesem Schwere bzw. Leichtheit eigen sind. Die Bestimmtheiten Dicht und Dünn würden ja dann, sofern sie auf den letztgenannten Gegensatz (von Schwer und Leicht) bezogen werden, als Grund der Bewegung fungieren; sofern sie jedoch auf (den anderen Gegensatz,) den von Hart und Weich bezogen werden, fungieren sie als Grund für die Zugänglichkeit bzw. Unzugänglichkeit gegenüber
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A u ß e n k r ä f t e n , u n d als G r u n d n i c h t so s e h r d e r O r t s b e w e g u n g als vielm e h r des U b e r g a n g s i n e i n e ( v o n d e r b i s h e r i g e n ) v e r s c h i e d e n e i n h a l t liche
Bestimmtheit.
A b e r d a m i t soll d a s P r o b l e m des L e e r e n , d e r S i n n d e r B e h a u p t u n g s u n d der L e u g n u n g s e i n e r R e a l i t ä t , als g e k l ä r t g e l t e n . 10. I m A n s c h l u ß a n das Bisherige h a b e n wir n u n z u m T h e m a der Z e i t ü b e r z u g e h e n . E s w i r d g u t sein, a u c h i n G e s t a l t d e r w e n i g e r s t r e n g e n 3« Ü b e r l e g u n g e n z u n ä c h s t e i n m a l die eine F r a g e a u f z u w e r f e n , o b die Z e i t z u m S e i e n d e n o d e r N i c h t s e i e n d e n g e h ö r e , h i e r a u f d a n n i h r e N a t u r zu 10 b e s t i m m e n . D e r s k e p t i s c h e G e d a n k e , w e l c h e r d e r Z e i t R e a l i t ä t ü b e r haupt abstreiten oder ihr doch nur eine dunkle und
abgeschwächte
R e a l i t ä t z u e r k e n n e n m ö c h t e , s t ü t z t sich a u f die f o l g e n d e Ü b e r l e g u n g : D a s eine S t ü c k d e r Z e i t i s t v o r b e i u n d i s t n i c h t ( m e h r ) , d a s a n d e r e S t ü c k k o m m t e r s t u n d ist n o c h n i c h t ; u n d | a u s d i e s e n S t ü c k e n b e s t e h t 218« 15 j e d w e d e Z e i t , o b die e i n e u n e n d l i c h e Z e i t o d e r i r g e n d e i n Z e i t a b s c h n i t t : was aber aus Nichtseiendem besteht, scheint keinerlei Sein besitzen zu k ö n n e n . — E i n e z w e i t e Ü b e r l e g u n g : F ü r j e g l i c h e s G e b i l d e , d a s T e i l e b e s i t z t , gilt, w e n n es ü b e r h a u p t sein soll, das u n v e r b r ü c h l i c h e G e s e t z , d a ß f ü r die D a u e r s e i n e s S e i n s e n t w e d e r ü b e r h a u p t alle s e i n e T e i l e 20 o d e r d o c h w e n i g s t e n s s t e t s einige d e r s e l b e n sein m ü s s e n . B e i d e r Z e i t s h i n g e g e n , die e i n s o l c h e s G e b i l d e d o c h d a r s t e l l t , s i n d die e i n e n T e i l e v o r b e i u n d k o m m e n die a n d e r e n erst u n d k e i n e i n z i g e r h a t S e i n . D e r J e t z t p u n k t a b e r ist k e i n T e i l ; d e r T e i l i s t e i n e M e ß g r ö ß e ( m i t
der
m a n das G a n z e , zu d e m er g e h ö r t , m e s s e n k a n n ) u n d d a s G a n z e m u ß 25 a u s d e n T e i l e n b e s t e h e n ; es s i e h t a b e r n i c h t so a u s , als o b die Z e i t a u s d e n J e t z t p u n k t e n b e s t e h e . — U n d n o c h m a l s : E s e r s c h e i n t als e i n e schwierige F r a g e , ob der J e t z t p u n k t , der das V e r g a n g e n e u n d Zuk ü n f t i g e zu t r e n n e n s c h e i n t , i m m e r als e i n e r u n d d e r s e l b e b e h a r r t o d e r 1« o b i m m e r n e u e J e t z t p u n k t e a u f t r e t e n , a) W e n n d a s l e t z t e r e d e r F a l l 30 ist u n d k e i n Z e i t e l e m e n t , i n d e m i m m e r n e u e a u f t r e t e n , m i t
einem
a n d e r e n z u s a m m e n b e s t e h t — s o f e r n es sich n i c h t d a r u m h a n d e l t , d a ß ein Z e i t s t ü c k ein a n d e r e s u m f a ß t u n d dieses i n j e n e m e n t h a l t e n i s t , d. h . u m das V e r h ä l t n i s des E n t h a l t e n s e i n s e i n e r k ü r z e r e n Z e i t s t r e c k e in einer l ä n g e r e n —, w e n n s c h l i e ß l i c h alles d a s , w a s j e t z t n i c h t m e h r i s t , ;is z u v o r a b e r w a r , n o t w e n d i g e r w e i s e e i n m a l z u g r u n d e g e g a n g e n sein m u ß , d a n n k ö n n e n a u c h die J e t z t p u n k t e n i c h t g l e i c h z e i t i g m i t e i n a n d e r b e - is stehen, sondern m u ß der frühere J e t z t p u n k t jeweils
untergegangen
sein. N u n i s t es a b e r a u s g e s c h l o s s e n , d a ß er in i h m s e l b s t z u g r u n d e g e g a n g e n i s t , d e n n da h a t t e er j a g e r a d e sein S e i n ; d a ß d e r v o r a u s -
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gegangene J e t z t p u n k t aber in einem anderen Zeitpunkte z u g r u n d e gegangen sei, ist wiederum nicht möglich. Denn dies m u ß als ausgeschlossen gelten, daß die J e t z t p u n k t e eine kontinuierliche Reihe bilden, wie dies j a auch bei den R a u m p u n k t e n ausgeschlossen ist. 20 N ä h m e m a n also etwa an, er sei nicht im u n m i t t e l b a r folgenden, s sondern erst in einem späteren zugrunde gegangen, so würde er in den dazwischen gelegenen J e t z t p u n k t e n — einer Unendlichkeit! — noch gewesen u n d mit diesen gleichzeitig gewesen sein. Das ist nicht minder ausgeschlossen. — b) Aber (das andere Glied der Alternative,) d a ß der J e t z t p u n k t immer als einer u n d derselbe beharre, ist auch nicht mög- 10 lieh. Denn kein endliches Teilbares h a t bloß eine einzige Grenze, ob es n u n ein eindimensionales oder mehrdimensionales K o n t i n u u m sein mag. Der J e t z t p u n k t nun ist eine Grenze u n d es ist durchaus möglich, 2s eine begrenzte Zeit (einen Zeitabschnitt) herauszugreifen (und schon ergeben sich zwei v e r s c h i e d e n e J e t z t p u n k t e ) . Auch hier noch ein is weiteres A r g u m e n t : Wenn Gleichzeitigkeit von Ereignissen, d. h . Fehlen einer Zeitverschiedenheit zwischen ihnen, besagt, d a ß sie im identisch einen J e t z t stattfinden, d a n n wäre ja, sobald das frühere Geschehen ebenso wie das spätere Geschehen n u r in dem einen gegenwärtigen J e t z t s t a t t h a b e n muß, das, was vor zehntausend J a h r e n geschah, 20 gleichzeitig mit den Ereignissen von h e u t e ; es gäbe d a n n kein F r ü h e r oder Später zwischen irgendwelchen Ereignissen. — 30 Die Fragen, welche die Momente an der Zeit betreffen, sollen d a m i t a b g e t a n sein. W a s aber das W e s e n u n d die N a t u r der Zeit betrifft, so verläßt uns hier die wissenschaftliche T r a d i t i o n ; u n d ebensowenig 2s hilft uns hier das eben E r ö r t e r t e weiter. Da erklären die einen Denker, 218b die Zeit sei nichts anderes | als die Bewegung des Weltalls, die anderen, sie sei nichts anderes als die Himmelsschale selbst. Aber (was die erstere These angeht:) auch ein Stück aus der Himmelsrotation ist immer noch wieder eine Zeit, aber nicht mehr Himmelsrotation; denn 30 dieses Stück ist bloß ein Teil der Himmelsrotation, nicht diese Himmelsrotation selbst. Ein weiteres Gegenargument: Gesetzt, es gäbe mehrere Himmel, dann wäre n u n m e h r die Zeit definiert als die Be5 wegung eines jeden von i h n e n : die Konsequenz wäre eine Vielzahl miteinander gleichzeitiger Zeiten. — Als Schale des Universums galt jenen 3s Männern die Zeit deshalb, weil sowohl in der Zeit wie auch in dieser Schale des Universums alles Bestehende enthalten ist. Diese Ansicht ist aber zu naiv, als daß eine Herausarbeitung der in ihr liegenden Unmöglichkeiten nötig wäre. — Da sich die Zeit in höchstem Grad als
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eine Art von Prozeß und Veränderung gibt, muß dieser Anschein über- 1® prüft werden. Die Veränderung und der Prozeß, welche ein Gegenstand erleidet, spielt sich nun allein an diesem betreffenden Gegenstand selbst ab bzw. allein an dem Ort, wo sich der betreffende Gegenstand befindet. Die Zeit aber umfaßt in gleicher Weise alle örter und alle Gegenstände. Sodann: es gibt schnellere und langsamere Veränderung, aber nicht schnellere und langsamere Zeit. Langsamkeit und Schnellig- is keit definieren sich j a a m Maßstab der Zeit: schnell heißt die Veränderung, in welcher sich der Prozeßgegenstand in kurzer Zeit erheblich, langsam diejenige, in welcher er sich in langer Zeit nur wenig wandelt. Die Zeit hingegen definiert sich nicht am Maßstab der Zeit: weder in ihrer Quantität noch in ihrer Qualität. Zweifellos ist die Zeit demnach nicht identisch mit dem Prozeß. Dabei soll uns gegenwärtig Prozeß und Veränderung unterschiedslos dasselbe sein. 20 11. Aber andrerseits ist Zeit auch ohne Veränderung wieder nicht möglich. Denn wenn wir in unserem Denken keine Veränderung durchmachen oder aber einer solchen nicht gewahr werden, dann haben wir nicht den Eindruck, es sei Zeit vergangen, wie es j a auch den sardischen Schläfern der Legende, die bei den Heroen schlafen, nach ihrem Aufwachen ergeht: sie knüpfen das spätere J e t z t unmittelbar 2s an das frühere und lassen die beiden Zeitpunkte zusammenfallen, indem sie die Zwischenzeit infolge ihrer Bewußtlosigkeit einfach annullieren. Wie es also keine Zeit gäbe, wenn die Jetztpunkte nicht verschieden wären und es nur einen einzigen J e t z t p u n k t gäbe, so wirkt hier die Zwischenzeit, als wäre sie nicht gewesen, weil man es nicht merkt, daß die Jetztpunkte verschieden sind. Wenn demnach unser Zeitbewußtsein dann ausfällt, wenn wir keine Veränderung festzu- 3« stellen vermögen, die Seele vielmehr an einem und demselben Zeitpunkte zu beharren scheint; wenn wir andererseits ein Zeitbewußtsein dann haben, wenn wir (Veränderung) bemerken und feststellen, so beweist diese Sachlage, daß Prozeß und Veränderung Bedingungen der Zeit sind. | Feststeht also: Die Zeit ist nicht gleich Prozeß, aber 219« sie besteht andrerseits auch nicht ohne Prozeß. Stellen wir demnach die Frage nach dem Wesen der Zeit, so müssen wir hier ansetzen und fragen: welches Moment am Prozeß stellt die Zeit d a r ? Immer eben sind wir uns miteinander des Prozesses und der Zeit bewußt. Auch im Dunkeln und bei völligem Fehlen äußerer Eindrücke scheint uns s j a , sobald nur in der Seele selbst irgendein Prozeß sich abspielt, alsogleich damit auch Zeit verlaufen zu sein. Aber auch umgekehrt: wo
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e i n e Z e i t als v e r s t r i c h e n e r l e b t w i r d , w i r d a u c h e i n P r o z e ß a l s a b gelaufen erlebt. D a r a u s f o l g t : D i e Zeit ist e n t w e d e r identisch m i t d e m P r o z e ß o d e r e i n M o m e n t a m P r o z e ß . U n d d a sie n u n m i t d e m P r o z e ß n i c h t i d e n t i s c h s e i n k a n n ( w i e o b e n b e w i e s e n ) , so i s t sie n o t w e n d i g e r 10 w e i s e e i n M o m e n t a m P r o z e ß .
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D a j e d e B e w e g u n g , d i e ein G e g e n s t a n d v o l l z i e h t , e i n Ü b e r g a n g a u s einer Stelle in eine andere
Stelle ist, jede Ausdehnungsgröße
(das
M e d i u m ) a b e r e i n K o n t i n u u m d a r s t e l l t , so i s t d i e S t r u k t u r d e r B e w e g u n g v o n der S t r u k t u r d i e s e r A u s d e h n u n g s g r ö ß e a b h ä n g i g .
Weil
die A u s d e h n u n g s g r ö ß e e i n K o n t i n u u m b i l d e t , b i l d e t e i n s o l c h e s a u c h 10 die B e w e g u n g ; weil die B e w e g u n g ein K o n t i n u u m bildet, bildet a u c h die Zeit, e i n s o l c h e s ; d e n n e i n e m Q u a n t u m d e r B e w e g u n g e n t s p r i c h t s t e t s d a s Q u a n t u m der Z e i t , d i e d a r ü b e r v e r s t r i c h e n e r s c h e i n t .
Der
15 B e g r i f f der F o l g e o r d n u n g i s t s e i n e m S i n n e n a c h u r s p r ü n g l i c h a u f d e n O r t s u n t e r s c h i e d b e z o g e n u n d b e d e u t e t hier e i n e n U n t e r s c h i e d der L a g e 15 (im Raum). eignet,
W e i l s o l c h e F o l g e o r d n u n g n u n der
Ausdehnungsgröße
e i g n e t sie n o t w e n d i g , u n d i n E n t s p r e c h u n g z u r S a c h l a g e a n
der A u s d e h n u n g s g r ö ß e , a u c h d e r B e w e g u n g . A b e r s c h l i e ß l i c h e i g n e t sie n i c h t w e n i g e r a u c h der Z e i t , d e n n d i e S t r u k t u r e n der A u s d e h n u n g s g r ö ß e , der B e w e g u n g u n d der Z e i t b i l d e n e i n e A b h ä n g i g k e i t s r e i h e . D i e 20 20 a n der B e w e g u n g ( f e s t s t e l l b a r e ) F o l g e o r d n u n g i s t a b e r d e m
bloßen
S u b s t r a t n a c h e i n f a c h die B e w e g u n g s e l b s t ; i h r e m B e g r i f f n a c h f r e i l i c h i s t sie v o n der B e w e g u n g u n t e r s c h i e d e n . A b e r a u c h d i e Z e i t e r f a s s e n wir d a n n , w e n n wir in die B e w e g u n g Schnitte legen u n d zuvor- u n d danachliegende
Bewegungsphasen
voneinander
unterscheiden.
U n d 2s
25 v o n e i n e r v e r s t r i c h e n e n Z e i t s p r e c h e n w i r d a n n , w e n n w i r u n s s o l c h e r Unterschiede schneiden
an
Bewegungsphasen
geschieht
so,
daß
bewußt
wir eine
Phase
werden. an
die
Dieses
Ein-
andere
fort-
gesetzt anschließen lassen u n d uns gleichzeitig zwischen ihnen ein v o n i h n e n U n t e r s c h i e d e n e s d e n k e n . S o b a l d w i r n ä m l i c h d i e s e S c h n i t t e als 30 unterschieden v o n d e m zwischen ihnen Liegenden erfassen u n d
die
Seele zwei Z e i t p u n k t e als v o n e i n a n d e r u n t e r s c h i e d e n erlebt, d e n einen als d e n f r ü h e r e n , d e n a n d e r e n als d e n s p ä t e r e n , so s p r e c h e n w i r v o n Zeit u n d n e n n e n dieses Verhältnis Z e i t ; d e n n eben dies scheint die Zeit z u sein: das (beidseitig) v o n e i n e m J e t z t p u n k t Begrenzte.
U n d .is
.10 dies w o l l e n w i r d e n n a u c h f e s t h a l t e n ! — E r l e b e n w i r a l s o n u r ein einziges Jetzt u n d entweder keine Abfolge v o n B e w e g u n g s p h a s e n oder a u c h d e n J e t z t p u n k t n i c h t als d e n i d e n t i s c h e n P u n k t z w i s c h e n e i n e r f r ü h e r e n u n d e i n e r s p ä t e r e n P r o z e ß p h a s e , d a n n h a b e n wir n i c h t d e n
Kapitel 11
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Eindruck, es sei Zeit verstrichen, weil wir dann auch nicht den Eindruck haben können, es sei ein Prozeß vor sich gegangen. Erleben wir hingegen eine Abfolge von Phasen, | dann sprechen wir von einer Zeit. 219b Denn eben dies ist j a die Zeit, die Anzahl f ü r die Bewegung hinsieht5 lieh ihrer Phasenfolge. Nicht Bewegung selbst ist also die Zeit, sondern das Zahlmoment an der Bewegung. Die Begründung dafür: Der Unterschied von Mehr und Weniger erhält seine Bestimmung durch die Zahl, quantitative Unterschiede in der Bewegung aber (erhalten ihre Bestimmung) durch s 10 die Zeitangabe. Folglich ist die Zeit ein Typus von Zahl. Nun aber hat die Zahl eine doppelte Funktion — denn wir nennen Zahl sowohl das, was gezählt wird und abzählbar ist, wie auch das, womit wir (jenes) abzählen (wir zählen die Anzahl und zählen mit der Zählzahl): die Zeit gehört offensichtlich dem Typus der Anzahl, nicht dem Typus is der Zählzahl an. Anzahl und Zählzahl aber sind voneinander wohlunterschieden. — Wie die Bewegung eine Kette voneinander verschiedener Stadien darstellt, so ist auch die Zeit eine Kette voneinander i» verschiedener Abschnitte — im simultanen Querschnitt allerdings ist die Zeit in ihrer ganzen Breite jeweils identisch eine; denn der Jetzt 20 punkt, als bloßes Substrat betrachtet, bleibt stets der nämliche und nur seiner Bestimmtheit nach gibt es da Verschiedenheit; und der Jetztpunkt trennt die Zeit lediglich im Sinne eines Nacheinander der Phasen —. Der Jetztpunkt ist in gewisser Weise immer derselbe, in gewisser Weise ist er es nicht. Insofern nämlich, als er selbst an ver25 schiedenen Zeitstellen nacheinander auftritt, ist er immer ein anderer — und das war mit dem Ausdruck „verschieden nach seiner Bestimmtheit" gemeint —; als Substrat allein gefaßt, ist er hingegen stets der nämliche. Denn, wie schon erwähnt, es entspricht die Struktur des is Prozesses der Struktur der Ausdehnungsgröße; und, wie wir betonen, 30 es entspricht die Struktur der Zeit der Struktur des Prozesses; und in gleicher Weise entspricht dem Punkt die Struktur des bewegten Gegenstands, an dem allein wir die Bewegung und den Unterschied ihrer Phasen erfassen; als Substrat betrachtet ist dieser bewegte Gegenstand immer der nämliche — ein identischer Punkt, ein identischer 35 Stein, oder sonst dergleichen —; seiner inhaltlichen Bestimmtheit nach freilich unterliegt er einem Wandel, ganz so, wie die Sophisten auf 20 dem Bestimmtheitsunterschied bestehen zwischen dem Koriskos im Lykeion und dem Koriskos auf dem Markt; auch der bewegte Gegenstand ist also dank seinem fortgesetzten Ortswechsel fortlaufend anders
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Buch IV
b e s t i m m t . Dieser Sachlage am bewegten Gegenstand entspricht n u n die Sachlage am J e t z t p u n k t , genau wie die S t r u k t u r der Zeit der S t r u k t u r der Bewegung entspricht — denn am bewegten Gegenstand erfassen wir den f ü r die Bewegung charakteristischen Unterschied des vorausgehenden u n d folgenden Z u s t a n d s ; das Moment aber der Gliede- 5 25 rung der Bewegung in eine A n z a h l von aufeinanderfolgenden P h a s e n , dies genau ist der J e t z t p u n k t —. U n d e b e n d a r u m ist es auch hier so, daß der J e t z t p u n k t , als bloßes S u b s t r a t gefaßt, immer der nämliche ist — so ist er j a einfach das Moment des bloßen zur Bewegung gehörenden Unterschieds der P h a s e n —, inhaltlich aber ist er immer 10 wieder von anderer Bestimmtheit — denn so ist der J e t z t p u n k t das Prinzip der G l i e d e r u n g i n d i e A n z a h l aufeinander folgender Phasen —. I n ausgezeichneter Weise ist das bewegte Glied der E r 3« kenntnis zugänglich; der Prozeß selbst ist es n u r vermittels des Gegenstands, an d e m der Prozeß sich abspielt, die Ortsbewegung n u r ver- is mittels des Gegenstandes, der sich bewegt. N u r dieser Gegenstand h a t j a den R a n g eines selbständigen Dings, die Bewegung hingegen ist von solcher Seinsart nicht. — I n gewisser Weise also ist der J e t z t p u n k t stets der nämliche, in gewisser Weise ist er es nicht. E r folgt mit beiden Momenten darin der S t r u k t u r des in Bewegung befind- 20 liehen Gegenstandes. 22o< Zweifellos gäbe es ohne die Zeit keinen J e t z t p u n k t | u n d ohne den J e t z t p u n k t keine Zeit. D e n n wie der bewegte Gegenstand u n d die Bewegung zusammengehören, so auch das Zahlmoment a m bewegten Gegenstand u n d das Zahlmoment an der Bewegung. D e n n die Zeit 2s ist nichts als die Anzahl f ü r die Bewegung, und der J e t z t p u n k t f u n giert (im Ganzen der Zeit) wie der bewegte Gegenstand (innerhalb der G e s a m t s t r u k t u r der Bewegung): er ist sozusagen die die Anzahl aufs bauende Eins. Sowohl ihre K o n t i n u i t ä t v e r d a n k t die Zeit d e m J e t z t p u n k t wie auch ihre Teilbarkeit in Abschnitte. Auch in diesem P u n k t 3« folgt ihre S t r u k t u r der S t r u k t u r der Bewegung u n d des bewegten Gegenstands; auch der Prozeß u n d die Bewegung v e r d a n k e n j a ihre Einheit der Einheit u n d I d e n t i t ä t des bewegten Gegenstands — nicht freilich der bloßen Substrateinheit des letzteren; so k a n n er j a durchaus seine Bewegung u n t e r b r e c h e n ; sondern seiner Einheit eben als 35 bewegten Gegenstands —. Aber auch das Auseinandertreten der Bewegung in eine vorausgehende u n d eine folgende Phase wird dem bewegten Gegenstand v e r d a n k t . Auch dieser h a t j a eine F u n k t i o n , die io in gewisser Weise derjenigen des P u n k t e s entspricht. Auch der P u n k t
Kapitel 11-12
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hält j a die Stücke einer Strecke zur einen Strecke zusammen u n d hält sie gleichzeitig wiederum auch auseinander; denn er bildet den Anfang des einen, das E n d e des anderen Stücks. Will freilich j e m a n d den P u n k t so fassen, d a ß er ihn als zwei P u n k t e fungieren l ä ß t (als einen i E n d p u n k t u n d d a n n als einen Anfangspunkt), d a n n m u ß er m i t seiner Bewegung auf der Strecke innehalten, wenn der eine identische P u n k t wirklich A n f a n g u n d auch E n d e sein soll. Der J e t z t p u n k t ist jedoch immer ein anderer u n d neuer, weil j a der bewegte Gegenstand seine B a h n durchläuft. D a r a u s ergibt sich: Die Zeit ist eine Anzahl, aber is 10 nicht etwa wie die Anzahl, die dem identisch einen P u n k t z u k o m m t , weil dieser einmal Anfang u n d einmal E n d p u n k t ist, sondern vielmehr wie die Grenzpunkte der Linie eine Anzahl bilden — auch nicht so, wie ihre Teile eine Anzahl darstellen, u n d dies aus den'angegebenen Gründen — m a n m ü ß t e den Zwischenpunkt dabei j a als zwei P u n k t e is nehmen, was ein Stillstehen zur Folge haben m ü ß t e —, u n d darüber hinaus ist j a der J e t z t p u n k t keinesfalls ein Teil der Zeit, ebensowenig ist a u c h der Einschnitt in der Bewegung ein solcher Teil, wie es j a auch der P u n k t gegenüber der Linie nicht ist. Die zwei 20 Stücke der einen Linie freilich, die sind Teile. [Als Grenze b e t r a c h t e t 20 ist der J e t z t p u n k t nicht Zeit, sondern n u r eine zusätzliche Bestimmtheit an i h r ; als das Prinzip möglicher Bildung von Anzahlen aber h a t er die F u n k t i o n einer Anzahl.] Grenzen gehören ausschließlich zu dem, dessen Grenzen sie sind; eine Anzahl, die Anzahl dieser Pferde hier, die Zehn, (kennt solche Gebundenheit nicht, sie) k e h r t 25 an Anderem wieder. So ist also geklärt, d a ß die Zeit Anzahl f ü r den 2s Prozeß ist hinsichtlich der in ihm sich folgenden Z u s t ä n d e u n d d a ß die Zeit ein K o n t i ü u u m darstellt (denn sie ist Anzahl f ü r ein Kontinuum). 12. Absolut b e t r a c h t e t heißt die kleinste Zahl Zwei. I m Sinne kon30 kreter Anzahl hingegen gibt es n u r bedingterweise eine kleinste Zahl; n i m m t m a n das K o n k r e t u m einer Linie, so gibt es mit Bezug auf mögliche Menge eine kleinste Anzahl — zwei oder eine; mit Bezug auf mögliche Ausdehnungsgröße hingegen gibt es eine kleinste Z a h l so (eine kleinste Bruchzahl) n i c h t : jegliche Linie l ä ß t sich j a fortgesetzt .15 weiterteilen. Folglich auch jegliche Zeit. Die Eins bzw. Zwei ist mit Bezug auf mögliche Anzahl kleinste Zahl; sie ist es nicht mit Bezug auf mögliche Ausdehnungsgröße. Zweifellos auch l ä ß t sich | die Zeit nicht als schnell oder langsam, 220 b wohl aber als viel oder wenig u n d als lang oder kurz bezeichnen: als
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Buch IV
lang und kurz dank ihrer Kontinuität, als viel und wenig dank ihrem Zahlcharakter. Schnell und langsam aber ist die Zeit nicht. Denn auch s die Zählzahl ist in keinem Fall schnell oder langsam. Weiterhin ist die Zeit zwar in der ganzen Breite räumlichen Beisammens eine und dieselbe, in der Sukzession ihrer Phasen hingegen s besitzt sie keine Identität, so gewiß die gegenwärtige Veränderung sich von der vergangenen und der zukünftigen (numerisch) unterscheidet, die Zeit aber Zahl — nicht Zählzahl, sondern Anzahl — ist 10 und diese Anzahl von Phase zu Phase sich sukzessiv ändert; es sind ja die Jetztpunkte immer andere. Die bloße Zahl ist freilich eine und 1» dieselbe, ob es sich um hundert Pferde oder um hundert Menschen handelt, aber die gezählten Mengen sind voneinander verschieden, die Pferde von den Menschen. Sodann auch: Wie ein und derselbe Prozeß immer und immer wiederkehren kann, so auch eine Zeit, z. B. Jahr, Frühling, Herbst. 1.1 is Wir messen nicht nur die Bewegung mittels der Zeit, sondern auch mittels der Bewegung die Zeit und können dies, weil sich beide wechselseitig bestimmen: Die Zeit bestimmt die Bewegung, weil sie ihre Zahl ist, die Bewegung bestimmt die Zeit. Wenn wir von viel und wenig Zeit sprechen, so dient uns als Maßeinheit die Bewegung, wie uns bei 2« der Bestimmung einer Anzahl die zählbare Einheit dient, etwa das 20 Einzelpferd bei der Bestimmung der Anzahl der zu zählenden Pferde. Der Zählzahl verdanken wir die Bestimmbarkeit der Menge der Pferde, umgekehrt verdanken wir dem Einzelpferd die Abzählbarkeit der Anzahl der Pferde selbst. Und nicht anders auch liegen die Dinge in dem 2s Verhältnis zwischen der Zeit und der Bewegung: Der Zeit verdanken wir die Meßbarkeit der Bewegung, der Bewegung die Meßbarkeit der 25 Zeit. Und dies aus besten Gründen: Es folgt die Struktur der Bewegung derjenigen der Ausdehnungsgröße, die Struktur der Zeit derjenigen der Bewegung, und zwar sowohl in der Quantität wie in der Konti- 30 nuität wie in der Teilbarkeit; weil die Ausdehnungsgröße v o n dieser Struktur ist, darum hat die Bewegung diese Charaktere; weil die Bewegung so und so ist, darum ist die Zeit so und so. Wir messen auch die Ausdehnungsgröße mittels der Bewegung und diese Bewegung wiederum mittels der Ausdehnungsgröße. Wir sprechen von einem 35 30 weiten Weg, wenn wir weit zu gehen haben, von einem weiten Gang, wenn der Weg weit ist; und so sprechen wir auch von einer langen Zeit, wenn der Prozeß lang ist, von einem langen Prozeß, wenn seine Zeit lang ist.
Kapitel 12
117
E s ist also die Zeit das Maß | f ü r das Bewegen u n d Bewegtwerden 221« u n d die Zeit liefert die Messung der Bewegung durch Herausgreifen eines Bewegungsstücks, welches d a n n als Einheit f ü r die Messung der ganzen Bewegung fungiert — wie j a auch die Elle eine Strecke d a d u r c h 3 m e ß b a r m a c h t , d a ß sie eine Längengröße festlegt, welche d a n n als Längeneinheit die Gesamtstrecke m e ß b a r m a c h t —; u n d Zeitlichkeit der Bewegung heißt Meßbarkeit der Bewegung u n d ihres Dauerns s mittels der Zeit — denn die Zeit mißt gleichzeitig die Bewegung u n d die Dauer der Bewegung, u n d Zeitlichkeit der Bewegung ist Maß10 b e s t i m m t h e i t ihres Dauerns —. D a r u m ist n u n zweifellos Zeitlichkeit auch sonst überall Maßbestimmtheit der D a u e r durch die Zeit. Denn In-einer-Zeit-Sein besagt eines von diesen beiden: entweder S t a t t - io finden, wenn die Zeit s t a t t h a t , oder aber so in einer Zeit sein, wie wir von einigem sagen, es sei in einer Zahl. Dies letztere h a t übrigens auch 15 seinerseits nochmals zwei wohlverschiedene B e d e u t u n g e n : etwas k a n n in einer Zahl sein als deren Teil oder Eigenschaft, ü b e r h a u p t als ein Aufbauglied von ihr, oder aber in dem ganz anderen Sinne, daß es d a v o n eine Anzahl gibt. Da n u n die Zeit Zahl ist, sind einerseits der J e t z t p u n k t u n d das Vorausgegangene u n d dergleichen so in der Zeit, 15 20 wie die Eins u n d der Gegensatz von Gerade u n d Ungerade in der Zahl stecken — die letzteren als Aufbauglieder der Zahl, die ersteren als Aufbauglieder der Zeit —, die Geschehnisse hingegen sind in der Zeit, wie etwas, das zu einer Anzahl gehört. Das heißt d a n n a b e r : sie sind in einer Zeit e n t h a l t e n wie w e n n d a s V e r g a n g e n e in n u m e r i s c h e r I d e n t i t ä t w i e d e r k e h r e n
könnte;
so i s t d i e s e B e d i n g u n g u n e r f ü l l b a r , d a n n h a b e n w i r z w a r i m m e r
wieder
den gleichen Prozeß vor uns, aber nicht einen einzigen (umfassenden). — E i n g a n z ähnliches P r o b l e m ist die folgende F r a g e : G i b t es i m Bereich der
Körperweit
überhaupt
wesenhafte identische
Einheit,
Gesundheit, überhaupt von Dauereigenschaften und von
etwa
der
Zuständen?
15 D e r A n s c h e i n s p r i c h t d o c h f ü r e i n e n s t ä n d i g e n W a n d e l u n d e i n s t ä n diges Fließen dieser Art von Gegenständen. W e n n n u n meine Gesundh e i t v o n h e u t e m o r g e n s m i t m e i n e r a u g e n b l i c k l i c h e n G e s u n d h e i t e i n e 10 und
dieselbe ist, w a r u m
soll sie d a n n n i c h t
eine u n d
d a n n sein, w e n n j e m a n d seine G e s u n d h e i t n a c h einer
dieselbe
auch
Unterbrechung
20 w i e d e r g e w i n n t , u n d z w a r w i r k l i c h n u m e r i s c h d i e s e l b e ? D i e
Sachlage
ist d o c h (im zweiten Fall) die n ä m l i c h e . Mit e i n e m U n t e r s c h i e d freilich d o c h : Soll es sich u m zwei v e r s c h i e d e n e ( G e s u n d h e i t s z u s t ä n d e ) h a n d e l n k ö n n e n , d a n n m ü s s e n , d a es sich u m n u m e r i s c h e V e r s c h i e d e n h e i t
han-
deln würde, a u c h die zu ihrem Dasein führenden Prozesse zwei
ver-
-25 s c h i e d e n e s e i n — d e n n e i n d u r c h n u m e r i s c h e E i n h e i t c h a r a k t e r i s i e r t e r i* V e r w i r k l i c h u n g s p r o z e ß f ü h r t n u r ein S e i e n d e s h e r a u f , d a s s e l b s t d u r c h numerische
Einheit
charakterisiert
sein
wird
—;
soll
es
sich
gegen u m e i n e n G e s u n d h e i t s z u s t a n d h a n d e l n , so wird m a n nicht schon gleich a u c h bloß 30 w o l l e n damit der
— hält j e m a n d zu
Ende;
Betreffende
ein
etwa zu
Verwirklichungsprozeß
im Gehen
solcher
wieder
einen wird
gehen
aber
inne,
so
wieder
ist
der
fordern
Gehprozeß
statthaben,
b e g i n n t —. S o l l t e
hin-
deswegen
nun
sobald
gar
auch
der V e r w i r k l i c h u n g s p r o z e ß bloß einer sein, d a n n m ü ß t e es d a s
geben
k ö n n e n , d a ß eines u n d d a s s e l b e v e r g i n g e u n d d o c h in seiner I d e n t i t ä t .15 w i e d e r k e h r t e . D o c h diese F r a g e n führen über unser T h e m a
hinaus.
— A b e r , d a 20
jedweder Prozeß einen kontinuierlichen Z u s a m m e n h a n g darstellt, m u ß a u c h der absolut einheitliche Prozeß — w e n n j a j e d w e d e r Prozeß unendliche Teilung zuläßt — einen kontinuierlichen Z u s a m m e n h a n g
dar-
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Buch V
stellen u n d ein Prozeß auch umgekehrt Einheit an sich h a b e n , sobald er »Kontinuität an sich h a t . Es k a n n j a keineswegs jeder Prozeß mit jedem anderen zusammen einen kontinuierlichen Z u s a m m e n h a n g bilden, wie j a auch nicht jeder beliebige Gegenstand mit j e d e m beliebigen Gegenstand; K o n t i n u i t ä t k a n n vielmehr n u r dort vorliegen, wo das s E n d e des einen Glieds mit dem Anfang des anderen zur Einheit verschmilzt. N u n gibt es erstens Gebilde, die gar keine E n d e n h a b e n ; 25 und es gibt zweitens Gebilde, -die keine artgleichen E n d e n haben können; wie sollte sich denn etwa das E n d e einer (gezeichneten) Linie mit dem A n f a n g s p u n k t einer Gehbewegung berühren oder damit zur 10 Einheit verschmelzen k ö n n e n ? Aneinander sich anschließen mögen freilich auch solche Prozesse können, die keine Art- u n d keine Gattungseinheit besitzen — es k a n n einer nach einem Lauf anschließend sofort Fieber bekommen —, oder auch solche wie der Stafettenlauf, der durchaus ein Z u s a m m e n h a n g sich anschließender Prozesse, aber kein konti- is nuierlicher Prozeß ist. Denn K o n t i n u i t ä t liegt eben n u r dort vor, wo 30 die E n d e n (der Glieder des Gebildes) zur Einheit verwachsen sind. D a r u m haben wir aneinander sich anschließende u n d aufeinanderfolgende Prozesse bereits dort, wo bloß Zeitkontinuität vorliegt, einen kontinuierlichen Prozeßzusammenhang aber erst dort, wo auch die 20 Prozesse selbst einen kontinuierlichen Z u s a m m e n h a n g bilden. Und das 228 b ist eben einzig dort der Fall, | wo das E n d e des einen Prozesses mit dem Anfang des anderen zur Einheit verwachsen ist. F ü r die absolute K o n t i n u i t ä t u n d Einheit eines Prozeßzusammenhangs ist d a r u m gleichzeitig Artgleichheit der Prozeßstücke, I d e n t i t ä t des Prozeßgegenstands as und Einheit der Zeit gefordert. Einheit der Zeit, damit eine Zwischenphase der Beharrung u n d R u h e ausgeschlossen sei — bei einem zeitlichen Aussetzen m ü ß t e ja Beharrung u n d R u h e eintreten; wir haben s d a n n sofort eine Mehrzahl von Prozessen, die durch Beharrung und Ruhe unterbrochen sind, so d a ß wir sagen müssen: wenn irgend ein 30 Prozeß d u r c h eine Beharrungsphase unterbrochen wird, handelt es sich nicht mehr u m einen einzigen u n d kontinuierlichen Prozeß; liegt aber . irgendwo in seinem Verlauf Zeit dazwischen, so ist er unterbrochen —. Liegt andererseits nicht Arteinheit (bei dem Prozeßzusammenhang) vor, d a n n mag zwar, wenn keine U n t e r b r e c h u n g vorliegt, Einheit der 35. Zeit gegeben sein, aber der A r t nach ist es dennoch nicht ein einziger 10 Prozeß. Wirkliche Prozeßeinheit verlangt eben i m m e r auch Arteinheit des Prozeßzusammenhangs, während u m g e k e h r t die Arteinheit noch nicht absolute Einheit gewährleistet.
141
Kapitel 4 Der Begriff der absoluten Prozeßeinheit
ist d a m i t
erörtert.
Von
Prozeßeinheit spricht m a n aber auch beim vollständigen Prozeß, und z w a r o h n e R ü c k s i c h t d a r a u f , o b es s i c h u m G a t t u n g s - , A r t - o d e r v ö l l i g e W e s e n s e i n h e i t h a n d e l n soll, wie w i r j a a u c h s o n s t V o l l s t ä n d i g k e i t u n d s G a n z h e i t a l s C h a r a k t e r e eines e i n h e i t l i c h e n G e b i l d e s a n s e h e n . Z u w e i l e n a b e r w i r d a u c h ein u n a b g e s c h l o s s e n e r P r o z e ß als e i n h e i t l i c h b e z e i c h n e t , w e n n e r n u r w e n i g s t e n s ein K o n t i n u u m d a r s t e l l t . —
is
N o c h m a l s in a n d e r e r B e d e u t u n g e r h ä l t d e r g l e i c h f ö r m i g e P r o z e ß d e n Charakter der Einheit zugesprochen. Der ungleichförmige Prozeß kann 10 j a n u r b e d i n g t als ein e i n z i g e r P r o z e ß g e l t e n ; j e d e n f a l l s b e s i t z t
der
g l e i c h f ö r m i g e P r o z e ß i m h ö h e r e n G r a d E i n h e i t , so e t w a die g e r a d l i n i g e Bewegung. Der ungleichförmige Prozeß kann j a in (verschiedenartige) S t ü c k e z e r l e g t w e r d e n . I m m e r h i n s c h e i n t es s i c h b l o ß u m e i n e n G r a d u n t e r s c h i e d in d e r E i n h e i t l i c h k e i t z u h a n d e l n . E s g i b t d e n G e g e n s a t z 15 v o n G l e i c h f ö r m i g k e i t u n d U n g l e i c h f ö r m i g k e i t in a l l e n T y p e n v o n V e r ä n d e r u n g s p r o z e s s e n : g l e i c h f ö r m i g e Q u a l i t ä t s ä n d e r u n g , O r t s b e w e g u n g 2« a u f gleichförmiger B a h n , d. h. K r e i s b a h n oder G e r a d e r ; nicht
anders
a u c h bei W a c h s e n u n d A b n a h m e . U n g l e i c h f ö r m i g k e i t b e s a g t z u w e i l e n eine A b w e i c h u n g in d e r B a h n — a u f e i n e m u n g l e i c h f ö r m i g e n
Raum-
20 s t ü c k ist G l e i c h f ö r m i g k e i t d e r B e w e g u n g a u s g e s c h l o s s e n , z . B . bei e i n e r B e w e g u n g , die e i n e r a b g e w i n k e l t e n B a h n o d e r d e r S c h r a u b e n l i n i e o d e r e i n e r s o n s t i g e n R a u m g r ö ß e f o l g t , bei d e r n i c h t j e d e s b e l i e b i g e
Stück
m i t j e d e m a n d e r e n b e l i e b i g e n S t ü c k z u r D e c k u n g g e b r a c h t w e r d e n 2s k a n n —. Z u w e i l e n a u c h b e s a g t U n g l e i c h f ö r m i g k e i t e i n e A b w e i c h u n g , ss z w a r n i c h t d e r B a h n , n i c h t d e r Z e i t , n i c h t d e m Ziel n a c h , w o h l a b e r in d e r V o l l z u g s a r t d e s P r o z e s s e s : m a n c h m a l f ä l l t ein P r o z e ß i n u n gleichförmige Stücke auseinander auf Grund abweichender Geschwindigkeit. E i n P r o z e ß m i t gleichbleibender Geschwindigkeit heißt gleichf ö r m i g , ein P r o z e ß m i t n i c h t g l e i c h b l e i b e n d e r G e s c h w i n d i g k e i t d a g e g e n 30 u n g l e i c h f ö r m i g . D a r u m g i b t d e r G e g e n s a t z L a n g s a m — S c h n e l l Einteilungsgrund
keinen
a b zur B i l d u n g v o n A r t e n u n d spezifischen
Diffe-
r e n z e n d e r P r o z e s s e , weil e r v i e l m e h r d u r c h alle E i n t e i l u n g s g l i e d e r h i n - 39 durchgeht. U n d d a r u m wiederum gibt a u c h der Gegensatz
Schwer-
L e i c h t k e i n e n s o l c h e n E i n t e i l u n g s g r u n d a b , w e n i g s t e n s w e n n es s i c h 35 u m
die B e w e g u n g eines K ö r p e r s z u s e i n e s g l e i c h e n z u r ü c k
handelt,
e t w a u m die B e w e g u n g eines E r d s t ü c k s z u r ü c k z u r E r d e o d e r e i n e s F e u e r s z u r ü c k z u r | S p h ä r e des F e u e r s . — E i n h e i t k a n n m a n also a u c h 229« d e m u n g l e i c h f ö r m i g e n P r o z e ß d u r c h a u s z u s p r e c h e n , s o b a l d e r n u r ein K o n t i n u u m b i l d e t ; a b e r diese E i n h e i t ist eine a b g e s c h w ä c h t e , w i e es
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Buch V
etwa bei der Bewegung auf abgewinkelter B a h n der Fall ist. Solche Abschwächung ist immer (das Anzeichen für) eine Beimischung des Gegenteils. W e n n n u n aber jedweder durch Einheit charakterisierte Prozeß ebensogut als gleichförmig wie als nicht gleichförmig b e t r a c h t e t werden k a n n , so geht es jedenfalls nicht an, Prozessen, die erstens bloß J sich aneinander anschließen u n d zweitens nicht einmal Artgleichheit besitzen, den Charakter eines einzigen u n d kontinuierlichen Prozesses zuzusprechen. D e n n wie sollte ein P r o z e ß z u s a m m e n h a n g aus einer Qualitätsveränderung u n d einer Ortsbewegung einen gleichförmigen Prozeß bilden k ö n n e n ? D a f ü r wäre j a gefordert, daß sie miteinander 10 zur Deckung gebracht werden k ö n n t e n . 5. N u n m e h r h a b e n wir folgende Fragen zu k l ä r e n : Zwischen welchen Prozessen besteht ein K o n t r ä r v e r h ä l t n i s ? U n d die nämliche Frage h a b e n wir auch f ü r die F o r m e n der B e h a r r u n g u n d R u h e zu stellen. Zunächst h a b e n wir zu entscheiden, ob (a) der aus einem Z u s t a n d A is herausführende Prozeß k o n t r ä r steht zu d e m z u m Z u s t a n d A hinf ü h r e n d e n Prozeß — z. B. der aus der Gesundheit h e r a u s f ü h r e n d e zu dem zur Gesundheit h i n f ü h r e n d e n —, ein Verhältnis, das auch zwischen E n t s t e h e n u n d Vergehen zu bestehen scheint, — oder ob (b) ein Konträrverhältnis besteht zwischen Prozessen, wenn der eine aus Z u s t a n d A, 20 der andere aus d e m entgegengesetzten Z u s t a n d B h e r a u s f ü h r t — z. B. der eine aus der Gesundheit, der andere aus der K r a n k h e i t —, oder ob (c) K o n t r a r i e t ä t besteht zwischen dem Prozeß, der z u m Z u s t a n d A, und dem, der z u m entgegengesetzten Z u s t a n d B f ü h r t — z. B. der eine zur Gesundheit, der andere zur K r a n k h e i t —, oder ob (d) ein konträrer 25 Gegensatz besteht zwischen dem Prozeß, der aus A h e r a u s f ü h r t , und dem, der zum entgegengesetzten B h i n f ü h r t — z. B. der eine aus der Krankheit, der andere zur Gesundheit —, oder ob (e) K o n t r a r i e t ä t besteht zwischen dem Prozeß, der von A zu B f ü h r t , u n d dem, der von B zu A f ü h r t — z. B. zwischen dem von der Gesundheit zur K r a n k - so heit und dem von der K r a n k h e i t zur Gesundheit —. E n t w e d e r eines oder aber mehrere dieser Verhältnisse müssen in Frage k o m m e n ; denn wir haben eine vollständige Disjunktion der Gegensatzmöglichkeiten erreicht. — N u n besteht zwischen dem aus A heraus- u n d d e m auf B hinführenden Prozeß kein Gegensatz — z. B. zwischen dem aus der 3; Gesundheit heraus- und dem zur Krankheit h i n f ü h r e n d e n Prozeß —; er ist ja ü b e r h a u p t einer u n d derselbe. I h r e m reinen Begriff nach freilich sind sie nicht identisch, wie ja auch die reinen Begriffe des Ubergangs aus der Gesundheit und des Ubergangs in die K r a n k h e i t nicht
Kapitel 4 - 5
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identisch sind. Auch zwischen dem aus A und dem aus B herausführenden Prozeß besteht kein Konträrverhältnis. Denn der aus A oder B herausführende Prozeß fällt zusammen mit dem zu B bzw. A oder aber zu einem zwischen A und B liegenden Mittelglied hinführen5 den Prozeß — aber darüber hernach! —, doch scheint der zum Gegenglied übergehende Prozeß für die Konstitution des Gegensatzgliedes eine wichtigere Funktion zu haben als der aus dem Gegenglied herausführende Prozeß; denn der letztere führt nur zu einer Aufhebung der Ausgangsbestimmtheit, der erstere aber führt zum positiven Besitz i« der entgegengesetzten Bestimmtheit. E s erhält auch jeder Prozeß seine 25 Bezeichnung viel besser nach dem Ziel, zu dem er führt, als nach dem Ausgangspunkt, von dem er wegführt; z. B . Gesundung ist der zur Gesundheit, Erkrankung als der zur Krankheit führende Prozeß. Bleiben noch zwei Prozeßverhältnisse übrig: der zu A führende Pro15 zeß in seinem Verhältnis zu dem zum Gegenglied B führenden Prozeß (Gesundung—Erkrankung) und der von A zu B führende Prozeß in seinem Verhältnis zu dem von B zu A führenden Prozeß. E s ergibt sich sofort, daß die zu einem Gegenglied führenden Prozesse gleichzeitig auch von einem Gegenglied ausgehen, wobei freilich die rein 20 begriffliche Unterschiedenheit erhalten bleibt: sowohl zwischen dem zur Gesundheit und dem aus der Krankheit wie auch zwischen dem 30 aus der Gesundheit und dem zur Krankheit führenden Prozeß. Da sich aber die Begriffe des Prozesses überhaupt und der Veränderung nicht decken — Veränderung ist nur derjenige Prozeß, an dessen Anas fangspunkt und an dessen Endpunkt in gleicherweise ein bestimmter Gegenstand steht —, so läßt, sich sagen: die vom Zustand A | in den 2 2 9 b entgegengesetzten Zustand B führende Veränderung steht der von B zu A führenden Veränderung konträr gegenüber; Beispiel: auf der einen Seite die von der Gesundheit zur Krankheit, auf der anderen 3« Seite die von der Krankheit zur Gesundheit führende Veränderung. — Auch die methodische Betrachtung konkreter Beispiele zeigt den Charakter der konträren Glieder: Krankwerden gegenüber Gesundwerden, Unterrichtetwerden gegenüber dem Getäuschtwerden — immer sind es 5 Veränderungen, die zum Gegenteil des Ausgangspunktes führen; wie 35 man Wissen selbst erwerben, aber auch von einem Anderen vermittelt bekommen kann, so kann man sich selbst täuschen, aber auch getäuscht werden —, Aufwärtsbewegung gegenüber Abwärtsbewegung — Gegensätze in der Höhe —, Rechtsbewegung gegenüber Linksbewegung — Gegensätze in der Breite —, Vorwärtsbewegung gegenüber
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Buch V
10 Rückwärtsbewegung — auch dies sind Gegensätze —. — W a s n u n jenes Geschehen angeht, das lediglich als Übergang zu einem Gegenglied charakterisiert ist, so ist es keine Veränderung, sondern ein purer Prozeß; so wenn etwa ein Weißwerden festgestellt wird ohne gleichzeitiges Feststellen des Ausgangspunktes dieses Prozesses. U n d über- s all dort, wo kein P a a r konträrer Bestimmtheiten vorliegt, da ist der aus dem gegebenen Sachverhalt h e r a u s f ü h r e n d e Prozeß dem zu dem betreffenden Sachverhalt f ü h r e n d e n Prozeß k o n t r ä r entgegengesetzt. D a r u m h a b e n wir ein K o n t r ä r v e r h ä l t n i s zwischen E n t s t e h e n u n d Vergehen u n d zwischen Gewinnung u n d Verlust (einer Bestimmtheit). 10 Derartiges ist ein purer Prozeß, aber kein Veränderungsprozeß. Die15 jenigen Prozesse nun, die z u m Mittelglied f ü h r e n , soweit ein Mittelglied zwischen den Gegensätzen da ist, sind den z u m Gegenglied führenden Prozessen in etwa gleichzustellen. I n welcher R i c h t u n g nämlich der Prozeß auch laufen möge, er b e n u t z t d a n n das Mittelglied als is Gegenglied (zu seinem Ausgangspunkt): so etwa von Grau zu Weiß, als wäre er ein Ubergang von Schwarz (zu Weiß); von Weiß zu Grau, als wäre er ein Übergang (von Weiß) zu Schwarz; von Schwarz zu Grau, als wäre er ein Übergang des Grau zu Weiß. Denn das Mittel20 glied fungiert nach beiden Seiten hin als Gegenglied zu den eigent- 20 liehen Gegengliedern, wie j a schon einmal erörtert worden ist. (Zusammenfassend:) Ein Konträrverhältnis zwischen zwei Veränderungen liegt also vor, wenn es sich u m das Verhältnis zwischen einem von A zu seinem Gegenglied B f ü h r e n d e n Prozeß einerseits u n d dem von B zu A f ü h r e n d e n Prozeß andererseits h a n d e l t . — 25 6. Da aber einer Veränderung nicht n u r eine Veränderung, sondern auch eine B e h a r r u n g entgegengesetzt sein d ü r f t e , müssen wir auch 25 dies klären. I m unmittelbaren Sinn stehen sich Veränderungen k o n t r ä r gegenüber, aber ein Gegensatz besteht auch zwischen Veränderung und Beharrung — diese ist zwar n u r Negativbestimmthei't, aber in .10 gewissem Sinn bildet auch die Negativbestimmtheit einen k o n t r ä r e n Gegensatz (zur affirmativen Bestimmtheit) —, u n d zwar zwischen bestimmter Veränderung u n d bestimmter Beharrung, z. B. zwischen Ortsveränderung u n d Ortsbeharrung. Aber so ist das bloß unterscheidungslos formuliert. (Wir müssen fragen:) Ist der B e h a r r u n g i m Z u s t a n d A 3s die Veränderung, die aus A wegführt, oder aber die Veränderung, die zu A h i n f ü h r t , entgegengesetzt? Da die Veränderung es immer m i t 30 zwei Gegengliedern (A u n d B) zu t u n h a t , so ist zweifellos der von A zu B f ü h r e n d e n Veränderung die Beharrung in A, hingegen der von B
Kapitel 5—6
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zu A führenden Veränderung die Beharrung in B entgegengesetzt. Gleichzeitig aber stehen diese Beharrungen auch selbst untereinander im Gegensatz. Es wäre ja eine widersinnige Annahme, daß zwar die Veränderungen | konträr zueinander stünden, aber nicht auch die ein- 2.10 a s ander entgegengesetzten Beharrungen. (Kontrarietät) liegt vor zwischen Beharrungen in konträren Zuständen; so ist z. B. die (Beharrung) in gesundem Zustand der Beharrung in krankem Zustand konträr entgegengesetzt ; auch der von der Gesundheit zur Krankheit führenden Veränderung; selbstverständlich nicht der umgekehrten Veränderung 10 — denn die Veränderung in den Ausgangszustand A ist ja eher ein Zurruhekommen (im Zustand A); oder auch die Veränderung (die zu A s führt) koinzidiert mit (einem Zurruhekommen in A) —; eine von diesen beiden Veränderungen aber muß es jedenfalls sein (welche das fragliche Konträrverhältnis zur Beharrung im gesunden Zustand aufweist). (Und 15 Kontrarietät liegt n u r dort vor, wo es sich um Beharrungen in konträren Zuständen handelt.) Denn zwischen einer Beharrung in weißem Zustand und einer Beharrung in krankem Zustand haben wir kein Konträrverhältnis. — Wo aber kein Paar konträrer Bestimmtheiten vorliegt, da ist zwar ein P r o z e ß möglich — und zwar ist dann der 20 einen Sachverhalt abbauende Prozeß dem ihn erzeugenden entgegengesetzt, z. B. der seinaufhebende dem seinerzeugenden —, aber keine V e r ä n d e r u n g ; auch Beharrung gibt es hier nicht, sondern nur In- 10 prozessualität. Für den Fall, daß dabei ein Gegenstand vorliegt, besteht ein Konträrverhältnis zwischen der Inprozessualität im affirma2s tiven und der Inprozessualität im negativen Zustand. Ist das negative Glied hingegen gar kein (bestehender) Gegenstand, so kann man sich fragen, ob sich denn etwas angeben lasse, dem die Inprozessualität im Sein konträr gegenüberstehen könne, und ob man da noch (in irgendeinem Sinne) von Beharrung sprechen könne. Soll hier noch Beharrung 30 vorliegen, so myß man konsequenterweise entweder den Satz aufheben, jedwede Beharrung stehe zur Gegenstandsänderung im konträren Verhältnis, oder aber sich zu dem Satz entschließen, Entstehen und Vergehen (eines Gegenstands) seien Veränderungen. (Kein Glied dieser is Alternative ist aber annehmbar.) Zweifellos also dürfen wir hier nicht 35 von Beharrung sprechen, wenn nicht auch Entstehen und Vergehen zu Gegenstandsveränderungen gemacht werden sollen: was in Wahrheit vorliegt, ist etwas der Beharrung nur Ähnelndes, eben Inprozessualität. (Man muß also antworten:) Sie (die Inprozessualität im Sein) steht entweder zu nichts oder zur Inprozessualität im Nichtsein oder
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Buch V
zum Vergehen in k o n t r ä r e m Verhältnis; denn das Vergehen ist der aus ihr wegführende Prozeß, wie das E n t s t e h e n der zu ihr f ü h r e n d e Prozeß ist. Man k a n n sich die (weitere) Frage vorlegen, weshalb es denn inner20 halb der ortsverändernden Prozesse den Gegensatz von n a t u r g e m ä ß e n s und naturwidrigen Veränderungen und Beharrungen gebe, w ä h l e n d er im Feld der übrigen Prozeßtypen nicht auftrete, etwa als Gegensatz zwischen n a t u r g e m ä ß e r und naturwidriger Qualitätsänderung — hinsichtlich Gesundwerden und K r a n k w e r d e n oder hinsichtlich Weißwerden u n d Schwarzwerden könne m a n doch nicht sagen, eines 1« sei n a t u r g e m ä ß , das andere sei naturwidrig —; u n d ebenso stehe es doch bei Wachsen u n d Abnehmen — m a n könne doch auch hier nicht 25 sagen, das eine sei n a t u r g e m ä ß , das andere naturwidrig; ebensowenig auch, es gebe ein naturgemäßes und ein naturwidriges Wachsen —; und dieselbe Sachlage herrsche doch schließlich auch f ü r E n t s t e h e n is und Vergehen; denn weder sei das E n t s t e h e n n a t u r g e m ä ß , das Vergehen hingegen naturwidrig — denn das Altern sei doch völlig n a t u r gemäß — noch auch f ä n d e n wir innerhalb des E n t s t e h e n s etwa selbst einen solchen Gegensatz von n a t u r g e m ä ß e m und naturwidrigem E n t stehen. J a , aber wenn der Gewalteinfluß als naturwidrig sich erweist, 2« gibt es d a n n nicht doch K o n t r a r i e t ä t zwischen gewaltsamem, d. h. 30 naturwidrigem, und n a t u r g e m ä ß e m Vergehen? Gibt es nicht auch einmal gewaltbedingtes E n t s t e h e n , das nicht in der Weltordnung seinen Grund h a t , zu welchem die n a t u r g e m ä ß e n Entstehungsprozesse im 230b Konträrverhältnis stehen, | u n d gewaltbedingtes W a c h s t u m und Ab- 24 nehmen, die Frühreife etwa infolge üppigen Essens, die künstliche Schnellreife beim Getreide? Und steht es bei den qualitativen Veränderungsprozessen anders? Auch hier gibt es vielleicht Fälle des Einwirkens von äußeren K r ä f t e n neben den n a t u r g e m ä ß e n Fällen, wenn 5 z. B. die einen K r a n k e n am kritischen T a g nicht fieberfrei werden 30 neben den anderen K r a n k e n , die das Fieber am kritischen Tag verl ä ß t ; bei den einen verläuft der Prozeß also naturwidrig, bei den anderen n a t u r g e m ä ß . E s gäbe dann also auch F o r m e n des Vergehens, die untereinander, nicht bloß gegen die Entstehungsprozesse, k o n t r ä r stünden. W a r u m auch nicht? Stehen sie doch auch d a n n zueinander 35 konträr, wenn das eine Vergehen Freude, das andere K u m m e r m a c h t . So stünde also d a n n gewiß nicht ein Vergehen als solches zu einem Vergehen als solchem in K o n t r a r i e t ä t , wohl aber im Hinblick auf be10 stimmte Eigenschaften, die sie an sich haben mögen.
Kapitel 6
147
A u f die b e s a g t e W e i s e also gibt es K o n t r a r i e t ä t
ganz
allgemein
z w i s c h e n P r o z e s s e n u n d z w i s c h e n B e h a r r u n g e n , so z. B . z w i s c h e n e i n e r Aufwärtsbewegung und einer Abwärtsbewegung, zwischen einem Obenverharren und einem Untenverharren;
dies sind j a
Ortsgegensätze,
s Natürliche Aufwärtsbewegung besitzt das Feuer, natürliche Abwärtsb e w e g u n g die E r d e . So s t e h e n a u c h deren ( n a t ü r l i c h e )
Bewegungen
konträr zueinander. D a s Feuer bewegt sich n a t u r g e m ä ß aufwärts, abw ä r t s n u r w i d e r die N a t u r : S o s t e h e n a u c h s e i n e n a t ü r l i c h e u n d s e i n e is w i d e r n a t ü r l i c h e B e w e g u n g z u e i n a n d e r k o n t r ä r . — D a s s e l b e gilt
auch
i« b e z ü g l i c h d e r O r t s b e h a r r u n g e n . D a s O b e n b e h a r r e n s t e h t j a z u r A b wärtsbewegung k o n t r ä r . N u n ist für E r d e (etwa) das
Obenbeharren
w i d e r n a t ü r l i c h , die A b w ä r t s b e w e g u n g h i n g e g e n n a t u r g e m ä ß .
So
be-
steht denn K o n t r a r i e t ä t zwischen einer B e w e g u n g und einem B e h a r r e n , einem widernatürlichen Beharren und einer naturgemäßen
Bewegung
is — b e i e i n e m u n d d e m s e l b e n G e g e n s t a n d . D e n n b e i e i n e m u n d
dem-
s e l b e n G e g e n s t a n d g i b t e s j a a u c h z w i s c h e n d e n B e w e g u n g e n s o l c h e 20 Kontrarietät:
e i n e r s e i t s die n a t ü r l i c h e B e w e g u n g ,
— entweder
nach
o b e n oder a b e r n a c h u n t e n , andererseits die n a t u r w i d r i g e . — E i n P r o b l e m g i b t die F r a g e a u f , o b es f ü r j e d e B e h a r r u n g , d i e n i c h t z u a l l e r 20 Z e i t s t a t t h a t , e i n e E n t s t e h u n g g e b e — u n d d i e s e E n t s t e h u n g d e r B e h a r r u n g w ä r e die B e w e g u n g a u f d e n R u h e o r t z u . E s g ä b e d a n n f ü r die n a t u r w i d r i g e B e h a r r u n g , z. B . d a s O b e n b l e i b e n v o n E r d e , e i n E n t s t e h e n . D a s h ä t t e die K o n s e q u e n z , d a ß m a n s a g e n m ü ß t e : g e r a d e d a n n , als d a s E r d s t ü c k i n f o l g e e i n e r A u ß e n e i n w i r k u n g n a c h o b e n
getragen
25 w u r d e , w a r es a u f d e m W e g e z u s e i n e m R u h e o r t . A b e r n u n g i l t es doch
a l s ein G e s e t z :
ein
steigender Geschwindigkeit
Körper
bewegt
sich seinem
zu, w ä h r e n d das Gegenteil
Ruheort
werden) v o n d e m K ö r p e r gilt, der §ich in einer v o n a u ß e n
bewirkten
B e w e g u n g (welche gleichzeitig eine naturwidrige B e w e g u n g ist) M findet. E s e r g ä b e s i c h a l s o , d a ß ( d i e s e s E r d s t ü c k n u n a m Ort
[oben]) ruhen
würde,
ohne
d a ß es e i n e n P r o z e ß
m i t 2s
(Langsamer-
des
be-
erreichten Zurruhe-
k o m m e n s d u r c h g e m a c h t h ä t t e . N o c h ein z w e i t e s : D a s Z u r r u h e k o m m e n ist e n t w e d e r ü b e r h a u p t m i t d e r B e w e g u n g z u m n a t ü r l i c h e n O r t
hin
i d e n t i s c h o d e r die b e i d e n P r o z e s s e d e c k e n w e n i g s t e n s e i n a n d e r . — E s 35 e r g i b t s i c h ü b r i g e n s e i n e S c h w i e r i g k e i t , w e n n die B e h a r r u n g a n e i n e m O r t z u r B e w e g u n g , die a u s e b e n d i e s e m O r t h e r a u s f ü h r t , k o n t r ä r s t e h e n soll: Solange etwas sich a u f dem W e g aus einem Ort heraus oder i m P r o z e ß d e s Y e r l i e r e n s e i n e r B e s t i m m t h e i t b e f i n d e t , h a t e s j a w o h l d i e 30 B e s t i m m t h e i t n o c h a n s i c h , die es i m P r o z e ß d o c h e r s t v e r l i e r e n s o l l ;
148
Buch V
wenn also diese B e h a r r u n g k o n t r ä r steht zur Veränderung, welche aus der betreffenden Bestimmtheit heraus- u n d zur entgegengesetzten hinf ü h r t , d a n n existieren die Ausgangsbestimmtheit (die j a auch noch besteht) u n d die Abschlußbestimmtheit (durch die allein ein Gegensatz dieses Prozesses zur Beharrung bei der Ausgangsbestimmtheit s möglich ist) zu gleicher Zeit. Oder ist es vielleicht so, d a ß dieser Gegenstand, w e n n er ü b e r h a u p t noch bei seiner Ausgangsbestimmtheit weiterverharrt, eben doch bloß in einem sehr eingeschränkten Sinne dabei verharrt, d a ß im Ganzen gesehen es also vielmehr so ist, d a ß 23i« eben Einiges am Prozeßgegenstande | noch beim Ausgangspunkt steht, i» während Anderes schon sein Veränderungsziel erreicht h a t ? I m Hinblick auf solche Schwierigkeiten wird m a n also sagen m ü s s e n : jedenfalls handelt es sich bei den Gegensätzen zwischen den Veränderungsprozessen selbst u m echtere K o n t r a r i e t ä t als bei d e m Gegensatz zwischen Veränderung u n d Beharrung. — D a m i t soll unsere Untersuchung überVeränderung u n d Beharrung, über die F o r m e n i h r e r E i n h e i t u n d über dieinihremFeldobwaltendenGegensatzverhältnisse, abgeschlossen sein, s [Aber m a n k ö n n t e auch im Hinblick auf den Begriff des Zurruhekommens die F r a g e stellen, ob denn wirklich allen naturwidrigen Bewegungen auch jeweils eine (Form der) R u h e entgegengesetzt sei. Eine ?» Verneinung ist unmöglich; denn es g i b t dieses (naturwidrige) R u h e n , wenn auch bloß auf Grund äußerer K r ä f t e . D a m i t freilich gäbe es j e t z t Ruhendes, das zwar nicht schon immer in R u h e gewesen wäre, aber auch nicht zu einem solchen R u h e n d e n geworden wäre. Abe/ m a n m u ß die F r a g e dennoch zweifellos b e j a h e n ; denn wie es naturwidrige 2s Bewegung gibt, so gibt es doch wohl auch naturwidriges R u h e n . Da io n u n manche Gegenstände sowohl n a t u r g e m ä ß e wie auch naturwidrige Bewegung zeigen, das Feuer etwa die n a t u r g e m ä ß e Aufwärtsbewegung u n d die naturwidrige Abwärtsbewegung, m u ß m a n die F r a g e stellen: steht diese letztere oder aber die Abwärtsbewegung der E r d e zur n a t u r - .10 gemäßen Aufwärtsbewegung k o n t r ä r ? Die E r d e bewegt sich j a ihrer N a t u r gemäß zur E r d e . Es sind zweifellos beide (zur letzteren) konträr, n u r freilich nicht in der nämlichen Weise, vielmehr die n a t u r g e m ä ß e Abwärtsbewegung (der Erde) deswegen, weil dies die n a t u r g e m ä ß e Be15 wegung d i e s e s (Elements) ist; die Aufwärtsbewegung des Feuers aber steht zu seiner Abwärtsbewegung deswegen k o n t r ä r , weil jene naturgemäß, diese naturwidrig ist. Und entsprechend besteht Kontrariet ä t auch zu den T y p e n der Ruhe. In einem modifizierten Sinn besteht also wohl zwischen R u h e u n d Bewegung ein Gegensatzverhältnis.]
BUCH VI
1. Bestehen n u n unsere oben gegebenen Definitionen des Zusammen- 231 a 21 hangs, der B e r ü h r u n g u n d der Aufeinanderfolge zurecht, ist der Zusammenhang also d a d u r c h charakterisiert, d a ß die E n d e n seiner Stücke zur Einheit verschmelzen, die Berührung hingegen d a d u r c h , daß die s E n d e n der Stücke miteinander ortsgleich sind, die Aufeinanderfolge schließlich dadurch, d a ß zwischen den Stücken kein Artgleiches liegt, — so ergibt sich die Unmöglichkeit des A u f b a u s eines K o n t i n u u m s aus unteilbaren Gliedern, etwa einer Linie aus P u n k t e n , wenn j a die Linie 25 ein K o n t i n u u m u n d der P u n k t unteilbar ist. D e n n es gibt weder die 1« Möglichkeit, d a ß die E n d e n der P u n k t e zu Einheiten verschmelzen w ü r d e n — es gibt j a a m Unteilbaren weder ein E n d e noch einen sonstigen Teil — noch auch die, d a ß ihre E n d e n ortsgleich miteinander wären — denn was keinen Teil h a t , h a t auch kein E n d e ; (wo es ein E n d e geben soll,) da m u ß j a dieses E n d e unterschieden sein können is von dem (Ganzen), dessen E n d e es sein soll —. Weiterhin m ü ß t e n die P u n k t e (aus denen sich das K o n t i n u u m a u f b a u e n sollte) entweder 30 einen Z u s a m m e n h a n g darstellen oder aber einander berühren können. Und dies gilt natürlich von allen Arten von Unteilbarem. [ Einen 231b Zusammenhang n u n können die P u n k t e aus dem ebengenannten 2« Grunde nicht darstellen. Berührung aber ist n u r möglich entweder als B e r ü h r u n g zwischen Ganzen oder aber zwischen Teilen oder aber zwischen Ganzem u n d Teil. Da das Unteilbare aber ohne Teile ist, k ä m e n u r B e r ü h r u n g zwischen Ganzen in Frage. Aber Berührung zwischen Ganzen ist eben nicht K o n t i n u i t ä t ; denn ein K o n t i n u u m 25 besitzt Mannigfaltigkeit von Teilen und l ä ß t sich in solche unter- s schiedene und räumlich auseinanderliegende Teile zerlegen. Nicht einmal eine Aufeinanderfolge ergibt sich aus bloßen P u n k t e n oder auch aus bloßen Z e i t p u n k t e n in einer Form, d a ß sich d a r a u s eine R a u m oder eine Zeitstrecke a u f b a u e n könnte. Denn eine Aufeinanderfolge 30 verlangt, d a ß zwischen ihren Gliedern nichts Artgleiches liege, zwischen P u n k t e n jedoch liegt stets eine Linie und zwischen Z e i t p u n k t e n Zeit. 10 Und nochmals: Die beiden (eine Strecke u n d eine Zeit) m ü ß t e n bei
150 einer Teilung
Buch VI dann
auch
in unteilbare
Teile
zerlegt
werden,
wenn
a n d e r s es w a h r s e i n soll, d a ß sie i n d a s j e n i g e , a u s d e m sie b e s t e h e n , bei einer Teilung auch zerlegt w e r d e n ; aber n a c h unserer ist kein K o n t i n u u m in teillose Teile zerlegbar. E t w a s
Feststellung Andersartiges
a b e r k a n n zwischen i h n e n [d. h. d e n P u n k t e n b z w . d e n J e t z t p u n k t e n ] s nicht liegen; d e n n dies m ü ß t e e n t w e d e r ein Unteilbares oder a b e r ein Teilbares, u n d i m letzteren Fall entweder ein in unteilbare Teile oder 15 a b e r e i n i n i m m e r w e i t e r t e i l b a r e T e i l e T e i l b a r e s , d . h . e i n K o n t i n u u m , sein. Ü b r i g e n s ist a u c h d a r ü b e r kein Zweifel, d a ß j e d e s
Kontinuum
i m m e r i n w e i t e r t e i l b a r e T e i l e t e i l b a r i s t . W ä r e e s i n u n t e i l b a r e T e i l e 1» teilbar, so b e d e u t e t e dies, d a ß ein U n t e i l b a r e s m i t a n d e r e n U n t e i l b a r e n sich b e r ü h r e n
könnte;
denn
bei K o n t i n u e n
müssen
Glieder zur E i n h e i t v e r s c h m o l z e n sein u n d e i n a n d e r
die E n d e n
der
berühren.
E s ist ein u n d d e r s e l b e G r u n d , d e r es e r z w i n g t , d a ß e n t w e d e r s o w o h l d i e A u s d e h n u n g s g r ö ß e w i e d i e Z e i t w i e d i e B e w e g u n g o d e r a b e r k e i n e s is 20 v o n i h n e n s i c h a u s U n t e i l b a r e m a u f b a u t u n d i n U n t e i l b a r e s
teilbar
ist. D a s w i r d a u s f o l g e n d e m d e u t l i c h : b a u t sich die A u s d e h n u n g s g r ö ß e aus U n t e i l b a r e m auf, d a n n b a u t sich a u c h die ihr folgende aus ebensogroßen, unteilbaren, Bewegungseinheiten
Bewegung
a u f ; sollte z. B .
d e r W e g A B C a u s d e n u n t e i l b a r e n W e g t e i l e n A , B u n d C b e s t e h e n , 20 d a n n besitzt a u c h die B e w e g u n g D E F , welche der K ö r p e r Z auf 25 W e g A B C e r f ä h r t , l a u t e r u n t e i l b a r e T e i l e . W e n n n u n d a s
dem
Statthaben
einer B e w e g u n g ein W e g s t ü c k des K ö r p e r s u n d das W e g s t ü c k
eines
K ö r p e r s das S t a t t h a b e n einer B e w e g u n g impliziert, d a n n m ü ß t e folger i c h t i g n u n a u c h d e r B e w e g u n g s v o r g a n g a u s u n t e i l b a r e n S t ü c k e n b e - 2s stehen. D e r K ö r p e r Z h ä t t e d a n n in seiner Bewegungsphase
D
das
W e g s t ü c k A, in seiner B e w e g u n g s p h a s e E d a s W e g s t ü c k B u n d ebenso in seiner B e w e g u n g s p h a s e F das W e g s t ü c k C durchlaufen. W e n n
nun
der von einem P u n k t e zu einem anderen w a n d e r n d e Körper unmöglich g l e i c h z e i t i g i n d e r B e w e g u n g b e g r i f f e n u n d a u c h s c h o n a m Z i e l s e i n e r 30 30 B e w e g u n g a u f d e n P u n k t h i n z u s e i n v e r m a g , a u f d e n e r s i c h b e i s e i n e r B e w e g u n g h i n b e w e g t e — w a s e t w a auf d e m W e g n a c h T h e b e n ist, k a n n nicht gleichzeitig auf diesem W e g n a c h T h e b e n u n d a u c h schon 232« s e i n e m Z i e l i n T h e b e n
s e i n —, | w e n n
der Körper
Z weiterhin
an nun
d a s t e i l l o s e B a h n s t ü c k A d u r c h l i e f e , u n d z w a r w ä h r e n d d e s S t a t t h a b e n s 3s d e r B e w e g u n g D , so e r g ä b e sich e n t w e d e r , n ä m l i c h w e n n d e r
Körper
d a s B a h n s t ü c k erst d u r c h l a u f e n h a b e n m u ß , b e v o r er es h i n t e r
sich
h a b e n k a n n , d a ß dieses B a h n s t ü c k d e n n o c h in W a h r h e i t teilbar
sein
m u ß — d e n n w ä h r e n d er es d u r c h l i e f , w a r er n i c h t m e h r i n R u h e
und
Kapitel 1 - 2
151
auch noch nicht am Ziel, sondern u n t e r w e g s auf der dazwischenliegenden Strecke —, oder aber, wenn er nämlich gleichzeitig auf dem Weg durch das Bahnstück sein, aber auch schon es hinter sich haben soll, daß der Wanderer auf dem Weg auch schon an seinem Ziel und 5 das Bewegte auf dem Weg auch schon am Ziel seiner Bewegung sein müßte. Soll nun etwas die Ge s a m tstrecke ABC durchlaufen und die entsprechende Bewegung dennoch DEF sein, im teillosen Wegstück A aber nicht unterwegs sein, sondern es schon hinter sich haben (sobald er nur bei ihm angekommen ist), dann besteht diese Bewegung nicht i» aus Teilbewegungsverläufen, sondern aus momentanen Sprüngen und sie erfolgt in der Weise, daß der Gegenstand eine Bewegung hinter sich hat, die er nicht durchgemacht hat. Denn er hat dann das Wegstück A hinter sich, ohne daß er es durchlief. Und es gibt dann den Wanderer, der am Ziel seines Weges ist, ohne daß er diesen gegangen; 15 denn er hat das Wegstück hinter sich, ohne es durchwandert zuhaben. Wenn nun die Disjunktion unverbrüchlich besteht, daß ein Gegenstand entweder in Bewegung oder aber in Ruhe sein muß, der Gegenstand aber in jedem Punkt A, B, C in Ruhe ist, dann erhalten wir folgenden Widersinn: es gibt etwas, das ununterbrochen in Ruhe ist 20 und gleichzeitig doch Bewegung erfährt; denn es durchlief doch die Gesamtstrecke ABC und ruhte gleichzeitig an jedem Stück der Strecke, also doch wohl die gesamte Strecke hindurch. Und wenn die unteilbaren Stücke der Gesamtbewegung DEF selbst auch Bewegungen sind, so ergibt sich, daß der Gegenstand, während die Bewegung statthat, 25 nicht in Bewegung sein muß, sondern in Ruhe bleiben kann. Sind sie aber keine Bewegungen, dann baut sich die Gesamtbewegung nicht aus Bewegungen auf. Sind aber Wegstrecke und Bewegung unteilbare Gebilde, so folgt auch für die Zeit, daß sie unteilbar sein und aus den unteilbaren Jetztpunkten bestehen jnüsse. Denn wenn jede (Bewegung) 3« durchgehend teilbar ist und ein Körper bei gleichbleibender Geschwindigkeit in kürzerer Zeit eine entsprechend kürzere Strecke durchwandert, dann muß auch die Zeit (durchgehend) teilbar sein. Und ist umgekehrt die Zeit (durchgehend) teilbar, in welcher ein Körper das Wegstück A zurücklegt, dann ist notwendig auch das Wegstück A äs (durchgehend) teilbar. 2. Da nun aber jede Teilung irgendeiner Ausdehnungsgröße wieder auf Ausdehnungsgrößen führt — denn es hat sich uns gezeigt, daß kein Kontinuum sich aus unteilbaren Einheiten aufbauen kann, jede Ausdehnungsgröße aber ein Kontinuum darstellt —, so muß das
152
Buch VI
Schnellere in gleicher Zeit einen größeren W e g , in k ü r z e r e r Zeit einen gleichlangen W e g u n d in kürzerer Zeit einen längeren W e g zurücklegen — ein Verhältnis, das nicht selten zur Definition des Begriffs d e s S c h n e l l e r e n v e r w a n d t w i r d . (1) A soll s i c h s c h n e l l e r b e w e g e n a l s B . D a also s c h n e l l e r d a s i s t , w a s s e i n e V e r ä n d e r u n g f r ü h e r d u r c h l ä u f t , s so h a t i n d e r Z e i t , s a g e n w i r F G , i n w e l c h e r A v o n C n a c h D g e l a n g t i s t , B d e n P u n k t D n o c h n i c h t erreicht, ist also h i n t e r A z u r ü c k g e b l i e b e n , was besagt, d a ß das Schnellere in der gleichen Zeit einen größeren W e g z u r ü c k g e l e g t h a t . — (2) E s h a t s o g a r i n k ü r z e r e r Z e i t e i n e n g r ö ß e r e n W e g z u r ü c k g e l e g t : W ä h r e n d n ä m l i c h A b e i D a n g e l a n g t i s t , soll B , 10 232b d a s L a n g s a m e r e , e r s t b e i E s e i n . D a a l s o | A i n d e r G e s a m t z e i t F G b i s D g e k o m m e n i s t , i s t es b e i H s c h o n i n e i n e r k ü r z e r e n Z e i t , s a g e n wir in der Zeit F K . Die Strecke C H , welche A d u r c h l a u f e n h a t , ist g r ö ß e r als d i e S t r e c k e C E , d i e Z e i t F K a b e r k ü r z e r a l s d i e G e s a m t zeit F G . D a s b e s a g t : d a s S c h n e l l e r e l e g t a l s o i n s o g a r k ü r z e r e r Z e i t is s e i n e g r ö ß e r e S t r e c k e z u r ü c k . — (3) A u s d i e s e r T a t s a c h e e r g i b t s i c h n u n a u c h dieses, d a ß d a s schnellere A i n k ü r z e r e r Zeit eine gleichgroße S t r e c k e w i e B z u r ü c k l e g t . D e n n d a es i n k ü r z e r e r Z e i t e i n e g r ö ß e r e S t r e c k e z u r ü c k l e g t als d a s l a n g s a m e r e B , a n i h m selbst b e t r a c h t e t a b e r z u e i n e r g r ö ß e r e n S t r e c k e m e h r Z e i t b r a u c h t a l s z u e i n e r k ü r - 20 z e r e n S t r e c k e , m e h r Z e i t e t w a z u r S t r e c k e L M als z u r S t r e c k e L O , 10 so i s t d e n n d i e Z e i t Q R , i n w e l c h e r es d i e S t r e c k e L M z u r ü c k l e g t , l ä n g e r als d i e Z e i t Q S , i n w e l c h e r es d i e S t r e c k e L O z u r ü c k l e g t . W e n n d a n n d i e Z e i t Q R k ü r z e r i s t als d i e Z e i t X , i n w e l c h e r d a s l a n g s a m e r e B d i e S t r e c k e L O d u r c h l ä u f t , d a n n i s t a u c h d i e Z e i t Q S ( w e l c h e A 2s f ü r L O b r a u c h t ) k ü r z e r als die Zeit X (welche B f ü r L O b r a u c h t ) . D e n n sie i s t k ü r z e r als d i e Z e i t Q R u n d , w a s n o c h k ü r z e r i s t als d a s K ü r z e r e , ist a u c h selbst kürzer. D a m i t sind wir a m Ziele: d a s Schnellere d u r c h l ä u f t die gleiche S t r e c k e in k ü r z e r e r Zeit. — O d e r a n d e r s : D a 15 d e r S a t z gilt, d a ß e t w a s s e i n e n W e g e n t w e d e r i n g l e i c h e r o d e r i n 30 kürzerer oder in längerer Zeit zurücklegt u n d d a ß das längere Zeit B r a u c h e n d e das L a n g s a m e r e , das gleiche Zeit B r a u c h e n d e das Gleichschnelle, das Schnellere a b e r w e d e r gleichschnell n o c h l a n g s a m e r ist, i s t d a s S c h n e l l e r e so d e f i n i e r t , d a ß es w e d e r g l e i c h v i e l n o c h a u c h m e h r Z e i t f ü r s e i n e n W e g b r a u c h t (als d e r V e r g l e i c h s g e g e n s t a n d ) . E s k a n n 3s also n u r d a s s e i n , w a s w e n i g e r Z e i t b r a u c h t . U n d dies b e s a g t m i t Notwendigkeit, d a ß das Schnellere a u c h d a d u r c h definiert w e r d e n k a n n , d a ß m a n s a g t , es d u r c h l a u f e d i e g l e i c h e S t r e c k e i n k ü r z e r e r Zeit.
Kapitel 2
153
Da jedwede Bewegung sich in der Zeit vollzieht und jedwede Zeit 20 dadurch charakterisiert ist, daß in ihr Bewegung möglich ist, da weiterhin jeder Gegenstand schnellere und langsamere Bewegung zuläßt, ist für jegliche Zeit die Möglichkeit von Schnelligkeitsunterschieden zwi5 sehen (in ihr sich vollziehenden) Bewegungen gefordert. E b e n darum aber ist auch Kontinuität für die Zeit unerläßlich. Kontinuität heißt 2s uneingeschränkte Teilbarkeit. Legt man diese Definition zugrunde, so ist Kontinuität der Zeit unausweichlich. Wie bewiesen, durchläuft j a das Schnellere ein gleichlanges Wegstück in kürzerer Zeit; A soll der 10 schnellere, B der langsamere Körper sein und B soll in der Zeit F G die Strecke CD zurücklegen. Zweifellos wird das schnellere A diese 30 nämliche Strecke dann in einer kürzeren Zeit durchlaufen, sagen wir in der Zeit F H . Da A demnach in der Zeit F H die Gesamtstrecke CD zurücklegt, legt das langsamere B in dieser Zeit nur eine kürzere is Strecke zurück, sagen wir | C K . Da das langsamere B in der Zeit F H 233» die Strecke CK durchläuft, durchläuft sie A hingegen in einer kürzeren Zeit, so daß die Zeit F H wiederum geteilt wird. Wird diese letztere geteilt, so wird nach dem nämlichen Verhältnis auch die Strecke CK wiederum geteilt. Und wenn die Strecke also neu geteilt wird, dann so wiederum auch nochmals die Zeit. Und dies setzt sich endlos fort, 5 wenn man fortgesetzt zwischen dem schnelleren A und dem langsameren B hin und her geht und nach dem angedeuteten Beweisgang verfährt. Das Schnellere bedingt immer eine Teilung der Zeit, das Langsamere eine Teilung der Wegstrecke. So gewiß nun dieses Hin20 undhergehen endlos möglich ist, und sich bei jedem Schritt eine neue Teilung ergibt, ergibt sich zweifelsfrei die Kontinuität jedweder Zeit 10 und gleichzeitig nicht weniger gewiß auch die Kontinuität jedweder Ausdehnungsgröße. Denn es sind die nämlichen und gleichvielen Teilungen, welche sich einerseits für die Zeit, andererseits für die Aus3« dehnungsgröße ergeben. Übrigens ergibt sich das alles auch aus den alltäglichen Ansichten: Daß, wenn die Zeit ein Kontinuum darstellt, es auch die Ausdehnungsgröße t u t , folgt einfach aus dem Wissen darum, daß (ein Körper) in is der Hälfte der Zeit auch b\oß die Hälfte des Weges oder schlechtweg 35 in kürzerer Zeit auch bloß einen kürzeren Weg zurücklegt. Denn die Teilungsschnitte in die Zeit und in die Weggröße sind dieselben. Und wenn eines von den beiden unendlich ist, dann ist es auch das andere, und zwar jeweils in dem nämlichen Unendlichkeitssinne; wenn die Zeit etwa von unendlicher Erstreckung sein sollte, dann wäre es auch die
154
Buch V I
20 Weggröße; wenn sie etwa unendliche Teilbarkeit besitzen sollte, so besäße diese auch die Weggröße; kämen der Zeit beide Unendlichkeitscharaktere zugleich zu, dann auch der Weggröße. Aus diesem Grund ist auch Z e n o n s Argument verkehrt, daß es unmöglich sei, in endlicher Zeit die unendlich vielen. (Wegstücke) zu 3 durchlaufen oder auch jeden der unendlich vielen (Punkte) zu berühren. Der Terminus 'unendlich' hat nämlich mit Bezug auf die Aus25 dehnungsgröße und die Zeit, überhaupt mit Bezug auf jede A r t von Kontinuum, zwei wohl unterschiedene Bedeutungen: er besagt entweder Teilungsunendlichkeit oder aber Ausdehnungsunendlichkeit. i» Unendlichgroßes freilich läßt sich in begrenzter Zeit nicht durcheilen, Wohl aber Unendlichteilbares. Auch die Zeit selbst ist j a in diesem letzteren Sinn unendlich. Und so geschieht es denn in „ u n e n d l i c h e r " (d. h. unendlich teilbarer), nicht (einfach) in endlicher Zeit, daß das 30 Unendliche (d. h. die unendlich teilbare Ausdehnungsgröße) durch- is laufen wird und daß mit Unendlichem, nicht mit Endlichem, eine unendliche Mannigfaltigkeit erreicht wird. Ganz sicher ist es also ausgeschlossen, in begrenzter Zeit ein Unendliches, in unendlicher Zeit ein Endliches zu durchlaufen; vielmehr gehören notwendig Unendlichkeit der Zeit und Unendlichkeit der Ausdehnungsgröße, Unendlich- 2» keit der Ausdehnungsgröße und Unendlichkeit der Zeit zusammen. Man nehme einmal eine endliche Strecke A B , eine unendliche Zeit C 233 b an! Und in dieser einen | Abschnitt C D ! In diesem Zeitabschnitt durchläuft ein Körper einen Teil der Strecke A B , der B E heißen möge. Es ist nun möglich, daß ein ganzzahliges Vielfaches dieser Teilstrecke 2s genau die Gesamtgröße von A B ergibt, es ist auch möglich, daß es kleiner oder auch größer als A B sein wird; darauf kommt es nicht, weiter an; denn wenn der Körper in gleicher Zeit stets eine Strecke von der Größe B E durchläuft und die Gesamtstrecke ein Vielfaches 5 dieser Strecke B E bildet, dann wird die Gesamtzeit, welche er für das 3« Durchlaufen der Gesamtstrecke braucht, eine endliche Zeit sein; denn sie wird genau so viele Teilstücke erhalten wie die Strecke. Oder auch: Wenn nicht jegliche Ausdehnungsgröße in unendlicher Zeit durchlaufen wird, sondern irgendeine, etwa B E , in endlicher Zeit durchlaufen werden kann, wenn ferner die Gesamtwegstrecke ein Vielfaches von B E is 10 ist und wenn schließlich der Körper in gleichen Zeiten auch gleichgroße Strecken durchläuft, dann muß auch die Zeit wiederum endlich sein. Darüber aber, daß er die Strecke B E nicht in unendlicher Zeit durchläuft, besteht kein Zweifel, sobald wir nur die Zeit auf der e i n e n
Kapitel 2 - 3
155
Seite begrenzt ansetzen. Denn wenn nur dies eine feststeht, daß er für das Durchlaufen der Teilstrecke nicht die ganze Zeit braucht, ergibt sich sofort mit Notwendigkeit die Endlichkeit dieser Teilzeit, da j a auf der einen Seite die Grenze schon (annahmegemäß) Tatsache ist. 5 — Dieser Beweis läßt sich genauso führen bei umgekehrter Prämisse, d. h. wenn man die Strecke als unendlich und die Zeit als endlich ansetzt. is Aus all dem Gesagten geht hervor, daß unteilbare Linien, Flächen, ü b e r h a u p t unteilbare Kontinuen ausgeschlossen sind; nicht nur die vorstehenden Argumente beweisen dies; nicht minder auch die T a t io sache, daß (jeder Versuch eines Ansatzes unteilbarer Kontinuen genau zum gegenteiligen Ergebnis,) zur Teilbarkeit des (vermeintlich) Unteilbaren, führt. Denn da es in jeder Zeit die Möglichkeit schnellerer und langsamerer Bewegungen gibt, das Schnellere aber in gleicher Zeit einen größeren 20 •'s Weg durchläuft, wobei der durchlaufene Weg doppelt oder anderthalbmal so lang sein mag (als der vom Langsameren zurückgelegte) — dies als Geschwindigkeitsverhältnis verstanden —, so mag einmal angenommen sein, das Schnellere habe in der nämlichen Zeit den anderthalbfachen Weg durchlaufen und die Wegstrecke des Schnelleren 20 sei in drei unteilbare Stücke — A B , BC, CD —, die des Langsameren 2s in zwei unteilbare Stücke — E F , F G — geteilt: dann muß auch die entsprechende Zeit in drei unteilbare Stücke geteilt werden; denn der Körper durchwandert in gleichen Zeiten gleiche Strecken; es sollen diese Zeitstücke K L , L M und MN heißen. Da das Langsamere seiner25 seits die Strecke E F G durchwandert, erfährt die Zeit aber auch eine Zweiteilung. Folglich erfährt also das (Vermeintlich) unteilbare Zeit- 30 stück eine Teilung und der Körper durchwandert das (angeblich) unteilbare Wegstück nicht in einem unteilbaren Zeitstück, sondern in einer größeren Zeitmenge. -io Zweifellos gilt also der Satz, daß es k e i n e r l e i unteilbares Kontinuum gibt. 3. Mit Notwendigkeit hingegen ist das streng und als solches verstandene J e t z t ein Unteilbares und als solches in jeder Zeit enthalten. Denn es gibt eine Grenze der Vergangenheit, | über welche keine Zu35 kunft übergreift, und ebenso auch eine Grenze der Zukunft, über welche keine Vergangenheit übergreift. Sie ist also, wie wir sagen, die Grenze von b e i d e n . Wenn nun bewiesen werden kann, daß diese Grenze jenen Charakter hat und in ihrer I d e n t i t ä t jene Doppelfunktion ausübt, dann ist kein Zweifel mehr darüber, daß sie gleich-
234«
156
Buch VI
s zeitig a u c h u n t e i l b a r ist. E s m u ß d a s J e t z t also wirklich die identisch eine Grenze beider Zeiten sein. Sind n ä m l i c h die G r e n z e n der Zeiten
nicht
miteinander
ein identischer
Punkt,
sondern
beiden
zwei
e i n a n d e r u n t e r s c h i e d e n e P u n k t e , so e r g i b t sich, d a ß sie n i c h t a n d e r f o l g e n k ö n n e n , weil es ausgeschlossen ist, d a ß
von-
aufein-
ein K o n t i n u u m s
sich a u s U n t e i l b a r e m a u f b a u t ; d e n k t m a n a b e r d a n n einen
Abstand
z w i s c h e n i h n e n , so liegt z w i s c h e n i h n e n selbst Z e i t , d e n n es ist j e d e m K o n t i n u u m eigentümlich, zwischen den Grenzen ein Gleichartiges 10 b e s i t z e n . I s t e s a b e r Z e i t , w a s z w i s c h e n i h n e n l i e g t , d a n n i s t
zu
dieses
Z w i s c h e n l i e g e n d e t e i l b a r . D e n n d a ß d i e Z e i t i n j e d e m F a l l t e i l b a r i s t , 10 ist bewiesen w o r d e n .
Folglich
ergäbe
sich jetzt
Teilbarkeit
für
Jetzt. D a n n aber greifen Vergangenheit u n d Z u k u n f t ineinander denn je n a c h ihrer jeweiligen Lage trennen etwaige
das
über;
Teilungspunkte
Vergangenheit und Zukunft anderswo voneinander. U n d das Jetzt
hat
is e b e n d a m i t n i c h t m e h r d e n C h a r a k t e r e i n e s a u f s i c h s e l b s t , s o n d e r n is n u r m e h r d e n eines auf ein A n d e r e s B e z o g e n e n ; d e n n solche bedeutet Fremdbezogenheit. des J e t z t
Vergangenheit,
D a r ü b e r h i n a u s ist n u n m e h r
das andere
aber Zukunft, und
Teilung
ein
e i n m a l so, d a ß dieses Zerfallen des J e t z t w e n i g s t e n s e i n d e u t i g Auch verliert das Jetzt
d a m i t seine I d e n t i t ä t ;
denn
Stück
zwar
nicht bliebe.
d i e Z e i t s t r e c k e 20
(zu w e l c h e r d a s J e t z t j a g e w o r d e n ist) l ä ß t sich n u n e i n m a l in m a n n i g f a c h e r W e i s e t e i l e n . (All dies ist also a b s u r d . ) W e n n a b e r all dies 20 m ö g l i c h s t a t t h a b e n k a n n , d a n n m u ß d a s V e r g a n g e n h e i t u n d
un-
Zukunft
b e g r e n z e n d e J e t z t ein u n d dasselbe J e t z t sein. U n d d a m i t ist d a s J e t z t zweifellos a u c h u n t e i l b a r ;
denn
andernfalls ergeben
s i c h d i e o b i g e n 25
unsinnigen F o l g e r u n g e n n u r wieder v o n n e u e m . D a ß also die Zeit ein unteilbares Moment enthält, das wir den J e t z t p u n k t d e m G e s a g t e n sicher
n e n n e n , ist
aus
geworden.
D a ß innerhalb des J e t z t p u n k t e s f ü r eine B e w e g u n g kein
Spielraum
25 d a i s t , m a c h t d i e f o l g e n d e Ü b e r l e g u n g g e w i ß . D e n n g e s e t z t , e s b e s t ü n d e :>o ein solcher, d a n n ist i m J e t z t die Möglichkeit
schnellerer u n d
lang-
samerer B e w e g u n g enthalten. Das J e t z t heiße N, in i h m bewege der schnellere Gegenstand
ü b e r die Strecke A B
hinweg. Das
s a m e r e w i r d also i m n ä m l i c h e n N eine kleinere Strecke
sich
Lang-
zurücklegen,
s a g e n w i r A C . D a d a s L a n g s a m e r e i m g a n z e n N d i e S t r e c k e A C z u r ü c k - 35 legt, m u ß d a s Schnellere diese S t r e c k e in einer Zeit, die k ü r z e r als
N
30 i s t , z u r ü c k l e g e n ; d a s E r g e b n i s w ä r e a l s o e i n e T e i l u n g d e s J e t z t p u n k t e s . A b e r es s t a n d f e s t , d a ß er u n t e i l b a r ist. F o l g l i c h ist i m kein Spielraum f ü r eine B e w e g u n g
gegeben.
Jetztpunkt
Kapitel 3 - 4
157
Auch kein Spielraum f ü r einen R u h e z u s t a n d . Von einem R u h e z u s t a n d r e d e n wir n u r bei Gegenständen, die v o n N a t u r aus zur Bewegung befähigt sind, w e n n sie in der Zeit, a n d e m O r t , in der F o r m , m i t Bezug auf welche ihnen Bewegung möglich wäre, t a t s ä c h l i c h einmal s nicht in Bewegung sind. So gewiß es n u n nichts geben k a n n , was v o n N a t u r aus die F ä h i g k e i t h a b e n k ö n n t e , innerhalb des J e t z t p u n k t e s in Bewegung zu sein, gibt es fraglos auch nichts, was innerhalb des J e t z t p u n k t e s i m R u h e z u s t a n d zu sein v e r m ö c h t e . — W e i t e r h i n : Ist es ein :ts identisches J e t z t , das der Vergangenheit wie der Z u k u n f t a n g e h ö r t , 10 u n d ist es möglich, | d a ß etwas in der einen ganzen Zeitphase in Be- 2.141. wegung, in der a n d e r e n ganzen Zeitphase in R u h e ist, u n d w e n n weiterhin ein G e g e n s t a n d , der diese ganze Zeitphase h i n d u r c h im Bewegungsz u s t a n d ist, sich in j e d e m beliebigen W e r t dieser ganzen Zeitphase, soweit dies die N a t u r z u l ä ß t , in Bewegung befindet u n d wenn genau 15 dasselbe f ü r den R u h e z u s t a n d des r u h e n d e n K ö r p e r s gilt, d a n n ergibt sich die (unsinnige) Folgerung, d a ß ein u n d derselbe K ö r p e r gleichzeitig (eben in d e m J e t z t p u n k t ) sowohl in R u h e wie a u c h in Bewegung ist. D e n n der J e t z t p u n k t gehört, als ihre Grenze gegeneinander, zu s beiden Zeitphasen. U n d schließlich: Als i m R u h e z u s t a n d befindlich 20 bezeichnen wir das, w a s sowohl selbst als in seinen Teilen j e t z t die nämliche B e s t i m m t h e i t besitzt wie zuvor. I m J e t z t p u n k t h a t aber ein Zuvor keinen R a u m . Also h a t in i h m a u c h R u h e keinen R a u m . Mit aller N o t w e n d i g k e i t sind also Bewegung u n d R u h e n u r in einer Zeit möglich. 25
4. J e d e r G e g e n s t a n d , der einen P r o z e ß soll d u r c h m a c h e n können, 1« m u ß teilbar sein. D e n n da j e d w e d e r Prozeß v o n einem Ausgangszustand zu einem n e u e n Z u s t a n d f ü h r t u n d der G e g e n s t a n d , sobald er im neuen Z u s t a n d angelangt ist, den Prozeß bereits h i n t e r sich h a t , solange er u n d alle seine Teile j e d o c h noch im A n f a n g s z u s t a n d sind, in den P r o z e ß 30 noch gar nicht eingetreten ist — denn was als es selbst u n d in seinen Teilen sich gleich bleibt, ist j a nicht im P r o z e ß begriffen —, k a n n es denn also n u r so sein, d a ß ein Stück des im P r o z e ß begriffenen Gegen- 15 stands jeweils noch i m Ausgangszustande v e r h a r r t , w ä h r e n d das a n d e r e bereits den n e u e n Z u s t a n d erreicht h a t . D e n n weder das ist j a möglich, 35 d a ß er sich gleichzeitig in beiden Z u s t ä n d e n , noch dies, d a ß er in keinem von beiden sich befindet. Es sei a n g e m e r k t : Der neue Z u s t a n d ist hierbei der sich an den Ausgangszustand u n m i t t e l b a r anschließende Z u s t a n d , z. B. bei einem aus d e m Weißsein h e r a u s f ü h r e n d e n P r o z e ß das Grausein, nicht schon das Schwarzsein. Denn dies ist keineswegs
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Buch VI
notwendig, d a ß der Gegenstand in einem der beiden E x t r e m z u s t ä n d e 20 sich befinden müsse. — D a m i t ist geklärt, d a ß ein Gegenstand, d e r einen Prozeß soll durchmachen können, teilbar sein m u ß . Eine B e w e g u n g ist in doppelter Weise teilbar, einmal zeitlich, sod a n n nach den Bewegungen der Teile des Gegenstands; d. h. wenn der s Gesamtgegenstand AC in Bewegung begriffen ist, d a n n sind es auch die beiden Stücke desselben, A B u n d BC. E s soll D E die Bewegung des Stückes AB, E F die Bewegung des Stückes BC sein! D a n n m u ß 25 die Gesamtbewegung D F die Bewegung des Gesamtgegenstandes AC sein. Da j a jedes Stück seine Teilbewegung a u s f ü h r t , f ü h r t der Gesamt- 10 gegenständ seine Gesamtbewegung aus. J e d e s aber e r f ä h r t n u r seine eigene Bewegung; d a r u m ist die Gesamtbewegung die Bewegung des Gesamtgebildes. — E i n zweites A r g u m e n t : W e n n jedwede Bewegung Bewegung von etwas ist und wenn die Gesamtbewegung D F weder 30 die Bewegung eines der beiden Stücke — denn jedes Stück h a t seine is eigene Teilbewegung — noch auch von sonst etwas anderem sein k a n n — denn von jenem Ganzen, dessen Bewegung die Gesamtbewegung bildet, stellen die Teilbewegungen die Bewegungen der Stücke d a r ; dabei sind diese Teilbewegungen die Bewegungen der Stücke u n d n u r der Stücke A B u n d BC; denn einer einzigen Bewegung k a n n , wie gesagt, stets 20 nur ein einziges Bewegtes entsprechen —, d a n n m u ß doch wohl die Gesamtbewegung die Bewegung des Gesamtgebildes ABC sein. — U n d 35 nochmals ein Beweis: Gesetzt, es wäre die Bewegung des Ganzen (von der Summe der Bewegung der Stücke) verschieden und sie wäre, sagen 235. wir, die Bewegung H J , so ließe sich jedenfalls von ihr | die Bewegung 2s eines jeden der beiden Stücke (AB u n d BC) abziehen; diese abziehbaren beiden Bewegungen wären gleich der S u m m e aus D E u n d E F ; denn jedem Bewegten entspricht n u r eine einzige Bewegung. Das Ergebnis ist d a n n folgendes: F ü r den Fall, daß die (angesetzte) Gesamtbewegung H J sich als ebensogroß als die Summe der Bewegungen der 30 Stücke erweist, ist H J von genau der nämlichen Größe wie D E (und die A n n a h m e der Unterschiedenheit ist also widerlegt). F ü r den Fall hingegen, d a ß (von H J gegenüber der S u m m e der Bewegungen der Teile) etwas übrigbliebe, sagen wir K J , wäre dieser Bewegungsrest 5 eine Bewegung von nichts — denn sie wäre weder eine Bewegung des 3s Gesamtgebildes noch eine solche von einem der Stücke — immer besitzt ja ein Bewegtes nur eine einzige Bewegung — noch auch eine solche von irgend etwas a n d e r e m ; denn die kontinuierlich zusammenhängende Bewegung ist notwendig die Bewegung kontinuierlich z u s a m m e n -
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hängender Stücke —; und dasselbe Argument gilt auch f ü r den dritten F a l l , daß umgekehrt die Summe aus D E und E F sich als g r ö ß e r denn H J erwiese. Da sich also die Annahme (in jedem der Fälle) als unhaltbar erweist, bleibt nur eines übrig, daß eben die Bewegung s des Gesamtgebildes mit der Summe der Bewegungen der Stücke identisch und gleich ist. Dies also ist die Teilung der Bewegung in die Bewegungen der Stücke. Sie muß bei jedem teilbaren Gegenstand möglich sein. . Die andere A r t einer Bewegungsteilung ist die z e i t l i c h e Teilung: 10 D a jede Bewegung in der Zeit verläuft, jegliche Zeit aber teilbar ist, in kürzerer Zeit nur eine kleinere Bewegung statthaben kann, ist es unausweichlich, daß jede Bewegung eine zeitliche Teilung zuläßt. Da nun der Veränderungsprozeß, in welchem sich irgendein Gegenis stand befindet, sich stets auf eine Bestimmtheitsdimension bezieht, weiterhin auch eine zeitliche Dauer besitzt und da er schließlich immer ein Ganzes betrifft, ist die Folgerung unausweichlich, daß die Teilungen, welche die Prozeßzeit, der Prozeß als solcher und die Veränderung, der Prozeßgegenstand und die Prozeßdimension erfahren können, mit20 einander identisch sind — nur ist dabei, was die Prozeßdimension angeht, auf einen Unterschied zu achten: die Teilung in der Dimension der Ortsbestimmtheit ist eine Teilung unmittelbar dieser Dimension selbst, während die Teilung in der Dimension der qualitativen Bestimmtheit als solche einer Vermittlung f ü r ihre Möglichkeit bedarf —. 25 Die Prozeßzeit sei A , der Prozeß selbst heiße B ! Verläuft in der Gesamtzeit A der Gesamtprozeß B , dann verläuft in der halben Zeit ein kürzerer Prozeß; teilt man diese halbe Zeit wiederum, wird auch der in ihr verlaufende Prozeß nochmals kürzer, — eine Teilung, die beliebig weitergeführt werden kann. (Es bedingt also die Teilung der Zeit eine 30 identische Teilung des Prozesses.) Dasselbe ist auch umgekehrt der F a l l : Die Teilbarkeit des Prozesses zieht eine Teilbarkeit der Zeit nach sich. Verläuft nämlich der Gesamtprozeß B in der Gesamtzeit A , so verläuft der halbe Prozeß in der halben Zeit, und ein noch kürzerer Prozeß in noch kürzerer Zeit. (Es bedingt also die Teilung des Prozesses :i5 eine identische Teilung der Prozeßzeit.) Und wiederum so liegt das Teilungsverhältnis auch hinsichtlich der geschehenden Veränderung. Diese Veränderung heiße C.' Bei halbverlaufenem Prozeß ist die Veränderung kleiner als die Gesamtveränderung, und nochmals kleiner, wenn dieser halbe Prozeß selbst erst halb verlaufen ist —, eine Teilung,
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die beliebig weiterführbar ist. N u n k a n n m a n die Veränderung, die j e d e m der zwei Teilprozesse — nennen wir sie DC u n d C E ! — ent30 spricht, einzeln nehmen u n d d a n n sagen, die G e s a m t v e r ä n d e r u n g entspreche dem Gesamtprozeß — denn andernfalls ergibt sich (widersinnigerweise), daß einem u n d demselben Prozeß eine Mehrheit von 3 Veränderungen entsprechen würde — genauso, wie wir gezeigt h a b e n , d a ß auch der Prozeß teilbar ist, u n d zwar in die Prozesse der Stücke des Gegenstands. Denn n i m m t m a n die Veränderung in E n t s p r e c h u n g zu den zwei Teilprozessen, so m u ß die G e s a m t v e r ä n d e r u n g ein Kont i n u u m darstellen. Nicht anders auch erweist sich die Wegstrecke (im i« 35 Fall der Bewegung), j a ü b e r h a u p t jede Dimension möglicher Veränder u n g als teilbar — m a n c h m a l allerdings n u r in v e r m i t t e l t e r Weise, d a n k der Teilbarkeit nämlich des P r o z e ß g e g e n s t ä n d e s —. Stets zieht nämlich die Teilung eines der oben a u f g e f ü h r t e n Dinge die Teilung aller 235 b übrigen nach sich. Auch bezüglich der Frage ihrer Endlichkeit | oder is Unendlichkeit ist die Sachlage bei allen dieselbe. Doch h ä n g t ihrer aller Teilbarkeit u n d Unendlichkeit p r i m ä r a n der diesbezüglichen S t r u k t u r des Prozeßgegenstands. Denn diesem k o m m t Teilbarkeit u n d Unendlichkeit u n m i t t e l b a r zu. — Uber die Teilbarkeit ist also denn im 5 Vorausgehenden gehandelt, die Frage der Unendlichkeit wird im wei- so teren ihre Klärung erfahren. 5. Da jeder Prozeß von einer Sachlage zu einer anderen f ü h r t , m u ß der Prozeßgegenstand, sobald er den Prozeß hinter sich h a t , sich im neuen Zustand befinden. Denn der Gegenstand verläßt i m Prozeß seinen Ausgangszustand u n d der Prozeß ist entweder mit diesem Ver- gs io lassen ü b e r h a u p t identisch oder aber er zieht es u n m i t t e l b a r n a c h sich. Zieht also der Prozeß das Verlassen des alten Zustandes n a c h sich, so der abgeschlossene Prozeß die Vergangenheit des vorausliegenden Zustands. Beide Verhältnisse entsprechen einander j a völlig. N u n ist ein Prozeßtypus besonderer A r t der, dessen Ausgangs- u n d E n d z u s t a n d 30 zueinander im Verhältnis von Affirmation u n d Negation stehen (Entstehen u n d Vergehen); ist in ihm der Übergang vom Nichtsein ins 15 Sein vollzogen, so h a t der Gegenstand das Nichtsein verlassen. E r ist also j e t z t im Sein; denn jegliches ist entweder seiend oder aber nicht seiend. Damit ist also erwiesen, daß f ü r diesen P r o z e ß t y p u s jenes .is Gesetz gilt: a m E n d e des Prozesses steht der neue Z u s t a n d des Gegenstandes. Aber wenn dieses Gesetz f ü r diesen Prozeßtypus gilt, d a n n gilt es auch f ü r alle übrigen P r o z e ß t y p e n ; denn die Sachlage ist hier wie dort die nämliche. — Aber auch d a n n wird dieses Gesetz offenbar,
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wenn man die Prozeßtypen einzeln herausgreift, sobald nur der Satz gilt, daß der Gegenstand nach Abschluß des Prozesses irgendeinen Ort 20 oder irgendeine Bestimmtheit haben m u ß . Denn da er seine Ausgangsbestimmtheit jedenfalls verlassen hat, irgendeine Bestimmtheit aber s haben muß, hat er nunmehr die Endbestimmtheit oder aber eine andere. Hat er nun (noch nicht die Endbestimmtheit B , sondern) eine andere Bestimmtheit — sagen wir C! —, dann steht er wieder noch im Prozeß von C nach B ; denn B schloß sich dann nicht kontinuierlich (an den Ausgangszustand) an. Die Veränderung aber ist notwendig 10 kontinuierlich. Wir hätten also dann folgende Sachlage: noch nach 25 dem Abschluß des Prozesses stünde der Gegenstand im Ü b e r g a n g zu dem Zustand, in dem er sich doch nach Abschluß des Prozesses völlig befinden soll. Dies ist widersinnig. So bleibt nur als Folgerung: nach Abschluß des Prozesses besitzt der Gegenstand notwendig seine is neue Bestimmtheit. — Es ist also sicher: nach Abschluß des Entstehungsprozesses hat der Gegenstand das Sein; nach Abschluß des Vergehensprozesses hat er es nicht mehr. Denn der Beweis war allgemein für jeden Prozeßtypus geführt. Völlig handgreiflich aber ist 30 die Sachlage für den Prozeßtypus, dessen Ausgangs- und Endzustand 20 zueinander kontradiktorisch stehen. Es ist demnach geklärt, daß der Prozeßgegenstand, sobald er seinen Prozeß hinter sich hat, im neuen Zustand ist. Der unmittelbare Zeitwert nun, in dem ein Prozeß abgeschlossen ist, muß ein Z e i t p u n k t sein. Unter diesem unmittelbaren Zeitwert verstehe ich dabei das, was 25 als solches selbst, nicht bloß mit einem seiner Stücke, diesen Zeitwert darstellt. Setzen wir den Zeitwert einmal — AC — als teilbar, und in B 35 soll er geteilt sein! a) Ist der Prozeß nun in A B oder auch in BC zum Abschluß gekommen, so ist die Zeit AC nicht der unmittelbare Zeitwert des Prozeßabschlusses, b) Ist hingegen der Prozeß in jedem 30 der beiden Zeitstücke im Ablauf gewesen — denn von jedem der beiden gilt, daß der Prozeß | in ihm entweder zum Abschluß gekommen, oder 236• aber im Ablauf sein muß —, so war er doch wohl in der Gesamtzeit im Ablauf begriffen. Nun ging es aber doch darum, daß er abgeschlossen sein sollte, c) Die Sachlage bleibt dieselbe, wenn man sagen wollte, 35 er sei in dem ersten Zeitstück noch im Ablauf, im zweiten hingegen sei er abgeschlossen worden; denn das würde bedeuten, daß es noch ein Unmittelbareres als das Unmittelbare selbst geben könne. So bleibt also nur das eine: der unmittelbare Zeitwert des Prozeßabschlusses kann n i c h t eine teilbare Größe darstellen. So ist denn auch deutlich, 5
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d a ß es ein Z e i t p u n k t i s t , in w e l c h e m d e r E n t s t e h u n g s - u n d d e r V e r gehensprozeß seinen A b s c h l u ß erreicht. D e r A u s d r u c k ' r ö ev a> TIQTO) fieraßeß? eine, das prozeßerleidende Glied, ganz ruhig besetzen, nur wirkliche Teilung darf nicht vorliegen; läge eine solche aber gleichwohl vor, könnten die Glieder den Charakter, den sie zuerst hatten, nicht länger s mehr besitzen. D a s heißt also: Solange es sich um bloße Teilbarkeit als solche handelt, kann den Gliedern ihr Charakter, im strengen Sinn verstanden, ohne Schwierigkeit erhalten bleiben. — So ergibt sich also als zweifelsfrei dieses eine: D a s j e n i g e , w a s i m u n m i t t e l b a r e n S i n n e als P r o z e ß q u e l l e zu b e z e i c h n e n i s t , ist s e l b s t prozeß- s 10 f r e i . Denn ob nun die Reihe der Prozeßgegenstände, die ihre Prozessualität bestimmten Ursachen verdanken, unmittelbar bei einem prozeßfreien Letztglied zum Abschluß kommt, oder ob sie bei einem prozeßhaften Glied ankommt, welches aber selbst der Grund f ü r seine Prozeßhaftigkeit wie f ü r seine Beharrung ist, in beiden Fällen ergibt is sich dasselbe, daß nämlich dasjenige, was f ü r alle Prozeßgegenstände im unmittelbaren Sinn die Quelle ihrer Prozesse bildet, selbst prozeßfrei sein muß. 6. D a es Prozessualität zu jeder Zeit geben muß und sie niemals io aussetzen kann, muß es ein Ewiges geben, welches die letztendliche 20 Quelle dieser Prozessualität darstellt: sei es in der F o r m eines einzigen Gegenstands, sei es in der F o r m einer Mannigfaltigkeit von Gegenständen. Und diese letztendliche Prozeßquelle muß prozeßfrei sein. Was nun etwa die F r a g e beträfe, ob jedwede prozeßfreie Prozeßquelle ewig ist, so braucht sie uns hier gar nicht zu beschäftigen. Dies aber, 25 die Notwendigkeit der Realität eines Gegenstands, der selbst schlechtweg v o n jeder, selbst von jeder nur vermittelten Prozessualität frei u ist, gleichzeitig aber f ü r Anderes als Prozeßquelle fungiert, ergibt sich zweifelsfrei aus folgenden Überlegungen: E s soll, wenn einer so will, ruhig bei einigen Gegenständen möglich sein, daß sie einmal sind und 30 einmal nicht, ohne daß dazu ein Werden und Vergehen eintreten müsse — vielleicht m u ß es sogar so sein, daß, wenn ein Teilloses einmal ist und einmal nicht ist, derartiges, ohne einen Prozeß durchzumachen, einmal ist und einmal nicht ist —. Und auch dies zweite, daß einige 2» der selbst prozeßfreien, aber prozeßbegründenden Prinzipien zuweilen 35 seien, zuweilen nicht seien, soll als Möglichkeit gelten. N u r eines ist nicht möglich, daß dies auf alle (Prinzipien) zutreffe. Denn zweifellos gibt es f ü r die Gegenstände, die den Grund ihrer Prozessualität in sich selbst haben, einen eigenen Grund, der dafür verantwortlich ist, warum sie in einer Zeit existieren, in anderer hingegen nicht existieren; denn
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so gewiß kein ausdehnungsloser Gegenstand irgendeiner Prozessualität 25 fähig ist, muß jeder Gegenstand von eigenbedingter Prozessualität Ausdehnung besitzen; für eine Prozeßquelle (als solche) hingegen ergibt sich daraus keineswegs, daß sie Ausdehnungsgröße besitzen müsse. Für die Tatsache denn, daß — und zwar ohne Lücke im Prozeß — stets s die einen (dieser Gegenstände) entstehen und die anderen vergehen, reicht keiner der Gründe, die zwar prozeßfrei, aber nicht ewig sind, aus; auch nicht eine K e t t e solcher sich ablösender Gründe, die nacheinander die Funktion einer solchen Prozeßquelle übernehmen würden. Denn für die Ewigkeit und Lückenlosigkeit (dieses Prozesses) kommt 10 30 weder irgendeine einzelne solche (nicht-ewige) Prozeßquelle noch auch ihre Gesamtreihe auf. Denn wir haben hier ein ewiges und notwendiges Verhältnis zu erklären; eine solche Gesamtreihe (einander ablösender Prozeßquellen) wäre nur als unendliche möglich und bestünde nicht in allen ihren Gliedern gleichzeitig. Und so steht denn dies eine zweifeis- is 259a frei fest: Mag es noch so oft geschehen, daß eine Gruppe | prozeßfreier Prozeßquellen und eine Menge von Gegenständen, die ihre Prozessualität selbst zu bewirken vermögen, untergeht, aber sofort (durch eine neue Gruppe bzw. Menge) ersetzt wird, und mögen jederzeit die prozeßfreien Prozeßquellen vorhanden sein, welche für diesen und für 20 jenen Prozeß im einzelnen erforderlich sind, trotz alledem ist etwas erforderlich, was (alle diese anderen Prozeßquellen) umfaßt, und zwar so, daß es von jeder von ihnen unterschieden bleibt, und was der Grund dafür ist, daß die eine Gruppe bzw. Menge gerade vorhanden, 5 die andere gerade nicht vorhanden ist, und dem die Lückenlosigkeit 25 des Weltprozesses verdankt ist. Und dieser Gegenstand fungiert als Prozeßquelle für jene vorgenannten (zwei T y p e n von) Prozeßquellen, während diese letzteren ihrerseits als Prozeßquellen für die weiteren Gegenstände möglicher Prozesse fungieren. So gewiß also der Weltprozeß ewig ist, so gewiß ist auch die letzt- 3« endliche Prozeßquelle ewig — sofern es nur eine einzige solche letzten dli che Prozeß quelle gibt; gibt es mehrere, so gibt es auch mehrere ewige Prozeßquellen. Man muß jedoch annehmen, daß es eher nur eine als viele, und letzterenfalls: daß es eher eine endliche Anzahl als eine unendliche davon gibt; denn wenn die Folgerungen dieselben 35 bleiben, ob man nun eine endliche oder eine unendliche Anzahl an10 setzt, so hat man stets der ersteren den Vorzug zu geben. Denn sofern es nur real möglich ist, hat im Bereich der Naturgebilde das Endliche und das Zweckmäßigere die höhere Wahrscheinlichkeit für sich. Aus-
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r e i c h e n d i s t a b e r b e r e i t s a u c h s c h o n eine e i n z i g e l e t z t e n d l i c h e , e w i g e und prozeßfreie allgemeine Prozeßquelle. A u c h a u s d e m f o l g e n d e n e r g i b t es s i c h zweifelsfrei, d a ß d i e l e t z t e n d l i c h e P r o z e ß q u e l l e ein einziger u n d e w i g e r G e g e n s t a n d sein m u ß . s E s w u r d e j a b e w i e s e n , d a ß es z u aller Z e i t P r o z e s s u a l i t ä t g e b e n m u ß ; is d a s h e i ß t a b e r , d a ß sie k o n t i n u i e r l i c h f o r t b e s t e h e n m u ß ; d e n n a u c h d a s , w a s z u aller Z e i t b e s t e h t , ist k o n t i n u i e r l i c h ; eine b l o ß e jedoch
ergibt kein K o n t i n u u m .
Kontinuum 10 k e i t
der
bildet,
so
ist
Aber wenn
Folge
die P r o z e s s u a l i t ä t
sie a u c h n u m e r i s c h
ein
eine einzige. E i n z i g -
Prozessualität aber h a t zur Voraussetzung
Einzigkeit
der
P r o z e s s u a l i t ä t s q u e l l e u n d des P r o z e ß g e g e n s t a n d s . W e n n h i n g e g e n d i e Prozeßquelle
immer
wieder
eine
andere
wäre,
dann
wäre ja
der
G e s a m t p r o z e ß k e i n K o n t i n u u m , s o n d e r n b l o ß e i n e F o l g e ( v o n E i n z e l - 20 prozessen). is
S o s t ü t z t sich d e n n die Ü b e r z e u g u n g v o n d e r E x i s t e n z eines l e t z t e n d l i c h e n P r o z e ß f r e i e n a u f die a n g e g e b e n e n G r ü n d e , n i c h t m i n d e r a b e r a u c h a u f einen G e d a n k e n g a n g , der n o c h e i n m a l u n s e r e A u s g a n g s p u n k t e a u f n i m m t . E i n e s ist d e m n a c h unbezweifelbar: E s gibt Dinge, welche in e i n e r Z e i t i m P r o z e ß begriffen, in a n d e r e r Z e i t i m R u h e z u s t a n d s i n d .
2« A u f G r u n d d i e s e r T a t s a c h e fiel u n s e r e E n t s c h e i d u n g d a h i n g e h e n d , d a ß es w e d e r so i s t , d a ß alles p r o z e ß h a f t w ä r e , n o c h so, d a ß alles p r o z e ß f r e i w ä r e , n o c h a u c h so, d a ß d e r eine T e i l des S e i e n d e n z u aller Z e i t 2s i m R u h e z u s t a n d , d e r a n d e r e zu aller Z e i t i m P r o z e ß begriffen w ä r e . D e n n g e r a d e j e n e G r u p p e v o n D i n g e n , die b e i d e Z u s t ä n d e k e n n e n u n d 25 s o w o h l d e r P r o z e ß h a f t i g k e i t wie des R u h e z u s t a n d s f ä h i g s i n d ,
ent-
s c h e i d e t ü b e r j e n e D e n k b a r k e i t e n . N u n s t e h t die E x i s t e n z dieser D i n g g r u p p e v o r aller A u g e n ; w i r m ö c h t e n a b e r die N a t u r a u c h einer j e d e n d e r b e i d e n w e i t e r e n D i n g g r u p p e n , d . h . die T a t s a c h e k l ä r e n , d a ß e s G e g e n s t ä n d e g i b t , die z u aller Z e i t p r o z e ß f r e i , u n d a n d e r e , die z u aller 30 Z e i t p r o z e ß h a f t s i n d . A u f d e m W e g z u d i e s e m Ziel n u n u n d a n H a n d 30 der Grundsätze,
d a ß a ) j e d e r P r o z e ß seine b e s t i m m t e
Prozeßquelle
h a b e n müsse, d a ß b) diese letztere e n t w e d e r prozeßfrei oder prozeßb e h a f t e t sei, u n d d a ß c ) diese P r o z e ß q u e l l e , falls sie p r o z e ß b e h a f t e t sei, e n t w e d e r eine e i g e n b e d i n g t e o d e r a b e r ins U n e n d l i c h e eine f r e m d 35 b e d i n g t e P r o z e s s u a l i t ä t h a b e n m ü s s e , k a m e n w i r z u f o l g e n d e r
Auf-
f a s s u n g : Als P r o z e s s u a l i t ä t s q u e l l e k o m m t in F r a g e e i n m a l ein G e g e n s t a n d a u s d e r K l a s s e d e r selbst p r o z e ß h a f t e n G e g e n s t ä n d e ,
nämlich
ein s o l c h e r , d e r s e l b s t Q u e l l e seiner P r o z e s s e i s t , | s o d a n n a b e r als alles 259 b u m f a s s e n d e P r o z e ß q u e l l e diejenige, die v o n j e d e r P r o z e s s u a l i t ä t s e l b s t
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frei ist. Derartiges nun, was selbst Quelle der eigenen Prozessualität ist, haben wir j a vor unseren Augen: die Gattung der Organismen und speziell der Tiere; diese sind es j a , welche jene Vorstellung vermitteln, es könne Prozessualität geben, die entsteht, ohne zuvor in irgendeiner Weise schon bestanden zu haben; denn hier hätten wir 5 solches Geschehen doch vor unseren Augen — denn so wie es aussieht. 5 seien diese Organismen doch gelegentlich völlig prozeßfrei und mit einem Male setzten sie sich dann wieder in Bewegung —; nun muß man aber doch festhalten, daß sie nur für eine einzige Art ihrer Prozesse selbst den Grund abzugeben vermögen und selbst für diese nicht 10 im vollen Sinne; denn der Grund stammt in Wahrheit nicht aus dem Organismus selbst; vielmehr spielen im Innern der Tiere natürliche Prozesse, für welche die Tiere nicht selbst die Quelle darstellen — z. B . Wachstums- und Rückbildungsprozesse, Atmungsprozesse —, die das io einzelne Tier gerade dann durchmacht, wenn es jene Prozeßart, für is die es selbst der Grund ist, gerade eben nicht an sich hat und insofern in Ruhe ist. Für die Tatsache dieser Prozesse ist vielmehr die Umwelt des Tieres und vielerlei, was in das Tier hineindringt, verantwortlich: so etwa für mancherlei Prozesse die Nahrung; während der Verdauung dieser Nahrung schlafen nämlich die Tiere; sobald die Nahrung sich 20 aber im Körper verteilt, wachen sie auf und setzen sich in Bewegung, wobei also die letztendliche Quelle dieser eigenbestimmten Bewegung doch außerhalb des Tieres selbst liegt, was wiederum erklärt, warum 15 dieses nicht fortwährend sich von selbst so bewegt. Ein von ihm Verschiedenes ist eben die Quelle dieser seiner Prozesse, etwas, das selbst 25 auch Prozessualität besitzt und (damit) seine Wirkung auf dieses durch eigenbegründete Prozessualität charakterisierte Lebewesen a b w a n d e l t . In allen solchen Gegenständen aber besitzt die letztendliche Prozeßquelle und der Grund für die Möglichkeit eigenbedingter Prozesse selbst auch e i g e n b e d i n g t e P r o z e s s u a l i t ä t , freilich nür in 30 v e r m i t t e l t e r Weise: der Körper verändert seinen Ort und im Gefolge davon verändert seinen Ort auch das, was im Körper seinen Sitz hat 20 und den Körper sozusagen als Hebelanlage für die eigene Ortsveränderung benutzt. Aus solcher Überlegung mag man sich überzeugen, daß eine Prozeß- 35 quelle, die zunächst zwar prozeßfrei, in vermittelter Weise aber dann doch auch durch eigenbegründete Prozessualität charakterisiert ist, als Quelle eines u n a u f h ö r l i c h e n Prozesses ausscheidet. Dies besagt: So gewiß Prozessualität ununterbrochen bestehen muß, muß es etwas
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geben, was als die letztendliche Quelle dieser Prozessualität — selbst in vermitteltem Sinne — von aller Prozessualität frei ist, sofern nur, wie gesagt, in der Welt eine pausenlose und unvergängliche Prozessuale 25 tät möglich sein und die Welt (doch) in ihr selbst ruhen bleiben und s nicht einer Ortsveränderung ausgesetzt sein soll; denn wenn die Quelle der Weltprozessualität in Ruhe verharrt, dann wird auch das Weltall nicht wandern, so gewiß es mit dieser Quelle lückenlos verbunden bleibt. — Im übrigen ist bloßvermittelte Veränderung etwas anderes, wenn es sich um vermittelte eigenbegründete Veränderung handelt, 10 als wenn es sich um vermittelte f r e m d begründete Veränderung handelt. Letztere findet auch an einigen Prozeßquellen der Himmels- 3« körper statt, und zwar derjenigen, welche keine einfache Bewegung besitzen; erstere hingegen ist auf Gebilde der vergänglichen Welt beschränkt. is Aber wenn es nun eine solche, selbst prozeßfreie und ewige, Prozeßquelle gibt, dann muß es auch deren K o r r e l a t , d. h. jenes Ewige, wofür sie unmittelbar als Prozeßquelle fungiert, geben. | Das ergibt 260a sich zweifelsfrei auch aus dem Umstand, daß für das w e i t e r e Seiende keine Möglichkeit von Entstehen, Vergehen und Veränderung vorstell20 bar wäre, falls es nicht auch eine Prozeßquelle gäbe, die nun ihrerseits auch selbst prozeßhaft wäre. Denn die prozeßfreie Prozeßquelle kann nur immer in gleicher Weise wirken und immer nur den einen und nämlichen Prozeß stiften, denn sie verändert ja ihr Verhältnis zu s ihrem Prozeßgegenstand in keiner Form. Jene Prozeßquelle hingegen, 25 welche bereits unter dem Einfluß einer weiteren Prozeßquelle steht, die ihrerseits einerseits selbst prozeßhaft ist, andrerseits aber unter dem Einfluß der letztendlichen prozeßfreien Prozeßquelle arbeitet, braucht nicht immer bloß denselben Prozeß zu begründen, da sie j a ihr Verhältnis zu den Prozeßgegenständen fortlaufend verändert; da 30 sie vielmehr (infolge ihrer eigenen Prozessualität abwechselnd) entgegengesetzte örter einnimmt oder entgegengesetzte Bestimmtheiten annimmt, bewirkt sie, daß auch jeder der von ihr beeinflußten weiteren Gegenstände entgegengesetzte Bestimmtheiten annimmt und in einer 10 Zeit im Ruhezustand, in einer anderen hingegen im Veränderungs35 zustand begriffen ist. Das eben Festgestellte wirft auch Licht auf unsere Eingangsfrage, warum es denn nicht so ist, daß entweder alles in Prozessualität oder aber alles im Ruhezustand begriffen ist oder aber die eine Gegenstandsgruppe sich jederzeit in Prozessualität, die andere hingegen jederzeit im Ruhezustand befindet, warum vielmehr
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eine b e s t i m m t e Gegenstandsgruppe den Wechsel von R u h e - u n d Prozeßphasen zeigt. D a f ü r ist j e t z t der Grund einsichtig:.es gibt eine is Gegenstandssphäre, die u n t e r d e m Einfluß einer ewigen, prozeßfreien Prozeßquelle steht, u n d so v e r h a r r t sie denn zu j e d e r Zeit i m Prozeßz u s t a n d ; es gibt eine andere Gegenstandsgruppe, die u n t e r d e m Ein- s fluß einer selbst prozeßhaften u n d ihre Zustände wechselnden Prozeßquelle steht, u n d so m u ß d e n n auch sie ihre Zustände wechseln; die prozeßfreie Prozeßquelle aber bewirkt, wie gesagt, so gewiß sie in der Einheit u n d I d e n t i t ä t ihrer B e s t i m m t h e i t v e r h a r r t u n d einen Ortswechsel nicht k e n n t , immer n u r einen einzigen u n d völlig einheitlichen 10 Prozeß. 20 7. Aber, w e n n wir nochmals von einem anderen P u n k t ausgehen, l ä ß t sich all das noch weitergehend klären. Wir müssen u n s folgende F r a g e n vorlegen: Gibt es ü b e r h a u p t eine reale Möglichkeit f ü r eine kontinuierliche Prozessualität oder n i c h t ? W e n n j a , welche Prozes- is sualität k o m m t d a n n d a f ü r in Frage? Welcher Prozessualitätstyp ist als U r t y p aller Prozessualität zu b e t r a c h t e n ? — Denn ü b e r eines besteht kein Zweifel: W e n n es w a h r ist, d a ß es eine Prozessualität zu aller Zeit geben m u ß u n d d a ß dieser (immerwährende) Prozessualitätstyp der U r t y p aller Prozessualität ist u n d gleichzeitig ein K o n t i n u u m dar- 2« stellt, d a n n ist es dieser Prozessualitätstyp mit seiner notwendigen 2s Einheit, I d e n t i t ä t , K o n t i n u i t ä t u n d F u n d a m e n t a l i t ä t , den m a n als das W e r k der letztendlichen Prozeßquelle zu b e t r a c h t e n h a t . W e n n n u n drei P r o z e ß t y p e n zu unterscheiden sind: Veränderung der Größe, Veränderung der sinnlichen Qualität u n d Veränderung des Orts, welch letztere Bewegung heißt, d a n n ist diese letztere als der U r t y p der Prozessualität anzusehen. Beweis: W a c h s t u m ist ohne ein Voraus30 gehen qualitativer Prozessualität unmöglich. Denn w e n n m a n auch in gewissem Sinne sagen k a n n , dasjenige, d e m der Organismus sein W a c h s t u m v e r d a n k t , sei i h m selbst homogen, so ist es doch ebenso- .10 wahr, d a ß es ihm (zunächst) nicht homogen ist. Die N a h r u n g ist j a charakterisiert als das, was d e m Organismus mit entgegengesetzter Bestimmtheit gegenübersteht. Aber alles, das so in den K ö r p e r eint r i t t , bedarf dabei der U m f o r m u n g in die dem Körper gleichgeartete B e s t i m m t h e i t . Und so m u ß denn, in Gestalt dieses Übergangs zu ent- 35 gegengesetzter Bestimmtheit, eine Qualitätsveränderung s t a t t h a b e n . | 260 b W e n n eine solche aber s t a t t h a t , so bedarf es d a f ü r einer Prozeßquelle, welche diesen Übergang aus möglicher W ä r m e zu wirklicher W ä r m e (am Nahrungsmittel) bewirkt. Das aber h a t zweifellos zur Voraus-
Kapitel 6—7
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Setzung, daß diese Prozeßquelle dabei ihre Stellung (zum Nahrungsmittel) nicht beibehält, sondern ihm, das da die Qualitätsveränderung erleiden soll, räumlich näher gerückt wird. Dies wiederum kann aber ohne eine O r t s Veränderung nicht geschehen. So ergibt sich also: So s s gewiß es zu aller Zeit Prozessualität geben muß, so gewiß muß auch Ortsveränderung zu aller Zeit der Urtyp aller Prozeßtypen sein, und zwar — falls es innerhalb der Ortsveränderung wiederum eine Ursprünglichkeitsabstufung gibt — muß der Urtyp aller Prozeßtypen der Urtyp der O r t s Veränderung sein.' 10 Ein zweiter Beweis: Für alle sinnlichen Qualitäten der Dinge bilden die Quelle die Verdünnung und die Verdichtung. Denn auch Schwere, Leichtheit, Weichheit, Härte, Wärme und Kälte gelten als Formen 10 der Dichte bzw. der Dünnheit; Verdichtung und Verdünnung aber seien ihrerseits Formen des Zusammen- und Auseinandertretens, also 15 jener Prozesse, auf die man die Entstehung und das Vergehen der Substanzen zurückführen will. Zusammen- und Auseinandertreten implizieren nun aber Ortsveränderung. — Aber auch bei den Prozessen der Volumenzu- und -abnahme erfährt die Ausdehnungsgröße eine Veränderung ihres Ortes. is 20 Ein dritter Beweis dafür, daß die Ortsveränderung der Prozeß- 15 urtypus ist, ergibt sich bei folgender Überlegung. Ursprünglichkeit ist wie in anderen Fällen so auch hier, wo von einem ursprünglichen Prozeßtypus geredet wird, ein mehrdeutiger Terminus. Größere Ursprungsnähe schreiben wir einmal der unerläßlichen Bedingung zu, 2s ohne die etwas Anderes nicht zu bestehen vermag, während sie selbst ohne dieses Andere bestehen kann; sodann dem zeitlich Früheren; schließlich dem Wesensnäheren. — (a) Da es ununterbrochen Prozessualität geben muß, dies nun zwar in zwei Formen denkbar ist: durch 20 Kontinuität eines einzigen Prozesses oder durch (lückenlose) Abfolge 30 von Prozessen, aber sich in der ersteren Form vollkommener erfüllt, da weiterhin jene Kontinuität überhaupt höherwertig ist als diese bloße Abfolge, das Höherwertige aber von uns allezeit als das in der Natur faktisch Gegebene unterstellt wird, sobald es nur statthaben kann, und da die Kontinuität eines einzigen Prozesses tatsächlich statt 35 haben kann — es wird dies alsbald bewiesen werden; vorläufig sei es bloß vorausgesetzt! — und da schließlich kein anderer Prozeßtypus 2s derartige Kontinuität besitzen kann als nur die Ortsveränderung, ist es notwendigerweise die Ortsveränderung, welche den Urtypus aller Prozessualität darstellt. Denn es besteht gar keine Notwendigkeit, daß
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ein Gegenstand, der seinen Ort verändert, auch eine Veränderung seiner Größe oder seiner Qualitäten erfahren oder gar einen Prozeß des E n t stehens oder Vergehens erleiden müßte; auf der anderen Seite aber kann sich nicht einer dieser Prozesse anders als unter Bedingung jenes kontinuierlichen Prozesses vollziehen, der das Werk der letztendlichen s Prozeßquelle überhaupt ist. (b) Auch der Zeit nach ist sie durch Ursprünglichkeit ausgezeichnet. 30 Denn jene Gegenstände, die von aller Zeit her bestehen, können ausschließlich diese Art von Prozessualität erfahren. — Freilich kann am jeweiligen Einzelwesen, soweit es zur Klasse der Gegenstände zählt, 1« welche ein Entstehen kennen, die Ortsveränderung nur erst als letzter Prozeßtypus auftreten. Denn nach seiner Entstehung erfährt es erst einmal qualitative Veränderung und Wachstum, während Ortsveränderung erst nach voller Ausbildung als ein möglicher Prozeßtypus auf26i» t r i t t . | Aber andrerseits muß zuvor schon ein anderes Einzelwesen da is sein, das Ortsveränderung besitzt und das für die Entstehung des entstehenden Gebildes als Grund fungiert, ohne dabei selbst einen E n t stehungsprozeß durchzumachen — so ist etwa das zeugende Tier der Grund für das gezeugte —, gegen den Anschein also, als ob der E n t stehungsprozeß der Urtyp der Prozessualität wäre, weil doch eine 20 Sache vor aller weiteren Prozessualität erst einmal entstanden sein 5 müsse; für das jeweilige Einzelgebilde, isoliert genommen, stimmt das j a freilich, aber s e i n e m Werden muß Prozessualität an einem a n d e r e n Gebilde vorausgehen, das selbst bereits besteht und nicht erst entsteht — ein Verhältnis, das sich übrigens weiter fortsetzt. D a (also) 2s nun der Entstehungsprozeß nicht den ursprünglichen Prozeßtypus darzustellen vermag — denn sonst müßte alles, was Prozessualität an sich hat, auch dem Untergang geweiht sein — besitzt zweifellos auch keiner der Prozeßtypen, die selbst erst im A n s c h l u ß an den Entstehungsprozeß auftreten können, eine Priorität (vor der Ortsveränderung); 30 10 ich meine damit das Wachsen, die Qualitätsveränderung, die natürliche Rückbildung und das Vergehen; diese treten j a alle erst nach dem Entstehungsprozeß auf, so daß man schließen m u ß : wenn nicht einmal der Entstehungsprozeß eine Priorität gegenüber der Ortsveränderung besitzt, dann besitzt sie auch keiner der übrigen Prozeß- 35 typen. (c) E s ist ein allgemeines Phänomen, daß das Entstehende noch unvollendet ist und seinem Wesensprinzip erst noch zustrebt; es gilt demnach das Gesetz: das entstehungsmäßig Spätere ist gleichzeitig
Kapitel 7
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das wesensmäßig Ursprünglichere. An allen Gebilden n u n , die ein E n t stehen kennen, t r i t t die Ortsveränderung zuletzt als (möglicher) Proz e ß t y p u s auf. D a r a u s erklärt es sich auch, w a r u m die einen Organismen, da ihnen die erforderlichen Organe fehlen, gar keiner Ortsveränder u n g fähig sind, so die Pflanzen u n d viele Tiergattungen, während die anderen Organismen erst im ausgebildeten Zustand ihrer f ä h i g sind. W e n n demnach also der Grad der Fähigkeit zur Ortsveränderung sich nach der von den Organismen jeweils erreichten Entwicklungsstufe richtet, d a n n ist dieser Prozeßtypus auch in der Wesensdimension als der U r t y p u s zu b e t r a c h t e n ; übrigens nicht bloß aus diesem Grund, sondern auch deswegen, weil bei keinem Prozeßtypus der Prozeßgegens t a n d so wenig in seiner Bestimmtheit betroffen wird wie bei der Ortsv e r ä n d e r u n g ; diese ist j a der einzige Prozeßtypus, bei welchem sich das, was der Gegenstand ist, in gar keiner Hinsicht v e r ä n d e r t , während bei der Qualitätsveränderung eben seine qualitative, bei den Prozessen der Volumenzu- u n d - a b n a h m e seine q u a n t i t a t i v e B e s t i m m t h e i t wechselt. — Ganz deutlich aber ist (schließlich) noch dies, d a ß die wichtigste u n d wesentliche P r o z e ß a r t , welche wir an jenen Gegenständen finden, die selbst der G r u n d f ü r ihre Prozesse sind, wiederum d i e s e r Prozeßt y p u s , die Ortsveränderung, ist. U n d dabei erklären wir doch, gerade diese Gegenstandsart, die nämlich, welche selbst der Quell f ü r ihre Prozesse ist, sei von allen p r o z e ß h a f t e n Prozeßquellen diejenige, welche als Prinzip u n d als Ursprung f ü r die Prozesse an den Prozeßgegenständen fungiert. Dies also sind die Beweisgründe d a f ü r , d a ß die Ortsveränderung der U r t y p aller Prozessualität ist. N u n aber ist zu klären, welche besondere A r t von Ortsveränderung als dieser U r t y p zu b e t r a c h t e n ist. Gleichzeitig wird in diesem Überlegungsgang auch die Voraussetzung ihren Beweis erfahren, die wir n u n m e h r wieder genauso machen werden, wie wir sie im Vorausgehenden schon gemacht h a b e n , daß nämlich bei irgendeiner Prozeßform K o n t i n u i t ä t u n d Ewigkeit t a t sächlich möglich sind. D a ß K o n t i n u i t ä t n u n bei keinem einzigen a n d e r e n P r o z e ß t y p u s (als bei der Ortsveränderung) möglich ist, geht aus folgender Überlegung h e r v o r : Alle Veränderungen u n d alle puren Prozesse stellen Übergänge aus einem Ausgangszustand zu einem entgegengesetzten E n d z u s t a n d d a r : so haben wir beim E n t s t e h u n g s - u n d Vergehensprozeß als die beiden Grenzzustände Sein u n d Nichtsein, bei der Qualitätsveränderung die K o n t r a r i e t ä t der Grenzzuständlichkeiten, bei Volumenzu- u n d - a b n a h m e entweder die Grenzwerte Größe u n d
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Buch VIII
Kleinheit oder aber Vollgröße u n d unvollständige Größe. Veränderungen aber, deren E n d z u s t ä n d e zueinander in k o n t r ä r e m Verhältnis 26ib stehen, sind auch ihrerseits | einander k o n t r ä r entgegengesetzt. H a b e ich n u n einen Gegenstand v o r mir, der die b e s t i m m t e Veränderung, die er d u r c h m a c h t , nicht schon von jeher d u r c h m a c h t , der also schon s existierte, noch bevor d i e s e Veränderung an i h m b e g a n n , so ist er notwendigerweise zuvor in einem S t a d i u m der B e h a r r u n g gewesen. Zweifellos gilt also das Gesetz: Der Prozeßgegenstand befindet sich, solang er die entgegengesetzte Bestimmtheit behält, im Beharrungszustand. Ähnlich auch liegt es im Falle der p u r e n Prozesse: Denn es 10 5 besteht ein Gegensatz sowohl zwischen Vergehen u n d E n t s t e h e n überh a u p t wie auch zwischen j e d e m einzelnen Vergehensprozeß u n d j e d e m einzelnen Entstehensprozeß. Daraus folgt n u n : So gewiß ein Gegenstand in einer u n d derselben Zeit nicht die beiden entgegengesetzten Prozesse d u r c h m a c h e n k a n n , so gewiß können diese beiden Prozesse is nicht ein P r o z e ß k o n t i n u u m ergeben, sondern m u ß zwischen ihnen eine Z e i t s t r e c k e liegen. Darauf k o m m t es nämlich gar nicht an, ob diese zwischen kontradiktorischen Gegensätzen spielenden Prozesse, wenn sie n u r nicht in einer u n d derselben Zeit an einem u n d demselben Gegenstand zu spielen vermögen, n u n in k o n t r ä r e m Verhältnis zuein- 2« 10 ander stehen oder nicht — das ist j a f ü r das A r g u m e n t ganz belanglos —; auch dies t u t nichts zur Sache, wenn etwa keine Notwendigkeit bestehen sollte, daß der Gegenstand sich im kontradiktorischen Ausgangszustande in einer Beharrungsphase b e f u n d e n habe, u n d wenn etwa zwischen einem solchen puren Prozeß u n d einer Beharrungsphase 2$ kein k o n t r ä r e r Gegensatz bestehen sollte — denn Nichtsein ist j a wohl kein Beharren, der Vergehensprozeß f ü h r t aber gerade z u m Nichtsein —; worauf es allein a n k o m m t , ist die Tatsache, d a ß eine Z e i t dazwischentritt; denn auf diese Weise ist die Möglichkeit, d a ß es sich u m ein P r o z e ß k o n t i n u u m handeln könne, aufgehoben. Auch im Obigen 30 (bezüglich der Veränderungsprozesse) w a r j a nicht die T a t s a c h e des konträren Verhältnisses (zwischen den beiden Prozessen), sondern n u r is die Unmöglichkeit, d a ß sie in eine u n d dieselbe Zeit fallen könnten, von Belang. Man b r a u c h t sich von dem U m s t a n d nicht beirren zu lassen, d a ß 3s eines u n d dasselbe mehrere konträre Gegenglieder b e s i t z t : etwa der Veränderungsprozeß sowohl die Beharrung wie auch den entgegengesetzten Veränderungsprozeß; m a n b r a u c h t vielmehr n u r festzuhalten einmal, d a ß ü b e r h a u p t irgendein Gegensatz vorliegt zwischen einer
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Kapitel 7 - 8 Veränderung
einerseits, u n d
sowohl der konträr
entgegengesetzten
V e r ä n d e r u n g wie auch einer B e h a r r u n g andrerseits — ganz ähnlich, wie die Begriffe des Zuviel u n d Zuwenig in Gegensatz stellen sowohl z u m B e g r i f f d e r G r ö ß e n g l e i c h h e i t w i e z u m B e g r i f f d e s r e c h t e n M a ß e s —, 20 s u n d zweitens, daß weder irgendwie entgegengesetzte
Veränderungen
noch irgendwie entgegengesetzte pure Prozesse in eine u n d
dieselbe
Zeit fallen können. — E i n zweites A r g u m e n t : E s erschiene doch wohl als w i d e r s i n n i g s o w o h l h i n s i c h t l i c h d e r P r o z e s s e des E n t s t e h e n s
und
V e r g e h e n s wie ü b e r h a u p t hinsichtlich aller Prozesse, w e n n ein
eben
10 Z ü s t a n d e g e k o m m e n e s s o f o r t w i e d e r , o h n e a u c h n u r i r g e n d e i n e Z e i t hindurch erst einmal Bestand zu haben, vergehen m ü ß t e ; u n d
von
h i e r a u s e r g i b t s i c h d i e e n t s p r e c h e n d e Ü b e r z e u g u n g a u c h f ü r d i e ü b r i g e n 25 P r o z e ß a r t e n ; i s t es d o c h i h r e r N a t u r g a n z g e m ä ß , d a ß sie alle
die
nämlichen Verhältnisse aufweisen. 15
8. D e r Nachweis der faktischen Möglichkeit einer unendlichen, einen einzigen kontinuierlichen Prozeß darstellenden, O r t s v e r ä n d e r u n g — u n d d a s ist die K r e i s b e w e g u n g
— soll n u n m e h r u n s e r T h e m a sein.
Die
B a h n eines b e w e g t e n K ö r p e r s ist e n t w e d e r kreisförmig oder a b e r geradlinig o d e r a b e r schließlich ein M i x t u m a u s diesen b e i d e n R e i n f o r m e n ; 20 i s t a l s o e i n e d e r b e i d e n e r s t g e n a n n t e n B a h n f o r m e n n i c h t k o n t i n u i e r l i c h , 30 so k a n n es a u c h die d r i t t e , a u s b e i d e n z u s a m m e n g e s e t z t e , n i c h t sein. D a ß n u n a b e r die B e w e g u n g auf einer geraden u n d endlich l a n g e n B a h n nicht u n u n t e r b r o c h e n fortgehen k a n n , liegt auf der H a n d . D e n n
der
G e g e n s t a n d m u ß a m E n d e u m k e h r e n u n d , i n d e m er so zur R ü c k k e h r 25 a u f d e r G e r a d e n
gezwungen ist, besteht
seine B e w e g u n g
gegeneinander konträren Bewegungen. Denn in konträrem
aus
zwei
Ortsver-
hältnis s t e h e n zueinander die A u f w ä r t s - u n d die A b w ä r t s - , die Vorw ä r t s - u n d d i e R ü c k w ä r t s - , d i e L i n k s - u n d d i e R e c h t s b e w e g u n g ; d e n n 35 diese R i c h t u n g s u n t e r s c h i e d e sind die k o n t r ä r e n Ortsgegensätze. — D e r 30 B e g r i f f d e r E i n h e i t u n d | K o n t i n u i t ä t e i n e s P r o z e s s e s i s t i n f r ü h e r e m 262» Z u s a m m e n h a n g bereits geklärt w o r d e n : er f o r d e r t E i n h e i t des Prozeßgegenstands, Einheit der Zeit u n d artmäßige Gleichheit der Dimension — es e r g a b e n s i c h d o r t j a d r e i M o m e n t e : d e r P r o z e ß g e g e n s t a n d , ein M e n s c h oder ein G o t t ;
etwa
das W a n n , die Prozeßzeit; drittens
die
35 P r o z e ß d i m e n s i o n , d . h . d i e D i m e n s i o n s e i e s d e r O r t s b e s t i m m t h e i t , d e r s i n n l i c h e n Q u a l i t ä t , d e r G e s t a l t o d e r d e r A u s d e h n u n g s g r ö ß e —. D i e s e k o n t r ä r e n Glieder sind n u n a b e r artdifferent, nicht artidentisch.
Und
i n d e r D i m e n s i o n d e r O r t s b e s t i m m t h e i t h a n d e l t es sich d a b e i g e r a d e u m die o b e n g e n a n n t e n A r t d i f f e r e n z e n . E i n e n Beleg d a f ü r , d a ß
die
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Buch VIII
B e w e g u n g v o n A zu B u n d die B e w e g u n g v o n B z u A g e g e n e i n a n d e r k o n t r ä r s t e h e n , h a t m a n in der T a t s a c h e , d a ß sie sich, w e n n sie gleichzeitig s t a t t f i n d e n sollen, wechselseitig h e m m e n u n d z u m S t e h e n b r i n g e n . Dasselbe g i b t es ü b r i g e n s a u c h auf einer K r e i s b a h n : w e n n die eine B e w e g u n g v o n A gegen B , die a n d e r e v o n A gegen C gehen s l« soll — a u c h w e n n sie u n u n t e r b r o c h e n f o r t l a u f e n u n d es sich n i c h t u m eine R ü c k l ä u f i g k e i t d a b e i h a n d e l t , bringen sie e i n a n d e r z u m Stehen, d e n n k o n t r ä r e B e s t i m m t h e i t e n v e r n i c h t e n u n d h e m m e n sich wechselseitig —. Dagegen s t e h e n eine B e w e g u n g n a c h d e r Seite u n d eine Bew e g u n g n a c h oben n i c h t k o n t r ä r gegeneinander. 1« Der H a u p t g r u n d a b e r , welcher die U n m ö g l i c h k e i t einer K o n t i n u i t ä t der geradlinigen B e w e g u n g beweist, liegt in der T a t s a c h e beschlossen, d a ß der auf einer G e r a d e n sich bewegende K ö r p e r zuletzt wieder zur ü c k l a u f e n u n d a m W e n d e p u n k t der B e w e g u n g z u m S t i l l s t a n d k o m m e n m u ß — ein V e r h ä l t n i s , d a s übrigens n i c h t bloß bei einer is ls B e w e g u n g auf einer G e r a d e n , s o n d e r n a u c h bei einer B e w e g u n g auf einer K r e i s b a h n v o r k o m m t . M a n m u ß j a u n t e r s c h e i d e n zwischen e c h t e m Kreisen u n d einem b l o ß e n L a u f e n auf einer kreisförmigen B a h n . D e n n i m ersteren F a l l setzt sich die B e w e g u n g beliebig f o r t , i m l e t z t e r e n a b e r wird sie n a c h E r r e i c h e n des A u s g a n g s p u n k t s wieder 20 rückläufig — beides gibt es. D a ß j e n e s Z u m s t i l l s t a n d k o m m e n (in d e n g e n a n n t e n zwei B e w e g u n g s f o r m e n ) unausbleiblich ist, d a v o n g r ü n d e t sich unsere U b e r z e u g u n g nicht bloß auf sinnliche W a h r n e h m u n g , sond e r n a u c h auf logische Analyse. D a b e i gehen wir v o n f o l g e n d e m a u s : 20 W i r h a b e n drei M o m e n t e (an einer B a h n ) zu u n t e r s c h e i d e n , d e n A n f a n g , 25 d e n Z w i s c h e n p u n k t u n d das E n d e ; der Z w i s c h e n p u n k t (wie er a u c h gewählt sei) stellt f ü r jedes der b e i d e n S t ü c k e (das A n f a n g s - wie das E n d s t ü c k ) sowohl A n f a n g wie E n d e d a r ; n u m e r i s c h ein einziger P u n k t , h a t er begrifflich eine D o p p e l f u n k t i o n . E i n zweites: Möglichkeit u n d Wirklichkeit sind zu u n t e r s c h e i d e n ; das besagt h i e r : Der Möglichkeit 30 n a c h ist j e d e r beliebige P u n k t i m I n n e r e n der G e r a d e n ein Zwischenp u n k t , der W i r k l i c h k e i t n a c h a b e r n u r , w e n n der b e w e g t e K ö r p e r a n diesem P u n k t der G e r a d e n einen E i n s c h n i t t in seiner B a h n vollzieht, s t e h e n b l e i b t u n d erst d a n n seinen W e g f o r t s e t z t . D a n n wird 25 dieser Z w i s c h e n p u n k t t a t s ä c h l i c h zu einem A n f a n g u n d zu einem E n d e , 35 z u m A n f a n g f ü r d e n weiteren, z u m E n d e f ü r d e n vorausliegenden W e g — als Beispiel e t w a : ein K ö r p e r A b l e i b t erst in B stehen u n d setzt anschließend seinen W e g gegen C f o r t —. Vollzieht der K ö r p e r A seine B a h n in w a h r e r K o n t i n u i t ä t , so darf m a n weder sagen, er sei d a b e i
Kapitel 8
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einmal auf dem Punkt B angelangt, noch auch, er habe ihn einmal verlassen; man darf vielmehr lediglich sagen, er sei in einem einzigen 30 Zeitpunkt dort, keinesfalls aber irgendeine Zeit hindurch, höchstens noch innerhalb jener Gesamtbewegungszeit, der gegenüber jener Zeit5 punkt die Stellung eines Teilungspunkts besitzt. — Behauptet man aber, der bewegte Körper A sei auf dem Punkt B einmal gewesen und er habe den Punkt B einmal verlassen, so heißt das jederzeit: er war dort zum Stillstand gekommen; denn eines ist ganz unmöglich, | daß A den Punkt B im n ä m l i c h e n Zeitpunkt erreicht und auch 262h io verlassen habe. Folglich hat er den Punkt B in einem anderen Zeitpunkt erreicht, in einem anderen ihn verlassen. Folglich wiederum liegt zwischen den beiden Ereignissen eine Z e i t . Und das schließlich bedeutet, daß A in B in Ruhe gewesen ist. Nicht anders lägen die Dinge auch bezüglich aller übrigen Punkte; denn unser Ergebnis gilt 15 identisch von allen und jedem. Sobald also der Zwischenpunkt B für s den bewegten Körper A einerseits als ein Endpunkt andrerseits als ein Anfangspunkt fungiert, muß der Körper in diesem Punkt, indem er ihm eine Doppelstellung verleiht, zum S t i l l s t a n d kommen; nicht anders, als wenn man diese Gliederung der Bahn in Gedanken voll20 zieht. — Vom Punkt A hingegen läßt sich sehr wohl behaupten, der wandernde Körper habe ihn als seinen Ausgangspunkt verlassen, und vom Punkt C, der wandernde Körper sei in ihm angelangt, als er am Ende seines Weges angekommen und zum Stillstand gelangt war. 25 Was also hier gilt, genau das haben wir auch auf unser Problem (ob eine geradlinige Bewegung ununterbrochen fortgehen kann) anzuwenden. E s geht um nachstehenden Problempunkt. Nehmen wir zunächst folgendes Verhältnis an: Zwei Strecken E (E— C) und F (F—G) io seien einander gleich; ein Körper A durchlaufe kontinuierlich die 30 Strecke E von ihrem Ausgangspunkt (E) bis zu ihrem Endpunkt C; unterdessen soll er aber auch einmal in dem Zwischenpunkt B der Bahn sein; und gleichzeitig damit soll ein zweiter Körper, D, die Strecke F von ihrem Ausgangspunkt (F) bis zu ihrem Endpunkt G in konstanter Bewegung und mit gleicher Geschwindigkeit wie A durch35 laufen. D kommt dann bei G an, bevor A bei C ankommt. Denn dasjenige, was (irgendeinen der einander korrespondierenden Zwischenpunkte und so auch den Punkt B) als erstes verlassen hat, muß als erstes auch beim Ziel ankommen. (Die Differenz erklärt sich so:) Es is geschah eben nicht in einem und demselben Zeitpunkt, daß A den
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P u n k t B erreichte und ihn wieder verließ; so m u ß t e es also (hinter D ) zurückbleiben. H ä t t e beides i n einem einzigen Zeitpunkt geschehen können, würde es nicht zurückgeblieben sein. So aber m u ß t e es eine Phase des Stillstehens durchmachen. — Das b e s a g t : W i r dürfen das Verhältnis keinesfalls so denken, daß der K ö r p e r D , während der s K ö r p e r A im P u n k t B ist, irgend Zeit finden könne, von seinem Ausgangspunkt F weiter abzurücken — denn wenn es einen Zeitpunkt 20 gibt, in welchem A in B angelangt ist, so gibt es auch einen, in welchem es ihn verlassen h a t , und diese Zeitpunkte sind voneinander unterschieden —; vielmehr war A nur in einem einzigen Z e i t p u n k t und 10 nicht für die Dauer irgendeiner Zeit (im P u n k t B ) . — Hier also, wo es sich um eine k o n t i n u i e r l i c h e Bewegung handelte, durfte man sich das Verhältnis so (d. h. mit einem Erreichen und Verlassen irgendeines Zwischenpunktes) n i c h t denken. Gerade so hingegen muß man es j e d o c h denken, wenn es sich um eine Bewegung handelt, die irgend- is wo r ü c k l ä u f i g wird. W e n n eine Bewegung G auf den P u n k t D hinaufgeht und dort, rückläufig werdend, wieder n a c h unten geht, so fungiert ihr Kulminationspunkt D einerseits als E n d e , andrerseits als Anfang, 25 der eine P u n k t erhält also in ihr eine Doppelfunktion (er ist erstens der P u n k t , an welchem die Aufwärtsbewegung e n d e t e ; er ist zweitens 20 der P u n k t , an welchem die Abwärtsbewegung einsetzte). S o muß die Bewegung denn in ihm zum Stillstand gekommen sein. U n d der Z e i t punkt, in dem der steigende Körper seinen W e g nach oben bei D abschloß, und der Zeitpunkt, in dem er seinen Weg n a c h unten bei D begann, fallen keineswegs miteinander zusammen. Denn sonst müßte 25 es j a so sein, daß d e r K ö r p e r in einem und demselben Z e i t p u n k t am P u n k t e D sowohl wäre wie auch nicht wäre. — W i r dürfen hier nicht mit dem Argument arbeiten, mit welchem wir das vorige Problem aufgelöst haben. W i r dürfen nicht etwa sagen, die Bewegung G sei j a nur in einem bloßen Z e i t p u n k t im B a h n p u n k t D und davon, daß 30 30 sie diesen erst erreicht und dann verlassen habe, könne keine R e d e sein. Denn das E n d e , zu dem die Aufwärtsbewegung k o m m t , m u ß ein B a h n p u n k t sein, der im Modus der W i r k l i c h k e i t , nicht bloßer Möglichkeit existiert. Alle Zwischenpunkte stehen im Modus bloßer Möglichkeit, dieser aber, D , steht im Modus der. W i r k l i c h k e i t : bet r a c h t e t man ihn von u n t e n aus, so ist er E n d p u n k t (der B a h n ) ; ) 263» betrachtet m a n ihn von oben aus, so ist er ihr A n f a n g s p u n k t ; und genauso ist er auch E n d p u n k t bzw. Ausgangspunkt für die entsprechenden Bewegungen. Das Ergebnis ist demnach dieses: J e d e Bewegung
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auf einer Geraden muß im Punkte, wo sie rückläufig wird, eine Phase des Stillstands durchmachen. Auf einer Geraden ist also eine ewige ununterbrochene Bewegung nicht möglich. Das ist übrigens auch die Form, in der man denjenigen erwidern 5 muß, welche mit Z e n o n die Frage stellen möchten, ob es denn nicht s erforderlich sei, immer erst die halbe Strecke zurückzulegen, ob sich dann nicht eine Unendlichkeit ergebe und ob es denn nicht unmöglich sei, eine solche Unendlichkeit zu durchlaufen; oder auch, wie sie dieselbe Frage in anderer F o r m stellen, nämlich in Gestalt der Forderung, 10 man müßte doch, während der Körper die halbe Strecke durchwandere, immer zuvor bereits d a v o n die jeweils anfallenden Halbstrecken zu zählen in der Lage sein (wenn die Bewegung sollte real sein können), so daß man also, wenn der Körper die ganze Strecke hinter sich gebracht hätte, eine unendlich große Anzahl müßte durch- 10 i5 gezählt haben können. Das ist nun freilich zugestandenermaßen ausgeschlossen. In unserer ersten Abhandlung über das Problem der (Orts-) Veränderung haben wir die Widerlegung mittels des Arguments durchgeführt, daß die Zeit eine unendliche Mannigfaltigkeit in sich enthalte; 20 es sei j a gar keine widersinnige Auffassung, zu sagen, man könne in einer unendlichen (d. h. unendlich teilbaren) Zeit eine Unendlichkeit (d. h. unendlich viele Stücke einer Strecke) durchlaufen. Die Unendlichkeitsstruktur der Strecke und die der Zeit entsprechen sich völlig, is Aber diese Widerlegung ist zwar im Hinblick auf jenen Frager völlig 25 hinreichend — denn die Frage hieß j a nur, ob es möglich sei, in endlich langer Zeit eine Unendlichkeit zu durchlaufen oder abzuzählen —, aber sie genügt nicht im Hinblick auf die Sache selbst und auf die wahren Verhältnisse. Läßt man nämlich das Streckenproblem und auch die Frage möglichen Durchlaufens einer Unendlichkeit in endlich langer 30 Zeit einmal beiseite und interessiert man sich für diese Verhältnisse 20 allein hinsichtlich der Zeit selbst — die Zeit enthält j a da unendlich viele Einschnitte — dann reicht jenes Widerlegungsargument nicht mehr a u s ; man muß dann vielmehr schon die wahre Sachlage erörtern, so wie es soeben geschehen ist. T e i l t man nämlich die kontinuierliche 35 Linie in zwei Hälften, so gibt man dem einen Halbierungspunkt damit zwei Funktionen: man macht ihn gleichzeitig zu einem Anfangspunkt und zu einem Endpunkt. Und zwar tut man dies sowohl, wenn man 2s (die Teilstrecken) zählt, wie auch, wenn man die Halbierung wirklich vollzieht. Teilt man die Linie aber nun in solcher Form, so ist weder
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sie noch auch die Bewegung mehr (die ihr entsprechen soll) ein Kontinuum. Denn kontinuierliche Bewegung verlangt Kontinuität der Bahn. In einem Kontinuum sind nun zwar unendlich viele Halbierungsstücke enthalten, aber nicht im Modus der Wirklichkeit, sondern im Modus bloßer Möglichkeit. Gibt man ihnen den Modus der Wirk- s 30 lichkeit, so nimmt man der Bewegung die Möglichkeit der Kontinuität und zwingt sie zum Anhalten, wie das ja ganz offensichtlich geschieht, wenn man die Halbierungsstücke zählt. Hier muß man ja den einen 263b Halbierungspunkt | wie zwei Punkte behandeln; denn sobald das zusammenhängende Stück nicht als eines, sondern als zwei halbe Stücke 10 gezählt wird, fungiert der Halbierungspunkt sowohl als Ende der einen wie als Anfang der anderen Hälfte. Was man dem Frager also in Wahrheit zu erwidern hat, wenn er fragt, ob denn, sei es in einer Strecke, sei es in einer Zeit Unendlichkeit durchlaufbar sei, ist dies: 5 in einem Sinne ja, in einem anderen Sinne nein. Soll es sich um Un- is endlichkeit im Modus der Wirklichkeit handeln, dann nein; handelt es sich aber um Unendlichkeit im Modus bloßer Möglichkeit, dann sehr wohl. Wenn jemand in ununterbrochener Bewegung eine Strecke zurücklegte, so durchliefe er in einem bloß vermittelten Sinne tatsächlich ein Unendliches, keineswegs aber im absoluten Sinn. Denn es ist 20 nur eine vermittelte Eigenschaft der Linie, eine Unendlichkeit von Halbierungsstücken zu sein; ihr Wesen und Sein ist etwas Anderes. Wollte man den Zeitpunkt, der die vorausgehende Phase von der io folgenden trennt, auf der Seite der S a c h e betrachtet, nicht jeweils zur f o l g e n d e n Phase rechnen (als ihren Anfangspunkt), so erhielte 2s man zweifellos die Konsequenz, daß eines und dasselbe, (sei es Gegenstand, sei es Bestimmtheit eines Gegenstands,) (in ihm) gleichzeitig existierte und nicht existierte, und also gerade dann, wenn der Prozeß seines Zustandekommens abgeschlossen ist, n i c h t existierte. Nun gehört der Zeitpunkt zwar zweifellos zu beiden Phasen, sowohl zur vor- 30 ausgehenden wie zur folgenden, besitzt auch numerische Einheit und Identität, aber b e g r i f f l i c h eignet ihm solche Identität (und numerische Einheit) nicht — denn er ist einmal der Endpunkt der einen, 15 sodann der Anfangspunkt der anderen Phase —. Auf der Seite der S a c h e betrachtet, gehört er hingegen eindeutig jeweils nur zum 35 f o l g e n d e n Gegenstandszustand. Nehmen wir eine Zeit A—C—B; der Gegenstand heiße D ! D ist dann die ganze Zeit A ( = A—C) hindurch weiß, die ganze Zeit B ( = C—B) hindurch nicht weiß. Er wäre also in C sowohl (noch) weiß wie nicht (mehr) weiß. Denn es muß wahr
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sein, daß er in jedem beliebigen zu A gehörigen Zeitwert weiß ist, so gewiß angenommen ist, daß er diese ganze Zeit A hindurch weiß war; und im ganzen B darf er nicht (mehr) weiß sein. Nun gehört aber doch C zu beiden Phasen. Man darf also n i c h t zugeben, daß D 2» s in der ganzen Zeit A (bis G einschließlich) weiß sei, man muß vielmehr den abschließenden Zeitpunkt C davon ausschließen. C gehört bereits zur folgenden Phase (des Nicht-mehr-weiß-seins). Und wenn sich in der gesamten Zeit A die Bestimmtheit Nichtweiß am Gegenstand bildete und die Bestimmtheit Weiß am Vergehen war, dann ist dieser io Prozeß der Bildung (der einen Bestimmtheit) und des Vergehens (der anderen Bestimmtheit) in C bereits zu Ende. Die Wahrheit kann also notwendigerweise nur die sein: mit diesem C beginnt die n e u e Bestimmtheit — sei es die Bestimmtheit Weiß oder (wie in unserem Beispiel) Nichtweiß; anderenfalls muß man eine der beiden (gleich unís tragbaren) Konsequenzen auf sich nehmen: entweder, daß etwas gerade dann, wenn der Prozeß seiner Entstehung zum Abschluß gekommen ist, nicht existiere, und gerade dann, wenn der Prozeß seines Vergehens zum Abschluß gekommen ist, Existenz besitze, — oder aber, daß etwas gleichzeitig weiß und nicht weiß, generell gesprochen: gleichzeitig 2s 20 seiend und nicht seiend sein könne. — So gewiß nun etwas, das in seinem Sein dadurch charakterisiert ist, daß es in der vorausgegangenen Phase noch nicht existierte, notwendigerweise eben jetzt auf dem Wege zu seiner Existenz ist, diese aber so lange noch nicht wirklich besitzt, als es noch im Prozeß seiner Entstehung begriffen ist, — so gewiß ist 25 ein Aufbau der Zeit aus Zeitatomen unmöglich. Denn wenn die Zeit A dadurch charakterisiert ist, daß sich in ihr das Weißwerden des D vollzog, und wenn wir ein solches Zeitatom ansetzen, das sich an die Zeit A anschließen soll und in welchem jener Prozeß bereits abgeschlossen und der Gegenstand -D bereits seine Bestimmtheit besitzt, 30 — es heiße dies Zeitatom B ! —, wenn A also dadurch charakterisiert ao ist, daß D in ihm erst noch daran war, seine Bestimmtheit zu erhalten, sie aber noch nicht besaß, B hingegen dadurch, daß D in ihm seine Bestimmtheit nunmehr bereits besitzt, so muß zwischen der Zeit A und dem Zeitatom B ein Prozeß verlaufen sein und damit auch | eine 264« 35 weitere Zeit zwischen ihnen angesetzt werden, in der sich dieser Prozeß hat vollziehen können (dieser Übergang vom Noch-nicht während A zum Bereits in B). Verwirft man hingegen einen solchen atomaren Aufbau der Zeit, so liegen ja die Verhältnisse ganz anders: hier ist dann der Prozeß abgeschlossen und der Gegenstand D im Besitze
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seiner neuen Bestimmtheit genau im Zeitpunkt, der jene Zeit a b s c h l i e ß t , in der sich der Prozeß auch vollzog; und an diesen Zeitp u n k t b r a u c h t sich gar nicht erst noch etwas anzuschließen oder auf ihn etwas zu folgen (wie es andernfalls mit dem B der Fall war). So 5 gewiß der Prozeß die ganze Zeit A erfüllte, so gewiß ist diejenige Zeit, s in welche m a n den Abschluß des Prozesses u n d auch seine Verlaufsdauer zu setzen h a t , u m nichts länger als diejenige, die lediglich und ganz mit d e m Prozeßverlauf selbst erfüllt war. — Dies u n d Ähnliches wären also die das Eigentümliche der Sache ins Auge fassenden Argumente, auf die m a n seine Überzeugung stützen 1« k a n n . Die rein b e g r i f f l i c h e Analyse f ü h r t z u m nämlichen R e s u l t a t , u n d zwar von folgender Überlegung ausgehend: Jedweder Gegenstand, 10 der in einer u n u n t e r b r o c h e n e n Bewegung begriffen ist, ist, sofern er nicht gerade aus seiner B a h n getrieben wird, von aller A n f a n g an auf dem Weg zu d e m Ziel, zu d e m er abschließend gelangt; k o m m t er also beispielshalber abschließend bei B an, so war er (von Anfang an) auf dem Weg zu B, nicht also etwa erst, seit er dem B schon nahe war, sondern von aller Anfang seines Weges an. Denn wo wollte m a n andernfalls den Einschnitt machen? Diese Überlegung gilt entsprechend auch f ü r die anderen Phasen. D e m g e m ä ß nehmen wir einmal a n : E i n 20 ls Gegenstand bewegt sich von A weg u n d kehrt, sobald er bei C angekommen ist, o h n e seine Bewegung zu unterbrechen wieder nach A zurück. D a n n f o l g t : Schon in der Zeit, in welcher er auf d e m Weg von A nach C ist, vollzieht er d a n n auch die von C z u r ü c k f ü h r e n d e Bewegung nach A. E r vollzieht also in einer u n d derselben Zeit die 25 zwei k o n t r ä r zueinander verlaufenden Bewegungen; denn auf einer Geraden liegt (in solchen Fällen) ein Konträrverhältnis vor. Überdies ergibt sich auch noch, d a ß seine Bewegung ein Verlassen jenes P u n k t e s (C) darstellt, an d e m er doch (noch) gar nicht ist. So gewiß dies unt r a g b a r e Konsequenzen sind, ist also im Gegenteil anzunehmen, d a ß 30 20 der Gegenstand seine Bewegung in C u n t e r b r i c h t , daß folglich das Gesamtgeschehen nicht aus einer einzigen Bewegung bestehen k a n n ; denn ein Geschehen, das von einer Ruhepause unterbrochen ist, k a n n nicht eine einzige Bewegung sein. — Ein zweites, noch allgemeineres, auf jedwede Prozeßart übertragbares A r g u m e n t : So gewiß jeder Gegen- 35 stand, der ü b e r h a u p t einen Prozeß durchmachen soll, einen der behandelten Prozeßtypen durchmachen und, falls er eine Beharrungsphase d u r c h m a c h t , einen der entsprechenden Beharrungstypen an sich haben m u ß — denn weitere T y p e n ergeben sich nicht —, so gewiß weiter-
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hin ein Gegenstand, der irgendeinen bestimmten Prozeß, in dem er eben steht, nicht schon von jeher an sich hat — ich denke an art- 2s verschiedene Prozesse dabei und nicht bloß an etwaige verschiedene Phasen eines einzigen Prozesses, — v o r Beginn dieses Prozesses den entsprechenden Ruhezustand an sich gehabt haben muß — denn Ruhezustand ist im Verhältnis zum Bewegungszustand einfach Negativbestimmtheit —, so gewiß folgt nun unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die beiden Bewegungen auf der Geraden konträr zueinander stehen, konträr zueinander stehende Bewegungen aber nicht in einer und derselben Zeit am nämlichen Gegenstand statthaben können, aus alledem wiederum: Die Bewegung des Gegenstands von A nach C und 30 seine Bewegung von C nach A können nicht in eine und dieselbe Zeit fallen. Und weil dies nicht der Fall sein kann, die letztere Bewegung jedoch (von C nach A) sicherlich stattfindet, so muß der Gegenstand bei C vor dieser Bewegung zur Ruhe gekommen sein; denn diese Ruhe bei C ist jene der Bewegung von C (nach A) als Gegenglied entsprechende Beharrung im Sinne des oben Gesagten. So geht aus alledem zweifelsfrei | hervor, daß wir in dem Geschehen (A—C— A) k e i n Bewegungs- 24t kontinuum vor uns haben können. — Ein dritter Beweis, der gegenüber dem Bisherigen (wieder) mehr auf den Charakter der Sache selbst Rücksicht nimmt: E s geschieht in einer und derselben Zeit, daß die Bestimmtheit Nichtweiß vergeht und die Bestimmtheit Weiß sich bildet. Setzt man nun das Geschehen, das erst zur Bestimmtheit Weiß führt und dann von ihr wegführt als einen einzigen kontinuierlichen Veränderungsprozeß, innerhalb dessen es also dazu nicht kommen kann, daß die Bestimmtheit Weiß sich auch nur irgendeine Zeit hindurch erhält, so fallen folgende Geschehnisse am Gegenstande in eine s und dieselbe Zeit: Vergehen der Bestimmtheit Nichtweiß, Bildung der Bestimmtheit Weiß, Bildung der Bestimmtheit Nichtweiß. Alle drei Prozesse würden also in eine einzige und nämliche Zeit zu fallen haben. — Schließlich darf man keineswegs so schließen: Wenn die Zeit ein Kontinuum ist, so muß es auch unser Prozeßgeschehen sein. Dieses ist vielmehr gerade eine diskrete Folge von Prozessen; wie sollten denn auch der End- und der Anfangspunkt dieser zwei konträr gegeneinanderstehenden Prozesse, z. B. im Falle Weiß und Schwarz, in Identität zusammenfallen können? D i e e i n e n K r e i s d u r c h l a u f e n d e B e w e g u n g h i n g e g e n bes i t z t E i n h e i t u n d K o n t i n u i t ä t . Hier nämlich ergeben sich keine 10 untragbaren Folgerungen aus dem Ansatz. In einem und demselben
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W e i t e r l a u f e n e n t f e r n t sich hier der G e g e n s t a n d v o m A u s g a n g s p u n k t A u n d k e h r t gleichzeitig i m m e r z u a u c h zu A z u r ü c k — n a c h d e m Gesetz, d a ß ein G e g e n s t a n d v o n A n f a n g a n auf d e m W e g zu d e m Ziel ist, zu d e m er schließlich gelangt —, a b e r er f ü h r t keineswegs i n einer u n d derselben Zeit B e w e g u n g e n aus, v o n d e n e n sich sagen ließe, sie seien s gegeneinander k o n t r ä r o d e r sonstwie entgegengesetzt. D e n n es g i b t j a keineswegs ein Gesetz, w o n a c h eine B e w e g u n g , die v o n e i n e m bes t i m m t e n P u n k t e w e g f ü h r t , zu d e r j e n i g e n , die auf diesen P u n k t zuf ü h r t , in j e d e m Falle k o n t r ä r oder sonstwie entgegengesetzt sein m ü ß t e . Vielmehr h a b e n wir ein K o n t r ä r v e r h ä l t n i s bei B e w e g u n g e n auf einer 10 is G e r a d e n — d e n n hier gibt es r ä u m l i c h k o n t r ä r e P u n k t e , m a n d e n k e a n die E n d p u n k t e auf d e m K r e i s d u r c h m e s s e r , welche j a die voneina n d e r a m weitesten e n t f e r n t e n K r e i s p u n k t e sind —, u n d irgendein G e g e n s a t z v e r h ä l t n i s ü b e r h a u p t k a n n bei zwei B e w e g u n g e n n u r d a n n v o r k o m m e n , w e n n diese B e w e g u n g e n i n n e r h a l b einer u n d derselben is B a h n h i n u n d h e r l a u f e n . So ist d e n n hier also (bei d e r einen Kreis d u r c h l a u f e n d e n Bewegung) K o n t i n u i t ä t u n d U n u n t e r b r o c h e n h e i t d e r B e w e g u n g o h n e weiteres möglich; d e n n die kreisende B e w e g u n g f ü h r t zu i h r e m A u s g a n g s p u n k t z u r ü c k , w ä h r e n d die B e w e g u n g auf einer G e r a d e n v o n i h r e m A u s g a n g s p u n k t a u s g e h e n d a n e i n e m v o n diesem 2» v e r s c h i e d e n e n P u n k t e n d e n m u ß . A u c h ergibt sich dabei, falls die 20 B e w e g u n g einen Kreis d u r c h l ä u f t , kein wiederholtes D u r c h l a u f e n d e r n ä m l i c h e n S t ü c k e , w ä h r e n d dies, w e n n sich die B e w e g u n g auf d e r G e r a d e n h ä l t , gerade u n v e r m e i d l i c h ist. Die B e w e g u n g also, die i m m e r zu einem n e u e n S t ü c k w e i t e r l ä u f t , k a n n K o n t i n u i t ä t besitzen. N i c h t 2s a b e r k a n n K o n t i n u i t ä t einer B e w e g u n g eignen, welche ein u n d dasselbe S t ü c k wiederholt d u r c h l ä u f t ; d e n n sonst m ü ß t e n in einer u n d derselben Zeit e i n a n d e r e n t g e g e n g e s e t z t e B e w e g u n g e n vollziehbar sein. — H i e r liegt übrigens a u c h der G r u n d , w a r u m es a u c h auf e i n e m H a l b 25 kreis oder sonst einem K r e i s s t ü c k n i c h t zu einer kontinuierlich f o r t - so l a u f e n d e n B e w e g u n g k o m m e n k a n n : a u c h hier m ü s s e n j a die n ä m lichen B a h n s t ü c k e wiederholt d u r c h l a u f e n u n d k o n t r ä r gegeneinanders t e h e n d e Bewegungsprozesse vollzogen w e r d e n ; d e n n der A n f a n g der B a h n h ä n g t m i t i h r e m E n d e n i c h t z u s a m m e n . B e i m Kreis hingegen h ä n g e n A n f a n g u n d E n d e z u s a m m e n , die K r e i s b a h n allein ist eine 3s geschlossene B a h n . Aus der v o n u n s e b e n v o r g e n o m m e n e n U n t e r s c h e i d u n g ergibt sich zweifelsfrei a u c h das weitere, d a ß a u c h v o n d e n ü b r i g e n P r o z e ß t y p e n 3« kein einziger u n u n t e r b r o c h e n f o r t g e h e n k a n n . D e n n bei j e d e m v o n
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ihnen ergibt sich ein wiederholtes Durchlaufen der nämlichen Prozeßphasen, bei der Qualitätsveränderung der nämlichen Zwischenqualit ä t e n , bei der Q u a n t i t ä t s v e r ä n d e r u n g der nämlichen Zwischenquantit ä t e n ; u n d beim E n t s t e h u n g s - u n d Vergehensprozeß ist es a u c h nicht anders. Dabei ist völlig gleichgültig, ob ich wenige oder viele Zwischenp h a s e n ansetze, | welche der Prozeß d u r c h l ä u f t , ebenso auch, ob ich 265 eine m e h r ansetze oder eine weglasse: so oder so ergibt sich ein wiederholtes Durchlaufen der nämlichen Phasen. — Von hier aus wird weiterhin deutlich, d a ß auch die Naturphilosophen mit ihrer These, alles Sinnliche sei zu aller Zeit im Prozeß begriffen, nicht recht gehabt h a b e n . D e n n es m ü ß t e sich dabei j a u m irgendeinen dieser P r o z e ß t y p e n s handeln, u n d zwar — ihrer eigenen Auffassung gemäß — hauptsächlich u m qualitative V e r ä n d e r u n g ; sie sprechen j a von ständigem Fließen? u n d Dahinschwinden, überdies gilt ihnen auch E n t s t e h e n u n d Vergehen als qualitative Veränderung. Unsere Überlegung hier galt n u n ganz allgemein f ü r jedweden Prozeßtypus u n d ergab, d a ß außer der Kreisbewegung kein ununterbrochen fortlaufender Prozeß s t a t t h a b e n k a n n — folglich auch keine ununterbrochen fortlaufende Qualitäts- io Veränderung oder Volumensveränderung. D a m i t sei n u n der Nachweis erledigt, d a ß es außer der Kreisbewegung keinen unendlich und ununterbrochen fortlaufenden Prozeß geben k a n n . 9. Kein Zweifel, d a ß die Kreisbewegung der U r t y p aller Bewegungsarten ist. Wie schon einmal gesagt, verläuft j a eine Bewegung entweder auf einer Kreisbahn oder aber auf einer Geraden oder aber schließlich auf einer B a h n , die ein Mixtum aus beiden darstellt. Zweifellos sind is n u n die beiden ersten Bewegungsgestalten f u n d a m e n t a l e r als die letztg e n a n n t e ; denn diese setzt sich aus den beiden ersten zusammen. Von diesen beiden n u n ist wiederum die Kreisbewegung f u n d a m e n t a l e r als die auf einer Geraden; denn sie besitzt den höheren Grad der Einfachheit u n d der Geschlossenheit. Eine Bewegung auf einer Geraden k a n n j a nicht unendlich fortgehen — denn Unendlichkeit, wie sie dazu gefordert wäre (im Modus der Wirklichkeit gegebene Unendlichkeit einer geraden Bahn), gibt es nicht. Überdies, selbst wenn es diese gäbe, k ö n n t e doch kein Gegenstand eine solche Bewegung a u s f ü h r e n ; denn, was unmöglich ist, k o m m t nicht v o r ; eine unendliche Gerade zu durch- 20 laufen, wäre aber unmöglich —. D e n k t m a n aber an eine endliche Gerade, so ist eine Bewegung auf ihr, falls sie rückläufig ist, zusammengesetzt, j a , wir haben in Wahrheit sogar zwei Bewegungen; falls sie
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a b e r nicht r ü c k l ä u f i g ist, so fehlt ihr die Geschlossenheit u n d ist sie z u m A u f h ö r e n verurteilt. W e s e n s m ä ß i g e , begriffsmäßige u n d zeitliche Priorität hat. aber stets das Abgeschlossene gegenüber dem
Unab-
geschlossenen, das Unvergängliche gegenüber dem, was z u m Aufhören verurteilt ist. Ü b e r d i e s ist a u c h eine B e w e g u n g , die z u aller Zeit be- 5 stehen k a n n , f u n d a m e n t a l e r als eine andere, die dies nicht k a n n . D i e 25 K r e i s b e w e g u n g n u n k a n n z u a l l e r Z e i t b e s t e h e n , w ä h r e n d k e i n a n d e r e r B e w e g u n g s t y p u s u n d ü b e r h a u p t kein anderer P r o z e ß t y p u s dies verm a g . D e n n bei diesen allen m u ß eine R u h e p h a s e a u f t r e t e n ; d a s Auftreten einer R u h e p h a s e b e s a g t aber ein A u f h ö r e n des P r o z e s s e s .
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E s erscheint wohlbegreiflich, w e n n sich bei u n s e r e n U n t e r s u c h u n g e n dieses R e s u l t a t ergeben h a t , d a ß zwar die K r e i s b e w e g u n g , a b e r nicht die B e w e g u n g a u f einer G e r a d e n E i n h e i t u n d K o n t i n u i t ä t
besitzen
30 k a n n . D e n n a u f e i n e r G e r a d e n s i n d A n f a n g , M i t t e u n d E n d e e i n d e u t i g f e s t s t e h e n d e W e r t e , a u c h s i n d sie i n d e r G e r a d e n s e l b s t e n t h a l t e n , s o is d a ß es einen e i n d e u t i g f e s t s t e h e n d e n P u n k t g i b t , bei d e m die B e w e g u n g b e g i n n t , u n d e i n e n , b e i d e m sie e n d i g t — d e n n a n d i e s e n E n d p u n k t e n d e r G e r a d e k o m m t e s j e d e s m a l z u e i n e r R u h e p h a s e , sei e s d e r A n f a n g s p u n k t , sei e s d e r A b s c h l u ß p u n k t d e r B e w e g u n g —; a u f e i n e r K r e i s linie a b e r g i b t e s s o l c h e e i n d e u t i g f e s t s t e h e n d e P u n k t e n i c h t . D e n n 20 welcher P u n k t a u f der L i n i e h ä t t e d a ein V o r r e c h t z u solcher A u s zeichnung als A n f a n g s - oder E n d p u n k t ? I s t d o c h ein jeder in gleichem A u s m a ß sowohl A n f a n g wie Mitte wie E n d e , was zur Folge hat, daß 26Sb m a n e b e n s o g u t i m m e r z u | w i e n i e m a l s s a g e n k a n n , m a n s t e h e d a a m A n f a n g e o d e r a m E n d e . — D a h e r k o m m t e s j a a u c h , w a r u m d i e W e l t - 25 kugel (mit ihren Schalen) in g e w i s s e m S i n n e in B e w e g u n g begriffen i s t , i n g e w i s s e m S i n n e a b e r a u c h i n R u h e v e r h a r r t ; d i e s l e t z t e r e , insofern sie eben ihren O r t nicht v e r l a g e r t . D e r G r u n d d a f ü r liegt in d e m U m s t a n d , d a ß alle j e n e drei M o m e n t e ( A n f a n g , Mitte, E n d e ) hier als z u s ä t z l i c h e B e s t i m m t h e i t e n d e s K u g e l m i t t e l p u n k t s a u f t r e t e n ; d i e s e r 30 fungiert j a sowohl als A u s g a n g s p u n k t wie als E n d p u n k t wie a u c h als s Mitte dieses A u s d e h n u n g s g e b i l d e s . Weil d a m i t also der E n d p u n k t nicht a u f der K u g e l o b e r f l ä c h e liegt, gibt es hier keinen Ort, wo der b e w e g t e G e g e n s t a n d , a l s sei e r a n d a s E n d e s e i n e s W e g e s g e l a n g t , z u m R u h e z u s t a n d ü b e r g e h e n k ö n n t e — er w i r d j a v i e l m e h r s t ä n d i g u m d e n M i t t e l - is p u n k t h e r u m g e f ü h r t , n i c h t a b e r z u e i n e m E n d p u n k t h i n g e f ü h r t —; weil a n d r e r s e i t s n u n d i e s e r M i t t e l p u n k t s e l b s t a n s e i n e m O r t b e h a r r t , e b e n d e s w e g e n b l e i b t d a s W e l t a l l in e i n e m b e s t i m m t e n S i n n s t ä n d i g i m R u h e z u s t a n d u n d i s t d o c h a u c h in u n u n t e r b r o c h e n e r B e w e g u n g . —
Kapitel 9
263
Es ergibt sich hier ein Wechselseitigkeitsverhältnis: Weil die Kreisbewegung Maßprinzip für die (chronometrische) Messung aller Prozesse ist, muß sie der Urtyp aller Prozessualität sein — denn immer 10 fungiert das Fundamentale als Maßstab für das Messen — und (ums gekehrt): weil sie der Urtyp ist, ist sie der Maßstab für die Messung der übrigen. — Auch kann einzig und allein die Kreisbewegung durch konstante Geschwindigkeit charakterisiert sein. Denn bei Körpern, die einer Geraden entlang bewegt werden, sind Anfangs- und Endgeschwindigkeit verschieden. Es gilt j a das Gesetz: Mit zunehmen10 der Entfernung von seinem Ruheort steigert der Körper (im Falle einer naturgemäßen Bewegung) seine Geschwindigkeit. Die Kreisbewegung jedoch hat, und zwar einzig und allein, ihrer Natur nach ihren Ausgangspunkt und ihren Endpunkt nicht in ihr selbst, sondern außer ihr. 15 Für die Tatsache, daß die Ortsveränderung der Urtyp aller Prozessualität ist, zeugen übrigens alle Denker, die überhaupt auf das Problem der Prozessualität eingegangen sind: denn stets sind es bei ihnen die Gründe der Ortsveränderung, welche als die Quellen der Prozessualität ü b e r h a u p t zu fungieren haben. Denken wir an das 20 Theorem vom Auseinander- und Zusammentreten; beide Prozesse sind 20 Ortsveränderungen; und Ortsveränderungen sind es auch wiederum, was von den Prinzipien der Liebe und des Hasses bewirkt wird; das letztere bewirkt j a Auseinandertreten, das erstere Zusammentreten. — Denken wir an Anaxagoras; was sein Weltgeist, der Urquell aller 25 Prozessualität bewirkt, ist das Auseinandertreten. — Nicht anders auch bei denen, welche einen Prozessualitätsgrund solcher Art ablehnen und stattdessen das Leere dafür fungieren lassen; auch sie denken j a der Natur Prozessualität in der Weise der Ortsveränderung zu — denn die 2s durch das Leere bedingte Prozessualität ist Bewegung und in gewissem 30 Sinne sogar räumliche Bewegung —, während sie irgendeine weitere Art von Prozessualität für die Urbausteine der Welt ausschließen und sie lediglich erst für die sich daraus aufbauenden Gefüge zulassen; so lehren sie denn, daß Größenzu- und -abnahme sowie Qualitätsveränderung durch ein Zusammentreten bzw. Auseinandertreten der atomaren 35 Körper zustande kommen. — Dasselbe gilt auch von den Denkern, so welche durch Verdichtung und Verdünnung Entstehen und Vergehen geschehen lassen möchten; denn sie geben diesen Prozessen den Charakter eines Zusammen- bzw. Auseinandertretens. — Neben den Genannten stehen schließlich auch noch diejenigen Denker, welche als
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Buch VIII
G r u n d der F r o z e s s u a l i t ä t die Seele b e t r a c h t e n . L e h r e n sie doch, Urquell aller F r o z e s s u a l i t ä t sei dasjenige, was selbst der G r u n d seiner eigenen P r o z e s s u a l i t ä t i s t ; j e n e r P r o z e ß t y p u s a b e r , f ü r welchen das 266a Tier u n d jedes organische W e s e n | selbst als G r u n d f u n g i e r t , ist die O r t s v e r ä n d e r u n g . — Völlig a d ä q u a t ist u n s e r e m (dem griechischen!) s S p r a c h g e b r a u c h g e m ä ß v o n xtvrjaig n u r i m Falle d e r r ä u m l i c h e n B e w e g u n g zu s p r e c h e n ; w e n n ein G e g e n s t a n d a m n ä m l i c h e n O r t verh a r r t , dabei a b e r eine V e r ä n d e r u n g sei es seiner Größe, sei es seiner Q u a l i t ä t e n e r f ä h r t , so k ö n n e n wir d a f ü r das W o r t xivt]aig n i c h t s schlechthin, s o n d e r n n u r u n t e r Modifikation seiner B e d e u t u n g ge- io brauchen. D a m i t sind folgende T h e m e n a b g e h a n d e l t : d a ß es v o n j e h e r P r o zessualität gab u n d d a ß es sie zu aller Zeit geben w i r d ; was die Quelle dieser ewigen P r o z e s s u a l i t ä t i s t ; w a s der U r t y p aller P r o z e s s u a l i t ä t ist, welcher P r o z e ß t y p allein zu aller Zeit zu b e s t e h e n v e r m a g ; d a ß is der letztendliche Quell aller P r o z e s s u a l i t ä t selbst prozeßfrei ist. io 10. D a ß dieser letztendliche Quell aller P r o z e s s u a l i t ä t o h n e Teile u n d o h n e A u s d e h n u n g s g r ö ß e ist, dies zu beweisen, ist n u n m e h r u n s e r T h e m a ; wir h a b e n j e d o c h z u v o r d a f ü r die V o r a u s s e t z u n g e n z u bes t i m m e n . a) E i n e h a b e n wir m i t d e m G r u n d s a t z v o r uns, d a ß kein 20 Endliches in der Lage ist, G r u n d f ü r einen u n e n d l i c h d a u e r n d e n P r o z e ß zu sein. — Beweis: E s sind drei Glieder i m Spiel, die Prozeßquelle, der P r o z e ß g e g e n s t a n d u n d d r i t t e n s die P r o z e ß d i m e n s i o n — die Zeit. 15 N u n sind e n t w e d e r alle drei u n e n d l i c h oder alle drei endlich o d e r a b e r n u r ein Teil v o n ihnen, zwei oder eines aus i h n e n . So sei d e n n e i n m a l 2s A die Prozeßquelle, B der P r o z e ß g e g e n s t a n d , C die unendliche Z e i t ! N u n soll D (ein S t ü c k aus A) Prozeßquelle sein f ü r ein S t ü c k E aus B. E s k a n n also D ( f ü r die V e r ä n d e r u n g v o n E ) n i c h t a u c h eine Zeit = C b r a u c h e n ; d e n n es implizieren sich wechselseitig längere P r o z e ß d a u e r u n d größerer U m f a n g der V e r ä n d e r u n g a m G e g e n s t a n d e . Folglich ist so die b e n ö t i g t e Zeit F nicht u n e n d l i c h lang. Z w a r k a n n ich v o n D ausgehend d u r c h H i n z u f ü g u n g e n z u i h m das A, v o n E a u s g e h e n d d u r c h 20 H i n z u f ü g u n g e n z u i h m das B e r r e i c h e n ; a b e r die Zeit C k a n n ich d u r c h W e g n a h m e n o c h so vieler gleicher S t ü c k e niemals e x h a u r i e r e n , d e n n sie ist v o n u n e n d l i c h e r E r s t r e c k u n g . D a s b e s a g t : das ganze A ver- 35 ä n d e r t das ganze B in einem endlichen S t ü c k der (unendlichen) Ges a m t z e i t C. Folglich k a n n es a n k e i n e m (ja n o t w e n d i g endlichen) G e g e n s t a n d einen Prozeß v o n u n e n d l i c h e r D a u e r geben, w e n n die Prozeßquelle eine endliche ist.
Kapitel 9-10
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b) Darüber also, daß von einem endlichen Gegenstand keine Wirkung von unendlicher Dauer auszugehen vermag, kann kein Zweifel bestehen. Dies aber, daß einer endlichen Ausdehnungsgröße prinzipiell 25 keine unendlich große Prozeßkraft eignen kann, ergibt die folgende 5 Überlegung: Als größere Prozeßkraft soll von zweien die gelten, die eine gleichgroße Wirkung in k ü r z e r e r Zeit ausübt: z. B. gleichgroße Erwärmung oder gleichstarkes Süßwerden bewirkt, gleichweite Wurfbahn erzielt oder generell: gleichgroße Veränderung hervorruft. Daraus ergibt sich mit Notwendigkeit: der Prozeßgegenstand erführe vonseiten 10 dieses endlich großen, aber mit einer unendlichen Prozeßkraft ausgerüsteten Gegenstands eine bestimmte Wirkung, die aber jedenfalls größer wäre als jede Wirkung, die von einem anderen Gegenstand aus- 30 gehen kann; denn unendliche Prozeßkraft ist jedenfalls größer als jede andere. Nun müßte man aber schlechtweg jegliche Zeitdauer für einen 13 solchen Prozeß ausschließen (was, wie wir lange wissen, ganz unmöglich ist, aber einfach geschehen müßte, falls man die folgende absurde Konsequenz vermeiden sollte können): denn wenn es eine Zeit A gibt, in welcher die unendlich große Prozeßkraft ihre bestimmte Erwärmungswirkung oder Stoßwirkung ausübt, und wenn in der Zeit A -f- B 20 eine endlich große Prozeßkraft die nämliche Wärme- oder Stoßwirkung ausübt, so brauche ich lediglich zu dieser | endlichen Prozeßkraft nur 266 b weitere, aber durchaus bloß endliche Prozeßkräfte Schritt für Schritt hinzuzunehmen, um einmal eine solche (endliche) Prozeßkraft zu erreichen, die die betreffende Wirkung schon in der Zeit A auszuüben 2s vermag (nicht anders also als die angenommene unendliche Prozeßkraft) ; denn durch fortgesetzte Hinzufügung zu einer endlichen Größe komme ich über jedwede bestimmte Größe hinaus, wie ich j a auch durch fortgesetzte Wegnahme von einer endlichen Größe unter jede bestimmte Größe herunterkommen kann. So ergäbe sich denn: die 30 e n d l i c h große Prozeßkraft würde die nämliche Wirkung in der nämlichen Zeitstrecke erzielen wie die (angenommene) unendlich große Prozeßkraft. Aber das ist eine Absurdität. (Also müßte wirklich jed- s wede Zeitdauer von einem solchen Prozeß ausgeschlossen werden. Da dies aber a u c h nicht gestattet ist, fällt mit dem Nachweis der Ab35 surdität b e i d e r Konsequenzalternativen jede Möglichkeit dahin, einer endlichen Prozeßquelle unendliche Prozeßkraft zuzudenken:) Kein endlicher Gegenstand kann also unendlich große Prozeßkraft besitzen. c) Folglich kann aber auch keine endliche Prozeßkraft in einem unendlich großen Gegenstand wohnen. Natürlich kann es geschehen, daß
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Buch VIII
in einer kleineren Ausdehnungsgröße einmal eine größere Prozeßkraft r u h t ; aber noch mehr ist das andere möglich, daß sich eben in einer größeren Ausdehnungsgröße auch die größere Prozeßkraft befindet. — Es sei also eine unendliche Ausdehnungsgröße A—B angenommen! Dann eignet dem Stück B— C eine bestimmte Prozeßkraft; diese soll 10 im Gegenstand D in einer bestimmten Zeit E—F eine Veränderung hervorbringen. Nehme ich nun (aus A—B) ein Stück, das doppelt so groß ist wie B—C (B—G), so wird es die nämliche Veränderung in der Hälfte der Zeit E F , die F—H heißen soll, bewirken — dies soll das Verhältnis sein (zwischen Größe der Prozeßquelle und erforderlicher Prozeßdauer) —. Gehe ich nun diesem Verhältnis gemäß immer weiter, so werde ich doch A—B (seiner Unendlichkeit wegen) niemals erschöpfen und andrerseits immer kürzere Stücke der Ausgangszeit (E—F) erhalten. Folglich muß die Prozeßkraft (dieses unendlich großen A—B) 15 unendlich groß sein; denn sie überbietet jegliche endlich große Prozeß- i kraft, so gewiß jedweder endlich großen Prozeßkraft eine endlich kleine Zeit entsprechen müßte — denn wenn die Prozeßkraft von der Größe y die Wirkung in der Zeit z erzielt, dann erzielt eine Prozeßkraft v o n der Größe < y diese Wirkung in einer Zeit, die kürzer als z, aber immer doch von bestimmter Erstreckung ist — gemäß der Reziprozität des obwaltenden Verhältnisses—. Natürlich kann jegliche Prozeßkraft nur in dem Sinne unendlich groß heißen, in dem dies auch bei einer Menge 20 oder einem Ausdehnungsgebilde gemeint ist, welches jeden bestimmten Betrag überbietet. — Übrigens läßt sich das alles (d. h. die Falschheit der Annahme, daß endliche Prozeßkraft auch in einem unendlich großen Gegenstand denkbar sei) auch in folgender Weise beweisen: Wir greifen dann einfach eine bestimmte Prozeßkraft heraus, die mit der in dem angenommenen unendlichen Ausdehnungsgebilde gattungsgleich sein, sich aber in einem e n d l i c h e n Ausdehnungsgebilde befinden soll, — ein Vielfaches von ihr ergibt dann den Betrag jener endlich großen Prozeßkraft, die da dem angenommenen unendlichen Ausdehnungsgebilde zugedacht werden sollte. 25 d) Beides also, daß in einem endlichen Ausdehnungsgebilde keine unendliche Prozeßkraft, wie auch daß eine bloß endliche Prozeßkraft nicht in einem unendlichen Ausdehnungsgebilde ihren Sitz haben kann, ist mit dem Vorausgehenden gesichert. Aber nun wird es zunächst noch gut sein, wenn wir ein bestimmtes Problem aufklären, das sich auf die Gegenstände der Ortsveränderung bezieht: Wenn doch für jeden Prozeß an einem Gegenstande eine bestimmte Prozeßquelle in Anschlag
Kapitel 10
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zu bringen ist, wie ist dann dies möglich, daß solches, was keineswegs selbst der Grund für seine Bewegung ist, in bestimmten Fällen in ununterbrochener Bewegung bleibt, obwohl die Kraftquelle, die es in Bewegung versetzt hat, mit ihm keine Berührung mehr hat? Beispiel zo 5 etwa wären geworfene Gegenstände. Verwiese man nun bloß darauf, daß der Werfende gleichzeitig auch ein Weiteres in Bewegung gesetzt hat, hier z. B. die Luft, welches nun in seiner Bewegung Bewegung auch weitergibt (an das Geworfene), so erscheint es immer noch genau so unmöglich, daß nun dieses M e d i u m noch in Bewegung bleibe, wenn io die Ausgangsquelle für diese Bewegung (der Werfende) mit ihm nicht mehr in Berührung steht und es nicht mehr in Bewegung versetzt; es erscheint im Gegenteil notwendig, daß das ganze System (aus bewegtem Gegenstand u n d Medium) nur g l e i c h z e i t i g in Bewegung begriffen sein und auch nur g l e i c h z e i t i g zur Ruhe | übergehen könne, -267» is und letzteres auch müsse, sobald eben die Ausgangsquelle für diese Bewegung ihre bewegende Tätigkeit einstelle, — und dies selbst dann, wenn etwa die Ausgangsquelle so, wie dies beim Magneten der Fall ist, das Zwischenglied, auf das sie unmittelbar eingewirkt hat, mit der Fähigkeit ausrüstet, seinerseits Bewegung zu erzeugen. Nun ist zwar 20 dies eine unerläßliche Feststellung, daß die Ausgangsquelle des Prozesses die Luft oder das Wasser oder sonst einen Gegenstand, dessen Artung es zuläßt, Bewegung sowohl zu erleiden wie zu verleihen, mit einer solchen Fähigkeit ausrüstet, selbst Bewegung zu bewirken; aber s auf der anderen Seite ist jener obige Anschein insoweit falsch, als eben 25 dieses Bewegung vermittelnde Glied keineswegs g l e i c h z e i t i g miteinander die Bewegungskraft, die es ausübt, und den Bewegungsantrieb, den es selbst erfährt, verliert; vielmehr verliert es zwar einerseits — und genau eben in dem Augenblick, in dem die Prozeßausgangsquelle aufhört, auf es einzuwirken — sehr wohl den bisher erfahrenen 30 Bewegungsantrieb, aber andererseits behält es doch noch die Kraft, Bewegung zu v e r m i t t e l n . Und so kann es ein Weiteres in Bewegung setzen, das mit ihm in Zusammenhang steht. Und für dieses Weitere gilt wieder das nämliche. Der Prozeß geht Schritt für Schritt seinem Ende entgegen, im Maße jeweils die Bewegungskraft im anschließenden 35 Gliede kleiner und kleiner wird; und er kommt abschließend zum Stillstand, wenn ein Glied nicht mehr in der Lage ist, seinem Nachfolger i« die Kraft zu weiterer Bewegungserzeugung zu vermitteln, sondern seinen Nachfolger nur noch in Bewegung zu setzen vermag. Und dieses vorletzte und letzte Glied stellen nun tatsächlich gleichzeitig ihre Funk-
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Buch V I I I
tionen ein: das vorletzte seine Antriebstätigkeit, das letzte sein Angetriebensein. Und damit ist gleichzeitig der ganze Prozeß am Ende. — Nun finden wir aber diese Bewegungsform an solchen Gegenständen, deren Eigenart es ist, daß in ihnen Phasen der Bewegung und Phasen der Ruhe abwechseln können; auch handelt es sich dabei nur um eine 5 s c h e i n b a r e , keineswegs aber tatsächliche Kontinuität (eines einzigen Prozesses): wir haben in dieser Bewegungsform j a eine Mannigfaltigkeit von Gliedern, die entweder überhaupt bloß eine Reihe bilden oder doch höchstens lediglich miteinander in Berührung stehen; denn wir 15 haben nicht etwa ein einziges Glied, das allein als Bewegungsquelle io fungieren würde, sondern eine ganze Reihe von solchen Bewegung verleihenden Gliedern, die lediglich aufeinander folgen. Darum finden wir eine solche Bewegungsform denn auch in der L u f t und im Wasser, jene also, die von einer Denkergruppe als örteraustausch erklärt wird. Aber eine wirkliche Lösung des Problems ist nur in der oben an- is gegebenen Form möglich. Bei einem bloßen örteraustausch müßte sich hingegen für alle Glieder die Antriebstätigkeit und ebenso das Angetriebensein stets in G l e i c h z e i t i g k e i t vollziehen — und folgerichtig in Gleichzeitigkeit für alle stets auch zu Ende sein. — Nun haben wir hier es aber (mit g a n z A n d e r e m zu tun, nämlich) mit der vor unseren 20 20 Augen liegenden Tatsache der ununterbrochenen Bewegung eines Einzelgebildes. Was kommt hier als Bewegungsquelle in Frage? Denn jedenfalls können doch hier der Bewegungsgegenstand und die Bewegungsquelle nicht identisch miteinander sein. e) Da also die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Bewegung in 25 der Welt feststeht und diese kontinuierliche Bewegung wahrhaft Einheit besitzt, da weiterhin diese einheitliche Bewegung Prozeß einer Ausdehnungsgröße sein muß — denn was keine Ausdehnungsgröße ist, kann keine Bewegung erfahren —, und zwar einer einzigen, und da diese Bewegung das Werk einer einzigen Prozeßquelle sein muß — JO denn sonst besäße sie nicht Kontinuität und stellte bloß eine, und zwar diskontinuierliche, F o l g e von Bewegungen dar —, so steht also 25 hinsichtlich der Prozeßquelle fest, daß, so gewiß sie eine einzige ist, für sie nur die A l t e r n a t i v e bleibt, in ihrem Wirken entweder auch selbst Bewegung zu erfahren oder aber prozeßfrei zu bleiben. Nimmt 3s man nun an, daß sie dabei selbst auch eine Bewegung erfahre, so besagt das die Notwendigkeit, daß sie die Bewegung des von ihr bewegten Gegenstands mitmachen und also selbst Prozessualität an sich haben muß, und gleichzeitig auch, daß es einen weiteren Gegenstand geben
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muß, | durch den sie diese ihre Bewegung verliehen erhält (ein Yer- 267 hältnis, das sich ins U n e n d l i c h e fortsetzen würde), so daß man also die Reihe vielmehr als abgeschlossen denken muß mit einem Glied, für das ein P r o z e ß f r e i e s als Quelle der Bewegung fungiert. Ein Prozeßfreies eben braucht die Bewegung, die es einem Anderen verleiht, nicht auch selbst mitzumachen, es kann seine Wirkung zu aller Zeit fortsetzen — denn solches Wirken verbraucht keine Kraft — und diese Bewegung ist dann auch gleichförmig, entweder überhaupt die einzige gleichförmige, die es gibt, oder aber die höchste Ausprägung davon; denn ihre Quelle kennt j a keinerlei Prozessualität. Aber auch s das Verhältnis, in dem der Prozeßgegenstand zu dieser Prozeßquelle steht, darf keinen Wandel erfahren, damit sich die Bewegung des Bewegten stets gleich bleibt. Das bedeutet nun, daß die Prozeßquelle entweder im Zentrum oder aber auf der Peripherie ihren Sitz haben muß: denn diese zwei fungieren hier als die Prinzipien (des bewegten Gebildes). Nun gilt doch die Regel, daß sich die größte Geschwindigkeit in der unmittelbaren Nähe der Bewegungsquelle findet. Diese größte Geschwindigkeit hat hier aber die Bewegung der Peripherie. Und so ergibt sich denn: H i e r ist die Prozeßquelle zu lokalisieren. f) Noch gibt es eine Frage: Kann ein Gegenstand, der dabei selbst auch in Bewegung ist, eine kontinuierliche Bewegung erzeugen? Und 10 zwar nicht nur so wie ein Gegenstand, der immer wieder einen Anstoß gibt, wobei also nur die F o l g e der Stöße ununterbrochen sein kann. Denn es gibt j a hier nur zwei Möglichkeiten: entweder stößt oder zieht oder tut beides immer der nämliche Gegenstand, oder aber es ist immer ein anderes Glied, das die Bewegung von seinem Vorgänger übernimmt (um sie an den Nachfolger weiterzugeben), jenes Verhältnis also, das wir vorher bei den Wurfvorgängen zu besprechen hatten, bei denen infolge der (leichten) Verdrängbarkeit der Luft ein Luftteil nach dem anderen in Bewegung versetzt wird und diese Bewegung dann auch weitergibt. Aber ob so oder so, es ergibt sich beidemale is nicht ein einziger und einheitlicher Prozeß, sondern nur eine geschlossene F o l g e von Prozessen. Das besagt nun: K o n t i n u i t ä t b e s i t z t n u r ein P r o z e ß , d e r zu s e i n e r Q u e l l e ein P r o z e ß f r e i e s h a t . Denn ein Prozeßfreies, das j a in ihm selbst allezeit unverändert bleibt, behält auch sein Verhältnis dem Prozeßgegenstand gegenüber unverändert und ununterbrochen bei. — Nach all diesen Klärungen besteht kein Zweifel mehr, daß jener Gegenstand, der gleichzeitig die Urquelle aller Prozessualität und
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Buch Vili
selbst prozeßfrei ist, k e i n e r l e i A u s d e h n u n g s g r ö ß e besitzen kann. 20 Beweis: Sollte er Ausdehnung haben, so wäre er entweder von endlicher oder aber von unendlicher Größe. Daß es eine u n e n d l i c h e Ausdehnungsgröße überhaupt nicht geben kann, ist nun in einem früheren Zusammenhang innerhalb der Naturuntersuchungen bewiesen s worden. Daß andrerseits aber ein Gebilde von e n d l i c h e r Größe keine unendliche Prozeßkraft haben kann, sowie daß kein Gegenstand durch eine e n d l i c h e Prozeßquelle unendlich lange Zeit hindurch in Bewegung gehalten werden kann, ist im gegenwärtigen Zusammenhang bewiesen worden. Nun bewirkt aber die Urquelle aller Prozessualität i® 25 eine ewige Bewegung, durch alle unendlich lange Zeit hindurch. So ist denn also kein Zweifel darüber, daß sie unteilbar, teillos und ohne Ausdehnungsgröße ist.
EINLEITUNG*
Vorwort Dem Philologen m u ß der Autor mancherlei schuldig bleiben; wen sein Beruf zwingt, an den systematischen Aufgaben der Philosophie weiterzuarbeiten und dabei 2500 J a h r e der Philosophiegeschichte im Auge zu behalten, dem hilft alle seine Liebe zur antiken Literatur nicht darüber hinweg, d a ß er sie nie in seinem Leben so in ihrem C e s a m t u m f a n g wird studieren können, wie es hinwiederum der Philologe seinem Beruf zufolge t u n k a n n und soll. Des Aristoteles S p r a c h e so in die Geschichte der griechischen Literatursprache einzufügen, wie der Philologe das kann, - der Autor konnte nicht einmal den Versuch dazu unternehmen wollen. Selbst die aristotelischen G e d a n k e n weisen nicht selten über jene Gedankenwelt hinaus, die sich in der philosophischen Literatur der alten Griechen niedergeschlagen hat. Der Autor konnte den Ehrgeiz nicht haben, dort den Kundigen u n d Sachverständigen zu heucheln, wo er es nicht ist. Glücklicherweise, so meint der Autor, liegen f ü r den Philosophen bezüglich der aristotelischen P h y s i k v o r l e s u n g die Dinge ganz so ungünstig nicht, wie sie bezüglich mancher anderen aristotelischen Schrift liegen würden. Die kritische Philologie h a t uns einen im ganzen recht zuverlässigen Text zur Verfügung gestellt, h a t uns die alten Kommentare und mancherlei weitere Hilfsmittel der Interpretation aus alten Texten zugänglich gemacht, und sie h a t viele Interpretationsaufgaben bereits geleistet oder diesen doch verdienstvollerweise weitgehend vorgearbeitet. Der Autor hofft, daß der K o m m e n t a r den F a c h m a n n davon überzeugt, daß diese F r ü c h t e philologischer Arbeit genutzt worden sind. Die Einleitung ist in den meisten Abschnitten f ü r den S t u d i e r e n d e n der Philosophie gedacht; d a r u m läßt sie ausgesprochen technische Fragen zurücktreten und versucht stattdessen, dasjenige zu vermitteln, was aus dem Kreis der historischphilologischen Probleme jedweder, auch der bloß philosophisch interessierte, Leser der aristotelischen Physikvorlesung wissen sollte. Wer auch an den ausgesprochen technischen Fragen interessiert ist, wird in der Einleitung der Ross'schen großen Ausgabe seine Befriedigung suchen können. Die Übersetzung wird manchem Leser zunächst zu wenig wörtlich, zu sehr interpretierend erscheinen. E s gibt in mehreren jedem Gebildeten geläufigen Sprachen ausgezeichnete Übersetzungen, die wörtlicher sind. Die vorgelegte Übersetzung ist nicht als Übersetzungshilfe gedacht (an solchen ist glücklicherweise kein Mangel); * I m Einverständnis m i t dem Bearbeiter des Bandes, Herrn Professor H a n s Wagner, möchten Herausgeber u n d Verlag zum Ausdruck bringen, d a ß sie mit Rücksicht auf den besonderen Wert des Bandes fUr die philosophische Durchdringung der Physik auf die strenge Anwendung der Richtlinien verzichtet haben, die sonst f ü r die Bände dieser Reihe gültig sind. Der Herausgeber konnte daher in diesem Falle davon absehen, die Verantwortung f ü r F o r m u n d Inhalt des Bandes mitzutragen.
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Einleitung
sie will vielmehr unter möglichster Ausschöpfung aller sprachlichen Momente des griechischen Textes den g a n z e n G e d a n k e n , wie ihn Aristoteles seinem Texte mit den Mitteln seiner Sprache anvertraute, mit den Mitteln unserer heutigen deutschen Sprache wieder erkennen lassen. (Ausführlicheres über diesen P u n k t findet sich im 5. Abschnitt der Einleitung.) Mehr f ü r den F a c h m a n n bestimmt sind die Abschnitte 6 (Bibliographie) u n d 7. In letzterem Abschnitt sind einige Untersuchungen besprochen, die f ü r die E n t wicklung, welche die Interpretation der aristotelischen Physik seit dem Erscheinen der Ross'schen großen Ausgabe genommen h a t , von Belang sind oder sein könnten. Obwohl sie der Vf. im K o m m e n t a r berücksichtigt h a t , erschien es notwendig, sie auch eigens zu besprechen. Die Besprechung ist gleichzeitig eine A b s t a t t u n g des Dankes f ü r die Hilfe oder Bestätigung, die der Vf. aus diesen Untersuchungen gewonnen hat. W a s Übersetzung und K o m m e n t a r vor allem leisten wollen, ist dies: sowohl dem Inhalt wie der F o r m nach möglichst genau den G e d a n k e n d e r T e x t e freilegen u n d vermitteln, sowohl in seinem Vorwärtsschreiten wie in seinen Verästelungen und in seinen Reprisen, sowohl in seiner gelegentlich eindrucksvollen wie in seiner gelegentlich mangelhaften Kohärenz u n d Konsistenz. I m inhaltlichen Gedankengefüge der Texte mischen sich bleibend Aktuelles, gänzlich Veraltetes u n d schließlich in den allgemeinen, uns beinahe selbstverständlich gewordenen, Boden unserer wissenschaftlichen K u l t u r Eingedrungenes. Auch diese Tatsache u n d diese Unterschiede wollen Übersetzung und K o m m e n t a r deutlich machen: sie möchten in diesem P u n k t e vor allem dem Historiker der Naturphilosophie u n d der Naturwissenschaft verläßliche Dienste leisten. Und was die F o r m der aristotelischen Gedanken angeht, so mußten Übersetzung und K o m m e n t a r vor allem einen Beitrag zu zwei H a u p t fragen ins Auge fassen, erstlich zur seit Hegel immer wieder einmal erneuerten These vom 'spekulativen Aristoteles' (der j a auch die Gegenthese immer wieder gegenübertritt), sodann zur Frage des Verhältnisses, in welchem die von Aristoteles gelehrte Logik und Wissenschaftstheorie und die von ihm tatsächlich geübte Logik und Methodik zueinander stehen (auch dieses Verhältnis wird j a recht unterschiedlich beurteilt). »
Bei der oft mühseligen Literaturbeschaffung u n d bei der bibliographischen Arbeit haben mir mit Geschick und Energie die Herren Dr. K . Bärthlein u n d Dr. R . Hoffm a n n wertvolle Hilfe zuteil werden lassen. Ihnen u n d Herrn Dr. H. Oberer sowie mancher wissenschaftlichen Hilfskraft habe ich darüber hinaus auch f ü r mancherlei andere technische Unterstützung zu danken.
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Das Werk und sein
Text
Handschriften- und Erklärertradition stimmen fast ausnahmelos darin überein, d a ß sie das Werk als „Physikvorlesung" (• n o n - A " , nicht aber „nön-A n o n - B " . Aus „ J e d e s Werdeprodukt hat einen A n f a n g " folgt n u r : „ K e i n Anfangloses ist ein W e r d e p r o d u k t " . Genau diesen S a t z behandelt Ar. a u c h . in Soph. el. 28, 1 8 1 a 27 ff. und zwar als Beispiel einer falschen Konversion. — Nach dem R e f e r a t des Simplikios h a t nun MelisSos die Umkehrung wirklich als eine Prämisse benutzt und auf die Anfanglosigkeit des Gesamtseienden geschlossen (103. 2 4 f . ) . — Die sonst, (so bei R o s s 4 7 1 ) zitierten Stellen aus Soph. el. -(167 b 1 3 f f . ; 168 b 3 5 f f . ) gehen auf einen, anderen S a t z und auf a n d e r e ' F e h l e r des Melissos.; 1 0 , 8 f f . (a 13—16): Dieser S a t z m a c h t Schwierigkeiten, weil wir keinen S a t z von Melissos kennen, dessen Wiedergabe unser Physiksatz sein könnte. M a n wird sich .dem Grundgedanken n a c h daher wohl an Simplikios halten müssen. D a n n ergäbe sich e t w a folgendes: W i r wissen, d a ß Melissos neben der zeitlichen Unendlichkeit auch die unendliche Ausdehnung des Seinsganzen gelehrt h a t (fr. 3). Das Argument dafür kennen wir: d a ß andernfalls die E x i s t e n z eines Leeren zugelassen werden m ü ß t e (vgl. A n m . zu 7,36.!)': W e n n wir nun folgendes einzige Zwischenglied einfügen dürfen, so erhalten wir eine befriedigende E r k l ä r u n g f ü r unsere S t e l l e : Melissos h a b e — entweder überhaupt oder unter anderem — aus der abgeleiteten unendlichen
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Anmerkungen
Ausdehnung des Seinsganzen auf dessen (von i h m j a nachweislich gelehrte) Prozeßlosigkeit geschlossen — u n d zwar mit dem Argument, welches unsere Stelle referiert: Jedes W e r d e p r o d u k t (dieses W o r t ist sicher zu ergänzen; vgl. auch Boss 471) würde eine Stelle an sich h a b e n müssen, an welcher sein Werdeprozeß seinen Anfang genommen h ä t t e (von der als erster aus es sich gebildet h ä t t e ) . — E s ist unwichtig f ü r unseren Zweck, aber v e r m u t b a r , daß Melissos d a n n so weiterschloß: im unendlichen Seinsganzen k a n n es eine solche Anfangstelle nicht geben, folglich kein Prozeß jemals s t a t t g e h a b t haben noch stattfinden. Vielleicht steckt dies oder ähnliches in fr. 2. Wissen jedoch können wir es nicht. — W a s Ar. u n h a l t b a r findet, ist dies, d a ß Melissos f ü r j e d w e d e Veränderung eine solche Anfangstelle a m Ding fordert, von der also der Prozeß seinen Ausgang nehmen müsse, u m anschließend Stück f ü r Stück am Prozeßgegenstand aufzubauen oder zu verändern. Gibt es doch, sagt Ar., Prozesse, in welchen sich der Gesamtgegenstand g l e i c h z e i t i g in allen seinen Teilen verändert — so daß v o n einer Anfangstelle nicht gesprochen werden k a n n . Vgl. dazu Phys. V I I I 3, 253 b 25, wo gleichzeitig ein Beispiel, der Gefrierungsprozeß, genannt wird. — Offners Apologie f ü r Melissos h a t ihre Lücken u n d Mängel. Aber daß unsere Stelle k e i n e n Beweis d a f ü r darstellen k a n n , d a ß Melissos aus zeitlicher auf r ä u m liche Unendlichkeit geschlossen habe, ist ebenso sicher. N u r auf etwas anderes weist sie hin: d a ß Melissos äQxy einmal als zeitlichen Anfang des Prozesses, einmal als Anfangstelle des Prozesses a m Gegenstand genommen h a t . U n d Soph. el. 6, 168 b 35 ff. bestätigt genau diTOV evvjidQyov ixdoTO); es ist das C h a r a k t e r i s t i k u m dieses Moments, an i h m selbst u n g e s t a l t e t u n d ungegliedert zu sein. Dieses sozusagen f ü r die yeveai; allererste, f ü r die theoretische Analyse letzte B e s t a n d s t ü c k des N a t u r p r o d u k t s , ausgezeichnet d u r c h die i h m eigene
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Anmerkungen
Ungestaltetheit, ist die nqüjTrj ¿'Ar/ — der folgende oZov-Ausdruck darf da gar nicht stören. In Met. V 4, 1015 a 7—10 unterscheidet Ar. zwei Bedeutungen von jrpcoTj; vkr], das relativ und das absolut erste Material. Um diese wichtige (und prinzipientheoretisch völlig richtige) Unterscheidung zu verstehen, muß man sich daran erinnern, daß das Material—Gestalt—Verhältnis Aufstufungscharakter besitzt: Geformtes kann seinerseits wieder Material höherer Formung werden. Darum läßt sich relatives und absolutes Ausgangsmaterial unterscheiden: das relative ist das konkrete Material, wie es der konkrete Natur- und der konkrete Herstellungsprozeß in Gestaltung nimmt (Ar. nennt als Beispiel gerne den Samen für die Gestaltung der Pflanze, die Bronze für die Gestaltung der Säule und der Hausgeräte). Aber jedes konkrete Material ist schon ein Gestaltetes, schon gestaltetes Urmaterial (etwa Verbindung von Elementarkörpern in bestimmtem Verhältnis). Es ist nun für Met. V c. 4 wie auch für unseren gegenwärtigen Kontext charakteristisch, daß Ar. — in beiden Fällen mehr referierend, als die eigene Theorie entwickelnd — bereit ist, die Elementarkörper bzw. den Urkörper als solches absolutes Urmaterial gelten zu lassen (Met. 1014 b 3 2 - 3 5 ; 1015 a 9 - 1 0 ; Phys. 193 a 17ff.). Daß dies nicht seine eigene, mindestens nicht seine eigene abschließende Theorie ist, wissen wir aus De gen. et corr. (vgl. Anm. zu 14,1 ff. und 26,17f.): das wirkliche Urmaterial ist noch fundamentaler als jeder der Elementarkörper; diese sind schon Gestaltungen des Urmaterials durch die Fundamentalgegensätze (Warm—Kalt; Trocken—Feucht). — Aber so weit waren des Ar. Vorgänger noch nicht in der Reduktion gegangen: ihnen blieb immer noch ein Sichtbares und also ein Konkretes das Urmaterial. Von dieser nur halbwahren Theorie ist an unserer Stelle die Rede (doxei ivioig). Der oioj xO^m iaxtv. 117,22f. (a 16—17): Daß sich die Ausdrücke xivog lariv ägi^/id; (vgl. a 13) und ¿an n iv aQt&fi& genau entsprechen, ist zu beachten. Und mit ihnen wiederum ist gleichbedeutend vn" agi&fiov neQiixeo&ai. E s ist schwer, drei deutsche Wendungen zu finden, welche einerseits die drei griechischen Wendungen einigermaßen übersetzen und andererseits dennoch hinreichend untereinander synonym sind. — Vgl. auch 221 b 14/15. 117,25—36 (a 19—26): Ar. weist die erste der in a 9—11 genannten Denkbarkeiten zurück: man müßte von allem Gleichzeitigen in beliebiger Wechselseitigkeit sagen, das eine sei im anderen. Die Ablehnung besteht zurecht, aber das Argument ist grob. Der letzte Satz des Abschnitts macht es selbst deutlich. 117,37—118,3 (a 26—30): J e d e bestimmte Zeit (eines Gegenstandes, eines Prozesses) ist Teil einer umfassenden Zeit, in welcher sie also selbs iegt. Das Totum der Weltzeit ist nach Ar. (Buch V I I I ) unendlich. Das Totum des Weltortes ist es, wie wir wissen (Bücher I I I und IV), nicht. Trotzdem gilt auch dieser Satz: jeder bestimmte Ort liegt in einem umfassenderen Ort. 118,3—9 (a 30—b 3): Die Zeit ist eine Macht, und zwar, soweit es auf sie selbst ankommt, eine zerstörende und auflösende Macht. Wenn in der Zeit etwas positiv zustandekommt oder aufwärtsführende Prozesse spielen, so ist das das Werk nicht der Zeit selbst, sondern anderer, wenn auch in der Zeit wirkender, Mächte. Selbst den Prozeß nennt Ar. an unserer Stelle auflösend; das ist einerseits sehr charakteristisch, andererseits ebenso einseitig wie die gegenteilige Gewohnheit, im Prozeß nur das Hervorbringende und Aufwärtsführende zu sehen. Vgl. noch 222 b 16—27. 118,9—13 (b 3—7): Was zu jeder Zeit ist, ist in keiner Zeit. An welches Immerseiende haben wir hier zu denken? Der Zusatz fj äei ovra gibt die Auskunft. Wir haben an Immerseiendes zu denken, das einerseits immer, andrerseits nicht immer ist, d. h. das zwar zu jeder Zeit existiert, aber doch nicht zu jeder Zeit von nämlicher Bestimmtheit ist, also an den immer bestehenden Weltprozeß und die zu aller Zeit bestehende Welt, darin insbesondere die Gebilde über dem Mond. Nicht also von Idealem (etwa Mathematischem, das freilich auch ein äei öv und dtdiov ist — vgl. etwa Met. V 30, 1025 a 33) ist hier die Rede, sondern von Physischem. Dies kennt den Wandel und seine Wandlungsphasen sind in der Zeit (ein Teil daraus liefert uns sogar Zeitmaße); andrerseits ist es zu aller Zeit existent und insofern i s j es in keiner Zeit. — Über andersartiges Unzeitliches vgl. b 23 ff. 118,13—35 (b 7—23): Dieser Absatz entwickelt zwei Theoreme: a) Alles Seiende, welches überhaupt Bewegung und Prozessualität kennt, ist grundsätzlich in einer Zeit — nicht nur mit den Phasen seiner Bewegung, sondern nicht weniger auch mit seinen Ruhephasen. An ch diese sind in einer Zeit und die Zeit mißt auch ihre Dauer (b 7—20). — b) Prinzipiell prozeß- und bewegungsfreies Seiendes ist auch nicht in einer Zeit; es besitzt kein z e i t l i c h bestimmtes Immersein (b 20—23). — Am Ende
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Anmerkungen
des Satzes b 6/7 haben viele Handschriften (jedoch nicht unsere besten) noch xaxa avfißeßrpcös. J . Phil, berichtet (756. 8—9), die Majorität der ihm bekannten Exemplare habe den Zusatz nicht und auch Alexandras erwähne von diesem Ausdruck nichts. Sachlich ist er m. E. sinnlos. Gewiß zwar kann "Ruhe nicht im nämlichen Sinn am Gegenstand gemessen werden wie Bewegung (dies ergibt sich eindeutig aus c. 11): Ruhe eines Gegenstands läßt sich nur messen im Gegensatz zur Bewegung eines anderen Gegenstands, der die erforderliche Zeitgliederung (c. 11) liefert. Aber ich halte es für so gut wie ausgeschlossen, daß Ar. ein derartiges Verhältnis einmal mit xarä avfißeßtpcös bezeichnen würde. Sinnvoll wäre nur der Gegensatz: xad' avz6 — xad' STEQOV, wie er etwa in 210 a 27 ff. gebraucht ist. Darum folgt die Übersetzung der Athetese von Ross, die schon Torstrik vorgeschlagen hat (a. O. 493—495). 118,22 (b 13/14): „schon einmal gesagt"; nämlich in I I I 2, 202 a 3 - 5 (?). 118,36-119,25 (221 b 23-222 a 9): Nun erörtert Ar. die Frage, wie es mit der Zeitlichkeit des Nichtseienden steht. Es gibt, führt er aus, Nichtseiendes, welches in der Zeit ist: solches nämlich, das jetzt zwar nicht ist, aber in einer vergangenen Zeit war oder in einer späteren einmal sein wird; es handelt sich also hier um solches, was nicht immer ist und was demnach Entstehen und Vergehen kennt (221 b 28—222 a 2; 222 a 7—9). Daneben gibt es aber Nichtseiendes ganz anderer Art: solches, das niemals war, ist, noch sein wird, weil es unmöglich ist; etwa ein solcher unmöglicher Tatbestand wie daß die Diagonale im Einheitsquadrat rational wäre, d. h. daß sich eine Länge finden ließe, von welcher sowohl die Quadratseite wie die Quadratdiagonale ein ganzzahliges Vielfaches wäre (zwei /irfxt] heißen miteinander avfifieTQa, wenn es eine Längeneinheit gibt, von welcher jede der beiden ptfxt) ohne Rest aufgemessen wird, so daß mit anderen Worten jede der beiden fifar) als ganzzahliges Vielfaches dieser Längeneinheit darstellbar ist). Nichtseiendes solcher Art ist also unmöglich, weil sein Gegenteil notwendig ist, also „immer ist". Jenes Nichtseiende ist nicht in der Zeit, weil es niemals ist, dieses Seiende ist in keiner Zeit, weil es immer ist. 119,12 (222 a 1): „auf welcher Seite", vom J e t z t aus, d. h. ob auf der Seite der Zukunft oder auf der Seite der Vergangenheit. 119,26ff. (c. 13): Ar. klärt in diesem Kapitel die Bedeutung einer Reihe von Zeitausdrücken ( J e t z t ; Gerade eben; Jüngst usw.), zunächst die Doppelbedeutung des Ausdrucks ' J e t z t ' ; er unterscheidet dabei die strenge Bedeutung = Jetztpunkt (222 a 10-20) und die weitere Bedeutung = Jetztzeit (a 20-24). Was den Absatz 222 a 10—20 angeht, so hat ihn A. Torstrik für ganz besonders dunkel, j a für anaufj^lärbar gehalten. Nun ist seine Schwierigkeit nicht zu leugnen; auch über die Unversehrtheit des Textes dürfen wir nicht allzu sicher sein. Trotzdem möchte ich das, was wir tatsächlich lesen, für verständlich halten. Nur darf man diesmal den alten Erklärern, die mindestens seit Themistios, wenn nicht schon seit Alexandros, auf einem falschen Geleise gefahren sind, nicht folgen. Was die nämlich zur Erläuterung ausführen, ist zwar völlig richtig, auch durchaus aristotelisch; aber eben sie sind der Meinung, Ar. wiederhole hier einfach, was er weiter oben bereits gesagt; sie begreifen nicht, daß er von etwas Neuem redet und reden muß. Sie meinen nämlich, wiederum spreche Ar. nur davon, daß der Zeitpunkt einerseits ein einziger
IV 12-13
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P u n k t sei (insofern er Zeitstücke zur Einheit einer Linie verbindet), andererseits aber zwei Punkte darstelle (insofern er das eine Zeitstück beendet, das folgende eröffnet); aber in Wahrheit geht Ar. gleichzeitig einen erheblichen Schritt darüber hinaus: zu der neuen Frage nach Einheit oder Vielheit der Jetztpunkte selbst (gibt es nur einen oder viele Jetztpunkte?) und nach deren Verhältnis zur Zeitstrecke. Auch dies ist zwar schon einmal, aber doch in anderem Sinn und in einer anderen Überlegungsreihe zur Sprache gekommen (219 b 12 ff.). — Was den ersten Satz des Kapitels angeht, so sollte man so interpungieren: To de vvv iartv owi%ua Xgövov — tbaneg ¿¿¿x&tj — (aw£%£t yäg rov }(gövov rov nageAijAv&dra xai eaöftevov) xai 7iEQai xQwov eaxiv (eori yag rov fiev dg;tf, rov de rekevr^)- äXXä rovr>.... Auf diese Weise sagt der eine Hauptsatz beides aus, wie es erforderlich ist und „wie es j a auch bereits gesagt worden i s t " (220 a 5 f.); und die Bedenken Torstriks bezüglich des Textes fallen dann fort. — Übrigens empfiehlt es sich, VI c. 3, das j a nochmals über das vvv (über seine Ausdehnungslosigkeit und Unteilbarkeit) handelt, mit ins Auge zu fassen. 119,30f. (a 13): Die alten Erklärer verhalten sich so, als lautete der Satz: dW Sri r w r ' . . ., und meinen also, es gehe um einen evidenten Unterschied; aber der Text spricht in Wahrheit von einem Unterschied in der Evidenz (schon Prantl hat das Richtige). — Was nun ist beim vvv nicht so unmittelbar deutlich wie bei der ariy/iij ? Sicher das, was am vvv deswegen Verdunkelt ist, weil das vvv im Gegensatz zur oriy/irj nicht „bleibt". Was heißt das: Die arty/irj bleibt, das vvv bleibt nicht? — In I I I 6, 206 a 25—b 3 war schon einmal die Teilung der verfließenden Zeit mit der Teilung einer bleibenden Ausdehnungsgröße (wie sie j a auch die Linie ist) verglichen; und da hieß es: beim Teilen einer Linie bleibt jeweils das Teilstück (für weitere Teilung) bestehen, während jeder Zeitteil unaufhaltsam vergeht. An unserer Stelle haben wir nun das Entsprechende für das Verhältnis von Zeit- und Linienp u n k t . Es wird verglichen das geometrische Teilen (d. h. fortgesetzte Halbieren) einer Linie mit dem fortgesetzten Geteiltwerden der Zeit in ein sich verlängerndes Vergangenheits- und ein sich verkürzendes Zukunftsstück. In der Linienteilung bleibt jeder Teilungspunkt bestehen und muß bestehen bleiben, damit das Stück fixiert sei, das im nächsten Teilungsschritt halbiert werden soll (AB sei in C geteilt; CB soll nun geteilt werden; das Bestehenbleiben von C ist Voraussetzung, damit CB in D geteilt werden k a n n ; usf.) (wie nach 206 b 1—3 das zu teilende Stück erhalten bleiben muß, so nach jetziger Stelle, völlig konsequent dazu und zutreffend, der dieses Stück begrenzende Punkt); der Punkt in der Z e i t hingegen bleibt nicht bestehen, d. h.: der P u n k t , der eine Zeit j e t z t gerade in ein Vergangenheits- und ein Zukunftsstück teilt, ist sogleich vergangen; ein a n d e r e r P u n k t wird sogleich diese Teilung in ein dann längeres Vergangenheits- und ein kürzeres Zukunftsstück dieser bestimmten Zeit vollziehen; und dann wieder ein anderer, usf. Und weil nun also dieser Jifpag-Punkt ohne allen Bestand bleibt, ist sein T e i l e n (daß er wirklich Anfang und Ende ist) viel weniger „deutlich" als das Teilen des Linienpunkts. Vom negeu;- Sein und vom Teilen des vvv ist also in unserem Satz die Rede. Und sogleich wird Ar. hinzufügen: der Zeitpunkt trennt auch nur övvdpiEi; er müßte ja selbst Bestand haben, um w i r k l i c h e Geteiltheit der Zeit zur Folge haben zu können (im Linienpunkt ist wirkliche Geteiltheit der Linie hingegen möglich).
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Anmerkungen
119,31—120,2 (a 14—19): Die alten Erklärer tun so, als hieße es: xai fi /¿¿v roiovro, övo w , fj de awdel, ro AFRT6 (Them. 157. 18 ff.; J . Phil. 760. 22ff.; Simpl. 748. 27ff.). Es liegt auf der Hand, daß das nicht angeht. Selbst Torstrik hat die rechte Fährte nicht gefunden. Um dem Text einen vernünftigen Sinn geben zu können, muß man so überlegen: 1) Wenn man eine Linie teilt, dann ist der Teilungspunkt immer wieder ein anderer (a 16/17); von fortgesetzter Halbierung (einer vörjOig, d. h. einer den Geometern geläufigen Gedankenoperation) ist die Rede: AB wird in C, CB in D, D B in E geteilt, usf. Der Teilungspunkt ist in der Tat immer wieder ein anderer (nämlich erst C, dann D, dann E ; usf.). 2) Jeder Jetztpunkt teilt das bestimmte Zeitstück und jeder teilt es anders — übrigens bloß dwafiei; jeder kann nur einmal dieses Teilen ausüben (denn er ist sofort wieder zum Nichtjetzt geworden); nur ein anderer Jetztpunkt kann die nächste Teilung vornehmen: sofern durch den Jetztpunkt die Zeit fortwährend geteilt werden soll, brauchen wir eine Folge verschiedener Jetztpunkte (a 14). 3) Sofern die Zeit jedoch — durch die Vereinigung der im Jetztpunkt unterschiedenen Zeitstücke — zu e i n e r Zeit verbunden sein 30II, ist es immer derselbe Jetztpunkt, der dies leistet (a 15). Der Sinn ist nicht sofort klar. Darum nehmen wir das Entsprechungsstück auf Seiten der ariy/irj'. 4) fj de ¡lia, rf avzT] ndvrrj. Das Subjekt des Hauptsatzes ist klar: die ariy/irj, der Linienpunkt, ist überall (innerhalb der gesamten Linie) dieselbe und eine (es entsprechen sich: äei ro avxö to VVV in a 15 und: I\ avrfj ndvrrj fj OTiyfifj in a 17). Was aber ist Subjekt im Nebensatz: fj de /tla? Wieder entsprechen sich fj de avvdel seil, ro vvv rovg XOIWOVZ ELG Iva %Q&I>OV (a 15) und unser fj de /ILA (a 17). Unmöglich kann hier fj oriypri Subjekt sein. Es können folgende Entsprechungen (eoaneg, a 15) gedacht werden: a) fj de awdel ro vvv rovg %Q&I>Ovg elg Iva %(>6vov, oder auch: fj de elg o /grfvo; txgö>>, wie in Phaedo 103 D. 127,15—17 (b 7—8): So sprechen wir denn auch von Erwärmung und nicht von E n t haltung, von Abkühlung und nicht von Entwärmung — doch ist der Sprachgebrauch nicht ohne Launen (darum das fiäAAov). Vgl. auch 5, 229 a 25—27. 127.24 (b 11): „an früherer Stelle". Der Verweis geht wohl sicher auf I I I c. 1—3. 127.25 (b 11): „die Zustände" (ndfirj). Während es schwerlich entscheidbar ist, ob m a n unter dem unmittelbar vorausgehenden Wort 'etSif nur an wesentliche Bestimmtheiten oder (mehr platonisch) überhaupt an Bestimmtheiten denken soll, ist der Sinn, den das Wort 'mHhf hier hat, eindeutig feststellbar. Nicht selten erklärt Ar., dMolwms sei Qualitätsveränderung: xlvrjois xaza. ro noiarv (z. B. 2, 226 a 26; De gen. et corr. I 4, 319 b 31 ff.), nicht selten aber auch, sie sei xivrjaiq xaxa 7iadoi oder EV ndfaaiv (De gen. et corr., ib.; 1 2 , 317 a 26; 4, 319 b 1 0 - 1 4 ; 114, 331 a 9/10). Auch wenn man die Äußerung in Phys. V I I 3, 245 b 3 ff., die ein Problem f ü r sich darstellt, beiseite läßt, ist festzustellen, daß die zwei Definitionen von aXXoimaig nicht ganz übereinstimmen. Nimmt man K a t . 8, 8 b 25—10 a 26 zu Hilfe, so erf ä h r t man, daß die Kategorie des notAv folgende Bestimmtheitstypen u m f a ß t : H-ig und did&eoig; övvapis u n d adwa/iia; na&tjrpetj notörr); und Tiddog; axfjfia und poQtprj; NA&TJTIXI) NOIIXRIQ u n d NDDOG s i n d a l s o n u r
S o n d e r t y p e n v o n JIOIÖV; g e m e i n s a m
ist
ihnen, d a ß sie sinnlich wahrnehmbar sind, die Sinnlichkeit affizieren (es gibt freilich diesen Sondertypus von noiöv auch im Seelischen; dort ist natürlich eine andere Kennzeichnung erforderlich; ib. 9 b 34ff.; doch spielt das f ü r uns hier keine Rolle). Man wird sich die Unstimmigkeit am besten dadurch erklären, daß man a n n i m m t , Ar. denke, wenn er die cMol(oatg als xivrjOiQ xara ro notdv definiert, beim noiöv primär doch nur an die s i n n l i c h e Qualität, an ndöog also und nabrßvni] twi6tt)S
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Anmerkungen
(vgl. 226 a 27—29). nó&og heißt also hier: sinnliche Qualität, sinnlicher Zustand bzw. Zustand überhaupt: ¿morq/ir) ist Zustand einer Seele; teg/itirrji ist Zustand eines Körpers (auf Grund dessen er die Sinnlichkeit affiziert.). 127,28—33 (b 13—16): Soeben hat Ar. erklärt, das Ergebnis eines Prozesses sei nicht wiederum etwas Prozeßhaftes. Nun sagt er: Falls eine sinnliche Qualität (etwa Weiß) in sich ein Prozeß wäre, so wäre der Prozeß etwa des Weißwerdens Übergang zu einem Prozeß. Warum kommt Ar. auf dieses „Problem", ein ndfhs könnte selbst eine xivrfJig sein? Taylor hat in seiner Besprechung der Ross'schen Kommentarausgabe der arist. Physik (Mind XLV [1936], 378—383) mit Bezug auf unsere Stelle an Piatons Theaitetos erinnert (382): dort gelte ja das nàdog als ein Prozeß; dementsprechend sieht er in unserer Stelle ein Beispiel für die verdeckte Kritik, die Ar. auf weite Strecken der Physik gegen Positionen der platonischen Dialoge führe. Aber es ist nicht die Lehre P i a t o n s , daß Aevxórrjg und dergleichen eine xlvrjaig sei; nichts im Theaitetos belastet Piaton in dieser Richtung. Wenn wir diesen Dialog überhaupt bemühen wollen, so sollten wir es nur in dem Sinne tun, daß er sich (unter anderem) mit einer Doktrin a u s e i n a n d e r s e t z t , welche in einer sehr speziellen Ausprägung ata&TjOii; und aiathjròv (ndùog) prozessualistisch faßt. Um lediglich den Gedanken, daß na&og eine xivtjaig sei, zu erklären, brauchen wir den Theaitetos nicht zu bemühen. Nach Ar. selbst (Kat. 8, 9 a 28 ff.) sind die sinnlichen Qualitäten solche Gegenstandsbestimmtheiten (notòrrfteg), denen zufolge die Sinnlichkeit irgendeine Einwirkung erfährt (iftjtoieiv), einen Einfluß erleidet; jede sinnliche Qualität des Gegenstands involviert also eine affectio, eine passio, ein nd&og der Sinnlichkeit — und darum heißt j a jene Gegenstandsqualität eben nd{hg und Ttafhjrtxii nouixrjg. Kein Zweifel also, daß das „Problem" mit Recht auftaucht: eine passio ist ein Prozeß. Kein Zweifel auch, daß Ar. es zutreffend löst: das Resultat, das am Ende des Prozesses des Weißwerdens steht, ist die ruhende (nicht selbst prozessuale) Bestimmtheit Weiß. Diese involviert zwar mit Bezug auf die Sinnlichkeit einen Prozeß, aber sie selbst ist kein Prozeß. Daß diese Bestimmtheit einen Affektionsprozeß auslöst, macht sie nicht auch selbst zu einem Prozeß. Prozeß am Gegenstand selbst wäre nur eine XevxavaiQ, dies also, daß er selbst erst weiß wird. 127,36 (b 17): „Bestandstück" (xar' äXXo). Wie bereits in 224 a 21-30 und in a 31-34 arbeitet Ar. auch hier mit folgenden fünf Momenten : xaff" avrà, ngtüTOV, xar' ÄAAo, xarà fiéQoq und xarà avfißeßrjxög ; dabei ist die Bedeutung von xar' ÄAAo und die von xarà fiégog kaum noch zu unterscheiden. An sich aber sind die beiden deutlich verschieden: xarà fiégog ist nur ein Sondertypus von xar' äXXo; dem xar' äXXo steht das xaff" avrò gegenüber, genauso wie dies letztere wiederum auch dem xarà av/ißeßrpcog gegenübersteht. An unserer Stelle freilich ist das xar' aAAo so viel wie xarà ftégog-, der Beweis liegt in 224 a 27/28: das äXXo ist ein äXXo ri rärv avrov: etwas, das nicht der Gegenstand selbst ist (und insoweit ein aAAo), gleichzeitig aber ein Bestandstück von ihm. Darum ist auch an unserer gegenwärtigen Stelle das 'aAAo' mit 'Bestandstück' zu übersetzen. 128,14f. (b 26): „am wirklich im Prozeß befindlichen Gegenstand". Sachlich ist kein Unterschied zwischen xivùófievov und xar1 ¿vegyetav xivrfiöv, nur bezeichnet der zweite Ausdruck die modale Struktur der Prozeßhaftigkeit des Prozeßgegenstands genau
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— ganz im Sinn der Modalanalyse des Prozesses in I I I c. 1—3 (xtvtjOis als evxeXe%eia u n d ¿vigyeta rov xtvtytov f j xtvrfiAv-, 202 a 7 - 8 ; 201 a 1 0 - 1 1 ; 2 7 - 2 9 ; b 4 - 5 ) : E i n Gegenstand ist i m Prozeß begriffen (xtvoöfievov), wenn seine Möglichkeit, die betreffende Veränderung zu erfahren, gerade in der Verwirklichung steht. 128,17f. (b 27—28): ev (uiaaiv besagt: in allen Dimensionen möglicher (zusätzlicher) Bestimmtheit. Hier ein Beispiel, wo iv $ f j xivrjaig die Bestimmtheitsdimension, in welcher der Prozeß spielt, bezeichnet. Vgl. Anm. zu 126,32; Met. VI c. 2. 128,18-22 (b 28—29): I m k o n t r ä r e n Verhältnis: z. B. schwarz—weiß; warm—kalt (Qualitätsveränderung); groß—klein (Volumensveränderung); oben—unten (Ortsveränderung). Zwischenglieder: Jedweder Zwischenwert einer solchen Bestimmtheitsdimension zwischen den k o n t r ä r e n E x t r e m e n . I n Widerspruchsbeziehung stehen Sein u n d Nichtsein. Zwischen Sein und Nichtsein spielen nur ybeatg und d, E n t s t e h e n u n d Vergehen, im V o l l s i n n der W o r t e Sein u n d Nichtsein; im abgeleiteten Sinn ist auch jeder Übergang von einem Nicht-X-Sein zum X-Sein und u m g e k e h r t ein Prozeß zwischen Bestimmtheiten, die in Widerspruchsbeziehung zueinander stehen (vgl. 225 a 12-20.) 128,22 (b 30): ¿naywyrj: vgl. Anm. zu 7,5—7. - Zum {olgenden vgl. auch 5,229 b 1 6 - 2 1 . 128,35(225 a 3): „so möchte m a n mit vier Prozeßtypen rechnen", nämlich auf Grund einfacher Kombinatorik von Denkbarkeiten. D a ß solche Kombinatorik alles andere als ein Spiel ist, nämlich ein Verfahren, welches die f ü r die philosophische Arbeit unerläßliche Vollständigkeit der Disjunktionen garantiert, liegt auf der H a n d . — Vgl. I 2, 184 b 15 ff. 128,35-129,3 (225 a 3 - 6 ) : Am Anfang kein Gegenstand, wohl aber a m Schluß: der Prozeß, in welchem dieser Gegenstand e n t s t e h t (über eine Modifikation vgl. a 12—17): yeveots. Am Anfang ein Gegenstand, aber keiner am Schluß: der Prozeß, in welchem dieser Gegenstand v e r g e h t (über eine Modifikation vgl. a 17—20): u n d ra&rS, andererseits b/artiav. c. 4 f r a g t : W a s ist Einheit einer xivr/aig bzw. Einheit v o n xivrjoets ? Die Frage gibt sich zunächst den Anschein einer B e d e u t u n g s d i f f e r e n z i e r u n g , erweist sich aber sofort als B e g r i f f s d i f f e r e n zierung, d. h. als Bemühung, welche der Klärung der unter dem Titel xivr)(JU; stehend e n Begriffsverhältnisse gilt. W a n n sind Veränderungen von einer u n d derselben G a t t u n g ^ wann von einer u n d derselben A r t , wann liegt im a b s o l u t e n Sinn ein und derselbe Prozeß v o r ? 187.20 (b 3 - 4 ) : Vgl. I 2, 185 b 6 ; Met. V c. 6 (bes. 1016 a 17-32); Met. X . Siehe auch Anm. zu 8,10 f. 187,20 f. (b 4—5): Jedes OxVf*11 xarTjyoQia; ist eine höchste G a t t u n g (zunächst von P r ä d i k a t e n , sodann von Seinsbestimmtheiten); also sind auch notAv, noaov u n d nov höchste Gattungen. Konsequenterweise sind d a r u m alle Größenveränderungen von gleicher Gattung, alle Qualitätsveränderungen von gleicher Gattung, alle Ortsveränderungen von gleicher Gattung. 187,24—27 (b 6—7): Von derselben Art sollen nur jene Prozesse heißen, die nach demselben äroftov elöog von Seinsbestimmtheit benannt sind, JIOIÖV ist eine höchste G a t t u n g ; XQw/ua ist eine A r t von Qualität, aber da XQÖjfta gleichzeitig auch selbst noch einmal Gattung (für die einzelnen Farben) ist, ist ^ f ü / i a kein äTO/iO» elöog, eben keine Art, welche keine Spezies mehr unter sich h ä t t e u n d also undifferenzierbar wäre (äro/iov heißt eine Art, wenn es nicht mehr möglich ist, sie zu zerlegen: t¿fiveiv, ätatgelv; unter dem äro/xov elSog oder, wie es auch heißt, unter der reAevrala SuxpoQa stehen nur noch, u n d zwar unmittelbar, die realen Individuen; ein Beispiel ist S.v&Qnoq). Weiß und Schwarz sind zwei solche äto/ia eT&rj des ixiyimov yevog des 7iotäv. Konsequenterweise sind z. B. alle und nur alle Xevxdvaeiq Prozesse einer u n d derselben Art. 187,30—32 [b 9—10]: Bei dieser von Ross vorgeschlagenen Athetese geht nichts verloren.
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Anmerkungen
188,1 f. (b 14): „Gegenstandsbezogenheit des Denkens". mt6Xrpj)ig ist hier das yivog,. •wovon ¿mOTiifit] eine Art ist. Mit Übersetzungen wie 'Meinung', ' V e r m u t u n g ' , diesonst a d ä q u a t sein mögen, ist hier nichts zu machen. Die gewählte Übersetzung klingt modern, aber was sie begrifflich meint, ist durchaus ein dem Ar. b e k a n n t e r Gedanke (vgl. E N V I c. 3; De an. I I I c. 3). 138,7 (b 16): „ P u n k t " (oriy/irf): Man m u ß keineswegs unterstellen, Ar. spreche hiervon der abstrakten Bewegung eines bloß geometrischen P u n k t e s ; viel eher spricht Ar. von einem „ P u n k t " auf einem rotierenden R a d oder einem rotierenden Zylinder bzw. auf einem sich geradlinig bewegenden K ö r p e r ; ' P u n k t ' heißt eben auch eine reale Stelle an oder in einem physikalischen Körper. 188,13f. (b 19): „ i m Bereich jener inhaltlich- sachlichen Dimension", „in welcher der Prozeß spielt" (ro ¿v rb). Der Begriff und der Terminus sind uns schon öfters b e gegnet; n u n m e h r handelt es sich um die Bewegungsbahn (durch das Medium). 138,32 (b 30): „differenzlos"; vgl. äroßov eldog in 227 b 7. Die Prozeßdimension m u ß v ö l l i g spezifiziert sein, so d a ß unter d i e s e r Spezifikation eine weitere nicht mehr möglich ist. 138,32 (b 30): „die Gestalt" (to eldog). Woran m a n genau zu denken h a t , ist schwer zu entscheiden. Nur ' A r t ' k a n n das Wort hier nicht heißen, eldog m u ß ein Beispiel f ü r Gegehstandsdimension und f ü r Prozeßdimension sein. D e n k t m a n an e i n e aXXoicoaig als Beispiel, dann k a n n eldog die Gestalt des Gegenstands sein, welche verändert wird. Diesen Wortgebrauch von eldog gibt es (wie den entsprechenden für das synonyme fiOQiprj, vgl. K a t . 8, 10a 11 f.). D e n k t m a n hingegen, was ebenfalls, möglich ist, n u r an tpoQd (xivrjoig xarä ronov), d a n n k a n n eldog die Gestalt der B e wegungsbahn sein, auf welcher der Gegenstand seinen Ort ä n d e r t ; ob sie Ä f oder aber neQitpegtfg ist (vgl. nochmals 227 b 14—20). 139,12-35 (228 a 6—19) : Ar. erörtert eine Hinterdenklichkeit: Darf m a n zur I d e n t i t ä t eines Prozesses wirklich Ununterbrochenheit desselben fordern? Und er stellt z u diesem Zweck die Vorfrage: Gibt es denn in der Körperwelt ü b e r h a u p t so etwaswie ununterbrochene F o r t d a u e r eines Identischen, einer identischen Qualität, eines identischen Zustands? H a b e ich u m Mittag noch die nämliche Gesundheit, die ich am Morgen h a t t e ? — Diese Hinterdenklichkeit ist uns aus Piatons Theaitetos wohlb e k a n n t : sie ist die des heraklitisierenden Protagoras (181 Dff.), derzufolge es keine Tiotörrjg — kein £g(ö/ia und keine Xevxorrjg — geben k a n n , sondern lediglich die QOT) TiotoTijTog (182 D). — Ar. weist diese falsche Hinterdenklichkeit ebenso zurück, wie es Piaton getan hat. Aber eben deswegen stellt er n u n die Frage (a 9—12), ob denn eine Unterbrechung eines Zustandes dessen I d e n t i t ä t aufheben könne. Wie m a n sieht, begnügt sich Ar. damit, zu betonen, daß es jedenfalls einen z w e i t e n P r o z e ß braucht, u m den unterbrochenen Zustand wiederherzustellen. Der Prozeß A, d e r einen Zustand X herbeigeführt hat, und der artgleiche Prozeß B, der den n ä m lichen Zustand X nach einer Unterbrechung wieder herbeiführt, sind n i c h t ein identischer Prozeß.
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139,24 (a 14): „die zu ihrem Dasein führenden Prozesse" (¿vegyem). E s muß, wenn anders der Kontext einigermaßen gesund ist, tatsächlich mit Hayduck statt ¿feig, welches die Handschriften bieten, evegysias gelesen werden. Und zwar mit der Bedeutung 'Verwirklichungsprozesse', die wir j a aus Phys. I I I cc. 1—3 gut kennen. 139,33 (a 18): „der Verwirklichungsprozeß": dem Sinn nach ist zweifellos dieser das Subjekt des Konditionalsatzes. Da fila xal ?} axrcrj, wie Ross in b 17—18 liest, kein Gegensatz zu /xia in b 15 sein kann (auch in b 15 besagt fiia bereits numerische Einheit und also Identität), ist der Vorschlag von Hayduck vorzuziehen: et f i f j Svti). K a n n m a n zwischen diesen beiden Inprozessualitäten ¿vavTtdxrji ansetzen? f r a g t Ar. Was k ö n n t e dem Verbleiben im Sein k o n t r ä r sein? Ü b e r h a u p t nichts? D a s Verbleiben im Nichtsein? Oder der Übergang aus dem Sein ins Nichtsein, d. h. die (p&OQd? Ar. beläßt es bei der Nennung der drei Denkbarkeiten. 146,4—39 (a 18—b 10): Ar. schließt weitere aporetische Überlegungen a n : Bei den Ortsveränderungen gibt es K o n t r a r i e t ä t in Verbindung m i t dem Gegensatz n a t u r gemäßer u n d naturwidriger Bewegungen; gibt es Analoges nicht vielleicht auch bei den übrigen P r o z e ß t y p e n ? E r bringt zunächst Momente, die dagegen sprechen (a 20-2.9), d a n n solche, die d a f ü r sprechen (a 29—b 10). 146,26f. (b 2—3): „die künstliche Schnellreife beim Getreide"; so viel ist sicher, d a ß wir den Ausdruck so zu verstehen haben. Auf M u t m a ß u n g bleiben wir beschränkt, wenn wir ihn genau übersetzen wollen: „schnellreifendes und nicht gepreßtes Getreide". 1 4 6 , 3 3 - 3 6 (b 6 - 8 ) : Vgl. Piaton, Timaeus 81 D - E . 147,4 (b 12): „ d i e s " ; Aufwärts-Abwärts u n d Oben-Unten. U n t e r den drei örtlichen Gegensatzpaaren ist das von Oben u n d Unten f ü r Ar. das wichtigste. 147,9—18 (b 15—21): Genau genommen gilt ein Doppeltes: E s gibt K o n t r a r i e t ä t zwischen bestimmten Beharrungen u n d bestimmten Bewegungen (Obenbleiben z. B. gegenüber Abwärtsbewegung); u n d es gibt K o n t r a r i e t ä t zwischen bestimmten Beh a r r u n g e n selbst (widernatürliches Obenbleiben z. B. gegenüber natürlichem Obenbleiben). 147,18—32 (b 21—26): I m eigentlichen Sinne gibt es, wie wir wissen, rj(>e/iia n u r bei Gegenständen, die auch xtvrjOig k e n n e n : was stets ohne xivrjoig ist, k a n n nicht eigentlich fjQEfiovv heißen. — Hier spricht Ar. von solchem, das nicht schon zu aller Zeit in R u h e ist, sondern in einen Ruhezustand einmal eingetreten ist. U n d er stellt nun eine hinterdenkliche F r a g e (ihre Hinterdenklichkeit fällt im Hinblick auf 2, 225 b 15ff. zweifellos auf): Gibt es ein E n t s t e h e n f ü r j e d w e d e n T y p v o n Ruhe, die nicht zu aller Zeit besteht u n d b e s t a n d ? Unser Text impliziert, d a ß Ar. f ü r e i n e n T y p solcher R u h e ein E n t s t e h e n durchaus f ü r gegeben h ä l t : f ü r die R u h e eines Körpers an seinem natürlichen Ort, insofern sie am E n d e einer Bewegung dieses Körpers an diesen seinen natürlichen Ort steht, torao&at bedeutet d i e s e
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Anmerkungen
Bewegung, welche am natürlichen Ort ihren Abschluß findet. Dieses laraa&ai ist yeveaiq der natürlichen rjQefita (araatg) am natürhchen Ort. Hätte nun, meint Ar., j e d w e d e r Typus von rjQefiia eine diese fjQB/xia zuwege bringende yhieoig, so müßte auch das (naturwidrige) Verbleiben eines Körpers an einem für ihn n i c h t natürlichen Ort (welches nur als Resultat einer naturwidrigen und gewaltsamen Bewegung dorthin denkbar ist) ein laxaa&au, im obigen definierten Sinne sein. Dagegen macht Ar. nun geltend ein für ihn charakteristisches Bewegungsgesetz: Jedes laxaa&ai ist eine b e s c h l e u n i g t e Bewegung (d. h.: wenn ein Körper sich zu seinem Naturort zurückbewegt — nur 'Gewalt' kann ihn daraus vertrieben haben —, so nimmt seine Geschwindigkeit im Maß seiner Annäherung an seinen Naturort fortgesetzt zu, bis schließlich nach Ankunft an diesem Naturort — am Abschluß des ioxao&au — axaaig und rjQe/iia eintreten; kurz gesagt: jedwede natürliche Bewegung ist beschleunigte Bewegung; wir wissen — I V 1, 208 b lOf.; 22; 34 — auch den Grund dafür: der Naturort hat eine dynamische Funktion: er zieht den ihm entsprechenden Elementarkörper an sich, und zwar mit einer dessen Bewegung beschleunigenden Kraft. Vgl. auch Simpl. 913. 30—31); aber eine gewaltsame und naturwidrige Bewegung ist demgegenüber durch a b n e h m e n d e Geschwindigkeit charakterisiert. Als Folgerung ergibt sich: kommt ein Körper nach einer gewaltsamen Bewegung zur Ruhe (also nach Erlahmung der Außenkraft), so ist d i e s e s rjoe/ieiv n i c h t das Ergebnis eines laxaa&ai oder einer yeveaig r/ge/iiag; dieser Körper rjgepei, aber ovx ¿yevexo YjQEfiovv. — Wie überhaupt der gesamte Komplex cc. 4—6 früh sein muß, so ganz besonders die gegenwärtige Aporie. Sie ist — im Rahmen der übrigen arist. Grundsätze — sehr ernsthaft; denn a) nimmt man an, jedweder rjQefiia entspreche eine yiveatg dieser rfge/ila, dann muß — unter Gleichsetzung von yiveatg rfgeftlag und laxaa&ai — auch der Ruhe an einem n i c h t natürlichen Ort ein loxao&ai vorausgegangen sein; — aber dann müßte auch die naturwidrige Bewegung beschleunigt sein; nimmt man b) hingegen an, daß ein Ruhen an einem nicht natürlichen Ort n i c h t Resultat einer yiveaig solchen Ruhens sei, dann muß man es für möglich halten, daß diese Ruhe zwar zuvor nicht stattgehabt hat, aber doch auch nicht zustande gekommen ist, also nunmehr i s t , ohne g e w o r d e n zu sein. — Es ist sofort deutlich, daß diese Aporie fällt, wenn man sich zu dem Theorem entschließt, das Ar. in 2, 225 b 15 ff. entwickelt. Zum mindesten ist also dies sicher: 6, 230 b 21—26 ist älter als 2, 225 b 15 ff. 147,34—148,15 (230 b 28—231 a 4 ) : Das ist eine nachgetragene Aporie; sie bezieht sich zurück auf die These von 229 b 28—31. Sie beruht auf folgender Überlegung: Verharren in A soll konträr stehen zum Übergang von A nach B . Nun sind im Übergang von A zu B doch A und B (wenn auch in sich wandelndem Ausmaß und Grad) im Gegenstand vereinigt. Nicht nur beim Verharren in A, sondern auch beim Übergang von A zu B bleibt also A erhalten (erst am E n d e des Übergangs wird es vergangen sein). Wie soll bei solcher Gemeinsamkeit zwischen Verharren und Übergang also Kontrarietät zwischen ihnen bestehen? — Jedenfalls, sagt Ar. abschließend, besteht zwischen Verharren in A und Übergang von A zu B nur eine a b g e s c h w ä c h t e Form von Kontrarietät. 148,18 ff. [231 a 5 - 1 7 ] : Simpl. ( 9 1 8 . 1 1 - 1 5 ) berichtet: In einem Teil der Handschriften ist dieser Textabschnitt nicht enthalten; schon Alexandras hat es ebenfalls fest-
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gestellt, aber er h a t a u c h zu diesem T e x t a b s c h n i t t A n m e r k u n g e n g e m a c h t . A u s J . Phil, u n d T h e m . k ö n n e n wir nichts schließen. F ü r u n s e r e n heutigen H a n d s c h r i f t e n b e s t a n d gilt, w a s Simpl. f ü r d e n seinen feststellte. — Zweifellos ist der A b s c h n i t t a n d e n B u c h s c h l u ß (231 a 2—4) nachträglich a n g e f ü g t ; aber das h i n d e r t n i c h t , d a ß er a u s arist. H a n d s t a m m t . W a r es eine A n f ü g u n g v o n Ar. selbst oder eine arist. Marginalie zu 230 b 21—26? J e d e n f a l l s ist es keine bloße Zweitfassung v o n schon v o r h e r Gesagtem. W i r finden j a einen völlig n e u e n G e d a n k e n : W e n n es n a c h d e m in 230 b 21—26 Gesagten schwierig ist, d e n G e d a n k e n einer yiveaiq rjQe/iiag f ü r d a s n a t u r w i d r i g e R u h e n d u r c h z u f ü h r e n , so wird j e t z t erwogen, ob sich nicht ü b e r h a u p t der G e d a n k e eines n a t u r w i d r i g e n R u h e n s als solcher selbst eliminieren lasse (was j a doch, w e n n es möglich ist, eine A u s k u n f t a u s j e n e r Aporie wäre). N u r geht es n i c h t , stellt Ar. d a n n f e s t : Die T a t s a c h e n s p r e c h e n dagegen. D e n n es g i b t dies, d a ß ein K ö r p e r a n einem f ü r i h n nicht n a t ü r l i c h e n O r t in R u h e f e s t g e h a l t e n wird, weil ein a u ß e r i h m liegender F a k t o r i h n a n einer R ü c k k e h r zu seinem n a t ü r l i c h e n O r t h i n d e r t (a 5—10). — Anschließend sagt Ar., d a ß einer xivrjaig zwei v o n e i n a n d e r verschiedene weitere mvrjaets k o n t r ä r g e g e n ü b e r s t e h e n : so stehen e t w a d e r n a t ü r lichen A u f w ä r t s b e w e g u n g des F e u e r s a) die g e w a l t s a m e u n d n a t u r w i d r i g e A b w ä r t s bewegung des F e u e r s u n d b) die ebenfalls n a t ü r l i c h e A b w ä r t s b e w e g u n g d e r E r d e k o n t r ä r gegenüber (a 10—16). — Abschließend b e t o n t er, d a ß dieselbe Sachlage a u c h f ü r die T y p e n des R u h e n s gelte (natürliches Obenbleiben v o n F e u e r ; g e w a l t s a m e s U n t e n b l e i b e n v o n F e u e r ; natürliches U n t e n b l e i b e n v o n Erde), u n d stellt (als gesichertes M i n i m u m wenigstens) f e s t : Zwischen rjQEftia u n d xivrjatg b e s t e h t j e d e n falls in einem modifizierten Sinn ein Gegensatzverhältnis (a 16—17).
BUCH VI
149,1 ff. (231 a 21—b 18): Verweis auf V 3, bes. 227 a 10ff.; 226 b 23; b 34ff. - Ganz präzis aber als (räumliches oder zeitliches) K o n t i n u u m ist n u n der Zusammenhang gefaßt (also präziser denn in 227 a 13—17). Vgl. Anm. zu 136,5ff. — Einiges Grundsätzliche zu den folgenden Überlegungen des Ar.! Wie wir aus V 3, 227 a 17 ff. wissen, ist der grundlegende Begriff der der Aufeinanderfolge; er ist in d e m der Berührung involviert, wie .wiederum dieser im Begriff des Zusammenhangs. Die Aufeinanderfolge ist Reihe (sei es von Ausdehnungslosem wie natürlichen Zahlen oder P u n k t e n , sei es v o n Ausdehnungsgrößen wie Linien, Flächen, Körpern oder von Zeitstrecken); in der Reihe darf zwischen den je sich folgenden Gliedern nichts mit den Gliedern Gleichartiges liegen — sondern n u r entweder gar nichts oder aber ein Andersartiges (leerer A b s t a n d oder ein andersartiges Medium). F ü r P u n k t e i n d e r N a t u r gilt allemal, d a ß zwischen zwei sich folgenden P u n k t e n eine Strecke, nämlich jene, deren eines und deren anderes E n d e sie bilden, liegen m u ß . H a n d l e es sich u m zwei beliebig weit oder auch u m zwei beliebig n a h voneinander entfernte P u n k t e in der N a t u r , immer liegt zwischen ihnen — falls sie aufeinander 'folgen' sollen, ein reales K o n t i n u u m (eine reale Strecke). Genauso liegt zwischen zwei sich folgenden Zeitpunkten (als das Andersartige zwischen ihnen) ein K o n t i n u u m (die sie trennende und verbindende Zeitstrecke). — Berührung (Kontiguität) involviert das Reihenmoment der Aufeinanderfolge; aber n u r Ausdehnungsgrößen können sich berühren, nämlich im E n d p u n k t e der vorausgehenden mit dem Anfangspunkt der folgenden Ausdehnungsgröße (z. B. zwei Linien, zwei Körper, zwei Zeitstrecken). — Zusammenhang, spez. K o n t i n u i t ä t involviert das Moment der Lückenlosigkeit in der K o n t i n u i t ä t ; wiederum können auch nur Ausdehnungsgrößen ein K o n t i n u u m bilden. K o n t i n u i t ä t liegt vor, wenn die Stücke ineinander übergehen, wenn der E n d p u n k t des einen mit dem Anfangspunkt des folgenden Stücks nicht mehr bloß örtlich koinzidiert (afia ¿artv), sondern identisch ist (¿v iaxiv). — Zwei Lehrsätze heben sich aus dem folgenden Abschnitt des Textes als grundlegend heraus: a) Aus unteilbaren und also ausdehnungslosen Stücken k a n n sich kein K o n t i n u u m aufbauen (231 a 24). b) Kein K o n t i n u u m k a n n in unteilbare und also ausdehnungslose Stücke (in R a u m - oder Z e i t p u n k t e ) zerlegt werden; vielmehr ergibt eine Teilung eines K o n t i n u u m s bis ins Unendliche immer wieder Kontinuen (Körper, Flächen, Strecken, Zeiten) (231 b 15 f.). I h n e n entspricht negativ ein Lehrsatz über P u n k t e ( R a u m p u n k t e und Zeitpunkte): P u n k t e können sich niemals berühren u n d sie können auch in dichtester H ä u f u n g und beliebig hoher („unendlicher") Anzahl kein K o n t i n u u m konstituieren. Was allein von P u n k t e n gelten k a n n , sind folgende zwei Dinge: a) P u n k t e kommen n u r als G r e n z e n (Anfangs-, End-, Schnittpunkte) v o r ; b) P u n k t e sind — und zwar unendlich viele — in einem K o n t i n u u m e n t h a l t e n ; aber
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nicht etwa aktuell (dann wären sie j a Aufbaustücke der kontinuierlichen Ausdehnungsgröße, aber n u r K o n t i n u e n können ein K o n t i n u u m aufbauen), sondern nur potentiell, d. h. nach Maßgabe der unendlichen Möglichkeit, das K o n t i n u u m in P u n k t e n zu Teilkontinuen zu zerlegen. Die potentielle Unendlichkeit der in einem K o n t i n u u m enthaltenen potentiellen P u n k t e ist F u n k t i o n der unendlichen Teilbarkeit des K o n t i n u u m s — sonst nichts. — N u n steht fest, d a ß Ar. die A t o m e der Atomisten als &tofia 1 ädiaigera, d. h. als Ausdehnungsloses, als N a t u r p u n k t e f a ß t . Folge: er m u ß die Atomistik als Naturlehre rundweg ablehnen. — Erinnernswert ist die Partie über das /i£ye#os ndvrfl ötaiQExdv in De gen. et corr. I 2, 316 a 14 ff. (vortrefflich kommentiert durch Joachim). Sonst natürlich das Hierhergehörige aus der Theorie des fineigov in I I I c. 4—8 (ftiye&og äwd/iet, d. h. öiaigioei, ¿bieigov). 150,9f. (b 16): Vgl. die Erläuterung von ffwe%d; in De caelo I 1, 268 a 6f. 150,14-151,35 (231 b 18-232 a 2 2 ) : E s wird bewiesen werden, d a ß a) die K o n t i n u i t ä t der R a u m g r ö ß e n u n d die der Bewegungen oder aber die Diskretheit (Aufbau aus punktuellen Elementen) der Raumgrößen u n d die der Bewegungen sich wechselseitig implizieren müssen u n d d a ß Diskretheit ausgeschieden werden m u ß (231 b 18—232 a 17), und d a ß b) K o n t i n u i t ä t (unbegrenzte Teilbarkeit) der Bewegung solche auch f ü r die Zeit nach sich zieht — u n d umgekehrt (232 a 17—22). — Grundlage f ü r die Überlegung ist folgendes Verhältnis: a) Eine physische Wegstrecke (d.i. eine reale Wegstrecke in der N a t u r , die ein Naturkörper Z durch ein reales Medium hindurch zurücklegen soll; Ar. k e n n t keine 'reine', bloß geometrische, Phorometrie oder K i n e m a t i k ! ) ; sie soll aus drei Stücken (A, B, C) bestehen; Ar. n e n n t sie[liye&oz (bzw. firjxog; 232 a 18); f ü r den apagogischen Beweis wird angenommen, jedes ihrer drei Stücke sei ein (physischer) P u n k t u n d sie also ein Gefüge aus diesen drei P u n k t e n A, B, C; der Beweis ergibt, d a ß die drei Stücke stattdessen drei Teilquanta sein müssen. — b) Der zu durchlaufenden physischen Wegstrecke (dem realen Bewegungsmedium) entspricht die s t a t t h a b e n d e Bewegung, sich zerlegend in korrelative drei Bewegungsstücke D, E , F , von denen wieder jedes entweder punktuell oder aber ein Q u a n t u m ist. — c) Der physischen Wegstrecke und der s t a t t h a b e n d e n Bewegung entspricht schließlich die (über der Bewegung vergehende Zeit, die) Zeitstrecke, sich wieder entweder in drei Zeitpunkte oder aber in drei Teilstrecken zerlegend. — Der Nerv des (apagogischen) Beweises ist dies: Gesetzt, die Wegstrecke bestehe aus den drei P u n k t e n A, B und C: dann ist der Übergang des Körpers Z v o n A zu B keine B e w e g u n g ; denn weder im P u n k t A k a n n der Körper sich bewegen, noch im P u n k t B, noch auch dazwischen; denn innerhalb eines Unausgedehnten ist kein Bewegungsspielr a u m und ein Dazwischen (zwischen A und B) gibt es ebenfalls nicht, da j a , dem Ansatz gemäß, die (angebliche) Wegstrecke nur aus den drei P u n k t e n besteht. Und es ergibt sich dem gemachten Ansatz entsprechend auch keine D a u e r der Bewegung; denn drei Z e i t p u n k t e geben keine Zeitdauer; durch keine H ä u f u n g von Quantitätslosem k a n n sich ein Q u a n t u m ergeben. — Ar. arbeitet begreiflicherweise mit dem Modell der g l e i c h f ö r m i g e n Bewegung (in gleichen Zeitteilen gleiche durchlaufene Wegstreckenstücke) und sagt d a n n : Länge des Weges, Q u a n t u m der Bewegung und Dauer der Bewegung sind untereinander proportional. W e n n
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Anmerkungen
also der Weglänge a das Bewegungsquantum b und die Bewegungsdauer c entspricht, dann gilt die Verhältnisreihe: a b c 2 ' 2 ' 2 a b c 4'4'4
;
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usw. Und geht einer der drei Divisoren (von a, b oder c) gegen unendlich weiter, so tun es notwendig auch die übrigen zwei. — Drei geschichtliche Bemerkungen: a) Der im Beweisnerv gegebene Gedanke, daß im Punkte keine Bewegung statthaben könne, weist auf den Eleaten Zenon zurück (vgl. 2, 233 a 21 ff.; bes. 3, 234 a 24ff.), b) Da nun der bewegte Körper, so gewiß er zwar in einem Punkt keine Bewegung v o l l z i e h e n kann, in jedem Punkte innerhalb seiner Bahn doch jedenfalls in Bewegung i s t , bedarf der zenonisch-aristotelische Gedanke einer Ergänzung; die Begründung der neuzeitlichen Physik bringt diese Ergänzung, und zwar im Begriff einer i n t e n s i v e n Bewegungsgröße (Galilei, Hobbes, Leibniz; momento, conatus; Bewegungsdifferential); vgl. K. Laßwitz, Geschichte d. Atomistik, Leipzig, bes. Bd. I I (1890). c) Genau in der umgekehrten Richtung (der bewegte Körper habe in jedem Punkte innerhalb seiner Bahn als kinetisches Moment noch das xexivrja&ai an sich) haben nach Them. 184. 9 ff. und Simpl. 934. 23 ff. Epikur und die Epikureer die notwendige Ergänzung gesucht. Vgl. dazu: 6, 237 a 15. 150,14-17 (231 b 1 8 - 2 0 ) : vgl. nochmals IV 11, 219 a 1 0 - 1 4 . 150.17 (b 21): „Ausdehnungsgröße"; das Wort bedeutet (neben 'Raumquantität') sehr häufig 'Raumquantum' im Sinne des Naturkörpers. Es bedeutet an unserer Stelle nicht den bewegten Naturkörper, sondern den, durch welchen hindurch dieser seine Bewegung erfährt, oder auch, auf dem er sich (als Unterlage) fortbewegt — also dasselbe wie in IV 11, 219 a 10 ff. 150.18 (b 21/22): „die ihr folgende Bewegung", r) xivrjaiQ f) rovrov; kein Zweifel, daß rovrov sich auf ro /xeyeOoq (b 21) zurückbezieht; Gen. objectivus also kann es nicht sein; es ist nicht unsinnig, rj im rovrov (wie Bywater) oder auch j} (5td rovrov vorzuschlagen; aber nötig ist es keineswegs. Den Schlüssel bietet der Satz b 25—27: das dortige zweimalige rl bezeichnet unmöglich den (bewegten) Gegenstand; denn sonst wird die Folgerung unzulässig; vielmehr ist der Gegenstand (in b 24 und 27 to Q genannt) hier unbezeichnet; ri bezeichnet in Wahrheit das Wegstück (gut begreiflich: wird z. B. ein Körper in dem Bewegungsstück y das Wegstück A vorwärtsbewegt, dann xivelrai n, nämlich eben ro A, d. h. das Stück A des fieye&oq). D i e s e r Akkusativ der (Erstreckungs-) Beziehung erscheint als Genitiv 'TOVTOV': Bewegung des Körpers um dieses fteyefiog, dieses /xeye&oi; l a n g . — Vgl. den nämlichen Genitiv in V I I I 8, 263 a 27/28. — Von d i e s e m Akkusativ des Weg- oder Bahnstücks ist zu unterscheiden der ebenfalls fortwährend auftretende Akkusativ des B e w e g u n g s s t ü c k s (ro Q xiveixai rtjv ro A oder E oder Z xivrjaiv — z. B. b 27f.; rj xivrjati fjv xtveirai - z. B. b 23/24; 232 a 6/7).
VI 1 - 2
619
160,28-161,6 (231 b 28-232 a 6 ) : Der Satz ist unbedingt nach dem Vorschlag von Bonitz aufzubauen: Prämissenfolge bis naQrjv in 232 a 2, die Folgerung (wate) ist trotz vvv; 234 a 24 ff.; alle xívr¡acg ist awexv? u n d unbegrenzt t)iaiot.ir\; 234 b 21 ff.)? Die Schwierigkeit ist den Interpreten seit Them. (191. 22 ff.) bekannt (vgl. auch Simpl. 968. 30). Man wird — zum mindesten zunächst — am besten daran tun, mit Them. anzunehmen, Ar. habe an unserer Stelle das besondere Problem der á&góa fieraßoXrj eben gar nicht im Auge gehabt. — Und dieselbe Auskunft empfiehlt sich wohl auch für das Problem a): wovon Ar. allein spricht und sprechen will, sind die Veränderungen in der K ö r p e r w e i t . — c) Die These sagt, Veränderung sei nur an einem teilbaren Gegenstand möglich; sie meint natürlich u n e n d l i c h e Teilbarkeit (und Kontinuität): In kontinuierlicher Ausbreitung setzt sich der Übergang vom bisherigen zum neuen Zustand über das Kontinuum des Prozeßgegenstandes hinweg durch. Es ist vielleicht des Hinweises wert, daß die These im Sinne des Ar. nicht etwa nur für die Qualitätsveränderung gilt (wie das Beispiel nahelegt: b 18), sondern jedenfalls auch für eine Ortsveränderung: das Kontinuum eines wandernden Körpers wandert kontinuierlich — als Ganzes und in jedem seiner Stücke — aus seinem ursprünglichen Ort heraus in den neuen Ort hinein. Vgl. auch 9, 240 a 1 9 - 2 9 sowie 10, 240 b 8 - 2 4 1 a 26. 157,26f. (b 10/11): Vgl. V 1, 224 b 35f. 157,32 (b 15): „ein Stück"; dieses Stück (beliebig klein oder groß angenommen) wird im Verlauf des Prozesses kontinuierlich kleiner, das andere Stüék (der Rest) wird ebenso größer. 167,36—158,2 (b 17—19): Hier wird das Motiv der vom Ausgangs- zum Endzustand zu durchlaufenden Zwischenzustände (etwa der Farbtöne) greifbar. Und dahinter sogleich das weitere Motiv einer k o n t i n u i e r l i c h e n Struktur der Dimension (etwa der Farbigkeit), in welche alle diese Zustände jeweils fallen (des 'év (¡> r¡ xívqaiQ1^ vgl. 235 a 17/18).
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Anmerkungen
158,4 (b 21): „Eine Bewegung"; es ist schwer zu präzisieren, was xhnjaii in dem nun beginnenden Abschnitt (234 b 21—235 a 13) heißt. Im ganzen c. 2 war sicher von der Ortsbewegung die Rede; mindestens primär war auch in c. 3 von der Ortsbewegung die Rede. Im ersten Abschnitt von c. 4 aber (234 b 10—20) war die Rede von /leraßdAXsiv. ftexaßoXri als allgemeinster Titel füi Prozeß ist uns geläufig, mindestens seit der ausdrücklichen Einführung in V c. 1 — aber es scheint an Entstehung und Vergehen nicht gedacht gewesen zu sein, sondern nur an die Gegenstandsveränderung (die nach V c. 1 j a xivrjoig heißen sollte). Nun aber, von 234 b 21 an, ist von x(vr)Otg die Rede. Soll man an Ortsveränderung oder aber, allgemeiner, an jeden Typus von Gegenstandsveränderung denken? Jedenfalls schließt der Text des Abschnitts den weiteren Sinn des Wortes nicht positiv aus. 158,4 (b 22): „zeitlich"; darüber dann in 235 a 1 0 - 1 3 . 168,17f. (b 31—32): Der kurze Ausdruck ist so zu verstehen: oi yäg ij 5fa] xivrjaiQ xivrjatQ ($) SXov ¿ariv, rovzov xai rä rjjc SXrjQ xivTjaeon; /xlqr) zcöv fiSQcüv xmjaeii elatv. 158,20f. (b 33): „denn . . . entsprechen"; mit dieser Übersetzung beuge ich mich der Autorität des Simpl. (972. 3—4), der auch Ross (647) folgt; das Sätzchen erhält dabei die fast nämliche Bedeutung wie die drei Argumentationsstückchen: a) ov&ev de xivelrai. . . (234 b 2 7 - 2 8 ) ; b) ftia yaQ . . . (235 a 2); c) 6id tö /ilav . . . (235 a 5 - 6 ) ; dieser Umstand spricht gewiß nicht gegen diese traditionelle Auffassung unseres Sätzchens. Gleichwohl erlaube ich mir die Erwähnung einer anderen Denkbarkeit, ausgehend von dem rjv des Sätzchens. Um dieses fjv zu erklären, verweist Prantl (297) auf V c. 4 (also wohl näherhin auf 227 b 20 ff.), Ross will im fjv keinen Rückverweis sehen. Ich würde zunächst sagen, daß dieses ijv jedenfalls nicht mehr Rückverweis auf V c. 4 enthält als die (ohne Tempuscharakter arbeitenden) drei vorgenannten Ausdrücke — nämlich ebenfalls keinen bestimmten oder ausdrücklichen. Sodann würde ich glauben, es sei dem Sätzchen genug getan mit folgender Deutung: „denn von mehr (als diesen zwei) Stücken waren sie (die zwei Teilbewegungen; gleiches Subjekt'xä fiifftf wie im Satz vorher) j a annahmegemäß gar nicht die eine, in Frage stehende Bewegung". Besser deutsch: „denn die in Frage stehende Bewegung sollte j a annahmegemäß die Einheit der Teilbewegungen von nicht mehr (als diesen zwei) Stücken (AB und BC) sein". Und damit wäre eine n ä h e r e Prämisse des Beweisschlusses genannt. 159,9 (235 a 1 0 - 1 3 ) : Diese „andere Art" war in 234 b 21/22 angekündigt. 159,14 (a 14ff.): „Veränderungsprozeß"; nun jedenfalls nimmt xlvtjatg (xtveia&ai usw.) d i e s e Bedeutung an; dementsprechend tritt sie in drei Typen auf: Veränderung des Ortes, des Volumens, der Qualität (vgl. a 16 f.). Also terminologische Regelung wie in den ersten Kapiteln von Buch V (vgl. V 1, 225 b 1 - 3 ; 5, 229 a 3 0 - 3 2 ) ; aber unvermittelt steht dann plötzlich statt xivrjaig auffälligerweise fiexaßoXri in a 35 (einen eigenartigen, von der in Buch V getroffenen Regelung abweichenden Gebrauch von fiexaßoXtj haben wir freilich sogar in Buch V gefunden: 229 b 10 und 230 a 8). (Vgl. Anmerkungen zu 58,1; 129,29ff.; 130,27ff.; 158,4; 164,20-22; 165,12 f.).
VI 4 - 5
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159,15 (a 14): Die Bedeutung von S» rm und v o n ev $ (a 15/16; a 35) wird durch die Parenthese a 17—18 geklärt: es handelt sich u m die Bestimmtheitsdimension, in welcher ein Prozeß spielt; es gibt deren drei: den Ort, das Volumen, die Qualität — u n d entsprechend j e die drei T y p e n von xivrjoig. Vgl. Anm. zu 126,32! W e n n m a n d a r a n denkt, d a ß JIOV, noaöv u n d noiöv fiiryiaxa y&T) (Kategorien) sind, ist klar, d a ß in dieser Bedeutung von '¿v (¡¡' yhei zu ergänzen ist. 159.17 (a 14): „ein Ganzes"; wie soll mannavrdg verstehen? E s gibt nicht viel Sinn, zu sagen, jedem Gegenstand k o m m e Bewegung z u ; denn dies ist kein sinnvoller Teil im Ganzen der Prämissen. D a r u m möchte ich (im Sinne der zweiten Erwägung des Simpl. — 975. lOf.) lieber meinen, es sei davon die Bede, d a ß die xivr/aig immer ein Ganzes (das xivov/ievov im Ganzen) betrifft; denn es ist sinnvoll, vom Ganzen des Bewegten zu reden, wenn sogleich von der Teilbarkeit dieses Bewegten die Rede sein wird (in a 16). 159.18 (a 16): „die Veränderung". Kein I n t e r p r e t weiß so recht, was xiveio&cu hier und in a 25—34 i m Gegensatz zu xivr\aig heißen soll. Vgl. J . Phil. 806. 23 ff.; 865. 25 ff.; Simpl. 976. 11 ff. — Den einzigen Sinn, den ich mir denken k a n n , k ö n n t e m a n mit dem W o r t 'Veränderung' ausdrücken. H a t etwas eine Veränderung erfahren, so zeigt es hernach eine 'Veränderung'; stellt m a n dem Prozeß d i e s e (sich dabei ereignende) Veränderung entgegen, so k ö n n t e dies dem Gegensatz von xtvrjatg und xivela&ai entsprechen. 159,20—24 (a 17—18): Geschieht die Veränderung in der Bestimmtheitsdimension des Ortes, so h a t die Teilung unmittelbar in der Bestimmtheitsdimension s t a t t (denn der Ort jedes Körpers ist teilbar); geschieht sie jedoch in der Dimension der Qualität, so h a t die Teilung nicht unmittelbar in der Bestimmtheitsdimension s t a t t : denn F a r b e , W ä r m e , Trockenheit u. dgl. sind als solche selbst nicht teilbar; hier b r a u c h t die Teilung also eine Vermittlung; diese Vermittlung stellt der teilbare K ö r p e r dar, welcher rot, w a r m , trocken u. dgl. ist: ein &EQ/JOV ist nicht qua calidum, sondern qua corpus teilbar. Beleg dafür ist die Parenthese in a 35f. — Simpl. (975. 20 ff.) vermißt die Nennung der Größenveränderung an unserer Stelle; anscheinend (1. c.) h a t sie bereits Alexandras v e r m i ß t ; aber man m u ß sie keineswegs vermissen; denn sie k a n n sehr wohl in der Ortsveränderung mitgemeint sein; es gibt j a Stellen, in denen sie (statt als Veränderung des TCOOÖV: Z. B. V 2, 226 a 29 ff.) als Ortsveränderung (xivTjaig xarä ronov) begriffen wird: z. B. IV 4, 211 a 12 ff.; 6, 213 b 4 f . ; V I I I 7, 260 b 13-15. 160,13-15 (235 a 36f.): Vgl. IV 11, 219 a 10ff.; VI 1, 231 b 1 8 f f . - 2 , 233 a 17. 160,15f. (235 a 37f.): Vgl. nochmals 2, 233 a 17ff. u n d Anm. zu 153,36 ff. I m übrigen bedeutet ÖTieiQOV hier natürlich nur Soieioov diaigiaei; vgl. den nächsten Satz, wo von der Unendlichkeit des Prozeßgegenstands die Rede ist! 160,20f. (235 b 5): „ i m weiteren"; verweist wohl auf c. 7. 160,22 ff. (235 b 6—8): Mit c. 5 beginnt Ar. eine ausführliche Prozeßanalyse in mehreren Teilen, welche mehreren Teilproble men des Prozeßbegriffs entsprechen. Zunächst
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Anmerkungen
wird die Problematik des P r o z e ß a b s c h l u s s e s erörtert — wiederum in zwei Teiluntersuchungen, deren erste von 235 b 6 bis b 30, deren zweite von 235 b 30 bis 236 a 7 führt. — Die erste Frage lautet: Was ist als E n d e eines Prozesses zu betrachten; in welchem Zustande befindet sich der Prozeßgegenstand, wenn das Ende des Prozesses eingetreten sein soll? Ar. antwortet: a) Der Prozeß, der den Gegenstand vom Zustand A zum Zustand B führt, ist wesentlich Abbau des Ausgangszustandes A oder doch wenigstens zieht er diesen Abbau nach sich (vgl. b 8—11) (interessant zu sehen, daß der Prozeß nicht so sehr als Aufbau des neuen Zustands gesehen wird); b) der Prozeß ist dann abgeschlossen, wenn dieser Abbau des Ausgangszustandes abgeschlossen und der gegenteilige Zustand erreicht ist. Das Ende des Abbaus des Zustands A und der Anfang des Zustands B sind miteinander identisch und in dieser Identität miteinander definieren sie den Prozeßabschluß (tö ore ngtoTOV ¡lexaßißXrfteev) (vgl. b 7—8; 26—27). — Der Beweis für die These wird zweimal geführt: a) Zunächst unmittelbar für die fiETaßoMj xar' avxiipaaiv und vermittelt (durch Erweiterung: b 17—19) für jede Art von fieraßoMj (b 13—19); b) Sodann unmittelbar für jede Art von fleraßoXtf (b 19—29). 160,29—32 (b 13—14): fj x a t ' dvritpaaiv (jietaßoXri) ist der Prozeßtyp, bei welchem der Anfangs- und der Endzustand gegeneinander im Verhältnis der dvricpaaig (wie A und non-A) stehen; Entstehen und Vergehen sind jedenfalls beide von diesem Typus (vgl. auch V 1, 225 b 1). Bei diesem Prozeßtypus ist die Wahrheit der zum Beweis stehenden These besonders deutlich (vgl. 235 b 30); denn wie es zwischen A und non-A kein Drittes und Mittleres gibt, so leuchtet auch ein, daß in diesem Prozeßtypus das Ende des Zustands A und der Anfang des Zustandes non-A miteinander identisch sind und daß sie beide in dieser ihrer Identität den Prozeßabschluß definieren. — Wenn nun in b 17—19 durch Erweiterung von den Verhältnissen d i e s e s Prozeßtypus auf die nämlichen Verhältnisse in a l l e n Prozeßtypen geschlossen wird, so geschieht dies mit dem hier unausgesprochenen, aber aus V 1, 225 a 13—20 entnehmbaren Argument, daß sich auch jedwede tclvrjOig (d. h. Veränderung) als fteraßokrj xar' avxitpaaiv fassen läßt, nämlich als ybeaig rtg Tivog bzw. als (fSoqd rig Ttvog (vgl. Anm. zu 129,12-22). 161,8f. (b 24): Der ydg-Satz ist schwer zu interpretieren; man sehe nur Simpl. und Thomas v. Aquino! Die Interpretation, der ich in der Übersetzung Ausdruck gegeben habe, scheint mir noch am befriedigendsten. Ganz ist auch unserer emendierten Lesart nicht zu trauen. 161,22-24 (b 3 2 - 3 3 ) : In dem Abschnitt 235 b 32-236 a 7 haben wir die zweite These und ihren (apagogischen) Beweis bezüglich des P r o z e ß a b s c h l u s s e s vor uns. Diese These antwortet auf die Frage: Haben wir uns den Prozeßabschluß als zeitlich ausgedehnt oder aber als Zeitpunkt zu denken? Die Antwort lautet: Der unmittelbare Zeitwert des Prozeßabschlusses kann nur ein Z e i t p u n k t sein. Zum Ausdruck '¿v QJ 7IQ(ÜT(Ü FICTAßEßÄRJXCV'': a) ¿V 4> bedeutet hier wieder einmal die z e i t l i c h e Dimension (vgl. nochmals Anm. zu 159,15; 126,32); b) 7iQwrq> bedeutet hier 'im ursprünglichen, unabgeleiteten, unmittelbaren Sinn' (vgl. die Erläuterungen in b 33/34 und 236 b 2 0 - 2 2 ) : Ein Leben sei am 24. 1. 1900, Schlag 10« Uhr morgens zu Ende gegangen. Dann ist dieser Zeitwert allein der u n m i t t e l b a r e Zeitwert (und nach
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der These eben ein Z e i t p u n k t ) . D a n u n die elfte Morgenstunde ein Stück des 24. 1. 1900, der 24. 1. ein Stück des J a n u a r 1900, der J a n u a r 1900 ein Stück des J a h r e s 1900 war, läßt sich auch sagen, jenes Leben sei a m 2 4 . 1 . 1900 oder im J a n u a r 1900 zu E n d e gegangen. Aber diese letzteren Zeitwerte sind nicht der u n m i t t e l b a r e Zeitwert. Die nicht-unmittelbaren Zeitwerte eines Prozeßabschlusses sind Z e i t p h a s e n (mit Dauer also und Teilbarkeit), der unmittelbare Zeitwert hingegen f ü r einen Prozeßabschluß ist (der These gemäß) notwendig ein Z e i t p u n k t . — c) Das P e r f e k t fiexaßißArixev ist hier streng präsentisch aufzufassen: der Gegenstand h a t den Prozeß hinter sich u n d ist in seiner neuen Bestimmtheit. 161,26—39 (235 b 34—236 a 5): Der hier beginnende apagogische Beweis arbeitet mit einer vollständigen Disjunktion unter Annahme der Teilbarkeit: a) I n beiden Teilen ist der Prozeß zum Abschluß gekommen; Ar. verliert kein Wort d a r ü b e r ; denn d a ß dies keine Denkbarkeit ist, liegt ohne Beweis auf der H a n d , b) I n beiden Teilen ist der Prozeß noch im Gang (235 b 37—236 a 2): entfällt, weil der apagogischen These widersprechend, c) Der Prozeß ist im ersten Teil oder aber im zweiten Teil zum Abschluß gekommen (235 b 35—37); d a n n ist nicht der als unmittelbarer Zeitwert angesetzte Zeitwert (AC), sondern der betreffende Zeit t e i l (AB oder BC) in Wahrheit der unmittelbare Zeitwert des Prozeßabschlusses. Die Widerlegung «ist zwingend, da f ü r diesen Zeitteil u n d jedweden weiteren Teil eines Zeitteils dasselbe gilt — ins Unendliche, d) Die nämliche Sachlage in anderer Formulierung: I n A B sei der Prozeß noch im Gang gewesen, in BC sei er zum Abschluß gekommen (236 a 2—4); d a n n ist er nicht in dem „unmittelbaren Zeitwert AC", sondern in d e m „noch unmittelbareren (!) Zeitwert B C " zum Abschluß gekommen. — TIQOTEQOV (in 236 a 4) h a t hier ebensowenig temporalen Sinn, wie TIQ&TOV hier einen solchen hat. Die Absurdität der Konsequenz k o m m t nur heraus, wenn m a n dies erkennt. — o avrog ¿oyog (236 a 2/3) geht über 235 b 3 7 - 2 3 6 a 2 hinweg zurück auf 235 b 3 5 - 3 7 . — 236 a 4—5 stellt die abschließende Folgerung aus dem apagogischen Beweis dar. 161,39—162,2 (236 a 5 - 7 ) : Die Feststellung, d a ß das eben erzielte Beweisergebnis auch f ü r den Abschluß der Entstehens- und Vergehensprozesse gilt. Wozu diese Feststellung? — Zunächst die auffällige Parallelerscheinung innerhalb des zuletzt vorausgegangenen Problemabschnittes, nämlich in 235 b 27—29. E s m u ß sich beidemale u m eine polemische Wendung des Resultates handeln (und vielleicht reicht die polemische Funktion der Ausführungen in unserem Buch VI viel weiter, als wir ahnen können). Gegen wen? Interessant ist hier ein E x z e r p t aus Alexandras bei Simpl. (938 a 25 ff.); es spricht von einer Sophistenfrage: „ I n welcher Zeit starb D i o n ? " Eine A n d e u t u n g in gleicher Richtung bei Them. (194. 12 ff.). Beidemal ausreichend, u m die Neugierde des Historikers zu wecken; beidemal zu wenig, u m sie zu befriedigen u n d u m dem Aristotelesinterpreten einen Einblick in das Gewebe der gedanklichen Motivationen zu gönnen, die hinter den Lehrstücken unseres Buches VI stehen mögen. 162,3 (a 7): Der griechische Ausdruck h a t zwei so verschiedene Bedeutungen, d a ß es sinnlos wäre, ihnen u m jeden Preis in unserer Sprache eine einzige Übersetzung zuzuordnen; denn wenigstens so weit wäre der Bedeutungsunterschied zu wahren, d a ß m a n einmal übersetzt: 'das, worin u n m i t t e l b a r der Gegenstand sich verä n d e r t h a t ' und sodann: 'das, worin z u m e r s t e n m a l der Gegenstand sich ver-
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Anmerkungen
ändert hat'. — Bisher war die Rede vom A b s c h l u ß des Prozesses und von dessen unmittelbarem Zeitwert (235 b 6—236 a 7); im folgenden ist die Rede vom A n f a n g des Prozesses. Die These lautet — mißverständlich und pointiert —: E s gibt keinen „Prozeßanfang" (a 14). E s wäre aber natürlich verkehrt zu meinen, Ar. wolle einen A n f a n g s p u n k t des Prozesses leugnen; der Prozeß hat ebenso einen Anfangspunkt, wie er einen Endpunkt hat (von letzterem ist soeben die Rede gewesen). Schon die Antike hat dies begriffen (vgl. Simpl. 986. 3 ff.). Was der Prozeß nicht haben soll, ist eine real und an sich existierende A n f a n g s p h a s e . So zu verstehen: Wir pflegen Prozesse in sukzessive Phasen einzuteilen und dann eben von einer ersten Phase zu sprechen; dabei machen wir einen Einschnitt, durch welchen das Prozeßstück zwischen Anfang und diesem Einschnitt als Anfangsphase erklärt wird. Der Einschnitt ist von uns gemacht, der Prozeß selbst ist — Ar. hat es genug betont — o h n e Einschnitt, kontinuierlich. — Unsere These nun ist eine Stellungnahme zu der F r a g e : Gibt es eine kleinste Anfangsphase und damit eine objektive erste Einschnittsmöglichkeit, d. h. einen ersten Punkt, hinter dem ein erstes Prozeßstück als abgelaufen liegt? Die These sagt — mit Recht — nein. Aus der Kontinuität des Prozesses folgt die unendliche Teilbarkeit des Gesamtprozesses sowie jedes Prozeßstückes, also auch jeder etwa angenommenen Anfangsphase (übrigens natürlich auch, wovon im Text jedoch keine Rede ist, jeder etwa angenommenen Schlußphase): Wo der Einschnitt auch getätigt werde, immer schon ist ein Stück des Prozesses verlaufen. 162,11 (a 13): „wie gezeigt": in 235 b 30-236 a 7. 162,13 f. (a 14): „keinen Prozeßbeginn", d. h. keine Anf angs p h a s e; natürlich gibt es einen A n f a n g s p u n k t . 162,15-36 (a 1 5 - 2 7 ) : Der Beweis hat zwei Stufen: a 16-20 und a 20-27. Die erste Beweisstufe: Der als erste Prozeßphase angenommene Zeitwert AD (man sieht auch daraus, daß von einem A n f a n g s p u n k t nicht die Rede ist!) kann n i c h t u n t e i l b a r sein. Da er jedenfalls eine Mannigfaltigkeit (A, B , C, D) ist, müßte er also eine Mannigfaltigkeit von Unteilbarem, d. h. von Zeitpunkten sein; aber dies eben gibt es nicht, daß Punkte (ohne irgendein Kontinuum zwischen ihnen, also) ohne Abstand aufeinanderfolgen ( e x e o & c u ) und also einander berühren (äriTea&ai) könnten (vgl. 231 a 21—b 18). — Zu dieser ersten Beweisstufe gehört noch der apagogische Beweis gegen die Unteilbarkeitsannahme (aus dem Widerspruch in Punkt A) (a 17—20). — Ist also in der ersten Beweisstufe die Unteilbarkeit des als erste Prozeßphase angenommenen Zeitwertes AD ausgeschlossen, so geht die zweite Beweisstufe von dessen notwendiger Teilbarkeit aus (a 20/21); sie benützt die nämliche Disjunktion der Denkbarkeiten, wie sie dem Abschnitt 235 b 35 ff. zugrunde lag. 162,29f. (a 23—24): „dann ist er auch im gesamten AD erst dabei" — und es ging doch um ein Durchlaufenhaben. Der Text der Handschriften ist völlig korrekt und der Abänderungsvorschlag von Ross (650) nicht nur überflüssig, sondern verkehrt. 162,36-38 (a 2 7 - 2 8 ) : Die neue These, die sogleich ihren Beweis erfährt (a 2 7 - 3 5 ) . Gewiß kann ich an einem Gegenstand der Veränderung ein beliebiges Stück herausgreifen und sagen, es solle das erste sein, das von dem Prozeß erfaßt worden sei. Aber
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dieses Herausgreifen ist in Ansehung des Gegenstands selber reine "Willkür: in Wahrheit läßt sich ins Unendliche ein immer noch kleineres Stück angeben, das früher als jedes größere seine Veränderung erfahren hat. All das ist Folge aus der Kontinuitätsstruktur des im Prozeß stehenden Körpers. 168,1 (a 2 9 ) : „bewiesen worden"; in 4, 234 b 1 0 - 2 0 . 163,11 f. (236 b 1): aitò S ftetaßdtäei ist der T e x t der Handschriften; wenn er zutrifft, so kann er jedenfalls nicht vom G e g e n s t a n d des Prozesses reden (Beweise im K o n t e x t ! ) ; Prantl hat vorgeschlagen: avrò e lg d ßeraßaXXet (mit B l i c k auf diesen Ausdruck in b 3); das wäre die im Prozeß sich bildende neue Bestimmtheit des Gegenstands — gut denkbar; will man den T e x t belassen, so bleibt als Möglichkeit noch: die im Prozeß wechselnde Bestimmtheit (ein Gegenstand verändert sich, indem eine Bestimmtheit gegen eine andere wechselt) — aber kennt Ar. diesen Wortgebrauch (fiexaßaXXeiv nicht vom Gegenstand, sondern von seinen Bestimmtheiten gesagt) wirklich? I c h kenne keinen verläßlichen Beleg. 163,15 (b 3 ) : „Prozeßdimension"; dies ist in unserem Textzusammenhang die B e deutung von sv — unter anderem — auch unmittelbar die Zeit (eines Zustands oder eines Prozesses) bedeuten : vgl. Anm. zu 126,32. Aber des olov (in b 4) und des Wortgebrauchs im K o n t e x t wegen ziehe ich die erstere Möglichkeit vor. 1 6 3 , 1 8 f . (b 6—7): Intensive Größe (Gradbestimmtheit) wird jedermann den F a r b e n , der Temperatur usw., d. h. den sinnlichen Qualitäten, zusprechen. Extensive Größe aber können sie nur vermittelter Weise haben, vermittelt nämlich durch den Gegenstand, der sie besitzt. So mag ein B o t 5 cm 2 groß (und teilbar) sein, weil es die (rote) Körperoberfläche ist. 1 6 3 , 2 5 - 2 8 (b 11—12): Paralleles Argument in 236 a 16f. für das Zeitverhältnis.
entsprechende
1 6 3 , 3 4 f . (b 16—17): nämlich im erfüllten Ort des sich vergrößernden oder verkleinern, den Körpers (im „Volumen"). 163,35—37 (b 1 7 f . ) : Hier, in der Schlußfolgerung als dem Beweisabschluß, ist die These, die zu beweisen war (236 b l t . ) , etwas verschoben: aus dem 'kein Erstes, wo Teilbarkeit vorliegt' ist geworden 'kein Teilbares'. Also : Die qualitative Bestimmtheit ist, unmittelbar und an ihr selbst, kein Teilbares; für sie also gilt 'kein Erstes' lediglich im abgeleiteten Sinn. 163,39ff. (b 20—21): Die Unterscheidung TZQWTwg ( x a # ' at/TÓ)—xaT' äXXo (>cad' ireQOf) ist häufig; eine Parallele zum Zeitverhältnis haben wir in I V 2, 209 a 31 ff. für das Ortsverhältnis (vgl. Anm. zu 84,34 ff.). W a s Ar. an der jetzigen Stelle sagt, war auch schon in 235 b 3 3 f . gesagt (vgl. Anm. zu 161,22ff.). E s geht j e t z t um den unmittelbaren Zeitwert des P r o z e ß v e r l a u f s .
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Anmerkungen
164,10 (b 2 6 - 2 7 ) : Die unendliche Teilbarkeit der.Zeit ist bewiesen in 2, 232 b 24 ff., u n d zwar im Z u s a m m e n h a n g m i t der K o n t i n u i t ä t der Zeit. — E i n zweiter Beweisg a n g wäre im folgenden zu s e h e n : Schon in I V 11, 219 a 10ff. war die K o n t i n u i t ä t der Zeit (aus der K o n t i n u i t ä t der Ausdehnungsgroße) abgeleitet; in V I 1, 231 b 15—18 w a r die unendliche Teilbarkeit j e d e s K o n t i n u u m s bewiesen. 164,19 (b 32): „ i m G a n g i s t " ; die Ü b e r s e t z u n g folgt d e r L e s a r t xiveia&ai. E s gibt a u c h kein B e d e n k e n gegen das g u t bezeugte xexivijo&cu: I s t ein P r o z e ß abgelaufen, so s t e h t fest, d a ß er in j e d e m beliebigen u n d beliebig kleinen Z e i t s t ü c k i m G a n g g e w e s e n ist. 164,20—22 (b 32—34): A u s d e m soeben Bewiesenen ( d a ß ein P r o z e ß g e g e n s t a n d in j e d e m beliebigen u n d beliebig kleinen Zeitstück d e r P r o z e ß d a u e r im P r o z e ß begriffen ist) leitet n u n Ar. einen weiteren L e h r s a t z a b : E i n i m P r o z e ß begriffener G e g e n s t a n d befindet sich in keiner Zeit in seiner wirklich e r s t e n P r o z e ß p h a s e , s o n d e r n h a t i m m e r schon — in einer kleineren Teilzeit — ein S t ü c k dieser angeblich e r s t e n P r o zeßphase, also P r o z e ß , h i n t e r sich. Zwar sagen wir z. B . gerne so: ein K ö r p e r soll v o n der Gesamtstrecke s in einem e r s t e n Z e i t s t ü c k ( t t ) e t w a
zurückgelegt h a b e n .
Aber dieses „ e r s t e " Zeitstück ist unsere Willkür (seiner L ä n g e n a c h ) : es ist ins Unendliche teilbar u n d es gibt o b j e k t i v kein erstes Z e i t s t ü c k des Prozesses, sondern eben stets ein noch kürzeres, in d e m ebenfalls bereits P r o z e ß s t a t t g e f u n d e n h a t . — Der Z u s a m m e n h a n g (letztlich I d e n t i t ä t ) zwischen d e m jetzigen T e x t s t ü c k u n d d e m A b s c h n i t t 5, 236 a 7—27 Ut handgreiflich (vgl. n o c h m a l s A n m . zu 162,3). — Z u m W o r t g e b r a u c h : O h n e d a ß eine B e d e u t u n g s v e r s c h i e d e n h e i t greifbar w ü r d e , h a t Ar. in u n s e r e m K a p i t e l z u n ä c h s t fieraßdkfeiv, d a n n (ab 236 b 25) xiveladai g e b r a u c h t , u m schließlich (ab 237 a 9) wieder fteraßdXXEtv zu sagen. V o n einer f e s t e n Regel k a n n in diesem P u n k t f ü r B u c h V I die R e d e nicht sein (vgl. A n m . zu 159,14; 166,18ff.). 164,22—31 (236 b 34—237 a 3): E i n e r l ä u t e r n d e s W o r t zu diesem e r s t e n Beweis d e r These. D a s ist d e r N e r v des Beweises: I n d e m angeblich e r s t e n S t ü c k der Prozeßzeit soll A d a s W e g s t ü c k K L d u r c h l a u f e n h a b e n ; n u n sei ein K ö r p e r B a n g e n o m m e n , v o n gleicher Geschwindigkeit wie A, der ü b e r h a u p t n u r bis z u r H ä l f t e des W e g s t ü c k s K L g e w a n d e r t sein soll: der n u n h a t zweifellos in d e r h a l b e n „ e r s t e n " Zeit einen P r o z e ß (nämlich seinen ganzen) h i n t e r sich g e b r a c h t ; a b e r d a A j a in d e r n ä m lichen Zeit wie B das nämliche W e g s t ü c k wie B d u r c h l a u f e n h a t , h a t a u c h er schon v o r d e m E n d e d e r angeblichen ersten Zeit, n ä m l i c h in deren H ä l f t e , einen P r o z e ß hinter sich. 165,12f. (237 a 14): I m Z e i t p u n k t ist R a u m weder f ü r einen P r o z e ß noch sogar auch f ü r ein B e h a r r e n ; bewiesen in 3, 234 a 24—b 9. D o r t xiveio&at, hier fiETaßaXXeiv — ohne B e d e u t u n g s u n t e r s c h i e d (vgl. A n m . zu 159,14). 166,16—18 (a 15—17): F ü r Ar. h a n d e l t es sich n a t ü r l i c h u m eine n u r p o t e n t i e l l e Unendlichkeit wie der J e t z t p u n k t e so der d u r c h l a u f e n e n Prozeßstadien. — I c h glaube, die Polemik gegen Zenon ist deutlich, vor allem infolge dieser abschließenden Ged a n k e n w e n d u n g auf die P u n k t e - U n e n d l i c h k e i t : in j e d e m beliebigen (der u n e n d lich vielen — möglichen —) P u n k t e des R a u m e s wie d e r Zeit ist weder w a h r , d a ß
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der Gegenstand ftezaßdXXEi (xivenai), noch, daß er rjgefiet, sondern nur dies eine: daß er pgTaßißkrptev (a 15); kann er also schon innerhalb eines Punktes nicht vorwärtskommen und sich verändern, so hat er sich doch in jedem beliebigen angenommenen Punkte bereits verändert und i s t schon vorwärts gekommen — und sogar (potentiell) unendlich oft. — Wenn (nach Them. 184. 9 ff. und Simpl. 934. 23 ff.) Epikur und die Epikureer unterstrichen, daß ein bewegter Körper in einem angenommenen Punkte der Bahn als kinetisches Moment ein xextvrjo&at an sich habe (vgl. nochmals das Ende der Anm. zu 150,14ff.), so ist Ar. im Prinzip hier nicht hinter ihnen zurückgeblieben und sie umgekehrt müssen den herben Tadel des Them. (1. c.) nicht unbedingt verdienen. Den Ar. jedenfalls tadelt Them. nicht im mindesten (vgl. 196. 9 - 1 2 ) . 165,19—23 (a 17—19): An die vorige These schließt sich ergänzend (und auch präzisierend) die neue an. Die Übersetzung ist so eingerichtet, daß sie den neuen Gedanken sofort faßbar macht. Wir wissen, a) daß der Prozeß in einem P u n k t seinen Abschluß findet (5, 235 b 30—236 a 7), b) daß der Prozeß in einer kontinuierlichen (und d. h. unendlich teilbaren) Zeit verläuft, daß es also a ) keine wirklich erste Prozeßphase geben kann (236 a 7—b 18), daß ß) in jedem beliebigen und beliebig kleinen Stück der Prozeßzeit Prozessualität statthat (6, 236 b 19—32), daß folglich •y) während des Prozesses immer schon Prozeßphasen (unendlich kleine mindestens) durchlaufen sind (236 b 32—237 a 15). Als neuer Gedanke folgt nun: auch vom P r o z e ß a b s c h l u ß her erweist sich der Prozeß als kontinuierlich: es ist nicht nur einmal — am E n d e des Gesamtprozesses — Prozeß verlaufen; sondern auch immer schon zuvor, in jedem beliebigen und beliebig kleinen vorausgehenden Stück der Prozeßzeit, waren Prozeßstücke Ereignis geworden. — Mit dem neuen Gedanken wird die vorliegende Gedankenreihe zu dem Theorem der d u r c h g ä n g i g e n K o n t i n u i t ä t s s t r u k t u r des Prozesses ergänzt. 1 6 5 , 2 3 - 1 6 6 , 3 0 (237 a 2 0 - b 9): „Beweis"; es werden zwei Beweise geführt: 237 a 20—28 und 237 a 28—b 9. Zunächst zum ersten Beweis! E r zerfällt in ein negatives Stück: Zurückweisung des Gedankens einer Prozessualität in Z e i t p u n k t e n (a 20— 25), das positive Stück umfaßt a 25—28. 166,29 (a 24): „schon bewiesen"; in 5, 23.5 b 6ff. 165,33 (a 25): „für uns geklärt" (ijv); als Beweisglied bereits früher verwendet (z. B . 236 a 16f.; b 12); vgl. Anm. zu 162,15ff. 165,34f. (a 26): Vgl. Anm. zu 164,10. 166,1 (a 28): „Weiterhin:"; es folgt nun der zweite Beweis für die These (a 17—19). E r wird zuerst bloß für Prozesse geführt, bei denen die Ausgangs- und Endbestimmtheit in einem Kontinuum (als Beispiel die Wegstrecke zwischen zwei Örtern C und D ) verbunden sind, weil da die Sachlage reQOV ist (a 28—35); anschließend auch für die übrigen Prozesse, aber nur in Andeutung des Beweismittels: Bückgriff auf die vermittelnde Kontinuität der Zeit (b 1—2) (237 a 35—b 3); darauf folgt eine Zusammenfassung der Beweisresultate aus den Partien 236 b 32 bis hierher (b 3—7),
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Anmerkungen
und der Absatz schließt mit nochmaliger Herausstellung des Hauptbeweismittels (a 7—9). — Das fieye&og b> $ /ieraßdXXei (a 29/30) ist natürlich zunächst das M e d i u m , in dem der Körper seinen Weg zurücklegt; uns liegt heute näher, bloß a n das, worauf es dabei allein a n k o m m t , zu denken: an die reale W e g s t r e c k e selbst. 166,5f. (a 32): vgl. 236 b 12; ä^tegii ist der P u n k t ü b e r h a u p t ; was von i h m gilt, gilt auch vom Z e i t p u n k t ( r ä ) , f ü r den der Lehrsatz in unserem Zusammenhang ebenfalls mehrmals erscheint; vgl. Anm. zu 166,25f. 166,12—15 (a 35—b 2): Zwar heißen in j e d e m Typus v o n Veränderungsprozeß Anfangs- und E n d b e s t i m m t h e i t 'zueinander konträr stehend', aber es m a g nicht immer deutlich sein, daß zwischen ihnen ein echtes K o n t i n u u m (eine s t e t i g e Folge der Übergänge) vorliegt — jedenfalls nicht so deutlich wie im Fall der Ortsbewegung. Was Entstehen u n d Vergehen anlangt, bei denen die Anfangs- u n d E n d b e s t i m m t heit (Sein—Nichtsein und umgekehrt) im Verhältnis des Widerspruchs stehen, ist jedenfalls ein K o n t i n u u m jener Art undenkbar, da nicht einmal irgendein (iera£v denkbar ist. — Fällt also hier K o n t i n u i t ä t in der B e s t i m m t h e i t s d i m e n s i o n als Beweismittel aus, so läßt sich auf ein anderes Beweismittel aber jedenfalls zurückgreifen: auf die K o n t i n u i t ä t der P r o z e ß z e i t . 166,18-24 (b 3 - 7 ) : In diesem Satz wird der Gedanke von 236 b 32-237 a 17 mitresumiert. Doch war dort xivelo&at, hier wird ¡istaßäViEiv gesagt — ohne Bedeutungsunterschied; wiederaufnehmendes /leraßdMetv s t a t t xtveiofku auch schon in 237 a 17. Ein besonders deutlicher Beleg f ü r den freien Wechsel zwischen den W ö r t e r n . Vgl. nochmals Anm. zu 159,14; 164,20 ff. 166.24 (b 7): „ b e t r e f f e n d e " ; ich füge es eigens in die Übersetzung ein, u m an den Unterschied zwischen den beiden 'ersten' Phasen zu erinnern; einmal die nichtexistierende 'erste' Phase des laufenden Prozesses, v o r der also noch kein Prozeß stattgefunden h ä t t e ; sodann die nichtexistierende 'erste' Phase des Prozeßabschlusses, v o r der also noch kein Prozeß(stück) Vergangenheit geworden wäre. 166.25 f. (b 7/8): D a m i t wird f ü r alle bisher geführten Kontinuitätsbeweise das H a u p t beweismittel nochmals eigens g e n a n n t : Nie können sich P u n k t e (ob im B a u m oder in der Zeit) ohne A b s t a n d folgen; immer liegt zwischen P u n k t e n etwas, ein Stück B a u m , ein Stück Zeit, also ein Stück K o n t i n u u m . Dieses Hauptbeweismittel war ausdrücklich verwendet in 5, 236 a 16/17 und b 12, in 6, 237 a 25 u n d 32. 166,26—30 (b 8/9): D a s eine ist die unendliche Ergänzung einer Ausgangsstrecke zu ihrer Doppellänge: a +
+ + -w usw., eine Verlängerung durch Addition je der 2 4 8 H ä l f t e der je zuvor genommenen Länge; deren Grenzwert heißt 2 a. Das andere ist die
unendliche Verkürzung ('Exhaustion') einer Ausgangsstrecke: a —
—^ —
usw.,
eine Verkürzung durch Subtraktion j e der Hälfte der je zuvor genommenen Länge; deren Grenzwert heißt 0. Wie der Grenz-, so fehlte dem Ar. auch der Infinitesimalbegriff f ü r die Exposition der inneren S t r u k t u r des Prozesses. Quapropter t a n t a e molis Aristoteli erat. E r h a t sich tapfer geschlagen. U n d er und kein anderer ist
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es gewesen, der die begriffliche K l ä r u n g der Verhältnisse s c h u f ; was die Infinitesimalrechnung d a z u b r a c h t e , ist n u r das I n s t r u m e n t , das v o n Ar. begrifflich Geklärte auch m a t h e m a t i s c h zu realisieren, d. h. die v o n Ar. begrifflich geklärten Verhältnisse a u c h m a t h e m a t i s c h zu definieren u n d b e r e c h e n b a r zu machen. 166,31—167,14 (b 9—22): Dieser Abschnitt ist ein Korollar z u m Vorausgehenden: er zieht eine Folgerung aus d e m f ü r die Veränderungsprozesse Bewiesenen auf die Verhältnisse der Prozesse des E n t s t e h e n s (bzw. Werdens) u n d Vergehens. Gleiche logische F u n k t i o n h a t t e n bereits auch die A b s c h n i t t e 5, 235 b 27—30 u n d 236 a 5—7. Wie der T e x t zeigt, b r a u c h t die Folgerung einige Präzisierung u n d E i n s c h r ä n k u n g : Wo der E n t s t e h u n g s p r o z e ß nicht völlig kontinuierlich sein k a n n , weil selbst das E n t s t e h e n d e eine Artikulation in relativ selbständige Glieder zeigt (wie F u n d a m e n t u n d Stockwerk in einem H a u s ) , d a artikuliert sich auch das im Lehrsatz B e h a u p t e t e entsprechend, bleibt aber, so artikuliert, in Geltung: insofern nämlich K o n t i n u i t ä t u n d d a m i t I n f i n i t e s i m a l s t r u k t u r (vgl. b 14/15) grundsätzlich g e w a h r t bleiben. — U n d d a m i t bleibt auch hier das in K r a f t , was der Schlußsatz (b 21—22) formuliert. — I n seiner Besprechung der k o m m e n t i e r t e n Physik-Ausgabe v o n Ross (Mind X L V [1936], 3 7 8 - 3 8 3 ) b e d a u e r t Taylor (382 f.), d a ß Ross nicht m e h r auf die über die ganze P h y s i k hin v e r s t r e u t e n , zahlreichen Stellen a c h t e t , a n denen Ar. inexplizit Theoreme aus d e n platonischen Dialogen kritisiere; beispielsweise sieht Taylor a u c h eine enge Beziehung zwischen der dbieiQOV- Stelle unserer P a r t i e (b 15) u n d d e m Philebus. N u n j a , der Philebus soll i m m e r (nicht n u r a n einzelnen Sonderstellen) in u n s e r e m K o p f e p r ä s e n t sein, wo von K o n t i n u e n , Dimensionen, dimensionalen B e s t i m m t h e i t e n , Unendlichkeitsverhältnissen g e h a n d e l t wird. 167,15—20 (b 23—26): N u n beginnt eine neue T h e s e n g r u p p e . Die erste These s a g t : in unendlicher Zeit k a n n nicht ein bloß endlicher W e g zurückgelegt werden. Die These erhält (in b 25 f.) eine Präzisierung, durch welche alle Fälle ausgeschlossen werden, in denen e t w a ein u n d derselbe W e g von endlicher L ä n g e unendlich oft d u r c h l a u f e n w ü r d e ( P l a n e t e n b a h n e n z. B.). 167,24—26 (b 30): „ l e g t . . . z u r ü c k " als Übersetzung v o n xexivrjTcu; zweifellos u m den G e d a n k e n jeweils noch deutlicher zu machen, g e b r a u c h t Ar. hier u n d nochmals im folgenden (b 35) das P e r f e k t ; wir h a b e n u n s in der P h y s i k in diesen Fällen an den — an sich weniger deutlichen — präsentischen Sprachgebrauch gewöhnt. 167,33ff. (238 a l f f . ) : I m folgenden eine schwierige S a t z k o n s t r u k t i o n ; was soll der H a u p t s a t z sein? Bonitz schlug elhrpp&a) TOQ ovnavo; denken. Zweifellos erfüllt dieser TCQWTog ovgatvog die zwei Bedingungen: er wird unmittelbar vom ngtäxov xtvovv axivrßov bewegt und die Bewegung, die er durch "das letztere erfährt, ist ewig und ist ewig dieselbe. — Ebendarum ist nun dieser 7iQÜyioTov xivovfievov, von dem zuvor die Rede war, sondern sozusagen das devtegov xivov/xcvov. Ar. f ü h r t seine prinzipientheoretische Überlegung in aller Reinheit fort. Das erste Glied war die prozeßfreie Prozeßquelle; infolge ihrer eigenen Prozeßfreiheit bewirkt sie und kann sie nur bewirken einen völlig identisch bleibenden Prozeß; also reicht sie als Grund f ü r das zu Erklärende nicht aus (vgl. die vorausgehende Anmerkung). Das zweite Glied war der Urprozeßgegenstand; er erfährt einen ganz identisch bleibenden Prozeß; immerhin ist er eben deswegen in jeder folgenden Zeit in einem anderen Zustand als in der vorhergehenden; da er in jeder Zeit prozeßbewirkend ist, diese seine Wirkung aber Funktion seines jeweiligen eigenen Zustands ist, ist seine Wirkung in der Zeit v a r i a b e l . Nun ist von einem dritten Glied die Rede: es ist der Gegenstand, auf den nur mehr mittelbar die Urprozeßquelle, unmittelbar aber das selbst in V e r ä n d e r u n g begriffene zweite Glied prozeßbewirkend Einfluß nimmt (a 5—7). Da, wie schon gesagt, die Einwirkung dieses zweiten Gliedes auf das dritte Glied in der Zeit v a r i a b e l ist, erfährt dieses dritte Glied nicht mehr dauernd d e n s e l b e n Einfluß ; es ändert also nicht bloß seine Zustände innerhalb eines einzigen und identischen Prozesses; weil es vielmehr dauernd w e c h s e l n d e Einflüsse erleidet, wird auch ein Prozeßwechsel nunmehr möglich. Das vierte Glied schließlich sind die nQdyfiaza (a 7); da das dritte Glied selbst dauernd w e c h s e l n d e Einflüsse erleidet, werden auch seine eigenen Wirkungen auf das vierte Glied dauernd wechseln; damit aber kann das erfolgen, was zu erklären war: d e r d a u e r n d e W e c h s e l z w i s c h e n d e n P r o z e s s e n , welchen die Weltdinge fortgesetzt erfahren, j a s o g a r d e r d a u e r n d e W e c h s e l z w i s c h e n P r o z e ß u n d B e h a r r u n g . — Welche Art von dauernd wechselnden Einflüssen das dritte Glied erfährt, verrät uns a 8 5": es wird zum Wechsel seiner ö r t e r oder seiner Bestimmtheiten (stör/) veranlaßt (und wechselt damit wiederum seinerseits die Prozeßeinflüsse, die es auf die Weltdinge ausübt). — Auch hier erspart sich der Autor, dem es nur um die prinzipientheoretische Möglichkeit des zu Erklärenden geht, jede Konkretisierung. Wer unbedingt will, mag an die Kugelschalen denken, in welchen Mond, Sonne und Planeten ihren Sitz haben, und speziell an die Sonne, deren ekliptische Bahnbewegung speziell für die periodischen Formen des Prozeßwechsels verantwortlich gemacht wird (De gen. et corr. I I 10, 336 a 31 ff.; Met. X I I 6, 1072 a 10-12). 245,36 (a 11/12): „unsere Eingangsfrage"; vgl. 3, 253 a 22 ff. 246,8 (a 17): „wie gesagt"; nämlich soeben in a 3—5.
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Anmerkungen
246,23—27 (a 26—29): E s wird also n u n der U r t y p , und d. h. gleichzeitig: der F u n d a m e n t a l t y p , aller Prozessualität gesucht. I n Erwägung gezogen werden nur die Typen der Veränderungsprozesse (xiirfoets im engeren Wortsinn — d. h. in dem Wortsinn, der in Buch V c. 1 vereinbart worden ist); begreiflicherweise scheidet aus der gegenwärtigen Erwägung das Prozessualitätspaar Entstehen u n d Vergehen aus: denn der gesuchte U r t y p m u ß j a an dem Stück der Welt verwirklicht sein, an dem die Urprozessualität (Quelle aller weiteren Prozessualität) s t a t t h a t ; dieses Stück des Universums aber ist der Himmel (das Cefüge der aus dem ewigen Äther bestehenden Kugelschalen); der nun k e n n t weder Entstehen noch Vergehen; er ist so ewig wie der ewige Weltprozeß selber. — Bleiben also nur die drei Veränderungsprozessualitäten zu erwägen. Wir kennen sie aus Buch V c. 2 (Zusammenfassung in V 2, 226 a 23—25). — D a ß der U r t y p aller Prozessualität die Ortsveränderung sei, ist schon einmal gesagt worden: nämlich in IV 1, 208 a 31—32. N u n wird es uns in einer Reihe von Beweisen (bis 261 a 28) eingehämmert. 246,27—247,9 (a 29—b 7): „Beweis"; es ist der erste der Reihe. Vergleicht m a n die Argumentation mit der abschließenden Folgerung (b 5—7), so ist die Diskrepanz nicht zu übersehen. Die Argumentation l ä u f t so: Aus den drei Prozeßtypen wird zunächst die Volumensänderung erwogen; sie wird sofort im e n g e n Sinn gefaßt: als W a c h s t u m des Organismus. E s wird bewiesen, daß das W a c h s t u m n i c h t der U r t y p von Prozeß sein könne; denn es setzt als bedingende Prozesse zunächst Qualitätsveränderung (nämlich der N a h r u n g ; Assimilation), letztlich Ortsveränderung voraus (Eingehen in den Verdauungsapparat, durch dessen Eigenwärme sie „gekocht" und assimiliert wird). — Die Folgerung hingegen (b 5—7) geht über das w a h r h a f t Abgeleitete sichtlich hinaus; derartiges ist in Ar.-Texten bekanntlich selten und meist Grund zu Verdacht. — Bezüglich der Theorie von W a c h s t u m und Nahrung empfiehlt sich ein Blick in De gen. et corr. I c. 5 und De an. I I 4, 416 a 19—b 31, bes. De gen. et corr. I 5, 3 2 1 b 35 ff. und De an. I I 4, 416 a 21 ff. (für 260 a 31/32) und 416 b 2 8 - 2 9 (für 260 b 1/2). 247,10—17 (b 7 - 1 3 ) : Wenn m a n die Theorie, die Ar. in Buch IV (c. 9) von Verdichtung und Verdünnung als seine eigene entwickelt h a t (bes. ab 217 a 21), in Erinnerung h a t , so ist man nicht so leicht geneigt, diesen zweiten Beweis f ü r einen solchen mittels Argumenten, die Ar. s e l b s t f ü r wahr hält, hinzunehmen. Diese Neigung schwindet noch weiter, wenn m a n 9, 265 b 17—32 liest — wo m a n die hiesigen Argumente als solche a n d e r e r Denker berichtet findet. Zudem sind an unserer Stelle auch nicht zu übersehen: Soxovaiv (b 10) und Xeyerai (b 12); an das Ende der Zeile b 10 ist natürlich ein K o m m a , kein P u n k t zu setzen, das Soxovotv gilt auch noch f ü r b 11. — Einer E r innerung wert ist aber auch V I I 2, 243 b 7—10 (mit Anm. zu 190 1 ,16-20). 247,17—19 (b 13—15): Gilt in der Regel die Volumenszu- bzw. -abnahme als Quantitätsveränderung (vgl. bes. V 2, 226 a 29—32), so findet sie sich doch auch in IV 4, 211 a 1 3 - 1 7 ; 6,213 b 5 als Ortsveränderung gefaßt.Vgl. nochmals Anm. zu89,27f.; 134,10-15. 247,21ff. (b 15): Rein formal ist diese Beweisüberlegung (b 15—29) so aufgebaut, d a ß nach der Argumentenreihe der Ausdruck b 25/26 (áváyxrj . . .) die Konklusion bringt u n d sich dann noch —wie j a formal gut möglich — ein neues Zusatzargument (b 26—29)
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anschließt. Sobald man aber den Inhalt des Absatzes näher betrachtet, ist man über die Qualität der Beweisführung fühlbar enttäuscht; man ist von Ar. derartiges nicht gewohnt. — Zunächst wird bewiesen, daß die Ortsveränderung der Urtyp von Prozessualität sei (b 15; 25/26); das Argument: Ununterbrochenheit des Weltprozesses ist in der „besten" Form durch eine wahrhaft in Kontinuität mögliche Prozeßform verwirklicht; nun wählt die Natur stets das Beste, sobald dies möglich ist; wahrhafte Prozeßkontinuität ist aber tatsächlich — wie später bewiesen werden wird — möglich — und zwar eben beim Typ der Ortsveränderung (bestimmter Art, wie sich ergeben wird). Dieser Beweis (einsetzend in b 19) endet in b 26. — Nicht d i e s e These hingegen begründen die Prämissen b 16—19 und b 26—29, sondern eine andere — sicher nicht erstaunliche: daß der vom JIQCÖTOV XIVOVV bewirkte ununterbrochene Prozeß die u n e r l ä ß l i c h e B e d i n g u n g für die Wachstumsprozesse, die Qualitätsveränderungen und für alles Werden und Vergehen darstelle und als solche unerläßliche Bedingung für alle übrigen Prozesse der ursprünglichste Prozeß ist. 247,23 (b 16—17): Über diese Mehrdeutigkeit im allgemeinen klären uns auf Kat. c. 12 und Met. V c. 11; besonders einschlägig für unseren Kontext sind Kat. 12, 14 a 2 6 - 2 9 ; a 2 9 - 3 5 ; b 3 - 5 sowie Met. V 11, 1018 b 1 4 - 1 9 ; 1019 a 2 - 4 . - Wie man aus Kat. 12, 14 b 3—5 sehen kann, ließe sich unsere Physikstelle 260 b 19—26 (mit ßekriov in b 21 und b 22) in gewisser Weise mit dem Gedanken eines TIQOZSQOV xax ovaiav (b 19) verbinden, insofern ein solches TIQATEQOV xax' ovaiav kaum etwas anderes sein kann als das nQOreoov r f j tpvaet in Kat. 12, 14 b 4/5 (vgl. das inhaltlich freilich auf anderes bezogene xarä (pvaiv xai ovaiav in Met. V 11, 1019 a 2/3!). — Die an unserer Textstelle erst bezeichnete Bedeutungsmöglichkeit (b 17—19) ist jedenfalls die, welche dann im Argument b 26—29 zur Geltung kommt; das jrgdrSQOV t elvai der oqd ist kein anderer Prozeßtypus involviert, für sie ist kein anderer Prozeßtypus unerläßliche Voraussetzung. — Es ist doch erwähnenswert, daß Kat. c. 14 hinsichtlich dieser Voraussetzungsverhältnisse zwischen den Prozeßtypen ziemlich genau das Entgegengesetzte lehrt und daß auch De gen. et corr. außer der Vorausgesetztheit der Himmels- (spez. der Sonnen-) bewegung für a l l e sublunare Prozessualität (spez. das Werden und Vergehen) (vgl. I I c. 10) keinerlei allgemeine Vorausgesetztheit irgendeines Prozeßtyps für die restlichen Prozeßtypen kennt. 248,7 (b 29): „Auch der Zeit nach"; der Beweis dafür umfaßt eigentlich nur den einen folgenden Satz. Die Prozessualität des Himmels ist Bedingung für alle restliche Prozessualität; also muß sie aller restlichen auch der Zeit nach vorausgehen. Diese Prozessualität des Himmels aber ist Ortsveränderung — denn der Himmel kennt, weil er von aller Zeit her besteht, keine Entstehung; noch auch kennt er eine andere Prozeßart. So geht seine Ortsveränderung auch der Zeit nach jeder anderen Prozessualität voran. — Der Best des Abschnittes (260 b 30—261 a 12) ist nur ein Korollar, in dem sich Ar. mit einem möglichen Bedenken auseinandersetzt. Was auffällt, ist die Ausschließlichkeit, mit der an Organismen gedacht ist: daß am Einzelorganismus die Fähigkeit zur Eigenbewegung erst nach Abschluß der Ontogenese auftritt, daß
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Anmerkungen
er andrerseits einen Erzeuger h a t , durch dessen Eigenbewegung seine E n t s t e h u n g bedingt ist (es ist wohl an Befruchtung u n d P a a r u n g zu denken), so d a ß selbst seiner E n t s t e h u n g doch nochmals eine (die E n t s t e h u n g erst ermöglichende) O r t s bewegung zeitlich vorausgeht. 248,27t. (261 a 8—9): E i n interessantes Argument in dieser Parenthese! Wäre das E n t stehen der U r t y p aller Prozessualität, so wäre schlechthin alles e n t s t a n d e n ; u n d weil alles E n t s t a n d e n e notwendig auch vergänglich ist, wäre d a n n schlechthin alles notwendigerweise auch v e r g ä n g l i c h . 248,38 (a 13): „Wesensprinzip" (äg%ijv); d a ß der Prozeß an einem Gegenstand von dem Wesensprinzip dieses Gegenstands a u s g e h t , ist sofort verständlich; es ist überall dort der Fall, wo dieses Wesensprinzip der Grund f ü r den Prozeß ist; hier heißt es a b e r : Das Entstehende geht auf sein Wesensprinzip zu. Der Gedanke ist typisch aristotelisch und a m Werden der O r g a n i s m e n leuchtet er — mindestens im R a h m e n des Aristotelismus selbst — auch tatsächlich ein. Die Ontogenese eines Tieres, einer Pflanze ist ein Prozeß, in dem sich das b i l d e t , was es ist: die Rose, der Löwe. D. h . : Der Bildungsprozeß s t e h t schon unter dem Prinzip, zu dem er dann, in vollendeter Gestalt, strebt. 249,9 (a 19/20): „in der Wesensdimension"; vgl. xar' ovaiav in 260 b 19. 249,12 ( a 2 0 ) : „ B e s t i m m t h e i t " (ovoia); ovaia darf natürlich hier nicht bloß als Wesen gefaßt werden; das Wesen wird j a auch bei