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German Pages 264 Year 2015
Beiträge zum Vergaberecht Band 1
Der Preis im Vergaberecht Eine Verortung anhand der vergaberechtlichen Stufen der Angebotsprüfung
Von
Jan Sulk
Duncker & Humblot · Berlin
JAN SULK
Der Preis im Vergaberecht
Beiträge zum Vergaberecht Herausgegeben von Prof. Dr. Thorsten Siegel, Berlin Prof. Dr. Jan Ziekow, Speyer
Band 1
Der Preis im Vergaberecht Eine Verortung anhand der vergaberechtlichen Stufen der Angebotsprüfung
Von
Jan Sulk
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer hat diese Arbeit im Jahre 2013 als Dissertation angenommen.
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Meinen Eltern und meinem Bruder
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im November 2013 als Dissertation an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer eingereicht. Literatur und Rechtsprechung konnten nach anschließender Überarbeitung bis November 2014 berücksichtigt werden. Mein Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Jan Ziekow, der mir den notwendigen Freiraum gab, dieses Thema zu erarbeiten, und die Fertigstellung der Arbeit sehr gefördert hat. Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Mario Martini für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und die Bereitschaft zum Vorsitz der mündlichen Doktorprüfung. Schließlich gilt mein Dank meinen Eltern und meinem Bruder. Ihr vielfältiges Vorbild, ihr offenes Ohr und ihr guter Rat haben mir meinen Weg ermöglicht. Diese Arbeit widme ich daher ihnen. Köln, im April 2015
Jan Sulk
Inhaltsverzeichnis A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Der Preis in der Wirtschaftswissenschaft und verschiedenen Rechtsgebieten I. Der Preis in der Wirtschaftswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Definition des Begriffes „Wirtschaftswissenschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Begriff des Preises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Preisbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Preisfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Signalfunktion/Informationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Koordinationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Allokationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Auslesefunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Preise als systemische Selbstreferenz/Selbstbeschreibung . . . . . . . . II. Gesetzliche Regelungen des Preises außerhalb des Vergaberechts und ihre Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kartellrecht/Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ziel des Kartellrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Behörden und Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der Preis im Kartellrecht – insbes. Begriffe der „Preisbildungsfreiheit“, der „Preisgestaltungsfreiheit“ und des „Preismissbrauchs“ aa) Preisbildungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Preisgestaltungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Preismissbrauch/„predatory pricing“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lauterkeitsrecht/UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ziel des Lauterkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Durchsetzung des Lauterkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der Preis im Lauterkeitsrecht in Bezug zum Preis im Vergaberecht 3. Haushaltsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beihilferecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ziel und gesetzliche Grundlagen des Beihilferechts . . . . . . . . . . . . . b) Behörden und deren Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beihilferechtliche Regelungen und der Preis im Vergaberecht . . . . . 5. Preisrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22 22 22 23 23 24 24 24 24 25 25 25 26 26 27 28 29 29 29 30 30 30 31 31 31 32 33 33 33 34 34
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Inhaltsverzeichnis a) Ziel und Geschichte des Preisrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzliche Grundlagen und Prüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Behörden und deren Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenhänge zwischen Preisrecht und Vergaberecht . . . . . . . . . . Preis und Preisangabe: Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Preisbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begriff der Preisangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34 35 36 37 37 37 39
C. Prüfungssystematik der Angebotsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Prüfungssystematik in VOL/A und VOB/A – 4-stufiger Prüfungsaufbau . . II. Änderung aufgrund der Einfügung einer rechnerischen, technischen und wirtschaftlichen Überprüfung gemäß § 16 Abs. 3 bis 5 VOB/A 2009? . . . 1. Veränderungen in der VOB/A 2009 und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . a) Einfügung der Abs. 3–5 in § 16 VOB/A 2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Veränderungen aufgrund der Einfügung des § 16 Abs. 3–5 VOB/A aa) Neue Prüfungsstufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Prüfung der 4. Wertungsstufe in den Unterpunkten „Angemessenheit der Preise“ und „Wirtschaftlichkeit“ . . . . . . . . . . . . . cc) Trennung zwischen der Prüfung der Wertungsstufen und einer „Struktur im Umgang mit vorgelegten Angeboten“ . . . . . . . . . . dd) Abs. 3–5 als Prüfungsvorgabe für die Wertungsstufen 3 und 4 . . ee) Keine Einführung einer weiteren Prüfungsstufe . . . . . . . . . . . . . . ff) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalte der rechnerischen, technischen und wirtschaftlichen Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt der rechnerischen Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Fehlende Plausibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt der technischen Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inhalt der wirtschaftlichen Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Änderung aufgrund der Einfügung der Prüfung auf Vollständigkeit bzw. rechnerische und fachliche Richtigkeit gemäß § 16 Abs. 1 VOL/A, § 19 Abs. 1 VOL/A-EG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Änderung der Prüfungssystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalte der Prüfung auf Vollständigkeit, rechnerische und fachliche Richtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prüfung auf Vollständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Prüfung der fachlichen Richtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Prüfung der rechnerischen Richtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Fehlende Plausibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Prüfungskanon für die VOF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41 41
III.
41 42 42 42 42 43 43 44 45 45 46 46 47 47 48
48 49 49 49 50 50 50 51
D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 I. Die Möglichkeit des Auftraggebers, im Angebot Preise abzufordern . . . . . 52
Inhaltsverzeichnis 1. Gebot zur Abforderung von Preisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Für eine Pflicht der umfassenden Abforderung von Preisen in Bezug auf wesentliche Leistungsteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gegen eine Pflicht der umfassenden Abforderung von Preisen in Bezug auf wesentliche Leistungsteile – insbes. Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwang zur Wertung der geforderten Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Festlegung des Preises/des Honorars aufgrund einer Gebührenordnung 4. Vorgaben durch die Kalkulationsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff und Inhalt der Kalkulationsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Anknüpfung zu Preisgestaltungsfreiheit/Preisbildungsfreiheit . . b) Auswirkungen der Kalkulationsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zulässigkeit von Kalkulationsvorgaben des Auftraggebers . . . . . . . . d) Keine Änderung der Angaben des Bieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Kein Zwang zur Angabe markt- oder ortsüblicher Preise . . . . . . . . . f) Keine Vorgabe der „tatsächlichen Bezahlung“ auf der ersten Wertungsstufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verschiedene Preisabforderungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Preisabforderungsmodelle nach dem SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Preisrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Preismodell nach § 129 Abs. 5 S. 3 SGB V – Rabattverträge bei Fertigarzneimitteln in der Onkologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Preismodelle nach § 130a Abs. 8 SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Preismodelle nach § 127 Abs. 1 SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mindestpreise und Maximalpreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Mindestpreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unzulässigkeit der Abforderung von Mindestpreisen . . . . . (2) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Kalkulationsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Unzulässigkeit der Schaffung weiterer Ausschlussgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Gestaltungsfreiheit des Auftraggebers . . . . . . . . . . . . . . . (d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Maximalpreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vorgabe von Maximalpreisen und Mindestpreisen nach Ermittlung durch (Vor-)Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung . . c) Abforderung von Pauschalen und Stundensätzen statt Einheitspreisen – § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 und Abs. 2 VOB/A . . . . . . . . . . . . . d) Gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11 53 53
54 56 56 57 58 58 59 59 61 62 62 63 64 65 65 65 67 67 68 68 68 68 70 70 70 71 71 71 72 73 74
12
Inhaltsverzeichnis
II.
III.
e) Andere Kalkulationsvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollständigkeit der Preisangaben im Angebot des Bieters . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fehlende Preise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unvollständige Preisangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Widersprüchliche Preisangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zulässigkeit einzelner Preisangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Cent-Preise (etwa 0,01 A) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Angabe von 0 A-Preisen und „keine Kosten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Angabe von Negativpreisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) „Fehlen“ von Preisen bei Angabe von negativen Preisen . . . . . . – Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Änderung der Vergabeunterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Umsatzsteuerproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ausschluss eines negativen Preisangebotes bei Untersagung durch die Vergabeunterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fehlende Preise im Zusammenhang mit Mischkalkulationen . . . . . . . . . a) Unzulässige Kosten- und Preisverlagerung (Mischkalkulation) . . . . b) Konnexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorsatz der Bieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mischkalkulation durch den Nachunternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Keine Mischkalkulation – Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Preisnachlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Geringe Preisangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fehlerhafte Preisangaben aufgrund eines Kalkulationsirrtums . . f) Mischkalkulationen als Voraussetzungen für fehlende Preise . . . . . . g) Feststellung einer Mischkalkulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Folgen von unvollständigen, fehlenden oder widersprüchlichen Preisangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Gleichbehandlungs- und Transparenzgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Möglichkeit der Auslegung von Preisangaben durch den Auftraggeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begriff der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Möglichkeit der Auslegung von Preisen („Ob“ der Auslegung) (1) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Keine Auslegung bei fehlerhafter Preisangabe (an falscher Stelle in anderer Form) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Auslegung des Einheitspreises in der VOB/A . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis (a) Für eine Auslegung von Einheitspreisen . . . . . . . . . . . . . (b) Gegen eine Auslegung von Einheitspreisen . . . . . . . . . . (c) Lückenfüllung durch gegenüber § 16 Abs. 4 Nr. 1 VOB/A „umgekehrte“ Rechenoperation . . . . . . . . . . . . . (4) Fälle der Zulässigkeit einer Auslegung und Korrektur des Preises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) 1000-fach überhöhter Angebotspreis/offensichtlicher Eintragungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Erkennbar geringfügig fehlerhafter Gesamtpreis aufgrund eines Rundungsfehlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Korrektur im Rahmen einer rechnerischen Vorprüfung – Pflicht zu Korrektur im Rahmen einer rechnerischen Vorprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Geringes Gewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Durchführung der Korrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Möglichkeit der Auslegung von Preisen („Wie“ der Auslegung) b) Rechnerisches Nachvollziehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abgrenzung zur Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechnerisches Nachvollziehen beim Fehlen von Preisangaben (1) Keine Pflicht zur umfangreichen Nachberechnung/Ermessen bei Kontrollrechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Möglichkeit/Pflicht der Nachberechnung durch den Auftraggeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Eindeutigkeit und Unzweifelhaftigkeit der Preisangaben, Fehlen einer „rechnerischen Zwischengröße“ . . . . (b) Weitere Präzisierung durch EuG und OLG Düsseldorf (aa) EuG, 10.12.2009 – T-195/08 – Preis in einer Parallelposition enthalten – Klarstellung/Auslegung (bb) OLG Düsseldorf, 21.04.2010 – VII-Verg 53/09 – Klarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Begriffe und Unterscheidung: Auslegung und Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Korrekturen bei fehlenden Preisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fiktive Berechnung des höchsten Wettbewerbspreises – § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VOB/A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abgrenzung zu Auslegung und rechnerischem Nachvollziehen bb) Unwesentliche Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Einzelne Preisangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Wertungsreihenfolge wird auch bei Wertung mit dem höchsten Wettbewerbspreis nicht beeinträchtigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13 98 100 101 102 102 103 104 105 107 108 109 109 109 110 110 111 111 112 112 114 114 115 116 116 116 117 117 118 118
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Inhaltsverzeichnis ee) „Lückenfüllung“ der Preisangaben im Angebot . . . . . . . . . . . . . . ff) Anwendung in der VOL/A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Grenzen der Auslegung, des rechnerischen Nachvollziehens und der Bewertung mit dem höchsten Wettbewerbspreis . . . . . . . . . . . . . . aa) Eindeutige und zweifelsfreie Ermittlung des Bieterwillens nicht möglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kein konkreter Anhaltspunkt für Ableitung im Angebot . . . . . . cc) Empfängerhorizont des Auftraggebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Gleichbehandlungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Kalkulationsirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachfordern von Preisen durch den Auftraggeber/Aufklärung . . . . . . . . . . 1. Abgrenzung zur Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Klarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nachforderung von unwesentlichen Preisangaben nach § 16 Abs. 2 VOL/A und § 19 Abs. 2 VOL/A EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unwesentliche Einzelpositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Veränderung des Gesamtpreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine Beeinträchtigung der Wertungsreihenfolge und des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Keine Nachforderung von Preisen nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A . Unvollständigkeit der Angebote in der VOF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
119 119
E. Der Preis als Eignungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Prüfung der Eignung und deren Anknüpfung zum Angebotspreis . . . . 1. Fachkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zuverlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Spekulationsangebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechenfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Höhe des Preises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gesetzestreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Durchführung der Eignungsprüfung und Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
131 131 131 131 132 132 134 135 135 136 136
F. Die Angemessenheit der Preise und der Ausschluss von unangemessenen Niedrig- und Hochpreisangeboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wortlaut der Regelungen, Systematik und Begründungen . . . . . . . . . . . . . . 1. Wortlaut der nationalen und europäischen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . 2. Wortlaut der Regelungen der Bundesländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unangemessene Preise entsprechen offenbarem Missverhältnis . . . . . . .
137 137 137 141 144
IV.
V.
119 120 120 120 121 121 122 122 123 123 125 125 125 126 126 129 129
Inhaltsverzeichnis 4. Systematik hinsichtlich der Prüfungsstufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Erläuterungen zur VOL/A/Hinweise zur VOB/A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erläuterungen zur VOL/A 2009 nach Anhang IV – § 16 Abs. 6 Satz 2 VOL/A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hinweis zu § 16 Abs. 6 VOB/A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schutzzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutz des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutz des öffentlichen Haushalts/sparsame Haushaltsführung . . . . . . . 3. Ergebnis zum Schutzzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kompetenzrechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Europarechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Methodische Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Annahme von unauskömmlichen Angeboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erreichen des Schutzzwecks (Schutz des öffentlichen Haushalts) durch den Ausschluss unauskömmlicher Angebote/Verhältnismäßigkeit . . . . 2. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entscheidungen des Strafsenats des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Andere Rechtsgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zulässigkeit von Unterkostenangeboten nach dem Preisrecht . . . . . b) Zulässigkeit von Unterkostenangeboten nach dem Lauterkeitsrecht und Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zulässigkeit von Unterkostenangeboten aufgrund von gesetzlichen Preisbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis zu F. III. 4. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis zu F. III. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Prüfung anhand des Gesamtpreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Notwendigkeit einer dezidierten Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzlich kein Ausschluss ohne dezidierte Prüfung . . . . . . . . . . . . . 2. Aufklärung bei unangemessen hohen Preisen oder sofortiger Ausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Vorprüfung des Erreichens einer Aufgreifschwelle bzw. eines Aufgreifmerkmals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterscheidung zu kontradiktorischer Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Feststellung eines Aufgreifmerkmals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vergleich mit anderen Angeboten, der Kostenberechnung des Auftraggebers und einem Mittelpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwendung ausgeschlossener Angebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erfahrungswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Feststellung des Erreichens einer Aufgreifschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Berechnung der Aufgreifschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15 144 144 145 145 145 145 146 147 148 149 149 150 150 151 152 153 153 154 155 155 156 156 156 158 158 161 163 163 165 165 166 168 168 169
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Inhaltsverzeichnis b) Festlegung der Aufgreifschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Festlegung in den Vergabeunterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Bekanntmachungspflicht hinsichtlich der festgelegten Aufgreifschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Gegenargument 1 – Kein Rechtsschutz, da kein Nachteil für Bieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Gegenargument 2 – Kein Verstoß gegen Transparenzgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Gegenargument 3 – Einzelfallprüfung erforderlich . . . . bb) Festlegung durch Entscheidungen der Vergabekammern/Oberlandesgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Festlegung durch gesetzliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Möglichkeit des Auftraggebers, trotz Feststellung eines Aufgreifmerkmals/Erreichens einer Aufgreifschwelle keine weitere Prüfung durchzuführen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Kontradiktorische Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ziel der Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Marktverdrängungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutz des öffentlichen Haushalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gefahr der Abrechnung von Mehrmengen/Nachforderung von Kosten durch den Auftragnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Potenzielle Entstehung wirtschaftlicher Schwierigkeiten für Auftragnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Ruinöser Wettbewerb als Folge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zweifel an ordnungsgemäßer Vertragsdurchführung . . . . . . . . . . dd) Besonderes Motiv des Bieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Spekulationsangebote und Mischkalkulationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufklärungsverlangen gegenüber dem Bieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Darlegungspflicht des Bieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Feststellung der Unangemessenheit durch den Auftraggeber . . . . . . . . . VIII. Unangemessen niedriger Preis aufgrund einer Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Gesamtpreis nach Aufklärung unangemessen hoch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prüfungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begriff des unangemessen hohen Preises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufhebungsgrund des Nichtvorliegens eines wirtschaftlichen Ergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deutliche Überhöhung der Preise gegenüber einer objektiven Schätzung des Auftraggebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Preisrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausschreibung, bei der ein Marktpreis gebildet werden kann . .
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173 174 175 175 176 176 178 178 179 180 180 181 181 182 183 184 184 185 186 187 187 188 188
Inhaltsverzeichnis bb) Ausschreibung, bei der kein Marktpreis gebildet werden kann – Selbstkostenpreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsschutz des Bieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsschutz des Bieters hinsichtlich der Festlegung einer Aufgreifschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsschutz des Bieters bei Durchführung einer kontradiktorischen Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kein Rechtsschutz des Bieters vor sich selber . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsschutz dritter Bieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Die Angemessenheitsprüfung in der VOF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XII. Integration der preisrechtlichen Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prüfung des Preisrechts im engeren Sinne (insbes. VO PR 30/53) . . . . 2. Prüfung des Preisrechts im weiteren Sinne (andere gesetzliche Vorgaben des Preises) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII. Spekulative Preise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Der Preis als Zuschlagskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Begriffe „Preis“ und „Wirtschaftlichkeit“ und deren Verhältnis . . . . . 1. Wirtschaftlichkeit im Vergaberecht und deren Folgen für den Preis . . . a) Inhalt der Wirtschaftlichkeitsbegriffe im Vergaberecht . . . . . . . . . . . aa) Einzelwirtschaftlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Gerichtliche Überprüfbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gesamtwirtschaftlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Wettbewerbsöffnende Komponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Preis als Inhalt der vergaberechtlichen Wirtschaftlichkeit . . . . . 2. Ergänzend: Wirtschaftlichkeit im Haushaltsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt des Wirtschaftlichkeitsprinzips im Haushaltsrecht . . . . . . . . . b) Der Preis als Inhalt der haushaltsrechtlichen Wirtschaftlichkeit . . . c) Prüfung der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsprinzips im Haushaltsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zur Deckungsgleichheit des vergaberechtlichen und haushaltsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Ergebnis zu G. I. 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Preis als nicht-zulässiges Zuschlagskriterium – gleichzeitig: Zulässigkeit der Ausblendung des Preises in der Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestimmungsrecht des Auftraggebers hinsichtlich der Zuschlagskriterien und Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fehlender Preiswettbewerb als Konkretisierung des Bestimmungsrechts des Auftraggebers bei der Verwendung des Preises als Zuschlagskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV.
Der Preis als ein Zuschlagskriterium – Die Bewertung des Kriteriums „Preis“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Wirtschaftlichkeitsgebot als Konkretisierung des Bestimmungsrechts des Auftraggebers bei der Verwendung des Preises als Zuschlagskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prozentuale Mindestwertigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Bewertung nur am Rande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine Vorgabe der Bewertung durch Vergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Überprüfungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung des Preises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Preis als einziges Zuschlagskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Preis als originäres einziges Zuschlagskriterium aufgrund europarechtlicher Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt der europarechtlichen Vorgaben – Wahlrecht des Auftraggebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wortlaut der VKR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erwägungsgründe Nr. 1 und Nr. 46 VKR bzw. Nr. 55 SKR . . . . cc) Vorschlag der EU-Kommission vom 20.12.2011 . . . . . . . . . . . . . dd) Entscheidung des EuGH, C-247/02 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Feststellung, wem die Wahlmöglichkeit zusteht . . . . . . . . . . . . . . ff) Neuerungen im Rahmen der Richtlinie 2014/24/EU . . . . . . . . . (1) Regelungen des Art. 67 der Richtlinie 2014/24/EU . . . . . . . (2) Erwägungsgründe Nr. (89) und Nr. (90) der Richtlinie 2014/24/EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umsetzung im Rahmen des GWB unter Geltung der europarechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausnahme Unterschwellenbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Preis als Unterkriterium der „Wirtschaftlichkeit“ nach § 97 GWB a) Wirtschaftlichkeit am besten durch Preis bestimmbar . . . . . . . . . . . . b) Keine Bekanntgabe weiterer Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Dokumentationspflicht hinsichtlich der Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Preis als einziges Zuschlagskriterium aufgrund nationaler haushaltsrechtlicher Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Preis als einziges Zuschlagskriterium, soweit keine anderen Kriterien genannt werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Der Preis als einziges Zuschlagskriterium in der VOF . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zulässigkeit von Nebenangeboten, wenn der Preis das einzige Zuschlagskriterium ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) OLG Düsseldorf 2010 – Wortlaut der VKR/SKR . . . . . . . . . . . . . . . . b) OLG Schleswig 2011 – Systematik, Sinn und Zweck der VKR/SKR c) BGH, Beschluss vom 07.01.2014 – X ZB 15/13 . . . . . . . . . . . . . . . . .
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211 212 213 213 215 215 216 216 216 217 217 217 218 218 219 220 220 221 222 223 223 225 225 226 226 228 228 229 229 230 232
Inhaltsverzeichnis
V.
19
d) OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.11.2013 – VII Verg 20/13 . . . 232 e) Regelungen in der RL 2014/24/EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
H. Die Änderung des Preises bei Verlängerung der Zuschlagsfrist und nach Zuschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verlängerung der Zuschlagsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Veränderungen des Preises nach Zuschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vertragliche Anpassungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Darstellung verschiedener Vertragsanpassungsklauseln . . . . . . . . . . . . . a) § 9 Abs. 9 VOB/A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weitere (optionale) Regelungen der VOB/B und VOL/B . . . . . . . . . aa) § 2 VOB/B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 2 VOL/B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Abgrenzung der Regelungen § 9 VOB/A – § 2 VOB/B – § 2 VOL/B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Andere (eigene) Preisanpassungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vergaberechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorgaben des § 9 Abs. 9 VOB/A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zu erwartende Preisänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ungewisser Eintrittszeitpunkt oder ungewisses Ausmaß der Änderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Angemessenheit der Änderung der Vergütung . . . . . . . . . . . . . . dd) Grundsätzliche Zulässigkeit einer vergleichbaren vertraglichen Regelung der Preisanpassung bei einer VOL- oder VOF-Vergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vergaberechtliche Einschränkungen über § 9 Abs. 9 VOB/A hinaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zulässigkeit im Zusammenhang mit Neuausschreibungspflicht bb) Verhandlungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vergabegrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere gesetzliche Vorgaben außerhalb des Vergaberechts – Preisrecht – AGB-Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Störung der Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Nachträgliche Preisverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertraglich festgelegte Verhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Grenzen vertraglich festgelegter Verhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachträgliche Verhandlungen ohne vertragliche Festlegung . . . . . . . . .
235 235 235 236 236 236 238 238 240 240 242 242 242 243 243 243
244 244 244 246 246 247 248 248 249 250 251
I. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 I. Zum Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe . . . . . . . . . . . . . . . . 252 II. Zum Preis als Eignungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
20
Inhaltsverzeichnis III. IV. V.
Zur Angemessenheitsprüfung und dem Ausschluss von unangemessenen Niedrig- und Hochpreisangeboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Zum Preis als Zuschlagskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Zur Änderung des Preises bei Verlängerung der Zuschlagsfrist und nach Zuschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
A. Einführung Der Preis als alltäglicher Begriff findet eine häufige Nutzung in nahezu jedem wirtschaftlichen Vorgang. So ist sein Gebrauch im Zusammenhang mit dem Vergaberecht, das den Einkauf öffentlicher Auftraggeber regelt, üblich. Der Begriff als solcher wird hierbei selten hinterfragt, vielmehr scheint allen Verwendern klar zu sein, worum es geht. In der konkreten Umsetzung des Vergaberechts ist der Begriff jedoch häufig Ausgangspunkt einer Diskussion. Auffällig ist dies insbesondere bei den Teilen des Vergaberechts, die sich mit den Angeboten der Bieter befassen. Hier stellen sich konkrete Fragen nach den Möglichkeiten, Pflichten und Rechten der Bieter und Auftraggeber, etwa im Zusammenhang mit dem Umfang der Preisangaben, dem Preis als Eignungs- und Wertungskriterium oder Regelungen des Preises nach Zuschlagserteilung. Diese und weitere Fragen sollen im Folgenden, der Prüfungssystematik einer Angebotsprüfung angelehnt, dargestellt und, soweit möglich, mit einem Lösungsvorschlag versehen werden. Die Arbeit versteht sich in diesem Zusammenhang insbesondere als Systematisierung bestehender Judikatur und Literatur, in der Argumentationen für die darzustellenden Probleme aufgezeigt werden.
B. Der Preis in der Wirtschaftswissenschaft und verschiedenen Rechtsgebieten Das vorliegende zweite Kapitel soll einer Vorbereitung der späteren Kapitel dienen. Wie zu zeigen sein wird, lassen sich auf verschiedene Fragestellungen im Zusammenhang mit der Behandlung des Preises im Vergaberecht Antworten aus der Wirtschaftswissenschaft und „verwandten“ Rechtsgebieten herleiten bzw. hieraus Ansätze zu einer Lösungsfindung entwickeln. Beabsichtigt ist hier eine Darstellung von Themen, die einen Bezug zur späteren Prüfung aufweisen. Hierzu ist es geboten, bereits in diesem frühen Stadium der Arbeit kurz in die genannten Gebiete einzuführen, um später auf diese Einführung zurückzugreifen. Letztlich soll in diesem Kapitel auch in verschiedene Begrifflichkeiten eingeführt werden.
I. Der Preis in der Wirtschaftswissenschaft Der Begriff des Preises weist wie erwähnt eine starke Verbindung zu den Wirtschaftswissenschaften auf. 1. Definition des Begriffes „Wirtschaftswissenschaft“ In diesem Zusammenhang ist eine erste Definition seitens des Verfassers notwendig. Der hier verwendete Begriff der Wirtschaftswissenschaften umfasst die „Disziplin, [. . .] die sich mit deskriptiven, theoretischen pragmatischen und normativen Aspekten des Wirtschaftens befasst“,1 definiert wird sie demnach durch ihr „Erkenntnisobjekt“, die Wirtschaft.2 Der genaue Umfang und die Inhalte der Wirtschaftswissenschaft sind Teil einer umfangreichen Diskussion.3 Im Rahmen dieser Arbeit wird der Begriff der Wirtschaft gemäß der dargestellten Definition verstanden, eine trennscharfe Abgrenzung gegenüber anderen Sozialwissenschaften erfolgt nicht. Wesentlich ist für die Untersuchung in diesem Zusammenhang nur, dass sich die Wirtschaftswissenschaften mit dem „Wirtschaften“/„der Wirtschaft“, also den Gesetzmäßigkeiten im Zusammenhang mit dem rationalen Um1
Vahlens Großes Wirtschaftslexikon, Band 2, S. 2394. Woll, in: Woll, Wirtschaftslexikon, S. 840. 3 Hierauf weisen etwa Woll, in: Woll, Wirtschaftslexikon, S. 840 und Albach, in: Gablers Wirtschaftslexikon, S. 3459 hin; Albach bezweifelt in diesem Zusammenhang die Eigenständigkeit der Wirtschaftswissenschaften. 2
I. Der Preis in der Wirtschaftswissenschaft
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gang mit knappen Gütern, insbesondere dem Erwerb und Verkauf von Waren und Dienstleistungen, beschäftigt,4 und somit über eine normative Betrachtung der Beschaffung hinausgeht. 2. Der Begriff des Preises Definiert wird der Preis in den Wirtschaftswissenschaften als der „in Geldeinheiten ausgedrückte Tauschwert eines Gutes“.5 Da der Tauschwert hier durch Geld bestimmt wird, wird auch von einem „absoluten Preis“ gegenüber dem „relativen Preis“ gesprochen, welcher den Tauschwert des Gutes in den Einheiten eines anderen Wirtschaftsgutes ausdrückt.6 3. Preisbildung Der (Markt)preis wird durch Angebot und Nachfrage bestimmt.7 Dargestellt werden kann der Mechanismus der Preisbildung grundlegend in einem Auktionsmodell,8 in dem der Verkäufer eines Gutes dieses zunächst zu einem bestimmten Preis anbietet. Angenommen wird nach dem Modell, dass dieses Angebot aufgrund eines für die Nachfrager ungünstigen Preises zu einem Angebotsüberschuss, also einer Nachfrage, die das Angebot nicht ausschöpft, führt. Hiernach wird der Auktionator die Ware zu einem günstigeren Preis anbieten, was zur Folge haben kann, dass die Nachfrage des Gutes das Angebot übersteigt (Nachfrageüberschuss). In Wiederholung dieser Vorgehensweisen bildet sich ein Preis, in dem Angebot und Nachfragemenge übereinstimmen. Maßgeblich für die Preisbildung sind hierfür das jeweilige Marktverhalten von Anbietern und Nachfragern sowie die jeweilige Marktstruktur.9 Unterschieden wird in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur zwischen einer vollständigen Konkurrenz, einer monopolistischen Konkurrenz, einem Angebotsoligopol und einem Angebotsmonopol.10 Je nach Marktstruktur bilden sich Preise in unterschiedlicher Form.11
4 Albach, in: Gablers Wirtschaftslexikon, S. 3459, dessen Definition im Wortlaut von der oben dargestellten abweicht, jedoch ebenfalls die Wesentlichkeit des Erkenntnisobjektes „Wirtschaft“ herausstellt. 5 Gablers Wirtschaftslexikon, S. 2401. 6 Gablers Wirtschaftslexikon, S. 2401. 7 Mankiw, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 2. Auflage, S. 69. 8 Siehe zur Darstellung des Modells: „Wirtschaft heute“, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Band 1007, S. 90 ff. 9 Zu diesen Fragestellungen etwa: Wied-Nebbling, Preistheorie und Industrieökonomik; unterschieden wird hier zwischen verschiedenen Marktformen (dargestellt werden verschiedene Arten von Monopolen, Monopsonen, Oligopolen und das Polypol), siehe ebenda, Schema S. 3. 10 Vahlens Großes Wirtschaftslexikon, Band 2, S. 1681 f.; siehe auch Wied-Nebbling, Preistheorie und Industrieökonomik, mit weitergehender Differenzierung.
24 B. Der Preis in der Wirtschaftswissenschaft und verschiedenen Rechtsgebieten
4. Preisfunktionen Die Preise erfüllen in den Wirtschaftswissenschaften verschiedene Funktionen. Hinsichtlich der Anzahl der Funktionen finden sich unterschiedliche Angaben, die sich teilweise überschneiden.12 Hier werden die vier Merkmale genannt, die „Vahlens Großes Wirtschaftslexikon“ darstellt und die Übereinstimmungen mit anderen Quellen aufweisen; allerdings erfolgt die Darstellung in veränderter Reihenfolge. Daneben wird noch eine weitere Funktion aufgeführt. Diese Auflistung soll keineswegs als abschließend verstanden werden. Vielmehr bieten diese Funktionen einen Ansatz für spätere Ausführungen. a) Signalfunktion/Informationsfunktion Als erste Funktion wird die Signalfunktion genannt. Durch die Preise werden Signale über die Marktsituation an die Akteure gesendet.13 Statt des Begriffes der Signale wird auch der Begriff der Informationen verwendet.14 Daher können Preise auch als Informationen über zu erwartende Zahlungen für bestimmte Güter zu einem bestimmten Zeitpunkt begriffen werden.15 b) Koordinationsfunktion Als zweite Funktion des Preises wird die Koordination der Produktion der Anbieter mit Nachfragerwünschen genannt.16 Mittels der oben beschriebenen Signale/Informationen steuern die Preise das Angebot in Bezug auf die Nachfrage und koordinieren die Planung aufseiten der Anbieter und Nachfrager.17 c) Allokationsfunktion Eine wesentliche Funktion, die sich teilweise aus den beschriebenen Funktionen ergibt, ist die Zuteilung von Ressourcen durch die Preise.18 Die Ressourcen werden hierbei an diejenigen verteilt, die bereit sind, den höchsten Preis zu bezahlen, daher erfolgt eine Verteilung an die Stellen, deren Nachfrage hierfür 11 Zur Preisbildung und sich daraus ergebender Preisstrategien der Anbieter und Nachfrager siehe etwa Wied-Nebbling, Preistheorie und Industrieökonomik. 12 Gablers Wirtschaftslexikon, S. 2412, 2413 nennt beispielsweise drei Funktionen; Vahlens Großes Wirtschaftslexikon, Band 2, S. 1684 f. nennt dagegen fünf Funktionen. 13 Vahlens Großes Wirtschaftslexikon, Band 2, S. 1685. 14 Vahlens Großes Wirtschaftslexikon, Band 2, S. 1684: „Mit Hilfe von Preisen werden Informationen (Signale) gegeben; [. . .]“. 15 So auch Luhmann, Die Wirtschaft der Gesellschaft, 2. Auflage, S. 18/20. 16 Vahlens Großes Wirtschaftslexikon, Band 2, S. 1684. 17 Woll, in: Woll, Wirtschaftslexikon, S. 616. 18 Mankiw, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 2. Auflage, S. 93.
II. Gesetzliche Regelungen außerhalb des Vergaberechts
25
am größten ist.19 Die Preise passen sich im Hinblick auf die Bereitschaft der Nachfrager, den durch den Anbieter angegebenen Preis zu entrichten, an.20 Dies gilt für die Nachfrage an Leistungen durch die Verbraucher genauso wie für die Nachfrage von Produktionsfaktoren.21 d) Auslesefunktion Eine weitere Funktion ist die Auslesefunktion.22 Gemeint ist hiermit die Bereinigung des Marktes um alle Produzenten, die aufgrund mangelnder Leistungsfähigkeit zu hohe Preise für ihre Leistungen bestimmen und deren Leistungen somit nicht nachgefragt werden, mit dem Ergebnis, dass diese Unternehmen vom Markt verschwinden.23 e) Preise als systemische Selbstreferenz/Selbstbeschreibung Letztlich ist die Funktion der Preise als systemische Selbstreferenz zu nennen.24 Im Zusammenhang mit einer Untersuchung der Leistungsfähigkeit des Wirtschaftssystems werden Preise als Möglichkeit begriffen, dessen Leistungsfähigkeit zu analysieren, wobei der Begriff des Wirtschaftssystems weit verstanden und somit vom einzelnen Betrieb bis zum Gesamtwirtschaftssystem der Weltgesellschaft begriffen wird.25
II. Gesetzliche Regelungen des Preises außerhalb des Vergaberechts und ihre Begründung Der Preis spielt auch im Rahmen mancher Rechtsgebiete eine Rolle. Hierzu sollen im Vorfeld der späteren Untersuchung einige rechtliche Regelungen dargestellt werden, um einen späteren Rückgriff zu ermöglichen. Im Rahmen dieser Darstellung gilt verstärkt, dass diese sich aus konkreten Fragestellungen in der weiteren Arbeit ergibt. Nicht erfolgen soll (und kann) eine Darstellung aller mög-
19
Mankiw, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 2. Auflage, S. 93 mit dem Beispiel der Verteilung von Seegrundstücken an bayrischen Seen. 20 Vahlens Großes Wirtschaftslexikon, Band 2, S. 1685; siehe hierzu auch das oben dargestellte Auktionsmodell unter B. I. 2. 21 Vahlens Großes Wirtschaftslexikon, Band 2, S. 1685 unterteilt insoweit in die Allokation der Güter auf die Nachfrager (Zuteilungsfunktion) und die Allokation der Produktionsfaktoren (Lenkungsfunktion). Bei den anderen hier angegebenen Quellen findet sich diese Unterteilung nicht und wird daher auch hier unterlassen. 22 Vahlens Großes Wirtschaftslexikon, Band 2, S. 1685. 23 Vahlens Großes Wirtschaftslexikon, Band 2, S. 1685. 24 Luhmann, Die Wirtschaft der Gesellschaft, 2. Auflage, S. 33, 42. 25 Luhmann, Die Wirtschaft der Gesellschaft, 2. Auflage, S. 33, 34.
26 B. Der Preis in der Wirtschaftswissenschaft und verschiedenen Rechtsgebieten
lichen Rechtsregelungen, in denen sich Regelungen über Preise finden oder die einen Einfluss auf Preise haben können. 1. Kartellrecht/Wettbewerbsrecht Ein Rechtsgebiet, welches auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und deren Preise Einfluss haben kann, ist das Kartellrecht. Gesetzlich geregelt ist das Vergaberecht auf nationaler Ebene im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB),26 in dem zugleich das nationale Kartellrecht geregelt ist27. Dies nährt zumindest den Verdacht, das Vergaberecht habe einen kartellrechtlichen Einschlag.28 Dieser wird etwa durch die institutionelle Einordnung der Vergabekammern des Bundes beim Bundeskartellamt verstärkt.29 Die grundsätzliche Anwendbarkeit des Kartellrechts ist für öffentliche Unternehmen in verschiedener Ableitung gegeben.30 a) Ziel des Kartellrechts Das Kartellrecht dient dem Schutz des freien Wettbewerbs.31 Zweck ist, die Beseitigung oder Beschränkung des Wettbewerbs zulasten Dritter zu verhindern.32 Geschützt werden soll der Prozess des Wettbewerbs als „Entdeckungsverfahren“ mit dem Ziel allokativer Effizienz.33 Dies soll im Wesentlichen mit26 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juli 2005 (BGBl. I S. 2114; 2009 I S. 3850), das zuletzt durch Artikel 1 u. Artikel 4 Absatz 2 des Gesetzes vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2403) geändert worden ist; siehe dort 4. Teil, §§ 97–129b GWB. 27 Lettl, Kartellrecht, § 7, Rn. 1 ff. 28 Siehe in diesem Zusammenhang etwa die Bezeichnung als „Kartellvergaberecht“, die sich aus der systematischen Einordnung des Vergaberechts in die §§ 97 ff. GWB ergibt, etwa bei: Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97, Überschrift zu Rn. 29; siehe auch: Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97, Rn. 37 mit Verweis auf Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, 277, 295 ff., der feststellt, dass sich aus dieser Einordnung eine besondere „Zwischenstellung des Vergaberechts zwischen Privat- und öffentlichem Recht“ ergibt, welche der Tatsache Rechnung trägt, dass der Staat „als Auftraggeber [. . .] nicht als normaler Marktteilnehmer [handelt], sondern [. . .] unter Einsatz seiner außergewöhnlich großen Nachfragemacht einseitig [. . .] über die wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten privater Anbieter auf vielfach hoch spezialisierten Märkten [entscheidet].“ 29 BT-Drucks. 13/9340, 03.12.1997, D. Kosten: „Organisatorisch kann auf die bestehenden Vergabeüberwachungsausschüsse des Bundes beim Bundeskartellamt [. . .] zurückgegriffen werden.“ 30 Lettl, Kartellrecht, §, Rn. 1, 21 und § 5, 1 ff. 31 Lettl, Kartellrecht, § 7, Rn. 5; Meessen, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, Einführung, Rn. 5. 32 Lettl, Kartellrecht, § 1, Rn. 3. 33 Meessen, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, Einführung, Rn. 7, der von Wettbewerb als einem „prozesshaften Geschehen“ spricht.
II. Gesetzliche Regelungen außerhalb des Vergaberechts
27
tels einer Verhaltens- und einer Strukturkontrolle erfolgen.34 Die Verhaltenskontrolle erfolgt durch eine Prüfung von vertraglichen Vereinbarungen bzw. außervertraglichem Verhalten von Unternehmen auf die Bildung von Wettbewerbsbeschränkungen; die Strukturkontrolle erfolgt im Wesentlichen mittels der Kontrolle von Fusionen der Marktteilnehmer.35 Hierzu ist ein System etabliert worden, das zuständigen Wettbewerbsbehörden verschiedene Befugnisse zur dargestellten Kontrolle gibt.36 Der Begriff des Kartellrechts wird häufig synonym mit dem Begriff des Wettbewerbsrechts gebraucht.37 Jedoch besteht dann die Gefahr einer Verwechslung mit dem Lauterkeitsrecht,38 welches auch als Recht des unlauteren Wettbewerbs oder Wettbewerbsrecht im engeren Sinne bezeichnet wird.39 b) Gesetzliche Grundlagen Das Kartellrechtsregime findet sich auf europäischer und nationaler Ebene und genießt aufgrund des Grundsatzes des Vorranges des Gemeinschaftsrechts40 Anwendungsvorrang vor nationalen Regelungen.41 Demnach sind gesetzliche Grundlagen des Kartellrechts auch auf den beiden Ebenen zu finden. Auf europäischer Ebene enthält der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union42 Regelungen in Art. 101–106. Auf deren Grundlage, bzw. auf der Grundlage der Vorgängerverordnungen, ist ein umfassendes europäisches Kartellrecht erlassen worden. In Art. 101 AEUV findet sich als einer der Grundpfeiler ein Verbot wettbewerbsbehindernder Vereinbarungen und Beschlüsse, das sog. Kartellverbot.43 Art. 102 AEUV enthält, als zweiten Pfeiler, das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung, das sog. Missbrauchsverbot44 bzw.
34
Bechthold, in: ders., Kartellgesetz, Einführung, Rn. 52, 53. Bechthold, in: ders., Kartellgesetz, Einführung, Rn. 52, 53. 36 Zu den verschiedenen Sanktionen und Verfahren siehe Lettl, Kartellrecht, § 11, Rn. 1 ff. 37 Meessen, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, Einführung, Rn. 5. 38 Siehe hierzu unten unter B. II. 2. 39 Meessen, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, Einführung, Rn. 131; zur Abgrenzung siehe ebenda. 40 Siehe hierzu etwa Arndt, Europarecht, S. 129 ff.; EuGH, 15.07.1964 – 6/64 („Costa/ENEL“). 41 Bechthold, in: ders., Kartellgesetz, Einführung, Rn. 68 mit Verweis auf EuGH, 13.02.1969 –14/68 („Walt Wilhelm“). 42 Konsolidierte Fassung bekanntgemacht im ABl. EG Nr. C 115 vom 09.05.2008, S. 47, im Folgenden AEUV. 43 Hierzu: Bechthold, in: ders., Kartellgesetz, Einführung, Rn. 60 und ff. 44 Hierzu: Bechthold, in: ders., Kartellgesetz, Einführung, Rn. 64. 35
28 B. Der Preis in der Wirtschaftswissenschaft und verschiedenen Rechtsgebieten
Verbot einseitiger Handlungen.45 Letztlich besteht eine Zusammenschlusskontrolle der Unternehmen46, die jedoch nicht auf Ebene des AEUV geregelt ist, sondern sich auf Ebene der Verordnungen als Fusionskontrollverordnung47 findet.48 Spiegelbildlich finden sich hierzu auf nationaler Ebene Regelungen im GWB. § 1 GWB enthält das Verbot wettbewerbsbehindernder Vereinbarungen und Beschlüsse, §§ 19 bis 21 GWB das Verbot verschiedener einseitiger Handlungen von Unternehmen, wobei die Regelungen über die des AEUV hinausgehen,49 die Zusammenschlusskontrolle findet ihre Grundlage in den §§ 35 bis 43 GWB. c) Behörden und Kompetenzen Bei den Behörden, denen die Durchsetzung des Kartellrechts obliegt, ist ebenfalls zwischen einer europäischen und einer nationalen Ebene zu unterscheiden. Auf europäischer Ebene ist die Kommission50 die zuständige Behörde,51 auf nationaler deutscher Ebene ist es das Bundeskartellamt.52 Hinsichtlich der Durchsetzung der oben genannten Ziele stehen den Behörden im Wesentlichen drei Instrumente zur Verfügung. Zunächst können durch die Kartellbehörden Abstellungsverfügungen erlassen werden.53 Weiterhin besteht die Möglichkeit, finanzielle Sanktionen zu erlassen, um die Verletzung von kartellrechtlichen Verbotsnormen zu ahnden.54 Hinsichtlich der Fusionskontrolle besteht daneben noch ein System präventiver Tätigkeit seitens der Behörden, die eine Fusion nach vorheriger Anmeldung der Wirtschaftsteilnehmer prüfen und legitimieren.55
45 Zum Begriff der „einseitigen Handlung“ siehe Darstellung in: Lettl, Kartellrecht, § 7, Rn. 6. 46 Siehe Strukturkontrolle, oben unter B. II. 1. a). 47 VO 139/2004 v. 20.01.2004; Abl. 2004 L 24/1, im Folgenden FKVO. 48 Bechthold, in: ders., Kartellgesetz, Einführung, Rn. 66; zum „alten Recht“ vor dem AEUV siehe Lettl, Kartellrecht, 2. Auflage, § 7, Rn. 6 und § 6, Rn. 11 ff. 49 Bechthold, in: ders., Kartellgesetz, Vorbemerkung vor § 19 GWB, Rn. 4. 50 Siehe auch Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (Kartellverfahrensverordnung). 51 Art. 105 Abs. 1 AEUV; Art. 7, 8 und 14 FKVO. 52 §§ 32 ff., 39, 40 GWB. 53 Meessen, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, Einführung, Rn. 34, 35. 54 Meessen, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, Einführung, Rn. 36, 37. 55 Meessen, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, Einführung, Rn. 38, 39.
II. Gesetzliche Regelungen außerhalb des Vergaberechts
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d) Der Preis im Kartellrecht – insbes. Begriffe der „Preisbildungsfreiheit“, der „Preisgestaltungsfreiheit“ und des „Preismissbrauchs“ Der Begriff des Preises findet sich an wesentlichen Stellen des Kartellrechts. In Bezug auf das vorliegende Thema der Arbeit scheinen zwei Begriffe, die im Zusammenhang mit dem Kartellrecht Anwendung finden, hier darstellungswürdig: Die Begriffe der „Preisbildungsfreiheit“ und der „Preisgestaltungsfreiheit“. aa) Preisbildungsfreiheit Art. 101 AEUV schützt die „Preisbildungsfreiheit“ und hierdurch den freien Wettbewerb der Preise.56 Dies kommt in lit. a) des Art. 101 AEUV zum Ausdruck, durch den die „unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise [. . .]“ verboten wird. Umfasst werden durch diesen sehr weiten Tatbestand allerdings nur die Festlegungen in Verträgen, welche die Preisfestlegungen in Zweitverträgen umfassen.57 Nicht umfasst ist daher die Einwirkung auf den direkten Vertragspartner. Verboten sind beispielsweise die Vereinbarung von Mindestpreisen oder Festlegung von Festpreisen, aber auch andere preisrelevante Faktoren wie etwa Skonti, Preisnachlässe und Rückvergütungen.58 Eine Verletzung der Preisbildungsfreiheit ist auf horizontaler Ebene durch Absprachen innerhalb des gleichen Wirtschaftszweiges, aber auch in vertikaler Ebene durch Preisbindung der Wiederverkäufer möglich.59 bb) Preisgestaltungsfreiheit Der Begriff der „Preisgestaltungsfreiheit“ dient ebenfalls der Realisierung des freien Wettbewerbs.60 Dies ist etwa in der VO 2790/199961 erkennbar. Diese regelt die Freistellungsmöglichkeit nach Art. 81 Abs. 3 EGV62 für „Vereinbarungen oder Gruppen von Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse oder Gruppen von Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen, aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen oder Gruppen von solchen“ unter bestimmten Voraussetzungen. Als Ausnahme von der Möglichkeit der Freistellung wird in Art. 4
56
Emmerich, Kartellrecht, S. 94, Rn. 5. Lettl, Kartellrecht, § 2, Rn. 76. 58 Emmerich, Kartellrecht, S. 94, Rn. 5. 59 Lettl, Kartellrecht, § 2, Rn. 76. 60 Lettl, Kartellrecht, § 9, Rn. 122 spricht von „der Freiheit der Preisgestaltung als Ausprägung der Wettbewerbsfreiheit“. 61 Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 der Kommission vom 22. Dezember 1999 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen. 62 Inzwischen Art. 101 Abs. 3 AEUV. 57
30 B. Der Preis in der Wirtschaftswissenschaft und verschiedenen Rechtsgebieten
lit. a.) die „vertikale Vereinbarung“ genannt, welche „die Möglichkeiten des Käufers, seinen Verkaufspreis selbst festzusetzen“ beschränken. Hiermit ist das oben im Rahmen des Schutzes der Preisbildungsfreiheit schon benannte Verbot der vertikalen Preisbindungen dargestellt.63 cc) Preismissbrauch/„predatory pricing“ Zwei weitere genannte Fallgruppen, die einen Bezug zur Arbeit aufweisen, sind der Preismissbrauch und das Fordern von Preisen unter Selbstkosten. Das Kartellrecht sanktioniert in diesem Zusammenhang das Erzwingen unangemessener Einkaufspreise aufgrund bestehender Marktmacht der Einkäufer.64 Ebenfalls ist das Fordern von Preisen unter Selbstkosten (sog. „predatory pricing“) kartellrechtlich überprüfbar.65 2. Lauterkeitsrecht/UWG Ein weiteres Rechtsgebiet, welches im Zusammenhang mit preislichen Regelungen des Vergaberechts, die sich auf die Untersuchung auswirken können, genannt werden muss, ist das Lauterkeitsrecht. a) Ziel des Lauterkeitsrechts Kartellrecht und Lauterkeitsrecht überschneiden sich an verschiedenen Punkten insbesondere aufgrund des Wettbewerbs als gemeinsames Schutzgut,66 sodass teilweise von einer „Verwandtschaft“,67 teilweise von einem „Funktionszusammenhang“ 68 gesprochen wird. Eine Abgrenzung wird wohl mit der Trennung zwischen dem Lauterkeitsrecht als „Marktverhaltenskontrolle“ gegenüber dem Kartellrecht als „Marktstrukturkontrolle“ erfolgen können.69 Anders ausgedrückt schützt das Kartellrecht die Freiheit des Wettbewerbes (mittels Kontrolle der Marktstruktur); das Lauterkeitsrecht schützt die Lauterkeit des Wettbewerbes (mittels Kontrolle des Marktverhaltens der Marktteilnehmer).70
63 64 65 66 67 68 69 70
Lettl, Kartellrecht, 2. Auflage, § 2 Rn. 149 f. Lettl, Kartellrecht, § 3, Rn. 27. Lettl, Kartellrecht, § 3, Rn. 27. Lettl, Kartellrecht, § 7, Rn. 7. Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 1, Rn. 3. Ohly, in: Piper/ders./Sosnitza, UWG, Einführung A, Rn. 2. Ohly, in: Piper/ders./Sosnitza, UWG, Einführung A, Rn. 2. Lettl, Kartellrecht, § 7, Rn. 7.
II. Gesetzliche Regelungen außerhalb des Vergaberechts
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b) Gesetzliche Grundlagen Das Lauterkeitsrecht findet seine wesentlichen gesetzlichen Regelungen im UWG, teilweise auch in einzelnen Verordnungen und Nebengesetzen.71 c) Die Durchsetzung des Lauterkeitsrechts72 Die Durchsetzung des Lauterkeitsrechts erfolgt mittels der Geltendmachung vor staatlichen Gerichten als zivilrechtlicher Anspruch.73 Dies ist durch Betroffene, aber auch ergänzend durch Verbände möglich.74 Das Lauterkeitsrecht ist darüber hinaus durch außergerichtliche Streitbeilegung und, soweit es zu einer einstweiligen Verfügung kommt, durch sog. Abschlussverfahren, geprägt, die eine aufwendige Ausschöpfung des zivilrechtlichen Rechtswegs verhindern sollen.75 Das Strafrecht bildet letztlich eine „ultima ratio“ gegenüber den aufgezeigten Möglichkeiten.76 Ergänzend kann noch auf die Regelungen der EU im Rahmen der Richtlinie 84/450/EWG über irreführende Werbung hingewiesen werden.77 d) Der Preis im Lauterkeitsrecht in Bezug zum Preis im Vergaberecht Der Preis findet im Lauterkeitsrecht einen wesentlichen Anknüpfungspunkt in (irreführender) Preiswerbung.78 Die Durchsetzung der Ansprüche von Bietern gegen andere Bieter bei rechtswidrigen Preisangeboten hat im dargestellten zivilrechtlichen Wege zu erfolgen. Ein Bezug zum Vergaberecht lässt sich hier nur begrenzt, allenfalls in dem teilweise vergleichbaren Schutzzweck des Lauterkeitsrechts mit dem der dritten Wertungsstufe der vergaberechtlichen Angebotsprü-
71 Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 1, Rn. 1; als Verordnung wird hier die Preisangabenverordnung von 1985 in der Fassung von 2000, als Gesetz das Heilmittelwerbegesetz von 1978, genannt; ebenso mit weiteren Beispielen: Ohly, in: Piper/ders./Sosnitza, UWG, Einführung A, Rn. 6 f. 72 Siehe hierzu auch: Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Einl UWG, 2.23 ff. 73 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Einl UWG, 2.25. 74 Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 21, Rn. 10 ff. 75 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Einl UWG, 2.25. 76 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Einl UWG, 2.25. 77 Siehe hierzu Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Einl UWG, 2.24. 78 Siehe hierzu Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 16, Rn. 1 ff.
32 B. Der Preis in der Wirtschaftswissenschaft und verschiedenen Rechtsgebieten
fung, erkennen.79 Auch können Begrifflichkeiten aus lauterkeitsrechtlicher Literatur, welche den Preis zum Gegenstand hat, übernommen werden.80 3. Haushaltsrecht Das Haushaltsrecht dient der Schaffung einfachgesetzlicher Rahmenbedingungen wirtschaftlicher Staatstätigkeit mit dem Ziel, dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit81 zur Geltung zu verhelfen. Gesetzliche Grundlagen zum Haushaltsrecht finden sich wesentlich in Art. 114 Abs. 2 Grundgesetz82, dem Haushaltsgrundsätzegesetz83, der Bundeshaushaltsordnung84 und den Haushaltsordnungen der Länder; das Haushaltsrecht stellt im Wesentlichen Innenrecht der Verwaltung dar.85 Den wesentlichen Anknüpfungspunkt des Preises einer Leistung im Rahmen einer Vergabe zum Haushaltsrecht bildet der genannte Begriff der Wirtschaftlichkeit. Inhalt des grundgesetzlich verankerten Wirtschaftlichkeitsprinzips ist die „Optimierung von Mitteleinsatz und Ergebnis“.86 Der Preis ist in diesem Zusammenhang wesentlicher Indikator für diese.87 Eine nähere Untersuchung der Verbindung vom Haushaltsrecht zum Preis im Vergaberecht erfolgt aufgrund konkreter Anknüpfungspunkte der Wirtschaftlichkeit in Kapitel G.88 79 Schutz des Auftraggebers/Verbrauchers vor unlauteren Angeboten; für das UWG: Sosnitza, in: Piper/Ohly/ders., UWG, § 1, Rn. 3; Schutzzweck der Angemessenheitsprüfung im Vergaberecht siehe unter F. II. 80 Etwa der Begriff der „Gemeinkosten“, definiert zum Beispiel von Ohly, in: Piper/ ders./Sosnitza, UWG, § 4, Rn. 10/91. 81 Grundgesetzlich geregelt in Art. 114 II GG; dieser Grundsatz wird haushaltsrechtlich durch den Grundsatz der Sparsamkeit ergänzt, dieser ist in § 6 Abs. 1 HGrG und § 7 Abs. 1 der Haushaltsordnungen des Bundes und der Länder geregelt; siehe hierzu Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 7, Rn. 34. 82 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11. Juli 2012 (BGBl. I S. 1478) geändert worden ist, im Folgenden GG. 83 Haushaltsgrundsätzegesetz vom 19. August 1969 (BGBl. I S. 1273), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Mai 2010 (BGBl. I S. 671) geändert worden ist, im Folgenden HGrG. 84 Bundeshaushaltsordnung vom 19. August 1969 (BGBl. I S. 1284), die zuletzt durch Artikel 10 des Gesetzes vom 9. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1885) geändert worden ist, im Folgenden BHO. 85 Gröpl, in: ders., BHO/LHO, Einl. Rn. 40–42 unter Nennung von Ausnahmen und dem Hinweis, „dass sich der Wirkungsbereich des Haushaltsrechts zumeist und in aller Regel auf den Binnenraum einer juristischen Person des öffentlichen Rechts beschränkt.“ 86 Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 7, Rn. 34. 87 Zur Funktion des Preises als systemische Selbstreferenz siehe oben unter B. I. 4. e). 88 Siehe dort unter G. I.
II. Gesetzliche Regelungen außerhalb des Vergaberechts
33
4. Beihilferecht Auch erscheint es möglich, dass sich aus beihilferechtlichen Regelungen Bezüge zum Thema der Dissertation ergeben. a) Ziel und gesetzliche Grundlagen des Beihilferechts Das Beihilferecht dient der Verhinderung einer Verfälschung des Wettbewerbs durch den Staat mittels Subventionen.89 Ziel der Regeln ist daher, ähnlich dem Kartellrecht und dem Lauterkeitsrecht, der Schutz des freien Wettbewerbs.90 Die auf europäischer Ebene geregelten gesetzlichen Grundlagen des Beihilferechts, die insoweit Vorrang genießen,91 finden sich inzwischen in Art. 107 ff. AEUV. Nationale Regelungen finden sich im Haushaltsrecht, insbesondere im Haushaltsgrundsätzegesetz92 und der Bundeshaushaltsordnung93.94 Die Durchführung des Subventionsrechtsverhältnisses orientiert sich am Verwaltungsverfahrensrecht.95 b) Behörden und deren Kompetenzen Das Europarecht sieht eine Überprüfung der Beihilfen auf europarechtliche Zulässigkeit mittels der EU-Kommission vor.96 Gegen die Entscheidungen der Kommission können die betroffenen Unternehmen Rechtsschutz geltend machen.97 Im Rahmen dieses Instanzenzugs kann auch Drittschutz geltend gemacht werden, wenn entgegen der Ansicht eines Wettbewerbers ein Konkurrent eine rechtswidrige Beihilfe erhält.98
89 Frenz, Handbuch Europarecht, Band 3 Beihilfe- und Vergaberecht, Kapitel 1, § 1, Rn. 1. 90 Frenz, Handbuch Europarecht, Band 3 Beihilfe- und Vergaberecht, Kapitel 1, § 1, Rn. 3, der herausstellt, dass das Beihilferecht „von der Zielrichtung her auf einer Linie mit den anderen Wettbewerbsregeln [liegt]“. 91 Zum Anwendungsvorrang siehe Arndt, Europarecht, S. 129 ff.; EuGH, 15.07. 1964 – 6/64 („Costa/ENEL“). 92 Etwa § 14 HGrG. 93 Etwa §§ 23, 44 BHO. 94 Huber, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 3. Kap., Rn. 228. 95 Huber, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 3. Kap., Rn. 234 ff. 96 Art. 108 Abs. 1 AEUV. 97 Siehe hierzu: Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 6, Rn. 116 ff. 98 Siehe hierzu: Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 6, Rn. 128 ff.
34 B. Der Preis in der Wirtschaftswissenschaft und verschiedenen Rechtsgebieten
c) Beihilferechtliche Regelungen und der Preis im Vergaberecht Hinsichtlich der Verknüpfung der beihilferechtlichen Regelungen mit dem Preis im Vergaberecht besteht ein konkreter Ansatzpunkt. Dieser ergibt sich, wenn der Zuschlag auf ein Angebot erfolgt, das deswegen preislich besonders günstig ist, weil der geringe Angebotspreis mittels einer Beihilfe subventioniert wurde. Diesbezüglich aufkommende Fragen, etwa hinsichtlich der Angemessenheit solcher Preise, beantwortet das Vergaberecht durch explizite Regelungen im oberschwelligen Bereich.99 So bestimmt etwa § 19 Abs. 7 VOL/A-EG:100 „Angebote, die aufgrund einer staatlichen Beihilfe ungewöhnlich niedrig sind, können allein aus diesem Grund nur dann zurückgewiesen werden, wenn das Unternehmen nach Aufforderung innerhalb einer von den Auftraggebern festzulegenden Frist nicht nachweisen kann, dass die betreffende Beihilfe rechtswidrig gewährt wurde. Auftraggeber, die unter diesen Umständen ein Angebot zurückweisen, müssen die Kommission der Europäischen Gemeinschaften darüber unterrichten.“
Der vergaberechtliche Anknüpfungspunkt der in § 19 Abs. 7 VOL/A-EG dargestellten Prüfung ist die Feststellung, ob Angebote aufgrund von Beihilfen ungewöhnlich niedrig sind, mithin die Prüfung der Angemessenheit.101 Der Auftraggeber kann Angebote, die aufgrund einer staatlichen Beihilfe ungewöhnlich niedrig sind und bei denen der Bieter nicht innerhalb einer Frist nachweisen kann, dass diese Beihilfe rechtmäßig erfolgt ist,102 ablehnen.103 Die Darstellung erfolgt im Laufe der Untersuchung unter F. VIII. 5. Preisrecht Letztlich erlangt im Zusammenhang mit der Arbeit das Preisrecht in Verbindung mit der öffentlichen Beschaffung eine wichtige Stellung. a) Ziel und Geschichte des Preisrechts Ziel des Preisrechts ist zum einen die Aufrechterhaltung eines Preisstands und zum anderen die Schaffung eines Ausgleichs zwischen Anbieter und Nachfrager.104 Im Rahmen der Darstellung des Preisrechts ist die Notwendigkeit dieses
99
Siehe auch § 16a Abs. 2 VOB/A. Insoweit wortgleich ist § 16a Abs. 2 VOB/A. 101 Varva, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 19-EG, Rn. 241, 244. 102 Ruhland, in: Pünder/Schellenberg, § 16a VOB/A, Rn. 11 nennt als mögliche Rechtmäßigkeitsalternativen die Nichtbeihilfe, die nicht notifizierungsbedürftige Beihilfe im Sinne der Freistellungsverordnung oder die genehmigte Beihilfe. 103 Ruhland, in: Pünder/Schellenberg, § 16a VOB/A, Rn. 11. 104 Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller/Waldmann, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, Einführung, Rn. 8. 100
II. Gesetzliche Regelungen außerhalb des Vergaberechts
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Rechtsgebiets in Zeiten, in denen eine Preisstabilität nicht in einem Ausmaße gewährleistet ist, dass eine Versorgung der Bevölkerung in ausreichendem Maße erfolgen kann bzw. dass der Staat die ihm obliegenden Aufgaben ausführen kann, hervorzuheben.105 Daher waren etwa in der Zeit vor, während und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg beinahe alle Gegenstände des Wirtschaftslebens preislich reguliert.106 Der dargestellte Ausgleich bzw. die Aufrechterhaltung eines Preisstands erfolgte historisch zunächst mittels konkreter Festlegung der Preise, also mittels Preislenkung.107 Diese Form direkter staatlicher Wirtschaftslenkung durch Preisbindungen nahm nach der Währungsreform 1948 deutlich ab.108 Inzwischen erfolgt die Beeinflussung mittels unten dargestellter gesetzlicher Mechanismen. b) Gesetzliche Grundlagen und Prüfungen Gesetzliche Grundlagen für das Preisrecht bilden das Preisgesetz,109 die VO PR 30/53,110 die VO PR 1/72111 und die LSP112; insbesondere die VO PR 30/53 hat bei der Bestimmung von höchstzulässigen Preisen bei Leistungen aufgrund öffentlicher Aufträge eine wichtige Bedeutung.113 Durch diese wird kein bezifferter Preis als höchstzulässig festgelegt, sondern auf die Begriffe „Marktpreise“ (als grundsätzlich vorrangig bei der Preisvereinbarung) und „Selbstkostenpreise“
105 Zur Geschichte des Preisrechts siehe etwa: Berstermann, in: Pünder/Schellenberg, Kapitel 8, Rn. 5; Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller/Waldmann, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, Einführung, Rn. 4 ff.; zur Versorgung/Allokation von Gütern mittels des Preismechanismus siehe B. I. 4. c). 106 Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller/Waldmann, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, Einführung, Rn. 3; zur historischen Entwicklung des Preisrechts siehe auch Müller, Staatliche Preislenkung bei öffentlichen Aufträgen, §§ 3–6 (S. 25– 36). 107 Begriff der „Preislenkung“ bzw. „Preislenkungsrecht“ aus Rittner/Dreher, Wirtschaftsrecht, § 25, Rn. 1 und Rn. 45. 108 Berstermann, in: Pünder/Schellenberg, Kapitel 8, Rn. 7. 109 Übergangsgesetz über Preisbildung und Preisüberwachung vom 10.04.1948, zuletzt geändert durch Artikel 22 des Gesetzes vom 18. Februar 1986, im folgenden PreisG. 110 Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen vom 21.11. 1953, zuletzt geändert durch Artikel 70 des Gesetzes vom 08.12.2010. 111 Verordnung PR Nr. 1/72 über die Preise für Bauleistungen bei öffentlichen oder mit öffentlichen Mitteln finanzierten Aufträgen vom 6. März 1972, zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 15. April 1986, aufgehoben ab 1. Juli 1999 (BGBl. I, 1419). 112 Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten (Anlage zur Verordnung PR Nr. 30/53 vom 21.11.1953) vom 21. November 1953 (BAnz. 1953 Nr. 244), die zuletzt durch Artikel 289 der Verordnung vom 25. November 2003 (BGBl. I S. 2304) geändert worden ist. 113 Berstermann, in: Pünder/Schellenberg, Kapitel 8, Rn. 8.
36 B. Der Preis in der Wirtschaftswissenschaft und verschiedenen Rechtsgebieten
(ausnahmsweise Zulässigkeit114) zurückgegriffen. Flankiert wird dieses „Höchstpreisgebot“ 115 mit der Vorgabe, dass „für Leistungen auf Grund öffentlicher Aufträge [. . .] höhere Preise nicht gefordert, versprochen, vereinbart, angenommen oder gewährt werden [dürfen]“ als durch die Verordnung vorgegeben.116 c) Behörden und deren Kompetenzen Die Einhaltung der beschriebenen Vorgaben obliegt der Prüfung durch die Preisbehörde;117 nachweispflichtig ist insoweit der Auftragnehmer.118 Mittels Ermächtigung des Bundesministeriums für Wirtschaft kann die Zulässigkeit eines Selbstkostenpreises auch durch den öffentlichen Auftraggeber im Benehmen mit der zuständigen Preisbehörde festgelegt werden.119 Zuwiderhandlungen können nach dem Wirtschaftsstrafgesetz120 geahndet werden.121 Die Preisbehörde hat in diesem Rahmen die Möglichkeit, Verstöße gegen das Preisrecht gemäß §§ 35 ff. des OWiG122 zu verfolgen und zu ahnden.123 114
Siehe § 5 VO PR 30/53. Siehe hierzu Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller/Waldmann, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, § 1 VO PR 30/53, Rn. 60 ff. 116 Siehe § 1 Abs. 3 der VO PR 30/53. 117 Getrennt wird in Preisbildungs- und Preisüberwachungsstellen. Erstere sind im Regelfall die Wirtschaftsminister bzw. Wirtschaftssenatoren der Länder, letztere Bezirksregierungen, ausgenommen solche Länder, die solche Oberbehörden nicht haben; siehe hierzu: Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, § 9 VO PR 30/53, Rn. 22 f. zur Herleitung der Landeskompetenz und Rn. 24 zu deren Ausgestaltung. 118 § 9 VO PR 30/53. 119 § 10 VO PR 30/53. 120 Wirtschaftsstrafgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 03.06.1975 (BGBl. I S. 1313) zuletzt geändert durch Gesetz vom 08.12.2010 (BGBl. I S. 1864) m.W.v. 15.12.2010. 121 § 11 VO PR 30/53; im Wirtschaftsstrafgesetz im Zusammenhang mit der VO PR 30/53 insbesondere einschlägig ist folgender § 3: (1) Ordnungswidrig handelt, wer in anderen als den in den §§ 1, 2 bezeichneten Fällen vorsätzlich oder fahrlässig einer Rechtsvorschrift über 1. Preise, Preisspannen, Zuschläge oder Abschläge, 2. Preisangaben, 3. Zahlungs- oder Lieferungsbedingungen oder 4. andere der Preisbildung oder dem Preisschutz dienende Maßnahmen oder einer auf Grund einer solchen Rechtsvorschrift ergangenen vollziehbaren Verfügung zuwiderhandelt, soweit die Rechtsvorschrift für einen bestimmten Tatbestand auf diese Vorschrift verweist. Die Verweisung ist nicht erforderlich, soweit § 16 dies bestimmt. (2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfundzwanzigtausend Euro geahndet werden. 122 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 1987, zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 geändert. 123 Zu Verfolgung durch die Preisbehörden siehe Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, § 11 VO PR Nr. 30/53, Rn. 53 ff. 115
III. Preis und Preisangabe: Begriffe
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d) Zusammenhänge zwischen Preisrecht und Vergaberecht Der wesentliche Zusammenhang zwischen dem Vergaberecht und dem Preisrecht besteht in der preisrechtlichen Ergänzung der Regeln für das Vergaberecht.124 Die Anwendbarkeit dieses Rechtsgebietes für öffentliche Auftraggeber wird hierbei angenommen.125 Grundlegend zu fragen ist in diesem Zusammenhang, ob die Einhaltung des Vergaberechts die Vorgaben des Preisrechts automatisch miterfüllt.126 So stellt sich die Frage, ob ein Preis, der im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung zustande gekommen ist, einen „Marktpreis“ nach dem Preisrecht darstellt. Der „Marktpreis“ stellt den „im Verkehr üblichen“ Preis dar.127 Dieser ist wiederum der Preis, „der bei vergleichbaren Aufträgen auf dem Markt erzielt wird.“128 Die Prüfung auf das Vorliegen eines Marktpreises ist aufgrund der VO PR 30/53 bei jedem Preis durchzuführen, eine automatische Gleichsetzung vom „Marktpreis“ mit dem Preis jeder Ausschreibung kann daher nicht angenommen werden. Die Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung ergibt sich schon dadurch, dass Bieter unter Umständen bewusst Preise angeben, die den Marktpreis überschreiten.129 Da der Adressat der Verordnung der öffentliche Auftraggeber ist,130 hat dieser den Preis des Auftragnehmers vor Zuschlag auf Verkehrsüblichkeit zu überprüfen.
III. Preis und Preisangabe: Begriffe Im Zusammenhang mit der vorliegenden Untersuchung sind schließlich einige Definitionen darzustellen, um eine spätere einheitliche Verwendung der Begriffe zu gewährleisten. 1. Preisbegriffe In der Literatur und Rechtsprechung finden sich zunächst verschiedene Preisbegriffe.
124
Berstermann, in: Pünder/Schellenberg, Kapitel 8, Rn. 1. So auch Greiffenhagen, VergabeR 2013, 415, dessen Argumenten sich hier angeschlossen wird; a. A. Brüning, VergabeR 2012, 833. 126 Dies verneinend Berstermann, in: Pünder/Schellenberg, Kapitel 8, § 1 VO PR 30/ 53, Rn. 41; so wohl auch: Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller/Waldmann, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, § 4 VO PR Nr. 30/53, Rn. 70 ff. 127 § 4 Abs. 1 VO PR 30/53. 128 Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller/Waldmann, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, § 4 VO PR Nr. 30/53. 129 Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller/Waldmann, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, § 4 VO PR 30/53, Rn. 73 mit dem Beispiel von Bietern, die „Abwehrangebote“ abgegeben. 130 Siehe auch Pauka/Chrobot, VergabeR 2011, 405 ff. 125
38 B. Der Preis in der Wirtschaftswissenschaft und verschiedenen Rechtsgebieten
– Preis Der Preis wird hier vereinfacht als zu erbringende, regelmäßig in Geld erfolgende Gegenleistung des Auftraggebers für eine Leistung angesehen.131 – Einstandspreis Ein im vergaberechtlichen Zusammenhang häufig genannter Begriff ist der des Einstandspreises. Dieser bezeichnet den Preis, zu dem ein Unternehmen (hier als Auftragnehmer) eine Leistung eingekauft hat.132 Das VHB 2008 versteht unter dem Einstandspreis (auch Materialpreis) demnach den Preis frei Verwendungsstelle abzüglich aller erzielten Preisnachlässe.133 Eine Weiterveräußerung unter Einkaufspreis bedeutet daher einen Verlust für den Verkäufer, hier den Auftragnehmer. – Selbstkostenpreis Im Zusammenhang mit dem Einstandspreis ist noch der Selbstkostenpreis zu erwähnen. Dieser bezeichnet den Einstandspreis plus der Gemeinkosten.134 – Einheitspreis Bei dem Einheitspreis handelt es sich um den Preis, der je Teileinheit zu der Leistung berechnet wird.135 Der Begriff findet sich in der VOB/B, aber auch in vielfältiger Rechtsprechung zum Vergaberecht.136 – Gesamtpreis Der Gesamtpreis wird auch als „Endpreis“ des Angebotes bezeichnet.137 Er ist das Produkt aus der Menge der angebotenen Leistungseinheiten multipliziert mit deren jeweiligen Einheitspreisen.138 131
So in Bezug zur Bauleistung Bernhardt, in: Ziekow/Völlink, § 2 VOB/A, Rn. 13. Bechthold, in: ders., Kartellgesetz, § 20, Rn. 84; Nothdurft, in: Langen/Bunte, Kartellrecht, Band 1 – Deutsches Kartellrecht, § 20 GWB, Rn. 252; ebenso Ohly, in: Piper/ders./Sosnitza, UWG, § 4, Rn. 10/91: „Einkaufspreis minus Nachlässe plus Bezugskosten“. 133 Vergabehandbuch des Bundes 2008, Nummer 613.2. 134 Ohly, in: Piper/ders./Sosnitza, UWG, § 4, Rn. 10/91; nach Kußmaul/Meyering, in: Gröpl, BHO/LHO, § 7 BHO, Rn. 62 bezeichnen „Gemeinkosten“ als Kosten, „bei denen eine direkte Zurechnung der Kosten auf die einzelnen Leistungseinheiten nicht gelingt“. 135 Tomerius, in: Pünder/Schellenberg, § 4 VOB, Rn. 5. 136 Beispielsweise zur VOB/A: VK Brandenburg, 02.04.2012 – VK 6/12; VK Lüneburg, 02.04.2012 – VgK-08/2012; OLG Karlsruhe, 11.11.2011 – 15 Verg 11/11; zur VOL/A: OLG Jena, 22.08.2011 – 9 Verg 2/11; OLG Dresden, 02.08.2011 – WVerg 4/11. 137 VK Münster, 19.10.2011 – VK 15/11. 138 Beispielsweise: Althaus/Heindl, Der öffentliche Bauauftrag. Handbuch für den VOB-Vertrag, Teil 1 – Die Vertragsunterlagen, ibr-online Kommentar, Rn. 83: „Gesamtpreis als Produkt aus LV-Menge x Einheitspreis“ Stand: 08.11.2010; ebenso beispielsweise OLG Koblenz, 30.03.2012 – 1 Verg 1/12. 132
III. Preis und Preisangabe: Begriffe
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– Angebotspreis Bei den Angebotspreisen handelt es sich um die vom Bieter angebotenen Preise für die Leistung.139 Der Begriff wird mit dem Gesamtpreis des Angebotes häufig synonym verwendet.140 – Einsatzpreis In der vergaberechtlichen Rechtsprechung141 und Literatur142 findet sich noch der Begriff des Einsatzpreises. Eine Definition dieses Begriffes findet sich in den dargestellten Textquellen nicht. Jedoch wird im Zusammenhang mit den Entscheidungen klar, dass es sich bei dem Einsatzpreis um den Preis handelt, zu welchem der Bieter die einzelnen Leistungen anbieten will.143 – Wettbewerbspreis Schließlich findet sich noch der Begriff des Wettbewerbspreises in § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) 2. Hs. VOB/A. Dieser Begriff wird für einen Preis gebraucht, der im Wettbewerb, in vorliegenden Fällen aufgrund einer Ausschreibung, entstanden ist.144 In Bezug auf ein rechtsfehlerhaftes Unterlassen eines Vergabeverfahrens aufgrund von Submissionsabsprachen bezeichnet der Begriff den Preis, „der dem Wert der ausgeschriebenen Bauleistungen entspricht und der bei ordnungsgemäßer Betrachtung sämtlicher für das Ausschreibungsverfahren geltender Vorschriften erzielbar gewesen wäre“.145 Es handelt sich also um einen fiktiven Preis, der sich aus einem Wettbewerb ergeben hätte.146 2. Begriff der Preisangaben Im beschriebenen Zusammenhang ebenfalls häufig gebraucht wird der Begriff der Preisangabe.147 Diese beschreibt den Preis als Angabe des Bieters in dessen 139
VK Bund, 04.07.2011 – VK 3-74/11. OLG Köln, 31.01.2012 – 3 U 17/11; VK Brandenburg, 17.10.2011 – VK 39/11. 141 VK Bund, 04.07.2011 – VK 3-74/11; OLG Karlsruhe, 16.12.2009 – 15 Verg 5/ 09; OLG München, 10.12.2009 – Verg 16/09. 142 Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOL/A, § 16, Rn. 435, Stand: 23.09.2013. 143 Etwa OLG München,10.12.2009 – Verg 16/09: „Es liegt somit ein rechnerischer Multiplikationsfehler vor, der keinerlei Zweifel daran begründet, zu welchem Einsatzpreis die Antragstellerin die einzelnen Leistungen anbieten wollte und angeboten hat.“ 144 Eine derartige Verwendung des Begriffs scheint schon der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c VOB/A nahe zu legen; ebenso etwa: VK Saarland, 08.03.2010 – 1 VK 03/2010; BGH, 22.07.2010 – VII ZR 213/08; Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOB/A, § 16, Rn. 4, Stand: 23.09.2013. 145 Rutkowsky, NJW 1995, 706. 146 Entsprechend verwendbar erscheint daher auch der Begriff des „Marktpreises“. 147 Etwa OLG Dresden, 16.03.2010 – Wverg 0002/10. 140
40 B. Der Preis in der Wirtschaftswissenschaft und verschiedenen Rechtsgebieten
Angebot. Die Verwendung erfolgt daher häufig synonym mit dem Begriff des Preises.148
148 Das OLG Dresden (16.03.2010 – Wverg 0002/10) verwendet insoweit den Begriff des Preises im oben dargestellten ökonomischen Sinne [unter II. 1. b)], den Begriff der Preisangabe demgegenüber hinsichtlich der Angabe des Preises.
C. Prüfungssystematik der Angebotsprüfung Vor einer Einordnung des Preises anhand der Systematik der Angebotsprüfung ist diese, insbesondere vor dem Hintergrund der Reformen der VOB/A und VOL/ A im Jahre 2009, darzustellen.1
I. Prüfungssystematik in VOL/A und VOB/A – 4-stufiger Prüfungsaufbau Das Vergaberecht geht in seiner Systematik in der VOL und VOB von einer 4-stufigen Angebotsprüfung aus.2 Geprüft werden das Angebot auf inhaltliche und formelle Mängel (Erste Stufe), die Eignung der Bieter (Zweite Stufe), die Angemessenheit der Preise (Dritte Stufe) und die Wirtschaftlichkeit des Angebotes (Vierte Stufe).3 In der VOB/A 2006 entsprach der Aufbau des § 25 eben dieser 4-Stufen Systematik. Nr. 1 (formelle Prüfung) bestimmte zwingende und fakultative Ausschlussgründe, Nr. 2 legte die Prüfung der Eignung fest, Nr. 3 Abs. 1 und 2 bestimmten eine Prüfung der Angemessenheit und Nr. 3 Abs. 3 führten den Inhalt der Wirtschaftlichkeitsprüfung aus.
II. Änderung aufgrund der Einfügung einer rechnerischen, technischen und wirtschaftlichen Überprüfung gemäß § 16 Abs. 3 bis 5 VOB/A 2009? In § 16 Abs. 3–5 VOB/A 2009 finden sich, im Gegensatz zu den Vorgängerverordnungen, Vorgaben einer rechnerischen, technischen und wirtschaftlichen 1 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang die Änderung der VOB/A 2009 in die VOB/A in der Fassung 2012 (Bekanntmachung vom 24. Oktober 2011 (BAnz. Nr. 182a vom 2. Dezember 2011; BAnz AT 07.05.2012 B1)) in Anwendung seit dem 19.07.2012 gem. § 6 Vergabeverordnung in der Fassung aufgrund der Änderungsverordnung vom 12.07.2012) (BGBl. I S. 1508) berichtigt durch Bekanntmachung vom 24. April 2012 (BAnz AT 07.05.2012 B1) und geändert durch Bekanntmachung vom 26. Juni 2012 (BAnz AT 13.07.2012 B3). Änderungen für die Arbeit ergeben sich hierdurch nicht, da der erste Abschnitt der VOB/A nicht geändert wurde und im zweiten (Oberschwellen-) Abschnitt hinsichtlich des neuen § 16 EG im Wesentlichen eine Zusammenfassung der § 16 und 16a VOB/A erfolgte. Soweit sich die Änderungen auf die Arbeit auswirken, wird im Folgenden darauf hingewiesen. 2 Hertwig, Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe, Rn. 223; Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 1 und § 16 VOL/A, Rn. 1; Ruhland/Christiani, in: Pünder/Schellenberg, § 16 VOL/A, Rn. 2 und Ruhland, in: Pünder/Schellenberg, § 16 VOB/A, Rn. 2. 3 Siehe etwa Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 1 und § 16 VOL/A, Rn. 1.
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C. Prüfungssystematik der Angebotsprüfung
Prüfung. Der Preis hat auf den ersten Blick insbesondere einen rechnerischen und wirtschaftlichen Bezug, weswegen eine Feststellung des Inhaltes und die Verortung der Prüfung im Folgenden darzustellen sind. 1. Veränderungen in der VOB/A 2009 und Rechtsfolgen Aufgrund der Reform der VOB/A haben sich in bezeichneter Regelung Änderungen ergeben. Die Prüfung und Wertung der Angebote, die in der VOB/A 2006 § 25 VOB/A festlegte, ist nun in § 16 VOB/A geregelt. a) Einfügung der Abs. 3–5 in § 16 VOB/A 2009 Neu eingefügt wurden in den die Prüfung und Wertung der Angebote bestimmenden § 16 VOB/A 2009 die Absätze 3, 4 und 5.4 Diese lauten: „Prüfung (3) Die übrigen Angebote sind rechnerisch, technisch und wirtschaftlich zu prüfen. (4) 1. Entspricht der Gesamtbetrag einer Ordnungszahl (Position) nicht dem Ergebnis der Multiplikation von Mengenansatz und Einheitspreis, so ist der Einheitspreis maßgebend. 2. Bei Vergabe für eine Pauschalsumme gilt diese ohne Rücksicht auf etwa angegebene Einzelpreise. 3. Nummern 1 und 2 gelten auch bei freihändiger Vergabe. (5) Die aufgrund der Prüfung festgestellten Angebotsendsummen sind in der Niederschrift über den Eröffnungstermin zu vermerken.“
b) Veränderungen aufgrund der Einfügung des § 16 Abs. 3–5 VOB/A5 Unklar ist, ob die Veränderung des Wortlautes auch eine Veränderung der Prüfung der Angebote bedeutet. aa) Neue Prüfungsstufe Im Zuge der Änderung der Prüfungssystematik sprechen sich einige Literaturmeinungen offenbar dafür aus, eine weitere Prüfungsstufe zu begründen, auf welcher eine rechnerische, technische und wirtschaftliche Prüfung verortet 4 Diese waren ursprünglich in § 23 VOB/A 2006 enthalten, sind jedoch im Rahmen der Reform 2009 in § 16 VOB/A eingefügt worden. 5 Mit Ausnahme einer redaktionellen Änderung vergleichbar mit § 16 VOB/A-EG, Abs. 3–5; daher werden auch Kommentierungen zu diesem Paragraphen herangezogen.
II. Änderung gemäß § 16 Abs. 3 bis 5 VOB/A 2009?
43
wird.6 Dies hat zur Folge, dass fünf Wertungsstufen angenommen werden.7 Teilweise wird vertreten, dass diese Prüfung auch überschlägig und möglicherweise vor einer Eignungsprüfung erfolgen kann.8 Auch dies könnte als eigene (Zwischen-)Prüfungsstufe angesehen werden. bb) Prüfung der 4. Wertungsstufe in den Unterpunkten „Angemessenheit der Preise“ und „Wirtschaftlichkeit“ Angenommen werden kann auch, dass in der vierten Wertungsstufe die Angemessenheit und die Wirtschaftlichkeit zusammen geprüft werden.9 Teilweise wird in der Literatur der Streit bewusst nicht entschieden.10 Dies erfolgt mit dem Hinweis, dass die Prüfung der Angemessenheit und der Wirtschaftlichkeit durch die neue Systematik in einem 4. Prüfungspunkt zusammengefasst wird, jedoch andererseits die Notwendigkeit besteht, die beiden Prüfungspunkte zu trennen.11 Daher wird mit Verweis auf die Rechtsprechung angenommen, dass die Prüfungspunkte in einer Wertungsstufe zusammenzufassen, jedoch bei einer Prüfung quasi als eigenständige Unterpunkte zu trennen sind.12 cc) Trennung zwischen der Prüfung der Wertungsstufen und einer „Struktur im Umgang mit vorgelegten Angeboten“ Teilweise wird nach Literaturansicht zwischen einer „Struktur des Umgangs mit vorgelegten Angeboten“ und dem (4-stufigem) Wertungssystem unterschieden.13 Die „Struktur des Umgangs mit Angeboten“ umfasst neben dem Eröffnungstermin (unter 1.), der Aufklärung des sachlichen Inhalts (unter 4.) und der Angebotsbewertung (unter 5.) eine Prüfung der Angebote gemäß der benannten 6 Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOB/A, § 16, Rn. 648 ff., Stand: 23.09.2013. 7 Diese Lösung wird favorisiert durch: Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 758. 8 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 206; hingewiesen werden muss in diesem Zusammenhang darauf, dass sich Dicks im Ergebnis wohl für die Verwendung der Abs. 3–5 als Prüfungskanon entscheidet, siehe hierzu unten unter C. II. 1. b) dd)–C. II. 1. b) ff). 9 So aufgrund der Systematik etwa Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOB/A, § 16, Rn. 679 ff., Stand: 23.09.2013; wohl auch Christiani, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, § 16 VOB/A, Rn. 62–67 und 99 ff. 10 Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 734. 11 Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 758. 12 Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 758 mit Verweis auf VK Rheinland-Pfalz, 10.02.2011, VK 1-53/10 welche den 4-stufigen Aufbau aufrecht erhält und ein offenbares Missverhältnis der Preise erst auf der dritten Wertungsstufe prüft. 13 Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 16 VOB/A-EG, Rn. 236 und 271.
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C. Prüfungssystematik der Angebotsprüfung
Absätze 3–5 (unter 2.).14 Die Prüfung gemäß § 16 Abs. 3 bis 5 VOB/A unterscheidet sich von der Wertung der Angebote „dadurch, dass bei der Prüfung eine Durchsicht und die inhaltliche Beurteilung jedes einzelnen Angebots für sich erfolgt, eine Heranziehung der anderen Angebote zu Vergleichszwecken also nicht statt[findet]. Bei der Wertung werden dann die zuvor geprüften Angebote gegenübergestellt, gewertet, verglichen und so das wirtschaftlichste Angebot ermittelt.“15
Hierneben existiert das Wertungssystem mit den vier bekannten Stufen (Formale Prüfung, Eignung, Angemessenheit der Preise, Wertung).16 Unklar ist, inwieweit sich die beiden Prüfungssysteme unterscheiden. Ausweislich der Kommentierung scheinen beide System nebeneinander zu existieren. So wird etwa Absatz 6 des § 16 VOB/A in beiden Systemen, und somit doppelt, geprüft,17 jedoch scheinen sie sich nicht vollständig zu decken18. Demnach ist davon auszugehen, dass beide Prüfungssysteme mit zumindest teilweise unterschiedlichen Prüfungsinhalten unabhängig voneinander zu prüfen sind. dd) Abs. 3–5 als Prüfungsvorgabe für die Wertungsstufen 3 und 4 In die Richtung einer weiteren Prüfungsvorgabe geht eine Literaturansicht, welche die Absätze 3 bis 5 des § 16 VOB/A 2009 als einen Teil der Prüfung der dritten und vierten Wertungsstufe ansieht.19 Hier wird der Inhalt der Absätze 3 bis 5 als Abschnitt der Prüfung in Bezug auf die eröffneten Angebote, jeweils bezogen auf die 3. und 4. Wertungsstufe, dargestellt.20 Eine eigene (neue) Prü14
Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 16 VOB/A-EG, Rn. 236. Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 16 VOB/A-EG, Rn. 237. 16 Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 16 VOB/A-EG, Rn. 271. 17 Etwa § 16 Abs. 6 als „5. Angebotswertung“ in der „Struktur des Umgangs mit vorgelegten Angeboten“ und unter „4. Stufe: Engere Auswahl [. . .]“ des 4-stufigen Wertungssystems, siehe Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 16 VOB/AEG, Rn. 236 und Rn. 271. 18 So enthält das 4-stufige Wertungssystem neben den genannten Wertungsstufen 3. und 4. auch die Wertungsstufen 1. und 2., die sich aus § 16 Abs. 1 und §§ 16 Abs. 2 sowie 6 Abs. 3 ergeben sollen; die „Struktur des Umgangs mit vorgelegten Angeboten“ beruft sich hingegen in den Prüfungsstufen 1. (§ 14 VOB/A EG), 2. (16 Abs. 3–5 VOB/ A-EG) und 4. (§ 15 VOB/A-EG) auf im 4-stufigen Wertungssystem nicht verankerte Paragraphen der VOB/A, siehe Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 16 VOB/A-EG, Rn. 236. 19 Planker, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 80. 20 Planker, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 80: „Der an die VOB/A gebundene Auftraggeber muss die eröffneten Angebote – prüfen, d. h. ihren genauen Inhalt feststellen (§ 16 Abs. 3–5; § 23 a. F.), und – werten, d. h. über die geprüfte Angebotsumme hinaus anhand formeller, persönlicher und sachlicher Kriterien ihren wirtschaftlichen Wert ermitteln (§ 16 Abs. 6–9; § 25 a. F.), – aufklären [. . .].“ 15
II. Änderung gemäß § 16 Abs. 3 bis 5 VOB/A 2009?
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fungsstufe ergibt sich hieraus nicht.21 Teilweise wird in ähnlicher Weise die Überprüfung des Angebotes auf rechnerische, technische und fachliche Richtigkeit als Vorbereitungshandlung für die Wertung gesehen.22 ee) Keine Einführung einer weiteren Prüfungsstufe Letztlich wird in Teilen der Literatur angemerkt, dass eine Prüfung nach den in der VOB/A aufgeführten Absätzen im Hinblick auf die Systematik der Prüfung nach vier Wertungsstufen „systemwidrig“ sei.23 Die in Absätzen 3 und 4 des § 16 VOB/A eingefügte rechnerische, technische und wirtschaftliche Prüfung sei vielmehr in die verschiedenen Prüfungspunkte aufzuteilen. So sei etwa die rechnerische Angebotsprüfung Gegenstand der ersten Wertungsstufe, in der auch eine Prüfung der Angebote auf Plausibilität zu erfolgen habe.24 Die technische und wirtschaftliche Prüfung habe in der Prüfung der Wirtschaftlichkeit des Angebotes (4. Wertungsstufe) zu erfolgen.25 ff) Bewertung Eine Bewertung der verschiedenen Lösungen wird mangels einer Begründung der Einführung der Abs. 3–5 in § 16 der VOB/A 2009 erschwert.26 Jedoch spricht einiges für die Lösung einer Integration des Inhaltes der Absätze 3–5 in den ursprünglichen 4-stufigen Prüfungsaufbau (Formelle Prüfung, Eignung, Angemessenheit, Wirtschaftlichkeit im engeren Sinne). So scheint eine rechnerische, technische und wirtschaftliche Prüfung auf verschiedenen Ebenen der Prüfung erforderlich.27 Insgesamt wirkt daher die Einführung eines eigenen Prüfungspunktes fern liegend, da die gleichen Prüfungen dann neben diesem teilweise noch mehrfach durchgeführt werden müssten. Letztlich scheint die Begründung zweier Prüfungssystematiken („Struktur des Umgangs mit vorgelegten Angeboten“ und „4-stufiger Prüfungsaufbau“) auch nicht sinnvoll. Im Rahmen der ursprünglichen 4-stufigen Prüfung sind, wie oben dargestellt, die Prüfungsinstrumente (etwa die rechnerische, technische und wirt21
Siehe auch Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 98. Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 37. 23 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 206. 24 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 206 unter Bezug auf OLG Düsseldorf, 14.01.2009 – VII-Verg 59/08. 25 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 206. 26 In den Hinweisen für die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistung finden sich zu § 16 nur allgemeine Hinweise zu der Zusammenführung der §§ 23 und 25 der Vorgängerreglung und zu geänderten gesetzlichen Regelungen bei den Ausschlussgründen. 27 Siehe hierzu unter C. II. 2. 22
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C. Prüfungssystematik der Angebotsprüfung
schaftliche Prüfung) aus der „Struktur des Umgangs mit vorgelegten Angeboten“ zu verwenden. Dies hätte zur Folge, dass sich die Prüfungen überschneiden, was gegen eine Unterscheidung der beiden Prüfungen spricht, und auch die Zweifel verstärkt, ob die „Struktur des Umgangs mit vorgelegten Angeboten“ im 4-stufigen Prüfungsaufbau nicht bereits enthalten ist. Hierfür spricht auch der historische Betrachtungsansatz. Die Vorgabe einer rechnerischen, technischen und wirtschaftlichen Prüfung war vormals in § 23 Nr. 2 VOB/A 2006 enthalten. Dieser gab jedoch nicht den 4-stufigen Prüfungsaufbau, sondern gab vielmehr einzelne Inhalte dieser Prüfung in Bezug auf die Prüfung des Angebotes vor.28 Der 4-stufige Prüfungsaufbau ergab sich hingegen aus § 25 VOB/A 2006. Insgesamt sprechen gute Argumente für eine Lösung des Streits zugunsten der Annahme, dass das Prüfungsprogramm der Absätze 3–5 bereits im 4-stufigen Aufbau an verschiedenen Stellen enthalten ist. Die Überprüfung des Angebotes und insbesondere des Preises mittels einer wirtschaftlichen, technischen und rechnerischen Prüfung wird demnach hier in die einzelnen Prüfungsstufen integriert und in der Prüfung nicht weiter hervorgehoben. 2. Inhalte der rechnerischen, technischen und wirtschaftlichen Überprüfung Die rechnerische, technische und wirtschaftliche Prüfung hat folgende Inhalte. a) Inhalt der rechnerischen Prüfung Bei der rechnerischen Prüfung soll festgestellt werden, ob die vom Bieter eingetragenen Preise rechnerisch richtig sind.29 Ziel ist die Aufdeckung von absichtlichen oder unabsichtlichen Fehlern, die in der verlesenen Angebotsendsumme enthalten sind.30 Auf ein rechnerisch nicht geprüftes Angebot kann ein Zuschlag nicht erteilt werden.31 Ihren Niederschlag findet diese Prüfung auf mehreren Prüfungsstufen.32 28 Siehe etwa Dähne, in: Kapellmann/Messerschmidt, 2. Auflage 2006, § 23 VOB/ A, Rn. 1 ff., insbesondere 3 ff., welcher zwar einen 4-stufigen Prüfungsaufbau angibt, der jedoch nicht aus Formeller Prüfung, Eignungsprüfung, Angemessenheitsprüfung und Wirtschaftlichkeitsprüfung besteht, sondern als Prüfungspunkte „Formelle Prüfung“, „Rechnerische Prüfung“, „Technische Prüfung“ und „Wirtschaftliche Prüfung“ angibt. Es handelt sich somit um eine Vorgabe zur Angebotsprüfung. 29 Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 16 VOB/A-EG, Rn. 240; Christiani, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, § 16 VOB/A, Rn. 69; Kratzenberg, in: Ingenstau/Korbion, VOB, § 16 VOB/A, Rn. 88. 30 Christiani, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, § 16 VOB/A, Rn. 70; Planker, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 83. 31 Christiani, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, § 16 VOB/A, Rn. 70 mit Verweis auf VK Südbayern, 14.08.2002 – 32-07/02.
II. Änderung gemäß § 16 Abs. 3 bis 5 VOB/A 2009?
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– Fehlende Plausibilität In diesem Zusammenhang ist die Prüfung der Angebote auf Plausibilität zu erwähnen.33 Bei dieser Prüfung handelt es sich nach einer Einordnung des OLG Düsseldorf um eine Prüfung des Angebotes (und somit auch der Preisangaben) auf Widerspruchsfreiheit.34 Soweit das Angebot widersprüchliche Preisangaben enthält, muss dies zum Ausschluss des Angebotes wegen unvollständiger Preisangaben führen, etwa im Fall, in dem sich die angegebene Kalkulation nicht mit der Aussage des Bieters zur Zahlung eines gesetzlichen Mindestlohns deckt.35 Im Zusammenhang mit einem konkreten Fall hat das OLG Düsseldorf festgestellt, dass es sich bei der Prüfung auf Plausibilität um eine solche Prüfung auf Widerspruchsfreiheit handelt, die demnach Teil der ersten Wertungsstufe, und nicht, wie im Fall durch den Auftraggeber vorgebracht, ein Wertungskriterium ist.36 b) Inhalt der technischen Prüfung Die technische Prüfung dient der Feststellung, ob die in der Ausschreibung geforderten Anforderungen durch das Angebot erfüllt werden.37 Eine systematische Verortung wird daher von der Literatur auf der ersten Prüfungsstufe (Vollständigkeit)38 als auch auf der vierten Wertungsstufe (Wirtschaftlichkeit im engeren Sinne)39 vorgenommen. Beide Fälle sind auch denkbar. Zum einen können Angebote, die anderen technischen Vorgaben folgen, als in der Leistungsbeschreibung gefordert, auf erster Wertungsstufe wegen einer Veränderung der Vergabeunterlagen ausgeschlossen werden.40 Zum anderen sind unter Umständen
32 Genannt werden von Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOBA, Rn. 38 etwa die mangelnde Zuverlässigkeit (Eignung – 2. Wertungsstufe), aber auch Folgen für die Gesamtsumme bei der Aufdeckung von Rechenfehlern, mit Folgen für die preisliche Wertung; denkbar ist im Zusammenhang mit anschließend festgestellter Plausibilitätsprüfung noch eine Folge für die erste Wertungsstufe. 33 Siehe zu diesem Kriterium insgesamt Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/ A, § 16, Rn. 206. 34 OLG Düsseldorf, 14.01.2009 – VII-Verg 59/08 mit Verweis auf OLG Brandenburg, 06.11.2007 – Verg W 12/07. 35 So etwa OLG Brandenburg, 06.11.2007 – Verg W 12/07. 36 OLG Düsseldorf, 14.01.2009 – VII-Verg 59/08; zur ersten Wertungsstufe siehe unten unter D. 37 Christiani, in: Pünder/Schellenberg, § 16 VOB/A, Rn. 77; Kratzenberg, in: Ingenstau/Korbion, VOB, § 16 VOB/A, Rn. 98. 38 Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 16 VOB/A-EG, Rn. 252. 39 So wohl Christiani, in: Pünder/Schellenberg, § 16 VOB/A, Rn. 77, 78, der auf die besondere Bedeutung einer technischen Prüfung in Fällen, „in denen vom Bieter eigene technische Lösungsansätze erwartet oder durch den Bieter vorgeschlagen werden“, hinweist. 40 Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 18.
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C. Prüfungssystematik der Angebotsprüfung
technische Lösungen im Angebot aufzuzeigen, die auf vierter Wertungsstufe in einem Verhältnis zueinander betrachtet werden.41 c) Inhalt der wirtschaftlichen Prüfung Die wirtschaftliche Prüfung dient der Vorbereitung der späteren Wertung der Angebote; teilweise wird auch angenommen, dass die Prüfung ebenfalls einen Teil der Angemessenheitsprüfung darstellt.42 Da die Wertung dem Begriff nach der wirtschaftlichen Überprüfung der Angebote dient, scheinen sich Verbindungen zu beiden Prüfungspunkten zu ergeben. In Abgrenzung zur rechnerischen Prüfung kann die wirtschaftliche Prüfung als Untersuchung bestimmt werden, die „die Angebote daraufhin [nach]vollzieht, welche Positionen sich neben dem eigentlichen Preis auf die Beurteilung des Angebotes in wirtschaftlicher Sicht auswirken“.43 Hiernach handelt es sich um eine Prüfung, die als solche vom Preis unabhängig ist und sich daher allein auf die 4. Wertungsstufe bezieht.
III. Änderung aufgrund der Einfügung der Prüfung auf Vollständigkeit bzw. rechnerische und fachliche Richtigkeit gemäß § 16 Abs. 1 VOL/A, § 19 Abs. 1 VOL/A-EG? In ähnlicher Weise wurde im Zuge der Reform 2009 in § 16 VOL/A bzw. § 19 VOL/A-EG eine Ergänzung des Prüfung auf Vollständigkeit sowie rechnerische und fachliche Richtigkeit eingeführt, die sich vorher nicht im die Wertung dar41 Denkbar sind verschiedene Wertungskriterien, die Vergabestelle ist in der Bestimmung weitestgehend frei; möglich ist beispielsweise die Bewertung verschiedener Folgekosten (etwa Wartung oder Anzahl der Ersatzbeschaffungsmaßnahmen), die eine technische Überprüfung erforderlich machen, siehe etwa Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 50. 42 Die Ansichten in der Literatur weichen insoweit voneinander ab. Ein Teil nimmt an, dass die wirtschaftliche Prüfung auch die Angemessenheitsprüfung umfasst (so wohl: Christiani, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, § 16 VOB/A, Rn. 79, der von der Vorbereitung einer „späteren Wertung“ spricht und auch Grünhagen, in: Franke/ Kemper/Zanner/Grünhagen, § 16 VOB/A-EG, Rn. 253: „zur Vorbereitung der dritten und vierten Wertungsstufe“), teilweise wird dies scheinbar abgelehnt (Planker, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 94 („Somit erstreckt sie sich auf rechnerische und nichttechnische Faktoren, welche die Wirtschaftlichkeit der fertig gestellten Baumaßnahme betreffen“ – Hervorhebung durch Verfasser); Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 737, geht von einer nur „überschlägigen Angemessenheit“ der Angebote aus; demnach erfolgt wohl eine Prüfung der Angemessenheit zweimal; in der Literatur sind beispielhafte Prüfungsmöglichkeiten der Auftraggeber genannt, siehe etwa: Planker, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 94; Christiani, in: Pünder/Schellenberg, § 16 VOB/A, Rn. 80. 43 Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 38; in der Kommentierung zur VOL/ A wird insoweit auf die zitierte Kommentierung verwiesen, siehe Varva, in: Ziekow/ Völlink, § 16 VOL/A, Rn. 2.
III. Änderung aufgrund der Einfügung der Prüfung auf Vollständigkeit?
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stellenden § 25 VOL/A befand, sondern von der 4-stufigen Prüfung losgelöst in § 23 Abs. 2 VOL/A geregelt war. Nun ist diese Prüfung in § 16 Abs. 1 VOL/A und § 19 Abs. 1 VOL/A-EG der 4-stufigen Prüfung vorangestellt. 1. Änderung der Prüfungssystematik Auch in diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass es sich hier um eine Ergänzung des Prüfungskanons, nicht jedoch um eine eigene Prüfungsstufe handelt. Die Neuregelung ist in der Literatur als „konsequent und sachlich zutreffend“ begrüßt worden, da es sich bei der Prüfung auf Vollständigkeit sowie rechnerische und fachliche Richtigkeit um eine die Wertung vorbereitende Prüfung handele.44 Die Überprüfung erfolgt nach Literaturansicht vor der ersten Wertungsstufe,45 kann jedoch mit dem oben dargestellten Argument, dass die Prüfung im 4-stufigen Prüfungsaufbau bereits enthalten ist, auch in die entsprechende Wertungsstufe eingefügt werden.46 2. Inhalte der Prüfung auf Vollständigkeit, rechnerische und fachliche Richtigkeit Im Folgenden sollen die Inhalte der Prüfung auf Vollständigkeit sowie auf rechnerische und fachliche Richtigkeit aufgezeigt werden. a) Prüfung auf Vollständigkeit Die Prüfung der Vollständigkeit beschreibt die Untersuchung, ob die Angaben des Bieters den in den Vergabeunterlagen geforderten Angaben entsprechen.47 Erforderlich ist dies insbesondere im Hinblick auf das durch den BGH festgestellte Erfordernis der Vergleichbarkeit der Angebote.48 Maßgeblich sind sämtliche geforderten Angaben, Erklärungen und Anlagen, worunter im Zusammenhang mit vorliegender Arbeit insbesondere die Preise zu fassen sind.49 Angebote, deren Unvollständigkeit sich durch mangelnde Preisangaben begründet, können ausgeschlossen werden bzw. sind gegebenenfalls auszuschließen.50 Vergleichend ist festzustellen, dass der Begriff der Prüfung auf Vollstän44
Dittmann/Verführt, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 5. Varva, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 16 VOL/A, Rn. 2. 46 Siehe unter C. II. 1. b). 47 Dittmann/Verführt, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 7. 48 Etwa BGH, 18.02.2003 – X ZB 43/02; Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOL/A, Rn. 3. 49 Dittmann/Verführt, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 7. 50 Siehe hierzu §§ 16 Abs. 1 VOB/A, § 16 Abs. 3 VOL/A und § 19 Abs. 3 VOL/AEG und unten unter D. II. 45
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C. Prüfungssystematik der Angebotsprüfung
digkeit in der VOB/A nicht verwendet wird. Jedoch handelt es sich bei der Prüfung des Ausschlussgrundes des § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A inhaltlich um eine Prüfung auf Vollständigkeit der Preise, da geprüft werden muss, ob das Angebot die geforderten Preise enthält, mithin, ob die Preisangaben vollständig sind.51 Daher wird auf der ersten Wertungsstufe im Zusammenhang mit vorliegender Arbeit die Vollständigkeit der Preisangaben überprüft.52 b) Prüfung der fachlichen Richtigkeit Die fachliche Überprüfung dient der Feststellung des fachlichen Inhalts des Angebotes.53 Das Ergebnis der Prüfung wird sich, entsprechend der technischen Prüfung in der VOB/A, ebenfalls im Wesentlichen in der ersten Wertungsstufe (Vollständigkeit) finden. c) Prüfung der rechnerischen Richtigkeit Die Ergebnisse der Prüfung auf rechnerische Richtigkeit dienen der Aufdeckung mathematischer Fehler im Angebot54 und daher insbesondere der Vorbereitung der Wertung.55 Einen Niederschlag wird diese Prüfung ebenfalls bei der Prüfung der ersten Wertungsstufe finden. Der Bieter darf in diesem Zusammenhang darauf vertrauen, dass der Auftraggeber eine rechnerische Prüfung durchführt.56 – Fehlende Plausibilität Im Rahmen der rechnerischen Prüfung werden neben der Feststellung mathematischer Fehler die Angebote auf Plausibilität und Schlüssigkeit untersucht.57 Inhalt einer solchen Plausibilitätsprüfung ist die Prüfung auf Einhaltung von „gesetzlichen und allgemeinverbindlichen Vorgaben“ bei der Kalkulation.58 Das OLG Düsseldorf hat daher, wie bereits erwähnt, in bezeichneter Entscheidung
51 Siehe auch Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 9 ff., wonach ein Ausschluss nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A bei „fehlenden Preisangaben“ erfolgen muss. Synonym hierzu kann auch der Begriff der „unvollständigen Preisangaben“ im Angebot verstanden werden. 52 Siehe unten unter D. 53 Etwa im Hinblick auf die angebotene Technik, siehe beispielsweise Verführt, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 17. 54 Verführt, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 11. 55 Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOL/A, Rn. 2. 56 Verführt, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 15. 57 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 206. 58 OLG Düsseldorf, 14.01.2009 – VII-Verg 59/08.
IV. Prüfungskanon für die VOF
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festgestellt, dass es sich hierbei um eine Prüfung der Vollständigkeit der Preisangaben auf der ersten Wertungsstufe und nicht etwa um ein zulässiges Wertungskriterium handelt.59
IV. Prüfungskanon für die VOF In der VOF wird, anders als bei der VOL und der VOB, für eine Prüfung von Angebot und Bewerber zwischen Auswahl- und Auftragskriterien unterschieden.60 Die Auswahl der Bewerber wird durch eine Prüfung der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie der fachlichen Eignung dieser mittels in den Ausschreibungsunterlagen festgelegter Kriterien festgestellt.61 Hiernach erfolgt (meist nach einer Vorauswahl der Bieter auf der Ersten Prüfungsstufe) eine Bewertung der Angebote mittels der bekanntgegebenen Wertungskriterien.62 Trotz der Tatsache, dass eine Prüfung der Angebote auf Vollständigkeit sowie rechnerische und fachliche Richtigkeit in der VOF nicht explizit geregelt ist, wird diese in der Praxis notwendig sein, um sowohl den Bieter als auch das Angebot bewerten zu können. Jedoch haben die Ergebnisse andere Auswirkungen auf das weitere Verfahren, als dies in der VOL und VOB der Fall ist. So kann beispielsweise vertreten werden, dass fehlende Preise im Rahmen des Angebotes von den Auftraggebern nachgefordert werden können.63 Auch kann der Auftraggeber in der VOF nach § 11 Abs. 7 VOF auf einen Zuschlag verzichten,64 etwa beim Verbleib nur eines Angebotes im Wettbewerb.65 Daher stellen sich viele Fragen, die sich in den VOL- und VOB-Verfahren ergeben, nicht.
59
OLG Düsseldorf, 14.01.2009 – VII-Verg 59/08. Röwekamp, in: Müller-Wrede, VOF, § 10, Rn. 5; dieses zweistufige Verfahren wird auch in anderer Literatur, wenn auch mit anderer Terminologie („Auswahlentscheidung“ und „Entscheidung über Auftragserteilung“), so bejaht, siehe hierzu etwa: Voppel/Osenbrück/Bubert, VOF, vor § 10, Rn. 2. 61 Röwekamp, in: Müller-Wrede, VOF, § 10, Rn. 5. 62 Röwekamp, in: Müller-Wrede, VOF, § 10, Rn. 5. 63 So fehlt etwa der Ausschlusszwang unvollständiger Angebote, der sich aus § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c VOB/A und § 16 Abs. 3 lit. a) VOL/A, bzw. aus den entsprechenden Normen der VOL/A-EG und VOB/A, 2. Abschnitt ergibt, in der VOF, siehe hierzu auch unten unter D. V. 64 Müller-Wrede, in: ders., § 11 VOF, Rn. 122. 65 EuGH, 16.09.1999 – C-27/98; Müller-Wrede, in: ders., § 11 VOF, Rn. 122. 60
D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe Nach den Feststellungen der ersten drei Kapitel soll nun, als eigentlicher Kern der Arbeit, die Einordnung des Preises und der in diesem Zusammenhang bestehenden Probleme in die dargestellte 4-stufige Angebotsprüfung erfolgen. Gegenstand des folgenden Kapitels soll die Feststellung sein, in welchem Rahmen Preise durch den Auftraggeber abgefordert werden können und welchen Umfang die Angaben des Bieters zum Preis in seinem Angebot haben müssen. Dargestellt werden sollen die Möglichkeiten des Auftraggebers, im Angebot bestimmte Vorgaben zu den Preisangaben zu machen bzw. bestimmte Preise abzufordern. Danach soll der (erforderliche) Umfang der Preisangaben des Bieters im Angebot untersucht werden, wobei hier insbesondere die Vorgaben der Vergabe- und Vertragsordnungen zu Vollständigkeit bzw. zu den zwingenden Ausschlussgründen zu untersuchen sind. Dem folgend schließt sich eine Darstellung der Folgen bei einer Unvollständigkeit der Preisangaben im Angebot an. Ob und in welchem Rahmen mögliche Fehler durch den Auftraggeber nach Öffnung der Angebote noch korrigiert bzw. nachgefordert werden können, soll hiernach untersucht werden. Letztlich soll der Sonderfall der Unvollständigkeit der Angebote in der VOF dargestellt werden.
I. Die Möglichkeit des Auftraggebers, im Angebot Preise abzufordern Dass mit dem Angebot Preise abgefordert werden können, ergibt sich schon aus der Notwendigkeit, den Zuschlag im Vergabeverfahren auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen.1 Der Preis bildet jedenfalls ein taugliches Kriterium für einen Vergleich der Wirtschaftlichkeit der Angebote.2 Der Auftraggeber darf im Rahmen seines „Bestimmungsrechts“3 Preisangaben vom Bieter verlangen und dezidierte Vorgaben machen, in welcher Form die Preise im Angebot anzugeben sind.4
1
§ 97 Abs. 5 GWB. Siehe Art. 53 Abs. 1 der Vergabekoordinierungsrichtlinie und Art. 55 Abs. 1 der Sektorenkoordinierungsrichtlinie, die den Preis als ein maßgebendes Kriterium bei der Erteilung des Zuschlags nennen. 3 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 13, Rn. 78 mit Verweis auf BGH, 18.05.2004 – X ZB 7/04. 4 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 13, Rn. 78. 2
I. Die Möglichkeit des Auftraggebers, im Angebot Preise abzufordern
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1. Gebot zur Abforderung von Preisen Dass grundsätzlich die Möglichkeit besteht, mit dem Angebot Preise abzufordern, ergibt sich schon aus den europäischen Richtlinien zur Auftragsvergabe. Jedoch ist fraglich, inwieweit sich seitens des Auftraggebers eine Pflicht ergibt, den Preis abzufordern. a) Für eine Pflicht der umfassenden Abforderung von Preisen in Bezug auf wesentliche Leistungsteile In der Rechtsprechung wird teilweise gefordert, dass, soweit Preise von den Bietern abgefordert werden, auch eine Pflicht zur Einbeziehung aller substanziellen Leistungsbestandteile in diese Abforderung besteht. Zur Begründung heißt es: „Vor dem Hintergrund, dass es sich bei der [Leistung im konkreten Fall] um einen substantiellen Bestandteil der ausgeschriebenen Leistungen handelt, der zudem für sich genommen schon den einschlägigen Schwellenwert des § 2 Nr. 2 VgV und auch den in die Preiswertung einbezogenen Leistungsteil [. . .] deutlich übersteigt, ist es im Hinblick auf § 97 Abs. 1 GWB geboten, dass auch der Leistungsteil mit einem Preisanteil in die Wertung einbezogen wird. Denn nur so wird die Ag ihrer elementaren Verpflichtung, Leistungen im Wettbewerb zu beschaffen, gerecht.“ 5
Maßgeblich scheint demnach der Wettbewerbsgrundsatz zu sein, der eine Einbeziehung erfordert.6 Das es sich um einen maßgeblichen Leistungsteil handelt, zeigt nach Einschätzung der Vergabekammer die Tatsache, dass der Wert des maßgeblichen Leistungsteils hier oberhalb der in § 2 Nr. 2 VgV niedergelegten Schwellenwerte liegt. Der vergaberechtliche Wettbewerbsgrundsatz dient zum einen der Verwirklichung der „wettbewerblichen Vergabe“, welche die „Kräfte des Marktes“ bei der Beschaffung der öffentlichen Hand nutzt.7 Dies geschieht wesentlich vor dem Hintergrund einer günstigen Beschaffung.8 Zum anderen soll der Wettbewerb sel5
VK Bund, 12.11.2010 – VK 1-109/10; 11.11.2010 – VK 1-103/102. Zu dessen Begründung siehe etwa: Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 53 (Regelung oberhalb der Schwellenwerte/Unionsrecht) und Rn. 55 (Regelungen unterhalb der Schwellenwerte); siehe auch Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 3, der in Abgrenzung zu dem „primär haushaltsrechtliche verankerten Vergaberecht“ das Ziel der Umsetzung des Unionsrecht mittels der §§ 97 ff. GWB in der „Öffnung des öffentlichen Beschaffungswesens für den Wettbewerb“ (siehe zugleich Erwägungsgrund 2 der VKR) oberhalb der Schwellenwerte aufgrund des EU-Vergaberechts sieht; siehe ebenfalls Erwägungsgrund (1) der RL 2014/24/EU: „und dass das öffentliche Auftragswesen für den Wettbewerb geöffnet wird“ (Einfügung aufgrund der späteren Veröffentlichung der RL nach Einreichung und Bewertung der Dissertation). 7 Bungenberg, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, § 97 GWB, Rn. 6. 8 Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 55. 6
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
ber gegen Beeinträchtigungen geschützt werden.9 Ein Ansatz der Argumentation, die den Auftraggeber dazu zwingt, für wesentliche Teile der auszuschreibenden Leistung Preisangaben zu fordern und diese auch zu bewerten, findet sich in beiden aufgeführten Zielen. So wird eine umfassende Nutzung der Marktkräfte, die sich insbesondere in einem (Preis-)Wettbewerb niederschlägt, nicht möglich sein, wenn die Bieter ausgeschriebene Leistungsteile nicht bepreisen müssen und sich diesbezüglich keine Konkurrenz um das günstigste Angebot ergibt.10 Daneben wird sich ein (Preis-)Wettbewerb nicht entfalten können, wenn wesentliche Leistungsteile durch den Auftraggeber nicht bepreist werden müssen. Die Begründung wird von der Kammer noch ausgeführt. So judiziert diese weiter: „Diese Verpflichtung umfasst grundsätzlich den gesamten Leistungsgegenstand [. . .], weil es ansonsten der Willkür des öffentlichen Auftraggebers überlassen bliebe, Leistungsbestandteile dem Wettbewerb zu entziehen, und so das gesetzgeberische Ziel eines in Bezug auf die Zuschlagskriterien umfassenden Bieterwettbewerbs bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags konterkariert würde. Nur für den Fall, dass für diese Leistungen kein Preiswettbewerb zwischen den Bietern bestünde, wäre eine Ausnahme denkbar; dies ist hier jedoch nicht der Fall.“
Diese Rechtsprechung ist insbesondere vor dem Hintergrund einer Missbrauchsgefahr seitens des Auftraggebers zu sehen. Sollte es diesem möglich sein, bestimmte (wesentliche) Teile der Leistung aus dem Preiswettbewerb auszuschließen, wäre eine gezielte Begünstigung bestimmter Bieter möglich, wenn etwa bekannt ist, dass diese in bestimmten Leistungssegmenten nicht günstig anbieten könnten. b) Gegen eine Pflicht der umfassenden Abforderung von Preisen in Bezug auf wesentliche Leistungsteile – insbes. Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers Gegen eine zwingende Einbeziehung aller Leistungsbestandteile in den Wettbewerb spricht zunächst eine Ansicht, die den Wettbewerbsgrundsatz gerade nicht als Ansatz sieht, um hieraus „normative Grundsätze zu formulieren“.11 Dieser sei vielmehr durch die Regelungen des Vergaberechts konkretisiert12 und könne daher nur auslegungsunterstützend wirken.13 Zur Begründung wird angeführt, dass auch der EuGH und der deutsche Gesetzgeber im GWB davon aus-
9 Bungenberg, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, § 97 GWB, Rn. 6; Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 55 m.w. N. (FN 240). 10 Zur Preisbildung siehe oben unter Kapitel B. I. 3. 11 Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 5. 12 Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 7. 13 Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 5.
I. Die Möglichkeit des Auftraggebers, im Angebot Preise abzufordern
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gehen, dass der Wettbewerbsgrundsatz durch die vergaberechtlichen Regeln gesichert wird.14 Daher bedürfe es eines normativen Anknüpfungspunktes in Form einer das Wettbewerbsprinzip ausformenden vergaberechtlichen Norm oder eines Rückgriffs auf ein anderes vergaberechtliches Gebot, um dieses Prinzip zur Anwendung zu bringen.15 Es habe darüber hinaus „keinen eigenständigen normativen Gehalt“.16 Ein solcher normativer Anknüpfungspunkt zu einer Abforderung von Preisen von wesentlichen Leistungsteilen findet sich in der dargestellten Entscheidung der VK Bund gerade nicht; vielmehr wird hier nur auf § 97 Abs. 1 GWB verwiesen. Als Anknüpfungspunkt denkbar wäre die vergaberechtliche Verpflichtung, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen.17 Jedoch bedeutet diese Verpflichtung gerade keinen Zuschlag auf das preisgünstigste Angebot.18 Ziel ist vielmehr das Erreichen der „günstigste[n] Relation zwischen dem verfolgten Zweck und dem einzusetzenden Mittel“.19 Unter Umständen kann es je nach Leistungsgegenstand geboten sein, gerade keine preisliche Bewertung bestimmter Leistungsteile vorzunehmen, etwa wenn sich die Wirtschaftlichkeit besser aus anderen Parametern ersehen ließe. Die Auswahl der Zuschlagskriterien obliegt, unter dem Vorbehalt, dass es sich um sachbezogene Kriterien handelt, ausschließlich dem Auftraggeber als eigener Beuteilungsspielraum und ist gerade nicht durch Nachprüfungsinstanzen überprüfbar.20 Insbesondere das Gewicht der Zu-
14 Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 6 unter Verweis auf § 97 Abs. 1 GWB („Öffentliche Auftraggeber beschaffen Waren, Bau- und Dienstleistungen nach Maßgabe folgender Vorschriften im Wettbewerb und im Wege transparenter Vergabeverfahren“) und EuGH, 07.10.2004 – C-247/02, Rn. 37. 15 Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 9. 16 Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 9 mit Verweis auf Entscheidungen zur Ausformung des Wettbewerbsgrundsatzes bei Hailbronner, in: Byok/Jaeger, § 97 GWB, Rn. 12 ff. 17 § 97 Abs. 5 GWB: „Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebote erteilt“; dies ist auch für den Bereich unterhalb der Schwellenwerte anzunehmen, siehe etwa Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 50: „Für den Zuschlag kommen nur Kriterien in Betracht, die zur Auswahl des wirtschaftlich günstigsten Angebots dienen“; zu VOL/A siehe Ruhland, in: Pünder/Schellenberg, § 16 VOL/A, Rn. 50 und die Aufzählung verschiedener möglicher Zuschlagskriterien in § 16 Abs. 6 Nr. 3 VOL/A. 18 Ausdrücklich geregelt in § 16 Abs. 6 Nr. 3, S. 2 VOB/A; zur VOL/A siehe etwa Ruhland, in: Pünder/Schellenberg, § 16 VOB/A, Rn. 50; siehe auch Ziekow, in: ders./ Völlink, § 97 GWB, Rn. 105. 19 Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Rechtsgrundlagen für die Vergabe öffentlicher Aufträge, BT-Drucks 13/9340, S. 48. 20 Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 106; zum Beurteilungsspielraum Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 89 mit Verweis auf BGH, 08.11.1984 – VII ZR 51/84; BGH, 06.02.2002 – X ZR 185/99; OLG Düsseldorf, 24.02.2005 – VII-Verg 88/ 04; OLG Rostock, 16.05.2001 – 17 W 1/01 und 17 W 2/01; als a. A. aufgeführt werden BGH, 17.02.1999 – X ZR 101/97; BGH, 26.10.1999 – X ZR 30/98; Goede, VergabeR 2002, 347, 349 f.
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
schlagskriterien ist einer Überprüfung entzogen.21 Daher ist vor diesem Hintergrund die Begründung eines Zwangs zur Einbeziehung eines wie auch immer bestimmten Leistungsanteils in eine preisliche Bewertung nicht geboten. Ob eine mögliche „Nichtbewertung“ einzelner Leistungsteile dem Gebot der Auswahl des wirtschaftlichsten Angebotes zuwider läuft, soll hier nicht entschieden werden.22 Jedenfalls besteht aufgrund des Wettbewerbsprinzips, etwa in Verknüpfung mit dem Gebot der Auswahl des wirtschaftlichsten Angebotes, noch keine Pflicht zur Abforderung von Preisen in Bezug auf wesentliche Angebotsteile. Gegen eine solche zwingende Einbeziehung des Preises spricht weiterhin, wie in obiger Argumentation bereits angedeutet, auch das Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers.23 Hiernach obliegt dem Auftraggeber die Freiheit, seine Beschaffung nach seinen Vorstellungen auszugestalten,24 mithin auch die Parameter zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit selber festzulegen.25 c) Ergebnis Daher wird im Ergebnis die Ansicht, dass ein bestimmter Umfang der Leistung einer preislichen Bewertung einzubeziehen ist, nicht geteilt. Der Vollständigkeit halber ist jedoch zu erwähnen, dass es unter Umständen dem Gebot der Wirtschaftlichkeit widerspricht, wenn wesentliche Teilen des Angebotes einer Bewertung durch irgendwelche Wirtschaftlichkeitskriterien vollständig entzogen werden.26 Allenfalls hierin könnte sich im konkreten Fall ein Ansatz finden, der die Abforderung des Preises erzwingt. 2. Zwang zur Wertung der geforderten Angaben Soweit durch den Auftraggeber Preisangaben im Angebot abgefordert wurden, sind diese auch zu bewerten; entscheidet sich etwa der Auftraggeber nach Öff21 Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 89; Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 191 f. 22 Diese Frage kann sich im Einzelfall im Zusammenhang mit den Zuschlagskriterien ergeben. Daher wird diese dort unter D. II. behandelt. 23 Auch „Beschaffungsfreiheit“ des Auftraggebers genannt, siehe Ziekow, in: ders./ Völlink, § 99 GWB, Rn. 20 f. und § 97 GWB, Rn. 88 mit Verweis auf VK Bund, 08.01.2004 – VK 1-117/03. 24 Ziekow, in: ders./Völlink, § 99 GWB, Rn. 20. 25 Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 191 mit Verweis auf einen nach seiner Ansicht zu pauschalen Begriff von einem „Beuteilungsermessen“ des öffentlichen Auftraggebers und diesbezüglichem Verweis auf BGH, 16.01.2001 – X ZR 100/ 99; BGH 06.02.2002 – X ZR 185/99; OLG Düsseldorf, 19.01.2005 – VII-Verg 58/04; Opitz, BauR 2000, 1564 ff.; vorgeschlagen wird daher eine präzisere Differenzierung unter Verweis auf Otting, in: Bechthold/Otting, § 97 Rn. 53; hierzu a. A. Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, § 97 GWB, Rn. 224. 26 Siehe hierzu auch F. II.
I. Die Möglichkeit des Auftraggebers, im Angebot Preise abzufordern
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nung der Angebote dazu, manche abgeforderten Preiskomponenten nicht in die Bewertung mit einzubeziehen, werden hierdurch jedenfalls das Transparenzgebot sowie gegebenenfalls das Gleichbehandlungsgebot verletzt.27 Die Bewertung der Preisangaben soll in einem nachfolgenden Kapitel dezidierter dargestellt werden.28 3. Festlegung des Preises/des Honorars aufgrund einer Gebührenordnung Eine Besonderheit hinsichtlich der Abforderung von Preisen besteht, soweit die Leistung nach einer gesetzlichen Gebühren- oder Honorarordnung zu vergüten ist. § 11 Abs. 5 S. 3 VOF regelt für freiberufliche Leistungen die Berücksichtigung des Preises im dementsprechend vorgeschriebenen Rahmen. Die Regelung legt insoweit den Vorrang der Gebühren- und Honorarordnungen im Vergaberecht fest.29 Die entsprechenden Vorgaben dürften auch auf die Fälle der anderen Vergabe- und Vertragsordnungen übertragbar sein, soweit die VOF nicht einschlägig ist.30 Jedoch bedeutet die Tatsache, dass Gebühren- und Honorarordnungen zu beachten sind, nicht, dass der Preis in diesen Ausschreibungen keine Rolle spielen darf.31 Vielmehr besteht die Möglichkeit, dem Preis etwa durch Erfolgshonorare oder durch die Verhandlung von Stundensätzen, soweit hierzu durch die gesetzlichen Regelungen ein Spielraum eingeräumt wird, zu einer Geltung zu verhelfen.32
27
VK Lüneburg, 04.09.2008 – VgK-29/2008. Siehe unten unter F. 29 Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, § 97, Rn. 220, der den Vorrang der nationalen Gebührenordnungen aus dem Vorrang nationaler Bestimmungen der Vergütung nach Erwägungsgrund 47 VKR herleitet. 30 Etwa für den Fall, dass es sich um eine Dienstleistung des Anhangs I Teil A der VOF handelt, die zwar im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht wird, dessen Gegenstand jedoch eine Aufgabe ist, deren Lösung vorab eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann (siehe § 1 Abs. 1 VOF). Der Vorrang kann schon aufgrund des höheren Ranges mancher Gebührenordnungen (etwa der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI), zu deren Erlass die Bundesregierung durch das „Gesetz zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen vom 04.11.1971 (BGBl. I 1749)“ ermächtigt wurde, und deren Vorrang sich demnach aufgrund dieses Gesetzes ergibt) geschlossen werden. Soweit ein höherer Rang nicht angenommen werden kann, wird der Vorrang aufgrund des Vorrangs der spezielleren Regelung („lex specialis“) statuiert; zur Annahme, dass die HOAI „öffentliches Preisrecht“ darstellt, welches (aufgrund der Höherrangigkeit) den Preiswettbewerb ausschaltet, siehe Schellenberg, in: Pünder/ders., § 6 VOF, Rn. 14. 31 Voppel/Osenbrück/Bubert, VOF, § 11, Rn. 42. 32 Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOF, § 11, Rn. 90, Stand: 23.09. 2013. 28
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
4. Vorgaben durch die Kalkulationsfreiheit Im Rahmen der Abforderung von Preisen und der Bestimmung von Preisangaben ist die Kalkulationsfreiheit des Auftragnehmers zu beachten.33 Diese steht möglicherweise Kalkulationsvorgaben des Auftraggebers entgegen.34 Als grundsätzlich zulässig wird in diesem Zusammenhang etwa die Forderung der Aufschlüsselung der Preise erachtet.35 Insbesondere die Vorgabe von Preisen durch den Auftraggeber kann jedoch bezüglich der Zulässigkeit hinterfragt werden. a) Begriff und Inhalt der Kalkulationsfreiheit Der Begriff der Kalkulationsfreiheit hat im Vergaberecht keine positive Regelung gefunden. Vielmehr wird das Fehlen von expliziten Vorgaben hinsichtlich der Kalkulation der Unternehmer als Kalkulationsfreiheit bestimmt.36 Daraus folgt, dass diese Freiheit in gesetzlichen Regelungen ihre zwingende Grenze findet.37 Auch wird argumentiert, dass eine weitere Grenze der Kalkulationsfreiheit durch den Auftraggeber gezogen werden kann.38 Vorgaben durch den Auftraggeber, etwa in Bezug auf den Ort der Angabe des Preises,39 sind hiernach zulässig.40 Einer hierzu existierenden Gegenansicht, die mit der Freiheit des Wettbewerbs zugunsten einer Freiheit der Kalkulation/Preisangabe argumentiert,41 wird in der Literatur mit Hinweis auf die Unrichtigkeit der Aussage, dass es in einer freien Wirtschaftsordnung keine gesetzlichen Vorgaben zur Kalkulation der Preise geben könne, entgegengetreten.42 Die Diskussion dreht sich im Wesent-
33 Zum Begriff der Kalkulationsfreiheit etwa Leinmann/Kirch, VergabeR 2005, 563 ff. im Zusammenhang mit Mischkalkulationen, zu einzelnen Ausprägungen im Bauvergaberecht siehe Bierbaum, BauR 2009, 1221 ff. m.w. N.; Dicks, in: Kulartz/ Marx/Portz/Prieß, § 13 VOL/A, Rn. 78. 34 Hierzu Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, § 13 VOL/A, Rn. 79. 35 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, § 13 VOL/A, Rn. 78. 36 Biermann, BauR 2009, 1221. 37 Müller-Wrede, NZBau 2006, 75; Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, § 13 VOL/ A, Rn. 80. 38 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, § 13 VOL/A, Rn. 80. 39 Anders unter Umständen, soweit der Ort der Bepreisung angegeben worden ist; siehe hierzu zu „Mischkalkulationen“ unten unter D. II. 3. 40 OLG Rostock, 08.03.2006 – 17 Verg 16/05 (=VergabeR 2006, 374, 377); Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, § 13 VOL/A, Rn. 80. 41 KG Berlin, 26.02.2004 – 2 Verg 16/03: „Die Angebotskalkulation berührt den Kernbereich unternehmerischen Handelns im Wettbewerb um öffentliche Aufträge und damit die Freiheit des Wettbewerbs in diesem Marktgeschehen schlechthin. Vorschriften, auf welche Weise der Unternehmen zu kalkulieren hat, kann es in einer freien Wirtschaftsordnung nicht geben.“; ebenso: Müller-Wrede, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, VergabeR 2011, 203 mit Verweis auf BGH, 06.10.1983 – I ZR 39/83. 42 Freise, NZBau 2005, 137; siehe zum Preisrecht oben unter B. II. 5.
I. Die Möglichkeit des Auftraggebers, im Angebot Preise abzufordern
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lichen um die Zulässigkeit von Mischkalkulationen, die im Detail unten dargestellt wird.43 Jedenfalls bestehen bleibt zugunsten der Bieter das, teilweise aus dem „Kernbereich unternehmerischen Handelns“ abgeleitete,44 Recht, die Kalkulation der Preise nach eigener Vorstellung vorzunehmen und auch die Preisangaben nach eigener Vorstellung zu verorten, soweit keine Vorgaben des Auftraggebers existieren.45 Diese Ansicht scheint in Bezug auf die Einschränkungsmöglichkeit des Auftraggebers schon deswegen sinnvoll, da eine Freiheit der Kalkulation und Preisverortung der Bieter auch im Privatrecht nicht bekannt ist und ein darüber hinausgehender, durch öffentliche Rechte erweiterter Schutz der Bieter vor dem öffentlichen Auftraggeber auch nicht gegeben scheint. Vielmehr muss es dem Auftraggeber aufgrund des oben dargestellten Leistungsbestimmungsrechtes in Verbindung mit dem Gebot, das wirtschaftlichste Angebot zu bezuschlagen, möglich sein, notwendige Vorgaben zu Preisangaben und Kalkulation zu machen, um diese wirksam bewerten zu können. – Anknüpfung zu Preisgestaltungsfreiheit/Preisbildungsfreiheit Denkbar ist eine Herleitung aus dem kartellrechtlichen Schutz der Preisgestaltungsfreiheit bzw. der Preisbildungsfreiheit.46 Soweit man als deren Schutzzweck die freie Preisbildung und Preisgestaltung ansieht, scheint diese zunächst mit einer Kalkulationsfreiheit der Bieter, welche diesen das alleinige Recht an ihrer Kalkulation einräumt, konform zu sein. Jedoch garantieren Preisgestaltungsfreiheit und Preisbildungsfreiheit nicht das Recht, in der eigenen Kalkulation völlig frei zu sein. Diese Freiheit wird schon notwendigerweise durch die zwingenden Vorgaben der Leistung auf Bieterseite eingeschränkt. Vielmehr soll der freie Markt vor einer Absprache der Bieter geschützt werden.47 Aus diesen kartellrechtlichen Begriffen ergibt sich daher keine Anknüpfung bzw. Konkretisierung der Kalkulationsfreiheit. b) Auswirkungen der Kalkulationsfreiheit Einen Hinweis auf die Auswirkungen der Kalkulationsfreiheit gibt ein Beschluss des OLG Rostock. Dieses stellt im Zusammenhang mit einer Entscheidung über das Vorliegen einer Mischkalkulation48 fest: 43
Siehe unten unter D. II. 3. KG Berlin, 26.02.2004 – 2 Verg 16/03. 45 BGH, 18.05.2004 – X ZB 7/04; Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, § 13 VOL/ A, Rn. 80. 46 Siehe hierzu oben unter D. II. 1. d). 47 Siehe hierzu oben unter D. II. 1. d). 48 Hierzu unten unter D. II. 3. 44
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe „Die Prüfung der Angebote auf Vollständigkeit der angebotenen Einheitspreise beschränkt sich damit auf einen Vergleich der Einheitspreise mit der Kalkulation des Bieters. Besteht ein feststellbarer Widerspruch zwischen der Höhe der Einheitspreise und den Angaben zur Preisermittlung, ist das Angebot auszuschließen; decken sich Einheitspreis und kalkulatorischer Endbetrag der Preisermittlung, ist ein Ausschluss nicht möglich. Wie die preisbildenden Faktoren berücksichtigt wurden, ist unerheblich. Deshalb kann auch eine inhaltliche Prüfung der Kalkulation eines Bieters vergaberechtlich nicht stattfinden. Es liegt allein im Verantwortungsbereich des Bieters, wie er die Preise kalkuliert und zu welchen Preisen er welche Leistungen des Leistungsverzeichnisses anbietet.“ 49
Auch der BGH, auf den das OLG Rostock in seinem Beschluss verweist, hat insoweit festgestellt: „dass es im Verantwortungsbereich des Bieters liegt, wie er seine Preise kalkuliert und zu welchen Preisen er welche Leistungen des Leistungsverzeichnisses anbietet.“ 50
Unterschieden werden muss die Aussage der beiden Beschlüsse. Das OLG Rostock will dem Bieter mit zitierter Passage wohl eine Freiheit zur Kalkulation einräumen, die eine Überprüfung zu dessen Gunsten beschränkt.51 Im Gegensatz dazu bestätigt der BGH im zitierten Beschluss, dass der Auftraggeber nicht gehalten ist, die Kalkulation des Bieters nachzuvollziehen oder „Ermittlungen anzustellen“, um eine Vollständigkeit zu erreichen.52 Demnach statuiert der BGH durch die Kalkulationsfreiheit auch eine Verpflichtung der Auftragnehmer, ihre 49 OLG Rostock, 08.03.2006 – 17 Verg 16/05 mit Verweis auf BGH, 18.05.2004 – X ZB 7/04. 50 BGH, 18.05.2004 – X ZB 7/04. 51 OLG Rostock, 08.03.2006 – 17 Verg 16/05: „Deshalb kann auch eine inhaltliche Prüfung der Kalkulation eines Bieters vergaberechtlich nicht stattfinden. Es liegt allein im Verantwortungsbereich des Bieters, wie er die Preise kalkuliert und zu welchen Preisen er welche Leistungen des Leistungsverzeichnisses anbietet.“ 52 In BGH, Beschluss vom 18.05.2004 – X ZB 7/04 heißt es weiterhin: „Grundlage der Wertung sind die von den Bietern nach Maßgabe der Ausschreibungsunterlagen abgegebenen Angebote. Enthalten diese Einheitspreise für die einzelnen ausgeschriebenen Leistungen, welche die für die jeweiligen Leistungen geforderten Preise ersichtlich nicht ausweisen, ist die Vergabestelle nicht gehalten, die Gründe zu ermitteln, die den Bieter veranlaßt haben, die tatsächlich geforderten Preise für die betreffenden Leistungspositionen nicht auszuweisen, sondern andere Preise anzugeben [. . .] Ergibt sich durch die Erklärungen des Bieters, daß die ausgewiesenen Preise die von ihm für die Leistungen geforderten Preise vollständig wiedergeben, kann das Angebot nicht nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b VOB/A ausgeschlossen werden. Ergibt die Aufklärung dagegen wie im Streitfall, daß die Preise für die ausgeschriebenen Leistungen nicht in der nach § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A erforderlichen Weise das tatsächlich für die Leistung geforderte Entgelt ausweisen, ist die Vergabestelle nicht verpflichtet, Ermittlungen darüber anzustellen, welche Preise für welche Leistungen tatsächlich gefordert werden, um auf diese Weise die Vergleichbarkeit der Angebote herzustellen. Vielmehr ist das Angebot gemäß § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A i.V. m. § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b VOB/A von der Wertung auszuschließen. § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b VOB/A von der Wertung auszuschließen.“
I. Die Möglichkeit des Auftraggebers, im Angebot Preise abzufordern
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Angebote zu verantworten, nicht jedoch einen Schutz vor Überprüfung gegenüber den Auftraggebern. Die Auswirkungen dieser Freiheit sind daher sowohl zugunsten als auch zuungunsten des Bieters möglich. c) Zulässigkeit von Kalkulationsvorgaben des Auftraggebers Die Freiheit der Kalkulation wird im Zusammenhang mit einem Verfahren nach dem UWG durch den BGH schon 1983 bestätigt, wo dieser feststellt: „In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes legt das Berufungsgericht zutreffend zugrunde, daß der Kaufmann im Rahmen der bestehenden marktwirtschaftlichen Ordnung grundsätzlich frei ist in der Gestaltung seiner Preise. [. . .] Daß ihm [dem Grundsatz der freien Preisbildung] wettbewerbsrechtlich besondere Bedeutung beizumessen ist, zeigt auch die Zurückhaltung, die die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und schon des Reichsgerichts seit jeher gegenüber dem Verlangen nach Eingriffen in die freie Preisgestaltung geübt hat, soweit es sich nicht um Irreführungen oder um die Unterbietung von zulässigen Preisbindungen oder von öffentlich-rechtlichen Tarifen etc. gehandelt hat.“ 53
In diesem Zusammenhang lässt sich die nur sehr begrenzte rechtliche Auswirkung der Kalkulationsfreiheit54 zeigen. Zwar zeigt der BGH, dass eine Zurückhaltung aufseiten der Rechtsprechung55 hinsichtlich der generellen Festlegung von Preisen existiert, jedoch ist von dieser Zurückhaltung in Form der justiziellen Selbstbeschränkung der (öffentliche) Auftraggeber gerade nicht umfasst. Freie Preisbildung wird nicht dadurch verhindert, dass der Auftraggeber bestimmte Vorgaben bezüglich der Preisangaben macht. Vielmehr wird sich auch dann ein Angebotspreis bilden, der die Vorgaben des Auftraggebers mit einberechnen wird.56 Gerade die Tatsache, dass eine Einschränkung von Preisvorgaben durch Markteilnehmer nicht genannt wird, spricht für eine zugunsten dieser bestehenden Möglichkeit. Ebenso kann etwa eine Entscheidung des BGH zu Direktkäufen aus dem Jahre 1958 eingeordnet werden. In dieser hat der Senat festgelegt: „Im Rahmen einer marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftsordnung steht es einem Unternehmen grundsätzlich frei, seine Preisgestaltung in eigener Verantwortung vorzunehmen.“ 57
53
BGH, 06.10.1983 – I ZR 39/83. Diese dürfte der Freiheit der Preisgestaltung gleichen. 55 Und wohl auch des Gesetzgebers, siehe insoweit KG Berlin, 26.02.2004 – 2 Verg 16/03; hierzu allerdings mit berechtigter Kritik an der Aussage, dass es „in einer freien Wirtschaftsordnung keine gesetzlichen Vorgaben zur Kalkulation der Preise geben“ könne, Freise, NZBau 2005, 137. 56 Bezug zum Auktionsmodell, siehe hierzu oben unter B. I. 3., zu der Funktion des Preises siehe unter B. I. 4. 57 BGH, 27.06.1958 – I ZR 109/56. 54
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
Auch dieses Urteil betont zwar die grundsätzliche Freiheit der Unternehmen, jedoch ist auch in dieser Entscheidung kein Verbot für den Auftraggeber, bestimmte Kalkulationsvorgaben zu machen, niedergelegt. Dargestellt wird nur, dass gegen eine solche Freiheit der Kalkulation keine gesetzlichen Maßgaben sprechen. In diesem Sinne sind Kalkulationsvorgaben von der Rechtsprechung für zulässig erklärt worden. Der BGH hat etwa in einer Entscheidung aus dem Jahre 2006 die Vorgabe der Angaben eines Pauschalpreises für zulässig erklärt, und, soweit dieser nicht gemäß den Vorgaben durch die Bieter angegeben wurde, einen Angebotsausschluss grundsätzlich legitimiert.58 Ebenso haben das OLG München und das OLG Koblenz jeweils im Jahre 2006 entschieden, dass die Bieter Vorgaben hinsichtlich der genauen Preisangabe einer Leistungsposition zu beachten haben.59 d) Keine Änderung der Angaben des Bieters Einen weiteren Ansatz, den Begriff der Kalkulationsfreiheit auszufüllen, nennt die VK Nordbayern. Diese stellt fest, dass, soweit der Bieter ein Angebot unterbreitet hat, „vom Bieter zu treffende Kalkulationsannahmen [. . .] deshalb durch Ansätze von Auftraggeberseite nicht ersetzt werden [können].“ 60 Dies kann sich zuungunsten des Bieters auswirken, etwa wenn sich dessen Angaben als unvollständig erweisen.61 Gleichzeitig schützt ihn dieses Verbot des Ersetzens von Angaben jedoch auch vor einer Veränderung seines Angebots durch den Auftraggeber. e) Kein Zwang zur Angabe markt- oder ortsüblicher Preise Letztlich schützt die besprochene Kalkulationsfreiheit den Anbieter gegen den Zwang zur Abgabe vorgegebener markt- oder ortsüblicher Preise. So stellte etwa die VK Rheinland-Pfalz fest: „Es ist grundsätzlich festzustellen, dass Bieter ihre Preise ohne Gewinn und sogar unterhalb von Selbstkosten kalkulieren dürfen [. . .]. Sie sind nicht gezwungen, Markt- oder ortsübliche Preise anzubieten [. . .]. Die Kalkulation der Preise ist Angelegenheit und Risiko der Bieter und Ausdruck der Vertragsfreiheit.“ 62
58 59
BGH, 01.08.2006 – X ZR 115/04. OLG München, 24.05.2006 – Verg 10/06; OLG Koblenz, 02.01.2006 – 1 Verg
6/05. 60
Vergabekammer Nordbayern, 12.11.2004 – 320.VK-3194-43/04. Siehe unter D. III. 62 VK Rheinland-Pfalz, 10.02.2011 – VK 1-53/10 unter Verweis auf Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, § 16 VOB/A, Rn. 69 nach dem ersten Satz. 61
I. Die Möglichkeit des Auftraggebers, im Angebot Preise abzufordern
63
Dass diese Freiheit nicht nur in eine Richtung „wirkt“, wird in der Entscheidung ebenfalls festgestellt: „Ein Bieter, der Unterkosten anbietet, bedarf keines Selbstschutzes durch die Vergabestelle. Die Vergabestelle ist nicht verpflichtet, Bieter vor Verlustgeschäften zu bewahren.“ 63
f) Keine Vorgabe der „tatsächlichen Bezahlung“ auf der ersten Wertungsstufe Dass eine Vorgabe der Kalkulation zulässig ist, hat auch das OLG Düsseldorf in einer Entscheidung aus dem November 2012 festgestellt.64 In dieser findet sich eine Grenze, die eine sinnvolle Abgrenzung der Rechte von Bieter und Auftragnehmer vornimmt, Preisvorgaben bei der Angebotsaufforderung zu machen65 und gleichzeitig die Rechtssphäre der Bieter zu schützen.66 Das OLG judiziert in genanntem Beschluss, in dem der Auftraggeber vorgab, mit einem während der Vertragslaufzeit auslaufenden Tariflohn zu kalkulieren: „Kalkulationsvorgaben durch den öffentlichen Auftraggeber sind vergaberechtlich zugelassen. Sie beschränken zwar die Kalkulationsfreiheit der Bieter und „kanalisieren“ in gewissem Umfang auch den Preiswettbewerb, beruhen jedoch auf der Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers hinsichtlich der Regularien des Vergabeverfahrens. Zudem begrenzen sie Spekulationsmöglichkeiten der Bieter und fördern insoweit die Chancengleichheit bei der Bewerbung um den Auftrag.“ 67
Als vergaberechtliche Rück-Einschränkung wird klargestellt: „Wie sonstige Festlegungen des Auftraggebers in den Vergabeunterlagen auch unterliegen sie nur dem Gebot der Eindeutigkeit und Bestimmtheit.“ 68
Als Abgrenzung der somit zulässigen Kalkulationsvorgabe wird dem gegenüber im Weiteren klargestellt: „Bieter sollten bei der Ausarbeitung der Angebote über die gesamte Vertragslaufzeit von zwei Jahren rechnerisch mit dem angegebenen Tarifstundenlohn gemäß für allgemeinverbindlich kalkuliertem Tarifvertrag, welcher neun A (netto) betrug, kalkulieren. Damit ist auch im Ansatz keine Verpflichtung verbunden, diesen Tariflohn an Beschäftigte auch tatsächlich zu zahlen.“ 69
Unzulässig scheint demnach eine Vorgabe, die den Bieter zur Auszahlung von bestimmten Löhnen verpflichtet, soweit diese wie hier nicht für allgemeinver63
VK Rheinland-Pfalz, 10.02.2011 – VK 1-53/10. OLG Düsseldorf, 14.11.2012 – VII-Verg 42/12. 65 Siehe D. I. 4. d). 66 Etwa den vom KG Berlin, 26.02.2004 – 2 Verg-16/03 erwähnte „Kernbereich unternehmerischen Handelns“. 67 OLG Düsseldorf, 14.11.2012 – VII-Verg 42/12. 68 OLG Düsseldorf, 14.11.2012 – VII-Verg 42/12. 69 OLG Düsseldorf, 14.11.2012 – VII-Verg 42/12. 64
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
bindlich erklärt wurden oder gegebenenfalls als verbindlicher, rechtlich zulässiger Mindestlohn vorgeschrieben sind. Systematisch ist diese Vorgabe insbesondere deswegen sinnvoll, da auf der hier vorliegenden ersten Prüfungsstufe keine Prüfung des Unternehmens (bei Vertragsausführung), sondern eine Prüfung der Angaben im Angebot vorgenommen wird. Nicht zulässig ist daher ein Ausschluss auf der ersten Wertungsstufe aufgrund der Zahlung von rechtlich zulässigen Löhnen, die nicht denen entsprechen, mit denen kalkuliert worden ist.70 Zulässig ist in diesem Zusammenhang jedoch ein Ausschluss aufgrund einer Abweichung von der Vorgabe zur Kalkulation.71 g) Ergebnis Im Ergebnis können als Folge der Kalkulationsfreiheit festgestellt werden: – Zunächst bestehen keine Vorgaben der Vergabe- und Vertragsordnungen, wie der Bieter seine Preise zu kalkulieren hat. – Jedoch können, auch mangels gegenteiliger Regelungen des Vergaberechts, durch den Auftraggeber Vorgaben hinsichtlich der Preisangaben (nach Art und Umfang) gemacht werden, die bei Nichterfüllung eine Unvollständigkeit zur Folge haben.72 – Daneben sind auch inhaltliche Kalkulationsvorgaben möglich. – Soweit der Bieter die Angaben gemacht hat, dürfen diese durch die Auftraggeber nicht verändert werden. – Unzulässig ist die Vorgabe markt- oder ortsüblicher Preise durch den Bieter. – Nicht zulässig sind nach genannter Rechtsprechung des OLG Düsseldorf 73 ebenfalls Vorgaben zur tatsächlichen Auszahlung von rechtlich zulässigen Löhnen während der Vertragsdurchführung.74 Daneben ist der Bieter im Rahmen der genannten Vorgaben in der Kalkulation frei. Zusammenfassend kann eine Entscheidung des OLG Düsseldorf angeführt werden, in der es heißt: „Eine Preisangabe ist unzutreffend und daher unvollständig, wenn sie nicht mit demjenigen Preis vorgenommen worden ist, der für die betreffende Leistung beansprucht 70
Zum Ausschluss von Bietern, die rechtswidrige Löhne zahlen, siehe unten unter V. Problematisch ist im Zusammenhang mit dieser Rechtsprechung die (Un-)Zulässigkeit einer Kalkulationsvorgabe von Mindest- oder Maximalpreisen, siehe hierzu VK Bund, 14.06.2011 – VK 3-62/11. Das Problem, welches in Zusammenhang mit der Kalkulationsfreiheit steht, wird unten unter D. I. 5. b) aa) behandelt. 72 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, § 13 VOB/A, Rn. 62. 73 OLG Düsseldorf, 14.11.2012 – VII-Verg 42/12. 74 Zur Behandlung der Vorgabe von Mindestpreisen oder Maximalpreisen, die in einem gesonderten Kapitel behandelt wird, siehe unten unter D. I. 5. b) aa) (1). 71
I. Die Möglichkeit des Auftraggebers, im Angebot Preise abzufordern
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wird [. . .]. Zutreffend beansprucht ist derjenige Preis, den der Bieter für die Leistung tatsächlich kalkuliert hat und den er folglich tatsächlich berechnen will. Wie er seine Preise kalkuliert, schreiben die Vertrags- und Verdingungsordnungen einem Bieter hingegen nicht vor. Dies liegt als Ausdruck der Freiheit unternehmerischen Handelns vielmehr in seinem Verantwortungsbereich [. . .]. Im Streitfall hat die Vergabestelle ebenso wenig inhaltliche Kalkulationsvorgaben gemacht.“ 75
Hier kann aus dem letzten Satz im Rückschluss gefolgert werden, dass die Vergabestelle eben solche inhaltlichen Kalkulationsvorgaben machen kann. 5. Verschiedene Preisabforderungsmodelle Neben den oben benannten Grundlagen gibt es dezidierte Rechtsprechung zu verschiedenen Möglichkeiten der Abforderung von Preisen, welche im Folgenden beispielhaft aufgeführt wird. a) Preisabforderungsmodelle nach dem SGB V Im Bereich der Ausschreibungen von Verträgen nach SGB V sind durch dieses mehrere Modelle der Vergütung vorgegeben. Zu beachten ist, dass die Verträge, welche Gegenstand von Ausschreibungen sind, sich jeweils in ihrer rechtlichen Grundlage unterscheiden, die sich insbesondere an den Vertragspartnern orientiert. So ist § 129 Abs. 5 S. 3 SGB V Grundlage für Verträge zwischen den Krankenkassen und den Apotheken über die „Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten“.76 Verträge über „Rabatte zwischen den pharmazeutischen Unternehmern und den Krankenkassen über die Arzneimittelversorgung“ finden hingegen ihre Grundlage in § 130a Abs. 8 SGB V. Verträge über die „Versorgung mit Hilfsmitteln“ und deren Ausschreibung sind in § 127 Abs. 1 SGB V dargelegt.77 aa) Preisrechtliche Zulässigkeit Zunächst ist die Kollision des Preisrechts nach der VO PR 30/53 mit den hier vorliegenden preislichen Normierungen zu untersuchen. § 3 Abs. 1 der VO PR 30/53 stellt fest, dass „Öffentliche Aufträge [. . .] den allgemeinen und besonderen Preisvorschriften [unterliegen].“ Zu den allgemeinen Preisvorschriften zäh75 OLG Düsseldorf, 09.02.2009 – VII-Verg 66/08 mit Verweis auf BGH, 24.05. 2005 – X ZR 243/02 und BGH, 18.05.2004 – X ZB 7/04 nach dem vierten Satz. 76 § 129 Abs. 5 S. 3 SGB V. 77 Zu betrachten sind diese Ausschreibungsmodelle vor dem Hintergrund der gesetzlichen Absicherung eines einheitlichen Apothekenabgabepreises, siehe hierzu etwa GMS-OBG, 22.08.2012 – GMS-OBG 1/10.
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
len Regelungen des Preises, die sowohl formeller als auch materieller Natur sind und bei allen Waren und Leistungen Beachtung finden müssen.78 Die besonderen Preisvorschriften sind solche, die bezüglich bestimmter Waren oder Leistungen gelten und für diese hoheitliche Preisbindungen vorsehen.79 Unabhängig von der Qualifizierung der Vorschriften des SGB V80 sind diese jedenfalls als Preisvorschriften einzuordnen. Als möglicherweise problematisch im Zusammenhang mit der Abforderung des Preises81 wird, hinsichtlich der Abforderung von Rabatten auf den LauerTaxen Preis, die Bestimmung des § 1 Abs. 2 VO PR Nr. 30/53 bemerkt.82 Dieser legt fest: „Soweit es die Verhältnisse des Auftrags ermöglichen, sind feste Preise zu vereinbaren. Die Preise sollen bei Abschluß des Vertrags festgelegt werden.“
Feste Preise im Sinne des § 1 Abs. 2 VO PR 30/53 sind solche, die als vertragliche Regelung beider Parteien von diesen nicht einheitlich geändert werden können.83 Die angebotenen Rabatte beziehen sich auf einen (etwa durch die LauerTaxe zu einem bestimmten Zeitpunkt) festgelegten Preis des Arzneimittels. Dieser sich aus dem Rabattsatz ergebende Preis des Arzneimittels ist demnach als fester Preis anzusehen. Daher ist dem OLG Düsseldorf zuzustimmen, das eine Unzulässigkeit der Ausschreibungen von Rabattverträgen mit Hinweis auf § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V verneint und bestätigt, dass Abschläge auf den Abgabe-
78 Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller/Waldmann, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, § 3 VO PR Nr. 30/53, Rn. 6. 79 Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller/Waldmann, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, § 3 VO PR Nr. 30/53, Rn. 6. 80 Diese gelten für einen speziellen Bereich, der als Arznei- und Hilfsmittelmittelvertrieb zu qualifizieren ist. Demnach wären sie zunächst als besondere Preisvorschriften zu qualifizieren. Jedoch enthalten die Regelungen des SGB V keine Preisbindungen für diese Waren, sondern vielmehr eine formelle Regelung über die Möglichkeit, trotz festgelegter Preise eine Ausschreibung, in der sich die Bieter wirtschaftlich abheben, zu gestalten. 81 Auf die umfangreichen Problematiken im Zusammenhang mit der Zulässigkeit der Rabattvertragsausschreibungen im SGB V Bereich – etwa hinsichtlich des Vorliegens eines ungewöhnlichen Wagnisses für den Bieter – soll hier nicht eingegangen werden. Zu Arzneimittelausschreibungen generell siehe etwa Gabriel, VergabeR 2011, 372 ff.; zum Begriff des ungewöhnlichen Wagnisses siehe Prieß, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 7, Rn. 39 ff. 82 Siehe OLG Düsseldorf, 28.03.2012 – Verg 90/11; zur Maßgeblichkeit der VO PR 30/53 auch bei anderweitiger Preisregelungen außerhalb der Verordnung siehe Ebisch/ Gottschalk/Hoffjan/Müller/Waldmann, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, § 3 VO PR Nr. 30/53, Rn. 4: „Die §§ 4 ff. der Verordnung treten also zurück“. Demnach können im Umkehrschluss die §§ 1–3 jedenfalls als maßgeblich betrachtet werden. 83 Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller/Waldmann, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, § 1 VO PR Nr. 30/53, Rn. 43, 44; als Gegenteil eines festen Preises wird ein „vorläufiger Preis“ genannt.
I. Die Möglichkeit des Auftraggebers, im Angebot Preise abzufordern
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preis des pharmazeutischen Unternehmers sowie auf die Preise und Preisspannen der Apotheken vereinbart werden können.84 Verstärkt wird diese Argumentation noch dadurch, dass § 1 Abs. 2 VO PR 30/ 53 nur die Bevorzugung fester Preise vorgibt,85 demnach also gleichzeitig die Möglichkeit der Abweichung einräumt. Insgesamt sind daher die Preisfindungsmodelle des SGB V nach dem Vergaberecht zulässig. bb) Preismodell nach § 129 Abs. 5 S. 3 SGB V – Rabattverträge bei Fertigarzneimitteln in der Onkologie Nach § 129 Abs. 5 S. 3 SGB V ist eine Ausschreibung von Verträgen über die Beschaffung von parenteralen Fertigarzneimitteln mit Apotheken durch die gesetzlichen Krankenkassen erforderlich.86 Dies kann sowohl durch Abschläge auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers als auch durch direkte Abschläge des Apothekers auf seinen Abgabepreis erfolgen.87 Die grundsätzliche Zulässigkeit der Ausschreibung von Leistungen nach dem SGB V mit der Forderung solcher prozentualer Abschläge ist durch die Rechtsprechung bestätigt worden.88 cc) Preismodelle nach § 130a Abs. 8 SGB V Weitere Möglichkeiten, Preise abweichend vom Modell „Preis pro Leistungseinheit“ zu verlangen, sind in § 130a Abs. 8 SGB V niedergelegt.89 Dieser ermöglicht es den Krankenkassen, Vertragsbeziehungen mit den pharmazeutischen Unternehmen einzugehen und zusätzliche Rabatte je Wirkstoffeinheit zu vereinbaren.90 Abgefordert wird daher die Angabe eines Rabattes auf einen Preis. Die Wirtschaftlichkeit der Preise wird durch eine spätere Verrechnung der Rabatte mit den Ursprungspreisen und einen hiernach erfolgenden Vergleich festgestellt. Daneben werden noch verschiedene Vergütungsmodelle durch den Gesetzgeber
84
OLG Düsseldorf, 28.03.2012 – VII Verg 90/11. Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller/Waldmann, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, § 1 VO PR 30/53, Rn. 43. 86 Weyand, Vergaberecht, § 129 SGB V, Rn. 1, 2. 87 Murawski, in: Hänlein/Kruse/Schuler, SGB V, § 129, Rn. 15. 88 Siehe etwa: OLG Düsseldorf, 28.03.2012 – VII Verg 90/11 zu § 129 Abs. 5 SGB V; LSG Nordrhein-Westfalen, 10.09.2009 – L 21 KR 53/09 zu § 130a Abs. 8 SGB V; LSG Nordrhein-Westfalen, 14.04.2010 – L 21 KR 69/09 SFB zu § 127 Abs. 1 SGB V. 89 OLG Düsseldorf, 11.01.2012 – VII-Verg 57/11 mit der Feststellung, dass es sich bei den Lieferverträgen um entgeltliche Verträge handelt; mit umfangreicher Begründung, dass es sich bei Rabattverträgen um öffentliche Aufträge handelt insoweit VK Bund, 14.06.2011 – VK 3-62/11. 90 OLG Düsseldorf, 08.06.2011 – VII-Verg 2/11 mit zusätzlichem Verweis auf OLG Düsseldorf, 11.05.2011 (VII-Verg 3/11). 85
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
dargestellt, um die Vorschriften zu Verträgen der Krankenkassen mit pharmazeutischen Unternehmen zu vereinheitlichen.91 Möglich sind hiernach mengenmäßige Staffelungen des Preisnachlasses, ein jährliches Umsatzvolumen mit Ausgleich von Mehrerlösen oder die Erstattung in Abhängigkeit messbarer Therapieerfolge.92 Jedoch ist diese Regelung nach dem Wortlaut nicht abschließend. dd) Preismodelle nach § 127 Abs. 1 SGB V Schließlich besteht die Möglichkeit der Ausschreibung der Versorgung von Patienten mit Hilfsmitteln durch die Krankenkassen.93 Vertragspartner werden nach einer solchen Ausschreibung die Leistungserbringer von Hilfsmitteln.94 Bei diesen Verträgen handelt es sich nicht um Rabattverträge, da keine gesetzliche Vorgabe hinsichtlich der Hilfsmittelpreise existiert und daher eine Abforderung von Rabatten nicht an einem festen Preis orientiert werden kann.95 Die Abforderung der Preise erfolgt daher in der Regel je Leistungseinheit. b) Mindestpreise und Maximalpreise Ein weiteres denkbares Preisabforderungsmodell ist die Vorgabe von Mindestpreisen oder Maximalpreisen durch den öffentlichen Auftraggeber. aa) Mindestpreise Eine erste mögliche Preisvorgabe ist die der Festlegung von Mindestpreisen. Bei solchen würde der Auftraggeber einen Preis vorgeben, den der Bieter in seinem Angebot nicht unterschreiten kann. Ziel kann etwa die Verhinderung eines Preiswettbewerbs sein. (1) Unzulässigkeit der Abforderung von Mindestpreisen Das OLG Düsseldorf hat in der bereits angesprochenen Entscheidung vom 22.12.201096 festgestellt, dass es sich bei der Festlegung einer Mindest-Preishöhe mittels der Untersagung von Negativpreisen durch die Auftraggeberin um eine 91 BT-Drucks. 17/3698, S. 55; Murawski, in: Hänlein/Kruse/Schuler, SGB V, § 130a, Rn. 20. 92 § 130a Abs. 8 SGB V. 93 Siehe etwa Murawski, in: Hänlein/Kruse/Schuler, SGB V, § 127, Rn. 2; auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.04.2010 – L 21 KR 69/09 SFB zu § 127 Abs. 1 SGB V. 94 Zur Versorgung durch die Vertragspartner siehe § 126 SGB V. 95 Zur Preisbildung siehe oben unter B. I. 3. 96 OLG Düsseldorf, 22.12.2010 – VII-Verg 33/10.
I. Die Möglichkeit des Auftraggebers, im Angebot Preise abzufordern
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unzulässige inhaltliche Anforderung handelt. Es stellt in diesem Zusammenhang fest: „Der Auftraggeber kann – von gesetzlich bestimmten Ausnahmen abgesehen (etwa gesetzliche Regeln über Preise von Leistungen, Mindestlöhne) – nicht den Preis oder die Kalkulationsgrundlage für die von ihm durch eine Leistungsposition näher beschriebene Teilleistung vorgeben.“ 97
Zulässig sei allenfalls die in den Vergabe- und Vertragsordnungen (im konkreten Fall die VOB/A) vorgesehene Preisprüfung auf unangemessene Preise.98 Auch könne hierneben die Prüfung von überhöhten Einheitspreisen auf Sittenwidrigkeit erwogen werden.99 Letztlich kann im Rahmen solcher Angaben noch die Prüfung des Angebotes auf Mischkalkulationen erforderlich erscheinen.100 Jedoch ist es nach bezeichneter Rechtsprechung, mit Ausnahmen gesetzlicher Vorgaben, nicht möglich, Mindestpreise für die beschriebenen Leistungen anzusetzen, die der Bieter zu erbringen hat. Im konkreten Fall wird dieses nach Ansicht des OLG Düsseldorf schon dadurch erfüllt, dass der Auftraggeber Negativpreise ausschließt. Es judiziert: „Er [der Auftraggeber] kann aber nicht darüber hinaus einen Mindestpreis dadurch festlegen, dass er bei dieser Fallgestaltung negative Preise untersagt.“ 101
In vergleichbarer Weise hat sich die 3. VK Bund in einem jüngeren Beschluss geäußert. Sie stellt hierin fest: „Darüber hinaus wird den Unternehmen nicht nur die Kalkulationsfreiheit, sondern weitergehend sogar jede Kalkulationsmöglichkeit genommen, indem hier die Ag das Angebot vorgibt, das – vorbehaltlich des Nicht-Widerrufs durch die Ag nach § 2a Abs. 2 des Rabattvertrags – durch die Interessenten am Auftrag angenommen werden muss. [. . .] Auch wenn ein öffentlicher Auftraggeber die Konditionen für den Auftrag vorgeben kann, so muss es doch ureigenste Aufgabe des Bieters bleiben, den Preis anzubieten.“ 102
In diesem Zusammenhang ist jedoch sogleich aufzuzeigen, dass der Auftraggeber hier nicht nur den Preis, sondern auch den Leistungsinhalt den Bietern quasi „diktiert“ hat. Das Urteil bezieht sich auch auf die missbräuchliche Anwendung solcher Vorgaben in Rahmenverträgen.
97
OLG Düsseldorf, 22.12.2010 – VII-Verg 33/10. OLG Düsseldorf, 22.12.2010 – VII-Verg 33/10; zur Prüfung der Preisangaben auf Angemessenheit siehe unten unter Kapitel F. 99 Insoweit erfolgt ein Verweis auf BGH, 18.12.2008 – VII ZR 201/06 (BGH NZBau, 2009, 232 ff.). 100 Beispielsweise in: OLG Dresden, 28.03.2006 – Wverg 0004/06; siehe zum Thema Mischkalkulationen unten unter D. II. 3. 101 OLG Düsseldorf, 22.12.2010 – VII-Verg 33/10 mit Verweis auf VHB Bayern Ausgabe 2008, Richtlinie 320.StB unter 2. 102 VK Bund, 14.06.2011 – VK 3-62/11. 98
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
(2) Bewertung Diese Feststellung des OLG Düsseldorf und der VK Bund hätten zur Folge, dass der Auftraggeber in den Angebotsunterlagen gegenüber den Bietern keine Vorgaben hinsichtlich eines Mindestpreises machen dürfte. Grundsätzlich bestehen diesbezüglich keine vergaberechtlichen Vorgaben. Für die Begründung eines solchen Verbotes von Mindestpreisen können allenfalls zwei Argumente angeführt werden. (a) Kalkulationsfreiheit Das erste Argument trifft die Kalkulationsfreiheit der Bieter. Wie oben bereits dargelegt, kann diese jedoch auch durch den Auftraggeber begrenzt werden.103 Daher kann ein Verbot der Vorgabe von Mindestpreisen nicht aus der Kalkulationsfreiheit der Auftraggeber abgeleitet werden. (b) Unzulässigkeit der Schaffung weiterer Ausschlussgründe Eine weitere Argumentation, die auch das OLG Düsseldorf zu angegebener Aussage verleitet, folgt der Begründung, dass es dem Auftraggeber untersagt sei, weitere über die in den Vergabe- und Vertragsordnungen geregelten Ausschlussgründe hinaus zu schaffen.104 Der Senat judiziert hierzu: „Es ist dem öffentlichen Auftraggeber versagt, weitere Ausschlussgründe zu bestimmen. Der Auftraggeber kann lediglich mittelbar Ausschlussgründe dadurch schaffen, dass er bestimmte Angaben an bestimmter Stelle in bestimmter Form fordert. Des Weiteren kann er die Leistung grundsätzlich nach seinen Wünschen in Leistungspositionen aufgliedern, jeder Leistungsposition bestimmte Arbeiten zuordnen und verlangen, dass für die dort beschriebenen Arbeiten ein „echter“ Preis ausgewiesen wird [Verweis105]. Schließlich kann er die Vertragsbestimmungen regeln, von denen der Bieter nicht abweichen darf. Um solche förmlichen Anforderungen handelt es sich bei diesem Verbot jedoch nicht. Vielmehr hat die Antragsgegnerin dadurch unzulässige inhaltliche Anforderungen, nämlich an die Preishöhe, gestellt.“
Diese Argumentation ist zu hinterfragen. Festzustellen ist, dass der Bieter hier keinen neuen Ausschlussgrund schafft, sondern sich ein Ausschluss aus der Unvollständigkeit der geforderten (Preis-)Angaben des Angebotes ergibt. So regelt § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VOB/A, dessen Rechtsfolge auch schon zum Zeitpunkt
103 104 105
Siehe oben unter D. I. 4. OLG Düsseldorf, 22.12.2010 – VII-Verg 33/10. Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 13 Rn. 58–60.
I. Die Möglichkeit des Auftraggebers, im Angebot Preise abzufordern
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der Entscheidung des OLG Düsseldorf bestand,106 dass Angebote mit fehlenden geforderten Preisangaben auszuschließen sind. Zu beachten ist, dass es dem Auftraggeber nicht darum geht, durch formelle Vorgaben Ausschlussgründe „zu schaffen“. Vielmehr wird der Ausschlussgrund der Unvollständigkeit durch formelle Vorgaben des Auftraggebers ausgefüllt, nicht aber, wie der Ausdruck des „Schaffens“ suggeriert, neu kreiert. Eine preisliche Vorgabe schafft demnach keinen neuen Ausschlussgrund. (c) Gestaltungsfreiheit des Auftraggebers Vielmehr kann gegen eine Argumentation, die keine Mindestpreise zulässt, die Gestaltungsfreiheit des Auftraggebers hinsichtlich der Leistung, hier synonym verwendet mit dem Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers bzw. der Beschaffungsfreiheit,107 aufgeführt werden. Diese gibt dem Auftraggeber das Recht zu bestimmen, welche Leistung mit welchen Merkmalen er nachfragt.108 Begrenzt wird dies nur dadurch, dass die verlangten Leistungsmerkmale einen Bezug zum Auftragsgegenstand haben.109 Der Preis weist einen eindeutigen Bezug zum Leistungsgegenstand auf. (d) Ergebnis Demnach ergibt sich keine Begründung zugunsten eines Verbotes von Mindestpreisen aus dem Vergaberecht. Der Argumentation des OLG Düsseldorf und der VK Bund wird hier daher widersprochen. Der Auftraggeber kann nach hier vertretener Ansicht schon aufgrund seines Leistungsbestimmungsrechts eine solche Vorgabe machen. bb) Maximalpreise Zulässig ist neben der Abforderung von Mindestpreisen (s. o.) die Vorgabe von Maximalpreisen im nachfolgend beschriebenen Rahmen. Diese Vorgabe kann etwa dazu genutzt werden, eine vorherige Kostenkontrolle der Anbieter zu ermöglichen.
106 § 25 Abs. 1 Nr. 1 lit b) VOB/A 2006; siehe auch Dähne, in: Kapellmann/Messerschmidt, 1. Auflage, § 25 VOB/A, Rn. 6 ff. 107 Ebenso wohl bei Ziekow/Völlink, wo im Literaturverzeichnis unter dem Begriff „Leistungsbestimmung durch die öffentliche Hand“ u a. auf die Kommentierung von § 99 GWB, Rn. 20, 21 verweisen wird, der die „Inhaltliche Gestaltungsfreiheit“ bzw. die „Beschaffungsfreiheit“ betrifft. 108 Ziekow, in: ders./Völlink, § 99 GWB, Rn. 20. 109 Ziekow, in: ders./Völlink, § 99 GWB, Rn. 21 mit Verweis auf § 97, Rn. 106, 118 ff.
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
Nach Festlegung des OLG Düsseldorf und der VK Bund kann der Auftraggeber nicht den Preis oder die Kalkulationsgrundlage für die von ihm durch eine Leistungsposition näher beschriebene Teilleistung vorgeben.110 Unter der Annahme, dass dem Auftraggeber die Definition des Leistungsgegenstandes und auch der Bewertungskriterien obliegt,111 ist jedoch grundsätzlich davon auszugehen, dass der Auftraggeber auch Maximalpreise vorgeben kann. Die Argumente der Kalkulationsfreiheit und der Tatsache, dass keine neuen Ausschlussgründe begründet werden können, sind, wie oben gezeigt,112 nicht geeignet, eine preisliche Vorgabe durch den Auftraggeber zu verhindern. Daher ist die dargestellte Aussage des OLG Düsseldorf auch bezüglich einer Maximalpreisvorgabe durch den Auftraggeber zu hinterfragen. Gefahren für die Bieter, etwa aufgrund der Marktmacht der öffentlichen Auftraggeber, sind nicht Gegenstand des Vergaberechts.113 Auch muss sich die öffentliche Hand beim Einsatz dieses Mittels im Klaren sein, dass dies zu unwirtschaftlich kalkulierten oder auch keinen Angeboten führen kann und sich bei wiederholter Verwendung Gefahren für die Marktstruktur ergeben, die sich negativ auf ihren Einkauf auswirken können. Jedoch ergibt sich aus diesen Argumentationen kein vergaberechtlicher Anknüpfungspunkt für ein Verbot des Instruments der Abforderung von Mindestpreisen. cc) Vorgabe von Maximalpreisen und Mindestpreisen nach Ermittlung durch (Vor-)Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung Möglich ist letztlich im Zusammenhang mit der Vorgabe von Maximal- und Mindestpreisen die Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung, bei der nach Abschluss des Vertrages mit mehreren Unternehmen ein „Miniwettbewerb“ in Form eines späteren Wettbewerbs zwischen den Auftragnehmern angestrebt wird.114 Gemäß § 4 VOL/A sind „Rahmenvereinbarungen [. . .] Aufträge, die ein oder mehrere Auftraggeber an ein oder mehrere Unternehmen vergeben können, um die Bedingungen für Einzelaufträge, die während eines bestimmten Zeitraumes vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere bezüglich des in Aussicht genommenen Preises.“ 115 110 OLG Düsseldorf, 22.12.2010 – VII-Verg 33/10; VK Bund, 14.06.2011 – VK 362/11. 111 Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 88 und § 99 GWB, Rn. 20, 21. 112 Unter D. I. 5. b) aa). 113 Siehe hierzu unter F. II. bezogen auf die 3. Wertungsstufe. Die Argumente sind insoweit übertragbar, als dass auch hier das Vergaberecht aus den unten dargestellten Gründen den Wettbewerb als solchen nicht schützt. 114 Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOL/A, § 4, Rn. 84, Stand: 23.09.2013; VK Bund, 08.02.2008 – VK 2-156/07. 115 § 4 Abs. 1 S. 1 VOL/A.
I. Die Möglichkeit des Auftraggebers, im Angebot Preise abzufordern
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Soweit der Preis in einer (ersten) Ausschreibung festgelegt wurde, gilt dieser als feststehender Preis. Denkbar ist in diesem Zusammenhang ein nachfolgender Miniwettbewerb der Rahmenvertragsauftragnehmer, der eine weitere preisliche Unterbietung zur Folge haben soll. Hier werden somit in einer ersten Ausschreibung Maximalpreise festgelegt. So heißt es beispielsweise in von der VK Bund diesbezüglich für vergaberechtskonform erklärten Rahmenverträgen: „Es dürfen keine höheren Preise als vereinbart angeboten werden und keine anderen Preismodelle als in der Leistungsbeschreibung vorgegeben zugrunde gelegt werden. Zusätzliche Rabatte, Sonderpreise etc. sind zulässig und erwünscht.“ 116
Demnach gilt als Maximalpreis der in der Ausschreibung ursprünglich durch den Bieter angegebene Preis. Die gleiche Konstruktion der Ermittlung und Festlegung eines Preises mittels einer Vorausschreibung ist wohl auch möglich, wenn der Preis ein Mindestpreis ist. c) Abforderung von Pauschalen und Stundensätzen statt Einheitspreisen – § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 und Abs. 2 VOB/A In der VOB/A ist die Vergütung der Leistungen grundsätzlich in Form eines Einheitspreisvertrages vorgesehen.117 Das heißt, dass Bauleistungen in der Regel zu Einheitspreisen für technisch und wirtschaftlich einheitliche Teilleistungen, deren Menge nach Maß, Gewicht oder Stückzahl vom Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen anzugeben ist, vergeben werden.118 Demgegenüber besteht nach der VOB/A ebenfalls die Möglichkeit, die Leistungen nach einem Pauschalpreis zu vergüten. § 4 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A bestimmt insoweit, dass Bauleistungen so zu vergeben sind, dass die Vergütung nach Leistung bemessen wird, und zwar „in geeigneten Fällen für eine Pauschalsumme, wenn die Leistung nach Ausführungsart und Umfang genau bestimmt ist und mit einer Änderung bei der Ausführung nicht zu rechnen ist (Pauschalvertrag).“
Der Pauschalpreis zeichnet sich demnach dadurch aus, dass die Vergütung, teilweise unabhängig von der tatsächlich ausgeführten Leistung, vorab festgelegt wird.119 Demnach sind Feststellungen des Umfangs der tatsächlich ausgeführten Leistung, auch in den Vergabeunterlagen, für die Kalkulation unerheblich.120 116 VK Bund, 08.02.2008 – VK 2-156/07 unter I. Gründe: § 4 lit. f) der Rahmenvereinbarung. 117 § 4 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A; Genanntes gilt aufgrund des gleichen Wortlautes ebenfalls für § 4 Abs. 1 und 2 VOB/A-EG. 118 Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOB/A, § 4, Rn. 8, Stand: 23.09. 2013. 119 Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOB/A, § 4, Rn. 10, Stand: 23.09. 2013. 120 VK Baden-Württemberg, 07.03.2003 – 1 VK 06/03 und 1 VK 11/03.
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
Zu beachten ist, dass für den Abschluss und demnach die Ausschreibung von Pauschalverträgen insbesondere die in der VOB/A genannten Voraussetzungen, also die genaue Bestimmung der Leistungsart und die Maßgabe, dass mit einer Änderung der Leistung bei der Ausführung nicht zu rechnen ist, vorliegen müssen.121 Mengen und damit der von dem Auftraggeber zu erzielende Erlös dürfen nicht unklar sein.122 Der Einheitspreisvertrag stellt daher gegenüber dem Pauschalpreisvertrag und auch dem Stundenlohnvertrag den Regelfall des Leistungsvertrages dar.123 Hiervon abweichend ist als Ausnahmevorschrift noch der Stundenlohnvertrag zulässig, wenn es sich um Lohnkosten für Bauleistungen geringeren Umfangs handelt.124 Die genauere Ausgestaltung der Tatbestandsmerkmale ist im Einzelnen schwierig und bedarf daher einer Betrachtung im Einzelfall und ggfs. einer Parallelwertung mit anderen Rechtsgebieten.125 Hinsichtlich der preisrechtlichen Zulässigkeit der Regelungen bei einer möglichen Kollision mit der VO PR 30/53 sind die Regelungen des § 4 Abs. 1 und 2 VOB/A als allgemeine Preisvorschriften im Sinne der VO PR 30/53 einzustufen.126 Vergleichbare Vorgaben finden sich in der VOL/A nicht, weswegen wohl davon auszugehen ist, dass eine Preisgestaltung dort freier möglich ist. d) Gesetzliche Vorgaben Teilweise existieren darüber hinaus noch gesetzliche Vorgaben von Mindestpreisen, die im Rahmen einer Ausschreibung nicht unterschritten werden dürfen. Beispielhaft können in diesem Zusammenhang Vergütungsvorgaben aus dem RVG127 und der HOAI128 genannt werden.129 Ein anderes Beispiel für eine sol121 Zu Begründung siehe Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOB/A, § 4, Rn. 13, Stand: 23.09.2013. 122 OLG Düsseldorf, 22.12.2010 – VII-Verg 33/10. 123 BayObLG, 02.12.2002 – Verg 24/02; Varva, in: Ziekow/Völlink, § 4 VOB/A, Rn. 5. 124 § 4 Abs. 2 VOB/A. 125 Siehe hierzu etwa Varva/Bernhardt, in: Ziekow/Völlink, § 4 VOB/A, Rn. 8. 126 Zu dem Begriff der „allgemeinen Preisvorschriften“ im Sinne des § 3 VO PR 30/ 53 und der Kollision des Preisrechts mit solchen Vorschriften siehe Ebisch/Gottschalk/ Hoffjan/Müller/Waldmann, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, § 3 VO PR 30/53, Rn. 4 f. (zur Kollision) und 6 f. (zum Begriff der allgemeinen Preisvorschriften). 127 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 788), das zuletzt durch Artikel 8 des Gesetzes vom 11. März 2013 (BGBl. I S. 434) geändert worden ist. 128 Honorarordnung für Architekten und Ingenieure vom 11. August 2009 (BGBl. I S. 2732).
I. Die Möglichkeit des Auftraggebers, im Angebot Preise abzufordern
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che gesetzliche Vorgabe ist das Buchpreisbindungsgesetz130.131 Ein letztes hier genanntes Beispiel ist das eines Tarifvertrags, dessen Lohn mittels des Arbeitnehmerentsendegesetzes132 eine zwingende Mindestvorgabe für das preisliche Angebot des Bieters darstellt.133 Die gesetzliche Fixierung verhindert insoweit rechtmäßige Angebote, die diese Erfordernisse unterschreiten. Daher ist es dem Auftraggeber in solchen Fällen möglich, diese Mindestpreise vorzugeben bzw. untersagt, eine Unterschreitung zu verlangen. e) Andere Kalkulationsvorgaben Denkbar sind noch andere Kalkulationsvorgaben durch den Auftraggeber. Der Begriff der Kalkulationsvorgabe meint die inhaltliche Vorgabe einer Position, die der Bieter im Angebot bepreisen muss.134 Dass der Auftraggeber Vorgaben machen darf, ergibt sich schon aus seinem Leistungsbestimmungsrecht.135 Denkbar ist etwa die Vorgabe, Rabatte auf feststehende Preise auch außerhalb des SGB V zu gewähren, soweit bei einem gesetzlich festgelegten Preis die Möglichkeit der Abweichung besteht. Weiterhin ist es dem Auftraggeber auch möglich, die Preispositionen genauer differenzieren zu lassen und zum Beispiel im Auftragskriterium Preis die Angabe möglicher Folgekosten abzufordern.136 Die Abforderung kann notwendig sein, um die Wirtschaftlichkeit eines Angebotes seitens des Auftraggebers beurteilen zu können. 129
Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 185. Buchpreisbindungsgesetz vom 2. September 2002 (BGBl. I S. 3448), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 14. Juli 2006 (BGBl. I S. 1530) geändert worden ist. 131 Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 185. 132 Arbeitnehmer-Entsendegesetz vom 20. April 2009 (BGBl. I S. 799), das zuletzt durch Artikel 1c des Gesetzes vom 25. November 2012 (BGBl. 2012 II S. 1381) geändert worden ist. 133 Siehe etwa § 4 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Sicherung von Tariftreue und Sozialstandards sowie fairen Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen – TVgG – NRW) vom 10. Januar 2012: „Öffentliche Aufträge für Leistungen, deren Erbringung dem Geltungsbereich des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes vom 20. April 2009 (BGBl. I S. 799), in der jeweils geltenden Fassung unterfällt, dürfen nur an Unternehmen vergeben werden, die sich bei Angebotsabgabe durch Erklärung gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber schriftlich verpflichten, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei der Ausführung des Auftrags wenigstens diejenigen Mindestarbeitsbedingungen einschließlich des Mindestentgelts zu gewähren, die durch einen für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag oder eine nach den §§ 7 oder 11 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes erlassene Rechtsverordnung für die betreffende Leistung verbindlich vorgegeben werden.“ 134 OLG Düsseldorf – 08.06.2011 – VII-Verg 11/11. 135 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 63, § 13, Rn. 60; zum Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers siehe Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 88 und § 99 GWB, Rn. 20, 21; siehe auch oben unter D. I. 1. b). 136 Ein Beispiel hierfür sind Wartungskosten: siehe etwa VK Nordbayern, 23.04. 2008 – 21.VK-3194-15/08. 130
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
II. Vollständigkeit137 der Preisangaben im Angebot des Bieters Der Abforderung von Preisangaben in den Vergabeunterlagen durch den Auftraggeber stehen die Preisangaben der Bieter im Angebot gegenüber. Die Prüfung der Vollständigkeit und rechnerischen Richtigkeit der Preisangaben kann als Teil einer Prüfung der ersten Stufe im Rahmen der Angebotsprüfung betrachtet werden.138 Der wesentliche Ansatz der Untersuchung des Preises im Zusammenhang mit der ersten Wertungsstufe ergibt sich aus einer Unvollständigkeit der Preise. Hierzu enthält § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) der VOB/A eine explizite Regelung. Hier heißt es: „[Auszuschließen sind] Angebote, die den Bestimmungen des § 13 Abs. 1 Nummer 3 nicht entsprechen; ausgenommen sind solche Angebote, bei denen lediglich in einer einzelnen unwesentlichen Position die Angabe des Preises fehlt und durch Außerachtlassung dieser Position der Wettbewerb und die Wertungsreihenfolge, auch bei Wertung dieser Position mit dem höchsten Wettbewerbspreis, nicht beeinträchtigt werden.“
§ 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A bestimmt in diesem Zusammenhang, dass Angebote die geforderten Preise enthalten müssen. Demnach ist nach dieser Regelung jedes Angebot auszuschließen, welches nicht die geforderten Preise139 enthält.140 Die VOL/A enthält eine explizite Regelung zum Angebotsausschluss beim Fehlen von Preisangaben im Angebot nicht mehr.141 Jedoch wird davon ausgegangen, dass § 16 Abs. 3 lit. a) VOL/A142 den Fall der fehlenden Preise umfasst,143 mit137 Der Begriff der Prüfung auf „Vollständigkeit“ findet sich in den Regelungen der VOL/A und der VOL/A-EG. Eine Regelung in der VOB/A ist nicht vorgesehen. Jedoch wird der Begriff auch im Zusammenhang mit der VOB/A verwendet, siehe etwa Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOB/A, § 16, Rn. 203, Stand: 23.09. 2013, der die Kommentierung der Prüfung von § 16 Abs. 1, Nr. 1 lit. c) VOB/A mit der Überschrift „fehlende oder unvollständige Preise“ überschreibt; zum Begriff der Begriff der Vollständigkeit siehe auch Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOL/A, Rn. 3; fehlende Preise bezeichnen im Folgenden das Tatbestandsmerkmal im Sinne des § 16 Abs. 1, 1. Alt. VOL/A, § 19 Abs. 1, 1. Alt. VOL/A-EG und § 16 Abs. 1, Nr. 1 lit. c) i.V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A. 138 Zu den Wertungsstufen etwa oben C. I. 139 Begrifflich ist insoweit statt dem Begriff der „Preise“ der Begriff „Preisangaben“ klarer, da das Vorliegen dieser Preisangaben überprüft werden, nicht jedoch eine – wie auch immer geartete – Prüfung der Preise erfolgen soll. Diese Terminologie findet sich auch in der Literatur, siehe etwa Ruhland, in: Pünder/Schellenberg, § 16 VOB/A, Rn. 15 ff. 140 Ruhland, in: Pünder/Schellenberg, § 16 VOB/A, Rn. 15 f. 141 Eine ursprüngliche Regelung fand sich diesbezüglich in § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a) der VOL/A 2006. Dies ist jedoch im Zusammenhang mit der Reform der VOL/A 2009 entfallen. 142 § 16 Abs. 3 lit. a) VOL/A lautet: „[Ausgeschlossen werden:] Angebote, die nicht die geforderten oder nachgeforderten Erklärungen und Nachweise enthalten“; die zu treffenden Aussagen dürften wohl auch für den insoweit wortgleichen § 19 Abs. 3 lit. a) VOL/A-EG gelten.
II. Vollständigkeit der Preisangaben im Angebot des Bieters
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hin Angebote, in denen geforderte Preisangaben fehlen, nicht die geforderten Erklärungen und Nachweise enthalten. Hierbei wird als Argumentation angeführt, dass der Preis „den Kern eines Angebotes ausmacht“,144 und daher ein Fehlen aufgrund dieser Wesentlichkeit jedenfalls als „geforderte Angabe“ im Sinne des § 16 Abs. 3 lit. a) zu qualifizieren ist.145 Daneben wird auch § 13 Abs. 3 VOL/A angeführt. Hiernach müssen die „Angebote [. . .] alle geforderten Angaben, Erklärungen und Preise enthalten“, was einen Ausschluss von Angeboten bei fehlenden Preisangaben nach dargelegter Argumentation weiter verstärkt.146 Begründet wird dies mit der Maßgabe des BGH, dass ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren nur erreicht werden kann, wenn in jeder sich aus den Vergabeunterlagen ergebenden Hinsicht vergleichbare Angebote gewertet werden.147 1. Begriffe Festgelegt ist somit, dass Angebote auszuschließen sind, die nicht die geforderten Preise enthalten. Insoweit wird von fehlenden oder unvollständigen Angeboten gesprochen.148 a) Fehlende Preise Als fehlende Preisangabe wird eine Auslassung oder eine Angabe mit unbestimmtem Bedeutungsgehalt zum Preis in den Vergabeunterlagen angesehen.149 Präzisiert wird diese Aussage etwa in einer Entscheidung der Vergabekammer Arnsberg, nach der für fehlende Preisangaben eine Erklärungslücke bestehen muss, die nur der Bieter füllen kann.150
143
Ruhland, in: Pünder/Schellenberg, § 16 VOL/A, Rn. 16. Ruhland, in: Pünder/Schellenberg, § 16 VOL/A, Rn. 16. 145 Weyand, Vergaberecht, § 16 VOL/A, Rn. 464, 466 mit Verweis auf 53; wohl auch Ruhland, in: Pünder/Schellenberg, § 16 VOL/A, Rn. 16. 146 Ruhland, in: Pünder/Schellenberg, § 16 VOL/A, Rn. 16. 147 BGH, 18.02.2003 – X ZB 43/02; VK Bund, 13.07.2005 – VK 1-59/05; VK Sachsen, 28.12.2009 – 1/SVK/060-09; Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 8. 148 Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOB/A, § 16, Überschrift vor Rn. 203 ff., Stand 29.03.2013: „82.7.3.8.2.3 Fehlende oder unvollständige Preise“. 149 Etwa: OLG Naumburg, 02.04.2009 – 1 Verg 10/08; VK Bund, 13.01.2012 – VK 3-179/11; VK Bund, 13.01.2012 – VK 3-176/11; nicht maßgeblich ist in diesem Zusammenhang die Erheblichkeit für die Wertung, siehe KG Berlin, 13.05.2013 – Verg 10/12. 150 VK Arnsberg, 29.01.2009 – VK 34/08, S. 15, 16 unter Verweis auf BGH, 18.02.2003 – X ZB 43/02, der die Ausfüllung von § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a) VOL/A 2006 zum Inhalt hat. 144
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
b) Unvollständige Preisangaben Von einer unvollständigen Preisangabe kann dagegen (nur) ausgegangen werden, wenn ein (einziger) Preis angegeben wurde, der aber dem tatsächlich vom Bieter für die Leistung beanspruchten Preis nicht entspricht.151 Begründet wird dies unter Hinweis auf Rechtsprechung des BGH, welche vorsieht, dass „jeder in der Leistungsbeschreibung vorgesehene Preis so wie gefordert vollständig und mit dem Betrag anzugeben [ist], der für die betreffende Leistung beansprucht wird.“ 152
c) Widersprüchliche Preisangaben Widersprüchliche Preisangaben werden nach der Rechtsprechung der VK Bund ebenfalls mit fehlenden Preisangaben gleichgestellt.153 Entschieden worden ist dies von der VK Bund für den Fall, in dem aufgrund eines nicht zwingend ersichtlichen „Zahlendrehers“ der Gesamtpreis einer Leistungsposition höher war als die einzelnen Einheitspreise. Zu der grundsätzlichen Widersprüchlichkeit muss nach der Kammer noch hinzukommen, dass der vom Bieter „tatsächlich gewollte Preis nicht erkennbar war“.154 Widersprüchliche Preisangaben entsprechen im Rahmen dieser Definition demnach unvollständigen Preisangaben. In diesem Zusammenhang erwähnt sei eine Entscheidung der VK Bund, die darstellt, dass sich widersprüchliche Preisangaben auch aus einer widersprüchlichen Preiskalkulation, die im Fall mit dem Angebot einzureichen war, ergeben können; die Preiskalkulation ist in einem solchen Fall ebenfalls Teil der Preisangaben.155 2. Zulässigkeit einzelner Preisangaben Im Folgenden soll die Zulässigkeit bestimmter, in Rechtsprechung und Literatur häufiger besprochener Preisangaben dargestellt werden. 151 OLG Düsseldorf, 09.02.2009 – VII-Verg 66/08, 20.10.2008 – VII-Verg 41/08, 29.09.2008 – VII-Verg 50/08 mit Verweis auf die Rechtsprechung BGH, 18.04.2005 – X ZB 7/04; OLG Koblenz, 02.01.2006 – Verg 6/05; im Zusammenhang mit der Vollständigkeit der Preisangaben ist insbesondere die Diskussion um die Zulässigkeit von Mischkalkulationen häufig geführt. Dies soll daher als eigener Prüfungspunkt untersucht werden und wird daher nicht hier im Rahmen gesetzlichen Verankerung, sondern gesondert unten unter D. II. 3. dargestellt. 152 BGH, 18.05.2004 – X ZB 7/04; weiterhin werden im Beschluss noch BGH, 16.4.2002 – X ZR 67/00, BGH 07.01.2003 – X ZR 50/01 und BGH, 07.06.2005 – X ZR 19/02 erwähnt, die diese Aussage unterstützen. 153 VK Bund, 13.07.2005 – VK 1-59/05. 154 VK Bund, 13.07.2005 – VK 1-59/05: „Das Angebot der Ast enthielt widersprüchliche Preisangaben, so dass für die Ag der von der Ast tatsächlich gewollte Preis nicht erkennbar war. Dies ist dem Fehlen von Preisangaben gleichzustellen.“ Zur Möglichkeit der Auslegung solcher Preisangaben siehe unten unter D. III. 2. a). 155 VK Bund, 02.07.2013 – 2 VK 8/13.
II. Vollständigkeit der Preisangaben im Angebot des Bieters
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a) Cent-Preise (etwa 0,01 B) Eine in Rechtsprechung und Literatur häufig behandelte Konstellation ist die Angabe von geringen Cent-Preisen (etwa 0,01 A) durch den Auftraggeber. Diese sind nicht grundsätzlich, etwa mangels fehlender Auskömmlichkeit, unzulässig. Dies zeigt etwa eine Entscheidung des OLG Rostock mit Verweis auf andere Rechtsprechung. Hiernach „ist es für die Vollständigkeit der Preisangabe ohne Belang, ob der geforderte Einheitspreis vom marktüblichen Preis abweicht oder sogar unterhalb der Selbstkosten des Bieters liegt und ggf. unauskömmlich ist. Angebote, die sich an einem bestimmten Preisniveau bzw. an sog. Marktpreisen orientieren, kann ein Auftraggeber nicht verlangen.“ 156
Zum gleichen Ergebnis kommt die VK Bund in einem Beschluss aus dem Jahre 2005, in dem sie festlegt: „Darauf dass der Gesamtpreis auskömmlich kalkuliert ist, kommt es nach der Rechtsprechung des BGH nicht an. Entscheidend ist allein, ob in der jeweiligen Leistungsposition der ausgewiesene Preis dem geforderten Preis entspricht.“ 157
Geprüft werden kann das Angebot jeweils nach dem OLG und der VK nur auf das Vorliegen von unangemessenen Angeboten und Mischkalkulationen. Beide Instanzen stellen in ihren Beschlüssen heraus, dass, wenn diese Voraussetzungen jeweils nicht gegeben sind, ein Ausschluss aufgrund des geringen Preis nicht begründet werden kann. Diese Ansicht wird durch weitere Rechtsprechung gestützt.158 Cent-Preise begründen für sich somit noch keinen Ausschluss auf der ersten Wertungsstufe. b) Angabe von 0 B-Preisen und „keine Kosten“ Die Angabe von 0,00 A ist als Preisangabe zu verstehen.159 Diese setzt voraus, dass der Bieter die bezeichnete Leistung zum Preis von 0 A anbieten wollte. 156 OLG Rostock, 08.03.2006 – 17 Verg 16/05 unter Verweis auf OLG Brandenburg, 13.09.2005 – Verg W 9/05. 157 VK Bund, 11.01.2005 – VK 2-220/04 unter Verweis auf BGH, 18.05.2004 – X ZB 7/04. 158 BGH, 18.05.2004 – X ZB 7/04; OLG Karlsruhe, 11.11.2011 – 15 Verg 11/11 bei „besonders günstige[n] Angebotspreise[n]“; VK Lüneburg, 02.04.2012 – VgK-08/2012 bei „unangemessen niedrig erscheinenden“ Angebotspreisen nach Überprüfung; zu den Prüfungsschritten ebenfalls VK Schleswig-Holstein, 06.06.2007 – VK-SH 10/07; VK Südbayern, 31.05.2011 – Z3-3-3194-1-11-03/11. 159 OLG München, 23.12.2010 – Verg 21/10; OLG Naumburg, 29.01.2009 – 1 Verg 10/08; VK Schleswig-Holstein, 26.05.2009 – VK-SH 04/09; die im Rahmen einer 0-A Angabe mögliche Problematik der Mischkalkulation wird unten unter D. III.3. dargestellt. Die Problematik eines sich aus der Angabe ergebenden unangemessenen Angebotes siehe unten unter Kapitel E, dies wird jedoch nicht auf erster Wertungsstufe geprüft, siehe auch Saarländisches OLG, 24.06.2008 – 4 U 478/07; ebenso für die VOF OLG
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
In diesem Zusammenhang weist eine Rechtsprechung darauf hin, dass eine zulässige Angabe von 0 A voraussetzt, dass der Bieter die bezeichneten Leistungsgegenstände überhaupt anbieten wollte.160 Hierzu ist das Angebot auszulegen und zu überprüfen. Wollte der Bieter mit der Angabe 0 A zum Ausdruck bringen, dass er diese Position nicht anbieten möchte, ist gegebenenfalls eine unzulässige Änderung der Verdingungsunterlagen zu prüfen.161 Hier gilt, dass ein Angebot, welches für einzelne Leistungspositionen 0 A als Preis bestimmt, nicht wegen des geringen Preises aufgrund unvollständiger Preisangaben auf der 1. Wertungsstufe ausgeschlossen werden kann. Ansätze für einen Ausschluss können sich allenfalls unter den Prüfungspunkten Mischkalkulation oder Unangemessenheit der Preise finden.162 Angaben des Bieters können im Einzelfall als (zulässige) 0 A-Angabe verstanden werden. So hat etwa das OLG Naumburg mit Beschluss vom 02.04.2009163 in einem Fall festgestellt, dass die Formulierung im Angebot, dass „weiterhin keine Kosten geltend gemacht“ werden, logisch eine eindeutige Preisangabe im Sinne von „0 A“ voraussetze. In einem anderen Fall hat sich die VK RheinlandPfalz aufgrund der konkreten Umstände des Falles gegen eine solche Auslegung entschieden.164 Grundsätzlich wird die Auslegung vom Einzelfall der Angabe des Bieters abhängen. c) Angabe von Negativpreisen Unzulässig ist nach einer im Zusammenhang mit Preisvorgaben oben bereits erwähnten Entscheidung des OLG Düsseldorf die Vorgabe durch den Auftraggeber, dass Negativpreise (beispielsweise „– 1 A“) nicht angegeben werden können.165 Dies kann im Gegenzug so verstanden werden, dass ein negativer Preis durch die Bieter angegeben werden kann.
Düsseldorf, 07.11.2012 – VII-Verg 12/12; die VK Baden-Württemberg, 23.04.2013 – 1 VK 09/13, stellt insoweit klar, dass ein Gesamtpreis von 0,00 A gleichzeitig nur das Angebot von Einzelpreisen zu 0,00 A bedeuten kann, wenn Felder des Preisblattes bzw. Positionen des Leistungsverzeichnisses, in welches Preise hätten eingetragen werden sollen, freigelassen sind. 160 VK Schleswig-Holstein, 26.05.2009 – VK-SH 04/09. 161 VK Schleswig-Holstein, 26.05.2009 – VK-SH 04/09. 162 OLG Dresden, 28.07.2011 – WVerg 5/11; VK Schleswig-Holstein, 26.05.2009 – VK-SH 04/09. 163 OLG Naumburg, 02.04.2009 – 1 Verg 10/08. 164 VK Rheinland-Pfalz, 25.06.2009 – VK 27/09. 165 OLG Düsseldorf, 22.12.2010 – VII-Verg 33/10.
II. Vollständigkeit der Preisangaben im Angebot des Bieters
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aa) „Fehlen“ von Preisen bei Angabe von negativen Preisen Anderer Ansicht war in der Vorentscheidung zu bezeichneter Entscheidung des OLG Düsseldorf noch die Vergabekammer Arnsberg.166 Diese stellt in Abrede, dass es sich bei Negativpreisen um Preise im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 2 S. 5 VOB/A 2006 handelt. Sie gibt an, es handele sich bei Negativpreisen schon nicht um einen Preis, sondern im Gegenteil um eine Zahlung und daher immer zunächst um eine fehlende Preisangabe nach § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A (2006)167. Die VK Arnsberg stellt hierzu im Beschluss fest: „Negative Preise sind keine Preise. Sie bezeichnen vielmehr eine Zahlung und damit eine Leistung des Bieters. Das ist materiell das Gegenteil eines Preises.“ 168
Diese Ansicht ist auch in der Literatur, unter Verweis auf eben diese Rechtsprechung, vertreten worden.169 Hier wird als Begründung, unter Verweis auf ein Urteil des BGH,170 noch ausgeführt, dass negative Preise eine Leistung des Bieters bezeichnen, und der Bieter eine solche im Regelfall nicht zusätzlich zu einem Preis sondern in der Regel gegen einen Preis versprechen will.171 Daher könne ein negativer Preis allenfalls das Ergebnis eines internen Verrechnungsvorgangs sein.172 Dieser Ansicht tritt jedoch das OLG Düsseldorf in oben bezeichneter Entscheidung173 sowie anderer Rechtsprechung174 entgegen und wird hierbei durch die 1. VK Bund175 unterstützt. Zunächst entgegnet das OLG Düsseldorf in der Entscheidung vom 08.06.2012 bezeichneter Literaturmeinung, dass „ausweislich des Tatbestandes des Urteils des Bundesgerichtshofs [. . .] der Bieter neben dem Leistungsangebot ein Zusatzangebot über das Entgelt für die Abnahme gering belasteter Baurestmassen abgeben [sollte]. In diesem Fall hat der Bundesgerichtshof die Angabe lediglich des Saldos als unzureichend angesehen, weil nach den Verdingungsunterlagen sowohl die Leistung des Bieters als solche als auch die Abnahme der Baurestmassen gesondert zu bepreisen gewesen seien [. . .]. Eine derartige Anordnung fehlte jedoch in den Verdingungsunterlagen, die der Senatsentscheidung vom 22. Dezember 2010 zugrunde lagen; die Vergabestelle hatte dort keine näheren Angaben zur genauen Kalkulation (Bewertung der zu erbringenden Leistung einerseits und Angabe des Abzugsbetrages andererseits) verlangt.“ 176 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176
VK Arnsberg, 06.07.2010 – VK 07/10. § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VOB/A 2009. VK Arnsberg, 06.07.2010 – VK 07/10. Müller-Wrede, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, VergabeR 2011, 203, 204. BGH, VergabeR 2003, 558 (= BGH, 07.01.2003 – X ZR 50/01). Müller-Wrede, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, VergabeR 2011, 203, 204. Müller-Wrede, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, VergabeR 2011, 203, 204. OLG Düsseldorf, 22.12.2010 – VII-Verg 33/10. OLG Düsseldorf, 08.06.2011 – VII-Verg 11/11. VK Bund, 20.01.2011 – VK 1-142/10. OLG Düsseldorf, 08.06.2011 – VII-Verg 11/11.
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
Demnach seien im Ergebnis die Entscheidungsgrundlagen nicht die gleichen. Die ursprüngliche Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 22.12.2010 müsse weiterhin für den Fall gelten, dass der Auftraggeber keine Vorgaben zur Preisangabe macht. Das OLG Düsseldorf stellt in genannter Entscheidung nochmals heraus, dass negative Preise auch Preise seien.177 Dies begründet sich nach der vorangegangenen Entscheidung schon dadurch, dass negative Preisangaben die Voraussetzungen erfüllen, die nach der Rechtsprechung des BGH an Preisangaben zu stellen seien.178 Diese seien eindeutig und ermöglichten einen unmittelbaren Vergleich der Angebote. – Bewertung Dem Verständnis hinsichtlich der Zulässigkeit von negativen Preisangaben wird hier zugestimmt. Der durch die Literaturmeinung zitierte Fall des Bundesgerichthofs betraf unvollständige Preisangaben in Bezug auf Vorgaben des Auftraggebers, nicht die generelle Frage, ob negative Preise ohne Vorgabe des Auftraggebers Preise im Sinne eines Angebotspreises sind. Bei negativen Preisangaben handelt es sich um Preise bzw. Preisangaben.179 Der Preis ist zwar oben als zu erbringende, regelmäßig in Geld erfolgende Gegenleistung des Auftraggebers für eine Leistung definiert worden.180 Jedoch nimmt diese Definition nicht eine negative Gegenleistung des Auftraggebers im Sinne einer Zahlung des Auftragnehmers aus. Der Begriff des Preises trifft insoweit keine Aussage über dessen Höhe.181 Die Zulässigkeit solcher Negativpreise wird demnach auch weitgehend angenommen.182 Negativangebote werden in der Praxis dadurch begründet, dass der Auftragnehmer bei Arbeiten, bei deren Durchführung er vermögenswerte Güter erhält, dies bei seiner Kalkulation berücksichtigen kann und darf.183 Hierdurch 177
OLG Düsseldorf, 08.06.2011 – VII-Verg 11/11. OLG Düsseldorf, 22.12.2010 – VII-Verg 33/10. 179 Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOB/A, § 13, Rn. 110, Stand: 23.09.2013; a. A. wohl Brieskorn/Stamm, NZBau 2013, 348. 180 So ergänzend zu oben auch in Bezug zur Bauleistung Bernhardt, in: Ziekow/Völlink, § 2 VOB/A, Rn. 13. 181 Zum Begriff des Preises siehe auch B. I. 2. (Ökonomie) und B. III. 1. (Recht). 182 Beispielsweise BGH, 01.02.2005 – X ZB 27/04; OLG Frankfurt am Main, 17.10.2005 – 11 Verg 8/05; OLG Düsseldorf, 22.12.2010 – Verg 33/10; OLG Dresden, 28.03.2006 – Wverg 0004/06; Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16 Rn. 63. 183 OLG Düsseldorf, 22.12.2010 – Verg 33/10 mit Verweis auf BGH, 01.02.2005 – X ZB 27/04; siehe auch OLG Dresden, 28.03.2006 – Wverg 0004/06: „Minuspreise [. . .] sind, selbst wenn die entsprechenden Positionen des Leistungsverzeichnisses dem Bieter 178
II. Vollständigkeit der Preisangaben im Angebot des Bieters
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entsteht, je nach Leistungsbeschreibung, eine Situation, bei der aufgrund der Leistung beim Bieter entstehende Kosten durch im Rahmen der Leistung erlangte Vorteile wirtschaftlich mehr als aufgewogen werden können. Auch sind Negativpreise zulässig, wenn in Leistungspositionen sog. „Übermessungsregeln“ 184 dazu führen, dass nicht zu erbringende Leistungen seitens des Bieters abgerechnet werden können.185 Die Argumentation zugunsten der Zulässigkeit solcher Negativpreise macht geltend, dass es dem Bieter nicht verwehrt werden könne, knapp zu kalkulieren und einen negativen Preis anzubieten. Entsprechende Beschränkungen durch Ausschlussregelungen in den Vergabeunterlagen seien nicht zulässig.186 Ein Verweis in der jüngeren Entscheidung der VK Bund bezieht sich auf folgenden Absatz der Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 22.12.2010: „Der Auftraggeber kann – von gesetzlich bestimmten Ausnahmen abgesehen (etwa gesetzliche Regeln über Preise von Leistungen, Mindestlöhne) – nicht den Preis oder die Kalkulationsgrundlage für die von ihm durch eine Leistungsposition näher beschriebene Teilleistung vorgeben.“ 187
Genannt werden als Ausnahmen unangemessen hohe oder niedrige Angebotspreise und gegebenenfalls sittenwidrige Einheitspreise bei Leistungspositionen,188 welche jedoch im konkreten Fall nicht vorlagen. Auch könne der Auftraggeber erwarten, dass der Bieter diese Leistungsposition zutreffend kalkuliert. Der grundsätzlichen Aussage dieser Argumentation, dass der Preis oder Kalkulationsgrundlagen nicht vorgegeben werden können, ist bereits entgegengetreten worden.189 Der Ausführung, dass ein negativer Preis eine zulässige Angabe ist, kann insoweit zugestimmt werden, als dass diese gelten muss, soweit der Auftraggeber keine Vorgaben zu (Nicht-)Zulässigkeit der Preisangabe macht. Die Angabe von negativen Preisen führt als solche nicht zu einem Ausschluss auf erster Wertungsstufe.190
voraussichtlich einen nicht zu vermeidenden Aufwand abverlangen, nicht von vornherein ausgeschlossen. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Ausschreibungsunterlagen – wie hier – negative Einheitspreise ausdrücklich gestatten.“ 184 Siehe hierzu Motzke, in: Beckscher VOB- und Vergaberechts-Kommentar, VOB/ C, Syst IV, Rn. 104. 185 OLG Düsseldorf, 08.06.2011 – VII-Verg 11/11. 186 VK Bund, 20.01.2011 – VK 1-142/10 mit Verweis auf die Entscheidungen des OLG Düsseldorf, 22.12.2010 – VII-Verg 33/10 und des BGH, 01.02.2005 – X ZB 27/ 04; ebenso VK Lüneburg, 02.04.2012 – VgK-08/2012. 187 OLG Düsseldorf, 22.12.2010 – VII-Verg 33/10. 188 OLG Düsseldorf, 22.12.2010 – VII-Verg 33/10. 189 Siehe oben unter D. I. 5. b). 190 So im Ergebnis auf Brieskorn/Stamm, NZBau 2013, 349.
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
bb) Änderung der Vergabeunterlagen Gegen die rechtliche Zulässigkeit der Angabe von Negativpreisen wird weiterhin angeführt, dass diese eine Änderung der Vertragsunterlagen zur Folge hat.191 Die Argumentation begründet sich auf der Annahme, dass mittels der Ausschreibung eine Leistung durch den Auftraggeber gegen eine Gegenleistung abgefordert wird, die rechtlich genau zu qualifizieren ist (etwa als Werk- oder Dienstleistung). Dieser rechtliche Charakter würde durch die Zahlung an den Auftraggeber geändert. Die hätte jedoch einen zwingenden Ausschluss des Angebotes zu Folge, da hierdurch die Vergabeunterlagen geändert würden. – Bewertung Der Darstellung ist jedoch zumindest teilweise zu widersprechen. Zunächst scheint schon die Tatsache, dass die Aussage des Ausschlusses wegen Änderungen der Vergabeunterlagen bei negativen Preisen hier generalisiert wird, angreifbar, da die Vergabeunterlagen dezidierte Regelungen (etwa das Zulassen von negativen Preisen oder die Zulässigkeit der Änderung des Rechtscharakters der Leistung) enthalten können. Daneben ist zu bemerken, dass sich der Charakter einer Leistung im Rahmen der Ausschreibung (etwa aufgrund des Angebotes) regelmäßig ändern kann und dies durch das Vergaberecht nicht untersagt ist. Vielmehr scheint eine Einordnung der Änderung des Rechtscharakters als Teil des Bieter-Angebotes regelmäßig zulässig.192 Die Problematik der mangelnden Vergleichbarkeit der Angebote, die einen Ausschluss wegen Änderung der Vergabeunterlagen begründet,193 greift hier nicht, da angenommen werden kann, dass auch bei einer Zahlung des Bieters der Rechtscharakter des ursprünglichen Vertrages überwiegt, und der Vertrag, soweit es zu Problemen im Zusammenhang mit der Einordnung kommt, wohl nach seinem ursprünglichen Charakter zu behandeln ist.194 Ein Ausschluss nur aufgrund der Eintragung von negativen Prei191 So etwa Noch auf www.vergabeblog.de, Stand: 18.01.2012. „Minuspreise bei öffentlichen Ausschreibungen – Die Umsatzsteuerproblematik wird bislang übersehen (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.12.2010 – VII-Verg 33/10)“. 192 Vergleichbar sind insoweit die Fälle, in denen der Bieter bestimmte Leistungen anbieten muss, ohne dass diese genau festgelegt sind; zur Maßgabe der „eindeutigen und erschöpfenden Beschreibung“, die gerade nicht verlangt, dass alle Details der Leistung bereits vorgegeben sind, sondern ermöglichen soll, „dass die Bieter ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können“, siehe Bernhardt, in: Ziekow/Völlink, § 7 VOB/A, Rn. 7 und Bernhardt, in: Ziekow/Völlink, § 7 VOL/A, Rn. 2. 193 Ausschluss wegen mangelnder Vollständigkeit, siehe etwa Varva, in: Ziekow/ Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 8 und unten unter D. III. 194 Zur rechtlichen Behandlung von Mischverträgen: Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, Rn. 1079 ff., hier getrennt in Typenkombinationsverträge, Typenverschmelzungsverträge und Verträge mit atypischer Gegenleistung, im Ergebnis ist jedenfalls eine Einzelfallprüfung erforderlich; zur Anwendung des Vergaberechts als Privatrecht: Ziekow, in: ders./Völlink, GWB Einl., Rn. 24.
II. Vollständigkeit der Preisangaben im Angebot des Bieters
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sen mit der Begründung einer Veränderung der Vergabeunterlagen ist demnach auch hierdurch nicht möglich.195 cc) Umsatzsteuerproblematik Ein weiteres, in oben dargestelltem Beitrag genanntes Problem ist dasjenige einer Umsatzsteuerverkürzung.196 Hierzu werden am Ende des Beitrages in den Kommentaren Lösungen aufgezeigt. Insgesamt soll auf die Darstellung dieser Problematik hier, da diese zwar im Zusammenhang mit Ausschreibungen virulent werden kann, es sich jedoch nicht um eine originär vergaberechtliche handelt, verzichtet werden.197 dd) Ausschluss eines negativen Preisangebotes bei Untersagung durch die Vergabeunterlagen Nach Ansicht der VK Arnsberg sind im konkreten Fall aufgrund eines expliziten Negativpreisverbots durch den Auftraggeber angebotene Minuspreise als Änderung der Verdingungsunterlagen nach § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A 2006 zu verstehen, was demnach einen Angebotsausschluss zur Folge hätte.198 In ähnlicher Form äußert sich das OLG Dresden zur Abforderung von Mindestpreisen durch das Verbot von Negativpreisen.199 Das OLG führt im bezeichneten Beschluss aus, dass Minuspreise, jedenfalls dann, wenn die Ausschreibungsunterlagen negative Einheitspreise ausdrücklich gestatten, nicht von vornherein ausgeschlossen werden,200 was den Umkehrschluss zulässt, dass Negativpreise mittels einer dementsprechenden Anforderung in den Vergabeunterlagen ausgeschlossen werden können und somit ein Mindestpreis von wenigstens 0,00 A gefordert werden kann.
195 Im Ergebnis ebenso mit anderer Begründung, die auf den Zeitpunkt der rechtlichen Einordnung abstellt, Brandi-Dorn in den Kommentaren zu Noch, „Minuspreise bei öffentlichen Ausschreibungen – Die Umsatzsteuerproblematik wird bislang übersehen (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.12.2010 – VII-Verg 33/10)“, auf www.vergabeblog. de, Stand: 18.01.2012. 196 Noch, „Minuspreise bei öffentlichen Ausschreibungen – Die Umsatzsteuerproblematik wird bislang übersehen (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.12.2010 – VII-Verg 33/10)“, auf www.vergabeblog.de, Stand: 18.01.2012. 197 Siehe stattdessen Noch, „Minuspreise bei öffentlichen Ausschreibungen – Die Umsatzsteuerproblematik wird bislang übersehen (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.12.2010 – VII-Verg 33/10)“, auf www.vergabeblog.de, Stand: 18.01.2012 mit Kommentaren von Brandi-Dorn, Adams und Noch. 198 VK Arnsberg, 06.07.2010 – VK 07/10. 199 OLG Dresden, 28.03.2006 – Wverg 0004/06. 200 OLG Dresden, 28.03.2006 – Wverg 0004/06.
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
Jedoch wird auch dieser Ansicht durch das OLG Düsseldorf201 und die VK Bund202 entgegengetreten. Der Senat bezeichnet aufgrund seiner oben dargestellten Rechtsauffassung eine Untersagung des Angebots von negativen Preisen in den Bewerbungsbedingungen als „Vergaberechtsverstoß“.203 Die VK Bund fügt hinzu, dass solche „Regelungen der Beschränkungen durch Ausschlussregelungen in den Vergabeunterlagen [. . .] nicht zulässig [seien]“.204 Dieser Ansicht ist auch oben ausdrücklich widersprochen worden.205 Die Vorgabe von Mindestpreisen ist hiernach zulässig. Demnach muss es nach der hier vertretenen Ansicht dem Bieter auch möglich sein, Negativpreise mittels der Ausschreibungsunterlagen auszuschließen. 3. Fehlende Preise im Zusammenhang mit Mischkalkulationen Ein Fall der fehlenden bzw. unvollständigen Preisangaben ist die Verschiebung von Kosten und Preisen des Bieters in seinem Angebot. Dieser wird auch als „Mischkalkulation“ bezeichnet.206 Da der Preis bei einer solchen Verlagerung nicht an der vorgesehenen Stelle angegeben ist, muss das Angebot wie bereits dargestellt aufgrund einer unvollständigen Preisangabe ausgeschlossen werden.207 a) Unzulässige Kosten- und Preisverlagerung (Mischkalkulation) Eine unzulässige Mischkalkulation entsteht durch „Abpreisen“ des Einheitspreises einer bestimmten ausgeschriebenen Leistungsposition und „Aufpreisen“ des Einheitspreises einer anderen angebotenen Position.208 Dies hat zur Folge, dass die für die jeweiligen Leistungen geforderten tatsächlichen Preise nicht vollständig und zutreffend wiedergeben werden und somit nicht den geforderten Preisen entsprechen.209 Daher sind Angebote, bei denen der Bieter die Einheitspreise einzelner Leistungspositionen in „Mischkalkulationen“ auf andere Leis201
OLG Düsseldorf, 22.12.2010 – Verg-33/10. VK Bund, 20.01.2011 – VK 1-142/10. 203 OLG Düsseldorf, 22.12.2010 – VII-Verg 33/10: „Ein Verbot negativer Preise im Hauptangebot kann auch nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass nach B. zu 5. Abs. 1 der Bewerbungsbedingungen ,Nebenangebote mit negativen Einheitspreisen‘ zulässig sein sollen, ,wenn sie als Pauschale angeboten wird‘. Vergaberechtsverstöße zu Hauptangeboten werden nicht dadurch irrelevant, dass Abweichungen von den Anforderungen in Nebenangeboten unter bestimmten Umständen gestattet werden.“ 204 VK Bund, 20.01.2011 – VK 1-142/10. 205 Siehe oben unter D. I. 4. und D. I. 5. b). 206 Dicks, in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, VOB/A, § 16 Rn. 53. 207 BGH, 18.05.2004 – X ZB 7/04; Dicks, in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, VOB/A, § 16 Rn. 56. 208 Dicks, in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, VOB/A, § 16 Rn. 53. 209 Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 658. 202
II. Vollständigkeit der Preisangaben im Angebot des Bieters
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tungspositionen umlegt, wie erwähnt grundsätzlich von der Wertung auszuschließen.210 Es obliegt insoweit dem Auftraggeber, Kalkulationsvorgaben zu einzelnen Preisangaben zu machen und somit festzulegen, welchen Umfang die preislichen Angaben des Bieters zu einzelnen Leistungspositionen haben.211 Präzisierend hierzu sind nach Darstellung des OLG Düsseldorf Mischkalkulationen nicht zu beanstanden, wenn im Angebot jedenfalls der Preis genannt wird, den der Bieter nach dem Ergebnis seiner Kalkulation dem Auftraggeber für die Leistungsposition tatsächlich in Rechnung zu stellen beabsichtigt.212 Im Fall wird durch das OLG Düsseldorf eine „Quersubventionierung“ 213 von Leistungspositionen mit erwarteten Erlösüberschüssen aus anderen Leistungen durchaus erlaubt.214 Der Senat verweist insoweit darauf, dass die Kalkulation der freien unternehmerischen Verantwortung des Bieters unterliegt. Mischkalkulationen seien nur anstößig, wenn der Bieter im Angebot nicht die Preise nennt, die er nach Ergebnis seiner Kalkulation dem Auftraggeber in Rechnung zu stellen beabsichtigt.215 Eine Verteilung der Kosten auf Leistungspositionen, die einen klaren Bezug zu den Kosten aufweisen, soll hiernach zulässig sein.216 Maßgeblich hierfür ist, dass der Bieter die den Preisen zugrunde liegenden Kosten seiner Leistung den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses folgend in den jeweiligen Preispositionen abgebildet hat.217 Dies ist erforderlich, wenn das Ziel des Verbotes von Mischkalkulationen, nämlich die Abgabe eines transparenten Angebotes und das Verhindern des „Verstecken“ von Preisen in anderen Positionen gewährleistet werden soll.218 Auch soll gesichert werden, dass nicht höhere Preise seitens des Bieters erzielt werden, als dies nach Auswertung des Angebotes zu erwarten 210 BGH, 18.5.2004 – X ZB 7/04; Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOB/A, § 16, Rn. 223 Stand: 23.09.2013 mit einer Vielzahl weiterer Nennungen; zur Begründung der Unzulässigkeit einer Mischkalkulation, insbesondere dem Spannungsfeld der Mischkalkulation zwischen Transparenzgebot und Kalkulationsfreiheit und der Begründung aus Transparenz und Treuepflicht zwischen Bieter und Auftraggeber siehe auch VK Lüneburg, 02.04.2012 – VgK-08/2012. 211 OLG Düsseldorf, 08.06.2011 – VII-Verg 11/11. 212 OLG Düsseldorf, 09.02.2009 – VII-Verg 66/08. 213 Begriff etwa aus Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 660. 214 OLG Düsseldorf, 09.02.2009 – VII-Verg 66/08; ebenso Dicks, in: Kulartz/Marx/ Portz/Prieß, VOB/A, § 16 Rn. 70. 215 OLG Düsseldorf, 09.02.2009 – VII-Verg 66/08. 216 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16 Rn. 70 mit dem Beispiel eines Baustellenkrans, dessen Kosten sowohl in den Kosten der Baustelleneinrichtung als auch in den Kosten der Leistungen, in denen das Gerät gebraucht wird, verpreist werden können. 217 VK Lüneburg, 02.04.2012 – VgK-08/2012. 218 Siehe auch Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOL/A, § 16, Rn. 76, Stand: 23.09.2013 mit Verweis auf BGH, 07.06.2005 – X ZR 19/02 und 18.05.2004 – X ZB 7/04.
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
ist.219 Demnach ist auch unerheblich, ob der hierfür angegebene Preis auskömmlich ist.220 Zulässig ist in diesem Zusammenhang die „Verschiebung“ von Kostenbestandteilen innerhalb einzelner Einheitspreispositionen.221 Von der 2. Vergabekammer des Bundes wird insoweit klargestellt, dass sich die Regelungen zur Mischkalkulation grundsätzlich auf die Verschiebung von Kosten zwischen den Einheitspreisen für verschiedene Leistungspositionen beziehen und daher auf die Verschiebung von einzelnen Kostenbestandteilen innerhalb einzelner Leistungspositionen nicht übertragbar sind. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, „dass – und nicht wie – alle preisbildenden Faktoren berücksichtigt worden sind“.222 b) Konnexität Im Zusammenhang mit dem Vorliegen einer Mischkalkulation stellt sich die Frage, ob ein Zusammenhang (Konnexität) zwischen den auf- und abgepreisten Positionen erforderlich ist, um eine Kosten- und Preisverlagerung bzw. eine Mischkalkulation zu begründen. Ursprünglich schien ein Zusammenhang zwischen der aufgepreisten und der abgepreisten Leistungspositionen nicht erforderlich, um eine Mischkalkulation zu erfüllen. Vielmehr habe der Bieter darzustellen, dass jede Preisposition für sich auskömmlich ist.223 Das OLG Düsseldorf stellt jedoch in seiner bereits angesprochenen Entscheidung vom 09.02.2009 fest, dass das „Verstecken von Kosten in anderen Leistungspositionen, mithin eine Konnexität zwischen ab- und aufgepreisten Leistungen“ auf eine Mischkalkulation verweist.224 Hierzu wird jedoch noch keine Aussage über die Konnexität als zwingende Voraussetzung für eine Mischkalkulation getroffen. In der Literatur wird insoweit weitergehend festgestellt, dass für das Vorliegen einer Mischkalkulation maßgeblich ist, „dass eine konnexe Preisverlagerung zwischen einzelnen Positionen stattgefunden hat“.225 Ebenso existieren 219
VK Lüneburg, 02.04.2012 – VgK-08/2012. Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 659, 660 unter Verweis auf Leinemann/Kirch, VergabeR 2005, 563, 567 ff.; andere Ansicht siehe Allgemeines Rundschreiben für Straßenbau Nr. 25/2004 vom 25.11.2004 des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (ARS 25/2004). 221 VK Bund, 29.12.2010 – VK 2-128/10. 222 Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 660 mit Verweis auf OLG Naumburg, 22.09.2005 – 1 Verg 7/05. 223 Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 658 mit Verweis auf das Allgemeine Rundschreiben für Straßenbau Nr. 25/2004 v. 25.11.2004 des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (ARS 25/2004). 224 OLG Düsseldorf, 09.02.2009 – VII-Verg 66/08 unter 2. c) cc). 225 Leinemann, die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 660. 220
II. Vollständigkeit der Preisangaben im Angebot des Bieters
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verschiedene Rechtsprechungen von Oberlandesgerichten und Vergabekammern, nach denen ein Angebotsausschluss wegen einer Mischkalkulation die (Sachverhalts-)Feststellung voraussetzt, dass die „Aufpreisung“ bzw. „Abpreisung“ einzelner Positionen unmittelbar miteinander korrespondiert.226 Die VK Schleswig-Holstein führt hierzu beispielsweise aus: „Reine Unterkostenangebote in einzelnen Preispositionen allein berechtigen dagegen nicht zum Vorhalt einer vergaberechtlich verbotenen Preisverlagerung mit Ausschlussrelevanz nach § 25 Nr. 1, Abs. 1 b VOB/A. Sie sind nicht unzulässig. Gibt es ebenso keine ,überpreisten‘ Positionen, verbietet sich die Annahme einer kompensatorischen Preisverlagerung (Mischkalkulation). Ein Ausschlussgrund kann in einem solchen Fall nicht angenommen werden.“ 227
Dies erscheint sinnvoll, da durch eine Prüfung auf Vollständigkeit nicht die Verhinderung von Unterkostenangeboten, etwa durch die Angabe von besonders niedrigen Preisen228 oder die Sanktionierung von teuren Angeboten, deren Preise in allen Angeboten durchweg hoch sind229, beabsichtigt ist.230 Daher erfolgt eine Einordnung auch auf erster Wertungsstufe im Rahmen der formalen Prüfung, nicht etwa im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit der Preise.231 Im Ergebnis kann der Begriff der Mischkalkulationen als ein Unterfall der Kosten- und Preisverlagerungen angesehen werden. Eine Mischkalkulation erfordert, schon aufgrund der ersten Silbe des Wortes, ein „Vermischen“ von Preisen im Rahmen der Kalkulation. Eine solche ist unzulässig, wenn hierdurch die Preise nicht „wie gefordert“ angegeben werden.232 Zusätzlich ist nach der Rechtsprechung des BGH aber auch eine Kosten- und Preisverlagerung unzulässig, wenn hierdurch auch nur ein einziger Preis nicht wie gefordert und demnach unzutreffend oder unvollständig angegeben wird.233 Eine Konnexität einer auf- mit einer abgepreisten Position ist daher zwar Voraussetzung für eine begriffliche 226 OLG Frankfurt, 17.10.2005 – 11 Verg 8/05; OLG Jena, 23.01.2006 – 9 Verg 8/ 05; OLG Dresden, 01.07.2005 – Wverg 7/05; Brandenburgisches OLG, 13.09.2005 – Verg W 9/05; VK Berlin, 02.06.2009 – VK B 2-12/09; VK Nordbayern, 28.10.2009 – 21.VK-3194-47/09; VK Schleswig-Holstein, 03.12.2008 – VK-SH 12/08. 227 VK Schleswig-Holstein, 06.10.2005 – VK-SH 27/05, mit weiteren Verweisen auf OLG Dresden, 01.07.2005 – WVerg 7/05; OLG Koblenz, 10.05.2005 – 1 Verg 3/05; VK Bund, 22.03.2005 – VK 3-13/05; VK Sachsen 12.07.2005 – 1/SVK/073-05; VK Rheinland-Pfalz, 06.04.2005 – VK 9/05. 228 So etwa OLG Jena, 23.01.2006 – 9 Verg 8/05. 229 Zu letzterem Fall VK Bund, 29.12.2010 – VK 2-128/10. 230 Zur Prüfung der Angemessenheit von Angeboten im Zusammenhang mit Unterkostenangeboten siehe unten unter D. 231 Leinemann, VergabeR 2008, 346, 347 mit Verweis auf OLG Brandenburg, 13.09. 2005 – Verg W 9/05. 232 BGH, 18.05.2004 – X ZB7/04; Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 69. 233 BGH, 18.05.2004 – X ZB7/04: „Jeder Preis ist, so wie gefordert [. . .] anzugeben“.
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
Mischkalkulation,234 jedoch nicht zwingende Voraussetzung für einen Ausschluss aufgrund unvollständiger Preisangaben, die durch eine Kosten- und Preisverlagerung begründet werden. Ein solcher Ausschluss könnte auch aufgrund einer einzigen fehlerhaften Preisangabe geboten sein.235 c) Vorsatz der Bieter Nicht erforderlich ist ein Vorsatz des Bieters bezüglich des Auf- und Abpreisens der Leistungspositionen, welches die Mischkalkulation herbeiführt. So betont etwa das OLG München, dass es hinsichtlich der Kalkulation auf eine subjektive Komponente nicht ankomme.236 Auch das OLG Koblenz betont in diesem Zusammenhang mit Verweis auf den BGH237: „Unerheblich sind weiter die subjektiven Beweggründe, die die Beschwerdeführerin zu der unrichtigen Preisangabe veranlasst haben. Maßgeblich ist allein der objektive Erklärungsinhalt.“ 238
Dasselbe Ergebnis wird in der Literatur239 und vom BGH240 bestätigt. Es kommt hiernach nicht darauf an, aus welchen Gründen ein Bieter in seinem Angebot Einheitspreise für bestimmte Leistungspositionen auf andere Leistungspositionen verteilt und so die tatsächlich für die jeweiligen Leistungen geforderten Preise nicht wie in der Ausschreibung gefordert angibt.241 Dies ist in der Begründung schon deswegen folgerichtig, da Ziel dieser Regelung die Vergleichbarkeit der Angebote ist, da erst eine vollständige Vergleichbarkeit der Angebote ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren insbesondere hinsichtlich der Wertung der Angebote ermöglicht.242 d) Mischkalkulation durch den Nachunternehmer Das oben dargestellte Ergebnis zeigt sich auch bei der Rechtsprechung zur Mischkalkulation durch Nachunternehmer. So hat etwa das OLG Düsseldorf entschieden, dass 234 Ebenso: Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOB/A, § 16, Rn. 228, Stand: 23.09.2013. 235 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 73. 236 OLG München, 10.11.2010 – Verg 19/10, S. 15. 237 BGH, 16.04.2002 – X ZR 67/00; BGH, 18.02.2003 – X ZB 43/02; BGH, 18.05.2004 – X ZB 7/04. 238 OLG Koblenz, 02.01.2006 – 1 Verg 6/05. 239 Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOB/A, § 16, Rn. 223, Stand: 23.09.2013. 240 BGH, 18.05.2004 – X ZB 7/04. 241 BGH, 18.05.2004 – X ZB 7/04. 242 Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 8 mit Verweis auf BGH, 18.02. 2003 – X ZB 43/02.
II. Vollständigkeit der Preisangaben im Angebot des Bieters
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„[e]in Bieter, der [. . .] unzutreffende Preisangaben des Nachunternehmers unberichtigt übernimmt, diese zum Gegenstand seines Angebots macht.“ 243
Im Fall hatte der Bieter, worauf das OLG in der entsprechenden Begründung hinweist, die Nachunternehmerleistungen im Angebotsblankett nach den Positionen des Leistungsverzeichnisses aufgegliedert angegeben. Dies hatte nach dem OLG Düsseldorf zur Folge, dass Angebotspreise in diesen Fällen unvollständig und unzutreffend angegeben sind, was einen zwingenden Wertungsausschluss zur Folge hat.244 Das OLG betont, dass es nicht darauf ankomme, ob unvollständige und unzutreffende Preisangaben des Nachunternehmers vom Bieter bewusst übernommen werden. Maßgebend sei vielmehr der objektive Befund.245 Eine hierzu andere Ansicht nimmt eine mangelnde Überprüfungspflicht des Bieters hinsichtlich des Nachunternehmers zum Anlass, einen Ausschluss des Bieters wegen unvollständiger Angebote zu verneinen.246 Maßgeblich soll hiernach vielmehr sein, ob der Bieter von der Unvollständigkeit weiß.247 Dieser Ansicht ist jedoch, da es wie gezeigt nicht auf eine subjektive Kenntnis des Bieters ankommt,248 zu widersprechen. e) Keine Mischkalkulation – Einzelfälle In die vorliegende Darstellung fügen sich folgende, oben in anderem Zusammenhang bereits für zulässig erklärte, Ausnahmen vom Tatbestand der Mischkalkulation ein: aa) Preisnachlass Zulässig ist zunächst jedenfalls ein Preisnachlass seitens des Bieters, um sein Angebot kompetitiv zu gestalten, etwa indem er einen solchen Nachlass prozentual auf alle Kalkulationspositionen gleichmäßig verteilt, oder indem er bei einer bestimmten Position diesen Abschlag berücksichtigt.249 In diesem Zusammenhang ist auch ein verdeckter Subventionsabschlag zulässig, der, insbesondere wegen des Zwecks des günstigeren Angebotes gegenüber Konkurrenten, auch keine Vermutung zugunsten einer Mischkalkulation begründet, soweit der Bieter nicht die von ihm tatsächlich für bestimmte Leistungspositionen geforderten Einheitspreise auf Einheitspreise anderer Leistungspositionen verteilt.250 243 244 245 246 247 248 249 250
OLG Düsseldorf, 16.05.2006 – VII-Verg 19/06. OLG Düsseldorf, 16.05.2006 – VII-Verg 19/06. OLG Düsseldorf, 16.05.2006 – VII-Verg 19/06. Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 79. Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 80. Siehe oben unter D. II. 3. c). VK Baden-Württemberg, 16.03.2006 – 1 VK 8/06. VK Lüneburg, 02.04.2012 – VgK-08/2012.
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
bb) Geringe Preisangaben Ebenso sind geringe Preisangaben und auch Negativpreise nicht per se Mischkalkulationen. Vielmehr ist auch hier der Nachweis einer Verlagerung von Preisen in andere als die erforderlichen Leistungspositionen notwendig.251 cc) Fehlerhafte Preisangaben aufgrund eines Kalkulationsirrtums Letztlich stellt es keine Mischkalkulation dar, wenn die Preisangaben aufgrund eines Kalkulationsirrtums fehlerhaft sind, der Bieter sich jedoch an diesen festhalten lassen will. Soweit keine Verlagerung von Preisbestandteilen festzustellen ist, besteht keine Mischkalkulation.252 f) Mischkalkulationen als Voraussetzungen für fehlende Preise Teilweise scheint eine Ansicht in der Rechtsprechung zu existieren, die es für das Vorliegen einer unvollständigen Preisangabe für erforderlich hält, dass einzelne Preisbestandteile nicht an der hierfür vorgesehenen Stelle, sondern in einer anderen Leistungsposition, zumeist verdeckt verlagert, angegeben werden, demnach also für die Unvollständigkeit von Preisen eine Mischkalkulation im Angebot bestehen muss.253 So ist nach dem OLG Naumburg die „unvollständige Preisangabe eine solche, bei der einzelne Preisbestandteile nicht an der hierfür vorgesehenen Stelle, sondern in einer anderen Leistungsposition, zumeist verdeckt verlagert, angegeben werden.“ 254
Dem widerspricht jedoch etwa die genannte Rechtsprechung des OLG Düsseldorf ausdrücklich.255 Begründet wird dies insbesondere unter Hinweis auf die bereits oben genannte Rechtsprechung des BGH,256 die zur Vollständigkeit einer Preisangabe voraussetzt, dass jeder Betrag so wie gefordert angegeben wird. Dieser Ansicht wird hier gefolgt, insbesondere da oben dargelegt wurde, dass schon die Angabe eines unvollständigen Preises für einen Ausschluss grundsätzlich ausreichend ist.257 Die Unvollständigkeit der Preise setzt demnach keine Mischkalkulation voraus. 251 Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOB/A, § 16, Rn. 276 mit Verweis auf Rn. 222 ff., Stand: 23.09.2013. 252 OLG Brandenburg, 20.03.2007 – Verg W 12/06. 253 OLG Naumburg, 02.04.2009 – 1 Verg 10/08. 254 OLG Naumburg, 02.04.2009 – 1 Verg 10/08. 255 OLG Düsseldorf, 09.02.2009 – VII-Verg 66/08: „Die Feststellung einer unvollständigen Preisangabe setzt nicht den Nachweis einer Mischkalkulation, m. a. W. voraus, dass ermittelt wird oder werden kann, welcher gegebenenfalls abgepreisten Leistung welche andere, aus Gründen der Kompensation ausgepreiste Leistung im Angebot des betroffenen Bieter entspricht.“ 256 BGH, 18.05.2004 – X ZB 7/04.
II. Vollständigkeit der Preisangaben im Angebot des Bieters
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g) Feststellung einer Mischkalkulation Die Angebote sind durch den Bieter, wie dargestellt, auf Vollständigkeit zu überprüfen.258 Hinsichtlich der Frage, ob der Bieter von sich aus seine Preisangaben erläutern muss259 oder eine Aufklärung statthaft ist,260 scheint sich inzwischen letztere Möglichkeit als ausreichend herauszustellen.261 Die Frage, wer bei unklarer Beweislage die Nachprüfungspflicht trägt, ist strittig,262 kann jedoch wohl zugunsten einer Beweislast des Auftraggebers entschieden werden, wenn man von einer gesteigerten sekundären Darlegungslast des Bieters ausgeht, mit der er den Vorwurf der unvollständigen Preisangaben durch eigenen Vortrag entkräften muss.263 Hierfür spricht auch die Tatsache, dass der Auftraggeber das Angebot des Bieters nicht aufgrund unklarer Tatsachenlage ausschließen darf.264 Soweit der Bieter jedoch die Mitwirkung an der gebotenen Aufklärung verweigert, kann sein Angebot ausgeschlossen werden.265 Die Prüfung ist in einem Urteil des OLG Jena vom 23.01.2006 als Dreischritt dargestellt worden.266 In einem ersten Schritt ist durch den Bieter eine summari-
257
Siehe unter D. III. 1. Vergaberecht kompakt, S. 675, Rn. 319; Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 63; Erlass des BMVBW vom 28.10.2004 betreffs des Vergabehandbuchs für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes im Zuständigkeitsbereich der Finanzbauverwaltungen (VHB) – Ausgabe 2002 – Wertung unangemessen niedriger Preise von Teilleistungen; AZ: B 15 – 0 1080 – 114, vom 28.10.2004. 259 Etwa OLG Jena, 23.01.2006 – 9 Verg 8/05. 260 EuG, 10.12.2009 – T-195/08; BGH, 18.05.2004 – X ZB 7/04; OLG Dresden, 28.03.2006 – Wverg 4/06; BayObLG 18.09.2003 – Verg 12/03; OLG Naumburg, 07.05.2002 – 1-Verg 19/10. 261 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 92. 262 Feststellungs- und Beweislast aufseiten des Auftraggebers: OLG Jena, 23.01.2006 – 9 Verg 8/05; OLG Frankfurt am Main, 17.10.2005 – 11 Verg 8/05; OLG Koblenz, 10.05.2005 – 1 Verg 3/05; Feststellungs- und Beweislast aufseiten des Bieters: OLG Rostock, 08.03.2006 – 17 Verg 16/05; Brandenburgisches OLG, 13.09.2005 – Verg W 9/05; OLG Dresden, 01.07.2005 – Wverg 7/05; OLG Düsseldorf, 19.11.2003 – VIIVerg 47/03. 263 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 100; a. A. Müller-Wrede, NZBau 2006, 73, 77, der feststellt, dass „den Bieter die Beweislast hinsichtlich der Vollständigkeit seiner Preisangaben [trifft]“. Jedoch wird auch hier dargestellt, dass „hinreichend Anhaltspunkte für eine Mischkalkulation gegeben“ sein müssen. Diese muss ebenfalls der Auftraggeber darlegen. Demnach muss auch nach dieser Lösung der Auftraggeber zunächst im Rahmen einer Prüfung tätig werden. Den Bieter trifft hiernach nur die Darlegungspflicht. Im Ergebnis ist aber bei einer Feststellung von auffallend hohen oder niedrigen Einheitspreisen eine Mischkalkulation indiziert, weswegen die Nachweispflicht somit beim Bieter liegt. 264 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 99. 265 Siehe etwa § 15 Abs. 2 VOB/A; Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 88. 266 OLG Jena, 23.01.2006 – 9 Verg 8/05. 258
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
sche Bewertung der Einheitspreise vorzunehmen; hiernach ist bei Auffälligkeiten das Angebot anhand einer Urkalkulation zu überprüfen; sollten die hieraus gezogenen Erkenntnisse unzureichend sein, so kann in einem dritten Schritt eine Untersuchung der konkreten Umstände des Einzelfalls durch eine förmliche Beweisaufnahme erfolgen.267 Wenn sich ein Anlass für die Vermutung einer Mischkalkulation ergibt, besteht die genannte Aufklärungspflicht seitens des Bieters.268 Ein Nachweis zugunsten des Vorliegens einer Mischkalkulation besteht jedenfalls nach Eingeständnis des Bieters, wobei maßgeblich die Einräumung der oben beschriebenen Preisverlagerung, nicht zwingend das konkrete Eingeständnis einer „Mischkalkulation“, ist.269
III. Folgen von unvollständigen, fehlenden oder widersprüchlichen Preisangaben Zu untersuchen sind nach Feststellung einer Unvollständigkeit von Preisangaben die Folgen beim Fehlen solcher Preisangaben im Angebot. 1. Grundsatz Der Auftraggeber ist grundsätzlich aufgrund des Wortlautes der Normen270 gezwungen, das betreffende Angebot aus der Wertung zu nehmen. Hieran ändert nach älterer Rechtsprechung auch der Wortlaut des § 21 Nr. 1 Satz 2 VOB/A 2002 („Die Angebote sollen nur die Preise und geforderten Erklärungen enthalten“) nichts. Dieser Satz drückt die Handlungsfreiheit der Bieter aus, die sich etwa auch darin manifestiert, kein Angebot abgeben zu müssen.271 Jedoch ist der zwingende Ausschluss als Ausfluss des Gleichbehandlungsgebotes aus § 97 Abs. 2 GWB der Bieter erforderlich.272 Dem Auftraggeber steht insoweit kein Ermessen zu.273 Diese durch den BGH bestätigte Aussage hat mit der Umformulierung von § 13 Abs. 1 VOL/A und § 16 Abs. 1 VOL/A-EG („Die Angebote müssen alle geforderten Angaben, Erklärungen und Preise enthalten“) sowie § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A („Die Angebote müssen die geforderten Preise enthalten“) Eingang in die Vergabe- und Vertragsordnungen gefunden. 267
OLG Jena, 23.01.2006 – 9 Verg 8/05. Etwa bei Cent-Preisen VK Niedersachsen, 22.11.2011 – VgK 51/2011; VK Rheinland-Pfalz, 10.02.2011 – VK 1-53/10. 269 Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOB/A, § 16, Rn. 235, Stand: 23.09.2013 m.w. N. 270 § 16 Abs. 1 VOB/A: „Auszuschließen sind“ und § 16 Abs. 3 VOL/A bzw. § 19 Abs. 3 VOL/A-EG: „Ausgeschlossen werden“. 271 BGH, 18.02.2003 – X ZB 43/02. 272 BGH, 18.02.2003 – X ZB 43/02. 273 Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOL/A, Rn. 5. 268
III. Unvollständige, fehlende oder widersprüchliche Preisangaben
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Durch die VK Bund wird dies in einer Entscheidung vom 04.06.2007 im Fall einer Abweichung vom Einheits- zum Gesamtpreis wie folgt ergänzt: „Eine [. . .] fehlende Preisangabe liegt hierin jedoch nur dann, wenn sich aus den von der ASt in den Los- und Preisblättern vorgenommenen Eintragungen keine zweifelsfreien Preisangaben entnehmen lassen, mithin für die Ag nicht eindeutig erkennbar ist, zu welchem Preis die ausgeschriebene Leistung tatsächlich angeboten wird.“ 274
Ein Verweis auf eine Entscheidung der Vergabekammer Bund vom 13.07.2005 erfolgt im Anschluss. In dieser Entscheidung stellt die Kammer fest, dass, wenn der geforderte Preis im Angebot nicht erkennbar war, dies „dem Fehlen von Preisangaben gleichzustellen“ ist.275 – Gleichbehandlungs- und Transparenzgebot Eine wesentliche Grundlage für diesen Grundsatz ist das Gleichbehandlungsund auch das Transparenzgebot.276 Ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren ist demnach nur zu erreichen, wenn in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht vergleichbare Angebote gewertet werden.277 Für diese Vergleichbarkeit in jeder Hinsicht ist es demnach erforderlich, dass alle nach dem Angebot erforderlichen Preisangaben durch den Auftraggeber zwingend erfolgen. Das vergaberechtliche Gleichbehandlungsgebot278 hat als wesentlichen Inhalt das unparteiliche Auftreten des öffentlichen Auftraggebers gegenüber allen Unternehmen279 mit dem Ziel der Chancengleichheit 280. Der Transparenzgrundsatz wird in diesem Zusammenhang vom EuGH als Ausformung des Grundsatzes der Gleichbehandlung verstanden281 und hat gegenüber diesem eine „primär dienende Funktion“ 282. Als wesentliche Ausprägung lässt sich das Gebot eines transpa-
274
VK Bund, 04.06.2007 – VK 1-47/07. VK Bund, 13.07.2005 – VK 1-59/05. 276 OLG München, 10.12.2009 – Verg 16/09. 277 BGH, 18.02.2003 – X ZB 43/02, VK Bund, 13.07.2005 – VK 1-59/05; VK Sachsen, 28.12.2009 – 1/SVK/060-09. 278 Auch begrifflich in negativer Formulierung zu finden als „Diskriminierungsverbot“ bei Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 79; zur europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Begründung Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 11 ff. 279 Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 22. 280 Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 79. 281 Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 38 mit Verweis auf EuGH, NZBau 2002, 101, Rn. 38 (27.11.2001 – C-285/99 und C-286/99); EuGH, NZBau 2002, 458 Rn. 45 (18.06.2002 – Rs. C-92/00); EuGH, VergabeR 2010, 203, Rn. 37 (12.11.2009 – C.199/07). 282 Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 66. 275
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
renten Vergabeverfahrens als auch einer transparenten Vergabeentscheidung für die Bieter feststellen.283 Unvollständige und fehlerhafte Preisangaben verhindern die Vergleichbarkeit der Angebote. Dies beeinträchtigt im Rahmen einer Wertung sowohl die Transparenz der Entscheidung als auch die Gleichbehandlung der Bieter bei dieser. 2. Ausnahmen Von diesem Grundsatz bestehen einige Ausnahmen, nach denen eine „Korrektur“ des Angebotes möglich ist. Diese sollen im Folgenden dargestellt werden. a) Möglichkeit der Auslegung von Preisangaben durch den Auftraggeber Eine Möglichkeit der Korrektur ist die Auslegung von fehlerhaften Preisangaben. aa) Begriff der Auslegung Die Auslegung einer Willenserklärung hat einen gesetzlichen Niederschlag in § 133 BGB gefunden.284 Bei den Angeboten in öffentlichen Ausschreibungen handelt es sich um solche Willenserklärungen.285 § 133 BGB bestimmt als Auslegungsregel, dass bei der Auslegung einer Willenserklärung die Erforschung des wirklichen Willens des Erklärenden zu erfolgen hat. Festgestellt wird, ob überhaupt eine Erklärung abgegeben worden ist, und falls ja, welchen Inhalt sie hat.286 Als Mittel der Auslegung dienen alle Umstände des Erklärungsakts, außerhalb liegende Umstände können nicht herangezogen werden.287 bb) Möglichkeit der Auslegung von Preisen („Ob“ der Auslegung) Die Möglichkeit der Auslegung von Preisangaben wird in verschiedenen Entscheidungen durch Gerichte, Vergabekammern288 und auch in der Literatur289 eingeräumt, jedoch nicht allgemein anerkannt.290 283
Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 65. Zur Abgrenzung zu § 157 BGB, der die Auslegung für Verträge vorgibt, und auf eine objektive Auslegung gegenüber der subjektive Auslegung des § 133 BGB abstellt, siehe Jauernig, in: ders., BGB, § 133, Rn. 7. 285 Ziekow, in: ders./Völlink, § 99 GWB, Rn. 13. 286 Jauernig, in: ders., BGB, § 133, Rn. 1. 287 Jauernig, in: ders., BGB, § 133, Rn. 1. 288 Zur grundsätzlichen Möglichkeit etwa, ohne auf die Technik und die Möglichkeiten der Auslegung weiter einzugehen VK Bund, 13.07.2005 – VK 1-59/05 und VK Bund, 13.01.2012 – VK 3-179/11: „Dem ASt ist [. . .] darin zu folgen, dass die Preisangaben eines Bieters der Auslegung (§§ 133/157 BGB analog) zugänglich sind.“ Zu weiteren Entscheidungen siehe im Folgenden. 284
III. Unvollständige, fehlende oder widersprüchliche Preisangaben
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(1) Grundsatz Ursprünglich schien dem Auftraggeber, ausgehend von oben unter D. III. 1. bezeichneten Grundsätzen, eine Auslegung versagt zu sein. Dies bestätigt etwa die VK Baden-Württemberg im Fall eines offenbar falschen Einheitspreises. Sie führt hierzu aus: „Das alleinige Risiko richtiger Kalkulation sowie das Risiko einer Fehlkalkulation trifft grds. den Anbieter[291]. Jeder Bieter muss sich daran festhalten lassen, dass er für die von ihm gemachten Preisangaben selbst verantwortlich ist. Von dieser Regel ist auch dann nicht abzuweichen, wenn der Einheitspreis offenbar falsch ist. Dies gilt unabhängig davon, ob der falsche Einheitspreis versehentlich oder mit Absicht in das Angebot eingesetzt wurde.“ 292
Bestätigt wird die Tatsache, dass die Kalkulation in der Risikosphäre des Bieters liegt, auch in der Literatur.293 In der Folge ist eine Auslegung jedenfalls in zwei Fällen, nämlich dem der fehlerhaften Preisangaben und dem der Auslegung des Einheitspreises, nicht möglich. (2) Keine Auslegung bei fehlerhafter Preisangabe (an falscher Stelle in anderer Form) Der BGH hat zu ersterem Fall festgestellt, dass Preisangaben nicht nur mit dem Angebot überhaupt, sondern darin an der in den Verdingungsunterlagen festgelegten Stelle abgegeben werden müssen.294 Im konkreten Fall ging es um die (fehlende) Angabe eines Preisnachlasses an vorgesehener Stelle und in anderer als der angegebenen Form.295 Der teilweise vertretenen Ansicht, die Angabe des Preisnachlasses an anderer als der geforderten Stelle bzw. in anderer als der angegebenen Form könne im Wege teleologischer Reduktion gewertet werden,296
289
Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, § 16 VOB/A, Rn. 41. VK Arnsberg, 29.01.2009 – VK 34/08: „Auch wenn erkennbar war, dass der ASt beim Ausfüllen der Tabelle ein Fehler unterlaufen sein musste, konnte die Ag nicht durch Auslegung ermitteln, welcher der beiden Preise von der ASt tatsächlich gemeint war.“ 291 Verweis auf BGH NJW 1980, 180 (BGH, 18.05.1979 – V ZR 237/77). 292 VK Baden-Württemberg, 27.12.2004 – 1 VK 79/04. 293 Etwa Franzius, in: Pünder/Schellenberg, § 10 VOB/A, Rn. 23. 294 BGH, 20.01.2009 – X ZR 113/07; BGH, 18.05.2004 – X ZR 7/04. 295 Angegeben war ein Preisnachlass nicht an der in den Vergabeunterlagen geforderten Form, sondern in einem separaten Anschreiben und nicht in Form eines eigentlich erforderlichen Prozentsatzes, sondern unter Angabe der sich nach Preisnachlass ergebenden Summe. 296 OLG Schleswig-Holstein, 26.10.2001 – 6 Verg 4/01, auch in VergabeR 2002, 188 ff. mit zustimmender Anm. Korbion, Anmerkung zu Schleswig-Holsteinischem OLG, VergabeR 2002, 191 ff.; VK Schleswig-Holstein, 01.04.2004 – VK-SH 05/04. 290
98
D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
wird vom BGH unter Nennung vielfacher Rechtsprechung297 und Literatur298 entgegengetreten. In besagter Rechtsprechung und Literatur wird dargelegt, dass durch die Darstellung des Preisnachlasses an anderer als der geforderten Stelle bzw. in anderer als der geforderten Form dem Transparenzgebot nicht ausreichend Rechnung getragen worden ist, was zur Folge hat, dass solche Angebote aus der Wertung zu nehmen sind.299 (3) Auslegung des Einheitspreises in der VOB/A Der zweite genannte Fall, in dem eine Auslegung nicht möglich erscheint, trifft den Fall der Auslegung des Einheitspreises in der VOB/A. In diesem Zusammenhang wesentlich ist die Regelung des § 16 Abs. 4 Nr. 1 VOB/A. Diese lautet: „Entspricht der Gesamtbetrag einer Ordnungszahl (Position) nicht dem Ergebnis der Multiplikation von Mengenansatz und Einheitspreis, so ist der Einheitspreis maßgebend.“
(a) Für eine Auslegung von Einheitspreisen Für eine Auslegung des Einheitspreises argumentieren zunächst Entscheidungen der 2. VK Bund300 und der VK Saarland,301 wobei letztere Entscheidung vom Saarländischen OLG aufgehoben worden ist. In bezeichneter Entscheidung der VK Bund heißt es insoweit explizit: „Eine Korrektur des Einheitspreises nach den Grundsätzen zur Auslegung von Willenserklärungen im Sinne von § 133 BGB kommt daneben nur in Betracht, wenn der Einheitspreis offensichtlich zu hoch oder zu niedrig angegeben ist [. . .302]. Hierfür muss sich aus dem Angebot eindeutig ergeben, dass hinsichtlich des Einheitspreises ein Schreibfehler vorliegt. Ist dagegen eine zweifelsfreie Auslegung nicht möglich, muss es bei dem eingesetzten Einheitspreis bleiben.“ 303
Maßgeblich ist demnach, ob eine zweifelsfreie Auslegung des Einheitspreises möglich ist. Soweit dies der Fall ist, kann als Rückschluss eine Auslegung erfol297 VK Sachsen, IBR 2002, 685 (13.09.2002 – 1/SVK/082-02); VK Thüringen, IBR 2006, 637 (15.06.2006 – 360.4002.20-024/06-J-S). 298 Etwa: Kratzenberg, in: Ingenstau/Korbion, VOB, 16. Aufl., § 21 VOB/A, Rn. 32, § 25 VOB/A, Rn. 92; Dähne, in: Kapellmann/Messerschmidt, 2. Auflage, § 21 VOB/ A, Rn. 42, § 25 VOB/A, Rn. 106; Weyand, Vergaberecht, 2. Aufl., § 25 VOB/A, Rn. 5826; vgl. auch Rusam, in: Heiermann/Riedl/Rusam, § 21 VOB/A, Rn. 23, ders. in: § 25 VOB/A Rn. 72. 299 BGH, 20.01.2009 – X ZR 113/07. 300 VK Bund, 24.05.2005 – VK 2-42/05. 301 VK Saarland, 02.02.2009 – 1 VK 10/2008. 302 Verweis: Kratzenberg, in: Ingenstau/Korbion, VOB, § 23, Rz. 10; enger: Schäfer, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, § 23 VOB/A, Rn. 19. 303 VK Bund, 24.05.2005 – VK 2-42/05.
III. Unvollständige, fehlende oder widersprüchliche Preisangaben
99
gen. Zu dem gleichen Ergebnis kommt die VK Saarland im Fall eines „eklatanten Erklärungs-/Übertragungsfehlers“. In diesem Fall „ist die Auslegungsregel des § 23 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/A304 nicht einschlägig; die Rechenregel des § 23 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOB/A darf vielmehr außer Acht gelassen und ausnahmsweise der Einheitspreis entsprechend der Auslegungsregel des § 133 BGB angepasst, d.h. geändert werden.“ 305
Dass eine andere Auffassung besteht,306 wird von der Vergabekammer gesehen. Jedoch wird ausdrücklich gegen diese argumentiert, was wie folgt begründet wird: „Die gegenteilige Auffassung, die aus der Auslegungsregel des § 23 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/A ein absolutes Verbot herleitet, Einheitspreise seitens des Auftraggebers abzuändern [. . .], wird von der erkennenden Vergabekammer, jedenfalls für derart offensichtliche Fälle wie den zur Nachprüfung anstehenden, nicht geteilt, weil sie zu wenig differenziert und am Ende sowohl dem Auftraggeber – trotz positiven gegenteiligen Wissens um die tatsächliche Erklärungslage – als auch dem Bieter Manipulationsmöglichkeiten eröffnet, also genau das Gegenteil dessen erreicht, was sie sich als Ziel, das es zu verhindern gilt, gesetzt hat. Dem Willen des Gesetzgebers zufolge ist § 23 VOB/A eine Auslegungsregel. Sinn und Zweck der Regelung ist es, etwaigen Manipulationsversuchen der Bieter vorzubeugen. Ist es aber wie im vorliegenden Fall offensichtlich, dass der Bieter den Einheitspreis nicht absichtlich verändert hat, sondern der Fehler vielmehr auf einem eindeutig feststellbaren Übertragungs- oder Schreibfehler beruht, drängt sich eine differenzierende Betrachtungsweise geradezu auf (so auch: Thüringer OLG, B. v. 16.07.2003 – Az.: 6 Verg 3/03). Ansonsten würde man es dem Bieter überlassen, ob er den tatsächlich erklärten oder lieber den tatsächlich kalkulierten Einheitspreis gegen sich gelten lassen will bzw. welchen von beiden er gegebenenfalls anficht; was natürlich maßgeblich davon abhängt, welcher Einheitspreis sich im Rahmen der preislichen Wertung im Hinblick auf die Zuschlagserteilung günstiger für ihn auswirkt.“ 307
Die Kammer stellt in diesem Zusammenhang fest, dass eine strikte Anwendung der Auslegungsregelung des § 16 Abs. 4 Nr. 1 VOB/A „die Interessen und Rechte der anderen Mitbieter, insbesondere der Antragstellerin, auf einen transparenten und fairen Wettbewerb im Sinne von § 97 Abs. 7 in Verbindung mit § 97 Abs. 1 GWB, berühren und verletzen würde.“ 308
Demnach scheint der Auftraggeber sogar verpflichtet, die in § 16 Abs. 4 Nr. 1 VOB/A statuierte Regelung außer Acht zu lassen. 304
Vorgängernorm des § 16 Abs. 4 Nr. 1 VOB/A. VK Saarland, 02.02.2009 – 1 VK 10/2008. 306 Die Vergabekammer verweist insoweit auf: „Kapellmann/Messerschmidt, Kommentar zur VOB, Teile A u. B, 2. Aufl. 2007; VK Sachsen, B. v. 03.07.2003, Az.: 1/ SVK/067 – 03; VK Sachsen, B. v. 29.07.2002 – 1/SVK/069 – 02; VK Baden-Württemberg, B. v. 27.12.2004 – Az.: 1 VK 79/04; VK Nordbayern, B. v. 30.11.2001 – Az.: 320.VK – 3194 – 40/01.“ 307 VK Saarland, 02.02.2009 – 1 VK 10/2008. 308 VK Saarland, 02.02.2009 – 1 VK 10/2008. 305
100
D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
(b) Gegen eine Auslegung von Einheitspreisen Irritierend im Zusammenhang mit der dargestellten Argumentation ist die Ausführung der Vergabekammer, dem Bieter sei es, soweit er die Regelung des § 16 Abs. 4 Nr. 1 VOB/A anwendet, „überlassen, ob er den tatsächlich erklärten oder lieber den tatsächlich kalkulierten Einheitspreis gegen sich gelten lassen will bzw. welchen von beiden er gegebenenfalls anficht.“ Gerade das ist nach dem Wortlaut des besagten Paragraphen nicht möglich, vielmehr ist der im Angebot angegebene Einheitspreis maßgeblich.309 Diesen muss der Bieter auch gegen sich gelten lassen, unabhängig von seiner subjektiven Auffassung über dessen Richtigkeit.310 Gegen eine Auslegung von Einheitspreisen, entgegen der oben aufgeführten Argumentation, richtet sich demnach auch eine Rechtsprechung, die in der Argumentation auf die Regelung des § 16 Abs. 4 Nr. 1 VOB/A zurückgreift. Ausgegangen wird von dem Grundsatz, dass bei Abweichung des Gesamtbetrages von einer Multiplikation der Einheitspreis maßgeblich ist. Aus dieser Regelung kann geschlossen werden, dass keine Aufklärung der „richtigen“ Einheitspreise in Betracht kommt,311 und im Ergebnis auch, dass eine Auslegung nicht stattfinden kann. Von dieser Regel soll nach der Rechtsprechung auch dann nicht abgewichen werden, wenn der Einheitspreis offenbar falsch ist.312 Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 16 Abs. 4 Nr. 1 VOB/A313 erfordern eine unbedingte Geltung des angegebenen Einheitspreises, damit eine Rechnung durchgeführt werden kann. So führt etwa das OLG Saarbrücken in bezeichnetem Beschluss aus: „Auch in Ausnahmefällen könne keine Abänderung des falschen Einheitspreises entsprechend dem Gesamtbetrag in Betracht kommen, nicht einmal dann, wenn aus den Umständen eindeutig und völlig zweifelsfrei zu schließen sei, dass ein ganz bestimmter Einheitspreis gewollt war.“ 314 309 „Entspricht der Gesamtbetrag einer Ordnungszahl (Position) nicht dem Ergebnis der Multiplikation von Mengenansatz und Einheitspreis, so ist der Einheitspreis maßgebend.“; Christiani, in: Pünder/Schellenberg, VOB/A, § 16, Rn. 89. 310 Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 39 unter Hinweis, dass Abweichungen möglich sind. 311 Etwa VK Bund, 13.08.2007 – VK 1-86/07. 312 OLG Saarbrücken, 27.05.2009 – 1 Verg 2/09; LG Köln, 23.02.2005 – 28 O (Kart) 561/04; VK Bund, 13.08.2007 – VK 1-86/07; VK Nordbayern, 30.11.2001 – 320.VK3194-40/01. 313 Beziehungsweise mit dem Sinn und Zweck des § 23 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 VOB/A als Vorgängernorm. 314 OLG Saarbrücken, 27.05.2009 – 1 Verg 2/09 unter Angabe weiterer Entscheidungen und Literatur; da der Senat die Vorinstanz wiedergibt, ist die Stelle im Konjunktiv formuliert. Im weiteren Beschluss wird die wiedergegebene Argumentation wie folgt bestätigt: „Diese Auslegung entspricht nicht nur dem Wortlaut des § 23 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 VOB/A, sie entspricht auch dessen Sinn und Zweck.“
III. Unvollständige, fehlende oder widersprüchliche Preisangaben
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In diesem Fall ergab sich der „falsche Einheitspreis“ aus der Multiplikation der Einheitspreise zum Gesamtpreis. Hieraus kann zunächst noch keine Aussage zu einer Auslegung bzw. Aufklärung, d. h. einer Abänderung aus Gründen, die über den Zusammenhang von Einheitspreisen und Gesamtpreis nach § 16 Abs. 4 Nr. 1 VOB/A hinausgehen, gefolgert werden. Jedoch führt die VK Bund den Gedanken für einen Fall weiter, in dem der Bieter „bereits kurz nach Angebotsöffnung auf [. . .] Rechenfehler hingewiesen habe und dementsprechend eine Korrektur durch die Ag geboten gewesen sei.“ 315 Die VK judiziert in diesem Zusammenhang, dass auch dann eine Korrektur des Einheitspreises nicht mehr möglich ist. Durch eine Korrektur würde man dem Bieter eine „Manipulationsmöglichkeit [. . .] eröffnen, wenn [dieser . . .] sich nach Angebotsöffnung auf falsch eingetragene Einheitspreise berufen und eine entsprechende Berichtigung herbeiführen könnte.“ 316 Wenn keine Veränderung des Einheitspreises möglich ist, um der Regelung des § 16 Abs. 4 Nr. 1 VOB/A zur teleologisch richtigen Geltung zu verhelfen, kann demnach auch keine die Einheitspreise verändernde Auslegung möglich sein. Das OLG Saarbrücken fasst dieses in der Aussage wie folgt zusammen: „Den Sinn und Zweck, den Auftraggeber zu schützen und ihm in dem streng formalisierten Vergabeverfahren eine Hilfestellung zu geben, wie zu verfahren ist, wenn er festgestellt hat, dass der Gesamtbetrag nicht dem Ergebnis der Multiplikation von Mengenansatz und Einheitspreis entspricht, kann § 23 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 VOB/A nur dann erfüllen, wenn er als eine § 133 BGB konkretisierende Auslegungsregel betrachtet wird. Die Norm weist nämlich den Auftraggeber an, dass er in den genannten Fällen eben nicht den Einheitspreis korrigieren darf, sondern dass die anderen Preise zu korrigieren sind.“ 317
Dieser Ansicht wird sich im Ergebnis angeschlossen. (c) Lückenfüllung durch gegenüber § 16 Abs. 4 Nr. 1 VOB/A „umgekehrte“ Rechenoperation Demgegenüber für eine Lückenfüllung als zulässig erklärt wurde durch das OLG Dresden die gegenüber § 16 Abs. 4 Nr. 1 VOB/A „umgekehrte“ Rechenoperation,318 nämlich die Berechnung eines fehlenden Einzelpreises anhand des Gesamtpreises. Der Senat führt hierzu aus: „Der sachliche Grund für die [. . .] strikte Interpretation [des Ausschlusstatbestandes] liegt nämlich darin, dass fehlende Preisangaben die Vergleichbarkeit der Angebote 315
VK Bund, 13.08.2007 – VK 1 86/07. VK Bund, 13.08.2007 – VK 1 86/07. 317 OLG Saarbrücken, 27.05.2009 – 1 Verg 2/09 unter Angabe weiterer Entscheidungen und Literatur; verstärkend zur Aussage, dass § 16 Abs. 4 als spezielle Auslegungsregel der Auslegungsregel des § 133 BGB vorgeht siehe Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 39. 318 OLG Dresden, 18.10.2001 – WVerg 0008/01. 316
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
beeinträchtigen und damit potentiell wettbewerbsverzerrend wirken. Das führt etwa Ingenstau/Korbion (VOB-Kommentar 14. Aufl. 2001, Teil A § 25 Rdn. 12) zu dem Schluss, dass bei fehlenden Preisangaben (auch in einzelnen Positionen) ein Angebot ,zwangsläufig‘ ausgeschlossen werden müsse, weil das Angebot in der vorgelegten – lückenhaften – Form es dem Auftraggeber ,so gut wie nie‘ ermögliche, in eine ordnungsgemäße Wertung einzutreten. Diese Argumentation setzt logisch geradezu voraus, dass umgekehrt, [. . .] ein Wertungsausschluss ungerechtfertigt ist, wenn dem Auftraggeber im Ausnahmefall trotz der (formal) fehlenden Preisangaben eine ordnungsgemäße Wertung möglich und eine Wettbewerbsbeeinflussung ausgeschlossen ist. Demzufolge geht auch die Beschwerdebegründung des Antragsgegners selbst zutreffend davon aus, dass die fehlende Angabe von Zwischenpreisen unproblematisch sein kann, wenn sich die Lücke unter Heranziehung der Preisangaben im Übrigen zweifelsfrei schließen lässt.“
Demnach wäre eine Rückberechnung vom Gesamtpreis auf den Einzelpreis zulässig. Fraglich ist, ob eine solche Rückberechnung trotz der Regelung des § 16 Abs. 4 Nr. 1 VOB/A zulässig ist. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es sich bei dem Fall nicht um eine Auslegung des Preises, sondern um eine Auslegung des Angebotes hinsichtlich eines nicht vorhandenen Preises handelt. Demnach schließt die Regelung, dass der Einheitspreis bei Abweichung des Gesamtbetrages von diesem maßgeblich ist, eine Auslegung des Angebotes mittels Rückberechnung des Gesamtpreises nicht aus, wenn ein Einheitspreis nicht angegeben ist.319 Nicht möglich ist eine Korrektur nach bezeichnetem Weg jedenfalls, wenn die Multiplikation der Mengen mit den angegebenen Einheitspreisen dem im Angebot angegebenen Gesamtpreis entspricht,320 also eine Auslegung des Preises, nicht die bloße Lückenfüllung erfolgen muss. (4) Fälle der Zulässigkeit einer Auslegung und Korrektur des Preises Gegenüber dem unter D. III. 2. a) bb) (1) genannten Grundsatz und den Fallgestaltungen von D. III. 2. a) bb) (2) und D. III. 2. a) bb) (3) besteht inzwischen Rechtsprechung, die eine Auslegung einzelner Preisangaben ermöglicht. (a) 1000-fach überhöhter Angebotspreis/offensichtlicher Eintragungsfehler Nach Ansicht des OLG München ist vom Grundsatz des Ausschlusses bei fehlenden Preisangaben eine Ausnahme zu machen.321 Es stellt im Fall einer
319 Grundsätzlich zur Auslegung von Angeboten und einer sich daraus ergebenden Lückenfüllung D. III. 2. b). 320 Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOL/A, § 16, Rn. 437, Stand: 23.09.2013 unter Verweis auf VK Bund, 28.07.2006 – VK 2-50/06; VK Hessen, 18.03.2002 – 69 d VK-03/2002; VK Sachsen, 03.07.2003 – 1/SVK/067-03. 321 OLG München, 27.09.2010 – Verg 09/10.
III. Unvollständige, fehlende oder widersprüchliche Preisangaben
103
Preisangabe, die im Ergebnis auf einen 1000-fach überhöhten Einheitspreis hinausgelaufen wäre, fest: „Es trifft zwar zu, dass grundsätzlich nur Angebote gewertet werden dürfen, welche vollständige und widerspruchsfreie Preisangaben enthalten, § 25 Nr. 1 Abs. 1 a VOL/ A a. F. Eine Ausnahme muss jedoch für offensichtliche Fehler gelten. Sinn des Vergabeverfahren ist es nämlich auch, das wirtschaftlich günstigste Angebot zu wählen und ein solches nicht an formalistischen Gesichtspunkten scheitern zu lassen[322]. Liegen demnach offensichtliche Denkfehler vor, die für den Auftraggeber erkennbar sind[323], oder offensichtliche Rechenfehler, deren Korrektur anhand des angegebenen Einheits- oder Gesamtpreises ohne weiteres möglich ist[324], dürfen solche Fehler korrigiert werden. Dies muss aber auch für andere offensichtliche Eintragungsfehler gelten.“
Der Fall betraf eine Eintragung, die im Ergebnis zu einem 1000-fach überhöhten Preis für eine kWh geführt hätte. Hierzu führt das OLG München aus: „Es ist [daher] der im allgemeinen Zivilrecht geltende Rechtssatz heranzuziehen, dass offensichtlich falsche empfangsbedürftige Willenserklärungen, die der Empfänger aber richtig versteht, in diesem richtig gemeinten Sinn dem Vertrag zugrunde zu legen sind. In einem solchen Fall ist jedenfalls dann eine Manipulationsgefahr zu vernachlässigen, wenn, wie hier, der überhöhte Preis zweifelsfrei auf den zahlenmäßig richtigen Preis korrigiert werden kann, da dieser an anderen Stellen mehrfach korrekt angegeben worden ist.“ 325
Dieser Aussage ist zuzustimmen.326 Bei dem Angebot handelt es sich um eine Willenserklärung des Bieters,327 die somit der Auslegung zugängig ist. (b) Erkennbar geringfügig fehlerhafter Gesamtpreis aufgrund eines Rundungsfehlers Eine weitere Möglichkeit der Auslegung im Zusammenhang mit einem geringfügig fehlerhaften Gesamtpreis ergibt sich aus einer Entscheidung der 1. VK Bund vom 04.06.2007328. Im Fall erfolgte die Addition von Einheitspreisen zu einem rechnerisch gering329 fehlerhaften Gesamtpreis für jedes Los, auf das der 322
Verweis: „vgl. hierzu BGH vom 10.6.2008 – X ZR 78/07“. Verweis: „vgl. OLG München vom 10.12.2009 – Verg 16/09“. 324 Verweis: „OLG München vom 23.6.2009 – Verg 8/09“. 325 OLG München, 27.09.2010 – Verg 09/10. 326 Siehe etwa Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 35, Rn. 11: „Darüber hinaus sind [. . .] ganz generell empfangsbedürftige Willenserklärungen gem. § 157 „so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern“. Das Gebot von Treu und Glauben verlangt in erster Linie, Wertungswidersprüche zu vermeiden und die Interessen des Erklärenden [. . .] zu wahren.“ 327 Ziekow, in: ders./Völlink, § 99 GWB, Rn. 13. 328 VK Bund, 04.06.2007 – VK 1-47/07. 329 Zwischen 0,01 A und 0,03 A je Los. 323
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
Bieter angeboten hat. Dies begründete sich mit Übertragung eines gerundeten Betrages durch das Tabellenkalkulationsprogramm. In der Entscheidung heisst es: „Eine im Sinne des § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a) VOL/A fehlende Preisangabe liegt hierin jedoch nur dann, wenn sich aus den von der ASt in den Los- und Preisblättern vorgenommenen Eintragungen keine zweifelsfreien Preisangabe entnehmen lassen, mithin für die Ag nicht eindeutig erkennbar ist, zu welchem Preis die ausgeschriebene Leistung tatsächlich angeboten wird (vgl. hierzu VK-Bund, Beschl. v. 13.7.2005, VK 159/05). [. . .] Wenn sich anhand dieser Auslegung ergibt, dass eine Preisangabe eindeutig und unzweifelhaft ist, liegt schon tatbestandlich kein Fall des § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a) VOL/A vor, so dass derartige Angebote im Vergabewettbewerb zu belassen sind (siehe hierzu Kratzenberg in Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 16. Aufl., § 23 Rn. 10).“ 330
Von der Kammer wird somit festgestellt, dass, wenn eine Auslegung eine eindeutige und unzweifelhafte Preisangabe ergibt, schon tatbestandlich keine fehlende Preisangabe vorliegt.331 Im Ergebnis sei hier aufgrund des Falles von einer Eindeutigkeit der Preisangabe auszugehen. Dieser Aussage ist, unter Verweis auf den Rechtssatz, dass offensichtlich falsche empfangsbedürftige Willenserklärungen nach Treu und Glauben auszulegen und demnach richtig zu verstehen sind, zuzustimmen. (c) Korrektur im Rahmen einer rechnerischen Vorprüfung Nach Rechtsprechung der VK Bund ergibt sich die Möglichkeit, Beträge des Bieters im Rahmen einer rechnerischen Vorprüfung im Angebot zu korrigieren. Diese orientiert sich an den bereits festgestellten Möglichkeiten der Korrektur von Rechen- und Übertragungsfehlern. In diesem Zusammenhang werden für die Prüfung die Verortung im Gesetz und die Prüfungsgrundlagen festgelegt, um Manipulationsgefahren zu mindern. Hierzu hat die VK Bund festgestellt: „Die Ag hat die Angebotssumme der Bg zu Recht nach rechnerischer Prüfung auf den korrekten Betrag hin nach unten berichtigt. Der Auftraggeber ist gemäß § 16 Abs. 3 VOB/A verpflichtet, die Angebote rechnerisch, technisch und wirtschaftlich zu prüfen. Rechnerische Mängel eines Angebots sind vom Auftraggeber zu korrigieren, sofern sie offensichtlich sind. Steht demnach der Einsatzpreis für eine Leistung zweifelsfrei fest und sind dem Bieter lediglich offensichtliche Additions- oder Multiplikationsfehler unterlaufen, ist eine rechnerische Korrektur im Allgemeinen zulässig (vgl. OLG München, Beschluss vom 10. Dezember 2009, Verg 16/09). Die Ag hat
330 Wegen des Datums der Entscheidung bezeichnet sie veraltete Paragraphen; aufgrund des gleichen Wortlautes von § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a) VOL/A mit § 16 Abs. 3 lit. c) VOL/A kann von der Übertragbarkeit der Entscheidung auf die VOL/A 2009 ausgegangen werden; dies nimmt wohl auch die Vergabekammer an, die sich insoweit der Kommentierungen der VOB/A 2009 bedient. 331 Verweis auf VK Bund, 04.06.2007 – VK 1-47/07.
III. Unvollständige, fehlende oder widersprüchliche Preisangaben
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die Überprüfung entsprechend der Regelungen den VOB/A vorgenommen (vgl. insoweit den durch Mitarbeiter der Ag aufgestellten Preisspiegel, S. 21–30, Band 2 der Vergabeakte). Im Zuge der rechnerischen Prüfung wurden drei offensichtliche, rechnerische Mängel des Angebots der Bg erkannt und korrigiert. Neben zwei Rechenfehlern, die aufgrund ihrer Wertigkeit nicht weiter ins Gewicht fielen (0,20 A und 6,00 A), handelte es sich bei dem dritten – hier allein streitigen Fehler – um einen Übertragungsfehler in der Gesamtsumme des Titels 4.3. Der Übertragungsfehler betraf die 7. Ziffer vor dem Komma, also die Millionenstelle. Alle übrigen Ziffern waren einschließlich der Nach-Kommastellen korrekt, was die Ag im Rahmen der Aufstellung des Preisspiegels im Hinblick auf Titel 4.3 feststellte. Aufgrund des Übertragungsfehlers war statt einer ,. . .‘ eine ,. . .‘ eingetragen worden. Damit war die Endsumme im Titel 4.3 um . . . Euro netto höher, als sie es bei einer korrekten Addition der Einzelpositionen, die sich aus der Multiplikation der Einzelpreise mit den entsprechenden Mengensätzen ergaben, gewesen wäre.“ 332
Der Ansatz für eine Korrektur ist die Verpflichtung, die Angebote rechnerisch, technisch und wirtschaftlich gemäß § 16 Abs. 3 VOB/A zu überprüfen.333 Korrigiert werden können nach der VK Bund demnach Rechenfehler und offensichtliche Übertragungsfehler.334 Eine Korrektur aufgrund der rechnerischen Überprüfung ist nach der VK Bund auch bei Aufträgen, deren Volumen die Schwellenwerte übersteigt, möglich.335 – Pflicht zu Korrektur im Rahmen einer rechnerischen Vorprüfung In die gleiche Richtung geht Rechtsprechung der VK Niedersachsen. Hiernach hat eine eigene Vorprüfung der Angebote stattzufinden, deren Grundsätze für die Prüfung in der Entscheidung festgelegt werden.336 Hinsichtlich der Notwendigkeit der rechnerischen Vorprüfung stellt die VK zunächst fest: „§ 19 Abs. 1 VOL/A-EG lautet: „Die Angebote sind auf Vollständigkeit sowie auf rechnerische und fachliche Richtigkeit zu prüfen. Die Prüfung auf rechnerische Rich332
VK Bund, 04.07.2011 – VK 3-74/11. Siehe auch § 16 Abs. 1 VOL/A und § 19 Abs. 1 VOL/A-EG. 334 Eingeordnet werden kann hier noch die Rechtsprechung der VK Lüneburg vom 07.01.2014 (VgK-40/2013), entschieden und bekanntgemacht nach Einreichung der Dissertation, welche eine Preiskorrektur bei einem offensichtlichen Multiplikationsfehler von Einzelpreisen annimmt. 335 VK Bund, 04.07.2011 – VK 3-74/11: „Die entsprechend festgestellten rechnerischen Mängel durften von der Ag korrigiert werden. Für die Durchführung der Korrektur gibt es keine „Schwellenwerte“. Es ist daher vom öffentlichen Auftraggeber im Cent-Bereich genauso zu verfahren wie im Millionen-Bereich. Dies ist schon deshalb geboten, weil der wirtschaftliche Vergleich der Angebote in der vierten Wertungsstufe grundsätzlich nur zwischen rechnerisch korrekten, also den tatsächlich angebotenen Angebotspreisen stattfinden darf. Eine andere Sachlage ist hingegen bei Kalkulationsirrtümern eines Bieters gegeben (vgl. hierzu Dicks in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VOB/A, § 16, Rn. 209). Da eine solche Fallkonstellation hier aber nicht vorliegt, ist darüber nicht zu entscheiden.“ 336 VK Niedersachsen, 18.01.2011 – VgK-61/2010. 333
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
tigkeit gem. § 19 Abs. 1 VOL/A-EG ist zunächst eine interne Prüfung der Vergabestelle. [. . .] Die Prüfung dient lediglich der Aufdeckung von Rechen- und Übertragungsfehlern. Werden solche aufgedeckt, so ist die Vergabestelle berechtigt, diese zu korrigieren[337] [. . .]. Um die damit verbundene Manipulationsgefahr einzugrenzen, ist die Korrekturmöglichkeit der Vergabestelle auf offensichtliche Rechenfehler begrenzt (Horn in Müller-Wrede § 19 Rz. 23).“ 338
Dies bestätigt die oben getroffene Aussage, dass aufgedeckte Rechen- und Übertragungsfehler korrigiert werden müssen. Auch dieser Aussage wird unter Verweis auf den Grundsatz der Auslegung nach Treu und Glauben zugestimmt. Soweit Rechen- und Übertragungsfehler durch den Auftraggeber identifiziert werden können und eine Korrektur möglich ist, ist diese auch erforderlich. Dies kann daraus geschlossen werden, dass Preise nur fehlen, wenn keine zweifelsfreie Angabe dieser durch den Bieter im Angebot erfolgt ist.339 Wenn sich anhand einer Auslegung ergibt, dass eine Preisangabe eindeutig und unzweifelhaft ist, liegt im Rückschluss schon tatbestandlich kein Ausschlussgrund vor, sodass diese Angebote im Vergabewettbewerb zu belassen sind.340 Eine Möglichkeit zur Auslegung wird teilweise schon aus den genannten vergaberechtlichen Grundsätzen angenommen.341 Dies wird durch zivilrechtliche Grundsätze verstärkt.342 Das bestätigt das OLG Düsseldorf in jüngerer Rechtsprechung, in welcher es zu einer solchen Auslegung des Angebotes und der Angebotspreise nach der Verkehrssitte mit dem Maßstab eines mit den Umständen des Einzelfalls vertrauten Dritten nach Treu und Glauben verpflichtet.343
337
Verweis auf OLG Schleswig, 08.12.2010 – 1 Verg 12/10. VK Niedersachsen, 18.01.2011 – VgK-61/2010. 339 VK Bund, 04.06.2007 – VK 1-47/07. 340 Ebenso VK Sachsen, 28.12.2009 – 1/SVK/060-09, allerdings zum Fall der Nachberechnung der Preisangaben. 341 OLG München, 29.07.2010 – Verg 09/10: „Eine Ausnahme [vom Grundsatz, dass nur Angebote gewertet werden dürfen, welche vollständige und widerspruchsfreie Preisangaben enthalten] muss jedoch für offensichtliche Fehler gelten. Sinn des Vergabeverfahrens ist es nämlich auch, das wirtschaftlich günstigste Angebot zu wählen und ein solches nicht an formalistischen Gesichtspunkten scheitern zu lassen (vgl. hierzu BGH vom 10.6.2008 – X ZR 78/07). Liegen demnach offensichtliche Denkfehler vor, die für den Auftraggeber erkennbar sind (vgl. OLG München vom 10.12.2009 – Verg 16/09), oder offensichtliche Rechenfehler, deren Korrektur anhand des angegebenen Einheitsoder Gesamtpreises ohne weiteres möglich ist (OLG München vom 23.6.2009 – Verg 8/ 09), dürfen solche Fehler korrigiert werden. Dies muss aber auch für andere offensichtliche Eintragungsfehler gelten.“ 342 Siehe OLG München, 29.07.2010 – Verg 09/10, das insoweit feststellt, dass sich eine Pflicht zur Auslegung aus zivilrechtlichen Grundsätzen ergeben kann: „Es ist daher der im allgemeinen Zivilrecht geltende Rechtssatz heranzuziehen, dass offensichtlich falsche empfangsbedürftige Willenserklärungen, die der Empfänger aber richtig versteht, in diesem richtig gemeinten Sinn dem Vertrag zugrunde zu legen sind.“; zur Einordnung des Vergaberechts als Zivilrecht: Ziekow, in: ders./Völlink, Einl. GWB, Rn. 24. 343 OLG Düsseldorf, 12.11.2012 – VII-Verg 38/12 (NJW-Spezial 2013, 174). 338
III. Unvollständige, fehlende oder widersprüchliche Preisangaben
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Letztlich ergibt sich jedenfalls aus der Pflicht des Auftraggebers, nur in solchen Fällen Bieter auszuschließen, die das Vergaberecht, namentlich die Vergabe- und Vertragsordnungen vorsehen, und sich dem hieraus ergebendem Recht der Bieter, nicht aus anderen als den normierten Gründen auf der ersten Wertungsstufe ausgeschlossen zu werden,344 eine Pflicht, vor einem möglichen Ausschluss wegen fehlender oder fehlerhafter Preise zu prüfen, ob eine Auslegung zugunsten des Vorliegens von Preisen erfolgen kann. Um das tatbestandliche Vorliegen eines Ausschlussgrundes zu bejahen, darf sich jedoch nach dargestellter Rechtsprechung eine Preisangabe nicht eindeutig und unzweifelhaft aus einer Auslegung ergeben.345 (d) Geringes Gewicht Erstaunlich ist im Zusammenhang mit der erwähnten Entscheidung der VK Bund346 die Anmerkung, dass zwei Rechenfehler aufgrund ihrer geringen Wertigkeit nicht ins Gewicht fielen, also unbeachtlich sind.347 Die Einordnung erfolgt hier, da der Umfang der Rechenfehler offensichtlich bekannt ist,348 in den Fall der Korrektur, die, aufgrund des Grundsatzes „generell empfangsbedürftige Willenserklärungen gem. § 157 so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern“ 349, für den Auftraggeber verpflichtend ist.350 Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Rechtsprechung und Literatur ist jedoch dem Eindruck entgegenzutreten, dass ab gewisser Wertigkeit von fehlenden oder fehlerhaften Preisangaben diese unbeachtlich sind.351
344 Die Ausschlussgründe sind insoweit für die erste Wertungsstufe abschließend normiert; siehe etwa Ruhland, in: Pünder/Schellenberg, § 16 VOL/A, Rn. 13: „Bestimmte Fehler führen zu einem zwingenden (§ 16 Abs. 3) bzw. zu einem möglichen Angebotsausschluss (§ 16 Abs. 4).“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 345 Anm. von Gulich, VergabeR 2011, 211 f. zu OLG München, 10.11.2010 – Verg 19/10. 346 VK Bund, 04.07.2011 – VK 3-74/11. 347 VK Bund, 04.07.2011 – VK 3-74/11: „Neben zwei Rechenfehlern, die aufgrund ihrer Wertigkeit nicht weiter ins Gewicht fielen (0,20 A und 6,00 A), handelte es sich bei dem dritten . . .“ 348 VK Bund, 04.07.2011 – VK 3-74/11: „(0,20 A und 6,00 A)“. 349 Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 35, Rn. 11. 350 Siehe D. III. 2. a) bb) (4) (c). 351 Siehe hierzu etwa BGH, 18.05.2004 – X ZR 7/04: „Ein transparentes, gemäß § 97 Abs. 2 GWB auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren, wie es die VOB/A gewährleisten soll, ist nur zu erreichen, wenn in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebender Hinsicht und grundsätzlich ohne weiteres vergleichbare Angebote abgegeben werden. Damit ein Angebot gewertet werden kann, ist deshalb jeder in der Leistungsbeschreibung vorgesehene Preis so wie gefordert vollständig und mit dem Betrag anzugeben, der für die betreffende Leistung beansprucht wird“ (Hervorhebung durch den Verfasser).
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
(e) Durchführung der Korrektur Hinsichtlich der konkreten Durchführung der Korrektur der Preise nach Prüfung und Auslegung, insbesondere im Hinblick auf die Gefahr der Manipulation der Angebote, macht die Vergabekammer Niedersachsen Vorgaben, um eben eine solche zu mindern. Sie stellt daher fest: „Bei jeder Angebotsänderung nach § 19 Abs. 1 VOL/A-EG ist im berechtigten Interesse der anderen Verfahrensbeteiligten in besonderem Maße die Gefahr einer Manipulation zu prüfen. Diese Manipulationsgefahr kann bei ordnungsgemäßer Handhabung der Prüfung nach § 19 Abs. 1 VOL/A-EG unter Berücksichtigung der nachfolgenden Einschränkungen weitgehend ausgeschlossen werden. • Zunächst darf die Initiative zur Korrektur nicht vom Bieter, sondern nur vom Auftraggeber ausgehen, da die Prüfung gem. § 19 Abs. 1 VOL/A-EG zu seinen Pflichten gehört. • Die Korrektur muss vor Abschluss der Wertungsphase und sollte in der frühen Wertungsphase der Vergabe erfolgen. Der Bieter darf zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, ob er mit der Fehlerkorrektur seine Aussicht auf den Zuschlag erhöht. Eine Korrektur nach Abschluss der Wertung ist nicht möglich. • Die Korrektur darf sich nur auf rechnerische und fachliche Unrichtigkeiten beziehen (§ 19 Abs. 1 VOL/A-EG), die offensichtlich sind. • Dem Bieter darf nur eine bestimmte Korrekturmöglichkeit angeboten werden, damit er keine neue Kalkulation einführen kann. Dieser korrigierte Wert muss die Unstimmigkeiten, die die Offensichtlichkeit des Fehlers begründet haben, vollständig aufheben. Wenn im Ergebnis eine Manipulationsgefahr konkret ausgeschlossen werden kann, und die Vergabestelle einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, indem sie den Anbieter von sich aus aufgefordert hat, sein Angebot zu korrigieren, handelt es ich bei der von der Vergabestelle erbetenen Nachlieferung auch eines Preises nicht um die nach § 18 VOL/A verbotene Nachverhandlung, sondern um eine Korrektur im Rahmen der gemäß § 19 Abs. 1 VOL/A-EG vorgegebenen Prüfung der rechnerischen Richtigkeit des Angebots. In diesem Rahmen ist eine Korrektur auch eines Preises zulässig.“ 352
Die Kammer sieht im konkreten Fall eine Bestätigung der Korrektur, genauer das Einräumen der Möglichkeit der Korrektur durch den Bieter, die aber nur in der „Bestätigung eine[r] bestimmte[n] Korrekturmöglichkeit“ besteht, vor.353 Im Ergebnis wird hierdurch eine Korrektur der Preise ermöglicht, die Manipulationsgefahren vermindert und die Vergabegrundsätze berücksichtigt. Ergänzend ist mit
352
VK Niedersachsen, 18.01.2011 – VgK-61/2010. VK Niedersachsen, 18.01.2011 – VgK-61/2010: „Dem Bieter darf nur eine bestimmte Korrekturmöglichkeit angeboten werden, damit er keine neue Kalkulation einführen kann. Dieser korrigierte Wert muss die Unstimmigkeiten, die die Offensichtlichkeit des Fehlers begründet haben, vollständig aufheben.“ 353
III. Unvollständige, fehlende oder widersprüchliche Preisangaben
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dem OLG München anzumerken, dass sich die Auslegung restriktiv auf „erkennbare oder offensichtliche“ 354 Fälle beschränken muss. cc) Möglichkeit der Auslegung von Preisen („Wie“ der Auslegung) Die 3. VK Bund benennt als Maßstab für eine Auslegung die Bewertung eines mit dem Fall vertrauten Dritten nach Treu und Glauben.355 Maßgeblich sind die §§ 133, 157 BGB sowie die hierfür von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze.356 Nach der VK Südbayern hat eine Auslegung zusätzlich noch dahingehend zu erfolgen, dass die Gebote des § 97 Abs. 1 und 2 GWB, insbesondere der transparente Wettbewerb und die Gleichbehandlung der Bieter gewahrt werden.357 b) Rechnerisches Nachvollziehen Soweit es an Preisangaben im Angebot fehlt, ist eine Auslegung dieser ersichtlich nicht möglich. Zur „Lückenfüllung“ können daher allenfalls eine Auslegung des Angebotes oder ein rechnerisches Nachvollziehen der Preise herangezogen werden. aa) Abgrenzung zur Auslegung Die Abgrenzung zur Auslegung erfolgt dementsprechend. Bei der Auslegung bestehen Preise, die einer Auslegung zugängig sind. Beim rechnerischen Nachvollziehen fehlen die Preise im Angebot, weswegen eine Lückenfüllung erforderlich ist, um das Angebot als den anderen (vollständigen) Angeboten vergleichba354 So etwa OLG München, 29.07.2010 – Verg 09/10: „Liegen demnach offensichtliche Denkfehler vor, die für den Auftraggeber erkennbar sind (vgl. OLG München vom 10.12.2009 – Verg 16/09), oder offensichtliche Rechenfehler, deren Korrektur anhand des angegebenen Einheits- oder Gesamtpreises ohne weiteres möglich ist (OLG München vom 23.6.2009 – Verg 8/09), dürfen solche Fehler korrigiert werden.“ (Hervorhebungen durch den Verfasser). 355 VK Bund, 13.01.2012 – VK 3-179/11 und 13.01.2012 – VK 3-176/11 mit Verweis auf Müller-Wrede, in: Müller-Wrede, Kommentar zur VOL/A, 3. Aufl. (2010), § 19 EG Rn. 98. 356 VK Südbayern, 16.07.2003 – 25-06/03, welcher die §§ 133, 157 BGB direkt anwendet, da es sich „bei dem Angebot der Antragstellerin, welches die strittige Erklärung mitumfasst, [. . .] um eine bürgerlichrechtliche empfangsbedürftige Willenserklärung [handelt]“, ebenso VK Bund, 04.06.2007 – VK 1-47/07: „Bei dem Angebot der ASt handelt es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung die gemäß § 133 BGB auszulegen ist“; für eine direkte Anwendung ebenfalls OLG München, s. o.; anders: VK Bund, 13.01.2012 – VK 3-179/11 und 13.01.2012 – VK 3-176/11 mit Hinweis auf die analoge Auslegung der §§ des BGB; im Ergebnis wird jedenfalls die Anwendung des Auslegungsgrundsätze des BGB bejaht. 357 VK Südbayern, 16.07.2003 – 25-06/03; BayObLG, 16.09.2002 – Verg 19/02.
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
res Angebot zu bewerten. Möglich ist diese Lückenfüllung insbesondere durch ein rechnerisches Nachvollziehen des Angebotes, das auch als eine Auslegung des jeweiligen Angebotes (abzugrenzen von der Auslegung der Preise) verstanden werden kann. bb) Grundsatz Dem Grundsatz nach sind die Preise wie dargestellt durch den Bieter anzugeben. Dies zeigt sich etwa in der Unzulässigkeit der Hinzurechnung von Preisen durch den Auftragnehmer, wenn andere Bieter Leistungsmerkmale anbieten, die über die Leistungsbeschreibung hinausgehen.358 Die VK Bund führt hierzu zur Begründung aus: „Diese Abschätzbarkeit [der Erfolgsaussichten] für den Bieter würde vollständig entwertet, wenn er damit rechnen müsste, dass sein eigener Angebotspreis durch Hinzurechnung seitens der VSt erhöht würde, weil andere Bieter Leistungsmerkmale anbieten, die über die Leistungsbeschreibung hinausgehen.“
Die Argumentation gegen eine solche Nachberechnung der Angebote kann auch anhand der Beschlüsse der 2. VK Bund vom 14.08.2003359 und der VK Hamburg vom 06.10.2003360 dargestellt werden. So stellt die 2. VK Bund in besagtem Beschluss fest: „Auf Grund [. . .] [der] vom BGH aufgestellten Grundsätze kann ein Angebot auch dann nicht um Preisangaben ergänzt werden, wenn diese durch einfache Rechenschritte unzweideutig nachvollzogen werden können und auch keine Hinweise erkennbar sind, die den Verdacht begründen könnten, die ASt habe die Preiseintragung bewusst aus spekulativen Beweggründen unterlassen (vgl. Franke/Grünhagen in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, VOB Kommentar, 1. Aufl., § 23 VOB/A Rz. 27). Vielmehr ist jedes Angebot auszuschließen, das nicht alle geforderten Preise mit dem Betrag angibt, der für die betreffende Leistung beansprucht wird (vgl. BGH, X ZR 50/01, a. a. O.).“ 361
Diesen Ergebnissen schließt sich die VK Hamburg in ihrem Beschluss, der die Argumentation auch im Folgenden fast wortgleich übernimmt, an.362 – Bewertung Der Meinung der VK Bund und der VK Hamburg wird hier, soweit sie eine Möglichkeit der grundsätzlichen Auslegung verneint, entgegengetreten. Ein Verbot ergibt sich nicht schon aus der Rechtsprechung des BGH. Vielmehr liegt es mit den oben aufgeführten Meinungen nahe, das Vorliegen eines Ausschlussgrun358 359 360 361 362
VK Bund, 11.10.2002 – VK 1-75/02. VK Bund, 14.08.2003 – VK 2-62/03. VK Hamburg, 06.10.2003 – VKBB-3/03. VK Bund, 14.08.2003 – VK 2-62/03. VK Hamburg, 06.10.2003 – VKBB-3/03.
III. Unvollständige, fehlende oder widersprüchliche Preisangaben
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des aufgrund unvollständiger Preisangaben erst anzunehmen, wenn eine Auslegung des Angebotes dem Auftraggeber nicht möglich und zumutbar ist.363 In diesem Zusammenhang kann etwa eine Entscheidung der VK Südbayern zitiert werden, in der es heißt: „Dies erfordert, dass hinsichtlich jeder Position der Leistungsbeschreibung alle zur Kennzeichnung der insoweit angebotenen Leistung geeigneten Parameter bekannt sind, deren Angabe den Bieter nicht unzumutbar belastet, aber ausweislich der Ausschreibungsunterlagen gefordert war, so dass sie als Umstände ausgewiesen sind, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen.“ 364
Hier kommt zum Ausdruck, dass es auf die Kenntnis des Auftraggebers, nicht auf die schriftliche Niederlegung im Angebot, ankommt. Die Kenntnis kann auch durch eine Auslegung des Angebotes erlangt werden. Zu dieser Möglichkeit nimmt der BGH in der bereits genannten Entscheidung vom 18.05.2004365 keine Stellung. Demnach bleibt es zwar bei dem Grundsatz, dass „Angebotsauffüllungen“ unzulässig sind. Jedoch kann bei Kenntnis der Auftraggeberin hiervon abgewichen werden.366 Diese Kenntnis kann wie nachfolgend dargestellt durch den Auftraggeber mittels rechnerischem Nachvollziehen des Angebotes erlangt werden. cc) Rechnerisches Nachvollziehen beim Fehlen von Preisangaben Dies bestätigend bestehen einige durch die Rechtsprechung eingeführte Möglichkeiten der „Lückenfüllung“ mittels rechnerischen Nachvollziehens fehlender Preisangaben. (1) Keine Pflicht zur umfangreichen Nachberechnung/Ermessen bei Kontrollrechnungen Zunächst kann festgestellt werden, dass ein rechnerisches Nachvollziehen seitens des Auftraggebers grundsätzlich nicht in jedem Fall erforderlich ist.367 Es sei dem Auftraggeber gerade nicht zumutbar, über „mehr oder weniger komplizierte Kontrollrechnungen“ zu ermitteln, welche Aussage mit einer nicht abgefragten Angabe seitens des Bieters gemacht werden soll.368 In ähnlicher Weise hat sich die VK Bund hierzu geäußert.369 Der Auftraggeber ist hiernach nicht 363
Siehe etwa oben unter D. III. 2. a). VK Südbayern, 16.07.2003 – 25-06/03, Hervorhebung durch Verfasser. 365 BGH, 18.05.2004 – X ZR 07/04. 366 Siehe hierzu die insoweit übertragbare Argumentation von oben: D. III. 2. a) bb) (4) (c). 367 VK Arnsberg, 30.06.2011 – VK 09/11. 368 VK Arnsberg, 30.06.2011 – VK 09/11. 369 VK Bund, 13.01.2012 – VK 3-179/11. 364
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
gehalten, ausgehend von den vom Bieter gemachten Angaben mathematisch nachzuvollziehen, welchen prozentualen Abschlag der Bieter möglicherweise bei einzelnen Leistungen geboten haben könnte.370 Der Wortlaut der Entscheidung spricht hinsichtlich der Nachberechnung für ein Ermessen des Auftraggebers. Dieser sei „vergaberechtlich nicht gehalten“, den prozentualen Abschlag mathematisch nachzuvollziehen, so dass gerade keine Pflicht des Auftraggebers, fehlende Preisangaben mittels mathematischer Berechnungen nachzuvollziehen, besteht.371 (2) Möglichkeit/Pflicht der Nachberechnung durch den Auftraggeber Anders gewendet besteht nach Rechtsprechung der VK Bund seitens des Auftraggebers zumindest die Möglichkeit, fehlende Preisangaben mittels einer Berechnung nachzuvollziehen. Ein solches rechnerisches Nachvollziehen ist demnach im dargestellten Rahmen grundsätzlich zulässig.372 Hierzu sind folgende Einzelfälle entschieden worden. (a) Eindeutigkeit und Unzweifelhaftigkeit der Preisangaben, Fehlen einer „rechnerischen Zwischengröße“ In einem ersten Fall können die fehlenden Preisangaben eindeutig und unzweifelhaft aus dem Angebot geschlossen werden. So wird trotz des Fehlens einer Preisangabe die Vollständigkeit der Preisangaben eines Angebotes im Fall des Fehlens einer vom OLG Dresden so bezeichneten „rechnerischen Zwischengröße“ angenommen.373 In den zugrunde liegenden Vergabeunterlagen waren im Preisblatt Eintragungen für einzelne Preispositionen vorgesehen (Abschreibungen bzw. Kalkulatorische Zinsen). Diese untergliederten sich in vier weitere Positionen, von denen drei (Gebäude, Funk, Med. Technik) bereits festgelegt waren. Ausgefüllt werden konnte durch den Bieter nur die verbliebene Position (Sonstiges). Der Antragssteller wurde vom Wettbewerb unter anderem mit dem Hinweis fehlender Preisangabe ausgeschlossen, da die Positionen „Sonstiges“ keinen Betrag enthielten, wobei der Gesamtbetrag der 4 Positionen im Angebot durch den Bieter in einer Überschriftsspalte angegeben wurde, und somit durch Subtraktion der drei festgelegten Positionen ermittelt werden konnte.
370
VK Bund, 13.01.2012 – VK 3-179/11. VK Bund, 13.01.2012 – VK 3-179/11. 372 OLG München, 29.07.2010 – Verg 09/10 und 10.12.2009 – Verg 16/09; Weyand, Vergabrecht, ibr-online Kommentar, VOL/A, § 16, Rn. 453; Stand 23.09.2013. 373 VK Sachsen, 28.12.2009 – 1/SVK/060-09; nächstinstanzlich OLG Dresden, 16.03.2010 – Wverg 0002/10. 371
III. Unvollständige, fehlende oder widersprüchliche Preisangaben
113
Hinsichtlich der zwingenden Notwendigkeit vollständiger Preisangaben erkennt die Kammer, dass in die maßgebliche Spalte keine Eintragung erfolgt ist. Jedoch bemerkt sie, dass sich der fehlende Wert aus einer Übersschriftsspalte (Abschreibungen bzw. Kalkulatorische Zinsen) ergibt, in welcher die vier oberen Spalten zusammengefasst werden. Der Wert sei deswegen abzuleiten, weil der Bieter von den vier benannten Spalten nur eine ausfüllen konnte und die Werte für die anderen schon feststanden. Die Kammer stellt daher fest: „Auch wenn in der Spalte unter ,Sonstiges‘ kein Preis eingetragen wurde, so ist im vorliegenden Einzelfall die Eintragung eindeutig. Eine [. . .] fehlende Preisangabe liegt vor, wenn sich aus den von den Bietern in den Los- und Preisblättern vorgenommenen Eintragungen keine zweifelsfreien Preisangaben entnehmen lassen, mithin nicht eindeutig erkennbar ist, zu welchem Preis die ausgeschriebene Leistung tatsächlich angeboten wird. Wenn sich anhand von Auslegung ergibt, dass eine Preisangabe eindeutig und unzweifelhaft ist, liegt schon tatbestandlich kein Fall des § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a) VOL/A374 vor, so dass diese Angebote im Vergabewettbewerb zu belassen sind.“ 375
Zwar spricht die Kammer von einer Auslegung, was eine Einordnung in das obige Kapitel erforderlich zu machen scheint [s. o. unter D. III. 2. a)]. Diese muss sich aufgrund des Fehlens der maßgeblichen Preisangabe jedoch auf das gesamte Angebot, nicht auf einzelne Preisangaben, beziehen. Im Ergebnis handelt es sich um eine Lückenfüllung mittels rechnerischer Nachberechnung des Angebotes. Insgesamt kommt die Kammer zu folgendem Ergebnis: „Vorliegend ist jedoch eine Besonderheit zu beachten. Eintragungen waren nur in einer Position zu tätigen. Auch bezeichnet die Spalte mit ,Sonstiges‘ alle Positionen, die nicht vom Träger getragen werden und nicht auszufüllen waren. Zudem kommt in diesem Einzelfall hinzu, dass der geforderte Betrag in der Überschriftsspalte eingetragen wurde und mit der Summe identisch war. Insoweit waren auf dem Preisblatt die nicht auszufüllenden Überschriftsspalten auch nicht gesperrt. Demzufolge ergibt sich in diesem Einzelfall zwingend die Erklärung in der jeweiligen Spalte ,Sonstiges‘ aus den übrigen Angaben. Insoweit wäre eine andere Betrachtungsweise lebensfremd.“ 376
Das OLG Dresden unterstützt diese Ansicht. Es stellt fest, dass es auf die fehlende Preisangabe nicht ankam, da sich diese aus der Überschriftsspalte (in der Entscheidung „Summenzeile“) ergab. Daher judiziert das OLG: „Bei dieser Sachlage fehlt im Ergebnis keine Preisangabe, sondern nur eine rechnerische Zwischengröße, auf die es für die eindeutige und zweifelsfreie Bestimmung des Angebotspreises nicht ankam.“ 377
374 375 376 377
Fall der fehlenden Preisangabe in der VOL/A 2006. VK Sachsen, 28.12.2009 – 1/SVK/060-09. VK Sachsen, 28.12.2009 – 1/SVK/060-09. OLG Dresden, 16.03.2010 – Wverg 0002/10.
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
In die gleiche Richtung geht ein Beschluss des OLG Jena, der die „Lückenfüllung“ des Gesamtpreises betrifft.378 Im Fall hat der Bieter im Angebot einen Einheitspreis einer Leistung (Wartung) angegeben. Dieser Preis wird in im Angebot folgenden Positionen für Wiederholungen der Leistungen dargestellt. Jedoch ist kein Gesamtpreis für die Position angegeben. Vielmehr kann durch rechnerische Ableitung festgestellt werden, dass als Gesamtpreisposition in den finalen Gesamtpreis des Angebotes der Betrag eines Einheitspreises übertragen wurde. Hierzu hat das OLG Jena festgestellt: „Eine solche rechnerische Ergänzung eines lediglich im Übertrag und damit offensichtlich unvollständigen Angebots ist bei einer am objektiven Empfängerhorizont ausgerichteten Auslegung sogar geboten, denn die Vergabestelle durfte die Erklärung der Beigeladenen so verstehen, dass jede der ausgepreisten Positionen Bestandteil der Offerte sein sollte. Das gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – die Nachrechnung keinen Unklarheiten oder Zweifeln unterliegt und allein auf den im Angebot selbst enthaltenen Angaben gründet (vgl. Senat Beschl. vom 08.04.2003 6 Verg 1/03; OLG Dresden OLGR 2002, 161, 162). Hierin weicht der Senat nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab. Soweit dieser in seinem Beschluss vom 07.01.2003 (vgl. ZfBR 2003, 503) die Notwendigkeit vollständiger Preisangaben betont, betrifft die Entscheidung einen Sachverhalt, in dem der Endpreis gerade nicht aus dem Angebot sich hat ermitteln lassen.“
Die Kammer betont demnach, dass eine am objektiven Empfängerhorizont ausgerichtete Auslegung geboten ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Nachrechnung keinen Unklarheiten oder Zweifeln unterliegt. Hierdurch wird das oben angegebene Ermessen der Auftraggeber eingeschränkt. Im Ergebnis ist daher, vergleichbar der Auslegung, eine Lückenfüllung sogar geboten, wenn eine Auslegung eine eindeutige und unzweifelhafte Preisangabe ergibt. (b) Weitere Präzisierung durch EuG und OLG Düsseldorf Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen auch das EuG und das OLG Düsseldorf in anderen Fällen fehlender Preisangaben. Dieser Rechtsprechung ist eine weitere Ausfüllung/Präzisierung der oben dargestellten Lückenfüllungsmöglichkeit/ pflicht zu verdanken. (aa) EuG, 10.12.2009 – T-195/08 – Preis in einer Parallelposition enthalten – Klarstellung/Auslegung Dezidierter hat sich zunächst das EuG379 mit dem Thema beschäftigt. Ein Angebot ist nach dem Verständnis des EuG nicht unvollständig und muss nicht ab378
OLG Jena, 16.07.2003 – 6 Verg 3/03. „Europäisches Gericht erster Instanz“, auch „Gericht“ – zu den Begrifflichkeiten siehe Bernhard Wegener, in: Calliess/Ruffert, Art. 19 EUV, Rn. 5; dies gilt wohl man379
III. Unvollständige, fehlende oder widersprüchliche Preisangaben
115
gelehnt werden, wenn der fehlende Preis für einen bestimmten Posten mit Sicherheit aus einem für einen anderen Posten derselben Leistungsbeschreibung angegebenen Preis oder zumindest nach Einholung von Klarstellungen zum Inhalt dieses Angebots bei dessen Verfasser abgeleitet werden kann.380 Das Urteil betraf den Fall, in dem ein Einheitspreis für eine Position der Leistung nicht durch den Auftraggeber angegeben worden war. Jedoch waren Einheitspreise in anderen Positionen des Angebotes angegeben, die allesamt mit der besagten Position vergleichbar waren (im folgenden „Parallelpositionen“). In jeder dieser Positionen wurde vom Bieter der gleiche Preis angegeben. Daher hat der Auftraggeber diesen Preis zulässigerweise als Preis in der fehlenden Position angenommen, was von einem Konkurrenten im Verfahren angegriffen wurde. Demnach werden durch das EuG sowohl die Ableitung des Preises aufgrund einer Klarstellung als auch die Ableitung aus anderen Posten der Leistungsposition (unter Berücksichtigung der Besonderheit der „Parallelpositionen“) bei Vorliegen der Voraussetzungen ermöglicht. (bb) OLG Düsseldorf, 21.04.2010 – VII-Verg 53/09 – Klarstellung Dem nachfolgend hat das OLG Düsseldorf festgestellt: „der öffentliche Auftraggeber [kann] ein Angebot, in dem geforderte Preisangaben fehlen, im Wege der Auslegung um diese ergänzen und so die Unvollständigkeit beheben, wenn das sachliche Versäumnis leicht aufzuklären ist, die fehlende Angabe auf einer offenkundigen und unbedeutenden sachlichen Auslassung oder einem Irrtum beruht und der fehlende Preis für eine bestimmte Position mit Sicherheit aus einem für eine andere Position derselben Leistungsbeschreibung angegebenen Preis oder zumindest nach Einholung von Klarstellungen zum Inhalt dieses Angebots abgeleitet werden kann (vgl. EuG, Urteil v. 10.12.2009, T-195/08).“ 381
Das OLG Düsseldorf präzisiert insoweit die durch das EuG vorgegebenen Voraussetzungen. Fehlende Preisangaben können im Ergebnis demnach durch den Auftraggeber unter den in der Entscheidung genannten Voraussetzungen ergänzt werden.382
gels anderer Angaben auch in der Kommentierung des AEUV durch den gleichen Verfasser fort, siehe ebenda, Art. 256 AEUV, Rn. 1 ff. 380 EuG, 10.12.2009 – T-195/08, Rn. 63; nicht unzulässig ist hiernach das Verständnis, wonach „ein Angebot nicht unvollständig ist und nicht abgelehnt werden muss, wenn der fehlende Preis für einen bestimmten Posten mit Sicherheit aus einem für einen anderen Posten derselben Leistungsbeschreibung angegebenen Preis oder zumindest nach Einholung von Klarstellungen zum Inhalt dieses Angebots bei dessen Verfasser abgeleitet werden kann.“ 381 OLG Düsseldorf, 21.04.2010 – VII-Verg 53/09. 382 Erforderlich ist demnach, dass 1. das sachliche Versäumnis leicht aufzuklären ist,
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
(cc) Begriffe und Unterscheidung: Auslegung und Ableitung Daneben fällt noch auf, dass das OLG Düsseldorf383 im Urteil von einer „Auslegung“ zur Ergänzung der Preisangaben spricht. Das EuG gebraucht im Urteil hierfür den Begriff der „Ableitung“.384 Die Begriffe werden als Synonyme verstanden. Sie beziehen sich hier immer auf das Angebot, nicht auf die Auslegung einzelner Preisangaben. (c) Korrekturen bei fehlenden Preisen Oben ist hinsichtlich der Korrektur von Preisen im Angebot bereits die Rechtsprechung der VK Bund385 und der VK Niedersachsen386 erwähnt worden. Diese kann, mangels Unterscheidung durch die Kammern, sowohl bei fehlerhaften Preisen als auch bei fehlenden Preisen gelten. Hinsichtlich der konkreten Durchführung der Prüfung wird auf die dezidierte Aufstellung der VK Niedersachen verwiesen,387 die sinnvoll erscheint, um die dargestellte Manipulationsgefahr bei einer solchen Korrektur zu mindern. c) Fiktive Berechnung des höchsten Wettbewerbspreises – § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VOB/A Eine weitere Ausnahme vom Grundsatz des Ausschlusses hat im Rahmen der Novelle 2009 Eingang in die VOB/A gefunden. Schon früher gab es hierzu teilweise bereits genannte Rechtsprechung, die einen zwingenden Ausschluss bei jeder auch geringfügigen Unvollständigkeit von Preisangaben nicht gelten lassen wollte und beispielsweise mit den Begriffen der Unbedeutsamkeit oder der mangelnden Auswirkung auf den Wettbewerb operierte, um die strengen formellen Vorgaben zu unterlaufen.388 2. die fehlende Angabe auf einer offenkundigen und unbedeutenden sachlichen Auslassung oder einem Irrtum beruht und 3. der fehlende Preis für eine bestimmte Position mit Sicherheit aus einem für eine andere Position derselben Leistungsbeschreibung angegebenen Preis oder zumindest nach Einholung von Klarstellungen zum Inhalt dieses Angebots abgeleitet werden kann. 383 OLG Düsseldorf, 21.04.2010 – VII-Verg 53/09. 384 EuG, 10.12.2009 – T-195/08, Rn. 63; der Begriff der „Auslegung“ findet sich im Urteil nur im Zusammenhang mit der Auslegung der Vergabeunterlagen, nicht jedoch mit dem Angebot und den darin enthaltenen Preisangaben. 385 VK Bund, 04.07.2011 – VK 3-74/11. 386 VK Niedersachsen, 18.01.2011 – VgK-61/2010. 387 VK Niedersachsen, 18.01.2011 – VgK-61/2010; siehe auch oben unter D. III. 2. a) bb) (4) (e). 388 Siehe etwa: BayObLG, 27.07.2004 – Verg 14/04 mit Verweis auf OLG Dresden, 10.07.2003 – Wverg 15/02 (NZBau 2003, 573); OLG Saarbrücken, 29.10.2003 – 1
III. Unvollständige, fehlende oder widersprüchliche Preisangaben
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Ausgenommen vom Ausschluss nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VOB/A 2009 sind: „Angebote, bei denen lediglich in einer einzelnen unwesentlichen Position die Angabe des Preises fehlt und durch die Außerachtlassung dieser Position der Wettbewerb und die Wertungsreihenfolge, auch bei der Wertung dieser Position mit dem höchsten Wettbewerbspreis, nicht beeinträchtigt werden.“
aa) Abgrenzung zu Auslegung und rechnerischem Nachvollziehen Die Abgrenzung zur Auslegung von Preisen [aa)] erfolgt aufgrund der Tatsache, dass ein auslegbarer Preis im Angebot hier nicht existiert. Die Beziehung zum rechnerischen Nachvollziehen [bb)] kann als Stufenfolge in der Prüfung dargestellt werden. Kann der Preis nicht (rechnerisch) nachvollzogen werden, kann auf zweiter Stufe geprüft werden, ob das betreffende Angebot die Voraussetzungen von § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VOB/A erfüllt. Soweit dies der Fall ist, muss es trotz des Fehlens eines Preises gemäß der Norm nicht zwingend ausgeschlossen werden. bb) Unwesentliche Position Zu dem Begriff existiert Rechtsprechung, die sich auf den gleichen Begriff der „unwesentlichen Positionen“ in der VOL/A bezieht. Nach Rechtsprechung des OLG Brandenburg „kann nicht davon ausgegangen werden, dass Einzelpositionen nur dann ,unwesentlich‘ i. S. d. § 19 Abs. 2 Satz 2 2. HS VOL-A/EG wären, wenn sie den Gesamtpreis nicht verändern oder die Wertungsreihenfolge und den Wettbewerb nicht beeinträchtigen. Bei einem solchen Verständnis der Vorschrift wäre der Begriff ,unwesentlich‘ überflüssig und könnte ohne weiteres gestrichen werden. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass der Verordnungsgeber hier einen nichtssagenden Begriff verwenden wollte (anders: Kulartz/Marx/Portz/Prieß-Dicks, VOL/A, 2. Aufl. 2011, § 19 VOL-A/EG Rn. 106).“ 389
Die erwähnte gegenteilige Literaturansicht geht davon aus, dass eine weitere Ausfüllung des Begriffs der Unwesentlichkeit aufgrund der anderen Tatbestandsmerkmale nicht erforderlich ist.390 Demnach sind einzelne fehlende Preisangaben, bei deren Wertung mit dem höchsten Wettbewerbspreis die Wertungsreihenfolge nicht beeinträchtigt wird, jedenfalls als unwesentlich zu qualifizieren. Die-
Verg 2/03 (NZBau 2004, 117, 118); VK Münster, 09.05.2003 – VK 09/03 (ZfBR 2003, 622); VK Baden-Württemberg, 18.04.2005 – 1 VK 10/05; OLG Celle, 02.10.2008 – 13Verg 4/08; Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 39. 389 OLG Brandenburg, 01.11.2011 – Verg 12/11. 390 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 39; zum Streit auch Gröning, VergabeR 2009, 117, 125.
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
ser Ansatz ist, da er geeignet ist, den ansonsten sehr schwer zu fassenden Begriff der „Unwesentlichkeit“ zu bestimmen, zu begrüßen. Andere Ansätze, die eine Bestimmung des Begriffs durch den Bieter vorsehen,391 hinterlassen mehr Unklarheiten hinsichtlich der inhaltlichen Bestimmung.392 Im Ergebnis wird daher davon ausgegangen, dass das Tatbestandsmerkmal der fehlenden Veränderung der Bieterreihenfolge auch bei Wertung mit dem höchsten Wettbewerbspreis bereits den Begriff der Unwesentlichkeit ausreichend beschreibt. cc) Einzelne Preisangaben Der Wortlaut des § 16 Abs. 1 lit. c) VOB/A geht davon aus, dass Angebote nicht ausgeschlossen werden, bei denen „lediglich in einer einzelnen unwesentlichen Position die Angabe des Preises fehlt.“ Hieraus wird teilweise geschlossen, dass Angebote, bei denen mehr als eine auch unwesentliche Preisposition fehlt, auszuschließen sind.393 Anderer Ansicht ist eine andere Literaturmeinung, die es dem Auftraggeber auch ermöglichen will, mehrere unwesentliche Preispositionen nachzufordern.394 Hier wird angeführt, dass die Menge der Preispositionen, in denen ein Preis fehlt, unerheblich sein muss, soweit die (Gesamtpreis-) Grenze der Unwesentlichkeit nicht überschritten wird.395 Gegen dieses Verständnis spricht jedoch der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VOB/A, der explizit von „einer einzelnen unwesentlichen Position“ ausgeht.396 dd) Wertungsreihenfolge wird auch bei Wertung mit dem höchsten Wettbewerbspreis nicht beeinträchtigt Letztlich ist zur Erfüllung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VOB/A erforderlich, dass sich der Wettbewerb und die Wertungsreihenfolge der Angebote auch dann 391 Etwa Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 16 VOB/A-EG, Rn. 122, der dem Auftraggeber diesbezüglich einen „weiten Beurteilungsspielraum“ einräumen möchte. 392 So existiert bereits verschiedene Rechtsprechung, die in jedem Fall gezwungen ist, über die (Un-)Wesentlichkeit eine Einzelfallentscheidung zu treffen, siehe etwa: sechsstelliger Betrag – VK Brandenburg, 04.10.2010 – VK 37/11; 250.000 A – OLG Brandenburg, 01.11.2011 – Verg W 12/11; 5-stelliger Betrag – VK Nordbayern, 3.2.2011 – 21. VK – 3194 – 50/10; als Literaturmeinung etwa Franz, IBR 2010, 72 – 5% des Gesamtbetrages. 393 Franzius, „die formelle Angebotsprüfung nach VOB/A, VOL/A 2009“, Rn. 11, IBR 2010, 1466 (nur online auf www.ibr-online.de). 394 Franz, IBR 2010, 72. 395 Franz, IBR 2010, 72. 396 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 39; jedoch mit dem Hinweis auf sich hieraus ergebende Probleme in der praktischen Anwendung und unter diesbezüglichen Verweis auf Gröning, VergabeR 2009, 117, 125; Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 16 VOB/A-EG, Rn. 120; Kratzenberg, in: Ingenstau/Korbion, VOB, § 16 VOB/A, Rn. 14.
III. Unvollständige, fehlende oder widersprüchliche Preisangaben
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nicht verändern, wenn in die fehlende Preisposition der höchste Wettbewerbspreis eingetragen würde. Demnach muss eine fiktive rechnerische Prüfung erfolgen, ob eine Ergänzung ein solches Ergebnis hätte.397 ee) „Lückenfüllung“ der Preisangaben im Angebot Die Ausfüllung der so hinterlassenen Lücke in den Preisangaben des Angebotes ist ein weiteres Problem der Regelung. Der fehlende Preis ist als Nachtrag zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber festzulegen; der Auftragnehmer ist nicht an den in der Wertung durch den Auftraggeber angewendeten Wettbewerbspreis gebunden.398 Nicht zulässig ist das einseitige Auffüllen der Lücke durch den Auftraggeber399. Daher ist im Verfahren zur Wertung des Angebotes gemäß der Vorgabe der Regelung mit dem höchsten Wettbewerbspreis weiterzurechnen. Vorgeschlagen wird, den Bietern nach Abschluss des Vergabeverfahrens die Möglichkeit der Verhandlung hierüber einzuräumen.400 Soweit keine Einigung zustande kommt, ist es dem Auftragnehmer möglich, die fehlende Angabe unter Anwendung des § 632 Abs. 2 BGB einzufordern.401 ff) Anwendung in der VOL/A In der Literatur wird noch darauf hingewiesen, dass ein Rückgriff auf das höchste Konkurrenzangebot zur Bestimmung von fehlenden Preisangaben im Bereich der VOL/A nicht zulässig ist.402 Dies ergibt sich aus dem Umkehrschluss der gesetzlichen Regelung dieses Verfahrens in der VOB/A und dem Unterbleiben einer solchen Regelung in der VOL/A. Möglich ist in diesem Zusammenhang unter vergleichbaren Voraussetzungen eine Nachforderung, die unten besprochen werden soll.403 d) Grenzen der Auslegung, des rechnerischen Nachvollziehens und der Bewertung mit dem höchsten Wettbewerbspreis Zu den dargestellten Möglichkeiten, mit fehlenden Preisen umzugehen, können allgemeine Grenzen aufgezeigt werden, deren Erreichen zur Folge hat, dass die genannten Instrumente nicht angewendet werden können. 397 Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOB/A, § 16, Rn. 296, Stand: 23.09.2013. 398 Weyand, Vergaberecht, § 16 VOB/A, Rn. 302. 399 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 40. 400 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 40. 401 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 40. 402 Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOL/A, § 16, Rn. 445, Stand: 23.09.2013. 403 Siehe unten unter D. IV.
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
aa) Eindeutige und zweifelsfreie Ermittlung des Bieterwillens nicht möglich Die Grenze findet dieses Instrument in den Grenzen der Auslegung, also etwa wenn eine solche das Ergebnis hervorbrächte, dass der Preis hierdurch nicht „eindeutig und zweifelsfrei“ ermittelt werden kann.404 Diese Grenze zeigt sich etwa in einer Entscheidung der VK Bund, in der es heißt: „Mit Blick auf die klare Vorgabe der Ag, für jeden Wirkstoff Angaben zum Abschlag zu machen [. . .], war aus Sicht der Ag schon nicht erkennbar, ob die fehlende Angabe eines Abschlags auf einem Versehen des ASt beruhte oder aber Ausdruck einer bewussten Willensentscheidung war, keinen Abschlag anbieten zu wollen.“ 405
Maßgeblich ist demnach, ob das Fehlen der Preisangaben erkennbar auf einem Versehen beruhte oder der Auftraggeber zu dem Ergebnis kommen konnte, dass die fehlende Angabe des Bieters sich aus einer bewussten Willensentscheidung des Bieters ergab. Soweit von einer bewussten Willenserklärung auszugehen ist, fehlt eine Preisangabe mit der Folge, dass das Angebot auszuschließen ist. bb) Kein konkreter Anhaltspunkt für Ableitung im Angebot Den Arten der Auslegung ist weiterhin gemein, dass sie einen konkreten Anhaltspunkt im Angebot finden müssen. Deutlich wird dies etwa anhand der oben beschriebenen Ableitung der Preise von anderen Preisen. Diese Grenze lässt sich etwa an dem oben bereits zitierten Satz des EuG ersehen, dass ein Angebot nicht unvollständig ist, „wenn der fehlende Preis für einen bestimmten Posten mit Sicherheit aus einem für einen anderen Posten derselben Leistungsbeschreibung angegebenen Preis [. . .] abgeleitet werden kann.“ 406
Kann anders gewendet eine Ableitung demnach nicht mit Sicherheit aus einem anderen Posten derselben Leistungsbeschreibung erfolgen, so scheint die Auslegung nicht möglich. Nicht herangezogen werden können hier etwa Äußerungen nach Abgabe der Angebote407 oder andere Angebote.408 cc) Empfängerhorizont des Auftraggebers Eine weitere Grenze der Auslegung des Angebotes auch bei fehlenden Angaben bildet der Horizont des Erklärungsempfängers. Dies zeigt sich etwa in einem Fall der VK Südbayern,409 die feststellt: 404 Zu diesen Tatbestandsmerkmalen siehe etwa unter D. III. 2. a) dd) (2) und D. III. 2. a) dd) (3). 405 VK Bund, 13.01.2012 – VK 3-179/11. 406 EuG, 10.12.2009 – T-195/08, Rn. 63. 407 OLG Düsseldorf, 19.10.2005 – Verg 38/05. 408 OLG Jena, 16.07.2003 – 6 Verg 3/03.
III. Unvollständige, fehlende oder widersprüchliche Preisangaben
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„empfangsbedürftige Willenserklärungen [sind] so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste.“
Diese Rechtsprechung gibt insoweit einen anerkannten Rechtssatz wieder.410 Im vorliegenden Fall wurden durch einen Bieter im Angebot keine, nach den Vergabeunterlagen jedoch erforderlichen, Angaben zu Zuschlägen für Nacht- und Feiertagsarbeit sowie für besondere Leistungspositionen vorgesehen. Der Bieter behauptet, es seien seinerseits keine Zuschläge kalkuliert und somit auch keine Vergütung gefordert worden. Da er jedoch zu den besagten Positionen keinerlei Angaben gemacht habe, kann dies nach objektivem Erklärungswert von einer verständigen Bieterin nur als Unvollständigkeit des Angebots aufgefasst werden.411 dd) Gleichbehandlungsgrundsatz Eine letzte Grenze der Auslegung, die hier der Vollständigkeit halber erwähnt werden soll, findet sich im Gleichbehandlungsgrundsatz. Nicht zulässig ist die selektive Auslegung bei einzelnen Angeboten. Die Anwendung der oben dargestellten Instrumente hat demnach, soweit sie erfolgt, gegenüber allen Bietern zu erfolgen. e) Kalkulationsirrtum Einen Sonderfall bietet der Fall des Kalkulationsirrtums. Der wesentliche Unterschied zu den oben genannten Fällen liegt in der Absicht des Bieters, nicht die Preisangaben anzubieten, die er eigentlich beabsichtigt hatte. Kein Kalkulationsirrtum besteht demnach bei positiver Kenntnis des Erklärungsirrtums seitens des Bieters.412 Ebenso besteht kein Kalkulationsirrtum, wenn sich die unzutreffende Kalkulation auf einer lückenhaften oder widersprüchlichen Leistungsbeschreibung begründet oder wenn der Bieter durch bewusste Additionsfehler seine Angebotspreise erhöht.413 Die Möglichkeit einer Auslegung und Korrektur ist seitens des Auftraggebers durchaus möglich.414 Hierbei sind die genannten Voraussetzungen der Auslegung von Preisen zu beachten.
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VK Südbayern, 16.07.2003 – 25-06/03. Siehe etwa Ellenberger, in: Palandt, § 133, Rn. 9 mit Verweis u. a. auf BGH 36, 33; BGH 130, 280; BGH NJW 90, 3026 und dem Hinweis, dass es sich um stetige Rechtsprechung handelt. 411 VK Südbayern, 16.07.2003 – 25-06/03. 412 Hertwig, Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe, Rn. 201, genannt wird der Fall eines vorsätzlichen Erhöhens der Angebotspreise durch vorsätzliche Additionsfehler. 413 Hertwig, Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe, Rn. 201. 414 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 209. 410
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
Teilweise wird in diesem Zusammenhang noch eine Hinweispflicht des Auftraggebers angenommen.415 Herangezogen werden vom BGH zur rechtlichen Beurteilung die Paragraphen des BGB.416 Diese Hinweispflicht besteht seitens des Auftraggebers nur, soweit nach den Umständen des Einzelfalles das Verhalten des Auftraggebers als Erklärungsempfängers als treuwidrig zu beurteilen wäre; wesentlich ist insbesondere das Ausmaß des Irrtums.417 Die Rechtsfolge eines solchen Irrtums ist im Einzelfall zu beurteilen. Möglich wäre unter Umständen ein Festhalten am eingetragenen (fehlerhaften) Preis.418 In der Literatur wird weiterhin davon ausgegangen, dass eine Anpassung des Preises vergaberechtlich möglich ist, wenn dieser nach Auslegung des Angebots eindeutig feststeht oder vom Bieter schlüssig mittels Klarstellung erläutert wird.419
IV. Nachfordern von Preisen durch den Auftraggeber/Aufklärung Grundsätzlich sind die geforderten Preise als wesentliche Angebotsbestandteile vom Bieter vollständig darzulegen.420 In diesem Zusammenhang stellt sich, auch vor dem Hintergrund der Reform des Vergaberechts, die Frage, ob und in welchem Umfang Preisangaben nachgefordert werden dürfen.421 Schon aufgrund des Verhandlungsverbotes422 besteht nur eine sehr eingeschränkte Möglichkeit einer Nachforderung von Preisen.423 Darüber hinaus sind Angebote, wie oben gezeigt, bei fehlenden Preisangaben grundsätzlich auszuschließen. 1. Abgrenzung zur Auslegung Bei der Auslegung/Korrektur des fehlenden oder fehlerhaften Preises wird im Rahmen der Nachforderung in einen Dialog mit dem Bieter eingetreten, der frei415 Hertwig, Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe, Rn. 200 mit Verweis auf BGH, 07.07.1998 – X ZR 17/19. 416 BGH, 07.07.1998 – X ZR 17/19. 417 Hertwig, Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe, Rn. 200; BGH, 07.07.1998 – X ZR 17/19. 418 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 209 mit Verweis auf BGH NJW 2001, 284. 419 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 209 mit Verweis auf EuGH, 10.12.2009 – T-195/08, Rn. 63 ff. für die Möglichkeit der Klarstellung. 420 Wesentlich etwa: OLG Düsseldorf, 10.12.2008 – 7 Verg 51/08; BGH, 18.05.2004 – X ZB 7/04; siehe auch Christiani, in: Pünder/Schellenberg, § 16 VOL-EG Rn. 20. 421 Zur Problematik und gegen eine Nachforderung etwa Christiani, in: Pünder/ Schellenberg, § 16 VOL/A-EG Rn. 20. 422 § 15 S. 2 VOL/A, § 18 S. 2 VOL/A-EG und § 15 Abs. 3 VOB/A. 423 Siehe etwa die Regelung des § 16 Abs. 2 S. 2 VOL/A und § 19 Abs. 2 S. 2 VOL/ A-EG und unten D. IV. 2. und D. IV. 3.
IV. Nachfordern von Preisen durch den Auftraggeber/Aufklärung
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lich starken Einschränkungen unterliegt. Dieser Kontakt wird auch bei den Lösungen unter D. III. schon teilweise gesucht, etwa mittels der Klarstellung, die erforderlich sein kann, um über das Ergebnis einer Nachberechnung Sicherheit zu erlangen, oder auch bei Erläuterung des Kalkulationsirrtums durch den Bieter. Jedoch ist der „Dialog“ bei den oben aufgezeigten Lösungen gegenüber der Nachforderung stärker eingeschränkt. Drei Formen des Dialogs können im Folgenden voneinander abgegrenzt werden. 2. Klarstellung Eine erste Abweichung von diesem Grundsatz stellt die Möglichkeit der Klarstellung dar.424 Die Klarstellung dient dem Interesse der Rechtssicherheit, welches es erforderlich macht, dass der öffentliche Auftraggeber sich des genauen Inhalts des Angebots und insbesondere der Übereinstimmung des Angebots mit den Ausschreibungsbedingungen vergewissern kann sowie dem Gebot der Verhältnismäßigkeit.425 Im konkreten Fall des EuG ist eine Klarstellung hinsichtlich einer unterbliebenen Angabe erfolgt, welche der Auftraggeber jedoch aufgrund anderer Preispositionen mit großer Wahrscheinlichkeit antizipieren konnte. Hier hat der Auftraggeber den Bieter „nur“ aufgefordert, die Interpretation des Angebotes, welche durch den Auftraggeber vorgenommen wurde, zu bestätigen.426 Als Klarstellung kann daher eine Antwort des Bieters auf eine Frage des Auftraggebers, ob sein in der Anfrage dargelegtes Verständnis eines bestimmten Sachverhalts richtig sei, gelten. Sie kann nur bejaht oder verneint werden. Diese Form der Kommunikation mit den Bietern kann auch zur Verifizierung der Annahmen des Auftraggebers bei der Auslegung und beim rechnerischen Nachvollziehen genutzt werden, um sich der Richtigkeit der Angaben zu versichern.427 Jedoch ist dies keine Nachforderung im klassischen Sinne, sondern nur das Einholen einer Bestätigung, bei der der Bieter keine eigenen (neuen) Angaben machen, sondern eine Frage nur mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten kann. 3. Aufklärung Eine weitere Form der Feststellung von Preisangaben ist die Aufklärung. Teilweise wird diese mit der Klarstellung synonym verwendet.428 Jedoch unterscheiden sich die beiden Begriffe in der Folge, dass die Ergebnisse der Aufklärung in
424
Begrifflich etwa verwendet in EuG, 10.12.2009 – T-195/08. EuG, 27.09.2002 – T-211/02. 426 EuG, 10.12.2009 – T-195/08, Rn. 12. 427 Siehe oben D. III. 2. a) und b); inbes. D. III. 2. a) bb) (4) (e) und D. III. 2. b) cc) (2) (b) (cc). 428 So wohl Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 85 ff. 425
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
der Bewertung der Angebote Verwendung finden.429 Dies ist bei der Klarstellung, wie oben dargestellt,430 nicht der Fall. Teilweise wird unter den Begriff der Aufklärung auch das gesamte Verfahren der Feststellung fehlender und fehlerhafter Preisangeben subsumiert.431 Jedoch geht die Literatur auch in diesem Fall von einem Dialog mit dem Bieter aus, der einer Aufklärung des fehlenden bzw. fehlerhaften Preises dient und in dem der Bieter um Aufklärung dieses ersucht werden kann.432 Der Bieter ist insoweit mitwirkungspflichtig.433 Dem Auftraggeber wird das Ermessen zugesprochen, ob er zur Aufklärung auffordert und ob er, soweit keine Aufklärung erfolgt, den fehlenden bzw. fehlerhaften Preis auch als ausreichenden Ausschlussgrund im Sinne des Vergaberechts qualifiziert.434 Umstritten ist, ob das Ermessen, einen fehlerhaften bzw. fehlenden Preis aufzuklären, rechtlichen Bindungen unterliegt oder uneingeschränkt zugunsten des Auftraggebers gilt. Argumentiert wird zugunsten eines uneingeschränkten Ermessens, wenn der „Auftraggeber für das Aufklärungsersuchen im Ergebnis vertretbare Gründe nennen kann, die an einen Anfangsverdacht anknüpfen, ein vertretbares Ermittlungskonzept verfolgen, dem Verhältnismäßigkeitsgebot standhalten und vom Bieter nichts Unmögliches verlangen“ 435. In der Rechtsprechung wird diesbezüglich von einer Überprüfungsmöglichkeit, etwa hinsichtlich des Zeitpunktes der Aufklärung, der Erkennbarkeit der Zielrichtung und des Umfangs, ausgegangen.436 Jedoch scheint, entgegen der Einschätzung der genannten Literaturansicht,437 diese Rechtsprechung nicht von der dargestellten Vorgabe des Ermessens abzuweichen. So wird auch im Beschluss der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als wesentliche Begründung für die angesprochenen Einschränkungen genannt438, spielt aber gleichzeitig in oben aufgezeigter Begrenzung des Ermessen eine wesentliche Rolle. Im Ergebnis wird daher ein Ermessen hinsichtlich des „ob“ und „wie“ in Richtung des Bieters durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beschränkt. Auch sind die anderen Grundsätze (insbesondere der Gleichbehandlungsgrundsatz) bei der Entscheidung über die Durchführung und den Inhalt einer Aufklärung zu beachten und begrenzen insoweit das Ermessen ihrerseits. 429
Siehe etwa VK Niedersachsen, 18.01.2011 – VgK-61/2010. Siehe unter D. IV. 2. 431 Etwa Dicks, in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, VOB/A, § 16 Rn. 85 ff. 432 Dicks, in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 88 mit Verweis auf EuG, 10.12.2009 – T-195/08. 433 Dicks, in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 88. 434 Dicks, in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 88. 435 Dicks, in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 89. 436 OLG Naumburg, 02.09.2005 – 1 Verg 8/05. 437 Dicks, in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 89. 438 OLG Naumburg, 02.09.2005 – 1 Verg 8/05: „Ein Aufklärungsersuchen hinsichtlich der Grundlagen der Preisermittlung eines Bieters ist – insbesondere unter Berücksichtigung des im Vergabeverfahren geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – zulässig [. . .].“ 430
IV. Nachfordern von Preisen durch den Auftraggeber/Aufklärung
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4. Nachforderung von unwesentlichen Preisangaben nach § 16 Abs. 2 VOL/A und § 19 Abs. 2 VOL/A EG Ähnlich dem oben bereits dargestellten Wortlaut des § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VOB/A enthält auch die VOL/A in § 16 Abs. 2 S. 2 VOL/A und § 19 Abs. 2 S. 2 VOL/A-EG eine Regelung hinsichtlich des Fehlens unwesentlicher Preisangaben. Diese sieht die Möglichkeit der Nachforderung vor. Der Wortlaut der Vorschriften bestimmt: „Dies [der Ausschluss einer Nachforderung von Preisen] gilt nicht für die Nachforderung von Preisangaben, es sei denn, es handelt sich um unwesentliche Einzelpositionen, deren Einzelpreise den Gesamtpreis nicht verändern oder die Wertungsreihenfolge und den Wettbewerb nicht beeinträchtigen.“
a) Unwesentliche Einzelpositionen Als erstes Tatbestandsmerkmal wird das Vorliegen von unwesentlichen Einzelpositionen genannt. Der Plural weist insoweit darauf hin, dass es sich hierbei um mehrere Positionen handeln kann.439 In der Kommentarliteratur wird darauf hingewiesen, dass der Begriff ausfüllungsbedürftig ist und im Einzelfall definiert werden muss.440 Jedenfalls ist es dem Auftraggeber möglich, in den Vergabeunterlagen Preisangaben als wesentlich zu definieren.441 Darüber hinaus wird wie oben dargestellt davon ausgegangen, dass eine Preisposition unwesentlich ist, wenn sie eines der beiden im Folgenden genannten Tatbestandsmerkmale erfüllt.442 Nach dem Wortlaut ist die Unwesentlichkeit der Preise jedenfalls Voraussetzung für eine Nachforderung.443 b) Keine Veränderung des Gesamtpreises Eines der beiden alternativen Tatbestandsmerkmale der Nachforderungsmöglichkeit von unwesentlichen Preisangaben liegt vor, wenn Preisangaben nachgefordert werden, deren Einzelpreise den Gesamtpreis nicht verändern. In der Literatur werden zwei mögliche Fälle ausgemacht: – Zum einen der Fall, dass der Preis im Gesamtpreis berücksichtigt wurde, in Einzelpreispositionen jedoch fehlt. Hiernach ist ein Rückschluss vom Gesamt439 Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOL/A, § 16, Rn. 170, Stand: 23.09.2013. 440 Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOL/A, § 16, Rn. 171, Stand: 23.09.2013. 441 VK Nordbayern, 03.02.2011 – 21.VK-50/10. 442 Siehe D. III. 2. c) bb). 443 § 19 Abs. 2 S. 2 VOL/A-EG, § 16 Abs. 2 S. 2 VOL/A: „Dies gilt nicht für unwesentliche Einzelpositionen, deren Einzelpreise den Gesamtpreis nicht verändern oder die Wertungsreihenfolge und den Wettbewerb beeinträchtigen.“
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
auf den Einzelpreis möglich,444 wobei zu einer Lückenfüllung keine Auslegung möglich ist. – Zum anderen der Fall, dass die Antwort des Bieters auf eine Aufforderung zur Nachreichung 0 A beträgt.445 Diese Alternative scheint im Zusammenhang mit einer Nachforderung nach § 16 Abs. 2 S. 2 VOL/A bzw. § 19 Abs. 2 S. 2 VOL/A-EG in ihrer Durchführung jedoch zweifelhaft. Die besagten Absätze setzten für die Möglichkeit einer Nachforderung das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale voraus. Der Auftraggeber wird jedoch in den wenigsten Fällen die Antwort des Bieters antizipieren können, um im Vorhinein zu bestimmen, dass eine Preisangabe des Bieters 0 A beträgt. Soweit dies nicht möglich ist, müsste der Bieter, gegebenenfalls unter dem Vorbehalt des Ausschlusses, die Angaben nachfordern und danach den Bieter ausschließen, soweit die Antwort nicht 0 A beträgt. Grundsätzlich wird auch in der Literatur auf die sich aus dieser Textstelle ergebenden Probleme hingewiesen.446 Teilweise wird daher nur die erste Alternative als zulässige Folge des § 16 Abs. 2 S. 2 VOL/A bzw. § 19 Abs. 2 S. 2 VOL/ A-EG genannt.447 c) Keine Beeinträchtigung der Wertungsreihenfolge und des Wettbewerbs Das zweite der alternativen Tatbestandsmerkmale ist die fehlende Beeinträchtigung der Wertungsreihenfolge und des Wettbewerbs bei Bewertung des Angebots unter Gleichsetzung der fehlenden Preisangabe mit der höchsten im Wettbewerb abgegebenen Preisangabe, also einer fiktiven rechnerischen Prüfung.448 Soweit dies nicht der Fall ist, ist auch der Zuschlag auf ein Angebot möglich, in dem ein solcher Preis fehlt.449 d) Ermessen Grundsätzlich besteht hinsichtlich der Nachforderung unwesentlicher Preisangaben ein Ermessen des Auftraggebers.450 Dieses Ermessen wird durch die 444
Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOL/A, § 16, Rn. 176, Stand: 23.09.2013. 445 Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOL/A, § 16, Rn. 177, Stand: 23.09.2013. 446 Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOL/A, § 16, Rn. 178, Stand: 23.09.2013. 447 Franzius, „Die formelle Angebotsprüfung nach VOB/A, VOL/A 2009“, Rn. 15, IBR 2010, 1466 (nur online auf www.ibr-online.de. 448 Weyand, Vergaberecht, § 16 VOL/A, Rn. 296. 449 Weyand, Vergaberecht, § 16 VOL/A, Rn. 299, 300. 450 Siehe hierzu Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOL/A, § 16, Rn. 149, Stand: 23.09.2013.
IV. Nachfordern von Preisen durch den Auftraggeber/Aufklärung
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Handhabung der Praxis des Auftraggebers im Vergabeverfahren eingeschränkt. Der Auftraggeber darf aus Gründen der Gleichbehandlung nicht teilweise nachfordern und teilweise darauf verzichten.451 Das OLG Celle legt hierzu fest: „Nach § 16 Abs. 1 VOL/A steht dem Auftraggeber ein Ermessen zu, ob er von einem Bieter fehlende Unterlagen nachfordert. Aus Gründen der Gleichbehandlung muss der Auftraggeber jedoch von allen Bietern, zumindest von denen in der engeren Wahl, gleichermaßen die jeweils fehlenden Erklärungen oder Nachweise nachfordern und darf hierauf nicht bei einzelnen Bietern verzichten.“ 452
Begründet wird dies durch eine Vergleichbarkeit der Entscheidung mit der einer Verwaltungsbehörde,453 bei der sich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG eine Selbstbindung der Verwaltung ergibt, die einen Vertrauensschutz des Bieters in die einmal getroffene Ermessensentscheidung substantiiert, von der der Auftraggeber demnach nicht mehr abweichen darf.454 Dies hat zum Ergebnis, dass „sofern der öffentliche Auftraggeber von einem Nachfordern absieht, er ein unvollständiges Angebot jedoch von der Wertung gemäß § 19 EG Abs. 3 Buchst. a) VOL/A ausschließen [muss], selbst wenn nur Preisangaben in unwesentlichen Einzelpositionen fehlen.“ 455 Das Ermessen ist insoweit auf Null reduziert und der Auftraggeber ist verpflichtet, an dieser Voraussetzung festzuhalten.456 Das Gleichbehandlungsgebot zwingt den Auftraggeber ebenfalls, von der Nachforderungsmöglichkeit zurückhaltend Gebrauch zu machen, da in der Nachforderung nach Ablauf der Angebotsfrist naturgemäß eine Ungleichbehandlung anderer Bieter liegt, wenn es Bieter gibt, die fristgerecht alle geforderten Erklärungen und Nachweise vorgelegt haben.457 Eine Ermessensausübung wurde durch die VK Niedersachsen jedenfalls für rechtmäßig erklärt, wenn der Auftraggeber von der Eignung des Bieters grundsätzlich überzeugt ist und dem Bieter eine Chance zur Heilung des formalen Fehlers geben will. Dies dokumentiert die Vergabestelle dadurch, dass sie dem Bieter eine kurze Frist zur Heilung gesetzt hat, in welcher der Nachweis auch erbracht werden könne und bei den anderen 451 Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOL/A, § 16, Rn. 151, Stand: 23.09.2013. 452 OLG Celle, 08.09.2011 – 13 Verg 4/11 mit Verweis auf Dittmann, in: Kulartz/ Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 35; Horn, in: Müller-Wrede, VOL/A, § 19 Rn. 61, 63; OLG Frankfurt am Main, 06.03.2011 – 11 Verg 11/05 und 12/00. 453 VK Bund, 04.10.2011 – VK 1-120/11: „wie im Fall der sich aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) ergebenden Selbstbindung einer Verwaltungsbehörde“. 454 VK Bund, 04.10.2011 – VK 1-120/11. 455 VK Nordbayern, 07.03.2012 – 21.VK-3194-03/12. 456 Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOL/A, § 16, Rn. 151, Stand: 23.09.2013. 457 OLG Brandenburg, 20.09.2011 – Verg W 11/11; VK Nordbayern, 09.02.2012 – 21.VK-3194-43/11.
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
Bietern ebenfalls Eignungsnachweise nachgefordert habe.458 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang die Dokumentation der Entscheidung. Nicht ausreichend ist hier ein Vermerk, dass eine Erklärung noch fehlt.459 Nicht möglich ist eine Ermessensausübung durch die Vergabekammer anstelle des öffentlichen Auftraggebers im Nachprüfungsverfahren.460 Überprüft werden können allenfalls die Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber entsprechend § 114 S. 1 VwGO auf Ermessensnichtgebrauch und Ermessensfehlgebrauch.461 Seitens des Bieters besteht über das dargestellte Vertrauen hinaus kein Anspruch auf die Möglichkeit, fehlende Unterlagen nachzureichen.462 Diese Pflicht ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass im Bereich der VOB/A eine Pflicht zur Nachforderung nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A besteht.463 Eine andere Ansicht hierzu wird in der Literatur vertreten, wo argumentiert wird, dass es nach den Vergabegrundsätzen und dem Zweck der Ermächtigung durch die VOL/A intendiert sei, möglichst viele Angebote in der Wertung zu halten.464 Hiergegen wird der Wortlaut des § 19 Abs. 2 VOL/A-EG bzw. des § 16 Abs. 2 VOL/A vorgebracht. Das OLG Brandenburg führt insoweit aus: „Dem steht der klare Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 1 VOL/A-EG entgegen. Es ist anerkannt, dass das Wort ,kann‘ im Vergaberecht dem Auftraggeber ein Ermessen einräumt und ihn nicht etwa zur Vornahme der Handlungen verpflichtet, die er vornehmen kann.“
Die VK Nordbayern ergänzt die Argumentation unter Verweis auf eine Literaturmeinung noch wie folgt: „Dies ergibt sich auch aus der sprachlichen Fassung von § 19 EG Abs. 3 lit. a) VOL/ A, wonach Angebote ausgeschlossen werden, die nicht die geforderten oder nachgeforderten Erklärungen und Nachweise enthalten (so auch Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 2. Aufl. 2011, § 19 EG Rdnr. 37).“
458
VK Niedersachsen, 05.07.2011 – VgK-22/2011. OLG Karlsruhe, 23.03.2011 – 15 Verg 2/11; Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOL/A, § 16, Rn. 159, Stand: 23.09.2013. 460 OLG Naumburg, 26.02.2004 – 1 Verg 17/03 und 18.08.2011 – 2 Verg 3/11. 461 OLG Düsseldorf, 09.05.2011 – VII-Verg 42/11. 462 VK Bund, 01.02.2011 – VK 3-165/10; Dittmann, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 19 EG, Rn. 37. 463 OLG Brandenburg, 20.09.2011 – Verg W 11/11; VK Nordbayern, 09.02.2012 – 21.VK-3194-43/11. 464 Bulla/Schneider, VergabeR 2011, 664, 674 die insbesondere mit dem Zweck der Regelung argumentieren. Dies überzeugt jedoch nicht vollständig, da als Zweck die Begründung Nr. 83 der Materialsammlung zur Änderung der VOB/A zitiert wird. Auch in der vorangehenden Begründung wird auf § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A rekurriert, wobei zugleich eingestanden wird, dass die „Einheit der Rechtsordnung stets ein schwaches Argument ist“. 459
V. Unvollständigkeit der Angebote in der VOF
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Das Ermessen hinsichtlich einer Nachforderung kann bereits in den Vergabeunterlagen465 und wohl auch in einer Antwort auf eine Bieterfrage466 ausgeübt werden, etwa durch die Antwort, dass das Nachreichen von Angaben und Erklärungen ausgeschlossen ist.467 e) Keine Nachforderung von Preisen nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A Demgegenüber sieht § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A zwar die Möglichkeit einer Nachforderung von Erklärungen und Nachweisen vor. Jedoch gilt dies nach seinem Wortlaut nicht für nach „Nummern 1 und 2 ausgeschlossene“ Angebote. Bei § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) VOB/A, welcher vorgibt, dass Angebote auszuschließen sind, die fehlerhafte Preisangaben beinhalten, handelt es sich insoweit jedoch um einen zwingenden Ausschlussgrund.468 Eine Nachforderung ist nach dem Ausschluss nicht möglich.
V. Unvollständigkeit der Angebote in der VOF Fraglich ist in diesem Zusammenhang letztlich, ob die Feststellung vom Fehlen einer Preisangabe auch im Rahmen der VOF eine Rechtswirkung erzeugt. Hier findet sich keine derart explizite Regelung hinsichtlich des Ausschlusses von Angeboten beim Fehlen von Preisangaben. Dies wird wohl dadurch begründet, dass das Verhandlungsverbot in der VOF nicht gilt469 und es an einer Regelung zu zwingenden Angebotsinhalten in der VOF mangelt470. In der Literatur wird insoweit auf die Möglichkeit der Nachforderung verwiesen471 und dargelegt, dass diese unter Beachtung der vergaberechtlichen Grundprinzipien auch die Nachforderung von Preisangaben umfasst.472 Hieraus kann geschlossen werden, dass außerhalb der Nachforderung, die zudem noch den vergaberechtlichen Grundsätzen genügen muss, das Angebot beim Fehlen von Preisangaben auszuschließen ist. Dies scheint schon der vergaberechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zu erfordern, welcher zu einer vergleichbaren Bewertung der Angebote aller Bieter 465 VK Düsseldorf, 06.07.2011 – VK 11/2011; VK Sachsen-Anhalt, 16.05.2011 – 1 VK LSA 04/11. 466 VK Bund, 04.10.2011 – VK 1-120/11. 467 VK Bund, 23.12.2010 – VK 3-132/10. 468 Etwa: Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOB/A, § 16, Rn. 200, Stand: 23.09.2013. 469 So etwa Bulla/Schneider, VergabeR 2011, 664, 673: „Ein Nachverhandeln ist nicht verboten, sondern charakterisiert gerade das Verhandlungsverfahren nach öffentlicher Teilnahmeaufforderung.“ 470 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 48. 471 Müller-Wrede, in: ders., VOF, § 11, Rn. 30, 31; ebenso Bulla/Schneider, VergabeR 2011, 664, 673. 472 Müller-Wrede, in: ders., VOF, § 11, Rn. 31.
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D. Der Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe
zwingt.473 Eine solche ist beim Fehlen von Preisangaben in einzelnen Angeboten nicht möglich, da insoweit eine Anwendung der Wertungskriterien erforderlich ist.474 Diese kann nicht gewährleistet sein, wenn eine preisliche Bewertung aufgrund der Unvollständigkeit der Preisangaben ebenfalls unvollständig sein muss. Daher ist zunächst grundsätzlich von einem Ausschluss des Angebotes mit fehlenden Preisangaben auch im Rahmen der VOF auszugehen. Ebenso kann es nach der VOF erforderlich sein, über Preise aufzuklären, etwa um dem Gleichbehandlungsgrundsatz Rechnung zu tragen. Das OLG Düsseldorf hat dies für einen Fall entschieden, in dem eine Angabe von 0 A Preisen dahingehend verstanden werden konnte, dass der Bieter die Leistung zu eben jenem Preis erbringen wollte. Es hat insoweit festgestellt: „Ein unzulässiges Nachverhandeln des Angebots hätte darin nicht gelegen. Eine Aufklärung wäre insbesondere auch deshalb geboten gewesen, weil der Antragsgegner die mehrfache Preisangabe von 0 A im endgültigen Angebot der Beigeladenen zum Anlass genommen hat, darüber [. . .] aufzuklären und zwar zudem in einer Weise, die für die Beigeladene keinerlei Zweifel zuließ, welche Antwort sie zu geben hatte, um den drohenden Angebotsausschluss zu vermeiden. Der Antragsgegner hätte daher schon zur Wahrung des Gleichbehandlungsgebotes auch über das Angebot der Antragstellerin aufklären müssen.“ 475
Eine Nachforderung/Aufklärung selber muss, soweit diese erfolgt, an den genannten vergaberechtlichen Grundsätzen gemessen werden.
473 Grundsätzlich zur Anwendbarkeit in der VOF siehe Müller-Wrede, in: ders., § 2 VOF, Rn. 18: „Das Gleichbehandlungsgebot gilt in allen Phasen des Vergabeverfahrens.“ 474 Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 79. 475 OLG Düsseldorf, 07.11.2012 – VII-Verg 12/12.
E. Der Preis als Eignungskriterium Auf zweiter Wertungsebene wird die Eignung der Bieter durch die Auftraggeberin überprüft. Fraglich ist, inwieweit der Preis bei dieser Prüfung eine Rolle spielen kann. In Unterscheidung zur 4. Wertungsstufe (Wirtschaftlichkeitsprüfung) kann der Inhalt der Eignungsprüfung wie folgt festgelegt werden: „Die Eignungsprüfung ist eine unternehmensbezogene Untersuchung, mit der prognostiziert werden soll, ob ein Unternehmen nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung zur Ausführung des Auftrags in der Lage sein wird. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung bezieht sich dagegen nicht auf die konkurrierenden Unternehmen, sondern auf ihre Angebote.“ 1
I. Die Prüfung der Eignung und deren Anknüpfung zum Angebotspreis Prüfungspunkte der Eignung sind nach § 97 Abs. 4 S. 1 GWB Fachkunde, Leistungsfähigkeit, Gesetzestreue und Zuverlässigkeit. Dies wird in der VOB/A (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A), VOL/A (§ 6 Abs. 3 VOL/A) und VOF (§ 10 Abs. 1 VOF) ebenfalls bestätigt. Demnach kann die Geltung der zu treffenden Aussagen wohl für alle 3 Verdingungsordnungen angenommen werden. 1. Fachkunde Das Erfordernis der Fachkunde stellt auf die Kenntnisse des Bieters ab, die erforderlich sind, den Auftrag ordnungsgemäß durchzuführen.2 Ansatzpunkt sind demnach qualitative Fähigkeiten des Bieters. Ein Ansatz für die Verortung des Preises findet sich hier nicht. 2. Leistungsfähigkeit Die Leistungsfähigkeit stellt die Frage nach den Kapazitäten, die erforderlich sind, den Auftrag ordnungsgemäß zu erbringen.3 Als Kategorien werden hier etwa die Ausstattungen in technischer, kaufmännischer, personeller und finan1 Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, GWB, § 97, Rn. 809, Stand: 23.09.2013 mit Verweis auf umfangreiche Rechtsprechung. 2 Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 97; ebenso Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 113, der erweiternd von „Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten“ spricht. 3 Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 98.
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E. Der Preis als Eignungskriterium
zieller Hinsicht genannt.4 Ansatzpunkt dieser Prüfung ist gegenüber der Fachkunde die quantitative Befähigung des Bieters. Hinsichtlich der finanziellen Leistungsfähigkeit wird teilweise angenommen, dass sich diese aus den Preisangaben im Angebot ergibt. Die Vergabekammer Arnsberg hat in diesem Zusammenhang etwa judiziert: „Hinsichtlich der Wertung der finanziellen Leistungsfähigkeit ist einer Vergabestelle resp. einem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, den er nur im Fall ungewöhnlich niedriger Preise nach § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A prüfen muss.“ 5
Dieses Zitat erweckt den Eindruck, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit in einer Abhängigkeit zur Angemessenheit der Angebote steht. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr richtet sich die Prüfung der Leistungsfähigkeit auf den Bieter, im konkreten Fall etwa auf Liquiditätsprobleme oder Bonitätsindizes.6 3. Zuverlässigkeit Bei der Zuverlässigkeit handelt es sich um eine Prognose, ob der Bieter Gewähr dafür bieten kann, den Auftrag entsprechend seiner gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen.7 Die Prognose erfolgt anhand früherer Verträge.8 Die gesetzliche Pflicht umfasst insoweit auch die vollständige und richtige Angabe von Preisen in den Angeboten.9 Ein Anhaltspunkt für die Verankerung von Preisangaben des Bieters in der Eignungsprüfung ist daher die Zuverlässigkeit. Hier sollen drei Fallgestaltungen aufgezeigt werden, bei denen die Preisangaben im Zusammenhang mit der Zuverlässigkeit der Bieter eine Rolle spielen können. a) Spekulationsangebote10 Ein erster Fall, aus dem sich eine Unzuverlässigkeit ergeben kann, ist die Angabe von spekulativ überhöhten Einheitspreisen.11 Ansatz für eine solche Untersuchung ist der Fall, in dem Bieter für bestimmte Leistungspositionen mit besonders hohen Preisen, für andere Leistungspositionen mit besonderes niedrigen 4
Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 116. VK Arnsberg, B. v. 09.04.2009 – VK 05/09. 6 Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 116 unter Nennung weiterer Rechtsprechung (Fn. 446 und 447). 7 Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 99; ebenso Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 103. 8 Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 99. 9 Zur Pflicht der Preisangabe im Vergaberecht siehe etwa § 13 Abs. 3 VOL/A, 16 Abs. 3 VOL/A-EG und § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A. 10 Umfangreich hierzu Rohrmüller, VergabeR 2009, 327 ff. 11 Siehe hierzu insgesamt auch Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 89. 5
I. Die Prüfung der Eignung und deren Anknüpfung zum Angebotspreis
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Preisen kalkulieren und in diesem Zusammenhang auf diesbezügliche Massenminderungen oder -mehrungen spekulieren.12 Hierzu ist Rechtsprechung ergangen, die im Ergebnis eine Unzuverlässigkeit bejaht, wenn die Bieter ein erkannt fehlerhaftes Leistungsverzeichnis ohne Hinweis an den Auftraggeber ausnutzen, um sich mittels spekulativer Preisangaben einen Vorteil hinsichtlich der tatsächlich zu zahlenden Vergütung zu verschaffen.13 Auch in der Literatur wird teilweise festgestellt, dass solche spekulativen Angebote eine Unzuverlässigkeit des Bieters begründen.14 Zu beachten ist jedoch, dass diese Konstellation die Erwartung begründen muss, der Bieter könne die Leistung nicht ordnungs- und vertragsgerecht ausführen.15 Dies sei nur in Extremfällen gegeben,16 jedoch wird dies für den konkreten Fall bejaht.17 Insgesamt lässt sich wohl vertreten, dass ein Bieter, der einen Fehler in den Angebotsunterlagen erkennt und ohne Hinweis zu seinen Gunsten ausnutzt, trotz der Maßgabe, dass der Auftraggeber die Leistung vollständig beschreiben muss, wegen Unzuverlässigkeit ausgeschlossen werden kann.18 12 Rohrmüller, VergabeR 2009, 327, 338: „Ein Spekulationspreis ist [. . .] ein Preis, der nicht anhand der Vordersatzmenge, sondern in der Erwartung einer Mengenänderung kalkuliert wird, der also das Kalkül der Mengenänderung [. . .] in sich trägt“; Leinemann, VergabeR 2008, 346, 349, zugleich mit dem Hinweis, dass in diesem Zusammenhang gleichzeitig die Problematik der „Mischkalkulation“ virulent wird. 13 Siehe etwa: OLG Düsseldorf, 28.07.1993 – 22 U 55/93; BGH, 14.10.1993 – VII ZR 96/92; BayObLG, 18.09.2003 – Verg 12/03; OLG Brandenburg, 13.09.2005 – Verg W 9/05; OLG Nürnberg, 18.07.2007 – 1 U 970/07. 14 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 89; weitere Nennungen bei Rohrmüller, VergabeR 2008, 327, 332 f. 15 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 89. 16 So wohl auch Leinemann, VergabeR 2008, 346, 349, der auf die Risikoverteilung der Mengenermittlung verweist, die beim Auftraggeber liege, und somit für den Bieter keine Pflicht begründe, Unrichtigkeiten in Angeboten nicht zu seinen Gunsten im Sinne einer Spekulation auszunutzen; a. A. hierzu wohl das OLG Brandenburg, 13.09.2005 – Verg W 9/05; weitere Literaturmeinungen, die eine Unzuverlässigkeit insgesamt verneinen bei Rohrmüller, VergabeR 2008, 327, 332 f. 17 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 89. 18 Rohrmüller, VergabeR 2008, 327, 351 mit insgesamt umfangreicher Darstellung der Literatur und Rechtsprechung; die Argumentation rekurriert insbesondere auf § 162 BGB und § 241 Abs. 2 BGB; a. A. in jüngerer Zeit wohl OLG München, 04.04.2013 – Verg 4/13: „In der Ausnutzung von Fehlern im LV liegt auch nicht generell eine unlautere Verhaltensweise. Es besteht für den Bieter nach den Bewerbungsbedingungen keine Hinweispflicht auf Mängel des Leistungsverzeichnisses. Eine Hinweispflicht ergibt sich nur bei Unklarheiten. Das LV ist aber nicht unklar, da es eindeutig die Mengenvordersätze enthält. Soweit in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht worden ist, dass aus den Konstruktionsplänen klar ersichtlich sei, dass die Mengenvordersätze zu hoch seien, stellt sich schon die Frage, warum der Bieter schlauer zu sein hat als der öffentliche Auftraggeber, der als Vertragspartner nicht in seinem Lager steht. [. . .] Das Risiko für die Widerspruchsfreiheit der eigenen Vertragsunterlagen trägt aber in erster Linie derjenige, der die Unterlagen aufgestellt hat, und nicht derjenige, der sich um den Vertragsschluss bewirbt.“; a. A. etwa OLG München, 04.04.2013 – Verg 4/13; OLG Brandenburg, 10.12.2012, 6 U 172/12 (VergabeR 2013, 738).
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E. Der Preis als Eignungskriterium
b) Rechenfehler Ein weiterer Fall, in dem sich die Frage der Zuverlässigkeit stellen kann, ist der von Rechenfehlern der Bieter im Angebot. Das Handbuch für die Vergabe und Ausführung von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau19 führt zur Zuverlässigkeitsprüfung im Zusammenhang mit dem Preis unter Nr. 2.4 Abs. 25 aus: „Fällt ein Bieter wiederholt durch nicht zweifelsfreie Preiseintragungen oder erhebliche Rechenfehler in seinen Angeboten auf [. . .,] so dass das Angebot aus dem Wettbewerb ausgeschlossen werden muss, ist dieser Bieter abzumahnen und darüber zu informieren, dass er im Wiederholungsfalle wegen fehlender Zuverlässigkeit nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 VOB/A von der Wertung ausgeschlossen werden kann.“ 20
Demnach kann die wiederholte mangelnde Zweifelsfreiheit von Preisangaben Grundlage für eine mangelnde Eignung sein, wenn sie wiederholt, also mehrfach im Angebot oder in einer späteren Ausschreibung, auftritt. Jedoch ist hierzu, wie sich aus der Entscheidung ergibt („ist dieser Bieter abzumahnen und darüber zu informieren“), ein (Warn-)Hinweis an den Bieter erforderlich. Diese Maßgabe kann noch durch die Annahme einer Unzuverlässigkeit ergänzt werden, wenn hinsichtlich der Rechenfehler ein Indiz zugunsten der Vorsätzlichkeit dieser anzunehmen ist.21 Der BGH hat hierzu in einer zeitlich zurückliegenden Entscheidung judiziert, dass das absichtliche „einschmuggeln“ von Rechenfehlern einen Ausschluss auf der zweiten Wertungsstufe wegen mangelnder Zuverlässigkeit begründen könne.22 Erforderlich ist hierfür nach neuerer, dem BGH nachfolgender Rechtsprechung, dass das „Einschmuggeln“ der Rechenfehler bewusst erfolgt, was durch den Auftraggeber dargelegt werden muss.23 Kalkulationsfehler lassen hingegen einen Rückschluss auf fehlende Zuverlässigkeit nicht ohne weiteres zu.24 19 Handbuch für die Vergabe und Ausführung von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau HVA B-StB Ausgabe: April 2010/Fassung Februar 2011, herausgegeben Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Abteilung Straßenbau. 20 Handbuch für die Vergabe und Ausführung von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau HVA B-StB Ausgabe: April 2010/Fassung Februar 2011, herausgegeben Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Abteilung Straßenbau, Nr. 2.4 Abs. 25. 21 Ein Indiz sind etwa zahlreiche und typische Additionsfehler, siehe: Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 121 mit Verweis auf VK Arnsberg, 31.08.2001, VK-1 12/2001. 22 BGH, 14.10.1993 – VII ZR 96/92; BGH, 06.02.2002 – X ZR 185/99; Hertwig, Die Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe, Rn. 201 mit Verweis auf BGH, 14.10. 1993 – VII ZR 96/92. 23 BGH, 14.10.1993 – VII ZR 96/92; VK Bund, 04.07.2011 – VK 3-74/11; BGH, 06.02.2002 – X ZR 185/99; VK Baden-Württemberg, 29.06.2009 – 1 VK 27/09; Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 121. 24 Leinemann, VergabeR 2008, 346, 349 mit Verweis auf OLG Brandenburg, 13.09.2005 – Verg W 9/05.
I. Die Prüfung der Eignung und deren Anknüpfung zum Angebotspreis
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c) Höhe des Preises Die Höhe der Preise kann ebenfalls eine Unzuverlässigkeit begründen. Ein Beispiel ist die Angabe von „als wucherisch anzusehenden Phantasiepreis[en]“ durch den Bieter.25 Jedoch kann hierbei nicht schon das Fordern von überhöhten Preisen auf eine Unzuverlässigkeit hindeuten. So erkennt die VK Baden-Württemberg mit Bezug auf genannte Entscheidung der VK Bund: „Auch das Fordern eines überhöhten Preises im Rahmen eines Nachtragsangebots ist für sich alleine kein Grund, von einer Unzuverlässigkeit auszugehen. Anderes kann allenfalls dann gelten, wenn sich aufgrund besonderer Anhaltspunkte aufdrängt, dass ein Bieter ganz bewusst einen schon als wucherisch zu bezeichnenden Phantasiepreis nennt und er darauf spekuliert, die Vergabestelle werde diesen aus Nachlässigkeit nicht erkennen oder zur Kenntnis nehmen wollen.“ 26
Erforderlich scheint somit, dass über den hohen (oder auch niedrigen) Preis ein besonderer Anhaltspunkt gegeben ist, der die Zuverlässigkeit infrage stellt, etwa die Spekulation darauf, dass die Vergabestelle dies nicht erkennt. Entscheidend ist somit nicht die Höhe der Preise, sondern die dem Bieter nachzuweisende Absicht, die seine Zuverlässigkeit infrage stellt. Der Fall liegt hier ähnlich der Konstellation der Rechenfehler, die für sich genommen keinen Ausschluss begründen, sondern hierzu einen Vorsatz des Bieters erforderlich machen.27 Dies ergibt sich schon aus der Prüfung, welche hier die Eignung des Bieters und nicht das Angebot zu bewerten hat.28 Seine Grenzen findet die Feststellung der Ungeeignetheit daher jedenfalls in der Möglichkeit einer Prüfung und Bewertung der Preisangaben der Bieter. Dies lässt sich etwa anhand einer Rechtsprechung des OLG Frankfurt zeigen. Nach dieser reicht auch ein um 30% niedrigerer Preis gegenüber dem Preis welcher in einem vorhergehenden Dauerschuldverhältnis angeboten wurde, für sich noch nicht ohne Weiteres aus, um bereits die Unzuverlässigkeit und damit einen Ausschluss der Antragstellerin annehmen zu können.29 d) Gesetzliche Vorgaben Ein letztes Beispiel kann der Verstoß gegen gesetzliche Vorgaben hinsichtlich des Preises sein. Beispiele für diese Vorgaben sind bereits oben genannt worden.30 Soweit der Bieter gegen diese Vorgaben verstößt, kann er unter Umständen als unzuverlässig von der Teilnahme am Wettbewerb ausgeschlossen werden. 25
VK Bund, 02.11.2001 – VK 2-38/01. VK Baden-Württemberg, 21.11.2001 – 1 VK 37/01. 27 Siehe oben unter D. I. 3. b). 28 Die Angemessenheit der Preise wird auf dritter Wertungsstufe (siehe unten unter E.), die Wirtschaftlichkeit der Preise auf vierter Wertungsstufe (siehe unten unter F.) geprüft. 29 OLG Frankfurt, 07.09.2004 – 11 Verg 11/04 und 12/04. 30 Siehe oben unter D. I. 5. b) aa) (3). 26
136
E. Der Preis als Eignungskriterium
Zu beachten ist jedoch, dass es sich auf der zweiten Stufe um eine bieterbezogene Prüfung handelt. Daher müsste für eine Unzuverlässigkeit wohl ein subjektives Element, vergleichbar dem Vorsatz des Falles eines wucherischen Preis von oben,31 dazukommen, um die Unzuverlässigkeit zu bejahen. Dies wäre vom Bieter auch für einen Ausschluss nachzuweisen. 4. Gesetzestreue Die Gesetzestreue wird als weiteres Merkmal in der Aufzählung des § 97 Abs. 4 GWB aufgeführt. Jedoch wird ihr inhaltlich kein über das Merkmal der „Zuverlässigkeit“ hinausgehender Regelungsgehalt zugesprochen.32 Daher ist eine genauere Untersuchung des Merkmals hier nicht erforderlich.
II. Durchführung der Eignungsprüfung und Grenzen Zu beachten ist, dass im Rahmen der Eignungsprüfung ein Ausschluss nur aufgrund gesicherter Erkenntnisse erfolgen darf.33 Im Zusammenhang mit der Eignung können daher Nachweise von den Bietern verlangt werden, die bereits in der Bekanntmachung zu nennen sind.34 Darüber hinaus ist bei einer Untersuchung, insbesondere im Zusammenhang mit der Überprüfung der Zuverlässigkeit, noch das Verhalten des Bieters in der Vergangenheit zu berücksichtigen.35 Eine Grenze der Eignungsprüfung ergibt sich aus den Inhalten der Prüfungen der anderen Prüfungsstufen. Deren Prüfungs- und Regelungsinhalt darf in einer Eignungsprüfung insoweit nicht abgenommen werden. Daher kann sich die vorliegende Eignungsprüfung nicht mit den Inhalten der dargestellten Prüfung überschneiden.
31 VK Baden-Württemberg, 21.11.2001 – 1 VK 37/01: „Anderes kann allenfalls dann gelten, wenn sich aufgrund besonderer Anhaltspunkte aufdrängt, dass ein Bieter ganz bewusst einen schon als wucherisch zu bezeichnenden Phantasiepreis nennt.“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 32 Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 100; ebenso Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 123. 33 Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 120 mit Verweis auf BGH, 26.10.1999 – X ZR 30/89. 34 Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 120. 35 Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 120.
F. Die Angemessenheit der Preise und der Ausschluss von unangemessenen Niedrig- und Hochpreisangeboten Auf der dritten Wertungsstufe ist die Angemessenheit der Preise durch den Auftraggeber festzustellen. Diese Prüfung wird durch § 16 Abs. 6 Nr. 1 VOB/A und VOB/A-EG bzw. § 19 Abs. 6 VOL/A-EG und § 16 Abs. 6 VOL/A vorgegeben.
I. Wortlaut der Regelungen, Systematik und Begründungen Zunächst soll der Wortlaut der §§ 16 Abs. 6 Nr. 1 VOB/A und VOB/A-EG bzw. § 19 Abs. 6 VOL/A-EG und § 16 Abs. 6 VOL/A sowie die Begründung für die Angemessenheitsprüfung dargestellt werden. 1. Wortlaut der nationalen und europäischen Regelungen Maßgeblich zur Vorbereitung weiterer Prüfungen sind die verschiedenen Gesetzeswortlaute: – § 16 Abs. 6 VOB/A: 1. Auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis darf der Zuschlag nicht erteilt werden. 2. Erscheint ein Angebotspreis unangemessen niedrig und ist anhand vorliegender Unterlagen über Preisermittlung die Angemessenheit nicht zu beurteilen, ist in Textform vom Bieter Aufklärung über die Ermittlung der Preise für die Gesamtleistung oder für Teilleistungen zu verlangen, gegebenenfalls unter Festlegung einer zumutbaren Antwortfrist. Bei Beurteilung der Angemessenheit sind die Wirtschaftlichkeit des Bauverfahrens, die gewählten technischen Lösungen oder sonstige günstige Ausführungsbedingungen zu berücksichtigen.
– § 16 Abs. 6 VOB/A EG: 1. Auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis darf der Zuschlag nicht erteilt werden. 2. Erscheint ein Angebotspreis unangemessen niedrig und ist anhand vorliegender Unterlagen über die Preisermittlung die Angemessenheit nicht zu beurteilen, ist vor Ablehnung des Angebots vom Bieter in Textform Aufklärung über die Ermittlung der Preise für die Gesamtleistung oder für Teilleistungen zu verlangen, gegebenenfalls unter Festlegung einer zumutbaren Antwortfrist. Bei der Beurteilung der Angemessenheit prüft der Auftraggeber – in Rücksprache mit dem Bieter – die betreffende Zusammensetzung und berücksichtigt dabei die gelieferten Nachweise.
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F. Die Angemessenheit der Preise
3. In die engere Wahl kommen nur solche Angebote, die unter Berücksichtigung rationellen Baubetriebs und sparsamer Wirtschaftsführung eine einwandfreie Ausführung einschließlich Haftung für Mängelansprüche erwarten lassen.
– § 16 Abs. 6 VOLA/und § 19 Abs. 6 VOL/A-EG haben den gleichen Wortlaut: Erscheint ein Angebot im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig, verlangen die Auftraggeber vom Bieter Aufklärung. Auf Angebote, deren Preise in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung stehen, darf der Zuschlag nicht erteilt werden.
– § 27 Abs. 1 und 2 SektVO1 (1) Erscheint der Endpreis eines Angebotes ungewöhnlich niedrig, hat der Auftraggeber vor Ablehnung dieses Angebots dessen Merkmale zu prüfen. Zu diesem Zweck kann er vom Unternehmen die erforderlichen Belege verlangen und mit dem Unternehmen Rücksprache halten. Die Prüfung kann insbesondere betreffen: [. . .] (2) Nach der Prüfung der Angebote sind die im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Angebote auszuschließen.
Beachtenswert sind auf den ersten Blick zunächst die Unterschiede des Wortlautes der Regelungen von VOL/A und VOB/A. Die VOB/A spricht davon, dass auf Angebote mit unangemessen hohen und niedrigen Preisen der Zuschlag nicht erteilt werden darf. Die VOL/A untersagt dagegen, dass auf Angebote, deren Preis in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung steht, der Zuschlag erteilt wird. Zusätzlich zu den Begriffen „Angemessenheit“ und „Missverhältnis von Preis und Leistung“ soll hier der Begriff der „Auskömmlichkeit“ erwähnt werden, der in der Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Prüfung der § 16 Abs. 6 Nr. 1 VOB/A bzw. § 19 Abs. 6 VOL/A-EG und § 16 Abs. 6 VOL/A häufig gebraucht wird,2 jedoch in den Vergabe- und Vertragsordnungen keinen Niederschlag gefunden hat. – Art. 55 VKR und Art. 57 SKR Eine Vorgabe auf europäischer Ebene zur Prüfung der Angemessenheit findet sich bei der VKR3 in Art. 55 und in der SKR4 in Art. 57. Der Wortlaut der bei1 Verordnung über die Vergabe von Aufträgen im Bereich des Verkehrs, der Trinkwasserversorgung und der Energieversorgung (Sektorenverordnung – SektVO) vom 23.09.2009, BGBl. I S. 3110. 2 Beispielhaft: VK Schleswig-Holstein, 06.06.2007 – VK-SH 10/07; VK Südbayern, 31.05.2011 – Z3-3-3194-1-11-03/11; VK Sachsen, 09.03.2012 – 1/SVK/003-12; VK Bund, 22.04.2002 – VK 2-08/02; VK Bund, 04.07.2011 – VK 2- 61/11; VK Bund, 09.05.2005 – VK 2-20/05. 3 Richtlinie 2004/18/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge, Amtsblatt der Europäischen Union L 134/114, 30.04.2004.
I. Wortlaut der Regelungen, Systematik und Begründungen
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den Normen ist fast identisch, daher sei hier beispielhaft der Wortlaut des Art. 55 VKR wiedergegeben: „(1) Erwecken im Fall eines bestimmten Auftrags Angebote den Eindruck, im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrig zu sein, so muss der öffentliche Auftraggeber vor Ablehnung dieser Angebote schriftlich Aufklärung über die Einzelposten des Angebots verlangen, wo er dies für angezeigt hält. Die betreffenden Erläuterungen können insbesondere Folgendes betreffen: [. . .] (2) Der öffentliche Auftraggeber prüft – in Rücksprache mit dem Bieter – die betreffende Zusammensetzung und berücksichtigt dabei die gelieferten Nachweise. (3) Stellt der öffentliche Auftraggeber fest, dass ein Angebot ungewöhnlich niedrig ist, weil der Bieter eine staatliche Beihilfe erhalten hat, so darf er das Angebot allein aus diesem Grund nur nach Rücksprache mit dem Bieter ablehnen, sofern dieser binnen einer von dem öffentlichen Auftraggeber festzulegenden ausreichenden Frist nicht nachweisen kann, dass die betreffende Beihilfe rechtmäßig gewährt wurde. Lehnt der öffentliche Auftraggeber ein Angebot unter diesen Umständen ab, so teilt er dies der Kommission mit.“
Im Zusammenhang mit diesem Wortlaut fallen zwei Merkmale der Regelung auf: 1. Die Regelungen der SKR und VKR betreffen nach dem Wortlaut nur Angebote, „die den Eindruck [erwecken], im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrig zu sein“. Von ungewöhnlich hohen Angeboten ist insoweit nicht die Rede.5 2. Die Regelungen der SKR und VKR setzen einen Ausschluss wegen eines Angebots, das „den Eindruck [erweckt], im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrig zu sein“, voraus. Eine Regelung, die einen Ausschluss extra normiert, findet sich im Gegensatz zu den nationalen Regelungen6 insoweit nicht. Jedoch ist dem Umkehrschluss, dass ein Ausschluss nach erfolgter Prüfung nach Abs. 1 und Abs. 2 mit dem Ergebnis des „ungewöhnlich niedrigen Angebotes“ zwingend ist, zuzustimmen. Es ist schwer vorstellbar, dass der betreffende Arti4 Richtlinie 2004/17/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste, Amtsblatt der Europäischen Union L 134/1, 30.04.2004. 5 Etwa § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) VOB/A: „[Auszuschließen sind] Angebote, die den Bestimmungen des § 13 Abs. 1 Nr. 1, 2, und 5 nicht entsprechen.“ Und § 16 Abs. 3 lit. a): „[Auszuschließen sind] Angebote, die nicht die geforderten Erklärungen und Nachweise enthalten.“ 6 § 16 Abs. 6 Nr. 1 VOB/A: „Auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis darf der Zuschlag nicht erteilt werden“; § 16 Abs. 6 S. 2 VOLA/und § 19 Abs. 6 S. 2 VOL/A-EG: „Auf Angebote, deren Preise in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung stehen, darf der Zuschlag nicht erteilt werden.“; § 27 Abs. 2 SektVO: „Nach der Prüfung der Angebote sind die im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Angebote auszuschließen.“
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F. Die Angemessenheit der Preise
kel nur eine Prüfung ohne Rechtsfolge anordnet. Auch ist die Möglichkeit des Ausschlusses im Wortlaut der Regelungen genannt. Daher ist die nationale Regelung des Ausschlusses von ungewöhnlich niedrigen Angeboten folgerichtig. – Richtlinie 2014/24/EU7 Wesentliche Regelungen der aktuellen Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die öffentliche Auftragsvergabe finden sich in Art. 69: „(1) Die öffentlichen Auftraggeber schreiben den Wirtschaftsteilnehmern vor, die im Angebot vorgeschlagenen Preise oder Kosten zu erläutern, wenn diese im Verhältnis zu den angebotenen Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen ungewöhnlich niedrig erscheinen. (2) Die Erläuterungen im Sinne des Absatzes 1 können sich insbesondere auf Folgendes beziehen: a) die Wirtschaftlichkeit des Fertigungsverfahrens, der Erbringung der Dienstleistung oder des Bauverfahrens; b) die gewählten technischen Lösungen oder alle außergewöhnlich günstigen Bedingungen, über die der Bieter bei der der Lieferung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistung sowie der Durchführung der Bauleistungen beziehungsweise der Waren verfügt; c) die Originalität der Bauleistungen, der Lieferungen oder der Dienstleistungen wie vom Bieter angeboten; d) die Einhaltung der in Artikel 18 Absatz 2 genannten Verpflichtungen; e) die Einhaltung der in Artikel 71 genannten Verpflichtungen; f) die Möglichkeit für den Bieter, staatliche Hilfe zu erhalten. (3) Der öffentliche Auftraggeber bewertet die beigebrachten Informationen mittels einer Rücksprache mit dem Bieter. Er kann das Angebot nur dann ablehnen, wenn die beigebrachten Nachweise das niedrige Niveau des vorgeschlagenen Preises beziehungsweise der vorgeschlagenen Kosten unter Berücksichtigung der in Absatz 2 genannten Faktoren nicht zufriedenstellend erklären. Die öffentlichen Auftraggeber lehnen das Angebot ab, wenn sie festgestellt haben, dass das Angebot ungewöhnlich niedrig ist, weil es den geltenden Anforderungen gemäß Artikel 18 Absatz 2 nicht genügt. (4) Stellt der öffentliche Auftraggeber fest, dass ein Angebot ungewöhnlich niedrig ist, weil der Bieter eine staatliche Beihilfe erhalten hat, so darf er das Angebot allein aus diesem Grund nur nach Rücksprache mit dem Bieter ablehnen, sofern dieser binnen einer von dem öffentlichen Auftraggeber festzulegenden ausreichenden Frist nicht nachweisen kann, dass die betreffende Beihilfe mit dem Binnenmarkt im Sinne 7 Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/ 18/EG; die Bekanntmachung ist der Einreichung der Arbeit als Dissertation zeitlich nachgelagert, daher war diese nicht Teil der Bewertung sondern dient der Aktualisierung vor Druck und Veröffentlichung dieser.
I. Wortlaut der Regelungen, Systematik und Begründungen
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des Artikels 107 AEUV vereinbar war. Lehnt der öffentliche Auftraggeber ein Angebot unter diesen Umständen ab, so teilt er dies der Kommission mit. (5) [. . .]“
Trotz unterschiedlichen Wortlautes zur Vorgängerrichtlinie scheinen die Ergebnisse der Arbeit im Folgenden der Regelung nicht zu widersprechen. Jedoch beruht die nachfolgende Darstellung im Wesentlichen auf der deutschen Umsetzung der Richtlinie 2004/18/EG in die VOB/A, VOL/A, VOF und das GWB. 2. Wortlaut der Regelungen der Bundesländer Teilweise haben die Länder eigene Regelungen zur Angemessenheit erlassen. Diese finden sich etwa im Niedersächsischen Landesvergabegesetz in § 5,8 im Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz in § 3,9 im Brandenburgischen Vergabegesetz in § 7,10 im Bremischen Tariftreue- und Vergabegesetz in § 14,11 im 8 Niedersächsisches Landesvergabegesetz (LVergabeG) vom 15. Dezember 2008: „Die Vergabestelle kann die Kalkulation eines unangemessen niedrigen Angebots, auf das der Zuschlag erteilt werden könnte, überprüfen; bei einer Abweichung von mindestens 10 vom Hundert vom nächst höheren Angebot ist sie hierzu verpflichtet. Im Rahmen dieser Überprüfung sind die Bieter verpflichtet, die ordnungsgemäße Kalkulation nachzuweisen. Kommt der Bieter dieser Verpflichtung innerhalb einer vom Auftraggeber festgesetzten Frist nicht nach, so ist er vom weiteren Verfahren ausgeschlossen.“ 9 Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz (BerlAVG) vom 08.07.2010 (GVBl. S. 399 vom 22.07.2010), zuletzt geändert durch das Erste Gesetz zur Änderung des Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetzes vom 05.06.2012 (GVBl. S. 159 vom 16.06.2012), § 3: „Bei begründeten Zweifeln an der Angemessenheit des Angebots kann die Vergabestelle sich dazu von dem Bieter die Kalkulationsunterlagen vorlegen lassen. Begründete Zweifel im Sinne von Satz 1 können insbesondere dann vorliegen, wenn der angebotene Preis mindestens zehn Prozent unter dem nächsthöheren Angebot oder dem Schätzpreis der Vergabestelle liegt. Kommt der Bieter innerhalb der von der Vergabestelle festgelegten Frist dieser Vorlagepflicht nicht nach, so ist er von dem weiteren Verfahren ausgeschlossen.“ 10 Brandenburgisches Gesetz über Mindestanforderungen für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen (Brandenburgisches Vergabegesetz – BbgVergG) vom 21. September 2011 (GVBl. I Nr. 19), § 7: „(1) [. . .] 3Erscheint ein Angebot unangemessen niedrig, so hat der Auftraggeber das Angebot vertieft zu prüfen. 4Die Prüfung erfolgt nach den Bestimmungen des vom Auftraggeber einzuhaltenden Vergaberechts. 5Jede Vergabeentscheidung ist schriftlich zu begründen. (2) 1Eine vertiefte Prüfung ist bei Aufträgen über Bauleistungen ab einem Auftragswert von 10 000 Euro ohne Umsatzsteuer durchzuführen, wenn die rechnerisch geprüfte Angebotssumme um 10 Prozent oder mehr von der eines anderen für den Zuschlag in Betracht kommenden Angebots abweicht. 2Liegt nur ein Angebot vor, erfolgt eine vertiefte Prüfung, sofern das Angebot von der Kostenberechnung abweicht. 3Eine Kostenberechnung muss nicht allein für Zwecke des Satzes 2 angefertigt werden. (3) 1Der Bieter ist für den Fall einer vertieften Prüfung zu verpflichten, seine Kalkulation zumindest im Hinblick auf die Arbeitsentgelte einschließlich der Überstundenzuschläge und der veranschlagten Arbeitsstunden vorzulegen. 2Der Bieter ist in Textform zur Vorlage und zur Stellungnahme binnen einer angemessenen Frist aufzufordern. 3 Kommt der Bieter der Aufforderung nicht fristgerecht nach oder kann er die Zweifel
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F. Die Angemessenheit der Preise
Hamburgischen Vergabegesetz in § 6,12 im Vergabegesetz Mecklenburg-Vorpommern in § 6,13 im Tariftreue- und Vergabegesetz NRW in § 10,14 im Gesetz über des Auftraggebers an seiner Möglichkeit, die vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen, nicht beseitigen, so ist sein Angebot auszuschließen.“ 11 Bremisches Gesetz zur Sicherung von Tariftreue, Sozialstandards und Wettbewerb bei öffentlicher Auftragsvergabe (Tariftreue- und Vergabegesetz TtVG) vom 01.12. 2009, § 14: „(1) Erscheint ein Angebot, auf das der Zuschlag erteilt werden könnte, im Hinblick auf die Lohnkalkulation unangemessen niedrig, so hat der öffentliche Auftraggeber das Angebot vertieft zu prüfen. Dies gilt unabhängig von der nach Teil A der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen und Teil A der Verdingungsordnung für Leistungen vorgegebenen Prüfung unangemessen niedrig erscheinender Angebote. (2) Eine vertiefte Prüfung ist durchzuführen, wenn die Lohnkalkulation der rechnerisch geprüften Angebotssumme um mindestens 20 Prozent unter der Kostenschätzung des Auftraggebers liegt oder um mehr als 10 Prozent von der des nächst höheren Angebotes abweicht. Der Bieter ist im Fall einer vertieften Prüfung verpflichtet, seine Urkalkulation im Hinblick auf die Entgelte, einschließlich der Überstundenzuschläge, vorzulegen. (3) Kommt der Bieter der Verpflichtung nach Absatz 2 nicht nach oder kann er die begründeten Zweifel des öffentlichen Auftraggebers an seiner Absicht, die Verpflichtungen nach § 9 Absatz 1, § 10 Absatz 1, § 11, § 12 und § 13 zu erfüllen, nicht beseitigen, so wird sein Angebot ausgeschlossen.“ 12 Hamburgisches Vergabegesetz (HmbVgG) vom 13. Februar 2006, Stand: 27.04. 2010, § 6: „Weicht ein Angebot für die Erbringung von Bauleistungen, auf das der Zuschlag erteilt werden könnte, um mindestens 10 v. H. vom nächst höheren Angebot ab, so hat der Auftraggeber die Kalkulation des Angebots zu überprüfen. Im Rahmen dieser Überprüfung sind die Bieter verpflichtet, die ordnungsgemäße Kalkulation nachzuweisen. Kommen die Bieter dieser Verpflichtung nicht nach, so kann der Auftraggeber sie vom weiteren Vergabeverfahren ausschließen.“ 13 Vergabegesetz Mecklenburg-Vorpommern VgG M-V Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge in Mecklenburg-Vorpommern (Vergabegesetz Mecklenburg-Vorpommern – VgG M-V) vom 7. Juli 2011, § 6: „(1) Auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis darf der Zuschlag nicht erteilt werden. (2) Zweifel an der Angemessenheit niedriger Preise ergeben sich insbesondere, wenn die Angebotssummen – eines oder einiger weniger Bieter erheblich geringer sind als die der übrigen oder – erheblich von der aktuell zutreffenden Preisermittlung des Auftraggebers abweichen. Solche Zweifel sind grundsätzlich bei einer Abweichung von 10 vom Hundert oder mehr anzunehmen. (3) Insbesondere darf der Zuschlag nicht erteilt werden auf Unterkostenangebote, – die in der zielgerichteten Absicht abgegeben werden oder zumindest die Gefahr begründen, dass ein oder mehrere bestimmte Mitbewerber vom Markt vollständig verdrängt werden oder – die im konkreten Einzelfall den Bieter selbst in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen, sodass er den Auftrag nicht vertragsgerecht durchführen kann.“ 14 Gesetz über die Sicherung von Tariftreue und Sozialstandards sowie fairen Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (Tariftreue- und Vergabegesetz NordrheinWestfalen – TVgG – NRW) vom 10. Januar 2012, § 10: „(1) Erscheint bei einem Angebot über Leistungen im Sinne von § 2 der Endpreis oder die Kalkulation der Arbeitskosten in dem Sinne ungewöhnlich niedrig, dass Zweifel an der Einhaltung der Pflichten aus einer Verpflichtungserklärung nach § 4 bestehen, so hat der öffentliche Auftraggeber das Angebot insbesondere unter diesem
I. Wortlaut der Regelungen, Systematik und Begründungen
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die Vergabe öffentlicher Aufträge und zur Sicherung von Sozialstandards und Tariftreue im Saarland in § 5,15 in der Sächsischen Vergabedurchführungsverordnung in § 616 und im Thüringer Vergabegesetz in § 1417.
Aspekt entsprechend den Vorgaben in § 16 VOB/A oder § 16 VOL/A, bei Aufträgen im Anwendungsbereich des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auch oberhalb der EU-Schwellenwerte gemäß § 1 Absatz 2 Sektorenverordnung vom 23. September 2009 (BGBl. I S. 3110), geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 7. Juni 2010 (BGBl. I S. 724), nach den Vorgaben des § 27 Absatz 1 Sektorenverordnung zu prüfen. (2) Für den Fall einer Prüfung nach Absatz 1 ist der Bieter in Textform zu verpflichten, Unterlagen vorzulegen und diese bei Bedarf zu erläutern, aus denen ersichtlich ist, dass im Rahmen des Angebotes wenigstens die Mindeststundenentgelte und -arbeitsbedingungen bzw. der vergabespezifische Mindestlohn nach § 4 der Kalkulation zugrunde gelegt worden sind. (3) Kommt der Bieter dieser Verpflichtung nicht nach oder kann er nach Prüfung aller vom Bieter vorgebrachten Erläuterungen das Missverhältnis zwischen Leistung und Preis nicht stichhaltig erklären, so ist sein Angebot von der Wertung auszuschließen. Bei öffentlichen Aufträgen im Geltungsbereich des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes ist die Zollverwaltung des Bundes (Finanzkontrolle Schwarzarbeit) über den Ausschluss und den Grund des Ausschlusses zu unterrichten. (4) Öffentliche Auftraggeber können unter den Voraussetzungen des § 21 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz vom 23. Juli 2004 (BGBl. I S. 1842), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 22. April 2009 (BGBl. I S. 818), und des § 21 Arbeitnehmer-Entsendegesetz bei der Zollverwaltung des Bundes (Finanzkontrolle Schwarzarbeit) Auskünfte über die Bieter einholen.“ 15 Gesetz Nr. 1798 über die Sicherung von Sozialstandards, Tariftreue und Mindestlöhnen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge im Saarland (Saarländisches Tariftreuegesetz – STTG) vom 6. Februar 2013, § 5: „Bei begründeten Zweifeln an der Angemessenheit des Angebots kann die Vergabestelle sich dazu von dem Bieter der engeren Wahl die Kalkulationsunterlagen vorlegen lassen. Kommt der Bieter der engeren Wahl innerhalb der von der Vergabestelle festgelegten Frist dieser Vorlagepflicht nicht nach, ist er von dem weiteren Verfahren auszuschließen.“ 16 Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge im Freistaat Sachsen (Sächsisches Vergabegesetz – SächsVergabeG) vom 14. Februar 2013, § 5: „(1) Die Prüfung und Wertung der Angebote sind sorgfältig und zügig anhand des Prüfschemas zur Wertung von Angeboten (Anlage 1) durchzuführen. Der Zuschlag ist auf das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Der niedrigste Angebotspreis allein ist nicht entscheidend. (2) Auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis darf der Zuschlag nicht erteilt werden. Die Angemessenheit des Preises ist insbesondere dann zweifelhaft, wenn ein Angebot um mehr als 10 Prozent von dem nächsthöheren oder nächstniedrigeren Angebot abweicht. Die Gründe für die Abweichung sind vom Auftraggeber aufzuklären. Im Rahmen dieser Aufklärung ist der Bieter verpflichtet, seine Preisermittlung gegenüber dem Auftraggeber darzulegen.“ 17 Thüringer Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Thüringer Vergabegesetz –ThürVgG –) vom 18. April 2011, § 14: „(1) Der Auftraggeber hat ungewöhnlich niedrige Angebote, auf die der Zuschlag erfolgen soll, zu überprüfen. Dies gilt unabhängig von der nach Teil A der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen und Teil A der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen vorgegebenen Prüfung unangemessen niedrig erscheinender Angebote. (2) Weicht ein Angebot für die Erbringung von Bau- oder Dienstleistungen, auf das der Zuschlag erteilt werden könnte, um mindestens zehn vom Hundert vom nächsthöheren Angebot ab, so hat der Auftraggeber die Kalkulation des Angebots zu überprüfen. Im Rahmen dieser Überprüfung ist der Bieter ver-
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F. Die Angemessenheit der Preise
3. Unangemessene Preise entsprechen offenbarem Missverhältnis Hinsichtlich des Wortlautes der Regelung zur Angemessenheitsprüfung unterscheiden sich VOL/A und VOB/A. Die VOL/A spricht vom Fall eines „offenbaren Missverhältnisses“ des Preises zur Leistung, bei dem ein Angebot nicht bezuschlagt werden darf. Die VOB/A spricht hingegen von „unangemessenen Angeboten“, auf die ein Zuschlag nicht erteilt werden darf. Die beiden Begrifflichkeiten werden in der Kommentarliteratur, soweit ersichtlich, synonym benutzt.18 Dies erscheint sinnvoll, da die Prüfung beider Tatbestandsmerkmale den gleichen Inhalt hat. Prüfungsgegenstand ist das Verhältnis von Preis zu Leistung, so etwa ausdrücklich bezeichnet in der VOL/A19. In der VOB/A ist ein solcher Bezug des (unangemessenen) Preises zur Leistung nicht ausdrücklich genannt. Jedoch ist der Preis die Bezugsgröße zu einer anderen Leistung, die als solche nicht absolut denkbar ist.20 Daher ist auch hier der Bezug zur Leistung gegeben, womit sich die beiden Begrifflichkeiten in ihrem Inhalt entsprechen. 4. Systematik hinsichtlich der Prüfungsstufe Systematisch wird die Prüfung der Angemessenheit der Preise auf der 3. Wertungsstufe zwischen der Eignung und der Wertung der Angebote eingeordnet.21 5. Erläuterungen zur VOL/A/Hinweise zur VOB/A Zu den Regelungen finden sich einige Begründungen bzw. Hinweise der erlassenden Organe.
pflichtet, die ordnungsgemäße Kalkulation nachzuweisen. Kommt der Bieter dieser Verpflichtung auch nach Aufforderung des Auftraggebers nicht nach, so ist er vom weiteren Vergabeverfahren auszuschließen.“ 18 Etwa Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 218, 219, wo im Rahmen der VOL/A die Begriffe des unangemessenen niedrigen und hohen Preises kommentiert werden, nicht hingegen das offenbare Missverhältnis; ebenso Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, § 16 VOL/A, Rn. 667 und f. Stand: 23.09.2013, wo ebenfalls die „Angemessenheit“ der Preise kommentiert wird; in die Gegenrichtung ebenfalls Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, § 16 VOB/A, Rn. 705, Stand: 23.09.2013 wo als Beispiele für die Vermutung eines unangemessen niedrigen Preises Rechtsprechung beschrieben wird, die ein „offenbares Missverhältnis“ von Preis und Leistung zum Gegenstand hat; siehe letztlich auch Varva, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 2, Rn. 18, wo die Unangemessenheit durch ein offenbares Missverhältnis begründet wird. 19 „deren Preise in offenbarem Missverhältnis zu Leistung stehen“. 20 Siehe etwa Gablers Wirtschaftslexikon, S. 2401: Der „Preis bezeichnet den in Geldeinheiten ausgedrückten Tauschwert eines Gutes.“ 21 Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 1.
II. Schutzzweck
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a) Erläuterungen zur VOL/A 2009 nach Anhang IV – § 16 Abs. 6 Satz 2 VOL/A In den Erläuterungen zur VOL/A 2009 (Anhang IV) findet sich zu § 16 Abs. 6 S. 2 VOL/A folgender Hinweis: „Ein offenbares Missverhältnis zwischen Preis und Leistung ist nur dann anzunehmen, wenn der Preis von den Erfahrungswerten wettbewerblicher Preisbildung so grob abweicht, dass dies sofort ins Auge fällt. Die Vergabestelle wird in ihre Abwägung, ob ein offenbares Missverhältnis vorliegt, alle Erkenntnisse zur Beurteilung des Preis/Leistungsverhältnisses im Einzelfall einbeziehen.“
Zu § 19 Abs. 6 S. 2 VOL/A-EG finden sich keine besonderen Begründungen, jedoch kann aufgrund des identischen Wortlautes zur Regelung der VOL/A davon ausgegangen werden, dass die Erläuterung insoweit ebenso gilt. Hierdurch wird die Durchführung der Prüfung genauer dargestellt. b) Hinweis zu § 16 Abs. 6 VOB/A Die „Hinweise für die Vergabe- und Vertragsordnungen für Bauleistungen“ zu den Abschnitten 2 und 3, Ausgabe 2012 enthalten zu § 16 Abs. 6 VOB/A EG nur den Hinweis einer erfolgten sprachlichen Anpassung. In den „Hinweisen für die Vergabe- und Vertragsordnungen für Bauleistungen“ zur VOB/A 2009 lässt sich kein Hinweis zur Regelung des § 16 Abs. 6 VOB/A finden. Auch in den „Hinweisen für die Vergabe- und Vertragsordnungen für Bauleistungen“ zur VOB/A 2006 und den „Hinweisen für die Vergabe- und Vertragsordnungen für Bauleistungen (VOB)“ zur VOB/A 2002 lassen sich, bis auf den Hinweis der Einfügung einer Zulässigkeitsregelung zugunsten von niedrigen Angeboten, die sich durch eine staatlichen Beihilfe ergeben, keine Begründungen für diese Regelung finden. Ebenfalls finden sich in den „Hinweisen für die Vergabe- und Vertragsordnungen für Bauleistungen“ zur VOB/A 2009 keine weiteren Begründungen zu der Regelung.
II. Schutzzweck Eine wesentliche Diskussion in vorliegendem Zusammenhang ist der Schutzzweck der Reglungen über angemessene Preise. 1. Schutz des Wettbewerbs Zunächst könnte als Schutzzweck der Schutz des Wettbewerbs angenommen werden. In der Literatur wird ausgeführt, dass sich die Angemessenheit der Preise aus dem Wettbewerbsprinzip folgern lasse.22 Hiernach dürften die Preise 22
Varva, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 2, Rn. 18.
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F. Die Angemessenheit der Preise
nicht in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung stehen, was sowohl bei sehr hohen als auch sehr niedrigen Preisen der Fall sein könne.23 Begründet wird der Ausschluss von unangemessen niedrigen Angeboten in der Folge mit der Störung des Wettbewerbs durch unangemessen niedrige Preise.24 In die gleiche Richtung dürfte der durch die Rechtsprechung festgestellte Ausschluss von Angeboten gehen, der sich auf Unterkostenangebote bezieht, die in der Absicht abgegeben werden, andere Marktteilnehmer zu verdrängen.25 Auch ein Ausschluss mit der Begründung, ein Angebot sei wegen einem niedrigen Preis undurchführbar, und Mitbewerber seien in der Folge nach Feststellung der Undurchführbarkeit während des Auftrages „nicht mehr in der Lage [. . .], den Auftrag weiter auszuführen“, etwa weil sie die hierfür erforderlichen Ressourcen anderweitig verplant haben,26 folgt dieser Argumentationsrichtung zugunsten des Schutzes der Wettbewerber/des Wettbewerbs. 2. Schutz des öffentlichen Haushalts/sparsame Haushaltsführung In Literatur27 und Rechtsprechung28 wird demgegenüber zunächst die Schutzwirkung der Prüfung auf unangemessene Angebote bzw. Angebote mit offensichtlichem Missverhältnis von Preis und Leistung zugunsten des Auftraggebers angenommen. Unangemessen hohe oder niedrige Angebote bzw. Angebote, deren Preise in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen, sind von der Prüfung auszuschließen.29 Begründet werden kann dies mit dem Schutz des öffentlichen Haushalts. Unangemessen hohe Preise widersprächen nach dieser Argumentation dem Grundsatz der sparsamen Haushaltsführung.30
23
Varva, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 2, Rn. 18. Varva, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 2, Rn. 18. 25 Müller-Wrede, VergabeR 2011, 46 unter Nennung von OLG Düsseldorf, 04.09.2002 – Verg 37/02; OLG München, 21.05.2010 – Verg 02/10; OLG Düsseldorf, 25.02.2009 – Verg 6/09 und 29.09.2008 – Verg 50/08; OLG Koblenz, 26.10.2005 – 1 Verg 4/05; VK Baden-Württemberg, 16.04.2010 – 1 VK 16/10; VK Münster, 15.09. 2009 – VK 14/09. 26 OLG Düsseldorf, 29.09.2008 – Verg 50/08; VK Bund, 04.01.2013 – VK 1-133/12. 27 Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 107; Varva, in: Ziekow/ Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 44, 46; Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 224, VOB/A, § 16, Rn. 248. 28 BGH, 31.08.1994 – 2 StR 256/94; BayObLG, 01.03.2004 – Verg 2/04; OLG Düsseldorf, 19.12.2000 – Verg 28/00; BayObLG, 12.09.2000 – Verg 4/00; VK Bund, 29.06.2006 – VK 3 39/06. 29 Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 44. 30 Varva, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 2, Rn. 18; ebenso wohl Bernhardt, in: Ziekow/Völlink, § 2 VOB/A, Rn. 14 mit dem Hinweis auf „das haushaltsrechtliche Gebot des sparsamen Wirtschaftens“. 24
II. Schutzzweck
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Ein Unterfall des Schutzes des öffentlichen Haushaltes ist der Schutz vor wirtschaftlichen Risiken. So soll der Auftraggeber vor Eingehung solcher Risiken geschützt werden,31 teilweise, noch allgemeiner, vor Nachteilen bewahrt werden32. Begründet wird dies mit der Vermutung, dass unangemessen niedrige Angebote bzw. „Unterangebote“ die Gefahr begründen, dass der Anbieter hierdurch in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommt und in der Folge die Leistung nicht mehr ordnungsgemäß ausführen kann.33 Teilweise wird angenommen, dass der Auftraggeber vor unauskömmlichen Kalkulationen der Bieter geschützt werden soll.34 Das dahinter liegende Ziel ist hier ebenfalls der Schutz des Auftraggebers vor Bietern, die aufgrund der Unauskömmlichkeit ihrer Angebote die Gefahr der Nichterfüllung der Leistungen bergen.35 3. Ergebnis zum Schutzzweck Der von einem umfassenden Teil der Literatur so verstandene Schutzzweck des Schutzes des öffentlichen Haushaltes wird hier unterstützt. Das wirtschaftliche Risiko für den öffentlichen Haushalt besteht bei unangemessen niedrigen Preisen und bei unangemessen hohen Preisen in verschiedenen Richtungen. Unangemessen niedrige Preise bergen die Gefahr, dass die Leistung aufgrund einer Insolvenz 31 Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 46; BayObLG, 01.03.2004 – Verg 2/ 04; wohl auch BGH, 31.08.1994 – 2 StR 256/94, auf das in BayObLG, 01.03.2004 – Verg 2/04 verwiesen wird, wobei jedoch der BGH nur feststellt: „Der Sinn dieser Regelung ist es nicht, den Bieter vor seinem eigenen, zu niedrigen Angebot zu schützen. Es soll vielmehr verhindert werden, daß der Auftragnehmer den Auftrag nicht oder nicht ordnungsgemäß ausführt, weil er durch den offensichtlich zu niedrigen Preis in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät [. . .]“, diese Aussage muss nicht zwingend zugunsten eines Schutzes des Auftraggebers verstanden werden, siehe Begründung zum Schutz des Wettbewerbs nach OLG Düsseldorf, 29.9.2008 – Verg 50/08; BayObLG, 03.07. 2002 – Verg 13/02; scheinbar für ausschließlichen Auftraggeberschutz etwa BayObLG, 12.09.2000 – Verg 4/00 mit Verweis auf Bundeskartellamt, Vergabekammer, 30.06.1999 – VK A 12/99 (NZBau 2000, 165, 167). 32 Kratzenberg, in: Ingenstau/Korbion, VOB, § 16 VOB/A, Rn. 108. 33 Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 46; Kratzenberg, in: Ingenstau/Korbion, VOB, § 16 VOB/A, Rn. 108; so wohl auch OLG Düsseldorf, 17.06.2002 – Verg 18/02 (VergabeR 2002, 471, 475). 34 Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 107; Dicks, in: Kulartz/ Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 248; Rusam, in: Heiermann/Riedl/Rusam, § 25 VOB A, Rn. 153; Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 16 VOB/A-EG, Rn. 275; § 25 Rn. 58; BayObLG, 20.08.2001 – Verg 11/01; KG Berlin, 07.11. 2001 – KartVerg 8/01. 35 Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 107; Dicks, in: Kulartz/ Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 248; Rusam, in: Heiermann/Riedl/Rusam, § 25 VOB/A, Rn. 153; Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 16 VOB/A-EG, Rn. 275; BayObLG, 20.08.2001 – Verg 11/01; KG Berlin, 07.11.2001 – KartVerg 8/01; OLG Düsseldorf, 19.12.2000 – Verg 28/00 (VergabeR 2001, 128); Schranner, in: Anmerkung zu OLG Düsseldorf, VergabeR 2001, 128 ff.
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F. Die Angemessenheit der Preise
durch den Auftragnehmer nicht zu Ende geführt werden kann oder dass zur ordnungsgemäßen Leistung Nachforderungen des Auftragnehmers erforderlich werden. Hinsichtlich letzterer Gefahr ist zu beachten, dass aufseiten der Bieter ein nicht unerhebliches Drohpotenzial bei Nachforderungen besteht, insbesondere wenn es sich um wesentliche Gewerke im Rahmen einer umfangreichen Gesamtmaßnahme handelt. Unangemessen hohe Preise werden in der Regel keine Auswirkungen haben, da sie im Rahmen der Wirtschaftlichkeit aufgrund des Preises eine schlechte Bewertung erfahren werden.36 Jedoch besteht die Gefahr, dass diese Angebote angenommen werden müssen, wenn sie die einzigen im Wettbewerb verbliebenen sind. Insgesamt kann daher der Schutz des öffentlichen Haushaltes als wesentlicher Schutzzweck gesehen werden. Problematischer ist hingegen der Schutz des Wettbewerbs. Ob dieser mittels einer vergaberechtlichen Angemessenheitsprüfung zu erreichen ist, wird in der Literatur im Zusammenhang mit der Frage, ob Unterkostenangebote, die in Marktverdrängungsabsicht anderer Bieter abgegeben wurden, aufgrund von Unangemessenheit auszuschließen sind, hinterfragt.37 Im Ergebnis verneint die genannte Literaturansicht einen solchen Ausschluss; die Gründe hierfür sind auf die grundsätzliche Durchführung einer wettbewerbsrechtlichen Prüfung in der Angebotsprüfung übertragbar. a) Kompetenzrechtliche Bedenken Die kompetenzrechtlichen Bedenken betonen die Prüfungskompetenz in Bezug auf wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen. Diese sei gemäß Art. 5 und 6 VO EG 1/2003 den Wettbewerbsbehörden und Gerichten zuzuordnen.38 Den öffentlichen Auftraggebern stünde insoweit keine Prüfungskompetenz zu; auch die Nachprüfungsinstanzen des Vergaberechts seien zu einer Kartellrechtsprüfung nicht berufen.39 Soweit diese eine solche Prüfung durchführten, würden den Bietern als vermeintlichen Verursachern eines Kartellrechtsverstoßes sowohl die sie schützenden Verfahrensregelungen des Kartellrechts als auch der gesetzliche Richter nach Art. 101 GG entzogen.40 Teilweise sei dies auch durch die Rechtsprechung herausgearbeitet worden.41
36
Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 100. Siehe insbesondere Müller-Wrede, VergabeR 2011, 46 ff. 38 Müller-Wrede, VergabeR 2011, 47; siehe auch Immenga/Körber, in: Immenga/ Mestmäcker, Wettbewerbsrecht EU, Band 1. EG/Teil 2, Art. 5. Rn. 1–7 FKVO und Art. 6, Rn. 1–5 FKVO. 39 Müller-Wrede, VergabeR 2011, 47. 40 Müller-Wrede, VergabeR 2011, 47. 41 Müller-Wrede, VergabeR 2011, 47 mit Verweis auf OLG Düsseldorf, 09.04.2003 – Verg 43/02. 37
II. Schutzzweck
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b) Europarechtliche Bedenken Weiterhin seien die Prüfung und der Ausschluss aufgrund einer Marktverdrängungsabsicht europarechtlich nicht zulässig. Ein Ausschluss aufgrund einer Marktverdrängungsabsicht sei nicht durch den Wortlaut der VKR vorgesehen; daher könne sich dieser als eigenständig angesehene Ausschlussgrund nur durch eine überschießende Richtlinienumsetzung ergeben.42 Diese sei grundsätzlich möglich,43 erforderlich sei jedoch eine einzelfallgerechte Abwägungsentscheidung.44 Im Ergebnis handele es sich bei Art. 55 VKR um eine erschöpfende Regelung, die jedenfalls eine weitere Verpflichtung zum Ausschluss bedenklich erscheinen lasse.45 c) Methodische Probleme Auch sei nach vertretener Ansicht der Grundsatz der wettbewerblichen Vergabe, aus dem eine Prüfungskompetenz der Auftraggeber hergeleitet werde, keiner Subsumtion zugänglich und könne lediglich als Auslegungs- und Interpretationshilfe genutzt werden.46 Demnach sei hiernach keine Prüfungskompetenz hinsichtlich einer Marktverdrängungsabsicht zu begründen.47 Es bestünden methodische Probleme in der Ableitung von Maßstäben aus dem Wettbewerbsprinzip, die keinen anderen „Regelungsansatz“ im Bestand des Vergaberechts hätten.48 Ebenfalls existiere selbst im Fall rechtswidriger staatlicher Beihilfen die Pflicht zu einer dezidierten Prüfung, wie Art. 55 Abs. 3 VKR zeige; ein Ausschluss ohne Prüfung dürfe auch hier nicht „von vornherein“ erfolgen.49 Letztlich entspreche der Begriff des „wettbewerbsbeschränkenden und unlauteren Verhaltens“ nicht dem Begriff der Rechtsklarheit.50 Eine Verpflichtung zum Ausschluss auf dem von der Rechtsprechung favorisierten Wege sei daher nicht möglich.51 Demnach könne ein Ausschluss von Bietern sich nicht aufgrund der Abgabe eines Unterkostenangebotes in Marktverdrängungsabsicht ergeben. 42
Müller-Wrede, VergabeR 2011, 48, 49. Müller-Wrede, VergabeR 2011, 51 mit Verweis auf EuGH, 19.05.2009 – C-538/07, Rn. 27 und EuGH, 16.12.2008 – C-213/07, Rn. 49. 44 Müller-Wrede, VergabeR 2011, 50. 45 Müller-Wrede, VergabeR 2011, 46 mit Verweis auf Egger, Europäisches Vergaberecht, Rn. 1220. 46 Müller-Wrede, VergabeR 2011, 48 mit Verweis auf Bungenberg, in: Loewenheim/ Meesen/Riesenkampff, Kartellrecht, § 97 GWB, Rn. 5; Burgi, NZBau, 2008, 28, 32; Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 5 ff. 47 Müller-Wrede, VergabeR 2011, 48. 48 Müller-Wrede, VergabeR 2011, 51 mit Verweis auf Ziekow, VergabeR 2006, 702, 709. 49 Müller-Wrede, VergabeR 2011, 51. 50 Müller-Wrede, VergabeR 2011, 51. 51 Müller-Wrede, VergabeR 2011, 51. 43
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F. Die Angemessenheit der Preise
d) Ergebnis Den europarechtlichen Bedenken bezüglich eines Ausschlusses aufgrund einer Marktverdrängungsabsicht des Bieters lässt sich begegnen, indem man annimmt, die VKR, und im Unterschwellenbreich das nationale Vergaberecht, enthielten ein Gebot zur Bekämpfung wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen bzw. ein Prinzip wettbewerblicher Vergabe, welches einen solchen Ausschluss begründet, also auf den Wettbewerbsgrundsatz rekuriert.52 Selbst in diesem Fall bestünde jedoch immer noch das dargestellte methodische Problem, dass aus diesem Rechtsgrundsatz eine konkrete Rechtsfolge hergeleitet werden müsste, für die sich kein anderer Regelungsansatz im Vergaberecht findet.53 Jedenfalls sprechen die kompetenzrechtlichen Bedenken gegen eine Prüfung der Marktverdrängungsabsicht anhand wettbewerbsrechtlicher Parameter im Rahmen des Vergaberechts durch den öffentlichen Auftraggeber. Der Literatur ist insoweit zuzustimmen, dass die Aufgabe des öffentlichen Auftraggebers nicht darin besteht, mittels des Vergaberechts Ordnungsmaßnahmen des Wettbewerbsrechts durchzuführen.54 Daher kann ein angenommener Schutzzweck in Form des Wettbewerbsschutzes mittels der Angemessenheitsprüfung nicht erreicht werden. Somit kann davon ausgegangen werden, dass dieser Schutzzweck der Angebotsprüfung nicht besteht. Im Ergebnis wird daher davon ausgegangen, dass ein Schutz des Wettbewerbs durch die Prüfung der Angemessenheit zunächst nicht erfolgen soll.
III. Annahme von unauskömmlichen Angeboten Sollte bei der Prüfung der Angebote nur die Unauskömmlichkeit, also die Tatsache, dass das Angebot nicht kostendeckend kalkuliert ist, festgestellt werden, 52 Ziel der VKR ist es beispielsweise nach deren Begründung, Wettbewerb zu gewährleisten. Siehe etwa dort unter (2) („um die Wirksamkeit dieser Grundsätze und die Öffnung des öffentlichen Beschaffungswesens für den Wettbewerb zu garantieren“), (4) („Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass die Teilnahme einer Einrichtung des öffentlichen Rechts als Bieter in einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge keine Wettbewerbsverzerrungen gegenüber privatrechtlichen Bietern verursacht“) und (13) („und somit durch Ausweitung des Wettbewerbs eine optimale Verwendung der öffentlichen Mittel zu gewährleisten“); zum Wettbewerbsgrundsatz siehe Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 3 ff.; siehe in der neuen RL 2014/24/EU schon Erwägungsgrund (1): „und dass das öffentliche Auftragswesen für den Wettbewerb geöffnet wird“ (Einfügung aufgrund der späteren Veröffentlichung der RL nach Einreichung und Bewertung der Dissertation). 53 Siehe hierzu Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 5. 54 Müller-Wrede, VergabeR 2011, 52, mit Verweis auf Franke/Mertens, in: Franke/ Kemper/Zanner/Grünhagen, 3. Aufl. 2007, § 2 VOB/A, Rn. 13, siehe in aktueller Auflage möglicher weise abweichend: Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 16 VOB/A-EG, Rn. 275: „Anderseits ist der öffentliche Auftraggeber verpflichtet, ungesunde Begleiterscheinungen im Wettbewerb zu bekämpfen [. . .]“.
III. Annahme von unauskömmlichen Angeboten
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kann nach teilweise vertretener Ansicht das Angebot durch den Auftraggeber angenommen werden.55 Hiernach ist es gerade nicht Sinn und Zweck der Angemessenheitsprüfung, auskömmliche Preise zu garantieren. Eine andere Ansicht wird in der Literatur vertreten, nach der es für eine Unangemessenheit ausschließlich maßgeblich ist, ob der „Gesamtpreis nachweislich unauskömmlich ist“.56 Hierbei wird zwar herausgehoben, dass es nicht darauf ankommt, ob der Bieter sich den Preis leisten kann oder ihm aufgrund des Preises wirtschaftliche Schwierigkeiten entstehen.57 Jedoch besteht die Literatur, ohne weitere Begründung, auf der Auskömmlichkeit. 1. Erreichen des Schutzzwecks (Schutz des öffentlichen Haushalts) durch den Ausschluss unauskömmlicher Angebote/Verhältnismäßigkeit Fraglich ist, ob der Schutz öffentlicher Haushalte durch einen Ausschluss von unauskömmlichen Angeboten erreicht werden kann. Festzustellen ist, dass es sich bei der Unauskömmlichkeit um ein objektives Kriterium handelt. Die Gefahr, dass die Leistung aufgrund eines niedrigen Angebotes nicht vertragsgerecht erbracht werden kann, wird sich hinsichtlich der einzelnen Bieter unterscheiden, mithin von diesen subjektiv abhängen. So kann bei einem geringfügig unauskömmlichen Angebot, welches von einem liquiden Bieter abgegeben wird, eine solche Gefahr nur sehr begrenzt vorhanden sein. Dieser Fall ließe sich noch steigern, etwa wenn man annimmt, dass ein sehr großes Unternehmen sich für einen sehr kleinen Auftrag bewirbt. Daher ist fraglich, ob durch einen generellen Ausschluss eines unauskömmlichen Angebotes der Schutz des Auftraggebers vor der nicht vertragsgerechten Durchführung von Angeboten aufgrund niedriger Preise erreicht werden kann. In diesem Fall ist noch anzumerken, dass der Bieter grundsätzlich nach Angebotsabgabe und Zuschlag an ihn zur Vertragserfüllung verpflichtet ist. Einer der Fälle, der dem Schutzzweck entspricht, wird durch die Insolvenz des Bieters begründet, da in anderen Fällen eine Vertragserfüllungspflicht des Auftragnehmers als Vertragspartner grundsätzlich fortbesteht.58 Dass sich jedoch bezüglich eines Bieters aufgrund eines unauskömmlich kalkulierten Angebotes ein spürbar erhöhtes Insolvenzrisiko ergibt, wird im Zweifel schwer festzustellen sein. Auch hängt dieses Risiko häufig weniger von dem (einen) Angebot des Bieters ab, 55 BGH 31.08.1994 – 2 StR 256/94; BGH 11.07.2001 – 1 StR 576/00; OLG Düsseldorf, 17.06.2002 – Verg 18/02 (VergabeR 2002, 471, 475); Dicks, in: Kulartz/Marx/ Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 240. 56 Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 98. 57 Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 98. 58 Siehe F. II. 2.; zum Grundsatz, dass Verträge grundsätzlich einzuhalten sind etwa Ellenberger, in: Palandt, Einf v. § 145, Rn. 4a.
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F. Die Angemessenheit der Preise
sondern vielmehr an Gegebenheiten, die in der Person des Bieters liegen (Kapitalausstattung etc.). Um das Risiko der nicht vertragsgemäßen Erfüllung zu verringern ist eine Betrachtung der Bieter in jedem Fall zweckmäßiger und durchaus möglich.59 Darüber hinaus dürfte eine Insolvenz aufgrund unauskömmlicher Kalkulation des dem Auftraggeber vorliegenden Angebotes nur in wenigen Konstellationen möglich sein. Grundsätzlich besteht zwar die Gefahr von Nachträgen, jedoch ist gegenüber diesen die grundsätzliche Leistungspflicht der Auftragnehmer zu betonen. Bei dieser Frage ist auch die Verhältnismäßigkeit der Folgen zu beachten.60 So muss betont werden, dass im Fall eines zwingenden Ausschlusses von unauskömmlichen Angeboten der Auftraggeber gezwungen wäre, jedes noch so geringfügig unauskömmliche Angebot auszuschließen. Dieses Ergebnis ist aber, insbesondere vor dem Hintergrund der Verhältnismäßigkeit,61 zweifelhaft. Soweit das wesentliche Ziel der Schutz des Auftraggebers vor Angeboten ist, die im Ergebnis nicht als Leistung erbracht werden, ist der Ausschluss jedes unauskömmlichen Angebots als eine Maßnahme hierzu geeignet. Jedoch ist dies in Bezug auf die Auftraggeber und deren Möglichkeit der Kalkulation, insbesondere in Branchen mit geringen Gewinnmargen, wohl eine hohe und möglicherweise unangemessene Belastung. Gerade die Möglichkeit der Erschließung neuer Märkte durch geringe Angebote scheint dann in solchen Branchen nahezu unmöglich. 2. Wortlaut Auch dem Wortlaut kann ein zwingender Ausschluss von unauskömmlichen Angeboten nicht entnommen werden, da dieser explizit von „unangemessenen Angeboten“ bzw. von Angeboten, deren Preise in einem „offensichtlichen Missverhältnis zur Leistung“ stehen, nicht jedoch von unauskömmlichen Angeboten spricht.62 Die VKR spricht von „ungewöhnlich niedrigen“ Angeboten, sodass auch hier die Auskömmlichkeit keine Rolle spielt.
59 Siehe hierzu die Möglichkeit der Auftraggeber, von den Bietern Eigenerklärungen zu verlangen, § 6 Abs. 3 VOL/A und § 6 Abs. 3 VOB/A. 60 Zur Verhältnismäßigkeit, die im Vergaberecht über die „allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts“ jedenfalls im Oberschwellenbereich hergeleitet werden kann, siehe Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 47; hiernach dürfen die „handelnden Stellen [. . .] nur diejenigen Maßnahmen ergreifen, die zur Erreichung des verfolgten Zieles sowohl angemessen als auch erforderlich sind und die Ausübung einer Wirtschaftstätigkeit am wenigsten belasten (EuGH, Slg. 1980, 1979, 1997)“. 61 Zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Vergaberecht siehe Ziekow, in: ders./ Völlink, § 97 GWB, Rn. 47. 62 Die RL 2014/24/EU spricht in Art. 69 in Überschrift und Abs. 1 und 3 von „ungewöhnlich niedrigen Angeboten“ (Einfügung aufgrund der späteren Veröffentlichung der RL nach Einreichung und Bewertung der Dissertation).
III. Annahme von unauskömmlichen Angeboten
153
3. Entscheidungen des Strafsenats des BGH Letztlich spricht auch die Rechtsprechung des BGH gegen einen Ausschluss von unauskömmlichen Angeboten. So hat der 2. Strafsenat bereits 1994 ausgeführt, dass „für die öffentliche Hand kein Hindernis [besteht], auch sog. Unterkostenpreise bei einer Ausschreibung zu akzeptieren, sofern der Anbieter zu diesen Preisen zuverlässig leisten kann.“ 63
Bestätigt wurde die Rechtsprechung durch den 1. Strafsenat im Jahre 2001 mit Verweis auf die genannte Entscheidung, wo es heißt: „Darauf, ob der vereinbarte Preis unter dem Selbstkostenfestpreis lag, kommt es nicht an. Das in § 25 VOB/A enthaltene Verbot eines Zuschlags bei ,unangemessen niedrigen Preis(en)‘ soll lediglich verhindern, daß das beauftragte Unternehmen aufgrund eines ruinösen Wettbewerbs in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät und so den Auftrag nicht mehr ausführen kann. Dagegen besteht für die öffentliche Hand kein Hindernis, auch sogenannte Unterkostenpreise zu akzeptieren, sofern der Anbieter – wie hier – zu diesen Preisen zuverlässig leisten kann.“ 64
Dem haben sich einige Gerichte explizit angeschlossen.65 Andere Gerichte haben sich der Rechtsprechung im Ergebnis mit der Maßgabe angeschlossen, dass ein nicht auskömmlicher Preis nur ausgeschlossen werden kann, wenn er aus einem zu beanstandenden Motiv heraus verlangt wird, die Unauskömmlichkeit als solche demnach nicht genügt.66 4. Andere Rechtsgebiete Grenzen für die Abgabe unauskömmlicher Preise können sich möglicherweise aus anderen Rechtsgebieten ergeben, die im Zusammenhang mit der Abgabe von Angeboten zu überprüfen sind.
63
BGH, 31.08.1994 – 2 StR 256/94. BGH, 11.07.2001 – 1 StR 576/00. 65 OLG Düsseldorf, 17.06.2001 – Verg 18/02: „Es ist dem öffentlichen Auftraggeber nicht verwehrt, auch sogenannte Unterkostenpreise bei einer Auftragsvergabe zu akzeptieren, sofern er nach Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Anbieter auch zu diesen Preisen zuverlässig und vertragsgerecht wird leisten können (vgl. BGH NJW 1995, 737).“ 66 BayObLG, 01.03.2004 – Verg 2/04: „Der Auftraggeber ist aber auch berechtigt und verpflichtet, die Preise für einzelne Leistungspositionen zu prüfen (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam, VOB/A § 25 Rn. 38, 41 ff.), um festzustellen, ob die Besorgnis einer nicht einwandfreien Ausführung der ausgeschriebenen Leistung besteht oder ob der Bieter aus einem nicht zu beanstandenden Motiv heraus einen nicht auskömmlichen Preis verlangt.“ (Hervorhebungen durch den Verfasser) 64
154
F. Die Angemessenheit der Preise
a) Zulässigkeit von Unterkostenangeboten nach dem Preisrecht In diesem Zusammenhang ist zunächst das Preisrecht zu nennen.67 Soweit es im Rahmen des Preisrechts um die Feststellung von Marktpreisen geht,68 ist zu prüfen, ob es sich um im Verkehr übliche und preisrechtlich zulässige Preise handelt. Nach der Vorgabe der VO PR 30/53 ist ein Marktpreis der „im Verkehr übliche Preis“.69 Der Preis ist insoweit regelmäßig verkehrsüblich, wenn auf dem Markt (bei vergleichbaren Aufträgen) ein entsprechender allgemein verlangter Preis erzielt wird,70 den der Bieter in der Folge mit seinem Angebot nicht überschreiten darf.71 Aufgrund des Wortlautes des § 4 VO PR 30/53 („nicht überschritten“) scheint eine Unterschreitung jedenfalls möglich. Dies ergibt sich auch aus Sinn und Zweck der Verordnung PR 30/53, deren Ziel es ist, eine Ausnahmeregelung für den Fall zu schaffen, dass bei der Preisbildung auf Anbieterseite eine Wettbewerbsbeschränkung besteht.72 Geschützt werden soll demnach der Nachfrager vor sehr hohen Preisen, die sich aus dieser Wettbewerbsbeschränkung ergeben. Teilweise wird angenommen, dass auch eine Ausgleichsfunktion zwischen den Interessen von Auftragnehmer und Auftraggeber mittels des Preisrechts beabsichtigt ist.73 Demnach soll auch dem Auftragnehmer ein gewisser Schutz eingeräumt werden. Jedenfalls wird sich aus den Schutzzwecken des Preisrechts kein Verbot eines Unterkostenpreises ableiten lassen; vielmehr ist es dem Bieter nach dem Preisrecht möglich, ein Unterkostenangebot abzugeben. Dies liegt sowohl im Interesse des Nachfragers, den es vor unangemessen hohen Preisen aufgrund einer Wettbewerbsbeschränkung auf Anbieterseite mittels einer preisrechtlichen Höchstpreisgrenze zu schützen gilt, als auch im Sinne des Anbieters, dessen Interesse in manchen Fällen gerade auf die Abgabe eines Unterkostenangebotes abzielen wird. Vonseiten der nachfolgend vorgeschlagenen Integration der preisrechtlichen Prüfung in die Prüfung der Angemessenheit der Preise74 spricht zumindest nichts gegen die Zulässigkeit der Abgabe von Unterkostenangeboten.75
67
Siehe hierzu auch oben unter B. II. 5. Siehe oben unter B. II. 5. b). 69 § 4 Abs. 1 VO PR 30/53. 70 Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller/Waldmann, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, § 4 VO PR, Rn. 47. 71 § 4 Abs. 1 VO PR 30/53; Fischer, ZIP 2005, 108. 72 Fischer, ZIP 2005, 107. 73 Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller/Waldmann, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, Einführung, Rn. 8. 74 Siehe unten unter F. XII. 75 Berstermann, in: Pünder/Schellenberg, § 6 VO/PR, Rn. 24. 68
III. Annahme von unauskömmlichen Angeboten
155
b) Zulässigkeit von Unterkostenangeboten nach dem Lauterkeitsrecht und Kartellrecht Im Zusammenhang mit dem Lauterkeits- und Kartellrecht76 ergeben sich jedenfalls Grenzen von Unterkostenangeboten. Das Lauterkeitsrecht verbietet insoweit nicht den Verkauf unter Einstandspreis77 oder Selbstkostenpreis78 sondern erlaubt ausdrücklich ein Unterbieten auch solcher Preise.79 Unzulässig ist hingegen eine „Kampfpreisunterbietung, die von der Verdrängungs- und Vernichtungsabsicht des Unterpreis-Verkäufers getragen wird“.80 Zu der Tatsache, dass der Preis durch den Anbieter unter Selbstkosten angeboten wird, muss das Angebot zur Marktverdrängung geeignet sein, den Mitbewerber vom Markt zu verdrängen, was eine gewisse Marktmacht des Anbieters voraussetzt.81 Daneben muss der Zweck der Preisunterbietung in der Verdrängung anderer Anbieter bestehen.82 Der Unterkostenpreis als solcher ist demnach jedenfalls unproblematisch. Ebenso ist ein solcher Unterkostenpreis im Kartellrecht grundsätzlich legitim. Zu einer kartellrechtlichen Unzulässigkeit kann es vielmehr erst kommen, wenn mehrere Konkurrenten die Unterbietung von Preisen der Konkurrenz vereinbaren83 oder ein marktmächtiges Unternehmen unter Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung die Preise der Konkurrenz unterbietet.84 Maßgeblich ist demnach auch hier das Tatbestandsmerkmal des Missbrauchs; die Angabe von Unterkostenangeboten ist für sich genommen nicht untersagt. c) Zulässigkeit von Unterkostenangeboten aufgrund von gesetzlichen Preisbindungen Letztlich bilden gesetzliche Preisbindungen eine Grenze des Angebotes von Unterkostenangeboten. Dies hat auch Niederschlag in den Regelungen des Vergaberechts gefunden. Ist etwa der Preis mittels einer gesetzlichen Gebühren- oder 76
Siehe hierzu auch Kapitel B. II. 1. als Einführung. Der Einstandspreis beschreibt den „Einkaufspreis minus Nachlässe plus Bezugskosten“, siehe oben unter B. III. 1. Daher handelt es sich bei einem Angebot unter Einstandspreis um ein Unterkostenangebot. 78 Der Selbstkostenpreis ist der Einstandspreis plus Gemeinkosten, siehe oben unter B. III. 1. 79 Sosnitza, in: Piper/Ohly/ders., UWG, § 4, Rn. 1/83 mit Verweis auf BGH, 26.04.1990 – I ZR 71/88. 80 Sosnitza, in: Piper/Ohly/ders., UWG, § 4, Rn. 1/83 mit Verweis auf RG, 18.12. 1931 – II 514/30 und BGH, 26.04.1990 – I ZR 71/88. 81 Ohly, in: Piper/ders./Sosnitza, UWG, § 4, Rn. 10/94 mit Verweis auf BGH, 26.04.1990 – I ZR 71/88 (GRUR 1990, 685). 82 Ohly, in: Piper/ders./Sosnitza, UWG, § 4, Rn. 10/94. 83 Art. 101 Abs. 1 AEUV, siehe auch Kahn, in: Geiger/Kahn/Kotzur, Art. 101 AEUV, Rn. 13–33. 84 Art. 102 AEUV, siehe auch Kahn, in: Geiger/Kahn/Kotzur, Art. 102 AEUV, Rn. 4– 16. 77
156
F. Die Angemessenheit der Preise
Honorarordnung zu vergüten, so ist nach § 11 Abs. 5 S. 3 VOF diese für den Preis maßgeblich, ein Zuschlag darf auf ein hiervon abweichendes Angebot nicht erteilt werden.85 Der gleiche Grundsatz dürfte auch für die VOL und VOB gelten, soweit diese die Vergütung verbindlich regeln.86 Darüber hinaus sind gesetzliche Preisbindungen zu berücksichtigen.87 d) Ergebnis zu F. III. 4. Die aufgezeigten Rechtsgebiete widersprechen der Zulässigkeit von Unterkostenangeboten nicht. Erforderlich sind weitere Merkmale, die, jeweils abhängig vom Rechtsgebiet, eine Unzulässigkeit eines Unterkostenpreises begründen. Die Überprüfung sollte durch den Auftraggeber im Rahmen der rechnerischen Überprüfung erfolgen, soweit dies möglich ist. Wenn sich Anhaltspunkte für gegebenenfalls unzulässige Preise ergeben, scheint eine Überprüfung im Rahmen der Angemessenheitsprüfung der Preise sinnvoll, jedoch ist herauszustellen, dass diese Prüfungen nicht identisch sind. 5. Ergebnis zu F. III. Grundsätzlich scheint es daher zwar wünschenswert, eine Prüfung der Kalkulationen auf Auskömmlichkeit vorzunehmen. Jedoch ist im Ergebnis davon auszugehen, dass unauskömmliche Preise durch den Auftraggeber angenommen werden können. Die Prüfung der Angemessenheit ist auch nach Feststellung unauskömmlicher Preise durch den Auftraggeber fortzuführen.88 Inhalt der Prüfung wäre die Untersuchung, ob das Unterkostenangebot ein Angebot mit unangemessenen Preisen bzw. Preisen im offensichtlichen Missverhältnis zur Leistung darstellt.
IV. Prüfung anhand des Gesamtpreises Maßgeblich für die Angemessenheitsprüfung der Preise ist der Gesamtpreis des Angebotes; nicht maßgeblich sind die Einzelpreise.89 Jedoch können diese 85 OLG Frankfurt, 28.02.2006 – 11 Verg 16/05; Brandenburgisches OLG, 08.01. 2008 – Verg W 16/07; Ruhland, in: Pünder/Schellenberg, § 11 VOF, Rn. 17; Voppel/ Osenbrück/Bubert, VOF, § 11, Rn. 42 weisen insoweit darauf hin, dass sich in einigen Honorar- und Gebührenordnungen Spielräume ergeben, etwa der HOAI. 86 Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 185; denkbar ist etwa das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) bei Beratungen, die in den Bereich der VOL fallen, weil diese „abschließend und erschöpfend“ beschrieben werden können. 87 Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 185; Dreher, in: Immenga/ Mestmäcker, § 97 GWB, Rn. 220. 88 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 240. 89 Etwa: OLG Brandenburg, 20.03.2007 – Verg W 12/06; OLG Düsseldorf, 09.02. 2009 – VII-Verg 66/08; OLG Karlsruhe, 22.07.2011 – 15 Verg 8/11; OLG München,
IV. Prüfung anhand des Gesamtpreises
157
im Rahmen einer Prüfung ebenfalls zur Beurteilung der Angemessenheit herangezogen werden.90 So ist der Auftraggeber auch berechtigt und verpflichtet, die Preise für einzelne Leistungspositionen zu prüfen.91 Ansonsten bezieht sich die Erwähnung von Teilleistungen, die im Rahmen einer Prüfung der Angemessenheit der Preise vom Auftraggeber aufgeklärt werden können, nicht auf die Maßgeblichkeit dieser, sondern vielmehr auf die Methode und Prüfungstiefe zur Feststellung der Unangemessenheit des Gesamtpreises.92 Soweit sich Einzelpositionen des Gesamtpreises als unangemessen niedrig erweisen, kann dies ein Anzeichen für eine Mischkalkulation sein, bei der Preise innerhalb der Kalkulation auf Positionen verlagert werden, bei denen sie nicht einzuordnen sind.93 Hierzu ist aus systematischen Erwägungen bereits oben Stellung genommen worden, da es hierbei nicht um die Frage der Angemessenheit, sondern vielmehr um die Frage der Vollständigkeit der Preisangaben geht.94 Nicht maßgeblich ist ebenfalls die Abweichung hinsichtlich eines Mittelwertes. Dies wird durch die VK Berlin betont, die hierbei nochmals die Maßgeblichkeit des Gesamtpreises hervorhebt. Sie stellt in einer Entscheidung heraus: „Die Ermittlung von Mittelwerten für einzelne Leistungstitel, wie sie die Antragsgegnerin hier vornahm, führt ohne Berücksichtigung der Gesamtangebote zu keiner transparenten Beurteilung der Preisunterschiede, um daraus Indizien für die Unangemessenheit eines Preises abzuleiten.“ 95
In die gleiche Richtung geht die Argumentation der VK Südbayern, die ein Leistungsverzeichnis, welches mit durch den Auftraggeber recherchierten Einzel21.05.2010 – Verg 02/10; OLG Schleswig-Holstein, 26.07.2007 – 1 Verg 3/07; a. A. OLG Köln 29.04.1997 – 20 U 124/96; Csaki, NZBau 2013, 342; so nach Einreichung der Dissertation auch das OLG München, 25.09.2014 – Verg 10/14. 90 BayObLG, 18.09.2003 – Verg 12/03 mit Verweis auf Heiermann/Riedl/Rusam, § 25, Rn. 38, 161 ff.; VK Sachsen, 23.02.2009 – 1/SVK/003-09; VK Schleswig-Holstein, 06.04.2011 – VK-SH 05/11; OLG Schleswig-Holstein, 26.07.2007 – 1 Verg 3/07; VK Südbayern, 31.05.2011 – Z3-3-3194-1-11-03/11. 91 BayObLG, 18.09.2003 – Verg 12/03 mit Verweis auf Heiermann/Riedl/Rusam, § 25, Rn. 38, 161 ff.; ebenso wohl EuGH, 29.03.2012 – C-599/10 (NZBau 2012, 376). 92 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 234; Csaki, NZBau 2013, 342, der in diesem Zusammengang auf die Rechtsprechung des EuGH, 29.03.2012 – C599/10 (NZBau 2012, 376), hinweist in welcher der EuGH judiziert, dass „der Unionsgesetzgeber vom öffentlichen Auftraggeber verlangen wollte, dass er die Einzelposten der ungewöhnlich niedrigen Angebote überprüft, indem er ihn in diesem Zusammenhang dazu verpflichtet, die Bewerber zur Vorlage der erforderlichen Belege für die Seriösität dieser Angebote aufzufordern“. In diesem Zusammenhang geht der Verfasser entsprechend der hier dargestellten Ansicht davon aus, dass zwischen der Feststellung, wann eine Prüfung erforderlich ist (bei unangemessen erscheinenden Gesamtpreisen) und was deren Instrumente sind (Einzelpreise), zu unterscheiden ist. 93 Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 45. 94 Siehe oben unter D. II. 3. 95 VK Berlin, 02.06.2009 – VK B-12/09.
158
F. Die Angemessenheit der Preise
preisen (durch den Auftraggeber selbst „gemittelte“ Preise) gefüllt wurde, als Vergleichsmaßstab ablehnt.96 Zulässig ist bei der Prüfung auch der Rückgriff auf Erkenntnisse aus einem nach Abschluss der Ausschreibung geführten nachträglichen Verhandlungsverfahren.97
V. Notwendigkeit einer dezidierten Prüfung Unklar ist nach Lektüre der Rechtsprechung zunächst, ob auch ohne genaue Überprüfung der Preisangaben von einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis ausgegangen werden kann. 1. Grundsätzlich kein Ausschluss ohne dezidierte Prüfung Eine dezidierte Prüfung wird in dieser Rechtsprechung häufig nicht erwähnt. Gerade Urteile, die eine Unangemessenheit der Angebote ablehnen, erwecken den Eindruck, eine Unangemessenheit könnte direkt festgestellt werden.98 Hiernach liegt ein unangemessen niedriger Preis bzw. ein offenbares Missverhältnis vor (bzw. hiervon ist auszugehen), wenn eine Abweichung von einem angemessenen Preis „ins Auge fällt“.99 Somit könnte gefolgert werden, dass bei einem sol96
VK Südbayern, 06.06.2007 – Z3-3-3194-1-19-05/07. OLG München, 05.12.2012 – Verg 29/12 mit Verweis auf OLG Karlsruhe, 27.07.2009 – 15 Verg 3/09. 98 Beispielsweise OLG Brandenburg, 16.02.2012 – Verg W 11/12: „Von einem ungewöhnlich niedrigen Preis ist auszugehen, wenn der angebotene Gesamtpreis derart eklatant von dem an sich angemessenen Preis abweicht, dass eine genauere Überprüfung nicht im Einzelnen erforderlich ist und die Unangemessenheit sofort ins Auge fällt (vgl. OLG Jena, VergabeR 2009, 809, zitiert nach juris Rn. 35 m.w. N.)“; OLG Karlsruhe, 16.06.2010 – 15 Verg 4/10: „Ein offenbares Missverhältnis setzt voraus, dass der angebotene Gesamtpreis derart eklatant von dem an sich angemessenen Preis abweicht, dass die Unangemessenheit ohne detaillierte Überprüfung sofort ins Auge fällt.“; OLG Koblenz, 28.10.2009 – 1 Verg 8/09: „Ein Angebotspreis ist ungewöhnlich (unangemessen) niedrig, wenn ein offenbares Missverhältnis zur ausgeschriebenen Leistung vorliegt, das heißt, wenn die Abweichung vom angemessenen Preis ohne genaue Einzelprüfung sofort ins Auge springt.“; OLG München, 21.05.2010 – Verg 2/10: „Von einem unangemessen niedrigen Preis ist dann auszugehen, wenn der angebotene Gesamtpreis derart eklatant von dem an sich angemessenen Preis abweicht, dass die Unangemessenheit ohne detaillierte Überprüfung sofort ins Auge fällt.“; OLG Brandenburg, B. v. 19.10. 2010 – Verg W 13/10: „Ein offenbares Missverhältnis zwischen Preis und Leistung liegt dann vor, wenn der angebotene Gesamtpreis derart eklatant von dem an sich angemessenen Preis abweicht, dass eine genauere Überprüfung nicht im einzelnen erforderlich ist und die Unangemessenheit des Angebotspreises sofort ins Auge fällt.“ BGH 21.10.1976 – VII ZR 327/74, OLG Düsseldorf, 19.11.2003 – VII-Verg 22/03, OLG Jena, 22.12.1999 – 6 Verg 3/99. 99 So scheinbar auch in der Literatur, etwa: Ruhland, in: Pünder/Schellenberg, § 16 VOB/A, Rn. 101; ebenso: Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 16 VOB/A-EG, Rn. 278 und Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOL/A, § 16, Rn. 672, Stand: 23.09.2013, unter Nennung vielfältiger Rechtsprechung. 97
V. Notwendigkeit einer dezidierten Prüfung
159
chem „ins Auge springen“ ein unangemessener Preis bzw. ein offenbares Missverhältnis begründet wird, was einen zwingenden Ausschluss des Angebotes nach sich zieht. Eine weitere Prüfung wäre somit nicht erforderlich. Jedoch widerspricht dies dem Wortlaut der gesetzlichen Regelungen.100 Diese bestimmen vielmehr, dass eine Aufklärung über solche Angebote durchzuführen ist. Um diesen Regelungen Rechnung zu tragen, muss daher davon ausgegangen werden, dass eine dezidierte Prüfung der Angebote auf der dritten Stufe erfolgen muss und eine bloßes „ins Auge springen“ nicht allein ausreicht, um einen Ausschluss zu begründen. Vielmehr handelt es sich bei dieser überschlägigen Prüfung um die ebenfalls erforderliche Vorprüfung.101 In der Literatur wird ebenfalls weitestgehend von einer dezidierten Prüfungspflicht vor Ausschluss ausgegangen.102 Dies wird, insbesondere im Zusammenhang mit der Nennung eines bestimmten Prozentbetrages durch die Oberlandesgerichte, als maßgeblicher Schwellenwert, vorausgesetzt.103 Das Vergabehandbuch des Bundes in der Fassung von 2008 geht davon aus, dass Zweifel an der Unangemessenheit durch eine weitere Prüfung zu substantiieren sind. Es legt hierzu fest: „Ein Angebot mit einem unangemessen niedrigen Preis darf grundsätzlich nur dann ausgeschlossen werden, wenn zuvor vom Bieter schriftlich Aufklärung über die Ermittlung der Preise [. . .] verlangt worden ist und der Bieter nicht den Nachweis einer ordnungsgemäßen Kalkulation erbracht hat.“ 104
Eine dezidierte Prüfungspflicht wurde durch den EuGH früh festgestellt. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2001 stellte dieser fest:
100 Siehe § 16 Abs. 6 Nr. 2 VOB/A, § 16 Abs. 6 S. 1 VOL/A, § 19 Abs. 6 S. 1 VOL/ A-EG, Art. 55 Abs.1 VKR und Art. 57 Abs. 1 SKR; in der aktuellen Richtlinie (2014/ 24/EU) siehe Art. 67 (Einfügung aufgrund der späteren Veröffentlichung der RL nach Einreichung und Bewertung der Dissertation). 101 Siehe unten unter F. VI. 102 Die Notwendigkeit einer Prüfung scheint nicht als solche infrage gestellt. Vielmehr ergibt sich eine andere Ansicht wohl häufig aus einer zu kurzen Darstellung der Problematik. Beispielsweise hierzu Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 44: „Erscheint ein Preis unangemessen hoch oder niedrig, ist das Angebot zwingend auszuschließen.“ Hiernach scheint ein Ausschluss schon bei einem Indiz zwingend. Jedoch ist unter Rn. 48 eine Aufklärung vorgesehen. Hier heißt es: „[. . .] allein die Unterschreitung des Preises des nächstplatzierten Anbieters [. . .] ohne Aufklärung ist kein Ausschlussgrund.“ 103 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 236; Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 103 mit Verweis auf weitere Rechtsprechung: OLG Jena, 22.12.1999 – 6 Verg 3/99; OLG Düsseldorf, 12.01.2000 – Verg 3/99; BayObLG, 03.07.2002 – Verg 13/02 und BayObLG, 02.08.2004 – Verg 16/04 mit jeweils detaillierten Prüfungen; OLG Celle, 18.12.2003 – 13 Verg 22/03; Ruhland, in: Pünder/Schellenberg, § 16 VOB/A, Rn. 103. 104 Siehe dort Formblatt 321, Punkt 4.2.1.
160
F. Die Angemessenheit der Preise
„Außerdem verbietet es Artikel 29 Absatz 5 der Richtlinie 71/305 den Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung, Vorschriften zu erlassen, wonach bestimmte nach einem mathematischen Kriterium ermittelte Angebote von der Vergabe öffentlicher Bauaufträge ohne weiteres ausgeschlossen werden, statt den öffentlichen Auftraggeber zu verpflichten, das in der Richtlinie vorgesehene Verfahren der kontradiktorischen Überprüfung anzuwenden [. . .105].“ 106
Konkretisiert wird dies durch eine Entscheidung des EuGH aus dem Jahre 2012. In dieser wird klargestellt. „Es stellt ein Erfordernis der Richtlinie 2004/18 dar, dass eine effektive kontradiktorische Erörterung zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem Bewerber zu einem zweckmäßigen Zeitpunkt des im Verfahren stattfindet, damit der Bewerber die Seriosität seines Angebotes erbringen kann;“ 107
Demnach ist die kontradiktorische Prüfung jedenfalls festgelegt. Gleichzeitig judiziert der EuGH als weitere Anforderung: „Zum einen ist die Aufzählung in Art. 55 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/18 zwar nicht abschließend, aber auch nicht nur beispielhaft; [. . .] Zum anderen hat der öffentliche Auftraggeber, um die praktische Wirksamkeit von Art. 55 Abs. 1 der Richtlinie 2004/18 zu gewährleisten, die an die betreffenden Bewerber gerichtete Aufforderung klar zu formulieren, so dass diese in zweckdienlicher Weise den vollen Beweis der Seriosität ihrer Angebote erbringen können.“ 108
Als weitere Voraussetzungen der Prüfung sind demnach die Prüfung entsprechend genannter Aufzählung und die klare Formulierung der Anforderungen an die Bieter hinsichtlich der Prüfung determiniert. Hierdurch ist klargestellt, dass jedenfalls im oberschwelligen Bereich, in dem die Richtlinie ihre Wirkung entfaltet, ein kontradiktorisches Verfahren zu erfolgen hat und ein Ausschluss nicht ohne eine solche Prüfung erfolgen kann. Da im Unterschwellenbereich der Wortlaut der nationalen deutschen Regelungen insoweit gleich ist, besteht kein Grund für ein anderes Verständnis. Ein Ausschluss der Angebote ist demnach nicht automatisch möglich, wenn ein bestimmter (Prozent-)Betrag nicht erreicht wird. Letztlich bietet nur dieses Verfahren einen Schutz des Bieters vor Willkür. Dieser Schutzanspruch wird unter den Stichwort „Rechtsschutz“ weiter unten geprüft.109 105 Verweis auf „Urteile vom 22. Juni 1989 in der Rechtssache 103/88, Fratelli Costanzo, Slg. 1989, 1839, Randnrn. 19 und 21, und vom 18. Juni 1991 in der Rechtssache C-295/89, Donà Alfonso, Slg. 1991, I-2967, abgekürzte Veröffentlichung, Nrn. 1 und 2 des Tenors.“ 106 EuGH, 27.11.2001 – C-285 und 286/99, Rn. 45. 107 EuGH, 29.03.2012 – C-599/10. 108 EuGH, 29.03.2012 – C-599/10. 109 Siehe unten unter F. X. 1. b).
V. Notwendigkeit einer dezidierten Prüfung
161
2. Aufklärung bei unangemessen hohen Preisen oder sofortiger Ausschluss Auffällig ist, dass ein Angebot nach der VOB/A nicht angenommen werden darf, wenn es einen unangemessen hohen oder niedrigen Preis hat,110 im Gegensatz hierzu jedoch eine Aufklärung nach dem Wortlaut nur bei einem unangemessen niedrigen Angebot vorgesehen ist111. Im gleichen Zusammenhang fällt auf, dass nach der VOL/A Angebote, „die in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung stehen“, nicht bezuschlagt werden dürfen,112 eine Aufklärung jedoch nur bei unangemessen niedrigen Preisen vorgesehen ist.113 Hieraus ergibt sich die Frage, ob bei unangemessen hohen Angeboten eine Aufklärung nicht erforderlich ist. In der Literatur wird zunächst betont, dass Überangebote in der Praxis keine Rolle spielten, da sich diese häufig durch den Wettbewerb „von selbst erledigen“ würden.114 Bedeutsamkeit wird dieser Konstellation nur eingeräumt, wenn das vermeintlich unangemessen hohe Angebot das letzte in der Wertung verbliebene Angebot ist und somit unter Umständen bezuschlagt werden müsste.115 Eine weitere Fallgruppe könnte in diesem Zusammenhang ein unangemessen teures, aber qualitativ hochwertiges Angebot bei hoher Bewertung der Qualität sein. Je nach Lage des Falles wäre es dem Bieter möglich, hier auch mit unverhältnismäßig hohen Preisen einen Zuschlag zu erhalten. Teilweise wird in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass eine Überprüfung von unangemessen hohen Angeboten nicht erfolgen müsse.116 Unterhalb der Schwellenwerte sei dies nicht erforderlich, da der Wortlaut der Normen dies nicht erfordere. Oberhalb der Schwellenwerte komme als Argument noch hinzu, dass gemäß dem Wortlaut der VKR ein unangemessen hoher Preis nicht Gegenstand einer Überprüfung sei. Letztlich spreche der Zweck der Vorschrift gegen eine Überprüfung von unangemessen hohen Angeboten, da dieser in der Verhinderung der mangelhaften Vertragsdurchführung bestehe und diese Gefahr nur bei unangemessen niedrigen Preisen bestehe. Diese Argumente werden insoweit
110
§ 16 Abs. 6 Nr. 1 VOB/A; siehe insoweit wortgleich § 16 Abs. 6 Nr. 1 VOB/A-
EG. 111
§ 16 Abs. 6 Nr. 2 VOB/A und § 16 Abs. 6 Nr. 2 VOB/A-EG. §§ 16 Abs. 6 S. 2, 19 Abs. 6 S. 2 VOL/A-EG. 113 §§ 16 Abs. 6 S. 1, 19 Abs. 6 S. 1 VOL/A-EG: „Erscheint ein Angebot im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig, verlangen die Auftraggeber vom Bieter Aufklärung.“ 114 Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 100. 115 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 243; Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 100. 116 Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 100. 112
162
F. Die Angemessenheit der Preise
durch ein Fehlen einer Prüfung von unangemessen hohen Preisen in den Prüfungsvorgaben des Vergabehandbuchs des Bundes (2008) flankiert.117 Hierzu ist zunächst anzumerken, dass es dem nationalen Normgeber nicht untersagt ist, eine Erweiterung hinsichtlich der Überprüfung der Angemessenheit vorzunehmen und diese auf unangemessen hohe Angebote auszuweiten, wie dies in § 16 Abs. 6 Nr. 1 VOB/A bzw. den §§ 16 Abs. 6 S. 2 VOL/A und 19 Abs. 6 S. 2 VOL/A-EG erfolgt ist. Eine solche Prüfung intensiviert auf der einen Seite den Rechtsschutz des Bieters und verändert auf der anderen Seite den Regelungsgehalt (den Ausschluss von unangemessenen Angeboten) nicht. Gegen eine solche Regelung sind daher keine, etwa europarechtlichen, (Kompetenz-)Bedenken anzunehmen. Eine Intensivierung europäischer Regelungen zulasten öffentlicher Auftraggeber ist in diesem Zusammenhang durchaus zulässig.118 Soweit ein Ausschluss gemäß den dargestellten Vorgaben erforderlich wird, scheint in diesem Zusammenhang ein kontradiktorisches Verfahren zwischen den Beteiligten ebenfalls erforderlich. Dieses Verfahren beginnt mit einer Aufklärung durch den Auftraggeber. Gegen die Argumentation, dass keine Aufklärung des unangemessen niedrigen Preises seitens des Auftraggebers erfolgt, können Rechtsschutzgedanken der Bieter vorgebracht werden. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang, wie von anderer Literatur betont, die Möglichkeit, rechtliches Gehör zu finden.119 Hieraus wird teilweise eine Pflicht zur Führung von Aufklärungsgesprächen abgeleitet, die sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergebe.120 Die Grenze wird hier durch das Verhandlungsverbot bestimmt.121 Die Aufklärung von unangemessen hohen Preisen wird in der Literatur daher auch als zulässig betrachtet.122 Erforderlich ist demnach, die Prüfungspflicht in die vergaberechtlichen Regelungen hineinzulesen. In der Literatur wird davon ausgegangen, dass auch bei unangemessen hohen Preisen eine Aufklärung von unverhältnismäßigen Preisen erfolgt.123 Diese richtet sich nicht nach den Vorgaben des § 16 Abs. 6 VOB/A bzw. den §§ 16 Abs. 6 117
Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, S. 224. Siehe etwa Müller-Wrede, VergabeR 2011, 46, 49. 119 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 244 und VOL/A, § 16, Rn. 220. 120 Christiani, in: Pünder/Schellenberg, § 18 VOL/A-EG mit dem insoweit einschränkenden Hinweis, dass es sich hierbei um eine Ausnahme vom Grundsatz, dass der Bieter keinen Anspruch auf ein Aufklärungsgespräch hat, handelt; VK Saarland, 23.04. 2007 – VK 02/07, allerdings unter dem Hinweis, dass hierfür ein Vertrauenstatbestand in der Vergangenheit erforderlich ist. 121 Siehe § 15 S. 2 VOB/A bzw. § 15 S. 2 VOL/A bzw. 18 S. 2 VOL/A-EG. 122 Varva, in: Ziekow/Völlink, § 15 VOB/A, Rn. 10 die eine Aufklärung über die Angemessenheit der Preise für zulässig erklärt; Zeise, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/ A, § 15, Rn. 10. 123 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 244. 118
VI. Vorprüfung des Erreichens einer Aufgreifschwelle
163
VOL/A und 19 Abs. 6 VOL/A-EG,124 erfolgt jedoch faktisch gemäß den Vorgaben der Prüfung von unangemessen niedrigen Angeboten.125 Eine Beurteilung hat demnach „mit umgekehrten Vorzeichen“ nach denselben Maßstäben wie bei unangemessen niedrigen Preisen zu erfolgen.126
VI. Vorprüfung des Erreichens einer Aufgreifschwelle bzw. eines Aufgreifmerkmals Erforderlich ist vor der Durchführung einer Prüfung die Feststellung der Prüfungsnotwendigkeit durch den Auftraggeber. Keinesfalls ist eine dezidierte Prüfung der Angemessenheit der Preise erforderlich, wenn sich für die Unangemessenheit keine Ansätze ergeben. 1. Unterscheidung zu kontradiktorischer Prüfung Für die Feststellung eines solchen Ansatzes ist eine Vorprüfung erforderlich, die sich in der Feststellung der Auftraggeberin erschöpft, dass ein Angebot den Eindruck eines unangemessenen Preises erweckt bzw. ein Angebotspreis unangemessen erscheint. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut. So beginnen die jeweiligen Regelungen, die eine Prüfungspflicht vorsehen, mit folgenden Wortlauten: – „Erscheint ein Angebotspreis . . .“
– § 16 Abs. 6 Nr. 2 VOB/A,
– „Erscheint ein Angebot . . .“
– § 16 Abs. 6 VOL/A, § 19 Abs. 6 S. 1 VOL/A-EG,
– „Erscheint der Endpreis . . .“
– § 27 Abs. 1 S. 1 SektVO,
– „Erwecken Angebote den Eindruck . . .“ – Art. 55 VKR und 57 SKR.127 Ein solches „Erscheinen“ oder „Erwecken“ ist durch den Auftraggeber zunächst festzustellen, also zu prüfen, ob ein überprüfungspflichtiges (niedriges) Angebot vorliegt.128 Durchgeführt wird eine solche Feststellung in Anwendung verschiedener Methoden, die sich häufig durch einen Vergleich mit anderen An-
124 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 244; Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 100 und 101. 125 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 244 und VOL/A, Rn. 220. 126 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 245 und VOL/A, Rn. 221; zu den Inhalten der Prüfung siehe unten unter F. VII. 127 Aktuell noch „. . . ungewöhnlich niedrig erscheinen.“ – Art. 69 Abs. 1 der RL 2014/24/EU (Einfügung Aufgrund der späteren Veröffentlichung der RL nach Einreichung und Bewertung der Dissertation). 128 VK Schleswig-Holstein, 06.06.2007 – VK-SH 10/07; VK Südbayern, 31.05. 2011 – Z3-3-3194-1-11-03.
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F. Die Angemessenheit der Preise
geboten ergeben.129 Durch das Erreichen eines Aufgreifmerkmals, etwa einer Aufgreifschwelle, erfolgt noch kein Ausschluss.130 Dies hat der EuGH festgelegt: „Außerdem verbietet es Artikel 29 Absatz 5 der Richtlinie 71/305[131] den Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung, Vorschriften zu erlassen, wonach bestimmte nach einem mathematischen Kriterium ermittelte Angebote von der Vergabe öffentlicher Bauaufträge ohne weiteres ausgeschlossen werden, statt den öffentlichen Auftraggeber zu verpflichten, das in der Richtlinie vorgesehene Verfahren der kontradiktorischen Überprüfung anzuwenden (Urteile vom 22. Juni 1989 in der Rechtssache 103/88, Fratelli Costanzo, Slg. 1989, 1839, Randnrn. 19 und 21, und vom 18. Juni 1991 in der Rechtssache C-295/89, Donà Alfonso, Slg. 1991, I-2967, abgekürzte Veröffentlichung, Nrn. 1 und 2 des Tenors).“ 132
Von der Vorprüfung zu trennen ist die kontradiktorische (Haupt-)Prüfung sowohl nach ihrem Inhalt als auch nach ihrer Prüfungsart. Geprüft wird in dieser das Vorliegen eines unangemessenen Angebotes.133 Der Inhalt der Prüfung ist eine Aufklärung (das kontradiktorische Verfahren) und die nachfolgende Bestimmung der (Un-)Angemessenheit durch den Auftraggeber.134 In diesem Verfahren ist ein Vergleich mit anderen Angeboten nicht mehr geboten. Dies ergibt sich schon aus der überwiegend zugestimmten Annahme, dass ein niedriger Preis (der sich aus einem Verhältnis zu einem anderen Preis ergeben könnte) für sich noch keinen Ausschlussgrund begründet und es hierfür vielmehr einer weiteren Begründung bedarf, die jeweils im Angebot selber zu suchen ist.135 Demnach wird im Folgenden zwischen einer vergleichenden Prüfung zur Feststellung des Indizes eines unangemessen niedrigen Preises und der kontradiktorischen Prüfung unter Einbindung des Bieters, die sich auf das Angebot beschränkt, unterschieden. Die Feststellung eines solchen Indizes kann mittels eines Aufgreifmerkmals beziehungsweise dem Erreichen einer Aufgreifschwelle 129 Etwa ein Preisspiegel oder ein Mittelwert mit anderen Preisen; die häufigste Methode scheint jedoch der Vergleich mit dem nächsthöheren (zweitniedrigsten) Angebot zu sein; siehe hierzu unter E. VI. 2. 130 Etwa Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 236; Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 103 und 104. 131 Der genannte Art. 29 Abs. 5 der RL 71/305 besagt: „Sind im Falle eines bestimmten Auftrags Angebote im Verhältnis zur Leistung offensichtlich ungewöhnlich niedrig, so überprüft der öffentliche Auftraggeber vor der Vergabe des Auftrags die Einzelposten des Angebotes. Er berücksichtigt das Ergebnis dieser Überprüfung. Zu diesem Zweck fordert er den Bieter auf, die erforderlichen Belege beizubringen, und teilt ihm gegebenenfalls mit, welche Belege als unannehmbar erachtet werden. [. . .]“ 132 EuGH, 27.11.2001, C-285/99 und C-286/99, Rn. 45. 133 Siehe unten unter F. VII. 134 Siehe unten unter F. VII. 135 Siehe beispielsweise Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 103 und 104; Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 241; Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOL/A, § 16, Rn. 704, 705, Stand: 23.09.2013 unter Nennung umfangreicher Rechtsprechung.
VI. Vorprüfung des Erreichens einer Aufgreifschwelle
165
erreicht werden. Bei dem Aufgreifmerkmal handelt es sich um einen „Indikator für ein möglicherweise ungewöhnlich niedriges Angebot“ und nicht schon um ein Ausschlusskriterium.136 2. Feststellung eines Aufgreifmerkmals Denkbar ist die Feststellung der Prüfungsnotwendigkeit, wenn das Angebot ein Aufgreifmerkmal erfüllt. Als ein Aufgreifmerkmal kann etwa der „Eindruck eines unangemessen niedrigen Preises“ gelten.137 Daneben wird in Literatur und Rechtsprechung teilweise von einem unangemessenen Preis ausgegangen, wenn der Preis „derart offensichtlich von dem angemessenen Preis abweicht, dass eine genauere Prüfung im Einzelnen nicht erforderlich ist und die Unangemessenheit sofort ins Auge fällt“.138
Die Formulierung gleicht insoweit den Erläuterungen zu § 16 Abs. 6 S. 2 VOL/A (Anhang IV zur VOL/A), in denen es heißt: „Ein offenbares Missverhältnis zwischen Preis und Leistung ist nur dann anzunehmen, wenn der Preis von den Erfahrungswerten wettbewerblicher Preisbildung so grob abweicht, dass dies sofort ins Auge fällt.“
Dieses Aufgreifmerkmal, etwa in Form des „Eindruck[s] eines unangemessen niedrigen Preises“ oder des „sofort ins Auge fallen“ eines „offenbaren Missverhältnisses“ ist demnach durch weitere Untersuchungen auszufüllen. Ein Ausschluss ohne Prüfung ist, wie dargestellt, nicht möglich. a) Vergleich mit anderen Angeboten, der Kostenberechnung des Auftraggebers und einem Mittelpreis Für eine Prüfung kann ein Rückgriff auf außerhalb des Angebotes liegende Erfahrungswerte erforderlich sein. In der Literatur wird auf die Erstellung eines Preisspiegels und die Formblätter 221–223 des VHB als wichtige Hilfsmittel zur Prüfung hingewiesen.139 Hierzu kann ein Vergleich mit Preisen anderer Angebote der Ausschreibung, aber auch der Vergleich mit Preisen aus früheren vergleich136
VK Bund, 10.06.2011 – VK 3-56/11. Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 235; Csaki, NZBau 2013, 343 spricht von dem „Anschein“ eines ungewöhnlich niedrigen Angebotes. 138 Ruhland, in: Pünder/Schellenberg, § 16 VOB/A, Rn. 101; ebenso mit ähnlichem Zitat Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOL/A, § 16, Rn. 672, Stand: 23.09.2013 unter Nennung vielfältiger Rechtsprechung. 139 Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 99, der jedoch wohl von einem anderen Prüfungsaufbau ausgeht; siehe hierzu ebenda unter Rn. 102: „Der Eindruck oder Verdacht eines ungewöhnlich niedrigen Preises kann sich bereits auf der Grundlage von Erfahrungswerten des Auftraggebers ergeben.“ 137
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F. Die Angemessenheit der Preise
baren Ausschreibungen herangezogen werden.140 Weitere Ansätze werden von der VK Bund in einer Entscheidung aus 2011 genannt.141 Hiernach „kommen [als Maßstab für die Ermittlung eines angemessenen Preises] insbesondere Angebote anderer Anbieter, Daten aus anderen Ausschreibungen, von Konkurrenzanbietern gebotene Einheitspreise, bisher für vergleichbare Leistungen vom Auftraggeber gezahlte oder ihm angebotene Preise, eigene Kostenschätzungen der Vergabestelle, Grobkalkulationen beratender Ingenieurbüros, aber auch Ergebnisse aus einem anschließenden Vergabeverfahren in Betracht.“
Sinnvoll scheint in diesem Fall eine Abstufung der Prüfung mittels einer aufeinander folgenden Heranziehung der verschiedenen Werte zu sein, wie dies verschiedene Vergabekammern tun.142 Danach ist zunächst der Preis des dem preisgünstigsten Bieters nachfolgenden (zweitgünstigsten) Angebotes zu untersuchen. Bei einer maßgeblichen Abweichung (in der dargestellten Rechtsprechung mehr als 10%) kann eine Kostenberechnung des Auftraggebers herangezogen werden. Diese ist jedoch vor Verwendung kritisch zu hinterfragen; genannt werden „mögliche Projektänderungen nach Aufstellung der Kostenberechnung, war es überhaupt eine Kostenberechnung oder nur Kostenschätzung, Beachtung der Genauigkeit der Kostenermittlung (Kostenberechnung, Kostenschätzung oder anderes), aktuelle Basisdaten, Gruppenbildung von Angeboten unterhalb der Kostenberechnung“ 143
als Beispiele, die die Aussagekraft schmälern könnten. Soweit hiernach eine Aufgreifschwelle erreicht ist,144 ist eine Aufklärung erforderlich. Das Gleiche dürfte beim Erreichen eines Aufgreifmerkmals gegeben sein. Wie dargestellt kann ein solches Merkmal für sich noch keine Unangemessenheit begründen; erforderlich ist vielmehr eine kontradiktorische Prüfung. b) Verwendung ausgeschlossener Angebote Strittig ist die Frage, ob in den Vergleich zur Feststellung eines Aufgreifmerkmals Angebote mit einbezogen werden dürfen, die in der Angebotsprüfung ausgeschlossen worden sind.145 Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass „bei einem solchen Preisvergleich die Angebote, die zwingend ausgeschlossen werden müssen, nicht zu berücksichtigen [sind].“ 146 Im Fall des OLG Koblenz erfolgte 140
Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 235. VK Bund, 17.01.2011 – VK 1-139/10. 142 Siehe VK Berlin, 02.06.2009 – VK B 2-12/09; VK Thüringen, 06.07.2001 – 2164002.20-020/01-NDH. 143 VK Thüringen, 06.07.2001 – 216-4002.20-020/01-NDH. 144 Die genannte Rechtsprechung spricht hier von über 10% Abweichung, zur Aufgreifschwelle siehe unten unter F. VI. 3. 145 Zum Streit hierzu siehe: Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 235. 146 Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOL/A, § 16, Rn. 681, Stand: 23.09.2013 mit Verweis auf OLG Koblenz, 23.12.2003 – 1 Verg 8/03. 141
VI. Vorprüfung des Erreichens einer Aufgreifschwelle
167
der Ausschluss wegen der Mangelhaftigkeit der Nachunternehmererklärungen. Diese deswegen ausgeschlossenen Angebote können nach der Rechtsprechung des OLG Koblenz nicht mehr wertend herangezogen werden.147 Die Gegenansicht betont, dass es nicht zwingend ist, generell jedes ausgeschlossene Angebot als Referenzwert von einer Angemessenheitsprüfung auszunehmen.148 Begründet wird dies damit, dass ansonsten „eine VSt einem offenkundig völlig überhöhten Angebot den Zuschlag geben [müsse], wenn die anderen Bieter aufgrund des Verstoßes gegen Formvorschriften oder des Fehlens für das Gesamtvorhaben belangloser Angaben ausgeschlossen werden mussten. Dies würde dem Ziel des Vergabeverfahrens, im Wettbewerb einen günstigen Preis zu erzielen, geradezu zuwiderlaufen.“ 149
In der Literatur wird die Ansicht, dass ein ausgeschlossenes Angebot ebenfalls gewertet werden könnte, mit weiterer Darstellung, wann dies möglich ist, unterstützt.150 So wird argumentiert, dass ein Konkurrenzangebot nicht bei der Feststellung des Eindrucks einer Unangemessenheit berücksichtigt werden darf, wenn der Ausschlussgrund die Kalkulation beeinflusst haben könnte.151 Ein Angebot, das wegen rein formaler Mängel ausgeschlossen wurde, kann demnach bei einem Vergleich Berücksichtigung finden, ein Angebot, dessen Ausschlussgrund auch Kalkulationsrelevanz vorweist, nicht. Diesbezüglich ist eine Einzelfallprüfung erforderlich.152 Dieser Ansicht wird hier zugestimmt. Gerade aus praktischen Erwägungen ist die Einbeziehung möglichst vieler Vergleichsangebote in eine Prüfung wünschenswert, um diese in einem möglichst objektiven Rahmen und auf sicherer Tatsachenbasis durchführen zu können. Gerade der Fall, dass kein oder nur wenige Vergleichsangebote zur Verfügung steht/stehen, ist für alle Beteiligten aufgrund der hohen Subjektivität wenig wünschenswert. Auch sind keine Argumente ersichtlich, die eine Nichtberücksichtigung von ausgeschlossenen Angeboten im Rahmen des Vergleichs zwingend notwendig erscheinen lassen. Ein Rechtsschutz bei der Vorprüfung, etwa seitens des Bieters, dessen Angebot aufgrund der Bejahung eines Indizes eines unangemessen niedrigen Preises näher geprüft werden soll, aber auch von dritten Bietern, soll an anderer Stelle dargestellt werden.153 147
OLG Koblenz, 23.12.2003 – 1 Verg 8/03. Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 235 unter Verweis auf OLG München, 02.06.2006 – Verg 12/06; ebenso VK Nordbayern, 27.06.2008 – 21.VK-3194-23/08. 149 OLG München, 02.06.2006 – Verg 12/06; VK Nordbayern, 27.06.2008 – 21.VK3194-23/08. 150 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, § 16 VOL/A, Rn. 213. 151 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, § 16 VOB/A, Rn. 235; Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 102. 152 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, § 16 VOB/A, Rn. 235. 153 Siehe unten unter F. X. 1. 148
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F. Die Angemessenheit der Preise
c) Erfahrungswerte In der Literatur wird teilweise noch vertreten, dass „der Eindruck oder Verdacht eines ungewöhnlich niedrigen Preises [. . .] sich bereits auf der Grundlage von Erfahrungswerten des Auftraggebers ergeben [kann]“.154 Hierzu ist jedoch zumindest eine substantiierte Darlegung im Einzelfall zu fordern. 3. Feststellung des Erreichens einer Aufgreifschwelle Teilweise wird von einer Prüfungspflicht bei Unangemessenheit bzw. bei einem offenbaren Missverhältnis von Angeboten ausgegangen, wenn eine „Aufgreifschwelle“ erreicht ist. Gemeint ist ein prozentualer Wert, der ein bestimmtes Verhältnis zwischen dem Angebot, welches möglicherweise auf die Angemessenheit untersucht werden muss, und anderen Angeboten ausdrückt.155 Denkbar ist auch eine prozentuale Abweichung von einem Mittelwert der Angebote oder von Werten, die in anderem Zusammenhang mit der Aufklärung stehen.156 Abgelehnt wird jedenfalls die Erstellung eines Idealpreisspiegels, also ein Preisspiegel mit den jeweils geringsten Einzelpreisen, als Vergleichsmaßstab.157 Die Möglichkeit der Verwendung einer Aufgreifschwelle wird durch den EuGH ausdrücklich eingeräumt. Dieser stellt hierzu fest: „[Es] verstößt [. . .] grundsätzlich nicht gegen das Gemeinschaftsrecht, wenn ein mathematisches Kriterium wie die in den Ausgangsverfahren angewandte Ungewöhnlichkeitsschwelle verwendet wird, um zu bestimmen, welche Angebote ungewöhnlich niedrig erscheinen, sofern das Ergebnis, zu dem die Anwendung dieses Kriteriums führt, nicht unantastbar ist und das in Artikel 30 Absatz 4 der Richtlinie niedergelegte Erfordernis einer kontradiktorischen Überprüfung dieser Angebote beachtet wird.“ 158
Eine Aufgreifschwelle kann demnach nicht den Sinn haben, ein Angebot bei Überschreitung als unangemessen zu qualifizieren. Vielmehr kann die Überschreitung als ein Indiz eines unangemessenen Angebotes gelten. Eine einheitliche Aufgreifschwelle hätte gegenüber einem Aufgreifmerkmal den Vorteil einer gleichförmigen Prüfungspraxis und einer Transparenz für den Bieter. Jedoch hat der Bieter, da wie dargestellt eine Einzelfallprüfung erfolgen muss, auch das Indiz eines unangemessenen Angebots im Einzelfall darzulegen. Eine „starre“ Anwendung einer Aufgreifschwelle kann daher ungeeignet sein, den benannten Eindruck festzustellen, etwa wenn wenige hochpreisige oder besonders niedrig154
Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 102. So etwa Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, § 16 VOB/A, Rn. 236. 156 Siehe etwa VK Bund, 17.01.2011 – VK 1-139/10; VK Thüringen, 06.07.2001 – 216-4002.20-020/01-NDH. 157 VK Südbayern, 14.09.2007 – Z3-3-3194-1-133-07/07. 158 EuGH, 27.11.2001 – C-285/99 und C-286/99, Rn. 73. 155
VI. Vorprüfung des Erreichens einer Aufgreifschwelle
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preisige Vergleichsangebote zur Verfügung stehen. In diesem Fall ist der Rückgriff auf andere Parameter geboten.159 a) Berechnung der Aufgreifschwelle Die Aufgreifschwelle berechnet sich üblicherweise als Abstand zwischen dem zu untersuchenden zum nächst höheren Angebot.160 Teilweise existieren zur Berechnung der Aufgreifschwelle missverständliche Formulierungen. So wird von einigen Vergabekammern die Aufgreifschwelle als Abstand vom „erstplatzierten“ zum „nächstplatzierten“ Angebot eines Bieters festgelegt.161 Gemeint sein kann in diesem Zusammenhang nur die Platzierung in Bezug auf den Preis.162 Würden im Zusammenhang mit der erwähnten Platzierung auch qualitative Bewertungen berücksichtigt, so würde die Messbarkeit gerade bei hoher qualitativer Bewertung ihren objektiven Maßstab hinsichtlich der Angemessenheit des Preises verlieren. b) Festlegung der Aufgreifschwelle Die Aufgreifschwelle kann auf vielfältige Weise festgelegt werden. Dies erfolgt häufig in den Vergabeunterlagen, vereinzelt auch durch Landesvergaberegelungen. Teilweise scheint ein Blick in die Judikatur hilfreich, jedoch finden sich keine finalen Regelungen. aa) Festlegung in den Vergabeunterlagen Zunächst können Aufgreifschwellen durch den Auftraggeber in den Vergabeunterlagen bestimmt werden.163 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass mit Festlegung solcher Schwellenwerte keine Bindung des Auftraggebers hinsichtlich des endgültigen Ausschlusses eintritt.164 Zur Entscheidungsbefugnis der Vergabestelle hat das OLG Düsseldorf ausgeführt: 159 Siehe oben unter F. VI. 2. – Hier kann ein Aufgreifmerkmal wieder zur Anwendung kommen. 160 VK Niedersachsen, 30.06.2010 – VgK-26/2010; Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/ Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 236; Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16, Rn. 103. 161 VK Münster, 04.08.2010 – VK 5/10; VK Baden-Württemberg – 26.01.2010 – 1 VK 71/09; VK Münster, 15.09.2009 – VK 14/09. 162 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 214: „Dabei handelt es sich um den Preisabstand zum nächsthöheren Angebot.“ 163 OLG Düsseldorf, 30.11.2005 – VII-Verg 65/05; VK Bund, 10.06.2011 – VK 356/11; VK Berlin, 27.07.2009 – VK-B 1-18/09. 164 VK Bund, 10.06.2011 – VK 3-56/11; OLG Düsseldorf, 23.11.2005 – VII-Verg 66/05; hinsichtlich der Einführung einer gesetzlichen Untergrenze ebenso EuGH, 27.11.2001 – C-285/99 und C-286/99 unter Darstellung der Argumente gegen einen Ausschluss nach Unterschreitung einer Untergrenze ohne weitere Überprüfung.
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F. Die Angemessenheit der Preise
„Bei der Festlegung der unteren Grenze der Aufgreifschwelle kommt der Vergabestelle ein Ermessen zu. Dieses kann nur daraufhin überprüft werden, ob die Vergabestelle eine sachlich vertretbare Entscheidung getroffen hat, das heißt einen zutreffenden Sachverhalt zu Grunde gelegt hat, keine sachwidrigen Erwägungen angestellt und einen zutreffenden Beurteilungsmaßstab angewandt hat. Etwaige Ermessenfehler hat die Antragstellerin nicht aufgezeigt, sie sind auch nicht ersichtlich.“ 165
– Bekanntmachungspflicht hinsichtlich der festgelegten Aufgreifschwelle In diesem Zusammenhang ist noch eine Rechtsprechung der VK Bund zu erwähnen, in der diese sich für eine Bekanntmachungspflicht von Kriterien für den Einstieg in die Preisprüfung nach § 19 Abs. 6 VOL/A-EG ausspricht, wenn der Auftraggeber diese ganz dezidiert festgelegt hat. Dies begründe sich, trotz der Tatsache, dass eine gesetzliche Regelung dahingehend nicht existiert, durch den Transparenzgrundsatz.166 Die zitierten Fälle betrafen Ausschreibungen von Arzneimittelrabattverträgen, bei denen die Preisprüfung und Wirtschaftlichkeitsberechnung anhand einer Wirtschaftlichkeitsmaßzahl erfolgte, die sich aus dem Preis pro Dosiereinheit und anderen preisbestimmenden Faktoren berechnete. Diesbezüglich gab der Auftraggeber eine Auskömmlichkeitsberechnung vor, deren Inhalt nach Ansicht der 3. VK Bund nicht den Vorgaben des Transparenzgrundsatzes entsprach. Diesem hätte, aufgrund der dezidierten Vorgabe der Prüfung und den massiven Folgen für das Angebot, in der Form genügt werden müssen, dass der Auftraggeber sowohl die Aufgreifkriterien als auch die Maßstäbe der kontradiktorischen Prüfung167 hätte offenlegen müssen.168 Die Besonderheit bestand im Fall jedoch in der Tatsache, dass die Bewertung nur anhand des Preises erfolgt, der darüber hinaus mittels einer Wirtschaftlichkeitsmaßzahl ermittelt wurde und darin, dass die Prüfung der Unangemessenheit der Angebote dezidiert vorgegeben war. Demnach ist die Rechtsprechung weniger auf eine allgemeine Bekanntmachungspflicht der Prüfungskriterien für die Angemessenheit, sondern vielmehr auf den Transparenzgrundsatz in der Form bezogen, dass der Auftrag-
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OLG Düsseldorf, 23.11.2005 – VII-Verg 66/05. VK Bund, 01.02.2011 – VK 3-126/10, 01.02.2011 – VK 3-135/10 und 10.02. 2011 – VK 3-162/10. 167 VK Bund, 10.02.2011 – VK 3-162/10: „Dem Bedürfnis nach Transparenz haben die Ag in der Folge nicht ausreichend entsprochen. Dies gilt sowohl für die sog. Aufgreifkriterien, die einen Einstieg in die Preisprüfung rechtfertigen sollten, als auch und erst recht für die Kriterien, die im kontradiktorischen Verfahren Maßstab für die Preisprüfung sein sollten.“ 168 Etwa VK Bund, 10.02.2011 – VK 3-162/10: „Wenn der Auftraggeber, so wie hier, ganz dezidierte Kriterien für den Einstieg in die Preisprüfung nach § 19 Abs. 6 VOL/A-EG – zu welchem Zeitpunkt sie auch immer aufgestellt sein mögen – anwendet, so muss er sie vor Angebotsabgabe bekannt geben, auch wenn diesbezüglich eine den § 7 Abs. 5 S. 1, § 19 Abs. 8 VOL/A-EG entsprechende Regelung nicht gegeben ist.“ 166
VI. Vorprüfung des Erreichens einer Aufgreifschwelle
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geber, soweit er (über das Vergaberecht hinausgehende) Vorgaben macht, imstande sein muss, diese zu erläutern. (a) Gegenargument 1 – Kein Rechtsschutz, da kein Nachteil für Bieter Der Ansicht, dass eine generelle Bekanntmachungspflicht der genannten Prüfungskriterien besteht, kann entgegengehalten werden, dass ein Bieter durch die Anwendung einer „Aufgreifschwelle“ keine Nachteile erfährt, die einen Rechtsschutz begründen könnten. Sein Angebot wird allenfalls auf das Erreichen einer Aufgreifschwelle überprüft. Diese Prüfung führt nicht zum Ausschluss des Angebotes.169 (b) Gegenargument 2 – Kein Verstoß gegen Transparenzgrundsatz Der vergaberechtliche Transparenzgrundsatz bildet keine Grundlage für eine Pflicht zur Bekanntmachung der Aufgreifschwelle in den Vergabeunterlagen. Dieser begründet sich nach Rechtsprechung des EuGH als „Ausformung des Grundsatzes der Gleichbehandlung“.170 Hierdurch zugrunde gelegt wird eine „zweigliedrige Transparenzverpflichtung“ in Form der Herstellung eines Grades an Öffentlichkeit zur Wettbewerbsermöglichung und Eröffnung der Überprüfbarkeit der Vergabeentscheidungen.171 Die Folge sind Publizitätspflichten insbesondere in Bezug auf Eignungs- und Zuschlagskriterien und deren Bewertung.172 Die Bekanntmachung einer Aufgreifschwelle, die mangels einer hierauf beruhenden finalen (Ausschluss-)Entscheidung keine Vergabeentscheidung darstellt, ist hiervon nicht umfasst. Die Vorprüfung ist für den Bieter für sich genommen noch ohne Folgen und hat einen „internen Charakter“. Ein späterer Ausschluss wird durch den Bieter dezidiert zu begründen sein. Daher ist fraglich, ob die Transparenz zum Schutz des Bieters hier erforderlich ist. (c) Gegenargument 3 – Einzelfallprüfung erforderlich Auch widerspricht das Ergebnis der Vorgabe einer Einzelfallprüfung. So ist durchaus denkbar, dass Anhaltspunkte existieren, die trotz einer Unterschreitung der Aufgreifschwelle ein Indiz für einen unangemessenen Preis vorgeben. Gerade die Tatsache, dass andere Angebote einen (unangemessenen) niedrigen Preis ent-
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Siehe oben unter E. VI. 1. Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 38 mit diesbezüglichem Verweis; EuGH, 18.06.2002 – C-92/00, Rn. 45; EuGH, 13.10.2005 – C-458/03, Rn. 49; EuGH, 12.11.2009 – C-199/07, Rn. 37. 171 Höfler, NZBau 2010, 73, 76 f. 172 Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 38. 170
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F. Die Angemessenheit der Preise
halten können, kann die Verwendung einer Aufgreifschwelle obsolet machen. In diesen Fällen wäre ein Rückgriff auf andere Instrumente geboten (s. o.). Der Zwang zur Veröffentlichung einer Aufgreifschwelle hätte hiernach keine Auswirkungen, weswegen fraglich scheint, ob er zwingend geboten ist. Aufgrund der dargestellten Argumente wird sich der Meinung angeschlossen, dass eine Bekanntmachungspflicht der Aufgreifschwelle durch den Auftraggeber nicht existiert. bb) Festlegung durch Entscheidungen der Vergabekammern/Oberlandesgerichte Zum Teil ist die Aufgreifschwelle durch Gerichte und Vergabekammern in den Entscheidungen festgelegt worden. Hierzu ist zu beachten, dass eine einheitliche Rechtsprechung nicht existiert. Die VK Südbayern spricht etwa insoweit von einer „üblicherweise“ bestehenden Grenze von 10% im VOB-Bereich und von 20% im VOL-Bereich,173 die VK Düsseldorf hingegen von einer „üblicherweise“ bestehenden Grenze von 10% im VOL-Bereich.174 Diese Werte werden von anderer Rechtsprechung in verschiedenem Zusammenhang ebenfalls verwendet.175 Hinsichtlich einzelner Abweichungswerte existiert umfangreiche Einzelfall-Rechtsprechung,176 die es jedoch aufgrund der fehlenden Finalität nicht vermag, eine allgemein gültige Grenze festzulegen, ab der ein Ausschluss wegen unangemessener Preise zu erfolgen hat. Dass eine einheitliche Rechtsprechungslinie hier wünschenswert wäre, wird in der Literatur betont.177 Jedoch ist auch hier anzumerken, dass eine Aufgreifschwelle für sich allenfalls ein Indiz für eine Unangemessenheit sein, nicht je173
VK Südbayern, 31.05.2011 – Z3-3-3194-1-11-03/11. VK Düsseldorf, 24.11.2009 – VK-26/2009-L und 08.09.2009 – VK-17/2009-L. 175 Die Entscheidungen VK Düsseldorf, 24.11.2009 – VK-26/2009-L und 08.09. 2009 – VK-17/2009-L sprechen von einem „Indiz einer erheblichen Abweichung zum nachfolgenden Angebot der Antragstellerin, die üblicherweise bei 10% festgemacht wird“; Dagegen OLG Frankfurt am Main, 30.03.2004 – 11 Verg 4/04 und 11 Verg 5/04: „Diese Nachfrage- bzw. Aufklärungspflicht setzt bei einer Abweichung von mehr als 20% vom günstigsten der eingegangenen übrigen Angebote an“; VK Sachsen, 04.07.2003 – 1/SVK/073-03: „So ist der Auftraggeber bei einer Preisdifferenz über 10% verpflichtet, sich beim Bieter nach der Auskömmlichkeit zu erkundigen“ mit Verweis auf VK Sachsen mit Beschlüssen vom 10.08.2000, 1/SVK/69-00 und 13.10.2000, 1/SVK/86-00; VK Nordbayern, 15.01.2004 – 320.VK-3194-46/03: „Die Vermutung eines Unterangebots besteht nach einhelliger Meinung ab einer Preisdifferenz von mehr als 10% zwischen dem Angebot und der Kostenberechnung des Auftraggebers oder dem nächsthöheren Angebot.“ 176 Siehe hierzu Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOB/A, § 16, Rn. 705, Stand: 23.09.2013 unter Nennung umfangreicher divergierender Rechtsprechung. 177 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 237. 174
VI. Vorprüfung des Erreichens einer Aufgreifschwelle
173
doch schon den Ausschluss begründen kann.178 Auch kann eine Aufgreifschwelle unter Umständen nicht das geeignete Instrument sein, um ein Indiz bzw. den Eindruck einer Unangemessenheit darzulegen.179 Aus den Äußerungen von Vergabekammern und Oberlandesgerichten ergeben sich daher kaum starre allgemeingültige Instrumente zur Feststellung der Unangemessenheit. cc) Festlegung durch gesetzliche Regelungen Weiterhin existieren einzelne landesgesetzliche Regelungen, die eine Aufgreifschwelle vorgeben und den Auftraggeber zur Prüfung ab Erreichen einer bestimmten Aufgreifschwelle verpflichten.180 Jedoch gilt auch nach dem Wortlaut dieser Regelungen, dass eine Abweichung von dem jeweiligen gesetzlich vorgegebenen Wert eine Pflicht zur genaueren Prüfung begründet, und sich demnach hieraus kein direkter Ausschlussgrund ergibt.181 Bei den angegebenen Werten handelt es sich demnach um eine Aufgreifschwelle bzw. um ein Aufgreifmerkmal. Aus genannten Gründen kann ein „Aufgreifen“ in Einzelfällen auch geboten sein, wenn die gesetzliche Grenze nicht tangiert wird. c) Möglichkeit des Auftraggebers, trotz Feststellung eines Aufgreifmerkmals/ Erreichens einer Aufgreifschwelle keine weitere Prüfung durchzuführen Aus dem Wortlaut der Regelungen und der angegebenen Rechtsprechung ergibt sich, dass der Auftraggeber verpflichtet ist die Angemessenheit der Preise zu überprüfen. Fraglich ist, ob dem Auftraggeber insoweit ein Ermessen eingeräumt ist oder ob er wegen des Erreichens einer Aufgreifschwelle oder eines Aufgreifmerkmals zur weiteren Prüfung verpflichtet ist. Teilweise wird dies, unter Nennung einzelner Werte, bejaht.182 Die Regelungen der VOL/A und VOB/A verpflichten zu einer Prüfung der Angemessenheit, da ein Zuschlag nicht auf ein unangemessenes Angebot erteilt
178 Siehe oben unter E. VI. 1. und auch Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 103 und 104. 179 Denkbar ist etwa der (seltene) Fall, in dem nur unangemessen hohe Angebote mit ähnlichen Preisen abgegeben werden. Eine Aufgreifschwelle kann hier mangels einer preislichen Abweichung kein Indiz für eine Unangemessenheit liefern. 180 Siehe hierzu oben unter E. I. 2.; die Schwelle wird hier häufig bei 10% angesetzt. 181 Siehe die oben unter E. I. 2. angegebenen Regelungen, etwa das TVgG-NRW, § 10 Abs. 1, 2. 182 VK Münster, 04.08.2010 – VK 5/10, OLG Düsseldorf, 23.01.2008 – Verg 36/07 und VK Münster, 15.09.2009 – VK 14/09 gehen beispielsweise davon aus, dass die Vergabestellen verpflichtet sind die Angemessenheit der Preise zu prüfen, wenn der Abstand zwischen dem erstplatzierten und dem nächstplatzierten Angebot eines Bieters mehr als 20% beträgt.
174
F. Die Angemessenheit der Preise
werden darf.183 In die gleiche Richtung gehen landesgesetzliche Regelungen. So legt beispielsweise das Niedersächsische Landesvergabegesetz in § 5 fest: „Die Vergabestelle kann die Kalkulation eines unangemessen niedrigen Angebots, auf das der Zuschlag erteilt werden könnte, überprüfen; bei einer Abweichung von mindestens 10 vom Hundert vom nächst höheren Angebot ist sie hierzu verpflichtet.“ 184
Dagegen könnte angeführt werden, dass die Möglichkeit existiert, Unterkostenangebote unter gewissen Umständen anzunehmen.185 Jedoch ist zu der Feststellung eines „zulässigen“ Unterkostenangebotes eine Prüfung durch den Auftraggeber erforderlich, die im Weiteren darzulegen ist.186 Daher ist ein Abbruch der Prüfung nach Feststellung eines Aufgreifmerkmals bzw. Erreichens einer Aufgreifschwelle nicht mehr möglich.
VII. Kontradiktorische Prüfung Die grundlegende Notwendigkeit der kontradiktorischen Prüfung ist oben bereits festgestellt worden.187 Die Ausgestaltung erfolgt in den Regelungen der VKR188, der VOB/A189 und der VOL/A190 zu unangemessen niedrigen Preisen 183 § 16 Abs. 6 Nr. 1 VOB/A bzw. den §§ 16 Abs. 6 S. 2 VOL/A und 19 Abs. 6 S. 2 VOL/A-EG. 184 Hervorhebung durch Verfasser. 185 Siehe oben unter F. III. 186 Zu dieser Prüfung siehe unten unter E. VII. 187 Siehe schon oben unter F. V. 1. 188 Art. 55 Abs. 1: „Erwecken im Fall eines bestimmten Auftrags Angebote den Eindruck, im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrig zu sein, so muss der öffentliche Auftraggeber vor Ablehnung dieser Angebote schriftlich Aufklärung über die Einzelposten des Angebots verlangen, wo er dies für angezeigt hält.“ (Hervorhebung durch Verfasser); siehe auch Art. 69 Abs. 1 und 3 RL 2014/24/EU: „(1) Die öffentlichen Auftraggeber schreiben den Wirtschaftsteilnehmern vor, die im Angebot vorgeschlagenen Preise oder Kosten zu erläutern, wenn diese im Verhältnis zu den angebotenen Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen ungewöhnlich niedrig erscheinen. [. . .] (3) Der öffentliche Auftraggeber bewertet die beigebrachten Informationen mittels einer Rücksprache mit dem Bieter. Er kann das Angebot nur dann ablehnen, wenn die beigebrachten Nachweise das niedrige Niveau des vorgeschlagenen Preises beziehungsweise der vorgeschlagenen Kosten unter Berücksichtigung der in Absatz 2 genannten Faktoren nicht zufriedenstellend erklären. Die öffentlichen Auftraggeber lehnen das Angebot ab, wenn sie festgestellt haben, dass das Angebot ungewöhnlich niedrig ist, weil es den geltenden Anforderungen gemäß Artikel 18 Absatz 2 nicht genügt.“ (Einfügung aufgrund der späteren Veröffentlichung der RL nach Einreichung und Bewertung der Dissertation). 189 § 16 Abs. 6 Nr. 2 VOB/A: „Erscheint ein Angebotspreis unangemessen niedrig und ist anhand vorliegender Unterlagen über die Preisermittlung die Angemessenheit nicht zu beurteilen, ist in Textform vom Bieter Aufklärung über die Ermittlung der Preise für die Gesamtleistung zu verlangen [. . .]“ (Hervorhebung durch Verfasser). 190 §§ 16 Abs. 6 S. 1 VOL/A und 19 Abs. 6 S. 1 VOL/A-EG: „Erscheint ein Angebot im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig, verlangen die Auftraggeber vom Bieter Aufklärung.“ (Hervorhebung durch Verfasser).
VII. Kontradiktorische Prüfung
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und wird in einigen landesgesetzlichen Regelungen noch dezidierter ausgestaltet, beispielsweise zur Art der Unterlagen, die vorgelegt werden können.191 1. Ziel der Prüfung Ziel der Prüfung ist die Beurteilung der Angemessenheit bzw. des Vorliegens eines offensichtlichen Missverhältnisses als zweiter Prüfungsschritt gegenüber dem ersten Prüfungsschritt der Feststellung einer Aufgreifschwelle192 bzw. eines Aufgreifmerkmals. In der mangelnden Auskömmlichkeit als solcher besteht kein Ausschlussgrund.193 Soweit hier schon die Unangemessenheit des Preises bzw. das Vorliegen eines offensichtlichen Missverhältnisses bejaht wird, darf auf das betreffende Angebot der Zuschlag nicht erteilt werden.194 Die Voraussetzungen für ein „unangemessenes Angebot“ bzw. ein Angebot mit „offensichtlichem Missverhältnis“ sind im Folgenden zu bestimmen und orientieren sich an dem oben aufgezeigten Schutzzweck der Norm.195 a) Marktverdrängungsabsicht Teilweise wird in der Rechtsprechung angenommen, dass Unterkostenangebote auszuschließen sind, wenn sie in der Absicht abgegeben werden, andere Markteilnehmer zu verdrängen bzw. die Gefahr der Marktverdrängungsabsicht begründen.196 Als Grundlage für den Ausschlussgrund der Marktverdrängung wird die Pflicht, wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen zu bekämpfen,197 bzw. nach Wegfall von dessen ausdrücklicher Normierung das Prinzip der wettbewerblichen Vergabe,198 in Verbindung mit dem Ausschluss unangemessener Preise bzw. Preisen im offenbaren Missverhältnis, gesehen.199
191
Siehe etwa § 7 Brandenburgisches Vergabegesetz. Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 238. 193 Gabriel, VergabeR 2013, 300, 304, der hierbei ebenfalls auf den Schutzzweck rekurriert; siehe hierzu auch oben unter F. III. 194 § 16 Abs. 6 S. 2 VOL/A, § 19 Abs. 6 S. 2 VOL/A-EG VOL/A und § 16 Abs. 6 Nr. 1 VOB/A. 195 Siehe oben unter F. II. 196 Grundlegend hierzu: Müller-Wrede, VergabeR 2011, 46 mit Verweis auf: OLG Düsseldorf, 04.09.2002 – Verg 37/02, sowie aus jüngerer Zeit etwa: OLG München, 21.05.2010 – Verg 02/10; OLG Düsseldorf, 25.02.2009 – Verg 6/09 und 29.09.2008 – Verg 50/08; OLG Koblenz, 26.10.2005 – 1 Verg 4/05; VK Baden-Württemberg, 16.04. 2010 – 1 VK 16/10. 197 § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A 2006. 198 § 97 Abs. 1 GWB in Verbindung mit § 2 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOL/A 2006, siehe Burgi, NZBau, 2003, 539, 543; inzwischen § 2 Abs. 1 VOL/A und VOL/A-EG. 199 Müller-Wrede, VergabeR 2011, 46. 192
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F. Die Angemessenheit der Preise
Dieser Rechtsprechung wurde im Rahmen der dargestellten Literatur mit Bedenken in kompetenzrechtlicher und europarechtlicher Hinsicht bereits entgegengetreten.200 Eine Pflicht der Vergabestellen, wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen zu unterbinden, wird durch das Vergaberecht nicht bestimmt.201 b) Schutz des öffentlichen Haushalts Daher wird hier als wesentlicher Schutzzweck der Schutz der öffentlichen Haushalte angenommen.202 Dieser Schutz kommt bei verschiedenen Fallgestaltungen zur Geltung. aa) Gefahr der Abrechnung von Mehrmengen/Nachforderung von Kosten durch den Auftragnehmer Ein Ansatz zur Bestimmung der Unangemessenheit bzw. des offensichtlichen Missverhältnisses findet sich in der Literatur in einem anderen Zusammenhang. Dort wird im Rahmen der hier als Vorprüfung dargestellten Prüfungsstufe203 den Auftraggebern eine Prognoseentscheidung eingeräumt, in welcher antizipiert werden soll, ob „die Gefahr besteht, dass sich das bei der Wertung vermeintlich wirtschaftlichste Angebot infolge der Aufpreisung im Nachhinein aufgrund von abrechnungsfähigen Mehrmengen als nachteilig und letztlich teurer erweisen könnte als ein Angebot mit einem höheren Submissionspreis.“ 204 Dies schließt zunächst ein Unterkostenangebot nicht zwingend aus.205 Vielmehr kann der Bieter, wie oben dargestellt, auch nicht auskömmlich kalkulieren, jedoch durchaus ein Angebot abgeben, welches als angemessen zu qualifizieren ist. 200
Müller-Wrede, VergabeR 2011, 46 ff.; siehe oben unter F. II. 3. Siehe oben unter F. II. 3. 202 Siehe hierzu oben unter F. II. 2. 203 Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 16 VOB/A-EG, Rn. 283: Dies zeigt sich daran, dass das kontradiktorische Verfahren in der bezeichneten Kommentierung nach der Prognoseentscheidung erfolgen kann. Dies ist jedoch hier bereits vor der im Folgenden dargestellten Prognoseentscheidung verortet. 204 Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 16 VOB/A-EG, Rn. 283. 205 Unverständlich sind daher die Ausführungen der gleichen Kommentierung, die davon ausgehen, dass ein Angebot, bei dem die Vermutung der Nichtauskömmlichkeit nicht widerlegt werden kann, zwingend auszuschließen ist, siehe Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 16 VOB/A-EG, Rn. 290; dem gleichen Widerspruch unterliegt nach der Kommentierung VK Thüringen, 30.01.2006 – 360-4003.20055/05-EF-S (= IBR 2006, 221), bei der jedoch die oben getroffene Aussage nicht festgestellt werden kann. Vielmehr geht auch die VK Thüringen davon aus, dass die Angemessenheit der Preise eine „ordnungsgemäße Leistungsausführung“ zugunsten des Auftraggebers garantierten soll und nicht die Nachforderung von Mehrkosten verhindern soll. 201
VII. Kontradiktorische Prüfung
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Ein Angebot ist jedenfalls dann unangemessen, wenn der Auftraggeber im Rahmen einer kontradiktorischen Prüfung bei der Prognoseentscheidung zum Ergebnis kommt, dass es im Rahmen der Vertragsdurchführungen mit einiger Wahrscheinlichkeit zu Nachforderungen kommen wird.206 Diese Ausfüllung bietet schon deswegen einen guten Ansatz, da hierdurch der Sinn und Zweck der Vorschrift durch den Schutz des Auftraggebers direkt erfüllt wird.207 Auch ergeben sich hierzu konkrete Fallgestaltungen, etwa bei unangemessen niedrigen Kosten für die Leistung aufgrund der geringen Einplanung von Leistungsmengen oder sehr geringen Kosten für einzelne Leistungsmengen, die sich bei einer Überprüfung als unhaltbar erweisen. Abzugrenzen ist diese Prüfung von der Prüfung des Angebotes auf Vollständigkeit. Die benötigten Mehrkosten des Auftragnehmers zugunsten des Bieters dürfen sich nicht dadurch ergeben, dass der Bieter ein unvollständiges Angebot einreicht. Die Vollständigkeit ist auf erster Wertungsstufe zu prüfen und durch den Auftraggeber festzustellen.208 Zu beachten ist im dargestellten Zusammenhang, dass grundsätzlich eine Pflicht zur Leistung der Bieter aufgrund des durch Zuschlag geschlossenen Vertrages besteht.209 Daher existiert, soweit sich nicht die Gefahr einer Insolvenz des Bieters aus dem Angebot ergibt, eigentlich keine rechtliche Gefahr der Abrechnung von Preisen, die im Angebot – welches nach Prüfung auf erster Stufe auch vollständig ist – nicht vorgesehen sind. Jedoch besteht eine tatsächliche Gefahr der Abrechnung von Mehrmengen, wenn diese zur Erfüllung des Auftrags notwendig sind, da der Bieter häufig das Drohpotenzial der Nichtausführung auf seiner Seite hat.210 Daher kann es trotz der Abgabe eines vollständigen Angebotes dazu kommen, dass Mehrleistungen durch den Auftragnehmer erbracht werden müssen. Die Angemessenheitsprüfung muss demnach bei Angabe von geringen Mengen, die trotzdem die Vollständigkeit des Angebotes nicht ausschließen, eine Prognoseentscheidung über die Gefahr der Abrechnung von Mehrmengen treffen. Daher liegt zunächst ein unangemessener Preis vor, wenn prognostisch die begründete Gefahr einer Nachforderung aufgrund dieser unangemessenen Preise besteht. 206 Siehe: Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 16 VOB/A-EG, Rn. 283. 207 Zu den Schutzwirkungen siehe oben unter F. II. 208 Siehe unter D. II. 209 Grundlegend hierzu siehe etwa 2. Buch, Abschnitt 1, Titel 1 des BGB („Verpflichtung zur Leistung“); siehe auch, Ellenberger, in: Palandt, Einf. zu § 145, Rn. 4a; zur zivilrechtlichen Einordnung des Vergaberechts Ziekow, in: ders./Völlink, Einl. Rn. 24. 210 Beispielsweise die Nichtausführung von Leistungen im Dienstleistungsgewerbe, die eine Einarbeitung verlangen und über einen längeren Zeitraum ausgeführt werden, oder Bauleistungen, die geringen Umfang haben können, jedoch die Möglichkeit eröffnen, die Erbringung anderer Leistungen zu verzögern; siehe auch D. II. 3.
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F. Die Angemessenheit der Preise
bb) Potenzielle Entstehung wirtschaftlicher Schwierigkeiten für Auftragnehmer In der Literatur und Rechtsprechung ist als Schutzzweck ebenfalls der Schutz vor der Eingehung eines wirtschaftlichen Risikos durch den Auftraggeber genannt worden.211 Dieser Schutzzweck zielt in die gleiche Richtung wie schon die Prüfung der Gefahr der Aufwendung von Mehrmengen durch den Auftraggeber. Es handelt sich um eine Prognose, die den Auftraggeber vor nicht vertragsgemäßer Durchführung des Auftrags schützen soll.212 Diese Gefahr besteht hier nicht aufgrund eines gegebenenfalls bestehenden Drohpotenzials des Auftragnehmers, sondern aufgrund der Gefahr, dass der Auftrag nicht vertragsgemäß durchgeführt werden kann, da der Auftragnehmer in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät. Erforderlich ist demnach, dass sich die wirtschaftlichen Schwierigkeiten aus dem Angebot und nicht aus der mangelden Eignung des Bieters begründen, da ansonsten gegen die Prüfungssystematik des Vergaberechts verstoßen würde.213 Da wie dargestellt die grundsätzliche Vertragserfüllungspflicht des Auftragnehmers gilt, kann diese Fallgestaltung nur den Fall zum Gegenstand haben, dass dem Auftragnehmer aufgrund des Angebots prognostisch wirtschaftliche Schwierigkeiten entstehen, die sein gesamtes Unternehmen und somit die Vertragsausführung aufgrund einer Insolvenz des Unternehmens gefährden. – Ruinöser Wettbewerb als Folge Im Rahmen zu seinen Ausführungen zur Annahme von Unterkostenangeboten hat der BGH sich auch zum Sinn und Zweck des Zuschlagsverbotes bei ruinösen Angeboten geäußert. Er hat hierzu ausgeführt: „Das in § 25 VOB/A enthaltene Verbot eines Zuschlags bei unangemessen niedrigen Preis(en) soll lediglich verhindern, daß das beauftragte Unternehmen aufgrund eines ruinösen Wettbewerbs in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät und so den Auftrag nicht mehr ausführen kann.“ 214
Diese Feststellung verbindet den (hier abgelehnten) Schutz des Wettbewerbs mit dem Schutz des öffentlichen Haushalts und verstärkt die dargestellte Argumentation, dass der Wettbewerbsschutz als solcher nicht der Schutzzweck unangemessener Angebote ist, sondern die sich hieraus ergebenden negativen Folgen für die öffentlichen Haushalte. Der Schutz des Wettbewerbs bzw. die Feststellung 211 Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 46; BayObLG, 01.03.2004 – Verg 2/04; wohl auch BGH, 31.08.1994 – 2 StR 256/94; für ausschließlichen Bieterschutz etwa BayObLG, 12.09.2000 – Verg 4/00. 212 Zu den Schutzwirkungen zugunsten des Auftraggebers siehe D. II. 213 Die Eignung des Bieters wird bereits auf vorheriger Stufe geprüft, siehe hierzu oben unter E. 214 BGH, 11.07.2001 – 1 StR 576/00.
VII. Kontradiktorische Prüfung
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eines ruinösen Wettbewerbs durch die Vergabestellen ist jedoch wiederum aus den bereits dargelegten Argumenten schwierig215 und allenfalls als Konsequenz aus dem ersten Schutzzweck zugunsten des Auftraggebers möglich. cc) Zweifel an ordnungsgemäßer Vertragsdurchführung In Teilen der Rechtsprechung wird hinsichtlich des Inhalts der Angemessenheitsprüfung davon ausgegangen, dass hierdurch eine Prüfung der Auftraggeber erfolgen soll, ob Zweifel an der ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung bestehen.216 Nach dieser Rechtsprechung „kann es dem Auftraggeber nicht zugemutet werden, ein ihm unauskömmlich erscheinendes Angebot zunächst anzunehmen und bei nicht ordnungsgemäßer Leistungserbringung seine Rechte sodann auf der Ebene der Vertragsdurchführung durchzusetzen. Das Vergaberecht will gerade dies verhindern, indem es Angebote, die erhebliche Zweifel an einer ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung erwarten lassen, von vornherein aus dem Kreis der zuschlagsfähigen Angebote ausschließt. Dabei handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, die der Auftraggeber auf der Grundlage des Angebots und der hierzu von dem Bieter erteilten Auskünfte zu treffen hat.“ 217
Die Prognoseentscheidung ist somit darüber zu treffen, ob Zweifel an einer ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung bestehen.218 Diese Prüfung umgeht die Problematik, dass ein Schaden der Nichterfüllung nach juristischen Maßstäben grundsätzlich durch den Auftragnehmer auszugleichen ist.219 Hier wird schon die Geltendmachung eines Schadens seitens des Auftraggebers als nicht zumutbar und daher verhinderungswürdig angesehen. Daher scheint dies ein tauglicher Maßstab der Prüfung durch den Auftraggeber. Nachteilig ist jedoch die Unbestimmtheit und somit mangelnde Transparenz gegenüber dem Auftragnehmer. Auch ist hier die Abgrenzung zur Eignungsprüfung zu beachten.
215
Siehe oben unter D. II. Problematisch ist hierbei, dass ein Ausschluss entgegen oben vertretener Meinung auch bei einem Unterkostenangebot erfolgen muss. Soweit jedoch der Begriff des Unterkostenangebotes mit dem des unangemessenen Angebotes bzw. der Begriff der Unauskömmlichkeit mit dem der Unangemessenheit synonym gesetzt wird, ist der Rechtsprechung zuzustimmen. 217 Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOL/A, § 16, Rn. 720, Stand: 23.09.2013 mit Verweis auf umfangreiche Rechtsprechung u. a. VK Bund, 20.04.2005 – VK 1-23/05; VK Schleswig-Holstein, 06.04.2011 – VK-SH 05/11. 218 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 217 mit dem Hinweis, dass dieser Prognoseentscheidung ein Beurteilungsspielraum zugrunde liegt, der durch die Nachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbar ist. 219 Siehe etwa §§ 280, 281 BGB. 216
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F. Die Angemessenheit der Preise
dd) Besonderes Motiv des Bieters Im Rahmen der Feststellung, ob auch Einzelpreispositionen durch den Bieter geprüft werden können, hat das Bayrische Oberste Landesgericht im Jahre 2004 entschieden: „Bei der Prüfung, ob ein unangemessen niedriger Preis vorliegt, kommt es auf den Gesamtpreis, nicht auf einzelne Einheitspreise an. Der Auftraggeber ist aber auch berechtigt und verpflichtet, die Preise für einzelne Leistungspositionen zu prüfen (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam VOB/A § 25 Rn. 38, 41 ff.), um festzustellen, ob die Besorgnis einer nicht einwandfreien Ausführung der ausgeschriebenen Leistung besteht oder ob der Bieter aus einem nicht zu beanstandenden Motiv heraus einen nicht auskömmlichen Preis verlangt (vgl. BayObLG aaO).“ 220
Der Senat scheint daher zwei Punkte anzuerkennen, auf die eine Prüfung der Angemessenheit hin durchzuführen ist: Die gegebenenfalls bestehende Besorgnis einer nicht einwandfreien Ausführung der ausgeschriebenen Leistung221 und das Verlangen eines Preises aus einem nicht zu beanstandenden Motiv. Ersteres Tatbestandsmerkmal scheint sich mit den angesprochenen Zweifeln an einer ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung zu decken, letzteres Tatbestandsmerkmal scheint demgegenüber einen weiteren Prüfungsansatz zu bieten. Jedoch ist letzteres Merkmal ersichtlich ausfüllungsbedürftig. Weitere Anhaltspunkte für eine Ausfüllung des Begriffs „besonderes Motiv“ sind nicht erkennbar. Denkbar wäre hier allenfalls der Wettbewerbsschutz, der jedoch abgelehnt wurde. Ein Ausschluss aufgrund eines subjektiven Motivs der Bieter wird nicht rechtssicher durchführbar sein. Auch die mangelnde Bestimmtheit des Begriffs des besonderen Motivs spricht gegen die Nutzung eines solchen zur Ausfüllung der Prüfung eines Angebotes auf Unangemessenheit. Ein solches ist nach Ansicht des Verfassers nicht Gegenstand der Prüfung. ee) Ergebnis Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Feststellung einer Marktverdrängungsabsicht, die Unterstellung eines ruinösen Wettbewerbs als Folge des Angebotes und die Diagnose eines besonderen Motivs des Bieters nach hier vertretener Ansicht keine Möglichkeit bieten, das Merkmal des unangemessenen Preises auszufüllen. Hingegen bieten Gefahr der Abrechnung von Mehrmengen/Nachforderung von Kosten durch den Auftragnehmer, die potenzielle Entstehung wirtschaftlicher Schwierigkeiten für den Auftragnehmer und Zweifel an der ord220
BayObLG, 01.03.2004 – Verg 2/04, Hervorhebung durch den Verfasser. Der Senat spricht mit diesem Prüfungspunkt wohl auf die Gefahr an, „dass der Auftragnehmer in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät und den Auftrag nicht oder nicht ordnungsgemäß, insbesondere nicht mängelfrei, zu Ende führt“, welche bei Zuschlagserteilung auf ein Unterangebot bestünde, siehe oben D. II. 2. 221
VII. Kontradiktorische Prüfung
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nungsgemäßen Vertragsdurchführung wirkungsvolle Ansätze der Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals als auch der Untersuchung. Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass diese Merkmale einer Begründung durch den Auftraggeber bedürfen. Letztlich scheinen diese den klarsten und erkennbarsten Prüfungsansatz für die Feststellung unangemessener Angebote zu bieten, soweit die genannten gesetzlichen Vorgaben nicht Teil der Vergabeunterlagen waren. c) Spekulationsangebote und Mischkalkulationen Im aufgezeigten Zusammenhang werden in der Literatur teilweise Spekulationsangebote222 und Mischkalkulationen223 behandelt. Diese wurden im Rahmen der Arbeit bereits behandelt, da es sich hierbei um unvollständige bzw. unzutreffende Preisangaben handelt, die systematisch auf der ersten Wertungsstufe bzw. dem diesbezüglichen Kapitel zu prüfen sind. 2. Aufklärungsverlangen gegenüber dem Bieter Nach Feststellung des Erreichens einer Aufgreifschwelle bzw. Erfüllung des Aufgreifmerkmals beginnt die Aufklärung mit der Äußerung eines Aufklärungsverlangens gegenüber dem Bieter. Ihm muss hierdurch „die Möglichkeit gegeben werden, den Eindruck eines ungewöhnlich niedrigen Angebots zu entkräften oder beachtliche Gründe dafür aufzuzeigen, dass sein Angebot dennoch anzunehmen ist.“ 224 Der Auftraggeber hat die Aufforderung an die Bieter zur Aufklärung „klar zu formulieren, so dass diese in zweckdienlicher Weise den vollen Beweis der Serösität ihrer Angebote erbringen können.“ 225 Worüber die Aufklärung erfolgen kann, ist in der VOB/A teilweise226 aufgeführt227 und ergibt sich zudem aus der VKR.228 Von den Bietern können hiernach Erklärungen zu folgenden Punkten gefordert werden: „– Wirtschaftlichkeit des Bauverfahrens, des Fertigungsverfahrens oder der Erbringung der Dienstleistung, 222 Etwa: Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOL/A, § 16, Rn. 799 ff. Stand: 23.09.2013 und Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 16 VOB/ A-EG, Rn. 280. 223 Etwa: Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 45. 224 VK Schleswig-Holstein, 06.04.2011 – VK-SH 05/11 mit Verweis auf OLG Celle, 30.09.2010 – 13 Verg 10/10; Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 19-EG, Rn. 223. 225 EuGH, 29.03.2012 – C-599/10. 226 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 238. 227 § 16 Abs. 6 Nr. 2 VOB/A: „Bei der Beurteilung der Angemessenheit sind die Wirtschaftlichkeit des Bauverfahrens, die gewählten technischen Lösungen oder sonstige günstige Ausführungsbedingungen zu berücksichtigen.“ 228 Art. 55 Abs. 1 VKR.
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F. Die Angemessenheit der Preise
– [Die] gewählten technischen Lösungen und/oder alle außergewöhnlich günstigen Bedingungen, über die der Bieter bei der Durchführung der Bauleistungen, der Lieferung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistung verfügt, – Originalität der Bauleistungen, der Lieferungen oder der Dienstleistungen wie vom Bieter angeboten, – Einhaltung der Vorschriften über Arbeitsschutz und Arbeitsbedingungen, die am Ort der Leistungserbringung gelten, – etwaige Gewährung einer staatlichen Beihilfe an den Bieter.“ 229
Es handelt sich hierbei um nicht abschließende Aufführungen, was sich schon am Wortlaut der Norm zeigt, die den optionalen Charakter betont.230 Hinsichtlich der Forderung weiterer Auskünfte hat der Auftraggeber ein Ermessen.231 Erforderlich ist in diesem Zusammenhang ein Ersuchen um die Aufklärung in Textform gemäß § 126 BGB durch den Auftraggeber.232 Dies entsprach schon dem Wortlaut des § 25 Nr. 2 Abs. 2 S. 1 VOL/A 2006. Dem Bieter ist hierbei eine angemessene Antwortfrist zu setzen.233 3. Darlegungspflicht des Bieters Der Bieter ist zur Mitwirkung verpflichtet.234 Die VK Schleswig-Holstein hat insoweit festgestellt, dass die Erklärungen des Bieters „in sich schlüssig, nachvollziehbar und anhand geeigneter Belege objektiv überprüfbar sein [müssen].“ 235 Dargelegt werden sollen durch den Bieter Informationen, die den Eindruck eines ungewöhnlich niedrigen Angebotes entkräften oder anderweitig darlegen, inwieweit das Angebot dem Vergaberecht entspricht.236 Soweit der Bieter der Darlegungspflicht nicht nachkommt, etwa wenn die Erklärungen formelhaft und inhaltsleer sind und er seine Mitarbeit verweigert, nimmt er einen Ausschluss seines Angebotes hin.237 Auch 229 Art. 55 Abs. 1 lit. a)–e) VKR; siehe auch insoweit die geringfügig abweichenden Regelungen des Art. 69 Abs. 2 a)–f) der RL 2014/24/EU (Einfügung aufgrund der späteren Veröffentlichung der RL nach Einreichung und Bewertung der Dissertation). 230 „Die betreffenden Erläuterungen können insbesondere Folgendes betreffen: [. . .]“ (Hervorhebung durch den Verfasser); EuGH, 29.03.2012 – C-599/10, der betont, dass es sich um eine „nicht nur beispielhaft[e]“ Aufzählung handelt. 231 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 238 und Rn. 89. 232 OLG Celle, 30.09.2010 – 13 Verg 10/10; Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 234. 233 OLG Celle, 30.09.2010 – 13 Verg 10/10; VK Bund, 09.05.2011 – VK 3-47/11; VK Lüneburg, 24.9.2003 – 203-VgK-17/2003; Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 234; siehe zu Form und Fristen ebenfalls Csaki, NZBau 2013, 343. 234 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 240; VK Schleswig-Holstein, 06.04.2011 – VK-SH 05/11. 235 VK Schleswig-Holstein, 06.04.2011 – VK-SH 05/11. 236 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 240; Darstellung auch im VHB 2008, siehe Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 763.
VII. Kontradiktorische Prüfung
183
„pauschale, unvollständige und nicht plausible Erklärungen sind nicht geeignet, den Nachweis eines angemessenen Angebotspreises zu erbringen, sondern führen zum Ausschluss des Angebotes“.238
4. Feststellung der Unangemessenheit durch den Auftraggeber Nach abgeschlossener Prüfung bedarf es der Feststellung eines Ergebnisses durch den Auftraggeber. Im Ergebnis ist eine Prognoseentscheidung des Auftraggebers zu treffen, „ob der Bieter zuverlässig und vertragsgerecht leisten kann“ 239. Dem Auftraggeber obliegt hierbei ein weiter Beurteilungsspielraum. Eine Verletzung des Beurteilungsspielraums liegt nur dann vor, wenn die vom Auftraggeber getroffenen Sachverhaltsermittlungen und -feststellungen oder die Anwendung vergaberechtlicher Rechtsbegriffe auf willkürlichen und sachwidrigen Erwägungen beruhen.240 Die Nachprüfung durch die Instanzen beschränkt sich dementsprechend auch auf „die Prüfung, ob die Vergabestelle bei ihrer Entscheidung das vorgeschriebene Verfahren eingehalten hat, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, aufgrund sachgemäßer und sachlich nachvollziehbarer Erwägungen entschieden hat und sich der angelegte Beurteilungsmaßstab im Rahmen der Beurteilungsermächtigung hält.“ 241
Soweit dieser Beurteilungsspielraum nicht überschritten ist, kann die Prognose zu einem „unangemessenen Angebot“ bzw. zu einem „offensichtlichen Missverhältnis“ unter Prüfung der dargestellten Vorgaben kommen. Zulässig ist daher auch der Zuschlag auf ein Angebot, das ein „beachtliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung“ aufweist.242 237 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 240; VK Schleswig-Holstein, 06.04.2011 – VK-SH 05/11; OLG Naumburg, 06.04.2004 – 1 Verg 3/04; Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOL/A, § 16, Rn. 753, Stand: 23.09.2013, mit weiteren Nennungen; siehe auch Csaki, NZBau 2013, 344, der zutreffend darauf hinweist, dass zwar entsprechend § 18 VOL/A-EG 2009 eine Nichtantwort keinen Ausschlussgrund mehr darstellt, jedoch mangels hieraus entstehender Prüfungsmöglichkeit das Angebot gleichwohl ausgeschlossen werden muss. 238 OLG Frankfurt am Main, 06.03.2013 – 11 Verg 7/12. 239 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 240; VK Bund, 20.04. 2005 – VK 1-23/05; VK Bund, 10.06.2011 – VK 3-56/11; VK Schleswig-Holstein, 06.04.2011 – VK-SH 05/11. 240 VK Schleswig-Holstein, 06.04.2011 – VK-SH 05/11; Brandenburgisches OLG, 22.03.2011 – Verg W 18/10; VK Berlin, 27.07.2009 – VK-B 1-18/09; VK Bund, 20.04.2005 – VK 1-23/05. 241 VK Bund, 10.06.2011 – VK 3-56/11; ebenso auch OLG Düsseldorf, 24.02.2005 – Verg 88/04 mit Verweis auf Boesen, Vergaberecht, § 97 GWB Rn. 151. 242 Csaki, NZBau 2013, 344 mit Verweis auf Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 19, Rn. 224.
184
F. Die Angemessenheit der Preise
VIII. Unangemessen niedriger Preis aufgrund einer Beihilfe Gesetzlich geregelt ist im Rahmen der Oberschwellenvergaben noch der Fall ungewöhnlich niedriger Angebote wegen staatlicher Beihilfen.243 Diesbezüglich sehen die beiden Verordnungen eine Ausnahme vom Ausschluss ungewöhnlich niedriger Angebote244 vor, wenn der Bieter nachweisen kann, dass der niedrige Preis aus einer rechtmäßigen staatlichen Beihilfe resultiert. Dieser ist daher vom Auftraggeber zum Nachweis aufzufordern und trägt hiernach die Darlegungsund Beweislast, derer er nur mittels Dokumentation der Rechtmäßigkeit der Beihilfe nachkommen kann.245 Ein automatischer Ausschluss ist unzulässig.246 Soweit ein Angebot aufgrund einer staatlichen Beihilfe ungewöhnlich niedrig ist und aus diesem Grund von der Wertung ausgeschlossen wird, ist dies nach den genannten Vorschriften der Kommission zu melden.
IX. Gesamtpreis nach Aufklärung unangemessen hoch Einen Sonderfall bildet die Feststellung unangemessen hoher Angebote. So begründen auch unangemessen hohe Preisangaben ein „unangemessenes Angebot“ bzw. ein „offensichtliches Missverhältnis“ im hier behandelten Sinne.247 Begründet wird die in den Vergabe- und Vertragsordnungen statuierte Pflicht zum Ausschluss von unangemessen hohen Angeboten,248 die ebenfalls im Tatbestandsmerkmal des offensichtlichen Missverhältnisses enthalten ist,249 mit einem Verstoß gegen die Pflicht zur wirtschaftlichen und sparsamen Mittelverwendung250 und daher im Ergebnis dem Schutz der öffentlichen Haushalte. Der Ansatz der Prüfung wird daher in einem Vergleich mit auf dem Markt üblichen Preisen und der Kostenschätzung251 des öffentlichen Auftraggebers zu suchen sein.
243
§ 19 Abs. 7 VOL/A-EG, 16a Abs. 2 VOB/A. Inhaltlich handelt es sich hierbei nicht um unangemessen niedrige Preise im Sinne der 3. Wertungsstufe, die Abgrenzung wird jedoch als „fließend“ bezeichnet, siehe Herrmann, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A-EG, Rn. 21. 245 Herrmann, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A-EG, Rn. 23–24. 246 Herrmann, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A-EG, Rn. 25. 247 So auch OLG München, 07.03.2013 – Verg 36/12. 248 § 16 Abs. 6 Nr. 1 VOB/A. 249 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 221; OLG München, 02.06.2006 – Verg 12/06, (VergabeR 20006, 802, 807 f.). 250 Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 16 VOB/A-EG, Rn. 273; Portz, in: Ingestau/Korbion, VOB/A, § 17, Rn. 30; Christiani/Ruhland, in: Pünder/ Schellenberg, § 16 VOB/A, Rn. 100. 251 Hierzu Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, § 16 VOL/A, Rn. 221. 244
IX. Gesamtpreis nach Aufklärung unangemessen hoch
185
1. Prüfungspflicht Ein wesentlicher Unterschied zur Prüfung unangemessen niedriger Preise ist, dass seitens des Auftraggebers in der Literatur keine Prüfungspflicht angenommen wird, da sich in den Vergabe- und Vertragsordnungen hierzu keine Regelung findet.252 Daher wird teilweise angenommen, dass der Auftraggeber nicht über die Unangemessenheit der Preise aufklären muss, da die vom EuGH hierzu entwickelten Verfahrensgrundsätze nicht übertragbar sind.253 Jedoch spricht die Nichtübertragbarkeit der Grundsätze des EuGH als solches noch nicht gegen die Annahme einer Prüfungspflicht. Der EuGH hat die angesprochenen Grundsätze aus einem Gedanken des Schutzes der Bieter heraus formuliert. Dies lässt er in seinen Entscheidungen auch erkennen.254 Dass dieser Schutz nur zugunsten unangemessen niedriger Angebote bejaht wurde, liegt an der Regelung des Art. 29 Abs. 5 der Richtlinie 71/ 305, der eine Ausschlussmöglichkeit nur für den Fall von „offensichtlich ungewöhnlich niedrigen“ Angeboten vorsieht. Die Regelung in der aktuellen VKR enthält in Art. 55 ebenso nur eine Regelung bei ungewöhnlich niedrigen Angeboten.255 Jedoch widersprechen diese Regelungen und die dazu ergangene Judikatur nicht einem weitergehenden Schutz der Bieter, insbesondere wenn dieser aufgrund weitergehender nationaler Regelungen erforderlich ist.256 Vielmehr scheint es nach dem Rechtsschutzverständnis des EuGH zugunsten der Bieter geboten zu sein, eine solche Prüfungspflicht vorzusehen, wenn der Ausschlussgrund der unangemessen hohen Angebote in den europäischen Richtlinien statuiert worden wäre.
252 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 219; Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 100. 253 Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 100 mit Verweis auf Byok/Brieskorn in Anmerkung zu OLG Düsseldorf, in: VergabeR 2008, 111; Kratzenberg, in: Ingestau/Korbion, (16. Auflage) § 25 VOB/A, Rn. 58. 254 EuGH, 10.02.1982 – Rs. 76/81, Rn. 17: „Das Ziel dieser Bestimmung, den Bieter vor der Willkür des öffentlichen Auftraggebers zu schützen, könnte nämlich nicht erreicht werden, wenn man diesem die Beurteilung der Frage überließe, ob die Anforderung von Belegen zweckmäßig ist“ und EuGH, 27.11. 2001 – Rs. C-285/99 und C-286/ 99: „In Randnummer 17 jenes Urteils [EuGH, 10.02.1982 – Rs. 76/81] hat der Gerichtshof nämlich die Ansicht vertreten, dass der öffentliche Auftraggeber keinesfalls ein ungewöhnlich niedriges Angebot ablehnen darf, ohne den Bieter überhaupt zur Beibringung von Belegen aufzufordern, da das Ziel des Artikels 29 Absatz 5 der Richtlinie 71/ 305, den Bieter vor der Willkür des öffentlichen Auftraggebers zu schützen, nicht erreicht werden könnte, wenn man diesem die Beurteilung der Frage überließe, ob die Anforderung von Belegen zweckmäßig ist.“ 255 Ebenso die RL 2014/24/EU in Art. 69 (Einfügung aufgrund der späteren Veröffentlichung der RL nach Einreichung und Bewertung der Dissertation). 256 Dass eine überschießende Richtlinienumsetzung im Vergaberecht möglich ist, zeigt etwa Müller-Wrede, in: VergabeR 2011, 46, 49.
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F. Die Angemessenheit der Preise
In der Literatur wird insoweit teilweise angenommen, dass eine den unangemessen niedrigen Angeboten vergleichbare Aufklärung auch bei unangemessen hohen Angeboten zu erfolgen hat.257 Dies wird etwa unter Annahme von § 15 VOL/A bzw. § 18 VOB/A als Rechtsgrundlage begründet.258 Die Grenze findet diese Berechtigung im Verhandlungsverbot mit der Konkretisierung, dass die Aufklärung nicht zur Folge haben darf, dass der Bieter seine Preise ändert.259 Zwar gibt sich aus der Möglichkeit der Aufklärung zunächst noch keine Verpflichtung zu dieser, jedoch kann ein Ausschluss nur aufgrund eines vollständig ermittelten Sachverhalts erfolgen.260 Aus diesem Zusammenspiel kann eine Verpflichtung zur Aufklärung, etwa als Konkretisierung eines pflichtgemäßen Ermessens,261 angenommen werden.262 2. Begriff des unangemessen hohen Preises Der Begriff des unangemessen hohen Angebotes ist ausfüllungsbedürftig. Teilweise existieren verschiedene Prozentwerte, die eine Abweichung zu anderen Angeboten bzw. Werten markieren,263 jedoch kann ein solcher fester Wert, insoweit vergleichbar zur Aufklärungspflicht bei unangemessen niedrigen Preisen, kein absoluter Anknüpfungspunkt sein.264
257 Varva, in: Ziekow/Völlink, § 15 VOB/A, Rn. 10, die darauf hinweist, dass bei unterbliebener Aufklärung die Gefahr einer späteren Rüge droht, da ein Ausschluss aufgrund bloßer Zweifel nicht möglich ist. Deswegen erscheint die Aufklärung zum rechtssicheren Verfahren hier verpflichtend. 258 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, § 16 VOL/A, Rn. 220 und § 16 VOB/A, Rn. 244. 259 Varva, in: Ziekow/Völlink, § 15 VOB/A, Rn. 10; Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/ Prieß, VOL/A, § 15, Rn. 21. 260 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 15, Rn. 16; Varva, in: Ziekow/ Völlink, § 15 VOB/A, Rn. 10. 261 So etwa Varva, in: Ziekow/Völlink, § 15 VOB/A, Rn. 14 für den Fall „ungewöhnlicher“ Angebote mit Verweis auf OLG München, 10.11.2010 – Verg 19/10, das jedoch nicht von einer Verpflichtung spricht („Die Antragsgegnerin war auch berechtigt, Aufklärung bezüglich der Kalkulation der Baustelleneinrichtung von der Antragstellerin zu verlangen“) und VK Berlin, 27.07.2007 – VK-B1-18/09, die eine solche Prüfungspflicht eher erkennen lässt („Das Aufklärungsersuchen des Antragsgegners vom 7.4.2009 war zulässig gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A, da der Antragsgegner hinsichtlich des Angebots der Antragstellerin Anhaltspunkte für einen ungewöhnlich niedrigen Preis hatte. [. . .] Zudem ist der Auftraggeber berechtigt und auch verpflichtet, die Preise für einzelne Leistungspositionen zu prüfen.“) 262 Varva, in: Ziekow/Völlink, § 15 VOB/A, Rn. 14; Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/ Prieß, VOL/A, § 15, Rn. 16. 263 Etwa: VK Münster, 28.06.2007 – VK 10/07 und Weyand, Vergaberecht, ibr-online Kommentar, VOL/A, § 16, Rn. 699 (teilweise nur für die Vermutung), Stand: 23.09. 2013, m.w. N. 264 Siehe zur Begründung bei unangemessen niedrigen Angeboten oben unter F. V.
IX. Gesamtpreis nach Aufklärung unangemessen hoch
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a) Aufhebungsgrund des Nichtvorliegens eines wirtschaftlichen Ergebnisses Zunächst scheint eine Anknüpfung an den Aufhebungsgrund des Nichtvorliegens eines wirtschaftlichen Ergebnisses nach § 17 Abs. 1 lit. c) VOL/A und § 20 Abs. 1 lit. c) VOL/A-EG nahe liegend. Nach teilweise vertretener Auffassung umfasst dieser Aufhebungsgrund Fallgestaltungen, die über den „klassischen Fall“ des Vorliegens ausschließlich unangemessen hoher Angebote hinausgehen.265 Soweit dies angenommen wird, kann der genannte Inhalt des Aufhebungsgrundes nicht mit dem eines unangemessen hohen Angebotes gleichgesetzt werden. Jedoch wird nach teilweise vertretener Ansicht für einen solchen Aufhebungsgrund auch eine „nicht unerhebliche Unwirtschaftlichkeit“ ausreichen.266 b) Deutliche Überhöhung der Preise gegenüber einer objektiven Schätzung des Auftraggebers Der oben bereits genannte Aufhebungsgrund mangels wirtschaftlichen Ergebnisses der Ausschreibung bietet jedoch in seinem „klassischen Fall“ 267 einen Ansatz der genaueren Bestimmung unangemessener Preise. So kann dieser Fall angenommen werden, wenn das Angebot „entgegen der objektiv richtigen Schätzung [des Marktpreises] des Auftraggebers – deutlich – überhöht“ ist.268 Hierdurch kann ein Missverhältnis zwischen Preis und Leistung begründet werden, das eine Aufhebung der Ausschreibung begründen kann.269 Da die Tatbestandsmerkmale der (un-)angemessen hohen Angebote in den Fällen der 3. Wertungsstufe und der Aufhebung nach teilweise vertretener Ansicht übereinstimmen,270 ist die getroffene Aussage, dass ein unangemessen hoher Preis bei deutlicher Überhöhung entgegen objektiv richtiger Schätzung des Marktpreises durch den Auftraggeber vorliegt, auf die Angemessenheitsprüfung nach dieser Ansicht wohl übertragbar, wobei jedoch eine Bestimmung im Einzelfall erfolgen muss. 265 Beispielsweise die von Protz, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 17, Rn. 34 genannten Fälle der Entziehung der Finanzierung des Auftrages im Nachhinein oder die Änderung der Preisgrundlagen; im „klassischen Fall“ handelt es sich bei den angegebenen Preisen um „angemessene Preise“ (im Sinne des hier vorliegenden Kapitels); hiervon geht ebenfalls OLG Karlsruhe, 27.07.2009 – 15 Verg 3/09 aus. 266 OLG Frankfurt am Main, 14.05.2013 – 11 Verg 4/13 mit Verweis auf Ruhland, in: Pünder/Schellenberg, § 17 VOL/A, Rn. 9 m.w. N. und VK Lüneburg, 21.06.2011, VgV-18/2011, welche in diesem Zusammenhang einzelne Prozentangaben nennt (23%, 80,58% und 150,42%); aus Sicht des Verfassers sind diese jedoch auf den Einzelfall bezogen und nicht zwingend allgemeingültig. 267 Portz, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 17, Rn. 34. 268 Portz, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 17, Rn. 34 mit Verweis auf einen gleichliegenden Fall des OLG Frankfurt am Main, 28.06.2005 – 11 Verg 21/04. 269 Portz, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 17, Rn. 34. 270 Zur angenommenen Übereinstimmung der Tatbestandserfüllung einer Aufhebung mit der des Nichtvorliegens angemessener Preise siehe Protz, in: Kulartz/Marx/Portz/ Prieß, VOL/A, § 17, Rn. 34 und OLG Karlsruhe, 27.07.2009 – 15 Verg 3/09.
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F. Die Angemessenheit der Preise
Herangezogen werden könnten dann jedenfalls die durch Rechtsprechung judizierten Fälle zur Aufhebung mangels wirtschaftlicher Angebote nach § 17 Abs. 1 lit. c) VOL/A und § 20 Abs. 1 lit. c) VOL/A-EG. c) Preisrecht Eine weitere Grenze ergibt sich aus dem Preisrecht. Dieses enthält, wie dargestellt,271 das Verbot der Höchstpreisüberschreitung bei Marktpreisen gemäß § 4 VO PR 30/53. aa) Ausschreibung, bei der ein Marktpreis gebildet werden kann Im Fall eines öffentlichen Vergabeverfahrens, bei dem ein Marktpreis zustande kommen kann, darf dieser nicht überschritten werden.272 Ein Marktpreis besteht, soweit für eine marktgängige Leistung ein im Verkehr üblicher und preisrechtlich zulässiger Preis gefordert wird.273 Sollte sich demnach als Ergebnis der Ausschreibung ein solcher Preis nicht ergeben, also bei einer Leistung ein Preis nicht den im Verkehr üblichen, preisrechtlich zulässigen Preisen entsprechen, so ist dieser Preis über dem Marktpreis nach der VO PR 30/53 nicht zulässig. Ist hiernach eine Annahme preisrechtlich nicht zulässig, so spricht vieles dafür, dass der Begriff des unangemessen hohen Preises zumindest am gleichen Maßstab ansetzt. Soweit dies nicht der Fall wäre, würde das Vergaberecht einen Raum eröffnen, der mangels preisrechtlicher Zulässigkeit nicht ausgefüllt werden könnte. Daher scheint die Annahme einer Vergleichbarkeit der Begriffe des unangemessen hohen Preises mit dem Begriff des Marktpreises, soweit sich dieser bilden kann, zumindest zweckmäßig. Jedoch kann dadurch noch nicht gefolgert werden, dass die vergaberechtlichen Regelungen eine preisrechtliche Zulässigkeit erzeugen.274 bb) Ausschreibung, bei der kein Marktpreis gebildet werden kann – Selbstkostenpreise Soweit die Bildung eines Marktpreises nicht möglich ist, gilt als Höchstpreis, welcher gemäß § 1 Abs. 3 VO PR 30/53 nicht überschritten werden darf, der Selbstkostenpreis.275 Auch in diesem Zusammenhang wird demnach eine preis271
Siehe oben unter B. II. 5. b). § 4 Abs. 1 VO PR. 273 § 4 VO PR 30/53, siehe zu den Voraussetzungen Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller/Waldmann, Preise und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, § 4 VO PR, Rn. 27–84. 274 Siehe oben unter B. II. 5. d). 275 Zu Selbstkostenpreisen siehe unter §§ 5–8 VO PR 30/53. 272
X. Rechtsschutz
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rechtliche Obergrenze statuiert, welche das vertragliche Zustandekommen eines darüber liegenden Preises verhindert.276 In diesen Fällen erscheint es ebenfalls zweckmäßig, das „unangemessen hohe Angebot“ dem „Angebot mit einem zulässigen Selbstkostenpreis“ anzugleichen, da ansonsten ein vergaberechtlicher Raum eröffnet wäre, der mangels preisrechtlicher Zulässigkeit nicht ausgefüllt werden könnte. 3. Rechtsfolge Als Rechtsfolge kann das unverhältnismäßig hohe Angebot ausgeschlossen werden.277 Wenn die Ausschreibung nur unangemessen hohe Preise erbringt, wird eine Aufhebung der Ausschreibung nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A bzw. § 17 Abs. 1 lit. c) VOL/A möglich.278 Hingewiesen werden soll hier der Vollständigkeit halber auf die erforderliche Feststellung der Unangemessenheit bzw. des offensichtlichen Missverhältnisses jedes einzelnen Angebotes vor einer Aufhebung.
X. Rechtsschutz Weiterhin schließt sich die Frage an, wer Rechtsschutz in Bezug auf die Prüfung der Angemessenheit der Preise geltend machen kann. In Betracht kommen der Bieter und Dritte, die jedoch für ein Verfahren antragsbefugt sein müssen.279 1. Rechtsschutz des Bieters Ein Rechtsschutz des Bieters ist auf verschiedenen Ebenen denkbar. Grundsätzlich abgelehnt wird der Schutz des Bieters teilweise in älterer Rechtsprechung.280 Inzwischen wird er jedoch in jeweils unterschiedlichen Ausprägungen 276 Zu den Folgen eines Angebotes des Preises über der Höchstpreisgrenze siehe Berstermann/Petersen, ZfBR 2008, 22 ff. 277 § 16 Abs. 6 Nr. 1 VOB/A: „Auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen [. . .] Preis darf der Zuschlag nicht erteilt werden.“; § 16 Abs. 6 VOL/A und § 19 Abs. 6 VOL/A-EG: „Auf Angebote, deren Preise in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung stehen, darf der Zuschlag nicht erteilt werden.“ 278 Christiani/Ruhland, in: Pünder/Schellenberg, § 16 VOB/A, Rn. 100; Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 16 VOB/A-EG, Rn. 273; eine Subsumtion in der VOL/A müsste wohl unter §§ 17 Abs. 1 lit. c) VOL/A bzw. 20 Abs. 1 lit. c) VOL/A erfolgen, da diese als Aufhebungsgrund genauer das Nichtvorliegen eines wirtschaftlichen Angebotes bezeichnen. 279 § 107 Abs. 2 GWB. 280 BayObLG, 12.09.2000 – Verg 4/00 mit Verweis auf BKartA, Vergabekammer A des Bundes, 30.06.1999 – VK A 12/99; letztere führt als Begründung auf, dass es nicht Zweck der Ausschlusspflicht sei, den ordnungsgemäß kalkulierenden Bieter vor den nachteiligen Folgen von Niedrigpreisangeboten zu schützen. Die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland gebe in diesem Zusammenhang den Unternehmen keine
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F. Die Angemessenheit der Preise
angenommen.281 Die Rechtsschutzansätze und Begründungen werden im Folgenden dargelegt. a) Rechtsschutz des Bieters hinsichtlich der Festlegung einer Aufgreifschwelle Hinsichtlich des Ansatzes der Schwelle durch den Auftraggeber können sich noch keine Rechtsschutzwirkungen für den Bieter ergeben. Das Überschreiten der Schwelle ergibt für ihn keine Nachteile, da hierdurch erst das kontradiktorische Verfahren in Gang gesetzt wird, in welchem der Bieter die Angemessenheit seines Angebotes nachweisen kann. Die Überschreitung bzw. Unterschreitung einer Aufgreifschwelle kann beispielsweise nicht zu einem automatischen Ausschluss führen; vielmehr ist eine weitere Prüfung durch den Auftraggeber obligatorisch.282 Daher kann, mangels Einwirkung auf die Rechte der Bieter, ein Rechtsschutz nicht schon bei Festlegung bzw. Erreichen einer Aufgreifschwelle geltend gemacht werden. b) Rechtsschutz des Bieters bei Durchführung einer kontradiktorischen Prüfung Wie dargestellt, bedarf es vor einem Ausschluss von unangemessenen Angeboten der genaueren Prüfung; ein automatischer Ausschluss bei Erreichen einer Aufgreifschwelle/eines Aufgreifmerkmals ist nicht zulässig.283 Soweit ein solcher Ausschluss trotzdem erfolgt, steht dem Bieter der Rechtsschutz hiergegen offen.284 Hinsichtlich der Durchführung des kontradiktorischen Verfahrens besteht jedenfalls Rechtsschutz zugunsten des Bietes, welcher die Möglichkeit gibt, die Durchführung des Verfahrens mittels der Nachprüfungsinstanzen zu erzwingen und das Verfahren auf Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen.285 Hierzu muss Kalkulationsmethoden oder Existenzgarantien. Dieser sehr grundsätzlich geäußerten Ansicht wird oben in Bezug auf die eine andere Problematik widersprochen, siehe oben unter D. I. 4. 281 Beispielsweise: Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 107; Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 46; Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 224, VOB/A, § 16, Rn. 248; BGH, 31.08.1994 – 2 StR 256/94 (NJW 1995, 737); BayObLG, 01.03.2004 – Verg 2/04 (VergabeR 2004, 343, 346); OLG Düsseldorf, 19.12.2000 – Verg 28/00 (VergabeR 2001; 128 f.). 282 EuGH, 27.11. 2001 – C-285/99 und C-286/99 zu unangemessen niedrigen Angeboten; OLG Karlsruhe, 27.07.2009 – 15 Verg 3/09 und Portz, in: Kulartz/Marx/Portz/ Prieß, VOL/A, § 17, Rn. 34 zu unangemessen hohen Preisen. 283 EuGH, 27.11. 2001 – C-285/99 und C-286/99 zu unangemessen niedrigen Angeboten; OLG Karlsruhe, 27.07.2009 – 15 Verg 3/09 und Portz, in: Kulartz/Marx/Portz/ Prieß, VOL/A, § 17, Rn. 34 zu unangemessen hohen Preisen. 284 Siehe EuGH, 27.11. 2001 – Rs. C-285/99 und C-286/99. 285 Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 107 und 98; Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 224 und VOB/A, § 16, Rn. 247.
X. Rechtsschutz
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jedoch sein Angebot ausgeschlossen worden oder zumindest von einem Ausschluss bedroht sein.286 Die Begründung der Ausschlussentscheidung darf der Auftraggeber nur aufgrund feststehender Tatsachengrundlagen treffen.287 Soweit ihm dies nicht gelingt, kann der Bieter einen trotzdem erfolgenden Ausschluss angreifen.288 Jedoch obliegt ihm hinsichtlich der Tatsachenermittlung eine Mitwirkungspflicht.289 c) Kein Rechtsschutz des Bieters vor sich selber Nicht existent ist ein Rechtsschutz des Bieters vor sich selber.290 Diese Formulierung meint, dass der Bieter, der ein Angebot kalkuliert hat, sich nicht auf dessen unangemessenen Preis berufen kann, um es vor einem Zuschlag gewissermaßen zu bewahren.291 Der Bieter hat sich vielmehr an seinem, für ihn im Nachhinein möglicherweise ungünstigen, Angebot festhalten zu lassen. 2. Rechtsschutz dritter Bieter Im Zusammenhang mit unangemessenen Angeboten ist letztlich die Frage des Schutzumfanges von dritten Bietern, deren Angebote nicht negativ von einer Unangemessenheitsprüfung tangiert sind, die jedoch den Zuschlag auf ein vermeintlich unangemessenes Angebotes eines anderen Bieters geltend machen wollen, umstritten. Hier vertritt ein Teil der Literatur292 und Rechtsprechung293 die insbesondere über das Wettbewerbsrecht begründete Ansicht, der Ausschluss solcher Angebote schütze dritte Bieter, welche sich in der Konsequenz auch auf einen solchen Schutz berufen und ihn erstreiten können. In diesem Zusammenhang wird häufig von einer Schutzwirkung zugunsten der dritten Bieter gespro286 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16 Rn. 224 und VOB/A, § 16 Rn. 247. 287 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 222; Ruhland, in: Pünder/ Schellenberg, § 16 VOB/A, Rn. 103, 104. 288 Gabriel, VergabeR 2013, 300, 307. 289 So wohl auch Gabriel, VergabeR 2013, 300, 303: „Er [der Bieter] muss [. . .] alle Angaben vollständig, plausibel, sachlich und rechnerisch richtig machen und diese objektiv nachvollziehbar darlegen sowie gegebenenfalls geeignete ergänzende Nachweise und Erläuterungen beifügen.“ 290 Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 98. 291 So beispielsweise BGH, 04.10.1979 – VII ZR 11/79 (NJW, 1980, 180); 08.11. 1984 – VII ZR 51/84 (NJW 1985, 1466); 11.07.2001 – 1 StR 576/00 (NJW 2001, 3718); VK Bund, 21.01.2004 – VK 2-126/03 (VergabeR 2004, 365); weitere Nennungen bei Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 98, Fn. 196. 292 Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 16 VOB/A-EG, Rn. 275. 293 Etwa: OLG Düsseldorf, 19.12.2000 – Verg 28/00 (VergabeR 2001, 128); OLG Düsseldorf, 29.9.2008 – Verg 50/08, Rn. 36 ff.; VK Baden-Württemberg, 16.4.2010 – 1 VK 16/10, Rn. 86.
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F. Die Angemessenheit der Preise
chen, da durch den Zuschlag auf ein anderes Angebot den Bietern automatisch ein Nachteil entstünde.294 Daher wird ein Drittschutz bejaht, soweit das Angebot zur gezielten und planmäßigen Verdrängung von Wettbewerbern abgegeben wurde.295 Teilweise wird in diesem Zusammenhang ein unmittelbarer Bieteranspruch verneint.296 Ein Rechtsanspruch dritter Bieter bestehe nur „reflexhaft“ abgeleitet durch das mittels des Ausschlusses von unangemessenen Angeboten verwirklichte „Gebot, wettbewerbsbeschränkende und unlautere Verhaltensweisen zu bekämpfen“.297 Ebenfalls wird vertreten, dass ein Drittschutz immer bestehe, wenn das Angebot den Grund zu Besorgnis begründe, dass die Ausführung des Vertrages nicht zu Ende geführt würde, da hierdurch ebenfalls die Interessen dritter Bieter tangiert würden.298 Letztlich wird auch ein Drittschutz in Bezug auf die Angemessenheitsprüfung generell angenommen, da die Bieter darauf vertrauen könnten, dass ein unangemessen kalkuliertes Angebot nicht angenommen werden dürfte; ein Wettbewerbsverstoß ist hiernach nicht erforderlich.299 Diese Argumentation dürfte auch auf den Fall übertragbar sein, in dem der Auftraggeber in der Vorprüfung ein Aufgreifmerkmal bzw. das Erreichen einer Aufgreifschwelle bejaht hat und trotzdem die Prüfung abbricht. Hinsichtlich der (reflexhaften) Schutzwirkung aufgrund der Bekämpfung von Angeboten mit Wettbewerbsverdrängungsabsicht ergeben sich zwei Probleme. Zum einen wird eine Feststellung dieser subjektiven Absicht für den Auftraggeber schwierig bzw. nur mit erhöhtem Aufwand möglich sein. Zum anderen ist oben schon sowohl kompetenzrechtlich als auch europarechtlich einer wettbewerblichen Prüfung durch die Auftraggeber entgegengetreten worden.300
294 So wohl Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 16 VOB/A-EG, Rn. 275. 295 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 224; Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A, Rn. 107; OLG Düsseldorf, 17.06.2002 – Verg 18/ 02; BayObLG, 03.07.2002 – Verg 13/02; OLG Celle, 18.12.2003 – 13 Verg 22/03; OLG Koblenz, 26.10.2005 – 1 Verg 4/05. 296 Etwa: VK Bund, 29.06.2006 – VK 3 39/06; OLG Düsseldorf, 19.12.2000 – Verg 28/00, 17.06.2002 – Verg 18/02 und 4.09.2002 – Verg 37/02. 297 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 224; VK Bund, 10.01. 2013 – VK 1-133/12. 298 Eine Übernahme des Vertrages sei den Dritten aufgrund der fortgeschrittenen Zeit seit dem Angebot und der Verplanung von benötigten Kapazitäten nicht mehr möglich; Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 224; OLG Celle, NZBau 2000, 105; OLG Saarbrücken, 29.10.2003 – 1 Verg 2/03 (NZBau 2004, 117, 118); Thüringer OLG, 22.12.1999 – 6 Verg 3/99 (NZBau 2000, 349, 352); VK Bund, 10.01. 2013 – VK 1-133/12. 299 Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Rn. 772. 300 Siehe oben unter F. II.
XI. Die Angemessenheitsprüfung in der VOF
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Jedoch erfolgt die Begründung hier nicht aus dem Wettbewerbsrecht, sondern vielmehr aus der Konkretisierung des Gleichbehandlungsgebotes. Dieses sichert insbesondere eine Gleichbehandlung der Bieter im Verfahrensablauf.301 Diese wird auch die Gleichbehandlung hinsichtlich der Prüfung einzelner, aufgrund der Vergabe- und Vertragsordnungen durchzuführender Prüfungen wie der Prüfung auf Angemessenheit der Preise beinhalten. Die Gleichbehandlung kann nur gewahrt werden, wenn die Prüfung hierauf im oben beschriebenen Rahmen durchgeführt wird. Im Ergebnis erfährt daher die Lösung eines generellen Rechtsschutzes hier deutliche Sympathie.302 So werden Bieter, gerade auch weil sich ihre Möglichkeit der erfolgreichen Bewerbung dadurch erweitert, darauf vertrauen dürfen, dass ein unangemessen kalkuliertes Angebot nicht durch den Auftraggeber angenommen wird. Nichtsdestotrotz entspricht dies nach vertretener Ansicht nicht der aktuellen Rechtslage.303 Eine Entwicklung zugunsten eines ausgeweiteten Drittschutzes der Bieter ist jedoch in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen.304
XI. Die Angemessenheitsprüfung in der VOF Die Prüfung der Preise auf Angemessenheit in der VOF verliert aufgrund der dort üblichen Verhandlungsverfahren und dem Verzicht der VOF auf ein Verhandlungsverbot305 an Relevanz gegenüber den anderen Verfahren. Jedoch scheint eine Angemessenheitsprüfung gemäß den oben dargestellten Vorgaben möglich.306 So sieht die VOF mit § 11 Abs. 7 den Verzicht auf die Auftragserteilung als eine Möglichkeit der Beendigung des Vergabeverfahrens vor.307 Ein solcher Verzicht kann wohl auch aus dem Gebot der haushaltsrechtlichen Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit begründet sein, an das die öffentlichen Auftraggeber gebunden sind.308
301
Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 79. Siehe hierzu auch Csaki, NZBau 2013, 345 f., der in diesem Zusammenhang § 2 Abs. 1 VOL/A-EG, der Angemessenheit als Teil der Eignung verstehe, auf die sich Dritte berufen könnten, und das Gebot effektiven Rechtsschutzes nennt, um einen Drittschutz zu begründen. Hingewiesen wird hier gleichzeitig auf die Schwierigkeiten eines solchen Angriffs dritter Bieter, da es diesen üblicherweise an der Kenntnis der Angebote der anderen Bieter mangelt. 303 Gabriel, Vergaberecht 2013, 300, 307 mit Verweis auf OLG Düsseldorf, 09.05. 2011 – VII-Verg 45/11. 304 Csaki, NZBau 2013, 345 mit Verweis auf OLG Düsseldorf, NZBau 2013, 333. 305 Voppel/Osenbrück/Bubert, § 3 VOF, Rn. 56. 306 Zur Darstellung dieser Prüfung Voppel/Osenbrück/Bubert, § 11 VOF, Rn. 36 ff., freilich unter Heranziehung der oben dargestellten Rechtsprechung, die sich jedoch auf VOL/A und VOB/A bezieht. 307 Müller-Wrede, in: ders., VOF, § 11, Rn. 122. 308 Siehe hierzu unten unter G. I. 302
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F. Die Angemessenheit der Preise
XII. Integration der preisrechtlichen Prüfung Auf der dritten Wertungsstufe bietet sich über die dargestellte Prüfung hinaus noch eine Prüfung von rechtlichen Vorgaben in Bezug auf die abgegebenen Preise an. So wird eine Verletzung dieser Mindestvorgaben auch die beschriebenen Gefahren zugunsten des Auftraggebers hinsichtlich der Ausführung der Leistung bieten, da dieser davon ausgehen muss, dass der Auftragnehmer die Preise bei Rechnungsstellung auf das gesetzliche Niveau erhöht. Auch wird man einen Schutz der Wettbewerber annehmen müssen, soweit von diesem als zulässigen Schutzzweck der Angemessenheitsprüfung ausgegangen wird.309 1. Prüfung des Preisrechts im engeren Sinne (insbes. VO PR 30/53) Zur Darstellung von Problemen im Zusammenhang mit der Prüfung der Unangemessenheit ist bereits mehrfach auf das Preisrecht abgestellt worden. Dies ist vor dem Hintergrund erfolgt, dass im Rahmen der Arbeit für eine zeitliche Integration der preisrechtlichen Prüfung in den Prüfungspunkt der Angemessenheit des Preises plädiert wird. Wie dargestellt ist eine preisrechtliche Prüfung durch den Auftraggeber durchzuführen, insbesondere da sich das Preisrecht als öffentlich-rechtliche Norm unmittelbar an diesen richtet und ein Zuschlag nicht auf ein Angebot erfolgen kann, das einen preisrechtlich nicht zulässigen Preis zum Gegenstand hat.310 Eine Preisprüfung ist erst bei Vorlage des finalen Angebotes möglich. Die Überprüfung der abgegebenen Angebote erfolgt anhand des 4-stufigen Prüfungsaufbaus. Gleichzeitig ist eine Preisprüfung erforderlich, die jedoch keine Vorgaben zum Zeitpunkt hat, außer dass sie möglichst früh erfolgen sollte, insbesondere um einen Zuschlag auf ein preisrechtlich unzulässiges Angebot zu verhindern. Vor diesem Hintergrund wird hier für eine zeitliche Integration der preisrechtlichen Prüfung in die vergaberechtliche Angemessenheitsprüfung als eigener Prüfungsunterpunkt plädiert. Dies scheint schon aus praktischen Gründen sinnvoll, da zu einer Preisprüfung ebenfalls eine kontradiktorische Form erforderlich scheint311 und eine parallele Aufklärung daher unnötigen Aufwand auf bei309
Zur Diskussion siehe oben unter F. II. Zur Möglichkeit der Anpassung des Preises auf das preisrechtlich zulässige Maß siehe Berstermann/Petersen, ZfBR 2008, 22 ff. 311 Siehe zur Möglichkeit einer solchen kontradiktorischen Prüfung etwa die Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten (LSP) (Anlage zur Verordnung PR Nr. 30/53 vom 21. November 1953): „Nr. 3 Erklärung des Auftragnehmers Der öffentliche Auftraggeber kann vom Auftragnehmer eine Erklärung darüber verlangen, a) dass die in der Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten angesetzten Preise und Entgelte den preisrechtlichen Vorschriften entsprechen und 310
XII. Integration der preisrechtlichen Prüfung
195
den Seiten verhindert. Letztlich ist die Prüfung im Rahmen der Angemessenheit auch der richtige Zeitpunkt, da eine Prüfung nur nach Bekanntgabe des Angebotes gegenüber dem Auftraggeber (in den meisten Fällen die Angebotsöffnung) erfolgen kann und vor einem Vertragsschluss (also dem Zuschlag) erfolgen muss. Der somit maßgebliche Prüfungszeitraum ist die Angebotsprüfung, in der wiederum die preisrechtliche Prüfung sachlich am besten mit der Angemessenheitsprüfung zusammenpasst. Daher sollte eine Prüfung der vergaberechtlichen Unangemessenheit parallel zur Prüfung der preisrechtlichen Zulässigkeit erfolgen. Die Prüfung der Unangemessenheit bzw. des offensichtlichen Missverhältnisses bietet nach ihrem gesetzlichen Wortlaut und ihrer Systematik keinen Anlass für eine Annahme, dass eine solche Integration im Rahmen einer „Parallelprüfung“ nicht möglich ist. Wichtig ist hierbei, die Prüfungen fachlich zu trennen, um möglicherweise bestehende inhaltliche Unterschiede nicht zu verwischen und dem Bieter im Fall einer Ablehnung den genauen (preisrechtlichen oder vergaberechtlichen, ggfs. auch beides) Grund nennen zu können. Ein preisrechtlich unzulässiger Preis erscheint jedoch im Ergebnis jedenfalls unangemessen im Sinne der 3. Wertungsstufe. 2. Prüfung des Preisrechts im weiteren Sinne (andere gesetzliche Vorgaben des Preises) Auch die Prüfung anderer rechtlicher Vorgaben hinsichtlich des Preises könnte an dieser Stelle in die Prüfung integriert werden. Bereits oben ist dargelegt worden, dass gesetzliche Vorgaben zu Mindestpreisen,312 die im Rahmen einer Ausschreibung nicht unterschritten werden dürften, bestehen.313 Für den Fall, dass Bieter diesbezüglichen Vorgaben des Auftraggebers nicht entsprechen, sind deren Angebote wegen fehlender Preisangaben schon auf der ersten Wertungsstufe auszuschließen.314 Soweit der Bieter hierzu jedoch keine Vorgaben macht, scheint aufgrund der Tatsache, dass auf diesen Fall keines der in § 16 Abs. 1 Nr. 1 VOB/ A bzw. § 16 Abs. 3 VOL/A und § 19 Abs. 3 VOL/A-EG genannten Angebote zutrifft, ein Ausschluss wegen nicht den genannten Vorgaben entsprechenden Preisangaben schwierig. So muss nach den genannten Paragraphen ein Preis gefordert sein, damit einer der genannten Ausschlussgründe greift.315 Soweit das
b) dass die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten nach diesen Leitsätzen vorgenommen wurde.“ 312 Etwa das RVG, die HAOI oder das Buchpreisbindungsgesetz. 313 Siehe oben unter D. I. 3. 314 Siehe zur Prüfung der ersten Wertungsstufe unter D. I. 3. 315 Siehe schon den Wortlaut des § 16 Abs. 3 VOL/A bzw. § 19 Abs. 3 VOL/A-EG: „Angebote, die nicht die geforderten Erklärungen . . .“ (Hervorhebung durch den Verfasser) und § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A: „Angebote müssen die geforderten Preise enthalten“
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F. Die Angemessenheit der Preise
nicht der Fall ist, kann dies nicht das Ergebnis haben, dass Angebote mit gesetzeswidrigen Preisen in die Wertung mit einbezogen werden müssen, und in dieser bei der preislichen Bewertung auch noch hervorgehobene Chancen haben. Gerade aus den Schutzgedanken zugunsten des Auftraggebers (und unter Umständen der anderen Bieter) ist ein Angebot, das gegen die genannten gesetzlichen Vorgaben verstößt, auf der 3. Wertungsstufe auszuschließen.
XIII. Spekulative Preise Im Zusammenhang mit der Überprüfung der Angemessenheit von Preisen ist noch auf eine weitere Fallgestaltung hinzuweisen, deren Überprüfung ebenfalls erforderlich ist. Diese betrifft den Fall des sittenwidrigen Einheitspreises, den der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahre 2008 festgestellt hat.316 Dieser ergab sich aufgrund einer 800-fach überhöhten Forderung von Mehrmengen, die nach Ansicht des BGH ein „verwerfliches Gewinnstreben“ begründen.317 In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass eine Überprüfung nicht im Rahmen der 3. Wertungsstufe erfolgt, da dort der Gesamtpreis und nicht, wie vorliegend, der Einheitspreis, maßgeblich ist.318 Ergänzend wird hierzu angemerkt, dass ein spekulatives Angebot vom Wortlaut her nur vorliegen dürfte, wenn der Bieter mit den Mehrmengen gerechnet hat.319 Teilweise wird vertreten, dass ein überhöhter Einheitspreis nicht als sittenwidrig nach § 138 BGB qualifiziert werden könne, da es sich hierbei noch nicht um ein Rechtsgeschäft handele, das erst mit Zuschlag zustande komme.320 Möglich sei daher allenfalls ein Ausschluss wegen nicht vollständiger Angaben (erste Wertungsstufe) oder aufgrund mangelnder Zuverlässigkeit (zweite Wertungsstufe).321 Dieser Ansicht wird mit der Ergänzung zugestimmt, dass auch ein extrem überhöhter Einheitspreis den Gesamtpreis als unangemessen begründen kann. Die Einordnung der vorliegenden Problematik hat demnach je nach Rechtsfolge unter die zugehörige Wertungsstufe zu erfolgen.
(Hervorhebung durch den Verfasser); Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 8 und Ruhland, in: Pünder/Schellenberg, § 16 VOL/A, Rn. 16. 316 BGH, 18.12.2008 – VII ZR 201/06; Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, S. 227. 317 BGH, 18.12.2008 – VII ZR 201/06. 318 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 89. 319 Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, S. 227; so wohl auch OLG Jena, 11.08.2009 – 5 U 899/05. 320 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 89. 321 Dicks, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 16, Rn. 89 zu den beiden Möglichkeiten.
G. Der Preis als Zuschlagskriterium Auch auf der vierten Wertungsstufe, der Prüfung des Angebotes auf Wirtschaftlichkeit und Bewertung im Verhältnis zu anderen Angeboten, spielt der Preis eine wesentliche Rolle. Er stellt ein mögliches Zuschlagskriterium dar, dessen Ausformung, wie zu zeigen ist, von der jeweiligen Ausschreibung abhängt. Hinsichtlich der Prüfung des Angebotes auf Wirtschaftlichkeit und der abschließenden Bewertung finden sich verschiedene Regelungen.1
1 Angeführt werden können hier etwa die Regelungen des GWB, der europäischen Vergaberichtlinien und der Vergabe- und Vertragsordnungen: – § 97 Abs. 5 GWB: „Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt.“ – Art. 53 Abs. 1 VKR: „Der öffentliche Auftraggeber wendet unbeschadet der für die Vergütung von bestimmten Dienstleistungen geltenden einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bei der Erteilung des Zuschlags folgende Kriterien an: a) entweder – wenn der Zuschlag auf das aus Sicht des öffentlichen Auftraggebers wirtschaftlich günstigste Angebot erfolgt – verschiedene mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängende Kriterien, z. B. Qualität, Preis, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Betriebskosten, Rentabilität, Kundendienst und technische Hilfe, Lieferzeitpunkt und Lieferungs- oder Ausführungsfrist b) oder ausschließlich das Kriterium des niedrigsten Preises.“ – Art. 55 Abs. 1 SKR: „Unbeschadet nationaler Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Vergütung bestimmter Dienstleistungen sind die für die Zuschlagserteilung maßgebenden Kriterien a) entweder, wenn der Zuschlag auf das aus Sicht des Auftraggebers wirtschaftlich günstigste Angebot erfolgt, verschiedene mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängende Kriterien wie: Lieferfrist bzw. Ausführungsdauer, Betriebskosten, Rentabilität, Qualität, Ästhetik und Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, technischer Wert, Kundendienst und technische Hilfe, Zusagen hinsichtlich der Ersatzteile, Versorgungssicherheit, Preis, oder b) ausschließlich der niedrigste Preis.“ – § 16 Abs. 8 VOL/A/§ 19 Abs. 8 VOL/A-EG: „Bei der Entscheidung über den Zuschlag berücksichtigen die Auftraggeber verschiedene durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigte Kriterien, beispielsweise Qualität, Preis, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Betriebskosten, Lebenszykluskosten, Rentabilität, Kundendienst und technische Hilfe, Lieferzeitpunkt und Lieferungs- und Ausführungsfrist.“ – § 16 Abs. 6 Nr. 3 VOB/A: „[. . .]. Unter diesen Angeboten soll der Zuschlag auf das Angebot erteilt werden, das unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte, wie z. B. Qualität, Preis, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Betriebs- und Folgekosten, Rentabilität, Kundendienst und technische Hilfe oder Ausführungsfrist als das wirtschaftlichste erscheint. Der niedrigste Angebotspreis ist nicht entscheidend.“
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G. Der Preis als Zuschlagskriterium
I. Die Begriffe „Preis“ und „Wirtschaftlichkeit“ und deren Verhältnis Wie sich schon aus dem Wortlaut der dargestellten Normen ergibt, wird die Diskussion um den Preis als Zuschlagskriterium wesentlich durch das Begriffspaar der Zuschlagskriterien „Preis“ und „wirtschaftlichstes Angebot“ geprägt. Erforderlich erscheint daher eine Bestimmung des Begriffs des „wirtschaftlichsten Angebotes“, wobei der Begriff hier synonym mit der „bestmöglichen Leistung“ nach § 16 der VOF verwendet wird.2 1. Wirtschaftlichkeit im Vergaberecht und deren Folgen für den Preis Der Begriff der Wirtschaftlichkeit hat eine lange Tradition im Zusammenhang mit der öffentlichen Beschaffung.3 a) Inhalt der Wirtschaftlichkeitsbegriffe im Vergaberecht Er bezeichnet im Vergaberecht die günstigste Relation zwischen dem verfolgten Zweck und den eingesetzten Mitteln.4 Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf das Minimalprinzip5 bzw. das Maximalprinzip6 als zwei mögliche Ausprägungen.7 Eine „Wirtschaftlichkeit an sich“, also ohne konkreten Bezug auf ein –
§ 20 Abs. 1 VOF: „Die Auftragsverhandlungen mit den nach § 10 Absatz 1 ausgewählten Bietern dienen der Ermittlung des Bieters, der im Hinblick auf die gestellte Aufgabe am ehesten die Gewähr für eine sachgerechte und qualitätsvolle Leistungserfüllung bietet.“ – Art. 67 RL 2014/24/EU Der entsprechende Wortlaut der Regelung der neuen RL 2014/24/EU findet sich in Art. 67 (Einfügung aufgrund der späteren Veröffentlichung der RL nach Einreichung und Bewertung der Dissertation). 2 Zur synonymen Nutzung der Begriffe „wirtschaftlichstes Angebot“ (VOL und VOB) und „bestmögliche Leistung“ (VOF) Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 180. 3 Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, § 97 GWB, Rn. 208, der ebenda als Beginn den „Circular-Erlass“ des preußischen Arbeitsministeriums von 1885 bestimmt. 4 Opitz, NZBau 2001, 12, 13; Kling, Die Zulässigkeit vergabefremder Regelungen, 254; Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 180. 5 Erreichen eines bestimmten, vorher festgelegten Ergebnisses unter geringstem Einsatz von Mitteln; siehe auch Opitz, NZBau 2001, 12, 13; Wiesner/Leibinger/Müller, Öffentliche Finanzwirtschaft, 106; OLG Naumburg, 05.12.2008 – 1 Verg 9/08. 6 Erreichen eines maximalen Ergebnisses unter Einsatz von bestimmten, festgelegten Mitteln; siehe auch Opitz, NZBau 2001, 12, 13; Wiesner/Leibinger/Müller, Öffentliche Finanzwirtschaft, 106; OLG Naumburg, 05.12.2008 – 1 Verg 9/08. 7 Es handelt sich insoweit nur um „Grundmodelle“, denkbar sind auch Mischformen von diesen 2 Prinzipien, etwa eine Ausschreibung, bei der neben der Angabe eines (möglichst geringen) Preises auch mittels eines funktionalen Leistungsverzeichnises qualitative oder quantitative Abweichungen ermöglicht oder in der Nebenangebote zu-
I. Die Begriffe „Preis‘‘ und „Wirtschaftlichkeit‘‘ und deren Verhältnis
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vorgegebenes Ziel, ist nicht denkbar.8 Vielmehr bedarf es der Bestimmung mittels der genannten Prinzipien.9 aa) Einzelwirtschaftlichkeit Soweit das Ziel des Vergaberechts die Herstellung einer Einzelwirtschaftlichkeit ist, bedeutet dies für den Begriff der Wirtschaftlichkeit, dass er an den Maßstäben der aufgewendeten Mittel in Bezug auf den Beschaffungsprozess einer Wirtschaftseinheit oder Investition gemessen wird.10 Insoweit wird hier nur der „einfache Beschaffungsprozess“ betrachtet, bei dem eine Bau-, Dienst- oder Lieferleistung eingekauft wird, um der Verwaltung die Durchführung ihrer Aufgaben zu ermöglichen.11 Wirtschaftlichkeit ist daher im einzelwirtschaftlichen Kontext die „Zusammenfassung aller für den jeweiligen Auftrag relevanten unmittelbar auftragsbezogenen Kriterien“.12 Dies bestätigt etwa das OLG Naumburg in einer Entscheidung aus dem Jahre 2008: „Die vergaberechtliche Wirtschaftlichkeitsprüfung ist darauf gerichtet, eine an objektiven, willkürfreien, (möglichst) nicht manipulierbaren Kriterien orientierte Auswahl des Vertragspartners zu organisieren. Sie hat einen einzelwirtschaftlichen Maßstab, d.h. es geht stets um die Wirtschaftlichkeit des konkreten Beschaffungsvorgangs für den Auftraggeber, nicht um gesamtwirtschaftliche Erwägungen.“ 13
Der Bezug auf die Einzelwirtschaftlichkeit kommt auch in den europäischen Vergaberichtlinien zum Ausdruck. Hier heißt es: „Beschließen die öffentlichen Auftraggeber, dem wirtschaftlich günstigsten Angebot den Zuschlag zu erteilen, so bewerten sie die Angebote unter dem Gesichtspunkt des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses. Zu diesem Zweck legen sie die wirtschaftlichen und qualitativen Kriterien fest, anhand derer insgesamt das für den öffentlichen Aufgelassen sind; siehe hierzu auch Opitz, NZBau 2001, 12, 13; teilweise wird davon ausgegangen, dass sich Maximal- und Minimalprinzip direkt in den Zuschlagskriterien der VKR und SKR (wirtschaftlichstes Angebot und Preis) ausdrücken, siehe etwa OLG Naumburg, 05.12.2008 – 1 Verg 9/08. 8 Luhmann, VerwArch 1960, 97/98 ff.; Heintzen, in: von Münch/Kunig, Art. 114, Rn. 24; Gröpl, in: ders., BHO/LHO, § 7, Rn. 10. 9 Zu den Begriffen Minimal- und Maximalprinzip siehe Opitz, NZBau 2001, 12 ff., wo ebenfalls dargestellt ist, dass Mischformen dieser Prinzipien möglich sind. 10 Die „günstigste Relation zwischen dem verfolgten Zweck und dem eingesetzten Mittel“ – Stellungnahme der Bundesregierung, Bundestagsdrucksache 13/9340, S. 48. 11 Als Indizwirkung siehe hierzu auch: Vorläufige VV-BHO zu § 7, abgedruckt in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 7 Nr. 1: Genannt werden als Maßnahmen, die nach einzelwirtschaftlichen Kriterien zu beurteilen sind, etwa „Beschaffungen für den eigenen Verwaltungsbereich“. 12 Kling, Die Zulässigkeit vergabefremder Regelungen, S. 260, Fn. 36, mit Verweis auf Kapitel 2 eben jener Arbeit. 13 OLG Naumburg, 05.12.2008 – 1 Verg 9/08.
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G. Der Preis als Zuschlagskriterium
traggeber wirtschaftlich günstigste Angebot bestimmt werden kann. Die Festlegung dieser Kriterien hängt insofern vom Auftragsgegenstand ab, als sie es ermöglichen müssen, das Leistungsniveau jedes einzelnen Angebots im Verhältnis zu dem in den technischen Spezifikationen beschriebenen Auftragsgegenstand zu bewerten sowie das Preis-Leistungs-Verhältnis jedes Angebots zu bestimmen.“ 14
Auch die Vergabe- und Vertragsordnungen weisen auf die Maßgeblichkeit der Einzelwirtschaftlichkeit hin. So heißt es in der Erläuterungen zur VOL (Anhang IV) zu § 18 Abs. 1: „Das wirtschaftlichste Angebot ist unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu ermitteln. Das wirtschaftlichste Angebot ist dasjenige Angebot, bei dem das günstigste Verhältnis zwischen der gewünschten Leistung und dem angebotenen Preis erzielt wird.“
Im Ergebnis ist daher die Wirtschaftlichkeit an einem Einzelwirtschaftlichkeitsmaßstab zu messen.15 – Gerichtliche Überprüfbarkeit Die gerichtliche Überprüfbarkeit der Einzelwirtschaftlichkeit ist schon aufgrund der Tatsache, dass nur die Zweck-Mittel-Relation, nicht jedoch das Ziel der Beschaffung mittels einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung geprüft wird,16 im vergaberechtlichen Rahmen nur begrenzt möglich. So hat das OLG Naumburg festgestellt: „Die Auswahl, nach welchem der beiden vorgenannten Prinzipien [Minimal- und Maximalprinzip] die Einzelwirtschaftlichkeit gewährleistet werden soll, ist letztlich schon keine vergaberechtliche Frage mehr. Für das Erreichen der vergaberechtlichen Zielstellungen der Organisation einer wirklich wirtschaftlichen Beschaffung ausreichend ist es bereits, dass die Auswahl des Vertragspartners nach einem der beiden Prinzipien erfolgt.“ 17
Demnach ist von einer begrenzten Überprüfbarkeit der Wirtschaftlichkeit auszugehen. Die Definition des Beschaffungsbedarfs obliegt dem Auftraggeber.18 Überprüfungsansätze ergeben sich nur hinsichtlich einer Rechtmäßigkeitskontrolle der Zuschlagskriterien19 und bei offensichtlicher Unangemessenheit der Gewichtung.20 14 Erwägungsgrund (46) Abs. 3 der VKR und Erwägungsgrund (55) Abs. 3 der SKR. 15 Aufgrund der Veröffentlichung der Richtlinie 2014/24/EU nach Einreichung der Dissertation ist der Maßstab der Einzelwirtschaftlichkeit zur Bewertung von Angeboten in Zukunft jedenfalls zu diskutieren; hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit der Bewertung anhand eines Kosten-Wirksamkeits-Ansatzes (Art. 67 Abs. 2 RL 2014/24/EU), etwa anhand der konkret normierten Lebenszykluskostenrechnung (Art. 67 Abs. 2 i.V. m. Art. 68 RL 2014/24/EU). 16 Etwa: Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 114, Rn. 87. 17 OLG Naumburg, 05.12.2008 – 1 Verg 9/08. 18 Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 89.
I. Die Begriffe „Preis‘‘ und „Wirtschaftlichkeit‘‘ und deren Verhältnis
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bb) Gesamtwirtschaftlichkeit Problematisch ist in diesem Zusammenhang eine Beschaffung aus „vergabefremden“ Zwecken. Von einer Darstellung der Diskussion um die diesbezügliche Zulässigkeit wird hier abgesehen.21 Soweit man solche Aspekte für zulässig hält, ist jedenfalls von einer Bewertung am Maßstab der gesamtwirtschaftlichen Kriterien auszugehen, welche in die Zweck-Mittel-Relation noch volkswirtschaftliche Kosten mit einbeziehen.22 Dies ist deshalb erforderlich, da das angestrebte Ziel (etwa die Subvention eines bestimmten Wirtschaftsbereichs) außerhalb des Vergabevorgangs liegt. Im Zusammenhang mit der Bestimmung, ob der Begriff der Wirtschaftlichkeit auch vergabefremde Aspekte umfasst, fällt deren teilweise Regelung in § 97 Abs. 4 GWB auf, welche die Berücksichtigung etwa sozialer, umweltbezogener oder innovativer Aspekte ermöglicht. Diese Aussage ist jedoch von der Vorgabe, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen ist, systematisch in einem eigenen Absatz getrennt. Daher mag eine Vergabe an einem gesamtwirtschaftlichen Maßstab zu messen sein, jedoch bewegt sie sich in diesem Fall wohl außerhalb des Zieles nach § 97 Abs. 5 GWB, das wirtschaftlichste Angebot in dessen Sinne zu bezuschlagen. Bei der Regelung des § 97 Abs. 4 GWB handelt es sich nicht um eine Regelung zur Wirtschaftlichkeitsprüfung, vielmehr beschreibt der Absatz Aspekte der Bietereignung.23 Nur in Einzelfällen ist die Berücksichtigung der genannten Aspekte als Zuschlagskriterien möglich.24 Es bleibt schon aus diesem systematischen Grund bei dem oben bezeichneten Ergebnis, dass der Maßstab bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit die Einzelwirtschaftlichkeit ist. cc) Wettbewerbsöffnende Komponente Letztlich wird in Teilen der Literatur und Rechtsprechung eine „wettbewerbsrechtliche“ 25 Komponente der Wirtschaftlichkeitsprüfung angenommen, die den Maßstab der Einzelwirtschaftlichkeit unterstreicht. So judizierte etwa das OLG Naumburg in oben angesprochener Entscheidung: 19
Etwa, ob ein Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand besteht oder ob die Kriterien dem Auftraggeber unzulässigerweise eine unbeschränkte Entscheidungsfreiheit einräumen, siehe Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 106. 20 Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 90. 21 Zur Diskussion siehe etwa Hertwig, Die Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe, Rn. 8 oder Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 108 ff. 22 Opitz, NZBau 2001, 12, 13. 23 Etwa Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 79 und 91 ff. 24 Eine beispielhafte Ausführung zur Verortung verschiedener sozialer und ökologischer Kriterien siehe Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 153. 25 Der Begriff soll hier nicht trennscharf das Rechtsgebiet des Wettbewerbsrechtes erfassen, sondern auf den Schutz des Wettbewerbs, mithin Dritter, hinweisen.
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G. Der Preis als Zuschlagskriterium
„Diese Vorschrift [§ 97 Abs. 5] ist in ihrem Verhältnis zur vorstehenden Regelung in § 97 Abs. 4 GWB als Grundentscheidung im Kartellvergaberecht zu interpretieren, wonach die Eignung eines Bieters nur Grundvoraussetzung, aber nicht ausschlaggebendes Kriterium für die Zuschlagserteilung ist und in jedem konkreten Vergabeverfahren der Wettbewerb dadurch von Neuem beginnt, dass es maßgeblich auf die Wirtschaftlichkeit des jeweiligen Angebotes ankommt. Vor dem Hintergrund historischer Entwicklungen soll diese ,Weichenstellung‘ dazu dienen, den ehemaligen ,Haus- und Hoflieferanten‘ abzuschaffen, der seine Aufträge aus personenbezogenen Gründen erhielt, und weiter dazu, wettbewerbs- und wirtschaftlichkeitsfeindliche nationale und regionale Marktabschottungen zu beseitigen und allen Unternehmen des EUBinnenmarktes die gleiche Chance zur Zuteilung von öffentlichen Aufträgen durch Organisation eines angebotsbezogenen Wettbewerbs zu verschaffen.“ 26
Die Ermöglichung des freien EU-Binnenmarktes und der freie Zugang zum Wettbewerb aller Unternehmen aus allen Mitgliedsstaaten geht „Hand in Hand“.27 Um diesem Wettbewerbszugang Rechnung zu tragen und vor ungerechtfertigter Diskriminierung zu schützen, soll der öffentliche Auftraggeber sich wie ein „normaler“ Marktteilnehmer verhalten.28 Diese Ansicht setzt voraus, dass der Auftraggeber keine vergabefremden Aspekte mit der bzw. über die wirtschaftliche Beschaffung hinaus verfolgt. Eine Bewertung der Wirtschaftlichkeit erfolgt auch daher an dem für die Bieter diskriminierungsfreien Maßstab der Einzelwirtschaftlichkeit. Dieses Verständnis bringen auch die europäischen Vergaberichtlinien zum Ausdruck.29 b) Der Preis als Inhalt der vergaberechtlichen Wirtschaftlichkeit Im Vergaberecht spielt der Preis als ein Teil der Wirtschaftlichkeit eine maßgebliche Rolle. Er ist ein neutraler Gesichtspunkt, der sich in jedem Fall dazu eignet, das wirtschaftlichste Angebot im Sinne einer Einzelwirtschaftlichkeit zu ermitteln.30 In diesem Sinne hat auch der BGH entschieden, dass, soweit keine anderen Kriterien zur Bewertung vorgegeben sind, der Bieter davon ausgehen muss, dass der Preis die ausschlaggebende Rolle für den Zuschlag spielt.31 Teil26
OLG Naumburg, 05.12.2008 – 1 Verg 9/08. Etwa: Streinz, Europarecht, S. 401, Rn. 1011, der darstellt, dass die Grundfreiheiten die Märkte öffnen und die Wettbewerbssicherung diese offen hält. 28 Opitz, NZBau 2001, 12, 13. 29 Siehe etwa Erwägungsgrund (46) der VKR: „Die Zuschlagserteilung sollte auf der Grundlage objektiver Kriterien erfolgen, die die Einhaltung der Grundsätze der Transparenz, der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung gewährleisten und sicherstellen, dass die Angebote unter wirksamen Wettbewerbsbedingungen bewertet werden. Dementsprechend sind nur zwei Zuschlagskriterien zuzulassen: das des „niedrigsten Preises und das des „wirtschaftlich günstigsten Angebots“, siehe ebenso Erwägungsgrund (56) der SKR. 30 BGH, 15.04.2008 – X ZR 129/06. 31 BGH, 15.04.2008 – X ZR 129/06. 27
I. Die Begriffe „Preis‘‘ und „Wirtschaftlichkeit‘‘ und deren Verhältnis
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weise wird davon ausgegangen, dass sich Maximal- und Minimalprinzip in den verschiedenen Zuschlagskriterien der VKR („wirtschaftlichstes Angebot“ und „Preis“ nach Art. 53 Abs. 1 VKR) ausdrücken.32 Soweit demnach davon ausgegangen wird, dass die Wirtschaftlichkeit durch das Minimalprinzip, also den geringsten Einsatz (Preis) für ein Ergebnis, ermittelt werden kann, was jedoch von der Gestaltung der Ausschreibung abhängt, ist der Preis hier jedenfalls ausschlaggebendes Beurteilungskriterium. Im Rahmen des Maximalprinzips wird der Preis hingegen durch die Vergabestelle vorgegeben und ein hierdurch zu erzielendes maximales Ergebnis erwünscht. Dass dies möglich ist, jedoch den Preiswettbewerb ausschaltet, wird unten dargestellt.33 2. Ergänzend: Wirtschaftlichkeit im Haushaltsrecht Auffallend ist im Zusammenhang mit der Prüfung der Wirtschaftlichkeit im Vergaberecht, dass der Begriff sich auch im Haushaltsrecht an prominenter Stelle findet.34 Fraglich ist, ob zu der Bestimmung des vergaberechtlichen Wirtschaftlichkeitsbegriffs der haushaltsrechtliche Wirtschaftlichkeitsbegriff herangezogen werden kann, was möglicherweise Rückschlüsse auf den Preis in der vergaberechtlichen Wirtschaftlichkeit zuließe.35 a) Inhalt des Wirtschaftlichkeitsprinzips im Haushaltsrecht Hierzu ist zunächst der Inhalt des haushaltsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsprinzips festzustellen. Auch hierbei handelt es sich um eine optimale Zweck-MittelRelation.36 Ebenfalls gilt die Feststellung, dass die Wirtschaftlichkeit nur auf einen Zweck hin festgestellt werden kann, mithin eine „Wirtschaftlichkeit an sich“ nicht denkbar ist.37 Ein Unterfall der Wirtschaftlichkeit ist die Sparsamkeit, das heißt die Beschränkung der Ausgaben des Staates „auf das unbedingt notwendige 32 Siehe etwa OLG Naumburg, 05.12.2008 – 1 Verg 9/08: „Diese Erwägungen haben im Übrigen ausdrücklichen Niederschlag in Art. 53 Abs. 1 der Richtlinie 2004/18/EG gefunden, der beide Alternativen der Definition von Einzelwirtschaftlichkeit für ein konkretes Vergabeverfahren als gleichwertig aufführt.“ 33 Siehe oben unter D. I. 3. und D. I. 4. 34 Etwa in Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG; § 7 Abs. 1 S. 1 BHO; in diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass das Landeshaushaltsrecht hier nicht überprüft wird; jedoch ist dieses in weiten Teilen mit dem Bundeshaushaltsrecht deckungsgleich, Gröpl, in: ders., BHO/LHO, Einl., Rn. 25. 35 Zu Überschneidungen von Haushalts- und Vergaberecht im Bereich unterhalb der Schwellenwerte etwa Ziekow, in: ders./Völlink, Einl. GWB, Rn. 21 ff., der darstellt, dass es sich beim Vergaberecht in diesem Bereich um Haushaltsrecht der jeweiligen Körperschaft handelt. 36 Gröpl, in: ders., BHO/LHO, § 7, Rn. 9, der hierzu den Begriff des „generellen Extremumprinzips“ anwendet. 37 Siehe oben unter G. I.
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G. Der Preis als Zuschlagskriterium
Maß“.38 Diese findet ihren Niederschlag im Sparsamkeitsprinzip (auch Minimumprinzip), das als Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsprinzips die Erreichung eines vorab festgelegten Zieles mit möglichst geringem Ressourcenverbrauch beschreibt.39 Als Maßstäbe für die Feststellung der Wirtschaftlichkeit nach dem Haushaltsrecht können sowohl der Einzelwirtschaftlichkeitsmaßstab als auch Gesamtwirtschaftlichkeitsmaßstab tauglich sein. Die Literatur scheint insoweit von einem Gesamtwirtschaftlichkeitsmaßstab auszugehen.40 In diesem Zusammenhang wird auch der Begriff des „wohlfahrtsökonomischen“ Wirtschaftlichkeitsbegriffs verwendet.41 Eine wettbewerbsöffnende Komponente ist dem haushaltsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsbegriff, analog zu dem vergaberechtlichen Wirtschaftlichkeitsbegriff,42 nicht zu entnehmen. Beim Haushaltsrecht handelt es sich vielmehr um ein „Innenrecht der Verwaltung“, welches durch verschiedene Organe kontrolliert wird, jedoch als solches für Dritte – etwa im Rahmen der Beschaffung – nur sehr begrenzt justiziabel ist.43 b) Der Preis als Inhalt der haushaltsrechtlichen Wirtschaftlichkeit Der Preis ist somit auch Teil des haushaltsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsbegriffes. Er kann auch im Rahmen einer gesamtwirtschaftlich angesetzten Überprüfung als Mittel eingesetzt werden, um diese im Verhältnis zum Nutzen durchführen zu können.44 Jedoch besteht kein so enger Zusammenhang wie zur Einzelwirtschaftlichkeit. c) Prüfung der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsprinzips im Haushaltsrecht Eine Überprüfung des Haushaltsrechts erfolgt zunächst durch die Rechnungshöfe.45 Eine Schutzwirkung für Dritte, welche durch diese geltend gemacht werden kann, besteht daher nur begrenzt.46 38
Wiesner/Leibinger/Müller, Öffentliche Finanzwirtschaft, 106. Gröpl, in: ders., BHO/LHO, § 7, Rn. 9. 40 Kling, Die Zulässigkeit vergabefremder Regelungen, 259, 260 mit weiteren Nennungen; Opitz, NZBau 2001, 12, 13. 41 Opitz, NZBau 2001, 12, 13. 42 Siehe oben unter G. I. 1. a). 43 Gröpl, in: ders., BHO/LHO, Einl. 40, § 7, Rn. 29 ff., der zwar eine Außenrechtsrelevanz des Haushaltsrechts anerkennt, jedoch auf die „empirische Tatsache“ hinweist, „das sich der Wirkungsbereich des Haushaltsrechts zumeist und in aller Regel auf den Binnenraum einer juristischen Person des öffentlichen Rechts beschränkt.“ 44 Zu Methoden der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit siehe etwa Gröpl, in: ders., BHO/LHO, § 7, Rn. 29 ff. 45 Zum Prüfungsrecht der Rechnungshöfe siehe §§ 88 ff. BHO. 39
I. Die Begriffe „Preis‘‘ und „Wirtschaftlichkeit‘‘ und deren Verhältnis
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3. Zur Deckungsgleichheit des vergaberechtlichen und haushaltsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsbegriffs Das Wirtschaftlichkeitsgebot divergiert in den Rechtsgebieten Vergaberecht und Haushaltsrecht voneinander.47 Eine Deckungsgleichheit der beiden Begriffe wird verneint.48 Diese Ansicht resultiert insbesondere aus den verschiedenen Maßstäben der Wirtschaftlichkeit je Rechtsgebiet, nämlich dem Einzelwirtschaftlichkeitsmaßstab beim vergaberechtlichen Wirtschaftlichkeitsbegriff 49 und dem Gesamtwirtschaftlichkeitsmaßstab beim haushaltsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsbegriff 50. Auch wird diese Argumentation noch verstärkt, wenn man von einer dem vergaberechtlichen Wirtschaftlichkeitsbegriff immanenten wettbewerbsschützenden Komponente ausgeht, die der haushaltsrechtliche Wirtschaftlichkeitsbegriff nicht enthält.51 Die Bundesregierung geht in ihrer Stellungnahme zum „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Rechtsgrundlagen für die Vergabe öffentlicher Aufträge“ vom 03.12.1997 wohl von einem einzelwirtschaftlichen Wirtschaftlichkeitsmaßstab aus, sodass ein gesamtwirtschaftlicher, wohlfahrtsökonomischer Maßstab nicht zu erkennen ist. Zum Begriff des wirtschaftlichsten Angebotes stellt sie fest: „Nach den EG-Vergaberichtlinien ist das für die Auftragsvergabe maßgebende Kriterium entweder ausschließlich der niedrigste Preis oder das wirtschaftlich günstigste Angebot unter Beachtung mehrerer von Auftrag zu Auftrag unterschiedlicher Kriterien wie etwa: [. . .].“ 52
Die vorgebrachten Bedenken verstärkend scheint auch die Stellungnahme des Bundesrates in der Bundestagsdrucksache 13/934053 davon auszugehen, dass sich die Begriffe der Wirtschaftlichkeit in Haushaltsrecht und Vergaberecht nicht decken. Gegenstand der Drucksache ist unter anderem die Einführung eines § 106 Abs. 4 GWB, der wie folgt lauten sollte: „Der Zuschlag erfolgt nach den zuvor bekannt gegebenen Kriterien auf das wirtschaftlichste Angebot.“ 54 46
Gröpl, in: ders., BHO/LHO, Einl. 41, 42: „Innenrecht der Verwaltung“. Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 174 mit Verweis auf Art. 114 Abs. 2 GG und § 6 HGrG. 48 Kling, Die Zulässigkeit vergabefremder Regelungen, 259 ff.; Opitz, NZBau 2001, 12, 13; wohl auch Kayser, Nationale Regelungsspielräume im öffentlichen Auftragswesen und gemeinschaftsrechtliche Grenzen, 59 mit dem Hinweis auf die „Divergenz von gesamtwirtschaftlicher und einzelwirtschaftlicher Beschaffung“. 49 Siehe oben unter G. I. 1. 50 Siehe oben unter G. I. 2. 51 Siehe hierzu insbesondere Opitz, NZBau 2001, 12, 13. 52 BT-Drucks. 13/9340 vom 03.12.1997, S. 14. 53 BT-Drucks. 13/9340 vom 03.12.1997, S. 35 ff. 54 Der Begriff des „wirtschaftlichsten Angebotes“ entspricht insoweit dem des heutigen § 97 Abs. 5 GWB, sodass die Argumente scheinbar übertragen werden können. 47
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G. Der Preis als Zuschlagskriterium
In der Stellungnahme des Bundesrates zu eben diesem § 106 Abs. 4 wird ausgeführt: „Die Beschränkung auf das wirtschaftlichste Angebot ist zu eng und missverständlich. Der Begriff der Wirtschaftlichkeit ist zudem haushaltsrechtlicher Natur und nicht gleichbedeutend mit den EG-Vergaberechtlinien.“ 55
Der Bundesrat geht daher davon aus, dass der vorgegebene Begriff des wirtschaftlichsten Angebotes, der entgegen seiner Stellungnahme auch Eingang in das GWB in aktueller Form gefunden hat, dem haushaltsrechtlichen entspricht und jedenfalls von dem Begriff der Wirtschaftlichkeit in den EG (Vergabe)Richtlinien zu unterscheiden ist. Dass dieser Begriff dann trotzdem Eingang ins GWB gefunden hat, scheint jedoch mangels anderer Indizien für eine Auseinandersetzung mit dem Argument des Bundesrates einen (nicht haushaltsrechtlichen) Einzelwirtschaftlichkeitsmaßstab zu bestätigen. – Ergebnis zu G. I. 3. Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass der haushaltsrechtliche und der vergaberechtliche Wirtschaftlichkeitsbegriff nicht identisch sind. Der Begriff der Wirtschaftlichkeit im Vergaberecht, insbesondere ausgedrückt durch die Vorgabe, das wirtschaftlichste Angebot zu bezuschlagen, ist vor dem Hintergrund einer Einzelwirtschaftlichkeit des Beschaffungsvorgangs zu messen. Des Weiteren ist neben diesem Ziel insbesondere in europäischer Richtung auch der Gedanke einer Ermöglichung des freien Wettbewerbs als weiteres Ziel zu sehen.56 Der haushaltsrechtliche Begriff bezeichnet hingegen eine Gesamtwirtschaftlichkeit, die zwar im Fall der öffentlichen Beschaffung den eigentlichen Beschaffungsvorgang nicht ausklammert, ihn jedoch an einem weiteren wohlfahrtsökonomischen Maßstab misst. Daher lässt das haushaltsrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit keinen Rückschluss auf den Inhalt des vergaberechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebotes und dem in diesem enthaltenen Preis zu.57
II. Der Preis als nicht-zulässiges Zuschlagskriterium – gleichzeitig: Zulässigkeit der Ausblendung des Preises in der Bewertung Eine erste Prüfung hinsichtlich der Verwendung des Preises als Zuschlagskriterium in der vierten Wertungsstufe kann dahingehend erfolgen, ob der Preis unter 55
BT-Drucks. 13/9340 vom 03.12.1997, S. 36. Siehe hierzu oben unter G. I. 1. a) cc). 57 Hingewiesen sei nochmals darauf, dass aufgrund der Veröffentlichung der Richtlinie 2014/24/EU nach Einreichung der Dissertation der Maßstab der Einzelwirtschaftlichkeit zur Bewertung von Angeboten in Zukunft jedenfalls zu diskutieren sein wird. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf die Möglichkeit der Bewertung anhand eines „Kosten-Wirksamkeits-Ansatzes“ (Art. 67 Abs. 2 RL 2014/24/EU), etwa mittels der konkret normierten Lebenszykluskostenrechnung (Art. 67 Abs. 2 i.V. m. Art. 68 RL 2014/24/EU). 56
II. Der Preis als nicht-zulässiges Zuschlagskriterium
207
Umständen ein nicht zulässiges Zuschlagskriterium sein kann bzw. ob die NichtVerwendung des Preises bei einer Bewertung zulässig ist. 1. Bestimmungsrecht des Auftraggebers hinsichtlich der Zuschlagskriterien und Grenzen Das OLG Düsseldorf spricht in einer Entscheidung von einem „dem Auftraggeber zustehenden Bestimmungsrecht[s] bei den Zuschlagskriterien“.58 Eine Begrenzung dieses Bestimmungsrecht kann sich zunächst durch europäische Vergaberechtsregeln ergeben. Ein Indiz hierfür zeigt sich in den Erwägungsgründen der VKR: In Erwägungsgrund (1) heißt es: „Die vorliegende Richtlinie gründet sich auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere auf die Urteile zu den Zuschlagskriterien, wodurch klargestellt wird, welche Möglichkeiten die öffentlichen Auftraggeber haben, auf Bedürfnisse der betroffenen Allgemeinheit, einschließlich im ökologischen und/oder sozialen Bereich, einzugehen, sofern derartige Kriterien im Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen, dem öffentlichen Auftraggeber keine unbeschränkte Wahlfreiheit einräumen, ausdrücklich erwähnt sind und den in Erwägungsgrund 2 genannten grundlegenden Prinzipien entsprechen.“ 59
Hiernach sind die Möglichkeiten des Auftraggebers bei der Festlegung von Zuschlagskriterien in dem Sinne begrenzt, dass diese Kriterien folgende Voraussetzungen erfüllen. Sie müssen: 1. im Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen, 2. dem öffentlichen Auftraggeber keine unbeschränkte Wahlfreiheit einräumen, 3. ausdrücklich erwähnt sein und 4. den in Erwägungsgrund 2 genannten grundlegenden Prinzipien60 entsprechen.
58 OLG Düsseldorf, 21.05.2012 – VII Verg 3/12; ebenso OLG Naumburg, 20.09. 2012 – 2 Verg 4/12; OLG Düsseldorf, 01.08.2012 – VII-Verg 10/12 mit dem Begriff der „Bestimmungsfreiheit“; OLG München, 28.07.2008 – Verg 10/08, ebenso: Noch, Anmerkung zu OLG Naumburg, 05.12.2008 – 1 Verg 9/08 (VergabeR 2009, S. 500): „Ob vergoldete Armaturen beschafft werden oder eine sehr dürftige Qualität bei technischen Gegenständen, liegt nicht im Wirkungskreis der Bieterrechte [. . .]. Ist es demnach nicht Gegenstand der Bieterrechte, im Haushaltsrecht wurzelnde Gesichtspunkte von Beschaffung zu beurteilen, so kann auch seitens einer Nachprüfungsinstanz keine Zuschlagskriterienwahl beanstandet und korrigiert werden . . .“; Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 50. 59 Erwägungsgrund (1) der RL 2004/18/EG. 60 VKR, Erwägungsgrund (2): „[. . .] Einhaltung der im Vertrag niedergelegten Grundsätze gebunden, insbesondere des Grundsatzes des freien Warenverkehrs, des Grundsatzes der Niederlassungsfreiheit und des Grundsatzes der Dienstleistungsfreiheit
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G. Der Preis als Zuschlagskriterium
Diese Vorgaben dürften auch im Zusammenhang mit dem Preis gelten. Hierdurch ergibt sich daher noch keine ersichtliche Beschränkung des Zuschlagskriteriums „Preis“, da dieser alle 4 Vorgaben in der Regel erfüllt. In Erwägungsgrund 46 heißt es weiterhin: „Die Zuschlagserteilung sollte auf der Grundlage objektiver Kriterien erfolgen, die die Einhaltung der Grundsätze der Transparenz, der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung gewährleisten und sicherstellen, dass die Angebote unter wirksamen Wettbewerbsbedingungen bewertet werden [. . .].“
Demnach wird die oben aufgeführte Liste der Begrenzung des Auftraggebers bei der Festlegung von Zuschlagskriterien noch durch folgende Vorgaben ergänzt: 5. Das Zuschlagskriterium soll ein objektives Kriterium darstellen, 6. die genannten Vergaberechtsgrundsätze gewährleisten und 7. sicherstellen, dass die Angebote unter wirksamen Wettbewerbsbedingungen bewertet wurden.61 Den öffentlichen Auftraggebern ist demnach insgesamt kein unbeschränktes Bestimmungsrecht eingeräumt worden. Grundsätzlich erfüllt jedoch das Kriterium Preis die oben genannten Bedingungen, weswegen es auch als ein mögliches Kriterium in der VKR62 und weiteren Regelungen63 genannt wird. Jedoch kann, je nach konkreter Ausgestaltung, der Preis diese Vorgaben nicht erfüllen. Auch sind die letztgenannten Vorgaben, wie der Wortlaut zeigt, nicht zwingend („soll“).64
sowie der davon abgeleiteten Grundsätze wie z. B. des Grundsatzes der Gleichbehandlung, des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung, des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung, des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Grundsatzes der Transparenz.“ 61 Siehe zu den erwähnten Kriterien in der Richtlinie 2014/24/EU die Regelungen des Art. 67, welche etwa die notwendige Verbindung zwischen Kriterium und Auftrag betonen (Abs. 2) oder vorgeben, dass eine uneingeschränkte Wahlfreiheit nicht die Folge der Kriterien sein darf (Abs. 4). Inwieweit die neue Regelung der Zuschlagskriterien mit den Vorgaben der alten VKR gleichläuft, wird noch zu untersuchen sein. Der Preis als Kriterium wird jedenfalls in der RL 2014/24/EU genannt und bleibt auch entsprechend deren weiterer Maßgaben zulässiges Bewertungskriterium (Einfügung aufgrund der späteren Veröffentlichung der RL nach Einreichung und Bewertung der Dissertation). 62 VKR, Erwägungsgrund 46: „Dementsprechend sind nur zwei Zuschlagskriterien zuzulassen: Das des „niedrigsten Preises“ und das des „wirtschaftlich günstigsten Angebots“; siehe Art. 53 VKR. 63 Art. 55 SKR; § 16 Abs. 8 VOL/A/§ 19 Abs. 8 VOL/A-EG; § 16 Abs. 6 Nr. 3 VOB/A. 64 „Die Zuschlagserteilung sollte auf der Grundlage [. . .].“ (Hervorhebung durch den Verfasser).
II. Der Preis als nicht-zulässiges Zuschlagskriterium
209
2. Fehlender Preiswettbewerb als Konkretisierung des Bestimmungsrechts des Auftraggebers bei der Verwendung des Preises als Zuschlagskriterium Zur Konkretisierung des Bestimmungsrechtes des Auftraggebers finden sich einzelne Fälle. So hatte die VK Düsseldorf einen Fall zu entscheiden, in dem die Möglichkeit der Bieter, voneinander verschiedene Preise anzubieten, aufgrund gesetzlicher Regelungen limitiert war.65 Konkret ging es um die Beschaffung von preisgebundenen Büchern für Schulen, welche europaweit ausgeschrieben wurden. Hier besteht eine gesetzliche Begrenzung des Grundpreises66 als auch der möglichen Rabatte,67 die durch die Bieter weitergegeben werden können, aufgrund der Buchpreisbindung. Hinsichtlich des Preises als Wertungskriterium hat die Vergabekammer festgestellt: „Der Preis allein kann ein zulässiges Wertungskriterium darstellen, wenn es bezüglich der nachgefragten Leistung einen funktionierenden Preiswettbewerb gibt. Dies ist bei den hier nachgefragten Schulbüchern aber nicht der Fall, da sich allenfalls hinsichtlich der Weitergabe von Rabatten die Preise unterscheiden könnten, nicht aber bezüglich der Grundleistung. Auch bei der Weitergabe des gesetzlich nach oben hin begrenzten Rabattes kann sich kein funktionierender Wettbewerb entwickeln, da die Anbieter aus der Erfahrung eines sich durch Konkurrenz belebenden Marktes heraus den höchstmöglichen Rabatt durchweg weitergeben.“ 68
Die VK stellt heraus, dass sich im Fall kein funktionierender Wettbewerb ergeben kann. Hierbei ist nach Ansicht der Vergabekammer zu beachten, dass ein solcher Wettbewerb zwar theoretisch durch Weitergabe der Rabatte entstehen könnte, jedoch praktisch nicht entstehen wird, da alle Wettbewerber die maximalen Rabatte weitergeben werden: „In dieser Situation lassen sich die Angebote nicht mehr wertend in eine Reihenfolge bringen, wenn als einziges Wertungskriterium der Preis zur Verfügung steht und [. . .] den Bietern [. . .] die Möglichkeit genommen wird, sich durch den Gehalt der Leistung und damit durch das Preis-Leistungs-Verhältnis voneinander zu unterscheiden.“ 69
Soweit den Bietern daher eine Unterscheidung aufgrund gesetzlicher Regelungen unmöglich ist, kann eine Wertung nicht aufgrund des Kriteriums „Preis“ erfolgen. Da im Fall aufgrund der finalen Festschreibung der Leistung in der Leistungsbeschreibung zudem ein qualitativer Wettbewerb ausgeschlossen war, ließ 65
VK Düsseldorf, 14.07.2003 – VK-19/2003-L. § 5 Buchpreisbindungsgesetz (Buchpreisbindungsgesetz vom 2. September 2002 (BGBl. I S. 3448), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 14. Juli 2006 (BGBl. I S. 1530) geändert worden ist). 67 § 7 Abs. 2 und 3 Buchpreisbindungsgesetz. 68 VK Düsseldorf, 14.07.2003 – VK-19/2003-L. 69 VK Düsseldorf, 14.07.2003 – VK-19/2003-L. 66
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G. Der Preis als Zuschlagskriterium
sich das wirtschaftlichste Angebot nicht ermitteln. Dies gilt nach der VK nicht nur im Fall einer gesetzlichen Bestimmung des Preises, sondern auch für den vorliegenden Fall von gesetzlich limitierten Rabatten, die zwar weitergegeben werden können, bei denen jedoch anzunehmen ist, dass die Bieter den höchstmöglichen Rabatt weitergeben und somit wiederum die Wertung unterlaufen wird.70 Die Aussage, dass im Fall einer gesetzlichen Bindung des Preises dieser nicht Wertungskriterium sein kann, scheint verallgemeinerungsfähig. Da aufgrund der Preisbindung alle Bieter einen identischen Preis bieten müssten und sich hieraus hinsichtlich der Bewertung der Wirtschaftlichkeit des Angebotes keine Ansätze ziehen lassen, macht die Abforderung keinen Sinn und widerspricht der Vorgabe, gemäß § 97 Abs. 5 GWB das wirtschaftlichste Angebot zu bestimmen. Der Vorrang gesetzlicher Regelungen zur Vergütung wird durch Erwägungsgründe der VKR gestützt.71 In Erwägungsgrund (47)72 heißt es etwa: „Bei öffentlichen Dienstleistungsaufträgen dürfen die Zuschlagskriterien nicht die Anwendung nationaler Bestimmungen beeinträchtigen, die die Vergütung bestimmter Dienstleistungen, wie beispielsweise [. . .] oder – bei Lieferaufträgen – die Anwendung nationaler Bestimmungen, die feste Preise für Schulbücher festlegen, beeinträchtigen.“
Ein weiteres Beispiel, in welchem der Preis als Zuschlagskriterium aufgrund fehlenden Preiswettbewerbs ausscheidet, ist der Fall einer gesetzlichen Gebührenordnung.73 Genannt werden können etwa die HOAI74 und das RVG75. Als Argumentation kann hier etwa Erwägungsgrund (47) der VKR herangezogen werden, der die Vergütung „bestimmter Dienstleistungen, wie beispielsweise die Vergütung von Architekten, Ingenieuren und Rechtsanwälten“ ebenfalls umfasst. Maßgeblich ist jedoch, ob überhaupt kein Wettbewerb möglich ist, oder ob die gesetzlichen Regelungen Freiräume ermöglichen, die praktisch ausgeschöpft werden können.76 Der Preis kann dann, auch wenn sich aufgrund kleiner Spielräume nur 70
VK Düsseldorf, 14.07.2003 – VK-19/2003-L. Siehe auch Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 185, Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, § 97 GWB, Rn. 221. 72 Siehe insoweit auch Erwägungsgrund (56) der SKR; entsprechenden Vorrang bejahend, jedoch mit möglicherweise anderem Aussagegehalt siehe Erwägungsgrund (93) der RL 2014/24/EU (Einfügung aufgrund der späteren Veröffentlichung der RL nach Einreichung und Bewertung der Dissertation). 73 Siehe hierzu Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 185 und Voppel/ Osenbrück/Bubert, VOF, § 11 Rn. 42 ff. 74 Honorarordnung für Architekten und Ingenieure vom 11. August 2009 (BGBl. I S. 2732). 75 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 788), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 19. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2182) geändert worden ist. 76 Voppel/Osenbrück/Bubert, VOF, § 11 Rn. 42 ff. 71
III. Der Preis als ein Zuschlagskriterium
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ein geringer Wettbewerb ergibt, nach dieser Argumentation einziges Zuschlagskriterium sein. Andernfalls ist die Verwendung des Preises als Zuschlagskriterium demnach unzulässig bzw. die Ausblendung des Preises bei der Bewertung zulässig.
III. Der Preis als ein Zuschlagskriterium – Die Bewertung des Kriteriums „Preis“ Mit Ausnahme der oben dargestellten Fälle ist gerade der Preis ein taugliches Kriterium zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit. Daher ist er im Normalfall ein wesentliches Zuschlagskriterium, neben dem noch das Kriterium der Qualität als Oberbegriff für die Art der Leistung und deren Erbringung besteht. Festzustellen ist, ob ein gewisses Verhältnis zwischen Preis und Qualität durch das Vergaberecht vorgegeben ist. Das OLG Düsseldorf hat in jüngerer Rechtsprechung festgestellt: „Bestimmungen des Auftraggebers müssen bei diesem Kriterium anderen Wirtschaftlichkeitsmerkmalen neben dem Preis [. . .] einen angemessenen Raum zur Bewertung einräumen. Der Preis darf weder unter- noch überbewertet werden. Er stellt ein gewichtiges Merkmal dar, das beim Zuschlagskriterium des wirtschaftlichsten Angebots nicht am Rande der Wertung stehen darf, sondern vom Auftraggeber in ein angemessenes Verhältnis zu den übrigen Wertungskriterien zu bringen ist [. . .]77. Eine Festlegung und Gewichtung von Zuschlagskriterien, bei denen Wirtschaftlichkeitskriterien neben dem Angebotspreis nur eine marginale Rolle spielen oder der Preis eine übermäßige Bedeutung einnimmt, kann demnach gegen das Wirtschaftlichkeitsprinzip nach § 97 Abs. 5 GWB, § 16 Abs. 8 VOL/A (genauso: § 16 Abs. 6 Nr. 3 Satz 2 VOB/A) verstoßen.“ 78
Maßstab ist demnach das genannte vergaberechtliche Wirtschaftlichkeitsprinzip. Dieses ist in seinen Ausprägungen und Inhalt oben dargestellt worden.79 1. Das Wirtschaftlichkeitsgebot als Konkretisierung des Bestimmungsrechts des Auftraggebers bei der Verwendung des Preises als Zuschlagskriterium Das Wirtschaftlichkeitsgebot als Maßstab zur Bestimmung des Verhältnisses von Preis und Qualität bei der Wertung des Angebotes auf der 4. Wertungsstufe 77 Verweis auf OLG Dresden, 05.01.2001 – WVerg 11 und 12/00; OLG Düsseldorf, 29.12.2001 – Verg 22/01, sowie für Bauauftragsvergaben auf Kulartz, in: Kulartz/Marx/ Portz/Prieß, VOB/A, § 16, Rn. 262 [unter Spiegelstrich „Preis“]; Frister, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 16 VOB/A Rn. 119 f. 78 OLG Düsseldorf, 21.05.2012 – VII Verg 3/12. 79 Zum Wirtschaftlichkeitsprinzip siehe oben unter G. I. 1. mit Abgrenzung vom haushaltsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsbegriff.
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G. Der Preis als Zuschlagskriterium
steht insoweit in einem Spannungsverhältnis bei der Ausübung des Bestimmungsrechts des Auftraggebers hinsichtlich der Wertungskriterien80. Dieses Spannungsverhältnis findet über die Rechtsprechung zur Bewertung des Preises in Bezug zu anderen Wertungskriterien seinen Niederschlag. Als umstritten kann beispielsweise gelten, ob es eine „Mindestwertigkeit“ 81 des Preises bei der Angebotsbewertung gibt. a) Prozentuale Mindestwertigkeit Teilweise wird vertreten, dass das Kriterium Preis in der Bewertung der Wirtschaftlichkeit mit mindestens 30% vertreten sein muss82 /sollte83. Hinsichtlich der Vorgabe, dass eine 30%ige Mindestbewertung verpflichtend ist, verweist die Vergabekammer Sachsen in bezeichnetem Beschluss auf die Entscheidung des OLG Dresden.84 Dieses stellt zur Begründung der 30%-Grenze fest, dass bei der Einbeziehung des Angebotspreises „sichergestellt sein muss, dass der Preis ein wichtiges, die Vergabeentscheidung substanziell beeinflussendes Entscheidungskriterium bleibt und nicht bis zur Bedeutungslosigkeit marginalisiert wird. Der Senat hält insoweit einen Wertungsanteil des Angebotspreises von 30% für eine Größenordnung, die regelmäßig nicht unterschritten werden sollte.“ 85
Begründet wird dies durch die „Bedeutung des Angebotspreises für die Vergabeentscheidung vor dem Hintergrund des Wirtschaftlichkeitsgebots (§§ 97 Abs. 5 GWB, 25 Nr. 3 VOL/A).“ 86
Der Senat stellt dar, dass eine solche Vorgabe erforderlich sei, um dem Gebot der Wirtschaftlichkeit Rechnung zu tragen. Gleichzeitig stellt er explizit fest, dass eine Einhaltung einer 30%-Grenze nicht zwingend sei („regelmäßig nicht unterschritten werden sollte“). Auch das OLG Düsseldorf hat in früherer Rechtsprechung festgestellt, dass die Festlegung einer Bewertungsgrenze von 30% dem Vergaberecht nicht zu entnehmen ist.87 80 Zum Bestimmungsrecht des Auftraggebers hinsichtlich der Zuschlagskriterien siehe hierzu oben unter G. II. 1. 81 Zu diesem Begriff und der nachfolgenden Rechtsprechung siehe: Weyand, ibr-online Kommentar, GWB, § 97, Rn. 1270 ff., Stand: 23.09.2013. 82 VK Sachsen, 07.05.2007 – 1/SVK/027-07. 83 OLG Dresden, 05.01.2001 – Wverg 11/00 und Wverg 12/00. 84 VK Sachsen, 07.05.2007 – 1/SVK/027-07: allerdings hat sie das Kriterium Preis mindestens zu 30% zu berücksichtigen (OLG Dresden, 05.01.2001 – Wverg 0011/00 und 0012/00). 85 OLG Dresden, 05.01.2001 – Wverg 11/00 und Wverg 12/00. 86 OLG Dresden, 05.01.2001 – Wverg 11/00 und Wverg 12/00. 87 OLG Düsseldorf, 29.12.2001 – Verg 22/01; ebenso Weyand, ibr-online Kommentar, GWB, § 97, Rn. 1270 Stand: 23.09.2013, allerdings mit Verweis auf Beschluss der
III. Der Preis als ein Zuschlagskriterium
213
Eine prozentuale Mindestwertigkeit ist daher gerade nicht zu erkennen. Die Festlegung einer solchen schränkt im Übrigen das Kriterium der Wirtschaftlichkeit des Auftrages, welches sich jeweils an diesem misst, unverhältnismäßig ein. b) Keine Bewertung nur am Rande Abschwächend wird, wohl mit der gleichen Begründung vor dem Hintergrund des Wirtschaftlichkeitsgebots, durch das OLG Düsseldorf festgestellt: „der Angebotspreis ist [. . .] ein wichtiges, aber auch nur eines von mehreren Wertungskriterien. Bei der Entscheidung, in welchem Umfang der Preis in die Bewertung des Angebotes einbezogen wird, steht dem Auftraggeber ein weiter Beurteilungsund Ermessensspielraum zu. Dabei darf der Preis allerdings kein nur am Rande dieser Wertung stehendes Beurteilungselement bleiben.“ 88
Demnach gibt das Vergaberecht vor, dass der Preis bei der Bewertung des Angebotes auf Wirtschaftlichkeit nicht nur am Rande dieser steht. Jedoch ist in der Entscheidung keine prozentuale (Mindest-)Vorgabe zu erkennen. Eine ähnliche Argumentation, die jedoch hinsichtlich der Vorgabe der Bewertung der Wirtschaftlichkeit anhand des Preises noch offener ist, bestimmt, dass der Preis „in angemessener Weise [. . .] in die Wertung einzubeziehen [ist]“.89 In jüngerer Rechtsprechung hat das OLG Düsseldorf ergänzend entschieden, dass der Preis nicht marginalisiert werden darf.90 c) Keine Vorgabe der Bewertung durch Vergaberecht Eine weitere Ansicht geht jedenfalls davon aus, dass dem Vergaberecht keine Mindestvorgabe zur Bewertung des Preises zu entnehmen ist.91 Dies widerspre-
VK Lüneburg, 03.05.2005 – VgK-142005, wobei diesem Beschluss diese Aussage so nicht zu entnehmen ist. 88 OLG Düsseldorf, 25.05.2005 – VII Verg 8/05 mit Verweis auf OLG Düsseldorf, 29.12.2001 – Verg 22/01 und Stickler, in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 2. Auflage, § 97 GWB, Rn. 28. 89 Kulartz, in: Kulartz/Kus/Portz, GWB, § 97, Rn. 128 mit Verweis auf das angesprochene Urteil des OLG Düsseldorf, 29.12.2001 – Verg 22/01. 90 OLG Düsseldorf, 09.01.2013 – VII Verg 33/12, in dieser hat das OLG seine Rechtsprechung dahingehend konkretisiert, dass die Bewertung auf „Vertretbarkeit“ zu überprüfen ist; ansonsten besteht ein „Festlegungsspielraum“ zugunsten des öffentlichen Auftraggebers, der nur begrenzt durch Nachprüfungsinstanzen überprüfbar ist. 91 Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, § 97 GWB, Rn. 232; Opitz, NZBau 2001, 12, 13; hiervon geht wohl auch OLG Düsseldorf, 09.01.2013 – VII Verg 33/12 nicht aus, da es zwar eine 90%/10% Bewertung beanstandet, jedoch hinsichtlich der Beanstandung auf oben genannte Vertretbarkeitsprüfung rekurriert. Demnach scheint eine solche Bewertung im Einzelfall durchaus möglich.
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G. Der Preis als Zuschlagskriterium
che dem oben dargestellten Gebot des Bestimmungsrechts des Auftraggebers hinsichtlich der Wahl und Gewichtung der Zuschlagskriterien.92 Diese Ansicht lässt sich ebenfalls mit dem Gebot der Wirtschaftlichkeit begründen, welches, wie oben dargestellt, nur anhand des konkreten Vorgangs bestimmt werden kann.93 Soweit sich demnach hierzu eine Notwendigkeit ergibt, muss es dem Auftraggeber auch wie gezeigt möglich sein, den Preis als Zuschlagskriterium nicht zu verwenden, was jedoch nur in Einzelfällen der Fall sein dürfte. Dem scheint die Begründung von VKR und SKR nicht zu widersprechen. Hier heißt es: „Beschließen die öffentlichen Auftraggeber, dem wirtschaftlich günstigsten Angebot den Zuschlag zu erteilen, so bewerten sie die Angebote unter dem Gesichtspunkt des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses. Zu diesem Zweck legen sie die wirtschaftlichen und qualitativen Kriterien fest, anhand deren insgesamt das für den öffentlichen Auftraggeber wirtschaftlich günstigste Angebot bestimmt werden kann. Die Festlegung dieser Kriterien hängt insofern vom Auftragsgegenstand ab, als sie es ermöglichen müssen, das Leistungsniveau jedes einzelnen Angebots im Verhältnis zu dem in den technischen Spezifikationen beschriebenen Auftragsgegenstand zu bewerten sowie das Preis-Leistungs-Verhältnis jedes Angebots zu bestimmen.“ 94
Aus dieser Formulierung ergibt sich zunächst scheinbar ein Zwang zur Abforderung des Preises, da nur dann ein Preis-Leistungs-Verhältnis bestimmt werden kann, wenn auch ein Preis gefordert ist. Ein Preis-Leistungs-Verhältnis kann jedoch auch bestimmt werden, wenn der Preis nicht bewertet wird, etwa wenn ein Festpreis vorgegeben ist und eine Leistung in Bezug auf diesen qualitativ bewertet wird. Daher ist zumindest theoretisch denkbar, dass die Wirtschaftlichkeit einer Beschaffung dadurch am besten hergestellt werden kann, dass der Preis nicht als Zuschlagskriterium genutzt wird.
92 Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, § 97 GWB, Rn. 232 mit Verweis auf Opitz, NZBau 2001, 12, 13. 93 Siehe oben unter G. I.; ebenfalls: Opitz, NZBau 2001, Rn. 12, 13. 94 Erwägungsgrund (46) Abs. 3 VKR und Erwägungsgrund (55) Abs. 3 SKR; diese Aussage scheinbar unterstützend Erwägungsgrund (90) der RL 2014/24/EU mit der Formulierung „[. . .] Es sollte ausdrücklich festgehalten werden, dass das wirtschaftlich günstigste Angebot auf der Grundlage des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses ermittelt werden sollte, welches stets eine Preis- oder Kostenkomponente beinhalten sollte [. . .]“; die genaue Form der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes auf der Grundlage des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses anhand von festgelegten Kriterien wird hier nicht beschrieben und somit zugunsten des Auftraggebers zunächst offengelassen. Hinzuweisen ist jedoch auf die neuen Formulierungen der Erwägungsgründe der RL [insbes. (89) und (90)] und Art. 67, welche bezüglich der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes dem Wortlaut nach klarere Vorgaben machen als noch die VKR (Einfügung aufgrund der späteren Veröffentlichung der RL nach Einreichung und Bewertung der Dissertation).
III. Der Preis als ein Zuschlagskriterium
215
d) Ergebnis Insgesamt scheint daher keine vergaberechtliche Vorgabe der zwingenden Verwendung des Zuschlagskriteriums „Preis“ zu bestehen. Jedoch ist eine Verwendung dieses Kriteriums notwendig, um die eingesetzten öffentlichen Mittel bei einer Beschaffung so gering wie möglich zu halten und somit dem Gebot der Einzelwirtschaftlichkeit Rechnung zu tragen.95 Generelle Vorgaben, etwa ein zwingender prozentualer Anteil, sind jedoch schwierig, insbesondere weil die Bestimmung der Zuschlagskriterien hinsichtlich der möglichst wirtschaftlichen Beschaffung der Leistung von dieser konkret abhängt. Im Ergebnis ist jedenfalls bei der Einschätzung des Anteils des Preises an der Gesamtbewertung auf den Beurteilungsspielraum des Auftraggebers hinzuweisen, der ihm in bereits erwähnter Literatur und Rechtsprechung eingeräumt wird.96 Es bleibt somit bei dem beschriebenen inneren Spannungsverhältnis des Wirtschaftlichkeitsgebotes, welches der Auftraggeber im Einzelfall mittels seines Beurteilungsspielraums auflösen muss. 2. Überprüfungsmöglichkeiten Festzustellen ist letztlich noch, inwieweit das genannte Bestimmungsrecht des Auftraggebers durch Nachprüfungsinstanzen überprüfbar ist. Hierzu hat das OLG Düsseldorf in oben bezeichneter Rechtsprechung festgestellt: „Beim Zuschlagskriterium des wirtschaftlichsten Angebots ist dem öffentlichen Auftraggeber hinsichtlich der – vorher bekannt gegebenen – Unterkriterien und ihrer Bewertung aufgrund seines diesbezüglichen Bestimmungsrechts ein von den Nachprüfungsbehörden nur begrenzt, insbesondere auf Vertretbarkeit, kontrollierbarer Festlegungsspielraum zuzuerkennen.“ 97
Dies stützt die oben dargestellte Annahme, dass es dem Auftraggeber je nach Einzelfall obliegt, eine Bewertung des Preises als Zuschlagskriterium zu bestim-
95 Zum Gebot der Einzelwirtschaftlichkeit siehe oben unter G. I.; zur Funktionsweise des Preiswettbewerbs in Bezug auf die Preisfindung siehe oben unter B. I. 3.; Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, § 97 GWB, Rn. 232 mit Verweis auf Opitz, NZBau 2001, 12, 13. 96 Zu (1) siehe etwa VK Sachsen, 07.05.2007 – 1/SVK/027-07 mit dem Hinweis, dass eine Bindung an die Bewertung erst durch Festlegung des Auftraggebers in den Angebotsunterlagen erfolgt; expliziter zu (2) OLG Düsseldorf, 25.05.2005 – VII Verg 8/05: „hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang er den Angebotspreis in die Wertung einbezieht, steht dem Auftraggeber ein weiter Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu.;“ zu (3) siehe Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, § 97 GWB, Rn. 232, der auf die „Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers hinsichtlich der Wahl und der Gewichtung der Zuschlagskriterien“ abstellt. 97 OLG Düsseldorf, 21.05.2012 – VII Verg 3/12; siehe ebenso OLG Düsseldorf, 09.01.2013 – VII-Verg 33/12.
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G. Der Preis als Zuschlagskriterium
men.98 Daher kann diese Entscheidung nur begrenzt überprüft werden, wobei die Vertretbarkeit in Bezug auf die Begründung der jeweiligen Festsetzung anhand von sach- und auftragsbezogenen Gründen festzustellen ist.99 Eine Vertretbarkeit kann sich daher im Einzelfall auch bei einer nur marginalen Preisbewertung ergeben. 3. Bewertung des Preises Erforderlich ist bei der preislichen Bewertung, dass der Leistungsabstand der einzelnen Preise wiedergegeben wird.100 Nicht zulässig ist daher eine Bewertung, bei der „Punkte nicht in Bezug auf die angebotenen Preise, sondern in Bezug auf die Differenz zu einem Mittelwert aus den Preisen vergeben werden.“ 101 Dies führt zu einer Verzerrung der eigentlich bestehenden Preisabstände der Angebote, die einer dem Grundsatz der Gleichbehandlung berücksichtigenden Bewertung nicht mehr entspricht.102 Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang noch darauf, dass Auswahl und Gewichtung bekannt zu geben sind, was üblicherweise mittels einer Wertungsmatrix geschieht. Jedoch muss sich die Vergabestelle einen „Restbereich für ihre freie Wertung“ vorbehalten.103
IV. Der Preis als einziges Zuschlagskriterium Eine vieldiskutierte Frage ist letztlich, ob der Preis auch das einzige Kriterium zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit darstellen kann. Ursprünglich wurde von der Unzulässigkeit des Preises als einziges Zuschlagskriterium aufgrund des Wortlautes des § 97 GWB ausgegangen.104 1. Der Preis als originäres einziges Zuschlagskriterium aufgrund europarechtlicher Vorgaben Eine denkbare Alternative der Bewertung ist die Feststellung des Preises als einziges originäres Zuschlagskriterium ohne eine weitere Bewertung anderer Kriterien. Eine Bewertung der Angebote würde hiernach ausschließlich anhand der
98
Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 50. OLG Düsseldorf, 21.05.2012 – VII-Verg 3/12; Noch, Anmerkung zu OLG Naumburg, VergabeR 2009, 500; Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 50. 100 VK Brandenburg, 21.02.2007 – 2 VK 58/06. 101 VK Brandenburg, 21.02.2007 – 2 VK 58/06. 102 VK Brandenburg, 21.02.2007 – 2 VK 58/06. 103 Herrmann, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A-EG, Rn. 16. 104 Boesen, Vergaberecht, § 97, Rn. 144; Stickler, in: Reidt/Stickler/Glahs, 2. Auflage, Vergaberecht, § 97, Rn. 27; Hailbronner, in: Byok/Jaeger, § 97, Rn. 262. 99
IV. Der Preis als einziges Zuschlagskriterium
217
Preise erfolgen. Eine Argumentation, die dies annimmt, begründet sich im Wesentlichen aus europarechtlichen Vorgaben. a) Inhalt der europarechtlichen Vorgaben – Wahlrecht des Auftraggebers Diese Vorgaben finden sich in der VKR (Art. 53 Abs. 1 lit. b) und der SKR (Art. 55 Abs. 1 lit. b).105 Die Argumentation zur Verwendung des Preises als einziges Zuschlagskriterium ist in jüngerer Rechtsprechung durch das OLG Frankfurt bestätigt worden.106 Dieses gibt dem Auftraggeber ein Wahlrecht zwischen den Bewertungskriterien „wirtschaftlichstes Angebot“ (lit. a) und „Preis“ (lit. b). Diese Kriterien können sowohl zusammen als auch alternativ (und somit ausschließlich) als Bewertungskriterien benutzt werden. Als Begründung werden mehrere Argumente angeführt. aa) Wortlaut der VKR Als ein Argument wird der Wortlaut der Richtlinie aufgeführt. Dieser spricht von einer Verwendung von „entweder – wenn der Zuschlag auf das aus Sicht des öffentlichen Auftraggebers wirtschaftlich günstigste Angebot erfolgt – verschiedene[n] mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängende[n] Kriterien, [. . .] oder ausschließlich[er Verwendung] des niedrigsten Preises“. Der sich aus dieser Formulierung ergebende Spielraum bestimmt nach dem OLG Frankfurt ein Wahlrecht zugunsten der Auftraggeber, nicht etwa zugunsten der Mitgliedsstaaten. Ein Wahlrecht zugunsten der Mitgliedsstaaten ergebe sich insoweit explizit aus anderen Formulierungen der VKR,107 die jedoch nicht in die Regelung des GWB Eingang gefunden haben.108 bb) Erwägungsgründe Nr. 1 und Nr. 46 VKR bzw. Nr. 55 SKR Ein weiteres Indiz für die dargestellte Lösung ergibt sich aus den Erwägungsgründen Nr. 1 und Nr. 46 der VKR. Der Erwägungsgrund Nr. 1 spricht von „den Zuschlagskriterien“ im Plural, was die oben angesprochene Alternativität stützt. Die Formulierungen der Erwägungsgründe Nr. 46 VKR bzw. 55 SKR sprechen ebenfalls für eine Wahlmöglichkeit. Nach Nr. 46 VKR
105 Zur gesamten Argumentation zugunsten des Preises als originäres einziges Zuschlagskriterium siehe OLG Frankfurt am Main, 05.06.2012 – 11 Verg 4/12. 106 OLG Frankfurt am Main, 05.06.2012 – 11 Verg 4/12. 107 Siehe etwa Art. 54 Abs. 1 VKR: „Die Mitgliedsstaaten können [. . .] festlegen“ in und Art. 52 Abs. 1 VKR: Die Mitgliedsstaaten können [. . .] einführen“; insgesamt zur Argumentation OLG Frankfurt am Main, 05.06.2012 – 11 Verg 4/12. 108 OLG Frankfurt am Main, 05.06.2012 – 11 Verg 4/12.
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G. Der Preis als Zuschlagskriterium
„sind nur zwei Zuschlagskriterien zuzulassen: das des ,niedrigsten Preises‘ und das des ,wirtschaftlich günstigsten Angebots‘. Nach Nr. 55 SKR sollen ,nur zwei Zuschlagskriterien‘ zugelassen werden: das des ,niedrigsten Preises‘ und das des ,wirtschaftlich günstigsten Angebots.‘“
Der Begriff „nur“ spricht dafür, dass beide Zuschlagskriterien als alternative, gleichwertige Zuschlagskriterien zueinander stehen.109 cc) Vorschlag der EU-Kommission vom 20.12.2011 Ein weiteres Argument, welches das OLG Frankfurt in die Diskussion mit einbringt, ergibt sich aufgrund des Vorschlags der EU-Kommission für eine Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates über die öffentliche Auftragsvergabe.110 Dieser Reformvorschlag enthält in Art. 66 Abs. 1 weiterhin die beiden Bewertungskriterien des „wirtschaftlich günstigsten Angebotes“ und der „günstigsten Kosten“, wobei davon auszugehen ist, dass letzteres Kriterium dem Wertungskriterium des Preises entspricht. Weiterhin bestimmt Art. 66 des Vorschlages in Abs. 3, dass die Staaten für bestimmte Aufträge das „wirtschaftlich günstigste Angebot“ als das allein zulässige Wertungskriterium bestimmen können. Dass diese Möglichkeit in Zukunft bestehen soll, spricht für die Existenz eines Kriteriums neben dem „wirtschaftlich günstigsten Angebot“. Daher ist davon auszugehen, dass der Preis aufgrund expliziter Nennung in Art. 66 Abs. 1 dieses, insoweit gleichwertige, Kriterium darstellt. dd) Entscheidung des EuGH, C-247/02 Weiterhin gilt die Rechtsprechung des EuGH zur Vorgängerrichtlinie (93/37/ EWG)111 der aktuellen VKR. Diese zeigt zum einen die Gleichrangigkeit und Alternativität der Kriterien „wirtschaftlichstes Angebot“ und „Preis“.112 Zum anderen stellt die Rechtsprechung noch fest, dass eine Wahl gegen das Kriterium des Preises gerade nicht getroffen worden ist, indem sie darlegt, dass eine Aus-
109
OLG Frankfurt am Main, 05.06.2012 – 11 Verg 4/12. KOM (2011) 896: Vorschlag für eine Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates über die öffentliche Auftragsvergabe. 111 EuGH, 07.10.2004 – C-247/02. 112 EuGH, 07.10.2004 – C-247/02, Rn. 38: „Artikel 30 der Richtlinie sieht daher in Absatz 1 die Kriterien vor, die der öffentliche Auftraggeber bei der Erteilung des Zuschlags anwendet, nämlich entweder ausschließlich das Kriterium des niedrigsten Preises oder, wenn der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot erfolgt, verschiedene auf den jeweiligen Auftrag bezogene Kriterien, wie Preis, Ausführungsfrist, Betriebskosten, Rentabilität oder technischer Wert.“ (Hervorhebungen durch den Verfasser). 110
IV. Der Preis als einziges Zuschlagskriterium
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wahlmöglichkeit der Kriterien seitens des Auftraggebers in einem gewissen Umfang vorhanden sein muss.113 ee) Feststellung, wem die Wahlmöglichkeit zusteht In der Literatur wird die Wahlmöglichkeit der Auftraggeber zwischen den Bewertungskriterien „wirtschaftlichstes Angebot“ und „Preis“ betont.114 Es existiert zunächst die Ansicht, die ein Wahlrecht auch dem Gesetzgeber zusprechen will.115 Dies hätte die Folge, dass der deutsche Gesetzgeber sein Wahlrecht zugunsten des Zuschlagskriteriums „wirtschaftlichstes Angebot“ ausgeübt hätte und der Preis demnach nicht das einzige mögliche Zuschlagskriterium wäre.116 Dem wird jedoch entgegengehalten, dass das Wahlrecht zugunsten des öffentlichen Auftraggebers bei der konkreten Beschaffung besteht.117 Dieses begründet sich insbesondere auf dem Recht des Auftraggebers, diejenigen Zuschlagskriterien zu bestimmen, deren Verwendung er für die Bestimmung des wirtschaftlichsten Angebots als sinnvoll erachtet.118 Diese Ansicht ist auch in der Rechtsprechung des OLG Frankfurt argumentativ unterlegt worden119 und erscheint insgesamt vorzugswürdig.
113 EuGH, 07.10.2004 – C 247/02, Rn. 40: „Legt der nationale Gesetzgeber jedoch ein ausschließliches Kriterium für die Vergabe öffentlicher Bauverträge abstrakt und allgemein fest, so nimmt dies den öffentlichen Auftraggebern die Möglichkeit, die Art und die Besonderheiten derartiger Aufträge im Einzelnen zu berücksichtigen, indem sie für jeden von ihnen das Kriterium wählen, das am besten geeignet ist, den freien Wettbewerb zu sichern und so die Auswahl des besten Angebots zu gewährleisten.[..] Artikel 30 Absatz 1 [. . .] steht einer nationalen Regelung entgegen [. . .], die den öffentlichen Auftraggebern für die Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen im Anschluss an ein offenes oder nicht offenes Ausschreibungsverfahren abstrakt und allgemein vorschreibt, nur das Kriterium des niedrigsten Preises anzuwenden.“ 114 Frenz, in: Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, § 97, Rn. 39 mit Verweis auf EuGH, 24.01.2008 – C-532/06, Rn. 28. 115 Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 174. 116 Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 174. 117 Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, § 97 GWB, Rn. 209; Kulartz, in: Kulartz/Kus/ Portz, GWB, § 97, Rn. 124; Burgi, VergabeR 2007, 457, 471; OLG Naumburg, 05.12. 2008 – 1 Verg 9/08; BayObLG, 09.09.2004 – Verg 18/04. 118 VK Bund, 04.03.2008, VK 2-19/08; auch oben unter F. II. 1. und F. III. 1. 119 OLG Frankfurt am Main, 05.06.2012 – 11 Verg 4/12: „Die stark an Art. 53 Abs. 1 a VKR angelehnte Formulierung des § 97 Abs. 5 GWB, die deutlichen Formulierungen in § 18 Abs. 1 S. 2 VOL/A und § 21 Abs. 1 S. 2 VOL/A EG sowie schließlich die Ausführungen in der Gesetzesbegründung führen vorliegend jedoch an die Grenzen einer zulässigen Auslegung. Das wirtschaftlichste Angebot enthält dem Wortlaut nach deutlich eine Bezugnahme auf das Preis-Leistungs-Verhältnis, welches nicht ohne Rücksicht auf die konkrete Beschaffenheit des Beschaffungsgegenstands eine Beschränkung allein auf den Preis zulässt.“
220
G. Der Preis als Zuschlagskriterium
ff) Neuerungen im Rahmen der Richtlinie 2014/24/EU Im Frühjahr 2014 wurden die in der Dissertation dargestellten Richtlinien 2004/18/EG und 2004/17/EG durch die Richtlinien 2004/24/EU und 2004/25/ EU ersetzt. Ansätze zur Diskussion der dargestellten Problemkreise aufgrund der neuen Richtlinien sollen hier, trotz Einreichung der Dissertation vor Bekanntmachung der Richtlinien, der Vollständigkeit halber noch anhand des Wortlautes und der Erwägungsgründe der neuen Richtlinie 2014/24/EU erfolgen. (1) Regelungen des Art. 67 der Richtlinie 2014/24/EU Maßgeblich ist nach dem Wortlaut des Art. 67 der Richtlinie 2014/24/EU das „wirtschaftlich günstigste Angebot“ 120. Dessen Bestimmung erfolgt anhand einer „Bewertung auf Grundlage des Preises oder der Kosten, mittels eines KostenWirtschaftlichkeits-Ansatzes [. . .] und kann das beste Preis-Leistungs-Verhältnis beinhalten“ 121. Die Grundlage für die Bewertung des besten Preis-LeistungsVerhältnisses sind Kriterien wie etwa „qualitative, umweltbezogene und/oder soziale Aspekte“ 122, die in Verbindung zum öffentlichen Auftrag stehen.123 Demnach ergibt sich nach dem aktuellen Wortlaut das „wirtschaftlich günstigste Angebot“ als ein Oberkriterium, unter das die beiden Kriterien des Preises und der Kosten gefasst werden können. Die Verschiedenheit zwischen zwei darunter gefassten Wertungskriterien (des Preises und des wirtschaftlichsten Angebotes der alten Richtlinie 2004/18/EG) ist scheinbar aufgegeben, da der Wortlaut der neuen Richtlinie bei beiden Kriterien (Preis und Kosten) jedenfalls einen Kosten-Wirtschaftlichkeits-Ansatz, beispielsweise in Form des Lebenszykluskonzeptes, erforderlich macht.124 Die ausschließliche Bewertung von Angeboten anhand des Preises ist nach dem Wortlaut demnach nicht ausgeschlossen und scheinbar vielmehr gewünscht, insbesondere da ein Kosten-Nutzen-Ansatz diese, etwa bei starren Leistungsverzeichnissen mit sehr genauen inhaltlichen Vorgaben zu Leistung, sehr zweckmäßig erscheinen lässt. Die Einbeziehung von anderen Kriterien125 in die Bewertung ist nach der Richtlinie optional.126 Nach dieser können die Mitgliedsstaaten in ihren staat-
120
Art. 67 Abs. 1 der RL 2014/24/EU. Art. 67 Abs. 2 der RL 2014/24/EU. 122 Art. 67 Abs. 2 Satz 2 a)–c) der RL 2014/24/EU. 123 Art. 67 Abs. 2 der RL 2014/24/EU. 124 Art. 67 Abs. 1, hier insbesondere der Satzteil: „[. . .] anhand einer Bewertung auf Grundlage des Preises oder der Kosten, mittels eines Kosten-Wirtschaftlichkeits-Ansatzes [. . .]“. 125 Siehe etwa Art. 67 Abs. 2 S. 1 und Satz 2 a)–c) der RL 2014/24/EU. 121
IV. Der Preis als einziges Zuschlagskriterium
221
lichen Umsetzungen letztlich die Verwendung des Preises oder der Kosten als einziges Zuschlagskriterium ausschließen.127 (2) Erwägungsgründe Nr. (89) und Nr. (90) der Richtlinie 2014/24/EU Dankenswerterweise finden sich über die Klarstellungen des Wortlautes des Art. 67 der Richtlinie hinaus in den Erwägungsgründen weitere Beiträge zu in dieser Dissertation dargestellten Problemkreisen. So stellt Erwägungsgrund (89) klar: „Der Begriff der Zuschlagskriterien stellt einen zentralen Begriff dieser Richtlinie dar. Daher ist es wichtig, dass die diesbezüglichen Bestimmungen so einfach und übersichtlich wie möglich dargestellt werden. Dies kann dadurch erreicht werden, dass als übergeordnetes Konzept der Begriff des ,wirtschaftlich günstigsten Angebots‘ verwendet wird, da alle Angebote, die den Zuschlag erhalten, letztlich danach ausgewählt werden sollten, was der einzelne öffentliche Auftraggeber für die wirtschaftlich beste Lösung unter den Angeboten hält. Um Unklarheiten zu vermeiden, da derzeit bereits in den Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG das Zuschlagskriterium des ,wirtschaftlich günstigsten Angebots‘ verwendet wird, sollte jedoch ein anderer Begriff benutzt werden, nämlich das ,beste Preis-Leistungs-Verhältnis‘.“
Demnach können folgende Schlüsse gezogen bzw. in Bezug auf den Wortlaut bestätigt werden: Das „wirtschaftlichste Angebot“ bildet das übergeordnete Konzept für die Auswahl des Angebotes. Die Auswahl der Angebote erfolgt durch den jeweiligen Auftraggeber.128 Das ursprünglich „wirtschaftlich günstigste Angebot“ aus der Richtlinie 2004/18/EG, welches die Nachfolgerichtlinie hiermit als vormaliges Oberkriterium scheinbar bestätigt, entspricht in Richtlinie 2014/24/EU dem „besten Preis-Leistungs-Verhältnis“. Erwägungsgrund (90) führt weiterhin aus, dass die Grundlage der Bewertung das beste Preis-Leistungs-Verhältnis sein soll; jedoch wird ebenfalls betont, dass die ausschließliche Bewertung der Angebote anhand des Preises ebenfalls zulässig ist. Eine Kosten- oder Preiskomponente sollte jede Bewertung beinhalten. Die oben bereits erwähnte Möglichkeit der Untersagung des Preises als alleiniges Zuschlagskriterium durch die Mitgliedstaaten soll nach Erwägungsgrund (90) der Förderung von Qualität im Beschaffungsprozess dienen. 126 Art. 67 Abs. 2 Satz 1 RL 2014/24/EU: „[. . .] und kann das beste Preis-LeistungsVerhältnis beinhalten [. . .]“. 127 Art. 67 Abs. 2 Unterabsatz 3 RL 2014/24/EU. So schon zur alten Regelung entgegen in der Dissertation vertretener Meinung Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 174 und Ziekow, in: ders./Völlink, Vergaberecht, 1. Auflage, § 97 GWB, Rn. 107. 128 Erwägungsgrund (89) der RL 2014/24/EU: „[. . .] was der einzelne öffentliche Auftraggeber für die wirtschaftlich beste Lösung unter den Angeboten hält. [. . .]“.
222
G. Der Preis als Zuschlagskriterium
b) Umsetzung im Rahmen des GWB unter Geltung der europarechtlichen Vorgaben Zu der Frage, ob der Preis das einzige Zuschlagskriterium auf Ebene des GWB sein kann, ist daher jedenfalls der dargestellte europarechtliche Hintergrund zu beachten, der wohl von einem Wahlrecht des Auftraggebers hinsichtlich eines solchen (einzigen) Zuschlagskriteriums ausgeht. Das OLG Frankfurt geht unter dieser Prämisse in dargestelltem Urteil an die Beantwortung der Frage, inwieweit nationales Recht diesen Vorgaben genügt. Hierbei wird zunächst davon ausgegangen, dass § 97 Abs. 5 GWB aufgrund seines insoweit eindeutigen Wortlautes einer richtlinienkonformen Auslegung dahingehend, dass der Preis einziges Zuschlagskriterium sein kann, nicht zugängig ist. Der Begriff des wirtschaftlichsten Angebotes hebe sich vom Begriff des Preises klar ab.129 Auch die Gesetzesbegründung130 gehe wohl von einer Abgrenzung dieser beiden Begrifflichkeiten aus, die eine Vergabe, welche sich nur am Kriterium des Preises orientiert, gerade verhindern solle.131 Daher geht das OLG davon aus, dass eine unmittelbare Anwendung des Art. 53 Abs. 1 lit. b) der VKR erforderlich ist, um dessen Vorgaben zur Umsetzung zu verhelfen.132 Es stellt dar, dass eine Umsetzung der Vorgabe der Richtlinie, den Preis als einziges Zuschlagskriterium zu ermöglichen, durch den nationalen Gesetzgeber nicht fristgemäß erfolgt ist.133 Die Richtlinie, bzw. deren Vorgaben, seien auch hinreichend konkret, um eine „objektiv unmittelbare Wirkung“ entfalten zu können.134 Die Anwendungspflicht seitens der öffentlichen Auftraggeber ergebe sich aus dem Gebot einer mitgliedsstaatlichen Rechtstreue, die auch durch eine potenzielle Belastung der Bieter nicht aufgehoben werde.135 129
OLG Frankfurt am Main, 05.06.2012 – 11 Verg 4/12. BT-Drucks. 13/9340, S. 14: „Nach den EG-Vergaberichtlinien ist das für die Auftragsvergabe maßgebende Kriterium entweder ausschließlich der niedrigste Preis oder das wirtschaftlich günstigste Angebot unter Beachtung mehrerer von Auftrag zu Auftrag unterschiedlicher Kriterien wie etwa: Lieferfrist, Ausführungsdauer, Betriebskosten, Rentabilität, Qualität, Ästhetik und Zweckmäßigkeit, technischer Wert, Kundendienst und technische Hilfe, Verpflichtungen hinsichtlich der Ersatzteile, Versorgungssicherheit und Preis.“ 131 OLG Frankfurt am Main, 05.06.2012 – 11 Verg 4/12. 132 Zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinienrecht siehe Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 9, Rn. 100. 133 OLG Frankfurt am Main, 05.06.2012 – 11 Verg 4/12; siehe Art. 80 Abs. 1 VKR: „Die Mitgliedsstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie spätestens am 31. Januar 2006 nachzukommen. Sie unterrichten die Kommission unverzüglich davon.“ 134 Zu den Voraussetzungen der „unmittelbaren Wirkung“ von Richtlinien siehe Streinz, Europarecht, S. 174 f., Rn. 494 (1. hinreichend genauer Formulierung/„selfexecuting“, 2. Ablauf der Umsetzungsfrist, 3. keine unmittelbare Verpflichtung des Bürgers gegenüber dem Staat oder Einzelnen). 135 OLG Frankfurt am Main, 05.06.2012 – 11 Verg 4/12. 130
IV. Der Preis als einziges Zuschlagskriterium
223
Letztlich wird vom Gericht auch bestritten, dass durch die Heranziehung des Preises als einziges Zuschlagskriterium ein Recht des Bieters nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt ist. Dies erfolgt insbesondere mit Rückgriff auf den Ermessenspielraum des Auftraggebers bei der Auswahl der Zuschlagskriterien, welcher vorliegend rechtmäßig ausgenutzt wurde.136 Angeführt werden kann hierzu letztlich mit dem OLG Naumburg noch, dass eine bewusste Regelung des nationalen Gesetzgebers entgegen europäischem Recht fernliegend sei.137 Sollte man demgegenüber zu der Annahme kommen, dass eine europarechtskonforme Auslegung des § 97 Abs. 5 GWB möglich ist, so ist diese aufgrund der europarechtlichen Vorgaben notwendig. Eine solche Auslegung käme somit zu dem gleichen Ergebnis, dass nämlich der Preis zulässigerweise als einziges Zuschlagskriterium durch den Auftraggeber genutzt werden kann. Dies begründet sich dann jedoch durch eine europarechtskonforme Auslegung, nicht jedoch durch eine unmittelbare Anwendung der VKR. c) Ausnahme Unterschwellenbereich Dieses Ergebnis gilt mangels einer Umsetzungspflicht der VKR unterhalb der Schwellenwerte nicht im Bereich des „nationalen“ Vergaberechts.138 Da hier keine Umsetzungspflicht der nationalen Gesetzgeber besteht, kann auch keine Notwendigkeit der richtlinienkonformen Auslegung bestehen, um dem Europarecht zu nationaler Geltung zu verhelfen. Jedoch würde diese Argumentation zu einer Spaltung des § 97 Abs. 5 GWB dahingehend führen, dass der Preis hier nicht einziges Zuschlagskriterium sein kann. Dies scheint wenig wünschenswert. Daher soll hier auf die Möglichkeit verwiesen werden, den Preis als einziges Zuschlagskriterium auf anderem Wege in den rechtlichen Regelungen zu verankern.139 2. Der Preis als Unterkriterium der „Wirtschaftlichkeit“ nach § 97 GWB Eine weitere Möglichkeit, den Preis als einziges Zuschlagskriterium zuzulassen, kann durch die Annahme erfolgen, dass dieser ein Zuschlagskriterium inner136 OLG Frankfurt am Main, 05.06.2012 – 11 Verg 4/12; zu dem gleichen Ergebnis der richtlinienkonformen Auslegung kommt das OLG Düsseldorf im Zusammenhang mit der SektVO, die sich mit vergleichbarer Argumentation bei vergleichbarem Sachverhalt an der Auslegung von Art. 55 Abs. 1 SKR orientiert; siehe zum benannten Ermessenspielraum oben unter G. II. 1. 137 OLG Naumburg, 05.12.2008 – 1-Verg 9/08. 138 Zu Umsetzungspflicht und Umfang der Schwellenwerte siehe Art. 7 VKR und Art. 16 SKR. 139 Siehe hierzu etwa im Folgenden unter G. IV. 2.
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G. Der Preis als Zuschlagskriterium
halb des wirtschaftlichsten Angebotes bildet (neben dem dann weitere Zuschlagskriterien bestehen können). Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass mit dem Wortlaut des § 97 Abs. 5 GWB die „Wirtschaftlichkeit“ die einzig zulässige Bewertung ist, jedoch innerhalb dieses Kriteriums der Preis jedenfalls bei der Feststellung des wirtschaftlichsten Angebotes im Rahmen der Wertung Verwendung findet und hierbei auch das einzige Kriterium sein kann.140 Soweit die Argumentation auf den Unterschwellenbereich übertragen werden soll, muss davon ausgegangen werden, dass die Wirtschaftlichkeit der Beschaffung nach dem Haushaltsrecht sich mit dem genannten Kriterium der Wirtschaftlichkeit des § 97 GWB insoweit gleicht.141 So hat etwa das OLG Schleswig 2010 festgestellt: „Der Begriff des ,wirtschaftlichsten Angebots‘ in § 97 Abs. 5 GWB ist insoweit – zwanglos – als Oberbegriff für die beiden in Art. 53 der Richtlinie 2004/18/EG genannten Kriterien anzusehen. In § 25 Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 VOB/A wird – als SollBestimmung – die in Art. 53 Abs. 1 lit. a Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/ EG bestimmte Formulierung als Zuschlagskriterium übernommen, ohne damit allerdings der Vergabestelle die Möglichkeit zu nehmen, den niedrigsten Preis als ausschließliches Vergabekriterium zu bestimmen.“ 142
Dies hat nach Feststellung des OLG jedoch zur Folge, dass kein Umsetzungsdefizit der europäischen Richtlinien besteht.143 Verstärkt wird diese Position, soweit man die Dispositionsfreiheit des Auftraggebers als Argument hierfür anfügt.144 Große Teile der Literatur gehen von dieser Argumentation aus, mit der Folge, dass der Preis nur in Ausnahmefällen als Abweichung vom eigentlich bestimmten Zuschlagskriterium des „wirtschaftlichsten Angebotes“ als einziges Zuschlagskriterium zulässig ist.145 140
So etwa: OLG Düsseldorf, 02.05.2007 – VII-Verg 1/07; Noch, Anmerlung zu OLG Naumburg, VergabeR 2009, 499, 500; BGH, 15.04.2008 – X ZR 129/06, Rn. 20; VK Bund, 16.12.2008 – VK 1-156/08, S. 19; VK Bund, 04.03.2008 – VK 2-19/08, S. 9, 10; VK Nordbayern, 21.07.2008 – 21.VK-3194-27/08, S. 12, 13; Müller-Wrede, in: ders., GWB, § 97, Rn. 56; Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 107a; wohl auch Byok/Brieskorn, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, 06.06.2007 – VII-Verg 8/07 (VergabeR 2008, 112 f.). 141 Zur Problematik der verschiedenen Wirtschaftlichkeitsbegriffe siehe unter G. I. 142 OLG Schleswig, 15.04.2011 – 1 Verg 10/10 mit Verweis auf OLG Naumburg, 05.12.2008 – 1 Verg 9/08 (VergabeR 2009, 486); Kulartz, in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, VOB/A, 2010, § 16 Rn. 261; Stolz, in: Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, § 16 VOB/A, Rn. 157. 143 OLG Schleswig, 15.04.2011 – 1 Verg 10/10. 144 Siehe hierzu Noch, VergabeR 2009, S. 500. 145 Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 185; Dreher, in: Immenga/ Mestmäcker, § 97 GWG, Rn. 219; Völlink, VergabeR 2009, 352, 357–358; Kulartz, in: Kulartz/Kus/Portz, GWB, § 97, Rn. 129; Kratzenberg, in: Ingenstau/Korbion, VOB, § 16 VOB/A, Rn. 119; Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 107a, der auf eine besondere Begründungspflicht und hierüber auch auf eine Dokumentationspflicht verweist.
IV. Der Preis als einziges Zuschlagskriterium
225
Ob es hierzu einer weiteren Begründung durch den Auftraggeber bedarf, ist fraglich. In der Rechtsprechung und Literatur finden sich verschiedene dahingehende Begründungen: a) Wirtschaftlichkeit am besten durch Preis bestimmbar Soweit die Wirtschaftlichkeit der Leistung am besten durch den Preis bestimmt werden kann, ist auch die ausschließliche Verwendung dieses Zuschlagskriteriums zulässig.146 Der regelmäßige Fall hierzu ist die Beschaffung von standardisierten Leistungsgegenständen bzw. Leistungsgegenständen mit geringer Komplexität oder die sehr präzise Beschreibung des insoweit genau bestimmten Leistungsinhaltes.147 Ein flankierendes Argument neben dem, dass die Wirtschaftlichkeit am besten durch den Preis bestimmt werden kann, besteht darin, dass die zwangsweise Einführung eines weiteren Zuschlagskriteriums zur Umgehung der Problematik nur eine Alibi-Funktion habe.148 b) Keine Bekanntgabe weiterer Kriterien Eine weitere Notwendigkeit der Verwendung des Preises als einziges Zuschlagskriterium im Rahmen der Wirtschaftlichkeit ergibt sich, soweit keine anderen Kriterien durch den Auftraggeber bekannt gegeben wurden. Der BGH hat in einer Entscheidung aus dem Jahre 2008 festgestellt, dass „der Preis [. . .] ein neutraler Gesichtspunkt [ist], der sich in jedem Fall, unabhängig vom Gegenstand des einzelnen Vergabeverfahrens, eignet, um das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln.“ 149
Im entschiedenen Fall hatte der Auftraggeber als Zuschlagskriterien nur ein unzulässiges Kriterium als Wertungskriterium festgelegt. In diesem Fall hat der BGH entschieden, dass mangels Vorliegens anderer Kriterien die Verwendung des Preises als (in der Konsequenz einziges) Zuschlagskriterium zulässig ist.150 146
Kulartz, in: Kulartz/Kus/Portz, GWB, § 97, Rn. 129. Etwa OLG Düsseldorf, 02.05.2007 – VII Verg-1/07, Rn. 106, welches ausführt, dass bei einer sehr homogenen Leistung die Auswahl des Preises als einziges Zuschlagskriterium hinnehmbar sei; ebenso: Byok/Brieskorn, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, 06.06.2007 – VII-Verg 8/07 (VergabeR 2008, 112 f.); Burgi, VergabeR 2007, 457, 473; Völlink, VergabeR 2009, S. 352, 357–358; Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, § 97 GWG, Rn. 219; Kulartz, in: Kulartz/Kus/Portz, GWB, § 97, Rn. 129; Ziekow, in: ders./ Völlink, § 97 GWB, Rn. 107a; Kratzenberg, in: Ingenstau/Korbion, VOB, § 16 VOB/A, Rn. 119 unter der Voraussetzung, dass der Preis maßgeblich ist, soweit ansonsten nach den Wertungskriterien inhaltlich gleiche Angebote vorliegen, was hauptsächlich bei der genauen (sehr präzisen) Beschreibung des Leistungsgegenstandes der Fall sein dürfte. 148 Kulartz, in: Kulartz/Kus/Portz, GWB, § 97, Rn. 129; Noch, VergabeR 2009, S. 500 mit Beispielsfall. 149 BGH, 15.04.2008 – X ZR 129/06. 150 BGH, 15.04.2008 – X ZR 129/06. 147
226
G. Der Preis als Zuschlagskriterium
Grundsätzlich besteht die Maßgabe, dass keine Zuschlagskriterien bei der Bewertung herangezogen werden dürfen, die nicht in der Ausschreibung bestimmt waren.151 Eine Ausnahme hiervon gilt nach der oben dargestellten Entscheidung des BGH, nach welcher mit der „Maßgeblichkeit [des Preises] jeder Bieter immer dann rechnen muss, wenn keine anderen Kriterien angegeben sind.“ 152
c) Dokumentationspflicht hinsichtlich der Gründe Ob bezüglich der Verwendung des Preises als einziges Zuschlagskriterium noch eine Dokumentationspflicht besteht, ist insoweit strittig.153 Gegen eine solche wird die Zulässigkeit der Verwendung des Preises als einziges Zuschlagskriterium angeführt.154 Dem entgegenhalten werden kann, dass gerade nach den hier angesprochenen Annahmen eine Zulässigkeit der Verwendung des Preises als einziges Zuschlagskriterium unter Umständen als vergaberechtswidrig angesehen wird.155 Um eine Überprüfung möglich zu machen und dem Grundsatz der Transparenz Rechnung zu tragen, scheint eine Dokumentation gerade daher notwendig. 3. Der Preis als einziges Zuschlagskriterium aufgrund nationaler haushaltsrechtlicher Vorgaben Bereits in anderem Zusammenhang wurde dargestellt, dass sich die Begriffe der Wirtschaftlichkeit im Haushalts- und Vergaberecht begrifflich ähneln, jedoch inhaltlich nicht deckungsgleich sind.156 So ist der haushaltsrechtliche Wirtschaftlichkeitsbegriff an einem gesamtwirtschaftlichen, der vergaberechtliche Wirtschaftlichkeitsbegriff an einem einzelwirtschaftlichen Maßstab zu messen.157 Jedoch findet sich in beiden Wirtschaftlichkeitsbegriffen das Gebot der Sparsamkeit wieder.158 Das Sparsamkeitsprinzip wird dadurch verfolgt, dass ein be151 Kulartz, in: Kulartz/Kus/Portz, GWB, § 97, Rn. 131; OLG Frankfurt 10.04. 2001 – 11 Verg 1/01 (VergabeR 2001, 300, 304). 152 BGH, 15.04.2008 – X ZR 129/06. 153 Für eine Dokumentation der Gründe etwa Frenz, in: Willenbruch/Wieddekind, § 97 GWB, Rn. 9; a. A. OLG Naumburg, 05.12.2008 – 1 Verg 9/08, 4. Leitsatz und Beschluss unter weiteren Verweis u. a. auf OLG Düsseldorf, 02.05.2007 – VII-Verg 1/07. 154 So wohl OLG Naumburg, 05.12.2008 – 1 Verg 9/08 (VergabeR 2009, 486, 493 f.) mit Verweis auf OLG Düsseldorf, 02.05.2007 – VII-Verg 1/07. 155 Siehe etwa den unter G. IV. 2. a) dargestellten Fall unter der Annahme, dass in einem konkreten Fall die Wirtschaftlichkeit nicht am besten durch den Preis bestimmt werden kann. 156 Siehe oben unter G. I.; auch Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 174. 157 Siehe oben unter G. I. 158 Gröpl, in: ders., BHO/LHO, § 7 Rn. 7 m.w. N.
IV. Der Preis als einziges Zuschlagskriterium
227
stimmtes vorab festgelegtes Ergebnis unter möglichst geringer Mittelverwendung erreicht werden soll.159 Daher besteht nach dargestelltem Gebot auch die Maßgabe, „die Ausgaben des Staates auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken“.160 So kann es diese haushaltsrechtliche Vorgabe bei einem Einzelwirtschaftlichkeitsmaßstab erforderlich machen, den Preis als einziges Zuschlagskriterium zu wählen, soweit dieser im Hinblick auf die Sparsamkeit das einzig probate Mittel zu dessen Feststellung ist. Bei einer Leistung, deren Inhalt und Umfang genau bestimmt werden kann, kann beispielsweise der Preis das einzige Merkmal sein, in welchem die Angebote divergieren können.161 Hier scheint es, schon vor dem Hintergrund des Gebotes der Sparsamkeit, geradezu zwingend, den Preiswettbewerb der Bieter nicht durch zusätzliche qualitative Kriterien zu schwächen, die nur gebildet werden, um einer reinen Vergabe nach Preis zu entgehen. Dies scheint sich auch durch verschiedene Rechtsprechung zu bestätigen. So haben der BGH162 und ihm folgende Instanzen163 in ihrer Rechtsprechung festgestellt, dass soweit die Angebote inhaltlich nicht164 oder nur unwesentlich165 voneinander abweichen, der niedrigste Preis ausschlaggebende Bedeutung hat. Der BGH hat in bezeichneter Entscheidung judiziert: „Bei der [. . .] inhaltlichen Übereinstimmung der eingereichten Gebote gewinnt der Preis als Entscheidungskriterium [. . .] ausschlaggebende Bedeutung. Das gilt insbesondere dann, wenn [. . .] bei der Durchführung des Vorhabens auch öffentliche Mittel Verwendung finden, bei deren Einsatz der Ausschreibende die haushaltsrechtliche Pflicht zu höchstmöglich sparsamer und effektiver Verwendung der Gelder zu beachten hat.“ 166
Demnach muss auch unter Zugrundelegung des Gebotes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit die Verwendung des Preises als einziges Zuschlagskriterium möglich sein. Da der Wortlaut des § 97 Abs. 5 GWB ein solches eigenes Kriterium scheinbar nicht hergibt, ist eine Integration des Kriteriums in der unter VII.4.2. dargestellten Weise wohl angezeigt.
159
Wiesner/Leibinger/Müller, Öffentliche Finanzwirtschaft, 106. Wiesner/Leibinger/Müller, Öffentliche Finanzwirtschaft, 106. 161 Siehe beispielsweise den von Noch, in: VergabeR 2009, 500 genannten Fall. 162 BGH, 26.10.1999 – X ZR 30/98 (NJW 2000, 662); BayObLG, 02.12.2002 – Verg 24/02. 163 BayObLG, 02.12.2002 – Verg 24/02. 164 BGH, 26.10.1999 – X ZR 30/98. 165 BayObLG, 02.12.2002 – Verg 24/02. 166 BGH, 26.10.1999 – X ZR 30/98 (NJW 2000, 661). 160
228
G. Der Preis als Zuschlagskriterium
4. Der Preis als einziges Zuschlagskriterium, soweit keine anderen Kriterien genannt werden Der Bieter darf weiterhin davon ausgehen, dass der Preis einziges Zuschlagskriterium ist, wenn der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen keine anderen Zuschlagskriterien genannt hat.167 So erkennt etwa der BGH in jüngerer Rechtsprechung: „Der Wirtschaftlichkeitsprüfung dürfen nur die in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen mitgeteilten Zuschlagskriterien zugrunde gelegt werden. Sind solche Kriterien nicht publik gemacht worden, kann, nachdem der Auftrag erteilt worden ist, nur auf den niedrigsten Angebotspreis abgestellt werden [Verweis168]“.169
Diese Aussage dürfte auch auf den oben unter VII.4.2.2. nicht abgedeckten Fall der Annahme eines eigenen Zuschlagskriteriums Preis neben dem der Wirtschaftlichkeit übertragbar sein. Gleichzeitig bestätigt die hier genannte Rechtsprechung die dort erwähnten Entscheidungen. 5. Der Preis als einziges Zuschlagskriterium in der VOF Hinsichtlich der angesprochenen Problematik ist im Rahmen der VOF der von den anderen Vergabe- und Vertragsordnungen abweichende Wortlaut zu beachten. Nach diesem ist der Vertrag nicht mit dem Bieter, dessen Angebot das wirtschaftlichste ist, sondern „mit einem Bieter, der die bestmöglichste Leistung erwarten lässt“,170 zu schließen. Dies stimmt jedoch mit dem wirtschaftlichsten Angebot überein.171 Soweit einer europarechtsfreundlichen Auslegung gefolgt wird, ist von einem dem oben im Rahmen der VOL/A und VOB/A bereits aufgezeigten und insoweit entsprechenden Ergebnis auszugehen.172 Jedoch wird etwa eine umfassende Vergleichbarkeit der freiberuflichen Leistungen nur selten gegeben sein,173 weswegen der Preis als klar feststellbares Zuschlagskriterium weniger erforderlich ist.174 Andere Notwendigkeiten, die zu einer Wahl des Preises als aus167
Siehe hierzu schon oben unter G. IV. 2. b). Verwiesen wird insoweit auf Stolz, in: Willenbruch/Wiedeking, Vergaberecht, § 16 VOB/A, Rn. 152 m.w. N. und Kulartz, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, § 16 Rn. 268. 169 BGH, 15.01.2013 – X ZR 155/10. 170 § 11 Abs. 6 UAbs. 2 VOF. 171 Voppel/Osenbrück/Bubert, VOF, § 11, Rn. 18. 172 Weyand, Vergaberecht, § 11 VOF, Rn. 71, der auf die Diskussion um eine vorgeschriebene Wertigkeit des Preises in der Kommentierung von § 97 GWB, Rn. 1256 verweist. 173 Voppel/Osenbrück/Bubert, VOF, § 11, Rn. 36; so wohl auch: Müller-Wrede, in: ders., VOF, § 11, Rn. 56, der auf die mangelnde Standardisierbarkeit von freiberuflichen Leistungen hinweist. 174 Müller-Wrede, in: ders., VOF, § 11, Rn. 57. 168
IV. Der Preis als einziges Zuschlagskriterium
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schließliches Zuschlagskriterium führen, sind bereits oben beschrieben worden und werden in der Literatur auch hier erkannt.175 6. Zulässigkeit von Nebenangeboten, wenn der Preis das einzige Zuschlagskriterium ist Letztlich stellt sich, soweit von der Zulässigkeit des Preises als einziges Zuschlagskriterium ausgegangen wird, noch die Problematik, ob in dieser Situation die Annahme von Nebenangeboten zulässig ist. Dies wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. a) OLG Düsseldorf 2010 – Wortlaut der VKR/SKR Das OLG Düsseldorf hat in einer Entscheidung aus dem Jahre 2010 entschieden: „Nebenangebote waren [. . .] unzulässig, weil der Preis einziges Zuschlagskriterium ist. Art. 36 Abs. 1 der Richtlinie 2004/17/EG lässt in einer derartigen Situation Varianten (in der deutschen Terminologie Nebenangebote) nicht zu.“ 176
Die Entscheidung bezieht sich dazu auf einen Fall, in dem die Abgabe von Nebenangeboten gemäß den Vergabeunterlagen durch den Auftraggeber erlaubt war. Art. 24 Abs. 1 VKR besagt: „Bei Aufträgen, die nach dem Kriterium des wirtschaftlich günstigsten Angebots vergeben werden, können die öffentlichen Auftraggeber es zulassen, dass die Bieter Varianten vorlegen.“
Der Rückschluss des OLG Düsseldorf argumentiert, dass eine Zulässigkeit von Varianten (Nebenangeboten in der VKR)177 im Fall des Kriteriums des „wirtschaftlich günstigsten Angebotes“ eine Unzulässigkeit im Fall des als zulässig erkannten Kriteriums des „niedrigsten Preises“ bestimmt.178 Als Argument für die Rechtsprechung wird im weiteren angeführt, dass eine ausschließlich preisliche Bewertung nur bei inhaltlich gleichen Angeboten sinnvoll erscheine.179 175 Voppel/Osenbrück/Bubert, VOF, § 11, Rn. 36 mit Hinweis auf das Gebot sparsamer Haushaltsführung. 176 OLG Düsseldorf, 18.10.2010 – VII Verg 39/10, mit Verweis auf Eggert, Das europäische Vergaberecht, Rn. 1258; ebenso: VK Schleswig-Holstein, 08.10.2010 – VK-SH 14/10. 177 Zur Vergleichbarkeit der Begriffe siehe etwa OLG Schleswig, 15.04.2011 – 1 Verg 10/10: „Der systematische Kontext der europäischen Vergabekoordinierungsrichtlinie belegt somit, dass die Zuschlagsentscheidung der Entscheidung über die Zulassung von Varianten (Nebenangeboten) folgt“. Hervorhebungen durch den Verfasser. 178 Ebenso in jüngerer Rechtsprechung OLG Jena, 16.09.2013 – 9 Verg 13, mit Vorlage der Frage einer Zulässigkeit von Nebenangeboten bei ausschließlicher Bewertung des Preises an den EuGH. 179 OLG Jena, 16.09.2013 – 9 Verg 13.
230
G. Der Preis als Zuschlagskriterium
b) OLG Schleswig 2011 – Systematik, Sinn und Zweck der VKR/SKR Demgegenüber ist nach der in anderem Zusammenhang oben bereits behandelten Entscheidung des OLG Schleswig eine Zulassung von Nebenangeboten auch möglich, wenn der Preis einziges Zuschlagskriterium ist.180 Es führt hierzu aus: „Die Überlegung, mit der Zulassung von Nebenangeboten und der damit erforderlichen Prüfung ihrer Gleichwertigkeit werde – beim Zuschlagskriterium ,niedrigster Preis‘ – die Ausschließlichkeit dieses Zuschlagskriteriums beseitigt, vermag ein Verbot der Zulassung von Nebenangeboten beim Zuschlagskriterium ,Preis‘ ebenfalls nicht zu begründen. Diese Überlegung übersieht, dass die Gleichwertigkeitsprüfung auf einer der Zuschlagsentscheidung (mit dem Kriterium ,Preis‘) weit vorgelagerten Wertungsstufe erfolgt.“ 181
Argumentiert wird wesentlich mit dem systematischen Aufbau der Prüfung und Bewertung der Angebote nach der Richtlinie. Demnach ging die Entscheidung der Zulassung und Prüfung von Varianten (Nebenangeboten) der Wertung nach den vier Wertungsstufen voraus. Die zeigt sich in der Systematik der VKR (und SKR). In dieser sind die Varianten in Kapitel IV der Richtlinie geregelt, also bereits vor einer Entscheidung, welche Wertungskriterien zur Prüfung der Angebote genutzt werden sollen. Letztere ist in Kapitel VII der Richtlinie geregelt. Dem folgend führt der Senat aus: „Der systematische Kontext der europäischen Vergabekoordinierungsrichtlinie belegt somit, dass die Zuschlagsentscheidung der Entscheidung über die Zulassung von Varianten (Nebenangeboten) folgt. Das gilt sowohl in dem Sinne, dass die Vergabestelle nach Kapitel IV der Richtlinie schon in den Verdingungs- und Auftragsunterlagen entscheiden kann, ob sie überhaupt Varianten zulässt, als auch in dem Sinne, dass sie die angebotenen Varianten auf die Erfüllung der Mindestanforderungen zu überprüfen hat und – für den Fall der Erfüllung derselben – die (dann zugelassenen) Varianten in die weitere Wertung nimmt.“ 182
Demnach werde schon aus diesen systematischen Erwägungen durch die Ausschließlichkeit des Preises nicht die Zulassung von Nebenangeboten beseitigt. Ein weiteres Argument des Senates ergibt sich aus Erwägungsgrund 29 der VKR und 46 der VKR. Erwägungsgrund 29 führt aus: „Die von öffentlichen Beschaffern erarbeiteten technischen Spezifikationen sollten es erlauben, die öffentlichen Beschaffungsmärkte für den Wettbewerb zu öffnen. [. . .]“ 183
180 181 182 183
OLG Schleswig, 15.04.2011 – 1 Verg 10/10. OLG Schleswig, 15.04.2011 – 1 Verg 10/10. OLG Schleswig, 15.04.2011 – 1 Verg 10/10. Erwägungsgrund (29) der VKR, S. 1, siehe auch Erwägungsgrund (42) der SKR.
IV. Der Preis als einziges Zuschlagskriterium
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Erwägungsgrund 46 der VKR benennt die Zuschlagskriterien, nämlich den „niedrigsten Preis“ und das „wirtschaftlich günstigste Angebot“. In der Konsequenz aus diesem Erwägungsgrund der Richtlinie führt der Senat aus: „Aus Erwägungsgrund 29 der Richtlinie 2004/18/EG ergibt sich eine ,Offenheit‘ der Richtlinie für die Zulassung von Varianten, weil diese den Wettbewerb erweitern, indem sie eine ,Vielfalt technischer Lösungsmöglichkeiten‘ einbeziehen. Demgegenüber betreffen die Ausführungen in Erwägungsgrund 46 der Richtlinie nicht die Festlegung von Mindestanforderungen oder die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers über die Zulassung von Varianten, auch nicht die Prüfung der angebotenen Varianten auf die Erfüllung der Mindestanforderungen, sondern die – spätere – Zuschlagsentscheidung, wie sie Art. 53 der Richtlinie vorsieht.“
Nach dem Senat ergibt sich aus Erwägungsgrund 29 der Richtlinie die Notwendigkeit, einen möglichst weiten Wettbewerb zu ermöglichen, was in der Konsequenz die umfangreiche Möglichkeit der Abgabe von (Neben-)Angeboten zur Folge haben soll.184 Dieser wird auch nicht durch Art. 46 der Richtlinie eingeschränkt, da dieser sich nicht auf die Entscheidung der Zulassung von Nebenangeboten, sondern auf die Zuschlagsentscheidung bezieht. Betont wird in diesem Zusammenhang das oben angeführte Argument der systematischen Trennung. Der Senat bestimmt in dieser Konsequenz, dass eine Wertung von Nebenangeboten möglich ist, auch wenn der Preis einziges Zuschlagskriterium ist. Orientierend an der Systematik ist zunächst die Gleichwertigkeit der Angebote zu prüfen.185 Hiernach müssten die Hauptangebote und die gleichwertigen Nebenangebote anhand der Zuschlagskriterien bewertet werden. Soweit der Preis das einzige Zuschlagskriterium ist, hat eine Bewertung hiernach zu erfolgen.186 Dem Argument der systematischen Trennung der Entscheidung über die Zulassung von Nebenangeboten und die Zuschlagsentscheidung ist aus Sicht des Verfassers zuzustimmen. Diese Argumentation wird noch dadurch verstärkt, dass der beschriebene Rückschluss aus Art. 24 von der Zulässigkeit der Nebenangebote bei Bewertung anhand des „wirtschaftlich günstigsten Angebots“ auf eine NichtZulässigkeit von Nebenangeboten bei der Bewertung anhand des „niedrigsten Preises“ nicht zwingend ist. So kann mit oben unter G. IV. 2. dargestellter Argumentation auch angenommen werden, dass der niedrigste Preis ein Unterkriterium des wirtschaftlichsten Angebotes ist. Daher befürwortet die Arbeit eine Zulässigkeit der Bewertung von Nebenangeboten, auch wenn der Preis einziges Zuschlagskriterium ist. Diese sind, nach Feststellung der Gleichwertigkeit, dann ebenfalls anhand des Preises zu bewerten. 184 Siehe auch Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 4: „Unter einer wettbewerblichen Beschaffung ist dabei ein Verfahrensarrangement zu verstehen, das allen interessierten Unternehmen Zugang zu dem Beschaffungsvorgang [. . .] eröffnet.“ 185 Zur Prüfung der Gleichwertigkeit siehe Varva, in: Ziekow/Völlink, § 16 VOB/A, Rn. 62. 186 Siehe zur gesamten Argumentation OLG Schleswig, 15.04.2011 – 1 Verg 10/10.
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G. Der Preis als Zuschlagskriterium
c) BGH, Beschluss vom 07.01.2014 – X ZB 15/13187 Die oben dargestellte Frage ist nach Einreichung der Dissertation durch den BGH entschieden worden. Er judiziert in der Entscheidung vom 07.01.2014: „Verlangt das anzuwendende Recht, für Nebenangebote (lediglich) Mindestanforderungen vorzugeben, ohne Regelungen darüber zu treffen, wie Nebenangebote im Verhältnis zu der als Hauptangebot vorgesehenen Ausführung (,Amtsvorschlag‘) zu werten sind, ist eine wettbewerbskonforme Wertung der Nebenangebote nicht gewährleistet, wenn für den Zuschlag allein der Preis maßgeblich sein soll. Ist beispielsweise ein den Mindestanforderungen genügendes Nebenangebot zwar geringfügig billiger als das günstigste Hauptangebot, bleibt es aber überproportional hinter dessen Qualität zurück und erweist es sich bei wirtschaftlicher Betrachtung deshalb gerade nicht als das günstigste Angebot, müsste es mangels geeigneter Zuschlagskriterien, mit denen diese Diskrepanz in der Wertung erfasst werden kann, dennoch den Zuschlag erhalten, wenn nur der Preis berücksichtigt werden darf (vgl. auch OLG Düsseldorf, VergabeR 2012, 185, 191).“ 188
Die Begründung ergibt sich nach dem BGH somit aus dem Wettbewerbsprinzip und impliziert die Aussage, dass den Unterschieden zwischen Haupt- und verschiedenen Nebenangeboten bei ausschließlicher Bewertung des Preises nicht ausreichend Rechnung getragen werden kann. Der Beschluss hat in seiner anschließenden Diskussion im Schrifttum scheinbar neue Fragen aufgeworfen, etwa ob aufgrund der Vergleichbarkeit von Hauptund Nebenangebotswertung der reine Preiswettbewerb nun generell nicht mehr zulässig sein soll und ob eine reine Preisbewertung dem Kriterium der Bewertung des wirtschaftlichsten Angebotes widerspricht.189 d) OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.11.2013 – VII Verg 20/13 Der Entscheidung des BGH zeitlich vorgelagert, nach dessen Beschluss jedoch nach wie vor wohl gültig, ist die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf vom 27.11.2013. Diese besagt, dass eine unzulässige alleinige Preisbewertung bei Nebenangeboten auch nicht durch ein „Alibi“ 190-Kriterium als „Ausweichstrategie“ 191 umgangen werden kann. So dürfen die Wertungskriterien neben dem Preis bei zugelassenen Nebenangeboten nicht so marginal sein, dass sie die Preis-
187 Der Beschluss erfolgte nach Einreichung der Dissertation. Die Darstellung ist demnach nicht Teil dieser, insbesondere der Bewertung, sondern dient nur der Vervollständigung der Untersuchung vor Druck und Veröffentlichung. 188 BGH, Beschluss vom 07.01.2014 – X ZB 15/13. 189 Herrmann, VergabeR 2014, 155 ff. 190 Rn. 42 des Beschlusses. 191 So explizit Rn. 38 des Beschlusses.
V. Rechtsschutz
233
wertung faktisch nicht verändern können.192 Dass jeweils fallbezogen eine differenzierte Bewertung erforderlich ist, ob tatsächlich ein Ausweichkriterium vorliegt, mithin eine reine Bewertung nach starren Prozentsätzen schwierig sein wird und der Problematik nicht Rechnung trägt, zeigt die 2. Vergabekammer des Bundes in ihrem Beschluss vom 14.01.2014193 auf, die in Kenntnis der Entscheidung des OLG Düsseldorf mit dezidierter Begründung im zu bewertenden Fall eine Aufteilung von 90 Prozent Preis zu 10 Prozent Qualität für zulässig erachtet hat. e) Regelungen in der RL 2014/24/EU Die in ihrem Wortlaut maßgebliche Formulierung des Art. 24 VKR findet sich in der neuen RL 2014/24/EU nicht mehr, was zumindest argumentativ, entgegen der Entscheidung des BGH, möglicherweise für eine Zulassung von Nebenangeboten bei einem reinen Preiswettbewerb spricht. Auch hebt die Richtlinie in Erwägungsgrund (48) hervor, dass ausdrücklich eine maximale Zahl von Varianten aufgrund der Bedeutung für Innovation gewünscht ist.194
V. Rechtsschutz Letztlich ist festzustellen, dass kein Rechtsschutz von Bietern gegen eine Entscheidung der Verwendung des Preises als Zuschlagskriterium besteht. Hierfür sprechen schon teilweise die genannten Rechtsprechungen, welche sich mit dem Thema beschäftigen. Das OLG Frankfurt hat in der dargestellten jüngeren Entscheidung hierzu ausgeführt: „Jedenfalls vermitteln Vorschriften, die die allgemeinen Gebote der Gleichbehandlung, Transparenz und des Wettbewerbs konkretisieren, eine subjektive Rechtsposition[195]. Dies trifft auf das in § 97 Abs. 5 GWB normierte Gebot, den Zuschlag dem wirtschaftlichsten Angebot zu erteilen, zu [. . .].“ 196 192 Siehe Rn. 42 des Beschlusses: „Die Vergabestelle hat beim Zuschlagskriterium des wirtschaftlich günstigsten Angebots nicht den Preis, sondern die anderen, der Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots geltenden Kriterien auf ein unbedeutendes Maß herabgestuft (nämlich auf 5 Prozent). Da die vorgegebene Terminplanung von den Bietern eingehalten worden ist, richtete sich die Vergabeentscheidung faktisch allein nach dem Angebotspreis. Durch die Terminplanung war die Preiswertung praktisch und in der Regel kaum mehr umzukehren. Das Kriterium der Terminplanung hatte nurmehr eine „Alibifunktion“. Das ist vergaberechtlich unzulässig [. . .]“. 193 VK Bund, Beschluss vom 14.01.2014 – VK-2 118/13. 194 Einfügung aufgrund der späteren Veröffentlichung der RL nach Einreichung und Bewertung der Dissertation. 195 Verweis auf: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 3. Auflage, § 97 Rn. 135; Schulte/Just, KartellR, 2012, § 97 Rn. 55. 196 OLG Frankfurt, 05.03.2012 – 11 Verg 3/12.
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G. Der Preis als Zuschlagskriterium
Demnach besteht Rechtsschutz, soweit diese allgemeinen Gebote, gegebenenfalls in ihren Konkretisierungen, tangiert werden. Ein darüber hinausgehender Rechtsschutz besteht wohl nicht.197 Ein Beispiel für einen solchen Drittschutz zeigt der Beschluss des BGH in der nach Einreichung der Dissertation gefällten Entscheidung vom 07.01.2014.198
197 Zur Freiheit des Auftraggebers bei der Auswahl der Zuschlagskriterien und der insoweit nur geringfügigen Begrenzung siehe Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 105, 106 mit Verweis auf Varva, ebenda, § 16 VOB/A, Rn. 50. 198 BGH, Beschluss vom 07.01.2014 – X ZB 15/13.
H. Die Änderung des Preises bei Verlängerung der Zuschlagsfrist und nach Zuschlag Letztlich stellt sich im vergaberechtlichen Kontext noch die Frage, ob der Preis für eine Leistung, der vom Bieter angeboten wurde, nach Zuschlagserteilung noch geändert werden kann. In diesem Zusammenhang ist zwischen zivilrechtlicher Zulässigkeit und vergaberechtlicher Zulässigkeit zu unterscheiden. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll nur der vergaberechtliche Kontext erörtert werden.
I. Verlängerung der Zuschlagsfrist Ein erster möglicher Fall der Preisänderung ist der, in dem die Zuschlagsfrist durch den Auftraggeber verlängert wird. Die Verlängerung der Zuschlagsfrist ist grundsätzlich, wenn auch nicht einseitig durch den Auftraggeber, möglich.1 Der Auftraggeber trägt in diesem Zusammenhang das Verzögerungsrisiko.2 Nach erfolgter Zuschlagserteilung wird der ausgeschriebene Vertrag mittels ergänzender Vertragsauslegung an den aktuellen Stand angepasst. Die Anpassung des Preises erfolgt unter analoger Anwendung des § 2 Nr. 5 VOB/B.3 Maßgeblich sind im Zusammenhang der Preisanpassung die in den Vergabeunterlagen angegebenen Ausführungsfristen der Leistung, nicht das Datum der Zuschlagserteilung.4 Bleiben demnach trotz verspäteter Zuschlagserteilung die Ausführungsfristen gleich, kann der Bieter keine Ansprüche geltend machen.5
II. Veränderungen des Preises nach Zuschlag Demgegenüber bilden Preiserhöhungen vergaberechtlich nach Zuschlagserteilung grundsätzlich einen neuen öffentlichen Auftrag und begründen daher regelmäßig eine Ausschreibungspflicht.6 1
Franzius, in: Pünder/Schellenberg, § 10 VOB/A, Rn. 32. BGH, 11.05.2009 – VII ZR 11/08, BGH 10.09.2009 – VII ZR 152/08; zur Übertragbarkeit der Entscheidungen, die sich auf die VOB/A beziehen, auf die VOL/A, VOF und SektVO siehe Leinemann, Das neue Vergaberecht, Rn. 580; zur Diskussion siehe auch Gröning, BauR 2004, 199 ff. (letztere Fußnote nach Einreichung der Dissertation eingefügt, daher nicht Gegenstand der Bewertung). 3 BGH, 11.05.2009 – VII ZR 11/08; BGH, 10.09.2009 – VII ZR 152/08; siehe auch Franzius, in: Pünder/Schellenberg, § 10 VOB/A, Rn. 42. 4 BGH, 10.09.2009 – VII ZR 152/08. 5 Franzius, in: Pünder/Schellenberg, § 10 VOB/A, Rn. 44. 2
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H. Änderung des Preises bei Verlängerung der Zuschlagsfrist
Ob dies auch bei Preissenkungen der Fall ist, ist strittig.7 Gegen eine Neu-Ausschreibungspflicht bei Preissenkungen wird vorgebracht, dass solche aus Gleichbehandlungssicht nicht zuungunsten Dritter wirken; auch werde die Wirtschaftlichkeit des Angebotes noch vertieft.8 Vorgabe dieser Meinung ist lediglich, dass die Preissenkung nicht zu einer versteckten Preiserhöhung führen darf.9 Dem kann entgegen gehalten werden, dass diese Preissenkungen möglicherweise auch anderen Anbietern (u. U. in noch größerem Umfang) möglich wären, etwa wenn diese durch auf dem Anbietermarkt auftretende Veränderungen (beispielweise Senkung von Rohstoffpreisen) begründet werden. Ausnahmen kommen nach Rechtsprechung des EuGH jedenfalls bei geringfügigen Anpassungen10 infrage und in dem Fall, in dem eine solche Anpassung durch die Bestimmungen des ursprünglichen Auftrags explizit ermöglicht wird11. Letztlich ermöglicht der EuGH auch eine Preissenkung ohne Neu-Ausschreibung, wenn das „wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrages nicht zu Gunsten des Auftragnehmers“ verändert wird.12
III. Vertragliche Anpassungsklauseln Als Ausnahme vom Grundsatz der Neuausschreibung ist zunächst die Änderung des Preises aufgrund von in der Ausschreibung bereits vereinbarten vertraglichen Anpassungsklauseln denkbar. 1. Darstellung verschiedener Vertragsanpassungsklauseln Verschiedene Möglichkeiten von Vertragsanpassungsklauseln sind im Rahmen der VOB/A und der VOB/B sowie der VOL/B bereits geregelt. Andere Klauseln sind jedoch ebenfalls denkbar. a) § 9 Abs. 9 VOB/A Im Rahmen einer Bauausschreibung ist, entsprechend dem Grundsatz „pacta sunt servanda“,13 davon auszugehen, dass die zum Zeitpunkt des Zuschlags ver6 Eschenbruch, in: Kulartz/Kus/Portz, GWB, § 99, Rn. 94, lit. c), 6. Spiegelstrich; Müller-Wrede/Kaelble, in: Müller-Wrede, GWB, § 99, Rn. 45. 7 Müller-Wrede/Kaelble, in: Müller-Wrede, GWB, § 99, Rn. 45. 8 Müller-Wrede/Kaelble, in: Müller-Wrede, GWB, § 99, Rn. 45. 9 Müller-Wrede/Kaelble, in: Müller-Wrede, GWB, § 99, Rn. 45 unter Nennung des OLG Düsseldorf, 08.05.2002 – Verg 8-15/01 als a. A. 10 EuGH, 19.06.2008 – C-454/06 (NVwZ 2008, 865 ff.), Rn. 61 ff.; Ziekow, in: ders./Völlink, § 99 GWB, Rn. 69. 11 EuGH, 19.06.2008 – C-454/06 (NVwZ 2008, 865 ff.), Rn. 60; Ziekow, in: ders./ Völlink, § 99 GWB, Rn. 69. 12 EuGH, 19.06.2008 – C-454/06 (NVwZ 2008, 865 ff.), Rn. 85. 13 Hierzu etwa Ellenberger, in: Palandt, Einf. v § 145, Rn. 4a.
III. Vertragliche Anpassungsklauseln
237
traglich vereinbarten Preise nicht verändert werden können.14 Jedoch kann sich die Notwendigkeit einer Preisanpassung ergeben, da insbesondere aufgrund langer Bauzeiten Preisschwankungen in Löhnen und Stückkosten denkbar sind und für den Bieter bei Angebotsabgabe ein erhöhtes Risiko darstellen.15 Daher ergibt sich die Notwendigkeit vertraglicher Anpassungsklauseln aufgrund langer Leistungszeiten und hoher Leistungsmengen insbesondere im Baubereich. In der VOB/A findet sich hierzu mit § 9 Abs. 9 eine explizite Regelung. Diese bestimmt: „Sind wesentliche Änderungen der Preisermittlungsgrundlagen zu erwarten, deren Eintritt und Ausmaß ungewiss ist, so kann eine angemessene Änderung der Vergütung in den Vertragsunterlagen vorgesehen werden. Die Einzelheiten sind festzulegen.“
Voraussetzungen für vertragliche Anpassungsklauseln sind somit gemäß dem Wortlaut: 1. eine Erwartung wesentlicher Änderungen der Preisermittlungsgrundlagen, 2. die Ungewissheit des Eintrittszeitpunkts oder Ausmaßes und eine 3. angemessene Änderung der Vergütung.16 Eine sich im Zusammenhang mit der Regelung stellende Frage dürfte lauten, inwieweit die Regelung des § 9 Abs. 9 VOB/A ein Ermessen der Auftragnehmer hinsichtlich der Aufnahme einer Preisgleitklausel vorsieht. Der Wortlaut („kann“) scheint von einem solchen Ermessen des Auftraggebers auszugehen.17 Dies wird in der Literatur jedoch bestritten.18 Vielmehr wird dort davon ausgegangen, dass, soweit die Voraussetzungen des § 9 Abs. 9 VOB/A vorliegen, eine Aufnahme von Preisvorbehalten in die Vergaberegelungen nicht „grundsätzlich und unerörtert“ abgelehnt werden darf.19 Eine Preisgleitklausel ist vielmehr in die Vergabeunterlagen aufzunehmen, wenn ohne die Aufnahme dem Bieter ein ungewöhnliches Wagnis entstünde.20 Teilweise wird eine Prüfungs- und Umset14
Sienz, in: Ingenstau/Korbion, VOB, § 9 VOB/A, Rn. 106. Sienz, in: Ingenstau/Korbion, VOB, § 9 VOB/A, Rn. 106. 16 Kapellmann, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 9 VOB/A, Rn. 4 ff.; Sienz, in: Ingenstau/Korbion, VOB, § 9 VOB/A, Rn. 116 ff. 17 So auch Franke/Klein, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 9 VOB/A-EG, Rn. 51, die explizit von einem „Ermessensspielraum“ sprechen. 18 Siehe hierzu: Kapellmann, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 9 VOB/A, Rn. 1: „Die Kann-Bestimmung ist nicht im Sinne eines freien Ermessens zu verstehen.“ 19 Kapellmann, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 9 VOB/A, Rn. 1; ebenso wohl Bitterich, in: Pünder/Schellenberg, § 9 VOB/A, Rn. 189, 190 mit dem Hinweis, dass § 9 Abs. 9 bei „erheblichen kalkulatorischen Risiken“ dem Nachprüfungsverfahren nur vor Vertragsschluss zugänglich ist. 20 So etwa Franke/Klein, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, § 9 VOB/EG, Rn. 50, die hier wohl ebenso nicht mehr von einem Ermessen des Auftraggebers ausgehen. 15
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H. Änderung des Preises bei Verlängerung der Zuschlagsfrist
zungspflicht der Norm schon aufgrund ihrer vergaberechtlichen Relevanz angenommen.21 Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass in der Begründung im Ergebnis kein Unterschied besteht, da bei einer Bejahung der Merkmale des § 9 Abs. 9 VOB/A jedenfalls von einem ungewöhnlichen Wagnis ausgegangen werden kann. So ist eine wesentliche Änderung der Preisermittlungsgrundlagen, deren Eintritt und Ausmaß ungewiss ist, als ungewöhnliches Wagnis zu qualifizieren, dem abzuhelfen ist. Dies kann wohl am sinnvollsten mit dargestellten Klauseln erfolgen. Die Vorschrift ist demnach wegen ihrer vergaberechtlichen Relevanz und des Verbots der Auferlegung ungewöhnlicher Wagnisse nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A auch bieterschützend.22 b) Weitere (optionale) Regelungen der VOB/B und VOL/B In der VOB/B und VOL/B finden sich einzelne Regelungen, die Vereinbarungen hinsichtlich der Steigerung von Preisen vorsehen. Da es sich bei den Teilen B der Vergabe- und Vertragsleistungen um dispositives Recht handelt, welches in die Vergabeunterlagen und Verträge mit einbezogen werden kann, aber nicht muss,23 werden diese Regelungen hier unter vertragliche Anpassungsklauseln gefasst. aa) § 2 VOB/B Die VOB/B enthält in § 2 Regelungen über die Vergütung, die auch mögliche Abweichungen vom ursprünglich vereinbarten Preis vorsehen.24 Zu beachten ist 21
So etwa Kapellmann, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 9 VOB/A, Rn. 1. Kapellmann, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 9 VOB/A, Rn. 1. 23 von Rinteln, in: Kapellmann/Messerschmidt, Einleitung VOB/B, Rn. 38. 24 § 2 VOB/B lautet: (1) Durch die vereinbarten Preise werden alle Leistungen abgegolten, die nach der Leistungsbeschreibung, den Besonderen Vertragsbedingungen, den Zusätzlichen Vertragsbedingungen, den Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen, den Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen und der gewerblichen Verkehrssitte zur vertraglichen Leistung gehören. (2) Die Vergütung wird nach den vertraglichen Einheitspreisen und den tatsächlich ausgeführten Leistungen berechnet, wenn keine andere Berechnungsart (z. B. durch Pauschalsumme, nach Stundenlohnsätzen, nach Selbstkosten) vereinbart ist. (3) 1. Weicht die ausgeführte Menge der unter einem Einheitspreis erfassten Leistung oder Teilleistung um nicht mehr als 10 v. H. von dem im Vertrag vorgesehenen Umfang ab, so gilt der vertragliche Einheitspreis. 2. Für die über 10 v. H. hinausgehende Überschreitung des Mengenansatzes ist auf Verlangen ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren. 3. Bei einer über 10 v. H. hinausgehenden Unterschreitung des Mengenansatzes ist auf Verlangen der Einheitspreis für die tatsächlich ausgeführte Menge der Leistung oder Teilleistung zu erhöhen, soweit der Auftragnehmer nicht durch Erhöhung der Mengen 22
III. Vertragliche Anpassungsklauseln
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in diesem Zusammenhang, dass die Regelungen nur für den Fall der Änderung des Leistungsinhalts, namentlich für die Abweichung von der vereinbarten Leistungsmenge, nicht jedoch für den Fall der Kostenerhöhung aufgrund geänderter bei anderen Ordnungszahlen (Positionen) oder in anderer Weise einen Ausgleich erhält. Die Erhöhung des Einheitspreises soll im Wesentlichen dem Mehrbetrag entsprechen, der sich durch Verteilung der Baustelleneinrichtungs- und Baustellengemeinkosten und der Allgemeinen Geschäftskosten auf die verringerte Menge ergibt. Die Umsatzsteuer wird entsprechend dem neuen Preis vergütet. 4. Sind von der unter einem Einheitspreis erfassten Leistung oder Teilleistung andere Leistungen abhängig, für die eine Pauschalsumme vereinbart ist, so kann mit der Änderung des Einheitspreises auch eine angemessene Änderung der Pauschalsumme gefordert werden. (4) Werden im Vertrag ausbedungene Leistungen des Auftragnehmers vom Auftraggeber selbst übernommen (z. B. Lieferung von Bau-, Bauhilfs- und Betriebsstoffen), so gilt, wenn nichts anderes vereinbart wird, § 8 Absatz 1 Nummer 2 entsprechend. (5) Werden durch Änderung des Bauentwurfs oder andere Anordnungen des Auftraggebers die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert, so ist ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren. Die Vereinbarung soll vor der Ausführung getroffen werden. (6) 1. Wird eine im Vertrag nicht vorgesehene Leistung gefordert, so hat der Auftragnehmer Anspruch auf besondere Vergütung. Er muss jedoch den Anspruch dem Auftraggeber ankündigen, bevor er mit der Ausführung der Leistung beginnt. 2. Die Vergütung bestimmt sich nach den Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung und den besonderen Kosten der geforderten Leistung. Sie ist möglichst vor Beginn der Ausführung zu vereinbaren. (7) 1. Ist als Vergütung der Leistung eine Pauschalsumme vereinbart, so bleibt die Vergütung unverändert. Weicht jedoch die ausgeführte Leistung von der vertraglich vorgesehenen Leistung so erheblich ab, dass ein Festhalten an der Pauschalsumme nicht zumutbar ist (§ 313 BGB), so ist auf Verlangen ein Ausgleich unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu gewähren. Für die Bemessung des Ausgleichs ist von den Grundlagen der Preisermittlung auszugehen. 2. Die Regelungen der Absätze 4, 5 und 6 gelten auch bei Vereinbarung einer Pauschalsumme. 3. Wenn nichts anderes vereinbart ist, gelten die Nummern 1 und 2 auch für Pauschalsummen, die für Teile der Leistung vereinbart sind; Absatz 3 Nummer 4 bleibt unberührt. (8) 1. Leistungen, die der Auftragnehmer ohne Auftrag oder unter eigenmächtiger Abweichung vom Auftrag ausführt, werden nicht vergütet. Der Auftragnehmer hat sie auf Verlangen innerhalb einer angemessenen Frist zu beseitigen; sonst kann es auf seine Kosten geschehen. Er haftet außerdem für andere Schäden, die dem Auftraggeber hieraus entstehen. 2. Eine Vergütung steht dem Auftragnehmer jedoch zu, wenn der Auftraggeber solche Leistungen nachträglich anerkennt. Eine Vergütung steht ihm auch zu, wenn die Leistungen für die Erfüllung des Vertrags notwendig waren, dem mutmaßlichen Willen des Auftraggebers entsprachen und ihm unverzüglich angezeigt wurden. Soweit dem Auftragnehmer eine Vergütung zusteht, gelten die Berechnungsgrundlagen für geänderte oder zusätzliche Leistungen der Absätze 5 oder 6 entsprechend. 3. Die Vorschriften des BGB über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) bleiben unberührt. (9) 1. Verlangt der Auftraggeber Zeichnungen, Berechnungen oder andere Unterlagen, die der Auftragnehmer nach dem Vertrag, besonders den Technischen Vertragsbedingungen oder der gewerblichen Verkehrssitte, nicht zu beschaffen hat, so hat er sie zu vergüten.
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H. Änderung des Preises bei Verlängerung der Zuschlagsfrist
Kalkulation der Preise, gelten.25 Die Regelung betrifft demnach den Fall, in dem sich nicht die Preiskalkulation, jedoch der Leistungsinhalt verändert.26 bb) § 2 VOL/B Eine andere Regelung findet sich in § 2 Nr. 3 VOL/B.27 Diese kann ebenfalls zum Gegenstand der jeweiligen Verträge gemacht werden. Voraussetzung der Regelung des § 2 Nr. 3 VOL/B ist eine „Änderung in der Beschaffenheit der Leistung“. Der Paragraph sieht hierzu die Möglichkeit der Neuvereinbarung des Preises für den Fall vor, dass sich durch Änderung der Beschaffenheit die Grundlagen des Preises geändert haben. cc) Abgrenzung der Regelungen § 9 VOB/A – § 2 VOB/B – § 2 VOL/B Die Regelungen des § 2 VOB/B und des § 2 VOL/B sind zunächst von den Klauseln, deren Grundlage § 9 VOB/A bildet, abzugrenzen. § 9 Abs. 9 VOB/A betrifft vertragliche Regelungen, die eine Änderung der Preisermittlungsgrundlagen für die Leistung betreffen.28 § 2 VOB/B betrifft hingegen in Abs. 3–9 Änderungen der Leistung, insbesondere des Leistungsumfangs, nicht eine Änderung der Kalkulationsgrundlagen.29 Der Regelungsgehalt des § 2 Nr. 3 VOL/B ist hinsichtlich der beschriebenen Abgrenzung „Änderung der Leistung/Änderung der Kalkulationsgrundlage“ zunächst nach dem Wortlaut nicht eindeutig festzustellen. Der Wortlaut des Paragraphen beschreibt eine „Änderung in der Beschaffenheit der Leistung“ als Grundlage für die Vereinbarung eines neuen Preises. Insoweit scheint hier der Fall einer grundlegenden Änderung der Preisermittlungsgrundlagen, vergleichbar mit dem Fall des § 9 Abs. 9 VOB/A, geregelt. Auch in der Literatur wird zunächst von einer Änderung der Preisermittlungsgrundlagen 2. Lässt er vom Auftragnehmer nicht aufgestellte technische Berechnungen durch den Auftragnehmer nachprüfen, so hat er die Kosten zu tragen. (10) Stundenlohnarbeiten werden nur vergütet, wenn sie als solche vor ihrem Beginn ausdrücklich vereinbart worden sind (§ 15). 25 Sienz, in: Ingenstau/Korbion, VOB, § 9 VOB/A, Rn. 111. 26 Sienz, in: Ingenstau/Korbion, VOB, § 9 VOB/A, Rn. 111; aktuell zur Problematik der Preisermittlung im VOB-Vertrag bei einseitiger Leistungsänderung durch den Auftraggeber siehe Hayn-Habermann, NJW-Spezial 2013, 300 f. 27 § 2 Abs. 3 VOL/B lautet: „Werden durch Änderung in der Beschaffenheit der Leistung die Grundlagen des Preises für die im Vertrag vorgesehene Leistung geändert, so ist ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten zu vereinbaren. In der Vereinbarung sind etwaige Auswirkungen der Leistungsänderung auf sonstige Vertragsbedingungen, insbesondere auf Ausführungsfristen, zu berücksichtigen. Diese Vereinbarung ist unverzüglich zu treffen.“ 28 Sienz, in: Ingenstau/Korbion, VOB, § 9 VOB/A, Rn. 111, 112. 29 Bitterich, in: Pünder/Schellenberg, § 9 VOB/A, Rn. 168.
III. Vertragliche Anpassungsklauseln
241
ausgegangen.30 Jedoch wird in bezeichneter Literatur gleichzeitig eine Preisanpassung auf dem Niveau des Vertrags entsprechend der ursprünglichen Kalkulation gefordert.31 Demnach sei, analog der Vorgabe des § 2 VOB/B,32 eine Preisfortschreibung zur Wahrung der Faustformel aus der Bauwirtschaft „guter Preis bleibt guter Preis und schlechter Preis bleibt schlechter Preis“ erforderlich.33 Daher handelt es sich auch hier um den Fall einer Leistungsänderung, nicht um die Änderung von bestehenden Preisermittlungsgrundlagen. Die dargestellte Ansicht scheint einen Ausgleich der Interessen von Auftraggeber und Auftragnehmer zu beabsichtigen. Schwierig ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass § 2 VOB/B, dessen Grundsätze hier herangezogen werden, einen anderen Fall betrifft als § 2 Nr. 3 VOL/B. So ist eine Preisfortschreibung im Rahmen einer bloßen Mengenänderung der Leistung leicht anhand der ursprünglichen Kalkulation möglich. Demgegenüber betrifft jedoch der Fall des § 2 Nr. 3 VOL/B eine Änderung der Beschaffenheit der Leistung, mithin eine qualitative Änderung dieser. In dieser Hinsicht beschreibt die dargestellte Literatur auch einen unter Umständen völlig anderen Einkauf, etwa bezüglich des Materials.34 Soweit jedoch eine qualitative Änderung der Beschaffung erfolgt, wird eine Fortschreibung der Preise nach oben genannten Grundsätzen nicht immer möglich sein. Denkbar ist allenfalls eine Indexierung an die ursprünglichen Preise, wobei auch dies nicht immer möglich sein wird. Im Übrigen spricht auch die Verteilung des Risikos gegen eine solche Fortschreibung. Soweit der Auftraggeber eine andere Leistung verlangt, als er ursprünglich ausgeschrieben hat, hat er auch das Risiko erhöhter Preise zu tragen. Dies entspräche letztlich auch einer Wertung aus vergaberechtlicher Sicht, da eine Änderung der Leistung, einhergehend mit einer Auftragserweiterung, im Regelfall eine Neuausschreibung erforderlich machen würde.35 In einer solchen braucht sich der Bieter nicht an den alten Preisen festhalten zu lassen.
30 Goede, in: Goede/Herrmann, § 2 VOL/B, Rn. 31, 32 für den Fall, dass der Auftraggeber die Leistungsänderung nachträglich verlangt unter Nennung der Beispiele eines aufgrund der geänderter Leistung verteuerten Materials und Zeitaufwandes. 31 So wohl Goede, in: Goede/Herrmann, 2 § VOL/B, Rn. 32. 32 Unter Verweis auf Kapellmann, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 2 VOB/A, Rn. 219. 33 Goede, in: Goede/Herrmann, § 2 VOL/B, Rn. 34; zur „Faustformel“ siehe: Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 208, Rn. 89: „fetter Preis bleibt fetter Preis und magerer Preis bleibt magerer Preis“. 34 Goede, in: Goede/Herrmann, VOL/B, Rn. 32: „Immerhin ist denkbar, dass die geänderte Beschaffenheit der Leistung den Einkauf deutlich teureren oder deutlich günstigeren Materials erfordert. Ebenso ist denkbar, dass die geänderte Beschaffenheit der Leistung einen deutlich höheren oder niedrigeren zeitlichen Herstellungsaufwand nach sich zieht.“ 35 Bungenberg, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, § 99 GWB, Rn. 34, 37.
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H. Änderung des Preises bei Verlängerung der Zuschlagsfrist
Die wesentliche Abgrenzung der Normen findet sich nicht in ihrem Regelungsgehalt, sondern in der Einordnung. Die VOB/A hat über das vergaberechtliche Kaskadensystem36 einen verbindlichen Regelungsgehalt. Die Geltung der Regelungen der VOL/B und VOB/B muss durch die Vertragsparteien vertraglich vereinbart werden.37 Demnach kann aus der VOL/B und der VOB/B keine Rechtsfolge gezogen werden, wenn diese Vereinbarung unterbleibt. Dies ist bei der Regelung des § 9 Abs. 9 VOB/A anders, da sich die Bieter hier auf Verstöße gegen diese berufen können.38 Im Rahmen der vergaberechtlichen Zulässigkeit von preislichen Vertragsanpassungsklauseln ist daher der § 9 Abs. 9 VOB/A zu untersuchen und hinsichtlich der VOL/B und VOB/B darauf hinzuweisen, dass diese als Regelungen durch die Vertragsparteien zulässigerweise vereinbart werden können, jedoch vergaberechtlich zu überprüfen sind. c) Andere (eigene) Preisanpassungsklauseln Neben den dargestellten Regelungen dürfte die Erstellung anderer, durch den Auftraggeber selbst vorgegebener, Preisanpassungsklauseln zulässig sein, da die Vertragspartner grundsätzlich im Abschluss von Verträgen und der Erstellung ihrer Regelungen frei sind.39 2. Vergaberechtliche Zulässigkeit Nach Darstellung von verschiedenen Preisanpassungsklauseln soll auf generelle vergaberechtliche Vorgaben der Zulässigkeit von Preisanpassungsklauseln eingegangen werden. a) Vorgaben des § 9 Abs. 9 VOB/A Vergaberechtliche Grenzen der Möglichkeit einer vertraglichen Vereinbarung zur Änderung der Preise nach Zuschlag werden bereits durch § 9 Abs. 9 VOB/A dargelegt. So können die Tatbestandsmerkmale, die als Voraussetzung einer Klausel nach § 9 Abs. 9 genannt werden, wohl auch als generelle vergaberechtliche Voraussetzungen angesehen werden.40 Voraussetzungen für die Einführung 36 Zum Kaskadensystems siehe Fehling, in: Pünder/Schellenberg, § 97 GWB, Rn. 199; Hertwig, Die Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe, Rn. 31. 37 von Rinteln, in: Kapellmann/Messerschmidt, Einleitung VOB/B, Rn. 38. 38 Etwa: Hänsel, in: Ziekow/Völlink, § 9 VOB/A, Rn. 48; Franzius, in: Pünder/ Schellenberg, § 10 VOB/A, Rn. 189. 39 Ellenberger, in: Palandt, Einf. v. 145, Rn. 7 ff., 13 (Freiheit inhaltlicher Gestaltung von Verträgen). 40 Hierfür spricht schon der Schutzzweck des § 9 Abs. 9 VOB/A (Schutz vor ungewöhnlichen Wagnissen, siehe hierzu Hänsel, in: Ziekow/Völlink, § 9 VOB/A, Rn. 38), der auch nach der VOL/A und VOF besteht (siehe unten unter H. III. 2. a) dd).
III. Vertragliche Anpassungsklauseln
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einer Klausel nach § 9 Abs. 9 VOB/A sind erstens die Erwartung wesentlicher Änderungen der Preisermittlungsgrundlagen und zweitens die Ungewissheit über Eintritt oder Ausmaß dieser Änderung. In der Rechtsfolge ist die Regelung einer angemessenen Änderung der Vergütung vorzusehen. aa) Zu erwartende Preisänderung Voraussetzung ist zunächst eine konkret zu erwartende Änderung des Preises.41 Diese Änderungen müssen eine gewisse „Wesentlichkeitsschwelle“ übersteigen,42 mithin eine gewisse Auswirkung auf den Preis für die Bauleistung erwarten lassen. Diese Schwelle wird nach mehrheitlicher Ansicht überschritten, „wenn die Änderung eines oder mehrer gewichtiger Kalkulationsfaktoren ein Ausmaß erreichen kann, das den Wagnisansatz zum großen Teil aufzehrt, weil es von den Bietern bei den betreffenden Bauleistungen üblicherweise nicht mehr als Teil des kalkulierten Wagnisses berücksichtigt wird oder den Prozentsatz für den kalkulierten Gewinn erheblich ändert“.43 bb) Ungewisser Eintrittszeitpunkt oder ungewisses Ausmaß der Änderung Schließlich müssen der Eintrittszeitpunkt oder das Ausmaß der Änderung ungewiss sein, da ansonsten die Vereinbarung eines festen Preises durch die Vertragsparteien im Rahmen der Ausschreibung erfolgen könnte.44 cc) Angemessenheit der Änderung der Vergütung In der Folge ist bei der Einführung einer Klausel die Angemessenheit der Änderung der Vergütung zu beachten. Die Angemessenheit kann hierbei im Wettbewerb ermittelt werden.45 Daneben sind die Einzelheiten, etwa das Auslösungsmoment und die maßgebliche Bezugsgröße, in der Regelung darzustellen.46 41 Bitterich, in: Pünder/Schellenberg, § 9 VOB/A, Rn. 172 mit Verweis auf BayObLG, 21.04.2004 – Verg 17/04: „Eine Preisänderung muss konkret zu erwarten sein, wobei auch bisherige Erfahrungen in einem bestimmten Marktsektor berücksichtigt werden können, wenn sie den Schluss zulassen, dass sich auch während der Durchführung des zu vergebenden Auftrags Änderungen ergeben werden.“ 42 Bitterich, in: Pünder/Schellenberg, § 9 VOB/A, Rn. 173. 43 Bitterich, in: Pünder/Schellenberg, § 9 VOB/A, Rn. 173 unter Verweis auf Kapellmann/Messerschmidt, § 9 Abs. 9 VOB/A, Rn. 4 und Rusam, in: Heiermann/Riedl/Rusam, § 15 VOB/A, Rn. 10 wobei bei letzterem in der 11. Auflage diese Aussage nicht in der Grundsätzlichkeit zu erkennen ist; gegen eine Abstellen auf das Gesamtergebnis des Auftrags aber Sienz, in: Ingenstau/Korbion, VOB, § 9 VOB/A, Rn. 119, der die Wesentlichkeit in Bezug auf die Änderung der Preisgrundlage festmachen will. 44 Bitterich, in: Pünder/Schellenberg, § 9 VOB/A, Rn. 176. 45 Bitterich, in: Pünder/Schellenberg, § 9 VOB/A, Rn. 184. 46 Bitterich, in: Pünder/Schellenberg, § 9 VOB/A, Rn. 177.
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H. Änderung des Preises bei Verlängerung der Zuschlagsfrist
dd) Grundsätzliche Zulässigkeit einer vergleichbaren vertraglichen Regelung der Preisanpassung bei einer VOL- oder VOF-Vergabe Gegen eine grundsätzliche Zulässigkeit von Preisanpassungsklauseln in VOL/ A und VOF könnte angeführt werden, dass eine Regelung, die solche Klauseln ermöglicht, sich nur in der VOB/A findet. Dies spricht jedoch noch nicht gegen entsprechende Regelungen in den anderen Vergabe- und Vertragsordnungen. Vielmehr besteht die Maßgabe, dass der Auftraggeber außerhalb expliziter rechtlichen Regelungen in der Beschaffung grundsätzlich frei ist.47 Für das Verständnis einer impliziten vergleichbaren vertraglichen Regelung in Fällen der VOL/Aund VOF-Vergabe scheint gerade die genannte Vorgabe zu sprechen, dass Bieter vor ungewöhnlichen Wagnissen zu schützen sind,48 und die Regelung des § 9 Abs. 9 VOB/A gerade auf diesen Grundsatz zurückgeht.49 Diese findet sich in § 7 Abs. 1 Nr. 3 der VOB/A, ist aber auch der VOL/A zumindest bei der Regelung der Leistungsbeschreibung eigen.50 b) Vergaberechtliche Einschränkungen über § 9 Abs. 9 VOB/A hinaus Zu untersuchen ist, ob weitere vergaberechtliche Einschränkungen über die dargestellten Vorgaben hinaus existieren. aa) Zulässigkeit im Zusammenhang mit Neuausschreibungspflicht Hinsichtlich der vorliegenden Untersuchung stellt sich die Frage, ob vertraglich vereinbarte Klauseln, die, einhergehend mit einer Änderung des Leistungsumfangs oder, wie im Fall des § 9 Abs. 9 der Preisermittlungsgrundlagen, den 47 Dies zeigt schon die Tatsache, dass das Vergaberecht dem Privatrecht zuzuordnen ist, in dem der Grundsatz der Vertragsfreiheit besteht: Ellenberger, in: Palandt, Einf. v. 145, Rn. 7 ff., 13 (Freiheit inhaltlicher Gestaltung von Verträgen); zur privatrechtlichen Einordnung des Vergaberechts siehe Ziekow, in: ders./Völlink, GWB Einl., Rn. 24. 48 Für den Bereich der VOL/A siehe etwa Schellenberg, in: Pünder/ders., § 8 VOL/ A-EG, Rn. 8, mit dem Hinweis, dass der Begriff als solcher entfallen ist, jedoch im Schutz vor „unzulässiger Risikoverlagerung“ weiter besteht. 49 Hänsel, in: Ziekow/Völlink, § 9 VOB/A, Rn. 38. 50 Weyand, ibr-online Kommentar, VOL/A, § 7, Rn. 258, Stand: 23.09.2013; Schellenberg, in: Pünder/ders., § 8 VOL/A-EG, Rn. 8, der darauf hinweist, dass in der Vorgängerregelung des § 8 VOL/A-EG Risikoverlagerungen, die die Bieter „fairerweise nicht tragen müssen“, als „ungewöhnliche Wagnisse“ bezeichnet wurden, und § 8 VOL/ A-EG dazu dient, die Bieter weiterhin vor diesen zu schützen, und ebenda, Rn. 26, mit dem Hinweis, dass auch der DVAL von der Existenz eines „allgemeinen Grundsatzes des Zivilrechts“ in Form der Regelung zum „ungewöhnlichen Wagnis“ ausgeht, und sie deswegen gestrichen hat; kritisch hierzu ebenda, Rn. 39; zur Übertragbarkeit der Argumentation in die VOF Schellenberg, in: Pünder/ders., § 6 VOF, Rn. 6; grundsätzlich scheint nach teleologischer Auslegung das Verbot des „ungewöhnlichen Wagnisses“ noch in der VOL/A und der VOF in Form „unzulässiger Risikoverlagerungen“ enthalten zu sein, siehe Schellenberg, in: Pünder/ders., § 8 VOL/A-EG, Rn. 8.
III. Vertragliche Anpassungsklauseln
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Parteien eine Möglichkeit der Änderung des Preises geben, im Hinblick auf die dargestellte Pflicht zur Neuausschreibung bei wesentlichen Vertragsänderungen vergaberechtlich zulässig sind. Grundsätzlich besteht das Problem, dass Vertragserweiterungen ab einem gewissen Umfang als ausschreibungspflichtige Vertragsänderungen begriffen werden.51 Jedoch sind (mengenmäßige oder zeitliche) Vertragserweiterungen zulässig, soweit zugunsten des Auftragnehmers Ausnahmeregelungen von der generellen Ausschreibungspflicht geltend gemacht werden können.52 Eine Grenze zum Schutz der Bieter stellt wie angesprochen das vergaberechtliche Verbot der Überbürdung „ungewöhnlichen Wagnisses“ dar.53 Dessen Vorgabe ist es, den Bietern keine Gegebenheiten zuzumuten, die sie nicht beeinflussen können und deren Auswirkungen sie darüber hinaus nicht einschätzen können.54 Wesentlich ist in diesem Zusammenhang die Feststellung in der Literatur, dass sich ein „ungewöhnliches Wagnis“ insbesondere dadurch auszeichnet, dass es „einer vernünftigen kalkulatorischen Bewertung durch den Auftraggeber nicht zugänglich ist“.55 Dieser Vorgabe wird in der Regelung des § 9 Abs. 9 VOB/A Rechnung getragen. So gehen die bezeichneten Paragraphen etwa davon aus, dass wesentliche Abweichungen vom ursprünglichen Preis zu vereinbaren sind, mithin nicht durch den Auftraggeber einseitig bestimmt werden können. Auch sehen die Regelungen eine Bindung an die geänderte Leistung, etwa in den Formulierungen „angemessene Änderung“ 56 und „unter Berücksichtigung der Mehrund Minderkosten“ 57, vor. Die (Neu-)Ausschreibungspflicht des Bieters besteht nur für über den ursprünglich vertraglich vereinbarten Leistungsumfang hinausgehende Leistungen.58 Die dargestellten Leistungsänderungen und Preisänderungen aufgrund vertraglicher Grundlagen, die im ursprünglichen Auftrag bereits vorgesehen sind, sind hiervon nicht umfasst.59 Auch ist davon auszugehen, dass mit Entscheidung des
51 Bungenberg, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, § 99 GWB, Rn. 34, 37; Ziekow, in: ders./Völlink, § 99 GWB, Rn. 57 ff. 52 Bungenberg, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, § 99 GWB, Rn. 37 unter Nennung von § 3 a Nr. 5 c) VOB/A, § 3 a, Nr. 5 e) VOL/A und § 5 Nr. 2 e) und f) VOF. 53 Hänsel, in: Ziekow/Völlink, § 9 VOB/A, Rn. 38; zum Begriff des „ungewöhnlichen Wagnisses“ in der VOB/A siehe etwa Bernhardt, in: Ziekow/Völlink, § 7 VOB/A, Rn. 14, 15 und Schellenberg, in: Pünder/ders., § 8 VOL/A-EG, Rn. 8, 26, 39. 54 Bernhardt, in: Ziekow/Völlink, § 7 VOB/A, Rn. 14. 55 Bernhardt, in: Ziekow/Völlink, § 7 VOB/A, Rn. 15. 56 § 9 Abs. 9 VOB/A. 57 § 2 Nr. 3 VOL/B und § 3 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B. 58 Eschenbruch, in: Kulartz/Kus/Portz, GWB, § 99, Rn. 94. 59 Ziekow, in: ders./Völlink, § 99 GWB, Rn. 71.
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H. Änderung des Preises bei Verlängerung der Zuschlagsfrist
EuGH Preisanpassungsklauseln zugunsten des Auftragnehmers grundsätzlich zulässig sind.60 bb) Verhandlungsverbot Eine wesentliche Einschränkung von Preisanpassungsklauseln ist das in § 15 S. 2 VOL/A sowie § 18 S. 2 VOL/A-EG und § 15 Abs. 3 VOB/A geregelte Verhandlungsverbot. Das abgegebene Angebot ist aus Transparenz-, Wettbewerbsund Gleichbehandlungsgrundsätzen unabänderbar.61 Die vertraglichen Anpassungsklauseln können und dürfen demnach keine Möglichkeit einräumen, solche Verhandlungen im Nachhinein durchzuführen. Dies dürfte insbesondere der Fall sein, wenn der Preis im Nachhinein ohne eine Bindung an das Angebot „neu“ ausgehandelt werden kann. Lohn- und Stoffpreisgleitklauseln, welche die Erhöhung an andere Werte koppeln,62 sind demgegenüber in der Regel zulässig.63 Demnach muss wohl gelten, dass nur eine solche Änderung zulässig ist, die bereits durch den Auftraggeber klar bestimmt ist und das Verhandlungsverbot nicht unterläuft. cc) Vergabegrundsätze Weitere Einschränkungen sind die vergaberechtlichen Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung. So muss die nachträgliche Berechnung des Preises für alle Bieter erkennbar sein, was voraussetzt, dass diese in den Vergabeunterlagen vorgegeben ist.64 Dies ergibt sich schon aus der Regelung des § 9 Abs. 9 VOB/A.65 Das Anbieten von Anpassungsklauseln durch den Bieter im Angebot ist hingegen unzulässig.66 Die hierdurch bestimmten „umfassenden Publizitätspflichten“ 67 gebieten auch eine Transparenz der Vertragsmodalitäten für alle Bieter, die nur durch eine Bekanntmachung in den Vergabeunterlagen zu erreichen ist.
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EuGH, 19.06.2008 – C-454/06. Varva, in: Ziekow/Völlink, § 15 VOB/A, Rn. 17. 62 Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf das Indexierungsverbot nach § 1 Abs. 1 PrKG, zu zulässigen Klauseln vor diesem Hintergrund siehe Bitterich, in: Pünder/Schellenberg, § 9, VOB/A, Rn. 179 f. 63 Zur Ausgestaltung siehe Bitterich, in: Pünder/Schellenberg, § 9, VOB/A, Rn. 181 ff. 64 Bitterich, in: Pünder/Schellenberg, § 9, VOB/A, Rn. 187. 65 „[. . .] in den Vertragsunterlagen vorgesehen werden“. 66 Bitterich, in: Pünder/Schellenberg, § 9, VOB/A, Rn. 187. 67 Ziekow, in: ders./Völlink, § 97 GWB, Rn. 38. 61
III. Vertragliche Anpassungsklauseln
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3. Weitere gesetzliche Vorgaben außerhalb des Vergaberechts – Preisrecht – AGB-Prüfung Der Vollständigkeit halber sind weitere rechtliche Regelungen zu nennen, deren Vorgaben bei etwaigen vertraglichen Preisanpassungsklauseln ebenfalls zu betrachten sind. Hierzu sollen zwei Beispiele aufgeführt werden. Eine preisrechtliche Vorgabe bietet das Preisklauselgesetz (PrKG)68 etwa hinsichtlich des Verbotes von Wertsicherungsklauseln.69 Hergeleitet wird dies aus dem Indexierungsverbot des § 1 Abs. 1 PrKG. Hierin ist festgelegt: „Der Betrag von Geldschulden darf nicht unmittelbar und selbsttätig durch den Preis oder Wert von anderen Gütern oder Leistungen bestimmt werden, die mit den vereinbarten Gütern oder Leistungen nicht vergleichbar sind.“
Eine Wertsicherungsklausel, welche den Preis automatisch aufgrund eines Maßstabs, der außerhalb der Leistung liegt, anpasst, ist demnach nicht zulässig.70 Stoffpreisklauseln und Lohngleitklauseln begegnen demgegenüber grundsätzlich keinen Bedenken.71 Ebenfalls ist das Preisrecht im Rahmen der VO PR 30/53 zu beachten.72 Schließlich sind zivilrechtliche Vorgaben, etwa in Form der AGB-rechtlichen Zulässigkeit, zu beachten.73 Als Beispiele können etwa der Grundsatz der Leis-
68 Siehe hierzu Bitterich, in: Pünder/Schellenberg, § 9, VOB/A, Rn. 167 und Hänsel, in: Ziekow/Völlink, § 9 VOB/A, Rn. 40 mit Hinweis auf das Preisklauselgesetz (Preisklauselgesetz vom 7. September 2007 (BGBl. I S. 2246, 2247), das zuletzt durch Artikel 8 Absatz 8 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2355) geändert worden ist), das am 14.09.2007 an die Stelle des Preisangaben- und Preisklauselgesetz (Preisangaben- und Preisklauselgesetz vom 03.12.1984 (BGBl. I 1429), geändert am 09.06.1998 (BGBl. I, S. 1242, 1253) BGBl. III 720-17) und der dazu gehörenden Preisklauselverordnung (Preisklauselverordnung (PrKV) vom 23. September 1998 (BGBl. I S. 3043) zuletzt geändert durch Art. 30 Nr. 3 Zweites BürokratieabbauG vom 07.09.2007 (BGBl. I S. 2246)) getreten ist; Preisklauselgesetz vom 7. September 2007 (BGBl. I S. 2246, 2247), zuletzt geändert durch Artikel 8 Absatz 8 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2355). 69 Zum Verbot von „Wertsicherungsklauseln“ nach dem PrKG, dessen Ausnahmen nach der PreisklauselVO und der Streitigkeit, ob es sich bei sog. „Cent-Klauseln“ um genehmigungsfreie Spannungsklauseln handelt, siehe: Kapellmann, in: Kapellmann/ Messerschmidt, § 9 VOB/A, Rn. 13 ff. 70 Bitterich, in: Pünder/Schellenberg, § 9, VOB/A, Rn. 179 mit Verweis auf OLG Rostock, 02.06.2006 – 3 U 113/05. 71 Bitterich, in: Pünder/Schellenberg, § 9, VOB/A, Rn. 181, wobei als zulässige Lohngleitklauseln solche in Form der Lohnlistenregelung bei Bauverträgen dargestellt werden; siehe auch Rusam, in: Heiermann/Riedl/Rusam, § 15 VOB/A, Rn. 27; Kapellmann, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 9 Abs. 9 VOB/A, Rn. 8, 9 ff. und 19 ff. 72 Siehe zum Preisrecht oben unter B. II. 5. 73 Siehe hierzu Bitterich, in: Pünder/Schellenberg, § 9, VOB/A, Rn. 186 und Hänsel, in: Ziekow/Völlink, § 9 VOB/A, Rn. 41; zur zivilrechtlichen Einordnung des Vergaberechts siehe Ziekow, in: ders./Völlink, Einl. GWB, Rn. 24.
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H. Änderung des Preises bei Verlängerung der Zuschlagsfrist
tung nach Treu und Glauben74 oder eine AGB-Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB75 aufgeführt werden, die hier nicht weiter ausgeführt werden sollen.
IV. Störung der Geschäftsgrundlage Soweit keine vertraglichen Regelungen zur Preisanpassung getroffen worden sind und eine Anpassung aufgrund einbezogener auslegungsfähiger Regelungen nicht möglich ist, bleibt den Vertragsparteien nur ein Rückgriff auf die Regeln der Störung der Geschäftsgrundlage. Die Geschäftsgrundlage ist eine bei Vertragsschluss zutage getretene, dem anderen Vertragspartner erkennbar gewordene und von ihm nicht beanstandete Vorstellung der einen Vertragspartei oder die gemeinsame Vorstellung beider Vertragsparteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, soweit der Geschäftswille beider Vertragsparteien auf diesen Vorstellungen beruht.76 Die Störung dieser Geschäftsgrundlage ist anzunehmen, wenn einer Partei das Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden kann.77 Jedoch kommt eine Anpassung nicht in Betracht, wenn der Vertrag Regelungen über die Leistungsstörung enthält, welche eingetreten ist oder die eingetretenen Umstände in den Risikobereich einer Vertragspartei fallen.78 Die Störung der Geschäftsgrundlage betrifft in der Regel Ausnahmefälle. So wird in der Literatur dargestellt, dass etwa das Risiko einer Preisänderung im Normalfall beim Auftragnehmer liegen dürfte, weswegen sich dieser bei steigenden Preisen in diesem Fall nicht auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen kann.79
V. Nachträgliche Preisverhandlungen Letztlich stellt sich die Frage, ob der Preis nach Zuschlagserteilung aufgrund von Preisverhandlungen geändert werden kann. Grundsätzlich ist im Zusammen74 Dieser findet seine gesetzliche Grundlage in § 242 BGB, jedoch handelt es sich um einen „das gesamte Rechtsleben beherrschenden Grundsatz“, siehe Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 242, Rn. 1. 75 Bitterich, in: Pünder/Schellenberg, § 9, VOB/A, Rn. 186. 76 Schoofs, in: Leinemann, VOB/B, § 2 VOB/B, Rn. 41 mit Verweis auf BGHZ 121, 378, 391; Pastor, in: Werner/Pastor, Rn. 2957. 77 Schoofs, in: Leinemann, VOB/B, § 2 VOB/B, Rn. 41 mit Verweis auf BGH, 21.09.1995 – VII ZR-80/94; Keldungs, in: Ingenstau/Korbion, VOB, § 2 Abs. 1 VOB/B, Rn. 56. 78 Schoofs, in: Leinemann, VOB/B, § 2 VOB/B mit Verweis auf BGH, 21.09.1995 – VII ZR 80/94 und BGH, 13.11.1975 – III ZR 106/72 ( NJW, 1976, 565, 566); OLG Nürnberg, 27.06.1995 – 1 U 1318/95 (BauR 1995, 890). 79 Bitterich, in: Pünder/Schellenberg, § 9, VOB/A, Rn. 168 mit Verweis auf OLG Hamburg, 28.12.2005 – 14 U 124/05 als Beispiel; zu den Fällen der Störung der Geschäftsgrundlage im Zusammenhang mit der Kalkulation und der Mengenabweichung siehe Schoofs, in: Leinemann, VOB/B, § 2 VOB/B, Rn. 43 ff.
V. Nachträgliche Preisverhandlungen
249
hang mit einer Preisveränderung nach Zuschlag eine mögliche Ausschreibungspflicht zu beachten.80 Hier werden die Zulässigkeit und, soweit diese bejaht wird, der Umfang möglicher Verhandlungen und einer Vertragsänderung diskutiert. 1. Vertraglich festgelegte Verhandlungen In Teilen der Literatur wird die Möglichkeit von nachträglichen Preisverhandlungen bejaht.81 Voraussetzung hierfür ist, dass diese Möglichkeit vertraglich festgelegt ist.82 Angelehnt ist diese Meinung an eine Rechtsprechung der VK Hamburg. Diese stellt fest: „Das OLG Düsseldorf hat in dem Beschluss aber eine Preisanpassungsklausel, die sich an Parametern wie Personal oder Sachkosten orientiert, für unbedenklich erachtet.[83] Bei Personal- oder Sachkosten handelt es sich nach Ansicht der Kammer um ausfüllungsbedürftige Rahmengegebenheiten, die zwar einen Steigerungsumfang nach oben und unten vorgeben, die aber trotzdem bestimmt werden müssen. [. . .] Es liegt auf der Hand, dass bei solcherlei Vertragsgestaltungen immer ein gewisser Spielraum verbleibt. Dieser insofern gegebene Verhandlungsspielraum ist aber dergestalt eng, dass darin nicht das Aushandeln eines neuen Vertrages gesehen werden kann.“ 84
Demnach sind nachträgliche Preisverhandlungen aufgrund vertraglicher Vorgabe nur bei einem engen Verhandlungsspielraum möglich. Die Gegenmeinung geht hingegen davon aus, dass nachträgliche Preisverhandlungen nicht möglich sind.85 So geht die VK Baden-Württemberg davon aus: „Als Grundregel darf unterstellt werden, daß immer dann von einem neuen Auftrag und somit von dem Bedarf eines neuen Vergabeverfahrens auszugehen ist, wenn die Vertragsverlängerung oder -umgestaltung nur durch eine beiderseitige Willenserklärung zu Stande kommen kann. Regelmäßig wird das beiderseitige Einvernehmen zwischen den Vertragsparteien nämlich nur dann erforderlich sein, wenn sich die Verlängerung nicht nur als unbedeutende Erweiterung der bisherigen Vertragsbezie80
Siehe oben unter H. II. Etwa: Müller-Wrede/Kaelble, in: Müller-Wrede, GWB, § 99, Rn. 46. 82 Müller-Wrede/Kaelble, in: Müller-Wrede, GWB, § 99, Rn. 46; entsprechende Festlegungen sind etwa nach § 9 Abs. 9 VOB/A und § 9 Abs. 9 VOB/A-EG, ggfs. in Verbindung mit § 2 VOB/B, sowie nach § 11 Abs. 1, Satz 1 und 2 VOL/A-EG und § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2, jeweils in Verbindung mit § 2 Nr. 3 VOL/B möglich, bzw. im Rahmen der VOL/A und VOL/A-EG („sind grundsätzlich“) auch so vorgesehen (Einfügung der Vollständigkeit halber nach Einreichung der Dissertation, daher nicht Gegenstand der Bewertung). 83 Verwiesen wird auf OLG Düsseldorf, 08.05.2002 – Verg 8-15/01. 84 VK Hamburg, 27.04.2006 – VgK FB 2/06. 85 OLG Rostock, 05.02.2003 – 17 Verg 14/02, Vorlage an EuGH, hier C-50/03 (Rs. C-50/03, gestrichen am 09.11.2004); VK Baden-Württemberg, 16.11.2004 – 1 VK 69/ 04; Bungenberg, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, § 99 GWB, Rn. 34; Prieß, Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 112. 81
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H. Änderung des Preises bei Verlängerung der Zuschlagsfrist
hung darstellt, sondern wirtschaftlich dem Abschluß eines neuen Vertrages gleichkommt.“ 86
Demnach gilt als Indikator für eine Neuausschreibung, dass beide Vertragsparteien für die Vertragsänderung eine Willenserklärung abgeben müssen. Dies wird bei einer Verhandlung immer der Fall sein. Demnach wären alle Änderungen des Vertrages, die einer Verhandlung bedürften, ausschreibungspflichtig, mithin eine Verhandlung zur nachträglichen Änderung der Preise eines Vertrages vergaberechtlich nicht möglich. Bei einer Gegenüberstellung der Argumente spricht für die Zulässigkeit einer vertraglich festgelegten Verhandlung in engen Grenzen die schlichte Notwendigkeit. Diesen Fall betrifft auch die dargestellte Entscheidung der VK Hamburg.87 Soweit Preisanpassungsklauseln verwendet werden, bedarf es, trotz umfangreicher Regelungspflicht seitens der Vertragspartner, häufig einer gewissen Anpassung bei deren Durchführung. Demnach ist eine solche in engen Grenzen gehaltene Verhandlung durchaus zulässig. – Grenzen vertraglich festgelegter Verhandlungen Grenzen finden sich in diesen Fällen wiederum im Gebot der Transparenz, der Gleichbehandlung und dem Verhandlungsverbot. So sind die Inhalte der Verhandlung vertraglich festzulegen. Im Ergebnis handelt es sich bei der Fallgruppe der vertraglich festgelegten Verhandlungen um eine Ergänzung der vertraglichen Anpassungsklauseln durch die VK Hamburg um ein, wie dargestellt, geringes Verhandlungsmoment. Dessen Vorgaben sind durch eine Entscheidung des EuGH präzisiert worden.88 Eine Vorgabe besteht in der Verpflichtung zur Darstellung der Verhandlung in der Bekanntmachung. Dies lässt sich aus folgender Entscheidung des EuGH folgern: „Möchte der Auftraggeber die Möglichkeit haben, aus bestimmten Gründen einige Ausschreibungsbedingungen nach Zuschlagserteilung abzuändern, muss er eine solche Änderungsmöglichkeit ebenso wie die Modalitäten ihrer Durchführung in der Ausschreibungsbekanntmachung, die er selbst erstellt hat und die den Rahmen für den Ablauf des Verfahrens vorgibt, ausdrücklich vorsehen, so dass sämtliche am Auftrag interessierten Unternehmen hiervon von Anfang an Kenntnis haben und daher bei der Abfassung ihres Angebots gleichgestellt sind. Wenn eine solche Möglichkeit nicht ausdrücklich vorgesehen ist, der Auftraggeber aber nach der Auftragsvergabe von einer der festgelegten wesentlichen Modalitäten abweichen will, kann er das Verfahren unter anderen Bedingungen als den ursprünglich festgelegten nicht rechtmäßig fortführen.“ 89 86 Verweis der VK Baden-Württemberg auf OLG Rostock, Vorlageb. v. 05.02.2003 – 17 Verg 14/02, unter Bezugnahme auf OLG Düsseldorf, 20.06.2001 – Verg 3/01. 87 VK Hamburg, 27.04.2006 – VgK FB 2/06. 88 EuGH, 29.04.2004 – C-496/99P zur zwingenden Festlegung der Änderungsmöglichkeit und deren Modalitäten für eine Änderung der Ausschreibungsbedingungen. 89 EuGH, 29.04.2004 – C-496/99 P, Rn. 118, 119.
V. Nachträgliche Preisverhandlungen
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Der Fall betraf die Änderung von Zahlungsmodalitäten. Diese können demnach unter vorgegebenen Bedingungen abgeändert werden. Die Entscheidung trifft noch keine Aussage über die inhaltliche Änderung des Preises. Jedoch wird sich diese in den meisten Fällen im Zuge der Änderung der Zahlungsmodalitäten ergeben, weswegen eine Ausdehnung der Entscheidung auf die Änderung von Preisen möglich erscheint. 2. Nachträgliche Verhandlungen ohne vertragliche Festlegung Des Weiteren hat der EuGH nachträgliche Preisanpassungen für zulässig erklärt, soweit es sich um geringfügige Anpassungen handelt, die sich objektiv erklären lassen.90 Dieser Fall betrifft wohl, entgegen der oben dargestellten Literaturansicht,91 einen anderen Fall als den nachträglicher Preisanpassungen mittels Preisverhandlungen aufgrund vertraglich festgelegter Möglichkeit. Vielmehr ist hier letztlich eine Möglichkeit nachträglicher Preisanpassungen92 in einem Fall eingeräumt, der vertraglich nicht vorgesehen ist. Somit handelt es sich nach der Systematik der vorliegenden Untersuchung hier erst um den Fall „losgelöster“ nachträglicher Preisverhandlungen.93 Diese sind nach dem EuGH (nur) zulässig, soweit es sich um geringfügige Anpassungen handelt, die objektiv erklärbar sind.94 Das Tatbestandsmerkmal der „objektiven Erklärbarkeit“ ist scheinbar dadurch erfüllt, dass die Umstände, welche die Änderung des Vertrages begründen, außerhalb der Vertragsparteien entstanden sind, mithin nicht den subjektiven Interessen der Vertragspartner entstammen. Als Beispiel hierfür kann der Fall des EuGH-Urteils genommen werden, in dem die Anpassung der nationalen Währung auf den Euro notwendig wurde.95 Demnach ist unter diesen engen Voraussetzungen und in Ausnahmefällen eine nachträgliche Vertragsanpassung im Sinne einer – inhaltlich eng begrenzten – Verhandlung zwischen den Bietern möglich. 90
EuGH, 19.06.2008 – C-454/06, Rn. 61. Müller-Wrede/Kaelble, in: Müller-Wrede, GWB, § 99, Rn. 46. 92 Auch diese bedürfen Willenserklärungen beider Vertragsparteien, weswegen von einer Verhandlung im Sinne dieses Kapitels gesprochen werden kann. 93 EuGH, 19.06.2008 – C-454/06, Rn. 60, 61: „Die Änderung einer solchen Bedingung während der Laufzeit des Auftrags birgt, wenn sie nach den Bestimmungen des ursprünglichen Auftrags nicht ausdrücklich erlaubt ist, die Gefahr eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung der Bieter in sich (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/CAS Succhi di Frutta, Randnr. 121). Trotzdem kann die Umrechnung der Preise eines Auftrags in Euro während dessen Laufzeit eine Anpassung des inneren Wertes der Preise enthalten, ohne dass hierin eine neue Auftragsvergabe liegt, sofern es sich um geringfügige Anpassungen handelt, die sich objektiv erklären lassen. Dies ist der Fall, wenn sie die Durchführung des Auftrags erleichtern sollen, indem sie beispielsweise die Rechnungstellung vereinfachen.“ (Hervorhebung durch den Verfasser) 94 EuGH, 19.06.2008 – C-454/06. 95 EuGH, 19.06.2008 – C-454/06. 91
I. Fazit Entsprechend der Untersuchung können somit folgende Ergebnisse, anknüpfend an die jeweiligen Kapitel der Arbeit, festgehalten werden.
I. Zum Preis als Mindestabforderung und Mindestangabe Der Auftraggeber hat die Möglichkeit, mit dem Angebot Preise abzufordern; eine dahingehende Pflicht, etwa mit Begründung durch den Wettbewerbsgrundsatz, besteht nicht, insbesondere da das Leistungbestimmungsrecht des Auftraggebers und die Wirtschaftlichkeit der Beschaffung diesem entgegengesetzt werden können. Die Kalkulationsfreiheit der Bieter ist nicht geeignet, Vorgaben der Auftraggeber hinsichtlich der Form der Abgabe der Preise oder Kalkulationvorgaben zu unterlaufen. Die Kalkulationsfreiheit bedeutet im Zusammenhang mit dem Thema der Arbeit vielmehr insbesondere eine Freiheit, im Rahmen der Vorgaben der Auftraggeber kalkulieren zu können. Darüber hinaus folgt schon aus dieser die Unzulässigkeit der Änderung der Preise durch den Auftraggeber. Die Vorgabe von Mindest- und Maximalpreisen durch den Auftraggeber ist möglich. Die Abgabe von sehr geringen Preisen und Negativpreisen durch die Bieter ist vergaberechtlich nicht prinzipiell unzulässig. Mischkalkulationen sind ein Unterfall von unvollständigen Preisangaben. Diese erfordern begrifflich einen Zusammenhang zwischen den unrichtig angegeben Preispositionen. Nicht erforderlich für die Einordnung als unvollständige Preisangabe ist ein Vorsatz der Bieter zur Täuschung. Bei fehlenden, unvollständigen oder widersprüchlichen Preisangaben ist Abhilfe der Auftraggeber durch Auslegung der Preisangaben, rechnerische Kontrolle und Korrektur des Angebotes, Bewertung mittels einer fiktiven Berechnung des höchsten Angebotspreises oder Nachfordern von Preisen je nach Einzelfall möglich. Hinsichtlich der genannten Möglichkeiten kann sich je nach Art des Falles sogar das Gebot zur Anwendung eines der Instrumente ergeben, um dem Angebot zur Vollständigkeit zu verhelfen. Jedoch bestehen auch Grenzen der einzelnen Instrumente, die eine Anwendung verhindern.
IV. Zum Preis als Zuschlagskriterium
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II. Zum Preis als Eignungskriterium Im Rahmen der Eignungsprüfung der Bieter sind die Preisangaben des Bieters als Teil der Zuverlässigkeitsprüfung zu berücksichtigen.
III. Zur Angemessenheitsprüfung und dem Ausschluss von unangemessenen Niedrig- und Hochpreisangeboten Die vergaberechtliche Prüfung der Angemessenheit umfasst in ihrem Schutzzweck den Schutz des Haushalts, nicht den Schutz des Wettbewerbs. Unauskömmliche Angebote der Bieter sind nicht automatisch unangemessen im Sinne dieser Prüfung. Daher ist die Annahme solcher Unterkostenangebote trotz der Angemessenheitsprüfung möglich. Die Angemessenheitsprüfung erfordert in ihrer Systematik eine Vorprüfung des Erreichens einer Aufgreifschwelle bzw. der Erfüllung eines Aufgreifmerkmals sowie nach Bejahung eines dieser Merkmale eine kontradiktorische Prüfung. Ein Schutz dritter Bieter, d.h. die Pflicht zur Durchführung der Prüfung und Einhaltung der Prüfungsvorgaben, wird im Rahmen der Angemessenheitsprüfung durch den Gleichbehandlungsgrundsatz, nicht jedoch durch den Wettbewerbsgrundsatz gewährt. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird die systematische Integration der Prüfung des Preisrechts in die Prüfung der Angemessenheit der Angebote befürwortet.
IV. Zum Preis als Zuschlagskriterium Maßstab zur Feststellung der Wirtschaftlichkeit eines Angebotes ist der Einzelwirtschaftlichkeitsmaßstab. Bei der Bestimmung kann daher auch nicht auf den haushaltsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsbegriff zurückgegriffen werden, da dieser sich am Maßstab der Gesamtwirtschaftlichkeit misst. Bei der Bestimmung von Einsatz und Umfang des Preises als Zuschlagskriterium kommt das Bestimmungsrecht des Auftraggebers zum Tragen. Maßgeblich ist des Weiteren das Gebot der Wirtschaftlichkeit, welches durch den Auftraggeber mittels des genannten Bestimmungsrechts verwirklicht werden soll. Soweit ein Preiswettbewerb auch theoretisch nicht zustande kommen kann, ist eine Verwendung des Preises als Zuschlagskriterium nicht möglich bzw. ist die Verwendung des Preises als ein solches Kriterium seitens des Auftraggebers nicht geboten. Ansonsten besteht keine grundsätzliche Vorgabe hinsichtlich der Verwertung des Kriteriums Preis, etwa anhand bestimmter Mindesthöhen.
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I. Fazit
Der Preis kann auch einziges Zuschlagskriterium sein. Dies kann sowohl aufgrund von europarechtlichen Vorgaben als auch mittels eines „nationalen“ Bewertungskriteriums der Wirtschaftlichkeit oder dem haushaltsrechtlichen Gebot der Sparsamkeit begründet werden. Die Abgabe von Nebenangeboten bei ausschließlicher Bewertung des Preises wird im Rahmen der Arbeit für zulässig gehalten.
V. Zur Änderung des Preises bei Verlängerung der Zuschlagsfrist und nach Zuschlag Die Vereinbarung von Preisanpassungsklauseln ist zulässig. Hierfür existieren jedoch aufgezeigte vergabrechtliche Grenzen. Geringe Nachverhandlungen in engen Grenzen sind, auch ohne vertragliche Vereinbarungen, zulässig.
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Sachwortverzeichnis 0 A-Preise 79 absoluter Preis 23 AGB-Prüfung 247 Allokationsfunktion 24 Angebotspreis 39 Angemessenheit der Preise 137 Annahme von unauskömmlichen Angeboten 150 Anpassungsklauseln 236 Aufgreifschwelle 168 Auktionsmodell 23 Auslegung von Preisangaben 96 Auslesefunktion 25 Beihilferecht 33 Bestimmungsrecht des Auftraggebers hinsichtlich der Zuschlagskriterien 207 Bewertung des Kriteriums Preis 211 Cent-Preise 79 Eignungskriterium 131 Einheitspreis 38 Einsatzpreis 39 Einstandspreis 38 Einzelwirtschaftlichkeit 199 Fachkunde 131 fiktive Berechnung des höchsten Wettbewerbspreises 116 Gesamtpreis 38 Gesamtwirtschaftlichkeit 201 Haushaltsrecht 32 Informationsfunktion 24
Kalkulationsfreiheit 58 Kartellrecht 26 kontradiktorische Prüfung 174 Koordinationsfunktion 24 Lauterkeitsrecht 30 Leistungsfähigkeit 131 Maximalpreise 71 Mindestpreise 68 Mischkalkulationen 86 Nachfordern von Preisen 122 nachträgliche Preisverhandlungen 248 Negativpreise 80 offenbares Missverhältnis 144 offensichtlicher Eintragungsfehler 102 Pauschalen 73 Plausibilität 47, 50 Preis als einziges Zuschlagskriterium 216 Preisabforderungsmodelle 65 Preisabforderungsmodelle nach dem SGB V 65 Preisbegriffe 37 Preisbildung 23 Preisbildungsfreiheit 29 Preisfunktionen 24 Preisgestaltungsfreiheit 29 Preismissbrauch/predatory pricing 30 Preisrecht 34 Prüfung der Eignung 131 Prüfung des Preisrechts 194 Prüfungssystematik der Angebotsprüfung 41
Sachwortverzeichnis rechnerische Prüfung 46 rechnerische Vorprüfung 104 rechnerisches Nachvollziehen 109, 111 relativer Preis 23 Schutz des öffentlichen Haushalts 146, 151, 178 Selbstkostenpreis 38 Signalfunktion 24 spekulative Preise 196 Störung der Geschäftsgrundlage 248 Stundensätze 73 systemische Selbstreferenz 25
technische Prüfung 47 unangemessen hoher Preis 184 unwesentliche Einzelpositionen 125 VO PR 30/53 194 Vollständigkeit 76 Wettbewerbspreis 39 Wettbewerbsrecht 26 wirtschaftliche Prüfung 48 Wirtschaftlichkeitsbegriffe 198 Zuverlässigkeit 132
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