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German Pages [272] Year 2012
Britta Weimann Moselfränkisch
Rheinisches Archiv Veröffentlichungen der Abteilung für Rheinische Landesgeschichte des Instituts für Geschichtswissenschaft der Universität Bonn Gegründet von H. Aubin und Th. Frings Herausgegeben von M. Groten und C. Wich-Reif 157
Britta Weimann
Moselfränkisch Der Konsonantismus anhand der frühesten Urkunden
2012 BÖHLAU VERLAG W I E N KÖLN WEIMAR
Mit der Unterstützung des Fonds National de la Recherche, Luxemburg (FNR/12/AM4/51)
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Zugl. Dissertation, angenommen von der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn
Umschlagabbildung: Urkunde Hartrads von Schönecken vom 24. August 1340 (LHA Koblenz, Best. 54 S Nr. 286). © 2012 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Wien Köln Weimar Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem, säurefreiem Papier ISBN 978-3-412-20945-2
Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde 2009 von der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Für den Druck wurde sie leicht überarbeitet und ergänzt. Mein herzlicher Dank gilt meinem Betreuer Prof. Dr. Thomas Klein. Prof. Dr. Claudia Wich-Reif danke ich für die Übernahme des Korreferats, Prof. Dr. Manfred Kohrt für die Übernahme des Vorsitzes der Prüfungskommission sowie den Herausgebern Prof. Dr. Manfred Groten und Prof. Dr. Claudia Wich-Reif für die Aufnahme in die Reihe. Gedankt sei auch den Mitarbeiterinnen des Verlags für ihre Geduld und dem Fonds National de la Recherche (FNR) in Luxemburg für die großzügige Gewährung eines Druckkostenzuschusses. Herzlich danke ich meiner Familie und meinem Mann Thomas.
Inhalt
Vorwort ................................................................................................................. 5 1
Einleitung..................................................................................................... 9 1.1 Überlieferung des Moselfränkischen ............................................ 10 1.2 Forschungsstand ............................................................................... 14 1.3 Abgrenzung des Moselfränkischen................................................ 17 1.4 Textsorte Urkunde ........................................................................... 24
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Korpus ........................................................................................................ 28 2.1 Lokalisierung der Urkunden ........................................................... 31 2.1.1 Auswahlkriterien ..................................................................... 38 2.1.2 Korpusurkunden ...................................................................... 42 2.2 Korpusstruktur.................................................................................. 55 2.3 Verwendete Editionen ..................................................................... 59 2.4 Dateigrundlage und Annotationen ................................................ 62
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Methode ..................................................................................................... 66
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Auswertung des Quellenkorpus ............................................................. 73 4.1 Referenzphoneme ............................................................................ 73 4.1.1 *w* ............................................................................................. 73 4.1.2 *j* ............................................................................................... 78 4.1.3 *r*, *rr*...................................................................................... 81 4.1.4 *l*, *ll* ....................................................................................... 84 4.1.5 *m*, *mm* ................................................................................ 86 4.1.6 *n*, *nn* ................................................................................... 89 4.1.7 *p*, *pp* .................................................................................... 91 4.1.8 *ƀ*, *bb* .................................................................................... 97 4.1.9 *f*, *ff*, *ft* ............................................................................ 107 4.1.10 *k*, *kk*, *kw* ....................................................................... 115 4.1.11 *ǥ*, *gg* .................................................................................. 119 4.1.12 *h*, *hh*, *ht*, *hs* .............................................................. 129
4.1.13 *t*, *tt* .................................................................................... 139 4.1.14 *d*, *dd* .................................................................................. 151 4.1.15 *þ*, *þþ* .................................................................................. 170 4.1.16 *s*, *ss*, *sk* .......................................................................... 174 4.2 Graphien........................................................................................... 182 4.2.1 Graphien für Labiale .............................................................. 183 4.2.2 Graphien für Gutturale ......................................................... 191 4.2.3 Graphien für Dentale / Alveolare und Postalveolare ....... 200 4.3 Phoneme .......................................................................................... 211 4.3.1 Resonanten ............................................................................. 213 4.3.2 Fortisplosive ........................................................................... 214 4.3.3 Lenisplosive ............................................................................ 216 4.3.4 Fortisfrikative ......................................................................... 217 4.3.5 Lenisfrikative .......................................................................... 219 4.3.6 Affrikaten ................................................................................ 220 4.3.7 Oppositionen .......................................................................... 220 5
Zusammenfassung .................................................................................. 230
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Verzeichnisse .......................................................................................... 232 6.1 Notation ........................................................................................... 232 6.2 Abkürzungen ................................................................................... 233 6.3 Tabellen ............................................................................................ 235 6.4 Quellen ............................................................................................. 235 6.5 Abgekürzt zitierte Zeitschriften................................................... 242 6.6 Literatur ........................................................................................... 242
1 Einleitung
Das mittelalterliche Moselfränkische ist bisher weit weniger gut erforscht als der kleinere nördliche Teilraum des Mittelfränkischen – das Ripuarische. Das dürfte u. a. mit der ungünstigeren Quellenlage1 zusammenhängen. Einerseits steht das Mslfrk. mit dem Rip. in nordwestlichen Zusammenhängen2, andererseits orientiert es sich zunehmend in Richtung Süden. An der Entwicklung der Konsonanten lassen sich diese gegenläufigen Tendenzen besonders gut beobachten. Thema der vorliegenden Arbeit ist daher der Konsonantismus des Mslfrk., der exemplarisch an den frühesten Urkunden bis zur sprunghaften Zunahme der Überlieferung im zweiten Viertel des 14. Jh.s untersucht werden soll. Dabei werden nicht nur die Lautverschiebungsfälle geprüft, sondern das gesamte Teilsystem der Konsonanten3 mit besonderer Berücksichtigung der Auswirkungen der Lautverschiebung sowie anderer konsonantischer Wandel auf das Phonemsystem und seine Oppositionen. Um Unterschiede und Übergänge zum Ripuarischen im Norden und Rheinfränkischen und Hessischen im Süden und Osten sichtbar zu machen, werden auch Urkunden aus den Grenz- und Übergangsräumen des Moselfränkischen untersucht sowie vereinzelt rip., rhfrk., hess. und Texte anderer mhd. Schreibsprachen zum Vergleich herangezogen. Nach einem kurzen Überblick über die Überlieferungslage des Moselfränkischen der althochdeutschen und mittelhochdeutschen Zeit und den bisherigen Stand der Forschung wird die Abgrenzung des Moselfränkischen von den benachbarten Dialekträumen kurz umrissen. Es folgen einige Anmerkungen zu den Besonderheiten der Textsorte Urkunde (Kapitel 1). Im zweiten Kapitel steht die Lokalisierung der Urkunden, die
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Vgl. Klein (2000a: 14, 16 f.), Moulin (2006: 204) sowie das folgende Kapitel 1.1. Vgl. Klein (2000a: 15). Elmentaler (2003: 61) betont die Wichtigkeit einer gesamthaften Analyse historischer Schreibsprachen, die durchaus auf das vokalische oder konsonantische Teilsystem beschränkt sein kann.
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Einleitung
Definition des Untersuchungsgebietes und daraus folgend die Auswahl der zu untersuchenden Urkunden im Mittelpunkt. Bemerkungen zu den verwendeten Editionen, den Arbeitsschritten am Korpus und zur Methode (Kapitel 3) schließen den einleitenden Teil ab. Den Hauptteil der Untersuchung (Kapitel 4) bildet die Auswertung des Quellenkorpus aus zwei Blickrichtungen, zunächst ausgehend von einem am Westgermanischen orientierten lautlichen Referenzsystem, dann ausgehend von den häufigsten Graphien. Auf dieser Grundlage wird schließlich ein Phonemsystem rekonstruiert. Es folgt eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse.
1.1 Überlieferung des Moselfränkischen Die Überlieferung4 des Mslfrk. – sofern man in ahd. Zeit schon von einer Differenzierung des Mfrk. sprechen kann5 – beginnt bereits im 8. Jh. mit den Griffelglossen des ‚Maihinger Evangeliars‘ (*MaiEv)6 aus Echternach, bleibt in ahd. Zeit aber weitgehend auf Glossen und Namen7 beschränkt.
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Zur literarischen Überlieferung des Mfrk. von der Mitte des 12. bis zur Mitte des 15. Jh.s vgl. Beckers (1989), zum gesamten Schrifttum bis 1300 Klein (2000a: 14–17), zur Literatur des Rhein-Maas-Raumes (u. a. auch zum mslfrk. ‚Albanus‘) Tervooren (2006), speziell zur mittelalterlichen Literatur des Erzbistums Trier Embach (2007), zur mittelalterlichen Überlieferung des Luxemburger Raumes Moulin (2006: 203–205), zu den Urkunden Reichert (1997) und Rapp (2006). Vgl. Ahd. Gr. I, § 6 c: „Die Gliederung in das nördl. Ribuarische (Hauptort Köln) und in das südl. Moselfrk. wird erst in mhd. Zeit deutlicher fassbar.“ Das in der Afrk. Gr., § 2 zur Unterscheidung herangezogene Merkmal rip. rp gegen mslfrk. rf bildet sich erst später heraus. Noch in mhd. Zeit stehen beide im Rip. wie im Mslfrk. vereinzelt nebeneinander, wie Schützeichel (1974: 218–233) gezeigt hat. Selbst im Hess. ist rp vereinzelt belegt (vgl. Mitzka 1953: 143–151). Zu wgerm. *p nach Liquid vgl. auch 4.1.7 und 4.2.1. Vgl. BStK Nr. 275, allgemein zu den mfrk. Glossen Bergmann (1977), Klein (1977), Stricker (2006), speziell zu den Echternacher Glossen Glaser (1997), Glaser / MoulinFankhänel (1999), jeweils mit weiterer Literatur. Vgl. zu den (nieder-)rheinischen Personennamen des 9. bis 11. Jh.s Tiefenbach (1984), zu den rheinischen Ortsnamen bis 1200 Wirtz (1972).
Überlieferung des Moselfränkischen
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Zwar ist das ‚Trierer Capitulare‘8 wohl mslfrk., wie andere mfrk. Kleintexte9 ist es aber nur in bedeutend jüngeren Abschriften erhalten. Mit dem Übergang zum Mhd. verbessert sich die Überlieferungslage zunächst wenig: Die Sprache des ‚Arnsteiner Mariengebetes‘ aus dem 12. Jh. kann am ehesten als „nordrhfrk.-mslfrk“ (Mhd. Gr. III, S. 22) angegeben werden.10 Die eigentlich mslfrk. Werke des Pfaffen Lambrecht sind allesamt außerhalb Moselfrankens in Handschriften des späten 12. (Vorauer Hs.) und frühen 13. Jh.s überliefert. Daher zeigt der ‚Tobias‘ Merkmale eines hochdeutsch-niederdeutschen Schreibers11, die beiden Bearbeitungen des ‚Alexanderlieds‘ sind hess. (‚Straßburger Alexander‘) bzw. bair. (‚Vorauer Alexander‘).12 Umgekehrt sind auch einige nicht-mfrk. Texte wie der ‚Herzog Ernst (A)‘ in mslfrk. Handschriften des 13. Jh.s überliefert.13 Auch hier ist mit Sprachmischung zu rechnen. Die Handschriften der mslfrk. Kleindichtungen ‚Gothaer Fiebersegen‘14, ‚Christi Geburt‘15 und der Legende von ‚Albanus‘16 sind dem frühen 13. Jh. bis zur
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Vgl. HSC (http://www.handschriftencensus.de/20037, Michael Krug, letzter Zugriff: 15.05.2012), Tiefenbach (1975a), Schmidt-Wiegand (1995). Vgl. allgemein zur ‚Kölner Inschrift‘ und zu den Trierer Sprüchen Klein (2000a: 14). Vgl. PR (http://www.paderborner-repertorium.de/3688, Elke Krotz, letzter Zugriff: 15.05.2012), Kunze (1978), Mhd. Gr. III, Quellenkorpus. Vgl. Klein (2000a: 16). Vgl. Schröder (1985) zum Pfaffen Lambrecht und zu beiden Werken, HSC (http:// www.handschriftencensus.de/3680, letzter Zugriff: 15.05.2012) und Mhd. Gr. III, Quellenkorpus zur verbrannten Straßburg-Molsheimer Handschrift, MR (http:// www.mr1314.de/1432, letzter Zugriff: 15.05.2012) zur Vorauer Handschrift, zu den Stargarder Fragmenten, die Teile des ‚Tobias‘ enthalten, MR (http:// www.mr1314.de/1163, letzter Zugriff: 15.05.2012), zur Schreibsprache Klein (1982: 421–446; 1988: 134). Vgl. Klein (1988: 131 f., 134 f.; 2000a: 16), Beckers (1989: 25 f.), speziell zum ‚Herzog Ernst A‘ MR (http://www.mr1314.de/1146, letzter Zugriff: 15.05.2012), Szklenar / Behr (1981), Nachträge dazu in 2VL 11 (2004), 653. Vgl. MR (http://www.mr1314.de/1995, letzter Zugriff: 15.05.2012) mit weiterer Literatur. Vgl. MR (http://www.mr1314.de/1391, letzter Zugriff: 15.05.2012), Papp (1978), Murdoch-Stirling (2005), der ‚Christi Geburt‘ allerdings dem Rip., „possibly from the region of Cologne“ (a. a. O.: 68), zuweist.
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Einleitung
Jahrhundertmitte zuzurechnen. Vom Ende des 13. Jh.s stammen zwei westmslfrk. Texte in zeitnaher mslfrk. Überlieferung, das ‚Gebetbuch moselfränkischer Zisterzienserinnen‘ aus der Südeifel, um 1300 entstanden im Kloster St. Thomas an der Kyll17, und das ‚Leben der Gräfin Yolanda von Vianden‘.18 Die wohl ebenfalls mslfrk. Reimpaardichtungen vom Ende des 13. Jh.s ‚Minnehof‘, ‚Schlacht bei Göllheim‘, ‚Böhmenschlacht‘, ‚Turnier‘, ‚Ritterfahrt‘ und ‚Ritterpreis‘ eines unbekannten Verfassers19, sind in Fragmenten von vier Handschriften des frühen 14. Jh.s belegt. Nur Hs. D, die ‚Turnier‘, ‚Ritterfahrt‘ und ‚Ritterpreis‘ enthält, ist mslfrk. Die anderen drei sind rip. (F und K) bzw. rhfrk. (A).20
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Vgl. MR (http://www.mr1314.de/1544, letzter Zugriff: 15.05.2012), Morvay (1978), Nachträge in 2VL 11 (2004), 34. Vgl. HSC (http://www.handschriftencensus.de/8888, letzter Zugriff: 15.05.2012), Jungandreas (1957; 1980), Embach (2007: 539–542). Vgl. MR (http://www.mr1314.de/18718, Manuel Bauer, letzter Zugriff: 15.05.2012), Meier (1889), Jungandreas (1981), Nachträge in 2VL 11 (2004), 647 f., MielkeVandenhouten (1998), Berg (2001). Die Handschrift aus dem Kloster Marienthal galt seit der Auflösung des Klosters im Jahr 1783 (vgl. Meier 1889: VI) als verschollen, so dass die Edition von Meier (1889) noch auf der Abschrift von Wiltheim aus dem Jahr 1655 beruhen musste, vgl. die Notiz auf dieser ebenfalls verlorenen Handschrift: „[...] ex codice MS. Mariendalensi fideliter descripta a me Alexandro Wiltheim [...] Anno 1655“ (zitiert nach Meier 1889: III). Steffen (1932; vgl. auch Mielke-Vandenhouten 1998: 26 f.) meldete 1932 die Entdeckung der Handschrift im Archiv der Grafen von Ansemburg. Nach dem Zweiten Weltkrieg galt sie erneut als verschollen, bis sie 1999 wieder aufgefunden wurde (vgl. Berg 2000: 7). Eine neue, auf dem Codex Mariendalensis (heute Luxemburg, Bibl. Nationale, Ms. 860) beruhende handschriftentreue Ausgabe ist 2009 erschienen (Moulin 2009), vgl. auch Moulin (2000). Bach (1930: 161–165) vermutet, es handle sich um „Meister Zilies von Sayn“. Vgl. zu allen sechs Reimpaardichtungen Bach (1930) und Glier (1992) mit weiterer Literatur, zur Frankfurter Handschrift (F), die ‚Minnehof‘, ‚Schlacht bei Göllheim‘ und ‚Böhmenschlacht‘ enthält und Teil des ‚Korpus Mhd. Grammatik‘ ist (vgl. Mhd. Gr. III, Quellenkorpus), sieh MR (http://www.mr1314.de/2483, letzter Zugriff: 15.05.2012), zur Düsseldorfer Handschrift (D) MR (http://www.handschriftencensus.de/1947, Joachim Heinzle, letzter Zugriff: 15.05.2012), zum verschollenen Amsterdamer Fragment mit dem in F nicht enthaltenen Anfang der ‚Böhmenschlacht‘ MR (http:// www.mr1314.de/2482, letzter Zugriff: 15.05.2012). Das Kölner Fragment (K) mit einem Teil der ‚Ritterfahrt‘ lag Bach (1930) noch nicht vor, vgl. Bach (1932) und MR (http://www.mr1314.de/1978, Joachim Heinzle, letzter Zugriff: 15.05.2012).
Überlieferung des Moselfränkischen
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Mit der ‚Sühne von Thurandt‘21 von 1248 beginnt die bis zum Ende des Jahrhunderts schmale mslfrk. Urkundenüberlieferung. Erst im Laufe des 14. Jh.s nimmt die Produktion volkssprachlicher Urkunden langsam zu. In der Grafschaft Luxemburg findet der endgültige Übergang zum Deutschen als Urkundensprache erst zur Mitte des 14. Jh.s statt22, in Trier übersteigt die Zahl volkssprachlich-deutscher Urkunden die der lateinischen gegen Ende der Regierungszeit des Erzbischofs Balduin von Luxemburg (1308–1354).23 Klöster und Stifte des Mittelrhein-Moselgebiets beginnen zu dieser Zeit erst, vereinzelt deutschsprachig zu urkunden.24 An literarischen Texten entstehen im 14. Jh. vor allem kleinere Minnereden im Rheinland, darunter nach Beckers (1989: 43) auch einige moselfränkische, die allerdings häufig erst in Handschriften des frühen 15. Jh.s überliefert sind.25 Mit ‚Aristoteles und die Königin‘ ist ein frühes Spiel (um 1400)26 erhalten. Die Handschrift stammt allerdings erst aus dem zweiten Drittel des 15. Jh.s und enthält weitere mslfrk. Kleindichtungen wie das knapp 1 000 Verse umfassende ‚Moselfränkische Katharinenspiel‘.27 Im 14. Jh. gibt es durchaus mslfrk. Handschriften zu bekann-
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= Urkunde Nr. 0009 in Friedrich Wilhelms maßgeblicher Edition der frühesten Urkunden (‚Corpus der altdeutschen Originalurkunden bis zum Jahr 1300‘), erneut abgedruckt mit einzelnen Korrekturen, Abbildung und Kommentar in Gärtner / Holtus (1995b: 16–23, 38) und Rapp (2006: 290–292), vgl. auch Klein (1994: 231–240). Nach Klein (a. a. O.: 231, Anm. 39) steht Urkunde 0009 „ganz außerhalb der mittelfränkischen (zumindest nordmittelfränkischen) Schreibsprache des 13. Jahrhunderts.“ Vgl. Reichert (1997: 455–461), Rapp (2006: 286). Vgl. Langer (1971: 422–436, v. a. 427, 432). „Zum Aufkommen der deutschen Sprache in den Urkunden“ vgl. auch Schützeichel (1974: 16–41), zusammenfassend zur Entwicklung der deutschsprachigen Urkunde in der Trierer Kanzlei unter Balduin Ames (1976: 19–26). Vgl. Langer (1971: 433). Vgl. zu den rheinischen Minnereden Rheinheimer (1975), zusammenfassend Beckers (1989: 43 f.), Tervooren (2006: 177–188), eine Übersicht über die gesamte mhd., mndd. und mndl. Überlieferung bei Brandis (1968). Vgl. Beckers (1989: 42). Zur Handschrift vgl. HSC (http://www.handschriftencensus.de/4147, Klaus Graf, letzter Zugriff: 15.05.2012), zu ‚Aristoteles und die Königin‘ Springer (1982), Simon (2004), zum ‚Katharinenspiel‘ Jefferis (1987; 2007).
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Einleitung
ten obd. Texten wie z. B. zum ‚Willehalm‘ Wolframs von Eschenbach28, aber keine in Moselfranken entstandenen Großtexte.29 Umso wichtiger für die Erforschung des Mslfrk. sind die Urkunden des 14. Jh.s und weitere Zeugnisse des aufkommenden Rechts- und Verwaltungsschrifttums wie die Luxemburger Kontenbücher30, die ab 1388 überliefert sind.
1.2 Forschungsstand Arbeiten zum Mslfrk. des Hoch- und Spätmittelalters31 sind nicht sehr zahlreich. Hervorzuheben sind Meier (1889) zur ‚Yolanda‘ und Bach (1930) zur ‚Schlacht bei Göllheim‘, die neben einer Edition auch eine Untersuchung des Gesamttextes bieten. Hinweise zur Sprache einzelner Texte finden sich in Schützeichel (1955c) zum ‚Arnsteiner Mariengebet‘, Klein (1994) zum Münchener Prosa-Lancelot32 und zu Urkunde 000933 des
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Zur Rezeption der höfischen obd. Literatur im Rheinland vgl. Beckers (1989: 35–37), zum mslfrk. ‚Willehalm‘-Fragment vgl. MR (http://www.mr1314.de/2095, letzter Zugriff: 15.05.2012) mit weiterer Literatur. Beckers (1989: 22) bemerkt dazu, „daß sich der mittelfränkische Südteil (Moselfranken) ab der Mitte des hier darzustellenden Zeitraums [d. i. 1150–1450] zunehmend aus den alten Bindungen an den Norden löst und sich stärker zum hochdeutschen Süden hin orientiert“. Vgl. dazu auch Mattheier (2003: 2720). Edition Moulin / Pauly (2007–2010). Vgl. die kürzlich erschienene graphematischphonematische Analyse der Rechnungsbücher (Ravida 2012). Zu Beschreibungen rezenter mslfrk. Dialekte, die wie Sprachatlanten für die Analyse historischer Texte durchaus nützlich sind, vgl. die Fachbibliographien von Wiesinger / Raffin (1982), Wiesinger (1987), Newton (1993), Hoffmann (1994), zur Erforschung des rezenten Luxemburgischen die Sammelbände von Moulin / Nübling (2006) und Gilles / Wagner (2011) sowie die Online-Bibliographie BiblioLux (http://engelmann.uni.lu/bibliolux/index.php, letzter Zugriff: 15.05.2012). Obwohl die Schreibsprache des Fragments „ganz außerhalb des gewöhnlichen mittelfränkischen Schreibgebrauchs“ (Klein 1994: 231) steht, kann sie am ehesten als mslfrk. bestimmt werden (vgl. Klein 2000a: 17, Anm. 22). Einige ihrer Merkmale finden sich in mslfrk. Urkunden wieder wie h-Anlaut beim Pronomen der 3. Person außerhalb des Nom. Sg. mask. und beim Poss.-Pron. (hit, hyre; 390530 R, Herr v. Kronenburg – Herr v. Falkenstein; hin, 181224, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier), vereinzelt auch
Forschungsstand
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Wilhelmschen ‚Corpus‘, in Christmann (1996; 2001), Lawson (1997) und Mielke-Vandenhouten (1998: 36–51) zur ‚Yolanda‘ sowie in Jeske (1974: 74–148) zu einer mslfrk. Plenarhandschrift aus dem Jahr 1464, die für die Datierung der Diphthongierung34 von mhd. ī – ǖ – ū35 im Mslfrk. von Bedeutung ist. Eine Darstellung zur Urkundensprache bietet Schützeichel (1974) zu „einem Gebiet, das sich um den Zusammenfluß von Mosel, Rhein und Lahn rheinabwärts bis zur Ahrmündung, lahnaufwärts bis Arnstein an der Lahn und moselaufwärts bis Cochem erstreckt“ (a. a. O.: 1 f.), das sich also zum Teil mit dem Mslfrk. deckt. Ames (1976) und Langer (1985) behandeln die Urkunden der erzbischöflichen Kanzlei unter Balduin von Luxemburg, Rapp (2006: 288–296) frühe Luxemburger Stücke, Schares (2005) Urkunden aus Schönecken (Eifel), Schellenberger (1974) und Habscheid (1997)36 die Kölner Urkunden. Kommentare zu einzelnen mfrk. Urkunden, darunter auch moselfränkischen, finden sich bei Bohn / Rapp (1995b: 263–283), Gärtner / Holtus / Rapp / Völker (1997: 107– 126) und Rapp / Rosenberger (2003: 378–381). Die Auswertungen des ‚Wilhelm-Corpus‘ von Gleißner / Frings (1941) und Klappenbach (1944/1945) enthalten ebenfalls Wichtiges zu den mfrk. Urkunden des 13. Jh.s.
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am Mittelrhein (Waldeck / Schöneck, Braunshorn): hime, hin, hiren (N 282, Ausst. Herr v. Waldeck; Brüder v. Schöneck); hir, hiren (051213, Johann, Herr v. Braunshorn – Vögte v. Senheim); hẏme, hẏren, hirme (241111, Ritter v. Senheim – Johann, Herr v. Braunshorn). Ähnlich ist auch d für wgerm. *d nach r keineswegs auf den mslfrk. Westrand beschränkt (geburde, 2787, Herst. Gf. v. Katzenelnbogen; geburde, 270312, Herst. Sponheim-Starkenburg). Zu den Ähnlichkeiten mit Urkunde 0009 und der ‚Yolanda‘ sowie zur Schreibsprache des ‚Lancelot M‘ vgl. Klein (1994). Zu den zitierten Urkunden vgl. Kap. 2.1.2, zur Notation der Belege Kap. 6.1. Vgl. Anm. 21. Vgl. unten S. 18. Zur Notation des Mhd. vgl. Kap. 6.1. Neben Habscheids flexionsmorphologischer Untersuchung der Urkunden Gottfried Hagens ist für die mfrk. Pronomina Zelissen (1969) maßgeblich. Trotz des Untertitels ‚Beiträge zu einer mittelripuarischen Grammatik‘ behandelt Zelissen auch mslfrk. Quellen.
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Einleitung
Einen guten Überblick über das gesamte Mfrk. bietet immer noch Theodor Frings’ ‚Rheinische Sprachgeschichte‘ (Frings 192237). Neuere Zusammenstellungen der wichtigsten sprachlichen Merkmale des Mfrk. finden sich bei Beckers (1980), in der 25. Aufl. der Mhd. Grammatik (Paul, Mhd. Gr., § E 34–40) und vor allem in dem Sammelband ‚Rheinische und westfälische Sprachgeschichte‘ (Macha / Neuß / Peters 2000), für die Zeit bis 1300 Klein (2000a), bis 1500 Möller (2000), v. a. zum mfrk. Vokalismus auch Klein (1982; 1993; 1995; 2000b), für die rezenten mfrk. Dialekte Wiesinger (1983a: 855–859), mit besonderer Berücksichtigung des Luxemburgischen Newton (1990). Interessant sind außerdem zwei ältere, wenn auch nicht immer unproblematische Arbeiten von Bruch (1953; 1954) zum Luxemburgischen38 sowie die vergleichende Untersuchung von Huss (1908). Die wenigen altmfrk. Quellen werden in Francks Afrk. Gr. behandelt. In der neu entstehenden mhd. Grammatik (s. Mhd. Gr. III) ist das Mslfrk. v. a. durch die ‚Yolanda‘ (*Yol)39 vertreten.40 Wegen der immer noch großen Nähe des spätmittelalterlichen Mslfrk. zum Rip. sind auch die meist auf Köln beschränkten Arbeiten zum Rip. wie W. Müller (1912) zum rezenten Stadt- und Landkölnischen41 im Vergleich zu Kölner Quellen des 12. bis 18. Jh.s, Hoffmann (1988) zur Kölner Stadtsprache und Mihm (1999), ebenfalls zu Köln, interessant. Nützliche Beschreibungen einzelner rip. Werke, die oft neben einer Edition zumindest einige Bemerkungen zur Sprache enthalten, sind Wüst (1909) zur ‚Lilie‘, v. a. Dornfeld (1912) zu Gottfried Hagens ‚Reimchronik der Stadt
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Ähnlich auch Frings (1926). Vgl. auch die Arbeiten von Palgen (1931; 1948). Alle Textkürzel und Urkundennummern, die mit einem Stern gekennzeichnet sind, gehören nicht zum Untersuchungskorpus und werden nur zum Vergleich herangezogen. Vgl. zum Korpus 2.1.2, zu den Vergleichstexten 6.4. Nicht rein mslfrk. sind dagegen ‚Schlacht bei Göllheim‘, ‚Böhmenschlacht‘ und ‚Minnehof‘ der Handschrift D (*Göll) sowie das ‚Arnsteiner Mariengebet‘ (*ArnM), sieh oben S. 11 und 12. Die Prager Hs. P der ‚Rede von den 15 Graden = Buch der Minne‘ (*BuMi) ist gegen Garbe (1969) und Ruh (1993) weder mslfrk. („zwischen Boppard und Eberbach-Mainz“ Garbe 1969: 121) noch rhfrk.-mslfrk. (Ruh 1993: 233), sondern rip. (Klein 1982: 8), vgl. auch Mhd. Gr. III, Quellenkorpus. Zum rezenten Rip. s. auch Münch (1904).
Abgrenzung des Moselfränkischen
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Köln‘ 42 neben Neuß (1969) und Rapp (1995: 11–16) zum Düsseldorfer Fragment, Bach (1934) zum ‚Rheinischen Marienlob‘, Åsdahl Holmberg (1954) zur Karlmeinet-Kompilation, Zandt (1973) und Tiefenbach (1975b) zu ‚Karl und Galie‘, Frings / Linke (1976) zu ‚Morant und Galie‘, Beckers (1988) zu ‚Karl und Galie‘ und ‚Morant und Galie‘, Dussart-Debèfve (1969) zu den Predigten Johannes Taulers, Langenbucher (1970) zum ‚Kölner Judenschreinsbuch‘, Bergmann (1977) zu den mfrk. Glossen, Beckers u. a. (1991) zum ‚Rheinischen Merlin‘, Gärtner (1994) zu den Kölner Schreinsbüchern und Hoffmann / Klein (2005) zur Ursulalegende.
1.3 Abgrenzung des Moselfränkischen Rip. und Mslfrk. unterscheiden sich in mhd. Zeit noch weniger deutlich als die rezenten Dialekte.43 Die schriftlichen Quellen dieser Zeit sind ein-
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Mit Gärtner / Rapp / Welter (2008) ist eine neue Edition des Textes erschienen. Sie enthält Parallelabdrucke der Koelhoffschen Chronik von 1499 und Heinrich von Beecks ‚Agrippina‘ (1469–1472), die beide auf Gottfried Hagens Reimchronik beruhen (vgl. Dornfeld 1912: 2 f.; Beckers 1989: 46 f.). Vgl. Ahd. Gr. I, § 6 c; Paul, Mhd. Gr., § E 38. Dagegen impliziert Wiesingers (1970, II: 41– 46; modifiziert 2008: 54–69) Rekonstruktion der mfrk. Vokalsysteme mit dem Ansatz einer frühen mslfrk. Diphthongierung von mhd. ī – ǖ – ū, die er an anderer Stelle (vgl. Wiesinger 1980: 133; 2003: 2449) auf den Beginn des 12. Jh.s präzisiert (zurückhaltender Wiesinger 2008: 67), eine ebenso frühe Trennung von Rip. und Mslfrk. Schreibsprachlich schlüge sich diese Diphthongierung allerdings lange nicht nieder, vgl. die Kritik bei Klein (1993: 41–48) und Paul, Mhd. Gr., § L 17. Ebenso problematisch ist die angenommene Entwicklung von rip. ē direkt aus ie ohne die anzunehmende Zwischenstufe rip. , die schreibsprachlich als ‹i› gut bezeugt ist (vgl. Klein 1993: 43). In seiner modifizierten Rekonstruktion nimmt Wiesinger (2008: 54–69 u. bes. 74–76) dagegen eine Zweiteilung des Mslfrk. an mit einer früh diphthongierenden Südhälfte und einer erst nach der Senkung von Monophthongierungs– > ē diphthongierenden Nordhälfte, die sich erst durch die vollständig (also auch außerhalb der Hiatposition) erfolgte Diphthongierung vom Rip. löst. Dabei entspricht die von Wiesinger angenommene Entwicklung der Nordhälfte etwa bis zur Diphthongierung weitgehend dem Alternativvorschlag von Klein (1993: 51), der allerdings für das gesamte Mfrk. (und das Zentralhess.) gilt.
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Einleitung
ander noch so ähnlich, dass eine gemeinsame mfrk. Schreibsprache44, die „durch variable Bündel gemeinsamer schreibsprachlicher [...] Merkmale zusammengehalten“ (Paul, Mhd. Gr., § E 9,5) wird, angenommen werden kann. Ein Teil der Unterscheidungsmerkmale, die Wiesinger (1983a: 855– 859) aufgrund struktureller Überlegungen für die rezenten Dialekte nennt, bildet sich erst spät aus, so zum Beispiel die Umlautentrundung, deren Nordgrenze innerhalb des nördlichen Mslfrk. verläuft45, oder ist in den spätmittelalterlichen Quellen kaum fassbar wie die Entwicklung der Gruppe –nd–, die rip. velarisiert46, mslfrk. dagegen assimiliert wird. Eine genaue Datierung ist in all diesen Fällen schwierig. Umstritten ist auch, wann die Diphthongierung von mhd. ī – ǖ – ū einsetzt. Im rezenten Rip. gelten wie in einem Nordstreifen des Mslfrk. nur auslautend und im Hiat Diphthonge, während das restliche Mslfrk. in allen Positionen diphthongiert hat.47 Erste sichere Diphthongierungsbelege finden sich in Handschriften des 15. Jh.s.: *Plenar (1464)48: freyen (31va), vreye (32va), frey (118ra), dreyerley (56va), kirchweyonge (169va), weijs (149ra), schreyuer (129vb)49, beuwer (102va),
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Hier verstanden im Sinne von „zumeist großräumig geltenden regionalen Schreibsprachen“ (Paul, Mhd. Gr., § E 9,5). Daneben lässt sich auch die spezifische Merkmalrealisierung durch einen einzelnen Schreiber als Schreibsprache („im engeren Sinne“, Lenz-Kemper 2008: 37) ansprechen. Zum Begriff ‚Schreibsprache‘ vgl. auch Besch (1983: 964). Die rezenten Dialekte setzen die gesprochene Sprache früherer Zeitstufen fort. Da sich die mittelalterliche Sprechsprache nicht direkt aus der einzig überlieferten geschriebenen Sprache ableiten lässt, sind Vergleiche zwischen den rezenten Dialekten und historischen Schreibsprachen nur unter Vorbehalt möglich. Zu diastratischen Unterschieden vgl. Wiesinger (2008: 23 f.). Vgl. Wiesinger (1983a: 857 und Karte 47.10; 1983b); Paul, Mhd. Gr., § L 25; Frnhd. Gr., § L 36; V. Moser, Frnhd. Gr. I.1, § 65. Die Datierung der Umlautentrundung im Mslfrk. ist problematisch, vgl. Wiesinger (1970, II: 44; 1983b). Zur Velarisierung vgl. unten S. 156. Vgl. Wiesinger (1970, III: Karten 2–6; 2008: 29–35). Vgl. oben S. 15. Die Belege stammen teils aus Jeskes (1974: 83–85, 90 f.) Untersuchung der Plenarhandschrift, teils aus den Auszügen, die er (a. a. O.: 152–199) nach der Handschrift abdruckt, vgl. dazu besonders Klein (1993: 50). Die Datierung bezieht sich hier und bei den folgenden Texten stets auf die Handschrift. Auch ‹e› in wele und stege (27va) kann wohl als Diphthongierungszeichen gewertet werden, vgl. Klein (1993: 50), anders Jeske (1974: 83), der Kürzung vermutet.
Abgrenzung des Moselfränkischen
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bouden (zu būwen) (47ra), nouwe (28ra), rouwen (40va)50, getreuwe (38rb und öfter), erneuwet (23ra)51 *LArnst (letztes Drittel 15. Jh.): verleye (zu verlīhen) (245,14), fleyss (247,2), streythaftich (247,15 f.), weise (251,1), bauwe (252,4), leybe (252, 14), weydt (257,15), speysse (265,1)
Einzelne Wortformen mit den Schreibungen ‹ei›, ‹eu› und ‹au›, die wie Diphthongierungsfälle aussehen, kommen auch in früheren Texten, v. a. in Urkunden, vor:
neuwe (0904, Wirich v. Daun – Wilhelm Bozzel v. Stein, 1287) drein (zu drī, 180823.152, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) kath’einē (PN53, 201125.1, Ritter v. Lewenstein – Johann der Blinde54,
Kg. v. Böhmen, Gf. v. Luxemburg) dreu (zu driu, 220118, Luxemburger Rittergericht) reiche (250609, Herst. Johann der Blinde, Kg. v. Böhmen, Gf. v. Luxemburg) zeit (390704 und 400824, beide Herst. Hartrad v. Schönecken)55
Nicht hierher gehören ‹ou›-Schreibungen für mhd. ū in westmslfrk. Urkunden, die sich auf frz. Schreibgebrauch zurückführen lassen56, wie in godſhouſen (0009, Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a., 1248), Douſint (1577, Hzg. v.
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nouwe und rouwen könnten auch ältere mfrk. Nebenformen fortsetzen, vgl. Bach
(1930: 72 f.), Klein (1993: 50, Anm. 40), weitere Belege bei Weinhold, Mhd. Gr., § 133. Weitere Belege bei Jeske (1974: 90 f.) und Klein (1993: 50), s. auch a. a. O.: 50, Anm. 40. Die Urkunden mit sechs- bzw. siebenstelliger Nummer stammen aus der elektronischen Edition ‚Mittelfränkische Urkunden, 1300 bis 1330‘ von Andrea Rapp, s. unten S. 42 und Abschnitt 2.3. Sie bilden das Ausstellungsdatum der Urkunde in der Form Jahr (zweistellig) – Monat – Tag ab, also 23. August 1318. Ein ähnlicher Fall ist vielleicht (ſente) Matheẏs (*010223, Bonn, Koblenz), vergleichbar mit der heute diphthongischen Aussprache des Namens der Benediktinerabtei St. Matthias / Mattheis in Trier. Urkunden mit Beteiligung Johanns des Blinden wurden nur dann aufgenommen, wenn die andere Urkundspartei aus dem mslfrk. Raum stammt. Dennoch sind in seinen Urkunden fremde Schreibeinflüsse eher erwartbar. Urkunde 400824 ist auf dem Umschlag abgebildet. Der Beleg zeit findet sich in Zeile 7. Vgl. Jungandreas (1969: 572–574), Klein (1993: 46, Anm. 20), Klein (1994: 232, Anm. 44), Gärtner / Holtus / Rapp / Völker (1997: 120).
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Einleitung
Lothringen – Gf. v. Veldenz, 1292), douſint (N 536, Gf. v. Veldenz – Hzg. v. Lothringen, 1292). Anders zu erklären sind wohl auch trowe / trouwe57 für triuwe in älteren rip. Urkunden.58 Es fällt auf, dass beinahe alle fraglichen Diphthongierungsfälle aus dem westmslfrk. Raum kommen, wo die Voraussetzungen für die Verschriftlichung von neuerem Lautwandel durch die Nähe zur Sprachgrenze und die noch kaum ausgebildeten Schreibtraditionen sicherlich besonders günstig waren.59 Eine Konzentration auf den Hiat60 und Auslaut als Anzeichen einer Frühphase der Diphthongierung, auf der das rezente Rip. und Nordmslfrk. stehengeblieben wären, zeigt allerdings nur *Plenar. Auch wenn die aufgeführten digraphischen61 Schreibungen der Urkunden für mhd. ī – ǖ – ū wegen ihrer Isoliertheit nicht ohne weiteres als Diphthongierungsbelege gelten können, ist es zumindest nicht auszuschließen, dass sich hier eine frühe mslfrk. Diphthongierung vereinzelt schon niederschlägt, wie Ramge62 sie anhand einzelner Belege des 14. Jh.s wie Newenb(er)g63 (1312) und sweyn (1355) auch für das Hessische der ersten Hälfte des 14. Jh.s annimmt. Eine mslfrk. Diphthongierung vor dem 16. Jh.64 wird auch durch Wiesingers (1970, II: 41–46; 2008) strukturelle Erwägungen gestützt.
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Z. B. trowe, trowen in Urkunde *0056 (Jülich, Köln, 1262), trouwen (*0069 A, Schr. Gottfried Hagen / Köln, 1263). Sieh oben Anm. 51. Vgl. Klein (1993: 45 f.). Zu frühen rip. Belegen für die Hiatusdiphthongierung im ‚Kölner Orientbericht‘ von 1410/1420 vgl. Möller (2000: 58), z. B. dreyer. Zur Terminologie vgl. unten Abschnitt 3. Vgl. Ramge (1991) und zusammenfassend mit den zitierten Belegen Ramge (2003: 2737) sowie Steffens (2005: 217–223). In runden Klammern stehen aufgelöste Abkürzungen der Handschrift. Vgl. zum Aufkommen von Diphthongierungsbelegen im Wmd. des 16. Jh.s u. a. V. Moser, Frnhd. Gr. I.1, § 77, und Frnhd. Gr., § L 31,1. Auch Schützeichel (1974: 115– 124) findet in seinen Urkunden des Koblenzer Raumes erst für das frühe 16. Jh. Diphthongierungsbelege, die sich bis etwa 1580 vollständig durchsetzen (vgl. a. a. O.: 120). Er rechnet aber mit einer deutlich früheren sprechsprachlichen Durchführung der Diphthongierung (vgl. a. a. O.: 121 f.).
Abgrenzung des Moselfränkischen
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Wiesingers (1983a: 855–859) Einteilung der rezenten Dialekte beruht vor allem auf systemisch wichtigen Erscheinungen der Morphologie und Phonologie65, auch auf suprasegmentalen Merkmalen wie der Rheinischen Akzentuierung66, die das Mfrk. als „sprachliche[s] Hauptkennzeichen“ (Klein 2000a: 5) mit weiten Teilen des Rhein-Maasländischen67 gegen das Westfälische im Nordosten, das Brabantische im Nordwesten, das Rheinfränkische68 und Hessische im Süden und Osten abgrenzt. Da die Entstehungszeit der beiden Tonakzente strittig ist69 und sie sich in den schriftlichen Quellen kaum fassen lassen70, können sie für die historischen Sprachstufen nicht als Abgrenzungskriterium dienen.
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69 70
Vgl. Wiesingers (1983a: 810–814) Überlegungen zu einer strukturellen Einteilung der Dialekte, die „im Idealfall auch alle sprachlichen Teilsysteme berücksichtigen“ (a. a. O.: 810) müsste, sich aus pragmatischen Gründen aber meist auf Phonologie und Morphologie konzentriert. Vgl. Frings (1916; 1934), Bach (1921), Wiesinger (1970, Bd. 1: 62–67), Schmidt (1986), Goossens (1998), de Vaan (1999), Gilles (2002), Schmidt (2002), Schmidt / Künzel (2006), Kortlandt (2007), Reitz (2011), Werth (2011) und Davis (2008: 432–434), der die Rheinische Akzentuierung wie u. a. schon Lerchner (1971: 258–267) mit der Zweiten Lautverschiebung in Verbindung bringt, was eine sehr frühe Datierung der noch nicht bedeutungsunterscheidenden Tonakzente implizierte. Zum Begriff vgl. Mihm (1992: 88–94), zur Sprachgeschichte des Rhein-Maasländischen Elmentaler (2000) und Mihm (2000). Die Einteilung und Bezeichnung der Dialekträume folgt Wiesinger (1983a: 849–851); demnach gelten nur die Dialekte südlich der Linie Rhein-Main-Kinzig als rheinfränkisch. Nördlich dieser Linie schließen sich das Zentralhessische, Nordhessische und Osthessische an. Alle drei Teilräume, v. a. das Zentralhessische, weisen vielfältige alte Gemeinsamkeiten mit dem Moselfränkischen auf, orientieren sich später aber teils in Richtung des Ostfränkischen (Osthessisch) bzw. Thüringischen (Nordhessisch). Die traditionelle Zusammenfassung des Hessischen mit den südlich angrenzenden Dialekten in einen rheinfränkischen Gesamtraum beruht v. a. auf dem Lautverschiebungsstand (vgl. ebd.). Vgl. Klein (2000a: 8). Vgl. dazu allerdings Mihm (2002; 2004b: 371–376), der von der Folgekonsonanz und Silbenstruktur abhängige Vokalgraphien in der ‚Agrippina‘ Heinrichs von Beeck auf die rheinische Akzentuierung zurückführt. Da die hierfür anzunehmende Verteilung der Tonakzente von der der rezenten Dialekte abweicht, hält Mihm (2004b: 375) „neuzeitliche Einebnung“ oder „eine alte Differenz zwischen Basisdialekt und Akrolekt“ für möglich. Kritisch dazu Schmidt (2002: 214) und Wiesinger (2005: 407, Anm. 2).
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Einleitung
Die traditionell zur Einteilung der deutschen Dialekte herangezogenen Lautverschiebungslinien 71 spielen bei Wiesinger (1983a) ebenfalls eine Rolle, sind aber nie alleiniges Kriterium.72 So ist z. B. die dat / daȥ– Linie als Südgrenze der ausgebliebenen Verschiebung von wgerm. *t bei einer sehr begrenzten Anzahl von Wortformen (dat, wat, dit, it, allet73) für die Phonemsysteme des Mslfrk., Rhfrk. und Hess. kaum von Bedeutung. Wichtiger ist der Gegensatz von erhaltenem Frikativ (v, auslautend f) aus wgerm. *ƀ im rezenten Mslfrk. und damit verbunden der Zusammenfall der Fortsetzer von wgerm. *ƀ (mit *f) und *p im Auslaut (kǫr(ə)f – [darf –] dǫr(ə)f; leif – breif) gegen Plosiv b bzw. aus b neu entstandenes w im Rhfrk. und Hess. mit Bewahrung der Opposition im Auslaut (kǫr(ə)b : [darf –] dǫr(ə)f; līw / līb : brīf).74 Ähnlich führt die unterbliebene Verschiebung von
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74
Zur Zweiten Lautverschiebung im Wmd. vgl. unten Anm. 78. Zur Überschätzung der Zweiten Lautverschiebung als Einteilungskriterium vgl. Frings (1922: 253), Beckers (1980: 468 f.), Wiesinger (1983a: 811). Unverschobenes wgerm. *t im Nom. / Akk. Sg. neutr. ist nicht auf den Artikel bzw. die Pronomina dat, wat, dit und it sowie allet beschränkt: eynt, eẏnt (beide 140310, Gf. v. Veldenz – Gf. v. Sponheim-Starkenburg); eynet (231110 R, Nikolaus Frubose v. Ulmen – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier); eẏnt (241111, Ritter v. Senheim – Johann, Herr v. Braunshorn); andirt (280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier); welcht (480731, Herst. Hartrad v. Schönecken); ingeind (*Alb, 2); minninclichyt (*Zist, O 1); Ẏglichet (477), reinet (168), leuet (zu liep, 253), lẏuet (580), iunget (2626), groſcet (2647, alle *Yol); auch rip.: ſelft (u. a. *290727, Ebf. v. Köln – Stadt Köln); selvet (*PrKKl, 46,26); weyngit (14v, 18v), weniget (154v), ydelt (zu ītel, 90v, alle *Taul). Nur in den beiden westmslfrk. Texten *Zist und *Yol begegnet -(ə)t auch bei attributiven Adjektiven wie in minninclichyt lyef (*Zist, O 1) und ẏr iunget herce (*Yol, 2626), ansonsten gilt -(ə)t wie in den meisten rezenten mfrk. Dialekten nur beim substantivierten Adjektiv, vgl. Meier (1889: XLIX f.), Dornfeld (1912: 223 f., auch zum rezenten Rip.), Habscheid (1997: 107), Weimann (im Druck) und Schirmunski (2010: 334, 528 f.), der die rezenten mfrk. – v. a. mslfrk. – substantivierten Adjektive auf -(ə)t wie die vergleichbaren (dort auch attributiv gebrauchten) Formen verschiedener nd. Dialekte auf obd. Einflüsse zurückführt, da das Mfrk. im Nom. / Akk. Sg. neutr. (wie überhaupt im Nom. Sg. aller Genera) ursprünglich keine stark-pronominale Endungen gekannt habe (vgl. auch Klein 2000a: 25). Die Beispiele für wgerm. *ƀ und *p nach Liquid und von wgerm. *ƀ und *f (dessen Entwicklung sich entlehntes lat. breve anschließt, vgl. Kluge / Seebold, EWB, s. v. Brief)
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wgerm. *p nach Liquid im Rip. zu der Opposition kǫr(ə)f [– darf] : dǫr(ə)p (dorp / dorf-Linie). Die „Masse der [Lautverschiebungs-]Fälle“ lag vermutlich nicht erst „[U]m 1000 [...] südlich Köln“, wie Frings (1957: 15)75 meinte, dennoch ist ihre Weiterentwicklung in ahd. Zeit noch längst nicht abgeschlossen, der Stand der rezenten Mundarten noch nicht in allen Einzelheiten erreicht. Dies zeigt sich vor allem bei wgerm. *d nach *r und im Präteritalsuffix sowie beim mfrk. Nebeneinander von verschobenem f und unverschobenem p nach Liquid, das sich erst in mhd. Zeit vollständig zu seiner heutigen Verteilung auflöst.76 Weitere Entwicklungen im Bereich der Lautverschiebung wie die Zunahme von daȥ statt dat nördlich der heutigen dat / daȥ-Linie können wohl nur als rein schreibsprachliche Überschichtung erklärt werden.77 Im Zusammenhang mit der Kontroverse um die Entstehung und Ausbreitung der Zweiten Lautverschiebung 78 lag der Schwerpunkt bei sprachlichen Untersuchungen des Mfrk. häufig auf den Lautverschiebungsfällen 79 und mehr noch auf den Ausnahmen. Das Mslfrk. wurde selten berücksichtigt. Eine Ausnahme ist Schützeichel (1974), der neben den typisch mfrk. Kennformen80 wie na, van, tuschen und bit auch verschiedene vokalische und konsonantische Lautwandel-
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nach Vokal stammen aus Wiesinger (1983a: 848, 857, Karten 47.8, 47.10), zum Hess. s. auch Wiesinger (1980). Vgl. auch a. a. O.: 38. Vgl. unten die Abschnitt 4.1.7 und 4.2.1. Vgl. dazu Schützeichel (1974: 42–55 und passim). Vgl. zur Zweiten Lautverschiebung im Westmitteldeutschen v. a. Schützeichel (1965; 1974; 1976; 1979), Heinrichs (1967), Lerchner (1971), Kuhn (1976), Bergmann (1977; 1983), Goossens (1978), Simmler (1981; 1986), Tiefenbach (1984), Klein (1990), Venema (1997), Wolf (2007), Davis (2008); zur allgemeinen jüngeren Diskussion außerdem Davis / Iverson / Salmons (1999), Schwerdt (2000) und Goblirsch (2005), der die Zweite Lautverschiebung im Zusammenhang mit ähnlichen konsonantischen Entwicklungen in anderen germanischen Sprachen sieht. So z. B. Schellenberger (1974), die in ihrer Untersuchung der Kölner Schreibsprache des 13. Jh.s beinahe ausschließlich die Verschiebung von wgerm. *p, *t und *k diskutiert. Vgl. auch Klein (1982: 11, Anm. 57). Zu den mfrk. Kennformen vgl. Schützeichel (1974), Klein (2000a: 17) mit weiterer Literatur.
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phänomene des Mslfrk. um Koblenz81 untersucht. Dabei ergeben sich gerade hier interessante Fragestellungen wie die der bereits erwähnten Ausbreitung von ‹t›-Schreibungen für wgerm. *d.
1.4 Textsorte Urkunde Urkunden sind der schriftliche Niederschlag eines Rechtsgeschäftes. Sie folgen einer festgelegten Form, dem Urkundenformular, und sind durch Zeugen und / oder Siegel beglaubigt.82 Als Material zur Erforschung des mittelalterlichen Moselfränkischen bieten sich Urkunden unter anderem deshalb an, weil sie im Vergleich zu sonstigen Quellen in größerer Zahl vorhanden sind und nicht nur wie diese einen punktuellen Zugriff auf einzelne Schreiborte bieten, sondern eine größere Vielfalt verschiedener Ortspunkte überliefern.83 Sie sind in den meisten Fällen genau datiert. Der zeitliche Abstand zwischen Textentstehung und Niederschrift, der bei Handschriften anderer Textsorten mehrere hundert Jahre betragen kann84, ist bei Originalurkunden äußerst gering. Damit fällt auch das Problem der Sprachmischung durch mehrere Abschreibvorgänge in unterschiedlichen Schreiblandschaften weg.85 Schreiberwechsel innerhalb einer Urkunde sind nicht zu erwarten. Ein Fall von späterer Abschrift liegt bei den sogenannten Vidimusurkunden, also Beglaubigungen älterer Urkunden durch wörtliche Wiederholung, vor.86 In der Urkundense-
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Zur genaueren Abgrenzung des Untersuchungsgebietes vgl. oben S. 15. Zum Urkundenbegriff aus germanistischer Sicht vgl. auch Kirschstein (1984: 592 f.) mit weiterer Literatur. Vgl. de Boor (1971: 211). Im Fall des ‚Erec‘ Hartmanns von Aue liegen zwischen der vermuteten Textentstehung im letzten Viertel des 12. Jh.s und der ältesten Handschrift, die den ‚Erec‘ beinahe vollständig überliefert, dem Ambraser Heldenbuch von 1504–1515/16, mehr als 300 Jahre, vgl. Janota (1978), Cormeau (1981), Nachträge in 2VL 11 (2004), 590, Klein (2007a: 250). Vgl. de Boor (1971: 201) und Kirschstein (1984: 599). Vgl. dazu Kirschstein (1984: 599 f.).
Textsorte Urkunde
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rie der ehemaligen Gräfin Mechthild von Sayn87 begegnen mit 0623 und 0602 insgesamt zwei Vidimi zu ihrer Urkunde 0255 (alle drei vom Schreiber Lambert v. Asbach), die wiederum den Inhalt einer älteren Urkunde (*0079) des Kölner Stadtschreibers Gottfried Hagen wiedergibt. Lambert orientiert sich in 0255 stark an seiner Vorlage *0079, während sich die Vidimusurkunden 0623 und 0602 mehr seinem sonstigen Schreibusus annähern. Schon Gottfried Hagens Urkunde *0079 wiederholte den Inhalt einer älteren Urkunde (*0059) von einem anderen Kölner Schreiber, blieb von ihrer Vorlage aber weitgehend unabhängig. Die Lokalisierung88 der Urkunden ist ungleich schwieriger als ihre Datierung. Der Ausstellungsort wird längst nicht in allen mhd. Urkunden genannt. Er kann auch lediglich als Anhaltspunkt89 dienen. Wichtiger sind Aussteller und Empfänger sowie die genannten Zeugen, um die Urkunde zumindest großräumig zuzuordnen. Dadurch wird eine „räumliche Fixierung sprachlicher Varianz“ (Ganslmayer / Müller / Ring 2003: 325) ermöglicht, die bei der Analyse literarischer Handschriften mit ihrer meist noch ungenaueren Lokalisierung kaum erreicht werden kann.90 Für die Textsorte Urkunde ergibt sich somit hinsichtlich ihrer Datier- und Lokalisierbarkeit sowie der Vorlagenproblematik eine hohe Zuordnungsqualität.91
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Vgl. zu ihrem Leben und den Entstehungsbedingungen dieser frühen deutschsprachigen Urkundenserie die umfangreiche Studie von Thomas Bohn (2002). Sieh dazu ausführlicher Abschnitt 2.1. Vgl. Ganslmayer / Müller / Ring (2003: 331 f.): „Deshalb kann insgesamt davon ausgegangen werden, dass durch den Ausstellungsort der geographische Entstehungsraum der Urkunde erfassbar ist.“ Vgl. Klein (1989: 93) und Gärtner (1995: 263). Zum Begriff der Zuordnungsqualität vgl. v. a. Hoffmann / Wetter (1987: XX), Klein (1989: 94), Klein (1991: 5) und Wegera (2000: 1309–1311). Vgl. zur Frage, warum Urkunden für sprachwissenschaftliche Untersuchungen besonders geeignet sind, zusammenfassend Rapp (2000: 2): „Weil urkundliche Quellen aufgrund der zahlreichen situativen Umfelddaten für sprachwissenschaftliche Auswertungen besonders günstige Voraussetzungen bieten. Urkunden sind in der Regel datiert und zum Teil auch lokalisiert beziehungsweise aufgrund der situativen Verankerung gut lokalisierbar. Ferner sind die am Schreibakt beteiligten Personen, die Adressaten, bekannt, in Glücksfällen sogar die Schreiber selbst. Schließlich handelt es sich bei Original-
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Für eine genauere Lokalisierung ist entscheidend, ob es sich um eine Aussteller- oder Empfängerausfertigung handelt. Vor allem bei frühen Urkunden liegen häufig Empfängerausfertigungen vor.92 Oft liefern die beteiligten Urkundsparteien Hinweise auf die Zugehörigkeit des Schreibers: Geistliche Institutionen und größere Städte verfügen eher über eigene Schreiber als Angehörige des niederen Adels93; diese hatten wiederum eher Zugriff auf (teils externe)94 Schreiber als einfache Gefolgsleute. Bestimmend für die Eigenarten der Schreibsprache ist der Schreiber selbst, in späterer Zeit auch seine Kanzlei oder Schreibstube.95 So sind die Urkunden des Kölner Domsubkustos Lambert von Asbach eher ripuarisch96, obwohl er sie im Auftrag der ehemaligen Gräfin Mechthild von Sayn geschrieben hat. In der Regel stammten die Schreiber wohl aus „einem bestimmten landschaftlichen Umkreis [...], weil sie sonst zu sehr als Fremdlinge empfunden worden wären und eine neue Schreibsprache hätten lernen müssen.“ (Haacke 1964: 136 f.) Auch wenn es sicherlich wünschenswert wäre, die Urkunden vor der sprachwissenschaftlichen Auswertung durch paläographische Vergleiche einzelnen Schreibern zuzuweisen, ist dies für ein größeres Korpus kaum zu leisten und für die vielen Einzelurkunden der Frühzeit sowieso un-
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urkunden um »Autographen«, nicht um Abschriften, die Sprachmischungen mit sich bringen.“ Für Niebaum / Macha (1999: 126) sind Urkunden „als Quelle fast nicht zu übertreffen“. Zum Problem der geringen Länge von Urkunden sieh unten S. 71. Vgl. Boesch (1946: 23) und Haacke (1955: 382), der bezogen auf das ‚Corpus‘ annimmt, bei den meisten Privaturkunden handele es sich um „‚Empfängerausstellungen‘“, sowie de Boor (1971: 202 und 205). Vgl. Boesch (1946: 23 f.), Haacke (1955: 385) und Kirschstein (1984: 600). Vgl. Boesch (1946: 24) und Kliemann (1958: 12 f.). Vgl. Haacke (1955: 391 f.) und Kirschstein (1984: 600). Bohn / Rapp (1995a: 47) nehmen an, „daß es im Untersuchungsraum [d.i. der wmd. Raum] (und auch sonst im Reich) vor 1300 kaum eine wirklich durchorganisierte große ‚Kanzlei‘ gegeben hat“. Auf die mögliche „Berücksichtigung sprachsoziologischer Faktoren bei der Bewertung der Sprachvarianz“ je nach Art der beteiligten Personen verweisen Ganslmayer / Müller / Ring (2003: 325). Vgl. zu Lambert und zu Mechthilds Bindungen an Köln Bohn (1997: 337 f., 342; 2002: 210 f., 221 ff., 329 f., 421), Habscheid (1997: 18).
Textsorte Urkunde
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möglich.97 Stattdessen muss es häufig genügen einzugrenzen, von welcher Urkundspartei die Herstellung der Urkunde ausging.98 Die Urkunden, die keiner Herstellergruppe zuzuweisen sind, müssen als Einzelstücke für sich stehen. Häufig stammen sie von Ausstellern oder Empfängern, die ansonsten nicht in Urkunden auftreten, und überliefern seltene Schreibungen, die vielleicht als besonders nah an der gesprochenen Sprache gelten können, weil ihre Schreiber überhaupt nur selten oder selten in der Volkssprache schreiben.99 Diese „Gelegenheitsschreiber“ können für die Auswertung besonders wertvoll100 sein, wenn sie gerade ablaufenden Lautwandel unmittelbar und ohne den Einfluss verfestigter Schreibtraditionen wiedergeben.101 Bei dem Versuch, übliche Schreibungen zu verwenden, lässt sich die fehlende Übung manchmal an sogenannten umgekehrten oder hyperkorrekten Schreibungen 102 ablesen. Dagegen wendet Bürgisser (1988: 3) ein, „daß wohl gerade ungeübte Schreiber am ehesten auf sklavische Weise der Tradition verhaftet bleiben.“103 Ausschlaggebend für das Verhalten der Gelegenheitsschreiber dürfte also sein, ob sie – eventuell veraltete – Schreibtraditionen überhaupt kennen und in der üblichen Form beherrschen.
97 98 99 100 101 102 103
Vgl. de Boor (1971: 210) und Kirschstein (1984: 600). Vgl. zur eigenen Vorgehensweise bei der Lokalisierung der Korpusurkunden unten S. 40. Vgl. Kirschstein (1984: 600 f.). Den besonderen Wert von Einzelurkunden für die Wortbildungsanalyse heben Ganslmayer / Müller / Ring (2003: 325) hervor. Vgl. Hefele (1951: LVIII), Kliemann (1958: 17, Anm. 1) und Bohn / Rapp (1995b: 267). Vgl. zur Kritik Elmentaler (2003: 58). Ebenso Schulze (1967: 22).
2 Korpus
Korpora104 lassen sich definieren als (strukturierte) und nach bestimmten, möglichst objektiv nachprüfbaren Kriterien aufgebaute Sammlungen authentischer (mündlicher oder schriftlicher) Sprachäußerungen, die mit Informationen zu ihren außersprachlichen Entstehungsbedingungen (Metadaten) und mit Anzeichnungen ihrer innersprachlichen Struktur (Annotationen) aufbereitet sein können. Eine Strukturierung des Korpus ist vor allem dann notwendig, wenn die Überlieferungslage aus arbeitspragmatischen Gründen zur Auswahl zwingt; dabei sollte das Korpus so aufgebaut sein, „daß alle wesentlichen Strukturen und Merkmale der Gesamtheit im Korpus abgebildet sind“ (Klein 1991: 4).105 Da die Überlieferung historischer Sprachstufen immer abgeschlossen und zufällig106, der ursprüngliche Umfang alles Geschriebenen unbekannt und alles Gesprochene sowieso verloren ist, kann die Gesamtheit, auf die sich das zu bildende Korpus bezieht, also immer nur die Gesamtüberlieferung sein, wobei bekannte Ungleichgewichte in der Überlieferung durchaus ausgeglichen werden können.107 Darüber hinausgehende Bezüge auf das Mhd. „an sich“ bzw. auf einzelne Subsysteme wie „das“ Mslfrk. müssen spekulativ bleiben, da die Überlieferungsverluste nicht bekannt sind. Zunächst stehen die Ergebnisse einer Korpusanalyse für das Korpus selbst. Aussagen, die über den individuellen Sprachgebrauch hinausgehen und das Sprachsystem betreffen, sollten aber auf andere Texte desselben Sprachraums und derselben Zeit übertragbar sein. So können die Graphiesysteme verschiedener Schreiber einer kleinräumigen Sprachlandschaft durchaus voneinander abweichen; das dahinterstehende Pho-
104 105 106 107
Zum Korpusbegriff vgl. Hoffmann (1998: 876–878), Lemnitzer / Zinsmeister (2006) und Scherer (2006: 3–5), zur Korpuslinguistik s. HSK Corpus Linguistics (2008/09). Zur Frage der Repräsentativität s. auch Klein (1991: 4, Anm. 4) und Hoffmann (1998: 880). Vgl. Klein (1991: 3 f.). Vgl. Klein (1991: 4, Anm. 5).
Korpus
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nemsystem dürfte in seinen Grundzügen dasselbe sein. Es empfiehlt sich grundsätzlich ein Vergleich mit ähnlichen Texten108, im Fall der frühen mslfrk. Urkunden also mit anderen mslfrk. Texten vor allem des 13. und frühen 14. Jh.s, aber auch mit Quellen aus anderen mhd. Schreiblandschaften, die zum Korpus der Mittelhochdeutschen Grammatik (herausgegeben von Thomas Klein, Hans-Joachim Solms und Klaus-Peter Wegera) gehören, s. die Liste der vergleichend hinzugezogenen Quellen in 6.4. Die Frage nach der nötigen Korpusgröße und damit nach der Möglichkeit einer Totalauswertung bzw. der Notwendigkeit einer strukturierten Auswahl hängt eng mit der Überlieferungslage zusammen.109 Sie ist auf ein größtmögliches Gleichgewicht zwischen Aussagewert und Machbarkeit gerichtet. Die Überlieferung volkssprachlich-deutscher Urkunden beginnt im zweiten Viertel des 13. Jh.s mit vereinzelten Ausfertigungen110; etwa 160, also 4% der über 4 000 ‚Corpus‘-Urkunden, stammen aus der Zeit bis 1265111, während gut ein Viertel (1039) aller im ‚Corpus‘ abgedruckten Urkunden auf die letzten vier Jahre (1297–1300) entfällt.112 Insgesamt dominiert der obd., v. a. westobd. Raum deutlich. Eine entscheidende Rolle bei der Ausbreitung des Deutschen als Urkundensprache spielte aber nicht nur der Südwesten, sondern – wie Gärtner (1995: 265) durch eine Auszählung der Schreiborte der frühesten Urkunden bis 1265 zeigen konnte – auch Köln als nordwestliches Zentrum: Auf Platz eins seiner Auszählung liegt Straßburg113 (74 Urk.) gefolgt von Köln mit 36, Zürich mit 11 und Freiburg mit fünf Urkunden. Auf kleinere obd. Schreibzentren 108 109 110 111 112 113
Vgl. Hoffmann (1998: 880). Vgl. Klein (1991: 4 f.). Vgl. Skála (1985: 1773). Vgl. Gärtner (1995: 265). Vgl. Kirschstein (1984: 596). Nicht mitgezählt sind jeweils die Urkunden des Nachtragsbandes. Einschließlich der zahlreichen Straßburger Urkunden, die erst im Nachtragsband des ‚Corpus‘ erscheinen konnten, da die Straßburger Archive Friedrich Wilhelm, dem Initiator des ‚Corpus‘ und Herausgeber des ersten Bandes, zunächst kriegsbedingt nicht zugänglich waren. Die Rolle Straßburgs wird von Skála (1985: 1775) bei seiner Gesamtauszählung der Schreibzentren unterschätzt, da er die Nachträge nicht berücksichtigt und so nur sechs Straßburger Urkunden bis 1300 zählt.
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Korpus
entfallen ca. 20 weitere, auf den wmd. Raum sieben Urkunden.114 Im moselfränkischen Raum ist mit 0009 aus dem Jahr 1248 eine der frühesten deutschsprachigen Urkunden überhaupt überliefert.115 Insgesamt ist die Überlieferungslage bei den mslfrk. wie allgemein bei den mfrk. Urkunden im 13. Jh. aber dürftig. Ein Korpus moselfränkischer Urkunden sollte also zumindest für die Frühzeit bis zum Anstieg der volkssprachlichen Urkundenproduktion im 14. Jh. alle überlieferten und zugänglichen Urkunden enthalten. Für das 13. Jahrhundert liegt mit dem Wilhelmschen ‚Corpus der altdeutschen Originalurkunden bis zum Jahr 1300‘ bereits eine Sammlung, die nahezu alle Urkunden des 13. Jh.s enthält, in hoher diplomatischer Qualität vor. Da das Mslfrk. wie u. a. auch das Hessische bei den Urkunden des 13. Jh.s nur schwach vertreten ist, überlegte Helmut de Boor, ob nicht „für diese Gebiete später einmal ein Ergänzungsband nötig wird, der etwa bis 1350 reichte“ (de Boor 1971: 205).116 Die elektronische Edition ‚Mittelfränkische Urkunden, 1300 bis 1330‘ des Trierer Sonderforschungsbereichs ‚Zwischen Maas und Rhein: Beziehungen, Begegnungen und Konflikte in einem europäischen Kernraum von der Spätantike bis zum 19. Jahrhundert‘ füllt diese Lücke bis 1330. Für die Folgezeit bis 1350 sind einige weitere Urkunden aufgenommen worden. Ältere Editionen, die wegen ihrer normalisierenden Eingriffe für eine sprachwissenschaftliche Analyse ungeeignet sind, wurden von den Bearbeitern der Trierer Edition ebenso wie die wichtigsten Archive nach Urkunden durchsucht. Im Landeshauptarchiv Koblenz konnten nicht alle Bestände berücksichtigt werden.117 Allerdings beginnt die volkssprachliche Beurkundung in den kleineren Herrschaften, die meist nicht ausgewertet wurden, spät und vereinzelt, so dass die Zahl der unberücksichtigten Urkunden gering sein dürfte. Insgesamt liegen etwa 250118 überwiegend mfrk. Urkunden in handschriftennaher Transkription vor. Weitere Ur-
114 115 116 117 118
Vgl. Gärtner (1995: 265). Vgl. oben Anm. 21. Ähnlich äußerte sich schon Haacke (1955: 392). Vgl. Bender / Rapp (2001: 189). Vgl. Rapp (2001: 253).
Lokalisierung der Urkunden
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kunden sind nach ihrem Aufbewahrungsort verzeichnet. Eine Erschließung der Texte durch eine Volllemmatisierung war im Rahmen des Trierer Projektes geplant, konnte jedoch ebenso wie die Einbindung von Urkundenabbildungen119 bisher nicht realisiert werden. Die in den beiden genannten Editionen enthaltenen Urkunden bilden abhängig von ihrer Lokalisierung die Grundlage der vorliegenden Untersuchung, erweitert um einige von Bohn / Rapp (1995b) publizierte Nachträge zum ‚Corpus‘ sowie Urkunden, die der Grafschaft Luxemburg zuzuweisen sind und die in Rapp (2006) ediert sind.
2.1 Lokalisierung der Urkunden Das Problem der Lokalisierung von Urkunden ist im Anschluss an erste Arbeiten der Leipziger Schule, die das ‚Corpus‘ schon während des Erscheinens auszuwerten begannen und ihre Ergebnisse daher als „Vorarbeiten, nicht Abschließendes“ (Gleißner / Frings 1941: 1) bezeichnen, mehrfach kritisch diskutiert worden. Den Untersuchungen von Gleißner / Frings (1941) und Klappenbach (1944/1945) ist gemeinsam, dass sie mit den Palatalen und Velaren (Gleißner / Frings) bzw. Labialen (Klappenbach) Konsonantengruppen herausgreifen und für das gesamte Sprachgebiet auswerten. Die räumliche Zuweisung der Urkunden richtet sich nach dem Ausstellungsort oder, falls der nicht genannt wird, nach dem Wohnort des Ausstellers.120 Die späteren Arbeiten von Sparmann zu den Pronomina und zum Verbum sein in der mhd. Urkundensprache121 verfahren ähnlich. Diese Vorgehensweise ist u. a. von den ‚Corpus‘-
119 120
121
Vgl. Bender / Rapp (2001: 193 ff.) und Rapp / Rosenberger (2001: 133 f., 136 f. u. 139). Zu den angewendeten Lokalisierungskriterien vgl. Gleißner / Frings (1941: 6 f.). Nach welchen Kriterien eine Urkunde lokalisiert bzw. aus der Auswertung ausgeschlossen wurde, ist einer Auflistung aller bis zur 18. Lieferung des ‚Corpus‘ erschienenen Urkunden (0001–1417) zu entnehmen (Gleißner / Frings 1941: 7–23). Vgl. Sparmann (1961 und 1968). Sparmann war auch an Vorarbeiten zur Studie von Gleißner / Frings (1941) beteiligt und dort u. a. für die Herkunftsbestimmung der Urkunden zuständig, vgl. Gleißner / Frings (1941: 5).
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Korpus
Herausgebern Diether Haacke und Helmut de Boor kritisiert worden122, da sie weitere wichtige Kriterien zur Lokalisierung wie Empfänger, sonstige beteiligte Personen und die Archivlage ausblendet bzw. nicht mit dem Ausstellungsort und Aussteller in Beziehung setzt. Problematisch für die Auswertung ist, dass Gleißner / Frings und Klappenbach anhand der so gewonnenen „Schreib“orte die Urkunden nicht nur großräumig zuordnen wie Ganslmayer, Müller und Ring in ihren Arbeiten zur Wortbildung in der deutschen Urkundensprache des 13. Jahrhunderts123, sondern die Belege für den einzelnen Ort selbst verbuchen und direkt auf die Ortsmundart rückschließen. Ihre Vorgehensweise setzt voraus, dass sich die Schreibsprache einer Urkunde stets nach dem Ausstellungsort oder nach dem Aussteller richtete. Dem steht entgegen, dass die Urkunden gerade in der Frühzeit meist von der Empfängerseite ausgestellt wurden124, und dass der Ausstellungsort lediglich den Ort des Zusammentreffens der beiden Parteien nennt.125 Selbst wenn die herstellende Partei bekannt ist, kann nicht einfach die Schreibsprache der Urkunde mit der entsprechenden Ortsmundart gleichgesetzt werden. Neben dem grundsätzlichen Problem von Mündlichkeit und Schriftlichkeit stellt sich bei der Untersuchung von Urkunden immer die Frage nach Herkunft und 122
123 124
125
Vgl. Haacke (1955: 381 ff.): „Die Grundsätze zur Ortsbestimmung in diesen beiden Arbeiten [d.i. Gleißner / Frings (1941) und Klappenbach (1944/1945)] aber wirken wenig überzeugend. [...] Ist die Ortsbestimmung unsicher und unlogisch aufgebaut, so sind die darauf fußenden Ergebnisse ebenso fraglich“ (a. a. O.: 382), de Boor / Haacke (1957: XXIX) sowie de Boor (1971: 208 f.), ähnlich auch Boesch (1946: 31), Schützeichel (1974: 10) und Kliemann (1958: 5 f.). Vgl. Ganslmayer / Müller / Ring (2003: 330), Ring (2008) und Ganslmayer (2012). Vgl. Kliemann (1958: 5 f.), der als Beispiel für eine Fehllokalisierung die Urkunden 0521 und 0573 nennt, die beide als Empfänger Bischof Wichard bzw. Gotfrid von Passau (bei unterschiedlichen Ausstellern) haben und laut ‚Corpus‘-Regest von einer Hand stammen und die dennoch von Gleißner / Frings nach den beiden Ausstellungsorten in Wien und Passau lokalisiert werden. Vgl. de Boor / Haacke (1957: XXIX): „Die Arbeiten [d.i. Gleißner / Frings (1941) und Klappenbach (1944/45)] gehen von der Fiktion aus, daß der Schreibort die Sprache der Urkunde bestimmt, und von der weiteren Fiktion, daß der Schreiber sprachlich mit dem Schreibort identisch sei und daß sich in der Urkunde die örtliche Sprache des Schreibortes niederschlage. All das sind ungeprüfte Voraussetzungen der genannten Untersuchungen.“
Lokalisierung der Urkunden
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Ausbildung des Schreibers und damit nach etwaigen Schreibtraditionen.126 Bruno Boesch setzt sich in seiner Dissertation zur alemannischen Urkundensprache, die neben den ersten Lieferungen des ‚Corpus‘ weitere Editionen auswertet, ausführlich mit dem Problem der Lokalisierung auseinander.127 Er betont die Wichtigkeit des Schreibortes, ohne diesen jedoch mit dem Ausstellungsort gleichzusetzen: Dass zwischen Schreibort und Ort der Urkundenhandlung deutlich zu scheiden ist, dürfte aus dem Gesagten schon hervorgehen. Ich sehe es als einen Rückschritt an, wenn der Ausstellungsort (dis geschach ze ...) einfach unbesehen in eine sprachwissenschaftliche Arbeit eingeführt wird, wie neuerdings bei Gleißner-Frings. Als Ersatz für den wirklichen Schreibort mag er ja bei grossräumigen Untersuchungen nicht zu weit irreführen, da der Raum einer engen Landschaft nicht überschritten wird. Beim Blick auf die einzelne Landschaft kann aber solche Auswertung zu groben Irrtümern führen. Es ist sprachlich nicht belangvoll, in welcher geographischen Örtlichkeit nun gerade die Urkunde geschrieben oder beim Actum konzipiert wurde, es kommt nur darauf an, im Dienste welcher Schreibstelle, als Angehöriger welcher Schrifttradition der Schreiber geamtet hat. (Boesch 1946: 31)
Die Wichtigkeit des einzelnen Schreibers schätzt Boesch deutlich niedriger ein als den Einfluss des Schreibortes. Auswärtige Schreiber hätten sich „dem örtlichen Schriftgebrauche“ (Boesch 1946: 28) angepasst. Diese Annahme und die damit verbundene Vernachlässigung der Schreiberpersönlichkeit ist von Diether Haacke und Helmut de Boor u. a. in ihrer Vorrede zum dritten Band des ‚Corpus‘128 kritisiert worden. Haacke relativierte seine Kritik später dahingehend, dass er eine Konzentration auf den Schreibort dann für gerechtfertigt hält, wenn er sich sicher ermitteln lässt und „eine Schreibstube [...] mit einer gewissen Tradition vorhanden ist“ (Haacke 1964: 140). Seine Zuspitzung der Lokalisierungsproblematik auf die Schreiberfrage erklärt er als Reaktion auf die Arbeiten der Frings-Schule und gesteht dem Schreibort auch für das 13. Jh. einen Einfluss auf den Schreiber zu.129 In Haacke 1964 untersucht er die Anpassung
126 127 128 129
Vgl. de Boor / Haacke (1957: XXIX f.). Vgl. Boesch (1946: 23 ff.). Vgl. Haacke (1955: 389) und de Boor / Haacke (1957: XXXI). Vgl. Haacke (1964: 140).
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Korpus
fremder Schreiber an zwei Beispielen. Der eine Schreiber findet in Augsburg eine ausgebildete Tradition vor, der er sich anpasst, während der andere – aus Augsburg kommend – in Nürnberg, „wo jegliche deutsche Tradition fehlt“ (Haacke 1964: 138), so weiterschreibt wie bisher, allerdings ohne auf spätere Nürnberger Schreiber traditionsbildend zu wirken.130 Ob sich ein auswärtiger Schreiber anpasst oder nicht, hängt also auch vom Vorhandensein einer Schreibtradition ab.131 Auch Boesch hatte die Wichtigkeit des Schreibers schon in seiner Dissertation von 1946 gesehen.132 In Boesch 1968 rechtfertigt er seine Beschränkung auf den Schreibort u. a. damit, dass für eine sichere Scheidung der Schreiberhände das gesamte alemannische Urkundenmaterial hätte durchgesehen werden müssen.133 Eine solche Händescheidung auf der Grundlage aller (auch der lateinischsprachigen) Urkunden und eine Untersuchung der Herkunft aller Schreiber fordert der Historiker und Herausgeber des ‚Freiburger Urkundenbuches‘ Hefele134 als Ausgangspunkt für jede sprachwissenschaftliche Urkundenauswertung. Seine Kritik an Boesch fällt insgesamt schärfer aus als die der beiden ‚Corpus‘Herausgeber Haacke und de Boor, die Boeschs Arbeit grundsätzlich positiv bewerten. Maurer bemerkt zu Recht, dass man auch nach der Scheidung der Schreiberhände immer noch nichts über ihre Herkunft weiß und erkennt in Hefeles Vorschlag, diese aus den sprachlichen Kennzeichen zu ermitteln, einen Zirkelschluss.135
130
131
132 133 134 135
Vgl. Haacke (1964: 136–139). Ähnlich Kliemann (1958: 9): „Die Art der jeweiligen Schreibstube aber und der Grad der Ausprägung der in ihr entwickelten Schreibtradition bestimmt im einzelnen Fall, ob und wie weit sich ein zugewanderter Schreiber dieser Schreibgewohnheit unterordnet.“ Wiesinger (1977: 568) vermutet im Fall der Urkunden (1308–1330) Herzog Friedrichs des Schönen „eine sehr lose Kanzleiorganisation“ oder einen regen Schreiberwechsel, da jeder Schreiber „seinen eigenen Schreibstand“ (ebd.) hatte. Vgl. Boesch (1946: 23): „Für uns ist allein wichtig: Wer hat die Urkunde geschrieben? Somit: aus welcher Kanzleitradition geht sie hervor?“ Vgl. Boesch (1968: 7). Vgl. Hefele (1951: LVIII–LXIII, v. a. LXII f. mit Kritik am ‚Corpus‘; 1955: 261 f.) Vgl. Maurer (1956: 1 f.) und Hefele (1951: LIX).
Lokalisierung der Urkunden
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Die Forderung nach einer paläographischen Voruntersuchung des gesamten Materials begegnete schon Friedrich Wilhelm.136 Haacke137 weist darauf hin, dass das ‚Corpus‘ unter diesen Voraussetzungen niemals hätte erscheinen können. Zusammen mit de Boor äußert er in der Vorrede zum dritten Band des ‚Corpus‘ die Überzeugung, die genaue Beschreibung der „orthographischen Eigentümlichkeiten“ (de Boor / Haacke 1957: XXXIII) erlaube ebenfalls die Unterscheidung verschiedener Schreiber. Um größtmögliche Sicherheit bei der Zuweisung der Urkunden ohne paläographische Händescheidung zu erlangen, beschränkt Boesch sich auf „wirklich bezeugte Schreibstuben“ (Boesch 1946: 23) und scheidet alle Einzelurkunden aus. Noch rigoroser geht Kliemann (1958) vor, indem er außer Einzel- und Königsurkunden alle Urkunden weltlicher Herrscher und Adeliger wegen ihrer häufig wechselnden und oft nicht aus der näheren Umgebung stammenden Schreiber ausschließt. Da sich bei ihnen im Unterschied zu den Klöstern noch keine feste Schreibtradition herausgebildet haben könne, sei nicht mit einer Anpassung auswärtiger Schreiber zu rechnen.138 Für das Alemannische (Boesch) und Bairische (Kliemann) ist diese Vorgehensweise aufgrund der Überlieferungslage sicherlich zu rechtfertigen. Für den gesamten mitteldeutschen Raum bietet sie sich für das 13. Jh. und die erste Hälfte des 14. Jh.s allerdings nicht an, da die Beleglage bedeutend schlechter ist und die wenigsten Urkunden bereits größeren Schreibzentren zugewiesen werden können. Eine Ausnahme bilden lediglich einige Kölner Urkunden.
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Vgl. Wilhelm (1932: XXXIX–XLII). Haacke (1955: 378): „Weiter wurde Wilhelm vorgehalten, daß der Publikation eine paläographische Durcharbeitung des Materials vorausgehen müßte. Das ist ein Einwand, der durchaus zu Recht besteht. [...] Aber — und das muß einmal klar ausgesprochen werden — unter diesen Voraussetzungen wäre das Corpus nie erschienen und würde auch nie erscheinen.“ Vgl. dazu auch die Kritik an Hefele bei Maurer (1956: 1– 5), Schulze (1967: 12 f.), de Boor (1971: 209 f.), Schützeichel (1974: 12), Ludwig (1989: 7) sowie Kliemann (1958: 10 f.), der darauf hinweist, dass Wilhelm nach Hefeles Forderung nicht nur die deutschsprachigen, sondern auch die etwa 500 000 lat. Originalurkunden hätte untersuchen müssen. Vgl. Kliemann (1958: 5, 12).
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Korpus
Ursula Schulze (1967) steht ebenfalls vor dem Problem, dass sie in ihren Untersuchungsräumen Nordbayern, Ostfranken, Obersachsen und Thüringen nicht überall genügend Urkunden zur Verfügung hat. Um möglichst wenige ausscheiden zu müssen, weicht sie bei der Lokalisierung von Kliemanns und Boeschs Methode ab, die sie ausdrücklich positiv bewertet, für ihre Fragestellung aber als ungeeignet erkennt, und nähert sich wieder den Arbeiten der Frings-Schule139; allerdings verlässt Schulze sich nicht alleine auf den Ausstellungsort, sondern wertet alle „zur Verfügung stehenden und für die Lokalisierung irgendwie bedeutungsvollen Faktoren“ (Schulze 1967: 12) aus und vergleicht die Urkunden untereinander, um sich dem Herstellungsort zu nähern. Ihre Überlegungen zur räumlichen Einordnung der einzelnen Urkunden stellt sie ihren Ausführungen zu jedem ermittelten Ort voran. Für die Lokalisierungsfrage ergibt sich, dass es keine allgemeingültige Methode gibt, sondern je nach Fragestellung und zur Verfügung stehendem Material verschiedene Vorgehensweisen.140 Im Idealfall sind wie bei Bürgisser (1988) paläographische Vorarbeiten verfügbar, die eine sichere Händescheidung erlauben. In anderen Fällen ist es möglich, über eine Auswertung der „äußeren Kriterien wie Aussteller, Empfänger, Ausstellungsort, Archivlage, Zeugen, Schreiberangaben, Art der Urk., Inhalt usw.“ (Kliemann 1958: 11) zu Urkundengruppen zu gelangen, die sich durch den Vergleich innerer Kriterien wie Schreibungen, sprachliche Merkmale, Interpunktion und Formeln häufig einzelnen Schreibern oder zumindest Schreibergruppen zuweisen lassen. Eine interessante Methode zur Gewinnung von Urkundengruppen stellt Annegret Fiebig (1997 und 2000) vor. Sie zählt Übereinstimmungen in Formular, Gliederungszeichen und Schreibungen an Urkundenabschnitten vergleichbarer Länge aus und berechnet einen Ähnlichkeitsindex, der schließlich zur Gruppierung der Urkunden führt.141
139 140 141
Vgl. Schulze (1967: 11–23). Vgl. dazu auch Schulze (1967: 18 f.). Vgl. Fiebig (2000: 125–163).
Lokalisierung der Urkunden
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Wenn genügend gruppiertes Material zur Verfügung steht, können die nicht zuzuweisenden Einzelurkunden142 ausgeschieden werden, wie Kliemann (1958) und Boesch (1946) es vorgegeben haben. Sollen auch die Einzelurkunden einbezogen werden, dürfen zu ihrer Lokalisierung keine sprachlichen Merkmale herangezogen werden, um einen Zirkelschluss143 zu vermeiden, der zwangsläufig entsteht, wenn die Schreibungen zunächst zur Lokalisierung und anschließend zur Beschreibung des lokalen Sprachstandes dienen. So fordert Wiesinger (1977: 569 f.), zunächst jede Urkunde einzeln zu analysieren, um dann über einen Vergleich der Einzelsysteme zu einem landschaftlichen Schreibusus zu gelangen und schließlich die beobachteten Abweichungen zu klassifizieren. Umgekehrt ist es aber auch möglich, zuerst über einen Vergleich aller verfügbaren Urkunden zu einem Überblick über Typisches und Abweichendes zu gelangen und die Einzelstücke vor diesem Hintergrund zu bewerten.144 Umso kleinräumig genauer das Untersuchungsmaterial lokalisiert wird, desto weitreichender können Schlussfolgerungen gezogen werden. Umgekehrt kann je nach Fragestellung eine grobe Zuweisung zu den Sprachlandschaften genügen, wie es z. B. Ganslmayer, Müller und Ring145 zur diatopischen Analyse von Wortbildungsmustern gelöst haben.
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Zum besonderen Wert der Einzelurkunden vgl. de Boor / Haacke (1957: XXXV), Kliemann (1958: 16), de Boor (1971: 211), Ganslmayer / Müller / Ring (2003: 325); zu Gelegenheitsschreibern, die oft hinter solchen Einzelstücken stehen, s. oben S. 27. Vgl. de Boor / Haacke (1957: XXXf.), Kliemann (1958: 15), Schulze (1967: 19 f.) und Klein (1989: 94). Vgl. die geplante „Aufarbeitung des sogenannten westmitteldeutschen R e s t c o r p u s“ (Gärtner / Holtus 1995b: 15), die erst nach der Bearbeitung der Schreiberserie Gottfried Hagens und der Urkunden Mechthilds von Sayn (vgl. Bohn / Rapp 1995a: 56 und Rapp 1997: 193) im Rahmen des Trierer Projektes ‚Westmitteldeutsche und ostfranzösische Urkunden- und Literatursprachen im 13. und 14. Jahrhundert‘ geleistet werden soll. Vgl. Anm. 123.
38
Korpus
2.1.1 Auswahlkriterien Die Auswahl der zu untersuchenden Urkunden ist von ihrer Lokalisierung innerhalb oder an den Rändern des Untersuchungsgebietes abhängig. Über die genauen Grenzen des Mslfrk., besonders die Übergänge zum nördlichen Ripuarischen und östlichen bzw. südlichen Hessischen und Rheinfränkischen in mhd. Zeit kann nichts Abschließendes gesagt werden. Die Grenzverläufe und Übergangsräume der rezenten Dialekte146 lassen sich nicht einfach eins zu eins auf das Spätmittelalter zurückprojizieren. Sie können aber durchaus als Orientierung dienen, da „sich die großräumliche Gliederung des deutschen Sprachraumes seit mhd. Zeit nicht grundsätzlich geändert haben wird“ (Paul, Mhd. Gr., § E 4). Unter dieser Annahme gilt im Folgenden der Raum zwischen der rezenten dorp / dorf-Linie im Norden, der dat / daȥ-Linie im Südosten und der deutsch-französischen Sprachgrenze im Westen als Untersuchungsgebiet (s. Karte 2.1)147, das damit noch nicht mit dem Moselfränkischen des 13./14. Jh.s gleichgesetzt werden soll. Es dient lediglich als Auswahlkriterium für die dort lokalisierten Urkunden. Es ist also durchaus möglich, dass sich Urkunden der Randgebiete des Untersuchungsraumes sprachlich als nicht mslfrk. erweisen. Um die Abgrenzung zum nördlich anschließenden Ripuarischen und zum südlich und östlich angrenzenden Rheinfränkischen und Hessischen in den Blick zu bekommen, wurden einzelne Urkunden aufgenommen, die die rezenten Lautverschiebungslinien überschreiten. Auf eine weitere Untergliederung des moselfränkischen Kernraumes wurde hingegen verzichtet. Da die Produktion volkssprachlicher Urkunden am Mittelrhein früher einsetzt als an der Mosel, dem Hunsrück und schließlich in der Eifel oder Luxemburg, sind nicht alle Teilräume gleich stark im Korpus vertreten.
146 147
Vgl. die Einteilung der deutschen Dialekte bei Wiesinger (1983a), zum Wmd. a. a. O.: 846–859. Eine ältere, abweichende Einteilung findet sich bei Wagner (1964). Zur traditionellen Überschätzung der Lautverschiebungslinien und zu anderen, ähnlich verlaufenden Isoglossen vgl. Anm. 72.
Auswahlkriterien
Karte 2.1: Untersuchungsgebiet mit dorp / dorf-Linie und dat / daȥ-Linie (Schützeichel 1974: 44)
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Die westmitteldeutschen Urkunden des 13. und frühen 14. Jahrhunderts sind durch Materialien und Vorarbeiten148 teilweise erschlossen. Beide verwendeten Editionen (s. Kap. 2.3) enthalten Regesten149, die Trierer Edition ‚Mittelfränkische Urkunden, 1300 bis 1330‘ außerdem Informationen zu den Urkundsparteien, dem Ausstellungsort, Zeugen, Sieglern, sonstigen erwähnten Personen und Orten.150 Händezuweisungen finden sich allerdings nur vereinzelt, was mit einer Zunahme der Schreiber im 14. Jh. erklärt werden kann.151 Zu den Urkunden des ‚Corpus‘ liegen ähnliche Informationen im ‚Schreibortverzeichnis‘ und bei Gärtner / Holtus / Rapp / Völker (1997: 80–106) vor. Hier finden sich häufiger Angaben zu den Schreibern, die auf paläographischen Untersuchungen beruhen.152 Da aber insgesamt nur für einen kleinen Teil der Urkunden Schreiberhände identifiziert werden konnten, erfolgte die Lokalisierung der Urkunden im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nach äußeren und – sofern sie sich mit anderen Urkunden gruppieren und vergleichen ließen – inneren Merkmalen. Bei Nennung der Urkunden im Text erscheint der Schreiber oder vermutete Hersteller in runden Klammern. Lässt sich der Hersteller nicht mit hinreichender Sicherheit erweisen, z. B. weil beide Urkundsparteien mit gleicher Wahrscheinlichkeit einen Schreiber zur Verfügung haben konnten153, werden Aussteller und Empfänger in runden Klammern angegeben. Da beide Urkundsparteien (oder gar eine dritte Partei) den
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149
150 151 152 153
Vgl. verschiedene Arbeiten, die im Umfeld des Trierer Projektes ‚Westmitteldeutsche und ostfranzösische Literatursprachen im 13. und 14. Jahrhundert‘ entstanden sind, wie Gärtner (1995) und die verschiedenen Beiträge in den Sammelbänden Gärtner / Holtus (1995a), Gärtner / Holtus (1997), Gärtner / Holtus / Rapp / Völker (2001) und Gärtner / Holtus (2005). Die Bände VI und VII des ‚Corpus‘ enthalten kurze Inhaltsangaben zu allen Urkunden. Der Wortschatz wird durch das ‚WMU‘ (Wörterbuch der mittelhochdeutschen Urkundensprache auf der Grundlage des Corpus der altdeutschen Originalurkunden bis zum Jahr 1300) erschlossen. Vgl. auch Rapp (2000: 4 f.) und Bender / Rapp (2001: 188–191). Vgl. Bender / Rapp (2001: 191). Dabei sind auch lateinische Urkunden vergleichend herangezogen worden, vgl. Gärtner (1995: 267), Bohn (1997: 334) und Bohn / Rapp (1995a: 49). Sieh dazu oben S. 26.
Auswahlkriterien
41
Schreiber gestellt haben können und um Empfängerorientierung bei weit entfernten Parteien auszuschließen, wurden von den nicht eindeutig zuzuweisenden Urkunden des 14. Jh.s nur solche berücksichtigt, bei denen Aussteller und Empfänger aus dem Untersuchungsgebiet stammen. Bei den Urkunden des 13. Jh.s wurde wegen der problematischen Überlieferungslage großzügiger verfahren, z. B. bei Urkunde 009 (Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.). Mehrfachausfertigungen und Vidimusurkunden werden nicht ausgeschieden, da jede Ausfertigung für sich ein sprachliches Zeugnis darstellt. Vidimi werden allerdings im Vergleich zu ihren Vorlagen gesehen, da stets mit Schreiberorientierung gerechnet werden muss. 154 Für ihre Wortbildungsuntersuchung anhand der ‚Corpus‘-Urkunden gehen Ganslmayer / Müller / Ring (2003: 326 ff.) aus naheliegenden Gründen anders vor. Bei der Untersuchung von Wortbildungsbedeutungen bieten identische Belegkontexte keinen Zugewinn. Wegen des späten Übergangs zur germanisch-volkssprachlichen Beurkundung ist der gesamte Westen des Überlieferungsgebietes mit Luxemburg nur schwach vertreten. Daher wurden auch die Urkunden Hartrads von Schönecken (südöstlich von Prüm) aufgenommen, deren Überlieferung erst nach 1330, dem eigentlichen Endpunkt der Edition ‚Mittelfränkische Urkunden, 1300 bis 1330‘, einsetzt. Die beiden Luxemburger Johann der Blinde, König von Böhmen155, und Balduin von Luxemburg, Erzbischof von Trier, sind in ihrem Wirken nicht auf den Westen des Untersuchungsgebietes beschränkt und lassen in ihren Urkunden eher fremde Schreibeinflüsse erwarten. Im Fall Sponheim-Starkenburgs sind zwei Herstellergruppen gebildet worden (Gf. v. Sponheim-Starkenburg und allgemein Sponheim-Starkenburg). Die zweite Gruppe umfasst nicht einfach alle Urkunden des Grafenhauses nach dem Tod Johanns II. im Jahr 1324, sondern stützt sich wesentlich auf die auffällige Schlussformel (Dit ge ſchach D Man zalte de jar na godis ge burte, 240401), die alle Urkunden dieser Gruppe aufwei-
154 155
Vgl. oben S. 25 zu einem Fall späterer Vidimierung mit starker Vorlagenorientierung. Nach Bach / Berger (1957: 88) hielt sich Johann der Blinde nur selten in Böhmen auf und hatte „zeitlebens starke Bindungen zum Westen“ (ebd.).
42
Korpus
sen, so dass ihr auch eine Urkunde mit Beteiligung Johanns II. (231011) zugewiesen wurde. Eine ähnliche Schlussformel (Dirre brief wart geben deſ Jareſ do man zalte Von gotteſ gebúrte, 0986) findet sich mit stärkeren Abweichungen in der Formulierung als bei der Sponheim-Starkenburger Schlussformel auch in den Veldenzer Urkunden des 13. Jh.s. Im 14. Jh. scheint sie innerhalb des Korpus allgemein häufiger zu sein und kommt mit stärkeren Abweichungen auch in Urkunden ohne Veldenzer Beteiligung vor. Da die Grafen von Veldenz u. a. durch die Heirat von Agnes von Veldenz mit Heinrich von Geroldseck aus der Ortenau weit verstreute Besitzungen und Verbindungen auch im alem. Raum hatten156, lassen ihre Urkunden südliche Schreibeinflüsse vermuten. Die Urkunden der Grafen von Sponheim (nur 13. Jh.), Leiningen, Katzenelnbogen und Nassau wurden aufgenommen, um die Übergänge zum Rhfrk. im Süden und zum Hess. im Südosten zu erfassen. Drei weitere Einzelurkunden des Abtes von Tholey, eines Ritters von St. Wendel und mit Beteiligung des Klosters Fraulautern an der Saar lassen sich am südwestlichen Rand des Untersuchungsgebietes lokalisieren. Die meisten Herstellerparteien des Untersuchungsgebietes sind im Raum um Rhein (Sinzig, Rennenberg, Andernach, Sayn, Koblenz, Boppard, Braunshorn, Waldeck) und Mosel (Rosenthal / Binningen, Münstermaifeld, Blankenrath, Senheim) zu finden.
2.1.2 Korpusurkunden Anhand innerer und äußerer Merkmale (s. oben S. 40) konnten 162 Urkunden innerhalb des Untersuchungsgebiets oder entlang der Ränder lokalisiert werden. Die Urkundennummern wurden überwiegend aus den verwendeten Editionen (s. 2.3) übernommen, um die Vergleichbarkeit mit anderen Untersuchungen zu erleichtern. Die Nummern aus dem ‚Corpus der altdeutschen Originalurkunden bis zum Jahr 1300‘ werden vierstellig wiedergegeben, ergänzt um Großbuchstaben bei Mehrfachaus-
156
Vgl. Dotzauer (2001: 182–184).
Korpusurkunden
43
fertigungen (z. B. 0407A, 0407B). Urkunden des Nachtragsbandes erscheinen dreistellig mit vorangestelltem „N“ (z. B. N 160). Zweistellige Nummern mit vorangestelltem „U“ (z. B. U 07) weisen auf die ‚Nachträge zum „Corpus der altdeutschen Originalurkunden“‘ (Bohn / Rapp 1995b). Die Urkundennummern der elektronischen Edition ‚Mittelfränkische Urkunden, 1300 bis 1330‘ sind gewöhnlich sechsstellig und stehen für das Ausstellungsdatum mit Jahr (zweistellig), Monat und Tag. Mehrfachausfertigungen werden durch Kleinbuchstaben (z. B. 291029a, 291029b), mehrere unabhängig voneinander am selben Tag ausgestellte Urkunden durch nachgestellte Ziffern unterschieden (z. B. 010210.1). Daran angelehnt werden die Urkunden aus Rapp (2006) mit sechsstelligen Nummern und einem nachgestellten „R“ versehen (z. B. 231110R = Urkunde Nr. 1, Rapp 2006: 288). Die folgende Übersicht über die Korpusurkunden enthält neben der Urkundennummer Datierung, Aussteller, Empfänger, Ausstellungsort und sofern bekannt den Schreiber nach Gärtner / Holtus / Rapp / Völker (1997: 80–106) bzw. der Edition ‚Mittelfränkische Urkunden, 1300 bis 1330‘. Dort finden sich auch weitere Informationen wie Regesten oder die Archivsignaturen. Der vermutete Hersteller wird durch Kursivierung hervorgehoben. Die Urkunden der südlichen und südöstlichen Rand- und Übergangsgebiete sind durch ein „S“ unter der Urkundennummer gekennzeichnet. 0009
1248 IX 17 Ausst.ort: Thurandt Ebf. Arnold v. Trier – Ebf. Konrad v. Köln; Otto (II.) Pfalzgf. bei Rhein
0054
1261 VI 21 Ausst.ort: Linz a. Rhein; Schr.: NN I Ebf. Konrad v. Köln – ehem. Gf.in Mechthild v. Sayn; Wlp. Ludwig v. d. Neuerburg
0057
1262–1263 Schr.: NN I ehem. Gf.in Mechthild v. Sayn – Abt v. Beatusberg; Scholaster u. Küster v. St. Florin zu Koblenz
0073
1263 VII 26 Ausst.ort: Neuerburg Wlp. Ludwig v. d. Neuerburg – Wlp. Ludwig v. d. Neuerburg; ehem. Gf.in Mechthild v. Sayn
0111
1267 IX Ausst.ort: Breitbach; Schr.: NN I Edelherr Gerhard v. Wildenburg + Frau u. Sohn – ehem. Gf.in Mechthild v. Sayn
44
Korpus
0137
1270 Schr.: NN I Deutschordenskomtur Simon v. Ramersdorf – ehem. Gf.in Mechthild v. Sayn
0138
1270 ehem. Gf.in Mechthild v. Sayn – Zisterzienserinnenkonvent Drolshagen
0146
1270 XII 25 Ausst.ort: Linz a. Rhein Ausst.: Konrad, Rorich und Hermann v. Rennenberg
0196
1273 II 27 Schr.: NN I Edelherr Dietrich d. Junge v. Isenburg + Söhne – ehem. Gf.in Mechthild v. Sayn
0211 S
1273 XII 27 Ausst.ort: Mahlberg (Baden) Gf. Heinrich v. Veldenz – Kl. Wonnental (Baden)
0231
1275 Ernst v. Blankenberg + Ehefrau – Wilhelm v. Waldeck
0255
1275 IX 7 Ausst.ort: Köln; Schr.: Lambert v. Asbach Ebf. Siegfried v. Köln – ehem. Gf.in Mechthild v. Sayn
0264
1276 Jutta v. Bedburg u. Sohn Friedrich v. Reifferscheid – ehem. Gf.in Mechthild v. Sayn
0267
1276–1284 Ausst.: Burggf. v. Hammerstein u. Rheineck
0337
1278 Schr.: NN II ehem. Gf.in Mechthild v. Sayn – Deutschordenskommende Waldbreitbach
N160
1279 Schr.: NN II Äbtissin, Priorin u. Konvent der Zisterzienserinnen v. Walberberg – ehem. Gf.in Mechthild v. Sayn
0407A
1280 Schr.: Lambert v. Asbach ehem. Gf.in Mechthild v. Sayn – Kölner Domkapitel
0407B
1280 Schr.: Lambert v. Asbach ehem. Gf.in Mechthild v. Sayn – Kölner Domkapitel
U06
1280 (XI 30?) Ausst.ort: Linz a.Rhein Herr Gerlach v. Ütgenbach (Westerwald) – Dietrich, Sohn Gerlachs v. Ütgenbach u. a.
0501A
1282 Schr.: Lambert v. Asbach ehem. Gf.in Mechthild v. Sayn – Heinrich v. Hausen (Wied) u. Kinder
0501B
1282 Schr.: Lambert v. Asbach ehem. Gf.in Mechthild v. Sayn – Heinrich v. Hausen (Wied) u. Kinder
Korpusurkunden 0623
157
1282 Schr.: Lambert v. Asbach Ausst.: Heinrich, Dominikanerprovinzial; Bernger v. Lauffen, Stellvertreter des Johanniterhochmeisters v. Deutschland
N223
1282 XI 23 Schr.: Lambert v. Asbach Deutschordensmeister Matthias v. Lonnig – ehem. Gf.in Mechthild v. Sayn; Hzg. Johann v. Brabant
0566
1283 Schr.: Lambert v. Asbach Ausst.: ehem. Gf.in Mechthild v. Sayn
158
45
U07
1283 Schr.: Lambert v. Asbach Ausst.: ehem. Gf.in Mechthild v. Sayn
0602
1283 VII 13 Schr.: Lambert v. Asbach Ausst.: Johann, Kölner Franziskanerguardian; Albrecht, Dominikanerprior
0624
1284 Schr.: Lambert v. Asbach ehem. Gf.in Mechthild v. Sayn – Bruder Heinrich, Dominikanerprovinzial v. Deutschland; Bartholomäus (Franziskaner); Lambert v. Asbach; Konstantin v. Lisolfskirchen
N282
1285 V 7 Ausst.: Herr Winand v. Waldeck; Brüder Simon u. Konrad d. Junge v. Schöneck (alle bei Koblenz)
0738 S
1285 VI 10 Ausst.ort: Sulz a. Neckar Gf. Heinrich v. Veldenz u. Söhne – Stadt Sulz a. Neckar
0776
1286 I 6 Ausst.ort: Lichtenberg Wilhelm Bozzel v. Stein – Gf. Heinrich v. Veldenz
0796
1286 III 18 Gf. Ruprecht v. Virneburg u. weitere – Otto u. Gerhard v. Landskron
159
N301
nach 1286 III 18 Ausst.: Hospital v. Sinzig
N318 S
1286 XI 19 Ausst.ort: Mahlberg (Baden) Gf. Heinrich v. Veldenz – Bf. Konrad v. Straßburg (Elsass)
0904
1287 VI 15 Wirich v. Daun (Hunsrück) u. Sohn – Wilhelm Bozzel v. Stein u. Sohn
157 158 159
0602 und 0623 sind Vidimusurkunden zu 0255, vgl. oben S. 25. Zur Datierung vgl. Gärtner / Holtus / Rapp / Völker (1997: 95). Urkunde U 07 ist eine Parallelurkunde zu 0566. Bei N 301 handelt es sich nach Gärtner / Holtus / Rapp / Völker (1997: 98) um eine Abschrift von 0796.
46
Korpus
0962
1288 I 1 Reinhard v. Löwenstein – Wildgf. Konrad v. Dhaun
0965 S
1288 I 6 Ausst.ort: Mainz Ausst.: Gf. Adolf v. Nassau
0984 S
1288 III 1 Nikolaus Vogt v. Hunolstein – Gf. Heinrich v. Veldenz
0985 S
1288 III 1 Ausst.ort: Lichtenberg (Elsass) Gf. Heinrich v. Veldenz – Nikolaus Vogt v. Hunolstein
0986 S
1288 III 1 Nikolaus Vogt v. Hunolstein – Gf. Heinrich v. Veldenz
0995
1288 III 26 Peter v. Eich + Nachkommen – Gf. Heinrich v. Veldenz
N364 S
1288 IV 1 u. 4 Ausst.ort: Beselich (Kr. Weilburg) Edelherr Siegfried v. Runkel u. Nachkommen; Heinrich v. Westerburg – Gf. Adolf v. Nassau (als Schiedsrichter)
1000 S
1288 IV 4 Gf. Adolf v. Nassau – Gf. Friedrich v. Leiningen
1200 S
1290 I 25 Ausst.ort: Wetzlar Herr Ludwig v. Isenburg; Städte Frankfurt, Friedberg, Wetzlar, Gelnhausen – Gf. Heinrich u. Emich v. Nassau; Edelherren Kraft u. Rörich v. Greifenstein u. Neffe
1289 S
1290 VIII 15 Edelknecht Emerich v. d. Wiese (Diepach) – Gf. Walram v. Sponheim
N507 S
1291 X 29 Ausst.ort: Kreuznach Gf. Friedrich v. Leiningen; Gf. Walram v. Zweibrücken – Gf.in Adelheid v. Sponheim + weitere
1527 S
1292 I 11 Gf. Heinrich v. Veldenz – St. Johann (Johanniter) in Freiburg i.Br. u. weitere
N531 S
1292 IV 8 Ausst.: Gf. Friedrich v. Leiningen; Gf. Johann v. Sponheim
1577
1292 V 13 Schr. wie N536 Hzg. Friedrich v. Lothringen – Gf. Heinrich v. Veldenz
N536
1292 V 13
160
160
Schr. wie 1577
Gärtner / Holtus / Rapp / Völker (1997: 125 f.) vermuten einen lothringischen Schreiber, der in Metz ausgebildet worden sein könnte.
Korpusurkunden
47
Gf. Heinrich v. Veldenz – Hzg. Friedrich v. Lothringen 1638 S
1292 X 26 Gf. Walram v. Zweibrücken – Gf. Friedrich v. Leiningen
1936 S
1294 IV 12 Ausst.ort: Schlettstadt (Elsass) Gf. Heinrich v. Veldenz – Straßburg (Elsass); Schlettstadt (Elsass)
2262
1295 XI 5 Gertrud v. Frauenstein – Prämonstratenser v. Rommersdorf (bei Neuwied)
2748 S
1297 VII 8 Gf. Friedrich v. Leiningen – Herr Philipp, Sohn des Kämmerers v. Mainz
2787 S
1297 IX 17 Ausst.: Gf. Eberhard v. Katzenelnbogen u. weitere
3165 S
1299 Brüder Chorbf. Emich v. Lüttich, Gf. Simon v. Sponheim, Gf. Johann v. Sponheim, Gf. Gottfried v. Sponheim – Gf. Ludwig v. Rheineck
3374
1299 VI 8 Konrad d. Rote v. Schöneck; Winand v. Waldeck; Werner der Brender v. Elz (alle bei Koblenz) – Gf. Hermann v. Sulz (königl. Hofrichter)
3381 S
1299 VI 14 Gf. Friedrich v. Leiningen – Bf. Emich v. Freising
3439 s
1299 VIII 3 Ausst.ort: Worms Heinrich v. Eberstein (Baden) – Gf. Friedrich v. Leiningen
3502 S
1299 X 16 Ausst.ort: Kirchberg Ausst.: Gf. Eberhard v. Sponheim u. Ehefrau
3567 S
13. Jh. II 23 Johann Heye, Ritter v. Merl (Mosel) – Gf. Johann v. Sponheim
000000.1
161
000000.2 000000.3
161
162
162
ca. 1300 Trier, Domkapitel ca. 1300 Engelbert I. v. Sayn – Johann I., Gf. v. Sayn ca. 1300
000000.1 wirkt ohne Urkundenformular und Siegel eher wie eine Auflistung verschiedener Sachverhalte. Die Edition ‚Mittelfränkische Urkunden, 1300 bis 1330‘ weist auf einen Händewechsel hin. Auch 000000.3 hat kein ausgebildetes Formular und kein Siegel. Die Datierung orientiert sich an der Schrift, vgl. ‚Mittelfränkische Urkunden, 1300 bis 1330‘
48
Korpus Herst. Johann II., Gf. v. Sponheim-Starkenburg
001210
1300 XII 10 Dieter v. Nassau, Ebf. v. Trier – Stadt Koblenz
010210.1
1301 II 10 Stadt Andernach – Stadt Koblenz
010210.2
1301 II 10 Städte Koblenz und Andernach – Andernach
011220.1
1301 XII 20 Stadt Boppard – Stadt Koblenz
011220.2
1301 XII 20 Stadt Koblenz – Stadt Boppard
040000
vor 1304? Ausst.: Herr v. Braunshorn u. Blankenrath
051213
1305 XII 13 Johann, Herr v. Braunshorn, Lehnherr zu Senheim – Vögte v. Senheim
070315
1307 III 15 Johann, Herr v. Braunshorn – Vögte v. Senheim
071226
1307 XII 26 Ausst.ort: wynderzbach Heinrich, Herr v. Wildenburg + Ehefrau +Söhne – Johann I., Gf. v. Sayn
090000.1
1309 Siegfried vom Stein; Eberold u. Marquart v. Laurenburg, Ratsleute – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier; Heinrich I. v. Helfenstein, dessen Amtmann; Heinrich, Gerlach, Emicho u. Johann, Gf.en v. Nassau
100301
1310 III 1 Johann Sulz u. Ehefrau – Zisterzienserinnenkloster Rosenthal (Gem. Binningen) u. Äbtissin Herimgart
140310 S
1314 III 10 Georg I., Gf. v. Veldenz – Johann II., Gf. v. Sponheim-Starkenburg
140423
1314 IV 23 Johann I., Gf. v. Sayn; Gottfried III. v. Sayn (Sohn) – Engelbert I. v. Sayn, Herr zu Vallendar (Bruder Johanns); Gottfried II. v. Sayn (Sohn Engelberts)
150120.1
1315 I 20 Johann II., Gf. v. Sponheim-Starkenburg; Katharina, Gräfin v. SponheimStarkenburg (Ehefrau) – Heinrich, Junggf. v. Sponheim-Starkenburg
150120.2
1315 I 20 Heinrich, Junggf. v. Sponheim-Starkenburg – Loretta, Gräfin v. SponheimStarkenburg (Herst. Johann II., Gf. v. Sponheim-Starkenburg)
Korpusurkunden
49
150124
1315 I 24 Johann Boos v. Waldeck, Ritter – Wilhelm v. Waldeck, gen. v. Schönburg, u. Ehefrau
170622.2
1317 VI 22 Ausst.ort: Bacharach Ausst.: Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier
180214
1318 II 14 Ausst.: Dietrich der Meier u. Hermann v. Bachem, bd. Ritter v. Münstermaifeld
180224
1318 II 24 Gottfried v. Sponheim-Starkenburg, Domherr zu Köln – Johann II., Gf. v. Sponheim-Starkenburg
180521
1318 V 21 Johann I., Gf. v. Sayn; Gottfried III., Robin u. Johann II. v. Sayn (Söhne) – Philipp v. Sponheim-Dannenfels
180602.1
1318 VI 2 Johann II., Gf. v. Sponheim-Starkenburg – Ruprecht III., Gf. v. Virneburg
180602.2
1318 VI 2 Johann II., Gf. v. Sponheim-Starkenburg – Friedrich v. Ehrenberg
180823.1
1318 VIII 23 Ausst.ort: Koblenz Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier – Peter v. Aspelt, Ebf. v. Mainz; Heinrich II. v. Virneburg, Ebf. v. Köln
181224
1318 XII 24 Ausst.ort: Koblenz Ausst.: Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier; Karl v. Trier, Hochmeister des deutschen Ordens; Peter v. Aspelt, Ebf. v. Mainz
191019 S
1319 X 19 Etleman (Eckelmann), Ritter v. St. Wendel – Johann I., Gf. v. Saarbrücken, Herr zu Commercy
200430
1320 IV 30 Dietrich v. Wildenburg u. Ehefrau – Simon v. Isengarten
201125.1
1320 XI 25 Emmerich Limelzun, Ritter v. Lewenstein – Johann der Blinde, Kg. v. Böhmen
201125.2
1320 XI 25 Wolfram, Ritter v. Lewenstein; Eberhard, Ritter v. Randeck – Johann der Blinde, Kg. v. Böhmen
210612
1321 VI 12 Philipp v. Boppard – Johann, Herr v. Braunshorn
220110
1322 I 10
50
Korpus
220118
163
Nikolaus u. Friedrich v. Kellenbach (Brüder) – Johann II., Gf. v. SponheimStarkenburg; Simon II., Gf. v. Sponheim-Kreuznach 1322 I 18 Ausst.ort: Luxemburg Arnold v. Blankenheim; Gerhard v. Blankenheim (Bruder) – Johann der Blinde, Kg. v. Böhmen, Gf. v. Luxemburg
220402
1322 IV 2 Ludwig v. Rennenberg u. Ehefrau – Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg
230131
1323 I 31 Godebrecht, Heinrich v. Lay, beide Schöffen zu Koblenz – Wetzel, der Bäcker v. Koblenz
230521
1323 V 21 Werner der Brender, Ritter v. Eltz – Herren v. dem Deutschen Haus in Koblenz; Herren v. Himmerod; Gisen, ein Geistlicher; Marsilius v. der Arken v. Koblenz
230721
1323 VII 21 Dietrich v. Wildenburg u. Ehefrau – Simon v. Isengarten
230913
1323 IX 13 Johann v. Werth, Ritter; Eberhard v. Kobern; Gemeinde Ochtendung – Komtur des Deutschen Hauses in Koblenz
230915
1323 IX 15 Syvert v. Alzey – Engelbert v. Rhens, Bürger zu Koblenz
231011
1323 X 11 Ausst.: Pantaleon v. Sponheim-Starkenburg; Johann II., Gf. v. SponheimStarkenburg (Vater) (Herst. Sponheim-Starkenburg)
231026
1323 X 26 Johann v. Mengen u. Arnold v. Weiskirchen, beide Ritter – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier; Stift Trier; Wilhelm v. Dorsweiler u. Neffe u. Ehefrau
231110R
164
1323 XI 10 Nikolaus Frubose v. Ulmen – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier; Stift Trier
240000.2
1324 Wirich v. Daun, Herr zu Oberstein – Herr v. Veldenz
240210.1
1324 II 10
163 164
Zur ersten volkssprachlichen Urkunde des Luxemburger Rittergerichts vgl. Reichert (1997: 486), Gärtner / Holtus / Rapp / Völker (1997: 118 ff.) und Rapp (2006: 292 f.). = Rapp (2006) Urkunde Nr. 1.
51
Korpusurkunden Heinrich v. Sponheim-Starkenburg, Propst zu Aachen – Johann II., Gf. v. Sponheim-Starkenburg (Bruder Heinrichs); Johann III., Gf. v. SponheimStarkenburg, Heinrich u. Gottfried v. Sponheim-Starkenburg, alle drei Söhne Lorettas v. Sponheim-Starkenburg 240210.2
1324 II 10 Heinrich v. Sponheim-Starkenburg, Propst zu Aachen – Pantaleon v. Sponheim-Starkenburg, Sohn des Gf.en Johann II. v. Sponheim-Starkenburg (Herst. Sponheim-Starkenburg)
240401
1324 IV 1 Loretta, Gräfin v. Sponheim-Starkenburg – Pantaleon v. Sponheim-Starkenburg (Herst. Sponheim-Starkenburg)
240422
1324 IV 22 Schr.: Konrad v. Echternach Johann v. Enkirch, Kellermeister des verstorbenen Gf.en Johann v. Sponheim-Starkenburg – Loretta, Gräfin v. Sponheim-Starkenburg; Johann III., Gf. v. Sponheim-Starkenburg; Heinrich u. Gottfried v. SponheimStarkenburg
240624 S
1324 VI 24 Henneman Hurnich u. Ehefrau – Kloster Fraulautern
240717
1324 VII 17 Trier Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier – Gerhard VII., Gf. v. Jülich; Kuno v. Winneburg, Ritter
240912
1324 IX 12 Sibert v. Buhlenberg, Schultheiß zu Buhlenberg; Heinrich u. Wilhelm (Söhne) – Loretta, Gräfin v. Sponheim-Starkenburg; Johann III., Gf. v. SponheimStarkenburg; Heinrich u. Gottfried v. Sponheim-Starkenburg (Herst. Sponheim-Starkenburg)
240927
1324 IX 27 Ausst.ort: Metz Johann d. Blinde, Kg. v. Böhmen, Gf. v. Luxemburg – Wilhelm v. Akers, Ritter
241111
1324 XI 11 Hermann Sunder, Ritter v. Senheim u. Ehefrau – Johann, Herr v. Braunshorn
250414
1325 IV 14 Dietrich v. Wildenburg u. Ehefrau – Simon v. Isengarten
250429
1325 IV 29 Heinrich Knappe, Ritter zu Sponheim – Johann v. Waldeck (Schwiegersohn)
165
165
Der Schreiber Konrad Garslii v. Echternach ist Notar der Trierer Kirche, vgl. ‚Mittelfränkische Urkunden, 1300 bis 1330‘.
52
Korpus
250609
1325 VI 9 Johann d. Blinde, Kg. v. Böhmen, Gf. v. Luxemburg – Georg I., Gf. v. Veldenz
250629
1325 VI 29 Ausst.: Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg; Wilhelm u. Johann v. Waldeck (Neffen); Heinrich v. Waldeck, gen. v. Spiegelberg; Hermann v. Winningen u. weitere
250805
1325 VIII 5 Johann Meusewin v. Sponheim – Loretta, Gräfin v. Sponheim-Starkenburg (Herst. Sponheim-Starkenburg)
250808
1325 VIII 8 Andreas v. Oberstein, Ritter, u. Ehefrau – Loretta, Gräfin v. SponheimStarkenburg; Johann III., Gf. v. Sponheim-Starkenburg; Heinrich u. Gottfried v. Sponheim-Starkenburg (Herst. Sponheim-Starkenburg)
261110
1326 XI 10 Rat der Stadt Koblenz – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier; Stadt Boppard
270312
1327 III 12 Friedrich I., Wildgf. v. Kyrburg; Gottfried (Sohn) – Loretta, Gräfin v. Sponheim-Starkenburg; Johann III., Gf. v. Sponheim-Starkenburg; Heinrich u. Gottfried v. Sponheim-Starkenburg (Herst. Sponheim-Starkenburg)
270405
1327 IV 5 Friedrich I., Wildgf. v. Kyrburg; Gottfried (Sohn) – Loretta, Gräfin v. Sponheim-Starkenburg; Johann III., Gf. v. Sponheim-Starkenburg (Herst. Sponheim-Starkenburg)
270920
1327 IX 20 Arnold Heschin v. Lehmen – Komtur u. Brüder des Deutschen Hauses in Koblenz
270922 S
166
1327 IX 22 Ausst.: Emicho, Abt v. Tholey
280414
1328 IV 14 Ruprecht I., Pfalzgf. bei Rhein, Hzg. v. Bayern – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier; Stift Trier
280707
1328 VII 7 Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier – Loretta, Gräfin v. Sponheim-Starkenburg
281101
1328 XI 1
166
Ausst.ort: Koblenz
Bei dieser Urkunde handelt es sich um eine Abschrift. Die Urkundsparteien des Originals sind in der Nähe Tholeys zu lokalisieren.
Korpusurkunden
53
Salentin v. Isenburg, Ritter – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier; Domstift Trier 290121.1
1329 I 21 Schultheiß, Vogt, Schöffen, Heimbürge (Gemeindevorsteher) und Gemeinde von Ochtendung – Komtur u. Brüder des Deutschen Hauses in Koblenz
290121.2
1329 I 21 Schultheiß, Vogt, Schöffen, Heimbürge (Gemeindevorsteher) und Gemeinde von Ochtendung – Komtur u. Brüder des Deutschen Hauses in Koblenz
290310
1329 III 10 Johann, Herr v. Braunshorn – Loretta, Gräfin v. Sponheim-Starkenburg (Herst. Sponheim-Starkenburg)
290508
1329 V 8 Ruprecht III., Gf. v. Virneburg und v. Wied – Dietrich Meinfelder, Ritter, Kanoniker in Münstermaifeld, u. Ehefrau
290711
1329 VII 11 Heinrich v. Sponheim-Starkenburg, Propst zu Aachen; Gottfried v. Sponheim-Starkenburg, Domherr zu Köln; Pantaleon v. Sponheim-Starkenburg – Loretta, Gräfin v. Sponheim-Starkenburg
290927
1329 IX 27 Ausst.ort: Montabaur Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier – Stadt Koblenz
291029a
1329 X 29 Ausst.ort: Wesel Gottfried II. v. Sayn, Ritter; Engelbert I. v. Sayn – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier u. Bistumsverwalter zu Mainz
291029b
1329 X 29 Ausst.ort: Wesel Gottfried II. v. Sayn, Ritter; Engelbert I. v. Sayn – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier u. Bistumsverwalter zu Mainz
167
320425R
1332 IV 25 Jofried, Gf. v. Leiningen – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier; Stift Trier
330526
1333 V 26 Eu’holt v. Sternberg, Knappe, u. Ehefrau – Äbtissin u. Konvent des Zisterzienserinnenklosters Rosenthal, Gemeinde Binningen
360210
1336 II 10 Friedrich I. v. Kronenburg, Herr zu Neuerburg – Hartrad v. Schönecken
370909
1337 IX 9 Friedrich v. Kellenbach – Hartrad v. Schönecken
167
= Rapp (2006) Urkunde Nr. 2.
54
Korpus
390530R
168
390704 169
400808
170
1339 V 30 Friedrich, Herr v. Kronenburg; Friedrich, Herr v. d. Neuerburg (Sohn) – Johann, Herr v. Falkenstein; Hermann, Herr v. Brandenburg 1339 VII 4 Hartrad v. Schönecken – Thilkin v. Hillesheim 1341 VIII 8 Hartrad v. Schönecken – Thilkin v. Hillesheim
400824
1340 VIII 24 Hartrad v. Schönecken – Thilkin v. Hillesheim
410520
1341 V 20 Hartrad v. Schönecken – Kuno, gen. holebch v. Kronenburg
411214
1341 XII 14 Hartrad v. Schönecken – Frank, Knecht und Kellermeister Hartrads v. Schönecken
420705
1342 VII 5 Lucie v. Schönecken; Gerlach, Walter u. Heinrich v. Schönecken (Söhne) – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier; Stift Trier
421017
1342 X 17 Hartrad v. Schönecken – Thilkin v. Hillesheim
430410
1343 IV 10 Hartrad v. Schönecken; Margarethe v. Schönecken (Ehefrau) – Frank, Knecht und Kellermeister Hartrads v. Schönecken
430501
1343 V 1 Hartrad v. Schönecken – Johann v. Brandscheid, Ritter; Dietrich v. Schönecken
430625
1343 VI 25 Hartrad v. Schönecken – Peter gen. hybis, Bürger v. Bitburg
430814 431228 440302
168 169 170
1343 VIII 14 Hartrad v. Schönecken – Peter, gen. keſſil koſillerſ ſne vain nrberg 1343 XII 28 Ausst.ort: Trier Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier – Hartrad v. Schönecken 1344 III 2
= Rapp (2006) Urkunde Nr. 5. Die Datierung wurde nach Schares (2005: 408) korrigiert. Die Urkundennummer bleibt aber unverändert. Die Urkunde ist auf dem Umschlag abgebildet.
55
Korpusstruktur Kuno, Herr zu Schönberg – Hartrad v. Schönecken 460428
1346 IV 28 Hartrad v. Schönecken – Frank, Knecht und Kellermeister Hartrads v. Schönecken
470418
1347 IV 18 Hartrad v. Schönecken – Margarethe v. Schönecken (Ehefrau) (Herst. Dieter, Abt zu Prüm)
480421
1348 IV 21 Ausst.ort: Trier Hartrad v. Schönecken – Dietrich, gen. mont, u. Ehefrau, Trier
480731
1348 VII 31 Hartrad v. Schönecken – Nikolaus, Bürger zu Bitburg
490111
1349 I 11 Hartrad v. Schönecken – Frank v. Schönecken, Burgmann, u. Ehefrau
490417
1349 IV 17 Schr. wie 490418 Johann II., Herr zu Monschau und Valkenburg und zu Berche – Hartrad v. Schönecken; Margarethe v. Schönecken (Ehefrau)
490418
1349 IV 18 Schr. wie 490417 Hartrad v. Schönecken – Goswin v. zeuil, Ritter
491010 500903
171
1349 X 10 Hartrad v. Schönecken – Heinrich gen. valpot; mychile gen. pathze 1350 IX 3 Hartrad v. Schönecken – Johann v. Ulmen
2.2 Korpusstruktur Das für die vorliegende Untersuchung gebildete Korpus moselfränkischer Urkunden des 13. und frühen 14. Jahrhunderts ist hinsichtlich Raum und Zeit strukturiert. Das dritte, neben Raum und Zeit meistens herangezogene Kriterium ‚Textsorte‘ ist innerhalb des Urkundenkorpus konstant.172 Die zeitliche Strukturierung orientiert sich an willkürlich gesetzten 25-Jahres-Schnitten, die möglichst keine Schreiberserien wie die von
171 172
Vgl. Schares (2005: 423 f.). Vgl. z. B. Wegera (2000: 1306).
56
Korpus
Lambert von Asbach (1275–1284) zerschneiden. Tabelle 2.1 zeigt die Anzahl der Urkunden pro Zeitraum sowie die Zahl der ausgewerteten Wortformen und Konsonanten. Tabelle 2.1: Korpusstruktur Urkunden
Wort173 formen
Durchschnitt Durchschnitt pro Urkunde Konsonanten pro Urkunde
I
bis 1274
11
3 337
303,4
8 266
751,5
II
1275–1299
49
27 900
569,4
69 193
1412,1
III 1300–1324
53
20 555
387,8
50 319
949,4
IV 1325–1350
49
19 114
390,1
48 113
981,9
Summe
162
70 906
437,7
175 891
1085,7
Der erste Zeitraum (bis 1274) ist wegen der gerade erst beginnenden deutschsprachigen Beurkundung nur schwach besetzt. Der letzte Zeitraum spiegelt bedingt durch die Konzipierung der verwendeten Editionen nicht den tatsächlichen Anstieg der Urkundenproduktion wider und soll lediglich als Ausblick dienen. Den Kern der Untersuchung bilden die ersten drei Zeiträume, die die Jahre 1248–1324 abdecken. Darüber hinaus wurden weitere Urkunden aus dem rip. und rhfrk.-hess. Gebiet vergleichend hinzugezogen. Wo der Schreiber bekannt ist, wurden innerhalb des Korpus Kleinserien gebildet (s. Tabelle 2.2). Dies betrifft 18 Urkunden, die drei Schreibern zugeordnet werden können. NN I und Lambert waren Notare der verwitweten Gräfin Mechthild von Sayn. NN II schrieb zwei Urkunden, an denen sie als Urkundspartei beteiligt war, es ist aber unklar, ob er auch in ihren Diensten stand oder zumindest aushilfsweise für sie schrieb.174
173 174
Nicht mitgezählt wurden Namen und kaum integrierte Entlehnungen wie interdict oder commendatie, die bei der Auswertung nicht berücksichtigt werden. Vgl. Bohn (2002: 468 f.).
57
Korpusstruktur Tabelle 2.2: Urkunden nach Schreibern Schreiber
Zeitraum
Urkunden
Wortformen
I
bis 1274
NN I
1261–1273
5
2 201
II
1275–1299
Lambert von Asbach
1275–1284
11
14 137
NN II
1278–1279
2
449
18
16 787
III 1300–1324
-
IV 1325–1350
-
Summe
Eine weitergehende Unterteilung ergibt sich nach der mutmaßlich herstellenden Partei175 (s. Tabelle 2.3). Diesen Herstellergruppen werden weitere Urkunden zugewiesen, an denen dieselbe Partei zumindest beteiligt war. Alle übrigen Urkunden gelten als Einzelstücke.176 Die Herstellertabelle ist nur nach Jahrhunderten gegliedert, da mehrere herstellende Parteien in zwei Zeiträumen aktiv sind und ihre Urkunden ansonsten auseinandergerissen würden. Die Urkunden der Herstellerserien sind weniger einheitlich als die Urkunden der Schreiberserien, da sie durchaus von verschiedenen Schreibern stammen können. In der Auswertung wird dies berücksichtigt. Tabelle 2.3: Urkundengruppen nach Herstellern Urkundengruppe
Zeitraum
Urk.
Wortformen
Herren v. Rennenberg
1270
1
269
Gf. v. Veldenz
1273–1292
6
1 494
Gf. v. Veldenz beteiligt
1286–1292
4
1 032
Herst.
Wilhelm v. Waldeck
1275
1
168
Herst.
Burggf. v. Hammerstein u. Rheineck
1276-1284
1
58
13. Jh. Herst. Herst.
175 176
Zur Lokalisierung der Urkunden und zur Eingrenzung der Hersteller vgl. Kap. 2.1.1. Zu den Einzelurkunden sind auch all jene Urkunden zu zählen, die als einzige einem bestimmten Hersteller zugewiesen werden konnten. Das gilt für viele Urkunden des 13. Jh.s.
58
Korpus
Urkundengruppe
Zeitraum
Urk.
Wortformen
Herst.
Hospital v. Sinzig
1286
1
472
Herst.
Wilhelm Bozzel v. Stein
1286
1
343
Herst.
Gf. v. Nassau
1288
2
484
Herst.
Gf. v. Sponheim
1290–1299
4
2 063
Herst.
Gf. v. Leiningen
1292–1299
4
1 452
Herst.
Gf. v. Katzenelnbogen
1297
1
775
Herst.
Herren v. Schöneck, Waldeck, Elz
1299
1
407
Einzelurkunden
1248–1295
15
5 433
42
14 450
14. Jh. Herst.
Trier, Domkapitel
1300
1
213
Gf. v. Sponheim-Starkenburg
1300–1318
5
1 294
Gf. v. Sponheim-Starkenburg beteiligt
1314–1324
4
1 672
Mittelrheinische Städtebündnisse
1301
4
3 272
Herr v. Braunshorn und Blankenrath
vor 1304?
1
295
Herr v. Braunshorn beteiligt
1305–1324
3
1 152
Gf. v. Sayn
1307–1318
3
1 035
Gf. v. Sayn beteiligt
1300–1329
3
1 831
Siegfried v. Stein u. weitere
1309
1
1 343
Zisterzienserinnenkloster Rosenthal beteiligt
1310–1333
2
597
Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier
1318–1343
7
5 720
Balduin v. Luxemburg beteiligt
1317–1342
7
1 863
Herst.
Ritter v. St. Wendel
1319
1
539
Herst.
Dietrich v. Wildenburg
1320–1325
3
516
Herst.
Philipp v. Boppard
1321
1
594
Herst.
Johann der Blinde, Kg. v. Böhmen, Gf. v. 1324–1325 Luxemburg
2
444
Johann der Blinde beteiligt
1320
2
162
Luxemburger Rittergericht
1322
1
418
Sponheim-Starkenburg
1323–1329
9
3 963
Herst.
Herst. Herst. Herst.
Herst.
Herst.
59
Verwendete Editionen
Urkundengruppe
Zeitraum
Urk.
Wortformen
Sponheim-Starkenburg beteiligt
1329
1
291
Deutschorden Koblenz beteiligt
1323–1329
6
2 072
Herst.
Abt v. Tholey
1327
1
260
Herst.
Hartrad v. Schönecken
1339–1350
16
4 052
Hartrad v. Schönecken beteiligt
1336–1349
5
1 149
Dieter, Abt zu Prüm
1347
1
330
Einzelurkunden
1300–1339
12
4 592
102
39 669
144
54 119
Herst.
gesamt
Zusammen mit den drei Schreiberserien ergibt sich eine Korpusgröße von 162 Urkunden mit 70 906 Wortformen.
2.3 Verwendete Editionen Um Texte sprachwissenschaftlich auswerten zu können, ist es notwendig, dass sie – wenn nicht am Original, einem Mikrofilm oder Faksimile – anhand einer handschriftennahen Transkription untersucht werden können.177 Auch wenn Urkunden normalerweise nicht so stark normalisiert werden wie literarische Texte, sind die meisten älteren Urkundeneditionen für eine sprachwissenschaftliche Auswertung nicht geeignet. Um die Urkunden für Nichtgermanisten, v. a. Historiker, lesbarer zu machen178, werden z. B. Schreibungen wie ‹u› und ‹v› ausgeglichen, Superskripte 177
178
Vgl. Wilhelm (1932: LX f.): „Gerade das ‚Normalisieren‘ also mußte bei diesem Corpus, das in erster Linie dem Sprachforscher dienen soll, vermieden werden. Ein möglichst genauer Abdruck, soweit ein solcher überhaupt das Original einer Urkunde ersetzen kann, war das Erfordernis, das erfüllt werden musste.“ Ebenso de Boor (1971: 207). Sieh dazu auch Wolf (1989: 107 f.), Wegera (1990: 107, 109; 2000: 1306), Klein (1991: 7) und Mhd. Gr. III, Quellenkorpus. Vgl. de Boor (1971: 201).
60
Korpus
getilgt, Abkürzungen kommentarlos aufgelöst, die Worttrennung an den gegenwartssprachlichen Gebrauch angepasst und die handschriftliche Interpunktion durch eine moderne ersetzt. Die verwendeten Editionen, das ‚Corpus der altdeutschen Originalurkunden bis zum Jahr 1300‘, die ‚Nachträge zum „Corpus der altdeutschen Originalurkunden“‘179 sowie die elektronische Edition ‚Mittelfränkische Urkunden, 1300 bis 1330‘, ergänzt durch Luxemburger Urkunden aus Rapp (2006), bieten den Urkundentext in diplomatischem Abdruck.180 Obwohl auch sie nicht ganz frei von Eingriffen sind181, stellen sie für eine Untersuchung des Schreibgebrauchs eine geeignete Grundlage dar. Ein diplomatischer Abdruck kann nie alle Merkmale der Handschrift erfassen. Manche paläographischen Befunde wie Risse oder Löcher im Pergament und die Unterscheidung sehr ähnlicher Buchstabenformen wie der verschiedenen ‹r›-Typen sind für eine schreibsprachliche Auswertung irrelevant. Andere Merkmale wie der Majuskelgebrauch und die Verwendung von Gliederungszeichen können je nach Fragestellung vernachlässigt werden. In den verwendeten Editionen werden ‹u› und ‹v›, ‹i› und ‹j› sowie rundes ‹s› und Schaft-‹ſ› unterschieden, Superskripte werden möglichst genau wiedergegeben, ebenso vermeintliche Fehler wie Doppelungen und Auslassungen.182 Ab Band IV des ‚Corpus‘, vereinzelt auch schon früher, gehen die Herausgeber de Boor / Haacke (1957: XXVII) dazu über, Schreibungen, die als Druckfehler verstanden werden könnten, in den Anmerkungen durch sic! zu markieren, um sie von echten Druckfehlern
179 180 181
182
Herausgegeben von Bohn / Rapp (1995b). Vgl. u. a. Wilhelm (1932: LX f.) zum ‚Corpus‘, Bohn / Rapp (1995b: 219). Vgl. dazu de Boor / Haacke (1963: V): „Wilhelm ist darum bemüht gewesen, in seinem gedruckten Text allen orthographischen Feinheiten des Originals gerecht zu werden. Das scheint ein erstrebenswertes Ziel zu sein. Wir müssen jedoch zugeben, daß hierbei einerseits dennoch aus drucktechnischen Gründen eine gewisse Normalisierung vorgenommen werden mußte, daß andererseits aber in einigen Fällen eine Vielfalt von Zeichen verwendet wurde, die die wirklichen Absichten des Schreibers doch nicht genügend berücksichtigte.“ Vgl. zum ‚Corpus‘ Wilhelm (1932: LXI, LXIV, LXVII) und de Boor / Haacke (1957: XXII f., XXVI f.), zur Trierer Edition Bohn / Rapp (1995b: 219 f.).
Verwendete Editionen
61
abzuheben.183 Groß- und Kleinschreibung wird unverändert übernommen, Verzierungen erscheinen in Fettdruck.184 Ab ‚Corpus‘-Band IV wird außer bei Namen und am Satzanfang grundsätzlich (auch gegen die Handschrift) kleingeschrieben. 185 Die handschriftliche Interpunktion wird in der Trierer Edition mfrk. Urkunden wie in den ersten vier ‚Corpus‘-Bänden beibehalten.186 Ab Band V ersetzt eine moderne Interpunktion die handschriftliche.187 Bei der Getrennt- und Zusammenschreibung hatte schon Wilhelm eingegriffen, indem er getrennte Schreibungen (an ſprache → anſprache) außer bei Präfixverben ohne Hinweis korrigierte.188 Dagegen bemerken de Boor / Haacke in der Vorrede zu Band IV, die Zusammen- und Getrenntschreibung werde „nach wie vor trotz mancher Zweifelsfälle genau nach dem Original wiedergegeben“ (de Boor / Haacke 1963: VI). In der Trierer Edition sind Verbindungen und Trennungen gegen die Handschrift gekennzeichnet.
183 184
185 186
187
188
Vgl. dazu auch de Boor (1976a: XI). Vgl. Wilhelm (1932: LXV ff.) und de Boor / Haacke (1957: XXVI), die bereits hier ankündigen, die Großschreibung von nur vergrößert geschriebenen Buchstaben in zukünftigen Lieferungen aufgeben und nur noch „die Majuskel im paläographischen Sinn“ als solche wiedergeben zu wollen. Zu den von Thomas Bohn und Andrea Rapp herausgegebenen Nachträgen zum ‚Corpus‘ s. Bohn / Rapp (1995b: 219). Alle Änderungen gegen die Handschrift (außer die Großschreibung bei Eigennamen) werden in den Anmerkungen verzeichnet, vgl. de Boor / Haacke (1963: V). Vgl. Wilhelm (1932: LXII ff.), Haacke (1955: 379), de Boor / Haacke (1957: XXIV ff.), Bohn / Rapp (1995b: 219 f.). Ab ‚Corpus‘ Band III ersetzt Schrägstrich mit Punkt das Ausrufezeichen, das Wilhelm für handschriftlichen Strich mit Punkt verwendet hatte. Vgl. dazu Wilhelm (1932: LXIII) und de Boor / Haacke (1957: XXV). Diese Veränderung wird bereits in der Vorrede zu Band IV angekündigt, vgl. de Boor / Haacke (1963: IV). Sie wird dadurch begründet, dass für eine Untersuchung der handschriftlichen Interpunktion ohnehin das Original oder eine Fotografie eingesehen werden müsste, und dass für solche Studien das Material der vier ersten Bände bereits zur Verfügung stehe. Im Vorwort zu Band V äußert sich de Boor (1976a: X) kritisch zum neuen Verfahren: „Die Veränderung erscheint nicht recht befriedigend: Das Corpus ist ein germanistisches Werk [...]. Es ist kein historisches Quellenwerk [...]. Es war Wilhelms Bestreben, bei der Vorbereitung zum Druck den handschriftlichen Text möglichst unverändert zur Anschauung zu bringen. Das ist in den Bänden I bis IV voll, im Band V eingeschränkt durchgeführt.“ Vgl. Wilhelm (1932: LXVII).
62
Korpus
Die Zeilenzählung verläuft im ‚Corpus‘ seitenweise und stimmt nicht mit dem Zeilenumbruch des Originals überein. In der Trierer Edition ist der Zeilenumbruch mit dem der Handschrift identisch.189 Auch bei der Behandlung der Abbreviaturen verfährt die Edition ‚Mittelfränkische Urkunden, 1300 bis 1330‘ so, dass alle Eingriffe in den Originaltext sichtbar bleiben, indem sie die Abkürzungen in runden Klammern auflöst.190 Dagegen hatte Wilhelm Abkürzungen kommentarlos umgesetzt, wenn nicht „verschiedene Auffassungen möglich waren“ (Wilhelm 1932: LXI), so v. a. bei ‹~› für ur191 und beim Nasalstrich (im Dat. Sg. mask. / neutr.). Abkürzungen für Nomina sacra und einige weitere lateinische Ausdrücke sowie Maße und Gewichte werden nicht aufgelöst.192 Hier ändern die beiden Herausgeber de Boor und Haacke ab Band III. Gegen Wilhelm behalten sie aber das er-Kürzel bei (Band III) oder weisen in den Anmerkungen auf die Auflösung hin (Band IV), wenn der Vokal nicht mit Sicherheit feststeht.193 Im Vorwort zu Band V äußert de Boor Bedenken, ob dieses Verfahren sinnvoll sei oder ob es nicht besser gewesen wäre, das Kürzungszeichen zu übernehmen, da es neben Vokal + r vielleicht auch „r + Vokal oder bloßes r meinen kann“ (de Boor 1976a: X).
2.4 Dateigrundlage und Annotationen Das ‚Corpus der altdeutschen Originalurkunden bis zum Jahr 1300‘ ist im Rahmen eines DFG-geförderten Projektes an der Universität Trier digita-
189 190 191
192
193
Vgl. Bohn / Rapp (1995b: 219). Vgl. Ebd. Vgl. de Boor / Haacke (1957: XXIII): „Das [d.i. die Unterscheidung von ‹u› und ‹v›] hat allerdings zur Folge, daß man [...] auf die Auflösung der Abbreviatur für -ur- (-ru-) verzichten muß, weil man nicht weiß, ob der Schreiber u oder v gesetzt hätte.“ Vgl. Wilhelm (1932: LXII). Eine mögliche Kennzeichnung aufgelöster Abkürzung durch Klammerung oder Kursivdruck diskutieren de Boor / Haacke (1963: VI f.) anhand zweier Editionen, verwerfen sie aber für das ‚Corpus‘, um die Lesbarkeit nicht zu beeinträchtigen. Also etwa bei Nomina agentis auf mhd. -ǟre. Vgl. de Boor / Haacke (1957: XXIII f.) und de Boor / Haacke (1963: VI) sowie allgemein zur Abkürzungspraxis Haacke (1955: 379).
Dateigrundlage und Annotationen
63
lisiert worden. Korrekturen der ‚Corpus‘-Herausgeber, die bedingt durch die lange Entstehungszeit des ‚Corpus‘ in der gedruckten Ausgabe an verschiedenen Stellen erscheinen, teils im Nachtragsband V, teils in den Regesten (Band VI und VII)194, sind in der elektronischen Version zusammen mit Korrekturen der Trierer Arbeitsstelle und der WMUArbeitsstelle195 in den Urkundentext eingearbeitet. Die Regesten stehen jeweils vor der betreffenden Urkunde, dahinter die Anmerkungen der gedruckten Ausgabe und eine Auflistung der erwähnten Personen und Orte, die in späteren Bearbeitungsschritten verlinkt werden sollen. Die von Bohn / Rapp (1995b) herausgegebenen ‚Nachträge zum „Corpus der altdeutschen Originalurkunden“‘ sollen wie schon die in Band V des ‚Corpus‘ veröffentlichen Nachtragsurkunden in chronologischer Reihenfolge eingefügt werden.196 Sowohl die elektronische Edition ‚Mittelfränkische Urkunden, 1300 bis 1330‘ als auch eine Vorabversion des digitalisierten ‚Corpus‘ sind mir freundlicherweise in elektronischer Form von der Trierer Arbeitsstelle für diese Arbeit zur Verfügung gestellt worden. Neuere Abdrucke und Abbildungen der verwendeten Urkunden ermöglichten weitere Korrekturen. Dies betrifft v. a. die Urkunde 0009, die wegen ihrer Bedeutung für die Erforschung der frühen mfrk. Schreibsprache mehrfach außerhalb des ‚Corpus‘ abgedruckt wurde197, die Urkunden 1577 und N 536, Urkunde 2748198, die Urkunden Gottfried Hagens 199 sowie die Schöneckener Urkundenstrecke 200 und einige Kölner Urkunden des 14. Jh.s.201 Auch wenn der Vergleich mit den Abbildungen
194 195 196 197 198 199
200 201
Vgl. Gniffke / Rapp (2005: 393). Vgl. Gniffke / Rapp (2005: 393). Vgl. Gniffke / Rapp (2005: 397). In Gärtner / Holtus (1995b: 16–23) mit Verweis auf zwei ältere Faksimiles und Rapp (2006: 290 f.). Alle drei mit Abbildungen in Gärtner / Holtus / Rapp / Völker (1997: 107–112). Die Urkunden Gottfried Hagens wurden im Rahmen des DFG-Projektes ‚Mittelhochdeutsche Grammatik‘ neu kollationiert, da sie als Urkundenstrecke *UKöln1 Teil des Korpus sind, vgl. Mhd. Gr. III, S. 27 und Mhd. Gr. III, Quellenkorpus. Sie dienen hier nur zum Vergleich und sind nicht Teil des Korpus. Mit Verbesserungen abgedruckt in Schares (2005: 405–425). Es handelt sich um die Urkunden *021024.3, *021024a, *021024b, *041214, *060901, *060902, *170622.4, *170628.1, *170628.2, *170628.3, *170629, *170630, *200126.2,
64
Korpus
z. B. der Urkunden Gottfried Hagens einige Korrekturen von Wilhelms Abdruck über seine Abkürzungspraxis hinaus erlaubt, hat sich das ‚Corpus‘ insgesamt als zuverlässige Quelle erwiesen.202 Bei der Zusammenführung der Urkundendateien wurden einige Anpassungen vorgenommen, indem die moderne Interpunktion der Nachtragsurkunden getilgt und bei allen ‚Corpus‘-Urkunden Hinweise auf aufgelöste Abkürzungen sowie abweichende Groß- und Kleinschreibung umgesetzt wurden. Die Urkundentexte wurden hinsichtlich Lemma, Wortart und grammatikalischer Bestimmung annotiert sowie über eine normalmittelhochdeutsche Referenzform, die Normalform, erschlossen. Diese dient als Grundlage für graphophonematische Zuordnungen. Dabei werden die Zeichen bzw. Zeichenfolgen der handschriftlichen Wortform den entsprechenden Phonemen der Normalform zugeordnet. Die Beziehung zwischen den graphischen und phonematischen Einheiten ist zunächst eine rein hypothetische, die erst nach weiteren Auswertungsschritten interpretiert werden kann. Für die Urkunden Gottfried Hagens und der verschiedenen Schreiber Mechthilds von Sayn lagen bereits annotierte Indizes vor, für die anderen Urkunden wurden sie ebenso wie die darauf aufbauenden graphophonematischen Indizes (Grapho-Indizes) in einer ersten Arbeitsphase erstellt. Die Urkunden Gottfried Hagens wurden nach der Neukollationierung in der Arbeitsstelle Bonn des DFGProjektes ‚Mittelhochdeutsche Grammatik‘ lemmatisiert und grammatikalisch annotiert. Dabei konnte auf Anzeichnungen des Trierer Projektes zurückgegriffen werden, die Stephan Habscheid für seine Dissertation203 erstellt hatte. Beim Trierer Lemmatisierungsverfahren werden nur flektierbare Wortarten erfasst.204 Da für die Auswertungen zur Lautlehre205 im Projekt ‚Mittelhochdeutsche Grammatik‘ Grapho-Indizes verwendet wer-
202 203 204 205
*200126a und *200126b, die im Korpus ‚Mittelhochdeutsche Grammatik‘ die Strecke *UKöln2 bilden. Auch sie dienen nur zum Vergleich. Vgl. auch die Einschätzung von Bohn / Rapp (1995b: 215 f.) sowie Gärtner / Holtus (1995b: 21). Habscheid (1997). Vgl. dazu Rapp (1997: 190 ff.) und Habscheid (1997: 20–30). Dagegen war das Trierer Projekt zunächst auf die Morphologie ausgerichtet, vgl. Rapp (1997: 191).
Dateigrundlage und Annotationen
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den, war eine Volllemmatisierung auch der nichtflektierbaren Wortarten nötig.206 Die Programme zur Annotation207 und Weiterverarbeitung der Urkunden sind von Thomas Klein und Stefan Müller in der Arbeitsstelle Bonn geschrieben worden. Das Verfahren ist halbautomatisch, da die Arbeit mit nichtnormierten Texten in der Regel nicht ohne händische Eingriffe auskommt, und daher immer noch recht zeitaufwendig. Für die Auswertung wurden die Indexdateien in eine Datenbank überführt, mit einigen zusätzlichen Anzeichnungen zur Silbenstruktur und zu den ahd. und wgerm. Entsprechungen versehen und mit den historischen Kontextinformationen verknüpft, so dass vielfältige Suchanfragen möglich sind.
206
207
Die Normalform, die als Grundlage für den Grapho-Index dient, wird aus den Informationen ‚Lemma‘, ‚Wortart‘ und – falls vorhanden – ‚grammatikalische Bestimmung‘ sowie der handschriftlichen Wortform erzeugt. Zum Verfahren vgl. Klein (1991: 9–15).
3 Methode
Penzl (1982: 169) sieht es als „Aufgabe der historischen Phonologie, Lautsysteme und Lautgeschichte vergangener Perioden einer Sprache zu beschreiben.“ Da als Zeugnisse nur schriftliche Quellen zur Verfügung stehen208, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Laut und Schrift.209 Zwischen den Extrempositionen einer autonomen Graphematik210 und einer unreflektierten Gleichsetzung hat sich die Annahme etabliert, Schreibung211 und Lautung seien weder völlig unabhängig voneinander 208
209
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Teilweise ohne schriftliche Quellen kommt die Historische Dialektologie aus, die nach Wiesinger (2004: 14) „die Erforschung des gesprochenen Dialekts früherer Zeiten“ zum Ziel hat und dazu neben der graphematischen Analyse schriftlicher Quellen, sofern diese überhaupt vorhanden sind, vor allem strukturelle Rekonstruktionsmethoden anwendet (vgl. a. a. O.: 15–17). Die Rekonstruktion von Reihenschritten (vgl. Wiesinger 1970; 1982; 2008: 24 ff.) hat sich vor allem beim Vokalismus bewährt, während eine Reihenentwicklung bei den Konsonanten meist schwächer ausgeprägt ist, wie besonders die Zweite Lautverschiebung zeigt. Vgl. u. a. Besch (1961; 1965), Penzl (1982), Glaser (1985; 1988: 26 ff.), Russ (1986), Wiesinger (1996), Kohrt (1985: 333–356; 1998), Elmentaler (2003: v. a. 19–22, 51 ff., 85 f.), jeweils mit weiterer Literatur. Zur Kritik an diesem Ansatz, das graphematische System eines Textes gänzlich ohne Bezug zur phonologischen Ebene zu analysieren, vgl. Penzl (1982: 173 f.), Kohrt (1998: 556 ff.), Elmentaler (2003: 83) und Glaser (1985: 32 f.; 1988: 319–326), die eine rein graphematische Analyse in wenigen Fällen – etwa bei gänzlich unbekannten Sprachen – für nützlich hält, ansonsten aber ähnlich wie Kohrt die oft inkonsequente Durchführung kritisiert. Bei der Definition des Graphembegriffs spielt Eineindeutigkeit, „derzufolge kein Ausdruckselement mal als Variante der emischen Einheit X, mal als Variante der emischen Einheit Y gewertet werden sollte“ (Kohrt 1998: 553), eine entscheidende Rolle. Daraus resultieren Probleme, wenn sich die Graphemdefinition – wie in der Vergangenheit häufig geschehen – auf repräsentierte phonematische oder phonische Einheiten bezieht. Kohrt (1998: 559) definiert Grapheme stattdessen als „minimale funktional relevante Segmente der geschriebenen Sprache“, deren Funktionalität rein auf der graphischen Ebene ohne Bezug zur lautlichen zu bestimmen sei (vgl. ebd.). Aus einem oder mehreren Graphemen (‹‹s››, ‹‹c››, ‹‹h››) zusammengesetzte Einheiten (‹‹sch››), die sich auf phonische Einheiten ([ʃ]) beziehen lassen, werden davon streng
Methode
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noch uneingeschränkt gleichzusetzen.212 Das verbietet sich wegen der unzweifelhaft vorhandenen schreibsprachlichen Variation213, aber auch wegen der Schwierigkeiten, die die Übernahme des lateinischen Alphabets zwangsläufig mit sich brachte. Mit der Entlehnung der Schriftzeichen wurde in der Regel auch der entsprechende spät- bzw. mlat. Lautwert mit übernommen, was auch bei der Beurteilung von Zeichenkombinationen zu bedenken ist. 214 Wie Elmentaler (2003: 45–49) und Mihm (2001: 568 f.; 2004b: 345) zu Recht bemerken, sind die mittelalterlichen Schreiber am Lateinischen geschult und schreiben meist parallel zur Volkssprache weiterhin Latein, so dass der Bezug zu den lateinischen Zuordnungsregeln stets lebendig blieb. Eine Anpassung dieser Zuordnungsregeln ist damit aber nicht ausgeschlossen, häufig sogar notwendig, da das Zeicheninventar des lat. Alphabets beschränkt ist und sich das mlat. Phonemsystem von den volkssprachlichen Phonemsystemen unterscheidet.215 Auch im Mlat. gab es keine absolut gleichbleibenden eineindeutigen Entsprechungen zwischen Schreibung und Lautung. Für den klass.-lat. Diphthong ae, der zu monophthongiert wurde, erscheint in mlat. Handschriften neben ‹e› und ‹ę› auch die traditionelle Digraphie ‹ae›.216 So
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216
geschieden und in Anlehnung an Allén (1965) und Heller (1980) als ‚Phonographeme‘ bezeichnet (vgl. Kohrt 1998: 559). Statt ‚Phonographem‘ werden im Folgenden die „traditionellen Termini“ (a. a. O.: 551) ‚Graphie‘ / ‚Schreibung‘ verwendet. Vgl. Frnhd. Gr., § L 1, Kohrt (1998: 556). Man vergleiche van wilcherhande gebrgge / gebruchge (Dat. Sg. zu gebruch ‚Mangel‘) dat dat ſi (0255 / 0602, Schr. Lambert v. Asbach) in zwei Urkunden gleichen Inhalts des Schreibers Lambert von Asbach. Dass hier einmal [g] oder [gː], ein anderes Mal [x] / [xː] (oder gar [xg]) gesprochen wurde, ist mehr als unwahrscheinlich. Das Beispiel der Graphie ‹gg›, die für einen gutturalen Fortisfrikativ stehen kann, zeigt, dass nicht mehr rein vom lateinischen Lautwert ausgegangen werden kann und stets mit „Schreibungsumwertung“ (Penzl 1982: 186) gerechnet werden muss. Vgl. Penzl (1982: 170), Elmentaler (2003: 19–21). Vgl. Penzl (1982: 171). So hatte das Altmfrk. einen velaren Lenisfrikativ, für den kein passendes lateinisches Schriftzeichen vorhanden war. Ähnlich hat auch das gesamtahd. Nebeneinander von (schibilantischem?) s und ȥ keine Entsprechung im mlat. Phonem- und Graphiensystem. Vgl. Stotz, HLSMA 3, VII § 67.1.
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verwendet der Duisburger Schreiber Everhardus, dessen vokalisches Graphemsystem in lateinischen und volkssprachlichen Quellen der Jahre 1375–1376 (lat.) bzw. 1377–1407 (volkssprachl.) Elmentaler (2003: 92–96) untersucht, neben weit überwiegendem ‹e› auch zweimal ‹ae› in seinen lat. Stadtrechnungen: Mariae, silvae gegen Marie. So wie die Bewahrung traditioneller Schreibungen (‹ae› gegen ‹e›) im Mlat. selbst möglich war, ist Ähnliches auch für die Volkssprachen nicht auszuschließen, wie z. B. die Verwendung der Graphie ‹ie› für längst monophthongiertes ī < ie (brief neben brif, beide 191019, Herst. Ritter v. St. Wendel).217 Die Möglichkeit, dass Schreibungen nicht denselben Lautwert haben wie im Lat. und dass sich der Lautwert von Zeichenkombinationen nicht aus ihren Bestandteilen ergibt, ist also stets mitzudenken. In der Nähe der romanischen Sprachgrenze muss darüber hinaus mit dem Einfluss afrz. Schreibtraditionen gerechnet werden.218 Die Frage, ob nur phonematische Unterschiede verschriftlicht werden, wird kontrovers diskutiert.219 Wegen der Begrenztheit des Zeicheninventars bleiben vor allem im Vokalismus phonematische Merkmale wie Länge und Palatalität häufig unbezeichnet, vgl. den Usus vieler mhd. Handschriften, für (normal)mhd. a und ā unterschiedslos ‹a›, für u und ü ‹u› (bzw. ‹v› / ‹› / ‹›) zu schreiben. Konsonantische Länge wird dagegen auch dort, wo sie allophonisch ist, meist durch Zeichenverdopplung ausgedrückt, so z. B. ‹f› für das kurze, ‹ff› für das lange Allophon von mhd. f zwischen Kurzvokal und Schwa.220
217
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Anders Elmentaler (2003), der wegen der Variation spätmittelalterlicher Schreibsprachen, die er exemplarisch an zehn Duisburger Stadtschreibern des 14. bis 17. Jh.s untersucht hat, annimmt, dass es „noch kein eigenständiges volkssprachliches Lautzuordnungssystem“ (a. a. O.: 318) mit Regeln, die vom Lateinischen abweichen, gegeben haben könne. Damit ein „graphematisch variables System“ (ebd.) dennoch funktioniert habe, müssten die lateinischen Lautzuordnungsregeln ihre volle Gültigkeit behalten haben und insbesondere Zeichenkombinationen als Folgen ihrer Einzellautwerte gelesen werden (vgl. Elmentaler 2003: 19–21, 318 f.). Vgl. Jungandreas (1969). Vgl. Elmentaler (2003: 152157) mit weiterer Literatur. Dies gilt überall dort, wo intervokalisches ff < wgerm. *p regelmäßig nach Diphthong und Langvokal gekürzt wurde, vgl. Ahd. Gr. I, § 132; Paul, Mhd. Gr., § L 83, § L 101.
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Um den Lautwert von Schreibungen eingrenzen zu können, ist eine Analyse des gesamten konsonantischen oder vokalischen Teilsystems nötig.221 Dazu sollte zunächst die Distribution der Graphien ermittelt werden. Da eine voraussetzungslose autonome Analyse schon bei der Identifikation von Digraphien wie ‹ei› oder ‹ch› auf Schwierigkeiten stößt, hat sich die Verwendung eines lautlichen Bezugssystems bewährt. Um einen Zirkelschluss zu vermeiden, kann der lautliche Bezug allerdings nicht von dem zugrundeliegenden Phonemsystem ausgehen, das als Ergebnis der Schreibsprachanalyse ja erst erschlossen werden soll. Stattdessen wird auf ein lauthistorisch begründetes Referenzsystem222 zurückgegriffen. Generell ist der Bezug sowohl auf ein vorausliegendes als auch auf ein nachfolgendes System möglich. Da die Korpusurkunden der Rand- und Übergangsgebiete einen im Detail abweichenden Lautverschiebungsstand erwarten lassen, sollte das Bezugssystem eine gemeinsame rekonstruierbare Vorstufe sein. Das normalisierte Mhd. ist wie das auf dem Ostfränkischen Tatians beruhende Ahd. der Grammatiken223 und Wörterbücher wegen des stark abweichenden Lautverschiebungsstandes des Mfrk. kaum geeignet. Das Referenzsystem der vorliegenden Untersuchung ist daher an das Westgermanische angelehnt, mit diesem aber nicht identisch. Wo Lautwandel noch in einer gemeinsamen vorahd. Vorstufe zu Spaltungen und Zusammenfällen geführt hat, kann dies in den Einheiten des Referenzsystems berücksichtigt werden, um die Darstellung nicht unnötig auseinanderzureißen224: *n/nnK/mA* könnte so mit den 221 222 223
224
Vgl. Elmentaler (2003: 61). Vgl. Elmentaler (2003: 62 f., 97–102). Vgl. die einleitenden Bemerkungen der Ahd. Gr. zum ahd. Tatian, dessen Sprache „als eine Art ‚Normalahd.‘ zugrunde gelegt“ (Ahd. Gr. I, § 4) wird. Ähnlich hat sich für die mhd. Zeit das „Normalmhd. Lachmann’scher Prägung“ (Paul, Mhd. Gr., § E 11) als abstraktes Bezugssystem ohne schreibsprachliche Realität etabliert (vgl. Paul, Mhd. Gr., § E 9,4). Vgl. Elmentaler (2003: 99 f.), der ebenfalls das Wgerm. als Referenzsystem verwendet und anzunehmende Zusammenfälle und Spaltungen abbildet, indem er z. B. eine Lautposition {ê*/eo*} für wgerm. *ē und *eo, aber zwei Lautpositionen {u*} und {ü*} für wgerm. *u je nach Folgeumgebung ansetzt. Der Stern steht bei Elmentaler für geschlossene Silben.
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entsprechenden Indizes für wgerm. *n, die früh gekürzte Geminate *nn und wgerm. *m stehen, das in Flexionsallomorphen ab dem frühen 9. Jh. in n übergeht225, ebenso *ms/mmK* für wgerm. *m sonst und für gekürztes *mm. Stattdessen werden vereinfachend *n* und *m* verwendet. Die doppelten Sterne unterscheiden die abstrakten Einheiten des Referenzsystems von den wgerm. Rekonstruktionen. Früh und regelmäßig (z. B. im Auslaut) gekürzte wgerm. Geminaten werden unter den entsprechenden Kurzkonsonanten geführt, da jeweils nur wenige Fälle betroffen sind wie *mm im Dat. Sg. mask. / neutr. der stark-pronominalen Adjektivflexion226 und die aufwendigere Benennung hier nicht praktikabel erscheint.227 Sekundär durch mhd. Synkope oder Apokope vor Konsonant oder im Auslaut stehende Geminaten werden hingegen nicht den Kurzkonsonanten zugeschlagen. Hier ist auch die Schreibung schwankender als bei den Ergebnissen der alten Kürzungsprozesse. Bei den Konsonanten, die die Zweite Lautverschiebung durchlaufen, werden die Positionen im Fließtext unterschieden. *ƀ* und *ǥ* stehen stellvertretend für die Frikativund Plosivallophone von wgerm. *ƀ und *ǥ. Als Referenzsystem ergibt sich ein Mischsystem vorwiegend wgerm.-voraltmittelfränkischer Prägung. Auch wenn das Wgerm. den phonologischen Bezugspunkt bildet, werden die Belege in normalisiertem Mhd.228 wiedergegeben, um den Zugriff auf Wörterbücher und Grammatiken zu erleichtern. Bei der Analyse der Schreibungen ausgehend von den Einheiten des Bezugssystems steht ein Überblick über das gesamte Korpus im Mittelpunkt. Die einzelnen Urkunden sind meist zu kurz, als dass ihr Schreib-
225 226 227
228
Vgl. Ahd. Gr. I, § 124; Szulc (1987: 110); Szulc (2002: 121). Vgl. ahd. blintemu < vorahd. *blindammu, Ahd. Gr. I, § 93, Anm. 1; § 248, Anm. 4, vgl. auch Szulc (1987: 70) zur Kürzung in ahd. dęmu, imu. In Elmentalers (2003: 97–100) vokalischem Referenzsystem, das ebenfalls auf dem Wgerm. beruht, ist die Berücksichtigung von Zusammenfällen und Spaltungen auch in der Benennung der Einheiten dagegen durchaus nützlich: {ê/eo} für wgerm. *ē und *eo, {ü} für wgerm. *u vor *i oder *j der Folgesilbe, {u} sonst. Die geschweiften Klammern markieren bei Elmentaler den „Konstruktcharakter der Lautpositionen“ (a. a. O.: 100). Zur Notation und zur graphischen Unterscheidung von Types und Tokens s. Abschnitt 6.1.
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usus sicher beurteilt werden könnte. Ihre Länge kann unter 100 oder – wenn auch selten – mehrere tausend Wortformen betragen.229 Die meisten Lautpositionen sind bei einer durchschnittlichen Textlänge von 3 000 Wortformen für eine graphematisch-phonologische Analyse hinreichend oft belegt. Für seltenere Lautpositionen wie wgerm. *p nach Nasal reicht selbst die vierfache Textmenge, wie sie den Korpora der Gr. d. Frnhd. und der Mhd. Gr. zugrunde liegt, oft nicht aus.230 Im vorliegenden Urkundenkorpus mit knapp 71 000 Wortformen ist wgerm. *p nach Nasal sogar überhaupt nicht belegt. Angaben über Häufigkeiten von Schreibungen beziehen sich im Folgenden auf das gesamte Korpus. Besonderheiten einzelner Urkunden oder Urkundengruppen werden aber berücksichtigt. In einem zweiten Auswertungsschritt werden die häufiger verwendeten Graphien, v. a. die Leitgraphien beschrieben. Unter Leitgraphie wird hier eine Graphie verstanden, die bezogen auf alle Korpusurkunden mindestens einen Anteil von 50 % am Gesamt aller Schreibungen für eine Einheit des Referenzsystems in einer bestimmten Umgebung hat. Elmentaler (2003: 19–22) legt ebenfalls eine Grenze von 50 % zugrunde, die sich allerdings immer auf Texte eines Schreibers bezieht. Glaser (1985: 39), auf die der Begriff der Leitgraphie letztendlich zurückgeht, fordert ein mindestens dreimal so häufiges Vorkommen wie die nächstfolgende Schreibung. Aus den Lautpositionen, für die die Schreibung üblicherweise verwendet wird, und den abweichenden Schreibungen für eben jene Positionen ergeben sich erste grobe Hinweise auf eine mögliche Lautung. Gerade die häufig als Hindernis gesehene Variation kann damit zur Bestimmung des Lautwertes beitragen, indem die verschiedenen Graphien, die von einem Schreiber oder von verschiedenen Schreibern einer Schreiblandschaft für eine Lautposition verwendet werden, den tatsäch-
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Die beiden kürzesten Urkunden des Korpus 0267 (Herst. Burggf. v. Hammerstein u. Rheineck) und 201125.2 (Ritter v. Lewenstein u. Ritter v. Randeck – Johann der Blinde, Kg. v. Böhmen, Gf. v. Luxemburg) haben ohne Namen und jüngere Entlehnungen je 58 Wortformen, die längste Urkunde 280707 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) hat 3 673 Wortformen. Unter 100 Wortformen liegen fünf Urkunden, über 1 000 zehn. Urkunde 280707 ist nur wenig kürzer als die gesamte 16 Urkunden umfassende Serie Hartrads von Schönecken (4 052 Wortformen). Vgl. Klein (2007b: 20 f.).
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lichen Lautwert eher eingrenzen als eine einzelne stabile, möglicherweise traditionelle Schreibung es könnte.231 Erst nach dieser graphiengestützten Eingrenzung der Lautwerte werden die Ergebnisse phonologisch interpretiert.232 Das Ziel der Untersuchung ist in erster Linie, die Schreibsprache der Urkunden im Untersuchungsgebiet zu beschreiben und vorsichtig auf das zugrundeliegende Phonemsystem zu schließen, das seinerseits eine Abstraktion darstellt und die genaue lautliche Realisierung offen lassen muss.
231 232
Vgl. Penzl (1982: 171). Vgl. Glaser (1988: 27). Ähnlich fordert Penzl (1982: 186 f.) eine Kombination aus „einer schreibungspositivistischen Bestandsaufnahme“ und einer daran anschließenden „schreibungsstrukturelle[n] Analyse“.
4 Auswertung des Quellenkorpus
4.1 Referenzphoneme 4.1.1 *w* *w* nach Konsonant: ‹w›, ‹u›, ‹v›, ‹›, ‹b› *w* sonst: ‹w›, ‹v›, ‹u›, ‹m›, ‹uu› Über 1 400 Belege und damit gut ein Viertel aller Vorkommen von *w* stellt das Personalpronomen wir. Weitere hochfrequente Lexeme sind die Verben węsen (346), węrden (244) und wėllen (225) sowie (-)vrouwe (255), ƶwēne (197), (s)węr (142), (-)wille(-) (131), (-)triuwe(-) (124) und (-)wort (119). *w* ist im Korpus inlautend nach den Konsonanten *t* (u. a. ƶwēne, ƶwischen), *þ* (twingen233), *s* (u. a. swęster, swāger, swėrn), *r* (varwe, gar – garwes) und *l* (gęl – gęlwes) belegt. Sekundär erscheint die Folge sw in den verallgemeinernden Relativpronomina, Adverbien und Konjunktionen mhd. swęr, swėlch < ahd. sō (h)węr (sō), sō (h)wėlīch (sō)234; mhd. swār, swar < ahd. sō (h)wār (sō), sō (h)wara (sō); mhd. swie, swanne < ahd. sō (h)wio (sō), sō (h)wanne (sō). Im Korpus dominieren allerdings – wie für das Mfrk. zu erwarten – Formen mit erhaltenem sō:
ſo wat (270312, Herst. Sponheim-Starkenburg) ſo weliche (280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) ſo wa (490418, Herst. Hartrad v. Schönecken) ſo ware (N 223, Schr. Lambert von Asbach) ſo wie (330526, „Euerholt“ v. Sternberg – Zisterzienserinnenkloster
Rosenthal) So wanne (0009, Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.)
233 234
Zur Entwicklung von ahd. dw > mhd. tw vgl. Ahd. Gr. I, § 167, Anm. 8 und Paul, Mhd. Gr., § L 116. Vgl. Paul, Mhd. Gr., § M 50, 3 und Anm. 2.
74
Auswertung des Quellenkorpus
Daneben kommen in den eher südlich zu verortenden Urkunden der Grafen von Veldenz, Nassau, Leiningen und Katzenelnbogen auch Formen mit abgeschwächtem sō vor:
ſwer (1200, Herr v. Isenburg u. weitere – Gf.en v. Nassau u. weitere) swelhem (2787, Herst. Gf. v. Katzenelnbogen) ſwi (1638, Herst. Gf. v. Leiningen) swanne (0776, Herst. Wilhelm Bozzel v. Stein)
In der inlautenden Phonemfolge *hw* ist *w* regelmäßig geschwunden: Sehent (231011, Herst. Sponheim-Starkenburg) zu sęhen < germ. *sehw-a- (Kluge / Seebold, EWB, s. v. sehen). Im gesamten Korpus ist die Graphie ‹w› in allen Positionen die Leitgraphie 235 , nach Konsonant zu 76,1 % (zwey, 040000, Herst. Herr v. Braunshorn und Blankenrath), sonst (also an- und inlautend236 nach Vokal) sogar zu 99,3 % (wir, eweliche, 220402, Ludwig v. Rennenberg – Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg). Im Auslaut ist ‹w› eigentlich nicht zu erwarten, da auslautendes *w* im ahd. zu o vokalisiert erscheint und nach Langvokal seit der Mitte des 9. Jh.s schwindet wie in ahd. sēo / sē – sēwes, nach ū schon sehr viel früher.237 Im Korpus ist einmal die auffällige Form buw (Akk. Sg. zu bū, 290508, Gf. v. Virneburg – Dietrich Meinfelder, Kanoniker in Münstermaifeld) belegt.238 90,7 % aller Vorkommen von ‹u› und 71,1 % aller ‹v›-Belege stehen in den Phonemfolgen *tw*, *þw*, *sw*, *rw* und *lw*:
zuolftimme (220110, Brüder v. Kellenbach – Gf. v. Sponheim-Starken-
burg)
ſuiſter (0267, Herst. Burggf. v. Hammerstein u. Rheineck)
235 236
237 238
Zum Begriff sieh oben Kap. 3. Mit ‚Anlaut‘, ‚Inlaut‘ und ‚Auslaut‘ sind im Folgenden die jeweiligen Positionen im Wort gemeint. Dazu wird auch der Anlaut der Basis oder eines hinteren Kompositionsglieds in Derivaten und Komposita gerechnet. Vgl. Ahd. Gr. I, § 108, 203 ff., besonders § 204, Anm. 2. Die Schreibung des Vokals spricht deutlich gegen eine Deutung als Diphthongierungsbeleg, vgl. dagegen Paw (*ULands) und vnbow (*SBNü) in obd. Texten des ‚Grammatikkorpus‘. Weinhold, Mhd. Gr., § 181 erwähnt ähnliche Schreibungen in md. Urkunden des 14.–16. Jh.s, vgl. auch Frnhd. Gr., § L 50,1.
*w*
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vmbetvungin (0073, Wlp. Ludwig v. d. Neuerburg – ehem. Gf.in v. Sayn) zvene (180823.1, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier)
Die restlichen Vorkommen von ‹u› sind auf das Zusammentreffen von morphemanlautendem *w* und Morphemauslaut auf Konsonant beschränkt (virantuertin, N 301, Herst. Hospital v. Sinzig). Nur ‹v› ist auch im absoluten Anlaut vereinzelt anzutreffen:
virt (040000, Herst. Herr v. Braunshorn und Blankenrath) vief (100301, Johann Sulz – Zisterzienserinnenkloster Rosenthal) valpot (491010, Herst. Hartrad v. Schönecken)
‹b› steht einmal in Urkunde 250629 (Ausst. Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg u. weitere) für *w* nach *l* (gelbin), was für das Mfrk. untypisch ist.239 mir / Mir findet sich achtmal für das Pronomen wir in den Urkunden 000000.2 (Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn), 010210.1/2 (Städtebündnis Koblenz – Andernach), 100301 (Ausst. Johann Sulz) und 180823.1 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) im Bündnis der rheinischen Erzbischöfe, also keineswegs nur in Urkunden kleinerer Urkundsparteien. Obwohl eine Assimilation an den auslautenden Nasal eines vorausgehenden Verbs die lautliche Grundlage sein dürfte240, ist im Korpus nur einmal han mir (000000.2) belegt. In den übrigen Fällen geht das Verb nicht voraus. Die Form mir muss also schon verallgemeinert worden sein. Im Anlaut vor *r* und *l* ist *w* selten. Im Korpus ist nur das starke Verb geręchen ‚Genugtuung verschaffen‘ < wgerm. *ga-wrek-a- belegt. *w* ist nur einmal in Urkunde 0196 (Schr. NN I, ehem. Gf.in v. Sayn) erhalten (gewrechen), in drei anderen Fällen in den Urkunden 180521 (Herst. Gf. v. Sayn, gerechen) und 280707 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier, zweimal gerechin) aber wohl bereits geschwunden. Der Schwund des *w*
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b für normalmhd. w nach r und l gilt im ‚Grammatikkorpus‘ v. a. in Texten des alemannisch-bairischen Übergangsraumes ab der zweiten Hälfte des 13. Jh.s (vgl. auch Paul, Mhd. Gr., § L 86). Als einziger wmd. Text bietet die *OxBR varben und heubit pulbe (zu mhd. houbetpfulwe ‚Kopfkissen‘, s. BMZ s. v. houbetphulwe). Vgl. Frnhd. Gr., § M 61, Anm. 1; Gr. d. Frnhd. VII, § 4, Anm. 13. Anders Schützeichel (1974: 165 ff.), der wie bei bit < mit Tonlosigkeit als Hauptursache annimmt und der Assimilation an den Nasal der Verbalendung lediglich unterstützende Wirkung zuerkennt.
76
Auswertung des Quellenkorpus
datiert in den meisten ahd. Dialekten in die Zeit vor Beginn der Überlieferung241, während *w* zumindest im Rip. „auf Dauer bewahrt“ (Klein 2000a: 15) wird242, vgl. wrechen (*RhMl), wricht (*Taul), gevrochen (*Lilie), wríven (*UKöln1 [*U 03]), ceuureif (zu mhd. ƶerrīben, *RhMl) in rip. Texten des ‚Grammatikkorpus‘. Die Entwicklung von anlautendem *w* vor *r* im Mslfrk. lässt sich wegen der geringen Beleglage nicht eindeutig beschreiben. Die Geminate *ww* verbindet sich mit vorausgehendem Kurzvokal und entwickelt sich zu (spätahd. / mhd.) iuw (< *iww < germ. *eww / *ewj243) und ouw < auw (< germ. *aww / *awj) wie in iuwer, niuwe, riuwe, triuwe, drouwe, houwen und vrouwe.244 In mhd. (kirchen-)göü, -göüwes und höüwe(-) geht öüwe über ahd. ėwi / ouw (Nom. Sg. / Gen. Sg. gėwi / gouwes, hėwi / houwes) auf wgerm. *awi / *awwj zurück.245 Da wgerm. *awwj und *awi und damit ahd. ouw und ėwi innerhalb des Paradigmas wechseln konnten, ist Ausgleich in beide Richtungen möglich. Im Korpus belegt sind gauw’e (3165, Herst. Gf. v. Sponheim), kyrchingaue (390530R, Herr v. Kronenburg – Herr v. Falkenstein), houweſ (150120.2, Herst. Gf. v. Sponheim-Starkenburg) und Heimaẏnde (280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) sowie hmainde (480731, Herst. Hartrad v. Schönecken) zu höü(we)mānōt ‚Heumonat = Juli‘.246 Bei den Schreibungen für ouw und öüw lassen sich der Diphthong und w nicht immer klar abgrenzen. Für iuw dominieren ‹u›-basierte (97,6 %), für ouw ‹o›-basierte (77,2 %) neben ‹a›-basierten Graphien (22,4 %). Bei ouw dürften sowohl die vorherrschenden dreigliedrigen Graphien wie ‹ouw› und ‹auw› als auch die zweigliedrigen wie ‹ow›, ‹au› und ‹aw› für Diphthong und erhaltenes *w* stehen:247 ‹ouw›: houwen (240401, Herst. Sponheim-Starkenburg)
241 242 243 244 245 246 247
Vgl. Ahd. Gr. I, § 106. Vgl. auch Dornfeld (1912: 184), Bach (1930: 101). Mit wgerm. Konsonantendehnung entsteht aus germ. *w vor *j die Geminate *ww. Vgl. Ahd. Gr. I, § 112 f. Vgl. Ahd. Gr. I, § 114. Vgl. Ahd. Gr. I, § 114 und Lexer, s. v. höu-mânôt. Vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 46.
*w*
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‹auw›: drauwe (010210.2, Stadt Koblenz – Stadt Andernach) ‹ow›: vrowe (0073, Wlp. Ludwig v. d. Neuerburg – ehem. Gf.in v. Sayn) ‹au›: vraue (250808, Herst. Sponheim-Starkenburg) ‹aw›: vrawen (240717, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier)
Für iuw dominieren erwartungsgemäß zweigliedrige ‹u›-basierte Schreibungen wie ‹uw› und ‹w›, da für iu in der Regel ‹u› oder ‹› steht. Daneben sind aber auch einfaches ‹u› oder ‹› mit insgesamt 19,8 % für iuw nicht selten: ‹uw›: nuwen (431228, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) ‹w›: trwelois (0146, Herst. Herren v. Rennenberg) ‹u›: nuer (0073, Wlp. Ludwig v. d. Neuerburg – ehem. Gf.in v. Sayn); virluen248 (zu verlīhen, 010210.1, Herst. Stadt Andernach) ‹›: Treloẏs (140310, Gf. v. Veldenz – Gf. v. Sponheim-Starkenburg)
Generell wird *w* intervokalisch nach ‹u›-basierten Graphien nicht immer geschrieben, was auf Schwund hinweisen könnte249, so auch bei (-)būwen etwa zu einem Drittel (gebuet, 090000.1, Herst. Siegfried vom Stein, Eberold u. Marquart v. Laurenburg; buen, 0602, Schr. Lambert v. Asbach). Dagegen steht ‹w› stets nach anderen Langvokalen wie in ēwe(-). Nur für wīwǟre ‚Weiher‘ begegnet einmal wiere in Urkunde N 364 (Herst. Gf. v. Nassau).
248
249
Das Partizip zu līhen (st. V. I a) lautet im Korpus regelmäßig geluwen (z. B. 290927, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) vergleichbar mit obd. geliuwen (WMU, s. v. lîhen) statt gelihen (mit Ausgleich des Grammatischen Wechsels nach dem Inf. und Präs.), vgl. Paul, Mhd. Gr., § M 76, Anm. 1. Im Ahd. galt noch regelmäßig geliwen < germ. *-ligw-. Nach Michels (1921, § 157, Anm.) handelt es sich bei geliuwen / gelūwen um „rip.-mslfr[k].-h[e]ss. Neubildungen“. Zur Annahme, līhen könnte ähnlich wie dīhen ursprünglich zur dritten Ablautreihe gehört haben und erst nach Nasalschwund mit Ersatzdehnung (*inh > īh) in die erste Reihe übergetreten sein, vgl. Ahd. Gr. I, § 331, Anm. 5 (ablehnend), Got. Gr., § 172, Anm. 5, Seebold (1970: 327 f., 512 ff.). Bei dīhen war der Nasal wurzelhaft und die ursprünglich dritte Ablautreihe durch das Zeugnis des Ae. wahrscheinlich (vgl. Kluge / Seebold, EWB, s. v. gedeihen), bei līhen (zu idg. *le ku, s. 2 LIV, s. v.) müsste dagegen ursprüngliches Nasalpräsens (ved. riṇákti, lat. linquō) mit Übertragung des Nasals in das Präteritum angenommen werden. So Paul, Mhd. Gr., § L 85, Anm. 5, für mhd. u und ū.
78
Auswertung des Quellenkorpus
Der Fortsetzer von *w* schwindet mit Rundung des folgenden /i/ zu /y/ in geswister, swęster (über ein anzusetzendes *swister) und (-)ƶwischen250:
geſuſteren (U 06, Ausst. Herr v. Ütgenbach) ſſter (490417, Herst. Hartrad v. Schönecken) intuſchin (270312, Herst. Sponheim-Starkenburg)
Erhaltenes *w* und ungerundeter Vokal findet sich in einigen Urkunden, die entweder aus dem südlichen Übergangsgebiet stammen oder für Balduin von Luxemburg, den Trierer Erzbischof, hergestellt wurden: 1000 (Gf. v. Nassau – Gf. v. Leiningen): geſuiſterden N 507 (Gf. v. Leiningen u. weitere – Gf.in v. Sponheim u. weitere): zwiſ-
chen
N 531 (Ausst. Gf. Leiningen; Gf. v. Sponheim): intuiſchen 3165 (Herst. Gf. v. Sponheim): mehrfach ſueſt’ 3502 (Herst. Gf. v. Sponheim): geſuiſt’the, geſiſt’te 181224 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier): Jntwjſchen 270920 (Arnold Heschin v. Lehmen – Deutsches Haus in Koblenz):
entzwiſchent
In zwuſſchen (431228, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) ist ‹w›Schreibung mit Rundung des Vokals verbunden.
4.1.2 *j* *j*: ‹j›, ‹i›, ‹g›, ‹ẏ›, ‹y› Da *j* postkonsonantisch außer nach /r/ im 9. Jh.251 schwindet und im Auslaut zu /i/ vokalisiert wird, sind konsonantische Fortsetzer nur im Anlaut und inlautend nach Langvokal oder Diphthong zu erwarten.252 Die
250 251 252
Vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 85; Bach (1930: 101); Schützeichel (1976: 290 f.). Vgl. Ahd. Gr. I, § 118 und Szulc (1987: 110 f.). Vgl. Ahd. Gr. I, § 117. Inlautend entstehen in Verbindung mit Kurzvokalen Diphthonge.
79
*j*
Beleglage für *j* wird durch das Substantiv jār(-) (437 Belege, 69,9 %) geprägt. Die davon abgeleiteten Adjektive und Adverbien (aller-)jǟrlich und ƶwėlfjǟric bzw. (aller-)jǟr(-ge-)līches kommen auf weitere 9,3 %. Insgesamt liegen die Graphien ‹j› und ‹i› mit 47,7 % und 43,5 % ungefähr gleichauf, wobei in manchen Urkunden eine Variante bevorzugt, in anderen dagegen frei variiert wird: ‹i›: 270920 (Arnold Heschin v. Lehmen – Deutsches Haus in Koblenz): iar, v’iehen ‹j›: 231011 (Herst. Sponheim-Starkenburg): jar, ver jehen ‹i› und ‹j›: 230913 (Eberhard v. Kobern u. weitere – Deutsches Haus in Koblenz): iar, jar
Außer vor mhd. ė, ę, i und ie < ęhe liegen die Anteile von ‹j› und ‹i› zusammen zwischen 99,4 % (vor ā) und 100 %, ‹g› kommt hier überhaupt nicht vor, ‹ẏ› und ‹y› zwei- bzw. einmal: ‹ẏ›: ẏaR, ẏare (beide Urkunde 0009, Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.) ‹y›: yair (290121.2, Gemeinde von Ochtendung – Deutsches Haus in Koblenz)
Vor mhd. ė, ę, i und ie < ęhe schwanken die Schreibungen zwischen ‹g›, ‹i› und ‹j›. ‹g› steht schon im Ahd. vor vorderen Vokalen für *j* und weist auf einen Zusammenfall mit *ǥ* in dieser Position.253 Es sind nur wenige Lexeme mit wenigen Belegen betroffen, vor mhd. i nur unkontrahiertes bigihtǟre254 in einigen Urkunden Lamberts von Asbach, der immer (14mal) ‹g› schreibt, vor ė nur jėner / jėnhalben mit ‹g› zu 88,6 %. Bei (ver)jęhen gilt ‹g› in den kontrahierten Formen zu 92,9 %, in den unkontrahierten, die v. a. im 13. Jh. bei eher südlich lokalisierten Urkunden (ohne Heinrich von Veldenz) vorkommen, dagegen nur zu 21,6 %:
bigichter (0566, U 07, 0624, alle Schr. Lambert v. Asbach) giene (zu jėner, 071226, Herst. Gf. v. Sayn) gien (zu jęhen, 210612, Herst. Philipp v. Boppard) gehen, vúrgehen (beide 0984, Herst. Gf. v. Veldenz)
253 254
Vgl. Ahd. Gr. I, § 117; Afrk. Gr., § 72; Paul, Mhd. Gr., § L 87; Michels (1921, § 129). ‚Beichtvater‘, vgl. Lexer, s. v. bîhtære (mit Kontraktion) zur germ. Verbalwurzel *jeh‚sprechen, versichern‘ (mhd. jęhen), Kluge / Seebold, EWB, s. v. Beicht(e).
80
Auswertung des Quellenkorpus
iehen (2787, Herst. Gf. v. Katzenelnbogen) jehen, verjehen (3381, Herst. Gf. v. Leiningen)
Nach mhd. ī und ėi scheint ‹g› einen konsonantischen Glide zu bezeichnen, der meist keine etymologische Grundlage hat, wie in den entlehnten abbetīe / abbetėie (zu kirchen-lat. abbātia255), mėie (zu lat. māius256) und lėie Fem. (aus afrz. loi zu lat. lēx257): fünfmal appedigen (150120.2, Herst. Gf. v. Sponheim-Starkenburg) meẏgis (390704), meigis (480731, beide Herst. Hartrad v. Schönecken) alreleyge (430410, Herst. Hartrad v. Schönecken)
Anders zu beurteilen ist das Maskulinum leyge ‚Laie‘ (090000.1, Herst. Siegfried vom Stein; Eberold u. Marquart v. Laurenburg), das zu mhd. lėie / lėige zu lat. laicus gehört. Bei vīent und vrī geht /iː/ jeweils auf germ. *ij zurück. Neben mehrheitlich258 ‹g›-losen Belegen finden sich:
vigint (051213, Johann, Herr v. Braunshorn – Vögte v. Senheim) vigenden (0985 und 0986, beide Herst. Gf. v. Veldenz) friger (3502, Herst. Gf. v. Sponheim)
Im Genitiv von ƶwēne, mhd. ƶwėier259 ← ahd. ƶwėio < germ. *twajjō(n)260, liegt wahrscheinlich Geminate (germ. *jj) vor. Im Korpus sind neben neun Formen ohne ‹g› drei mit ‹g› belegt:
zueig’ (3502, Herst. Gf. v. Sponheim)
255
256 257
258
259 260
Zur Bildungsweise von abbetīe und älterem abbetėie vgl. EWA, s. v. abbateia, auch zu mndd. Parallelen; Kluge / Seebold, EWB, s. v. Abt; Mhd. Gr. III, § S 119, § S 121 mit weiterer Literatur. Vgl. Kluge / Seebold, EWB, s. v. Mai. Vgl. Kluge / Seebold, EWB, s. v. -lei. Da die Entlehnung nur mittelbar auf lat. lēx, legis zurückzuführen ist, kann in den ‹g›-Schreibungen kein Reflex des lat. g gesehen werden. 46 von 49 (95,9 %) vīent(-)-Belege und sechs von sieben in den zweisilbigen Formen von vrī zeigen kein ‹g›, z. B. viende (011220.2, Stadt Koblenz – Stadt Boppard), vrien (051213, Johann, Herr v. Braunshorn – Vögte v. Senheim). Die Endung ist vermutlich aus der stark-pronominalen Adjektivflexion übertragen worden, s. dazu und zu zweiero schon bei Tatian Ahd. Gr. I, § 270, Anm. 2. Vgl. Ringe (2006: 286).
*r*, *rr*
81
zweiger (291029a, Gottfried II. v. Sayn, Ritter; Engelbert I. v. Sayn –
Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) zweig’ (291029b, Gottfried II. v. Sayn, Ritter; Engelbert I. v. Sayn – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier)
4.1.3 *r*, *rr* *rr*: ‹rr›, ‹r› *r*: ‹r›, ‹rr› *rr*:
Fortsetzer von westgermanisch *rr sind im Mhd. selten und im Korpus nur in vęrre261 (Adv.) und entvęrren vertreten. Später entstehen sekundär Geminaten durch Vokalausfall und Assimilation wie in hērre < ahd. hērro < hērōro oder dirre < ahd. thęrero < thęsero (Gen. Pl.)262, die hier mitbehandelt werden sollen. 93,3 % aller gut 1 200 Belege gehören zu (-)hērre(-). Einsilbige Formen mit gekürzter Geminate, die sich bei hērre durch Schwachbetontheit263 wie in vnſ’ herre her Baldewin (291029b, Gottfried II. v. Sayn, Ritter; Engelbert I. v. Sayn – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) ergeben, machen etwa 50 % aller Belege für (-)hērre(-) aus. Hier steht einfaches ‹r› und sonst er-Kürzel264, nur vereinzelt dagegen ‹rr›:
‹r›: Hern (180224, Gottfried v. Sponheim-Starkenburg – Gf. v. Sponheim-Starkenburg) ‹’›: h’n (280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) ‹rr›: herrn (270312, Herst. Sponheim-Starkenburg)
261 262 263 264
Vgl. Ahd. Gr. I, § 121. Vgl. Ahd. Gr. I, § 288, Anm. 1 und Paul, Mhd. Gr., § M 46. Vgl. Paul, Mhd. Gr., § E 21, Anm. 2. Da er-Kürzel im ‚Corpus‘ in der Regel aufgelöst wurden (vgl. Haacke 1955: 379), sind Aussagen über die Verteilung von einfachem ‹r› und ‹’› nur für die Zeiträume III und IV möglich, denn in der Edition ‚Mittelfränkische Urkunden, 1300 bis 1330‘ werden sie unterschieden. Bei den einsilbigen Formen von (-)hērre(-) sind ‹r› und ‹’› etwa gleich häufig.
82
Auswertung des Quellenkorpus
Da diese Graphien nicht mehr für eine Geminate stehen, sind sie für die Rangierung der Graphienübersicht nicht berücksichtigt worden. In den zweisilbigen Formen von (-)hērre(-) ist ‹rr› knapp zur Hälfte vertreten vor einfachem ‹r›, ‹’r› und ‹’›: ‹rr›: heirre (290310, Herst. Sponheim-Starkenburg) ‹r›: here (440302, Herr zu Schönberg – Hartrad v. Schönecken) ‹’r›: h’re (480731, Herst. Hartrad v. Schönecken) ‹’›: h’e (430814, Herst. Hartrad v. Schönecken)
Außerhalb von (-)hērre(-) gilt ‹rr› mit 79 Belegen gegen drei ‹’r› in vęrre beinahe ausnahmslos: ‹rr›: Dirre (280414, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier); veirre (280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) ‹’r›: v’re (230131, Schöffen zu Koblenz – Wetzel, der Bäcker v. Koblenz)
‹rr› im Gen. Pl. aller Genera des Possessivpronomens ir (jrre, 250808, Herst. Sponheim-Starkenburg) kann auf spätahd. irero mit Synkope zurückgehen. 265 Formen wie jrre (Nom. Pl. mask.), jrren (Dat. Pl.), jrrer (Gen. Pl.) ließen sich dann als analoge Übertragung erklären. Sie kommen hauptsächlich in den Sponheim-Starkenburger Urkunden 240912, 250805, 270405 und 250808 vor, die ansonsten nie ‹rr› für zu erwartendes ‹r› haben. *r*:
*r* ist im Korpus mit knapp 20 000 Belegstellen sehr gut vertreten, u. a. in den Pronomina wir (1 489), ir (Poss.-Pron, 681), unser (438), ęr (366), in dęr (Dem.- / Rel.-Pron. und bestimmter Art., 1 274), im Nom. Sg. mask., Gen. / Dat. Sg. fem. und Gen. Pl. (alle Genera) stark flektierter Adjektive und Pronominaladjektive, außerdem in hochfrequenten Lexemen wie (-)vor(-) (1 210), (-)brief(-) (606), (-)jār(-) (495), grāve / grǟve (435), ėrbe (427), ręht (389) und hundert (305). In oder ist das /r/ nicht westgermanischen Alters, sondern erscheint erst mhd. regelmäßig.266
265 266
Vgl. Zelissen (1969: 211); s. auch Habscheid (1997: 117 f.). Vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 90, Anm. 7.
*r*, *rr*
83
Einfaches ‹r› ist zu allen Zeiten mit über 99 % die Regelschreibung: wir, virſleit (011220.2, Stadt Koblenz – Stadt Boppard). ‹rr› begegnet nur ganz vereinzelt: vnſerre (470418, Herst. Dieter, Abt zu Prüm). Selten (25 Belege) wird *r* durch Höherstellung des vorausgehenden Vokals mit ausgedrückt.267 Außer einmaligem getagen (420705, Lucie v. Schönecken – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) sind nur Formen von grāve(-) betroffen: gauen (191019, Herst. Ritter v. St. Wendel); gaſchaf (280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier). Bedeutend häufiger ist das er-Kürzel, das für Vokal + /r/ – meist er (/ər/; 55,7 %), aber auch für ęr (14,5 %), ēr / ęr in (-)hērre268 (16,1 %), rǟ in (-)grǟve / grǟvinne (5 %), ǟr269 und ėr (jeweils knapp 2 %) – steht: er: and’en (250629, Ausst. Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg u. weitere) ęr: w’den (000000.2, Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn) ēr / ęr in (-)hērre: h’ren (270920, Arnold Heschin v. Lehmen – Deutsches Haus in Koblenz) rǟ: Rug’uin (270312, Herst. Sponheim-Starkenburg) ǟr: w’e (wǟre, 280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) ėr: h’berge (491010, Ausst. Hartrad v. Schönecken)
Für ur / ür steht die Abbreviatur ‹~›270 nur vereinzelt im Korpus, u. a. b~glude (430501, Herst. Hartrad v. Schönecken), heymb~ge (290121.2, Gemeinde von Ochtendung – Deutsches Haus in Koblenz), b~ne (dreimal in 250629, Ausst. Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg u. weitere). In b~ne (zu brunne) wird Metathese 271 vorliegen, wie brne und burne (zweimal) in derselben Urkunde nahelegen. In der frühen Urkunde 0146 (1270) der Herren von Renneberg finden sich noch die vergleichbaren
267 268
269 270 271
Vgl. Bischoff (2009: 208), Schneider (2009: 88). Mhd. ē kann in hērre zu ę gekürzt werden, vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 22. Da mhd. ēr im Korpus sonst nie durch ‹’› wiedergegeben wird, kann hier vielleicht von Kürze ausgegangen werden. Ohne das Suffix -ǟre, wo meist Kürzung des Vokals anzunehmen ist, vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 57. Vgl. Bischoff (2009: 207 f.), Schneider (2009: 89). Das Mfrk. teilt die Metathese mit dem Mndl. und Mndd., vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 91.
84
Auswertung des Quellenkorpus
dirde, dirdime (zu dritte) und kirſtdage. Mit insgesamt gut zwei Dutzend
Belegen ist r-Metathese nach betontem Vokal im Korpus äußerst selten. Schwund des *r* im Auslaut bestimmter Adverbien ist im Korpus wie im gesamten Mhd. verbreitet272: da (zu dār, 000000.2, Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn), wa (zu wār, 250808, Herst. Sponheim-Starkenburg), ſa (250808, Herst. Sponheim-Starkenburg), hie (230913, Eberhard v. Kobern u. weitere – Deutsches Haus in Koblenz), ee (zu ēr, 0904, Wirich v. Daun – Wilhelm Bozzel v. Stein).
4.1.4 *l*, *ll* *ll*: ‹ll›, ‹l› *l*: ‹l›, ‹ll›, ‹n› *ll*:
*ll* ist vor allem in den zweisilbigen Formen von al vertreten, die knapp 55 % aller Belege für *ll* ausmachen. Auf etwas weniger als 10 % kommen noch verschiedene Flexionsformen von wėllen. Vor erhaltenem Vokal ist ‹ll› mit 99,5 % durchgehend die Regelschreibung (alle, 240401, Herst. Sponheim-Starkenburg; wollen, 010210.2, Stadt Koblenz – Stadt Andernach). Einfaches ‹l› steht hier ganz vereinzelt:
chalete (zu kallen, 320425 R, Gf. v. Leiningen – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) wile (zu węllen, 220118, Luxemburger Rittergericht) ſtile (zu stille, 491010, Ausst. Hartrad v. Schönecken)
Wenn der Fortsetzer von *ll* z. B. nach Schwund des folgenden Vokals (meist /ə/) sekundär vor Konsonant steht, ist ‹l› als Zeichen für die nun gekürzte Liquida die Regel:
alz (Akk. Sg. neutr. zu al, 220118, Luxemburger Rittergericht) alre (Gen. / Dat. Sg. fem. zu al, 480731, Herst. Hartrad v. Schönecken)
272
Vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 90.
*l*, *ll*
85
In zellene (270312, Herst. Sponheim-Starkenburg) zu ahd. ƶėllen / mhd. ƶėln könnte ‹ll› lautgesetzlich durch westgermanische Konsonantengemination entstandenes [lː] bezeichnen, das hier nicht analogisch ausgeglichen wurde. Dagegen ist es weniger wahrscheinlich, dass bei villen (3. Pl. Konj. Prät. vielen zu vallen, 140310, Gf. v. Veldenz – Gf. v. SponheimStarkenburg) die Kürzung der urgerm. Geminate nach Diphthong ausgeblieben ist, da sie schon in ahd. Zeit regelmäßig eintritt.273 *l*:
*l* ist am häufigsten in soln (14 %) und alsō (11 % aller Belege). Die Regelschreibung ist ‹l› mit 98,2 % (ſal, 181224, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier; alſo, 011220.1, Stadt Boppard – Stadt Koblenz), vor ‹ll› mit 1,6 %. ‹n› begegnet nur in węrltlich und zeigt Dissimilation vor dem l des Suffixes an274: werrintlich (390704, Herst. Hartrad v. Schönecken). Bei (-)kanƶelǟre, ingesigel und besigeln wird gelegentliches ‹ll› durch lat. cancellarius und sigillum gestützt. Die Belege werden dennoch unter *l* aufgeführt, da einfaches ‹l› deutlich überwiegt.275 (-)kanƶelǟre mit ‹ll› ist auf die Urkunden des Schreibers Lambert von Asbach beschränkt (Erzchecencellere, 0602), für ingesigel und besigeln haben zwei Urkunden des Grafen von Sayn ausschließlich Formen wie beſygillit (140423) oder Ingeſigillen (071226). Knapp die Hälfte aller Belege mit ‹ll› findet sich in Pluralformen von soln, darunter 19 in fünf Urkunden des 13. Jh.s (ſollin, 1000, Gf. v. Nassau – Gf. v. Leiningen), wo ‹ll› nach Paul, Mhd. Gr. (§ M 98) noch selten ist. Bis auf wenige Ausnahmen (ſllen, 400824, Herst. Hartrad v. Schönecken) sind die sollen-Belege auf südlich lokalisierte oder beeinflusste Urkunden beschränkt. Ansonsten steht ‹ll› noch häufiger in -lich- / - līche-Ableitungen nach Vokal im Basisauslaut, außerdem gehäuft und außer bei all etymologisch nicht berechtigt in Urkunde 000000.2:
ewilliche (270312, Herst. Sponheim-Starkenburg) geiſtellich (400824, Herst. Hartrad v. Schönecken)
273 274 275
Vgl. Ahd. Gr. I, § 350, Anm. 2; Afrk. Gr., § 189. Vgl. V. Moser, Frnhd. Gr. I.3, § 135,1. (-)kanƶelǟre: sechs von neun; ingesigel: etwa 84 %; besigeln: 88 %. Gezählt wurden nur die Fälle, in denen auf die Liquida ein Vokal folgt.
86
Auswertung des Quellenkorpus
gtilliche (480731, Herst. Hartrad v. Schönecken) ekillichin (zu iegelich, 480731, Herst. Hartrad v. Schönecken) 000000.2 (Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn): betzallt, deill, wall, hilligen
as statt als(e)276 erscheint v. a. bei Hartrad von Schönecken (as, 430501; az, 490111), aber auch in einzelnen anderen Urkunden:
U 06 (Herr v. Ütgenbach – Nachkommen): aſ 000000.2 (Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn): As 180224 (Gottfried v. Sponheim-Starkenburg – Gf. v. Sponheim-Starkenburg): as
4.1.5 *m*, *mm* *mm*: ‹mm›, ‹–277m›, ‹m› *m*: ‹m›, ‹b›, ‹mm›, ‹–›, ‹–m››, ‹n›, ‹› *mm*:
Im Korpus sind nur die entlehnten Lexeme kommentiur (21 Belege), summe (15) und ererbtes stam (1) belegt. Die Belege aus den Urkunden des ‚Corpus‘ erscheinen hier unterschiedslos mit ‹mm›, da der Nasalstrich kommentarlos umgesetzt wurde (s. oben S. 62). In den Urkunden des 14. Jh.s ist die Abbreviatur mit 13 Belegen häufiger als ausgeschriebenes ‹mm› (9). Einfaches ‹m› ist mit insgesamt drei Belegen recht selten: Nasalkürzel: sūme (220402, Ludwig v. Rennenberg – Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg) ‹mm›: ſmmē (430625, Herst. Hartrad v. Schönecken); ſtamme (071226, Herst. Gf. v. Sayn) ‹m›: ſmen (480421, Hartrad v. Schönecken – Dietrich, gen. „mont“, Trier); Comend r (zweimal, 270920, Arnold Heschin v. Lehmen – Deutsches Haus in Koblenz)
276 277
Vgl. zur Verteilung von nördlichem as und südlichem als Schützeichel (1974: 110–115). Der Nasalstrich steht über dem vorangehenden Vokal.
*m*, *mm*
87
*m*:
Die häufigsten Lexeme mit *m* sind die Präp. mit (924), mīn (654), man (248) und mügen (240). Insgesamt ist *m* knapp 7 000-mal belegt. Im Dat. Sg. mask. / neutr. der pronominalen Flexion und der starkpronominalen Adjektivflexion begegnet *m* (eigentlich *mm*, s. oben Kap. 3) etwa 1 900-mal. Wgerm. *m, das in ahd. Zeit in /n/ übergeht, wird unter *n* behandelt (s. oben Kap. 3). Ohne den Sonderfall mit dominiert ‹m› (minem, 320425 R, Gf. v. Leiningen – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) mit 98,4 % bei insgesamt etwas mehr als 6 000 Belegen. Der Nasalstrich steht nur 29-mal für *m*. Hinzu kommen weitere 28 Belege mit einer Kombination aus Kürzel und ‹m›. Im ‚Corpus‘ ist die Abbreviatur in den Fällen angegeben, wo sowohl n als auch m gelten könnte, also im Dat. Sg. mask. / neutr. bei schwacher Flexion bzw. ingwäonischem Dativ278 (n) oder stark-pronominaler Flexion (m): mit einē perde (3165, Herst. Gf. v. Sponheim). Sowohl ‹–m› als auch ‹mm› sind besonders häufig bei iemer (13) und niemer (19) belegt, meist in Verbindung mit einfachem ‹i› oder u-basierten Graphien für den wohl gekürzten Vokal279:
immer (1200, Herr v. Isenburg u. weitere – Gf.en v. Nassau u. weitere) vmmer (071226, Herst. Gf. v. Sayn) nimmer (0196, Schr. NN I, ehem. Gf.in v. Sayn) nūmer (000000.2, Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn)
Neben seltenen Einzelbelegen wie sammeliche (N 282, Ausst. Herr v. Waldeck; Brüder v. Schöneck), kūmēde, kūmende (beide 240717, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) sind ‹mm› und ‹–m› in den Urkunden 140310 (Gf. v. Veldenz – Gf. v. Sponheim-Starkenburg) und 390530 R (Herr v. Kronenburg – Herr v. Falkenstein) Regelschreibung im Dat. Sg. mask. / neutr. des bestimmten Artikels und Demonstrativpronomens dęr: dēme 278 279
Vgl. Klein (2000a: 25). Zu den mhd. Nebenformen immer und nimmer vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 22,4. Meier (1889: XXXII f.) schließt von Schreibungen wie unmer, nunmer auf „eine Zusammensetzung aus nun (< niuwan) + man, mê“ und spätere analogische Übertragung auf iemer. Dagegen spricht, dass es im Mndd. und Mndl. vergleichbare Formen mit Kurzvokal und Geminate gibt, vgl. Pfeifer u. a. (2000), s. v. immer.
88
Auswertung des Quellenkorpus
(5 Belege), demme (140310); dee (390530R, drei Belege). Ob hier und in zuolftimme, zenzicdimme (beide 220110, Brüder v. Kellenbach – Gf. v. Sponheim-Starkenburg) noch ein Zusammenhang mit der alten Geminate (germ. *-emmō)280 besteht, ist fraglich. ‹n› für *m* ist insgesamt nur 11-mal belegt. Es erscheint vereinzelt im Auslaut281 und vor Konsonant:
eiden (zu ėidem, 0111, Schr. NN I, ehem. Gf.in v. Sayn) hein (zu ȫhėim, dreimal in 3439, Herst. Gf. v. Leiningen) mit Assimilation: kúnt (zu komen, 3439) vor /b/: heẏnb’ge (zu hėimbürge, zweimal in 330526, „Euerholt“ v. Sternberg – Zisterzienserinnenkloster Rosenthal); vnbe (0904, Wirich v. Daun – Wilhelm Bozzel v. Stein)
Die Präposition mit ist im Korpus insgesamt 924-mal belegt. In 58,2 % der Fälle wird *m* durch ‹b› wiedergegeben, was auf Unbetontheit im Satz zurückgeführt wird.282 Ausschließlich (NN I, NN II) oder weit überwiegend (Lambert, 98 %283) bit haben die Urkunden der Schreiber, die mit Mechthild von Sayn verbunden sind, sowie die Urkunden der SponheimStarkenburger. Bei Balduin von Luxemburg dominiert dagegen mit (z. B. 280707: 22 mit, 12 bit) mit Ausnahme der Urkunde 181224, die nur bit (9mal) hat. Ausschließlich mit findet sich in den Urkunden des Grafen von Leiningen (1638, 2748, 3381), Dietrichs von Wildenburg (200430, 230721, 250414), des Grafen von Sayn (071226, 140423, 180521) sowie in den Urkunden mit Beteiligung des Deutschordenshauses in Koblenz (z. B. 270920, Arnold Heschin v. Lehmen – Deutsches Haus in Koblenz). In den Mittelrheinischen Städtebündnissen zwischen Koblenz, Boppard und Andernach gilt mit (u. a. 010210.1) zu 95 % bei insgesamt 80 Belegen. Stär-
280 281 282 283
Sieh dazu weiter oben S. 70. Hintergrund dürfte der Wandel von auslautendem mhd. m > n sein, der v. a. in unbetonter Silbe eintrat (Paul, Mhd. Gr., § L 94). Vgl. zu bit Ahd. Gr., § 123, Anm. 3; Bach (1930: 103); Schützeichel (1955b; 1974: 154– 214). Die einzigen vier mit neben 194 bit stammen aus Urkunde 0255, die hierin der Vorlage *0079 mit 13 mit neben zwei bit folgt (vgl. oben S. 25). mit findet sich auch sonst in Kölner Urkunden, z. B. zu 100 % in *021024a (Ebf. v. Köln – Stadt Köln).
*n*, *nn*
89
ker gemischte Verhältnisse herrschen in den Urkunden Hartrads von Schönecken: Acht Urkunden kennen ausschließlich bit, sieben Urkunden dagegen mit. Allerdings ist mit pro Urkunde im Durchschnitt nur zweibis dreimal belegt.
4.1.6 *n*, *nn* *nn*: ‹nn›, ‹n›, ‹–n›, ‹–›, ‹›, ‹–nn› *n*: ‹n›, ‹–›, ‹nn›, ‹m›, ‹–n› *nn*:
Mit insgesamt 965 Belegen ist pfėnninc mit etwa 18 % am häufigsten gefolgt von (-)man (15,6 %). Alle anderen Lexeme sind weniger als 100-mal belegt. In den Fällen, in denen die Geminate durch Metathese, e-Apokope oder Synkope sekundär nach bzw. vor Konsonant oder im Auslaut steht und daher lautgesetzlich gekürzt wird, gilt ausschließlich ‹n› oder Nasalstrich. Ansonsten dominiert die Schreibung ‹nn›:
Metathese: burne (zu brunne, 250629, Ausst. Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg u. weitere) e-Apokope: dan (zu danne, 140310, Gf. v. Veldenz – Gf. v. SponheimStarkenburg) Synkope: gewint (040000, Herst. Herr v. Braunshorn und Blankenrath)
Bei den Urkunden des 14. Jh.s, wo ‹nn›, ‹–n› und ‹› in der Edition regelmäßig unterschieden werden, gilt ‹nn› zu knapp 75 %, die Kombination aus Nasalkürzel und ‹n› zu insgesamt 17,5 %. Einfaches ‹n› liegt in den Urkunden des 13. Jh.s bei unter einem Prozent: 4 Belege, u. a. beneenen (zu benėnnen, 0904, Wirich v. Daun – Wilhelm Bozzel v. Stein), ſwene (3439, Herst. Gf. v. Leiningen). Im 14. Jh. steigt der Anteil für ‹n› und ‹–› zwar an, betroffen sind aber nur wenige Urkunden wie 040000 (Herst. Herr v. Braunshorn und Blankenrath): gewunī, mehrmals penīge 191019 (Herst. Ritter v. St. Wendel): zweimal erkeinen 250429 (Ritter zu Sponheim – Johann v. Waldeck): gewunen
90
Auswertung des Quellenkorpus
280707 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier): 14-mal binen,
penẏnc
Die 49 g’uine / g’bine / Greuine bzw. g’binen / Greuinen / Grebinen gegen je einmal Grebīne und g’bīne (alle 280707) lassen sich durch das Nebeneinander der Suffixvarianten -inne und -in284 erklären. *n*:
*n* ist insgesamt knapp 35 000-mal belegt und damit das häufigste Referenzphonem im Korpus. Allein 4 500 Belege entfallen auf die Konjunktion unde, etwa 2 400 auf von und 1 200 auf das Poss.-Pron. unser. Die hohen Belegzahlen sind unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass *n* in der verbalen wie in der nominalen Flexion eine wichtige Rolle spielt. Einfaches ‹n› oder Nasalstrich dominiert klar mit insgesamt 99,7 % in allen Positionen (noch, mine, ſante, ſint, den, 000000.1, Herst. Trier, Domkapitel), wobei der Nasalstrich mit zwei Drittel seiner Belege häufiger im Wortauslaut (vā, bekennē, 240912, Herst. Sponheim-Starkenburg) als inlautend (kūt, virbūdin, 011220.2, Stadt Koblenz – Stadt Boppard) steht. ‹nn› begegnet vor allem in den drei Urkunden 0255, 0602 und 0623 des Schreibers Lambert von Asbach (Mechthild von Sayn) und dort v. a. in porzennere (zu pforƶenǟre, 18-mal), ansonsten auch in dienne (3. Sg. Konj. Präs. zu dienen), ingeinnen, mainninge, veſtinninge, wonnen. Die Leitgraphie ist mit 99 % auch in diesen drei Urkunden einfaches ‹n›. ‹m› erscheint v. a. in dem Präfix un- vor labial anlautenden Basen und in den Präpositionen in und von bei enklitisch angelehntem Artikel: un-: vmbeclait (zu unbeklaget, N 282, Ausst. Herr v. Waldeck; Brüder v. Schöneck); vmmoze (zu unmueȥe, 010210.1, Stadt Andernach – Stadt Koblenz) in: imme (0566, Schr. Lambert v. Asbach) von: vamme (0566)
284
Vgl. Mhd. Gr. III, § S 124–128, besonders § S 128.
*p*, *pp*
91
4.1.7 *p*, *pp* *pp*: n. v. *p* anlautend: ‹p›, ‹ph›, ‹pf›, ‹fph› *p* nach Nasal: n. v. *p* nach Liquid: ‹f›, ‹ph›, ‹p›, ‹ff› *p* inlautend nach Kurzvokal: ‹ff›, ‹f› *p* auslautend nach Vokal sowie inlautend nach Langvokal oder Diphthong: ‹f›, ‹ff›, ‹fv›, ‹u›, ‹v› *p* nach Obstruent: ‹p› *pp*:
Zu mhd. ūf /ūfe s. u. S. 94. *p* anlautend, nach Nasal oder Liquid:
Das Referenzphonem *p* erscheint im Korpus anlautend ausschließlich in entlehnten Lexemen. Germ. *p war in dieser Position wie schon idg. *b, aus dem sich germ. *p im Zuge der Ersten Lautverschiebung entwickeln musste, äußerst selten.285 Wie bei allen Lexemen mit *p* und *pp* ist zwischen solchen, die nach dem Ausweis der historisch bezeugten und rezenten Dialekte vor der Zweiten Lautverschiebung entlehnt wurden, wie z. B. pfant pfėnninc, pfėrt, pfunt, und Lexemen, die später entlehnt wurden und daher keine Verschiebung zeigen, zu unterscheiden. Zu Letzteren s. u. S. 96. Die Type-Token-Relation ist auffällig: Allein pfėnninc (175) und pfunt (129) stellen zusammen etwa zwei Drittel aller Belege. *p* nach Nasal ist im Korpus nicht belegt. *p* nach Liquid kommt nur in den Lexemen dorf (37,4 %), węrfen und verschiedenen Ableitungen zu hęlfen / hülfe (60,3 %) vor. Für initiales *p* stellt ‹p› mit einem durchschnittlichen Anteil von 95 % bezogen auf das gesamte Korpus die Leitgraphie. Der Anteil in den einzelnen Urkunden liegt meist bei 100 %. Nur die Urkunden 1638, 250609 und 480421 mischen ‹p› und ‹ph›: 1638 (Herst. Gf. v. Leiningen): pherde gegen 4-mal penninge
285
Vgl. Ringe (2006: 98).
92
Auswertung des Quellenkorpus
250609 (Herst. Johann der Blinde, Kg. v. Böhmen, Gf. v. Luxemburg): 2mal phnt gegen pandez und 2-mal pleg’ 480421 (Hartrad v. Schönecken – Dietrich, gen. „mont“, Trier): phenden, 2-mal phnt gegen 2-mal penden und je einmal pnt, pennenge,
pingeſten
Ausschließlich ‹ph› bzw. ‹pf› oder ‹fph› zeigen die folgenden Urkunden:
‹ph›: 0211 (Herst. Gf. v. Veldenz): phenninge 0738 (Herst. Gf. v. Veldenz): phvnt 0984 (Herst. Gf. v. Veldenz): phunt, phenninge N 507 (Gf. v. Leiningen u. weitere – Gf.in v. Sponheim u. weitere):
phaht
2787 (Herst. Gf. v. Katzenelnbogen): 2-mal phantgt, phnt 240000.2 (Wirich v. Daun, Herr zu Oberstein – Herr v. Veldenz): 2-mal
phnt
291029b (Gottfried II. v. Sayn, Ritter; Engelbert I. v. Sayn – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier): phunt ‹ph› und ‹pf›: 0986 (Herst. Gf. v. Veldenz): phvnde, pfvnde, phenninge, pfenninge ‹pf›: 1936 (Gf. v. Veldenz – Straßburg, Schlettstadt): pfingeſtwochen ‹fph›: 320425 R (Gf. v. Leiningen – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier):
Fphvnt
In der Position nach Liquid wird *p* bezogen auf das gesamte Korpus zu knapp 70 % mit ‹f› verschriftlicht. ‹ff› ist mit einem Anteil von 3 % selten und nur in den drei Urkunden 000000.2, 430410 und 480421 vertreten:
000000.2 (Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn): hulffe und hulffen 430410 (Herst. Hartrad v. Schönecken): dorff 480421 (Hartrad v. Schönecken – Dietrich, gen. „mont“, Trier): dorfferen (Dat. Pl. zu dorf)
*p*, *pp*
93
‹ph› begegnet bei den Schreibern der ehemaligen Gräfin Mechthild von Sayn NN I, NN II286 und Lambert, in den Urkunden des Städtebündnisses zwischen Andernach und Koblenz (010210.1 / 2, helphin, helphen) sowie in Urkunde 241111 (Ritter v. Senheim – Johann, Herr v. Braunshorn, behelphin). Lambert schreibt in den Urkunden 0255 (dorph – helpen, geworpen), 0623 (dorph – helpen, geworpen) und 0602 (dorph, helphen – geworpen), die inhaltlich von einer Urkunde des Kölner Schreibers Gottfried Hagen abhängen287, zu einem Drittel ‹p›, ansonsten ‹ph›. In den Urkunden, die unabhängig von Gottfried Hagen entstanden sind, begegnet dessen ‹p›-Schreibung nie. Es fällt auf, dass Lambert ‹p› nur bei hęlfen und węrfen übernimmt, dagegen nie bei dorf oder den beiden belegten Ortsnamen auf -dorf (Gilſtorph, Reterſtorph). Außerhalb von Lamberts Urkunden ist ‹p› im Korpus nur schwach vertreten. Zu vier appellativischen Belegen in Urkunden, die sonst keine Belege für *rp* oder *lp* haben, kommen weitere sechs in Ortsnamen der Urkunden 0796, N 301 und 071226: 0146 (Herst. Herren v. Rennenberg): dorp 140423 (Herst. Gf. v. Sayn): dorp 220118 (Luxemburger Rittergericht): dorpen 490418 (Herst. Hartrad v. Schönecken): help’en 0796 (Gf. v. Virneburg u. weitere – Herren v. Landskron): zweimal
vritſdorp
N 301 (Herst. Hospital v. Sinzig): zweimal Vritſdorp 071226 (Herst. Gf. v. Sayn): vinnentdorp, croitdorp; aber: behelfen, hel-
fene
*p* nach Vokal:
In der Position nach Vokal ist *p* bedeutend öfter vertreten als im Anlaut oder nach Liquid. Textsortenbedingt sind schėffe / schėffene (52) und (-)koufen (44) besonders häufig, außerdem verschiedene Ableitungen mit
286 287
Zu diesem Schreiber vgl. oben S. 56. Zum Verhältnis der genannten Lambert-Urkunden zur Urkunde *0079 (Schr. Gottfried Hagen) vgl. oben S. 25, zu den Schreibungen ‹p› und ‹ph› Abschnitt 4.2.1.
94
Auswertung des Quellenkorpus
der Suffixvariante -schaf (97).288 Neben koufen zeigt auch pfaffe als altes Lehnwort die Zweite Lautverschiebung. Ein Sonderfall ist mhd. ūf /ūfe: Entstanden aus germ. *up(a) (Kluge / Seebold, EWB, s. v. auf), ist die Dehnung des Vokals sekundär und nur im Süden des hochdeutschen Sprachraums anzutreffen. Bezeichnend für die nördlichen Dialekte ist dagegen Länge des Konsonanten, die im Auslaut sekundär gekürzt wird und so zu rip. up (neben uppe) führt.289 Es handelt sich bei den p-haltigen Formen also wahrscheinlich nicht um Ausnahmen bei der Verschiebung von *p*, sondern eher um Fortsetzer von *pp*. Mhd. ūf / mfrk. up und mhd. ūfe / mfrk. uppe werden hier mit ihren Ableitungen wie ūfgębic oder ūflouf gemeinsam behandelt. Die meisten Urkunden verwenden entweder ausschließlich ‹p›- oder ausschließlich ‹f›-haltige Graphien bei durchschnittlich 3,5 Belegen pro Urkunde. Eine Ausnahme bilden lediglich sieben Urkunden, die zwischen ‹p› und ‹f› bzw. ‹ff› schwanken: 0146 (Herst. Herren v. Rennenberg): of, p 000000.2 (Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn): 3 vff, vyffheiſchunge, vp 231026 (Johann v. Mengen u. Arnold v. Weiskirchen, Ritter – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier u. weitere): 2 vf, vp 270312 (Herst. Sponheim-Starkenburg): 5 of, ofgave, plauf 410520 (Herst. Hartrad v. Schönecken): offarz daige, 3 op 480421 (Hartrad v. Schönecken – Dietrich, gen. „mont“, Trier): 2 vf, 2
p
480731 (Herst. Hartrad v. Schönecken): of, vp, 3 p
Bezogen auf alle Urkunden, bei denen Hartrad von Schönecken als herstellende Partei anzunehmen ist, stellt ‹p› mit 97 % bei 58 Belegen die Leitgraphie. Ausschließlich ‹p› findet sich in 14 seiner 16 Urkunden sowie
288
289
Die gleichbedeutende Variante -schaft, die vor allem in oberdeutschen Quellen auftritt, ist als *ti-Ableitung zu *f* zu stellen. Beide gehören aber mit dem Verb mhd. schaffen zu e i n e r Wurzel mit unsicheren idg. Anschlussmöglichkeiten (Kluge / Seebold, EWB, s. v. -schaft). Zum Verhältnis der beiden Suffixvarianten vgl. Mhd. Gr. III, § S 182. Vgl. Kluge / Seebold, EWB, s. v. auf; Ahd. Gr. I, § 41, Anm. 1. Vgl. auch Schellenberger (1974: 59 f.) und Schützeichel (1974: 149–154).
*p*, *pp*
95
in allen Urkunden der drei Schreiber aus dem Umkreis Mechthilds von Sayn (NN I, NN II, Lambert von Asbach) und des Grafen Johann von Sayn (071226, 140423). Ansonsten steht vp / op noch in einigen Einzelurkunden: 0073 (Wlp. Ludwig v. d. Neuerburg – ehem. Gf.in v. Sayn), 0138 (ehem. Gf.in v. Sayn – Zisterzienserinnenkonvent Drolshagen), 220118 (Luxemburger Rittergericht), 220402 (Ludwig v. Rennenberg – Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg), 230915 (Syvert v. Alzey – Bürger v. Koblenz), 241111 (Ritter v. Senheim – Johann, Herr v. Braunshorn), 390530 R (Herr v. Kronenburg – Herr v. Falkenstein). Mit Alzey – Koblenz und Senheim – Braunshorn sind durchaus Räume betroffen, deren rezente Dialekte kein vp / op mehr kennen.290 Alle anderen Urkunden haben ausschließlich vf / of291, darunter einige, die nördlich der rezenten op / ofLinie zu lokalisieren sind: 0146 (Herst. Herren v. Rennenberg), 0796 (Gf. v. Virneburg u. weitere – Herren v. Landskron (bei Sinzig)), N 301 (Herst. Hospital v. Sinzig), 200430 (Herst. Dietrich v. Wildenburg), 240927 (Herst. Johann der Blinde, Kg. v. Böhmen, Gf. v. Luxemburg). Ähnlich gemischt ist schon der Befund der mfrk. Glossen, so dass Bergmann von einem ursprünglichen Nebeneinander beider Formen ausgeht.292 Für *p* nach Kurzvokal steht inlautend zu 98,6 % ‹ff›, einfaches ‹f› ist auf zwei Einzelbelege beschränkt: ‹ff›: z. B. ſcheffene, kuntscheffe (beide 010210.2, Stadt Koblenz – Stadt Andernach) ‹f›: griefe (3. Sg. Konj. Prät. zu grīfen) neben offintliche und paffin (250629, Ausst. Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg u. weitere) ofenem (1527, Herst. Gf. v. Veldenz)
290 291 292
Vgl. DiWA, Karte 390. In einigen kürzeren Urkunden wie 0009 (Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.) finden sich keine Belege für mhd. ūf / ūfe. Vgl. Bergmann (1977: 114), Schützeichel (1974: 153 f.).
96
Auswertung des Quellenkorpus
Nach beliebigem Vokal im Auslaut und teils sekundär nach e-Synkope vor Konsonant weicht Urkunde 000000.2 (Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn)293 mit drei ‹ff›-Belegen (trijfft, graiſſchoff, geſelſchaff) von der ansonsten zu 100 % herrschenden Leitgraphie ‹f› ab. ‹ff› findet sich ansonsten nur zu etwa 10 % inlautend nach Langvokal und Diphthong, z. B. ſlaffent (3. Pl. Ind. Präs. zu mhd. slāfen, daneben ſlẏfen, 3. Pl. Prät., beide 140310, Gf. v. Veldenz – Gf. v. Sponheim-Starkenburg) und v’koffin (zu mhd. verkoufen, 430814, Herst. Hartrad v. Schönecken). Die Verwendung von ‹ff› nach Langvokal und Diphthong ist zeitlich gesehen nicht rückläufig. Auch hier ist einfaches ‹f› zu 85,1 % die Regel. Die übrigen Varianten ‹fv›, ‹u› und ‹v› sind nur je einmal belegt: ‹fv›: erliefven (0255, Schr. Lambert v. Asbach) ‹u›: kouende (zu koufen, 1527, Herst. Gf. v. Veldenz) ‹v›: duven (zu tief, 250429, Ritter zu Sponheim – Johann v. Waldeck)
*p* nach Obstruent:
Nach *s* kommt *p* im Korpus v. a. in Ableitungen zu spręchen vor. Die einzige belegte Graphie ist ‹p› z. B. im hochfrequenten vorgesprochen (vorgeſprochen, 240624, Henneman Hurnich – Kloster Fraulautern). Bei den Lexemen mit fremdsprachlichem *p*, die nach dem Wirken der Zweiten Lautverschiebung entlehnt wurden, ist fast ausschließlich die Graphie ‹p›294 zu finden. Das gilt etwa auch für bābes (zu spätlat. pāpes) und brobest (zu afrz. provost)295, deren anlautender Konsonant in oberdeutschen Dialekten meist durch /b/ substituiert wird.296 ‹b› findet sich im Korpus nur in Urkunde 1638 (Herst. Gf. v. Leiningen): zweimal Babeſte. Das inlautende mfrk. b / v in bābes schwindet häufig (paẏſt, 280707,
293
294
295 296
In dieser Urkunde finden sich zahlreiche weitere Belege mit Doppelschreibung für einfachen Konsonanten: halffdeill, vff, hulffe, brieff, betzallt, hilligen (zu hėilic), vnſſ, Johanſſ. ‹p› in diesen spät entlehnten Lexemen wird im Gegensatz zu ‹p› in Entlehnungen, die im Obd. regelmäßig Verschiebung zeigen, weder mitgezählt noch in der Graphienaufstellung weiter oben zur Rangierung der Graphien nach Häufigkeit berücksichtigt. Vgl. Kluge / Seebold, EWB, s. v. Papst und s. v. Propst. Ahd. Gr. I, § 133, Anm. 3 und Paul, Mhd. Gr., § L 96.
*ƀ*, *bb*
97
Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier), in brobest unterliegt es Kontraktion (proiſt, 000000.1, Herst. Trier, Domkapitel).
4.1.8 *ƀ*, *bb* *bb*: ‹pp›, ‹b›, ‹bb›, ‹p› *ƀ*297 anlautend: ‹b›, ‹p›, ‹w› *ƀ* silbenanlautend nach Nasal: ‹b›, ‹m› *ƀ* sonst nach Nasal: ‹p›, ‹b› *ƀ* sonst vor Vokal: ‹b›, ‹u›, ‹v›, ‹f›, ‹ff›, ‹›, ‹fu›, ‹p› *ƀ* sonst vor Konsonant und im Auslaut: ‹f›, ‹b›, ‹p›, ‹ff› *bb*:
*bb* ist sehr selten und im Korpus nur in entlehntem abbet (aus kirchenlat. abbās, Akk. abbātem), abbetīe / abbetėie (aus kirchen-lat. abbātia) und ėppetisse (aus kirchen-lat. abbātissa) belegt.298 Die insgesamt 22 Belege mit 10-mal ‹pp› und dreimal ‹bb› lassen daher kaum eine Aussage über die Entwicklung von wgerm. *bb zu: ‹pp›: 150120.2 (Herst. Gf. v. Sponheim-Starkenburg): viermal appedigen 2262 (Gertrud v. Frauenstein – Prämonstratenser v. Rommersdorf):
appit
270922 (Herst. Abt v. Tholey): zweimal appet 470418 (Herst. Dieter, Abt zu Prüm): Appet, appet, appete ‹bb›: 210612 (Herst. Philipp v. Boppard): abbedis 0057 (Schr. NN I, ehem. Gf.in v. Sayn): zweimal abbet
Für die gekürzte Geminate *bb* vor geschwundenem /ə/ erscheint neben einfachem ‹b› (sechs Belege) auch ‹p› (3)299:
297 298 299
Zur Notation des Referenzsystems (hier *ƀ*) s. oben S. 70. Vgl. Kluge / Seebold, EWB, s. v. Abt; EWA, s. v. abbat, abbateia, abbatissa. Zu Schreibungen für abbet und ėppetisse vgl. auch Klappenbach (1944: 177–180).
98
Auswertung des Quellenkorpus
Ebdiſſe (N 160, Schr. NN II, ehem. Gf.in v. Sayn) abdeſ (0624, Schr. Lambert v. Asbach) Abte (280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) aptiſſen (100301, Johann Sulz – Zisterzienserinnenkloster Rosenthal)
‹bb› und ‹b› kommen v. a. in den Urkunden der drei Schreiber Mechthilds von Sayn (NN I, NN II, Lambert) vor, die auch sonst eher nördliche, dem Ripuarischen nahestehende Entwicklungen zeigen. *ƀ* anlautend:
Im Anlaut ist *ƀ* mit etwa 3 600 Belegen gut vertreten. Besonders häufig sind das Verbalpräfix be- (988) wie in beschrīben (101), (-)brief(-) (609), (-)brueder (260), burc(-) (218), (-)bischof300 (170) und geburt (137). Mit 99,5 % ist ‹b› absolut dominierend:
breif (0211, Herst. Gf. v. Veldenz) beſchriuen (0196, Schr. NN I, ehem. Gf.in v. Sayn) brodera (0009, Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.)
‹p› ist die Regelschreibung bei waltbote (elfmal ‹p›, z. B. valpot, 491010, Ausst. Hartrad v. Schönecken), wo p wohl auf Assimilation in der Folge -ltb- > -lp- zurückzuführen ist301, ähnlich auch munparſcaf (3567, Herst. Gf. v. Sponheim) und monperſeffe (150120.1, Herst. Gf. v. SponheimStarkenburg) für muntborschaft neben monbrſchaf (280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) und Mnbrſe (muntbor(is)se, 280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) bzw. mundbar (240401, Herst. Sponheim-Starkenburg) mit ‹b›. ‹w› ist nur zweimal in biȥ belegt: wiz (zweimal, Urkunde 1638, Herst. Gf. v. Leiningen). *ƀ* nach Nasal:
Nach Nasal ist *ƀ* nur in umbe häufiger (233-mal) belegt. Das sind 79,3 % aller Belege in dieser Position. Im Silbenin- und -auslaut begegnet *ƀ* nur in tumphėit und sekundär nach e-Apokope in umbe bzw. Synkope in
300 301
Zum anzunehmenden Entlehnungsweg s. unten Anm. 318. Zur Vereinfachung und Assimilation von Dreifachkonsonanz vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 81.
*ƀ*, *bb*
99
(-)ambet(-) < (-)ambahte(-). Hier gilt für umb immer ‹b›, sonst ‹p› mit der einen Ausnahme ambtman in Urkunde 1289 (Herst. Gf. v. Sponheim):
vmb (000000.2, Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn) dumpheit (010210.2, Stadt Koblenz – Stadt Andernach) amptman (261110, Rat der Stadt Koblenz – Balduin v. Luxemburg, Ebf.
v. Trier, u. weitere) ponderampthe (0623, Schr. Lambert v. Asbach)
Im Silbenanlaut in umbe, kumber / bekumbern und ambet(-) mit erhaltenem /ə/ steht zu 84 % ‹b›, ansonsten wird *ƀ* an den vorausgehenden Nasal assimiliert:
ohne Assimilation: umbe (051213, Johann, Herr v. Braunshorn – Vögte v. Senheim) kumber (230915, Syvert v. Alzey – Bürger v. Koblenz) ambitman (250805, Herst. Sponheim-Starkenburg) mit Assimilation: vmme (270312, Herst. Sponheim-Starkenburg) bekūmerin (210612, Herst. Philipp v. Boppard) ammetmāne (090000.1, Herst. Siegfried vom Stein; Eberold u. Marquart v. Laurenburg)
Assimilierte Formen begegnen erst ab Zeitraum II und dort nur in den Urkunden der südlichen Randgebiete:
N 364 (Herst. Gf. v. Nassau): vmme 1200 (Herr v. Isenburg u. weitere – Gf.en v. Nassau u. weitere): ammitman, vmme N 531 (Ausst. Gf. Leiningen; Gf. v. Sponheim): vmme
Ab Zeitraum III kommen sie auch in Urkunden des Kerngebietes vor (z. B. 011220.2, Stadt Koblenz – Stadt Boppard, vmme). In Verbindung mit Synkope /Apokope des /ə/ kann assimiliertes *ƀ* ganz ohne graphischen Reflex schwinden:
vm (200430, Herst. Dietrich v. Wildenburg) amtmanne (280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) amth (3502, Herst. Gf. v. Sponheim) bekmerin (390704, Herst. Hartrad v. Schönecken)
100
Auswertung des Quellenkorpus
*ƀ* sonst:
Nach Vokal oder Liquid ist *ƀ* mit etwa 4 300 Belegen recht häufig. Das Verb haben liegt bei 1 148 Belegen, darunter sind allerdings 860 Wortformen mit Kontraktion302 und 109 mit Assimilation303. Am zweithäufigsten ist das Pronomen sęlp(-) (446) vor (-)ėrbe(-) (429), obe (387), gęben (382), (-)schrīben (257), über(-) (159) und (-)loben (157). Die Graphien für *ƀ* lassen sich einteilen in Graphien, die für Frikativ zu stehen scheinen (‹u›, ‹v›, ‹›, ‹f›, ‹ff›, ‹fu›), und in Plosivschreibungen (‹b›, ‹p›), s. Abschnitt 4.2.1. Im Auslaut und vor Konsonant sind Frikativschreibungen bezogen auf das gesamte Korpus zu 81,9 %, vor Vokal zu 60 % vertreten. Bei den ältesten Urkunden (bis 1274) hat nur Veldenz durchgängig Plosivgraphien. Die anderen Urkunden schreiben im Auslaut und vor Konsonant ‹f›, sonst in der Regel (93,5 %) ‹u›, selten ‹v›, das allerdings Regelschreibung in Urkunde 0073 ist, oder ‹ff› (nur beim Schreiber NN I). ‹b›: 0211 (Herst. Gf. v. Veldenz): z. B. ſelben, habe ‹u›: 0111 (Schr. NN I, ehem. Gf.in v. Sayn): bliuen, ſteruen ‹v›: 0073 (Wlp. Ludwig v.d. Neuerburg – ehem. Gf.in v. Sayn): live, erve ‹ff›: 0054: geiffent; 0196: viriffent (zu (ver-)ębenen ‚schlichten‘; beide Schr. NN I, ehem. Gf.in v. Sayn) ‹f›: 0146 (Herst. Herren v. Rennenberg): erfliche, of
In Zeitraum II (1275–1299) treten aufgrund der Zusammensetzung dieses Korpussektors mit vielen Urkunden der südöstlichen Ränder des Untersuchungsgebietes häufig Plosivgraphien auf. Die elf Urkunden des Schreibers Lambert von Asbach (Mechthild von Sayn) haben dagegen erwartungsgemäß zu 100 % Frikative, ‹f› im Auslaut und vor Konsonant (half, gelofniſſe, N 223), ‹v› (ſelve, 0623) und seltener (13,2 %) ‹u› (ſelue, 0623) vor Vokal. In den rezenten Dialekten steigt die korf / korb-Linie nördlich von Saarbrücken bis östlich von Bernkastel-Kues fast bis zur Mosel an, läuft
302 303
Wie im gesamten Mhd. wird haben / haven > hān kontrahiert (Paul, Mhd. Gr., § L 79):
hain (071226, Herst. Gf. v. Sayn). Sieh unten S. 151.
*ƀ*, *bb*
101
dann zunächst parallel zur Mosel, bevor sie vor Cochem nach Osten zum Rhein südlich von Boppard abknickt, um nördlich der Lahn erst parallel zu dieser und dann steil nordöstlich Richtung Rothaargebirge zu verlaufen.304 Die Urkunden, die südlich und östlich dieser rezenten Linie zu lokalisieren sind, haben in allen Zeiträumen Plosivschreibungen, die meisten zu 100 %: 240624 (Henneman Hurnich – Kloster Fraulautern): gezriben, wẏp 270922 (Herst. Abt v. Tholey): geben 0962 (Reinhard v. Löwenstein – Wildgf. v. Dhaun): eirben 1638 (Herst. Gf. v. Leiningen): ſcreib, werben 0965 (Herst. Gf. v. Nassau): ber 2787 (Herst. Gf. v. Katzenelnbogen): ob, ſilberſ 090000.1 (Herst. Siegfried vom Stein; Eberold u. Marquart v. Laurenburg): haben, ſelpliche
In anderen Urkunden liegt der Anteil der Plosivschreibungen bei mindestens zwei Drittel: 191019 (Herst. Ritter v. St. Wendel), 96,2 % Plosiv: ab, erbe neben vor-
geſchriuē
040000 (Herst. Herr v. Braunshorn und Blankenrath), 70,3 % Plosiv:
halbis, halfe
Interessant ist der Fall zweier Urkunden zwischen dem Herrn von Braunshorn, südöstlich der heutigen korf / korb-Linie gelegen, und den Vögten von Senheim nordwestlich der Linie: In 051213 wird ausschließlich ‹u› geschrieben (eruen, beliuen), in 070315 ausschließlich ‹b› (erben, verlieben). Ähnlich verhalten sich auch die Urkunden der mittelrheinischen Städtebündnisse mit 100 % Frikativgraphien in den zwei Urkunden zwischen Koblenz und Andernach, beide nördlich der rezenten korf / korb-Linie gelegen, (vrlof, glofniſſe, 010210.1; ſtiruet, gloven) und 93,5 bzw. 92,1 % Plosivgraphien in den beiden Bündnisurkunden zwischen Koblenz und Boppard, das rezent nur knapp nördlich der
304
Vgl. Wiesinger (1983a: 847, Karte 47.8; 848; 856, Karte 47.10). Schützeichel (1974: 44, Karte 5 nach Bach 1930: 81, Karte 16, s. Karte 2.1 oben S. 39) nimmt einen weniger geradlinigen Verlauf an.
102
Auswertung des Quellenkorpus
korf / korb-Linie liegt. Hier scheint die Verteilung der Graphien positionell beschränkt zu sein: In den insgesamt fünf Fällen von *ƀ* vor Konsonant und im Auslaut (auch nach Synkope / Apokope) steht immer ‹f› (gelofniſſe, vrlauf, 011220.1; of, gelofniſſe, vrlof, 011220.2), inlautend vor Vokal dagegen ‹b› (64 Belege, z. B. gelobin, ſtirbet, 011220.1; abinde, gegebin, 011220.2). Nordwestlich des heutigen Linienverlaufs sind Frikativgraphien die Regel:
0009 (Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.): banderhalf, ſelue 000000.1 (Herst. Trier, Domkapitel): lif, Anderwerue 390704 (Herst. Hartrad v. Schönecken): ſcrift, haven 180224 (Gottfried v. Sponheim-Starkenburg – Gf. v. Sponheim-Starkenburg): of, leuen 231110 R (Nikolaus Frubose v. Ulmen – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier): gaf, auende 230521 (Ritter v. Eltz – Deutsches Haus in Koblenz): gegeven 290508 (Gf. v. Virneburg – Dietrich Meinfelder, Kanoniker in Münstermaifeld): vnuerderflich, heuint 230131 (Schöffen zu Koblenz – Wetzel, der Bäcker v. Koblenz): lijf,
drivene
0111 (Schr. NN I, ehem. Gf.in v. Sayn): wif, ſchriuet 2262 (Gertrud v. Frauenstein – Prämonstratenser v. Rommersdorf): ge-
louide
0267 (Herst. Burggf. v. Hammerstein u. Rheineck): wif 0146 (Herst. Herren v. Rennenberg): erfliche, houitlingein 230721 (Herst. Dietrich v. Wildenburg): schreyf, erven
In allen genannten Urkunden gelten Frikativschreibungen zu 100 %. Ausschließlich Plosivgraphien haben die meisten Urkunden, an denen Graf Heinrich von Veldenz beteiligt ist:
0211 (habe), 0738 (oberhalp, úber), N 318 (erben), 0984 (geſchriben), 0985 (abe), 0986 (aber305), 1527 (gelopten, herben) und 1936 (obeman)
305
Obwohl mhd. aber < ahd. avur (Ahd. Gr. I, § 139, Anm. 5) eigentlich auf wgerm. *f zurückzuführen ist (Kluge / Seebold, EWB, s. v. aber), wird es hier unter *ƀ* behandelt,
*ƀ*, *bb*
103
Anders sind nur 0995 (Peter v. Eich – Gf. v. Veldenz) mit 100 % ‹u› (eruen, GeGeuen)306 und die Lehnsurkunde 1577 (Hzg. v. Lothringen – Gf. v. Veldenz) mit ihrem Revers vom gleichen Schreiber N 536 (Gf. v. Veldenz – Hzg. v. Lothringen), die Gärtner / Holtus / Rapp / Völker (1997: 125 f.) dem lothringischen Sprachraum307 zuordnen und weiter einem Schreiber, bei dem es sich „durchaus um einen zweisprachig aufgewachsenen und ausgebildeten Mann – etwa aus Metz – handeln kann“ (a. a. O.: 126). Da der beteiligte Herzog von Lothringen in den 52 Jahren seiner Amtszeit nur afrz. und gelegentlich lat. Urkunden schreiben ließ, nimmt Herrmann (1995: 136 u. 140) an, die Urkunden seien im Auftrag des Grafen von Veldenz entstanden. Sprachlich unterscheiden sie sich aber deutlich von den sonstigen Stücken mit Veldenzer Beteiligung 308 , u. a. in der Verschriftlichung von *ƀ*, für das beide Urkunden neben häufigerem ‹b› (1577 80 %: herben, geben; N 536 76,5 %: herben, globen) auch ‹u› (nur in beschrīben und belīben309: 1577, beliue, beſcrieuen; N 536, beliue, beſchrieuen) bieten. Die obd. Einflüsse in der Schreibsprache der sonstigen Veldenzer Urkunden erklärt sich wohl aus ihren Verbindungen zum Ober-
306 307
308
309
da es sich „wohl infolge der unbetonten Stellung im Satz“ (Ahd. Gr. I, § 139, Anm. 5) überall der Entwicklung von mhd. b anschließt. 0995 unterscheidet sich auch sonst stark von den Urkunden, für die der Graf von Veldenz als Hersteller angenommen wird. Die Zuweisung stützt sich auf die Kombination verschiedener Merkmale, die für sich genommen auch in anderen mfrk. Urkunden vorkommen, wie prothetisches h, ‹c›Schreibungen für die dental-alveolare Affrikata, die Graphie ‹ou› für mhd. u, ū und ue und h-anlautende Pronomina auch in den obliquen Kasus (hiem, 1577) (vgl. Gärtner / Holtus / Rapp / Völker (1997: 114–126). Z. B. bit gegen mit in den Veldenzer Urkunden, ‹t› für *d* nur nach /r/, /l/ und im schwachen Präteritum in 1577 und N 536 gegen mehrere ‹t› im Anlaut und inlautend zwischen Vokalen in allen Urkunden, die dem Grafen von Veldenz als Hersteller zugeschrieben werden können. Im Bereich des Vokalismus steht ‹ai› in den beiden Urkunden mit Lothringer Beteiligung häufig für mhd. ā (graiue, 1577 und N 536) und ǟ (ſtaidicheit, N 536), in den Veldenzer Urkunden dagegen nur vereinzelt und den vornehmlich obd. Diphthongwandel anzeigend für ėi (kain, N 318, Gf. v. Veldenz – Bf. v. Straßburg; ſtaige, 0738, Herst. Gf. v. Veldenz). Vgl. auch Gärtner / Holtus / Rapp / Völker (1997: 116).
104
Auswertung des Quellenkorpus
rheingebiet310, was sich in den beteiligten Urkundsparteien und Ausstellungsorten widerspiegelt, vgl. Abschnitt 2.1.2. Erst im 14. Jh. begegnen im Korpus Urkunden nordwestlich der rezenten korf / korb-Linie (ohne Veldenz), die neben Frikativ- auch Plosivschreibungen für *ƀ* nutzen, wenn man von einmaligem haben in Urkunde 0337 des Schreibers NN II (Mechthild von Sayn) absieht.311 Zu den bereits erwähnten Urkunden der mittelrheinischen Städtebündnisse mit Koblenzer Beteiligung stellen sich zwei Urkunden zwischen dem Rat der Stadt Koblenz und dem Trierer Erzbischof Balduin von Luxemburg sowie zwischen Syvert von Alzey und den Bürgern von Koblenz mit 100 % Frikativschreibung (261110: gehaft, gegeuen; 230915: glovin). Dagegen weisen drei der fünf Urkunden mit Beteiligung des „Deutschen Hauses“ (Deutschorden) in Koblenz durchgehend Plosivgraphien auf: 270920 (Arnold Heschin v. Lehmen – Deutsches Haus in Koblenz): gab,
siben
290121.1 / 290121.2 (Gemeinde von Ochtendung – Deutsches Haus in Koblenz): ob, geben 230521 (Ritter v. Eltz – Deutsches Haus in Koblenz): irhaven 230913 (Eberhard v. Kobern u. weitere – Deutsches Haus in Koblenz): liefniſſe, oue
Mischungen von Plosiv- und Frikativschreibungen finden sich schon früh (um 1300) bei den Grafen von Sayn und von Sponheim-Starkenburg. Der Erbvertrag zwischen dem Grafen von Sayn und seinem Bruder hat einen Plosivanteil von 14,9 % (000000.2, Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn: geleubden, erbe, ſchreiff, eruen). Im Auslaut und vor Konsonant erscheinen viermal ‹b› und neunmal ‹ff›. Einander sprachlich sehr ähnlich sind zwei Urkunden des Grafen von Sayn mit durchgehender Frikativschreibung (071226: of, eruen; 140423: gegeyuen), während eine spätere Urkunde für Philipp von Sponheim-Dannenfels mit einem Plosivanteil von 4 : 3 (180521, Herst. Gf. v. Sayn: vber, oue) insgesamt stärker südlich beein-
310 311
Vgl. Herrmann (1995: 139 u. Anm. 66). Dagegen stehen 32 Fälle von Frikativschreibung in 0337 und seiner zweiten Urkunde N 160.
*ƀ*, *bb*
105
flusst wirkt.312 Bei Graf Johann II. von Sponheim-Starkenburg haben drei Urkunden mit inner-Sponheim-Starkenburger Angelegenheiten Plosivanteile zwischen 70 und 90 % (000000.3: sebin, hauerin; 150120.1: wibe, wif; 150120.2: wẏbe, wif), während in den beiden sehr kurzen Urkunden über die Aufteilung der Sponheimer Gefolgsleute mit Empfängern aus der Nordeifel (Virneburg) und aus dem nördlichen Rheinland (Ehrenberg) ausschließlich Frikative vorkommen (180602.1: ſchrief, beſchrieuin; 180602.2: ſchreif, gegieuin). Dagegen herrschen Frikative in der zweiten Sponheim-Starkenburger Urkundengruppe (240401, Herst. SponheimStarkenburg: veirdehalf, gelouet) wie in den vereinzelten Urkunden der Brüder Johanns II. (290711, Heinrich v. Sponheim-Starkenburg u. weitere – Loretta, Gräfin v. Sponheim-Starkenburg: geuir) immer dann, wenn untereinander geurkundet wird, Mischungen zwischen Frikativ und Plosiv dagegen in Urkunden fremder Aussteller mit Loretta von SponheimStarkenburg als Empfängerin (250808, Herst. Sponheim-Starkenburg: eruen, abe).313 Wenn hier tatsächlich Empfängerausfertigungen vorliegen, könnte es sich also um eine Orientierung an der (nur formal) ausstellenden Partei handeln.314 Auch die Urkunden mit Beteiligung des Trierer Erzbischofs haben häufig Plosivgraphien. Eine formal von Balduin ausgestellte Beitrittsurkunde zum Bacharacher Landfrieden (170622.2, Ausst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier: gelobent) hat zu 100 % Plosivgraphien, ist aber sicher im Zusammenhang mit anderen Stücken dieser Urkundenserie zu sehen.315 Zwei Urkunden aus dem Jahr 1318 zeigen 34,5 (180823.1: haiben, haiuen) bzw. 50 % (181224: gegebin, gaf, geſcreuen) Plosivgraphien, während Urkunde 240717 (of, hauen) mit Balduin als Schiedsrichter zwischen dem Grafen von Jülich und dem Ritter Kuno von Winneburg nur Frikativschreibungen bietet und auch sonst weniger südlich beeinflusst scheint
312 313 314 315
Z. B. einmal inde neben 19 v / vnd / vnde gegen durchgehendes ind / inde in 071226 und 140423. Zu bribe, neben und Greben in Urkunde 180521 s. 4.1.9. Die Zuordnung dieser Urkunden zur Gruppe „Herst. Sponheim-Starkenburg“ stützt sich v. a. auf das Formular, vgl. oben S. 41. Zur Empfängerorientierung vgl. Möller (1998). Rapp / Rosenberger (2003) weisen die Urkunde dem ‚Landfriedensschreiber 5‘ zu, der eine weitere Beitrittserklärung (*170622.3) geschrieben hat.
106
Auswertung des Quellenkorpus
als andere Urkunden Balduins. Ab 1328 haben alle Urkunden, für die Balduin als herstellende oder nur beteiligte Partei anzunehmen ist, Plosivschreibungen zwischen 84 (280707: selbir, ſeluir) und 100 % (280414: lieben). Bezogen auf alle Urkunden des Korpus ist die Verteilung der Graphien in den beiden Positionen im Auslaut bzw. vor Konsonant (d. i. silbenauslautend und silbeninlautend, wenn ein weiterer Konsonant folgt) und vor Vokal interessant. Die Anzahl der Belege vor Konsonant und im Auslaut liegt in 90 % der Urkunden unter 5. Sogar die mit 3 673 Wortformen längste Urkunde des Korpus (280707) hat neben 165 Belegen für *ƀ* vor Vokal keinen einzigen für *ƀ* vor Konsonant. Während die Graphien ‹f›, ‹ff›, ‹fu› und ‹p› auf eine Realisierung als Fortis schließen lassen, dürften ‹u›, ‹›, ‹v› und ‹b› eine Lenis bezeichnen.316 Die Urkunden, die ausschließlich Frikativgraphien verwenden, schreiben im Auslaut und vor Konsonant immer ‹f›. Die Lenisschreibungen ‹u›, ‹› und ‹v› sind auf den postvokalischen Inlaut beschränkt. Dagegen haben die Urkunden, in denen sich nur Plosivgraphien finden, inlautend ‹b›, im Auslaut zwar meist ‹p› (6 Urkunden), aber auch durchaus ‹b› (2 Urkunden) oder ‹p› und ‹b› nebeneinander (1 Urkunde). Bei den Urkunden, die zwischen Plosiv- und Frikativschreibungen schwanken, begegnet im Auslaut häufig nur ‹f› (12 Urkunden), seltener ‹b› oder ‹p› neben ‹f› (2 bzw. 1 Urkunde) oder ‹b› bzw. ‹p› allein (5 bzw. 3 Urkunden). *ƀ* in arbėit und arbėiten (schw. V.) verhält sich mit durchgehender ‹b›-Schreibung wie anlautendes *ƀ*, was Franck (Afrk. Gr., § 78) als Folge einer Betonung auf der zweiten Silbe erklärt. Im Korpus belegt sind neunmal arbeit und zweimal arbeiden (schw. V.) in verschiedenen Urkunden des Schreibers Lambert von Asbach. ‹b› und ‹p› finden sich vereinzelt als Sprosskonsonanten317 zwischen Nasal und /ər/ oder /t/:
316 317
Zum vermuteten Lautwert, der durch die einzelnen Graphien bezeichnet wird, vgl. Abschnitt 4.2.1, zu den Termini „Fortis“ / „Lenis“ unten Anm. 475. Ob ‹b› und ‹p› eine sprechsprachliche Entsprechung hatten oder im Umfeld der Assimilation von /mb/ zu sehen sind, ist unklar, vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 98; Frnhd. Gr., § L 61,2.
*f*, *ff*, *ft*
107
vmber (iemer, 0904, Wirich v. Daun – Wilhelm Bozzel v. Stein) zehnmal nmber, vmb’ (zu niemer, iemer) in Urkunde 280707 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) genēpte (zu nėmmen, 1527, Herst. Gf. v. Veldenz) vurgenmpde (zu vorgenuemet) und kmpt (zu komen) bei Hartrad von Schönecken (490418 und 491010)
4.1.9 *f*, *ff*, *ft* *ff*: n. v. *f* anlautend: ‹v›, ‹f›, ‹u›, ‹w›, ‹ph›, ‹pf›, ‹fph›, ‹fh› *f* inlautend vor Vokal: ‹u›, ‹b›, ‹v›, ‹f›, ‹›, ‹fv›, ‹ff›, ‹uv›, ‹w› *f* inlautend vor Konsonant (außer *t*) und auslautend: ‹f›, ‹p›, ‹ff›, ‹ph›, ‹b›, ‹u›, ‹v› *ft*: ‹cht›, ‹ft›, ‹ht›, ‹fft›, ‹ch›, ‹fth›, ‹tt›, ‹t›, ‹th› *ff*:
Die seltene Geminate *ff* ist im Korpus nicht vertreten. *f*:
Außer Lexemen, für die ererbtes germ. *f angesetzt werden muss, werden auch Lehnwörter berücksichtigt, die sich der Entwicklung von germ. *f anschließen, darunter einige hochfrequente wie (-)brief(-) (606), grāve / grǟve (435) und voget (102). (-)bischof318 (169) wird wegen seiner besonderen Entlehnungsbedingungen gesondert behandelt. Vor allem für inlautend *f* vor Vokal sind nur wenige Erbwörter belegt (durfen,
318
Ahd. biskof geht kaum direkt auf lat. episcopus < gr. ἐπίσκοπος zurück, sondern erfordert romanische Zwischenstufen, die Frings (1932 / 1966: 46) als *epispu, *piscopu, *viscopu, *viscovu ansetzt, s. auch Kluge / Seebold, EWB, s. v. Bischof; EWA, s. v. biskof; Dornfeld (1912: 185) und Klappenbach (1944: 336).
108
Auswertung des Quellenkorpus
nęve319; hof, vünf, ƶwėlf in zweisilbigen Wortformen), die alle nicht sehr häufig vorkommen. Nicht entlehnte Hochfrequente mit *f* im Anlaut und inlautend vor Konsonant sind von (2 401), das knapp ein Drittel aller Belege für *f* ausmacht, (-)vor(-) (1 210), das Verbalpräfix ver- (381), (-)vrouwe (261), vür (250) und (ge)stift(e) (149). Im Anlaut dominiert ‹v› klar mit knapp 90 % bezogen auf alle Lexeme im gesamten Korpus, gefolgt von ‹f› mit knapp 6 %, ‹u› mit knapp 3 % und ‹w› mit 1,2 %. ‹ph› (16 Belege) kommt wie die nur je einmal belegten ‹pf›, ‹fph› und ‹fh› ausschließlich in Verbindung mit dem Verbalpräfix ent- vor und steht dort in Konkurrenz zu einfachem ‹f›, das mit knapp zwei Drittel aller Belege vorherrscht. ‹v› oder ‹u› finden sich hier nie, was vor dem Hintergrund einer schon im Ahd. eingetretenen Assimilation der Gruppe ntf zu sehen ist320: ‹ph›: entphangen (431228, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) ‹pf›: enpfallen (0986, Herst. Gf. v. Veldenz) ‹fph›: entfphangen (320425 R, Gf. v. Leiningen – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) ‹fh›: jntfhan (240401, Herst. Sponheim-Starkenburg) ‹f›: infen (011220.2, Stadt Koblenz – Stadt Boppard)
Ansonsten steht ‹f› vor allem vor /r/, wo es einen Anteil von 21,7 % erreicht. Vor /l/ ist *f* im Korpus nur selten belegt. In vünf(-) ist ‹f› mit einem Anteil von knapp 25 % recht häufig, wobei die Vermeidung der graphisch ungünstigen Folge ‹vu› eine Rolle gespielt haben dürfte. Auch bei voget(-)321 scheint ‹f› lexemspezifisch eher aufzutreten:
frowen (0211, Herst. Gf. v. Veldenz) frnſchaf (150124, Johann Boos v. Waldeck – Wilhelm v. Waldeck, gen. v. Schönburg) funfzig (290927, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier)
319
320 321
nęve < germ. *nefōn geht (mit abweichendem Auslaut) wie lat. nepōs auf idg. *nepōtzurück (vgl. Kluge / Seebold, EWB, s. v. Neffe), anders Dornfeld (1912: 185), der in nęve ein lat. Lehnwort sieht. Vgl. Ahd. Gr. I, § 138, Anm. 2; Paul, Mhd. Gr., § L 74,3; Lenz-Kemper (2008: 91 f.). Vgl. auch Klappenbach (1945: 189), die eine Häufung nur bei voget(-), nicht aber bei vünf(-) beobachtet.
*f*, *ff*, *ft*
109
fogedis (090000.1, Herst. Siegfried vom Stein; Eberold u. Marquart v. Laurenburg)
Lexemspezifische ‹f›-Schreibungen wie ‹f› vor Liquid begegnen vor allem in Urkunden des südlichen Rand- und Übergangsgebietes (Grafen von Leiningen, Nassau; Stadt Boppard), des Grafen von Veldenz und Balduins von Luxemburg. Die restlichen ‹f›-Schreibungen des Korpus konzentrieren sich wiederum in den Urkunden der Randgebiete und stehen dort aus graphischen Gründen322 vor allem vor ‹u› für verschiedene hohe gerundete Vokale: 1527 (Herst. Gf. v. Veldenz): fúr gegen von 170622.2 (Ausst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier, Bacharacher Landfriede): furſten gegen von 280414 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier): furſten gegen vor-
genanter
070315 (Johann, Herr v. Braunshorn – Vögte v. Senheim): Fur gegen
von
In weiteren Urkunden, die wieder meist aus den südlichen Rand- und Übergangsgebieten stammen, findet sich ‹f› aber auch vor ‹o› wie in dem hochfrequenten von, so dass sich hier (ohne ent(-), vünf(-) und *fr*) ‹f›Anteile zwischen rund 20 % (0776, 2787) und über 80 % (N 364, 1000, beide Gf. v. Nassau) ergeben: 0776 (Herst. Wilhelm Bozzel v. Stein): fr, forderen, allerdings auch
vor
0965 (Herst. Gf. v. Nassau): fuder, fon N 364 (Herst. Gf. v. Nassau): fon, for 1000 (Gf. v. Nassau – Gf. v. Leiningen): fuder, fon 2787 (Herst. Gf. v. Katzenelnbogen: fur, fon neben von 290121.1 (Gemeinde von Ochtendung – Deutsches Haus in Koblenz): fùr, forderſt neben von
Die Graphie ‹u› spielt mit knapp 3 % bezogen auf das Gesamtkorpus eine geringe Rolle. Nur in den Urkunden 0738 (Herst. Gf. v. Veldenz), 071226 322
Vgl. dazu und zum Folgenden die Zusammenstellung bei Paul, Mhd. Gr., § L 100 nach Klappenbach (1945: 185–202).
110
Auswertung des Quellenkorpus
und 140423 (beide Herst. Gf. v. Sayn) erreicht sie mit zwei bzw. einem Drittel aller Belege größere Bedeutung. In den beiden Urkunden des Grafen von Sayn steht ‹u› stets in der graphisch eigentlich ungünstigen Position vor ‹u› / ‹› neben sonstigem ‹v›: 0738: uatereſ, uon gegen von 071226: ur gegen van, vort 140423: urgenanthen gegen van, vort
Lässt man diese drei Urkunden mit ihrem besonderen Schreibgebrauch beiseite, ergibt sich für das Auftreten von ‹u› in den restlichen Urkunden eine klare Präferenz, die sich nach der Position im Wort richtet: Knapp 86 % aller ‹u› erscheinen im indirekten Anlaut – also nach einem Präfix oder Kompositionsglied – im Gegensatz zu ‹v›, das in 97 % aller Fälle im absoluten Anlaut steht323: ‹u›:
heruaren (zu ervarn, 0009, Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.) zeuilen (zu ƶervallen, 051213, Johann, Herr v. Braunshorn – Vögte v. Senheim) ‹v›:
virglden (241111, Ritter v. Senheim – Johann, Herr v. Braunshorn)
Im indirekten Anlaut hat ‹u› (ohne Lexeme mit folgendem Liquid) einen Anteil von knapp 44 %, ‹v› knapp 49 % und ‹f› 7 %. Die Graphie ‹w› ist mit einem Anteil von 1,2 % sehr selten und begegnet fast ausschließlich in Urkunde 220402 (Ludwig v. Rennenberg – Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg) sowie in den Urkunden Hartrads von Schönecken. Ansonsten finden sich nur vereinzelte Belege, meist in vrouwe(-) oder vor(-): ẃr (3374, Herst. Herren v. Schöneck, Waldeck, Elz), wrowen (150120.2, Herst. Gf. v. Sponheim-Starkenburg). In 220402 und den Schöneckener Urkunden ist ‹w› ganz auf vor(-) und vür(-) be-
323
Diese Distribution gilt u. a. in dem langen Sühnevertrag 280707 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier): im absoluten Anlaut 96,2 % (255 Belege) ‹v› (virdrain), neun ‹f› (farin), ein ‹u› in zusammengeschriebenem zuirhaldin; im indirekten Anlaut 82,7 % ‹u› (24) (beuleckt), sonst ‹f› (irflte).
*f*, *ff*, *ft*
111
schränkt 324 , die im Md. zumindest ausdrucksseitig zusammengefallen sind. Während 220402 zu 100 % r(-) (rgeſprochen, rgenante) mit Superskript für den folgenden Vokal schreibt, konkurrieren bei Hartrad von Schönecken r(-) und wr(-) (immer im Simplex, aber auch wrworde, 390704; wrſprogin, 400824) mit vor(-) und vur(-) (eher325 in den Ableitungen: vorgenantē, 390704). Die späteren Urkunden 480731, 490111 und 490418 weichen stärker ab und haben ausschließlich vur(-) / vr (vur, 480731; vrgenante, 490418). Im Inlaut vor Vokal gilt ‹u› zu gut 70 % vor ‹b› mit 13,5 %, ‹v› mit 11,8 % und ‹f› mit knapp 2,4 %. Alle anderen Varianten liegen unter einem Prozent. Inlautend vor Konsonant (außer vor *t*) und im Auslaut dominiert ‹f› deutlicher mit 97,3 % vor ‹p› mit 1,4 % und den übrigen Varianten, die mit je drei (‹ff›, ‹ph›) bzw. einem Beleg (‹b›, ‹u›, ‹v›) nicht über ein halbes Prozent hinauskommen. ‹v› statt der Leitgraphie ‹u› ist wie schon bei *ƀ* (s. Abschnitt 4.1.8) typisch für Urkunde 0073 (Wlp. Ludwig v. d. Neuerburg – ehem. Gf.in v. Sayn) und den Schreiber Lambert von Asbach. Ohne diese Urkunden liegt der ‹v›-Anteil in Zeitraum I bei 0 %, in Zeitraum II bei etwa 8 %: ‹u›: greuo (0009, Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.) ‹v›: grevinnin (0073, Wlp. Ludwig v. d. Neuerburg – ehem. Gf.in v. Sayn); neven, brve (beide 0566, Lambert von Asbach)
‹f› steht lexemspezifisch v. a. in brief und stets in (-)durfen, ‹ff› und ‹fv› nur in flektiertem vünve, wie überhaupt ‹f›-haltige Graphien v. a. für *f* nach Resonant stehen. In ahd. Zeit verbreitete sich die Lenisschreibung ‹u› hier zögerlicher.326 Bei durfen und vünve werden die häufig belegten darf, dorfte und vünf, bei denen im Auslaut und vor Konsonant keine Lenisie-
324 325
326
Vgl. Klappenbach (1945: 196 f.), die ‹w› vor hohen gerundeten Vokalen, meist mhd. u, ü, und dem Diphthong ue beschreibt. Einige Schöneckener Urkunden haben auch in den Ableitungen immer oder überwiegend wr- / r: 400824: 11 von 11 Belegen; 421017: 3 von 3 Belegen; 460428: 9 von 10 Belegen. Vgl. Ahd. Gr. I, § 139, Anm. 2.
112
Auswertung des Quellenkorpus
rung eintreten konnte, auf die Bewahrung der Fortis(schreibung) unterstützend gewirkt haben327: ‹f›: briefe (290121.1, Gemeinde von Ochtendung – Deutsches Haus in Koblenz); bedorfent (250805, Herst. Sponheim-Starkenburg) ‹ff›: funffe (0231, Herst. Wilhelm v. Waldeck) ‹fv›: vunfve (0255 und 0602, beide Schr. Lambert v. Asbach)
Mit ‹b› und ‹p› sind im Inlaut wie im Auslaut Graphien belegt, die auf einen Plosiv deuten. Von den insgesamt 103 inlautenden ‹b›-Belegen stammen 66 (64,1 %) aus Urkunde 280707 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier). Der ‹b›-Anteil innerhalb der Urkunde liegt für inlautend *f* bei knapp 78 % gegen ‹u› (briebe – brieue, g’bine – g’uine). Im Auslaut steht immer ‹f› (brief). Außer dieser einen Balduin-Urkunde haben hauptsächlich Urkundsparteien des Mittelrheins und die Grafen von Sponheim-Starkenburg Plosivgraphien für *f*. Die Urkunden lassen sich in drei Gruppen einteilen. Die erste Gruppe schwankt wie 280707 im Inlaut zwischen ‹b› und ‹u› / ‹v› / ‹f›, während sie im Auslaut durchgehend ‹f› schreibt:
0231 (Herst. Wilhelm v. Waldeck): nebin, houe, brif 0904 (Wirich v. Daun – Wilhelm Bozzel v. Stein): neeben, grauen, brif 150120.2 (Herst. Gf. v. Sponheim-Starkenburg): hobe, grauen, brief 180521 (Herst. Gf. v. Sayn): bribe, Greben, Greue, brif 270405 (Herst. Sponheim-Starkenburg): nében, wildegreue, brf 290121.2 (Gemeinde von Ochtendung – Deutsches Haus in Koblenz): hobis, briefe, brief
Die Urkunden der zweiten Gruppe unterscheiden klar Inlaut (‹b›) und Auslaut (‹f›): 1200 (Herr v. Isenburg u. weitere – Gf.en v. Nassau u. weitere): grebe,
brif
210612 (Herst. Philipp v. Boppard): hobe, hof
Schließlich kennen die Urkunden der dritten Gruppe im Inlaut ausschließlich ‹b›, während im Auslaut ‹f› neben ‹p› / ‹b› steht:
327
Vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 100; Klappenbach (1945: 207 ff.).
*f*, *ff*, *ft*
113
090000.1 (Herst. Siegfried vom Stein; Eberold u. Marquart v. Laurenburg): bribe, hobe, brif, hop 270922 (Herst. Abt v. Tholey): bribe, brieb, briep, brif
In den meisten dieser Urkunden sind die Belegzahlen gering, so dass lexembedingte Vorlieben der Schreiber nicht ausgeschlossen werden können. Zur lautlichen Interpretation vgl. Abschnitt 4.2.1. Die Schreibungen für den Sonderfall bischof(-) weichen im Auslaut mit beinahe 100 % ‹f› nicht von den Regeln für sonstiges *f* im Auslaut ab. In Erzbiſchop aus Urkunde 001210 (Ebf. v. Trier – Stadt Koblenz), die auch einmal brip neben drei brif hat, erscheint einmal ‹p›. Inlautend lassen sich biſhobe und erzichenbiſchobe328 mit ‹b› aus den weiter oben besprochenen Urkunden 090000.1 (Herst. Siegfried vom Stein; Eberold u. Marquart v. Laurenburg) und 280707 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) vergleichen. Ansonsten steht im Inlaut zu etwa einem Drittel ‹ff›, zu 27,9 % die für inlautend *f* vor Vokal klar dominierende Schreibung ‹u›, ‹v› zu 18 %, einfaches ‹f› nur zu etwa 8 % (5 Belege): ‹ff›: Erzbiſchoffe (231026, Johann v. Mengen u. Arnold v. Weiskirchen, Ritter – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier u. weitere) ‹u›: biſchoue (3381, Herst. Gf. v. Leiningen) ‹v›: Bischoveſ (3165, Herst. Gf. v. Sponheim) ‹f›: herzbiſchofes (001210, Ebf. v. Trier – Stadt Koblenz)
Insgesamt kommen die Schreibungen ‹v›, ‹u› und ‹›, die ansonsten für einen Lenisfrikativ stehen, auf 47,5 % aller Belege, die Fortisschreibungen ‹ff› und ‹f› auf 39,3 %. Die Graphie ‹fv› (9,8 %) ist in ihrem Lautwert unentschieden. Sie begegnet im Korpus329 nur bei Lambert von Asbach (Mecht-
328
329
Vermutlich eine Kompromissform aus ėrƶebischof und ėrchebischof (z. B. Erchebiſchoue, *0083, Schr. Gottfried Hagen; vgl. auch Erchecancellere, 0623, Schr. Lambert v. As-
bach) zu lat. archiepiskopus, vgl. Kluge / Seebold, EWB, s. v. Erz-, erz-; Mhd. Gr. III, § S 15. Im Korpus begegnet auch erdiſchebiſſchof (0196, Schr. NN I, ehem. Gf.in v. Sayn), das vermutlich sekundär an irdisch angeschlossen wurde, vgl. Lexer, s. v. erzebischof. Im Vergleichskorpus ist sie bei den Kölner Stadtschreibern Gottfried Hagen (nefven, *0053; beſcriefven, *0072 A; erloifven, *0078; wifven, *0079) und Henricus de Rile (breifve, *3485; koifvêt, *N 548 A) sowie in den ebenfalls aus Köln stammenden *PrKKl (loifvent, drofve zu tropfe) zu finden.
114
Auswertung des Quellenkorpus
hild von Sayn) und steht dort außer in biſſchofve (u. a. 0602) nur in vunfve (0255, 0602) für *f* und in erliefven (0255) für *p*. Die Hälfte aller Belege für bischof(-) stammt aus Lamberts Urkunden. Im Inlaut schreibt er neben ‹fv› auch ‹ff› (43,8 %), ‹v› (31,3 %) und ‹u› (6,3 %) – eine Varianz, die für diesen Schreiber ansonsten nicht typisch ist. *ft*:
*f* vor *t* erscheint im Korpus entweder als ‹f›, seltener ‹ff›, oder als Folge des Wandels von /ft/ > /xt/330 als ‹ch› bzw. ‹h›. Die Graphien ‹tt›, ‹t› und ‹th› weisen auf Schwund bzw. Vokalisierung331 von /x/ in /xt/ < /ft/ hin, das sich in seiner Entwicklung *ht* anschließt (s. unten S. 137): ‹f›: ſtifte (200430, Herst. Dietrich v. Wildenburg) ‹ff›: wieder schrifft (0623, Schr. Lambert v. Asbach) ‹ch›: nichte (0054, Schr. NN I, ehem. Gf.in v. Sayn) ‹h›: geſtihte (0009, Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.) ‹tt›: aeẏtter (430814, Herst. Hartrad v. Schönecken) ‹t›: aeẏter (400808, Herst. Hartrad v. Schönecken) ‹th›: athir (051213, Johann, Herr v. Braunshorn – Vögte v. Senheim)
Graphien, die den Wandel von /ft/ > /xt/ anzeigen (alle außer ‹ft›, ‹fft› und ‹fd›) finden sich nur bei niftel, gestifte und after und zwar bei den Schreibern NN I, NN II, Lambert von Asbach (alle Mechthild von Sayn), die zu 100 % bzw. zu 98 % (Lambert) ‹cht› schreiben, sowie in den Urkunden 0009 (s. o.), 051213 (s. o.), 280707 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier: geſtichis, geſtichtes, geſtihte), 290711 (Heinrich v. SponheimStarkenburg u. weitere – Loretta, Gräfin v. Sponheim-Starkenburg: nihtin) und den Urkunden Hartrads von Schönecken (achtir, 480731, Herst. Hartrad v. Schönecken, weitere s. o.). *f* schwindet häufiger in grāveschaft, außerdem selten in vünf(-):
graiſſchoff (000000.2, Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn) fn (040000, Herst. Herr v. Braunshorn und Blankenrath)
330
331
Vgl. Ahd. Gr. I, § 139, Anm. 7; Afrk. Gr., § 82,2; Paul, Mhd. Gr., § E 39,5 u. § L 100, Anm. 4; Schützeichel (1955a; 1974: 233–280); Bergmann (1977: 118 u. passim); Klein (2000a: 15, 18 f.). Vgl. Klein (2000a: 15).
*k*, *kk*, *kw*
115
vonzein (430625, Herst. Hartrad v. Schönecken) vonzig (500903, Herst. Hartrad v. Schönecken)
4.1.10 *k*, *kk*, *kw* *kk*: ‹ck›, ‹k›, ‹kk›, ‹ch›, ‹c› *k* anlautend: ‹k›, ‹c›, ‹ch› *k* nach Nasal oder Liquid: ‹c›, ‹k›, ‹ck›, ‹ch›, ‹g› *k* inlautend nach Vokal: ‹ch›, ‹chg›, ‹g›, ‹gg›, ‹hh›, ‹h›, ‹gh›, ‹hch›, ‹chch› *k* auslautend nach Vokal und inlautend vor Konsonant: ‹ch›, ‹g›, ‹h›, ‹gh›, ‹hc›, ‹chg›, ‹gg›, ‹hch› *kw*: ‹qu›, ‹qv›, ‹kw›, ‹ku› *kk*:
Mit 74 Belegen entfallen knapp 70 % aller *kk*-Vorkommen auf (-)stücke, gefolgt von schicken (13). Alle anderen Lexeme sind nur vereinzelt belegt. Bei den Graphien herrscht ‹ck› deutlich (91,9 %) vor, auch (sekundär wegen Synkope) vor Konsonant. Hier findet sich nur einmal ‹c›: zwischen Vokalen:
ſtucke (000000.1, Herst. Trier, Domkapitel) becker (230131, Schöffen zu Koblenz – Wetzel, der Bäcker v. Koblenz) ſchickit (0255, Schr. Lambert v. Asbach)
vor Konsonant: gereckten (000000.2, Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn) beuleckt (280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) vertrecte (0623, Schr. Lambert v. Asbach)
Einfaches ‹k› ist in den Urkunden 220118 (Luxemburger Rittergericht, ſteuken) und 250629 (Ausst. Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg u. weitere, ſtuke) als einzige Schreibung belegt. In 270920 (Arnold Heschin v. Lehmen – Deutsches Haus in Koblenz) stehen vier ‹k› (akern, ſtùken, ſtùken, im Auslaut teil ſtùk) zwei ‹ck› (ſtucken, ſtucke) gegenüber. achers (1527, Herst. Gf. v. Veldenz) und ſchikkent (2787, Herst. Gf. v. Katzenelnbogen) sind Einzelbelege.
116
Auswertung des Quellenkorpus
*k* anlautend, nach Nasal oder Liquid:
Besonders häufig mit je über 100 Belegen sind marke (229), kunt (140), urkünde (138) und kint (136). Es herrscht eine klare Verteilung der Hauptgraphien: Im Auslaut erscheint bezogen auf alle Urkunden des Korpus zu 87,8 % ‹c›, anlautend vor *r* zu 79,7 %, vor *l* sogar zu 98,2 %. Im (Silben-)Anlaut steht außer vor *r* oder *l* zu 90,1 % ‹k›, z. B. marc, crieg, cleg’e – kint, dunkit, alle aus Urkunde 250629 (Ausst. Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg u. weitere). Abweichungen finden sich vor allem bei entlehnten Lexemen: Canunich, Corbiſchof (beide aus Urkunde 290508, Gf. v. Virneburg – Dietrich Meinfelder, Kanoniker in Münstermaifeld). Der Schreiber NN I der ehemaligen Gräfin Mechthild von Sayn scheint (silben-)anlautend einer Schreibregel ‹c› vor mhd. o, ö, ou, ‹k› sonst zu folgen, z. B. comen (0054), colſcher (0137), vircouften (0111) gegen kunt, kint (beide 0196), dunket (0054). Insgesamt ist ‹c› außerhalb des (Silben-)Auslauts in den Urkunden des 13. Jh.s noch häufiger als in den späteren Urkunden. Für *k* vor vorderen (ungerundeten) Vokalen kommt ‹c› im gesamten Korpus nicht vor.332 Die übrigen Graphien ‹ck›, ‹ch› und ‹g› sind fast ausschließlich auf die Position nach *r*, *l* und *n* beschränkt und erreichen dort ohne den absoluten Auslaut Anteile von 11,5 % (‹ck›) bzw. 1,5 % (‹ch›): ‹ck›: marcken (0111, Schr. NN I, ehem. Gf.in v. Sayn), hencken (150120.2, Herst. Gf. v. Sponheim-Starkenburg) ‹ch›: march (270405, Herst. Sponheim-Starkenburg), marſchalch (051213, Johann, Herr v. Braunshorn – Vögte v. Senheim), henchen (N 318, Gf. v. Veldenz – Bf. v. Straßburg) ‹g›: marg (001210, Ebf. v. Trier – Stadt Koblenz)
‹ch› steht viermal im Anlaut: Chunig (240927), Chnig und Chnigen (250609) in zwei Urkunden Johanns des Blinden, des Königs von Böhmen und Grafen von Luxemburg, in dessen Urkunden sich auch sonst einige
332
Vgl. Ahd. Gr. I, § 142 zur Verteilung von ‹c› und ‹k› in den ahd. Dialekten. ‹k› ist zunächst nur vor vorderen Vokalen üblich, da ‹c› hier im Mlat. den Lautwert [ts] hat.
*k*, *kk*, *kw*
117
eher südlich-obd. Formen finden lassen333, sowie chalete in Urkunde 320425 R (Gf. v. Leiningen – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier). Auch der Trierer Erzbischof lässt z. T. mit südlicher Orientierung schreiben. *k* nach Vokal:
Nach Vokal ist *k* in einigen hochfrequenten Lexemen wie ich (654 Belege), ouch (487) und (-)spręchen (346) belegt. Auf knapp über 100 Belege kommt noch (-)sache. Die Graphie ‹ch› herrscht nach Vokal bezogen auf alle Urkunden mit 92,2 % deutlich vor, gefolgt von ‹g› mit 4 % und ‹chg› mit 2,2 %. Alle anderen Schreibungen liegen jeweils unter einem Prozent. In knapp drei Viertel aller Urkunden wird für *k* nach Vokal unterschiedslos ‹ch› geschrieben, unabhängig ob ein weiterer Vokal, ein Konsonant oder eine Wortgrenze folgt, z. B. in Urkunde 261110 (Rat der Stadt Koblenz – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier, u. weitere): sprechin, gemacht, vch. Insgesamt liegt der ‹ch›-Anteil in den Urkunden mit abweichenden Graphien meist zwischen 80 und 98 %. ‹g› wird in einigen Urkunden eher inlautend geschrieben wie in 180224 (Gottfried v. Sponheim-Starkenburg – Gf. v. Sponheim-Starkenburg, z. B. jerliger, ſulger gegen die frequenten ich, mich) oder (neben ‹gg›) in Urkunde 071226 (Herst. Gf. v. Sayn). Davon abweichend steht ‹g› in Urkunde 0255 (Schr. Lambert v. Asbach) gerade im absoluten Auslaut. Der Schreiber Lambert (Herst. Mechthild von Sayn) schreibt für *k* nach Vokal 595-mal ‹ch›, 62mal ‹chg›, 56-mal ‹g› und einmal ‹gg›. Dabei stammen beinahe alle ‹chg›(98,4 %), ‹g›- (96,4 %) und der ‹gg›-Beleg aus Urkunde 0255 und den beiden Vidimi 0602 und 0623.334 Interessant ist die Verteilung der Graphien: Intervokalisch nach Kurzvokal steht ‹chg› mit Anteilen zwischen 75 (0623) und 91,7 % (0603), nach Langvokal oder Diphthong dagegen ‹ch› (81 – 100 %), in den Urkunden 0602 und 0623 ebenso zu 100 % im absoluten Auslaut und vor Konsonant, während in Urkunde 0255 ‹ch› nur zu 16,4 %, ‹g› zu 83,6 % vorkommt. Eine mögliche Unterscheidung der Positionen
333 334
Urkunden Johanns des Blinden, die sich an Urkundsparteien außerhalb des Untersuchungsgebietes richten, sind im Korpus nicht berücksichtigt worden. Zur Besonderheit dieser drei Urkunden sieh oben S. 25, zu ‹chg›, ‹g› und ‹gg› unten S. 200.
118
Auswertung des Quellenkorpus
intervokalisch nach Kurzvokal und (mit Kürzung des langen Lautverschiebungsfrikativs) intervokalisch nach Langvokal / Diphthong bzw. vor oder nach Konsonant zeigt auch Urkunde 071226 (Herst. Gf. v. Sayn) mit ‹gg› (gebregge, ſpreggen) bzw. ‹g› (billigene, wilgen). Auch hier steht ‹ch› regelmäßig im absoluten Auslaut (ich, ſich). In der ältesten Urkunde 0009 (Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.) von 1248 gilt intervokalisch noch die alte, nach Franck (Afrk. Gr., § 117) seit der Mitte des 9. Jh.s von ‹ch› verdrängte Graphie ‹hh› (z. B. gemahhet, ſihher, v’ ſihhert). In den sieben Belegen steht ‹hh› überall nach Kurzvokal. In den beiden Fällen mit anzunehmendem Langvokal findet sich dagegen einfaches ‹h› (Stedenkelihe) bzw. ‹ch› (Getruweliche), das im Auslaut einzige Schreibung ist (ich, mich, ouch). Die jüngsten Urkunden des Korpus, die für Hartrad von Schönecken geschrieben wurden, zeigen neben häufigem ‹ch› (ſache, kntelichin, ſpricht) auch ‹g› (ſiger, rſprogin), ‹gg› (ſiggeren, ſiggerheit) und ‹gh› (weder ſpraghe, zaghe zu sache), alle nur nach Kurzvokal, sowie zweimal ‹h› vor Konsonant (geſuht, vngeſuht). *k* nach Obstruent:
*k* kommt nur nach *s* vor, s. dazu unten S. 180 f. *kw*:
Mit *kw* sind insgesamt nur 40 Wortformen belegt, die sich auf (-)komen (ahd. quęman) (37), quāt, quīt und quīten (je 1) verteilen. Die häufigste Graphie mit 67,5 % ist ‹qu› (z. B. quit, 470418, Herst. Dieter, Abt zu Prüm), gefolgt von der Variante ‹qv› (mehrmals Qvem|et335, u. a. 0407B, Schr. Lambert von Asbach), die nur von Lambert etwa im Verhältnis eins zu eins mit ‹qu› (mehrmals queme, Quem|et, u. a. 0407A) verwendet wird. Ohne Lambert liegt der Anteil von ‹qu› bei 75 %. ‹kw› kommt nur in Urkunde 3374 (Herst. Herren v. Schöneck, Waldeck, Elz) vor: kwam, kwamin.
335
In Qvem|et ouch alſo, dat [...] (0407 A / B) ist das neutrale Pers.-Pron. enklitisch an das Verb (3. Sg. Konj. Prät.) angeleht. Anders Paul, Mhd. Gr., § M 79, Anm. 4: „3. Sg. Ind. Prät. quemit (UrKö, mit eindeutigem Prät. qu- und -e, jedoch Präs.-Endung -t)“ zu vergleichbaren Stellen in den Urkunden Gottfried Hagens (*0053, *0075, *0076, *0078, *0079, *0085, *N 068), z. B Qvem|it oug alſo, dat [...] (*0053) neben Queme it oug alſo, dat [...] (*0071, Gottfried Hagen).
*ǥ*, *gg*
119
4.1.11 *ǥ*, *gg* *gg*: ‹ck›, ‹cg›, ‹gg› *ǥ* anlautend: ‹g›, ‹k›, ‹c›, ‹gh› *ǥ*336 silbenauslautend nach Nasal: ‹c›, ‹g›, ‹ck›, ‹k›, ‹ch›, ‹gc› *ǥ* sonst nach Nasal: ‹g›, ‹cg›, ‹ck›, ‹k›, ‹cgh› *ǥ* sonst vor Vokal: ‹g›, ‹ch›, ‹i›, ‹gh›, ‹chg›, ‹gg› *ǥ* sonst vor Konsonant und im Auslaut: ‹ch›, ‹g›, ‹c›, ‹k›, ‹gh›, ‹h›, ‹ck›, ‹hc›, ‹q›, ‹chg›, ‹sch› *gg*:
Die Geminate *gg* ist im Korpus nur 22-mal vertreten, v. a. in rocke ‚Roggen‘ (15 Belege) und brücke (4). Das jan-Präsens lėgen ist in zwei Parallelurkunden (0407 A / B, Schr. Lambert v. Asbach) im Infinitiv wohl mit der alten Geminate belegt: leggen. Ansonsten gilt im Korpus überall Kürze, die durch paradigmatischen Ausgleich nach der 2. / 3. Sg. Ind. Präs. entstanden ist337, wie in legen (010210.2, Stadt Koblenz – Stadt Andernach). Die Graphie ‹gg› ist im Korpus sonst nicht belegt. ‹cg› erscheint nur in Urkunde N 223 (Schr. Lambert v. Asbach) in rocge und rocgen. In allen anderen Fällen steht ‹ck› für *gg*: rocken (150120.2, Herst. Gf. v. Sponheim-Starkenburg), brucken (200430, Herst. Dietrich v. Wildenburg), Rvcke (320425 R, Gf. v. Leiningen – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier). *ǥ* anlautend:
ge- als Präfix und Teil der Zirkumfixe ge-...-en und ge-...-(e)t ist mit etwa einem Drittel aller Belege am häufigsten. (-)grāve(-) (435), das Adjektiv guet (434) und gęben (329) folgen, liegen aber deutlich unter 5 %. Im Anlaut dominiert ‹g› klar mit 99,8 %: gain (250808, Herst. Sponheim-Starkenburg), glovede zu geloben (230131, Schöffen zu Koblenz – Wetzel, der Bäcker v. Koblenz), ingegene (N 282, Ausst. Herr v. Waldeck; Brüder v. Schöneck). ‹k› begegnet vor allem in iet-ge-lich (ikelicher, 280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier; ekillichin, 480731, Herst. Hartrad v. Schönecken) mit Assimilation der Folge -tg-, außerdem 336 337
Vgl. Anm. 297 zum Zeichen *ƀ* für das Plosiv- und Frikativallophon von wgerm. *ƀ. Vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 68.
120
Auswertung des Quellenkorpus
in nāchgebūre (Nakebren338, 010210.1 / 2, Städtebündnis zwischen Andernach und Koblenz). ‹gh› begegnet nur einmal in engheſigilin (250629, Ausst. Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg u. weitere). *ǥ* nach Nasal:
Nach Nasal steht im Silbenanlaut zu 96,7 % (822 Belege) einfaches ‹g› für *ǥ*: hangen (180214, Ausst. Ritter v. Münstermaifeld), penninge (250629, Ausst. Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg u. weitere), kningis (390704, Herst. Hartrad v. Schönecken). ‹cg› (1,5 %) und ‹cgh› (1 Beleg) kommen nur in einzelnen Urkunden, dort aber mehrfach neben meist vorherrschendem ‹g› vor: 0566 und U 07 (beide Schr. Lambert v. Asbach): iuncger / juncger – junger u. a. 1200 (Herr v. Isenburg u. weitere – Gf.en v. Nassau u. weitere): dincgen – dinge 490418 (Herst. Hartrad v. Schönecken): ausschließlich ‹cg›, bezalncgen, hancgen, ſtrencgen, vorderncgen 000000.2 (Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn): lancghe – intphancgē, intphancgūge, verhencgen – intphangē, lange
‹ck› und ‹k› begegnen außer einmal in Stedenkelihe (stǟticlīche, 0009, Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.)339 nur in (in)gevėncnisse und gehėncnisse.340 Von den insgesamt 27 Korpusbelegen haben 13 einen Sprossvokal vor dem Suffix341, so dass *ǥ* im Silbenanlaut steht. Es wird ausschließlich mit ‹ck› oder ‹k› verschriftlicht: ‹ck›:
jngeuenckeniſſe, je zweimal geuenckeniſſe, gehenckeniſſe (alle 280707,
Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) zweimal geuenckeniſſe (0196, Schr. NN I, ehem. Gf.in v. Sayn)
338 339 340 341
Assimiliertes nakebur(e) gilt eigentlich als „omd. Kennform“ (Paul, Mhd. Gr., § L 74, Anm. 2). Zur Suffixvariante -ing vgl. Mhd. Gr. III, § A 67. gehėncnisse ‚Zustimmung‘ lässt sich wohl nur als Ableitung von gehėngen ‚geschehen lassen‘ (s. Lexer, s. v.) deuten. Vgl. Mhd. Gr. III, § S 144.
*ǥ*, *gg*
121
‹k›: u. a. gehenkeniſſe (270922, Herst. Abt v. Tholey) gevēkeniſſe (240717, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier)
Formen ohne Sprossvokal, wo *ǥ* im Silbenauslaut steht, könnten die Schreibungen beeinflusst haben. Allerdings wird hier meist einfaches ‹c› geschrieben.342 Außer einmaligem gefencniſſe in Urkunde 280707, aus der besonders viele ‹ck›- und ein ‹k›-Beleg stammen, gibt es in den Urkunden mit Sprossvokal keine Belege für eines der beiden Lexeme ohne eingeschobenen Vokal. Zu vergleichen wären allenfalls verschiedene Urkunden des Schreibers Lambert von Asbach, der zweimal gehencniſſe (0602 und 0623) neben gehenkeniſſe (0255) schreibt. Insgesamt ist ‹c› mit knapp 70 % die Leitgraphie für *ǥ* im Silbenauslaut nach Nasal: dinc (N 282, Ausst. Herr v. Waldeck; Brüder v. Schöneck), Jncfrawen (460428, Herst. Hartrad v. Schönecken). Es folgen ‹g› mit immerhin 17 %, ‹ck› (7,4 %, 10 Belege), ‹k› (6), ‹ch› (2) und ‹gc› mit einem Beleg. *ǥ* ist silbenauslautend nach Nasal nur 135-mal belegt, so dass nur wenige Urkunden mehr als ein bis zwei Belege haben. Es fällt auf, dass ‹g› fast ausschließlich in südlich beeinflussten Urkunden begegnet, z. B. bei den Grafen von Nassau, Katzenelnbogen und Sponheim, in einigen Urkunden Balduins von Luxemburg, Johanns des Blinden und des Deutschen Hauses in Koblenz, aber auch bei den Herren von Braunshorn: N 364 (Herst. Gf. v. Nassau): ding 1000 (Gf. v. Nassau – Gf. v. Leiningen): ding, ſchilleng 2787 (Herst. Gf. v. Katzenelnbogen): ding 3165 (Herst. Gf. v. Sponheim): v’hangnuſſe, ding 170622.2 (Ausst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier, Bacharacher Landfriede): kung 280414 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier): ding 250609 (Herst. Johann der Blinde, Kg. v. Böhmen, Gf. v. Luxemburg):
ding
342
Abweichend findet sich verhėncnisse im Korpus mit ‹ck› (verhenckniſſe, 150120.1, Herst. Gf. v. Sponheim-Starkenburg) und ‹g› (v’hangnuſſe, zweimal in 3165, Herst. Gf. v. Sponheim). Zu der obd. (vor allem ostobd.) Suffixvariante -nusse / -nüsse vgl. Mhd. Gr. III, § S 144.
122
Auswertung des Quellenkorpus
270920 (Arnold Heschin v. Lehmen – Deutsches Haus in Koblenz): he-
ring
040000 (Herst. Herr v. Braunshorn und Blankenrath): penīg, ſcilling
‹ck› ist in Urkunde 000000.2 (Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn), die im Inlaut meist ‹cg› für *ǥ* nach Nasal hat (gehancgē), im absoluten Auslaut die Regelgraphie (6 Belege, u. a. dinck, konynck, lanck, zweynck), während im indirekten Auslaut ‹c› steht (dreimal ewenclich bzw. ewenclichen). Ansonsten begegnet ‹ck› (koynnȳck, 430501, Herst. Hartrad v. Schönecken) ebenso wie ‹k› (dink, 0009, Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.) nur ganz vereinzelt. Ausgeprägte Varianz zeigen die beiden Urkunden zwischen der Gemeinde von Ochtendung und dem Deutschen Haus in Koblenz: pēnnīg, verhenckniſſse, ſamenckliche (290121.1); pennīgc, ſamenckliche, ewenkliche (290121.2). Die Schreibung ‹ch› für auslautendes *ǥ* nach Nasal ist ganz ungewöhnlich, da in dieser Position Plosiv zu erwarten ist. Sie ist nur zweimal in unterschiedlichen Urkunden belegt: Dinch (240624, Henneman Hurnich – Kloster Fraulautern), penninch (270405, Herst. Sponheim-Starkenburg). *ǥ* sonst:
Inlautend außer nach Nasal – also nach Liquid oder Vokal – ist ‹g› mit fast 92 % die Hauptgraphie vor ‹ch› mit knapp 6 %. Alle anderen Varianten liegen unter einem Prozent. Betrachtet man das Adjektivsuffix -ig (< ahd. -ag, -ĭg / -īg)343, auch in dem Indefinitpronomen ėinic344 sowie das anders gebildete Pron. manic345 getrennt von den übrigen Vorkommen von *ǥ*, ergibt sich ein ‹ch›-Anteil von etwa einem Drittel, während ‹g› umgekehrt außerhalb von -ig zu 98,2 % gilt. Vor allem manic und das nur in bestimmten Urkunden vorkommende ėinic erscheinen meistens mit der Frikativgraphie ‹ch›346 (79,1 % aller Belege für ėinic u. manic), z. B. einiche 343 344
345 346
Vgl. Mhd. Gr. III, § A 84. Zu ėinic als Indefinitpronomen statt dehėin vgl. Paul, Mhd. Gr., § E 40, § M 55, Anm. 3, § M 56; Mhd. Gr. III, § A 83; Klein (2000a: 27); Fobbe (2004: 138 ff.). In flektierten Formen kann der Fortsetzer von *ǥ* sekundär nach Nasal stehen (mhd. ėinge < ėinige). Zu manic vgl. Pfeifer u. a. (2000), s. v. manch(er); Zelissen (1969: 243–246); Fobbe (2004: 138 ff.). Vgl. Frings / Linke (1976: LXXXII).
*ǥ*, *gg*
123
(280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier), mit Apokope eincher (0623, Schr. Lambert v. Asbach; daneben auch seltener einger), manichen (290927, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier), manchim (090000.1, Herst. Siegfried vom Stein; Eberold u. Marquart v. Laurenburg), seltener mit ‹chg› (einichger, 0255, Schr. Lambert v. Asbach) und ‹gh› (einghe, eingher, beide 180224, Gottfried v. Sponheim-Starkenburg – Gf. v. Sponheim-Starkenburg). ‹g› kommt auf sechs (knapp 14 %) Belege (manigen, 2748, Herst. Gf. v. Leiningen; enigen, 421017, Herst. Hartrad v. Schönecken). Außerhalb von ėinic und manic haben neben verschiedenen Einzelstücken vor allem die Urkunden der Grafen von SponheimStarkenburg und Sayn sowie Balduins von Luxemburg mehrfach ‹ch›, vereinzelt auch außerhalb von -ig:347 220402 (Ludwig v. Rennenberg – Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg): Jngeſichil, Jngeſichel, arger, eẏgen 140310 (Gf. v. Veldenz – Gf. v. Sponheim-Starkenburg): brchen (zu bürge), brge 290711 (Heinrich v. Sponheim-Starkenburg u. weitere – Loretta, Gräfin v. Sponheim-Starkenburg): hudichen, seliche, selichen – Eẏgin, we-
gin
000000.2 (Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn): gienw'dichin, hilligen, zoknfftigen – erkrijgen, eigener 071226 (Herst. Gf. v. Sayn): gewordichen, genwordich–, genwordichen, heiligen – Eygen, beſigillit 180823.1 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier): gekoindichet, heiligen – moiche (zu mügen), mage 280707 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier): zweimal intweldichen, heilicher, heilichen, heẏlichen, vitzegin (zu wiƶƶic) – dage, beſigelt, moge
In Balduins Urkunde 181224 finden sich helien und helier (hėilic), was auf palatale Realisierung des inlautend frikativischen Fortsetzers von *ǥ* weist. Vergleichbare Schreibungen erscheinen in einer weiteren Urkun347
Es erscheinen jeweils zuerst Beispiele für alle belegten Schreibungen für *ǥ* im Suffix -ig (ohne ėinic), dann nach einem Gedankenstrich Belege für *ǥ* außerhalb des Suffixes. Bei ‹ch› werden alle Belege gegeben, bei ‹g› nur eine Auswahl.
124
Auswertung des Quellenkorpus
de mit Balduins Beteiligung (231110 R), in der Güterauflistung des Trierer Domkapitels (000000.1), in einer Urkunde des Offizials des Hofes zu Trier (240422), in der ältesten Urkunde 0009 (nur außerhalb von -ig), wo *ǥ* nicht wie in den bisherigen Beispielen nach /i/ oder i-haltigem Diphthong steht, ähnlich in der Urkunde des Luxemburger Rittergerichtes (220118). Im Nordwesten des Untersuchungsgebietes finden sich weitere Belege in den Urkunden 360210 und 390530 R sowie in den Urkunden Hartrads von Schönecken; im Südwesten außerdem in 191019 und 240624: 231110 R (Nikolaus Frubose v. Ulmen – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier): eyen, daneben auch heylichen 000000.1 (Herst. Trier, Domkapitel): rechtvertien 240422 (Schr. Konrad v. Echternach, Trier): ledyvnge (zu lėdigunge) 0009 (Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.): arie (zu arc), pleier, pleiere (zu pflęgǟre), daneben daye und daeſ (beide zu tac) 220118 (Luxemburger Rittergericht): arie, verburiet (zu verbürgen); daneben beurghen (zu bürge), eẏghen, moghen 360210 (Friedrich v. Kronenburg, Herr zu Neuerburg – Hartrad v. Schönecken): gerdien (zu gėgenwürtic); hier auch arche (zu arc), ge-
zucheniſſe
390530 R (Herr v. Kronenburg – Herr v. Falkenstein): zweimal gew'die, daneben arche, gezucheniſſe 410520: gewrdien; 411214: hdien; 430410 (alle drei Herst. Hartrad von Schönecken): hudien 191019 (Herst. Ritter v. St. Wendel): eijen 240624 (Henneman Hurnich – Kloster Fraulautern): beſtedie
Auffällig ist die Konzentration dieser Schreibungen im Westen des Untersuchungsgebietes. Sie treten nur nach /r/ oder vorderen Vokalen (allerdings nie in sigel) auf, was für den palatalen Lautwert des Frikativs spricht. Ein Sonderfall ist das Aufeinandertreffen von -ig und -hėit in substantivischen Ableitungen.348 Als Schreibung erscheint in der Regel (83 %) ‹ch›
348
Vgl. zur Entwicklung von -ig-hėit Mhd. Gr. III, § S 107.
*ǥ*, *gg*
125
(gehorſamicheẏt, 231011, Herst. Sponheim-Starkenburg), daneben aber auch ‹k› (15,1 %) und einmal ‹g› (ſteẏdegeyth, 240624, Henneman Hurnich – Kloster Fraulautern). Die ‹k›-Belege stammen aus drei Urkunden mit häufigen Südformen (1000, 1200, 1638), vom südlichen Rand des Untersuchungsgebietes (270922) und aus Urkunden mit Beteiligung Balduins von Luxemburg: 1000 (Gf. v. Nassau – Gf. v. Leiningen): ſtedekeit 270922 (Herst. Abt v. Tholey): ſtedikeide, wirdekeit 170622.2 (Ausst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier): ſtedekeit 290927 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier): ſtedekeit 291029a (Gottfried II. v. Sayn, Ritter; Engelbert I. v. Sayn – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier): ſtetekeit
Im Mfrk. ist wohl von einem Verstummen von h nach dem silbenauslautenden Frikativ und damit mit einer Verschiebung der Silbengrenze auszugehen. Im absoluten Auslaut und vor Konsonant ist ‹ch› mit knapp 72 % belegt, ‹g› mit etwa 18 % gefolgt von ‹c› mit knapp 6 % und ‹k› (2 %). Alle anderen Varianten liegen unter 10 Belegen und damit unter einem Prozent. ‹q› ist auf iegewęder mit Synkope des /ə/ vor /w/ in Urkunde 1200 (Herr v. Isenburg u. weitere – Gf.en v. Nassau u. weitere: yqueder, yquedir) beschränkt, ebenso ‹hc› auf Urkunde 0073 (Wlp. Ludwig v. d. Neuerburg – ehem. Gf.in v. Sayn: ſculdihc, Nuwerburhc). In dieser Urkunde steht ‹hc› auch stets für auslautendes *k* (ihc für ich), so dass von frikativischer Geltung ausgegangen werden kann.349 Einfaches ‹h›, das sicher für einen Frikativ steht, ist wiederum in Urkunde 0073 (burhman), aber auch sonst ganz selten belegt (vircoh350, 0009, Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.; liht zu ligen, 240401, Herst. Sponheim-Starkenburg). ‹gh› kommt fast nur in burgh bzw. brgh in den zwei Urkunden 0776 (Herst. Wilhelm Bozzel v. Stein) und 250609 (Herst. Johann der Blinde, Kg. v. Böhmen, Gf. v. Luxemburg) vor. Besonders interessant ist die Schreibung ‹sch› in ledisch 349 350
Im Ahd. ist ‹hc› für wgerm. *k im Auslaut „[n]icht ganz selten“ (Ahd. Gr. I, § 145, Anm. 5). Zu mhd. vierƶic. Der volle Suffixvokal lässt sich wohl nur als Fortsetzer von ahd. -ƶug deuten.
126
Auswertung des Quellenkorpus
(lėdic, 180602.2, Herst. Gf. v. Sponheim-Starkenburg), die aber kaum als Anzeichen für einen lautlichen Zusammenfall der Suffixe -ig und -isch gelten kann. Schreibungen, die sehr wahrscheinlich für einen Plosiv stehen, sind neben den seltenen ‹ck› und ‹q› vor allem ‹c› und ‹k›. Bei ‹ch›, ‹h›, ‹hc›, ‹chg› und ‹sch› handelt es sich sicherlich um Frikativgraphien, bei ‹g› und ‹gh› ist frikativische Geltung zumindest nicht ausgeschlossen. In der Suffixfolge -ig-lich ist ‹c› mit 19 Belegen am häufigsten vor ‹k› (6) und ‹g› (3). Mit insgesamt 28 Belegen ist -ig-lich im Korpus genauso häufig wie die Variante -inc-lich351, die zu den Belegen von *ǥ* nach Nasal gerechnet wurde. Hier gilt ausschließlich ‹c› oder seltener ‹ck› bzw. ‹k› mit zwei bzw. einem Beleg in zwei Parallelurkunden: -ig-lich: ‹c›: vollecliche (010210.2, Stadt Koblenz – Stadt Andernach) ‹k›: eweklich (290121.1, Gemeinde von Ochtendung – Deutsches Haus in Koblenz) ‹g›: lediglichen (420705, Lucie v. Schönecken – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) -inc-lich: ‹c›: Eẏnveldēclichen (240624, Henneman Hurnich – Kloster Fraulautern) ‹ck›: ſamenckliche (290121.1, Gemeinde von Ochtendung – Deutsches Haus in Koblenz) ‹k›: ewenkliche (290121.2, Gemeinde von Ochtendung – Deutsches Haus in Koblenz)
Ohne -ig-lich sinkt insbesondere der Anteil von ‹c› von knapp 6 % auf nur noch 3,4 % vor allem zu Gunsten von ‹ch› mit knapp 75 statt 72 %. Ausschließlich oder neben unentschiedenem ‹g› haben vor allem Urkunden der Grafen von Veldenz, Nassau, Leiningen und Katzenelnbogen sowie eine Ausfertigung Balduins von Luxemburg die Plosivgraphien ‹c›, ‹k›, ‹ck› und ‹q›:
351
Vgl. dazu Klein (2000a: 29 f.) und Mhd. Gr. III, § A 102, 105.
*ǥ*, *gg*
127
0984 (Herst. Gf. v. Veldenz352): Burcſeſ, ſchuldic, mag 1527 (Herst. Gf. v. Veldenz): lidig, Núnzig 0965 (Herst. Gf. v. Nassau353): burkman, drizek, mak 1638 (Herst. Gf. v. Leiningen): mac, Nunzic, ledic, obwendic (neben zwelf ierich) 3381 (Herst. Gf. v. Leiningen): obertrac, gezuk, pingſtdage 3439 (Herst. Gf. v. Leiningen354): burc, daic 2787 (Herst. Gf. v. Katzenelnbogen): dak, lodik (zu lȫtic) 280414 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier, nur zwei Belege): gezukniſſe, gezugniſſe
Bei Balduin überwiegt eigentlich ‹ch›, z. B. brch, ledich, dach, airch (zu arc, 181224), zwenzich, Plicht (zu pflęgen, 240717). Urkunde 280707 hat schon zu knapp 20 % die Graphie ‹g› (dag, ledig, eẏnig, ſchuldig, eẏndrechtig gegen dach, ledich, eẏnich, schuldich, eẏndreihtich), die in den später ausgestellten Urkunden wie 290927 (Drẏezzig, funfzig, tag) dann alleine gilt. Nur ‹g› haben auch die folgenden Urkunden:
291029a / b (Gottfried II. v. Sayn, Ritter; Engelbert I. v. Sayn – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier): ledig, vzdrag, vfgebig 470418 (Herst. Dieter, Abt zu Prüm): burglude, ledig, gezugnſſe 040000 (Herst. Herr v. Braunshorn und Blankenrath): driſſig, virzig 240927 (Herst. Johann der Blinde, Kg. v. Böhmen, Gf. v. Luxemburg): borglehne, zuenzegſteme
In den meisten anderen Urkunden gilt nur ‹ch› wie in den Urkunden der Schreiber NN I und Lambert von Asbach, der Grafen von Sayn, der mittelrheinischen Städtebündnisse, in den meisten Urkunden mit Beteiligung des Deutschen Hauses in Koblenz und der Grafen von Sponheim-Starkenburg:
352
353 354
Die beiden Urkunden zwischen dem Grafen von Veldenz und dem Herzog von Lothringen (1577 und N 536) heben sich wie auch sonst öfter mit durchgehend ‹ch› (ledich, Nnzich, vonfzich) von den Veldenzer Urkunden im engeren Sinne ab. Eine zweite Urkunde des Grafen von Nassau hat nur ‹ch›: ahtcech, brchfriden, gench (N 364). Die vierte Urkunde des Grafen von Leiningen hat ausschließlich ‹ch›: burchlen, burchman, nnzoch (2748).
128
Auswertung des Quellenkorpus
0054: burchlein, ſeſtich; 0196 (beide Schr. NN I, ehem. Gfin. v. Sayn): ledich, meinedich 0566: burch, drizzich, kundich; 0623 (beide Schr. Lambert v. Asbach): burch, Echtzich, mach 000000.2 (Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn): Boirch, Dach, beſtaedicht 010210.1 (Stadt Andernach – Stadt Koblenz): creich, mach, zvenzich 011220.2 (Stadt Koblenz – Stadt Boppard): crich, Mach, Drizich 230913 (Eberhard v. Kobern u. weitere – Deutsches Haus in Koblenz): innenwendich, dach 240401 (Herst. Sponheim-Starkenburg): burch, ge horich, dach
In den Urkunden, die einzelne ‹g› neben ‹ch› haben, ist ‹g› meist auf die Position nach /r/ vor allem in burc(-) beschränkt, so z. B. in 0776, 270922 und in mehreren Urkunden Hartrads von Schönecken und einer Urkunde Lamberts von Asbach (0255)355, die eine ältere Urkunde des Kölner Stadtschreibers Gottfried Hagen (*0079) wiederholt und dessen Schreibregel – ‹g› nach /r/, ‹ch› sonst – übernimmt: 0776 (Herst. Wilhelm Bozzel v. Stein): burg, brg fre, burgh – leydich 270922 (Herst. Abt v. Tholey): arg, burgmānes – mach, zvinzich 460428: brgmanne – ledich, mach, ſchuldich; 490418 (beide Herst. Hartrad von Schönecken): arg – genoich, kirſdach 0255 (Schr. Lambert v. Asbach): brg, brgman – mach, ſchldich, Sie-
venzich
*0079 (Schr. Gottfried Hagen, Köln): brg, brgman – mach, ſchldich,
ſeiſzich
Zwischen Vokalen schwindet *ǥ* häufig mit Kontraktion:356
aǥe > ā357 (65 Belege): beclain (010210.2, Stadt Koblenz – Stadt Andernach), virſade (261110, Rat der Stadt Koblenz – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier, u. weitere)
355
356
Bei insgesamt 37 Belegen wird nach /r/ immer ‹g›, sonst immerhin in 18 von 19 Fällen ‹ch› geschrieben. In den anderen Urkunden dieses Schreibers gilt dagegen ‹ch› auch nach /r/, s. oben die Belege aus den Urkunden 0566 und 0623. Vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 76 f., § M 110; Dornfeld (1912: 178 ff.); Bach (1930: 47 f.); Klein (2000a: 22).
*h*, *hh*, *ht*, *hs*
129
ęǥe > ē (3), nur in węc: wen (3165, Herst. Gf. v. Sponheim), wen (090000.1, Herst. Siegfried vom Stein; Eberold u. Marquart v. Laurenburg) ėǥe > ē (67), v. a. in (-)gėgen(-): genrtigin (270312, Herst. SponheimStarkenburg), engein (0255, Schr. Lambert v. Asbach), dedingen (zu tagedinc, 210612, Herst. Philipp v. Boppard) iǥe > ie > ī (15): Ingeſiele (zu ingesigel, 0009, Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.), lit (zu ligen, 150120.1, Herst. Gf. v. Sponheim-Starkenburg) oǥe > ō (65), nur (-)voget: vode (090000.1, Herst. Siegfried vom Stein; Eberold u. Marquart v. Laurenburg), voit hnre (150120.2, Herst. Gf. v. Sponheim-Starkenburg)
Epenthetisches ‹g› tritt gelegentlich zwischen /ei/ oder /iː/ und /ə/ auf: appedigen (zu abbetīe, 150120.2, Herst. Gf. v. Sponheim-Starkenburg), vigint (zu vīent, 051213, Johann, Herr v. Braunshorn – Vögte v. Senheim). Anders zu erklären ist ‹g› in leyge ‚Laie‘ zu lat. laicus.358
4.1.12 *h*, *hh*, *ht*, *hs* *hh*: n. v. *h* anlautend: ‹h› *h* inlautend vor Vokal: ‹h›, ‹g›, ‹ch› *h* auslautend: ‹ch›, ‹g›, ‹h› *ht*: ‹cht›, ‹ht›, ‹th›, ‹t›, ‹tt›, ‹ch›, ‹gth›, ‹h›, ‹gt›, ‹tth›, ‹tht›, ‹chth›, ‹c›, ‹chgt›, ‹g›, ‹d› *hs* inlautend vor Vokal: ‹ss›359, ‹chs›, ‹s› *hs* inlautend vor Konsonant und auslautend: ‹s›, ‹z›, ‹hs›, ‹ss›
357
358 359
Bei beheit (zu behagen), beclein (zu beklagen), geſeit (zu sagen), alle aus Urkunde 1200 (Herr v. Isenburg u. weitere – Gf.en v. Nassau u. weitere), sowie seit (170622.2, Ausst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier, Bacharacher Landfriede) scheint age > ėi kontrahiert zu sein, was mfrk. nicht zu erwarten ist. Beide Urkunden zeigen allerdings auch sonst Südformen. Vgl. oben S. 80. Zwischen den beiden s-Formen wird hier nicht unterschieden.
130
Auswertung des Quellenkorpus
*hh*:
Die seltene Geminate wgerm. *hh ist im Korpus nicht belegt. *h*:
*h* ist vor allem im Anlaut belegt. Fast ein Drittel aller Belege entfällt auf (-)haben (1 159) und (-)hērre(-) (1 139). Das h-anlautende Pers.-Pron. der 3. Pers. mask. kommt mit 304 Belegen auf knapp 3 %. In- oder auslautendes *h* begegnet v. a. in nāch (Adj. und Adv.; 538 Belege) und noch (Adv. und Konjunktion; 264). Bei den Phonemfolgen *hs* und *ht* machen sęhs(-) bzw. (-)ręht(-) mit 69,6 % (39) bzw. 41,3 % (386) jeweils den Großteil der Belege aus. *hw* setzt sich anlautend als /w/, inlautend als /h/ fort360, *hl*, *hr* und *hn* verlieren bereits in ahd. Zeit das anlautende *h*.361 Die Belege werden daher unterschiedslos unter *w* (s. 4.1.1) und *h* bzw. *l* (s. 4.1.4) und *r* (s. 4.1.3) mit behandelt:
wat (0057, Schr. NN I, ehem. Gf.in v. Sayn) zu wgerm. *hwat lihen (290121.1, Gemeinde von Ochtendung – Deutsches Haus in Kob-
lenz) zu wgerm. *līhw-362 ldin (280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) zu wgerm. *hlūdreine (070315, Johann, Herr v. Braunshorn – Vögte v. Senheim) zu wgerm. *hraini-
Fortsetzer von *hn* sind im Korpus nicht belegt. Im absoluten wie im indirekten Anlaut steht beinahe ausnahmslos ‹h› für *h*, nur Urkunde 390530 R (Herr v. Kronenburg – Herr v. Falkenstein) hat neben hẏe vorgenāt und viermal he vorgenāt auch einmal ge vorgenāt.363 Mit 5 188 ‹h› von 5 189 Belegen insgesamt ist die Verschriftlichung von anlautendem *h* dennoch eindeutiger als bei jedem anderen Obstruenten. Auch für erhaltenes intervokalisches *h* ist ‹h› mit über 96 % die Regelschreibung. ‹ch› steht nur einmal in nacheſt (240401, Herst. Sponheim360 361 362 363
Vgl. Ahd. Gr. I, § 153; Paul, Mhd. Gr., § L 65, Anm. 1. Vgl. Ahd. Gr. I, § 153. Zum Grammatischen Wechsel bei mhd. līhen s. oben S. 131 und Anm. 365. Vielleicht Verschreibung.
*h*, *hh*, *ht*, *hs*
131
Starkenburg) zu Beginn der neuen Zeile nach Worttrennung. ‹g› ist insgesamt fünfmal belegt, z. B. in hoigen (zu hōch, N 536, Gf. v. Veldenz – Hzg. v. Lothringen), vigeẏſ (zu vihe, 000000.1, Herst. Trier, Domkapitel). Bei Swiger364 (240401) zu swęher ‚Schwiegervater‘ könnte der Grammatische Wechsel zu den verwandten Bildungen swāger ‚Schwager‘ und swiger ‚Schwiegermutter‘ eine Rolle spielen. Auch bei verƶīhen und līhen kommt Grammatischer Wechsel im Paradigma vor, so dass eine Übertragung von g in den Infinitiv bzw. in Präsens-Formen nicht ausgeschlossen ist:
vercigin (1. Sg. Ind. Präs. zu verƶīhen; 0073, Wlp. Ludwig v. d. Neuerburg – ehem. Gf.in v. Sayn; daneben vercigin, Part. Prät. in derselben Urkunde) ligen (Inf. zu līhen; 290121.2, Gemeinde von Ochtendung – Deutsches Haus in Koblenz)
Allerdings ist bei līhen im Korpus, u. a. in derselben Urkunde (geluwen, Part. Prät.), stets der Wechsel h – w belegt, nie h – g wie etwa in virlech – vir liegín (*PrMK, 3. Sg. Ind. Prät. – Part. Prät.).365 ‹g› könnte auch intervokalisch nach h-Schwund für einen Gleitlaut stehen. In der Parallelurkunde 290121.1 findet sich an gleicher Stelle lihen statt ligen. Im Auslaut nach Vokal gilt ‹ch› zu 94,3 % vor ‹g› mit 3,5 % und ‹h› mit 2,2 %. Außerhalb von nāch(-)366 ist ‹h› nur einmal in der ältesten Korpusurkunde 0009 belegt. ‹g› kommt vereinzelt in verschiedenen Urkunden aus dem Umkreis der ehemaligen Gräfin Mechthild von Sayn vor, außer-
364
365
366
Mit vnſe here greue Johan van Spanheym vnſe Swiger ist an dieser Stelle eindeutig Johann II., Graf von Sponheim-Starkenburg, der Schwiegervater der Ausstellerin Loretta von Sponheim-Starkenburg gemeint, vgl. Mötsch (1992: 6). Ihr Schwager Pantaleon von Sponheim-Starkenburg wird als Swager bezeichnet. Vgl. Ahd. Gr. I, § 331, Anm. 2; Paul, Mhd. Gr., § L 65, Anm. 1, § M 76, Anm. 1. Der Grammatische Wechsel in mhd. līhen geht über germ. *hw – *gw auf idg. *ku zurück. Inlautend wird *hw zu ahd. / mhd. h, *gw je nach lautlicher Umgebung zu w oder g, vgl. St. Müller (2007: 56). Es fällt auf, dass nah nur in den südlich beeinflussten bzw. im südlichen Übergangsgebiet zu lokalisierenden Urkunden 1289 (Herst. Gf. v. Sponheim), N 507 (Gf. v. Leiningen u. weitere – Gf.in v. Sponheim u. weitere), 1577 (Hzg. v. Lothringen – Gf. v. Veldenz), N 536 (Gf. v. Veldenz – Hzg. v. Lothringen) und 191019 (Herst. Ritter v. St. Wendel) vorkommt.
132
Auswertung des Quellenkorpus
dem mehrfach in Urkunde 280707 des Trierer Erzbischofs Balduin von Luxemburg. Einzelne Belege finden sich in wenigen weiteren Urkunden wie 000000.1 oder 250414: ‹ch›:
geſhach (3374, Herst. Herren v. Schöneck, Waldeck, Elz) naich (250808, Herst. Sponheim-Starkenburg)
‹h›:
nah (N 536, Gf. v. Veldenz – Hzg. v. Lothringen) geſchah (0009, Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.)
‹g›: u. a. geſchag (0138, ehem. Gf.in v. Sayn – Zisterzienserinnenkonvent Drolshagen) geſchag (0255 u. 0623, beide Schr. Lambert v. Asbach) nog, dog (mehrmals in 280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) ſmaẏgeẏt (000000.1, Herst. Trier, Domkapitel) geſcayg (250414, Herst. Dietrich v. Wildenburg)
Im Auslaut nach Liquid begegnet *h* nur in durch. Der ‹g›-Anteil ist hier mit knapp 23 % (17 Belege) höher als nach Vokal. Allein in den beiden Urkunden des Städtebündnisses zwischen Boppard und Koblenz finden sich pro Urkunde je fünf durg und durch. Bei den Pronomina nehėin und dehėin steht *h* ursprünglich im Silbenauslaut, wird aber dann zur zweiten Silbe gezogen, woraus sich schon in ahd. Zeit Geminatenschreibung und schließlich Verhärtung zu /k/ ergibt.367 Im Rip. gilt negėin / gėin statt dekėin / nekėin / kėin.368 Im Korpus sind die Graphien ‹k› (81,5 %), ‹g› (14,4 %), ‹ch› (3,1 %) und ‹h› (1 %) belegt. diehein und deheinſ stammen aus zwei Urkunden (0211, 0984) des Grafen von Veldenz, der daneben auch ‹k› hat (kein, 0984; dekeine, 0986). ‹ch› steht alleine in den Urkunden 0009 (Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.: inchein) und N 531 (Ausst. Gf. Leiningen; Gf. v. Sponheim: dechein) sowie neben sonst bevorzugtem ‹k› in zwei einzelnen Urkunden Balduins von Luxem367 368
Zur lautlichen Herleitung vgl. Ahd. Gr. I, § 154, Anm. 7; Paul, Mhd. Gr., § M 56, Anm. 1. Sieh außerdem Zelissen (1969: 246–251). Vgl. Klein (2000a: 27).
*h*, *hh*, *ht*, *hs*
133
burg (181224) und der Sponheim-Starkenburger (250808). Interessanter ist die Verteilung von ‹k› und ‹g›, die nie innerhalb einer Urkunde gemischt werden: ‹g› gilt in allen Urkunden der Schreiber Lambert von Sayn, NN I und NN II, alle aus dem Umkreis Mechthilds von Sayn, die auch sonst durchaus nördlich-ripuarisch geprägt sind. Ansonsten findet sich ‹g› nur in Urkunde 290508 (Gf. v. Virneburg – Dietrich Meinfelder, Kanoniker in Münstermaifeld: gein) sowie in zwei Urkunden Hartrads von Schönecken (421017: geẏnen, 430501: geyn), denen fünf Urkunden mit ‹k› gegenüberstehen (390704: inkeẏnen, 400824, 430625, 430814: in keẏnen, 500903). ‹h› schwindet im absoluten Anlaut nur in schwachbetontem hērre369 häufiger (50 Belege, 4,6 %): er Heinrich van Muntabr (0796, Gf. v. Virneburg u. weitere – Herren v. Landskron). Im indirekten Anlaut ist hSchwund vor allem nach konsonantisch auslautenden Präfixen, Basen und Kompositionserstgliedern belegt:370
intalden (zu enthalten, 0904, Wirich v. Daun – Wilhelm Bozzel v. Stein) beſchedinet (zu beschėidenhėit, 000000.1, Herst. Trier, Domkapitel) woreide (zu wārhėit, 0009, Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.) ſcholteiſe (zu schulthėiȥe, 220402, Ludwig v. Rennenberg – Heinrich v.
Waldeck, gen. v. Rennenberg)
Inlautend nach Langvokal schwindet *h* in knapp 80 % der Fälle:
entfain (zu enpfāhen, 010210.1, Stadt Andernach – Stadt Koblenz)371 oruede (zu urvēhede, 0196, Schr. NN I, ehem. Gf.in v. Sayn) burchleine (zu burclēhen, N 301, Herst. Hospital v. Sinzig) virzien (zu verƶīhen, 280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) hoe (zu hȫhe, 220402, Ludwig v. Rennenberg – Heinrich v. Waldeck,
gen. v. Rennenberg)
369 370 371
Vgl. Paul, Mhd. Gr., § E 21, Anm. 2. Vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 109, Anm. 5. intfein in derselben und weiteren Urkunden der mittelrheinischen Städtebündnisse sowie in Urkunde 0111 (Schr. NN I, ehem. Gf.in v. Sayn: intfen) erklärt sich wie hen (zu hāhen) in Urkunde N 282 (Ausst. Herr v. Waldeck; Brüder v. Schöneck) als analogische Umbildung nach dem Vorbild der Wurzelverben gān / gēn, stān / stēn, vgl. Klein (2000a: 28).
134
Auswertung des Quellenkorpus
Ruegreue (zu rūhegrǟve, 240401, Herst. Sponheim-Starkenburg) zuit (ƶǖhet zu ƶiehen, N 282, Ausst. Herr v. Waldeck; Brüder v. Schön-
eck)
Die vollen Formen begegnen hauptsächlich bei den Urkundsparteien, die auch sonst mit südlichen Formen aufgefallen sind, wie den Grafen von Veldenz, Leiningen, Katzenelnbogen, Nassau und Sponheim (nicht Sponheim-Starkenburg), dem Ritter von St. Wendel, den Äbten von Tholey und Prüm (Dieter von Nassau) und zum Teil Balduin von Luxemburg. In den übrigen Urkunden herrscht meist zu 100 % h-Schwund nach Langvokal oder es steht vereinzelt ‹g› wie in Urkunde 0073 (Wlp. Ludwig v. d. Neuerburg – ehem. Gf.in v. Sayn: vercigin). Nach Kurzvokal schwindet *h* mit Kontraktion, dabei wird ęhe > ie > ī > ē372 (als Beispiele jeweils Inf. bzw. 3. Pl. Ind. Präs. zu sęhen):
ſin (0111, Schr. NN I, ehem. Gf.in v. Sayn) ſien (0501 A, Schr. Lambert v. Asbach) sen (240624, Henneman Hurnich – Kloster Fraulautern) ſein (231110 R, Nikolaus Frubose v. Ulmen – Balduin v. Luxemburg,
Ebf. v. Trier)373
ahe > ā (als Beispiele Inf. zu slahen):
ſlan (090000.1, Herst. Siegfried vom Stein, Eberold u. Marquart v. Laurenburg) ſlain (250629, Ausst. Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg u. weitere)
ęhe findet sich im Korpus nur in (-)ƶęhen und in starken Verben der vierten Klasse ((-)schęhen, (-)jęhen, (-)sęhen), ahe nur in slahen. Zwischen Kurzvokalen begegnet *h* sonst nur in vihe, das außer einmal mit ‹g› (vigeẏſ, 000000.1, Herst. Trier, Domkapitel) sechsmal als vie / vies (000000.1; 210612, Herst. Philipp v. Boppard) erscheint, und in (-)bühel ‚Hügel‘
372 373
Vgl. Klein (2000a: 19 f.). Es ist davon auszugehen, dass die Graphie ‹ie› wie ‹i› für bereits monophthongiertes ie steht. Dafür spricht, dass sowohl ‹ie› als auch ‹i› in den einzelnen Urkunden unterschiedslos für den alten Diphthong ie, Kontraktions-ie und altes kurzes i verwendet werden. Die Schreibungen ‹e› und ‹ei› zeigen Senkung an.
*h*, *hh*, *ht*, *hs*
135
(haſenbuheil, 3439, Herst. Gf. v. Leiningen; ſteinbohel, 201125.1, Ritter v. Lewenstein – Johann der Blinde, Kg. v. Böhmen, Gf. v. Luxemburg) mit erhaltenem *h*. Der Anteil der Kontrahierten liegt bei (-)ƶęhen, (-)sęhen und (-)schęhen zwischen 75 und 80 %, bei (-)jęhen dagegen bei etwa einem Drittel. Allerdings ist (-)jęhen besonders häufig in den Urkunden der Grafen von Veldenz, Leiningen, Sponheim und Katzenelnbogen belegt (knapp 50 % aller (-)jęhen-Belege), die *h* wie schon nach Langvokal auch nach Kurzvokal meist beibehalten. Innerhalb der einzelnen Urkunden erscheinen (-)ƶęhen, (-)schęhen, (-)jęhen und (-)sęhen meist gleichermaßen kontrahiert oder in der Vollform.
Unkontrahiert: 0986 (Herst. Gf. v. Veldenz): geſchehen, Vergehen, geſehent 3439 (Herst. Gf. v. Leiningen): vierzehen, ver iehein, geſehent Kontrahiert: 270312 (Herst. Sponheim-Starkenburg): druzien, geſcheit, virgien, sient 280707 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier): geſchit, gẏn, ſẏen (gegen zehin)
ahe ist im gesamten Korpus nur siebenmal belegt und hier stets kontrahiert (ſlain, 250629, Ausst. Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg u. weitere). Inlautend nach Liquid kommt *h* im Korpus nur in bevęlhen, bevęlhunge, bevolhnisse und vorhte vor, das von der sonstigen Entwicklung vor *t* zu trennen ist. Im Korpus ist *h* in dieser Position stets geschwunden:
bevolin (010210.2, Stadt Koblenz – Stadt Andernach) beuelingē (280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) beuolniſſe (480421, Hartrad v. Schönecken – Dietrich, gen. „mont“, Trier) vorte (000000.2, Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn)
In durch ist *h* fast immer (74 von 75 Belegen) erhalten: durch (070315, Johann, Herr v. Braunshorn – Vögte v. Senheim) gegen dur (3381, Herst.
136
Auswertung des Quellenkorpus
Gf. v. Leiningen).374 Im Auslaut nach Langvokal schwindet *h* häufig in nāch und hōch375, auch im indirekten Auslaut:
na (neben nach, Präp., beide 011220.1, Stadt Boppard – Stadt Koblenz)376 nacomelinge (0196, Schr. NN I, ehem. Gf.in v. Sayn) ho (460428, Herst. Hartrad v. Schönecken) hogeboren (220118, Luxemburger Rittergericht)
In Urkunde 0054 (Schr. NN I, ehem. Gf.in v. Sayn) finden sich außerdem le zu līhen und zweimal virze zu verƶīhen, zwei Verben der Ablautreihe I b (jeweils 3. Sg. Ind. Prät.). Der Schwerpunkt für geschwundenes *h* im Auslaut nach Langvokal liegt wie allgemein beim h-Schwund in den Urkunden ohne größeren südlichen Einfluss. Im Anlaut tritt gelegentlich (42-mal) etymologisch nicht berechtigtes 377 h auf. Die Hälfte der Fälle betrifft das Neutrum ėrbe (h’ben, 070315, Johann, Herr v. Braunshorn – Vögte v. Senheim), für das das WMU (s. v.) auch mehrere Belege außerhalb des Mfrk. bietet. Achtmal erscheint das Verbalpräfix er- als her- (heruaren, 0009, Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.). Ansonsten verteilen sich die Belege auf verschiedene Lexeme. Mehr als einen Beleg haben folgende Urkunden: 0776 (Herst. Wilhelm Bozzel v. Stein): herbin, herben, hzſ (ūȥ) 1577 / N 536 (Hzg. v. Lothringen u. Gf. v. Veldenz): 14-mal herben 2748 (Herst. Gf. v. Leiningen): 2-mal helich, 4-mal herben 220118 (Luxemburger Rittergericht): geheruet, geheirue, he (Adv. ēr) 240624 (Henneman Hurnich – Kloster Fraulautern): hns (uns), hūzer (unser)
Für die Urkunden 1577 und N 536 ziehen Gärtner / Holtus / Rapp / Völker (1997: 125 f.) einen Metzer Schreiber in Betracht. Urkunde 2748 hat mit
374 375 376 377
Vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 109, § L 111, Anm. 1. Vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 109, Anm. 2. Dass Formen mit erhaltenem und geschwundenem *h* in einer Urkunde nebeneinanderstehen, ist eher selten. Vgl. Ahd. Gr. I, § 152 u. Anm. 1; Frnhd. Gr., § L 57,3, mit weiterer Literatur; Gärtner / Holtus / Rapp / Völker (1997: 117 f.); Gleißner / Frings (1941: 110 f.).
*h*, *hh*, *ht*, *hs*
137
vnderet für hundert auch einen Beleg für h-Aphärese, so dass französi-
schen Einfluss denkbar wäre. Gärtner / Holtus / Rapp / Völker (1997: 118) weisen aber darauf hin, dass anlautendes germ. *h in den rezenten ostfrz. Mundarten erhalten ist und in den Urkunden des ostfrz. Teilkorpus kaum Fälle von h-Aphärese oder -Prothese auftreten. *ht*378:
Für die Folge *ht* ist mit ‹cht›, ‹ht›, ‹th›, ‹t›, ‹tt›, ‹ch›, ‹gth›, ‹h›, ‹gt›, ‹tth›, ‹tht›, ‹chth›, ‹c›, ‹chgt›, ‹g› und ‹d› eine große Vielfalt an Schreibungen belegt. Innerhalb einer Urkunde herrscht aber meist eine einzige Variante. Urkunden wie 051213 (Johann, Herr v. Braunshorn – Vögte v. Senheim) mit rethelichen, rechte, knettin und brate sind die Ausnahme. ‹cht› (60 %) und ‹ht› (20,1 %) dominieren deutlich und gelten u. a. in Urkunde 0009 (Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.: volbraht, ehte zu aht), bei Balduin von Luxemburg (riecht zu ręht, 180823.1; naẏhten, 280707), den mittelrheinischen Städtebündnissen, den Grafen von Sayn, Nassau, Katzenelnbogen und Veldenz379, den Schreibern NN I und NN II (Mechthild von Sayn) sowie weit überwiegend (zu 97 %) bei Lambert von Asbach (pacht, macht, bracht u. a. gegen lifzith, 0623; paicht, macht, braith, lifzuicht, 0255). Die dritthäufigste Schreibung ‹th› (9,4 %) deutet wie ‹t› (4,5 %), ‹tt› (1,3 %) und einige weitere noch seltenere Graphien auf eine Schwächung bzw. Schwund des *h*. Die Vielfalt der Vokalgraphien380, die auch vor ‹cht› / ‹ht› häufig nachgeschriebenes ‹i›381 zeigen, lässt eine Dehnung oder Diphthongierung des Vokals bzw. Vokalisierung von geschwächtem *h* vermuten.382 Die anzunehmende Reduktion von *h* begegnet schon im 378 379
380 381
382
Zur Reduktion von *ht* in Nebensilben s. unten S. 150. Nur in den Urkunden, die dem Grafen von Veldenz als Hersteller zugeordnet werden können. Die beiden Urkunden mit Beteiligung des Herzogs von Lothringen haben retelichim, moite (1577) und regtelichem, moite (N 536). Unter anderem ‹aa›, ‹aei›, ‹ai›, ‹aẏ›, ‹ei›, ‹ey›, ‹ie›, ‹oi›, ‹oẏ›, ‹ui›, ‹uy›, z. B. in reẏtte, moẏtte, aeit (zu aht, alle 430625, Herst. Hartrad v. Schönecken). Zur Ausbreitung und Interpretation dieses typisch mfrk. Schreibgebrauchs vgl. Dornfeld (1912: 95–118), Klein (1995: 47–54; 2000a: 19 f.), Mihm (1999: 164–180; 2001: 586– 602; 2005: 465 ff.), Elmentaler (2003). Vgl. zur Entwicklung von *ht* und damit zu einer der „schwierigsten Detailfragen der rheinischen Sprachgeschichte“ (Klein 2000a: 20), Dornfeld (1912: 192–194), Bach
138
Auswertung des Quellenkorpus
Ahd.383 wie in ganutsamo (*MaiEv) und ist über das Mfrk. hinaus auch im Rhfrk. und Alem. verbreitet.384 Im Korpus begegnen Reduktionsschreibungen für *ht* in den meisten frühen Urkunden (bis 1343) Hartrads von Schönecken (kneẏtte, 430410; reit, moẏtte, 430625), in zwei Urkunde des Grafen von Sponheim (reth, mothe, 3502; Cnethe, rethe, 3567; dagegen docht’e, knechte, mochte, rechte, 3165), in den meisten Stücken des Grafen von Sponheim-Starkenburg (doter, moten, 150120.1; reth, math, 220310) und in mehreren Einzelurkunden wie 1200 (Herr v. Isenburg u. weitere – Gf.en v. Nassau u. weitere, ſlethis, math), 220118 (Luxemburger Rittergericht: geriete, reith, moithen neben verdacht) oder 240624 (Henneman Hurnich – Kloster Fraulautern, Rether). Mit den Urkunden des Grafen von Sponheim und den Einzelstücken 1200 und 240624 haben durchaus an den südlichen Rändern zu lokalisierende Urkundsparteien Reduktionsformen, während die eher nördlich mit Kölner Einflüssen zu verortenden Schreiber NN I, NN II und Lambert überhaupt keine oder nur vereinzelte zeigen. *hs*:
Für *hs* vor Vokal steht in zwei Urkunden mit Beteiligung des Deutschordens in Koblenz ‹chs›: gewechſelt, wechſelunge (270920, Arnold Heschin v. Lehmen – Deutsches Haus in Koblenz), wachſis (zweimal, 290121.1, Gemeinde von Ochtendung – Deutsches Haus in Koblenz). In der Parallelurkunde 290121.2 findet sich stattdessen wayſſis / waſſis. ‹ss› gilt außerdem in einer weiteren Koblenzer Urkunde und in zwei Urkunden des 13. Jh.s, einfaches ‹s› in den mittelrheinischen Städtebündnissen: ‹ss›: 230131 (Schöffen zu Koblenz – Wetzel, der Bäcker v. Koblenz): ſeiſſen 0264 (Jutta v. Bedburg, Friedrich v. Reifferscheid – ehem. Gf.in v. Sayn): ſeisse
383 384
(1930: 96 f.), Gleißner / Frings (1941: 134–144), Frings (1956: 120 ff.), Schellenberger (1974: 80 f.), Frings / Linke (1976: CXXIII ff.). Vgl. Ahd. Gr. I, § 154, Anm. 6; Afrk. Gr., § 113; zu ganutsamo Bergmann (1977: 90 f.), Glaser (1997: 7). Vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 110,1.
*t*, *tt*
139
1200 (Herr v. Isenburg u. weitere – Gf.en v. Nassau u. weitere): weſſele,
geweſſelit ‹s›: waſen, z. B. 010210.1 (Stadt Andernach – Stadt Koblenz)
Ansonsten ist *hs* inlautend nach Vokal nicht belegt. Im Auslaut und vor Konsonant begegnet ‹hs› nur einmal beim Grafen von Veldenz (ſehſten, N 318). Die Mehrheit der Belege hat einfaches ‹s› (30 Belege) oder ‹z› (7). Meist sind mhd. sęhs und sęhƶic < sęhsƶic betroffen:
seſzich (N 282, Ausst. Herr v. Waldeck; Brüder v. Schöneck) seẏs (fünfmal, 280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) ſeiz (sechsmal, 150120.2, Herst. Gf. v. Sponheim-Starkenburg)
Hintergrund dieser Schreibungen ist eine Assimilation, die außer im Mfrk. (und Mndl., Mndd.) auch im Rhfrk.-Hess. und teils sogar im Obd. vorkommt.385
4.1.13 *t*, *tt* *tt* außer vor *r*: ‹tz›, ‹z›, ‹zz›, ‹cz›, ‹sz›, ‹tt›, ‹s›, ‹ss›, ‹zc›, ‹cc›, ‹chz›, ‹thz›, ‹tsch›, ‹tzc› *t* anlautend: ‹z›, ‹t›, ‹c›, ‹tz›, ‹sc›, ‹zh›, ‹sz›, ‹s›, ‹ss›, ‹cz›, ‹zz›, ‹sch›, ‹ch›, ‹zc›, ‹th› *t* nach Nasal oder Liquid: ‹z›, ‹tz›, ‹c›, ‹s›, ‹sz›, ‹zc› *t* inlautend nach Kurzvokal: ‹ss›, ‹zz›, ‹sz›, ‹z›, ‹zs›, ‹zc›, ‹zh› *t* auslautend nach Vokal, inlautend vor Konsonant sowie nach Langvokal oder Diphthong: ‹t›, ‹z›, ‹s›, ‹d›, ‹sz›, ‹ss›, ‹zz›, ‹tz›, ‹zs›, ‹sh›, ‹sch›, ‹chs›, ‹th›, ‹hs› *t* und *tt* nach Obstruent und vor *r*: ‹t›, ‹th›, ‹d›, ‹tth›, ‹tht› *tt* außer vor *r*:
*tt* ist v. a. in (-)sėƶƶen und (-)siƶƶen sowie in nuƶ belegt. Ein frühes Lehnwort ist pfüƶƶe zu lat. puteus386, das einmal als putze (210612, Herst. Philipp
385
Vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 110,2 mit weiterer Literatur.
140
Auswertung des Quellenkorpus
v. Boppard) als Teil einer Herkunftsbezeichnung wohl in der ursprünglichen Bedeutung ‚Brunnen‘ vorkommt. Die Leitgraphie bezogen auf alle Urkunden ist mit einem Anteil von 70,4 % ‹tz›. Ohne den (Silben-)Auslaut steigt der Anteil nur geringfügig auf 71,7 %. Die beiden Graphien ‹z› und ‹zz› folgen mit 12,2 % (ohne Auslaut nur 11,2 %) bzw. 9,2 % (ohne Auslaut 10,6 %). Alle anderen Varianten sind nur je ein- bis dreimal belegt. ‹cc› aus Urkunde 0009 (Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.) ist im Zusammenhang mit der dort alleine gültigen Schreibung ‹c› für die kurze Affrikate aus *t* in den entsprechenden Positionen zu sehen (s. u. S. 142). ‹zz› beschränkt sich auf frühe (0073, N 282) und eher südliche Urkunden (z. B. 1000, 1200, 1638, 2748). Einfaches ‹z› ist in den ebenfalls südlich anzusiedelnden Urkunden 3165, 140310 und 191019 typisch und steht dort durchgehend inlautend: ‹tz›: nutze, ntz (470418, Herst. Dieter, Abt zu Prüm) ‹cc›: ſeccen (0009, Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.) ‹zz›: beſizzin (0073, Wlp. Ludwig v. d. Neuerburg – ehem. Gf.in v. Sayn) ſizzint (N 282, Ausst. Herr v. Waldeck; Brüder v. Schöneck) ſezzen (1000, Gf. v. Nassau – Gf. v. Leiningen) nuzze (1200, Herr v. Isenburg u. weitere – Gf.en v. Nassau u. weitere) beſizzet (1638, Herst. Gf. v. Leiningen) ſizzen (2748, Herst. Gf. v. Leiningen) ‹z›: beſizen (3165, Herst. Gf. v. Sponheim) ſheẏzin (140310, Gf. v. Veldenz – Gf. v. Sponheim-Starkenburg) noize (191019, Herst. Ritter v. St. Wendel)
In den Urkunden, die *tt* im Auslaut wie im Inlaut überliefern, überwiegt die Nicht-Unterscheidung der Positionen (beide ‹tz›) mit neun Urkunden gegen die Unterscheidung (‹z› gegen ‹tz› oder ‹sz› gegen ‹zz›) mit insgesamt fünf Urkunden:
386
Die Länge des anzusetzenden *tt* wird durch mndd. putte gestützt, vgl. Kluge / Seebold, EWB, s. v. Pfütze.
*t*, *tt*
141
beide ‹tz›: nvtz, beſitzen (290121.1, Gemeinde von Ochtendung – Deutsches Haus in Koblenz) ‹z› gegen ‹tz›: nuz, ſetzen (010210.2, Stadt Koblenz – Stadt Andernach) ‹sz› gegen ‹zz›: Nuſz, ſizzint (N 282, Ausst. Herr v. Waldeck, Brüder v. Schöneck) *t* anlautend, nach Nasal oder Liquid:
Im Anlaut ist *t* v. a. in den Lexemen ƶe (50,5 %), ƶue und (en-)ƶwischen sowie in den Numeralia ƶwēne, (-)ƶęhen und Bildungen mit -ƶig vertreten. Nach Nasal oder Liquid sind nur ganƶ und ganƶlīche häufiger. Vor der Zweiten Lautverschiebung entlehnt sind z. B. ƶol, münƶe, pfalenƶgrāve und pforƶenǟre. Insgesamt wird im Anlaut zu 92,2 %, nach Nasal oder Liquid zu 79 % ‹z› geschrieben. Ohne ƶe liegt der Anteil (anlautend) bei 85,4 %. ‹t› (2,3 % bzw. 4,7 % ohne ƶe) ist im Wesentlichen auf (en-)ƶwischen, ƶol und ƶollen beschränkt, ‹th› und ‹sch› ausschließlich auf (en-)ƶwischen. 387 Während (en-)ƶwischen388 im Mfrk. als typische Lautverschiebungsausnahme gilt389, ist ‹t› in krt (000000.2, Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn) eventuell anders zu beurteilen: Da ‹t›-Schreibungen bei kurƶ – zwar selten – auch im Obd. vorkommen, könnte es sich um erneute Entlehnung bzw. Angleichung an lat. curtus handeln.390 ‹t› in Belegen für ƶol und ƶollen wird auf Entlehnung aus nicht-verschiebenden Schreibsprachen oder ebenso auf späterer (erneuter) Entlehnung beruhen. 391 Auffällig sind dagegen te (zu ƶe, 241111, Ritter v. Senheim – Johann, Herr v. Braunshorn), hogetit (hōchgeƶīt, 1000, Gf. v. Nassau – Gf. v. Leiningen) und zweimal ſeſtich (sęh(s)ƶic, 0054 und 0111, beide Schr. NN I, ehem. Gf.in v. Sayn).
387 388 389 390 391
schſchen, ſchſchen (0965, Herst. Gf. v. Nassau); hinſchuſchen, schſchen (2787, Herst. Gf. v. Katzenelnbogen); schuzen, ſchuzen (3165, Herst. Gf. v. Sponheim).
Hier nimmt Schellenberger (1974: 46) mit Schützeichel (1961: 290 f.) Abschwächung vor germ. *w und Anschluss an tw < dw < germ. *þw an. Vgl. u. a. Dornfeld (1912: 172). Vgl. Ahd. Gr. I, § 159, Anm. 1 und § 161, Anm. 1. Vgl. Bergmann (1977: 176) zu mlat. toloneum. Schellenberger (1974: 45) vermutet Entlehnung aus dem Niederdeutschen.
142
Auswertung des Quellenkorpus
Die älteste Urkunde des Korpus 0009 (1248, Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.) hat bis auf einmal ‹ch›392 in Inchuzzen (mhd. enƶwischen) immer ‹c›: cit, palcgreuo, cuene, co, vircoh (ahd. fiorƶug). Dagegen nutzen die anderen Urkunden ‹c› für verschobenes *t* ausschließlich vor vorderen (ungerundeten) Vokalen, wo im Mlat. Aussprache als Affrikate üblich war.393 In einigen Urkunden lässt sich eine klare Distribution ‹c› vor vorderen (ungerundeten) Vokalen, ‹z› sonst beobachten: 3165 (Herst. Gf. v. Sponheim): vercigen, zueincig 241111 (Ritter v. Senheim – Johann, Herr v. Braunshorn): ce, zo 390530R (Herr v. Kronenburg – Herr v. Falkenstein): cẏt, gezucheniſſe 480731 (Herst. Hartrad v. Schönecken): zwencich
Eine ähnlich klare Verteilung findet sich in Urkunde 220118 (Luxemburger Rittergericht) zwischen ‹cz› und ‹z› (czit, zo). Bis ca. 1325 ist ‹c› sporadisch belegt, danach nur noch in einzelnen Urkunden bis zum Ende des Untersuchungszeitraums. ‹tz› tritt meist hinter Nasal oder anlautend im zweiten Kompositionsglied bzw. im Anlaut einer präfigierten Basis auf, auch hier meist nach Nasal oder Liquid. ‹zh› ist außerhalb von Urkunde 250808 selten: ‹tz› hinter Nasal:
gantz (330526, „Euerholt“ v. Sternberg – Zisterzienserinnenkloster Ro-
senthal)
Palentzgraue (280414, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) ‹tz› im indirekten Anlaut: hertzoginne (280414) zwentzigeſtim (291029a, Gottfried II. v. Sayn, Ritter; Engelbert I. v. Sayn – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier)
392
393
Vgl. weitere Fälle, in denen ‹ch› für eine Affrikate (aus *t*) stehen könnte: acchich (ahtƶic, 0995, Peter v. Eich – Gf. v. Veldenz); zwenchiſteme (231011, Herst. SponheimStarkenburg); druchen (driuƶęhen, 320425 R, Gf. v. Leiningen – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier). Zu mechir, mechin (‚Metzer‘,1577, Hzg. v. Lothringen – Gf. v. Veldenz, und N 536, Gf. v. Veldenz – Hzg. v. Lothringen) vgl. Gärtner / Holtus / Rapp / Völker (1997: 118 f., Anm. 28). Hintergrund dürfte die Palatalisierung und Assibilierung von klass.-lat. c ([k]) vor e und i sein, vgl. Stotz, HLSMA 3, VII § 151.
*t*, *tt*
143
v’tzijchniſſ (000000.2, Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn)
‹zh›:
zhein, drzhein (250808, Herst. Sponheim-Starkenburg)
Die Graphien ‹s› und ‹sz› stehen meist, ‹ss› und ‹zz› ausschließlich für *t* in drīȥic < wgerm. *þrī-tuǥ, dessen anlautendes *t* sich wie intervokalisches *t* entwickelt hat.394 Der erste ‹s›-Beleg stammt aus dem Jahr 1285 (driſec, 0738, Herst. Gf. v. Veldenz), vorher kommen nur ‹z› und ‹zz› vor. Seit Beginn des 14. Jh.s sind die ‹s›-haltigen Graphien die Regel (s. u. S. 145). Außerhalb von drīȥic finden sich vereinzelt ‹s› und ‹sz› (bei Hartrad von Schönecken). ‹sc› ist auf Urkunde 240624 beschränkt und stellt dort die Leitgraphie mit 80 %: ‹s›: ſvei (0231, Herst. Wilhelm v. Waldeck); ganſeme (400824, Herst. Hartrad v. Schönecken) ‹sz›: z. B. ſzveẏ (411214, Herst. Hartrad v. Schönecken) ‹sc›: Jargeſcith, ſc, ſceheden (zu ƶęhende, 240624, Henneman Hurnich – Kloster Fraulautern)
*t* nach Vokal:
Die Position *t* nach Vokal wird von einigen hochfrequenten Wortformen dominiert, die im Folgenden gesondert betrachtet werden. Allein zwei Drittel aller Belege für *t* nach Vokal entfallen auf daȥ (Konjunktion, Nom. / Akk. Sg. neutr. des Dem.-Pron. / Art. dęr), weitere 8 % bzw. 6,1 % auf den Nom. / Akk. Sg. neutr. des Pers.-Pron. ęr bzw. des Dem.-Pron. dise. Auch außerhalb dieser Hochfrequenten ist *t* in der stark-pronominalen Adjektiv- und in der Pronominalflexion im Nom. / Akk. Sg. neutr. belegt. Häufiger sind nur alleȥ und (s)waȥ (allit, wat, beide 240401, Herst. Sponheim-Starkenburg). Adjektive sind im Korpus textsortenbedingt nur schwach vertreten. Alle ‹t›- und ‹d›-Schreibungen des Korpus für *t* nach Vokal lassen sich der pronominalen bzw. stark-pronominalen (Adjektiv-)Endung des Nom. / Akk. Sg. neutr.395 oder der Konjunktion daȥ zuordnen. Bei daȥ (Konjunktion und Art. / Pron.) liegt der Anteil von ‹t› bezogen auf das gesamte 394 395
Vgl. dazu Ahd. Gr. I, § 273, Anm. 2; Paul, Mhd. Gr., § M 60; EWA, s. v. drîzug. Vgl. oben Anm. 73 mit Beispielen aus den Vergleichstexten.
144
Auswertung des Quellenkorpus
Korpus bei etwa zwei Drittel gegenüber ‹z› (28,5 %) und ‹s› (4,7 %). Etwas mehr als die Hälfte aller Urkunden (88) hat stets dat, 52 Urkunden dagegen daz / das. In den restlichen 22 Urkunden kommen beide Varianten nebeneinander vor, davon eine meist deutlich bevorzugt. In den datUrkunden gilt immer auch unverschobenes it / id und (so) wat, weit überwiegend auch allet (95 %) und dit (97 %). Sofern andere Pronomina oder der unbestimmte Artikel im Nom. / Akk. Sg. neutr. belegt sind, ist *t* auch hier nicht verschoben. Ausschließlich dat haben die Urkunden der Schreiber NN I, NN II und Lambert von Asbach, die Urkunden Hartrads von Schönecken, des Grafen von Sayn, der mittelrheinischen Städtebündnisse, die meisten Urkunden der Sponheim-Starkenburger, die Urkunden mit Beteiligung des Klosters Rosenthal (Binningen) sowie weitere Einzelurkunden wie 0009 und 2262:
dat, ſo wat, jd, dit (0111, Schr. NN I, ehem. Gfin. v. Sayn) dat, allet, dit (0337, Schr. NN II, ehem. Gfin. v. Sayn) dat, ſo wat, allet, it, dit (0623, Schr. Lambert v. Asbach) dat, dit, id, welcht (480731, Herst. Hartrad v. Schönecken) dat, wat, dyt (140423, Herst. Gf. v. Sayn) dat, allit, it, dit (010210.2, Stadt Koblenz – Stadt Andernach) Dat, wat, allet, jd, dit (240401, Herst. Sponheim-Starkenburg) dat, it (100301, Johann Sulz – Zisterzienserinnenkloster Rosenthal) dat, dit, hit (0009, Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.) dat, id (2262 (Gertrud v. Frauenstein – Prämonstratenser v. Rommers-
dorf)
Bei den Urkunden, die stets daz / das haben, ist auch (ſ)waz / (ſ)was die Regel (94 %), weniger deutlich auch iz / ez (86 %) und diz (84 %). Die vereinzelten unverschobenen Formen verteilen sich aber auf wenige Urkunden (z. B. 270922: it neben daz). Zu den Stücken mit 100 % daz / das gehören die beiden Ausfertigungen Johanns des Blinden, die Urkunden der Grafen von Nassau, Leiningen, Sponheim und Veldenz sowie mehrere Einzelstücke, die eher südlich zu lokalisieren sind, wie 2787, 191019 und 270922, aber auch eine Liste des Trierer Domkapitels (000000.1):
daz, das, ez (250609, Herst. Johann der Blinde, Kg. v. Böhmen, Gf. v. Luxemburg) daz, alliz, iz (N 364, Herst. Gf. v. Nassau)
*t*, *tt*
145
daz, alles, es (3439, Herst. Gf. v. Leiningen) daz, allez, de keineſ, iz (3165, Herst. Gf. v. Sponheim) daz, it (3567, Herst. Gf. v. Sponheim) daſ, alleſ, eſ (N 318, Gf. v. Veldenz – Bf. v. Straßburg) daz, swaſ, alleſ, iz (2787, Herst. Gf. v. Katzenelnbogen) daz, ſo waz, ez (191019, Herst. Ritter v. St. Wendel) daz, alles, it (270922, Herst. Abt v. Tholey) daz (000000.1, Herst. Trier, Domkapitel)
Gemischte Zustände herrschen in den Urkunden des Grafen von Sponheim-Starkenburg, der in zwei seiner fünf Urkunden vereinzelt dat hat (000000.3, 180602.1) und Balduins von Luxemburg mit dat-Anteilen zwischen 0 und 100 % (nur in Urkunde 240717). In fünf von sieben Urkunden herrscht daz zwischen 80 und 100 % wie in Urkunde 280707 (81,3 % daz neben dat, daneben wat, alliz, allis aber andirt). Im Auslaut ist *t* außerhalb der eben beschriebenen Wortformen nur schwach vertreten. ‹z› dominiert zunächst deutlich (74,5 % in Zeitraum II, 1275–1299). ‹s› begegnet erstmals 1275 (vas, 0255, Schr. Lambert v. Asbach), ist aber erst seit den 1320er Jahren häufiger. Alleine Urkunde 280707 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) überliefert 12-mal slos. Inlautend nach Kurzvokal dominieren deutlich Digraphien: ‹ss› 44,9 %, ‹zz› 28 %, ‹sz› 15,9 %. Es folgt einfaches ‹z› mit einem Anteil von 8,4 % wie in beſezen gegen beſezzen (beide N 507, Gf. v. Leiningen u. weitere – Gf.in v. Sponheim u. weitere). Die restlichen Graphien entfallen auf Einzelbelege. Die häufigste Schreibung ‹ss› ist zuerst in Urkunde 0255 (Schr. Lambert v. Asbach) aus dem Jahr 1275 belegt. Sie ist für den Schreiber Lambert ansonsten nicht typisch. Der Anteil von ‹ss› steigt ab Zeitraum II (1275–1299) mit 28,2 % über 48,7 % (III, 1300–1324) zu 67,9 % in Zeitraum IV (1325–1350) stetig an. Umgekehrt nimmt ‹zz› von 100 % (drei Belege in drei Urkunden) des Zeitraums I bis auf nur noch 7,1 % in Zeitraum IV ab. ‹sz› begegnet u. a. in den Urkunden 0255396, N 282, 290121.2 sowie dem
396
Wahrscheinlich nach dem Vorbild Gottfried Hagens, dessen Leitgraphie für *t* inlautend nach Kurzvokal ‹sz› ist, s. oben S. 25.
146
Auswertung des Quellenkorpus
Städtebündnis zwischen Koblenz und Andernach und gilt entweder allein oder steht im Wechsel mit ‹ss› wie in 280707:
0255 (Schr. Lambert v. Asbach): beſzeringe N 282 (Ausst. Herr v. Waldeck; Brüder v. Schöneck): beſzerunge 010210.1/2 (Städtebündnis Koblenz – Andernach): beſeſzen 290121.2 (Gemeinde von Ochtendung – Deutsches Haus in Koblenz):
waſz’e
280707 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier): waſſerin, beſſerin gegen dreimal sloſze / sloſzin
Nach Langvokal oder Diphthong dominiert einfaches ‹z› (56,3 %) oder ‹s› (25 %) gegenüber den Digraphien ‹sz› (7 %), ‹ss› (6,3 %) und ‹zz› (2,9 %) deutlich.397 Der Rest entfällt auf nur ein- bis zweimal belegte Einzelschreibungen. Von den Digraphien wird am ehesten ‹sz› unterschiedslos für langes mhd. ȥȥ < wgerm. *t wie auch für wahrscheinlich nach Langvokal wie Diphthong und im Auslaut gekürztes ȥ verwendet, so in den Urkunden N 282 (Ausst. Herr v. Waldeck; Brüder v. Schöneck: beſzerung, viſz) und 1000 (Gf. v. Nassau – Gf. v. Leiningen: beſzere, vſz, maſzes). In den Urkunden, die mhd. ȥȥ und ȥ graphisch unterscheiden, steht ‹sz› teils für langes ȥȥ nach Kurzvokal, teils aber auch umgekehrt für gekürztes ȥ nach Langvokal oder Diphthong, während für langes ȥȥ die Digraphien ‹ss› oder ‹zz› gebraucht werden: ‹sz› – ‹s›: 290121.2 (Gemeinde von Ochtendung – Deutsches Haus in Koblenz): waſz’e gegen Scholteyſe ‹ss› – ‹sz›: 250808 (Herst. Sponheim-Starkenburg): gebeſſerit gegen maiſze; 270312 (Herst. Sponheim-Starkenburg): geſeſſin gegen buſzin ‹zz› – ‹sz›: 290927 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier): wzzent gegen geheiſze
397
Urkunde 280707 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier), die die durchschnittliche Länge der anderen Urkunden des Korpus von 437,5 Wortformen mit 3 673 Wortformen deutlich übertrifft, wurde hier nicht mitgerechnet, da allein 23 von 42 ‹sz›Belegen aus dieser Urkunde stammen. Bezieht man sie mit ein, ergibt sich ein Verhältnis von ca. 3 : 1 für die einfachen Graphien.
*t*, *tt*
147
Besonders interessant ist der Schreibgebrauch in Urkunde 280707 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier): inlautend nach Kurzvokal drei ‹sz›, zwei ‹ss›, auslautend nach Kurzvokal 12-mal sloz, in- und auslautend nach Langvokal oder Diphthong 23-mal ‹sz›. Bezogen auf alle Urkunden sind die Digraphien ‹ss› und ‹zz› nur mit 5,8 % bzw. 2,7 % aller Schreibungen für *t* nach Langvokal oder Diphthong vertreten. Im Präteritum von (-)sėƶƶen deutet der meist nicht umgelautete Stammvokal darauf hin, dass vor dem Dental der Endung kein Bindevokals wgerm. *i stand. Lautgesetzlich kommt der Ausfall von *i eigentlich nur Verben mit langer Stammsilbe zu.398 Im Ahd. haben sich aber die Verben auf wgerm. *p, *t und *k den ursprünglich Langsilbigen angeschlossen.399 Bei der wgerm. Konsonantendehnung wurde der stammauslautende Konsonant germ. *t nur vor folgendem *j gedehnt, also im Infinitiv und Präsens mit Ausnahme der 2. / 3. Sg. Ind. und 2. Sg. Imp.400, nicht aber in den Präteritalformen, bei denen vor dem folgenden Dental statt *j das vokalische Allophon *i realisiert wird. Obwohl also im Präteritum von (-)sėƶƶen kein Langkonsonant *tt* zu erwarten ist, zeigen sich seit ahd. Zeit Schreibungen, die nur als Affrikaten zu interpretieren sind401, so auch im Korpus: geſatz (281101, Salentin v. Isenburg, Ritter – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) und geſetzet (N 507, Gf. v. Leiningen u. weitere – Gf.in v. Sponheim u. weitere) mit Bindevokal und Umlaut. Häufiger sind im Korpus die Formen mit unverschobenem *t(t)*, z. B. ſetten (0602, Schr. Lambert v. Asbach), verſat (490417, Herst. Hartrad v. Schönecken), die für das Mfrk. typisch sind, aber auch im Alem. vorkommen.402 Im Korpus ‚Mhd. Grammatik‘ finden sich Belege in den alem. Texten *RWchr, *RWh
398
399 400 401 402
Eine kleine Gruppe schwacher Verben der 1. Klasse wie dėnken, dünken u. a. hat ihr Präteritum wohl schon immer ohne Bindevokal gebildet, vgl. Paul, Mhd. Gr., § M 89a; Ringe (2006: 252). Vgl. Paul, Mhd. Gr., § M 89b. Der zu erwartende Wechsel zwischen Frikativ und Affrikate ist bei den Verben auf wgerm. *p, *t und *k nicht belegt, vgl. Ahd. Gr. I, § 358, Anm. 1. Vgl. Simmler (1974: 201–205). Vgl. Zwierzina (1901: 43–47). Im Mfrk. zeigen einige weitere Verben wie nėƶƶen im Prät. teilweise unverschobenes /t/, vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 61, Anm. 1; Schirmunski (2010: 334, 528 f.).
148
Auswertung des Quellenkorpus
und *Mart, aber auch in den oobd. *Iw und *Mar403, dem omd. *Pass (alle geſat) und dem elsäss. *Rapp (ſatte). Es handelt sich also nicht um eine rein mfrk. Lautverschiebungsausnahme. In den rip. Texten des Grammatikkorpus und weiteren rip. Vergleichstexten und -urkunden herrschen eindeutig die unverschobenen Formen. Die mslfrk. *Yol hat ſatte, ſatten und geſad neben geſetzet. In den Urkunden des Untersuchungsgebietes sind unterschiedlich gebildete Präteritalformen belegt: mit Bindevokal und Umlaut: ſheẏzede (140310, Gf. v. Veldenz – Gf. v. Sponheim-Starkenburg) geſetzit (170622.2, Ausst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) mit Bindevokal, ohne Umlau: geſazit (1200, Herr v. Isenburg u. weitere – Gf.en v. Nassau u. weitere) ohne Bindevokal und Umlaut: geſaizt (3165, Herst. Gf. v. Sponheim) ſaſte (090000.1, Herst. Siegfried vom Stein; Eberold u. Marquart v. Laurenburg) geſaſt (280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) mit unverschobenem *t*: ſetten (0255, Schr. Lambert v. Asbach) verſatten (191019, Herst. Ritter v. St. Wendel) geſat (000000.2, Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn)
Formen wie ſaſte begegnen erst seit spätmhd. Zeit und sind wohl aus sėƶƶen – saȥte – gesaȥt wie dėcken – dahte – gedaht zu erklären404, wobei der partielle Zusammenfall von mhd. /s/ mit /ȥ/ mit zu bedenken ist.405 Ein ähnlicher Fall dürfte beſhuſte (zu beschüƶƶen, 3374, Herst. Herren v. Schöneck, Waldeck, Elz) sein. Insgesamt sind nur die Partizipien von
403
404 405
Priester Wernhers ‚Driu liet von der maget‘ stammt wahrscheinlich aus dem westbair. / ostschwäb. Raum, die Sprache der Hs. ist nordbair., vgl. Mhd. Gr. III, S. 23. Zu den zitierten Texten vgl. Mhd. Gr. III, Quellenkorpus. Vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 66, Anm. 1. ‹s› begegnet in Präteritalformen von sėƶƶen zum ersten Mal 1288 (1000, Gf. v. Nassau – Gf. v. Leiningen: geſaſt neben geſetzit und zweimal geſezzit) und verteilt sich auf die bereits oben genannten Urkunden sowie u. a. 290711 (Heinrich v. SponheimStarkenburg u. weitere – Loretta, Gräfin v. Sponheim-Starkenburg: virſaſt).
*t*, *tt*
149
(-)sėƶƶen höher frequent (51 Belege). Die finiten Präteritalformen sind mit nur fünf Belegen selten. Präterita mit unverschobenem *t* finden sich im Korpus in den Urkunden, die Lambert von Asbach für Mechthild von Sayn schrieb, in einer späteren (1300) Urkunde des Grafen Johann von Sayn, in je einer Urkunde der Hersteller Balduin von Luxemburg und Hartrad von Schönecken sowie in den Einzelurkunden 191019, 220402 und 290508:
000000.2 (Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn): v’ſat, geſat neben geſaiſſt 181224: geſat gegen 280707: geſaſt und 280414: verſatzet (alle Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) 490417 (Herst. Hartrad v. Schönecken): verſat 191019 (Herst. Ritter v. St. Wendel): v’ſatten 220402 (Ludwig v. Rennenberg – Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg): geſat 290508 (Gf. v. Virneburg – Dietrich Meinfelder, Kanoniker in Münstermaifeld): v’ſat
Die Varianten mit verschobenem Dental finden sich außer bei Balduin von Luxemburg hauptsächlich in Urkunden, deren herstellende Partei im Süden und Südosten des Untersuchungsgebietes und im südlichen Übergangsraum beheimatet ist, u. a. 1000 (Gf. v. Nassau – Gf. v. Leiningen), 1200 (Herr v. Isenburg u. weitere – Gf.en v. Nassau u. weitere), 1638 (Herst. Gf. v. Leiningen), 2787 (Herst. Gf. v. Katzenelnbogen), 3381 (Herst. Gf. v. Leiningen), 140310 (Gf. v. Veldenz – Gf. v. Sponheim-Starkenburg). *t* und *tt* nach Obstruent und vor *r*:
*tt*vor *r* mit später – nach dem Wirken der Zweiten Lautverschiebung – eingetretenem Sprossvokal und Kürzung des langen Plosivs nach Langvokal liegt nur in lūterlīchen / lūterlingen vor.406 Kurzes *t* vor *r* begegnet v. a. in (-)triuwe(-) (126 Belege). Nach Obstruent kommt *t* in den Phonemfolgen *st*, *ft* und *ht* vor. Besonders häufig mit jeweils über 100 Belegen sind ist407, stat, stǟte, stān, list, gestifte, ręht und niht. Zur weiteren Entwicklung von *ft* und *ht* vgl. oben S. 114 u. 137. Bei dem alten Lehn406 407
Vgl. Kluge / Seebold, EWB, s. v. lauter; Ahd. Gr. I, § 96, Anm. 4. Zur Herleitung s. unten Anm. 418.
150
Auswertung des Quellenkorpus
wort ambaht(-) zu kelt. ambactos ist die zweite Silbe stets zu -bet abgeschwächt (ampte, 240927, Herst. Johann der Blinde, Kg. v. Böhmen, Gf. v. Luxemburg)408, ähnlich bei niet / niut < ahd. niowiht (normalmhd. niht) und iet < ahd. iowiht (normalmhd. iht).409 Bei den Verben (-)lėgen, sagen und (-)suechen gilt die Rückführung des Dentals (in den Präteritalendungen) auf *t* nur, wenn man statt später Synkope des Bindevokals den von vorneherein bindevokallosen Typ annimmt, also z. B. wgerm. *sōh-ta (1. Sg. Ind. Präs.) statt *sōk-i-da410:
seẏhte (280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) verlaht (470418, Herst. Dieter, Abt zu Prüm) geſaiht (280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier)
Die Graphien ‹th›, ‹tth› und ‹tht› sind beinahe ausschließlich auf Wortformen mit *ht*411 beschränkt und stehen in den meisten Fällen nicht für das Phonem *t* allein, sondern repräsentieren die gesamte Phonemfolge *ht* (reth, math, beide 220110, Brüder v. Kellenbach – Gf. v. SponheimStarkenburg), vgl. oben S. 114 u. 137. ‹d› für *t* findet sich außer in niet / iet (normalmhd. niht / iht) nur vereinzelt. In allen anderen Fällen steht ‹t› zu insgesamt 95,9 % aller Belege für *t* und *tt* nach Obstruent und vor *r*: ‹d›:
nijd (zu niet, 270312, Herst. Sponheim-Starkenburg) id (zu iet, 280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) gedrueliche (zu getriuwelīche, 201125.2, Ritter v. Lewenstein u. Ritter v.
Randeck – Johann der Blinde, Kg. v. Böhmen, Gf. v. Luxemburg)
408 409 410
411
Vgl. Kluge / Seebold, EWB, s. v. Amt; Paul, Mhd. Gr., § L 109, Anm. 3. Vgl. Ahd. Gr. I, § 154, Anm. 6; Paul, Mhd. Gr., § L 110, 2., Bach (1930: 65) und Klein (1982: 165–169). Vgl. Ahd. Gr. I, § 364, Anm. 3; Afrk. Gr., § 194; Frings / Linke (1976: CLIII); Riecke (1996: 682) und Klein (2000a: 28) zu (-)lėgen und sagen. Wie schon Bammesberger (1986: 78 ff.) rekonstruiert Ringe (2006: 252) mit *bugjaną, *sōkijaną, *wurkijaną, *þankijaną und *þunkijaną fünf gemeingerm. Vertreter für diesen Untertyp der schwachen Verben I, zu dem in den nwgerm. Sprachen weitere Verben gehören. Dazu kommt ein Beleg athir (051213, Johann, Herr v. Braunshorn – Vögte v. Senheim) mit ‹th› für *ft* (wgerm. *ft > mfrk. ft > ht).
*d*, *dd*
151
‹t›:
niet (zu iet, 280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) obertred’ (zu übertrętǟre, 000000.2, Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn)
4.1.14 *d*, *dd* *dd*: ‹tt›, ‹t›, ‹dd›, ‹d›, ‹tth›, ‹td›, ‹th› *d* anlautend: ‹d›, ‹t›, ‹th› *d* inlautend vor Vokal: ‹d›, ‹t›, ‹th›, ‹tt›, ‹td›, ‹dd› *d* vor Konsonant und im Auslaut: ‹t›, ‹d›, ‹th›, ‹tt› *dd*:
Unter *dd* wird hier nicht nur die wgerm. Geminate *dd gefasst, sondern auch später entstandenes dd < *bd in Präteritalformen von haben (hatte)412, die mit 111 Belegen (40 %) am stärksten vertreten sind, gefolgt von ritter mit knapp 30 %. Bei den Verben mhd. schüten und biten ist die analogische Vereinfachung der alten Geminate und damit die Graphie ‹d› vorherrschend, z. B. biden (3502, Herst. Gf. v. Sponheim), beſcudin (250629, Ausst. Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg u. weitere). Nach e-Apokope steht sekundär im Auslaut ‹t› (einmal bit413, 270920, Arnold Heschin v. Lehmen – Deutsches Haus in Koblenz). Der Korpusbefund weicht von dem der mfrk. Texte 414 des Korpus ‚Mittelhochdeutsche Grammatik‘ ab, wo unter knapp 50 Belegen nur zweimal im Infinitiv einfaches ‹d› (bieden, *UKöln1 [*0078, *0083]) steht und sonst stets ‹dd›. Im
412 413
414
Vgl. Paul, Mhd. Gr., § M 113, Anm. 3. In der 1. Sg. Ind. Präs. gilt im Korpus ansonsten die typisch mfrk. Endung -en: nemen (0073, Wlp. Ludwig v.d. Neuerburg – ehem. Gf.in Mechthild v. Sayn), ſetzen (270920, Arnold Heschin v. Lehmen – Deutsches Haus in Koblenz), vgl. Paul, Mhd. Gr., § M 60; Klein (2000a: 27). Neben 77-mal -(e)n steht außer bit je einmal henke (0904, Wirich v. Daun – Wilhelm Bozzel v. Stein) und kn (zu komen, 240422, Schr. Konrad v. Echternach (Trier). Zum geringen Anteil mslfrk. Texte in den mfrk. Korpussektoren vgl. oben S. 16, besonders Anm. 40.
152
Auswertung des Quellenkorpus
vorliegenden Korpus haben fünf von 15 Belegen ‹dd› und damit die alte Geminate. Sie stammen aus je zwei Urkunden der Sponheim-Starkenburger Brüder in geistlichen Diensten und Balduins von Luxemburg sowie aus einer Urkunde des Grafen von Leiningen. Es ist interessant, dass für *dd* in den wenigen sonstigen Belegen dieser Urkunden stets ‹tt› steht:
bidden (180224, Gottfried v. Sponheim-Starkenburg – Gf. v. SponheimStarkenburg) bidden, Ritt’en (240210.1, Heinrich v. Sponheim-Starkenburg – Gf. v. Sponheim-Starkenburg) bidden, ritter, mittewechen (290927, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) bidden, Ritter (420705, Lucie v. Schönecken – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) bidden (3381, Herst. Gf. v. Leiningen)
Da im Präteritum des j-Präsens biten lautgesetzlich einfaches *d* stehen musste, das im Wmd. unverschoben blieb (gebeden, 420705), konnte südliches tt für mfrk. dd sich in den Präsensformen und im Infinitiv anscheinend nicht durchsetzen. Der Wechsel von tt und d innerhalb des Paradigmas wurde vermieden. In den rip. Texten des Korpus ‚Mhd. Grammatik‘ und weiteren Vergleichstexten herrscht erwartungsgemäß überall ‹dd› für *dd* mit nur wenigen ‹tt› (dritte, *Lilie; hette, *UKöln1 [*0053]; hattiſ, *KuG; rittere, *Taul).415 *Yol hat für *dd* außer in bydden ausschließlich ‹tt› (mytternaht, hatte, hette), ‹dd› ansonsten nur für *d* / *þ* (vadder, nydder).416 In *Göll ist biten nicht belegt. Außerhalb von biten findet sich ‹dd› nur in Urkunden des 13. Jh.s aus dem Umkreis der ehemaligen Gräfin Mechthild von Sayn:
ridder (0054, Schr. NN I, ehem. Gf.in v. Sayn)
415
416
‹tt› dringt im Rip. zunächst lexemgebunden in ritter und den Präteritalformen von haben ein, vgl. Klein (2000a: 18). In den rip. Vergleichsurkunden des 14. Jh.s finden sich nur ‹tt›-Belege zu diesen beiden Lexemen. Erst ab den 1320er Jahren treten sie gehäuft auf: hatten (*160619); Rittere, Ritter (*210325). Vgl. Meier (1889: XXXVI f.).
*d*, *dd*
153
Hadde (0264, Jutta v. Bedburg , Friedrich v. Reifferscheid – ehem. Gf.in
v. Sayn)
over middiſ (0566, Schr. Lambert v. Asbach)
Für Lambert von Asbach zeigt sich auch sonst Nähe zu rip. Schreibtraditionen. Ansonsten hat schon die älteste Urkunde des Korpus 0009 von 1248 für *dd* vor Vokal die Schreibung ‹tt›, die bezogen auf das gesamte Korpus mit 91,4 % gegenüber 4,5 % ‹dd› klar dominiert. Die Kompromissschreibung ‹td›, die in ahd. Zeit in rhfrk. Texten vorkommt417, begegnet in zwei Urkunden des Rand- bzw. Übergangsgebietes. ‹tth› ist auf ritter beschränkt. Einfaches ‹t› steht in zwei Urkunden zwischen dem Grafen von Veldenz und dem Herzog von Lothringen: ‹tt›: vuír mittes (0009, Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.) ‹td›: ritder (3439, Herst. Gf. v. Leiningen), mitdelman (zweimal in 2787, Herst. Gf. v. Katzenelnbogen) ‹tth›: ritthir (220110, Brüder v. Kellenbach – Gf. v. Sponheim-Starkenburg) ‹t›: drietin (1577, Hzg. v. Lothringen – Gf. v. Veldenz; N 536, Gf. v. Veldenz – Hzg. v. Lothringen)
Gerät der Fortsetzer von *dd* durch Synkope von /ə/ sekundär in den Auslaut oder vor Konsonant, wird die Geminate gekürzt. Die Schreibungen sind unentschieden: einfaches ‹t› begegnet neben ‹tt› und ‹d›, das auch bei Metathese eintritt: ‹t›: drithalp (3165, Herst. Gf. v. Sponheim) ‹tt›: hett (250629, Ausst. Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg u. weitere) ‹d›: midwochen (231026, Johann v. Mengen u. Arnold v. Weiskirchen, Ritter – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier u. weitere) Metathese: dirde (0146, Herst. Herren v. Rennenberg), Dirdewerue (0796, Gf. v. Virneburg u. weitere – Herren v. Landskron)
417
Vgl. Ahd. Gr. I, § 163 und § 164, Anm. 1.
154
Auswertung des Quellenkorpus
Für die Phonemfolge /ts/, die durch Synkope und Geminatenkürzung in (über)mittes entsteht, ist ‹tz› die Regel neben seltenem ‹z›, ‹ds›, ‹cz› und ‹thz›, vgl. dazu auch unten S. 157: ‹tz›: fer mytz (490417, Herst. Hartrad v. Schönecken) ‹z›: miz (001210, Ebf. v. Trier – Stadt Koblenz) ‹ds›: ouer mids (240717, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) ‹cz›: micz (001210, Ebf. v. Trier – Stadt Koblenz) ‹thz›: overmithz (360210, Friedrich v. Kronenburg, Herr zu Neuerburg – Hartrad v. Schönecken)
*d*:
*d* ist in allen Positionen häufig. Mit fast 30 % aller Belege (4 553) dominiert unde vor mit (924), (-)guet(-) (444) und (-)tuen (443); (-)tac (310) und hundert (304) stehen wie got(-) (228) und geburt (137) häufig in der Schlussformel. Einen großen Anteil haben auch Präsensformen418 der 3. Person Singular und Plural sowie schwache Präteritalformen, deren Dental sich auf *d* zurückführen lässt. Wegen der großen Belegzahl und des abweichenden Verhaltens wird unde gesondert behandelt. Im Anlaut steht in der Regel ‹d› (92,4 %), selten ‹t› (7,5 %). ‹th› ist nur zweimal belegt: ‹d›: dach (480731, Herst. Hartrad v. Schönecken), dn (010210.1, Stadt Andernach – Stadt Koblenz) ‹th›: gethein (0776, Herst. Wilhelm Bozzel v. Stein), Snthage (140310, Gf. v. Veldenz – Gf. v. Sponheim-Starkenburg)
Belege für ‹t› finden sich in knapp einem Viertel der Urkunden. In 12 dieser Urkunden ist ‹t› aber auf die Position vor /r/ sowie im indirekten
418
Durch Wirkung von Verners Gesetz müssen im Germ. bei den Verben mit betontem Themavokal im Präsens *þ-haltige Endungen neben den ansonsten erwartbaren *đhaltigen entstanden sein. Da sich im Ahd. nur die *đ-haltigen fortsetzen, sind hier die Präsensendungen der 3. Sg. / Pl. und der 2. Pl. grundsätzlich (mit Ausnahme einiger besonderer Verbformen wie ist, wo idg. *t ohne Bindevokal direkt nach Obstruent steht und daher nicht verschoben wird) unter *d* gefasst. Zur Distribution der *þhaltigen und *đ-haltigen Endungen vgl. Ringe (2006: 182 ff.).
*d*, *dd*
155
Anlaut hinter konsonantisch auslautenden Präfixen und Kompositionsgliedern beschränkt:
treffen neben eẏndracht (000000.2, Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn) dinſtais (400808), dnreſtais (430410) neben kirſdach, saterſdage
(490418, alle drei Urkunden vom Herst. Hartrad v. Schönecken)
Die Mehrzahl der Urkunden hat auch hier stets ‹d›, u. a. alle Stücke der Schreiber NN I, NN II und Lambert, der Grafen von SponheimStarkenburg, der Herren von Braunshorn sowie mit 1638 auch eine Urkunde, die sonst häufiger Südformen zeigt:
dinſdageſ (0054), gedragen (0111, beide Schr. NN I, ehem. Gf.in v. Sayn) ouerdragen (0337, Schr. NN II, ehem. Gf.in v. Sayn) verdragen (0255), biſdme (0407 A, beide Schr. Lambert v. Asbach) Dinſtdagis (231011), breifdregirs (240912), eẏndrechliche (270312, alle
drei Herst. Sponheim-Starkenburg) eindrechteliche (051213, Johann, Herr v. Braunshorn – Vögte v. Senheim) vberdragen (1638, Herst. Gf. v. Leiningen)
Die restlichen ‹t›-Belege stammen aus Urkunden der Grafen von Leiningen und Nassau, des Abtes von Prüm, des Abtes von Tholey, eines Ritters von St. Wendel, aber auch aus einzelnen Urkunden mit Beteiligung des Deutschen Hauses in Koblenz und Balduins von Luxemburg:
1000 (Gf. v. Nassau – Gf. v. Leiningen): getrſte neben dhtere 3381 (Herst. Gf. v. Leiningen): tage gegen pingſtdage 470418 (Herst. Dieter, Abt zu Prüm): Tuſint neben dage 270922 (Herst. Abt v. Tholey): tn gegen dn 191019 (Herst. Ritter v. St. Wendel): tùſūt gegen dage 270920 (Arnold Heschin v. Lehmen – Deutsches Haus in Koblenz): nur ‹t› in getan, teil ſtuk u. a. 290121.1 (Gemeinde von Ochtendung – Deutsches Haus in Koblenz): tach419 neben dn
419
Interessant ist hier das Nebeneinander von südlichem ‹t› im Anlaut und der mfrk. Frikativgraphie im Auslaut.
156
Auswertung des Quellenkorpus
180823.1 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier): vndertane neben
gedoin
181224 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier): tn neben dn,
eindrechtich
290927 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier): tag gegen leuedage 170622.2 (Ausst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier, Bacharacher Landfriede): tag neben dauff’s (zu toufǟre)
Bei Balduin finden sich immer nur einzelne ‹t›-Belege bei stets vorherrschendem ‹d›. Einige seiner Urkunden wie 240717 (10-mal ‹d›) und 280707 (47-mal ‹d›) haben überhaupt kein ‹t› im Anlaut. Den insgesamt höchsten ‹t›-Anteil haben die Urkunden mit Beteiligung des Grafen Heinrich von Veldenz. Ohne die Urkunden 0995 (nur ‹d›) und 1577 sowie N 536 (beide überwiegend ‹d›)420, die sich auch sonst stärker von den Veldenzer Urkunden im engeren Sinne unterscheiden, liegt der ‹t›-Anteil bei knapp 84 %, wobei der Anteil in den einzelnen Urkunden zwischen 25 (0986) und 100 % (738, N 318, 0985, 1527, 1936) schwankt: 0995 (Peter v. Eich – Gf. v. Veldenz): karurydage, dzint 1577 (Hzg. v. Lothringen – Gf. v. Veldenz): Douſint, dn gegen dinſtage, tnt N 536 (Gf. v. Veldenz – Hzg. v. Lothringen): dage, douſint gegen dinſta-
ges
0986 (Herst. Gf. v. Veldenz): tnt gegen dn, Dúſint 1527 (Herst. Gf. v. Veldenz): Tn, tage, tal
Mit etwa 97 % ist ‹t› die Regelgraphie für *d* vor Konsonant und im Auslaut gefolgt von ‹d› mit 2 % und ‹th› mit 0,6 %. ‹tt› ist nur dreimal belegt: ‹t›: got (290508, Gf. v. Virneburg – Dietrich Meinfelder, Kanoniker in Münstermaifeld), houitlingein (0146, Herst. Herren v. Rennenberg) ‹tt›: ſtatt (0904, Wirich v. Daun – Wilhelm Bozzel v. Stein, dort auch mitte für das Adv. mite)
In Urkunde 1527 (Herst. Gf. v. Veldenz) steht zweimal Tuſeng für tūsent. ‹ng› dürfte die Velarisierung von *nd* anzeigen. Allerdings ist hier weni-
420
Zur Lokalisierung dieser beiden Urkunden s. oben S. 103.
*d*, *dd*
157
ger an die rheinische Velarisierung, für die es im 13. Jh. keine sicheren Belege gibt421, zu denken als an einen ähnlichen Wandel im Alemannischen.422 Nicht zuletzt durch die Empfängerpartei (St. Johann in Freiburg i. Br.) bedingt, weist diese Urkunde des Grafen von Veldenz auch sonst eine größere Nähe zum Alemannischen auf als zum Mfrk. ‹th› findet sich vor allem in Urkunde 240624, wo ‹th› mit 15 Belegen (93,8 %) die Leitgraphie darstellt. Zwei Drittel aller Belege für ‹d› stammen aus 13 Urkunden, von denen einige ‹d› statt ‹t› ausschließlich oder überwiegend bei der Präp. mit haben, was mit Schwachbetontheit im Satz zusammenhängen könnte: ‹th›: 2748 (Herst. Gf. v. Leiningen): geith, mith 3502 (Herst. Gf. v. Sponheim): geith, hndirth 240624 (Henneman Hurnich – Kloster Fraulautern): hanth (zu haben), horeth, Goth ‹d›: 2787 (Herst. Gf. v. Katzenelnbogen): mid neben geandrdet 200430 (Herst. Dietrich v. Wildenburg): mid neben gd ‹d› nur bei mit: 0796 (Gf. v. Virneburg u. weitere – Herren v. Landskron): bid N 301 (Herst. Hospital v. Sinzig): bid 230721 (Herst. Dietrich v. Wildenburg): mid
Im absoluten Auslaut liegt der ‹d›-Anteil insgesamt bei 2 % (94 Belege). Wenn *d* erst sekundär durch e-Apokope in den absoluten Auslaut getreten ist, ist die Schreibung ‹d› mit fast 22 % (16 Belege) deutlich häufiger, z. B. in Urkunde 220402 (Ludwig v. Rennenberg – Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg) zweimal hed (3. Sg. Prät. zu haben) gegen haint (3. Pl. Ind. Präs.), gt und weitere. Gesondert betrachtet werden die Fälle, wo stammauslautendes *d* durch Synkope mit *s* zusammentrifft. Die entstehende Phonemfolge
421
422
Der früheste sichere Beleg scheint nach Frings / Schmitt (1942: 53) tafelronge (1345, Köln) zu sein, weitere teils unsichere Belege finden sich bei Heinrichs (1961: 101 ff.), vgl. auch Möller (2000: 59). Vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 116,3 und Anm. 1.
158
Auswertung des Quellenkorpus
/ts/ wird ähnlich wie die Lautverschiebungsaffrikate mit ‹tz› (v. a. bei Lambert) und ‹z›, aber auch mit ‹ds›, ‹ts› und ‹dz› verschriftlicht:
‹tz›: zehantz (0407 B, Schr. Lambert v. Asbach), gotz (280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) ‹z›: wingarz (231110 R, Nikolaus Frubose v. Ulmen – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) ‹ds›: gods, gulds (290711, Heinrich v. Sponheim-Starkenburg u. weitere – Loretta, Gräfin v. Sponheim-Starkenburg) ‹ts›: gotſ (191019, Herst. Ritter v. St. Wendel) ‹dz›: godz (000000.2, Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn)
Im Inlaut vor Vokal sind die Schreibungen stark vom vorhergehenden Laut abhängig. Außerdem weicht die Verschriftlichung von *d* im Präteritalsuffix der schwachen Verben von seinen sonstigen Vorkommen ab. Außerhalb des Präteritums steht ‹d› zu knapp 90 % für *d*, in dem nur schwach besetzten Zeitraum I423 zu 97,5 %. ‹t› ist zu 8,1 % vertreten (ZR I: 1,9 %). Die anderen Varianten ‹th›, ‹tt›, ‹td› und ‹dd› liegen jeweils unter einem Prozent. Im Präteritalsuffix ist ‹t› bezogen auf das gesamte Korpus mit knapp 60 % die häufigste Graphie vor ‹d› (37,1 %), ‹th› (3,1 %) und einmal belegtem ‹tt›. In Zeitraum I liegt der ‹t›-Anteil noch bei 35 % und steigt im Folgenden über 42 % in Zeitraum II und 62 % in Zeitraum III bis auf 82 % im letzten Zeitraum an. Nach Obstruent (häufig wegen Synkope) ist ‹t› allgemein die Regel: ‹t›:
vertrecte (0623, Schr. Lambert v. Asbach) loiſſten (000000.2, Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn) machtin (051213, Johann, Herr v. Braunshorn – Vögte v. Senheim)
‹d›:
machde (0337, Schr. NN II, ehem. Gf.in v. Sayn)
423
Über 60 % aller Belege für inlautend *d* vor Vokal stammen aus den Urkunden des Schreibers NN I, 15 % aus Urkunde 0009 (Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.), weitere knapp 10 % aus Urkunde 0146 (Herst. Herren v. Rennenberg).
159
*d*, *dd* Tabelle 4.1: Graphien für *d* vor Vokal424 I
Zeitraum
Umgebung
(1248–1274)
nach Vokal 100 nach *n*
16,7
nach *r*
100
nach *l*
83,3
16,7
gesamt
66,7
27,8
(1275–1299)
nach Vokal 96,2 nach *n*
100
nach *r*
95
nach *l*
100
gesamt
97,4
nach Vokal 72
außerhalb des Präteritums
(1300–1324)
‹th›
‹tt›
‹td›
Belege (1)
66,7
16,7
(6) (2) (6)
5,6
(18)
2,5
1,3
(79) (30)
5
(20) (27)
1,9
0,6
(156)
28
(25)
97,7
2,3
(88)
nach *n*
2,5
97,5
(81)
nach *r*
66,7
33,3
(15)
nach *l*
71,7
28,3
(53)
gesamt
58,8
41,2
(262)
nach Vokal 90,4
5,9
nach *n*
100
nach *r*
62,4
26,9
nach *l*
95,2
4,2
gesamt
90
6,9
nach Vokal 94,4
0,9
1,8
0,7
nach *n*
0,4
(564) (310)
4,3
0,5
4,3
1,6
0,6 0,9
0,8
1
5,6
(186) (354)
0,4
(1 414) (18)
Präteritalsuffix nach *m*
424
‹dd›
(3)
100
Präteritalsuffix nach *m*
III
‹t›
Präteritalsuffix nach *m*
außerhalb des Präteritums
II
‹d›
(0) 3,3
79,5
17,2
Die Zahlen für die einzelnen Graphien verstehen sich in Prozent.
(122)
160
Auswertung des Quellenkorpus Zeitraum
Umgebung
‹d›
nach *r*
außerhalb des Präteritums
IV
(1325–1350)
‹th›
‹tt›
‹td›
‹dd›
100
Belege (7)
nach *l*
60,9
37,7
1,5
(69)
gesamt
29,2
60,7
10,2
(216)
4,9
1,5
nach Vokal 92,8 nach *n*
100
nach *r*
19,5
71,3
nach *l*
98,2
1,9
gesamt
88,4
9,6
nach Vokal 75
Präteritalsuffix nach *m*
100
nach *n*
0,7
nach *r*
außerhalb des Präteritums
‹t›
99,4
gesamt
89
0,3
0,1
(919) (8)
0,7
(146) (1) (53)
81,8
nach *l*
1,6
100 17,7
33,3
(87) (162)
98,6
gesamt
nach *r*
9,2
(1)
47,2
100
(472)
25
52,8
nach *n*
0,2
(198)
nach *l*
nach Vokal 92,2
0,6
6,2
0,5 0,4
(209)
0,6
0,6
(486) (175)
64,6
2,1
(96) 0,6
9,8
0,4
0,3
0,1
(180) 0,3
(937)
Wie Tabelle 4.1 zeigt, ist ‹d› für *d* zwischen Vokalen in allen Zeiträumen relativ fest. Nach *m* steht *d* im Korpus nur im Part. Prät. von nėmmen und (nach späterer Synkope) im Part. Prät. von nuemen. Auch hier ist ‹d› – abgesehen von zwei Belegen mit epenthetischem p in einer Urkunde des Grafen von Veldenz (genēpte, genēptē, 1527) – die Regel. Nach *r* steigt die Zahl der ‹t›-Belege insgesamt an, ist im Präteritalsuffix aber meist deutlich höher. Nach *l* zeigen sich ‹t›-Belege überwiegend, nach *n* ausschließlich im schwachen Präteritum. Insgesamt ist ‹t› für *d* im schwachen Präteritum im Korpus am häufigsten nach *n* und *r*, viel seltener nach *l*. Es fällt auf, dass ‹t› im schwachen Präteritum gerade dort vordringt, wo es in den Dialekten mit Verschiebung von wgerm. */d/
*d*, *dd*
161
> /t/ als Folge von späteren Lenisierungsvorgängen425 (und teilweiser Restituierung im Präteritum) nicht regelmäßig steht: nach /n/ und (seltener) nach /l/.426 In den beiden ersten Zeiträumen haben einige Urkunden immer ‹d›; allerdings handelt es sich meist um kürzere Einzelstücke, die oft keine Belege im schwachen Präteritum bieten427: 0009 (Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.): enſida, vircenden, antwerden, gildet 0073 (Wlp. Ludwig v.d. Neuerburg – ehem. Gf.in v. Sayn): walpode, al-
lerhande
0138 (ehem. Gf.in v. Sayn – Zisterzienserinnenkonvent Drolshagen): godeſ, geburde, geldes 0146 (Herst. Herren v. Rennenberg): zweidin – rade, hinderin, wordin,
haldin
0264 (Jutta v. Bedburg, Friedrich v. Reifferscheid – ehem. Gf.in v. Sayn): godes, geburde, halden 0267 (Herst. Burggf. v. Hammerstein u. Rheineck): lde 0337 und N 160 (beide Schr. NN II, ehem. Gf.in v. Sayn): buwede, kerde – ſtedicheide, Lande, durwarder, alde U 06 (Herr v. Ütgenbach – Nachkommen): vad’, geburde, gulde N 282 (Ausst. Herr v. Waldeck; Brüder v. Schöneck): boden, vrnde,
behalde
Der Schreiber NN I (Mechthild von Sayn) verwendet in seinen fünf Urkunden nur im schwachen Präteritum ‹t› oder ‹th›, dort allerdings in vier der fünf Belege für *d* nach *n*.428 In ſanten und ſanthen könnte das Zusammentreffen von /d/ im Stammauslaut und im Suffix auf die Wahl der Fortisgraphie begünstigend gewirkt haben. ‹t› nur im Präteritum findet
425 426 427
428
Vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 74, 113. Sieh auch Abschnitt 4.2.3. Es werden jeweils – soweit vorhanden – Belege für inlautendes *d* nach Vokal, *m*, *n*, *r* und *l* im Präteritalsuffix sowie (nach einem Gedankenstrich) außerhalb des Präteritalsuffixes gegeben. 0054, 0057, 0111, 0137 und 0196 (alle Schr. NN I, ehem. Gf.in v. Sayn): gelouede, vorgenamder, geſamender, vorgenanten, geſicherder, wulde – boden, ſunder, geburde, hilden.
162
Auswertung des Quellenkorpus
sich sonst in keiner Urkunde des 13. Jh.s. Allerdings ist das schwache Präteritum auch nicht in allen Urkunden belegt. Mehrere Urkunden zeigen ‹t› für *d* nach *r* bzw. seltener auch nach *l* auch außerhalb des Präteritums:
‹t› außerhalb des Präteritums für *d* nach *r*: 0231 (Herst. Wilhelm v. Waldeck): geſameder – ſtede, lande, Gartin, geburthe, guldin 0796 (Gf. v. Virneburg u. weitere – Herren v. Landskron): horte – gde, lande, virantuertin, gebrde, alde N 301 (Herst. Hospital v. Sinzig): horte – gdir, Lande, virantuertin, gebrde, alde 0962 (Reinhard v. Löwenstein – Wildgf. v. Dhaun): zweieden, vor genante, vorderda, ſolde – vadereſ, ſtedde, hinderen, worten, gulde 0965 und N 364 (beide Herst. Gf. v. Nassau): forgenante – ſtede, frnden, garten, alde 1289, 3165, 3502 und 3567 (Herst. Gf. v. Sponheim): egenantē, gezaltir, ſulde, wolden – erbedin, nahkomendin, garten, wirthen (zu wirtinne), geburdde, geldis 2262 (Gertrud v. Frauenstein – Prämonstratenser v. Rommersdorf): vor genantin, zalte – lude, vrunde, wirtis 3374 (Herst. Herren v. Schöneck, Waldeck, Elz): brantin, vorten (zu vüeren), zalte, woldin – rode, wndin (zu wunde), geburte ‹t› außerhalb des Präteritums für *d* nach *r* und *l*: 1000 (Gf. v. Nassau – Gf. v. Leiningen): forgenante – ſtedekeit, virbinden, gebrte (drei ‹t› für *d* nach *r*), gelte, gelde (zwei ‹t›, zehn ‹d› für *d* nach *r*) 2787 (Herst. Gf. v. Katzenelnbogen): vorgenanten – loedik (zu lȫtic), innewendik, wirten, wirthen (beide zu wirtinne), geburde, geanwrddet, halten, bihaldene
Bei dem Schreiber Lambert ist ‹d› eigentlich in allen Positionen die Regel. Es finden sich aber auch je einmal vor genante (einziger Beleg429 für *nd*
429
Ansonsten schreibt Lambert 86-mal vor genmde in gleicher Bedeutung und stets mit ‹d›.
*d*, *dd*
163
im Präteritum), wingarten gegen das Präteritum kerde und insgesamt 104-mal ‹d› für *d* nach *r* sowie sogar dreimal ſtete (zweimal zu stǟte, einmal zu stat430). Einzelne ‹t› außerhalb der typischen Positionen haben auch weitere Urkunden:
0904 (Wirich v. Daun – Wilhelm Bozzel v. Stein): volgede, Crigede (zu kriegen), genanten, Gebrde (zu gebürn) – gotes, mitte (Adv. mite), ſteede, radde, gebunden, geburte, intalden (zu enthalten) 1200 (Herr v. Isenburg u. weitere – Gf.en v. Nassau u. weitere): Wolden, ſolden –bede, Lande, halden N 531 (Ausst. Gf. Leiningen; Gf. v. Sponheim): ſiten431, ſtede, anegande,
halden
1638, 2748, 3381, 3439 (alle Herst. Gf. v. Leiningen): ſumeten (3381), ſvmede (1638), vor genanten, vorgenanden (beide 1638), ſolte – en|dete, teden (beide Prät. von tuen), ſteitde (3439, zu stǟte), ſtede (3381, 2748), frunden, geburte (3381), gebuirtde (3439), alte (3381), altden (3439), alde (2748).
Urkunde 3439 weicht mit durchgehenden ‹td›-Schreibungen stärker von den anderen Stücken des Grafen von Leiningen ab. Mit fünf ‹t› bei sechs Belegen für intervokalisches *d* (ratlute, vater u. a. gegen ratlude) und ‹d› ansonsten nur nach *n* weist Urkunde N 507 zwischen dem Grafen von Leiningen, der Gräfin von Sponheim und weiteren einen eher obd. Verschiebungsstand auf, was sich schon in 100 % ‹t›-Schreibungen für *d* im Anlaut oder auch in phaht zeigte. In den Urkunden mit Beteiligung des Grafen von Veldenz schwankt der Anteil der ‹t›-haltigen Schreibungen stark: Durchgehend ‹t› außer nach *n*, also in Verbindung mit ‹t› im Anlaut ebenfalls einen eher obd. Verschiebungs-
430
431
Bei stǟte treten auffallend oft inlautende ‹t›- und sogar ‹tt›-Schreibungen auf: ſtete, ſtetekeit (291029a, Gottfried II. v. Sayn, Ritter; Engelbert I. v. Sayn – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier), ſtette (191019, Herst. Ritter v. St. Wendel). Möglicherweise besteht ein Zusammenhang mit dem adjektivischen ja- / jō-Stammbildungssuffix, das Gemination auslöst, vgl. Steidte (3439, Herst. Gf. v. Leiningen), ſtedde (0962, Reinhard v. Löwenstein – Wildgf. v. Dhaun). Zu dem Sonderfall sīte vgl. Anm. 437.
164
Auswertung des Quellenkorpus
stand432, zeigen zwei Urkunden mit Straßburger Urkundsparteien (N 318, 1936) sowie drei der sechs Urkunden, die dem Grafen Heinrich von Veldenz als Hersteller zugeordnet werden können (0211, 0738, 1527). ‹t› im Präteritum von soln findet sich außer in Urkunde N 318 nur dreimal in Urkunden mit Beteiligung des Grafen von Leiningen (N 507, 3381) gegen 48 ‹d›-Belege im restlichen Korpus.
N 318 (Gf. v. Veldenz – Bf. v. Straßburg): hetent, ſoltent – goteſ, vettere,
gebúrte
1936 (Gf. v. Veldenz – Straßburg, Schlettstadt): entwurtetent – vzgande, geburte433 0211 (Herst. Gf. v. Veldenz): vorgenanten, zalte – gte, geburte 0738 (Herst. Gf. v. Veldenz): uorgenante, ginanden, zalte – uatereſ, gar-
ten
1527 (Herst. Gf. v. Veldenz): haton, genēpten, zalte – Gotez, gebúrte,
gltez
In den anderen drei Veldenzer Urkunden, die alle am 1. März 1288 ausgestellt wurden und Nikolaus Vogt von Hunolstein als Aussteller oder Empfänger haben (0984, 0985, 0986)434, wechseln ‹d›, ‹t› und ‹tt› für intervokalisches *d*, wobei stǟte meist mit ‹d›, gotes stets mit ‹tt› erscheint. Für *d* nach *l* ist ‹t› im Präteritum ƶalte, in Formen von halten dagegen ‹d› die Regel.
0984 (Herst. Gf. v. Veldenz): vorgenante, zalte – lúten (zu liut), gotteſ, ſtede (zu stǟte), anegandem, gebúrte, halden 0985 (Herst. Gf. v. Veldenz): vorgenante, zalte – ſtete, gotteſ, ſtede, anegendem, gebúrte, haldene 0986 (Herst. Gf. v. Veldenz): endeten, Vorgenante, zalte – ſteten (zu stat), gotteſ, ſteden (zu stǟte), lande, gebúrte, haltene, behalden
432 433
434
/d/ nach /n/ ist im Obd. durch Lenisierung bedingt, vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 113. Inlautend ist *d* in dieser Urkunde außerhalb des Präteritums nur in den wenig aussagekräftigen Positionen nach *n* und *r* belegt. Die Zuordnung zu den Urkunden mit obd. Verschiebungsstand ergibt sich erst durch die Anlautposition, wo ‹t› in allen sieben Belegen für *d* steht: tn, tuſunt, irteile. Diese drei Urkunden (0984, 0985 und 0986) wurden dem Grafen von Veldenz hauptsächlich aufgrund der Schlussformel zugeordnet.
*d*, *dd*
165
Ein ähnlich weites Vordringen von ‹t› bis in die Position zwischen Vokalen sowie im Anlaut, wobei ‹d› aber stets überwiegt, zeigen die beiden Urkunden zwischen dem Grafen von Veldenz und dem Herzog von Lothringen (1577, N 536) sowie Urkunde 0776, an der der Graf von Veldenz als Empfänger beteiligt ist. In Urkunde 0995 findet sich ‹t› dagegen nur nach *r* und nie im Anlaut. Sie stellt sich damit zu den weiter oben besprochenen Stücken, in denen ‹t› außer im Präteritum nur nach *r* und zum Teil nach *l* auftritt. 1577 (Hzg. v. Lothringen – Gf. v. Veldenz): benanten – goutin (zu guet), ſteide, pendin, geburte N 536 (Gf. v. Veldenz – Hzg. v. Lothringen): vorgenantem – gouden (zu guet), gande, geburte, geltin, geldes 0776 (Herst. Wilhelm Bozzel v. Stein): intheydin, ſolde – godiſ, dricendeſteme, geborte, haldin 0995 (Peter v. Eich – Gf. v. Veldenz): Godis, hande, Gebrtte, Gulde
Aus den Urkunden des Schreibers Lambert von Asbach stammen 128 Präteritalbelege (48,9 % bezogen auf alle Urkunden in ZR II) und 818 Belege außerhalb des schwachen Präteritums (57,9 %), aus den Urkunden des Schreibers NN II 15 (5,7 %) bzw. 94 (6,6 %). Damit beherrschen ihre Schreibgewohnheiten das Bild in Zeitraum II (262 bzw. 1 414 Belege) maßgeblich. Weitere 37 (14,1 %) bzw. 115 (8,1 %) Belege kommen aus den Urkunden mit Beteiligung des Grafen von Veldenz.435 Während die Urkunden der Schreiber Lambert von Asbach und NN II kaum (5) ‹t› zeigen und sich damit deutlich von den übrigen 25 Urkunden (ohne Veldenz) dieses Zeitraums abheben, die häufig ‹t› im schwachen Präteritum und nach *r* oder *l* schreiben, bilden die Urkunden mit Beteiligung des Grafen von Veldenz das andere Extrem mit teils obd. Verschiebungsstand. Daraus ergibt sich, dass die auffälligen Zahlen in Zeitraum II wie je 28 % ‹t› im Präteritum nach Vokal und nach *l*436 weniger die Verhältnisse
435 436
Urkunde 0211 (Herst. Gf. v. Veldenz) stammt aus dem Jahr 1273 und gehört daher als einzige Veldenzer Urkunde in Zeitraum I. 6 dieser 22 ‹t›-Belege stehen in Urkunden aus dem Umkreis des Grafen von Veldenz, genauer 6 von 7 der ‹t›-Belege im Präteritalsuffix zwischen Vokalen und 8 von 15 der ‹t›-Belege im Präteritalsuffix vor /l/. Außerhalb des Präteritalsuffixes stammen je-
166
Auswertung des Quellenkorpus
innerhalb der einzelnen Urkunden als vielmehr die disparate Besetzung dieses Zeitraums widerspiegeln und mit Vorsicht zu betrachten sind. In Zeitraum III und IV (1. Hälfte 14. Jh.) haben 20 von 102 Urkunden ‹t› nur – soweit es belegt ist – im schwachen Präteritum nach *n* und bis auf wolde und solde meist nach *l*, während nach *r* grundsätzlich (oder weit überwiegend) ‹d› geschrieben wird. Sie stellen sich damit zu den Urkunden des Schreibers NN I und zu den Einzelurkunden des 13. Jh.s, die keine Präteritalbelege hatten und daher nur ‹d› aufwiesen: 071226 und 140423 (beide Herst. Gf. v. Sayn): uurgenanthe, geſamender, zalte, ſolden – lude, vrunde, geburde, mald’ 180214 (Ausst. Ritter v. Münstermaifeld): vrgenante – warheide, hende, vrwerter (Adv.), virwurde (zu vorwort) 390704, 400808, 400824, 410520, 411214, 421017, 430410, 430501, 430625, 460428, 490111, 490418 (alle Herst. Hartrad v. Schönecken): wrgenante, vorgenātte, waẏnde, zalte – hudien (zu hiutic), hande, wẏngarden, hilden (zu halten)
Drei weitere Urkunden haben zwar ‹d› für *d* nach *r*, schreiben für *d* intervokalisch aber durchaus ‹t›, wenn auch nur vereinzelt:
000000.2 (Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn): vorgenāten – zijden, vrunde, worte, gienw’dichin, halden 480731 (Herst. Hartrad v. Schönecken): gtilliche, gidir, pende, geburde, haldinne
Davon zu trennen sind Urkunden, in denen die ‹t›-Belege auf sīte437 beschränkt sind (vier Urkunden):
437
weils knapp 60 % der ‹t›-haltigen Schreibungen für *d* zwischen Vokalen und nach /l/ aus den im weitesten Sinne Veldenzer Urkunden. Im Ahd. steht neben sīta auch sītta mit ungekürzter Geminate (Schützeichel, Ahd. Wb, s. v. sīta). Die ‹t›-Schreibungen könnten also für /t/ < /tː/ < wgerm. */dː/ (*dd*) stehen. Dafür spricht, dass sīte im Korpus außer bei Lambert, der auch für die ungekürzte Geminate *dd* stets ‹dd› statt ‹tt› hat, nie mit ‹d› erscheint. Vgl. auch Lessiak (1939: 122 f.) zu /t/ in Formen von sīte im rezenten westlichen Mslfrk., das nicht zum Gebiet der binnendeutschen Konsonantenschwächung gehört und daher Lenis und Fortis im Inlaut unterscheidet.
*d*, *dd*
167
220402 (Ludwig v. Rennenberg – Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg): rgenante, geſamender, ſolde – ſiten, lude, vrunde, gebrde 390530 R (Herr v. Kronenburg – Herr v. Falkenstein): vorgenātin – ſyte, bedin (zu bieten), beddī (zu bęten), v’pendin, gew’die (zu gėgenwėrtic),
haldin
Zu den insgesamt 27 Urkunden (26,5 % aller Korpusurkunden des 14. Jh.s) mit erhaltendem /d/ nach *r* gehören die meisten Urkunden Hartrads von Schönecken (15) sowie zwei Stücke, in denen er als Empfänger auftritt: 360210 (Friedrich v. Kronenburg, Herr zu Neuerburg – Hartrad v. Schönecken), 440302 (Herr zu Schönberg – Hartrad v. Schönecken). In einer weiteren Schöneckener Urkunde (500903) ist *rd* nicht belegt. Nur Urkunde 480421 (Hartrad v. Schönecken – Dietrich, gen. „mont“, Trier) hat einmal geburte. Sie unterscheidet sich auch sonst von den Schöneckener Urkunden. Außer bei Hartrad von Schönecken findet sich erhaltenes mfrk. rd auch in weiteren Urkunden, die (wie Schönecken in der Nähe von Prüm) innerhalb des Untersuchungsgebietes eher nördlich zu lokalisieren sind438, daneben aber auch an der unteren Mosel (180214, Ausst. Ritter v. Münstermaifeld) und am Mittelrhein (071226, 140423, beide Herst. Gf. v. Sayn). Hier fallen die beiden Urkunden des Grafen von Sayn mit durchgehend ‹d› für *d* nach *r* besonders auf. Zwei Drittel439 (68) aller Urkunden des 14. Jh.s zeigen ausschließlich ‹t› für *d* nach *r*, meist ‹t› im Präteritalsuffix (außer nach Vokal) sowie vereinzelt für *d* nach *l* außerhalb des Präteritums: 000000.1 (Herst. Trier, Domkapitel): ſante, ſolden – lude, naichtbrande,
rechtvertien, beheẏlteniſſe
010210.1 (Stadt Andernach – Stadt Koblenz): vol furten, zalte, wolde – godis, viende, geburte, halden
438
439
220402 (Ludwig v. Rennenberg – Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg), 250414 (Herst. Dietrich v. Wildenburg), 250629 (Ausst. Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg u. weitere), 390530 R (Herr v. Kronenburg – Herr v. Falkenstein). Die Differenz dieser 68 und der 27 rd-Urkunden zu den 102 Korpusurkunden des 14. Jh.s ergibt sich durch sieben Stücke ohne Belege für *rd*.
168
Auswertung des Quellenkorpus
150120.2 (231011, 240210.2, 250805, 250808, 270405, 290310 (alle Herst. Sponheim-Starkenburg): virſmeden, genantenen, zalte, zelde – bede, landis, garten, gelden
Wie bei den Urkunden mit erhaltenem *rd* sind auch hier in einem Teil der Urkunden (24) bereits ‹t›-Schreibungen für *d* nach Vokal zu finden:
150120.1 (Herst. Gf. v. Sponheim-Starkenburg): vor genanten, zelde – gerete (zu gerǟte), godeſ, hindernuſſe440, gebrte, gelde 180823.1, 181224, 280414, 290927, 431228 (alle Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier): vorgenante, beſigelte, woilde – vaiteren, vettern, goide (zu guet), vnder, geburte, alde 191019 (Herst. Ritter v. St. Wendel): vorgenanten, zalte, wolde – ſtette (zu stǟte)441, guden, lande, geb~te, behaldene
In sieben Ausfertigungen sind sie auf den Sonderfall sīte442 beschränkt:
090000.1 (Herst. Siegfried vom Stein; Eberold u. Marquart v. Laurenburg): clade (zu klagen), branten, horte, zalte, ſulde – ſite, ratlude, núnden, aldir 210612 (Herst. Philipp v. Boppard): zalte, beſigelde – siten, godis, pende, geburte, geldin 280707 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier): vorbenantin, irflte (zu ervüllen), ſolde, wolde – ſẏte, vadir, bindent, vrw’tin, aldiſten
In den Zeiträumen III und IV hat nur eine Urkunde (270920) zwischen Arnold Heschin von Lehmen und dem Deutschen Haus (Deutschorden) in Koblenz eher obd. Verschiebungsstand mit ‹t› in allen Positionen (auch im Anlaut), ‹d› nur nach *n, wo im Obd. Lenisierung gilt (egenantē, zalte – gotes, gebetten, lande, glde). Lediglich in glde ist ‹t› nicht durchgedrungen. Als Folge der nur unregelmäßig eingetretenen Lenisierung vor *l*443 440
441 442 443
Neben hindernuſſe findet sich in derselben Urkunde verhenckniſſe. Auffällig ist die eigentlich obd. (v. a. ostobd.) Suffixvariante -nusse, die im Korpus neben ansonsten mit 98 Belegen herrschendem md. -nisse nur in den Urkunden 3165 des Grafen von Sponheim (zweimal v’hangnuſſe) und 470418 (Herst. Dieter, Abt zu Prüm: gezugnſſe) vorkommt, vgl. Mhd. Gr. III, § S 142 ff. mit weiterer Literatur. Sieh oben Anm. 430. Sieh Anm. 437. Vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 113.
*d*, *dd*
169
wäre eine solche Form im Obd. nicht zu erwarten, aber durchaus möglich. Etwa ein Drittel der übrigen Urkunden aus den Zeiträumen III und IV hat zumindest einzelne ‹t› für *d* nach Vokal. Nach *r* ist ‹t› hier meist völlig durchgedrungen, ebenso nach *n* und *l* im Präteritalsuffix mit Ausnahme von wolte und solte. Wenn man für das Vordringen von ‹t› südlichen Einfluss annimmt, würden wolde und solde gegen ƶalte durch die obd. lenisierten wolde, solde gestützt. Allerdings ist die Lenisierung von obd. /t/ vor /l/ hauptsächlich ostobd. und auch da sind wolte, solte meist häufiger. Es fällt auf, dass ‹t› außer für *d* nach Vokal über das Präteritum eindringt, so dass auch an den Einfluss der Präterito-Präsentien und allgemein der Bindevokallosen gedacht wurde444, die ihr Präteritum lautgesetzlich mit mfrk. t < wgerm. *t bilden. Die Klasse der Bindevokallosen ist im Mfrk. größer als z. B. im Obd. und enthält Hochfrequente wie sahte (zu sagen, daneben auch sagede), lahte (zu lėgen)445 neben den allgemein mhd. dāhte, brāhte, dorfte, mohte u. a. unde:
Die Konjunktion unde erscheint teils wie im Rip. üblich als inde, teils wie im sonstigen Mhd. als unde.446 Neben der Vollform sind e-Apokope447 und weitere Abschwächung bzw. graphische Kürzung (mit und selten auch ohne Kürzungszeichen) häufig: inde:
inde (220402, Ludwig v. Rennenberg – Heinrich v. Waldeck, gen. v.
Rennenberg) ind (000000.2, Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn) int (330526, „Euerholt“ v. Sternberg – Zisterzienserinnenkloster Rosenthal) i (220402, Ludwig v. Rennenberg – Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg)
444 445 446 447
Vgl. Klein (1982: 483, Anm. 62) mit weiterer Literatur. Vgl. Klein (2000a: 28). Vgl. Klein (2000a: 17 f., Anm. 29); Schützeichel (1974: 97–103). Vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 53.
170
Auswertung des Quellenkorpus
in (480731, Herst. Hartrad v. Schönecken)
unde:
vnde (150120.2, Herst. Gf. v. Sponheim-Starkenburg) vnd (240717, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) vnt (001210, Ebf. v. Trier – Stadt Koblenz) v (180214, Ausst. Ritter v. Münstermaifeld) vn (1638, Herst. Gf. v. Leiningen)
Für die Urkunden des 13. Jh.s kann die Verteilung von Vollform und gekürzter Form nicht bestimmt werden, da Nasalstriche im ‚Corpus‘, aus dem die Urkunden der Zeiträume I und II (13. Jh.) stammen, meist kommentarlos aufgelöst sind. Lediglich die apokopierten Belege sind verlässlich. In den Urkunden des 14. Jh.s ist die Abbreviatur bei inde mit nur zwei Belegen (0,3 %) signifikant seltener als bei unde, wo sie etwa ein Drittel aller Belege ausmacht. Die Vollform inde dominiert noch in Zeitraum IV mit gut 80 % vor apokopierten Formen wie ind. Die Vollform vnde ist mit knapp 10 % in Zeitraum IV dagegen nur noch eine Randerscheinung neben apokopiertem vnd mit 55 % und v mit 35 %. Es dürfte mit der schwachen Betonung448 zusammenhängen, dass in den Apokopierungsformen deutlich abweichend vom sonstigen Schreibgebrauch im Auslaut ‹d› mit gut 98 % deutlich überwiegt. In allir (zu alt, 011220.2, Stadt Koblenz – Stadt Boppard) und wanne (zu wande, 090000.1, Herst. Siegfried vom Stein; Eberold u. Marquart v. Laurenburg) scheint mfrk. d < wgerm. *d an den vorausgehenden Resonanten assimiliert zu sein.
4.1.15 *þ*, *þþ* *þþ*: ‹tt› *þ* anlautend: ‹d›, ‹th› *þ* inlautend vor Vokal: ‹d›, ‹t›, ‹dd›, ‹th›, ‹tt›
448
Vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 53.
*þ*, *þþ*
171
*þ* inlautend vor Konsonant und auslautend: ‹t›, ‹d›, ‹th› *þw*: ‹tw› *þþ*:
Nur in ſpotte (3502, Herst. Gf. v. Sponheim) ist *þþ* wie zu erwarten als ‹tt› realisiert. In mhd. ęteslich / ętteslich ist die Geminate unabhängig von der Silbenstruktur überall gekürzt449:
etlichme (001210, Ebf. v. Trier – Stadt Koblenz) eitlich (dreimal in 180823.1, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) eithelich (240912, Herst. Sponheim-Starkenburg) etzelicher (280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier)
*þ*:
*þ* ist vor allem durch die hochfrequenten dęr (bestimmter Art. und Dem.- / Rel.-Pron.) und daȥ (Konjunktion) vertreten, die zusammen gut 60 % (8 668 Belege) ausmachen. hundert (281), brueder (237), kunt(-) (162) und einige weitere sind ebenfalls häufig. Im Anlaut herrscht ‹d› beinahe zu 100 % (der, driſich, 150120.2, Herst. Gf. v. Sponheim-Starkenburg). Nur vier von über 10 000 Belegen weichen mit ‹th› ab. Es handelt sich um das Adjektiv dǖtisch in zwei Urkunden des Deutschen Hauses (Deutschorden) in Koblenz. In anderen Urkunden mit Beteiligung des Deutschen Hauses steht aber durchaus ‹d›:
‹th›: thuſchen (dreimal in 270920, Arnold Heschin v. Lehmen – Deutsches Haus in Koblenz), Thuſch– (290121.1, Gemeinde von Ochtendung – Deutsches Haus in Koblenz) ‹d›: dutzſchen (230913, Eberhard v. Kobern u. weitere – Deutsches Haus in Koblenz), duzin (290121.2, Gemeinde von Ochtendung – Deutsches Haus in Koblenz)
Im Inlaut vor Vokal ist ‹d› wieder die Regel (99,4 %); ‹t› (0,3 %) steht zweimal bei Hartrad von Schönecken nach *n*. In allen anderen Fällen ist Schwa zwischen einem Konsonanten und d < wgerm. *þ ausgefallen: ‹d›: hundert, dode (140423, Herst. Gf. v. Sayn)
449
Vgl. Ahd. Gr. I, § 167, Anm. 10; Paul, Mhd. Gr., § L 68, Anm. 2 u. § M 55, Anm. 2.
172
Auswertung des Quellenkorpus
‹t›: kntelichin (430814 und 500903, beide Herst. Hartrad von Schönecken) mit Synkope: gelobte (zu gelübede, 181224, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier), gemechte (zu gemėchede, 140310, Gf. v. Veldenz – Gf. v. Sponheim-Starkenburg), ſuchte (zu sǖchede, 010210.1, Stadt Andernach – Stadt Koblenz)
Interessant sind die Fälle von ‹dd› (7 Belege) und ‹tt› (1), die auf wider(-) und (-)rėden beschränkt sind, wie widd’ (2), wẏdder und widder in Urkunde 290508 (Gf. v. Virneburg – Dietrich Meinfelder, Kanoniker in Münstermaifeld). Nicht hierher gehört wahrscheinlich widdirſprache in Urkunde 480731 (Herst. Hartrad v. Schönecken), wo das zweite ‹d› nach Worttrennung zu Beginn der neuen Zeile steht. In der ältesten Urkunde des Korpus (0009, Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.) steht dreimal gereddet450, das sich mit verrettet in Urkunde 0904 (Wirich v. Daun – Wilhelm Bozzel v. Stein) vergleichen lässt. In allen vier Fällen liegt ein Part. Prät. vor – eine Herleitung wie in gerett (*UNürnb) mit Synkope aus gerėdet scheidet aber aus. Ein weiterer vergleichbarer Fall findet sich in der Vergleichsurkunde *0062 (1262) eines namentlich nicht bekannten Kölner Stadtschreibers 451 : reddelige zu rėdelich. Das Substantiv mhd. rėde, ahd. rėda / rėdia < wgerm. *raþjōn452, von dem das Verb abgeleitet ist, zeigt trotz wgerm. *j im Ahd. nie wgerm. Konsonantendehnung, sondern stattdessen länger (noch bei Otfrid) erhaltenes /j/.453 Bei eingetretener Gemination zu wgerm. *þþ wäre allerdings eher tt < dd zu erwarten.454 Im Auslaut wird zu 96,7 % ‹t› geschrieben. ‹d› erscheint hier zu knapp drei Prozent. Wenn d < wgerm. *þ inlautend durch Synkope sekundär vor Liquida steht, herrscht ausschließlich ‹d›. ‹th› ist nur dreimal im absoluten Auslaut belegt: ‹t›: doitſlach, kunt (N 282, Ausst. Herr v. Waldeck; Brüder v. Schöneck)
450 451 452 453 454
Das ist umso auffälliger, als diese Urkunde Doppelgraphien ansonsten nur für anzunehmende Geminaten kennt. Vgl. Gärtner / Holtus / Rapp / Völker (1997: 84.). Vgl. Kluge / Seebold, EWB, s. v. Rede. Vgl. Wilmanns, Dt. Gr. I, § 129, Anm. 2; Afrk. Gr., § 55,2; Ahd. Gr. I, § 118, Anm. 4. Vgl. Ahd. Gr. I, § 167, Anm. 10.
*þ*, *þþ*
173
‹d›: ſholdheizen (3374, Herst. Herren v. Schöneck, Waldeck, Elz), nid (000000.2, Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn) mit Synkope: andren (100301, Johann Sulz – Zisterzienserinnenkloster Rosenthal, Binningen), Edler (220118, Luxemburger Rittergericht) ‹th›: eith (3374, Herst. Herren v. Schöneck, Waldeck, Elz), nith (3502, Herst. Gf. v. Sponheim), warth (240624, Henneman Hurnich – Kloster Fraulautern)
Bei enklitisch angeschlossenem dęr schwindet der Anlaut d(ę)-. Knapp die Hälfte aller Fälle steht nach von, je ein knappes Fünftel nach in und ƶe / ƶue:
vanme (051213, Johann, Herr v. Braunshorn – Vögte v. Senheim) vamme (0566, Schr. Lambert v. Asbach) inme (400808, Herst. Hartrad v. Schönecken) zum (291029a, Gottfried II. v. Sayn, Ritter; Engelbert I. v. Sayn – Baldu-
in v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) zer (N 223), zen (0624, beide Schr. Lambert v. Asbach)
Besonders häufig ist enklitisches dęr bei Lambert von Asbach. Fast die Hälfte aller Belege stammt aus seinen Urkunden. Der Fortsetzer von *þ* verbindet sich außerdem im Stammauslaut schwacher Verben mit dem Dental der Präteritalendung (z. T. erst durch mhd. Synkope) und wird schließlich vereinfacht: hulde (aus mhd. huldete, 0054) gegen gehuldet (0196, beide Schr. NN I, ehem. Gf.in v. Sayn). In gereit (zu rėden, 280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) ist ėde > ėi kontrahiert.455 In der 3. Sg. Ind. Präs. starker Verben schwindet stammauslautendes *þ* nach Synkope in węrden meist, in vinden selten456:
wirt, wirdit (beide 2787, Herst. Gf. v. Katzenelnbogen) vijnt (490418), vindit (480731, beide Herst. Hartrad v. Schönecken)
In bidėrbe schwindet *þ* regelmäßig, u. a. berue (051213, Johann, Herr v. Braunshorn – Vögte v. Senheim), birben (090000.1, Herst. Siegfried vom Stein; Eberold u. Marquart v. Laurenburg) gegen einmal bidermanne (N 282, Ausst. Herr v. Waldeck; Brüder v. Schöneck). Schwund des mittle455 456
Vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 79, Anm. 1; § M 91, Anm. 5. Vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 53,4; § M 70.
174
Auswertung des Quellenkorpus
ren Konsonanten in Dreierfolgen findet sich vereinzelt in kuntlich und in Verbindung mit partieller Assimilation stets in waltbote, vgl. oben S. 98:
knlich gegen kntlich (beide in 090000.1, Herst. Siegfried vom Stein; Eberold u. Marquart v. Laurenburg) walpodo (100301, Johann Sulz – Zisterzienserinnenkloster Rosenthal, Binningen)
*þw*
Die Phonemfolge *þw* ist im Korpus nur in (-)twingen und unbetwungen belegt. Die sechs Belege haben durchgehend ‹tw›:
vmbetvungin (0073, Wlp. Ludwig v.d. Neuerburg – ehem. Gf.in v. Sayn) tuingen (0904, Wirich v. Daun – Wilhelm Bozzel v. Stein) betwingen (zweimal in 181224, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier)
vmbetwungen (230131, Schöffen zu Koblenz – Wetzel, der Bäcker v.
Koblenz)
vmbetvigin (230915, Syvert v. Alzey – Bürger v. Koblenz)
4.1.16 *s*, *ss*, *sk* *ss*: ‹ſſ›457, ‹ſz›, ‹ſ›, ‹s› *s* anlautend: ‹ſ›, ‹s›, ‹z›, ‹ſh›, ‹sſ›, ‹ſſ›, ‹ſz›, ‹ſc›, ‹ſch› *s* inlautend vor Vokal: ‹ſ›, ‹ſſ›, ‹s›, ‹z›, ‹ſs› *s* inlautend vor Konsonant: ‹ſ›, ‹ſſ›, ‹s›, ‹ſz›, ‹z› *s* auslautend: ‹s›, ‹ſ›, ‹z›, ‹ſſ›, ‹tz›, ‹zs› *sk*: ‹ſch›, ‹ſc›, ‹ſſch›, ‹sch›, ‹ſ›, ‹ſh›, ‹ſz›, ‹z›, ‹ſſ›, ‹sc›, ‹ch›, ‹ſſh›, ‹ſchg›, ‹ſzch›, ‹ſzh›, ‹chſ›, ‹chſz›, ‹zſch›, ‹zz›
457
Die beiden s-Formen werden hier unterschieden, um ihre Verteilung darstellen zu können, vgl. auch Tabelle 4.5: Verteilung der Graphien ‹ſ› und ‹s› für *s*.
*s*, *ss*, *sk*
175
*ss*:
*ss* ist vor allem in dem Suffix -nisse vertreten, dem 74,2 % (95) aller Belege zuzuordnen sind, v. a. behaltnisse (17), gehancnisse (13), gevancnisse (10). Ansonsten finden sich nur das Präfix misse-458 (18) wie in missehęl (Mask.) und missegrif (Mask.) sowie die entlehnten (-)męsse / (-)misse459 (9), ėppetisse (4) und prīorisse (1). Bei den Schreibungen dominiert ‹ſſ› deutlich. Einfaches ‹ſ› oder ‹s› ist nur je einmal nach e-Ausfall belegt.460 Außer einmaligem ‹ſz› kommt intervokalisch sonst nur ‹ſſ› vor: ‹ſſ›: vr miſſe (230131, Schöffen zu Koblenz – Wetzel, der Bäcker v. Koblenz) ‹ſz›: gehencniſze (290711, Heinrich v. Sponheim-Starkenburg u. weitere – Loretta, Gräfin v. Sponheim-Starkenburg) ‹ſ›: miſgrif (480731, Herst. Hartrad v. Schönecken) ‹s›: gehenkēnis (240210.2, Herst. Sponheim-Starkenburg)
*s*:
Mit über 1 400 Belegen (9,5 %) ist (-)sō am häufigsten. Auf über 5 % aller Belege kommen noch unser (8,1 %), soln (7,6 %), sīn (Verb, 7,2 %) und dise (5,7 %). Außerhalb der Funktionswörter ist (-)sigel am häufigsten mit 2,6 % aller Belege. Im Anlaut dominiert erwartungsgemäß ‹ſ› mit 87,8 % vor ‹s› mit weiteren 11,9 %, so dass die übrigen sieben Graphien alle unter einem halben Prozent liegen. ‹z› erscheint allein neunmal in Urkunde 240624 neben neun ‹s› und sieben ‹ſ›, die meist vor /t/ und /p/ stehen: ‹z›: Jnzigel, erzāme, zelen, zo was ‹s›: si, so was, sich
458 459
460
Zu den substantivischen misse-Ableitungen vgl. Mhd. Gr. III, § S 21 ff. Im Korpus ist ausschließlich die Nebenform misse < spätlat. missa mit ausgebliebener Senkung (nwgerm. a-Umlaut) belegt, vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 8, § L 32; Kluge / Seebold, EWB, s. v. Messe1. In Urkunde 000000.2 (Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn) steht dagegen auch auslautend nach Apokope ‹ſſ›: gebrchniſſ, v’tzijchniſſ. Zum Gebrauch von Doppelgraphien in dieser Urkunde s. oben Anm. 293.
176
Auswertung des Quellenkorpus
‹ſ›: beſtedie, vorgeſprochen, Jnſigel (alle aus Urkunde 240624, Henneman Hurnich – Kloster Fraulautern)
Außerhalb dieser Urkunde ist ‹z› selten (z. B. in 421017, Herst. Hartrad v. Schönecken: zweimal zaghe zu sache). ‹sſ› und ‹ſſ› kommen nur zweimal im indirekten Anlaut in Urkunde 261110 (Rat der Stadt Koblenz – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier, u. weitere) vor: geheymſſucht, heymsſuchen. Die Graphien ‹ſh› und ‹ſc›, die ansonsten zur Wiedergabe von *sk* genutzt werden, stehen je einmal für *s* vor *l* und *w*: ſclechten (421017, Herst. Hartrad v. Schönecken)461, geſhworin (3374, Herst. Herren v. Schöneck, Waldeck, Elz) neben ſhachen in derselben Urkunde (3374), in der für *s* auch vor *w*, *p* und *t* sonst in allen Positionen ‹ſ›, für *sk* ‹ſh› gilt (ſachin, ſwertin, ſprachin, ſtizzen, iſt, duſe, huſ – geſhach).462 ‹ſh› und ‹ſch› begegnen noch in zwei Urkunden, in denen diese Graphien aber stets hinter dominierendem ‹ſ› oder ‹s› zurückbleiben: 140310 (Gf. v. Veldenz – Gf. v. Sponheim-Starkenburg): ſheẏzin (sėƶƶen), ſhne (zu sun), ſhinen (insgesamt 7 Belege) gegen ſn, ſin 240210.1 (Heinrich v. Sponheim-Starkenburg – Gf. v. SponheimStarkenburg): geſcheint (zu gesęhen) gegen ſint (zu sīn)
Die Verteilung von ‹ſ› und ‹s› im Anlaut ergibt kein klares Bild. Insgesamt dominiert ‹ſ› mit 88,1 % deutlich. In den meisten Urkunden stehen beide Schreibungen aber nebeneinander. In den ersten beiden Zeiträumen (13. Jh.) ist ‹s› mit 1,9 bzw. 4,9 % deutlich seltener als in Zeitraum III mit 21,1 und Zeitraum IV mit 17,8 %. In den Urkunden der Grafen von SponheimStarkenburg und der mittelrheinischen Städtebündnisse liegt der ‹s›Anteil mit knapp 35 und 38 % über dem allgemeinen wie dem zeitraumbezogenen Durchschnitt. Der Folgelaut hat augenscheinlich keine Aus-
461
462
Zum Aufkommen ähnlicher Schreibungen im Alem. des 13. Jh.s und zu vereinzelten ‹sc› /für ‹sk› *s* vor /l/ bereits im Ahd. vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 121,4; Ahd. Gr. I, § 169, Anm. 3. Zum vermuteten Lautwert der Fortsetzer von *s* und *sk* vgl. unten Abschnitt 4.2.3.
*s*, *ss*, *sk*
177
wirkung: Vor Vokal ist ‹s› nur unwesentlich häufiger als vor Konsonant.463 Inlautend vor Vokal ist wiederum ‹ſ› (leſin, hiſes, beide 250805, Herst. Sponheim-Starkenburg) häufigste Graphie mit 97,8 % vor ‹ſſ› (1,3 %) und den Schreibungen ‹s›, ‹z› und ‹ſs›, die alle unter einem Prozent liegen. ‹z› erscheint wie schon im Anlaut hauptsächlich in Urkunde 240624, daneben zweimal in 0904 und sonst nur ganz vereinzelt:
240624 (Henneman Hurnich – Kloster Fraulautern): lezen, vnzer, Almzen (7 Belege) neben vnſes, Dſenth 0904 (Wirich v. Daun – Wilhelm Bozzel v. Stein): diezen, lezen neben deeſen, vnſe
Die Belege für ‹ſſ› sind auf einzelne Urkunden und bestimmte Lexeme beschränkt. Am häufigsten (21 Belege) sind Formen des Dem.-Pron. dise betroffen:
diſſe (Akk. Sg. fem., Akk. Pl.), diſſem (Dat. Sg. mask.), diſſen (Akk. Sg. mask., Dat. Pl.), diſſer (Dat. Sg. fem.; alle 000000.2 (Engelbert v. Sayn –
Gf. v. Sayn, insgesamt 10 Belege) diſſim, diſſin, diſſer (400808, Herst. Hartrad v. Schönecken)
Es handelt sich in keinem Fall um den Gen. Sg. mask. / neutr., wo durch Kombination von Binnenflexion und antretender Partikel se ein langer Konsonant entstehen konnte464; es muss also bereits analogische Ausweitung eingetreten sein. Bei Hartrad von Schönecken, der bei dise neben ‹ſſ› insgesamt häufiger einfaches ‹ſ› hat, finden sich noch vnſſe, vnſſin, leyſſin (430501, Herst. Hartrad v. Schönecken)465 sowie u. a. in Urkunde 270312 (Herst. Sponheim-Starkenburg) erloiſſe und Truweloiſſe. Interessant ist noch die Motionsbildung gernodirſſin (dreimal in 040000, Herst. Herr v.
463
464
465
Folgt man Mihms (2004a: 149, Anm. 49) Annahme, ‹s› stehe für Fortis, ‹ſ› für Lenis, müsste umgekehrt ‹s› vor /p/ und /t/ (9,8 %) deutlich häufiger sein als vor Vokal (13,2 % ohne das frequente sō). Zu den Formen mit lautgesetzlichem /sː/ vgl. Ahd. Gr. I, § 288, Anm. 3 d; Paul, Mhd. Gr., § M 46, Anm. 4; zur Übertragung auf andere Kasus außerdem Gr. d. Frnhd. VII, § 27, Anm. 7 und de Boor (1976b: 12). In derselben Urkunde ist ‹ſſ› noch in clays deme man ſpricht rodehoyſſe vā wijch belegt. Der Beiname rodehoyſſe lässt sich wohl in normalisiertes rōte hose auflösen.
178
Auswertung des Quellenkorpus
Braunshorn und Blankenrath) zum Personennamen Gērnōt.466 Einfaches ‹s› statt ‹ſ› ist im Korpus mit 12 Belegen selten. Dreimal vns’ gegen 70 vnſhat Urkunde 280707 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier), ähnlich Urkunde 420705 (Lucie v. Schönecken – Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) mit vns’, vnser, diesem gegen vnſer, vnſ’n, dieſem. Im Inlaut vor Konsonant ist die Verteilung der Graphien ähnlich wie vor Vokal. ‹ſ› dominiert mit 99,1 % (1 127 Belege) aber noch deutlicher vor ‹ſſ› (4), ‹s› (2), ‹ſz› (2) und ‹z› (1). ‹ſſ› ist hier ganz auf Urkunde 000000.2 (Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn) beschränkt: bewijſſt, loiſſten, raſſten, veſſte. ‹s›, ‹ſz› und ‹z› kommen in späteren Urkunden des Korpus vor, u. a. bewẏſzt, bewizt (370909, Friedrich v. Kellenbach – Hartrad v. Schönecken), argelist (430410, Herst. Hartrad v. Schönecken). Im Auslaut (auch im indirekten Auslaut) konkurrieren ‹s› und ‹ſ› mit knapp 65 und etwa 30 %. Von den übrigen Varianten ist nur ‹z› mit 114 (3,6 %) Belegen häufiger. Alle 27 ‹ſſ›-Belege stammen wiederum aus Urkunde 000000.2 (Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn): loſſ, boiſſheit, vnſſ. ‹z› ist besonders häufig im Gen. Sg. maskuliner und neutraler Substantive (Gotez, huſez, 1527, Herst. Gf. v. Veldenz) sowie im Gen. Sg. mask. / neutr. von Adjektiven, Pronomina und dem bestimmten Artikel (Ltigez, 1527; dez, alliz, 001210, Ebf. v. Trier – Stadt Koblenz). Dort, wo im Nom. / Akk. Sg. mask. / neutr. der pronominalen und stark-pronominalen Adjektivflexion verschobene Formen wie daȥ statt dat und die Endung -eȥ statt -et vorkommen (z. B. beim Grafen von Veldenz), konnte wechselseitiger Ausgleich mit ‹z› im Genitiv und ‹ſ› im Nom. / Akk. stattfinden, vgl. diſ (Akk. Sg. neutr.), eſ (Nom. Sg. neutr.; beide 0986, Herst. Gf. v. Veldenz). ‹z› im Genitiv ist aber bedeutend seltener als der umgekehrte Ausgleich.467 Einige Belege wie manleenz, manleentz (beide 000000.2, Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn) oder kornz (430501, Herst. Hartrad v. Schönecken) zeigen Synkope des /ə/ in der Endung und lassen sich mit Fällen wie mitz (zu mittes, 430501) und gotz (280707, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier) (s. oben S. 157) vergleichen. Insgesamt stammen 62,3 % aller ‹z›Belege aus dem Gen. Sg. Weitere knapp 24 % entfallen auf als < alse bzw.
466 467
Zum Suffix -sen vgl. Mhd. Gr. III, § S 183 ff. Zum lautlichen Hintergrund vgl. 4.2.3.
*s*, *ss*, *sk*
179
typisch mfrk. as468: alz (220118, Luxemburger Rittergericht), az (490111, Herst. Hartrad v. Schönecken). Ansonsten findet sich ‹z› nur vereinzelt wie in eirloz und truweloz (250629, Ausst. Heinrich v. Waldeck, gen. v. Rennenberg u. weitere) oder waz (je einmal 1., 3. Sg. Ind. Prät. zu węsen, 270922, Herst. Abt v. Tholey), auch im indirekten Auslaut: dreimal hzfrauwen (370909, Friedrich v. Kellenbach – Hartrad v. Schönecken), ſaterzdage (490111, Herst. Hartrad v. Schönecken). Im indirekten Auslaut ist die Konkurrenz zwischen ‹s› und ‹ſ› mit gut 85 % deutlich zugunsten von ‹ſ› entschieden. Es zeigt sich, dass ‹s› und ‹ſ› keiner lautlichen, sondern einer rein graphischen Verteilung unterliegen.469 Wenn man die drei Belege mit Getrenntschreibung in „uneigentlichen“ Komposita abzieht, verbleibt ein ‹s›-Anteil von nur noch 10 %.
lenis erbin, lenis eruin (beide 290310, Herst. Sponheim-Starkenburg) houes lúdin (330526, „Euerholt“ v. Sternberg – Zisterzienserinnenklos-
ter Rosenthal)
Im absoluten Auslaut dominiert ‹s› mit knapp 70 % weniger stark als ‹ſ› im indirekten Auslaut. Während die Zahlenverhältnisse dort relativ konstant bleiben, lässt sich im absoluten Auslaut eine deutliche Entwicklung erkennen: Der ‹s›-Anteil steigt von knapp 13 % (von 158 Belegen) in Zeitraum I über bereits 42,3 % (1 090) in Zeitraum II bis auf 85,8 (850) in Zeitraum III bzw. 97,7 % (858) in Zeitraum IV. Im Einzelnen haben im 13. Jh. die Urkunden der Schreiber NN I und Lambert470, des Grafen von Veldenz sowie mehrere Einzelstücke wie 0073, 2787 und 3374 ausschließlich oder weit überwiegend ‹ſ›, während die Urkunden 0146, 0264 und andere schon mehrheitlich oder ausschließlich ‹s› schreiben:
468 469 470
Vgl. Paul, Mhd. Gr., § E 40,7 und § L 93. Anders Mihm (2004a), s. dazu auch weiter oben Anm. 463. Lambert schreibt zu etwa einem Fünftel ‹s›. Allerdings stammen 103 der 107 ‹s›-Belege aus den Urkunden 0255, 0602 und 0623, die Urkunde *0079 des Kölner Stadtschreibers Gottfried Hagen inhaltlich wiedergeben (vgl. oben S. 25). In dieser Kölner Urkunde herrscht ‹s› zu 100 %. Ähnlich kommt Urkunde 0255, die am stärksten von *0079 abhängt, auf 98,9 % ‹s›. Die restlichen Urkunden Lamberts (ohne 0255, 0602, 0623) haben dagegen zu 98,2 % ‹ſ›.
180
Auswertung des Quellenkorpus
‹ſ›: Schr. NN I (ehem. Gf.in v. Sayn): dinſdageſ, vnſ, waſ – was Schr. Lambert v. Asbach: bichterſ, deſ, alderſ – des, aldirs Herst. Gf. von Veldenz: ingeſigeleſ, únſ – silbers 0073 (Wlp. Ludwig v. d. Neuerburg – ehem. Gf.in v. Sayn): dagiſ, waſ,
deſ
2787 (Herst. Gf. v. Katzenelnbogen): anderſ, Silberſ – hſes 3374 (Herst. Herren v. Schöneck, Waldeck, Elz): kningiſ, wiuiſ ‹s›: 0146 (Herst. Herren v. Rennenberg): des, is, trwelois – iſ 0264 (Jutta v. Bedburg, Friedrich v. Reifferscheid – ehem. Gf.in v. Sayn): godes, was, is
Im 14. Jh. gilt in den meisten Urkunden alleine ‹s› im absoluten Auslaut (z. B. nur fünf ‹ſ› in allen Urkunden mit Beteiligung Balduins von Luxemburg gegen 365 ‹s›), während die Urkunden des Grafen von SponheimStarkenburg – nicht aber die späteren Stücke der Sponheim-Starkenburger nach Graf Johanns II. Tod – noch überwiegend (knapp drei Viertel: landeſ, houweſ, deſ – dagis, des) oder wie die mittelrheinischen Städtebündnisse (v. a. zwischen Boppard und Koblenz) noch einige (knapp 10 %) ‹ſ› haben: alſ, deſ – als, des, godis. *sk*:
Bei *sk* dominieren die Belege zu den entlehnten (-)schrīben471 (21,3 %) und (-)bischof (11,7 %) vor (-)schęhen (8,2 %) und schuldic (7,2 %). Die Graphien für *sk* sind weitaus vielfältiger als für *s*, was daran liegen dürfte, dass im lat. Alphabet kein passendes Zeichen für den neu entstandenen Schibilanten vorhanden war. Die häufigste Graphie ‹ſch› gilt nur zu etwa zwei Drittel vor ‹ſc› (8,7 %), ‹ſſch› (7,3 %), ‹sch› (6,2 %), ‹ſ› (4,4 %), ‹ſh› (1,8 %) und ‹ſz› (1,2 %). ‹ſch› begegnet in allen Positionen: ſcholt, geſchach, tuſchen, kolſchir (U 07 u. 0255, Schr. Lambert v. Asbach). Sekundär vor Konsonant ist *sk* generell, im absoluten Auslaut zumindest im Korpus
471
Zu lat. scrībere, vgl. Kluge / Seebold, EWB, s. v. schreiben. Für die starke Stammbildung wie für den Lautwechsel f – b in schrift zu schrīben muss wohl Analogie angenommen werden (Paul, Mhd. Gr., § L 66).
*s*, *ss*, *sk*
181
selten.472 Mit ‹ſch› finden sich hier Biſchtme (0985, Herst. Gf. v. Veldenz), Roẏmſch (000000.2, Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn) und welſch (290927, Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier). ‹ſſch› erscheint nur intervokalisch473 und im Korpus besonders oft in (-)bischof wie alleine 85-mal bei Lambert von Asbach, selten bei Balduin von Luxemburg, der weitaus häufiger ‹ſch› hat:
intuſſchint, viſſcherien (390530 R, Herr v. Kronenburg – Herr v. Falken-
stein)
ercebiſſchoue, fünfmal ercebiſſchof (0009, Ebf. Trier – Ebf. Köln u. a.) biſſchof, Coirbiſſchoffeſ, Erzenbiſſchofve neben tſſchen (verschiede-
ne Urkunden, Schr. Lambert von Asbach) Ertzebiſſchoffe (280414), Ertzebiſſchof, romiſſchen, zwuſſchen (431228, beide Herst. Balduin von Luxemburg) ‹sch›: scheffene, schuldich (090000.1, Herst. Siegfried vom Stein; Eberold u. Marquart v. Laurenburg)
‹sch› steht überwiegend (zu 85,7 %) im absoluten Anlaut und hier auffällig häufig in schėffene (knapp 80 % aller Belege für schėffene). Ein Teil der Urkunden, die überhaupt Belege für *sk* im absoluten Anlaut haben, verwendet ‹sch› oder ‹sc› im Anlaut, ‹ſch› sonst:
Mittelrheinische Städtebündnisse (010210.1 / 2; 011220.1 / 2): insgesamt 14 ‹sch›, 4 ‹sc›, 2 ‹ſch› im Anlaut – 25 ‹ſch›, 2 ‹sch› sonst (scheffenen, scholteizen – kuntſchaf, geſchaffin) 090000.1 (Herst. Siegfried vom Stein; Eberold u. Marquart v. Laurenburg): 14 ‹sch› im Anlaut – 18 ‹ſch› sonst (scheffenen, schuldich – beſchit zu beschęhen, viſcherie) 210612 (Herst. Philipp v. Boppard): 10 ‹sch› im Anlaut, 7 ‹ſch› sonst (schaden, scheffenen – heiſchen, geſchriben)
472 473
Endungslose -isch-Adjektive kommen wie Adjektive überhaupt in anderen Textsorten häufiger vor. So ist auch der Befund in der Frnhd. Gr., § L 54,2.
182
Auswertung des Quellenkorpus
Andere wie Lambert, Balduin von Luxemburg oder Hartrad von Schönecken haben nur wenige ‹sch› statt ‹ſch›, diese allerdings stets im absoluten Anlaut: 0623 (Schr. Lambert v. Asbach): Scheffene, wieder schrifft 280707 (Herst. Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier): schedelichen,
schuldich
491010 (Ausst. Hartrad v. Schönecken) schuldich, schaden, schalkeyt
Wie schon die unterschiedliche Verwendung von ‹ſ› und ‹s› keinen Lautunterschied wiederzugeben scheint, hat auch die Vermeidung von ‹sch› im Wortin- oder Auslaut grafische Gründe. Dazu passt, dass ‹sch› in wieder schrifft (0623) verwendet werden konnte, wo das Hinterglied getrennt in Kontaktstellung erscheint.
4.2 Graphien Die Graphien für die Resonanten *r*, *rr*, *l* und *ll* sind regelmäßig ‹r›, ‹rr›, ‹l› und ‹ll› und damit in ihrem Lautwert als kurze und lange Liquide recht eindeutig, wenn man die weitgehende Geltung der lateinischen Lautzuordnungsregeln in den mittelalterlichen Schreibsprachen annimmt.474 Überschneidungen ergeben sich nur ganz vereinzelt zwischen Kürze und Länge. Das er-Kürzel steht in knapp 95 % der Fälle für eine Folge von Vokal + /r/ (hund’t, w’den, gienw’dichin, alle 000000.2, Engelbert v. Sayn – Gf. v. Sayn), selten aber auch für /r/ + Vokal wie v. a. in grǟve und grǟvinne (g’uinnē, g’ue, 000000.2), seltener sonst (ſp’chen, 201125.2, Ritter v. Lewenstein u. Ritter v. Randeck – Johann der Blinde, Kg. v. Böhmen, Gf. v. Luxemburg). Auch bei den nasalen Resonanten gibt es kaum Überschneidungen. Lediglich der Nasalstrich kann sowohl für /n/ bzw. Vokal + /n/ als auch für /m/ stehen. Mit knapp 95 % ist der Nasalstrich am häufigsten für /n/ belegt. Da die Graphien für /w/ und /j/
474
Vgl. dazu besonders Elmentaler (2003: 19–22) mit weiterer Literatur und oben Abschnitt 3.
Graphien für Labiale
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durchaus Überschneidungen mit anderen Konsonanten zeigen, werden sie unter 4.2.1 bzw. 4.2.2 mit behandelt.
4.2.1 Graphien für Labiale Tabelle 4.2 zeigt eine Übersicht über alle Graphien, die mindestens zweimal belegt sind. Die Prozente beziehen sich dagegen auf die Gesamtmenge aller Belege (= ges.). ‹p› ist Leitgraphie für *p* im Anlaut (pande, 191019, Herst. Ritter v. St. Wendel) und nach Obstruent (ſprechen, 010210.2, Stadt Koblenz – Stadt Andernach) sowie weniger deutlich für *ƀ* nach Nasal außerhalb des Silbenanlauts (Dumpheit, 011220.1, Stadt Boppard – Stadt Koblenz; amptman, 0255, Schr. Lambert v. Asbach). In allen drei Positionen kann als Lautwert ein bilabialer Fortisplosiv angenommen werden.475 Auch in den anderen Positionen, in denen ‹p› – wenn auch viel seltener – begegnet, wird aus phonotaktischen Gründen ein bilabialer Fortisplosiv gegolten haben, z. B. in Walpoden (zu waltbote, U 06, Herr v. Ütgenbach – Nachkommen). Nach Liquid ist *p* in den Urkunden Lamberts von Asbach wie auch vereinzelt in anderen Ausfertigungen, die meist im Norden des Untersuchungsgebietes zu lokalisieren sind (s. 4.1.7), unverschoben geblieben (dorp, 0146, Herst. Herren v. Rennenberg).
475
Vgl. Paul, Mhd. Gr., § L 96; Klappenbach (1944: 355 f.). Die Termini „Fortis“ / „Lenis“ werden meist mit „Schärfe“, „Intensität“ oder „Gespanntheit“ (Goblirsch 2005: 30) in Verbindung gebracht. Phonetisch lassen sie sich schwerer fassen als Stimmhaftigkeit, Aspiration und Dauer (Konsonantenlänge), als deren Folgeerscheinungen sie meist auftreten (vgl. Goblirsch 2005: 30 f.). Sie werden hier dennoch als Bezeichnung für zwei Konsonantenreihen verwendet, ohne sie phonetisch genau zu bestimmen. Bei den Fortes bliebe das Merkmal der Aspiration offen, bei den Lenes das der Stimmhaftigkeit, vgl. Braun (1988: 101): „In dieser allgemeinen Bedeutung wären die Begriffe auch in der historischen Sprachwissenschaft durchaus angebracht, da bei der lautlichen Rekonstruktion über den genauen phonetischen Gehalt der einzelnen Phoneme ohnehin nur spekuliert werden kann. Die phonetische Vagheit der Termini ist in diesen Fällen intendiert und auch angemessen.“
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Auswertung des Quellenkorpus
Tabelle 4.2: Graphien für Labiale Position
‹p›
*p*
nach Obstruent
*ƀ*
silbenin- u. auslautend nach Nasal
397 100%
*bb*
vor Konsonant u. im Auslaut
*bb*
zwischen Vokalen
*p*
nach Liquid
*p*
ausl. nach Vok., inl. vor Kons. u. nach Langvok. oder Diphthong
*p*
*p* *f* *ƀ* *ƀ*
anlautend
19 4%
‹pf› 3 1%
‹fph› 1 < 1%
vor Konsonant u. im Auslaut (außer vor Nasal) anlautend
*ƀ*
inlautend vor Vokal (außer nach Nasal) anlautend
3 33%
9 7%
10 77%
27 21%
91 69% 191 93% 2 1%
3