Kulte im kaiserzeitlichen Sparta: Eine Rekonstruktion anhand der Priesterämter [2015 ed.] 9783050078779, 9783050035482

den Kulten des kaiserzeitlichen Sparta hat sich die religionsgeschichtliche und althistorische Forschung bislang kaum zu

212 126 16MB

German Pages 245 [248] Year 2000

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Abkürzungen
1.EINFÜHRUNG
1.1.Zur Forschungsgeschichte
1.2.Ziel und Methode; Priesterämter als Indikatoren der Kultaktivität
2.PRIESTERÄMTER, DIE VON FRAUEN BESETZT WURDEN
Liste A: Priesterinnen
2.1.Kultämter im Eleusinion: Demeter und Kore
2.1.1.Das Heiligtum
2.1.2.Die Kultämter
2.1.3.Kultische Funktionsbereiche und Aktionsräume im Eleusinion
2.2.Ämter beim Hyakinthienagon: archeis und theoros
2.3.Ein Beispiel individueller Häufung: die Priesterämter der Pomponia Kallistonike
2.3.1.Artemis Orthia
2.3.2.Moirai Lacheseis
2.3.3.Aphrodite Enhoplios
2.3.4.Asklepios Schoinatas in Helos (Artemis Patriotis und Dioskuren 3.1., 3.3.)
2.3.5.Zusammenfassung
2.4.Mädchenkollegien
2.4.1.Leukippiden, und ein Priester der Tindariden und Leukippiden
2.4.2.Dionysiaden, und ein Dionysospriester
2.4.3.(Karyatiden)
2.4.4.Zusammenfassung
3.PRIESTERÄMTER, DIE VON FRAUEN UND MÄNNERN BESETZT WERDEN KONNTEN
3.1.Dioskurenpriesterämter
Liste D: Dioskurenpriester
3.1.1.Die Heiligtümer und Gedenkstätten
3.1.2.Die Priesterämter
3.1.3.Dioskurenkult im kaiserzeitlichen Sparta
3.2.Ein Beispiel individueller Häufung: die in der Familie der Tib. Klaudioi erbliche Ämterkombination
3.2.1.Karneios Boiketas und Dromaios
3.2.2.Poseidon Domateitas
3.2.3.Herakles Genarchas
3.2.4.Kore und Temenios inHelos
3.2.5.Zusammenfassung
3.3.Artemis Patriotis / in Pleiai
3.4.Seher im Dienst der Stadt: lamiden und Skopeliden
3.5.Zusammenfassung
4.PRIESTERÄMTER, DIE VON MÄNNERN BESETZT WURDEN
4.1.Kaiserkult
4.1.1.Die Kultfunktionäre
4.1.2. Die Oberpriester der Kaiser: archiereis
4.1.2.Die Kultobjekte: Kaiser als Kollektiv und Individuum
4.1.3.Funktionäre in assoziierten Kulten
4.1.4.Die institutioneile Gliederung des Kaiserkultes: Zusammenfassung
4.1.5.Ritual und Kaiserfest
4.1.6.Die Kultorte
4.1.7.Die Absenz der Frauen
Liste B: Männliche Priester mit Ausnahme der Kaiserpriester
4.2.Ein Priester des Apollon Amyklaios, des Hyakinthos?
4.3.Lykurg
4.4.Poseidon
4.5.Ein Priester des Sarapis?
4.6.Ein Priester der Ge?
4.7.(Zeus Messapeus)
4.8.Ein Beispiel individueller Häufung: Der Ämterkomplex des Sekstos (P.) Eudamos
4.8.1.Einzelbelegungen
4.8.2.Der Gesamtkomplex
5. AUSWERTUNG
5.1.Quantität und Qualität der Zeugnisse
5.2.Das kaiserzeitlich aktive Pantheon
5.3.Kultämter und Altersdifferenzierung
5.4.Die geschlechtsspezifische Verteilung der Priesterämter
Lageskizze: Lakonien mit Sparta, Eleusinion, Amyklai, Helos
Appendix: Pausanias’ spartanisches Pantheon
Bibliographie
Index
Recommend Papers

Kulte im kaiserzeitlichen Sparta: Eine Rekonstruktion anhand  der Priesterämter [2015 ed.]
 9783050078779, 9783050035482

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Annette Hupfloher Kulte im kaiserzeitlichen Sparta

Annette Hupfloher

KULTE im kaiserzeitlichen SPARTA Eine Rekonstruktion anhand der Priesterämter

Akademie Verlag

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Hupfloher, Annette: Kulte im kaiserzeitlichen Sparta : eine Rekonstruktion anhand der Priesterämter/ Annette Hupfloher - Berlin: Akad. Verl., 2000 Zugl.: München, Univ., Diss., 1998 ISBN 3-05-003548-X © Akademie Verlag GmbH, Berlin 2000 Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Einbandgestaltung: Ingo Ostermaier, Berlin Druck: GAM MEDIA, Berlin Bindung: Norbert Klotz, Jettingen-Scheppach Printed in the Federal Republic of Germany

Inhalt

Vorwort

9

Abkürzungen

11

1. EINFÜHRUNG

13

1.1. Zur Forschungsgeschichte

14

1.2. Ziel und Methode: Priesterämter als Indikatoren der Kultaktivität

24

2. PRIESTERÄMTER, DIE VON FRAUEN BESETZT WURDEN

31

Liste A: Priesterinnen

32

2.1. Kultämter im Eleusinion: Demeter und Kore

34

2.1.1. Das Heiligtum

34

2.1.2. Die Kultämter 2.1.2.1. thoinarmostria und agorachos 2.1.2.2. amphithaleis (paides) und poloi 2.1.2.3. hiereia und hypostatria 2.1.2.4. Zusammenfassung: Ämterwesen im Eleusinion 2.1.3. Kultische Funktionsbereiche und Aktionsräume im Eleusinion

37 37 46 51 55 56

2.1.3.1. 2.1.3.2. 2.1.3.3. 2.1.3.4. 2.1.3.5.

56 57 59 60 63

Der medizinische Bereich Exklusive Frauenriten nach dem Thesmophorienmodell Männer und Frauen: Mysterienaspekte Männer und Frauen: das Heraufführen der Kore Fazit

2.2. Ämter beim Hyakinthienagon: archeis und theoros

65

2.3. Ein Beispiel individueller Häufung: die Priesterämter der Pomponia Kallistonike 2.3.1. Artemis Orthia 2.3.2. Moirai Lacheseis 2.3.3. Aphrodite Enhoplios 2.3.4. Asklepios Schoinatas in Helos (Artemis Patriotis und Dioskuren 3.1., 3.3.) 2.3.5. Zusammenfassung

70 71 75 77 81 84

6

Inhalt

2.4. Mädchenkollegien 2.4.1. Leukippiden, und ein Priester der Tindariden und Leukippiden 2.4.2. Dionysiaden, und ein Dionysospriester 2.4.2.1. Opfernde Dionysiaden 2.4.2.2. Dionysiaden als Wettläuferinnen 2.4.2.3. Ein Dionysospriester 2.4.2.4. Agriania und Waffentänze 2.4.3. (Karyatiden) 2.4.4. Zusammenfassung

85 85 91 92 94 96 98 102 104

3. PRIESTERÄMTER, DIE VON FRAUEN UND MÄNNERN BESETZT WERDEN KONNTEN

107

3.1. Dioskurenpriesterämter Liste D: Dioskurenpriester 3.1.1. Die Heiligtümer und Gedenkstätten 3.1.2. Die Priesterämter 3.1.2.1. Helena, im Phoibaion? 3.1.2.2. Die Priesterämter im 2. und 3. Jahrhundert 3.1.3. Dioskurenkult im kaiserzeitlichen Sparta

107 108 109 113 118 120 123

3.2. Ein Beispiel individueller Häufung: die in der Familie der Tib. Klaudioi erbliche Ämterkombination 3.2.1. Karneios Boiketas und Dromaios 3.2.2. Poseidon Domateitas 3.2.3. Herakles Genarchas 3.2.4. Kore und Temenios in Helos 3.2.5. Zusammenfassung

125 127 130 130 135 138

3.3. Artemis Patriotis / in Pleiai 3.4. Seher im Dienst der Stadt: Iamiden und Skopeliden

139 140

3.5. Zusammenfassung

145

4. PRIESTERÄMTER, DIE VON MÄNNERN BESETZT WURDEN

147

4.1. Kaiserkult 4.1.1. Die Kultfunktionäre 4.1.2. Die Oberpriester der Kaiser: archiereis 4.1.2.1. Zweifelhafte Fälle 4.1.2.2. Skizze der Geschichte des Kaiserpriesteramtes 4.1.2.3. Die Titulatur der Oberpriester 4.1.2. Die Kultobjekte: Kaiser als Kollektiv und Individuum

147 149 149 150 152 15 3 155

4.1.3. Funktionäre in assoziierten Kulten 4.1.3.1. Priester der Thea Rhome 4.1.3.2. Priester des Zeus Olympios, und ein olympisches Fest 4.1.3.3. Priester des Zeus Ouranios, und das Fest 'Große Ourania' 4.1.3.4. Ein Priester des Zeus Eleutherios? 4.1.3.5. Das Kollegium der Hierothytai

158 158 159 162 165 166

Inhalt 4.1.4. 4.1.5. 4.1.6. 4.1.7.

7 Die institutionelle Gliederung des Kaiserkultes: Zusammenfassung Ritual und Kaiserfest Die Kultorte Die Absenz der Frauen

167 168 173 174

Liste B: Männliche Priester mit Ausnahme der Kaiserpriester

175

4.2. 4.3. 4.4. 4.5. 4.6. 4.7.

177 178 182 184 185 186

Ein Priester des Apollon Amyklaios, des Hyakinthos? Lykurg Poseidon Ein Priester des Sarapis? Ein Priester der Ge? (Zeus Messapeus)

4.8. Ein Beispiel individueller Häufung: Der Ämterkomplex des Sekstos (P.) Eudamos

1 87

4.8.1. 4 . 8 . 1 . 1. 4.8.1.2. 4.8.1.3. 4.8.1.4. 4.8.1.5. 4.8.1.6. 4.8.1.7. 4.8.1.8. 4.8.1.9. 4.8.1.10. 4.8.1.11. 4.8.1.12. 4.8.2.

188 189 189 190 190 193 195 201 203 204 204 205 205 209

Einzelbelegungen Sostratia in Egeiloi, Artemis Patriotis (in Pleiai) Demeter und Kore 'an der Festung', 'bei Diktynne' Zeus Leonideia Poseidon Asphalios Athena Chalkioikos und Poliachos Tyche Sopatros, Tyche Toichagetos Aphrodite Ourania, Hermes Ouranios Dionysos Mnemosyne Musen? Zeus Hy(psistos) Der Gesamtkomplex

5. AUSWERTUNG

213

5.1. Quantität und Qualität der Zeugnisse 5.2. Das kaiserzeitlich aktive Pantheon 5.3. Kultämter und Altersdifferenzierung

213 214 218

5.4. Die geschlechtsspezifische Verteilung der Priesterämter

220

Lageskizze: Lakonien mit Sparta, Eleusinion, Amyklai, Helos

223

Appendix: Pausanias' spartanisches Pantheon

225

Bibliographie

231

Index

241

Vorwort

Diese Arbeit wurde im Wintersemester 1998/9 bei der Ludwig-Maximilians-Universität in München als Dissertation im Fach Alte Geschichte mit dem Titel 'Kultaktivität im kaiserzeitlichen Sparta. Männer und Frauen im Priesteramt' eingereicht. Ich danke meinem Doktorvater, Η. H. Schmitt, der sie angeregt und betreut, und J.-U. Krause, der das Koreferat übernommen hat. Finanziell gefördert wurde dieses Forschungsprojekt durch ein Promotionsstipendium der Gerda Henkel-Stiftung. Die British School at Athens gestattete die Einsicht unveröffentlichter Ausgrabungsdokumente, die Ephorie für Lakonien unter dem Leiter Th. Spyropoulos erlaubte, Inschriften und Objekte im Museum Spartis zu prüfen, wobei mich E. Sabbou unterstützte. G. Steinhauer stellte großzügig ein unveröffentlichtes Manuscript seiner eigenen Arbeiten zu Sparta zur Verfügung. Freundlicherweise haben J. N. Bremmer in Groningen und M. Clauss in Frankfurt den Text vor der Drucklegung gelesen und kritisch kommentiert, während T. Scheer, meine ehemalige Münchener Kollegin, frühere Phasen seiner Entstehung mit steter Diskussionsfreudigkeit begleitet hat. Ihnen allen sei herzlich gedankt. Wie einem berühmten Vorgänger ist mir die Spartaforschung zu einer Aufgabe geworden, „die durch ihre Größe und Schönheit mich vor Beginn der Arbeit mit Begeisterung erfüllte, beim Fortgange derselben zu immer neu anwachsender Thätigkeit stärkte, am Schlüsse aber fast nur beschämt und niederdrückt: so wenig darf ich hoffen, sie von allen Seiten befriedigend gelöst zu haben. "

K. O. Müller, Die Doner II 1 (1829) V.

Abkürzungen häufig zitierter Werke

„IG" ohne Angabe von Bandziffer und Erscheinungsjahr sowie „Paus." ohne Angabe der Buchziffer (I-IX) bezeichnet Inscriptiones Graecae V 1 (Berlin 1913) ed. W. Kolbe und Pausanias' Lakonika, Buch III. Übersetzungen von Inschriften stammen von mir, deutschsprachige Texte aus dem Werk des Pausanias folgen im allgemeinen der Übersetzung von E. Mayer / F. Eckstein / P.C. Bol (Zürich-München 1986/7); Abweichungen wurden markiert. Datierungsangaben ohne weitere Spezifizierung sind als „n. Chr." zu lesen. Die Abkürzungen folgen dem Verzeichnis von L' Annee Philologique. Bibliographie critique et analytique de l'antiquite greco-latine, Paris 1928ff. Zusätzlich wurden die folgenden verwendet: Bradford (1977) = Bradford, A.S.: A Prosopography of Lacedaemonians from the Death of Alexander the Great, 323 B.C., to the Sack of Sparta by Alaric, A.D. 396 (Vestigia 27), München 1977 Bremmer: GR (1995) = Bremmer, J.N.: Greek Religion, Oxford 2. Aufl. 1995 Burkert: GR (1977) = Burkert, W.: Die griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche, Stuttgart 1977 Burkert: HN (1972) = Burkert, W.: Homo Necans. Interpretationen altgriechischer Opferriten und Mythen, Berlin 1972 Calame: Choruses (1997) = Calame, C.: Choruses of Young Women in Ancient Greece. Their Morphology, Religious Role, and Social Functions, transl. D. Collins / J. Orion = 2. ed. Lanham - Boulder - NewYork - London 1997 (orig. Paris 1977) Cartledge/Spawforth (1989) = Cartledge, P. / Spawforth, Α.: Hellenistic and Roman Sparta. A Tale of Two Cities, London - New York 1989 Dawkins: AO (1929) =Dawkins, R.M. (ed.): The Sanctuary of Artemis Orthia at Sparta. Excavated and Described by Members of the British School at Athens 1906-10 (JHS Suppl. 5), London 1929 DNP = Cancik, H. / Schneider, H. (ed.): Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, StuttgartWeimar 1996ff. Graf : NK (1985) = Graf, F.: Nordionische Kulte, Rom 1985 LakSp = Lakonikai Spoudai 1 (1972) ff. LakSurvey (1996) = Cavanagh, W. / Crouwel, J. / Catling, R.W.V. / Shipley, G.: The Laconia Survey vol. II, London 1996 LSJ = Liddell, H.G. / Scott, R. / Jones, H.S. / McKenzie, R.: A Greek-English Lexicon, Oxford 1968 Musti/Torelli (1991) = Musti, D. / Torelli, M.: Pausania. Guida della Grecia III. Testo e tradizione a cura di D. Musti, Commento a cura di D. Musti e M. Torelli, Milano 1991 Nilsson: G F (1906) = Nilssson, M.P.: Griechische Feste von religiöser Bedeutung mit Ausschluß der attischen, Leipzig 1906 Nilsson: GR I (1967) = Nilsson, M.P.: Geschichte der griechischen Religion I, 3. Auflage München 1967

12

Abkürzungen

Nilsson: GR II (1961) = Nilsson, M.P.: Geschichte der griechischen Religion II, 2. Auflage München 1961 Parker: AR (1996) = Parker, R.: Athenian Religion. A History, Oxford 1996 Parker:

Demeter (1988) = Parker, R.: Demeter, Dionysos and the Spartan Pantheon, 99-103 in: Hägg, R. / Marinatos, N. / Nordquist, G. (ed.): Early Greek Cult Practice, Stockholm 1988 LSCG = Sokolwski, F.: Lois sacrees des cites grecques, Paris 1969 Spawforth (1978) = Spawforth, Α.: Balbilla, the Euryclids and Memorials for a Greek Magnate, BSA 73 (1978) 249-60 Spawforth (1980) = Spawforth, Α.: Sparta and the Familiy of Herodes Atticus: A Reconsideration of the Evidence, BSA 75 (1980) 203-20 Spawforth (1984) = Spawforth, Α.: Notes on the Third Century AD in Spartan Epigraphy, BSA 79 (1984) 263-89 Spawforth (1985) = Spawforth, Α.: Families at Roman Sparta and Epidaurus. Some Prosopographical Notes, BSA 80 (1985) 191-258 Spawforth (1986) = Spawforth, Α.: A Severan Statue-group and an Olympic Festival at Sparta, BSA 81 (1986) 311-32 Spawforth (1989) = Spawforth, Α.: Agonistic Festivals in Roman Greece, 193-7 in: Cameron, Av. / Walker, S. (ed.): The Greek Renaissance in the Roman Empire (BICS Suppl. 55), London 1989 Spawforth (1992) = Spawforth, Α.: Spartan Cults Under the Roman Empire: Some Notes, 227-38 in: Sanders, J.M. (ed.): Philolakon. Lakonian Studies in Honour of Hector Catling, London 1992 Stibbe (1989) = Stibbe, C.M.: Beobachtungen zur Topographie des antiken Sparta, BaBesch 64 (1989) 61-99 Stibbe (1991) = Stibbe, C.M.: Dionysos in Sparta, BaBesch 66 (1991) 1-44 Stibbe (1993) = Stibbe, C.M.: Das Eleusinion am Faße des Taygetos in Lakonien, BaBesch 68 (1993) 71-105 TodAVace (1906) = Tod, M.N.AVace, A.J.B.: A Catalogue of the Spartan Museum, Oxford 1906 Wide (1893) = Wide, S.: Lakonische Kulte, Leipzig 1893, ND Darmstadt 1973

Tabellen Liste Liste Liste Liste Liste

Α: Β: D: M: K:

Priesterinnen Männliche Priester mit Ausnahme der Kaiserpriester Dioskurenpriester Manteis Kaiserpriester

32 175 108 141 149

1. Einführung

Den Kulten des kaiserzeitlichen Sparta hat die religionsgeschichtliche und althistorische Forschung sich bisher kaum zugewendet. In Μ. P. Nilssons Geschichte der griechischen Religion findet sich gerade eine knappe Seite zu diesem Thema, auf der Sparta zu einem „Museum der Altertümer" erklärt wird. Nilsson interpretiert zwei der detailliertesten erhaltenen Ehreninschriften als bezeichnend für in Sparta herrschende kultische „Archäomanie" und kommt zu dem Schluß, man müsse, um einen „zeitgemäßen Kult"1 zu finden, schon in das benachbarte Städtchen Gytheion sehen 2 . Nun ist ohnehin - was der Altmeister durchaus wußte 3 - Archaismus ein wichtiges Element des kaiserzeitlichen kulturellen Klimas und also durchaus zeitgemäß 4 ; und die Interpretation der zwei Ehreninschriften ist selektiv: gerade den Kaiserkult, der in einer der beiden 5 vorkommt, hat Μ. P. Nilsson geradezu unterschlagen. Man mag zugute halten, daß seine Darstellung im Handbuch der Altertumswissenschaften sich kaum auf Vorarbeiten stützen konnte. Eine Ausnahme bildeten etwa die britischen Forschungen zum Heiligtum der Artemis Orthia 6 . Erst in den 1980er Jahren stellte dann A. Spawforth das inschriftliche Quellenmaterial zu einigen Festen des kaiserzeitlichen Sparta erstmals zusammen 7 , so daß wir manche Elemente des kulturellen Lebens der Stadt zwar nun kennen, sie aber kaum adäquat gewichten können, weil die Einbettung in den kultischen Gesamtzusammenhang, den wir nicht kennen, fehlt 8 . Welche 1 Nilsson: GR II (1961) 335; Inschriften: IG 559 und 589, beide aus dem 3. Jhd. n. Chr. 2 Nilsson: GR II (1961) 336 mit Anm.l: IG 1179, die weitbekannte Inschrift zum Kaiserkult; vgl. etwa Price: Rituals and Power (1984) 60, 72-3, 103 et passim. 3 Auch Athen galt ihm als „Museum der Altertümer": vgl. GR II (1961) 327; 335 vergleicht er explicite Sparta mit Athen, das im vorangehenden Abschnitt behandelt wird; der erste Satz des Abschnittes zu Sparta lautet: „Sparta war zu einem ebensolchen (Hervorhebung von mir) Museum der Altertümer geworden ... „. In der Sache irrt Nilsson vor allem deshalb, weil er die Inschrift IG 559 selektiv zitiert und dabei auch jenen Kult nicht erwähnt, der charakterisierend gerade für die Kaiserzeit ist, der Kult der römischen Kaiser. 4 Vgl. Cartledge/Spawforth (1989) 190-3; Sparta als „modern city" auch schon bei Keil, J.: CAH 11 (1936) 562. 5 IG 559,1. 6 Abschlußpublikation Dawkins, R. M.: The Sanctuary of Artemis Orthia (1929); vgl. Nilsson: GR II (1961) 335 A.2; dazu sind die Ausgrabungen des deutschen archäologischen Institutes in Amyklai zu erwähnen: Fiechter, E.: Jdl 33 (1918) 107-245; Buschor, Ε./ Massow, W. von: AM 52 (1927) 1-85. 7 Cartledge/Spawforth (1989): ch. „High culture and agonistic festivals" 176-89 und ch. „The image of tradition" 190-212, mit Appendix IV „Foreign agonistai at Sparta" 232-3. 8 Ein kurzer Versuch einer Synthese ist Spawforth, Α.: Spartan Cults Under the Roman Empire: Some Notes, 227-38 in: Philolakon. Lakonian Studies in Honour of Hector Catling (1992); zu einigen kultischen Aspekten des kaiserzeitlichen Erziehungssystems vgl. Kenneil, N.:

14

1.

Einführung

9

der gut neunzig Heiligtümer Spartas, die Pausanias im 2. Jahrhundert vermerkt , spielen im öffentlichen Leben dieser Zeit eine wichtige Rolle, w e l c h e wohl nicht? W e l c h e Götter verehrt man in welchem Ausmaße, mit welchen Riten? Und wie wird das kultische Leben organisiert? D i e s e und weitere Fragen wird die folgende Arbeit stellen und hauptsächlich anhand der epigraphischen Quellen zu beantworten suchen. Einführend wird die Forschungsgeschichte und die spezifische Quellenlage skizziert, dabei die Fragestellung präziser begründet und im Begriff der Kultaktivität gefaßt.

1.1. Zur Forschungsgeschichte Daß man die Kulte des kaiserzeitlichen Sparta lange Zeit keiner Untersuchung würdigte, dürfte mit grundsätzlichen Haltungen und Tendenzen der altertumswissenschaftlichen Forschung zu begründen sein. A l l g e m e i n ist zu beobachten, daß die archaische und klassische Zeit Griechenlands - Hochzeit der unabhängigen Poleis - bevorzugtes Interesse genießt, daß auch bei den Arbeiten zur spezifischen Verfassung und Gesellschaftsordnung Spartas d i e s e Zeit den unangefochten ersten Platz e i n n i m m t 1 0 . A u f dem Gebiet der Religionsgeschichte tradiert man außerdem seit dem 19. Jahrhundert die Hoffnung, durch Mythen- und Ritenanalyse Zeiträume erschließen zu können, die weit über die Zeit der Quellenbelege in die Prähistorie zurückreichen 1 1 , und fand daher wenig Ansatzpunkte zu einer Erforschung der historisch .späten' Epochen.

The Gymnasium of Virtue. Education & Culture in Ancient Sparta (1995): „From Artemis to the Dioscuri" 115-42. 9 Nach der Zählung von Kahrstedt, U.: Das wirtschaftliche Gesicht Griechenlands (1954) 192 im einzelnen 64 Heiligtümer, 21 Heroa, 3 Altäre, 18 taphoi und Denkmäler, 27 Plastiken außerhalb der Tempel; vgl. Cartledge/Spawforth (1989) 193 und Musti/Torelli (1991) XXIII. Ich arbeite mit einem weiteren Heiligtumsbegriff als Kahrstedt, zähle daher zumindest Heroa und Altäre zu den Heiligtümern m Sinne von Kultstätten. Doch auch seine Unterscheidung zwischen „Heroa" und taphoi/Gfäbem ist anfechtbar, erhält doch ein Heroon seine Wirksamkeit im allgemeinen eben durch seine Funktion als Grab bzw. Ort, an dem Reliquien des Heros aufbewahrt werden. Zur genaueren Aufschlüsselung der Heiligtümer des kaiserzeitlichen Sparta nach der Darstellung des Pausanias: siehe Appendix. 10 Bibliographische Übersicht bei Christ, K.: Sparta (1986) 471-503, spez. 479-90; erkennbar ist diese Tendenz auch noch an den Themen der Monographien der letzten Jahre, so etwa Nafissi, M.: La nascitä del kosmos. Studi sulla storia e la societä di Sparta (1991), Link, S.: Der Kosmos Sparta. Recht und Sitte in klassischer Zeit (1994) mit Rez. Cartledge, P.i CIRev 109 (1995)188-9 und Welwei, K.-W.: Gymnasium 102 (1995) 366-8; Thommen, L.: Lakedaimonion Politeia. Die Entstehung der spartanischen Verfassung (1996); Ausnahmen: Cartledge, P./Spawforth, Α.: Hellenistic and Roman Sparta. A Tale of Two Cities (1989); Kennell, Ν.: The Gymnasium of Virtue. Education & Culture in Ancient Sparta (1995) behandelt, was der Titel nicht zeigt, diachronisch differenziert die öffentliche Erziehung in Sparta. 11 Zum Interesse an den Ursprüngen der Religion vgl. Vernant, J.-P.: Mythe et societe en Grece ancienne (1974); Burkert, W.: Griechische Mythologie und die Geistesgeschichte der Moderne, 160 mit A.l in: den Boer, W.: Les etudes classiques aux XIX et XX sifecles (1980); Graf, F.: Griechische Mythologie (3. Aufl. 1991) 15-58; vgl. auch die Zielrichtung der Arbeiten von Burkert: HN (1972) und nun ders.: Creation of the Sacred. Tracks of Biology in Early Religion (1996) = Kulte des Altertums. Biologische Grundlagen der Religion (1998).

1.1. Zur

Forschungsgeschichte

15

Μ. P. Nilssons zweibändige Geschichte der griechischen Religion ist eines der wenigen Werke, die diesen Gegenstand zeitlich differenziert, von der mykenischen Zeit bis in die römische Kaiserzeit, darstellten. Überzeugt von einer Korrelation zwischen politischen und religiokulturellen Verhältnissen, interpretierte er Veränderungsprozesse, die nach der klassischen Zeit einsetzen, negativ mit Konzepten von Verfall und Niedergang 12 . Neben der retrospektiven Zielrichtung scheint diese Haltung ebenfalls weithin die Themenwahl der religionsgeschichtlichen Forschung bestimmt zu haben. Sparta und Lakonien bilden hier keine Ausnahme. Die erste religionsgeschichtliche Monographie 1 3 dieses Raumes, „Lakonische Kulte" von S. Wide (1893), ist der äußeren Form nach als Quellensammlung mit Kommentar angelegt, suchte in den Einzelkapiteln aber, die Götter und Heroen einzeln behandeln, die jeweils ältesten kultischen Elemente zu erkunden. Das Gesamtziel der Sammlung war gewesen, die „dorischen und vordorischen Kulte" zu unterscheiden, was sich als impraktikabel erwiesen hat 1 4 . Bei einer derartigen Interessenlage verwundert die Existenz eines Abschnittes über den Kaiserkult ohnehin 15 , doch wurde er offenbar nur der Vollständigkeit halber aufgenommen und nicht kommentiert. Die (grobe) zeitliche Einordnung liegt in diesem Falle ja auf der Hand, was bei allen anderen Gottheiten der beeindruckend langen Liste S. Wides nicht zutrifft. Sie basiert auf Quellen der archaischen genauso wie der Kaiserzeit. So bleibt der Leser dieses Buches mit dem Eindruck ungeordneter Vielfalt der Götterwelt Lakoniens zurück. Wurden all diese Götter und Heroen gleichzeitig verehrt, in welchem Ausmaße und von wem? Dieselben Fragen stellen sich bei der Lektüre des gut dreißig Jahre später erschienenen RE-Artikels 16 zu den Kulten Spartas, den L. Ziehen verfaßt hat. Auch das Forschungsziel war dasselbe geblieben, Materialpräsentation 1 7 , und die Frage nach der Religion der Frühzeit - ob ein Kult (ursprünglich) dorisch oder vordorisch sei; auch die Antwort gleicht der von S. Wide: Eine spartanische Religionsgeschichte, basierend auf „einer sorgfältigen Scheidung der Kulte nach Alter und Bedeutung" sei „wohl überhaupt heute noch nicht möglich" 1 8 . Dies gilt noch jetzt, impliziert die Forderung, eine spartanische Religionsgeschichte zu schreiben, doch die Vorstellung, phasenhaft zumindest historische Ereignisse (etwa die Einführungsdaten einzelner Kulte) und Veränderungsprozesse (wie Unterschiede in ihrer gesellschaftlichen

12

13 14 15 16 17

18

Nilsson: GR II (1961=1974) 1-3 arbeitet mit den Metaphern ,Unterhöhlung' und .Morschwerden' der klassischen Religiosität, 137 ist die Rede von Abstumpfen und Verblassen, 139 von „Auflockerung des alten Glaubens" in hellenistischer Zeit, die 2 9 2 als Verfall des klassichen oder Vorspiel der Spätantike aufgefaßt werden könne. In der römischen Kaiserzeit endlich hatte nach Nilssons Auffassung das „Herz des Griechentums (...) aufgehört zu schlagen" (312). Dennoch ist die Darstellung der Kaiserzeit bei Nilsson insgesamt weniger negativ als jene des Hellenismus, was wohl auf die positive Einschätzung neuer Formen der Frömmigkeit zurückgeht, die kaiserzeitlich zu fassen sind und die den Kultpraktiken der Christen verwandt erschienen: vgl. 383, wo spätantikes Heiden- und Christentum einem oft verwendeten Ausdruck nach „dieselbe Atmosphäre atmeten". Behandlung des Stoffes in Sammelwerken des 17. und 18. Jhds.: vgl. Ziehen: RE 3 A 2 (1929) 1453. Vgl. Wide (1893) 387-8. Vgl. ebd. 361-4, dazu eine Zeile Kommentar. Ziehen, L.: RE 3 A 2 (1929) 1453-1524 s.v. Sparta (Kulte). Ziehen konnte die Ergebnisse der britischen und deutschen Grabungen mitaufführen, die das epigraphische Material vermehrt und die topographische Kenntnis von Sparta und Amyklai erweitert haben: vgl. B S A ab 1905/6 und AM ab 1904. Ziehen, L.: RE 3 A 2 (1929) 1520.

16

1.

Einführung

B e d e u t u n g ) in ihrer G e s a m t h e i t f a s s e n zu können. Wird d i e s e s A n s i n n e n mit e i n e m Hauptinteresse in der Frühzeit kombiniert, ist es schon aufgrund der Quellenlage nahezu aussichtslos zu nennen 1 9 . A u c h die neueste Monographie zu einem Teilaspekt spartanischer Religionsgeschichte, den A p o l l o n f e s t e n , zielt i m Ergebnis auf eine frühe Zeitperiode: M. Pettersson hat in seiner strukturalistisch orientierten D i s s e r t a t i o n 2 0 j e w e i l s die Z e u g n i s s e zu den Hyakinthien, Gymnopaidien und Karneien zeitlich ungeschieden herangezogen und aus ihrer Kombination einen das spartanische E r z i e h u n g s s y s t e m begleitenden F e s t z y k l u s 2 ! konstruiert, der die m ä n n l i c h e n 2 2 Jugendlichen Spartas schrittweise in ihre sozialen R o l l e n als E r w a c h s e n e einführen sollte. Offenbar um d e m gewichtigsten E i n w a n d 2 3 g e g e n die strukturalistische M e t h o d e zu entgehen, wurde dann versucht, diesen Festzyklus i m 8. vorchristlichen Jahrhundert historisch anzuknüpfen: Im R a h m e n des Formationsprozesses der spartanischen Polis sei er entstanden, seitdem „generation by generation (...) d o w n to R o m a n times, an impressively long period" in Gebrauch g e w e s e n 2 4 . D i e s e A u f f a s s u n g ist kritisierbar 2 5 an ihren Prämissen, anhand ihrer Implikationen und Konsequenzen für die Quelleninterpretation und w e g e n ihrer Widersprüche g e g e n konkrete A u s s a g e n der antiken Literatur zur Geschichte Spartas. Zu dem letztgenannten Punkt ist zu sagen, daß wir v o n einer immerhin 42jährigen Unterbrechung in der A n w e n d u n g des

19 Dieses Problem zeigt sich exemplarisch an der Arbeit von Chrimes, Κ. Μ. T.: Ancient Sparta. A Re-examination of the Evidence (1949), die anhand des hellenistischen und kaiserzeitlichen epigraphischen Quellenmaterials, das „so many obvious survivals from an early period" (ebd., introduction p. V) aufweise, die soziale Organisation des klassischen und archaischen Sparta rekonstruieren wollte. Wie indes bei Zeugnissen aus einer ohnehin archaisierenden Gesellschaft survivals von Neuerfindungen methodisch klar zu scheiden seien, bleibt dabei offen: vgl. auch Cartledge/Spawforth (1989) 206-7 mit A.27. 2 0 Pettersson, M.: Cults of Apollo at Sparta. The Hyakinthia, the Gymnopaidiai and the Karneia (1992). 21 Übersicht ebd. 74 Chart. 1, 89 Table 5. 2 2 Zu den jungen Mädchen vgl. den Ansatz von Calame, C.: Les choeurs de jeunes filles en Gröce archaique I-II (1977), Bd. II nun in aktualisierter Ausgabe und Übersetzung durch Collins, D./ Orion, J. als ,Choruses of Young Women in Ancient Greece'. Their Morphology, Religious Role, and Social Functions (1997). 23 Ergebnis strukturalistischer Interpretationsmethoden ist oft ein ahistorisches Konstrukt; diesen Einwand zu entkräften sucht Pettersson: Cults of Apollo (1992) 91-123; zur strukturalistischen Mythen- und Ritenforschung vgl. Burkert, W.: Structure and History in Greek Mythology and Ritual (1979) 10-21; ders.: Mythos - Begriff, Struktur, Funktionen, 924 in: Graf, F. (Hg.): Mythos in mythenloser Gesellschaft. Das Paradigma Roms, (1993); Baudy, G.: Antike Religion in anthropologischer Deutung. Wandlungen des altertumskundlichen Kult- und Mythosverständnisses im 20. Jahrhundert, 229-58, spez. 240, 252 in: Schwinge, E.-R. (Hg.): Die Wissenschaften vom Altertum am Ende des 2. Jahrtausends n. Chr. (1995); Graf, F.: Griechische Mythologie (3.Aufl. 1991) 47-57; Kennell: Gymnasium of Virtue (1995) 4: „Failure to take the historical and cultural contexts of the sources into account when reconstructing Spartan education has resulted in our present picture, a hodgepodge of elements...". 2 4 ebd. 8. 2 5 Einzelkritik zu Μ. Petterssons Rekonstruktion der Apollonfeste ist im hier gesteckten Rahmen nicht zu leisten, vgl. die drei Rezensionen von B.-M. Näsström, J. Blomquist, P. Cartledge: Opuscula Atheniensia 20 (1994) 282-90.

1.1. Zur

17

Forschungsgeschichte 26

spartanischen E r z i e h u n g s s y s t e m s w i s s e n . Falls die V e r b i n d u n g zwischen F e s t z y k l u s und öffentlicher E r z i e h u n g in Sparta so eng war, wie M . Pettersson a n n i m m t 2 7 , d ü r f t e w ä h r e n d dieser Zeit ( 1 8 8 - 4 6 v.Chr.) auch der A p o l l o n k u l t in anderen F o r m e n als v o r h e r b e g a n g e n worden sein. V e r ä n d e r u n g e n der spartanischen L e b e n s w e i s e , w o z u E r z i e h u n g s s y s t e m und Festkultur zu zählen ist, w e r d e n in der antiken Literatur i m m e r w i e d e r t r a d i e r t 2 8 . M e i s t gekleidet in Verfallstheorien und Berichte von N e u o r g a n i s a t i o n e n 2 9 wird so die D y n a m i k des S y s t e m s 3 0 - und damit auch der assoziierten Kulte - reflektiert. M e t h o d i s c h e B e d e n k e n e r g e b e n sich aus d e r e x t r e m l a n g e n G e l t u n g s d a u e r , die bei strukturalistischer Interpretation den Aussagen der einzelnen literarischen Quelle zugestanden wird: D i e z w e i d e s k r i p t i v e n H a u p t z e u g n i s s e z u m H y a k i n t h i e n f e s t s t a m m e n aus hellenistischer Zeit und aus der r ö m i s c h e n Kaiserzeit; alle übrigen belegen seine Existenz, sagen aber k a u m e t w a s darüber, in welcher W e i s e das Fest begangen w u r d e 3 1 . K ö n n e n wir damit r e c h n e n , d a ß - w i e M . P e t t e r s s o n m e i n t - die H a u p t e l e m e n t e der H y a k i n t h i a seit d e r m y k e n i s c h e n Z e i t 3 2 g l e i c h g e b l i e b e n sind u n d in der B e s c h r e i b u n g des P o l y k r a t e s (bei A t h e n a i o s ) dann tatsächlich a u f t a u c h e n ? P r ä m i s s e solcher E i n s c h ä t z u n g e n ist die Ü b e r zeugung, d a ß grundsätzliche B e d ü r f n i s s e nach S i n n s t i f t u n g und nach K o m m e n t i e r u n g des sozialen G e s c h e h e n s auf s y m b o l i s c h e r E b e n e d u r c h die K u l t e in v e r s c h i e d e n e n Gesellschaftsformen, damit über Jahrhunderte hinweg, gleichbleiben. Der Beweis des Gegenteils ist aufgrund m a n g e l h a f t e r D o k u m e n t a t i o n zumeist schwierig, so daß in diesem P u n k t e über die Konfrontation der Ü b e r z e u g u n g e n h ä u f i g nicht h i n a u s z u k o m m e n ist. D a die Kultgeschichte Spartas j e d o c h eines der wenigen Beispiele bietet, w o Ritualänderung konkret g r e i f b a r ist 3 3 , sei dieser Fall kurz dargestellt. 26 Vgl. Cartledge/Spawforth (1989) 198; Kennell: Gymnasium of Virtue (1992)13-4. 27 Nicht haltbar die Zusammenstellung von Altersklassen und Kultelementen bei Pettersson (1992) 73-90, spez. 85 Table 4, 89 Table 5. vgl. Kennell: Gymnasium of Virtue (1995) 67. 28 Schon Xenophons Lakedaimonion Politeia thematisiert im Schlußteil (Kap. 14) das Abrücken von der im Hauptteil geschilderten Lebensweise; Plutarch unterscheidet sprachlich durch den Gebrauch des Imperfekts die traditionelle Lebensweise von der zeitgenössischen. Vgl. Kennell: Gymnasium of Virtue (1995) 24-5; Verfallskonzepte und Reformversuche reflektiert in der Darstellung des Philostrat, VA 4, 27; 31; 32. 29 Vgl. Cartledge/Spawforth (1989) 46 mit A.17 3 0 Dies eines der wichtigsten Ergebnisse von Kenneil: Gymnasium of Virtue (1995): Nicht einmal die Anzahl der Altersklassen war über die Jahrhunderte hinweg stabil. 31 Hauptquellen: Athen. 4, 139c-f; Paus. 19,1-5. Vgl. die Zusammenstellung bei Pettersson (1992) 127-31. 3 2 Vgl. Pettersson (1992) 95-6 anhand eines Fragmentes einer lebensgroßen Terrakottafigur der Periode LH III Β aus Amyklai; vgl. ebd. 104. 33 Ein weiteres ist das Luperealienfest in Rom: vgl. zuletzt Wiseman, Τ. P.: The God of the Lupercal, JRS 85 (1995) 1-22. Deutliche Veränderungen in römischer Zeit sind außerdem zu fassen beim Fest der Artemis Laphria in Patrai: vgl. zuletzt Auffarth, C.: Pausanias, Patrai und die Griechen, 219-38 in: Cancik, H./Riipke, J.: Römische Reichsreligion und Provinzialreligion (1997) spez. 236. Vgl. auch einige der wenigen Aussagen in der antiken Literatur, die explicite auf Ritualänderung hinweisen: Paus. II 3,8 zu Korinth (in diesem Falle Ende einer noch bekannten Praxis; Sonderfall Bevölkerungswechsel von Griechen zu römischen Veteranen und Freigelassenen). Antike Konzepte von bewußter Reform eines Rituals: Paus. III 16,9-10 und Philostr.VA 6,20, beide zu Artemis Orthia in Sparta, reflektieren kulturgenetische Vorstellungen: Ein urpriingliches Menschenopfer an die Göttin sei durch den Gesetzgeber Lykurg gleichsam entschärft worden. An den Quellen beobachtbar ist der entgegengesetzte Vorgang, eine „Verschärfung" der Riten: vgl. Nilsson: GR II (1961) 311; Graf, F.: Mythologie (3. Aufl. 1991) 110.

18

1.

Einführung

Das Peitschenritual am Altar der Artemis Orthia war in der Antike berühmt als ein blutiges Spektakel, das Touristen anzog, und ist daher außergewöhnlich dicht b e z e u g t 3 4 . D i e Geschichte seiner Erforschung in der N e u z e i t 3 5 ist lange und kontrovers, doch hat man erst in jüngster Zeit es unternommen, die literarischen Zeugnisse nun auch zeitlich zu ordnen 3 6 . Sie lassen z w e i Phasen des Rituals erkennen, die miteinander nicht vereinbar 3 7 sind: In klassischer Zeit veranstaltete man einen ritualisierten Käseraub, wobei wahrscheinlich zwei Gruppen männlicher Jugendlicher miteinander wetteiferten. Während die eine Käse beim Altar der Orthia durch Schläge mit Stock und Peitsche verteidigte, suchte die andere, möglichst viele dennoch zu ergattern 3 8 . In der hellenistischen Zeit und der römischen Kaiserzeit, aus der Augenzeugenberichte 3 9 erhalten sind, hielt man am Altar der Orthia eine Art Ausdauerwettbewerb im Ertragen von Schmerzen ab. Jugendliche wurden mit Peitschen blutig geschlagen, wobei „Sieger am Altar" 4 0 wurde, wer dies am längsten aushielt. Aussagen zu der Körperhaltung der Jugendlichen bei dieser Prozedur markieren deutlich den Unterschied: Wer die Hände auf dem Kopf hält 41 , kann nicht Käse wegzunehmen versuchen. 3 4 Quellensammlung bei Trieber, C.: Quaestiones Laconicae pars I (1866) 27-37 und nun, vermehrt, bei Kenneil, Gymnasium of Virtue (1995) 149-61 = Appendix 1 (52 Zeugnisse zum Peitschenritual), zu ergänzen, falls Vollständigkeit angestrebt, durch Luk. Ikar. 16 und die zwei Hauptquellen klassischer Zeit: Plat. Nom. 633 Β und Xen. Lak. Pol. 2,9; Wide (1893) 97-102 hat die Zeugnisse nicht vollständig aufgenommen, vgl. auch 112: „Leider kann ich nicht umhin die " Α ρ τ ε μ ι ς Ο ρ θ ι α zu besprechen. Ich thue dies ungern, weil es sehr schwierig ist, über das Wesen der Göttin etwas Bestimmtes auszusprechen." 35 Doxographie bei Graf: NK (1985) 86 mit A.78-9; vgl. nun Levy, Ε.: La kryptie et ses contradictions, Ktema 13 (1988) 245-51; Kenneil: Gymnasium of Virtue (1995) 126-9; Bonnechere, P.: Orthia et la flagellation des ephebes spartiates. Un souvenir chimerique de sacrifice humain, Kernos 6 (1993) 11-23; Rives, J.: Human Sacrifice among Pagans and Christians, JRS 85 (1995) 65-85, und die folgende Anmerkung. 3 6 Vgl. Ducat, J.: Un rituel samien, BCH 119 (1995) 339-67, spez. 347-57 als Vergleichsmaterial zu dem titelgebenden samischen Ritual (Herod. III 48). 37 Zwei Phasen: vgl. Bosanquet, R.C,: BSA 12 (1905-6) 315; Graf, F.: Götterbild aus dem Taurerland, AW 10 (1979) 38; Vürtheim, J.J.G.: Het Rituel aan het Altaar der Orthia te Sparta (1913); siehe aber die Extrempositionen: Rose, H.J.: The Cult of Artemis Orthia, 399-407 in: Dawkins: AO (1929) und (modifiziert) ders.: HThR 34 (1941) 1-5: Es handle sich um zwei völlig verschiedene Rituale in demselben Heiligtum, und Chrimes: Ancient Sparta (1949), die 262-4 ein einziges, über Jahrhunderte gleichbleibendes Ritual nachgewiesen zu haben glaubt. Danach dann Pettersson: Cults of Apollon (1992) 81-2. 38 Quellen: Xen. Lak. Pol. 2,9: korrupt, aber verständlich, seit Rose (siehe vorangehende Anm.) und Nilsson: GF (1906) 193 Plut.Arist. 17,11 als zugehöriges Aition erkannten. Vgl. auch Burkert: Demaratos, MH 22 (1965) 166-77 = Burkert: Wilder Usprung (1990) 86-95, spez. 89 mit A.17; Graf: NK (1985) 86. 39 Cie. Tusc. disp. 2,34; Plut. Lyk.18,2; auf namentlich und zeitlich nicht faßbare Augenzeugen gehen wohl auch die detaillierten Beobachtungen zur Körperhaltung der Jugendlichen zurück, die sich als Platonscholion (Nom. 633b), als Horazscholion C.1,7,10, bei Serv. Aen. 2,116 und bei Nikolaos von Damaskos FGrHist 90 F 103 ζ 11 finden. 4 0 β ω μ ο ν ί κ η ς : Hyg. fab. 261; erhaltene Basen von Ehrenstatuen für die Sieger: IG 554, 652, 653, 653b; zur Fundlage vgl. Dawkins: AO (1929) 35; zu den Altarsiegern siehe unten A. 56. 41 Schol.Plat.Nom. 633b (Greene): κ α ρ τ ε ρ ή σ ε ι ς , τ ά δ ι α μ α σ τ ι γ ώ σ ε ι ς φ η σ ί . έ γ έ ν ο ν τ ο δ ' αύται προς βωμψ της Ό ρ θ ω σ ί α ς 'Αρτέμιδος, της την πολιτείαν ά ν ο ρ θ ο υ σ η ς . π α ρ ε ι σ τ ή κ ε ι γ α ρ ή τ α ύ τ η ς ι έ ρ ε ι α φ έ ρ ο υ σ α τι έ π ι τ η ς χ ε ι ρ ό ς κ ε κ ρ υ μ μ έ ν ο ν , δ μ έ χ ρ ι τ ο ΰ ν υ ν ά γ ν ω σ τ ο ν έ σ τ ι , κ α ι εί μ ε ν ή τ τ ο ν τ ο ϋ δ έ ο ν τ ο ς έμαστιγοΰτο· κ ι ν ε ΐ ν γαρ τ ά ς χ ε ί ρ α ς ουκ έτο'λμα, έχων τ α ύ τ α ς έπι της κ ε φ α λ ή ς ό μ α σ τ ι ζ ό μ ε ν ο ς : Dieses Zeugnis zur Körperhaltung dient als Hauptargument

1.1. Zur

19

Forschungsgeschichte 42

Ist bei dem Ritual klassischer Zeit von kurzzeitigem Ertragen von Schmerzen die Rede, so ist das der Kaiserzeit gerade auf das Gegenteil, möglichst lange Dauer 4 3 , hin angelegt. Doch nicht nur deutliche Unterschiede im äußeren Ablauf sind zu fassen; es ist auch gelungen, die Elemente des Rituals in klassischer Zeit aus dem gleichzeitigen spartanischen Erziehungssystem heraus sinnvoll zu deuten 4 4 : Hunger, Schläge, Heimlichkeit prägen zeitweise das Leben der Jugendlichen Spartas. Ihre gemeinsam eingenommenen Mahlzeiten hält man künstlich knapp 4 5 , Mundraub andererseits ist gestattet 46 . Dabei ertappt, erhalten sie jedoch Schläge 4 7 . Die Oberaufsicht über die Jugenderziehung hat ein Beamter, dem eine Truppe jugendlicher Peitschenträger beigegeben ist 4 8 . Da Jugendliche in beiden Rollen - als Nahrungsdiebe und als Peitschende - auch in dem Käseraubritual agieren, hat J.-P. Vernant 49 dieses überzeugend als markierenden Abschluß jener Phase der Erziehung interpretiert, die durch die eben erwähnten Merkmale charakterisiert ist. Das kaiserzeitliche Ausdauerritual in den gleichzeitigen gesellschaftlichen Kontext schlüssig einzuordnen, ist schwieriger, da es sich nun nicht mehr um eine geschlossene Gesellschaft mit nur wenigen Außenkontakten handelt, wie dies in klassischer Zeit der Fall war. Es ist deshalb mit einem komplizierteren Motiv- und Wirkungszusammenhang zu rechnen, der die spezifisch kaiserzeitliche Form des Rituals prägte. Bloße Strukturähnlichkeit - wenn etwa Ausdauerübungen ganz allgemein die kaiserzeitliche Jugenderziehung bestimmten, was der Fall gewesen sein dürfte - ist bei diesem Hintergrund als analytisches Instrument wohl nicht tauglich. Daher seien nur einige Elemente unverbunden genannt, die zur Deutung beitragen können: Das blutige öffentliche Ritual im Orthiaheiligtum wird bei dem einheimischen und angereisten beobachtenden Publikum vergleichbare Erlebnisse in Arena und Theater wachgerufen haben 5 0 , sind doch

42 43 44

45 46

47 48 49

50

gegen die These von der Konstanz des Rituals. Nilsson: GF (1906) 194 verwirft es meines Erachtens zu Unrecht als bloße Vorstellung des Scholiasten. Luk. Anach. 39 bezeugt dieselbe Körperhaltung: nackt, mit erhobenen Händen ( μ α σ τ ι γ ο ΰ σ θ α ι γ υ μ ν ό ν ά ν ω τ ά ς χ ε ί ρ α ς έπαίροντα). Xen. Lak. Pol.2,9. (Plut.) Inst. Lac. 40, 239 D: δι' ο λ η ς τ η ς η μ έ ρ α ς . Aus dem sozialen Kontext isolierte Deutung von Einzelheiten in der älteren Forschung: vgl. Graf: NK (1985) 86; Boer, W. den: Laconian Studies (1954) 264 (Käse), 269 (Schläge) und jetzt Lebessi, Α.: Flagellation ou Autoflagellation, BCH (1991) 99-123. Xen. Lak. Pol. 2,5. ebd. 2,6. Kenneil: Gymnasium of Virtue (1995) 123 wendet sich zurecht gegen die pauschalisierende Auffassung, allen männlichen Jugendlichen sei das Stehlen von Nahrungsmitteln jederzeit gestattet gewesen. Es handelte sich wohl um eine Erlaubnis, die phasenweise und gruppenweise galt. Die Aussagen des Xenophontextes jedoch insgesamt nur auf Festzeiten zu beziehen, ist nicht möglich, da der Autor deutlich zwischen Ritual bei Orthia (2,9) und der sonstigen Lebensweise (2,1-7; 2,8 bringt eine fiktive Zwischenfrage zur Begründung der Erziehungsmaßnahmen) unterscheidet. Ich sehe nicht, wie man die Deutung „Xenophon rationalized this ritual theft into a regular activity" (Kennell 123) methodisch nachvollziehbar begründen könnte. ebd. 2,8. ebd. 2,2. Une divinite des marges: Artemis Orthia, in: Recherche sur les cultes grecs et l'occident ( 1 9 8 4 ) 1 3 - 2 8 , spez. 17-8, 22; Parker, R.: Spartan Religion, 148 in: Powell, A. (ed.): Classical Sparta (1989). Vergleich zwischen Knaben in Lakedaimon, Jugendlichen in Olympia, Barbaren in der Arena, die gleichermaßen stillschweigend heftige Schläge ertragen, bei Cie. Tusc. 2,46; vgl. Nilsson: GR II (1961) 311: „den Gladiatorenkämpfen vergleichbar"; Burkert: Demaratos...

20

1.

Einführung

blutige Schauspiele ein wichtiges und häufig erwähntes Merkmal kaiserzeitlicher Kultur 5 1 . Auf w e l c h e W e i s e die Erwartungshaltungen des Publikums mit dem Ritualablauf zusammenwirkten, zeigen uns die Quellen nicht deutlich. Die Brutalität des Rituals, Blut, Schmerz und Tod, ist jedenfalls ein Hauptthema 5 2 , das - im Gegensatz zum klassischen den kaiserzeitlichen Diskurs dazu bestimmt: Touristen und auswärtige Schriftsteller, die nur vom Hörensagen davon wissen, erwähnen es genau deshalb. D i e Bedeutung innerhalb der spartanischen Gesellschaft ist dagegen nur ansatzweise zu erkennen. Der Schauplatz des Peitschenrituals (und weiterer Wettbewerbe 5 3 ), das Heiligtum der Artemis Orthia, wurde im 3. Jahrhundert n. Chr. den Bedürfnissen des Publikums baulich 5 4 angepaßt, was als ein Indikator für nicht geringe gesellschaftliche Bedeutung der dort abgehaltenen Veranstaltungen gelten mag. Ein Aition, das Pausanias vermerkt, erklärt, warum Menschenblut vergossen werden muß und überliefert dabei ein Detail, das auf die Frage der Teilnehmer am Ritual der Kaiserzeit hinführt: falls die Peitschenden „aus Rücksicht auf Schönheit und Rang des Epheben" vorsichtig zuschlagen, so schreibt er, wird für die danebenstehende Priesterin, die das Bild der Göttin hält, dieses zu schwer 5 5 . Ein Blick auf die fünf namentlich bekannten „Altarsieger" lehrt, daß mit derartigen Rücksichten durchaus zu rechnen war, nahmen doch auch Jünglinge aus vornehmen Familien am Peitschenritual teil 5 6 . Dies widerspricht der Einschätzung, es habe sich lediglich um ein intern bedeutungsloses Touristenspektakel 5 7

51 52

53 54 55

56

(1965) in: Wilder Ursprung (1990) 90 A.20: „die Zeremonie ist auf das Niveau von Gladiatorenkämpfen abgesunken". Robert, L.: Les gladiateurs dans l'orient grec (1940); Landes, C.: Amphiteätres et gladiateurs (1990); Wiedemann, Τ.: Emperors and gladiators (1992). Die Aussagen beginnen bei Cicero in republikanischer Zeit: Cie. Tusc. 2,34; 2,46; 5,77; Hör. Carm. 1,7,10-1; Hyg. Fab. 261: sacrorum crudelitas... (genetische Herleitung ähnlich Paus. 16,10); Sen. prov. 4,11; Plut. Lyk.18,2; (Plut.) Inst. Lak. 40, 239C-D; Luk. Anach. 38; Tert. Apol. 50,9; Sex. Emp. Pyr. 3,208; Philostr. VA 6,20; Greg. Naz. Or. 4,103; Or. 39,4; Synes. Ep. 41; Simp. In Epict. c.5; Ps.-Nonn. In Greg. Naz. Or. 4,58; 39,8; (Menschen-) Blut wird jedoch auch deshalb hervorgehoben, weil es im ,Normalritus' den Altar befleckte: Sex. Emp. Pyr. 3,208. Vgl. Kenneil: Gymnasium of Virtue (1995) 51-5. Vgl. Dawkins: AO (1929) 1-51, spez.36. Paus. 16,10; einzig weitere Stelle, die einen Zusammenhang zwischen der Intensität der Schläge und dem Verhalten der Priesterin herstellt, ist Schol. Plat. Nom. 633 B. Zur Priesterin siehe auch unten Kap. 2.3.1.) Bei den Siegern ist in einem Fall vielleicht Zugehörigkeit zu der weitverzweigten, senatorischen Familie der lakonischen Tib. Klaudioi anzunehmen: IG 554: Tib. Kl. Sophron (Bradford (1977) 403: Sophron 3); IG 652: Epigonos Philostratou (zur Person sonst nichts bekannt (vgl. Bradford (1977) 149). Die folgenden drei Personen besitzen römisches Bürgerrecht, laut Spawforth (1984) 264 möglicherweise nach der Constitutio Antoniniana anzusetzen: IG 653 + 653b: M. Aur. Kleonymos (vgl. Bradford 247); IG 653a: M. Aur. Euarestos Zoilou, Z. 8 (vgl. Bradford (1977) 168); IG 290,4-5 überliefert einen weiteren Sieger, dessen Name allerdings nicht erhalten ist; SEG 11 (1954) 825: M. Aur. Philetos Teimakou (vgl. Bradford (1977) 424-5); IG 468 und 654 wurden wegen zu geringen Textbestandes im Verhältnis zu den Ergänzungsvorschlägen ausgeschieden. Ob mit einer Teilnahme aller spartanischen Epheben zu rechnen ist, erscheint interessant vor dem Hintergrund, daß etwa Herodes Attikos und auch schon sein Vater an der spartanischen Ephebie teilgenommen haben: vgl. Spawforth, Α.: Sparta and the Family of Herodes Atticus. A Reconstruction of the Evidence, BS A 75 (1980) 203-20; Ameling, W.: Herodes Atticus II (1983) 93 Nr.68, und nun Tobin, J.: Herodes Attikos and the City of Athens (1997) 17 (Vater des Herodes Ephebe in Sparta), 23 mit A.50 (Herodes selbst Ephebe in Sparta).

1.1. Zur

Forschungsgeschichte

21

gehandelt: Ein solches hätte man billiger haben können, zur Not mit gemieteten oder gekauften Teilnehmern, nicht mit römischen Bürgern. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Verschärfung und Standesorientierung der Strafpraxis in der Gesetzgebung der römischen Kaiser überrascht die Teilnahme vornehmer Knaben durchaus; sie gilt dann vor allem den spätantiken Schriftstellern als das Skandalon 5 8 des Peitschenrituals, das offenbar bis weit in das 4. nachchristliche Jahrhundert hinein jährlich abgehalten wurde. M ö g e n Veränderungen auch nicht immer so gravierend ausfallen wie beim Käseraub, der zum Peitschenfest 5 9 mutierte, so zeigt dies doch in einem gut dokumentierten Fall, daß mit der Stabilität von Ritualen über längere Zeiträume hinweg nicht unbesehen zu rechnen ist. Selbst die Kontinuität von Ort, adressierter Gottheit und handelnden Subjekten (hinsichtlich ihrer Altersgruppe), die hier gegeben ist, sichert nicht die Identität der Sache. Zeitlich dynamisch ist auch ein anderer Bereich, in dem antike griechische Religion sich ausdrückt: das lokalspezifische Pantheon 6 0 , verstanden als jeweils einzigartige Kombination von Göttern und Heroen, die man in einer Stadt verehrt. Daß im Laufe der Zeit immer wieder neue Götter und Heroen in das Pantheon a u f g e n o m m e n werden, ist ein längst als charakteristisch erkanntes Phänomen des antiken Polytheismus' 6 1 , der mit einer unbegrenzt hohen Anzahl von Gottheiten rechnet. Die Ursachen, Anlässe und Umstände der Einführung neuer Götter sind meines Wissens bisher nicht im Zusammenhang untersucht w o r d e n 6 2 ,

57 Nilsson: GR II (1961) 311; Boer, W. den: Laconian Studies (1954) 271: „The meaningful rite has degenerated into a barbarous sadism." Burkert: GR (1977) 394: „folkloristische(r) Sonderfall", Vidal-Naquet, J.-P.: Schwarzer Jäger (1990) 146 mit A.32. 58 Mus. (Hense) pp. 52-3 hebt die Öffentlichkeit des Auspeitschens ( δ η μ ο σ ί α ) hervor, die offenbar als demütigend gilt, ebenso Philostr. VA 6,20; Luk. Anach. 39: Sie werden geschlagen wie Diebe oder Räuber oder Leute, die etwa ähnliches verbrochen haben. Themist. Or. 21, 250A bringt die spätantike Perspektive - Sklaven und Freie werden in gleicher Weise behandelt (έπι τ ο ν β ω μ ό ν τ η ς Ό ρ θ ι α ς ο μ ο ί ω ς μ ε ν δ ο υ λ ο ι ς , ο μ ο ί ω ς δέ ε λ ε υ θ έ ρ ο υ ς α ν ά γ ε ι ν ) - , hat aber die Gesellschaft klassischer Zeit im Auge, da er die Königshäuser und Heloten erwähnt. Simp. In Epikt. c. 8 (Dübner): wohlgeborene Jugendliche ( ν έ ω ν ευγενών); 59 Libanios or. 1,23: έ ο ρ τ ή ν Λ α κ ω ν ι κ η ν , τ ά ς μ ά σ τ ι γ α ς . 6 0 Dieser Ausdruck wird hier nach dem Muster vor allem der französischsprachigen religionshistorischen Forschung gebraucht: vgl. etwa Bruit Zaidman/Schmitt-Pantel: Religion der Griechen (1994) 185-8, ebd. 189 zitiert bereits den locus classicus zur Pantheonforschung: Vernant, J.-P.: Religion grecque, religions antiques (1976) 25-6; vgl. auch ders.: Mythos und Religon im alten Griechenland, übs. E. Moldenhauer (1995) 35 und neuerdings Pirenne-Delforge, V. (ed.): Les Pantheons des cites des origines ä la Periegese de Pausanias (1998); siehe aber auch Burkert: GR (1977) 264; Bremmer: GR (1995) 11; der antike Sprachgebrauch meint dagegen potentiell alle Götter als Adressaten von Kulthandlungen: vgl. Ziegler, K.: RE 18,2,1 (1949) 697-747 s.v. Pantheion. 61 Burkert: GR (1977) 273-4; Bruit Zaidman/Schmitt-Pantel: Religion der Griechen (1994) 212214 (am Beispiel Mantineia); Garland, R.: Introducing New Gods. The Politics of Athenian Religion (1992). 62 Siehe jetzt die Ankündigung eines Arbeitsvorhabens zum Thema .Transfer .fremder' Götter nach Athen und Rom' durch Blomart, Α.: in Cancik/Rüpke: Reichsreligion (1997) 299 und die Behandlung eines Teilaspektes ebd. 99-111: Die evocatio und der Transfer .fremder' Götter von der Peripherie nach Rom. Zu einem Spezialaspekt vgl. Auffarth, C.: Aufnahme und Zurückweisung „Neuer Götter" im spätklassischen Athen: Religion gegen die Krise, Religion in der Krise?, 337-64 in: Eder, W. (ed.): Die athenische Demokratie im 4. Jhd. v. Chr. (1995);

22

1.

Einführung

doch läßt sich a n h a n d einiger gut b e k a n n t e r attischer Beispiele i m m e r h i n zeigen, d a ß als Anlässe oft Erscheinungen von Göttern in Krisensituationen angeführt werden; die Ursachen d ü r f t e n , s o w e i t es u m A k t i o n e n des K o l l e k t i v s geht, des ö f t e r e n in einer N e u d e f i n i t i o n p o l i t i s c h e r u n d sozialer Identität zu f i n d e n s e i n 6 3 , die sich so bündelt. A u c h zeigt die schnelle A u s b r e i t u n g einiger neuer Kulte im gesamten Gebiet griechischer Kultur, d a ß mit T e n d e n z e n zur I m i t a t i o n der N a c h b a r n zu r e c h n e n ist, die e t w a zur V e r b r e i t u n g d e s A s k l e p i o s k u l t e s 6 4 in klassischer u n d des Isis- u n d S a r a p i s k u l t e s 6 5 seit der spätklassischen Zeit beigetragen haben dürften. Die A u f n a h m e eines neuen Gottes in das Göttersystem einer Polis verändert alle Beziehungen innerhalb der K o m p o n e n t e n des S y s t e m s 6 6 . E s erhöht sich nicht nur die A n z a h l der verehrten Gottheiten, s o n d e r n auch die B e d e u t u n g einer j e d e n einzelnen verändert sich d u r c h die Assoziation einer neuen schon alleine dadurch, d a ß eine weitere h i n z u k o m m t . D e u t l i c h wird dies a n h a n d ö k o n o m i s c h e r Ü b e r l e g u n g e n : bleibt die G e s a m t m e n g e der f ü r kultische Belange zur V e r f ü g u n g stehenden Resourcen gleich, so ergibt sich nun ein neuer Verteilungsfaktor pro Gottheit und Fest. In ähnlicher W e i s e d ü r f t e sich in e i n e m polytheistischen S y s t e m die soziale u n d m e n t a l e B e d e u t u n g aller G o t t h e i t e n einer Stadt v e r s c h i e b e n , w e n n n e u e Götter o d e r H e r o e n h i n z u k o m m e n u n d in d e n o f f i z i e l l e n Kultkalender a u f g e n o m m e n werden. E s entstehen dabei neue Alternativen im Bereich kultischen H a n d e l n s . A u c h mit d e m e n t g e g e n g e s e t z t e n V o r g a n g ist zu r e c h n e n : d a ß e i n z e l n e Götter und Heroen im L a u f e der Zeit an Bedeutung verlieren und in der Konkurrenz zu vielen a n d e r e n s o z u s a g e n u n t e r l i e g e n , w e i l sie den z e i t t y p i s c h e n B e d ü r f n i s s e n n i c h t l ä n g e r entsprechen. Derartige Fälle sind in den antiken Zeugnissen freilich ungleich schwieriger zu e r f a s s e n als die N e u e i n f ü h r u n g v o n K u l t e n , die als positive E r e i g n i s s e in den S c h r i f t zeugnissen vermerkt werden können. D o c h zeigen Restaurierungsbeschlüsse aus A t h e n 6 7 und G y t h e i o n 6 8 ebenso wie die Beobachtungen von Archäologen an ländlichen Heiligtümern vor a l l e m in A t t i k a 6 9 u n d d i e A n m e r k u n g e n d e s P a u s a n i a s zu v e r f a l l e n e n H e i l i g t ü m e r n immerhin, d a ß Derartiges auch im griechischen Bereich vorkam; Pausanias, der reisende Beobachter der Kaiserzeit bemerkt des öfteren verschiedene Stadien des Nachlassens kultischer

63 64 65 66

67

68 69

Zur Verurteilung des Sokrates als Ausnahme von der Regel religiöser Toleranz: vgl. Parker, R.: Athenian Religion. A History (1996) 199-217. Vgl. Garland, R.: Introducing New Gods. The Politics of Athenian Religion (1992) 1. Vgl. ebd. 116-35; Graf: DNP 2 (1997) 95 s.v. Asklepios Vgl. Vidman, L.: Isis und Sarapis bei den Griechen und Römern. Epigraphische Studien zur Verbreitung und zu den Trägern des ägyptischen Kultes (1970) 18-47. Systemauffassung strukturalistischer Art nach Vernant, J.-P.: Mythe et societe en Grece ancienne (1974) 106; vgl. Burkert: GR (1977) 333, der „Zufälligkeiten aller Art" bei der Genese des Pantheon (auf gemeingriechischer Ebene) eine größere Bedeutung beimißt. Mit Zufällen und individuellen Präferenzen, die initiativ zur Aufnahme neuer Kulte führen, ist natürlich auch auf Polisebene zu rechnen, zu beobachten sind derartige Vorgänge an den Quellen jedoch äußerst selten. Interpretatorisch sind Ursache und Wirkung zu unterscheiden: Daß auch Zufälle bei der Genese von Lokalpanthea eine Rolle spielen, spricht nicht gegen ihre Interpretation als sozial wirksame Symbolsysteme. IG II 2 1035 mit Culley, G.R.: The Restoration of Sanctuaries in Attica, Hesperia 46 (1977) 282-98; vgl. Shear, T.L.: Athens: From City-State to Provincial Town, Hesperia 50 (1981) 356-77, spez. 366; Böhme, C.: Princeps und Polis. Untersuchungen zur Herrschaftsform des Augustus über bedeutende Orte in Griechenland (1995), 72-4. Vgl. IG 1144 = Sokolowski: LSCG (1969) 61, Z.4-7: das Apollonheiligtum an der Agora lag seit langer Zeit in Ruinen. Vgl. Alcock, S.: Minding the Gap in Hellenistic and Roman Greece, 247-62 in: Alcock, S. / Osborne, R. (ed.): Placing the Gods. Sanctuaries and Sacred Space in Ancient Greece, (1994) spez. 253-5.

1.1. Zur

23

Forschungsgeschichte 70

Zuwendung an Heiligtümern . Archäologisch ist dieses Nachlassen nicht immer eindeutig zu fassen und insgesamt scheint bei der Suche nach Indizien für das Ende kultischer Tätigkeit die Gefahr groß, e silentio zu argumentieren. Ist auch die negative Seite der Veränderungen am Pantheon nur vereinzelt zu beobachten, so bleibt doch die positive als deutlicher Hinweis darauf, daß mit unterschiedlicher Zusammensetzung eines Lokalpantheon zu verschiedenen Zeiten zu rechnen ist, daß somit seine Rekonstruktion auf möglichst synchronischem Quellenmaterial aufbauen muß. So ergibt sich sowohl aus Überlegungen zur Dynamik von Ritualen als auch zur zeitlich variierenden Zusammensetzung des lokalspezifischen Pantheon die Forderung, Religionsgeschichte dezidiert historisch, d.h. nach Epochen gegliedert, zu betreiben. Nur so ist der Gefahr zu entgehen, Ungleichzeitiges zu vermischen und aus Zeugnissen verschiedener Zeitstellung ein Konstrukt 7 1 zu ersinnen, das in keiner historischen Phase mehr sinnvoll zu verankern ist. Das Forschungsinteresse richtet sich daher nun eher auf die historisch faßbaren Epochen, aus denen zeitgenössische Quellen erhalten sind, während die ältere Forschung mit S. Wide und L. Ziehen die (damals noch) schriftlose Frühzeit im Auge hatte. Für Sparta hat R. Parker 1989 mit dem Aufsatz .Spartan Religion' erstmals ein Gesamtbild dieses Bereiches in klassischer Zeit entworfen 7 2 ; es spiegelt deutlich die spezifisch lakonische Dürftigkeit der Zeugnisse, so daß jene Fragen, die Parker nicht beantworten konnte, oftmals spannender erscheinen als die Aussagen, die das Quellenmaterial gestattet. So ist gerade die Organisation des kultischen Lebens im klassischen Sparta nahezu unbekannt; wir können weithin nur vermuten, daß die Besonderheiten der lakonischen Sozialorganisation auch im kultischen Bereich zum Ausdruck kamen. Als Spezifikum spartanischer Religiosität wurde von R. Parker an den Quellen klassischer Zeit vor allem die Bereitschaft zu höchst diszipliniertem Verhalten (auch) gegenüber den Göttern herausgearbeitet 73 . Im Umfang dieses Aufsatzes (30 Seiten) vor der Folie seines späteren Werkes zur Religion der Athener in archaischer und klassischer Zeit 7 4 (370 Seiten) zeigt sich überdeutlich der quantitative Unterschied in der Materialbasis der Untersuchungen: ein synchronisch angelegter und systematischer Vergleich beider Poleis mit religionsspezifischer Fragestellung, der außerordentlich interessant wäre, ist aufgrund der Quellenlage zur klassischen Zeit nicht möglich 7 5 . In diachronischer Richtung aber ist nun anzuschließen: Der

70 71 72

73 74

75

Vgl. etwa Paus. 23,13; Zusammenstellung lakonischer Beispiele siehe unten Abschnitt 3.3., vgl. auch Alcock: Graecia capta (1993) 158 Tab. 7 und 207 Tab. 10. Vgl. auch Kennell: Gynmasium of Virtue (1995) 4: „... a hodgepodge of elements wrenched out of their disparate environments ..." Parker, R.: Spartan Religion, 142-72 in: Powell, A. (ed.): Classical Sparta. Techniques Behind Her Success (1989); Guarducci, Μ.: I culti della Laconia, 87-106 in: Lanzillotta, E. (ed.): Problemi di storia e cultura spartana (1988) bietet einen summarischen Überblick, der hauptsächlich auf die Situation der archaischen Zeit zielt; Hooker, J. T.: The Ancient Spartans (1982) ,dt. Ε. Bayer (1982) = Sparta. Geschichte und Kultur, bietet als drittes Kapitel eine kurze (50-78) Zusammenstellung einiger Kulte und Kultstätten. Vgl. Parker (1989) 160-2. Parker: Athenian Religion. A History (1996): Das meines Wissens erste Werk mit dem Ziel, lokal und zeitlich spezifiziert attische Religion (nicht den Teilaspekt der attischen Feste nur) zu untersuchen und darzustellen. Parker (1989) 143ff. kontrastiert jedoch einzelne Aspekte, die in beiden Fällen hinreichend dicht belegt sind, so etwa das Bestattungswesen (150) und Elemente des Festkalenders (15052: Demeterfeste, Dionysosfeste).

24

1.

Einführung

Untersuchung der spartanischen Religion hellenistischer Zeit steht zwar eine noch größere Dürftigkeit der Zeugnisse entgegen als jener klassischer Zeit, doch ändert sich dies grundlegend mit dem Beginn der römischen Kaiserzeit 76 , die damit zu einem geeigneten Untersuchungszeitraum wird. So ist beispielsweise ein Gutteil des spartanischen Pantheon dieser Zeit aus den zeitgenössischen Inschriften zu rekonstruieren 77 : Wie ist dies im Vergleich zu jenem klassischer Zeit zu sehen, das Parker 7 8 zusammengestellt hat? Wie sind Übereinstimmungen zu erklären, wie Unterschiede? Welches Gewicht haben solche Unterschiede, auf welche gesellschaftlichen Veränderungen gehen sie zurück? Die Annahme, es seien zu einem gleichbleibenden Grundbestand an Göttern und Kulten in der Kaiserzeit dann lediglich noch einige weitere hinzugekommen (der Serapiskult, der Kaiserkult, die ersten Christen) und andere wieder aufgenommen worden (das Fest für Zeus Ouranios, die Leonideia), wie dies dem kurzen Überblick von A. Spawforth 7 9 zu entnehmen ist, führt zu einer nur wenig differenzierten Sicht dieser Veränderungen. Die Bedeutung von Neuerungen ist ja nur auf der Folie des Bestehenden zu erkennen.

1.2. Ziel und Methode: Priesterämter als Indikatoren der Kultaktivität Ein erstes Ziel dieser Untersuchung wäre demnach, das Pantheon Spartas in der Kaiserzeit zu rekonstruieren und so erstmals einen interpretierfähigen Gesamtbestand jener Kulte zu gewinnen, die annähernd gleichzeitig belegt sind. Hierbei ist Vollständigkeit anzustreben. In einer seit S. Wide und L. Ziehen veränderten Perspektive müssen nämlich auch der Kult römischer Kaiser 8 0 und heroisierter historischer Personen 8 1 in die Untersuchung miteinbezogen werden. Kaiserkult hielt man bis in die 1980er Jahre hinein gerne für eine

76

77 78

Reichhaltig wird das Inschriftenmaterial aus Sparta ab dem 1. Jhd. n. Chr., im besonderen seit flavischer Zeit: vgl. Spawforth (1985) 201. In den folgenden zwei Jahrhunderten zeigt sich die auch sonst übliche quantitative Zunahme mit dem spektakulären Einbruch in der Mitte des 3. Jhds. n. Chr., der die Grenzen auch dieser Untersuchung weithin bestimmt: vgl. MacMullen, R.: The Epigraphic Habit in the Roman Empire, AJP 103 ( 1 9 8 2 ) 2 3 3 - 4 0 ; Meyer, E.A.: Explaining the Epigraphic Habit in the Roman Empire: The Evidence of Epitaphs, JRS 8 0 ( 1 9 9 0 ) 74-96.

Bisher nur ansatzweise im Kapitel „Innovation" bei Spawforth (1992) 235-6. Vgl. Parker (1989) 151: Apollon Amyklaios und Apollon Karneios, Athena Chalkioikos, die Dioskuren, Artemis Orthia, Helena (und Menelaos), Poseidon Tainarios, die Leukippiden und Lykurg, der Gesetzgeber. Vgl. die Liste der in klassischer Zeit belegten Heroen ebd. 147-8. 7 9 Spawforth, Α.: Spartan Cults Under the Roman Empire: Some Notes, 227-38 in: Philolakon. Lakonian Studies in Honour of Hector Catling (1992). 8 0 Wie bereits oben erwähnt: Wide (1893) 361-5 zum Kaiserkult, ohne Kommentar; Ziehen: RE 3 A 2 (1929) 1453-1524 s.v. Sparta (Kulte) sparte den Kaiserkult vollständig aus; die Götterund Heroenliste 1454ff. enthält ebenso wenig w i e die Liste der Feste 1508ff. irgendeine andere als beiläufige Erwähnung des Kaiserkultes; kaiserzeitliche Heroenfeste wie die Eurykleia sind jedoch aufgeführt. 8 1 Vgl. Wide (1893) 358 zum deliberativen Ausschluß dieser Gruppe.

1.2. Ziel und

Methode

25

leere Formsache, in religiöser Hinsicht für bedeutungslos und ein bloß politisches Arrangement, das den Dank der Städte für erwiesene Wohltaten des Kaisers ausgedrückt habe 82 . Diese Funktion hatte der städtische Kaiserkult sicherlich auch, doch beschränkt sich seine Bedeutung nicht auf diesen einen Punkt, den die modernen Interpretatoren zeitweise so stark hervorgehoben haben. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, daß die äußeren Formen und Riten des Kaiserkultes jenen tradtioneller Kulte weitgehend entsprachen 83 , daß somit in der antiken Auffassung und gesellschaftlichen Funktion keine wesentlichen Unterschiede bestanden haben können. Politik und Religion fungierten in der Antike nicht nach dem heutigen Muster als zwei deutlich verschiedene Aktionsbereiche 8 4 . Mithin bedeutete politische Funktion nicht die Absenz religiöser. So spricht zwar nichts dagegen, anhand moderner Begriffe und Fragen antike Verhältnisse zu untersuchen, doch müssen gerade deren Typika bei der Analyse berücksichtigt, herausgearbeitet und letztlich akzeptiert werden. Eine Anpassung des Untersuchungsgegenstandes an moderne Konzepte von Religion, wie sie u.a. S. Wide und L. Ziehen unternommen haben 85 , verwischt dagegen die Unterschiede zwischen Antike und Moderne. Die „Empfindung der Alten" 8 6 ist ausschlaggebend für die Zurechnung zum Untersuchungsgegenstand, nicht unsere moderne Einschätzung. Kaiserkult und Heroenkulte historischer Personen wird man aufgrund dieser Überlegungen von der Untersuchung spartanischer Kulte also nicht mehr ausschließen wollen. Wegen des Zufalls, der die Erhaltung der antiken Zeugnisse bestimmte, ist Vollständigkeit zwar bei der Dokumentation des heute bekannten Quellenbestandes, nicht jedoch beim Versuch erreichbar, die Gesamtheit der spartanischen Kulte der Kaiserzeit zu erfassen. (Dies hat freilich noch keinen Forscher von der Untersuchung abgehalten.) Mit fehlender oder geringer Belegung des einen oder anderen Kultes zu argumentieren - wie dies die ältere Forschung ansatzweise bei Demeter, Dionysos und Herakles getan hat 8 7 - erscheint daher wenig hilfreich. Es bietet sich aber an, zunächst das positiv bezeugte Spektrum der kaiserzeitlichen Kulte zu erarbeiten und der Untersuchung zugrunde zu legen. Es wäre nun aber wenig damit gewonnen, eine Liste aller Gottheiten und Heroen aufzustellen, die in den kaiserzeitlichen Quellen zu Sparta in irgendeiner Weise vorkommen: Ein derartiger Katalog 82

83

84

85

86

87

Vgl. Wlosok, Α.: Einführung 4-5 in: Wlosok, A. (Hg.): Römischer Kaiserkult, WdF 372 (1978); Nock, A.D.: Die Einrichtung des Herrscherkultes, ebd. 377; Pekary, T.: Das Kaiserbildnis... (1985) 125; Doxographie ausführlich bei Price, S.: Rituals and Power (1984) 16. Price, S.: Rituals and Power (1984) 3 et passim, spez. 231-2; vgl. neuerdings Clauss, M.: Deus praesens, Klio78 (1996) 400-33; feine terminologische Unterschiede jedoch vgl. Price (1984). 232 und (1980); dazu Pekary (1985) 126-7. Vgl. Price, S.: Rituals and Power (1984) 15-6; Sourvinou-Inwood, C.: What is Polis Religion?, 295-322 in: Murray, O./Price, S. (ed.): The Greek City (1990); Bremmer: GR (1995) 1: "embeddedness". Vgl. auch Nilsson: GF (1906) V, der schon bei den in historischer Zeit neu eingerichteten Festen Verfallserscheinungen sah („immer derselbe einförmige und öde Prunk") und im besonderen Feste, bei denen er „keine religiöse Bedeutung" erkannte - so etwa die panhellenischen Spiele - (VII) von der Untersuchung ausschloß. Wide (1893) im Kapitel .Sonstige Heroen' 358: „Aber diese historischen Heiligen gehen uns direkt nichts an, sondern nur solche, bei welchen die Gewißheit oder Wahrscheinlichkeit vorliegt, daß sie mythische Figuren sind. Zwischen diesen historischen Heroen und den mythischen besteht zwar nicht für die Empfindung der Alten, aber doch der Sache und dem Ursprung nach ein fundamentaler Gegensatz." Geringe Bedeutung stellten Wide (1893) 302 und Ziehen: RE 3 A2 (1929) 1490 (Herakles) und 1520 (Demeter und Dionysos) fest; dagegen Parker, R.: Demeter, Dionysos, and the Spartan Pantheon, 99-103 in: Hägg, R. / Marinatos, N. / Nordquist, G. (ed.): Early Greek Cult Practice, (1988).

26

].

Einführung

basierte auf äußerst disparatem Quellenmaterial, unterschiedslos etwa auf einem beschrifteten Votiv, das ohne Fundzusammenhang überliefert wurde, einem von Pausanias detailliert beschriebenen Heiligtum, einer von ihm nur nebenbei erwähnten Kultstätte oder Statue, spartanischen Münzen mit der Abbildung von Götterstatuen, Ehreninschriften für Priester und siegreiche Athleten, Kultgesetzen und den archäologisch faßbaren materiellen Resten von Heiligtümern samt Ausstattung. Ein Votiv bezeugt eine einmalige und individuelle Kulthandlung, .Privatkult' meist im Gegensatz zu ,Staatskult', einer Tätigkeit in öffentlichem Auftrag, wie sie von Priestern regelmäßig ausgeübt wurde. Ist ein Votiv als Einzelstück ohne Fundkontext erhalten, so belegt es nicht einmal die Existenz eines Heiligtums für die Gottheit, der es gewidmet ist, sondern nur den Widmungsakt selbst, der eben auch in dem Heiligtum einer anderen Gottheit 88 stattgefunden haben kann. Disparat wie die Quellenbasis wären demnach die zu gewinnenden Deutungen und Aussagen 8 9 : man käme auf eine Liste von vielleicht zweihundert Göttern und Heroen 9 0 , wobei unklar bliebe, wer diese Götter verehrte, wie und wo man dies tat, und in welchem Ausmaße die zugehörigen Kulte für die kaiserzeitliche Gesellschaft Spartas von Wichtigkeit waren. Gerade in diesem Punkte mag es große Unterschiede gegeben haben - individuelle, die analytisch nicht zu fassen sind, aber auch gruppen- und schichttypische. Zu fragen ist also nicht nur ungeschieden danach, welche Kulte für das kaiserzeitliche Sparta bezeugt sind, sondern präzise danach, welche Kulte im Untersuchungszeitraum von öffentlicher Bedeutung waren und wie sich diese Kulte zueinander verhielten. Wie ist dies festzustellen? Anhand des Pausaniastextes erhält man durchaus eine Vorstellung davon, welche Heiligtümer einer antiken Stadt zentral lagen und prächtig ausgestattet waren. Zeitgenössiche Details, die über die aktuelle und intrakulturelle Wertigkeit eines Heiligtums Auskunft geben, sind jedoch selten, da das Hauptinteresse des Autors weit zurückliegenden Zeiten galt: er teilte die zeittypische Hochschätzung des Alten und Ehrwürdigen 91 . Da diese Haltung mit starkem Interesse am religiösen Bereich 92 gepaart war, hat man ihn einen , Pilger' 9 3 genannt. Seine Texte liefern wegen dieser spezifischen Interessenkombination eine Art Inventar der Heiligtümer einer Stadt aus der Perspektive eines Besuchers, doch wenig nur zu den hier angeschnittenen Fragen nach der aktuellen intrakulturellen Bedeutung oder ,Kultaktivität'. Diese festzustellen benötigt man Quellen, die möglichst ungefiltert die Perspektive der Ortsansässigen zeigen: Inschriften und archäologisches Material. Letzteres steht im Falle Spartas nur in wenigen, allerdings spektakulären Fällen zur Verfügung: wir kennen beispielsweise das Orthiaheiligtum, das der Athena Chalkioikos auf der Spartaner Akropolis, und einige kleinere, meist bisher nicht identifizierte Kultstätten im Stadtgebiet 94 . Ist - wie bei Orthia 88

89 90 91

92 93 94

Vgl. Alroth, B.: Greek Gods and Figurines (1989) 65-6 „visiting gods"; so wurde beispielsweise im lakonischen Heiligtum für Demeter und Kore, dem Eleusinion, ein Dioskurenrelief gefunden: vgl. Cook: BSA 45 (1950) 271. Vgl. etwa Düll, S.: Die Götterkulte Nordmakedoniens in römischer Zeit (1977) 17-22. Siehe Appendix, wo die bei Pausanias erwähnten Götter und Heroen zusammengestellt sind. Vgl. Habicht, C.: Pausanias und seine „Beschreibung Griechenlands" (1985) 128, 133 et passim; Arafat, K.W.: Pausanias' Attitude to Antiquities, BSA 87 (1990) 391-7; Meadows, A.R.: Pausanias and the Historiography of Classical Sparta, CQ 45 (1995) 92-113 zeigt , daß diese Haltung auch für seine Benutzung historischer Schriften gilt. Vgl. Habicht (1985) 138, 153-61; Pritchett, W.K.: Pausanias Periegetes (1998) 61-364. Vgl. Eisner, J.: Pausanias. A Greek Pilgrim in the Roman World, P&P 135 (1992) 3-29. Eine nützliche Zusammenstellung des archäologisch Ergrabenen bei Hooker, J.T.: Sparta. Geschichte und Kultur, übs. E.Bayer (1982) 295; Berichte über die seit den 1970er Jahren wiederaufgenommene Grabungstätigkeit durch die British School at Athens vgl. B S A

1.2. Ziel und

Methode

27

über längere Zeit hinweg eine genügend hohe Funddichte anzutreffen, so können durchaus zeitlich differenzierte Aussagen über Axt und Bedeutung des Kultus' getroffen werden. Für eine Einschätzung des Gesamtbestandes kultischer Aktivität reichen im Falle Spartas die Aussagen archäologischer Forschung jedoch nicht aus. Sie können zur Ergänzung der Interpretation herangezogen werden, die hauptsächlich auf zwei Quellenkomplexen ruht - auf den kaiserzeitlichen Inschriften einerseits, auf den Lakonika des Pausanias andererseits. Diese zwei Bestände ergänzen sich gegenseitig auf das günstigste, da sie annähernd gleichzeitige Information verschiedener Art bereitstellen: die Inschriften bezeugen direkt und unmittelbar die Innenperspektive, während Pausanias, der zeitgenössische aber ortsfremde Beobachter, die Außensicht bietet. Doch weil, wie bereits erwähnt, auch die verschiedenen Gattungen der epigraphischen Zeugnisse zunächst disparate Aussagen nur gestatten, erscheint es sinnvoll, daraus einen annähernd homogenen Quellenbestand zusammenzustellen, der gleichartige Aussagen zur Frage der Kultaktivität liefern kann. Eines der gewichtigsten Indizien dafür ist der epigraphische Nachweis eines Priesteramtes, so daß anhand einer Liste belegter Priesterämter schon ein Gutteil des aktiven Pantheon einer Stadt sichtbar wird. Da die Hauptaufgabe griechischer Priester in der Verwaltung eines Heiligtums besteht 95 , ist außerdem mit dem Priesteramt dessen Existenz nachgewiesen und darüber hinaus wohl auch dessen Instandhaltung und Pflege, die Abhaltung und womöglich Finanzierung des zugehörigen Jahresfestes für die dort verehrte Gottheit 96 . All diese Ableitungen ergeben sich aus den Besonderheiten der Inschriftengattung, die uns die Priesterämter des kaiserzeitlichen Sparta hauptsächlich bezeugt: es sind Ehreninschriften 9 7 , Texte, die ihrerseits nur Teil eines Statuenmonumentes zu Ehren einer von der Stadt ausgezeichneten Person sind. Meist sind die schrifttragenden Basen erhalten, die Porträtstatuen der Geehrten jedoch nicht. Ein typischer Text eines Ehrenmonumentes für eine Frau lautet beispielsweise 98 :

95

96 97 98

1978ff., zusammenfassend Catling, H.W..: The Work of the British School at Athens at Sparta, 19-27 in: Cavanagh, W.G./Walker, S. (ed.): Sparta in Laconia (1998); zur Topographie des antiken Sparta vgl. nun Stibbe, C.M.: Beobachtungen zur Topographie des antiken Sparta, BaBesch 64 (1989) 61-99 und Musti/Torelli (1991) passim, mit Abb. L und LI, die in vielen Fällen zu weit von Stibbe abweichenden Auffassungen kommen. Vgl. Stengel, P.: Die griechischen Kultusaltertümer, spez. 24 in: Stengel, Ο. / Oemichen, G.: Die griechischen Sakralaltertümer und das Bühnenwesen der Griechen und Römer, HdAW 5,3 (1890); Burkert, W.: GR (1977) 158; Bremmer: GR (1995) 7, 27; Graf, F.: Griechische Religion, 457-504, spez. 473-4 in: Nesselrath, H-G. (Hg.): Einleitung in die griechische Philologie (1997). Sich mit leeren Titelhülsen zu schmücken hätte soziale Kontrolle durch die Gleichrangigen wohl verhindert. Daneben auch vereinzelt Beamtenkataloge. IG 587: ή ττόλις Π ο μ π η ί α ν Π ώ λ λ α ν Θ ε ο ξ έ ν ο υ τ ή ν ά ρ χ η ί δ α κα\ θ ε ω ρ ό ν δια βίου τ ο υ σ ε μ ν ο τ ά τ ο υ ά γ ώ ν ο ς τ ω ν Ύ α κ ι ν θ ί ω ν , σ ω φ ρ ο σ ύ ν η ς τε και σ ε μ ν ό τ η τ ο ς και της ά λ λ η ς π ά σ η ς άρετής της έν γ υ ν α ι ξ ι ν £νεκα, π ρ ο σ δ ε ξ α μ έ ν ω ν τ ό ά ν ά λ ω μ α Τιβερίου Κλαυδίου Αίλίου Π ρ α τ ο λ ά ο υ τ ο υ και Δ α μ ο κ ρ ά τ Ι δ α καΐ Κλαυδίας Δ α μ ο σ θ ε ν ε ί α ς τ ω ν έκγόνων.

28

1.

Einführung

1

Die Polis (ehrt) Pompeia Polla, die Tochter des Theoxenos, die archeis und theoros auf Lebenszeit 5 des ehrwürdigsten Wettkampfes bei den Hyakinthien, wegen ihrer Besonnenheit und Würde und (wegen) jeder anderen Frauentugend, wobei die Kosten übernehmen 10 Tiberios Klaudios Ailios Pratolaos, der auch Damokratidas (heißt) und Klaudia Damostheneia, die Enkel. D i e Stadt Sparta genehmigt die Aufstellung des Monumentes, finanziert es aber im allgemeinen nicht; dies ist meist die Aufgabe von Verwandten der Geehrten. Genannt wird jeweils der N a m e der geehrten Person, die öffentlichen Ämter, die sie verwaltet hat, und die positive Einschätzung, die diese Tätigkeit im gesellschaftlichen Wertesystem einnimmt. In den Ehreninschriften des kaiserzeitlichen Sparta finden sich rund 6 0 Personen, die etwa 30 verschiedene Priesterämter innehatten. An diesen annähernd homogenen Quellenbestand aus der Zeit ungefähr zwischen der Mitte des 1. und der Mitte des 3. nachchristlichen Jahrhunderts lassen sich religionssoziologische Fragen anlegen, die bisher kaum gestellt worden s i n d " : Wer verwaltete welche Kulte? Gab es geschlechtsspezifische Besonderheiten bei der Verteilung z w i s c h e n Männern und Frauen? Bestimmten rituelle Notwendigkeiten, das Geschlecht der Gottheit, oder alleine die Familienzugehörigkeit, ob ein Priesteramt von einer Frau oder von einem Mann ausgeübt wurde? Und da die Vererbung dieser Ämter häufig war: Wurde in männlicher oder weiblicher Linie, ausschließlich auf Frauen, auf Männer, oder gemischt tradiert? D i e s e zweite Frageebene ergänzt die erste nach der kaiserzeitlichen Kultaktivität, die auf die Rekonstruktion des zeitgenössischen Pantheon zielt.

99

Die Erforschung antiker Priesterämter hat sich lange Zeit hauptsächlich auf den Westen des Mittelmeerraumes konzentriert: vgl. die Zusammenstellung des Tübinger Autorenkollektivs .Priesthoods in Mediterranean Religions', Numen 40 (1993) 82-93, Bibliographie 92-3; im griechischen Bereich wurde vor allem das Phänomen weiblicher Priester mehrmals monographisch dargestelltt - vgl. Holderman, E.S.: Α Study of the Greek Priestess (1913); Turner, J.Α.: Hiereiai. The Acquisition of Feminine Priesthoods in Ancient Greece (1983) - und ansonsten Kultfunktionäre punktuell dort studiert, wo die Quellensituation es nahelegt, in Athen, Eleusis, bei den Asklepiosheilig-tümern: vgl. Martha, J.: Les sacerdoces atheniens (1882); Clinton, K.: The Sacred Officials of the Eleusinian Mysteries (1972); Ferguson, W.S.: The Priests of Asklepios (1906); Aleshire, S.B.: Asklepios at Athens: Epigraphic and Prosopographic Essays on Healing Cults (1991). Es fehlt weiterhin eine systematisch angelegte Untersuchung zu den antiken griechischen Priestern und Priesterinnen selbst klassischer Zeit. Siehe aber Beard, Μ. / North, J. (ed.): Pagan Priests (1990) und Krön, U.: Priesthoods, Dedications and Euergetism: What Part Did Religion Play in the Political and Social Status of Greek Women?, 139-182 in: Alroth, B. / Hellström, P. (ed.): Religion and Power in the Ancient Greek World. Proceedings of the Uppsala Symposion 1993 (1996).

1.2. Ziel und

Methode

29

In der Darstellung dieser Untersuchung wurde die geschlechtsspezifische Frageebene unter anderem dazu verwendet, den Katalog der kaiserzeitlich aktiven Götterkulte sinnvoll zu gliedern. So bietet die Inhaltsangabe dieser Arbeit die Ergebnisse beider Fragestellungen verschränkt und ,auf einen Blick'; sie liefert einerseits - indexartig - den Katalog jener Götterkulte des kaiserzeitlichen Sparta, die durch Priesterämter als aktiv nachgewiesen sind, andererseits bietet sie diese Kulte in geschlechtsgebundener Ordnung dar. Hierzu wurden drei Kategorien gebildet: erstens Priesterämter (und andere kultische Funktionen), die von Frauen ausgeübt wurden (Punkt 2 der Gliederung), zweitens solche, die Männer innehatten (Punkt 4), und außerdem solche, bei denen sowohl Männer als auch Frauen als Inhaber von Kultämtern nachgewiesen sind (Punkt 3). Die einzelnen Abschnitte folgen implicite jeweils dem folgenden Muster: an erster Stelle steht die Diskussion der epigraphischen Zeugnisse zum Priesteramt, dann behandle ich die Beziehung zum Pausaniastext und die sich aus dieser Beziehung ergebenden Forschungsprobleme, schließlich die Frage, was über den Kult der zugehörigen Gottheit ansonsten, im besonderen über dessen soziale Funktion, zu eruieren ist. Hierbei gehe ich nach zwei Prinzipien vor: 1) Priorität genießt die Interpretation von Zeugnissen aus dem gewählten Untersuchungszeitraum (Begründung oben); es werden daher nicht zu jedem Götterkult ungeschieden alle Zeugnisse herangezogen, diskutiert und gemeinsam interpretiert, sondern vor allem jene, die über die kaiserzeitliche Ausprägung eines Kultes Aussagen gestatten. 2) Die lokalspezifische Deutungsebene überwiegt gegenüber der überregionalen und panhellenischen. Daraus folgt, daß nicht zu jedem einzelnen kultischen Phänomen, das in Sparta vorkommt, die breit vergleichende Gesamtdokumentation geboten wird. Ich vergleiche möglichst lokalspezifisch, ziehe also im Zweifelsfalle eher Parallelen aus der näheren Umgebung und Nachbarschaft Spartas (vor allem Arkadien, Messenien, Argolis) heran als entlegenere, weil ich meine, daß dauerhafte Regionalkontakte imitierende Wirkung haben können. Außerdem wurde Vollständigkeit beim Katalog nicht nur der aktiven Götterkulte, sondern auch bei der Erfassung des Phänomens .Priesterämter und andere kultische Funktionen' angestrebt. Daraus erklärt sich die Aufnahme einiger Kapitel, deren Quellenbasis ein literarisch, nicht epigraphisch, belegtes Amt ist; diese Kapitel stehen daher in runden Klammern (2.4.3., 4.7.).

2. Priesterämter, die von Frauen besetzt wurden

Die Durchsicht der kaiserzeitlichen Inschriften aus Sparta nach Priesterämtern und anderen kultischen Ämtern, die von Frauen bekleidet worden sind, ergab 20 Personen, darunter eine Seherin, und zusätzlich ein Mädchenkollegium namens ,Dionysides' 1 . Weitere zwei Mädchenkollegien (Leukippiden und Karyatiden) werden in einem eigenen Abschnitt 2 behandelt, um die Dionysides in angemessenem Kontext darzustellen, sind jedoch nicht in der Liste von Priesterinnen erfaßt, da die ausschlaggebenden Zeugnisse literarisch tradiert sind. Anders als bei der Benennungspraxis von männlichen Priestern, die verhältnismäßig einfach über die Termini ιερεύς und άρχιερευς zu erschließen sind 3 , finden sich für Frauen neben'ίερεια, Priesterin, eine Reihe weiterer Bezeichnungen, die auf kultische Funktionen hinweisen: θοιναρμόστρια, πώλος, ύποστάτρια, 'αρχηίς, θεωρός, 'αγοράχος. Bei den meisten dieser Spezialausdrücke ergibt der Kontext, in dem sie verwendet werden, zweifelsfrei die Einordnung in den kultischen Bereich. Eine Ausnahme bildet die Bezeichnung εστία πόλεως, Hestia der Stadt, die - wie die anderen Spezialbezeichnungen - nur bei Frauen vorkommt 4 und wohl als eine Art Ehrentitel aufzufassen ist. Vergleichbar sind etwa die Titel ,Tochter' und ,Mutter der Stadt', bzw. ,von Volk und Rat', die im kaiserzeitlichen Sparta und in vielen anderen Poleis üblich sind 5 . Sie hatten sicherlich ideologisch integrierende Wirkung - bezogen vornehme Frauen in das öffentliche Leben mit ein - , doch können wir über Anlaß und Umstände dieser Ehrungen nur spekulieren 6 und wissen nicht, ob damit irgendeine Art von Aufgabenbereich verbunden war, der die ,Hestia der Stadt' einem Priesteramt vergleichbar machte: Man hat an die Verwaltung des .öffentlichen Herdes' gedacht 7 , der sich in den meisten Poleis im Prytaneion befand. In der folgenden Liste 8 taucht das Amt der ,Hestia der Stadt' nur dann auf, wenn es mit Kultämtern kombiniert ist.

1 SEG 11 (1954) 610. 2 Siehe unten 2.4.1., 2.4.3. 3 Liste Κ (Kaiserpriester) und Liste Β (Männliche Priester mit Ausnahme der Kaiserpriester): siehe unten Kap. 4. 4 Vgl. IG 116, 583, 589, 587, 593, 608; SEG 36 (1986) 353. 5 Zusammenstellung bei Bremen, R. van.: Limits of Participation (1996) 348-57: Appendix 3. 6 Vgl. ebd. 168-70. 7 Vgl. Spawforth (1985) 206; (1992) 233; daß IG 116,9-11 (Text siehe unten A. 9) Hestia der Stadt und Priesterin nacheinander für dieselbe Person gebraucht wird, spricht dagegen, auch ,Hestia der Stadt' als Bezeichnung für ein Priesteramt zu betrachten. 8 Die hier gebotenen Datierungsansätze sind in den meisten Fällen Näherungswerte und beruhen auf der Einordnung bei Bradford (1977) und Spawforth (1985).

32

Liste

2. Priesterämter

A:

- Frauen

Priesterinnen

Name

Dokument

Datierung

Amt und

1) Eukletia

IG 116,9-11

2. Jhd.

hiereia, hestia poleos, thygater poleos

2) Eurybanassa Sidekta

IG 209,2

aug. Zeit

(hiereia)

3) Klaudia Ageta Antipatrou

IG 249

2. H. 2. Jhd.

hiereia

4) Anthouse Damainetou

IG 248

2. H. 2. Jhd.

hypostatria

5) - a Leuktriada

IG 577

röm. Zeit

eleusin. Kontext? hieria (sie)

6) Memmia Xenokratia Deximachou 6) dies.

IG 586

2. Jhd.

6) dies.

SEG 36 (1986) 353

archeis und theoros bei den Hyakinthien, und hiereia, thoinarmostria, eleusin. Kontext hestia poleos, thoinarmostria

7) Pompeia Polla Theoxenou

IG 587

2. Jhd.

archeis und theoros bei den Hyakinthien

8) Klaudia Damostheneia Pratolaou

IG 589

Anf. 3. Jhd.

thoinarmostria, agorachos und hiereia des/der Karneios Boiketas Karneios Dromaios Poseidon Domateitas Herakles Genarchas Kore u.Temenios/Hel. hestia poleos

8) dies.

IG 608

dieselben Götter

9) Xenaria

IG 583

thynarmostria, eleusin. Kontext, und hestia poleos

10) Julia Apatarion

IG 584

IG 607 Β 28

Anf. 2. Jhd.?

Gottheit

hiereia der zwei eleusinischen (Göttinnen)

33

2.1. Eleusinion: Demeter und Kore 11) Pomponia Kallistonike Aristeou

IG 602

Mitte 3. Jhd.

hiereia der/des Artemis Orthia Moirai Lacheseis Aphrodite Enhoplios Asklepios Schoinatas in Helos Artemis Patriotis in Pleiai Dioskuren und beim Dioskurenagon

12) Klaudia (Loggei)a Aristotelous

IG 592

ca. 220 n. Chr.

eleusinischer Kontext thoinarmostria

13) Aure(li)a Epaphro

IG 594

polos der allerheiligsten zwei Göttinnen

14) Antonia Eudamia Arth-

IG 596

thyna( r)mostria

15) Aurelia Teimokrateia Asklepiadou

IG 606

3. Jhd.

thoinarmostria agorachos

16) Anonyma

IG 229

1. Jhd. v./n. Chr.

thoinarmostria, eleusin. Kontext

17) Gorgo Aristo(la)

SEG 11 (1954) 676

aug. Zeit

10 Jahre amphithales, eleusin. Kontext

18) (Ni)kippia Kleonikou

SEG 11 (1954) 677

aug. Zeit

8 Jahre amphithales, eleusin. Kontext

19 ) Ouolussene Olympicha (zus. mit P. M. Pratolaos)

IG 233

hadr. Zeit

hiereis

- ) Alkibia Teisamenou (Liste Μ Nr.4, siehe Kap. 3.4.)

IG 141,5 IG 465; 578

aug. Zeit

mantis

und

Bei f ü n f Amtsträgerinnen sind die B e n e n n u n g e n nicht oder nicht hinreichend deutlich spezifiziert, so daß die Frage, im Kult welcher Götter sie tätig waren, diskutiert werden muß. Dies geschieht bei Nr. 19 im Abschnitt zu den Dioskuren (siehe unten 3.1.), bei Nr. 3-5 im Abschnitt zum Eleusinion (siehe unten 2.1.), worauf die Fundorte und die Art der Zeugnisse hinweisen. Nur bei Nr. 1 der Liste ist nicht festzustellen oder zumindest wahrscheinlich zu machen, wessen Kult diese Priesterin verwaltete 9 . Die Kultämter, die von Frauen bekleidet wurden, lassen sich hauptsächlich drei Kultkomplexen zuordnen; sie gehören zum Kult der Demeter und Kore im außerstädtischen Eleusinion (Nr. 6, 8, 9, 10, 12-18), zum Hyakinthos9 IG 116,9-11:'Εστία π ό λ ε ω ς κ α ι ι έ ρ ε ι α (ά)[γ]α(θ)[ηΊ, θ υ γ α τ ή ρ πόλεω[ς].

34

2. Priesterämter

- Frauen

und Apollonkult in Amyklai (Nr. 6-7) und in einem Falle wahrscheinlich zu einem der vielen Dioskurenkulte der Stadt (Nr. 19). Diesem Befund entsprechend ist das folgende Kapitel geordnet: Es behandelt zuerst den reich bezeugten Kultkomplex im Eleusinion, wo die meisten der Frauen in kultischen Ämtern tätig waren, dann die Hyakinthienämter. Weil die Dioskurenpriesterin Ouolussene Olympicha offenbar nicht alleine, sondern zusammen mit einem männlichen Priester amtete, wird dies in Kapitel 3 diskutiert, das ebensolche kombiniert oder alternierend besetzbaren Ämter darstellt. Auch die Ämter der Klaudia Damostheneia (Nr. 8) gehören zu diesen: Hier ist eine feststehende Ämterkombination in der Familie der Tib. Klaudioi faßbar, die sowohl von einer Frau als auch von einem Mann verwaltet werden konnte; sie wird in einem eigenen Abschnitt des Kapitels 3 (siehe unten 3.1.) behandelt. Pomponia Kallistonike (Nr. 11) hingegen verwaltete eine Gruppe von sechs Kulten, wovon vier singulär belegt sind, zwei jedoch auch bei einer zweiten Person, dem Sekstos (Pompeios) Eudamos (siehe unten 4.8.). Wegen der großen Bedeutung der von Kallistonike verwalteten Kulte und wegen der außergewöhnlichen Häufung von Priesterämtern, die sie verwaltet, ist ihr ein eigener Abschnitt gewidmet, in dem die damit zusammenhängenden Probleme erörtert werden. In ähnlicher Weise werden auch in Kapitel 3 und 4 jeweils eine Person oder Personengruppe herausgegriffen und separat behandelt. Die der Gliederung zugrundeliegenden Ordnungsprinzipien - die kaiserzeitlichen Kultämter nach Geschlechtszugehörigkeit jeweils nur einmal aufzuführen - werden dabei nicht tangiert.

2.1. Kultämter im Eleusinion: Demeter und Kore Im lakonischen Demeterkult zeigt sich ein differenziertes System kultischer Ämter. Ich skizziere einführend unseren Wissensstand zu dem zugehörigen Heiligtum und erläutere kurz die Quellenlage.

2.1.1.

Das Heiligtum

Die weitaus meisten Zeugnisse, die Frauen in kultischen Ämtern überliefern (14 von 20), stammen aus dem Umfeld des Kultes der Demeter und Kore im Eleusinion , das Pausanias 20,5 1 0 erwähnt. Diese Kultstätte ist in dem Dorf Kalyvia tes Sochäs lokalisiert worden 1 1 , das ca. 7 km oder 1 1/2 Fußstunden 1 2 südwestlich der Stadt auf Höhe des Amyklaion an der gegenüberliegenden westlichen (Eurotas-) Talseite liegt. Sie markiert wohl den äußersten südlichen Rand des direkt von der Stadt Sparta aus gestalteten kultischen Lebens (siehe Anhang: Lageskizze).

10 Τ α λ ε τ ο ϋ δέ τ ό μ ε τ α ξ ύ και Εύόρα Θ ή ρ α ς ό ν ο μ ά ζ ο ν τ ε ξ Λ η τ ώ φασιν ά π ό τ ω ν ά κ ρ ω ν τ ο ΰ Τ α ϋ γ έ τ ο υ * * * Δ ή μ η τ ρ ο ς έπίκλησιν Έ λ ε υ σ ι ν ( α $ έ σ τ ι ν ιερόν: Ausgefallen ist wahrscheinlich ein Mythos von Leto; deren Beziehung zum Heiligtum ist unklar: vgl. Musti / Torelli (1991) 255. 11 Prott, H. von: AM 24 (1904) 1-15; spez. 8. Zur Geschichte der Identifizierung ausführlich Stibbe, C. M.: Eleusinion, BaBesch 68 (1993) 74-5; LakSurvey (1996) 291. 1 2 Vgl. Cole, S. G.: Demeter in the Ancient Greek City and its Countryside, 209 in: Alcock, S. / Osborne, R. (ed.): Placing the Gods. Sanctuaries and Sacred Space in Ancient Greece (1994).

2.1. Eleusinion:

Demeter

und Kore

35 13

Mit Ausnahme einer kurzen Kampagne unter der Leitung von R. M. Dawkins im Jahre 1910 wurden in Kalyvia tes Sochas keine systematischen archäologischen Ausgrabungen vorgenommen, doch hat eine Flutkatastrophe 1947 Teile der Ausstattung des Heiligtums freigelegt, die sich jetzt größtenteils im Museum von Sparta befinden 1 4 ; der am Ort verbliebene Rest ist wieder verschüttet worden. Die Identifizierung des Kultortes ist durch epigraphische Evidenz 15 zweifelsfrei gesichert. Die archäologischen Funde zeigen einen Kultplatz, der von der archaischen Zeit bis in die späte römische Kaiserzeit genutzt wurde. Ein Höhepunkt zumindest der Funddichte (wenn nicht der Nutzung) liegt im 2. nachchristlichen Jahrhundert. In diese Zeit gehören die meisten beschrifteten Ehrenmonumente, deren Texte kultische Funktionen überliefern. Die Inschriften stammen zum Teil aus dem Dorf Kalyvia tes Sochas, wo sie um das Jahr 1900 vor allem bei der Kirchenruine der Hl. Sophia gesehen und dokumentiert wurden. Darunter befanden sich auch Stücke, die von Abbe Fourmont zu Beginn des 18. Jahrhunderts abgeschrieben, mit phantasiereichen Herkunftsangaben versehen worden waren und die in dieser Form in die Inscriptiones Graecae geraten sind. Da manche dieser Stücke „aus dem Tempel der Onga", „in Slavochori im Tempel des Apoll / aus der Nähe des Apollontempels in Amyklai" in Kalyvia Sochas, in Amyklai/Sklavochori 16 oder in den Feldern zwischen beiden Orten wieder aufgetaucht sind, ist ihre Zuordnung zum Eleusinion in den meisten Fällen zweifelsfrei, in einigen weiteren als wahrscheinlich anzunehmen. Die in diesem Zusammenhang von J. M. Cook vorgeschlagene Zuordnung 1 7 von insgesamt etwa dreißig Inschriften und beschrifteten Fragmenten zum Eleusinion wird von der Forschung weithin akzeptiert 18 . Daß das Eleusinion von der Stadt Sparta aus verwaltet wurde und nicht etwa einem nahegelegenen Dorf angehörte, sichert die prosopographische Evidenz; sie zeigt Frauen der städtischen Oberschicht hier tätig 19 . Weil das Eleusinion archäologisch nicht regelrecht ergraben wurde, ist es derzeit schwierig, sich eine mehr als grob strukturierte Vorstellung von diesem Heiligtum zu machen. Prägnante Ausstattungsstücke waren etwa fünf Marmorsessel, wohl Ehrensitze 20 , und eine Tischplatte aus Stein; ansonsten fanden sich neben einfachem, zum Teil für Demeterheiligtümer charakteristischen Votivmaterial 2 1 Fragmente auch einer Bronzestatue 2 2 . 13 14 15

16 17 18 19

20

21

Vgl. Dawkins, R. M.: Laconia. Sparta, B S A 16 (1909-10) 12-4. Cook, J. M.: B S A 45 (1950) 263 mit A.7 berichtet von Begehungen und einer kleinen klärenden Grabung in den Jahren 1947-49; vgl. Stibbe, C. M.: BaBesch 68 (1993) 77. IG 6 0 7 , 2 9 - 3 0 (Fundort Kalyvia Sochas) erwähnt die eleusinischen (seil. Göttinnen); mit Δ α μ α τ ρ beschriftete Dachziegel publiziert bei Dawkins, R. M.: B S A 16 (1909-10) 13 und nun wieder Stibbe, C. M.: BaBesch 68 (1993) 104. Der alte Name des Dorfes Amykles. Cook, J. M.: B S A 45 (1950) 262-3; vgl. die meisten Fundangaben zu den Inschriften im Abschnitt „Tituli honorarii mulierum" IG 573ff. Vgl. Parker (1988) 101 mit A.22; Spawforth (1985) 230-1; 234.; Walker (1989) 131; Stibbe (1993) 77-8. So etwa die Frau des Kaiserpriesters Tiberios Klaudios Eudamos (Liste Κ Nr.8), Klaudia Damostheneia (IG 589; 590) mit Bradford (1977) 166 Eudamos 18, 125-6 Damostheneia 3; vgl. Spawforth (1985) 230-4 Zu Sitzstufenanlagen als typische Elemente der Demeterheiligtümer: vgl. etwa Radt, W.: Pergamon. Geschichte und Bauten (1999) 180-1; Bookidis, N. / Stroud, R. S.: Demeter and Persephone in Ancient Corinth. Notebook 2 (1987) 20 mit Abb.19; Bookidis, N. / Stroud, R. S.: Corinth 18,3. The Sanctuary of Demeter and Kore (1997) 256-66. Vgl. nun Stibbe, C. M.: BaBesch 68 (1993) 88-105, der sich die Votive aus der kurzen Grabung von 1910 und einen Teil der Funde - von 1947/9? - im Museum von Sparti erneut

36

2. Priesterämter

- Frauen

Ehrenstatuen des Kultpersonals standen wohl - wie auch sonst - im Eingangsbereich 23 . Typisch für Demeterheiligtümer ist außerdem ihre wassergünstige Lage, was auch beim Eleusinion von Kalyvia tes Sochas zutraf 24 . Literarisch ist es nur durch Pausanias bekannt: der Perieget überliefert zu dem Eleusinion hauptsächlich drei Aussagen: seine mythische Einbindung, ein Detail der Ausstattung und ein Ritual. Erstens sei es nach lakedaimonischer Tradition der Ort, an dem der verwundete Herakles von Asklepios verborgen worden sei, um seine Wunde auszuheilen 25 . Diese Aussage zielt auf den Hippokoontidenkampf, bei dem Herakles durch die Söhne des Hippokoon verletzt wurde, einen zentralen lakedaimonischen Mythos, der durch Denkmale im Stadtbild Spartas präsent gehalten wird: man zeigt die Gräber der Hippokoontiden 26 in der Nähe des Platanistas. An der Straße nach Therapne liegt das Heiligtum des Asklepios Kotyleus, das ebenfalls mit Herakles' Heilung verbunden wird (er habe es nach der Heilung errichtet)27. Zweitens enthält das Eleusinion ein Bild des Orpheus, das ein Werk der Pelasger sein soll 28 . Wird einem Gegenstand pelasgische Herkunft zugeschrieben, so meint dies zunächst wohl dessen fremdartiges, altertümliches Aussehen 29 . Man wird diese Aussage nicht zur realen Datierung des Objektes oder gar des Heiligtums heranziehen wollen, wohl aber als

22 23

24

25 26 27 28 29

angesehen hat. Die meisten Objekte sind unpubliziert; die Photographien bei Stibbe lassen aber zumindest eine für Demeterheiligtümer typische Votivgattung (vgl. etwa Cole, S. G.: Demeter in City and Countryside, 203 in: Alcock, S. / Osborne, R. (ed.): Placing the Gods (1994)) erkennen, die Miniaturgefäße und hier speziell die Hydriskai: vgl. etwa Stibbe (1993) A b b . p . 1 0 1 N r . 8 0 ( M i n i a t u r h y d r i a ) u n d p.100 N r . 7 5 - 7 9 ( v e r s c h i e d e n e M i n i a t u r g e f ä ß e ) , außerdem Kat. Nr. 11 Stibbe (Miniaturhydria) und Nr. 12 (Miniaturaryballos). Vgl. Cook, J. M.: B S A 45 (1950) 269-70. Vgl. etwa das gut dokumentierte Demeterheiligtum in Priene, Schede, M.: Die R u i n e n von Priene (1964) 90; Paus. II 17,3; 35,8; VII 25,7 mit Turner, J.A.: Hiereiai (1983) 396 und Krön, U.: Priesthoods (1996) 142. Vgl. Cole, S. G.: T h e Uses of Water in Greek Sanctuaries, 164-5 in: Hägg, R. / Marinatos, Ν. / Nordquist, G. (ed.): Early Greek Cult Practice (1988) und Cole (1994) 204-5 mit Cook: B S A 45 (1950) 261 „abundance of water"; Stibbe (1993) 77. Insofern könnte Hesych s.v. Έ π ι κ ρ ή ν α ι α · ε ο ρ τ ή Δ ή μ η τ ρ ο ς π α ρ ά Λ ά κ ω σ ι ν sinnvoll auf j e d e s D e m e t e r h e i l i g t u m in Lakonien bezogen werden. Spezifische Deutung bei Wide (1893) 180, der Epikrenaia auf eine bestimmte A u s f o r m u n g der Demeter beziehen möchte, erscheint daher unhaltbar. Paus. 20,5: ε ν τ α ύ θ α Ή ρ α κ λ έ α Λ α κ ε δ α ι μ ό ν ι ο ι κ ρ υ φ θ ή ν α ί φ α σ ι ν υ π ό Α σ κ λ η π ι ο ύ τ ό τραΟμα ίώμενον· Vgl. Paus. 15,1-2 und 4-5; 14,7; siehe auch oben Abschnitt 3.2.3. zu Herakles Genarchas. Paus. 19,7. Paus. 20,6: και Ό ρ φ έ ω ς έ σ τ ι ν έν α ύ τ ώ ξ ό α ν ο ν , Π ε λ α σ γ ώ ν ώ ς φ α σ ι ν έ ρ γ ο ν . Zur Pelasgerfrage in der Forschungsgeschichte: Meyer, Ed.: Die Pelasger (1892/1966) 1-124 mit Schlesier, R.: Kulte, Mythen und Gelehrte (1994) 89; vgl. Burkert: GR (1977) 365 A.9; zu verschiedenen Varianten bei der Konstruktion von Vergangenheit durch Pausanias vgl. Arafat, K. W.: Pausanias' Attitude to Antiquities, BSA 87 (1990) 398, 402-3; Kreilinger, U.: Die Kunstauswahlkriterien des Pausanias, Hermes 125 (1997) 470-91.

37

2.1. Eleusinion: Demeter und Kore 30

authentische Beobachtung zu seiner kaiserzeitlichen Ausstattung. Orpheus gilt in Sparta als Gründer auch der Heiligtümer der Demeter Chthonia 3 1 und der Kore Soteira 32 . Drittens das Ritual: Er berichtet, man bringe an bestimmten Tagen von Helos, einem Ort am Meer, ein Bild der Kore zu Demeter in das Eleusinion 3 3 . Er hat sich offenbar im Vorfeld oder bei der Nachbereitung der Reisen über dieses Helos informiert, zitiert wie früher schon Strabon 3 4 die entsprechende Stelle im homerischen Schiffskatalog, und erwähnt es später ein zweites Mal 3 5 . Das Ritual wird nicht näher beschrieben, so daß eigene Beobachtung durch Pausanias unwahrscheinlich ist: er weiß lediglich davon. Für uns ist diese Information bei der Interpretation der Inschriften von Nutzen, die Priesterinnen verschiedener Kulte in Helos überliefern (siehe unten die Abschnitte 2.3.4., 3.2.4.).

2.1.2.

Die Kultämter im Eleusinion

Mit den Bezeichnungen thoinarmostria, hypostatria, hiereia, agorachos, polos, amphithales sind annähernd gleichzeitig mehrere kultische Funktionen im Eleusinion überliefert, die nun nacheinander behandelt werden und deren Verhältnis zueinander in einem zweiten Schritt der Erörterung zu klären versucht wird: Eine Unterscheidung von Amt und kultischer Funktion, soweit damit intendiert ist, gelegentliche Mitwirkung bei Festen von dauerhafter Amtsausübung zu scheiden 3 6 , ist hier kaum möglich, weil die Inschriften der Ehrenmonumente in diesem Punkte meist keine genaue Auskunft geben und Analogieschlüsse aus anderen Orten ungeeignet erscheinen. 2.1.2.1.

thoinarmostria und agorachos

Das im Zusammenhang mit dem spartanischen Eleusinion am häufigsten belegte kultische Amt heißt θοιναρμόστρια (thoinarmostria), gebildet aus θ ο ί ν η , dem festlichen Bankett und substantivischer Ableitung von αρμόζω: ordnen, Aufsicht führen; im Deutschen ist es also wiederzugeben etwa als ,Bankettleiterin' 3 7 . Es begegnet mit den graphischen Varianten θ υ ν α ρ μ ό σ τ ρ ι α 3 8 und σ ε ι ν α ρ μ ό σ τ ρ η α 3 9 in insgesamt 9 Ehreninschriften und Weihungen

30 Als Indiz für attisch-eleusinischen Einfluß (vgl. Prott, H. von: AM 29 (1904) 9) kann diese Gestalt nach Graf, F.: Eleusis und die orphische Dichtung Athens in vorhellenistischer Zeit (1974) 22; Graf, F.: Orpheus: A Poet Among Men, 80-106, spez. 100-1 in: Bremmer, J. (ed.): Interpretations of Greek Mythology (1987) nicht mehr gelten. 3 1 Vgl. Paus. 14,5, wobei der Perieget selbst eine von der Lokaltradtion abweichende, eigene Theorie hinzusetzt. 3 2 Vgl. Paus. 13.2 (zweite Version: Abaris). 33 Paus. 20,7: έκ τούτου δή τοΰ "Ελους ξόανον Κόρης τήξ Δήμητρος έν ήμέραι$ ρηταϊς άνάγουσιυ ές τ ό Έλευσίνιον. 34 Strab. 8,5,2 (363 C). 35 Paus. 22,4. 36 Robert, L.: 'Αμφιθαλής, 509-19 in: Festschrift W. S. Ferguson = Harvard Classical Studies, Special Vol. (1940) 509 = Opera Minora Selecta I 633. 37 Vgl. Spawforth (1985) 234 „mistress of the banquet"; Parker, R.: Demeter and Dionysos (1988) 102 „banquet-organiser". 3 8 IG 583. 39 IG 229.

38

2. Priesterämter

- Frauen

40

größtenteils aus dem 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. . Alle stammen aus der Umgebung des antiken Eleusinion 4 1 , doch sind Parallelen dieser Benennung aus Messenien bekannt 4 2 . Im Eleusinion des kaiserzeitlichen Sparta war die Ausübung dieses Amtes mit finanziellem Aufwand verbunden. Das Beispiel IG 5 8 3 4 3 lautet in Übersetzung: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Die Polis (ehrt) die höchst maßvolle Xenaria, thynarmostria und hestia der polis, die auf gewissenhafte, sehr fromme Weise und großzügig die Liturgie leistete bei d(en) zwei Göttinnen, wobei die Kosten trug Philokrates, ihr (Bruder, Ehemann

Nach der Nennung des Philokrates bricht der Text ab. Die Formulierung der Zeilen 9-11: π ρ ο σ δ ε ξ α μ έ ν ο υ τό ά ν ά λ ω μ α Φ ι λ ο κ ρ ά τ ο υ ς bezieht sich hier w i e sonst im kaiserzeitlichen Sparta auf den Brauch, daß Verwandte der geehrten Männer und Frauen die Kosten der Ehrenstatuen bezahlen 4 4 , nicht die Gemeinde, die die Ehrung beschließt. Die Kosten 4 5 der Liturgie dagegen sind der Xenaria selbst zugeordnet: λ ι τ ο υ ρ γ ή σ α σ α ν (Zeile 8). Und auch der Titel ,Hestia der Polis' wird mit finanziellem Aufwand verbunden gewesen sein, wurde er doch wohl als Gegenleistung für die Finanzierung öffentlicher Bankette verliehen 4 6 . Wahrscheinlich nennt dieser Einzelfall, in dem die finanzielle Verpflichtung explicite ausgesprochen wurde 4 7 , eine allgemeine Bedingung und selbstverständliche Voraussetzung 40

41

42 43

44 45

46 47

Vgl. IG 1511 add. (wahrscheinlich eine lex sacra, stark fragmentiert), 606, 592, 596, 229, 589, 584, 583, SEG 36 (1986) 353. Ca. 50 v. Chr. / 50 n. Chr. einzuordnen ist IG 229, nicht datiert IG 583. Die Provenienz im einzelnen: Fundort Kalyvia tes Sochas ist nachgewiesen bei allen außer IG 589 und 596; Zuordnung auch dieser wahrscheinlich: vgl. schon Tod, M.N.: JHS 25 (1905) 51 (CIG 1446 = IG 589) und Cook: BSA 45 (1950) 263. Vgl. Tod, M.N.: JHS 25 (1905) 49-53; ders.: JHS 32 (1912) 100-3; und Schmitt-Pantel: Cite (1992) 271, 295 (nicht-öffentliche Bankette). Ή πόλις την σωφρονεστάτην Ξεναρίαν την θυναρμόστριαν και έστίαν πόλεος, όσίως και ε ΰ α γ ώ ς και μ ε γ α λ ο ψ υ χ ω ς λιτουργη'σασαν τΐαϊν] θ ε α ΐ ν , π ρ ο σ δ ε ξ α μ έ ν ο υ τό ά ν ά λ ω μ α Φ ι λ ο κ ρ ά τ ο υ ς τ ο ΰ " vgl. Bradford (1977) 315 . Vgl. die Ehrenmonumente von Männern IG 456ff. und von Frauen IG 573ff.; unter den Kostentragenden sind ebenfalls Frauen: vgl. IG 507,520-21,534-35. Daß es sich hier um finanzielle Aufwendungen handelt und nicht etwa um Riten, deren Übung mit leiturgein umschrieben wird (vgl. Roesch, P.: Etudes Beotiennes (1982) 149-51; Parker, R.: Spartan Religion (1989) 164 A.7), geht aus Z.7: μ ε γ α λ ο ψ υ χ ω ς hervor. Vgl. van Bremen, R.: Limits of Participation (1996) 169. Vgl. aber auch den Text SEG 36 (1986) 353, Z.7-11, wo von Memmia Xenokratia Deximachou, die ebenfalls Hestia der Stadt und thoinarmostria war, gesagt wird, sie habe in großzügiger Weise am Polisleben Anteil genommen: μ ε γ α λ ο π ρ [ ε ] π ώ ς (...) [ π ο ] λ ε ι τ ε υ σαμ[ένην], was sicherlich auch die finanziellen Aufwendungen meint, jedoch nicht direkt und in ausschließlicher Weise auf das Amt der thoinarmostria bezogen werden kann; siehe auch die Inschrift IG 584, Z. 7: μ ε γ α λ ο π ρ ε π [ ώ ς , wo (ohne erhaltenes Verbum) dieselbe Memmia Xenokratia geehrt wird. In IG 595, Z. 3 kommt ebenfalls großzügig gehandhabte Liturgie vor, doch ist die Gottheit, der dies zuzuordnen ist, nicht erhalten; der Fundort, Slavochori /

2.1. Eleusinion: Demeter und Kore

39

für die Bekleidung des Amtes. Thoinarmostria war außerdem ein Amt für erwachsene Frauen: Drei der bekannten thoinarmostriai waren Mütter, worauf im Text ihrer Ehrenstatuen hingewiesen wurde: τέκνων δίκαιον έχουσα 4 ** — sie hatten „nach Recht und (römischem 4 9 ) Gesetz" zumindest jeweils drei Kinder ausgetragen, so daß sie die damit verbundenen Privilegien ausschöpfen konnten. Durch Lösung aus der gesetzlichen Vormundschaft erhielten sie die Möglichkeit selbständiger Vermögensverwaltung, Testier- und Erbbefugnis 5 0 . Die verhältnismäßig hohe Anzahl der bekannten, lakonischen thoinarmostriai - sieben Personen in den ersten zweieinhalb Jahrhunderten im Vergleich etwa zur Orthiapriesterin, die in der epigraphischen Dokumentation überhaupt nur ein einziges Mal auftaucht - spricht dafür, nicht mit lebenslanger Ausübung zu rechnen, sondern mit häufigerem Wechsel der Amtierenden 51 , mithin auch mit Losung, Wahl, Ernennung oder einem daraus kombinierten Besetzungsverfahren 52 , wie es bei liturgischen Ämtern häufig zu finden ist 53 . Bei lebenslang und in Erbfolge ausgeübten Ämtern dagegen vermerken die Inschriften des kaiserzeitlichen Sparta dies meistens 54 , tangiert es doch den Familienstolz; da bei den thoinarmostriai derartige Aussagen nicht vorkommen, wird man auch daraus eine weitere Stütze für die Annahme häufigeren Amtswechsels finden können. Analyse der Amtsbezeichnungen Die Amtsbezeichnung steht in den gut erhaltenen Texten in folgendem syntaktischen Zusammenhang: θοιναρμόστρια ... λιτουργήσασα τ[αΐν] θ ε α ΐ ν (IG 583) die thoinarmostria leistete den zwei Göttinnen55 die Liturgie Δάματρι και Κόραι σειναρμόστρηα άΐνέσηκε] (IG 229 56 ) die thoinarmostria errichtete / weihte der Demeter und Kore.

48 49 50

51

52 53 54 55 56

Amyklai nach Fourmont, läßt das Eleusinion möglich erscheinen: vgl. Cook: BSA 45 (1950) 263. IG 596,4 (Antonia Eudamia Artema); IG 589,5 (Klaudia Damostheneia Pratolaou); IG 586,3 (Memmia Xenokratia in einer von drei Ehreninschriften) mit IG 584 (thoinarmostria und hestia poleos) und SEG 36 (1986) 353 (ebenso). So auch Spawforth (1985) 192 . Vgl. Thomas, Y.: Die Teilung der Geschlechter im römischen Recht, in: Schmitt-Pantel, P.: Geschichte der Frauen 1 (1993)165-6; Bremen, R. van: Limits of Participation (1996) 227-8; nach Auffassung der antiken Juristen genügten drei (bei Freigelassenen vier) ausgestragene Schwangerschaften, um diese Privilegien in Anspruch zu nehmen. Im 3. Jhd. n. Chr. liegen drei Ehrenmonumente von thoinarmostriai zeitlich nahe beisammen, so daß auch dies die Interpretation als turnusmäßig begrenztes Amt stützen könnte: IG 589 und 592 gehören beide etwa in die 220er Jahre; IG 606 stammt wohl ebenfalls aus dem 3. Jhd. und kaum aus der dokumentationsarmen 2.Hälfte. Zu diesem Zusammenhang allg. vgl. Turner: Hiereiai (1983) 15, 45 et passim. Vgl. Turner: Hiereiai (1983) 391. Vgl. IG 586,5; 602,3-4; 577 (ergänzt). Demeter und Kore, den eleusinischen Göttinnen: vgl. IG 607 und IG 229 (siehe oben), wo sie namentlich genannt sind. IG 229, ein längliches, in seiner Funktion nicht identifiziertes Marmorobjekt, wurde in der Kirchenruine der Hl. Sophia in Kalyvia tes Sochas gefunden und dokumentiert. Es ist meines Wissens bisher nicht wieder aufgetaucht und trägt neben der oben zitierten zweiten Zeile in der ersten die Namen Κληινίκα ΜΙΛΑΩΣ και Ό β ρ ι μ ώ . Vgl. Cook: BSA 45 (1950) 279 .

40

2. Priesterämter

- Frauen

θοιναρμόστρια των ιερών άμφωτέρων (SEG 36 (1986) 353 = Neulesung 57 IG 584) der beiden H e i l i g t ü m e r ^

thoinarmostria

Erklärungsbedürftig ist die letztgenannte Aussage. Zu ihrem Verständnis bieten sich verschiedene Überlegungen an: Erstens könnte es sich um die Bezeichnung des Eleusinion selbst handeln, das dem Kult zweier Göttinnen (vgl. den Dual IG 583) gewidmet war 5 9 . Wir kennen seine bauliche Form nicht, doch wäre denkbar, daß es aus mehreren eigenständigen Teilen (= Bauten, Tempeln, Bezirken) bestand, die verschiedenen Göttern zugewiesen waren. Da hauptsächlich Demeter und Kore verehrt wurden, wären zwei materiell deutlich unterscheidbare Bezirke für diese zwei Göttinnen anzunehmen, die auch terminologisch unterschieden worden wären. Vor dem Hintergrund der sonstigen Ausdrucksweise in den Inschriften des kaiserzeitlichen Sparta, wo jeweils ein Priesteramt pro Heiligtum gerechnet wird 60 , erscheint dies aber eher unwahrscheinlich. Zweitens könnte einerseits das Eleusinion als Ganzes und andererseits ein weiteres Heiligtum gemeint sein, das zum Eleusinion in organisatorischer, ritueller oder sonstwie gearteter Beziehung stand. Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten: Einmal befand sich in der Nähe des Eleusinion bei den Resten des antiken Bryseai nach Pausanias (20,3) ein Dionysosheiligtum, dessen Tempel ausschließlich Frauen zugänglich war. Dieses Heiligtum wäre daher ein geeigneter Kandidat, um vom Eleusinion aus organisatorisch mitbetreut worden zu sein. Schließlich waren auch für das Eleusinion höchstwahrscheinlich exklusiv Frauen zuständig. Außerdem ist zumindest eine Frau bekannt, die neben ihrer Funktion als Thoinarmostria auch beim Hyakinthienagon tätig war, so daß auch an das nur wenige Kilometer entfernte Amyklaion gedacht worden ist 6 1 . Beide Überlegungen liegen im Bereich des Möglichen, leiden aber deutlich an Belegarmut. Drittens gibt es - ebenfalls nach Pausanias (20,6-7) - eine rituelle Verbindung zwischen dem Eleusinion und dem in Trümmern liegenden Städtchen Helos am Meer: von dort bringe man an festgesetzten Tagen ein Bild der Kore in das Eleusinion am Taygetos 62 . In mehreren kaiserzeitlichen Ehreninschriften tauchen Priesterämter der Kore und des Temenios in Helos auf, wobei die Priester aus der bekannten senatorischen Familie der Tib. Klaudioi stammen, die nachgewiesenermaßen auch sonst im Eleusinion tätig ist 6 3 . Wenn denn nun auf der Ebene der Priesterämter und auf der rituellen Ebene Beziehungen zwischen diesen zwei 57 58 59 60

Kourinou-Pikoula, E.: HOROS 4 (1986) 68-9. Mit IG 583 und 1498; Musti/Torelli (1991) 256. So Cook: BSA 45 (1950) 279 „double cult at the Eleusinion". Vgl. IG 559,15-8: ein Priester der Athena Chalkioikos und Poliachos „und der in demselben Bezirk mitverehrten Götter"; IG 589,10-2: Priesterin der Kore und des Temenios in Helos „und der mit diesen zusammen verehrten Götter". 61 Vgl. Cook: BSA 45 (1950) 279, der diese Möglichkeit zugunsten der erstgenannten verwirft. 62 Die im folgenden gebotene Darstellung ist eine Weiterentwicklung der von Musti / Torellli (1991) 256 geäußerten Idee, die Aussage beziehe sich auf das Heiligtum der Demeter am Taygetos und ein Heiligtum der Kore in Helos, das aus der Erwähnung des Rituals bei Pausanias zu erschließen ist. Diese praktische Aufteilung der Heiligtümer unter die zwei Hauptgöttinnen überzeugt nicht, weil die Titulatur der Priesterin IG 607 Β 30 zeigt, daß dort beide Göttinnen, Demeter und Kore, als „Eleusinische" miteinander verehrt worden sind. Das Ritual freilich stellte das zeitweilige Verschwinden und Wiederkehren der Kore dar. Detailliertere Interpretation der Pausaniasstelle 20,6-7 und Darstellung der Forschungsgeschichte aus Gründen der methodischen Relevanz unten Abschnitt 3.2.4.. 63 IG 589, 10-3; 497,16-21; 249, mit Spawforth (1985) 225. Strittig ist neuerdings die Lokalisierung von Helos, siehe auch dazu unten Abschnitt 3.2.4.

2.1. Eleusinion:

Demeter

und Kore

41

Heiligtümern bestehen, so überraschte es nicht, auch eine organisatorische Verbindung auf der Ebene der thoinarmostriai belegt zu finden, wofür die erklärungsbedürftige Formulierung „thoinarmostria der beiden Heiligtümer" einen Hinweis liefern könnte. Kombination mit agorachos Ein Blick auf die anderen lakonischen Inschriften, in denen der Ausdruck thoinarmostria gebraucht wird, zeigt eine weitere Variante. In einem Fall (IG 1511 add.) ist wegen des fragmentarischen Zustandes der Inschrift nicht festzustellen, welches Wort auf thoinarmostria folgte, zweimal (IG 596 und wohl auch 592) wurde es ohne weitere Spezifizierung verwendet, was belegt, daß es im Umfeld der Ehrenmonumente, die wohl im Eingangsbereich des Heiligtums standen 64 , ohne Erläuterung klar zuzuordnen war. In zwei weiteren Inschriften ist die Bedeutung der auf thoinarmostria folgenden Aussagen zu diskutieren. Μ. N. Tod hat als erster auf IG 606,4 hingewiesen, wo thoinarmostria mit der Präposition εις kombiniert wird: 1 2 3 4 5 6 7 8

Α πόλις Α(ύ)ρ. Τειμοκράτειαν Ασκληπιάδου θοι [ν]αρμόστριαν εις Ά ρ . α ι α ς και άγοράχον, [άρίετας ενεκεν και [τά]ς θεάς εύ σεβείας.

Eine vergleichbare Kombination begegnet in der Mysterieninschrift aus dem messenischen Andania vom Jahre 92 v. Chr. als ά θοιναρμόστρια ά εις Δάματρος (IG 1390,32) 65 , so daß daraus die Möglichkeit zu entnehmen ist, auch im Falle der spartanischen thoinarmostria folge ein Göttername. Doch mangelt es an geeigneten und passenden Ergänzungsvorschlägen für den Namen (von Gottheit, Ort oder Fest) der auf die Präposition εις in Zeile 4 folgen könnte, da die Zuverlässigkeit der Lesung des Abbe Fourmont in diesem Falle von zwei Seiten 6 6 her bestätigt werden konnte: die inschrifttragende Statuenbasis ist in Kalyvia tes Sochas wiedergefunden worden; es bleibt weder am Ende der Zeile 4 noch am Anfang der Zeile 5 Spielraum für Änderungen am Textbestand. So kann auch der Vorschlag von M.N. Tod nicht überzeugen, der am Anfang von Zeile 5 selbst nur noch Alpha und Sigma erkennen konnte, gleichzeitig aber auch die Zuverlässigkeit der Fourmont'sehen Lesung und Dokumentation feststellte und Ά ρ ε ί α ς ergänzen wollte 6 7 , das bei Pausanias (17,5) überlieferte Epitheton der Aphrodite auf der spartanischen Akropolis. Auch ist aufgrund der grammatischen Variationsmöglichkeiten (εις mit Genitiv oder Akkusativ in den Z. 5 und 7)

64 65

66

67

Vgl. oben A.23. Die ungewöhnliche Verbindung der Präposition εις mit einem Genitivobjekt wurde durch Ausfall eines Akkusativobjektes wie θ ο ί ν α ν oder ι ε ρ ό ν zu erklären versucht: vgl. Tod, M.N.: JHS 32 (1912) 101 = Korrektur der früheren Auffassung Tod, M.N.: JHS 25 (1905) 4953. M.N. Tod und R.C. Bosanquet fanden den Stein und dokumentierten dessen Text im Dezember 1903 in Kalyvia tes Sochas (vgl. Tod, M.N.: JHS 3 2 (1912) 102, W. Kolbe gab IG 606 den von H. Fraenkel in der Kirche der Hl. Sophie in Kalyvia tes Sochas abgeschriebenen Text wieder. Tod, M.N.: JHS 32 (1912) 102; Skepsis gegenüber dieser Ergänzung auch bei Ziehen: RE 6 A l (1936) 306.

42

2. Priesterämter

- Frauen

nicht zu entscheiden, ob es sich in diesem Text um eine einzige Göttin oder um mehrere, vielleicht die zwei Eleusinischen, handelt. Man wird also Μ. N. Tods vorsichtiger Wertung folgen und immerhin mit der Möglichkeit rechnen, daß die Amtsbezeichnung thoinarmostria eventuell auch einmal mit einer anderen Gottheit als Demeter verbunden worden ist. Da griechische Heiligtümer wohl in den seltensten Fällen einer einzigen Gottheit exklusiv gewidmet waren und vielmehr des öfteren mit einer Götterkombination 6 8 zu rechnen ist, überrascht dies nicht. Asklepios und die Dioskuren zumindest scheinen in dem spartanischen Eleusinion neben Demeter und Kore mit-verehrt worden zu sein, und es ist unwahrscheinlich, daß wir die Gesamtheit 69 aller dort .ansässigen' Götter kennen. Auch der Fundort der Statuenbasis IG 606 - wie die meisten anderen Monumente von thoinarmostriai stammt sie aus der Kirchenruine der Hl. Sophia in Kalyvia tes Sochas spricht dafür, sie trotz der unklaren Spezifizierung der Amtsbezeichnung dem spartanischen Eleusinion zuzuordnen. Diese Inschrift enthält ein weiteres, bis jetzt von der Forschung nicht behandeltes Problem: die Amtsbezeichnung thoinarmostria + χ ist gekoppelt mit der Bezeichnung άγοράχος (agorachos) in Zeile 5, einem Wort unbekannter Bedeutung 7 0 , das nur in einer einzigen weiteren Inschrift und dort in ähnlicher Koppelung auftaucht, in IG 589, einer ausführlichen Ehrung der Klaudia Damostheneia Pratolaou, die sieben Priesterämter und weitere Ehrentitel auflistet. Der Text von IG 589 ist lediglich durch die Abschrift des Abbe Fourmont bekannt, der ihn bei Slavochori / Amyklai aufzeichnete, so daß die Lesung der inkriminierten Stelle heute nicht mehr am Objekt überprüft werden kann 7 1 . In der Wiedergabe W. Kolbes lauten die ersten Zeilen von IG 589: 1 2 3 4

Την θοιναρμόσ[τρ]ιαν ά[μ]φ[ιπ]ο [λ]ον των [ιερών] και άγοραχον και εύγενεστάτην και άρι στην Κλαυ(δίαν) Δαμοσθένειαν (....)

Die weitreichenden Ergänzungen und Verbesserungen wird man bei dem heutigen Kenntnisstand nicht aufrecht erhalten können, lautet der T e x t b e s t a n d doch ΤΗΝΘΟΙΝΑΡΜΟΣΙΑΝΑΡ. ΦΟΙΣ | ΜΟΝΤΩΝ . . ΛΚΑΙΑΓΟΡΑΧΟΝ. Seit IG 584 = SEG 36 (1986) 353 vollständig lesbar ist, fällt die Parallele für den Ausdruck amphipolos im kaiserzeitlichen Sparta aus, denn dort heißt es unzweifelhaft θοιναρμόστρια των ιερών άμφωτέρων; dieser Ausdruck - umgestellt als άμφωτέρων τών ιερών - ist allerdings in IG 589 nicht zur Ergänzung verwendbar, da außer Α und Φ in Zeile 1 und ΤΩΝ keine passenden Buchstaben erhalten sind, der überlieferte Textbestand (AP und ΟΙΣ in Zeile 1, MON und Λ in Zeile 2) dieser Ergänzung entgegensteht und es auch wohl an Platz fehlt, in Zeile 2 ein Wort von fünf Buchstaben (ΙΕΡΩΝ) einzufügen. Muß auch offen bleiben, wie der Text der ersten zwei Zeilen von IG 589 genau lautete, so ist doch klar zu erkennen, daß auch in diesem Falle (wie schon bei IG 606) drei Elemente verbunden sind: die Amtsbezeichnung thoinarmostria, ein spezifizierender Ausdruck wohl in Genitivform (jeweils beginnend mit AP), und die Amtsbezeichnung agorachos. Weil diese drei Elemente ausschließlich in 68 Vgl. unten S.40 A.60 die Priester mehrerer in einem Temenos zusammen verehrter Götter. 69 Asklepios: siehe unten Abschnitt 2.1.3.1; Dioskuren: Fund einer Reliefstele mit Dioskurensymbolen im Eleusinion vgl. Cook: BSA 45 (1950) 271 - zu interpretieren wohl als .visiting gods' vgl. Alroth, B.: Greek Gods and Figurines (1989) 65-105, spez. 65-6 ; weitere Götter: siehe IG 364 und unten Abschnitt 2.1.3.5. 70 LSJ s.v. άγοράχος: „female official at Sparta", vermerkt lediglich IG 589 als Beleg. 7 1 Gefunden wurde aber eine zweite Ehreninschrift, die in den erhaltenen Teilen identischen Text bietet: IG 608.

2.1. Eleusinion: Demeter und Kore

43

Kombination miteinander vorkommen, ist anzunehmen, daß auch das Amt agorachos in einer w i e immer gearteten Beziehung zu dem außerstädtischen Eleusinion und damit dem Demeter- und Korekult steht. Eine Vermutung sei angefügt, die die A u f g a b e n der agorachos beleuchten könnte: Vielleicht war sie für den städtischen Kore-Soteira 7 2 -Kult an der kaiserzeitlichen Agora 7 3 der Stadt Sparta verantwortlich. Dies könnten die lexikalischen Komponenten der Benennung agorachos74 vermitteln. Daß das außerstädtische Eleusinion und das Koreheiligtum an der Agora vielleicht als Heiligtümer ähnlicher Art angesehen werden konnten, legt das Auftauchen des Orpheus in beiden Fällen nahe: Sein „pelasgisches" Bild im Eleusinion 7 5 wurde bereits erwähnt; außerdem galt er als Gründer des Kore-SoteiraHeiligtums an der Agora 7 6 . Darüber hinaus erscheint ein organisatorisches oder gar rituelles Band z w i s c h e n dem ländlich gelegenen Heiligtum in Kalyvia Sochas und dem Urbanen Zentrum der Region immerhin sinnfällig. Für das A m t der thoinarmostria ergibt die A n a l y s e der Amtsbezeichnung, daß wir es wahrscheinlich mit einer Differenzierung nicht nur der Titulatur, sondern auch von Aufgabenbereichen zu tun haben: einerseits gab es im kaiserzeitlichen Sparta thoinarmostriai „der beiden Heiligtümer", andererseits thoinarmostriai, deren Bezeichnung durch eine uns unbekannte Aussage anders spezifiziert und deren Amt mit dem der agorachos kombiniert werden konnte. Kultische Aufgaben Über die kultischen Aufgaben der thoinarmostriai im spartanischen Eleusinion wissen wir wenig mehr als aus der Benennung des Amtes zu erschließen ist: daß es sich wahrscheinlich um die organisatorische und logistische Vorbereitung von festlichen Essen gehandelt haben wird, wobei die Finanzierung zulasten der Inhaberin ging 7 7 . Eine stark fragmentierte Kultvorschrift aus dem E l e u s i n i o n 7 8 nennt eine thoinarmostria z u s a m m e n mit „heiligen 72 Alleine wurde Kore selten verehrt; vergleichendes Material und Interpretation bei Graf: NK (1985) 280-1. 73 Paus. 13,2 vermerkt einen Tempel der Kore Soteira „gegenüber der olympischen Aphrodite"; diese befindet sich nach Paus. 12,11 „bei der Skias" in einem „runden Gebäude, das Statuen des Zeus und der Aphrodite mit dem Beinamen der olympischen enthält", die Skias aber liegt nach Paus. 12,10 an einem der Ausgänge der Agora. Insgesamt ergibt sich so die Nähe des Koreheiligtums zur Agora, an deren Rand es wohl lag. Zur bis jetzt nicht gelungenen genauen Lokalisierung der spartanischen Agora vgl. Stibbe, C. M.: BaBesch 64 (1989) 65-6 und Waywell, G. B.AVilkes, J. J.: Sparta. The Roman Stoa, BSA 89 (1994) 429-30; zum Forschungsproblem „rundes Gebäude" und dessen möglicher Identifizierung siehe Stibbe, C. M.: BaBesch 64 (1989) 71-7 und BSA 89 (1994) 414-9; das Koreheiligtum lokalisiert ebenfalls auf der Agora Marchetti, P.: Kernos 9 (1996) 162. 7 4 Aufgefaßt als Kompositum aus α γ ο ρ ά und έ χ ε ι ν nach dem Muster von poliouchos / poliachos: vgl. Frisk, Η.: Griechisches etymologisches Wörterbuch (1970) s.v. π ο λ ι ς . 75 Siehe oben S. 36; Paus. 20, 5. 76 Paus. 13,2: eine von zwei dem Pausanias bekannten Gründungsgeschichten bringt Orpheus, die andere Abaris; freilich zählt auch das städtische Heiligtum der Demeter Chthonia zu dieser Gruppe, da nach Ansicht der Lakedaimonier Orpheus diesen Kult angefangen habe: vgl. Paus. 14,5, der eine eigene, davon abweichende Theorie dazu entwickelt und die Chthonia mit der von Hermione zusammenstellt. 77 Siehe oben S. 38, mit Bremen, R. van: Limits of Participation (1996) 151-3 et passim. 78 IG add. 1511= Sokolowski, LSS 29; Woodward nennt BSA 16 (1910) 58 no.6 das Eleusinion als Fundort. Eine zweite Inschrift, die äußert fragmentiert wahrscheinlich eine lex sacra gibt, stammt nach Cook, J.M.: BSA 45 (1950) 277 mit pl. 26,4 ebenfalls aus dem Eleusinion,

44

2. Priesterämter

- Frauen

Männern" und „heiligen Frauen" (hieroi, hierai)™; im Kontext, der nicht genau rekonstruierbar ist, stehen Nahrungsmittel wohl als Bestandteile von Opfermahl oder -gäbe: Zwiebel, Öl und ein halbes Maß (Getreide?), außerdem Käse und Gerstenmehl 80 , so daß der aus der Amtsbezeichnung erschlossene Aufgabenbereich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ihr auch tatsächlich zugeordnet erscheint. Adressaten sind „Göttinnen" (Ζ. B7), also wohl wieder Demeter und Köre, da der Text bei deren Heiligtum gefunden worden ist. Messenische Quellen zeigen die dortigen Aktionsbereiche von thoinarmostriai ausführlicher als die lakonischen und sind besser erhalten, weshalb die Forschung sie zurecht als Vergleichsmaterial heranzieht 81 . Freilich können sie nur die Rahmenbedingungen ergänzen helfen, die vielleicht auch in Lakonien den Aufgabenbereich der thoinarmostria bestimmt haben. Messenische Parallelen Es handelt sich um drei Inschriften aus hellenistischer Zeit, darunter die Mysterieninschrift aus Andania, die hier wegen ihres Umfanges (195 Zeilen) und der vielfältigen Interpretationsprobleme, die sie aufwirft, nicht in aller nötigen Ausführlichkeit behandelt werden kann 8 2 . Sie zeigen eine thoinarmostria beim Heischegang, wobei unklar bleibt, welcher Gottheit dieser agermos zuzuordnen ist 83 , dann eine thoinarmostria bei der Leitung eines kultischen Mahles 8 4 im Demeterkult 8 5 . Hier ist ihr im besonderen die Überwachung des normgerechten Verhaltens der anderen Teilnehmer 8 6 (ausschließlich Frauen 8 7 ?) anvertraut. Wer fehlt, muß 200 Drachmen in die Kasse des Heiligtums bezahlen 8 8 . Fehlt sie selbst, so muß sie dieselbe Summe der Göttin unter Aufsicht der Bidyoi, Beamten wohl der zugehörigen Polis, zukommen lassen 8 9 . Bei den Mysterien von Andania 9 0 sind eine

79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90

während IG 363 = LSCG 62, IG 364 = LSCG 63 und IG 722 = LSS 28 ohne verwertbare Fundangaben überliefert worden sind. Contra Tod, M.N.: IHS 47 (1952) 118ff. handelt es sich bei dem von Cook erwähnten Text nicht um eine Verwechslung mit einer der anderen Kultvorschriften, so daß nun insgesamt fünf leges sacrae aus Lakonien bekannt sind, wovon zwei mit Sicherheit aus dem Eleusinion stammen. IG add. 1511 Ζ. A 7: erhalten ist nur ροΐς, was lediglich aufgrund der messenischen Parallelen und der Kombination mit ΐεραϊς Ζ. Β 5 wahrscheinlich als Substantiv aufzufassen ist. IG add. 1511 A Z.4: ήμιχοινί Ζ.5 έΐλαίου κο Ζ.6 τή γηθυ[λλίδων] Β 4· λαν τυρο[ΰ 5 ί ε ρ α ΐ ς . άλφ[ίτων. Vgl. Wide (1893) 180; Tod, Μ.Ν.: JHS 32 (1912) 100-3; Cole, S. G.: Demeter in City and Countryside, 209 in: Alcock, S. / Osborne, R. (ed.): Placing the Gods (1994). IG 1390 (Andania) = LSCG 65 mit Bibliographie ebd. und SEG 11 (1954) 978; Zunino, M. L:. Hiera Messeniaka (1997) 301-34; IG 1498 (Messene) = LSCG 66, IG 1447 = LSCG 64; Zunino, M. L.: Hiera Messeniaka (1997) 121, 123. LSCG 64 (Opfervorschrift aus Messene, vor 191 v.Chr.) Z.14-6; zum agermos vgl. Burkert, GR (1977) 166-7; Baudy, D.: Heischegang und Segenszweig. Antike und neuzeitliche Riten des sozialen Ausgleichs, Saeculum 37 (1986) 212-27. IG 1498 (lex sacra aus dem Dorf Remoustapha in Messenien; über das zugehörige Heiligtum ist nichts bekannt; 2. Jhd. v. Chr.) = LSCG 66, Z.2: δεΐπνον έρψει. Demeter: vgl. ebd. Z.5 + 10 + 14. Vgl. ebd. Z. 3-5; auch IG 1447 = LSCG 64, 14 ist von dem Herkommen, Brauch oder Vorschrift die Rede, die die thoinarmostria überwacht: τα νομιζόμενα. ϊεραι, „heilige Frauen" vgl. ebd. Z.6 mit Tod, Μ. N.: JHS 25 (1905) 50. Vgl. ebd. Z. 5. Vgl. ebd. Z. 7-11. IG V 1, 1390 = LSCG 65 (a.92 v.Chr.).

2.1. Eleusinion:

Demeter

und Kore

45

thoinarmostria im Demeterkult und mehrere untergeordnete hypo-thoinarmostriai beteiligt 91 . In der Reihenfolge der Prozessionsteilnehmer kommen sie nach dem Kultreformer Mnasistratos, dem Priester der Mysteriengottheiten mit den diesen zugehörigen Priesterinnen, den Agonotheten (.Wettkampfleitern'), Hierothyten (,Opferdienern') und Auleten (Flötenspielern), den „heiligen Mädchen" (cd παρθένοι αι ιεραι Ζ. 29), die den Wagen mit den verpackten (Kiste!) „heiligen und geheimen Dingen" (ιερά μυστικά Ζ. 30) mitführen, an durchaus prominenter Position, gefolgt von der Priesterin der Demeter am Hippodrom und der Priesterin der Demeter in Aigila 9 2 . Danach treten in der Prozession „die heiligen Frauen" (cd ιεραι) und „die heiligen Männer" (oi ϊεροι) auf, wobei die Frauen und Mädchen vom Gynaikonomos ausgewählt worden sind, die Männer von einem zehnköpfigen Gremium (Z. 31-2). Für den Vergleich mit lakonischen Verhältnissen war zum einen schon die genaue Bezeichnung der thoinarmostria in Andania interessant gewesen, die Μ. N. Tod herangezogen hatte, um IG 606,4 verständlich zu machen: In beiden Fällen war die Amtsbezeichnung mit der Präposition ε'ις in ungewöhnlicher grammatikalischer Form spezifiziert worden. Zum anderen wurde sowohl in Andania als auch im kaiserzeitlichen Sparta das Amt der thoinarmostria offenbar in verschiedene Bereiche differenziert (in Andania hierarchisch, in Sparta läßt sich das System der Differenzierung nicht genau erkennen). Eine weitere Parallele kommt nun hinzu: In Messenien und in Lakonien tauchen „heilige Männer und Frauen" (hieroi, hierai) im Umfeld der thoinarmostria auf, und zwar in zwei zu unterscheidenden Bereichen: a) bei den andanischen Mysterien und b) bei einem Kultmahl. In den Mysterien in Andania handelt es sich um ausgewählte, bereits initiierte Mysten (vgl. Z.15), die bei der Feier (und besonders in der Prozession) Privilegien genießen; die „gewöhnlichen" Teilnehmer, Initianden erst, sind durch ihre Kleidung von ihnen abgesetzt. Eine thoinarmostria bei der Überwachung eines Kultmahles zeigt hingegen die Kultvorschrift aus ,Remoustapha', wobei „heilige Frauen" vorkommen (IG 1498, Z.6). In Lakonien zeigt die stark fragmentierte lex sacra IG 1511 add. aus dem Eleusinion (siehe oben) „heilige Frauen und Männer" 9 3 . Dies charakterisiert den Kult im Eleusinion mit einiger Wahrscheinlichkeit als dem in Andania ähnlich, belegt also vielleicht Mysterienkult im weitesten Sinne, an dem Männer und Frauen teilnahmen. Grabsteine aus Lakonien, die solcherart .Geheiligten' gesetzt wurden 9 4 , passen in dieses Umfeld, richtet sich das Ziel von Mysterienkulten doch nicht ausschließlich auf diesseitiges Wohlergehen, sondern auch auf jenseitiges 95 , so daß die Qualifizierung im Grabkontext augenfällig sinnvoll erscheint. Ob die thoinarmostriai aufgrund der messenischen Parallelen als Ritualspezialistinnen 96 auch in Lakonien aufzufassen sind, denen die Kontrolle des Verhaltens der Teilnehmer beim

91 92

93 94

95 96

Ebd. Z . 3 o - l : ά θ ο ι ν α ρ μ ό σ τ ρ ι α ά ε ι ς Δ ά μ α τ ρ ο ς κ α ι αί ύ π ο θ ο ι ν α ρ μ ό σ τ ρ ι α ι . Nicht identifizierter Ort und Demeterheiligtum in Lakonien, vgl. Paus. IV 17,1: Es handelt sich hier um eine der Geschichten um den Helden der Messenischen Kriege, Aristomenes; sie belegt in der Rahmenhandlung ein Frauenfest und eine Demeterpriesterin. Unter dem Vorbehalt, daß es sich nicht um Adjektive handelt, die sich auf andere Substantive beziehen, was nicht gänzlich auszuschließen ist. Vgl. Le Roy, C.: Lakonika. ι ε ρ ο ί ε Γ ι ε ρ α ί ä Teuthröne et Pyrrhichos, BCH 85 (1961) 22834, spez. 231 zu den nordlakonischen Verhältnissen. Vgl. Parker, R.: Spartan Religion (1989) 143 A.4. Vgl. Burkert, W.: Mysterien (1994) 27-34. Cole, S. G.: Demeter in City and Countryside, 209 in: Alcock/Osborne (ed.): Placing the Gods (1994): „ritual specialists".

46

2. Priesterämter

-

Frauen

1

Mahl oblag, ist nicht zu entscheiden. Anders als in den zwei anderen Vergleichspunkten, wo das messenische Quellenmaterial jenes aus Lakonien erhellen half, ist in diesem Punkt kein lakonisches Zeugnis vorhanden, das eine solche Parallele stützen könnte; der zeitliche Abstand zwischen der einschlägigen messenischen Inschrift (IG 1447) und der Kultvorschrift aus dem lakonischen Eleusinion (IG 1511 add.) beträgt zudem 3 ^ 0 0 Jahre.

2.1.2.2.

amphithaleis

und poloi: junge Mädchen

im

Eleusinion

Drei Monumente aus dem Eleusinion ehren Frauen, die über längere Zeit im Dienste der Göttinnen verblieben sind: von Gorgo Aristo(la) heißt es, sie sei zehn Jahre lang der Demeter und Kore amphithales gewesen, von Agesippia acht 2 . Amphithaleis paides sind in der antiken griechischen (und übrigens auch römischen) Kultur weit verbreitet belegt 3 . Man verlangt diese Qualität - Kind zweier noch lebender Eltern zu sein - des öfteren, wenn Kinder kultische Aufgaben übernehmen. Sie betont den kindlichen Status, da mit zunehmendem Alter die Wahrscheinlichkeit, diese Qualität aufzuweisen, sinkt. Daß bei dem hohen Sterblichkeitsrisiko von Müttern im Kindbett 4 , mit der bis in jüngste Zeit in allen vorindustriellen Gesellschaften zu rechnen ist, dies selbst bei kleinen Kindern nicht selbstverständlich war, zeigt gerade auch das Insistieren eben darauf in rituellem Kontext. Moderne Erklärungsversuche 5 bringen neben der genannten Betonung des kindlichen Status', die amphithaleis besonders für die Rolle von Protagonisten bei Initiationsritualen z w i s c h e n Kindheit und Jugend geeignet erscheinen läßt, den Gesichtspunkt der Makellosigkeit und Vollkommenheit solcher Kinder ins Spiel glückbringende, von Unglück und Tod 6 nicht berührte, ideale Repräsentanten einer Altersgruppe.

1 Vgl. IG 1447 = LSCG 64. (s.o.); Bookidis, N.: Ritual Dining in Corinth, 51 in: Marinatos, N. / Hägg, R. (ed.): Greek Sanctuaries. New Approaches (1993). 2 SEG 11 (1954) 676 und 677 = Cook: Eleusinion, BSA 45 (1950) 276-7; SEG 11 (1954) 676 ist eine Stele mit dem Text: Δ α μ ο κ λ ή ς Ά ρ [ ι σ τ ο κ ρ ά τ ε ο ς [Γίοργώι Ά ρ ι σ τ ό [ λ α ] τ ά ν γ υ ν α ί κ α ά μ π { ι σ α λ ι τ ε ΰ ] ά ά ν ετη δ έ κ α Δ ά μ α τ ρ ι κ α ι Κ ό ρ α ι . , SEG 11 (1954) 677 eine Statuenbasis: [Νι]κιππία Κ λ ε ο ν ί κ ο υ [ Ά ] γ η ι π π ί α ν ' Ι π π ά ρ χ ο υ τ ά ν τ ο υ θ υ γ α τ ρ ι δ ο υ ς θ υ γ α τ έ ρ α ά ν φ ι θ α λ ε ι τ ε ΰ σ α ά ν έτη οκτώ Δ ά μ α τ ρ ι κ α ι Κ ό ρ α ι . Das dritte Zeugnis ist J. Μ. Cook: BSA 45 (1950) 266: Έ τ υ μ ο κ λ ή ι δ ε ι α Κ ό ρ α ι [και] Δ ά μ α τ ρ ι άνέσηκε Άνδροτελίας συγάτηρ τέταρτα άπισαλιτευκυΐα. 3 Materialsammlungen bei Oepke,A.: ' Α μ φ ι θ α λ ε ί ς im griechischen und hellenistischen Kult, ARW 31 (1934) 42-56 und Robert, L.: ' Α μ φ ι θ α λ ή ς , 509-19 in: Festschrift W.S. Ferguson = Harvard Classical Studies, Special Vol., (1940) 509-19 = Opera Minora Selecta I 633-43 und ders.: Gnomon 31 (1959) 663. Zu Kindern im attischen Kult vgl. Golden, M: Children and Childhood in Classical Athens (1990) 41-50. 4 Vgl. dazu etwa Rousselle, Α.: Der Körper und die Politik, in Duby, G. / Perrot, M. (ed.): Geschichte der Frauen I, Antike (1993) 325-8; Demand, Ν.: Birth, Death, and Motherhood in Classical Greece (1994) 71-86 ,The Risks of Childbirth'. 5 Überblick bei Baudy, D.: DNP 1 (1996) 618-9 s.v. Amphithaleis paides; ein amphithales pais im Hochzeitsritual bei: Bruid-Zaidman, L.: Die Töchter der Pandora, 401 in: SchmittPantel, P. (ed.): Geschichte der Frauen 1 (1993). 6 Zum Gesamtkomplex vgl. Parker, R.: Miasma. Pollution and Purification in Early Greek Religion (1983) 79; Garland, R.: The Greek Way of Death (1985) 38-47; Garland, R.: The Greek Way of Life from Conception to Old Age (1990)145; Garland, B. J.: Gynaikonomoi. An Investigation of Greek Censors of Women (1981) 131.

2.1, Eleusinion: Demeter und Kore

47

Die Ehrenmonumente für amphithaleis im lakonischen Eleusinion wurden, da ihr Text die Länge der Amtszeit nennt, zu deren Abschluß aufgestellt. Gorgo ist zu diesem Zeitpunkt verheiratet (ihr Mann, Damokles, ehrt sie mit der beschrifteten Stele), bei Agesippia sind Familienverhältnisse und rechtlicher Status nicht ganz klar (die Großmutter trägt wohl die Kosten des Monumentes ihrer Enkelin 7 ). Bei der dritten Person, die inschriftlich geehrt wurde, weil sie im Eleusinion als amphithales fungiert hatte, Etymokledeia, haben wir außer der Angabe, sie sei vierte Tochter der Androtelia, keine weiteren Hinweise 8 , doch zeigt die Verwendung des Perfekts 9 , daß auch hier die Ehrung erst gesetzt wurde, als die Amtszeit beendet war. Was führte dazu? Die qualifizierende Eigenschaft ,Kind zweier lebender Eltern' setzt sich ja aus zwei Elementen zusammen, die in moderner Perspektive nicht notwendigerweise verknüpft sind: zwei lebende Elternteile und kindlicher Status. Man hat, gerade zu Sparta, darauf hingewiesen, daß die Qualität amphithales auch Erwachsene besitzen können 1 0 , was unbestreitbar richtig, wenn auch unter den Lebensbedingungen in vorindustriellen Gesellschaften nicht sehr wahrscheinlich ist. Allerdings muß festgestellt werden, daß im Eleusinion bei Sparta keine erwachsenen amphithaleis zu erkennen sind: Über das Lebensalter der drei bisher erwähnten Frauen läßt sich anhand der Inschriften zwar nichts Präzises aussagen, doch sehen wir immerhin, daß Gorgo zum Zeitpunkt der Ehrung als Verheiratete sicherlich zu den Erwachsenen zählte, sollte sie auch - nach modernem Verständnis - ,erst' 15 oder 16 Jahre alt gewesen sein (und davon 10 im Dienste der Göttinnen gestanden haben). In ihrem Falle wäre also denkbar, daß der Verlust des kindlichen Sozialstatus durch die Heirat zum Ende der Tätigkeit als amphithales geführt hat. Bei Agesippia lebte die Großmutter zum Zeitpunkt der Statuensetzung noch: man wird die Enkelin zu dieser Zeit wohl noch zu den jungen Frauen oder zu den Mädchen gezählt haben. Die untere Altersgrenze nach 8 Jahren kultischen Dienstes im Eleusinion wäre 13 oder 14, falls man als Untergrenze der Ersetzbarkeit von Kindern etwa das 5. oder 6. Lebensjahr annimmt. Zu einiger Verwirrung hat in der altertumswissenschaftlichen Forschung der Fall der Memmia Xenokratia geführt, die - selbst Mutter von drei Kindern - im Eleusinion als ,Kind zweier lebender Eltern' Dienste versehen haben soll' 1 ; er erweist sich nicht mehr als beweiskräftig, seit der inschrifttragende Stein aus seiner Verbauung in einem modernen Treppenhaus in Kalyvia Sochas herausgelöst worden, damit besser lesbar geworden ist, und die Ergänzung [άμφιθα]λειτεΰσ[ασαν] sich als falsch erwiesen hat 1 2 . So spricht sowohl der

7 8

Vgl. Cook, J. M.: BSA 45 (1950) 277; Stibbe, C. M.: BaBesch 68 (1993) 79. Cook, J. M.: BSA 45(1950) 266: Έ τ υ μ ο κ λ ή ι δ ε ι α Κόραι [και] Δ ά μ α τ ρ ι άνέσηκε Ά ν δ ρ ο τ ε λ ί α ς συγάτηρ τέταρτα ά π ι σ α λ ι τ ε υ κ υ ΐ α vgl. BSA 45 (1950) pi. 26,3; zum Namen Etymokledeia vgl. Tod, Μ. N.: BSA 47 (1952) 119-20; dieser Name taucht bei Ioulia Etymokledeia im späten 2. Jhd. n. Chr. auf: vgl. Bradford (1977) 155. 9 άπισαλιτευκυΐα - ,das Amt eines amphithales pais ausüben' hieß in Sparta ά μ φ ι θαλειτευ'ειν (SEG 11 (1954) 677: άνφιθαλειτευ'σαάν, SEG 11 (1954) 676: άμπί ]αάν). 10 Vgl. Spawforth (1985) 207; Parker: Demeter (1988) 102 A.37. 11 IG 584 mit SEG 11 (1954) 812 + 812a add. et conv, Oepke, Α.: Α μ φ ι θ α λ ε ί ς im griechischen und hellenistischen Kult, ARW 31 (1934) 50 A.3; Cook: BSA 45 (1950) 28 schlug vor, in άμφιθαλειτευειν eine die paides leitende Funktion zu sehen, siehe danach auch Graf: NK (1985) 275 A.38. 1 2 Vgl. Kourinou-Pikoula: HOROS 4 (1986) 68-9 Nr. 6 mit Photographie = SEG 36 (1986) 353, Z. 10-11: der Textbestand ist jetzt και της πατ[ρίδος πο]λειτευσαμ[ένεν], die frühere Ergänzung aufgrund von Platzmangel am rechten Rande des Steines nicht mehr möglich; IG 584,6 (SEG 11 (1954) 812 mit add. et corr. 812a) kann aus SEG 36 (1986) 323 nun mit

48

2. Priesterämter

- Frauen

retrospektive Charakter der Ehreninschriften als auch die Auflösung des einzigen Falles, der als positives Beispiel für das Erwachsenenalter der amphithaleis herangezogen werden konnte, für die Annahme, daß es sich im kaiserzeitlichen Sparta - wie auch sonst üblich um Kinder im Dienst der Gottheiten gehandelt hat. Für die Frage, welche kultischen Aufgaben diese Kinder im Eleusinion versahen, besitzen wir einen Anhaltspunkt in IG 364, einer Opfervorschrift, die nur in Abschrift durch Abbe Fourmont überliefert und daher nicht datierbar ist 13 . Mit einiger Wahrscheinlichkeit stammt sie aus dem Eleusinion 1 4 , wofür hauptsächlich zwei Überlegungen anzuführen sind: Zum einen kommt das ,eleusinische' Epitheton der Göttin Demeter und diese selbst, auch Persephone 1 5 , im Text vor 1 6 , zum anderen gehört der Textträger, ein Marmorsitz 1 7 , einer Gattung von Fundstücken an, die auch aus dem Eleusinion bekannt ist 18 . Die Zeilen 8 - 1 0 der Vorschrift verlangen, daß man der Demeter zwei fette männliche Ferkel opfere, und Sesambrot. Dieses Brot soll von einem Mädchen (ά 7ταΐ[ς]) verbraucht oder herausgegeben 1 9 , in irgendeiner Weise jedenfalls behandelt werden, wobei kein Mann anwesend sein darf. In dieser oder ähnlicher zeremonieller Rolle möchte ich auch die namentlich bekannten drei amphithaleis sehen, obwohl das zeitliche Verhältnis dieser zu den Aussagen der Inschrift nicht feststellbar ist. Die hier beschriebene Tätigkeit paßt durchaus in den Rahmen dessen, was von den kultischen Aufgaben der amphithaleis paides aus anderen Heiligtümern bekannt ist: meist handelt es sich um Assistenz 20 bei den Tätigkeiten der Priester, so etwa in Olympia um das Schneiden der Siegerzweige mit goldener Sichel 2 1 , und um Mitwirkung in Prozessionen, wie in Athen zum Beispiel bei den Pyanopsia und Oschophoria 22 , wo solche Kinder Zweige trugen. Akzeptiert man die hier angenommene Herkunft von IG 364 aus dem Eleusinion bei Sparta, so ist auch die Altersstufe der dort agierenden amphithaleis als (weibliche) Kinder, paides, ein Stück weit besser untermauert.

13

14 15 16 17 18 19 20

21 22

hinreichender Sicherheit ergänzt werden zu των ιερών άμφίοτέρων]. Zu korrigieren demnach Spawforth (1985) 207. = LSCG 63; SEG 35 (1985) 426; SEG 42 (1992) 312; zurückhaltend wegen der schlechten Überlieferungssituation (die IG und LSCG abgedruckten Texte sind Ergebnis weitreichender Eingriffe der modernen Forschung) und wegen der ungesicherten Provenienz : vgl. Parker: Demeter (1988) 102 A.36. Vgl. Prott, H. von: AM 29 (1904) 8; danach Nilsson: GF (1906) 335. Die Austauschbarkeit von Persephone/Kore und Hades/Pluton beruht auf Streben nach Euphemismus vgl. Pulleyn, S.: Prayer in Greek Religion (1997) 114. IG 364, 6: ΣΕΝΕΛΕΣΟΥΝΙΑΣ (vgl. 7); 8: "Δ]ΑΜΑΤΡΪ 13: ΠΕΡΣΕΦΟΝΑ. vgl. IG 364; Fund von weiteren fünf Sitzen in Kalyvia tes Sochas: vgl. Cook: BSA 45 (1950) 267-8. Vgl. Graf: NK (1985) 275 A.36. 9-10: Textbestand Ε | ΔΑΠΑΝΩΣΕΙ, .emendiert' zu ε[ξ]-α[ν]α[λ]ώσει in IG 364. Vgl. Robert, L.: ' Α μ φ ι θ α λ ή ς , 509-19 in: Festschrift W. S. Ferguson = Harvard Classical Studies, Special Vol., (1940) = Opera Minora Selecta I 633-43, 513-9; Müller, C.: Kindheit und Jugend in der griechischen Frühzeit. Eine Studie zur pädagogischen Bedeutung von Riten und Kulten (1990) 88-91; Baudy, D.: DNP 1 (1996) 618-9 s.v. Amphithaleis paides. Schol. Pind. Ol. 3,60 Drachm. I p. 122,22, mit Oepke, Α.: 'Αμφιθαλείς im griechischen und hellenistischen Kult, ARW 31 (1934) 46. Deubner, L.: Attische Feste (2.Aufl. 1966) 142-51, spez. 144 mit A.9; Amphithaleis bei den Oschophoria: Schol. Nik. Alex. 109, bei den Pyanopsia: vgl. Deubner 199 mit A.8; Parker, R.: AR (1996) 309; Oepke, Α.: 'Αμφιθαλείς im griechischen und hellenistischen Kult, ARW 31 (1934) 46; Golden, M.: Children and Childhood in Classical Athens (1990) 43.

2.1. Eleusinion: Demeter und Kore

49

Die zeitliche Einordnung der Dokumente zu amphithaleis im spartanischen Eleusinion beruht auf der stilistischen Zuordnung der verwendeten Buchstabenformen auf den Statuenbasen, so daß ein breiter Spielraum bleibt: J.M. Cook 2 3 ordnete das Ehrenmonument für Gorgo und das für Etymokleideia in das 1. vorchristliche Jahrhundert ein, das für (Ni)kippia in die Zeit um 100 n. Chr., so daß, wenn die Einschätzung des zeitlichen Abstandes der Inschriften zutreffen sollte, ein Zeitraum von über einhundert Jahren als bezeugt gelten könnte, in dem amphithaleis im Eleusinion tätig waren. Bei der bekannten Unsicherheit stilistischer Datierungsmöglichkeiten wird man auf diese Interpretation nicht allzu viel Vertrauen setzen und sich lediglich auf die grob gefaßte Aussage beschränken, daß hellenistische und kaiserzeitliche Evidenz vorhanden ist. polos Auch das einzige 2 4 erhaltene epigraphische Zeugnis aus Lakonien, das ein polos, Fohlen oder allgemeiner: ,Tierjunges', genanntes Amt im Dienste „der (aller-) heiligsten zwei Göttinnen Demeter und Kore" 2 5 belegt, ist nicht in engerem Rahmen datierbar 2 6. Der Name der öffentlich Geehrten, Aure(li)a Epaphro, sichert durch seine römische Form immerhin die Einordnung in die Kaiserzeit. Ist die Beobachtung zutreffend, daß das Praenomen erst ab der zweiten Hälfte des 2. Jhds. häufiger nicht mehr aufgeführt w i r d 2 7 , so wäre damit ein Anhaltspunkt für einen Terminus post quem gefunden. Sollte es sich überdies um eine der vielen Aurelii handeln, die Bürgerrecht und Namen der Constitutio Antoniniana verdanken 2 8 , so rückte dies das Zeugnis in die erste Hälfte des 3. Jhds., nach dessen Mitte die Anzahl der beschrifteten M o n u m e n t e dramatisch abnimmt. Dazu würde auch der Gebrauch des Superlativ άγιωτάτος passen, scheint doch auch dessen Gebrauch im Laufe der Kaiserzeit in Ehreninschriften und Weihungen auffällig zuzunehmen 2 9 . IG 59430 lautet in Übersetzung:

23 Vgl. Cook, J. M.: BSA 45 (1950) 278-80. 24 Beattie, A. J.: CQ 1 (1951) 46-58 hat außerdem bei der Untersuchung der Abschrift einer lex sacra, die aufgrund sprachlicher Kriterien in das 6. oder 5. Jhd. v.Chr. gehören soll - IG 722 = SEG 11 (1954) 475a (LSS 28) - in Z.5 das Verb polein für ,als polos fungieren' rekonstruieren wollen, doch liefert der Textbestand, ausschließlich durch Abbe Fourmont überliefert und defekt, schwerlich einen Anhaltspunkt für genau diese Ergänzung, während viele andere Möglichkeiten ebenfalls offen bleiben; Textbestand Z.5: [μεδέ π]ο[λ]έν· [ά]λλα καθαίρον. 25 IG 594: Ή πόλις Αύρτ)[λι]αν Έπαφρώ, π ώ λ ο ν τοϊν ά γ ι ω τ ά τ ο ι ν θ ε ο ΐ ν γ ε ν ο μ έ ν η ν , Δ ή μ η τ ρ ι και Κ[ό]ρη, σεμνοπίρίεπώς] λιτου[ργ]ή[σ]ασα[ν] κ α ι ά ξ ί ω ς τ ω ν θ ε ώ ν , προσδεξαμ[έ]νης t o ά ν ά λ ω μ α της τήθης α ύ τ ή ς ΚλαυδίαΙς] Έπαφρ[ου]ς. 26 Erhalten ist lediglich die Abschrift des Abbe Fourmont mit dem Lokalvermerk, sie sei in Slavochori (Amyklai) entstanden, so daß andere als inhaltliche Datierungskriterien ausfallen. 27 Vgl. Spawforth (1984) 275; Box, H.: Roman Citizenship in Laconia. Part 2, JRS 22 (1932) 180 zur Omission von Praenomen und zur Unvereinbarkeit römischer und griechischer Benennungssysteme. 28 Vgl. ebd. 264: nur wenige Aurelii Spartas sind vor der CA nachzuweisen. 29 Zunahme vor allem ab der 2. H. des 2. Jhds.: Williger, E.: Hagios (1922,) 77-9; PirenneDelforge, V.: L'Aphrodite grecque (1994) 223. 3 0 Griechischer Text: siehe oben A.28.

50

2. Priesterämter - Frauen 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Die Polis (ehrt) Aure(li)a Epaphro, weil sie Fohlen (polos) der allerheiligsten zwei Göttinnen gewesen ist bei Demeter und K(o)re, wobei sie mit ehrwürdigem Anstand und der Göttinnen würdig die Liturgie leistete; die Kosten trug ihre Großmutter, Klaudia Epaphro.

Ob es sich um ein liturgisches Amt handelte, ist - entgegen der Übersetzung, die der Rekonstruktion W. Kolbes nach A. Boeckh folgt - anhand des Textbestandes 3 1 nicht mit Sicherheit festzustellen; möglicherweise könnte ein anderes Verbum ausgefallen sein, das die Tätigkeit des polos umschrieb. Γ ε ν ο μ έ ν η in Zeile 4 belegt, daß es sich um kein lebenslanges und erbliches Amt handelte, sondern um ein zeitlich begrenztes 3 2 , wie dies J.A. Turner in der Mehrzahl der untergeordneten Kultämter von Frauen beobachten konnte 3 3 . Jugendliches Alter der Aurelia Epaphro ist zum einen aus der Benennung polos selbst abzuleiten, die j a gerade ein junges Pferd oder überhaupt ein junges Tier 3 4 bezeichnet, zum anderen daraus, daß laut Text ihre Großmutter noch am Leben war und die Kosten der Ehrenstatue für sie bezahlte. Das zweite bekannte Zeugnis für ein derartig bezeichnetes Amt im Demeterkult 3 5 stammt aus M e s s e n e 3 6 ; insofern bestätigt und festigt es den lakonischen Befund; wie dort wird jedoch über den Aufgabenbereich, das Aktionsfeld des polos, nichts ausgesagt. Tiernamen für menschliche Akteure im Kult sind im griechischen Kulturbereich nicht ungewöhnlich, bekannt etwa die Tauroi (Stiere) aus Ephesos, die Arktoi (Bären) aus B r a u r o n 3 7 . Im Gegensatz zur älteren Forschung, die darin gerne ursprünglich theriomorphe Vorstellungen von den Göttern wirken sah 3 8 , stellt man dies nun öfter in den Zusammenhang sozialer Initiationsriten 39 beim Übergang von der Kindheit in das Erwachsenenalter. Gerade in Sparta ist die Tiermetapher polos in Chorlyrik und Kult intensiv untersucht worden 4 0 . Dabei zeigt sich eine Verbindung mit Leukippiden 4 1 und Dioskuren 4 2 , nicht aber mit Demeter. Sollte 31 32 33 34 35 36

37 38 39

40 41

Buchstabenfolge IG 594,5/6 = ΛΙΤΟΤΚΗΚΑΙΑΡΙ vgl. Parker, R.: AR (1996) 127 A.21. Turner, J. Α.: Hiereiai (1983) 309. Vgl. LSJ s.v. poloi in Kulten anderer Götter: Zusammenstellung bei Garvie, A. F.: A Note on the Deity of Alcman's Partheneion, CQ 59 (1965) 185 A.5 IG 1444: Ά ρ ι σ τ α γ ό ρ α Ν ι κ α γ ό ρ ω π ώ λ ο ς Δ ά μ α τ ρ ι Κ ο ρ α ι ά ν έ θ η κ ε . Fraglich ist bisher die Beziehung dieses Objektes zu dem neu ergrabenen Demeterheiligtum in Messene: vgl. Themelis, P. G.: The Sanctuary of Demeter and the Dioscuri at Messene, 157-86 in: Hägg, R. (ed.): Ancient Greek Cult Practice from the Archaeological Evidence (1998). Vgl. Dowden, K.: Death and the Maiden. Girls' Initiation Rites in Greek Mythology (1989) 88 et passim; Sourvinou-Inwood, C.: Studies in Girl's Transitions (1988). So auch Wide (1893) 179. Vgl. Dowden, K.: Death and the Maiden (1989) 131; IG ad no. 594 und Hatzopoulos, Μ. B.: Cultes et rites de passage en Macodoine (1994) 50 zu hieroi poloi im alexandrinischen Isiskult. Vgl. Calame, C.: Choruses (1997) 191 et passim. Neben der Benennung dieser Priesterinnen selbst, die weiße Pferde im Namen tragen, beruht dies auf Interpretation der .dunklen' Hesychglosse s.v. π ω λ ί α · χ α λ κ ο ϋ ν π ή γ μ α τι. φέρει

2.1. Eleusinion: Demeter und Kore

51

man, wenn im Eleusinion bei Sparta neben Demeter auch Despoina verehrt wurde 4 3 , die dem Poseidon in Arkadien assoziierte Göttin 4 4 , vielleicht doch das ,Fohlen' eher in ihrem Dienste sehen als in dem der eleusinischen Demeter? 2.1.2.3.

hiereiai

und

hypostatria

Der Kultbetrieb im lakonischen Eleusinion beschäftigte neben den thoinarmostriai und den eben besprochenen Mädchen Priesterinnen in erblicher Folge. Namentlich bekannt ist Ioulia Apatarion, die das Priesteramt mit der B e z e i c h n u n g ίέρει[α] [ά]πό γ έ ν ο υ ς τ[άν] Έ λ ε υ σ ι ν ι < χ ν 4 5 - Priesterin in erblicher F o l g e 4 6 der Eleusinischen (seil. Göttinnen) verwaltete 4 7 . Die inschrifttragende Statuenbasis wurde in der Kirchenruine der Hl. Sophia in Kalyvia tes Sochas gefunden und lieferte seinerzeit H. von Prott das Hauptargument zur L o k a l i s i e r u n g 4 8 des Eleusinion im Gebiet dieses modernen Dorfes am Taygetos. Ioulia Apatarion ist eine erwachsene, verheiratete Frau 4 9 . Gesicherte Information über weitere Erbpriesterinnen „der Eleusinischen" ist nicht erhalten, doch läßt sich immerhin eine zweite 50 Frau aus einer ioulischen Familie fassen, Ioulia Ν , deren Ehrenstatuenbasis in derselben Kirchenruine gefunden wurde, wobei der erhaltene Text die Rekonstruktion genau der gleichen Amtsbezeichnung nach dem eben zitierten Modell von Ioulia Apatarion (IG 607) zwar nicht zuläßt 5 1 , jedoch als ein weiteres Zeichen ioulischer Aktivität im Eleusinion

42 43 44 45

46

47 48 49

50 51

δ έ έ π ι τ ώ ν ώ μ ω ν τ ά ς τ ω ν Α ε υ κ ι π π ί δ ω ν π ώ λ ο υ ς · δ υ ο δέ ε ί ν α ι π α ρ θ έ ν ο υ ς φ α σ ί ν . Vgl. Wide (1893) 331. Die Dioskuren werden λ ε υ κ ό π ω λ ο ι gennannt bei Pin. Ρ 1,66; zur Fohlenmetapher für junge Mädchen vgl. Calame, C.: Choruses (1997) 191 et passim; Hesych s.v. π ώ λ ο ς · ε τ α ί ρ α . IG 364 (zu den Interpretationsproblemen dieser Inschrift siehe oben S.42) , Z.8-10 Opfer für Demeter, Z . l l : ΔΕΣΕΠΟΙΝΑΧΟΙΡΟΝΑΡΣΕΝΑΑΡΤΟΝΔΙΑ Vgl. Jost, M.: Sanctuaires et cultes d'Arcadie (1985) 351; Stiglitz, R.: Die großen Göttinnen Arkadiens (1967) 13,112, et passim; Zunino, M. L.: Hiera Messeniaka (1997) 130. IG 607,28-30 mit SEG 11 (1954) 819; das Ehrenmonument für Klaudia Neikion, in dessen Text Ioulia Apatarion genannt wird, stammt aufgrund prosopographischer Überlegungen ungefähr aus den ersten Jahrzehnten des 3. Jhds. n. Chr.: Klaudia Neikion ist laut IG 607 Tochter von Ti. Klaudios Damokrates und einer Ioulia - - -; die beiden Großelternpaare heirateten jeweils endogam: Ti. (Klau)dios Aristokrates und Klaudia Neikippis einerseits, Ioulios Poly(eu)kt(os) und Ioulia Apatarion andererseits. Bradford (1977) 350 setzt Polyeuktos in die Mitte des 2.Jhds. n. Chr., so daß mit einer Enkelin etwa ab 200 n. Chr. zu rechnen ist. Dies wird sonst meist ausgedrückt durch κ α τ ά γ έ ν ο υ ς , dennoch dürfte [ά]πό γ έ ν ο υ ς dasselbe Verhältnis meinen, nicht etwa „from the family of the Eleusinians" (Bradford (1977) 38); vgl. Spawforth (1992) 231. Der Eintrag zu Ioulia Apatarion bei Bradford (1977) 38 ist zu erweitern durch die Informationen aus IG 607, die Bradford (1977) 350 zu dem Ehemann der Ioulia Apatarion, C. Ioulios Polyeukos (7) aufführt. Vgl. Spawforth (1985) 231; Walker (1989) 132. Vgl. Prott, H. von : AM 24 (1904) 1-15; spez. 8. Die traditonelle Ansicht, Demeterpriesterinnen unterlägen dem Gebot lebenslanger Keuschheit - vgl. Burkert: GR (1977) 368 mit A.40 - ist neuerdings explicite widerlegt worden vgl. Parker, R.: Miasma (1983) 89-90); Ioulia Apatarion liefert den Beweis, daß auch Sparta keine Ausnahme war: sie ist mit C. Ioulios Polyeuktos verheiratet: IG 607, 25-28. IG 605,2 mit Bradford (1977) 286 Ioulia N....; Spawforth (1985) 205. Der rechte Teil des Textes ist zerstört, so daß der genaue Umfang des Fehlenden nicht exakt eingeschätzt werden kann. Die Ergänzung der vollen Amtsbezeichnung nach dem Modell von

52

2. Priesterämter - Frauen 52

gewertet werden kann. Ioulioi sind in den ersten n a c h c h r i s t l i c h e n J a h r h u n d e r t e n im öffentlichen Leben Spartas prominent; sie stellen etliche M a l e den e p o n y m e n B e a m t e n , den P a t r o n o m o s 5 3 , w a s m i t b e t r ä c h t l i c h e m f i n a n z i e l l e n A u f w a n d v e r b u n d e n g e w e s e n sein m u ß 5 4 . Z u den anderen p r o m i n e n t e n F a m i l i e n des kaiserzeitlichen Sparta - e t w a zu den senatorischen Klaudioi - bestehen im 2. Jhd. n. Chr. enge v e r w a n d t s c h a f t l i c h e B e z i e h u n gen55. E i n e w e i t e r e Priesterin kann d e m Kult der eleusinischen D e m e t e r u n d K o r e in K a l y v i a tes Sochas nur unter Vorbehalt zugeordnet werden, da z u m einen die A u s s a g e des D o k u m e n t e s sprachlich nicht spezifiziert ist - „ K l a u ( d i a ) A g e t a Antipatrou, P r i e s t e r i n " - steht in der Mitte einer reich bebilderten, rechteckigen R e l i e f p l a t t e 5 6 - , die A u s s a g e n seiner Bilder nur vage zu fassen sind und z u m anderen die H e r k u n f t dieses O b j e k t e s nicht m e h r z w e i f e l s f r e i geklärt werden kann. E s handelt sich u m eine von zwei ähnlich gestalteten Reliefplatten, die als A b e r d e e n ' s c h e Reliefs in der Forschung bekannt geworden sind. Die zwei u n g e w ö h n l i c h dekorierten Reliefs waren im Jahre 1803 d e m Earl of A b e r d e e n in einer v e r f a l l e n e n K a p e l l e in S l a v o c h o r i ( A m y k l e s ) a u f g e f a l l e n , w o sie als A l t a r p l a t t e n gedient hatten. Detailliertere A u s k u n f t z u m F u n d o r t ist d e m T a g e b u c h des Earl nicht zu e n t n e h m e n 5 7 , so daß als einziger A n h a l t s p u n k t des Berichtes der t r ü m m e r h a f t e Z u s t a n d der Kapelle zu interpretieren bleibt. Als Ruine, die viele antike Inschriften freigibt, wird circa einhundert Jahre später auch die Kirche der Hl. Sophia in d e m nahegelegenen Dorf Kalyvia tes S o c h a s b e s c h r i e b e n 5 8 , was darauf hinweisen könnte, daß es sich vielleicht u m dieselbe Fundstätte handelt 5 9 . D e r Earl of Aberdeen hatte - wahrscheinlich aufgrund ihrer Dekoration, die k o s m e t i s c h e G e g e n s t ä n d e z e i g t - v e r m u t e t , d i e P l a t t e n s t a m m t e n a u s d e m Dionysosheiligtum in Bryseai, das nach Pausanias nur Frauen zugänglich w a r 6 0 ; die heutige

52

53 54 55

56

57 58 59

60

IG 607,28-30 ist wohl dennoch nicht möglich, das Wort ι έ ρ ε ι α jedoch könnte IG 605,3 ergänzt werden. Zu den C. Ioulioi des 1. Jhds. (C. Iulios Eurykles und Nachkommen) siehe Chrimes (1949) 195; Bowersock, G.W.: Eurykles of Sparta, JRS 51 (1961) 101-27; Cartledge/Spawforth (1989) 97-101. Vgl. die Patronomenlisten bei Chrimes (1949) 463ff. und Bradford (1977) 484-90. Fand sich kein Bürger für dieses Amt, so trat die Tempelkasse des Gottes Lykurg ein: vgl. Cartledge/Spawforth (1989) 121 und unten Kap. 4.3. Frauen der Ioulioi, die um 200 n. Chr. Klaudioi heirateten, sind etwa Ioulia Etymokledeia (IG 591) und Ioulia Etearchis (IG 593); vgl. Spawforth (1985) 225 Taf.3; C. Ioulios Simedes (IG 507) als Ehemann in der Familie der Memmioi, spez. der Memmia Eurybanassa: vgl. Spawforth (1985) 194 Taf.l. IG 249: Κ λ α υ ( δ ί α ) Ά γ ή τ α ' Α ν τ ι π ά τ ρ ο υ ι έ ρ ε ι α . Zur Datierung vgl. Spawforth (1985) 230-1; Abb. und Umzeichnung bei Walker, S.: Two Spartan Women and the Eleusinion, in: Cameron, Av. / Walker, S. (ed.): The Greek Renaissance (1989) pi. 52. Walker, S.: Two Spartan Women and the Eleusinion, 130 in: Cameron, Av. / Walker, S. (ed.): The Greek Renaissance (1989). Prott, H. von: Die Ebene von Sparta, AM 29 (1904) 8. Der zeitliche Abstand der Berichte ist freilich beträchtlich, doch kann bei dünner Besiedelung des Gebietes vor der Gründung der modernen Stadt Sparta die Ruine einer Kapelle durchaus nahezu unverändert weitere einhundert Jahre überstanden haben; die örtliche Entfernung zwischen dem Dorf Slavochori /Amykles und dem Ort des Eleusinion beträgt nicht mehr als 23 km: vgl. Anhang: Lageskizze. Paus. 20,3.

2.1. Eleusinion:

Demeter

53

und Kore 61

Forschung nimmt an, daß sie aus dem nahegelegenen Eleusinion kamen , doch ist diese Annahme beim derzeitigen Publikationsstand nicht zu verifizieren oder zu falsifizieren 62 . Die beiden Platten, deren praktische Funktion unklar ist 63 , bilden hauptsächlich Toilettegegenstände wie Spiegel, Kamm, Strigilis und Schwamm ab, dazu viele Gefäße und Schälchen, mehrmals Sandalen, aber auch einige Objekte, die dem kultischen Aktionsbereich zuzuordnen sind wie etwa Fackeln, Früchte und Getreideähren, die gut zum Demeterkult paßten 6 4 . Es findet sich nach S. Walker nichts, das speziell auf Mysterienkult hinwiese, so daß die ikonographische Untersuchung zu dem Schluß kommt, das gestaltende Interesse entstamme Frauenbelangen 6 5 . Dies löst nicht das Problem der Herkunft, überzeugt auch nicht ganz im Falle der Fackeln und Ähren 6 6 , führt aber möglicherweise zu einer Klärung des Textes, der in der Mitte der zweiten Reliefplatte steht: Ά ν θ ο υ σ η Δαμαινέτου ύ π ο στάτρια 6 7 . Nach dem Namen Anthouse (,die Blühende'), Tochter des Damainetos, ist wohl die Bezeichnung für ein untergeordnetes 68 kultisches Amt aufgeführt, das nach Auskunft des Hesych als Aufgabenbeschreibung aufzufassen ist und mit der Tätigkeit des Haareflechtens oder -drehens verbunden 6 9 , was angesichts der kosmetischen Instrumente der Reliefdarstellung (Kamm, Haarnetz, Spiegel) 7 0 nicht überrascht und die weniger spezifischen Bedeutungsfelder des Wortes ausscheiden läßt 71 . Wessen Haare sind gemeint? Müssen wir uns Anthouse als .rituelle' Friseuse des Kultbildes vorstellen oder als ,reale' Friseuse der bei Demeter feiernden Frauen? Für die erste Alternative sprechen Analogien im Kult der Juno 7 2 und Isis 73 , für die zweite das Dekorationssystem der Reliefplatten, das viele Gegenstände

61 62

63 64 65 66 67 68

69

70 71

72 73

Spawforth (1985) 231; Walker (1989) 136. Im Depot des Museum von Sparta gibt es mindestens eine weitere (kreisrunde) Reliefplatte mit demselben auffälligen Dekorationssystem (vidi); möglicherweise kann ihre Herkunft, falls diese bekannt ist, diesen Punkt entscheiden. Hier ist die Publikation des Stückes abzuwarten. Vgl. Walker (1989) 135. Durch die Inschriften ist jedoch die ideelle Funktion - als Gedenkmonumente an die Bekleidung des Priesteramtes - zu erschließen. Vgl. ebd. 133-4; Spawforth (1985) 231. Vgl. Walker (1989) 133-4. Vgl. Auffarth, Ch.: Pausanias, Patrai und die Griechen, 219-38, spez. 2 3 4 in: Cancik, H. / Rüpke, J. (Hg.): Römische Reichsreligion und Provinzialreligion (1997). IG 248 mit Walker (1989) pl. 51. Nach dem Muster von Beamtenbenennungen wie Hypogynmasiarch und Hypophylax, aber auch der Hypothoinarmostriai in Andania (IG 1390,31-2) fasse ich das Präfix als Ausdruck von hierarchischer Unterordnung auf: vgl. MacMullen, R.: W o m e n in Public in the Roman Empire, Historia 29 (1980) 215 mit Anm.30; Turner, J. Α.: Hiereiai (1983) 131. Hesych s.v. σ τ ά τ ρ ι α - έ μ π λ έ κ τ ρ ι α . mit LSJ β . ν . έ μ π λ έ κ τ ρ ι α ; vgl. auch EtymMag 528,5; Walker, S.: T w o Spartan Women, spez. 133-4 in: Cameron, Αν./ Walker, S. (ed.): The Greek Renaissance (1989). Spiegel und Kamm bilden beide Reliefplatten ab; ein Haarnetz IG 249: vgl. Walker (1989) 133 mit PI.51 Nr. 12. Ableitung von υ φ ί σ τ η μ ι ergäbe unspezifiziert eine .Assistentin'; π λ έ κ ε ι ν kann auch weniger konkret .Vorbereiten' bezeichnen: LSJ s.v.; siehe auch hoi statoi, ein Gremium in IG 145 in Amyklai und hypostatikon in Andania IG 1390,50 als Abgabe für Initianden; Parker, R.: Demeter and Dionysos (1988) 102 A.37. Sen. frg. 36 Haase = Aug. civ. dei 6,10 mit Pekary, T.: Das Kaiserbildnis in Staat, Kult und Gesellschaft (1985) 116-7 und A.10. Apul. met. XI 9, 1-3: ... mulieres candido splendentes amicimine (...) quae nitentibus speculis pone tergum reversis venienti deae obvium commonstrarent obsequium et quae pectines eburnos ferentes gestu brachiorum flexuque digitorum ornatum atque obpexum crinium

54

2. Priesterämter - Frauen

aufweist, die zur ,realen' Toilette einer gepflegten Frau der Kaiserzeit und zu ihren konkreten Lebensumständen gehörten: nicht brauchbar dagegen zur Pflege eines Kultbildes ist etwa die Strigilis 7 4 . Ob die Existenz der hypostatria die einer übergeordneten Position voraussetzt, die dann statria heißen müßte (in dieser Form kennt das Wort Hesych), und ob die Priesterin der zweiten Reliefplatte, Klaudia Ageta, etwa als .Vorgesetzte' der hypostatria fungierte, ist eine weitere jener Fragen, die aufgrund Quellenmangels offen bleiben müssen. Aussagen über die Altersgruppe, der die hypostatria angehört, lassen sich aus dem Zeugnis ebenfalls nicht gewinnen. Prestigeunterschiede zwischen beiden Personen sind aus der gleichermaßen aufwendigen und elaborierten Dekoration der Reliefplatten in beiden Fällen nicht abzuleiten. Anthouse Demainetou allerdings ist .peregrin' 7 5 , gehört also nach Ausweis ihres Namens nicht zu einer Familie, die das römische Bürgerrecht besitzt, was sie hinsichtlich ihres rechtlichen Status' hinter Klaudia Ageta, die Mitglied der senatorischen Familie der (Tib.) K l a u d i o i 7 6 ist, zurückstehen läßt. Sollte nach der hier vertretenen Position, die die Aberdeen'sehen Reliefs mit einiger Zuversicht dem Eleusinion zuordnet, Klaudia Ageta um 200 n. Chr. dann dasselbe Priesteramt innegehabt haben wie vielleicht 50 Jahre vor ihr Ioulia Apatarion, so stellt sich weiter die Frage nach dem Transmissionsmodus. Bei weiblicher Deszendenz könnte Klaudia Ageta ihr Amt von der Mutter oder einer weiblichen V e r w a n d t e n 7 7 übernommen haben, die den Iouloi angehörte, bei männlicher wäre der Übergang des Priesteramtes von den Ioulioi an die Klaudioi zu erkennen. Weil bei der Ämterbesetzung im Eleusinion das Geschlecht der Kultfunktionäre offenbar eine wichtige Rolle spielte - es sind nur Frauen und Mädchen überliefert - , ist hier eher die erste Möglichkeit, Vererbung in weiblicher Linie, anzunehmen.

regalium fingerent. Isis und Demeter können in der Kaiserzeit als zwei Aspekte derselben Gottheit aufgefaßt werden: vgl. Apul. met. XI 2; zu Angleichungen speziell zwischen Demeter und Isis in hellenistischer Zeit vgl. Pakkanen, P.: Interpreting Early Hellenistic Religion. A Study Based on the Mystery Cult of Demeter and the Cult of Isis (1996) 94-5 und 135; zum Isiskult in Sparta und der näheren Umgebung fehlt Evidenz weitgehend (aber: Isistatue aus Lakonien, Ath. NM inv. 1617; L I M C 5 (1990) 504 Nr. 47, doch wird zumindest im städtischen Sarapisheiligtum (dazu siehe unten Kap. 4.5.) die Göttin Isis mitverehrt worden sein. Zu den Funktionsbezeichnungen vgl. die ähnlichen Benennungen kultischer Ämter kosmo, trapezophoros, loutris u.a. bei Turner: Hiereiai (1983) 91 mit A.2; Liste untergeordneter kultischer Ämter ebd. 189-97. 7 4 IG 248, Abb. bei Walker (1989) pl. 51 no.7 und IG 249, Walker (1989) pl. 52 n o . l l . 7 5 Vgl. Walker (1989) 132. 7 6 Vgl. Stemma bei Spawforth (1985) 225. 7 7 Vgl. Bradford (1977) 14: Namentlich belegt ist ihr Vater, nicht jedoch ihre Mutter. Die Großmutter ist eine Memmia mit demselben Individualnamen, Ageta; vgl. Spawforth (1985) 225.

2.1. Eleusinion: Demeter und Kore 2.1.2.4.

Zusammenfasung:

55 Ämterwesen

im

Eleusinion

Aus der Zusammenstellung und Analyse der verschiedenen Bezeichnungen für die Kultämter im Eleusinion bei Sparta ergeben sich zunächst drei Aussagen:

1) Geschlechtsbindung: kultische Ämter werden offenbar ausschließlich von Frauen verwaltet. 2) Altersdifferenzierung: es sind in der Besetzung von Kultämtern zumindest zwei Altersgruppen zu unterscheiden: Mädchen und erwachsene Frauen. 3) Ein Modell institutioneller Differenzierung könnte folgendermaßen gestaltet werden:

Offenbar gleichzeitig amtieren eine Priesterin, eine oder mehrere thoinarmostriai, und mehrere Assistentinnen, wobei • die Priesterin in Erbfolge und wahrscheinlich lebenslang ihr Amt ausübt, • die thoinarmostriai, erwachsene Frauen, in nicht näher bekannten Zeitabständen ausgewählt werden und für einen begrenzten Zeitraum finanzielle und organisatorische Verpflichtungen übernehmen, • die kindlichen oder jugendlichen Assistentinnen (amphithales, polos, ev. hypostatria) mit zum Teil langer Amtsdauer (vgl. amphithales) wohl der Priesterin und den thoinarmostriai untergeordnet sind.

Bei der Frage nach möglicher Funktionsdifferenzierung zwischen den einzelnen Ämtern ist das Ergebnis fast überall negativ: die Aufgaben der einzelnen Funktionsträgerinnen sind mangels weiterer lokalspezifischer Information nicht präzise zu bestimmen; überregionale Vergleiche können hier lediglich einen möglichen Aktionsrahmen bereitstellen. Das Modell institutioneller Differenzierung ist nur grob strukturiert und suggeriert möglicherweise die Vorstellung, daß alle im Eleusinion belegten Kultämter einem einzigen kultischen Bereich, einer einzigen Gottheit oder einem einzigen Ritual zuzuordnen seien. Dies ist unwahrscheinlich; es lassen sich hier mehrere Funktionsbereiche unterscheiden, die in demselben Heiligtum nebeneinander existierten.

56

2.1.3. 2.1.3.1.

2. Priesterämter - Frauen

Kultische Funktionsbereiche und Aktionsräume im Eleusinion Der

medizinische

Bereich

Einen ersten Anhaltspunkt bietet die bei Pausanias faßbare lakonische Tradition der Rekonvaleszenz des Herakles: Dieser sei im Heiligtum der eleusinischen Demeter von Asklepios verborgen worden, um seine Wunde auszuheilen 7 8 . Dazu kommt, daß eine der von J. M. C o o k „with certainty" dem Eleusinion z u g e w i e s e n e n Inschriften 7 9 , das untere Fragment einer Statuenbasis, im Auftrag des Stadtrates einen „Oberarzt" {archiatrosft® ehrt. Das Eleusinion mag daher als eine Art Gesundheitszentrum fungiert h a b e n 8 1 , w o b e i Herakles in der Lokaltradtion - oder -propaganda? - wenn nicht der erste, so doch der prominenteste Patient g e w e s e n i s t 8 2 . Eine weitere Stütze für diese Ansicht bietet die Götterkombination von Kore, Temenios und wiederum Asklepios im Heiligtum von Helos, das rituell 8 3 und personell 8 4 mit dem Eleusinion verbunden war. D i e Geburtsgöttin Eileithyia jedoch, die in der Stadt Sparta über zwei H e i l i g t ü m e r 8 5 verfügte, ist im Eleusinion wohl nicht verehrt worden: Zwar hatte die ältere Forschung 8 6 die eleusinische Göttin, deren Namen die Wettspiele klassischer Zeit Eleuhynicß7 zeigen, und Eleusia/Eleuthia, die lakonische Eileithyia, gleichgesetzt, doch konnte von mehreren Seiten her gezeigt werden, daß dies philologisch unhaltbar ist 8 8 ..Das Eleusinion bei Sparta ist in der hellenistischen und in der Kaiserzeit 8 9 eindeutig als Heiligtum der eleusinischen Demeter

78 Paus. 20,5; siehe auch oben S.36. 7 9 Cook, J. M.: BSA 45 (1950) 263. 8 0 IG 623: [ σω] τ ή ρ ο ζ τ η ς π ό λ ε ω ς κ α ι α ρ χ ί α τ ρ ο υ , ψ ί η π ί σ μ α τ ι ) [(β)ουλής]. Vgl. Cartledge/Spawforth (1989) 183-4 mit Α.10; zu den Archiatroi vgl. Nutton, V.: Archiatri and the Medical Profession, PBSR 45 (1977) 191-226; Krug, Α.: Heilkunst und Heilkult (2.Aufl. 1993) 203-4; 241-2. 81 Weitere Hinweise liefern auch die oben erwähnten Aberdeen'sehen Reliefs, die nicht nur kosmetisch, sondern auch medizinisch einsetzbare Utensilien zeigen, beispielsweise spitze, nadelartige Gegenstände (IG 248 Nr.9 „pin and pick", Nr.249 Nr. 13 und 17, Nr. 4 „toilet spoon") und - wenn die Identifizierung richtig ist - eine Monatsbinde!: IG 248 Nr.5 „loincloth" mit Walker (1989) 134. 82 Herakles als Gründer eines weiteren Asklepiosheiligtums in der Umgebung von Sparta: vgl. Paus. 19,7 (Weg nach Therapne); zu mehreren Asklepieia in der Stadt Sparta siehe unten Kap. 2.3.4. 83 Nach Paus. 20,3 jährliche Pompe an festgesetzten Tagen, an denen Kore heraufgeführt wurde. 8 4 Das Geschwisterpaar Klaudia Damostheneia II und Tib. Klaudios Pratolaos III versah die Priesterämter der Kore und des Temenios in Helos: siehe unten Kap. 3.2.4.; Damostheneia war auch thoinarmostria im Eleusinion. Pomponia Kallistonike (IG 602) war Priesterin des Asklepios Schoinatas in Helos. 85 Eileithyia bei Orthia: Paus. 17,1; Eileithyia am Dromos: Paus. 14,6. 86 So etwa Wide (1893) 175 und noch Stibbe (1993) 84. 87 IG 213, Z. 11. 88 Vgl. Pingiatoglou, S.: Eileithyia (1981)37-8; Doxographie bei Graf: NK (1985) 274-6, Jost: Sanctuaires et cultes d'Arcadie (1985) 353-5 und Parker (1988) 101-2. 89 Das Eleusinion ist ein altes Heiligtum (archäologisch ab spätgeometrischer Zeit (vgl. Stibbe: BaBesch 68 (1993) 88), epigraphisch eventuell mit der Damononstele IG 213 ab dem 5.Jhd. zu fassen), das in der Diskussion zur Frühgeschichte des Kultes von Eleusis zusammen mit dem boitischen und den ionischen Heiligtümern der Demeter Eleusinia eine wichtige Rolle spielt: vgl. Graf: NK (1985) 274-8; Parker: Demeter and Dionysos (1988) 101-2.

57

2.1. Eleusinion: Demeter und Kore 1

2

und Kore aufgefaßt worden: dies zeigt die Titulatur der Priesterin und der Bericht des Pausanias 3 . Mysterienelemente nach dem Vorbild des Kultes in Eleusis sind jedoch nicht zu erkennen, thesmophorienartige Züge hingegen sehr wohl, so daß die meisten Forscher zu dem Schluß kommen, es habe sich um einen solchen, exklusiven Frauenkult gehandelt 4 . Dieses Bild wird hier nicht generell bestritten, doch ist es zu ergänzen und zu relativieren, wie bereits anhand der Liste der im Eleusinion verehrten Götter deutlich wird: D i e erhaltenen Votive gelten der Demeter und Kore 5 ; von Asklepios war gerade die Rede und dazu kommen zumindest noch Despoina, Pluton, Tyche 6 . Was wir an kultischen Handlungen kennen, geht in einem Muster exklusiven Frauenkultes nicht vollständig auf, so daß stärker differenziert werden muß, als dies bisher geschehen ist.

2.1.3.2.

Exklusive

Frauenriten

nach dem

Thesmophorienmodell

Das weit verbreitete, meist dreitägige Thesmophorienfest gilt als die Hauptform des Demeterkultes. Erwachsene Frauen begehen es, indem sie zum Ferkel- und Kuchenopfer in das außerhalb der Wohnsiedlung gelegene Demeterheiligtum ziehen, dort eine Fasten- und Trauerperiode überstehen, dann mit einem agrarmagischen Ritual und einem Festmahl die Feier beschließen 7 . Das Eleusinion entspricht mit seiner abseitigen Lage dem Typus von Heiligtümern, in dem solche Feste gefeiert werden 8 . Dazu kommt, daß eine H e s y c h g l o s s e 9

1 Damia und Auxesia aus IG 363 sind nicht mit Wide (1893) 175, Prott, H. von : AM 29 (1904) 9-10 und danach Stibbe: BaBesch 68 (1993) 84 einfach auf das Eleusinion zu beziehen, wenn auch Pausanias (II 30,4) ihnen auf Aigina nach (attisch-) eleusinischer Manier opferte (vgl. Ciccio, Μ.: II santuario di Damia e Auxesia e il conflitto tra Atene ed Egina, 95-104 in: Sordi, M. (ed.): Santuari e politica nel mondo antico (1983)). IG 363 ist ein Fragment einer disloziert gefundenen Opfervorschrift ev. aus dem 1. Jhd., dessen erhaltener Text mit einem Opfer für Zeus Taletitas beginnt und Z.13 vielleicht Despoinai (im Plural) nennt. Der Berg Taleton (vgl. Paus. 20,4, mit Helioskult) und vielleicht auch die Despoinai gehören nun durchaus in die Gegend südwestlich von Sparta, wo auch das Eleusinion liegt, doch mag diese Vorschrift gänzlich anderen Zusammenhängen entstammen - beispielsweise die rituellen Pflichten eines Gremiums der Stadt Sparta aufzählen und zusammenfassen. Nichts deutet darauf, daß sie aus dem Eleusinion stammt. 2 IG 607,20-30: ίέρει[α] [ά]πό γ έ ν ο υ ς τ[άν] Έ λ ε υ σ ι ν ι ά ν . 3 Paus. 20,5 nennt das Heiligtum das der eleusinischen Demeter und 20,7 Eleusinion. Contra Ziehen: RE 3 A2 (1929) 1475, der unter dem Eindruck der Eileithyia-These diese zwei Zeugnisse offenbar übersehen hat oder nicht gelten läßt: daß Demeter in Sparta wirklich den Beinamen geführt habe, sei „sehr zweifelhaft". 4 Nilsson: GF (1906) 335; Spawforth (1985) 206-7; Parker: Demeter (1988) 103; vorsichtig Graf: NK (1985) 275; Cole: Demeter in City and Countryside, 209 in: Alcock/Osborne (ed.): Placing the Gods (1994) rechnet nicht nur mit ausschließlich weiblichen Thoinarmostriai, sondern auch damit, daß diese „women's banquets" organisierten, also geschlechtlich segregierte Feiern; so auch Bookidis, N.: Ritual Dining in Corinth, 50-1 in Hägg/Marinatos (ed.): Greek Sanctuaries (1993). 5 Beschriftete Votive ab dem 3. Jhd. v. Chr.: SEG 11 (1954) 675-77, 677b-c. 6 IG 364, dessen Zugehörigkeit oben S.48 vertreten wurde. Wie Nilsson: GF (1906) 335 aus der Götterliste das Alter der Inschrift abzuleiten Cjung" ebd.), erscheint mir nicht zulässig. 7 Vgl. Burkert: GR (1977) 365-70; Bremmer: GR (1995) 76-8. 8 Vgl. Burkert: GR (1977) 365 mit A.3; Parker, R.: Demeter and Dionysos (1988) 101 mit A.21; Cole: Demeter in City and Countryside, 199-216 in: Alcock / Osborne (ed.): Placing the Gods (1994); Bremmer: GR (1995) 29-31. 9 Hesych s.v. τριήμερος- Θ ε σ μ ο φ ό ρ ι α ύ π ό Λάκωνεις.

58

2. Priesterämter

- Frauen

das Thesmophorienfest mit der Bezeichnung trihemeros - „Dreitag" - auch für Lakonien bezeugt, was freilich nicht direkt und ausschließlich auf das Eleusinion bezogen werden kann 10 . Ferkelopfer, Sesamkuchen 11 und der Ausschluß von Männern, weitere charakterisierende Elemente der Thesmophorien, sind im lakonischen Eleusinion ebenfalls vorhanden: die Kultvorschrift für Demeter, Despoina, Pluton, Persephone und Tyche verlangt das Opfer zweier fetter, männlicher Ferkel für Demeter 1 2 , dazu Sesambrot, das das Mädchen gehandelt' 1 3 , wobei kein Mann anwesend sein darf 1 4 . Diese Bestimmung richtet sich auf ein einzelnes Ritual und zeigt, daß Männern das Eleusinion nicht generell verschlossen war, sondern lediglich die Teilnahme an diesem Festelement verboten. Ist die einzige namentlich bekannte Priesterin der eleusinischen Göttinnen auch eine verheiratete Frau 15 , so durchbricht dies ebenfalls nicht 1 6 den thesmophorienartigen Charakter der Frauenfeiern, der hier nach dem Vorgang der älteren Forschung 17 mit neuen Argumenten zu untermauern versucht wird. Wieviel mit der Deutung der geschlechtlich segregierenden Elemente als Indizien für weibliche Initiationsrituale 18 gewonnen ist, erscheint fraglich. Während die religiöse Sozialisation der Mädchen durch ihre Mitwirkung in den Riten im Eleusinion leicht zu erschließen ist, kann zeremonielle und gruppenweise Einführung von Mädchen in geschlechtstypische Probleme und Aufgaben mit einem mehrteiligen Aufnahmeritus 1 9 in die Gruppe der Frauen nicht nachgewiesen werden, da geschlechtlich segregierte Riten hierfür keine hinreichende 20 Bedingung sind. Das Initiationsparadigma verengt die Perspektive; mag es auch in gewis-

10 Demeterheiligtümer in Lakonien: vgl. Ziehen: RE 3 A2 (1929) 1475; Parker: Demeter (1988) 101 mit A.19; Demeterheiligtümer in der Stadt Sparta: Demeter Chthonia bei Paus. 14,5; IG 559,20 und 26 bringt zwei weitere: Δήμητροξ κα[ι Κόρ]η$ έν Φουρίωι, (...) Δήμητρος και Κό]ρης εν Δικτύνυη (vgl. Paus. 12,8: an der Stadtmauer gelegen?), wobei ,an der Wache / Festung' ev. ein stadtnahes, aber außerhalb der Wohngebiete gelegenes Heiligtum vom Thesmophorientypus gewesen sein könnte. So wohl auch das Heiligtum in Aigila (Paus. IV 17,1) aufgrund der Einzelheiten, die in der Aristomeneslegende transportiert werden: vgl. auch Burkert: GR (1977) 369. 11 Dieser wird beim attischen Thesmophorienfest klassischer Zeit gebraucht: vgl. Aristoph. Thesm. 570: KH. τον σησαμοΟνθ' öv κατέφαγες, τοΰτον χεσεΐυ ποήσω. 1 2 IG 364,8-9 - der Wortlaut θυσει deutet aber auf ein Schlachtopfer, nicht auf das Versenken in megara; die anderen Götter bekommen männliche (erwachsene) Schweine und Brot, das lediglich bei Despoina ebenfalls als Sesambrot spezifiziert ist. Zu dieser Göttin siehe unten S.63. 1 3 Zum Problem der Lesung und Übersetzung des Verbum Z.10 siehe oben S.48. 14 IG 364,9-10: δ ά Παΐ[ς] έ[ξ]α[ν]α[λ]ώσει, die zutreffend negative Einschätzung von Parker, R.: Demeter (1988) 102 A.36: „an inevitably precarious reconstruction..." bezieht sich auf den Gesamttext IG 364. 15 Ioulia Apatarion IG 607, 29-30: Ihr Ehemann ist Iulios Polyeuktos. Siehe oben Kap. 2.1.2.3. 16 Contra Burkert: GR (1977) 368 mit A.40 (Luk. dial. mer. 7,4; Schol. Luk. p. 279,21; Luk. Timon 17) Parker: Miasma (1983) 89-90: Es geht bei der für Thesmophorienpriesterinnen geforderten .Keuschheit' darum, zeitweise ohne sexuelle Kontakte zu sein, nicht dauerhaft und generell. Vgl. auch Cole, S.G.: Gynaiki ou themis, Helios 19 (1992) 112. 17 Nilsson: GF (1906) 335: „eine Frauenfeier". 18 Graf: NK (1985) 275. 19 Gennep, A. van: Les rites de passage. Etude systematique des rites (1909) 271-9 et passim, dt. als: Übergangsriten (1986) 181-6. 20 Eine Untersuchung der gut belegten griechischen Feste anhand dieser Fragestellung ist ein Desiderat.

59

2.1. Eleusinion: Demeter und Kore

sem, weitgefaßtem Rahmen zutreffen 2 1 , so kann es doch nicht alle Elemente des Kultes im Eleusinion erklären.

2.1.3.3.

Männer und Frauen:

Mysterienaspekte

Obwohl das von Frauen verwaltete Heiligtum im Süden Spartas in seinem und der Göttinnen N a m e n Eleusis, die berühmteste Kultstätte von Demeter und Kore, führte, ist nicht ernsthaft zu vertreten, es habe sich bei dem Eleusinion der Kaiserzeit um eine attische Kultfiliale gehandelt, in dem man ein Ebenbild der attischen Mysterien f e i e r t e 2 2 . Ein Anspruch auf Abstammung von diesem berühmten Kult dürfte jedoch in der Benennung durchaus enthalten g e w e s e n sein, schmückten sich doch auch Andania in M e s s e n i e n 2 3 und das arkadische Pheneos mit elaborierten ,eleusinischen' Transmissionsmythen 2 4 . Insofern laufen die Abgrenzungsbemühungen 2 5 der älteren Forschung in die Leere moderner Historisierung antiker Konstruktion. D e m Selbstverständnis der Spartaner der Kaiserzeit galt das Eleusinion also wohl durchaus als .Filiale', was miteinschließt, daß man es nicht als ein Kultlokal auffaßte, das ausschließlich für Frauenkulte nach dem Muster der Thesmophorien reserviert war. Hierophanten und Paides eph' hestias finden wir im kaiserzeitlichen Eleusinion Spartas dennoch sowenig w i e in Andania, Mysten aber durchaus, wenn wir zur Deutung des stark fragmentierten Kultgesetzes IG 1511 add., in dem eine thoinarmostria mit hieroi und hierai - heiligen Männern und Frauen - zu e i n e m f l e i s c h l o s e n M a h l 2 6 zusammenkommt, - w i e oben S. 4 4 vorgeschlagen - die Parallelen aus Andania 2 7 heran-

21 Gerade die Thesmophorien können allein aufgrund ihrer Inhalte - soweit erschließbar handelt es sich um Sexualität und Reproduktion - durchaus auch Initiationscharakter gehabt haben, doch sehen wir die Handlungsabläufe und die Teilnehmergruppen nur ungenau. Darüber hinaus ist mit Lokalvarianten gerade bei diesem Aspekt zu rechnen. 22 In klassischer Zeit, als etwa während des peloponnesischen Krieges das attische Eleusis für Spartaner nicht zugänglich war, mögen in Lakonien durchaus Bedürfnisse bestanden haben, speziell diese Göttin - in Mysterien? - zu verehren. Direkte Ableitung von Eleusis vertrat Prott, H. von : AM 29 (1904) 9-10. 23 Vgl. Paus. IV 1,5 (Kaukon aus Eleusis brachte die Mysterien der großen Göttinnen mit sich nach Messenien), 4,2,6 (Lykos, der Sohn des Pandion und Kaukon), 4,14,1 (das messenische Priestergeschlecht flüchtet nach Eleusis, vgl. auch 14,7; 15,7; 16,2); 4,26,6-8 (Traumerscheinung Kaukon; Vermächtnis des Aristomenes); Pausanias selbst setzt das Fest der großen Göttinnen bei Andania „an Heiligkeit an die zweite Stelle nach den Eleusinien" (4,33,6). 21 Paus. VIII 15,1 (Pheneos): „...sie behaupten, die eleusinischen Wettspiele seien auch bei ihnen genau so eingerichtet worden; denn Naos sei zu ihnen gekommen nach einem Orakel aus Delphoi, und dieser Naos sei der dritte Nachkomme des Eumolpos."; Paus. VIII 25,2-3 (Thelpusa) und 29,5 (Basiiis) überliefert Heiligtümer der eleusinischen Demeter ohne Erwähnung eines Ableitungsmythos'. 25 Vgl. Nilsson: GF (1906) 335; Graf: NK (1985) 275-7 versucht, beide Bereiche historischgenetisch zu verknüpfen. 26 oder Opfer, bestehend aus Öl und Zwiebeln, Käse und Gerstenmehl in den Zeilen A 5-6 und Β 4-5. 27 IG 1390 passim; die Vorschrift beginnt mit einem Eid der Hieroi und Hierai; sowohl alle bereits Initiierten als auch aus diesen erlöste Organisationsteams werden mit derselben Bezeichnung benannt (vgl. Z.117ff.); die Initianden heißen protomystai (Z.13, Z.50); „heilige Mädchen" im Festzug in Gytheion: SEG 11 (1954) 922-3 Z.27.

60

2. Priesterämter - Frauen 28

ziehen. Im M y s t e r i e n k o n t e x t ist Geschlechtertrennung nicht üblich: zwar können geschlechtlich segregierte Personengruppen gebildet werden 2 9 , doch teilen Männer und Frauen dieselben rituell strukturierten Mysterienerlebnisse. Zu fassen ist als ein dritter kultischer F u n k t i o n s b e r e i c h im Eleusinion also wahrscheinlch lokal geprägter Mysterienkult in eleusinischer Stilisierung 3 0 .

2.1.3.4.

Männer und Frauen: das Heraufführen der Kore

Das Ritual des ,Heraufführens der Kore' wurde bereits erwähnt; nun ist zu fragen, welche Aussagen es über die Art des Kultes im Eleusinion zuläßt. Pausanias kennt es wohl nicht aus eigener Anschauung; der Text lautet (Paus. 20,6-7 3 1 ): Ich weiß auch von dem folgenden Ritual; am Meer gab es einst ein Städtchen Helos, das auch Homer erwähnt hat (...Ableitung der Bezeichnung Heloten ...). Von diesem Helos aus also bringen sie ein Bild der Kore, der Tochter der Demeter, an festgesetzten Tagen in das Eleusinion. W o h e r seine Information stammt - die „festgesetzten T a g e " könnten vielleicht auf die Lektüre eines im Heiligtum aufgestellten Kultgesetzes hinweisen - , ist nicht ganz klar, doch ist sie im Lichte der kaiserzeitlichen Inschriften, die uns die zugehörigen Priesterämter in Helos liefern und somit einen zeitgenössisch aktiven Kult, auf jeden Fall vertrauenswürdig 3 2 . Zu rechnen ist wohl mit einer jährlich wiederkehrenden Handlung. Die Aktionsrichtung geht von Helos nach dem Eleusinion und nicht umgekehrt, wie man vereinzelt noch lesen k a n n 3 3 . Die näheste Parallele 3 4 findet sich im arkadischen Mantineia, wo eine

28 Vgl. Burkert: GR (1977) 365 mit A.9: hier ist der moderne Wortgebrauch vom antiken - vgl. Mysterien für Demeter Thesmophoros in Ephesos SIG 820 = InEph 213 (spez. Z.3) - zu scheiden, wo durchaus auch „Mysterien" für die Riten der Demeter Thesmophoros gebraucht wird. Gemeint ist aber die Qualität des Geheimen, die auch exklusive Frauen- und Männerzirkel charakterisiert, die nicht alle Kriterien, nach denen Mysterienkulte im modernen Sinne bestimmt werden (vgl. Burkert: Mysterien (1994) 14-6), erfüllen. Zur Mysterienterminologie vgl. Riedweg, C.: Mysterienterminologie bei Piaton, Philon und Klemens von Alexandrien (1987) und Pakkanen, P.: Interpreting Early Hellenistic Religion. A Study Based on the Mystery Cult of Demeter and the Cult of Isis (1996) 66-7 und 134-5. 29 Vgl. in Andania IG 1390, 30f. die Männer, die Frauen, die Mädchen in der Prozession; das Bankett ist - wie im lakonischen Eleusinion - geschlechtlich gemischt: IG 1390, 95ff. 30 Vgl. auch Parker (1988) 102. 31 και τόδε δέ ά λ λ ο δ ρ ώ μ ε ν ο υ έ ν τ α ϋ θ α οίδα- έπι θ α λ ά σ σ η π ό λ ι σ μ α "Ελος ήυ, (...) έκ τ ο ύ τ ο υ δή τ ο υ "Ελους ξ ό α ν ο υ Κόρης τήζ Δ ή μ η τ ρ ο ς έυ ήμέραις ρ η τ α ΐ ς ά υ ά γ ο υ σ ι ν ες τ ό Ελευσίνιου. 32 Strittig ist in letzer Zeit wieder die Lage von Helos. Die Auseinandersetzung mit der von Marchetti, P.: Le au coeur de l'agora de Sparte. Les dieux protecteurs de l'education en pays dorien. Points de vue nouveaux, Kernos 9 (1996) 155-70 unter Ignorierung der hier zitierten Pausaniasstelle vertretenen Ansicht findet sich unten Kap. 2.3.4. 33 Prott, H. von: AM 29 (1904) 9 stellte sich - ohne Anhalt in den lakonischen Quellen - vor, man habe „ein altes Kultbild der Kore zur Waschung ans Meer" getragen; danach noch Stibbe, C.M.: Eleusinion, BaBesch 68 (1993) 86. Selbstverständlich mußte das Bild nach dem Erscheinen im Eleusinion wieder nach Helos zurückgebracht werden. Die Prott'sehe Ansicht scheint einerseits auf Assoziationen attischer Praxis (die Epheben bringen jährlich einmal das Athenabild Palladion zur Reinigung an das Meer, vgl. Burkert: GR (1977) 134) zurückzugehen, andererseits auf Überlegungen zur lakonischen Situation. Daß man im Eleusinion

2.1. Eleusinion:

Demeter

und Kore

61

35

ausführliche Ehreninschrift aus dem 1. Jhd. v. Chr. ein Kollegium namens Koragoi - „Die Kore führen" - erwähnt, deren rituelle Aufgabe offenbar darin bestand, ein Bild der Kore aus dem zugehörigen Heiligtum, dem Koragion, zu entfernen und nach angemessener Frist zurückzubringen. Ein Privathaus diente dabei üblicherweise als Aufbewahrungsort des Bildes 36 in der Zwischenzeit 37 ; des weiteren wissen wir, daß der geehrten Frau, Nikippa, die Schmückung der Kore 3 8 (kosmesis) oblag, daß sie die Prozession am zugehörigen Fest , Koragiai' organisierte, die Opfer leitete, einen neuen Peplos für die Göttin bereitstellte 39 . Die Riten werden als „geheime Mysterien" 4 0 bezeichnet. Ein zweiter, ähnlicher und zugehöriger Text 4 1 , ehrt eine Demeterpriesterin wegen ihres wohlwollenden und frommen Verhaltens gegenüber Demeter, Kore und den Demeterpriesterinnen 4 2 , wegen der großzügigen Finanzierung von Festmahlen 4 3 und der Reparatur eines Megaron 4 4 , wobei das beschließende Gremium ein Kollegium von Demeterpriesterinnen ist, die als Aufstellungsort des Ehrendekretes das Koragion f e s t s e t z e n 4 5 . Die Situation ist kurzgefaßt etwa folgendermaßen zu rekonstruieren: „Ein Männerverein ,führt Kore', ein Frauenverein ehrt Demeter" 4 6 . Im Gegensatz zu der älteren Forschungsmeinung, es handle sich hier um den Nachweis von Einzelkulten 4 7 für Demeter und für Kore, zeigen die Texte doch mehr Verbindungen als Trennendes. Das Koragion als Aufstellungsort der Ehrung für die Demeterpriesterin stellt ein Band her, desgleichen der genannte Anlaß ihrer Ehrung. Die Zeremonie des ,Koreführens' wurde offenbar als derart bezeichnend empfunden, daß sie dem einzig beteiligten Heiligtum den Namen gegeben hat, obwohl darin wahrscheinlich auch Demeter verehrt worden ist 4 8 . Dies folgt meiner Ansicht nach aus der Beherbergung der

die zwei eleusinischen Göttinnen verehrte, wußte von Prott durch die Inschrift IG 607, w o sie als solche ausdrücklich im Plural bezeichnet werden. Voraussetzung für die Rückkehr eines Korebildes, das aus dem Eleusinion stammte, wäre freilich, daß man es zunächst wegbrachte. Gegen diese Ansicht spricht die Formulierung der Priesterämter der Kore, des Temenios und des Asklepios in Helos IG 589, 4 9 7 , 602, die demonstrieren, daß es dort tatsächlich ein Koreheiligtum gab, das der Ausgangspunkt für die Pompe zum Eleusinion war. 3 4 Vgl. aber auch Diodor 4 , 2 3 , 4 und 5,4,2 mit Burkert, W.: Structure and History in Greek Mythology and Ritual (1979) 139; zum weiteren Umfeld 131. 3 5 IG V 2,265; vgl. Bremen, R. van: Limits of Participation (1996) 27. 3 6 IG V 2 , 2 6 5 , 2 1 - 3 : hieraus und aus den Zeilen 7 - 8 geht hervor, daß normalerweise ein männlicher Priester amtete. D i e in dem Dekret geehrte Nikippa agiert an seiner Statt. 3 7 ebd. 23-5: dreißig Tage lang. 3 8 ebd. 6-9. 3 9 ebd. 14-20. 4 0 ebd. 21 arrheta mysteria. 4 1 IG V 2,266. 4 2 ebd. 3-4. 4 3 ebd. 6. 4 4 ebd. 27. 4 5 Sie führen nach ihrem eigenen (Z.32) einen Beschluß auch der Polisbeamten zum A u f stellungsort herbei (Z.41-2), woraus abzuleiten ist, daß das Koragion öffentlicher Verwaltung unterstand: vgl. Jost: Cultes d' Arcadie (1985) 126-7. 4 6 Burkert, W.: Rez. Stiglitz, R.: D i e großen Göttinnen Arkadiens (1967), A A W 24 (1971) 201. 4 7 Stiglitz, R: Die großen Göttinnen Arkadiens (1967) 73-9; Nachwirkungen Jost ( 1 9 8 5 ) 127, 346, 348. 4 8 So auch mit anderer Begründung (Zusammengehörigkeit von D e m e t e r m y s t e r i e n und Koremysterien) Jost: Cultes d'Arcadie (1985) 127: das Megaron als Teil des Koragion.

62

2. Priesterämter - Frauen

Korestatue im Haus des Priesters bzw. der an seiner Statt agierenden Nikippa 4 9 . Damit ist zugleich ein - jedoch oberflächiger - Unterschied zu den Verhältnissen im lakonischen Eleusinion bezeichnet, wo von einem Heiligtum (in Helos) zu einem zweiten (dem Eleusinion) das Korebild gebracht worden ist, während in Mantineia die Kore aus dem Heiligtum zeitweise weggebracht wird und dann zurückkehrt. Eine Änderung der Perspektive zeigt gleichwohl dies auch in Lakonien, doch nicht das Eleusinion betreffend, wo das Korebild hingebracht wird und zweifelsohne wieder entfernt, sondern das Heiligtum in Helos betreffend, aus dem es zeitweise entfernt wird. Beide Akte - das Zurückbringen im einen, das Holen aus der Ferne im anderen Falle - inszenieren im Zielheiligtum jedoch dieselbe Sache, die Rückkehr der Tochter Demeters aus dem Hades 5 0 . Insofern ist eine grundlegende Vergleichsebene zwischen Mantineia und dem lakonischen Eleusinion vorhanden, so daß auch die anderen kultischen Elemente aus Mantineia für das spartanische Eleusinion bedenkenswert sind. Zum Teil erscheinen die Ähnlichkeiten banal und unspezifiziert Pompe und Festmahl gehören wohl zu jedem Götterfest - zum anderen aber sind es durchaus distinktive Einzelheiten: Die Schmückung des Korebildes in Mantineia kann vielleicht das für Lakonien erschlossene .Frisieren' (einer Göttin, der Kore also?) erhärten. Ein neuer Peplos 5 1 , ein eher konventionelles Göttergeschenk zwar, paßte, weil zum selben kosmetischen' Bereich gehörend, auch zu den lakonischen Verhältnissen. Anzeichen für Mysterienkult sind sowohl im Koragion von Mantineia als auch im Eleusinion bei Sparta vorhanden. Die Information aus Mantineia gewährt jedoch auch interessante Einblicke in die sozialen Organisationsformen des Demeter- und Korekultes, die ein Denkmodell für die Abläufe auch in anderen Heiligtümern dieser zwei Göttinnen abgeben können: Es finden sich in den zwei Kollegien oder Vereinen (synodoi) in Mantineia Frauen und Männer jeweils getrennt zusammen. Und doch wird man im Koragion weder ein exklusives Männer- noch ein exklusives Frauenheiligtum erkennen können 5 2 . Neben geschlechtlich segregierten Treffen, die in Ehrenbeschlüssen für verdiente Personen (auch des anderen Geschlechtes, wie IG V 2, 265 zeigt) endeten, und zu erschließenden, geschlechtsspezifischen Kulthandlungen gab es wohl auch Feste und Kultelemente, an denen beide Geschlechter teilnahmen. Dazu sind vielleicht die „geheimen Mysterien" zu zählen, mit Sicherheit aber doch wohl das Fest Koragiai, wenn denn die geehrte Nikippa und Herbergsmutter der Göttin und die männlichen Koragoi an derselben Sache, dem Rückführen, zeremoniell teilhatten. Verwunderlich wäre andererseits, wenn Frauenfeste wie die Thesmophorien nicht auch in Kultlokalen wie dem Koragion mit seinen Megara hätten gefeiert werden können. Dies liefert eben keinen Anlaß, von reinen Frauenkulten zu sprechen 53 . 49

Andernfalls erwartete man, daß die Kore von ihrem Heiligtum in das der Demeter gebracht werden würde und ohne Zwischenstation wieder zurück. 5 0 Bestritten von Jost (1985) 346 für die Kore von Mantineia, für Lakonien zu entnehmen aus dem Personenkatalog im Kultgesetz IG 364, wo Demeter, Persephone, Pluton vorkommen. Bei der überragend weiten Verbreitung des Demeter-Kore-Mythos (vgl. etwa Burkert: HN (1972) 286 mit A.15) ist nicht anzunehmen, daß solche Riten ohne Bezug auf den Mythos ausgeführt wurden. 51 Unklar wegen der besonderen Situation in Mantineia ist, ob ein neuer Peplos bei jeden Koragiai hergestellt wurde, oder ob es sich um eine außerordentliche Spende der Nikippa handelte. 5 2 Allgemeine Feststellungen dazu vgl. etwa Burkert, W.: Rez. Stiglitz, R.: Die großen Göttinnen Arkadiens (1967), AAW 24 (1971) 202; Cole, S.G.: Gynaiki ou themis, Helios 19 (1992) 113. 5 3 Vgl. Burkert, W.: Rez. Stiglitz, R.: Die großen Göttinnen Arkadiens (1967), A A W 24 (1971) 202.

2.1. Eleusinion:

Demeter

und Kore

63

Auch das lakonische ,Heraufführen der Kore' von Helos, einem Ort, der immerhin ca. 35 Kilometer entfernt lag 5 4 , wird nicht zu den Riten gehört haben, die nur einem Geschlecht zugehörten. Darauf weist neben den genauer bekannten, ähnlichen Umständen im hellenistischen Mantineia das wenige, was aus Lakonien bekannt ist. Das zuständige Priesteramt „der Kore und des Temenios in Helos" konnte von Frauen und Männern besetzt werden (siehe unten Kap. 3.2.4.). Wenn auch die arkadischen Verhältnisse, wo Männer die Korestatue transportierten, nicht einfach auf Lakonien übertragen werden können, sprechen doch auch hier Überlegungen zur mentalen Raumstrukturierung eher für gemischtgeschlechtlichen Kult: Der öffentliche Raum, grobgesagt alles, was außerhalb der Wohnhäuser liegt, ist in der antiken griechischen Kultur Aktionsraum der Männer. Insofern erschiene nur folgerichtig, wenn ihre Aufgabe das ,Koreführen' gewesen wäre. Das Zielheiligtum in Lakonien jedoch, das Eleusinion, wurde von Frauen verwaltet und war zeitweise nur, bei bestimmten Ritualen im Rahmen des Thesmophorienfestes, Männern verschlossen. Insofern gehört das Koreritual unabhängig von der auf lokalspezifischer Ebene nicht zu klärenden Frage, ob es nun dem Thesmophorienfest oder einem Mysterienfest zugerechnet werden kann, wohl zum kultischen Aktionsbereich beider Geschlechter. 2.1.3.5.

Fazit

Einem Fazit ist vorauszuschicken, daß die hier aufgemachte Rechnung notwendigerweise unvollständig, also offen ist. Dies zeigt schon das Problem der Götterliste: Ist der Pluton des Kultgesetzes IG 364 auch anhand des Korerituals noch sinnvoll einer Kulthandlung zuzuordnen - vielleicht ist er tatsächlich in dem ,Temenios' von Helos zu erkennen 5 5 - so fehlen aufgrund der Quellenlage Deutungsmöglichkeiten für die Tyche 5 6 und die Göttin Despoina in derselben Kultvorschrift. Dies überrascht vor allem, weil man Despoina als arkadische ,große' Göttin zu sehen gewohnt ist, ähnlich der Kore in Lykosura 5 7 , und den Plural ,Despoinai' 5 8 (Herrinnen) gerne auf das Paar Demeter und Kore bezieht 5 9 . Im Eleusinion, wo IG 364 sowohl Demeter als auch Persephone neben Despoina (im Singular) nennt, ist eine derartige Identifizierung' nicht möglich. Auch ist unklar, wie die versprengten Nachrichten über Feste namens Eleusinia einzuordnen sind: wir wissen durch eines der wenigen epigraphischen Dokumente aus dem Lakonien klassischer Zeit 6 0 von Wagenrennen an den Eleuhynia, und durch Hesych 61 , daß an den Eleusinia musische Wettbewerbe stattfanden. In welchem Verhältnis stehen diese Nach-

54 55 56 57 58

59 60 61

Die Lage von Helos wird unten Kap. 2.3.4. diskutiert. Die Priesterämter der Tib. Klaudioi lauten IG 497, 589, 608: „der Kore und des Temenios in Helos". Zu den als Tyche Sopatros und Tyche Toichagetos spezifierten Tychai siehe unten Kap. 4.8.1.7. Vgl. Jost (1985) 297-9; 333-4; Zunino (1997) 130. IG 230, ein Altärchen zum Verbrennen von Weihrauch (Mulde auf der Oberseite) ohne bekannten Fundkontext, belegt die Verehrung der Despoinai in Lakonien: Ε ί ρ η ν η Δ ε σ ποίναις άνέθηκεν. Jost (1985) 301 stellt aber „grande diversite" der damit assoziierten Personen und Vorstellungen fest. IG 213, die sog. Damononinschrift. s.v. Ε λ ε υ σ ί ν ι α " ά γ ω ν θ υ μ ε λ ι κ ό ς α γ ό μ ε ν ο ς Δ η μ η τ ρ ι π α ρ ά Λ ά κ ω σ ι ν . , vgl. Parker: Demeter (1988) 101 mit A.26.

64

2. Priesterämter - Frauen

richten zueinander? Beziehen sie sich auf dasselbe Fest (Identität von Ort und Zeit?) oder auf verschiedene historische Phasen? Der Gott Asklepios verbindet die zwei am deutlichsten sichtbaren Kultaspekte, den thesmophorienartigen Frauenkult und die Mysterienelemente im Eleusinion. Der Heilkult im Eleusinion kann beiden Bereichen angehört haben. Er ist Demeterfesten nach dem Thesmophorienmuster des öfteren assoziiert 6 2 und taucht auch im Kontext der Mysterien von Eleusis auf, bei denen man , E p i d a u r i a ' 6 3 feiert, so daß in diesem Punkt die K u l t a s s o z i a t i o n 6 4 im spartanischen Eleusinion nicht ungewöhnlich erscheint. Da das Thesmophorienfest auf Sexualität und Reproduktion zielt, wirkt hier eine kultische Verbindung mit dem Heilgott sehr sinnfällig. Ein ähnlicher Gedanke - in einfacher Linie vom Frauenkult zu den Wehen gezogen - hatte wohl auch die frühere Auffassung von der Geburtsgöttin Eileithyia bestimmt, die man in der eleusinischen Demeter hatte sehen wollen. Dieser Punkt konnte wegen der Absenz von anderen als mittlerweile revidierten philologischen Argumenten nicht weiter verfolgt werden 6 5 , doch ist dasselbe Thema immerhin in der Endphase der Thesmophorienfeste vorhanden: ,Gute und schöne Geburten' wünscht man sich am letzten Tag der attischen 6 6 Thesmophorien. Das von Pausanias tradierte Orpheusbild 6 7 im Eleusinion deute auf „dionysisches Wesen" hin, meinte H. von Prott, so daß das Eleusinion und das Heiligtum des Dionysos im nahegelegenen Bryseai 6 8 zusammengehörten 6 9 . Auf der Basis des Orpheusbildes wird man dies heute nicht mehr gelten lassen, doch lohnt ein genauerer Blick auf die kultische Topographie und die Ritualvorschriften: Opferpraxis und Zutritt zum Dionysostempel war in Bryseai nur Frauen gestattet. Zur Zeit des Periegeten liegt Bryseai in Trümmern und die Schilderung 7 0 wirkt, als habe von dieser Siedlung alleine das Dionysosheiligtum überdauert. Man hat es vielleicht vom Eleusinion aus - ,mitversorgt', gepflegt oder verwaltet - so viel sei zugegeben: auch ist die Idee, das Eleusinion selbst habe früher zur nächstgelegenen Sied-lung, eben Bryseai, gehört 7 1 , wegen der ungewöhnlich großen Entfernung, die es von der Stadt Sparta trennt, nicht von vorneherein zu verwerfen. Diese Hypothese wäre vor dem 62 63 64

65 66 67 68

69

70 71

Benedum, Ch.: Asklepios und Demeter. Zur Bedeutung weiblicher Gottheiten für den frühen Asklepioskult, Jdl 101 (1986) 137-57; vgl. Graf: DNP 3 (1997) 423 s.v. Demeter. Vgl. Deubner, L.: Attische Feste (2. Aufl. 1966) 72-3. Clinton, K.: Sacrifice in the Eleusinian Mysteries, 69-80 in: Hägg/Marinatos (ed.): Early Greek Cult Practice (1988) und ders.: Myth and Cult. The Iconography of the Eleusinian Mysteries (1992) 98 meint im Heiligtum von Eleusis Reste lokaler Thesmophorienriten nachweisen zu können, im besonderen die typischen Opfergruben. Siehe dazu oben S.56. Kalligeneia: vgl. Burkert: GR (1977) 368; Cole: 202 in Alcock/Osborne (ed.): Placing the Gods (1994). Vgl. Paus. 20,5. Aus der Schilderung bei Pausanias 20,3 geht hervor, daß die Entfernung zum Eleusinion nicht groß gewesen sein kann; sicher lokalisiert ist es bislang nicht. Vgl. die Zusammenstellung der Lokalisierungsvorschläge bei Musti/Torelli (1991) 255 und Stibbe: BaBesch 68 (1993) 83 mit A.49. Prott, H. von: AM 29 (1904) 8: „Dies Heiligtum (seil, des Dionysos) gehört natürlich mit dem der Eleusinierinnen zusammen, in welchem das alte Holzbild des Orpheus auf dionysisches Wesen hindeutet."; danach Stibbe, C.M.: Das Eleusinion, BaBesch 68 (1993) 83, da er die sog. lakonischen Heroenreliefs archaischer und klassischer Zeit als Darstellungen von Demeter und Dionysos deuten möchte: vgl. ders.: Dionysos in Sparta, BaBesch 66 (1991) 1-44 . Text unten Kap. 2.4.2. Vgl. Prott, H. von: AM 29 (1904) 6, danach Stibbe: BaBesch 68 (1993) 83.

2.2.

Hyakinthien

65

Hintergrund der Besitzverhältnisse und politischen Organisationsformen in klassischer Zeit zu diskutieren, wozu hier nicht der Ort ist. 7 2 Doch über die angedeutete Möglichkeit organisatorischer Verbindung hinaus gibt es keine Anzeichen dafür, daß Demeter- und Dionysoskult assoziiert gewesen wären: es handelt sich um zwei deutlich unterscheidbare heilige Bezirke, die freilich beide in der Verwaltung von Frauen - Priesterinnen - waren. Insgesamt ergeben sowohl die positiv feststellbaren Elemente des Kultes im Eleusinion als auch die negativen Feststellungen zu Beziehungen und Verhältnissen, die wir nicht befriedigend einordnen können, das Bild eines hochdifferenzierten Kultkomplexes 7 3 , der mehrere Funktionsbereiche umfaßt und in dem nicht nur Frauenbelange eine Rolle spielten. Auch Männer sind agierend zu sehen, von Heiligtum und Fest nicht generell ausgeschlossen. Wir sehen ein multifunktionales Heiligtum, das mit überlokalen Aktionen in der Öffentlichkeit präsent ist, in der Verwaltung von Frauen.

2.2. Ämter beim Hyakinthienagon: Archeis und Theoros Zwei Frauen der Liste A (Nr. 6 und 7) fungieren lebenslang als Archeis und Theoros beim Hyakinthienagon. Die vollständig erhaltene Inschrift IG 5 8 7 7 4 lautet in Übersetzung (verdeutlichende Ergänzungen in runden Klammern): 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

72

73 74

Die Polis (ehrt) Pompeia Polla, Tochter des Theoxenos, die Archeis und Theoros auf Lebenszeit des ehrwürdigsten Wettkampfes der Hyakinthien, wegen ihrer Besonnenheit und Würde und (wegen) jeder anderen Frauentugend, wobei die Kosten übernehmen Tiberios Klaudios Ailios Pratolaos, der auch Damokratidas (heißt), und Klaudia Damostheneia, die Enkel.

Paus. 20,3-5 erwähnt zwischen Amyklaion und Eleusinion die sichtbaren Reste einer komplex organisierten Kulturlandschaft aus Siedlungen und Heiligtümern: Er hat Nachricht von der Stadt Pharis, die dort gelegen haben soll, erwähnt die Heiligtümer des Zeus Messapeus (doch siehe dazu auch Catling, H.W.: A Sanctuary of Zeus Messapeus. Excavations at Aphyssou, Tsakona, 1989, B S A 85 (1990) 15-35) und des Dionysos mit der den Resten der Stadt Bryseai, den Berg Taleton mit einem zugehörigen Heiligtum des Helios, dann, mit einer Textlücke, die Gegend um das Eleusinion. Ähnlich auch Parker: Demeter (1988) 103. IG 587: ή ττόλις Π ο μ π η ί α ν Π ω λ λ α ν Θ ε ο ξ έ ν ο υ τ ή ν ά ρ χ η ΐ δ α κα\ θεωρών διά β ί ο υ τ ο υ σ ε μ υ ο τ ά τ ο υ ά γ ώ ν ο ς τ ω ν Ύ α κ ι ν θ ί ω ν , σ ω φ ρ ο σ ύ ν η ς τε και σ ε μ ν ό τ η τ ο ς και τ η ς ό λ λ η ς π ά σ η ς ά ρ ε τ ή ς τ η ς έν γ υ ν α ι ξ ι ν ενεκα, π ρ ο σ δ ε ξ α μ έ ν ω ν τ ό ά ν ά λ ω μ α Τ ι β ε ρ ί ο υ Κ λ α υ δ ί ο υ Α ί λ ί ο υ Π ρ α τ ο λ ά ο υ τ ο ϋ κα\ Δ α μ ο κ ρ ά τ ί δ α και Κ λ α υ δ ί α ς Δ α μ ο σ θ ε ν ε ί α ς τ ω ν έκγόνων.

66

2. Priesterämter - Frauen

Diese Inschrift ist Teil eines Ehrenmonumentes für Pompeia Polla, das ursprünglich aus einer Porträtstatue und der sie tragenden Basis bestand; erhalten ist nur die Basis mit der Inschrift. Zu Beginn der 1890er Jahre befand sie sich im Mauerverbund im Friedhof bei der Kirche Ag. Kyriaki, das heißt: in der Nähe des antiken Amyklaion beim Dorfe 'Slavochori' 7 5 , heute steht sie auf dem Amyklaionhügel. In einer nahegelegenen Siedlung wurde eine zweite Statuenbasis mit denselben Funktionsbezeichnungen gesehen und dokumentiert 76 , so daß in beiden Fällen angenommen werden kann, daß die Ehrenstatuen der zwei Damen ebendort, am Ort des Apollon- und Hyakinthoskultes, bei dem sie wirkten, ehemals aufgestellt waren. Beide lebten in der 2. Hälfte des 2. Jhds., wobei Memmia Xenokratia, wahrscheinlich etwas jünger als Pompeia Polla, deren Nachfolgerin gewesen sein könnte 7 7 . Beide Ämter hatte man lebenslang inne, doch ist unklar, ob sie vererbt oder auf andere Weise übertragen wurden. Worin Funktion und Aufgaben einer Archeis und Theoros bei den Hyakinthien-Wettkämpfen bestand, wissen wir nicht. Beides kann kaum zufriedenstellend allein aus dem Wortlaut der Amtsbezeichnungen erschlossen werden, die aber immerhin im Falle der Archeis leitende Funktion evoziert - 'die erste sein' oder 'etwas beginnen' - und bei der Theoros auf Beobachtung und Zusehen abhebt, mithin auf den Bereich, mit dem auch sonst Festgesandte und Ehrengäste sprachlich charakterisiert werden 7 8 . L. Robert und andere Forscher 7 9 haben zum Amt der Theoroi im kaiserzeitlichen Ephesos als Vergleich jene Pausaniasstelle zu Olympia herangezogen, die die Priesterin der Demeter Chamyne auf dem Altar im Stadion sitzend überliefert, von wo aus sie die Wettkämpfe beobachtet 80 . In Ephesos hat man beim Fest der Megala Olympia die Olympia von Elis wahrscheinlich absichtlich und genau imitiert. Die sieben bekannten ephesischen Theoroi könnten also durchaus an einem ähnlichen Ritual teilgenommen haben und realiter auf einem Altar gesessen haben 8 1 , doch im Falle Spartas erscheint eine solche Interpretation 8 2 nicht angemessen, weil die Theoros beim Hyakinthienfest agiert, nicht bei den Olympia. Ein großes olympisches Fest wurde seit der Zeit des Kaisers Commodus freilich auch in Sparta gefeiert 83 ; in dessen Rahmen wäre eine Ephesos vergleichbare, genaue Imitation eines Rituals im elischen Olympia gut denkbar,

75 76 77 78

79 80 81 82 83

Vgl. IG ad.loc.cit.; heute heißt das Dorf Amykles; LakSurvey (1996) 290. IG 586 mit SEG 11 (1954) 813 und Spawforth (1985) 207. Vgl. Spawforth (1985) 207, 244: zeitlicher Neuansatz gegenüber Bradford (1977) 365, 319. LSJs.v. α ρ χ η ι ς ; vgl. Calame: Choruses (1997) 176; Petterson: Cults of Apollo (1992) 12 gibt den zugrundeliegenden Aspekt als „leader"; Theoros als Bezeichnung von Beamten in Mantineia (Thuk. 5,47,9), Naupaktos (IG 9,1 (1897) 360,2), Keos (IG 12,5 (1903) 527) und Thasos (IG 12,8 (1909) 267). Robert, L.: Les femmes theores ä Ephese, CRAI 1974, 176-81; Müller, H.: Claudia Basilo und ihre Verwandtschaft, Chiron 10 (1980) 463-4. Paus. VI 20,9: έττ\ τούτου καθεζομένη τοΰ βωμοϋ θεαται γυνή τ ά 'Ολύμπια, ιέρεια Δήμητρος Χαμύνης... Vgl. Α.79 und Bremen, R. van : Limits of Participation (1996) 88 mit A.21-2; anders Rogers, G.: The Constructions of Women in Ephesos, ZPE 90 (1992) 215-23, der die ephesischen Theoroi einfach als Festgesandte sieht. Vgl. Spawforth (1992) 233; Bremen, R.van: Limits of Participation (1996) 88 mit A.21 Siehe dazu unten Kap. 4.1.3.2.

2.2.

Hyakinthien

67 84

während sie beim Hyakinthienfest , in dessen Rahmen Frauen traditionell stark vertreten waren 85 und wohl auch fest definierte Rollen hatten, eher deplaziert erscheint. Eine Durchsicht der literarischen Zeugnisse zur Mitwirkung von Frauen am Hyakinthienfest ergibt mehrere Anhaltspunkte dafür, wie man sich die Aufgaben leitender Frauen dabei vorzustellen hat: Die ausführlichste erhaltene Festbeschreibung 8 6 stammt aus hellenistischer Zeit und kann daher im Ganzen nicht zur Rekonstruktion des Festes in römischer herangezogen werden. Doch enthält sie dauerhafte Elemente, die auf gleichbleibenden äußeren Bedingungen basieren. So wissen wir von einem Festzug aus der Stadt Sparta nach Amyklai, den wir getrost als dauerhaftes Element interpretieren können, solange die Hyakinthien in Amyklai 8 7 gefeiert wurden und an den Festzyklus der Stadtbewohner angeknüpft waren. Pausanias überliefert, daß die Frauen jedes Jahr für die Apollonstatue in Amyklai einen Chiton 8 8 webten. Zu denken ist also etwa an eine feierliche Überbringung dieses Kleidungsstückes durch die Frauen im Rahmen der Hyakinthien-Pompe und an seine zeremonielle Übergabe. Von Wettkämpfen ist im Zusammenhang der Hyakinthien des öfteren die Rede 8 9 ; Polykrates hatte u.a. musische Agone von Knaben erwähnt und Wagenfahrten von Mädchen 9 0 . Ob ein regelrechter Agon im Sinne eines Preiskampfes gemeint ist oder eine Art informelles Wettfahren auf der Hyakinthienstraße 91 nach Amyklai oder ob es sich etwa um Prestigekonkurrenz handelte, wird nicht recht deutlich 92 . Es zeigen sich hier aber jedenfalls auch Betätigungsfelder für weibliche Kultfunktionäre. Die beiden kaiserzeitlichen Archeides und Theoroi auf Lebenszeit des ehrwürdigsten Hyakinthienagon könnten also - wenn auch nicht ausschließlich - mit Wettbewerben unter jungen Geschlechtsgenossinnen beschäftigt gewesen sein, und sei es nur durch jährliche Geld- bzw. Preisspende und Anwesenheit beim Agon. Es finden sich vor allem aus klassischer und hellenistischer Zeit 9 3 weitere Zeugnisse zur Beteiligung von Frauen beim Hyakinthienfest, die meiner Ansicht nach jedoch nur pauschal für Fragen der kaiserzeitlichen Festpraxis herangezogen werden können. Sie belegen, daß die Beteiligung von Frauen bei den Hyakinthien schon längere Tradition hatte, als Pompeia Polla und Memmia Xenokratia im 2. Jahrhundert ihr Amt übernahmen. Die Art und Bedeutung der Beteiligung am Fest kann sich mit wechselnden gesellschaftlichen Verhältnissen verändert haben. Doch blieb eine symbolische Darstellung der Rolle der Frauen beim

84 85 86 87 88

89 90 91 92 93

Dieses Fest ist gut bezeugt und in der Forschung daher intensiv diskutiert: Doxographie bei Pettersson: Cults of Apollo (1992) 12-14. Vgl. etwa Mellink: Hyakinthos (1943) 21-22, 48. Athen. 4 , 1 7 , 1 - 3 5 = 138b-140b; Diskussion der verschiedenen Quellen (Polykrates, Polemon) der Darstellung bei Mellink: Hyakinthos (1943) 6ff. Athen. 4 , 1 7 , 3 4 ... κ ε ν ο ϋ σ θ α ι σ υ μ β α ί ν ε ι τ η ν π ό λ ι ν π ρ ο ς τ η ν θ έ α ν . Paus. 16,2: ύ φ α ί ν ο υ σ ι δε κ α τ ά έ τ ο ς αί γ υ ν α ί κ ε ς τορ Ά π ό λ λ ω ν ι χ ι τ ώ ν α τ φ έ ν Ά μ υ κ λ α ι ς ; Ziehen: RE 3 Α 2 (1929) 1519 s.v. Sparta (Kulte) und auch Calame: Choruses (1997) 177 A.273 nennen versehentlich einen peplos, ein typisches Frauenkleid. Die meisten Zeugnisse sind spät: Stat. Theb. IV 223; Philostrat Vit. Soph. II 12 (593); Hesych s.v. Kaynakias: vgl. Mellink: Hyakinthos (1943) 22-3. Athen. 4 , 1 7 , 2 0 - 3 0 . Mellink: Hyakinthos (1943) 17. Zum textkritischen Problem Athen. 4,17,25-6: vgl. Mellink: Hyakinthos (1943) 16. Eur. Hei. 1465-74; Nilsson: GF (1906) 137; Mellink: Hyakinthos (1943) 19; Petterson: Cults of Apollo (1992) 12 A.21; Calame: Choruses (1997) 176-7.

68

2. Priesterämter - Frauen

Hyakinthienfest bis in die Kaiserzeit erhalten und sichtbar: Polyboia, die Schwester des Hyakinthos, die zusammen mit diesem am Altar in Amyklai dargestellt war. 1 Die Frage, ob es sich bei dem Amt Archeis und Theoros beim Hyakinthienagon um ein Priesteramt handelt 2 oder eher um Agonothesie, kann nur annähernd beantwortet werden. Zunächst fällt auf, daß Memmia Xenokratia anders als Pompeia Polla auch , Priesterin in Erbfolge', aufgrund von Familienzugehörigkeit also, genannt wird, doch ist diese Aussage nicht spezifiziert und auf die Hyakinthien bezogen; sie ist als eine Art ehrender Titel zu verstehen oder meint vielleicht die anderen Kultämter, die Xenokratia innehatte 3 . Sodann ist die sonstige Formulierungspraxis in Sparta zu vergleichen. Manche Inschriften der späteren Kaiserzeit verbinden die Aussage „Priester/Priesterin" nicht nur mit einem Götternamen im Genitiv, sondern auch mit Fest- und Wettkampfbenennungen, die von den Namen der zugeordneten Götter abgeleitet sind; - so wird etwa Pomponia Kallistonike Aristeou zu Beginn des 3. Jahrhunderts ιέρεια (...) και Διοσκούρων και του αγώνος των σεμνότατων Διοσκουρείων genannt (IG 602,12-15 = Nr. 11). Geht man nach dem Wortlaut, so ist Kallistonike 4 Priesterin der Dioskuren und (wohl Agonothetis) des ehrwürdigsten Dioskurenagon; wenn aus dieser konzeptionellen Trennung eine Regel abzuleiten ist, so bezeichnet Archeis und Theoros eher die Agonothesie als die Gesamtverwaltung des Heiligtums in Amyklai. Das Priesteramt des Apollon von Amyklai sei eine gänzlich andere Sache, meint auch A. Spawforth. Er sieht sie durch IG 259 belegt 5 , eine Inschrift aus dem Limnaion, in der ein Ephebe, der sich unter anderem .Priester des Tetracheir' nennt, seinen Sieg feiert. Nun ist Apollon Tetracheir, der Gott mit vier Armen 6 , von der älteren Forschung aufgrund etymologischer Spekulation und Vermutungen mit dem Apollon von Amyklai gleichgesetzt worden 7 , was sich als nicht haltbar erwiesen hat. Der Tetracheir gehört vielleicht zwar nach Amyklai 8 , kann aber zwanglos als ein dort ansässiger Gott aufgefaßt werden 9 , zu vergleichen etwa mit Alexandra, die j a ebenfalls in Amyklai ein vom Apollonthron getrenntes Heiligtum hatte 1 0 . Hyakinthospriester, zuständig für die Feier der Hyakinthien, sind also

1 Paus. 19,4 mit Pettersson: Cults of Apollo (1992) 29-35. 2 So Chrimes: Ancient Sparta (1949) 472-3 „hereditary priestess of Apollo Hyakinthios", ohne Begründung. 3 Vgl. IG 586,4-5. Wir kennen Memmia Xenokratia aus weiteren Inschriften (vgl. oben Liste A, Nr. 6), die sie als thoinarmostria im Eleusinion ausweisen. Spawforth (1985) 207-8 möchte ihren Titel dagegen auf ein Dioskurenpriesteramt beziehen: siehe auch unten Kap. 3.1.2. 4 Deutlicher noch die Formulierung dieser Ämter bei Sestos Eudamos Onesikrates IG 559,6-11: ιερέα κα\ [άγ]ωνοθέτην διά βίου κ[α\] [διά] γένους τ ω ν τε Δι[ο][σκο]ύρων κα\ του άγών[ο$][τώ]ν μεγάλων Διοσκουρ[είων]. 5 Vgl. Spawforth' (1985) 207 mit Α.54; BSA 12 (1906) 378,44. Später verweist Spawforth dann in Cartledge / Spawforth (1989) 124 mit A.7 auf IG 455, den Text eines Ehrenmonumentes aus dem 4. Jhd. n. Chr.: siehe unten Kap. 4.2. 6 Ziehen: RE 3 A2 (1919) 1461 s.v. Sparta (Kulte); Zeugnisse zu Apollon Tetracheir ebd. und Kennell: Gymnasium of Virtue (1995) 162f. mit Anm. 3-10, wobei A.3 korrigiert werden muß zu IG 683. 7 Vgl. Wide (1893) 95; Kolbe: IG V 1 (1913) Komm, zu Nr.259. 8 Vgl. Ziehen: RE 3 A2 (1929) 1461; contra Gleichsetzung auch Mellink: Hyakinthos (1943) 22 mit A.4. 9 Kennell: Gymnasium of Virtue (1995) 163. 10 Vgl. Paus. 19,6; Salapata, G.: Laconian Votive Plaques with Particular Reference to the Sanctuary of Alexandra at Amyklai, Ph.D. Univ. of Pennsylvania (1992), non vidi; dies.:The

2.2.

Hyakinthien

69

nicht belegt. Weiter ist mit dem jetzt vorhandenen Quellenmaterial meiner Ansicht nach nicht zu kommen; es kann - bei der Größe und Bedeutung des Amyklaion - auch mehrere Personen gegeben haben, die mit kultischen Aufgaben betraut waren: Wir wissen von dem zweiteiligen Hyakinthienopfer der Kaiserzeit durch Pausanias (zuerst enagisma in das Hyakinthosgrab, dann thysia für A p o l l o n 1 1 ) , sehen aber nicht, wer dabei als leitender Funktionär agierte. Zu rechnen ist auch mit ortsgebundenen Traditionen, zu denen das Priesteramt des Amyklaios gehört haben könnte, in Amyklai. Hier ist nicht der Ort, den kaiserzeitlichen Status dieser Oba zu diskutieren 1 2 , doch leuchtet ein, daß das reichgeschmückte A p o l l o n h e i l i g t u m in Amyklai, berühmt noch in der K a i s e r z e i t 1 3 , auch außerhalb der Festzeit im H o c h s o m m e r 1 4 nach Bewachung, P f l e g e 1 5 , und Repräsentanz verlangte, die am besten durch Ortsansässige geleistet werden konnte. Ihre Bindung an das Heiligtum war besonders eng, so daß in klassischer Zeit die Männer Amyklais - und nur sie - regelmäßig vom Kriegsdienst suspendiert wurden, um Apollon den Paian zu singen 1 6 .

11 12

13 14 15

Lakonian Hero Reliefs in The Light of the Terracotta Plaques, 189-97 in: Coulson, W. / Palagia, O. (ed.): Sculpture from Arcadia and Laconia (1993); und dies.: Hero Warriors from Corinth and Laconia, Hesperia 66 (1997) 245-60, spez. 246 zum Material aus dem Alexandraheiligtum von Amyklai. Vgl. Paus. 19,3. Siehe zuletzt Kenneil: Gymnasium of Virtue (1995) Appendix 2 = 162-9. Die ältere Auffassung von Mellink: Hyakinthos (1943) 8, das Fest Hyakinthia sei kein öffentliches Fest der Spartaner, sondern Fest der Oba der Amyklaier. Ovid Met.10,217-9; Philostrat VA 6,20 (Touristenströme); Mela 2,41; Dion. Per. 13, 213; 377; 413; 860 kann Amyklai als Kürzel für Sparta und Lakonien verwenden. Quellen bei Ziehen:RE 3 A2 (1929) 1518; Mellink: Hyakinthos (1943) 25-28, dagegen Calame: Choruses (1997) 183 A.294. Zu derartigen und ähnlichen Aufgaben (Aufsicht, Bewachung, Pflege und Erhaltung von Gebäuden und Ausstattung, organisatorische und logistische Tätigkeiten), die meist von untergeordnetem Kultpersonal übernommen worden sind, vgl. am ausführlichsten Stengel: Kultusaltertümer (1889) 34-6; Burkert: GR (1977) 158-9; neuerdings Bremmer: GR (1995) 28.

16 Vgl. etwa Xen. Hell. 4,5,11.

70

2. Priesterämter

- Frauen

2.3. Ein Beispiel individueller Häufung: die Priesterämter der Pomponia Kallistonike Pomponia Kallistonike, die Tochter des Aristeas, verwaltet - etwa in der Mitte des 3. Jhds. n. Chr. 1 7 - sechs Priesterämter 18 : das Amt der Artemis Orthia und der ihr assoziierten Götter, der Moirai Lacheseis, der Aphrodite Enhoplios des Asklepios Schoinatas in Helos der Artemis Patriotis in Pleiai der Dioskuren und der Dioskureia. Sie gehört damit zu den vier Personen des kaiserzeitlichen Sparta, die durch außergewöhnliche Häufung kultischer Ämter hervortreten: es sind dies ein Geschwisterpaar aus der Familie der Tib. Klaudioi, das eine identische Ämterkombination aus sechs Einzelelementen verwaltet 1 9 und Sekstos (Pompeios) Eudamos, der mit mindestens siebzehn Priesterämtern 20 der meistbeschäftigte aller Priester im kaiserzeitlichen Sparta gewesen sein dürfte. Die Ämterlisten der Kallistonike und des Eudamos zeigen zwei Überschneidungen: bei dem Amt der Dioskuren mit der Agonothesie beim Fest .Dioskureia' und bei Artemis Patriotis. Dies belegt, daß es sich hier nicht um eine feststehende Ämterkombination handeln kann, die en bloc von einer Person auf die nächste überging 21 . Vielmehr ist damit zu rechnen, daß bei Ableben des jeweils (lebenslang) Amtierenden die Ämter neu verteilt worden sind, was zu neuen Kombinationen führen konnte. Schließlich dürften für manche der Ämter auch unterschiedliche Eingangsvoraussetzungen gegolten haben (z.B. im Falle des Orthiapriesteramtes wohl weibliches Geschlecht), so daß beim intersexuellen Übergang einige Besetzungsmöglichkeiten schon alleine deshalb weggefallen sein werden. Es erscheint daher sinnvoll, die Priesterämter der Kallistonike zunächst einzeln zu untersuchen und die Ergeb17 Datierung nach Spawforth (1985) 239 mit 242 (Stemma der Pomponioi); zu korrigieren das Versehen bei Nilsson: GR I (1967) 521 A.5 (3. Jhd. vor Chr.; Korr. von Remberg, J.: Venus armata (1991) 36 A.141). 18 Text IG 602,3-15: ιέρειαν δια βίου κ[αι] δια γένους της έπιφ[ανε]στάτης θεοϋ Άρτέμιδ[ος] Ό ρ θ ε ί α ς καΓι] των συνκ[α]θειδρυμένων α ύ τ η θ[ε]ών, και Μοιρών Λαχέσεων κ[αι] Άφροδείτης Ένοπλίου και 'Ασκληπιού Σ χ ο ι ν ά τ α έ[ν] τ ω ' Έ λ ε ι και 'Αρτέμιδος Πατριώτιδος έν Π λ ε ί α ι ς και Δ[ιο]σκουρων και τοϋ άγώνο[ς] των σεμνότατων Διοσκο[υ]ρείων, ... 19 IG 497; 589; 608. Siehe unten Kap. 3.2. 20 IG 559, ebenfalls in der Mitte des 3. Jhds. anzusetzen: siehe unten Kap. 4.8. 21 Das zeitliche Verhältnis zwischen den Amtszeiten der Kallistonike und des Eudamos' ist unklar: Kallistonike amtierte nach Spawforth (1985) 239 in der Mitte des 3. Jhds.; Stemma der Pomponioi: Spawforth ebd. 242; Bradford (1977) 227: Anfang 3. Jhd. n. Chr.; Eudamos ist nach 217 n. Chr. einzuordnen: vgl. Spawforth (1984) 283 Nr.13.

2.3. Ämterkomplex

Pomponia

Kallistonike

71

nisse nacheinander darzustellen. Die der Arbeit zugrunde liegende Gliederung des Materials anhand der Frage „Welche Priesterämter wurden von Frauen, welche von Männern ausgeübt?" führt dazu, daß jene zwei Ämter, die sowohl Eudamos als auch Kallistonike innehatten, im folgenden Kapitel (Abschnitt 3.1. und 3.3.) ausführlich behandelt werden.

2.3.1.

Artemis Orthia

Mit Ausnahme der Leukippiden ist die Orthiapriesterin in Sparta die einzige Priesterin, zu der es neben epigraphischer Bezeugung auch literarische gibt, was wohl hauptsächlich auf die weitreichende Bekanntheit und touristische Attraktion 22 des Peitschenrituals beim jährlichen Orthiafest zurückzuführen ist. Nach der Beschreibung des Pausanias (16,10-11 2 3 ) hat man sich im Orthiaheiligtum die folgende Szene vorzustellen: Während die Knaben gepeitscht werden und ihr Blut den Altar netzt, steht die Priesterin mit dem Bild der Göttin, das sie hält, daneben. Wird zu vorsichtig geschlagen, so wird es ihr zu schwer. Sie beschuldigt dann die Peitschenden, sie werde ihretwegen bedrückt. In den Piatonscholien 24 findet sich eine ähnliche Darstellung, jedoch mit dem Unterschied, daß der Gegenstand, den die Priesterin in Händen hält, als etwas nun Unbekanntes, damals Verhülltes bezeichnet wird. Diese Abweichung belegt höchstwahrscheinlich einen von Pausanias und seiner Informationsquelle unabhängigen Autopsiebericht 25 , für dessen Qualität zudem weitere Gründe sprechen: Das Orthiabild in Händen der Priesterin muß - tragbar - eines der kleinen, einfach gestalteten und alten Götterbilder gewesen sein 26 , dem nach Ausweis der Auffindungsgeschichte große Kräfte zugetraut worden sind; es konnte Wahnsinn erregen 27 . So ist die Verhüllung dieses wohl unansehnlichen Bildes zugleich Schutz 2 8 vor seinen verderblichen Fähigkeiten. Aufgabe der Priesterin war es, dieses gefährliche Bild auf angemessene Weise zu handhaben. Mit 22 23

24

25

26

27 28

Touristen: Cic.Tusc.2,34; Plut.Lyk.18,2; Liban. Or.1,23; Besucher bei spartanischen Festen allg.: Plut.Ages.29. ... και σφισιν έτη τ ο ύ τ ω γ ί ν ε τ α ι λ ό γ ι ο ν α ϊ μ α τ ι ά ν θ ρ ώ π ω ν τ ό ν β ω μ ό ν α'ιμάσσειν· θ υ ο μ έ ν ο υ δέ ο ν τ ι ν α ό κ λ ή ρ ο ς έ π ε λ ά μ β α ν ε , Λ υ κ ο ύ ρ γ ο ς μ ε τ έ β α λ ε ν ές τ ά ς έπι τ ο ι ς έφήβοις μ ά σ τ ι γ α ς , έ μ π ί π λ α τ α ΐ τε ο ύ τ ω ς ά ν θ ρ ώ π ω ν α ϊ μ α τ ι ό β ω μ ό ς , ή δέ ιέρεια τ ό ξ ό α ν ο ν έ χ ο υ σ ά σφισιν έφέστηκε- τ ό δέ έστιν ά λ λ ω ς μέν κοΟφον ύ π ό σ μ ι κ ρ ό τ η τ ο ς , ή ν δέ οί μ α σ τ ι γ ο ΰ ν τ έ ς π ο τ ε ύ π ο φ ε ι δ ό μ ε ν ο ι π α ί ω σ ι κ α τ ά έ φ η β ο υ κ ά λ λ ο ς ή ά ξ ί ω μ α , τ ό τ ε ήδη τ ή γυναικ'ι τ ό ξ ό α ν ο ν γ ί ν ε τ α ι β α ρ ύ και οϋκέτι εύφορου... Schol. Plat. Nom. 633 Β Greene: kαpτεpήσεtς. τ ά ς δ ι α μ α σ τ ι γ ώ σ ε ι ς φησί. έ γ έ ν ο ν τ ο δ' α ύ τ α ι π ρ ό ς τ ω β ω μ ω τ ή ς Ό ρ θ ω σ ί α ς 'Αρτέμιδος, τ η ς τ ή ν π ο λ ι τ ε ί α ν ά ν ο ρ θ ο ύ σ η ς . π α ρ ε ι σ τ ή κ ε ι γ ά ρ ή τ α ύ τ η ς ιέρεια φ έ ρ ο υ σ ά τι έπ\ τής χειρός κεκρυμμένον, ο μέχρι τ ο υ ν υ ν ό γ ν ω σ τ ό ν έστι, και εϊ μέν ή τ τ ο ν τ ο υ δ έ ο ν τ ο ς έ μ α σ τ ι γ ο ΰ τ ο · κινείν γ ά ρ τ ά ς χ ε ί ρ α ς οϋκ έ τ ό λ μ α , έ χ ω ν τ α ύ τ α ς έπ\ τής κεφαλής ό μ α σ τ ι ζ ό μ ε ν ο ς · έ β α ρ ε ί τ ο εκείνη ύ π ό τ ο υ φ ε ρ ο μ έ ν ο υ , δ ε ό ν τ ω ς δέ τ ή ν δίκην ε'ι ύ π ε ΐ χ ε ν , κ ο ύ φ ω ς ή ιέρεια διετίθετο. Die Informationsquellen des Pausanias kennen wir nicht. D e m Scholiasten war der Pausaniastext unbekannt, da er den Gegenstand der Verhüllung nicht eruieren konnte. Sein Bericht liefert die detaillierteste Beschreibung der Körperhaltung während der Peitschung, was auf einen Autopsiebericht zurückgehen wird. Vgl. Graf, F.: Das Götterbild aus dem Taurerland, A W 10 (1979) 33-41, spez. 35-6; vgl. auch die Statue einer Priesterin in Messene, die ein kleines Bild im Arm trägt: Kaltsas, N.: Das antike Messene (1989) 41 Abb.25. Vgl. Paus. 16,9; Graf, F.: Das Götterbild aus dem Taurerland, A W 10 (1979) 36-38. Vgl. die Verwahrung des Wahnsinn erregenden Bildes von Dionysos Aisymnetes in Patrai in einer Truhe: Paus. VII 19,6-7.

72

2. Priesterämter

- Frauen

29

dem Orthiabild als Instrument steuerte sie den Ablauf des Peitschenrituals, indem sie die Intensität der Schläge, damit die Dauer der Peitschung bestimmte. Eine Eskalation des Rituals, die zum Tode einiger Teilnehmer geführt hat 30 , konnte ohne ihre Beteiligung wohl nicht vorkommen. Die einzige namentlich bekannte Orthiapriesterin ist Ponponia (sie) Kallistonike Aristeou, die ihr Amt etwa in der Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. 3 1 ausübte, zur selben Zeit ungefähr, zu der das Tempelfront und Orthiaaltar umfassende Theater, die Arena in Stein, aufgeführt wurde 3 2 . Wir wissen nichts über die administrativen, organisatorischen und finanziellen Umstände der Errichtung dieses Bauwerkes, so daß die zeitliche Koinzidenz mit dem Ehrenmonument für Kallistonike nur vermutungsweise einen Anlaß für die Ehrung liefern kann. Da die inschrifttragende Statuenbasis in einer Kirche außerhalb Spartas gefunden wurde 33 , ist auch nicht zu eruieren, wo die Statue der Priesterin aufgestellt war. Im Orthiaheiligtum standen allerdings nicht nur Ehrenmonumente für Sieger in den verschiedenen dort veranstalteten Wettbewerben 34 , sondern auch für andere Bürger und Bürgeri n n e n 3 5 ; so wäre wohl gerade auch bei einer Orthiapriesterin dieses Heiligtum als angemessener Aufstellungsort anzusehen. Daß man das Priesteramt der „berühmtesten Göttin Artemis Ortheia und der mit ihr zusammen verehrten (.assoziierten') Götter" 3 6 , das sie lebenslang und in Erbfolge ausübte, als das prestigeträchtigste der insgesamt sechs von ihr verwalteten Ämter betrachtete, geht aus der Erstnennung in der Aufzählung 3 7 dieser Ämter hervor. Wer sind nun die zusammen mit Orthia verehrten Götter oder Göttinnen, für deren Kultus Kallistonike ebenfalls zuständig war? Die Ausgrabungen im Orthiaheiligtum erbrachten reiches Bildmaterial, doch keine Möglicheit zur Identifizierung dargestellter Personen als hier verehrte Gottheiten 3 8 . Zur Vorsicht bei der Interpretation des Votivmaterials mahnt in 29 30 31 32

33 34 35 36

37 38

Vgl. Vernant, J.-P. : Une divinite des marges: Artemis Orthia, 21 in: ders. (Hg.): Recherches sur les cultes grecs et l'occident II (1984) . Vgl. Cie. Tusc. 2,34; Plut. Lyk. 18,2. IG 602,1-3; Datierung nach Spawforth (1985) 239; Stemma der Pomponioi: Spawforth ebd. 242; Bradford 227: Anfang 3. Jhd. n. Chr. Vgl. Dawkins: AO (1929) 38-52: Bau nach 225 AD; mit Boardman, J.: Artemis Orthia and Chronology, BSA 58 (1963) 2-4; Papachatzis, N.D.: Pausaniou Ellados Periegesis 2 (1976) 376 mit Abb. 391. Vgl. IG 602 p. 134. Vgl. IG 252ff. . IG 599 ehrt Herakleia Teisamenou, die (= deren Statue) bei der allerheiligsten Orthia aufgestellt war: Z.6-8 π α ρ ά τή άγιωτάτη Ό ρ θ ί α ί δ ρ υ σ α τ ο . IG 602,6-7: τ η ς έ π ι φ [ α ν ε ] σ τ ά τ η ς θ ε ο ύ Ά ρ τ έ μ ι δ [ ο ς ] Ό ρ θ ε ί α ς κα[ι] τ ω ν σ υ ν κ[α]θειδρυμένων α υ τ ή θ[ε]ών. Zur Namensform vgl.: Jucker, Η. / Risch, Ε.: Orthia oder Ortheia? - Zum Namen der Göttin „Orthia", Hefte des archäologischen Seminars der Universität Bern 5 (1979) 27. Text siehe oben A.18. Die von Carter, J. B. : Masks of Ortheia, AJA 91 (1987) 355-83 und dies.: Masks and Poetry in Early Sparta, in: Hägg/Marinatos: Early Greek Cult Practice (1988) 89-98 vertretene These, das Bildmaterial (hauptsächlich die Elfenbeinreliefs, die Mann und Frau darstellen) erlaube die Rekonstruktion eines hieros gamoj-Rituals unter Beteiligung eines für uns anonymen ,male consort' der Orthia, ist spekulativ; vgl. auch das Diskussionsprotokoll Hägg/Marinatos 104. Zur Identifizierbarkeit des Orthiabildes vgl. Alroth, B.: Greek Gods and Figurines (1989) 44-5 und Graf, F.: Das Götterbild aus dem Taurerland, AW 10 (1979) 33-41; Liste der .visiting gods' (Gottheiten, deren Bilder als Votive im Orthiaheiligtum dienten) bei Alroth, B.: Gods and Figurines (1989) 97-9; zu korrigieren Calame, C.: Choruses (1997) 167

2.3. Ämterkomplex

Pomponia

Kallistonike

73

diesem Falle auch, daß in anderen lakonischen Heiligtümern identische Bildtypen, beispielsweise an Bleifigürchen archaischer und Tonstatuetten römischer Zeit, g e f u n d e n worden sind 3 9 . Die beschrifteten Votive aus dem Orthiaheiligtum vermerken Orthia bzw. Artemis Orthia, mit vielen lexikalischen Varianten 4 0 , als Adressatin; ein (Wtirfel-)Votiv aus dem 6. vorchristlichen Jahrhundert, das auf dem Gebiet des Orthiaheiligtums gefunden wurde, gilt aber Έ λ ε υ θ ί α = Eileithyia 4 1 . Auch Ziegelstempel 4 2 aus dem Orthiaheiligtum tragen den Namen der Eileithyia, so daß in dieser Göttin eventuell eine Temenosgenossin der Orthia zu e r k e n n e n ist. W ü r f e l und Ziegel k ö n n e n freilich von ihrem a n g e s t a m m t e n Ort her verschleppt worden sein und auch Pausanias' Bemerkung über ein Heiligtum der Eileithyia „nicht weit vom Orthiaheiligtum" (17,1) scheint dagegen zu sprechen, doch ist in diesem Falle nicht darauf zu vertrauen, daß der auswärtige Besucher die Temenosgrenzen erkannt hat oder auch nur darstellen wollte, so daß seine Formulierung der Zurechnung des Eileithyiaheiligtums zu dem der Orthia in der Auffassung der Einheimischen meiner Meinung nach nicht entgegenwirkt. Kultgemeinschaft der Orthia mit den Leukippiden hat S. W i d e aus einer der sogenannten Sichelweihungen ableiten wollen 4 3 : Der T e x t 4 4 berichtet von Markos Aurelios Zeuxippos, einem Priester der Leukippiden und Tyndariden (siehe unten Kap. 2.4.1.), der als Boagos mit seiner M a n n s c h a f t in einem der Wettbewerbe gesiegt hatte und diesen Sieg auf einer der

39

40 41

42 43

44

A.238: Es sind keine archaischen Statuetten der Eileithyia im Orthiaheiligtum zutage gekommen. Bleifigürchen: Cavanagh, W.G. / Laxton, R.R. : Lead Figurines from the Menelaion and Seriation, BSA 79 (1984) 23-36 A.l; Tonstatuetten siehe Dawkins: AO (1929) 161 und Stibbe, C.M.: Das Eleusinion am Fuße des Taygetos in Lakonien: BaBesch 68 (1993) 98-9 Abb.71-73. Vgl. Woodward, A.M. in: Dawkins : AO (1929) 285-377; Zunino, M.L.: Hiera Messeniaka (1997) 48 mit A.24. Dawkins: AO (1929) 202; 370. SEG 11 (1954) 682; vgl. Kilian, I.: Weihungen an Eileithyia und Artemis Orthia, ZPE 31 (1978) 219-22; Pingiatoglou, S.: Eileithyia (1981); zum lakonischen Eleuthia / Eleusia für Eileithyia vgl. Parker: Demeter (1988) 101-2 mit A. 28 in: Hägg/Marinatos: Early Greek Cult Practice (1988); die zweifelhalfte Lesung Έλ