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German Pages 325 [350] Year 2018
Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht Band 147 herausgegeben von Rolf Stürner
Mirjam Lubrich
Der Gesamtschuldnerrückgriff im Zuständigkeitssystem der EuGVVO
Mohr Siebeck
Mirjam Lubrich, geboren 1985; Studium der Rechtswissenschaften in Tübingen und Madrid; Stipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung; 2012 Erste Juristische Staatsprüfung; 2012–17 wiss. Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Tübingen; 2017 Promotion; 2017 Zweite Juristische Staatsprüfung.
D21 ISBN 978-3-16-155937-2 / eISBN 978-3-16-155938-9 DOI 10.1628/978-3-16-155938-9 ISSN 0722-7574 / eISSN 2568-7255 (Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen aus der Times New Roman gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden. Printed in Germany.
Meiner Familie
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen im Wintersemester 2016/2017 als Dissertation angenommen. Sie entstand in den Jahren 2012 bis 2015. Für die Veröffentlichung konnten Rechtsprechung und Literatur im Wesentlichen bis April 2017 berücksichtigt werden. Erfreulich ist, dass der EuGH in seinem Urteil vom 15.06.2017, Rs. C-249/16 (Saale Kareda ./. Stefan Benkö) einige der in dieser Arbeit entwickelten Thesen zum Gesamtschuldnerrückgriff im Grundsatz stützt. Das Urteil des EuGH klärt wichtige Teilaspekte der hier untersuchten Problematik, ohne allerdings die mit dem Gesamtschuldnerrückgriff verbundenen Rechtsfragen abschließend zu behandeln. Für die Drucklegung der Arbeit konnte die Entscheidung des EuGH noch kursorisch nachgetragen werden. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Martin Gebauer, der das Entstehen der Arbeit in besonderer Weise gefördert und begleitet hat. Während der Zeit als Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl stand er mir stets mit hilfreichen Anregungen, konstruktiven Ratschlägen und seiner Diskussionsbereitschaft zur Seite. Er hat zudem mein Interesse für das Internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht auch über die Dissertation hinaus geweckt und mich in vielfältiger Weise unterstützt. Auch hierfür möchte ich mich herzlich bedanken. Für die Übernahme der Zweitbegutachtung und wertvolle Anregungen möchte ich Herrn Professor Dr. Wolfgang Marotzke meinen herzlichen Dank aussprechen. Für die Aufnahme der Arbeit in die vorliegende Schriftenreihe danke ich Herrn Professor Dr. Dres. h.c. Rolf Stürner. Für einen Druckkostenzuschuss bedanke ich mich bei der Studienstiftung ius vivum und Herrn Professor Dr. Haimo Schack, LL.M. (Berkeley). Während meiner Zeit an der Universität konnte ich mich stets mit meinen Lehrstuhlkollegen austauschen. Insbesondere Frau Dr. Ina Vedie, Herrn Philipp Saladin und Herrn Andreas Mayr bin ich hierfür dankbar. Ebenso danke ich meiner Mädelsgruppe aus der gemeinsamen Studienzeit für ihre Freundschaft.
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Vorwort
Nicht nur während des Studiums und der Promotion konnte ich mich immer auf den liebevollen Rückhalt meiner Familie verlassen. Meinen Eltern Achim und Milda sowie meinen Geschwistern Daniel, Carmen und A nna-Katharina danke ich hierfür von Herzen. Christoph danke ich für seine Geduld, seine Unterstützung und manche verrückte Aufmunterung gerade auch in den unvermeidbaren schwierigen Phasen der Promotion. Köln, im Dezember 2017
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 § 1: Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 § 2: Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Teil 1: Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 § 1: Dogmatische Grundlagen des Gesamtschuldnerrückgriffs . . . . . 9 A. Der Begriff der Gesamtschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 I. Die Gesamtschuld in der deutschen Rechtsordnung . . . . . 9 II. Die Gesamtschuld in anderen europäischen Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 B. Typisierung der Gesamtschuldverhältnisse . . . . . . . . . . . 12 I. Herkömmliche Einteilung nach dem Entstehungsgrund der Gesamtschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 II. Systematisierung nach der Zusammensetzung der Gesamtschuld im Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1. Vertragliche Gesamtschuldverhältnisse . . . . . . . . . 14 a) Gesetzliche Anordnung des vertraglichen Gesamtschuldverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . 15 b) Gesamtschuld- vs. Teilschuldvermutung . . . . . . . 15 aa) Gesamtschuldvermutung . . . . . . . . . . . . . 16 bb) Teilschuldvermutung . . . . . . . . . . . . . . . 16 c) Besonderheit: Auf Schadensersatz gerichtete Gesamtschuld wegen Verletzung vertraglicher Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2. Außervertragliches Gesamtschuldverhältnis . . . . . . . 20 a) Deliktische Gesamtschuldverhältnisse . . . . . . . . 20
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aa) Gesetzliche Anordnung der Gesamtschuld für Deliktstäter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 bb) Anerkennung einer gesamtschuldnerischen Haftung der Deliktstäter durch die Rechtsprechung: insbesondere die französische und spanische in solidum-Haftung . . . . . . . . 22 b) Sonstige Konstellationen eines außervertraglichen Gesamtschuldverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . 23 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3. Gemischtes Gesamtschuldverhältnis . . . . . . . . . . . 25 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 C. Der Rückgriff im Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . 27 I. Rückgriffsverhältnisse bei einer Gesamtschuld . . . . . . . 27 II. Der Gesamtschuldnerrückgriff nach § 426 BGB . . . . . . 28 1. Der originäre Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2. Die übergeleitete Gläubigerforderung nach § 426 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3. Zusammenhang der beiden Rückgriffsansprüche . . . . 32 4. Die Verteilungsquote im Innenverhältnis . . . . . . . . . 32 5. Keine gesamtschuldnerische Haftung im Innenverhältnis 34 III. Der Gesamtschuldnerrückgriff des § 426 BGB im rechtsvergleichenden Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Die Regelung des Gesamtschuldnerrückgriffs im englischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Die Regelung des Gesamtschuldnerrückgriffs im österreichischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 a) Rechtsnatur und Regelungsinhalt des § 896 BGB: . . . selbständiger Anspruch oder gesetzlicher Forderungsübergang zu Rückgriffszwecken? . . . . . 38 b) Die Bedeutung des § 1358 ABGB für den Gesamtschuldnerrückgriff . . . . . . . . . . . . . . . 39 c) Die Verteilungsquote im Innenverhältnis . . . . . . . 40 3. Die Regelung des Gesamtschuldnerrückgriffs im spanischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 4. Die Regelung des Gesamtschuldnerrückgriffs im italienischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 5. Die Regelung des Gesamtschuldnerrückgriffs im französischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
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IV. Einheitliche Funktion des Gesamtschuldnerrückgriffs: Fortführung der Haftung aus dem Außenverhältnis im Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Verhinderung des „Glücksspiels“ durch Lastentragung im Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2. Die Vermeidung von Kollusionsfällen . . . . . . . . . . 48 3. Die Verteilung des Insolvenzrisikos im Innenverhältnis . 48 4. Der Gesamtschuldnerrückgriff als notwendiges Korrelat der Gesamtschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 5. Originärer und übergeleiteter Rückgriffsanspruch als Wesensbestandteile der Gesamtschuld . . . . . . . . . . 49 D. Ergebnis und Folgerungen für die weitere Untersuchung . . . 52 § 2: Grundsätze der internationalen Zuständigkeit nach der EuGVVO 54 A. Die Bedeutung der internationalen Zuständigkeit . . . . . . . . 54 B. Die Entwicklung des europäischen Zivilverfahrensrechts . . . 56 C. Die Systematik des Zuständigkeitsregimes der EuGVVO . . . 57 D. Die Funktion und Rolle des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 E. Die Auslegung der Normen der EuGVVO . . . . . . . . . . . 59 I. Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . 60 II. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 III. Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 IV. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 F. Die Qualifikation im Internationalen Zivilverfahrensrecht . . . 62
Teil 2: Die Bedeutung der Streitverkündung und der Gewährleistungs- und Interventionsklage (Art. 8 Nr. 2 EuGVVO) für den Gesamtschuldnerrückgriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 § 1: Instrumente der Beteiligung Dritter im Verfahren . . . . . . . . . 67 A. Die Streitverkündung nach deutschem Recht, §§ 72 ff. ZPO . . 68 I. Der Inhalt und Umfang der Interventionswirkung . . . . . 69 II. Die Streitverkündung im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Mögliche Interventionswirkungen im Rahmen des Gesamtschuldnerrückgriffs . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2. Die Bedeutung der Interventionswirkung für den Gesamtschuldnerrückgriff . . . . . . . . . . . . . . . . 73 B. Die Intervention forcée mise en cause aux fins de condamnation nach französischem Recht, Art. 331 Abs. 1 CPC . . . . . . . . 74
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C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 § 2: Streitverkündung und Intervention in der EuGVVO . . . . . . . . 76 A. Gewährleistungs- und Interventionsklagen i. S. d. Art. 8 Nr. 2 EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 I. Der Sinn und Zweck von Art. 8 Nr. 2 EuGVVO . . . . . . . 76 II. Der Begriff der Gewährleistungs- und Interventionsklage i. S. d. Art. 8 Nr. 2 EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 III. Die Voraussetzungen des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO . . . . . . 79 1. Abhängigkeit von der lex fori . . . . . . . . . . . . . . . 79 2. Internationale Zuständigkeit für die Hauptklage . . . . . 80 3. Ausschluss einer Gewährleistungs- und Interventionsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 4. Missbrauchsklausel, Art. 8 Nr. 2 Hs. 2 EuGVVO . . . . 83 IV. Anerkennung und Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . 85 B. Die Regelung der Streitverkündung in Art. 65 EuGVVO . . . . 86 I. Erfordernis der internationalen Zuständigkeit in Bezug auf den Streitverkündungsempfänger . . . . . . . . . . . . . . 86 II. Ausschluss der Streitverkündung . . . . . . . . . . . . . . 87 III. Anerkennung der Interventionswirkung im Folgeprozess . 88 IV. Überprüfung der Zulässigkeit der Streitverkündung . . . . 89 § 3 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
Teil 3: Die eigenständige Rückgriffsklage . . . . . . . . . . . . . . 93 § 1: Der sachliche Anwendungsbereich der EuGVVO . . . . . . . . . 95 A. Der Begriff der Zivil- und Handelssache im Allgemeinen . . . 96 B. Der Begriff der Zivil- und Handelssache bei Rückgriffsklagen 96 I. Die Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . 98 1. Das Urteil in der Rechtssache Baten . . . . . . . . . . . 98 2. Das Urteil in der Rechtssache Blijdenstein . . . . . . . . 99 3. Das Urteil in der Rechtssache Frahuil . . . . . . . . . . 100 II. Die Anwendung der vom EuGH aufgestellten Grundsätze auf den Gesamtschuldnerrückgriff . . . . . . . . . . . . . 100 1. Die Kriterien der Grundlage der Klage und der Modalitäten ihrer Erhebung . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Folgerungen für den Gesamtschuldnerrückgriff . . . . . 101 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 § 2: Die zu Rückgriffszwecken übergeleitete Gläubigerforderung . . . 106 A. Allgemeiner Gerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
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B. Vertragsgerichtsstand des Art. 7 Nr. 1 EuGVVO . . . . . . . . 107 I. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1. Das Postulat der autonomen Auslegung . . . . . . . . . 107 2. Der Systembegriff „Vertrag oder Ansprüche aus Vertrag“ 108 II. Die zu Rückgriffszwecken übergeleitete Gläubigerforderung als vertraglicher Anspruch i. S.d Art. 7 Nr. 1 EuGVVO . . . 110 1. Keine Beschränkung auf die Vertragsparteien . . . . . . 110 2. Einfluss des Gläubigerwechsels auf den Erfüllungsort? . 112 3. Die Anwendbarkeit des Vertragsgerichtsstands auf den Gesamtschuldnerrückgriff aus übergeleitetem Recht . . 114 C. Verbrauchergerichtsstand der Art. 17 ff. EuGVVO . . . . . . . 115 I. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 II. Die übergeleitete Gläubigerforderung im Verbrauchergerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 1. Der rückgriffspflichtige Gesamtschuldner ist Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Der Gläubiger ist Verbraucherpartei . . . . . . . . . . . 117 a) Stand der Diskussion bei einem Forderungsübergang auf einen beruflich bzw. gewerblich handelnden Rechtsnachfolger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 b) Stand der Diskussion bei einem Forderungsübergang auf einen privat handelnden Rechtsnachfolger . . . . 119 aa) Rückschlüsse aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Shearson Lehman . . . . . . . 119 bb) Das obiter dictum des EuGH in der Rechtssache Vorarlberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 cc) Öffnung des Verbrauchergerichtsstandes für den privat handelnden Zessionar . . . . . . . . . . . . 121 dd) Ausschluss des Verbrauchergerichtsstandes bei (Legal-)Zession an einen privat handelnden Rechtsnachfolger . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 c) Stellungnahme und eigener Ansatz . . . . . . . . . . 122 aa) Wortlaut der Art. 17 und 18 EuGVVO . . . . . . 122 bb) Verbrauchergerichtsstand liegt ein einheitlicher Sachverhalt zugrunde . . . . . . . . . . . . . . . 124 cc) Der Schutzzweck des Verbrauchergerichtsstandes 126 dd) Das obiter dictum des EuGH in der Rechtssache Vorarlberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 ee) Möglichkeit eines „Einfrierens“ des Verbrauchergerichtsstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
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(1) Diskussionsstand bei Art. 5 Nr. 2 EuGVVO a. F. Art. 3 lit. b) EuUnthVO) und beim Versicherungsgerichtsstand . . . . . . . . . . 131 (2) Folgerungen für den Verbrauchergerichtsstand 134 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . 135 d) Maßgeblichkeit des Vertragsgerichtsstandes als Folge der Nichtanwendbarkeit des Verbrauchergerichtsstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 aa) Stand der Rechtsprechung und Literatur . . . . . 136 bb) Der systematische Zusammenhang zwischen Vertrags- und Verbrauchergerichtsstand . . . . . 137 cc) Die Interessen des anderen Gesamtschuldners und Vertragspartners des Verbrauchervertrages . . . . 138 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 D. Deliktsgerichtsstand des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO . . . . . . . . . 140 I. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 II. Die zu Rückgriffszwecken übergeleitete Gläubigerforderung als „deliktischer Anspruch“ i. S. d. Art. 7 Nr. 2 EuGVVO . . 141 E. Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 25 EuGVVO . . . . . 142 F. Zusammenfassende Ergebnisse für die Rückgriffsklage aus übergeleitetem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 § 3: Der originäre Ausgleichsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 A. Rechtsprechung und Literatur in den Mitgliedstaaten . . . . . 151 I. Deutsche Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 1. Die Annahme eines Sachzusammenhangs . . . . . . . . 152 2. Weitere Entscheidungen deutscher Gerichte . . . . . . . 153 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 II. Sonstige mitgliedstaatliche Rechtsprechung . . . . . . . . . 156 1. Santa Fe (Uk) Limited v Gates Europe Nv (1991) . . . . 156 2. Hewden Tower Cranes Ltd. vs. Wollffkran GmbH (2007) 157 3. Engdiv Ltd. vs. G. Percy Trentham Ltd. (1989) . . . . . . 157 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 III. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 B. Die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs . . . . . 161 I. Mögliche Ansätze für eine Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 1. Willensmoment der Gesamtschuldner im Innenverhältnis 162
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a) Vertragliche Qualifikation bei „freiwilliger Eingehung“ der originären Ausgleichspflicht ? . . . . . . . . . . . 164 b) Deliktische Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs bei fehlendem Willensmoment? . . . . . . 166 aa) Das Verhältnis zwischen Vertrags- und Deliktsgerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . 166 bb) Das Merkmal der Schadenshaftung und der unerlaubten Handlung i. S. d. Art. 7 Nr. 2 EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . 167 c) Die Klage aus originärem Ausgleichsanspruch als Tertium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 d) Zwischenergebnis und Folgerungen für die weitere Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 2. Heranziehung des Außenverhältnisses zur Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs . . . . . . . . . . . 171 a) Differenzierung nach dem Entstehungsgrund der Gesamtschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 aa) Erkenntnisse aus der rechtsvergleichenden Umschau zum Entstehungsgrund der Gesamtschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 bb) Keine Schlussfolgerungen von dem Entstehungsgrund der Gesamtschuld auf die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs . . . . . . . 172 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 b) Die Rechtsgrundlage der einzelnen Haftungstatbestände der Gesamtschuldner . . . . . . . . . . . 176 II. Ergebnis und Folgerungen für die weitere Untersuchung . . 177 C. Überprüfung der abgeleiteten Qualifikation anhand der besonderen Gerichtsstände des Art. 7 Nr. 1 und Nr. 2 EuGVVO 178 I. Vereinbarkeit der abgeleiteten Qualifikation mit Wortlaut und Systembegriff der besonderen Gerichtsstände . . . . . 178 1. Grammatikalische Auslegung der Voraussetzungen des Vertragsgerichtsstands . . . . . . . . . . . . . . . . 178 a) Die Geltendmachung eines gesetzlichen Anspruchs im Vertragsgerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . 178 b) Das originäre Entstehen des Anspruchs in der Person des Rückgriffsgläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . 180 2. Grammatikalische Auslegung der Voraussetzungen des Deliktsgerichtsstands . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
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II. Vereinbarkeit der abgeleiteten Qualifikation mit der Systematik der EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Der Grundsatz des actor sequitur forum rei und das Postulat einer engen Auslegung der besonderen Gerichtsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 a) Die Bedeutung des Grundsatzes actor sequitur forum rei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 b) Das Postulat einer engen Auslegung der besonderen Gerichtsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 2. Wertungen des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO . . . . . . . . . . 185 a) Vorteile einer Parallelität zwischen der zuständigkeitsrechtlichen Anknüpfung des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO und der Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs 186 b) Keine bindenden Vorgaben aus Art. 8 Nr. 2 EuGVVO 187 3. Rechtsaktübergreifendes Konkordanzgebot im Bereich der Zivil- und Handelssachen . . . . . . . . . . . . . . . 189 a) Der Gesamtschuldnerrückgriff im europäischen Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 aa) Das Anknüpfungsmoment . . . . . . . . . . . . . 191 bb) Die Bedeutung der Schutzklausel . . . . . . . . . 192 b) Die Abgrenzung und Regelungsbereiche der Rom Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 c) Kein Gleichlauf zwischen kollisionsrechtlicher und verfahrensrechtlicher Anknüpfung . . . . . . . . . . 197 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 III. Vereinbarkeit der abgeleiteten Qualifikation mit der ratio legis der besonderen Gerichtsstände . . . . . . . . . . 199 1. „Enge Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit“: . Sach- und Beweisnähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 a) Die Bedeutung der Sach- und Beweisnähe im Rahmen des Art. 7 Nr. 1 und Nr. 2 EuGVVO . . . . . . . . . . 200 b) Sach- und Beweisnähe beim Gesamtschuldnerrückgriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 aa) Sach- und Beweisnähe als Kriterium für die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs 203 bb) Rückgriff auf die im Außenverhältnis bestehenden Verbindlichkeiten der Gesamtschuldner zur Ermittlung des originären Ausgleichsanspruchs . 203
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cc) Folgerungen für den originären Ausgleichsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. Das Postulat der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3. Die Abwägung der verfahrensrechtlichen Beteiligteninteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 IV. Der (Sach-)Zusammenhang zur Klage aus der übergeleiteten Gläubigerforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 V. Die Anknüpfung an ein fremdes Rechtsverhältnis und ihre Vereinbarkeit mit der EuGH-Rechtsprechung . . . . . . . . 212 1. Problemschilderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 2. Die Handte-Rechtsprechung: . direktes Vertragsverhältnis als unabdingbare Voraussetzung für eine vertragliche Qualifikation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 a) Kritische Untersuchung der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Handte . . . . . . . . . . . . . . . 213 aa) Fehlende Auseinandersetzung mit der materiellrechtlichen Ausgestaltung der action directe . . . 214 bb) Die Geltendmachung des Äquivalenzinteresses . 214 cc) Der Gedanke der Vorhersehbarkeit des Gerichtsstandes für den Beklagten und das vermeintliche Dilemma der Mehrzahl von Verträgen . . . . . . 216 dd) Das Schutzdefizit bei deliktischer Qualifikation der action directe . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 b) Rückschlüsse aus der Handte-Entscheidung . . . . . . 219 3. Das Urteil des EuGH in der Rechtssache ÖFAB . . . . . 221 4. Die Besonderheiten des Gesamtschuldnerrückgriffs im Hinblick auf die Abhängigkeit von einem fremden Rechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 a) Die materiell-rechtliche Ausgestaltung des originären Ausgleichsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 b) Der originäre Ausgleichsanspruch als Ausdruck des Äquivalenz- oder Integritätsinteresses? . . . . . . . . 223 c) Das Verhältnis von Innen- und Außenverhältnis . . . 224 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 D. Auswirkungen eines rechtsgeschäftlich begründeten Rückgriffsanspruchs auf die abgeleitete Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
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I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 II. Eigenständigkeit der Ansprüche auch im Verfahrensrecht zu beachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 E. Anknüpfungsmomente der besonderen Gerichtsstände . . . . . 229 I. Der Erfüllungsort des Art. 7 Nr. 1 EuGVVO . . . . . . . . 230 1. Das gespaltene Konzept des Erfüllungsorts beim Vertragsgerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 a) Normative Bestimmung des Erfüllungsortes bei Art. 7 Nr. 1 lit. a) EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . 230 b) Autonome Erfüllungsortbestimmung bei Art. 7 Nr. 1 lit. b) EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . 231 2. Der Erfüllungsort für den originären Ausgleichsanspruch 232 a) Schwierigkeiten bei der Ermittlung eines eigenständigen Erfüllungsortes . . . . . . . . . . . . 232 aa) Die Suche nach der konkret streitigen Verpflichtung bei Geltendmachung des originären Ausgleichsanspruchs . . . . . . . . . 232 bb) Maßgebliche lex causae im Rahmen des Art. 7 Nr. 1 lit. a) EuGVVO für den originären Ausgleichsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . 234 b) Vorteile eines abgeleiteten Erfüllungsortes . . . . . . 235 aa) Die Sach- und Beweisnähe des Forums . . . . . . 236 bb) Der Gleichlauf der Zuständigkeiten für die Rückgriffsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 II. Der Ort des schädigenden Ereignisses im Sinne des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 1. Der Ort des schädigenden Ereignisses als Anknüpfungsmoment des Deliktsgerichtsstandes . . . . . . . . . . . . 237 2. Zusammenhang zwischen Anknüpfungsgegenstand und Anknüpfungsmoment . . . . . . . . . . . . . . . . 238 a) Schwierigkeiten einer eigenständigen Bestimmung des Ortes des schädigenden Ereignisses . . . . . . . . 238 b) „Abgeleiteter“ Ort des schädigenden Ereignisses . . . 240 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 F. Die Bedeutung des Verbrauchergerichtsstandes für die Klage aus originärem Ausgleichsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . 241 I. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241
Inhaltsverzeichnis
XIX
II. Die Voraussetzungen des Verbrauchergerichtsstandes im Hinblick auf das Rückgriffsverhältnis . . . . . . . . . . 243 1. Rückgriffsverpflichtete Gesamtschuldner ist Verbraucher 243 2. Ursprüngliche Verbraucherpartei ist am Rückgriffsverhältnis nicht beteiligt . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 G. Die Auswirkungen einer im Außenverhältnis bestehenden Gerichtsstandsvereinbarung für den originären Ausgleichsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 I. Die Grundsätze des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 II. Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung in Abhängigkeit von der lex causae? . . . . . . . . . . . . . 248 1. Allgemeine Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . 248 2. Abweichende Ansicht des EuGH in der Rechtssache Refcomp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 3. Der differenzierende Ansatz von Gebauer . . . . . . . . 253 a) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 aa) Klagen am prorogierten Gericht . . . . . . . . . . 254 bb) Klagen am derogierten Gericht . . . . . . . . . . 255 (1) Prozessökonomische Überlegungen . . . . . . 255 (2) Verlagerung der entscheidenden Prüfung an das prorogierte Gericht . . . . . . . . . . . 258 (3) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 cc) Erforderlicher Prüfungsumfang . . . . . . . . . . 259 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 4. Drittwirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung beim Gesamtschuldnerrückgriff aus originärem Ausgleichsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 a) Bestimmung der maßgeblichen lex causae . . . . . . 262 b) Materiell-rechtliche Abhängigkeit bzw. Drittwirkung des originären Ausgleichsanspruchs . . . . . . . . . . 264 aa) Rechtsnachfolge als unabdingbare Voraussetzung? 264 bb) Materiell-rechtliche Besonderheiten des originären Ausgleichsanspruchs . . . . . . . . . 267 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 H. Zusammenfassendes Ergebnis für die Rückgriffsklage aus originärem Ausgleichsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . 270
XX
Inhaltsverzeichnis
§ 4 Das Problem der Anspruchsgrundlagenkonkurrenz bei vertraglicher und deliktischer Haftung des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners . . . . . . . . . . . . 271 A. Das Urteil des EuGH in der Rechtssache Kalfelis . . . . . . . . 272 B. Der Vertragsgerichtsstand als vorrangiger Gerichtsstand . . . 273 C. Die Annexkompetenz beim Vertragsgerichtsstand . . . . . . . 279 D. Die Annexkompetenz beim Deliktsgerichtsstand . . . . . . . . 284 E. Die Behandlung der Anspruchsgrundlagenkonkurrenz beim Gesamtschuldnerrückgriff . . . . . . . . . . . . . . . . . 285
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . 287 Teil 1: Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Teil 2: Die Bedeutung der Streitverkündung und der Gewährleistungsund Interventionsklage (Art. 8 Nr. 2 EuGVVO) für den Gesamtschuldnerrückgriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Teil 3: Die eigenständige Rückgriffsklage . . . . . . . . . . . . . . . 292 Die zu Rückgriffszwecken übergeleitete Gläubigerforderung . 292 Der originäre Ausgleichsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . 293
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
Abkürzungsverzeichnis a. A. anderer Ansicht a. F. alte Fassung ABGB Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch ABl. Amtsblatt Abs. Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis ADC Anuario de derecho civil Anh. Anhang Anm. Anmerkung Art. Artikel AT Allgemeiner Teil Aufl. Auflage BauR Baurecht BayObLG Bayerisches Oberstes Landesgericht BB Betriebsberater Bd. Band Begr. Begründer begr. begründet BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BT Besonderer Teil bzw. beziehungsweise CISG Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf d. h. das heißt DAR Deutsches Autorecht ders. derselbe dies. dieselbe DRdA Das Recht der Arbeit EG Europäische Gemeinschaft EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einl. Einleitung endg. endgültig EU Europäische Union EuGH Europäischer Gerichtshof bzw. für die Zeit nach dem Vertrag von Lissabon Gerichtshof der Europäischen Union
XXII EuGVÜ
Abkürzungsverzeichnis
Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen EuGVVO Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen EuGVVO a. F. Verordnung (EG) Nr. 44/2011 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen EuLF European Legal Forum EuUnthVO Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen EuZPR Europäisches Zivilprozessrecht EuZVR Europäisches Zivilverfahrensrecht EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EVÜ Römisches EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht EWiR Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht EWS Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht f. inklusive des folgenden Paragraphs, der folgenden Seite/Randnummer FamRZ Zeitschrift für das gesamte Familienrecht ff. inklusive der folgenden Paragraphen/Randnummern/Seiten Fn. Fußnote FS Festschrift FÜR Familie Partnerschaft Recht gem. gemäß GG Grundgesetz GPR Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht h. M. herrschende Meinung HGB Handelsgesetzbuch HK Handkommentar HKK Historisch-kritischer Kommentar zum BGB Hrsg. Herausgeber hrsgg. herausgegeben i. d. F. in der Fassung i. S. d. im Sinne der/des i. S. e. im Sinne einer i. S. v. im Sinne von i. V. m. in Verbindung mit IHR Internationales Handelsrecht IPG Gutachten zum internationalen und ausländischen Privatrecht IPR Internationales Privatrecht IPRax Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts IZPR Internationales Zivilprozessrecht IZVR Internationales Zivilverfahrensrecht J.D.I. Journal du droit international JA Juristische Arbeitsblätter
Abkürzungsverzeichnis
XXIII
JBl Juristische Blätter JCP La semaine juridique JPIL Journal of private international law JR Juristische Rundschau Jur. Juristische Jura Juristische Ausbildung JuS Juristische Schulung JZ Juristenzeitung KKB Kurzkommentar zum ABGB KOM Europäische Kommission LG Landgericht lit. litera LMK Kommentierte BGH-Rechtsprechung Ltd. Limited MDR Monatsschrift für deutsches Recht MMR MultiMedia und Recht MPI Max-Planck-Institut für ausländischen und internationales Privatrecht, Hamburg MünchKomm Münchener Kommentar n. F. Neue Fassung Neubearb. Neubearbeitung NJW Neue Juristische Woche NJW-RR Neue Juristische Woche Rechtsprechungs-Report NK Nomos Kommentar Nr. Nummer NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NZBau Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht NZV Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht OGH Oberster Gerichtshof (Österreich) ÖJZ Österreichische Juristen-Zeitung OLG Oberlandesgericht ProdHaftG Produkthaftungsgesetz R+s Recht und Schaden RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Rdnr. Randnummer Rev. crit. d.i.p. Revue critique de droit international privée RG Reichsgericht RGZ Entscheidungssammlung des Reichsgerichts in Zivilsachen RIW Recht der internationalen Wirtschaft Rom II-VO Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) Rom I-VO Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“) Rs. Rechtssache Rspr. Rechtsprechung S. Seite
XXIV
Abkürzungsverzeichnis
Slg. Sammlung sog. sogenannt(e) SZ Entscheidungen des Österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivilsachen TranspR Transportrecht u. a. unter anderem v. von Verf. Verfasser/Verfasserin vgl. vergleiche VO Verordnung Vorbem. Vorbemerkung WM Wertpapiermitteilungen WRP Wettbewerb in Recht und Praxis z. B. zum Beispiel ZAS Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZfRV Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZPO Zivilprozessordnung zust. zustimmend/zustimmender ZVglRWiss Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft ZZP Zeitschrift für Zivilprozess ZZPInt Zeitschrift für Zivilprozess International
Einleitung
§ 1: Vorbemerkungen Der Gläubiger einer Gesamtschuld wurde von Heck einprägsam, wenn doch vielleicht etwas unglücklich als „juristischer Pascha“ umschrieben.1 Er kann nach seinem Belieben die einzelnen Gesamtschuldner ganz oder teilweise in Anspruch nehmen. Verlangt der Gläubiger von einem Gesamtschuldner die ganze Leistung oder mehr als den auf diesen Gesamtschuldner entfallenden Anteil, steht dem leistenden Gesamtschuldner gegenüber den übrigen Gesamtschuldnern ein Rückgriffsrecht zu. Mit der Einräumung der Paschastellung des Gläubigers korrespondiert damit zugleich eine Rückgriffsmöglichkeit des von dem Gläubiger in Anspruch genommenen Gesamtschuldners. Das Rückgriffsrecht soll eine gerechte Lastenverteilung im Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern herstellen.2 Im deutschen Recht ist der Gesamtschuldnerrückgriff in § 426 BGB geregelt. Dem leistenden Gesamtschuldner wird in Abs. 1 ein originärer Ausgleichsanspruch zugesprochen. Daneben geht nach Abs. 2 die Gläubigerforderung zu Rückgriffszwecken auf ihn über (übergeleitete Gläubigerforderung). Auch in den übrigen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen finden sich vergleichbare Rückgriffsrechte.3 Die rechtliche Bewältigung der Gesamtschuld und des Gesamtschuldnerrückgriffs bereitet schon innerhalb des deutschen Rechts Schwierigkeiten. Angesprochen sei nur der fortwährende Streit um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Gesamtschuld4 oder die Behandlung der gestörten Gesamtschuld5. Liegt der Gesamtschuld ein internationaler Sachverhalt zugrunde, müssen für den Gesamtschuldnerrückgriff zudem das anwendbare Recht einer-
Heck, Grundriß des Schuldrechts, § 76 4a. Vgl. hierzu und zu den weiteren Funktionen des Gesamtschuldnerrückgriffs Teil 1 § 1: C. IV. 3 Vgl. hierzu Teil 1 § 1: C. III. 4 Vgl. hierzu nur die Darstellung bei Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 421 Rdnr. 9 ff. mit weiteren Nachweisen. 5 Vgl. hierzu die Darstellung bei Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 426 Rdnr. 7 ff. Für die kollisionsrechtliche Behandlung der gestörten Gesamtschuld, vgl. monographisch Kühn, Gestörte Gesamtschuld. 1 2
4
Einleitung
seits und die internationale Zuständigkeit für die Rückgriffsklage andererseits bestimmt werden. Für die Ermittlung des anwendbaren Rechts finden sich in Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO entsprechende Kollisionsnormen.6 Die Entscheidungszuständigkeit für eine Rückgriffsklage des leistenden Gesamtschuldners ist dagegen in der Regel der EuGVVO zu entnehmen.7 Die EuGVVO enthält keine explizite Regelung über den Gerichtsstand von Klagen aus Gesamtschuldnerrückgriff. Für diese Klage kommt zwar der allgemeine Gerichtsstand in Betracht. Ob daneben aber auch eine Klagemöglichkeit an einem besonderen Gerichtsstand wie dem Vertrags- oder Deliktsgerichtsstand besteht, hängt davon ab, ob die dem Gesamtschuldnerrückgriff dienende Klage Art. 7 Nr. 1 oder Nr. 2 EuGVVO zugeordnet werden kann. Haften die Gesamtschuldner gegenüber dem Gläubiger jeweils auf einer vertraglichen bzw. deliktischen Grundlage, mag die Zuordnung noch einfach erscheinen. Den Rückgriff unter vertraglich haftenden Gesamtschuldnern wird man wohl dem Vertragsgerichtsstand, den Rückgriff unter deliktisch haftenden Gesamtschuldner dem Deliktsgerichtsstand zuschlagen können. Aber warum sollte in diesen Konstellationen der Vertrags- bzw. Deliktsgerichtsstand einschlägig sein? Schwierigkeiten bereitet die Zuordnung inbesondere dann, wenn die Gesamtschuldner gegenüber dem Gläubiger aufgrund unterschiedlicher Rechtsgrundlagen haften, wenn also die Haftung des einen Gesamtschuldners vertraglicher, die des anderen Gesamtschuldners deliktischer Natur ist. Kommt es etwa bei einem von einer Spedition durchgeführten internationalen Transport zu einer Beschädigung von Waren, können vertragliche Ansprüche des Eigentümers gegen die Spedition mit deliktischen Ansprüchen gegen den Unfallverursacher oder den Fahrer konkurrieren. Ist, nach Inanspruchnahme eines der beteiligten Gesamtschuldner, die Rückgriffsklage im Innenverhältnis nun am Vertrags- oder am Deliktsgerichtsstand zu erheben und wovon hängt die Antwort hierauf ab? Relevant wird die Frage nicht zuletzt auch in Fällen einer kartellrechtlichen Schadensersatzhaftung mehrerer international agierender Kartellanten8 oder in den sich stetig
6 Monographisch hierzu Behrens, Gesamtschuldnerausgleich; Kühn, Gestörte Gesamtschuld. 7 Soweit der Anwendungsbereich der Verordnung reicht, verdrängt sie die nationalen Zuständigkeitsvorschriften wie z. B. die der ZPO. Die Verordnung genießt Anwendungsvorrang. 8 Vgl. zu der gesamtschuldnerischen Haftung der Kartellanten gegenüber dem Gläubiger und den bereits hieraus resultierenden zuständigkeitsrechtlichen Schwierigkeiten EuGH, Urteil v. 21.05.2015, Rs. C-352/13 (Cartel Damages Claims (CDC) Hydrogen Peroxide SA ./. Akzo Nobel NV u. a.), ECLI:EU:C:2015:335.
§ 1: Vorbemerkungen
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„globalisierenden“ Fällen der Kapitalmarkthaftung9, wenn vertragliche Ansprüche gegen die Hausbank oder Anlagegesellschaften mit deliktischen Ansprüchen gegen Vermittler und andere Beteiligte zusammentreffen können. Die verfahrensrechtliche Durchsetzung der Rückgriffsklage des leistenden Gesamtschuldners ist in vielen Aspekten noch ungeklärt; das Thema ist auch wissenschaftlich nicht umfassend aufgearbeitet.10 Auch die vereinzelte Rechtsprechung im Zusammenhang mit Rückgriffsklagen zwischen Gesamtschuldnern hat bislang keine fundierte und einheitliche Linie erkennen lassen.11 Das gilt insbesondere für die Klage auf Grundlage des originären Ausgleichsanspruchs. Unklar ist bereits die dogmatische bzw. international-zivilverfahrensrechtliche Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs, der nicht auf einer Parteiabrede beruht und beruhen muss, sondern gesetzlich vorgesehen ist.12 Zu klären ist damit zum einen, wie die Klage aus originärem Ausgleichsanspruch in das Zuständigkeitssystem der EuGVVO zu integrieren ist. Aber auch die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit für eine Klage auf Grundlage der übergeleiteten Gläubigerforderung kann im Einzelnen Schwierigkeiten bereiten. Da der leistende Gesamtschuldner zu Rückgriffszwecken die Gläubigerforderung erwirbt, stellt sich insbesondere die Frage, welche Auswirkungen der Gläubigerwechsel auf die internationale Zuständigkeit hat oder haben kann. Die vorliegende Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt, diesen sowie den weiteren offenen Fragen des Gesamtschuldnerrückgriffs im Zusammenhang nachzugehen, die Entscheidungszuständigkeit für den Gesamtschuldnerrückgriff innerhalb des Zuständigkeitsregime der EuGVVO zu untersuchen und zur Klärung der maßgeblichen Fragen beizutragen. Die Lücke in der wissenschaftlichen Behandlung des Themas soll geschlossen werden.
9 Vgl. hierzu z. B. jüngst EuGH, Urteil v. 28.01.2015, Rs. C-375/13 (Harald Kolassa ./. Barclays Bank plc), ECLI:EU:C:2015:37. 10 Monographisch behandelt, soweit ersichtlich, nur bei Thoma, Der internationaler Regress, S. 199 ff. 11 Vgl. unten Teil 3 § 3: A. I., II. Das Urteil des EuGH in der Rechtssache Kareda (Urteil v. 15.06.2017, Rs. C-249/16 (Saale Kareda ./. Stefan Benkö), ECLI:EU:C:2017:472) klärt einige wichtige Teilaspekte für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit von Rückgriffsklagen zwischen Gesamtschuldnern. Das Urteil beschränkt sich jedoch auf den Fall der vertraglichen Gesamtschuld (vgl. zu diesem Begriff Teil 1 § 1: B. II. 1.) und ist daher nur ein Schritt auf dem Weg zu einer abschließenden und umfassenden Klärung der Rechtsfrage. Vgl. zu dem Urteil des EuGH Lubrich, LMK 2017, 394823; Mankowski, EWiR 2017, 577. 12 Vgl nur Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, § 37 III, S. 6 43.
§ 2: Gang der Darstellung Die Arbeit gliedert sich in drei Hauptteile. Um die verfahrensrechtlichen Fragen sachgerecht erörtern zu können, werden im ersten Teil der Arbeit zunächst die Grundlagen des Gesamtschuldnerrückgriffs und des Zuständigkeitsregimes der EuGVVO erörtert. Dabei bildet § 426 BGB den maßgeblichen Ausgangspunkt. Zugleich versteht es sich von selbst, dass sich das Zuständigkeitsrecht für den Gesamtschuldnerrückgriff nicht nur bei § 426 BGB, sondern auch bei den in anderen Mitgliedstaaten bekannten Rückgriffsinstrumenten bewähren muss. Daher wird § 426 BGB innerhalb des ersten Teils auch in den rechtsvergleichenden Kontext eingebettet (unten § 1: C. III.). Damit kann zugleich eine Grundlage für eine europäisch-autonome Qualifikation geschaffen werden (vgl. dazu inbesondere Teil 3 § 3: B.). Sodann werden im zweiten Teil der Arbeit die Bedeutung der Streitverkündung und der im deutschen Recht unbekannten Gewährleistungs- und Interventionsklage (Art. 8 Nr. 2 EuGVVO) für den Gesamtschuldnerrückgriff untersucht. Hierbei sollen zudem die Wertungen des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO aufgezeigt werden, um sie anschließend für den dritten Teil der Arbeit fruchtbar machen zu können. Der dritte Teil bildet den Kern der Arbeit. Er widmet sich vorrangig der eigenständigen, nicht bereits an den ursprünglichen Prozess des Gläubigers angeknüpften Rückgriffsklage und damit insbesondere der Frage nach der eingangs bereits aufgeworfenen verfahrensrechtlichen Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs. Daher wird in diesem Teil wiederum zwischen den beiden Rückgriffsmodi unterschieden. Gegenstand der Untersuchung in § 2 ist die zu Rückgriffszwecken übergeleitete Gläubigerforderung. Im Rahmen des § 3 wendet sich die Arbeit der eigenständigen Rückgriffsklage aus originärem Ausgleichsanspruch zu. Die gewonnenen wesentlichen Erkenntnisse zum Gesamtschuldnerrückgriff im Zuständigkeitssystem der EuGVVO werden abschließend zusammengefasst.
Teil 1
Grundlagen
§ 1: Dogmatische Grundlagen des Gesamtschuldnerrückgriffs A. Der Begriff der Gesamtschuld I. Die Gesamtschuld in der deutschen Rechtsordnung Das deutsche Recht bezeichnet als Gesamtschuld gemäß § 421 BGB die Form einer Schuldnermehrheit, bei welcher alle Schuldner verpflichtet sind, die ganze Leistung zu bewirken, der Gläubiger die Leistung aber nur einmal zu fordern berechtigt ist. Abzugrenzen ist die Gesamtschuld von anderen Formen der Schuldnermehrheit: der gesetzlich geregelten Teilschuld (§ 420 BGB)1 und der gesetzlich nicht geregelten, aber allgemein anerkannten gemeinschaftlichen Schuld2.3 Wesensmerkmal der Gesamtschuld ist das Recht des Gläubigers, die gesamte Leistung von jedem einzelnen Schuldner verlangen zu können, wohin1 Die Teilschuld ist wohl auch in allen anderen europäischen Rechtsordnungen bekannt und gesetzlich normiert. Vgl. nur § 889 S. 1 ABGB, Art. 1314 ital. C.c., Art. 1217 franz. C.c., Art. 1138 span. C.c sowie die weiteren Nachweise bei von Bar/Zimmermann, Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts Teil III, Art. 10:101, S. 633. 2 Vgl. nur Looschelders, in: Staudinger, BGB, Vorbemerkungen zu §§ 420–432 Rdnr. 73 ff. Den anderen europäischen Rechtsordnungen ist die gemeinschaftliche Schuld als solche wohl eher fremd, vgl. von Bar/Zimmermann, Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts Teil III, 2005, Art. 10:101, S. 632 f. Obgleich sich in den übrigen europäischen Rechtsordnungen teilweise spezielle Regelungen für unteilbare Verbindlichkeiten finden, die sich mit den Wirkungen der gemeinschaftlichen Schuld überschneiden. Kritisch zu dieser dritten Form der Schuldnermehrheit im deutschen Recht Meier, in: HKK, BGB, §§ 420–432/I Rdnr. 96 ff. 3 Die Konstellationen der Mehrheit von Schuldnern werden von diesen drei Typen (Gesamtschuld, Teilschuld und gemeinschaftliche Schuld) nicht abschließend erfasst. Eine Mehrheit von Schuldnern kann schon dann bestehen, wenn ein Verkäufer z. B. durch Bestellungen einer Sache bei mehreren Lieferanten seinen Bedarf an diesem Produkt decken möchte. Einer gesetzlichen Regelung bedürfen aber nur die Fälle, in denen die Mehrheit der Schuldner Auswirkungen auf die jeweiligen Verpflichtungen haben kann. Eine Einwirkung der einzelnen Schulden aufeinander steht neben der Gesamtschuld auch bei der Teilschuld und der gemeinschaftlichen Schuld in Frage, weshalb auch nur diese Fälle der Schuldnermehrheiten einer gesetzlichen Regelung und Abgrenzung bedürfen. Vgl. zu dieser Einteilung auch Art. 10:101 PECL und III.-4:102 DCFR.
10
Teil 1: Grundlagen
gegen bei der Teilschuld die Schuldner nur für einen Teil, nicht aber auf die ganze Schuld in Anspruch genommen werden können. Bei einer gemeinschaftlichen Schuld kann der Gläubiger die Erbringung der Leistung von den Schuldnern nur gemeinsam verlangen. Mit dem Recht des Gläubigers, bei einer Gesamtschuld von einem Schuldner die ganze Leistung verlangen zu können, ist nicht zugleich die Pflicht verbunden, nur einen der Schuldner in Anspruch zu nehmen. Dem Gläubiger steht vielmehr nach § 421 Satz 1 BGB die Möglichkeit offen, entweder die gesamte Leistung oder aber nur einen Teil von einem Schuldner zu verlangen. Er kann unter den Gesamtschuldnern einen für sein Anspruchsbegehren günstigen Schuldner auswählen. In erster Linie wird die Leistungsfähigkeit der Schuldner das maßgebliche Auswahlkriterium für den Gläubiger sein. Der Gläubiger kann sich an einen solventen Schuldner halten und trägt nicht das Risiko der Insolvenz eines der anderen Schuldner.4 Das Insolvenzrisiko wird in das Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern verlagert, § 426 Abs. 1 Satz 2 BGB.5 Zu Recht wird die Stellung des Gläubigers einer Gesamtschuld daher, wenn vielleicht auch etwas unglücklich, als „Paschastellung“ bezeichnet.6 In die Wahl des Gläubigers, welchen Schuldner er in Anspruch nehmen möchte, können neben der Solvenz auch weitere Kriterien einfließen. Befürchtet der Gläubiger, dass er seinen Anspruch gerichtlich geltend machen muss, wird er den Gerichtsstand, an dem er Klage gegen die einzelnen Schuldner erheben kann, bei seiner Entscheidung berücksichtigen. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein internationaler Sachverhalt vorliegt und damit nicht nur die Frage nach der örtlichen, sondern auch der internationalen Zuständigkeit im Raum steht.7 Zwischen dem Gläubiger und den einzelnen Schuldnern bestehen jeweils eigene und selbständige Schuldverhältnisse, aus denen ein eigenes Forderungsrecht des Gläubigers resultiert. Die einzelnen Schuldverhältnisse zwischen dem Gläubiger und den Schuldnern werden jedoch durch das übergeordnete Gesamtschuldverhältnis zusammengefasst und den Rechtsfolgen des §§ 422–426 BGB unterworfen.8 Wird der Gläubiger von einem der Schuldner befriedigt, verliert er gegenüber den anderen Gesamtschuldnern sein Forderungsrecht. Die LeisSo auch schon Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, § 7 I, S. 90. Vgl. nur Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 421 Rdnr. 2; Esser/Schmidt, Schuldrecht Band I, § 39, S. 341; Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 426 Rdnr. 126. 6 Heck, Grundriß des Schuldrechts, § 76 4a: „Der Gläubiger ist gewissermaßen ein juristischer Pascha.“ Der Begriff der „Paschastellung“ hat sich seitdem als Bild etabliert, vgl. nur: Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 421 BGB Rdnr. 1; Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 421 Rdnr. 2; Schmidt-Kessel, in: Staudinger, BGB, Eckpfeiler des Zivilrechts, H Rdnr. 96; Stürner, in: Jauernig, BGB, § 421 Rdnr. 10. 7 Zu der Bedeutung der internationalen Zuständigkeit vgl. unten Teil 1 § 2: A. 8 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 37 II, S. 638. 4 5
§ 1: Dogmatische Grundlagen des Gesamtschuldnerrückgriffs
11
tung des einen Gesamtschuldners hat Gesamtwirkung, § 422 Abs. 1 BGB. Die Erfüllung durch den leistenden Gesamtschuldner wirkt auch für die übrigen Schuldner.
II. Die Gesamtschuld in anderen europäischen Rechtsordnungen Die Gesamtschuld ist kein allein deutsches Phänomen. Das Rechtsinstitut der Gesamtschuld ist auch in den übrigen europäischen Rechtsordnungen bekannt, so z. B. in § 891 ABGB, Art. 1292 ital. Codice civile, Art. 1200 franz. Code civile, Art. 1137 span. Código civil sowie in Gestalt der joint und joint and several liability im englischen common law9. Trotz der jeweils ähnlichen Definition bleibt die Gesamtschuld als nationales Rechtsinstitut an nationale Voraussetzungen und Vorstellungen gebunden. Einen gemeineuropäischen Begriff der Gesamtschuld gibt es nicht.10 So sind z. B. im französischen Recht mit der solidarité und der richterrechtlich anerkannten obligation in solidum mehrere Formen der Gesamtschuld vorgesehen.11 Im Grundsatz wird zwischen verschiedenen Arten von Gesamtschulden unterschieden.12 Die genannten Rechtsordnungen kennen keinen einheitlichen Begriff der Gesamtschuld, wie er z. B. dem deutschen Recht zugrunde liegt. Dennoch können den einzelnen europäischen Rechtsordnungen Gemeinsamkeiten eines Rechtsinstituts der „Gesamtschuld“ entnommen werden, die folgende Strukturmerkmale aufweisen: (1) Dem Gläubiger sind mehrere Schuldner zur Erfüllung eines identischen Leistungsinteresses verpflichtet. Es liegt eine Schuldnermehrheit vor. (2) Der Gläubiger ist berechtigt, von jedem einzelnen Schuldner nicht nur den auf ihn entfallenden Teil, sondern auch die gesamte Leistung zu verlangen (Gläubigerprivileg). (3) Eine mehrfache Befriedigung 9 Vgl. zum englischen Recht Burrows, in: Chitty on contracts, Rdnr. 17-002 f.; McKendrick, in: English Private Law, Rdnr. 8.282; Peel, The law of contract, Rdnr. 13-003. 10 Ebenso Stoll, in: FS Müller-Freienfels (1986), S. 631, 646. 11 Vgl. hierzu mit einer Auseinandersetzung der Unterschiede zwischen der solidarité und der obligation in solidum Friedmann/Cohen, in: Int. Encyclopedia of Comparative Law, Bd. X-11, S. 8 f. 12 Im Grundsatz werden von der solidarité insbesondere Fälle der rechtsgeschäftlich vereinbarten Gesamtschuld erfasst. Die solidarité des Art. 1202 C.c. kann aber auch gesetzlich angeordnet werden. Unter die Fälle der obligation in solidum fallen insbesondere Gesamtschuldverhältnisse, die auf Schadensersatz gerichtet sind und bei denen sich die solidarische Haftung gewissermaßen aus der Natur der Sache ergibt. Die Unterscheidung betrifft aber nicht den gemeinsamen Grundsatz, dass der Gläubiger nur einmal Befriedigung erlangen soll und die Erfüllung Gesamtwirkung hat, sondern vielmehr die Frage, der Sekundärwirkungen. Vgl. hierzu Meier, Gesamtschulden, S. 49 ff., 533 ff.; Terré/Simler/Lequette, Les obligations, Rdnr. 1263 f.
12
Teil 1: Grundlagen
des Gläubigers durch die Schuldnermehrheit darf nicht erfolgen. Die Leistung einer der Gesamtschuldner an den Gläubiger hat somit auch gegenüber den übrigen Schuldnern Erfüllungswirkung.13
B. Typisierung der Gesamtschuldverhältnisse Um den Gesamtschuldnerrückgriff im Hinblick auf seine Einordnung in das Zuständigkeitsregime der EuGVVO untersuchen zu können, muss zunächst eine Typisierung der Gesamtschuldverhältnisse erfolgen.
I. Herkömmliche Einteilung nach dem Entstehungsgrund der Gesamtschuld Im deutschen Schrifttum ist eine Systematisierung der Gesamtschuld nach ihrem Entstehungsgrund weit verbreitet.14 Unterschieden wird hierbei im Wesentlichen zwischen vertraglichen und gesetzlichen Entstehungsgründen. Haben sich die Schuldner gegenüber dem Gläubiger rechtsgeschäftlich als Gesamtschuldner verpflichtet, liegt ein vertraglicher Entstehungsgrund vor. Die solidarische Haftung mehrerer Deliktstäter nach § 840 Abs. 1 BGB beruht hingegen auf einem gesetzlichen Entstehungsgrund, da die Gesamtschuld nicht rechtsgeschäftlich vereinbart wurde, sondern gesetzlich angeordnet wird. Die ausdrückliche gesetzliche Anordnung ist aber nicht der einzige gesetzliche Entstehungsgrund der Gesamtschuld. Die Gesamtschuld entsteht auch dann kraft Gesetzes, wenn die Tatbestandsmerkmale des § 421 BGB vorliegen.15 Als Fälle der gesetzlichen Gesamtschuld werden auch solche Situationen angesehen, in denen die Schädiger für einen Schaden gemeinsam haften, die Haftung 13
Vgl. § 422 Abs. 1 BGB; Art. 1145 span. Código civil; § 893 Satz 1 ABGB; Art. 1292 ital. Codice civile; Art. 1200 franz. Code civil; vgl. zum englischen Recht: McKendrick, in: English Private Law, Rdnr. 8.284; Peel, The law of contract, Rdnr. 13-013. 14 Vgl. nur Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 421 Rdnr. 17, 18 ff., 44 ff.; Frotz, JZ 1964, 665, 667; Gebauer, in: Soergel, BGB, § 421 Rdnr. 27; Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 421 Rdnr. 53 f.; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, § 5 III, S. 44, § 5 IV, S. 54; Schmidt-Kessel, in: Staudinger, BGB, Eckpfeiler des Zivilrechts, H Rdnr. 100 ff. Grundsätzlich ebenso Meier, Gesamtschulden, S. 6, 259, die aber sodann eine Einteilung in vertragliche Gesamtschulden, Gesamtschulden auf Schadensersatz und die Mitbürgenfälle vornimmt. 15 Auf den seit langem bestehenden Streit, ob für das Bestehen einer Gesamtschuld neben den gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen weitere ungeschriebene und einschränkende Merkmale aufzustellen sind, soll hier nicht näher eingegangen werden. Vgl. hierzu nur die Darstellung bei Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 421 Rdnr. 9 ff. mit weiteren Nachweisen.
§ 1: Dogmatische Grundlagen des Gesamtschuldnerrückgriffs
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des einen Schädigers aber auf die Verletzung einer vertraglichen Pflicht, die Haftung des anderen Schädigers auf eine deliktische Pflichtverletzung zurückgeführt werden kann.16 Schwieriger wird die Zuteilung der Gesamtschuld zu den vertraglichen bzw. gesetzlichen Entstehungsgründen hingegen dann, wenn die Gesamtschuldner sie nicht ausdrücklich rechtsgeschäftlich vereinbart haben, aber die Vermutungsregel des § 427 BGB greift. Da es sich bei § 427 BGB um eine Auslegungsregel handelt, wird teilweise eine Zuweisung zu den vertraglichen Entstehungsgründen der Gesamtschuld angenommen.17 Andere wollen wohl nur bei einer ausdrücklich rechtsgeschäftlich vereinbarten Gesamtschuld einen vertraglichen Entstehungsgrund der Gesamtschuld annehmen und weisen daher die über § 427 BGB vermuteten Gesamtschuldverhältnisse den gesetzlichen Entstehungsgründen zu.18 Wiederum andere Autoren fassen die Vermutungsregel des § 427 BGB unter den allgemeinen Begründungstatbestand des § 421 BGB und behandeln diese Gesamtschuldverhältnisse als Kategorie dritter Art.19 Wie eben dargelegt, bedarf es jedoch nicht der Bildung einer dritten Kategorie, weil § 421 BGB als gesetzliche Vorgabe ohne weiteres den gesetzlichen Entstehungsgründen der Gesamtschuld zugewiesen werden kann. Eine Einteilung der Gesamtschuldverhältnisse nach ihrem gesetzlichen oder vertraglichen Entstehungsgrund erlaubt nach allem eine durchaus naheliegende Typisierung der Gesamtschuldverhältnisse. Die Zuordnung zu einem vertraglichen oder gesetzlichen Entstehungsgrund kann aber, wie gezeigt, nicht in allen Fällen ohne weiteres erfolgen, sondern erfordert zumeist eine weitergehende Auseinandersetzung damit, wie die Gesamtschuld konkret entsteht.
II. Systematisierung nach der Zusammensetzung der Gesamtschuld im Außenverhältnis Eine einfache Zuordnung der einzelnen Gesamtschuldverhältnisse kann jedoch erreicht werden, indem man nicht den Entstehungsgrund der Gesamtschuld, sondern ihre Zusammensetzung im Außenverhältnis in den Blick nimmt und sie als maßgebliches Kriterium für eine Systematisierung heranzieht. Für die weitere Untersuchung werden die Gesamtschuldverhältnisse daher vorwiegend anhand ihrer Zusammensetzung im Außenverhältnis systematiBydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 421 Rdnr. 48 ff.; Gebauer, in: Soergel, BGB, § 421 Rdnr. 44; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, § 5 IV, S. 58. 17 So z. B. Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 421 Rdnr. 19; Gebauer, in: Soergel, BGB, § 421 Rdnr. 30; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, § 5 III, S. 52. 18 Kühn, Gestörte Gesamtschuld, S. 13; Stürner, in: Jauernig, BGB, § 421 BGB Rdnr. 3. 19 Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 421 BGB Rdnr. 53. 16
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siert. Im Hinblick auf die Zusammensetzung der Gesamtschuld wird dabei darauf abgestellt, aus welchen einzelnen Verbindlichkeiten der Gesamtschuldner gegenüber dem Gläubiger sich die Gesamtschuld zusammensetzt. Die jeweiligen Verbindlichkeiten der Gesamtschuldner können vertraglicher20 oder außervertraglicher Natur sein. Die Gesamtschuld kann sich daher entsprechend den einzelnen Schuldverhältnissen und ihrer Haftungsgrundlagen auf unterschiedliche Weise zusammensetzen: Die Schuldner können dem Gläubiger aufgrund eines vertraglichen Schuldverhältnisses zur Leistung verpflichtet sein. Dieser Fall wird im Folgenden als „vertragliches Gesamtschuldverhältnis“21 bezeichnet. Sind die Verpflichtungen der einzelnen Schuldner zum Gläubiger in einem außervertraglichen Schuldverhältnis begründet, ist von einem „außervertraglichen Gesamtschuldverhältnis“ zu sprechen. Bestehen im Verhältnis der einzelnen Schuldner zum Gläubiger teilweise vertragliche, teilweise außervertragliche Verbindlichkeiten, wird dieser Fall als „gemischtes Gesamtschuldverhältnis“22 bezeichnet. Im Folgenden wird daher für das vertragliche, außervertragliche und das gemischte Gesamtschuldverhältnis der Frage nachgegangen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Gesamtschuldverhältnis entstehen kann. 1. Vertragliche Gesamtschuldverhältnisse Für vertragliche Schuldnermehrheiten finden sich problemlos zahlreiche Beispiele: Der gemeinsame Abschluss eines Mietvertrages, die Buchung einer Gruppenreise, der Bauauftrag künftiger Wohnungseigentümer23, der gemeinsa-
20 Unter dem Begriff der „vertraglichen“ Verbindlichkeit sollen nicht nur zweiseitige, sondern auch einseitige Rechtsgeschäfte verstanden werden. 21 Nicht zu verwechseln ist diese Gruppierung mit der von Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, § 5 III, S. 44 verwendeten Bezeichnung der „vertraglich begründeten Gesamtschuld“, welche die Begründung eines Gesamtschuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft erfassen soll. Anders insoweit auch Thoma, Der internationale Regress, S. 291, die unter den Begriff rechtgeschäftlich begründete Gesamtschuldverhältnisse fasst. 22 Beemelmans, RabelsZ 29 (1965), 511, 527 spricht von einer „gemischten Gesamtschuld“, wenn die die Gesamtschuld begründeten Schuldverhältnisse verschiedenen Schuldstatuten unterliegen. Der Begriff der „gemischten Gesamtschuld“ im oben genannten Sinne ist mit dem von Beemelmans verwendeten Begriff der „gemischten Gesamtschuld“ also nicht identisch. Stoll, in: FS Müller-Freienfels (1986), S. 631, 646 und Wandt, Int. Produkthaftung, § 16 Rdnr. 999 bezeichnen ein Gesamtschuld, dem verschiedene Schuldstatute zugrunde liegen, treffender als „rechtlich gespaltene Gesamtschuld“. 23 Vgl. zu den sog. „Aufbauschulden“ Looschelders, in: Staudinger BGB, § 427 Rdnr. 36.
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me Heizölkauf der Nachbarn 24, der Schuldbeitritt,25 die Verbürgung mehrerer für eine fremde Schuld oder die Verpflichtung eines Orchesters. Freilich besteht nicht in allen der genannten Fälle eine Gesamtschuld. Wie bereits oben erläutert,26 kann eine Schuldnermehrheit auch als Teilschuld oder gemeinschaftliche Schuld ausgestaltet sein. Unter welchen Voraussetzungen eine Gesamtschuld anzunehmen ist, beurteilen die Rechtsordnungen teilweise verschieden. a) Gesetzliche Anordnung des vertraglichen Gesamtschuldverhältnisses Für manche vertragliche Schuldnermehrheiten wird die Gesamtschuld ausdrücklich gesetzlich angeordnet. So haften im deutschen Recht mehrere Bürgen derselben Verbindlichkeit auch dann als Gesamtschuldner, wenn sie die Bürgschaft nicht gemeinschaftlich übernommen haben, § 769 BGB. Auch im österreichischen Recht ist für Mitbürgen die gesamtschuldnerische Haftung vorgesehen, § 1359 ABGB. Die gesetzliche Anordnung der Gesamtschuld erfasst über den Mitbürgenfall hinaus zudem noch weitere Konstellationen.27 b) Gesamtschuld- vs. Teilschuldvermutung Fehlt eine gesetzliche Anordnung, stellt sich die Frage, wann von einer gesamtschuldnerischen Haftung ausgegangen werden kann. Verpflichten sich z. B. mehrere Parteien in einem Mietvertrag, so ist damit nicht notwendig eine gesamtschuldnerische Haftung der Parteien verbunden. Anstelle der gesamtschuldnerischen Haftung könnten die Mieter auch bloße Teilschuldner sein. In der Folge könnte der Gläubiger dann nicht von jedem einzelnen Schuldner die gesamte Leistung, sondern nur den auf ihn entfallenden Anteil verlangen. Ob eine Gesamt- oder eine bloße Teilschuld besteht, ist zunächst dem Willen der Schuldner zu entnehmen. Auch insoweit gilt der Vorrang der Privatautonomie. Die Schuldner können sich gegenüber dem Gläubiger rechtsgeschäftlich als Gesamtschuldner verpflichten. In diesen Fällen liegt sodann ein „rechtsgeschäftlich vereinbartes Gesamtschuldverhältnis“ vor. Schwierigkeiten treten aber dann auf, wenn der Wille der Parteien nicht eindeutig ermittelt werden kann. In diesen Fällen tritt eine Vermutungsregel des Vgl. Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 427 Rdnr. 6; Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 427 Rdnr. 79. 25 Vgl. hierzu monographisch Schürnbrand, Der Schuldbeitritt zwischen Gesamtschuld und Akzessorietät. 26 Teil 1 § 1: A. I. 27 Vgl. zum deutschen Recht auch noch § 1437 Abs. 2 BGB, § 1357 Abs. 1 BGB, § 2058 BGB, § 613a Abs. 2 Satz 1 BGB, § 128 HGB; zum spanischen Recht Art. 1731, 1748 C.c.; zum französischen Recht Art. 220 C.C, Art. 1887 C.c. 24
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Gesetzes zugunsten einer Art der Schuldnermehrheiten ein. Es stehen sich, wie das oben genannte Beispiel zeigt, die Teilschuld- und die Gesamtschuldvermutung gegenüber. Eine Teilschuldvermutung, die selbstverständlich nur bei Teilbarkeit einer Leistung eingreifen kann, war wohl zumindest im Gemeinen Recht anerkannt.28 Begründet wurde die Annahme einer Teilschuldvermutung damit, dass die Teilschuld das „natürlichere“ Verhältnis sei und die Bereitschaft der Schuldner, für die ganze Leistung haften und so das Insolvenzrisiko eines anderen Schuldners übernehmen zu wollen, nicht einfach unterstellt werden könne.29 Der Gläubiger hat hingegen ein größeres Interesse an der Vermutung einer gesamtschuldnerischen Haftung der Schuldner, da ihm in diesem Fall die oben beschriebene „Pascha-Stellung“ zu Gute kommt. Wegen dieser divergierenden Interessen ist es nicht verwunderlich, dass der Streit um die Teil- oder Gesamtschuldvermutung nicht erloschen ist und sich auch bis heute kein einheitliches Bild in den europäischen Rechtsordnungen abzeichnet. aa) Gesamtschuldvermutung Bei einer gemeinschaftlichen Verpflichtung mehrerer durch Vertrag legt § 427 BGB für teilbare Leistungen eine Gesamtschuldvermutung zugrunde. Die Vorschrift verdrängt als lex specialis die Anwendung des § 420 BGB weitgehend.30 Eine Vermutungsregel für die Gesamtschuld bei unteilbaren Leistungen mit vertraglicher Grundlage ist auch in anderen europäischen Rechtsordnungen eingeführt worden. Soweit sich aus dem Gesetz oder aus dem Rechtstitel nichts anderes ergibt, wird etwa im italienischen Recht eine Gesamtschuld angenommen, Art. 1294 C.c.31 Bei einem gemeinsamen Versprechen soll auch im englischen Recht im Zweifel eine joint liability vorliegen.32 bb) Teilschuldvermutung Andere europäische Rechtsordnungen, wie z. B. die österreichische, spanische und französische, gehen im Grundsatz nicht von einer Gesamt-, sondern von einer Teilschuldvermutung aus. Vgl. die Ausführungen und weiteren Nachweise bei Meier, Gesamtschulden, S. 13. Vgl. Meier, Gesamtschulden, S. 13 f. 30 Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 427 Rdnr. 1, 2; Gebauer, in: Soergel, BGB, § 420 Rdnr. 1; Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 427 Rdnr. 5. 31 Kindler, Einführung in das ital. Recht, § 15 Rdnr. 6; Eccher/Schurr/Christandl, Handbuch Italienisches Zivilrecht, Rdnr. 3/27. 32 Burrows, in: Chitty on contracts, Rdnr. 17-005; Mitchell, Contribution, Rdnr. 8.09; Peel, The law of contract, Rdnr. 13-003. 28 29
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Haben die Parteien die Gesamtschuld nicht rechtsgeschäftlich vereinbart und fehlt auch eine gesetzliche Gesamtschuldanordnung, ordnet § 889 ABGB eine Teilschuld an.33 Sowohl Art. 1202 franz. C.c.34 als auch Art. 1137 span. C.c.35 stellen klar, dass eine Gesamtschuld nicht vermutet („La solidarité ne se pré sume point“) bzw. nicht bei jedem Zusammentreffen von mehreren Schuldnern ein und derselben Verbindlichkeit impliziert („no implica que“) wird, sondern ausdrücklich bestimmt werden muss („il faut qu’elle soit expressément stipulée.“ bzw. „sólo habrá lugar a esto cuando la obligación expresamente lo determine“). Eine ausdrückliche Bezeichnung als Gesamtschuld oder solidarische Haftung ist hingegen, auch wenn der Wortlaut der Normen dies vermuten ließe, nicht erforderlich. Vielmehr ist ausreichend, dass sich die Vereinbarung der Gesamtschuld eindeutig durch Auslegung des Willens der Parteien anhand des Vertrages ergibt.36 Angenommen werden kann eine Gesamtschuld z. B. dann, wenn die Parteien zum Ausdruck bringen, dass der Gläubiger die Leistung von den Schuldnern zum Teil oder auch ganz fordern kann, oder dass die Erfüllung durch einen Schuldner auch für die anderen Schuldner wirken soll. Sie kann sich auch durch Gesetzesinterpretation 37, aus den Umständen des Falles oder der Verkehrssitte ergeben38. Das Erfordernis der ausdrücklichen Bestimmung der Gesamtschuld darf also nicht zu restriktiv angewandt werden, sondern bringt lediglich zum Ausdruck, dass es keine Vermutung für eine Gesamtschuld gibt.39 Obwohl für vertragliche Gesamtschuldverhältnisse im österreichischen, spanischen und französischem Recht von einer Teilschuldvermutung ausgegangen wird, kann eine Gesamtschuld in diesen Rechtsordnungen auch dann bestehen, wenn die Schuldner die Gesamtschuld nicht rechtsgeschäftlich begründet ha33 Vgl. nur Apathy/Riedler, in: Schwimann, ABGB, § 889 Rdnr. 1, 5; Bydlinski, in: KKB, ABGB, § 889 Rdnr. 1, 4. 34 Bénabent, Les obligations, Rdnr. 791; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rdnr. 1357. 35 Albaladejo, Derecho Civil II, S. 89; ders., ADC 1963, 345, 346; Esteve Pardo, Solidaridad impropia, S. 16, 37; Gil Rodríguez, in: Manual de Derecho Civil, S. 415, 418; Vendrell Cervantes, ZEuP 2008, 534, 544. 36 Vgl. zum spanischen Recht Albaladejo, Derecho Civil II, S. 89 f.; Díez-Picazo/Gullón, Sistema de derecho civil, S. 128; Esteve Pardo, Solidaridad impropia, S. 40 (auch eine konkludente Vereinbarung ist zulässig); Gil Rodríguez, in: Manual de Derecho Civil, S. 415, 419; Poveda, in: Código civil: comentarios y jurisprudencia, Art. 1137, S. 784 f. Nachweis für das franz. Recht: Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rdnr. 1357; Malinvaud/ Fenouillet, Droit des obligations, Rdnr. 451; Terré/Simler/Lequette, Les obligations, Rdnr. 1249. 37 Alabaldejo, ADC 1963, 345, 347. 38 Für das österreichische Recht: Ehrenzweig, Recht der Schuldverhältnisse, S. 97. Für das französische Recht: Terré/Simler/Lequette, Les obligations, Rdnr. 1249. 39 Alabaldejo, ADC 1963, 345, 347.
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ben. Die solidarité des französischen Rechts40 und die solidaridad des spanischen Rechts41 können auch gesetzlich angeordnet werden. Dasselbe gilt für das österreichische Recht.42 Neben diesen einzelnen gesetzlichen Anordnungen wird der Grundsatz der Teilschuldvermutung zudem durch eine Differenzierung zwischen zivilrechtlichen und handelsrechtlichen Verbindlichkeiten eingeschränkt. Bei handelsrechtlichen Verbindlichkeiten wird im französischen, spanischen und österreichischen Recht eine Gesamtschuld vermutet.43 Teilweise finden sich in den einzelnen Rechtsordnungen derart zahlreiche Durchbrechungen und Ausnahmen der Teilschuldvermutung, dass das Verhältnis zwischen Regel und Ausnahme ins Gegenteil verkehrt zu sein scheint.44 c) Besonderheit: Auf Schadensersatz gerichtete Gesamtschuld wegen Verletzung vertraglicher Pflichten Einen weiteren besonderen Fall eines vertraglichen Gesamtschuldverhältnisses stellt die solidarische Haftung mehrerer Vertragspartner für ein von ihnen durch die Verletzung der jeweiligen Vertragspflicht verursachten gemeinsamen Schaden dar. Ein nicht nur der deutschen Rechtsprechung und Literatur bekanntes Beispiel ist die Haftung des Architekten und Bauunternehmers für Baumängel. Architekt und Bauunternehmer erbringen jeweils eine Leistung zur Errichtung des Bauwerkes, ohne dass für die einzelnen Verpflichtungen eine gesamtschuldnerische Haftung gilt.45 Tritt jedoch ein Baumangel auf, der sowohl auf eine Bénabent, Les obligations, Rdnr. 791; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rdnr. 1358; Malinvaud/Fenouillet, Droit des obligations, Rdnr. 451; Terré/Simler/Lequette, Les obligations, Rdnr. 1248. Z. B. im Falle des Art. 1887, 2002 C.c. 41 Z. B. in Art. 1731, 1748, 1890 C.c. Vgl. Gil Rodríguez, in: Manual de Derecho Civil, S. 415, 432. 42 Vgl. Apathy/Riedler, in: Schwimann, ABGB, § 889 Rdnr. 5; Bydlinski, in: KKB, ABGB, § 889 Rdnr. 4. 43 Vgl. für das französische Recht Bénabent, Les obligations, Rdnr. 791; von Caemmerer, ZfRV 9 (1968), 81, 83; Ferid, Das französische Zivilrecht, § 33 2 E 58; Friedmann/Cohen, in: Int. Encyclopedia of Comparative Law, Bd. X-11, S. 8 Fn. 32; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rdnr. 1358; Terré/Simler/Lequette, Les obligations, Rdnr. 1248; Vgl. für das spanische Recht Albaladejo, Derecho Civil II, S. 89; Orejudo Prieto de los Mozos, in: Derecho contractual comparado, S. 1121, 1127. Vgl. für das österreichische Recht § 348 UGB und Dullinger, Bürgerliches Recht II, § 6/4. 44 Für das spanische Recht Caffarena Laporta, in: Comentario al Código Civil, Art. 1137 C.c. S. 119; Orejudo Prieto de los Mozos, in: Derecho contractual comparado, S. 1121, 1127 f.; IPG 2002, Nr. 31, Rdnr. 30. Für das französische Recht Malinvaud/Fenouillet, Droit des obligations, Rdnr. 451. 45 BGH, NJW 1963, 1401, 1402; BGH, NJW 1965, 1175, 1176; Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 421 Rdnr. 5; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 421 BGB Rdnr. 6. 40
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schuldhafte Vertragspflichtverletzung des Architekten (Vernachlässigung der Überwachungspflichten) als auch des Bauunternehmers zurückzuführen ist, haften Architekt und Bauunternehmer bezüglich der Schadensfolgen als Gesamtschuldner.46 Der gesamtschuldnerischen Haftung steht auch nicht entgegen, dass die von dem Architekt (nach §§ 634 Nr. 4, 636 BGB: Ersatzleistung in Geld) und dem Bauunternehmer (§§ 634 Nr. 1, 635 BGB: Nacherfüllung) geschuldeten Leistungen ihrem Inhalt nach nicht identisch sind, weil und soweit eine (bloße) Identität des Leistungsinteresses des Gläubigers besteht.47 Nach der französischen Rechtsprechung kommt die gesamtschuldnerische Haftung zwischen zwei Vertragspartnern bei Vorliegen eines von beiden verschuldeten einheitlichen Schadens als Anwendungsfall der obligation in solidum in Betracht.48 In England findet auf diesen Fall der Civil Liability (Contribution) Act 1978 Anwendung.49 Auch nach spanischem Recht wird eine gesamtschuldnerische Schadensersatzhaftung des Architekten und des Bau unternehmers angenommen.50 d) Zwischenergebnis Die kurzen Beispiele zeigen bereits, dass vertragliche Gesamtschuldverhältnisse in allen europäischen Rechtsordnungen bekannt sind. Im Hinblick auf ihren Entstehungsgrund hingegen zeichnet sich kein einheitliches Bild ab. Eine Einteilung der Rechtsordnungen in die Lager derer, die einer Gesamtschuld- bzw. Teilschuldvermutung folgen, ist nur im Grundsatz möglich, da von beiden Ausgangspunkten Ausnahmen gemacht werden und sich daneben insbesondere auch Fälle der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung der Gesamtschuld finden.
46 Seit BGHZ 43, 227, 230; BGHZ 51 275, 279; BGH, NJW 1965, 1175, 1176; BGH, WM 2003, 29, 32; Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 421 Rdnr. 5; Dilcher, JZ 1967, 110, 115; ders., JZ 1973, 199, 200; Frotz, NJW 1965, 1257, 1260; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 421 BGB Rdnr. 6; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, § 5 III, S. 51; Stürner, in: Jauernig, BGB, § 421 Rdnr. 5. A. A. Tempel, JuS 1965, 262, 267. 47 BGH NJW 1965, 1175, 1177; Gebauer, in: Soergel, BGB, § 421 Rdnr. 18; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 37 I, S. 633. 48 Vgl. Bénabent, Les obligations, Rdnr. 794; Friedmann/Cohen, in: Int. Encyclopedia of Comparative Law, Bd. X-11, S. 9; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rdnr. 1377, 1378; Malinvaud/Fenouillet, Droit des obligations, Rdnr. 452; Meier, AcP 211 (2011), 435, 480 Fn. 165. 49 Burrows, in: Chitty on contracts, Rdnr. 17-029. 50 Albaladejo, Derecho Civil II, S. 91 mit Nachweisen zur spanischen Rechtsprechung.
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2. Außervertragliches Gesamtschuldverhältnis Das Vorliegen einer Gesamtschuld steht auch dann in Frage, wenn die Schuldner gegenüber dem Gläubiger jeweils aufgrund einer außervertraglichen Verbindlichkeit verpflichtet sind. Den Regelfall eines solchen außervertraglichen Gesamtschuldverhältnisses stellt die Schädigung eines Rechtsguts durch mehrere Deliktstäter dar. Diese Form der Gesamtschuld kann daher auch als „deliktisches Gesamtschuldverhältnis“ bezeichnet werden. Erfasst werden hiervon aber nicht nur die Deliktstäter, sondern jeder, der für einen Schaden haftbar ist. Etwas seltener dürften die Fälle der sonstigen außervertraglichen Gesamtschuldverhältnisse auftreten. Die einzelnen Verbindlichkeiten der Schuldner zum Gläubiger können hier beispielsweise ihre Grundlage in einer Geschäftsführung ohne Auftrag oder in einer ungerechtfertigten Bereicherung haben.51 Unter welchen Voraussetzungen ein außervertragliches Gesamtschuldverhältnis in Betracht kommen kann, kann im Folgenden anhand einiger Rechtsordnungen nachgezeichnet werden. Hierbei wird zwischen deliktischen und sonstigen außervertraglichen Gesamtschuldverhältnisse unterschieden. a) Deliktische Gesamtschuldverhältnisse aa) Gesetzliche Anordnung der Gesamtschuld für Deliktstäter Das deutsche Recht ordnet mit § 840 BGB die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Deliktstäter ausdrücklich an. Sind für einen Schaden mehrere nebeneinander verantwortlich, haften sie als Gesamtschuldner. Soweit das Gesetz davon ausgeht, dass die Schädiger nebeneinander verantwortlich seien, bezieht sich dieses Nebeneinander nicht auf die in der Rechtsfolge ausgelöste Haftung, sondern auf die Verursachung des Schadens. Die Haftung der Schädiger ist, wie § 840 BGB anordnet, eine gemeinschaftliche. Der Anwendungsbereich des § 840 BGB ist weit. Die Haftung muss sich dem Wortlaut nach aus einer unerlaubten Handlung ergeben. Hiervon erfasst sind alle Tatbestände des §§ 823 ff. BGB, so z. B. auch die Haftung aus vermuteten Verschulden oder aus Gefährdung.52 Gemäß § 830 Abs. 1 Satz 1 BGB ist bei einer gemeinschaftlich begangenen unerlaubten Handlung jeder für den Schaden verantwortlich. Neben den typischen Fällen der gemeinschaftlichen Schädigung, wie z. B. bei einer Körperverletzung, erlangen auch Kartellabsprachen zunehmend Relevanz. Für den hier51
Vgl. hierzu die Beispiele bei Teil 1 § 1: B. 2. b). Vgl. nur Wagner, in: MünchKomm, BGB, § 840 Rdnr. 6; Sprau, in: Palandt, BGB, § 840 Rdnr. 1. 52
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durch verursachten Schaden haften die Kartellanten aus §§ 33 ff. GWB auf Schadensersatz, für den sie als Gesamtschuldner aufzukommen haben.53 § 830 BGB erfasst darüber hinaus aber auch die Fälle ungewisser Schadensverursachung durch mehrere Beteiligte („Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch sein Handeln verursacht hat“). Das gilt sowohl für Anteils- als auch Urherberzweifel.54 Auch sog. Nebentäter haften für den von ihnen verursachten Schaden gemäß § 840 BGB als Gesamtschuldner.55 Eine der deutschen Regelung entsprechende Vorschrift findet sich in Art. 1301, 1302 ABGB. Mittäter und Teilnehmer haften für den durch sie verursachten Schaden solidarisch. Gleiches gilt für vorsätzlich handelnde Nebentäter. Kann den Deliktstätern nur fahrlässiges Handeln vorgeworfen werden, liegt eine gesamtschuldnerische Haftung der Deliktstäter nur dann vor, wenn sich ihre einzelnen Anteile an der Beschädigung nicht bestimmen lassen.56 Über eine analoge Anwendung des § 1302 ABGB wird auch im Falle einer alternativen Kausalität der Beiträge mehrerer Deliktstäter eine gesamtschuldnerische Haftung angenommen, wenn die Täter konkret gefährlich gehandelt haben.57 Gleiches gilt für Art. 2055 des italienischen Codice civile. Trotz des engen Wortlauts soll neben der Mittäterschaft und Teilnahme auch die Nebentäterschaft erfasst sein.58 Kausalitätszweifeln, sowohl betreffend die Urheberschaft als auch die Anteile, will man indes im italienischen Recht nicht mit einer Anwendung der Regeln über die Gesamtschuld begegnen.59 BGH, NJW 2012, 928, 934; Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, § 33 GWB Rdnr. 33; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 400; Kling/ Thomas, Kartellrecht, § 21 Rdnr. 51; Köhler, GRUR 2004, 99, 101; Krüger, Kartellregress, S. 24. Monographisch zum Regress im Kartellrecht: Krüger, Kartellregress. 54 BGHZ 33, 286, 292; BGHZ 72, 355, 359; Eberl-Borges, in: Staudinger, BGB, § 830 Rdnr. 69, 77. 55 Zu dem so verstandenen Begriff der Nebentäterschaft vgl. BGH NJW 1972, 1802, 1803; BGH, NZV 2006, 191, 192; von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, § 2 Rdnr. 50 m. w. N.; Vieweg, in: Staudinger, BGB, § 840 Rdnr. 19; Wagner, in: MünchKomm, BGB, § 840 Rdnr. 2. 56 Vgl. Apathy/Riedler, Bürgerliches Recht III, § 13/58; Ehrenzweig, Recht der Schuldverhältnisse, S. 98; Harrer, in: Schwimann, ABGB, §§ 1301, 1302 Rdnr. 3; Karner, in: KKB, ABGB, § 1301 Rdnr. 2; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht, S. 326; Koziol, Haftpflichtrecht, Rdnr. 14/10. 57 Apathy/Riedler, Bürgerliches Recht III, § 13/60; Bydlinski, in: FS Beitzke (1979), S. 3, 6; Harrer, in: Schwimann, ABGB, §§ 1301, 1302 Rdnr. 29 f., 48; Karner, in: KKB, ABGB, § 1302 Rdnr. 4; Koziol, Haftpflichtrecht, Rdnr. 14/13. 58 Vgl. Busnelli, in: Deliktsrecht in Europa, S. 48; Zaccaria, in: Einführung in das italienische Recht, S. 264. 59 von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, § 2 Rdnr. 57 mit Nachweisen zur italienischen Rechtsordnung. 53
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bb) Anerkennung einer gesamtschuldnerischen Haftung der Deliktstäter durch die Rechtsprechung: insbesondere die französische und spanische in solidum-Haftung In anderen Rechtsordnungen wie z. B. der französischen und spanischen existiert im Deliktsrecht keine allgemeine Norm, die nach dem Vorbild des § 840 BGB eine gesamtschuldnerische Haftung der Deliktstäter anordnet. Nur vereinzelt finden sich in diesem Bereich ausdrückliche Regelungen zur Gesamtschuld. So ordnet z. B. Art. 116 Abs. 2 span. Código penal in bestimmten Fällen die zivilrechtliche Haftung der Straftäter als Gesamtschuldner an.60 Auch in anderen spanischen Sondergesetzen, wie z. B. Art. 132 Real Decret Legislativo 1/2007 oder Art. 17 Abs. 3 Ley 38/1999, ist die gesamtschuldnerische Haftung vorgesehen.61 Außerhalb dieser Spezialanordnungen muss, soweit man im spanischen Recht davon ausgeht, dass diese Fälle von Art. 1137 C. c. erfasst werden,62 jedoch vom Grundsatz der Teilhaftung ausgegangen werden. Von der spanischen Rechtsprechung wurde aber im Laufe der Zeit eine solidarische Haftung mehrerer Deliktstäter anerkannt. Erfasst werden sollen insbesondere die Fälle, in denen sich der Verschuldensanteil der Delitkstäter nicht feststellen lässt63 oder Kausalitätszweifel bestehen64. Die Rechtsprechung des Tribunal Supremo fasst diese Fälle auch unter der Bezeichnung der solidaridad impropia zusammen, da die Gesamtschuld weder aus der Vereinbarung der Gesamtschuldner hervorgehe noch sich aus dem Gesetz ergebe, sondern mit dem Urteil „geboren“ werde („la solidaridad nace con la sentencia“).65 In der Literatur werden die Fälle der richterrechtlich anerkannten Gesamtschuld mehrerer Deliktstäter teilweise auch als obligación in solidum bezeichnet.66
60 von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, § 2 Rdnr. 54; Díez-Picazo/Gullón, Sistema de derecho civil, S. 557; Suarez Gonzales, in: Comentarios al Código Penal, Art. 116, S. 343. 61 Vgl. hierzu und zu weiteren Beispielen von Bar, PEL Liab. Dam, Art. 6:105 S. 955; Esteve Pardo, Solidaridad impropia, S. 19 f. 62 Vgl. hierzu Esteve Pardo, Solidaridad impropia, S. 45 m. w. N. Für die Erstreckung des Art. 1137 C. c. auf die Fälle deliktischer Gesamtschuldverhältnisse Albaladejo, ADC 1963, 345, 345 ff., 360 ff. 63 Sentencia 29.4.1991 teilweise abgedruckt in: Moreno Gil, Código Civil, Rdnr. 2.456; Albaladejo, Derecho Civil II, S. 90; ders., Derecho Civil II, S. 530 mit zahlreichen Nachweisen zur Rechtsprechung; Díez-Picazo/Gullón, Sistema de derecho civil, S. 557; Esteve Pardo, Solidaridad impropia, S. 20; Gil Rodríguez, in: Manual de Derecho Civil, S. 415, 420; Gómez Ligüerre, Solidaridad y responsabilidad, S. 168. 64 Albaladejo, Derecho Civil II, S. 90; Díez-Picazo/Gullón, Sistema de derecho civil, S. 557; Gil Rodríguez, in: Manual de Derecho Civil, S. 415, 420. 65 Esteve Pardo, Solidaridad impropia, S. 28 mit weiteren Nachweisen zur spanischen Rechtsprechung.
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Unter der Rechtsfigur der obligation in solidum wird auch im französischen Recht die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Deliktstäter erfasst.67 Auch sie ist richterrechtlich und von der überwiegenden Literatur anerkannt. Vorschriften im französischen Recht, die eine gesamtschuldnerische Haftung im deliktischen Bereich ausdrücklich anordnen, sind sehr selten.68 Die gesamtschuldnerische Haftung mehrere Deliktstäter zeichnet sich aber nicht nur durch eine abweichende Bezeichnung als obligation in solidum aus. Ihr sollen auch andere Wirkungen als der solidarité nach Art. 1202 C.c. zukommen. Ausgeschlossen sind die sog. Nebenwirkungen der solidarité,69 die sich überwiegend auf dem Gedanken der gegenseitigen Vertretung der Gesamtschuldner gründen. Die Möglichkeit des Gläubigers, auf jeden Gesamtschuldner zugreifen zu können, bleibt jedoch dieselbe.70 Auch im Bereich der deliktischen Haftung ist die Gesamtschuld in allen europäischen Rechtsordnungen im Grundsatz anerkannt. In manchen Rechtsordnungen wie z. B. der deutschen hat sie eine gesetzliche Normierung erfahren. In anderen Rechtsordnungen, in denen eine allgemeine Norm fehlt, wie z. B. der französichen oder spanischen, ist die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Deliktstäter richterrechtlich anerkannt. b) Sonstige Konstellationen eines außervertraglichen Gesamtschuldverhältnisses Fälle sonstiger außervertraglicher Gesamtschulden sind eher von geringer Bedeutung und Häufigkeit. Als wahrscheinlichster Anwendungsfall kommt das Zusammentreffen verschiedener Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherungsrecht in Betracht. Die sog. gesamtschuldnerische Bereicherungshaftung71 ist insbesondere bei Leistungskondiktionen möglich. Wird z. B. ein Darlehen an mehrere DarlehensZ. B. Gómez Ligüerre, Solidaridad y responsabilidad, S. 93; León Alonso, Obligación in „solidum“, S. 139. 67 Ferid, Das französische Zivilrecht, § 33 2 E 56; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rdnr. 1375, 1377; Terré/Simler/Lequette, Les obligations, Rdnr. 1261. 68 Z. B. nach Art. 55 Code pénal oder Art. 1384 Abs. 4 C.c. (Haftung der Eltern als Aufsichtspflichtige für ihre Kinder). 69 Vgl. Ferid, Das französische Zivilrecht, § 33 2 E 94; Gotthardt, in: Deliktsrecht in Europa, S. 51, Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rdnr. 1382, 1366 ff.; Meier, Gesamtschulden, S. 533 mit einigen Beispielen. 70 Zu der Frage der Rückgriffsmöglichkeit unter mehreren deliktisch haftenden Gesamtschuldnern vgl. Teil 1 § 1: C. III. 5. 71 Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 421 Rdnr. 72. Zur gesamtschuldnerischen Haftung mehrere Bereicherungsschuldner im englischen Recht vgl. Mitchell, Contribution, Rdnr. 8.30 ff. 66
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nehmer ausgezahlt, stellt sich der Darlehensvertrag nach Auszahlung aber als unwirksam heraus, kann der Rückzahlungsanspruch mangels eines vertraglichen Anspruchs nur auf Bereicherungsrecht gestützt werden. Die Behandlung dieser Fälle als Gesamtschuldfälle ist im deutschen Recht umstritten.72 Gegenüber stehen sich auf der einen Seite die den Gläubiger privilegierende und schützende Gesamtschuldlösung und auf der anderen Seite das eher schuldnerfreundliche Bereicherungsrecht. Teilweise will man in analoger Anwendung des § 427 BGB eine gesamtschuldnerische Haftung der „Bereicherungsschuldner“ annehmen.73 Andere sehen keinen Raum für eine analoge Anwendung des § 427 BGB und wollen eine Gesamtschuld nach § 431 BGB nur dann annehmen, wenn die Bereicherung eine unteilbare Leistung zum Gegenstand hat.74 In allen übrigen Fällen bleibe es bei einer Kondiktion nach den alleinigen Regeln des Bereicherungsrechts.75 Ungeachtet der umstrittenen Lösung dieser Fälle im deutschen Recht kann der eben geschilderte Darlehensfall als Beispiel eines sonstigen außervertraglichen Gesamtschuldverhältnisses dienen. Eine gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Geschäftsherren aus Geschäftsführung ohne Auftrag kommt ebenfalls in Betracht. Dazu mag man sich als Beispiel vorstellen, dass bei einem Mehrfamilienhaus der gemeinschaftlich genutzte Kellerraum in Flammen steht. Der Nachbar N bemerkt das Feuer und bringt es, bevor es auf das Gesamtgebäude übergreifen kann, zum Erlöschen. Nachdem der Brand gelöscht werden konnte, fordert N Aufwendungsersatz für den Feuerlöscher und seine bei den Löscharbeiten beschädigte Lederjacke. N ist im Interesse aller Eigentümer des Hauses tätig geworden, so dass es eine Vielzahl von Geschäftsherren gibt. Die Geschäftsherren haften ihm nach deutschem Recht als Gesamtschuldner. Die gesamtschuldnerische Haftung wird teilweise auf eine entsprechende Anwendung des § 427 BGB, der nicht nur ver-
Vgl. hierzu insbesondere Medicus, in: FS Lorenz (2001), S. 229 ff. RGZ 67, 260, 261; Berkenbrock, BB 1983, 278, 279 ff.; Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 208: die gesamtschuldnerische Bindungswirkung bleibe auch für die Rückabwicklung aus Bereicherungsrecht erhalten, da sie als Reaktionswirkungen letzlich auch auf dem Vertrag beruhen. 74 OLG Hamm, NJW 1981, 877, 878; Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 421 Rdnr. 72 ff.; Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 427 Rdnr. 84; Medicus, in: FS Lorenz (2001), S. 229, 236 ff.: eine Teilschuld müsse aber bei Übergang des Anspruchs auf Wertersatz (§ 818 Abs. 2 BGB) wiederum angenommen werden. 75 Reinicke/Tiedtke, Gesamtschuld und Schuldsicherung, S. 7; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, § 5 IV, S. 64. Ausnahmen werden aber gemacht für Bereicherungsansprüche gegen die akzessorisch haftenden Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft, vgl. nur Gebauer, in: Soergel, BGB, § 427 Rdnr. 9 m. w. N. 72 73
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tragliche, sondern auch gesetzliche Verpflichtungen erfasse,76 oder § 421 BGB77 gestützt. c) Zwischenergebnis Auch außervertragliche Gesamtschuldverhältnisse kommen in allen untersuchten europäischen Rechtsordnungen in Betracht. Der Hauptanwendungsfall ist das deliktische Gesamtschuldverhältnis. Der Anwendungsbereich der sonstigen außervertraglichen Gesamtschuldverhältnisse ist, wie anhand der deutschen Rechtsordnung für die gesamtschuldnerische Bereicherungshaftung und die Gesamtschuld aus Geschäftsführung ohne Auftrag gezeigt werden konnte, praktisch geringer. Zudem ist die Reichweite der Gesamtschuld in diesem Bereich teilweise umstritten. 3. Gemischtes Gesamtschuldverhältnis Die einzelnen Verbindlichkeiten zwischen dem Gläubiger und den Schuldnern, deren gesamtschuldnerische Haftung in Frage steht, müssen jedoch nicht notwendigerweise entweder vertraglicher oder außervertraglicher Natur sein. Eine gesamtschuldnerische Haftung kann vielmehr auch dann in Betracht kommen, wenn ein Schuldner dem Gläubiger gegenüber vertraglich haftet, während sich die Haftung eines anderen Schuldners aus einem außervertraglichen Grund ergibt. Ein solches „gemischtes Gesamtschuldverhältnis“ liegt dann vor, wenn die vertragliche Haftung eines Schuldners für das Verhalten seines Erfüllungsgehilfen (begründet über die Zurechnungsnorm des § 278 BGB) mit dem deliktischen Anspruch gegen den Erfüllungsgehilfen selbst (z. B. nach § 823 BGB) zusammentrifft.78 Für den Ersatz des verursachten Schadens haften der (Vertrags-)Schuldner und sein Erfüllungsgehilfe als Gesamtschuldner. Als weiteres Beispiel eines gemischten Gesamtschuldverhältnisses kann folgender Fall herangezogen werden: A beauftragt B mit dem Transport einer Vase. Während des Transports kommt es zu einem Verkehrsunfall, der sowohl auf ein Fehlverhalten des B als 76 BGH, MDR 1967, 111, 112; BayObLG, NJW-RR 1987, 1038, 1039; Bergmann, in: Staudinger BGB, Vorbem. §§ 677 ff. Rdnr. 238; Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 427 Rdnr. 4; Gebauer, in: Soergel, BGB, § 427 Rdnr. 2; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, § 5 III, S. 53. 77 Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 427 Rdnr. 8: eine Haftung als Gesamtschuldner besteht aber nur dann, wenn die Geschäftsführung jedem Geschäftsherrn gleichermaßen zugutekomme. Wernecke, Die Gesamtschuld, S. 214 ff. will dann eine Teilschuld annehmen, wenn der Geschäftsherr den Vorteil, der ihm zugeflossen ist, genau belegen könne. 78 Vgl. zu diesem Beispiel Meier, Gesamtschulden, S. 920.
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auch des am Verkehrsunfall beteiligten D zurückzuführen ist. Die Vase wird bei dem Unfall vollständig zerstört. Wegen des Bruchs der Vase können für ein Schadensersatzbegehren des A gegen B sowohl vertragliche als auch außervertragliche Anspruchsgrundlagen in Betracht kommen. Mangels vertraglicher Beziehungen zwischen A und D kann ein Schadensersatzanspruch des A gegen D nur außervertraglicher Natur sein. Auch die Möglichkeit eines solchen „gemischten Gesamtschuldverhältnisses“ ist den europäischen Rechtsordnungen nicht fremd. Im deutschen Recht wurde die gesamtschuldnerische Haftung bei einem Zusammentreffen von vertraglichen und außervertraglichen Schadensersatzansprüchen zunächst mittels einer Verweisung auf § 421 BGB begründet, später auf eine analoge Anwendung des § 840 BGB bzw. dessen Grundgedanken gestützt.79 Auch Art. 2055 ital. C.c. soll Fälle einer Gesamtschuld erfassen, in denen die eine Verpflichtung vertraglicher und die andere außervertraglicher Natur ist.80 § 1302 ABGB gilt sowohl für die vertragliche als auch die deliktische Haftung und damit auch bei „Kombination“ beider Haftungstatbestände.81 Die von der französischen Rechtsprechung entwickelte obligation in solidum ist in ihrem Anwendungsbereich ebenfalls nicht auf das Deliktsrecht beschränkt, sondern gilt auch für das Zusammentreffen von Ansprüchen aus Delikt und Vertrag.82
III. Ergebnis Die rechtvergleichende Umschau hat gezeigt, dass sowohl bei einem Zusammentreffen vertraglicher und außervertraglicher Verbindlichkeiten als auch einer Kombination beider Arten von Verbindlichkeiten eine gesamtschuldnerische Haftung der Schuldner bestehen kann. Im Folgenden ist entsprechend mit Blick auf die Zusammensetzung einer Gesamtschuld im Außenverhältnis vom „vertraglichen“, „außervertraglichen“ oder „gemischten“ Gesamtschuldverhältnis die Rede. Soweit das vertragliche Gesamtschuldverhältnis durch Gesamtabrede der Mitschuldner begründet ist, BGHZ 59, 97, 99 ff.; BGH NJW 1994, 2231 f.; Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 421 Rdnr. 49, 51; Gebauer, in: Soergel, BGB, § 421 Rdnr. 44; Meier, in: HKK, BGB, §§ 420–432/ I Rdnr. 28 m. w. N. zur Rechtsprechung. 80 Busnelli, in: Deliktsrecht in Europa, S. 48; Zaccaria, in: Einführung in das italienische Recht, S. 264. 81 Koziol, Haftpflichtrecht, Rdnr. 14/32; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, § 5 IV, S. 58. 82 Bentele, Gesamtschuld und Erlass, S. 81; von Caemmerer, ZfRV 9 (1968), 81, 89; Ferid, Das französische Zivilrecht, § 33 2 E 93; Friedmann/Cohen, in: Int. Encyclopedia of Comparative Law, Bd. X 11, S. 9; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rdnr. 1378; Terré/ Simler/Lequette, Les obligations, Rdnr. 1262. 79
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handelt es sich um ein rechtsgeschäftlich vereinbartes vertragliches Gesamtschuldverhältnis. Innerhalb der außervertraglichen Gesamtschuldverhältnisse ist zwischen den deliktischen und den sonstigen außervertraglichen Gesamtschuldverhältnissen zu differenzieren.
C. Der Rückgriff im Innenverhältnis Nach diesem Überblick über die möglichen Zusammensetzungen der Gesamtschuldverhältnisse und ihrer Systematisierung widmet sich der folgende Abschnitt der im Mittelpunkt der Arbeit stehenden Frage nach dem Rückgriff der Gesamtschuldner im Innenverhältnis.
I. Rückgriffsverhältnisse bei einer Gesamtschuld Ein Schuldverhältnis zeichnet sich grundsätzlich dadurch aus, dass sich zwei Parteien, der Schuldner und der Gläubiger, gegenüberstehen. Es gilt der Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse. Bei einer Gesamtschuld gibt es, wie bereits beschrieben, mehrere Schuldner, die dem Gläubiger verpflichtet sind. Befriedigt nun einer der Gesamtschuldner den Gläubiger und will sodann bei dem anderen Gesamtschuldner Rückgriff nehmen, entsteht folglich ein Mehrpersonen- bzw. Dreiecksverhältnis. Innerhalb dieses Mehrpersonen- bzw. Dreiecksverhältnisses ist zwischen dem sog. Außenverhältnis und dem Innenverhältnis zu unterscheiden.83 Das Außenverhältnis bezeichnet das Verhältnis des oder der Schuldner zum Gläubiger. Je nach Anzahl der Gesamtschuldner existieren entsprechend viele einzelne Schuldverhältnisse. Das im Außenverhältnis bestehende Schuldverhältnis eines Gesamtschuldners zum Gläubiger ist durch seine Haftungsgrundlage geprägt und kann vertraglicher oder außervertraglicher Natur sein. Das Innenverhältnis erfasst dagegen die Beziehungen der Gesamtschuldner zueinander bzw. der Rückgriffsbeteiligten untereinander. In diesem Innenverhältnis vollzieht sich der Rückgriff. Entsprechend dieser Verhältnisse werden die beteiligten Personen auch begrifflich voneinander abgegrenzt. Als Gläubiger ist stets der Gläubiger der Gesamtschuld zu bezeichnen, der auf die einzelnen Gesamtschuldner im Außenverhältnis zugreifen kann. Wird einer der Gesamtschuldner im Außenverhältnis vom Gläubiger in Anspruch genommen, so Vgl. nur Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 426 Rdnr. 2; Esser/Schmidt, Schuldrecht Band I, § 39 III, S. 348; Gebauer, in: Soergel, BGB, § 421 Rdnr. 15 ff.; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 37 III, S. 642; Meier, AcP 211 (2011), 435, 482 f.; Thiele, JuS 1968, 149, 155. 83
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wird er regelmäßig gegen den anderen Gesamtschuldner Rückgriff suchen. Die am Rückgriff beteiligten Gesamtschuldner können daher auch als Rückgriffsgläubiger und Rückgriffsschuldner bezeichnet werden.84
II. Der Gesamtschuldnerrückgriff nach § 426 BGB Im deutschen Recht wurde mit § 426 BGB innerhalb der Regelungen zu der Gesamtschuld zugleich eine Vorschrift über gesetzliche Rückgriffsansprüche aufgenommen. § 426 BGB regelt das zwischen den Gesamtschuldnern bestehende Innenverhältnis und sieht für den Rückgriff des leistenden Gesamtschuldners zwei Rechtsgrundlagen vor, die zueinander in Anspruchskonkurrenz stehen85: den in Absatz 1 enthaltenen originären Ausgleichsanspruch und den gesetzlichen Anspruchsübergang der Gläubigerforderung in Absatz 2. 1. Der originäre Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB Nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB sind die Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet. Die Bedeutung dieses Satzes erschöpft sich indes nicht in einer bloßen Teilungsregelung, sondern gewährt dem leistenden Gesamtschuldner einen eigenen und originären Ausgleichsanspruch, der aus der gesamtschuldnerischen Verbundenheit, d. h. aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern, hervorgeht.86 Die in Absatz 1 geregelte Ausgleichsverpflichtung ist weit zu verstehen und weist im Hinblick auf ihren Inhalt eine Besonderheit auf. Der Anspruch aus 84 Je nach Kontext wird im Folgenden von dem leistenden Gesamtschuldner bzw. Rückgriffsgläubiger und dem anderen, dem rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner bzw. Rückgriffsschuldner zu sprechen sein. 85 Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 426 Rdnr. 1, 1a; Esser/Schmidt, Schuldrecht Band I, § 39 III, S. 353; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 37 III, S. 649; Looschelders, Schuldrecht, Rdnr. 1286; ders., in: Staudinger, BGB, § 426 Rdnr. 142. Neben die gesetzlich vorgesehenen Rückgriffsansprüche können z. B. zwischen den Gesamtschuldnern vereinbarte vertragliche Rückgriffsansprüche treten, die den Inhalt des Ausgleichsanspruchs nach § 426 Abs. 1 BGB modifizieren, aber nicht verdrängen. Vgl. BGH, NJW 1981, 1667, 1668; Gebauer, in: Soergel, BGB, § 426 Rdnr. 12, 39. Weitere Rückgriffsansprüche können aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) oder Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) bestehen. Sie sollen in dieser Untersuchung aber ausgeklammert werden. 86 BGHZ 11, 170, 174; Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 426 Rdnr. 12; Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 426 Rdnr. 2; Mugdan, Motive II, S. 93; Larenz, Lehrbuch des Schuld rechts I, § 37 III, S. 643; Böttcher, in: Erman, BGB I, § 426 Rdnr. 1, 3. Kritisch insbesondere für die deliktischen Gesamtschuldverhältnisse: von Caemmerer, ZfRV 9 (1968), 81, 91; Goette, Gesamtschuldbegriff und Regreßproblem, S. 131; Keuk, JZ 1972, 528, 530. Für eine bereicherungsrechtliche Deutung des Ausgleichsanspruchs aus § 426 Abs. 1 BGB Hoffmann, AcP 211 (2011), 703, 718 f.
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§ 426 Abs. 1 BGB kann als Mitwirkungs- bzw. Befreiungsanspruch oder als Zahlungsanspruch ausgestaltet sein.87 Als Mitwirkungs- bzw. Befreiungsanspruch kann er von jedem Gesamtschuldner bereits vor Befriedigung des Gläubigers geltend gemacht werden.88 Nach Leistung an den Gläubiger wandelt er sich sodann in einen in der Regel auf Geld gerichteten Zahlungsanspruch. Das Bestehen eines von der Befriedigung des Gläubigers unabhängigen Mitwirkungs- bzw. Befreiungsanspruchs ist deshalb möglich, weil der persönliche Anspruch nach § 426 Abs. 1 BGB nicht erst mit Leistung an den Gläubiger, sondern bereits mit Begründung der Gesamtschuld entsteht.89 Gegenüber der nach Absatz 2 im Wege der Legalzession übergeleiteten Gläubigerforderung ist der Ausgleichsanspruch nach Absatz 1 selbständiger Natur.90 Die Selbständigkeit des persönlichen Ausgleichsanspruchs erlangt insbesondere bei der Frage der Verjährung und sonstiger Einrede- bzw. Einwendungsmöglichkeiten Bedeutung. Der dem Rückgriffsgläubiger gewährte persönliche Ausgleichsanspruch unterliegt der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB und ist von der Verjährung der nach § 426 Abs. 2 BGB übergeleiteten Gläubigerforderung unabhängig.91 Die Verjährung beginnt gemäß § 199 87
Vgl. nur BGH, NJW 1958, 497, 497; BGH, NJW 2005, 3786, 3787; BGH, WM 2007, 2289; Böttcher, in: Erman, BGB I, § 426 Rdnr. 8; Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 426 Rdnr. 12, 70; Esser/Schmidt, Schuldrecht Band I, § 39 III, S. 350; Gebauer, in: Soergel, BGB, § 426 Rdnr. 15; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 37 III, S. 643; Thiele, JuS 1968, 149, 155. Anders Stamm, NJW 2004, 811, 811, der den Anwendungsbereich des § 426 Abs. 1 BGB auf den Zeitraum vor Befriedigung des Gläubigers beschränken und ihm nur einen Befreiungs-, nicht aber auch einen Ausgleichsanspruch entnehmen will. Gegen eine sich nur aus dem Gesamtschuldverhältnis ergebende Mitwirkungspflicht der Gesamtschuldner Denck, JZ 1976, 669, 672 f.; Goette Gesamtschuldbegriff und Regreßproblem, S. 133; Meier, Gesamtschulden, S. 316 ff. Eine Mitwirkungs-und Befreiungspflicht könne sich nur bei Vorliegen eines vertraglichen Innenverhältnisses zwischen den Gesamtschuldnern ergeben. 88 BGH, NJW RR 2008, 256, 257; BGH, NJW 2010, 60, 60; Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 426 Rdnr. 12; Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 426 Rdnr. 8. Kritisch zu der Ableitung von Mitwirkungspflichten aus § 426 I BGB z. B. Meier, in: HKK, BGB, §§ 420–432/I Rdnr. 164. Mitwirkungspflichten seien Folge der vertraglich vereinbarten Gesamtschulden und rührten aus dem vertraglichen Innenverhältnis der Gesamtschuldner, weshalb sie nicht auf die Fälle der gesetzlichen Gesamtschulden übertragen werden sollten. 89 BGHZ 114, 117, 122; BGH, JZ 2008, 362, 363; BGH, NJW 2010, 60, 61; Böttcher, in: Erman, BGB I, § 426 Rdnr. 7; Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 426 Rdnr. 12; Esser/ Schmidt, Schuldrecht Band I, § 39 III, S. 350; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 37 III, S. 648; Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 426 Rdnr. 7; Thiele, JuS 1968, 149, 155. 90 BGH, NJW 2010, 62, 63; BGH, NJW 2010, 435, 436; BGH, NJW-RR 2008, 256, 257; Gebauer, in: Soergel, BGB, § 426 Rdnr. 39; Thiele, JuS 1968, 149, 155. 91 BGH, NJW 2010, 60, 61 in Fortführung seiner Rechtsprechung vor der Schuldrechtsreform 2002; Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 426 Rdnr. 25; Esser/Schmidt, Schuldrecht Band I, § 39 III, S. 351; Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 426 Rdnr. 10; im Grundsatz
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Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und dem Gläubiger bekannt war oder aufgrund grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist. Der originäre Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB entsteht aber nicht erst mit der Leistung an den Gläubiger, sondern bereits mit der Begründung der Gesamtschuld.92 Die eigenständige Verjährung des originären Ausgleichsanspruchs kann zur Folge haben, dass das Rückgriffsbegehren gegen einen anderen Gesamtschuldner noch geltend gemacht und durchgesetzt werden kann, obwohl dieser Gesamtschuldner die Leistung bei Inanspruchnahme durch den Gläubiger im Außenverhältnis zu diesem Zeitpunkt wegen der Verjährung des Anspruchs nach § 214 Abs. 1 BGB hätte verweigern können.93 Demgegenüber würde eine Inanspruchnahme des anderen Gesamtschuldners durch den leistenden Gesamtschuldner aufgrund der auf ihn übergegangenen Gläubigerforderung (§ 426 Abs. 2 BGB) möglicherweise an der Verjährung scheitern, wenn und weil die übergegangene Forderung mit der Einrede nach § 214 Abs. 1 BGB behaftet ist und dem in Rückgriff zu nehmenden Gesamtschuldner das Leistungsverweigerungsrecht daher auch gegenüber dem leistenden Gesamtschuldner zusteht. Dem leistenden Gesamtschuldner bleibt dann die Möglichkeit, Rückgriff auf Grundlage des originären Ausgleichsanspruchs zu suchen. Wegen der Selbständigkeit des Ausgleichsanspruchs können, anders als bei § 426 Abs. 2 BGB, Einwendungen und Einreden, die aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner resultieren, dem Anspruch aus § 426 Abs. 1 BGB nicht entgegengehalten werden.94 Ein Durchschlagen der Einwendungen aus dem Außenverhältnis soll nur dann erfolgen, wenn eine hierauf bezogene Parteivereinbarung (zwischen den Ge-
zustimmend Pfeiffer, NJW 2010, 23, 24; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, § 7 III, S. 95 f.; ders., Schadensbegriff und Regreßmethoden, § 13, S. 80. 92 BGH, NJW 2010, 60, 61; BGH, NJW 2010, 435, 436; BGH, NJW-RR 2008, 256, 257; Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 426 Rdnr. 25; Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 426 Rdnr. 10; Stürner, in: Jauernig, BGB, § 426 Rdnr. 17. A. A. etwa Peters, NZBau 2007, 337, 341. 93 Kritisch zur grundsätzlich selbständigen Verjährung außerhalb der rechtsgeschäftlich vereinbarten Gesamtschuldfälle: von Caemmerer, ZfRV 9 (1968), 81, 92; Meier, Gesamtschulden, S. 642 ff.; Rüssmann, JuS 1974, 292, 296; Stamm, NJW 2004, 811, 812 der eine generelle analoge Anwendung der §§ 412, 404 BGB auf den Ausgleichsanspruch nach § 426 I BGB befürwortet, diesen aber grundsätzlich nur für den Zeitraum vor Befriedigung des Gläubigers anwenden möchte. 94 BGH, NJW 2010, 62, 63; BGH NJW 1988, 1375, 1377; OLG München, NJW 2008. 3505, 3507; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 37 III, S. 649; Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 426 Rdnr. 14 (für die Einrede der Verjährung); ders., Schuldrecht, Rdnr. 1204; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, § 7 III, S. 95 f.
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samtschuldnern) vorliegt oder wenn es wegen Treu und Glauben, § 242 BGB, geboten erscheint.95 2. Die übergeleitete Gläubigerforderung nach § 426 Abs. 2 BGB Sobald der Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt hat, geht nach § 426 Abs. 2 BGB die Gläubigerforderung zu Rückgriffszwecken im Wege der Legalzession auf den leistenden Gesamtschuldner über. Die Forderung des Gläubigers gegen den anderen Schuldner geht also trotz der Gesamtwirkung der Erfüllung, § 422 Abs. 1 BGB, nicht unter, sondern sie bleibt für die zu Rückgriffszwecken angeordnete Legalzession erhalten.96 Der Gläubiger selbst verliert selbstverständlich sein Forderungsrecht.97 Vollzogen wird die Legalzession mit Befriedigung des Hauptgläubigers. Die zu Rückgriffszwecken übergeleitete Gläubigerforderung steht dem Rückgriffsgläubiger somit nicht wie im Falle des originären Ausgleichsanspruchs bereits mit Begründung der Gesamtschuld zu, und sie kann daher erst recht nicht als Mitwirkungsanspruch geltend gemacht werden. Gewährt wird die Legalzession nur insoweit, wie der rückgriffsuchende Gesamtschuldner nach Maßgabe des Innenverhältnisses zum Ausgleich berechtigt ist. § 426 Abs. 2 BGB selbst begründet keinen Rückgriff des leistenden Gesamtschuldners, sondern setzt einen solchen (aus § 426 Abs. 1 BGB) voraus und wird daher auch als „bestärkende“ Legalzession bezeichnet.98 Ihre „bestärkende“ Funktion entfaltet die Zession insbesondere dadurch, dass die für die Gläubigerforderung bestehenden Sicherheiten, wie z. B. eine Bürgschaft oder ein Grundpfandrecht, mit der legalzedierten Forderung auf den leistenden Gesamtschuldner übergehen und er auf diese Sicherheiten gleichfalls zur Durchsetzung seines Rückgriffsbegehrens zugreifen kann. Mit der Überleitung der Gläubigerforderung greifen jedoch auch die §§ 412, 404 BGB. Geht der leistende Gesamtschuldner gegen den anderen Gesamtschuldner aus der übergelei95 OLG München, NJW 2008, 3505, 3507; OLG Köln NJW-RR 1993, 1475, 1475; Bydlinski, in: MünchKomm, BGB § 426 Rdnr. 25c; Pfeiffer, NJW 2010, 23, 24. Für eine analoge Anwendung der §§ 412, 404 BGB auf den selbständigen Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB mit der Folge eines vollständigen Einwendungsdurchgriffs Stamm, NJW 2004, 811, 812; Meier, AcP 211 (2011), 435, 485: im Architektenfall sei Einwendungsdurchgriff gerechtfertigt, weil sonst der Vertrag ein Vertrag zu Lasten Dritter sei. 96 Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 426 Rdnr. 38; Esser/Schmidt, Schuldrecht Band I, § 39 III, S. 352; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 37 I, S. 632; Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 426 Rdnr. 135. 97 Böttcher, in: Erman, BGB I, § 426 Rdnr. 46; Gebauer, in: Soergel, BGB, § 426 Rdnr. 48. 98 BGHZ 103, 72, 76; Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 426 Rdnr. 4 4; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 37 III, S. 649; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, § 7 V, S. 113; Wandt, BB 1994, 1436, 1440.
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teten Gläubigerforderung vor, kann dieser ihm alle gegen die legalzedierte Forderung bestehenden Einwendungen und Einreden entgegenhalten. Dies betrifft insbesondere das dem Schuldner zustehende Leistungsverweigerungsrecht bei Verjährung der (Gläubiger-)Forderung. 3. Zusammenhang der beiden Rückgriffsansprüche Obwohl die beiden Rückgriffsansprüche selbständig nebeneinander stehen, kann ein Zusammenhang zwischen ihnen nicht geleugnet werden. Ein solcher Zusammenhang der beiden Ansprüche besteht schon deshalb, weil sie beide dem Rückgriffszweck dienen und einen gerechten Lastenausgleich im Innenverhältnis herstellen sollen. Für die bestärkende Legalzession nach § 426 Abs. 2 BGB ergibt sich der Zusammenhang zudem daraus, dass der Übergang der Gläubigerforderung nur insoweit gewährt wird, wie der Ausgleichsanspruch nach Abs. 1 besteht. Der Zusammenhang der Ansprüche zeichnet sich aber auch dadurch aus, dass die einzelnen Rückgriffsmodi nicht isoliert voneinander abgetreten werden können. Wird der Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB zediert, geht die übergeleitete Gläubigerforderung aus Abs. 2 analog § 401 BGB mit über.99 Das dient auch dem Zweck, dass über die Rückgriffsansprüche von dem Gericht zusammen entschieden werden soll; eine Erkenntnis, auf die noch im Kontext der internationalen Zuständigkeit zurückzukommen sein wird (unten Teil 3).100 4. Die Verteilungsquote im Innenverhältnis Die in § 426 BGB enthaltenen Rückgriffsansprüche gelten für alle Formen der Gesamtschuld. Einzig hinsichtlich der im Innenverhältnis geltenden Verteilungsquote kann sich je nach Art des Gesamtschuldverhältnisses etwas anderes ergeben. Bezüglich der im Innenverhältnis zu tragenden Quote sieht § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Lastenverteilung nach Kopfteilen vor. Diese Regelung greift aber nur, „soweit nicht ein anderes bestimmt ist“. Sie enthält lediglich eine Zweifelsregelung. Eine andere Bestimmung kann sich z. B. durch eine vertragliche Abrede der Gesamtschuldner ergeben.101 Ebenso können gesetzliche Regelungen den Verteilungsmaßstab beeinflussen. Dies gilt insbesondere in den Fällen der deliktischen Gesamtschuldverhältnisse. § 840 Abs. 1 und 2 BGB führen zu einer vollständigen Befreiung der Lastentragung im Innenverhältnis des ne99 BGHZ 103, 72, 78; Böttcher, in: Erman, BGB I, § 426 Rdnr. 53; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 37 III, S. 649; Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 426 Rdnr. 145. 100 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 37 III, S. 6 49 101 Esser/Schmidt, Schuldrecht Band I, § 39 III, S. 349; Looschelders, Schuldrecht, Rdnr. 1288; Thiele, JuS 1968, 149, 155.
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ben dem eigentlichen Schädiger haftenden Geschäftsherrn, Aufsichtspflichtigen, Tierhalters oder Gebäudeverantwortlichen.102 Der Verteilungsmaßstab orientiert sich an der Art der Haftung. Wer nur für fremdes Verschulden bzw. wer aufgrund seiner Aufsichts- und Garantenpflicht haftet, soll im Innenverhältnis von der Lastentragung befreit sein.103 Bei einem deliktischen Gesamtschuldverhältnis kann aber auch die anerkannte analoge Anwendung des § 254 BGB zu einem von der Kopfteilregelung abweichenden Verteilungsmaßstab führen.104 Die Anwendung des § 254 BGB kommt bei einem vertraglichen Gesamtschuldverhältnis in Betracht, wenn die Schuldner, wie das obige Beispiel der Haftung des Architekten und des Bauunternehmers zeigt, wegen Verletzung einer vertraglichen Pflicht auf Schadensersatz als Gesamtschuldner haften.105 Dasselbe gilt für gemischte Gesamtschuldverhältnisse.106 Neben vertraglichen und gesetzlichen Regelungen wird insbesondere von der Rechtsprechung der Inhalt und Zweck des zwischen den Gesamtschuldnern bestehenden Rechtsverhältnisses oder die „Natur der Sache“ für die Ermittlung des Ausgleichsmaßstabs herangezogen.107 In der Praxis wird der Verteilungsmaßstab des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB („zu gleichen Anteilen“) also in aller Regel verdrängt. Kann von einem der rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Anteil nicht erlangt werden, ist der Ausfall von allen übrigen Gesamtschuldnern, den leistenden Gesamtschuldner eingeschlossen, entsprechend ihren Teilungsquoten (im Zweifel anteilig) zu tragen, § 426 Abs. 1 Satz 2 BGB.108 Das Insolvenzrisiko wird im Innenverhältnis somit auf alle Gesamtschuldner verteilt und nicht nur dem leistenden Gesamtschuldner angelastet. Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 426 Rdnr. 56; Wagner, in: MünchKomm, BGB, § 840 Rdnr. 16. 103 Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 426 Rdnr. 21; Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 426 Rdnr. 56. 104 RGZ 84, 415, 430; BGHZ 17, 214, 222; 43, 178, 187; 51, 275, 279; Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 426 Rdnr. 21; Esser/Schmidt, Schuldrecht Band I, § 39 III, S. 350; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 37 III, S. 643. 105 Keine Haftung des Architekten im Innenverhältnis, wenn dieser lediglich seine Bauüberwachungspflicht verletzt hat, BGH, NJW 1971, 752, 754; LG Tübingen NJW-RR 1989, 1504, 1504; OLG Frankfurt a. M., BauR 2004, 1329, 1330; Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 426 Rdnr. 22. 106 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 37 III, S. 6 45. 107 BGHZ 28, 297, 301; BGHZ 77, 55, 58; BGH NJW 1983, 1845, 1846; BGH NJW 1993, 585, 587; BGH NJW 2010, 868, 869. So auch Thiele, JuS 1968, 149, 155. 108 Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 426 Rdnr. 35; Esser/Schmidt, Schuldrecht Band I, § 39 III, S. 348 f.; Gebauer, in: Soergel, BGB, § 426 Rdnr. 2; Larenz, Lehrbuch des Schuld rechts I, § 37 III, S. 644; Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 426 Rdnr. 126. 102
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5. Keine gesamtschuldnerische Haftung im Innenverhältnis Die gesamtschuldnerische Haftung setzt sich im Innenverhältnis nicht fort. Hat der leistende Gesamtschuldner einen Rückgriffsanspruch gegen mehrere Gesamtschuldner, haften die Rückgriffsschuldner nur als Teilschuldner.109 Das gilt sowohl für den originären Ausgleichsanspruch als auch die zu Rückgriffszwecken übergeleitete Gläubigerforderung. Die Gläubigerforderung zerfällt in den Händen des leistenden Gesamtschuldners mithin in ihre einzelnen Teilforderungen.110 Eine gesamtschuldnerische Haftung wird für den Rückgriffsanspruch indes dann angenommen, wenn zwischen mehreren rückgriffspflichtigen Gesamtschuldnern eine Haftungseinheit besteht.111 Nicht überzeugen kann jedoch die teilweise in der Rechtsprechung112 und Literatur113 vertretene Ansicht, eine gesamtschuldnerische Haftung für den Rückgriffsanspruch läge auch dann vor, wenn der leistende Gesamtschuldner nach Maßgabe der Verteilung des § 254 BGB vollen Ausgleich verlangen kann.114 Das Insolvenzrisiko wird dem leistenden Gesamtschuldner bereits durch § 426 Abs. 1 Satz 2 BGB abgenommen. Eine darüber hinausgehende Privilegierung ist nicht erforderlich. Sie würde einen Wertungswiderspruch zu § 426 Abs. 1 Satz 2 BGB hervorrufen, insbesondere weil sie dem leistenden Gesamtschuldner zu Unrecht erspart, den Nachweis darüber zu erbringen, dass ein Rückgriff bei einem anderen Gesamtschuldner vollständig ausfällt.115
109 Im Grundsatz BGHZ 6, 3, 25; Böttcher, in: Erman, BGB I, § 426 Rdnr. 2 , 24; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 37 III, S. 644; Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 426 Rdnr. 38; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, § 7 IV, S. 101. A. A. und für einen Kaskadenrückgriff Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 426 Rdnr. 30. 110 BGHZ 46, 14, 16; Böttcher, in: Erman, BGB I, § 426 Rdnr. 47; Gebauer, in: Soergel, BGB, § 426 Rdnr. 50; Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 426 Rdnr. 137. Anders wohl aber Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 426 Rdnr. 30. 111 BGH NJW 1966, 1262, 1263; BGH, NJW 2006, 896, 897; OLG Hamm, NJW-RR 2010, 755, 756; Böttcher, in: Erman, BGB I, § 426 Rdnr. 25; Esser/Schmidt, Schuldrecht Band I, § 39 III, S. 351; Gebauer, in: Soergel, BGB, § 426 Rdnr. 38; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, § 7 IV, S. 102. 112 RGZ 84, 415, 432; RGZ 87, 64, 67; RGZ 136, 275, 287; BGH, NJW 1955, 1314, 1316. 113 Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 219 f.; Rüssmann, JuS 1974, 292, 295 f.; Wandt, in: FS Kollhosser (2004), S. 769, 776. 114 Ablehnend auch Esser/Schmidt, Schuldrecht Band I, § 39 III, S. 351; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 426 Rdnr. 7. 115 Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 426 Rdnr. 40; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, § 7 IV, S. 101.
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III. Der Gesamtschuldnerrückgriff des § 426 BGB im rechtsvergleichenden Umfeld Nachdem die Grundlagen des Gesamtschuldnerrückgriffs im deutschen Recht aufgezeigt worden sind, muss der Gesamtschuldnerrückgriff des deutschen Rechts in das Umfeld der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen eingebettet werden. Eine rechtsvergleichende Umschau116 kann Einblick in die Rückgriffsmethodik bei einer Gesamtschuld in einigen ausgewählten europäischen Rechtsordnungen geben und Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede auf zeigen. 1. Die Regelung des Gesamtschuldnerrückgriffs im englischen Recht Die Darstellung der Regelungen des Gesamtschuldnerrückgriffs im englischen Recht ist bereits aufgrund der Vielzahl von einschlägigen Rechtsquellen nicht einfach. Aus historischen Gründen stößt man im englischen Recht auf mehrere Anspruchsgrundlagen für den Rückgriff, die sich aus common law, aus equity, aber auch aus Gesetz, wie z. B. dem Civil Liability Contribution Act 1978 oder Mercantil Law Amendment Act 1856 ergeben können.117 Im Folgenden sollen nur einige dieser Ansprüche kurz dargestellt werden. Sec. 1 (1) des Civil Liability Contribution Act 1978, der maßgeblich aus den Regeln der equity hervorging,118 gewährt dem leistenden Gesamtschuldner einen eigenen Rückgriffsanspruch gegen den anderen Mitschuldner. In seinem Anwendungsbereich ist der Contribution Act auf den Rückgriff zwischen Gesamtschuldnern, die auf Schadensersatz haften, beschränkt. Obwohl ursprünglich für den Fall eines deliktischen Gesamtschuldverhältnisses konzipiert, findet der Civil Liability Contribution Act auch dann Anwendung, wenn die Schadensersatzverpflichtung der Gesamtschuldner, wie z. B. im Architektenfall119, aus Vertrag folgt oder eine Kombination von deliktischer und vertraglicher Haftung (gemischtes Gesamtschuldverhältnis) besteht.120 Die Höhe des Ausgleichsanspruchs bestimmt sich gemäß sec. 2 (1) nach richterlichem Ermessen. Die
Vgl. hierzu auch Friedmann/Cohen, in: Int. Encyclopedia of Comparative Law, Bd. X-11, S. 4 ff. 117 Mitchell, Contribution, Rdnr. 4.01 118 Mitchell, Contribution, Rdnr. 4.20 ff. 119 Burrows, in: Chitty on contracts, Rdnr. 17-029; Kuhlmann, Rückgriffsgrundlagen, S. 65 m. w. N. 120 Burrows, in: Chitty on contracts, Rdnr. 17-029; Kühn, Gestörte Gesamtschuld, S. 88; Kuhlmann, Rückgriffsgrundlagen, S. 66 f.; Mitchell, Contribution, Rdnr. 4.23. 116
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Verantwortlichkeit der einzelnen Gesamtschuldner für den Schaden stellt hierbei ein wichtiges Kriterium dar.121 Der nach sec. 1 (1) Civil Liability Contribution Act gewährte Ausgleichsanspruch hat gemäß sec. 7 (3) Vorrang gegenüber vertraglich vereinbarten und sonstigen Ansprüchen, die einen Totalrückgriff gewähren.122 Der Inanspruchnahme nach dem Civil Liability Contribution Act können nach sec. 2 (3) (a) bestimmte Einwendungen und Einreden aus dem Außenverhältnis entgegengesetzt werden, der rückgriffsverpflichtete Gesamtschuldner muss Ausgleich nur insoweit erbringen, als er auch dem Gläubiger im Außenverhältnis verpflichtet war.123 Im Fall der vertraglichen und gemischten Gesamtschuldverhältnisse, die keine Schadensersatzhaftung der Gesamtschuldner zum Gegenstand haben, gewährt der Civil Liability Contribution Act 1978 wohl keinen Ausgleichsanspruch.124 In diesen Fällen kann ein Rückgriff aber durch den Mercantil Law Amendment Act 1856 erreicht werden. Sec. 5 Mercantil Law Amendment Act 1856 ermöglicht Gesamtschuldnern, die zu Geldleistungen verpflichtet sind (codebtors), sowie Schuldnern, deren gesamtschuldnerische Verpflichtung in einer vertraglichen Primärpflicht besteht (co-contractors), einen übergeleiteten Rückgriffsanspruch.125 Die Dogmatik dieses übergeleiteten Rückgriffsanspruchs ist nicht gesichert. Der leistende Gesamtschuldner kann im Ergebnis jedoch zu Rückgriffszwecken auf die Gläubigerforderung zugreifen, wobei er aber nicht wie im deutschen Recht Zessionar wird, sondern ihm nur gleichgestellt sein soll.126 Grundsätzlich gehen auch die für die Gläubigerforderung bestehenden Sicherheiten auf den leistenden Gesamtschuldner über. Die genaue dogmatische Konstruktion ist jedoch auch insoweit kompliziert und im Detail unklar.127 Der Verteilungsmaßstab wird primär nach dem Parteiwillen bestimmt. Kann der Parteiwille nicht ermittelt werden, haften die Gesamtschuldner im Zweifel zu gleichen Anteilen.128 121 Burrows, in: Chitty on contracts, Rdnr. 17-029; Kühn, Gestörte Gesamtschuld, S. 88; Kuhlmann, Rückgriffsgrundlagen, S. 72. 122 Kuhlmann, Rückgriffsgrundlagen, S. 71. 123 Hawellek, Persönliche Surrogation, S. 113, Fn. 372; Mitchell, Contribution, Rdnr. 12.20, 12.22. 124 Kühn, Gestörte Gesamtschuld, S. 88; kritisch hierzu Mitchell, Contribution, Rdnr. 4.27 ff. 125 Kuhlmann, Rückgriffsgrundlagen, S. 312. 126 Kuhlmann, Rückgriffsgrundlagen, S. 311, 327. 127 Kuhlmann, Rückgriffsgrundlagen, S. 317, 330 f., 356. 128 Burrows, in: Chitty on contracts, Rdnr. 17-027; Mitchell, Contribution, Rdnr. 10.01, 10.11, 10.15.
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Der Mercantil Law Amendment Act 1856 ist bei einer Gesamtschuld auf Schadensersatz wegen des Vorrangs des Ausgleichsanspruchs aus dem Civil Liability Contribution Acts 1978 (sec. 7 (3)) nicht für die Überleitung der Gläubigerforderung zu Rückgriffszwecken, sondern nur wegen der Überleitung der bestehenden Sicherheiten bedeutsam.129 Bei der gesamtschuldnerischen Haftung von co-debtors sehen indes auch die Regeln des common law einen eigenen Ausgleichsanspruch vor.130 Dieser Anspruch ist von der Gläubigerforderung unabhängig, so dass auch dann noch Ausgleich verlangt werden kann, wenn die Forderung des Gläubigers bereits verjährt ist. Der Verteilungsmaßstab richtet sich hier nach gleichen Anteilen.131 Wie soeben dargestellt, kann der Gesamtschuldnerrückgriff im englischen Recht nicht wie im deutschen Recht auf eine einheitliche Rückgriffsnorm zurückgeführt werden, sondern stützt sich nach dem jeweiligen Einzelfall auf verschiedene Rechtsquellen. Die Regelungen des Gesamtschuldnerrückgriffs werden daher zu Recht auch als „zersplittert“ beschrieben.132 Je nach Rechtsquelle wird dem leistenden Gesamtschuldner ein eigener Ausgleichsanspruch gewährt, oder die Gläubigerforderung zu Rückgriffszwecken auf ihn übergeleitet. In bestimmten Fällen ist auch die Möglichkeit vorgesehen, die Rückgriffsansprüche nebeneinander geltend zu machen.133 2. Die Regelung des Gesamtschuldnerrückgriffs im österreichischen Recht Im österreichischen ABGB findet sich mit § 896 innerhalb der Regelungen zur Gesamtschuld eine Vorschrift zum Rückgriff. Demnach ist „ein Mitschuldner zur ungeteilten Hand, welcher die ganze Schuld aus dem Seinigen abgetragen hat, (…) berechtigt, auch ohne geschehene Rechtsabtretung, von den übrigen Ersatz, und zwar, wenn kein anderes besonderes Verhältnis unter ihnen besteht, zu gleichen Teilen zu fordern.“
Kuhlmann, Rückgriffsgrundlagen, S. 313. Burrows, in: Chitty on contracts, Rdnr. 17-027, 17-029; Mitchell, Contribution, Rdnr. 4.13; Peel, The law of contract, Rdnr. 13-017. Gilt auch für den Rückgriff unter mehreren Sicherungsgebern, vgl. Mitchell, Contribution, Rdnr. 4.13. 131 Burrows, in: Chitty on contracts, Rdnr. 17-031. 132 Kühn, Gestörte Gesamtschuld, S. 90; Mitchell, Contribution, Rdnr. 4.01. 133 Friedmann/Cohen, in: Int. Encyclopedia of Comparative Law, Bd. X-11, S. 7; Meier, AcP 211 (2011), 435, 451. Ausführlich hierzu Hawellek, Persönliche Surrogation, S. 110 ff. 129 130
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a) Rechtsnatur und Regelungsinhalt des § 896 ABGB: selbständiger Anspruch oder gesetzlicher Forderungsübergang zu Rückgriffszwecken? Die Rechtsnatur des in § 896 ABGB vorgesehenen Rückgriffsanspruchs ist umstritten134. Für einen Teil der Literatur und die Rechtsprechung stellt § 896 ABGB einen eigenen und persönlichen Ausgleichsanspruch des leistenden Gesamtschuldners dar.135 Dabei soll es sich um einen gesetzlichen Anspruch handeln, der nicht von einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung der Gesamtschuldner abhängt.136 Insbesondere Koziol137 stellt sich gegen die Ansicht der Rechtsprechung und der wohl überwiegenden Lehre. § 896 ABGB regele nur das Innenverhältnis der Gesamtschuldner. Der Rückgriff unter den Gesamtschuldnern erfolge also nicht mithilfe eines eigenen Anspruchs, sondern mittels der Legalzession nach § 1358 ABGB, die jedoch in der Höhe auf den den eigenen Anteil übersteigenden Betrag begrenzt ist. Zu demselben Ergebnis gelangen diejenigen, die in § 896 ABGB selbst die die Legalzession anordnende Norm sehen wollen.138 Der umstrittenen Rechtsnatur des § 896 ABGB kommt insbesondere auch für die Frage der Verjährung Bedeutung zu. Da in § 896 ABGB ein eigener Anspruch normiert sei, folgert die Rechtsprechung auch eine eigene und unabhängige Verjährungsfrist. Mit der Leistung an den Gläubiger entsteht der Ausgleichsanspruch und die Verjährungsfrist beginnt zu laufen.139 In der Literatur wird, auch wenn man § 896 ABGB als eigenen Anspruch begreift, für die Verjährung des selbständigen Ausgleichsanspruchs teilweise auf die beglichene Forderung des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners abgestellt.140
134 Vgl. hierzu Perner, in: Fenyves/Kerschner/Vonklich, Klang ABGB, § 896 Rdnr. 3 ff. Unklar von Bar/Zimmermann, Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts Teil III, Art. 10:101, S. 641 f. wo § 896 ABGB sowohl als persönlicher Ausgleichsanspruch als auch als Gesetzlicher Forderungsübergang angesehen wird. 135 Ehrenzweig, Recht der Schuldverhältnisse, S. 105; OGH, Sz 48 (1975), 387, 389; OGH, JBl 1987, 721, 722; OGH, JBl 2001, 647, 648; IPG 1983, Nr. 6, S. 34, 39; Dullinger, Bürgerliches Recht II, § 6/6; Gammerith, in: Rummel, ABGB, § 896 ABGB Rdnr. 5; Apathy/Riedler, in: Schwimann, ABGB, § 896 Rdnr. 6; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht, S. 139. 136 OGH, SZ 48 (1975), 387, 389; IPG 1983, Nr. 6, S. 34, 40. 137 Koziol, JBl 1964, 306, 310; ders., Haftpflichtrecht, Rdnr. 14/21. 138 So Bacher, Ausgleichsansprüche, S. 108, Bydlinski/Coors, ÖJZ 2007, 275, 275; Mader, DRdA 1989, 299, 301 f. 139 OGH, JBl 1987, 721, 722; Apathy/Riedler, in: Schwimann, ABGB, § 896 Rdnr. 6, 9, 11; Bydlinski, in: KKB, ABGB, § 896 Rdnr. 4 f.; Gammerith, in: Rummel, ABGB, § 896 ABGB Rdnr. 11; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht, S. 139. 140 Bydlinski, in: KKB, ABGB, § 896 Rdnr. 5; Huber, JBl 1985, 467, 476.
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Soweit man in § 896 ABGB nur einen besonderen Fall des § 1358 ABGB erblicken will, folgt bereits aus der Rechtsnatur des übergeleiteten Anspruchs, dass die Verjährung von der Gläubigerforderung abhängig ist.141 Einwendungen und Einreden aus dem Außenverhältnis wirken auf den Anspruch aus § 896 ABGB nicht ein, wie § 896 Satz 3 ABGB selbst klarstellt. Der leistende Gesamtschuldner kann für den Rückgriff auch auf die für die Gläubigerforderung bestellten Sicherheiten zugreifen. Sie gehen auf ihn über. Der Übergang der Sicherheiten soll unabhängig von der Rechtsnatur, d. h. auch bei Annahme eines eigenen Ausgleichsanspruchs aus § 896 ABGB, erfolgen.142 b) Die Bedeutung des § 1358 ABGB für den Gesamtschuldnerrückgriff Ob das österreichische Recht die gesetzliche Überleitung der Gläubigerforderung im Gefüge des Gesamtschuldnerausgleichs vorsieht, hängt u.a wiederum mit der umstrittenen Rechtsnatur des § 896 ABGB zusammen.143 Will man mit Koziol in § 896 ABGB eine bloße Teilungsregelung erblicken und den Gesamtschuldnerrückgriff mittels der übergegangenen Gläubigerforderung vollziehen, kommt § 1358 ABGB hierfür eine zentrale Bedeutung zu. § 1358 ABGB ist dann als rückgriffsbegründende Norm zu betrachten. Betrachtet man § 896 ABGB mit der Rechtsprechung und wohl herrschenden Auffassungen hingegen als eigene Anspruchsgrundlage, stellt sich die Frage, ob zugleich aufgrund § 1358 ABGB eine dem Rückgriff dienende Legalzession stattfindet. Da der leistende Gesamtschuldner keine fremde Schuld tilge, sondern nur seine eigene, wird die Anwendung des § 1358 ABGB auf den Gesamtschuldrückgriff verneint.144 Die Rechtsprechung ermöglicht dem leistenden Gesamtschuldner hingegen den Rückgriff mittels der übergeleiteten Gläubigerforderung nach § 1358 ABGB, die neben den eigenen Ausgleichsanspruch nach § 896 ABGB tritt.145 141 Bydlinski/Coors, ÖJZ 2007, 275, 279; Koziol, Haftpflichtrecht, Rdnr. 14/20 f. und 15/23; ders., JBl 1964, 306, 310.; Mader, DRdA 1989, 299, 30; Perner, in: Fenyves/Kerschner/ Vonklich, Klang, ABGB, § 896 Rdnr. 91. 142 OGH, JBl 2001, 647, 648; Gammerith, in: Rummel, ABGB, § 896 ABGB Rdnr. 5a; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht, S. 140; Perner, in: Fenyves/Kerschner/Vonklich, Klang, ABGB, § 896 Rdnr. 95. 143 Vgl. Bydlinski, in: KKB, ABGB, § 1358 Rdnr. 2; Mader/Faber, in: Schwimann, ABGB, § 1358 Rdnr. 3. 144 Gschnitzer, Schuldrecht AT, S. 141; Edlbacher, ZAS 1969, 104, 105 Wohl auch Ehrenzweig, Recht der Schuldverhältnisse, S. 105: der leistende Gesamtschuldner könne sich die Gläubigerforderung aber abtreten lassen. 145 OGH, JBl 1987, 721, 723; OGH, JBl 2001, 747, 648; OGH, JBl 2001, 720, 723. Zustimmend in der Literatur Apathy/Riedler, in: Schwimann, ABGB, § 896 Rdnr. 6. Kritisch zu ei-
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Soweit man zu Rückgriffszwecken auch die Gläubigerforderung auf den leistenden Gesamtschuldner überleitet, ist es selbstverständlich, dass für die Forderung bestehende Sicherheiten mitübergehen, der rückgriffsverpflichtete Gesamtschuldner zugleich aber die gegen die Gläubigerforderung bestehenden Einreden und Einwendungen auch dem Rückgriffsgläubiger entgegenhalten kann.146 c) Die Verteilungsquote im Innenverhältnis § 896 ABGB statuiert eine Verteilung der Lastentragungspflicht im Innenverhältnis zu gleichen Teilen. Diese Kopfteilregelung steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass zwischen den Gesamtschuldnern kein besonderes Verhältnis besteht. Dabei kann das Sonderverhältnis zwischen den Schuldnern vertraglicher oder gesetzlicher Natur sein.147 Haften die Gesamtschuldner auf Schadensersatz, beurteilt sich der Verteilungsmaßstab nach dem Grad des jeweiligen Verschuldens und im Bereich der vorsätzlichen Handlung nach der Kausalität.148 In bestimmten Fällen, wie z. B. bei der Haftung des Geschäftsherren für seinen Gehilfen, soll für das Innenverhältnis auch eine alleinige Schadenstragung eines der Gesamtschuldner in Betracht kommen.149 3. Die Regelung des Gesamtschuldnerrückgriffs im spanischen Recht Innerhalb des Abschnittes 4 zu den gemeinschaftlichen und gesamtschuldnerischen Verbindlichkeiten des Código Civil bestimmt Art. 1145 Abs. 2, dass „El que hizo el pago sólo puede reclamar de sus codeudores la parte que a cada uno corresponde“150. Das spanische Recht gewährt dem leistenden Gesamtschuldner
ner Anspruchskonkurrenz zwischen § 896 und § 1359 ABGB und mit Blick auf Verjährungsaspekte für einen Vorrang des § 358 ABGB wohl Mader, DRdA 1989, 299, 302. 146 Bydlinski, in: KKB, ABGB, § 1358 Rdnr. 1; Perner, in: Fenyves/Kerschner/Vonklich, Klang, ABGB, § 896 Rdnr. 95. 147 Apathy/Riedler, in: Schwimann, ABGB, § 896 Rdnr. 2; Bydlinski, in: KKB, ABGB, § 896 Rdnr. 2, 4; Dullinger, Bürgerliches Recht II, § 6/6; Gammerith, in: Rummel, ABGB, § 896 ABGB Rdnr. 6; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht, S. 139; Perner, in: Fenyves/Kerschner/Vonklich, Klang, ABGB, § 896 Rdnr. 21. 148 Koziol/Welser, Bürgerliches Recht, S. 236. 149 Apathy/Riedler, in: Schwimann, ABGB, § 896 Rdnr. 2 , Koziol, Haftpflichtrecht, Rdnr. 14/26 ff.; Perner, in: Fenyves/Kerschner/Vonklich, Klang, ABGB, § 896 Rdnr. 25, 26. 150 „Derjenige, der die Zahlung leistet, kann von seinen Mitschuldnern nur den Teil verlangen, der auf einen jeden entfällt (…)“.
§ 1: Dogmatische Grundlagen des Gesamtschuldnerrückgriffs
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per Gesetz einen eigenen Ausgleichsanspruch, der mit der befreienden Leistung an den Gläubiger entsteht.151 Außerhalb der Regelungen zur Gesamtschuld findet sich in Art. 1210 Abs. 3 C.c. eine der Legalzession entsprechende Vorschrift. Demnach wird derjenige, der zur Erfüllung der Forderung an den Gläubiger zahlt, in dessen Rechte eingesetzt. Ob Art. 1210 Abs. 3 C.c. auch auf den Gesamtschuldnerrückgriff Anwendung findet, ist im spanischen Recht nicht unbestritten, jedoch von der Rechtsprechung und wohl herrschenden Meinung anerkannt.152 Leistet der Gesamtschuldner an den Gläubiger, wird also in Höhe der durch das Innenverhältnis bestimmten Quote dessen gesetzliche Einsetzung (subrogación legal) in die Gläubigerrechte nach Art. 1210 Abs. 3 C.c. vermutet. Zwischen den beiden Rückgriffsrechten besteht Anspruchskonkurrenz.153 Relevant wird die Einsetzung in die Gläubigerrechte nach Art. 1210 Abs. 3 C.c., weil der leistende Gesamtschuldner damit nach Art. 1212 C.c. zugleich auch alle für die Gläubigerforderung bestehenden Nebenrechte und Sicherheiten erwirbt.154 Für den Einwendungsdurchgriff gilt Art. 1840 C.c. analog. Der rückgriffspflichtige Gesamtschuldner kann dem Rückgriffsverlangen des leistenden Gesamtschuldners alle Einwendungen aus dem Außenverhältnis entgegensetzen, wenn dieser ihn von der Leistung an den Gläubiger nicht informiert hat oder es versäumt hat, dessen Leistungsbegehren die auch ihm nach Art. 1148 C.c. zustehenden Einwendungen entgegenzuhalten.155 Der Einwendungsdurchgriff gilt Arias Díaz, in: Conceptos básicos de derecho civil, S. 183 allerdings ohne Bezugnahme auf eine normative Grundlage; Cristobal Montes, ADC 1991, 1433, 1434; Díez-Picazo/ Gullón, Sistema de derecho civil, S. 130; Gil Rodríguez, in: Manual de Derecho Civil, S. 415, 443 f.; Lepach, Kreditsicherheiten, S. 97. 152 Albaladejo, Derecho Civil II, S. 97 bei Zahlung durch einen Gesamtschuldner; Díez-Picazo/Gullón, Sistema de derecho civil, S. 130; Gil Rodríguez, in: Manual de Derecho Civil, S. 415, 443; Lepach, Kreditsicherheiten, S. 98. Kritisch zu einer neben dem Ausgleichsrecht nach Art. 1145 Abs. 2 C.c. bestehenden subrogación insbesondere im Hinblick auf deren Erforderlichkeit und dogmatische Begründung Cristobal Montes, ADC 1991, 1433, 1437 ff. 153 Díez-Picazo/Gullón, Sistema de derecho civil, S. 130; Gil Rodríguez, in: Manual de Derecho Civil, S. 415, 444; Poveda, in: Código civil: comentarios y jurisprudencia, Art. 1137, S. 792. Aber kritisch Cristobal Montes, ADC 1991, 1433, 1438 f., für den die Anwendung der Regeln der subrogación auf den Gesamtschuldnerrückgriff nicht passend sind, da die Leistung des einen Gesamtschuldners Gesamtwirkung habe und Art. 1210 Abs. 3 C. C. die Zahlung eines Dritten und nicht eines weiteren Schuldners voraussetze. 154 Gómez Ligüerre, Solidaridad y responsabilidad, S. 56. 155 Díez-Picazo/Gullón, Sistema de derecho civil, S. 130; León Alonso, Obligación „in solidum“, S. 44; Lepach, Kreditsicherheiten, S. 99. Nach Ansicht von Gil Rodríguez, in: Manual de Derecho Civil, S. 415, 445 besteht die Einredemöglichkeit in jedem Fall. 151
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auch dann, wenn der leistende Gesamtschuldner aus eigenem Recht nach Art. 1145 Abs. 2 C.c. gegen den anderen Gesamtschuldner vorgeht. Die Gesamtschuldner haften nach Art. 1138 C.c. im Zweifel zu gleichen Anteilen, wenn sich insbesondere durch Parteiabrede oder in Abhängigkeit der einzelnen der Gesamtschuld zurgrunde liegenden Verbindlichkeiten nicht ein anderes ergibt.156 Für die Haftung im deliktischen Bereich richtet sich der im Innenverhältnis zu tragende Anteil grundsätzlich auch nach dem jeweiligen Verschuldensgrad bzw. -anteil.157 4. Die Regelung des Gesamtschuldnerrückgriffs im italienischen Recht Mit Art. 1299 Abs. 1 Codice Civile besteht auch innerhalb der italienischen Rechtsordnung ein gesetzlich vorgesehener Rückgriffsanspruch für den leistenden Gesamtschuldner. Daneben tritt der leistende Gesamtschuldner nach ganz überwiegender Meinung nach Art. 1203 Nr. 3 C.c. gesetzlich in die Gläubigerrechte ein (surrogazione).158 Das Verhältnis beider Ansprüche zueinander ist umstritten.159 Überwiegend wird davon ausgegangen, dass der leistende Gesamtschuldner beide Ansprüche nebeneinander geltend machen kann.160 Ob die surrogazione besteht und in welchem Umfang, bestimmt sich nach dem Ausgleichsanspruch des leistenden Gesamtschuldners aus Art. 1299 Abs. 1 C.c.161 Da der leistende Gesamtschuldner nach Art. 1203 Nr. 3 C.c. in die Gläubigerrechte eintritt, können gegen die Gläubigerforderung bestehende Einwendungen und Einreden auch ihm gegenüber vorgebracht werden.162 Auch hinsichtlich der Verjährung ist auf die Gläubigerforderung abzustellen.163 Dem Anspruch aus übergegangem Recht, Art. 1203 Nr. 3 C.c., können aber auch die Albaladejo, Derecho Civil II, S. 96; Díez-Picazo/Gullón, Sistema de derecho civil, S. 129. 157 Esteve Pardo, Solidaridad impropia, S. 138 f., 145. 158 Alpa, Manuale di diritto privato, S. 453; Bianca, Diritto civile, S. 352 f., 717, 722 f.; Rubino, in: Scialoja/Branca, Comentario del Codice Civile, Art. 1299, S. 233; Sicchiero, in: Galgano, Comentario breve al Codice Civile, Art. 1203, S. 928 f. m. w. N. 159 Vgl. die unterschiedlichen Ansichten bei Bianca, Diritto civile, S. 722, 724; Rubino, in: Scialoja/Branca, Comentario del Codice Civile, Art. 1299, S. 233, 236; Sicchiero, in: Galgano, Comentario breve al Codice Civile, Art. 1203, S. 929. 160 Vgl. Bianca, Diritto civile, S. 363, 724; Rubino, in: Scialoja/Branca, Comentario del Codice Civile, Art. 1299, S. 233; Sicchiero, in: Galgano, Comentario breve al Codice Civile, Art. 1203, S. 929 mit Hinweisen auch zu anderen Auffassungen. 161 Bianca, Diritto civile, S. 363, 724; Rubino, in: Scialoja/Branca, Comentario del Codice Civile, Art. 1299, S. 233 f. 162 Alpa, Manuale di diritto private, S. 453; Bianca, Diritto civile, S. 723 f.; Sicchiero, in: Galgano, Comentario breve al Codice Civile, Art. 1203, S. 423. 163 Rubino, in: Scialoja/Branca, Comentario del Codice Civile, Art. 1299, S. 239. 156
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gegen den eigenen Ausgleichsanspruch aus Art. 1299 Abs. 1 C.c. bestehenden Einwendungen entgegengehalten werden. Wie sich die Verjährung des Ausgleichsanspruchs aus Art. 1299 Abs. 1 C.c. bestimmt, ist nicht eindeutig geklärt. Unsicherheiten bestehen schon bei der Frage, zu welchem Zeitpunkt der Ausgleichsanspruch entsteht. Abgestellt wird z. B. auf den Zeitpunkt der Leistung an den Gläubiger.164 Zu diesem Zeitpunkt soll dann auch die Verjährung beginnen, arg. Art. 2935 C.c.. Allerdings ist die Frage der Verjährung des eigenen Ausgleichsanspruchs nach Art. 1299 Abs. 1 C.c. von geringer praktischer Relevanz, da dem Anspruch aus Art. 1299 Abs. 1 C.c. auch die Einwendungen und Einreden aus dem Außenverhältnis entgegengehalten werden können.165 Es besteht somit eine wechselseitige Einwendungsmöglichkeit. Der eigene Ausgleichsanspruch aus Art. 1299 Abs. 1 C.c. und die übergeleitete Gläubigerforderung (surrogazione) nach Art. 1203 Nr. 3 C.c. stehen in einem engen Verhältnis zueinander. Für die Verteilung der Lastentragung im Innenverhältnis sieht Art. 1298 C.c. im Zweifel ebenfalls die Kopfteilregelung vor. Bei einer gesamtschuldnerischen Haftung aus Delikt bemisst sich die Lastentragung nach dem Schweregrad des Verschuldens und dem Umfang der daraus entstandenen Folgen, Art. 2055 Abs. 2 C.c. 5. Die Regelung des Gesamtschuldnerrückgriffs im französischen Recht Das französische Recht enthält mit Art. 1214 Code Civil eine Regelung zum Ausgleich unter den Gesamtschuldnern. Dort heißt es: „Le codébiteur d’une dette solidaire, qui l’a payée en entier, ne peut répéter contre les autres que les part et portion de chacun d’eux.“ Ob der Norm der Charakter einer Anspruchsgrundlage zukommt, ist im französischen Recht seit langem umstritten. Überwiegend wird die Ansicht vertreten, Art. 1214 Code civil enthalte nur das gesetzliche Gebot, einen Ausgleichsanspruch durch andere Anspruchsgrundlagen zu ermöglichen.166 Bei der solidarité, die im französischen Recht grundsätzlich der rechtsgeschäftlichen Vereinbarung bedarf,167 wird hierfür auf das Auftrags-
164 Rubino, in: Scialoja/Branca, Comentario del Codice Civile, Art. 1299, S. 233; wohl ebenso, aber etwas unklar Bianca, Diritto civile, S. 717, 724. 165 Bianca, Diritto civile, S. 718; Rubino, in: Scialoja/Branca, Comentario del Codice Civile, Art. 1299, S. 239; Sicchiero, in: Galgano, Comentario breve al Codice Civile, Art. 1203, S. 929. 166 von Caemmerer, ZfRV 9 (1968), 81, 84; Ferid, Das französische Zivilrecht, § 33 2 E 84; Le Tourneau/Julien, „Solidarité“, in: Encyclopédie Dalloz, Nr. 154; Meier, in: HKK, BGB, §§ 420–432/I Rdnr. 155 f.; dies., Gesamtschulden, S. 294. 167 Bénabent, Les obligations, Rdnr. 791; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations,
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recht zurückgegriffen.168 Soweit kein rechtsgeschäftliches Innenverhältnis besteht, soll ein Ausgleichsanspruch aus den Regeln der negotiorum gestio (Art. 1375 C.c.) abgeleitet werden.169 Da das französische Recht für die Fälle der vertraglichen Gesamtschuld keine Gesamtschuldvermutung annimmt, sondern voraussetzt, dass die Schuldner die gesamtschuldnerische Haftung vereinbart haben und sodann von einer gegenseitigen Vertretung der Gesamtschuldner ausgeht170, erscheint ein gesetzlich angeordneter Ausgleichsanspruch in der Tat entbehrlich. Aufgrund der Vereinbarung der Schuldner, als Gesamtschuldner haften zu wollen, wird ihnen ihr Handeln gegenseitig zugerechnet, weil man davon ausgeht, dass sich die Gesamtschuldner gegenseitig vertreten.171 Ein Rückgriffsanspruch aus Auftragsrecht ist dann die konsequente Folge. Der so gewährte persönliche Ausgleichsanspruch ist purement chirographaire, d. h. ein Zugriff auf die dem Gläubiger im Außenverhältnis bestehenden Sicherheiten wird dem leistenden Gesamtschuldner nicht gewährt.172 Auch die Verjährung der Gläubigerforderung aus dem Außenverhältnis hat auf den persönlichen Ausgleichsanspruch keinen Einfluss. Der persönliche Ausgleichsanspruch unterliegt einer eigenständigen Verjährung.173 Bei der obligation in solidum bzw. den gesetzlich angeordneten Gesamtschuldverhältnissen entfällt indes ein zwischen den Schuldner bestehendes rechtsgeschäftliches Mandatsverhältnis und damit auch die Möglichkeit, aus dem Auftragsrecht einen Ausgleichsanspruch abzuleiten. Art. 1202 ff. C.c. sind gerade nicht anwendbar.174 Dennoch ist der Rückgriff unter Gesamtschuldnern einer obligation in solidum nicht ausgeschlossen. Das Rückgriffsrecht stützt sich hierbei auf Art. 1251 Nr. 3 Code civil (subrogation légale).175 Die Gläubigerforderung geht zu Rückgriffszwecken auf den leistenden Gesamtschuldner über. Rdnr. 1357; Malinvaud/Fenouillet, Droit des obligations, Rdnr. 451; Terré/Simler/Lequette, Les obligations, Rdnr. 1249. 168 Friedmann/Cohen, in: Int. Encyclopedia of Comparative Law, Bd. X-11, S. 5; Le Tourneau/Julien, „Solidarité“, in: Encyclopédie Dalloz, Nr. 148; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rdnr. 1365. 169 Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rdnr. 1365; Meier, in: HKK, BGB, §§ 420–432/I Rdnr. 156. 170 Vgl. nur Malinvaud/Fenouillet, Droit des obligations, Rdnr. 451. 171 Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rdnr. 1366; Zum Gedanken der wechselseitigen Vertretung auch Gotthardt, in: Deliktsrecht in Europa, S. 51. 172 Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rdnr. 1365. 173 Ferid, Das französische Zivilrecht, § 33 2 E 83. 174 Boré, JCP 1967, I 2126. 175 Boré, JCP 1967, I 2126; Hess-Fallon/Simon, Droit civil, S. 357; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rdnr. 1381; Malinvaud/Fenouillet, Droit des obligations, Rdnr. 826.
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Ein persönlicher Ausgleichsanspruch wie bei der solidarité ist mangels gesetzlicher Grundlage nicht vorgesehen, wird aber von der Rechtsprechung in Einzelfällen durchaus gewährt und ist auch in der Literatur anerkannt.176 Zur Begründung eines persönlichen Ausgleichsanspruchs für die Fälle der obliga tion in solidum wird häufig angeführt, Art. 1213, 1214 Code civil könne der allgemeine Rechtsgedanke eines Ausgleichs zwischen den Gesamtschuldnern entnommen werden.177 Insbesondere werden aber auch die Regeln zur Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 1375 C. c.) herangezogen.178 Für die Fälle der solidarité gewährt man dem leistenden Gesamtschuldner zu Rückgriffszwecken neben dem persönlichen Ausgleichsanspruch nach Art. 1251 Nr. 3 Code civil die subrogation.179 Geht die Gläubigerforderung auf den leistenden Gesamtschuldner über, kann er auch auf die für sie bestehenden Sicherheiten und Nebenrechte zugreifen.180 Einwendungen und Einreden aus dem Außenverhältnis bleiben indes ebenso bestehen.181 Dies gilt insbesondere für die Verjährung der Gläubigerforderung. Im Hinblick auf den Verteilungsmaßstab greift Art. 1213 Code civil die gesetzliche Vermutung zugunsten einer Kopfteilregelung auf. Soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, haften sie zu gleichen Teilen. Eine von der Kopfteilregelung abweichende Lastenverteilung kann sich auch aufgrund unter176 Cass. civ. 1er, 7.07.1977, JCP 1978, II 19003; Le Tourneau/Julien, „Solidarité“, in: Encyclopédie Dalloz, Nr. 200; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rdnr. 1381 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung. Ferid, Das französische Zivilrecht, § 33 2 E 96; Friedmann/Cohen, in: Int. Encyclopedia of Comparative Law, Bd. X-11, S. 10; Grundlage des Ausgleichsanspruchs kann in diesen Fällen auch die deliktische Generalklausel des Art. 1382 C.c. sein, vgl. hierzu von Caemmerer, ZfRV 9 (1968), 81, 90; Meier, Gesamtschulden, S. 581. 177 Boré, JCP 1967, I 2126; Ferid, Das französische Zivilrecht Band I, § 33 2 E 96. Zugleich wird aber für einen persönlichen Ausgleichsanspruch auch die deliktische Generalklausel des Art. 1382 C.c angeführt, vgl. nur von Caemmerer, ZfRV 9 (1968), 81, 90; Meier, Gesamtschulden, S. 581. Le Tourneau/Julien, „Solidarité“, in: Encyclopédie Dalloz, Nr. 200 will den Ausgleichsanspruch wohl direct auf Art. 1203, 1204 C.c. stützen. 178 Meier, Gesamtschulden, S. 294; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rdnr. 1365; Terré/Simler/Lequette, Les obligations, Rdnr. 1259. 179 von Caemmerer, ZfRV 9 (1968), 81, 84, 89; Le Tourneau/Julien, „Solidarité“, in: Encyclopédie Dalloz, Nr. 153; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rdnr. 1365, 1381; Malinvaud/Fenouillet, Droit des obligations, Rdnr. 826; Terré/Simler/Lequette, Les obligations, Rdnr. 1259. 180 Zum französischen Recht: Ferid, Das französische Zivilrecht, § 33 2 E 84, § 34 2 E 148; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rdnr. 1365, 1402; Malinvaud/Fenouillet, Droit des obligations, Rdnr. 456, 828; Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich, Kapitel 7 Rdnr. 173 181 Boré, JCP 1967, I 2126; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rdnr. 1403; Malinvaud/Fenouillet, Droit des obligations, Rdnr. 828; Schlechtriem, Restitution und Bereicherungsausgleich, Kapitel 7 Rdnr. 174; Terré/Simler/Lequette, Les obligations, Rdnr. 1259.
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schiedlicher Bedeutung der Schuld für die einzelnen Gesamtschuldner ergeben.182 Besteht die Gesamtschuld für einen gemeinsam verursachten Schaden (obligation in solidum), bestimmt sich der im Innenverhältnis zu tragende Anteil nach dem Grad des Verschuldens und dem Kausalitätsanteil.183 Haftet man als aufsichtspflichtige Person neben dem eigentlichen Deliktstäter für den verursachten Schaden, besteht die Möglichkeit eines vollständigen Rückgriffs im Innenverhältnis.184 Im Grundsatz wird bei der Gewährung des Rückgriffsrechts des leistenden Gesamtschuldners im französischen Recht also zwischen der vereinbarten und gesetzlich angeordneten solidarité und der richterrechtlich anerkannten obligation in solidum differenziert. Für den ersten Fall ist sowohl ein persönlicher Ausgleichsanspruch als auch eine subrogation vorgesehen. Die mittels der subrogation übergeleitete Gläubigerforderung ist für die obligation in solidum grundsätzlich das einzige Rückgriffsmittel. In Einzelfällen wird von der Rechtsprechung aber auch ein persönlicher Ausgleichsanspruch angenommen. 6. Zwischenergebnis Die rechtsvergleichende Umschau hat gezeigt, dass dem leistenden Gesamtschuldner in allen untersuchten europäischen Rechtsordnungen ein Rückgriffsrecht gewährt wird. Bei der Ausgestaltung dieses Rückgriffsrechts zeigen sich viele Gemeinsamkeiten, aber auch einige Unterschiede. Ein Rückgriff kann methodisch auf dem Wege eines eigenen, originären Ausgleichsanspruchs oder durch Überleitung der Gläubigerforderung beschritten werden. Häufig besteht, wie auch im deutschen Recht, die Möglichkeit, die Rückgriffsansprüche nebeneinander geltend zu machen.
IV. Einheitliche Funktion des Gesamtschuldnerrückgriffs: Fortführung der Haftung aus dem Außenverhältnis im Innenverhältnis Noch nicht näher beschrieben sind die präzisen Funktionen und letztlich das Wesen des Gesamtschuldnerrückgriffs. Es lässt sich einheitlich und unabhängig von der Existenz eines originären Ausgleichsanspruchs beschreiben als der Ver-
Le Tourneau/Julien, „Solidarité“, in: Encyclopédie Dalloz, Nr. 139; Malaurie/Aynès/ Stoffel-Munck, Les obligations, Rdnr. 1364; Terré/Simler/Lequette, Les obligations, Rdnr. 1258. 183 Boré, JCP 1967, I 2126; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Les obligations, Rdnr. 1381; Le Tourneau/Julien, „Solidarité“, in: Encyclopédie Dalloz, Nr. 139, 201, 204. 184 Boré, JCP 1967, I 2126; 182
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such, die Haftung des Rückgriffsschuldners aus dem Außenverhältnis in das Innenverhältnis zum Rückgriffsgläubiger zu übertragen. 1. Verhinderung des „Glücksspiels“ durch Lastentragung im Innenverhältnis Sowohl der originäre Ausgleichsanspruch als auch die cessio legis dienen dazu, der Gesamtschuld ihren „Glücksspielcharakter“ zu nehmen. Würde dem Gläubiger der Gesamtschuld im Außenverhältnis die Möglichkeit gewährt werden, einen jeden Schuldner auch auf die gesamte Leistung in Anspruch zu nehmen, ohne diesem Schuldner sodann im Innenverhältnis die Möglichkeit des Rückgriffs zu eröffnen, hätte es der Gläubiger in der Hand, denjenigen Gesamtschuldner zu bestimmen, auf den die endgültige Lastentragungspflicht entfällt. Dass aber die Gläubigerwillkür nicht über die engültige Lastentragungspflicht entscheiden soll, leuchtet ein. Bereits von Savigny hat dies bildhaft durch den Vergleich mit einem Glücksspiel hervorgehoben. „Durch den Regress also wird nur verhütet, daß die Correalschuld im letzten Erfolg wie ein Glücksspiel wirke, (…)“, dass sich einer auf Kosten des Anderen ohne Grund bereichere.185 Bereichert wäre der andere Gesamtschuldner bei Versagung eines Rückgriffsanspruchs dadurch, dass er weder von dem Gläubiger noch dem anderen Schuldner in Anspruch genommen werden könnte, obwohl er selbst dem Gläubiger gegenüber zur Haftung verpflichtet gewesen ist und sich einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger nicht hätte entziehen können. Entscheidend ist also, dass der nun rückgriffspflichtige Gesamtschuldner seinerseits zur Leistung gegenüber dem Gläubiger verpflichtet war. Daher ist es auch gerechtfertigt, dass er gegenüber dem leistenden Gesamtschuldner anteilsmäßig zum Rückgriff verpflichtet wird. Weil im Außenverhältnis aller Gesamtschuldner eine Haftungsgrundlage besteht, kommt ein Rückgriffsanspruch in Betracht. Insoweit setzt sich die Haftungsgrundlage aus dem Außenverhältnis also im Innenverhältnis fort. Im Innenverhältnis soll jeder Gesamtschuldner nur das tragen, was er jedenfalls letzlich anteilig zu verantworten hat. Dies zeigt sich auch daran, dass sich die Lastentragungspflicht im Innenverhältnis vorbehaltlich gesonderter Vereinbarungen an der Haftung aus dem Außenverhältnis orientiert. Die in den meisten Rechtsordnungen für den Rückgriff vorgesehenen Kopfteilregelungen186 stellen bloße Vermutungen dar. Übersteigt der eigene Anteil an der Entstehung der Gesamtschuld den der anderen Gesamtschuldner oder bleibt er hinter deren Anteilen zurück, kann sich durchaus ein anderer Verteilungsmaßstab ergevon Savigny, Obligationenrecht Band I, S. 229. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB; § 896 ABGB; Art. 1138 span. C.c.; Art. 1298 ital. C.c.; Art. 1213 franz. C.c. 185
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ben.187 Besonders deutlich wird das im Bereich der deliktischen Haftung für Schadensersatzansprüche. Entscheidend für die Frage der Anteilshaftung kann hier die Art der Haftung oder der Verursachungsbeitrag sein. 2. Die Vermeidung von Kollusionsfällen Mit den verschiedenen Ausgleichsmodi werden nicht nur negative Folgen der Gläubigerwillkür vermieden, sondern sie dienen zugleich – als weitere Funk tion – dazu, eine mögliche Kollusion zwischen dem Gläubiger und den Schuldnern zu Lasten des jeweils anderen Gesamtschuldners zu verhindern.188 Würde die Inanspruchnahme durch den Gläubiger die Lastentragung endgültig festlegen, so bestünde die Gefahr einer Situation, in der ein Schuldner dem Gläubiger für die Inanspruchnahme eines anderen Schuldners einen Vorteil verspricht und er sich so von seiner Leistungspflicht befreit oder diese zumindest abmildert. 3. Die Verteilung des Insolvenzrisikos im Innenverhältnis Auch die Aufteilung des Insolvenzrisikos im Innenverhältnis, etwa nach § 426 Abs. 1 Satz 2 BGB, kann als Audruck einer Fortsetzung der Haftung im Innenverhältnis begriffen werden. Mit der Verteilung des Insolvenzrisikos im Innenverhältnis wird zugleich sichergestellt, dass der in Anspruch genommene Gesamtschuldner den Ausfall eines weiteren Schuldners nicht allein trägt.189 Auch die übrigen Gesamtschuldner tragen den Ausfall entsprechend ihrem Anteil mit. Eine Verteilung des Ausfallrisikos auf alle Gesamtschuldner rechtfertigt sich einerseits dadurch, dass der leistende Gesamtschuldner anders als der Gläubiger im Außenverhältnis nicht vor mangelnder Liquidität einzelner Schuldner geschützt werden soll, andererseits aber auch deswegen, weil auch die anderen Gesamtschuldner jeweils auf ihrer Haftungsgrundlage vom Gläubiger hätten herangezogen werden können. 4. Der Gesamtschuldnerrückgriff als notwendiges Korrelat der Gesamtschuld Der Rückgriff stellt somit das notwendige Korrrelat der Gesamtschuld dar.190 Der Ausgleichsanspruch soll zu einem gerechten Lastenausgleich im InnenverLarenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 37 III, S. 643. von Caemmerer, ZfRV 9 (1968), 81, 88; Esser/Schmidt, Schuldrecht Band I, § 39 III, S. 348; Friedmann/Cohen, in: Int. Encyclopedia of Comparative Law, Bd. X-11, S. 15; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 37 III, S. 642; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, § 7 I, S. 90. 189 Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 426 Rdnr. 35. 190 Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 109; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 37 III, S. 642; Meier, Gesamtschulden, S. 269. 187
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hältnis führen. Gerade weil der Gesamtschuldner im Außenverhältnis zum Gläubiger haftbar war und auf dessen Inanspruchnahme hin hätte leisten müssen, soll er auch im Innenverhältnis seinem Anteil entsprechend verantwortlich und dem rückgriffnehmenden Gläubiger gegenüber ausgleichspflichtig sein. Daher steht der Rückgriff als notwendiges Korrelat auch im Interesse der einzelnen Gesamtschuldner und kann durchaus als gesetzliche Umsetzung ihres hypothetischen Willens betrachtet werden. Für jeden Gesamtschuldner besteht die abstrakte Gefahr, von dem Gläubiger im Außenverhältnis in Anspruch genommen zu werden und sodann gegenüber den anderen Gesamtschuldnern Rückgriff verlangen zu müssen. Wegen dieses potentiellen und gegenseitigen Rückgriffsbegehrens der Gesamtschuldner kann davon ausgegangen werden, dass eine Rückgriffsmöglichkeit zur gerechten Lastenverteilung im Innenverhältnis in ihrem Interesse steht und sie eine solche ggfs. vereinbart hätten. Soweit die Gesamtschuldner eine eigene Vereinbarung nicht getroffen haben, weil sie z. B. voneinander und der gesamtschuldnerischen Haftung keine Kenntnis hatten, füllen die gesetzliche Wertung und die vom Gesetz vorgesehene Rückgriffsmöglichkeit diese Lücke aus. 5. Originärer und übergeleiteter Rückgriffsanspruch als Wesensbestandteile der Gesamtschuld Dass der originäre Ausgleichsanspruch und die übergeleitete Gläubigerforderung trotz ihrer jeweils unterschiedlichen Rechtsfolgen und der unterschiedlichen Technik funktionell betrachtet zwei Seiten derselben Medaille sind, ergibt sich auch aus ihrem historischen Kontext. Ein Blick in die Historie des Gesamtschuldnerrückgriffs zeigt eine bemerkenswerte Entwicklung. Dem römischen Recht war ein mit der Gesamtschuld als solcher verbundender Rückgriffsanspruch fremd.191 Das hieß jedoch nicht, dass ein Rückgriff nicht gewährt werden konnte. Zurückgegriffen werden musste dafür jedoch auf das zwischen den Gesamtschuldnern bestehende Innenverhältnis und, wenn ein solches nicht bestand und sich der leistende Gesamtschuldner die Gläubigerforderung nicht hatte abtreten lassen, auf andere Klagearten wie z. B. die actio negotiorum gestorum.192 Die etwas unsichere 191 Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, § 56 Rdnr. 10, S. 299; Meier, in: HKK, BGB, §§ 420–432/I Rdnr. 108, 110; dies., Gesamtschulden, S. 263 m. w. N. 192 Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, § 56 Rdnr. 10 f., S. 299; Meier, in: HKK, BGB, §§ 420–432/I Rdnr. 108 mit weiteren Beispielen u. a. auch zum Rückgriff zwischen deliktisch haftenden Gesamtschuldnern, der allerdings bei vorsätzlich handelnden Gesamtschuldnern ganz ausgeschlossen war, S. 561 ff.; dies., Gesamtschulden, S. 263, 272; von Savigny, Obligationenrecht Band I, S. 227.
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Quellenlage des römischen Rechts193 führte dazu, dass die Frage, ob dem leistenden Gesamtschuldner aus der Gesamtschuld als solcher ein Rückgriffsrecht zusteht, auch im Gemeinen Recht und bei den Pandektisten umstritten war, überwiegend aber wohl verneint wurde.194 Im Rahmen dieser Diskussionen und Überlegungen zu einem Rückgriffsrecht unter den Gesamtschuldnern kam auch Savigny eine bedeutende Rolle zu. Zwar sprach er sich grundsätzlich dafür aus, dass die Gesamtschuld an sich rückgriffslos sei, was er insbesondere damit begründete, dass der Rückgriff außerhalb der Gesamtschuld liege und ihrem „abstracten Wesen“ fremd sei.195 Zugleich hob er aber hervor, dass die Gesamtschuld nicht wie ein Glücksspiel wirken dürfe; auch das sei ihrem Wesen fremd.196 Er erkannte den Rückgriff somit nicht als Rechtssatz, aber zumindest als Aufgabe der Gesamtschuld an197 und griff zur Begründung des Rückgriffs auch auf eine fingierte Zession zurück.198 Indem der Gesetzgeber mit § 426 BGB einen Rückgriffsanspruch gesetzlich normiert hat, hat er den gordischen Knoten um die Frage des Zusammenhangs der Gesamtschuld mit einem Rückgriffsanspruch des leistenden Gesamtschuldners durchschlagen.199 Dennoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Rückgriffsregeln der Gesamtschuld nach § 426 BGB auf einem fundierten Boden stehen. Das liegt schon daran, dass eine theoretische Begründung der Regelung nicht erfolgt ist und sich auch nicht eindeutig aus den sehr spärlichen Materialien des Gesetzgebungsprozesses ergibt.200 So ging der Vorentwurf von Kübler (1878), angelehnt an die damalige überwiegende Rechtsauffassung und das Sächsische BGB sowie den Dresdner Entwurf, noch davon aus, dass aus der Gesamtschuld an sich kein Rückgriff erwachse, sondern der Rückgriff nur gewährt werde, wenn er im Innenverhältnis der Gesamtschuldner oder kraft einer gesetzlichen Bestimmung, wie sie z. B. für den Rückgriff unter Mitschuldnern angedacht war, vorgesehen ist.201 Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung bei Meier, Gesamtschulden, S. 266 ff. Mugdan, Motive II, S. 93; Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 90 f.; Meier, Gesamtschulden, S. 268, 270 jeweils m. w. N.; dies., in: HKK, BGB, §§ 420 - 432/I Rdnr. 109 ff. m. w. N.; von Savigny, Obligationenrecht Band I, S. 227. 195 von Savigny, Obligationenrecht Band I, S. 227 f. 196 von Savigny, Obligationenrecht Band I, S. 216 ff., 229. Der wahre und einzige Zweck der Gesamtschuld bestehe darin, dem Gläubiger die Rechtsverfolgung zu sichern und zu erleichtern. 197 Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 89. 198 von Savigny, Obligationenrecht Band I, S. 243 ff., 260. 199 Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 92. 200 Ehmann, Die Gesamtschuld, S. 93; Meier, Gesamtschulden, S. 281. 201 Vorlageentwurf These XV, § 21 I abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratungen des BGB, S. 889, 893; vgl. auch Meier, Gesamtschulden, S. 274 f. 193
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Der Vorschlag Küblers einer rückgriffslosen Gesamtschuld wurde jedoch bereits in den Vorberatungen zur Ersten Kommission verworfen. Stattdessen sprach man sich dafür aus, wegen des praktischen Bedürfnisses eine Regelung aufzunehmen, die das Bestehen der Verpflichtung zur Ausgleichung oder Regressleistung vermutet.202 Bei einer sog. passiven Gesamtschuld sei der Gesamtschuldner im Zweifel, d. h. sofern sich nicht aus dem Gesetz oder dem Rechtsgeschäft ein anderes ergebe, befugt, von den übrigen Gesamtschuldnern Ersatz zu fordern. Die Höhe des Ausgleichsanspruchs sollte sich in Ermangelung anderer Anhaltspunkte nach Kopfteilen richten. Da jedoch mit der Schaffung des BGB zugleich die Unterscheidung zwischen der Korreal- und Solidarobliagation aufgegeben wurde, beanspruchte die vorgesehene Rückgriffsregelung für alle Gesamtschuldfälle Geltung. Meier geht deshalb davon aus, dass der „Zweifelsregelung“ sodann eine doppelte Bedeutung zukam. Insbesondere für die Fälle der rechtsgeschäftlich begründeten Gesamtschulden war sie weiterhin Ausdruck einer Beweislastregelung, während sie bei den Gesamtschulden, bei denen ein Innenverhältnis fehlte, zum Ausdruck bringen sollte, dass ein gesetzlicher Rückgriff vorgesehen war, soweit er nicht durch andere Regelungen ausgeschlossen wurde.203 Ob diese Doppeldeutigkeit der „im Zweifel“-Regelung auch der Grund dafür war, dass sich die Erste Kommission dafür entschied, die Formulierung „im Zweifel“ zu streichen und sich auf den neuen Wortlaut zu einigen, nach dem die Gesamtschuldner zu gleichen Teilen verpflichtet sind, soweit sich nicht aus Gesetz oder Rechtsgeschäft ein anderes ergibt, kann den Materialien nicht entnommen werden.204 Aus ihnen ergibt sich lediglich, dass ein praktisches Bedürfnis für den Rückgriff erkannt wurde.205 Tatsächlich trägt vor allem der Gedanke, dass der (abdingbare) Ausgleichsanspruch der „wahrscheinlichen Willensmeinung der sämtlichen Mitschuldner entspräche“,206 auch für die Fälle nicht rechtsgeschäftlich begründeter Gesamtschuldverhältnisse. Es kann grundsätzlich von einem hypothetischen Willen der Gesamtschuldner ausgegangen werden, dass dem leistenden Gesamtschuldner ein Rückgriff gewährt wird. Allerdings gründet sich diese Überlegung weniger 202 Vgl. Beratungen zur Vorlage in der 1. Kommission, abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratungen des BGB, S. 904; Mugdan, Motive II, S. 93. 203 Meier, Gesamtschulden, S. 281, 586 f. 204 Meier, Gesamtschulden, S. 281 geht aber davon aus, dass die Unklarheit der Zweifelsregelung aber zumindest einer der Gründe gewesen sein kann. 205 Vgl. Beratungen zur Vorlage in der 1. Kommission, abgedruckt bei Jakobs/Schubert, Beratungen des BGB, S. 904; Mugdan, Motive II, S. 93. 206 So die Beratungsprotokolle der Hofkommission zu § 38 des Urentwurfs zum ABGB, abgedruckt bei Ofner, Urentwurf II, S. 403 f. Vgl. hierzu auch Bacher, Ausgleichsansprüche, S. 66.
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darauf, dass sich die Gesamtschuldner untereinander binden und verpflichten wollen, sondern vielmehr darauf, dass die Gesamtschuldner ihrer im Außenverhältnis bestehenden Verbindlichkeit auch im Innenverhältnis nachkommen werden, da sie nicht absehen können, welchen der Gesamtschuldner der Gläubiger in Anspruch nimmt. Denn durch die Zulassung des Rückgriffs wird, wie bereits Savigny formulierte, im Innenverhältnis wieder das natürlichere Verhältnis der geteilten Schuld eingeführt.207 Der Rückgriff bewirkt also im Grunde, dass die Gesamtschuld wiederum in ihre einzelnen Merkmale, bestehend aus den einzelnen (Teil-)Verpflichtungen der Gesamtschuldner zerfällt.208 Die – im Lichte des auf das eigentliche Untersuchungsziel der Zuständigkeitsfrage – kurzen Hinweise machen eines deutlich: Mit der gesetzlichen Anordnung sowohl des originären Ausgleichsanspruchs als auch der Überleitung der Gläubigerforderung war man bemüht, die Haftung des Rückgriffsschuldners (anteilig) in das Innenverhältnis zu überführen, dem Rückgriffsschuldner also das Zufallsgeschenk der Nicht-Inanspruchnahme durch den Gläubiger zu nehmen und den Ausgleichsanspruch unmittelbar mit der Gesamtschuld zu verknüpfen. Damit konnte die heute noch in Frankreich zu beobachtende Notwendigkeit vermieden werden, künstlich auf vermeintlich eigenständige Vertragsabreden für das Innenverhältnis ausweichen zu müssen, die oft eher fingiert sind als dass sie tatsächlich getroffen werden. Der Rückgriff wurde – unabhängig von der Technik des Rückgriffsanspruchs – zum Merkmal der Gesamtschuld, um die Haftung des Rückgriffsschuldners aus dem Außenverhältnis anteilig für das Innenverhältnis zu bewahren. Diese Erkenntnis kann auch im weiteren Verlauf für die Zuständigkeitsfrage von Bedeutung sein.
D. Ergebnis und Folgerungen für die weitere Untersuchung Für den weiteren Untersuchungsgegenstand ergeben sich hieraus folgende Konkretisierungen: 1. Die Gesamtschuld kann hinsichtlich ihrer Zusammensetzung aus den sie begründeten Ansprüchen im Außenverhältnis als „vertragliches“, „außervertragliches“ oder „gemischtes“ Gesamtschuldverhältnis bezeichnet werden. Geht das „vertragliche“ Gesamtschuldverhältnis auf den Willen der Parteien zurück, so ist die Gesamtschuld rechtsgeschäftlich begründet. Als deliktisches Gesamtschuldverhältnis wird diejenige Gesamtschuld bezeichnet, bei welcher 207
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von Savigny, Obligationenrecht Band I, S. 242. So wohl auch Meier, Gesamtschulden, S. 282.
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die Schuldner im Außenverhältnis alle aufgrund einer deliktischen Handlung haften. Haftet ein Gesamtschuldner auf einer vertraglichen, der andere Gesamtschuldner auf einer deliktischen oder sonstigen außervertraglichen Grundlage, liegt ein gemischtes Gesamtschuldverhältnis vor. 2. Der vom (Haupt-)gläubiger in Anspruch genommene Gesamtschuldner kann im Innenverhältnis bei den übrigen Gesamtschuldnern Rückgriff nehmen. Grundlage des Rückgriffsbegehrens kann ein originärer Ausgleichsanspruch oder die übergeleitete Gläubigerforderung sein. Ein Rückgriff gegen die übrigen Gesamtschuldner kann nur insoweit verlangt werden, als der in Anspruch genommene Gesamtschuldner im Außenverhältnis mehr geleistet hat, als er nach der internen Verteilungslast zu tragen hat. Die Rückgriffsschuldner haften gegenüber dem Rückgriffsgläubiger nicht gesamt-, sondern teilschuldnerisch.
§ 2: Grundsätze der internationalen Zuständigkeit nach der EuGVVO A. Die Bedeutung der internationalen Zuständigkeit Nachdem soeben die Grundlagen der Gesamtschuld und insbesondere der Rückgriffstechniken entwickelt worden sind, widmet sich der folgende zweite Teil nunmehr den Grundsätzen und maßgeblichen Regelungen des internationalen Zivilverfahrensrechts. Damit ist insbesondere die internationale Zuständigkeit angesprochen. Die internationale Zuständigkeit bildet den Ausgangspunkt eines jeden Verfahrens mit Auslandsbezug. Sie betrifft die Zuweisung von Rechtsprechungsaufgaben an die Gerichte eines Staates209 und entscheidet damit, vor den Gerichten welchen Staates ein Rechtsstreit geführt werden kann. Für die Parteien sind mit der internationalen Zuständigkeit der Gerichte eines Staates entscheidende Konsequenzen in rechtlicher, aber vor allem auch in tatsächlicher Hinsicht verbunden. Weist der Sachverhalt einen Auslandsbezug auf, stellt sich neben der Frage der internationalen Zuständigkeit zugleich auch die Frage nach dem anwendbaren (Sach-)Recht. Das anwendbare Sachrecht wird über die Kollisionsnormen der lex fori ermittelt. Die Möglichkeit, durch ein forum shopping mittelbar auf das Kollisionsrecht und damit das anwendbare Recht Einfluss nehmen zu können, dürfte allerdings durch die weitgehende Vereinheitlichung des Kollisionsrechts im Bereich des vertraglichen und außervertraglichen Schuldrechts durch die Rom I- und Rom II-VO in den Hintergrund getreten sein.210 Mit dem jeweiligen Gerichtsstand sind aber vor allem auch prozessrechtliche Folgen verbunGeimer, IZPR, Rdnr. 844; von Hoffmann, IPRax 1982, 217, 217. Gerade aber im Bereich der Persönlichkeitsrechtsverletzung, die nach Art. 1 Abs. 2 lit. g) Rom II-VO aus deren Anwendungsbereich ausgenommen ist, besteht weiterhin die Möglichkeit, durch die Wahl zwischen konkurrierenden Gerichtsständen auch auf das anwendbare Recht Einfluss nehmen zu können. Im Bereich von Internetdelikten wird die Möglichkeit eines forum shoppings aber durch eine beschränkte Kognitionsbefugnis der Gerichte am Erfolgsort beschränkt. Vgl. EuGH, Urteil v. 07.03.1995, Rs. C-68/93 (Fiona Shevill u. a. ./. Presse Alliance SA), Slg. 1995, I-415, Rdnr. 24 ff., 29 f.; EuGH, Urteil v. 25.10.2011, Rs. 209 210
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den. So wurde mit der EuGVVO zwar die direkte (sog. Entscheidungs-) Zuständigkeit sowie die Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen vereinheitlicht, nicht erfasst ist hingegen das Verfahrens- und Prozessrecht. Mit der Festlegung der internationalen Zuständigkeit der Gerichte eines Staates wird daher zugleich das jeweilige (nationale) Verfahrens- und Prozessrecht determiniert. Es gilt allgemein, dass jedes Gericht auf verfahrensrechtlich zu qualifizierende Fragen seine lex fori anwendet.211 Im Zusammenhang mit dem Verfahrensrecht der lex fori stehen neben dem allgemeinen Verfahrensablauf auch Fragen der Beweisführung, soweit die Beweisfragen nicht materiell-rechtlich zu qualifizieren sind und damit der lex causae unterliegen.212 Insbesondere die unterschiedlichen Beweisregelungen können für die Parteien ein entscheidendes Kriterium für den zu führenden Prozess darstellen und ihrerseits, wie die sonstigen verfahrensrechtlichen Aspekte, zu einem forum shopping veranlassen.213 Ein weiterer für die Parteien durchaus wichtiger Aspekt ist die Frage nach den Prozesskosten, einschließlich der Kostentragungspflichten.214 Muss vor einem ausländischen Gericht prozessiert werden, können für den Kläger oder Beklagten neben den Reisekosten weitere erhebliche Mehrkosten anfallen, da er zur besseren Prozessführung außer dem inländischen Anwalt ggfs. noch einen Korrespondenzanwalt aus dem Staat der lex fori als Vertretungsbeistand beauftragen muss, der die Verfahrenssprache der lex fori beherrscht und mit dem Prozessrecht der lex fori vertraut ist. Hinzu treten weitere tatsächliche Aspekte wie z. B. die Verfahrensdauer oder auch schlicht das Interesse an einer Verhandlung des Rechtsstreits in einer der Partei bekannten und vertrauten Umgebung. Die Bedeutung der internationalen Zuständigkeit für die Parteien liegt damit auf der Hand.
C-509/09 (eDate Advertising ./. X) und C-161/10 (Martinez ./. MGN Limited), Slg. 2011, I-10302, Rdnr. 52. 211 So bereits schon der römisch-rechtliche Grundsatz forum regit processum. Vgl. auch BGHZ 48, 327, 331; BGH NJW 1985, 552, 553; von Bar/Mankowski, IPR Band I, § 5 Rdnr. 75 ff.; ausführlich Geimer, IZPR, Rdnr. 319 ff.; Junker, IZPR, § 24 Rdnr. 1; Nussbaum, Grundzüge des IPR, S. 178; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rdnr. 5; kritisch zu diesem „Grundsatz“ Schack, IZVR, Rdnr. 45 f. 212 Vgl. insbesondere auch zu der schwierigen Abgrenzung zwischen verfahrens- und materiell-rechtlicher Qualifikation der Beweisfragen Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rdnr. 265 ff. 213 Geimer, IZPR, Rdnr. 1101; Schack, IZVR, Rdnr. 255 ff.; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, Rdnr. 262 m. w. N. 214 Vgl. Geimer, IZPR, Rdnr. 82, 2954; Schack, IZVR, Rdnr. 256.
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B. Die Entwicklung des europäischen Zivilverfahrensrechts Ihren Ursprung findet die Vereinheitlichung des europäischen Zivilverfahrensrechts in Art. 220 EWGV. Demnach sollten die sechs Gründungsstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die Regeln über die internationale Zuständigkeit sowie die Anerkennung und Vollstreckung vereinheitlichen. 1968 wurde daraufhin das EuGVÜ215 als völkerrechtlicher Vertrag unter den Gründungsstaaten geschlossen; es trat 1973 in Kraft. Mit der stetigen Erweiterung der EWG wurden mit den jeweiligen neuen Vertragsstaaten insgesamt vier Beitrittsübereinkommen zum EuGVÜ geschlossen.216 Einen weiteren wesentlichen Fortschritt in der Entwicklung des europäischen Zivilverfahrensrechts bildet der Vertrag von Amsterdam vom 02.10.1997217. Nach Art. 61 lit. c), 65 EGV verfügt die Europäische Gemeinschaft, seit der Vertrag von Amsterdam zum 01.05.1999 in Kraft getreten ist, über die Rechtssetzungskompetenz im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit. Daraufhin wurde am 22.12.2000 die EuGVVO218 (Brüssel I-Verordnung), die das EuGVÜ in eine Verordnung überführt,219 vom Rat der Europäischen Union erlassen und war seit dem 01.03.2002 als unmittelbar geltendes Recht in den Mitgliedstaaten 220 anwendbar. Der 2010 von der EU-Kommission vorgelegte Vorschlag221 der Reform der EuGVVO mündete am 12.12.2012 in die Neufassung der EuGVVO222 , die seit dem 10.01.2015 Anwendung findet. Die wesentlichen inhaltlichen Änderungen gegenüber der alten Fassung betreffen u. a. die Abschaffung des Exequaturverfahrens und Änderungen der Rechtshängigkeitsregeln beim Vorliegen einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung.223 In Bezug auf die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit sind nur wenige Änderungen vorgenommen 215
ABl. (EG) 1972, L 299/32. 1. Beitrittsübereinkommen vom 9.10.1978 (Dänemark, Irland und dem Vereinigten Königreich), 2. Beitrittsübereinkommen vom 25.10.1982 (Griechenland), 3. Beitrittsübereinkommen vom 26.5.1989 (Spanien und Portugal) und das 4. Beitrittsübereinkommen vom 29.11.1996 (Finnland, Österreich und Schweden). 217 ABl. EG 1997 C 340/145. 218 ABl. EG 2001 Nr. L 12/1. 219 Die Regelungen des EuGVÜ wurden mit nur leichten inhaltlichen Veränderungen und redaktionellen Anpassungen für die EuGVVO übernommen. Einen Überblick der aufgenommen Abweichungen, die teilweise die bis dahin bestehende Rechtsprechung des EuGH kodifizieren, gibt Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Einl. vor Art. 1 EuGVVO Rdnr. 15 ff. 220 Dänemark gilt nicht als Mitgliedtsstaat i. S. d. EuGVVO, vgl. Art. 1 Abs. 3 EuGVVO a. F. 221 KOM 2010/748 endg. 222 ABl. EU 2012 L 351/1. 223 Zu weiteren Änderungen der Neufassung der EuGVVO vgl. Cadet, EuZW 2013, 216
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worden: Mit Art. 7 Nr. 4 EuGVVO wurde ein besonderer Gerichtsstand für die Herausgabe von Kulturgütern geschaffen.224 Für Verbraucher wurde der Rechtsschutz gegen ihre Vertragspartner, die in einem Drittstaat ansässig sind, gestärkt. Gemäß Art. 18 Abs. 1 EuGVVO kann der Verbraucher das forum actoris an seinem Wohnsitz nun ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des Vertragspartners in Anspruch nehmen.225 Die Regelungen über die Zuständigkeitsvereinbarungen nach Art. 25 EuGVVO greifen nun unabhängig vom Wohnsitz der Parteien ein. In formeller Hinsicht sind redaktionelle Anpassungen der Nummerierungen der Artikel erfolgt. Die EuGVVO ist innerhalb des Gemeinschaftsrechts im Bereich der Zivilund Handelssachen der wichtigste Rechtsakt. Soweit der Anwendungsbereich reicht, verdrängt die Verordnung die nationalen Zuständigkeitsvorschriften.226 Mit Ausnahme Dänemarks findet die Verordnung in allen Mitgliedstaaten unmittelbare Anwendung. Der Geltungsbereich der EuGVVO wurde jedoch durch das Abkommen über die Ausdehnung der EuGVVO227 zwischen der EU und Dänemark mit Wirkung zum 01.07.2007 auch auf Dänemark erstreckt. Das Abkommen sieht auch die Umsetzungsmöglichkeit der Änderungen durch die Neufassung der EuGVVO vor. Eine entsprechende Mitteilung Dänemarks an die Kommission über die Umsetzung erfolgte noch im Dezember 2012.228
C. Die Systematik des Zuständigkeitsregimes der EuGVVO Die EuGVVO ist nach Art. 1 Abs. 1 auf Zivil- und Handelssachen anwendbar. Nicht erfasst sind insbesondere Steuer- und Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten, die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte (acta iure imperii) sowie die in Abs. 2 aufgelisteten Rechtsgebiete. Für die in den sachlichen Anwendungsbereich fallenden Rechtsstreitigkeiten sieht die Verordnung verschiedene Gerichtsstände vor. Die EuGVVO geht vom Grundsatz actor sequitur forum rei aus, Art. 4 Abs. 1 EuGVVO: grundsätzlich ist die Klage am Wohnsitz des Beklagten zu erheben. Neben den allgemeinen 218 ff.; Domej, RabelsZ 78 (2014), 508 ff.; von Hein, RIW 2013, 97 ff.; Mankowski, RIW 2014, S. 625 ff.; Pohl, IPRax 2013, 109 ff. 224 Vgl. hierzu von Hein, RIW 2013, 97, 102 f.; Siehr, in: FS Martiny (2014), S. 837 ff. 225 Vgl. hierzu Mankowski, RIW 2014, 625 ff. 226 Vgl. nur Staudinger, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Einl. EuGVVO, Rdnr. 29. 227 ABl. EU Nr. L 299/62. 228 ABl. ( EU), Nr. L 79/4.
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Beklagtengerichtsstand nach Art. 4 Abs. 1 EuGVVO treten nach Art. 7–9 EuGVVO die besonderen Gerichtstände, auf die sich der Kläger wahlweise berufen kann. Als Rechtfertigung der besonderen Gerichtsstände kann entweder eine enge Verbindung zwischen dem Gericht und dem Rechtstreit oder aber das Interesse einer geordneten Rechtspflege und sachgerechten Prozessgestaltung herangezogen werden.229 Auch die Gerichsstände des Art. 24 EuGVVO gründen in einer besonderen Sach- und Beweisnähe zum Belegenheitsort, gehen jedoch in ihrer Wirkung insoweit weiter, als sie einen ausschließlichen Gerichtsstand begründen, von dem auch nicht durch Gerichtsstandsvereinbarung (Art. 25 EuGVVO) oder durch rügelose Einlassung (Art. 26 EuGVVO) abgewichen werden kann. Die in Art. 25 EuGGVO grundsätzlich vorgesehene Möglichkeit, durch Parteivereinbarung einen ausschließlichen oder alternativen Gerichtsstand zu bestimmen, wird zum Schutz bestimmter Personengruppen eingeschränkt, Art. 25 Abs. 4 EuGVVO. In Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitnehmersachen (Individualarbeitsrecht) kann durch eine Gerichtsstandsvereinbarung nur in bestimmten Fällen von den gesetzlichen Bestimmungen abgewichen werden. Zum Schutz einer Partei aus diesen Personengruppen, die vom Verordnungsgeber tendenziell als die jeweils schwächere (Prozess-)Partei eingestuft wird, sind in Art. 10 bis 23 EuGVVO spezielle Gerichtsstände (sog. Sondergerichtsstände230) vorgesehen, die auch den besonderen Gerichtsständen vorgehen.
D. Die Funktion und Rolle des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Dem EuGH kommt bei der Auslegung der EuGVVO eine wichtige Rolle zu.231 Bei Zweifeln über die Auslegung der Verordnung können die mitgliedstaatlichen Gerichte dem EuGH die Frage im Wege der Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vorlegen. Letztinstanzliche Gerichte sind, soweit es sich nicht um einen acte claire handelt, gar zur Vorlage verpflichtet, Art. 267 Abs. 3 AEUV. Das Interpretationsmonopol des EuGH ergibt sich seit Überführung des EuGVÜ in das Sekundärrecht der Europäischen Gemeinschaft ohne weiteres;
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Vgl. nur Erwägungsgrund 16 der EuGVVO. Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 49. 231 Nach Basedow, in: Materielles Recht und Prozeßrecht, S. 131, 142 kann sich die autonome Auslegung nur dann durchsetzen, wenn es eine supranationale Autorität mit Entscheidungsgewalt wie der EuGH gibt. Ähnlich Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427, 427 und bereits schon Zweigert, RabelsZ 16 (1951), 387, 395. 230
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davor folgte die Befugnis aus dem Auslegungsprotokoll vom 03.06.1971232.233 Die seitdem vom EuGH im Wege des Vorlageverfahrens ergangenen Entscheidungen sind zahlreich. Zur Wahrung der Kontinuität der Rechtsakte des EuGVÜ und der EuGVVO (der alten sowie der neuen Fassung) gilt die unter dem EuGVÜ ergangene Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich fort.234 Die zum EuGVÜ entstandene Rechtsprechung des EuGH kann somit auch unter Geltung der EuGVVO herangezogen werden. Eine Ausnahme ist nur dann geboten, wenn die Bestimmungen der Rechtsakte nicht als gleichbedeutend angesehen werden können.235 Gleiches trifft auf die durch die Reform hervorgebrachte Neufassung der EuGVVO zu. Zu beachten ist jedoch, dass der EuGH einzelfallbezogen entscheidet und den Systembegriffen der Verordnung dadurch zwar Kontur verleiht, es aber grundsätzlich vermeidet, europäische Begriffe z. B. des Vertrages i. S. d. Art. 7 Nr. 1 EuGVVO zu bilden.236 Wegen dieser Einzelfallbezogenheit sollten die Urteile des EuGH nur mit der gebotenen Vorsicht verallgemeinert werden.237
E. Die Auslegung der Normen der EuGVVO Die Auslegung der Normen der EuGVVO folgt dem Grundsatz der autonomen Auslegung. Die Systembegriffe der EuGVVO und ihrer Zuständigkeitsnormen sind in erster Linie aus der inneren Systematik und der Zielsetzung der Verordnung und ihrer einzelnen Bestimmungen heraus und losgelöst vom nationalen Recht auszulegen.238 Hierdurch soll eine einheitliche Anwendung der Verordnung gewährleistet werden. 232
BGBl. 1972 II 846. Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Einl. vor Art. 1 EuGVVO Rdnr. 50. 234 Vgl. nur Erwägungsgrund 19 der alten und Erwägungsgrund 34 der neuen Fassung der EuGVVO. 235 Vgl. nur EuGH, Urteil v. 01.10.2002, Rs. C-167/00 (Verein für Konsumenteninformation ./. Karl-Heinz Henkel), Slg. 2002. I-8111, Rdnr. 49; EuGH, Urteil v. 23.04.2009, Rs. C-533/07 (Falco Privatstiftung ./. Weller-Lindhorst), Slg. 2009, I-3327, Rdnr. 51; Kohler, in: FS Geimer (2002), S. 461, 463 f.; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Einl. vor Art. 1 EuGVVO Rdnr. 30. 236 Hess, IPRax 2006, 348, 352; ders., EuZPR, § 4 Rdnr. 48; Leipold, Diskussionsbeitrag, ZZP 111 (1998), 455, 455. 237 Hess, IPRax 2006, 348, 352; ders., EuZPR, § 4 Rdnr. 48. 238 Vgl. nur EuGH, Urteil v. 19.01.1993, Rs. C-89/91 (Shearson Lehman Hutton Inc. ./. TVB Treuhandgesellschaft für Vermögensverwaltung und Beteiligungen mbH), Slg. 1993, I-139, Rdnr. 13; EuGH, Urteil v. 03.07.1997, Rs. C-269/95 (Francesco Benincasa ./. Dentalkit Srl), Slg. 1997, I-3767, Rdnr. 12; EuGH, Urteil v. 20.01.2005, Rs. C-464/01 (Johann Gruber ./. Bay Wa AG), Slg. 2005, I-439, Rdnr. 31; Hess, IPRax 2006, 348, 352; Wagner, in: Stein/Jonas, 233
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Die Auslegung der Normen des Europäischen Zivilverfahrensrechts erfolgt grundsätzlich anhand des klassischen Auslegungskanons: Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck.239 Daneben kann aber auch die Rechtsvergleichung eine entscheidende Bedeutung für die Auslegung erlangen.240 Sie kann insbesondere dazu dienen, „allgemeine Rechtsgrundsätze aus der Gesamtheit der innerstaatlichen Rechtsordnungen“241 zu gewinnen.
I. Grammatikalische Auslegung Als Ausgangspunkt der Auslegung dient auch im Rahmen der EuGVVO der Wortlaut. Hier gilt es jedoch zu beachten, dass aufgrund der Sprachenvielfalt der Mitgliedstaaten sämtliche Sprachfassungen gleichrangig zu berücksichtigen sind.242 Dem nationalen Begriffsverständnis der einzelnen Rechtsordnungen kann wegen der grundsätzlich autonomen Auslegung innerhalb der EuGVVO daher nur geringe Bedeutung beigemessen werden; sie können jedoch als Auslegungshilfen herangezogen werden.243
ZPO, Einl. Vor Art. 1 EuGVVO Rdnr. 31. Eine wichtige Ausnahme der autonomen Auslegung gilt auch unter der Neufassung der EuGVVO weiterhin für die Bestimmung des Erfüllungsortes i.R.d. Art. 7 Nr. 1 lit. a), sog. Tessili-Formel, vgl. EuGH, Urteil v. 06.10.1976, Rs. 12/76 (Tessili ./. Dunlop AG), Slg. 1976, 1473, Rdnr. 13 f. 239 EuGH, Urteil v. 23.04.2009, Rs. C-533/07 (Falco Privatstiftung ./. Weller-Lindhorst), Slg. 2009, I-3327, Rdnr. 19 ff. m. w. N. zur Rechtsprechung; Basedow, in: Materielles Recht und Prozeßrecht, S. 131, 142; ders., in: Handbuch des Int. Zivilverfahrensrechts I, Kap. II Rdnr. 47; Hess, IPRax 2006, 348, 353 ff.; Kropholler, in: Aufbruch nach Europa, S. 583, 590; Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427, 437; Riesenhuber, in: Europäische Methodenlehre, § 10 Rdnr. 12. 240 Kropholler/von Hein, EuZPR, Einl. EuGVVO Rdnr. 79 ff.; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Einl. Vor Art. 1 EuGVVO Rdnr. 43 f. 241 EuGH, Urteil v. 14.10.1976, Rs. 29/76 (LTU ./. Eurocontrol), Slg. 1976, 1541, Rdnr. 3; EuGH, Urteil v. 16.12.1980, Rs. 814/79 (Niederländischer Staat ./. Reinhold Rüffer), Slg. 1980, 3807, Rdnr. 7; Kropholler/von Hein, EuZPR, Einl. EuGVVO Rdnr. 81. 242 EuGH, Urteil v. 12.07.1979, Rs. 9/79 (Marianne Koschniske ./. Raad von Arbeid), Sl. 1979, 2717, Rdnr. 6; EuGH, Urteil v. 02.04.1998, Rs. C-296/95 (The Queen ./. EMU Tabac SARL u. a.), Slg. 1998, I-1605, Rdnr. 36; EuGH, Urteil v. 09.03.2006, Rs. C-174/05 (Stichting Natuur en Milieu ./. College voor de toelating van bestrijdingsmiddelen), Slg. 2006, I-2443, Rdnr. 20; EuGH, Urteil v. 17.09.2009, Rs. C-347/08 (Vorarlberger Gebietskrankenkasse ./. WGV-Schwäbische Allgemeine Versicherungs AG), Slg. 2009, I-8661 Rdnr. 27; Gebauer, in: Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kapitel 4 Rdnr. 4; Grundmann/Riesenhuber, JuS 2001, 529, 530; Kohler/Knapp, ZEuP 2002, 701, 720 f.; Riesenhuber, in: Europäische Methodenlehre, § 10 Rdnr. 14 ff.; Schroeder, JuS 2004, 180, 182. 243 Hess, IPRax 2006, 348, 353; Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427, 445.
§ 2: Grundsätze der internationalen Zuständigkeit nach der EuGVVO
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II. Systematische Auslegung Im Rahmen der systematischen Interpretation ist zunächst der Zusammenhang der Rechtsvorschriften innerhalb der EuGVVO zu beachten.244 Darüber hinaus kann aber auch eine rechtsaktübergreifende systematische Auslegung Bedeutung gewinnen.245 Hier können insbesondere die Regelungen der Geschwisterverordnungen Rom I- und II-VO herangezogen werden. Ausweislich deren jeweiligen Erwägungsgrunds Nr. 7 sollen der materielle Anwendungsbereich und die Bestimmungen der Verordnungen im Einklang stehen.
III. Historische Auslegung Auch für die Auslegung der EuGVVO sind der subjektive Wille des europäischen Gesetzgebers und die historische Entwicklung von Bedeutung. Den Willen des Verordnungsgebers zu ermitteln, bereitet indes manche Schwierigkeiten: Materialien aus dem unionsrechtlichen Gesetzgebungsprozess sind teilweise nicht veröffentlicht und nicht zugänglich,246 andere Materialien sind nicht autoritativ.247 Hilfreich für die historische Interpretation sind daher insbesondere die erläuternden Berichte zu den jeweiligen Neufassungen des Übereinkommens (EuGVÜ), wie z. B. der Jenard-248 oder der Schlosser249 -Bericht.250 Ihre Bedeutung erschöpft sich nicht in einer bloßen Dokumentation der Entstehungsgeschichte und der Erwägungen des europäischen Gesetzgebers, sondern ihnen kommt eine Art Kommentarfunktion zu.251 Seit dem Vertrag von Amsterdam ist die Praxis der erläuternden Berichte allerdings nicht fortgeführt worden.252
Grundmann/Riesenhuber, JuS 2001, 529, 530; Schroeder, JuS 2004, 180, 182 f. Hess, IPRax 2006, 348, 355. 246 Gebauer, in: Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kapitel 4 Rdnr. 5; Grundmann/ Riesenhuber, JuS 2001, 529, 530; Schroeder, JuS 2004, 180, 183. 247 Grundmann/Riesenhuber, JuS 2001, 529, 530 mit näheren Erläuterungen. 248 ABl. ( EG) 1979 Nr. C 59/1. 249 ABl. ( EG) 1979 Nr. C 59/71. 250 Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427, 444 zugleich aber mit dem Hinweis, dass der Jenard-Bericht von Zurückhaltung geprägt sei und vorschnelle Festlegungen vermeide. 251 Hess, IPRax 2006, 348, 354. 252 Dies zu Recht bedauernd Hess, IPRax 2006, 348, 354. 244
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Teil 1: Grundlagen
IV. Teleologische Auslegung Den Erwägungsgründen kommt insbesondere für die Ermittlung des Sinn und Zwecks der Rechtsvorschrift eine zentrale Rolle zu.253 Sie enthalten wichtige Hinweise zum Regelungszweck einzelner Vorschriften oder der Verordnung im Gesamten. Im Rahmen der teleologischen Auslegung erlangt auch das Gebot des effet utile, der praktischen Wirksamkeit der Verordnung, große Bedeutung.254 Es wurde auch häufiger vom EuGH herangezogen.255
F. Die Qualifikation im Internationalen Zivilverfahrensrecht Eng verwandt mit dem Begriff der Auslegung ist der Begriff der Qualifikation. Sie bilden zwar keine Synonyme, sondern sind korrelative Begriffe.256 Bekannt ist der Begriff der Qualifikation insbesondere aus dem Internationalen Privatrecht. Als Qualifikation wird hier die „Subsumtion des zu beurteilenden Sachverhalts unter den im Tatbestand der Kollisionsnorm enthaltenden Anknüpfungsgegenstand“ verstanden.257 Durch die Qualifikation erfolgt eine Einordnung in kollisionsrechtliche Kategorien und damit zugleich die Abgrenzung der sachlichen Anwendungsbereiche der Kollisionsnormen.258 Im internationalen Zivilverfahrensrecht wird insbesondere die Abgrenzung zwischen dem Prozess- und dem materiellen Recht unter den Qualifikationsbegriff gefasst.259 Teilweise will man den Begriff der Qualifikation im Verfah253 Zur allgemeinen Bedeutung und Verbindlichkeit der Erwägungsgründe vgl. Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, S. 178 f. 254 Gebauer, in: Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kapitel 4 Rdnr. 7; Kropholler, in: Aufbruch nach Europa, S. 583, 592; Riesenhuber, in: Europäische Methodenlehre, § 10 Rdnr. 45. 255 EuGH, Urteil v. 15.11.1983, Rs. 288/82 (Duijnstee ./. Goderbauer), Slg. 1982, 3663, Rdnr. 14; EuGH, Urteil v. 15.05.1990, Rs. C 365/88 (Kongress Agentur Hagen GmbH ./. Zeehaghe BV), Slg. 1990, I-1845, Rdnr. 20. 256 Kropholler, IPR, S. 115; Neuhaus, Grundbegriffe des IPR, S. 114. 257 von Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rdnr. 1. So auch Kegel/Schurig, IPR, S. 327; Kropholler, IPR, S. 114; Zu der Frage, was den Gegenstand der Qualifikation bildet, Kropholler, IPR, S. 117 ff. 258 von Bar/Mankowski, IPR Band I, § 7 Rdnr. 138; Kegel/Schurig, IPR, S. 355; Kropholler, IPR, S. 114; Neuhaus, Grundbegriffe des IPR, S. 113 f.; Raape, IPR, S. 107; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 6 Rdnr. 4. 259 Vgl. nur Basedow, in: Materielles Recht und Prozeßrecht, S. 131, 136; Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, Rdnr. 265 ff.; Nagel/Gottwald, IZPR, § 1 Rdnr. 49; Schack, IZVR, Rdnr. 52 f.
§ 2: Grundsätze der internationalen Zuständigkeit nach der EuGVVO
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rensrecht auf die Abgrenzung von materiellem Recht und Prozessrecht beschränken.260 In allen anderen Fällen gehe es um bloße Auslegungsfragen von Sachnormen des Prozessrechts, also um Entscheidungsnormen, nicht hingegen wie im Internationalen Privatrecht um kollisonsrechtliches Verweisungsrecht. Allerdings ist kein Grund ersichtlich, den Begriff der Qualifikation derart einzuschränken und ihn nur dann zu verwenden, wenn es um die Abgrenzung von Prozess- und materiellem Recht geht.261 Zwar handelt es sich bei den Zuständigkeitsvorschriften in der Tat um Entscheidungsnormen, doch steht auch die Abgrenzung dieser Vorschriften zueinander in Frage, und der zu beurteilende Sachverhalt muss unter eine Zuständigkeitsnorm subsumiert werden. Daher hat sich der Begriff der Qualifikation auch im Internationalen Verfahrensrecht etabliert und ist mittlerweile geläufig.262 Mit der Qualifikation wird im Rahmen dieser Untersuchung daher die Subsumtion unter den Tatbestand einer international-prozessrechtlichen Zuständigkeitsnorm und damit die Zuordnung einer Streitigkeit zu einem Gerichtsstand verstanden. Die Systembegriffe der einzelnen Gerichtsstände bilden hierbei wie bei der Qualifikation im Internationalen Privatrecht den Anknüpfungsgegenstand, unter den subsumiert wird.263
260 Basedow, in: Materielles Recht und Prozeßrecht, S. 131, 136 f.; Stadler, in: FS Musielak (2004), S. 569, 575 Fn. 22. 261 So auch Henk, Die Haftung für c.i.c. im IPR und IZVR, S. 81; Kubis, Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechtsverletzungen, S. 91. 262 Junker, IZPR, § 2 Rdnr. 30; § 9 Rdnr. 22; § 10 Rdnr. 5; Kropholler/von Hein, EuZPR, Einl. EuGVVO Rdnr. 69, Art. 1 EuGVVO Rdnr. 3, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 5; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 14 ff.; Mankowski, in: FS Heldrich (2005), S. 867, 872; ders., IPRax 1997, 173, 174; Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427, 430; Nagel/Gottwald, IZPR, § 2 Rdnr. 11; Schack, IZVR Rdnr. 54 ff.; Schmidt-Kessel, ZEuP 2004, 1019, 1025; ausführlich Scholz, Problem der autonomen Auslegung, S. 175 ff.; Wagner, in: Stein/ Jonas, ZPO Art. 5 EuGVVO Rdnr. 26, 129. 263 So auch Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 14; Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427, 431.
Teil 2
Die Bedeutung der Streitverkündung und der Gewährleistungs- und Interventionsklage (Art. 8 Nr. 2 EuGVVO) für den Gesamtschuldnerrückgriff
§ 1: Instrumente der Beteiligung Dritter im Verfahren Mit den vorstehenden Ausführungen zu den Grundsätzen des Internationalen Verfahrensrechts der EuGVVO ist der Boden gelegt, um die Rückgriffsverhältnisse auch international-verfahrensrechtlich einordnen zu können. Wird einer der Gesamtschuldner vom Gläubiger im Außenverhältnis auf gerichtlichem Wege in Anspruch genommen, stellt sich insoweit zunächst die Frage, ob sich bereits im Zuge des gegen ihn laufenden Verfahrens die Möglichkeit ergibt, das Rückgriffsverlangen gegen den anderen Gesamtschuldner in die Wege zu leiten. Zuständigkeitsrechtlich angesprochen ist damit insbesondere die Regelung des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO. Für Gewährleistung- und Interventionsklagen begründet Art. 8 Nr. 2 EuGVVO1 eine Zuständigkeit der Gerichte des Hauptverfahrens. Die Gewährleistung- und Interventionsklage kann jedoch nicht vor allen mitgliedstaatlichen Gerichten erhoben werden, vgl. Art. 65 EuGVVO. In Deutschland ist die Erhebung einer Gewährleistungs- und Interventionsklage nicht möglich. Dem deutschen Recht, in dem der Zweiparteiengrundsatz vorherrscht, ist dieses Rechtsinstitut unbekannt. Deutschland hat daher ebenso wie Österreich und Ungarn bereits unter der alten Fassung der EuGVVO einen Vorbehalt erklärt. In diesen Mitgliedstaaten besteht stattdessen die Möglichkeit, an Stelle der Gewährleistungs- oder Interventionsklage auf das Rechtsinstitut der Streitverkündung zurückzugreifen und es gegen eine nicht im Mitgliedstaat wohnhafte Person einzusetzen. Es ist demnach zwischen unterschiedlichen Modellen der Einbeziehung des Rückgriffsschuldners in ein Verfahren zu differenzieren.
1 Art. 13 Abs. 1 EuGVVO enthält in Bezug auf Versicherungsfälle eine die allgemeinen Regelungen des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO verdrängende Sondervorschrift für Gewährleistungsund Interventionsklagen. Nach Art. 13 Abs. 3 EuGVVO ist auch eine Streitverkündung gegen den Versicherungsnehmer oder den Versicherten möglich. Grundsätzlich lassen sich die folgenden Aussagen aber auf die der Sondervorschrift unterfallenden Fallkonstellationen übertragen. Zu den Besonderheiten aber auch allgemein zu Art. 13 Abs. 1, 3 EuGVVO siehe nur: Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 11 EuGVVO Rdnr. 1 ff., 5 ff.; Mansel, in: Europäischer Binnenmarkt, S. 161, 241 ff.; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 11 EuGVVO Rdnr. 1 ff., 14 ff.
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Teil 2: Die Bedeutung der Streitverkündung und Art. 8 Nr. 2 EuGVVO
Im Folgenden werden daher zunächst die dem leistenden Gesamtschuldner und Rückgriffsgläubiger für sein Rückgriffsverlangen zur Verfügung stehenden Drittbeteiligungsinstrumente untersucht. Hierfür soll der Blick zunächst auf die nationalen Rechtsinstitute geworfen werden, bevor diese sodann im Hinblick auf ihre verfahrensrechtliche Geltendmachung im internationalen Kontext untersucht werden.
A. Die Streitverkündung nach deutschem Recht, §§ 72 ff. ZPO Als Drittbeteiligungsinstrument steht in Deutschland das Rechtsinstitut der Streitverkündung (§§ 72 ff. ZPO) zur Verfügung. Ihren Ursprung findet die Streitverkündung (litem denuntiare) im römischen Recht.2 Dabei fand sie zunächst nur in sog. Eviktionsfällen, der Entreißung einer Sache mit rechtlichen Mitteln, statt.3 Erst im Laufe der Zeit hat sie sich zu einem einheitlichen prozessualen Rechtsinstitut entwickelt.4 Im gemeinen Recht setzte sich dann auch der Begriff der litis denuntiatio für das Rechtsinstitut der Streitverkündung durch.5 Die Streitverkündung erfolgt durch förmliche Benachrichtigung des Dritten von der Rechtshängigkeit des Rechtsstreits, dessen Ausgang für jenen von rechtlichem Interesse sein kann.6 Mit der Benachrichtigung ist zugleich die Aufforderung an den Streitverkündungsempfänger verbunden, dem Rechtsstreit zur Unterstützung der streitverkündenden Partei beizutreten.7 Durch die Streitverkündung wird dem Dritten die Möglichkeit eröffnet, sich an dem Verfahren zu beteiligen. Mit der Streitverkündung wird aber nicht ein Anspruch gegen den Dritten erhoben, er wird lediglich dazu aufgefordert, sich an dem Verfahren zu beteiligen.8 Ob der Dritte als Streitverkündungsempfänger dem Rechtsstreit beitritt, steht in seinem Belieben. Eine Verpflichtung hierzu besteht nicht. Erfolgt der Beitritt, wird der Streitverkündungsempfänger aber nicht Partei des (Vor-)Verfahrens. Das Verfahren wird weiterhin als Zweiparteienprozess 2 Vgl. zu den historischen Ursprüngen der Streitverkündung und ihrer Entwicklung monographisch Schäfer, Nebenintervention und Streitverkündung, S. 37 ff.; Wach, Handbuch des Deutschen Civilprozessrechts, S. 655 ff. 3 Diedrich, Die Interventionswirkung, S. 41; Schäfer, Nebenintervention und Streitverkündung, S. 38 f. 4 Diedrich, Die Interventionswirkung, S. 41; Schäfer, Nebenintervention und Streitverkündung, S. 37. 5 Schäfer, Nebenintervention und Streitverkündung, S. 59. 6 BGH NJW 1992, 436, 437; Jacoby, in: Stein/Jonas, ZPO, § 72 Rdnr. 1; Mansel, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 72 Rdnr. 1; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, § 51 Rdnr. 1 7 Schultes, in: MünchKomm, ZPO, § 72 Rdnr. 15, 16. 8 Jacoby, in: Stein/Jonas, ZPO, § 72 Rdnr. 1.
§ 1: Instrumente der Beteiligung Dritter im Verfahren
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fortgeführt. Mangels „Parteistellung“ des Streitverkündungsempfängers entfaltet das Urteil ihm gegenüber auch keine Rechtskraft, § 325 Abs. 1 ZPO. Dem Urteil kommt jedoch gemäß § 74 ZPO die Interventionswirkung nach § 68 ZPO zu. In der Interventionswirkung liegt die wesentliche Bedeutung der Streitverkündung.9 Der Streitverkünder soll von dem Risiko einer unterschiedlichen Beurteilung desselben Tatbestandes durch das Gericht des Folgeprozesses und dem damit verbundenen Risiko eines doppelten Prozessverlustes befreit werden, weil er aufgrund der materiell-rechtlichen Verknüpfungen der Prozesse zumindest einen Prozess für sich gewinnen müsste.10 Die Streitverkündung ist, da § 72 ZPO nicht zwischen den Parteien unterscheidet, unabhängig von den Parteirollen im Prozess und kann sowohl vom Kläger als auch vom Beklagten initiiert werden, auch dann, wenn der anhängige Rechtsstreit eine negative Feststellungsklage betrifft.
I. Der Inhalt und Umfang der Interventionswirkung Soweit der im Folgeprozess geltend gemachte Anspruch von dem Ausgang des ersten Prozesses abhängig ist, ist das Zweitgericht infolge der durch die Streitverkündung hervorgerufenen Interventionswirkung an die rechtlichen und tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichts im Erstprozess gebunden.11 Der Streitverkündungsempfänger ist im Folgeprozess mit dem Einwand, der Rechtsstreit sei falsch entschieden worden, präkludiert, § 68 Hs. 1 ZPO. Vorbehalten bleibt ihm der Einwand der schlechten Prozessführung durch die Hauptpartei, soweit er auf den Erstprozess aus zeitlichen Gründen oder wegen des Verhaltens der Hauptpartei keinen Einfluss nehmen konnte, § 68 Hs. 2 ZPO.12 Die Interventionswirkung enfaltet daher eine im weiteren Sinne rechtskraftähnliche Bindungswirkung. Sie geht sogar über die Rechtskraft insoweit hinaus, als sie sich neben dem Urteilsausspruch auch auf Entscheidungsgründe beziehen kann.13 Bindungswirkungen entfalten nach ganz herrschender Meinung aber nicht alle in dem Urteil des Erstgerichts ausgeführten tatsächlichen und rechtlichen BGHZ 116, 95, 100; BGH NJW 1992, 436, 437; Jauernig/Hess, ZPO, § 84 Rdnr. 1; Mansel, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 72 Rdnr. 4. 10 BGHZ 116, 95, 100; BGH NJW 2009, 1488, 1490; BGH NJW 2012, 674, 675; Jacoby, in: Stein/Jonas, ZPO, § 72 Rdnr. 2; Knöringer, JuS 2007, 335, 335; Mansel, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 72 Rdnr. 4; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, § 51 Rdnr. 1. Kritisch zu den Bindungswirkungen für den Streitverkündungsempfänger Peters, ZZP 123 (2010), 321, 334 ff. 11 RGZ 130, 297, 300; BGHZ 8, 72, 82; BGHZ 85, 252, 255; BGHZ 70, 187, 189; Jacoby, in: Stein/Jonas, ZPO, § 68 Rdnr. 7; Mansel, in: Europäischer Binnenmarkt, S. 161, 175; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 68 Rdnr. 9. 12 Schultes, in: MünchKomm, ZPO, § 68 Rdnr. 19. 13 Jauernig/Hess, ZPO, § 83 Rdnr. 19; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 72 Rdnr. 1, 9. 9
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Teil 2: Die Bedeutung der Streitverkündung und Art. 8 Nr. 2 EuGVVO
Feststellungen, sondern nur diejenigen Feststellungen, auf denen das Ersturteil objektiv beruht (sog. „tragende Feststellungen“).14 Die Feststellung tatsächlicher und rechtlicher Art müssen also für die Entscheidung des Erstgerichts objektiv entscheidend gewesen sein.15 Nicht zu den tragenden Feststellungen gehören daher die sogenannten überschießenden Feststellungen, Eventualbegründungen oder obiter dicta.16
II. Die Streitverkündung im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs Wird der Gesamtschuldner im Außenverhältnis vom Gläubiger in Anspruch genommen und übersteigt die Inanspruchnahme den auf ihn im Innenverhältnis entfallenden Anteil, steht ihm ggfs. ein Rückgriffsanspruch gegen den oder die übrigen Gesamtschuldner zu. Die Voraussetzungen einer Streitverkündung nach § 72 Abs. 1 ZPO liegen somit vor. Der streitverkündende Gesamtschuldner glaubt, im Falle eines Unterliegens im Prozess des Gläubigers ein Rückgriffsanspruch gegen den oder die anderen Gesamtschuldner zu haben. Die Möglichkeit des vom Gläubiger in Anspruch genommenen Gesamtschuldners, den übrigen Gesamtschuldnern wegen eines Rückgriffsbegehrens den Streit zu verkünden,
BGHZ 96, 50, 53; BGHZ 85, 252, 255; OLG Celle, NJOZ 2008, 3064, 3068; Jacoby, in: Stein/Jonas, ZPO, § 68 Rdnr. 7; Mansel, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 68 Rdnr. 139; Schultes, in: MünchKomm, ZPO, § 68 Rdnr. 15. Zusätzlich will ein Teil der Literatur die Interventionswirkung von einer Interessenparallelität des Streitverkünders und des Streitverkündungsempfängers abhängig machen, Mansel, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 68 Rdnr. 117 ff.; Häsemeyer, ZZP 84 (1971), 179, 182 ff. will die Interventionswirkung der Streitverkündung bereits auf die alternierenden Voraussetzungen der beiden Rechtsverhältnisse, das zwischen den Hauptparteien und dasjenige zwischen dem Dritten und der streitverkündenden Hauptpartei, beschränken. Dabei soll eine Voraussetzung alternierend sein, wenn sie „im Rechtsverhältnis zum Gegner der Hauptpartei positiv, im Rechtsverhältnis der Hauptpartei zum Streitverkündungsempfänger negativ (oder umgekehrt) wirkt“, Häsemeyer, JR 1988, 69, 70. Diese generelle Einschränkung ablehnend BGHZ 100, 257, 262; Schultes, in: MünchKomm, ZPO, § 68 Rdnr. 15. 15 BGHZ 157, 97, 99; BGH, FamRZ 2008, 1435, 1437; OLG Hamm, NJW-RR 96, 1506, 1506; Mansel, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 68 Rdnr. 96; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 68 Rdnr. 5. 16 BGHZ 157, 97, 99; BGH, BeckRS 2014, 12778; BGH, FamRZ 2008, 1435, 1437; BSG, NJW 2012, 956, 957; OLG Hamm, NJW-RR 96, 1506, 1506; Mansel, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 68 Rdnr. 96 ff. mit zahlreichen Beispielen; Schultes, in: MünchKomm, ZPO, § 68 Rdnr. 15; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 68 Rdnr. 10. 14
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ist allgemein anerkannt.17 Es handelt sich hierbei um einen Fall der eher weit verstandenen „Schadloshaltung“ i. S. d. § 72 ZPO.18 1. Mögliche Interventionswirkungen im Rahmen des Gesamtschuldnerrückgriffs Inwieweit der leistende Gesamtschuldner durch eine Streitverkündung seinen Rückgriffsanspruch absichern bzw. vorbereiten kann, hängt davon ab, welchen Festellungen aus dem Ersturteil für den Rückgriffsprozess Interventionswirkung zukommt. Dieser Frage kann am Beispiel der gesamtschuldnerischen Haftung von Architekt und Bauunternehmer für Baumängel (sog. Architektenfall) nachgegangen werden. Der Ausgangsfall kann wie folgt gebildet werden: Der Bauherr B beauftragt den Architekten A mit der Planung und Bauüberwachung. Für die Bauausführung wird das Bauunternehmen U beauftragt. Nach Fertigstellung des Hauses zeigt sich ein Mangel. Im Keller des Hauses kommt es zu Feuchtigkeitsbildung. B verklagt nun den bauleitenden Architekten A auf Schadensersatz. A verkündet daraufhin U den Streit. Das Erstgericht stellt die Mangelhaftigkeit des Bauwerks fest und verurteilt A wegen fehlerhafter Planung und Bauaufsicht zur Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 20.000 €. Nimmt A sodann bei U Rückgriff, ist U mit dem Einwand präkludiert, A stehe schon deshalb kein Rückgriffsrecht zu, weil A dem Bauherren gar nicht zur Leistung verpflichtet gewesen sei. Das Urteil des Erstgerichts beruht auf der festgestellten Haftung des Architekten und bindet damit das Zweitgericht im Folgeprozess. Auch der Mangel des Bauwerks und der festgestellte Gesamtschaden des Bauherren sind tragende und somit von der Interventionswirkung erfasste Feststellungen.19 Nicht von der Interventionswirkung erfasst sind hingegen Ausführungen zu einer möglichen Verantwortlichkeit des Bauunternehmers für den Schaden, denn diese sind, soweit sie denn im Ersturteil erfolgen, 17 Dem Gläubiger selbst steht in der Regel nicht die Möglichkeit offen, im Prozess gegen den einen Gesamtschuldner den anderen Gesamtschuldnern den Streit zu verkünden. Eine Streitverkündung soll nur dann in Betracht kommen, wenn den Gesamtschuldner, dem der Streit verkündet wird, eventuell die alleinige Haftung trifft. Vgl. BGH NJW 2008, 519, 520; BGHZ 70, 187, 189; BGH, NJW 1976, 39, 40; Jacoby, in: Stein/Jonas, ZPO, § 72 Rdnr. 11; Schultes, in: MünchKomm, ZPO, § 72 Rdnr. 6; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 72 Rdnr. 7. 18 OLG München, NJW 1986, 263, 263; OLG Celle, NJOZ 2008, 3064, 3070; Gehrlein, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, § 72 Rdnr. 9; Jacoby, in: Stein/Jonas, ZPO, § 68 Rdnr. 7; Knöringer, JuS 2007, 335, 337; Mansel, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 72 Rdnr. 52; Schultes, in: MünchKomm, ZPO, § 72 Rdnr. 11, Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 72 Rdnr. 7. 19 OLG Karlsruhe, BeckRS 2008, 08732; OLG Celle, DAR 2008, 648, 648; Mansel, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 68 Rdnr. 139 (zum Bestehen des Anspruchs).
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für die Entscheidung der Haftung des Architekten schon gar nicht tragend.20 Über die Mangelhaftigkeit der Werkleistung des Bauunternehmers muss also im Folgeprozess eigenständig entschieden werden. Soweit das Gericht dort zu der Feststellung kommt, den Bauunternehmer treffe kein Verschulden, kann der Rückgriffsanspruch des Architekten versagt werden. Dieses Risiko trägt der Architekt trotz erfolgter Streitverkündung. Selbst wenn im Erstprozess Ausführungen zu einem möglichen Verschulden des anderen Gesamtschuldners (Streitverkündungsempfängers) erfolgen, sind diese Feststellungen nicht stets von der Interventionswirkung erfasst. Um dies zu erläutern, muss man den eingangs gebildeten Ausgangsfall wie folgt abwandeln: Der Bauherr nimmt den Bauunternehmer, nachdem er ihm erfolglos eine Frist zur Nachbesserung gesetzt hat, auf Schadensersatz in Anspruch. In diesem Prozess werden die Mangelhaftigkeit des Bauwerks und als Ursache die mangelhafte Bauausführung des Bauunternehmers festgestellt. Der Gesamtschaden wird auf 20.000 € beziffert. Verurteilt wird der Bauunternehmer aber nur zu einer Schadensersatzleistung i.H.v. 15.000 €, da das Gericht zugleich ein Mitverschulden des Bauherren i.H.v. 25 % feststellt. Da der Architekt als Erfüllungsgehilfe des Bauherren zu betrachten sei, müsse sich der Bauherr die fehlerhafte Bauplanung über § 278 BGB zurechnen lassen. Hatte in diesem Prozess der Bauunternehmer dem Architekten den Streit verkündet, stellt sich auch hier die Frage, an welche Feststellungen das Gericht des Rückgriffsprozesses zwischen Bauunternehmer und Architekt gebunden ist. Die Interventionswirkung tritt bezüglich der Feststellung der Mangelhaftigkeit des Bauwerks, des Schadens und der Verantwortlichkeit des Bauunternehmers ein. Obwohl im Erstprozess auch Ausführungen zu der fehlerhaften Bauplanung des Architekten gemacht wurden und diese Feststellung für die Entscheidung des Erstprozesses auch entscheidungserheblich waren, weil auf dem Verschulden des Architekten die Mitverantwortungsquote des Bauherren beruhte, 21 sind sie im Folgeprozess nicht bindend zu berücksichtigen. Soweit man für die Interventionswirkung eine Interessenparallelität zwischen den Gesamtschuldner fordert,22 liegt diese in Ansehung der Haftung des anderen, nun in Rückgriff genommenen Gesamtschuldners nicht vor.23 Zu demselben Ergebnis
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OLG Karlsruhe, BeckRS 2008, 08732. So auch OLG München, NJW-RR 1997, 812, 813 f. zu einem allgemeinen Rückgriffsanspruch. 22 So Mansel, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 68 Rdnr. 139. 23 Ebenso wenig würde es sich dabei wohl um eine nach Ansicht Häsemeyers erforderliche alternierende Voraussetzung handeln, vgl. zu dieser Voraussetzung der Interventionswirkung Häsemeyer, ZZP 84 (1971), 179, 182 ff.; ders., JR 1988, 69, 70. 21
§ 1: Instrumente der Beteiligung Dritter im Verfahren
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gelangt man mit der Rechtsprechung24 und wohl überwiegenden Literatur25. Dem Zweck der Streitverkündung entsprechend kann der Streitverkündungsempfänger im Erstprozes nach § 67 ZPO nur in Unterstützung der Hauptpartei vortragen. Wenn aber sein Vortrag, eigenes Verschulden bestehe nicht, nicht auch für den anderen Gesamtschuldner günstig ist, kann er dieses im Erstprozess nicht geltend machen. Dann aber darf auch die Interventionswirkung nicht greifen. Der andere Gesamtschuldner kann dem Rückgriffsverlangen also entgegenhalten, er sei für den Schaden nicht verantwortlich gewesen. Auch in diesem Fall hat das Folgegericht über die Schlechtleistung und Haftung des in Rückgriff genommenen Gesamtschuldners eigenständig zu urteilen und ist nicht an die Feststellungen des Erstgerichts gebunden. 2. Die Bedeutung der Interventionswirkung für den Gesamtschuldnerrückgriff Die Streitverkündung hat im Rahmen des Gesamtschuldnerrückgriffs also inbesondere für den im Außenverhältnis bestehenden Schaden und dessen Höhe Bedeutung. Auch die Außenhaftung des Streitverkünders ist für das Innenverhältnis bindend festgestellt. Der andere Gesamtschuldner als Streitverkündungsempfänger ist mit Einwendungen gegen die Haftung des Streitverkünders präkludiert. Soweit auch über die Haftung des anderen Gesamtschuldners als Rückgriffsschuldner im Ersturteil entschieden wurde, hängt die Bindungswirkung im Folgeprozess davon ab, dass es sich einerseits um eine tragende Feststellung des Ersturteils handelt und andererseits die Interventionswirkung dem Zweck der Streitverkündung entsprechend und nach Maßgabe des § 67 ZPO auch auf diese Feststellung anwendbar ist. Für die konkrete Ausgestaltung des Rückgriffsanspruchs hat die Streitverkündung geringere Bedeutung. Die Frage der Haftungsverteilung im Innenverhältnis wird nicht präkludiert.26 Haften die Gesamtschuldner im Außenverhältnis für einen Schaden, muss das Folgegericht das Verhältnis der Verschuldensanteile der Gesamtschuldner selbst bestimmen. Gleiches gilt für die Frage des Verteilungsmaßstabs in sonstigen Fällen. Bei einer gerichtlichen Inanspruchnahme durch den Gläubiger empfiehlt sich dennoch eine Streitverkündung gegen den oder die anderen Gesamtschuldner, weil mit Unterstützung des Streithelfers die Prozessführung gegen den Gläubiger günstiger ausfallen kann. Zugleich kann aber auch ein möglicher Rück24
BGH, NJW 1982, 281, 282; BGH, JR 1987, 285, 286. Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 68 Rdnr. 10; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, § 50 Rdnr. 65, § 51 Rdnr. 28; Schultes, in: MünchKomm, ZPO, § 68 Rdnr. 21; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 68 Rdnr. 12. 26 OLG Celle, DAR 2008, 648, 649. 25
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griffsprozess entbehrlich und vermieden werden, wenn die für den Gesamtschuldnerrückgriff relevanten Tatsachen im Erstprozess verbindlich geklärt wurden und sich aufgrund der Interventionswirkungen abzeichnen ließe, wie in einem Folgeprozess über den Rückgriff entschieden werden würde.27 Die Streitverkündung kann somit auch zur Grundlage für eine außergerichtliche Lösung des Rückgriffs zwischen den Gesamtschuldnern werden.
B. Die Intervention forcée mise en cause aux fins de condamnation nach französischem Recht, Art. 331 Abs. 1 CPC Das Rechtsinstitut der Streitverkündung ist auch in anderen Rechtsordnungen bekannt.28 Daneben besteht jedoch vor allem in den romanischen Rechtsordnungen die Möglichkeit, den Dritten in das Ausgangsverfahren als weitere Prozesspartei einzubeziehen und gegen ihn ggfs. einen eigenen Titel zu erstreiten. Eine solche Möglichkeit besteht z. B. im französichen Recht. Mittels des Rechtsinstituts der intervention forcée mise en cause aux fins de condamnation nach Art. 331 Abs. 1 CPC kann die Hauptpartei einen Dritten als weitere Prozesspartei in den Hauptprozess einbeziehen, gegen ihn einen selbständigen Anspruch geltend machen und ggfs. ein eigenes Urteil gegen den Dritten erstreiten.29 Für den Gesamtschuldnerrückgriff bedeutet dies, dass der verklagte Gesamtschuldner die Möglichkeit hätte, über die intervention forcée mise en cause aux fins de condamnation sein Rückgriffsbegehren bereits im Hauptverfahren, das der Gläubiger gegen ihn führt, gegen den anderen Gesamtschuldner gerichtlich geltend zu machen und ein Urteil gegen den anderen Gesamtschuldner zu erwirken. Ein weiterer Rückgriffsprozess würde entbehrlich werden.
C. Zwischenergebnis Wie anhand der deutschen Streitverkündung und der französischen intervention forcée mise en cause aux fins de condamnation exemplarisch dargestellt,30 lassen sich die in den europäischen nationalen Zivilverfahrensordnungen besteHess, EuZPR, § 6 Rdnr. 90; Hess/Pfeiffer/Schlosser, Brussels I Regulation, Rdnr. 223. Vgl. z. B. § 21 der österreichsichen Zivilprozessordnung; oder auch Art. 325, 331 ff. Code de Procédure Civil. 29 Köckert, Beteiligung Dritter, S. 31; Mansel, in: Europäischer Binnenmarkt, S. 161, 178; Stürner, in: FS Geimer (2002), S. 1307, 1310. 30 Vgl. hierzu die weiteren rechtsvergleichenden Nachweise bei Otte, Umfassende Streit 27
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henden Drittbeteiligungsinstrumente entweder dem auf das römische Recht zurückgehende Streitverkündungsmodell (litem denuntiare) oder dem in den romanischen Rechtsordnungen vorherrschenden Verurteilungsmodell zuordnen.31 Beide Regelungsmodelle können auch für den Gesamtschuldnerrückgriff Bedeutung erlangen. Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Regelungsmodellen liegt in der damit jeweils verbundenen Rechtsfolge. Während die Streitverkündung nur im Hinblick auf den Folgeprozess Bindungswirkungen (Interventionswirkung) hervorruft, kann im Rahmen des Verurteilungsmodells gegen den einbezogenen Dritten bereits im Hauptverfahren ein vollstreckbarer Titel erlangt werden. Gegenüber stehen sich somit Drittbeteiligungsinstrumente mit oder ohne Vollstreckbarkeit.32
entscheidung, S. 724 ff.; Stürner, in: FS Geimer (2002), S. 1307, 1307 f.; Spellenberg, ZZP 106 (1993), 283 ff.; Taupitz, ZZP 102 (1989), 288, 298 f. 31 Stürner, in: FS Geimer (2002), S. 1307, 1307. 32 Mansel, in: Europäischer Binnenmarkt, S. 161, 254.
§ 2: Streitverkündung und Intervention in der EuGVVO Die in den europäischen Rechtsordnungen bestehende Unterscheidung zwischen dem Streitverkündungs- und dem Verurteilungsmodell wird, wie bereits angesprochen, auch von der EuGVVO in Art. 8 Nr. 2 EuGVVO einerseits und dem Vorbehalt des Art. 65 EuGVVO andererseits aufgegriffen. Der folgende Abschnitt widmet sich den Besonderheiten, die sich stellen können, wenn der Gesamtschuldner bei Vorliegen eines internationalen Sachverhalts von den möglichen Drittbetiligungsinstrumenten, der Streitverkündung und der Gewährleistungs- und Interventionsklage, zu Rückgriffszwecken Gebrauch machen möchte.
A. Gewährleistungs- und Interventionsklagen i. S. d. Art. 8 Nr. 2 EuGVVO I. Der Sinn und Zweck von Art. 8 Nr. 2 EuGVVO Für Gewährleistungs- und Interventionsklagen begründet Art. 8 Nr. 2 EuGVVO die Zuständigkeit des Gerichts des Hauptprozesss. Als Ausprägung eines Gerichtsstandes des Sachzusammenhangs33 leitet Art. 8 Nr. 2 EuGVVO seine Legitimation aus Gründen der ökonomischen Prozessführung, der Einheitlichkeit gerichtlicher Entscheidungen und der Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen ab.34 Solche verfahrensrechtliche Erwägungen können, wie der Erwägungsgrund 16 der EuGVVO zeigt, eine Abweichung vom allgemeinen Gerichtsstand nach Art. 4 Abs. 1 EuGVVO begründen. Aufgrund der engen 33 Gebauer, in: Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kapitel 27 Rdnr. 58; Geimer, WM 1979, 350, 350; Hess, EuZPR, § 6 Rdnr. 83, 87; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 8 EuGVVO Rdnr. 1. 34 EuGH, Urteil v. 15.05.1990, Rs. C 365/88 (Kongress Agentur Hagen GmbH ./. Zeehaghe BV), Slg. 1990, I-1845, Rdnr. 11; Coester-Waltjen, IPRax 1992, 290, 291; Geimer, in: Geimer/ Schütze, EuZVR, A. 1 – Art. 6 EuGVVO Rdnr. 34; Hess, EuZPR, § 6 Rdnr. 87; Nagel/Gottwald, IZPR, § 3 Rdnr. 122; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 46.
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sachlichen Verbindung zwischen dem Hauptprozess und dem Rückgriffsverlangen hat das Interesse des Dritten, an seinem Wohnsitz verklagt zu werden, hinter das Interesse an einer geordneten Rechtspflege zurückzutreten.35
II. Der Begriff der Gewährleistungs- und Interventionsklage i. S. d. Art. 8 Nr. 2 EuGVVO Ob der in Anspruch genommene Gesamtschuldner am Gericht des Hauptprozesses Rückgriffsklage gegen einen anderen Gesamtschuldner erheben kann, hängt zunächst davon ab, dass die Rückgriffsklage als eine Gewährleistungsoder Interventionsklage dem Anwendungsbereich des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO unterfällt. Art. 8 Nr. 2 EuGVVO erfasst sowohl Gewährleistungs- als auch Interven tionsklagen und legt daher eine Differenzierung zwischen den Begriffen der Gewährleistungs- und der Interventionsklagen nahe. Die beiden Klagearten werden indes von der Verordnung nicht legaldefiniert. Zum Verständnis der Interventionsklage verweist der Jenard-Bericht auf die in der belgischen Gerichtsordnung vorgesehenen Art. 15, 16: Durch das Verfahrensinstitut der Interven tion wird eine dritte Person zur Prozesspartei gemacht.36 Im Hinblick auf die Gewährleistungsklage führt der Bericht aus, dass diese Klage, „die der Beklagte in dem Rechtsstreit gegen einen Dritten zum Zweck der eigenen Schadloshaltung wegen der Folgen dieses Rechtsstreits erhebt“ in der belgischen, französischen, italienischen, luxemburgischen und niederländischen Rechtsordnung bekannt sei.37 Aus der Bezugnahme insbesondere auf die belgischen Vorschriften kann allerdings nicht geschlossen werden, dass die Begriffe streng im Sinne des belgischen Rechts ausgelegt werden müssen. Auch die Systembegriffe im Rahmen des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO sind im Sinne einer einheitlichen Anwendung der Verordnung autonom auszulegen.38 Die autonome Auslegung verbietet indes nicht, sich hierbei z. B. an den belgischen Instituten, die als Vorbilder fun-
35 Jenard-Bericht, Abl. (EG) 1979 Nr. C 59/1, S. 27; Geimer, WM 1979, 350, 360; ders., in: Geimer/Schütze, EuZVR, A. 1 – Art. 6 EuGVVO Rdnr. 34; Hess, EuZPR, § 6 Rdnr. 87. 36 Jenard-Bericht, Abl. (EG) 1979 Nr. C 59/1, S. 28. 37 Jenard-Bericht, Abl. (EG) 1979 Nr. C 59/1, S. 27. 38 Vgl. Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, A.1. – Art. 6 Rdnr. 40; ders., WM 1979, 350, 361 (zugleich aber mit dem Hinweis, dass es auf die Qualifikationsfrage aufgrund der minimalen nationalen Unterschiede für die Entscheidung der Zuständigkeitsfrage nach Art. 6 Nr. 2 EuGVVO nicht ankomme); Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 26; Mansel, in: Europäischer Binnenmarkt, S. 161, 230; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 48.
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Teil 2: Die Bedeutung der Streitverkündung und Art. 8 Nr. 2 EuGVVO
gierten, zu orientieren.39 Insoweit ist davon auszugehen, dass die Interventionsklage das umfassendere Rechtsinstitut darstellt.40 Gewährt das Verfahrensrecht der lex fori dem vom Gläubiger verklagten Gesamtschuldner die Möglichkeit, bereits im Hauptverfahren gegen den anderen Gesamtschuldner Rückgriffsklage zu erheben, handelt es sich um eine Gewährleistungsklage i. S. d. Art. 8 Nr. 2 EuGVVO.41 Der Gesamtschuldner erhebt als Beklagter des Hauptprozesses die Klage gegen den anderen Gesamtschuldner als Dritten, um sich bei ihm wegen möglicher Folgen des Hauptprozesses schadlos zu halten. Denkbar wäre es auch, dass der Gesamtschuldner, den der Gläubiger in Anspruch zu nehmen droht, gegen den Gläubiger eine negative Feststellungsklage und zugleich oder im weiteren Verlauf des Hauptprozesses die Gewährleistungsklage gegen den anderen Gesamtschuldner erhebt. Auf die Parteirollen im Hauptprozess kann es insoweit nicht ankommen. Denn sowohl im Fall einer Verurteilung aufgrund einer Leistungsklage des Gläubigers als auch bei einer Abweisung der negativen Feststellungsklage des Gesamtschuldners besteht das Bedürfnis, den Rückgriffschuldner an das Forum des Hauptprozesses zu binden. Allerdings entscheidet über diese Möglichkeit, ebenso wie über die Möglichkeit einer Gewährleistungsklage im Allgemeinen, das Verfahrensrecht der lex fori. Die Beteiligung am Hauptprozess kann aber ggfs. auch von dem nicht verklagten anderen Gesamtschuldner begehrt werden. Angesprochen ist hiermit die freiwillige Intervention des anderen Gesamtschuldners. Bei einer freiwilligen Invervention liegt kein Fall der Gewährleistungsklage vor, da die Klage nicht von dem Beklagten ausgeht. Sieht das Verfahrensrecht der lex fori die Möglichkeit einer freiwilligen Intervention vor,42 ist sie nur dann von Art. 8 Nr. 2 EuGVVO erfasst, wenn sie unter den Begriff der Interventionsklage subsumiert werden kann. Von Bedeutung ist daher die Frage, wie weit der Begriff der Interventionsklage i. S. d. Art. 8 Nr. 2 EuGVVO reicht. Die Anwendbarkeit des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO auf Fälle der freiwilligen Intervention wird teilweise mit dem Argument abgelehnt, die internationale ZustänHess, EuZPR, § 6 Rdnr. 88; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 8 EuGVVO Rdnr. 27; Mansel, in: Europäischer Binnenmarkt, S. 161, 233; Schack, IVZR, Rdnr. 418; so auch der Schlosser-Bericht, ABl. (EG) 1979 Nr. C 59/71, Rdnr. 135. 40 Jenard-Bericht, Abl. (EG) 1979 Nr. C 59/1, S. 27: Der Begriff der Gewährleistungs klage sei bereits in dem der Intervention enthalten. Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 26; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 49. 41 Hess, EuZPR, § 6 Rdnr. 88; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 8 EuGVVO Rdnr. 27; Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 8 EuGVVO Rdnr. 6; Rüfner, IPRax 2005, 500, 500; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 51. 42 So z. B. die intervention volontaire principale des französischen Rechts, vgl. Köckert, Beteiligung Dritter, S. 33. 39
§ 2: Streitverkündung und Intervention in der EuGVVO
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digkeit ergebe sich in diesen Fällen aus der rügelosen Einlassung des Dritten auf das Verfahren.43 Wer so argumentiert, lässt jedoch außer Acht, dass im Fall der freiwilligen Intervention der Dritte nicht als Beklagter, sondern als Interventionskläger auftritt. Für eine rügelose Einlassung müsste also sodann auf das Verhalten der Hauptpartei abgestellt werden.44 Das gegen die Einbeziehung der freiwilligen Intervention vorgebrachte Argument vermag daher nicht zu überzeugen. Art. 8 Nr. 2 EuGVVO eröffnet also auch für die Fälle der freiwilligen Intervention die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Hauptprozesses.45 Insoweit ist der Begriff der Interventionsklage umfassender als der der Gewährleistungsklage, weil er auch die freiwillige Intervention einbezieht. Geht es dagegen um die erzwungene Einbeziehung des nicht leistenden Gesamtschuldners, sind Gewährleistungs- und Interventionsklage insoweit ein und dasselbe. Daher kann im Folgenden für die genannte Konstellation (nur) der Begriff Gewährleistungsklage verwendet werden; soweit zusätzlich auch die freiwillige Intervention gemeint ist, ist ergänzend der Begriff der Interventionsklage anzuwenden.
III. Die Voraussetzungen des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO Nachdem feststeht, dass auch der Gesamtschuldnerrückgriff mittels der Gewährleistungsklage geltend gemacht, oder durch die Interventionsklage gerichtlich geklärt werden kann, soll im Folgenden auf die Voraussetzungen dieser Klagemöglichkeit eingegegangen werden. 1. Abhängigkeit von der lex fori Eine erste Einschränkung der Bedeutung der Gewährleistung- und der Interventionsklage besteht darin, dass eine solche Klage nicht vor allen mitgliedsstaatlichen Gerichten möglich ist, sondern nur dann, wenn das Verfahrensrecht der lex fori sie vorsieht. Erfolgt die gerichtliche Inanspruchnahme durch den Gläubiger z. B. in Deutschland, Österreich oder Ungarn, besteht für den verklagten Gesamtschuldner nicht die Möglichkeit, den anderen Gesamtschuldner durch eine Gewährleistungsklage in das Verfahren einzubeziehen.
Droz, Compétence Judiciaire, S. 76. Mansel, in: Europäischer Binnenmarkt, S. 161, 235. 45 Köckert, Beteiligung Dritter, S. 72; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 8 EuGVVO Rdnr. 29; Mansel, in: Europäischer Binnenmarkt, S. 161, 234 f., 253; Rüfner, IPRax 2005, 500, 502; von Paris, Streitverkündung, S. 19; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 49. 43
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Teil 2: Die Bedeutung der Streitverkündung und Art. 8 Nr. 2 EuGVVO
2. Internationale Zuständigkeit für die Hauptklage Bereits angesprochen ist die Abhängigkeit der Gewährleistungs- und der Interventionsklage von der lex fori des Hauptverfahrens. Ob die Gewährleistungsund die Interventionsklage nach Art. 8 Nr. 2 EuGVVO am Gerichtsstand der Hauptklage erhoben werden können, steht aber zudem noch im Zusammenhang mit der internationalen Zuständigkeit der Gerichte für die Hauptklage. Anders als der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach Art. 8 Nr. 1 EuGVVO ist die Erhebung einer Gewährleistungs- und einer Interventionsklage nicht auf den Fall beschränkt, dass der Hauptprozess am Wohnsitz einer der Hauptparteien stattfindet. Die internationale Zuständigkeit des Gerichts des Hauptprozesses kann sich auch als besondere Zuständigkeit, aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung oder sogar aufgrund rügeloser Einlassung ergeben. Es muss also keine Verbindung zu dem Gewährleistungsbeklagten bzw. dem Interventionskläger oder dem Streitgegenstand bestehen.46 Dem Gesamtschuldner steht somit an jedem Gerichtsstand der EuGVVO die Möglichkeit der Gewährleistungs- und der Interventionsklage offen, wenn sie dem Verfahrensrecht der lex fori bekannt ist. Umstritten ist allerdings, ob Art. 8 Nr. 2 EuGVVO auch dann greift, wenn die Zuständigkeit des Hauptverfahrens auf das nationale Zuständigkeitsrecht zurückgeht. Von einem Teil der Literatur wird dies allgemein befürwortet.47 Für Winter48 ergibt sich die Anwendbarkeit des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO auf diese Fälle sozusagen als Kehrseite der Möglichkeit, einen Beklagten mit Wohnsitz in einem Drittstaat über die nationalen Vorschriften innerhalb der EU gerichtspflichtig zu machen. In diesem Falle müsse man ihm auch die Verteidigungsmöglichkeiten der Gewährleistungs- und der Interventionsklage einräumen. Mansel49 sieht für eine Beschränkung des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO deshalb keinen Bedarf, weil der Dritte bzw. Gewährleistungsbeklagte ausreichend durch die in Art. 8 Nr. 2 EuGVVO enthaltene Missbrauchsklausel geschützt werde. Dieser Ansicht tritt ein anderer Teil der Literatur entgegen. Er will die Anwendbarkeit des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO davon abhängig machen, dass sich die 46 EuGH, Urteil v. 15.05.1990, Rs. C 365/88 (Kongress Agentur Hagen GmbH ./. Zeehaghe BV), Slg. 1990, I-1845, Rdnr. 11; Audit/d’Avout, DIP, Rdnr. 602; Hess/Pfeiffer/Schlosser, Brussels I Regulation, Rdnr. 238; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 8 EuGVVO Rdnr. 31; Stürner, in: FS Geimer (2002), S. 1307, 1314; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 53. 47 So Mansel, in: Europäischer Binnenmarkt, S. 161, 245; ders., in: Übereinkommen von Brüssel und Lugano, S. 177, 202 Fn. 65; Takahashi, Claims for Contribution, S. 143; Winter, Sachzusammenhang, S. 66 f. 48 Sachzusammenhang, S. 66. 49 in: Europäischer Binnenmarkt, S. 161, 245.
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internationale Zuständigkeit des Gerichts des Hauptprozesses aus der EuGVVO ergibt.50 Begründet wird diese Ansicht damit, dass ansonsten nationalen exorbitanten Gerichtsständen zur Durchsetzung verholfen würde51 und das auf dem exorbitanten Gerichtsstand beruhende Urteil innerhalb der Mitgliedstaaten nach Art. 36 ff. EuGVVO anerkannt und vollstreckt werden könnte. Richtigerweise muss jedoch ein Mittelweg beschritten werden. Ausgehend von dem Zweck der Gewährleistungs- und der Interventionsklage, der darin besteht, die Prozessökonomie zu fördern und einander widersprechende Entscheidungen zu verhindern, steht einer Anwendung auch auf Fälle, in denen sich die internationale Zuständigkeit des Gerichts des Hauptprozesses aus dem nationalen Zuständigkeitsrecht ergibt, grundsätzlich nichts entgegen.52 Allerdings muss die Anwendung des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO die Systematik und Zielsetzung der Verordnung berücksichtigen und ist daher insbesondere mit Art. 5 EuGVVO in Einklang zu bringen. Art. 5 Abs. 1 EuGVVO stellt klar, dass Personen mit Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaates nur nach Maßgabe der Art. 7 bis 26 EuGVVO verklagt werden können. Der über Art. 8 Nr. 2 EuGVVO eröffnete Gerichtsstand stellt eine solche Ausnahme dar und kann daher grundsätzlich angewandt werden. Jedoch legt Art. 5 Abs. 2 EuGVVO ausdrücklich fest, dass gegen Personen mit Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates keine exorbitanten Zuständigkeitsvorschriften geltend gemacht werden können. Exorbitante nationale Zuständigkeitsvorschriften können nur gegenüber Beklagten aus einem Drittstaat angewandt werden. Dieser Differenzierung würde man nicht gerecht werden, wenn man mit Winter davon ausginge, dass sich die Anwendbarkeit des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO in diesen Fällen als Kehrseite der Möglichkeit ergibt, Drittstaatenansässige über die nationalen Vorschriften vor einem Gericht der EU gerichtspflichtig zu machen.53 Dem Ausschluss der exorbitanten Zuständigkeitsvorschriften wird, anders als von Mansel vertreten54, auch nicht hinreichend durch
50 Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 30; Hess, EuZPR, § 6 Rdnr. 88; Hess/Pfeiffer/Schlosser, Brussels I Regulation, Rdnr. 238; Leible, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Art. 8 EuGVVO Rdnr. 32; Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 8 EuGVVO Rdnr. 6; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 54. 51 Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 8 EuGVVO Rdnr. 32 spricht sogar davon, dass Art. 8 Nr. 2 EuGVVO zum „trojanischen Pferd für die von Art. 3 Abs. 2 […] ausgeschlossenen exorbitanten Zuständigkeiten“ werde. 52 So auch Köckert, Beteiligung Dritter, S. 78 f. 53 Der Vorschlag der Kommission, die EuGVVO insgesamt auf Drittstaatensachverhalte zu erweitern, vgl. hierzu KOM (2010) 748 endg., S. 6, 17, wurde nicht umgesetzt. Vgl. hierzu auch Cadet, EuZW 2013, 218, 219. 54 in: Europäischer Binnenmarkt, S. 161, 245.
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die Missbrauchsklausel des Art. 8 Nr. 2 Hs. 2 EuGVVO55 Rechnung getragen.56 Andererseits ist es aber auch nicht erforderlich, Art. 8 Nr. 2 EuGVVO auf solche Fälle zu beschränken, in denen sich die internationale Zuständigkeit des Hauptverfahrens aus den Zuständigkeitsvorschriften der EuGVVO ergibt, wenn lediglich Bedenken gegen die Anwendung exorbitanter Gerichtsstände bestehen. Mit Blick auf die Wertung des Art. 5 Abs. 2 EuGVVO ist die oben aufgeworfene Frage, ob Art. 8 Nr. 2 EuGVVO auch dann greift, wenn die Zuständigkeit des Hauptverfahrens auf das nationale Zuständigkeitsrecht zurückgeht, differenziert zu beantworten. Die Anwendbarkeit des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO hängt nicht davon ab, dass sich die internationale Zuständigkeit des Gerichts des Hauptprozesses aus den Zuständigkeitsvorschriften der EuGVVO ergibt. Er ist vielmehr auch dann anwendbar, wenn die Zuständigkeit aus den nationalen Vorschriften abgeleitet wird. Eine Einschränkung gilt allerdings dann, wenn die internationale Zuständigkeit des Gerichts des Hauptprozesses auf einen nationalen exorbitanten Gerichtsstand gestützt wird.57 Art. 5 Abs. 2 EuGVVO bringt klar zum Ausdruck, dass der europäische Gesetzgeber die Anwendung exorbitanter Gerichtsstände gegenüber Personen mit Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedtstaates missbilligt und ausschließt. Daher darf die Anwendung exorbitanter Gerichtsstände auch nicht mittelbar über die Anwendung des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO gegen eine Person mit Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates erfolgen. 3. Ausschluss einer Gewährleistungs- und Interventionsklage Ausgeschlossen ist die Erhebung einer Gewährleistungsklage, wenn zwischen dem Gewährleistungskläger und dem Drittbeklagten eine vom Forum des Hauptprozesses abweichende Gerichtsstandsvereinbarung vorliegt.58 Art. 8 Nr. 2 EuGVVO vermag sich gegenüber einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung nicht durchzusetzen, sondern ist grundsätzlich durch die Zuständigkeitsvereinbarung abbedungen.59 55
Vgl. hierzu sogleich Teil 2 § 2: A. III. 4. Insoweit verfängt auch das Argument Mansels für die grundsätzliche Anwendbarkeit des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO auf Fälle, in denen sich die internationale Zuständigkeit aus den nationalen Zuständigkeitsvorschriften ergibt, nicht. 57 Ebenso Köckert, Beteiligung Dritter, S. 80. 58 Jenard-Bericht, Abl. (EG) 1979 Nr. C 59/1, S. 27; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 8 EuGVVO Rdnr. 36; Nagel/Gottwald, IZPR, § 3 Rdnr. 124; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 62. 59 Bezieht sich die Gerichtsstandsvereinbarung auf einen reinen Binnensachverhalt, so wird teilweise vertreten, dass sich die Gerichtsstandsvereinbarung dem Willen der Parteien nach nur auf die örtliche Zuständigkeit beziehe und einer Klage nach Art. 8 Nr. 2 EuGVVO 56
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Des Weiteren ergeben sich vorrangige Zuständigkeiten innerhalb der Verordnung, die einen Rückgriff auf Art. 8 Nr. 2 EuGVVO ausschließen. Dies sind zum einen die ausschließlichen Gerichtstände des Art. 24 EuGVVO und zum anderen die Sonderregelungen in Bezug auf Verbraucher- und Arbeitssachen.60 Für Versicherungssachen enthält Art. 13 Abs. 1 EuGVVO eine Sondervorschrift. 4. Missbrauchsklausel, Art. 8 Nr. 2 Hs. 2 EuGVVO Nach der in Art. 8 Nr. 2 Hs. 2 EuGVVO enthaltenen Missbrauchsklausel besteht für die Gewährleistungs- und Interventionsklage keine Klagemöglichkeit am Gericht des Hauptprozesses, wenn die Klage nur erhoben worden ist, um den Dritten einem an sich zuständigen Gericht zu entziehen. Entgegen dem missverständlich formulierten Wortlaut des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO bezieht sich die Missbrauchsklausel nicht auf die erhobene Gewährleistungs- oder Interventionsklage, sondern die Klage des Hauptverfahrens.61 In anderen Sprachfassungen, die bei der grammatikalischen Auslegung der Verordnung ebenfalls zu berücksichtigen sind,62 ergibt sich dies bereits aus dem Wortlaut des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO, etwa in der englischen Fassung, in der sich der Passus „these (proceedings)“ eindeutig auf die ursprüngliche Klage, d. h. die Hauptklage bezieht.63 Bezöge sich die Missbrauchsklausel auf die Erhebung der Gewährleistungs- oder Internicht entgegenstehe, Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 34; Hausmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, Art. 6 EuGVÜ Rdnr. 28. 60 Hess/Pfeiffer/Schlosser, Brussels I Regulation, Rdnr. 226; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 3. Teilweise wird de lege ferenda die Ausweitung der Anwendbarkeit der Gewährleistungs- oder Interventionsklage in Verbraucher- und Arbeitssachen bei Klagen gegen den Vertragspartner der zu schützenden Partei befürwortet. Vgl. nur von Paris, Streitverkündung, S. 41; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, A. 1 – Art. 6 EuGVVO Rdnr. 48. 61 EuGH, Urteil v. 26.05.2005, Rs. 77/04 (Groupement d’intérêt économique (GIE) Réunion européene u. a. ./. Zurich España, Société pyrénéenne de transit d’automobiles (Soptrans)), Slg. 2005, I-4509, Rdnr. 29; eindeutig Jenard-Bericht, Abl. (EG) 1979 Nr. C 59/1, S. 27; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 32; Köckert, Beteiligung Dritter, S. 81 ff.; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 58. 62 Vgl. Teil 1 § 2: E. I. 63 Vgl. z. B. den englischen Text: „a person (…) may also be sued as a third party in an action on a warranty or guarantee or in any other third party proceedings, in the court seised of the original proceedings, unless these were instituted solely with the object of removing him from the jurisdiction of the court which would be competent in his case.” Vgl. auch den spanischen Text: „Las personas (…) podrán ser demanadas: 2) si se tratare de una demanda sobre obligaciones de garantía o para la intervención de terceros en el proceso, ante el tribunal que estuviere conociendo de la demanda principal, salvo que ésta se hubiere formulado con el único objeto de provocar la intervención de un tribunal distinto del correspondiente al demandado“.
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ventionsklage, so wäre man in der misslichen Lage, dass die Gewährleistungsbzw. die Interventionsklage zumeist wegen der Missbrauchsklausel unzulässig wäre. Denn der Gewährleistungs- und der Interventionskläger erhebt die Klage gegen den Dritten mit dem Ziel, den Gewährleistungs- und Interventionsbeklagten vor einem von dessen Wohnsitzgerichtsstand oder einem sonstigen an sich zuständigen Gerichtsstand abweichenden Gericht verklagen zu können, so dass man annehmen könnte, die Gewährleistungs- oder die Interventionsklage würde zu dem (alleinigen) Zweck erhoben, den Dritten dem an sich zuständigen Gericht zu entziehen.64 Schützen will man den Gewährleistungs- und Interventionsbeklagten aber nicht generell vor der Gerichtspflichtigkeit am Gericht des Hauptprozesses, sondern nur vor einer Zuständigkeitserschleichung.65 Ein Gerichtsstandsmissbrauch liegt daher z. B. dann vor, wenn die Hauptparteien eine Gerichtsstandsvereinbarung nur zu dem Zwecke abschließen, den Gewährleistungsbeklagten an diesem Gericht verklagen zu können.66 Gleiches gilt, wenn sich der Hauptbeklagte auf das Verfahren vor einem unzuständigen Gericht nur zu dem Zweck rügelos einlässt, auch den Dritten an diesem Gericht gerichtspflichtig machen zu können.67 Die soeben beschriebenen anerkannten Missbrauchsfälle der Kollusion und der rügelosen Einlassung können auch bei einer Gewährleistungsklage zu Rückgriffszwecken im Rahmen einer Gesamtschuld auftreten. Ein weiterer Missbrauchsfall i. S. d. Art. 8 Nr. 2 Hs. 2 EuGVVO läge ggfs. dann vor, wenn der Gesamtschuldner die Klage durch den Gläubiger „erzwingt“, um sodann die Möglichkeit zu haben, am Forum des Hauptprozesses den anderen Gesamtschuldner in Rückgriff zu nehmen. Die Klage „erzwingen“ kann der Gesamtschuldner nur, indem er die Leistung an den Gläubiger verweigert und ihn so zu einer gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs bewegt. Eine solche Klageerzwingung wäre für den Gesamtschuldner trotz der sodann von ihm zu tragenden Kosten ggfs. dann vorteilhaft, wenn er sich so mittels der Gewährleistungsklage für den Rückgriff gegen den anderen Gesamtschuldner den günstigeren Gerichtsstand des Hauptprozesses sichern könnte. Denn die Möglichkeit, über Art. 8 Nr. 2 EuGVVO am Gericht des Hauptprozesses die Rückgriffsklage zu 64 Köckert, Beteiligung Dritter, S. 82; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 57. 65 EuGH, Urteil v. 26.05.2005, Rs. 77/04 (Groupement d’intérêt économique (GIE) Réunion européene u. a. ./. Zurich España, Société pyrénéenne de transit d’automobiles (Soptrans)), Slg. 2005, I-4509, Rdnr. 32; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 8 EuGVVO Rdnr. 35; Rüfner, IPRax 2005, 500, 502. 66 Köckert, Beteiligung Dritter, S. 82; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 8 EuGVVO Rdnr. 35; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 58. 67 Köckert, Beteiligung Dritter, S. 82.
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erheben, setzt voraus, dass ein Hauptprozess gegen den Gesamtschuldner, der sodann Rückgriff begehren will, geführt wird. Bei freiwilliger Leistung an den Gläubiger stünde ihm Art. 8 Nr. 2 EuGVVO nicht zur Verfügung. Ob eine solche Konstellation einen Missbrauchsfall i. S. d. Art. 8 Nr. 2 Hs. 2 EuGVVO begründen kann, ist hingegen zweifelhaft, weil nach dem Wortlaut der Norm die Klage „erhoben“ werden muss. Erhoben wird die (Haupt-)Klage aber nicht von dem Gesamtschuldner, sondern von dem Gläubiger. Allerdings kann nicht vorausgesetzt sein, dass es gerade der Kläger sein muss, der missbräuchlich handelt, indem er die Klage erhebt. Die Missbrauchsklausel dient dem Schutz des Dritten und muss daher davon unabhängig sein, welcher Hauptpartei der Missbrauch vorzuwerfen ist. Wenn aber auch die Fälle als Missbrauchsfälle anerkannt sind, in denen der Kläger keinen vernünftigen Grund für die Klageerhebung hat, sondern sie nur erhebt, weil er hofft, der Beklagte werde sodann den Dritten im Wege einer Gewährleistunsklage in das Verfahren einbeziehen,68 muss Gleiches auch dann gelten, wenn die Klageerhebung durch den Gläubiger vom Schuldner provoziert wird und sie allein dem Zweck dient, dem beklagten Gesamtschuldner die Möglichkeit zu eröffnen, gegen den anderen Gesamtschuldner die Gewährleistungsklage zu erheben. Besonders kritisch müssen mit Blick auf die Missbrauchsklausel auch die Fälle betrachtet werden, in denen die Gewährleistungs- und die Interventionsklage, soweit zulässig, im Rahmen einer negativen Feststellungsklage erhoben wird. Stellt sich heraus, dass der Gesamtschuldner die negative Feststellungsklage nur deshalb erhoben hat, um den anderen Gesamtschuldner dem an sich für die Rückgriffsklage zuständigen Gericht zu entziehen, muss von einem Missbrauch ausgegangen werden. Diese Feststellung dürfte aber, wie auch sonst, schwierig sein.
IV. Anerkennung und Vollstreckung Ist die Rückgriffsklage gegen den anderen Gesamtschuldner nach Art. 8 Nr. 2 EuGVVO am Gerichtsstand des Hauptprozesses erhoben worden und ist es zu einer Verurteilung des anderen Gesamtschuldners gekommen, so unterliegt die im Rahmen einer Gewährleistungs- oder einer Interventionsklage ergangene Entscheidung als mitgliedstaatliche Entscheidung der Anerkennung und Vollstreckung nach Art. 36 ff. EuGVVO. Anzuerkennen sind sie auch in den Mitgliedstaaten, die selbst keine Gewährleistung- oder Interventionsklage zulassen. Dies stellt Art. 65 Abs. 2 Satz 1 EuGVVO nochmals ausdrücklich klar.
68 Köckert, Beteiligung Dritter, S. 83; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 32; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 8 EuGVVO Rdnr. 35.
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Gegenstand der Prüfung der Anerkennungsvoraussetzungen ist hier nur das Prozessrechtsverhältnis zwischen dem Dritten und seinem Prozessgegner,69 d. h. zwischen dem leistenden und dem rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner. Insoweit ist der Dreiparteienprozess in seine ihm zu Grunde liegenden Prozessrechtsverhältnisse, einerseits zwischen den Hauptparteien und andererseits zwischen dem Gewährleistungskläger bzw. dem Interventionsbeklagten und dem Dritten, aufzugliedern.70 Ob im Hinblick auf das im Hauptverfahren zwischen den ursprünglichen Parteien ergangene Urteil Anerkennungshindernisse vorliegen, ist für die Anerkennung der Gewährleistung- und der Interventionsklage unerheblich.71
B. Die Regelung der Streitverkündung in Art. 65 EuGVVO Die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Rechtsintsituts der Streitverkündung im Rahmen eines internationalen Rechtsstreits regelt Art. 65 Satz 2 EuGVVO. In den in der Liste nach Art. 65 EuGVVO aufgeführten Mitgliedstaaten tritt die Streitverkündung als funktionales Äquivalent an die Stelle der Gewährleistungsklage.72 Mithilfe der Streitverkündung kann ein Dritter in das zwischen den Hauptparteien bestehende Verfahren einbezogen werden. Nachdem bereits auf die Bedeutung der Streitverkündung für den Gesamtschuldnerrückgriff aus der nationalen Perspektive eingegangen worden ist, sollen im Folgenden Aspekte beleuchtet werden, die relevant werden, wenn von der Streitverkündung im Rahmen eines internationalen Rechtsstreits Gebrauch gemacht wird.
I. Erfordernis der internationalen Zuständigkeit in Bezug auf den Streitverkündungsempfänger Zunächst stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen der beklagte Gesamtschuldner (oder im Fall der negativen Feststellungsklage gegen den Gläubiger der klagende Gesamtschuldner) die Möglichkeit hat, einem anderen Gesamtschuldner den Streit zu verkünden. 69 Köckert, Beteiligung Dritter, S. 176 ff.; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 21. 70 Mansel, in: Europäischer Binnenmarkt, S. 161, 249. 71 Vgl. von Paris, Streitverkündung, S. 54, die insoweit von einer anerkennungsrechtlichen Unabhängigkeit spricht. 72 Mansel, in: Europäischer Binnenmarkt, S. 161, 198, 222; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 2.
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Das Gericht des ersten Prozesses, in welchem dem Dritten der Streit verkündet wird, muss nicht auch für eine Klage gegen den Dritten international zuständig sein.73 Der europäische Gesetzgeber hat für eine grenzüberschreitende Streitverkündung die internationale Zuständigkeit nicht zur Voraussetzung gemacht.74 Das Erfordernis der internationalen Zuständigkeit darf auch nicht über die jeweilige lex fori etabliert werden. Ebenso wie bei Gewährleistungs- und Interventionsklagen im Bereich des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO gilt es, die Wirksamkeit der Verordnung nicht durch die Anwendung nationaler (Zulässigkeits-) Vorschriften zu konterkarieren. Soweit das nationale Verfahrensrecht der lex fori das Rechtsinstitut der Streitverkündung vorsieht und dessen Voraussetzungen für den Gesamtschuldnerrückgriff vorliegen, kann der verklagte Gesamtschuldner wegen seines Rückgriffsbegehrens dem anderen Gesamtschuldner den Streit verkünden.
II. Ausschluss der Streitverkündung Soweit die Zulässigkeit der Streitverkündung nach der hier vertretenen Ansicht nicht voraussetzt, dass das Gericht des Erstprozesses für eine Klage gegenüber dem Streitverkündungsempfänger international zuständig wäre75, steht eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zwischen dem Streitverkündenden und dem Streitverkündungsempfänger der Streitverkündung an einem anderen Gerichtsstand nicht entgegen.76 Einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung kann aber durch Auslegung gegebenenfalls zugleich die Bedeutung eines die Streitverkündung ausschließenden Prozessvertrages zu entnehmen sein.77
73 Hess/Pfeiffer/Schlosser, Brussels I Regulation, Rdnr. 219; Kraft, Grenzüberschreitende Streitverkündung, S. 113; Kropholler, in: Handbuch des Int. Zivilverfahrensrechts I, Kap. III Rdnr. 438; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 22; Mankowski, in: Magnus/ Mankowski, Brussels Ibis Regulation, Art. 65 EuGVVO Rdnr. 12; Mansel, ZZP 109 (1996), 61, 62, 73; Nagel/Gottwald, IZPR, § 3 Rdnr. 229; Roth, IPRax 2003, 515, 516; Taupitz, ZZP 102 (1989), 288, 313 f.; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 65 EuGVVO Rdnr. 5; A. A. von Hoffmann/Hau, RIW 1997, 89, 90 f.; von Paris, Streitverkündung, S. 80 ff., 86 f., die die internationale Zuständigkeit dann aber aus dem Interventionsgrund ableiten will. 74 Mansel, in: Übereinkommen von Brüssel und Lugano, S. 177, 185 f.; ders., in: Europäischer Binnenmarkt, S. 161, 198. 75 Vgl. Teil 2: § 2: B. I. 76 Vgl. auch Geimer, IZPR, Rdnr. 1780; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO Rdnr. 102. A. A. Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, § 51 Rdnr. 10; Stürner, in: FS Geimer (2002), S. 1307, 1314. 77 von Hoffmann/Hau, RIW 1997, 89, 91; ausführlich Mansel, ZZP 109 (1996), 61, 68 ff., der im Zweifel von einem entsprechenden Prozessvertrag ausgehen will.
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Gegen die Wirksamkeit eines solchen Vertrages bestehen keine grundsätzlichen Bedenken. 78 Dem ausschließlichen Gerichtsstand nach Art. 24 EuGVVO und den besonderen Zuständigkeitsvorschriften in Verbraucher- und Arbeitnehmersachen kommt dagegen auch im Hinblick auf die Streitverkündung stets ein abschließender Charakter zu, so dass Art. 8 Nr. 2 EuGVVO gesperrt ist.79
III. Anerkennung der Interventionswirkung im Folgeprozess Mittels der Streitverkündung kann der verklagte Gesamtschuldner gegenüber dem anderen Gesamtschuldner die Interventionswirkungen hervorrufen. Das Gericht des Folgeprozesses ist sodann an die tragenden rechtlichen und tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichts gebunden. Findet der Folgeprozess nun in einem anderen Mitgliedstaat statt, muss sichergestellt sein, dass die Interventionswirkungen auch vor den Gerichten des anderen Mitgliedstaates beachtet werden. Diese Aufgabe übernimmt Art. 65 Abs. 2 Satz 2 EuGVVO, indem er eine gegenseitige Anerkennungspflicht der Wirkungen der Streitverkündung innerhalb der Mitgliedstaaten statuiert. Im Hinblick auf die Voraussetzungen der Anerkennung ist mangels eines eigenständigen Verfahrens in analoger Anwendung auf die Vorschriften der Urteilsanerkennung nach Art. 36 ff. EuGVVO zurückzugreifen.80 Denn Gegenstand der Anerkennung ist nicht ein Urteil, das zwischen den Parteien in Rechtskraft erwachsen ist, sondern die von der Streitverkündung ausgehende Interventionswirkung. Da die Interventionswirkung der Entscheidung des Erstgerichts entspringt, müssen bezüglich dieser Entscheidung unstreitig die Anerkennungsvoraussetzungen der Art. 36 ff. EuGVVO vorliegen.81 Um den Streitverkündungsempfänger aber gegenüber einer sonstigen Prozesspartei nicht zu benachteiligen, sind die in Art. 36 Abs. 2 EuGVVO festgelegten Rechtsschutzverfahren analog auf die Einbeziehung des Dritten und die Anerkennung der Interventionswirkung anzuwenden.82 Eine Anerkennung der Interventionswirkung ist demnach zu versagen, wenn ihre Anerkennung dem ordre public des 78 von Hoffmann/Hau, RIW 1997, 89, 90; Nagel/Gottwald, IZPR, § 6 Rdnr. 75. Zur Zulässigkeit eines solchen Prozessvertrages siehe Mansel, ZZP 109 (1996), 61, 64 ff. 79 von Paris, Streitverkündung, S. 76. 80 Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 24; Mansel, in: Europäischer Binnenmarkt, S. 161, 218 ff.; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 65 EuGVVO Rdnr. 9; Winter, Sachzusammenhang, S. 99. 81 Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 24; Mansel, in: Europäischer Binnenmarkt, S. 161, 217; Martiny, in: Handbuch des Int. Zivilverfahrensrechts III/1, Kap. I Rdnr. 399. 82 Köckert, Beteiligung Dritter, S. 186; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 6 EuGVVO
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Anerkennungsstaates offensichtlich widerspricht83 (Art. 45 Abs. 1 lit. a) EuGVVO), dem Streitverkündungsempfänger kein rechtliches Gehör gewährt wurde (Art. 45 Abs. 1 lit. b) EuGVVO) oder aber die Anerkennung zu einer Unvereinbarkeit mit einer Entscheidung der nach Art. 45 Abs. 1 lit. c oder lit. d) EuGVVO bezeichneten Art führen würde.
IV. Überprüfung der Zulässigkeit der Streitverkündung Wird von der Streitverkündung im Rahmen eines internationalen Rechtsstreits Gebrauch gemacht, wirft dies die Frage auf, inwieweit die Zulässigkeit der Streitverkündung überprüft werden kann. Die Frage ist bislang nicht abschließend geklärt. Nach Maßgabe des nationalen deutschen Rechts hat die Prüfung der Zulässigkeit der Streitverkündung aus prozessökonomischen Gründen nicht vom Erstgericht, sondern erst im Folgeprozess zu erfolgen.84 Eine Überprüfung der Voraussetzungen der Streitverkündung im Erstprozess erscheint überflüssig, wenn sich die Wirkungen der Intervention erst im Folgeprozess zeigen und es auch nicht klar ist, ob ein solcher Prozess überhaupt angestrengt werden wird. Für Fälle einer internationalen Streitverkündung, bei denen das Gericht des Erstprozesses und das Gericht des Folgeprozesses in verschiedenen Mitgliedstaaten liegen, wird der eben skizzierte Grundsatz mit Skepsis betrachtet. Es wird gefordert, die Prüfung der Zulässigkeit der Streitverkündung in den Erstprozess zu verlagern.85 Zwar ist auch im Rahmen der internationalen Streitverkündung im Vorverfahren nicht sicher, ob es zu einem Folgeprozess, in dem die Interventionswirkung ihre Bedeutung erlangt, kommen wird. Der Aspekt der Prozessökonomie gewinnt aber eine zusätzliche Dimension. Da sich die Voraussetzungen der Streitverkündung nach nationalen Verfahrensrecht bestimmen, müsste das Gericht des Folgeprozesses der Prüfung mithin ein für ihn fremdes
Rdnr. 24; Mansel, in: Europäischer Binnenmarkt, S. 161, 218; ders., in: Übereinkommen von Brüssel und Lugano, S. 177, 196; Roth, IPRax 2003, 515, 516. 83 Wegen der nach Art. 65 Abs. 2 EuGVVO vorgesehenen Wirkungserstreckung kann die Anerkennung im Hinblick auf die analoge Anwendung des Art. 34 Nr. 1 EuGVVO nicht mit der Begründung versagt werden, die Interventionswirkungen des Staates der Ausgangsentscheidung seien dem Anerkennungsstaat unbekannt. Vgl hierzu Mansel, in: Europäischer Binnenmarkt, S. 161, 225. 84 BGHZ 36, 212, 217; BGHZ 65, 128, 130; von Hoffmann/Hau, RIW 1997, 89, 92; Schultes, in: MünchKomm, ZPO, § 72 Rdnr. 17. 85 von Hoffmann/Hau, RIW 1997, 89, 93; Hess, EuZPR, § 6 Rdnr. 89; Hess/Pfeiffer/ Schlosser, Brussels I Regulation, Rdnr. 232; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 65 EuGVVO Rdnr. 11 f.
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Verfahrensrecht zu Grunde legen.86 Das Zweitgericht müsste sich über das ausländische Rechtsinstitut informieren, um dessen Voraussetzungen prüfen zu können. Dies kann sich nicht nur auf die Verfahrensdauer auswirken, sondern auch erhebliche Kosten verursachen.87 Für eine Verlagerung der Prüfung in den Erstprozess spricht zudem die größere Sachnähe des Erstgerichts, das mit dem die Interventionswirkungen auslösenden Rechtsinstitut vertraut ist.88 Eine in diesem Sinne vorgeschlagene Regelung sollte in der Neufassung der EuGVVO in Art. 76 Abs. 1 Satz 3 aufgenommen werden.89 So wünschenswert eine solche Neuregelung auch war und ist, hat sie nicht Eingang in die im November 2012 verabschiedete Neufassung der EuGVVO gefunden.
86 Hess/Pfeiffer/Schlosser, Brussels I Regulation, Rdnr. 220, 229; Mansel, ZZP 109 (1996) 61, 76; ders., in: Europäischer Binnenmarkt, S. 161, 225. 87 von Hoffmann/Hau, RIW 1997, 89, 93. 88 von Hoffmann/Hau, RIW 1997, 89, 93. 89 Vgl. hierzu KOM (2010) 748 endg. S. 58; KOM (2009) 175 endg. S. 11.
§ 3 Ergebnis Wie die vorstehende Untersuchung gezeigt hat, sind sowohl die Streitverkündung als auch die Gewährleistungs- und die Interventionsklage i. S. d. Art. 8 Nr. 2 EuGVVO für den Gesamtschuldnerrückgriff von Bedeutung. Mittels dieser Drittbeteiligungsinstrumente hat der verklagte Gesamtschuldner die Möglichkeit, den anderen Gesamtschuldner in das Verfahren einzubeziehen. Soweit nach dem Verfahrensrecht der lex fori möglich, kann er am Gericht des Hauptprozesses bereits die Rückgriffsklage gegen den anderen Gesamtschuldner erheben. Vorteilhaft ist dies insbesondere deshalb, weil der verklagte und sodann an den Gläubiger leistende Gesamtschuldner ggfs. auch die Möglichkeit hat, an seinem Wohnsitz einen Rechtsstreit im Rahmen der Gewährleistungsklage gegen den anderen Gesamtschuldner zu führen. Sieht das Recht der lex fori, wie z. B. das deutsche Verfahrensrecht, eine solche Möglichkeit nicht vor, bleibt dem Gesamtschuldner aber die Möglichkeit, dem anderen Gesamtschuldner den Streit zu verkünden. Allerdings ist zu beachten, dass der Gesamtschuldner im Hinblick auf die Einbeziehung des anderen Gesamtschuldners in zweierlei Hinsicht von dem Verhalten des Gläubigers abhängig ist. Zum einen setzt jede Drittbeteiligung voraus, dass der Gesamtschuldner vom Gläubiger in Anspruch genommen wird und bezüglich dieses Anspruchs ein gerichtliches Verfahren, sei es auf Leistungsklage des (angeblichen) Gläubigers, sei es auf negative Feststellungsklage des (angeblichen) Schuldners, stattfindet.90 Leistet der Gesamtschuldner freiwillig an den Gläubiger, so besteht weder die Möglichkeit, dem anderen Gesamtschuldner den Streit zu verkünden, noch im Wege einer Gewährleistungsoder Interventionsklage gegen ihn vorzugehen. Zum anderen hängt das ihm zur Verfügung stehende Drittbeteiligungsinstitut wegen des Vorbehaltes in Art. 65
Soweit vom Verfahrensrecht der lex fori vorgesehen, besteht für den Gesamtschuldner zwar die Möglichkeit, negative Feststellungsklage gegen den Gläubiger zu erheben und im Rahmen dieses Verfahrens von der Gewährleistungsklage Gebrauch zu machen. Allerdings darf die Erhebung der negativen Feststellungsklage nicht allein mit dem Ziel erfolgen, den anderen Gesamtschuldner dem an sich zuständigen Gericht zu entziehen, da ansonsten ein Missbrauchsfall vorläge. Vgl. zur Missbrauchsklausel Teil 2 § 2: A. III. 4. 90
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Teil 2: Die Bedeutung der Streitverkündung und Art. 8 Nr. 2 EuGVVO
EuGVVO davon ab, in welchem Mitgliedstaat der Prozess des Gläubigers gegen ihn stattfindet. Des Weiteren ist dem Rückgriffsgläubiger die Einbeziehung des Dritten nur während des anhängigen Verfahrens möglich. Innerhalb dieser Zeitspanne muss er mögliche Rückgriffschuldner ermitteln und die Drittbeteiligung vorbereiten.
Teil 3: Die eigenständige Rückgriffsklage Im zweiten Teil der Untersuchung wurde aufgezeigt, welche verfahrensrechtlichen Möglichkeiten dem Gesamtschuldner im Hinblick auf seine Rückgriffsforderung zur Verfügung stehen, wenn er selbst gerichtlich von dem Gläubiger im Außenverhältnis in Anspruch genommen wird. Er kann gegen den anderen Gesamtschuldner ein vollstreckbares Rückgriffsurteil (mittels der Gewährleistungsklage) erstreiten oder sein Rückgriffsbegehren zumindest insoweit absichern, als er durch die Streitverkündung die Interventionswirkung hervorruft. In vielen Fällen wird der leistende Gesamtschuldner aber eigenständig und isoliert gegen den anderen Gesamtschuldner vorgehen. Das muss er zum einen dann, wenn er selbst freiwillig an den Gläubiger geleistet und sich gerade nicht auf ein gerichtliches Verfahren mit ihm eingelassen hat. Zum anderen kann die eigenständige Rückgriffsklage gegenüber der Möglichkeit der Drittbeteiligung für den Rückgriffsgläubiger aber auch attraktiver sein, wenn sie ihm einen für ihn günstigeren, weil besser gelegenen Gerichtsstand eröffnet. Der Gerichtsstand der eigenständigen Rückgriffsklage kann insbesondere dann günstiger sein, wenn der leistende Gesamtschuldner vom Gläubiger nicht an seinem Wohnsitz, sondern vor einem fremden Gericht verklagt wird. Daher wird im Folgenden zu untersuchen sein, wie sich eine eigenständige Rückgriffsklage in das Zuständigkeitsregime der EuGVVO verorten lässt.
§ 1: Der sachliche Anwendungsbereich der EuGVVO Fragt man nach den einschlägigen Regelungen für die internationale Zuständigkeit der Rückgriffsklage, so treten in einzelnen Fällen zunächst Fragen des sachlichen Anwendungsbereichs der EuGVVO auf. Umschrieben wird der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung von deren Art. 1. Die EuGVVO ist demnach in Zivil- und Handelssachen anzuwenden. Hiervon ausgenommen sind insbesondere Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten oder, im Rahmen der Neufassung der EuGVVO explizit aufgenommen, die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte (acta iure imperii), Art. 1 Abs. 1 S. 2 EuGVVO. Auch auf die in Abs. 2 genannten Rechtsgebiete findet die Verordnung keine Anwendung. Eine Definition des Begriffs der Zivil- und Handelssache ist jedoch weder der aktuellen oder der alten Fassung der Verordnung noch dem EuGVÜ als dessen Vorgänger zu entnehmen.1 Allgemein anerkannt ist, dass mit der Begrenzung auf Zivil- und Handelssachen eine Abgrenzung zum öffentlichen Recht erfolgen soll.2 Da die Abgrenzung von Privat- und öffentlichem Recht in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich vollzogen wird,3 kann eine einheitliche Anwendung der Verordnung auch hier nur durch eine autonome Auslegung des Begriffs der Zivil- und Handelssache gewährleistet werden.4
Vgl. nur Jenard-Bericht, Abl. (EG) 1979 Nr. C 59/1, S. 9. Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, A.1. – Art. 1 EuGVVO Rdnr. 1; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 1 EuGVVO Rdnr. 1; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EUGVVO Rdnr. 1, 18; Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 1 EUGVVO Rdnr. 3 f.; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 1 EuGVVO Rdnr. 1. 3 Im Vereinigten Königreich und Irland erfolgt eine Unterscheidung zwischen dem öffentlichen und privaten Recht nicht in derselben Weise wie in den sonstigen Mitgliedstaaten. Dem Begriff des civil law kommt vielmehr die Aufgabe zu, den Gegensatz zum Strafrecht zu bezeichnen. Vgl. hierzu Schlosser-Bericht, Abl. (EG) 1979 Nr. C 59/71, Rdnr. 24. 4 St. Rspr. des EuGH, Urteil v. 14.10.1976, Rs. 29/76 (LTU ./. Eurocontrol), Slg. 1976, 1541, Rdnr. 3; EuGH, Urteil v. 16.12.1980, Rs. 814/79 (Niederländischer Staat ./. Reinhold Rüffer), Slg. 1980, 3807, Rdnr. 7; EuGH, Urteil v. 21.04.1993, Rs. C-172/91 (Volker Sonntag ./. Hans Waidmann u. a.), Slg. 1993, I-1963, Rdnr. 18; Geimer, IPRax 2003, 512, 514; Lorenz/ 1 2
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Teil 3: Die eigenständige Rückgriffsklage
A. Der Begriff der Zivil- und Handelssache im Allgemeinen Mehrfach hat der EuGH in seinen Entscheidungen zum sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung Stellung bezogen und dabei dem Begriff der Zivil- und Handelssache Kontur verliehen. Als Ausgangspunkt kann die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache LTU/Eurocontrol aus dem Jahre 1976 betrachtet werden. Der EuGH urteilte darin (noch zum EuGVÜ), dass „bestimmte Arten gerichtlicher Entscheidungen wegen der Natur der zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen oder wegen des Gegenstands des Rechtsstreits vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgeschlossen sind“5. Zugleich stellte der EuGH klar, dass die Beteiligung einer öffentlichen Behörde am Rechtsstreit die Anwendbarkeit des Übereinkommens nicht per se ausschließt. Nur wenn die Behörde den Rechtsstreit im Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse führt, liegt keine dem Übereinkommen unterfallende Zivil- und Handelssache vor. Zur Feststellung, ob der Rechtsstreit im Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse steht, bietet sich der vom EuGH in der Rechtssache Sonntag/Waidmann angeführte Vergleich mit dem Handeln einer Privatperson an. Hoheitliche Befugnisse werden dann wahrgenommen werden, wenn bei der Ausübung der Befugnisse von den zwischen Privatpersonen geltenden Regeln abgewichen wird.6
B. Der Begriff der Zivil- und Handelssache bei Rückgriffsklagen Die Frage nach dem sachlichen Anwendungsbereich der EuGVVO bereitet für Rückgriffsklagen besondere Schwierigkeiten, weil dabei sowohl dem Außenals auch dem Innenverhältnis Bedeutung zukommen kann. Das kann anhand von folgenden Beispielsfällen illustriert werden: Beispiel 1: Der Pächter P betreibt über Jahre hinweg eine Tankstelle in der Gemeinde G. Nachdem das Grundstück an E veräußert wurde, wird festgestellt, dass während des Betriebs der Tankstelle Altöl in den Boden gesickert ist. Für die KonUnberath, in: FS Schlosser (2005), S. 513, 520; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 1 EuGVVO Rdnr. 3. 5 EuGH, Urteil v. 21.04.1993, Rs. C-172/91 (Volker Sonntag ./. Hans Waidmann u. a.), Slg. 1993, I-1963, Rdnr. 4. 6 EuGH, Urteil v. 21.04.1993, Rs. C-172/91 (Volker Sonntag ./. Hans Waidmann u. a.), Slg. 1993, I-1963, Rdnr. 22.
§ 1: Der sachliche Anwendungsbereich der EuGVVO
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taminierung des Bodens haften P und E als Handlungs- und Zustandsstörer im polizeirechtlichen Sinne. Die Gemeinde G als Ordnungsbehörde zieht E als Zustandsstörer wegen der Kontaminierung des Bodens heran. E verlangt nun von P Ausgleich. Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht kann der Ausgleichsanspruch auf § 426 BGB analog gestützt werden.7 Beispiel 2:8 Obwohl seit dem Inkrafttreten der EuUnthVO Unterhaltsansprüche nicht mehr in den Anwendungsbereich der EuGVVO fallen, soll Grundlage für den zweiten Beispielsfall folgender Sachverhalt sein: Nachdem die Gemeinde G Unterhaltsvorschuss an die berechtigten Personen geleistet hat, verlangt sie vom Unterhaltsverpflichteten Rückgriff. Beispiel 3:9 Der Bürge B verbürgt sich für eine zollrechtliche Forderung gegen den Hauptschuldner S. Nachdem er gegenüber der Zollbehörde die Zollforderung beglichen hat, will er beim Hauptschuldner aus übergegangenem Recht Rückgriff nehmen. Ähnliches wäre bei einem Rückgriff gegen einen Mitbürgen denkbar. § 774 Abs. 2 BGB ordnet im deutschen Recht insoweit die Geltung des § 426 BGB an. Die Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs der Verordnung bereitet in den genannten Beispielsfällen Schwierigkeiten, weil entweder eine öffentliche Behörde als Rückgriffspartei beteiligt ist (Beispielsfall 2) oder die Inanspruchnahme des Rückgriffsgläubigers auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erfolgt (Beispielsfall 1 und 3). Soweit man für diese Fälle von dem Vorliegen einer Gesamtschuld ausgeht, stellt sich also die Frage, ob zur Beurteilung des sachlichen Anwendungsbereichs auf das Außen- oder das Innenverhältnis abgestellt werden muss.
7 Vgl. hierzu Finkenauer, NJW 1995, 432 ff.; Kohler-Gehrig, NVwZ 1992, 1049 ff. In der Rechtsprechung wird ein Gesamtschuldverhältnis zwischen mehreren Störern überwiegend abgelehnt, vgl. BGH, NJW 1981, 2457, 2458; OLG Düsseldorf, NVwZ 1989, 993, 997. Mittlerweile sieht § 24 II 1 BBodSchutzG einen Ausgleichsanspruch vor, auf den hier jedoch nicht näher eingegangen werden soll, vgl. hierzu aber Wagner, BB 2000, 417 ff. 8 Sachverhalt ist angelehnt an EuGH, Urteil v. 14.11.2002, Rs. C-271/00 (Gemeente Steenbergen ./. Luc Baten), Slg. 2002, I-10489 und EuGH, Urteil v. 15.01.2004, Rs. C-433/01 (Freistaat Bayern ./. Jan Blijdenstein), Slg. 2004, I-981. 9 Sachverhalt ist angelehnt an EuGH, Urteil v. 05.02.2004, Rs. C-265/02 (Frahuil SA ./. Assitalia SpA), Slg. 2004, I-1543.
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I. Die Rechtsprechung des EuGH Soweit der EuGH bislang im Zusammenhang mit Rückgriffsklagen zum sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung Stellung genommen hat, stellte er als maßgebliches Kriterium darauf ab, ob das Handeln des Rückgriffsschuldners mit dem Handeln einer Privatperson vergleichbar ist oder ob von den zwischen Privatpersonen geltenden Regelungen abgewichen wird.10 Wegen der Vielzahl von Rechtsverhältnissen, die dem Außen- oder Innenverhältnis zugeordnet werden können, will der EuGH die Frage, ob der Rechtsstreit im Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse geführt wird, anhand der Grundlage der Klage und der Modalitäten ihrer Erhebung beantworten.11 Um insbesondere auch für den Gesamtschuldnerrückgriff bestimmen zu können, was unter der Grundlage der Klage und der Modalitäten ihrer Erhebung zu verstehen ist, sollen die Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Baten, Blijdenstein und Frahuil einer näheren Betrachtung unterzogen werden. 1. Das Urteil in der Rechtssache Baten In der Rechtssache Baten führte der EuGH erstmals das Kriterium der Grundlage der Klage und der Modalitäten ihrer Erhebung an. Der Entscheidung lag eine Rückgriffsklage nach Art. 102 ff. ABW der niederländische Gemeinde gegen Herrn Baten zugrunde. Die Gemeinde begehrte Rückzahlung der von ihr an die geschiedene Ehefrau und die Tochter von Herrn Baten nach dem Algemene Bijstandswet (Allgemeines Sozialhilfegesetz) geleistete allgemeine Beihilfe zum Lebensunterhalt.12 Die Rückgriffsklage gegen Herrn Baten stützte die Gemeinde auf Art. 93 ABW, der einen Rückgriff gegen den gesetzlichen Unterhaltsverpflichteten vorsieht. Im Hinblick auf die Grundlage der Klage führt der EuGH aus, dass im konkreten Fall der Rückgriff nach Art. 93 ABW nur bis zur Höhe der im Ersten Buch des niederländischen Burgeliik Wetboek festgelegten Unterhaltspflicht und nur von dem gesetzlich Unterhaltsverpflichteten gefordert werden könne 10 EuGH, Urteil v. 14.11.2002, Rs. C-271/00 (Gemeente Steenbergen ./. Luc Baten), Slg. 2002, I-10489, Rdnr. 36; EuGH, Urteil v. 15.01.2004, Rs. C-433/01 (Freistaat Bayern ./. Jan Blijdenstein), Slg. 2004, I-981, Rdnr. 20; EuGH, Urteil v. 05.02.2004, Rs. C-265/02 (Frahuil SA ./. Assitalia SpA), Slg. 2004, I-1543, Rdnr. 21. 11 EuGH, Urteil v. 14.11.2002, Rs. C-271/00 (Gemeente Steenbergen ./. Luc Baten), Slg. 2002, I-10489, Rdnr. 31; EuGH, Urteil v. 15.01.2004, Rs. C-433/01 (Freistaat Bayern ./. Jan Blijdenstein), Slg. 2004, I-981, Rdnr. 20; EuGH, Urteil v. 05.02.2004, Rs. C-265/02 (Frahuil SA ./. Assitalia SpA), Slg. 2004, I-1543, Rdnr. 20. 12 EuGH, Urteil v. 14.11.2002, Rs. C-271/00 (Gemeente Steenbergen ./. Luc Baten), Slg. 2002, I-10489, Rdnr. 9.
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und somit von zivilrechtlichen Vorschriften abhinge.13 Hieraus folgert der EuGH, dass sich die Rückgriffsklage nach zivilrechtlichen Vorschriften bestimme. Die dafür maßgeblichen Kriterien (Unterhaltshöhe und Unterhaltsverpflichteter) scheint der EuGH dem Außenverhältnis zwischen den unterhaltsberechtigten und dem unterhaltsverpflichteten Privatpersonen zu entnehmen. Ausführungen zum eigenen (Außen-)Verhältnis, aufgrund dessen die Sozialhilfe von der Behörde geleistet wurde, machte der Gerichtshof nicht. In Bezug auf die Modalitäten der Klageerhebung stellt er darauf ab, dass Art. 103 ABW die Erhebung der Klage vor den Zivilgerichten und die Geltung der Bestimmungen der Zivilprozessordnung vorsehe. Aus beiden Aspekten folgert der EuGH sodann, dass die Rechtstellung der öffentlichen Behörde daher grundsätzlich mit der einer privaten Rückgriffspartei vergleichbar sei, die in die Rechte des ursprünglichen Gläubigers eintrete oder von einem Dritten Schadensersatz fordern könne.14 Allerdings müsse beachtet werden, dass die öffentliche Behörde nach Art. 94 ABW nicht an die zwischen den Ehegatten getroffene Unterhaltsverzichtsvereinbarung gebunden ist.15 Der Behörde sei daher eine von den allgemeinen Vorschriften abweichende Rechtsstellung eingeräumt. Somit übe sie eigene, besondere Befugnisse aus, weshalb der Rechtsstreit dem Anwendungsbereich der EuGVVO (damals EuGVÜ) entzogen sei. Das letztere und entscheidende Kriterium, die Nichtbindung an den Unterhaltsverzicht, der zwischen den Ehegatten getroffen wurde, ist dem Innenverhältnis zuzuordnen. 2. Das Urteil in der Rechtssache Blijdenstein Der Sachverhalt in der Rechtssache Blijdenstein betrifft ebenfalls die Rückforderung eines geleisteten Unterhaltsvorschusses, unterscheidet sich von dem der Rechtssache Baten aber dadurch, dass die öffentliche Behörde nicht einen eigenen Rückgriffsanspruch geltend machte, sondern sich zu den Rückgriffszwecken auf den auf sie nach § 37 Abs. 1 BAföG übergegangenen Unterhaltsanspruch berief. Unter Bezugnahme auf die in der Rechtssache Baten aufgestellten Kriterien der Grundlage der Klage und der Modalitäten ihrer Erhebung bejaht der EuGH die Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs der Verordnung (damals EuGVÜ) mit dem Hinweis, dass die Legalzession, die den Ländern nach § 37 EuGH, Urteil v. 14.11.2002, Rs. C-271/00 (Gemeente Steenbergen ./. Luc Baten), Slg. 2002, I-10489, Rdnr. 32. 14 EuGH, Urteil v. 14.11.2002, Rs. C-271/00 (Gemeente Steenbergen ./. Luc Baten), Slg. 2002, I-10489, Rdnr. 34. 15 EuGH, Urteil v. 14.11.2002, Rs. C-271/00 (Gemeente Steenbergen ./. Luc Baten), Slg. 2002, I-10489, Rdnr. 36. 13
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Abs. 1 BAföG gegenüber den Eltern der Empfänger der Ausbildungsförderung zugute komme, dem Zivilrecht unterliege. Eine nähere Begründung oder eine Differenzierung zwischen den Kriterien der Grundlage der Klage und den Modalitäten ihrer Erhebung kann dem Urteil nicht entnommen werden. 3. Das Urteil in der Rechtssache Frahuil In der Rechtssache Frahuil bestanden die Zweifel an der Anwendbarkeit der Verordnung, anders als bei den Rechtssachen Baten und Blijdenstein, nicht aufgrund der direkten Beteiligung einer öffentlich-rechtlichen Person, sondern weil mit der Rückgriffsklage der Ausgleich des Bürgen für eine anstelle des Hauptschuldners geleistete Zollforderung verlangt wurde. Die in Frankreich ansässige Firma Frahuil führte Waren aus Drittländern nach Italien ein. Mit der Abwicklung der Formalitäten der Zollabwicklung beauftragte sie den Spediteur Vegetoil. Vegetoil machte von der im italienischen Recht vorgesehenen Möglichkeit der Stellung einer Sicherheit für die Zollabgaben Gebrauch und erreichte so einen Zahlungsaufschub. Für die Zollabgaben verbürgte sich die in Italien niedergelassene Assitalia. Nachdem Assitalia die geschuldeten Zollabgaben entrichtete, wollte sie, gestützt auf die aus dem italienischen Recht vorgesehenen Bürgschaftsvorschriften der Art. 1949 und 1950 Codice civile, vor einem italienischen Gericht gegen Frahuil als Hauptschuldner Rückgriff nehmen. Zwar zieht der EuGH auch in der Rechtssache Frahuil die Grundlage der Klage und die Modalitäten ihrer Erhebung heran. Die Ausführungen hierzu fallen jedoch knapp aus. Zur Einordnung der Streitigkeit als privatrechtliche Streitsache stellt der EuGH darauf ab, dass die Partei von einem Rechtsbehelf Gebrauch mache, der ihr durch eine Legalzession nach einer Bestimmung des Zivilrechts verschafft worden sei. Die Partei übe daher keine hoheitlichen Befugnisse aus.16
II. Die Anwendung der vom EuGH aufgestellten Grundsätze auf den Gesamtschuldnerrückgriff 1. Die Kriterien der Grundlage der Klage und der Modalitäten ihrer Erhebung Wie eben gezeigt, können explizite Ausführungen zu dem Kriterium der Modalitäten der Klageerhebung lediglich dem Urteil in der Rechtssache Baten entnommen werden. Diesbezüglich führte der EuGH aus, dass die Klage vor den 16 EuGH, Urteil v. 05.02.2004, Rs. C-265/02 (Frahuil SA ./. Assitalia SpA), Slg. 2004, I-1543, Rdnr. 21.
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Zivilgerichten zu erheben sei und für sie die Bestimmungen der Zivilprozessordnung gelten.17 Die Aussage des EuGH darf aber nicht so interpretiert werden, dass dem Rechtsweg der Klage Bedeutung zukommt. Denn die Einordnung als Zivil- und Handelssache erfolgt, wie ausdrücklich in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO festgestellt, unabhängig der Art der Gerichtsbarkeit.18 Muss die Rückgriffsklage vor den Zivilgerichten erhoben werden, so ist der zu beschreitende Rechtsweg allenfalls ein Indiz für die fehlende Ausübung hoheitlicher Befugnisse, da sich die Behörde zur Durchsetzung ihres Anspruchs wie eine Privatperson der Hilfe staatlicher Gerichte bedienen muss. Stünde der öffentlichen Behörde als Rückgriffspartei die Möglichkeit der Verwaltungsvollstreckung offen, könnte sie ihren Rückgriffsanspruch z. B. durch Verwaltungsakt einseitig festlegen und durchsetzen, so wäre ihre Position nicht mehr mit der einer privaten Rückgriffspartei vergleichbar. Die ihr zur Verfügung stehenden Mittel der Durchsetzung und Geltendmachung wären sodann gegenüber den zwischen privaten Personen geltenden Bestimmungen exorbitant.19 Insgesamt kann dem Kriterium der Modalitäten der Klageerhebung daher keine abschließende Bedeutung beigemessen werden. Größere Bedeutung kommt der Grundlage der Klage zu. Um diese zu ermitteln, zieht der EuGH eine Vielzahl von Kriterien heran. Entscheidend sind zum einen die Vorgaben, aus denen sich die Höhe des Anspruchs und die Person des Rückgriffschuldners ergeben. Zum anderen ist aber auch maßgeblich, mit welchen weiteren Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung der Rückgriffsgläubiger ausgestattet wird. Daher ist es naheliegend, den geltend gemachten Rückgriffsanspruch des Gläubigers als Grundlage der Klage in diesem Sinne zu verstehen. 2. Folgerungen für den Gesamtschuldnerrückgriff Für den Gesamtschuldnerrückgriff bedeutet dies, dass dem Innenverhältnis der Gesamtschuldner maßgebliche Bedeutung zukommt. Steht dem Gesamtschuldner für seinen Rückgriff ein eigener Ausgleichsanspruch zu, der ihm Befugnisse einräumt, die einer Privatperson nicht zustünden, handelt es sich um keine Zivil- und Handelssache i. S. d. Art. 1 EuGVVO. Soweit dem Rückgriffsgläubiger aber auch ein übergeleiteter Anspruch zusteht, stellt sich die Frage, welche Bedeutung der Rechtsnatur des übergeleiteten EuGH, Urteil v. 14.11.2002, Rs. C-271/00 (Gemeente Steenbergen ./. Luc Baten), Slg. 2002, I-10489, Rdnr. 33. 18 Kritisch daher auch Blobel, EuLF 2004, 46, 48. 19 EuGH, Urteil v. 21.04.1993, Rs. C-172/91 (Volker Sonntag ./. Hans Waidmann u. a.), Slg. 1993, I-1963, Rdnr. 22; EuGH, Urteil v. 05.02.2004, Rs. C-265/02 (Frahuil SA ./. Assitalia SpA), Slg. 2004, I-1543, Rdnr. 21. 17
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Anspruchs und der den Übergang anordnenden Norm zukommt. Mit dieser Frage musste sich der EuGH in der Rechtssachen Blijdenstein und Frahuil auseinandersetzen. Die äußerst knapp gehaltenen Äußerungen des EuGH, insbesondere die Formulierung, die Legalzession unterliege dem Zivilrecht20 bzw. der Rechtsbehelf sei durch eine Legalzession nach einer Bestimmung des Zivilrechts verschafft worden 21, tragen zur Klärung zunächst wenig bei. Unklar bleibt, ob die Rechtsnatur des übergegangenen Anspruchs oder aber eventuell auch die die Legalzession anordnende Norm 22 entscheidungserheblich sein sollen. Die Annahme, über die Reichweite des sachlichen Anwendungsbereichs der Verordnung müsse auf Grund der die Legalzession anordnenden Norm entschieden werden, mag sich zwar auf die Entscheidung in der Rechtssache Frahuil stützen, nicht aber auf das Urteil in der Rechtssache Blijdenstein. Denn hier wurde die Legalzession von § 37 BAföG, einer Norm des öffentlichen Rechts, angeordnet. Die Maßgeblichkeit der Rechtsnatur der den Übergang der Forderung anordnenden Norm überzeugt auch sachlich nicht. Soweit die Rechtsfolge der Norm lediglich darin besteht, einen Anspruch überzuleiten, ist es unerheblich, ob diese Norm dem Zivilrecht oder dem Öffentlichen Recht entnommen wird. Wollte man zur Einordnung der Rückgriffsklage dagegen auf die Rechtsnatur des übergeleiteten Anspruchs abstellen, ließe sich umgekehrt zwar die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Blijdenstein begründen, nicht aber die in der Rechtssache Frahuil. Denn in dieser Sache wurde eine zollrechtliche Forderung auf den Bürgen übergeleitet, die an sich dem Anwendungsbereich der EuGVVO ausdrücklich entzogen ist, Art. 1 Abs. 1 Satz 2 EuGVVO. Dennoch sah der EuGH den Anwendungsbereich der Verordnung für die Rückgriffsklage des Bürgen als eröffnet an. In der Sache ist ihm auch zuzustimmen. Die Rechtsnatur des übergeleiteten Anspruchs kann nicht darüber entscheiden, ob auch eine Rückgriffsklage dem Anwendungsbereich der Verordnung unterfällt oder nicht.23 Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO, der auf das Vorliegen einer Zivil- und Handelssache und nicht auf einen zivilrechtlichen Anspruch abstellt. Nicht der geltend gemachte materielle
20 EuGH, Urteil v. 15.01.2004, Rs. C-433/01 (Freistaat Bayern ./. Jan Blijdenstein), Slg. 2004, I-981, Rdnr. 21. 21 EuGH, Urteil v. 05.02.2004, Rs. C-265/02 (Frahuil SA ./. Assitalia SpA), Slg. 2004, I-1543, Rdnr. 21. 22 Vgl. zu diesen Gedanken auch Freitag, IPRax 2004, 305, 307. 23 So aber Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EuGVVO Rdnr. 36 ff.; ders., EWiR 2004, 379, 379.
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Anspruch, sondern der Rechtsstreit als solcher ist entscheidend.24 Nur wenn im Zusammenhang mit diesem Rechtsstreit hoheitliche Befugnisse ausgeübt werden, ist ein Ausschluss aus dem sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung gerechtfertigt. Ob im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit unter den Rückgriffsparteien hoheitliche Befugnisse ausgeübt werden, ist jedoch für jede Rückgriffspartei anhand der ihr zur Verfügung stehenden Befugnisse zu bestimmen. Hierbei spielt die legalzedierte Forderung unmittelbar grundsätzlich keine Rolle. Auch wenn man zu Rückgriffszwecken eine öffentlich-rechtliche Forderung geltend machen kann, heißt dies nicht, dass man dabei auch hoheitliche Befugnisse ausübte. Dass, wie in der Rechtssache Frahuil, die übergeleitete (Zoll-)Forderung durch die Ausübung hoheitlicher Befugnisse entstanden ist, ändert nichts. Problematisch wäre bei Maßgeblichkeit der Rechtsnatur des übergegangenen Anspruchs für die Qualifikation des Rechtsstreites als Zivil- und Handelssache zudem, dass es hierdurch zu einer Rechtswegzersplitterung käme. Wird der Rückgriff, wie z. B. im Fall der Rechtssache Frahuil, sowohl über einen eigenen Ausgleichsanspruch (Art. 1950 Abs. 1 Codice Civile) als auch mittels der übergeleiteten Gläubigerforderung (Art. 1949 Codice Civile) ermöglicht, wäre der Gerichtsstand für die Klage in Bezug auf den originären Ausgleichsanspruch nach der EuGVVO zu beurteilen, während der sachliche Anwendungsbereich der EuGVVO bezüglich des Anspruchs aus übergegangenem Recht, hier der Zollforderung, verschlossen bliebe.25 Es wäre jedoch verfehlt, wenn das Rückgriffsverlangen einer Privatperson gegenüber einer anderen Privatperson bei Geltendmachung eines Anspruchs aus übergegangenem Recht als Ausübung hoheitlicher Befugnisse betrachtet würde, nicht jedoch bei Geltendmachung eines eigenen Ausgleichsanspruches. In beiden Fällen wird ein und derselbe privatrechtliche Rückgriffszweck, die Lastenverteilung, verfolgt.26 Die Legalzes-
24 Ebenso Lehmann, ZZPInt 9 (2004), 172, 179; Mäsch/Fountoulakis, GPR 2005, 98, 98: die Abgrenzung der Zivil- und Handelssache ggü. den öffentlich-rechtlichen Sachen sei nicht mit einer Gegenüberstellung von öffentlich-rechtlicher Forderung und privatrechtlicher Forderung gleichzusetzen. Für die Maßgeblichkeit des Streitgegenstandes auch Knöfel, GPR 2015, 210 ff. 25 Vgl. zu dieser Überlegung auch Freitag, IPRax 2004, 305, 308, der unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie und des Sachzusammenhangs die Frage, ob ein öffentlich-rechtlicher Anspruch durch den Übergang auf eine Privatperson seine Rechtsnatur ändere, dahinstehen lässt. 26 Lorenz/Unberath, in: FS Schlosser (2005), S. 513, 520; dies., IPRax 2004, 298, 300. Auch ein auf die öffentliche Behörde übergegangener Anspruch dient primär dem Zweck die Nachrangigkeit der öffentlichen Hilfeleistung wiederherzustellen, vgl. Martiny, IPRax 2004, 195, 196.
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sion ist lediglich das technische Mittel zur Erreichung des Zwecks. In einem rein privatrechtlichen Verhältnis aber werden keine Hoheitsrechte ausgeübt.27 Entscheidend ist also weder allein die Rechtsnatur des übergegangenen Anspruchs noch allein die den Übergang anordnende Norm, sondern ob der Anspruch in der Hand der rückgriffssuchenden Partei hoheitliche Befugnisse umfasst und damit den Rechtsstreit als öffentlich-rechtlich charakterisiert. Eine öffentliche Forderung kann bei dem Übergang auf eine Privatperson ihren öffentlich-rechtlichen Charakter also durchaus verlieren und zu einer zivilrechtlichen Forderung mutieren.28 Ebenso kann sich ein aus einem Zivilrechtsverhältnis legalzedierter Anspruch in der Hand der Behörde mit hoheitlichen Befugnissen aufladen, was dazu führt, dass die Rückgriffsklage nicht als Zivil- und Handelssache zu betrachten ist, weil das Rückgriffsverhältnis sodann nicht mehr mit dem unter Privatpersonen vergleichbar ist. Bei der Frage, ob ein Anspruch mit hoheitlichen Befugnissen aufgeladen wird, kann die die Legalzes sion und den Rückgriff anordnende Norm also durchaus, wenn auch nicht auschließlich, zu berücksichtigen sein. Räumt sie beispielsweise der öffentlichen Behörde als Rückgriffspartei neben der Rechtsfolge aus der Legalzession weitere Befugnisse ein, in dem sie ihr es z. B. ermöglicht, den zedierten Anspruch einseitig festzusetzen, oder lässt sie zwischen den Ursprungsparteien bestehende Vereinbarungen unberücksichtigt, so wird der legalzedierte Anspruch in der Hand der Behörde mit hoheitlichen Befugnissen aufgeladen.
III. Ergebnis Die Frage, wann eine Rückgriffsklage vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen ist, weil sie im Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse steht, wirft einige Schwierigkeiten auf. Betroffen ist insbesondere die Frage nach der Beachtlichkeit des Außenverhältnisses. Ob hoheitliche Befugnisse ausgeübt werden und daher die Verordnung nicht anwendbar ist, ist auch beim Gesamtschuldnerrückgriff anhand eines Bündels verschiedener Kriterien zu bestimmen. Der Rechtstellung der Rückgriffsparteien kommt da27 Lorenz/Unberath, in: FS Schlosser (2005), S. 513, 521; Mäsch/Fountoulakis, GPR 2005, 98, 99: die cessio legis macht ihren „Begünstigten nicht zu einem Hoheitsträger und die Geltendmachung des Regressanspruches […] nicht zu einem Hoheitsakt“. 28 Finkenauer, NJW 1995, 432, 434; Lorenz/Unberath, IPRax 2004, 298, 299 f. So auch bereits BGH NJW 1973, 1077, 1078 in Bezug auf den ordentlichen Rechtsweg: nach Übergang der Zollforderung diene diese nur noch privatrechtlichen Rückgriffsinteressen weswegen auch der ordentliche Rechtsweg gegeben sei. Kritisch Rimmelspacher, JZ 1975, 165 f. Zustimmend Stolterfoht, JZ 1975, 658, 662: die fehlende Ausübung von Hoheitsrechten mache aus der Zollforderung eine privatrechtliche Forderung und Wittwer, ZEuP 2005, 868, 875 f.
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bei allenfalls Indizwirkung zu.29 Als geeignetes Kriterium erweist sich die Frage nach der Vergleichbarkeit mit den zwischen Privatpersonen geltenden Bestimmungen und der damit verbundenen Gleichrangigkeit der Rückgriffsparteien.30 Um diesen Vergleich ziehen zu können, müssen alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. Relevant werden können sowohl die Natur des geltend gemachten Anspruchs als auch die persönlichen Umstände des Rückgriffsgläubigers, insbesondere wie er den Anspruch geltend machen kann.
Vgl. auch Hess, IPRax 1994, 10, 12. Vgl. in diesem Sinne auch Martiny, IPRax 2004, 195, 201; Mäsch/Fountoulakis, GPR 2005, 98, 98; so auch schon van Hecke, IPRax 1992, 205, 205. Die Gleichrangigkeit der Parteien zeichnet sich eben auch durch eine bestehende Waffengleichheit aus. Hierzu auch schon: Basedow, in: Handbuch des Int. Zivilverfahrensrechts I, Kap. II Rdnr. 81; Hess, EuZPR, § 6 Rdnr. 11. 29
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§ 2: Die zu Rückgriffszwecken übergeleitete Gläubigerforderung Nachdem die Grundlagen für die Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs der Verordnung für Rückgriffsansprüche entwickelt worden sind, beschäftigt sich der folgende Abschnitt zunächst mit dem Rückgriffsanspruch aus übergeleitetem Recht und dessen zuständigkeitsrechtlicher Verortung im System der EuGVVO. Bei dieser Form des Rückgriffs bedient sich der Gesamtschuldner der Forderung, die der ursprüngliche Gläubiger gegen den anderen Gesamtschuldner hatte. Der leistende Gesamtschuldner tritt in die Position des Hauptgläubigers ein und macht dessen Anspruch zu Rückgriffszwecken gegen den anderen Gesamtschuldner geltend. Es stellt sich daher die Frage, wie sich der Gläubigerwechsel auf die gerichtliche Geltendmachung des übergegangenen Anspruchs im Hinblick auf den Gerichtsstand auswirkt.
A. Allgemeiner Gerichtsstand Der allgemeine Gerichtsstand ist für alle Klagen und somit auch für eine Rückgriffsklage aus übergeleiteter Gläubigerforderung grundsätzlich eröffnet. Für die Klage des Rückgriffsgläubigers sind die Gerichte am Wohnsitz des Rückgriffsschuldners nach Art. 4 Abs. 1 EuGVVO international zuständig. Die Möglichkeit, am Wohnsitz des Beklagten Klage aus übergeleitetem Recht zu erheben, kann ggfs. durch die Klage an den besonderen Gerichtsständen ergänzt werden. Dem Rückgriffsgläubiger stehen dann mehrere alternative Gerichtsstände zur Verfügung, aus denen er den für ihn günstigeren auswählen kann. Verdrängt werden kann der allgemeine Gerichtsstand durch die speziellen Sondergerichtsstände nach Art. 10–23 EuGVVO oder durch eine (ausschließliche) Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 25 EuGVVO.
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B. Vertragsgerichtsstand des Art. 7 Nr. 1 EuGVVO I. Vorüberlegungen 1. Das Postulat der autonomen Auslegung Der Systembegriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ des Art. 7 Nr. 1 EuGVVO ist in ständiger Rechtsprechung des EuGH unter Berücksichtigung der Systematik und Zielsetzung der Verordnung autonom auszulegen.31 Konsequenz der autonomen Auslegung kann sein, dass der Sachverhalt prozessrechtlich als vertragliches Schuldverhältnis einzuordnen ist, sich nach dem anzuwendenden Sachrecht dann aber materiellrechtlich als Delikt darstellt, der Vertragsbegriff also in einen prozessualen und materiellen Begriff aufgespalten wird. Um die mit der autonomen Auslegung möglicherweise verbundene Aufspaltung des Vertragsbegriffes zu vermeiden, wird daher, entgegen der ständigen Rechtsprechung des EuGH, teilweise weiterhin an einer Auslegung nach der lex causae, dem in der Sache anzuwendenden Sachrecht, festgehalten.32 Will man jedoch die Zuständigkeitsvorschriften nicht mit einer Sachrechtsprüfung belasten, die die Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit der Zuständigkeitsvorschriften beeinträchtigen würden, geht an der autonomen Auslegung kein Weg vorbei.33 Sie ist im Sinne der mit dem EuGVÜ und insbesondere der EuGVVO bezweckten europäischen Rechtsvereinheitlichung geboten.34 Zudem
31 Grundlegend zum Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ i. S. d. Art. 7 Nr. 1 EuGVVO: EuGH, Urteil v. 22.03.1983, Rs. 34/82 (Martin Peters Bauunternehmung GmbH ./. Zuid Nederlandse Aannemers Verenigung), Slg. 1983, 987, Rdnr. 10 (noch zum EuGVÜ). Seitdem st. Rspr., vgl.: EuGH, Urteil v. 17.06.1992, Rs. C-26/91 (Jakob Handte & Co. GmbH Maschinenfabrik ./. Traitements mécano-chimiques des surfaces SA (TCMS)), Slg. 1992, I-3967, Rdnr. 10; EuGH, Urteil v. 27.10.1998, Rs. C-51/97 (Réunion européene SA u. a. ./. Spliethoff’s Bevrachtingskantoot BV, Kapitän des Schiffes „Alblasgracht V002“), Slg. 1998, I-6534, Rdnr. 15; EuGH, Urteil v. 17.09.2002, Rs. C-334/00 (Fonderie Officine Meccaniche Tacconi SpA ./. Heinrich Wagner Sinto Maschinenfabrik GmbH), Slg. I-7383, Rdnr. 19; EuGH, Urteil v. 05.02.2004, Rs. C-265/02 (Frahuil SA ./. Assitalia SpA), Slg. 2004, I-1543, Rdnr. 22. 32 Bachmann, IPRax 1997, 237, 238; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, A. 1 – Art. 5 EuGVVO Rdnr. 16 f.; Geimer/Schütze, Int. Urteilsanerkennung I, § 83, S. 563; Holl, IPRax 1998, 120, 121; Piltz, NJW 1981, 1876, 1876 f.; Spellenberg, ZZP 91 (1978), 38, 44. Im Ergebnis wohl auch für eine Qualifikation nach der lex causae: Schlosser, IPRax 1984, 65, 68. 33 Ebenso: Martiny, in: FS Geimer (2002), S. 6 41, 645; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 13. 34 Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 17; Martiny, in: FS Geimer (2002), S. 641, 646, 667.
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vermag sie die mit einer Auslegung nach der lex causae möglicherweise verbundenen positiven und negativen Kompetenzkonflikte35 zu vermeiden. 2. Der Systembegriff „Vertrag oder Ansprüche aus Vertrag“ Für eine autonome Auslegung des Systembegriffes „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ hat sich der EuGH bereits in der Rechtssache Peters36 ausgesprochen. Daneben beschränkten sich seine Ausführungen darauf, festzustellen, dass der Beitritt zu einem Verein, zwischen den Vereinsmitgliedern enge Bindungen gleicher Art schafft, wie sie zwischen Vertragsparteien bestehen.37 Eine Umschreibung oder Konkretisierung des Systembegriffs „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ war damit jedoch noch nicht verbunden. Auch in dem darauf folgenden Urteil des EuGH zu Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ im Jahre 1988 in der Rechtssache Arcado38 unterblieb eine Definition oder Konkretisierung des Systembegriffes. In demselben Jahr entschied der EuGH in der Rechtsache Kalfelis zum Verhältnis zwischen Art. 5 Nr. 1 und Nr. 3 EuGVÜ (heute Art. 7 Nr. 1 und Nr. 2 EuGVVO), dass sich der ebenfalls autonom auszulegende Begriff der „unerlaubten Handlung“ auf alle Klagen beziehe, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht werde und die nicht an einen „Vertrag“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ anknüpfe.39 Der Grundstein für eine Abgrenzung des Vertrags- und Deliktsgerichtsstandes war damit gelegt. Was aber unter einem „Vertrag“ i. S. d. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ zu verstehen ist, entschied der EuGH erst im Jahre 1992 in der Rechtsache Handte. Hierbei formulierten die Richter in negativer Weise, dass der Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ nicht so verstanden werden könne, „daß er für eine Situation gilt, in der keine von einer Partei gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene Verpflichtung vorliegt“.40 Erst in der Rechtsache Engler wird im Jahr 2005 aus der bis dahin negativ formulier-
Vgl. zu den Gefahren positiver und negativer Kompetenzkonflikte Geimer/Schütze, Int. Urteilsanerkennung I, § 83, S. 564 f. 36 EuGH, Urteil v. 22.03.1983, Rs. 34/82 (Martin Peters Bauunternehmung GmbH ./. Zuid Nederlandse Aannemers Verenigung), Slg. 1983, 987, Rdnr. 10. 37 EuGH, Urteil v. 22.03.1983, Rs. 34/82 (Martin Peters Bauunternehmung GmbH ./. Zuid Nederlandse Aannemers Verenigung), Slg. 1983, 987, Rdnr. 13. 38 EuGH, Urteil v. 08.03.1988, Rs. 9/87 (SPRL Arcado ./. SA Haviland), Slg. 1988, 1539. 39 EuGH, Urteil v. 27.09.1988, Rs. 189/87 (Kalfelis ./. Bankhaus Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co.), Slg. 1988, 5565, Rdnr. 17. 40 EuGH, Urteil v. 17.06.1992, Rs. C-26/91 (Jakob Handte & Co. GmbH Maschinenfabrik ./. Traitements mécano-chimiques des surfaces SA (TCMS)), Slg. 1992, I-3967, Rdnr. 15. 35
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ten Begriffsbestimmung die „freiwillig eingegangene Verpflichtung“ zur positiven Mindestvoraussetzung des Systembegriffs des Art. 7 Nr. 1 EuGVVO.41 Maßgebliches Kriterium für die Eröffnung des Vertragsgerichtstandes ist somit das Vorliegen einer „freiwillig eingegangenen Verpflichtung“ zumindest einer der Parteien.42 Zwischen den Parteien muss eine Sonderverbindung bestehen, die auf eine freiwillige, autonome Selbstbindung zurückzuführen ist.43 Diese Umschreibung scheint der gängigen Definition des „Vertrages“ als ein zwischen den Parteien durch zweiseitiges Rechtsgeschäft begründetes Schuldverhältnis sehr nahe zu stehen.44 Dennoch wäre ein Verständnis des Systembegriffs in diesem Sinne zu eng.45 Der in Art. 7 Nr. 1 EuGVVO anklingende „Vertragsbegriff“ setzt ein zweiseitiges Pflichtenverhältnis gerade nicht voraus, sondern erfasst vielmehr auch einseitige Rechtsgeschäfte46, wie z. B. die Auslobung47, soweit ihnen ein verpflichtender Charakter zukommt. Ein Vertragsschluss, gar im Sinne eines Angebots und einer Annahme, ist keine Voraussetzung.48 Ebenso wenig ist das tatsächliche Bestehen eines Vertrages Anwendungsvoraussetzung des Art. 7 Nr. 1 EuGVVO. Denn ansonsten könnte der Vertragsge-
EuGH, Urteil v. 20.01.2005, Rs. C-27/02 (Petra Engler ./. Janus Versand GmbH), Slg. 2005, I-481, Rdnr. 53. 42 Seit EuGH, Urteil v. 17.06.1992, Rs. C-26/91 (Jakob Handte & Co. GmbH Maschinenfabrik ./. Traitements mécano-chimiques des surfaces SA (TCMS)), Slg. 1992, I-3967, Rdnr. 15 st. Rspr., vgl. nur: EuGH, Urteil v. 27.10.1998, Rs. C-51/97 (Réunion européene SA u. a. ./. Spliethoff’s Bevrachtingskantoot BV, Kapitän des Schiffes „Alblasgracht V002“), Slg. 1998, I-6534, Rdnr. 17; EuGH, Urteil v. 17.09.2002, Rs. C-334/00 (Fonderie Officine Meccaniche Tacconi SpA ./. Heinrich Wagner Sinto Maschinenfabrik GmbH), Slg. I-7383, Rdnr. 23; EuGH, Urteil v. 05.02.2004, Rs. C-265/02 (Frahuil SA ./. Assitalia SpA), Slg. 2004, I-1543, Rdnr. 24; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 20; Wagner, in: Stein/ Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 19. 43 Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 20; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO Art. 5 EuGVVO Rdnr. 19; Schlosser, IPRax 1984, 65, 66. 44 Martiny, in: FS Geimer (2002), S. 6 41, 649. 45 Ebenso Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 21. 46 Bach, IHR 2010, 18, 23; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, A.1 – Art. 5 EuGVVO Rdnr. 53; ebenso, wenn auch etwas zurückhaltender Martiny, in: FS Geimer (2002), S. 641, 650; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 20. 47 Geimer/Schütze, Int. Urteilsanerkennung I, § 83, S. 572; Leible, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 23; Mankowski, IPRax 2003, 127, 129; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 20. 48 EuGH, Urteil v. 04.03.1982, Rs. 38/81 (Effer S.P.A. ./. Hans-Joachim Kantner), Slg. 1982, 825, Rdnr. 7 (noch zu Art. 5 Nr. 1 EuGVVO a. F.); EuGH, Urteil v. 17.09.2002, Rs. C-334/00 (Fonderie Officine Meccaniche Tacconi SpA ./. Heinrich Wagner Sinto Maschinenfabrik GmbH), Slg. I-7383, Rdnr. 22; EuGH, Urteil v. 20.01.2005, Rs. C-27/02 (Petra Engler ./. Janus Versand GmbH), Slg. 2005, I-481, Rdnr. 45; Mankowski, IPRax 2003, 127, 129. 41
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richtstand dadurch umgangen werden, dass bereits das Bestehen eines Vertrages bestritten wird.49 Aus der Definition als freiwillig eingegangene Verpflichtung folgen also zwei wesentliche Kriterien: (1) ein zumindest für eine Partei bestehendes Verpflichtungselement und (2) die Freiwilligkeit der eingegangenen Verpflichtung.
II. Die zu Rückgriffszwecken übergeleitete Gläubigerforderung als vertraglicher Anspruch i .S. d. Art. 7 Nr. 1 EuGVVO 1. Keine Beschränkung auf die Vertragsparteien Zunächst ist festzuhalten, dass der Anwendungsbereich des Vertragsgerichtsstandes nicht auf eine Klage der Vertragsparteien beschränkt, sondern auch für deren Rechtsnachfolger eröffnet ist.50 Art. 7 Nr. 1 EuGVVO macht den Gegenstand der Klage zum Ausgangspunkt der zuständigkeitsrechtlichen Anknüpfung und ist damit anders als z. B. bei Art. 17, 18 EuGVVO51 nicht personenbezogen ausgestaltet.52 Art. 7 Nr. 1 EuGVVO gründet sich, wie bereits aus Erwägungsgrund 16 deutlich wird, auf der engen Verbindung zwischen dem Gericht am Erfüllungsort und der Rechtsstreitigkeit und soll einen möglichst sach- und beweisnahen Gerichtsstand eröffnen.53 Diese Verbindung besteht unabhängig der Frage, ob die ursprünglichen Vertragsparteien oder deren Rechtsnachfolger als Prozesspar49 EuGH, Urteil v. 04.03.1982, Rs. 38/81 (Effer S.P.A. ./. Hans-Joachim Kantner), Slg. 1982, 825, Rdnr. 7 (noch zu Art. 5 Nr. 1 EuGVVO a. F.); Martiny, in: FS Geimer (2002), S. 641, 656. 50 BGH, RIW 2009, 568, 569; BGH, EuZW 2010, 72, 73; OGH, ÖJZ 2005, 836, 837; OGH, IPRax 2006, 489, 490; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, A.1. – Art. 5 EuGVVO Rdnr. 73; Hau, IPRax 2006, 507, 508; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 11; Lorenz/Unberath, in: FS Schlosser (2005), S. 513, 518; Mankowski, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 87; Schlosser, JZ 2004, 408, 409; Simotta, in: Fasching/Konecny, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 31. Vgl. zu Art. 5 Nr. 1 LugÜ: OGH, JBl 2012, 125, 126; Oberhammer, in: Dasser/Oberhammer, LugÜ, Art. 5 Rdnr. 25. 51 Zu einem Zessionsfall im Zusammenhang mit Art. 13 EuGVÜ vgl. EuGH, Urteil v. 19.01.1993, Rs. C-89/91 (Shearson Lehman Hutton Inc. ./. TVB Treuhandgesellschaft für Vermögensverwaltung und Beteiligungen mbH), Slg. 1993, I-139. Zur Behandlung beim Verbrauchergerichtsstand vgl. unten Teil 3: § 2: C. 52 So auch Schack, ZEuP 1998, 931, 935. 53 EuGH, Urteil v. 06.10.1976, Rs. 12/76 (Tessili ./. Dunlop AG), Slg. 1976, 1473, Rdnr. 15; EuGH, Urteil v. 15.01.1987, Rs. 266/85 (Shenavai ./. Kreischer), Slg. 1987, 239, Rdnr. 18; EuGH, Urteil v. 07.03.1995, Rs. C-68/93 (Fiona Shevill u. a. ./. Presse Alliance SA), Slg. 1995, I-415, Rdnr. 19; EuGH, Urteil v. 16.07.2009, Rs. C-189/08 (Zuid-Chemie BV ./. Philippo’s Mineralenfabriek NV/SA), Slg. 2009, I-6917, Rdnr. 24; EuGH, Urteil v. 25.10.2012, Rs. C-133/11 (Folien Fischer AG./. Ritrama SPA), ECLI:EU:C:2012:664, Rdnr. 37.
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teien auftreten. Die sich auf den Gegenstand der Klage beziehende Sach- und Beweisnähe wird durch einen Gläubigerwechsel nicht verändert.54 Ebenso wenig wird der Vertragscharakter einer Forderung durch den Gläubigerwechsel beeinflusst oder verändert. Obwohl der Zessionar nie selbst in unmittelbaren Kontakt mit dem Schuldner stand, ist für seine Klage der Vertragsgerichtsstand eröffnet, soweit der geltend gemachte Anspruch vertraglicher Natur ist.55 Etwas anderes folgt auch nicht aus den Äußerungen des EuGH in der Rechtssache Frahuil56 , auch wenn der EuGH die Eröffnung des Vertragsgerichtsstandes für die Rückgriffsklage in dem bereits oben geschilderten Bürgschaftsfall verneinte, weil der Hauptschuldner keine Ermächtigung zum Abschluss des Vertrages erteilt habe und damit zwischen den Parteien des Rechtsstreit keine freiwillig eingegangene Verpflichtung vorliege. Die Besonderheit der Rechtssache lag darin begründet, dass die auf den Bürgen übergegangene (Zoll-)Forderung nicht vertraglicher Natur war und daher auch schon nicht dem sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung unterfiel. Der Vertragsgerichtsstand konnte in diesem Fall daher nur aus dem (Zweipersonen-)Verhältnis zwischen dem Hauptschuldner und dem Bürgen als Zessionar hergeleitet werden.57 Indem der EuGH den Vertragsgerichtsstand in diesem Fall von der Ermächtigung des Hauptschuldners abhängig machte, entschied er allenfalls, dass es ausreicht, dass der Rechtsgrund der Legalzession auf eine freiwillig eingegangene Verpflichtung des Schuldners zurückzuführen ist.58 Keinesfalls darf die Aussage des EuGH dahingehend interpretiert werden, dass er den Vertragsgerichtsstand im Falle einer Zession davon abhängig machen wollte, dass zwischen dem klagenden Zessionar und dem beklagten Schuldner eine freiwillig eingegangene Verpflichtung besteht.59 Ebenso Lorenz/Unberath, in: FS Schlosser (2005), S. 513, 518. Lorenz/Unberath, IPRax 2004, 298, 303; Mankowski, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 87; ders., EWiR 2004, 379, 379; Mayr/Czernich, EuZPR, Rdnr. 119; Schlosser, JZ 2004, 408, 409; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 26. 56 EuGH, Urteil v. 05.02.2004, Rs. C-265/02 (Frahuil SA ./. Assitalia SpA), Slg. 2004, I-1543, Rdnr. 26. 57 Lorenz/Unberath, in: FS Schlosser (2005) S. 513, 524. 58 So auch Lorenz/Unberath, IPRax 2004, 298, 303; dies., in: FS Schlosser (2005), S. 513, 522. 59 Kritisch auch Hau, IPRax 2006, 507, 508, der davon abrät, die knappe Stellungnahme des EuGH auch mit Blick auf die der Rechtssache Frahuil zu Grunde liegende komplexe Vier-Personen-Konstellation zu überinterpretieren. So aber Lehmann, ZZPInt 9 (2004), 172, 180 ohne jedoch explizit das Erfordernis auch auf den Fall einer jeder Zession anzuwenden. Es bleibt zumindest offen, ob Lehmann einen anderen Fall dann dem Vertragsgerichtsstand entziehen würde, obwohl der Anspruch zwischen den Vertragsparteien dem Vertragsgerichtsstand unterliegen würde. 54 55
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Unterfällt der zedierte Anspruch seinem Ursprung nach dem Vertragsgerichtsstand, so bleibt die damit begründete Zuständigkeit grundsätzlich auch nach der Zession erhalten. Diesen Grundsatz hat der EuGH in den Rechtssachen ÖFAB60 und CDC61 für eine dem Deliktsgerichtsstand des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO unterfallende abgetretene Forderung bestätigt. Der EuGH stützt sich hierbei zum einen auf die Legitimation des besonderen Gerichtsstandes, d. h. die zwischen dem Rechtsstreit und dem Gericht bestehende enge Verknüpfung, die durch einen Gläubigerwechsel nicht berührt wird, und zum anderen auf das Ziel der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsregeln.62 Sowohl die Sach- und Beweisnähe als auch das Maß der Vorhersehbarkeit haben für den Vertragsgerichtsstand Bedeutung. Die Ansicht des EuGH kann daher auf den Gerichtsstand nach Art. 7 Nr. 1 EuGVVO übertragen werden und lässt sich als Bestätigung der bereits vorherrschenden Rechtsauffassung63 verstehen. 2. Einfluss des Gläubigerwechsels auf den Erfüllungsort? Steht der Vertragsgerichtsstand nicht nur den ursprünglichen Vertragsparteien, sondern auch dessen Rechtsnachfolgern zur Verfügung, stellt sich allerdings die Frage, ob der Gläubigerwechsel auf den für den Vertragsgerichtsstand maßgeblichen Erfüllungsort Einfluss nimmt. Soweit der Erfüllungsort nach Art. 7 Nr. 1 lit. b) EuGVVO autonom bestimmt wird, ist selbst ein Sitzwechsel der ursprünglichen Vertragspartei ohne Belang. Gleiches gilt dann auch für einen möglichen Gläubigerwechsel. Ist der Erfüllungsort jedoch nach Art. 7 Nr. 1 lit. a) EuGVVO dem normativen Ansatz der Tessili-Doktrin64 folgend über einen Rückgriff auf die lex causae zu ermitteln, stellt sich die Situation eventuell anders dar. Ein Wechsel des materiellen Erfüllungsortes gäbe an sich auch einen Wechsel des prozessualen Erfüllungsortes vor. Bei einem Gläubigerwechsel kommt eine Veränderung des materiellen Erfüllungsortes insbesondere dann in Betracht, wenn der Erfüllungsort nach ma-
EuGH, Urteil v. 18.07.2013, Rs. C-147/12 (ÖFAB ./. Koot), ECLI:EU:C:2013:490, Rdnr. 57 f. 61 EuGH, Urteil v. 21.05.2015, Rs. C-352/13 (Cartel Damages Claims (CDC) Hydrogen Peroxide SA ./. Akzo Nobwl NV u. a.), ECLI:EU:C:2015:335, Rdnr. 35. 62 EuGH, Urteil v. 18.07.2013, Rs. C-147/12 (ÖFAB ./. Koot), ECLI:EU:C:2013:490, Rdnr. 57 f. 63 Vgl. nur Lorenz/Unberath, IPRax 2004, 298, 303; Mankowski, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 87; ders., EWiR 2004, 379, 379; Mayr/Czernich, EuZPR, Rdnr. 119; Schlosser, JZ 2004, 408, 409; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 26. 64 EuGH, Urteil v. 06.10.1976, Rs. 12/76 (Tessili ./. Dunlop AG), Slg. 1976, 1473, Rdnr. 15. 60
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teriellem Recht nicht am Schuldnerwohnsitz, wie z. B. im deutschen65 oder spanischen66 Recht, sondern, wie z. B. im griechischen oder italienischem Recht,67 am Sitz des Gläubigers verortet wird. Auch Art. 57 Abs. 1 lit. a) CISG bestimmt den Ort der Niederlassung des Verkäufers für die Kaufpreiszahlung des Käufers als Zahlungs- und damit Erfüllungsort und knüpft somit an den Gläubigersitz an. Wird der Zahlungsanspruch zediert, stellt sich die Frage, ob es wegen des Wechsels des materiellen Erfüllungsortes auch zu einem Wechsel des prozessualen Erfüllungsortes kommt.68 Das OLG Celle sah sich wegen der Anbindung des prozessualen Erfüllungsortes an den materiell-rechtlichen Erfüllungsort im Falle einer rechtsgeschäftlichen Zession dazu veranlasst, seine internationale Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ für die Klage des Zessionars zu verneinen, obwohl die internationale Zuständigkeit des Gerichts für eine Klage des Zedenten vorgelegen hätte.69 Die Auffassung des OLG Celle, ein Gläubigerwechsel könne auf die Zuständigkeitsfrage des Vertragsgerichtsstands Einfluss haben, überzeugt indes nicht. Ein mit der Zession ggfs. verbundener Wechsel des materiellen Erfüllungsortes muss zuständigkeitsrechtlich unbeachtlich bleiben.70 Hierfür spricht insbesondere der dem Vertragsgerichtsstand gegenüber dem allgemeinen Gerichtsstand zugesprochene Vorteil der Unwandelbarkeit.71 Der allgemeine Gerichtsstand richtet sich nach dem im Zeitpunkt der Klageerhebung bestehenden Wohnsitz des Beklagten und ist daher wandelbar. Die Wandelbarkeit des allgemeinen Gerichtsstandes ist auch insoweit geboten, als mit dem allgemeinen Gerichtsstand 65
§ 269 Abs. 1 BGB. Art. 1171 Abs. 3 Código Civil. 67 So z. B. in Dänemark, Griechenland, Irland, Italien, vgl. Huet, J.D.I. 1994, 539, 546. 68 Zur Maßgeblichkeit des UN-Kaufrechts für die Frage der Bestimmung des Erfüllungsortes bei/nach Abtretung der Forderung, vgl. Gebauer, IPRax 1999, 432, 433 f. 69 IPRax 1999, 456, 457 mit krit. Anmerkung Gebauer, S. 432 ff. 70 So auch Gebauer, IPRax 1999, 432, 435; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, A.1. – Art. 5 EuGVVO Rdnr. 188 (bei Gläubigerwechsel soll jedoch ein zusätzlichen Gerichtsstand am Wohnsitz des neuen Gläubigers vorliegen. Begründet werden soll dies mit dem Argument der Schuldnermeistbegünstigung. Im Ergebnis kann dies aber nicht überzeugen, da Art. 5 Nr. 1 EuGVVO keine Privilegierung einer der Parteien bezweckt und der allgemeine Gedanke des Schuldnerschutzes hier nicht durchgreifen kann.); Hau, IPRax 2006, 507, 508; Schack, ZEuP 1995, 655, 661 (der einer Verknüpfung des prozessualen und materiell-rechtlichen Erfüllungsortes bei Art. 57 CISG, das Gerichtsstandsfragen eben nicht regeln, sondern lediglich kaufvertragliche Pflichten erfassen wolle, kritisch gegenübersteht); Mayr/Czernich, EuZPR, Rdnr. 119; Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 10d; Schmaranzer, in: Burgstaller/Neumayr, IZVR, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 25; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 82. 71 Gebauer, IPRax 1999, 432, 435; Schack, Erfüllungsort, Rdnr. 152; ders., ZEuP 1995, 655, 667. Kritisch hierzu Gsell, IPRax 2002, 484, 490. 66
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ein gewisser Schutz des Beklagten einhergeht.72 Demgegenüber folgt aus Art. 7 Nr. 1 EuGVVO keine Privilegierung einer Vertrags- bzw. Prozesspartei. Der Vertragsgerichtsstand ist gerade unwandelbar und soll deshalb vorhersehbar sein. Unwandelbar und vorhersehbar ist der Vertragsgerichtsstand aber nur dann, wenn ein möglicher Wohnsitzwechsel der Vertragspartei und erst recht eine durch einen Gläubigerwechsel bedingte Wohnsitzänderung unbeachtlich bleiben. Für den Schuldner ginge ansonsten die Vorhersehbarkeit des Gerichtsstandes verloren, wenn man an den jeweiligen Zedentenwohnsitz anknüpfen würde.73 Die Zession, die in vielen Rechtsordnungen auch ohne Mitwirkung des Schuldners möglich ist, hätte ansonsten für den Schuldner im Hinblick auf die internationale Zuständigkeit für eine Klage gegen ihn weitreichende Nachteile. Die sich hier zeigende Schwäche der Anbindung an den materiellen Erfüllungsort lässt sich nur dadurch verhindern, dass für die Bestimmung des prozessualen Erfüllungsortes durch den nach der lex causae zu bestimmenden materiellen Erfüllungsort grundsätzlich der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich ist und ein später erfolgter Gläubigerwechsel in diesem Fall für das eigenen Wertungen verpflichtete Zuständigkeitsrecht unbeachtlich bleibt.74 Diese zuständigkeitsrechtliche Entscheidung ist jedoch nur dann erforderlich, wenn sich nicht schon aus den materiellen Wertungen die Unbeachtlichkeit des Wohnsitzwechsels ergibt. So fixiert z. B. § 269 Abs. 1 BGB den Zeitpunkt der Bestimmung des Leistungs- bzw. Erfüllungsortes auf den Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses. Ein späterer Wohnsitzwechsel ist damit ohnehin unbeachtlich. Ein Gläubigerwechsel bleibt damit für den Erfüllungsort i.R.d. Art. 7 Nr. 1 EuGVVO unbeachtlich. 3. Die Anwendbarkeit des Vertragsgerichtsstands auf den Gesamtschuldnerrückgriff aus übergeleitetem Recht Die soeben insbesondere für die Zessionsfälle beschriebenen Grundsätze er langen auch für den Gesamtschuldnerrückgriff aus übergeleitetem Recht Bedeutung. Der Forderungsübergang vollzieht sich nach § 426 Abs. 2 BGB mittels einer Legalzession. Der leistende Gesamtschuldner kann zu Rückgriffszwecken auf Zu dem Grundsatz des actor sequitur forum rei und seiner Bedeutung vgl. Teil 3 § 3: C. II. 1. 73 Gebauer, IPRax 1999, 432, 435. 74 Hau, IPRax 2006, 507, 508; zu den „grundverschiedenen Funktionen“ von materiell-rechtlichen Leistungsort und prozessualem Erfüllungsort vgl. Schack, ZEuP 1995, 655, 660. 72
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die Gläubigerforderung gegen den anderen Gesamtschuldner zurückgreifen. Die vertragliche Rechtsnatur der Gläubigerforderung wird nicht verändert. Konnte die ursprüngliche Gläubigerforderung am Vertragsgerichtsstand erhoben werden, steht dieser Gerichtsstand auch dem Gesamtschuldner zur Verfügung, der zu Rückgriffszwecken aus dem übergeleiteten Recht gegen den anderen Gesamtschuldner vorgehen will.75 Auch für den übergeleiteten Anspruch gilt insoweit, dass der Vertragsgerichtsstand der Forderung und nicht dem Kläger anhaftet.
C. Verbrauchergerichtsstand der Art. 17 ff. EuGVVO I. Vorüberlegungen Abschnitt 4 der Verordnung normiert Sonderregelungen, die in bestimmten Fällen den Verbraucher als die typischerweise schwächere und rechtlich unerfahrenere Partei schützen sollen.76 Innerhalb der Verordnung stellen die Art. 17 ff. EuGVVO ein eigenes System der Verteilung gerichtlicher Zuständigkeiten bei Verbrauchersachen dar und verbieten grundsätzlich einen Rückgriff auf die allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften.77 Leitgedanke im Rahmen der Vorschriften zum Verbrauchergerichtsstand ist nicht der Beklagtenschutz, sondern der Schutz des Verbrauchers.78 Die Zuständigkeitsvorschriften sollen, wie Erwägungsgrund 18 hervorhebt, für den Verbraucher günstiger sein als die allgemeine Regelung. Dies spiegelt sich darin wider, dass dem Verbraucher in Art. 18 Abs. 1 EuGVVO ein forum actoris gewährt wird. Eine Klage gegen den anderen Vertragspartner kann er entweder vor den Gerichten des Wohnsitzes des Vertragspartners oder aber an seinem eigenen Wohnsitz erheben. Der Verbraucher selbst muss jedoch mit einer Klage gegen sich nach Abs. 2 nur an seinem eigenen Wohnsitz rechnen. Es besteht grundsätzlich keine Möglichkeit, den Verbraucher außerhalb seines WohnsitzIm Ergebnis ebenso Thoma, Der internationale Regress, S. 189 f. Vgl. Erwägungsgrund 18 der EuGVVO. 77 Geimer, in: FS Martiny (2014), S. 711, 715; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 15 EuGVVO Rdnr. 2; Mankowski/Nielsen, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation, Art. 17 EuGVVO Rdnr. 3; Staudinger, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Vorbem. Art. 17 ff. EuGVVO Rdnr. 1; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 15 EuGVVO Rdnr. 2. 78 EuGH, Urteil v. 20.01.2005, Rs. C-464/01 (Johann Gruber ./. Bay Wa AG), Slg. 2005, I-439, Rdnr. 34; EuGH, Urteil v. 19.01.1993, Rs. C-89/91 (Shearson Lehman Hutton Inc. ./. TVB Treuhandgesellschaft für Vermögensverwaltung und Beteiligungen mbH), Slg. 1993, I-139, Rdnr. 22; Geimer, in: FS Martiny (2014), S. 711, 715 spricht von einer „Umwertung“ der Zuständigkeitsinteressen wegen der strukturellen Unterlegenheit des Verbrauchers. 75
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staates gerichtspflichtig zu machen. Im Zuge der Neufassung der EuGVVO wurde der Rechtsschutz des Verbrauchers gegenüber seinem Vertragspartner durch eine Ausdehnung des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs noch erweitert. Gemäß Art. 18 Abs. 1 EuGVVO kann der Verbraucher das forum actoris an seinem Wohnsitz nun ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des Vertragspartners in Anspruch nehmen.79 Da der Verbrauchergerichtsstand den Schutz des Verbrauchers zum Ziel hat, ist es selbstverständlich, dass er im Gegensatz zu Art. 7 Nr. 1 EuGVVO personenbezogene Tatbestandsmerkmale aufweist. Allerdings ist diese Personenbezogenheit nicht absolut. Es werden weitere Tatbestandsvoraussetzungen normiert, die nur in ihrem Zusammenspiel mit der Verbrauchereigenschaft zum Verbrauchergerichtsstand führen. So ist der Anwendungsbereich des Verbrauchergerichtsstandes nach Art. 17 Abs. 1 lit. a), b) EuGVVO für die Vertragstypen des Teilzahlungskaufs beweglicher Sachen und Finanzierungskäufe eröffnet. Für alle übrigen Vertragstypen ist nach lit. c) erforderlich, dass ein situatives Element hinzutritt: der Unternehmer muss seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Mitgliedstaat des Wohnsitzes des Verbrauchers ausüben oder auf irgendeinem Wege auf diesen ausrichten, und der Vertrag muss in den Bereich dieser Tätigkeit fallen. Art. 17 EuGVVO ist also zum einen personenbezogen, zum anderen aber auch situativ bedingt.80
II. Die übergeleitete Gläubigerforderung im Verbrauchergerichtsstand Handelt es sich bei dem Verhältnis zwischen Gläubiger und dem rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner um einen Verbrauchervertrag i. S. d. Art. 17 EuGVVO, wird die internationale Zuständigkeit für eine Klage zwischen diesen Parteien nach dem Abschnitt 4 der Verordnung bestimmt. Für den Gesamtschuldnerrückgriff aus übergeleitetem Recht stellt sich sodann die Frage, inwiefern die Bestimmungen der Art. 17 ff. EuGVVO auch für die Rückgriffsklage von Bedeutung sind. Für die Beantwortung dieser Frage müssen verschiedene Konstellationen unterschieden werden. Zum einen ist der Fall zu betrachten, dass der nun rückgriffspflichtige Gesamtschuldner sein Rechtsverhältnis zum Gläubiger als Verbraucher eingegangen, d. h. die Verbrauchereigenschaft in seiner Person begründet ist. Zum anderen kann die Verbrauchereigenschaft aber auch in der Person des Gläubigers begründet sein. In diesem Fall hat der rückgriffspflichtiVgl. hierzu Mankowski, RIW 2014, 625 ff. Anders Geimer, in: FS Martiny (2014), S. 711, 715, der aber allein auf das situative Element abhebt und eine Personenbezogenheit des Verbrauchergerichtsstandes ausschließt. 79
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ge Gesamtschuldner das vertragliche Schuldverhältnis mit dem Gläubiger in Ausübung seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit geschlossen. 1. Der rückgriffspflichtige Gesamtschuldner ist Verbraucher Hat der rückgriffspflichtige Gesamtschuldner sein Vertragsverhältnis zum Gläubiger als Verbraucher geschlossen, kann der andere Gesamtschuldner die Rückgriffsklage aus übergeleitetem Recht gegen ihn gemäß Art. 18 Abs. 2 EuGVVO ebenfalls nur an dessen Wohnsitz erheben.81 Die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers, die der ratio der Art. 17 ff. EuGVVO zugrunde liegt, tritt hier offen zu Tage: der Verbraucher wird wegen einer Streitigkeit aus dem Verbrauchervertrag in Anspruch genommen. Dieses Vertragsverhältnis ist er ggfs. aber nur in Kenntnis und mit Vertrauen auf den Schutz durch die Art. 17 ff. EuGVVO eingegangen. Dass er nun nicht von seinem ursprünglichen Vertragspartner, sondern dessen Rechtsnachfolger gerichtspflichtig gemacht wird, ändert an der Schutzwürdigkeit des Verbrauchers nichts. Könnte der Verbrauchergerichtsstand durch eine einfache Zession zu Lasten des Verbrauchers umgangen werden, wäre dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Der Verbrauchergerichtsstand greift also für eine Rückgriffsklage gegen den anderen Gesamtschuldner durch, wenn der rückgriffspflichtige Gesamtschuldner als Verbraucher mit dem Gläubiger im Außenverhältnis ein Vertrag i. S. d. Art. 17 EuGVVO eingegangen ist. Der leistende Gesamtschuldner kann folglich Rückgriff aus übergeleitetem Recht nur am Wohnsitz des anderen Gesamtschuldners nehmen, Art. 18 Abs. 1 EuGVVO. Dabei kommt es auf die Person des leistenden Gesamtschuldners, ob dieser also zu privaten oder beruflichen bzw. gewerblichen Zwecken handelt, nicht an. 2. Der Gläubiger ist Verbraucherpartei War die Verbrauchereigenschaft im Rechtsverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem nun in Rückgriff zu nehmenden Gesamtschuldner hingegen in der Person des Gläubigers begründet, wirft die Anwendung des Verbrauchergerichtsstandes für den Rückgriffsprozess einige Schwierigkeiten auf. Da der Gläubiger, die Verbraucherpartei des Ursprungsvertragsverhältnisses, nicht (mehr) am Rückgriff beteiligt ist, muss die Person des Rechtsnachfolgers des Gläubigers, also der leistende Gesamtschuldner in den Blick genommen werden.
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Für den parallel gelagerten Fall einer rechtsgeschäftlichen Zession durch den Unternehmer vgl. de Bra, Verbraucherschutz durch Gerichtsstandsregelung, S. 177; Wagner, in: Stein/ Jonas, ZPO, Art. 15 EuGVVO Rdnr. 15.
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Unterschieden werden müssen in dieser Konstellation zwei Unterfälle: Ist der leistende Gesamtschuldner das Rechtsverhältnis zum Gläubiger nicht in Ausübung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit eingegangen, muss er für das Vorgehen aus der übergeleiteten Gläubigerforderung als privat handelnder Rechtsnachfolger betrachtet werden. In diesem Fall kommt nur einem Gesamtschuldner die Eigenschaft eines Unternehmers zu. Hat jedoch auch der leistende und nun Rückgriff suchende Gesamtschuldner das Rechtsverhältnis zum Gläubiger in Ausübung seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit begründet, ist er für den Rückgriff aus der übergeleiteten Gläubigerforderung als gewerblich oder beruflich handelnder Rechtsnachfolger einzustufen. In diesem Fall stehen dem Gläubiger zwei Gesamtschuldner gegenüber, die beide die Unternehmereigenschaft aufweisen. In beiden Fällen handelt es sich bei dem Rechtsverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem nun in Rückgriff zu nehmenden Gesamtschuldner um einen Verbrauchervertrag i. S. d. Art. 17 EuGVVO, den der Gläubiger als Verbraucher eingegangen ist. a) Stand der Diskussion bei einem Forderungsübergang auf einen beruflich bzw. gewerblich handelnden Rechtsnachfolger Bereits durch den EuGH entschieden ist die Konstellation, dass ein Verbraucher seine Rechte aus dem Verbrauchervertrag nicht selbst geltend macht, sondern sie von einem beruflich bzw. gewerblich handelnden Rechtsnachfolger geltend gemacht werden. In der Rechtssache Shearson Lehman hatte der EuGH über einen Fall zu entscheiden, in dem ein privater Anleger seine Rechte an eine Vermögensverwaltungsgesellschaft abgetreten hatte.82 Der EuGH versagte dem Zessionar die Berufung auf den Verbrauchergerichtsstand, weil der Verbrauchergerichtsstand seinem Wortlaut und Schutzzweck folgend nicht auf den beruflich oder gewerblich handelnden Kläger anwendbar sei. Der Verbrauchergerichtsstand entfalte seinen Zweck nur, wenn der Verbraucher als persönlicher Kläger oder Beklagter an dem Verfahren beteiligt sei.83 Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Shearson Lehman trägt dem System und der ratio des Verbrauchergerichtsstandes vollumfänglich Rechnung und hat daher in seinem Ausgangspunkt zu Recht großen Zuspruch in der Literatur84 gefunden. Da der Verbrauchergerichtsstand nicht allein streitgegen82 EuGH, Urteil v. 19.01.1993, Rs. C-89/91 (Shearson Lehman Hutton Inc. ./. TVB Treuhandgesellschaft für Vermögensverwaltung und Beteiligungen mbH), Slg. 1993, I-139. 83 EuGH, Urteil v. 19.01.1993, Rs. C-89/91 (Shearson Lehman Hutton Inc. ./. TVB Treuhandgesellschaft für Vermögensverwaltung und Beteiligungen mbH), Slg. 1993, I-139, Rdnr. 18, 23. 84 Benicke, WM 1997, 945, 950; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, A. 1 – Art. 15 EuGVVO Rdnr. 19.
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standsbezogen ist, sondern zugleich an die Person des Verbrauchers als Kläger oder Beklagter anknüpft,85 kann er seiner ratio nach nicht auf eine Klage aus übergeleitetem Recht angewendet werden, wenn der Zessionar nicht selbst als schutzwürdige Person (Verbraucher) zu betrachten ist. Art. 18 Abs. 1 EuGVVO erfasst bereits seinem Wortlaut nach nur „die Klage eines Verbrauchers“, nicht aber jede Klage, die einen aus einem Verbrauchervertrag entstandenen Anspruch zum Gegenstand hat.86 Dieser Grundsatz beansprucht dann auch für den Gesamtschuldnerrückgriff aus übergeleitetem Recht Geltung. Der leistende Gesamtschuldner, der als beruflich bzw. gewerblich handelnder Rechtsnachfolger zu betrachten ist, kann sich im Rückgriffsverhältnis auf den Verbrauchergerichtsstand nicht berufen. b) Stand der Diskussion bei einem Forderungsübergang auf einen privat handelnden Rechtsnachfolger aa) Rückschlüsse aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Shearson Lehman Die Konstellation des Forderungsübergangs auf einen privat handelnden Rechtsnachfolger ist bislang nicht höchstrichterlich entschieden worden. Aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Shearson Lehman lassen sich bezüglich dieser Frage auch keine eindeutigen Rückschlüsse ziehen. Der vom EuGH in der Rechtssache Shearson Lehman formulierte Tenor legt allerdings den Schluss nahe, dass nur der am Vertragsschluss selbst beteiligte Verbraucher („der an einem der in Artikel 13 Absatz 1 aufgeführten Verträge beteiligte Verbraucher ist“) erfasst sein soll, so dass ein Rechtsnachfolger sich nicht auf den Verbrauchergerichtsstand stützen kann, und zwar unabhängig davon, ob der Rechtsnachfolger in Ausübung seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt oder nicht.87 Allerdings verbindet der EuGH diese Aussage zugleich mit dem Zusatz, dass der Kläger in Ausübung seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt und daher nicht selbst als Verbraucher an dem maßgeblichen Vertrag beteiligt ist. Daher bleibt unklar, ob der EuGH die Berufung auf den Koch, IPRax 1995, 71, 71; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 15 EuGVVO Rdnr. 11; Sachse, Verbrauchervertrag, S. 132; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 15 EuGVVO Rdnr. 15. 85 Staudinger, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 17 EuGVVO Rdnr. 2; Wagner, in: Stein/ Jonas, ZPO, Art. 15 EuGVVO Rdnr. 15. 86 Lorenz/Unberath, in: FS Schlosser (2005), S. 513, 515. 87 Hiervon geht auch der BGH als das vorlegende Gericht in seiner Folgeentscheidung aus und hält die Frage, ob der Zessionar als Kläger bei dem Erwerb oder der Geltendmachung der Klageforderung in Ausübung seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelte, für nicht relevant, BGH, NJW 1993, 2683, 2684. Koch, IPrax 1995, 71, 72 hält diese Klarstellung durch den BGH für beckmesserisch.
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Verbrauchergerichtsstand schon mangels Beteiligung der Prozesspartei am Verbrauchervertrag, also letztlich aus situativen Gründen, oder vielmehr wegen der Unternehmereigenschaft des Zessionars, also aus Gründen in der Person des Zessionars, versagen möchte.88 bb) Das obiter dictum des EuGH in der Rechtssache Vorarlberg Zu einer Zession an einen als schutzwürdig zu betrachtenden Rechtsnachfolger äußerte sich der EuGH jedoch in seiner Entscheidung zur Rechtssache Vorarlberg89 im Rahmen eines obiter dictum. Der EuGH hatte in dieser Rechtssache über den Rückgriff eines Sozialversicherungsträgers gegen den Versicherer im Wege einer Direktklage zu entscheiden. Obwohl ein Sozialversicherungsträger, der den Direktanspruch gegen den Versicherer mittels der cessio legis erworben hatte, durchaus „Geschädigter“ i. S. d. Art. 13 Abs. 2 EuGVVO sei,90 könne er die Klage mangels Schutzbedürftigkeit nicht auf Art. 11 Abs. 1 lit. b) i. V. m. Art. 13 Abs. 2 EuGVVO stützen.91 Ein Legalzessionar des unmittelbar Geschädigten, der selbst als schwächere Partei angesehen werden könne, müsse aber, so das obiter dictum des EuGH, in den Genuss der im Abschnitt 3 festgelegten besonderen Zuständigkeitsregeln kommen.92 In der Folge könnte er an seinem eigenen Wohnsitz Klage aus übergeleitetem Recht gegen den Versicherer er heben.93 88 Auf die Eigenschaft der am konkreten Rechtsstreit beteiligten Personen scheint auch der EuGH in seiner Entscheidung zum Gesamtschuldnerrückgriff abzustellen (EuGH, Urteil v. 15.06.2017, Rs. C-249/16 (Saale Kareda ./. Stefan Benkö), ECLI:EU:C:2017:472 Rdnr. 45). Der Verbrauchergerichtsstand finde auf das Verhältnis zwischen zwei Verbrauchern keine Anwendung. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der EuGH hierbei nicht explizit zu einer übergegangenen Forderung, sondern wohl zu einem originären Ausgleichsanspruch, nämlich § 896 ABGB, Stellung genommen hat (vgl. zur Rechtsnatur des § 896 ABGB Teil 1: § 1: C. III. 2. a)). 89 EuGH, Urteil v. 17.09.2009, Rs. C-347/08 (Vorarlberger Gebietskrankenkasse ./. WGV-Schwäbische Allgemeine Versicherungs AG), Slg. 2009, I-8661. 90 Kritisch hierzu mit Blick auf Wortlaut, Systematik und dem Gebot der restriktiven Interpretation Staudinger, IPRax 2011, 229, 229 f. 91 EuGH, Urteil v. 17.09.2009, Rs. C-347/08 (Vorarlberger Gebietskrankenkasse ./. WGV-Schwäbische Allgemeine Versicherungs AG), Slg. 2009, I-8661 Rdnr. 43 (noch zu Art. 11 EuGVVO a. F.). So nun auch OLG Koblenz, IPRax 2014, 537, 538 für die Klage eines Bundeslandes aus übergegangenem Recht mit kritischer, aber im Ergebnis wohl zustimmender Anmerkung von Fuchs, IPRax 2014, 509 ff. 92 EuGH, Urteil v. 17.09.2009, Rs. C-347/08 (Vorarlberger Gebietskrankenkasse ./. WGV-Schwäbische Allgemeine Versicherungs AG), Slg. 2009, I-8661 Rdnr. 44. (Noch zur a. F. der EuGVVO). 93 Zustimmend Riedmeyer, in: FS Müller (2009), S. 473, 484; Staudinger, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 11 EuGVVO Rdnr. 6d ff.; ders., IPRax 2011, 229, 232. Anders Lüttring-
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Obwohl sich das obiter dictum des EuGH lediglich auf den Versicherungsgerichtsstand bezieht, liegt eine Übertragung auf den Verbrauchergerichtsstand nahe. Beide Gerichtsstände sollen dem Schutz einer tendenziell unterlegenen und unerfahrenen Partei dienen. Ausgehend von diesem Grundsatz hat der EuGH in der Rechtssache Vorarlberg ebenso wie in der Entscheidung Shearson Lehman die fehlende Schutzwürdigkeit des (Legal-) Zessionars als wesentliches Argument herangezogen, um die Anwendbarkeit auf einen nicht schutzwürdigen Zessionar zu verneinen. cc) Öffnung des Verbrauchergerichtsstandes für den privat handelnden Zessionar In der Literatur ist das Meinungsbild gespalten. Ein Teil möchte den Verbrauchergerichtsstand dem Zessionar dann zur Verfügung stellen, wenn der Zessionar ebenso schutzwürdig wie der Zedent erscheint.94 Die Schutzwürdigkeit solle dann vorliegen, wenn der Zessionar weder beim Erwerb noch bei der Geltendmachung der Forderung in Ausübung seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt. In diesen Fällen sei er als privat handelnder und damit schutzwürdiger Rechtsnachfolger zu betrachten. Auch diese Ansicht stellt somit den Aspekt der Schutzwürdigkeit der klagenden bzw. verklagten Person in den Vordergrund. In der Folge würde dies bedeuten, dass sich der (schutzwürdige) Zessionar ebenso wie der (schutzwürdige) Zedent auf den Verbrauchergerichtsstand berufen kann und damit, auch wenn dies nicht explizit ausgesprochen wird,95 in den Genuss eines forum actoris haus, VersR 2010, 183, 187, der bei tatsächlicher Schutzwürdigkeit des Zessionars ausschließlich auf den Wohnsitz des unmittelbar Geschädigten abstellen will. Für die rechtsgeschäftliche Abtretung ebenso Staudinger/Czaplinski,, NJW 2009, 2249, 2252. Ebenso wohl Looschelders, IPRax 2013, 370, 372, der den Regress einer Sozialversicherungsträger oder eines Schadensversicherers schon nicht als Versicherungssache i. S. d. Art. 10 EuGVVO begreifen will, weil auf diese Anspruchssteller der Schutzzweck der Art. 10 ff. EuGVVO nicht zutreffe. 94 Benicke, WM 1997, 945, 950; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, A.1. – Art. 15 EuGVVO Rdnr. 19; Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 17 EuGVVO Rdnr. 3; ders., JZ 2004, 408, 409; Simotta, in; Fasching/Konecny, ZPO, Art. 15 EuGVVO Rdnr. 109; Staudinger, IPRax 2011, 229, 232; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 15 EuGVVO Rdnr. 15. 95 Soweit die Anwendbarkeit des Verbrauchergerichtsstandes mit der Schutzwürdigkeit des Zessionars begründet wird, wird man davon ausgehen müssen, dass man für die Zuständigkeitsfrage in der Folge seinen Wohnsitz zugrunde legt. Umgesetzt werden soll der Schutzzweck des Verbrauchergerichtsstandes ja gerade dadurch, dass man dem „Verbraucher“ als der schutzwürdigen Person einen Heimatgerichtsstand zur Seite stellt. Hierauf wird auch das „schutwürdige Interesse“ des Rechtsnachfolgers gerichtet sein. An der Eröffnung eines Gerichtsstandes am Wohnsitz des Rechtsvorgänger, zu dem der Zessionar ggfs. keinerlei Bezugspunkte hat, wird er grundsätzlich kein Interesse haben.
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kommt. Der Zessionar könnte seine Klage gegen den Unternehmer somit in seinem Wohnsitzsstaat erheben und müsste auch nur dort mit einer Klage des Unternehmers rechnen. dd) Ausschluss des Verbrauchergerichtsstandes bei (Legal-)Zession an einen privat handelnden Rechtsnachfolger Andere Stimmen in der Literatur verneinen die Anwendbarkeit des Verbrauchergerichtsstandes hingegen auch auf den privat handelnden Rechtsnachfolger.96 Der Verbrauchergerichtsstand stünde sodann nur in den Fällen zur Verfügung, in denen der „Verbraucher“ selbst am streitgegenständlichen Vertragsverhältnis beteiligt ist, nicht hingegen, wenn Ansprüche aus einem solchen Vertragsverhältnis im Wege der Rechtsnachfolge auf eine andere Person übergegangen sind. c) Stellungnahme und eigener Ansatz Die Anwendbarkeit des Verbrauchergerichtsstandes auf den privat handelnden Rechtsnachfolger hängt im Ergebnis davon ab, ob der Verbrauchgerichtsstand nur dem am Vertragsverhältnis selbst beteiligten Verbraucher oder auch dem als schutzwürdig zu betrachtenden Rechtsnachfolger zur Verfügung stehen soll, wobei die Schutzwürdigkeit sodann von der Eigenschaft des Zessionars als beruflich bzw. gewerblich oder als privat handelnde Person abhinge. aa) Wortlaut der Art. 17 und 18 EuGVVO Betrachtet man zunächst den Wortlaut der Art. 17 und 18 EuGVVO fällt auf, dass Art. 17 Abs. 1 EuGVVO Klagen erfasst, deren Gegenstand der Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den der Verbraucher geschlossen hat, bilden. Für die Festlegung des Gerichtsstandes differenziert Art. 18 EuGVVO in 96 In der Konsequenz wohl auch BGH, NJW 1993, 2683, 2684: ein Kläger, der nicht selbst der an einem der in Art. 13 Abs. 1 EuGVÜ aufgeführten Verträge beteiligte Verbraucher ist, könne für sich den Verbrauchergerichtsstand nicht in Anspruch nehmen. Eindeutig LG Nürnberg-Fürth, ZIP 2010, 1368, 1368 mit kritischem Kurzkommentar von Tiedemann, EWiR 2010, 487 f.; de Bra, Verbraucherschutz durch Gerichtsstandsregelung, S. 177 für die Fälle des Art. 13 Nr. 3 EuGVÜ; Kleinknecht, Verbraucherschützende Gerichtsstände, S. 87; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 15 EuGVVO Rdnr. 11, die aber anerkennen, dass es durchaus legitime prozessstrategische Erwägungen geben kann, an einen anderen Verbraucher abzutreten, um zu ermöglichen, dass der am Vertragsverhältnis beteiligte Verbraucher als Zeuge im Prozess gehört werden kann. Diesem Problem müsste aber durch andere Weise und sachgerechter, z. B. im deutschen Zivilprozessrecht durch die Erweiterungen der Möglichkeiten der Parteivernehmung (§§ 445 ff. ZPO) Rechnung getragen werden.
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seinen Absätzen 1 und 2 sodann danach, von welcher Partei die Klage erhoben wird. Art. 18 Abs. 1 EuGVVO greift die Klage „eines Verbrauchers“ auf, während Absatz 2 die Klage des anderen Vertragspartners gegen „den Verbraucher“ zum Gegenstand hat. Umschrieben werden die möglichen Prozesskonstellationen im Absatz 1 durch die Verwendung eines unbestimmten Artikels in Bezug auf den Verbraucher („eines Verbrauchers“), in Absatz 2 durch die eines bestimmten Artikels („des Verbrauchers“). Gegebenfalls können daher bereits aus dem Wortlaut der Art. 17 und 18 EuGVVO und der dort enthaltenen Verwendung des bestimmten Artikels einerseits und des unbestimmten Artikels andererseits Schlussfolgerungen für die hier zu untersuchende Fragestellung gewonnen werden. Setzt man den Wortlaut des Art. 18 Abs. 1 und Abs. 2 EuGVVO in Bezug zu Art. 17 Abs. 1 EuGVVO, liegt die Erwägung nahe, dass aufgrund der Verwendung des bestimmten Artikels in Art. 18 Abs. 2 EuGVVO die Personen und Sachverhalte miteinander in Beziehung stehen müssen. Art. 18 Abs. 2 EuGVVO wäre dann nur auf den Verbraucher bzw. die Person anwendbar, die auch den streitgegenständlichen Vertrag abgeschlossen hat. Nur wenn eine Klage gegen ihn erhoben wird, wäre der Gerichtsstand nach Art. 18 Abs. 2 EuGVVO beschränkt. Nicht zutreffen würde diese Konstellation hingegen, wenn der (privat handelnden) Rechtsnachfolger an dem Rechtsstreit beteiligt wäre. Eine Klage gegen ihn würde daher nicht von Art. 18 Abs. 2 EuGVVO erfasst und auf den Wohnsitzstaat beschränkt werden. Anders wäre es hingegen bei einer Klage des privat handelnden Rechtsnachfolgers gegen den Vertragspartner. Art. 18 Abs. 1 EuGVVO erfasst die Klage „eines Verbrauchers“ und könnte nach seinem Wortlaut daher auch für die Klage des Rechtsnachfolgers angewandt werden, der nicht selbst am streitgegenständlichen Vertragsverhältnis beteiligt ist. Allerdings hätte eine sich an der Verwendung des bestimmten bzw. unbestimmten Artikels orientierende Auslegung sodann zur Folge, dass je nach Prozesskonstellation (Klage gegen bzw. durch den Verbraucher) Personenidentität des am Prozess beteiligten Verbrauchers mit dem am Vertragsschluss beteiligten bestehen müsste oder nicht. Das wäre eine kaum sinnvolle Differenzierung im Anwendungsbereich des Verbrauchergerichtsstandes, weil je nach Klagesituation einmal „ein“ Verbraucher genügte, bei Klage des Unternehmers aber „der“, d. h. der am Vertragsschluss beteiligte Verbraucher Beklagter sein müsste. Jedoch ist nicht nur das Ergebnis einer solchen Auslegung, sondern bereits der Ausgangspunkt, d. h. der Wortlaut der Vorschriften, in Frage zu stellen. Um den sprachlichen Sinn der Norm erfassen zu können, kann nicht lediglich die deutsche Sprachfassung zu Grunde gelegt werden. Auch den übrigen Sprachfassungen der Mitgliedstaaten kommt für die grammatikalische Auslegung Bedeu-
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tung zu.97 Ein Blick in andere Sprachfassungen zeigt jedoch, dass die unterschiedliche Verwendung des bestimmten und unbestimmten Artikels neben der deutschen zwar noch in der spanischen98 und französischen99 Fassung auftaucht, nicht hingegen auch in den übrigen Sprachfassungen. So kann z. B. der englischen Sprachfassung100 keine Differenzierung entnommen werden. Die italienische101 Fassung verwendet sogar für beide Absätze jeweils den bestimmten Artikel. Aus der Verwendung der entsprechenden Artikel zur Beschreibung des Verbrauchers in Art. 18 EuGVVO kann also keine Erkenntnis dahingehend gewonnen werden, ob der Verbrauchergerichtsstand auch auf einen zwar am Prozess, nicht aber am Vertrag beteiligten „Verbraucher“ (den privat handelnden Rechtsnachfolger) anzuwenden ist. bb) Verbrauchergerichtsstand liegt ein einheitlicher Sachverhalt zugrunde Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch, dass Art. 18 EuGVVO die andere Partei als den „anderen Vertragspartner“ bezeichnet und damit die Prozessbeteiligten, den Verbraucher und den anderen Vertragspartner, zueinander in ein Vertragsverhältnis setzt. Hieraus kann aber nicht gefolgert werden, dass der Verbrauchgerichtsstand stets nur Klagen zwischen den am Verbrauchervertrag beteiligten Personen erfassen soll. Denn in diesem Fall wäre der Verbrauchergerichtsstand auch nicht anwendbar, wenn der Unternehmer die Ansprüche gegen den Verbraucher zediert. Der Verbraucher würde dann aber durch die Zession seinen zuständigkeitsrechtlichen Schutz verlieren. Der Unternehmer könnte den Verbrauchergerichtsstand durch eine einfache Zession umgehen. Die ratio der Art. 17 ff. EuGVVO wäre damit konterkariert. Grundsätzlich gilt also, dass der Verbrauchergerichtsstand nicht per se mit einer Zession oder einem sonstigen Übergang der Ansprüche aus dem Verbrauchervertrag „untergeht“. 97 EuGH, Urteil v. 12.07.1979, Rs. 9/79 (Marianne Koschniske ./. Raad von Arbeid), Sl. 1979, 2717, Rdnr. 6; EuGH, Urteil v. 02.04.1998, Rs. C-296/95 (The Queen ./. EMU Tabac SARL u. a.), Slg. 1998, I-1605, Rdnr. 36; EuGH, Urteil v. 09.03.2006, Rs. C-174/05 (Stichting Natuur en Milieu ./. College voor de toelating van bestrijdingsmiddelen), Slg. 2006, I-2443, Rdnr. 20; EuGH, Urteil v. 17.09.2009, Rs. C-347/08 (Vorarlberger Gebietskrankenkasse ./. WGV-Schwäbische Allgemeine Versicherungs AG), Slg. 2009, I-8661 Rdnr. 27; Gebauer, in: Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kapitel 4 Rdnr. 4; Grundmann/Riesenhuber, JuS 2001, 529, 530; Kohler/Knapp, ZEuP 2002, 701, 720 f.; Riesenhuber, in: Europäische Methodenlehre, § 10 Rdnr. 14 ff.; Schroeder, JuS 2004, 180, 182. 98 „un consumidor“ bzw. „el consumidor“. 99 „un consommateur“ bzw. „le consommateur“. 100 „a consumer“ und „a consumer“. 101 „del consumatore“ und „il consumatore“.
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Allerdings folgen aus dem Wortlaut und dem systematischen Verhältnis z wischen Art. 17 und Art. 18 EuGVVO, dass dem Verbrauchergerichtsstand grundsätzlich ein einheitlicher Sachverhalt zugrunde liegt. Das hat auch der Generalanwalt Darmon in seinen Schlussanträgen zur Rechtssache Shearson Lehman festgestellt. Der Begriff des Verbrauchers könne in zwei aufeinanderfolgenden Artikeln keine verschiedenen Sachverhalte erfassen.102 Das bedinge, dass sich als Kläger oder Beklagter nur derjenige Verbraucher auf die Schutzbestimmungen der Art. 17 ff. EuGVVO berufen kann, der den Vertrag selbst abgeschlossen habe. Der Generalanwalt führt aus, dass „ein Kläger, der nicht der persönlich an einem der in Art. 13 Absatz 1 aufgeführten Verträge als Vertragspartner beteiligt ist, kein Verbraucher im Sinne der Artikel 13 und 14 ist“ 103. In der Folge muss bei einer Klage, die den Vorschriften der Art. 17 ff. EuGVO unterliegt, der am Vertragsschluss beteiligte Verbraucher als Kläger oder Beklagter involviert sein. Ob sich der EuGH des vom Generalanwalt betonten Zusammenhangs zwischen Verbrauchereigenschaft und persönlicher Beteiligung am Vertrag bewusst war und ihn seiner Entscheidung mit zu Grunde gelegt hat, lässt sich, wie bereits oben angesprochen, nicht mit Sicherheit beurteilen. Zwar greift der EuGH auch in seiner Entscheidung zur Rechtssache Shearson Lehman darauf zurück, dass das Übereinkommen den Verbraucher nur schütze, soweit er persönlich Kläger oder Beklagter in einem Verfahren ist, und bezieht sich hierbei auf die Schlussanträge des Generalanwalts, allerdings nur auf die Ausführungen in Randnummer 26.104 Den entscheidenden, in den Randnummer 27 ff. gemachten Zusatz, dass der zu schützende Verbraucher persönlich an einem der in Artikel 13 Abs. 1 (jetzt Art. 17 Abs. 1 EuGVVO) aufgeführten Verträge beim Vertragsschluss als Vertragspartner beteiligt sein müsse, hat der EuGH zwar wiederholt; es scheint aber, als habe er damit nur betonen wollen, dass der beruflich bzw. gewerblich handelnde Rechtsnachfolger nicht schutzwürdig ist.105 Aus dem Urteil lässt sich daher nichts Abschließendes für die Beurteilung pri102 Schlussanträge GA Darmon, 27.10.1992, Rs. C-89/91 (Shearson Lehman Hutton Inc. ./. TVB Treuhandgesellschaft für Vermögensverwaltung und Beteiligungen mbH), Slg. 1993, I-164, Rdnr. 27. 103 Schlussanträge GA Darmon, 27.10.1992, Rs. C-89/91 (Shearson Lehman Hutton Inc. ./. TVB Treuhandgesellschaft für Vermögensverwaltung und Beteiligungen mbH), Slg. 1993, I-164, Rdnr. 27. 104 EuGH, Urteil v. 19.01.1993, Rs. C-89/91 (Shearson Lehman Hutton Inc. ./. TVB Treuhandgesellschaft für Vermögensverwaltung und Beteiligungen mbH), Slg. 1993, I-139 Rdnr. 23. 105 EuGH, Urteil v. 19.01.1993, Rs. C-89/91 (Shearson Lehman Hutton Inc. ./. TVB Treuhandgesellschaft für Vermögensverwaltung und Beteiligungen mbH), Slg. 1993, I-139 Rdnr. 22.
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vat handelnder Rechtsnachfolger ableiten. Die Schlussanträge scheinen aber immerhin dem privat handelnden Zessionar generell die Berufung auf den Verbrauchergerichtsstand abschneiden zu wollen. cc) Der Schutzzweck des Verbrauchergerichtsstandes Zudem spricht auch der bislang stets hervorgehobene Gesichtspunkt des Schutzzwecks des Verbrauchergerichtsstandes eher gegen eine Anwendung des Verbrauchergerichtsstandes auf den privat handelnden Zessionar. Zwar mag man einem privat handelnden Rechtsnachfolger im Gegensatz zu einem beruflich oder gewerblich Handelnden durchaus eine Schutzwürdigkeit attestieren. Diese grundsätzliche Schutzwürdigkeit reicht indes im Hinblick auf den Verbrauchergerichtsstand der EuGVVO nicht aus, um seine Anwendung zu begründen. Will man die Anwendung des Verbrauchergerichtsstandes mit einem Teil der Literatur dennoch auf die Schutzwürdigkeit des privat handelnden Rechtsnachfolgers stützen, 106 muss man sich fragen, unter welchen Umständen der Verbraucher überhaupt schutzwürdig erscheinen soll. Schutzwürdig soll der Verbraucher dann sein, wenn er die Forderung nicht zu beruflichen oder gewerblichen Zwecken erworben hat und sie auch nicht in Ausübung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit geltend macht.107 Um beurteilen zu können, zu welchen Zwecken der Rechtsnachfolger die Forderung erworben hat, müsste man also zunächst auf den Erwerbstatbestand abstellen. Liegt der Zession z. B. ein Forderungskauf zu Grunde, dann handelt der Rechtsnachfolger in Ausübung seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit, wenn er den Kaufvertrag mit den Zedenten in Ausübung dieser Tätigkeit geschlossen hat. Liegt dem Forderungserwerb wie bei der Gesamtschuld ein gesetzlicher Erwerbstatbestand – die Legalzession – zu Grunde, dann müsste, wie bereits oben dargelegt, darauf abgestellt werden, in welchem Verhältnis der Zessionar zum Zedenten stand. Ist der Zessionar dieses Verhältnis in Ausübung seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit eingegangen, dann kann er nicht als privat handelnder Rechtsnachfolger betrachtet werden. Handelte der Zessionar hingegen im Verhältnis zum Zedenten nur zu privaten Zwecken, dann kommt ihm die Eigenschaft als privat handelnder Rechtsnachfolger zu. Das würde aber bedeuten, dass man die 106 So ausdrücklich Benicke, WM 1997, 945, 950; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 15 EuGVVO Rdnr. 15, die die Anwendung des Verbrauchergerichtsstandes auf den (privaten) Zessionar befürworten. 107 Benicke, WM 1997, 945, 950; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, A.1. – Art. 15 EuGVVO Rdnr. 19; Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 17 EuGVVO Rdnr. 3; ders., JZ 2004, 408, 409; Staudinger, IPRax 2011, 229, 232; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 15 EuGVVO Rdnr. 15.
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Schutzwürdigkeit des Zessionars zum einen von einem Rechtsverhältnis (das dem jeweiligen Erwerbstatbestand zugrunde liegt108) abhängig machen würde, an dem der andere Vertragspartner und Prozessgegner gar nicht beteiligt war. Zum anderen würde sich die Schutzwürdigkeit einzig darauf stützen, dass Zedent und Zessionar das Geschäft, auf Grund dessen der Zessionar zum Forderungsinhaber wurde, zu privaten Zwecken abgeschlossen haben. Darüber hinaus hinkt der Vergleich aber schon insoweit, als der Verbrauchergerichtsstand bereits in seinem genuinen Anwendungsbereich nicht nur darauf abstellt, dass der Vertrag zu persönlichen Zwecken geschlossen wurde, sondern die bereits oben angeführten weiteren situativen Voraussetzungen aufstellt. Daneben besteht die Gefahr, dass die Anwendung des Verbrauchergerichtsstandes auf den privat handelnden Rechtsnachfolger zu einem ausufernden Schutz des letzteren führt, der mit der Intention des Verbrauchergerichtsstandes nicht mehr vereinbar ist. Soll sich der privat handelnde Rechtsnachfolger auf den Verbrauchergerichtsstand berufen können, müsste in der Konsequenz auch dessen Wohnsitz zu Grunde gelegt werden. Die Maßgeblichkeit des Wohnsitzes des Rechtsnachfolgers für den Verbrauchgerichtsstand wird zwar von denjenigen, die die Anwendbarkeit auf den privat handelnden Rechtsnachfolger befürworten, nicht explizit ausgesprochen. Will man die Anwendbarkeit des Verbrauchergerichtsstandes jedoch mit der Schutzwürdigkeit des privat handelnden Rechtsnachfolgers begründen, so müsste auch an dessen Wohnsitz angeknüpft werden. Art. 17 ff. EuGVVO verwirklichen ihren Schutz gerade dadurch, dass sie dem Verbraucher als der schutzwürdigen Person ein forum actoris zur Verfügung stellen und eine Klage gegen ihn auf Gerichtsstand im Wohnsitzsstaat des Verbrauchers beschränken.109 Das müsste dann unter der gewählten Prämisse auch für den Zessionar gelten. In der Folge bedeutete dies aber, dass der Rechtsnachfolger nur aufgrund seiner Eigenschaft als privat handelnder Zessionar in den Genuss des Verbrauchergerichtsstandes kommt und einen weitergehenden Schutz genießt als der den Vertrag schließende Verbraucher in einer vergleichbaren Position. Es könnte zu dem absurden Ergebnis kommen, dass der Anwendungsbereich des Verbrau chergerichtsstandes für die Rechtsnachfolgefälle weiter ist, als er es bei einem direkten Vertragsschluss zwischen dem Unternehmer und dem Rechtsnachfolger wäre. Bei einer Zession wäre der Schutz in Bezug zum Unternehmer als den anderen Vertragspartner rein personenbezogen, da er nur auf die Eigenschaft des Zessionars als privat handelnder Rechtsnachfolger abstellt, während er in So ganz explizit: Simotta, in: Fasching/Konecny, ZPO, Art. 15 EuGVVO Rdnr. 109. Zu der Überlegung, den Schutzzweck der Art. 17 ff. EuGVVO dadurch zu verwirklichen, dass man dem Verbraucher als Rechtsnachfolger einen weiteren Gerichtsstand am Wohnsitz des Rechtsvorgänger einräumt, siehe unten Teil 3: § 2: C. II. 2. c) ee). 108
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Teil 3: Die eigenständige Rückgriffsklage
seinem genuinen Anwendungsbereich zusätzliche Kriterien erfordert. Der Verbraucher wird im Zuständigkeitsregime der EuGVVO zwar grundsätzlich als schutzwürdig betrachtet, dieser Schutz ist jedoch nicht absolut. Der Verbrau chergerichtsstand knüpft nicht nur an die Verbrauchereigenschaft an sich an, sondern stellt weitere Erfordernisse auf, die sich entweder auf den Vertragstyp beziehen (Teilzahlungskauf bzw. Anschaffungskredit nach lit. a) und b)) oder von einem Verhalten des Unternehmers abhängig sind (lit. c): der Unternehmer muss seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, ausüben oder auf irgendeinem Wege auf diesen ausrichten. Der Unternehmer als der andere Vertragspartner müsste sodann die Anwendung des Verbrauchergerichtsstandes hinnehmen, obwohl er sich selbst nie direkt mit dem zweiten „Verbraucher“ eingelassen hat und dessen Wohnsitz für ihn daher in keinem Zeitpunkt vorhersehbar war. Der mangelnden Vorhersehbarkeit für den Unternehmer lässt sich auch nicht mit dem Einwand begegnen, dass im Rahmen des Verbrauchergerichtsstandes auch ein Wohnsitzwechsel des Verbrauchervertragspartners beachtlich wäre.110 Die Situation, dass ein neuer Gläubiger hinzutritt, lässt sich nicht mit der Situation gleichsetzen, dass der eigentliche Vertragspartner seinen Wohnsitz nach Vertragsschluss und vor Klageerhebung wechselt. Übt der Unternehmer in dem Wohnsitzsstaat des privat handelnden Rechtsnachfolgers seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit aus oder hat er diese Tätigkeit auf dessen Mitgliedstaat ausgerichtet, so ließe sich argumentieren, dass der Gläubigerwechsel für den Unternehmer irrelevant sei und sich auch im Hinblick auf die Vorhersehbarkeit und Zumutbarkeit keine Bedenken ergeben, den Verbrauchergerichtsstand in diesen Fällen auch auf den privat handelnden Rechtsnachfolger anzuwenden. Sodann müsste man aber bei den Zessionsfällen danach differenzieren, ob der Zessionar seinen Wohnsitz in einem solchen Mitgliedstaat hat oder nicht. In der Folge könnte er sich auf den Verbrauchergerichtsstand berufen oder eben nicht. Unabhängig von der bereits in Frage gestel110 Zur Maßgeblichkeit des Wohnsitzes im Zeitpunkt der Klageerhebung Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, A.1. – Art. 15 EuGVVO Rdnr. 6 (mit dem Hinweis auf die Unterscheidung zwischen der Anwendungs- und Kompetenznorm des Art. 17 und 18 EuGVVO); Kleinknecht, Verbraucherschützende Gerichtsstände, S. 124 f.; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 16 EuGVVO Rdnr. 2; Staudinger, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 18 EuGVVO Rdnr. 5; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 16 EuGVVO Rdnr. 7. Anders aber Schlosser/ Hess, EuZPR, Art. 18 EuGVVO Rdnr. 3: liegen die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 lit. c) EuGVVO auch nicht im Hinblick auf den neuen Wohnsitzstaats des Verbrauchers vor, soll ein Wohnsitzwechsel des Verbrauchers unter Berufung auf Art. 6 MRK unbeachtlich sein. Ebenso auch Schlosser-Bericht, Abl. (EG) 1979 Nr. C 59/71, Rdnr. 161 mit Blick auf das in Art. 13 EuGVÜ enthaltenen Erfordernisses, dass der Verbraucher die zum Vertragsabschluss erforderliche Rechtshandlung im Hoheitsgebiet seines Sitzstaates vornehmen muss.
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len Schutzwürdigkeit des privat handelnden Zessionars würde die Anwendbarkeit des Verbrauchergerichtsstandes in diesen Fällen aber dann noch davon abhängen, ob die situativen Elemente des Art. 17 EuGVVO in Bezug auf den Mitgliedstaat des Zessionars vorlägen. Das ist eine Differenzierung, die schon deshalb nicht überzeugen kann, weil die situativen Elemente des Art. 17 EuGVVO auf den Vertragsschluss mit dem ursprünglichen Verbraucher zugeschnitten sind und in Bezug auf den Zessionar, mit dem der Unternehmer keinen Vertrag geschlossen hat, ihre Bedeutung nicht voll verwirklichen können. Hinzu kommt, dass solche Differenzierungen nur schwerlich mit dem Streben nach einem für alle Parteien vorhersehbaren Gerichtsstand in Einklang zu bringen wären. dd) Das obiter dictum des EuGH in der Rechtssache Vorarlberg Eine andere Betrachtung kann sich auch nicht aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Vorarlberg111 und dem dort enthaltenen obiter dictum ergeben. In diesem obiter dictum wird angenommen, ein Legalzessionar der Forderung des unmittelbar Geschädigten, der selbst als die schwächere Partei angesehen werden könne, müsse sich auf den Versicherungsgerichtsstand und die dort enthaltene Privilegierung der Wohnsitzanknüpfung berufen können. Zwar lag auch dieser Entscheidung als ratio decidendi die fehlende Schutzwürdigkeit des Sozialversicherungsträgers als Zessionar zu Grunde und führte quasi im Umkehrschluss zum obiter dictum des EuGH. Der Versicherungs- und der Verbrauchergerichtsstand können jedoch, obwohl sie beide den Schutz bestimmter Personengruppen zum Ziel haben, nicht völlig miteinander gleichgesetzt werden. Das zeigt sich schon an den bereits mehrfach erwähnten zusätzlichen situativen Voraussetzungen des Art. 17 EuGVVO, zu denen sich keine Entsprechung innerhalb der Vorschriften des 3. Abschnittes zu den Versicherungssachen findet. Zudem ist schon der Ausgangspunkt der Direktklage des Geschädigten nach Art. 13 Abs. 2 i. V. m. Art. 11 Abs. 1 lit. b) EuGVVO und einer Verbrauchersache nach Art. 17 EuGVVO ein anderer. Bei einer Direktklage stehen der Geschädigte als Anspruchsinhaber und Kläger auf der einen Seite und der Versicherer als Anspruchsgegner und Beklagter auf der anderen Seite in keinem direkten Kontakt zueinander. Das Versicherungsvertragsverhältnis besteht zwischen Versicherer und Schädiger. Der Kontakt zwischen Versicherer und Geschädigten kommt erst durch das schädigende Ereignis zustande.112 Für den 111 EuGH, Urteil v. 17.09.2009, Rs. C-347/08 (Vorarlberger Gebietskrankenkasse ./. WGV-Schwäbische Allgemeine Versicherungs AG), Slg. 2009, I-8661. 112 Manche gehen daher sogar so weit davon zu sprechen, dass der Gläubiger (der Geschädigte) seine Position nicht aus Vertrag, sondern aus Delikt gewinne und ihr Verhältnis daher
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Versicherer sind also bereits die Person des Geschädigten und vor allem dessen Wohnsitz unbekannt und unvorhersehbar. Das Leistungsversprechen des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer beinhaltet aber ja insoweit auch, dass Leistungen an Dritte (z. B. den Geschädigten) erfolgen müssen. Letztlich ist also bereits das Leistungsversprechen auf Leistungen an einen zufälligen Anspruchssteller ausgerichtet, was zugleich mit sich bringt, dass der Versicherungsgerichtsstand von vornherein nicht immer vorhersehbar ist. Anders ist es hingegen beim Verbrauchergerichtsstand. Der Anspruch(s inhalt) gründet sich hier nicht auf einem zufälligen Zusammentreffen von Schädiger und Geschädigtem, sondern folgt aus einem durch autonome Selbstbindung eingegangenen Vertragsverhältnis. Der Unternehmer hat sich seine Vertrags- und damit seine ursprüngliche Prozesspartei selbst ausgesucht. Der Gerichtsstand (am Wohnsitz des klagenden bzw. beklagten Verbrauchers) war für ihn somit auch vorhersehbar. Er ist zunächst durch die Person des Verbrauchers fixiert. Für die Behandlung des Gläubigerwechsels durch Zession muss dies zumindest im Ansatz berücksichtigt werden. Denn auch bei den Zuständigkeitsvorschriften der Art. 11 ff. und Art. 17 ff. EuGVVO geht es um eine gerechte Abwägung der beiderseitigen Parteiinteressen, wenn auch den Interessen der tendenziell schwächeren Partei hier von Gesetzes wegen der Vorrang eingeräumt wird.113 Dessen ungeachtet sollte dem obiter dictum des EuGH in der Rechtssache Vorarlberg für die Einzelrechtsnachfolge keine zu große Bedeutung beigemessen werden. Das liegt schon daran, dass mit dem obiter dictum ein Beispiel der Gesamtrechtsrechtsnachfolge (Erbe) aufgegriffen wurde. Einzel- und Gesamtrechtsnachfolge unterscheiden sich jedoch grundsätzlich insoweit, als der Gesamtrechtsnachfolger nicht nur einzelne Ansprüche erwirbt, sondern den Rechtsvorgänger gänzlich substituiert und in seine Rechtsposition insgesamt, also auch in seine Pflichtenstellung, eintritt. Hat der Erblasser einen Vertrag geschlossen, wird der Erbe nicht nur Forderungsinhaber, sondern zugleich Vertragspartei. Bei einer Zession einzelner vertraglicher Ansprüche hingegen bleibt der Zedent Vertragspartei und der Zessionar erwirbt nur einzelne Ansprüche bzw. Forderungen. Dieser Unterschied könnte eine unterschiedliche Betrachtung durchaus rechtfertigen.114 Bei der Gesamtrechtsnachfolge ist die ursprüngliche Partei in keiner Weise mehr beteiligt. Bei der Einzelrechtsnachaußervertraglich zu qualifzieren sei. Vgl. Mankowski, IPRax 2015, 115, 116; Staudinger, DAR 2014, 557, 560. 113 Nach Staudinger/Czaplinski, NJW 2009, 2249, 2252 soll die Interessenlage des Versicherers im Rahmen des Art. 11 Abs. 2 i. V. m. Art. 9 Abs. 1 lit. b) EuGVVO hingegen gar keine Berücksichtigung finden. 114 Vgl. zu diesem Differenzierungsansatz auch Sachse, Verbrauchervertrag, S. 134.
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folge durch Zession ergibt sich aber ein Drei-Personen-Verhältnis; der Zedent ist noch beteiligt, so dass gerade die Frage auftaucht, inwieweit die in seiner Person gründenden Umstände noch berücksichtigt werden können und müssen. Ingesamt zeigt sich damit, dass aus dem auf den Versicherungsgerichtstand zugeschnittenen Urteil keine zwingenden Rückschlüsse auf die hier vorliegende Problematik zu ziehen sind. ee) Möglichkeit eines „Einfrierens“ des Verbrauchergerichtsstandes Bislang nur beiläufig erörtert wurde die Möglichkeit, dem Zessionar die Berufung auf den Verbrauchergerichtsstand zu gestatten, ihn allerdings im Hinblick auf den maßgeblichen Gerichtsstand auf den Wohnsitz des Zedenten als den ursprünglichen (Verbraucher-) Gläubiger zu verweisen. Bei einer Zession würde der Verbrauchergerichtsstand insoweit „eingefroren“ werden. (1) Diskussionsstand bei Art. 5 Nr. 2 EuGVVO a. F. (Art. 3 lit. b) EuUnthVO) und beim Versicherungsgerichtsstand Erstmals aufgetreten ist der Gedanke des „Einfrierens“ im Zusammenhang mit dem Schutzgerichtsstand für Unterhaltsansprüche, Art. 5 Nr. 2 EuGVVO a. F. Ausgangspunkt für eine solche Überlegung bildete die Rechtssache Bliijdenstein. In der Rechtssache Blijdenstein hatte der EuGH zur Anwendbarkeit des Art. 5 Nr. 2 EuGVVO a. F. bei einer Zession des Unterhaltsanspruchs an eine öffentliche Behörde Stellung genommen. Für die Rückgriffsklage einer öffentlichen Behörde verneinte er mangels Schutzwürdigkeit derselben die Anwendbarkeit des Art. 5 Nr. 2 EuGVVO a. F. und verwies den Rückgriffsgläubiger damit auf den allgemeinen Gerichtsstand.115 Die Entscheidung stieß in der Literatur teilweise auf große Zustimmung,116 gab jedoch auch Anlass zur Kritik.117 Kritisiert wurde die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Bliijdenstein vor allem deshalb, weil der Unterhaltsschuldner sodann von einer Nichtleistung 115 EuGH, Urteil v. 15.01.2004, Rs. C-433/01 (Freistaat Bayern ./. Jan Blijdenstein), Slg. 2004, I-981, Rdnr. 31; so auch Schlosser-Bericht, Abl. (EG) 1979 Nr. C 59/71, Rdnr. 97. 116 Blobel, EuLF 2004, 46, 48; Gottwald, in: MünchKomm, ZPO, 4. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rdnr. 56; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, A.1. – Art. 5 EuGVVO Rdnr. 160 f.; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 65; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Bearbeitung 2011, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 67; Neu, EuZW 2004, 277, 279. Im Ergebnis zustimmend Schlosser, JZ 2004, 408, 409. 117 Insbesondere Martiny, IPRax 2004, 195, 203 ff. mit der Aufforderung an den europäischen Verordnungsgeber, günstigere und den (öffentlichen) Regress ausschließlich erfassende Normen zu schaffen; Rauscher, ZZPInt 9 (2004), 160, 161 ff. kritisch aber wohl im Ergebnis die Rechtsprechung des EuGH billigend; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 101.
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an den Unterhaltsberechtigten und der sich zumeist anschließenden Vorleistung durch eine öffentlich-rechtliche Behörde zuständigkeitsrechtlich profitieren könne. Mit einer Rückgriffsklage müsste er in diesem Fall, anders als bei einer unmittelbaren Unterhaltsklage, nur noch an seinem eigenen Wohnsitz rechnen.118 Für die öffentlichen Einrichtungen könne dadurch sogar der Anreiz geschaffen sein, die Vorleistung zu verweigern und den Unterhaltsberechtigten so zu einer eigenen Klage gegen den Unterhaltsverpflichteten zu drängen.119 Um dies zu vermeiden, wurde in der Literatur gefordert, dem Rückgriffsgläubiger daher zumindest alternativ den Gerichtsstand am Wohnsitz oder am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten zur Verfügung zu stellen.120 Die Behandlung eines Rückgriffs durch einen privaten Dritten für Unterhaltsansprüche ist in der Literatur ebenso umstritten. Teilweise will man die Rechtsprechung des EuGH aus der Rechtssache Blijdenstein übertragen und dem Dritten nur den allgemeinen Gerichtsstand für seine Rückgriffsklage zur Verfügung stellen; der Unterhaltsgerichtsstand solle ihm verwehrt bleiben.121 Andere wollen den Unterhaltsgerichtsstand auch dem privaten Dritten zur Verfügung stellen.122 Der Legalzessionar solle sich dann aber nur auf den Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten und nicht seinen eigenen berufen können.123 Seit In-Kraft-Treten der EuUnthVO hat der Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 2 EuGVVO a. F. für Verfahren, die nach dem 18.6.2011 eingeleitet werden, keine Mankowski, IPRax 2014, 249, 252; Rauscher, ZZPInt 9 (2004), 160, 165. BGH, FamRZ 2002, 21, 222; zu dieser Überlegung auch Mankowski, IPRax 2014, 249, 252; Rauscher, ZZPInt 9 (2004), 160, 164. 120 Blobel, EuLF 2004, 46, 50 kritisch, aber ohne abschließende Beurteilung; Brückner, Unterhaltsregress, S. 155 mit Blick auf den Wortlaut, der auf den Unterhaltsberechtigten abstelle und dem Hinweis, dass Regressgläubiger durch die Zession nicht zu einem Unterhaltsberechtigten werde; Geimer, IPRax 2003, 512, 513 Fn. 7; Martiny, Unterhaltsrang- und Rückgriff, S. 912; ders., IPRax 2004, 195, 203. 121 Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 65; Leible, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Bearbeitung 2011, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 67; wohl auch Schlosser, EuZPR, 3. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rdnr. 13. 122 Brückner, Unterhaltsregreß, S. 139 f.; Martiny, IPRax 2004, 195, 203; Rauscher, ZZPInt 9 (2004), 160, 166. Teilweise will man die Berufung auf den Art. 5 Nr. 2 EuGVVO auch davon abhängig machen, dass die Forderung nicht zu beruflichen oder gewerblichen Zwecken eingetrieben wird, Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, A.1. – Art. 5 EuGVVO Rdnr. 162; ders., IPRax 2003, 512, 513 Fn. 7; Gottwald, in: MünchKomm, ZPO, 4. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rdnr. 56. 123 Ausdrücklich klarstellend Brückner, Unterhaltsregress, S. 139 f. mit Blick auf den Wortlaut, der auf den Unterhaltsberechtigten abstelle und dem Hinweis, dass Regressgläubiger durch die Zession nicht zu einem Unterhaltsberechtigten werde; Martiny, IPRax 2004, 195, 203. 118
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Bedeutung mehr. Es gilt Art. 3 EuUnthVO. Die Diskussion des Gerichtsstandes für Rückgriffsklagen ist jedoch auch unter Geltung der EuUnthVO nicht abgerissen, sondern für die Frage des Rückgriffs durch öffentlich-rechtliche Institutionen und Behörden wieder neu entfacht worden. Es mehren sich die Stimmen, die eine Berufung auf Art. 3 lit. b) EuUnthVO auch den öffentlich-rechtlichen Behörden gestatten wollen.124 Man stützt sich dabei auch in Abgrenzung der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ bzw. EuGVVO insbesondere auf ein systematisches Argument. Mit der Neuverortung des Unterhaltsgerichtsstandes im Zuständigkeitssystem der EuUnthVO in Art. 3 lit. b) EuUnthVO sei ein allgemeiner und gleichrangiger Gerichtsstand geschaffen worden, auf den sich auch die öffentliche Behörde stützen könne. Eröffnet sei der Gerichtsstand nach Art. 3 lit. b) EuUnthVO für eine Rückgriffsklage aber nur am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten. Als konsensfähig kann diese Ansicht aber selbst unter der EuUnthVO nicht betrachtet werden. Es wird weiterhin auch die Ansicht vertreten, die Anwendung des Art. 3 lit. b) EuGVVO auf den Unterhaltsrückgriff sei ausgeschlossen.125 Auf die einzelnen Argumente und die Diskussion im Allgemeinen soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Herausgegriffen werden kann aber der Gedanke, dass der Rückgriffsgläubiger sich allenfalls auf den gewöhnlichen Aufenthalt der unterhaltsberechtigten Person berufen kann. Der Gedanke des „Einfrierens“, d. h. die Maßgeblichkeit des Wohnsitzes des ursprünglichen Gläubigers des geltend gemachten Anspruchs, wurde auch im Rahmen des Art. 13 Abs. 1 i. V. m. Art. 11 lit. b) EuGVVO bereits von der Literatur aufgegriffen.126 Der Rechtsnachfolger in Versicherungssachen solle seine Klage nur vor den Gerichten erheben können, die auch für eine Klage seines Rechtsvorgängers zuständig wären.
124 AG Stuttgart, NJW-RR 2014, 70, 70; Andrae, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 3 uUnthVO Rdnr. 1 f.; dies.; FPR 2013, 38, 42; Lipp, in: MünchKomm, FamFG, Vorbem. E Art. 3 ff. EuUnthVO Rdnr. 27 ff.; Mankowski, IPRax 2014, 249 ff.; Reuß, in: FS Simotta (2012), S. 483, 489 f., 493. 125 Inbesondere für den Regress öffentlicher Einrichtungen Bittmann, in: Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 36 Rdnr. 33; Conti, Unterhaltsansprüche, S. 192 ff. allerdings mit Bedauern, dass der Gesetzgeber in der EuUnthVO für den Regress öffentliche Träger keinen günstigeren Gerichtsstand geschaffen hat; so noch Dörner, in: Saenger, ZPO, 5. Aufl., Art. 3 EuUnthVO Rdnr. 5 (anders nunmehr in der 7. Aufl.); Hau, in: Europäisches Unterhaltsrecht, S. 58, 76; Kuntze, FPR 2011, 166, 170¸ Martiny, FamRZ 2014, 429, 433. 126 Vgl. Lüttringhaus, VersR 2010, 183, 187. Für die rechtsgeschäftliche Abtretung ebenso Staudinger/Czaplinski,, NJW 2009, 2249, 2252.
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(2) Folgerungen für den Verbrauchergerichtsstand Grundsätzlich läge also die Überlegung nahe, den Verbrauchergerichtsstand zwar auf den privat handelnden Rechtsnachfolger anzuwenden, in seinem Rahmen aber nicht den Wohnsitz des Rechtsnachfolgers, sondern den des ursprünglichen Verbraucher-Gläubigers zugrunde zu legen. Das würde bedeuten, dass der Rechtsnachfolger, im Falle eines Gesamtschuldnerausgleichs also der leistende Gesamtschuldner, eine Klage gegen den anderen Vertragspartner, den in Rückgriff zu nehmenden Gesamtschuldner, entweder an dessen Wohnsitz oder am Wohnsitz des Zedenten, des Gläubigers, erheben könnte. Er selbst könnte aber nur am Wohnsitzstaat des ursprünglichen Gläubigers gerichtspflichtig gemacht werden. Allerdings kann auch dieser Lösungsansatz für den Verbrauchergerichtsstand nicht überzeugen. Das liegt zum einen schon daran, dass der Ausschluss des Verbrauchergerichtsstandes anders als bei einer Rückgriffsklage im Rahmen des Art. 5 Nr. 2 EuGVVO a. F. bzw. Art. 3 lit. b) EuUnthVO und Art. 13 Abs. 1 i. V. m. Art. 11 lit. b) EuGVVO nicht zugleich dazu führt, dass der Zessio nar mit seiner Klage einzig auf den allgemeinen Gerichtsstand verwiesen würde.127 Denn es ist in diesem Fall, was im Folgenden noch im Einzelnen zu erörtern ist, grundsätzlich möglich, für die Rückgriffsklage sodann auf den Vertragsgerichtsstand zurück zu greifen. Über den Vertragsgerichtsstand besteht sodann die Möglichkeit, Klage an einem anderen als dem Wohnsitzstaat des Beklagten zu erheben. Dem Kläger stehen grundsätzlich der allgemeine und der besondere Gerichtsstand zur Verfügung. Sollte der Erfüllungsort im konkreten Fall in dem Staat belegen sein, in dem der Beklagten seinen Wohnsitz hat, hat der besondere Gerichtsstand neben dem allgemeinen Gerichtsstand zwar keine Bedeutung. Allerdings muss man beachten, dass in diesen Fällen nicht die potentiellen Gerichtsstände auf einen einzigen, nämlich den allgemeinen Gerichtsstand reduziert werden, sondern der allgemeine und der besondere Gerichtsstand lediglich zusammenfallen, weil ihre jeweiligen Anknüpfungsmomente, die grundsätzlich verschieden sind, im konkreten Einzelfall in demselben Mitgliedstaat belegen sind bzw. auf denselben Mitgliedstaat verweisen. Die einzelfallbedingten Nachteile begründen aber kein allgemeines Bedürfnis für eine Anwendung des „eingefrorenen“ Verbrauchergerichtsstands. Sinn und Zweck des Verbrauchergerichtsstandes ist es zudem nicht, dem Verbraucher einen zum Wohnsitz des Klagegegners alternativen Gerichtsstand einzuräumen. Es soll vielmehr ermöglicht werden, gerade an seinem Wohnsitz Klage erheben zu können und mit einer Klage gegen sich nur an diesem Ort rechnen zu müssen. Davon würde abgewichen, wenn man eine Schutzwürdigkeit des privaten Rechts127
Vgl. zu diesem Gedanken auch Staudinger/Czaplinski, NJW 2009, 2249, 2252.
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nachfolgers anerkennt, aber dann doch einen anderen Wohnsitz, nämlich jenen des Zedenten, für beachtlich hält. Daher bleibt es bei dem hier gefundenen Ergebnis: Da sich der von Art. 17 ff. EuGVVO bezweckte Schutz nur auf den Verbraucher bezieht, der an dem Vertragsschluss mit dem Unternehmer selbst beteiligt war, nicht jedoch auch auf seinen privat handelnden Rechtsnachfolger, kann weder dieses unmittelbare Schutzziel noch eine davon ausgehende Reflexwirkung für eine Klage des Rechtsnachfolgers beachtlich sein. (3) Zwischenergebnis Im Ergebnis kann sich der privat handelnde Rechtsnachfolger daher nicht auf den Verbrauchergerichtsstand berufen, da dieser Gerichtsstand nur dem Schutz des ursprünglichen Gläubigers dienen soll.128 Der Verbrauchergerichtsstand ist daher nur dann anwendbar, wenn der den streitgegenständlichen Vertrag schließende Verbraucher auch selbst am Verfahren als Kläger oder Beklagter beteiligt ist.129 Dasselbe gilt auch für eine Rückgriffsklage aus der übergeleiteten Gläubigerforderung. Auch wenn der leistende Gesamtschuldner das Rechtsverhältnis zum Gläubiger zu privaten Zwecken abgeschlossen hat, und damit zumindest als Person schutzwürdig erscheint, kann der Rückgriff aus der übergeleiteten Gläubigerforderung gegen den anderen Gesamtschuldner, der seine Verbindlichkeit zum Gläubiger in Ausübung seiner beruflichen und gewerblichen Tätigkeit und unter den weiteren Voraussetzungen des Art. 17 EuGVVO eingegangen ist, nicht am Wohnsitz des leistenden Gesamtschuldners geltend machen. d) Maßgeblichkeit des Vertragsgerichtsstandes als Folge der Nichtanwendbarkeit des Verbrauchergerichtsstandes Ist der Verbrauchergerichtsstand für Zessionsfälle und eben auch die Rückgriffsklage aus übergeleitetem Recht nicht eröffnet, bedeutet das aber nicht zugleich, dass für den Kläger nur die Möglichkeit besteht, Klage am Wohnsitz des Beklagten zu erheben. Ihm steht für die Klage auch alternativ der Vertragsgerichtsstand nach Art. 7 Nr. 1 EuGVVO zur Verfügung. Der Verbrauchergerichtsstand reduziert sich insoweit auf den allgemeineren Vertragsgerichtsstand des Art. 7 Nr. 1 EuGVVO, der dann als „subsidiärer“ Vertragsgerichtsstand Bedeutung erlangt. 128
BGH, NJW 2009, 2606, 2607. Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 15 EuGVVO Rdnr. 11; Mankowski/Nielsen, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation, Art. 15 EuGVVO Rdnr. 18; Schwartze, in: unalex Kommentar Brüssel I-VO, Art. 15 EuGVVO Rdnr. 4. 129
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aa) Stand der Rechtsprechung und Literatur In der Rechtsprechung und Literatur ist die Frage, ob der Vertragsgerichtsstand im Falle der Rechtsnachfolger auf Seiten des Verbrauchers subsidiär zur Anwendung kommen kann, bislang, soweit ersichtlich, nicht erörtert worden. Der EuGH hatte in der Rechtssache Shearson Lehman130 nur über die Frage der Anwendbarkeit des Verbrauchergerichtsstandes zu urteilen. Auch der BGH als vorlegendes Gericht musste sich nicht damit beschäftigen, ob im Anwendungsbereich der EuGVVO sodann an Stelle des Verbrauchergerichtsstandes der Vertragsgerichtsstand maßgeblich ist, da die Beklagte ihren Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hatte und sich über Art. 15 Abs. 2 EuGVVO a. F. (jetzt Art. 17 Abs. 2 EuGVVO) lediglich die partielle Anwendbarkeit der Verordnung ergab, die den Vertragsgerichtsstand nach Art. 5 Nr. 1 EuGVVO a. F. (jetzt Art. 7 Nr. 1 EuGVVO) nicht erfasst.131 Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte in der Rechtssache Shearson Lehman beurteilte sich daher nach autonomem deutschem Zuständigkeitsrecht. Interessant ist, dass der BGH132 als das vorlegende Gericht dem im autonomen bestehenden Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach § 29 ZPO, also das nationale Pendant zum Vertragsgerichtsstand des Art. 7 Nr. 1 EuGVVO, nicht für eine mögliche internationale Zuständigkeit heranzieht, und ihn sogar mit keinem Wort erwähnt. Der BGH prüft lediglich einen inländischen Vermögensgerichtsstand nach § 23 ZPO und den Gerichtsstand der Niederlassung nach § 21 ZPO, lehnt diesen im Ergebnis dann aber ab. Aus dem Schweigen des BGH darauf zu schließen, dass in solchen Zessionsfällen eine subsidiäre Anwendung des Vertragsgerichtsstandes nicht in Frage kommt, wäre indes verfehlt.133 Selbst wenn man die Entscheidung des BGH auf ihre Übertragbarkeit auf die EuGVVO überprüfen wollte, müsste man beach130 EuGH, Urteil v. 19.01.1993, Rs. C-89/91 (Shearson Lehman Hutton Inc. ./. TVB Treuhandgesellschaft für Vermögensverwaltung und Beteiligungen mbH), Slg. 1993, I-139. 131 Auch in dem dem LG Nürnberg-Fürth (ZIP 2010, 1368) zugrunde liegendem Sachverhalt war die EuGVVO nur aufgrund des Art. 15 Abs. 2 EuGVVO a. F. partiell anwendbar. 132 NJW 1993, 2683 ff. 133 Der BGH wie auch das OLG München als Berufungsgericht erörtern nicht, weshalb ein möglicher Vertragsgerichtsstand nach § 29 ZPO nicht in Betracht kommen soll. Der Aspekt der Zession und dessen Auswirkung auf die Anwendbarkeit des Verbrauchergerichtsstandes wird vielmehr erst vom EuGH problematisiert. Zu der Vorlage an den EuGH sah sich der BGH indes u. a. deshalb veranlasst, weil nicht klar wahr, ob die Voraussetzungen für die partielle Anwendung des Verbrauchergerichtsstandes auf einen Kläger mit Wohnsitz in einem Drittstaat nach Art. 13 Abs. 2 EuGVÜ a. F. vorgelegen haben (vgl. Vorlagefrage Nr. 3). In einer späteren Entscheidung des BGH, in der auch die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Verordnung im Hinblick auf den Verbrauchergerichtsstand nach Art. 15 Abs. 2 EuGVVO a. F. in Frage stand, hat der BGH dann aber § 29 ZPO, wenn auch ohne Erfolg (weil
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ten, dass der Anwendungsbereich des Verbrauchergerichtsstandes im nationalen Recht nur als besonderer Gerichtsstand für Haustürgeschäfte ausgestaltet ist, § 29c ZPO, und daher nicht mit dem Anwendungsbereich des Art. 17 ff. EuGGVO gleichgesetzt werden kann. Da es sich in dem besagten Rechtsstreit nicht um ein Haustürgeschäft handelte, war darüber hinaus selbst der Zusammenhang zwischen dem Gerichtsstand des § 29c ZPO und dem Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach § 29 ZPO gar nicht gegeben. Zu der Frage, ob bei Nichteingreifen des Verbrauchergerichtsstandes in Zessionsfällen für die Rückgriffsklage sodann der Vertragsgerichtsstand nach Art. 7 Nr. 1 EuGVVO zur Verfügung stehen kann, finden sich in der Literatur nur wenige Aussagen. Den Stellungnahmen, nach denen die Art. 17 ff. EuGVVO dem Zessionar nicht zugute kommen bzw. nicht auf ihn ausgedehnt werden können134 bzw. ihm verloren gehen,135 kann für die Frage nach der „subsidiären“ Anwendbarkeit des Vertragsgerichtsstandes nichts entnommen werden. Anders zu verstehen ist hingegen wohl die Aussage von Schlosser, der meint, der EuGH habe mit der Entscheidung in der Rechtssache Shearson Lehman die generelle Linie festgelegt, dass die internationale Zuständigkeit von Gerichten außerhalb des Wohnsitzstaates des Beklagten nicht fortlebe, wenn es zu einem Gläubigerwechsel kommt, sofern die Sonderzuständigkeit dem sozialen Schutz des ursprünglichen Gläubigers dienen soll.136 Da Art. 7 Nr. 1 EuGVVO neben dem allgemeinen Wohnsitz des Beklagten einen alternativen Gerichtsstand begründen könnte, dürfte dieser Gerichtsstand nach Ansicht Schlossers wohl auch nicht auf die Rückgriffsklage angewendet werden. bb) Der systematische Zusammenhang zwischen Vertrags- und Verbrauchergerichtsstand Zunächst scheint es so, als ob aus der allgemeinen Sperrwirkung des Abschnittes 4 und der darin enthaltenen Regelungen des Verbrauchergerichtsstandes zu folgern wäre, dass der Vertragsgerichtsstand für die Klage des Rechtsnachfolgers nicht wiederaufleben könne. Grundsätzlich ist der (allgemeine) Vertragsgerichtsstand neben dem Verbrauchergerichtsstand nicht anwendbar. Letzterem kommt als speziellerer Gerichtsstand insoweit eine Sperrwirkung zu. Es ist aber kein Grund ersichtlich, die Sperrwirkung so weit reichen zu lassen, dass dem der Erfüllungsort nicht in Deutschland lag), herangezogen. Vgl. BGH, NJW-RR 2007, 1570, 1572. 134 Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 15 EuGVVO Rdnr. 11. 135 Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 15 EuGVVO Rdnr. 15. 136 Schlosser, JZ 2004, 408, 409.
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Zessionar nicht der Verbrauchergerichtsstand, sondern darüber hinaus zugleich auch der allgemeine Vertragsgerichtsstand versperrt bleiben sollte. Denn anders als Art. 17 ff. EuGVVO dient der Vertragsgerichtsstand nicht dem Schutz einer bestimmten Personengruppe, sondern gründet sich insbesondere auf der zwischen dem Anspruchsgegenstand und dem Gericht bestehende Verbindung, d. h. auf der Sach- und Beweisnähe des Gerichts am Erfüllungsort. Der Vertragsgerichtsstand und die Sach- und Beweisnähe werden aber durch einen Gläubigerwechsel nicht beeinflusst, da sie gerade streitgegenstands-, und nicht personenbezogen sind.137 Zudem bleibt selbst für Verbraucherverträge, die nicht dem Anwendungsbereich des Art. 17 EuGVVO unterfallen, weil es z. B. an dem für Art. 17 lit. c) EuGVVO erforderlichen situativen Element fehlt, ein Rückgriff auf den Vertragsgerichtsstand möglich, wie der EuGH für das EuGVÜ bereits in der Rechtssache Engler entschieden hatte.138 Es ist daher nur der naheliegende Schritt, den Vertragsgerichtsstand dann wieder aufleben zu lassen, wenn die Voraussetzungen des Art. 17 EuGVVO im Verhältnis zwischen dem Schuldner und Zessionar nicht mehr vorliegen und der Verbrauchergerichtsstand somit nicht anwendbar ist. Da die Schutzwürdigkeit, auf die sich der Verbrauchergerichtsstand stützt, durch die Rechtsnachfolge bzw. den Wegfall des am Vertragsschluss beteiligten Verbrauchers entfallen ist, reduziert sich der Verbrauchergerichtsstand bildlich gesprochen zuständigkeitsrechtlich wieder auf den „allgemeineren“ Vertragsgerichtsstand. cc) Die Interessen des anderen Gesamtschuldners und Vertragspartners des Verbrauchervertrages Der Reduktion auf bzw. der subsidiären Anwendung des Vertragsgerichtsstandes stehen auch nicht die Interessen des anderen Vertragspartners, im Falle des hier zu untersuchenden Gesamtschuldnerausgleichs des anderen Gesamtschuldners, entgegen. Soweit der Erfüllungsort des (Verbraucher-)Vertrages nicht am Wohnsitz des ursprünglichen am Vertrag beteiligten Verbrauchers oder des anderen Vertragspartners belegen ist, kann durch die „Reduktion“ des Verbrauchervertrages auf den Vertragsgerichtsstand zwar ein Zuständigkeitswechsel eintreten. Trotz dieses möglichen Wechsels ist den Anforderungen an die Vorhersehbarkeit und 137
Vgl. Teil 3 § 2: B. II. EuGH, Urteil v. 20.01.2005, Rs. C-27/02 (Petra Engler ./. Janus Versand GmbH), Slg. 2005, I-481, Rdnr. 44. Vgl. zudem Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 15 EuGVVO Rdnr. 2, 20; Mankowski/Nielsen, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation, Art. 17 EuGVVO Rdnr. 3. 138
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Rechtssicherheit auch mit Blick auf den Schuldner und anderen Vertragspartner hinreichend Rechnung getragen. Zwar könnte man einwenden, dass sich der andere Vertragspartner aufgrund von Art. 17 ff. EuGVVO darauf verlassen hat, neben seinem eigenen Wohnsitz nur am Wohnsitz seines Vertragspartners, des Verbrauchers, gerichtspflichtig zu sein. Man muss jedoch beachten, dass auch nach erfolgtem Gläubigerwechsel der streitgegenstandsbezogene Vertragsgerichtsstand in einem sachbezogenen Zusammenhang mit dem ursprünglichen Vertragsverhältnis steht und somit auch für die andere Vertragspartei vorhersehbar ist. Ihm wird kein weiterer unbekannter Gerichtsstand aufgebürdet. Daher ist die Reduktion auf den Vertragsgerichtsstand auch mit den Zuständigkeitsinteressen des anderen Vertragspartners vereinbar. dd) Zwischenergebnis Der neue Gläubiger hat also die Möglichkeit, den Anspruch nicht nur am allgemeinen Gerichtsstand, sondern auch am Vertragsgerichtsstand einklagen zu können. Als maßgeblicher Vertragsgerichtsstand gilt derjenige, der zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien bestünde, wenn die Voraussetzungen des Verbrauchergerichtsstandes nicht vorgelegen hätten (sog. hypothetischer Vertragsgerichtsstand). Insoweit gelten die oben zum Vertragsgerichtsstand139 entwickelten Grundsätze entsprechend.
III. Ergebnis Zusammenfassend lässt sich Folgendes festhalten: Besteht zwischen dem Gläubiger und dem rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner ein Verbrauchervertrag i. S. d. Art. 17 EuGVVO, kann auch die Rückgriffsklage aus übergeleitetem Recht gegen den Gesamtschuldner, der Verbraucher des Ursprungsvertragsverhältnisses ist, nur an dessen Wohnsitz erhoben werden. War die Verbrauchereigenschaft hingegen in der Person des Gläubigers begründet, steht dem leistenden Gesamtschuldner der Verbrauchergerichtsstand für seine Klage aus übergeleitetem Rückgriffsanspruch nicht zu. Dies gilt selbst dann, wenn der leistende Gesamtschuldner sein Rechtsverhältnis zum Gläubiger zu privaten Zwecken eingegangen ist und daher als privat handelnder Rechtsnachfolger, also quasi (vorbehaltlich der situativen Anforderungen) als Verbraucher zu betrachten ist. Der Verbrauchergerichtsstand findet auf die Klage aus der übergeleiteten Gläubigerforderung also nur insoweit Anwendung, als der am Vertragsschluss 139
Vgl. Teil 3 § 2: B.
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beteiligte Verbraucher auch unmittelbar am Rückgriffsprozess beteiligt ist, also nur wenn der Verbraucher Rückgriffschuldner ist. Ist der Verbraucher des Vertragsverhältnisses der übergeleiteten Gläubigerforderung nicht am Rückgriffsverhältnis beteiligt, kann die Rückgriffsklage in der Folge aber nicht nur am Wohnsitz des anderen Gesamtschuldners erhoben werden. Für die Rückgriffsklage aus übergeleitetem Recht steht dem leistenden Gesamtschuldner vielmehr auch der Vertragsgerichtsstand nach Art. 7 Nr. 1 EuGVVO zur Verfügung.
D. Deliktsgerichtsstand des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO I. Vorüberlegungen Art. 7 Nr. 2 EuGVVO eröffnet für Klagen aus einer unerlaubten Handlung oder einer ihr gleichgestellten Handlung ein zu dem allgemeinen Gerichtsstand alternativ bestehendes Forum an dem Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Der Systembegriff des Deliktsgerichtsstandes, die unerlaubte oder eine ihr gleichgestellte Handlung, ist ebenso wie derjenige des Vertragsgerichtsstandes autonom auszulegen, um die einheitliche Anwendung der Verordnung in den Mitgliedstaaten zu gewährleisten.140 Nach der Kalfelis-Formel handelt es sich dann um eine Klage aus unerlaubter Handlung oder einer ihr gleichgestellten Handlung, wenn der Kläger mit ihr eine Schadenshaftung geltend macht, die nicht an einen Vertrag i. S. d. Art. 7 Nr. 1 EuGVVO anknüpft.141 Die geltend gemachte Schadenshaftung muss also aus einer nicht freiwillig eingegangenen Verpflichtung resultieren. Auch der Deliktsgerichtsstand des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO ist ein streitgegenstandsbezogener Gerichtsstand und gründet sich insbesondere auf die bestehende Sach- und Beweisnähe des Gerichts des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht.142 Neben der Sach- und Beweisnähe wird als Legitimationsgrund des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO häufig vorgebracht, dass dem Geschädigten ein alternativer Gerichtsstand zur Verfügung gestellt 140 EuGH, Urteil v. 27.09.1988, Rs. 189/87 (Kalfelis ./. Bankhaus Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co.), Slg. 1988, 5565, Rdnr. 15, 16. 141 EuGH, Urteil v. 27.09.1988, Rs. 189/87 (Kalfelis ./. Bankhaus Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co.), Slg. 1988, 5565, Rdnr. 17. (noch zu Art. 5 Nr. 3 EuGVVO). 142 EuGH, Urteil v. 30.11.1976, Rs. 21/76 (Handelskwekerij G. J. Bier BV ./. Mines de potasse d’Alsace SA), Slg. 1976, 1735, Rdnr. 15/19; EuGH, Urteil v. 07.03.1995, Rs. C-68/93 (Fiona Shevill u. a. ./. Presse Alliance SA), Slg. 1995, I-415, Rdnr. 21.
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werden müsse, da es ihm nicht zugemutet werden könne, den Schädiger nur an dessen Wohnsitz verklagen zu können.143 Obwohl die Überlegung nahe liegt, den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung als eine Begünstigung des Geschädigten zu verstehen,144 kann Art. 7 Nr. 2 EuGVVO eine solche Privilegierung bereits dem Wortlaut nach nicht entnommen werden. Danach wird nicht dem Geschädigten als Kläger ein weiterer Gerichtsstand eingeräumt, sondern der Gerichtsstand steht allgemein für Klagen, die eine unerlaubte Handlung, eine ihr gleichgestellten Handlung oder Ansprüche aus einer solchen Handlung zum Gegenstand haben, zur Verfügung. Er soll den Parteien einen sach- und beweisnahen sowie vorhersehbaren Gerichtsstand gewähren.145 Es werden die beiderseitigen Interessen in Ausgleich zueinander gebracht. Daher hat auch der EuGH in der Rechtssache Folien/Fischer146 entgegen den Schlussanträgen des Generalanwalts Jääskinen147 entschieden, dass Art. 5 Nr. 3 EuGVVO a. F. auch für negative Feststellungsklagen eröffnet ist und sich somit auch der (potenzielle) Schädiger auf den Deliktsgerichtsstand berufen kann.148
II. Die zu Rückgriffszwecken übergeleitete Gläubigerforderung als „deliktischer Anspruch“ i. S. d. Art. 7 Nr. 2 EuGVVO Knüpft der besondere Gerichtsstand für Deliktsklagen aber nicht an personengebundene Elemente an, um eine bestimmte Partei zu privilegieren, sondern ist er streitgegenstandsbezogen, so können sich grundsätzlich auch die Rechtsnachfolger der ursprünglichen Anspruchsparteien (Schädiger und Geschädigter) auf diesen Gerichtsstand berufen.149 Für abgetretene Ansprüche wurde das 143 Vgl. zu dem Gedanken der Opferprivilegierung Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, A.1. – Art. 5 EuGVVO Rdnr. 201; Schlussanträge GA Jääskinen, 14.10.2012, Rs. C-133/11 (Folien Fischer AG./. Ritrama SPA), ECLI:EU:C:2012:226, Rdnr. 48. 144 So z. B. Schlussanträge GA Jääskinen, 14.10.2012, Rs. C-133/11 (Folien Fischer AG./. Ritrama SPA), ECLI:EU:C:2012:226, Rdnr. 48; Stadler, in: FS Musielak (2004), S. 569, 578. 145 Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 5 EuGVVO Rndr. 73, 78; Leible, in: Rauscher, EuZPI/EuIPR, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 74; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 119. 146 EuGH, Urteil v. 25.10.2012, Rs. C-133/11 (Folien Fischer AG./. Ritrama SPA), ECLI:EU:C:2012:664, Rdnr. 55. 147 19.04.2012, Rs. C-133/11 (Folien Fischer AG./. Ritrama SPA), ECLI:EU:C:2012:226, Rdnr. 73. 148 Die Entscheidung des EuGH wurde in der Literatur überwiegend positiv aufgenommen, vgl. nur Gebauer, ZEuP 2013, 870, 876 ff., der zugleich aber auch auf mögliche Folgeprobleme aufmerksam macht; Sujecki, EuZW 2012, 950, 953; Thole, NJW 2013, 1192, 1193. 149 So auch die ganz herrschende Meinung, vgl. nur Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, A.1. – Art. 5 EuGVVO Rdnr. 236, 238; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 93; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 104; Looschelders,
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Ergebnis jüngst vom EuGH in den Rechtssachen ÖFAB150 und CDC151 be stätigt. Ist der Haftungstatbestand zwischen dem Gläubiger und dem als Rückgriffsschuldner in Anspruch zu nehmenden Gesamtschuldner deliktischer Natur, so kommt auch für die Rückgriffklage aus übergeleiteter Gläubigerforderung der Deliktsgerichtsstand in Frage. Wenn die im Außenverhältnis bestehende und auf den Rückgriffsgläubiger übergeleitete Gläubigerforderung deliktischer Natur ist, kann sie auch in den Händen des rückgriffssuchenden Gesamtschuldners am Deliktsgerichtsstand geltend gemacht werden.152 Hierfür streitet insbesondere die dem Deliktsgerichtsstand maßgeblich zu Grunde liegende Sach- und Beweisnähe, die auch durch einen Gläubigerwechsel nicht beeinflusst wird.
E. Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 25 EuGVVO Auch im Verfahrensrecht besteht für die Parteien die Möglichkeit, durch Vereinbarung die Zuständigkeit für Streitigkeiten aus ihren Rechtsverhältnissen unter den Voraussetzungen und in den Grenzen des Art. 25 EuGVVO partei autonom festzulegen. Gesetzlich vorgesehene Gerichtsstände können derogiert, andere prorogiert werden. Besteht zwischen dem Gesamtschuldner, der in Rückgriff genommen werden soll, und dem Gläubiger eine Gerichtsstandsvereinbarung in Bezug auf die übergeleitete Gläubigerforderung, stellt sich die Frage, inwiefern die zwischen ihnen getroffene Vereinbarung über die Zuständigkeit auch für die Rückgriffsklage unter den Gesamtschuldnern von Bedeutung ist und Geltung beansprucht. Angesprochen ist hiermit das allgemeine Problem der Drittwirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen. Für Gerichtsstandsvereinbarungen, die als Prozessverträge153, rein materiell-rechtlich154 oder als materiell-rechtlicher Vertrag über prozessrechtliche Beziehungen155 qualifiziert werden, gilt der Grundsatz IPRax 2013, 370, 373; Mayr/Czernich, EuZPR, Rdnr. 156; Wagner, in: Stein/Jonas ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 116. 150 EuGH, Urteil v. 18.07.2013, Rs. C-147/12 (ÖFAB ./. Koot), ECLI:EU:C:2013:490, Rdnr. 59. 151 EuGH, Urteil v. 21.05.2015, Rs. C-352/13 (Cartel Damages Claims (CDC) Hydrogen Peroxide SA ./. Akzo Nobwl NV u. a.), ECLI:EU:C:2015:335, Rdnr. 35. 152 Ebenso im Rahmen der internationalen Zuständigkeit nach § 32 ZPO OLG Stuttgart, NJW-RR 2006, 1363, 1363. 153 Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 23 EuGVVO Rdnr. 40; ders., Prozeßverträge, S. 557. 154 Rosenberg, Stellvertretung im Prozess, S. 65, 100. 155 Gottwald, in: FS Henckel (1995), S. 295, 299; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rdnr. 74.
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der Relativität gleichermaßen. Sie entfalten daher grundsätzlich nur inter partes Wirkung.156 Die Bindung eines Dritten an die zwischen zwei anderen Parteien geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung ist aber nicht per se ausgeschlossen. Klärungsbedürftig ist nur, ob die Bindungswirkung der Gerichtsstandsvereinbarung gegenüber dem Dritten von dessen Zustimmung abhängt oder sich auch auf Grund anderer Wertungen ergeben kann. Der EuGH hat sich vereinzelt mit der Drittwirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen befasst. In der Rechtssache Gerling157 bejahte der EuGH die (Dritt-) Wirkung für die zugunsten eines Dritten abgeschlossene Gerichtsstandsvereinbarung. Der begünstigte Dritte könne sich auch dann auf die Gerichtsstandsvereinbarung berufen, wenn er ihr nicht unter Einhaltung des jetzt in Art. 25 Satz 2 EuGVVO vorgeschriebenen Formerfordernisses zugestimmt habe.158 Getragen war die Entscheidung maßgeblich von der Erwägung, dass die Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten des Dritten wirken sollte und ihn daher allenfalls begünstige, nicht aber belaste.159 Bei den „zu Lasten“160 Dritter wirkenden Gerichtsstandsvereinbarungen hat der EuGH insbesondere über die in Konnossementen enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarungen entschieden. In der Rechtssache Tilly Russ urteilte er, dass eine wirksam geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung auch zwischen dem Verfrachter und dem Drittinhaber des Konnossements Bindungswirkung entfaltet, wenn der Dritte nach dem anwendbaren nationalen Recht mit dem Erwerb des Konnossements auch in die Rechte und Pflichten des Befrachters eintritt.161 Die Entscheidung war zugleich Ausgangspunkt für die weitere Rechtsprechung des Gerichtshofs in einigen Folgeentscheidungen.162 Der Gedanke, eine Gerichtsstandsverienbarung entfalte auch gegenüber einem Dritten BinHess, EuZPR, § 6 Rdnr. 143; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO Rdnr. 63; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 25 EuGVVO Rdnr. 228; Simotta, in: Fasching/Konecny, ZPO, Art. 23 EuGVVO Rdnr. 285; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 23 EuGVVO Rdnr. 90. 157 EuGH, Urteil v. 14.07.1983, Rs. 201/82 (Gerling Konzern Speziale Kreditversicherungs-AG u. a. ./. Amministrazione del Tesoro dello Stato), Slg. 1983, 2503, Rdnr. 19. 158 EuGH, Urteil v. 14.07.1983, Rs. 201/82 (Gerling Konzern Speziale Kreditversicherungs-AG u. a. ./. Amministrazione del Tesoro dello Stato), Slg. 1983, 2503, Rdnr. 20. 159 Einer belasteten Gerichtsstandsvereinbarung wäre aber bereits schon im Ausgangsverhältnis zwischen den Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung wegen Art. 25 Abs. 4 i. V. m. Art. 15 Nr. 2 EuGVVO die Wirkung zu versagen. 160 Um eine „zu Lasten“ des Dritten wirkende Gerichtsstandsvereinbarung handelt es sich immer schon dann, wenn sie dem Dritten keinen weiteren alternativen Gerichtsstand zur Verfügung stellt, sondern ausschließlicher Natur ist oder gesetzlich bestehende Gerichtsstände derogiert. 161 EuGH, Urteil v. 19.06.1984, Rs. 71/83 (Tilly Russ ./. Nova), Slg. 1984, 2417, Rdnr. 24; 162 EuGH, Urteil v. 16.03.1999, Rs. C-159/97 (Trasporti Castelletti SpA ./. Hugo Trumpy 156
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Teil 3: Die eigenständige Rückgriffsklage
dungswirkung, wenn dieser nach dem Recht der lex causae in die Rechte und Pflichten einer der Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung eingetreten ist, stieß auch in der Literatur auf großen Zuspruch und hat sich wohl als fester Grundsatz etabliert.163 Zum Bruch mit diesem Grundsatz und zu einer Abweichung von dem bislang beschrittenen Weg des EuGH kam es jedoch durch die Entscheidung in der Rechtssache Refcomp.164 Hier erteilte der EuGH der Bindungswirkung der Gerichtsstandsvereinbarung für einen nach dem französischen Recht innerhalb einer Vertragskette bestehenden Direktanspruch (action directe) eine Absage. Der Rückgriff auf die lex causae ging ihm offensichtlich zu weit. Die Gerichtsstandsvereinbarung entfalte gegenüber dem Dritten nur dann Bindungswirkung, wenn der Dritte ihr unter Beachtung der in Art. 25 Satz 2 EuGVVO aufgestellten Formerfordernisse zugestimmt habe.165 Zugleich betonte der EuGH aber, dass seine bislang zu den Konossementfällen entwickelten Grundsätze weiterhin Geltung haben. Er stützte sich insoweit auf die Unterschiede zwischen den Fällen eines Konnossements und jenen einer Vertragskette.166 Für erstere will er an einem Rückgriff auf die lex causae festhalten; bei der Vertragskette hält der EuGH den Rückgriff auf die lex causae allerdings für nicht statthaft.167 Vor diesem Hintergrund muss man die Frage stellen, ob die Rechtsprechung des EuGH eine unterschiedliche Handhabung des Art. 25 EuGVVO vorgibt und zu einer gespaltenen Auslegung führt, bei welcher der Rückgriff auf die lex causae in einigen Fällen, wie z. B. beim Erwerb eines Konnossements, erlaubt ist, in anderen Fällen, wie z. B. für die in Vertragsketten nach französischem
SpA), Slg. 1999, I-1597, Rdnr. 41; EuGH, Urteil v. 09.11.2000, Rs. C-387/98 (Coreck Maritime GmbH ./. Handelsveem BV u. a.), Slg. 2000, I-9337, Rdnr. 25. 163 Basedow, IPRax 1985, 133, 137; Gebauer, IPRax 2001, 471, 474; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO Rdnr. 64 f.; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 25 EuGVVO Rdnr. 151, 230, Nagel/Gottwald, IZPR, § 3 Rdnr. 232; Simotta, in: Fasching/ Konecny, ZPO, Art. 23 EuGVVO Rdnr. 289, 314; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 23 EuGVVO Rdnr. 91, 93, 100; Weller, IPRax 2013, 501, 504. Vgl. zum LugÜ Oberhammer, in: Dasser/Oberhammer, LugÜ, Art. 23 Rdnr. 178. 164 Vgl. zu EuGH, Urteil v. 07.02.2013, Rs. C-543/10 (Refcomp SpA ./. Axa Corporate Solutions Assurance SA u. a.), ECLI:EU:C:2013:62 auch die Ausführungen in Teil 3 § 3: G. II. 2. 165 EuGH, Urteil v. 07.02.2013, Rs. C-543/10 (Refcomp SpA ./. Axa Corporate Solutions Assurance SA u. a.), ECLI:EU:C:2013:62, Rdnr. 41. Zustimmend: Moebus, EuZW 2013, 316, 320; Pfeiffer, LMK 2013, 345995. Kritisch: Gebauer, in: FS Martiny (2014), S. 325 ff.; ders., in: FS Schütze (2015), S. 95 ff.; Weller, IPRax 2013, 501 ff. 166 EuGH, Urteil v. 07.02.2013, Rs. C-543/10 (Refcomp SpA ./. Axa Corporate Solutions Assurance SA u. a.), ECLI:EU:C:2013:62, Rdnr. 37. 167 Kritisch zu dieser Unterscheidung Gebauer, in: FS Martiny (2014), S. 325, 330 f.; Weller, IPRax 2013, 501, 504. Siehe auch unten Teil 3 § 3: G. II. 2.
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Recht bestehende action directe, jedoch unterbleiben muss.168 Selbst wenn man aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Refcomp eine im Hinblick auf die Auslegung des Art. 25 EuGVVO vorzunehmene Spaltung folgern wollte, wären die Zessionsfälle169 und auch der Rückgriff aus übergeleiteter Gläubigerforderung ersterer Gruppe zuzuordnen, nach welcher eine Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung dann anzunehmen ist, wenn der Dritte nach dem Recht der lex causae in die Rechte und Pflichten des Erstgläubigers eintritt.170 Das wird zum einen wohl schon daraus folgen, dass die Zession anders als die Fälle der action directe den meisten europäischen Rechtsordnungen bekannt ist und ihr ähnliche Wirkungen beigemessen werden.171 Zum anderen wird man die Zessionsfälle auch materiell-rechtlich eher bei den Konossementfällen ansiedeln. Man macht mit dem zedierten Anspruch eben keinen Direktanspruch gegen einen Dritten, sondern einen übergeleiteten Anspruch geltend. Zudem legt das jüngst ergangene Urteil des EuGH in der Rechtssache CDC172 den Schluss nahe, dass der EuGH mit der Ausnahme der action directe weiterhin davon ausgeht, die Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung dürfe unter Berücksichtigung des anwendbaren Sachrechts (der lex causae) abgeleitet werden. Für eine Abtretungskonstellation hat der EuGH in dieser Rechtssache in Bezug auf die Drittwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung zwar zu-
168 Vgl. zu diesem Gedanken Bollé, Recueil Dalloz 2013, 1110, 1112; Gebauer, in: FS Martiny (2014), S. 325, 332; Weller, IPRax 2013, 501, 504. Die Unstimmigkeiten in der Rechtssprechung des EuGH erkennt auch Moebus, EuZW 2013, 316, 320. Pfeiffer, LMK 2013, 345995 sieht hierin keinen Widerspruch. Vielmehr geht er davon aus, dass sich die Rechtsprechung des EuGH zu den Drittwirkungsfällen ähnlich wie die Rechtslage zu einer Rechtswahl nach Art. 3 Rom I-VO gestalte: die reale Zustimmung der Partei (autonomes Kriterium) sei nur notwendige, nicht aber hinreichende Voraussetzung für die Drittwirkung. Hinzutreten müsse die nach materiellem Recht zu beurteilende Erstreckung auf den Dritten. Die Frage der Zustimmung des Dritten will Pfeiffer seinem Zweck entsprechend deuten und daher bei einer Universalrechtsnachfolge zur Bindungswirkung der Gerichtsstandsvereinbarung auch gegenüber dem Dritten gelangen. 169 Die Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung im Falle einer Zession gilt schon seit langem als allgemein anerkannt. Vgl. Gebauer, in: FS Martiny (2014), S. 325, 332; ders., in: FS Schütze (2015), S. 95, 95; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO Rdnr. 64; Magnus, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation, Art. 23 EuGVVO Rdnr. 161; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 25 EuGVVO Rdnr. 230; Weller, IPRax 2013, 501, 504. 170 Gebauer, in: FS Martiny (2014), S. 325, 331, 334 f.; ders., in: FS Schütze (2015), S. 95, 102 ff.; Weller, IPRax 2013, 501, 504. 171 Vgl. hierzu Ranieri, Europäisches Obligationenrecht, S. 1186 ff., 1220 ff. 172 EuGH, Urteil v. 21.05.2015, Rs. C-352/13 (Cartel Damages Claims (CDC) Hydrogen Peroxide SA ./. Akzo Nobwl NV u. a.), ECLI:EU:C:2015:335.
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Teil 3: Die eigenständige Rückgriffsklage
nächst in Anlehnung an seine Rechtsprechung zu Refcomp173 festgestellt, dass eine Drittwirkung nicht generell gilt, sondern grundsätzlich von der Zustimmung des Dritten abhängt.174 In der Folge führt er jedoch dann unter Berufung auf die Entscheidung in der Rechtssache Coreck175 aus, dass die Gerichtsstandsvereinbarung auch dann für den Dritten gelte, wenn er ihr zwar nicht zugestimmt habe, nach dem in der Sache anwendbaren Recht jedoch in alle Rechte und Pflichten der ursprünglichen Vertragspartei eingetreten sei.176 Mit der Frage, ob ein Rückgriff auf die lex causae in diesen Fällen überhaupt möglich sein soll, hat sich der EuGH nicht beschäftigt. Dieses Urteil legt daher nahe, dass der EuGH auch in übrigen Zessionsfällen nicht nur dann von einer Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung ausgehen wird, wenn der Dritte ihr selbst zugestimmt hat, sondern er offen ist, die Drittwirkung in Abhängigkeit von der lex causae zu ermitteln. Offen für eine Abhängigkeit der Drittwirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung von der lex causae hat sich der EuGH sodann auch im Jahr 2016 gezeigt. In der Rechtssache Profit Investment177 hatte der EuGH abermals über die Drittwirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen zu entscheiden. Gegenstand der Entscheidung war die Frage nach der Bindungswirkung einer in einer Schuldverschreibung enthaltenen ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung für den Erwerber auf dem Sekundärmarkt. Entgegen dem Vorschlag des Generalanwaltes Bot178 machte der EuGH die Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung nicht wie in der Rechtssache Refcomp von der Zustimmung des Dritten abhängig, sondern legte die in der Rechtssache Tilly Russ entwickelten Maßstäbe zugrunde. Die Drittwirkung sei davon abhängig, ob der Erwerber auf dem Sekundärmarkt nach dem anwendbaren in die Rechte und Pflichten des Erstwerbers/Veräußerers eingetreten sei.179 Außer dem Verweis auf seine Recht173 EuGH, Urteil v. 07.02.2013, Rs. C-543/10 (Refcomp SpA ./. Axa Corporate Solutions Assurance SA u. a.), ECLI:EU:C:2013:62. 174 EuGH, Urteil v. 21.05.2015, Rs. C-352/13 (Cartel Damages Claims (CDC) Hydrogen Peroxide SA ./. Akzo Nobwl NV u. a.), ECLI:EU:C:2015:335, Rdnr. 64. 175 EuGH, Urteil v. 09.11.2000, Rs. C-387/98 (Coreck Maritime GmbH ./. Handelsveem BV u. a.), Slg. 2000, I-9337. 176 EuGH, Urteil v. 21.05.2015, Rs. C-352/13 (Cartel Damages Claims (CDC) Hydrogen Peroxide SA ./. Akzo Nobwl NV u. a.), ECLI:EU:C:2015:335, Rdnr. 65. 177 EuGH, Urteil v. 20.04.2016, Rs. C-366/13 (Profit Investment SIM SpA i,L. ./. Stefano Ossi u. a.), ECLI:EU:C:2016:282. Vgl. hierzu Mankowski, EWiR 2016, 547; Melcher, GPR 2017, 249 ff. und Müller, EuZW 2016, 419 ff. 178 Schlussanträge, GA Bot, 23.04.2015, Rs. C-366/13 (Profit Investment SIM SpA i,L. ./. Stefano Ossi u. a.), ECLI:EU:C:2015:274 Rdnr. 4, 51. 179 EuGH, Urteil v. 20.04.2016, Rs. C-366/13 (Profit Investment SIM SpA i,L. ./. Stefano Ossi u. a.), ECLI:EU:2016:282 Rdnr. 36.
§ 2: Die zu Rückgriffszwecken übergeleitete Gläubigerforderung
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sprechung in der Rechtssache Tilly Russ liefert der EuGH eine nähere Begründung hierfür allerdings nicht. Zusätzlich zu dem nach dem anwendbaren Recht bestehenden Substitutionsverhältnis müsse der Dritte jedoch die Möglichkeit gehabt haben, von der getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung Kenntnis zu erlangen.180 Für diese Voraussetzung, die in der Rechtssache Tilly Russ noch nicht explizit enthalten war, nimmt der EuGH auf die Entscheidung in der Rechtssache Powell Duffryn181 Bezug. Dort hatte der EuGH die Bindungswirkung einer Gerichtsstandsklausel, die in der Gesellschaftersatzung enthalten war, gegenüber einem Aktionär der Gesellschaft bejaht. Es sei davon auszugehen, dass der Aktionär die in der Gesellschaftersatzung enthaltene Klausel kenne und ihr zustimme, soweit die Satzung an einem ihm zugänglichen Ort hinterlegt oder in einem öffentlichen Register enthalten sei. Soweit der EuGH auch in der Rechtssache Profit Investment abermals den besonderen Charakter der Konossementfälle betont und für die Schuldverschreibungen an seine Rechtsprechung zu den Konossementen anschließt182 , ist ihm zuzugestehen, dass Schuldverschreibungen ebenso wie Konossemente als Wertpapiere gehandelt und übertragen werden.183 Das Erfordernis der möglichen Kenntnisnahme, das der EuGH aus der Rechtssache Powell Duffryn zu übertragen scheint, ist aber schon deshalb kritisch zu betrachten, weil dort das Recht, für das die Gerichtsstandsvereinbarung galt, durch Zeichnung des Gesellschaftsanteils originär erworben wurde und es nicht wie in der Rechtssache Profit Investment von einem Dritten erworben wurde. Die Rechtssache Powell Duffryn betraf also keinen abgeleiteten Erwerb.184 Zudem bleibt unklar, ob das Kriterium lediglich für den rechtsgeschäftlichen Erwerb oder jegliche Erwerbstatbestände Geltung beansprucht.185 Das Kriterium der Möglichkeit der Kenntnisnahme von der Gerichtsstandsvereinbarung kann daher nicht als gesicherte Voraussetzung für alle Fälle der Drittwirkung angesehen werden.
180 EuGH, Urteil v. 20.04.2016, Rs. C-366/13 (Profit Investment SIM SpA i,L. ./. Stefano Ossi u. a.), ECLI:EU:2016:282 Rdnr. 37. 181 EuGH, Urteil v. 10.03.1992, Rs. C-214/89 (Powell Duffryn ./. Wolfgang Petereit), ECLI:EU:C:1992:115 Rdnr. 19, 28. 182 EuGH, Urteil v. 20.04.2016, Rs. C-366/13 (Profit Investment SIM SpA i,L. ./. Stefano Ossi u. a.), ECLI:EU:2016:282 Rdnr. 33. 183 Mankowski, EWiR 2016, 547; Melcher, GPR 2017, 246, 250; Müller, EuZW 2016, 419, 422. 184 Müller, EuZW 2016, 419, 422. Skeptisch gegenüber dieser Voraussetzung auch Melcher, GPR 2017, 246, 252. 185 Vgl. hierzu Müller, EuZW 2016, 419, 422 f., der die Voraussetzung wenn überhaupt auf den rechtsgeschäftlichen Erwerb beschränken will.
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Teil 3: Die eigenständige Rückgriffsklage
Vor dem Hintergrund der EuGH-Rechtsprechung erscheint es gerechtfertigt und sachlich überzeugend, von einer Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung für die Klage aus übergeleiteter Gläubigerforderung auszugehen. Wie bereits oben dargelegt, wird der ermöglichte Gesamtschuldnerrückgriff aus übergeleitetem Recht mittels einer Legalzession vollzogen. Zu Rückgriffszwecken greift der Gesamtschuldner auf die Gläubigerforderung zu. Die gegen diese Forderung bestehenden Einwendungen und Einreden bleiben erhalten. Die Forderung wird zu Rückgriffszwecken nur insoweit erworben, als sie auch im Ursprungsverhältnis bestand. Das schließt aber mit ein, dass auch eine zwischen dem Rückgriffsschuldner und dem Gläubiger bestehende Gerichtsstandsvereinbarung für den Rückgriffsgläubiger als Dritten Wirkung entfaltet. Auszugehen ist dabei von einer Verknüpfung des materiellen Rechts und seiner Wirkungen mit der prozessualen Geltendmachung des Anspruchs. Da sich ein Anspruch durch eine Zession inhaltlich nicht verändert und die prozessuale Ausgestaltung, also die Gerichtsstandsvereinbarung ein Teil des Anspruchs bildet, geht auch diese Ausgestaltung auf den Rechtsnachfolger über. Dies gilt auch unabhängig davon, ob der Dritte von der (wirksam) getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung Kenntnis erlangen konnte oder nicht. Die Rechtsposition ist also mit der Gerichtsstandsvereinbarung behaftet.186 Der Rechtsnachfolger kann sie nur so erwerben, wie sie sich in den Händen des Zessionars darstellt. Dabei kann die Drittwirkung nicht auf eine einzelne materielle Vorschrift wie § 401 BGB oder § 404 BGB gestützt oder aus ihr abgeleitet werden.187 Denn § 401 BGB betrifft nur einzelne Nebenrechte und § 404 BGB nur Einreden des Schuldners. Die Gerichtsstandsvereinbarung begründet hingegen sowohl Rechte als auch Pflichten.188 Der Dritte kann sich einerseits auf die Gerichtsstandsvereinbarung berufen, er ist damit aber zugleich auch an sie gebunden. Sie wirkt also zum einen begünstigend, kann zum anderen aber auch belastend sein.189 Allerdings lässt sich §§ 398 ff. BGB und insbesondere §§ 401, 404 BGB ebenso wie ähnlichen Vorgaben in anderen Rechtsordnungen190 der allgemeine Rechtsgedanke entnehmen, dass eine Forderung mit dem Übergang auf einen Rechtsnachfolger ihren Inhalt nicht verändert, sondern in ihrer ursprünglichen Ausgestaltung übergeht.191 Hierzu zählt dann aber auch die prozessuale Bindung an die GeNiklas, Subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, S. 119. So aber wohl Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, § 66 Rdnr. 20, 22. 188 Baur, in: FS Fasching (1988), S. 91, 91, der aber einer Drittwirkung von Schiedsvereinbarungen insgesamt skeptisch gegenübersteht; Niklas, Subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, S. 119; Wagner, Prozeßverträge, S. 312. 189 Wagner, Prozeßverträge, S. 307. 190 Vgl. z. B. § 1396 ABGB; Art. 1840 (analog) span. Code civil. 191 Gebauer, in: FS Schütze (2015), S. 95, 104; Müller, EuZW 2016, 419, 422; Neuner, 186 187
§ 2: Die zu Rückgriffszwecken übergeleitete Gläubigerforderung
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richtsstandsvereinbarung, soweit die Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung nicht ein anderes vereinbart haben.192 Erhebt der Rückgriffsgläubiger Klage aus übergeleitetem Recht, ist er als Rechtsnachfolger also an eine zwischen dem Rückgriffsschuldner und Gläubiger bestehende Gerichtsstandsvereinbarung gebunden.193 Die eigentlichen Schwierigkeiten liegen nicht bei einer Klage aus übergeleitetem, sondern aus originärem Ausgleichsanspruch. Darauf wird zurückzukommen sein.194
F. Zusammenfassende Ergebnisse für die Rückgriffsklage aus übergeleitetem Recht Die Behandlung der Rückgriffsklage aus der übergeleiteten Gläubigerforderung im Zuständigkeitsregime der EuGVVO bereitet keine größeren Schwierigkeiten. Macht der leistende Gesamtschuldner zu Rückgriffszwecken die auf ihn übergeleitete Gläubigerforderung geltend, ist er als Rechtsnachfolger des Gläubigers zu betrachten. Für die besonderen Gerichtsstände des Art. 7 Nr. 1 und Nr. 2 EuGVVO hat dies zur Folge, dass der Gläubigerwechsel keinen Zuständigkeitswechsel mit sich bringt. Unterlag das ursprüngliche Verhältnis zwischen dem Gläubiger und dem nun auf Rückgriff in Anspruch genommenen Gesamtschuldner dem besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsortes bzw. des Deliktsortes, steht dieser Gerichtsstand dem Rückgriffsgläubiger ebenfalls zur Verfügung. Soweit der als Rückgriffsschuldner in Anspruch genommene Gesamtschuldner die Zuständigkeit für eine Inanspruchnahme durch Gerichtsstandsvereinbarung mit dem Gläubiger privatautonom bestimmt hat, bindet diese Vereinbarung auch den Rückgriffsgläubiger, wenn er aus übergeleitetem Recht vorgeht. Privatrecht und Prozessrecht, S. 116; Niklas, Subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, S. 119; Wagner, Prozeßverträge, S. 312. Vgl. zum LugÜ auch Oberhammer, in: Dasser/ Oberhammer, LugÜ, Art. 23 Rdnr. 180 f. 192 Da der Ursprung der Gerichtsstandsvereinbarung ein privatautonomer Akt ist, können die Parteien die Wirkung der Gerichtsstandsvereinbarung auch auf das Rechtsverhältnis zwischen ihnen beschränken. Vgl. hierzu auch Niklas, Subjektive Reichweite von Schiedsvereinbarungen, S. 120 f.; Wagner, Prozeßverträge, S. 308 mit der Möglichkeit, die Bindung des Rechtsnachfolgers auch explizit anzuordnen und weiteren Nachweisen. 193 Vgl. zur allgemein anerkannten Bindung des Zessionars an eine für die zedierte Forderung bestehende Gerichtsstandsvereinbarung Jungermann, Drittwirkung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 192 ff.; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO Rdnr. 64; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 25 EuGVVO Rdnr. 157; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 23 EUGVVO Rdnr. 92 f. 194 Vgl. Teil 3 § 3: G.
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Teil 3: Die eigenständige Rückgriffsklage
Auch hier gilt der Grundsatz der Fortwirkung oder Rechtsnachfolge in den ursprünglichen Gerichtsstand der Gläubigerforderung. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind indes für den personenbezogenen, dem Verbraucherschutz dienenden Gerichtsstand der Art. 17 ff. EuGVVO zu machen. Der im Außenverhältnis für das Schuldverhältnis zwischen dem rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner und dem Gläubiger bestehende (Verbraucher-)Gerichtsstand gilt für die Klage aus übergeleitetem Recht lediglich dann, wenn der beklagte Rückgriffsschuldner der Verbraucher des im Außenverhältnis bestehenden Verbrauchervertrags ist. Nur dann gebietet der Schutzzweck der Art. 17 ff. EuGVVO eine Fortwirkung. Der Schutzzweck greift hingegen nicht, wenn der Gläubiger der am Vertrag beteiligte Verbraucher war und nun an der Rückgriffsklage nicht mehr selbst beteiligt ist. Der Verbrauchergerichtsstand ist für die Rückgriffsklage auch dann ausgeschlossen, wenn der Rückgriffsschuldner Unternehmer ist und der Rückgriffsgläubiger als privat handelnder Rechtsnachfolger zu betrachten ist. Erlangt der Verbrauchergerichtsstand im Rückgriffsverhältnis keine Bedeutung, ist der leistende Gesamtschuldner aber nicht auf eine Klagemöglichkeit am allgemeinen Gerichtsstand beschränkt. Für eine Klage aus übergeleitetem Recht steht ihm alternativ der hypothetische Vertragsgerichtsstand des ursprünglichen Vertragsverhältnisses zur Verfügung.
§ 3: Der originäre Ausgleichsanspruch Wie eben untersucht, ist der Rückgriff aus übergeleitetem Recht im Grundsatz an dem Gerichtsstand geltend zu machen, an welchem auch die Klage des Gläubigers gegen den anderen Gesamtschuldner im Außenverhältnis zu erheben wäre. Der Gerichtsstand des im Außenverhältnis bestehenden Schuldverhältnisses des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners gilt somit im Grundsatz auch für die Rückgriffsklage. Dies folgt maßgeblich daraus, dass sich der leistende Gesamtschuldner zu Rückgriffszwecken der Gläubigerforderung aus dem Außenverhältnis bedient. Nimmt der leistende Gesamtschuldner hingegen nicht aus übergeleitetem Recht, sondern aus eigenem Recht Rückgriff, stellt sich die Frage nach der Verortung dieses originären Ausgleichsanspruchs in das Zuständigkeitsregime der EuGVVO.
A. Rechtsprechung und Literatur in den Mitgliedstaaten Entscheidungen des EuGH zur Behandlung des originären Ausgleichsanspruchs unter Gesamtschuldnern sucht man bislang vergeblich.195 Daher muss im FolNach Abschluss der Arbeit ist das Urteil des EuGH in der Rechtssache Kareda (Urteil v. 15.06.2017, Rs. C-249/16 (Saale Kareda ./. Stefan Benkö), ECLI:EU:C:2017:472) ergangen. Der EuGH hatte hierin erstmals zu der Frage nach der internationalen Zuständigkeit für Rückgriffsklagen zwischen Gesamtschuldnern zu entscheiden. Dem Rechtsstreit lag eine Rückgriffsklage des einen Darlehensnehmers gegen den anderen Darlehensnehmer zugrunde. Für dieses vertragliche Gesamtschuldverhältnis nimmt der EuGH eine vertragliche Qualifikation der Rückgriffsklage vor und ordnet sie Art. 7 Nr. 1 EuGVVO zu. Entscheidend für die vertragliche Qualifikation ist für den EuGH der sachliche Zusammenhang des Rechtsverhältnisses zwischen den Gesamtschuldnern und der von ihnen gemeinschaftlich eingegangenen Verpflichtung aus dem Kreditvertrag. Der Kreditvertrag habe das Rechtsverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern begründet und liege ihm zugrunde. Daher erscheine es künstlich, das Rechtsverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern von diesem Vertrag zu trennen (EuGH, Urteil v. 15.06.2017, Rs. C-249/16 (Saale Kareda ./. Stefan Benkö), ECLI:EU:C:2017:472 Rdnr. 31; ebenso Schlussanträge GA Bot, 26.04.2017, Rs. C-249/16 (Saale Kareda ./. Stefan Benkö), ECLI:EU:C:2017:305 Rdnr. 31). Der EuGH nimmt also das Außenverhältnis der Gesamtschuldner zu dem Gläubiger in den Blick. Da die Gesamtschuldner in diesem Fall aufgrund eines gemeinsamen Vertrages hafteten, bleibt die Frage, wie insbesondere ein ge195
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Teil 3: Die eigenständige Rückgriffsklage
genden zunächst die mitgliedstaatliche Rechtsprechung und Literatur in den Blick genommen und untersucht werden.
I. Deutsche Rechtsprechung 1. Die Annahme eines Sachzusammenhangs Im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit nach der ZPO wird für den originären Ausgleichsanspruch häufig der Gerichtsstand des Sachzusammenhangs bemüht. So entschied der BGH im Jahr 2002, dass der am Unfall beteiligte Schädiger Rückgriffsklage gegen die übrigen Mitschuldner am Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach § 32 ZPO erheben kann. Das Gericht am Begehungsort der unerlaubten Handlung sei unter dem Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs nicht nur für den Anspruch aus übergeleitetem Recht, sondern auch für den originären Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 BGB zuständig.196 Den Hintergrund für die Möglichkeit, den Gesamtschuldnerrückgriff des § 426 Abs. 1 und Abs. 2 BGB unter dem Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs dem Deliktsgerichtsstand nach § 32 ZPO zuschlagen zu können, bildet die seit 1990 geltende Neufassung des § 17 Abs. 2 GVG. Nach § 17 Abs. 2 GVG entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten, mithin auch solcher Gesichtspunkte, die an sich nicht in die Zuständigkeit des Rechtsweges des entscheidenden Gerichts fallen. Den für den Rechtsweg geltenden Gedanken überträgt der BGH als argumentum a maiori ad minus sodann auf die örtliche Zuständigkeit und beruft sich dabei insbesondere auf die Prozessökonomie. Wenn ein Gericht über einen rechtswegfremden Anspruch entscheiden könne, so müsse es erst recht über Ansprüche entscheiden dürfen, die nicht in die örtliche Zuständigkeit des Gerichtes fallen, aber mit einem Anspruch, für den das Gericht zuständig ist, den prozessualen Anspruch bilden.197 Ergibt sich die örtliche Zuständigkeit des Gerichts für rechtliche Gesichtpunkte eines prozessualen Anspruchs, so ist das Gericht für den gesamten Streitgegenstand kognitionsbefugt. Allerdings betont der BGH in einem obiter dictum ausdrücklich, dass der Gedanke des Sachzusammenhangs nur bei der örtlichen, nicht aber der internationalen Zuständigkeit Anwendung finden könne.198 Mit der internationalen Zumischtes Gesamtschuldverhältnis zu qualifizieren ist jedoch offen. Vgl. hierzu Lubrich, LMK 2017, 394823; Mankowski, EWiR 2017, 577. 196 NJW 2003, 828, 829. 197 NJW 2003, 828, 829 mit krit. Anmerkung Mankowski, JZ 2003, 689 ff. Kritisch, aber im Ergebnis zustimmend Spickhoff, VersR 2003, 665 ff. Zustimmend: Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 426 Rdnr. 12. 198 BGH NJW 2003, 828, 830.
§ 3: Der originäre Ausgleichsanspruch
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ständigkeit seien besonders weit reichende Konsequenzen, die Frage nach dem anwendbaren Verfahrens- und gegebenenfalls auch über das jeweilige anwendbare Kollisionsrecht berufene materiellen Recht, verbunden. Trotz dieser einschränkenden Ausführungen des BGH ordnete das OLG Stuttgart in einem Fall dem nach § 32 ZPO international zuständigen Deliktsgerichtsstand auch die Kognitionsbefugnis für den originären Ausgleichsanspruch zu.199 Es sah sich in seiner Entscheidung auch nicht durch die Rechtsprechung des EuGH zur beschränkten Kognitionsbefugnis des nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ berufenen Gerichts gehindert.200 Wenn über § 32 ZPO nur die internationale Zuständigkeit im Verhältnis zu einem Drittstaat begründet werde, könne, anders als im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander, nicht von der Gleichwertigkeit der Gerichtsbarkeit ausgegangen werden.201 Für die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs helfen die hier angesprochenen Urteile nicht weiter. Zwar differenzieren der BGH und das OLG Stuttgart zwischen der zu Rückgriffszwecken übergeleiteten Gläubigerforderung und dem originären Ausgleichsanspruch, nehmen allerdings zu der Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs keine Stellung. Das OLG Stuttgart lässt die Qualifikation des Anspruchs aus § 426 Abs. 1 BGB sogar ausdrücklich offen. Auch die Ausführungen des BGH lassen eine Auseinandersetzung mit der Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs vermissen. Aus der fehlenden Auseinandersetzung und dem Bestreben, den Gerichtsstand des Sachzusammenhangs heranzuziehen, kann auch nicht im Sinne eines argumentum e contrario geschlossen werden, dass der originäre Ausgleichsanspruch in diesen Fällen zumindest nicht deliktischer Natur sei. 2. Weitere Entscheidungen deutscher Gerichte Auch andere Entscheidungen deutscher Gerichte betrafen den Gesamtschuldnerrückgriff und damit auch den originären Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB. Hierbei ging es teilweise lediglich um die örtliche, gelegentlich aber auch um die internationale Zuständigkeit der Gerichte. Den Rückgriffsanspruch der Gesamtschuldner für die Rückzahlung eines gemeinsamen Darlehens ordnete das OLG Celle dem Gerichtsstand des ErfülOLG Stuttgart NJW-RR 2006, 1362, 1364 f. Im Ergebnis zustimmend Handorn, IHR 2007, 25, 28 ff. 200 Vgl zur beschränkten Kognitionsbefugnis des Deliktsgerichtsstandes EuGH, Urteil v. 27.09.1988, Rs. 189/87 (Kalfelis ./. Bankhaus Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co.), Slg. 1988, 5565, Rdnr. 21. Für die Bedeutung der Kalfelis-Rechtsprechung im Hinblick auf den Gerichtsstand für eine Klage aus originärem Ausgleichsanspruch vgl. Teil 3: § 4: A. 201 OLG Stuttgart NJW-RR 2006, 1362, 1364 f. Im Ergebnis zustimmend Handorn, IHR 2007, 25, 28 ff. 199
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Teil 3: Die eigenständige Rückgriffsklage
lungsortes nach § 29 ZPO zu, obwohl, wie das Gericht betonte, zwischen den Streitparteien kein Vertrags-, sondern ein gesetzliches Schuldverhältnis bestehe.202 Der Senat sah es jedoch für die Zuordnung des Rückgriffsanspruchs als ausreichend an, dass die Entstehung des Gesamtschuldverhältnisses darauf beruhe, dass die Gesamtschuldner ein Vertragsverhältnis mit dem Gläubiger eingegangen waren.203 Eine Differenzierung zwischen dem originären Ausgleichsanspruch und der übergeleiteten Gläubigerforderung erfolgte indes nicht. Über den originären Ausgleichsanspruch in der Form des nach dem deutschen Recht bekannten Freistellungsanspruchs hatte das LG Heilbronn zu entscheiden.204 Der Bauunternehmer wollte in dem Verfahren wegen einer drohenden Inanspruchnahme durch den Bauherrn die Mithaftungsquote der am Bau Beteiligten feststellen lassen. Das LG sah auch für diesen Fall die Zuständigkeit nach § 29 ZPO am Ort des Bauwerks als Erfüllungsort als gegeben an und zog hierfür einen Vergleich der möglichen Prozesskonstellationen vor und nach Inanspruchnahme durch den Bauherren heran.205 Dabei scheint das Gericht davon auszugehen, dass nach Inanspruchnahme durch den Gläubiger dem leistenden Gesamtschuldner für sein Rückgriffsbegehren insgesamt der Gerichtsstand des Erfüllungsortes für die Erfüllung der gegenüber dem Gläubiger bestehenden Verpflichtung, d. h. am Ort des Bauwerks zur Verfügung stünde. Hieraus will das Gericht sodann auch vor Inanspruchnahme durch den Gläubiger auf den Gerichtsstand nach § 29 ZPO am Ort des Bauwerks als maßgeblichen Erfüllungsort schließen. Worauf sich die Maßgeblichkeit des § 29 ZPO für den originären Ausgleichsanspruch nach Inanspruchnahme durch den Gläubiger gründet, ob auf einer vertraglichen Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs oder einem anzunehmenden Sachzusammenhang, bleibt aber offen. Entscheidend scheint es für das Gericht aber zu sein, dass der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes einen für beide Gesamtschuldner bestehenden einheitlichen Gerichtsstand zum Gläubiger darstellt.206 Mit der Frage nach der internationalen Zuständigkeit des Gesamtschuldnerrückgriffs aus § 426 BGB hatte sich auch das OLG Celle im Jahr 1990 zu befassen.207 Den Gegenstand des Verfahrens bildete ein Verkehrsunfall, für den die Unfallbeteiligten als Gesamtschuldner hafteten. Das Gericht hob bei dem deliktischen Gesamtschuldverhältnis und den daraus resultierenden Rückgriffs202
OLG Celle, BeckRS 2012, 19648. Im Ergebnis wohl ebenso, allerdings ohne jegliche Begründung OLG München BeckRS 1993, 09670. 204 BauR 1997, 1073 f. 205 LG Heilbronn, BauR 1997, 1073, 1074. 206 LG Heilbronn, BauR 1997, 1073, 1074. 207 OLG Celle, NZV 1990, 390 ff. 203
§ 3: Der originäre Ausgleichsanspruch
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ansprüchen (§§ 840, 426 BGB) den Zusammenhang zwischen der unerlaubten Handlung und den ihr folgenden Rückgriffsansprüchen hervor und stellte wegen dieses Zusammenhangs darauf ab, dass die für Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ maßgebliche Sach- und Beweisnähe des Tatorgerichts auch für den Ausgleichsanspruch der Gesamtschuldner untereinander gelte.208 Auch in dieser Entscheidung des OLG Celle bleibt allerdings unklar, ob sich das Gericht der Unterscheidung des originären Ausgleichsanspruch und der zu Rückgriffszwecken übergeleiteten Gläubigerforderung aus § 426 BGB bewusst war. Das Argument des Zusammenhangs zwischen der unerlaubten Handlung und den ihr folgenden Ausgleichsansprüchen sowie die Sach- und Beweisnähe treffen in dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt sowohl auf den originären Ausgleichsanspruch als auch die übergeleitete Gläubigerforderung zu. 3. Zwischenergebnis Eine einheitliche Linie in der Rechtsprechung zur Behandlung des originären Ausgleichsanspruchs ist bisher nicht zu erkennen. Die Überlegungen, auf den Sachzusammenhang abzustellen, helfen im Rahmen der EuGVVO nicht weiter, da § 17 Abs. 2 GVG als nationale Norm für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit aus der EuGVVO keine Bedeutung erlangen kann. Das Zuständigkeitsregime der EuGVVO steht im Gegenteil, wie insbesondere die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Kalfelis209 zeigen soll210, einem Gerichtsstand des Sachzusammenhangs außerhalb der Anwendungsfälle des Art. 8 EuGVVO skeptisch gegenüber.211 Aus den zitierten Entscheidungen, die den Gerichtsstand des Sachzusammenhangs für die Rückgriffsklage aus originärem Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 EuGVVO bemühen, kann aber ebenso wenig geschlossen werden, dass der originäre Ausgleichsanspruch zwingend anders qualifiziert werden müsste als die übergeleitete Gläubigerforderung. Auch aus der übrigen Judikatur kann für die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs nicht viel gewonnen werden. Dies liegt zum einen schon daran, dass die Ausführungen teilweise auf den Rückgriffsanspruch aus § 426 BGB bezogen sind, ohne dass erkennbar wird, ob das Gericht zwischen den einzelnen Anspruchsgrundlagen, dem originären Augsleichsanspruch und der 208
OLG Celle, NZV 1990, 390, 390. EuGH, Urteil v. 27.09.1988, Rs. 189/87 (Kalfelis ./. Bankhaus Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co.), Slg. 1988, 5565, Rdnr. 21. 210 Vgl. hierzu Teil 3: § 4: A. 211 Zu der Frage eines möglichen Gerichtsstandes des Sachzusammenhangs für Art. 7 EuGVVO vgl. Teil 3 § 4. 209
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Teil 3: Die eigenständige Rückgriffsklage
übergeleiteten Gläubigerforderung, differenziert hat. Zum anderen entbehren die in den genannten Entscheidungen aufgeführten Erwägungen einer näheren Begründung. Es ist lediglich der Ansatz erkennbar, dass der Zusammenhang bzw. das Zustandekommen des Gesamtschuldverhältnisses herangezogen worden ist. Die Behandlung des originären Ausgleichsanspruchs scheint in der deutschen Judikatur damit keinesfalls gefestigt zu sein. Für die Behandlung des originären Ausgleichsanspruchs können daher allenfalls Ansatzpunkte entnommen werden, die im Folgenden weiter untersucht werden sollen.
II. Sonstige mitgliedstaatliche Rechtsprechung Nachdem ein Einblick in die Behandlung des Gesamtschuldnerrückgriffs innerhalb des deutschen Rechts gegeben wurde, werden im folgenden Abschnitt einschlägige Urteile von Gerichten in anderen Mitgliedstaaten untersucht. 1. Santa Fe (Uk) Limited vs. Gates Europe Nv (1991) Über eine Rückgriffsklage aus dem Civil Liability Act 1978 war in der Rechtssache Santa Fe (Uk) Limited vs. Gates Europe Nv212 vom englischen Court of Appeal zu entscheiden. Nachdem die Klägerin an einen von ihr verletzten Arbeitnehmer Schadensersatz geleistet hatte, verlangte sie Rückgriff von der als Gesamtschuldnerin verbundenen Beklagten, von der sie über eine Vertragskette die für den Unfall ursächlichen defekten Schläuche erworben hatte. Zur Begründung der internationalen Zuständigkeit des englischen Gerichts nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ213 stützte sich die Klägerin darauf, „that a claim in contribution is within the concept of tort delict or quasi-delict and that the summary judgement obtained by Buczok (dem geschädigten Arbeitnehmer, eingefügt durch Verf.) against Santa Fe in proceedings in this country is ,the harmful event‘ which, having occurred in this country, gives jurisdiction (…)“.214 Die Argumentation der Klägerin konnte das Gericht nicht überzeugen.215 Die Verurteilung zu einem Schadensersatzanspruch stellt nach Ansicht des Gericht 212 213
1991 WL 11759911. Im Vereinigten Königreich umgesetzt durch den Civil Jurisdiction and Judgments Act
1982. 214 1991 WL 11759911. Die Klägerin will aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Kalfelis fälschlicherweise ableiten, „that there need been no connection whatever be tween that which must be regarded as the tort delict or quasi-delict and ,the harmful event‘“. 215 Lord Justice Ralph Gibson: „For my part I have found these arguments to be impos sible of acceptance“ und noch klarer Lord Justice Parker: „(…) I find wholly impossible“.
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keine unerlaubte Handlung i. S. d. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ dar. Auch sonst bestanden für das Gericht keine Anhaltspunkte, die zur internationalen Zuständigkeit englischer Gerichte führen konnten. 2. Hewden Tower Cranes Ltd. vs. Wollffkran GmbH (2007) Über eine Rückgriffsklage aus dem Civil Liabilty Act 1978 musste auch in der Rechtssache Hewden Tower Cranes Ltd. vs. Wollffkran GmbH216 vom High Court of Justice entschieden werden. Die englische Klägerin wurde durch einen Untervertrag mit dem Bau eines Geschäftsgebäudes in London beauftragt. Für den Bau setzte sie Krähne der deutschen Beklagten ein. Während der Bauarbeiten ereignete sich ein Unfall, bei dem drei Arbeiter der Klägerin ums Leben kamen und weitere zwei verletzt wurden. Im Anschluss an den Unfall wurde die Klägerin von der Familie der getöteten Opfer, den verletzten Arbeitern und ihrem Auftraggeber in Anspruch genommen. Die Klägerin war der Meinung, dass der Unfall auch auf ein fahrlässiges Fehlverhalten der Beklagten beim Design und/oder der Herstellung der Krähne zurückzuführen gewesen sei, und sie begehrte nun von der Beklagten unter anderem Rückgriff auf der Grundlage des Civil Liability Contribution Act 1978. Das Gericht verwarf die Zuständigkeitsrüge der Beklagten und stützte sich für die Frage der verfahrensrechtlichen Zuordnung des Rückgriffsanspruchs zum Deliktsgerichtsstand nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO a. F. darauf, dass sich der den Rückgriff auslösende Unfall in England ereignet habe.217 Daher habe die Rückgriffsklage aus dem Civil Liability Act 1978 eine unerlaubte Handlung zum Gegenstand. Methodisch scheint das Gericht hierbei an die Haftung des rückgriffspflichtigen Schuldners aus dem Außenverhältnis anzuknüpfen, da es in einem späteren Teils des Urteils ausführt, dass die Rückgriffsklage „are based upon the proposition that the defendant was negligent in designing and manufacturing the climbing frame“218. 3. Engdiv Ltd. vs. G. Percy Trentham Ltd. (1989) Gegenstand der Rechtssache Engdiv Ltd. vs. G. Percy Trentham Ltd.219 war eine Rückgriffsklage wegen einer Schadensersatzforderung aufgrund eines Baumangels. Sowohl die Klägerin als auch die Beklagte standen zu der Gläubigerin im Außenverhältnis in einer vertraglichen Beziehung. 216
(2007) EWHC 857 (TCC). (2007) EWHC 857 (TCC) Rdnr. 21 ff. 218 (2007) EWHC 857 (TCC) Rdnr. 38. 219 1990 S. L. T. 617 ff. 217
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Die Beklagte bestritt unter anderem die auf Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ220 gestützte Zuständigkeit, da die im Außenverhältnis bestehende vertragliche Verpflichtung der Beklagten zu dem Gläubiger bloßer Hintergrund der Rückgriffsklage sei. Diesen Einwand verwarf das schottische Gericht (Court of Session). Wegen der im Außenverhältnis zwischen der Beklagten und der Gläubigerin bestehenden vertraglichen Verpflichtung würde die Klägerin „suing in matters to a contract, although not directly for breach of contract.“221 Ausführungen zur sodann auf Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ gestützten Zuständigkeit in der soeben dargelegten Rechtssache finden sich nur am Rande.222 Für die Entscheidung des Gerichts dürfte die Erwägung maßgeblich gewesen sein, dass der Beklagte selbst im Außenverhältnis aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung hätte zum Ersatz herangezogen werden können. Auch in diesem Fall wurde für die vertragliche Qualifikation des Ausgleichsanspruchs also wohl auf das im Außenverhältnis bestehende vertragliche Verhältnis abgestellt, das die Grundlage auch für den Ausgleichsanspruch bildete. 4. Zwischenergebnis Auch in der hier dargestellten sonstigen mitgliedstaatlichen Rechtsprechung zum Gesamtschuldnerrückgriff erfolgt die Auseinandersetzung mit der verfahrensrechtlichen Einordnung des originären Ausgleichsanspruchs nur am Rande. Auf das Argument des Sachzusammenhangs wurde dort bisher nicht zurückgegriffen. Tendenziell werden das Außenverhältnis und hierbei insbesondere die Haftungsgrundlage des in Rückgriff genommenen Gesamtschuldners in den Blick genommen.
III. Literatur Auch ein Blick in die soweit ersichtlich spärliche Literatur vermag die Frage nach der Behandlung des originären Ausgleichsanspruchs nicht eindeutig und abschließend zu klären. Das liegt zumeist schon daran, dass auch insoweit nicht deutlich genug zwischen den einzelnen Rückgriffsmethoden differenziert wird. Äußerungen, nach denen der Ausgleich unter Gesamtschuldnern, die auf Grund einer unerlaubten Handlung solidarisch haften, dem Deliktsgerichtsstand zuzuordnen sei,223 vertraglich haftende Gesamtschuldner den Ausgleichsanspruch 220
Umgesetzt durch den Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982. 1990 S. L. T. 617, 621. 222 Nach Ansicht von Takahashi, Claims for Contribution, S. 27 f. handelt es sich hierbei um ein obiter dictum. 223 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, A.1. – Art. 5 EuGVVO Rdnr. 219; Kropholler/ 221
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aber am Vertragsgerichtsstand erheben könnten,224 beziehen sich zwar anscheinend auf den Rückgriff insgesamt. Ob die Differenzierung zwischen dem originären Ausgleichsanspruch i. S. d. § 426 Abs. 1 BGB und der übergeleiteten Gläubigerforderung aus § 426 Abs. 2 BGB dabei reflektiert wird, bleibt offen. Soweit explizit zwischen den beiden Rückgriffsmethoden differenziert wird225, geschieht dies vor allem im Hinblick auf die oben bereits genannte Entscheidung des BGH und des OLG Stuttgart, in denen für eine Klage aus § 426 Abs. 1 BGB der Gerichtsstand des Sachzusammenhangs i.R.d. § 32 ZPO bemüht und der originäre Ausgleichsanspruch dem Gerichtsstand der übergeleiteten Gläubigerforderung zugeschlagen wird. Nach Auffassung von Spickhoff hätte der Gerichtsstand des Sachzusammenhangs gar nicht bemüht werden müssen, da der originäre Ausgleichsanspruch unter mehreren Deliktstätern an sich schon dem Deliktsgerichtsstand des § 32 ZPO unterfalle.226 Die Sach- und Beweisnähe, die dafür sprechen, die Gerichte des Tatortes für eine unerlaubte Handlung (örtlich) für zuständig zu erachten, griffen auch für den Rückgriff unter mehreren Deliktsschuldnern. Insoweit scheint Spickhoff den originären Ausgleichsanspruch parallel zu der übergeleiteten Gläubigerforderung qualifizieren zu wollen. In diese Richtung lassen sich auch die Ausführungen von Wagner 227 verstehen. Soweit er mit dem Begriff „Regressanspruch“ – was nicht ausdrücklich geschieht – auch den originären Ausgleichsanspruch erfasst, knüpft er im Ergebnis den originären Ausgleichsanspruch wie den aus übergeleitetem Recht an. Bei einem gemischten Gesamtschuldverhältnis stehe für den Rückgriff gegen den deliktisch haftenden Gesamtschuldner auch der Delikts-, für den Rückgriff gegen den vertraglich haftenden Gesamtschuldner auch der Vertragsgerichtsstand zur Verfügung. Indem er in den Fällen eines gemischten Gesamtschuldverhältnisses danach unterscheidet, wer den Gläubiger befriedigt hat, knüpft er im Ergebnis an die Rechtsnatur der Verpflichtung des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners an. Simotta möchte Ausgleichsansprüche aus einem vertraglich begründeten Gesamtschuldverhältnis dem Vertragsgerichtsstand zuweisen228, Rückgriffsklagen von Hein, EuZPR, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 74; Mankowski, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 292; Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 14; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 116. 224 Mankowski, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 81; Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 14; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 116. 225 So z. B. Spickhoff, VersR 2003, 665, 666. 226 Spickhoff, VersR 2003, 665, 666. 227 Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 116. 228 Simotta, in: Fasching/Konecny, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 53.
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bei einer unerlaubten Handlung dem Deliktsgerichtsstand 229. Es bleibt aber insoweit offen, ob eine vertragliche Begründung der Gesamtschuld auch die Fälle erfassen soll, in denen die vertragliche Grundlage jeweils nur im Außenverhältnis zu dem Gläubiger besteht, nicht aber zwischen den Gesamtschuldnern rechtsgeschäftlich vereinbart wurde. Thoma stellt in ihrer Behandlung des internationalen Regresses für den originären Ausgleichsanspruch ebenfalls auf die Parallele zur übergeleiteten Gläubigerforderung ab und möchte den originären Ausgleichsanspruch grundsätzlich danach qualifizieren, von welcher Außenverpflichtung das Rückgriffsverhältnis geprägt wird.230 Soweit die Verpflichtungen im Außenverhältnis aus verschiedenen Rechtsgründen bestehen, weist sie der Verpflichtung des in Rückgriff zu nehmenden Gesamtschuldners die maßgebliche Prägung zu.231 Da der Ausgleichsanspruch des § 426 Abs. 1 BGB unabhängig davon eingreift, ob es im Außenverhältnis um deliktische oder vertragliche Ansprüche geht, möchte Handorn die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs nicht in Abhängigkeit des „veranlassenden“ Anspruchs im Außenverhältnis vornehmen. Eine solche Vorgehensweise beträfe allenfalls den Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs.232 Damit geht er in Abweichung zu Spickhoff und Thoma davon aus, dass der originäre Ausgleichsanspruch im Ergebnis wohl anders qualifiziert wird als der Rückgriff aus der übergeleiteten Gläubigerforderung.233 Die Antwort auf die Frage, wie die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs erfolgen soll, bleibt Handorn dann aber schuldig. Neben der Problematik, dass für die Zuständigkeit häufig nicht explizit zwischen dem originären Ausgleichsanspruch und der übergeleiteten Gläubigerforderung differenziert wird, bleibt zum anderen zumeist auch offen, ob der Vertragsgerichtsstand für einen Rückgriff unter vertraglich haftenden Gesamtschuldnern 234 nur dann eröffnet sein soll, wenn die Gesamtschuld unter den Gesamtschuldnern rechtsgeschäftlich vereinbart wurde,235 oder ob bei jedem
Simotta, in: Fasching/Konecny, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 285. Thoma, Der internationale Regress, S. 203 ff. 231 Thoma, Der internationale Regress, S. 210 f. 232 Handorn, IHR 2007, 25, 28. 233 Handorn, IHR 2007, 25, 28. Ähnlich Gebauer, in: Soergel, BGB, § 425 Rdnr. 52; Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 426 BGB Rdnr. 143 und Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, § 7 V, S. 113 die aber nur darauf hinweisen, dass sich im Hinblick auf die örtliche, sachliche und funktionelle Gerichtszuständigkeit Abweichungen zwischen den Ansprüchen aus § 426 Abs. 1 und Abs. 2 ergeben können. 234 So Mankowski, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 81; wohl auch Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 116. 235 So wohl Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 3. 229
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vertraglichen Gesamtschuldverhältnis im oben beschriebenen Sinne236 der Vertragsgerichtsstand auch für den originären Ausgleichsanspruch zur Verfügung steht. Damit führt auch der Blick in die Literatur nicht zu einem eindeutigen Meinungsbild. Allenfalls können einige Aspekte und Ansätze entnommen werden, auf die sogleich noch zurückzukommen sein wird.
IV. Ergebnis Innerhalb der mitgliedstaatlichen Rechtsprechung und Literatur bereitet die verfahrensrechtliche Einordnung des originären Ausgleichsanspruchs Schwierigkeiten. Eine eingehende Auseinandersetzung findet ganz überwiegend nicht statt. Zwar wird teilweise die im Außenverhältnis bestehende Haftungsgrundlage der Gesamtschuldner in den Blick genommen, eine einheitliche Linie lässt sich aber dennoch nicht eindeutig erkennen.
B. Die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs I. Mögliche Ansätze für eine Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs Für die verfahrensrechtliche Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs kommen vor diesem Hintergrund verschiedene Ansätze in Betracht, die sich teilweise in der oben skizzierten mitgliedstaatlichen Rechtsprechung und Literatur wiederfinden. Da sich der Rückgriff im Innenverhältnis der Gesamtschuldner vollzieht, bestünde einerseits die Möglichkeit, die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs unter Ausblendung des Außenverhältnisses nur mittels einer Betrachtung des Innenverhältnisses vorzunehmen.237 Insbesondere die vertragliche Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs hinge dann davon ab, dass die am Rückgriff beteiligten Gesamtschuldner durch ein Willensmoment miteinander verbunden sind, auf das sich der originäre Ausgleichsanspruch zurückführen ließe.238 Andererseits könnte man auch das Außenverhältnis zur Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs heranziehen. Will man das Außenverhältnis für die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs berücksichtigen, besteht 236
Vgl. Teil 1 § 1: B. II. 1. Vgl. zu diesem Gedanken auch Handorn, IHR 2007, 25, 28. 238 Vgl. Teil 3 § 3: B. I. 1. 237
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insoweit die Möglichkeit, die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs davon abhängig zu machen, wie das Gesamtschuldverhältnis entstanden ist.239 Beruht die Gesamtschuld auf einem vertraglichen Entstehungsgrund, könnte in der Folge der originäre Ausgleichsanspruch vertraglich zu qualifizieren sein. Dem Außenverhältnis der Gesamtschuld könnte man aber auch dadurch Rechnung tragen, dass der originäre Ausgleichsanspruch in Abhängigkeit der Haftungstatbestände aus dem Außenverhältnis der am Rückgriff beteiligten Gesamtschuldner qualifiziert wird.240 Der originäre Ausgleichsanspruch zwischen zwei an einem vertraglichen Gesamtschuldverhältnis beteiligten Schuldnern wäre sodann vertraglicher Natur. Die hier nur kurz beschriebenen Möglichkeiten werden im Folgenden einer näheren Betrachtung unterzogen. 1. Willensmoment der Gesamtschuldner im Innenverhältnis Ausgehend von dem durch den EuGH entwickelten Vertragsbegriff des Art. 7 Nr. 1 EuGVVO als „freiwillig eingegangene Verpflichtung“ und der damit zumindest begrifflich korrespondierenden Bestimmung des Anwendungsbereichs des Deliktsgerichtsstandes, der jede Schadenshaftung erfassen soll, soweit sie nicht an einen Vertrags i. S. d. Art. 7 Nr. 1 EuGVVO anknüpft,241 könnte ein zwischen den Gesamtschuldnern bestehendes Willensmoment zur Grundlage der Qualifikation des Innenverhältnisses und damit auch des originären Ausgleichsanspruchs gemacht werden. Soweit das Verhältnis der Gesamtschuldner zueinander durch ein Willensmoment geprägt ist, auf Grund dessen sich der originäre Ausgleichsanspruch als „freiwillig eingegangene Verpflichtung“ begreifen ließe, wäre der originäre Ausgleichsanspruch dem Vertragsgerichtstand zuzuschlagen. Gewinnen lässt sich das Kriterium eines Willensmoments zwischen den Gesamtschuldnern aus einem systematischen Vergleich der Anwendungsbereiche des Vertrags- und Deliktsgerichtsstandes. Hierfür sollen zwei typische Anwendungsfälle der Gerichtsstände, ein Kaufvertrag auf der einen und ein Verkehrsunfall auf der anderen Seite, gegenüber gestellt werden. Vergleicht man diese 239 Ansatzpunkte hierfür können der Entscheidung des OLG Celle, BeckRS 2012, 19648 entnommen werden. 240 In diesen Ansätzen wohl OLG Celle, NZV 1990, 390, 390; LG Heilbronn, BauR 1997, 1073, 1074; High Court of Justice (Hewden Tower Cranes Ltd. vs. Wolffkran GmbH), (2007) EWHC 857 (TCC); Engdiv Ltd. vs. G. Percy Trentham Ltd., 1990 S. L. T. 617 ff.; Mankowski, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 81; Thoma, Der internationale Regress, S. 203 ff.; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 116. 241 EuGH, Urteil v. 27.09.1988, Rs. 189/87 (Kalfelis ./. Bankhaus Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co.), Slg. 1988, 5565, Rdnr. 17.
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beiden typischen Anwendungsfälle des Vertrags- und des Deliktsgerichtsstandes miteinander, fällt auf, dass bei einem (Kauf-)Vertrag die Parteien freiwillig und im gegenseitigen Einvernehmen geplant zueinander in Kontakt getreten sind, während das Zusammentreffen bei einem Verkehrsunfall unfreiwillig und zufällig geschieht. Bei letzterem fehlt es an einem zwischen den Parteien bestehenden autonomen Willensakt, der ihre Verbindung zueinander auslöst. Anders ist es hingegen im Rahmen eines Vertragsverhältnisses, bei welchem sich die Parteien ihre Anspruchs- und damit auch potentiellen Prozessgegner selbst ausgesucht haben.242 Wendet man diesen Gedanken nun auf den zwischen den Gesamtschuldnern bestehenden originären Ausgleichsanspruch an, hätte dessen Qualifikation danach zu erfolgen, ob die Gesamtschuldner untereinander durch ein freiwilliges Willensmoment verbunden sind. Zur Bestimmung der Rechtsnatur des originären Ausgleichsanspruchs wäre dann aber nur das zwischen den Rückgriffsparteien bestehende (Innen-)Verhältnis zum Ausgangspunkt zu nehmen. Die im Außenverhältnis bestehende Verbindlichkeit eines jeden Gesamtschuldners hätte außer Betracht zu bleiben. Dieser Gedanke entspräche der Eigenschaft des originären Ausgleichsanspruchs, der anders als der übergeleitete Anspruch in der Person des Rückgriffsschuldners neu entsteht und nicht nur auf diesen übergeleitet wird. Kulms, IPRax 2000, 488, 492; Martiny, in: FS Geimer (2002), S. 641, 665. Ähnlichkeiten bestehen zum ökonomischen Vertragsbegriff von Mankowski für die Rom I-VO, der allerdings zusätzlich auf einen transaktionsbezogenen Charakter und die Planungssicherheit abstellt, vgl. IPRax 2003, 127, 131. Dagegen möchte insbesondere Lehmann, in: Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 17, 27 ff. den Vertragsbegriff der Rom I-VO funktional bestimmen und diesen aus einem Vergleich der Anwendungsbereiche der zueinander abzugrenzenden Rom I- und II-Verordnungen aus dem materiellen Kollisionsrecht gewinnen. Soweit im Schwerpunkt die Parteiautonomie und die Anwendung des Rechts der die charakteristische Leistung erbringenden Partei durchgesetzt werden soll, handele es sich um einen Vertrag. Wenn es hingegen um einen angemessenen Interessenausgleich zwischen Täter und Opfer sowie die Voraussehbarkeit der anwendbaren Sicherheits- und Verhaltensregeln gehe, sei eine vertragliche Qualifikation nicht angemessen und es müsse die Rom II-Verordnung angewendet werden. Im Hinblick auf einen möglichst einheitlichen Vertragsbegriff für die Verordnungen aus dem Bereich des materiellen Kollisionsrecht und des internationalen Zivilverfahrensrecht stellt sich die Frage, ob dieser funktionale Ansatz auch auf die EuGVVO übertragen werden kann. Hierbei stößt man allerdings auf die Schwierigkeit, dass im Zuständigkeitsrecht der Parteiautonomie primär durch die Gerichtsstandsvereinbarung Rechnung getragen wird und der Vertragsgerichtsstand personenneutral ausgestaltet ist und gerade nicht an die die vertragscharakterische Leistung erbringende Partei anknüpft. Sowohl beim Vertrags- als auch Deliktsgerichtsstand stehen der Ausgleich der beteiligten Parteiinteressen, aber insbesondere auch deren Neutralität und die Sach- und Beweisnähe im Vordergrund. Eine Abgrenzung, wie sie Lehmann den Rom I- und II-Verordnungen zugrunde legen möchte, führt für die Abgrenzungsfrage im Verfahrensrecht also nicht weiter. 242
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a) Vertragliche Qualifikation bei „freiwilliger Eingehung“ der originären Ausgleichspflicht ? Auf den ersten Blick liegt die vertragliche Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs aufgrund eines zwischen den Gesamtschuldnern bestehenden Willensmoments sehr nahe, wenn die Gesamtschuldner sich selbst über das Bestehen eines Rückgriffsanspruchs geeinigt und ihn vertraglich vereinbart haben. Daran, dass ein von den Gesamtschuldnern vertraglich begründeter Ausgleichsanspruch dem Vertragsgerichtsstand zuzuschlagen ist, bestehen grundsätzlich keine Zweifel. Es handelt sich bei ihm um eine freiwillig eingegangene Verpflichtung i. S. d. Art. 7 Nr. 1 EuGVVO. Der vertraglich begründete Rückgriffsanspruch kann jedoch nicht mit dem gesetzlich vorgesehenen originären Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB gleichgesetzt werden. Der originäre Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB bedarf gerade nicht der rechtsgeschäftlichen Vereinbarung durch die Gesamtschuldner, sondern ist als Ausgleichsanspruch gesetzlich normiert. Im deutschen Recht tritt ein vertraglich begründeter Ausgleichsanspruch neben den originären Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB.243 Die vertraglichen Vereinbarungen werden jedoch insoweit berücksichtigt, als sich aus ihnen eine abweichene Quotenregelung ergeben kann.244 Obwohl also der gesetzlich vorgesehenene Ausgleichsanspruch sogar mit dem rechtsgeschäftlich geäußerten Willen der Gesamtschuldner für den Rückgriffsfall übereinstimmt und ihn gewissermaßen widerspiegelt bzw. bestätigt, wäre der Schluss hieraus auf die vertragliche Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs aus § 426 Abs. 1 BGB voreilig. Denn zum einen zeigt sich auf den zweiten Blick, dass es in diesen Fällen vielmehr um die Frage geht, ob die klar vertragliche Qualifikation des rechtsgeschäftlich vereinbarten Ausgleichsanspruchs gleichermaßen auf die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs nach § 426 Abs. 1 BGB abfärbt. Hierauf ist noch an anderer Stelle zurückzukommen.245 Zum anderen kann aber aus dem vorhandenen Willensmoment auch nicht genuin auf eine vertragliche Qualifikation des originären 243 Vgl. BGH, NJW 1981, 1667, 1668; BGH, NJW-RR 2010, 831, 832; Bydlinski, in: MünchKomm, BGB, § 426 Rdnr. 1a; Esser/Schmidt, Schuldrecht Band I, § 39, S. 350; Gebauer, in: Soergel, BGB, § 426 Rdnr. 12, 39; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, BGB, § 426 Rdnr. 1; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 37 III, S. 643; Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 426 Rdnr. 6; Stürner, in: Jauernig, BGB, § 426 Rdnr. 17. A. A. und für eine Ersetzung des gesetzlich vorgesehenen Ausgleichsanspruchs durch den vertraglich begründeten Rückgriffsanspruch Hoffmann, AcP 211 (2011), 703, 717; Jürgens, Gesamtschuld, S. 185; Keuck, JZ 1972, 528, 530. 244 BGH, NJW-RR 2010, 831, 832; Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 426 Rdnr. 27. 245 Vgl. Teil 3 § 3: D.
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Ausgleichsanspruchs geschlossen werden, da das Willensmoment nicht wirklich geeignet ist, eine umfassende vertragliche Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs zu begründen. Denn wie bereits soeben betont, besteht der gesetzlich vorgesehene Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB unabhängig von einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung unter den Gesamtschuldnern. Des Weiteren wirft das Willensmoment schwierige Abgrenzungsfragen auf, wie die folgenden Überlegungen zeigen. Ausgehend von einem die Gesamtschuldner verbindenden Willensmoment läge eine vertragliche Qualifikation insbesondere auch in den Fällen der rechtsgeschäftlich begründeten Gesamtschuld prima facie nicht fern, und zwar auch dann, wenn die Gesamtschuldner keinen Rückgriffsanspruch rechtsgeschäftlich vereinbart haben. Die Gesamtschuldner haben durch den gemeinsam erklärten Willen, gesamtschuldnerisch haften zu wollen, auch untereinander durch autonomen Willensakt ein rechtsgeschäftliches Band geschaffen, als dessen Folge der originäre Ausgleichsanspruch begriffen werden könnte. Denn obwohl die rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Gesamtschuld zunächst lediglich das Außenverhältnis und die Bereitschaft der Gesamtschuldner betrifft, gegenüber dem Gläubiger auf die gesamte Leistung zu haften, ist damit nicht zugleich auch die Bereitschaft verbunden, bei Inanspruchnahme durch den Gläubiger auch im Innenverhältnis die gesamte Last zu tragen. Es entspricht vielmehr den Interessen der Gesamtschuldner, die eine gesamtschuldnerische Haftung aufgrund einer gemeinsamen rechtsgeschäftlichen Erklärung eingehen, dass mit der vollständigen Haftung im Außenverhältnis ein Ausgleichsanspruch im Innenverhältnis korrespondiert. Die Gesamtschuldner haben es schließlich nicht in der Hand, ob der Gläubiger die gesamte Leistung von nur einem Schuldner verlangt und auf wen er in diesem Fall zugreift. Wegen der Zufälligkeit der Inanspruchnahme besteht daher grundsätzlich ein gegenseitiges abstraktes Ausgleichsverlangen. Insoweit könnte der originäre Ausgleichsanspruch dann zumindest auf ein hypothetisches Willensmoment zurückgeführt werden. Allerdings müsste man, wenn man darauf abstellte, dann auch bei Mittätern (Fall eines deliktischen Gesamtschuldverhältnisses) von einem entsprechenden Willensmoment ausgehen. Die Gesamtschuldner verpflichten sich zwar nicht gegenüber dem Gläubiger durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung, sie handeln jedoch bewusst und gewollt zusammen und führen den Schaden gemeinsam herbei. Die Deliktstäter verbindet also gleichermaßen ein Willensmoment, das zumindest hypothetisch ebenfalls darauf gerichtet sein kann, dass im Falle einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger, die ebenso wie bei der rechtsgeschäftlich begründeten Gesamtschuld jeden Gesamtschuldner treffen kann, ein Ausgleich erfolgen soll. Sie hätten auch hier gewissermaßen den Kreis ihrer potentieller Anspruchsgegner selbst bestimmt, nämlich die jeweiligen Mittäter,
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mit denen sie die deliktische Handlung willentlich gemeinsam begangen haben. Zwischen Kartellanten ist gar eine Vereinbarung über den im Innenverhältnis ggfs. zu tragenden Haftungsanteil, z. B. nach den jeweiligen Marktanteilen oder anhand der Schadensteile der jeweiligen Abnehmer, nicht unüblich.246 Die vertragliche Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs liegt in diesen Fällen aber schon nicht mehr so nahe, wie in der soeben geschilderten Konstellation der rechtsgeschäftlich begründeteten Gesamtschuld. Warum es aber bei einer rechtsgeschäftlich begründeten Gesamtschuld für eine vertragliche Qualifika tion des originären Ausgleichsanspruchs ausreichen würde, dass dieser Ausgleichsanspruch dem Willen der Gesamtschuldner entspräche, die gleiche Argumentation nicht aber auch bei Mittätern verfängt, könnte nur damit begründet werden, dass die Gesamtschuldner einer rechtsgeschäftlich vereinbarten Gesamtschuld schon die Haftung gegenüber dem Gläubiger rechtsgeschäftlich und damit auch freiwillig eingegangen sind. Anders formuliert könnte man das Außenverhältnis zum Gläubiger nicht vollständig ausklammern, wenn man den Ausgleich unter deliktischen Mittätern nicht ebenfalls dem Vertragsgerichtstand unterstellen will. Man muss also zwangsläufig das Außenverhältnis der Gesamtschuld mit in den Blick nehmen. Gegenstand der Betrachtung kann dann aber nicht mehr allein das Innenverhältnis der Gesamtschuldner sein. b) Deliktische Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs bei fehlendem Willensmoment? Abgesehen von den bislang aufgezeigten Schwierigkeiten stellt sich jedoch zudem noch die Frage, ob bei einem fehlenden Willensmoment sodann zugleich die deliktische Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs folgen würde. aa) Das Verhältnis zwischen Vertrags- und Deliktsgerichtsstand In Verhältnis gesetzt worden sind der Vertrags- und der Deliktsgerichtsstand bereits durch die Begriffsbestimmung der unerlaubten Handlung i. S. d. Art. 7 Nr. 2 EuGVVO, wie sie der EuGH in der Rechtssache Kalfelis noch zum EuGVÜ (Art. 5 Nr. 3) vorgenommen hat. Der Begriff der unerlaubten Handlung beziehe sich auf alle Klagen, mit denen eine Schadenshaftung geltend gemacht 246 Dreher, in: FS Möschel (2011), S. 149, 156; Weidenbach/Saller, BB 2008, 1020, 1026. Solche Absprachen die Teil eines Ausführungsvertrages sein können, sind dann aber oft nach § 1 GWB i. V. m. § 134 BGB bzw. Art. 101 II AEUV nichtig, vgl. Dreher, in: FS Möschel (2011), S. 149, 160; Krüger, Kartellregress, S. 154 ff. (Vereinbarungen, die vor oder während der Kartellrechtszeit geschlossen werden sind grundsätzlich unwirksam). Zur Nichtigkeit des Ausführungsvertrags an sich Kling/Thomas, Kartellrecht, § 17 Rdnr. 225. Zu den praktischen Schwierigkeiten einer solchen Vereinbarung, Krüger, Kartellregress, S. 151 f.
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wird, die nicht an einen Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ anknüpfe.247 Wegen der vom EuGH vorgenommen Begriffsausfüllung wird das zwischen dem Vertrags- und Deliktsgerichsstand bestehende Verhältnis in Bezug auf Schadenshaftungen auch als „Exklusivitätsverhältnis“248 bezeichnet und Art. 7 Nr. 2 EuGVVO eine „Auffangfunktion“249 zugeschrieben. bb) Das Merkmal der Schadenshaftung und der unerlaubten Handlung i. S. d. Art. 7 Nr. 2 EuGVVO Ausgangspunkt für die Überlegung, den originären Ausgleichsanspruch bei einem fehlenden Willensmoment zwischen den Gesamtschuldnern dem Deliktsgerichtsstand zuzuordnen, bildet das für Schadensersatzansprüche bestehende Verhältnis zwischen dem Vertrags- und dem Deliktsgerichtsstand bzw. die Auffangfunktion des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO. Die Klage aus originärem Ausgleichsanspruch müsste sich dann als ein Anspruch aus unerlaubter Handlung oder einer ihr gleichgestellten Handlung darstellen, um unter den Systembegriff des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO subsumiert werden zu können. Das erscheint jedoch unter zwei Gesichtspunkten zweifelhaft: Ausgehend von der Kalfelis-Formel, die u. a. die Schadenshaftung als Abgrenzungskriterium zwischen Vertrags- und Deliktsgerichtsstand aufzugreifen scheint, stellt sich erstens die Frage, ob es sich bei dem originären Ausgleichsanspruch unter den Gesamtschuldnern überhaupt um eine Schadenshaftung handelt. Da sich die im Außenverhältnis bestehende Gesamtschuld im Innenverhältnis auf eine Art der Teilschuld reduziert und dort jeder Gesamtschuldner zur Tragung seines Lastenanteils herangezogen wird, könnte sich der Inhalt des originären Ausgleichsanspruchs einerseits als bloße besondere Form des „Erfüllungsanspruchs“ aus dem Außenverhältnis darstellen. Jeder Gesamtschuldner soll die ihn treffende Last, die im Grunde aus seiner Verbindlichkeit zum Gläubiger resultiert, erfüllen. Die Zuordnung als Form der Schadenshaftung erscheint dann zumindest nicht unproblematisch. Allerdings übersteigt die Inanspruchnahme des leistenden Gesamtschuldners im Außenverhältnis dessen 247 EuGH, Urteil v. 27.09.1988, Rs. 189/87 (Kalfelis ./. Bankhaus Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co.), Slg. 1988, 5565, Rdnr. 17. 248 Vgl. auch Bitter, IPRax 2008, 96, 97; Mankowski, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 238; Schmidt-Kessel, ZEuP 2004, 1019, 1027 ff.; Stadler, in: FS Musielak (2004), S. 567, 585; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 123; Zogg, JPIL 2013, 39, 42. 249 Schlussanträge GA Geelhoed, 31.01.2002, Rs. C-334/00 (Fonderie Officine Meccaniche Tacconi SpA ./. Heinrich Wagner Sinto Maschinenfabrik GmbH), Slg. 2002, I-7375, Rdnr. 71; Gaudemet-Tallon, Les Conventions de Bruxelles, Rdnr. 185; Haubold, IPRax 2000, 375, 382.
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im Innenverhältnis zu tragenden Lastenanteil und kann sich für ihn daher durchaus auch als Schaden, in Form eines Vermögensschadens, darstellen. Auch wenn der originäre Ausgleichsanspruch nicht direkt als Schadensersatz anspruch konzipiert ist, zielt er doch darauf ab, den leistenden Gesamtschuldner vor einer Belastung, und damit einem Schaden, zu schützen, der ihm ohne ein entsprechendes Rückgriffsrecht durch die Inanspruchnahme seitens des Gläubigers entstehen würde. Denn in diesem Fall würde der leistende Gesamtschuldner die Belastung vollständig alleine tragen. Seinem Sinn und Zweck nach könnte also auch der originäre Ausgleichsanspruch als Schadenshaftung begriffen werden, weil er darauf abzielt, dem leistenden Gesamtschuldner das Risiko der alleinigen Lastentragung abzunehmen bzw. abzumildern.250 Zweitens müsste ungeachtet der Frage nach dem Vorliegen einer tatsächlichen Schadenshaftung zwischen dem so ermittelten Schaden und dem ihm zugrunde liegenden Ereignis aber auch ein ursächlicher Zusammenhang bestehen.251 Der Blick auf das Kausalitätserfordernis fördert ein weitereres Problem zu Tage. Um einen ursächlichen Zusammenhang feststellen zu können, muss das dem Schaden zugrunde liegende Ereignis, die tatbestandsmäßige Handlung, bezeichnet werden. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwiefern sich der originäre Ausgleichsanspruch überhaupt als Folgeanspruch aus einer unerlaubten Handlung darstellt. Unklar ist dabei insbesondere, was als Gegenstand der unerlaubten Handlung betrachtet werden sollte. Wird das Innenverhältnis der Gesamtschuldner in den Blick genommen, müsste sich nicht nur der rückgriffsbegehrende Gesamtschuldner als Geschädigter, sondern eben auch der rückgriffsverpflichtete Gesamtschuldner als Schädiger einordnen lassen. Als „tatbestandsmäßige“ Handlung des auf Ausgleich in Anspruch genommenen Gesamtschuldners käme nur dessen Nichtleistung an den Gläubiger in Betracht. Wenn man überhaupt eine Pflicht zur Leistung annehmen wollte, bestünde diese aber auf keinen Fall gegenüber dem anderen, dem leistenden Gesamtschuldner. Die Nichtleistung durch den einen Gesamtschuldner kann dann aber gegenüber dem leistenden Gesamtschuldner auch keine unerlaubte Handlung darstellen. 250 Ähnlich auch die Argumentation des EuGH, Urteil v. 18.07.2013, Rs. C-147/12 (ÖFAB ./. Koot), ECLI:EU:C:2013:490, Rdnr. 37 für die gesellschaftsrechtliche Durchgriffshaftung. Zustimmend Haas, NZG 2013, 1161, 1164; Thole, GPR 2014, 113, 114. 251 EuGH, Urteil v. 30.11.1976, Rs. 21/76 (Handelskwekerij G. J. Bier BV ./. Mines de potasse d’Alsace SA), Slg. 1976, 1735, Rdnr. 15/19; EuGH, Urteil v. 05.02.2004, Rs. C-18/02 (DFDS Torline A/S ./. SEKO Sjöfolk Facket för Service och Kommunikation), Slg. 2004, I-1417, Rdnr. 32; EuGH, Urteil v. 16.07.2009, Rs. C-189/08 (Zuid-Chemie BV ./. Philippo’s Mineralenfabriek NV/SA), Slg. 2009, I-6917, Rdnr. 28; EuGH, Urteil v. 18.07.2013, Rs. C-147/12 (ÖFAB ./. Koot), ECLI:EU:C:2013:490, Rdnr. 34.
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Auch auf die Handlung des Gläubigers, d. h. die Inanspruchnahme des nun Rückgriff suchenden Gesamtschuldners, kann nicht abgestellt werden. Es stellt sich auch hier die Frage, worin der „unerlaubte“ Charakter dieser Handlung liegen soll.252 Das Wesen einer Gesamtschuld besteht im Gegensatz zur Teilschuld ja gerade darin, dass der Gläubiger jeden einzelnen Gesamtschuldner auf die gesamte Leistung in Anspruch nehmen kann. Zudem kann die Inanspruchnahme des leistenden Gesamtschuldners durch den Gläubiger dem anderen Gesamtschuldner auch nicht nach dem Vorbild von Täterschaft und Teilnahme zugerechnet werden. Deshalb ist es auch nicht möglich, wie aber vom Kläger in der oben zitierten Entscheidung Santa Fe (Uk) Limited vs. Gates Europe Nv253 vorgebracht, auf die Verurteilung des Gesamtschuldners zur Leistung an den Gläubiger abzustellen. Es ist daher schon im Ausgangspunkt schwierig, den originären Ausgleichsanspruch als Klage aus unerlaubter Handlung zu qualifizieren. Die Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit, nämlich die des leistenden Gesamtschuldners, lässt sich nur schwer als unerlaubte Handlung einer anderen Person begreifen. Denn jeder Gesamtschuldner hat seinerseits zur Begründung des Gesamtschuldverhältnisses beigetragen. Er ist die Verbindlichkeit, die er nun im Außenverhältnis erfüllt hat, selbst freiwillig eingegangen oder hat ihre Entstehung verursacht. Die eigenständige und für die Inanspruchnahme ursächliche Handlung unterscheidet den Gesamtschuldner von sonstigen durch eine unerlaubte Handlung Geschädigten. Er ist nicht selbst Geschädigter, sondern erfüllt nur eine eigene Verbindlichkeit. Eine deliktische Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs scheidet somit insoweit aus. Der Deliktsgerichtsstand steht bei Fehlen eines die Gesamtschuldner untereinander verbindenden Willenselements nicht als „Auffangtatbestand“ bereit. c) Die Klage aus originärem Ausgleichsanspruch als Tertium Stellt sich die Klage aus originärem Ausgleichsanspruch unter Betrachtung allein des Innenverhältnisses der Gesamtschuldner nicht als Klage aus unerlaubter Handlung dar, bleibt nur, den originären Ausgleichsanspruch in diesen Fällen als Tertium außerhalb von Vertrag und Delikt zu behandeln.
252 Vgl. zu dem Gedanken, dass dem Begriff der unerlaubten Handlung ein Unrechtselement innewohnt bzw. ein rechtswidriges Verhalten vorausgesetzt wird, auch Freitag, in: FS Spellenberg (2010), S. 169, 173; Oberhammer, in: Dasser/Oberhammer, LugÜ, Art. 5 Rdnr. 105. 253 Vgl. Teil 3 § 3: A. II. 1.
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Die in der Kalfelis-Formel anklingende Dichotomie zwischen Vertrags- und Deliktsgerichtsstand ist nicht zwingend.254 Das Exklusivitätsverhältnis zwischen Vertrags- und Deliktsgerichtsstand ist kein absolutes in dem Sinne, dass sämtliche in Betracht kommenden Ansprüche entweder vertraglich oder deliktisch sind. Der Deliktsgerichtsstand hat nicht die Funktion, als Auffangtatbestand alle außerhalb des Vertragsgerichtsstands liegenden Sachverhalte zu erfassen. Ist ein Anspruch außervertraglicher Natur, so ist die Klage nicht zugleich dem Deliktsgerichtsstand zuzuschlagen. Außervertraglich heißt eben nicht zugleich deliktisch.255 Es können durchaus besondere Rechtsinstitute bestehen, die weder dem Vertrags- noch dem Deliktsgerichtsstand zugeordnet werden können.256 Für die Gläubigeranfechtungsklage nach französischem Recht hat dies der EuGH ausdrücklich festgestellt.257 Der originäre Ausgleichsanspruch, der mangels Willensmoments zwischen den Gesamtschuldnern nicht vertraglich qualifiziert werden könnte, aber auch aus dem Deliktsgerichtsstand auszugrenzen wäre, könnte als Tertium nur am allgemeinen Gerichtsstand, Art. 4 Abs. 1 EuGVVO, geltend gemacht werden. d) Zwischenergebnis und Folgerungen für die weitere Untersuchung Obwohl die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs anhand eines zwischen den Gesamtschuldnern etwa bestehenden Willensmoments zunächst 254 So auch Hess, EuZPR, § 6 Rdnr. 69; Leipold, in: Studia in honorem Németh (2003), S. 631, 638 f., 643 für die Haftung aus c.i.c. und die Verbandsklagen; Kindler, IPRax 2014, 486, 489; Lorenz, IPRax 1993, 44, 46; Mankowski, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 239; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 139. Anders Bitter, IPRax 2008, 96, 97: bei eine Streitigkeit, die nicht vertraglicher Natur ist, „muss es sich folglich um ein Delikt handeln und umgekehrt“. 255 Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 74; Mankowski, in: Magnus/ Mankowski, Brussels Ibis Regulation, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 239. Mit dem Hinweis, dass sich hier deutliche Unterschiede zum Anwendungsbereich der Rom II-VO und dessen Abgrenzung zur Rom I-VO ergeben. Der Anwendungsbereich der Rom II-VO geht hierbei deutlich über den des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO hinaus. 256 So z. B. die auf einen Aufwendungsersatzanspruch gerichtete Klage aus Geschäftsführung ohne Auftrag, vgl. hierzu Dutta, IPRax 2011, 134, 137; Looschelders, IPRax 2014, 406, 407; Auch die Eingriffshaftung wird teilweise als Tertium nur dem allgemeinen Gerichtsstand zugeschlagen, vgl. Hess, EuZPR, § 6 Rdnr. 69; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 75; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 112; Lorenz, IPRax 1993, 44, 46. Anders hingegen Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 13; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 141. 257 EuGH, Urteil v. 26.03.1992, Rs. 261/90 (Mario Reichert u. a. ./. Dresdner Bank AG), Slg. 1992, I-2149, Rdnr. 19 ff. Zustimmend Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 112; Schlosser, IPRax 1993, 17, 18; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 140.
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plausibel erscheinen mag, ergeben sich dabei die eben gezeigten Abgrenzungsschwierigkeiten. Vor allem wird man der Besonderheit der Gesamtschuld und des originären Ausgleichsanspruchs auf diese Weise nicht gerecht. Die Gesamtschuld gründet sich auf den im Außenverhältnis bestehenden Verbindlichkeiten der Schuldner zum Gläubiger. Diese sind Grundlage der Gesamtschuld und auch Grundlage des Ausgleichsanspruchs unter den Gesamtschuldnern. Ihnen muss daher auch bei der Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs Rechnung getragen werden, wie im weiteren Verlauf der Untersuchung zu zeigen sein wird.258 2. Heranziehung des Außenverhältnisses zur Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs Wie sich gezeigt hat, ist eine Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs allein im Hinblick auf das zwischen den Gesamtschuldnern bestehende Innenverhältnis und unter vollständiger Ausblendung des Außenverhältnisses nicht sinnvoll. Will man hingegen für die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs das Außenverhältnis berücksichtigen, bestehen hierfür zwei Möglichkeiten, die bereits angesprochen worden sind.259 Zum einen ließe sich die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs davon abhängig machen, wie die Gesamtschuld entstanden ist. Ob sie z. B. auf einem vertraglichen Entstehungsgrund wie der rechtsgeschäftlichen Vereinbarung durch die Gesamtschuldner oder auf einer Gesamtschuldvermutung wie z. B. § 427 BGB beruht. In diesen Fällen könnte von einer vertraglichen Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs auszugehen sein. Zum anderen besteht aber auch die Möglichkeit, die Haftungsgrundlagen der am Rückgriff beteiligten Gesamtschuldner heranzuziehen, um den originären Ausgleichsanspruch zu qualifizieren. Haften beide Gesamtschuldner auf einer vertraglichen Grundlage, wäre der originäre Ausgleichsanspruch vertraglich zu qualifizieren. Haften die Gesamtschuldner auf einer deliktischen Grundlage, wäre der originäre Ausgleichsanspruch deliktischer Natur. Von besonderem Interesse ist dabei das gemischte Gesamtschuldverhältnis. Da die Haftungsgrundlage des einen Gesamtschuldners eine vertragliche, die des anderen Gesamtschuldners eine deliktische Qualifikation vorgeben würde, muss zugleich geklärt werden, welche Haftungsgrundlage die Qualifikation des originären
258 Gegen eine Trennung des Innenverhältnisses zu dem im Außenverhältnis bestehenden Haftungsgrundlagen nunmehr auch EuGH, Urteil v. 15.06.2017, Rs. C-249/16 (Saale Kareda ./. Stefan Benkö), ECLI:EU:C:2017:472 Rdnr. 31). 259 Vgl. Teil 3 § 3: B. I.
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Ausgleichsanspruchs vorgibt: die Haftungsgrundlage des leistenden oder die des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners. a) Differenzierung nach dem Entstehungsgrund der Gesamtschuld Die Überlegung, den originären Ausgleichsanspruch von dem Entstehungsgrund der Gesamtschuld abhängig zu machen, gründet sich auf dem Gedanken, dass der originäre Ausgleichsanspruch aus der Gesamtschuld entsteht und somit auf ihr beruht. aa) Erkenntnisse aus der rechtsvergleichenden Umschau zum Entstehungsgrund der Gesamtschuld Bevor auf die Möglichkeit der Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs in Abhängigkeit des Entstehungsgrundes der Gesamtschuld eingegangen werden kann, ist zunächst auf die bereits oben gewonnenen Erkenntnisse260 zu den möglichen Entstehungsgründen der Gesamtschuld zurückzukommen. Innerhalb des deutschen Rechts ist im Grunde davon auszugehen, dass die Gesamtschuld entweder vertraglich oder gesetzlich entsteht. Zu den vertraglichen Entstehungsgründen zählen neben der rechtsgeschäftlich vereinbarten Gesamtschuld auch die Fälle, in denen die Gesamtschuld nach § 427 BGB vermutet wird. Im Bereich der vertraglichen Gesamtschuldverhältnisse gehen auch die übrigen Rechtsordnungen davon aus, dass die Gesamtschuld durch Rechtsgeschäft der Gesamtschuldner begründet werden kann. Uneinigkeit herrscht jedoch, soweit es um die Frage geht, ob in den übrigen Fällen eine Vermutung zugunsten der Gesamt- oder Teilschuld eingreift.261 Daneben finden sich in den mitgliedsstaatlichen Rechten aber vereinzelt auch Fälle, in denen das vertragliche Gesamtschuldverhältnis gesetzlich angeordnet wird. Im Bereich der außervertraglichen Gesamtschuldverhältnisse wird die gesamtschuldnerische Haftung anerkanntermaßen entweder gesetzlich angeordnet oder sie ist richterrechtlich anerkannt. bb) Keine Schlussfolgerungen von dem Entstehungsgrund der Gesamtschuld auf die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs Tatsächlich ist der Entstehungsgrund der Gesamtschuld als Grundlage der Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs aber wenig ergiebig und kaum sinnvoll. Die Beurteilung fällt insoweit nicht anders aus als bei der soeben be260
Vgl. Teil 1 § 1: B. II. § 427 BGB greift z. B. die Gesamtschuldvermutung auf, während im französischen Rechts nach Art. 1202 C.c. die Gesamtschuld eben nicht vermutet wird. 261
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handelten, aber – weil das Innenverhältnis betreffenden – davon zu unterscheidenden Frage, ob aus einem Willensmoment zwischen den Gesamtschuldnern auf die Qualifikation geschlossen werden kann. Auf die erste Schwiergkeit stößt man bereits dabei, dem Entstehungsgrund der Gesamtschuld eine umfassende Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs zu entnehmen. Beruht die Gesamtschuld auf einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung mit dem Gläubiger, liegt es durchaus nahe, hieraus auf eine vertragliche Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs zu schließen. Erfasst werden könnten damit einerseits auch die Fälle, in denen die Gesamtschuld, wie z. B. im französischen Recht, nicht vermutet, sondern im Zweifel von einer Teilschuld ausgegangen wird. Andererseits wäre diese Schlussfolgerung aber auch dann möglich, wenn das Entstehen der Gesamtschuld auf eine Vermutungsregel wie § 427 BGB zurückgeht.262 Anders stellt sich die Lage jedoch grundsätzlich dann dar, wenn der Gesamtschuld ein gesetzlicher Entstehungsgrund zu Grunde liegt. Aus einem gesetzlichen Entstehungsgrund der Gesamtschuld kann nicht ohne weiteres im Umkehrschluss eine deliktische Qualifikation gefolgert werden. Dass die Gesamtschuld auf einem gesetzlichen Entstehungsgrund beruht, macht den Gesamtschuldnerausgleich, wie eben bereits im Zusammenhang mit der Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs unter Betrachtung des Innenverhältnisses gezeigt,263 noch nicht zu einer unerlaubten Handlung oder einer ihr gleichgestellten Handlung i. S. d. Art. 7 Nr. 2 EuGVVO. Rückschlüsse aus dem Entstehungsgrund der Gesamtschuld wären also allenfalls einseitig für eine vertragliche Qualifikation möglich. Das stellt diesen Qualifikationsansatz aber bereits in Frage. Selbst wenn man aus dem rechtsgeschäftlichen bzw. vertraglichen 264 Entstehungsgrund der Gesamtschuld eine vertragliche Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs ableiten wollte, stellt sich ein weiteres Problem. Soweit nicht alle Gesamtschuldner auf Grund desselben Rechts dem Gläubiger gegenüber verpflichtet sind, kommen für das Entstehen der Gesamtschuld und damit auch ihren Entstehungsgrund verschiedene Rechte in Betracht. Man muss sich also fragen, welchem Recht der Entstehungsgrund der Gesamtschuld entnommen werden muss. Das Problem könnte man lösen, indem man kollisionsrechtlich ein Recht ermittelt, das über das Entstehen der Gesamtschuld zu entscheiden hat (sog. Gesamtschuldstatut). Allerdings bereitet schon die Ermittlung eines Gesamtschuldstatuts Schwierigkeiten, da sich zwar in Art. 16 Rom I-VO 262 Für eine Zuordnung des § 427 BGB zu den rechtsgeschäftlichen Entstehungsgründen auch Gebauer, in: Soergel, BGB, § 421 BGB Rdnr. 28, 30. 263 Vgl. Teil 3 § 3: B. I. 1. b). 264 Hiervon wären z. B. auch die Gesamtschuldvermutungen erfasst, vgl. hierzu Teil 1 § 1: B. I.
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und Art. 20 Rom II-VO kollisionsrechtliche Regelungen zum Gesamtschuldnerrückgriff finden, die Bestimmung des Gesamtschuldstatuts indes nicht geregelt wurde. Über die Frage, wie das Gesamtschuldstatut anzuknüpfen ist, das im Kolli sionsrecht insbesondere für die Frage der Abgrenzung des Art. 16 Rom I-VO bzw. Art. 20 Rom II-VO von den Art. 15 Rom I-VO bzw. Art. 19 Rom II-VO Bedeutung erlangen soll, besteht jedoch kein einheitliches Meinungsbild. Diskutiert wird neben der Anknüpfung an das Statut der getilgten Forderung265 u. a. ein europäisch-autonomer Ansatz266, die Maßgeblichkeit der lex fori267 sowie die alternative268 oder sogar kumulative269 Anknüpfung an die einzelnen Haftungsstatute der Gesamtschuldner. Soweit diese Auffassungen eine bestimmte lex causae oder die lex fori berufen wollen, stellt sich für die verfahrensrechtliche Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs das Problem, dass mit dem Rückgriff auf ein nationales Recht von dem Grundsatz und Gebot der autonomen Auslegung abgewichen werden müsste. Während also im Grundsatz der Vertragsgerichtsstand und sein Systembegriff autonom auszulegen sind,270 müsste im Hinblick auf die vertragliche Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs insoweit eine Ausnahme gemacht werden, als die Frage, ob der Entstehungsgrund vertraglich oder deliktisch ist, zunächst über das Kolli sionsrecht beantwortet würde. Das ist eine Differenzierung, die nur schwerlich zu begründen wäre.
Hausmann, in: Staudinger, BGB, Art. 15 Rom I-VO Rdnr. 16; Hohloch, in: Erman, BGB II, Art. 16 Rom I-VO Rdnr. 3; Junker, in: MünchKomm, BGB, Art. 19 Rom II-VO Rdnr. 13; Kühn, Gestörte Gesamtschuld, S. 175; Leible/Lehmann, RIW 2008, 528, 541 f.; Martiny, in: MünchKomm, BGB, Art. 15 Rom I-VO Rdnr. 6; ders., in: MünchKomm, BGB, Art. 16 Rom I-VO Rdnr. 3. 266 Doehner, in: NK, BGB, Art. 16 Rom I-VO Rdnr. 4; Pfeiffer, EuZW 2008, 622, 629. 267 So z. B. noch zum alten Recht Wandt, ZVglRWiss 86 (1987), 272, 291 Fn. 120. 268 Behrens, Gesamtschuldnerausgleich, S. 157; Baetge, in: Calliess, Rome Regulations, Art. 16 Rom I-VO Rdnr. 10; Freitag, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 15, 16 Rom I-VO Rdnr. 32; Magnus, IPRax 2010, 27, 43; ders., in: Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 201, 221. Begründet wird die alternative Anknüpfung mit dem Gläubigerschutz, da für den Gläubiger die Annahme einer Gesamtschuld vorteilhafter ist. Dieser Hinweis betrifft zunächst einmal nur das Außenverhältnis und hat auf den ersten Blick mit dem Regelungsbereich der Art. 15, 16 Rom I-VO unmittelbar nichts zu tun. Die Frage, ob eine gesamtschuldnerische Haftung vorliegt, kann jedoch auch bei der Frage nach dem Rückgriffsanspruch eine Rolle spielen. Daher erscheint es angebracht, die Bestimmung der Gesamtschuld im Außen- und Innenverhältnis nach derselben Rechtsordnung vorzunehmen. 269 Picht, in: Rauscher EuZPR/EuIPR, Art. 20 Rom II-VO Rdnr. 10; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., Art. 33 EGBGB Rdnr. 11 (noch zum alten Recht). 270 Vgl. Teil 3 § 2: B. I. 265
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Aber auch der Ansatz, das Gesamtschuldstatut durch eine europäisch-autonome Auslegung zu gewinnen, kann im Ergebnis nicht vollständig überzeugen. Das liegt schon daran, dass es nicht sinnvoll erscheint, die Voraussetzungen des Art. 16 Rom I-VO (das Vorliegen einer gesamtschuldnerischen Haftung) von seinem Regelungsbereich abzukoppeln, da ansonsten Situationen entstehen können, in denen zwar eine gesamtschuldnerische Haftung anzunehmen ist, das über Art. 16 Rom I-VO berufene Recht aber keinen Rückgriffsanspruch gewährt, weil es selbst nicht von einer Gesamtschuld, sondern von einer bloßen Teilschuld ausgeht.271 Obwohl diese Überlegung primär für die Ebene des Kollisionsrechts trägt, ist sie auch für einen möglichen europäisch-autonomen Ansatz im Verfahrensrecht zumindest zu berücksichtigen. Denn Ausgangspunkt der hier sodann abgelehnten Überlegung war es, die verfahrensrechtliche Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs von dem Entstehungsgrund der Gesamtschuld, also von der Frage abhängig zu machen, ob das anwendbare Recht die Gesamtschuld gesetzlich anordnet oder sie vertraglich begründet wird. Mit dieser Prämisse ist, wenn man ihr folgen wollte, aber zugleich eine Verknüpfung zu einem materiellen Recht vorgegeben. Daher mag man es zwar als europäisch-autonomen Ansatz bezeichnen, dass die Qualifikation von den Entstehungsgrund, also der entsprechenden gesetzlichen Anordnung bzw. der vertraglichen Abrede abhängig gemacht wird; in Wahrheit wäre das aber keine echte autonome Qualifika tion, weil dann im Ergebnis doch wieder das anwendbare Recht und damit das Kollisionsrecht darüber entscheidet, wie qualifiziert wird. cc) Zwischenergebnis Insgesamt kann also die Überlegung, die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs von dem Entstehungsgrund des Gesamtschuldverhältnisses abhängig zu machen, nicht überzeugen. Eine autonome Qualifikation lässt sich nur erreichen, wenn man sich, wie es im Folgenden entwickelt wird, von dem nationalen Recht und der Anordnung der Gesamtschuld als solcher (Entstehungsgrund) löst und auf die Rechtsgrundlagen der einzelnen Haftungen der beteiligten Gesamtschuldner abstellt, also die Zusammensetzung des Gesamtschuldverhältnisses.272
271
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Kühn, Gestörte Gesamtschuld, S. 175. Vgl. hierzu Teil 1 § 1: B. II.
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b) Die Rechtsgrundlage der einzelnen Haftungstatbestände der Gesamtschuldner Will man für die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs das Außenverhältnis heranziehen, so muss man sich zunächst nochmals in Erinnerung rufen, dass sich das Gesamtschuldverhältnis aus den im Außenverhältnis bestehenden Verbindlichkeiten der Gesamtschuldner zusammensetzt. Wie bereits oben erläutert273 lassen sich die Gesamtschuldverhältnisse anhand ihrer Zusammensetzung in vertragliche, außervertragliche und gemischte Gesamtschuldverhältnisse typisieren. Innerhalb der Gruppe der außervertraglichen Gesamtschuldverhältnisse nehmen die deliktischen Gesamtschuldverhältnisse, also Gesamtschuldverhältnisse, bei denen die einzelnen Gesamtschuldner auf einer deliktischen Grundlage dem Gläubiger gegenüber zur Haftung verpflichtet sind, den wesentlichen Anteil ein. Die im Außenverhältnis bestehenden Verbindlichkeiten der Gesamtschuldner sind Grundlage der Gesamtschuld, weil ohne sie das Gesamtschuldverhältnis nicht bestünde.274 Die Gesamtschuld setzt voraus, dass mindestens zwei Schuldner dem Gläubiger gegenüber zur Leistung verpflichtet sind. Zugleich sind die im Außenverhältnis bestehenden Verbindlichkeiten sodann auch als Grundlage des Ausgleichsanspruchs, der als notwendiges Korrelat der Gesamtschuld besteht, zu betrachten und können für die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs Bedeutung erlangen. Für die Berücksichtigung der im Außenverhältnis bestehenden Verbindlichkeiten der einzelnen Gesamtschuldner zum Gläubiger bestehen zwei Möglichkeiten: die maßgebliche Bedeutung kann einerseits dem zwischen dem Gläubiger und dem rückgriffssuchenden Gesamtschuldner bestehenden Rechtsverhältnis zukommen. Andererseits könnte aber auch das zwischen dem rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner und dem Gläubiger bestehende Rechtsverhältnis maßgeblich sein. Entscheidungserheblich ist diese Frage nicht nur in den Fällen eines gemischten Gesamtschuldverhältnisses, sondern sie kann auch bei Vorliegen eines vertraglichen oder außervertraglichen Gesamtschuldverhältnisses relevant werden. Zum einen besteht die Möglichkeit, dass für eines der im Außenverhältnis bestehenden Rechtsverhältnisse z. B. der Verbrauchergerichtsstand nach Art. 15 ff. EuGVVO einschlägig ist, was dann die Frage aufwirft, inwieweit darauf bei der 273
Vgl. Teil 1 § 1: B. II. So nunmehr auch EuGH, Urteil v. 15.06.2017, Rs. C-249/16 (Saale Kareda ./. Stefan Benkö), ECLI:EU:C:2017:472, Rdnr. 30 f. Ob die Anknüpfung an das Außenverhältnis nur gilt, wenn die Gesamtschuldner dem Gläubiger auf derselben Haftungsgrundlage verpflichtet sind und, wenn dies nicht der Fall ist, welche Haftungsgrundlage die entscheidende ist, ist der Entscheidung des EuGH nicht zu entnehmen. 274
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Rückgriffsklage aus dem originären Ausgleichsanspruch Rücksicht zu nehmen ist.275 Zum anderen können aber in den einzelnen Außenverhältnissen die Anknüpfungsmomente, wie z. B. der Erfüllungsort oder der Ort des schädigenden Ereignisses, und folglich die für die Gerichtsstände maßgeblichen Kriterien im Einzelfall divergieren. Eine conditio sine qua non für den Ausgleichsanspruch ist sowohl das Rechtsverhältnis des leistenden Gesamtschuldners als auch das des Rückgriffsschuldners. Wäre der rückgriffssuchende Gesamtschuldner auf Grundlage seiner Verbindlichkeit im Außenverhältnis nicht herangezogen worden, stünde kein Ausgleichsanspruch im Raum. Allerdings kommt ein Rückgriff gegen den anderen Gesamtschuldner eben auch nur dann in Betracht, wenn dieser selbst hätte vom Gläubiger in Anspruch genommen werden können. Ein natürlicher Vorrang einer der beiden Haftungsgrundlagen ist insoweit nicht ersichtlich. Wie jedoch oben aufgezeigt werden konnte, erfüllt auch der originäre Ausgleichsanspruch die Funktion, die Haftung der anderen Gesamtschuldner aus dem Außenverhältnis im Innenverhältnis fortzuführen.276 Daher muss die im Außenverhältnis bestehende Verbindlichkeit des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners als Grundlage der Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs herangezogen werden.277 Hierfür schlage ich die Bezeichnung „abgeleitete Qualifikation“ vor. In der Konsequenz ist es dann auch hinzunehmen, dass der originäre Ausgleichsanspruch einmal als vertragliche, ein anderes Mal als außervertragliche bzw. deliktische Streitigkeit zu qualifizieren ist. Die unterschiedliche Qualifikation des Anspruchs ist darauf zurückzuführen, dass sich dessen Grundlage entweder aus einer vertraglichen oder einer außervertraglichen Verbindlichkeit des rückgriffsverpflichtenden Gesamtschuldners ergeben kann.
II. Ergebnis und Folgerungen für die weitere Untersuchung Wie soeben gezeigt werden konnte, bietet der Ansatz, die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs davon abhängig zu machen, dass die Gesamtschuldner durch ein Willensmoment miteinander verbunden sind, keine zufriedenstellende Lösung für die verfahrensrechtliche Zuordnung der Klage aus originärem Ausgleichsanspruch.278
275
Vgl. hierzu Teil 3 § 3: F. Vgl. Teil 1 § 1: C. IV. 277 In der Tendenz ebenso Mankowski, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 81; Thoma, Der internationale Regress, S. 210 f.; Wagner, in: Stein/ Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 116. Ablehnend Handorn, IHR 2007, 25, 28. 278 Vgl. Teil 3 § 3: B. I. 1. 276
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Der Ansatz, die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs von dem Entstehungsgrund der Gesamtschuld abhängig zu machen, ist ebenfalls kaum hilfreich.279 Einzig der an dritter Stelle vorgeschlagene Ansatz, zur Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs das Außenverhältnis heranzuziehen und den originären Ausgleichsanspruch in Abhängigkeit von der Rechtsnatur der Haftungsgrundlage des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners zu qualifizieren (abgeleitete Qualifikation), kann überzeugen und ist im Grundsatz geeignet, eine handhabbare Lösung zu bieten.
C. Überprüfung der abgeleiteten Qualifikation anhand der besonderen Gerichtsstände des Art. 7 Nr. 1 und Nr. 2 EuGVVO Die soeben aufgestellte These der abgeleiteten vertraglichen und deliktischen Qualifikation muss im Folgenden kritisch überprüft werden. Eine Überprüfung erfolgt zunächst anhand der Maßstäbe von Art. 7 Nr. 1 und Nr. 2 EuGVVO.
I. Vereinbarkeit der abgeleiteten Qualifikation mit Wortlaut und Systembegriff der besonderen Gerichtsstände 1. Grammatikalische Auslegung der Voraussetzungen des Vertragsgerichtsstands Art. 7 Nr. 1 EuGVVO eröffnet die Zuständigkeit des Gerichts am Erfüllungsort, „wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden“. Die hier vorgeschlagene abgeleitete Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs könnte sich im Hinblick auf den Wortlaut und den Systembegriff des Vertragsgerichtsstandes unter zwei Gesichtspunkten als problematisch darstellen. a) Die Geltendmachung eines gesetzlichen Anspruchs im Vertragsgerichtsstand Der originäre Ausgleichsanspruch fließt aus Rechtsvorschriften und kann insoweit als gesetzlicher Anspruch begriffen werden, als er nicht selbst der rechtsgeschäftlichen Vereinbarung bedarf, sondern sich unmittelbar aus dem Gesetz ableitet. Es stellt sich sodann die Frage, ob eine vertragliche Qualifikation des 279
Vgl. Teil 3 § 3: B. I. 2. a).
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originären Ausgleichsanspruchs mit dessen „gesetzlicher Anordnung“ in § 426 Abs. 1 BGB vereinbar ist. Zweifel hieran könnten bestehen, wenn man davon ausginge, dass der Systembegriff des Art. 7 Nr. 1 EuGVVO und dessen Konkretisierung als „freiwillig eingegangene Verpflichtung“ voraussetzt, dass die konkrete Verpflichtung, in diesem Fall der originäre Ausgleichsanspruch, von den Parteien vereinbart worden sein muss. Gesetzliche Ansprüche wären dann nicht erfasst. Ein solches Verständnis ist indes zu eng und würde dem Regelungszweck des Art. 7 Nr. 1 EuGVVO nicht gerecht werden. Voraussetzung für eine vertragliche Qualifikation eines Anspruch i. S. d. Art. 7 Nr. 1 EuGVVO kann nicht sein, dass es sich um eine vertraglich vereinbarte Pflicht handelt, dass also die Parteien die konkreten Rechte und Pflichten, die aus ihrem Rechtsverhältnis rühren sollen, en détail vereinbart und festgelegt haben. Ein solches Verständnis würde dazu führen, dass selbst typische Vertragsansprüche, wie Ansprüche wegen Sachmängeln (Gewährleistungsansprüche), nicht mehr dem Anwendungsbereich des Vertragsgerichtsstandes unterfielen, wenn sie nicht durch die Parteien selbst vereinbart worden sind. Dass aber insbesondere auch Gewährleistungsansprüche vom Anwendungsbereich des Art. 7 Nr. 1 EuGVVO umfasst sind, wird zu Recht nicht in Frage gestellt.280 Der Vertragsgerichtsstand erfasst somit Primär- als auch an die Nichterfüllung geknüpfte Sekundäransprüche, unabhängig davon, ob die Sekundäransprüche vertraglich vereinbart worden sind oder auf Gesetz beruhen.281 Gesetzliche Ansprüche können daher am Vertragsgerichtsstand erhoben werden, soweit sie ihre Grundlage in einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung haben. Die formale Herleitung des Anspruchs aus einer gesetzlichen Vorschrift ist hierbei nicht von Belang.282 Soweit sich der originäre Ausgleichsanspruch als Fortführung der vertraglichen Haftung aus dem Außenverhältnis begreifen lässt, steht einer Subsumtion Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 14; Mankowski, IPRax 2003, 127, 131; ders., EWiR 2017, 577; Martiny, in: FS Geimer (2002), S. 641, 653; Lorenz, IPRax 2002, 192, 193; Schack, IZVR, Rdnr. 293; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 25; Weller, IPRax 2013, 501, 503. 281 EuGH, Urteil v. 06.10.1976, Rs. 14/76 (de Bloos ./. Bouyer), Slg. 1976, 1497, Rdnr. 13/14; EuGH, Urteil v. 08.03.1988, Rs. 9/87 (SPRL Arcado ./. SA Haviland), Slg. 1988, 1539, Rdnr. 13; Lehmann, ZZPInt 9 (2004), 172, 184; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 25, 33; Mankowski, IPRax 2003, 127, 131; Stadler, in: FS Musielak (2004), S. 569, 580 allerdings mit dem Hinweis, dass die Verletzung vertraglicher Haupt- oder Nebenpflichten die problematische Abgrenzung vom Recht der unerlaubten Handlung erfordert; Wagner, in: Stein/Jonas ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 19. 282 Kulms, IPRax 2000, 488, 491 f.; Mäsch/Fountoulakis, GPR 2005, 98, 99; Mankowski, IPRax 2003, 127, 131 f.; Martiny, in: FS Geimer (2002), S. 641, 653; Rauscher, IPRax 1992, 143, 146; Stadler, in: FS Musielak (2004), S. 569, 574. 280
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unter den Systembegriff des Art. 7 Nr. 1 EuGVVO trotz der gesetzlichen Normierung des originären Ausgleichsanspruchs nichts entgegen.283 b) Das originäre Entstehen des Anspruchs in der Person des Rückgriffsgläubigers Eine andere Dimension enthält die gesetzliche Normierung des originären Ausgleichsanspruchs allerdings mit Blick auf dessen Eigen- und Selbständigkeit.284 Der originäre Ausgleichsanspruch entsteht zu Rückgriffszwecken in der Person des leistenden Gesamtschuldners neu und wird nicht nur, wie die Gläubigerforderung nach § 426 Abs. 2 BGB, auf diesen übergeleitet. Wenn der originäre Ausgleichsanspruch in der Person des leistenden Gesamtschuldners neu entsteht, bedeutet das für die vertragliche Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs zugleich, dass sich sein vertraglicher Charakter allein daraus ergibt, dass die im Außenverhältnis bestehende Verbindlichkeit des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners vertraglicher Natur ist. Die vertragliche Qualifikation des Anspruchs leitet sich somit aus einem Rechtsverhältnis ab, an dem der Rückgriffsgläubiger und originärer Anspruchsinhaber gar nicht beteiligt ist. Das hier bereits aufgeworfene Problem der Abhängigkeit der (vertraglichen) Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs von einem fremden Rechtsverhältnis wird wegen seiner Bedeutung innerhalb eines eigenen Abschnitts behandelt werden.285 Im Hinblick auf die grammatikalische Auslegung des Vertragsgerichtsstandes soll an dieser Stelle der Hinweis genügen, dass der Vertragsgerichtsstand nicht auf eine Klage zwischen den Vertragsparteien beschränkt ist, sondern „Ansprüche aus einem Vertrag“ in den Mittelpunkt stellt.286 2. Grammatikalische Auslegung der Voraussetzungen des Deliktsgerichtsstands Der Deliktsgerichtsstand nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO steht dem Kläger dann zur Verfügung, „wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden (…)“.
Ebenso Mankowski, EWiR 2017, 577. Kritisch im Hinblick auf originär kraft Gesetz begründete Ansprüche daher auch Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2014, 1, 12. 285 Vgl. unten Teil 3 § 3: C. V. 286 So auch Rauscher, IPRax 1992, 143, 146. 283
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Da deliktische Ansprüche grundsätzlich aus dem Gesetz folgen, steht es der Anwendung des Deliktsgerichtsstandes nicht entgegen, dass der originäre Ausgleichsanspruch gesetzlich normiert ist. Auch der Systemsbegriff der „Schadenshaftung, die geltend gemacht wird, soweit sie nicht an einen Vertrag i. S. d. Art. 7 Nr. 1 EuGVVO anknüpft“287, bereitet einer deliktischen Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs unter Rückgriff auf die im Außenverhältnis bestehende deliktische Haftung des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners keine Probleme. Der originäre Ausgleichsanspruch, der, funktional betrachtet, die Haftung aus dem Außenverhältnis im Innenverhältnis fortführt, knüpft sodann auch an eine unerlaubte Handlung des Rückgriffsschuldners an. Der Frage, welche Bedeutung es erlangt, dass der Rückgriffsschuldner die unerlaubte Handlung nicht gegenüber dem leistenden Gesamtschuldner, sondern gegenüber dem Gläubiger im Außenverhältnis begangen hat, mithin auch für die abgeleitete deliktische Qualifikation an ein fremdes Rechtsverhältnis angeknüpft wird, wird ebenfalls gesondert nachgegangen.288
II. Vereinbarkeit der abgeleiteten Qualifikation mit der Systematik der EuGVVO Der EuGH weist in seinen Urteilen immer wieder darauf hin, dass die Bestimmungen der Verordnung auch unter Bezugnahme auf deren Systematik auszulegen sind.289 Man muss sich daher die Frage stellen, ob sich die vorgeschlagene Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs in das System der EuGVVO einpasst. Hierbei muss neben der rechtsaktinternen Systematik auch der Zusammenhang zu den kollisionsrechtlichen Regelungswerken der Rom I- und IIVO (rechtsaktübergreifende Systematik) einbezogen werden. 1. Der Grundsatz des actor sequitur forum rei und das Postulat einer engen Auslegung der besonderen Gerichtsstände Im Zusammenhang mit den besonderen Gerichtsständen nach Art. 7 Nr. 1 und Nr. 2 EuGVVO betont insbesondere der EuGH häufig die restriktive HandhaEuGH, Urteil v. 27.09.1988, Rs. 189/87 (Kalfelis ./. Bankhaus Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co.), Slg. 1988, 5565, Rdnr. 17. 288 Vgl. hierzu ebenso Teil 3 § 3: C. V. 289 EuGH, Urteil v. 27.09.1988, Rs. 189/87 (Kalfelis ./. Bankhaus Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co.), Slg. 1988, 5565, Rdnr. 15, 16; EuGH, Urteil v. 25.10.2012, Rs. C-133/11 (Folien Fischer AG./. Ritrama SPA), ECLI:EU:C:2012:664, Rdnr. 30; EuGH, Urteil v. 05.02.2004, Rs. C-265/02 (Frahuil SA ./. Assitalia SpA), Slg. 2004, I-1543, Rdnr. 22 f.; EuGH, Urteil v. 18.07.2013, Rs. C-147/12 (ÖFAB ./. Koot), ECLI:EU:C:2013:490, Rdnr. 27. 287
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bung dieser Gerichtsstände, die als Ausnahmen zum Grundsatz der Zuständigkeit der Gerichte am Wohnsitz des Beklagten eng auszulegen seien.290 Aufgeworfen ist damit die Frage, ob sich die hier vorgeschlagene abgeleitete Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs als vertraglich bzw. deliktisch noch innerhalb der Grenzen der „engen“ Auslegung bewegt oder sie überschreitet. Um eine Antwort auf diese Frage geben zu können, ist zunächst der Grundsatz des actor sequitur forum rei näher zu beleuchten. a) Die Bedeutung des Grundsatzes actor sequitur forum rei Verankert worden ist der Grundsatz des actor sequitur forum rei in Art. 4 Abs. 1 EuGVVO: Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates haben, sind vorbehaltlich der Vorschriften der Verordnung vor den Gerichten ihres Mitgliedstaates zu verklagen. Der Beklagte muss daher mit einer Klage grundsätzlich nur an seinem eigenen Wohnsitz rechnen. Diesem auch im örtlichen Zuständigkeitsrecht bekannten Grundsatz soll nach dem Jenard-Bericht291 im Rahmen der internationalen Zuständigkeit eine noch größere Bedeutung zukommen, da mit der Klage vor einem ausländischen, fremden Gericht eine höhere Belastung des Beklagten verbunden ist, als wenn er sich nur vor einem von seinem Wohnsitz abweichenden Ort innerhalb desselben Staates verteidigen muss.292 Um die Bedeutung des allgemeinen Gerichtsstandes und des in ihm zum Ausdruck kommenden Grundsatzes des actor sequitur forum rei erfassen zu können, muss zunächst ein Blick auf die dem allgemeinen Gerichtsstand zugrundeliegenden Erwägungen und Beweggründe geworfen werden. Die Fixierung des allgemeinen Gerichtsstandes am Wohnsitz des Beklagten wird insbesondere auf die Schutzwürdigkeit des Beklagten zurückgeführt. Der Kläger überziehe den Beklagten mit der Klage und greife dadurch den status quo an.293 Daher könne es auch eher dem Kläger als dem Beklagten zugemutet werden, für den Prozess ggfs. vor ein ausländisches Gericht zu ziehen. Der StaVgl. nur EuGH, Urteil v. 27.09.1988, Rs. 189/87 (Kalfelis ./. Bankhaus Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co.), Slg. 1988, 5565, Rdnr. 19; EuGH, Urteil v. 19.01.1993, Rs. C-89/91 (Shearson Lehman Hutton Inc. ./. TVB Treuhandgesellschaft für Vermögensverwaltung und Beteiligungen mbH), Slg. 1993, I-139, Rdnr. 15; EuGH, Urteil v. 10.06.2004, Rs. C-168/02 (Rudolf Kronhofer ./. Marianne Maier u. a.), Slg. 2004, I-6009, Rdnr. 14. 291 Jenard-Bericht, Abl. (EG) 1979 Nr. C 59/1, S. 18. 292 So auch BGH, NJW 2003, 828, 829; Mankowski, IPRax 2006, 454, 456; Wais, Erfüllungsgerichtsstand für Dienstleistungsverträge, S. 9. 293 Vgl. zu dieser Vorstellung des Klägers als „Angreifer“ bzw. des Beklagten als „Angegriffener“ LG Karlsruhe, JZ 1989, 690, 693; Neuhaus, RabelsZ 20 (1955), 201, 232 Fn. 54; Wolff, Private International Law, Rdnr. 55; von Hoffmann, IPRax 1982, 217, 218. 290
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tus des Klägers als „Angreifer“ impliziere aber zugleich, dass er im Unrecht sei, der Beklagte durch die Klageerhebung also in eine Opferrolle gedrängt werde. Diese Rollenverteilung kann, muss aber nicht zutreffen. Ob der Beklagte oder der Kläger im Recht ist, soll sich gerade erst im Erkenntnisverfahren herausstellen. Dem Gedanken, der Kläger sei im Unrecht und der Beklagte müsse daher bevorzugt werden, kann somit nicht gefolgt werden.294 Daneben wird der allgemeine Beklagtengerichtsstand auch auf den Gedanken zurückgeführt, hierdurch einen Ausgleich für den bestehenden Einlassungszwang des Beklagten herzustellen.295 Allerdings ist auch der Gedanke, nur der Beklagte unterliege einem Prozesszwang, zu kurz gegriffen. Leistet der (vermeintliche) Anspruchsgegner nicht freiwillig, so bleibt dem Anspruchsinhaber nur die Klageerhebung. Alles andere käme bei unterstellter Anspruchsberechtigung einem Rechtsverzicht gleich.296 Insoweit unterliegt also auch der Kläger einem gewissen Prozesszwang. Nicht zu vernachlässigen ist jedoch der Vorteil des Klägers, das „ob“ und den Zeitpunkt der Klageerhebung zu bestimmen und somit grundsätzlich auch über mehr Zeit zur Prozessvorbereitung zu verfügen als der Beklagte, der ad hoc auf die Klageerhebung reagieren muss.297 Des Weiteren besteht ein Vorteil des Klägers, wenn er aus mehreren Foren das für die Klageerhebung maßgebliche wählen kann.298 Die Vorteile des Klägers werden sodann durch die Maßgeblichkeit des allgemeinen Gerichststandes am Wohnsitz des Beklagten etwas abgemildert.299 Hieraus lässt sich auf einen gewissen favor defensoris schließen. Zu beachten ist dabei jedoch, dass auch der allgemeine Gerichtsstand am Beklagtenwohnsitz das Ergebnis einer Abwägung zwischen den Interessen des Klägers auf der einen und des Beklagten auf der anderen Seite darstellt.300 b) Das Postulat einer engen Auslegung der besonderen Gerichtsstände Das Prinzip des actor sequitur forum rei ist als Grundsatz der Verordnung anzuerkennen. Der allgemeine Beklagtengerichtsstand bildet den Ausgangs- und
294 So auch Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S. 599; Schröder, Internationale Zuständigkeit, S. 236. 295 Vgl. Sauer, Grundlagen des Prozessrechts, S. 367. 296 Schröder, Internationale Zuständigkeit, S. 236; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S. 599. 297 Jauernig/Hess, ZPO, § 9 Rdnr. 13; Lehmann, ZZPInt 9 (2004), 173, 181; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S. 600; Spellenberg, IPRax 1981, 75, 76 298 von Mehren, in: Symposium in Honour of Hein Kötz, S. 75, 87. 299 von Mehren, in: Symposium in Honour of Hein Kötz, S. 75, 87. 300 Ganz klar Mankowski, IPRax 2007, 404, 413.
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Bezugspunkt der Verordnung.301 Allerdings ist die Fixierung des allgemeinen Gerichtsstands am Wohnsitz des Beklagten das Resultat eines moderaten favor defensoris. Aus dem Grundsatz des actor seuqitur forum rei ist also, anders als vom EuGH so oft postuliert, nicht auf eine grundsätzlich enge Auslegung der besonderen Gerichtsstände zu schließen.302 Selbst ein Blick auf die Rechtsprechung des EuGH vermag im praktischen Ergebnis einen von ihm praktizierten Grundsatz der engen Auslegung nicht zu bestätigen. Zwar betont der EuGH immer wieder, dass die besonderen Gerichtsstände als Ausnahme vom Grundsatz der Zuständigkeit der Gerichte des Wohnsitzsstaates des Beklagten restriktiv auszulegen seien303, bei der Umsetzung dieses Grundsatzes im Einzelfall ist der EuGH jedoch selten wirklich restriktiv.304 Teilweise wird die vom EuGH postulierte enge Auslegung daher auch als bloße „Wortfloskel“ bezeichnet.305 Im Umkehrschluss heißt das aber auch nicht, dass die besonderen Gerichtsstände weit auszulegen oder extensiv anzuwenden wären. Eine ausufernde Auslegung ist im Grundsatz ebenso abzulehnen wie eine enge.306 Zu beachten ist jedoch, dass die besonderen Gerichtsstände neben den allgemeinen Gerichtsstand treten und ihn, wie auch Erwägungsgrund 16 klarstellt, ergänzen sollen. Kohler, in: Revision des EuGVÜ, S. 1, 16 in Fn. 58. Kritisch auch die Schlussanträge GA Jacobs, 13.12.2001, Rs. C-96/00 (Rudolf Gabriel), Slg. 2002, I-6367, Rdnr. 46 f.; ebenso Schlussanträge GA Geelhoed, 31.01.2002, Rs. C-334/00 (Fonderie Officine Meccaniche Tacconi SpA ./. Heinrich Wagner Sinto Maschinenfabrik GmbH), Slg. 2002, I-7375, Rdnr. 35: die enge Auslegung dürfe nicht dazu führen, dass den besonderen Gerichtsstände ihre praktische Wirksamkeit entzogen werde. Junker, IZPR, § 2 Rdnr. 29; Leible/Reinert, EuZW 2007, 370, 373; Mankowski, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 26; Riesenhuber, in: Europäische Methodenlehre, § 10 Rdnr. 62 ff; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 3. Wohl aber für eine enge Auslegung wegen des Verhältnisses zum Grundsatz des actor sequitur forum rei, da die besonderen Gerichtsstände zu einem Klägergerichtsstand führen, Martiny, in: FS Geimer (2002), S. 641, 647. 303 Vgl. nur EuGH, Urteil v. 27.09.1988, Rs. 189/87 (Kalfelis ./. Bankhaus Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co.), Slg. 1988, 5565, Rdnr. 19 ff.; EuGH, Urteil v. 16.07.2009, Rs. C-189/08 (Zuid-Chemie BV ./. Philippo’s Mineralenfabriek NV/SA), Slg. 2009, I-6917, Rdnr. 22; EuGH, Urteil v. 18.07.2013, Rs. C-147/12 (ÖFAB ./. Koot), ECLI:EU:C:2013:490, Rdnr. 13. 304 Vgl. Calvo Caravaca/Carrascosa Gonzáles, DIP Vol. I, S. 204; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 3; Mankowski, IPRax 2007, 404, 413: „Wenn es hart auf hart kommt, hält sich der EuGH (sachlich vollkommen zu Recht) nicht an seine eigenen Worte.“; ders., IPRax 2005, 503, 504: „Textbausteine in den Urteilen des EuGH, die angeblich dieses oder jenes Nachfolgende begründen sollen“; Schlosser, EuZPR, 3. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rdnr. 1; von Hein, IPRax 2013, 505, 511. 305 Schlosser/Hess, EuZPR, Vor Art. 7 EuGVVO Rdnr. 3; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 3. 306 Gottwald, IPRax 1983, 13, 15. 301
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Insoweit lassen sich die besonderen Gerichtsstände nach Art. 7 Nr. 1 und Nr. 2 EuGVVO als Art kommunizierendes System begreifen, wobei jedoch keinem Gerichtsstand gegenüber dem anderen eine absolute Vorrangsstellung einzuräumen ist. c) Zwischenergebnis Dem Grundsatz des Beklagtenschutzes ist also auch für die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs hinreichend Rechnung zu tragen. Die hier vorgeschlagene Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs unter Heranziehung der im Außenverhältnis des rückgriffsverpflichteten Gesamtschuldners bestehenden Haftungsgrundlage entspricht zumindest insoweit dem Grundsatz des actor sequitur forum rei, als an die Haftungsgrundlage des Beklagten und nicht die des Klägers angeknüpft wird. 2. Wertungen des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO Eventuell steht aber der systematische Zusammenhang mit Art. 8 Nr. 2 EuGVVO der hier vorgeschlagenen abgeleiteten Qualifikation entgegen. Auf die Bedeutung des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO für den Gesamtschuldnerrückgriff wurde bereits oben ausführlich eingegangen.307 Der leistende Gesamtschuldner hat bei einer Klageerhebung gegen sich die Möglichkeit, den anderen Gesamtschuldner als Rückgriffsschuldner mittels der Gewährleistungsklage nach Art. 8 Nr. 2 EuGVVO in das Hauptverfahren einzubeziehen und bereits in diesem Verfahren einen vollstreckbaren Titel gegen ihn zu erlangen. Soweit das Hauptverfahren gegen den Gesamtschuldner in Deutschland, Österreich oder Ungarn erhoben worden ist, steht ihm die Möglichkeit, von der Gewährleistungsklage Gebrauch zu machen, nicht offen, vgl. Art. 65 EuGVVO. Er kann aber auf das Rechtsinstitut der Streitverkündung zurückgreifen und die damit verbundene Interventionswirkung für den Folgeprozess hervorrufen. Beiden Rechtsinstrumenten, sowohl der Streitverkündung als auch der Gewährleistungsklage, ist gemein, dass der verklagte Gesamtschuldner den anderen Gesamtschuldner zu Rückgriffszwecken, wenn auch mit unterschiedlichen Wirkungen, in das Hauptverfahren einbeziehen kann. Das im Außenverhältnis bestehende Rechtsverhältnis zwischen dem rückgriffssuchenden Gesamtschuldner und dem Gläubiger ist somit nicht nur Grundlage der zuständigkeitsrechtlichen Festlegung für den Hauptprozesses, sondern determiniert durch die Klageerhebung im Hauptprozess zugleich das für die Geltendmachung des Rückgriffsanspruch im Wege der Gewährleistungsklage maßgebliche Forum. 307
Vgl. Teil 2 § 2: A.
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Art. 8 Nr. 2 EuGVVO knüpft also für die Gewährleistungs- und auch die Interventionsklage an das zwischen dem leistenden Gesamtschuldner und dem Gläubiger bestehende Rechtsverhältnis an. Gleiches gilt für die Streitverkündung. Soweit die lex fori des Erstprozesses das Rechtsinstitut der Streitverkündung vorsieht, kann der leistende Gesamtschuldner am Forum des Erstprozesses von ihr Gebrauch machen. Es stellt sich daher die Frage, ob insbesondere Art. 8 Nr. 2 EuGVVO eine gesetzgeberische Entscheidung entnommen werden kann, die die zuständigkeitsrechtliche Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs unter Rückgriff auf die im Außenverhältnis bestehende Haftungsgrundlage des Rückgriffsschuldners versperrt und allenfalls einen Rückgriff auf die im Außenverhältnis bestehende Haftungsgrundlage des jeweiligen Rückgriffsgläubigers, als dem leistenden Gesamtschuldner, ermöglichen würde. a) Vorteile einer Parallelität zwischen der zuständigkeitsrechtlichen Anknüpfung des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO und der Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs Die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs an die Regelung des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO anzulehnen und sie in der Folge aus der Haftungsgrundlage des leistenden Gesamtschuldners abzuleiten, erscheint insbesondere mit Blick auf die mit der Streitverkündung verbundene Interventionswirkung vorteilhaft. Die oben bereits angesprochenen Probleme, die mit einer Anerkennung der Streitverkündung verbunden sein können,308 ließen sich vermeiden, wenn die internationale Zuständigkeit für die eigenständige Rückgriffsklage aus originärem Ausgleichsanspruch mit der internationalen Zuständigkeit des Gerichts im Erstprozess identisch wäre. Ein Auseinanderfallen der Zuständigkeiten der Gerichte im Erstprozess und der Gerichte im Folgeprozess der eigenständigen Rückgriffsklage ließe sich aber selbst durch eine an die Anknüpfung des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO orientierte Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs nicht in jedem Fall vermeiden. Wird die Klage im Erstprozess am allgemeinen Gerichtsstand des leistenden Gesamtschuldners erhoben, steht dieses Forum für die eigenständige Rückgriffsklage gegen den anderen Gesamtschuldner eben auch nicht unter der an Art. 8 Nr. 2 EuGVVO orientierten abgeleiteten Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs zur Verfügung. Das Auseinanderfallen zwischen dem Forum der Streitverkündung und dem Forum der Anerkennung der Interventionswirkung lässt sich also nur dann vermeiden, wenn der Erstprozess an dem für das Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und leistendem Gesamtschuldner maßgeblichen besonderen Gerichtsstand ange308
Vgl. Teil 2 § 2: B. III.
§ 3: Der originäre Ausgleichsanspruch
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strengt wird. An welchem Gericht der Gläubiger den nun rückgriffssuchenden Gesamtschuldner verklagt, steht jedoch allein in seinem Ermessen und ist damit von Zufälligkeiten abhängig. Zudem stellt sich die Frage, warum die Vermeidung möglicherweise auftauchender Probleme bei der Anerkennung der Interventionswirkung die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs vorgeben sollte. Für den leistenden Gesamtschuldner verspräche eine solche Qualifikation große Vorteile. Er könnte den anderen Gesamtschuldner statt an dessen allgemeinem Wohnsitz auch an einem besonderen Gerichtsstand verklagen, der sich anhand von Kriterien ermitteln würde, die seinem Rechtsverhältnis mit dem Gläubiger zu entnehmen wären. Es ist also davon auszugehen, dass das so ermittelte Forum für den leistenden Gesamtschuldner dann vorhersehbarer und auch günstiger ist, weil die für das Forum maßgeblichen Bezugspunkte seinem und nicht einem fremden Rechtsverhältnis zu entnehmen wären. Überlegungen, eine Klage durch den Gläubiger gegen sich zu provozieren, nur um den Rückgriffsschuldner als Dritten in das Verfahren einzubinden, sei es mittels der Gewährleistungsklage oder der Streitverkündung, damit zugleich aber auch die Prozesskosten auf sich zu nehmen, wären im Keim erstickt.309 Ein weiterer Vorteil wäre zudem, dass dem leistenden Gesamtschuldner der besondere Gerichtsstand aus seinem Rechtsverhältnis dann nicht mehr nur in den zeitlichen Grenzen des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO zur Verfügung stehen würde, sondern er auf diesen Gerichtsstand auch dann zurückgreifen könnte, wenn der Hauptprozess gegen ihn nicht mehr anhängig ist. Er könnte ohne jeden zeitlichen Druck weitere Gesamtschuldner ermitteln und den Rückgriffsprozess gegen sie vorbereiten. b) Keine bindenden Vorgaben aus Art. 8 Nr. 2 EuGVVO Ungeachtet möglicher Vorteile, die eine an Art. 8 Nr. 2 EuGVVO angelehnte Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs versprechen würde, sind für die Frage, ob Art. 8 Nr. 2 EuGVVO überhaupt Vorgaben für die Qualifikation entnommen werden können, der Zweck der Regelung und seine Übertragbarkeit auf die eigenständige Rückgriffsklage von Bedeutung. Seine Legitimation leitet Art. 8 Nr. 2 EuGVVO als einer der „Gerichtsstände des Sachzusammenhangs“310 aus Gründen der ökonomischen Prozessführung, 309 Wie bereits oben geschildert, wäre der Fall der Klageerzwingung allerdings als Missbrauch i. S. d. Art. 8 Nr. 2 Hs. 2 EuGVVO zu werten. Vgl. Teil 2 § 2: A. III. 4. 310 Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 1; Leible, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Art. 8 EuGVVO Rdnr. 1; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 2; Winter, Sachzusammenhang, S. 60 ff.
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der Einheitlichkeit gerichtlicher Entscheidungen und der Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen ab.311 Die Klageerhebung und der darauf folgende Hauptprozess stellen den notwendigen Bedingungszusammenhang zwischen den beiden Verfahren, der Hauptklage gegen den einen Gesamtschuldner und seiner Rückgriffsklage gegen den anderen Gesamtschuldner, her.312 Art. 8 Nr. 2 EuGVVO steht daher nur dann zur Verfügung, wenn das Verfahren zwischen den Parteien des Hauptprozesses bei Erhebung der Gewährleistungsklage bereits schon und noch anhängig ist.313 Wird der Rückgriffsprozess eigenständig geführt, fehlt es an diesem notwendigen Bedingungszusammenhang. Art. 8 Nr. 2 EuGVVO wäre selbst dann nicht einschlägig, wenn das Recht der lex fori die Gewährleistungsklage kennt. Art. 8 Nr. 2 EuGVVO ist also seinem Sinn und Zweck entsprechend in seinem Anwendungsbereich selbst beschränkt. Bedeutung erlangt er nur, wenn über das Rückgriffsbegehren im Zusammenhang mit dem Hauptprozess entschieden werden soll. Eine unmittelbare Entscheidung auch über die eigenständige Rückgriffsklage kann der Regelung nicht entnommen werden. Aus der Regelung des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO könnte vielmehr auf die hier favorisierte Qualifikation geschlossen werden, die sich aus dem Rechtsverhältnis des Rückgriffsschuldners zum Gläubiger ableiten soll. Dafür können zwei Gründe angeführt werden. Erstens tritt nach der Regelung des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO das (Zuständigkeits-)Interesse des Dritten, nur an seinem Gerichtsstand verklagt zu werden, hinter die mit der Gewährleistungs- und der Interventionsklage bezweckte Prozessökonomie zurück.314 Kann das Ziel der Prozessökonomie aber mangels eines anhängigen Hauptverfahrens auf diese Weise gar nicht mehr verwirklicht werden, müssen die Interessen des Dritten, hier des rückgriffsverpflichteten Gesamtschuldners, wieder in den Vordergrund treten. Seinem Interesse wird aber ausreichend Rechnung getragen werden, wenn er nur an seinem eigenen Wohnsitz bzw. allenfalls an einem für sein Rechtsverhältnis maßgeblichen besonderen Forum verklagt werden kann.
311 EuGH, Urteil v. 15.05.1990, Rs. C 365/88 (Kongress Agentur Hagen GmbH ./. Zeehaghe BV), Slg. 1990, I-1845, Rdnr. 11; Coester-Waltjen, IPRax 1992, 290, 291; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, A. 1 – Art. 6 EuGVVO Rdnr. 34; Hess, EuZPR, § 6 Rdnr. 87; Nagel/Gottwald, IZPR, § 3 Rdnr. 122; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 46. 312 Otte, Umfassende Streitentscheidung, S. 722. 313 Köckert, Beteiligung Dritter, S. 76 f.; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 26; Huet, J.D.I. 1995, 143, 147; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 6 EuGVVO Rdnr. 50. 314 Jenard-Bericht, Abl. (EG) 1979 Nr. C 59/1, S. 27; Geimer, WM 1979, 350, 360; ders., in: Geimer/Schütze, EuZVR, A. 1 – Art. 6 EuGVVO Rdnr. 34; Hess, EuZPR, § 6 Rdnr. 87.
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Zweitens sprechen Überlegungen der Prozessökonomie für die eigenständige Rückgriffsklage ebenfalls für die hier vorgeschlagene abgeleitete Qualifikation. Mangels eines Hauptprozesses müssten prozessökonomische Überlegungen mit Blick auf den Rückgriffsanspruch aus übergeleitetem Recht angestellt werden. Für die Rückgriffsklage aus übergeleitetem Recht konnte im Hinblick auf die besonderen Gerichtsstände nach Art. 7 Nr. 1 und Nr. 2 EuGVVO bereits aufgezeigt werden, dass die zu Rückgriffszwecken erfolgende Überleitung der Gläubigerforderung keinen Zuständigkeitswechsel mit sich bringt, sondern bildlich gesprochen auch die Gerichtsstände aus dem Außenverhältnis auf den neuen Gläubiger übergehen.315 Maßgeblich ist also das Rechtsverhältnis zwischen dem rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner und dem Gläubiger im Außenverhältnis. Knüpft man für die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs an das zwischen dem Gläubiger und dem rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner bestehende Rechtsverhältnis an, besteht die Möglichkeit, dass ein und dasselbe Gericht für die Klage aus der übergeleiten Gläubigerforderung und dem originären Ausgleichsanspruch international zuständig ist.316 Eine an Art. 8 Nr. 2 EuGVVO orientierte, abgeleitete Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs würde hingegen zu einer Zuständigkeitszersplitterung führen. Der systematische Auslegungszusammenhang zu Art. 8 Nr. 2 EuGVVO steht der hier vorgeschlagenen abgeleiteten Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs somit nicht entgegen. Obwohl Art. 8 Nr. 2 EuGVVO für die Rückgriffsklage das Gericht des Hauptprozesses für zuständig erachtet und somit ggfs. auch an die für das Rechtsverhältnis des leistenden Gesamtschuldners bestehende besondere Zuständigkeit anknüpft, können der Regelung des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO im Rahmen der systematischen Auslegung sogar Argumente für die hier vorgeschlagene abgeleitete Qualifikation entnommen werden. 3. Rechtsaktübergreifendes Konkordanzgebot im Bereich der Zivil- und Handelssachen Der folgende Abschnitt widmet sich der rechtsaktübergreifenden Systematik. Angesprochen ist hiermit der Zusammenhang zwischen der EuGVVO zu den kollisionsrechtlichen Regelungswerken der Rom I- und II-VO. Die Rom I- und II-VO bestimmen für den Bereich der Zivil- und Handelssachen das anwendbare materielle Recht und bilden somit das kollisionsrechtliche 315
Vgl. Teil 3 § 2 B. (S.89); D. Ein Gleichlauf der Zuständigkeiten hängt außer der Frage der Qualifikation noch davon ab, ob über den jeweiligen Anknüpfungsmoment der besonderen Gerichtsstände (Erfüllungsort bzw. Ort des ursächlichen Geschehens) auch dasselbe Gericht für zuständig erachtet wird. 316
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Pendant zur EuGVVO. Zwischen den Geschwisterverordnungen besteht ein Konkordanzgebot, das für die Rom I- und Rom II-VO im jeweiligen Erwägungsgrund 7 Niederschlag gefunden hat. Der materielle Anwendungsbereich und die Bestimmungen der Verordnungen sollen mit der EuGVVO in Einklang stehen.317 Obwohl ein gleichlautender Erwägungsgrund in der EuGVVO fehlt, wird zu Recht nach allgemeiner Ansicht ein rechtsaktübergreifender Auslegungszusammenhang zwischen allen drei Verordnungen angenommen.318 Aus dem Fehlen eines entsprechenden Erwägungsgrundes in der EuGVVO kann nicht gefolgert werden, dass der Gleichlauf nur zwischen den Rom-Verordnungen untereinander und dergestalt erfolgen sollte, dass die Auslegung der EuGVVO auf die jüngeren319 Rom-Verordnungen Einfluss nehmen kann, nicht aber umgekehrt. Ein solches Verständnis stellte schon keinen Gleichlauf, sondern an „Angleichen“ der Rom-Verordnungen in Bezug auf die EuGVVO dar. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der europäische Verordnungsgeber mit der Einführung der Erwägungsgründe in die Rom-Verordnungen das Streben nach einer einheitlichen Auslegung und einem Gleichklang als allgemeinen Gedanken festgelegt und sich dieses Ziel damit für das beiderseitige Verhältnis zwischen den Rom-Verordnungen und der EuGVVO zu eigen gemacht hat.320 Davon geht auch der EuGH aus. Bei verfahrensrechtlichen Qualifikations- und Auslegungsfragen hat er sich bereits mehrfach des Rückgriffs auf die Rom-Verordnungen bedient.321 Der Auslegungszusammenhang der Geschwisterverordnungen steht allerdings unter dem Vorbehalt der unterschiedlichen Ziele und Wertungen des Internationalen Zivilverfahrensrechts auf der einen und des materiellen Kolli sionsrechts auf der anderen Seite.322 Beide Rechtsgebiete sind zwar miteinander 317
Besondere Konkordanzgebote sind noch in Erwägungsgrund 17 Satz 1 und Erwägungsgrund 24 Satz 2 der Rom I-VO enthalten, Würdinger, RabelsZ 75 (2011), 102, 117. 318 Vgl. hierzu ausführlich Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 ff.; Mankowski, in: FS Heldrich (2005), S. 867 ff.; Würdinger, RabelsZ 75 (2011), 102, 117. 319 Jünger, sind die Rom-Verordnungen zwar nicht mehr gegenüber der Neufassung der EuGVVO, aber immer noch insoweit, als die Fassung der EuGVVO aus dem Jahr 2002, deren Änderungen zur Neufassung der EuGVVO im Zuständigkeitsrecht nur marginal sind, stammt. 320 Kindler, IPRax 2014, 486, 488; Kropholler/von Hein, EuZPR, Einl. EuGVVO Rdnr. 74. 321 EuGH, Urteil v. 26.05.1982, Rs. 133/81 (Roger Ivenel ./. Helmut Schwab), Slg. 1982, 1898, Rdnr. 13 ff.; EuGH, Urteil v. 06.09.2012, Rs. C-190/11 (Mühlleitner ./. Yusufi), ECLI:EU:C:2012:542, Rdnr. 9; EuGH, Urteil v. 07.12.2010, Rs. C-585/08 (Pammer ./. Reederei Karl Schlüter GmbH & Co.KG) und C-144/09 (Hotel Alpenhof GesmbH./. Heller), Slg. 2010, I-12570, Rdnr. 39 ff. 322 Vgl. von Hein, in: MünchKomm, BGB, Einl. IPR Rdnr. 133; Köck, Einheitliche Auslegung, S. 121 ff.; Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31, 37 ff.; Mankowski, in: FS Heldrich (2005), S. 867 ff.; Würdinger, RabelsZ 75 (2011), 102. 106 ff.
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verzahnt323, im Grundsatz aber voneinander unabhängig.324 Das materielle Kollisionsrecht soll grundsätzlich nur eine Rechtsordnung zur Anwendung berufen und verfolgt hierbei das Ziel, über die engste Verbindung das sachnächste Recht zu berufen.325 Das Verfahrensrecht hingegen lässt eine hinreichend enge Verbindung zum Forum ausreichen326 und kann auch mehrere Gerichtsstände alternativ zur Verfügung stellen. Der Grundsatz des Beklagtenschutzes, Erwägungen der Prozessökonomie und das Ziel, klare und vorhersehbare Gerichtsstände zu schaffen, prägen als Leitgedanken.327 Im Folgenden wird daher untersucht, ob aus dem Konkordanzgebot und den Regelungen der Rom I- und II-VO Rückschlüsse auf die verfahrensrechtliche Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs gewonnen werden können.328 a) Der Gesamtschuldnerrückgriff im europäischen Kollisionsrecht aa) Das Anknüpfungsmoment Der Gesamtschuldnerrückgriff wird sowohl innerhalb der Rom I- als auch der Rom II-VO geregelt. Für das Recht des leistenden Gesamtschuldners, von den übrigen Schuldnern Ausgleich zu verlangen, beruft Art. 16 Satz 1 Rom I-VO das Recht, das auf die Verpflichtung des leistenden (Gesamt-)Schuldners gegenüber dem Gläubiger anzuwenden ist. Somit herrscht das Haftungsstatut aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem leistenden Gesamtschuldner und dem Gläubivon Hein, in: MünchKomm, BGB, Einl. IPR Rdnr. 316. Kropholler, IPR, S. 609; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, A.1. – Einl. EuGVVO Rdnr. 116 ff.; Würdinger, RabelsZ 75 (2011), 102, 104. 325 So das Leitprinzip Savignys, wonach die Aufgabe des Internationalen Privatrechts darin besteht, „daß bei jedem Rechtsverhältnis dasjenige Rechtsgebiet aufgesucht werde, welchem dieses Rechtsverhältnis seiner eigenthümlichen Natur nach angehört oder unterworfen ist“, von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts VIII, S. 28, 108. Vgl auch von Hoffmann/Thorn, IPR, § 1 Rdnr. 12 ff.; Kropholler, IPR, S. 25. 326 Mankowski, in: FS Heldrich (2005), S. 867, 868 f. spricht insoweit auch von einem Nahepunkt im IZVR; wohingegen das IPR im Superlativ nach einem Schwerpunkt suche. 327 So auch Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31, 37; Mankowski, in: FS Heldrich (2005), S: 867, 870; Würdinger, RabelsZ 75 (2011), 102, 1105 ff. 328 Das Ziel der Anwendungskohärenz zur Rom I-VO wird nunmehr auch von dem EuGH als maßgebliches Kriterium zur verfahrensrechtlichen Qualifikation des Gesamtschuldnerrückgriffs herangezogen (Urteil v. 15.06.2017, Rs. C-249/16 (Saale Kareda ./. Stefan Benkö), ECLI:EU:C:2017:472 Rdnr. 32). Zustimmend Mankowski, EWiR 2017, 577. Die kollisionsrechtlichen Anknüpfungen der Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO geben jedoch Anlass, einen näheren Blick auf die zum Gläubiger bestehenden Haftungsgrundlagen und deren Bedeutung zu werfen. Die Kollisionsnormen knüpfen nicht an das gemeinsame Rechtsverhältnis der Gesamtschuldner zum Gläubiger, sondern an das Recht, das auf die Verpflichtung des leistenden Gesamtschuldners Anwendung findet, an. Vgl. auch Lubrich, LMK 2017, 394823. 323
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ger über den Rückgriff. Gerechtfertigt wird die Anknüpfung des Rückgriffs an das Haftungsstatut des leistenden Gesamtschuldners mit der Erwägung, die Last der Inanspruchnahme durch einen kollisonsrechtlichen Schutz abzumildern.329 Sein Recht, von den übrigen Schuldnern Ausgleich zu verlangen, soll demselben Recht unterliegen, aufgrund dessen er dem Gläubiger haftet. So ist es für ihn zumindest bereits bei der Leistung an den Gläubiger vorhersehbar, nach welchem Recht er den Rückgriff betreiben kann, die Ermittlung eines fremden Rechts wird ihm dadurch erspart. Die übrigen Schuldner sind hingegen gemäß Art. 16 Satz 2 Rom I-VO berechtigt, dem leistenden Gesamtschuldner diejenigen Verteidigungsmittel entgegenzuhalten, die ihnen gegenüber dem Gläubiger zugestanden haben, soweit dies gemäß dem auf ihre Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger anzuwendende Recht zulässig wäre (sog. Schutzklausel). Als mögliche Verteidigungsmittel stehen dem anderen Gesamtschuldner die Aufrechnung,330 Haftungsprivilegien,331 aber auch der Einwand zu, dass er nach dem für seine Verpflichtung maßgebenden Recht nicht oder zumindest nicht in der von ihm geltend gemachten Höhe hafte.332 Die Regelung des Art. 20 Rom II-VO knüpft zur Ermittlung des Rückgriffsstatuts ebenfalls an das Haftungsstatut des leistenden Gesamtschuldners an und ist mit der Regelung in Art. 16 Rom I-VO somit inhaltlich identisch. Anders als die Regelung in der Rom I-VO enthält Art. 20 Rom II-VO allerdings keine Schutzklausel. bb) Die Bedeutung der Schutzklausel Im Kollisionsrecht nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob dem rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner auch im Anwendungsbereich des Art. 20 Rom IIVO die Möglichkeit offen steht, dem Rückgriffsbegehren über die Schutzklausel Verteidigungsmittel, die in seinem Rechtsverhältnis zum Gläubiger begründet sind, entgegenzuhalten. Um einen „Schuldnerwettlauf“ zu vermeiden, 329 Baetge, in: Calliess, Rome Regulations, Art. 20 Rom II-VO Rdnr. 9; Garciamartín Alférez, EuLF 2008, 61, 79; Hamburg Group for Private International Law, RabelsZ 67 (2003), 1, 49; Hausmann, in: Staudinger BGB, Art. 16 Rom I-VO Rdnr. 8; Leible/Lehmann, RIW 2007, 721, 734; Magnus, in: Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 201, 221; Mankowski, IHR 2008, 133, 151; ders., IPRax 2006, 101, 111. So schon zum alten Recht (Art. 33 III 2 EGBGB): Kropholler, IPR, S. 495; Stoll, in: FS Müller-Freienfels (1986), S. 631, 659; von Bar, RabelsZ 53 (1989), 462, 484; Nordmeier, in: Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kapitel 37 Rdnr. 119. 330 Lagarde, Rev. crit. d.i.p. 95 (2006), 331, 346; Martiny, in: Internationales Vertragsrecht, Rdnr. 413. 331 Magnus, in: Ein neues internationales Vertragsrecht für Europa, S. 201, 221. 332 Hausmann, in: Staudinger BGB, Art. 16 Rom I-VO Rdnr. 9. Stoll, in: FS Müller-Freienfels (1986), S. 631, 660 bereits zum alten Recht.
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wurde bereits unter altem Recht, Art. 33 EGBGB, dem rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner der Einwand zugebilligt, er hafte nach seinem Haftungsstatut im Außenverhältnis nicht oder zumindest nicht in der zu Ausgleichszwecken geltend gemachten Höhe.333 Auch nach Inkrafttreten der Rom II-VO will man an einer Einwendungsmöglichkeit des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners festhalten und diese auf eine analoge Anwendung der Schutzklausel des Art. 16 Satz 2 Rom I-VO bzw. der Übertragung des Rechtsgedankens stützen.334 Der analogen Anwendung der Schutzklausel wird hingegen oft das Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke entgegengehalten.335 Dass Art. 20 Rom II-VO eine Schutzklausel nicht enthalte, sei als bewusste gesetzgeberische Entscheidung hinzunehmen.336 Eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung wird insbesondere deshalb angenommen, weil die Rom I- und II-VO nahezu zeitgleich enstanden sind und die beiden Gesetzgebungsprozesse daher als einheitlicher Vorgang zu betrachten seien. Auf Modifikationen innerhalb des einen Rechtsaktes wurde häufig mit Änderungen des anderen Rechtsaktes reagiert.337 Aus dem Gesetzgebungsprozess folgt indes nicht eindeutig, dass das Fehlen der Schutzklausel im Rahmen des Art. 20 Rom II-VO als bewusste Lücke zu betrachten ist.338 Der europäische Gesetzgeber hat sich hierzu nie ausdrücklich geäußert. Aus dem Fehlen der Regelung und dem Schweigen des Gesetzgebers muss daher nicht auf eine bewusste Lücke geschlossen werden. Die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke liegt zumindest genauso nahe. Die jeweils vergleichbare Interessenlage der in Rückgriff genommenen Gesamtschuldner eines vertraglichen, außervertraglichen oder auch eines gemischten Gesamtschuldverhältnisses spricht dafür, die Schutzklausel auch auf Art. 20 Rom II-VO zu übertragen.339 Die Inanspruchnahme durch den Gläubiger Stoll, in: FS Müller-Freienfels (1986), S. 631, 659 f. Baetge, in: Calliess, Rome Regulations, Art. 20 Rom II-VO Rdnr. 9; Garciamartín Alférez, EuLF 2008, 61, 79; Hohloch, in: Erman, BGB II, Art. 20 Rom II-VO Rdnr. 6; Picht, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 20 Rom II-VO Rdnr. 14; wohl auch Müller, in: PWW, BGB, Art. 20 Rom II-VO Rdnr. 3; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 20 Rom II-VO Rdnr. 5. 335 Behrens, Gesamtschuldnerausgleich, S. 179; Junker, in: MünchKomm, BGB, Art. 20 Rom II-VO Rdnr. 15; Kühn, Gestörte Gesamtschuld, S. 204 ff. 336 Kühn, Gestörte Gesamtschuld, S. 206; Limbach, in: NK, BGB, Art. 20 Rom II-VO Rdnr. 3. 337 Kühn, Gestörte Gesamtschuld, S. 206. 338 So aber Kühn, Gestörte Gesamtschuld, S. 206. 339 Vgl. Baetge, in: Calliess, Rome Regulations, Art. 20 Rom II-VO Rdnr. 9; Picht, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 20 Rom II-VO Rdnr. 14. Anders und in Bezug auf die Schutzwürdigkeit differenzierend Kühn, Gestörte Gesamtschuld, S. 208 f. und Behrens, Gesamtschuldnerausgleich, S. 179. Für beide ist die fehlende Schutzklausel i.R.d. Art. 20 Rom II-VO auf eine sachlich gerechtfertigte Differenzierung zurückzuführen. Während jedoch für Kühn, S. 209 die Haftungsgrundlage des Rückgriffsschuldners dafür ausschlaggebend 333
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können auch deliktisch haftende Gesamtschuldner nicht vorhersehen. Daher wäre es nicht gerechtfertigt, im Rahmen des Anwendungsbereichs des Art. 20 Rom II-VO die Privilegierung des leistenden Gesamtschuldners, die bereits durch die grundsätzliche Anknüpfung an sein Haftungsstatut folgt, noch dadurch zu steigern, dass man dem anderen Gesamtschuldner das Vorbringen von Verteidigungsmitteln versagt. Diese Überprivilegierung hätte zur Folge, dass der rückgriffspflichtige Gesamtschuldner möglicherweise schlechter stände, als wenn er selbst von dem Gläubiger im Außenverhältnis in Anspruch genommen worden wäre.340 Die Schutzklausel des Art. 16 Satz 2 Rom I-VO ist somit über eine analoge Anwendung bzw. Übertragung des Rechtsgedankens auch im Anwendungsbereich des Art. 20 Rom II-VO zu berücksichtigen. Ergebnis ist also, dass die Kollisionsnormen der Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO den Gesamtschuldnerrückgriff zwar dem Recht unterstellen, das über die Verpflichtung des leistenden Gesamtschuldners gegenüber dem Gläubiger im Außenverhältnis herrscht, der rückgriffspflichtige Gesamtschuldner aber dem Rückgriffsverlangen diejenigen Verteidigungsmittel entgegenhalten kann, die ihm nach dem auf seine Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger anwendbare Recht zustehen.
sein soll, macht Behrens, S. 179, die Anwendung der Schutzklausel davon abhängig, dass der Rückgriffsgläubiger seine Verpflichtung im Außenverhältnis auf einer vertraglichen Grundlage eingegangen ist. Meines Erachtens können jedoch beide Ansatzpunkte nicht überzeugen. Bei Behrens, S. 166, bleibt schon unklar, warum aus den Regelungen des rechtsgeschäftlichen und gesetzlichen Forderungsübergangs (Art. 14, 15 Rom I-VO und Art. 19 Rom II-VO) folgen soll, dass die Anwendung des Forderungsstatuts für die Frage der Übertragbarkeit davon abhängt, ob der Zessionar seine Verpflichtung aufgrund einer vertraglichen Grundlage eingegangen ist. Auch die Differenzierung von Kühn, S. 209, kann im Ergebnis nicht überzeugen. Nach ihrer Ansicht ist dem Rückgriffsschuldner nur dann die Einrede von Verteidigungsmitteln zu gestatten, wenn er im Außenverhältnis vertraglich verpflichtet ist. Denn nur, wenn er das Rechtsgeschäft freiwillig begründet habe und auf die Anwendung der Rechtsordnung Einfluss hätte nehmen können und ein Vertrauen auf die Anwendung einer bestimmten Rechtsordnung bestehe, dürfe er damit rechnen, dass sich das Recht, das auf seine Verpflichtung angewandt wird, auch im Innenverhältnis zwischen den Schuldnern durchsetze. Kühn verkennt indes, dass auch bei der Bestimmung des auf eine außervertragliche Verpflichtung anwendbaren Rechts die Parteiinteressen berücksichtigt werden, und z. B. durch die Anknüpfung an den Tatort auf die Anwendung einer bestimmten Rechtsordnung vertraut werden darf. Zudem besteht ja mit der nachträglichen Rechtswahlmöglichkeit des Art. 14 Rom II-VO auch im außervertraglichen Bereich die Möglichkeiten der Parteien, das anwendbare Recht selbst zu bestimmen. So gibt Kühn selbst zu, dass ihre Differenzierung sicherlich nicht die einzig denkbare Auflösungsmöglichkeit des Interessenkonflikts ist. 340 Vgl. zu dem Gedanken der „Überprivilegierung“ Picht, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 20 Rom II-VO Rdnr. 14.
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b) Die Abgrenzung und Regelungsbereiche der Rom -Verordnungen Bisweilen kann für verfahrensrechtliche Qualifikationsfragen wie z. B. die der culpa in contrahendo341 oder der Leistungskondition342 die jeweilige Abgrenzung der Regelungsbereiche der Rom I- und Rom II-VO herangezogen werden und Aufschluss geben. Im folgenden Abschnitt muss daher der Frage nachgegangen werden, ob die Abgrenzung der Regelungsbereiche von Rom I- und IIVO auch Rückschlüsse für die verfahrensrechtliche Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs erlauben und wie sie sich insbesondere zu der hier vorgeschlagenen Qualifikation verhalten. Wie bereits oben erläutert, enthält sowohl die Rom I- als auch die Rom II-VO eine Regelung zum Gesamtschuldnerrückgriff. Das Vorhandensein der inhaltsgleichen Regelungen des Art. 16 Rom I-VO und des Art. 20 Rom II-VO stützt zunächst einmal das Ergebnis, dass der originäre Ausgleichsanspruch abhängig von den Haftungsgrundlagen im Außenverhältnis entweder vertraglicher oder außervertraglicher Natur sein kann und daher entweder dem Vertrags- oder ggfs. auch dem Deliktsgerichtsstand zuzuschlagen ist. Um über diese Feststellung hinaus einen Rückschluss auf die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs ziehen zu können, muss die Abgrenzung der beiden Regelungswerke der Rom I- und II-VO in den Blick genommen werden. Während die Rom I-VO nach Art. 1 Abs. 1 für vertragliche Schuldverhältnisse gilt, erfasst die Rom II-VO außervertragliche Schuldverhältnisse, Art. 1 Abs. 1. Soweit alle Schuldner im Außenverhältnis einheitlich entweder aufgrund eines Vertrages oder eines außervertraglichen Schuldverhältnisses haften, ist die Zuordnung zur Rom I- bzw. Rom II-VO eindeutig. Eine Abgrenzung der beiden Regelungsakte wird aber dann interessant, wenn ein Gesamtschuldner aufgrund einer vertraglichen, der andere aufgrund einer außervertraglichen Verpflichtung haftet, also ein gemischtes Gesamtschuldverhältnis vorliegt.343 Überwiegend bedient man sich zum Zwecke der Abgrenzung der Rechtsnatur der Haftung, der der leistende Gesamtschuldner im Außenverhältnis unterVgl. Junker, in: FS Stürner (2013), S. 1043, 1053; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 18; Mankowski, IPRax 2003, 127, 134; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 34. 342 Vgl. Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 15; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 33; Mankowski, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 61; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 38. 343 Soweit wie hier auch vorgeschlagen, die Schutzklausel des Art. 16 Satz 2 Rom I-VO auch auf Art. 20 Rom II-VO angewandt wird, ist die Abgrenzung der beiden Regelungsvorschriften wegen des sodann identischen Inhalts eher theoretischer Natur. Die Abgrenzungsfrage lässt Baetge, in: Calliess, Rome Regulations, Art. 16 Rom I-VO Rdnr. 12 daher offen. 341
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liegt.344 Diese Vorgehensweise ist insoweit konsequent, als das von den Kollisionsregeln des Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO aufgegriffene Anknüpfungsmoment ebenfalls das im Außenverhältnis des leistenden Gesamtschuldners geltende Verpflichtungsstatut ist.345 Andere sehen hingegen in Art. 20 Rom IIVO die speziellere Regelung, die nur auf die Fälle der außervertraglichen, nicht aber auch der gemischten Gesamtschuldverhältnisse anzuwenden sei.346 Sodann stellt sich die Frage, ob man für die verfahrensrechtliche Qualifika tion des originären Ausgleichsanspruchs darauf zurückgreifen kann, wie im Kollisionsrecht die Regelungsbereiche der Rom-Verordnungen voneinander abgegrenzt werden. Soweit man bei der Abgrenzung darauf zurückgreift, dass die Regelung aus der Rom II-VO als lex specialis vorgehe, scheitert eine Übertragung auf das Verfahrensrecht bereits daran, dass zwischen dem Vertrags- und dem Deliktsgerichtsstand nicht von einem Spezialitätsverhältnis ausgegangen werden kann. Art. 7 Nr. 2 EuGVVO erfasst eben nicht alle außervertraglichen Rechtsstreitigkeiten, sondern setzt gerade voraus, dass sich die Klage auf eine unerlaubte Handlung i. S. d. Deliktsgerichtsstandes stützt.347 Geeigneter erscheint daher die andere Abgrenzungsmöglichkeit, bei der das vom Kollisionsrecht in Art. 16 Rom I-VO bzw. Art. 20 Rom II-VO aufgegriffene Anknüpfungsmoment analog herangezogen wird. Entscheidend für die Zuordnung zur Rom I- bzw. II-VO ist demnach die Haftungsgrundlage des leistenden Gesamtschuldners. Haftet der leistende Gesamtschuldner dem Gläubiger im Außenverhältnis auf einer vertraglichen Grundlage, ist im Rahmen eines gemischten Gesamtschuldverhältnisses für die Ermittlung des Rückgriffsstatuts auf Art. 16 Rom I-VO zurückzugreifen. Art. 20 Rom II-VO ist dann einschlägig, wenn die Haftungsgrundlage des leistenden Gesamtschuldners eine außervertragliche ist. Dieser Ansatz stimmt mit der hier vorgeschlagenen verfahrensrechtlichen Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs insoweit überein, als die Haftungsgrundlage eines der Gesamtschuldner aus dem Außenverhältnis in den Blick genommen wird. Während sich die verfahrensrechtliche Qualifikation indes in Abhängigkeit der Haftungsgrundlage aus dem Rechtsverhältnis 344 Bach, in: Huber, Rome II Regulation, Art. 20 Rom Rdnr. 5; Freitag, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 15, 16 Rom I-VO Rdnr. 28; Picht, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 20 Rom II-VO Rdnr. 18; Kühn, Gestörte Gesamtschuld, S. 224; Limbach, in: NK, BGB, 20 Rom II-VO Rdnr. 4. 345 Picht, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 20 Rom II-VO Rdnr. 18; Kühn, Gestörte Gesamtschuld, S. 224. 346 Junker, in: MünchKomm, BGB, Art. 2 Rom II-VO Rdnr. 6; Magnus, in: Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 201, 218. 347 Vgl. hierzu Teil 3 § 3: B. I. 1. b) bb).
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des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners bestimmen soll, wird im Kolli sionsrecht für die Abgrenzung der Regelungsbereiche auf das Haftungsstatut des leistenden Gesamtschuldners rekurriert. Dabei wird im Kollisionsrecht insbesondere auf das dort verwendete Anknüpfungsmoment abgestellt. Der Zusammenhang bzw. die Abgrenzung der Regelungsbereiche der Rom Iund II-VO erlaubt für die Frage der Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs also bislang folgenden Schluss: das Bestehen inhaltlich identischer Regelungen348 für den Gesamtschuldnerrückgriff innerhalb der Rom I- und II-VO stützt die hier vorgeschlagene Qualifikation insoweit, als der originäre Ausgleichsanspruchs sich entweder als vertraglicher oder auch als außervertraglicher Anspruch darstellen kann. Daneben lässt das vorzugswürdige Abgrenzungskriterium der Regelungsbereiche der Rom I- und II-VO abermals die Bedeutung der im Außenverhältnis bestehenden Haftungsgrundlagen der Gesamtschuldner erkennen. c) Kein Gleichlauf zwischen kollisionsrechtlicher und verfahrensrechtlicher Anknüpfung Das in Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO aufgegriffene Anknüpfungsmoment ist die Haftungsgrundlage des leistenden Gesamtschuldners. Nach diesem Recht beurteilt sich, ob ihm gegenüber den anderen Schuldnern ein Ausgleichsanspruch zusteht. Im Gegensatz zu der hier vorgeschlagenen verfahrensrechtliche Qualifikation, die sich in Abhängigkeit der Haftungsgrundlage des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners bestimmen soll, greift das Kollisionsrecht damit genau die andere Haftungsgrundlage aus dem Außenverhältnis auf. Welche Schlussfolgerungen können aber aus dem kollisionsrechtlichen Anknüpfungsmoment für die verfahrensrechtliche Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs folgen? In diesem Zusammenhang ist zunächst klarzustellen, dass es die Eigenständigkeit der Rechtsgebiete des Internationalen Privat- und des Internationalen Zivilverfahrensrechts349 zu achten gilt. Es geht also nicht darum, aus dem anwendbaren Recht auf die Zuständigkeit zu schließen. Ius und forum sind zu trennen.350 Vielmehr ist in beiden Bereichen der jeweilige Sinn und Zweck der Regelungen in den Blick zu nehmen.
348 In Bezug auf die Schutzklausel des Art. 16 Satz 2 Rom I-VO wird hier für eine analoge Anwendung innerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 20 Rom II-VO optiert. 349 Vgl. Teil 3 § 3: C. II. 3. 350 Vgl. hierzu auch Köck, Einheitliche Auslegung, S. 130 ff.; Würdinger, RabelsZ 75 (2011), S. 102, 103 ff. m. w. N.
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Die kollisionsrechtliche Anknüpfung an die im Außenverhältnis zum Gläubiger bestehende Verpflichtung des leistenden Gesamtschuldners rechtfertigt sich durch folgenden Schutzgedanken: Befriedigt der Schuldner den Gläubiger vollständig oder teilweise, soll die Last seiner Inanspruchnahme durch einen kollisionsrechtlichen Schutz abgemildert werden.351 Sein Recht, von den übrigen Schuldnern Ausgleich zu verlangen, soll demselben Recht unterliegen, aufgrund dessen er dem Gläubiger haftet. Auf diese Weise ist es für ihn zumindest bereits bei der Leistung an den Gläubiger vorhersehbar, nach welchem Recht er den Rückgriff betreiben kann. Allerdings stellt die kollisionsrechtliche Entscheidung keine einseitige Privilegierung des rückgriffssuchenden Gesamtschuldners dar. Über die direkte bzw. analoge Anwendung der Schutzklausel des Art. 16 Satz 2 Rom I-VO wird es demjenigen rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner, der nach dem für ihn „fremden“ und von seiner Haftung gegenüber dem Gläubiger abweichenden Recht zum Rückgriff verpflichtet ist, ermöglicht, dem Rückgriffsverlangen diejenigen Verteidigungsmittel entgegenzuhalten, die ihm gegen den Gläubiger zugestanden haben, soweit dies nach dem Recht, das auf seine im Außenverhältnis zum Gläubiger bestehende Verpflichtung anwendbar ist, zulässig wäre. Insoweit ist kollisionsrechtlich ein Interessenausgleich zwischen dem rückgriffssuchenden Gesamtschuldner und den übrigen Mitschuldnern hergestellt. Nun könnte man geneigt sein, den im Kollisionsrecht bestehenden Schutz des leistenden Gesamtschuldners auch für die verfahrensrechtliche Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs aufzugreifen, indem man die Qualifikation nicht wie hier vorgeschlagen aus dem Rechtsverhältnis des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners, sondern aus dem des leistenden Gesamtschuldners ableitet. Für die Berücksichtigung eines solchen Schutzgedankens im Internationalen Verfahrensrecht der EuGVVO muss man jedoch beachten, dass außerhalb der Anwendungsbereiche der in Abschnitt 3–5 geregeltenen Sonderzuständigkeiten der Grundsatz des Beklagtenschutzes gilt, Art. 4 Abs. 1 EuGVVO.352 Einem verfahrensrechtlichen Schutz des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners lässt sich aber bereits dadurch hinreichend Rechnung tragen, dass sich die verfah-
Garciamartín Alférez, EuLF 2008, 61, 79; Hamburg Group for Private International Law, RabelsZ 67 (2003), 1, 49; Hausmann, in: Staudinger BGB, Art. 16 Rom I-VO Rdnr. 8; Leible/Lehmann, RIW 2007, 721, 734; Magnus, in: Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 201, 221; Mankowski, IHR 2008, 133, 151; ders., IPRax 2006, 101, 111. So schon zum alten Recht (Art. 33 III 2 EGBGB): Kropholler, IPR, S. 495; Stoll, in: FS Müller-Freienfels (1986), S. 631, 659; von Bar, RabelsZ 53 (1989), 462, 484; Nordmeier, in: Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kapitel 37 Rdnr. 119. 352 Vgl. Teil 3 § 3: C. II. 1. 351
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rensrechtliche Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs aus dem Rechtsverhältnis des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners ableitet. Ein Vergleich mit dem im Kollisionsrecht verwendeten Anknüpfungsmoments und den dahinter stehenden Wertungen streitet also durchaus für die vorgeschlagene verfahrensrechtliche Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs. d) Zwischenergebnis Der im Rahmen der rechtsaktübergreifenden Auslegung vorgenommene Blick in das Kollisionsrecht der Rom I- und II-VO und den darin enthaltenen Regelungen des Gesamtschuldnerrückgriffs konnte aufzeigen, dass das Konkordanzgebot der Geschwisterverordnungen der hier vorgeschlagenen Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs nicht entgegensteht. Im Gegenteil, im Rahmen der systematischen Auslegung konnten einige Ansatzpunkte gewonnen werden, die die hier vorgeschlagene abgeleitete Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs im Verfahrensrecht unterstützen.353
III. Vereinbarkeit der abgeleiteten Qualifikation mit der ratio legis der besonderen Gerichtsstände Der folgende Abschnitt widmet sich der Auslegung nach Sinn und Zweck. Neben der ratio der einzelnen Norm ist auch der Regelungszweck der Verordnung von Bedeutung. 1. „Enge Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit“: Sach- und Beweisnähe Ausweislich des Erwägungsgrundes 16 der EuGVVO soll der allgemeine Gerichtsstand am Wohnsitz des Beklagten durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, „die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneteten Rechtspflege zuzulassen sind“. Insbesondere die erste Alternative, die Verbindung zwischen dem Rechtsstreit und dem zu seiner Entscheidung berufenen Gericht, wird als Legitimationsgrund der besonderen Gerichtsstände des Art. 7 Nr. 1 und Nr. 2 EuGVVO betrachtet und allgemein auch als Sach- und Beweisnähe umschrieben.354 Für 353 Zu einem Gleichlauf der verfahrensrechtlichen und kollisionsrechtlichen Qualifikation des Gesamtschuldnerrückgriffs kommt es also nur, wenn, wie in dem vom EuGH (Urteil v. 15.06.2017, Rs. C-249/16 (Saale Kareda ./. Stefan Benkö), ECLI:EU:C:2017:472) zu entscheidenden Fall, ein vertragliches oder aber ein deliktisches Gesamtschuldverhältnis besteht. 354 EuGH, Urteil v. 06.10.1976, Rs. 12/76 (Tessili ./. Dunlop AG), Slg. 1976, 1473, Rdnr. 15;
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den Vertragsgerichtsstand wird dies im Jenard-Bericht im Hinblick auf Sachverständigengutachten oder Untersuchungen ausdrücklich hervorgehoben.355 Auch für den Deliksgerichtsstand steht bei der Frage nach der Sach- und Beweisnähe die Zugriffsmöglichkeit auf Beweismittel wie Zeugen, Augenscheinsobjekte oder auch Urkunden im Vordergrund. Zeit- und kostenintensive Be weiserhebungen im Ausland können so vermieden und eine sachgerechte Prozessführung ermöglicht werden. a) Die Bedeutung der Sach- und Beweisnähe im Rahmen des Art. 7 Nr. 1 und Nr. 2 EuGVVO Bevor man sich der Frage nach der Sach- und Beweisnähe für den originären Ausgleichsanspruch und möglichen Rückschlüssen für die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs widmet, wirft der folgende Abschnitt zunächst einen Blick auf die allgemeine Bedeutung der Sach- und Beweisnähe im Rahmen der besonderen Gerichtsstände des Art. 7 Nr. 1 und Nr. 2 EuGVVO. Bereits für die typischen Konstellationen eines Kaufvertrages gilt es, die Sach- und Beweisnähe des durch den Vertragsgerichtsstand am Erfüllungsort berufenen Gerichts differenziert zu betrachten. Befindet sich die Kaufsache noch am Erfüllungsort und wird über deren Mangelhaftigkeit gestritten, ist in der Tat das Gericht des Erfüllungsortes das sach- und beweisnächste Gericht. Es kann die Sache in Augenschein nehmen und Beweis über dessen Beschaffenheit erheben. Die räumliche Nähe des Gerichts des Erfüllungsortes besteht indes nicht mehr, wenn die Sache nach der Übergabe an einen anderen Ort verschafft wurde. Wird gar auf Erfüllung oder Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung geklagt, hat also der Leistungsaustausch noch nicht stattgefunden, so tritt die fehlende tatsächliche Sach- und Beweisnähe am Gericht des Erfüllungsortes deutlich zu Tage. Unter der autonomen Bestimmung des Erfüllungsortes und der damit verbundenen Abkehr insbesondere der Leitentscheidung de Bloos zu Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ, nach der zur Ermittlung des Erfüllungsortes auf die konkret streitige Verpflichtung abzustellen ist,356 scheint die Sach- und Beweisnähe weiter relativierungsbedürftig: durch die (autonome) Bestimmung eines einheitlichen Erfüllungsortes für alle aus dem Vertragsverhältnis entstehenden Streitigkeiten, also ungeachtet der konkreten Verpflichtung, ist eine Berufung EuGH, Urteil v. 15.01.1987, Rs. 266/85 (Shenavai ./. Kreischer), Slg. 1987, 239, Rdnr. 18; EuGH, Urteil v. 07.03.1995, Rs. C-68/93 (Fiona Shevill u. a. ./. Presse Alliance SA), Slg. 1995, I-415, Rdnr. 19; EuGH, Urteil v. 16.07.2009, Rs. C-189/08 (Zuid-Chemie BV ./. Philippo’s Mineralenfabriek NV/SA), Slg. 2009, I-6917, Rdnr. 24; EuGH, Urteil v. 25.10.2012, Rs. C-133/11 (Folien Fischer AG./. Ritrama SPA), ECLI:EU:C:2012:664, Rdnr. 37. 355 Jenard-Bericht, Abl. (EG) 1979 Nr. C 59/1, S. 24. 356 EuGH, Urteil v. 06.10.1976, Rs. 14/76 (de Bloos ./. Bouyer), Slg. 1976, 1497, Rdnr. 9/12.
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eines tatsächlich sachnahen Gerichts noch unsicherer als unter Geltung des EuGVÜ,357 jedenfalls wenn im Einzelfall die gerichtliche Aufklärung in Bezug auf Lieferpflicht einerseits und Zahlungspflicht andererseits an unterschiedliche Orte gebunden ist. Dem Deliktsgerichtsstand, der an den Ort des ursächlichen Geschehens anknüpft, kann grundsätzlich eine gewisse Sach- und Beweisnähe konstatiert werden. Sowohl die unerlaubte Handlung als auch der durch sie eingetretene Erfolg ist für den Rechtsstreit erheblich. Daher wird bei einem Distanzdelikt sowohl dem Handlungs- als auch Erfolgsort zuständigkeitsbegründende Wirkung beigemessen (Ubiquitätsprinzip).358 Das sodann angerufene Gericht verfügt aber nicht immer über die engste bzw. engere Sach- und Beweisnähe. Denn der Kläger hat das Recht, bei Distanzdelikten zwischen Handlungs- und Erfolgsort zu wählen, und ist insoweit nicht an die höhere Sach- und Beweisnähe des einen oder anderen Forums gebunden. Eine Ausnahme könnte lediglich für die bei einer Vielzahl von Erfolgsorten geltende Mosaiktheorie angenommen werden. Mittels der beschränkten Kognitionsbefugnis des angerufenen Gerichts des Erfolgsortes wird für einen Teil der möglichen Erfolgsorte359 eine tatsächliche Bindung des Prozesstoffes an die an diesem Ort vorliegende Sach- und Beweisnähe des angerufenen Gerichts geschaffen.360 Unter anderem wegen der hier vorgebrachten Beispielsfälle wurde und wird an dem Legitimationsgrund der Sach- und Beweisnähe für den besonderen Gerichtsstand des Art. 7 Nr. 1 EuGVVO361 und des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO362 immer
Gsell, IPRax 2002, 484, 489. Seit EuGH, Urteil v. 30.11.1976, Rs. 21/76 (Handelskwekerij G. J. Bier BV ./. Mines de potasse d’Alsace SA), Slg. 1976, 1735, Rdnr. 15/19 ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. nur EuGH, Urteil v. 27.10.1998, Rs. C-51/97 (Réunion européene SA u. a. ./. Spliethoff’s Be vrachtingskantoot BV, Kapitän des Schiffes „Alblasgracht V002“), Slg. 1998, I-6534, Rdnr. 28; EuGH, Urteil v. 10.06.2004, Rs. C-168/02 (Rudolf Kronhofer ./. Marianne Maier u. a.), Slg. 2004, I-6009, Rdnr. 16; EuGH, Urteil v. 18.07.2013, Rs. C-147/12 (ÖFAB ./. Koot), ECLI:EU:C:2013:490, Rdnr. 51. 359 Ausgenommen ist nach der Rechtsprechung des EuGH eDate Advertsising/Martinez hierbei der Erfolgsort am Mittelpunkt der Interessen des Geschädigten. Das Gericht an diesem Ort soll über eine umfassende Kognitionsbefugnis verfügen, vgl. EuGH, Urteil v. 25.10.2011, Rs. C-509/09 (eDate Advertising ./. X) und C-161/10 (Martinez ./. MGN Limited), Slg. 2011, I-10302, Rdnr. 48. 360 EuGH, Urteil v. 07.03.1995, Rs. C-68/93 (Fiona Shevill u. a. ./. Presse Alliance SA), Slg. 1995, I-415, Rdnr. 24 ff., 29 f.; EuGH, Urteil v. 25.10.2011, Rs. C-509/09 (eDate Advertising ./. X) und C-161/10 (Martinez ./. MGN Limited), Slg. 2011, I-10302, Rdnr. 52. Vgl. hierzu auch die Aufnahme der Ergänzung im Erwägungsgrund 16 der EuGVVO. 361 Vgl. nur: Lehmann, ZZPInt 9 (2004), 172, 182; Mankowski, in: FS Heldrich (2005), S. 867, 873; Schröder, Internationale Zuständigkeit, S. 299, 322; Spellenberg IPRax 81, 75, 357
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wieder Kritik geübt. Die besonderen Gerichtsstände deshalb abzuschaffen, hieße aber das Kind mit dem Bade auszuschütten. Zudem darf das Kriterium der Sach- und Beweisnähe nicht als notwendige Voraussetzung der besonderen Gerichtsstände des Art. 7 Nr. 1 und Nr. 2 EuGVVO verstanden werden. Wie eben gezeigt, kann auch ein Gericht zur Entscheidung berufen sein, das über nur geringe oder eventuell gar keine Sach- und Beweisnähe verfügt. Dies hat auch der EuGH ausdrücklich in der Rechtssache Custom festgestellt: das maßgebliche Kriterium der nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ (jetzt Art. 7 Nr. 1 EuGVVO) bestehenden Zuständigkeit sei nicht die tatsächliche Verbindung zwischen dem angerufenen Gericht und der Streitigkeit, sondern der Erfüllungsort der streitigen Verpflichtung.363 Dieser Gerichtsstand sei ungeachtet dessen relevant, ob er im Ergebnis auch dem Zweck der Zuständigkeitsnorm, Sach- und Beweisnähe zu schaffen, entspreche.364 Eine Prüfung des Gerichts, ob eine tatsächliche Verbindung des Gerichts mit dem Rechtsstreit besteht, würde eine Einzelfallprüfung und damit ggfs. eine Sachprüfung durch das Gericht erfordern, was hingegen nicht mit dem Ziel der Verordnung, vorhersehbare Gerichtsstände zu schaffen, vereinbar sei365. In diesen Fällen müsse die Sach- und Beweisnähe hinter die Vorhersehbarkeit zurücktreten.366 Dem Zuständigkeitsregime der EuGVVO mit seinen besonderen Gerichtsständen liegt insoweit ein System zugrunde, das es im Einzelfall hinnehmen muss, wenn ein Gericht berufen wird, das nur über eine geringe oder sogar gar keine Sach- und Beweisnähe verfügt.367 Daher erschöpft sich die Bedeutung der Sach- und Beweisnähe im Rahmen der besonderen Gerichtsstände in einer bloß formalen Typisierung368, die für die Auslegung der Gerichtsstände zwar herangezogen werden kann, in der aber keine notwendige Voraussetzung zu erblicken ist. 77; Stadler, in: FS Musielak (2004), S. 569, 578; Schack, Erfüllungsort, Rdnr. 146; ders., ZEuP 1998, 931, 935; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 9. 362 Leipold, Wege zur Konzentration von Zivilprozessen, S. 29; Stadler, in: FS Musielak (2004), S. 569, 577. 363 EuGH, Urteil v. 29.06.1994, Rs. C-288/92 (Custom Made Commercial Ltd ./. Stawa Metallbau GmbH), Slg. 1994, I-2949, Rdnr. 14. 364 EuGH, Urteil v. 29.06.1994, Rs. C-288/92 (Custom Made Commercial Ltd ./. Stawa Metallbau GmbH), Slg. 1994, I-2949, Rdnr. 15. 365 EuGH, Urteil v. 29.06.1994, Rs. C-288/92 (Custom Made Commercial Ltd ./. Stawa Metallbau GmbH), Slg. 1994, I-2949, Rdnr. 17 ff. 366 EuGH, Urteil v. 29.06.1994, Rs. C-288/92 (Custom Made Commercial Ltd ./. Stawa Metallbau GmbH), Slg. 1994, I-2949, Rdnr. 18. 367 Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 9. 368 Coester-Waltjen, in: FS Kaissis (2012), S. 91, 93; Hau, IPRax 2000, 354, 357; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S. 204 f.; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 9.
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b) Sach- und Beweisnähe beim Gesamtschuldnerrückgriff aa) Sach- und Beweisnähe als Kriterium für die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs Zunächst ist an dieser Stelle einzuräumen, dass die Sach- und Beweisnähe gerade im Rahmen des Vertrags-, aber auch des Deliktsgerichtsstandes oftmals dazu herangezogen wird, etwa bei Versendungsverkäufen den maßgeblichen Erfüllungsort369 oder bei mehraktigen Delikten den maßgeblichen Handlungsort370, also das Anknüpfungsmoment, zu bezeichnen. Dennoch kann sie bereits als Kriterium für die Qualifikation herangezogen werden. Die Sach- und Beweisnähe am Forum war Erwägung für die Aufnahme der besonderen Gerichtsstände in das EuGVÜ.371 Anknüpfungsgegenstand und Anknüpfungsmoment werden zwar getrennt voneinander betrachtet, hängen aber dennoch insoweit zusammen, als sich die Sach- und Beweisnähe, wenn überhaupt, nur mittels des jeweiligen Anknüpfungsmoments der besonderen Gerichtsstände realisieren lässt. Auch wenn die Sach- und Beweisnähe sowohl für den Vertrags- als auch den Deliktsgerichtsstand als Legitimationsgrund herangezogen wird, kann sie als Kriterium für die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs herangezogen werden.372 bb) Rückgriff auf die im Außenverhältnis bestehenden Verbindlichkeiten der Gesamtschuldner zur Ermittlung des originären Ausgleichsanspruchs Hat das Gericht über den originären Ausgleichsanspruch unter den Gesamtschuldnern zu entscheiden, muss es zunächst das Bestehen der Gesamtschuld feststellen. Da eine Gesamtschuld überhaupt nur dann bestehen kann, wenn dem Gläubiger zumindest zwei Schuldner zur Erfüllung der Leistung verpflichtet sind, spielen für das für Ent- und Bestehen der Gesamtschuld beide im Außenverhältnis bestehenden Rechtsverhältnisse der Gesamtschuldner zum Gläu369 Vgl. EuGH, Urteil v. 25.02.2010, Rs. C-381/08 (Car Trim GmbH ./. KeySafety Systemy Srl), ECLI:EU:C:2010:90, Rdnr. 58 ff. 370 Vom normativ zu bestimmenden Handlungsbegriff des Deliktsgerichtsstandes sind z. B. keine bloßen Vorbereitungshandlungen erfasst. Vgl. Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 147 f. mit Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH, Urteil v. 07.03.1995, Rs. C-68/93 (Fiona Shevill u. a. ./. Presse Alliance SA), Slg. 1995, I-415, Rdnr. 24. 371 Jenard-Bericht, Abl. (EG) 1979 Nr. C 59/1, S. 22; EuGH, Urteil v. 06.10.1976, Rs. 12/76 (Tessili ./. Dunlop AG), Slg. 1976, 1473, Rdnr. 13; EuGH, Urteil v. 15.01.1987, Rs. 266/85 (Shenavai ./. Kreischer), Slg. 1987, 239, Rdnr. 18; EuGH, Urteil v. 29.06.1994, Rs. C-288/92 (Custom Made Commercial Ltd ./. Stawa Metallbau GmbH), Slg. 1994, I-2949, Rdnr. 12 ff. 372 Auf die Sach- und Beweisnähe zum Zwecke der Qualifikation stellen auch ab: Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 24 EuGGVO Rdnr. 24; Stadler, in: FS Musielak (2004), S. 569, 577.
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biger gleichermaßen eine Rolle. Gleiches gilt auch für die beim Rückgriff zu ermittelnde Ausgleichspflicht. So haften die Schuldner im Innenverhältnis bei Vorliegen eines vertraglichen Gesamtschuldverhältnisses nur im Zweifel pro rata.373 Eine abweichende Lastentragungspflicht kann sich insbesondere durch Vereinbarung der Gesamtschuldner, aber auch aus den der Gesamtschuld zugrunde liegenden Verpflichtungen ergeben. Die Bedeutung der im Außenverhältnis bestehenden Verpflichtungen tritt besonders deutlich bei den deliktischen Gesamtschuldverhältnissen zu Tage. Der im Innenverhältnis zu tragende Lastenanteil kann hier von dem Verursachungsbeitrag, dem Verschuldensmaßstab oder der Art der Haftung abhängig sein. Die der Gesamtschuld zugrunde liegenden Haftungsgrundlagen der einzelnen Schuldner müssen somit für die Ermittlung des Ausgleichsanspruchs ggfs. miteinander verglichen werden.374 Im Hinblick auf die Sach- und Beweisnähe ergibt sich also kein natürlicher Vorrang des einen oder anderen Rechtsverhältnisses der Gesamtschuldner zum Gläubiger. Soweit die beiden Rechtsverhältnisse zu unterschiedlichen Bezugspunkten für die Sach- und Beweisnähe weisen, weil es sich z. B. um ein gemischtes Gesamtschuldverhältnis handelt, oder den einzelnen Rechtsverhältnissen unterschiedliche Erfüllungsorte oder verschiedene Orte des ursächlichen Geschehens zugrunde liegen, besteht bei der hier im Rahmen einer abgeleiteten Qualifikation favorisierten Anknüpfung an die den Rückgriffsschuldner zum Gläubiger verbindende Haftung die Sach- und Beweisnähe sodann nur in Bezug auf das Rechtsverhältnis des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners zum Gläubiger, weniger aber in Bezug auf das Rechtsverhältnis zwischem dem Gläubiger und dem anderen Gesamtschuldner.375 Zu einer umfassenden Sach- und Beweisnähe käme man aber auch nicht, wenn man zur Qualifkation des originären Ausgleichsanspruchs nicht die Haftungsgrundlage des rückgriffspflichtigen, sondern die des an den Gläubiger leistenden Gesamtschuldners heranzöge. In diesem Fall bestünde zwar dann eine Sach- und Beweisnähe für das angerufene Gericht im Hinblick auf das Rechtsverhältnis zwischen dem leistenden Gesamtschuldner und dem Gläubiger, in geringerem Maße aber im Hinblick auf das Rechtsverhältnis zwischen rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner und Gläubiger. Das liegt daran, dass beide der im Außenverhältnis bestehenden Verpflichtungen, sowohl der des leistenden als auch der des anderen Gesamtschuldners, für die Sach- und Beweisnähe des originären Ausgleichsanspruchs relevant sind 373
Vgl. Teil 1 § 1: C. II. 4. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, § 37 III, S. 643 insbesondere bei der Frage, welchen Anteil die Schuldner am Entstehen der Gesamtschuld tragen. 375 Unklar daher Thoma, Der internationale Regress, S. 204. Das Argument der Sach- und Beweisnähe wird von ihr nur für rechtsgeschäftlich begründete Gesamtschuldverhältnisse herangezogen. 374
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und umfassende Sach- und Beweisnähe daher von vornherein nicht zu gewährleisten ist. cc) Folgerungen für den originären Ausgleichsanspruch Sind also im Grunde beide Haftungsgrundlagen der Gesamtschuldner für die Sach- und Beweisnähe für den originären Ausgleichsanspruch relevant, bestünde die Möglichkeit, unter der Annahme der gleichwertigen Relevanz beider Außenverhältnisse auf eine Alternativität der Gerichtsstände zu schließen. Für ein gemischtes Gesamtschuldverhältnis wäre in der Folge eine Anrufung sowohl des Vertrags- als auch der Deliktsgerichtsstandes möglich. Für die vertraglichen bzw. deliktischen Gesamtschuldverhältnisse wären, wenn die beiden Außenverhältnisse verschieden Bezugpunkte aufweisen, mehrere Gerichtsstände der jeweiligen Erfüllungsorte bzw. Deliktsorte gegeben. Der leistende Gesamtschuldner hätte sodann die Wahl, welches Gericht er für die Rückgriffsklage wählt. Auch wenn der EuGVVO und dem EuGH ein Wahlrecht auch innerhalb der besonderen Gerichtsstände nicht fremd ist, bietet eine soeben beschriebene Alternativität der Gerichtsstände für den originären Ausgleichsanspruch keine Lösung. Denn die in der EuGVO enthaltenen und vom EuGH anerkannten Wahlmöglichkeiten des Klägers sind auf Ausnahmefälle beschränkt und lassen sich, wie sogleich zu zeigen sein wird, nicht auf die Problematik des Gesamtschuldnerrückgriffs übertragen. Zum einen erkennt der EuGH für den Vertragsgerichtsstand an, dass bei Vorliegen zweier oder mehrerer Erfüllungsorte mit gleichwertiger Sach- und Beweisnähe dem Kläger im Zweifel ein Wahlrecht innerhalb dieser (besonderen) Gerichtsstände zusteht und es daher zu einer potentiellen Kumulation der Vertragsgerichtsstände kommen kann.376 Zum anderen geht die EuGVVO für Distanzdelikte von einem Wahlrecht zwischen Handlungs- und Erfolgsort aus. Im Rahmen des Deliktsgerichtsstandes für Streudelikte ist vom EuGH darüber hinaus anerkannt, dass insbesondere bei der Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Presse- bzw. Internetdelikte eine Vielzahl von für den Deliktsgerichtsstand grundsätzlich relevanten Erfolgsorten gegeben ist, die jeweils zu einem Wahlrecht des Klägers innerhalb der Erfolgsgerichtsstände führen können.377 Beide Fälle betreffen indes die Kumulation aufgrund einer Mehrzahl von Erfül376 EuGH, Urteil v. 09.07.2009, Rs. C-204/08 (Peter Rehder ./. Air Baltic Corporation), Slg. 2009, I-6073, Rdnr. 43. 377 EuGH, Urteil v. 07.03.1995, Rs. C-68/93 (Fiona Shevill u. a. ./. Presse Alliance SA), Slg. 1995, I-415, Rdnr. 33; EuGH, Urteil v. 25.10.2011, Rs. C-509/09 (eDate Advertising ./. X) und C-161/10 (Martinez ./. MGN Limited), Slg. 2011, I-10302, Rdnr. 52. Wobei jedoch zu beachten ist, dass die Kognitionsbefugnis der Gerichte an den jeweiligen Erfolgsorten auf den dort eingetretenen Schaden begrenzt ist.
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lungs- bzw. Erfolgsorten und eben nicht schon das vorgelagerte Qualifikationsproblem, wie es z. B. bei den gemischten Gesamtschuldverhältnissen besonders deutlich zu Tage tritt. Während in den Rechtssachen Air Baltic378 und eDate/ Martinez379 die Vielzahl von Erfüllungs- und Erfolgsorten aus einem einzigen vertraglichen bzw. deliktischem Rechtsverhältnis resultierte, ginge es bei der Gesamtschuld um eine Vielzahl von Erfüllungs- und bzw. oder Erfolgsorten, weil grundsätzlich zwei vertragliche oder deliktische Rechtsverhältnisse oder eine Kumulation beider Rechtsverhältnisse für die abgeleitete Qualifikation des geltend gemachten Anspruchs in Betracht kämen. Qualifikationsprobleme kann man aber nicht dadurch auflösen, dass man alle in Betracht kommenden Gerichtsstände alternativ zur Verfügung stellt.380 Genauso wenig wie das Patt der beiderseitigen Relevanz der Verbindlichkeiten aus dem Außenverhältnis durch eine alternative Qualifikation gelöst werden kann, stellt eine gänzliche Absage an die besonderen Gerichtsstände eine angemessene Lösung dar. Die tatsächlich bestehende Sach- und Beweisnähe ist eben keine Voraussetzung für die besonderen Gerichtsstände. Bei einer Rückgriffsklage aus originärem Ausgleichsanspruch kann daher auch nicht verlangt werden, dass das angerufene Gericht im Hinblick auf beide Rechtsverhältnisse der Gesamtschuldner zum Gläubiger über eine hinreichende Sach- und Beweisnähe verfügt. c) Zwischenergebnis Es ist daher einzuräumen, dass die Anknüpfung an das im Außenverhältnis zwischen Rückgriffsschuldner und Gläubiger bestehende Rechtsverhältnis nicht in allen Fällen eine Sach- und Beweisnähe gerade auch für die Feststellung der ebenfalls zu berücksichtigende Verpflichtung des rückgriffssuchenden Gesamtschuldners zum Gläubiger begründet. Diese Gefahr steht indes einer Qualifikation der hier vorgeschlagenen Art und Weise nach Maßgabe des Außenverhältnisses des Rückgriffsschuldners weder entgegen noch ist es eine Besonderheit bei der Qualifikation des Ausgleichsanspruchs, wenn im Einzelfall Sach- und Beweisnähe nicht umfassend gewährleistet werden können oder sogar verfehlt 378 EuGH, Urteil v. 09.07.2009, Rs. C-204/08 (Peter Rehder ./. Air Baltic Corporation), Slg. 2009, I-6073 379 EuGH, Urteil v. 25.10.2011, Rs. C-509/09 (eDate Advertising ./. X)und C-161/10 (Martinez ./. MGN Limited), Slg. 2011, I-10302. 380 So auch Stadler, in: FS Musielak (2004), S. 569, 585, die dann allerdings für die Abgrenzung zwischen Vertrags- und Deliktsgerichtsstand von einer „im-Zweifel-Handhabung“ (S. 587) zugunsten des Vertragsgerichtsstandes ausgehen will, wenn nicht von vorneherein völlig ausgeschlossen werden kann, dass zwischen den Beteiligten eine freiwillig begründete Sonderbeziehung fehlt.
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werden. Dem Kriterium der Sach- und Beweisnähe kommt im Rahmen des Vertrags-, aber auch des Deliktsgerichtsstandes eben nur eine typisierende und abstrakte Bedeutung zu. 2. Das Postulat der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften Eine weitere ratio, die nicht nur den besonderen Gerichtsständen, sondern der Verordnung insgesamt zugrunde liegt, ist die Vorhersehbarkeit der jeweiligen Zuständigkeitsvorschriften und mit ihr der Zuständigkeit der Gerichte. Erwägungsgrund 15 der Verordnung spricht gar davon, dass die Zuständigkeitsvorschriften „in hohem Maße“ vorhersehbar sein sollten. Der Kläger muss ohne Schwierigkeiten feststellen können, wo er Klage erheben kann und der Beklagte muss bei vernünftiger Betrachtung vorhersehen können, vor welchen Gerichten er mit einer Klage rechnen muss.381 Das Ziel der Vorhersehbarkeit der Gerichtsstände für den Kläger und den Beklagten kann von zwei Faktoren abhängig sein. Zum einen, und dies dürfte der Regelfall sein, sind das maßgebliche Anknüpfungsmoment und die dieses ausfüllenden Tatsachen entscheidend. So muss z. B. im Rahmen des Vertragsgerichtsstandes nach Art. 7 Nr. 1 lit. b) EuGVVO und dessen autonomer Bestimmung des Erfüllungsortes klar und vorhersehbar sein, wo der maßgebliche Lieferort bzw. Ort der Erbringung der Dienstleistung zu situieren ist.382 Ist zum anderen aber bereits, wie im Falle des originären Ausgleichsanspruchs, die Qualifikation fraglich, rückt der Aspekt der Vorhersehbarkeit der Zuordnung zu einer Zuständigkeitsnorm in den Vordergrund. Es geht also primär darum, vorhersehen zu können, ob die Klage aus originärem Ausgleichsanspruch vertraglicher Natur ist und damit dem Vertragsgerichtsstand unterfällt, oder ob sie als deliktische Klage dem Deliktsgerichtsstand zuzuordnen ist. Im Rahmen des jeweiligen Gerichtsstandes geht es dann sekundär darum, wo der Erfüllungsort bwz. der Ort des schädigenden Ereignisses belegen ist. Die hier vorgeschlagene abgeleitete Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs, die sich an der Haftungsgrundlage des rückgriffspflichtigen Ge-
Vgl. nur EuGH, Urteil v. 23.04.2009, Rs. C-533/07 (Falco Privatstiftung ./. Weller-Lindhorst), Slg. 2009, I-3327, Rdnr. 22; EuGH, Urteil v. 17.06.1992, Rs. C-26/91 (Jakob Handte & Co. GmbH Maschinenfabrik ./. Traitements mécano-chimiques des surfaces SA (TCMS)), Slg. 1992, I-3967, Rdnr. 18; Erwägungsgrund 15 der EuGVVO. 382 Da die Unterlassungspflicht unionsweit zu beachten war, versagt der EuGH die Anwendung des Vertragsgerichtsstandes, da ein Erfüllungsort nicht situiert werden könne, EuGH, Urteil v. 19.02.2002, Rs. C-256/00 (Besix SA ./. Wasserreinigungsbau Alfred Kretschmar GmbH & Co.KG), Slg. 2002, I-1699, Rdnr. 48 f. 381
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samtschuldners orientiert, muss sich also an dem Merkmal der Vorhersehbarkeit messen lassen.383 Haben die Gesamtschuldner voneinander Kenntnis, weil sie die Gesamtschuld z. B. gemeinsam rechtsgeschäftlich begründet haben, als gemeinsame Deliktstäter zusammenwirken oder im Architektenfall gemeinsam an einem Bauwerk arbeiten, ist ihnen auch die Haftungsgrundlage des anderen Gesamtschuldners bekannt. Zumeist wird sie der Rechtsnatur ihrer eigenen Verpflichtung entsprechen. Wird der originäre Ausgleichsanspruch im ersteren Falle nun vertraglich, im zweiten deliktisch qualifiziert, wäre dies sowohl für den Kläger als auch den Beklagten eines möglichen Rückgriffsprozesses vorhersehbar.384 Anders stellt sich die Lage indes dar, wenn die Gesamtschuldner voneinander keine Kenntnis haben und die Rechtsnatur der Haftungsgrundlage bei einem gemischten Gesamtschuldverhältnis gar von der eigenen abweicht. Haftet der leistende Gesamtschuldner auf einer deliktischen Grundlage, der rückgriffspflichtige Gesamtschuldner hingegen auf einer vertraglichen, so muss man gestehen, dass die vertragliche Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs für den leistenden Gesamtschuldner und Kläger etwas überraschend erscheinen mag. Allerdings gilt dasselbe im umgekehrten Fall. Gleich von welchem Außenverhältnis man die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs abhängig machen wollte, man sähe sich ggfs. dem Einwand der mangelnden Vorhersehbarkeit für die andere Partei ausgesetzt. Wenn die Vorhersehbarkeit für beide Parteien auch ein hehres Ziel der Verordnung ist und grundsätzlich auch für die Rückgriffsklage aus originärem Ausgleichsanspruch Geltung beansprucht, muss jedoch anerkannt werden, dass dieses Ziel gerade für die gemischten Gesamtschuldverhältnisse nicht leicht umzusetzen, sondern sogar ambivalent ist.385 Die Vorhersehbarkeit aus Sicht des Beklagten muss nicht mit der aus Sicht des Klägers übereinstimmen.386 Dennoch überwiegen auch unter dem Aspekt der Vorhersehbarkeit die Gründe, an das Außenverhältnis des in Rückgriff zu nehmenden Gesamtschuldners anzuknüpfen. Relevant wird die Frage der Vorhersehbarkeit nämlich insbesondere für den Beklagten.387 Denn anders als der Kläger bestimmt er weder über 383 Vgl. zu den maßgeblichen Anknüpfungsmomenten der besonderen Gerichtsstände Teil 3: § 3: E. 384 So nunmehr auch Schlussanträge GA Bot, 26.04.2017, Rs. C-249/16 (Saale Kareda ./. Stefan Benkö), ECLI:EU:C:2017:305 Rdnr. 33. 385 So auch für eine Klage aus action directe Gebauer, in: FS Martiny (2014), S. 325, 337. 386 So auch Schlussanträge GA Jääskinen, 18.10.2012, Rs. C-543/10 (Refcomp SpA ./. Axa Corporate Solutions Assurance SA u. a.), ECLI:EU:C:2012:637, Rdnr. 49. 387 EuGH, Urteil v. 17.06.1992, Rs. C-26/91 (Jakob Handte & Co. GmbH Maschinenfabrik ./. Traitements mécano-chimiques des surfaces SA (TCMS)), Slg. 1992, I-3967, Rdnr. 18;
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das „ob“ und „wann“ der Klageerhebung und unterliegt daher in zeitlicher Hinsicht einem Nachteil. Des Weiteren könnte es sich für ihn äußerst schwierig gestalten, die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs gegen ihn vorherzusehen, wenn diese von der Haftungsgrundlage des leistenden Gesamtschuldners abhinge. Gerade wenn mehrere Gesamtschuldner vorhanden sind, wäre es für ihn nicht vorhersehbar, welcher Gesamtschuldner ggfs. von ihm Rückgriff verlangen wird. Wer gegen ihn vorgeht, kann er erst im Zeitpunkt der Klageerhebung erkennen. Sicherheit über mögliche Gerichtsstände außerhalb seines Wohnsitzes, die sich z. B. durch die Qualifikation zu einem besonderen Gerichtsstand ergeben können, sollte er aber in der Regel bereits im Zeitpunkt der Begründung seiner Haftung erlangen. Es wäre für den Beklagten im Falle eines gemischten Gesamtschuldverhältnisses kaum vorhersehbar, am Deliktsgerichtsstand auf Rückgriff verklagt zu werden, wenn er selbst sich lediglich vertraglich verpflichtet hat. Für ihn wäre schon schwer vorstellbar, worin denn eine von ihm begangene unerlaubte Handlung liegen sollte, die ein Abweichen vom allgemeinen Beklagtengerichtsstand rechtfertigen könnte. Ein für den Rückgriffsschuldner vorhersehbarer Gerichtsstand lässt sich nur gewährleisten, indem man die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs von der Rechtsnatur gerade seiner Verpflichtung im Außenverhältnis zum Gläubiger abhängig macht. Eine solche Qualifikation belastet den Kläger auch nicht über Gebühr. Die Vorhersehbarkeit wäre nur in zeitlicher Hinsicht verlagert. Grundsätzlich ist zwar auch für ihn der andere Gesamtschuldner und damit sein potentieller Rückgriffsschuldner unbekannt. Spätestens infolge der Inanspruchnahme durch den Gläubiger im Außenverhältnis kann er jedoch von diesem Rückgriffsschuldner und der Haftungsgrundlage gegen den anderen Gesamtschuldner Kenntnis erlangen. Soweit sich also für ihn das Bedürfnis stellt, den anderen Gesamtschuldner im Wege einer Klage auf Rückgriff in Anspruch zu nehmen, wäre die Vorhersehbarkeit gewährleistet. Eine im Hinblick auf diesen Zeitpunkt bestehende Möglichkeit der Vorhersehbarkeit ist für den leistenden Gesamtschuldner als Kläger auch vollkommen ausreichend.388 Denn das Klägerinteresse der Vorhersehbarkeit zielt darauf, ein zuständiges Gericht anrufen und so ein Sachurteil zu erlangen zu können. Da der Kläger den Zeitpunkt der Klageerhebung bestimmt, bleibt ihm grundsätzlich ausreichend Zeit, die nötigen Informationen einzuholen. Die hier vorgeschlagene Qualifikation kann für sich also EuGH, Urteil v. 19.02.2002, Rs. C-256/00 (Besix SA ./. Wasserreinigungsbau Alfred Kretschmar GmbH & Co.KG), Slg. 2002, I-1699, Rdnr. 48 f. 388 Ähnlich Wais, Erfüllungsgerichtsstand für Dienstleistungsverträge, S. 27 mit dem Hinweis, dass vor Streitentstehung kein faktisches Bedürfnis nach Rechtsschutz bestehe.
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auch in Anspruch nehmen, dem Kriterium der Vorhersehbarkeit für den leistenden Gesamtschuldner hinreichend Rechnung zu tragen. 3. Die Abwägung der verfahrensrechtlichen Beteiligteninteressen Den Zuständigkeitsnormen der EuGVVO liegen ebenso wie z. B. dem materiellen Kollisionsrecht des EGBGBs oder der Rom I- und II-VO verschiedene Interessen zu Grunde.389 Einen wesentlichen Teil machen dabei die Interessen der am Verfahren beteiligten Parteien aus. Dabei gilt es, die Interessen des Klägers und des Beklagten gegeneinander abzuwägen.390 Auf einzelne Beteiligteninteresse ist im Rahmen der Untersuchung schon eingegangen worden.391 Dennoch soll in diesem Abschnitt die hier vorgeschlagene Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs nochmals unter Berücksichtigung und Abwägung der verfahrensrechtlichen Beteiligteninteressen kritisch betrachtet werden. Durch die hier vorgeschlagene Qualifikation wird dem Interesse des Beklagten, nur in begründeten Ausnahmefällen außerhalb seines Wohnsitzstaates gerichtpflichtig gemacht zu werden,392 hinreichend Rechnung getragen. Soweit eine besondere Zuständigkeit für die Klage aus originärem Ausgleichsanspruch eröffnet wird, leitet sie sich aus dem Rechtsverhältnis des in Rückgriff genommenen Gesamtschuldners ab. Die hierüber eröffnete Möglichkeit eines besonderen Gerichtsstandes ist deshalb gerechtfertigt, weil sich die Haftung des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners aus dem Außenverhältnis in funktioneller Hinsicht im Innenverhältnis fortsetzt. Der Beklagte muss also hinnehmen, dass dem leistenden Gesamtschuldner für seine Klage aus originärem Ausgleichsanspruch nicht nur der allgemeine Gerichtsstand zur Verfügung steht, sondern neben diesen auch ein besonderer Gerichtsstand nach Art. 7 Nr. 1 oder Nr. 2 EuGVVO treten kann. Die Last des Beklagten ist aber insoweit abgemildert, als dessen Haftungsgrundlage im Außenverhältnis für die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs und damit die Bestimmung des besonderen Gerichtsstandes herangezogen wird. Zudem sind auch die Interessen des Klägers ausreichend berücksichtigt. Die hier vorgeschlagene Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs ermöglicht dem leistenden Gesamtschuldner, den anderen Gesamtschuldner nicht nur an dessen Wohnsitz, sondern ggfs. auch an einem weiteren besonderen GeVgl. hierzu die ausführliche Monographie von Schröder, Internationale Zuständigkeit. S. 112 ff. 390 Calvo Carravaca/Carrascosa González, DIP Vol. I, S. 198; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S. 167 ff.; Spellenberg, IPRax 1981, 75, 76; von Hoffmann, IPRax 1982, 217, 218. 391 Vgl. Teil 3: § 3: C. II. 1 (S. 152); Teil 3: § 3: C. II. 3. c). 392 Vgl. zum Grundsatz des actor sequitur forum rei Teil 3 § 3: C. II. 1. 389
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richtsstand verklagen zu können. Unter der Abwägung der Interessen des anderen Gesamtschuldners, des Beklagten, kann sich ein zusätzlicher Gerichtsstand aber nur in Anlehnung an die Haftungsgrundlage des in Rückgriff genommenen Gesamtschuldners, nicht aber des leistenden Gesamtschuldners, ergeben. Insoweit berücksichtigt der hier vertretene Ansatz sowohl die Interessen des Klägers als auch diejenigen des Beklagten.
IV. Der (Sach-)Zusammenhang zur Klage aus der übergeleiteten Gläubigerforderung Die vorgeschlagene abgeleitete Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs bringt einen weiteren Vorteil mit sich. Sie ermöglicht eine Berück sichtigung des Sachzusammenhangs der verschiedenen Rückgriffsmethoden, wenn sie, wie z. B. im deutschen Recht möglich, nebeneinander geltend gemacht werden. Auf die verfahrensrechtliche Zuordnung der Klage aus der übergeleiteten Gläubigerforderung ist im Hinblick auf die besonderen Gerichtsstände des Art. 7 Nr. 1 und Nr. 2 EuGVVO bereits oben eingegangen worden. Diese Untersuchung hat gezeigt, dass der zu Rückgriffszwecken erfolgende Übergang der Gläubigerforderung auf den leistenden Gesamtschuldners auch die verfahrensrechtliche Rechtsnatur des Anspruchs nicht verändert. Zugleich gibt damit die Gläubigerforderung auch die verfahrensrechtliche Qualifikation der Klage aus der übergeleiteten Forderung vor. Ist sie vertraglicher Natur, so ist auch die Klage aus der übergeleiteten Forderung dem Vertragsgerichtsstand zuzuordnen. Dem Deliktsgerichtsstand unterfällt die Klage aus der übergeleiten Forderung, wenn die Gläubigerforderung deliktischer Natur ist. Die Klage aus der übergeleiteten Forderung richtet sich also in Bezug auf die besonderen Gerichtsstände nach der Gläubigerforderung. Insoweit kann auch davon gesprochen werden, dass der Gerichtsstand mit der Überleitung der Gläubigerforderung auf den leistenden Gesamtschuldner übergeht. Obwohl hier zunächst nur die verfahrensrechtliche Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs in Frage steht und über die Bestimmung des genauen Gerichtsstandes mittels des Anknüpfungsmoments noch zu entscheiden ist, zeigt sich ein deutlicher Vorteil der hier vorgeschlagenen Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs bereits bei dessen Qualifikation. Der enge materielle Zusammenhang der beiden Rückgriffswege, originärer Ausgleichsanspruch und übergeleitete Gläubigerforderung, spiegelt sich in einem Gleichlauf der verfahrensrechtlichen Qualifikation wider.393 Die Haftungsgrundlage des als Rück393
Vgl. zu diesem Gedanken auch schon Spickhoff, VersR 2003, 665, 666.
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griffschuldner in Anspruch zu nehmenden Gesamtschuldners gibt die verfahrensrechtliche Qualifikation der Geltendmachung der übergeleiteten Gläubigerforderung vor und wirkt auch auf die verfahrensrechtliche Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs ein. Die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs und der übergeleiteten Gläubigerforderung gehen also Hand in Hand, beruhen sie doch beide schließlich darauf, dass der nun auf Rückgriff in Anspruch genommene Mitschuldner dem Gläubiger verpflichtet war und diese Verpflichtung auch die Grundlage für seine Inanspruchnahme im Innenverhältnis bildet. Dieser Gleichlauf ebnet auch den Weg für eine mögliche umfassende Kognitionsbefugnis des angerufenen Gerichts im Hinblick auf den originären Ausgleichsanspruch und die übergeleitete Gläubigerforderung
V. Die Anknüpfung an ein fremdes Rechtsverhältnis und ihre Vereinbarkeit mit der EuGH-Rechtsprechung 1. Problemschilderung Da sich die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs aus der Rechtsnatur der im Außenverhältnis bestehenden Haftungsgrundlage des in Rückgriff zu nehmenden Gesamtschuldners ableitet, liegt seiner Qualifikation ein Rechtsverhältnis zu Grunde, an dem der rückgriffssuchende Gesamtschuldner und Anspruchsinhaber des originären Ausgleichsanspruchs nicht beteiligt ist und das ihm daher ggfs. auch fremd ist. Diese Abhängigkeit von einem fremden Rechtsverhältnis bedarf der besonderen Rechtfertigung. Zudem stellt sich die Frage, ob die Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Handte394 und ÖFAB395, die zu einer ähnlichen Problematik ergangen sind, der abgeleiteten Qualifikation schon dem Grunde nach entgegenstehen. 2. Die Handte-Rechtsprechung: direktes Vertragsverhältnis als unabdingbare Voraussetzung für eine vertragliche Qualifikation? Ausgehend von der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Handte liegt die Überlegung nahe, dass der Vertragsgerichtsstand nur dann eröffnet sein soll, wenn die Parteien durch ein direktes Vertragsverhältnis miteinander verbunden sind. In dieser Entscheidung urteilte der EuGH, dass der Vertragsgerichtsstand EuGH, Urteil v. 17.06.1992, Rs. C-26/91 (Jakob Handte & Co. GmbH Maschinenfabrik ./. Traitements mécano-chimiques des surfaces SA (TCMS)), Slg. 1992, I-3967. 395 EuGH, Urteil v. 18.07.2013, Rs. C-147/12 (ÖFAB ./. Koot), ECLI:EU:C:2013:490. 394
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„nicht für einen Rechtsstreit gilt, den der spätere Erwerber einer Sache gegen den Hersteller, der nicht der Verkäufer ist, wegen Mängel der Sache oder ihrer Untauglichkeit zum bestimmungsgemäßen Gebrauch anstrengt“.396 Zugrunde lag dieser Entscheidung ein für Vertragsketten im französischen Recht bestehender Direktanspruch (action directe), mit dessen Hilfe der (End-)Käufer der Sache Gewährleistungsrechte nicht nur gegenüber seinem direkten Vertragspartner geltend machen kann, sondern ihm wegen des Sachmangels auch Ansprüche gegen ein weiteres Glied in der Vertragskette, so z. B. gegen den Hersteller, gewährt werden. Maßgeblich für die Entscheidung des EuGH, den Vertragsgerichtsstand für eine Klage aus action directe zu versagen, war unter anderem, dass zwischen dem späteren Erwerber und dem Hersteller, den Prozessparteien des Rechtsstreits, keine direkte vertragliche Beziehung bestand und der Beklagte die besondere Zuständigkeit am Vertragsgerichtsstand daher nicht vorhersehen könne.397 Überträgt man diesen Gedanken auf den originären Ausgleichsanspruch, käme eine vertragliche Qualifikation mangels einer vertraglichen Beziehung zwischen den Gesamtschuldnern prima facie nicht in Betracht. Ganz allgemein wäre eine aus einem fremden Rechtsverhältnis bzw. von diesem abhängige Qualifikation ausgeschlossen. Der Ausschluss müsste dann für die vorgeschlagene abgeleitete Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs insgesamt, also auch für die deliktische, gelten. Bevor jedoch voreilige Schlüsse aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Handte für die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs unter den Gesamtschuldnern gezogen werden, ist die Entscheidung des EuGH kritisch zu hinterfragen. a) Kritische Untersuchung der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Handte Außer Frage stand in der Rechtssache Handte, dass zwischen den Parteien des Rechtsstreits keine unmittelbare vertragliche Beziehung bestand. Ob es aber richtig war, die Geltendmachung der action directe am Vertragsgerichtsstand zu versagen, bleibt aus verschiedenen Gründen, die im Folgenden aufgeführt werden, zu bezweifeln.
396 EuGH, Urteil v. 17.06.1992, Rs. C-26/91 (Jakob Handte & Co. GmbH Maschinenfabrik ./. Traitements mécano-chimiques des surfaces SA (TCMS)), Slg. 1992, I-3967, Rdnr. 21 mit zustimmender Anmerkung Pfeifer, JZ 1995, 91 ff. 397 EuGH, Urteil v. 17.06.1992, Rs. C-26/91 (Jakob Handte & Co. GmbH Maschinenfabrik ./. Traitements mécano-chimiques des surfaces SA (TCMS)), Slg. 1992, I-3967, Rdnr. 16, 19.
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aa) Fehlende Auseinandersetzung mit der materiell-rechtlichen Ausgestaltung der action directe Obwohl sich der EuGH nicht mit der materiell-rechtlichen Lösung des Falles beschäftigen musste, wird seine Entscheidung in der Rechtssache Handte in der Literatur zu Recht deshalb kritisiert, weil das Urteil eine eingehende Auseinandersetzung mit den Besonderheiten der action directe und deren materiell-rechtlicher Ausgestaltung vermissen lässt.398 Der EuGH hat sich nicht hinreichend mit dem Gegenstand bzw. Inhalt der action directe befasst, denn dann hätte ihm auffallen müssen, dass sich die action directe gerade aus dem Vertragsverhältnis zwischen dem Hersteller als Anspruchsgegner und seinem direkten Vertragspartner ableitet.399 Sie stellt sich funktionell als abgeleiteter Anspruch (droit dérivé) aus dem Erstvertrag zwischen Hersteller und seinem Vertragspartner dar,400 was sich auch daran zeigt, dass der Endabnehmer von dem Hersteller Gewährleistungsrechte nur insoweit verlangen kann, wie es auch dessen direktem Vertragspartner möglich gewesen wäre.401 Diese materiell-rechtlichen Besonderheiten zu würdigen, wäre dem EuGH auch möglich gewesen, ohne das Gebot der autonomen Auslegung zu missachten.402 Berücksichtigt werden sollte nämlich nicht die im französischen Recht vorgenommene vertragliche Qualifikation der action directe, und damit eine Qualifikation nach der lex causae, sondern eben nur die materiell-rechtlichen Besonderheiten des Direktanspruchs innerhalb der Vertragskette. bb) Die Geltendmachung des Äquivalenzinteresses Im Zusammenhang mit den materiell-rechtlichen Besonderheiten der action directe steht ein weiterer Aspekt, der bei der Qualifikation des Anspruchs hätte herangezogen und zumindest berücksichtigt werden müssen. Mittels des Direktanspruchs des Endabnehmers gegen den Hersteller wird dem Äquivalenzinteresse des Endabnehmers an dem Erwerb einer mangelfreien Sache Rechnung getragen. Es geht dabei gerade nicht darum, dass er Ausgleich 398 Vgl. Bauerreis, Rechtsinstitut der action directe, S. 208 f.; Weller, IPRax 2013, 501, 503. Für die action directe im Zusammenhang mit der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Refcomp auch Gebauer, in: FS Martiny (2014), S. 325, 329; ders., in: FS Schütze (2015), S. 95, 103. 399 Vgl. Bauerreis, Rechtsinsitut der action directe, S. 208: der Anspruchsinhaber wird als zusätzlicher Begünstigter in den Erstvertrag der Kette einbezogen; Niggemann/Jonglez de Ligne, RIW 2011, 295, 296. 400 Bauerreis, Rechtsinsitut der action directe, S. 75 ff. 401 Niggemann/Jonglez de Ligne, RIW 2011, 295, 296. 402 Vgl. auch Gebauer, in: FS Martiny (2014), S. 325, 329 f.
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verlangen kann, weil seine sonstigen individuellen Rechtsgüter durch die Kaufsache geschädigt wurden. Geschützt wird also nicht das Integritäts-, sondern das Äquivalenzinteresse. Der Frage, ob eine Abgrenzung der Anwendungsbereiche des Vertrags- und Deliktsgerichtsstandes (allein) anhand des Kriteriums des verletzten Interesses möglich ist,403 soll hier nicht nachgegangen werden. Klar sein dürfte allerdings, dass der Schutz von Äquivalenzinteressen dem vertraglichen Bereich und damit in der Tendenz auch dem Vertragsgerichtsstand zuzuordnen ist.404 Vor dem Hintergrund des geschützten Interesses gilt es dann auch, die vom EuGH aufgegriffene rechtsvergleichende Umschau zu würdigen.405 Die Feststellung, dass in der Mehrheit der Mitgliedstaaten eine Haftung des Herstellers gegenüber dem späteren Erwerber für Mängel der Kaufsache nicht vertraglich qualifiziert wird, muss im Hinblick darauf betrachtet werden, dass die anderen Mitgliedstaaten einen Anspruch wegen Verletzung des Äquivalenzinteresses im Verhältnis zwischen Hersteller und späterem Erwerber nicht kennen. Sie schützen jenseits des unmittelbaren Vertragsverhältnisses lediglich (mittels eines sodann deliktisch qualifizierten Anspruchs) das Integritätsinteresse.406 Aus der fehlenden Gewährung eines solchen, das Äquivalenzinteresse schützenden Direktanspruchs kann aber nicht geschlossen werden, dass ein Direktanspruch dann nicht vertraglich zu qualifizieren ist, soweit er denn besteht. Dass der EuGH sich mit diesen Aspekten nicht hinreichend auseinandersetzte, ist umso bedauerlicher, als der Generalanwalt Jacobs in seinen Schlussanträgen eine Unterscheidung zwischen Äquivalenz- und Integritätsinteresse zwar aufgegriffen, diesen Differenzierungs- und möglichen Lösungsansatz dann aber mit dem Hinweis, dass „es praktisch schwerlich zufriedenstellend wäre, zwei Ansprüche, die in Wirklichkeit oft zusammen entstehen werden, unterschiedlich zu behandeln“, verworfen hat.407
403 Vgl. zu diesem Ansatz auch Bauerreis, Rechtsinstitut der action directe, S. 224; Wendelstein, Telemedizin, S. 442 ff. 404 Bauerreis, Rechtsinstitut der action directe, S. 224. 405 Vgl. zu diesem Gedanken Bauerreis, Rechtsinstitut der action directe, S. 205. 406 Richtig erkannt in Schlussanträge GA Jacobs, 08.08.1992, Rs. C-26/91 (Jakob Handte & Co. GmbH Maschinenfabrik ./. Traitements mécano-chimiques des surfaces SA (TCMS)), Slg. 1992, I-3967, Rdnr. 21. 407 08.04.1992, Rs. C-26/91 (Jakob Handte & Co. GmbH Maschinenfabrik ./. Traitements mécano-chimiques des surfaces SA (TCMS)), Slg. 1992, I-3967, Rdnr. 33.
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cc) Der Gedanke der Vorhersehbarkeit des Gerichtsstandes für den Beklagten und das vermeintliche Dilemma der Mehrzahl von Verträgen Ein weiterer wesentlicher Aspekt für die Entscheidung des EuGH war, dass die Anwendung des Vertragsgerichtsstandes auf den Rechtsstreit für den Beklagten nicht vorhersehbar sei.408 Der EuGH war insoweit bemüht, dem in Erwägungsgrund 15 der EuGVVO angesprochenen Gebot der Vorhersehbarkeit der Gerichtsstände und der damit einhergehenden Rechtssicherheit Rechnung zu tragen. Ob dies dem EuGH hingegen gelungen ist, bleibt doch kritisch zu hinterfragen. Im Ausgangspunkt ist dem EuGH zwar zuzustimmen, dass die Parteien des Rechtsstreites, der Endabnehmer und der Hersteller, nicht durch eine unmittelbare vertragliche Beziehung, sondern lediglich durch die Vertragskette miteinander verbunden waren. Die fehlende unmittelbare vertragliche Beziehung steht jedoch einer vertraglichen Qualifikation auch unter dem Aspekt der Vorhersehbarkeit nicht per se entgegen. Der Suche nach einer Bindung zwischen Hersteller und Endabnehmer ist auch die Kommission in ihrer zur Rechtssache Handte eingereichten Bemerkung nachgegangen. Sie will diese Bindung in der Kette der einzelnen Vertragsverhältnisse erblicken, die sodann auch als Grundlage für eine vertragliche Qualifikation dienen könnte.409 Diesen Ansatz scheint auch der EuGH in seiner Entscheidung aufgegriffen zu haben, was ihn jedoch, genauso wie die Kommission,410 zu der schwierigen Folgefrage führte, welches Vertragsverhältnis sodann für die Bestimmung des maßgeblichen Erfüllungsortes entscheidend sein 408 EuGH, Urteil v. 17.06.1992, Rs. C-26/91 (Jakob Handte & Co. GmbH Maschinenfabrik ./. Traitements mécano-chimiques des surfaces SA (TCMS)), Slg. 1992, I-3967, Rdnr. 18 f. 409 Kommission im Sitzungsbericht, Slg. 1992, I-3975. 410 Die Kommission spricht sich für die unmittelbare Beziehung zwischen dem Hersteller und späteren Erwerber aus. Allerdings will die Kommission die „Qualifizierung“ dann von der Bedingung abhängig machen, dass das Gericht angerufen wird, welches auch für eine Regressklage gegen den Hersteller i.R.d. Art. 6 Nr. 2 EuGVÜ zuständig wäre. Begründet wird die zusätzliche Bedingung damit, dass eine unterschiedliche „Qualifizierung“ der unmittelbaren Klage nicht dazu führen dürfe, dass je nachdem, ob der Hersteller alleine, oder nur der Weiterverkäufer oder beide gemeinsam verklagt werden, unterschiedliche Zuständigkeitsnormen Anwendung fänden. Die Ansicht der Kommission kann indes nicht überzeugen. Sie verkennt schon, das der Regelung des Art. 8 Nr. 2 EuGVVO (früher Art. 6 Nr. 2 EuGVÜ) der Gedanke der Prozessökoonomie und der Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen zugrunde liegt und sie sich damit von den Wertungen des Vertragsgerichtsstandes deutlich unterscheidet. Zudem wäre die Qualifikation des Vertragsgerichtsstandes ansonsten von den nationalen Vorschriften über die Beteiligung Dritter abhängig. Vgl. zu diesem Kritikpunkt Schlussanträge GA Jacobs, 08.08.1992, Rs. C-26/91 (Jakob Handte & Co. GmbH Maschinenfabrik ./. Traitements mécano-chimiques des surfaces SA (TCMS)), Slg. 1992, I-3967, Rdnr. 14.
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sollte. In Betracht käme neben dem Vertragsverhältnis in dem ersten Glied der Kette (Hersteller – Weiterverkäufer) eben auch das des zweiten Gliedes (Weiterverkäufer – Endabnehmer). Das vermeintliche Dilemma der Mehrzahl von Vertragsverhältnissen löst sich jedoch auf, wenn man sich klar macht, dass die action directe lediglich auf den Ausgleich des Äquivalenzinteresses zielt und sie die Haftung des Herstellers nur insoweit ausdehnt, als auch Dritten eine Berufung auf Gewährleistungsrechte ermöglicht wird. Die (Gewährleistungs-)Rechte, die der Dritte gegenüber dem Hersteller geltend machen kann, weichen jedoch inhaltlich nicht von denen (Gewährleistungs-)Rechten ab, die im unmittelbaren und vom Hersteller abgeschlossenen Vertragsverhältnis gelten. Auf dieser Grundlage wird klar, dass für den Vertragsgerichtsstand nur das Vertragsverältnis maßgeblich sein kann, an welchem der beklagte Hersteller unmittelbar beteiligt ist.411 Sodann ergeben sich aber auch keine Bedenken im Hinblick auf die Vorhersehbarkeit des Gerichtsstands für den Beklagten. Der „eigene“ Vertragsgerichtsstand ist für den Beklagten stets durchaus vorhersehbar. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Person des Klägers nicht der unmittelbare Vertragspartner ist.412 dd) Das Schutzdefizit bei deliktischer Qualifikation der action directe Gerade weil sich der EuGH unter anderem aus Gründen der Vorhersehbarkeit einer vertraglichen Qualifikation der action directe versperrt hatte, wirft die Entscheidung des EuGH weitere Folgefragen auf. Zunächst ist zu bemerken, dass sich der EuGH explizit nur dazu äußerte, dass die Klage aus action directe nicht dem Vertragsgerichtsstand unterfällt. Ob die Klage in der Folge sodann deliktisch zu qualifizieren ist oder nur der allgemeine Gerichtsstand zur Verfügung steht, hat der EuGH offen gelassen, obwohl der Vorschlag des Generalanwalts413 eine deliktische Qualifikation i. S. d. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ (nun Art. 7 Nr. 2 EuGVVO) ausdrücklich vorsah. Das Schweigen des Gerichtshofes wird unterschiedlich interpretiert. Teilweise will man hieraus ableiten, dass die action directe als Tertium zu behandeln sei und nur dem allgemeinen Gerichtsstand zufalle.414 Dem Ziel der Vorhersehbarkeit für den Beklagten könnte nicht besser Rechnung getragen werden. So auch Bauerreis, Rechtsinstitut der action directe, S. 212. So auch Bauerreis, Rechtsinstitut der action directe, S. 212. 413 Schlussanträge GA Jacobs, 08.08.1992, Rs. C-26/91 (Jakob Handte & Co. GmbH Maschinenfabrik ./. Traitements mécano-chimiques des surfaces SA (TCMS)), Slg. 1992, I-3967, Rdnr. 39. 414 Gaudement-Tallon, Rev. crit. d.i.p. 81 (1992), 726, 737; dies., Rev. crit. d.i.p. 82 (1993), 485, 489, dies., Les Conventions de Bruxelles, Rdnr. 161. 411
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Vermehrt wird aber aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Handte die Konsequenz gezogen, eine Klage aus action directe sodann dem Deliktsgerichtsstand zuzuordnen, wobei man sich diesbezüglich insbesondere auf das für Schadensersatzklagen in der Rechtssache Kalfelis zum Ausdruck kommende Alternativverhältnis zwischen dem Vertrags- und Deliktsgerichtsstand stützt.415 Unter der Maßgeblichkeit des Deliktsgerichtsstandes könnte sich das Ziel der Vorhersehbarkeit für den Beklagten dann aber ins Gegenteil verkehren.416 Betroffen ist hiervon bereits die deliktische Qualifikation als solche und sodann aber auch der im Rahmen des Deliktsgerichtsstandes maßgebliche und das berufene Gericht bezeichnende Ort des schädigenden Ereignisses. Im Hinblick auf die deliktische Qualifikation der action directe muss zumindest der Einwand bedacht werden, dass Gegenstand des geltend gemachten Anspruchs das Äquivalenzinteresse ist und der beklagte Hersteller eine Pflicht im Hinblick auf den Schutz dieses Interesses nur gegenüber seinem Vertragspartner, nicht aber gegenüber dem Enderwerber übernommen hat. Mit einer Klage wegen Verletzung des Äquivalenzinteresses müsste er allenfalls an seinem Vertragsgerichtsstand rechnen. Soweit dennoch von einer deliktischen Qualifikation der action directe auszugehen ist, kommt im Rahmen des Deliktsgerichtsstandes wegen des dort geltenden Ubquitätsprinzips sowohl dem Handlungs- als auch dem Erfolgsort zuständigkeitsbegründende Wirkung zu. Als Handlungsort wäre wohl in Einklang mit der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Kainz417 zu den parallel gelagerten Fällen der Produkthaftung auf den Ort der Herstellung der fehlerhaften Kaufsache abzustellen.418 Denkbar wäre aber auch weiterhin an den Ort des Inverkehrbringens anzuknüpfen.419 Für den beklagten Hersteller wären beide möglichen Handlungsorte durchaus vorhersehbar. Schwierigkeiten im Hinblick auf die Vorhersehbarkeit könnten sich indes bezüglich des Erfolgsortes ergeben. Da mit einer Klage aus action directe das verletzte Äquivalenzinteresses gel415 Bauerreis, Rechtsinstitut der action directe, S. 222 f.; Gebauer, IPRax 2001, 471, 474 Fn. 32; ders., in: FS Martiny (2014), S. 325, 326, 339; Martiny, in: FS Magnus (2014), S. 483, 496; Moebus, EuZW 2013, 316, 320; Niggemann/Jonglez de Ligne, RIW 2011, 295, 299; Pfeifer, JZ 1995, 91, 92. 416 Kritisch daher auch schon Gebauer, IPRax 2001, 471, 473. 417 EuGH, Urteil v. 16.02.2014, Rs. C-45/13 (Andreas Kainz ./. Pantherwerke AG), ECLI:EU:C:2014:7, Rdnr. 29 mit zustimmender Anmerkung von Dietze, EuZW 2014, 232, 234 f. Kritisch hingegen Sujecki, EWS 2014, 91, 94 f. 418 Für die Produkthaftung Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 83c. 419 Bauerreis, Rechtsinstitut der action directe, S. 217; Leible, in: Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 135; Sujecki, EWS 2014, 91, 95; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 150. Als Ort des Inverkehrbringens gilt dabei der Ort, an welchem der Hersteller die Ware aus seinem Herrschafts- und Verantwortungsbereich entlässt.
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tend gemacht wird, liegt der Schaden somit in der mangelhaften Sache selbst bzw. in deren wirtschaftlichem Minderwert und würde sich somit als (bloßer) Vernögensschaden des Endabnehmers darstellen.420 Sodann wäre der Erfolgsort bezüglich dieses (Vermögens-)Schadens auszumachen. Verortet werden müsste der Erfolgsort dann aber ggfs. am Sitz des Endabnehmers.421 Dieser (Erfolgs-) Ort wäre sodann aber für den beklagten Hersteller zum einen nicht vorhersehbar und es würde zum anderen im Ergebnis zumeist ein Klägergerichtsstand geschaffen werden.422 Im Ergebnis hat sich das Ziel des EuGH, mit einer nicht-vertraglichen Qualifikation der action directe den Beklagten vor einem unvorhersehbaren Gerichtsstand zu schützen, somit ins Gegenteil verkehrt, wenn als Folge einer deliktischen Qualifikation der Erfolgsort am Sitz des Endabnehmers verortet wird. b) Rückschlüsse aus der Handte-Entscheidung Die vorstehende Auseinandersetzung mit dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Handte hat gezeigt, dass bereits eine Versagung des Vertragsgerichtsstandes für die Klage aus action directe nicht überzeugen kann. Noch viel weniger ist dem Urteil des EuGH jedoch zu entnehmen, dass der Vertragsgerichtsstand im Allgemeinen voraussetzt, dass die Parteien des Rechtsstreits durch eine unmittelbare vertragliche Beziehung zueinander verbunden sind.423 Die Voraussetzung einer direkten vertraglichen Beziehung zwischen den Parteien des Rechtsstreits kann schon dem Wortlaut des Art. 7 Nr. 1 EuGVVO nicht entnommen werden. Er verzichtet gänzlich auf persönliche Elemente und greift als Anknüpfungsgegenstand den Vertrag oder Ansprüche aus einem VerSo auch Bauerreis, Rechtsinstitut der action directe, S. 217. So auch, jedoch mit deutlicher Kritik: Bauerreis, Rechtsinstitut der action directe, S. 217; Gebauer, IPRax 2001, 471, 473; Weller, IPRax 2013, 501, 505 422 Im Bewusstsein dieses „unglücklichen Ergebnisses“ war dann der Generalanwalt Jacobs, der sich in seinen Schlussanträgen explizit für eine deliktische Qualifikation der action directe ausgesprochen hat, sichtlich bemüht, den Deliktsgerichtsstand und insbesondere den Erfolgsort für den Beklagten vorhersehbar zu gestalten. Hierfür bedient er sich eines methodischen Kunstgriffes und will den Endabnehmer im Sinne der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Dumez (Urteil v. 11.01.1990, Rs. C-220/88, Slg. 1990, I-94) als bloß mittelbar Geschädigten betrachten und sodann den Sitz des Zwischenhändlers, des unmittelbar Geschädigten, als maßgeblichen Erfoglsort betrachten (Schlussanträge GA Jacobs, 08.04.1992, Rs. C-26/91 (Jakob Handte & Co. GmbH Maschinenfabrik ./. Traitements mécano-chimiques des surfaces SA (TCMS)), Slg. 1992, I-3967, Rdnr. 31). Zu der berechtigten Kritik an diesem methodischen Kunstgriff vgl. Bauerreis, Rechtsinstitut der action directe, S. 219. 423 Allerdings wird dies häufig aus dem Urteil des EuGH abgeleitet, so z. B. Kindler, IPRax 2014, 486, 488 f.; Wedemann, ZEuP 2014, 861, 872 (will aber das Kriterium nicht zu strikt anwenden). 420 421
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trag auf. Der Wortlaut ist daher rein streitgegenstandsbezogen formuliert. Zwar ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des Vertragsgerichtsstandes typischerweise Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien im Auge hatte. Wenn er den Anwendungsbereich des Art. 7 Nr. 1 EuGVVO indes auf diese Regelfälle hätte beschränken wollen, hätte er seinem Bestreben auf einfachem Weg durch die Bezugnahme auf die Vertragsparteien im Normtext zum Ausdruck bringen können. In sachlicher Hinsicht bezieht sich der Vertragsgerichtsstand hingegen auf vertragliche Ansprüche, die zwar in oder aufgrund eines Vertragsverhältnisses entstehen, jedoch nicht auf dieses Vertragsverhältnis beschränkt bleiben müssen, sondern z. B. durch eine Zession auf eine dritte Person übergehen können. Wollte man den Vertragsgerichtsstand davon abhängig machen, dass die Parteien des Rechtsstreits durch eine unmittelbare vertragliche Beziehung miteinander verbunden sind, könnten streng genommen nicht einmal die Zessionsfälle dem Vertragsgerichtsstand zugerechnet werden.424 Entscheidend für die Anwendbarkeit des Vertragsgerichtsstandes ist also nicht, dass die Parteien zueinander in einer unmittelbaren vertraglichen Beziehung stehen, sondern dass sie aufgrund eines vertraglichen Anspruchs miteinander verbunden sind. Diese Verbundenheit kann aber auch dann bestehen, wenn der vertragliche Anspruch in einem fremden Rechtsverhältnis begründet wurde. Der Anspruch besteht dann nicht unmittelbar aus einem Vertrag, aber dennoch „aufgrund eines Vertrages“.425 Zudem sollte die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Handte, oder besser: die darin enthaltene Aussage, ungeachtet ihrer inhaltlichen Schwächen, nicht unreflektiert auf andere Fälle, wie z. B. die des Gesamtschuldnerrückgriffs aus originärem Ausgleichsanspruch, übertragen werden, da der EuGH sie offenbar allein den Besonderheiten der action directe zuschreibt. So hat der EuGH in der Rechtssache Refcomp, auf die im Folgenden noch näher einzugehen sein wird426, die Entscheidung in der Rechtssache Handte bestätigt und u. a. wegen der Wertungsparallele zwischen einem Vertrag i. S. d. Art. 7 Nr. 1 EuGVVO und einer Vereinbarung i. S. d. Art. 25 EuGVVO auf die Drittwirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen im Rahmen von Vertragsketten und des Anspruchs aus action directe übertragen.427 Indem er zugleich aber die Drittwirkung von in Konnossementen getroffenen Gerichtsstandsvereinbarungen unter der Bedingung des nach der lex causae bestehenden Eintritts des Dritten in die Rechte 424
Vgl. hierzu aber Teil 3 § 2: B. II. 1. Vgl. zu diesem Gedanken im Hinblick auf die Rechtsscheinshaftung Rauscher, IPRax 1992, 143, 146. 426 Vgl. Teil 3 § 3: G. II. 2. 427 EuGH, Urteil v. 07.02.2013, Rs. C-543/10 (Refcomp SpA ./. Axa Corporate Solutions Assurance SA u. a.), ECLI:EU:C:2013:62. 425
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und Pflichten des Befrachters bestätigte, machte er deutlich, dass er die Entscheidung aus Handte wohl als Spezifikum der action directe betrachtet. Verbietet sich schon eine Verallgemeinerung des Gedankens aus der Rechtssache Handte im Anwendungsbereich des Vertragsgerichtsstandes, kann er auch keine Geltung für den Deliktsgerichtsstand beanspruchen. Der hier vorgeschlagenen abgeleiteten Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs steht somit die Entscheidung in der Rechtssache Handte nicht entgegen. 3. Das Urteil des EuGH in der Rechtssache ÖFAB Ein Einwand gegen die abgeleitete Qualifikation lässt sich auch nicht dem Urteil des EuGH in der Rechtssache ÖFAB428 entnehmen. Der EuGH entschied in dieser Rechtssache, dass eine Klage des Vertragsgläubigers einer Gesellschaft bzw. des Rechtsnachfolgers des Gläubigers gegen ein Mitglied des Verwaltungsrates der Gesellschaft und einen Anteilseigner der Gesellschaft nicht dem Vertrags-, sondern dem Deliktsgerichtsstand unterfällt, wenn mit ihr eine Haftung der beklagten Personen für die Verbindlichkeit der Gesellschaft geltend gemacht wird, die darauf beruht, dass die Gesellschaft ihren Geschäftsbetrieb trotz Unterkapitalisierung weiterführt. Hiermit stellte er sich für diese Fälle eindeutig gegen eine Qualifikation, die sich an der Haftungsgrundlage aus dem Außenverhältnis orientiert, und stieß damit auch auf breite Zustimmung in der Literatur.429 Eine Differenzierung danach, ob die Verbindlichkeit, für die die Haftung besteht, vertraglicher oder deliktischer Natur ist, solle nicht vorgenommen werden, weil es ansonsten zu einer Vielzahl von Gerichtsständen für die Klage kommen könne, obwohl sich die Haftung der beklagten Personen immer nur auf ein und dasselbe Fehlverhalten, in casu die Zulassung der Weiterführung der Geschäftsbetriebe der Gesellschaft trotz Unterkapitalisierung, stütze.430 Zusätzlich bemühte der Gerichtshof auch das Argument der Sach- und Beweisnähe und der Vorhersehbarkeit.431 Die sachliche Nähe bestehe nicht in einer Abhängigkeit der einzelnen Verpflichtungen, für die die Haftung geltend gemacht werde, sondern aufgrund des vorwerfbaren Verhaltens, das für sich deliktisch zu qualifizieren sei. Nur bei einer (deliktischen) Anknüpfung an dieses Verhalten bestehe für den Beklagten auch ausreichende Vorhersehbarkeit. EuGH, Urteil v. 18.07.2013, Rs. C-147/12 (ÖFAB ./. Koot), ECLI:EU:C:2013:490. Freitag, ZIP 2014, 302, 306; Haas, NZG 2013, 1161, 1163 f.; Landbrecht, EuZW 2013, 703, 707; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2014, 1, 13; Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44, 45; Thole, GPR 2014, 113, 114; Wedemann, ZEuP 2014, 861, 876. 430 EuGH, Urteil v. 18.07.2013, Rs. C-147/12 (ÖFAB ./. Koot), ECLI:EU:C:2013:490, Rdnr. 41. 431 EuGH, Urteil v. 18.07.2013, Rs. C-147/12 (ÖFAB ./. Koot), ECLI:EU:C:2013:490, Rdnr. 41. 428 429
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Im Ergebnis ist dem EuGH insoweit zuzustimmen. Die Haftung des Mitglieds des Verwaltungsrates und des Anteilseigners der Gesellschaft gründete sich auf einer gesetzlich auferlegten Verpflichtung, die die Gläubiger der Gesellschaft schützen sollte.432 Sie ist daher deliktisch zu qualifizieren. Für die Frage der Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs kann dem Urteil des EuGH und den darin enthaltenen Entscheidungsgründen aber keine Bedeutung zukommen. Der entscheidende Unterschied zum Gesamtschuldnerrückgriff aus originärem Ausgleichsanspruch wird auf den zweiten Blick deutlich. Bei der der Entscheidung in der Rechtssache ÖFAB zugrunde liegenden Konstellation ging es zwar um eine eigene Haftung, aber um eine Haftung für eine fremde Schuld und zwar die Schuld, die von der Gesellschaft im Außenverhältnis begründet worden war. Anders stellt sich jedoch die Lage beim Gesamtschuldnerrückgriff dar. Der in Rückgriff genommene Gesamtschuldner haftet hier nicht für eine fremde, sondern nur für seine eigene Schuld. 4. Die Besonderheiten des Gesamtschuldnerrückgriffs im Hinblick auf die Abhängigkeit von einem fremden Rechtsverhältnis Bislang konnte festgestellt werden, dass aus bzw. trotz der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Handte für den Vertragsgerichtsstand nicht das Erfordernis einer direkten vertraglichen Beziehung zu folgern ist. Einer abgeleiteten Qualifikation steht auch die Entscheidung in der Rechtssache ÖFAB nicht entgegen. Klar muss indes sein, dass insbesondere eine vertragliche Qualifikation trotz Fehlens einer direkten vertraglichen Beziehung zwischen den Parteien des Rechtsstreits einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Gleiches gilt allgemein für die aus einem fremden Rechtsverhältnis abzuleitende Qualifikation. Für den hier zu untersuchenden Gesamtschuldnerrückgriff mittels des originären Ausgleichsanspruchs wird daher im Folgenden die vorgeschlagene Qualifikation insbesondere nochmals unter dem Gesichtspunkt der Abhängigkeit von einem fremden Rechtsverhältnis untersucht. Betroffen hiervon ist zum einen eine abgeleitete vertragliche, zum anderen aber auch eine abgeleitete deliktische Qualifikation. a) Die materiell-rechtliche Ausgestaltung des originären Ausgleichsanspruchs Ein starkes Indiz für die hier vorgeschlagene Qualifikation läge dann vor, wenn sich die materiell-rechtliche Ausgestaltung des originären Ausgleichsanspruchs
432 So auch Haas, NZG 2013, 1161, 1164 f.; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2014, 1, 13; Osterloh-Konrad, JZ 2014, 44, 45; Thole, GPR 2014, 113, 114.
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nach dem im Außenverhältnis bestehenden Anspruch des Gläubigers gegen den rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner richten würde. Eine solche materiell-rechtliche Identität liegt in jedem Fall für die Rückgriffsmethode der übergeleiteten Gläubigerforderung vor. Die Gläubigerforderung geht in der Gestalt auf den leistenden Gesamtschuldner über, wie sie sich in den Händen des Gläubigers präsentiert hat. Der originäre Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 BGB entsteht indes in der Person des leistenden Gesamtschuldners neu und zeichnet sich gegenüber der übergeleiteten Gläubigerforderung gerade durch seine Selbständigkeit aus. Zwischen den beiden Ansprüchen besteht keine inhaltliche Kongruenz. Der originäre Ausgleichsanspruch unterliegt einer eigenen und selbständigen Verjährung und ihm können grundsätzlich auch keine Einreden und Einwendungen entgegengesetzt werden, die im Außenverhältis zwischen dem Gläubiger und dem rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner begründet worden sind. Von einer materiell-rechtlichen Identität oder gar Abhängigkeit des originären Ausgleichsanspruchs von der im Außenverhältnis bestehenden Gläubigerforderung kann also nicht ausgegangen werden.433 Eine (nur) hierauf gestützte Begründung vermag die abgeleitete Qualifikation nicht zu rechtfertigen. b) Der originäre Ausgleichsanspruch als Ausdruck des Äquivalenz- oder Integritätsinteresses? Bei der Qualifikation einer Rechtsstreitigkeit und insbesondere der Zuordnung zum Vertrags- oder Deliktsgerichtsstand kann, wie auch die Fälle der action directe zeigen, die Frage nach dem geschützten Interesse eine Hilfestellung bieten.434 Steht das Äquivalenzinteresse im Vordergrund, streitet dies für eine Zuordnung zum Vertragsgerichtsstand. Ist hingegen das Integritätsinteresse betroffen, so besteht eine größere Nähe zum Deliktsgerichtsstand. 433
Das Argument der inhaltlichen Identität bzw. Abhängigkeit von der Gläubigerforderung könnte jedoch größere Bedeutung z. B. für den originären Ausgleichsanspruchs nach italienischem Recht, Art. 1299 Abs. 1 C. c., erlangen. Wie oben ausgeführt (Teil 1 § 1: C. III. 4.) können dem originären Ausgleichsanspruch Einreden und Einwendungen, wie u. a. die Verjährung, aus dem Außenverhältnis entgegengehalten werden. Im Wesentlichen unterliegt der originäre Ausgleichsanspruch daher denselben inhaltlichen Ausgestaltungen wie die aus dem Außenverhältnis übergeleitete Gläubigerforderung. Allerdings muss man beim originären Ausgleichsanspruch nach italienischem Recht beachten, dass die Möglichkeit besteht, dem Anspruch eigene aus dem Innenverhältnis resultierende Einreden oder Einwendungen entgegenzuhalten und dass die Verjährung nicht zwingend von der der Gläubigerforderung abhängt. 434 Vgl. zu diesem Gedanken Gebauer, IPRax 2001, 471, 474; ders., in: FS Martiny (2014), S. 325, 336; Weller, IPRax 2013, 501, 503. Kritisch hierzu Stadler, in: FS Musielak (2004), S. 569, 582 f., 591.
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Will man sich nun unter diesem Gesichtspunkt der Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs nähern, so muss man sich fragen, ob mithilfe des originären Ausgleichsanspruchs dem Äquivalenz- oder dem Integritätsinteresse Rechnung getragen werden soll. Eine Antwort auf diese Frage fällt nicht leicht und ist vielleicht sogar unmöglich. Das liegt schon daran, dass ein Interesse des leistenden Gesamtschuldners an einer gleichwertigen Gegenleistung des anderen Gesamtschuldners nur schwer auszumachen ist, weil schon fraglich ist, worin die Gegenleistung des anderen Gesamtschuldners bestehen sollte. Andererseits kann man hieraus auch nicht schließen, dass es sich bei dem originären Ausgleichsanspruch um einen dem Integritätsinteresse dienenden Anspruch handelt. Denn der andere Gesamtschuldner wirkt in der Regel nicht auf die Rechtsgüter des leistenden Gesamtschuldners ein. Für die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs führt die so vorgenommene Abgrenzung zwischen dem Äquivalenz- und Integritätsinteresse somit nicht weiter. Dem Gedanken des Äquivalenz- bzw. Integtritätsinteresses könnte man sich aber auch aus einem anderen Blickwinkel nähern. Für die im Außenverhältnis bestehenden Haftungsgrundlagen ließe sich eine Bestimmung des geschützen Interesses durchaus leichter vornehmen. Das geschützte Interesse wäre für jede Haftungsgrundlage der Gesamtschuldner gesondert zu ermitteln. Je nachdem, ob es dabei primär um den Schutz des Integritäts- oder Äquivalenzinteresses ginge, ließe es sich rechtfertigen, dass der originäre Ausgleichsanspruch im Einzelfall einmal dem Vertrags-, einmal dem Deliktsgerichtsstand zugeordnet wird. Schwierigkeiten treten aber dann auf, wenn die Haftungsgrundlagen der Gesamtschuldner auch unter dem Gesichtspunkt des geschützen Interesses divergieren. Sodann tritt wieder die Frage nach der Abhängigkeit der Qualifika tion von einer für diese Haftungsgrundlagen bestehenden Rechtsverhältnisse hervor. Die Überlegung, ob der originäre Ausgleichsanspruchs als Audruck des Äquivalenz- oder Integritätsinteresses zu werten ist, führt also für die hier vorgeschlagene abgeleitete Qualifikation und das Problem der Abhängigkeit von einem fremden Rechtsverhältnis nicht weiter, sondern ist unmittelbar mit ihm verbunden. c) Das Verhältnis von Innen- und Außenverhältnis Eine abgeleitete Qualifkation rechtfertigt sich für den originären Ausgleichsanspruch unter dem Kriterium der Abhängigkeit von einem fremden Rechtsverhältnis insbesondere aus der Besonderheit des Gesamtschuldverhältnisses. Grundsätzlich ist zwischen dem Außenverhältnis, den Verbindlichkeiten der einzelnen Gesamtschuldner zum Gläubiger, und dem Innenverhältnis, dem Rückgriffsverhältnis unterhalb der Gesamtschuldner, zu differenzieren. Das
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Außenverhältnis kennzeichnet sich dadurch, dass der Gläubiger auf alle Schuldner zugreifen kann und er berechtigt ist, auch von nur einem Schuldner die gesamte Leistung zu verlangen. Grundlage der Inanspruchnahme ist aber weiterhin die Verbindlichkeit der einzelnen Gesamtschuldner zum Gläubiger. Das Rückgriffsverhältnis hat den gerechten Lastenausgleich zum Ziel. Hierfür wird dem leistenden Gesamtschuldner ein Rückgriff gegen die übrigen Gesamtschuldner gewährt. Die übrigen Gesamtschuldner haften im Innenverhältnis indes nicht auch gegenüber dem leistenden Gesamtschuldner als Gesamtschuldner, sondern nur als Teilschuldner.435 Die Gesamtschuld setzt sich im Innenverhältnis nicht fort. Das gesamtschuldnerische Band wird aufgelöst. Die Zahlungsunfähigkeit eines Gesamtschuldners wird von allen übrigen Gesamtschuldnern, auch dem leistenden, getragen.436 Dennoch stehen das Außenverhältnis der Gesamtschuld und das Rückgriffsverhältnis in einem engen Verhältnis zueinander. Zum einen ist das Entstehen des Gesamtschuldverhältnisses davon abhängig, dass mehrere Schuldner im Außenverhältnis zur Leistung verpflichtet sind. Zum anderen setzt sich die Haftung des rückgriffsverpflichteten Gesamtschuldners funktional im Innenverhältnis fort.437 Eben weil dieser auch im Außenverhältnis zur Leistung hätte herangezogen werden können, ist er gegenüber dem leistenden Gesamtschuldner zum Ausgleich verpflichtet. Nur so kann ein gerechter Lastenausgleich hergestellt und verhindert werden, dass die Inanspruchnahme durch den Gläubiger wie ein Glücksspiel wirkt.438 Die Pflicht, im Innenverhältnis gegenüber dem leistenden Gesamtschuldner ggfs. Ausgleich leisten zu müssen, knüpft daher an die im Außenverhältnis zum Gläubiger bestehende Pflicht des anderen Gesamtschuldners an. Wenn aber im Innenverhältnis funktional betrachtet nur die Erfüllung der im Außenverhältnis bestehenden Verpflichtung zum Zwecke des Lastenausgleichs durchgesetzt und damit fortgeführt werden soll439, ist es auch durchaus gerechtfertigt, in Abhängigkeit zu dem Rechtsverhältnis des in Rückgriff genommenen Gesamtschuldners zu qualifizieren. 5. Zwischenergebnis Die abgeleitete Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs wird durch die Besonderheiten des Gesamtschuldnerrückgriffs gerechtfertigt. Im Rückgriffsverhältnis setzt sich die Haftung des rückgriffsverpflichteten Gesamt435
Vgl. Teil 1 § 1: C. II. 5. Vgl. Teil 1 § 1: C. II. 4. 437 Vgl. Teil 1 § 1: C. IV. 438 Vgl. hierzu Teil 1 § 1: C. IV. 1. 439 Vgl. zu diesem Gedanken auch Thoma, Der internationale Regress, S. 202. 436
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schuldners aus dem Außenverhältnis fort und ist insoweit auch als Grundlage der Qualifkation des originären Ausgleichsanspruchs zu betrachten. Darin liegt auch die „Abhängigkeit“ von einem fremden Rechtsverhältnis. Die Abhängigkeit steht der hier vorgeschlagenen Qualifikation nicht entgegen. Für eine auf dieser Grundlage vorgenommene vertragliche Qualifiaktion des originären Ausgleichsanspruchs reicht es aus, dass der rückgriffsverpflichtete Gesamtschuldner die Verbindlichkeit im Außenverhältnis zum Gläubiger freiwillig eingegangen ist. Aufgrund der Besonderheit des Gesamtschuldnerrückgriffs ist die freiwillige Eingehung einer Verbindlichkeit gerade gegenüber dem rückgriffsberechtigten Gesamtschuldner nicht erforderlich. Weil der originäre Ausgleichsanspruch in seiner Funktion darauf zurückzuführen ist, dass die Haftung des in Rückgriff genommenen Gesamtschuldners im Innenverhältnis fortgeführt wird, steht einer deliktischen Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs auch nicht entgegen, dass die unerlaubte Handlung nicht gegenüber dem Rückgriffsgläubiger, sondern gegenüber dem Gläubiger der Gesamtschuld im Außenverhältnis begangen worden ist.
VI. Ergebnis Die abgeleitete Qualfikation des originären Ausgleichsanspruchs hält einer Überprüfung anhand der Maßstäbe des Vertrags- und Deliktsgerichtsstandes somit Stand. Sie bietet eine Lösung an, die sich in die Systematik der besonderen Gerichtsstände des Art. 7 Nr. 1 und Nr. 2 EuGVVO, aber auch der Verordnung insgesamt einfügt.
D. Auswirkungen eines rechtsgeschäftlich begründeten Rückgriffsanspruchs auf die abgeleitete Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs I. Einführung Nachdem die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs geklärt werden konnte, wird im Folgenden der bereits an anderer Stelle aufgeworfenen Frage440 nachgegangen, ob die vertragliche Qualifikation des zwischen den Gesamtschuldnern rechtsgeschäftlich vereinbarten, neben § 426 BGB tretenden Rück-
440
Vgl. Teil 3 § 3: B I 1 a).
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griffsanspruchs auf die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs abfärben kann.441 Diese Frage wird nur relevant, wenn gegen einen deliktisch oder außervertraglich haftenden Gesamtschuldner Rückgriff genommen werden soll. In Fällen, in denen der rückgriffspflichtige Gesamtschuldner gegenüber dem Gläubiger vertraglich haftet, gibt nämlich bereits die abgeleitete Qualifikation eine Einordnung des originären Ausgleichsanspruchs als vertraglich vor, und das mögliche „Abfärben“ des rechtsgeschäftlich vereinbarten Rückgriffsanspruchs bleibt ohne Bedeutung.
II. Eigenständigkeit der Ansprüche auch im Verfahrensrecht zu beachten Im Ergebnis ist ein „Abfärben“ des rechtsgeschäftlich vereinbarten Rückgriffsanspruchs auf den gesetzlich vorgesehenen Ausgleichsanspruch insgesamt zu verneinen. Die Rechtsnatur des rechtsgeschäftlich vereinbarten Rückgriffsanspruchs hat auf die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs keinen Einfluss. Hierfür spricht schon, dass der rechtsgeschäftlich vereinbarte Rückgriffsanspruch auch auf materiell-rechtlicher Ebene lediglich neben den Anspruch aus § 426 Abs. 1 BGB tritt,442 dabei aber keinen Einfluss auf dessen Rechtsnatur nimmt, sondern lediglich die Vermutung der paritätischen Aufteilung der Haftung entfallen lässt.443 Darüber hinaus ist es aber auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht überzeugender, die Rechtsnatur des vertraglich begründeten Rückgriffsanspruchs nicht auf die verfahrensrechtliche Qualifikation des Ausgleichsanspruchs nach § 426 Abs. 1 BGB abfärben zu lassen, auch wenn dies im Ergebnis zu einer Konzen tration der Gerichtsstände führen würde und insoweit zunächst einmal attraktiv erschiene. 441 So im Ergebnis wohl Thoma, Der internationale Regress, S. 219 f., jedoch ohne nähere Begründung. 442 BGH, NJW-RR 2010, 831, 832; Gebauer, in: Soergel, BGB, § 426 Rdnr. 12; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, BGB, § 426 Rdnr. 1; Looschelders, in: Staudinger, BGB, § 426 Rdnr. 6; Stürner, in: Jauernig, BGB, § 426 Rdnr. 17. 443 MünchKomm-Bydlinski, BGB, § 426 Rdnr. 26; Esser/Schmidt, Schuldrecht Band I, § 39, S. 350. A. A. wohl aber Hoffmann, AcP 211 (2011), 703, 718: § 426 Abs. 1 BGB erfahre eine autonome Legitimation. Die Rechtfertigung, wie sich daneben eine zusätzliche gesetzliche Zwangsausgleichspflicht ergeben solle, bliebe im Dunkeln. Die gesetzliche Regelung des § 426 Abs. 1 BGB erschöpfe sich in diesen Fällen darin, eine Vermutung für die Ausgleichspflicht aufzustellen. Ebenso, zumindest im Hinblick auf die Vermutungsregelung, Meier, Gesamtschulden, S. 365 f.
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Denn auch wenn sich die Gesamtschuldner privatautonom auf einen vertraglichen Rückgriffsanspruch geeinigt haben und für diesen Anspruch eine vertragliche Qualifikation und die Zuordnung zum Vertragsgerichtsstand zu erfolgen hat, ist die Folge hiervon nicht, dass auch die nicht als vertraglich zu qualifizierenden Ansprüche an den Vertragsgerichtsstand gezogen werden. Das würde nämlich zugleich bedeuten, dass die an sich bestehende Qualifikation und der damit verbundene Gerichtsstand durch die Vereinbarung der Parteien über einen weiteren Anspruch entfallen könnten. An eine entsprechende Gerichtsstandsvereinbarung, die in der Folge auch die sonstigen bestehenden Gerichtsstände im Zweifel derogieren würde, wären ja aber weitaus strengere Anforderungen zu stellen. Die Parteien müssten sich über die Gerichtsstandsvereinbarung einigen und das Schriftformerfordernis nach Art. 25 Abs. 1 Satz 3 EuGVVO wahren. Hinzu kommt, dass der vertraglich begründete Ausgleichsanspruch die von Gesetzes wegen in § 426 Abs. 1 BGB vorgesehene Ausgleichspflicht lediglich wiederholt und insoweit keine neue Pflicht begründet wird. Parallelen bestehen daher zu den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungserklärungen. Die Abgabe einer vertraglichen Unterlassungserklärung, oftmals in Kombination mit der Vereinbarung einer Vertragsstrafe444, ist in diesen Fällen nicht unüblich. Auch hier wiederholt die vertragliche Unterlassungserklärung im Grunde lediglich die gesetzliche Verpflichtung, das wettbewerbswidrige Verhalten zu unterlassen445 und tritt neben sie. Dabei ist man überwiegend der Meinung, für Streitigkeiten aus der vertraglichen Unterlassungserklärung sei der Vertragsgerichtsstand einschlägig.446 Allerdings werden an der vertraglichen Qualifikation auch Zweifel erhoben, da man sich mit der vertraglichen Unterlassungserklärung lediglich zu etwas verpflichte, zu dem man schon gesetzlich verpflichtet sei.447 Soweit ersichtlich wird in diesen Fällen also allenfalls ein Abfärben des gesetzlich vorgesehenen und als deliktisch zu qualifizierenden Unterlassungsanspruchs auf den zusätzlich vertraglich begründeten Unterlassungsanspruch in Betracht gezogen, nicht aber umgekehrt ein Durchschlagen des vertraglichen Anspruchs auf den deliktischen. Im Ergebnis kann aber auch ein solches Abfärben nicht überzeugen, da ansonsten ausgeblendet werden würde, dass die Ver-
444 Vgl. hierzu z. B. KG, IPrax 2015, 90 ff. Zum Gerichtsstand der Klage aus der vertraglich begründeten Unterlassungspflicht musste das Kammergericht aber keine Stellung nehmen, da die Streitigkeiten hierüber von den Parteien als erledigt erklärt worden sind. 445 Thole, IPRax 2015, 65, 67. 446 Lindacher, in: FS Kerameus (2009), S. 709, 712; Mankowski, WRP 2015, 554, 555. 447 Thole, IPRax 2015, 65, 67 f. Vgl. zu dieser Überlegung auch Lindacher, in: FS Kerameus (2009), S. 709, 714.
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pflichtung zwar die bereits gesetzlich bestehende Pflicht wiederholt, aber dennoch freiwillig eingegangen worden und daher klar vertraglicher Natur ist. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Brogsitter448, in der der EuGH deliktsrechtliche Pflichten dann als vertraglich eingestuft wissen will, wenn die Berücksichtigung des zwischen den Parteien bestehenden Vertrages für die Entscheidung über die Klage zwingend erforderlich erscheint. Denn der zwischen den Gesamtschuldnern vertraglich begründete Rückgriffsanspruch muss nicht zwingend und stets berücksichtigt werden, um über den gesetzlich vorgesehenen Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB urteilen zu können. Die gesetzliche Ausgleichspflicht besteht ja gerade unabhängig von einer vertraglich begründeten Verpflichtung. Dass die Parteien durch ihre Vereinbarung zugleich auf die Ausgleichsquoten des Anspruchs aus § 426 Abs. 1 BGB Einfluss nehmen können, ändert hieran nichts und betrifft nur den Umfang des Ausgleichs. Der Anspruch wird dadurch gerade nicht hinsichtlich seiner Rechtsnatur modifiziert. Besonders deutlich wird dies im Übrigen bei § 426 Abs. 2 BGB. Es erscheint nicht überzeugend, wenn man annehmen wollte, dass der übergeleitete deliktische Anspruch nur deshalb zu einem vertraglichen wird, weil die Parteien neben § 426 BGB noch eine zusätzliche Abrede über die Ausgleichspflicht getroffen haben.
III. Ergebnis Für die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs bleibt es unbeachtlich, ob die Parteien daneben noch einen Ausgleichsanspruch rechtsgeschäftlich begründet haben. Die vertragliche Natur des rechtsgeschäftlich begründeten Ausgleichsanspruchs hat auf die sich aus der abgeleiteten Qualifikation ergebende verfahrensrechtliche Einordnung des originären Ausgleichsanspruchs keinen Einfluss.
E. Anknüpfungsmomente der besonderen Gerichtsstände Nachdem herausgearbeitet wurde, dass die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs anhand einer Ableitung aus der Haftungsgrundlage des Außenverhältnisses des in Rückgriff zu nehmenden Gesamtschuldners zu erfolgen hat, befasst sich der folgende Abschnitt mit der Frage, wie sich die Anknüpfungsmomente des Art. 7 Nr. 1 und Nr. 2 EuGVVO für den originären Aus448 EuGH, Urteil v. 13.03.2014, Rs. C-548/12 (Marc Brogsitter ./. Karsten Fräßdorf ), ECLI:EU:C:2014:148. Vgl. zu diesem Urteil auch Teil 3 § 4: B.
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Teil 3: Die eigenständige Rückgriffsklage
gleichsanspruch ausgestalten, das heißt, wie der Erfüllungsort bzw. der Ort des ursächlichen Geschehens bei einer Klage aus originärem Ausgleichsanspruch zu bestimmen ist. Ausgehend von der abgeleiteten Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs liegt es in der Folge nahe, auch den Erfüllungsort bzw. den Ort des ursächlichen Geschehens aus dem Außenverhältnis abzuleiten. Für den Erfüllungsort bzw. den Ort des ursächlichen Geschehens des originären Ausgleichsanspruchs wäre sodann derjenige Erfüllungsort bzw. Ort des ursächlichen Geschehens maßgeblich, der auch der Klage des Gläubigers gegen den nun in Rückgriff zu nehmenden Gesamtschuldner zu Grunde zu legen wäre. Der Erfüllungsort bzw. der Ort des ursächlichen Geschehens für die Klage aus originärem Ausgleichsanspruch würde in methodischer Hinsicht von dem Erfüllungsort bzw. Ort des ursächlichen Geschehens aus dem Außenverhältnis für den Rückgriff im Innenverhältnis abgeleitet (abgeleiteter Erfüllungsort bzw. abgeleiteter Ort des ursächlichen Geschehens).
I. Der Erfüllungsort des Art. 7 Nr. 1 EuGVVO 1. Das gespaltene Konzept des Erfüllungsorts beim Vertragsgerichtsstand Dem Vertragsgerichtsstand liegt der Erfüllungsort als einheitliches Anknüpfungsmoment zugrunde. Zur Bestimmung des Erfüllungsortes verfolgt Art. 7 Nr. 1 EuGVVO ein gespaltenes Konzept. In lit. b) wird der Erfüllungsort für die Vertragstypen des Verkaufs beweglicher Sachen und die Erbringung von Dienstleistungen autonom und anhand faktischer Kriterien bestimmt. Im Rahmen des Art. 7 Nr. 1 lit. a) EuGVVO wird der Erfüllungsort hingegen normativ und in Abhängigkeit der lex causae ermittelt. a) Normative Bestimmung des Erfüllungsortes bei Art. 7 Nr. 1 lit. a) EuGVVO Art. 7 Nr. 1 lit. a) EuGVVO wird weiterhin maßgeblich durch die Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Tessili449 und de Bloos450 geprägt. Nach der Tessili-Doktrin ist zur Bestimmung des Erfüllungsortes auf die nach dem Internationalen Privatrecht des Forums berufene lex causae zurück zu greifen. Der materiell-rechtliche Erfüllungsort gibt somit zugleich den prozessualen Erfüllungsort vor. Nach der de Bloos-Doktrin ist zur Ermittlung des Erfüllungsortes auf diejenige Verpflichtung abzustellen, die den Gegenstand der Klage bildet.451 EuGH, Urteil v. 06.10.1976, Rs. 12/76 (Tessili ./. Dunlop AG), Slg. 1976, 1473. EuGH, Urteil v. 06.10.1976, Rs. 14/76 (de Bloos ./. Bouyer), Slg. 1976, 1497. 451 EuGH, Urteil v. 06.10.1976, Rs. 14/76 (de Bloos ./. Bouyer), Slg. 1976, 1497, Rdnr. 9/12. 449 450
§ 3: Der originäre Ausgleichsanspruch
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Es ist „folglich diejenige Verpflichtung heranzuziehen, die dem vertraglichen Anspruch entspricht, auf den der Kläger seine Klage stützt“.452 Bei einer Schadensersatzklage ist daher nicht die Schadensersatzpflicht die maßgebliche Verpflichtung i. S. d. Art. 7 Nr. 1 lit. a) EuGVVO, sondern diejenige vertragliche Verpflichtung, deren Nicht- oder Schlechterfüllung zur Begründung des Klagebegehrens behauptet wird. Indem als maßgeblicher Erfüllungsort auf den der streitigen und nicht auf den Ort der vertragscharakteristischen Leistung abgestellt wird, kann der Erfüllungsort der Primärpflicht der einen Vertragspartei an einem anderen Ort belegen sein als der Erfüllungsort der Primärpflicht der anderen Vertragspartei. Ein einheitlicher Gerichsstand für sämtliche aus dem Vertrag entstehende Rechtsstreitigkeiten ist unter Anwendung des Art. 7 Nr. 1 lit. a) EuGVVO und der sie prägenden Tessili- und de Bloos-Doktrin nicht gewährleistet.453 b) Autonome Erfüllungsortbestimmung bei Art. 7 Nr. 1 lit. b) EuGVVO Mit der Überführung des EuGVÜ in die EuGVVO wurde in Art. 5 Nr. 1 lit. b) EuGVVO a. F. für die Vertragstypen des Warenverkaufs und der Dienstleistungserbringung eine autonome Bestimmung des Erfüllungsortes aufgenommen.454 Der Erfüllungsort ist nunmehr nicht mehr normativ, sondern rein faktisch zu bestimmen.455 Für den Verkauf beweglicher Sachen wird der Erfüllungsort an dem Ort situiert, an dem die Sache nach dem Vertrag geliefert worden ist oder hätte geliefert werden müssen. Für die Erbringung von Dienstleistungen gilt der Ort als Erfüllungsort, an dem die Dienstleistung nach dem EuGH, Urteil v. 06.10.1976, Rs. 14/76 (de Bloos ./. Bouyer), Slg. 1976, 1497, Rdnr. 13/14. Die hierdurch verbundene Zersplitterung des Vertragsgerichtsstandes gab bereits unter der Geltung des EuGVÜ aber auch der EuGVVO a. F. immer wieder Anlass zur Kritik. Vgl. nur Droz, Recueil Dalloz 1997, 351, 355 f.; Hau, IPRax 2000, 354, 360; Jayme, IPRax 1995, 13, 14; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 23 ff.; Schack, Erfüllungsort, Rdnr. 329 ff.; ders., ZEuP 1995, 659, 660 f. Daneben wurde auch der erforderliche Rückgriff auf die lex causae kritisiert, da er die Zuständigkeitsprüfung in unnötiger Weise belaste und das Ziel, die Gerichtsstände zu vereinheitlichen, gefährde. Dieser Kritikpunkt ist mit Geltung und Vereinheitlichung des Kollisionsrechts für vertragliche Schuldverhältnisse (Rom I-VO) insoweit abgemildert, als das Vertragsstatut nun einheitlich bestimmt wird. Die anderen Kritikpunkte bleiben aber weiter bedeutsam. 454 Ausschlaggebend hierfür war unter anderem auch die anhaltende Kritik an der normativen Bestimmung des Erfüllungsortes (vgl. nur Droz, Recueil Dalloz 1997, 351, 355 f.; Hau, IPRax 2000, 354, 360; Jayme, IPRax 1995, 13, 14; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 23 ff.; Schack, Erfüllungsort, Rdnr. 329 ff.; ders., ZEuP 1995, 659, 660 f.). Siehe auch KOM (1999) 348 endg., S. 15. 455 Kritisch allerdings zu der Möglichkeit und Praktikabilität der Bestimmung des Erfüllungsortes nach rein faktischen Kriterien: Gsell, IPRax 2002, 484, 486 f. 452 453
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Teil 3: Die eigenständige Rückgriffsklage
Vertrag erbracht worden ist oder hätte erbracht werden müssen. Indem Art. 7 Nr. 1 lit. b) EuGVVO die vertragscharakteristische Leistung zum Ausgang der Bestimmung des Erfüllungsortes nimmt, kommt es zu einer Konzentration aller aus dem Vertrag entspringenden Streitigkeiten an ein und demselben Gericht. Für alle anderen Vertragstypen bleibt es bei der Bestimmung des Erfüllungsortes der konkret streitigen Verpflichtung durch Rückgriff auf die lex causae, Art. 7 Abs. 1 lit. c) EuGVVO. Es finden weiterhin die Grundsätze der Tessiliund de Bloos-Rechtsprechung Anwendung.456 Der Erfüllungsort ist auch dann nach Art. 7 Nr. 1 lit. a) EuGVVO zu bestimmen, wenn der autonom bestimmte Erfüllungsort in einem Drittstaat belegen ist.457 2. Der Erfüllungsort für den originären Ausgleichsanspruch Wie soeben aufgegriffen, liegt es nahe, aus der abgeleiteten Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs gleichsam auch auf eine Ableitung des maßgeblichen Erfüllungsortes zu schließen. Bedeutsam ist die (vertragliche) Haftung des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners im Außenverhältnis zum Gläubiger damit nicht nur für die vertragliche Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs, sondern auch für die Bestimmung des Erfüllungsortes. Diese Art der Bestimmung des Erfüllungsortes ist nicht nur die logische Konsequenz der abgeleiteten Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs, sondern ist auch vorzugswürdig gegenüber der Möglichkeit, die Bestimmung des Erfüllungsortes des originären Ausgleichsanspruchs eigenständig, d. h. ohne Rückgriff auf das Außenverhältnis vorzunehmen (eigenständiger Erfüllungsort). a) Schwierigkeiten bei der Ermittlung eines eigenständigen Erfüllungsortes aa) Die Suche nach der konkret streitigen Verpflichtung bei Geltendmachung des originären Ausgleichsanspruchs Will man den Erfüllungsort für den originären Ausgleichsanspruch eigenständig und unabhängig von der im Außenverhältnis bestehenden Haftungsgrundlage des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners ermitteln, kann mangels Vorlie456 Bestätigt durch EuGH, Urteil v. 23.04.2009, Rs. C-533/07 (Falco Privatstiftung ./. Weller-Lindhorst), Slg. 2009, I-3327, Rdnr. 16. Schack, IZVR, Rdnr. 303 kritisiert die Beibehaltung der Tessili- und de Bloos-Rechtsprechung in lit. a) als „halbherzige Lösung“. 457 So auch schon die Begründung des Kommissionsentwurfes, KOM (1999) 348 endg., S. 15. Vgl. auch OLG Frankfurt a. M., RIW 2004, 864, 865; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, A. 1. – Art. 5 EuGVVO Rdnr. 93; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 52 wenn auch mit rechtspolitischer Kritik; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 93; Mankowski, RIW 2005, 561, 567; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 47.
§ 3: Der originäre Ausgleichsanspruch
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gens eines Kauf- oder Dienstleistungsvertrages lediglich auf Art. 7 Nr. 1 lit. a) EuGVVO zurückgegriffen werden. Für die Bestimmung des Erfüllungsortes müsste auf die Tessili- und de Bloos-Doktrin zurückgegriffen werden. In einem ersten Schritt wäre, der de Bloos-Doktrin folgend, nach der konkret streitigen Verpflichtung des Rechtsstreits über den originären Ausgleichsanspruch zu fragen. Hier treten jedoch bereits die ersten Schwierigkeiten auf. Gegenstand des Gesamtschuldnerrückgriffs und damit auch des originären Ausgleichsanspruchs ist die gerechte Lastenverteilung zwischen den Gesamtschuldnern. Der Gesamtschuldnerrückgriff richtet sich somit wohl stets auf einen Zahlungsanspruch. Daher läge es auf den ersten Blick nahe, auf diese Zahlungsverpflichtung als die konkret streitige Verpflichtung abzustellen. Allerdings stellte der EuGH im Rahmen der de Bloos-Doktrin zugleich fest, dass bei Sekundäransprüchen die primäre Hauptleistungspflicht, deren Nichterfüllung geltend gemacht wird, zur Bestimmung des Erfüllungsortes heranzuziehen ist.458 Im Rahmen des Gesamtschuldnerrückgriffs aus originärem Ausgleichsanspruch könnte man daher auch erwägen, die Zahlungsverpflichtung als bloße Sekundärpflicht zu begreifen. Maßgebliche primäre Hauptleistungspflicht wäre sodann die im Außenverhältnis bestehende Verpflichtung des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners. Denn im Grunde ist es deren Nichterfüllung (im Außenverhältnis), auf die sich der Ausgleichsanspruch stützt. Dem Gedanken der Fortführung der Haftung aus dem Außenverhältnis im Innenverhältnis wäre daher auch für die Ermittlung der konkret streitigen Verpflichtung Rechnung zu tragen. Dieses Verständnis von Hauptleistungs- und Sekundärpflicht im Rahmen des originären Gesamtschuldnerausgleichs würde der de Bloos-Doktrin ein gewisses Maß an Flexibilität abverlangen. Üblicherweise besteht sowohl die Hauptleistungs- als auch die Sekundärverpflichtung gegenüber ein und derselben Person. Dies wäre indes beim Gesamtschuldnerrückgriff nicht der Fall, da die Sekundärpflicht, die Verpflichtung zum Ausgleich, gegenüber dem leistenden Gesamtschuldner besteht, die nicht erfüllte Hauptleistungspflicht allerdings dem Außenverhältnis entnommen werden müsste und daher nur gegenüber dem Gläubiger zu erfüllen wäre. Zudem könnte das Verständnis der im Außenverhältnis bestehenden Verpflichtung als die für den Gesamtschuldnerrückgriff konkret streitige Verpflichtung dazu führen, dass der Erfüllungsort normativ nach Art. 7 Nr. 1 lit. a) EuGVVO zu bestimmen wäre, obwohl die im Außenverhältnis bestehende Verpflichtung, die hier als die konkret streitige Verpflichtung zu begreifen wäre, an sich einer autonomen Bestimmung des Erfüllungsortes zugänglich wäre, wenn 458
EuGH, Urteil v. 06.10.1976, Rs. 14/76 (de Bloos ./. Bouyer), Slg. 1976, 1497, Rdnr. 13/14.
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Teil 3: Die eigenständige Rückgriffsklage
es sich dabei um einen Warenkaufvertrag oder eine Dienstleistung i. S. d. lit. b) handelt. Auch wenn es dem System des Vertragsgerichtsstandes nicht gänzlich fremd ist, auch für Kauf- oder Dienstleistungsverträge den Erfüllungsort über die Verweisung in lit. c) normativ zu bestimmen, mutet dieses Ergebnis für den originären Ausgleichsanspruch doch befremdlich an. Vielmehr zeigen diese Überlegungen abermals, dass man das Außenverhältnis des in Rückgriff zu nehmenden Gesamtschuldners bei der Bestimmung des Erfüllungsortes nicht ausblenden kann. Dann wäre es aber sinnvoller, dem Außenverhältnis und seiner Bedeutung für den Rückgriff bereits dadurch gerecht zu werden, dass man auch den Erfüllungsort aus dem Außenverhältnis ableitet. bb) Maßgebliche lex causae im Rahmen des Art. 7 Nr. 1 lit. a) EuGVVO für den originären Ausgleichsanspruch Neben den soeben angesprochenen Schwierigkeiten, die konkret streitige Verpflichtung zu ermitteln, stellt sich bei der eigenständigen Ermittlung des Erfüllungsortes für den originären Ausgleichsanspruch ein weiteres Problem. Um im zweiten Schritt nach der Tessili-Doktrin einen normativen Erfüllungsort zu bestimmen, müsste zunächst die maßgebliche lex causae ermittelt werden. Ausgehend von der vertraglichen Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs läge der Gedanke nahe, den Erfüllungsort dem Vertragsstatut nach Art. 4 Rom I-VO zu entnehmen. Da der originäre Ausgleichsanspruch keinem Vertragstyp nach Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO zugeordnet werden kann,459 wäre das Vertragsstatut nach Abs. 2 zu bestimmen. Anzuknüpfen wäre sodann an den gewöhnlichen Aufenthalt der die (vertrags-)charakteristische Leistung erbringenden Partei. Unklar ist aber, wer beim Gesamtschuldnerrückgriff aus originärem Ausgleichsanspruch die (vertrags-)charakteristische Leistung erbringt. Den rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner könnte man deshalb als die die charakteristische Leistung erbringende Partei betrachten, weil mit Blick auf das Innenverhältnis nur er eine Leistung erbringt, indem er den Ausgleich leistet. Es läge indes auch nicht fern, den leistenden Gesamtschuldner als diejenige Partei anzusehen, die die (vertrags-)charakteristische Leistung erbringt. Denn die Leistung des Gesamtschuldners im Außenverhältnis hat auch für den anderen Gesamtschuldner befreiende Wirkung, ihr kommt Gesamtwirkung zu. In der Folge wäre entweder das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes des rückgriffspflichtigen oder des leistenden Gesamtschuldner als maßgebliche lex causae zur Ermittlung des Erfüllungsortes heranzuziehen. Soweit man jedoch weder in der Person des leistenden noch in der des rückgriffsverpflichteten Gesamtschuld459 Auch die Annahme eines Dienstleistungsvertrags zwischen den Gesamtschuldner kommt nicht in Betracht.
§ 3: Der originäre Ausgleichsanspruch
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ners die Partei der (vertrags-)charakteristischen Leistung erblicken möchte, bleibt nur, das Vertragsstatut über die engste Verbindung nach Art. 4 Abs. 4 Rom I-VO zu ermitteln. Den hier aufgeworfenen Schwierigkeiten ließe sich jedoch aus dem Weg gehen, wenn man einen Schritt zurück geht und sich bewusst wird, dass zur Bestimmung des Erfüllungsortes nach Art. 7 Nr. 1 lit. a) EuGVVO nicht zwingend das Vertragsstatut nach Art. 4 Rom I-VO460, sondern eben nur die lex causae berufen werden muss. Das Statut, das über das Bestehen des Anspruchs entscheidet, soll über dessen Erfüllungsort bestimmen. Ausgehend von diesem Gedanken wäre die lex causae indes Art. 16 Rom I-VO bzw. Art. 20 Rom II-VO, als dem Statut, das über den Ausgleichsanspruch entscheidet, zu entnehmen. Jedoch können sich im Einzelfall insoweit auch Spannungen ergeben, wie sich insbesondere anhand eines gemischten Gesamtschuldverhältnisses veranschaulichen lässt. Nimmt der Gläubiger den deliktisch haftenden Gesamtschuldner in Anspruch und sucht dieser sodann gegen den vertraglich haftenden Gesamtschuldner Rückgriff, ist der originäre Ausgleichsanspruch nach der hier entwickelten abgeleiteten Qualifikation vertraglicher Natur und somit dem Vertragsgerichtsstand zuzuschlagen. Der gesonderte Erfüllungsort i. S. d. Art. 7 Nr. 1 lit. a) EuGVVO wäre sodann in Abhängigkeit der lex causae zu bestimmen. Zur Ermittlung der lex causae müsste auf Art. 20 Rom I-VO461 zurückgegriffen werden, der das Haftungsstatut des leistenden Gesamtschuldners und damit das Deliktsstatut beruft. Sodann hätte das materielle Sachrecht des Deliktsstatuts über den Erfüllungsort des vertraglich zu qualifizierenden Anspruchs zu entscheiden. Im Hinblick darauf, dass das Deliktsstatut in diesem Fall auch über den originären Ausgleichsanspruch herrscht, wäre dieses Ergebnis hinzunehmen, zeigt jedoch abermals die inhaltlichen Schwächen der gesonderten Bestimmung des Erfüllungsortes für den originären Ausgleichsanspruch auf. b) Vorteile eines abgeleiteten Erfüllungsortes Im Gegensatz dazu bringt die Ableitung des Erfüllungsortes aus dem Außenverhältnis des in Rückgriff zu nehmenden Gesamtschuldners weitere Vorteile mit sich. 460
Oder Art. 5 Rom I-VO. Soweit man als Abgrenzungsmerkmal der Anwendungsbereiche des Art. 16 Rom I-VO und Art. 20 Rom II-VO die Rechtsnatur der Haftungsgrundlage des leistenden Gesamtschuldners heranziehen will, vgl. Bach, in: Huber, Rome II Regulation, Art. 20 Rom Rdnr. 5; Freitag, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 15, 16 Rom I-VO Rdnr. 28; Picht, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 20 Rom II-VO Rdnr. 18; Kühn, Gestörte Gesamtschuld, S. 224; Limbach, in: NK, BGB, 20 Rom II-VO Rdnr. 4. 461
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Teil 3: Die eigenständige Rückgriffsklage
aa) Die Sach- und Beweisnähe des Forums Zum einen wird durch die Ableitung des Erfüllungsortes ein möglichst sachund beweisnahes Forum für die Klage aus originärem Ausgleichsanspruch angerufen werden. Wie an anderer Stelle schon ausgeführt wurde, kommt zwar beiden Verbindlichkeiten der Gesamtschuldner für die Sach- und Beweisnähe des orginären Ausgleichsanspruchs eine Bedeutung zu.462 Für die Bestimmung des maßgeblichen Erfüllungsortes müssen aber nicht die beiden Verbindlichkeiten aus dem Außenverhältnis, sondern der gesonderte und der abgeleitete Erfüllungsort gegenübergestellt werden. Vergleicht man diese beiden Möglichkeiten, so zeigt sich schnell, dass der abgeleitete Erfüllungsort im Gegensatz zur Bestimmung eines eigenständigen Erfüllungsortes, der zumeist entweder am Kläger- oder Beklagtenwohnsitz zu situieren wäre, das sach- und beweisnähere Forum beruft. bb) Der Gleichlauf der Zuständigkeiten für die Rückgriffsklagen Zum anderen werden über einen abgeleiteten Erfüllungsort die Klagen aus originärem Ausgleichsanspruch und aus der übergeleiteten Gläubigerforderung an demselben Gerichtsstand konzentriert.463 Es kommt zu einem Gleichlauf der Zuständigkeiten. Vorteile ergeben sich dadurch nicht nur für den rückgriffssuchenden Gesamtschuldner, der seine Klage ggfs. auf beide Anspruchsgrundlagen stützen kann, sondern auch für den rückgriffsverpflichteten Gesamtschuldner. Für ihn bleibt der Gerichtsstand vorhersehbar. An diesem Gerichtsstand wird über beide mögliche Rückgriffsansprüche umfassend entschieden. c) Ergebnis Der im Außenverhältnis zwischen dem rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner und dem Gläubiger bestehenden Verbindlichkeit kommt somit nicht nur Bedeutung für die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs zu. Sie wirkt auch im Anknüpfungsmoment des Erfüllungsortes fort.464 Für die Klage aus originärem Ausgleichsanspruch ist ein abgeleiteter Erfüllungsort zu bestimmen. Abgeleitet wird der Erfüllungsort von der im Außenverhältnis bestehenden Verbindlichkeit des zum Rückgriff herangezogenen Gesamtschuldners zum Gläubiger.
462
Vgl. Teil 3 § 3: C. III. 1 b). Im Ergebnis ebenso Thoma, Der internationale Regress, S. 238. 464 So nun auch EuGH, Urteil v. 15.06.2017, Rs. C-249/16 (Saale Kareda ./. Stefan Benkö), ECLI:EU:C:2017:472 Rdnr. 43. Zustimmend Mankowski, EWiR 2017, 577. 463
§ 3: Der originäre Ausgleichsanspruch
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In diesem Sinne fügt sich die Bestimmung des Erfüllungsortes für die Klage aus originärem Ausgleichsanspruch dann auch in die Systematik des Art. 7 Nr. 1 EuGVVO ein. Soweit die im Außenverhältnis bestehende Verbindlichkeit des Gesamtschuldners, der zum Ausgleich herangezogen wird, den Verkauf beweglicher Sachen oder die Erbrinung einer Dienstleistung zum Gegenstand hatte, ist der Erfüllungsort des originären Ausgleichsanspruch autonom zu bestimmen und am Ort der Lieferung der Sache oder Erbringung der Dienstleistung zu lokalisieren. In allen übrigen Fällen bestimmt sich der Erfüllungsort nach Art. 7 Nr. 1 lit. a) EuGVVO normativ und in Abgängigkeit der lex causae des Außenverhältnisses.
II. Der Ort des schädigenden Ereignisses im Sinne des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO Im Rahmen des Deliktsgerichtsstandes wird noch deutlicher, dass das maßgebliche Anknüpfungsmoment, der Ort des ursächlichen Geschehens i. S. d. Art. 7 Nr. 2 EuGVVO, ebenfalls aus dem Außenverhältnis des in Rückgriff zu nehmenden Gesamtschuldners abzuleiten ist.465 Bevor sich der folgende Abschnitt diesem Aspekt widmet, sollen auch hier kurze Ausführungen zum Anknüpfungsmoment des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO erfolgen. 1. Der Ort des schädigenden Ereignisses als Anknüpfungsmoment des Deliktsgerichtsstandes Zur Lokalisierung des Gerichts bedient sich der Deliktsgerichtsstand des Ortes des schädigenden Ereignisses ( forum delicti commissi). Der autonom auszulegende Begriff „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“ erfasst dem Ubiquitätsprinzip folgend sowohl den Handlungs(Ort des ursächlichen Geschehens) als auch den Erfolgsort (Ort, an dem der (Primär-)Schaden eingetreten ist).466 Bei Distanzdelikten wird dem Kläger inIm Ergebnis ebenso Mankowski, EWiR 2017, 577. Seit EuGH, Urteil v. 30.11.1976, Rs. 21/76 (Handelskwekerij G. J. Bier BV ./. Mines de potasse d’Alsace SA), Slg. 1976, 1735, Rdnr. 15/19 ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. nur EuGH, Urteil v. 27.10.1998, Rs. C-51/97 (Réunion européene SA u. a. ./. Spliethoff’s Be vrachtingskantoot BV, Kapitän des Schiffes „Alblasgracht V002“), Slg. 1998, I-6534, Rdnr. 28; EuGH, Urteil v. 10.06.2004, Rs. C-168/02 (Rudolf Kronhofer ./. Marianne Maier u. a.), Slg. 2004, I-6009, Rdnr. 16; EuGH, Urteil v. 18.07.2013, Rs. C-147/12 (ÖFAB ./. Koot), ECLI:EU:C:2013:490, Rdnr. 51. Zur Maßgeblichkeit des Primärschadens für die Bestimmung des Erfolgsortes vgl. nur. EuGH, Urteil v. 07.03.1995, Rs. C-68/93 (Fiona Shevill u. a. ./. Presse Alliance SA), Slg. 1995, I-415, Rdnr. 24; EuGH, Urteil v. 19.09.1995, Rs. C-364/93 (Antonio Mariani ./. Lloyds Bank plc u. a.), Slg. 1995, I-2719, Rdnr. 17, 19 f.; Kropholler/von 465
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Teil 3: Die eigenständige Rückgriffsklage
nerhalb des Deliktsgerichtsstandes somit ein Wahlrecht zwischen dem Handlungs- und Erfolgsort eingeräumt. 2. Zusammenhang zwischen Anknüpfungsgegenstand und Anknüpfungsmoment Wollte man für den originären Ausgleichsanspruch unabhängig von der im Außenverhältnis bestehenden Haftungsgrundlagen des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners einen gesonderten Handlungs- und Erfolgsort bestimmen, müsste zunächst die „tatbestandsmäßige“ Handlung unter den Gesamtschuldnern identifiziert werden. Eine solche lässt sich jedoch allein dem Innenverhältnis der Gesamtschuldner nicht entnehmen. In ihrem Verhältnis fehlt es bereits an einer vorwerfbaren deliktischen Handlung, die dem rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner vorgeworfen werden könnte. Weder die Nichtleistung an den Gläubiger noch die Inanspruchnahme durch den Gläubiger ist eine irgendwie gerartete unerlaubte Handlung des einen Gesamtschuldners gegenüber dem anderen. Ungeachtet der Frage nach einer möglichen Zurechnung dieser Handlung gegenüber dem rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner467 kann insbesondere die Inanspruchnahme durch den Gläubiger nicht als tatbestandsmäßge Handlung betrachtet werden. Der vom Gesetz vorgesehenen Möglichkeit des Gläubigers, jeden einzelnen Gesamtschuldner auf die ganze Leistung in Anspruch nehmen zu können, fehlt es, wie bereits an anderer Stelle ausgeführt,468 schon an dem Charakter einer unerlaubten Handlung. a) Schwierigkeiten einer eigenständigen Bestimmung des Ortes des schädigenden Ereignisses Davon abgesehen bereitet die eigenständige Bestimmung des Ortes des ursächlichen Geschehens i.R.d. Art. 7 Nr. 2 EuGVVO ähnliche Schwierigkeiten wie jene des Erfüllungsorts beim Vertragsgerichtsstand. Will man die im Außenverhältnis des rückgriffsverpflichteten Gesamtschuldners bestehende deliktische Grundlage ausblenden, bliebe nur die Möglichkeit, auf die Zahlung bzw. Inanspruchnahme des leistenden Gesamtschuldners oder die Nichtleistung des nun Hein, EuZPR, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 83d; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 156. 467 Innerhalb des Deliktsgerichtsstandes steht insbesondere der EuGH selbst der Zurechnung von Handlungsbeiträgen unter Tätern und Teilnehmern sehr kritisch gegenüber, EuGH, Urteil v. 16.05.2013, Rs. C-228/11 (Melzer ./. MS Global UK Ltd.), ECLI:EU:C:2013:305 mit zustimmender Anmerkung Müller, NJW 2013, 2100, 2101 f. Kritisch hierzu: von Hein, IPRax 2013, 505, 507 ff.; Thole, in: FS Schilken (2015), S. 523, 530 ff.; Wagner R., EuZW 2013, 544, 546 ff. 468 Vgl. Teil 3 § 3: B. I. 1. b) bb).
§ 3: Der originäre Ausgleichsanspruch
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in Rückgriff genommenen Gesamtschuldners abzustellen, um einen möglichen eigenständigen Handlungs- und Erfolgsort für den originären Ausgleichsanspruch zu ermitteln. Zunächst könnte man erwägen, an die Nichtleistung des nun in Rückgriff genommenen Gesamtschuldners anzuknüpfen. Da die Nichtleistung ein Unterlassen darstellt, müsste im Hinblick auf die Bestimmung des Ortes des ursächlichen Geschehens sodann gefragt werden, an welchem Ort die erforderliche Handlung hätte vorgenommen werden müssen.469 Angeknüpft werden müsste also daran, dass der rückgriffspflichtige Gesamtschuldner seine (deliktische) Verbindlichkeit im Außenverhältnis nicht erfüllt habe. Der Handlungsort wäre dort belegen, wo der rückgriffspflichtige Gesamtschuldner gegenüber dem Gläubiger zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Zugleich tritt dann aber die Frage auf, ob eine Leistungsverpflichtung gegenüber dem Gläubiger im Außenverhältnis eine ausreichende Grundlage für die normative Bestimmung des Handlungsortes darstellt. Denn die Prämisse, dass eigenständig angeknüpft werden soll, wird mit der Berücksichtigung des Außenverhältnisses gleich wieder aufgegeben. Letztlich bleibt es bei dem Grundproblem: Mangels einer „tatbestandsmäßigen“ Handlung lässt sich kein Handlungsort für den originären Ausgleichsanspruch kreieren. Der Ort des ursächlichen Geschehens ist mit dem Anknüpfungsgegenstand der unerlaubten oder einer ihr gleichgestellten Handlung verbunden und auf ihn bezogen. Aus diesem Grund kann für die Bestimmung des Handlungsortes auch nicht darauf rekurriert werden, dass der leistende Gesamtschuldner im Außenverhältnis vom Gläubiger auf die gesamte Leistung in Anspruch genommen worden ist. Mit dem Zusammenhang zwischen Anknüpfungsmoment und Anknüpfungsgegenstand entfällt aber auch die Möglichkeit, zur Ermittlung eines eigenständigen Ortes des schädigenden Ereignisses für den originären Ausgleichsanspruch auf den Erfolgsort für den „Vermögensschaden“ des leistenden Gesamtschuldners abzustellen. Wenn weder in der Nichtleistung des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners noch in der Inanspruchnahme durch den Gläubiger eine tatbestandsmäßige Handlung erblickt werden kann, kann die Folge dieser Handlungen auch nicht als Vermögensschaden ausgemacht werden. Für diesen Schaden besteht insoweit auch kein Erfolgsort. Der Zusammenhang zwischen Handlung und Erfolgsort zeigt sich insbesondere auch daran, 469 LG Kiel, IPRax 2009, 164, 167; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, A.1. – Art. 5 EuGVVO Rdnr. 252; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 138; Mankowski, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 277; ten Wolde/Knot/Weller, in: unalex Kommentar Brüssel I-VO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 41; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 146.
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dass als maßgeblicher Erfolgsort nur der Ort der primären Rechtsgutsverletzung gilt.470 b) „Abgeleiteter“ Ort des schädigenden Ereignisses Für den Deliktsgerichtsstand ist damit eindeutig, dass die Bestimmung des Anknüpfungsmoments nur mittels Rückgriffs auf die im Außenverhältnis durch den rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner begangene unerlaubte Handlung, die auch als Grundlage der Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs dient, erfolgen kann.471 Die Ermittlung des Ortes des ursächlichen Geschehens kann nicht eigenständig erfolgen. Sie muss sich aus dem deliktischen Rechtsverhältnis des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners ableiten. Der originäre Ausgleichsanspruch kann daher vor den Gerichten geltend gemacht werden, die auch für eine Inanspruchnahme des Gesamtschuldners durch den Gläubiger zuständig gewesen wären. So bleibt der Gerichtsstand insbesondere auch für den in Rückgriff genommenen beklagten Gesamtschuldner vorhersehbar und bietet dem leistenden Gesamtschuldner die Möglichkeit, ein sach- und beweisnahes Forum anzurufen.
III. Ergebnis In den vorangegangenen Abschnitten konnte aufgezeigt werden, dass die Verbindlichkeit des in Rückgriff genommenen Gesamtschuldners Bedeutung nicht nur für die Qualifkation des originären Ausgleichsanspruchs erlangt, sondern auch bei der Bestimmung der Anknüpfungsmomente des Vertrags- und Deliktsgerichtsstandes fortwirkt. Haftet der in Rückgriff genommene Gesamtschuldner auf einer vertraglichen Grundlage, ist der Erfüllungsort des originären Ausgleichsanspruchs i. S. d. Art. 7 Nr. 1 EuGVVO mit demjenigen Erfüllungsort identisch, der für eine Klage aus dem Außenverhältnis gälte. Das Außenverhältnis gibt insoweit auch vor, ob der Erfüllungsort im Rahmen des Vertragsgerichtsstandes autonom (lit. b)) oder normativ (lit. a)) zu bestimmen ist. Für das Anknüpfungsmoment des Deliksgerichtsstandes, den Ort des schädigenden Ereignisses, gilt Entsprechendes. Der leistende Gesamtschuldner kann 470 Vgl. nur. EuGH, Urteil v. 07.03.1995, Rs. C-68/93 (Fiona Shevill u. a. ./. Presse Al liance SA), Slg. 1995, I-415, Rdnr. 24; EuGH, Urteil v. 19.09.1995, Rs. C-364/93 (Antonio Mariani ./. Lloyds Bank plc u. a.), Slg. 1995, I-2719, Rdnr. 17, 19 f.; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 83d; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 156. 471 Im Ergebnis ebenso, jedoch ohne nähere Begründung, Thoma, Der internationale Regress, S. 266.
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den anderen Gesamtschuldner, dessen Verbindlichkeit zum Gläubiger deliktischer Natur ist, an dem Ort des schädigenden Ereignisses des Außenverhältnisses verklagen. Als Ort des schädigenden Ereignisses gelten im Sinne des Ubiquitätsprinzips sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort. Fallen die beiden Orte auseinander, steht dem Kläger i.R.d. Art. 7 Nr. 2 EuGVVO die Wahl zwischen dem im Außenverhältnis maßgeblichen Handlungs- und Erfolgsort offen.
F. Die Bedeutung des Verbrauchergerichtsstandes für die Klage aus originärem Ausgleichsanspruch Nachdem der originäre Ausgleichsanspruch hinsichtlich seiner Zuordnung zum Vertrags- und Deliktsgerichtsstand erörtert wurde, muss im Folgenden noch eine besondere Konstellation gewürdigt werden. Die in der Arbeit vorgeschlagene Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs muss sich auch für solche Gesamtschuldverhältnisse bewähren, bei welchen im Außenverhältnis zwischem dem rückgriffsverpflichteten Gesamtschuldner und dem Gläubiger ein Schuldverhältnis besteht, das den besonderen Schutzbestimmungen des Verbrauchergerichtsstandes nach Art. 17 ff. EuGVVO unterfällt. Dabei drängt sich die Frage auf, ob der Verbrauchergerichtsstand, der auf das Rechtsverhältnis zwischen dem rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner und dem Gläubiger im Außeverhältnis anzuwenden ist, auch für die Rückgriffsklage des leistenden Gesamtschuldners beachtlich ist.472
I. Vorüberlegungen Abschnitt 4 der Verordnung und die darin enthaltenen Sondervorschriften bestimmen die Zuständigkeit für Verbrauchersachen. Die Vorschrift des Art. 17 Abs. 1 EuGVVO setzt zunächst voraus, dass es sich bei dem Gegenstand der Klage um einen Vertrag oder einen Anspruch aus einem Vertrag handelt. Die im 472 Zu kurz greift daher die Ausführung des EuGH, Urteil v. 15.06.2017, Rs. C-249/16 (Saale Kareda ./. Stefan Benkö), ECLI:EU:C:2017:472 Rdnr. 45, der Verbrauchergerichtsstand fände auf das Verhältnis zwischen zwei Verbrauchern keine Anwendung. Da der EuGH bei seiner Qualifikation des Gesamtschuldnerrückgriffs auf den im Außenverhältnis bestehenden Kreditvertrag, also das Schuldverhältnis zum Gläubiger, rekurriert und eine Trennung des Rechtsverhältnisses zwischen den Gesamtschuldnern von diesem Schuldverhältnis als künstlich betrachtet, kann man für die Frage der Anwendbarkeit des Verbrauchergerichtsstandes im Verhältnis zwischen den Gesamtschuldnern das im Außenverhältnis bestehende und ggfs. dem Verbrauchergerichtsstand unterliegende Schuldverhältnis zum Gläubiger nicht vollständig ausblenden.
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Außenverhältnis bestehende vertragliche Haftungsgrundlage des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners kann als Grundlage für eine vertragliche Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs herangezogen werden. Im Unterschied zu dem in Art. 7 Nr. 1 EuGVVO geregelten Vertragsgerichtsstand muss der Vertrag aber von einer Person zu einem Zweck geschlossen worden sein, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Vertragspartner des Verbrauchers muss ein Unternehmer sein. Die Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 17 ff. EuGVVO auf Verträge zwischen Verbrauchern und Unternehmern geht zwar nur für Art. 17 Abs. 1 lit. c) EuGVVO ausdrücklich aus dem Normtext hervor, erschließt sich aber für die übrigen Fallgruppen des Art. 17 Abs. 1 lit. a) und lit. c) EuGVVO aus dem Sinn und Zweck des Verbrauchergerichtsstandes.473 Verträge zwischen Privatpersonen werden vom Anwendungsbereich der Art. 17 ff. EuGVVO nicht erfasst. Allerdings erfasst der Verbrauchergerichtsstand auch nicht alle Verträge zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer. Art. 17 Abs. 1 EuGVVO beschränkt die Anwendbarkeit auf drei Fallgruppen. Erfasst werden die Vertragstypen des Teilzahlungskaufs (lit. a)) und des Finanzierungsgeschäfts (lit. b)). Für alle anderen Vertragstypen (lit. c)) muss als zusätzliche situative Voraussetzung hinzukommen, dass der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, ausübt oder auf diesen Mitgliedstaat ausrichtet. Der mit Art. 17 ff. EuGVVO intendierte Schutz knüpft also nicht nur an persönliche Eigenschaften des Vertragspartners als Verbraucher an, sondern auch an zusätzliche situationsbedingte Voraussetzungen. Fragt man sich nun also, ob sich der im Außenverhältnis für eine Klage des Gläubigers gegen den anderen Gesamtschuldner einschlägige Verbrauchergerichtsstand auch bei der Rückgriffsklage des leistenden Gesamtschuldners gegen den anderen Gesamtschuldner aufgrund des originären Ausgleichsanspruchs durchsetzt, kommt dem Schutzzweck des Verbrauchergerichtsstands entscheidende Bedeutung zu. Da die Privilegierungen des Verbrauchergerichtsstandes nicht dem geltend gemachten Anspruch an sich anhaften, sondern von 473 Zu Art. 13 EuGVÜ ohne nähere Begründung EuGH, Urteil v. 20.01.2005, Rs. C-27/02 (Petra Engler ./. Janus Versand GmbH), Slg. 2005, I-481, Rdnr. 34. Vgl. nur von Hoffmann/ Thorn, IPR, § 3 Rdnr. 236; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 15 EuGVVO Rdnr. 7; Staudinger, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Vorbem. Art. 17 ff. EuGVVO Rdnr. 2; Wagner, in: Stein/ Jonas, ZPO Art. 15 EuGVVO Rdnr. 25. Für eine teleologische Reduktion Schack, IZVR Rdnr. 319. Für die Ausgrenzung reiner Privatgeschäfte aus dem Anwendungsbereich des Verbrauchergerichtsstandes spricht auch der Auslegungszusammenhang zur Art. 6 Rom I VO. In dieser Vorschrift wird der Verbrauchervertrag als ein Vertrag definiert, den ein Verbraucher mit einem Unternehmer schließt.
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der Person des Klägers oder Beklagten und von situationsbedingten Voraussetzungen abhängig sind, muss im Folgenden untersucht werden, inwiefern die Bestimmung des Verbrauchergerichtsstandes auch jenseits der bereits behandelten Legalzession zwischen den Gesamtschuldnern Geltung beanspruchen kann.
II. Die Voraussetzungen des Verbrauchergerichtsstandes im Hinblick auf das Rückgriffsverhältnis Will man dazu die Voraussetzungen des Verbrauchergerichtsstandes auf das Rückgriffsverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern übertragen, müssen zwei Konstellationen unterschieden werden. Unterliegt das Rechtsverhältnis zwischen dem in Rückgriff zu nehmenden Gesamtschuldner und dem Gläubiger im Außenverhältnis den Vorschriften des Verbrauchergerichtsstandes, kann dem in Rückgriff zu nehmenden Gesamtschuldner bei diesem Rechtsverhältnis entweder die Rolle des Verbrauchers oder aber die Rolle des Unternehmers zufallen. 1. Rückgriffsverpflichtete Gesamtschuldner ist Verbraucher Ist der rückgriffspflichtige Gesamtschuldner die Verbraucherpartei, so müssen die Voraussetzungen des Verbrauchergerichtsstandes auch für das Rückgriffsverhältnis beachtet werden. Folglich erlangt der Verbrauchergerichtsstand dann auch für das Rückgriffsverhältnis Bedeutung. Der leistende Gesamtschuldner kann den anderen Gesamtschuldner nur an dessen Wohnsitz gerichtspflichtig machen. Maßgeblich ist der Verbrauchergerichtsstand im Rückgriffsverhältnis deshalb, weil derjenige Gesamtschuldner, der in Rückgriff genommen wird, seine Haftung zum Gläubiger auf einer vertraglichen Grundlage begründet hat, für die in deren Rechtsverhältnis der Verbrauchergerichtsstand nach Art. 17 ff. EuGVVO einschlägig ist. Die Haftungsgrundlage dieses Gesamtschuldners ist aber zugleich auch die Grundlage des sich hieran anschließenden originären Ausgleichsanspruchs. Sodann darf der in Rückgriff zu nehmende Gesamtschuldner gegenüber dem Rückgriffsbegehren des leistenden Gesamtschuldners aber nicht schlechter gestellt werden, als er stünde, wenn er vom Gläubiger im Außenverhältnis in Anspruch genommen worden wäre. Unerheblich ist damit auch die Person des leistenden Gesamtschuldners als Rückgriffsgläubiger. Der Verbrauchergerichtsstand muss sich selbst dann fortsetzen, wenn der leistende Gesamtschuldner eine Privatperson ist, das Rückgriffsverhältnis zwischen den Gesamtschuldner also ein Rückgriff unter Privatpersonen darstellt. Auf die persönlichen Verhältnisse kommt es insoweit nur für die Begründung des Anspruchs an. Für den originären Ausgleichsanspruch, der
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funktional als Fortführung der Haftung aus dem Außenverhältnis des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners zu betrachten ist, liegt die Grundlage der Haftung des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners und damit zugleich die Begründung des originären Ausgleichsanspruchs somit in dem Rechtsverhältnis zwischen dem in Rückgriff genommen Gesamtschuldners und dem Gläubiger. Liegen in diesem Verhältnis die Voraussetzungen des Art. 17 EuGVVO vor, ist es geboten, den nun in Rückgriff zu nehmenden Gesamtschuldner als Verbraucher verfahrensrechtlich weiterhin gegenüber der Inanspruchnahme aus originärem Ausgleichsanspruch zu schützen. 2. Ursprüngliche Verbraucherpartei ist am Rückgriffsverhältnis nicht beteiligt Wenn soeben festgestellt werden konnte, dass für eine Rückgriffsklage aus originärem Ausgleichsanspruch der Verbrauchergerichtsstand einschlägig ist, wenn der rückgriffspflichtige Gesamtschuldner mit dem Gläubiger im Außenverhältnis ein Verbrauchervertrag i. S. d. Art. 17 EuGVVO geschlossen hat und ihm dabei die Rolle des Verbrauchers zukommt, stellt sich sodann die Frage, ob der Verbrauchergerichtsstand für die Rückgriffsklage auch dann Geltung beansprucht, wenn der rückgriffspflichtige Gesamtschuldner nicht der Verbraucher, sondern der Unternehmer im Vertragsverhältnis mit dem Gläubiger im Außenverhältnis war. Soweit die Anwendung des Verbrauchergerichtsstandes soeben insbesondere mit der Schutzwürdigkeit des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners begründet wurde, stellt sich für die nun zu untersuchende Konstellation das Problem, dass der rückgriffsverpflichtete Unternehmer des Verbrauchervertrages nicht als schutzwürdig betrachtet wird. Unter diesem Blickwinkel erscheint also die Anwendung des Verbrauchergerichtsstandes auf die Rückgriffsklage nicht angezeigt. Man könnte allenfalls überlegen, den Verbrauchergerichtsstand in denjenigen Fällen anzuwenden, in denen auch der leistende Gesamtschuldner „Verbraucher“ ist. Denkbar wäre eine solche Situation z. B. dann, wenn eine nicht gewerblich handelnde Privatperson einem Unternehmer eine Sache verkauft oder ihm ein Darlehen gewährt und eine andere Privatperson der Schuld des Unternehmers beitritt und bei ihm Rückgriff nehmen will, nachdem sie von dem Gläubiger auf die Kaufpreiszahlung bzw. Darlehensrückzahlung in Anspruch genommen wurde. Denn sodann ergäbe sich wiederum die für den Verbrauchergerichtsstand im Ausgangspunkt typische Konstellation, dass sich ein „Verbraucher“ und ein Unternehmer gegenüber stehen. Wie bereits im Zusammenhang mit der Klage aus der übergeleiteten Gläubigerforderung geklärt, wäre die „Verbrauchereigenschaft“ des leistenden Gesamtschuldners danach zu bestim-
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men, dass er das Rechtsverhältnis zum Gläubiger nicht in Ausübung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit eingegangen ist.474 Kann aber der Verbrauchergerichtsstand tatsächlich für das so beschriebene „Verbraucher-Unternehmer“-Rückgriffsverhältnis Geltung beanspruchen? Ausgehend von dem Schutzzweck des Verbrauchergerichtsstandes ist man zunächst geneigt, die Frage zu bejahen. Aber obwohl der leistende und nun rückgriffssuchende Gesamtschuldner durchaus schutzwürdig erscheinen mag, ist es im Ergebnis dennoch richtig, den Verbrauchergerichtsstand nicht auch auf dieses Rückgriffsverhältnis anzuwenden. Das liegt zum einen schon daran, dass sich der Verbrauchergerichtsstand eben nicht allein daraus legitimiert, dass sich ein Verbraucher und ein Unternehmer als Prozessparteien gegenüber stehen. Wie bereits im Zusammenhang mit der Klage aus übergeleitetem Recht ausführlich dargelegt wurde, greift der Schutzzweck des Verbrauchergerichtsstandes nur in den Fällen, in denen der den Verbrauchervertrag schließende Verbraucher selbst als Kläger oder Beklagter am Prozess beteiligt ist.475 Zum anderen hat die Herleitung der „Verbraucher eigenschaft“ des leistenden Gesamtschuldners gezeigt, wie weit sich die Verbrauchereigenschaft vom „Prototyp“ des Verbrauchers entfernt, wie ihn die Art. 17 ff. EuGVVO als schützenswert behandeln.
III. Ergebnis Innerhalb des Rückgriffsverhältnisses ist der Verbrauchergerichtsstand also nur dann einschlägig, wenn der rückgriffsverpflichtete Gesamtschuldner Verbraucher der Vertragsbeziehung des Außenverhältnisses war.
G. Die Auswirkungen einer im Außenverhältnis bestehenden Gerichtsstandsvereinbarung für den originären Ausgleichsanspruch Wird im Grundsatz für die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruch die im Außenverhältnis zwischen dem Rückgriffsschuldner und dem Gläubiger bestehende Haftungsgrundlage herangezogen, stellt sich zugleich die Frage, ob eine von ihnen getroffene Gerichtsstandsvereinbarung auch bei der Rückgriffsklage zu beachten ist und sie den Rückgriffsgläubiger im Hinblick auf seine 474
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Vgl. Teil 3 § 2: C. II. 2. Vgl. hierzu Teil 3 § 2: C. I.; II. 2. c) cc).
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Rückgriffsklage gegen den an der Gerichtsstandsvereinbarung beteiligten Gesamtschuldner bindet. Angesprochen ist damit das breite und zugleich schwierige Feld der Drittwirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen. Sollte die Gerichtsstandsvereinbarung nämlich im Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern wirken, bindet sie den leistenden Gesamtschuldner, der an ihrem Abschluss nicht beteiligt war und daher als Dritter zu betrachten ist.
I. Die Grundsätze des EuGH Art. 25 EuGVVO und die Verordnung insgesamt selbst schweigen zu der Frage der subjektiven Reichweite der Gerichtsstandsvereinbarung.476 Grundsätzlich gilt, wie bei allen Verträgen, dass einer Gerichtsstandsvereinbarung nur relative Wirkung zwischen den sie schließenden Parteien zukommt. Bereits an anderer Stelle wurde jedoch ausgeführt, dass eine Durchbrechung dieser Relativität z. B. für die Rechtsnachfolge durch Zession, aber auch für die Gesamtrechtsnachfolge anerkannt ist.477 Der Zessionar oder auch ein Erbe ist an eine zwischen seinem Rechtsvorgänger und einer anderen Person (wirksam) getroffenene Gerichtsstandsvereinbarung gebunden. Das Gleiche gilt, wie bereits oben festgestellt werden konnte,478 wenn der leistende Gesamtschuldner gegen den anderen Gesamtschuldner aus übergeleiteter Gläubigerforderung vorgeht. Die Drittwirkung von Gerichtsstandsvereinbarung ist also nicht gänzlich ausgeschlossen.
476 EuGH, Urteil v. 20.04.2016, Rs. C-366/13 (Profit Investment SIM SpA i.L. ./. Stefano Ossi u. a.), ECLI:EU:C:2016:282 Rdnr. 23; Bollé, Recueil Dalloz 2013, 1110, 1111; Gebauer, in: FS Martiny (2014), S. 325, 329. Als Ausnahme kann insoweit nur die in Art. 25 Abs. 3 EuGVVO aufgenommene Regelung für Trust-Bedingungen betrachtet werden. Art. 25 Abs. 3 EuGVVO ist insoweit aber als Sonderregelung zu begreifen, da ein Trust nicht im Konsens aller Beteiligten begründet werden muss, sondern insbesondere auch durch einseitiges Rechtsgeschäfts ihrers Begründers entstehen kann. Vgl. hierzu Schlosser-Bericht, Abl. (EG) 1979 Nr. C 59/71, Rdnr. 178; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 25 EuGVVO Rdnr. 176. 477 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, A. 1. – Art. 23 EuGVVO Rdnr. 201; Hausmann, in: unalex Kommentar Brüssel I-VO, Art. 23 EuGVVO Rdnr. 131; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO Rdnr. 64; Magnus, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation, Art. 25 EuGVVO Rdnr. 161; Mankowski, IPRax 1996, 427, 431; ders., in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 25 EuGVVO Rdnr. 230; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 23 EuGVVO Rdnr. 92. Und gilt auch nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Refcomp, vgl. Gebauer, in: FS Martiny (2014), S. 325, 332; ders., in: FS Schütze (2015), S. 95, 95; Weller, IPRax 2013, 501, 504. 478 Vgl. Teil 3 § 2: E.
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Auch der EuGH hat bereits im Jahr 1984 in seiner Rechtsprechung Tilly Russ die Drittwirkung einer in einem Konnossement enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung anerkannt und davon abhängig gemacht, dass der Erwerber (der Dritte) nach dem nationalen Recht in die Rechte und Pflichten des Befrachters (als Partei der Gerichtsstandsvereinbarung) eintritt.479 Die vom EuGH insoweit aufgestellte Abhängigkeit von der lex causae wurde allgemein positiv aufgenommen und hat sich seitdem als „allgemeiner Grundsatz“ etabliert.480 Mit seiner Entscheidung in der Rechtssache Refcomp481 hat der EuGH diesen Grundsatz aber selbst in Frage gestellt und für die Fälle der action directe drastisch relativiert. Bei der der Entscheidung zugrundeliegenden action directe handelt es sich ebenso wie in der Rechtssache Handte482 um einen nach französischem Recht innerhalb einer Vertragskette bestehenden Direktanspruch wegen eines Sachmangels der weiterverkauften Sache. In dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Refcomp wird deutlich, dass er in diesem Fall darum bemüht war, die Drittwirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung gerade nicht davon abhängig zu machen, dass der Dritte nach der lex causae in die Rechte und Pflichten einer der an der Gerichtsstandsvereinbarung unmittelbar beteiligten Partei eingetreten ist. Stattdessen hat er ein autonomes Kriterium der Zustimmung aufgestellt.483 Im Ergebnis hat der EuGH die Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung in der Vertragskette sodann verneint, wenn der Dritte ihr nicht selbst zugestimmt hatte. Im Jahr 2016 hat er jedoch in der Rechtssache Profit Investment die Drittwirkung einer für eine Schuldverschreibung getroffene Gerichtsstandsvereinbarung wiederum davon abhängig gemacht, dass der Dritte nach dem anwendbaren Recht in die Rechte und Pflichten einer an der Gerichtsstandsvereinbarung beteiligten Partei eintritt.484 Eine Zustimmung des Dritten hielt er in dieser Sache wiederum nicht für erforderlich. Das Urteil und die darin abermals zum Ausdruck kommende Abhängigkeit der Drittwirkung einer GerichtsstandsverEuGH, Urteil v. 19.06.1984, Rs. 71/83 (Tilly Russ ./. Nova), Slg. 1984, 2417, Rdnr. 24 EuGH, Urteil v. 09.11.2000, Rs. C-387/98 (Coreck Maritime GmbH ./. Handelsveem BV u. a.), Slg. 2000, I-9337, Rdnr. 23; Hausmann, in: unalex Kommentar Brüssel I-VO, Art. 23 EuGVVO Rdnr. 137. 481 EuGH, Urteil v. 07.02.2013, Rs. C-543/10 (Refcomp SpA ./. Axa Corporate Solutions Assurance SA u. a.), ECLI:EU:C:2013:62. 482 EuGH, Urteil v. 17.06.1992, Rs. C-26/91 (Jakob Handte & Co. GmbH Maschinenfabrik ./. Traitements mécano-chimiques des surfaces SA (TCMS)), Slg. 1992, I-3967. 483 EuGH, Urteil v. 07.02.2013, Rs. C-543/10 (Refcomp SpA ./. Axa Corporate Solutions Assurance SA u. a.), ECLI:EU:C:2013:62, Rdnr. 34 ff. 484 EuGH, Urteil v. 20.04.2016, Rs. C-366/13 (Profi Investment SIM SpA i.L. ./. Stefano Ossi u. a.), ECLI:EU:C:2016:282 Rdnr. 36, 37. Vgl. hierzu auch die näheren Ausführungen in Teil 3: § 2 E. 479
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einbarung von der jeweiligen lex causae ist in der Literatur auf Zustimmung gestoßen.485 Das Urteil des EuGH in der Rechtssache Refcomp wirft daher die Frage auf, ob die Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung grundsätzlich einer Abhängigkeit von der lex causae zugänglich oder allein anhand autonomer Kriterien, die zumindest nach der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Refcomp486 die Zustimmung des Dritten erforderlich machen würden, zu bestimmen ist.
II. Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung in Abhängigkeit von der lex causae? 1. Allgemeine Überlegungen Zunächst ist herauszustellen, dass eine Abhängigkeit der Drittwirkung von der lex causae nicht mit einer Auslegung nach der lex causae gleichzusetzen ist.487 Es geht nicht darum, eine Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung dann anzunehmen, wenn die lex causae eine solche prozessuale Drittwirkung vorsieht. Es geht vielmehr darum, den in der Tilly Russ- Entscheidung entwickelten (autonomen) Ansatz, dass eine Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung dann in Betracht kommt, wenn der Dritte in die Rechte und Pflichten einer der Ursprungsparteien eintritt, durch ein nationales Recht auszufüllen. Die materiell-rechtliche Drittwirkung nach der lex causae bildet insoweit eine Vorfrage. Grundsätzlich gilt, dass die Verordnung hinsichtlich einer Abhängigkeit ihrer Zuständigkeitsvorschriften von der lex causae sehr zurückhaltend ist. Anerkannt ist sie z. B. für die Bestimmung des Erfüllungsortes im Rahmen des Art. 7 Nr. 1 lit. a) EuGVVO (sog. Tessili-Doktrin).488 Art. 13 Abs. 2 EuGVVO nimmt auf die lex causae insoweit Bezug, als die Direktklage dort nicht selbst begründet, sondern vorausgesetzt wird, dass nach dem Sachrecht (zu ermitteln nach
Mankowski, EWiR 2016, 547, der die Abhängigkeit von der lex causae als Teil eines „gut strukturierten Fragenprogramms“ bezeichnet; Melcher, GPR 2017, 246, 250 f.; Müller, EuZW 2016, 419, 422. 486 EuGH, Urteil v. 07.02.2013, Rs. C-543/10 (Refcomp SpA ./. Axa Corporate Solutions Assurance SA u. a.), ECLI:EU:C:2013:62, Rdnr. 41. 487 Vgl. zu dem Gedanken der autonomen Auslegung und der Berücksichtigung des materiellen Rechts Gebauer, in: FS Martiny (2014), S. 325, 332, 335 ff.; Moebus, EuZW 2013, 316, 320; Weller, IPRax 2013, 501, 504. 488 Durch die Aufnahme der autonomen Erfüllungsortbestimmung für die wichtigen Vertragstypen des Sachkaufs und der Diensleistung in lit. b) hat die Abhängigkeit der Bestimmung des Vertragsgerichtsstandes erheblich an Bedeutung verloren. 485
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Art. 18 Rom II-VO) ein Direktanspruch zumindest abstrakt-generell besteht.489 Aber auch im Rahmen des Art. 25 EuGVVO ist ein Rückgriff auf die lex causae nicht unbekannt,490 wenn auch die Voraussetzung einer „Vereinbarung“ für sich genommen autonomen Kriterien untersteht.491 Die Neufassung der EuGVVO hat im Hinblick auf die materielle Wirksamkeit den Verweis auf die lex causae ausdrücklich aufgenommen. Die parteiautonome Festlegung des Gerichtsstandes gilt nicht, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung nach dem Recht dieses (des prorogierten) Mitgliedstaates materiell nichtig ist, Art. 25 Abs. 1 Satz 1 a. E. EuGVVO.492 Art. 25 EuGVVO sieht also selbst die Möglichkeit vor, dass die materielle Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung von einem materiellen Recht abhängig ist. Gerade weil über Art. 25 EuGVVO den Parteien die Möglichkeit eingeräumt wird, durch Parteivereinbarung den Gerichtsstand festzulegen, die Verordnung selbst aber keine Regelungen zum Zustandekommen des Vertrages über die Gerichtsstandsvereinbarung enthält, ist es schon in der Verordnung selbst angelegt, dass man für bestimmte Aspekte ergänzend auf nationales Recht zurückgreifen muss.493 Wenn der Rückgriff auf die lex causae schon für das Zustandekommen der Gerichtsstandsvereinbarung nötig sein kann und in diesen Fällen allgemein anerkannt ist, fragt man sich, warum er hinsichtlich der subjektiven Reichweite der Gerichtsstandsvereinbarung versperrt sein sollte. Die Abhängigkeit von der lex causae legitimiert sich dabei insbesondere daraus, dass sich die prozessuale Drittwirkung nur als Kehrseite einer materiell-rechtlichen Drittwirkung bzw. deren mittelbare Folge begreifen lässt.494
489 BGH, NVZ 2008, 447; OLG Zweibrücken, NZV 2010, 198, 199; Staudinger, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 13 EuGVVO Rdnr. 8; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 11 EuGVVO Rdnr. 9. 490 So z. B. für die Frage, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung durch Stellvertretung wirksam geschlossen worden ist. 491 Der EuGVVO und dem darin enthaltenen Schriftformerfordernis kann das Ziel und der Zweck entnommen werden, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung nicht unbemerkt Inhalt des Vertrages werden soll. Vgl. EuGH, Urteil v. 24.06.1981, Rs. 150/80 (Elefanten Schuh GmbH ./. Pierre Jacqmain), Slg. 1981, 1671, Rdnr. 24; Schlosser-Bericht, Abl. (EG) 1979 Nr. C 59/71, Rdnr. 179; Kohler, IPRax 1983, 265, 270; Rauscher, ZZP 104 (1991), 271, 279. 492 Der Verweis auf das Recht des Mitgliedstaates bezieht dessen Kollisionsnormen mit ein. Vgl. Erwägungsgrund 20 der EuGVVO; von Hein, RIW 2013, 97, 105; Pohl, IPRax 2013, 109, 111. 493 Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 244 im Hinblick auf die Bestimmung der Parteien eines Konnossementsverhältnisses, das eine Gerichtsstandsvereinbarung enthält; Hausmann, in: Internationales Vertragsrecht, Rdnr. 6512. 494 Gebauer, in: FS Martiny (2015), S. 325, 331 f. mit dem Hinweis auf das komplementäre Verhältnis zwischen dem materiellen Anspruch des Dritten und der prozessualen Drittwirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung; Weller, IPRax 2013, 501, 504.
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2. Abweichende Ansicht des EuGH in der Rechtssache Refcomp Anders sah das aber offensichtlich der EuGH in seiner Entscheidung zur Rechtssache Refcomp. Ohne sich mit den materiell-rechtlichen Besonderheiten der action directe auseinanderzusetzen495, verneinte der EuGH in dieser Entscheidung den Rückgriff auf die lex causae.496 Zugleich will er jedoch für Konnossementfälle an seiner alten Rechtsprechung festhalten und den Dritten an die Gerichtsstandsvereinbarung binden, wenn der Dritte nach dem anwendbaren nationalen Recht in die Rechte und Pflichten des Befrachters eintritt.497 Weshalb der EuGH in der Sache zu dieser gekünstelt wirkenden Unterscheidung kam498, wirft Zweifel auf. Zudem hat er sodann im Jahr 2016 für die Frage der Drittwirkung einer für eine Schuldverschreibung getroffene Gerichtsstandsvereinbarung wiederum auf ein nach dem anwendbaren Recht bestehendes Substitutionsverhältnis abgestellt.499 Vermutlich sah er sich durch seine Entscheidung in der Rechtssache Handte auch im Hinblick auf die Drittwirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung in Vertragsketten gebunden. Der vorschnelle Rückschluss von der fehlenden vertraglichen Qualifikation der action directe in der Rechtssache Handte auf die Absage an eine Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung ist bedauerlich. Dem EuGH hat sich mehrfach und erst recht in Refcomp die Gelegenheit geboten, sich nochmals mit der zuständigkeitsrechtlichen Qualifikation der action directe auseinander zu setzen.500 Anlass geboten hätte zumindest die Überführung des EuGVÜ in die EuGVVO, wobei für den Vertragsgerichtsstand für Kaufverträge über bewegliche Sachen und Dienstleistungen ein autonomer Erfüllungsort aufgenommen worden ist.501 Neben dieser redaktionellen, aber auch So auch speziell zu EuGH Refcomp Gebauer, in: FS Martiny (2014), S. 325, 329; ders., in: FS Schütze (2015), S. 95, 103; Weller, IPRax 2013, 501, 505. 496 EuGH, Urteil v. 07.02.2013, Rs. C-543/10 (Refcomp SpA ./. Axa Corporate Solutions Assurance SA u. a.), ECLI:EU:C:2013:62, Rdnr. 39. 497 EuGH, Urteil v. 07.02.2013, Rs. C-543/10 (Refcomp SpA ./. Axa Corporate Solutions Assurance SA u. a.), ECLI:EU:C:2013:62, Rdnr. 34. 498 Kritisch zu dieser Unterscheidung auch Bollé, Recueil Dalloz 2013, 1110, 1111; Gebauer, in: FS Martiny (2014), S. 325, 330; Moebus, EuZW 2013, 316, 320. 499 EuGH, Urteil v. 20.04.2016, Rs. C-366/13 (Profit Investment SIM SpA i.L. ./. Stefano Ossi u. a.), ECLI:EU:C:2016:282, Rdnr. 36, 37. 500 Kritisch auch Gebauer, in: FS Martiny (2014), S. 325, 327; Moebus, EuZW 2013, 316, 320; Weller, IPRax 2013, 501, 504. 501 Gebauer, in: FS Martiny (2014), S. 325, 327; Moebus, EuZW 2013, 316, 320; Weller, IPRax 2013, 501, 504. Durch die autonome Bestimmung des Erfüllungsortes wird das zuständige Forum für die Parteien vorhersehbarer. Da gerade der Aspekt der Vorhersehbarkeit in der Entscheidung des EuGH zur Rechtssache Handte eine wichtige Rolle gespielt hat (vgl. EuGH, Urteil v. 17.06.1992, Rs. C-26/91 (Jakob Handte & Co. GmbH Maschinenfabrik ./. 495
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inhaltlichen Veränderung des Vertragsgerichtsstands hätte dem EuGH aber auch der Inhalt seiner Entscheidung zur Rechtssache Handte Anlass geboten, sich zumindest mit der Gerichtsstandsvereinbarung und ihrer mögliche Drittwirkung stärker auseinander zu setzen. So betonte der EuGH in der Rechtssache Handte insbesondere die ratio der Vorhersehbarkeit für den Beklagten.502 Aus Sicht der Parteien bietet aber gerade die Gerichtsstandsvereinbarung die Möglichkeit, einen vorhersehbaren Gerichtsstand durch Parteiabrede festzulegen. Die von dem Hersteller und dem Zwischenverkäufer getroffene Gerichtsstandsvereinbarung hatte genau diesen Zweck. Wenn der EuGH gerade aber die Vorhersehbarkeit für den vom Endkäufer beklagten Hersteller im Auge hat, hätte es nahe gelegen, die Bindungswirkung der Gerichtsstandsvereinbarung in diesem Verhältnis nicht mit einem pauschalen Hinweis auf die Entscheidung in der Rechtssache Handte abzutun, ohne den Aspekt der Vorhersehbarkeit im Hinblick auf die Gerichtsstandsvereinbarung zu würdigen.503 Zudem kann aber auch die vom EuGH aufgegriffene Unterscheidung zwischen der action directe und den Konnossementfällen nicht überzeugen.504 Zur Begründung zieht der EuGH den „ganz besonderen Charakter“ des Konossements heran. Das Konnossement sei seinem Wesen nach schon auf ein Dreipersonenverhältnis angelegt und in den meisten mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen als übertragbares Wertpapier anerkannt, das es dem Eigentümer gestatte, die Ladung zu veräußern, und in der Folge dazu führt, dass der Erwerber den Befrachter subsitutiere und seine gesamten Rechte und Pflichten gegenüber dem
Traitements mécano-chimiques des surfaces SA (TCMS)), Slg. 1992, I-3967, Rdnr. 18 f.) hätte die Neufassung des Vertragsgerichtsstandes in der EuGVVO a. F. dem EuGH Anlass geben können, seine Entscheidung zur Qualifikation der action directe im Rahmen der Rechtssache Refcomp nochmals zu überdenken und ggfs. sogar eine Kehrtwende einzuleiten. Allerdings muss man beachten, dass der nun anhand faktischer Kriterien zu ermittelnde Erfüllungsort zwar in der Tat zu einer (überwiegend) leichteren Lokalisierung des Vertragsgerichtsstandes beiträgt, nicht aber die Frage determiniert, aus welchem Vertragsverhältnis der Vertragskette der (autonom zu bestimmende) Erfüllungsort zu entnehmen ist. 502 EuGH, Urteil v. 17.06.1992, Rs. C-26/91 (Jakob Handte & Co. GmbH Maschinenfabrik ./. Traitements mécano-chimiques des surfaces SA (TCMS)), Slg. 1992, I-3967, Rdnr. 18 f. 503 Für Gerichtstsandsvereinbarungen Gebauer, IPRax 2001, 471, 473; ders., in: FS Martiny (2014), S. 325, 337 f. Im Hinblick auf die Vorhersehbarkeit des Endkäufers führt Gebauer zu Recht aus, dass der Endkäufer damit rechnen müsse, dass bei Geltendmachung des Direktanspruchs die Parteien für die Ansprüche aus dem Vertrag eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen haben, an die dann auch der Endkäufer gebunden ist. 504 Bauerreis, Rechtsinsitut der action directe, S. 235 f.; Gebauer, in: FS Martiny (2014), S. 325, 330. Für eine Übertragbarkeit hingegen Gaudement-Tallon, Les Conventions de Bruxelles, Rdnr. 140.
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Verfrachter erwerbe.505 Bezüglich der Rechte innerhalb einer Vertragskette bestehe indes keine weitgehende Einigkeit in den mitgliedstaatlichen Rechten und es könne wegen der möglichen verschiedenen Pflichten in den jeweiligen Vertragsgliedern auch nicht von einem Substitutionsverhältnis ausgegangen werden.506 Ob es in den Fällen der action directe zu einer Substitution des Herstellers durch den Dritten kommt, hätte aber doch nur das materielle Recht beantworten können. Eventuell ging es dem EuGH darum, dass bei der action directe der Dritte nicht den eigentlichen Vertragspartner des Gläubigers ersetzt. Das hätte der EuGH dann aber klarer zum Ausdruck bringen müssen und auch können, wenn er sein in Tilly Russ aufgestelltes Kriterium des „Eintritts in die Rechte und Pflichten“ weiter konkretisiert hätte, um Fälle auszuschließen, in denen auch die ursprüngliche Partei der Gerichtsstandsvereinbarung weiterhin in einer rechtlich relevanten Beziehung zum Gläubiger steht.507 Indem er den Rückgriff auf die lex causae für die Fälle der action directe versagt, zugleich aber für die Konossementfälle ausdrücklich an seiner alten Rechtsprechung festhält, wirft er für die Zukunft zugleich Folge- und Abgrenzungsfragen auf, die zu Rechtsunsicherheit führen können.508 Gerade auch wegen der inhaltlichen Schwächen der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Refcomp sollte daher von der grundsätzlichen Möglichkeit, die Frage der Drittwirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen in Abhängigkeit von der lex causae zu bestimmen, nicht abgerückt werden.509 Aus der materiEuGH, Urteil v. 07.02.2013, Rs. C-543/10 (Refcomp SpA ./. Axa Corporate Solutions Assurance SA u. a.), ECLI:EU:C:2013:62, Rdnr. 35. 506 EuGH, Urteil v. 07.02.2013, Rs. C-543/10 (Refcomp SpA ./. Axa Corporate Solutions Assurance SA u. a.), ECLI:EU:C:2013:62, Rdnr. 37 f. 507 Diese Situation wäre sodann vergleichbar mit der kumulativen Schuldübernahme, bei welcher eine Wirkung der Gerichtsstandsvereinbarung auf den Schuldbeitretenden teilweise entschieden abgelehnt wird. Vgl. OGH, unalex AT-357; Hausmann, in: unalex Kommentar Brüssel I-VO, Art. 23 EuGVVO Rdnr. 133; Jungermann, Drittwirkung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 196 ff.; Weller, IPRax 2013, 501, 504. Für eine Bindung des Schuldbeitretenden an die Gerichtsstandsvereinbarung hingegen Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 25 EuGVVO Rdnr. 159; Wagner, Prozeßverträge, S. 319. 508 Unklar sind z. B. die Folgen der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Refcomp für die Drittwirkungen einer Gerichtsstandsvereinbarung bei den Zessionsfällen. Vgl. hierzu Gebauer, in: FS Martiny (2014), S. 325, 332; ders., in: FS Schütze (2015), S. 95, 104; kritisch auch Weller, IPRax 2013, 501, 505. 509 Für eine Abhängigkeit der Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung von der lex causae auch OLG Saarbrücken, IPRax 1992, 165 f.; Bauerreis, Rechtsinstitut der action directe, S. 236 ff.; Bollé, Recueil Dalloz 2013, 1110, 1112; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, A. 1. – Art. 23 EuGVVO Rdnr. 201; Hausmann, in: unalex Kommentar Brüssel I-VO, Art. 23 EuGVVO Rdnr. 137; Jungermann, Drittwirkung internationaler Gerichtsstandsvereinbarun505
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ell-rechtlichen Drittwirkung, die der lex causae zu entnehmen ist, folgt sodann die prozessuale Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung. 3. Der differenzierende Ansatz von Gebauer Einen neuen Weg bei der Frage nach der Abhängigkeit der prozessualen Drittwirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen von der lex causae beschreitet Gebauer. Er will zwischen den verschiedenen Klagekonstellationen, in denen die Gerichtsstandsvereinbarung und ihre mögliche Drittwirkung von Bedeutung sein können, unterscheiden. Für Klagen am prorogierten Gericht, bei denen die Gerichtsstandsvereinbarung und ihre mögliche Drittwirkung das Forum begründen sollen, erscheine die Abhängigkeit der prozessualen von der materiell-rechtlichen Drittwirkung sinnvoll.510 Die materiell-rechtliche Drittwirkung stelle sich hierbei als doppelrelevante Tatsache dar, da sie sowohl für die Zuständigkeit als auch die Begründetheit der Klage relevant ist.511 Für Klagen des Dritten am derogierten Gericht, bei denen die Gerichtsstandsvereinbarung nur einredeweise geltend gemacht wird, sei die starre Abhängigkeit der prozessualen von der materiell-rechtlichen Drittwirkung hingegen nicht sinnvoll. Den Ausgangspunkt für diesen differenzierenden Ansatz bildet die Überlegung, dass bei einer starren Abhängigkeit der prozessualen Drittwirkung von der lex causae aus der fehlenden Existenz des Direktanspruchs gleichsam die Kompetenz folgen würde, über seine Existenz zu entscheiden, wenn die Klage am derogierten Gericht erhoben wird, aber das auf den geltend gemachten Anspruch anwendbare Recht einen materiell-rechtlichen Drittanspruch, wie z. B. die action directe, nicht kennt.512 In diesen Fällen sei vielmehr von einem komplementären Verhältnis zwischen prozessualer und materiell-rechtlicher Drittwirkung auszugehen. Infolgedessen müsse das an sich derogierte Gericht gen, S. 164; Mankowski, IPRax 1996, 427, 432; ders., EWiR 2016, 547; Melcher, GPR 2017, 246, 250 f.; Müller, EuZW 2016, 419, 422; Nunner-Krautgasser, ZZP 127 (2014), 461, 477; Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 25 EuGVVO Rdnr. 43; Weller, IPRax 2006, 444, 447. Differenzierend Gebauer, in: FS Martiny (2014), S. 325, 332 ff.; ders., in: FS Schütze (2015), S. 95, 102 ff.; eindeutig für eine Abhängigkeit von der lex causae noch in IPRax 2001, 471, 475. Gegen eine Abhängigkeit von der lex causae Haß, EuZW 1999, 441, 445 (hält eine autonome Lösung durch den EuGH für wünschenswert, zieht aber die Lösung nach der lex fori der nach der lex causae in jedem Fall vor); im Ergebnis wohl auch Moebus, EuZW 2013, 316, 320; Rauscher, IPRax 1992, 143, 145 (für eine autonome Lösung). 510 Gebauer, in: FS Schütze (2015), S. 95, 102. 511 Gebauer, in: FS Schütze (2015), S. 95, 102; allgemein für die Rechtsnachfolge in die Gerichtsstandsvereinbarung als doppelrelevante Tatsache Ost, Doppelrelevante Tatsachen, S. 181; Schütze, in: FS Stürner (2013), S. 531 ff. 512 Gebauer, in: FS Martiny (2014), S. 325, 334; ders., in: FS Schütze (2015), S. 96, 103.
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sich schon deshalb für unzuständig erklären, weil der Dritte sich eines Anspruchs berühmt, der, wenn er denn bestehen sollte, eine solche prozessuale Drittwirkung mit sich bringen würde.513 Diese Differenzierung verdeutlicht Gebauer am Beispiel der action directe, also der Klage des Endabnehmers gegen den Hersteller. Wenn für diesen Fall auf den Vertrag zwischen dem Hersteller und dem Zwischenhändler deutsches Recht maßgeblich ist, sei deutsches Recht (bei vertraglicher Qualifikation des Direktanspruchs) zugleich auf den Direktanspruch anzuwenden. Da das deutsche Recht den Direktanspruch des Endabnehmers gegen den Hersteller aber nicht kennt, komme eine aus der materiell-rechtlichen Drittwirkung folgende prozessuale Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung nicht in Betracht. Daher würde auch der Einwand der entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung durch den Hersteller ins Leere laufen. Deshalb will Gebauer in diesem Fall bereits die geltend gemachte, also potentielle Drittwirkung genügen lassen. Grundlage für diese Differenzierung ist mithin insbesondere die Überlegung, dass sich der Dritte nicht der prozessualen Bindung der Gerichtsstandsvereinbarung entziehen können soll, die für den von ihm geltend gemachten (Dritt-) Anspruch bestehen würde.514 a) Stellungnahme aa) Klagen am prorogierten Gericht Für Klagen am prorogierten Gericht bleibt es daher auch nach Ansicht Gebauers bei einer (starren) Abhängigkeit zwischen der materiell-rechtlichen und prozessualen Drittwirkung. Die materiell-rechtliche Drittwirkung stellt sich dabei als doppelrelevante Tatsache dar. Trägt der Kläger die materiell-rechtliche Drittwirkung und damit die aus ihr folgende prozessuale Drittwirkung schlüssig vor, hat sich das Gericht in der Folge für zuständig zu erklären und über den Rechtsstreit zu entscheiden. Die Maßgeblichkeit der im deutschen Recht seit langem anerkannten Schlüssigkeitstheorie515 ist mittlerweile auch vom EuGH in 513
Des Weiteren erklärt sich von selbst, dass der Beklagte die Einrede der Gerichtsstandsvereinbarung erheben und die Gerichtsstandsvereinbarung im Ursprungsverhältnis wirksam vereinbart sein muss. 514 Gebauer, in: FS Schütze (2015), S. 96, 105. 515 Vgl. zur Schlüssigkeitstheorie BGH, NJW-RR 2010, 1554, 1555; Hess, EuZPR, § 6 Rdnr. 50; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 94; Ost, Doppelrelevante Tatsachen, S. 161 ff.; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, Art. 4 EuGVVO Rdnr. 4; Thole, IPRax 2013, 136, 138 f. (der die Schlüssigkeitstheorie als unionsrechtliches Postulat betrachtet); Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Einl. vor. Art. 2 EuGVVO Rdnr. 25 f. Anders Geimer, IZPR, Rdnr. 1826; ders., WM 1986, 117, 119, der für Art. 5 Nr. 3 EuGVVO verlangt, dass der vom Gericht festzustellende Geschehensablauf den äußeren Tatbestand eines Delikts erfüllt; ihm
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der Rechtssache Kolassa im Grundsatz gebilligt worden und beansprucht deshalb auch für die Prüfung der internationalen Zuständigkeit nach der EuGVVO jedenfalls vor deutschen Gerichten Geltung.516 Die Fälle von Klagen am prorogierten Gericht erweisen sich insoweit nicht als problematisch. bb) Klagen am derogierten Gericht Anders als von Gebauer gefordert, erscheint es hingegen vorzugswürdig, auch für die Klage am derogierten Gericht von einer (starren) Abhängigkeit der prozessualen von der materiellrechtlichen Drittwirkung auszugehen und die Klage nicht schon allein deshalb wegen Unzuständigkeit abzuweisen, weil sich der Dritte eines materiell-rechtlichen Anspruchs berühmt, aus dessen Bestehen zugleich die prozessuale Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung folgen würde. (1) Prozessökonomische Überlegungen Hierfür spricht zum einen die folgende prozessökonomische Überlegung, die anhand des von Gebauer entwickelten Beispiels einer action directe verdeutlicht werden soll: Der Hersteller H, mit Sitz in Deutschland, verkauft an den französischen Händler F eine mangelhafte Sache. Der Kaufvertrag zwischen den beiden Parteien unterliegt deutschem Recht. Von F gelangt die mangelhafte Sache über einen weiteren Kaufvertrag an den ebenfalls in Frankreich wohnhaften Endkäufer E. E macht nun Gewährleistungsansprüche gegen H geltend und zieht vor ein französisches Gericht. Daraufhin erhebt H den Einwand, dass der geltend gemachte Anspruch schon nicht bestehe, und selbst wenn er bestün-
zustimmend Mansel, IPRax 1989, 84, 86; Gottwald, IPRax 1989, 272, 274 will die Annexkompetenz von einem „ernstliches Bestehen“ der zuständigkeitsbegründenden Tatsachen abhängig machen. Grundsätzlich für einen vollen Beweis Mankowski, IPRax 2006, 454 ff. Zur Anerkennung der Schlüssigkeitstheorie in Österreich vgl. OLG Wien, JBl 1999, 259, 261; Mayr/Czernich, EuZPR, Rdnr. 164. 516 EuGH, Urteil v. 28.01.2015, Rs. C-375/13 (Harald Kolassa ./. Barclays Bank plc), ECLI:EU:C:2015:37, Rdnr. 58 ff. Allerdings statuiert der EuGH die Schlüssigkeitsprüfung nicht zu einem autonomen Maßstab. Indem er die Autonomie des Richters hervorhebt und klarstellt, dass das angerufene Gericht auch frei sei, bei der Prüfung seiner internationalen Zuständigkeit die Einwände des Beklagten zu berücksichtigen, bringt er wohl zum Ausdruck, dass sich die Prüfungspflicht bei doppelrelevanten Tatsachen grundsätzlich nach der lex fori bestimmt. Anders hingegen GA Maciej Szpunar, 3.09.2014, Rs. C-375/13 (Harald Kolassa ./. Barclays Bank plc), ECLI:EU:C:2015:37, Rdnr. 79, der die bloße Schlüssigkeitstheorie als mit der praktischen Wirksamkeit der Verordnung unvereinbar hält und eine prima-facie-Kontrolle unter Berücksichtigung der Angaben des Beklagten fordert.
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de, E an die zwischen H und F geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten deutscher Gerichte gebunden wäre. Wendet man für dieses Beispiel die von Gebauer vorgeschlagene Differenzierung an, müsste sich das derogierte Gericht für unzuständig erklären. Es erginge ein abweisendes Prozessurteil. Sodann würde der Kläger seine Klage in aller Regel am prorogierten Gericht anhängig machen. Das entspricht insoweit ja auch der Vorgabe des Urteils des an sich derogierten Gerichts, das sich aufgrund der entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung für unzuständig erklärt hat. Für die Entscheidung des prorogierten Gerichts wäre hingegen auch mit Gebauer die prozessuale Drittwirkung von der materiell-rechtlichen Drittwirkung abhängig, wobei der materiell-rechtlichen Drittwirkung Doppel relevanz zukommt.517 Soweit ein solcher (Dritt-)Anspruch aber nach dem anwendbaren Sachrecht oder nach den Umständen schon von vorneherein nicht in Betracht kommt, kann die für die prozessuale Drittwirkung relevante materiell-rechtliche Drittwirkung meist noch nicht einmal schlüssig vorgetragen werden. In der Folge würde sich also (auch) das prorogierte Gericht für unzuständig erklären. Es erginge ein weiteres, zweites abweisendes Prozessurteil. Ein den Rechtsstreit durch materielle Rechtskraft beendendes Sachurteil, in dem das Nichtbestehen des Anspruchs festgestellt wird, wäre nicht ergangen, weder am derogierten noch am prorogierten Gericht. Das ist aber ein Zustand, der so nicht hingenommen werden kann. Er käme einer Rechtsschutzsverweigerung gleich und würde den Kläger in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz verletzen. Soll ein Sachurteil ergehen, müsste also erneut Klage erhoben werden. Wo aber soll diese Klage sodann erhoben werden? Der Kläger wäre wohl veranlasst, erneut am derogierten Gericht zu klagen.518 Man stünde dann wieder am Ausgangspunkt. Das Gericht, das bereits einmal über seine Unzuständigkeit entschieden und die Klage wegen des Einwands der entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung als unzulässig abgewiesen hat, müsste sodann ein zweites Mal über die Klage entscheiden. Die sodann erforderliche erneute Klageerhebung, die insoweit einen Rückschritt auf den Ausgang der Prozessgeschichte mit sich bringt, wirft aber auch einige prozessrechtliche Schwierigkeiten auf. Zunächst müsste sich das sodann zum zweiten Mal angerufene Gericht die Frage stellen, ob sein eigenes Prozessurteil, in dem es die erste Klage als unzulässig abgewiesen hat, die erneute Klageerhebung ausschließt. Denn grundsätzlich gilt, dass auch Prozessurteile in materielle Rechtskraft erwachsen und daGebauer, in: FS Schütze (2015), S. 96, 102. Soweit der Kläger die erste Klage an einem besonderen Gerichtsstand erhoben hat, bliebe ihm freilich die Möglichkeit, die dritte Klage am allgemeinen Gerichtsstand zu erheben. Hat er hingegen die erste Klage bereits am allgemeinen Gerichtsstand erhoben, bleibt ihm nur die Möglichkeit, das Gericht am Wohnsitz des Beklagten nochmals anzurufen. 517
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her einer erneuten Klageerhebung über denselben Streitgegenstand entgegenstehen, soweit die Klage denselben prozessualen Mangel aufweist.519 Wenn sich das Gericht also überhaupt nochmals mit der Klage beschäftigen kann, was erforderlich wäre, da ansonsten dem Kläger mangels Gerichtsstandes der Rechtsschutz verweigert werden würde, müsste man sich fragen, ob es sich erneut (allein) deswegen für unzuständig erklären kann, weil der Dritte sich des Anspruchs berühmt und die Einrede der entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung vom Beklagten erhoben wird. Im Ergebnis muss das verneint werden. Denn ansonsten wäre die Klage abermals durch ein Prozessurteil abzuweisen. Ausgeschlossen wäre dieses sinnlose Ergebnis nur dann, wenn das sodann abermals angerufene derogierte Gericht durch das Prozessurteil des prorogierten Gerichts, in dem die fehlende Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung festgestellt wurde, gebunden wäre.520 Ansonsten müsste danach differenziert werden, ob es sich bei der Klage am derogierten Gericht um die erste oder dritte (die zweite Klage wurde am prorogierten Gericht erhoben) Klageerhebung handelt. Nur bei der ersten Klage am derogierten Gericht könnte sich das Gericht allein deshalb für unzuständig erklären, weil sich der Dritte des materiell-rechtlichen Anspruchs berühmt. Bei einer erneuten Klageerhebung müsste man, um die soeben beschriebenen Probleme zu vermeiden, es dem Gericht verwehren, sich allein deswegen für unzuständig zu erklären, weil sich der Dritte des materiell-rechtlichen Anspruchs berühmt, aus dem, soweit er denn bestehen sollte, zugleich eine prozessuale Bindung an die Gerichtsstandsvereinbarung folgen würde.
519 OLG Brandenburg, NJW-RR 2000, 1735, 1736; Gottwald, in: MünchKomm, ZPO, § 322 Rdnr. 169; Grundmann, ZZP 100 (1987), 33, 37; Saenger, in: Saenger, ZPO, § 322 Rdnr. 35; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 322 Rdnr. 1a. 520 Für eine Bindung des prorogierten Gerichts an ein Prozessurteil des derogierten Gerichts hat sich der EuGH in der Rechtssache Gothaer Allgemeine Versicherung ausgesprochen, vgl. EuGH, Urteil v. 15.12.2012, Rs. C-465/11 (Gothaer Allgemeine Versicherung AG u. a. ./. Samskip GmbH), ECLI:EU:C:2012:719, Rdnr. 41. Das Urteil erging allerdings noch zur alten Fassung der EuGVVO, in der die lis pendens Regel noch als strikte Prioritätsregel ausgestaltet war. Der EuGH hat in dieser Entscheidung einen autonomen Rechtskraftbegriff in Bezug auf Zuständigkeitsfragen gebildet, der sich maßgeblich auf den Zusammenhang der in der EuGVVO enthaltenen Vorschriften über die Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung auf der einen und das in Art. 35 Abs. 3 und Art. 36 EuGVVO a. F. enthaltene Verbot der Nachprüfung durch das anerzuerkennende Gericht auf der anderen Seite stützt. Zustimmend Hau, LMK 2013, 341521. Kritisch hierzu: Bach, EuZW 2013, 56 ff.; Roth, IPRax 2014, 136 ff.
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(2) Verlagerung der entscheidenden Prüfung an das prorogierte Gericht Hinzu kommt, dass bei einer Differenzierung im Sinne Gebauers das derogierte und das prorogierte Gericht unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe in Bezug auf die Drittwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung ansetzen. Die entscheidende Prüfung der Drittwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung wird, wie das oben aufgegriffene Beispiel der action directe zeigt, dann aber faktisch an das prorogierte Gericht verlagert. Obwohl diese faktische Verlagerung nicht mit einer Kompetenz-Kompetenz gleichzusetzen ist, da das derogierte Gericht zumindest die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung im Ursprungsverhältnis prüfen und die potentielle Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarungen in Betracht ziehen muss, bestehen doch auf Grund der Verlagerung der entscheidenden Prüfung der Drittwirkung einige Ähnlichkeiten mit einer Kompetenz-Kompetenz des prorogierten Gerichts. Im Rahmen der Neufassung der EuGVVO hat man sich jedoch bewusst gegen die Etablierung einer Kompetenz-Komptenz des prorogierten Gerichts entschieden. Der Kommissionsvorschlag, der vorsah, dass die Gerichte eines Mitgliedstaates für eine Streitigkeit, für die eine ausschließliche Zuständigkeit durch Gerichtsstandsvereinbarung getroffen worden ist, solange unzuständig sind, bis sich das in der Vereinbarung bezeichnete Gericht für unzuständig erklärt hat521 und so zu einer „Hierarchierung“ der Gerichte führte,522 wurde nicht umgesetzt. Man hat sich im Rahmen des Art. 31 Abs. 2 EuGVO vielmehr dafür entschieden, die bislang für die Frage der lis pendens geltende strikte Prioritätsregel (das später angerufene Gericht, setzt das Verfahren zugunsten des erstangerufenen Gerichts aus) bei Vorliegen einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung lediglich aufzulockern und nunmehr einen Entscheidungsvorrang des prorogierten Gerichts nur in den Fällen vorzusehen, in denen die Klage sowohl beim prorogierten Gericht als auch beim derogierten Gericht anhängig ist, die Gerichte also zeitgleich angerufen werden.523 In diesen Fällen setzt das derogierte Gericht sein Verfahren aus und wartet die Entscheidung des prorogierten Gerichts ab. Die Parallelen zur Schaffung einer Kompetenz-Kompetenz lassen sich jedoch vermeiden, wenn man für das derogierte und das prorogierte Gericht den-
521
Vgl. Art. 32 Abs. 2 EuGVVO-Entwurf, KOM (2010), 748 endg., S. 40. Hess, IPRax 2011, 125, 129. 523 Vgl. Erwägunsgrund 22; Cadet, EuZW 2013, 218, 220; Domej, RabelsZ 78 (2014), 508, 532; Eichel, GPR 2014, 159, 160; Nunner-Krautgasser, ZZP 127 (2014), 461, 480; Pfeiffer, ZZP 127 (2014), 409, 420; Pohl, IPRax 2013, 109, 111. 522
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selben Prüfungsmaßstab anlegt und so eine faktische Verlagerung der Prüfung zum prorogierten Gericht vermeidet. (3) Fazit Aufgrund der aufgezeigten Schwierigkeiten, die der differenzierende Ansatz Gebauers mit sich bringt, erscheint es daher vorzugswürdig, auch für die Klage am derogierten Gericht von einer Abhängigkeit der prozessualen von der materiell-rechtlichen Drittwirkung auszugehen. cc) Erforderlicher Prüfungsumfang Es bleibt also dabei, dass die prozessuale Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung von der materiell-rechtlichen Drittwirkung des geltend gemachten Anspruchs abhängt. Das gilt gleichermaßen für das prorogierte und das derogierte Gericht. Allerdings ist für eine Beachtung der Gerichtsstandsvereinbarung und ihrer Drittwirkung nicht erforderlich, dass das angerufene Gericht eine komplette Sachrechtsprüfung vornimmt und die prozessuale Bindung davon abhängig macht, dass der geltend gemachte Anspruch dem Dritten (dem Kläger) auch tatsächlich zusteht. Für die Klage am prorogierten Gericht wurde bereits klargestellt, dass hierbei die Theorie von den doppelrelevanten Tatsachen zum Zuge kommt. Die Anforderungen an das Vorbringen sind in Bezug auf die Zuständigkeitsebene also herabgesetzt. Wie bereits oben aufgezeigt,524 hat der EuGH in der Rechtssache Kolassa die aus dem deutschen Recht bekannte Schlüssigkeitstheorie dem Grundsatz nach gebilligt. Zumindest vor deutschen Gerichten reicht demnach der schlüssige Klägervortrag aus. Soweit sich aus diesem ein materiell-rechtlicher Drittanspruch ergibt, korrespondiert hiermit auch die prozessuale Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung. Das prorogierte Gericht wird sich daher für zuständig erklären. Nach Ansicht des EuGH steht es dem angerufenen Gericht jedoch auch frei, bei der Prüfung seiner internationalen Zuständigkeit alle ihm vorliegenden Informationen zu prüfen und insoweit ggf. auch die Einwände des Beklagten zu berücksichtigten.525 Denkbar ist also auch, dass abhängig von der lex fori das Gericht seine Zuständigkeit nach dem Maßstab von prima facie beurteilt. Ausgehend von diesen Überlegungen liegt es nahe, auch bei der Klage am derogierten Gericht mit der Rechtsfigur der doppelrelevanten Tatsache zu arbei524
Vgl. Teil 3 § 3: G. II. 3. a) aa). EuGH, Urteil v. 28.01.2015, Rs. C-375/13 (Harald Kolassa ./. Barclays Bank plc), ECLI:EU:C:2015:37, Rdnr. 64. 525
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ten, um zu verhindern, dass das angerufene Gericht zur Ermittlung seiner Zuständigkeit eine Sachrechtsprüfung und ggfs. auch eine vollständige Beweisaufnahme vornehmen muss. Für den Einwand der Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung würde das bedeuten, dass, da die prozessuale Drittwirkung wiederum in Abhängigkeit der materiell-rechtlichen Drittwirkung bestimmt wird, der schlüssige Vortrag bzw. eine prima facie-Beurteilung der materiell-rechtlichen Drittwirkung ausreichen würde, um hieraus zugleich die prozessuale Drittwirkung abzuleiten und für die Klage zu berücksichtigen. Allerdings ergeben sich bei der Klage am derogierten Gericht einige Besonderheiten, die zu berücksichtigen sind. Zunächst stellt sich die Frage, ob es sich in dieser Konstellation bei der materiell-rechtlichen Drittwirkung, aus der die prozessuale folgt, ebenfalls um eine doppelrelevante Tatsache handelt. Da der zu berücksichtigende Einwand des Beklagten, das angerufene Gericht sei durch die Gerichtsstandsvereinbarung, die auch gegenüber dem Kläger ihre Wirkung haben müsse, derogiert, zur Abweisung der Klage als unzulässig führt, schließt sich gerade keine Begründetheitsprüfung an. Die materiell-rechtliche Drittwirkung ist hier also nicht im eigentlichen Sinne doppelrelevant.526 Eine Verlagerung der Prüfung auf die Begründetheitsebene könnte somit grundsätzlich nicht erfolgen. Das Gericht müsste daher bereits auf der Ebene der Zuständigkeit prüfen, ob eine materiell-rechtliche Drittwirkung vorliegt, aus der sodann die prozessuale Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung folgen würde. Das bringt eine Belastung der Zuständigkeitsprüfung durch eine vorzunehmende Sachprüfung mit sich, die grundsätzlich vermieden werden soll.527 Verhindert werden könnte diese Belastung, indem man die materiell-rechtliche Drittwirkung in dieser besonderen Konstellation als Art der doppelrelevanten Tatsachen betrachtet und auf sie in der Folge (lediglich) dieselben Maßstäbe anwendet. Ausgehend von den Interessen des Klägers und des Beklagten scheint dies auch angezeigt bzw. es stehen zumindest keine gewichtigen Gründe entgegen. Für den Beklagten besteht in dieser besonderen Konstellation gerade nicht die Gefahr, dass mit der Anwendung der Maßstäbe der Theorie der doppelrelevanten Tatsachen seine Gerichtspflichtigkeit erweitert würde, obwohl die zuständigkeitsbegründeten Tatsachen nicht mit Sicherheit feststünden,528 da sich 526
Insoweit handelt es sich auch nicht um eine sog. umgekehrt doppelrelevante Tatsache, da auch bei diesen das Nichtvorliegen einer zulässigkeitsaufhebenden bzw. hindernden Tatsache zugleich notwendige Voraussetzung für die Begründetheit sein muss. Vgl. zu den umgekehrt doppelrelevanten Tatsachen und ihrer Behandlung Hoffmann-Nowotny, Doppelrelevante Tatsachen, Rdnr. 512 ff.; Ost, Doppelrelevante Tatsachen, S. 180 ff. 527 Vgl. z. B. EuGH, Urteil v. 03.07.1997, Rs. C-269/95 (Francesco Benincasa ./. Dentalkit Srl), Slg. 1997, I-3767, Rdnr. 27. 528 Vgl. hierzu Geimer, WM 1986, 117, 119; Mankowski, MMR 2002, 817, 818.
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das Gericht in der Folge ja sodann für unzuständig erklären würde. Das ist ein Ergebnis, das der Beklagte mit dem Einwand der entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung ja gerade bezweckt. Über den geltend gemachten Anspruch solle am prorogierten Gericht prozessiert werden. Für den Kläger ergibt sich hieraus weder einen Vorteil noch ein Nachteil. Macht er einen Anspruch mit materiell-rechtlicher Drittwirkung geltend, dann muss er es sich auch gefallen lassen, dass man ihn an die bestehenden prozessualen Bedingungen des von ihm geltend gemachten Anspruchs bindet. Aufgrund der Verzahnung der materiell-rechtlichen mit der prozessualen Drittwirkung decken sich insoweit das Vorbringen des Klägers und des Beklagten. Daraus resultiert die zweite Besonderheit. Für den Einwand der entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung ist nicht zwingend auf das Vorbringen des Beklagten abzustellen, sondern es ist zumeist das Klägervorbringen, aus dem sich (auch) die prozessuale Drittwirkung ergibt. Trägt der Kläger schlüssig vor, dass ihm ein materiell-rechtlicher Drittanspruch zusteht, bzw. liegt dieser prima facie vor, dann folgt hieraus zugleich die prozessuale Drittwirkung. In der Folge muss sich das angerufene Gericht dann aufgrund der derogierenden Wirkung der Gerichtsstandsvereinbarung für unzuständig erklären. Insoweit decken sich diese Überlegungen und das Ergebnis teilweise mit dem Ansatz Gebauers. Zu einem abweichenden Ergebnis kommt man aber dann, wenn die materiell-rechtliche und damit die prozessuale Drittwirkung bereits nicht einmal schlüssig vorgetragen werden kann, weil etwa, wie in Fällen der action directe denkbar, das anwendbare Recht den Anspruch schon abstrakt-generell nicht kennt. Dann, wenn also eine Drittwirkung des geltend gemachten Anspruchs schon nicht ersichtlich ist, kann auch die Anwendung der Maßstäbe der Theorie der doppelrelevanten Tatsachen nicht weiterführen. Das Gericht muss eine Sachrechtsprüfung vornehmen und ggfs. auch Beweise erheben, um seine Zuständigkeitsfrage abschließend zu klären. Stellt sich dabei heraus, dass der materiell-rechtliche Drittanspruch nicht besteht und somit aus ihm auch keine prozessuale Drittwirkung folgen kann, kommt auch der Gerichtsstandsvereinbarung im Verhältnis der Prozessparteien keine Bedeutung zu. Das angerufene Gericht ist nicht derogiert. Soweit die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen, wird sich das angerufene Gericht für zuständig erklären. dd) Zwischenergebnis Für die Drittwirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen ist daher sowohl beim prorogierten Gericht als auch beim derogierten Gericht von einer (starren) Abhängigkeit der prozessualen von der materiell-rechtlichen Drittwirkung auszugehen. Bei Klageerhebung am prorogierten Gericht stellt die materiell-rechtli-
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Teil 3: Die eigenständige Rückgriffsklage
che Drittwirkung insoweit eine doppelrelevante Tatsache dar. Sie wird sowohl auf Zuständigkeitsebene als auch im Rahmen der Begründetheit relevant. Wird die Klage am derogierten Gericht erhoben und ist daher die Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung nicht zuständigkeitsbegründend, sondern als Einwand zu berücksichtigen, handelt es sich bei der materiell-rechtlichen Drittwirkung nicht um eine doppelrelevante Tatsache im eigentlichen Sinne. Dennoch sind die Maßstäbe der Theorie der doppelrelevanten Tatsachen auch auf diese besondere Konstellation anzuwenden. Das angerufene Gericht erklärt sich aufgrund der entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung dann für unzuständig, wenn die materiell-rechtliche und mit ihr die prozessuale Drittwirkung schlüssig vorgetragen wurden oder sich prima facie ergeben. 4. Drittwirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung beim Gesamtschuldnerrückgriff aus originärem Ausgleichsanspruch Nachdem die Grundlagen für eine Drittwirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen gelegt worden sind, widmet sich der folgende Abschnitt wieder der im Kern der Untersuchung stehenden Frage, ob im Falle des Gesamtschuldnerrückgriffs aus originärem Ausgleichsanspruch von einer Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung auszugehen ist und in der der Folge die im Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und in Rückgriff zu nehmenden Gesamtschuldner bestehende Gerichtsstandsvereinbarung auch für die Rückgriffsklage des leistenden Gesamtschuldners relevant ist und Bindungswirkung entfaltet. a) Bestimmung der maßgeblichen lex causae Hängt die prozessuale Drittwirkung von der materiell-rechtlichen und damit der lex causae ab, muss auch im Hinblick auf die Drittwirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen zunächst die maßgebliche lex causae, das sogenannte Drittwirkungsstatut, ermittelt werden. Da sich die prozessuale Bindungswirkung aus der materiell-rechtlichen ergibt bzw. sich als ihre Kehrseite darstellt, lässt sich das Drittwirkungsstatut als das Statut identifizieren, das über das Bestehen des Anspruchs in der Person des Dritten herrscht.529 529 Im Ergebnis ebenso: Gebauer, IPRax 2001, 471, 474; ders., in: FS Martiny (2014), S. 325, 333; Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 255 ff., 259 ff.; Weller, IPRax 2006, 444, 448. Die in Art. 25 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO aufgenommene unionsrechtlich harmonisierte Kollisionsregelung erfasst nur die „materielle Nichtigkeit“ einer Gerichtsstandsvereinbarung und daher gerade nicht die Frage der Drittwirkung. So auch ausdrücklich für die Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung bei Rechtsnachfolge Nunner-Krautgasser, ZZP 127 (2014), 461, 477.
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Im Hinblick auf den originären Ausgleichsanspruch ist das Drittwirkungsstatut sodann in Anwendung der Art. 16 Rom I-VO bzw. Art. 20 Rom II-VO zu bestimmen. Maßgeblich ist damit grundsätzlich das Haftungsstatut des leistenden Gesamtschuldners. Eine Anwendung des Haftungsstatuts des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners über Art. 16 Satz 2 Rom I-VO (direkt oder analog) kommt für die Frage der Drittwirkung nicht in Betracht, da die Schutzklausel nur für Einwendungen gilt, sich aber nicht auf das Bestehen des Rückgriffsanspruchs an sich bezieht.530 Das Ergebnis, dass mittelbar dem Haftungsstatut des leistenden Gesamtschuldners die prozessuale Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung aus dem (Forderungs-)Verhältnis des rückgriffpflichtigen Gesamtschuldners entnommen wird, mutet zunächst etwas befremdlich an. Es ist aber als kollisionsrechtliche Entscheidung des Gesetzgebers hinzunehmen, dass das Haftungsstatut des leistenden Gesamtschuldners über die Rückgriffsansprüche herrscht.531 Dieses Statut entscheidet dann mittelbar als lex causae auch über die Frage einer prozessualen Drittwirkung, die mit der materiell-rechtlichen Drittwirkung einhergeht. Zudem ist es grundsätzlich gerade nicht ausgemacht, dass das Drittwirkungsstatut, die maßgebliche lex causae, mit dem Statut übereinstimmt, das über das Rechtsverhältnis herrscht, in dem die Gerichtsstandsvereinbarung getroffen wurde.532 Das gilt z. B. für die Bindung des Erben an eine von dem Erblasser abgeschlossene Gerichtsstandsvereinbarung.533 Die Frage, ob eine Gesamtrechtsnachfolge eingetreten ist, bestimmt das Erbstatut, nicht aber dasjenige Vertragsstatut derjenigen Ansprüche, für die die Gerichtsstandsvereinbarung getroffen worden ist.534 Gleiches kann auch für die vom EuGH hinsichtlich ihrer Drittwirkung anerkannten Konosse530
Vgl. Teil 3 § 3: C. II. 3. a) bb). Auf die Interessen und Begründung für diese Entscheidung ist an anderer Stelle schon eingegangen worden. Vgl. Teil 3 § 3: C. II. 3. a). 532 Dass für die subjektive Reichweite von Prozessvereinbarungen nicht zugleich das Rechtsverhältnis maßgeblich ist, in dem die Vereinbarung geschlossen wird auch in Bezug auf Schiedsvereinbarungen ausdrücklich angenommen: Hausmann, in: Internationales Vertragsrecht, Rdnr. 6783; Schütze, SchiedsVZ 2014, 274, 275. 533 Zur Anerkennung der Drittwirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen im Falle der Gesamtrechtsnachfolge vgl. nur Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, A. 1. – Art. 23 EuGVVO Rdnr. 201; Hausmann, in: unalex Kommentar Brüssel I-VO, Art. 23 EuGVVO Rdnr. 131; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO Rdnr. 64; Magnus, in: Magnus/ Mankowski, Brussels Ibis Regulation, Art. 25 EuGVVO Rdnr. 161; Mankowski, IPRax 1996, 427, 431; ders., in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 25 EuGVVO Rdnr. 230; Wagner, in: Stein/ Jonas, ZPO, Art. 23 EuGVVO Rdnr. 92. Und gilt auch nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Refcomp, vgl. Gebauer, in: FS Martiny (2014), S. 325, 332; ders., in: FS Schütze (2015), S. 95, 95; Weller, IPRax 2013, 501, 504. 534 Ebenso für die Drittwirkung von Schiedsvereinbarungen Schütze, SchiedsVZ 2014, 274, 276. 531
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mentfälle gelten. Für diese Fälle misst der EuGH der in einem Konossement enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung gegenüber dem Erwerber dann Bindungswirkung zu, wenn der Erwerber nach dem anwendbaren Recht in die Rechte und Pflichten des Befrachters eintritt. Die maßgebliche lex causae, die über den Eintritt zu urteilen hat, unterliegt sodann aber z. B. beim Inhaberkonossement der lex carta sitae,535 beim Orderkonossement der lex loci indossamenti,536 und beim Rektakonossement dem Zessionsstatut (was entweder das Zessionsgrund- oder das Forderungsstatut sein kann).537 Soweit das so ermittelte Drittwirkungsstatut nicht mit dem Forderungsstatut zusammenfällt, besteht im Ergebnis ebenfalls keine Kongruenz zwischen dem Recht, dem die materiell-rechtliche und damit mittelbar auch die prozessuale Drittwirkung entnommen wird, auf der einen und dem Recht, das auf die Rechtsverhältnis anzuwenden ist, in dem die Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen wurde, auf der anderen Seite. Das Drittwirkungsstatut beim Gesamtschuldnerausgleich bestimmt sich daher in Anwendung der Art. 16 Rom I-VO bzw. Art. 20 Rom II-VO. b) Materiell-rechtliche Abhängigkeit bzw. Drittwirkung des originären Ausgleichsanspruchs aa) Rechtsnachfolge als unabdingbare Voraussetzung? Die Drittwirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung für die Fälle der Rechtsnachfolge kann weiterhin als allgemein anerkannt betrachtet werden.538 Ob allerdings auch im Hinblick auf den originären Ausgleichsanspruch eine die prozessuale Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung „auslösende“ bzw. begründende materiell-rechtliche Wirkung vorliegt, erscheint aufgrund der Rechtsnatur des Anspruchs zunächst fraglich. Anders als der Anspruch aus der übergeleiteten Gläubigerforderung entsteht der originäre Ausgleichsanspruch in der Person des leistenden Gesamtschuldners neu. Eine Rechtsnachfolge in die Forderung des leistenden Gesamtschuldners ist damit nicht verbunden. Eine materiell-rechtliche Drittwirkung des originären Ausgleichsanspruchs und die 535 Hausmann, in: Internationales Vertragsrecht, Rdnr. 6512; Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 263 m. w. N.; Weller, IPrax 2013, 501, 504 Fn. 32. 536 Hausmann, in: Internationales Vertragsrecht, Rdnr. 6512; Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 264 m. w. N.; Weller, IPrax 2013, 501, 504 Fn. 32. 537 Hausmann, in: Internationales Vertragsrecht, Rdnr. 6512; Weller, IPrax 2013, 501, 504 Fn. 32. Da der Empfänger bei einem Rektakonossement bereits Partei des ursprünglichen Konossementsverhältnisses sei, liegt für Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 280 hier schon kein Fall der Drittwirkung vor. 538 Trotz der Entscheidung des EuGH, Urteil v. 07.02.2013, Rs. C-543/10 (Refcomp SpA ./. Axa Corporate Solutions Assurance SA u. a.), ECLI:EU:C:2013:62.
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Beachtlichkeit der Gerichtsstandsvereinbarung im Rückgriffsverhältnis kann daher auf diesem Wege nicht begründet werden. Damit ist aber nicht zugleich gesagt, dass im Falle des originären Anspruchserwerbs eine Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung grundsätzlich ausgeschlossen ist bzw. nur dann in Betracht käme, wenn der Dritte ihr selbst zugestimmt hat. Die entscheidende Frage ist vielmehr, ob überhaupt mit einem originären Anspruchserwerb der „Eintritt in die Rechte und Pflichten“ einer der am Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung beteiligten Parteien verbunden sein kann. Da der EuGH diese Formel in seiner Tilly Russ-Entscheidung ausdrücklich gebilligt und festgeschrieben hat, könnte dieser Entscheidung eine über die Konossementfälle hinausgehende Bedeutung zukommen. In der Tat scheint der EuGH in der Rechtssache Tilly Russ den derivativen Rechtserwerb im Blick gehabt zu haben. Dafür spricht zum einen, dass er im Zusammenhang mit seiner Entscheidung nochmals die Auffassung der Kommission aufgreift, die darauf abstellt, dass es in der maßgeblichen nationalen Rechtsordnung eine Abtretungstheorie gibt, nach der der Befrachter seine Rechte und Pflichten an den Drittinhaber abtritt. Zum anderen deutet auch der maßgebliche Gedanke des EuGH, dass dem Drittinhaber nicht mehr Rechte verliehen werden können als der Befrachter selbst inne hatte, darauf hin, dass der EuGH nur Fälle der Rechtsnachfolge erfassen wollte.539 Zugleich hat der EuGH in der späteren Entscheidung Coreck nochmals festgestellt, dass nicht jeder Drittinhaber des Konossements ipso iure an die Gerichtsstandsvereinbarung gebunden ist, sondern nur derjenige, der nach dem anwendbaren Recht in die Rechte und Pflichten eintritt. Soweit ein Eintritt nicht erfolgt, müsse die Zustimmung des Dritten zur Gerichtsstandsklausel im Hinblick auf die Erfordernisse des Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ (jetzt Art. 25 Abs. 1 EuGVVO) geprüft werden.540 Die letztgenannte Entscheidung bekräftigt nochmals die Annahme, dass der EuGH nur den derivativen Rechtserwerb im Blick hatte. Soweit man eine Drittbindung mangels Rechtsnachfolge ablehnt, wird jedoch vermehrt mit Blick auf Art. 25 Abs. 1 Satz 3 lit. c) EuGVVO eine Zustimmung des Dritten in den Fällen angenommen, in denen ein internationaler Handelsbrauch existiert, nach dem der Drittinhaber des Konnossements dessen Ausgestaltung und damit auch der Gerichtsstandsvereinbarung konkludent zugestimmt habe.541 Doch auch für So auch Mohs, Drittwirkung von Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 47. EuGH, Urteil v. 09.11.2000, Rs. C-387/98 (Coreck Maritime GmbH ./. Handelsveem BV u. a.), Slg. 2000, I-9337, Rdnr. 24 ff. 541 BGH, NJW 2007, 2036, 2038; Basedow, IPRax 1985, 133, 136 f.; Gottwald, in: MünchKomm, ZPO, Art. 25 EuGVVO Rdnr. 56; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 23 EuGVVO Rdnr. 67; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 23 EuGVVO Rdnr. 101. Kritisch zu dieser Ansicht Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse, S. 276 ff. 539
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Teil 3: Die eigenständige Rückgriffsklage
Konossementfälle, in denen z. B. nach dem anwendbaren deutschen Recht keine Rechtsnachfolge angenommen werden kann,542 wird eine andere Begründung der Drittwirkung gesucht. Teilweise will man die Drittwirkung mit einer Parallelität der Rechte von Befrachter und Empfänger begründen, die der Bindung kraft Rechtsnachfolge gleichzusetzen sei.543 Andere ziehen allgemein die wirtschaftliche Verbundenheit der Ansprüche des Drittinhabers mit dem Außenverhältnis zur Begründung der Bindungswirkung heran.544 Rabe weist sogar darauf hin, dass der Drittinhaber des Konossements niemals als Rechtsnachfolger des Befrachters angesehen werden könne. Allerdings sei die Aussage des EuGH losgelöst von juristischen (nationalen) Begrifflichkeiten zu verstehen, und könne deshalb gerade nicht so verstanden werden, dass der Dritte Rechtsnachfolger werden müsse, sondern müsse darüber hinausreichen.545 Auch wenn der EuGH mit seiner in der Entscheidung Tilly Russ aufgegriffenen Formel nur den derivativen Rechtserwerb im Blick gehabt haben mag, schließt dies die Drittwirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen in anderen Fällen nicht aus. Denn es ist, wie oben ausgeführt,546 die materiell-rechtliche Besonderheit, die einen materiell-rechtlichen Drittanspruch begründen kann, in dessen Folge sodann aber auch prozessual von einer Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung auszugehen ist. Das gilt zum einen für den Vertrag zu Gunsten Dritter,547 aber eben auch für die schon mehrmals angesprochenen Fälle der action directe. Obwohl materiell-rechtlich bei der action directe keine Rechtsnachfolge stattfindet,548 ist für eine Klage des Endkäufers gegen den Hersteller wegen Sachmängel der innerhalb der Vertragskette weiterverkauften Ge542 So soll z. B. das Orderkonossement nach h. M. durch einen Vertrag zu Gunsten des Empfängers als Dritter zwischen dem Ablader und dem Verfrachter geschlossen werden. Vgl. BGHZ 33, 364, 367; Mohs, Drittwirkung von Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 47 m. w. N. 543 So Herber, TranspR 2004, 410, 412, wobei er jedoch zwischen den Ansprüchen des Verfrachters gegen den Empfänger und den Ansprüchen des Empfängers gegen den Verfrachter differenzieren will. Eine Bindung ohne Zustimmung des Empfängers (Dritten) komme nur für Ansprüche des Empfängers (Dritten) gegen den Verfrachter in Betracht. 544 Mohs, Drittwirkung von Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 48. 545 Rabe, TranspR 2000, 389, 392. 546 Vgl. hierzu Teil 3 § 3: G. II. 547 EuGH, Urteil v. 14.07.1983, Rs. 201/82 (Gerling Konzern Speziale Kreditversicherungs-AG u. a. ./. Amministrazione del Tesoro dello Stato), Slg. 1983, 2503, Rdnr. 14, 19; Gebauer, in: FS Schütze (2015), S. 95, 105; Geimer, NJW 1985, 533, 534; Hausmann, in: unalex Kommentar Brüssel I-VO, Art. 23 EuGVVO Rdnr. 134; Hübner, IPRax 1984, 237, 239; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 25 EuGVVO Rdnr. 229; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 23 EuGVVO Rdnr. 90. 548 Gebauer, IPRax 2001, 471, 472 mit Nachweisen zur dogmatischen Erklärung der action directe; Weller, IPRax 2013, 501, 503.
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genstände eine von dem Hersteller getroffene Gerichtsstandsvereinbarungen mit seinem direkten Vertragspartner entgegen der Ansicht des EuGH in der Rechtssache Refcomp auch für den Kläger aus der action directe bindend. Der Anspruch aus action directe durchbricht gerade die materiell-rechtliche Relativität und gewährt dem Endkäufer gegenüber dem Hersteller Ansprüche auf Ausgleich seines Äquivalenzinteresses. Mit dieser materiell-rechtlichen Besonderheit geht aber auch eine prozessuale Bindung an die Gerichtsstandsvereinbarung einher.549 Dass der leistende Gesamtschuldner im Hinblick auf den originären Ausgleichsanspruch nicht Rechtsnachfolger des Gläubigers aus dem Außenverhältnis wird, steht einer Beachtlichkeit der Gerichtsstandsvereinbarung im Rückgriffsverhältnis zwischen den Gesamtschuldner also nicht per se entgegen. Sie ist vielmehr, wie bereits oben angedeutet, davon abhängig, ob die materiell-rechtlichen Wirkungen des Anspruchs eine prozessuale Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung zu begründen vermögen. bb) Materiell-rechtliche Besonderheiten des originären Ausgleichsanspruchs Zieht man für die Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung im Rückgriffsverhältnis die materiell-rechtliche Ausgestaltung des originären Ausgleichsanspruchs heran, muss zunächst einmal auffallen, dass der originäre Ausgleichsanspruchs sich gerade dadurch auszeichnet, dass er in der Person des leistenden Gesamtschuldners neu entsteht und nicht nur die Gläubigerforderung auf ihn übergeht. Daher können dem originären Ausgleichsanspruch Einwendungen und Einreden, die aus dem Außenverhältnis zwischen dem rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner und dem Gläubiger resultieren, grundsätzlich nicht entgegengehalten werden550. Nur in bestimmten Ausnahmefällen greift z. B. die Verjährung und ein mit ihr einhergehendes Leistungsverweigerungsrecht durch.551 Eine materiell-rechtliche Identität zwischen dem Rückgriffsanspruch des leistenden Gesamtschuldners und dem im Außenverhältnis bestehenden Anspruchs des Gläubigers gegen den anderen Gesamtschuldner kann daher nicht ausgemacht werden. Für den originären Ausgleichsanspruch können jedoch andere materiell-rechtliche Besonderheiten aufgezeigt werden, die einer Durchbrechung der Relativität des Schuldverhältnisses zwischen dem in Rückgriff zu nehmenden 549 Bauerreis, Rechtsinsitut der action directe, S. 240; Gebauer, IPRax 2001, 471, 474; ders., in: FS Martiny (2014), S. 325, 329; ders., in: FS Schütze (2015), S. 95, 102; Weller, IPRax 2013, 501, 504. 550 Vgl. Teil 1 § 1: C. II. 1. 551 Vgl. Teil 1 § 1: C. II. 1.
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Teil 3: Die eigenständige Rückgriffsklage
Gesamtschuldner und dem Gläubiger im Außenverhältnis entsprechen und damit auch eine prozessuale Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung rechtfertigen können. Zunächst greift der schon an anderer Stelle ausgeführte Gedanke der Fortsetzung der Haftung aus dem Außen- im Innenverhältnis. Wenn auch der originäre Ausgleichsanspruch auf diesen Gedanken zurückgeführt werden kann, lässt sich die prozessuale Wirkung der Gerichtsstandsvereinbarung im Innen- bzw. Rückgriffsverhältnis als weiterer Aspekt der Fortsetzung begreifen. Die Haftung, die der in Rückgriff zu nehmende Gesamtschuldner im Außenverhältnis begründet hat, wirkt nun im Innenverhältnis fort, um einen gerechten Lastenausgleich zu erzielen und der Gesamtschuld ihren Glückspielscharakter zu nehmen. Im Grunde geht es also darum, dass auch der andere Gesamtschuldner seine im Außenverhältnis bestehende Haftung erfüllt, nun aber eben im Innenverhältnis und gegenüber dem leistenden Gesamtschuldner.552 Der Gedanke der Erfüllungshaftung wird z. B. auch herangezogen, um eine Bindung des falsus procurators an die Gerichtsstandsvereinbarung, die eigentlich im Verhältnis zwischen dem (nicht wirksam) Vertretenen und dem Vertragspartner wirken sollte, zu begründen.553 Als materiell-rechtliche Besonderheit des originären Ausgleichsanspruchs ist zugleich zu beachten, dass die Haftungsgrundlage des in Rückgriff zu nehmenden Gesamtschuldners Voraussetzung dafür ist, dass die Gesamtschuld überhaupt besteht und mit ihr ein originärer Ausgleichsanspruch in Betracht kommt. Insoweit knüpft also der originäre Ausgleichsanspruch an das Bestehen der Haftung des anderen Gesamtschuldners im Außenverhältnis an, findet in dessen Existenz aber zugleich auch seine Grenze. Er stellt sich als notwendiges Korrelat zur Möglichkeit des Gläubigers, jeden Gesamtschuldner auf die gesamte Leistung in Anspruch nehmen zu können, dar und besteht daher gerade zu Gunsten des leistenden Gesamtschuldners, der die Last nicht endgültig tragen soll. Der leistende Gesamtschuldner leitet seinen Ausgleichsanspruch also insoweit aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem anderen Gesamtschuldner, für welches die Gerichtsstandsvereinbarung begründet worden ist, her. Die prozessuale Bindung an die im Außenverhältnis zwischen Gläubiger und anderem Gesamtschuldner bestehende Gerichtsstandsvereinbarung ist sodann aber die Folge. Auch für den Gesamtschuldnerrückgriff aus originärem Vgl. zu diesen Gedanken auch Thoma, Der internationale Regress, S. 202. Für den nach § 179 Abs. 1 Alt. 1 BGB bestehenden Erfüllungsanspruch Hausmann, in: unalex Kommentar Brüssel I-VO, Art. 23 EuGVVO Rdnr. 135; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 25 EuGVVO Rdnr. 160; Weller, IRPax 2006, 444, 449. Anders Jungermann, Drittwirkung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 215; Schlosser/Hess, EuZPR, Art. 25 EuGVVO Rdnr. 43. 552 553
§ 3: Der originäre Ausgleichsanspruch
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Ausgleichsanspruch ist daher von einer Drittbindung der Gerichtsstandsvereinbarung im Rückgriffsverhältnis auszugehen. Hiergegen lässt sich auch nicht vorbringen, dass bei einer kumulativen Schuldübernahme, dem Schuldbeitritt, oder der Bürgschaft eine Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung für die Haftung des Beitretenden554 bzw. des Bürgen wohl nicht auszugehen ist. Denn in diesen Fällen geht es um eine von dem Beitretenden bzw. Bürgen selbst hervorgerufen Haftung für eine fremde Schuld. Der zwischen dem Erstschuldner bzw. Hauptschuldner und dem Gläubiger bestehenden Gerichtsstandsvereinbarung wird für die Inanspruchnahme des Beitretenden bzw. Bürgen durch den Gläubiger die Wirkung versagt. Bei der Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung für den Gesamtschuldnerausgleich geht es aber zum einen gerade nicht darum, die Bindung für die Inanspruchnahme des leistenden Gesamtschuldners durch den Gläubiger im Außenverhältnis zu begründen, sondern für den Rückgriff des leistenden Gesamtschuldners gegen den anderen Gesamtschuldner. Zum anderen ist auch nicht ausgemacht, ob im Falle des kumulativen Schuldbeitritts bzw. der Bürgschaft die Gerichtsstandsvereinbarung zwischen dem Erstschuldner bzw. Hauptschuldner und dem Gläubiger für die besondere Situation des Rückgriffs ebenfalls keine Geltung beanspruchen kann.
III. Ergebnis Besteht zwischen dem Gläubiger und dem nun auf Ausgleich in Anspruch zu nehmenden Gesamtschuldner eine Gerichtsstandsvereinbarung bezüglich seiner Haftung, so erstreckt sich diese Gerichtsstandvereinbarung auch auf den im Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern bestehenden originären Ausgleichsanspruch. Die Gerichtsstandsvereinbarung entfaltet ihre Wirkung im Rückgriffsverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern gerade auch ohne die Zustimmung des leistenden Gesamtschuldners. Geht er gegen den anderen Gesamtschuldner aus originärem Ausgleichsanspruch vor, ist für die Klage das prorogierte Gericht zuständig.
554 Gegen eine Bindung des Schuldbeitretenden, da dieser eine eigene Haftung begründe und kein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers am Durchgreifen der Gerichtsstandsvereinbarung gegen ihn bestehe z. B. OGH, unalex AT-357; Hausmann, in: unalex Kommentar Brüssel I-VO, Art. 23 EuGVVO Rdnr. 133; Jungermann, Drittwirkung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen, S. 196 ff.; Weller, IPRax 2013, 501, 504. Für eine Bindung des Schuldbeitretenden an die Gerichtsstandsvereinbarung hingegen Mankowski, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 25 EuGVVO Rdnr. 159; Wagner, Prozeßverträge, S. 319.
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Teil 3: Die eigenständige Rückgriffsklage
H. Zusammenfassendes Ergebnis für die Rückgriffsklage aus originärem Ausgleichsanspruch Aufgrund der gesetzlichen Natur des originären Ausgleichsanspruchs ist dessen Qualifikation nicht eindeutig vorgegeben. Im Rahmen der Untersuchung konnte jedoch aufgezeigt werden, dass der originäre Ausgleichsanspruch in Abhängigkeit von der Rechtsnatur der Haftungsgrundlage des in Rückgriff zu nehmenden Gesamtschuldners zu qualifizieren ist. Haftet der in Rückgriff zu nehmende Gesamtschuldner auf einer vertraglichen Grundlage, so ist die Klage aus originärem Ausgleichsanspruch am Vertragsgerichtsstand zu erheben. Ist die Haftungsgrundlage des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners deliktischer Natur, so ist für die Klage aus originärem Ausgleichsanspruch der Deliktsgerichtsstand eröffnet. Da an die Haftungsgrundlage des in Rückgriff zu nehmenden Gesamtschuldners angeknüpft wird, war zu klären, inwiefern auch für die Rückgriffsklage zu berücksichtigen ist, dass im Rechtsverhältnis zwischen dem rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner und Gläubiger der Verbrauchergerichtsstand einschlägig ist. Der im Außenverhältnis zu beachtende Verbrauchergerichtsstand kann im Rückgriffsverhältnis nur dann Bedeutung erlangen, wenn der rückgriffspflichtige Gesamtschuldner seine Haftungsgrundlage zum Gläubiger unter den Voraussetzungen des Art. 17 EuGVVO als Verbraucher eingegangen ist. Ist der Verbraucher allerdings an der Rückgriffsklage nicht unmittelbar beteiligt, beansprucht der Verbrauchergerichtsstand keine Geltung. Die Rückgriffsklage kann sodann aber am Vertragsgerichtsstand geltend gemacht werden. Eine zwischen dem in Rückgriff zu nehmenden Gesamtschuldner und dem Gläubiger bestehende Gerichtsstandsvereinbarung entfaltet auch für die Rückgriffsklage Bedeutung, wenn nach der lex causae von einer materiell-rechtlichen Drittwirkung auszugehen ist. Mithin ergibt sich ein Gleichlauf der Zuständigkeiten für die Klage aus originärem Ausgleichsanspruch und aus der übergeleiteten Gläubigerforderung. Es besteht ein einheitlicher Gerichtsstand für die eigenständige Rückgriffsklage.
§ 4 Das Problem der Anspruchsgrundlagenkonkurrenz bei vertraglicher und deliktischer Haftung des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners Nachdem die verfahrensrechtliche Behandlung der zu Rückgriffszwecken übergeleiteten Gläubigerforderung und des originären Ausgleichsanspruchs geklärt ist, widmet sich der folgende Abschnitt dem Phänomen konkurrierender Anspruchsbegründungsmöglichkeiten im Außenverhältnis zwischen dem rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner und dem Gläubiger der Gesamtschuld. Die zu untersuchende Problematik kann durch folgendes Beispiel eines gemischten Gesamtschuldverhältnisses verdeutlicht werden: A beauftragt B mit dem Transport einer Vase. Während des Transports kommt es zu einem Verkehrsunfall, der sowohl auf ein Fehlverhalten des B als auch des am Verkehrsunfall beteiligten D zurückzuführen ist. Die Vase wird bei dem Unfall vollständig zerstört. B und D haften für den aufgekommenen Schaden als Gesamtschuldner. Ihre Haftungsgrundlagen zum Gläubiger divergieren jedoch. Während mangels einer vertraglichen Beziehung zwischen A und D der Schadensersatzanspruch des A gegen D nur außervertraglicher, in casu deliktischer Natur sein kann, kommt für ein Schadensersatzbegehren des A gegen B grundsätzlich sowohl eine vertragliche als auch eine deliktische Haftungsgrundlage in Frage. Im Verhältnis zwischen A und B besteht, soweit das anwendbare Recht sie zulässt, eine materiell-rechtliche Anspruchskonkurrenz, genauer: eine Anspruchsgrundlagenkonkurrenz. Wird D von A im Außenverhältnis auf die gesamte Leistung in Anspruch genommen, wird er im Innenverhältnis gegen B Rückgriff nehmen wollen. Hierfür steht ihm neben der zu Rückgriffszwecken übergeleiteten Gläubigerforderung auch ein originärer Ausgleichsanspruch zur Verfügung. Da jedoch für die Haftung des B gegenüber A sowohl vertragliche als auch deliktische Anspruchsgrundlagen in Betracht kommen können, stellt sich auch für den Gesamtschuldnerrückgriff die Frage, wie mit dieser Anspruchsgrundlagenkonkurrenz auf verfahrensrechtlicher Ebene umzugehen ist. Für die übergeleitete Gläubigerforderung drängt sich diese Frage schon deshalb auf, weil für den Vertrags- und Deliktsgerichtsstand aufgezeigt werden konnte, dass der im
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Rechtsverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem in Rückgriff zu nehmenden Gesamtschuldner bestehende Gerichtsstand auch für die Rückgriffsklage beachtlich ist. Aber auch für eine Rückgriffsklage aus originärem Ausgleichsanspruch wird die Anspruchsgrundlagenkonkurrenz im Rechtsverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem in Rückgriff zu nehmenden Gesamtschuldner relevant, weil sich die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs aus der Haftungsgrundlage dieses Gesamtschuldners ableitet. Obwohl es sich bei dem soeben angesprochenen Problem der Anspruchsgrundlagenkonkurrenz keineswegs um eine Besonderheit des Gesamtschuldnerrückgriffs handelt, sondern es z. B. auch dann relevant wird, wenn der Gläubiger im Beispielfall nicht auf D, sondern auf B zugreifen wollte, sind die Auswirkungen einer Anspruchsgrundlagenkonkurrenz im Verfahrensrecht bislang nicht abschließend geklärt.555 Es stellt sich insbesondere die Frage, ob im Rahmen der EuGVVO die berufenen Gerichte befugt sind, über konkurrierende Anspruchsgrundlagen zu entscheiden (Gerichtsstand des Sachzusammenhangs), oder ob ihnen nur eine beschränkte Kognitionsbefugnis zukommt.
A. Das Urteil des EuGH in der Rechtssache Kalfelis Der Verordnung selbst ist hierzu keine ausdrückliche Entscheidung zu entnehmen. Als Ausgangspunkt der Behandlung der Anspruchsgrundlagenkonkurrenz im europäischen Verfahrensrecht kann jedoch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Kalfelis556 betrachtet werden. In dieser Rechtssache urteilte der EuGH, dass „ein Gericht, das nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ für die Entscheidung über eine Klage unter einem auf deliktischer Grundlage beruhenden Gesichtspunkt zuständig ist, nicht auch zuständig ist, über diese Klage unter anderen, nichtdeliktischen Gesichtspunkten zu entscheiden“.557 Das Gericht am Ort des ursächlichen Geschehens verfügt nach dem EuGH somit nur über eine beschränkte Kognitionsbefugnis. Zur Begründung seiner Ansicht führt der EuGH an, dass der Deliktsgerichtsstand als Ausnahme zum Grundsatz des Beklagtengerichtsstandes (actor sequitur forum rei)
555 Monographisch hierzu Otte, Umfassende Streitentscheidung. Zur Anspruchskonkurrenz im Internationalen Privatrecht monographisch Spelsberg-Korspeter, Anspruchskonkurrenz im Internationalen Privatecht; Stoll, in: Liber Amicorum Hay (2005), S. 403 ff. 556 EuGH, Urteil v. 27.09.1988, Rs. 189/87 (Kalfelis ./. Bankhaus Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co.), Slg. 1988, 5565. 557 EuGH, Urteil v. 27.09.1988, Rs. 189/87 (Kalfelis ./. Bankhaus Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co.), Slg. 1988, 5565, Rdnr. 21.
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eng auszulegen sei.558 Über den Nachteil, den es mit sich bringen kann, wenn über einzelne Aspekte eines Rechtsverhältnisses vor verschiedenen Gerichten zu entscheiden sei, sah der EuGH mit dem Hinweis hinweg, dass der Kläger ja einerseites die Möglichkeit habe am allgemeinen Gerichtsstand eine umfassende Streitentscheidung zu begehren und andererseits die Verordnung eine nachträgliche Verbindung der Klagen zulasse (Art. 22 EuGVÜ, jetzt Art. 30 EuGVVO).559 Zumindest für die Behandlung des Deliktsgerichtsstandes zeichnet sich durch die Kalfelis-Rechtsprechung ein (wohl) eindeutiges Bild ab. Nach der Ansicht des EuGH ermöglicht Art. 7 Nr. 2 EuGVVO keinen Gerichtsstand des Sachzusammenhangs. Was aber insbesondere für den Vertragsgerichtsstand des Art. 7 Nr. 1 EuGVVO gelten soll, bleibt offen. Es bieten sich verschiedene Möglichkeiten an.
B. Der Vertragsgerichtsstand als vorrangiger Gerichtsstand Teilweise steht man einer mit der Anspruchsgrundlagenkonkurrenz grundsätzlich verbundenen Kumulation der besonderen Gerichtsstände des Art. 7 Nr. 1 und Nr. 2 EuGVVO kritisch gegenüber und möchte es auch für die Anspruchsgrundlagenkonkurrenz ausschließen, dass für eine Rechtsstreitigkeit sowohl der Vertrags- als auch der Deliktsgerichtsstand berufen sein können. Verhindert werden soll ein Nebeneinander der besonderen Gerichtsstände für die Fälle der Anspruchsgrundlagenkonkurrenz, weil oder indem dem Vertragsgerichtsstand gegenüber dem Delitksgerichtsstand der Vorrang einzuräumen sei.560 Das Gericht am Erfüllungsort sei sodann nicht nur für die vertraglichen, sondern auch die konkurrierenden deliktischen Anspruchsgrundlagen entscheidungsbefugt. Eine isolierte Klage über die deliktischen Anspruchsgrundlagen am Gerichtsstand nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO könne nicht mehr erhoben werden. Der De558 EuGH, Urteil v. 27.09.1988, Rs. 189/87 (Kalfelis ./. Bankhaus Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co.), Slg. 1988, 5565, Rdnr. 19. 559 EuGH, Urteil v. 27.09.1988, Rs. 189/87 (Kalfelis ./. Bankhaus Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co.), Slg. 1988, 5565, Rdnr. 20. 560 Kropholler, in: Handbuch des Int. Zivilverfahrensrechts I, Kap. III Rdnr. 374 (mit dem Hinweis, dass den Interessen des Klägers durch Einräumung eines zusätzlichen Gerichtsstandes ausreichend Rechnung getragen sei); Schmidt-Kessel, ZEuP 2004, 1019, 1027 f.; Stoll, in: FS Georgiades (2006), S. 941, 958 Fn. 48. Für einen Vorrang des Vertragsgerichtsstandes auch ganz eindeutig Schlussanträge GA Darmon, 15.06.1988, Rs. 189/87 (Kalfelis ./. Bankhaus Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co.), Slg. 1988, 5733, Rdnr. 25 ff.; sowie Schlussanträge GA Darmon, 27.10.1992, Rs. C-89/91 (Shearson Lehman Hutton Inc. ./. TVB Treuhandgesellschaft für Vermögensverwaltung und Beteiligungen mbH), Slg. 1993, I-164, Rdnr. 104 ff.
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liktsgerichtsstand wäre sodann zugunsten des Vertragsgerichtsstandes verdrängt. Er wäre nur dann noch einschlägig, wenn das Näheverhältnis zwischen den Parteien erst durch die unerlaubte Handlung begründet werden würde.561 Funktionell betrachtet handelt es sich dann nicht um einen Annexgerichtsstand kraft Sachzusammenhangs, sondern um eine vorrangige einheitliche vertragliche Qualifikation der in Betracht kommenden Ansprüche, die die Frage nach einer möglichen beschränkten Kognitionsbefugnis obsolet macht.562 Gestützt wird der Vorrang des Vertragsgerichtsstandes insbesondere auf den prägenden Charakter des Vertragsverhältnisses, der auch im Kollisionsrecht zur vertragsakzessorischen Anknüpfung deliktischer Ansprüche führt (Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO) und auch im Rahmen eines rechtsaktübergreifenden systematischen Vergleichs mit den Regelungen der Rom I- und II-VO berücksichtigt werden müsse.563 Diese Argumentationslinie berücksichtigt jedoch nicht hinreichend, dass die vertragsakzessorische Anknüpfung des Deliktsstatuts im Kollisionsrecht nicht mit einer vertraglichen Qualifikation gleichgesetzt werden kann.564 Die Ansprüche werden mittels der akzessorischen Anknüpfung nur einem einheitlichen Statut unterstellt. Eine unmittelbare Geltung der Rom I-VO und ein Vorrang der vertraglichen Qualifikation sind damit nicht verbunden. Zudem müssen die hinter dem Verfahrens- und Kollisionsrecht stehenden unterschiedlichen Wertungen im Rahmen der rechtsaktübergreifenden systematischen Auslegung beachtet werden.565 Im Kollisionsrecht sollen durch die vertragsakzessorische Anknüpfung Normwidersprüche, die durch die Anwendung verschiedener Rechte auf denselben Lebenssachverhalt entstehen können, vermieden und der Wertungseinklang zwischen vertraglichen und deliktischen Ansprüchen hergestellt werden.566 Ein Vorrang des Vertragsgerichtsstandes unter Ausschluss des Vgl. Wendenburg/Schneider, NJW 2014, 1633, 1635. Im Ergebnis führt eine vorrangige vertragliche Qualifikation dazu, dass dem Vertragsgerichtsstand auch die Kognitionsbefugnis zukommt über Ansprüche zu entscheiden, die nach nationalem Recht und ggfs. auch nach der Rom II-VO als außervertragliche Ansprüche behandelt werden, vgl. Baumert, EWiR 2014, 435, 436; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2015, 1, 16. 563 Kropholler, in: Handbuch des Int. Zivilverfahrensrechts I, Kap. III Rdnr. 374; Wendenburg/Schneider, NJW 2014, 1633, 1635. 564 von Hein, IPRax 2013, 505, 512. 565 Das Argument daher im Ergebnis ebenfalls ablehnend Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2015, 1, 16; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz, S. 306. 566 Vgl. Unberath/Cziupka/Pabst, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 4 Rom II-VO Rdnr. 89, 106; Spellenberg, in: MünchKomm, BGB, Art. 12 Rom I-VO Rdnr. 122; von Hoffmann/Thorn, IPR, § 3 Rdnr. 79. Vgl. zur akzessorischen Anknüpfung im Kollisionsrecht auch Kropholler, IPR, S. 530. 561
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Deliktsgerichtsstandes ist aber auf Zuständigkeitsebene gleichwohl nicht erforderlich.567 Anders als im Kollisionsrecht besteht im Verfahrensrecht schon im Ausgangspunkt die Möglichkeit, dass mehrere Gerichtsstände für die Behandlung des Rechtsstreits zur Verfügung stehen können. Die besonderen Gerichtsstände stehen zum allgemeinen Gerichtsstand in einem Alternativverhältnis und damit zur Disposition des Klägers. Parallelverfahren und der damit verbundenen Gefahr sich widersprechender Entschiedungen begegnet man nach Art. 29 ff. EuGVVO z. B. mit der Rechtshängigkeitssperre.568 Darüber hinaus wollen Schmidt-Kessel569 und Stoll570 den Vorrang des Vertragsgerichtsstandes zudem der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Tacconi571 entnehmen. Der EuGH habe in dieser Rechtssache festgelegt, dass ein Nebeneinander der Zuständigkeiten aus Art. 7 Nr. 1 und Nr. 2 EuGVVO auch im Falle der Anspruchsgrundlagenkonkurrenz nicht bestehen könne und mit dieser Ausschließlichkeitsthese zugleich seine Kalfelis-Rechtsprechung überholt.572 Für einen Vorrang des Vertragsgerichtsstandes bei Anspruchsgrundlagenkonkurrenz findet sich aber auch in dem Urteil des EuGH zur Rechtssache Tacconi keine Stütze. Der Vorschlag des Generalanwalts Geelhoed, Art. 5 Nr. 1 und Nr. 3 EuGVVO a. F. (jetzt Art. 7 Nr. 1 und Nr. 2 EuGVVO) als ein geschlossenes System auch für den prozessualen Anspruch zu begreifen und Rechtsstreitigkeiten, die eine zivilrechtliche Haftung betreffen, entweder dem Vertrags- oder dem Deliktsgerichtsstand zuzuweisen,573 wurde vom EuGH Looschelders, IPRax 2006, 14, 16. Ebenso Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz, S. 306. 569 ZEuP 2004, 1019, 1028. 570 in: FS Georgiades (2006), S. 941, 958 Fn. 48. 571 EuGH, Urteil v. 17.09.2002, Rs. C-334/00 (Fonderie Officine Meccaniche Tacconi SpA ./. Heinrich Wagner Sinto Maschinenfabrik GmbH), Slg. I-7383. 572 Wendelstein, Telemedizin, S. 186 ff. folgert aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Tacconi ebenfalls die Ausschließlichkeit des Vertrags- und Deliktsgerichtsstandes. Allerdings geht für ihn damit kein absoluter Vorrang des Vertragsgerichtsstandes einher. Für eine Klage auf Schadensersatz wegen Verletzung des Integritätsinteresses hat für ihn der Deliktsgerichtsstand Vorrang. Allerdings folgert er anders als Schmidt-Kessel und Stoll aus der Rechtssache Tacconi keine Abkehr der Kalfelis-Doktrin, sondern will ihr einen eigenen Aussagegehalt beimessen, der Bedeutung für die Frage erlangt, wenn am Deliktsgerichtsstand eine Klage gegen einen weiteren, vertraglich haftenden Beklagten erhoben werden soll. Wendelstein verkennt jedoch, dass es sich hierbei allenfalls um eine Frage der Zuständigkeit nach Art. 8 EuGVVO handeln kann, zu der der EuGH in der Rechtssache Kalfelis aber nur hinsichtlich der ersten Vorlagefrage, nicht aber auch der hier relevanten zweiten Vorlagefrage Stellung genommen hat. 573 Schlussanträge GA Geelhoed, 31.01.2002, Rs. C-334/00 (Fonderie Officine Meccaniche Tacconi SpA ./. Heinrich Wagner Sinto Maschinenfabrik GmbH), Slg. 2002, I-7375, Rdnr. 71. 567
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noch nicht einmal aufgegriffen, geschweige denn übernommen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass er sich hinsichtlich der Frage nach der Behandlung einer Anspruchsgrundlagenkonkurrenz im Verfahrensrecht in dieser Rechtssache gar nicht äußern wollte. Der Entscheidung lag nämlich die umstrittene Qualifikation der culpa in contrahendo zu Grunde,574 die zwar eine Abgrenzung zwischen Vertrags- und Deliktsgerichtsstand erfordert, aber keine Anspruchsgrundlagenkonkurrenz aufwirft. Demnach kann dem Urteil in der Rechtssache Tacconi auch keine Abkehr von der Entscheidung aus der Rechtssache Kalfelis oder eine sonstige Aussage zur Behandlung der Anspruchsgrundlagenkonkurrenz im Verfahrensrecht entnommen werden. Rückenwind könnte die Annahme einer vorrangigen vertraglichen Qualifikation im Falle einer Anspruchsgrundlagenkonkurrenz aber durch die jüngere Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Brogsitter575 erhalten haben. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt begehrte der Kläger mit seiner Klage Schadensersatz und Unterlassung gegen seinen Vertragspartner, der trotz einer von dem Kläger vorgebrachten Ausschließlichkeitsabrede Uhren im eigenen Namen und für eigene Rechnung auf den Markt brachte. Der Kläger stützte seine Klage hierbei auf nach deutschem Recht bestehende vertragliche und deliktische Ansprüche. In seiner Entscheidung hob der EuGH zunächst hervor, dass allein wegen des Bestehens eines vertraglichen Verhältnisses zwischen den Prozessparteien der Rechtsstreit nicht bereits an sich dem Vertragsgerichtsstand unterfalle.576 Das sei nur dann der Fall, „wenn das vorgeworfene Verhalten als Verstoß gegen die vertraglichen Verpflichtungen angesehen werden kann, wie sie sich anhand des Vertragsgegenstandes ermitteln lassen“.577 Um einen solchen Verstoß gegen vertragliche Verpflichtungen handele es sich grundsätzlich dann, wenn „eine Auslegung des Vertrags zwischen dem Beklagten und dem Kläger unerlässlich erscheint, um zu klären, ob das dem Beklagten vom Kläger vorgewor-
574 Vgl. zur verfahrensrechtlichen Qualifikation der Haftung aus culpa in contrahendo: Arnold, IPRax 2013, 141, 145 f.; monographisch: Henk, Die Haftung für c.i.c. im IPR und IZVR; Junker, in: FS Stürner (2013), S. 1043, 1052 ff.; Mankowski, IPRax 2003, 127 ff. 575 EuGH, Urteil v. 13.03.2014, Rs. C-548/12 (Marc Brogsitter ./. Karsten Fräßdorf ), ECLI:EU:C:2014:148 mit zustimmender Anmerkung Dornis, GPR 2014, 352 ff.; Wendelstein, ZEuP 2015, 622 ff.; Wendenburg/Schneider, NJW 2014, 1633 ff. Kritisch Baumert, EWiR 2014, 435 f.; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2015, 1, 15 f.; Sujecki, EuZW 2014, 383, 384 f.; Weller, LMK 2014, 359127. 576 EuGH, Urteil v. 13.03.2014, Rs. C-548/12 (Marc Brogsitter ./. Karsten Fräßdorf ), ECLI:EU:C:2014:148, Rdnr. 19. 577 EuGH, Urteil v. 13.03.2014, Rs. C-548/12 (Marc Brogsitter ./. Karsten Fräßdorf ), ECLI:EU:C:2014:148, Rdnr. 24.
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fene Verhalten rechtmäßig oder vielmehr widerrechtlich ist“.578 Insoweit geht der EuGH dann aber davon aus, dass nur der Vertragsgerichtsstand (mit umfassender Kognitionsbefugnis), nicht daneben aber auch der Deliktsgerichtsstand anwendbar ist. Der EuGH macht die Anwendbarkeit des Vertragsgerichtsstandes folglich davon abhängig, dass die Berücksichtigung des geschlossenen Vertrages für die Entscheidung über die Klage zwingend erforderlich ist.579 Weller führt hierzu mit Recht an, dass es nicht ausreichen könne, dass der Vertrag nur im Rahmen einer Vorfrage Bedeutung erlangt, da die verfahrensrechtliche Qualifikation grundsätzlich unabhängig von Vorfragen und deren Qualifkation erfolgen muss580. Der vom EuGH in seinem Urteil aufgegriffene Zusammenhang mit dem Vertrag ist also so zu verstehen, dass sich ein Vorrang des Vertragsgerichtsstandes aufgrund vorrangiger vertraglicher Qualifikation nur dann ergibt, wenn sich die vorgeworfene Pflicht, die verletzt wurde, ausschließlich aus dem Vertrag ergibt und mit diesem steht und fällt. Wenn also ohne den Vertrag eine Pflichtverletzung und daraus resultierende Ansprüche gar nicht angenommen werden können, weil z. B. die jeweilige Verpflichtung nur vertraglich begründet sein kann.581 Das wäre dann der Fall, wenn der Anspruch in seinem Tatbestand von der Verletzung einer vertraglich begründeten Pflicht abhängig ist.582 Allein der Verstoß gegen eine vertragliche Neben- oder Schutzpflicht kann hingegen nicht ausreichen, um einen Vorrang des Vertragsgerichtsstandes zu begründen.583 Eine mögliche Konkurrenz beider Gerichtsstände kommt weiterhin in den Fällen in Betracht, in denen das vorgeworfene Verhalten eine vertragliche Verpflichtung verletzt, die zugleich aber auch im deliktischen Sinne und ganz unabhängig von einem Vertrag relevant ist.584 Der Entscheidung des EuGH in der EuGH, Urteil v. 13.03.2014, Rs. C-548/12 (Marc Brogsitter ./. Karsten Fräßdorf ), ECLI:EU:C:2014:148, Rdnr. 25 579 EuGH, Urteil v. 13.03.2014, Rs. C-548/12 (Marc Brogsitter ./. Karsten Fräßdorf ), ECLI:EU:C:2014:148, Rdnr. 26. 580 Weller, LMK 2014, 359127. Vgl. zur Unbeachtlichkeit von Vorfragen für die verfahrensrechtliche Qualifikation auch EuGH, Urteil v. 15.05.2003, Rs. C-266/01 (Préservatrice foncière TIARD SA ./. Staat der Nederlanden), Slg. 2003, I-4867, Rdnr. 42 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung des EuGH; Geimer, IPRax 2003, 51, 515; Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Art. 1 EuGVVO Rdnr. 6. 581 In diesem Sinne auch BGH, NJW 2014, 2798, 2801 (allerdings unabhängig von EuGH Brogsitter); wohl auch Wais, IPRax 2015, 127, 128; Weller, LMK 2014, 359127. 582 So auch Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2015, 1, 15. 583 Dornis, GPR 2014, 352, 354; Weller, LMK 2014, 359127. 584 Für offen halten diese Frage auch Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2015, 15 f., die dann aber die Vermutung aufstellen, dass der EuGH bei einer Anspruchskonkurrenz ggfs. für einen Vorrang des Vertragsgerichtsstandes optieren wird. Wohl aber für eine vertragliche Qualifikation Wendenburg/Schneider, NJW 2014, 1633, 1635. 578
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Rechtssache Brogsitter kann also nicht entnommen werden, dass bei Anspruchsgrundlagenkonkurrenz im Verfahrensrecht dem Vertragsgerichtsstand der Vorrang einzuräumen ist. Ein grundsätzlicher Vorrang des Vertragsgerichtsstandes erscheint auch in der Sache nicht gerechtfertigt, da er zu einer Entwertung des Deliktsgerichtsstandes führen und ihn in manchen Bereichen gänzlich „abschaffen“ würde.585 Die besonderen Gerichtsstände des Art. 7 Nr. 1 und Nr. 2 EuGVVO sind jedoch zueinander gleichwertig.586 Zudem würde der geschädigte Vertragspartner gegenüber einem sonstigen Geschädigten schlechter gestellt werden, wenn ihm die Anrufung des Deliktsgerichtsstandes nur deshalb verwehrt bliebe, weil zwischen ihm und dem Schädiger ein vertragliches Verhältnis besteht. Indem man dem Geschädigten in diesen Fällen die Möglichkeit versagt, Klage am Deliktsgerichtsstand zu erheben, verkürzt man seinen Rechtsschutz.587 Der Schädiger hingegen würde von einem Vorrang des Vertragsgerichtsstandes sogar profitieren, weil der Deliktsgerichtsstand in diesen Fällen von vorneherein ausgeschlossen und eine Klage des Geschädigten (Vertragspartners) gegen ihn am Gerichtsstand des vertraglichen Erfüllungsortes konzentriert wäre.588 Jeder andere Deliktstäter müsste hingegen damit rechnen, am Ort des ursächlichen Geschehens von dem Geschädigten gerichtspflichtig zu werden. Warum der Schädiger davon profitieren sollte, dass seine Handlung neben einer allgemeinen Pflicht zugleich auch eine vertragliche Pflicht verletzt, leuchtet nicht ein. Er muss es in diesem Fall hinnehmen, dass ggfs. sowohl der Vertrags- als auch der Deliktsgerichtsstand vom Kläger in Anspruch genommen werden kann.589 Dem Vorliegen einer Anspruchsgrundlagenkonkurrenz kann im Verfahrensrecht also nicht dadurch begegnet werden, dass man dem Vertragsgerichtsstand einen allgemeinen Vorrang vor dem Deliktsgerichtsstand einräumt und letzteren damit verdrängt.590
Vgl. hierzu Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2015, 1, 15; von Hein, IPRax 2013, 505, 512. Banniza von Bazan, Gerichtsstand des Sachzusammenhangs, S. 148; Baumert, EWiR 2014, 435, 436; Mansel, IPRax 1989, 84, 85. 587 Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2015, 1, 16. 588 von Hein, IPRax 2013, 505, 512. 589 So auch Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz, S. 305. 590 In der Sache ebenso BGH, NJW 2008, 2344, 2345: allein die bestehende Möglichkeit der Anspruchskonkurrenz begründet keinen Vorrang des Vertrags- vor dem Deliktsgerichtsstand. 585
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C. Die Annexkompetenz beim Vertragsgerichtsstand Die soeben getroffene Feststellung, dass dem Vertragsgerichtsstand keine generelle Vorrangsstellung zukommt, lässt aber weiterhin die Frage offen, ob dem Vertragsgerichtsstand nicht auch in Bezug auf konkurrierende deliktische Anspruchsgrundlagen die Kognitionsbefugnis zukommt, für ihn also von einer Annexkompetenz auszugehen ist. Ausgehend von der oben bereits aufgegriffenen Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Kalfelis wird eine generelle Ablehnung einer Annexkompetenz kraft Sachzusammenhangs an den besonderen Gerichtsständen nach Art. 7 Nr. 1 und Nr. 2 EuGVVO erwogen.591 Den besonderen Gerichtsständen solle nur eine eingeschränkte Kognitionsbefugnis zukommen. Obwohl der prozessökonomische Vorteil eines Gerichtsstandes des Sachzusammenhangs durchaus gesehen wird, sollen einer umfassenden Kognitionsbefugnis der besonderen Gerichtsstände mehrere Gründe entgegenstehen. So wird z. B., wie auch vom EuGH, vorgebracht, die beschränkte Kognitionsbefugnis folge bereits aus dem Ausnahmecharakter der besonderen Gerichtsstände und der für diese vorzunehmenden engen Auslegung.592 Der Einwand der einschränkenden Auslegung der besonderen Gerichtsstände gegenüber dem allgemeinen Beklagtengerichtsstand trägt freilich insoweit nicht, als bereits an anderer Stelle aufgezeigt werden konnte, dass die besonderen Gerichtsstände gegenüber dem allgemeinen Gerichtsstand kein Schattendasein führen, sondern als gleichwertig zu betrachten sind.593 Darüber hinaus wird angeführt, es ergebe sich bereits aus dem Legitimationsgrund der besonderen Gerichtsstände, der Sach- und Beweisnähe, dass das Gericht nur über die vertraglichen bzw. deliktischen Anspruchsgrundlagen entscheiden dürfe. Lässt man einen Gerichtsstand des Sachzusammenhangs zu, bestünde in der Tat die Gefahr, dass das Gericht nicht auch für den konkurrierenden Anspruch das sach- und beweisnähste ist. Allerdings darf man einerseits nicht verkennen, dass die Sach- und Beweisnähe zwar Legitimationsgrund, nicht aber auch Voraussetzung für die Anwendung der besonderen Gerichts591 BGHZ 132, 105, 114; Dornis, GPR 2014, 352, 353 (der für die beschränkte Kognitionsbefugnis am Vertragsgerichtsstand in der Entscheidung des EUGH in der Rs. Brogsitter eine Stütze sieht); Looschelders, IPRax 2006, 14,16; Mankowski, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 35; ders., IPRax 1997, 173, 178; ders., JZ 2003, 689. 690; ders., in: FS Heldrich (2005), S. 867, 886; Siehr, in: FS Honsell (2002), S. 189, 193 f.; Wagner, in: Stein/Jonas ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 127. 592 EuGH, Urteil v. 27.09.1988, Rs. 189/87 (Kalfelis ./. Bankhaus Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co.), Slg. 1988, 5565, Rdnr. 19; Wagner, in: Stein/Jonas ZPO, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 127. 593 Vgl. Teil 3 § 3: C. II. 1. b).
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stände ist. Andererseits ist das angerufene besondere Gericht im Hinblick auf die konkurrierende Anspruchsgrundlage auch nicht sachfremder als das Gericht am allgemeinen Beklagtengerichtsstand.594 Gewichtiger ist dagegen schon das Argument des Beklagtenschutzes. Gegen die Zulassung einer Annexkompetenz wird vorgebracht, dass sie die Interessen des Klägers an einer umfassenden Streitentscheidung über Gebühr und zu Lasten des Beklagten berücksichtige.595 Während dem Kläger die Möglichkeit zur Verfügung stehe, am allgemeinen Gerichtsstand eine umfassende Streitentscheidung herbeizuführen, brächte eine Erweiterung der Kognitionsbefugnis des Gerichts nach Art. 7 Nr. 1 (und auch Nr. 2) EuGVVO eine größere Belastung für den Beklagten mit sich.596 Der Einwand einer höheren Belastung des Beklagten verfängt allerdings nicht, da er sich im Hinblick auf den zuständigkeitsbegründenden Teil des prozessualen Anspruchs sowieso vor dem angerufenen Gericht einlassen und verteidigen muss.597 Die Mehrbelastung, sich zudem noch im Hinblick auf die konkurrierenden Anspruchsgrundlagen verteidigen zu müssen, ist eher gering. Was der Beklagte im Hinblick auf den vertraglichen Anspruch vorbringen muss, wird sich häufig mit dem Vorbringen gegen einen deliktischen Anspruch decken.598 So können z. B. dem Vertrag oder vertraglichen Abreden auch für den Haftungsmaßstab der deliktischen Ansprüche Bedeutung zukommen. Ungeachtet dessen kann eine umfassende Kognitionsbefugnis des angerufenen Gerichts aber durchaus auch für den Beklagten von Vorteil sein.599 Die umfassende Kognitionsbefugnis ermöglicht es dem Gericht, den Rechtsstreit umfassend, also auch in Bezug auf die konkurrierenden, an sich zuständigkeitsfremden Anspruchsgrundlagen zu entscheiden. Damit entfällt auch ein möglicher Zweitprozess, in dem der Kläger an einem anderen Gerichtsstand die konkurrierenden Anspruchsgrundlagen geltend macht. Zugleich entfällt für den Beklagten die Otte, Umfassende Streitentscheidung, S. 528. Mankowski, IPRax 1997, 173, 178; ders., in: FS Heldrich (2005), S. 867, 886; ders., in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 35; Spickhoff, IPRax 2009, 128, 132. 596 So auch EuGH, Urteil v. 27.09.1988, Rs. 189/87 (Kalfelis ./. Bankhaus Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co.), Slg. 1988, 5565, Rdnr. 20; Looschelders, IPRax 2006, 14, 16; Würthwein, ZZP 106 (1993), 51, 75 f. 597 Gottwald, IPRax 1989, 272, 274 f. mit Hinweis auch auf die ggfs. doppelt anfallenden und nicht ersattungsfähigen Parteikosten; Roth, in: FS Schumann (2001), S. 355, 358, 369; Spellenberg, ZZP 95 (1982), 17, 44; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz, S. 305; Windel, ZZP 111 (1998), 3, 14. 598 Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz, S. 305. 599 A. A. Spickhoff, IPRax 2009, 128, 132 mit dem Hinweis, dass der Beklagte durch eine rügelose Einlassung eine umfassende Streitentscheidung herbeiführen kann. 594 595
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Gefahr, sich auf einen weiteren Rechtsstreit einlassen zu müssen, zumal für diesen Zweitprozess wiederum ein besonderer Gerichtsstand (z. B. der Deliktsgerichtsstand) eröffnet sein kann, der Beklagte also für beide aufeinander folgende Prozesse außerhalb seines Wohnsitzsstaates gerichtpflichtig wäre.600 Die Zulassung einer Annexkompetenz reduziert zwar nicht die möglichen Gerichtsstände für eine Klage gegen den Beklagten, befreit ihn aber doch zumindest von dem möglichen Nachteil, sich auf zwei aufeinander folgende Prozesse hinsichtlich desselben prozessualen Streitgegenstandes einlassen zu müssen, für die er jeweils vor einem für ihn fremden Gericht gerichtspflichtig wäre. Im Zusammenhang mit dem Beklagtenschutz wird ein weiterer Einwand gegen eine Zulassung der Annexkompetenz vorgebracht. Man fürchtet die Erschleichung oder sogar den Missbrauch der besonderen Gerichtsstände. Wegen der Theorie der doppelrelevanten Tatsachen sei es dem Kläger möglich, sich durch den zwar schlüssigen, aber nicht beweisbaren Vortrag eines vertraglichen oder deliktischen Anspruchs einen für ihn günstigeren Gerichtsstand mit umfassender Kognitionsbefugnis zu sichern.601 Gegen diesen Einwand ist zunächst einmal vorzubringen, dass das wahrheitswidrige Vorbringen zuständigkeitsbegründender Tatsachen als Rechtsmissbrauch geahndet werden und – in jeder Lage des Verfahrens – sogar zu einer von Amts wegen zu erfolgenden Klageabweisung als unzulässig führen kann.602 Zudem reicht ein bloßes Behaupten im Rahmen der Lehre von den doppelrelevanten Tatsachen nicht aus. Die zuständigkeitsbegründenden Tatsachen müssen nach h. M. schlüssig vorgetragen werden.603 Die Anwendung der Schlüssigkeitstheorie wurde mittlerweile auch vom EuGH in der Rechtssache Kolassa anerkannt.604 Darüber hinaus sind auch nicht 600 So auch Banniza von Bazan, Gerichtsstand des Sachzusammenhangs, S. 143 f.; Gottwald, JZ 1997, 92, 93; ders., IPRax 1989, 272, 273; Roth, in: FS Schumann (2001), S. 355, 358. 601 BGHZ 132, 105, 114; Würthwein, ZZP 106 (1993), 51, 76. 602 Vollkommer, in: FS Deutsch (1999), S. 385, 400; Spellenberg, ZZP 95 (1982), 17, 45; Spickhoff, IPrax 2009, 128, 132. 603 Vgl. BGH, NJW-RR 2010, 1554, 1555; Hess, EuZPR, § 6 Rdnr. 50; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 94; Ost, Doppelrelevante Tatsachen, S. 161 ff.; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, Art. 2 EuGVVO Rdnr. 4; Thole, IPRax 2013, 136, 138 f. (der die Schlüssigkeitstheorie als unionsrechtliches Postulat betrachtet); Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, Einl. vor. Art. 2 EuGVVO Rdnr. 25 f. Anders Geimer, IZPR, Rdnr. 1826; ders., WM 1986, 117, 119, der verlangt für Art. 5 Nr. 3 EuGVVO, dass der vom Gericht festzustellende Geschehensablauf den äußeren Tatbestand eines Delikts erfüllt; ihm zustimmend Mansel, IPRax 1989, 84, 86; Gottwald, IPRax 1989, 272, 274 will die Annexkompetenz von einem „ernstliches Bestehen“ der zuständigkeitsbegründenden Tatsachen abhängig machen. Grundsätzlich für einen vollen Beweis Mankowski, IPRax 2006, 454 ff. 604 EuGH, Urteil v. 28.01.2015, Rs. C-375/13 (Harald Kolassa ./. Barclays Bank plc), ECLI:EU:C: 2015:37, Rdnr. 58 ff. Allerdings statuiert der EuGH die Schlüssigkeitsprüfung nicht zu einem autonomen Maßstab. Indem er die Autonomie des Richters hervorhebt und
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alle zuständigkeitsrelevanten Merkmale der Lehre von den doppelrelevanten Tatsachen zugänglich, sondern nur solche, die eine echte Doppelrelevanz aufweisen, d. h. sowohl für die Zulässigkeit als auch die Begründetheit der Klage erheblich sind. Das ist z. B. aber für die Anknüpfungsmomente der besonderen Gerichtsstände nicht der Fall. Weder der Erfüllungsort noch der Ort des ursächlichen Geschehens ist als doppelrelevante Tatsache zu berücksichtigen. Der Kläger muss also zumindest insoweit Beweis darüber erbringen, dass der Erfüllungsort im Gerichtsbezirk liegt bzw. die unerlaubte Handlung im Gerichtsbezirk begangen worden oder ihr Erfolg dort eingetreten ist.605 Dem berechtigten Interesse des Beklagten daran, dass die zuständigkeitsbegründende Anspruchsgrundlage im Rahmen der Begründetheit auch tatsächlich geprüft und ggfs. als unbegründet beschieden wird, kann hinreichend Rechnung getragen werden, indem im Rahmen der Begründetheit die zuständigkeitsbegründende Anspruchsgrundlage vor der konkurrierenden geprüft wird.606 Auch der Einwand einer Erschleichung der besonderen Gerichtsstände steht daher der Annahme einer Annexkompetenz kraft Sachzusammenhang nicht ernstlich entgegen.607 Etwas anderes folgt auch nicht aus dem systematischen Zusammenhang zu Art. 8 EuGVVO. Die in Art. 8 EuGVVO enthaltenen Gerichtsstände geben nicht Anlass dazu, im Rahmen eines Umkehrschlusses auf eine beschränkte Kogni tionsbefugnis des Vertragsgerichtsstandes zu schließen.608 Die in Art. 8 EuGVVO vorgesehenen Gerichtsstände gehen sogar über die Folgen einer Annexkompetenz bei Anspruchsgrundlagenkonkurrenz hinaus. So knüpfen Art. 8 Nr. 1 und Nr. 2 EuGVVO an den Wohnsitz des Ankerbeklagten bzw. den Gerichtsstand klarstellt, dass das angerufene Gericht auch frei sei, bei der Prüfung seiner internationalen Zuständigkeit die Einwände des Beklagten zu berücksichtigen, bringt er vielmehr zum Ausdruck, dass sich die Prüfungspflicht bei doppelrelevanten Tatsachen grundsätzlich nach der lex fori bestimmt. Anders hingegen GA Maciej Szpunar, 3.09.2014, Rs. C-375/13 (Harald Kolassa ./. Barclays Bank plc), ECLI:EU:C: 2015:37, Rdnr. 79, der die bloße Schlüssigkeitstheorie als mit der praktischen Wirksamkeit der Verordnung unvereinbar hält und eine prima-facie-Kontrolle unter Berücksichtigung der Angaben des Beklagten fordert. 605 Ebenso Roth, in: FS Schumann (2001), S. 355, 367. Kritisch Thole, IPRax 2013, 136, 141, der auch im Ergebnis wohl auch für die Anknüpfungsmomente das schlüssige Klägervorbringen ausreichen lassen will. 606 Vgl. Roth, in: FS Schumann (2001), S. 355, 367; Spellenberg, ZZP 95 (1982), 17, 38; Vollkommer, in: FS Deutsch (1999), S. 385, 402. 607 So auch schon Althammer, Streitgegenstand, S. 550; Banniza von Bazan, Gerichtsstand des Sachzusammenhangs, S. 146; Spellenberg, ZZP 95 (1982), 17, 37 mit dem zusätzlichen Hinweis, dass die Attraktivität einer Erschleichung wegen der für den unterliegenden Anspruch zu tragenden Kosten für den Kläger eher gering ist; Vollkommer, in: FS Deutsch (1999), S. 385, 400 f. 608 So aber Mankowski, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation, Art. 2 EuGVVO Rdnr. 34.
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des Erstbeklagten an und muten es dem Beklagten zu, an einem Gerichtsstand verklagt zu werden, der für ihn völlig fremd ist und zu ihm in keinerlei kompetenzrechtlichen Verhältnis steht.609 Dagegen wird dem Beklagten bei der Zulassung einer Annexkompetenz kraft Sachzusammenhang nur zugemutet, sich auf den gesamten Rechtsstreit einzulassen. Ein fremder Gerichtsstand wird ihm nicht „aufgebürdet“. Will man Art. 8 EuGVVO in systematischer Hinsicht in die Überlegungen einbeziehen, so liegt vielleicht eher der Schluss nahe, dass die EuGVVO für Klagen aufgrund eines Sachzusammenhangs insgesamt offen ist, ohne jedoch eine abschließende Regelung getroffen zu haben.610 Auch der schon vom EuGH in der Rechtssache Kalfelis gegen eine Annexkompetenz vorgebrachte Einwand, einer Anspruchsgrundlagenkonkurrenz könne bereits durch die Art. 29 ff. EuGVVO Rechnung getragen werden611, verfängt nicht. Wer die Vorteile einer Annexkompetenz durch die Verfahrenskoordination nach Art. 30 EuGVVO aufwiegen möchte, verkennt, dass Art. 30 EuGVVO zwar ebenfalls der Prozessökonomie dient, eine im Ermessen des Gerichts stehende Verfahrenskoordinierung aber keine Alternative zu einer die Zuständigkeit regelnden Annexkompetenz darstellt.612 Zudem ist davon auszugehen, dass eine Koordinierung der anhängigen Verfahren gerade voraussetzt, dass das Gericht nach anderen Regeln für den Anspruch oder – im Falle einer Anspruchsgrundlagenkonkurrenz – die geltend gemachten Anspruchsgrundlagen zuständig ist.613 Indem man eine Annexkompetenz verneint, begünstigt man vielmehr die Gefahr von Friktionen mit der Rechtshängigkeit.614 Man wird wohl davon ausgehen müssen, dass der EuGH auch bei einer Anspruchsgrundlagenkonkurrenz dem mit Art. 29 EuGVVO bezweckten Ziel der Vermeidung sich widersprechender Ergebnisse gerecht werden will und er daher eine Rechtshängigkeitssperre für den gesamten prozessualen Anspruch annehmen wird, wenn die Klage an einem anderen Gerichtsstand erhoben wird.615 Während dem Kläger also auf der einen Seite die umfassende Streitbeilegung am angerufenen besonderen Gerichtsstands verwehrt wird, soll er auf der anderen Seite wegen Art. 29 Geimer, IPRax 1986, 80, 82; Otte, Umfassende Streitentscheidung, S. 514. Kritisch aber Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, S. 611. 611 So noch zum EuGVÜ der EuGH, Urteil v. 27.09.1988, Rs. 189/87 (Kalfelis ./. Bankhaus Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co.), Slg. 1988, 5565, Rdnr. 20. Zu dieser Überlegung auch Mankowski, in: Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 34. 612 Otte, Umfassende Streitentscheidung, S. 512. 613 Gottwald, IPRax 1989, 272, 274; Spellenberg, ZZP 91 (1978), 38, 50. 614 Vgl. hierzu auch Banniza von Bazan, Gerichtsstand des Sachzusammenhangs, S. 146. 615 So auch, wenn doch mit deutlicher Kritik Gebauer, ZEuP 2013, 870. 875, 880 f. im Zusammenhang mit einer negativen Feststellungsklage; Roth, in: FS Schumann (2001), S. 355, 362 f. 609 610
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uGVVO auch daran gehindert sein, eine Klage in Bezug auf den konkurrieE renden Anspruch an einem anderen Gerichtsstand zu erheben. Das Verständnis des Klägers hierfür dürfte sich in Grenzen halten. Etwas anderes gelte nur dann, wenn man die Rechtshängigkeitssperre in Abhängigkeit der Reichweite der Kognitionsbefugnis bestimmt.616 Durch eine Klage am Vertragsgerichtsstand wäre der Kläger dann nur in Bezug auf die vertraglichen Ansprüche gesperrt. Einer Klageerhebung am Deliktsgerichtsstand, mit entsprechender Beschränkung der Kognitionsbefugnis auf deliktische Ansprüche, stünde die Rechtshängigkeitssperre dann nicht entgegen. Allerdings wäre das Ziel, einander widersprechende Entscheidungen bereits durch eine Verfahrenskoordination zu verhindern, weiterhin in Gefahr. Neben der Prozessökonomie kann für eine Annexkompetenz am Vertragsgerichtsstand als zusätzliches Argument der Gleichlauf zum Internationalen Privatrecht der Rom I- und II-VO angeführt werden.617 Im Kollisionsrecht werden deliktische Ansprüche nach Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO vertragsakzessorisch angeknüft. Zu Recht hat sich deshalb die umfassende Kognitionsbefugnis des Vertragsgerichtsstandes in der Literatur weitgehend durchgesetzt.618
D. Die Annexkompetenz beim Deliktsgerichtsstand Die vorstehende Auseinandersetzung mit der Annexkompetenz des Vertragsgerichtsstandes hat zugleich aber aufgezeigt, dass die vorgebrachten Einwände gegen die Annexkompetenz kraft Sachzusammenhangs für eine Klage aus in Anspruchsgrundlagenkonkurrenz stehenden Ansprüchen auch nicht für den Deliktsgerichtsstand verfangen, sondern insgesamt entkräftet werden können. Entgegen der Kalfelis-Doktrin sollte also auch im Rahmen des Art. 7 Nr. 2 Vgl. zu diesem Gedanken Gebauer, IPRax 2014, 513, 518 f. Mansel, IPRax 1989, 84, 85; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 79; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 101; Spickhoff, IPRax 2009, 128, 132; Stadler, in: FS Musielak (2004), S. 569, 588 f. 618 Vgl. nur Althammer, Streitgegenstand, S. 550 ff.; Banniza von Bazan, Gerichtsstand des Sachzusammenhangs, S. 141 ff.; Baumert, EWiR 2014, 435, 436; Geimer, in: Geimer/ Schütze, EuZVR, A. 1. – Art. 5 EuGVVO Rdnr. 222; ders., IZPR, Rdnr. 1492, 1523, 1866 ff.; von Hein, IPRax 2013, 505, 512; Kropholler/von Hein, EuZPR, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 79; Leible, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 7 EuGVVO Rdnr. 101; Mansel, IPRax 1989, 84, 85; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2015, 1, 16; Otte, Umfassende Streitentscheidung, S. 528; Roth, in: FS Schumann (2001), S. 355, 368; Schlosser/Hess, EuZPR, Vor. Art. 7 EuGVVO Rdnr. 2; Spickhoff, in: FS Müller (2009), S. 287, 293; ders., IPRax 2009, 128, 132; Stadler, in: FS Musielak (2004), S. 569, 588 f.; Weber, Gesellschaftsrecht und Gläubigerschutz, S. 308. 616 617
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uGVVO von einer umfassenden Kognitionsbefugnis des Gerichts ausgeganE gen werden.619
E. Die Behandlung der Anspruchsgrundlagenkonkurrenz beim Gesamtschuldnerrückgriff Soeben konnte aufgezeigt werden, dass bei einer Anspruchsgrundlagenkonkurrenz sowohl dem Vertrags- als auch dem Deliktsgerichtsstand umfassende Kognitionsbefugnis eingeräumt werden sollte. Die Annahme einer Annexkompetenz gilt sodann auch für die Klage aus Gesamtschuldnerrückgriff. Ist die Haftungsgrundlage des in Rückgriff zu nehmenden Gesamtschuldners gegenüber dem Gläubiger im Außenverhältnis durch eine Konkurrenz vertraglicher und deliktischer Anspuchsgrundlagen geprägt, kann auch der leistende Gesamtschuldner seine Rückgriffsklage entweder am Vertrags- oder am Deliktsgerichtsstand erheben. Das gilt für die Klage aus übergeleitetem Recht und originärem Ausgleichsanspruch gleichermaßen. Für den oben aufgegriffenen Beispielsfall gilt daher folgendes: Nimmt A wegen des Schadens an der Vase seinen Vertragspartner B für den gesamten Schaden in Anspruch, kann B sich zu Rückgriffszwecken an D halten. Die Rückgriffsklage gegen D kann B sodann am allgemeinen Wohnsitz des D oder am Deliktsgerichtsstand erheben. Für die Klage aus originärem Ausgleichsanspruch ergibt sich die Maßgeblichkeit des Deliktsgerichtsstandes wegen der abgeleiteten Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs. Die Haftungsgrundlage des D gegen den Gläubiger A ist deliktischer Natur und damit ist auch der originäre Ausgleichsanspruch dem Deliktsgerichtsstand zuzuweisen. Wird im Außenverhältnis indes nicht B, sondern D von A zur gesamten Leistung herangezogen, gilt für die Rückgriffsklage des D gegen B Folgendes: Da B gegenüber dem Gläubiger A sowohl auf einer vertraglichen, als auch einer deliktischen Haftungsgrundlage verpflichtet war, steht D für seine Rückgriffsklage aus übergeleiteter Gläubigerforderung und originärem Ausgleichsanspruch nicht nur der allgemeine Beklagtengerichtsstand, sondern daneben auch der Vertrags- und Deliktsgerichtsstand zur Verfügung. Bei einer Klage am Ver619 Ebenso: Althammer, Streitgegenstand, S. 552; Banniza von Bazan, Gerichtsstand des Sachzusammenhangs, S. 141 ff.; Baumert, EWiR 2014, 435, 436; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, A. 1 – Art. 5 EuGVVO Rdnr. 222; ders., IZPR, Rdnr. 1492, 1523, 1866 ff.; von Hein, IPRax 2013, 505, 512; Mansel, IPRax 1989, 84, 85; Otte, Umfassende Streitentscheidung, S. 528; Roth, in: FS Schumann (2001), S. 355, 368.
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Teil 3: Die eigenständige Rückgriffsklage
tragsgerichtsstand ist das Gericht nicht nur befugt, über die vertragliche Anspruchsgrundlagen, sondern auch über die deliktischen Anspruchsgrundlagen zu entscheiden. Ihm kommt eine umfassende Kognitionsbefugnis zu. Auch das Gericht am Ort des ursächlichen Geschehens (Art. 7 Nr. 2 EuGVVO) sollte, entgegen der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Kalfelis, richtigerweise sowohl über die deliktischen als auch die vertraglichen Anspruchsgrundlagen entscheiden dürfen.
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
Teil 1: Grundlagen 1. Liegt bei einer Schuldnermehrheit eine Gesamtschuld vor, hat der Gläubiger die Möglichkeit, jeden Schuldner auch auf die gesamte Leistung in Anspruch zu nehmen. 2. Nimmt der Gläubiger einen einzelnen Gesamtschuldner auf die ganze Leistung in Anspruch, kann dieser im Innenverhältnis gegenüber den anderen Gesamtschuldnern Rückgriff nehmen. Ein Rückgriff kommt auch dann in Betracht, wenn der Gesamtschuldner zwar nicht auf die ganze Leistung in Anspruch genommen wurde, er aber gegenüber dem Gläubiger mehr geleistet hat, als er im Innnenverhältnis zu tragen verpflichtet ist. 3. Im deutschen Recht vollzieht sich der Rückgriff nach § 426 BGB. Neben dem in § 426 Abs. 1 BGB gewährten persönlichen Ausgleichsanspruchs des leistenden Gesamtschuldners wird nach § 426 Abs. 2 BGB zu Rückgriffszwecken auch die Gläubigerforderung auf ihn übergeleitet (sog. bestärkende Legalzession). Grundlage des Gesamtschuldnerrückgriffs kann entweder der persönliche und originäre Ausgleichsanspruch oder die übergeleitete Gläubigerforderung sein. 4. Auch in anderen Mitgliedstaaten der EU ist ein Gesamtschuldnerrückgriff vorgesehen. Eine Vielzahl der Rechtsordnungen gewährt ähnlich dem deutschen Recht dem leistenden Gesamtschuldner einen eigenen Ausgleichsanspruch und leitet daneben die Gläubigerforderung zu Rückgriffszwecken auf ihn über. 5. Der Rückgriff im Innenverhältnis dient der Herstellung einer gerechten Lastenverteilung zwischen den Gesamtschuldnern. Wer von den Gesamtschuldnern die Last endgültig zu tragen hat, soll nicht davon abhängen, welchen Schuldner der Gläubiger in Anspruch nimmt. 6. Der Gesamtschuldnerrückgriff verfolgt eine einheitliche Funktion, indem er die Haftung aus dem Außenverhältnis zum Gläubiger im Innenverhältnis der Gesamtschuldner fortsetzt. 7. Der Gesamtschuld liegt je nach ihrer Zusammensetzung ein vertragliches, ein außervertragliches oder ein gemischtest Gesamtschuldverhältnis zu Grunde. a) Ein vertragliches Gesamtschuldverhältnis liegt vor, wenn alle Gesamtschuldner dem Gläubiger aufgrund einer vertraglichen Grundlage haften. Wur-
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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
de die Gesamtschuldner durch Rechtsgeschäft unter den Gesamtschuldnern vereinbart, handelt es sich um ein rechtsgeschäftlich begründetes Gesamtschuldverhältnis. b) Haften die Gesamtschuldner im Außenverhältnis zum Gläubiger auf einer außervertraglichen Grundlage, handelt es sich um ein außervertragliches Gesamtschuldverhältnis. Sind alle Gesamtschuldner Deliktstäter, liegt ein deliktisches Gesamtschuldverhältnis vor. c) Ist die Haftungsgrundlage des einen Gesamtschuldners vertraglicher Natur, die eines anderen Gesamtschuldners außervertraglicher Natur, handelt es sich um ein gemischtes Gesamtschuldverhältnis. 8. Die vorgenommene Typsisierung der Gesamtschuldverhältnisse bildet die Grundlage für die verfahrensrechtliche Zuordnung der Klage des leistenden Gesamtschuldners auf Rückgriff.
Teil 2: Die Bedeutung der Streitverkündung und der Gewährleistungs- und Interventionsklage (Art. 8 Nr. 2 EuGVVO) für den Gesamtschuldnerrückgriff 1. Wird der leistende Gesamtschuldner von dem Gläubiger innerhalb eines Gerichtsverfahrens in Anspruch genommen, so hat er die Möglichkeit, den anderen Gesamtschuldner zu Rückgriffszwecken in das Verfahren einzubeziehen. 2. Die EuGVVO sieht in Art. 8 Nr. 2 die Möglichkeit der Gewährleistungsund Interventionsklage vor. Mittels der Gewährleistungs- und der Interventionsklage kann bereits im Hauptprozess ein Rückgriffsurteil gegen den anderen Gesamtschuldner erstritten werden. Die Gewährleistungs- und Interventionsklagen beruhen auf dem Verurteilungsmodell. Die Möglichkeit, eine Gewährleistungs- oder eine Interventionsklage zu erheben, besteht nicht in allen Mitgliedsstaaten, sondern ist von der jeweiligen lex fori abhängig. Art. 65 EuGVVO räumt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, einen Vorbehalt gegen Art. 8 Nr. 2 EuGVVO zu erheben. Von dieser Möglichkeit haben neben Deutschland z. B. Österreich und Ungarn Gebrauch gemacht. In diesen Mitgliedsstaaten kann eine Gewährleistungs- oder eine Interventionsklage nicht erhoben werden. 3. An ihre Stelle tritt die Streitverkündung. Da die Streitverkündung nicht auf dem Verurteilungsmodell beruht, kann der andere Gesamtschuldner mit ihrer Hilfe zwar in das Verfahren einbezogen werden, gegen ihn kann aber in diesem Verfahren kein Urteil erstritten werden. Die Steitverkündung ruft indes nach § 68 ZPO die Interventionswirkung hervor. Das Folgegericht ist an die tragenden rechtlichen und tatsächlichen Feststellungen des Gerichts im Erstprozess gebunden. Die internationale Zuständigkeit des Folgegerichts ist sodann eigenständig zu bestimmen. Sie ist identisch mit der internationalen Zuständigkeit für die eigenständige Rückgriffsklage.
Teil 3: Die eigenständige Rückgriffsklage Da der leistende Gesamtschuldner gegen den anderen Gesamtschuldner entweder aus dem eigenem Ausgleichsanspruch oder aus der übergeleiteten Gläubigerforderung vorgehen kann, ist die internationale Zuständigkeit für beide Rückgriffsmöglichkeiten zu bestimmen.
Die zu Rückgriffszwecken übergeleitete Gläubigerforderung 1. Welcher Gerichtsstand dem leistenden Gesamtschuldner für seine Rückgriffsklage aus übergeleitetem Recht zur Verfügung steht, hängt grundsätzlich von der Rechtsnatur der Gläubigerforderung bzw. dem Rechtsverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem in Rückgriff zu nehmenden Gesamtschuldner ab. 2. Handelt es sich bei der Gläubigerforderung um eine vertraglich oder deliktisch zu qualifizierende Forderung, besteht auch für den leistenden Gesamtschuldner die Möglichkeit, den anderen Gesamtschuldner am besonderen Gerichtsstand nach Art. 7 Nr. 1 bzw. Nr. 2 EuGVVO in Rückgriff zu nehmen. Der in diesem Fall streitgegenstandsbezogene Gerichtsstand geht somit mit der Gläubigerforderung auf den leistenden Gesamtschuldner über. 3. Unterfällt das Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und rückgriffspflichtigem Gesamtschuldner den Bestimmungen des Art. 17 ff. EuGVVO, ist für die Klage aus der übergeleiteten Gläubigerforderung wie folgt zu differenzieren: Ist der rückgriffsverpflichtete Gesamtschuldner seine vertragliche Verbindlichkeit zum Gläubiger als Verbraucher eingegangen, kann er auch von dem leistenden Gesamtschuldner nur an seinem Wohnsitz gerichtlich in Anspruch genommen werden. Auch im Rückgriffsverhältnis gilt Art. 18 Abs. 2 EuGVVO. Der mit dem Verbrauchergerichtsstand intendierte Schutz des Verbrauchers setzt sich gegenüber dem Rechtsnachfolger durch. Ist der Verbraucher an dem Rückgriffsprozess indes nicht mehr beteiligt, weil die Verbrauchereigenschaft beim Gläubiger begründet ist, greift der Verbrauchergerichtsstand im Rückgriffsverhältnis nicht ein. Das gilt unabhängig von der Person des leistenden Gesamtschuldners. Es ist nicht danach zu differenzieren, ob der leistende Gesamtschuldner seinerseits schutzwürdig erscheint oder nicht.
Teil 3: Die eigenständige Rückgriffsklage
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Greift der Verbrauchergerichtsstand im Rückgriffsverhältnis nicht, ist der leistende Gesamtschuldner indessen nicht ausschließlich auf den allgemeinen Gerichtsstand zu verweisen. Der Verbrauchergerichtsstand reduziert sich in diesen Fällen auf den allgemeinen Vertragsgerichtsstand. Anstelle des Verbrau chergerichtsstands lebt der Vertragsgerichtsstand wieder auf. Für den leistenden Gesamtschuldner besteht die Möglichkeit, den rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner auch am Erfüllungsort gerichtspflichtig zu machen. Hierfür gilt der Vertragsgerichtsstand, der auch im Rechtsverhältnis zwischen rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner und Gläubiger gelten würde, wenn die besonderen Voraussetzungen des Art. 17 EuGVVO in ihrem Verhältnis nicht vorgelegen hätten. 4. Haben der rückgriffspflichtige Gesamtschuldner und der Gläubiger für die aus ihrem Rechtsverhältnis entspringenden Verbindlichkeiten eine (wirksame) Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 25 EuGVVO getroffen, ist auch der leistende Gesamtschuldner im Rückgriffsverhältnis an die Gerichtsstandsvereinbarung gebunden, wenn und weil er aus der Gläubigerforderung zu Rückgriffszwecken vorgeht. 5. Im Grundsatz gilt, dass dem leistenden Gesamtschuldner für eine Klage aus der übergeleiteten Gläubigerforderung diejenigen Gerichtsstände zur Verfügung stehen, die auch dem Gläubiger zur Verfügung gestanden hätten, wenn er den anderen Gesamtschuldner in Anspruch genommen hätte. Eine Ausnahme gilt für den Verbrauchergerichtsstand nach Art. 17 ff. EuGVVO. Der Verbrauchgerichtsstand erlangt im Rückgriffsverhältnis nur dann Bedeutung, wenn der Verbraucher des Verbrauchervertrags im Rückgriffsverhältnis als rückgriffspflichtiger Gesamtschuldner beteiligt ist.
Der originäre Ausgleichsanspruch 1. Die Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs hat in Abhängigkeit von der Rechtsnatur der Haftungsgrundlage zwischen dem in Rückgriff zu nehmenden Gesamtschuldner und dem Gläubiger zu erfolgen (sog. abgeleitete Qualifikation). Die Haftungsgrundlage des rückgriffspflichtigen Gesamtschuldners bildet zugleich die Grundlage für den originären Ausgleichsanspruch, da sich funk tional betrachtet seine Haftung aus dem Außenverhältnis im Innenverhältnis fortsetzt. Haftet der rückgriffspflichtige Gesamtschuldner dem Gläubiger auf einer vertraglichen Grundlage, so ist der originäre Ausgleichsanspruch als vertraglicher Anspruch zu qualifizieren und unterfällt dem Vertragsgerichtsstand nach Art. 7 Nr. 1 EuGVVO. Der Erfüllungsort für den originären Ausgleichsan-
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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
spruch ist aber nicht gesondert zu bestimmen, sondern leitet sich ebenfalls aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner und dem Gläubiger ab. Wird gegen einen Gesamtschuldner Rückgriff genommen, der gegenüber dem Gläubiger auf einer deliktischen Grundlage haftet, ist der originäre Ausgleichsanspruch deliktischer Natur und dem Deliktsgerichtsstand nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO zuzuordnen. Auch hier leitet sich der Ort des schädigenden Ereignisses aus dem Außenverhältnis des in Rückgriff genommenen Gesamtschuldners ab und ist nicht eigenständig zu bestimmen. 2. Wenn die Haftungsgrundlage des in Rückgriff zu nehmenden Gesamtschuldners die Grundlage für die verfahrensrechtliche Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs bildet, stellt sich in der Konsequenz die Frage, ob auch ein im Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner bestehender Verbrauchergerichtsstand nach Art. 17 ff. EuGVVO im Rückgriffsverhältnis zu beachten ist. Bei einer Klage aus originärem Ausgleichsanspruch wirkt der Verbrauchergerichtsstand aus Schutzzweckgründen auch im Rückgriffsverhältnis fort, wenn der rückgriffspflichtige Gesamtschuldner seine Haftungsgrundlage zum Gläubiger als Verbraucher eingegangen ist. War die Verbrauchereigenschaft jedoch in der Person des Gläubigers begründet, erlangt der Verbrauchergerichtsstand im Rückgriffsverhältnis, an dem der Gläubiger nicht mehr beteiligt ist, keine Bedeutung. Das gilt unabhängig davon, ob der leistende Gesamtschuldner seinerseits schutzwürdig erscheint oder nicht. Für seine Rückgriffsklage bleibt ihm aber die Möglichkeit, den rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner am (hypothetischen) Vertragsgerichtsstand zu verklagen. Hierfür gilt der Vertragsgerichtsstand, der auch im Rechtsverhältnis zwischen rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner und Gläubiger gelten würde, wenn die besonderen Voraussetzungen des Art. 17 EuGVVO in ihrem Verhältnis nicht vorgelegen hätten. 3. Haben der rückgriffspflichtige Gesamtschuldner und der Gläubiger eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen, ist auch der leistende Gesamtschuldner bei seiner Klage aus originärem Ausgleichsanspruch an diese Gerichtsstandsvereinbarung gebunden. Die Bindung des leistenden Gesamtschuldners an die Gerichtsstandsvereinbarung folgt aus der materiell-rechtlichen Abhängigkeit des originären Ausgleichsanspruchs von der Haftungsgrundlage zwischen dem rückgriffspflichtigen Gesamtschuldner und dem Gläubiger. 4. Die abgeleitete Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs führt zu einem verfahrensrechtlichen Gleichlauf der internationalen Zuständigkeit für eine Klage aus dem originären Ausgleichsanspruch und der übergeleiteten
Teil 3: Die eigenständige Rückgriffsklage
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Gläubigerforderung. Das angerufene Gericht ist damit in der Lage, über den Rückgriff insgesamt zu entscheiden. Die beiden Rückgriffsmodi werden verfahrensrechtlich nicht auseinander gerissen.
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Register Abtretung, siehe Zession action directe 144 f., 213 ff., 247, 250 ff, 266 f. actor sequitur forum rei 57, 181 ff., 272, siehe auch allgemeiner Gerichtsstand Akzessorische Anknüpfung 274, 284 Allgemeiner Gerichtsstand 58, 106, 183, 209, 272, 279 f., 285 Annexkompetenz 274 ff. – beim Deliktsgerichtsstand 284 f. – beim Vertragsgerichtsstand 279 ff. Anspruchs(grundlagen)konkurrenz 26, 37, 40 ff., 211, 271 ff. Anwendungsbereich der EuGVVO 57, 61, 95 ff., 111, 190 Äquivalenzinteresse 214 f., 217 f., 223 f., 267 Architekt 18 f., 33, 35, 71 f., 208 Ausgleichsanspruch, originär 28 ff., 37 f., 41 ff., 46 f., 49, 52, 101, 103, 151 ff. – als Schadenshaftung i. S. d. Art. 7 Nr. 1 EuGVVO 167 ff. – Entstehung 180 – Kollisionsrechtliche Behandlung, siehe Kollisionsrecht – Qualifikation 161 ff. – verfahrensrechtliche Behandlung 151 ff. – § 426 Abs. 1 BGB 28 ff., 152 ff. Ausgleichsanspruch, rechtsgeschäftlich begründeter 164, 226 ff. Auslegung 58, 123, 144, 248 – autonome Auslegung 77, 95, 107 f., 174 f., 214 – der Normen der EuGVVO 59 ff. – enge Auslegung 181 f., 183 f., 279 – grammatikalische Auslegung des Deliktsgerichtsstandes 180 f.
– grammatikalische Auslegung des Vertragsgerichtsstandes 178 f. – rechtsaktübergreifende Auslegung 189 ff., 274 Außenverhältnis 13 ff., 27, 46 ff., 73, 99, 162 ff., 171, 176 f., 203 ff., 224 f., 233 Bauherr 71 f., 154 Bürgschaft 15, 97, 100, 111, 269 Cessio legis, siehe Legalzession Civil Liability Contribution Act 35 ff., 156 f. Culpa in contrahendo 63, 195, 276 Deliktsgerichtsstand 140 ff., 157 ff., 162, 166 ff., 180 f., 201 ff., 215, 221, 237 ff., 272 ff., 284 Direktklage 120, 129, 248 Doppelrelevante Tatsachen 254, 259 ff., 281 f. Drittbeteiligung 68, 75, 91, 93 Einwendungen/Einreden 30, 36, 39 ff., 43, 45, 73, 148, 223, 263, 267 England 11, 19, 35 ff., 83, 156 f. Entstehungsgrund der Gesamtschuld 12 f., 154, 162, 171 ff. Erfolgsort 201, 204 ff., 218 f., 230, 237 ff., 272, 286 Erfüllungsort 110, 112 ff., 136 ff., 154, 177, 200, 204 f., 207, 216, 230 ff., 273, 278, 282, 293 Forum shopping 54 f. Frankreich 11, 16 ff., 22 f., 26, 43 ff., 52, 74, 124, 14, 173, 213 f. Funktion des Gesamtschuldnerrückgriffs 46 ff., 177 ff., 210, 225 f., 233, 244, 268
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Register
Gemeinschaftliche Schuld 9, 15 Gerichtsstand der unerlaubten Handlung, siehe Deliktsgerichtsstand Gerichtsstand für Unterhaltssachen 131 ff. Gerichtsstandsvereinbarung 142 ff., 245 ff. – Abhängigkeit von der lex causae 248 ff. – Derogation/derogiertes Gericht 142, 253, 255 ff. – Drittwirkung 142 ff., 220, 245 ff. – Gewährleistungs– u nd Interventionsklage 82, 84 – Prorogation/prorogiertes Gericht 142, 253 ff. – Streitverkündung 87 Gesamtrechtsnachfolge 130, 263 Gesamtschuldnerstatut, siehe Kollisionsrecht Gesamtschuldverhältnis – Außervertragliches Gesamtschuldverhältnis 20 ff., 172, 176 f., 193, 196 – Deliktisches Gesamtschuldverhältnis 20 ff., 32 f., 35, 165, 176 f., 193, 204 f. – Gemischtes Gesamtschuldverhältnis 25 f., 35 f., 159, 176 f., 193, 196, 204 f., 209, 235, 271 – Typisierung 12 f. – Vertragliches Gesamtschuldverhältnis 14 ff., 36, 151, 172, 176 f., 193, 204 f. – Zusammensetzung 13 ff. Gesamtschuldvermutung 15 f., 44, 171 f. Gesamtwirkung 11, 31, 234 Gewährleistungs- und Interventionsklage 76 ff., 185 ff. – Anerkennung und Vollstreckung 85 – Begriff 77 ff. – Internationale Zuständigkeit für die Hauptklage 80 ff. – Missbrauchsklausel 83 ff. Handlungsort 201, 203, 205, 211, 237 ff. Hoheitliche Befugnisse, siehe Anwendungsbereich der EuGVVO Innenverhältnis 27 ff., 38, 40, 43 f., 46 ff., 96 ff., 162, 165 f., 168, 173, 204, 210, 224 f., 230, 268 Insolvenzrisiko 10, 16, 33 f., 48 Integritätsinteresse 215, 223 f.
Intervention forcée mise en cause auf fines de condamnation 74 Interventionsklage, siehe Gewährleistungund Interventionsklage Italien 16, 21, 42 f., 113, 124 Kognitionsbefugnis, siehe Annexkompetenz Kollisionsrecht, Gesamtschuldnerrückgriff 4, 173 ff., 191 ff., 263 Konossement 143 f., 220, 247, 250 f., 265 Legalzession 29, 31 f., 38 f. 41, 47, 49 ff., 99 f., 102, 11, 114 f., 120, 126, 129, 132, 148 Lex causae 144 ff., 214, 234 ff., 247 ff., 252 f., 285 ff. Lex fori 55, 78 ff., 259 Lis pendens 257 f. Materiell-rechtliche Abhängigkeit 222 f., 253 ff., 259 ff., 264 ff., siehe auch Gerichtsstandsvereinbarung – Drittwirkung Obligation in solidum 11, 23, 26, 44 ff. Ort des ursächlichen Geschehens, siehe Erfolgs- und Handlungsort Österreich 16 f., 37 ff., 67, 79, 185 Prima facie 165, 213, 255, 259 ff., 282 Qualifikation 62 f. – Abgeleitete Qualifikation 178 ff., 204, 211 ff., 221 ff., 285 – Qualifikation des originären Ausgleichsanspruchs 161 ff. Rechtshängigkeit 275, 283 f., siehe auch lis pendens Rechtskraft 69, 256 f. Rechtsnachfolger 110, 112, 117 ff., 148 ff., 221, 266 f. Rom I-VO 54, 61, 173 ff., 189 ff., 195, 210, 234 f., 244, 263 f., 274 Rom II-VO 55, 61, 173 ff., 189 ff., 210, 235, 249, 263 f., 274
Register Rückgriffsklage, eigenständige 77 ff., 84 f., 93 ff. Rügelose Einlassung 79 f., 84 Sach- und Beweisnähe 110 ff., 138, 155, 159, 199 ff., 221, 236, 279 Sachzusammenhang, Gerichtsstand des, siehe Annexkompetenz Schadenshaftung 140, 162, 167 f., 181 Schiedsvereinbarung 263 Schlüssigkeitstheorie 254, 259, 281 Schuldbeitritt 15, 269 Schutzklausel 192 ff., 263 Solidarité 17 f., 23, 43 ff. Spanien 16, 18 f., 22 f., 40 f., 124 Streitgenossenschaft 80 Streitverkündung 68 ff., 86 ff., 185 ff. – Anerkennung der Interventionswirkung 88 f., 186 f. – Interventionswirkung 70 ff., 185 ff. – Zulässigkeit der Streitverkündung 89 f. Teilschuld 9 f., 15 Teilschuldvermutung 15 ff., 172 f. Übergeleitete Gläubigerforderung, siehe auch Legalzession
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– verfahrensrechtliche Behandlung 106 ff. – § 426 Abs. 2 BGB 31 f. Unerlaubte Handlung 20, 140 f., 157 ff., 166 ff., 173, 209, 226, 238 ff., 282 Unterhaltsansprüche 97 ff., 131 ff. Verbrauchergerichtsstand 115 ff., 241 ff. Verjährung 30, 37, 38 f., 42 ff., 223 Versicherungsgerichtsstand 67, 120 f., 129 ff. Verteilungsquote 32 f., 40, 164, 229 Vertragsgerichtsstand 107 ff., 135 ff., 159, 164, 170, 174, 178 f., 200, 205, 207, 211 ff., 228, 230 f. – hypothetischer Vertragsgerichtsstand 139, 150 Vorhersehbarkeit, Grundsatz der 114, 128, 138, 207 ff., 216 f., 221, 251 Willensmoment 161 ff., 173 Zession 50, 111 ff., 117 ff., 124 ff., 135 ff., 145 f., 148, 220, 246, 264 Zivil- und Handelssache siehe Anwendungsbereich der EuGVVO