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German Pages 204 [205] Year 2014
Schriften zur Rechtsgeschichte Band 169
Die Drittwirkung der Minderjährigenrestitution im klassischen römischen Recht
Von
Elisabeth Christine Robra
Duncker & Humblot · Berlin
ELISABETH CHRISTINE ROBRA
Die Drittwirkung der Minderjährigenrestitution im klassischen römischen Recht
Schriften zur Rechtsgeschichte
Band 169
Die Drittwirkung der Minderjährigenrestitution im klassischen römischen Recht
Von
Elisabeth Christine Robra
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat diese Arbeit im Jahre 2013 als Dissertation angenommen.
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Danksagung Ich danke ganz herzlich Herrn Prof. Gröschler, meinen ehemaligen Kollegen und natürlich meiner Familie, insbesondere meiner Mutter, für ihre Unterstützung bei der Erarbeitung dieser Dissertation. Mainz, im Juni 2014
Elisabeth Christine Robra
Inhaltsverzeichnis Teil 1 Einführung und Grundlagen § 1 Einführung in das Thema der Arbeit und Darstellung ihrer Zielsetzung . . § 2 Grundlagen: Die Voraussetzungen der Minderjährigenrestitution und die Frage nach ihrer prozessualen Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Voraussetzungen der Minderjährigenrestitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zwingende Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Restitutionsgrund: Minderjährigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zur Restitution berechtigendes Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Benachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Subjektive Voraussetzungen der Restitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Keine Ausschlussgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Antrag eines Berechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Einhaltung der Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einige Abwägungskriterien bei der Entscheidung für oder gegen die Gewährung der i. i. r. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Minderjährigenrestitution in Kollisionsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die rechtstechnische Umsetzung der Restitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Prätorische und judiziale Restitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Restituere als flexibel gebrauchter Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Aussagewert der Quellen zur Umsetzung der Minderjährigenrestitution in einem klassischen Zweipersonenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil 2 Einzelne Fallkonstellationen der Drittwirkung der Minderjährigenrestitution § 3 Die positive Drittwirkung der Minderjährigenrestitution (Begünstigung Dritter zu Lasten des Restitutionsgegners des Minderjährigen) . . . . . . . . . . A. Die Beiträge Ankums und Klausbergers als Referenzpunkte der vorliegenden Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der Bürge des minderjährigen Hauptschuldners und die i. i. r. . . . . . . . . . . . . C. Das Problem der Restitution minderjähriger Hauskinder und die Begünstigung des Hausvaters durch die Minderjährigenrestitution: Die Schlüsselquelle Ulp. D. 4,4,3,4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis I. Der Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Welche Fälle und Fallgruppen behandelt Ulpian und wie lautet seine Entscheidung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erste und dritte Fallgruppe: Die Grundentscheidung hinsichtlich vertraglicher Verbindlichkeiten des Haussohnes, die dieser auf Geheiß des Vaters oder selbständig eingegangen ist . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zweiter Fall (die Ausnahme) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vierter Fall: Ein Bürge des Minderjährigen profitiert zuweilen von der i. i. r. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fünfte Fallgruppe: Der Minderjährige hat aus anderen Gründen als einer persönlichen Verpflichtung ein Interesse an der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wie sind die Entscheidungen zu den genannten Fällen und Fallgruppen inhaltlich gegliedert und wie wurden die Entscheidungen tatsächlich (oder mutmaßlich) begründet? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die allgemeine Wertentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ulp. D. 4,4,3,7 und 8: Wiedereinsetzung minderjähriger Haussöhne, die keine persönliche Verbindlichkeit eingegangen sind (fünfte Fallgruppe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ulp. D. 4,4,3,5: Ein Beispiel der Wiedereinsetzung einer Haustochter jenseits vertraglicher Verpflichtungen (fünfte Fallgruppe) 2. Die Grundentscheidung des Ulpian in D. 4,4,3,4 (erste und dritte Fallgruppe): Die Schwierigkeit der Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Grundentscheidung des Ulpian in D. 4,4,3,4: Interpretation im Kontext sachverwandter Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ulp. D. 4,4,13 pr.: Das Verhältnis von Bürgenhaftung und adjektizischer Haftung des Hausvaters hinsichtlich der Minderjährigenrestitution (vierter Fall) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Beendigung der adjektizischen Haftung des Vaters durch die Gewährung der Minderjährigenrestitution als Prämisse Ulpians . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Begrenzung der Restitution von Haussöhnen zum Zwecke der Beschränkung der Befreiung des Hausvaters: Die extreme Lösung und Ulpians Kompromissvorschlag . . . . . . . . . b) Gai. D. 4,4,27 pr.: Die Wiedereinsetzung des Sohnes gegen dessen Willen auf Antrag des Vaters? Bestätigung der oder Widerspruch zu der Grundentscheidung Ulpians in D. 4,4,3,4? . . . . . . . c) Paul. D. 4,4,24 pr.: Die Wiedereinsetzung des Minderjährigen im Interesse des Geschäftsherrn bei nachteiliger Fremdgeschäftsführung des Minderjährigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Grundentscheidung Ulpians in D. 4,4,3,4 und die Verneinung der Wiedereinsetzung des minderjährigen Haussohnes als beauftragtem Vermögensverwalter nach Paul. D. 4,4,23 . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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4. Die Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Erster Erklärungsversuch: Das grammatische Subjekt der Ausnahme ist der Vater, nicht der Sohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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b) Zweiter Erklärungsversuch: Nimmt der Haussohn auf Geheiß des Vaters ein Darlehen auf, bedarf er keiner Wiedereinsetzung, weil nicht er, sondern der Vater verpflichtet wird. . . . . . . . . . . . . .
89
c) Dritter (hier vertretener) Erklärungsversuch: Die Ausnahme lässt sich unter Berücksichtigung der Nichtanwendung des Senatusconsultum Macedonianum für die Fälle des auf Geheiß des Vaters aufgenommenen Darlehens schlüssig erklären. . . . . . . . . .
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5. Möglichkeit und Grenzen der vertraglichen Verpflichtungsfähigkeit von Hauskindern, nach Ulp. D. 4,4,3,4 unter Berücksichtigung des Senatusconsultum Macedonianum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 a) Kritik der Interpretation von Ulp. D. 4,4,3,4 durch Longo . . . . . . 101 b) Die Anwendung des Senatusconsultum Macedonianum auf Haustöchter: Begründung und Konsequenzen für die Wiedereinsetzung minderjähriger Haustöchter nach Ulp. D. 4,4,3,4 . . . . . . . 103 D. Aussagekraft der Quellen zur positiven Drittwirkung hinsichtlich des jeweils angewandten Restitutionsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 E. Zusammenfassung der Ergebnisse zur positiven Drittwirkung der Minderjährigenrestitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 § 4 Die negative Drittwirkung der Minderjährigenrestitution (Benachteiligung Dritter zu Gunsten des Minderjährigen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 A. Der Beitrag Hartkamps zur negativen Drittwirkung der i. i. r. . . . . . . . . . . . . 111 B. Die negative Drittwirkung der Minderjährigenrestitution in Veräußerungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 I. Reduzierung und Modifizierung der Thesen Hartkamps spezifisch für die negative Drittwirkung der Minderjährigenrestitution gegen den entgeltlichen Erwerber (Zweit- oder Pfandkäufer). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 II. Rückforderung der Sache von einem Zweit- oder Folgekäufer: Ulp. D. 4,4,13,1; Paul. D. 4,4,14; Gai. D. 4,4,15 und Jul. D. 21,2,39 pr. 116 III. Ulp. D. 4,4,13,1 und Jul. D. 21,2,39 pr. als Erkenntnisquellen zum Thema der möglichen Restitutionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 IV. Pfandverkauf und Drittwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 C. Die negative Drittwirkung der Minderjährigenrestitution in Fällen der Rückgängigmachung einer von dem Minderjährigen vorgenommenen Schuldbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 I. Die materiellen Voraussetzungen der Drittbenachteiligung im Falle der Rückgängigmachung von acceptilatio und Novation . . . . . . . . . . . . . . . . 138 II. Die rechtstechnische Umsetzung der Drittbenachteiligung im Sinne eines Wiederauflebens der Verpflichtung der Sicherungsgeber im Fall der Rückgängigmachung einer acceptilatio sowie des Altschuldners im Fall der Rückgängigmachung einer Novation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
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Inhaltsverzeichnis III. Zur Reihenfolge der Kriterien Hartkamps für die Fälle der Drittwirkung bei der Aufhebung von Schuldbefreiungen durch die i. i. r. des Minderjährigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 D. Die negative Drittwirkung gegen den Hausvater oder Herrn, wenn dessen Haussohn oder Sklave Vertragspartner des Minderjährigen ist . . . . . . . . . . . . 143 E. Zusammenfassung der Ergebnisse zur negativen Drittwirkung der Minderjährigenrestitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
§ 5 Sonstige Fälle der Drittwirkung im weitesten Sinne durch die Möglichkeit, Gewährung oder Verweigerung der Minderjährigenrestitution . . . . . . A. Paul. D. 4,4,23: Drittbenachteiligung durch die Wiedereinsetzung des Minderjährigen im Mandatsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Das Verhältnis der Wiedereinsetzung des Minderjährigen und die Haftung der Pfleger in Paul. D. 4,4,32 und Ulp. D. 26,7,25 in Verbindung mit Pap. D. 27,3,20,1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Benachteiligung der Pfleger durch die Verweigerung der Wiedereinsetzung des Minderjährigen gegen seine Schuldner in Paul. D. 4,4,32 II. Die Durchsetzung der Rückgriffsmöglichkeit der Pfleger gegen den Restitutionsgegner des Minderjährigen in Ulp. D. 26,7,25 und Pap. D. 27,3,20,1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gai. D. 4,4,27,1: Die Wiedereinsetzung des Minderjährigen sui iuris, der nicht mehr über die Darlehenssumme verfügt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausgangsfall im Zweipersonenverhältnis: Der Minderjährige verschwendet die Darlehensvaluta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fallvariante 1: Der Minderjährige gibt die Darlehensvaluta seinerseits als Darlehen weiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fallvariante 2: Der Minderjährige kauft mit der Darlehensvaluta ein überteuertes Grundstück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung der Ergebnisse zu den atypischen oder komplexen Fällen der Drittwirkung der Minderjährigenrestitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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148 148
151 156 156 157 159 161
Teil 3 Die aktuelle Gestaltung des zivilrechtlichen Minderjährigenschutzes in Deutschland und Italien
163
§ 6 Der Minderjährigenschutz in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 A. Minderjährigenschutz durch die Verhinderung der vollwirksamen Entstehung als unerwünscht erachteter Verbindlichkeiten des Minderjährigen . . . . 164 B. Die nach römischem Recht analysierten Fälle der Drittwirkung der Minderjährigenrestitution im Licht des heutigen deutschen Rechts . . . . . . . . . . . 165 § 7 Der Minderjährigenschutz in Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 A. Minderjährigenschutz durch Annullierbarkeit (annullabilità) . . . . . . . . . . . . . 169 B. Die nach römischem Recht analysierten Fälle der Drittwirkung der Minderjährigenrestitution im Licht des heutigen italienischen Rechts . . . . . . . . . 172
Inhaltsverzeichnis
11
§ 8 Zwischenergebnis zu dem Thema des aktuellen Minderjährigenschutzes in Deutschland und Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Teil 4 Schlussbetrachtungen
178
Anhang: Die für diese Untersuchung wichtigsten Vorschriften des italienischen Zivilgesetzbuches (Codice civile italiano) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Schrifttumsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
Abkürzungsverzeichnis ad ed. ad ed. prov. ad form. hyp. a. E. Artt. Aufl. Bd. c.c. c.p.c. dig. Einf. En. Fn. ibid. id. i. i. r. i.V. m. Lit. m. m.w. N. op. pr. Rn. s. s. a. sc. sent. SCM SCV
ad edictum ad edictum provinciale ad formulam hypothecariam am Ende Artikel (Plural) Auflage Band Codice civile Codice di procedura civile digestorum Einführung Endnote Fußnote ibidem idem in integrum restitutio in Verbindung mit Literatur mit mit weiteren Nachweisen opinionum principium Randnummer siehe sine anno scilicet sententiarum Senatusconsultum Macedonianum Senatusconsultum Vellaeanum
Teil 1
Einführung und Grundlagen § 1 Einführung in das Thema der Arbeit und Darstellung ihrer Zielsetzung Im römischen Recht ging das Erreichen der Mündigkeit mit dem Eintritt der Geschlechtsreife (pubertas) Hand in Hand.1 Die männlichen puberes konnten fortan, sofern sie rechtlich selbständig (sui iuris) waren, in eigener Regie ihr Vermögen verwalten.2 Auch die Frauen sui iuris erlangten in der Zeit des klassischen Rechts mit der Mündigkeit einen sehr großen geschäftlichen Handlungsspielraum.3 Die fortschreitende Expansion Roms4 führte bereits zu Zeiten der Republik dazu, dass mit wachsender Macht und größerem Wohlstand die wirtschaftlichen Beziehungen komplexer und riskanter wurden.5 Auch das Rechtssystem befand sich in stetiger Fortentwicklung. Um den Gefahren entgegenzutreten, die diese zusehends unübersichtliche Lebenswelt für die geschäftlichen Interessen junger 1 Mädchen galten mit Vollendung des 12. Lebensjahres als geschlechtsreif, auf eine Untersuchung des körperlichen Zustands wurde bei Mädchen schon in alter Zeit verzichtet. Die Sabinianer sprachen sich bei Jungen für eine Beachtung des tatsächlichen körperlichen Zustands aus. Schließlich setzten sich jedoch die Prokulianer durch, die für eine generelle Altersgrenze von 14 Jahren bei Jungen argumentierten. s. dazu: Gai Inst. 1,196; Inst. 1,22 pr.; Knothe, Geschäftsfähigkeit Minderjähriger, 18–20 m. Fn. 3 u. 4 m.w. N.; Kaser/Knütel, RP, 86. 2 Zur besonderen rechtlichen Situation der Hauskinder s. § 3, C. 3 Zwar trat bei ihnen an die Stelle des tutor impuberis der tutor mulieris, dessen Zustimmung offiziell für den Abschluss sämtlicher förmlicher Geschäfte, der Verfügungen über res mancipi und für die Eingehung von Verpflichtungen notwendig war, s. Gai Inst. 1,192; Kaser/Knütel, 89. Faktisch nahm die Bedeutung der tutela mulieris aber bereits in klassischer Zeit deutlich ab; s. Gai Inst. 1,190; Kaser/Knütel, 89. Im ersten Jahrhundert n. Chr. schaffte Kaiser Claudius die gesetzliche Vormundschaft des gradnächsten Agnaten (Verwandter in männlicher Linie) ab. Weiterhin existierte jedoch die auf die lex Atilia (210 v. Chr.) zurückgehende magistratische Vormundsbestellung, die auf Antrag der Frau selbst vorgenommen wurde; Kaser, RP I, 357, 368 f. 4 Anfang des vierten Jahrhunderts v. Chr. umfasste das römische Staatsgebiet ca. 1500 km2 in Mittelitalien. Um 220 v. Chr. kontrollierte Rom mit Hilfe seiner Bundesgenossen weite Teile des heutigen Italiens. Die Punischen und die Makedonischen Kriege (Ende des dritten Makedonischen Krieges: 168 v. Chr., Ende des dritten Punischen Krieges: 146 v. Chr.) sicherten Rom schließlich die Vorherrschaft über die Anrainergebiete des Mittelmeers; s. Neuer Pauly, Bd. X (Eder), 1054 ff. 5 Wacke, Minderj., 204; Kaser, RP I, 276 f.
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Teil 1: Einführung und Grundlagen
Menschen mit sich brachte, wurden schließlich einige rechtliche Maßnahmen getroffen: Zunächst sah eine lex Plaetoria6, die um 200 v. Chr. erging, vermutlich nur für den Fall der arglistigen7 Übervorteilung junger Menschen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten (minores viginti quinque annis, kurz: Minderjährige oder minores), eine die Ehrlosigkeit nach sich ziehende Klage (actio legis Plaetoriae) vor.8 Die actio legis Plaetoriae wurde aber dem erkannten Rechtsschutzbedürfnis nicht völlig gerecht: Zum einen zog ein Verstoß gegen die lex Plaetoria zwar eine Geldbuße nach sich, ließ aber die Wirksamkeit der betroffenen Geschäfte unberührt.9 Zum anderen ermöglichte die actio legis Plaetoriae keine Rückabwicklung des angegriffenen Geschäfts und schützte den Minderjährigen auch nicht in den Fällen unvorsätzlicher Benachteiligung. Diese Lücken schloss der Prätor zum einen durch die Gewährung einer exceptio legis Plaetoriae, zum anderen durch die Einführung der in integrum restitutio propter minorem aetatem, kurz i. i. r. propter aetatem, also der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Minderjährigkeit.10 Die exceptio legis Plaetoriae, die sich auf die allgemeine Ediktsformel: „si in ea re nihil contra legem senatusve consultum factum est“ 11 stützte, konnte der Minderjährige den Forderungen aus dem vorsätzlich zu seinem Nachteil abgeschlossenen Geschäft entgegenhalten. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Minderjährigkeit12, die Gegenstand dieser Untersuchung ist, stellte einen flexiblen, in seiner vielfältigen 6 Die Klage wurde in späteren Jahren häufig als lex Laetoria bezeichnet. Die Meinungen darüber, ob die Klage zunächst lex Plaetoria oder schon immer lex Laetoria hieß, gehen auseinander. Vermutlich erging die lex Plaetoria als Plebiszit. s. zu dem Gesagten Wacke, Minderj., 204, Fn. 5; Savigny, Plaetoria, 240. Die lex Plaetoria wird im corpus iuris civilis nicht erwähnt, ihre Existenz lässt sich jedoch aus anderen Quellen erschließen, genauer: Di Salvo, Lex Laetoria, 3. 7 Wacke, Minderj., 206. 8 Dabei handelte es sich um eine privatrechtliche Popularklage, die von jedermann gegen den Schädiger erhoben werden konnte, Wacke, Minderj., 204. s. allgemein zu der Funktion der actiones populares Halfmeier, Popularklagen, 43 ff. 9 Die lex Plaetoria war also ein Verbotsgesetz in der Form einer lex minus quam perfecta, s. Wacke, Minderj., 204 f. m. Fn. 10 (dort w. N.). 10 Wacke, Minderj., 205. 11 Lenel, EP, 513; Wacke, Minderj., 205. 12 Wann die i. i. r. wegen Minderjährigkeit genau eingeführt wurde, ist nicht sicher belegt; Kaser, Zur i. i. r., 180. Sie war jedenfalls dem Ofilius, einem römischen Juristen des 1. Jahrhunderts v. Chr., bereits bekannt, s. Ulp. D. 4,4,16,1; Wacke, Minderj., 210; Kunkel, Stellung der Juristen, 29. Die i. i. r. propter aetatem ist in zahlreichen Quellen belegt. Hervorzuheben sind insbesondere der vierte Titel (de minoribus viginti quinque annis) des vierten Buches (de in integrum restitutionibus) der Digesten und der 21. Titel (de in integrum restitutione minorum) des zweiten Buches des Codex. Auch die auf den genannten Titel folgenden Codextitel befassen sich teilweise noch mit Fragen der Wiedereinsetzung Minderjähriger.
§ 1 Einführung
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Anwendbarkeit geradezu schillernden Rechtsbehelf zum Schutz der Minderjährigen dar. Sie wurde auf einen Antrag hin nach einer Voruntersuchung, die auch die Ausübung eines Ermessens einschloss,13 vom Prätor gewährt. Die i. i. r. konnte zum Einsatz kommen, wenn der Abschluss eines Vertrags oder auch ein sonstiger rechtlich bedeutender Vorgang14 nachteilig15 für den Minderjährigen war. Der Nachteil musste dabei nicht zwingend auf einem vorsätzlichen Verhalten des Geschäfts- oder Prozessgegners beruhen, sondern konnte auch der Unerfahrenheit oder dem Leichtsinn des Minderjährigen zuzuschreiben sein.16 Eine i. i. r. war aus diesem Grunde für den Minderjährigen wesentlich einfacher zu erlangen als die Verurteilung des Geschäftspartners aufgrund der Klage aus der ein Fehlverhalten des Geschäftspartners sanktionierenden lex Plaetoria.17 Letztere verlor daher nach und nach an Bedeutung. Die exceptio legis Plaetoriae ihrerseits wurde allmählich von der nicht nur auf Minderjährige anwendbaren allgemeinen Arglisteinrede (exceptio doli) verdrängt.18 Die vorliegende Arbeit ist folgendermaßen gegliedert: In dem den Grundlagen der Untersuchung gewidmeten § 2 werden zunächst abstrakt die allgemeinen Voraussetzungen der Restitution wegen Minderjährigkeit dargestellt; weiterhin wird die Frage nach ihrer rechtstechnischen Umsetzung aufgeworfen. Der zweite Teil der Arbeit enthält Ausführungen zu einzelnen Fallkonstellationen der Drittwirkung der Minderjährigenrestitution. Ziel ist es, diejenigen Fälle näher zu untersuchen, bei denen das Verhalten des Minderjährigen und dessen eventuelle Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht nur Auswirkungen auf seinen Geschäftspartner, sondern darüber hinaus auch auf einen oder mehrere Dritte hatte. Dritte sind dabei diejenigen Personen, die an dem rückgängig zu machenden Vorgang nicht oder nur indirekt mitgewirkt haben. Diese Auswirkungen auf Dritte waren häufig darauf zurückzuführen, dass die Dritten in einem besonderen Rechtsverhältnis vertraglicher oder familienrechtlicher Art zu dem kontrahierenden Minderjährigen standen oder ihrerseits mit dem Geschäftspartner des Minderjährigen kontrahiert hatten.19 Analysiert werden zunächst Konstellationen, in denen die i. i. r. des Minderjährigen einem Dritten Vorteile verschaffte (positive Drittwirkung, § 3), anschlie13
s. § 2, A. (Einf.) und § 2, A. II. s. § 2, A. I. 2. 15 s. § 2, A. I. 3. 16 s. § 2, A. I. 4. 17 Wacke, Minderj. 210. 18 Savigny, Plaetoria, 354 f. 19 Die ganz überwiegende Zahl der analysierten Drittwirkungsfälle beschäftigt sich mit der Wiedereinsetzung des Minderjährigen gegen eine vertragliche Handlung, allerdings wird auch die Wiedereinsetzung gegen ein Urteil (s. § 5, B. II.), gegen eine Pfändung (s. § 4, B. IV.), gegen die Annahme einer geschuldeten Leistung (s. § 5, B. I.) sowie gegen die Verschwendung der Darlehenssumme (§ 5, C.) diskutiert. 14
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Teil 1: Einführung und Grundlagen
ßend Situationen, in denen ein Dritter durch die i. i. r. des Minderjährigen im Interesse des Minderjährigen Nachteile hinnehmen musste (negative Drittwirkung, § 4). An dritter Stelle wird dann auf Quellen eingegangen, die sich einer klaren Zuordnung zu einer der beiden genannten Kategorien entziehen, weil sie entweder Mischungen der beiden Drittwirkungsvarianten oder aber gänzlich andere Arten der direkten oder indirekten Auswirkungen der Restitution auf Dritte behandeln (§ 5). Die zu untersuchenden Konstellationen sind dabei im Hinblick auf die folgenden Fragen zu untersuchen, wobei sich freilich wegen der Unterschiedlichkeit der geschilderten Fälle nicht immer sämtliche Fragen gleichzeitig stellen, sondern bald die eine, bald die andere in den Vordergrund rückt: 1. Welche Personen werden in welcher Weise durch die Restitution des Minderjährigen begünstigt oder benachteiligt? 2. Sind die Entscheidungen verschiedener Juristen für die einzelnen Konstellationen einheitlich oder weichen sie voneinander ab? 3. Wird die Drittwirkung der Restitution, insoweit sie bejaht wird, von dem jeweiligen Verfasser der Quelle als ein begrüßenswerter (systemkonformer) oder als ein bedauernswerter (systemwidriger) Effekt dargestellt? 4. Beruhen die Begründungen der Entscheidungen, sofern überhaupt Begründungen gegeben werden, auf nachvollziehbaren Wertmaßstäben und Kriterien? Diese vier Fragen beschäftigen sich sämtlich mit dem „Ob“ und mit dem „Warum“ der Drittwirkung der Minderjährigenrestitution. Darüber hinaus soll aber auch im Blick behalten werden, inwiefern sich aus den verschiedenen Quellen Schlüsse über die rechtstechnische Umsetzung der Wiedereinsetzung, also über das „Wie“ der Restitution in den jeweils behandelten Fällen, ziehen lassen. Im dritten Teil der Arbeit (§§ 6–8) wird schließlich kurz dargestellt, wie die Beteiligung Minderjähriger am Rechtsverkehr im aktuellen deutschen und italienischen Recht geregelt ist und wie sich die aktuellen Regelungen auf die wichtigsten der im Hauptteil analysierten Drittwirkungskonstellationen auswirken. Es folgen die Schlussbetrachtungen im vierten Teil der Arbeit.
§ 2 Grundlagen: Die Voraussetzungen der Minderjährigenrestitution und die Frage nach ihrer prozessualen Durchführung A. Die Voraussetzungen der Minderjährigenrestitution Das prätorische Minderjährigenedikt war denkbar schwammig gefasst. Der Prätor behielt sich in dem Edikt vor, von Fall zu Fall korrigierend einzugreifen, wenn ein Minderjähriger mit einem anderen rechtlich relevante Handlungen vor-
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genommen hatte. Der Wortlaut des Edikts lautete: „Quod cum minore quam viginti quinque annis natu gestum esse dicetur, uti quaeque res erit, animadvertam.“ 20 Aus der Gesamtschau der Quellen lassen sich jedoch etwas konkretere Voraussetzungen, die durch die Gutachten der Juristen und die Entscheidungen der Kaiser festgelegt wurden, ablesen,21 dazu sogleich unter I. Selbst wenn diese Voraussetzungen sämtlich erfüllt waren, folgte daraus nicht zwingend ein Eingreifen des angerufenen Prätors. Vielmehr konnte der Magistrat die Umstände des konkreten Falles betrachten und bewerten, um sich schließlich für oder gegen eine Wiedereinsetzung des Minderjährigen zu entscheiden.22 Einige Aspekte, die der Prätor bei der Ausübung seines Ermessens berücksichtigte, werden unter II. vorgestellt. I. Zwingende Voraussetzungen 1. Restitutionsgrund: Minderjährigkeit
Die Wiedereinsetzung wegen Minderjährigkeit, welcher der vierte Titel des vierten Buches der Digesten (de minoribus viginti quinque annis) gewidmet ist, wurde für die mündigen23 Minderjährigen geschaffen, also für junge Menschen, die bereits die Pubertät erreicht24 oder schon hinter sich gelassen, aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hatten. Die Minderjährigkeit stellte nur einen von verschiedenen Restitutionsgründen dar.25 20 s. Ulp. D. 4,4,1,1; Lenel, EP, 116. Übersetzung Kupischs in C.I.C., Text und Übersetzung, Bd. II, 373–374: „Wenn vorgetragen wird, dass mit einem Mündigen, der jünger als fünfundzwanzig Jahre ist, ein Geschäft vorgenommen worden ist, werde ich prüfen, wie sich die Sache jeweils verhält.“ Die Bedeutung des Verbs animadvertere reicht von „beachten“ über „untersuchen“ bis zu „bestrafen“, Heumann/Seckel, Handl., 32. 21 s. Musumeci, Editto sui minori, 35. 22 Mod. D. 4,1,3; Ulp. D. 4,4,11,3; Ulp. D. 4,4,44; Paul D. 4,4,24,1; Savigny, System, Bd. VII, 130; s. auch Martini, Causae cognitio, 74 ff.; Kaser/Hackl, RZ, 189 f. 23 Unmündige unter sieben Jahren (infantes) und Unmündige, die zwar älter waren, deren geistige Entwicklung jedoch noch derjenigen eines infans entsprach (infanti proximi), waren geschäftsunfähig (s. Gai Inst. 3,109; Gai Inst. 3,106; Ulp. D. 26,7,1,2; Knothe, Geschäftsfähigkeit Minderjähriger, 6–17; Kaser/Knütel, RP, 86). Die Unmündigen, die über das Kindesalter hinaus waren (impuberes infantia maiores), also junge Menschen, die das siebte Lebensjahr vollendet, aber die Pubertät noch nicht erreicht hatten, waren in beschränktem Maße geschäftsfähig: War er rechtlich selbständig (sui iuris), konnte der dem Kindesalter entwachsene Unmündige all diejenigen Geschäfte selbst abschließen, die seine Rechtsstellung verbesserten, durch die der Unmündige also ausschließlich Rechte erwarb oder von Verbindlichkeiten befreit wurde. Rechtlich nachteilige Geschäfte konnte der Unmündige sui iuris nur mit Zustimmung seines Tutors eingehen, s. Inst. 1,21 pr.–2; Ulp. D. 4,4,16 pr.; Ulp. D. 19,1,13,29; Knothe, Geschäftsfähigkeit Minderjähriger, 53 u. 29; Kaser/Knütel, RP, 86 f. 24 s. Fn. 1. 25 Auf die Abgrenzung und Voraussetzungen der verschiedenen Gründe kann hier nicht eingegangen werden, s. hierzu Ulp. D. 4,1,1; Paul. D. 4,1,2; Ulp. D. 4,6,1,1; Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 131; Kaser, RP I, 248; Kaser/Hackl, RZ, 424 f.; Savigny, System, Bd. VII, 130 ff. und 145 ff.
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Aus heutiger Perspektive drängt sich die Frage auf, warum die nach unserem Empfinden sehr hohe Altersgrenze von 25 Jahren gewählt wurde. Laut Ulpian (D. 4,4,1,2) war allgemein bekannt, dass mit diesem Alter die volle Lebenskraft (vigor) des Mannes erreicht sei. Knothe schreibt dazu: „Das 25. Lebensjahr werden die Väter des plätorischen Gesetzes als Zäsur gewählt haben auf Grund der in der Antike verbreiteten Vorstellung, das erste Viertel der auf maximal 100 Jahre bemessenen Lebensdauer des Menschen bilde die Periode der Vorbereitung auf die daran anschließende selbständige Lebensführung.“ 26 Weil die Unmündigen (impuberes) sich ebenfalls noch in der „Vorbereitungsphase“ auf das selbständige Leben befanden, wurde die i. i. r. propter aetatem wohl schon in der Klassik auch auf diese ausgeweitet.27 Allerdings bestand für die Unmündigen nur unter bestimmten Voraussetzungen ein Bedürfnis nach Restitution: Erstens mussten die Unmündigen schon rechtlich selbständig sein, es musste sich also um pupilli im engeren Sinne28 handeln. Denn wenn die Unmündigen noch in der Gewalt ihres Vaters standen, konnten sie grundsätzlich keine für sie nachteiligen Geschäfte vornehmen.29 Weiterhin musste der pupillus mit der auctoritas des Tutors gehandelt haben.30 Ohne die auctoritas tutoris begründete das jeweilige Geschäft ohnehin keine Verpflichtung des pupillus, sodass keine Notwendigkeit bestand, ihn in den vorigen Stand wiedereinzusetzen. Rechtlich selbständige mündige Frauen unter 25 Jahren befanden sich dann in einer der Lage der Unmündigen ähnlichen Situation, wenn sie zum Abschluss des 26 27
Geschäftsfähigkeit Minderjähriger, 43 mit Verweis auf Huschke, SZ 13, 313. Knothe, Geschäftsfähigkeit Minderjähriger 52 m. Fn. 65; s. auch Huschke, SZ 13,
313. 28
Als pupillus im engeren Sinne wird eine Person bezeichnet, die durch den Tod des Vaters oder durch Emanzipation zwar rechtlich selbständig geworden ist, die aber, weil sie noch nicht die Geschlechtsreife erreicht hat, in die Schutzherrschaft eines Vormundes fällt, s. Pomp. D. 50,16,239 pr. Im weiteren Sinne wird der Ausdruck gelegentlich auch als Synonym für impubes verwendet und bezeichnet somit jeden Unmündigen, auch den rechtlich unselbständigen, s. z. B. Gai. D. 45,1,141,2: s. auch Kupisch, Handl., 479. 29 s. Gai. D. 45,1,141,2; Perozzi, Istituzioni, Bd. I, 464. Perozzi argumentiert folgendermaßen: Einem Unmündigen in der Gewalt des Vaters stehe nicht die Möglichkeit offen, durch geschäftliches Handeln Vermögensvorteile zu erlangen. Denn dieser Unmündige sei, wie auch grundsätzlich der mündige filius familias vermögenslos. Im Gegensatz zu dem mündigen filius familias sei dem unmündigen filius familias aber selbst die Möglichkeit verwehrt, ein militärisches Sondervermögen oder (in nachklassischer Zeit, s. Kaser/Knütel, 328) ein peculium quasi castrense oder bona adventicia zu erwerben. Aus diesem Grund könne der Unmündige zwar (zu Gunsten des Vaters) erwerben, jedoch selbst mit Zustimmung des Vaters keine nachteiligen Geschäfte eingehen. Eine Ausnahme macht Perozzi jedoch ohne weitere Begründung für den Erbschaftsantritt (aditio hereditatis) auf Geheiß des Vaters. Dieser sei dem impubes alieni iuris auf Geheiß des Vaters möglich. Kaser, RP I, 275 geht dagegen (ebenfalls ohne Begründung) davon aus, dass dem Unmündigen alieni iuris neben dem Antritt der Erbschaft auch andere Geschäfte offenstanden, sofern der Vater ihn dazu angewiesen hatte. 30 s. z. B. Mod. D. 4,4,29 pr.; s. auch Savigny, System, Bd. VII, 148.
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jeweiligen Rechtsgeschäfts der Zustimmung eines Tutors bedurften31: Eine Wiedereinsetzung war dann von vornherein nur notwendig, wenn der Tutor dem Geschäft zugestimmt hatte. 2. Zur Restitution berechtigendes Verhalten
Wie bereits erwähnt, war das prätorische Minderjährigenedikt sehr allgemein formuliert. Es forderte ein [. . .] cum minore [. . .] gestum, damit der Prätor zu Gunsten des Minderjährigen eingreifen konnte. Der Begriff des gerere wurde dabei, wie Ulpian in D. 4,4,7 pr. (11 ad ed.) bezeugt, weit verstanden und umfasste nicht nur den Abschluss von Verträgen, sondern auch Handlungen sonstiger Art, seien sie rechtsgeschäftlichen oder tatsächlichen Charakters32: Ait praetor: ,gestum esse dicetur‘. gestum sic accipimus qualiterqualiter, sive contractus sit, sive quid aliud contigit.
Die Verwendung des Wortes gerere als solches begrenzt also den Anwendungsbereich der Minderjährigenrestitution nicht. Als zu eng erwies sich jedoch laut Musumeci die im Ediktswortlaut enthaltene Formulierung des cum minore gestum33, also die Beschränkung der Restitution auf Vorgänge, an denen der Minderjährige und mindestens noch eine weitere Person teilgenommen hatte. Im Laufe der Kaiserzeit sei eine Wiedereinsetzung des Minderjährigen auch in Fällen gewährt worden, in denen der Minderjährige entweder völlig allein34 oder gar nicht tätig geworden war35. Ja sogar eine Minderjährigenrestitution allein im 31 s. Fn. 3. Es sei hier angemerkt, dass der Hinweis in Fußnote 1 auf S. 374 bei Kupisch in C.I.C., Text und Übersetzung, Bd. II auf Ulp. D. 4,4,3,5 für die Anwendung der i. i. r. auf die minderjährige Frau unter Vormundschaft unklar ist. Ulp. D. 4,4,3,5 ist ein Beispiel für die Wiedereinsetzung einer Haustochter, also einer rechtlich unselbständigen Frau, die sich noch in der patria potestas befand und deshalb gerade keinen Vormund hatte (s. Kaser/Knütel, RP, 89). Die Anwendbarkeit der Minderjährigenrestitution auf Haustöchter [s. § 3, C. IV. 1. b); § 3, C. IV. 5. b)] ist jedoch eine anders gelagerte Problematik als die Anwendbarkeit der Minderjährigenrestitution auf Frauen sui iuris. 32 s. auch zu diesem weiteren Begriff des gerere Heumann/Seckel, Handl., 229 unter 2). s. auch zu dem weiten Begriff des gerere bei der negotiorum gestio (oder negotia gesta) Kaser/Knütel, RP, 254. 33 Musumeci, Quod cum minore, 518; s. nun auch id., Protezione pretoria, 29 ff. 34 Musumeci, Interpretazione dell’editto, 43 mit Quellennachweisen in Fn. 8 (zur i. i. r. gegen die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft: Ulp. D. 4,4,7,5; Paul. D. 4,4,24,2; zur i. i. r. nach Verlust der Darlehenssumme durch den Minderjährigen: Pap. D. 46,3,95,3); id., Quod cum minore, 513, 517–519 (zur i. i. r. nach Verschwendung der Darlehenssumme durch den Minderjährigen: Gai. D. 4,4,27,1 [s. zu dieser Quelle auch § 5, C.]; Paul. D. 4,4,24,4; zur i. i. r. nach Verschwendung der an ihn zur Begleichung einer Schuld geleisteten Summe: Ulp. D. 4,4,7,2); s. nun auch id., Protezione pretoria, 36 ff. 35 Musumeci, Interpretazione dell’editto, 43 mit Quellennachweisen in Fn. 9 (zur i. i. r. nach dem Freispruch eines Beklagten kurz nach Volljährigkeit des zuvor minderjährigen Klägers: Ulp. D. 4,4,3,1; zur i. i. r. zu Lasten des Zweitkäufers einer zuvor von dem Minderjährigen an einen anderen verkauften Sache: Ulp. D. 4,4,13,1); id., Quod
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Interesse Dritter sei möglich gewesen.36 Auch gegen Prozesshandlungen und Urteile war eine Wiedereinsetzung möglich.37 Nicht möglich war jedoch eine Wiedereinsetzung des Minderjährigen, wenn dieser selbst ein Delikt begangen hatte.38 3. Benachteiligung
Die i. i. r. konnte nur gewährt werden, wenn der Minderjährige durch den Vorgang, hinsichtlich dessen er wiedereingesetzt zu werden erstrebte, einen Nachteil erlitten hat. Dies liegt gewissermaßen in der Natur der Sache: Die i. i. r. als außerordentlicher Rechtsbehelf (extrordinarium auxilium)39, der auf der Grundlage des natürlichen Rechtsgefühls (aequitas naturalis) eingeführt wurde,40 diente ja gerade dazu, rechtswirksame Situationen deshalb wieder rückgängig zu machen, weil durch ihr Bestehenbleiben eine Partei in einer als unbillig empfundenen Weise benachteiligt würde. Die Natur der dem Minderjährigen entstandenen Benachteiligung konnte sehr vielgestaltig sein. In Ulp. D. 4,4,44 (5 op.) sind einige Beispiele für Benachteiligungen aufgezählt: Non omnia, quae minores annis viginti quinque gerunt, irrita sunt, sed ea tantum, quae causa cognita eiusmodi deprehensa sunt, vel ab aliis circumventi vel sua facilitate decepti aut quod habuerunt amiserunt, aut quod adquirere emolumentum potuerunt omiserint, aut se oneri quod non suscipere licuit obligaverunt.
Der erste Teil des Fragments wird uns im folgenden Unterkapitel noch beschäftigen.41 Konzentrieren wir uns an dieser Stelle auf den zweiten Teil ab aut quod habuerunt: Ein für die i. i. r. wegen Minderjährigkeit ausreichender Nachteil
cum minore, 522 ff. (zur Ausdehnung der i. i. r. auf Sachveräußerungen, an denen der Minderjährige nicht selbst beteiligt war: Wiederum Ulp. D. 4,4,13,1; Ulp. D. 4,4,49; Iul. D. 21,2,39 pr.; Gai. D. 4,4,15; C. 5,71,1 (Antonin., 212 n. Chr.); Scaev. D. 4,4,47 pr.–1; zur Wiedereinsetzung des Minderjährigen nach Unterlassung einer Handlung: Ulp. D. 4,4,7,11; Ulp. D. 4,4,3,8; Ulp. D. 37,6,1,2; Paul. D. 4,4,36; C. 2,43,1 (Sev./Antonin., 204 n. Chr.); zur i. i. r. gegen einen vor der Geburt des Minderjährigen eingetretenen Eigentumsverlust: Callistr. D. 4,4,45. Dagegen als Beleg dafür, dass eine Wiedereinsetzung des Minderjährigen zu Lasten einer Person, mit welcher der Minderjährige nicht kontrahiert hatte, nicht selbstverständlich war: Paul. D. 4,4,38 pr.; Ulp. D. 4,4,11,2); s. nun auch Musumeci, Protezione pretoria, 42 ff. 36 Musumeci, Interpretazione dell’editto, 44 mit Quellennachweisen in Fn. 16: Gai. D. 4,4,27 pr. [s. zu dieser Quelle auch § 3, C. IV. 3. b)]; Ulp. D. 26,7,25; Pap. D. 27,3,20,1 (s. zu diesen beiden Quellen auch § 5, B. II.); s. nun auch id., Protezione pretoria, 21 ff. 37 s. Ulp. D. 4,4,7,4; C. 2,24,2 (Alex. s. a.). Gegen die Möglichkeit einer auf die Aufhebung eines Urteils gerichteten i. i. r. zu klassischer Zeit wendet sich Biondi, Scritti II, 512 ff. 38 s. Ulp. D. 4,4,9,2; Ulp. D. 4,4,16,5 und Ulp. D. 4,4,42. 39 s. Ulp. D. 4,4,16 pr. 40 s. Ulp. D. 4,4,1 pr. 41 s. § 2, A. I. 4.
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liegt danach z. B. vor, wenn der Minderjährige42 entweder etwas verloren hat, was er zuvor hatte, sich einen erreichbaren Vorteil hat entgehen lassen,43 oder sich unnötig verpflichtet hat. Insbesondere war nicht zwingend der Eintritt einer Vermögensminderung notwendig, siehe Ulp. D. 4,4,6,44 auch wenn eine solche sicherlich oft den Minderjährigen veranlasst haben wird, die Wiedereinsetzung zu beantragen. Anschauliche Beispiele für eine Benachteiligung des Minderjährigen finden sich auch in Ulp D. 4,4,7,7: Der Minderjährige entscheidet sich im Rahmen eines Wahlvermächtnisses für die schlechtere Sache oder leistet von zwei alternativ geschuldeten Gegenständen den wertvolleren. Entgegen dem allgemeinen Prinzip, dass die Parteien eines Kaufvertrags selbstverständlich danach trachten dürfen, sich gegenseitig zu übervorteilen,45 sind Fälle überliefert, in denen der von einem minderjährigen Käufer zu hohe46 oder einem minderjährigen Verkäufer zu niedrige47 vereinbarte Kaufpreis Anlass für die Restitution des Minderjährigen48 ist. 4. Subjektive Voraussetzungen der Restitution
In der Einführung wurde bereits erwähnt, dass ein entscheidender Vorteil der Minderjährigenrestitution gegenüber der actio legis Plaetoriae darin lag, dass erstere nicht zwingend ein doloses (vorsätzliches/arglistiges) Verhalten des Geschäftsgegners des Minderjährigen voraussetzte. Aus mehreren Quellen geht hervor, dass der Grund für die von dem Minderjährigen erlittene Benachteiligung auch allein auf der Leichtfertigkeit des Minderjährigen beruhen und somit in des-
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Im Lateinischen im Plural formuliert. s. allerdings: Paul. D. 4,4,38,1: Keine Wiedereinsetzung hinsichtlich unterlassener Handlungen von Haussöhnen, weil diese nur für ihren Vater erwerben können. 44 [. . .] non solum, cum de bonis eorum aliquid minuitur [. . .]. Es kommt durch diese Formulierung nicht klar zum Ausdruck, ob der Minderjährige sich zumindest darauf berufen musste, dass ihm durch das Geschäft ein Gewinn entgangen sei, oder ob auch ein nicht vermögensbezogenes Interesse des Minderjährigen an der Wiedereinsetzung genügte. In dem letzten Satz des Fragments wird darauf hingewiesen, dass die Wiedereinsetzung auch dazu dienen konnte, dem Minderjährigen Prozesse und Kosten zu ersparen: [. . .] cum intersit ipsorum litibus et sumptibus non vexari. Daraus könnte man folgern, dass neben Kostenaspekten auch andere Umstände (wie eben der mit einer Prozessführung verbundene Stress) Berücksichtigung finden konnten. 45 s. Paul. D. 19,2,22,3: Quemadmodum in emendo et vendendo naturaliter concessum est quod pluris sit minoris emere, quod minoris sit pluris vendere et ita invicem se circumscribere [. . .] sowie Ulp. D. 4,4,16,4: Idem Pomponius ait in pretio emptionis et venditionis naturaliter licere contrahentibus se circumvenire. 46 So in Gai. D. 4,4,27,1. 47 Ebenfalls in Gai. D. 4,4,27,1; wahrscheinlich auch gemeint in Paul. D. 4,4,24,4. 48 Wacke, Minderj., 215 m. w. Nw. in Fn. 80, ist der Ansicht, die Erlaubnis, sich gegenseitig bei der Festsetzung des Preises zu übervorteilen, könne nur für Volljährige gegolten haben. s. zu diesem Thema auch Savigny, System, Bd. VII, 232. 43
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sen Verantwortungsbereich fallen konnte.49 Sehr deutlich kommt dies auch in dem bereits im vorigen Unterkapitel angesprochenen50 Fragment Ulp. D. 4,4,44 zum Ausdruck: Non omnia, quae minores annis viginti quinque gerunt, irrita sunt, sed ea tantum, quae causa cognita eiusmodi deprehensa sunt, vel ab aliis circumventi vel sua facilitate decepti [. . .].
Was mit dem Ausdruck circumscribere (laut Heumann/Seckel: hintergehen, betrügen)51 genau gemeint war, ist nicht eindeutig geklärt. So weisen Wacke und auch Musumeci darauf hin, dass das Verb nicht in jeder Verwendungssituation das Vorliegen von Arglist auf Seiten des Geschäftsgegners implizierte.52 Für die Zwecke dieser Untersuchung ist ausschließlich wichtig, dass eine vorsätzliche Täuschung des Minderjährigen durch seinen Vertragspartner zwar vorliegen konnte,53 aber nicht vorliegen musste. Für den Leichtsinn des Minderjährigen sind zwei verschiedene Ansatzpunkte denkbar: In einem Fall kann sein Leichtsinn dazu geführt haben, dass der Minderjährige das abzuschließende Geschäft nicht sorgfältig geprüft und daher den 49 s. Ulp./Pomp. D. 4,4,7,7; Paul. D. 4,4,24,1; auch Ulp. D. 4,4,16,1 mit der Erklärung bei Musumeci, Editto sui minori, 42 f. s. außerdem Paul. D. 44,1,7,1: In dieser Stelle wird zwischen dem minor circumscriptus und dem minor deceptus in re unterschieden. Dies ist so zu verstehen, dass dem betrogenen Minderjährigen die exceptio legis Plaetoriae zusteht, während der in re getäuschte, also derjenige, der „ohne Zuthun des Gegentheils durch eigenen Leichtsinn Schaden erlitten“ hat (Otto/Schilling/Sintenis, Bd. IV, 529, Fn. 7), die i. i. r. beantragen muss. s. außerdem: C. 2,21,5 pr. (Diocl., 293 n. Chr.); Wacke, Minderj., 210 m. Fn. 51. Für die Annahme eines Vorsatzerfordernisses scheint auf den ersten Blick Ulp. D. 4,4,3,1 zu sprechen: [. . .] Celsus igitur respecto suasit non facile hunc quondam minorem in integrum restitui, sed si ei probaretur calliditate adversarii id actum, ut maiore eo facto liberaretur: neque enim extremo, inquit, iudicii die videtur solum deceptus hic minor, sed totum hoc structum, ut maiore eo facto liberaretur. Idem tamen confitetur, si levior sit suspicio adversarii quasi dolose versati, non debere hunc in integrum restitui. Allerdings könnte sich das Vorsatzerfordernis aus den Besonderheiten des Falles erklären: Es geht hier um die außerplanmäßige Anwendung der i. i. r. wegen Minderjährigkeit auf einen bereits 25-Jährigen. Bei einer solchen außerordentlichen Erweiterung des Schutzes der Minderjährigenrestitution ist es naheliegend, dass derjenige, zu dessen Lasten die i. i. r. angeordnet werden soll, vorsätzlich darauf hingewirkt haben muss, dass die Voraussetzungen der i. i. r. an sich nicht mehr vorliegen. Nur dann soll die i. i. r. über ihren eigentlichen Schutzbereich hinaus Anwendung finden. Das widerspricht nicht der Annahme, dass die i. i. r. im Regelfall kein vorsätzliches Verhalten des Restitutionsgegners voraussetzt. 50 s. § 2, A. I. 3. 51 Heumann/Seckel, Handl., 69. 52 Wacke, Circumscribere, 184 ff.; id., Minderj., 205 f.; Musumeci, Interpretazione dell’editto, 49, Fn. 30. Der Ausdruck ist schwer zu fassen, weil er zwischen der reinen Feststellung eines Nachteils und der Beschreibung der Herkunft des Nachteils oszilliert. s. nun auch zu der Verwendung des Verbs circumscribere und des verwandten circumvenire Musumeci, Protezione pretoria, 79 ff. und 89 ff. 53 Die actio de dolo trat in diesen Fällen hinter der Möglichkeit der Minderjährigenrestitution zurück, s. Ulp. D. 4,3,38.
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eigenen Nachteil nicht erkannt hat. In einem anderen Fall hat der Minderjährige vielleicht kognitiv erkannt, dass das Geschäft für ihn objektiv nachteilig ist, hat es aber gerade aufgrund seines Leichtsinns dennoch abgeschlossen. Nach der Ansicht Musumecis war die Notwendigkeit des Getäuschtseins oder des Leichtsinns des Minderjährigen für die Gewährung der Restitution unter den klassischen Juristen nicht unumstritten.54 So habe der Hochklassiker Julian versucht, auch für rein zufällige Benachteiligungen des Minderjährigen die Möglichkeit der Wiedereinsetzung zu eröffnen.55 Musumeci beruft sich für diese These auf das Fragment Ulp. D. 4,4,11,4–5,56 in dem Ulpian sich mit der Frage nach den Konsequenzen zufällig eingetretener Schäden befasst und sich dabei auch auf die Schriften von Pomponius, Julian und Marcellus bezieht: Ulp. D. 4,4,11,4–5 (11 ad ed.) 4. Item non restituetur, qui sobrie rem suam administrans occasione damni non inconsulte accidentis, sed fato velit restitui: nec enim eventus damni restitutionem indulget, sed inconsulta facilitas. et ita et Pomponius libro vicensimo octavo scripsit. unde Marcellus apud Iulianum notat, si minor sibi servum necessarium comparaverit, mox decesserit, non debere eum restitui: neque enim captus est emendo sibi rem pernecessariam, licet mortalem. 5. Si locupleti heres extitit et subito hereditas lapsa sit (puta praedia fuerunt quae chasmate perierunt, insulae exustae sunt, servi fugerunt aut decesserunt): Iulianus quidem libro quadragensimo sexto sic loquitur, quasi possit minor in integrum restitui. Marcellus autem apud Iulianum notat cessare in integrum restitutionem: neque enim aetatis lubrico captus est adeundo locupletem hereditatem, et quod fato contingit, cuivis patri familias quamvis diligentissimo possit contingere. sed haec res adferre potest restitutionem minori, si adiit hereditatem, in qua res erant multae mortales vel praedia urbana, aes autem alienum grave, quod non prospexit posse evenire, ut demoriantur mancipia, praedia ruant, vel quod non cito distraxerit haec, quae multis casibus obnoxia sunt.
Zu Beginn des vierten Paragraphen hält Ulpian zunächst die allgemeine Regel fest, dass dem Minderjährigen nicht aufgrund irgendeines zufälligen, schicksalhaft eingetretenen Schadens die Restitution zu gewähren sei, sondern nur dann, wenn der Schaden eben gerade durch leichtsinniges Verhalten des Minderjährigen eingetreten sei. So habe es schon Pomponius formuliert. Anschließend berichtet Ulpian, dass Marcellus zu Julian bemerkt habe, ein Minderjähriger, der einen für ihn notwendigen Sklaven erstanden hatte, der dann bald verstorben sei, könne mangels Übervorteilung keine Wiedereinsetzung verlangen. Im fünften Paragraphen wird dann diskutiert, wie zu verfahren sei, wenn ein minderjähriger Außenerbe eine Erbschaft zunächst angetreten hat und danach etliche Nachlass54 Musumeci, Interpretazione dell’editto, 43 m. Fn. 12; id., Editto sui minori, insb. 45 ff. 55 Musumeci, Editto sui minori, 45 ff.; s. nun auch id., Protezione pretoria, 115 ff. 56 Musumeci, Editto sui minori, 45 ff.; s. nun auch id., Protezione pretoria, 115 ff.
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gegenstände durch unglückliche Umstände (Erdrutsch, Feuer, Tod oder Flucht von Sklaven) untergegangen sind. Julian bejahte auch in diesem Fall die Wiedereinsetzungsmöglichkeit (ohne dass wiedergegeben wird, mit welcher Argumentation), Marcellus lehnte sie mit dem Argument ab, dass der Schaden auch jedem noch so sorgfältigen pater familias57 hätte entstehen können. Schließlich stellt Ulpian noch dar, dass allerdings der minderjährige Erbe doch dann die Wiedereinsetzung verlangen könnte, wenn er gerade die Möglichkeit des Eintritts der geschilderten Unglücksfälle nicht vorausgesehen hat. Musumecis Folgerung, dass Julian anscheinend den Minderjährigen als solchen („in quanto tale“) – jedenfalls in den geschilderten Fällen – habe schützen wollen58, ist nachvollziehbar. Jedoch ist sie nicht zwingend. Gerade unter dem Aspekt, dass Julian, wie Musumeci auch anmerkt, an anderer Stelle durchaus auf die psychologischen Umstände („condizioni psicologiche“) des Minderjährigengeschäfts Bezug nimmt,59 ist eine andere Interpretation zu bevorzugen. Der letzte Abschnitt des fünften Paragraphen des Fragments Ulp. D. 4,4,11 (sed haec . . .) zeigt, dass Ulpian selbst jedenfalls die Gewährung der Restitution in dem zweiten geschilderten Fall für durchaus vereinbar mit der Bejahung einer minderjährigentypischen Fahrlässigkeit sieht. Diese kann dann vorliegen, wenn der Minderjährige gerade wegen seiner mangelnden Erfahrung den Untergang der Nachlassgegenstände nicht in seine Abwägungsentscheidung hinsichtlich des Erbschaftsantritts einbezogen hat (quod non prospexit posse evenire). Ulpians Bemerkungen sind wohl so zu verstehen: Ein gänzlich zufälliger Schaden berechtigt nicht zur Wiedereinsetzung des Minderjährigen. Der Verlust des nach seinem Erwerb verstorbenen Sklaven ist als ein solcher zufälliger Schaden einzuordnen, der Antritt der Erbschaft jedoch nicht zwingend: Der Unterschied liegt darin, dass der Kauf des Sklaven, wie betont wird, notwendig war, der Antritt der Erbschaft durch den Außenerben dagegen nicht.60 Freilich hätte der Minderjährige auch einen anderen Sklaven wählen können, aber dieser hätte ebenso versterben können. Die Erbschaft hätte er jedoch nicht antreten müssen. Durch die Bejahung einer Wiedereinsetzungsmöglichkeit für den zweiten Fall stellt sich Ulpian gegen Marcellus oder liefert zumindest eine differenziertere Betrachtungsweise, die eine subjektive Verknüpfung zwischen Minderjährigkeit und Benachteiligung ermöglicht. Die Bejahung der Wiedereinsetzung durch Julian für den Fall des
57 Der Abschnitt von neque bis contingere in Ulp. D. 4,4,11,5 wird als Wiedergabe der Argumentation des Marcellus verstanden. Der Bezug auf den diligentissimus pater familias ist dabei als Idealsorgfaltsmaßstab zu verstehen. Auch ein Minderjähriger konnte ja bereits pater familias sein, wenn er nur rechtlich selbständig war, s. Ulp. D. 1,6,4. 58 Musumeci, Editto sui minori, 45. 59 Musumeci, Editto sui minori, 44 f. unter Verweis auf Ulp. D. 4,1,6; Iul. D. 4,4,41; Iul. D. 21,2,39 pr.; nun auch id., Protezione pretoria, 115. 60 Zu diesem Thema s.: Kaser/Knütel, RP, 370.
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Untergangs der Nachlassgegenstände könnte ebenfalls auf dieser (eventuell unausgesprochenen) gedanklichen Verknüpfung zwischen Minderjährigkeit und Schaden beruhen. Hinsichtlich der Wiedereinsetzung des Minderjährigen nach dem Tod des erstandenen notwendigen Sklaven dagegen stimmt Ulpian mit Marcellus überein: Der eingetretene Nachteil ist rein zufällig eingetreten und berechtigt den minor daher nicht zur Wiedereinsetzung. Wenn Julian auch für diesen Fall die Minderjährigenrestitution zugelassen hat,61 muss das noch nicht notwendig heißen, dass er von der Prüfung der subjektiven Voraussetzungen gänzlich abgesehen hat. Möglicherweise hat er argumentiert (oder zumindest gedacht): Der Minderjährige wird den Sklaven nicht ordentlich ausgewählt haben, ein erfahrenerer Käufer hätte vielleicht einen anderen erworben. Hier schließt sich Ulpian der Entscheidung des Julian jedoch nicht an, denn, wie bereits erwähnt, hätte auch jeder andere (noch so gesunde) Sklave aufgrund von unvorhersehbaren Umständen versterben können. Da es sich um eine notwendige Anschaffung handelte, wäre der Minderjährige, wie auch jeder Volljährige, in jedem Fall das Risiko des Versterbens eines Sklaven eingegangen. Es ist nach alledem jedenfalls nicht auszuschließen, dass auch Julian eine Verknüpfung zwischen der Minderjährigkeit und dem eingetretenen Nachteil als Voraussetzung der Wiedereinsetzung des Minderjährigen ansah, wenn er auch nicht sehr hohe Anforderungen an diese Verknüpfung stellte. 5. Keine Ausschlussgründe
Es ergibt sich bereits aus der Natur der i. i. r. als außerordentlicher Rechtsbehelf zur Abwendung durch den bisherigen Rechtszustand geschaffener unbilliger Härten, dass ein Minderjähriger, dessen Interessen auch ohne die i. i. r. vollständig gewahrt waren, nicht der Wiedereinsetzung bedurfte.62 Diesen Gedanken formuliert Ulpian in D. 4,4,16 pr. (11 ad ed.): In causae cognitione etiam hoc versabitur, num forte alia actio possit competere citra in integrum restitutionem. nam si communi auxilio et mero iure munitus sit, non debet ei tribui extraordinarium auxilium [. . .].
In den darauf folgenden Paragraphen D. 4,4,16,1–3 gibt Ulpian dann einige von anderen Juristen behandelte Beispiele für diese Subsidiarität der i. i. r. wieder. 61 Dass er sie zugelassen hat, wird zwar nicht ausdrücklich gesagt, ergibt sich aber mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem Textzusammenhang: Marcellus apud Iulianum notat [. . .]. 62 s. zur Subsidiarität der Restitution im Allgemeinen auch Savigny, System, Bd. VII, 143 ff. Zu der besonderen in Ulp. D. 4,4,3,4 behandelten Konstellation, in der nach der hier vertretenen Ansicht der ausdrückliche Ausschluss des Senatusconsultum Macedonianum in einer ganz bestimmten Situation auch zum Ausschluss der Minderjährigenrestitution führen kann, s. § 3, C. IV. 4. c).
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Außerdem konnte der bereits eingetretene Verlust oder der Erhalt der persönlichen Freiheit, sowie der Verlust oder Erhalt des Bürgerrechts nicht durch i. i. r. revidiert werden.63 Härten, die sich dadurch für den Minderjährigen ergaben, wurden aber teilweise ausgeglichen.64 Auch wurde einem Minderjährigen immer dann die Wiedereinsetzung versagt, wenn er sich selbst vorsätzlich als volljährig ausgegeben hatte. Die griffige Formulierung: malitia suppleat aetatem (der böse Wille ergänzt das Alter) stammt zwar aus einer nachklassischen Quelle (C. 2.42.3 pr., Diocl./Maxim., 293 n. Chr.)65, allerdings findet sich ein Beispiel für die Verweigerung der Restitution wegen arglistigen Vortäuschens der Volljährigkeit auch schon bei Paulus: D. 4,4,3266. Die i. i. r. war folglich höchstwahrscheinlich nicht ausgeschlossen, wenn der Geschäftspartner einfach glaubte, der Minderjährige sei tatsächlich volljährig, solange letzterer nicht über sein Alter getäuscht hatte.67 Laut Savigny führte außerdem jegliche Unredlichkeit auf Seiten des minderjährigen Schuldners zu dessen Ausschluss von der Restitution.68 Hierfür beruft sich Savigny zum einen auf die Quelle Ulp. D. 4,4,9,2,69 in der Ulpian die Wiedereinsetzung eines Minderjährigen, der sich bei der Durchführung eines Vertrags (Verwahrung oder Leihe) in nicht näher beschriebender Weise arglistig verhalten hat, verneint. Ulpian zieht hier eine Parallele zwischen der Begehung eines Delikts und dem unredlichen Verhalten innerhalb von Vertragsverhältnis-
63 s. Ulp./Pap. D. 4,4,9,4; Ulp. D. 4,4,9,6; Ulp. D. 4,5,2 pr. Ob hinsichtlich einer Eheschließung eine i. i. r. möglich war, ist für die Zwecke dieser Untersuchung gänzlich irrelevant, s. dazu Savigny, System, Bd. VII, 142, Burchardi, Wiedereinsetzung, 142. 64 Gegen den Käufer einer Sklavin, der diese freigelassen und so die i. i. r. des Minderjährigen unmöglich gemacht hatte, wurde dem Minderjährigen eine Schadenersatzklage zugesprochen, s. Paul. D. 4,4,48,1. 65 s. ebenfalls: C. 2,42,2 (Diocl./Maxim., 287 n. Chr.). C. 2,42,1 (Alex. Sev., 223 n. Chr.) steht dem nicht entgegen, sondern beschreibt den Fall eines gutgläubigen Minderjährigen, s. Nishimura, Haftung der Kuratoren, 819. 66 s. zu dieser Quelle § 5, B. I. 67 Ein sehr starkes Indiz für diese Annahme bildet C. 2,42,4 (Diocl./Maxim., 293 n. Chr.). In der kaiserlichen Entscheidung wird einem Minderjährigen die Restitution in Aussicht gestellt, der sich selbst für älter hielt, als er war, und deshalb einen falschen Beweis seiner Volljährigkeit vor dem Provinzstatthalter erbracht hatte. Es ist überaus wahrscheinlich, dass die Vertragspartner des Minderjährigen auf den Beweis der Volljährigkeit vertraut hatten. Dies stand einer Wiedereinsetzung des Minderjährigen offenbar nicht entgegen. 68 Savigny, System, Bd. VII, 140 mit Fn. (h). 69 Savigny, System, Bd. VII, 140, Fn. (h). s. Ulp. D. 4,4,9,2: Nunc videndum minoribus utrum in contractibus captis dumtaxat subve-niatur, an etiam delinquentibus: ut puta dolo aliquid minor fecit in re deposita vel commodata vel alias in contractu, an ei subveniatur, si nihil ad eum pervenit? et placet in delictis minoribus non subveniri. nec hic itaque subvenietur.[. . .].
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sen70. Zum anderen verweist Savigny für den Ausschluss des unredlich handelnden Minderjährigen von der Restitution auf den in Ulp./Pap. D. 4,4,9,471 wiedergegebenen Fall72: Unter Berufung auf Papinian stellt Ulpian in diesem Fragment fest, dass ein Minderjähriger über 20 Jahre, der sich als Sklave verkaufen ließ und an dem erzielten Kaufpreis partizipierte, gewöhnlich nicht wiedereingesetzt werde. Gemeint ist damit wohl: Ein Minderjähriger ließ sich in kollusivem Zusammenwirken mit dem Verkäufer zum Schein als Sklave verkaufen, um dann, auf seiner Freiheit beharrend, sich den Kaufpreis mit dem Verkäufer zu teilen.73 Dieses Verhalten führte dazu, dass der Minderjährige tatsächlich zum Sklaven wurde.74 Ulpian betont, dass die Verweigerung der Restitution sich in dem geschilderten Fall bereits aus dem Umstand erkläre, dass der Verlust der persönlichen Freiheit durch Restitution ohnehin nicht rückgängig gemacht werden könne. Ein allgemeiner Ausschluss der Restitution aufgrund von unredlichem Verhalten ergibt sich demnach jedenfalls nicht aus Ulp./Pap. D. 4,4,9,4. Auch aus der zuerst angesprochenen Quelle Ulp. D. 4,4,9,2 lässt sich ein genereller Ausschluss eines Minderjährigen von der Restitution, nur mit der Begründung, dass sich auch der Minderjährige nicht in jeder Hinsicht redlich verhalten habe, wohl nicht herleiten. Dem steht freilich nicht entgegen, dass der Prätor ein unredliches Verhalten des Minderjährigen im Rahmen seiner Ermessensentscheidung über die Gewährung oder Verneinung der i. i. r. propter aetatem berücksichtigte. 6. Antrag eines Berechtigten
Damit der Prätor die Prüfung der Restitutionsvoraussetzungen vornahm, musste der Antrag (postulatio) eines Berechtigten vorliegen.75 Berechtigt war zunächst der Minderjährige selbst sowie sein Prozessvertreter, dem der mündige Minderjährige die Stellung des Wiedereinsetzungsantrags spezifisch aufgetragen hatte.76
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So auch Savigny, System, Bd. VII, 140, Fn. (h). Ulp./Pap. D. 4,4,9,4: Papinianus ait, si maior annis viginti minor viginti quinque se in servitutem venire patiatur, id est si pretium participatus est, non solere restitui: sed hoc merito, quoniam res nec capit restitutionem cum statum mutat. 72 s. Savigny, System, Bd. VII, 140, Fn. (i). 73 s. zu Fällen dieser Art Inst. 1,3,4; Kaser/Knütel, RP I, 94. 74 s.: Inst. 1,3,4: Servi autem aut nascuntur aut fiunt. nascuntur ex ancillis nostris: fiunt aut iure gentium, id est ex captivitate, aut iure civili, veluti cum homo liber maior viginti annis ad pretium participandum sese venumdari passus est. In servorum condicione nulla differentia est. 75 Dies zeigt schon allgemein z. B. Callist. D. 4,4,1,4; für die Minderjährigenrestitution s. z. B.: Gai. D. 4,4,25,1. Insgesamt zu dem Antragserfordernis der i. i. r. s.: Savigny, System, Bd. VII, 216 ff. 76 Gai. D. 4,4,25,1; s. auch Paul. D. 4,4,24 pr.; Ulp. D. 26,7,25 (zu dieser Stelle s. auch § 5, B. II.); Burchardi, Wiedereinsetzung, 406 ff.; Savigny, System, Bd. 7, 217. 71
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Ebenfalls antragsberechtigt waren die Gesamtrechtsnachfolger des Minderjährigen, auch wenn sie selbst volljährig waren.77 Zu diesen zählten neben dem Erben auch der Nachlassbesitzer, der Begünstigte eines Gesamtfideikommisses, der Erwerber des peculium castrense eines verstorbenen Haussohnes sowie die Eigentümer des in den Sklavenstand zurückversetzten Minderjährigen.78 Auch der Hausvater, dem nach dem Tod des Sohnes dessen peculium wieder vollständig zugefallen war, wurde wie ein Erbe behandelt und konnte die i. i. r. hinsichtlich der von seinem verstorbenen Sohn eingegangenen Verbindlichkeiten beantragen.79 Unklar ist, in welchem Umfang zu Lebzeiten des Minderjährigen auch Dritte selbst im eigenen Interesse einen Antrag zur Wiedereinsetzung des Minderjährigen stellen oder sogar für sich in eigener Person die Wiedereinsetzung verlangen konnten.80 Auf diese Problematik wird bei der Analyse der jeweils relevanten Quellen näher eingegangen.81 7. Einhaltung der Frist
Nachdem der Minderjährige die Volljährigkeit erlangt hatte, konnte er innerhalb eines Jahres für Vorgänge, die in die Zeit seiner Minderjährigkeit fielen, weiterhin die Restitution verlangen; auch für den Rechtsnachfolger des Minderjährigen galt grundsätzlich diese Frist.82 II. Einige Abwägungskriterien bei der Entscheidung für oder gegen die Gewährung der i. i. r. Selbstverständlich lassen sich nicht sämtliche Aspekte ermitteln, die der Prätor83 bei seiner Entscheidung für oder gegen die Wiedereinsetzung des Minderjährigen berücksichtigen konnte.
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Ulp. D. 4,4,18,5. Ulp. D. 4,1,6. 79 Pomp. D. 4,4,3,9. Ankum, Filius familias mineur, 14 f., betont zu Recht, dass diese Quelle, die sich mit der Situation nach dem Tod des Sohnes befasst, nicht mit der Frage nach der Begünstigung des Vaters durch die i. i. r. des noch lebenden Haussohnes vermischt werden darf, s. dazu § 3, C. 80 s. Burchardi, Wiedereinsetzung, 407–416; Savigny, System, Bd. VII, 217 ff. 81 s. § 3, C. IV. 2.; § 3, C. IV. 3. a); § 3, C. IV. 3. b); § 3, C. IV. 3. c). 82 s. Ulp. D. 4,4,19 pr. Die Quelle bezieht sich auf einen nicht wörtlich überlieferten Teil des prätorischen Edikts, Verweis hierauf bei Kupisch in C.I.C., Text und Übersetzung, Bd. II, 392, Fn. 1. Die Wiedereinsetzungsfrist wurde in nachklassischer Zeit erhöht, s. C. 2,52,7 (Just., 531 n. Chr.); Burchardi, Wiedereinsetzung, 499 ff. 83 Oder, wenn die Beweiserhebung schwieriger war, auch der iudex, s. Kupisch, I. i. r., 104; Kaser, Zur i. i. r., 106–107. 78
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Allerdings enthalten die Quellen Beispielsfälle, aus denen sich einige wenige typische Ermessenskriterien ablesen lassen. Sinn und Zweck der jeweiligen Einzelfallabwägung war es, zu vermeiden, dass durch eine zu häufige, mehr oder weniger automatische Wiedereinsetzung der Minderjährigen diese letztlich jede geschäftliche Vertrauenswürdigkeit einbüßten und der prätorische Rechtsbehelf sich in dieser Weise statt zu ihrem Vorteil zu ihrem Nachteil auswirken würde, wie es Paulus deutlich formuliert: Paul. D. 4,4,24,1 (1 sent.)84 Non semper autem ea, quae cum minoribus geruntur, rescindenda sunt, sed ad bonum et aequum redigenda sunt, ne magno incommodo huius aetatis homines adficiantur nemine cum his contrahente et quodammodo commercio eis interdicetur.
Direkt im Anschluss an diesen allgemeinen Aufruf zur Besonnenheit und zur Berücksichtigung der Billigkeit liefert Paulus dann (in demselben Paragraphen) auch zwei der wichtigsten Aspekte, die bei der Entscheidung zu beachten seien: itaque nisi aut manifesta circumscriptio sit aut tam neglegenter in ea causa versati sunt, praetor interponere se non debet.
Paulus schreibt, der Prätor dürfe nicht einschreiten, wenn die Benachteiligung85 des Minderjährigen nicht offensichtlich sei oder wenn sich die Minderjährigen nicht besonders86 nachlässig verhalten hätten. Unter Berücksichtigung des Doppelcharakters des Ausdrucks circumscriptio, welcher sowohl den Nachteil als solchen beschreiben als auch gerade auf eine vorsätzliche Täuschung des Vertragspartners hinweisen kann,87 könnte Paulus auch so zu verstehen sein, dass die (vorausgesetzte) Benachteiligung des Minderjährigen entweder gerade auf einem offensichtlichen Fehlverhalten des Vertragspartners oder auf einer deutlichen Nachlässigkeit des Minderjährigen beruhen muss, um einen Eingriff in das bestehende Rechtsverhältnis zu rechtfertigen. Verwenden wir angesichts dieser (hier auch nicht aufzulösenden) Unklarheit den Ausdruck „Übervorteilung“, der beide Bedeutungsmöglichkeiten umfasst. Die Aussage des Paulus ist sehr gewagt – wahrscheinlich pointiert – formuliert, wenn er eine „offensichtliche“ Übervorteilung fordert. Realistisch ist es, die Aussage so zu interpretieren, dass je nach dem Grad der Offensichtlichkeit der Übervorteilung und nach dem Grad des Leichtsinns des Minderjährigen dessen Chance auf Wiedereinsetzung steigt. 84 Tatsächlich stammt dieser Abschnitt des Fragments wahrscheinlich aus dem 11. Buch des Ediktskommentars, s. § 3, C. IV. 3. c). 85 „Benachteiligung“ verwendet auch Kupisch in seiner Übersetzung der Quelle in C.I.C., Text und Übersetzung, Bd. II, 394. 86 Tam (so, in solchem Grade) ist jedenfalls verstärkend gemeint, eventuell auch: „wenn die Nachlässigkeit der Minderjährigen nicht offensichtlich ist“. Kupisch in C.I.C., Text und Übersetzung, Bd. II, 394 schlägt stattdessen admodum (sehr, ziemlich) vor. 87 Zum Begriff der circumscriptio s. § 2, A. I. 4.
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Aus der bereits erwähnten Quelle Ulp. D. 4,4,9,2 lässt sich zwar kein genereller Ausschluss eines Minderjährigen von der Restitution ablesen, wenn der Minderjährige innerhalb eines vertraglichen Verhältnisses selbst dolos gehandelt hat (ohne dabei über sein Alter zu täuschen).88 Allerdings wird sich ein vorsätzlich treuwidriges Verhalten des Minderjährigen bei der Entscheidung über die Restitution tendenziell zu seinem Nachteil ausgewirkt haben. Weiterhin wird es sich auf die Entscheidung des Prätors für oder gegen die Restitution des Minderjährigen ausgewirkt haben, ob der Minderjährige alleine oder zusammen mit einem ihm auf Antrag zur Seite gestellten Pfleger (Kurator) tätig geworden war.89 Die Mitwirkung des Kurators bei einem Geschäft des mündigen Minderjährigen wird zwar als Ermessenskriterium gegen das Vorliegen einer Benachteiligung verwendet worden sein, eine Wiedereinsetzung des Minderjährigen aber nicht pauschal ausgeschlossen haben.90 III. Minderjährigenrestitution in Kollisionsfällen In bestimmten Situationen musste der Prätor über die Wiedereinsetzung eines Minderjährigen gegen eine andere ebenfalls besonders schutzwürdige Person entscheiden. Ulpian thematisiert in D. 4,4,11,6 (11 ad ed.) die Frage, wie zu verfahren sei, wenn ein Minderjähriger gegen einen anderen Minderjährigen die Restitution verlangte: Item quaeritur, si minor adversus minorem restitui desiderat, an sit audiendus. et Pomponius simpliciter scribit non restituendum. puto autem inspiciendum a praetore, quis captus sit: proinde si ambo capti sunt, verbi gratia minor minori pecuniam dedit et ille perdidit, melior est causa secundum Pomponium eius, qui accepit et vel dilapidavit vel perdidit.
Ulpian schreibt, Pomponius sei der Ansicht gewesen, die i. i. r. eines Minderjährigen gegen einen anderen Minderjährigen sei generell abzulehnen. Ulpian schlägt dagegen eine zweistufige Lösung vor: Zunächst sei zu prüfen, welcher der beiden Minderjährigen durch das Geschäft benachteiligt sei. Dies impliziert, dass, wenn eine einseitige Benachteiligung durch das Geschäft festgestellt wer88
s. § 2, A. I. 5. Gewöhnlich musste der Minderjährige selbst den Antrag stellen, allerdings konnte auch der Prozessgegner des Minderjährigen die Bestellung eines Kurators zur Führung des Rechtsstreits verlangen, s. C. 5,31,1 (Antonin., 214 n. Chr.); Inst. 1,23,2; auch der Schuldner des Minderjährigen kann verlangen, dass bei der Zahlung des geschuldeten Geldbetrags ein Pfleger mitwirkt (Ulp. D. 4,4,7,2). s. zu der Bedeutung der Kuratoren Wacke, Minderj., 212 f.; Jörs/Kunkel, RP, 306; Kaser, RP I, 277, 370. 90 C. 2,24,2 (Alex. Sev., s. a.); Wacke, Minderj., 212; s. auch Kränzlein, Cura minorum, 395 m.w. N., auch zur Gegenmeinung, in Fn. 9; Kaser, RP I, 277; Cervenca, Cura minorum e i. i. r., 247 f. 89
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den kann, der benachteiligte Minderjährige gegen den anderen auch die Wiedereinsetzung verlangen kann. Im Anschluss geht Ulpian auf die Konstellation ein, dass nicht nur einer der Minderjährigen benachteiligt wurde, sondern beide. Als Beispiel nennt er den Fall, dass der eine Minderjährige dem anderen Geld (wohl als Darlehen) ausgezahlt und der andere die Summe verloren hat. In dieser Situation sei nach Pomponius demjenigen der Vorzug zu geben, der das Geld empfangen und verloren oder verschwendet hat (melior est causa [. . .] eius, qui accepit).91 Was dies für die technische Lösung des Falls konkret bedeuten soll, wird nicht erläutert. Es ist davon auszugehen, dass die Entscheidung des Pomponius, der Ulpian nicht widerspricht, bedeutet, dass bei gleicher Schwäche der Geschäftspartner aufgrund ihres geringen Alters sich die Schwäche zu Lasten desjenigen, der etwas hingegeben hat, auswirkt und nicht zu Lasten desjenigen, der etwas empfangen hat. Wenn aber die Rückforderung der von dem minderjährigen Darlehensnehmer verlorenen Summe ausgeschlossen sein soll, setzt dies wohl voraus, dass der minderjährige Darlehensnehmer gegen den minderjährigen Darlehensgeber in den vorigen Stand wiedereingesetzt wird. Dieses Ergebnis widerspricht aber – zumindest auf den ersten Blick – der von Ulpian geschilderten Ansicht des Pomponius, ein Minderjähriger sei generell nicht gegen einen Minderjährigen wiedereinzusetzen. Eventuell referiert Ulpian in D. 4,4,11,6 zwei verschiedene Stellungnahmen des Pomponius zu unterschiedlichen Fällen, in denen sich die Frage nach der Wiedereinsetzung eines minor gegen einen anderen minor stellte. Vielleicht lehnte Pomponius in dem einen Fall die Wiedereinsetzung des Minderjährigen rundheraus ab, differenzierte aber in dem anderen Fall, in dem es eben um die Verschwendung eines als Darlehen ausbezahlten Geldbetrags ging, in der von Ulpian wiedergegebenen Weise. Das Fragment Gai. D. 4,4,12 (4 ad ed. prov.) behandelt das Verhältnis zwischen dem Schutz des Minderjährigen durch die i. i. r. zu dem Schutz der Frauen durch das Senatusconsultum Vellaeanum92 (SCV): Si apud minorem mulier pro alio intercesserit, non est ei actio in mulierem danda, sed perinde atque ceteri per exceptionem summoveri debet: scilicet quia communi iure in priorem debitorem ei actio restituitur. haec si solvendo sit prior debitor: alioquin mulier non utetur senatus consulti auxilio.
Gaius betont zunächst, dass die Frau, die entgegen dem SCV im Interesse eines Dritten eine Verbindlichkeit eingegangen ist, die exceptio Senatusconsulti Vellaeani auch dem minderjährigen Gläubiger entgegenhalten kann. Nur wenn der frühere Schuldner, für den die Frau eingetreten sei und gegen den dem Minderjährigen die Klagemöglichkeit wiederhergestellt werde, insolvent sei, könne der
91 s. hierzu das Prinzip des in pari causa possessoris melior condicio habeatur im Rahmen der condictio ob turpem vel iniustam causam: C. 4,7,2 (Antonin., 215 n. Chr.); Kaser, RP I, 598 m. Fn. 48. 92 s. hierzu Kaser/Knütel, RP, 305.
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Minderjährige erfolgreich gegen die Frau, die sich in diesem Fall nicht mehr auf das SCV berufen könne, vorgehen. Die von Gaius vorgeschlagene Lösung stellt klar, dass der Minderjährigenschutz dem Schutz der Frauen durch das SCV vorgeht. Allerdings wird mittels der Einführung einer Insolvenznuance,93 also der Anordnung einer primären Haftung des ehemaligen Schuldners des Minderjährigen, dafür gesorgt, dass die Inanspruchnahme der Frau zu Gunsten des Minderjährigen ultima ratio zur Sicherung der Interessen des Minderjährigen ist. Auf die spezielle Frage nach der Wiedereinsetzung eines minderjährigen Darlehensgebers gegen einen volljährigen oder ebenfalls minderjährigen Haussohn wird an anderer Stelle eingegangen.94
B. Die rechtstechnische Umsetzung der Restitution I. Prätorische und judiziale Restitution Der Zweck der i. i. r. propter minorem aetatem lag – wie der Zweck jeder i. i. r. – darin, die mit ihr angegriffenen Vorgänge rückabzuwickeln (restituere: wiederherstellen, in einen früheren Zustand zurückversetzen)95. Die Rückabwicklung sollte, soweit dies realisierbar war, den Minderjährigen und auch sein geschäftliches Gegenüber in denjenigen Zustand versetzen, in dem sie wären, wenn sie die mit der i. i. r. angegriffenen Handlungen nicht vorgenommen hätten.96 Nach der heute jedenfalls in der deutschsprachigen Lehre überwiegend vertretenen Sicht97 standen dem Prätor für die Umsetzung der i. i. r. zwei Wege offen: Bei der sogenannten prätorischen Restitution hob der Prätor die eingetretene Rechtsveränderung mittels einer rückwirkenden98 Fiktion auf. Die Wiederherstellung des früheren Rechtszustandes nahm der Prätor dabei entweder durch den Erlass eines gesonderten Dekrets ausdrücklich vor, oder er brachte sie indirekt 93 s. Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 141; Kroppenberg, Insolvenz, 451, Fn. 82; die Technik der Insolvenznuance wird uns unter § 4, B. erneut begegnen. 94 s. unter § 3, C. IV. 4. c). 95 Heumann/Seckel, Handl. 515. 96 s. Paul. D. 4,4,24,4; C. 2,47,1 pr.–2. (Sev., s. a.). s. auch Kaser, Zur i. i. r., 108, mit Fn. 24; Kupisch, I. i. r., 119 ff.; Savigny, System, Bd. VII, 265 mit Fn. (a). 97 s. Kupisch, I. i. r, 9; Kaser, Zur i. i. r., 178; Kaser/Hackl, RZ, 421 ff.; Kaser/Knütel, 426; Kroppenberg, Insolvenz, 6; grundsätzlich auch Benöhr, AcP 176, 255; andere Ansicht (für eine Beschränkung des Begriffs der i. i. r. auf die prätorische Fiktion der früheren Rechtslage): Ankum, L’actio de auctoritate, 19, En. 20; Honsell/Mayer-Maly/Selb, RR, 375, Fn. 12; D’Ors, Acción del menor restituido, 325; Hartkamp, Zwang, 74, 267 f., 278 f.; Wesener, Rez. Kupisch, 172; auch Grevesmühl, Gläubigeranfechtung, 35, verwendet die Begriffe der Restitution und der actio in factum als Gegensatzpaar. Die Ausführungen bei Guarino, Diritto privato romano, 238, und Burdese, Diritto privato romano, 124, stellen ebenfalls das unmittelbare Eingreifen des Prätors in die Rechtslage als für die i. i. r. kennzeichnend dar. Weitere Nachweise auch bei Kupisch, I. i. r., 1, Fn. 2 und 4. s. zu dem Streitstand auch Musumeci, Interpretazione dell’editto 44–45 Fn. 17. 98 s. Kupisch, I. i. r., 3 mit Fn. 11.
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durch die Erteilung der sich aus der nun von ihm fingierten früheren Rechtslage ergebenden Klagen zum Ausdruck,99 sofern es solcher zur Befriedigung des Berechtigten noch bedurfte. Weil diese Klagen dazu dienten, die tatsächlichen Wirkungen des Rechtsvorgangs wieder aufzuheben oder auch einzureißen, bezeichnet man sie als reszissorische Klagen (actiones rescissoriae oder iudicia rescissoria).100 Bei der sogenannten judizialen Restitution erteilte der Prätor eine auf den Sachverhalt gestützte Klage (actio in factum) gegen den Restitutionsgegner des durch die i. i. r. Berechtigten. Die Klagformel enthielt eine Restitutionsklausel (formula arbitraria), sodass der Restitutionsgegner eine Verurteilung durch den iudex dadurch vermeiden konnte, dass er durch rechtsgeschäftliches Handeln (z. B. durch Wiederbegründung einer erloschenen Forderung oder durch Rückübereignung einer Sache) den vor dem schädigenden Ereignis bestehenden Zustand selbst wiederherstellte.101 Zusammenfassend könnte man sagen: Bei der judizialen Restitution wird die Rechts- und die Tatsachenlage durch Parteihandeln im Rahmen eines vom Prätor angeordneten Verfahrens vor dem iudex wiederhergestellt, während bei der prätorischen Restitution die Rechtslage mittels prätorischer Fiktion wiederhergestellt wird. Die eventuell noch notwendige tatsächliche Restitution erfolgte dann mittels der reszissorischen Klagen.102 Die Bezeichnungen „prätorische Restitution“ und „judiziale Restitution“ sind also nicht dahingehend misszuverstehen, dass jeweils nur entweder der Prätor oder der iudex tätig wurde. Auch bei einer prätorischen Restitution konnte der iudex im Rahmen der reszissorischen Klagen mitwirken.103 Bei der judizialen Restitution ist es dennoch der Prätor, der dem Antragsteller die Formel für die Arbiträrklage erteilt. Der entscheidende Faktor, der die prätorische Restitution zur prätorischen macht, liegt also allein in der vom Prätor selbst vorgenommenen Rückführung der Rechtslage im Wege der Fiktion. 99
s. Kupisch, I. i. r., 4. s. Kaser, RP I, 248. An dieser Stelle sei angemerkt, dass ein Restitutionsbegriff, der sowohl die prätorische als auch die judiziale Restitution umfasst, folgerichtig die reszissorischen Klagen der prätorischen Restitution als Bestandteil derselben ansieht und nicht als deren Konsequenz, wie die ältere Ansicht, die den Wirkungsbereich der i. i. r. auf die rechtliche Sphäre begrenzte, s. Kupisch, I. i. r., 1 m. Fn. 2; 4 m. Fn. 15 u.18; 9; s. auch Kaser, Zur i. i. r., 108 m. Fn. 24. Diesem dogmatisch begründeten einheitlichen Verständnis von prätorischer i. i. r. und actiones rescissoriae steht jedoch nicht entgegen, zu Gunsten größerer sprachlicher Präzision die vom Prätor im Laufe der umfassenden Restitution vorgenommenen, jedenfalls gedanklich unterscheidbaren Vorgänge dennoch zu benennen. Die gängige Gliederung der als Ganzes aufzufassenden prätorischen i. i. r. in die Entscheidung des Prätors für eine fiktive Wiederherstellung der Rechtslage und eine entweder gleichzeitig oder darauffolgend gewährten Erteilung der auf die tatsächliche Restitution gerichteten, eine solche Fiktion voraussetzenden Klagen, hat also weiterhin ihre Berechtigung. Nur wird eben nicht mehr nur die rechtliche Fiktion als i. i. r. bezeichnet, sondern die beiden Vorgänge gemeinsam. 101 s. Kupisch, I. i. r., 2 mit Fn. 7 u. 9. 102 s. zu dem Gesagten Kupisch, I. i. r., 2 f., 96, 103. 103 s. auch Kupisch, I. i. r., 3, Fn. 13. 100
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II. Restituere als flexibel gebrauchter Begriff Um einer möglichen begrifflichen Verwirrung vorzubeugen, sei darauf hingewiesen, dass das Verb restituere in den römischrechtlichen Quellen bald auf eine Klage,104 bald auf eine Obligation,105 bald auf eine Person106 bezogen sein kann. Restituere ist daher nicht als terminus technicus zu verstehen, sondern als ein Begriff, der flexibel zur Beschreibung der unterschiedlichen Aspekte eines Wiederherstellungsvorgangs herangezogen wurde. Welcher Bezugspunkt im Einzelfall gewählt wurde, hing davon ab, welchen Schwerpunkt der jeweilige Autor inhaltlich setzen wollte oder auch davon, wie der jeweilige Fall tatsächlich gelagert war. Z. B. ergibt sich das filius [. . .] poterit restitui in Ulp. D. 4,4,3,4 aus der Natur des Falles: Ein Minderjähriger, der gerade die Aufhebung einer Forderung mittels der i. i. r. anstrebt, kann „restituiert“ werden. Die Bedeutung des Wortes ist in diesem Fall: Der Minderjährige kann in den vorigen Stand wiedereingesetzt werden. Diese Restitution geht aber gerade nicht mit der Wiederherstellung einer Forderung, sondern mit deren Aufhebung einher. In anderen Fällen (z. B. in Gai. D. 4,4,27,2) ist das Mittel der Wiedereinsetzung einer Person in den vorigen Stand z. B. gerade die Wiederherstellung einer oder mehrerer Klagen bzw. Ansprüche.107 III. Der Aussagewert der Quellen zur Umsetzung der Minderjährigenrestitution in einem klassischen Zweipersonenverhältnis Im Hauptteil der Untersuchung wird im Zusammenhang mit den jeweils behandelten Quellen die Frage danach gestellt werden, ob aus den vorhandenen Angaben zu der Wiedereinsetzung in Dreipersonenverhältnissen Schlüsse hinsichtlich des jeweils gewählten Restitutionsverfahrens gezogen werden können oder nicht. Als Vorfrage zu diesem Thema soll aber zunächst in den Blick genommen werden, ob aus den Quellen für den (scheinbar einfachen) Fall, dass der minderjährige Verkäufer eines Grundstücks nach der kaufweisen Übereignung desselben und nach dem Empfang des Kaufpreises von dem Erwerber108 die Rückgängig104 Z. B. in Gai. D. 4,4,27,2; Ulp. D. 4,2,9,8; Ulp. D. 4,6,1,1, s. auch Kupisch, I. i. r., 14 m. Fn. 4. 105 Z. B. in Ulp. D. 16,1,8,2. 106 Z. B.: Ulp. D. 4,4,3,4: Ulp. D. 4,4,3,1; Gai. D. 4,4,27,3. 107 Entsprechend dem aktionenrechtlichen Denken der Römer wird in den Digesten der Ausdruck „actio“ auch im Sinne des modernen Begriffs „Anspruch“ (das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, § 194 I BGB) verwendet. 108 Es ist davon auszugehen, dass die in Ulp. D. 4,4,7,2 geschilderten möglichen Schwierigkeiten nicht gegeben sind und die Schuld des Käufers durch solutio erloschen ist. Die Frage, ob im römischen Recht das Abstraktionsprinzip galt, oder ob jede Übereignung mittels traditio ein wirksames Kausalgeschäft (iusta causa) voraussetzte (s. Jul. D. 41,1,36; Ulp. D. 12,1,18), kann an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Es wird hier von der Notwendigkeit einer iusta causa ausgegangen, s. Kaser, RP I, 416 I; Kaser/
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machung des Grundstücksgeschäfts mittels i. i. r. verlangt,109 erkennbar ist, wie die i. i. r. rechtstechnisch umgesetzt wurde. Levy ging in seinem Werk zur nachklassischen i. i. r. davon aus, dass die Rückzahlung des Kaufpreises an den volljährigen Käufer folgendermaßen realisiert wurde: „Hatte etwa ein Minderjähriger i. i. r. gegen die kaufweise Übereignung eines Grundstücks erlangt, so konnte der Gegner, um den erlegten Kaufpreis zurückzuerhalten, die Einführung einer exceptio doli in die Formel der rei vindicatio rescissoria erwirken.“ 110 Levy beruft sich zur Bestätigung seiner These auf den Beginn des Julianfragments D. 4,4,41: iudex circumvento in venditione adulescenti iussit fundum restitui eumque pretium emptori reddere111. Das Fragment sei hier in voller Länge wiedergegeben: Jul. D. 4,4,41 (45 dig.) Si iudex circumvento in venditione adulescenti iussit fundum restitui eumque pretium emptori reddere, et hic nolit uti hac in integrum restitutione paenitentia acta, exceptionem utilem adversus petentem pretium quasi ex causa iudicati adulescens habere poterit, quia unicuique licet contemnere haec, quae pro se introducta sunt. nec queri poterit venditor, si restitutus fuerit in eam causam, in qua se ipse constituit et quam mutare non potuisset, si minor auxilium praetoris non implorasset.
Julian berichtet, dass ein Minderjähriger von der i. i. r. Abstand nehmen könne, wenn der Richter bereits angeordnet habe, dass das Grundstück dem Minderjährigen zurückzugeben sei und dieser dem Käufer den Kaufpreis zurückzuzahlen habe. Die Anordnung des Richters, dass der Restitutionsgegner das Grundstück herausgeben und der Minderjährige den empfangenen Kaufpreis zurückzahlen müsse (Restitutionsbefehl, iussum de restituendo), erging nach Levy im Rahmen des richterlichen Zwischenbescheids (pronuntiatio) bei der vindicatio rescissoria des Minderjährigen gegen den Käufer eben auf der Grundlage einer zuvor vom Prätor zu Gunsten des Käufers eingefügten exceptio doli.112 Den weiteren VerKnütel, 131 f.; Honsell/Mayer-Maly/Selb, RR, 156 f.; aktuell zu der Frage des Abstraktionsprinzips im römischen Recht: Laborenz, Solutio als causa. 109 Wacke, Minderj., 213, betont, dass ein Minderjähriger „gegenüber einem bonae fidei iudicium“ nicht der prätorischen Restitution bedürfe. Der Rechtsbehelf der i. i. r. sei (wie auch die exceptio legis Plaetoriae) „den bonae-fidei-Klagen inhärent“, ibid. Dies bedeutet z. B., dass ein Minderjähriger, den der Verkäufer mittels der actio venditi auf Kaufpreiszahlung verklagt hat, nicht verurteilt wird, wenn die Voraussetzungen der i. i. r. vorliegen, weil der iudex eine unbillige Übervorteilung des Minderjährigen im Rahmen des dare facere oportet ex fide bona berücksichtigen kann. Vorliegend geht es jedoch um die Situation, dass bereits alle Leistungen erbracht worden sind und der Minderjährige erst im Nachhinein die Wiedereinsetzung beantragt. In solchen Fällen ist die i. i. r. nicht überflüssig. 110 Levy, Zur nachklassischen i. i. r., 367 f. 111 s. Levy, Zur nachklassischen i. i. r., 367 f. 112 s. Levy, Zur nachklassischen i. i. r., 267, 268; s. auch Kupisch, I. i. r., 115 m. Fn. 262; zum richterlichen Zwischenbescheid und Restitutionsbefehl s. allgemein Kaser/Hackl, RZ, 338.
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Teil 1: Einführung und Grundlagen
lauf des in Jul. D. 4,4,41 geschilderten Falls erklärt Levy damit, dass der Minderjährige nach der pronuntiatio des iudex an dem zuvor von ihm angegriffenen Geschäft festhalten wolle. Der Minderjährige entscheide sich „den Prozess liegen zu lassen.“ 113 Daraufhin bleibe ein Urteil im Vindikationsprozess aus. Der Restitutionsgegner aber, der nun die Rückabwicklung wolle, gehe gegen den Minderjährigen auf der Grundlage des Zwischenbescheids mit einer actio quasi ex causa iudicati vor, die jedoch an einer vom Prätor gewährten exceptio utilis zu Gunsten des Minderjährigen scheitere, weil „der Restitutionsgegner keine selbständigen Rechte aus der i. i. r. herleiten“ könne.114 Gegen die geschilderte Interpretation von Iul. D. 4,4,41 wendet Kupisch ein, dass ein an beide Parteien gerichteter Restitutionsbefehl des iudex mit der Realisation der Kaufpreisrückzahlung mittels einer in die Vindikationsformel eingefügten exceptio doli „schlecht in Einklang zu bringen“ sei.115 Für Kupisch setzt eine Anordnung des Prätors, das Grundstück herauszugeben, bereits voraus, dass der Minderjährige bereits den Kaufpreis zurückgezahlt hat. Eine an den Minderjährigen gerichtete Anweisung (im Rahmen der pronuntiatio), das zu tun, was er bereits getan haben muss, damit der Käufer zur Herausgabe des Grundstücks angewiesen werden kann, ist dann nicht sinnvoll.116 Außerdem ist für Kupisch an der von Levy vorgeschlagenen Interpretation suspekt, dass der Minderjährige im Rückabwicklungsverhältnis zur Vorleistung gezwungen würde.117 Schließlich kritisiert Kupisch, dass es unbefriedigend sei, anzunehmen, der Prätor habe zunächst dem Käufer eine analoge Klage (actio quasi ex causa iudicati) eingeräumt, nur um dann den Erfolg dieser Klage durch eine exceptio utilis des Minderjährigen zu vereiteln.118 Kupisch selbst macht daher einen Gegenvorschlag dazu, wie die Rückzahlung des Kaufpreises an den volljährigen Käufer durch den minderjährigen Käufer im Falle der i. i. r. prozessrechtlich durchgesetzt werden konnte. Voraussetzung für diese Lösung ist jedoch die Streichung der an den Minderjährigen gerichteten Weisung des iudex, den Kaufpreis herauszugeben, also der Passage: eumque pretium emptori reddere.119 Kupisch geht davon aus, dass der iudex im Rahmen ei113
Levy, Zur nachklassischen i. i. r., 368, s. auch Kaser, Zur i. i. r., 115. Levy, Zur nachklassischen i. i. r., 368. 115 Kupisch, I. i. r., 108. Der Wortlaut der exceptio doli war: si in ea re nihil dolo malo Auli Agerii factum sit neque fiat, Gai. Inst. 4,119. 116 s. Kupisch, I. i. r., 108. 117 Kupisch, I. i. r., 109 mit dem Hinweis, dass sowohl in Jul. D. 4,4,41 als auch in Paul. D. 4,4,24,4, Scaev. D. 4,4,47,1 und Mod. D. 26,7,32,4 die Rückgabe der Kaufsache vor der Rückerstattung des Kaufpreises durch den Minderjährigen angesprochen wird. Dabei sei hier angemerkt, dass in Mod. D. 26,7,32,4 und auch in Gai. D. 4,4,27,1 a. E. die Verpflichtung des Minderjährigen zur Rückgabe des Kaufpreises auf eine noch bestehende Bereicherung begrenzt wird. s. zu diesem Aspekt in Abgrenzung von der Wiedereinsetzung des Minderjährigen gegen eine Darlehensauszahlung § 5, C. I. 118 Kupisch, I. i. r., 116. 114
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nes ersten (auf die Herausgabe des Grundstücks gerichteten) Prozesses nur die Herausgabe des Grundstücks an den Minderjährigen befiehlt.120 Der Beklagte will dieser Weisung in dem diskutierten Fall auch Folge leisten, der Minderjährige lehnt die Annahme des Grundstücks jedoch aufgrund seines Sinneswandels schließlich ab. Der Beklagte wird aber wegen seiner Bereitschaft zur Rückgabe des Grundstücks dennoch freigesprochen. Aus diesem den Volljährigen freisprechenden Judikat ergebe sich eine Klage gegen den Minderjährigen auf Herausgabe des Kaufpreises, weil der Rückgabewillige nicht schlechter als derjenige stehen solle, der tatsächlich das Grundstück herausgegeben hat. Diese Klage werde als actio quasi ex causa iudicati bezeichnet, um klarzustellen, dass es sich nicht um eine Vollstreckungsklage (actio ex causa iudicati) handele. Gegen die in einem zweiten Prozess erhobene, auf Rückzahlung des Kaufpreises gerichtete actio quasi ex causa iudicati des Käufers gegen den Minderjährigen räume der Prätor letzterem aber eine exceptio utilis ein, weil er auf die Restitution verzichtet habe.121 Die Schwachstelle dieser Lösung liegt auf der Hand: Sie setzt, wie erwähnt, eine Veränderung des Textes von Jul. D. 4,4,41 voraus, indem sie den richterlichen Restitutionsbefehl allein auf die Herausgabe des Grundstücks beschränkt. Wiederholt ist vertreten worden, im Originalwortlaut von Jul. D. 4,4,41 sei der Restitutionsbefehl nicht durch den iudex, sondern durch den Prätor ergangen.122 Hierfür wird auf die Darstellung der Rückabwicklung einer Grundstücksveräußerung durch i. i. r. in Paul. D. 4,4,24,4 (1 sent.123) verwiesen:124 119
Kupisch, I. i. r., 112. s. Kupisch, I. i. r., 112, 118. Dass dieser Befehl im Rahmen des arbiträren Zwischenbescheids ergeht, ist impliziert. Ob es sich bei der Klage des Minderjährigen um eine vindicatio utilis oder um eine auf den Sachverhalt bezogene persönliche Klage mit Arbiträrklausel handeln soll, wird nicht klar gesagt. Aus der Bemerkung Kupischs, I. i. r., 97, Jul. D. 4,4,41 lasse sich als befohlene (judiziale) Restitution verstehen, sowie aus den Ausführungen auf S. 119 f. lässt sich wohl ableiten, dass Kupisch von einer persönlichen auf Rückübereignung des Grundstücks gerichteten Klage des Minderjährigen ausgeht. 121 Zu dem Gesagten s. Kupisch, I. i. r., 117 ff. 122 s. Carrelli, Decretum, 149 mit Fn. 2; Beretta, Annualità, 384 Fn. 63; Nicosia, Exceptio utilis, 265 mit Fn. 36, 267; Salomone, Iudicati velut obligatio, 322 f. m.w. N. in Fn. 45; Cervenca, Studi vari sulla i. i. r., 35 ff. diskutiert zwar die Erklärungsmöglichkeiten von Jul. D. 4,4,41 unter der Voraussetzung, dass anstelle des iudex der Prätor den Restitutionsbefehl erteilt hat. Er selbst spricht sich aber dafür aus, den überlieferten Wortlaut von Jul. D. 4,4,41 zu akzeptieren. Dabei geht er davon aus, dass sich der in Paul. D. 4,4,24 enthaltene Restitutionsbefehl des Prätors nur gegen den Restitutionsgegner richtet, während der an beide Parteien adressierte Restitutionsbefehl des iudex in Jul. D. 4,4,41 im Rahmen der richterlichen pronuntiatio bei der Durchführung der fiktizischen actio rescissoria des Minderjährigen ergeht, insofern schließt sich Cervenca Levy an. s. zu dem Gesagten Cervenca, Decretum, 39 ff.; s. auch Kupisch, I. i. r., 115 f. 123 Herkunft höchstwahrscheinlich aus dem 11. Buch des Ediktskommentars des Paulus, s. § 3, C. IV. 3. c). 124 s. Carrelli, Decretum, 149 mit Fn. 2. 120
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Teil 1: Einführung und Grundlagen [. . .] itaque si in vendendo fundo circumscriptus restituetur, iubeat praetor emptorem fundum cum fructibus reddere et pretium recipere [. . .].
In diesem Paulusfragment ist es der Prätor und nicht der iudex, der anordnet, dass der (volljährige) Käufer das Grundstück mit den Früchten zurückgeben und den Kaufpreis zurücknehmen solle. Carrelli schlägt vor, dass in den beiden in Paul. D. 4,4,24 und Jul. D. 4,4,41 geschilderten Fällen der Prätor den Parteien nach der Untersuchung der Sache zunächst gebot, die Rückgewähr der empfangenen Leistungen in gegenseitigem Einvernehmen („in via bonaria“) durchzuführen.125 Der Prätor habe den Parteien mitgeteilt, dass er dem minderjährigen Käufer die actio rescissoria (vindicatio utilis)126 erteilen würde und dem Verkäufer die condictio, wenn eine der Parteien seiner Anweisung zur Herausgabe des Empfangenen nicht nachkäme.127 Zur Erteilung der Klagen sei es dann nur ausnahmsweise gekommen, weil die Parteien normalerweise auf der Grundlage des prätorischen Restitutionsdekrets die Rückgewähr der Leistungen vorgenommen hätten.128 Für Kupisch ist die Anordnung der Naturalrestitution unmittelbar durch prätorisches Dekret ausgeschlossen, weil er davon ausgeht, dass sich das Eingreifen des Prätors auf die Erteilung der actio beschränkt und zum Zeitpunkt der Erteilung derselben die „Voraussetzungen für ein solches iussum noch nicht“ vorlägen.129 Er geht deshalb davon aus, dass in Paul D. 4,4,24,4 ursprünglich von einem richterlichen iussum die Rede war.130 Für ihn stellt außerdem die Annahme einer freiwilligen Befolgung eines prätorischen Dekrets eine bedenkliche „Sachverhaltsergänzung“ dar, die „keinen Anhalt im Text habe.“ 131 Dieses Argument ist jedoch vor dem Hintergrund der Tatsache zu sehen, dass Kupischs Inter125 Decretum, 178; s. auch 149 ff. In anderem Zusammenhang (bei der Diskussion der Quelle Ulp. D. 4,4,13,1, der wir uns unter § 4, B. 3. noch genauer zuwenden) spricht sich auch Cervenca für die Möglichkeit freiwilliger Rückgewähr der von dem Restitutionsgegner empfangenen Leistung aus, um der reszissorischen Klage zu entgehen, s. Studi vari sulla i. i. r., 23 ff. mit Fn. 54. 126 s. Carrelli, Decretum, 149. 127 s. zu dem Gesagten Carrelli, Decretum, 177 ff. Dabei ist hinsichtlich der angedrohten Erteilung der condictio an den Käufer zu beachten, dass nach der Auffassung Carrellis der Minderjährige, wenn er tatsächlich das Grundstück noch nicht zurückerhalten hatte und auf die Durchführung der Restitution verzichtete, gemäß Jul. D. 4,4,41 eine auf dem Ausspruch des Prätors beruhende exceptio utilis quasi ex causa iudicati beantragen konnte, s. Carrelli, Decretum, 149 f. i.V. m. 174 m. Fn. 2; zustimmend Salomone, Iudicati velut obligatio, 327 m. Fn. 65; ablehnend Kupisch, I. i. r., 115 m. Fn. 261. Beretta, Annualità, 384 Fn. 63, und Nicosia, Exceptio utilis, 267, gehen davon aus, dass es sich bei der Klage des Käufers auf Kaufpreisrückzahlung um eine auf dem Restitutionsdekret des Prätors beruhende actio quasi ex causa iudicati handelt. 128 Carrelli, Decretum, 179. 129 Kupisch, I. i. r., 113. Gemeint ist hiermit wohl, dass erst apud iudicem die Tatsachen, die für eine tatsächliche Restitutionsanordnung nötig waren, ermittelt wurden, s. Kupisch, I. i. r., 104 i.V. m. 113, Fn. 246. 130 s. Kupisch, I. i. r., 114.
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pretationen der Fragmente Jul. D. 4,4,41 und Paul. D. 4,4,24,4, wie soeben gezeigt, ihrerseits Textveränderungen voraussetzen. Die Quellen Jul. D. 4,4,41 und Paul. D. 4,4,24,4 legen nahe, dass für die Rückabwicklung einer einfachen Veräußerung im Zweipersonenverhältnis durch i. i. r. unterschiedliche Möglichkeiten der rechtstechnischen Gestaltung gegeben waren. Je nach den Umständen des konkreten Falles war vermutlich eine als solche noch unverbindliche Restitutionsanordnung durch den Prätor mittels Dekret (dies wird für Paul. D. 4,4,24,4 angenommen) oder auch eine Restitutionsanordnung durch den iudex im Rahmen der pronuntiatio zu der arbiträren Rückforderungsklage des Minderjährigen denkbar (dies wird für Jul. D. 4,4,41 angenommen). Eine solche Flexibilität ginge auch gut einher mit der Natur der i. i. r. als ergebnisorientiertem, auf der natürlichen Billigkeit beruhendem außerordentlichen Rechtsbehelf.132 Der Vorschlag Carrellis133, dass in vielen Fällen der Rückabwicklung von Rechtsgeschäften nach bereits erfolgtem Leistungsaustausch die Parteien freiwillig einer Weisung des Prätors folgten, die Angelegenheit nach seiner Einschätzung der Rechts- und Sachlage zu regeln, und es damit gar nicht zu der Gewährung dinglicher oder persönlicher Klagen durch den Prätor kam, erscheint zustimmenswert. Die Parteien werden der Anordnung des Prätors häufig freiwillig gefolgt sein, um die Mühen und Kosten eines Prozesses zu vermeiden.134 Wie die Parteien die tatsächliche Restitution genau bewerkstelligten, wird den Prätor regelmäßig nicht interessiert haben, wenn beide Parteien zusagten, seiner Anordnung Folge leisten zu wollen. Ob zunächst das Grundstück oder der Kaufpreis herausgegeben wurde, ob vielleicht ein Treuhänder eingeschaltet wurde usw., war dann den Parteien selbst überlassen. Es erscheint insbesondere deshalb nützlich, diese Möglichkeit freiwilliger Rückgewähr nach prätorischem Dekret im Hinterkopf zu behalten, als sie es entbehrlich macht, für jeden in den Quellen erwähnten Fall, der sich mit der Rückgewähr bereits ausgetauschter Leistungen im Rahmen der Minderjährigenrestitu131 Diese Äußerung, Kupisch, I. i. r., 113, bezieht sich auf eine andere Quelle (Scaev. D. 4,4,47,1), die Argumentation ist aber auf die vorliegend geprüften Quellen übertragbar. s. zu dieser Argumentation auch Kupisch, I. i. r., 62. Levy, Zur nachklassischen i. i. r., 368, hält eine solche prätorische Anordnung ohne nähere Erläuterung für eine „Unmöglichkeit“ im Rahmen des klassischen Prozesses. 132 s. Ulp. D. 4,4,1 pr.–1, insbesondere die auf eine freie Prüfung oder Untersuchung gerichtete Formulierung des in Ulp. D. 4,4,1,1 wiedergegebenen Edikts (animadvertam). Für die große Flexibilität des Rechtsbehelfs kann auch Paul. D. 4,4,24,5 herangezogen werden: Das Minderjährigenedikt sieht zwar nicht die Anordnung bestimmter Klagen oder Sicherheitsleistungen vor, der Prätor kann aber im Rahmen seiner Ermessensausübung frei über die anzuordnenden Mittel entscheiden. – Zur überwiegenden Herkunft des Fragments Paul. D. 4,4,24 aus dem Ediktskommentar des Paulus und nicht aus den Sentenzen s. § 3, C. IV. 3. c). 133 s. weiter oben in diesem Unterkapitel. 134 In diesem Sinne auch Carrelli, Decretum, 179.
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Teil 1: Einführung und Grundlagen
tion befasst, zwangsläufig eine dem Korsett der prätorischen Klagformeln entsprechende Erklärung finden zu müssen. Allerdings wird der Prätor nicht in jedem Fall die Rückgewähr der Leistungen selbst anordnen wollen oder können. Er konnte sie dann nicht aussprechen, wenn eine Entscheidung über die Restitutionsvoraussetzungen umfangreichere Untersuchungen von Tatsachen voraussetzte, sodass bereits aus diesem Grund ein Urteilsgericht eingesetzt werden musste. In anderen Fällen mag der Prätor, obwohl er vom Vorliegen der Restitutionsvoraussetzungen überzeugt war, den Eindruck gewonnen haben, dass die Parteien in eigener Regie eine Rückführung der tatsächlichen Verhältnisse nicht ohne Konflikt bewerkstelligen würden. Dies wird vor allem immer dann vorgekommen sein, wenn der Restitutionsgegner darauf bestand, das Geschäft nicht rückabzuwickeln. In diesem Fall war es sinnvoller, gleich ein Urteilsgericht einzusetzen und dem Minderjährigen gegen den Restitutionsgegner eine (dingliche oder persönliche) Klage mit Arbiträrformel zu gewähren. Auf diese Weise erhielt der Restitutionsberechtigte die Gelegenheit, von dem Restitutionsgegner unter Androhung der Verurteilung auf den Wert der geschuldeten Sache deren Herausgabe zu erwirken. Das Interesse des (misstrauischen) Restitutionsgegners an der Rückzahlung des Kaufpreises könnte in diesen Fällen, wie von Levy vorgeschlagen, durchaus durch die Einfügung einer exceptio in die Formel der dem Minderjährigen zugesprochenen Klage berücksichtigt worden sein. Der iudex konnte dann ggf. nach der Prüfung des Restitutionsgrundes135 in der pronuntiatio die Rückgewähr der Sache Zug um Zug gegen die Rückzahlung des Kaufpreises136 anordnen. Eine Entscheidung darüber, wie in dem in Jul. D. 4,4,41 geschilderten Fall die Klage des Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises genau prozessual einzuordnen ist, ist für die hier geführte Diskussion nicht zwingend notwendig, weil die in diesem Fragment geschilderte Si135 Laut Kaser, Zur i. i. r., 107, war die Prüfung des Restitutionsgrundes im Rahmen einer persönlichen actio in factum immer dem iudex zugeordnet, während die Prüfung des Restitutionsgrundes in die Formel der auf Fiktion beruhenden Klagen (wie z. B. die vindicatio utilis) aufgenommen werden konnte oder auch nicht. 136 Um zu vermeiden, dass der Minderjährige eine Verurteilung des nicht zur Herausgabe der Sache bereiten Restitutionsgegners nur erlangen konnte, nachdem er selbst die Zahlung des Kaufpreises zumindest angeboten hatte, konnte sich der iudex vermutlich auch darauf beschränken, von dem minderjährigen Kläger Sicherheiten für die Rückzahlung des Kaufpreises nach Rückgewähr der Kaufsache zu verlangen. Zu der Möglichkeit des Richters, auch dem Kläger die Bereitstellung von Sicherheiten aufzuerlegen, s. Levy, Actiones arbitrariae, 58 m. Fn. 2 (dort z. B. Verweis auf Paul. D. 6,1,58). Als Sicherheit bot sich die Zusicherung der Zahlung des Kaufpreises in Stipulationsform an (cautio). Die cautio konnte ihrerseits wieder durch die Stellung eines Bürgen oder die Hingabe eines Pfandes besichert werden, s. Kaser, RP I, 539. Aber auch wenn wie in Jul. D. 4,4,41 der Minderjährige unmittelbar zur Rückgewähr des Kaufpreises angewiesen wurde, konnte sichergestellt werden, dass der Minderjährige nicht Gefahr lief, den Kaufpreis zurückzuzahlen, ohne das Grundstück zurückzuerhalten, z. B., indem der Minderjährige den Kaufpreis zunächst an einen vertrauenswürdigen Dritten auszahlte, der ihn erst nach Rückgewähr des Grundstücks an den Käufer weitergab.
§ 2 Grundlagen
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tuation einen sehr ungewöhnlichen Einzelfall dargestellt haben wird. Nur äußerst selten wird es vorgekommen sein, dass ein Minderjähriger die Restitution beantragte und erst nach Erlangung eines richterlichen Restitutionsbefehls davon Abstand nahm, nun jedoch der Restitutionsgegner seinerseits dringend auf der Rückabwicklung des Geschäfts bestand. Sowohl eine Anknüpfung der Klage an den richterlichen Restitutionsbefehl, wie sie Levy vorschlägt,137 als auch eine Anknüpfung an ein freisprechendes Judikat zu Gunsten des Grundstücksinhabers, wie von Kupisch vorgeschlagen,138 erscheinen denkbar. Es bleibt abzuwarten, ob die Untersuchung der Quellen, die die Drittwirkung der Minderjährigenrestitution behandeln, Schlüsse über das jeweils verwendete Restitutionsverfahren zulassen, insbesondere, ob die Existenz eines informellen Restitutionsverfahrens, das auch nach erfolgtem Leistungsaustausch ohne die Gewährung von Rückforderungsklagen auskam, bestätigt wird.
137
s. weiter oben in diesem Unterkapitel. s. weiter oben in diesem Unterkapitel. Diese Lösung ist auch denkbar, wenn man nicht, wie Kupisch es tut, den richterlichen Restitutionsbefehl auf die Herausgabe des Grundstücks beschränkt, unter der Voraussetzung, dass der Käufer die Herausgabe freiwillig anbot, ohne ein Angebot des Minderjährigen auf Kaufpreisrückzahlung abzuwarten. 138
Teil 2
Einzelne Fallkonstellationen der Drittwirkung der Minderjährigenrestitution Wie bereits ausgeführt,139 ist es das Ziel dieser Arbeit, zu analysieren, in welcher Art und Weise Dritte von der Gewährung der Minderjährigenrestitution betroffen waren und welchen Einfluss die Auswirkungen der Minderjährigenrestitution für Dritte auf die Gewährung und Umsetzung der Restitution hatten. Dritter ist dabei, wie eingangs bereits erwähnt, immer derjenige, der an dem mittels der i. i. r. rückgängig zu machenden Vorgang nicht oder nur indirekt mitgewirkt hat. Der § 3 des zweiten Teils ist den in den Quellen dargestellten Fällen positiver Drittwirkung der Minderjährigenrestitution gewidmet, der § 4 den Fällen negativer Drittwirkung und der § 5 schließlich sonstigen Fällen zum Thema der Wiedereinsetzung Minderjähriger in komplexen, mehrere Personen betreffenden Situationen.
§ 3 Die positive Drittwirkung der Minderjährigenrestitution (Begünstigung Dritter zu Lasten des Restitutionsgegners des Minderjährigen) In den hier untersuchten Quellen zur i. i. r. propter aetatem wird die Begünstigung Dritter zu Lasten des Restitutionsgegners des Minderjährigen in drei Konstellationen diskutiert: Die Wiedereinsetzung des Minderjährigen (auch) im Interesse des Bürgen,140 des Hausvaters141 sowie des Geschäftsherrn bei interessenwidriger Geschäftsführung ohne Auftrag des Minderjährigen142. Unmittelbar vergleichbar ist die Situation des Bürgen mit derjenigen des Hausvaters des Minderjährigen, weil sowohl der Bürge als auch der Hausvater (wenn auch aus unterschiedlichen Gründen) neben dem Minderjährigen selbst für dessen Verbindlichkeiten haften. Sowohl für den pater familias als auch für den Bürgen des minor drängen sich die folgenden Fragen auf: Beendete die Wiedereinsetzung des Minderjährigen auch die Haftung des Bürgen oder Vaters? Wenn ja, warum? War die 139 140 141 142
s. § 1. Ulp. D. 4,4,13 pr.; Ulp. D. 4,4,3,4. Ulp. D. 4,4,3,4; Gai. D. 4,4,27 pr. Paul. D. 4,4,24 pr.
§ 3 Die positive Drittwirkung der Minderjährigenrestitution
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eventuelle Drittbegünstigung ein Argument für oder gegen die Wiedereinsetzung des Minderjährigen? Konnten der Bürge und/oder der Vater selbst die Wiedereinsetzung des Minderjährigen verlangen, um eine Beendigung ihrer eigenen Haftung herbeizuführen, oder sich gar selbst wiedereinsetzen lassen? Lässt sich aus den Schilderungen der jeweiligen Fälle auf ein bestimmtes Restitutionsverfahren schließen? Der Geschäftsherr haftete dagegen nicht selbst aus den Geschäften des minderjährigen Geschäftsführers, sein Interesse an der Wiedereinsetzung des Minderjährigen lag also nicht in der (eventuellen) Aufhebung einer etwaigen Eigenhaftung aus den Geschäften des Minderjährigen, sondern darin, die vor dem ungewollten Eingriff des Minderjährigen in seine Angelegenheiten bestehende Situation möglichst weitgehend wiederherstellen zu lassen. Auch für den Geschäftsherrn lassen sich daher die drei letzten der für den Bürgen und den Hausvater formulierten Fragen entsprechend stellen. Begonnen wird mit der Analyse der Situation des Bürgen des Minderjährigen bei dessen Wiedereinsetzung, weil sich auf diese Weise der Gedanke des nur unter Umständen gegebenen Schutzzweckzusammenhangs zwischen Bürgenhaftung und Minderjährigenrestitution entwickeln lässt, ein Gedanke, der dann wiederum den Ausführungen zur Bedeutung der Minderjährigenrestitution für den Hausvater zugute kommt. Die recht kurze Fallanalyse zum Thema der Wiedereinsetzung des minderjährigen Geschäftsführers im Interesse des Geschäftsherrn wird in das Unterkapitel zur Begünstigung des Hausvaters integriert, weil auf diese Weise die Bewertung der Drittbegünstigung der Minderjährigenrestitution durch die römischen Juristen im Zusammenhang dargestellt werden kann. Vor dem Einstieg in die Analyse der einzelnen Quellen sowie deren Verschränkungen und Interdependenzen seien zunächst zwei Aufsätze vorgestellt, auf die im Folgenden immer wieder Bezug genommen wird.
A. Die Beiträge Ankums und Klausbergers als Referenzpunkte der vorliegenden Untersuchung Hinsichtlich der positiven Drittwirkung der Wiedereinsetzung Minderjähriger sind die Beiträge Ankums zur rechtlichen Stellung des minderjährigen filius familias und Klausbergers zur Abgrenzung der Haftung von Bürge und pater familias für die Verbindlichkeiten Minderjähriger besonders hervorzuheben.143 Ankum stellt bei seiner Analyse die für unser Thema äußerst wichtige Ulpianstelle D. 4,4,3,4 in den Mittelpunkt und formuliert eine umfassende Interpretation der in dieser Quelle aufgeworfenen Fragen. Klausberger geht in seinem Beitrag spe143 Genaue Angaben im Literaturverzeichnis unter Ankum, Filius familias mineur, und Klausberger, Zur Haftung Dritter. Keiner der beiden Autoren verwendet den hier aus Gründen der Strukturierung der Fallgruppen eingeführten Begriff der „positiven Drittwirkung“, inhaltlich wird aber eben dieses Phänomen diskutiert.
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Teil 2: Einzelne Fallkonstellationen
zifisch darauf ein, warum die Frage nach den Auswirkungen der i. i. r. des Minderjährigen für den Bürgen auf der einen und für den Hausvater auf der anderen Seite unterschiedlich beantwortet wurde. Dabei erläutert er zunächst die Ähnlichkeiten zwischen adjektizischer Haftung und Bürgenhaftung und hebt anschließend die dennoch bestehenden funktionalen Unterschiede der Rechtsinstitute hervor. Ohne bereits die Diskussion im Einzelnen vorwegnehmen zu wollen, sei hier gesagt, dass den von Ankum und Klausberger angestellten Überlegungen insbesondere insoweit widersprochen werden muss, als die von Ulpian vorgeschlagene Lösung zur Wiedereinsetzung minderjähriger Haussöhne – wie sich zeigen wird –144 durchaus Kompromisscharakter aufweist und eben nicht in sämtlichen Fällen eine Begünstigung des Vaters durch die i. i. r. vermeiden kann.145 Auch der von Ankum vertretenen Vereinbarkeit von Ulp. D. 4,4,3,4 und Gai. D. 4,4,27 pr.146 ist nicht zuzustimmen.147 Weiterhin werden die Kriterien zur Befreiung des Bürgen von seiner Verbindlichkeit durch i. i. r. des minderjährigen Hauptschuldners präzisiert.148
B. Der Bürge des minderjährigen Hauptschuldners und die i. i. r. Wie sich aus Ulp. D. 4,4,13 pr. ergibt, lag die Frage, ob der Prätor auch dem Bürgen zu Lasten des Gläubigers des minderjährigen Hauptschuldners „helfen“ wollte,149 im Ermessen des Prätors:150 [. . .] perpendendum erit praetori, cui potius subveniat, utrum creditori an fideiussori [. . .]. 144 So aber Ankum, Filius familias mineur, 5, 9; Klausberger, Zur Haftung Dritter, 344, 347. 145 s. § 3, C. IV. 2. und 3. 146 s. Ankum, Filius familias mineur, 12 ff. 147 s. § 3, C. IV. 3. b). 148 Sogleich unter C. I. 2. in Ergänzung zu Ankum, Filius familias mineur, 9 mit Fn. 18 sowie zu Klausberger, Zur Haftung Dritter, 343 mit Fn. 6. 149 s. allgemein zur Frage der Begünstigung des Bürgen durch die Minderjährigenrestitution Savigny, System, Bd. VII, 217 ff., s. auch Burchardi, Wiedereinsetzung 408 ff.; 575 ff. 150 Beispiele gegen die Einbeziehung des Bürgen in die Minderjährigenrestitution finden sich in C. 2,23,1 (Sev./Antonin., 194 n. Chr.) und auch in der folgenden Konstitution, die allerdings nicht mehr aus klassischer Zeit stammt: C. 2,23,2 (Diocl./Maxim, 287 n. Chr.). Savigny, System, Bd. VII, 219 m. Fn. (k) erwähnt auch noch Paul. D. 44,1,7,1, obwohl er selbst zugesteht, dass die Quelle hinsichtlich der Begünstigung des Bürgen durch die i. i. r. des Minderjährigen zweideutig formuliert ist; s. zu Paul. D. 44,1,7,1 auch Burchardi, Wiedereinsetzung, 410 f.; Wacke, Minderj., 210 f. Für die Einbeziehung des Bürgen in die i. i. r. des Minderjährigen lassen sich anführen Ulp. D. 3,3,51 und Ulp. D. 4,4,3,4. Savigny, System, Bd. 7, 219 m. Fn. (i) verweist daneben noch auf Ulp. D. 29,2,8, dies ist jedoch nicht nachvollziehbar. Frezza, Garanzie personali, 48–49, 83, verweist auch auf Ulp./Marc. D. 46,1,25 als ein Beispiel gegen die Befreiung des Bürgen durch die i. i. r. wegen Minderjährigkeit. Ulpian berichtet in dem
§ 3 Die positive Drittwirkung der Minderjährigenrestitution
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Ulpian liefert in dem genannten Fragment D. 4,4,13 pr. (11 ad ed.) jedoch durchaus Kriterien dafür, wie dieses Ermessen ausgeübt werden sollte:151 In causae cognitione versabitur, utrum soli ei succurrendum sit, an etiam his qui pro eo obligati sunt, ut puta fideiussoribus. itaque si cum scirem minorem et ei fidem non haberem, tu fideiusseris pro eo, non est aequum fideiussori in necem meam subveniri, sed potius ipsi deneganda erit mandati actio. in summa perpendendum erit praetori, cui potius subveniat, utrum creditori an fideiussori: nam minor captus neutri tenebitur. facilius in mandatore dicendum erit non debere ei subvenire: hic enim velut adfirmator fuit et suasor, ut cum minore contraheretur. [. . .].
Ulpian argumentiert in D. 4,4,13 pr. gegen eine Befreiung des Bürgen von der Haftung, sofern drei Bedingungen erfüllt sind (kumulative Kriterien): Erstens muss der Gläubiger (ego) von der Minderjährigkeit des Hauptschuldners (is) gewusst haben ([. . .] si cum scirem minorem [. . .]), zweitens muss er zumindest auch aus diesem Grund der Kreditwürdigkeit seines Vertragspartners misstraut haben ([. . .] et ei fidem non haberem [. . .])152 und drittens muss der Dritte (tu), also der
Fragment von der Meinung des Marcellus zu dem Fall eines Mündels, das ohne Zustimmung des Tutors eine Verbindlichkeit eingegangen ist. Dies ist aber gerade ein Fall der von vornherein nicht entstandenen Verbindlichkeit, sodass das Mündel gar keiner i. i. r. mehr bedürfte, s. Gai Inst. 3,119; Inst. 1,21 pr. Dies sieht an sich auch Frezza, Garanzie personali 49, der bezüglich Ulp./Marc. D. 46,1,25 schreibt: „. . . è probabile cioè che Ulpiano prendesse in esame la stessa fattispecie di obbligazione invalida del pupillo garantita da una sponsio valida, di cui parla Gai. III, 119.“ Für Frezza scheint dies jedoch nicht im Widerspruch zu der Annahme einer i. i. r. wegen Minderjährigkeit zu stehen. 151 Wackes Aussage, Ulp. D. 4,4,13 pr. stelle diese Frage in das Ermessen des Prätors und entscheide sie nicht abschließend (Minderj., 211 mit Fn. 56) ist insofern nicht falsch, verkürzt jedoch den Aussagewert der Stelle. 152 Das cum in [. . .] cum scirem [. . .] ist als cum causale zu verstehen: Weil ich wusste, dass er minderjährig war und ich ihm (deshalb) nicht traute. An dieser Stelle lassen sich auch die Grundsätze der begrenzten Akzessorietät der Bürgschaft fruchtbar machen, wie sie bei Kaser, RP I, 661 f. m. Fn. 19 und 20, dargelegt sind. (Dabei ist mit Kaser, RP I, 663 m. Fn. 40, davon auszugehen, dass die Grundsätze der begrenzten Akzessorietät der Bürgenschuld nicht nur für die sponsio und die fidepromissio, sondern auch für die fideiussio gelten.) Die Bürgenschuld konnte danach immer dann auch unabhängig von einer wirksamen Hauptstipulation bestehen, wenn der Mangel der Hauptobligation auf „Umständen in der Person des Hauptschuldners“ beruhte, „gegen die die Bürgschaft den Gläubiger sichern“ sollte, ibid. 662. Als Beispiele werden das Stipulationsversprechen einer Frau oder eines Mündels ohne Zustimmung des Tutors, das Versprechen einer nach dem Tode zu erbringenden Leistung oder die Verwendung der sponsio durch einen Sklaven oder Peregrinen genannt (Fälle der gar nicht erst entstandenen Hauptobligation), ibid., 661–662. Auch hinsichtlich der Frage, ob die Bürgschaft im Falle des Erlöschens einer zunächst entstandenen Hauptobligation ebenfalls erlischt, schließt sich Kaser der Ansicht an, dass das jeweilige „Sicherungsbedürfnis des Gläubigers“ entscheidend sei, RP I, 664, Fn. 44. Auch das Risiko, dass ein Minderjähriger ein von ihm abgeschlossenes Geschäft mit der i. i. r. propter aetatem angreifen könnte, stellt ein in der Person des Hauptschuldners (nämlich in seinem Lebensalter) liegendes Risiko dar, gegen das sich der Gläubiger mittels Anforderung eines Bürgen absichern können musste.
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Teil 2: Einzelne Fallkonstellationen
Bürge, auch gerade das Risiko der Wiedereinsetzung des Minderjährigen absichern wollen.153 Waren sämtliche Kriterien erfüllt, bestand ein Schutzzweckzusammenhang zwischen der Haftungsübernahme des Bürgen und dem Risiko der Minderjährigenrestitution. Das dritte Kriterium wird durch den Wortlaut der Quelle zwar nicht so klar vorgegeben wie die ersten beiden. Es lässt sich aber aus den Ausführungen Ulpians zum Kreditauftrag154 ableiten: Ulpian schreibt (sinngemäß), dem Kreditauftraggeber solle mit der i. i. r. jedenfalls nicht geholfen werden, weil dieser den Gläubiger durch seine Auftragserteilung gerade davon überzeugt habe, mit dem Minderjährigen zu kontrahieren: facilius in mandatore dicendum erit non debere ei subvenire: hic enim velut adfirmator fuit et suasor, ut cum minore contraheretur. Dem Kreditauftraggeber, der sich aus eigenem Antrieb mittels Auftragserteilung dafür einsetzte, dass dem Minderjährigen ein Darlehen gewährt wurde, konnte unterstellt werden, dass er gerade auch das Risiko der Restitution des Minderjährigen absichern wollte.155 Ansonsten hätte sich der Gläubiger wahrscheinlich in vielen Fällen geweigert, das Darlehen an den Minderjährigen auszuzahlen. Dieser über die Haftung für eine tatsächlich be-
153 Savigny, System, Bd. VII, 220, formulierte bereits zutreffend: „Ulpian sagt, der Prätor müsse nach den Umständen jedes einzelnen Falls prüfen, ob der Gläubiger den Verlust tragen solle oder vielmehr der Bürge [. . .]. Als Hauptregel aber für die Entscheidung dieser Frage stellt er den offenbar richtigen Satz auf, der Bürge müsse den Schaden tragen, wenn er gerade mit Rücksicht auf die aus der Minderjährigkeit für den Gläubiger hervorgehende Gefahr Bürgschaft leistete [. . .]“. Hierfür verweist er auch auf Pauli sent. 1,9,6, ibid., Fn. (n). Ankum, Filius familias mineur, 9, Fn. 18, erwähnt zwar nur die ersten beiden der hier herausgearbeiteten Voraussetzungen, die gegen eine Einbeziehung des Bürgen in die i. i. r. sprechen. Er erwähnt nicht, dass auch der Bürge die Haftung gerade auch für das Wiedereinsetzungrisiko bewusst übernommen haben muss. Eventuell hat Ankum diese Voraussetzung aber mitgedacht. Er schreibt: „Si le créancier a seulement voulu donner du crédit au débiteur dont il savait qu’il était un mineur, si quelqu’un se portait fideiussor, le garant a dû payer et le préteur a refusé a ce dernier l’actio mandati contraria contre le débiteur mineur.“ Klausberger, Zur Haftung Dritter, 343 mit Fn. 6, erwähnt ebenfalls nur die Kenntnis des Gläubigers von der Minderjährigkeit seines Geschäftspartners als Argument für die Ablehnung der Begünstigung des Bürgen durch die Minderjährigenrestitution. 154 Der Kreditauftrag (mandatum qualificatum) war ein bürgschaftsähnliches Geschäft, bei dem der Kreditauftraggeber einem anderen den Auftrag gab, einem Dritten ein Darlehen auszuzahlen. Zahlte der Dritte das Darlehen nicht zurück, konnte der Beauftragte gegen den Auftraggeber mit der actio mandati contraria vorgehen. Anders als bei der Bürgschaft konsumierte die Klage des Gläubigers gegen den Hauptschuldner (nach erfolgter litis contestatio) nicht die Klage gegen den Auftraggeber, weil es sich nicht um Klagen über denselben Streitgegenstand handelte. Ferner konnte das mandatum qualificatum – anders als die Stipulationsbürgschaften – auch unter Abwesenden abgeschlossen werden. Zu dem Gesagten s. Kaser/Knütel, RP, 303–304, Kaser, RP I, 665 f. 155 Nicht ganz weit genug geht also Frezza, Garanzie personali, 214 f., der davon ausgeht, dass zu Lasten des Kreditauftraggebers vermutet wurde, dass er die Minderjährigkeit des Schuldners kenne und dass diese Vermutung der Ausweitung der i. i. r. auf ihn entgegenstehe. Diese Vermutung gelte jedoch nicht für den Bürgen des Minderjährigen.
§ 3 Die positive Drittwirkung der Minderjährigenrestitution
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stehende Verbindlichkeit hinausgehende vertragliche Absicherungswille war für einen Bürgen, der nicht aus eigenem Antrieb darauf hinwirkte, dass der Minderjährige ein Darlehen erhielt, nicht selbstverständlich. Allerdings wird er sich in den meisten Fällen aus den Umständen der Eingehung der Bürgschaft ergeben haben. Immer wenn der Bürge wusste, dass der Darlehensgeber gerade auch wegen des geringen Alters seines potentiellen Kontrahenten einen Bürgen verlangte, wird der Bürge sich nicht mehr darauf berufen haben können, dass er das Restitutionsrisiko nicht habe übernehmen wollte. Umgekehrt war eine Einbeziehung des Bürgen in die i. i. r. wegen Minderjährigkeit des Hauptschuldners also dann zu bejahen, wenn der Bürge davon ausgehen konnte, dass das Verlangen des Gläubigers nach der Stellung eines Bürgen nicht mit dem Alter des Hauptschuldners zusammenhing, sondern z. B. damit, dass eine sehr hohe Kreditsumme ausgezahlt wurde. Auch könnte es dem Bürgen bekannt gewesen sein, dass der Gläubiger generell, unabhängig vom Alter des jeweiligen Kreditnehmers, nie Darlehen vergab, ohne die Stellung von Bürgen oder die Gewährung sonstiger Sicherheiten zu verlangen. In solchen Fällen konnte nicht davon ausgegangen werden, dass der Bürge auch das Risiko der Minderjährigenrestitution übernommen hatte. Zusammenfassend ist festzuhalten: Der Bürge ist nach Ulp. D. 4,4,13 pr. nur dann in die i. i. r. des minderjährigen Hauptschuldners einzubeziehen, wenn der Gläubiger entweder von der Minderjährigkeit seines Vertragspartners nichts wusste und/oder es ihm nicht (auch) darum ging, das Risiko der Minderjährigenrestitution durch die Bürgschaft abzusichern und/oder der Bürge bei Eingehung der Bürgschaft nichts von den spezifischen auf die Minderjährigkeit des Hauptschuldners gerichteten Bedenken des Gläubigers wusste. Ulpian geht in D. 4,4,13 pr. nicht darauf ein, wie eine Einbeziehung des Bürgen, wenn sie nach den Umständen des Falles zu bejahen war, prozessual umgesetzt wurde. Savigny geht davon aus, dass die Befreiung des Bürgen durch die Wiedereinsetzung des minderjährigen Hauptschuldners nur in Betracht kam, wenn der Gläubiger zunächst den Minderjährigen verklagt und dieser dann die Wiedereinsetzung erlangt habe; nur dann stelle sich die Frage, „ob diese nicht mehr blos mögliche, sondern wirklich ertheilte Restitution des Hauptschuldners auch von dem nachher verklagten Bürgen für sich geltend gemacht werden“ könne.156 Wenn der Gläubiger dagegen sich direkt an den Bürgen wende, habe dieser „gewiss keinen Anspruch auf Restitution.“ 157 Diese von Savigny getroffene Unterscheidung danach, ob der Gläubiger den Bürgen direkt verklagt oder erst nach Abweisung der Klage gegen den Minderjährigen aufgrund von dessen Wiedereinsetzung, ist jedoch nicht plausibel. Die von Ulpian in D. 4,4,13 pr. vertretene Ansicht, ein Bürge solle von der i. i. r. pro-
156 157
Savigny, System, Bd. VII, 219. Savigny, System, Bd. VII, 219.
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Teil 2: Einzelne Fallkonstellationen
fitieren können, wenn er das Restitutionsrisiko nach den oben erläuterten Kriterien gerade nicht übernommen hatte, würde weitgehend unterlaufen, wenn man den Schutz des direkt verklagten Bürgen, wie von Savigny vertreten, kategorisch verneinen wollte. Ein gerechtes Ergebnis kann nur erreicht werden, wenn man davon ausgeht, dass dem direkt verklagte Bürgen, wenn er nach den genannten Kriterien durch eine i. i. r. des Minderjährigen von seiner Haftung befreit würde, auch das Recht zustand, die Wiedereinsetzung des minderjährigen Hauptschuldners zu beantragen, um auf diese Weise die eigene Haftungsbefreiung herbeizuführen. Der Bürge, der ja nicht selbst minderjährig ist, hätte dann, ganz wie Savigny es behauptet, keinen eigenen Anspruch auf Restitution. Er wäre jedoch auch nicht durch den zufälligen Umstand der unmittelbaren Klageerhebung schutzlos gestellt.
C. Das Problem der Restitution minderjähriger Hauskinder und die Begünstigung des Hausvaters durch die Minderjährigenrestitution: Die Schlüsselquelle Ulp. D. 4,4,3,4 Damit der Prätor einem Minderjährigen die i. i. r. gewähren konnte, musste der Minderjährige durch den Vorgang, dessen Rückabwicklung er beantragte, benachteiligt worden sein.158 Die Prüfung dieser scheinbar einfachen Voraussetzung der Minderjährigenrestitution gestaltete sich jedoch immer dann sehr kompliziert, wenn dem Prätor nicht ein rechtlich selbständiger junger Mensch entgegentrat, der aus der väterlichen Gewalt mittels emancipatio entlassen worden war, dessen Vater verstorben war oder der aus sonstigen Gründen nicht mehr in der potestas seines Vaters stand,159 sondern ein filius familias. Ein männliches oder weibliches Hauskind blieb, völlig unabhängig von seiner persönlichen Lebenssituation, also unabhängig z. B. davon, wie alt es war, ob es selbst schon Kinder hatte oder wo es lebte, ein rechtliches „Anhängsel“ seines Vaters, des Herrn über den Familienverband. Neben der persönlichen – von Sakralrecht und Sitte gemäßigten160 – Macht des Hausvaters über die in seiner Ge158
s. § 2, A. I. 3. Sonstige Gründe für die Beendigung der patria potestas waren der Freiheits- oder der Bürgerrechtsverlust des Vaters. Zwar endete die individuelle patria potestas auch entweder durch die Arrogierung des Vaters oder durch die Adoption des Kindes. Wurde der Vater arrogiert, gelangten dessen Gewaltunterworfene jedoch nicht zu rechtlicher Selbständigkeit, sondern fielen als Enkel in die potestas des Arrogierenden. s. zu dem Gesagten Kaser/Knütel, RP, 329 ff. Bei Durchführung der Adoption gelangt das zu adoptierende Kind zwar kurzzeitig zu rechtlicher Selbständigkeit, welche dann aber sogleich durch die Neubegründung der Hausgewalt des Adoptierenden mittels in iure cessio wieder beendet ist (s. Honsell/Mayer-Maly/Selb, RR 417), sodass bei faktischer Betrachtung das Hauskind von der Hausgewalt des Vaters in die des Adoptierenden überwechselt. 160 s. Kaser, RP I, 60. 159
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walt befindlichen Personen stehen die wirtschaftlichen und rechtlichen Konsequenzen der Verknüpfung zwischen Hauskind und Hausvater: Der Vater war im klassischen Recht der alleinige Vermögensträger des gesamten Hausverbandes; er war Inhaber aller geldwerten Rechte, die er entweder durch eigenes Handeln oder mittels seiner gleichsam als sein „verlängerter Arm“ 161 fungierenden Gewaltunterworfenen erwarb. Die Hauskinder (wie auch die sonstigen Gewaltunterworfenen) waren dementsprechend, wenn man einmal von der rechtlichen Sonderkonstruktion des peculium castrense der Haussöhne im Soldatenstand absieht, vermögensunfähig.162 Die Unfähigkeit der Hauskinder, selbst eigenes Vermögen zu haben, schloss es jedoch nach herrschender Meinung nicht aus, dass Haussöhne Verbindlichkeiten eingehen und aus diesen auch verklagt werden konnten.163 Zwar konnten die Verpflichtungen der Söhne zunächst mangels eigenen Vermögens nicht mittels Vermögensexekution und wegen der den Sohn schützenden patria potestas auch nicht mittels Personalexekution beigetrieben werden.164 Sobald die Haussöhne aber die rechtliche Selbständigkeit erlangten, konnte gegen sie vollstreckt werden, wenn ihnen auch die Mittel zur Sicherung ihres Le-
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Kaser/Knütel, RP, 76; s. Gai Inst. 2,87; Ulp. D. 29,2,79; Ulp. D. 45,1,45 pr. s. Gai Inst. 2,87: . . . qui in potestate nostra est, nihil suum habere potest . . . Das gewöhnliche peculium blieb rechtlich dem Vatervermögen zugeordnet, auch wenn es wirtschaftlich dem Gewaltunterworfenen zustand. Zu dem Thema der Vermögensunfähigkeit der Gewaltunterworfenen s. Kaser, RP I, 343 f.; Kaser/Knütel, RP, 327; Honsell/ Mayer-Maly/Selb, RR, 63 f.; Wacke, Notbedarfseinrede, 469. Lediglich das im Felde erworbene militärische Sondergut (peculium castrense) war nach Einführung bereits durch Augustus jedenfalls im zweiten Jahrhundert als Eigenvermögen des Sohnes anerkannt (Ankum, Filius familias mineur, 2), eine i. i. r. des minderjährigen Haussohnes war daher diesbezüglich unumstritten möglich, s. Ulp. D. 4,4,3,10: Si autem filius familias sit, qui castrense peculium habeat, procul dubio ex his, quae ad castrense peculium spectant, in integrum restituendus erit quasi in proprio patrimonio captus. Auch das Senatusconsultum Macedonianum fand bis zur Höhe des peculium castrense keine Anwendung, sodass Haussöhne bis zu dieser Höhe aus von ihnen aufgenommenen Darlehen belangt werden konnten, s. Ulp. D. 14,6,1,3 (bei Ankum, Filius familias mineur, 2, Fn. 4 versehentlich als Ulp. D. 14,61,3 angegeben); Ulp. D. 14,6,2. Klausberger, Zur Haftung Dritter, 346, geht allerdings von einer faktischen und rechtlichen Trennung des gewöhnlichen peculium von dem Vermögen des Hausvaters aus. 163 s. Kaser, RP I, 343; Kaser/Knütel, 178; Wacke, Darlehensgewährung an Hauskinder, 242; Lucrezi, Mutuo, 33; Honsell/Mayer-Maly/Selb, RR, 377; weitere Nachweise bei Longo, Filius familias se obligat?, 36, Fn. 75. Digestenstellen, auf die sich diese Meinung stützen kann, sind z. B. Gai. D. 44,7,39 und Ulp. D. 5,1,57. Gegen die Verpflichtungsfähigkeit von Haussöhnen spricht sich jedoch Longo, Filius familias se obligat?, 2 ff., mit dem Argument aus, dass eine solche Verpflichtungsfähigkeit zwingend auch die eigene Vermögensfähigkeit des Haussohnes voraussetze, die eben nicht gegeben sei. Longo, Filius familias se obligat?, 23, 300, sieht in der Konsequenz auch die Verpflichtungen des Haussohnes, gleich denen der Sklaven oder der Haustöchter, lediglich als Naturalobligationen (im Sinne nicht einklagbarer Forderungen) an. 164 Wacke, Notbedarfseinrede, 475; s. auch Mayer-Maly/Selb, RR, 377; Kaser, RP I, 343, Kaser/Knütel, RR, 327. 162
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Teil 2: Einzelne Fallkonstellationen
bensunterhaltes belassen wurden.165 Der Umstand, dass während der Dauer der potestas begründete Forderungen nach dem Erreichen der rechtlichen Selbständigkeit schließlich vollstreckt werden konnten, war der Grund dafür, dass auch eine Wiedereinsetzung von Haussöhnen trotz ihrer mangelnden Vermögensfähigkeit als durchaus notwendig empfunden wurde. Allerdings führte die Verpflichtung des Haussohnes häufig aufgrund der sogenannten adjektizischen Klagen166 auch zu einer Mitverpflichtung des Vaters, sodass eine natürliche Verknüpfung zwischen dem geschäftlichen Handeln des Sohnes und dem des Vaters entstand, welche die Wiedereinsetzung des Haussohnes zweifelhaft erscheinen ließ. In der aus dem 11. Ediktskommentar Ulpians stammenden Schlüsselquelle D. 4,4,3,4 wird die Frage nach der Wiedereinsetzung minderjähriger Haussöhne zunächst ganz allgemein aufgeworfen. Es wird darauf eingegangen, ob der Umstand, dass der Vater als Vermögensinhaber von der Restitution des nicht (bzw. nur sehr eingeschränkt) vermögensfähigen Minderjährigen profitierte,167 zur Ablehnung der Wiedereinsetzung minderjähriger Haussöhne führen sollte oder nicht. Aus dieser Fragestellung lässt sich wohl ableiten, dass einige Juristen die Wiedereinsetzung minderjähriger Haussöhne vollständig ablehnten. Nicht so Ulpian, er trifft im Verlauf des Textes mehrere Differenzierungen dazu, wann eine Wiedereinsetzung minderjähriger Haussöhne erfolgen sollte und wann nicht. Bevor der Inhalt der einzelnen Passagen analysiert wird, sei der Text der Quelle in voller Länge wiedergegeben und aufgrund seiner großen Wichtigkeit für die Bewertung der Einbeziehung des Hausvaters in die Wirkungen der Minderjährigenrestitution auch übersetzt: I. Der Text Um eine einfachere Handhabung des langen Digestenfragments zu ermöglichen, wird dieses in vier Textpassagen untergliedert: Ulp. D. 4,4,3,4 (11 ad ed.) Passage a): Sed utrum solis patribus familiarum an etiam filiis familiarum succurri debeat, videndum. movet dubitationem, quod, si quis dixerit etiam filiis familiarum in re pecu165 Das prätorische Edikt selbst, dessen Wortlaut in Ulp. D. 14,5,2 pr. wiedergegeben ist, beschränkt das Haftungsprivileg (sog. beneficium competentiae) zwar auf emanzipierte oder enterbte Haussöhne oder auf solche, die das Erbe ausgeschlagen haben. (So auch Kaser, RP I, 482 f., und wohl auch Wacke, Notbedarfseinrede, 475 ff.) Der folgende Paragraph Ulp. D. 14,5,2,1 legt jedoch nahe, dass in der Praxis das Haftungsprivileg immer dann gewährt wurde, wenn die Schulden nicht aus dem Erbteil beglichen werden konnten. So wohl auch Honsell/Mayer-Maly/Selb, RR, 377. s. zur Erhebung der Kompetenzeinrede erst gegen die actio iudicati Wacke, Notbedarfseinrede, 480; Paul. D. 14,5,5, pr. 166 s. Kaser, RP I, 605 ff. zu den actiones exercitoria, institoria, de peculio, de in rem verso und quod iussu; Wacke, Adjektizische Klagen, 281 ff. 167 s. ausführlich hierzu § 3, C. IV. 2. und 3.
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liari subveniendum, efficiet, ut per eos etiam maioribus subveniatur, id est patribus eorum: quod nequaquam fuit praetori propositum: praetor enim minoribus auxilium promisit, non maioribus. ego autem verissimam arbitror sententiam existimantium, filium familias minorem annis in integrum restitui posse ex his solis causis quae ipsius intersint, puta si sit obligatus. Passage b): proinde si iussu patris obligatus sit, pater utique poterit in solidum conveniri: filius autem cum et ipse possit vel in potestate manens conveniri, vel etiam emancipatus vel exheredatus in id quod facere potest, et quidem in potestate manens etiam invito patre ex condemnatione conveniri: auxilium impetrare debebit, si ipse conveniatur. sed an hoc auxilium patri quoque prosit, ut solet interdum fideiussori eius prodesse, videamus: et non puto profuturum. si igitur filius conveniatur, postulet auxilium: si patrem conveniat creditor, auxilium cessat: Passage c): excepta mutui datione: in hanc enim si iussu patris mutuam pecuniam accepit, non adiuvatur. Passage d): proinde et si sine iussu patris contraxit et captus est, si quidem pater de peculio conveniatur, filius non erit restituendus: si filius conveniatur, poterit restitui. nec eo movemur, quasi intersit filii peculium habere: magis enim patris quam filii interest, licet aliquo casu ad filium peculium spectet: ut puta si patris eius bona a fisco propter debitum occupata sunt: nam peculium ei ex constitutione Claudii separatur.
II. Die Übersetzung168 Passage a): Es ist aber zu untersuchen, ob nur Hausvätern169 oder auch Haussöhnen geholfen werden muss. Der Zweifel rührt daher, dass, wenn jemand sagen sollte, es sei auch Haussöhnen in Angelegenheiten des Sonderguts zu helfen, dies bewirkt, dass durch sie [sc. durch die Söhne] auch Volljährigen geholfen wird, nämlich deren Vätern, was keinesfalls die Absicht des Prätors gewesen ist.170 Der Prätor hat nämlich den Minderjährigen Rechtshilfe versprochen, nicht den Volljährigen. 168 Die Übersetzung ist weitgehend der Kupischs in C.I.C., Text und Übersetzung, Bd. II, 376, angelehnt. Die Übersetzung der Passage c) wurde jedoch wesentlich abgeändert. Die gewählte Übersetzung ähnelt der bei Watson, Digest, Bd. I, zu Ulp. D. 4,4,3,4 und bei Otto/Schilling/Sintenis, Bd. I, 471. 169 Als Hausvater galt jeder rechtlich selbständige freie Mann, unabhängig davon, ob er bereits eine eigene Familie gegründet hat oder nicht, s. Kaser/Knütel, RP, 81. 170 Hinsichtlich der Übersetzung dieses wichtigen Satzes besteht weitgehende Einigkeit. Kupisch in C.I.C., Text und Übersetzung, Bd. II, 376: „Die Zweifel rühren daher, dass jemand, der sagt, auch Haussöhnen sei – in Sachen des Sonderguts – zu helfen, damit erreicht, dass durch sie auch Volljährigen geholfen wird, nämlich ihren Vätern,
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Teil 2: Einzelne Fallkonstellationen
Ich jedoch halte die Ansicht derer für genau richtig, die meinen, dass ein minderjähriger Haussohn allein aus denjenigen Gründen wiedereingesetzt werden kann, die für ihn selbst von Interesse sind, wie es zum Beispiel der Fall ist, wenn er eine Verpflichtung eingegangen ist. Passage b): Wenn nun der Sohn auf Geheiß des Vaters verpflichtet wurde, kann jedenfalls der Vater auf das Ganze verklagt werden. Weil der Sohn aber auch selbst verklagt werden kann, entweder solange er noch in der Gewalt [sc. des Vaters] verbleibt, oder auch, nachdem er emanzipiert oder enterbt wurde, bis zur Höhe seines Vermögens und freilich, solange er in der Gewalt des Vaters verbleibt, auch gegen den Willen des Vaters aus dem Urteil verklagt werden kann, muss er die Rechtshilfe erlangen können, wenn er selbst verklagt wird. Wir wollen nun überlegen, ob aber dieser Rechtsbehelf auch dem Vater nützt, so wie er bisweilen dem Bürgen [sc. des Minderjährigen] zu nützen pflegt. Und ich glaube nicht, dass er ihm nützen wird. Wenn also der Sohn verklagt wird, kann er den Rechtsbehelf beantragen. Wenn der Gläubiger den Vater verklagt, scheidet der Rechtsbehelf aus. Passage c): Ausgenommen [sc. von dieser Regel] ist die Hingabe der Darlehenssumme: Diesbezüglich wird ihm [sc. dem Sohn] nicht geholfen, wenn er auf Geheiß des Vaters die Darlehenssumme empfangen hat. Passage d): Auch wenn nun der Sohn nicht auf Geheiß des Vaters einen Vertrag abgeschlossen hat und dabei benachteiligt wurde, ist der Sohn nicht wiedereinzusetzen, und zwar dann, wenn der Vater de peculio verklagt wird. Wenn der Sohn verklagt wird, kann er wiedereingesetzt werden. Wir werden von unserer Meinung nicht dadurch abgebracht, dass es gleichsam im Interesse des Sohnes sei, ein peculium zu haben. Es besteht nämlich eher im Interesse des Vaters als des Sohnes, obschon das peculium in einigen Fällen auch den Sohn betrifft, wie zum was keineswegs die Absicht des Prätors gewesen ist.“; Ankum, Filius familias mineur, 4: „Le doute est provoqué par le fait que si quelqu’un avait dit qu’il faut aussi aider les fils de famille en ce qui concerne leur pécule, cela aurait pour effet que sont aidés par eux des majeurs aussi, à savoir leurs pères de famille, ce qui n’était nullement conforme à l’intention du préteur [. . .].“; Watson, Digest, Bd. I, zu Ulp. D. 4,4,3,4: „The doubtful point is this. Suppose that someone should say that relief should also be given to sons-in-power with respect to their peculium, the result would be that through them relief was also given to adults, that is, to their fathers, and this by no means was the praetor’s intention [. . .].“; Spruit, C.I.C., Bd. II, 361: „Twijfel komt voort uit het feit dat, als iemand beweert dat ook aan gezagsonderworpen zonen voor wat betreft het toegewezen vermogen hulp moet worden verleend, het resultaat zal zijn dat via hen dan tevens hulp wordt verleend aan meerderjarigen, namelijk hun vaders. Dit nu is geenszins de bedoeling van de praetor geweest.“
§ 3 Die positive Drittwirkung der Minderjährigenrestitution
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Beispiel, wenn das Vermögen des Vaters wegen dessen Schulden vom Fiskus beschlagnahmt wurde. Dann wird nämlich zu Gunsten des Sohnes das peculium nach der Konstitution des Claudius abgetrennt. III. Welche Fälle und Fallgruppen behandelt Ulpian und wie lautet seine Entscheidung? Die Quelle umfasst verschiedene Sachverhaltsvarianten, deren Inhalt teilweise unterschiedlich verstanden wurde. Es seien hier daher zunächst, soweit nötig, die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten aufgezeigt; eine begründete Entscheidung für eine der Interpretationsmöglichkeiten erfolgt dann, soweit notwendig, erst im Rahmen der Diskussion des jeweils aufgeworfenen Übersetzungsoder Sachproblems.171 Einige Konstellationen sind in der Quelle ausdrücklich erwähnt (wenn auch, wie soeben dargelegt, nicht immer in eindeutiger Formulierung), andere sind lediglich angedeutet oder lassen sich indirekt aus dem Inhalt erschließen. Zunächst zu den in dem Digestenfragment ausdrücklich erwähnten Konstellationen: 1. Erste und dritte Fallgruppe: Die Grundentscheidung hinsichtlich vertraglicher Verbindlichkeiten des Haussohnes, die dieser auf Geheiß des Vaters oder selbständig eingegangen ist
Die erste und die dritte Fallgruppe sind gemeinsam zu behandeln, weil ihre Lösung einer einheitlichen Logik folgt: Erste Fallgruppe: Der mit einem peculium ausgestattete Haussohn ist auf Geheiß des Vaters (iussu patris) eine Verbindlichkeit eingegangen, siehe aus Passage b) des Textes: proinde si iussu patris obligatus sit [. . .]. Dritte Fallgruppe: Der Sohn ist selbständig (nicht auf Geheiß des Vaters) eine Verbindlichkeit eingegangen (Sachverhaltsinterpretation I),172 oder aber: Der Sohn hat nicht auf Geheiß des Vaters ein Darlehen aufgenommen (Sachverhaltsinterpretation II),173 siehe den Beginn der Passage d) des Textes: proinde et si sine iussu patris contraxit [. . .]. 171 Durch die gewählte Übersetzung sind freilich einige Entscheidungen bereits vorweggenommen. 172 So z. B. Ankum, Filius familias mineur, 4; Azo, Summa, 31 (zu C. 2,22 unter eindeutiger Berücksichtigung von Ulp. D. 4,4,3,4): „Si ergo filius conveniatur, postulat auxilium sive patre iubente contraxit, sive non. Excipitur mutuum [. . .].“ 173 So Savigny, System, Bd. VII, 285 f.
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Teil 2: Einzelne Fallkonstellationen
Folgt man der Interpretation I der dritten Fallgruppe, geht man also davon aus, dass sich der Quellentext in Passage d) entsprechend seinem Wortlaut auf jede Art von Verbindlichkeit bezieht, lautet die Grundentscheidung, die Ulpian in dem Fragment trifft: Immer wenn der Sohn eine Verbindlichkeit eingegangen ist, sei es auf Geheiß des Vaters (iussu patris) oder selbständig (sine iussu patris), soll eine Wiedereinsetzung möglich sein, sofern der Sohn selbst verklagt wird. Wird dagegen der Vater verklagt, soll eine Wiedereinsetzung des Sohnes ausgeschlossen sein.174 Fraglich ist, ob man zu einer abweichenden Grundentscheidung gelangt, wenn man den Satz proinde et si sine iussu patris contraxit [. . .] gemäß seiner Stellung auf die unmittelbar vorhergehenden Sätze [Passage c): excepta mutui datione [. . .]] bezieht. Diese Sachverhaltsinterpretation II versteht das sine iussu patris contraxit kontextbedingt allein als die selbständige Aufnahme eines Darlehens. Über die Situation, dass der Haussohn selbständig eine Verpflichtung eingeht, die nicht in der Aufnahme eines Darlehens besteht, wird nach Sachverhaltsinterpretation II unmittelbar keine Aussage gemacht. Die Sachverhaltsinterpretation II des dritten Falls (nach dieser Interpretation handelt es sich um einen Fall, eben um die Aufnahme eines Darlehens durch den Sohn nicht auf Geheiß des Vaters, und nicht um eine Fallgruppe) geht folglich davon aus, dass lediglich entschieden wird, dass im Falle einer Darlehensaufnahme des Sohnes sine iussu patris wieder die gleiche Differenzierung zu treffen ist wie im Falle der Eingehung einer sonstigen Verbindlichkeit iussu patris, nämlich, dass der verklagte Sohn wiedereinzusetzen sei, dessen Wiedereinsetzung aber bei einer Klage gegen den Vater ausscheide.175 Allerdings wäre es selbst bei einem derart restriktiven Verständnis des Beginns der Passage d) des Textes naheliegend, die auf das selbständig aufgenommene Darlehen bezogene Aussage als pars pro toto für das selbständige Eingehen von Verbindlichkeiten im Allgemeinen zu verstehen. Schließlich ist in dem Fall, dass der Sohn ohne iussum des Vaters handelt, die Verknüpfung zwischen Sohn und Vater weniger intensiv als in dem Fall, dass der Sohn auf Geheiß des Vaters handelt. Der Vater haftet im letzteren Fall auf das Ganze, im ersteren Fall jedoch nur bis zur Höhe des peculium im Augenblick der Verurteilung.176 Der Vater profitiert also von einer Restitution des filius – abstrakt betrachtet – in geringerem Maße, wenn er durch diese nur von einer begrenzten statt von einer vollständigen Haftung befreit wird.177 Wenn also eine Wiedereinsetzung des verklagten Sohnes
174 Dieser auf den ersten Blick deutliche Ausspruch Ulpians wurde dennoch teilweise in Frage gestellt, s. dazu aber erst unter § 3, C. IV. 2. 175 s. Savigny, System, Bd. VII, 286. 176 s. Kaser, RP I, 606, 608. 177 Zu der Frage, warum davon auszugehen ist, dass der Vater tatsächlich, sofern eine Restitution des Sohnes einmal erfolgt ist, ebenfalls von seiner adjektizischen Haftung befreit wird, s. § 3, C. IV. 2. und 3.
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schon dann möglich sein soll, wenn der Sohn auf Geheiß des Vaters gehandelt hat, muss dies a fortiori auch für die Fälle gelten, in denen der Sohn selbständig eine Verbindlichkeit eingegangen ist.178 Auch wenn man also Sachverhaltsinterpretation II des dritten Falls zugrunde legt, kommt man schließlich im Wege eines Erst-recht-Schlusses zu der gleichen Grundentscheidung wie bei Zugrundelegung der Sachverhaltsinterpretation I: Grundsätzlich soll eine Wiedereinsetzung des Sohnes immer möglich sein, sofern der Sohn selbst verklagt wird, unabhängig davon, ob der Vater das Geschäft angewiesen hat oder nicht. Eine Entscheidung zwischen Sachverhaltsinterpretation I und II ist daher entbehrlich. 2. Zweiter Fall (die Ausnahme)
Bereits der Sachverhalt, der der Passage c) von Ulp. D. 4,4,3,4 (excepta mutui datione: in hanc enim si iussu patris mutuam pecuniam accepit, non adiuvatur.)179 zugrundeliegt, ist unklar. Entweder hat der Sohn auf Geheiß des Vaters ein Darlehen aufgenommen (Sachverhaltsinterpretation I),180 oder der Vater hat selbst ein Darlehen aufgenommen und dieses lediglich an den Sohn auszahlen lassen (Sachverhaltsinterpretation II)181. Die Entscheidung, die Ulpian für den hier geschilderten zweiten Fall trifft, ist auf der Grundlage von Sachverhaltsinterpretation I (es besteht ein Darlehen des Sohnes) teilweise so verstanden worden, dass der Vater das grammatische Subjekt
178 Zwar könnte man gegen einen solchen Erst-recht-Schluss argumentieren, dass ein auf iussum des Vaters handelnder minderjähriger Haussohn wegen der hierdurch für ihn begründeten Zwangslage gegenüber einem selbständig handelnden Haussohn schutzwürdiger sei. Diese Argumentation geht jedoch an dem Fokus des Fragments vorbei, welches sich vor allem mit der Frage der im Grundsatz unbeabsichtigten Drittbegünstigung durch die Wiedereinsetzung minderjähriger Haussöhne befasst: Das iussum schafft ein besonders starkes Band zwischen dem Willen des Vaters und dem Willen des Sohnes, sodass der Vater konsequenterweise voll für die Verbindlichkeit des Sohnes einzustehen hat. Aus diesem Grund profitiert der Vater auch in besonders hohem Maße von der Wiedereinsetzung des Sohnes, sodass eine Wiedereinsetzung des Haussohnes unter dem Aspekt der unbeabsichtigten Drittbegünstigung problematischer erscheint als die Wiedereinsetzung des ohne iussum handelnden minderjährigen Haussohnes. 179 Dieser Satz sei im Folgenden als der „Ausnahmesatz“ bezeichnet. 180 So Savigny, System, Bd. VII, 283; Cujaz, Opera, Bd. I, 1011; Faber, Rationalia, Bd. I, 564 (auch wenn Faber die Ausnahme im Ergebnis ablehnt, geht er zunächst inhaltlich davon aus, dass die Ausnahme sich mit einer Darlehensaufnahme des Sohnes beschäftigt); Accursius, Glossa ordinaria, Bd. I, 535; s. auch Bas. 10,4,3,4. Diese Auffassung geht weiterhin in der Übersetzung der Quelle durch Kupisch in C.I.C., Text und Übersetzung, Bd. II, 377, aus dem Verweis auf Paul. D. 14,6,12 und C. 2,22,1 (Gord., 238 n. Chr.) in Fn. 1 hervor. 181 So Ankum, Filius familias mineur, 17; Otto/Schilling/Sintenis, Bd. I, 471 Fn. 75; Glück, Pandecten 14 [1], 286–287 Fn. 26; Musumeci, Protezione Pretoria, 17 Fn. 22, zitiert zu dieser Frage die Ansicht Ankums.
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Teil 2: Einzelne Fallkonstellationen
des Ausnahmesatzes ist: Wenn der Sohn auf Geheiß des Vaters ein Darlehen aufgenommen hat, wird dem Vater nicht geholfen.182 Nach anderer Ansicht ist der Sohn das grammatische Subjekt des Satzes: Dem Sohn soll nicht geholfen werden. Diese Sichtweise wird sowohl von einigen Vertretern der Sachverhaltsinterpretation I183 als auch von sämtlichen Vertretern der Sachverhaltsinterpretation II184 geteilt. Geht man mit der Sachverhaltsinterpretation I von einer Darlehensaufnahme durch den Sohn aus, wäre die Aussage des Ausnahmesatzes: Wenn der Sohn auf Geheiß des Vaters ein Darlehen aufgenommen hat, wird ihm nicht geholfen. Legt man dagegen die Sachverhaltsinterpretation II zugrunde, ist die Aussage des Satzes: Wenn der Vater ein Darlehen aufgenommen hat, wobei die Auszahlung der Darlehenssumme auf Anweisung des Vaters an den Sohn erfolgte, wird dem Sohn nicht geholfen. Die folgenden Konstellationen sind in dem Quellentext lediglich angedeutet oder lassen sich aus dem Inhalt erschließen: 3. Vierter Fall: Ein Bürge des Minderjährigen profitiert zuweilen von der i. i. r.
Ulpian streift den Fall der Bürgenbegünstigung durch die i. i. r. des Minderjährigen in D. 4,4,3,4 nur nebenbei und führt den Bürgen so als Vergleichs- und Kontrastpunkt zum Hausvater ein. Siehe aus Passage b): sed an hoc auxilium patri quoque prosit, ut solet interdum fideiussori eius prodesse, videamus: et non puto profuturum. si igitur filius conveniatur, postulet auxilium: si patrem conveniat creditor, auxilium cessat: [. . .].
Allerdings enthält die Textstelle eine ganz entscheidende Information, die sich jedoch nur aus dem Verhältnis der beiden Sätze (sed an . . . und si igitur . . .) ergibt: Ulpian fragt, ob die i. i. r. dem Vater in der Art und Weise nützen solle, wie sie bisweilen dem Bürgen nütze. An dieser Stelle hat er noch nicht gesagt, auf welche Weise der Begünstigung des Bürgen er sich bezieht. Allerdings lässt sich die Art der Bürgenbegünstigung, auf die Ulpian anspielt, im Umkehrschluss aus dem Folgesatz schließen: Der verklagte Vater kann im Gegensatz zu seinem Sohn nie die i. i. r. (des Sohnes)185 beantragen, der verklagte Bürge offenbar schon.
182 So Savigny, System, Bd. VII, 284. Dem folgt die Übersetzung Kupischs in C.I.C., Text und Übersetzung, Bd. II, 377. 183 Cujaz, Opera, Bd. I, 1011; Accursius, Glossa ordinaria, Bd. I, 535. 184 s. oben, Fn. 181. 185 Dazu, dass es in Ulp. D. 4,4,3,4 immer nur um die Wiedereinsetzung des Sohnes geht, s. § 3, C. IV. 3. a) aa).
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4. Fünfte Fallgruppe: Der Minderjährige hat aus anderen Gründen als einer persönlichen Verpflichtung ein Interesse an der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Aus einem Abschnitt der Passage a) des Textes lässt sich ablesen, dass für Ulpian das Bestehen einer persönlichen Verbindlichkeit nicht der einzige Grund war, der einen Minderjährigen zur Beantragung der i. i. r. berechtigte: ego autem verissimam arbitror sententiam existimantium, filium familias minorem annis in integrum restitui posse ex his solis causis quae ipsius intersint, puta si sit obligatus.
Der Umstand, dass der Sohn persönlich verpflichtet wird, wird nach dem Wortlaut der Stelle (puta) lediglich als ein Beispiel dafür angeführt, dass der Sohn ein eigenes Interesse an der Angelegenheit hat, hinsichtlich derer er Restitution verlangt.186 Allerdings liefert die Digestenstelle keine weiteren Hinweise, welches Interesse des Sohnes, das gerade nicht in einer Verbindlichkeit besteht, genügt haben könnte, dem Sohn eine Wiedereinsetzung zu gewähren. Fündig wird man jedoch in Ulp. D. 4,4,3,5 (allerdings für eine Haustochter) und in Ulp. D. 4,4,3,7–8187. IV. Wie sind die Entscheidungen zu den genannten Fällen und Fallgruppen inhaltlich gegliedert und wie wurden die Entscheidungen tatsächlich (oder mutmaßlich) begründet? Die Aussagen Ulpians in D. 4,4,3,4 lassen sich in eine Wertentscheidung zur Wiedereinsetzung minderjähriger Hauskinder im Allgemeinen, in eine diese allgemeine Wertentscheidung konkretisierende Grundentscheidung für die Wiedereinsetzung persönlich verpflichteter minderjähriger Haussöhne und in eine von der allgemeinen Wertentscheidung und der diese konkretisierenden Grundentscheidung abweichende Ausnahmeentscheidung gegen die Wiedereinsetzung eines minderjährigen Haussohnes, der auf Geheiß seines Vaters ein Darlehen aufgenommen hat,188 untergliedern.
186 Bei dem Wort puta (= z. B., wie) handelt es sich im Allgemeinen nicht um ein bloßes Füllwort. Der Ausdruck kommuniziert durchaus, dass es neben der genannten noch weitere Möglichkeiten gibt, s. z. B. Paul. D. 1,7,34: Festsetzung eines Zeitraums von drei Jahren, wobei dieser auch kürzer oder länger sein könnte; Proc. D. 1,7,44: Festlegung eines beliebigen Namens; diese und weitere Quellenverweise bei Heumann/ Seckel, Handl., 480. 187 s. § 3, C. IV. 1. a) und b). 188 Warum die Ausnahmeentscheidung so zu verstehen ist, wird in § 3, C. IV. 4. erläutert.
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Teil 2: Einzelne Fallkonstellationen 1. Die allgemeine Wertentscheidung
Der Grundgedanke, der offenbar bereits von anderen Juristen vertreten wurde und dem sich Ulpian uneingeschränkt anschließt, ist als solcher zunächst denkbar klar gefasst: Aus Passage a): ego autem verissimam arbitror sententiam existimantium, filium familias minorem annis in integrum restitui posse ex his solis causis quae ipsius intersint [. . .].
Die Richtschnur zur Lösung sämtlicher Fälle, in denen sich die Frage nach der Gewährung oder Verweigerung der i. i. r. eines Haussohnes (oder auch einer Haustochter)189 stelle, müsse sein, dass die Restitution immer dann gewährt wird, wenn eigene Interessen des Hauskindes betroffen sind. Dies ist der Fall, wenn dem Hauskind bei Verweigerung der i. i. r. ein Nachteil droht. Diese allgemeine Wertentscheidung gilt zunächst für die Situation, dass der Haussohn eine persönliche Verbindlichkeit eingegangen ist, wie aus dem Nachsatz puta si sit obligatus klar hervorgeht, also für die in Ulp. D. 4,4,3,4 diskutierten Fälle 1 und 3.190 Darüber hinaus erlangt die allgemeine Wertentscheidung aber eine eigenständige Bedeutung für die in § 3, C. III. 4. vorgestellte fünfte Fallgruppe, in denen sich das die Restitution rechtfertigende Interesse des minderjährigen Hauskindes aus anderen Umständen als dem Bestehen einer persönlichen Verpflichtung ergibt. a) Ulp. D. 4,4,3,7 und 8: Wiedereinsetzung minderjähriger Haussöhne, die keine persönliche Verbindlichkeit eingegangen sind (fünfte Fallgruppe) Die in Ulp. D. 4,4,3,7–8 geschilderten Fälle der Wiedereinsetzung eines minderjährigen Haussohnes verbindet als gemeinsamer Nenner ihre Ausrichtung auf die Zeit nach Erlangung der rechtlichen Selbständigkeit des Sohnes, sei es, dass diese durch den Tod des Vaters oder durch die Emanzipation des Sohnes noch zu Lebzeiten des Vaters herbeigeführt wird. Ulp. D. 4,4,3,7–8 (11 ad ed.): 7. Si quid minori fuerit filio familias legatum post mortem patris vel fideicommissum relictum et captus est, forte dum consentit patri paciscenti, ne legatum peteretur: potest dici in integrum restituendum, quoniam ipsius interest propter spem legati, quod ei post mortem patris competit. sed et si ei legatum sit aliquid quod personae eius cohaeret, puta ius militiae, dicendum est posse eum restitui in integrum: interfuit enim eius non capi, cum hanc patri non adquireret, sed ipse haberet. 189 So auch Ankum, Filius familias mineur, 5. Zur Frage der Wiedereinsetzung von Haustöchtern s. § 3, C. IV. 1. b) und § 3, C. IV. 5. b). 190 Dass der verpflichtete Minderjährige nur wiedereingesetzt werden soll, wenn er auch verklagt wurde, erwähnt Ulpian in Passage a) noch nicht, diese Konkretisierung nimmt er erst in Passage b) vor.
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8. Et si heres sit institutus, si a patre in diebus centum sit emancipatus: mox patrem debuerit certiorare nec fecerit cum posset: qui eum emancipasset, si cognovisset: dicendum erit posse eum restitui in integrum parato patre eum emancipare.
In Ulp. D. 4,4,3,7 wird zunächst der folgende Fall geschildert: Jemand bestellt zu Gunsten eines Haussohnes ein Legat oder ein Fideikommiss. Dem Sohn soll das Recht aus dem Legat oder dem Fideikommiss191 aber erst mit dem Tod seines Vaters zufallen. Der Vater hält es aus von Ulpian nicht ausgeführten Gründen für opportun, seinen Sohn dazu zu bewegen, einem pactum de non petendo mit dem Erben zuzustimmen, sodass dieser der späteren Klage des Sohnes aufgrund des Legats oder des Fideikommisses nach dem Tod des Vaters eine exceptio pacti192 entgegenhalten könnte. Ulpian bejaht hier die Wiedereinsetzung des Sohnes mit der Begründung, dass die Aussicht auf den Erhalt des Vermächtnisses nach dem Tod des Vaters das Eigeninteresse des Sohnes betreffe: [. . .] quoniam ipsius interest propter spem legati, quod ei post mortem patris competit. Die im Anschluss geschilderte Fallvariante unterscheidet sich nur insoweit von der ersten Variante, als dem Sohn nicht eine Geldsumme oder ein Gegenstand vermacht wurde, sondern eine an seine Person gebundene Vergünstigung, wie z. B. das Recht auf eine Beamtenstelle193. In der von Ulpian gelieferten Begründung dafür, dass der Haussohn auch in diesem Fall hinsichtlich seiner Zustimmung zu der Eingehung des pactum de non petendo wiedereingesetzt werden könne, betont der Jurist nochmals das eigenständige Interesse des Sohnes daran, nicht durch das pactum de non petendo benachteiligt zu werden, weil der Sohn das durch das Vermächtnis Zugewandte gerade für sich selbst und nicht für seinen Vater erlangen sollte: [. . .] dicendum est posse eum restitui in integrum: interfuit enim eius non capi, cum hanc patri non adquireret, sed ipse haberet. Ulpians Entscheidung der geschilderten Fälle überrascht nicht, sondern stimmt ohne weiteres mit der in Ulp. D. 4,4,3,4 zum Ausdruck gebrachten Wertentscheidung überein. Ulpian hebt das Interessenskriterium selbst, wie gezeigt, wiederholt hervor und schließt damit auch sprachlich an seine in Ulp. D. 4,4,3,4 getätigten Ausführungen an. Anders als hinsichtlich der im nächsten Unterkapitel behandelten Fälle, die sich mit der Frage der Wiedereinsetzung eines minderjährigen Haussohnes beschäftigen, der zuvor eine persönliche Verbindlichkeit eingegangen ist, wird für die in Ulp. D. 4,4,3,7 geschilderten Fälle die Wiedereinsetzung des Haussohnes ohne weiteres bejaht. Dies ist nur zu verständlich, weil in den zwei in Ulp. D. 4,4,3,7 dargestellten Fallvarianten gerade keine 191 Zwar begründete das Fideikommiss ursprünglich eine rein sittliche Pflicht, den Wünschen des Erblassers zu entsprechen. Nachdem aber Kaiser Augustus als erster auch die Klagbarkeit der Fideikommisse im Rahmen eines außerordentlichen Verfahrens anordnete, wurde aus dem Fideikommiss noch in der Klassik eine rechtlich verbindliche Anordnung des Erblassers, s. Inst. 2,23,1; Kaser/Knütel, RP, 390 f. 192 s. Kaser/Knütel, RP, 288. 193 Zu ius militiae s. Heumann/Seckel, 343.
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Gefahr besteht, dass der Vater von der Wiedereinsetzung des Sohnes durch die Befreiung von seiner adjektizischen Haftung profitieren könnte. Die in Ulp. D. 4,4,3,7 bejahte i. i. r. des Sohnes führt allein zu einer Verbesserung der rechtlichen Position des Sohnes nach dem Tod des Vaters. In D. 4,4,3,8 wendet sich Ulpian dann dem folgenden Fall zu: Ein Haussohn war mit der Bedingung zum Erben eingesetzt worden, dass er innerhalb von 100 Tagen (nach dem Erbfall) von seinem Vater emanzipiert würde. Weil der Sohn den Vater nicht rechtzeitig informierte, verstrich die Frist ungenutzt, obwohl der Vater durchaus bereit gewesen wäre, den Sohn zu emanzipieren. Ulpian bejaht auch hier die Wiedereinsetzung des Sohnes (was vermutlich dazu führte, dass die Frist von neuem zu laufen begann), unter der Bedingung, dass der Vater bereit sei, den Sohn auch tatsächlich aus der Hausgewalt zu entlassen ([. . .] parato patre eum emancipare)194. Auch in dieser Konstellation bestand keine Gefahr, dass der Vater durch die i. i. r. begünstigt würde, denn die Erbschaft sollte ja dem zuvor rechtlich selbständig gewordenen Sohn zufallen, der daher ein eigenes Interesse an der Wiedereinsetzung hatte. Die Logik dieser Entscheidung Ulpians entspricht somit ebenfalls der am Interesse des Sohnes ausgerichteten, in D. 4,4,3,4 formulierten allgemeinen Wertentscheidung, auch wenn Ulpian in D. 4,4,3,8 davon absieht, sich ausdrücklich auf das Eigeninteresse des Sohnes zu berufen. b) Ulp. D. 4,4,3,5: Ein Beispiel der Wiedereinsetzung einer Haustochter jenseits vertraglicher Verpflichtungen (fünfte Fallgruppe) Wie schon Ankum betont,195 wird die Wiedereinsetzung einer minderjährigen Haustochter196 allein in Ulp. D. 4,4,3,5 ausdrücklich angesprochen. Die Textstelle beschäftigt sich mit zwei Fällen der Wiedereinsetzung der Haustochter hinsichtlich der von ihr zuvor erteilten Zustimmung zu einer Veränderung der Konditionen der Mitgiftrückzahlung: Ulp. D. 4,4,3,5 (11 ad ed.) Ergo etiam filiam familias in dote captam, dum patri consentit stipulanti dotem non statim quam dedit, vel adhibenti aliquem qui dotem stipularetur, puto restituendam, quoniam dos ipsius filiae proprium patrimonium est.
194 Aus dieser Bemerkung Ulpians geht hervor, dass der Prätor dem Minderjährigen die i. i. r. wahrscheinlich verweigerte, wenn von vornherein klar war, dass der Vater zu einer Emanzipation des Sohnes nicht bereit war, denn in diesem Fall bestand für den Minderjährigen ohnehin keine Chance, die Erbschaft noch zu erlangen. Eine Gewährung der i. i. r. wäre unbillig gewesen, weil sie nicht zielführend gewesen wäre und somit eine nicht gerechtfertigte Infragestellung der Rechtslage bedeutet hätte. 195 s. Ankum, Filius familias mineur, 22. 196 Die Bemerkung Kupischs in C.I.C., Text und Übersetzung, Bd. II, 374, Fn. 1, ist verwirrend: Ulp. D. 4,4,3,5 behandelt gerade nicht die Wiedereinsetzung einer Frau sui iuris unter Vormundschaft, sondern einer filia familias.
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Bevor wir auf die rechtliche Zuordnung der dos zu sprechen kommen können, muss zuerst festgehalten werden, dass der in Ulp. D. 4,4,3,5 zugrunde gelegte Sachverhalt und damit auch die Natur der Benachteiligung der Tochter von Ankum und Kupisch unterschiedlich interpretiert worden ist. Ankum geht davon aus, dass die Tochter im ersten Unterfall dadurch benachteiligt wurde, dass der Vater dem Ehemann mit Zustimmung der Tochter für die Rückgabe der dos nach Beendigung der Ehe einen Aufschub („sursis“) eingeräumt hat, sodass die Tochter, falls sie sich kurze Zeit nach der Scheidung wieder verheiraten wolle, noch nicht wieder über eine Mitgift verfügen konnte.197 Im zweiten Unterfall besteht nach Ankum die Benachteiligung der Tochter darin, dass der Vater (wiederum mit Zustimmung der Tochter) einen Nebengläubiger (adstipulator)198 mit der Rückforderung der Mitgift beauftragt habe, der entweder insolvent war oder die Mitgift erst mit Verspätung an den Vater weiterleitete. 199 Aus der Übersetzung des Fragments durch Kupisch200 geht dagegen hervor, dass in seinen Augen die Benachteiligung der Tochter darin bestand, dass der Vater (oder eben sein adstipulator) sich die Rückgabe der Mitgift an sich selbst mit Zustimmung der Tochter erst nach der Bestellung der Mitgift versprechen ließ. Der Nachteil der Frau läge dann darin, dass der Vater im Falle der Beendigung der Ehe auch ohne die Mitwirkung der Tochter die Herausgabe der Mitgift von dem früheren Ehemann an sich selbst verlangen könnte.201 Die Frau könnte dann nicht mehr durch ihre Weigerung, der Klage beizutreten, dafür sorgen, dass die dos bei ihrem ehemaligen Ehemann verblieb und so z. B. der Versorgung gemeinsamer Kinder zugute kommen konnte. Auch stand es der Frau nicht mehr offen, abzuwarten, dass sie selbst gewaltfrei würde, und dann die Herausgabe der dos unmittelbar an sich selbst zu verlangen. Die durch Kupischs Übersetzung nahegelegte Interpretation des Sachverhalts ist angesichts ihrer besseren Verankerung im Wortlaut von Ulp. D. 4,4,3,5 sowie angesichts der Übereinstimmung mit Ulp. D. 24,3,29 pr.202 vorzuziehen. Ankums Annahme, der Vater habe dem Schwiegersohn (oder dessen Erben) einen Aufschub für die Rückgabe der Mitgift eingeräumt, lässt sich nur schwer aus dem Teilsatz [. . .] dum patri consentit stipulanti dotem non statim quam dedit herauslesen [. . .]. Darüber hinaus hebt Ulpian in D. 24,3,29 pr. her197
Ankum, Filius familias mineur, 23. s. Gai Inst. 3,110–114. 199 Ankum, Filius familias mineur, 23. 200 In C.I.C., Text und Übersetzung, Bd. II, 377: „Demgemäß ist meiner Meinung nach auch eine Haustochter hinsichtlich der Mitgift übervorteilt und in den vorigen Stand wiedereinzusetzen, wenn sie ihrem Vater nachträglich ihre Zustimmung gab, der sich die Rückgabe der Mitgift [an ihn selbst] nicht schon sofort, als er sie bestellte, versprechen ließ oder der einen anderen einschaltete, welcher sich [ebenfalls später] die Rückgabe der Mitgift versprechen ließ; denn eine [vorbehaltlos bestellte] Mitgift ist eigenes Vermögen der Tochter.“ 201 Zur actio rei uxoriae adiuncta filia (oder filiae persona) s. Wacke, Peculium non ademptum, 46; Kaser, RP I, 338 m. Fn. 13 u.14; Kaser/Hackl, RZ, 205 m. Fn. 10. 202 Hinweis bei Kupisch in C.I.C., Text und Übersetzung, Bd. II, 377, Fn. 2. 198
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vor, dass der Vater sich die Rückgabe der Mitgift an ihn selbst nur mit Zustimmung seiner Tochter versprechen lassen darf, weil die Rechtslage der Tochter hinsichtlich einer bereits bestellten Mitgift nicht einseitig verschlechtert werden dürfe.203 Gesonderte Beachtung verdient an dieser Stelle noch der letzte Halbsatz von Ulp. D. 4,4,3,5, in dem der Jurist die Begründung für seine Entscheidung zu Gunsten der Wiedereinsetzung der Haustochter liefert: [. . .] quoniam dos ipsius filiae proprium patrimonium est. Dieser Satz ist deshalb interessant, weil Ulpian hier die dos dem Vermögen der rechtlich an sich vermögenslosen Haustochter zuordnet. Dies erklärt sich daraus, dass die Mitgift ein Sondervermögen darstellt, das – so ähnlich wie das peculium – zwar rechtlich einer Person, wirtschaftlich-tatsächlich aber einer anderen zugeordnet ist. Rechtlich wird die Mitgift vom Vater der Braut bei der Eheschließung deren Ehemann zugewandt.204 Tatsächlich gewann aber im Laufe der Jahre der Gedanke an Stärke, dass die Mitgift vor allem der Sicherung der Versorgung der Ehefrau und ihrer Kinder dienen sollte.205 Dementsprechend erhielt die (rechtlich selbständige Frau) nach Beendigung der Ehe eine Klage gegen ihren ehemaligen Mann auf Herausgabe der Mitgift, die actio rei uxoriae.206 Auch der rechtlich unselbständigen Frau, die nach Beendigung der Ehe wieder (oder weiterhin) in der potestas ihres Vaters stand, wurde immerhin eine Mitberechtigung an der Mitgift zugestanden, sodass der Hausvater, der sich die Rückerstattung der Mitgift nicht von vornherein vorbehalten hatte, nur mit Zustimmung der Tochter von ihrem ehemaligen Ehemann die Mitgift herausverlangen konnte.207 War der Vater unfähig, die Mitgift einzuklagen, konnte auch die Haustochter alleine die Klage erheben.208 Justinian schließlich stellt in C. 5,12,30,1 (529 n. Chr.) fest, dass die dos nach natürlichem Recht (ex naturali iure) der Frau zustehe. Dieser Gedanke war offenbar bereits dem Spätklassiker Ulpian nicht fremd, der die Mitgift, wahrscheinlich in einer gewissen stilistischen Übertreibung, undifferenziert als eigenes Vermögen der Tochter bezeichnete. Ulp. D. 4,4,3,5 zeigt, dass die allgemeine Wertentscheidung Ulpians in D. 4,4,3,4, nach der ein Haussohn immer dann in den vorigen Stand wiedereingesetzt werden soll, wenn er an dieser Wiedereinsetzung ein persönliches Interesse hat, auch auf Haustöchter Anwendung gefunden hat. 203 Ulp. D. 24,3,29 pr.: Quotiens pater dotem dat et stipulatur, ita demum in suam personam de dote actionem transfert, si ex continenti stipuletur: ceterum si interposito tempore stipulari velit, non nisi consentiente filia poterit, quamvis in potestate sit, quia deteriorem condicionem in dote filiae facere non potest nisi consentiat. 204 s. Paul. D. 23,3,1; Wacke, Peculium non ademptum, 45; Kaser/Knütel, RP, 320. 205 s. Pomp. D. 24,3,1; Kaser/Knütel, RP 320. 206 Kaser/Knütel, RP, 322. Kaser, RP I, 337 f. 207 s. in Ulp. D. 24,3,2,1: Quod si in patris potestate est et dos ab eo profecta sit, ipsius et filiae dos est: denique pater non aliter quam ex voluntate filiae petere dotem nec per se nec per procuratorem potest. 208 Kaser/Hackl, RZ, 205 m. Fn. 10.
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Ob darüber hinaus die Grundentscheidung hinsichtlich der Gewährung der i. i. r. zum Zwecke der Befreiung von einer persönlichen Verbindlichkeit ebenfalls für Haustöchter relevant werden konnte, ist an anderer Stelle zu diskutieren.209 2. Die Grundentscheidung des Ulpian in D. 4,4,3,4 (erste und dritte Fallgruppe): Die Schwierigkeit der Interpretation
Die Grundentscheidung Ulpians zur Frage der Wiedereinsetzung eines Haussohnes nach Eingehung vertraglicher Verbindlichkeit lautet, wie oben bereits festgestellt210: Grundsätzlich soll eine Wiedereinsetzung des Sohnes immer möglich sein, sofern der Sohn selbst verklagt wird, unabhängig davon, ob der Vater das Geschäft angewiesen hat (erste Fallgruppe) oder nicht (dritte Fallgruppe). Wenn der Vater mit der adjektizischen Klage211 gerichtlich in Anspruch genommen wird, soll eine Wiedereinsetzung des Sohnes ausscheiden. Diese Aussage ist am Ende von Passage b) (si igitur filius conveniatur, postulet auxilium: si patrem conveniat creditor, auxilium cessat [. . .].) und nochmals zu Beginn der Passage d) (proinde et si sine iussu patris contraxit et captus est, si quidem pater de peculio conveniatur, filius non erit restituendus: si filius conveniatur, poterit restitui.) klar formuliert worden. Fraglich ist, in welchem Verhältnis diese Grundentscheidung Ulpians zu der Aussage des zweiten Satzes von Ulp. D. 4,4,3,4 steht, der gewissermaßen die Problematik der Wiedereinsetzung minderjähriger Haussöhne einführt: movet dubitationem, quod, si quis dixerit etiam filiis familiarum in re peculiari subveniendum, efficiet, ut per eos etiam maioribus subveniatur, id est patribus eorum: quod nequaquam fuit praetori propositum: praetor enim minoribus auxilium promisit, non maioribus.
Sofort leuchtet ein, dass der Prätor eben durch die Minderjährigenrestitution gerade den Minderjährigen und nicht ihren Vätern helfen wollte. Auf den ersten 209
s. § 3, C. IV. 5. b). s. § 3, C. III. 1. 211 Behandelt werden nur die Fälle, in denen der Haussohn mit einem peculium ausgestattet war, sodass der Gläubiger gegen den Vater mindestens mit der actio de peculio vorgehen konnte. Darüber hinaus kann, wenn der Vater das Geschäft angewiesen hatte, dem Gläubiger auch die actio quod iussu offenstehen. Dass die Gefahr der Befreiung des Hausvaters auch in der Befreiung von der Haftung aufgrund der actio de in rem verso bestehen konnte, welche im Text nicht erwähnt wird, steht der vorgeschlagenen Interpretation nicht entgegen. Die einheitliche Formel der actio de peculio und der actio de in rem verso (Lenel, EP, 279 f.) zeigt den Charakter der actio de in rem verso als die actio de peculio ergänzende Klage, die den Gläubiger nicht nur absicherte, wenn der Haussohn über gar kein peculium verfügte, sondern auch dann, wenn das vorhandene peculium die Höhe der Verpflichtung nicht abdeckte, aber der Sohn dem Vermögen des Vaters das von seinem Vertragspartner Erhaltene zugewandt hatte (Ulp. D. 15,3,1 pr.; Gai Inst. 4,72a). In dieser Funktion als die actio de peculio komplettierende Klage wird sie von Ulpian in seinen Ausführungen zur Wiedereinsetzung des minderjährigen Haussohnes mitgedacht worden sein. 210
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Teil 2: Einzelne Fallkonstellationen
Blick bleibt jedoch unklar, welche Begünstigung der Väter denn genau durch die Wiedereinsetzung der minderjährigen Haussöhne zu befürchten war, und ob die soeben erläuterte Grundentscheidung Ulpians eine Begünstigung des Vaters vollständig oder nur teilweise verhinderte. Sowohl Ankum als auch Klausberger gehen davon aus, dass Ulpians Grundentscheidung dazu führte, dass eine Begünstigung des Vaters durch die Wiedereinsetzung des Sohnes völlig ausgeschlossen wurde.212 Die beiden Autoren wählen aber jeweils einen unterschiedlichen Ansatz, um zu diesem Ergebnis zu gelangen. Ankum legt Ulpians Grundentscheidung dahingehend aus, dass dieser die von anderen (nicht identifizierten) Juristen vertretene Ansicht, der adjektizisch haftende Vater werde durch die Wiedereinsetzung seines Sohnes ebenfalls (also mittelbar) befreit, gänzlich abgelehnt habe: „Au sujet du pater familias, il y avait parmi les juristes classiques apparemment des opinions différentes. Ulpien était d’avis que la r.i.i. obtenue par le fils mineur ne pouvait avoir un effet profitable au père, c’est-à-dire que nonobstant cette r.i.i. le créancier pouvait intenter contre lui une actio quod iussu.“ 213 Von einer Wiedereinsetzung des Vaters selbst ist bei Ankum gar nicht die Rede. Nach Klausberger geht es in Ulp. D. 4,4,3,4 dagegen nicht um die Frage der mittelbaren Befreiung des Vaters durch die Wiedereinsetzung des Sohnes, sondern um die Wiedereinsetzung des Vaters selbst, genauer: um die Verneinung derselben durch Ulpian.214 Einig sind sich Ankum und Klausberger allerdings in ihrer Einschätzung, dass Ulpian im Ergebnis eine Begünstigung des Hausvaters gänzlich ausschloss, sei es, dass die Wiedereinsetzung des Sohnes keine Wirkung zugunsten des Hausvaters hatte, sei es, dass eine eigene Wiedereinsetzung des Hausvaters verneint wurde. Entgegen den soeben beschriebenen Sichtweisen stellt die von Ulpian vorgeschlagene Lösung wohl eher eine pragmatische Kompromissentscheidung dar, die eine indirekte Begünstigung des Vaters durch die Minderjährigenrestitution zwar weitgehend, aber nicht völlig ausschloss. 212 s. Ankum, Filius familias mineur, 5, 9, 13; Klausberger, Zur Haftung Dritter, 344 mit Fn. 14 und 345 m. Fn. 15. Auch Musumeci schreibt nun in Protezione pretoria, 17: „Ulpiano è comunque fermo nel negare che della protezione accordata al filius possa avvantagiarsi il pater [. . .].“ 213 Ankum, Filius familias mineur, 9; in diesem Sinne schon Flume, Akzessorietät, 49 m. Fn. 1. 214 s. Klausberger, Zur Haftung Dritter, 344 Fn. 14; 345 Fn. 15. Klausberger erwähnt als Vertreter der Gegenansicht in der zuletzt genannten Fußnote nur Flume, Akzessorietät, 49 m. Fn. 1: „Nach Flume [. . .] soll es um die Frage gehen, ob sich der Vater auf die bereits erfolgte Restitution des Sohnes berufen, und nicht darum, ob der Vater selbst die Wiedereinsetzung verlangen kann.“ Dass auch Ankum, Filius familias 9, auf dessen Beitrag sich Klausberger in Fn. 14 auf S. 344 beruft, die Ansicht Flumes teilt, wird nicht erwähnt. Die Ansicht Klausbergers ist mit dem Wortlaut von Ulp. D. 4,4,3,4 nicht vereinbar, s. § 3, C. IV. 3. a) aa).
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Es ist davon auszugehen, dass Ulpian eine grundsätzliche Verknüpfung der Verpflichtungen von Vater und Sohn gegenüber dem Gläubiger voraussetzte, in dem Sinne, dass der Vater, wenn der Sohn einmal wiedereingesetzt war, auch nicht mehr erfolgreich verklagt werden konnte. Die somit grundsätzlich gegebene, aber als unbillig empfundene indirekte Begünstigung des Vaters durch die erfolgte i. i. r. des Sohnes korrigierte Ulpian dann durch eine prozessual-situative Begrenzung der Restitution des Sohnes auf den Fall, dass der Sohn bereits verklagt worden war. Die Lösung Ulpians führte also nicht zu einem völligen Ausschluss der Begünstigung der Hausväter durch die Restitution des Sohnes, schränkte diese aber soweit ein, wie es mit dem Minderjährigenschutz noch zu vereinbaren war.215 Die überwiegende Plausibilität des zuletzt geschilderten Verständnisses der Grundentscheidung Ulpians gilt es im Folgenden darzulegen. 3. Die Grundentscheidung des Ulpian in D. 4,4,3,4: Interpretation im Kontext sachverwandter Quellen
Eine sinnvolle Auslegung der von Ulpian in D. 4,4,3,4 getroffenen Grundentscheidung hinsichtlich der Wiedereinsetzung minderjähriger Haussöhne, die sich vertraglich verpflichtet hatten, lässt sich nur nach genauerer Untersuchung des Wortlauts von Ulp. D. 4,4,3,4 und unter Berücksichtigung einiger weiterer thematisch verknüpfter Quellen erreichen. a) Ulp. D. 4,4,13 pr.: Das Verhältnis von Bürgenhaftung und adjektizischer Haftung des Hausvaters hinsichtlich der Minderjährigenrestitution (vierter Fall) Um die Frage zu beantworten, wie Ulpian genau die rechtlichen Auswirkungen der Restitution des Sohnes auf die adjektizische Forderung des Gläubigers gegen den Vater bewertete, ist es zunächst sinnvoll, noch einmal die Wirkungen der Minderjährigenrestitution auf die Bürgenhaftung in den Blick zu nehmen. Im Ergebnis wird sich zeigen, dass Ulpian, anders als für das Verhältnis von Hauptschuld und Bürgenschuld, unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks der adjektizischen Haftung des Vaters von einem strengen Akzessorietätsverhältnis zwischen der Verbindlichkeit des Sohnes und der adjektizischen Verbindlichkeit des Vaters und somit von einer automatischen Befreiung des Hausvaters216 durch die 215 In diese Richtung kann auch die von Spaltenstein, Wiedereinsetzung, 104, geäußerte Meinung verstanden werden, wenn auch bedauerlich ist, dass im letzten Halbsatz die Restitution des Vaters selbst anstatt der Restitution des Sohnes auf eine gegen den Vater gerichtete Klage hin verneint wird: „Das Recht ging hier einen richtigen Mittelweg: es gestattete Restitution, mochte sie auch indirekt dem Vater Vortheil bringen, wofern (sic) sie nur den Nachtheil des Sohnes vermied; andererseits versagte es sie dem Vater, wenn auch der Sohn hierdurch selber mittelbar zu Schaden kam.“ 216 Befreiung sei hier nicht technisch sondern ergebnisorientiert verstanden: Sobald der Haussohn restituiert worden war, hatte eine Klage des Gläubigers jedenfalls keine
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Minderjährigenrestitution ausging. Dem Hausvater verweigerte er dann aber, dass sich dessen materielle Begünstigung auch in einem Recht auf Beantragung der i. i. r. des Sohnes in seinem eigenen Interesse fortsetzte. Dem materiell durch die i. i. r. des Minderjährigen begünstigten Bürgen, also dem Bürgen, der das Restitutionsrisiko nach den oben erläuterten Kriterien nicht übernommen hatte,217 gestand Ulpian dagegen zu, auch in eigenem Interesse die Wiedereinsetzung des Minderjährigen zu beantragen. Wie bereits erwähnt wurde,218 erfüllt der in Passage b) von Ulp. D. 4,4,3,4 enthaltene Verweis auf die zeitweise gegebene Begünstigung der Bürgen eines Minderjährigen sowohl die Funktion, die Nähe und damit die Vergleichbarkeit der Positionen von Vater und Bürge zu unterstreichen, als auch, sie voneinander abzugrenzen. Zunächst wird zu erklären sein, warum davon auszugehen ist, dass Ulpian glaubte, eine einmal erfolgte Wiedereinsetzung des Sohnes wegen Minderjährigkeit führe stets auch zu einer Befreiung des Vaters von seiner adjektizischen Verpflichtung, während die Befreiung des Bürgen bei einer Wiedereinsetzung des minderjährigen Hauptschuldners nur unter den erläuterten Bedingungen eintrat. In einem zweiten Schritt ist dann darauf einzugehen, warum Ulpian die materiellrechtlich vorgegebene Kopplung der Schuld des Sohnes mit derjenigen des Vaters im Falle der Wiedereinsetzung des Sohnes als problematisch ansah und die Folgen dieser Kopplung daher durch eine Beschränkung der Gewährung der i. i. r. des minderjährigen Haussohnes auf den Fall des bereits verklagten Haussohnes prozessual abmilderte. aa) Die Beendigung der adjektizischen Haftung des Vaters durch die Gewährung der Minderjährigenrestitution als Prämisse Ulpians Die These, dass Ulpian in D. 4,4,3,4 davon ausging, dass mit der i. i. r. des Sohnes stets auch die adjektizische Schuld des Vaters erlosch, ließe sich bei einer ersten Sichtung des Textes durchaus verneinen.219 Es wäre möglich, den in Passage a) enthaltenen Satz movet dubitationem, quod, si quis dixerit etiam filiis familiarum in re peculiari subveniendum, efficiet, ut per eos etiam maioribus subveniatur, id est patribus eorum [. . .] nur als einen Hinweis Ulpians darauf zu deuten, dass einige andere Juristen davon ausgingen, der Vater werde durch eine i. i. r. des Sohnes befreit.220 Weiterhin könnte man dann annehmen, dass Ulpian in Aussicht auf Erfolg, sei es, dass sie abgewiesen wurde, sei es, dass dem Vater eine Einrede gewährt wurde. 217 s. § 3, B. 218 s. § 3, C. III. 3. 219 So Ankum, Filius familias mineur, 5, 9. 220 So Ankum, Filius familias mineur, 9.
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Passage b) seine eigene Ansicht zu dieser Frage durch den Satz sed an hoc auxilium patri quoque prosit, ut solet interdum fideiussori eius prodesse, videamus: et non puto profuturum dahingehend klarstellt, dass der Vater durch eine i. i. r. des Sohnes wegen Minderjährigkeit nie befreit werde.221 Allerdings kann diese Interpretation einer genaueren Analyse des Textes nicht standhalten. Dafür, dass Ulpian tatsächlich davon ausging, dass eine Wiedereinsetzung des Sohnes wegen Minderjährigkeit stets dazu führte, dass die adjektizische Schuld des Vaters erlosch, spricht erstens die Logik der von Ulpian vorgeschlagenen Lösung und zweitens der Sinn und Zweck der adjektizischen Haftung des pater familias für die Verbindlichkeiten des ihm rechtlich zugeordneten Sohnes. Zunächst zu dem Argument der internen Logik des Lösungsvorschlags Ulpians für das Problem der Wiedereinsetzung von Haussöhnen, die einen sie persönlich verpflichtenden Vertrag abgeschlossen haben: In Passage d) wird durch den Satz proinde et si sine iussu patris contraxit et captus est, si quidem pater de peculio conveniatur, f i l i u s 222 non erit restituendus: si filius conveniatur, poterit restitui klargestellt, dass der Sohn nicht wiedereingesetzt werden soll, wenn der Vater de peculio verklagt wird. Dementsprechend muss auch der in Passage b) enthaltene parallele Satz: si igitur filius conveniatur, postulet auxilium: si patrem conveniat creditor, auxilium cessat verstanden werden: Auch wenn der Vater mit der actio quod iussu verklagt wird, ist der Sohn nicht wiedereinzusetzen (und zwar nicht auf seinen eigenen und erst recht nicht auf Antrag seines Vaters). Wenn es nun so wäre, dass Ulpian der Ansicht wäre, dass eine Wiedereinsetzung des Sohnes die adjektizische Schuld des Vaters völlig unberührt ließe, warum sollte er dann (zumindest für die actio quod iussu explizit) anordnen, dass eine Wiedereinsetzung des Sohnes nach Klageerhebung gegen den Vater zu verwehren ist? Wenn Ulpian davon ausgegangen wäre, dass die Haftung des Vaters grundsätzlich von einer i. i. r. seines Sohnes wegen Minderjährigkeit unabhängig weiterbestünde, hätte er gar keinen Grund gehabt, eine Wiedereinsetzung des Sohnes in irgendeiner Weise situationsbedingt zu begrenzen. Der Jurist hätte sich darauf beschränken können festzustellen, dass die Haftung des Vaters von einer Wiedereinsetzung des Sohnes unabhängig ist. Sämtliche Ausführungen zur Zulässigkeit der i. i. r. in Abhängigkeit von der Erhebung einer Klage und deren Richtung wären überflüssig. Eine so ausführliche und wiederholte Darstellung von Überflüssigem ist dem spätklassischen Juristen kaum zu unterstellen. Der in den Passagen b) und d) enthaltene Lösungsvorschlag Ulpians erscheint hingegen äußerst nachvollziehbar, wenn man davon ausgeht, dass Ulpian annahm, eine i. i. r. propter minorem aetatem des Sohnes habe neben einer Befrei-
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So Ankum, Filius familias mineur, 5, 9. Gesperrte Hervorhebung durch die Autorin.
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ung des Sohnes von seiner Verbindlichkeit zugleich das Ende der adjektizischen Haftung des Vaters herbeigeführt. Die Differenzierung danach, ob der Gläubiger bereits gegen den Vater oder den Sohn Klage erhoben hat,223 erscheint dann als pragmatischer Ansatz, dem minderjährigen Haussohn nicht gänzlich die Restitution zu versagen, und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die vom Prätor mit der Minderjährigenrestitution nicht bezweckte Begünstigung (auch) des volljährigen Vaters nicht überhand nimmt. Ist der Sohn verklagt worden, hat er ein Interesse daran, wiedereingesetzt zu werden, um einer Verurteilung und einer – nach Erlangung der rechtlichen Selbständigkeit möglichen – Vollstreckung zu entgehen. Die Klage gegen ihn wird aufgrund der Gewährung der i. i. r. abgewiesen und auch der Vater ist von seiner Verbindlichkeit befreit. Diese Begünstigung eines Volljährigen durch die Minderjährigenrestitution wird unter Berücksichtigung des dringenden Restitutionsinteresses des Minderjährigen jedoch hingenommen. Ist der Vater verklagt worden, kann der Sohn nicht wiedereingesetzt werden, weil ihm selbst jedenfalls zu diesem Zeitpunkt keine negativen Konsequenzen aus dem Fortbestand seiner Verbindlichkeit drohen und die i. i. r. daher primär dem Vater zugute käme. Sollte der Gläubiger zu einem späteren Zeitpunkt dennoch gegen den Sohn vorgehen (sofern eine Klage gegen ihn nicht ohnehin ausgeschlossen war)224, könnte der Sohn wiedereingesetzt werden. Zwar lässt sich aus der Logik des Lösungsvorschlags Ulpians ableiten, dass der Jurist davon ausging, die Schuld des Vaters erlösche mit der Wiedereinsetzung des Sohnes. Damit ist jedoch noch nicht erklärt, warum Ulpian dieser Ansicht war. Warum sollte die Schuld des Bürgen nur manchmal mit der Wiedereinset-
223 Mit dem Verb convenire ist wohl der Antrag des Klägers vor dem Prätor auf Erteilung einer bestimmten Klagformel gemeint (postulatio actionis). Zu dem Thema der Einleitung eines Verfahrens im Formularprozess s.: Kaser/Hackl, RZ, 231 ff.; Kaser/ Knütel, RP, 406 f. s. auch Heumann/Seckel, Handl., 107. 224 Sollte der Gläubiger zunächst aus einer der honorarrechtlichen adjektizischen Klagen gegen den Vater vorgehen, kommt eine Konsumtion von vornherein nicht in Betracht, weil eben gerade keine Klage nach ius civile vorliegt. Einer späteren Inanspruchnahme des Sohnes, beispielsweise nach Erlangung der rechtlichen Unabhängigkeit, könnte jedoch die exceptio rei iudicatae vel in iudicium deductae entgegenstehen, sofern es sich um eine Klage bezüglich desselben Streitgegenstands handelte, s. allgemein zu der Ausschlusswirkung der litis contestatio Kaser/Hackl, RZ, 301 ff. Laut Frezza, Garanzie Personali, 134 f., schließt die litis contestatio im adjektizischen Verfahren gegen den Vater mittels der Klage quod iussu die Klage gegen den Sohn, und die litis contestatio im Verfahren gegen den Sohn die adjektizische Klage gegen den Vater aus. Gleiches gelte für die actiones exercitoria und institoria. Levy, Konkurrenz, 331 ff. bejaht unter Verweis auf Ulp. D. 14,1,1,24 die gegenseitige Ausschlusswirkung der Klage gegen den Kapitän und der actio exercitoria gegen den Reeder. Kaser/Hackl, RZ, 306 Fn. 43, verweisen auf Levy, Konkurrenz, 331 ff., führen aber selbst im Haupttext (306) nur die Haftung mehrer adjektizischer Gewalthaber als einen Beispielsfall von Klagen über denselben Streitgegenstand an. Die Frage nach einer eventuellen Ausschlusswirkung der Klagen gegen den Sohn und der adjektizischen Klagen gegen den Vater muss an dieser Stelle offen bleiben.
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zung des minderjährigen Hauptschuldners erlöschen, die Schuld des Vaters dagegen immer, und obwohl die Begünstigung Volljähriger grundsätzlich nicht der Absicht des Prätors bei der Schaffung der Minderjährigenrestitution entsprach? Dieser Unterschied lässt sich erklären, wenn man noch einmal auf die Kriterien zurückkommt, die für die Frage nach der Akzessorietät der Bürgschaftsschuld zur Hauptschuld ins Feld geführt wurden: Vereinfacht gesagt, soll die Bürgenschuld immer dann auch unabhängig von der Hauptschuld bestehen, wenn der Mangel, der dazu geführt hat, dass die Hauptschuld erlischt oder nie entstanden ist, gerade ein Risiko darstellt, zu dessen Absicherung die Bürgschaft dienen sollte und das der Bürge vertraglich übernommen hat.225 Stellt man sich nun die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Sinn und Zweck der adjektizischen Haftung des pater familias für die Verbindlichkeiten der in seiner Gewalt stehenden Personen (seien es Sklaven oder Hauskinder)226 und dem Risiko der Minderjährigenrestitution, kommt man zu dem Schluss, dass die Gewährung der adjektizischen Klagen gegen den Hausvater nicht dazu dienen sollte, den Gläubiger des minderjährigen Haussohnes vor der Gefahr der i. i. r. desselben zu bewahren. Die adjektizische Haftung des Vaters quod iussu, de peculio oder de in rem verso knüpft nicht an die Minderjährigkeit seines Sohnes an, sondern an dessen Eigenschaft als zwar geschäftsfähige, aber rechtlich unselbständige und somit vermögensunfähige Person.227 Ob der Haussohn jünger als 25 Jahre alt war oder nicht, hatte keinerlei Auswirkungen auf den Eintritt der adjektizischen Haftung. Sobald das jeweils notwendige Zurechnungskriterium vorlag, der Vater also entweder ein iussum erteilt, er den Haussohn mit einem Sondergut (peculium) ausgestattet hatte oder durch das Geschäft bereichert worden war, konnte der Gläubiger des Sohnes gegen den Vater die jeweilige Vertragsklage mit einem der Zusätze quod iussu, de peculio oder de in rem verso228 erheben. Der Sinn und Zweck der adjektizischen Haftung des Hausvaters für die Verbindlichkeiten des zwar verpflichtungsfähigen, aber nicht vermögensfähigen Haussohnes, war es, den Gläubiger vor der sich aus der Vermögenslosigkeit des Haussohnes ergebenden Vollstreckungsproblematik zu schützen und außerdem den vermögensrechtlich durch die Geschäfte des Haussohnes begünstigten Vater
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s. oben, § 3, B. s. Kaser/Knütel, RP, 269. 227 Von der Geschäftsleiterklage (actio institoria) und der Reederklage (actio exercitoria) sei hier abgesehen, weil sie erstens für Ulp. D. 4,4,3,4 nicht relevant sind und zweitens nicht zwingend ein personenrechtliches Gewaltverhältnis voraussetzen, s. Kaser, RP I, 605. 228 Die actio de peculio und die actio de in rem verso waren in einem Klagformelzusatz zusammengefasst, die Bereicherung wurde dann aber nur geprüft, wenn ein peculium nicht bestand oder es nicht zur Deckung der Forderung ausreichte, Benke/Meissel, Römisches Schuldrecht, 247, s. auch Kaser, RP I, 606 m. Fn. 7. 226
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auch in die Haftung für das Geschäft einzubeziehen. 229 Die adjektizischen Klagen des Hausvaters sollten zu der Klage gegen den Haussohn hinzutreten, nicht an ihre Stelle treten.230 Die Haftung des Vaters setzte also zunächst einmal voraus, dass eine Verbindlichkeit des Sohnes überhaupt bestand. Ein Haussohn war bei weitem nicht immer auch minderjährig, sodass die Wiedereinsetzung des Haussohnes wegen Minderjährigkeit nicht die Verwirklichung gerade des durch die adjektizische Haftung abzusichernden Risikos darstellte. Diese teleologische Überlegung liefert einen plausiblen Grund dafür, warum Ulpian davon ausging, dass die Wiedereinsetzung des Haussohnes propter minorem aetatem auch die adjektizische Haftung des Vaters zum Erlöschen bringen musste. bb) Begrenzung der Restitution von Haussöhnen zum Zwecke der Beschränkung der Befreiung des Hausvaters: Die extreme Lösung und Ulpians Kompromissvorschlag Ulpian sah sich also mit dem Problem konfrontiert, dass aufgrund der technischen Ausgestaltung der adjektizischen Haftung eine automatische Befreiung des Vaters durch die Wiedereinsetzung des Sohnes eintrat, obwohl es doch gerade nicht der Absicht des Prätors entsprach, Volljährige zu begünstigen, und obwohl der Vater gegenüber dem nur manchmal durch eine Wiedereinsetzung des Minderjährigen befreiten Bürgen weniger schutzwürdig erschien. Denn anders als der Bürge wurde der Hausvater durch die Geschäfte des Minderjährigen nicht nur mitverpflichtet, sondern sein Vermögen wurde auch durch das von dem Minderjährigen Erlangte gemehrt.231 Eine von Ulpian nicht befürwortete, aber wohl von anderen Juristen vertretene Möglichkeit,232 die ediktswidrige Begünstigung der Hausväter zu vermeiden, 229 s. Kaser, RP I, 605, Kaser/Knütel, RP, 269; Benke/Meissel, Römisches Schuldrecht, 343. 230 Der Ausdruck actiones adiecticiae qualitatis von adicere = hinzufügen (Heumann/Seckel, Handl. 13) stammt zwar aus der Glossatorenzeit, ist aber aus dem Wortlaut des Fragments Paul. D. 14,1,5,1 (zur Reederklage) abgeleitet: [. . .] hoc enim edicto non transfertur actio, sed adicitur. s. hierzu Kaser, RP I, 605. Für die Verbindlichkeiten von Sklaven und Haustöchtern [s. dazu auch § 3, C. IV. 5. b)] die lediglich Naturalobligationen begründen konnten (s. nur Kaser/Knütel, RP, 178), muss der Grundsatz freilich in dem Sinne abgewandelt werden, dass die adjektizische Haftung zumindest das Bestehen einer solchen nicht einklagbaren, aber sicherbaren, aufrechenbaren und erfüllbaren natürlichenVerbindlichkeit voraussetzte. 231 s. schon § 3, C. (Einf.). So argumentiert auch Klausberger, Zur Haftung Dritter, 347, wenn er daraus auch andere als die hier vorgestellten Schlüsse zieht. Er geht davon aus, dass die i. i. r. des Minderjährigen dem Hausvater im Gegensatz zu dem Bürgen von vornherein nie zugute kommt, s. Zur Haftung Dritter, 344, 347. 232 Dass diese Option vertreten wurde, lässt sich aus der in Passage a) aufgeworfenen allgemeinen Fragestellung ablesen: Wenn es diskussionswürdig erschien, ob minderjährigen Haussöhnen überhaupt die i. i. r. offenstehen sollte, gab es wahrscheinlich Juristen, die dies rundheraus verneinten, so auch schon Ankum, Filius familias mineur, 5.
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wäre es, dem rechtlich noch vermögenslosen Haussohn, der eine Vollstreckung eines zu seinen Lasten gehenden Urteils ohnehin erst nach dem Erreichen der rechtlichen Selbständigkeit zu befürchten hatte, die i. i. r. gänzlich zu verweigern. Wurde der Sohn nicht wiedereingesetzt, konnte auch der Vater nicht befreit werden. Das Problem der grundsätzlichen Befreiung des Vaters durch die i. i. r. des Sohnes sollte aber nach Ulpians Ansicht gerade nicht dadurch gelöst werden, dass man dem Sohn die Möglichkeit der i. i. r. völlig absprach. Täte man dies, würde man sozusagen das Kind mit dem Bade ausschütten, indem man einem schutzwürdigen Minderjährigen nur deshalb die Rechtshilfe vorenthielte, weil eben auch dessen Vater von dessen Wiedereinsetzung profitieren würde. Einfach entgegen dem Sinn und Zweck der adjektizischen Haftung davon auszugehen, dass eine Restitution des Sohnes die Haftung des Vaters intakt lassen sollte, erschien Ulpian wohl ebenfalls keine gangbare Lösung zu sein. Der Jurist suchte daher nach einem gesunden „Mittelweg“, der es ihm erlaubte, die Natur der adjektizischen Haftung des Hausvaters nicht zu durchbrechen, aber eine Begünstigung des Vaters durch die i. i. r. des Sohnes dadurch einzuschränken, dass er die Möglichkeit der Restitution des Sohnes ausschloss, wenn nicht der Sohn, sondern der Vater von dem Gläubiger verklagt worden war. Ulpian geht nicht explizit darauf ein, ob der Sohn auch die Wiedereinsetzung erlangen sollte, solange der Gläubiger weder gegen ihn noch gegen seinen Vater Klage erhoben hatte. Aus dem Wortlaut der Stelle lassen sich sowohl Argumente für eine Verneinung als auch für eine Bejahung dieser Frage ableiten: Einerseits könnte man aus dem letzten Absatz der Passage a) (ego autem [. . .] puta si sit obligatus) im Zusammenhang mit den aus Passage b) und d) stammenden Aussagen si igitur filius conveniatur, postulet auxilium [. . .] und [. . .] si filius conveniatur, poterit restitui darauf schließen, dass das Bestehen einer persönlichen Verpflichtung als solcher für Ulpian zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für eine Gewährung der i. i. r. des Haussohnes darstellte: Nur wenn dieser auch wirklich von seinem Gläubiger verklagt wurde, sollte er wiedereingesetzt werden können. Andererseits ließe sich auch argumentieren, Ulpian behandle in den Passagen b) und d) eben den typischen Fall, dass erst dann eine Wiedereinsetzung des Sohnes in Betracht gezogen wurde, wenn der Gläubiger bereits Klage gegen ihn oder seinen Vater erhoben hatte. Folgt man dieser Deutung, ließe sich aus der auf die Situation einer bereits erfolgten Klage gemünzten Grundentscheidung nicht folgern, dass allein das Bestehen einer Verbindlichkeit des Haussohnes für die Wiedereinsetzung desselben nicht genügen sollte.233 Der in Passage a) formulierte Gedanke, dass der Sohn wiedereingesetzt werden soll, wenn er selbst verpflichtet 233 Für die Möglichkeit, den Haussohn vor einer Klageerhebung wiedereinzusetzen, s. z. B. Faber, Rationalia, Bd. I, 565: „Nec solum si conveniatur ut textus noster ait: Sed & prius quàm conveniatur.“
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wurde (si obligatus sit), stünde dann neben der Grundentscheidung und würde durch sie lediglich für den Fall einer bereits erfolgten Klageerhebung, nicht jedoch prinzipiell eingeschränkt. Da der Wortlaut zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, seien die Konsequenzen des einen oder anderen Verständnisses in die Waagschale geworfen: Geht man davon aus, dass der Haussohn auch schon vor Klageerhebung die Wiedereinsetzung beantragen konnte, so hätte dies zur Konsequenz, dass es letztlich zu einem prozessrechtlichen „Wettlauf“ zwischen Gläubiger und Haussohn kommen könnte: Stellte der Sohn den Antrag auf Wiedereinsetzung, bevor der Gläubiger die Klage gegen den Vater erhoben hatte, wurde die Wiedereinsetzung gewährt, weil der Gläubiger noch immer gegen den Sohn vorgehen könnte. Der Vater wurde dann mit der Gewährung der i. i. r. des Sohnes von seiner Verpflichtung befreit. Hatte dagegen der Gläubiger Klage gegen den Vater erhoben, bevor der Sohn die i. i. r. beantragte, wurde die i. i. r. des Sohnes verweigert und der Vater verurteilt. Dieses Ergebnis erscheint willkürlich und ist somit wenig befriedigend. Geht man andererseits davon aus, dass der Sohn die i. i. r. erst dann (erfolgreich) beantragen konnte, wenn der Gläubiger bereits Klage gegen ihn erhoben und sich somit die Gefahr einer Verurteilung konkretisiert hatte, so ist folgendes Szenario denkbar: Wenn es dem Gläubiger gerade darauf ankam, den Sohn verurteilt zu sehen, konnte er theoretisch abwarten, bis der Sohn die Volljährigkeit erreicht hatte und auch die Frist für die Beantragung der i. i. r. verstrichen war (ein Jahr ab dem Erreichen der Volljährigkeit)234. Die Verjährung der eigenen Klagemöglichkeit hätte er zumeist nicht zu befürchten.235 Hätte er solange abgewartet, könnte er dann gegen den Haussohn vorgehen, der ihm die i. i. r. dann nicht mehr entgegensetzen könnte. Das seltsame Ergebnis dieses Textverständnisses wäre also, dass der Gläubiger durch die Verzögerung der Klageerhebung dem Haussohn das Mittel der i. i. r. aus der Hand schlagen könnte. Dagegen kann man nun einwenden, dass dieser Fall nicht gerade häufig gewesen sein wird, wird es dem Gläubiger doch ganz überwiegend darum gegangen sein, an sein Geld zu kommen und nicht, persönliche Fehden gegen den jeweils betroffenen Haussohn auszufechten. Auch wird kaum ein Gläubiger bewusst eine derartige Verzögerung mit unsicherem Ausgang in Kauf genommen haben. Weiterhin ließe sich erwägen, ob nicht ohnehin der Prätor einem in dieser Weise nach Ablauf der Restitutionsfrist verklagten Haussohn gegen den Gläubiger eine exceptio doli gewährt hätte. Es erscheint unter Berücksichtigung der soeben vorgenommenen Folgenabwägung wahrscheinlicher, dass Ulpian eine Wiedereinsetzung des Sohnes, bevor der Gläubiger Klage gegen den Sohn oder den Vater erhoben hatte, verneint hätte. Seine prozessrechtliche Begrenzung der i. i. r. auf den verklagten Haussohn ermöglichte eine Begünstigung des Sohnes, wenn diesem 234 235
s. § 2, A. I. 7. s. Kaser/Knütel, RP, 41.
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die Verurteilung konkret drohte. Wurde der Sohn dann wiedereingesetzt, ließ sich eine Befreiung auch des Vaters zwar nicht vermeiden. Allerdings wurde dies in Kauf genommen, weil es dem Gläubiger schließlich freistand, direkt den Vater mit der an das jeweilige Geschäft des Sohnes angepassten actio quod iussu oder de peculio zu verklagen. Ging der Gläubiger so vor, wurde die i. i. r. des Sohnes verweigert und der Vater verurteilt. Durch die soeben beschriebene Beschränkung der Gewährung des außerordentlichen Rechtsbehelfs der i. i. r. des Minderjährigen, wenn dieser Minderjährige gleichzeitig ein Haussohn war, erhielten die Gläubiger einen deutlichen Anreiz, den an sich nur zusätzlich verpflichteten Vater wie einen Alleinverpflichteten anzusehen und unmittelbar gegen ihn vorzugehen. Wenn nun Ulpian in Passage b) schreibt: sed an hoc auxilium patri quoque prosit, ut solet interdum fideiussori eius prodesse, videamus: et non puto profuturum kann nach dem Gesagten gerade nicht gemeint gewesen sein, dass der Vater durch eine i. i. r. nie von seiner Haftung befreit wurde. Denn, wie erläutert,236 setzte Ulpian im Gegenteil eine Befreiung des Vaters durch die Wiedereinsetzung des Sohnes voraus. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Ulpian in dem zitierten Satz zum Ausdruck bringen wollte, dass der mit der adjektizischen Klage verklagte Hausvater niemals die Wiedereinsetzung des Sohnes beantragen konnte, um auf diese Weise die Befreiung von der eigenen Verbindlichkeit herbeizuführen. Im Gegensatz dazu konnte der aus der mit der condictio oder der actio ex stipulatu verklagte Bürge237 die Wiedereinsetzung des Minderjährigen interdum, also bisweilen, herbeiführen, und zwar immer dann, wenn der Bürge das Risiko der i. i. r. nicht vertraglich übernommen hatte.238 Immer dann, wenn der Bürge dadurch von seiner Schuld befreit würde, dass dem minderjährigen Hauptschuldner die Restitution auf seinen eigenen Antrag hin gewährt würde, sollte auch der Bürge selbst, wenn der Gläubiger ihn statt des Hauptschuldners vor Gericht lud, ebenfalls die Restitution des Minderjährigen beantragen können.239 236
s. § 3, C. IV. 3. a) aa). Die condictio stand dem Gläubiger zu, wenn der Bürge ein certum versprochen hatte, die actio ex stipulatu, wenn ein incertum stipuliert wurde, s. Ulp. D. 12,1,24; Inst. 3,15 pr.; Kaser, RP I, 542. 238 s. § 3, B. 239 Der Wortlaut der Textpassage b) ließe freilich auch das Verständnis zu, dass eine Wiedereinsetzung des Minderjährigen auch nach der Klageerhebung gegen den Bürgen nur möglich sein sollte, sofern der Minderjährige selbst den Antrag auf Wiedereinsetzung stellte, und dass im Gegensatz dazu dem Minderjährigen ein Antrag auf seine Wiedereinsetzung im Falle der Klageerhebung gegen den Vater verweigert werden sollte. Diese Lösung kann nicht ausgeschlossen werden, gegen sie spricht jedoch die Überlegung, dass der Minderjährige de facto nach der Klageerhebung gegen den Bürgen kein Interesse mehr an der eigenen Wiedereinsetzung hatte (wie im Text sogleich erläutert wird) und dass es deshalb unwahrscheinlich ist, dass der Prätor die Befreiung 237
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Teil 2: Einzelne Fallkonstellationen
Beantragte der verklagte Bürge die Wiedereinsetzung des Minderjährigen und wurde diese nach Prüfung der Voraussetzungen gewährt, führte dies zwar de iure zu einem Erlöschen der Hauptverpflichtung und, da der Bürge das Restitutionsrisiko nicht übernommen hatte, auch zu einem Erlöschen der Bürgenschuld. De facto wirkte sich die Wiedereinsetzung aber allein zu Gunsten des Bürgen aus. Dies hängt mit der Konsumtionskonkurrenz zwischen der Klage des Gläubigers gegen den Hauptschuldner und seiner Klage gegen den Bürgen zusammen: Der Gläubiger erhielt zwar in Gestalt des Bürgen einen weiteren Schuldner, er hatte jedoch nur bis zum Zeitpunkt der Streitbefestigung (litis contestatio) die Wahl, ob er sich an den Hauptschuldner oder den Bürgen wenden wollte. Nachdem die litis contestatio vorgenommen worden war, war die Klage gegen den jeweils anderen Schuldner ausgeschlossen.240 Wenn nun der Bürge im Rahmen des Verfahrens vor dem Prätor die i. i. r. des Minderjährigen erreichen konnte, geschah dies vor einer Streitbefestigung des Gläubigers und des Bürgen; die Klage des Gläubigers gegen den Minderjährigen war damit zwar noch nicht konsumiert, sodass der Minderjährige von seiner Verpflichtung durch die i. i. r. tatsächlich befreit wurde. Dass die Wiedereinsetzung des Minderjährigen aber in dieser Konstellation de facto letztlich nur zu Gunsten des Bürgen durchgeführt wurde, zeigt sich, wenn man sich die Folgen für den Minderjährigen vor Augen führt, wenn seine Wiedereinsetzung anlässlich der Klage gegen den Bürgen verweigert worden wäre: In diesem Fall wäre es zur Einsetzung eines Urteilsgerichts durch den Prätor und zur litis contestatio zwischen dem Gläubiger und dem Bürgen gekommen, sodass die Klage des Gläubigers gegen den minderjährigen Hauptschuldner konsumiert worden wäre. In der beschriebenen Konstellation der Wiedereinsetzung des Minderjährigen auf Antrag des verklagten Bürgen stellt die Befreiung des Minderjährigen gleichsam lediglich eine notwendige Nebenwirkung der Restitution dar, ihr eigentlicher Begünstigter ist der Bürge. b) Gai. D. 4,4,27 pr.: Die Wiedereinsetzung des Sohnes gegen dessen Willen auf Antrag des Vaters? Bestätigung der oder Widerspruch zu der Grundentscheidung Ulpians in D. 4,4,3,4? Gaius spricht sich in D. 4,4,27 pr. dafür aus, dem Hausvater auch dann die Wiedereinsetzung des minderjährigen Sohnes zu gewähren, wenn der Sohn selbst nicht wiedereingesetzt werden will. Schließlich trage der Hausvater das Risiko, mit der Klage aus dem Sondergut belangt zu werden. Die anderen Verwandten des minderjährigen Haussohnes könnten dagegen nur mit dessen Willen die Wiedereinsetzung beantragen:
eines Bürgen, der das Restitutionsrisiko nicht übernommen hatte, von der unsicheren Kooperationsbereitschaft des Minderjährigen abhängig machen wollte. 240 s. Kaser/Knütel, 303; Kaser, RP I, 665.
§ 3 Die positive Drittwirkung der Minderjährigenrestitution
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Gai D. 4,4,27 pr. (4 ad ed. prov.) Patri pro filio omnimodo praestanda restitutio est, licet filius restitui nolit, quia patris periculum agitur qui de peculio tenetur. ex quo apparet ceteros cognatos vel adfines alterius esse condicionis, nec aliter audiri oportere, quamsi ex voluntate adulescentis postulent aut eius vitae sit iste adulescens, ut merito etiam bonis ei debeat interdici.
Für die hier vertretene Ansicht, dass Ulpian zunächst davon ausging, mit einer Wiedereinsetzung des minderjährigen Sohnes entfalle ebenfalls die erfolgreiche Klagemöglichkeit gegen den Hausvater, stellt das zitierte Gaiusfragment eine Bestätigung dar: Die Berechtigung des Vaters, die Wiedereinsetzung des Sohnes auch gegen dessen Willen erfolgreich zu beantragen, wird gerade mit dessen Haftung aus der actio de peculio begründet. Mit anderen Worten: Weil der Vater bis zur Wiedereinsetzung des Sohnes, und eben danach nicht mehr, mit der actio de peculio haftet, soll er selbst ohne die Zustimmung des Sohnes die i. i. r. herbeiführen können. Ulpian und Gaius gehen also zunächst beide von der materiellrechtlichen Verknüpfung zwischen der prätorischen Aufhebung der Verpflichtung des Minderjährigen mit der Aufhebung auch der Verpflichtung des Vaters aus. Allerdings, und dies ist sehr wichtig, stimmen beide nicht überein, was die Bewertung dieser als gegeben angesehenen „Schicksalsgemeinschaft“ der Haftung von Vater und Sohn angeht. Während Ulpian die so herbeigeführte Begünstigung des Hausvaters gewissermaßen als notwendiges Übel ansieht, welches er dann in einem zweiten Schritt durch die Begrenzung der Restitution auf den Fall, dass der Sohn bereits verklagt wurde, einzudämmen sucht, sieht Gaius keinerlei Anlass, der indirekten Bevorteilung des Vaters entgegenzutreten. Vielmehr scheint er davon auszugehen, dass die tatsächlich eintretende Begünstigung des Vaters durch die i. i. r. des Sohnes ein hinreichendes Argument sei, dem Vater auch gegen den Willen des widerspenstigen Nachwuchses die Wiedereinsetzung des Sohnes zu ermöglichen. Nach der Logik der Argumentation des Gaius müsste also folgerichtig der pater familias erst recht die i. i. r. des Sohnes beantragen können, wenn der Gläubiger bereits die actio de peculio beim Prätor gegen ihn beantragt hat. Ulpian schließt dagegen in D. 4,4,3,4 die i. i. r. des Sohnes nach erfolgter Klageerhebung gegen den Vater explizit aus: [. . .] si quidem pater de peculio conveniatur, filius non erit restituendus [. . .]. Gai. D. 4,4,27 pr. stimmt nach dem Gesagten mit Ulpian D. 4,4,3,4 insoweit überein, als beide Juristen von einer Begünstigung des Vaters durch die i. i. r. des Sohnes ausgehen. Sie bewerten diesen Effekt jedoch gegensätzlich: Ulpian versucht ihm prozessual entgegenzuwirken, Gaius ihn durch eine Erweiterung der Antragsbefugnis zu Gunsten des Vaters sogar noch zu unterstützen. Bevor dieses Ergebnis jedoch als solches festgehalten werden kann, muss auf eine gänzlich andere Lesart von Gai. D. 4,4,27 pr., die Ankum in seinem Aufsatz
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zur rechtlichen Situation des minderjährigen Haussohnes vorschlägt,241 eingegangen werden. Ankum ist, wie dargelegt,242 überzeugt, dass Ulpian die Ansicht vertreten habe, eine Wiedereinsetzung des Haussohnes befreie den Hausvater in keinem Fall von seiner adjektizischen Haftung. Nach Ankum teilte auch Gaius diese Einschätzung: Gai. D. 4,4,27 pr. sei nicht so zu verstehen, dass der Vater die i. i. r. des Sohnes in seinem eigenen Interesse habe beantragen können, nämlich, um sich von seiner Haftung zu befreien. Vielmehr habe Gaius aussagen wollen, dass immer dann, wenn der Sohn seine Wiedereinsetzung nicht für nötig halte, weil er ohnehin davon ausgehe, dass der Gläubiger nicht gegen ihn selbst, sondern gegen den Vater mittels der actio de peculio vorgehen werde, der Vater im Interesse des Sohnes dessen Wiedereinsetzung dennoch beantragen könne.243 Die von Ankum vorgeschlagene Interpretation der Fragments ist jedoch abzulehnen: Weder ist sie mit dem Wortlaut von Gai. D. 4,4,27 pr. zu vereinbaren, noch überzeugt ihre interne Logik: Nach Ankum liefert die Passage [. . .] quia patris periculum agitur qui de peculio tenetur die Motivation für die unmittelbar zuvor getätigte Aussage [. . .] licet filius restitui nolit [. . .]: Der Haussohn halte es nicht für nötig, die i. i. r. zu beantragen, weil schließlich auch sein Vater hafte und die Gläubiger sich sicher an diesen halten würden, statt ihn, den Sohn, zu verklagen.244 Wenn man nur den ersten Satz von Gai. D. 4,4,27 pr. betrachtet, ist dieses Verständnis sicher möglich. Nimmt man jedoch auch den zweiten Satz245 in den Blick, wird Ankums Lesart des ersten Satzes seiner Plausibilität beraubt. Der Satz beschäftigt sich mit sonstigen mit dem minderjährigen Haussohn verwandten oder verschwägerten Personen: Diese dürfen die i. i. r. des Minderjährigen nur mit Zustimmung des Minderjährigen beantragen (wie jeder andere Prozessvertreter auch), oder aber, wenn der Minderjährige einen exzessiv verschwenderischen Lebensstil pflegt. Wichtig ist, dass der zweite Satz durch die ersten Worte (ex quo apparet [. . .]) in ein bestimmtes Verhältnis zu dem ersten Satz gesetzt wird: Die Aussage des zweiten Satzes soll aus der Aussage des ersten Satzes folgen. Nach Ankums Interpretation liefert der letzte Halbsatz des ersten Satzes (ab quia patris) die Be-
241
s. Ankum, Filius familias mineur, 12 ff. s. § 3, C. IV. 2. 243 s. zu dem Gesagten: Ankum, Filius familias mineur, 13 f. 244 Ankum, Filius familias mineur, 13. 245 Zwar weist Ankum, Filius familias mineur, 12, Fn. 28, darauf hin, dass Beseler und Krüger den gesamten zweiten Teil der Quelle (ab ex quo) für postklassisch halten, er selbst zweifelt jedoch lediglich an der Authentizität des letzten Teilsatzes (ab aut eius). 242
§ 3 Die positive Drittwirkung der Minderjährigenrestitution
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gründung dafür, dass der Sohn in der Vater-Fallvariante keine Motivation hat, die Wiedereinsetzung zu beantragen.246 Wieso sollte die im zweiten Satz erwähnte gegenüber der Einflussmöglichkeit des Vaters geringere Einflussmöglichkeit der sonstigen Verwandten des Minderjährigen auf dessen Wiedereinsetzung daraus folgen, dass der Sohn wegen der gegen den Vater eröffneten Klagemöglichkeit davon absieht, die i. i. r. zu beantragen? Die Verknüpfung des zweiten Satzes mit dem ersten ist viel einfacher zu erklären, wenn man die Aussage des ersten Satzes, die durch das natürliche Verständnis des Wortlauts nahegelegt wird, auch als richtig akzeptiert: Der Vater wird, was die Beantragung der i. i. r. betrifft, privilegiert, gerade weil er, sollte der Sohn sich weigern, selbst den Antrag zu stellen, adjektizisch haftet ([. . .] quia patris periculum agitur qui de peculio tenetur). Daraus folgt (ex quo apparet [. . .]), dass die anderen Verwandten, die nicht adjektizisch haften und daher auch kein Risiko eingehen, wenn der Sohn die Antragstellung verweigert, auch nicht in dieser Weise privilegiert werden müssen. Darüber hinaus ist Ankums Verständnis des ersten Satzes auch sachlich sehr zweifelhaft: Welches Interesse des Sohnes sollte der Vater denn genau verteidigen wollen, wenn er, ohne selbst begünstigt zu werden, auf die Wiedereinsetzung desselben drängt? Wenn der Sohn, wie Ankum argumentiert, gerade deshalb zu träge oder gleichgültig247 ist, weil er glaubt, die Gläubiger würden sich ohnehin an den Vater halten, dann könnte er schließlich immer noch dann, wenn er entgegen seiner Erwartung doch verklagt würde, den Antrag auf Wiedereinsetzung stellen. Der Vater hätte dem Sohn durch sein Einschreiten dann höchstens die „Unannehmlichkeit“ erspart, von dem Vertragsgegner durch die Erhebung der Klage zur Beantragung der i. i. r. gebracht zu werden, anstatt sie vorsorglich gleich zu beantragen. Dass dieser für den Sohn im Ergebnis unbedeutende Unterschied den Grund geliefert haben soll, um den Hausvater gegenüber den sonstigen Familienmitgliedern hervorzuheben, erscheint extrem unwahrscheinlich. Die Sichtweise Ankums überzeugt daher nicht248. Das zuvor bereits formulierte Ergebnis zum Verhältnis von Ulp. D. 4,4,3,4 und Gai. D. 4,4,27 pr. kann somit aufrechterhalten werden: Beide Juristen gehen von einer Befreiung des Hausvaters durch die i. i. r. seines minderjährigen Sohnes aus, Ulpian missbilligt diesen Konnex und versucht die Bevorteilung des Vaters zu begrenzen, Gaius unterstreicht sogar noch das besondere Interesse des Vaters selbst an der Restitution des Sohnes.
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Ankum, Filius familias mineur, 13. So Ankum: „indifférent“, Filius familias mineur, 13. 248 Gegen die Interpretation Ankums nun auch Musumeci, Protezione pretoria, 23 f. Musumeci geht von einer Möglichkeit der Wiedereinsetzung des Vaters selbst in dessen eingenem Interesse aus. 247
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Teil 2: Einzelne Fallkonstellationen
c) Paul. D. 4,4,24 pr.: Die Wiedereinsetzung des Minderjährigen im Interesse des Geschäftsherrn bei nachteiliger Fremdgeschäftsführung des Minderjährigen In Paul. D. 4,4,24 pr. wird zwar nicht die Wiedereinsetzung minderjähriger Haussöhne thematisiert, sondern die Wiedereinsetzung eines Minderjährigen, der sich ungefragt in die Geschäfte eines Volljährigen eingemischt hat. Die Quelle wird dennoch an dieser Stelle eingeführt, weil die aus ihr erkennbaren allgemeinen Wertungen hinsichtlich der Begünstigung Dritter durch die Minderjährigenrestitution zu den in Ulp. D. 4,4,3,4 und Gai. D. 4,4,27 pr. enthaltenen Wertungen in Beziehung gesetzt werden können. Allerdings ist bei der Zuordnung der Inhalte von D. 4,4,24 pr. Vorsicht geboten. Nach der Angabe in den Digesten stammt das Fragment D. 4,4,24 aus den Sentenzen des Paulus, einem Werk, das entgegen seiner Bezeichnung nicht von Paulus selbst stammt; vielmehr handelt es sich um eine am Ende des 3. Jahrhunderts n. Chr. entstandene Auswertung der Schriften verschiedener klassischer Autoren.249 Würde das gesamte Fragment aus den Sentenzen stammen, könnte folglich die in D. 4,4,24 pr. enthaltene Argumentation gar nicht dem Paulus zugeordnet werden. Tatsächlich stammt aber entgegen der in den Digesten vorgenommenen Zuschreibung wohl allein der erste Satz des principium (jedenfalls in seiner Grundaussage) aus den Pauli sententiae und der sonstige Text des Fragments aus dem 11. Buch des Ediktskommentars des Paulus.250 Pauli sent. 1,18(9),2: Qui minori mandavit, ut negotia sua agat, ex eius persona in integrum restitui non potest, nisi minor sua sponte negotiis eius intervenerit.
Dieser wohl nicht aus der Feder des Paulus stammende Satz wurde in die Digesten in der folgendermaßen abgewandelten Form aufgenommen: Paul. D. 4,4,24 pr. (1 sent.) Quod si minor sua sponte negotiis maioris intervenerit, restituendus erit, ne maiori damnum accidat.
Die in den Digesten verwandte Variante greift den in den Paulussentenzen mit „nisi“ eingeleiteten Nebensatz auf: Wenn der Minderjährige sich aus eigenem Antrieb (also gerade ohne dazu beauftragt worden zu sein) in die Geschäfte eines Volljährigen einmischt, dann kann der Minderjährige wiedereingesetzt werden. Die Formulierung in den Digesten fügt diesem Gedanken noch eine „Begründung“ an: Der Minderjährige sei wiedereinzusetzen, damit der Volljährige keinen 249 Liebs, Römische Jurisprudenz in Afrika, 41 ff.; Liebs in: Herzog/Schmidt, Handbuch der lateinischen Literatur, Bd. V, 65 ff. 250 Lenel, Palingenesia, Bd. I, 985, Fn. 3, unter Berufung auf Cujaz. So auch Kupisch in: C.I.C., Text und Übersetzung, Bd. II, 394 Fn. 1.
§ 3 Die positive Drittwirkung der Minderjährigenrestitution
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Schaden erleide ([. . .] ne maiori damnum accidat). Diese Formulierung steht in klarem Widerspruch zu dem von Ulpian in D. 4,4,3,4 geäußerten Grundsatz, dass die Minderjährigenrestitution nicht das Ziel habe, Volljährige zu begünstigen ([. . .] quod nequaquam fuit praetori propositum: praetor enim minoribus auxilium promisit, non maioribus). Dem Paulus ist sie jedoch nicht zuzuschreiben (siehe oben). Aus ihr lässt sich lediglich ableiten, dass jedenfalls die Kompilatoren unter Justinian die Begründung der Wiedereinsetzung eines Minderjährigen mit der Begünstigung eines Volljährigen nicht als Verstoß gegen den Sinn und Zweck der Minderjährigenrestitution empfanden. Paulus selbst zeigt am Anfang von D. 4,4,23 (11 ad ed.)251, dass er im Grundsatz dem restriktiven Ansatz des Ulpian zu der Begünstigung Dritter durch die Minderjährigenrestitution zustimmt: Cum mandato patris filius familias res administraret, non habet beneficium restitutionis: nam et si alius ei mandasset, non succurreretur, cum eo modo maiori potius consuleretur, cuius damno res sit cessura.
Paulus argumentiert hier in einer Linie mit Ulpian: Ein Minderjähriger, der im Auftrag eines anderen (sei dieser sein Vater oder nicht) ein Geschäft vornimmt, soll nicht restituiert werden, weil sonst dem volljährigen Auftraggeber, den der Schaden treffen sollte, eher geholfen würde als dem Minderjährigen. Es bleibt aber zu fragen, ob der Rest des principium von D. 4,4,24 einen Inhalt aufweist, der mit der von Paulus in D. 4,4,23 geäußerten Ansicht, dass Volljährige möglichst nicht von der i. i. r. des Minderjährigen profitieren sollten, übereinstimmt. Der wohl dem Paulus zuzuordnende Teil252 von D. 4,4,24 pr. lautet wie folgt: quod si hoc facere recusaverit, tunc si conventus fuerit negotiorum gestorum, adversus hanc actionem non restituitur: sed compellendus est sic ei cedere auxilio in integrum restitutionis, ut procuratorem eum in rem suam faciat, ut possit per hunc modum damnum sibi propter minorem contingens resarcire.
Auch wenn man den Beginn des Fragments in seiner Originalversion nicht kennt, so geht doch aus der Satzlogik hervor, dass mit hoc facere allein die Beantragung der i. i. r. durch den Minderjährigen gemeint sein konnte. Wenn der Minderjährige sich weigere, die i. i. r. zu beantragen, solle ihm gegen die actio negotiorum gestorum (des Geschäftsherrn) die Wiedereinsetzung verweigert werden. Also war der Minderjährige nicht aufgrund eines Auftrags tätig geworden, sondern hatte sich vermutlich in interessenwidriger Weise in die Geschäfte des Volljährigen eingemischt. Um den von Paulus vorausgesetzten Sachverhalt zu rekonstruieren, ist somit ein Rückgriff auf den nachklassischen Sen251 Zu dem Inhalt dieser Quelle s. ausführlicher unter § 3, C. IV. 3. d), sowie unter § 5, A. 252 s. die Belege in Fn. 250.
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Teil 2: Einzelne Fallkonstellationen
tenzentext entbehrlich. Paulus führt weiter aus, der Minderjährige sei zu zwingen, den Geschäftsherrn zu seinem Prozessvertreter zu machen, damit dieser seinen ihm durch den Minderjährigen zugefügten Schaden wieder ausgleichen könne. Das einführende „aber“ (sed) erklärt sich wahrscheinlich so: Wenn der Minderjährige sich weigere, die i. i. r. gegen seinen Geschäftspartner zu beantragen, müsse er aber durch die sonst erfolgende Verweigerung der i. i. r. gegen die Geschäftsführungsklage gezwungen werden, den Geschäftsherrn als Prozessvertreter einzusetzen und ihm so die Möglichkeit einzuräumen, selbst von dem Geschäftspartner des Minderjährigen die Rückgängigmachung des schädigenden Geschäfts zu verlangen. Dem Minderjährigen wurde also gegen die Klage des Geschäftsherrn nur dann die i. i. r. erteilt, wenn er diesen zuvor als seinen Prozessvertreter eingesetzt hatte. Kurz zusammengefasst: Nach Paulus wurde die i. i. r. des Minderjährigen gegen die Schadensersatzklage des Geschäftsherrn verweigert, wenn nicht der Minderjährige die Wiedereinsetzung bezüglich des von ihm gegen das Interesse des Geschäftsherrn vorgenommenen Geschäfts beantragt oder die entsprechende Antragsbefugnis auf den Geschäftsherrn überträgt. Allein aus dem Inhalt des nach dem jetzigen Kenntnisstand dem Paulus zuzuschreibenden Teil von D. 4,4,24 pr.253 geht damit hervor, dass Paulus für die Situation des eigenmächtig handelnden Minderjährigen, der durch sein Handeln den Geschäftsherrn schädigt, durchaus versuchte, den Minderjährigen gegen seinen Willen dazu zu bringen, die Wiedereinsetzung letztlich im Interesse des beeinträchtigten Geschäftsherrn zu verlangen. Bemerkenswert ist, dass Paulus in D. 4,4,24 pr. zur Erlangung des angestrebten Zieles, nämlich der Restitution des Minderjährigen, nicht so weit geht wie Gaius hinsichtlich des Hausvaters oder Ulpian in den genannten begrenzten Fällen im Hinblick auf den Bürgen.254 Paulus räumt dem Geschäftsherrn nicht die Möglichkeit ein, unmittelbar die i. i. r. selbst gegen den Willen des Minderjährigen zu beantragen. Vielmehr schlägt Paulus vor, den Minderjährigen dadurch zu einer Rückabwicklung des vorgenommenen Geschäfts zu drängen, dass diesem, sollte er sich weigern, diese Rückabwicklung selbst zu beantragen oder dem Geschäftsherrn zu ermöglichen, die Wiedereinsetzung gegen die (auf Schadenersatz gerichtete)255 actio negotiorum gestorum des Geschäftsherrn nicht gewährt wird. Paulus strebt also die Restitution des Minderjährigen im Interesse des Dritten (hier: des Geschäftsherrn) an, selbst wenn der Minderjährige aus eigenem Antrieb die i. i. r. nicht beantragt hätte. Der Benachteiligte wäre der Geschäftspartner des Minderjährigen, der, wenn es nur nach dem eigenen Willen des Minderjährigen gegangen wäre, um eine Rückabwicklung herumgekommen wäre. Aus
253
s. Fn. 250. s. § 3, C. IV. 3. b) und § 3, C. IV. 3. a) bb). 255 Der Geschäftsführer haftete bei pflichtwidriger Geschäftsführung auch für culpa und eventuell sogar für Zufall, s. Pomp. D. 3,5,10; Kaser/Knütel, RP, 255. 254
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einem anderen Blickwinkel liegt die Entscheidung des Paulus jedoch freilich auch im Interesse des Minderjährigen selbst: Dieser kann durch die Wiedereinsetzung gegenüber seinem Geschäftspartner, sei es, dass er sie selbst beantragt oder dass der Geschäftsherr sie aus „abgetretenem“ Recht herbeiführt, der Inanspruchnahme durch den Geschäftsherrn aus der actio negotiorum gestorum entgehen. d) Die Grundentscheidung Ulpians in D. 4,4,3,4 und die Verneinung der Wiedereinsetzung des minderjährigen Haussohnes als beauftragtem Vermögensverwalter nach Paul. D. 4,4,23 Wichtig erscheint noch die Abgrenzung der Entscheidung Ulpians in D. 4,4,3,4, persönlich verpflichteten und verklagten Haussöhnen grundsätzlich die Wiedereinsetzung zu gewähren, auch wenn sie auf Geheiß ihres Vaters die Verpflichtung eingegangen sind, von der Entscheidung des Paulus in D. 4,4,23 gegen die Wiedereinsetzung eines minderjährigen Haussohnes, der im Auftrag seines Vaters dessen Vermögen verwaltet256. Paul. D. 4,4,23 (11 ad ed.)257 Cum mandato patris filius familias res administraret, non habet beneficium restitutionis: nam et si alius ei mandasset, non succurreretur, cum eo modo maiori potius consuleretur, cuius damno res sit cessura. Sed si eventu damnum minor passurus sit, quia quod praestiterit servare ab eo cuius negotia gessit non potest, quia is non erit solvendo, sine dubio praetor interveniet. [. . .].
Paulus beginnt seine Ausführungen mit der Feststellung, dass einem Haussohn, der im Auftrag des Vaters mit der Verwaltung von Vermögen betraut sei, die Möglichkeit der Wiedereinsetzung nicht zustehe. Als Begründung für diese Entscheidung führt der Jurist unter Bildung eines Parallelfalls an, dass schließlich der Minderjährige auch dann nicht wiedereingesetzt würde, wenn er im Auftrag einer anderen Person, also nicht im Auftrag seines Vaters, gehandelt hätte. Der Grund wiederum, warum der beauftragte Minderjährige in dem Parallelfall nicht wiedereingesetzt werde, liege darin, dass man durch dessen Wiedereinsetzung eher dem Volljährigen (also dem Auftraggeber) helfen würde, zu dessen Nachteil die Angelegenheit aber gehen sollte. Allerdings werde der Prätor immer dann einschreiten, wenn der Minderjährige bereits versucht habe, die von ihm bei der Führung des Geschäfts getätigten Ausgaben von seinem Geschäftsherrn ersetzt zu bekommen, letzterer aber wegen eigener Zahlungsunfähigkeit den Minderjährigen nicht befriedigen konnte. 256
s. zu diesem Fall schon kurz bei § 3, C. IV. 3. c). Im Zusammenhang mit den Ausführungen Ulpians zur Wiedereinsetzung minderjähriger Haussöhne interessiert lediglich der hier zitierte erste Teil der Quelle. Auf den gesamten Inhalt der Quelle Paul. D. 4,4,23 wird an späterer Stelle noch eingegangen, s. unten, § 5, A. 257
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Teil 2: Einzelne Fallkonstellationen
Es stellt sich die Frage, ob die von Paulus vorgenommene grundsätzliche Verweigerung der Restitution des minderjährigen Haussohnes, der im Auftrag seines Vaters Vermögen verwaltet (res administraret) im Widerspruch zu der von Ulpian in D. 4,4,3,4 getroffenen Grundentscheidung steht,258 dass in Pekuliarangelegenheiten ein minderjähriger Haussohn, der persönlich eine Verpflichtung eingegangen ist und daraufhin verklagt wurde, in den vorigen Stand wiedereinzusetzen sei, grundsätzlich auch dann, wenn er auf iussum des Vaters gehandelt hat. Auch ein minderjähriger Haussohn, der als Beauftragter des Vaters eine Verbindlichkeit eingeht, wäre persönlich verpflichtet und würde daher auch verklagt werden können.259 Nach der Logik der Entscheidung Ulpians in D. 4,4,3,4 müsste daher auch dem minderjährigen von seinem Vater beauftragten Haussohn eine Wiedereinsetzung gewährt werden, sobald er selbst verklagt würde. Paul. D. 4,4,23 stünde damit diesbezüglich in Widerspruch zu Ulp. D. 4,4,3,4. Es ist jedoch gegen die Feststellung eines solchen Widerspruchs anzuführen, dass Paulus in D. 4,4,23 nicht die allgemeine Frage nach der Wiedereinsetzung minderjähriger Haussöhne aufwirft, sondern vielmehr lediglich feststellen will, dass für einen Haussohn als Beauftragtem des Vaters nichts anderes gelten dürfe als für jeden anderen minderjährigen Beauftragten auch, dem eine Wiedereinsetzung zunächst verweigert wird, weil das von diesem vorgenommene Geschäft und damit auch der dadurch entstandene Schaden zwar nicht rechtlich, aber faktisch dem Auftraggeber zugeordnet wird260. Dass sich Paulus in dieser Textstelle 258 Ein Widerspruch zu der Entscheidung des Paulus in D. 4,4,24 pr. [s. soeben bei § 3, C. IV. 3. c)], einem ohne Auftrag handelnden Minderjährigen die Wiedereinsetzung zu gewähren, ist dagegen nicht zu vermuten, da Paulus in D. 4,4,23 die Verweigerung der Wiedereinsetzung gerade mit dem Vorliegen eines Auftrags begründet. 259 Das Mandat begründete nur Verpflichtungen zwischen dem Auftragnehmer und dem Auftraggeber, ihm kam keinerlei Außenwirkung zu, Kaser/Knütel, RP, 252; Honsell/Mayer-Maly/Selb, RR, 338. Ankum, Filius familias mineur, 18 f., argumentiert zu Paul. D. 4,4,23, der minderjährige Auftragnehmer habe an der Wiedereinsetzung kein Interesse. Auch sei der minderjährige Auftragnehmer seinem Auftraggeber wegen seines jungen Alters nicht haftbar. Beide Aussagen sind zweifelhaft. Erstens besteht kein Grund, die Haftung jedes minderjährigen Auftragnehmers gegenüber seinem Auftraggeber aus der actio mandati grundsätzlich zu verneinen. Dass der beauftragte Haussohn in dem spezfisch geschilderten Fall nicht von seinem Vater verklagt werden konnte, liegt nicht an dem Alter des Sohnes, sondern daran, dass Verpflichtungen zwischen Vater und dem in seiner Gewalt stehenden Sohn generell nur Naturalobligationen darstellen, s. Gai. D. 5,1,4; Afr. D. 12,6,38,1. Außerdem ist damit noch nicht geklärt, warum der Haussohn nicht ein Interesse an einer Restitution gegen seinen jeweiligen Geschäftspartner haben soll, hinsichtlich des Geschäfts, das er im Auftrag des Vaters mit diesem abgeschlossen hat. Möglicherweise denkt Ankum an die Vornahme rein tatsächlicher Handlungen durch den Haussohn im Auftrag des Vaters. In diesem Fall wäre allerdings wieder fraglich, wieso die i. i. r. überhaupt extra ausgeschlossen werden müsste, da der Minderjährige in solchen Fällen regelmäßig keinem Restitutionsgegner gegenübergestanden haben wird und eine i. i. r. allein schon deshalb nicht möglich wäre. 260 So bereits Kroppenberg, Insolvenz, 8, unter Verweis auf Kreller, Edikt de negotiis gestis, 393.
§ 3 Die positive Drittwirkung der Minderjährigenrestitution
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nicht näher mit der Situation des filius familias beschäftigt hat, zeigt auch sein Schweigen dazu, wie die am Ende des hier zitierten Textes vorgeschlagene differenzierte Regelung, die eine Wiedereinsetzung des Minderjährigen doch wieder zulässt, wenn der Auftraggeber zahlungsunfähig ist, für einen beauftragten minderjährigen Haussohn genau funktionieren sollte. Ein rechtlich selbständiger Minderjähriger kann seinen Auftraggeber mit der actio mandati contraria auf Aufwendungs- und Schadensersatz verklagen261 und dann, sollte der Auftraggeber sich als insolvent erweisen, nach Ansicht des Paulus eben doch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen den Geschäftspartner erlangen können. Ein Haussohn konnte aber seinen Vater nicht verklagen, die Verbindlichkeiten zwischen Sohn und Vater galten nur als Naturalobligationen.262 Sollte also dem beauftragten Haussohn dann die i. i. r. offenstehen, wenn sein Vater im Rahmen seiner Befugnisse entschieden hatte, dem Sohn die Kosten aus dem Auftrag nicht zu erstatten? Paulus geht auf diese Problematik nicht ein, weil eben nicht der minderjährige Haussohn, sondern der beauftragte Minderjährige als solcher, der in manchen Fällen auch ein Haussohn war, in seinem Fokus stand. Weiterhin sei gegen die Annahme eines Widerspruchs zwischen den Quellen angemerkt, dass zwar in der Vereinbarung eines mandatum durch Vertrag263 regelmäßig das in Ulp. D. 4,4,3,4 erwähnte iussum enthalten war, alle für die Durchführung des Auftrags notwendigen Geschäfte vorzunehmen.264. Ein iussum seinerseits setzt aber keinesfalls immer ein Auftragsverhältnis zwischen dem Angewiesenen und dem Anweisenden voraus. Paulus bezog sich in D. 4,4,23 also auf eine Situation, die nicht zwingend auch in Ulp. D. 4,4,3,4 gemeint war. Zusammenfassend zeigt die Gegenüberstellung der in Ulp. D. 4,4,3,4 und Gai. D. 4,4,27 pr., Paul. D. 4,4,24 pr. und Paul. D. 4,4,23 erkennbaren Argumentationsstrukturen der drei Juristen zur Frage der Begünstigung Dritter durch die i. i. r. propter aetatem, dass jedenfalls Ulpian und Paulus einer positiven Drittwirkung der Minderjährigenrestitution generell skeptisch gegenüberstanden, weil sie sie als mit dem Sinn und Zweck des Minderjährigenedikts (jedenfalls im Grundsatz) nicht vereinbar empfanden. Diese Grundhaltung hielt jedoch weder Ulpian noch Paulus davon ab, in besonderen Konstellationen die positive Drittwirkung zu bejahen und als begrüßenswerten Effekt der i. i. r. des Minderjährigen zu bewerten (Ulpian hinsichtlich des Bürgen, der das Restitutionsrisiko nicht übernommen hatte, Paulus hinsichtlich des Geschäftsherrn, in dessen Geschäfte sich der Minderjährige interessenwidrig eingemischt hatte). Gaius’ Argumentation in D. 4,4,27 pr. zeugt nicht von einem entsprechenden Problembewusstsein hinsichtlich der 261 262 263 264
s. Ulp. D. 17,1,12,7 und 9; Paul. D. 17,1,20 pr.; s. auch Kaser/Knütel, RP, 253. s. Gai. D. 5,1,4; Afr. D. 12,6,38,1. s. Paul. D. 17,1,1 pr. s. Ulp. D. 15,4,1,3; s. auch Kaser/Knütel, RP, 253.
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Teil 2: Einzelne Fallkonstellationen
Begünstigung Dritter durch die i. i. r.: Das Recht des Hausvaters, die i. i. r. des Sohnes beantragen zu können, um so die Befreiung von seiner eigenen Haftung herbeizuführen, erscheint ihm selbsterklärend und keiner weiteren Rechtfertigung bedürftig. 4. Die Ausnahme
In den Passagen b) und d) der Quelle Ulp. D. 4,4,3,4 wird die in Passage a) aufgeworfene Frage danach, wie die i. i. r. des minderjährigen Haussohnes, der eine Verbindlichkeit eingegangen ist, zu handhaben sei, grundsätzlich folgendermaßen beantwortet: Wird der Sohn selbst verklagt, muss ihm mit der i. i. r. geholfen werden. Wird dagegen der Vater als adjektizisch Haftender verklagt, kann die Rechtshilfe der Wiedereinsetzung des Sohnes nicht gewährt werden. Von dieser Grundregel wird allerdings in Passage c) für den Fall abgewichen, dass der Sohn auf Geheiß des Vaters die Darlehenssumme empfangen hat. excepta mutui datione: in hanc enim si iussu patris mutuam pecuniam accepit, non adiuvatur.
Diese Ausnahme hinsichtlich des Empfangs der Darlehenssumme lässt sich in unterschiedlicher Weise mit dem sonstigen Text der Quelle in Einklang bringen. a) Erster Erklärungsversuch: Das grammatische Subjekt der Ausnahme ist der Vater, nicht der Sohn Savigny geht im siebten Band seines Werks „System des heutigen römischen Rechts“ auf die hier behandelte Problematik ein.265 Für ihn ist kein Grund ersichtlich, warum einem Haussohn, der im Allgemeinen auch bei Geschäften, die er auf Geheiß des Vaters getätigt hat, restituiert werden kann, diese Vergünstigung gerade hinsichtlich der Aufnahme eines Darlehens verwehrt werden sollte.266 Er schreibt: „Man könnte dieselbe [sc. die Ausnahme] daraus ableiten wollen, dass es dem väterlichen Ansehen widersprechen würde, den gegebenen Befehl durch Ertheilung der Restitution für schädlich zu erklären. Diese, an sich denkbare, Ansicht wird von Ulpian entschieden verworfen, da er bei anderen Rechtsgeschäften dem Sohn die Restitution gestattet, auch wenn der Vater Befehl zu dem Geschäft gegeben hatte.“ 267 Die „für das Gelddarlehen behauptete Ausnahme“ müsse daher „schlechthin verworfen werden.“ 268 Dieser Gedanke bewegt Savigny dazu, eine Interpretation anzubieten, die den oben zitierten Ausnahme265
Savigny, System, Bd. VII, 277 ff. s. Savigny, System, Bd. VII, 279. Diese Art von Zweifel formuliert schon Faber, Rationalia, Bd. I, 564: „Ego tamen non possum hoc concoquere qui video minorem ex omnibus suis contractibus restitui, sive mutuam pecuniam acceperit.“ 267 Savigny, System, Bd. VII, 278. 268 Savigny, System, Bd. VII, 280. 266
§ 3 Die positive Drittwirkung der Minderjährigenrestitution
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satz (excepta mutui datione [. . .] non adiuvatur) mit der Grundentscheidung in Einklang bringt. Die Interpretation beruht auf der Annahme, dass der Ausnahmesatz eben nicht auf den vorletzten Satz (si igitur filius conveniatur, postulet auxilium), sondern auf den unmittelbar vorausgehenden Satz (si patrem conveniat creditor, auxilium cessat) zu beziehen ist.269 Da in diesem Satz auxilium cessat nichts anderes bedeute als „non adjuvatur“ (sic),270 bedürfe es allerdings der Versetzung des non im Ausnahmesatz, damit ein sinnvoller Gegensatz zu dem unmittelbar vorausgehenden Satz entstehe.271 Die von ihm vorgeschlagene Fassung des Textes lautet dann (im Original ist die vorgeschlagene Version des Textes ohne Markierung der Ergänzungen und Auslassungen notiert): excepta mutui datione: in ha[n]c272 enim si ,filius non‘ 273 iussu patris mutuam pecuniam accepit, [non]274 adiuvatur.
Der Sinn des Ausnahmesatzes wandelt sich durch die textliche Modifikation Savignys ganz entscheidend. Der Satz sagt nun in Anknüpfung an den unmittelbar vorausgehenden Satz, dass dem Vater in dem Fall, dass der Sohn auf Geheiß des Vaters ein Darlehen aufgenommen hat, eben doch geholfen werde, allerdings nicht durch die i. i. r., sondern durch die Einrede des Senatusconsultum Macedonianum (SCM).275 Dieser Senatsbeschluss276 verbot die Darlehensgewährung an Haussöhne.277 Offiziell sollten die vermögenslosen Haussöhne durch das Verbot 269
Savigny, System, Bd. VII, 282 ff., insb. 284, Fn. (l). Savigny, System, Bd. VII, 282. 271 Savigny, System, Bd. VII, 283 f. 272 Savigny, System, Bd. VII, 281, Fn. (g). Diese Veränderung ist für das hier behandelte Problem nicht relevant. 273 Savigny, System, Bd. VII, 284. 274 Savigny, System, Bd. VII, 284. 275 Savigny, System, Bd. VII, 282 ff. 276 Das SCM erging unter Kaiser Vespasian (Kaiser von 69–79 n. Chr) oder bereits unter Claudius (41–54 n. Chr.), s. Wacke, Darlehensgewährung an Hauskinder, 240. 277 s. Ulp. D. 14,6,1 pr. (29 ad ed.): Verba senatus consulti Macedoniani haec sunt: ,Cum inter ceteras sceleris causas Macedo, quas illi natura administrabat, etiam aes alienum adhibuisset, et saepe materiam peccandi malis moribus praestaret, qui pecuniam, ne quid amplius diceretur incertis nominibus crederet: placere, ne cui, qui filio familias mutuam pecuniam dedisset, etiam post mortem parentis eius, cuius in potestate fuisset, actio petitioque daretur, ut scirent, qui pessimo exemplo faenerarent, nullius posse filii familias bonum nomen exspectata patris morte fieri‘. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Eingehung einer Darlehensverbindlichkeit durch einen Haussohn – selbst wenn man die Verpflichtungsfähigkeit des Sohnes im Allgemeinen anerkennt – nicht ganz unproblematisch erscheint, weil das mutuum zu seiner Entstehung nicht nur den entsprechenden Konsens der Parteien, sondern auch die Übereignung der Darlehensvaluta an den Darlehensnehmer voraussetzte (s. Gai Inst. 3,90; Kaser/Knütel, RP, 214), der Haussohn aber nicht vermögensfähig war [s. oben, § 3, C. (Einf.)]. Puchta, Cursus der Institutionen, Bd. II, 351, löst diesen Widerspruch zwischen der Vermögensunfähigkeit des Haussohns und dessen Fähigkeit, ein Darlehen aufzunehmen, mittels eines Rückgriffs auf das ius gentium auf: „Allein das Mutuum ist iuris gentium und iure gentium sind die Filiifamilias eigenthumsfähig.“ Lucrezi, Mutuo, 270
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Teil 2: Einzelne Fallkonstellationen
davon abgehalten werden, sich übermäßig zu verschulden und dann aus Angst vor den Nachstellungen der Gläubiger ihre Väter zu ermorden.278 Sofern die Tat nicht entdeckt wurde,279 wurden die Söhne mit dem Tod des Vaters als Erben plötzlich vermögend und konnten ihre Schulden endlich begleichen.280 Tatsächlich diente das Verbot des SCM wohl primär dazu, die moralisch als verwerflich angesehene Verschwendungssucht der Söhne aus reichem Hause zu begrenzen.281 Einer Klage des Darlehensgebers konnten sowohl der Haussohn (auch nach dem Tod des Vaters) als auch der de peculio haftende Vater die exceptio Senatusconsulti (SCti.) Macedoniani entgegenhalten, wenn der Prätor nicht die Klage des Darlehensgläubigers direkt abwies.282 Allerdings griff das Verbot nach einer von 33, beruft sich auf eine Konstitution Justinians aus dem Bereich des Erbrechts (C. 6,26,11,1, 531 n. Chr.), um mittels der ,Einheit von Vater und Sohn‘ die Entstehung der Forderung gegen den Sohn zu begründen: „È vero che l’incapacità patrimoniale del figlio avrebbe dovuto fare da ostacolo, in linea di principio, alla conclusione di un negozio determinante – comme fonte di un’obligatio re contracta – un immediato acquisto di dominium da parte dell’accipiente; ma tale ostacolo era superato in virtù di quel particolare rapporto di ,unità‘ tra pater e filius (,eadem persona‘, o quasi, secondo Giustiniano) che si realizzava in forza della patria potestas, dei suoi effetti ,costitutivi‘ delle personae e delle capacità dei sottoposti. Questo peculiare rapporto faceva sì che il mutuo contratto dal figlio fosse perfettamente valido: il denaro risultava acquistato a favore del pater, che diveniva, formalmente, il titolare della pecunia (anche se questa, di fatto, era consumata dal filius), ma il debito era unicamente del figlio, che restava personalmente obbligato al versamento del tantundem.“ 278 s. dazu neben Ulp. D. 14,6,1 pr. auch Inst. 4,7,7. 279 Wurde der Sohn des Mordes überführt, war er erbunwürdig, s. Kaser, PR I, 726; Wacke, Darlehensgewährung an Hauskinder, 246–247. 280 Der Name des Senatusconsults geht auf die Geschichte des Macedo zurück, der aus den erläuterten Gründen seinen Vater ermordet haben soll (s. Ulp. D. 14,6,1 pr.). Ob es sich bei dieser Tat um ein historisches Faktum oder um eine Legende handelt, ist nicht klar, s. Kaser, RP I, 532 mit Fn. 32; Wacke, Darlehensgewährung an Hauskinder, 248 mit Fn. 20. 281 So Wacke, Darlehensgewährung an Hauskinder, 253–254. 282 Ein Verstoß gegen das SCM führte nicht zur Unwirksamkeit des Geschäfts. Diese Rechtsfolge war nicht gewollt, weil im Falle der Nichtigkeit des Darlehensvertrags der Haussohn den Rückforderungsansprüchen seines Geschäftspartners aus der condictio indebiti ausgesetzt wäre und somit nicht besser stünde, als wenn der Darlehensgeber aufgrund eines bestehenden mutuum ebenfalls mit der condictio gegen ihn vorgehen könnte, s. Wacke, Darlehensgewährung an Hauskinder, 294. Der Prätor wies bei Missachtung des Verbots entweder die Klage des Darlehensgläubigers direkt ab (s. z. B. Ulp. D. 14,6,1,1; Ulp. D. 14,6,7,6) oder gewährte dem Beklagten eine exceptio aufgrund des SCM (s. Ulp. D. 14,6,7 pr.). Die Abweisung der Klage bot sich immer dann an, wenn der Prätor den Verstoß gegen das SCM bereits selbst ohne Schwierigkeiten feststellen konnte. Gab es diesbezüglich noch Zweifel, konnte er durch die Erteilung der exceptio die Prüfung an den iudex übertragen (s. Wacke, Darlehensgewährung an Hauskinder, 295; so auch Lucrezi, SCM, 220–221). Teilweise wurde das SCM als lex imperfecta eingeordnet, weil der Beklagte die ihn begünstigende exceptio beantragen musste, so Zimmermann, 700; s. zu dieser Ansicht auch Wacke, Darlehensgewährung an Hauskinder, 293, Fn. 153 m.w. N. Wacke selbst (ibid., 295) plädiert wegen der „von der typischen Nichtigkeit abweichenden Sanktion bloßer Klageverweigerung“ für eine Bezeichnung als atypische lex perfecta.
§ 3 Die positive Drittwirkung der Minderjährigenrestitution
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den klassischen Juristen eingeführten Ausnahme283 nicht ein, wenn der Vater der Darlehensaufnahme des Sohnes zugestimmt hatte.284 Im Hinblick auf diese Rechtslage versteht Savigny die Passage c) in Ulp. D. 4,4,3,4 also in dem Sinne, dass der Hausvater eben gegen die adjektizische Klage aufgrund einer Darlehensaufnahme seines Sohnes immer geschützt sei, wenn der Sohn nicht auf Geheiß des Vaters das Darlehen aufgenommen hat.285 Savigny legt Wert darauf zu betonen, dass sein Textverständnis nicht zwingend nur über Eingriffe in den Quellentext erreicht werden könne. Dasselbe Ziel sei auch durch einfache Erklärung der zweifelhaften Stelle erreichbar: „Man muss nämlich dann zu den Worten: si filius jussu patris..accepit ein nur oder nur dann (ein non nisi) hinzudenken, so daß der Satz folgenden Sinn giebt: denn bei diesem (dem Gelddarlehen) wird dem Vater nur dann die schützende Einrede (aus dem Senatusconsult) versagt (non adjuvatur), wenn das Darlehen auf seinen Befehl aufgenommen war; außer diesem Fall des Befehls also hat er die Einrede, worin denn eben die Ausnahme von der Regel: auxilium cessat besteht.“ 286 Mit anderen Worten: Beim Gelddarlehen wird dem Vater die Einrede aus dem SCM nur dann versagt (non adiuvatur), wenn das Darlehen auf seinen Befehl aufgenommen war. Ansonsten hat der Vater die Einrede (adiuvatur) als Ausnahme zu auxilium cessat. Savigny fasst folgendermaßen zusammen: „Im Fall eines Gelddarlehens hat der Vater gegen die actio de peculio die exc. Sc. Macedoniani, gegen die actio quod jussu hat er diese Einrede nicht. Eine Restitution kann er in keinem Fall verlangen.“ 287 Savignys Interpretation der in Textpassage c) enthaltenen Ausnahme bezüglich der Hingabe der Darlehenssumme ist sowohl aus sprachlichen als auch aus inhaltlichen Gründen abzulehnen. Zum einen ist es sprachlich sehr gewagt, den Vater unter Bezugnahme auf den unmittelbar vorstehenden Satz, der eine Aussage über den Vater trifft, zum grammatischen Subjekt des Ausnahmesatzes zu erklären. Aus dem Ausnahmesatz selbst ist ersichtlich, ohne dass ein Rückgriff auf den vorletzten Satz (si igitur filius . . .) nötig wäre, dass nur der Sohn derjenige sein kann, dem geholfen wird:
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s. Wacke, Darlehensgewährung an Hauskinder, 251, 276 ff. Die Existenz dieser Ausnahme ergibt sich aus Paul. D. 14,6,12 und aus C. 4,28,5,2 (Alex., 230 n. Chr.). Paulus lässt sogar schon das Wissen des Vaters zum Ausschluss des SCM genügen, er erwähnt aber daneben auch das iussum des Vaters. Paul. D. 14,6,12 (30 ad ed.): Si tantum sciente patre creditum sit filio, dicendum est cessare senatus consultum. sed si iusserit pater filio credi, deinde ignorante creditore mutaverit voluntatem, locus senatus consulto non erit, quoniam initium contractus spectandum est. Zu der hinter dieser Ausnahme stehenden politischen Wertung s. unter § 3, C. IV. 4. c). 285 s. Savigny, System, Bd. VII, 284. 286 Savigny, System, Bd. VII, 284. 287 Savigny, System, Bd. VII, 285. 284
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Teil 2: Einzelne Fallkonstellationen excepta mutui datione: in hanc enim si iussu patris mutuam pecuniam accepit, non adiuvatur.
Das Subjekt des Satzes wird mit accepit eingeführt: Derjenige, der die Darlehensvaluta entgegennimmt, ist unstreitig der Sohn, nicht der Vater. Adiuvatur ist deshalb ebenfalls auf den Sohn zu beziehen. Wäre der Vater gemeint, hätte dies textlich markiert werden müssen. Auch der unmittelbar folgende Satz ab Proinde et si sine iussu bezieht sich auf den Sohn. Wieso sollte zwischen zwei Aussagen über den Sohn unangekündigt eine Aussage über den Vater eingeschoben werden? Die von Savigny vorgeschlagene Textveränderung ist alles andere als „bescheiden.“ 288 Vielmehr wandelt sie die entscheidende Aussage, dass wir es in dem Ausnahmesatz mit einem auf Geheiß des Vaters aufgenommenem Darlehen zu tun haben, in die gegenteilige Situation des gerade nicht auf Geheiß des Vaters aufgenommenen Darlehens um. Auch wenn man die textlichen Veränderungen beiseite lässt und sich mit der vorgeschlagenen (vermeintlich) texterhaltenden Erklärung der Passage289 begnügt, kann Savignys Sichtweise nicht überzeugen. Abgesehen davon, dass es sprachlich relativ verkrampft erscheint, non adiuvatur als „es wird ihm nur dann nicht geholfen“ zu verstehen, ist diese Lösung auch unter Berücksichtigung des inhaltlichen Kontextes sehr unwahrscheinlich: Ulp. D. 4,4,3,4 befasst sich mit der Frage der Gewährung der i. i. r. minderjähriger Haussöhne. Auxilium in den Passagen a) und b) sowie succurri, subveniendum und subveniatur in Passage a) beziehen sich jeweils nur spezifisch auf die Unterstützung mittels der i. i. r., nicht auf irgendeine andere Art der Rechtshilfe. Auxilium cessat am Ende von Passage b) muss daher so zu verstehen sein, dass nach erfolgter Klageerhebung gegen den Vater gerade der Rechtsbehelf der i. i. r. ausscheidet. Savigny interpretiert dagegen das non adiuvatur in Passage c) primär als Verneinung der Einrede aus dem SCM für den Fall des auf iussum des Vaters aufgenommenen Darlehens des Sohnes. Die eigentliche Aussage des Ausnahmesatzes ist bei Savigny dann, dass eben in Fällen der Darlehensaufnahme durch den Haussohn dem Vater zumeist mit der exceptio aus dem SCM geholfen werde (nur eben nicht, wenn der Sohn auf Geheiß des Vaters das Darlehen aufgenommen hat). Dies soll einen Gegensatz zu der Aussage des vorstehenden Satzes bilden, der besagt, dass dem Vater im Allgemeinen, wenn er aufgrund einer Verpflichtung seines Sohnes verklagt wird, nicht mit der i. i. r. des Sohnes zu helfen ist. Die Aussage, dass dem Hausvater des Öfteren Rechtsbehelf X (die Einrede des SCM) zugute kommt, stellt aber keinen logischen Gegensatz zu der Aussage dar, dass dem Hausvater nie Rechtsbehelf Y (die i. i. r. wegen Minderjährigkeit) zur Verfügung steht, wenn er verklagt worden ist.
288 289
So aber Savigny, System, Bd. VII, 284. s. Savigny, System, Bd. VII, 284.
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Der Ausnahmesatz ist demnach entgegen der Ansicht Savignys folgendermaßen zu übersetzen: „Ausgenommen [sc. von dieser Regel] ist die Hingabe der Darlehenssumme: Diesbezüglich wird ihm [sc. dem Sohn] nicht geholfen, wenn er auf Geheiß des Vaters die Darlehenssumme empfangen hat.“ Non adiuvatur wird hier konsequent und dem natürlichen Sprachverständnis folgend auf die i. i. r. des Sohnes bei einer gegen diesen gerichteten Klage aus dem auf Geheiß des Vaters aufgenommenen Darlehen bezogen. b) Zweiter Erklärungsversuch: Nimmt der Haussohn auf Geheiß des Vaters ein Darlehen auf, bedarf er keiner Wiedereinsetzung, weil nicht er, sondern der Vater verpflichtet wird. Gemäß Sachverhaltsinterpretation II des zweiten Falls findet die Einigung über die Auszahlung des Geldes als Darlehen zwischen dem Hausvater und dem Darlehensgeber statt.290 Nur die für die Begründung der Darlehensschuld konstitutive Hingabe des Geldes erfolgt dann nach dieser Ansicht auf Geheiß des Vaters direkt von dem Darlehensgeber an den Haussohn: Der Sohn empfängt als ,Organ‘ des Vaters die Darlehenssumme, sodass das Eigentum direkt an den Vater fällt. Rechtlich ist diese Konstruktion durchaus möglich, wie Paul. D. 15,4,5 pr. (4 ad Plaut.)291 zeigt: Si dominus vel pater pecuniam mutuam accepturus iusserit servo filiove numerari, nulla quaestio est, quin ipsi condici possit: immo hoc casu de iussu actio non competit.
In dem Paulusfragment wird die Einigung über die Darlehensaufnahme zwischen dem Vater (oder Herrn)292 und dem Darlehensgeber nicht direkt erwähnt. Sie lässt sich aber aus dem Teilsatz si [. . .] pater pecuniam mutuam accepturus herauslesen: Der Vater (oder der Herr) will selbst ein Darlehen aufnehmen, die290
s. § 3, C. III. 2. Die dieser Passage im Kommentar des Paulus zu Plautius unmittelbar vorausgehende Textstelle ist als Fragment Nr. 29 im ersten Titel des zwölften Buches der Digesten enthalten (D. 12,1,29), s. Lenel, Palingenesia, Bd. I, 1152. Auch in D. 12,1,29 befürwortet Paulus unter Berufung auf Julian eine condictio unmittelbar gegen den Eigentümer eines geschäftsleitenden Sklaven mit dem Argument, dass der Sklave gleichsam auf iussum des Eigentümers kontrahiert habe. Für das nachklassische Recht ist der Gedanke, dass ein auf Geheiß des Vaters oder Herrn abgeschlossenes Geschäft der Gewaltunterworfenen auch zu einer direkten condictio gegen den Gewalthaber führen kann, allgemein formuliert, s. Inst. 4,7,8. 292 Auf die Herr-Sklave-Konstellation wird hier nicht weiter eingegangen, weil sich die Restitutionsproblematik bei Beteiligung eines Sklaven statt eines filius familias nicht stellt: Gemäß Ulp. D. 4,4,3,11 kann ein minderjähriger Sklave nie restituiert werden. Dies ist auch nur logisch, weil der Sklave selbst weder nach ius civile verpflichtet noch verklagt werden konnte, s. Gai Inst. 3,104; Inst. 3,19,6; Gai. D. 50,17,107. 291
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Teil 2: Einzelne Fallkonstellationen
sen Willen muss er gegenüber dem Darlehensgeber zum Ausdruck gebracht haben, denn normalerweise ist ja derjenige, an den die Darlehenssumme ausgezahlt wird, auch der Darlehensnehmer. Möglicherweise hat sich der Vater zu einem früheren Zeitpunkt mit dem Darlehensnehmer persönlich geeinigt, dieser hatte dann aber das auszuzahlende Geld noch nicht zur Hand. Daraufhin wies ihn der Vater an, die Darlehensvaluta zu einem späteren Termin an seinen rechtlich unselbständigen Sohn auszuzahlen. Ebenfalls denkbar wäre, dass der Darlehensgeber und der Vater nie direkt miteinander gesprochen haben. Der Sohn könnte zunächst als Bote293 eine Einigung zwischen Vater und Darlehensgeber herbeigeführt haben und dann auf Geheiß seines Vaters die Darlehenssumme an sich auszahlen lassen.294 Rechtlich ist der geschilderte Fall laut Paulus so zu bewerten, dass der Vater oder Herr unmittelbar mit der Klage aus dem Darlehen, der condictio, belangt werden könne. Die actio quod iussu gegen den Vater oder Herrn sei in diesem Fall dagegen nicht gegeben. Die Funktion des Paulusfragments in dem Digestentitel über die Geheißklage ist es also, einen Fall zu bilden, in dem diese Klage gerade keine Anwendung findet, weil sie wegen einer ohnehin gegen den Vater oder Gewalthaber bestehenden direkten Vertragsklage nicht notwendig ist. Die Verfechter des zweiten Erklärungsversuchs berufen sich auf das soeben eingeführte Paulusfragment295 und gehen davon aus, dass eben dieser Fall derjenige sei, auf den auch der Ausnahmesatz in Ulp. D. 4,4,3,4 Bezug nimmt. 293 Zur Möglichkeit der Botenschaft im römischen Recht s. Kaser/Knütel, RP, 76 m.w. N. 294 Es käme dann nicht darauf an, ob das iussum gegenüber dem Sohn oder gegenüber dem Darlehensgeber erklärt worden ist. Ankum, Filius familias mineur, 17, geht hingegen davon aus, dass in dem nach der hier vorgenommenen Gliederung des Textes in Passage b) erwähnten iussum eine an den Geschäftspartner gerichtete Autorisierung zu erblicken sei und deshalb ein Vertrag zwischen dem Geschäftspartner und dem Sohn zustandekomme, sodass der Vater nur quod iussu hafte. Im Gegensatz dazu sieht Ankum das nach der hier vorgeschlagenen Gliederung in Passage c) enthaltene iussum als eine an den Sohn gerichtete Anweisung an, die Darlehenssumme entgegenzunehmen. Der Vertrag komme dann direkt zwischen dem Vater und dem Darlehensgeber zustande. Diese Differenzierung ist schon eher unwahrscheinlich, weil sie sich aus dem Text nicht ableiten lässt. Es ist jeweil nur von einem iussum die Rede, dessen Richtung und Qualität wird nicht weiter problematisiert. Darüber hinaus spricht auch die innere Logik von Ulp. D. 4,4,3,4 gegen die von Ankum vertretene Sichtweise. Wieso sollte in Passage c) spezifisch betont werden, dass nur für das Darlehen eine Ausnahme von der Regel besteht, dass der Sohn auch bei auf iussum des Vaters eingegangenen Verträgen wiedereingesetzt werden kann. Es ist in keiner Weise ein spezifisches Merkmal der Darlehensaufnahme, dass der Vater sein iussum gerade an den Sohn und nicht an den zukünftigten Geschäftspartner richtet. Vielmehr müsste nach der von Ankum vertretenen Lösung der Text Ulpians in Passage c) etwa lauten: „Eine Ausnahme besteht jedoch für den Fall, dass das iussum des Vaters an den Sohn gerichtet wird. Ist dies der Fall, wird der Sohn nicht persönlich verpflichtet und kann auch nicht wiedereingesetzt werden.“ 295 Ausdrücklich Ankum, Filius familias mineur, 17, Fn. 37; Glück, Pandecten 14 (1), 287 Fn. 26. Otto/Schilling/Sintenis, Bd. I, 471 Fn. 75, beruft sich auf Glück, ohne die Digestenstelle zu zitieren.
§ 3 Die positive Drittwirkung der Minderjährigenrestitution
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Allerdings enthält der Digestentitel über die actio quod iussu ebenfalls ein Fragment aus der Feder des Paulus, welches belegt, dass eine Darlehensaufnahme unter Beteiligung von Gewaltunterworfenen eben auch zu der Eröffnung der Geheißklage und nicht der direkten condictio gegen den Gewalthaber führen konnte: Paul. D. 15,4,2,1 (30 ad ed.) Si iussu domini ancillae vel iussu patris filiae creditum sit, danda est in eos quod iussu actio.
Der Umstand, dass in Paul. D. 15,4,2,1 nur die Sklavin und die Haustochter und nicht auch der Sklave und der Haussohn erwähnt werden, erscheint unter Berücksichtigung des unmittelbar vorstehenden Paragraphen (Paul. D. 15,4,2 pr.) unbedeutend. In diesem Fragment wird eine actio quod iussit tutor gegen ein Mündel (pupillus) bejaht, dessen männlicher Sklave auf iussum des Tutors im Interesse des Mündels (ex utilitate pupilli) ein Darlehen aufgenommen hatte. Wichtig ist in diesem Zusammenhang in Paul. D. 15,4,2 pr. nur, dass eine actio quod iussu gegen den Gewalthaber auf der Grundlage der geschäftlichen Tätigkeit eines männlichen Gewaltunterworfenen ebenso möglich ist wie auf der Grundlage der geschäftlichen Tätigkeit einer weiblichen Gewaltunterworfenen. Möglicherweise ist die ausschließliche Erwähnung der weiblichen Gewaltunterworfenen in Paul. D. 15,4,2,1 auf stilistische Erwägungen des Verfassers zurückzuführen: Mit dem Determinativpronomen eos kann so kurz und prägnant innerhalb des Satzes klar auf die männlichen Gewalthaber verwiesen werden. Plausibel erscheint, dass die rechtlichen Konsequenzen der jeweiligen Vertragssituation eben einfach davon abhingen, ob zwischen dem Vater und dem Darlehensgeber eine vertragliche Einigung darüber zustande gekommen ist, dass der Vater das Darlehen als eigenes aufnehmen will. Ist dies der Fall, greift die condictio gegen den Vater. Ist es dagegen nicht zu einer solchen Einigung zwischen dem Vater und dem Darlehensgeber gekommen, kommt der Darlehensvertrag zwischen dem Darlehensgeber und dem Gewaltunterworfenen zustande. Gegen den Gewaltunterworfenen ist dann, sofern er verpflichtungsfähig ist und verklagt werden kann, die condictio möglich. Gegen den Vater besteht die actio quod iussu. Dass nun in Passage c) höchstwahrscheinlich eine Darlehensaufnahme durch den Sohn selbst und nicht durch den Vater gemeint ist, lässt sich aus dem Zusammenhang und der inneren Logik von Ulp. D. 4,4,3,4 ableiten. Ulpian führt in dem Fragment das Problem der Wiedereinsetzung minderjähriger Haussöhne zwar zunächst allgemein ein, geht dann aber nach der Äußerung der allgemeinen Wertentscheidung, dass Haussöhne eben immer wiedereinzusetzen seien, wenn die jeweilige Angelegenheit sie selbst betreffe, im Detail allein auf die Frage nach der Wiedereinsetzung von Haussöhnen ein, die selbst eine Verbindlichkeit eingegangen sind. Der Ausnahmesatz in Passage c) ist umrahmt von den Passagen b)
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und d), die gemeinsam die Grundentscheidung beinhalten, dass der Haussohn wiedereinzusetzen sei, sobald er selbst aufgrund einer von ihm eingegangenen Verbindlichkeit verklagt werde, im Allgemeinen, ohne dass es darauf ankomme, ob er auf Geheiß des Vaters (Passage b) oder selbständig (Passage d) gehandelt habe. Geht man nun mit Sachverhaltsinterpretation II davon aus, dass der Vater und nicht der Sohn der Darlehensnehmer und der Sohn daher „nullement obligé“ 296 ist, so löst man zwar den (scheinbaren) Widerspruch zwischen Passage b) und d) gegenüber Passage c) auf. Allerdings „hinkt“ diese Erklärung: Anstatt einen Grund dafür zu liefen, dass es im Falle der Darlehensauszahlung nun doch gerade darauf ankommen soll, ob der Sohn sich auf Geheiß des Vaters verpflichtet habe oder eben nicht, degradiert sie die „Ausnahme“ der Passage c) zu einem überflüssigen deklaratorischen Einschub, dessen Inhalt sich so formulieren ließe: „Wenn der Sohn nicht verpflichtet ist, wird er auch nicht wiedereingesetzt. So liegen die Dinge, wenn der Sohn sich für seinen Vater die Darlehensvaluta auszahlen lässt.“ Allein, dass ein nicht verpflichteter Sohn nicht wiedereingesetzt werden kann, ist selbstverständlich und stellt keine gültige Ausnahme zu einer Grundregel dar, die sich mit dem Problem der Restitution minderjähriger Haussöhne, die sich selbst verpflichtet haben, beschäftigt. Ein nicht verpflichteter Sohn kann nicht verklagt werden und hat keinerlei Nachteile aus dem Geschäft zu befürchten. Die Grundregel erweist sich nach diesem Verständnis als vollumfänglich gültig, die „Ausnahme“ entpuppt sich als Scheinausnahme. Die Voraussetzungen dafür, dass die Grundentscheidung überhaupt greifen kann, liegen für den in Passage c) geschilderten Fall so erst gar nicht vor, sodass die Bezeichnung exceptio bei diesem Verständnis des Satzes verfehlt erscheint. Sie ist daher abzulehnen. c) Dritter (hier vertretener) Erklärungsversuch: Die Ausnahme lässt sich unter Berücksichtigung der Nichtanwendung des Senatusconsultum Macedonianum für die Fälle des auf Geheiß des Vaters aufgenommenen Darlehens schlüssig erklären. Auf das im Rahmen des ersten Erklärungsversuchs des Ausnahmesatzes bereits eingeführte SCM 297 ist nun für den dritten Erklärungsversuch zurückzukommen. Allerdings wird es hier argumentativ anders verwendet als von Savigny im Rahmen des ersten Erklärungsversuchs. Savigny zog den Senatsbeschluss heran, um den Vater unter Missachtung der sprachlichen und inhaltlichen Logik von Ulp. D. 4,4,3,4 zum grammatischen Subjekt des in Passage c) formulierten Ausnahmesatzes zu erklären.298 Nach der hier vertretenen Ansicht wird mit sämtlichen in Ulp. D. 4,4,3,4 enthaltenen Ausdrücken, die ein helfendes Eingreifen 296 297 298
Ankum, Filius familias mineur, 17. s. § 3, C. IV. 4. a). s. § 3, C. IV. 4. a).
§ 3 Die positive Drittwirkung der Minderjährigenrestitution
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des Prätors bezeichnen (succurri, subveniendum, subveniatur, auxilium, adiuvatur), allein auf den Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgestellt. Weiterhin ist der Ausnahmesatz in Passage c) so zu verstehen, wie er auch bei unbefangener Erstlektüre zu verstehen wäre: Von der Grundregel, dass dem Sohn die Wiedereinsetzung hinsichtlich eines ihn selbst verpflichtenden Geschäfts immer gewährt wird und zwar unabhängig davon, ob er auf Geheiß seines Vaters gehandelt hat oder nicht, wird für den Fall des von dem Sohn selbst aufgenommenen Darlehens eine Ausnahme gemacht: Wenn der Sohn das Darlehen auf Geheiß des Vaters aufgenommen hat, wird ihm die Rechtshilfe der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt. Das SCM kann nach der hier vertretenen Ansicht dazu dienen, diese Ausnahme nachvollziehbar zu erklären. Wie bereits erwähnt wurde,299 verbot das SCM grundsätzlich die Darlehensvergabe300 an Haussöhne (unabhängig von deren Alter)301. Hatte der Vater dagegen der Darlehensvergabe an seinen Sohn zugestimmt, so sollte das SCM keine Anwendung finden.302 An dieser Stelle ist nun darauf einzugehen, welche Wertungen zur Gewährung dieser Ausnahme führten. Weiterhin ist zu erklären, wieso es plausibel erscheint, dass eben diese Wertungen dazu führten, dass einem minderjährigen Haussohn, der auf Geheiß des Vaters ein Darlehen aufgenommen hatte und der deshalb ausnahmsweise nicht durch das SCM gegen eine Klage seines Gläubigers geschützt war, auch nicht die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Minderjährigkeit eingeräumt werden sollte. Schließlich ist zu fragen, welche Aussage aus der Passage c) von Ulp. D. 4,4,3,4 über das Verhältnis von Minderjährigenrestitution und sonstigen Ausnahmen von der Anwendung des SCM abgeleitet werden kann. Zunächst sind die Wertungen zu beschreiben, die dazu führten, dass das auf iussum des Vaters aufgenommene Darlehen des Sohnes vom Anwendungsbereich des SCM ausgenommen wurde. Wie dargestellt,303 lag der Sinn und Zweck des SCM offiziell darin, Hausväter vor ihren hochverschuldeten Söhnen zu schützen; tatsächlich diente der Senatsbeschluss aber wohl primär dazu, die sinnlose Verschwendung von Bargeld durch die Haussöhne zu verhindern. Das SCM bedeutete für die Darlehensgeber einen sehr intensiven Eingriff, der für sie harte wirtschaftliche Folgen haben konnte. Die Haussöhne, die aus Ver299
s. § 3, C. IV. 4. a). Relevant sind in diesem Zusammenhang grundsätzlich nur Gelddarlehen, nicht auch Sachdarlehen oder darlehensähnliche Geschäfte, wie z. B. die Stundung des Kaufpreises. Der Grund dafür liegt darin, dass allein ein einmal tatsächlich ausgezahlter Geldbetrag die Haussöhne zur Verschwendung einlud. s. Wacke, Darlehensgewährung an Hauskinder, 252 ff., insb. 256. 301 s. Wacke, Darlehensgewährung an Hauskinder, 241–242. 302 s. § 3, C. IV. 4. a) mit Fn. 284, 285. 303 s. § 3, C. IV. 4. a). 300
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Teil 2: Einzelne Fallkonstellationen
schwendungssucht oder einfach aufgrund wirtschaftlicher Fehlkalkulation die Darlehenssumme nicht zurückzahlen konnten, hatten keine Nachteile zu befürchten, denn aufgrund des SCM wurde die Klage des Darlehensgebers (die condictio) gegen sie und auch die actio de peculio gegen den Hausvater denegiert oder führten wegen der Einrede des SCM nicht zum Erfolg.304 Der Ansatz des SCM war sicherlich sowohl intelligent als auch effektiv, denn der Senatsbeschluss bekämpfte direkt die Quelle des Übels, die Bereitstellung der Gelder, und setzte damit bei einer Gruppe von Menschen an, die etwas zu verlieren hatten und deren Verhalten daher durch die Androhung wirtschaftlicher Einbußen gut zu beeinflussen war. Benachteiligt wurden damit nicht diejenigen, die über ihre Verhältnisse lebten und der sündigen Verschwendungssucht frönten, sondern diejenigen, die es ermöglichten, dass andere über ihre Verhältnisse lebten. Benachteiligt wurden diejenigen, die der „Sünde“ Vorschub leisteten, nicht die „Sünder“ selbst.305 Es ist weiter zu bedenken, dass auch billigenswerte Interessen des Haussohnes hinter der Darlehensaufnahme stehen konnten, die nichts mit Verschwendung zu tun hatten. Hiervon konnte immer dann ausgegangen werden, wenn die Darlehensaufnahme von dem Willen des Vaters gedeckt war. In diesem Fall war die Darlehensaufnahme des Sohnes politisch gewollt: Dem Vater sollte die Möglichkeit eröffnet sein, sich der Geschäftsfähigkeit seines Sohnes im Interesse der familiären Vermögensverwaltung und -organisation zu bedienen. Dem mündigen Sohn sollte die Teilnahme am Rechtsverkehr entsprechend seiner natürlichen Stellung als Unterstützer des Vaters in diesen „ungefährlichen“ Fällen der Darlehensaufnahme garantiert werden.306 Dementsprechend musste dem Darlehensgeber in diesen Fällen auch erfolgreich die direkte Klage gegen den Sohn und eine adjektizische Klage307 gegen den Vater zustehen. 304
s. § 3, C. IV. 4. a) mit Fn. 283. Es ist dem Wortlaut des in Ulp. D. 14,6,1 pr.wiedergegebenen SCM zwar zu entnehmen, dass Kreditgeber, die einem Haussohn ein verzinstes Darlehen auszahlten, ein sehr schlechtes Beispiel setzten ([. . .] qui pessimo exemplo faenerarent [. . .]). Allerdings ist der Übersetzung des ersten Satzes des SCM bei Simshäuser in C.I.C., Text und Übersetzung Bd. III, 237, nicht gänzlich zuzustimmen. Es heißt: „Da Macedo neben anderen Gründen für sein Verbrechen, die in seinem Charakter lagen, auch Schulden anführte und da die verwerfliche Sitte, Geld, um nicht mehr zu sagen, an unsichere Schuldner auszuleihen, schon oft Anlass zum Verbrechen gab, wird beschlossen [. . .]“. Nach dieser Übersetzung wird malis moribus unzutreffend auf den Akt des Geldverleihens an unsichere Schuldner bezogen. Tatsächlich müsste die Übersetzung aber lauten (ausgehend von Simshäuser aber modifiziert nach Watson, Digest, Bd. I, Ulp. D. 14,6,1 und Otto/ Schilling/Sintenis, Bd. II, 169): „Da Macedo unter anderen Gründen für sein Verbrechen, die in seinem Charakter lagen, auch Schulden anführte, und da jemand, der [,um nicht mehr zu sagen‘] an unsichere Schuldner Geld verleiht, häufig Menschen von schlimmen Sitten so Anlass gegeben hat, zu sündigen, wird beschlossen [. . .]“. Diese Modifizierung ändert zwar nichts daran, dass das SCM auch die Handlung des Geldverleihens an Haussöhne moralisch missbilligte, der Schwerpunkt der Missbilligung wird aber durch die Neuzuordnung von malis moribus von den Darlehensgebern auf die Haussöhne verschoben. 306 Zu diesem Argument s. Wacke, Darlehensgewährung an Hauskinder, 242. 305
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Der Vater konnte seine Zustimmung zu dem Geschäft dadurch klar zum Ausdruck bringen, dass er entweder seinem Sohn oder dem zukünftigen Geschäftspartner ein iussum für das Darlehensgeschäft erteilte308. Der Begriff des iussum lässt im Deutschen keine Übersetzung durch nur einen Ausdruck zu. Je nach Zusammenhang und Richtung des iussum müsste im Deutschen entweder von einer Anweisung, einem Befehl oder einer Vollmacht gesprochen werden.309 Ulpian stellt nach der hier vertretenen Ansicht nun in Passage c) der Digestenstelle 4,4,3,4 fest, dass, wenn der Vater ein iussum erteilt hat und somit das SCM ausgeschlossen ist, der allgemeine und in seiner Anwendung sehr freie Rechtsbehelf der Minderjährigenrestitution ebenfalls keine Anwendung mehr finden soll. Selbstverständlich spielte dieser Gleichlauf des Ausschlusses des SCM und des Ausschlusses der Minderjährigenrestitution nur dann eine Rolle, wenn es sich bei dem auf Geheiß seines Vaters kontrahierenden Haussohn um eine Person handelte, die das Alter von 25 Jahren noch nicht erreicht hatte und die durch das Darlehensgeschäft benachteiligt worden war. Ansonsten wäre eine i. i. r. ohnehin nicht in Betracht gekommen und bedürfte daher auch keines besonderen Ausschlusses. Die allgemeinen Voraussetzungen für eine i. i. r. werden bei der Darlehensaufnahme eines Haussohnes auf Geheiß seines Vaters, wenn also das SCM nicht zur Anwendung kam, zwar nicht immer, aber doch häufig vorgelegen haben. Eine Benachteiligung des Minderjährigen hinsichtlich der Aufnahme eines Darlehens wurde laut Gai. D. 4,4,27,1310 bereits immer dann bejaht, wenn der Minderjährige die Darlehensvaluta verschwendet hatte, völlig unabhängig von den sonstigen Konditionen und Umständen des Geschäftsabschlusses. Die in Passage c) wiedergegebene Regelung zeigt, dass hinsichtlich der Darlehensaufnahme durch Haussöhne der allgemeine Rechtsbehelf der Minderjährigenrestitution hinter dem speziellen Regel-Ausnahme-System des SCM zurücktrat. Wenn wegen eines erklärten iussum des Vaters weder Vater noch Sohn sich mittels SCM einer Klage des Gläubigers erwehren konnten, sollte der Gläubiger auch sicher sein, dass diese Entscheidung bezüglich des Sohnes durch eine für diesen wohl recht leicht zu erlangende i. i. r. propter minorem aetatem nicht wieder konterkariert wurde.311 307 Hierbei konnte es sich je nach der Ausdrucksform des Willens um eine actio quod iussu oder eine actio de peculio handeln, Wacke, Darlehensgewährung an Hauskinder, 276 f. 308 In Ulp. D. 15,4,1,1 heißt es, das iussum könne vor Zeugen, per Brief, mündlich, per Boten und entweder hinsichtlich eines bestimmten Geschäfts oder auch allgemein erteilt werden. 309 s. Heumann/Seckel, Handl., 290; Schleppinghoff, Actio quod iussu, 28 ff. 310 s. zu dieser Quelle auch § 5, C. 311 In diese Richtung bereits Accurius, Glossa Ordinaria, Bd. I, 535: „[. . .] est ratio, quia favet lex bene agenti creditori inter alios malè agentes [. . .]“ (und [die Ausnahme] ist vernünftig, denn sie bevorzugt die guten Kreditgeber [sc. diejenigen, die mit Einverständnis des Vaters den Kredit vergeben,] gegenüber den schlechten [und zwar, indem
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Nun ist freilich belegt, dass das SCM nicht nur dann keine Anwendung fand, wenn der Vater tatsächlich ein iussum abgegeben hatte. Lucrezi stellt die unterschiedlichen in den Quellen dokumentierten Ausdrücke zur Bezeichnung des väterlichen Willens vor. Es genüge „una volontà – ,attiva‘ o ,passiva‘, esplicita o implicita, preventiva o successiva – che è indicata dalle fonti con una pluralità di espressioni: ,patris voluntate‘ (CI. 4.28.2, 4.28.7 pr.; D. 14.6.7.11, 14.6.9.3, 14.6.9.4); ,iussu patris‘ (CI. 4.28.5; D. 4.4.3.4); ,permittente patre‘ (CI. 4.28.4); ,sciente patre‘ (D. 14.6.12); mancata ,testatio contrariae voluntatis‘ (D. 14.6.16); ,quasi ratum habuerit‘ (D. 14.6.7.15); ,iussio, mandatum, testimonium, ratihabitio, consensus‘ (CI. 4.28.7 pr.).“ 312 Selbst wenn man die justinianische Konstitution C. 4,28,7 pr. außer Acht lässt, zeigen die Quellen, dass es nicht immer eines durch ein iussum konkretisierten Willens des Vaters bedurfte, damit die Anwendung des SCM verneint wurde. Es kam allein darauf an, dass der Wille des Vaters irgendwie geäußert wurde, und sei es nur dadurch, dass der Vater einem ihm bekannten Geschäft nicht widersprach (siehe Ulp. D. 14,6,7,11; Paul. D. 14,6,16).313 Zwar war es für das Entfallen des Schutzes von Vater und Sohn durch das SCM ausreichend, dass das jeweilige Geschäft von irgendeiner voluntas patris gedeckt war. Allerdings hatte die Art und Weise, wie dieser Wille zum Ausdruck kam, durchaus Konsequenzen für die Beteiligten: Lag ein iussum des Vaters vor, konnte dieser von dem Darlehensgeber in solidum (in voller Höhe der jeweiligen geschäftlichen Verbindlichkeit) mittels der actio quod iussu in Anspruch genommen werden. Lag kein iussum vor, aber eine andere der genannten tatsächlichen oder vermuteten Willensbetätigungen des Vaters, konnte der Darlehensgeber den Vater nur bis zur Höhe des Wertes des Sondergutes des Sohnes zum Urteilszeitpunkt314 mit der actio de peculio belangen.315
sie dem Haussohn auch die i. i. r. verwehrt]); Cujaz, Opera Omnia, Bd. I, 1011: „[. . .] nam eatenus saltem visum est sublevandos esse creditores, qui alias Senatusconsulto Macedoniano satis opprimebantur.“ (denn es wird so eingeschätzt, dass die Kreditgeber, die in anderen Fällen schon genug durch das Senatusconsultum Macedonianum belastet werden, wenigstens insoweit unterstützt werden müssen); Savigny, System, Bd. VII, 280, bezeichnet die vorgebrachten Argumente als „unhaltbar“ und „wunderlich“. Zugestanden sei, dass der moralisierende Ton der Schriften für einen moderneren, vermeintlich rational argumentierenden Juristen befremdlich klingt. In ihnen angelegt, wenn auch nicht so präzise formuliert, ist aber der durchaus nachvollziehbare Gedanke eines (in bestimmten Fällen) vorrangigen Regelsystems des SCM. 312 SCM, 254. s. zu diesem Thema auch Wacke, Darlehensgewährung an Hauskinder, 276 ff. 313 Der Aussage Talamancas, Istituzioni, 122, das SCM finde nur dann keine Anwendung, wenn der Vater der Darlehensvergabe ausdrücklich zugestimmt habe („esplicitamente autorizzato“), ist somit zu widersprechen. 314 s. Kaser, RP I, 606. 315 s. Wacke, Darlehensgewährung an Haussöhne, 276 f.
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Ulpian schließt in D. 4,4,3,4 ausdrücklich nur die Wiedereinsetzung des minderjährigen Haussohnes bezüglich einer Darlehensaufnahme aus, die gerade iussu patris erfolgte. Von sonstigen Möglichkeiten des Vaters, sein Einverständnis mit dem Geschäft zu bekunden, ist nicht die Rede. Denkbar wäre, dass Ulpian einen Gleichlauf des Wegfalls des Schutzes des minderjährigen Haussohnes durch das SCM mit dem Wegfall der Wiedereinsetzungsmöglichkeit gerade nur für den Fall anordnen wollte, in dem der Vater seinen Willen in der besonders deutlichen Form der Erteilung eines iussum zum Ausdruck gebracht hat. Zum anderen wäre es möglich, dass Ulpian aus stilistischen Gründen sich nicht auf eine Enumeration und Ausdifferenzierung der für das SCM bestehenden Ausnahmekasuistik316 einlassen wollte, die er als bekannt voraussetzte. Er könnte das iussum als pars pro toto für all die Fälle der Darlehensaufnahme verwendet haben, die mit dem Willen oder im Interesse des Vaters zustande kamen und in denen die Anwendung des SCM ausgeschlossen war. Auch könnte es sein, dass Ulpian sich eben allein für den Fall des iussum äußern wollte und bezüglich der ansonsten noch bekannten thematisch verwandten Ausnahmen vom SCM überhaupt keine Aussage treffen wollte, einfach deshalb, weil er sie entweder nicht bedachte oder ihre Erwähnung nicht für wichtig genug hielt. In diesem Zusammenhang sei noch eine Konstitution aus dem Codex eingeführt, die sich ebenfalls mit dem Verhältnis von Minderjährigenrestitution und SCM beschäftigt: C. 2,22,1 (Gord., 238 n. Chr.) Si frater tuus, cum mutuam pecuniam acciperet, in patris fuit potestate nec iussu eius nec contra senatus consultum contractum est, propter lubricum aetatis adversus eam cautionem in integrum restitutionem potuit postulare.
Laut diesem Gordianreskript kann ein minderjähriger Haussohn, der ein Darlehen aufgenommen hat, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann verlangen, wenn er weder auf iussum seines Vaters gehandelt hat noch die Darlehensaufnahme gegen das SCM verstieß. Diese Quelle trifft hinsichtlich des Verhältnisses von SCM und i. i. r. zwei wichtige Aussagen. Erstens: Das iussum des Vaters schließt tatsächlich eine i. i. r. des Haussohnes hinsichtlich der eigenen Darlehensaufnahme aus (in diesem Fall greift auch der Schutz des SCM nicht ein)317. Insoweit stimmt die Aussage der Konstitution mit der hier vertretenen Interpretation des Ausnahmesatzes in Ulp. D. 4,4,3,4 überein. Zweitens: Es muss nach der Darstellung Gordians Fallkonstellationen gegeben haben, in denen das SCM den Haussohn nicht schützte (weil die Kreditgewäh-
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s. Wacke, Darlehensgewährung an Haussöhne, 276 ff. s. Fn. 284.
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rung nicht gegen das SCM verstieß), der Haussohn aber dennoch auf die i. i. r. zurückgreifen konnte. Einen Hinweis darauf, um welche Konstellationen es sich gehandelt haben könnte, liefert Pomponius unter Berufung auf Iulian: Pomp/Iul. D. 14,6,19 (7 ex var. lect.) Iulianus scribit exceptionem senatus consulti Macedoniani nulli obstare, nisi qui sciret aut scire potuisset filium familias esse eum cui credebat.
Das SCM konnte demnach dann nicht zur Anwendung kommen, wenn der Darlehensgeber nicht wusste und auch nicht hätte wissen können, dass er mit einem Haussohn kontrahierte.318 In diesem Fall griff zwar der Schutz des SCM nicht ein, eine i. i. r. war aber höchstwahrscheinlich dennoch zu Gunsten eines minderjährigen Haussohnes möglich, sofern der Haussohn nicht bewusst seine Volljährigkeit vorgeschützt hatte.319 Eine andere Erklärungsmöglichkeit wäre, dass Gordian das Ansicht war, die i. i. r. des minderjährigen Haussohnes sollte noch möglich sein, wenn der Senatsbeschluss deshalb keine Anwendung fand, weil der Vater die Darlehensaufnahme des Sohnes zwar nicht durch ein iussum angeordnet, aber dennoch sonstwie erlaubt oder genehmigt habe, oder wenn die Darlehensaufnahme aus einem notwendigen Grund geschehen war.320 Folgt man dieser Interpretation von Gord. C. 2,22,1, geht die Aussage des Reskripts über den Aussagegehalt des Ausnahme-Satzes in Ulp. D. 4,4,3,4 dahingehend hinaus, dass Gordian einen Gleichlauf zwischen dem Ausschluss des SCM und dem Ausschluss der i. i. r. verneinte, wenn der Ausschluss des SCM zwar im weiteren Sinne mit dem Willen des Vaters übereinstimmte, aber dieser Wille nicht durch ein iussum zum Ausdruck gebracht worden war.321 Hinsichtlich der hier vertretenen Interpretation der Passage c) aus Ulp. D. 4,4,3,4 ist zusammenfassend festzuhalten: Die Nichtanwendung der i. i. r. zu Gunsten des Sohnes für den Fall, dass dieser auf Geheiß seines Vaters ein Darlehen aufgenommen hat, stellt eine echte Ausnahme zu der in D. 4,4,3,4 aufgestellten Grundregel dar, dass Haussöhne generell wiedereingesetzt werden können, wenn sie selbst verpflichtet sind und auch verklagt werden. Die Ausnahme lässt sich unter Berücksichtigung der Nichtanwendung des SCM für die Fälle des auf Geheiß des Vaters aufgenommenen Darlehens aber durchaus schlüssig erklären.
318
s. dazu auch Savigny, System, Bd. VII, 287 f. s. oben, § 2, A. I. 5. 320 Zu diesen Ausschlussgründen s. Wacke, Darlehensgewährung an Hauskinder, 276 ff. 321 Wie Ulpian in diesen Fällen des Ausschlusses des SCM hinsichtlich der Anwendung der i. i. r. entschieden hätte, ist, wie gezeigt, nicht klar, s. weiter oben in diesem Unterkapitel. 319
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An dieser Stelle muss jedoch noch gefragt werden, ob die hier vertretene Vorrangstellung der Ausnahme des SCM gegenüber der i. i. r. des Minderjährigen nicht in Widerspruch steht zu der in Ulp. D. 4,4,11,7 (11 ad ed.) geschilderten Situation: Plane si minor annis cum filio familias maiore contraxerit, et Iulianus libro quarto digestorum et Marcellus libro secundo digestorum scribit posse in integrum restitui, ut magis aetatis ratio quam senatus consulti habeatur.
Ein Minderjähriger hat einem volljährigen Haussohn ein Darlehen ausgezahlt. Die Frage nach der Wiedereinsetzungsmöglichkeit des Minderjährigen bejahen sowohl Marcellus als auch Julian. Ulpian kommentiert diese Entscheidung im letzten Halbsatz dahingehend, dass also mehr Rücksicht auf den Minderjährigenschutz als auf das SCM genommen werde. Die zitierte Quelle ist im Zusammenhang mit Ulp. D. 14,6,3,2 (29 ad ed.) zu lesen,322 in der das Thema der Wiedereinsetzung des minderjährigen Darlehensgebers ebenfalls angesprochen wird: Proinde et in eo, qui scire non potuit, an filius familias sit, Iulianus libro duodecimo cessare senatus consultum ait, ut puta in pupillo vel minore viginti quinque annis. sed in minore, causa cognita et a praetore succurrendum [. . .].
Ulpian schildert in D. 14,6,3,2, dass zu Lasten eines Minderjährigen, der ein Darlehen an einen filius familias vergab, das SCM nicht eingriff, weil man zu Gunsten des Minderjährigen vermutete, dass er nicht wissen konnte (scire non potuit), dass er mit einem Haussohn kontrahiert hatte.323 Wusste der Minderjährige jedoch nachweisbar, dass er einem Haussohn ein Darlehen gegeben hatte, und waren deshalb die Voraussetzungen des SCM an sich erfüllt, konnte dem Minderjährigen immer noch nach Prüfung des Sachverhalts die i. i. r. erteilt werden (sed in minore, causa cognita et a praetore succurrendum). Vermutlich setzte diese Wiedereinsetzung voraus, dass der Minderjährige sich der rechtlichen Konsequenzen der Vergabe eines Darlehens an einen Haussohn nicht bewusst war. Infolge dieser Wiedereinsetzung wurde der Minderjährige dann so behandelt, als sei der Darlehensnehmer kein Haussohn.324 Die zitierten Quellen zeigen, dass generell dem Schutz des Minderjährigen durch die i. i. r. der Vorrang gegenüber der Anwendung des SCM eingeräumt wird. Fraglich ist, ob diese Prioritätensetzung dem für Ulp. D. 4,4,3,4 vertretenen
322 s. auch Lucrezi, SCM, 281 f.; Musumeci, Quod cum minore, 519 Fn. 28, und Editto sui minori, 47; Wacke, Darlehensgewährung an Hauskinder, 274; s. nun auch Musumeci, Protezione pretoria, 119 f. 323 s. Pomp. D. 14,6,19; zu beachten ist, dass zu Gunsten volljähriger Darlehensgeber die Unkenntnis der Haussohn-Eigenschaft des Darlehensnehmers nur zu einem Ausschluss des SCM führte, wenn der Minderjährige in der Öffentlichkeit als Hausvater aufgetreten war, s. Ulp. D. 14,6,3 pr. 324 s. zur Wiedereinsetzung des minderjährigen Darlehensgebers auch Paul. D. 22,6,9 pr.
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Ausschluss der i. i. r. aufgrund des Ausschlusses der Anwendung des SCM entgegensteht. Zu beachten ist jedoch zunächst, dass der Minderjährige sich in Ulp. D. 4,4,11,7 und Ulp. D. 14,6,3,2 in der Rolle des Darlehensgebers befindet, in der in Ulp. D. 4,4,3,4, Passage c) erwähnten Situation dagegen in der Rolle des Darlehensnehmers. Der Minderjährige ist in der Rolle des Darlehensnehmers und ist selbst filius familias, nicht etwa sein Vertragspartner. Die Aussage der Passage c) in Ulp. D. 4,4,3,4 lautet: Der durch das iussum des Vaters bedingte Ausschluss des SCM zu Gunsten des Gläubigers soll auch die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung des filius familias wegen Minderjährigkeit ausschließen, damit der durch die Nichtanwendung des SCM gesetzte Anreiz dafür, dass es zu einer Darlehensvergabe an die Haussöhne kam, nicht durch die häufig ebenfalls gegebene Restitutionsmöglichkeit des minderjährigen Haussohnes konterkariert wurde. Diese Aussage steht aus den folgenden Gründen nicht im Widerspruch zu den in Ulp. D. 4,4,11,7 und Ulp. D. 14,6,3,2 getroffenen Entscheidungen: Erstens begünstigen sämtliche Entscheidungen in Ulp. D. 4,4,3,4, Passage c); in Ulp. D. 4,4,11,7 und Ulp. D. 14,6,3,2 letztlich den durch das SCM stark benachteiligten Darlehensgeber. Zweitens ist die folgende Überlegung anzustellen: Von allen Fällen einer Darlehensaufnahme durch einen Haussohn wird die in Ulp. D. 4,4,11,7 und Ulp. D. 14,6,3,2 beschriebene Konstellation der Aufnahme des Darlehens von einem minderjährigen Darlehensgeber nur einen geringen Prozentsatz ausgemacht haben. Der Darlehensgeber musste über ausreichend liquides Vermögen verfügen, um die Darlehenssumme auszahlen zu können, sodass es sich eher selten um einen Minderjährigen gehandelt haben wird. Die Möglichkeit der Gewährung einer i. i. r. zu Gunsten des (ausnahmsweise) minderjährigen Darlehensgebers wird also die Wirksamkeit des SCM nicht signifikant verringert haben, sodass dem Minderjährigenschutz der Vorrang eingeräumt werden konnte. Im Gegensatz dazu wird die in Passage c) von Ulp. D. 4,4,3,4 behandelte Situation geradezu typisch gewesen sein: Hier hätte die Gewährung der i. i. r. zu Gunsten des minderjährigen Darlehensnehmers einen viel höheren Prozentsatz der Fälle betroffen, weil sehr viele Haussöhne, die auf Geheiß ihres Vaters ein Darlehen aufnahmen, jünger als 25 Jahre alt gewesen sein werden und eine Benachteiligung allein schon aufgrund der Verschwendung der Darlehenssumme bejaht wurde. Die Wirksamkeit der zu dem SCM aus guten Gründen gebildeten Ausnahme wäre also durch die Anwendbarkeit der Minderjährigenrestitution in diesen Fällen weitgehend und typischerweise eingeschränkt worden, was eben durch die sicherlich ungewöhnliche Ausnahmevorschrift gerade verhindert werde sollte.
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5. Möglichkeit und Grenzen der vertraglichen Verpflichtungsfähigkeit von Hauskindern, nach Ulp. D. 4,4,3,4 unter Berücksichtigung des Senatusconsultum Macedonianum
Bisher sind wir in unserer Analyse von Ulp. D. 4,4,3,4 stets davon ausgegangen, dass der minderjährige Haussohn einklagbare persönliche Verpflichtungen eingehen kann, wie es ja durch den Wortlaut der Quelle klar indiziert wird ([. . .] puta si sit obligatus [. . .] si igitur filius conveniatur [. . .]) und wie es auch dem gängigen Rechtsverständnis entspricht.325 Die Frage der Verpflichtungsfähigkeit einer minderjährigen Haustochter wurde bisher offengelassen; bisher wurde lediglich festgestellt, dass die allgemeine Wertentscheidung Ulpians, die Wiedereinsetzung von Haussöhnen immer nur dann zuzulassen, wenn diese an ihr ein eigenes Interesse haben, jedenfalls außerhalb des vertraglichen Bereichs auch auf Haustöchter angewandt wurde.326 Dieses Unterkapitel wird sich zunächst mit einer von Longo vorgenommenen Kritik der Quelle Ulp. D. 4,4,3,4327 beschäftigen. Die Autorin versucht nachzuweisen, dass Ulp. D. 4,4,3,4 in der Nachklassik manipuliert wurde und Ulpian selbst nicht von einer Einklagbarkeit der Verbindlichkeiten des Haussohnes noch während dessen rechtlicher Unselbständigkeit ausging. Im Anschluss an die Kritik der Interpretation der Quelle Ulp. D. 4,4,3,4 durch Longo wird die Frage aufgeworfen, ob sich aus dem Umstand, dass das SCM gemäß Ulp. D. 14,6,9,2 auch auf Haustöchter angewandt wurde, Argumente hinsichtlich der Verpflichtungsfähigkeit von Haussöhnen und Haustöchtern ziehen lassen. a) Kritik der Interpretation von Ulp. D. 4,4,3,4 durch Longo Das Ziel der von Longo vorgenommenen Quellenkritik liegt darin, plausibel zu machen, dass Ulp. D. 4,4,3,4 von den Kompilatoren umgestaltet wurde, um den Text der nach Ansicht der Autorin erst im justinianischen Recht anerkannten zivilrechtlichen Verpflichtungsfähigkeit von Haussöhnen anzupassen.328 Die Quelle Ulp. D. 4,4,3,4, deren überlieferter Wortlaut nicht mit der These der Verfasserin in Einklang gebracht werden kann, hält die Verfasserin für interpoliert. Die von der Verfasserin vorgeschlagenen Modifikationen, die nach unserer Einteilung des Textes das Ende der Passage a) und einen Teil der Passage b) umfassen, seien hier zunächst wiedergegeben: 325 Rechtsgeschäftlich verpflichten konnte sich nach ganz überwiegend vertretener Meinung zwar der Haussohn, nicht aber die Haustochter, s. z. B. Kaser, RP I, 343 (unter Berufung auf Gai Inst. 3,104; Gai D. 45,1,141,2; Ulp. D. 13,6,3,4); ebenso Honsell/ Mayer-Maly/Selb, 377 und Talamanca, Istituzioni, 122; zahlreiche Literaturnachweise bei Longo, Filius familias se obligat?, 36, Fn. 75, und 52, Fn. 12. 326 s. § 3, C. IV. 1. b). 327 s. Longo, Filius familias se obligat?, 298 ff., s. auch 102 f. 328 s. Longo, Filius familias se obligat?, 298 ff., 17 ff., 261 ff.
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„. . . filius familias minorem annis in integrum restitui posse ex his solis causis quae ipsius intersint, puta si sit ,naturaliter‘ obligatus. proinde si iussu patris obligatus sit, pater utique poterit in solidum conveniri: filius autem cum et ipse possit [vel in potestate manens] conveniri [, vel etiam] emancipatus vel exheredatus in id quod facere potest [, et quidem in potestate manens etiam invito patre ex condemnatione conveniri] . . .“ 329
Der letzte Teil des Zitats ab et quidem in potestate sei hier hintangestellt, da diese Stelle eine Sonderproblematik aufwirft, die über die Frage nach der grundsätzlichen Einklagbarkeit der von dem Haussohn eingegangenen Forderungen hinausgeht und daher an dieser Stelle nicht beantwortet werden muss.330 Relevant ist hier allein die Frage, was Longo dazu veranlasst hat331 anzunehmen, in dem von Ulpian verfassten Original sei lediglich von einer natürlichen Verbindlichkeit des minderjährigen Haussohnes die Rede gewesen (Einschub ,naturaliter‘) und die Möglichkeit der Klageerhebung auf die Zeit nach dessen Erlangung der rechtlichen Selbständigkeit bezogen gewesen (Ausklammerung von vel in potestate manens und vel etiam). Eine Begründung für ihre Interpolationsannahme liefert die Verfasserin gewissermaßen nebenbei. Sie führt an, nur wenn man davon ausginge, dass der Haussohn sich nicht selbst verpflichten könne, stelle die Begünstigung des Hausvaters durch die i. i. r. eine berechtigte Befürchtung dar: „[. . .] l’eventualità che fosse il pater ad usufruire della in integrum restitutio poteva costituire un timore legittimo solo se si parte dal corretto presupposto dell’incapacità del filius familias di obbligarsi pro se: dal momento, cioè, che il potestati subiectus non era personalmente convenibile in giudizio per il debito contratto e quindi non si trovava nella condizione di richiedere la in integrum restitutio [. . .].“ 332 Longo argumentiert, das Problem der Begünstigung des Hausvaters könne sich nur stellen, wenn der Sohn mangels eigener Verpflichtung und daher mangels Benachteiligung gerade nicht die i. i. r. beantragen könne, sodass eine i. i. r. allein zu Gunsten des Vaters gewährt würde. Ulpian geht es aber in D. 4,4,3,4 erkennbar nicht darum, nur eine alleinige Begünstigung des Vaters zu vermeiden (siehe aus Passage a): [. . .] ut per eos etiam maioribus subveniatur, id est patribus eorum [. . .]. Longo selbst zeigt eine Seite zuvor, dass die Begünstigung des Vaters durch die i. i. r. 329
Longo, Filius familias se obligat?, 301. Der letzte Teilsatz legt die Möglichkeit der Erhebung der Vollstreckungsklage gegen den Haussohn nahe, was hinsichtlich der Vermögenslosigkeit des Haussohnes überrascht. s. zu dieser Diskussion Lucrezi, SCM, 75 ff. Lucrezi, SCM, 77 betont, dass die mangelnde Vermögensfähigkeit des Haussohnes seiner Verurteilung aufgrund der actio iudicati als solcher noch nicht entgegengestanden habe, sondern die Vermögenslosigkeit allein die auf die Verurteilung folgende tatsächliche Durchführung der Vollstreckung verhindert habe (s. auch Kaser/Hackl, RZ, 386 ff.). Dies erscheint plausibel. 331 Abgesehen selbstverständlich von dem Bestreben, den Text mit der These ihrer Monographie in Einklang zu bringen, ein Bestreben, das für sich genommen noch keine Interpolationsannahme zu rechtfertigen vermag. 332 Longo, Filius familias se obligat?, 300. 330
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eben nicht voraussetzt, dass der Sohn selbst nicht wiedereingesetzt werden kann. Der Vater kann durchaus einen Nutzen aus der i. i. r. ziehen, wenn der Sohn sowohl sich selbst als auch den Vater adjektizisch quod iussu, de peculio oder de in rem verso zunächst verpflichtet hat und anschließend eine i. i. r. des Sohnes auch zur Befreiung des Vaters von seinen Verbindlichkeiten führt. Die Sorge Ulpians richtet sich auf diese gleichzeitige Befreiung des Sohnes und des Vaters, einen Umstand, den Ulpian dann durch die prozessuale Beschränkung der Restitution des Sohnes einzugrenzen versucht. Longo gibt dies alles zunächst völlig korrekt wieder: „[. . .] ci si chiede se questo mezzo pretorio finisca col costituire indirettamente un rimedio a vantaggio del pater nel caso in cui il minore sia un filius familias; e, in riposta al quesito, viene sottolineata la necessità di distinguere a seconda che, per l’attività negoziale posta in essere dal figlio, venga chiamato in giudizio egli stesso oppure il creditore agisca (quod iussu o de peculio) contro l’avente potestà, dovendosi ammettere la in integrum restitutio solo nel primo caso [. . .].“ 333 Warum die Verfasserin zunächst die Problematik der indirekten Begünstigung des Hausvaters durch die Wiedereinsetzung des Sohnes korrekt beschreibt, dann aber umschwenkt und annimmt, eine Begünstigung des Vaters durch die i. i. r. sei nur dann zu befürchten, wenn der Sohn gerade nicht von der i. i. r. profitieren könne, wird nicht nachvollziehbar erklärt.334 b) Die Anwendung des Senatusconsultum Macedonianum auf Haustöchter: Begründung und Konsequenzen für die Wiedereinsetzung minderjähriger Haustöchter nach Ulp. D. 4,4,3,4. Es ist bereits klar geworden, dass das SCM, welches die Darlehensvergabe an Hauskinder verbietet, und die Restitution minderjähriger Hauskinder in einem 333
Longo, Filius familias se obligat?, 299 f. Selbst wenn die Beschreibung der Möglichkeit der indirekten Begünstigung des Vaters von vornherein nicht dem Rechtsverständnis der Autorin entspricht, so erklärt sie jedenfalls nicht ausreichend, warum sie diese Interpretationsmöglichkeit schließlich ablehnt. Zuzustimmen ist Longo, Filius familias se obligat?, 300 f., insoweit, als die Passage vel etiam emancipatus vel exheredatus in id quod facere potest nicht im Widerspruch zu der in Ulp. D. 4,4,3,4 aufgeworfenen Problematik der Wiedereinsetzung des eben noch in der Gewalt des Vaters befindlichen Sohnes steht. Allerdings ist eine Streichung des gesamten Satzes aus anderen Gründen als den von Longo angenommenen abzulehnen. Die Verfasserin geht davon aus, dass es, wenn man von der Verpflichtungsfähigkeit des Haussohnes ausgeht, konsequent, ja geradezu notwendig sei, die zitierte Passage, die die Erhebung einer Klage gegen den mittlerweile rechtlich selbständigen Minderjährigen erwähnt, zu tilgen. Diese scheinbare Notwendigkeit besteht jedoch gar nicht. Denn es ist kein kontextfremder Umstand, dass dem Sohn nach Erlangung der rechtlichen Selbständigkeit (jedenfalls) die Vollstreckung bis zur Höhe seines Leistungsvermögens droht. Vielmehr stellt diese „Drohkulisse“ ein ganz entscheidendes Argument für die prinzipielle Wiedereinsetzungsbedürftigkeit des minderjährigen Haussohnes dar, auch wenn man von dessen Verpflichtungsfähigkeit ausgeht. Der Satz bleibt also erhalten, auch wenn man sich nicht der Theorie der Verfasserin anschließt. 334
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gewissen Spannungsverhältnis stehen. Dieses Spannungsverhältnis betrifft nicht nur die schon diskutierte Frage, ob minderjährige Haussöhne, die auf Geheiß des Vaters ein Darlehen aufgenommenen hatten, ausnahmsweise nicht in den vorigen Stand wiedereingesetzt werden konnten, sondern auch die Frage nach der Verpflichtungsfähigkeit von Haustöchtern. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Quelle Ulp. D. 14,6,9,2 (29 ad ed.), in der ausdrücklich betont wird, dass das SCM (in Erweiterung seines ursprünglichen Wortlautes)335 auch die Darlehensvergabe an Haustöchter missbillige: Hoc senatus consultum et ad filias quoque familiarum pertinet nec ad rem pertinet, si adfirmetur ornamenta ex ea pecunia comparasse: nam et ei quoque qui filio familias credidit decreto amplissimi ordinis actio denegatur nec interest, consumpti sint nummi an exstent in peculio. multo igitur magis severitate senatus consulti eius contractus improbabitur, qui filiae familias mutuum dedit.
Ulpian betont im letzten Satz der Quelle, dass das SCM die Darlehensgewährung an Haustöchter erst recht missbillige. So wie bei den Haussöhnen die Klage stets verweigert werde (um welche Klage es sich dabei handelt, wird noch zu klären sein), unabhängig davon, ob das Geld noch im peculium vorhanden oder verbraucht worden sei, komme es auch bei den Haustöchtern nicht darauf an, ob und in welcher Weise die Darlehenssumme verwendet worden sei. Die Quelle ist deshalb interessant, weil sie argumentativ sehr unterschiedlich verwertet werden kann. Longo benutzt die Anwendung des SCM auf Haustöchter als ein ihrer Ansicht nach sehr starkes Argument gegen die Auffassung, dass Haussöhne aus den von ihnen eingegangenen Verpflichtungen schon vor Erlangung der rechtlichen Selbständigkeit verklagt werden konnten. Konkret argumentiert sie folgendermaßen: Wenn das SCM auch bei Haustöchtern Anwendung fand, müsse dies bedeuten, dass die Klage, die auf der Grundlage des SCM denegiert wurde, allein die adjektizische Klage gegen den Hausvater sein konnte, weil Haustöchter zweifellos nicht fähig gewesen seien, sich iure civili zu verpflichten. Hieraus folge dann, dass auch im Falle des von einem Haussohn aufgenommenen Darlehens der Sohn nicht selbst verklagt werden konnte und das SCM lediglich zur Abwehr der adjektizischen Klage gegen den Hausvater Verwendung fand.336 Bevor wir auf die referierte Argumentation eingehen, sei zunächst aufgezeigt, dass sich die Quelle Ulp. D. 14,6,9,2 auch gerade im entgegengesetzten Sinne 335
s. Ulp. D. 14,6,1 pr. Longo, Filius familias se obligat, 247 f.: „Inoltre, che il filius familias non fosse in etè classica personalmente responsabile delle obbligazioni assunte e che dunque l’azione denegata, ex senatusconsulto, al creditore di mutua pecunia concessa ad un filius in potestate non potesse che essere l’azione adiettizia contro il pater, risulta in modo incontrovertibile da un passo di Ulpiano, dove il giurista tiene ripetutamente a sottolineare che dalla norma senatoria veniva protetta (e al tempo stesso limitata) la filia familias, quale in età classica era ,sicuramente‘ incapace di obbligarsi iure civili [. . .].“ Es folgt die Wiedergabe von Ulp. D. 14,6,9,2. 336
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einsetzen ließe: Wenn man davon ausgeht, dass die Quellen stimmen, die bezeugen, dass das SCM sowohl der Klage des Darlehensgebers gegen den Haussohn selbst als auch der adjektizischen Klage gegen dessen Vater entgegengehalten werden konnte337 und nun Ulpian in D. 14,6,9,2 ausdrücklich betont, dass der Senatsbeschluss auch auf Haustöchter Anwendung fand, könnte man daraus ebenfalls schließen, dass auch die von der Haustochter eingegangenen Verbindlichkeiten jedenfalls mit deren Erlangung der rechtlichen Selbständigkeit einklagbar geworden sein müssten. Wäre dies nicht so, käme – so könnte man argumentieren – das SCM für die Verbindlichkeiten von Haustöchtern nur in sehr reduziertem Maße zur Anwendung, nämlich ausschließlich dann, wenn der Vater aus den Verbindlichkeiten der Tochter mit der actio de peculio belangt wurde. Diese nicht unerhebliche Unterscheidung zwischen der Bedeutung des SCM für Darlehen des Haussohnes und der Haustochter werde von Ulpian jedoch nicht erwähnt. Als Indiz für diese zweite Auslegung ließe sich zudem Inst. 4,7,7338 anführen, woraus hervorgeht, dass jedenfalls zur Zeit Justinians die Einklagbarkeit der von der Haustochter eingegangenen Verbindlichkeiten sowohl vor als auch nach Erlangung der rechtlichen Selbständigkeit als möglich angesehen wurde.339 337 Z. B. Ulp. D. 14,6,9,3; Auflistung der in diese Richtung weisenden (der Ansicht der Autorin gerade nicht entsprechenden) Quellen bei Longo, Filius familias se obligat?, 230 f. 338 Inst. 4,7,7: Illud proprie servatur in eorum persona, quod senatus consultum Macedonianum prohibuit mutuas pecunias dari eis qui in parentis erunt potestate: et ei qui crediderit denegatur actio, tam adversus ipsum filium filiamve, nepotem neptemve, sive adhuc in potestate sunt, sive morte parentis vel emancipatione suae potestatis esse coeperint, quam adversus patrem avumve, sive habeat eos adhuc in potestate sive emancipaverit. quae ideo senatus prospexit, quia saepe onerati aere alieno creditarum pecuniarum, quas in luxuriam consumebant, vitae parentium insidiabantur. 339 Es sei hier angemerkt, dass die insgesamt sehr erhellenden Ausführungen Wackes zum SCM (Darlehensgewährung an Hauskinder) leider etwas vage bleiben, was die rechtliche Stellung der Haustöchter angeht. Auf S. 242 schreibt Wacke, dass sowohl Haussöhne als auch Haustöchter (grundsätzlich) sämtliche Rechtsgeschäfte wirksam vornehmen, Haussöhne aus ihnen auch verklagt werden konnten. Der Ausdruck „wirksam“ wird nicht näher erläutert, höchstwahrscheinlich ist damit die Wirksamkeit nach ius civile gemeint. Auf den ersten Blick steht diese Aussage Wackes in klarem Widerspruch zu der soeben referierten Ansicht Longos (Filius familias se obligat?, 248 mit Fn. 108), es sei völlig unbestritten, dass Haustöchter sich nicht iure civili verpflichten könnten. Tatsächlich besteht aber kein wesentlicher, sondern nur ein begrifflicher Unterschied: Wenn Longo sagt, es sei klar, dass Haustöchter sich nicht zivilrechtlich verpflichten könnten, dann liegt ihre Hauptaussage darin, dass sie jedenfalls nicht verklagt werden können. Denn ihre Argumentation hinsichtlich der Wirkungen des SCM für Haustöchter stützt sich gerade auf die Unmöglichkeit der Klageerhebung gegen die Haustöchter. Dass eine Haustochter während der Dauer der potestas des Vaters nicht verklagt werden kann, sagt auch Wacke eindeutig (Darlehensgewährung an Hauskinder, 242; Notbedarfseinrede, 475). Ob Wacke in „Darlehensgewährung an Hauskinder“ aber davon ausgeht, dass die Verbindlichkeiten, die die Tochter in potestate eingegangen ist, mit der Erlangung der rechtlichen Selbständigkeit einklagbar werden, ist dagegen nicht ganz klar festzustellen. Dafür würde sprechen, dass Wacke auf S. 260 für die Anwen-
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Weder die eine noch die andere der beiden geschilderten Argumentationsmöglichkeiten kann bei näherem Hinsehen überzeugen: Zunächst zu der Argumentation Longos, die Anwendung des SCM auf Haustöchter lasse darauf schließen, dass auch Haussöhne nicht verklagt werden konnten:340 Selbst wenn man davon ausgeht, dass im Fall der Darlehensaufnahme durch eine Haustochter das SCM nur der vom Gläubiger gegen den Vater erhobenen actio de peculio entgegengehalten werden konnte und auch Ulp. D. 14,6,9,2 nur eine Aussage über diese Situation trifft, folgt daraus in keiner Weise, dass gegen Haussöhne nicht auch direkt geklagt werden konnte. Eine solche Argumentation zäumt bildlich gesprochen das Pferd von hinten auf. Sinn und Zweck des Verbots war es, den Erfolg aller Klagen zu verhindern, die es dem Darlehensgeber, wenn es das SCM nicht gäbe, ermöglichen würden, die von ihm ausgezahlte Darlehensvaluta gerichtlich zurückzufordern. Stehen ihm Klagen gegen zwei Personen offen, wie bei der Darlehensaufnahme durch einen Haussohn, die ihm die Klage gegen den Sohn und auch gegen den Vater eröffnet, vereitelt das SCM beide Klagen. Steht dem Darlehensgeber dagegen nur eine Klage offen, wie bei der Darlehensaufnahme durch eine Haustochter, richtet sich das SCM eben nur gegen diese eine Klage. Longos Schluss von der Situation der Haustöchter auf diejenige der Söhne ist daher abzulehnen.
dung des SCM auf Haustöchter auch Inst. 4,7,7 anführt, eine Quelle, die die Einklagbarkeit der Forderungen der Tochter voraussetzt, ohne sich von ihrem Inhalt (teilweise) zu distanzieren. Auch betont Wacke, Darlehensgewährung an Hauskinder, 260, Fn. 50, das gesetzliche Erbrecht der Frau als Anknüpfungspunkt des SCM. Würde die Erlangung der Erbschaft nicht zur Einklagbarkeit und Vollstreckbarkeit der Forderung gegen die ehemalige Haustochter führen, wäre es unlogisch, mit der Möglichkeit der Erlangung eines Vermögens die Anwendung des SCM zu begründen. Denn käme das SCM bei von Haustöchtern aufgenommenen Darlehen nur gegen die actio de peculio des Gläubigers gegen den Hausvater zur Anwendung, wäre nicht ersichtlich, warum das gesetzliche Erbrecht der Tochter, welches für die Eröffnung der actio de peculio gegen den Vater unerheblich ist, Voraussetzung für die Anwendung des Kreditgewährungsverbotes wäre. Zweitens ist den rein tatsächlichen, außergerichtlichen Druckmitteln der Gläubiger, denen sich eine vermögende ehemalige Haustochter nach Erhalt der Erbschaft ausgesetzt sehen könnte, wie auch Wacke, ibid., 323, betont, auch durch das SCM nicht beizukommen. Auf der anderen Seite schreibt Wacke an gleicher Stelle, ein Vorteil des SCM liege darin, dass das den Söhnen nach ihrer Gewaltentlassung zugefallene peculium nicht durch Darlehensschulden belastet werde. Von den Töchtern ist keine Rede. Denkbar wäre daher, dass Wacke meint, das gesetzliche Erbrecht sei allein deshalb Anknüpfungspunkt für das Kreditgewährungsverbot, weil auch eine Tochter versucht sein könnte, den Tod des Vaters herbeizuführen, um endlich ihre Gläubiger auszahlen zu können und deren Nachstellungen zu entkommen, auch wenn die Gläubiger die Schuld nie hätten einklagen können. Die von der Frau ausgehende Mordgefahr bewertet Wacke zwar als geringer, aber auch nicht als inexistent, ibid., 322. Vielleicht hielt Wacke den Gedanken, die Darlehensschuld der Tochter könne schon in klassischer Zeit nach ihrer Gewaltentlassung eingeklagt werden, allerdings auch nur für so unwahrscheinlich, dass er eine Diskussion desselben nicht für nötig hielt. 340 s. Longo, Filius familias se obligat?, 247 f.
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Auch der Gedanke, dass die von Haustöchtern aufgenommenen Verbindlichkeiten bereits in klassischer Zeit einklagbar wurden, sobald die Frau aus der Gewalt des Vaters heraustrat, ist nicht plausibel. Erstens ist es mit dem Wortlaut von Ulp. D. 14,6,9,2 gut vereinbar, dass Ulpian für den Fall der Darlehensaufnahme durch eine Haustochter lediglich an die Anwendung des SCM als Abwehrmöglichkeit des Vaters gegen die actio de peculio dachte. Insbesondere wird dies dadurch indiziert, dass Ulpian betont, es komme schließlich auch bei den Söhnen nicht darauf an, ob die Darlehensvaluta sich noch im Sondergut befinde oder nicht, die Klage des Gläubigers (gegen den Vater) werde in jedem Fall verweigert. Weiterhin war allein schon aus moralischen Gründen eine Ausweitung des SCM auch auf die Darlehen der Haustöchter angezeigt: Wenn potentielle Geldgeber davon abgehalten werden sollten, Haussöhnen ein dekadentes Leben zu ermöglichen, so musste das erst recht auch für die Töchter gelten, selbst wenn diese nicht persönlich verklagt werden konnten341 und die von ihnen ausgehende Lebensgefahr für den Vater sicherlich deutlich geringer war342. Darüber hinaus lässt sich gegen die Einklagbarkeit der Verbindlichkeiten der ehemaligen Haustochter auch anführen, dass die Kompetenzeinrede (beneficium competentiae), welche vom Prätor gerade für die Situation geschaffen wurde, dass ein aus der Gewalt Entlassener aus seinen noch in potestate abgeschlossenen Verbindlichkeiten gerichtlich belangt wird, immer nur für ehemalige Haussöhne, nicht auch für ehemalige Haustöchter diskutiert wird.343 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass es kaum mit der (wenn auch abgeschwächten) Aufrechterhaltung der tutela mulierum344 während der Klassik vereinbar wäre, die von der Haustochter eingegangenen Verbindlichkeiten automatisch mit der rechtlichen Selbständigkeit einklagbar werden zu lassen. Wenn sogar rechtlich selbständige Frauen formal weiterhin der Zustimmung ihres Vormunds bedurften, um eine Verbindlichkeit einzugehen (auch wenn dieses Erfordernis praktisch häufig umgangen oder abgeschwächt wurde), wie konnten dann die von einer Frau alieni iuris selbständig eingegangenen Verbindlichkeiten ohne Zustimmung eines Dritten ohne weiteres einklagbar werden? Auch die zweite zu Ulp. D. 14,6,9,2 vorgestellte Argumentationsmöglichkeit ist somit abzulehnen. Im Ergebnis bleibt es dabei, dass Haussöhne sich wirksam verpflichten und auch verklagt werden können, Haustöchter dagegen lediglich Naturalobligationen eingehen können, die auch nach Erlangung der Selbständigkeit nicht einklagbar werden. Die von Ulpian in D. 4,4,3,4 getroffene Grundentscheidung zur Handhabung der Minderjährigenrestitution hinsichtlich vertraglicher Verpflichtungen 341
So auch Wacke, Darlehensgewährung an Hauskinder, 320 mit Fn. 235. So auch Wacke, Darlehensgewährung an Hauskinder, 322. 343 s. z. B. Ulp. D. 14,5,2; Ulp. D. 14,5,4; Paul. D. 14,5,5; Scaev., D. 15,5,7; Wacke, Notbedarfseinrede, 474 ff. 344 Gai. Inst. 1, 190 und 192; Kaser/Knütel, RP, 340 f. s. auch schon Fn. 3. 342
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betrifft daher, anders als die zuvor getroffene allgemeine Wertentscheidung, übereinstimmend mit ihrem Wortlaut nur Haussöhne, nicht auch Haustöchter.345
D. Aussagekraft der Quellen zur positiven Drittwirkung hinsichtlich des jeweils angewandten Restitutionsverfahrens In keiner der bisher betrachteten Quellen wird das vom Prätor gewählte Restitutionsverfahren angesprochen oder problematisiert. Es lassen sich lediglich die folgenden Vermutungen anstellen: Wurde der Bürge verklagt, konnte er, wenn er nicht das Restitutionsrisiko bewusst übernomnmen hatte, auf eigenen Antrag erreichen, dass der Minderjährige selbst wiedereingesetzt wurde. Die Hauptschuld wurde dann wohl von dem Prätor als nie eingegangen fingiert, sodass auch die Schuld des Bürgen erlosch. Die Erteilung einer gegen den Gläubiger und auf Erlass der Hauptforderung gerichteten arbiträren actio in factum zu Gunsten des Minderjährigen selbst kam hier nicht in Betracht, weil der Minderjährige selbst nicht vor dem Prätor anwesend war. Wenn man weiterhin mit der hier vertretenen Meinung davon ausgeht, dass Ulpian in D. 4,4,3,4 die Restitution des Minderjährigen nur für den Fall zuließ, dass der Gläubiger vor dem Prätor bereits die Klage gegen den Minderjährigen beantragt hatte, ist davon auszugehen, dass der Prätor regelmäßig auf den Restitutionsantrag des Minderjährigen hin die Klage des Gläubigers denegierte. Dies stellt eine prätorische Restitution dar, weil die Abweisung der Klage gegen den Minderjährigen auf der prätorischen Fiktion beruhte, dass der Minderjährige sich von vornherein nicht verpflichtet hätte. Sollte der Prätor doch einmal die Prüfung des Restitutionsgrundes an den iudex verwiesen haben, weil er die Prüfung der Voraussetzungen der Restitution entweder nicht ausführen wollte oder konnte, müsste er dem Minderjährigen causa cognita eine exceptio346 gewährt haben. Die Voraussetzungen dieser exceptio müssten dann mit den Voraussetzungen der Restitution identisch gewesen sein, sodass der Minderjährige schließlich vom iudex freigesprochen wurde, wenn sich alle seine Angaben als wahr erwiesen. Auch hierin wäre wohl noch eine prätorische Restitution zu erblicken, weil die rechtliche Lage nicht durch Handeln der Parteien wiederhergestellt würde. Verweist der Prätor die Entscheidung über die Gewährung der Restitution an den 345 Der differenzierten Ansicht Ankums, Filius familias mineur, 5, 22 ff., zur Anwendung von Ulp. D. 4,4,3,4 auf Haustöchter wird somit zugestimmt. Der Verweis bei Klausberger, Zur Haftung Dritter, 343, Fn. 7, auf die Ansicht Ankums, nach der „die Aussagen dieser Stelle auch für die Haustochter [. . .] gegolten haben“, erscheint dagegen zu pauschal. 346 In Gai Inst. 4,118 werden exceptiones erwähnt, die der Prätor nach Untersuchung des Sachverhalts bildet. Sie werden in Gegensatz gesetzt zu den im Edikt bereits vorgesehenen exceptiones. Zu diesem Thema s. Martini, Causae cognitio, 124 ff.; Kaser/ Hackl, RZ, 263 mit Fn. 50.
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iudex, indem er dem Minderjährigen eine dementsprechende Einrede erteilt, so liegt hierin gewissermaßen eine aufschiebend bedingte prätorische Fiktion der früheren Rechtslage. Allerdings ist nochmals ganz klar zu betonen, dass es Ulpian in seinen Ausführungen zur Restitution des minderjährigen Haussohnes auf die Modalitäten der Restitution gar nicht ankommt.
E. Zusammenfassung der Ergebnisse zur positiven Drittwirkung der Minderjährigenrestitution Die Analyse der in den Quellen diskutierten Konstellationen, die hier unter dem Begriff der „positiven Drittwirkung der Minderjährigenrestitution“ zusammengefasst sind, zeigt, welche Schwierigkeiten auftreten, wenn eine gut gemeinte und – zumindest in ihrer Intention scheinbar klare – prätorische Schutznorm mit der Komplexität des sonstigen prätorischen und zivilen Rechts in Übereinstimmung gebracht werden muss: Mit der Zeit treten Situationen auf, die der Prätor nicht bedacht oder jedenfalls nicht geregelt hatte, wie eben die Frage danach, inwiefern nicht nur der Minderjährige selbst, sondern auch sonstige Personen von dessen Wiedereinsetzung profitieren sollen und warum. Teilweise fällt den Juristen eine Antwort nicht allzu schwer, die Richtschnur der aequitas zeigt eine einigermaßen klare Lösung oder mindestens klare Orientierungspunkte auf. So scheint es im Fall der Einbeziehung des Bürgen in die Restitution gewesen zu sein: Der Prätor sollte die Haftung des Bürgen trotz der Wiedereinsetzung des Minderjährigen immer dann unangetastet lassen, wenn das Restitutionsrisiko der Wiedereinsetzung in den „Absicherungspakt“ zwischen Gläubiger und Bürge einbezogen worden war. Dies war der Fall, wenn der Gläubiger von der Minderjährigkeit des Hauptschuldners wusste, er der Kreditwürdigkeit des Hauptschuldners zumindest auch aus diesem Grunde misstraute und der Bürge auch gerade das Risiko der Wiedereinsetzung des Minderjährigen absichern wollte. Waren die Kriterien nicht erfüllt und diente die Bürgschaft deshalb nicht der Absicherung des Restitutionsrisikos, konnte der Bürge auch im eigenen Interesse die Restitution des Minderjährigen verlangen, wenn der Gläubiger gegen ihn und nicht gegen den Minderjährigen gerichtlich vorging. Die materielle Befreiung des Bürgen durch die Wiedereinsetzung desselben und die Einräumung einer Antragsberechtigung des Bürgen verliefen somit parallel. Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen der Wiedereinsetzung des Haussohnes gegen vertragliche Verbindlichkeiten und der Begünstigung des pater familias hat sich Folgendes gezeigt: Zwar herrschte nach der hier vorgenommenen Interpretation vor allem der Quellen Ulp. D. 4,4,3,4 und Gai. D. 4,4,27 pr. insoweit Einigkeit, als dass jede Wiedereinsetzung des Haussohnes gegen eine zuvor von diesem eingegangene vertragliche Verbindlichkeit auch zu einer Befreiung des Hausvaters von seiner adjektizischen Haftung führte. Dieses Ergebnis ist nicht
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nur durch den Wortlaut der beiden genannten Quellen indiziert, sondern ist auch durch die Überlegung getragen, dass die adjektizische Haftung nach ihrem Sinn und Zweck den Gläubiger nicht gerade auch vor dem Risiko der Wiedereinsetzung eines minderjährigen Haussohnes schützen sollte: Zwischen der kraft prätorischem Recht automatisch eintretenden, an die Vermögenslosigkeit des Haussohns und an das jeweilige spezifische Zurechnungskriterium (peculium, iussum etc.) geknüpften adjektizischen Haftung des Vaters und dem Risiko der an das Alter des Haussohnes geknüpften Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bestand kein Zusammenhang. Unterschiedlich fällt dagegen die Bewertung der Befreiung des Hausvaters durch die i. i. r. seines Sohnes aus und entsprechend unterschiedlich sind die Vorschläge dazu, wie mit der Wiedereinsetzung eines minderjährigen Haussohnes prozessual umzugehen ist. Nicht auf bestimmte Juristen zurückzuführen, aber in Ulp. D. 4,4,3,4, Passage a) angedeutet, ist die extreme Ansicht, dass Haussöhne am besten generell von der Wiedereinsetzung ausgeschlossen werden sollten, um eine Begünstigung des Vaters gänzlich zu verhindern. Dieser Ansicht direkt entgegengesetzt ist die jedenfalls von Gaius in D. 4,4,27 pr. vertretene Meinung, dass dem Hausvater sogar das Recht eingeräumt werden sollte, gegen den Willen des Sohnes dessen Wiedereinsetzung zu beantragen, um so der eigenen Haftung ein Ende setzen zu können. Die Befreiung des Hausvaters von seiner adjektizischen Haftung wird also von Gaius begrüßt und prozessrechtlich durch die Einführung eines eigenen Antragsrechts des Vaters unterstützt. Nach der Meinung des Gaius tritt also für den Vater, wie zuvor (nach Meinung Ulpians) für den Bürgen, der das Restitutionsrisiko nicht übernommen hat, ein Gleichlauf zwischen materieller Befreiung durch die Minderjährigenrestitution und der Gewährung einer prozessualen Antragsberechtigung ein. Ulpian dagegen versucht einen Mittelweg zwischen den beiden soeben zusammengefassten extremen Ansichten einzuschlagen, indem er die Möglichkeit der Wiedereinsetzung minderjähriger Haussöhne auf die Situation zu begrenzen sucht, in denen der Haussohn der Wiedereinsetzung dringend bedarf, nämlich nach erfolgter Klageerhebung des Gläubigers gegen den Sohn selbst. Für diese Fälle wird aber eine Begünstigung des Vaters hingenommen. Die Lösung Ulpians hat somit Kompromisscharakter und führt zwar nicht zu einer absoluten Vermeidung der Bevorteilung des Hausvaters durch die Minderjährigenrestitution; immerhin wird dem Vater aber das Recht versagt, aufgrund seiner adjektizischen Haftung die Wiedereinsetzung des Sohnes selbst zu beantragen. Ein solches Recht hätte dem Anliegen Ulpians, eine Begünstigung des Hausvaters durch die i. i. r. des Haussohnes möglichst einzugrenzen, gerade widersprochen. Außerhalb der vertraglichen Verhältnisse ist eine Wiedereinsetzung sowohl minderjähriger Haussöhne als auch minderjähriger Haustöchter nach Ansicht Ulpians unproblematisch möglich.
§ 4 Die negative Drittwirkung der Minderjährigenrestitution
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Das Senatusconsultum Macedonianum (SCM) ist für das Verständnis von Ulp. D. 4,4,3,4 von großer Wichtigkeit. Unter Berücksichtigung dieses Senatsbeschlusses lässt sich der auf den ersten Blick systemwidrige Ausschluss der Restitution des minderjährigen Haussohnes, der auf Geheiß seines Vaters ein Darlehen aufgenommen hat, plausibel erklären: Dem politischen Interesse an der Wirksamkeit solcher Darlehen wurde, auch unter Berücksichtigung der für den minderjährigen Darlehensnehmer besonders niedrigen Restitutionsanforderungen, ausnahmsweise der Vorrang gegenüber dem Minderjährigenschutz eingeräumt. Weiterhin wurde mit Blick auf das SCM festgestellt, dass dessen Anwendung auch auf die Darlehensaufnahme durch Haustöchter nicht in Widerspruch steht zu deren Unfähigkeit, einklagbare Verpflichtungen einzugehen. Hinsichtlich des jeweils verwendeten Restitutionsverfahrens erweisen sich die Quellen als wenig aussagekräftig, es lassen sich diesbezüglich lediglich auf Plausibilitätserwägungen beruhende Vermutungen anstellen.
§ 4 Die negative Drittwirkung der Minderjährigenrestitution (Benachteiligung Dritter zu Gunsten des Minderjährigen) In diesem Kapitel sind jene Fälle zu untersuchen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass eine Person, die an dem von dem Minderjährigen mit der i. i. r. angegriffenen Geschäft nicht unmittelbar beteiligt war, durch die Wiedereinsetzung des Minderjährigen in dessen Interesse einen Nachteil erlitt. Diese Restitution zu Lasten Dritter äußerte sich in den überlieferten Konstellationen entweder dadurch, dass der Prätor den Minderjährigen ermächtigte, eine von diesem veräußerte Sache direkt von einem Zweit- oder Folgekäufer oder ein aus seinem Vermögen stammendes Pfand direkt von dem Pfandkäufer herauszuverlangen oder auch darin, dass eine zunächst durch Erlass oder Schuldnerwechsel erloschene Forderung des Minderjährigen gegen den Dritten (Sicherungsgeber oder Altschuldner) wiederauflebte. Der Minderjährige erreichte durch die Einbeziehung der Dritten in die Restitution eine direktere oder umfangreichere Wiederherstellung seiner früheren Lage als sie ohne deren Einbeziehung möglich gewesen wäre.
A. Der Beitrag Hartkamps zur negativen Drittwirkung der i. i. r. Hartkamp hat in seinem Aufsatz mit dem Titel „Die Drittwirkung der in integrum restitutio“ 347 versucht, eine umfassende Antwort auf die Frage zu formulieren, „in welchen Fällen und unter welchen (materiellrechtlichen) Voraussetzun-
347
Genaue Angaben im Literaturverzeichnis bei Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r.
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Teil 2: Einzelne Fallkonstellationen
gen gegen [. . .] Dritterwerber und Drittbevorteilte348 die i. i. r. beantragt bzw. mit auf der i. i. r. gegründeten Rechtsmitteln gegen sie vorgegangen werden kann.“ 349 Aus dieser Formulierung geht hervor, dass Hartkamp sich lediglich für die Art der Drittwirkung der i. i. r. interessiert, die im Rahmen dieser Untersuchung als „negative“ definiert wurde. Allerdings beschäftigt sich der Autor nicht nur mit Fällen der Minderjährigenrestitution, sondern betrachtet daneben die negativen Wirkungen der i. i. r. aus zahlreichen sonstigen Gründen350 und versucht herauszufinden, ob die „Juristen sich bei der Abwägung der Interessen des Geschädigten und des Dritten, trotz des kasuistischen Charakters des Stoffes, dennoch durch mehr oder weniger einheitliche Prinzipien haben leiten lassen.“ 351 Er kommt schließlich zu dem Ergebnis, dass die römischen Juristen die i. i. r. zwar nicht in einheitlicher Art und Weise auf Dritte erstreckt hätten, dass jedoch durchaus einige feste Prinzipien erkennbar seien.352 Das erste von Hartkamp festgestellte Prinzip besteht darin, dass die i. i. r. ohne Ausnahme gegen unredliche Dritte gewährt werde.353 Als unredlich definiert er solche Dritte, die in Kenntnis des Restitutionsgrundes zum Nachteil des i. i. r.-Berechtigten bevorteilt wurden.354 Bezüglich redlicher Dritter sei dann folgendermaßen zu differenzieren:355
348 Als Drittbevorteilte bezeichnet Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 132, solche Personen, die durch den Vorgang, gegen den der Minderjährige die Wiedereinsetzung beantragt, zunächst „unmittelbar und automatisch“ begünstig wurden, wie z. B. der Bürge, der dadurch mitbefreit wurde, dass der minderjährige Gläubiger dem Hauptschuldner seine Schuld erließ, oder der Altschuldner, der durch die Novationsstipulation zwischen dem minderjährigen Gläubiger und dem Neuschuldner befreit wurde. Es ist zu beachten, dass der zunächst durch den rückabzuwickelnden Vorgang nach der Begrifflichkeit Harktkamps „Drittbevorteilte“ natürlich dann zu den Drittbenachteiligten der i. i. r. zählt. s. zu diesen Fällen § 4, C. 349 Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 132. 350 Wegen metus (Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 132 f.), dolus (ibid., 133 ff.), capitis deminutio, (ibid., 144), absentia (ibid., 144 ff.), alia iusta causa (ibid., 146 f.), alienatio iudicii mutandi causa facta (ibid., 147 ff.), fraus creditorum (ibid., 149 f.) und intercessio (ibid., 150 ff.). 351 Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 132. 352 Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 155. 353 Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 155. 354 Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 155; Hartkamp äußert sich nicht eindeutig zu der Frage des Bezugspunkts der Gut- oder Bösgläubigkeit des Sacherwerbers. Er schreibt lediglich, derjenige sei gutgläubig, der die Sache in Unkenntnis des Restitutionsgrundes erworben habe, bösgläubig, wer in Kenntnis des Restitutionsgrundes die Sache erworben habe (Drittwirkung der i. i. r., 132). Daraus geht nicht klar hervor, ob der Erwerber nur die Herkunft der Sache aus dem Vermögen des Minderjährigen kennen muss, um bösgläubig zu sein, oder ob er auch die Nachteiligkeit des Geschäfts für den Minderjährigen erkannt haben muss. Im Zusammenhang mit der nicht gegen eine Veräußerung, sondern gegen eine Novation gerichteten i. i. r. (Drittwirkung der i. i. r., 138) scheint Hartkamp dann jedoch die Kenntnis der Übervorteilung des Minderjährigen für die Bösgläubigkeit des Dritten zu verlangen. Laut Ulp. D. 4,4,13,1 genügt für die Bösgläubigkeit des Zweiterwerbers lediglich die Kenntnis davon, dass der Erstkäu-
§ 4 Die negative Drittwirkung der Minderjährigenrestitution
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Sei der gutgläubige Dritte, also derjenige, der den Restitutionsgrund nicht kennt, durch das jeweils den Restitutionsberechtigten benachteiligende Geschäft ausschließlich bereichert356 worden, weil er entweder eine Sache umsonst erworben357 oder weil er unmittelbar bevorteilt worden sei, werde die i. i. r. grundsätzlich gewährt, auch wenn der andere (der Geschäftsgegner des Minderjährigen) dolos gehandelt habe. Das Prinzip, dass der dolus des einen niemand anderem schaden dürfe, werde hier wegen der ausschließlichen Bereicherung des Dritten durchbrochen.358 Habe der gutgläubige Dritte dagegen entgeltlich etwas erworben (als secundus emptor oder Pfandkäufer) seien die Entscheidungen uneinheitlich: Es gebe ungefähr gleich viele Entscheidungen für eine i. i. r. gegen den Dritten wie gegen eine solche.359 Dabei stünden sich zwei Prinzipien gegenüber: Auf der einen Seite das resoluto iure dantis et resolvitur ius accipientis360 (vgl. Pomp. D. 16,1,32,1: ne melioris condicionis emptor sit, quam fuerit venditor)361, auf der anderen die Regel dolus ei dumtaxat nocere debet, qui eum admisit362. Letztere Regel sei von Bedeutung, wenn der dolus Voraussetzung der i. i. r. sei.363 Die Restitutionsgründe, für die eine Geltendmachung der i. i. r. auch gegen gutgläubige Dritte bejaht wurde, seien sämtlich solche, die einen dolus des Geschäftsgegners des Befer die Sache von einem Minderjährigen erworben hat. Die Kenntnis der Modalitäten der Erstveräußerung scheint nicht erforderlich zu sein. Wir gehen deshalb davon aus, dass nur als „redlich“ gilt, wer nicht weiß, dass die Sache aus dem Vermögen des Minderjährigen stammt. Derjenige, der weiß, dass die Sache aus dem Vermögen des Minderjährigen stammt, aber das Geschäft nicht als für den Minderjährigen nachteilig ansieht, ist dennoch als bösgläubig anzusehen. Dies ist auch deshalb plausibel, weil die Entscheidung, ob das Geschäft als nachteilig galt oder nicht, letztlich von der Einzelfallabwägung des Prätors abhing. 355 s. weiterhin Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 155. 356 Der Begriff der Bereicherung umfasst auch die Befreiung von einer Verbindlichkeit, s. Fn. 349, in der die Verwendung des Begriffs der unmittelbaren Begünstigung durch Hartkamp beschrieben wird. Diese unmittelbare Begünstigung verwendet Hartkamp als einen Unterfall der Bereicherung, Drittwirkung der i. i. r., 155. 357 Warum Hartkamp den Fall des unentgeltlichen Erwerbs neben der unmittelbaren Bevorteilung gesondert erwähnt, bleibt unklar, s. Drittwirkung der i. i. r., 155. 358 Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 155. 359 Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 155. 360 Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 155; dort versehentlich: iure accipientis. Richtig ibid., 140; s. auch Impallomeni, Revoca, 20 f.; Ankum, Actio Pauliana; Grevesmühl, Gläubigeranfechtung, 137 m. Fn. 622 und 623. 361 Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 155; mit der Auflösung der Berechtigung des Gebers wird auch die Berechtigung des Empfängers aufgelöst. 362 Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 155: Der Vorsatz darf nur demjenigen schaden, der ihn selbst „begangen“ hat, also: in dessen Person er tatsächlich vorlag, s. Paul. D. 42,8,9. 363 Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 155: Der Verfasser nennt die Restitutionsgründe dolus, alienatio iudicii mutandi causa facta, fraus creditorum. s. zur Existenz der i. i. r. propter dolum auch ibid., 137.
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Teil 2: Einzelne Fallkonstellationen
rechtigten nicht voraussetzten, wenn er faktisch auch durchaus vorliegen könne; hierzu zählt der Verfasser auch den Restitutionsgrund der minor aetas.364 Bei der i. i. r. des minor werde weiterhin differenziert. Die Quellen bezeugten „eine interessante Verfeinerung, um die Interessen des Dritten so weit wie möglich zu schützen“ 365: Der gutgläubige Dritte unterliege der i. i. r. nur dann, wenn der Erstkäufer oder der Pfandverkäufer insolvent seien.366 Mit dem gutgläubigen Dritten meint der Verfasser hier entweder den gutgläubigen Zweitkäufer, also eine Person, die die Kaufsache von dem Erstkäufer gekauft hat, der diese zuvor dem Minderjährigen abgekauft hatte, oder den gutgläubigen Pfandkäufer, also den Käufer einer Sache, die der Minderjährige zuvor zur Sicherung einer Verbindlichkeit verpfändet hatte, oder die durch richterliche Entscheidung zur Erfüllung einer Urteilsschuld gepfändet worden war.
B. Die negative Drittwirkung der Minderjährigenrestitution in Veräußerungsfällen I. Reduzierung und Modifizierung der Thesen Hartkamps spezifisch für die negative Drittwirkung der Minderjährigenrestitution gegen den entgeltlichen Erwerber (Zweit- oder Pfandkäufer). Wie soeben dargestellt, streiten nach Hartkamp in den Fällen der gegen gutgläubige entgeltliche Erwerber gerichteten i. i. r. zwei Prinzipien um den Vorrang: resoluto iure dantis et resolvitur ius accipientis sowie dolus ei dumtaxat nocere debet, qui eum admisit.367 Keines dieser Prinzipien hilft uns jedoch für die Analyse der Fälle der i. i. r. propter aetatem weiter. Das Prinzip, dass der dolus des einen einem anderen nicht schaden darf, hat für die Fälle der Minderjährigenrestitution, die ja keinen Vorsatz des Geschäftsgegners voraussetzen, keine Bedeutung. Oder besser: Die einzige Bedeutung, die diesem Prinzip für die Minderjährigenrestitution zukommt, ist diejenige, dass es der Ausweitung der Restitution jedenfalls nicht entgegensteht: Selbst wenn der Geschäftsgegner des Minderjährigen dolos gehandelt hat, bildet dieser Umstand nicht den Anknüpfungspunkt der Restitution und kann folglich eine Einbeziehung Dritter nicht von vornherein ausschließen.368 364 Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 155: Weiterhin nennt der Verfasser die Restitutionsgründe metus, absentia und intercessio. 365 Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 155. 366 Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 155. 367 Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 155. 368 Hartkamps Aussage, Drittwirkung der i. i. r., 155, die Fälle, in denen die i. i. r. gegen Dritte gewährt werde (bei metus, minor aetas, absentia, intercessio), stimmten darin überein, dass der Geschäftspartner des Restitutionsberechtigten nicht dolos gehandelt zu haben brauche, ist nicht ganz klar gefasst: Man könnte glauben, der Autor verwende die Abwesenheit des dolus-Erfordernisses bei der Prüfung des Restitutionsgrunds als posi-
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Auch die Bedeutung des zweiten von Hartkamp im Rahmen seiner Gesamtergebnisse angeführten Prinzips (resoluto iure dantis et resolvitur ius accipientis) 369 verneint er selbst jedenfalls für die Minderjährigenrestitution. Er schreibt zu der Ausdehnung der i. i. r. propter aetatem auf Dritterwerber: „Aus der obigen Darlegung geht hervor, dass eine solche Reszission nicht automatisch, etwa nach der Regel resoluto iure dantis et resolvitur ius accipientis, Drittwirkung zur Folge hatte, sondern dass die Klassiker die jeweilige Sachlage behutsam und kasuistisch geprüft haben.“ 370 Es fragt sich dann, warum der Autor diesem Prinzip in seinen allgemeinen Schlussfolgerungen eine generelle, auch die Drittwirkung der Minderjährigenrestitution beeinflussende Bedeutung zuspricht. Die soeben referierten Ausführungen des Autors zur Minderjährigenrestitution als solcher sind mit den allgemeinen Schlussfolgerungen in diesem Punkt nicht kompatibel, zumindest hätte Hartkamps Rückgriff auf das genannte Prinzip am Ende seines Aufsatzes näherer Erläuterung oder Einschränkung bedurft. Angesichts dieser Schwierigkeiten erscheint es dem Zweck dieser Untersuchung dienlich, den Blick gänzlich von dem Gesamtergebnis Hartkamps zur negativen Drittwirkung der i. i. r.371 abzuwenden und stattdessen allein dessen auf die Minderjährigenrestitution bezogenes Zwischenergebnis in den Blick zu nehmen, welches wesentlich übersichtlicher und klarer als das Gesamtergebnis ausfällt: Das Minderjährigenedikt schütze den minor weitgehend auch gegen Dritte, sowohl nach Fällen der Schuldbefreiung als auch der Sachveräußerung; sei der Sacherwerber (Zweitkäufer oder Pfandkäufer) redlich, könne der Minderjährige die Sache von ihm jedoch nur herausverlangen, wenn er von seinem Geschäftspartner den Schaden nicht ersetzt erhalten könne.372 Diese Insolvenznuance sei in Ulp. D. 4,4,13,1 (für den Fall des Weiterverkaufs der Sache durch denjenigen, der diese zuvor dem Minderjährigen abgekauft hatte) ausdrücklich belegt, für den Pfandverkauf erscheine sie wegen des in den Quellen geforderten „grande damnum“ des Minderjährigen als Bedingung für den Direktzugriff auf den Pfandkäufer wahrscheinlich.373 Weiterhin ist noch wichtig anzumerken, dass Hartkamp die Ausweitung der Minderjährigenrestitution auf Dritte (zu deren Nachteil) als eine kühne Entschei-
tives Argument für die negative Drittwirkung der Restitution. Allerdings ist es auch möglich, dass seine Aussage mit der hier vertretenen Meinung übereinstimmt, dass eben aus dem Umstand, dass die Restitution als solche nicht einen dolus des Geschäftsgegners voraussetzt, sich lediglich folgern lässt, dass die negative Drittwirkung der Restitution nicht schon deshalb ausgeschlossen ist. 369 Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 155. 370 Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 140. So auch aktueller Grevesmühl, Gläubigeranfechtung, 137 f. 371 s. Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 154 f. 372 Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 143 f. 373 Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 143 f.
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dung Labeos einordnet, und davon ausgeht, dass der Gedanke wahrscheinlich eine Polemik ausgelöst habe, deren Wiedergabe aber von den Kompilatoren aus den Ausführungen des Ulpian getilgt worden sei.374 Im Laufe der hier vorgenommenen Analyse wird sich zeigen, dass dem Zwischenergebnis Hartkamps zu der negativen Drittwirkung der Minderjährigenrestitution zwar als solchem im Wesentlichen zuzustimmen ist. Allerdings wird die Ausweitung der Minderjährigenrestitution zu Lasten Dritter nicht als kühner, sondern als folgerichtiger und nicht notwendig umstrittener Schritt einzuordnen sein. II. Rückforderung der Sache von einem Zweit- oder Folgekäufer: Ulp. D. 4,4,13,1; Paul. D. 4,4,14; Gai. D. 4,4,15 und Jul. D. 21,2,39 pr. Die zentrale Quelle zum Thema der direkt gegen den Sachinhaber gerichteten Wiedereinsetzung des Minderjährigen ist Ulp. D. 4,4,13,1(11 ad ed.)375: Interdum autem restitutio et in rem datur minori, id est adversus rei eius possessorem, licet cum eo non sit contractum. ut puta rem a minore emisti et alii vendidisti: potest desiderare interdum adversus possessorem restitui, ne rem suam perdat vel re sua careat, et hoc vel cognitione praetoria vel rescissa alienatione dato in rem iudicio. Pomponius quoque libro vicensimo octavo scribit Labeonem existimasse, si minor viginti quinque annis fundum vendidit et tradidit, si emptor rursus eum alienavit, si quidem emptor sequens scit rem ita gestam, restitutionem adversus eum faciendam: si ignoravit et prior emptor solvendo esset, non esse faciendam: sin vero non esset solvendo, aequius esse minori succurri etiam adversus ignorantem, quamvis bona fide emptor est.
Ulpian schreibt, dass die Wiedereinsetzung dem Minderjährigen bisweilen auch in rem gewährt werde, also gegen den jeweiligen Besitzer der Sache des Minderjährigen (rei eius possessorem), obschon dieser mit dem Minderjährigen keinen Vertrag abgeschlossen habe. Als Beispiel für die Gewährung der Restitution in rem führt Ulpian dann den Fall zweier aufeinanderfolgender Veräußerungen einer Sache ein: Wenn der Minderjährige eine Sache selbst verkauft habe, und diese dann von dem Erstkäufer weiterverkauft worden sei, könne der Minderjährige bisweilen (interdum) auch verlangen, gegen den Sachinhaber (also den Zweitkäufer und -erwerber)376 wiedereingesetzt zu werden, damit der Minderjäh374
Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 140. s. zu dieser und zu den folgenden angeführten Quellen Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 138 f., zu Ulp. D. 4,4,13,1; Paul. D. 4,4,14 und Jul. D. 21,2,39 pr. s. auch Kroppenberg, Insolvenz, 450 ff. 376 Ulpian bezeichnet den Zweitkäufer in D. 4,4,13,1 zunächst als Besitzer der Sache, erwähnt aber im Folgenden auch die Übereignung der Sache an den Zweitkäufer. Es scheint ihm nicht von größerer Bedeutung zu sein, ob der Zweitkäufer nur Besitzer der Sache geworden ist, oder auch das Eigentum erlangt hat. Wichtig ist für Ulpian, dass der Minderjährige mittels der i. i. r. die Sache von einer Person zurückfordern kann, mit der er nicht kontrahiert hat. 375
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rige seine Sache nicht verliere und auch nicht entbehren müsse. Und dies (werde erreicht) entweder aufgrund der Untersuchung des Prätors oder dadurch, dass nach der Aufhebung der Veräußerung eine dingliche Klage erteilt wurde. Auch nach Pomponius, der sich wiederum auf Labeo berufe, solle ein Minderjähriger dann gegen den Zweitkäufer wiedereingesetzt werden können, wenn dieser wisse, dass der Ersterwerber das Grundstück von einem Minderjährigen gekauft und übereignet erhalten377 habe. Wenn der Zweitkäufer dagegen keine Kenntnis von diesen Umständen gehabt habe und der Erstkäufer solvent sei, sei die Restitution gegen den Zweitkäufer nicht zu gewähren. Wenn der Erstkäufer allerdings nicht solvent sei, sei es gerechter, dem Minderjährigen auch gegen den unwissenden Zweitkäufer zu helfen, obschon dieser (das Grundstück) gutgläubig gekauft habe. Ulpian stellt kurz gesagt in D. 4,4,13,1 unter Heranziehung der Autorität des Labeo und des Pomponius einige klare Regeln zu der Frage auf, unter welchen Umständen dem Zweitkäufer eine Sache durch die Wiedereinsetzung des Minderjährigen wieder entzogen werden kann: Die Restitution gegen den Zweiterwerber, der wisse, dass die Sache ursprünglich einem Minderjährigen gehörte, sei ohne weiteres zu gewähren. Wenn der Zweiterwerber dagegen dies nicht wisse, müsse der Minderjährige zunächst versuchen, von seinem Käufer den Schaden ersetzt zu verlangen. Wenn dieser jedoch insolvent sei, könne der Minderjährige auch gegen den gutgläubigen Zweiterwerber die i. i. r. beantragen und so die Sache von ihm herausverlangen. Die Verpflichtung des Minderjährigen, sich zunächst an seinen Vertragspartner zu halten, bevor er die Sache von dem aktuellen Besitzer herausverlangen kann, bezeugt auch Paulus in D. 4,4,14: Paul D. 4,4,14 (11 ad ed.) Plane quamdiu is qui a minore rem accepit aut heres eius idoneus sit, nihil novi constituendum est in eum, qui rem bona fide emerit, idque et Pomponius scribit.
Paulus sagt unter Verweis auf Pomponius, es sei nichts Neues zu bestimmen hinsichtlich einer Person, die eine Sache in gutem Glauben gekauft habe, solange derjenige, der die Sache von dem Minderjährigen erhalten habe, oder dessen Erbe geeignet (zahlungsfähig) sei. Ulpian und Paulus äußern sich in den zitierten Quellen also zu den Möglichkeiten des Direktzugriffs des Minderjährigen auf die sich im Besitz des Zweiterwerbers befindliche Sache mittels der i. i. r. Sie nehmen nicht Stellung zu einer eventuellen Möglichkeit des Zweitkäufers, dem die Sache entzogen wurde, seinerseits aufgrund dieses Umstands von seinem Verkäufer einen Ausgleich zu verlangen. 377 Es kann für den Zweck dieser Untersuchung offen bleiben, ob hier ursprünglich eine mancipatio vorausgesetzt war, weil es sich um ein italisches Grundstück handelte, oder ob tatsächlich die traditio zur Übertragung des eigentumsähnlichen Rechts an einem Provinzialgrundstück genügte, s. Kaser/Knütel, 47 ff., 105, 121; Liebs, Römische Provinzialjurisprudenz, 311 f.
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Eine solche Ausgleichsmöglichkeit behandeln jedoch die beiden folgenden Fragmente aus der Feder des Gaius und des Julian. Gai. D. 4,4,15 (4 ad ed. prov.) Sed ubi restitutio datur, posterior emptor reverti ad auctorem suum poterit: per plures quoque personas si emptio ambulaverit, idem iuris erit.
Gaius stellt fest, dass immer, wenn die Restitution gegen den Zweitkäufer gewährt werde, dieser sich an seinen Gewährsmann halten könne (also an den Erstkäufer, der ihm die Sache weiterverkauft hat). Ebenso sei es rechtens für den Fall von mehreren aufeinanderfolgenden Verkäufen der Sache. Gaius meint also, auch nach mehreren Weiterveräußerungen der Sache könne der Minderjährige gegen den Sachinhaber wiedereingesetzt werden, der Sachinhaber könne sich dann an seinen Verkäufer wenden, dieser wieder an den seinigen usw. Im Ergebnis trägt der Ersterwerber und Vertragspartner des Minderjährigen den Nachteil, wenn dieser nicht seinerseits von dem Minderjährigen den Kaufpreis zurückerhalten kann.378 Auch Jul. D. 21,2,39 pr. (57 dig.). hat die Wiedereinsetzung des Minderjährigen (auch) gegen den Zweiterwerber und die sich daraus ergebenden Konsequenzen zum Thema: Minor viginti quinque annis fundum vendidit Titio, eum Titius Seio: minor se in ea venditione circumscriptum dicit et impetrat cognitionem non tantum adversus Titium, sed etiam adversus Seium: Seius postulabat apud praetorem utilem sibi de evictione stipulationem in Titium dari: ego dandam putabam. respondi: iustam rem Seius postulat: nam si ei fundus praetoria cognitione ablatus fuerit, aequum erit per eundem praetorem et evictionem restitui.
Julian beschreibt den Fall eines Minderjährigen, der dem Titius ein Grundstück verkauft hat, welches Titius dann seinerseits an Seius weiterverkauft hat. Der minor behauptete daraufhin, bei dem Verkauf des Grundstücks übervorteilt worden zu sein. Er erreichte eine Prüfung durch den Prätor (und seine Wiedereinsetzung) nicht nur gegen Titius, sondern auch gegen Seius. Seius beantragte daraufhin vor dem Prätor, gegen den Titius wie im Falle der Eviktion der Sache vorgehen zu können.379 Julian meint, dies sei dem Titius zu gewähren: Wenn der Prätor ihm die Sache durch die eigene Restitutionsentscheidung (zu Gunsten des Minderjährigen) entziehe, müsse der Prätor ihm auch die Möglichkeit einräumen, sich wegen Entziehung der Sache an seinen Gewährsmann halten zu können. 378 Zu der Schwierigkeit dieser Problematik schon in Zweipersonenverhältnissen s. § 2, B. 3. 379 Hier ist lediglich relevant, dass dem Seius die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, gerichtlich gegen seinen Verkäufer Titius vorzugehen, als ob ein regulärer Fall der Eviktion vorläge. Welche Klage ihm für diesen Fall genau analog eingeräumt wurde, kann dahinstehen. s. hierzu Ankum, L’actio de auctoritate, 1 ff., 8; Kupisch, I. i. r., 93; Casinos-Mora, Zu Jul. D. 21,2,39 pr., Rn. 15 ff.; Kroppenberg, Insolvenz, 452, Fn. 86.
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Die wesentliche materielle 380 Frage, die sich hinsichtlich der Gewährung der Restitution des Minderjährigen gegen den Zweitkäufer stellt, ist diejenige, ob die in Ulp. D. 4,4,13,1 und Paul. D. 4,4,14 erwähnte Vorbedingung der Insolvenz des Erstkäufers für die Einbeziehung des Zweitkäufers in die i. i. r. in einem Widerspruch steht zu der in Gai. D. 4,4,15 und Jul. D. 21,2,39 pr. erwähnten Möglichkeit des Zweitkäufers, sich nach dem Entzug der Sache durch die i. i. r. des Minderjährigen seinerseits an seinen Verkäufer zu halten, um von diesem einen finanziellen Ausgleich, wahrscheinlich das Doppelte des Kaufpreises,381 zu erhalten. Pringsheim hat sich mit dem Argument gegen die sogenannte Insolvenznuance gewandt, dass es keinen Sinn habe, zunächst die Minderjährigenrestitution gegen den gutgläubigen Zweitkäufer und Sachinhaber nur zuzulassen, wenn der Erstkäufer insolvent sei, dann aber dem Zweiterwerber nach dem Entzug der Sache eine Rückgriffsmöglichkeit gegen den erwiesenermaßen insolventen Erstkäufer einzuräumen.382 Diesen Gedanken383 entkräftet Hartkamp aber völlig richtig mit der Aussage, dass erstens Seius eventuell bösgläubig war (und es deshalb für die Gewährung der i. i. r. gegen ihn nicht auf die Solvenz des Titius angekommen wäre) und dass es im Übrigen immer noch besser für den Zweiterwerber sei, „eine Klage und damit eine Chance auf teilweise Entschädigung, als überhaupt keine Klage zu besitzen.“ 384 Diese Argumentation überzeugt. Es ist also nicht davon auszugehen, dass zwischen der Insolvenznuance und der Rückgriffsmöglichkeit des Zweitkäufers auf seinen Verkäufer ein Widerspruch besteht. Allerdings ist Hartkamp, wie bereits gesagt, in einem anderen Punkt nicht zuzustimmen, der jedoch nicht die faktische Ausweitung der Minderjährigenrestitution auf den Sachinhaber, der nicht mit dem minor kontrahiert hat, betrifft, sondern die Bewertung dieser Entwicklung. Hartkamp betont die „Kühnheit“ dieser „Erfindung“, die er auf der Grundlage von Ulp. D. 4,4,13,1 dem Juristen Labeo zuschreibt.385 Der Gedanke Labeos sei so innovativ gewesen, dass er noch etwa 380
Zur Frage des Restitutionsverfahrens s. sogleich unter § 4, B. III. Dies ist der normale Betrag bei der Eviktionshaftung, s. Kaser/Knütel, RP, 232. 382 s. Pringsheim, Subsidiarität und Insolvenz, 253. Ebenfalls kritisch gegenüber der Insolvenznuance Carrelli, Actio Publiciana, 36 ff.; Levy, Zur nachklassischen i. i. r., 412; Impallomeni, Revoca, 21, Anm. 25; D’Ors, Acción del menor restituido, 303 f. 383 Das von Pringsheim vorgebrachte Argument greift generell nicht, wenn sich die Kaufsache zum Zeitpunkt des Restitutionsbegehrens nicht mehr beim Zweitkäufer, sondern schon bei einem weiteren Folgekäufer befindet (s. Gai. D. 4,4,15). In diesem Fall wären der Erstkäufer und der Eviktionsschuldner des Sachinhabers nicht personenidentisch, sodass sich aus der Insolvenz des Vertragspartners des Minderjährigen keine Schlüsse über den Nutzen einer analogen Eviktionsklage des Sachinhabers gegen seinen Verkäufer ziehen ließen. 384 Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r. 139. Zustimmend Kaser, Zur i. i. r., 158 m. Fn. 216; Kroppenberg, Insolvenz, 453; s. auch Solazzi, Minore età, 10 f. Fn. 1. 385 Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 140. 381
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200 Jahre später von Paulus als novum bezeichnet worden sei (D. 4,4,14).386 Hartkamp geht daher davon aus, dass diese Ausweitung tatsächlich zunächst zu einigen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Juristen geführt haben müsse, und dass Ulpian ursprünglich diese „Polemik“ in seinem Ediktskommentar wiedergegeben habe. Die Kompilatoren hätten dann den Meinungsstreit entsprechend ihrer üblichen Methode bei der Redaktion von Ulp. D. 4,4,13,1 herausgekürzt.387 Diese Aussagen sind in mehreren Punkten angreifbar: Erstens ist nicht sicher, dass Labeo die Drittwirkung in rem „erfunden“ hat, nur weil er generell innovative Ideen hatte388 und als früheste Autorität für diese Entwicklung in Ulp. D. 4,4,13,1 angeführt wird. Es ist ebenfalls möglich, dass Labeo eine zu seiner Zeit bereits begonnene Praxis mit seiner Entscheidung lediglich bestärkte und nicht eine Art kleine juristische „Revolution“ durchsetzte. Die besondere Kühnheit der i. i. r. in rem lässt sich auch nicht eindeutig aus der Verwendung des Ausdrucks novum in Paul. D. 4,4,14 ableiten. Das Argument Hartkamps389 stützt sich auf die Annahme, dass Paulus mit dem Wort novum gerade die Ausweitung der Restitution auf den Zweitkäufer meint, also hätte „Es ist nichts Neues zu bestimmen“ die folgende Bedeutung: Die (von Labeo eingeführte) Neuregelung, nach der die Minderjährigenrestitution auch auf den aktuellen Inhaber der Sache ausgedehnt werden kann, findet für den Fall der Solvenz des Vertragspartners des Minderjährigen (oder seines Erben) und der Gutgläubigkeit des Zweitkäufers jedenfalls keine Anwendung. Es bleibt somit bei der alten Regelung, dass nämlich derjenige, der nicht mit dem Minderjährigen kontrahiert hat, nicht in die Restitution miteinbezogen wird. Wenn man Paulus so versteht, wäre es in der Tat bemerkenswert, dass er eine zu seiner Zeit schon lange bestehende Erweiterung immer noch mit dem Ausdruck novum bezeichnete. Allerdings wäre es ebenso möglich, Paul. D. 4,4,14 einfach als eine Bestätigung der bisher vertretenen Meinung zu verstehen. Paulus könnte nihil novi viel allgemeiner verwendet haben, ohne damit auf eine bestimmte Neuerung einzugehen, einfach im Sinne von: Diesbezüglich bleibt es bei der bestehenden Meinung, hier ist nichts zu ändern. Paulus hätte dann sagen wollen: Der Ausschluss des gutgläubigen Zweitkäufers von der i. i. r. unter der Bedingung der Solvenz des Erstkäufers oder seines Rechtsnachfolgers hat weiter Bestand, es ist diesbezüglich nichts zu ändern, nichts Neues festzusetzen, so schreibt es auch Pomponius.
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Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 140. Weiterhin Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 140. 388 Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 140, verweist für diese allgemeine Eigenschaft des Labeo auf Pomp. D. 1,2,2,47. 389 s. Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 140. 387
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Das Wort novum muss also nicht so bedeutungsschwanger sein, wie Hartkamp annimmt. Weiterhin sprechen die folgenden generellen Überlegungen gegen die „Kühnheit“ der Ausweitung der Restitution auf den Sachinhaber, der nicht mit dem Minderjährigen kontrahiert hat: Wenn die Restitution des Minderjährigen möglichst effektiv gestaltet werden sollte, scheint es nicht allzu abwegig, dass diese auch nachteilige Folgen für eine Person haben konnte, die nicht unmittelbar mit dem Minderjährigen in geschäftlichen Kontakt getreten war. Auch den unmittelbaren Geschäftspartner trifft die Restitution (wie gezeigt)390 unter Umständen, ohne dass ihm irgendein Vorwurf zu machen ist und selbst, wenn er hinsichtlich des Alters seines Geschäftspartners gutgläubig war, solange letzterer nicht vorsätzlich über das eigene Alter getäuscht hat. Die ediktale Wortwahl (Quod cum minore quam viginti quinque annis natu gestum esse dicetur, uti quaeque res erit, animadvertam)391 wurde darüber hinaus, wie von Musumeci sogfältig nachgewiesen wurde,392 oft sehr weit interpretiert. Selbst wenn man davon ausgeht – was wir tun –, dass zunächst auf der Tatbestandsseite des Edikts tatsächlich ein Handeln des Minderjährigen und mindestens einer anderen Person gemeint war, so enthält doch das Edikt als solches keine explizite Rechtsfolgenanordnung, die besagte, dass die negativen Konsequenzen der Restitution lediglich den Geschäftsgegner des Minderjährigen treffen sollten, wenn auch dies ohne Zweifel die natürlichste und ursprünglich intendierte Restitutionswirkung darstellte. Somit steht auch der Wortlaut des Edikts einer negativen Drittwirkung jedenfalls nicht explizit entgegen. Nach dem Gesagten dürfte die Ausweitung der Minderjährigenrestitution zu Lasten Dritter den römischen Juristen nicht allzu schwer gefallen sein, auch wenn sie sicherlich nicht gänzlich selbstverständlich war. Gerade auch die Einführung der geschilderten Schutz- und Rückgriffsmöglichkeiten für den Zweitkäufer (oder Folgekäufer) wird die Akzeptanz dieser Ausweitung noch weiter gefördert haben. Die Ausweitung und die Einschränkung der Ausweitung sind also nicht als gegensätzliche393, sondern als sich ergänzende Entwicklungen zu bewerten. Die negative Drittwirkung der i. i. r. propter aetatem gegen den Sachinhaber steht nicht in direktem Widerspruch zu dem Sinn und Zweck des Edikts und ist im Kontext der allgemeinen Tendenzen zur extensiven Auslegung desselben nicht als sonderlich kühn einzuordnen. Es besteht deshalb auch kein Anlass, davon auszugehen, dass die Kompilatoren einen von Ulpian ursprünglich referierten Juristenstreit aus D. 4,4,13,4 getilgt hätten.394
390 391 392 393 394
s. oben, § 2, A. I . 4. und 5. s. Ulp. D. 4,4,1,1. s. oben, § 2, A. I. 2. s. hierzu Kupisch, I. i. r., 68, Fn 35. So auch Kupisch, I. i. r., 67.
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Hartkamps Zwischenergebnis zur Drittwirkung der i. i. r. wegen Minderjährigkeit in Fällen des Zweit- oder Mehrfachverkaufs einer Sache ist insgesamt weitgehend zuzustimmen: Die Insolvenznuance erscheint plausibel und steht nicht im Widerspruch zu der Gewährung der Rückgriffsmöglichkeit des Zweitkäufers auf den Erstkäufer. Allerdings überschätzt Hartkamp wohl den Innovationscharakter der Erteilung der i. i. r. gegen den Zweitkäufer. III. Ulp. D. 4,4,13,1 und Jul. D. 21,2,39 pr. als Erkenntnisquellen zum Thema der möglichen Restitutionsverfahren Die im vorigen Unterkapitel eingeführten Quellen Ulp. D. 4,4,13,1 und Jul. D. 21,2,39 pr. sind nicht nur relevant für die Frage nach der materiellen Ausweitung der i. i. r. gegen den Zweitkäufer, sondern auch für die Überlegungen zur verfahrenstechnischen Umsetzung der Restitution. Kupisch erblickt in beiden Quellen Anzeichen für die Möglichkeit einer judizialen Restitution, ein Verfahren, das sowohl die rechtliche als auch die tatsächliche Wiederherstellung des früheren Zustands den Parteien aufgibt, indem der Prätor dem Restitutionsberechtigten gegen den Restitutionsgegner eine arbiträre actio in personam erteilt.395 Eine absolute Kernphrase für das Problem des Restitutionsverfahrens stellt der Abschnitt: et hoc vel cognitione praetoria vel rescissa alienatione dato in rem iudicio aus Ulp. D. 4,4,13,1 dar. Nach Kupisch bringt Ulpian in diesem Textabschnitt zum Ausdruck, dass dem Prätor zu dem Zwecke, dem Minderjährigen seine Sache tatsächlich wiederzubeschaffen, zwei Möglichkeiten offenstanden: Der Magistrat konnte dem Minderjährigen entweder eine an der Formel der rei vindicatio orientierte dingliche Klage (vindicatio utilis) oder eine an den Sachverhalt angepasste actio in personam mit Arbiträrformel gegen den Sachinhaber erteilen396. Für Kupisch umschreibt der Wortlaut der Quelle Ulp. D. 4,4,13,1 das Restitutionsverfahren mit actio in personam durch die Worte cognitione praetoria, das Verfahren mit actio in rem durch die Formulierung rescissa alienatione dato in rem iudicio.397 Erläuterungsbedürftig ist, warum Kupisch davon ausgeht, durch die Worte cognitione praetoria werde auf ein Verfahren mit actio in personam verwiesen. Sein Gedanke ist der folgende: Bei der Erteilung der an den Sachverhalt angepassten actio in factum komme der Gestaltungsfreiheit des Prätors aufgrund der eigenen Untersuchung (cognitio) des individuellen Falles eine viel größere Bedeutung zu als bei der Formulierung einer an der ediktal vorgegebenen Formel der vindicatio
395 s. Kupisch, I. i. r., 61 ff., insb. 64 zu Ulp. D. 4,4,13,1 und 92 ff. zu Jul. D. 21,2,39 pr., s. auch allgemein 2 ff., 9. 396 s. Kupisch, I. i. r., 64 ff. 397 s. Kupisch, I. i. r., 65 f.
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orientierten vindicatio utilis.398 Die dingliche Klage falle nicht unter die in Paul. D. 4,4,24,5 beschriebenen aus der cognitio des Prätors erteilten Klagen.399 Paul. D. 4,4,24,5 (1 sent.)400 Ex hoc edicto nulla propria actio vel cautio proficiscitur: totum enim hoc pendet ex praetoris cognitione.
Diese an dem Wortlaut von Ulp. D. 4,4,13,1 orientierte Argumentation ist als solche nicht sonderlich schlagkräftig. Erstens räumt auch Kupisch selbst ein, dass der weite Wortlaut des Edikts auch die Erteilung einer actio in rem umfasste.401 Und gerade wenn man voraussetzt, dass der Prätor (jedenfalls in Veräußerungsfällen) im Rahmen der i. i. r. zwischen einem Vorgehen mit einer actio in rem und der Erteilung einer persönlichen Klage auf rechtsgeschäftliche Wiederherstellung der früheren Rechts- und Besitzlage wählen konnte, läge in der Wahl einer dieser beiden Möglichkeiten bereits eine ganz wesentliche Ausübung prätorischen Ermessens, selbst wenn die Gestaltung der Formel dann keine größeren Schwierigkeiten mehr bereitete. Darüber hinaus setzt die Erklärung Kupischs, wie Cervenca richtig hervorhebt,402 eine zwar mögliche, aber verwirrende Verwendung der Bezeichungen restitutio in rem und iudicium in rem innerhalb von Ulp. D. 4,4,13,1 voraus: Nach Kupischs Ansicht trifft Ulpian, wenn er zu Beginn des Paragraphen betont, die Restitution werde bezeiten auch in rem gegen den jeweiligen Sachinhaber gewährt (Interdum autem restitutio et in rem datur minori [. . .]), noch keinerlei Aussage über die dingliche oder persönliche Natur der gegen den Sachinhaber schließlich zu gewährende Klageart.403 Diese Verwendung des Begriffs in rem wäre dann eine andere, weitere, als sie Ulpian in der Mitte des Paragraphen verwendet, wenn er tatsächlich ein dingliches Verfahren anspricht ([. . .] dato in rem iudicio). Ein weiteres Argument Kupischs für die Erteilung einer actio in personam als i. i. r., die er im Zusammenhang mit Ulp. D. 4,4,13,1 äußert, lautet, dass sich nur unter dieser Prämisse die „Notwendigkeit wie die Problematik“ der gegen den Zweitkäufer gerichteten Restitution zeige.404 Damit ist gemeint: Notwendig wäre eine direkt gegen den Zweitkäufer gerichtete Restitution nur, wenn nicht schon die Wiedereinsetzung gegen den Erstkäufer auch eine Klage gegen den Zweitkäufer eröffnete. Wenn die Restitution gegen den Erstkäufer aber mittels einer (fingierten) Aufhebung der ersten Übereignung durchgeführt wurde, dann hätte der Zweitkäufer von einem Nichteigentümer erworben, sodass die vindicatio oh398 399 400 401 402 403 404
s. Kupisch, I. i. r., 65 f. Kupisch, I. i. r., 64. Tatsächlich 11 ad ed., s. § 3, C. IV. 3. c). s. Kupisch, I. i. r, 64 f. s. Cervenca, Restitutio, 216. s. Kupisch, I. i. r., 67. Kupisch, I. i. r., 68.
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Teil 2: Einzelne Fallkonstellationen
nehin auch gegen ihn greifen würde, ohne dass es eines gesonderten Verfahrens gegen ihn bedürfte.405 Dieses Argument entkräftet Kupisch aber (sicherlich, ohne dies zu beabsichtigen), indem er an anderer Stelle die auf den jeweiligen Prozess beschränkte Wirkung der prätorischen Fiktion betont und darauf hinweist, dass der aus der vindicatio utilis Verurteilte „gleichwohl Dritten gegenüber nicht ohne den vollen dinglichen Schutz gewesen ist.“ 406 Somit würde also auch nach der Ansicht Kupischs die fingierte Aufhebung der alienatio im Verhältnis zwischen dem Minderjährigen und dem Erstkäufer nicht automatisch (also ohne besondere Entscheidung des Prätors zu dieser Frage) auch zu einer dinglichen Klage gegen den Zweitkäufer führen. Stärker ist jedoch ein anderes Argument Kupischs, welches sich sowohl anhand von Ulp. D. 4,4,13,1 als auch von Jul. D. 21,2,39 pr. erläutern lässt: In Jul. D. 21,2,39 pr. wird explizit angesprochen, dass der Minderjährige nicht nur gegen den Sachinhaber Seius, sondern auch gegen den Erstkäufer Titius die i. i. r. erlangt ([. . .] impetrat cognitionem non tantum adversus Titium, sed etiam adversus Seium [. . .]).407 In Ulp. D. 4,4,13,1 wird dem Minderjährigen die Wiedereinsetzung gegen den gutgläubigen Zweitkäufer nur unter der Bedingung erteilt, dass der Erstkäufer insolvent ist. In welcher Art von Verfahren die Zahlungsunfähigkeit des Erstkäufers festgestellt werden muss, wird nicht näher erklärt. Kupisch argumentiert nun zu Gunsten eines gegen den Erstkäufer gerichteten Verfahrens mit actio in personam in Ulp. D. 4,4,13,1, dass der Vorteil eines solchen Restitutionsverfahrens gerade darin liege, dass „diese [sc. die actio in personam] unabhängig davon gegeben sein kann, ob der Kontrahent des Minderjährigen die Sache noch besitzt oder nicht.“ 408 Zu Jul. D. 21,2,39 pr. schreibt er: „Die Richtung des Antrags gegen den Erstkäufer Titius, obwohl dieser die Sache an Seius weiterverkauft hat, ist bei einem Verfahren in personam nicht ungewöhnlich.“ 409 In der Tat scheint der Gedanke, dass der Prätor gegen eine Person, die nicht mehr im Besitz der Sache war, eine rei vindicatio utilis überhaupt hätte erteilen können, sehr problematisch, denn der Besitz der Sache (spätestens zum Zeitpunkt der Verurteilung) stellte grundsätzlich die Voraussetzung der Passivlegitimation für die rei vindicatio dar.410 Allerdings bestand nach Paul. D. 6,1,27,3 und Paul. 405
Kupisch, I. i. r., 67. Kupisch, I. i. r., 121–122. 407 Es ist zwar richtig, dass in Jul. D. 21,2,39 pr. das Kriterium der Insolvenz des Erstkäufers als Vorbedingung der Gewährung der Restitution gegen den Zweitkäufer nicht erwähnt wird (s. Kroppenberg, Insolvenz, 452, Fn. 86). Es erscheint aber als sehr plausibel, dass der Hinweis, der Minderjährige habe die i. i. r. sowohl gegen den Erstkäufer Titius als auch gegen den Zweitkäufer Seius erlangt, impliziert, dass eben eine direkte Inanspruchnahme des Seius dem Minderjährigen nicht möglich war, weil er zunächst versuchen musste, sich bei seinem Vertragspartner Titius schadlos zu halten. 408 Kupisch, I. i. r., 69. 409 Kupisch, I. i. r., 94 f. 410 s. Paul. D. 6,1,27,1; Kaser/Knütel, RP, 146 f. 406
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D. 50,17,131 die Möglichkeit, auch denjenigen mit einer dinglichen Klage zu belangen, der vor Prozessbegründung arglistig den Besitz aufgegeben hatte. Auf diese Weise wurde die actio in rem von vornherein zu einer auf Geldersatz gerichteten Klage.411 Für diejenigen Fälle der Minderjährigenrestitution, in denen dem Erstkäufer eine vorsätzliche Täuschung vorgeworfen wurde, hätte dem Erstkäufer auch die Weiterveräußerung der Sache zum Vorwurf gemacht werden können, weil er schließlich jederzeit mit der Rückforderung der Sache durch den Minderjährigen hätte rechnen müssen. In diesen Fällen wäre also eine actio in rem utilis gegen den nicht mehr besitzenden Erstkäufer möglich gewesen. Allerdings deckt diese Möglichkeit all diejenigen Fälle der Wiedereinsetzung des Minderjährigen aus eigener Nachlässigkeit nicht ab, bei denen dem Geschäftspartner kein doloses Verhalten hinsichtlich des Erstgeschäfts vorgeworfen wird, sodass auch die Weiterveräußerung der Sache nicht als arglistig einzustufen ist.412 Für diese Situationen wäre eine actio in personam gegen den nicht mehr besitzenden Erstkäufer sinnvoll gewesen.413 Ebenfalls auf Jul. D. 21,2,39 pr. stützt sich ein weiteres Argument Kupischs für das Restitutionsverfahren mit actio in personam, wobei der entscheidende Satz hier folgender ist: Seius postulabat apud praetorem utilem sibi de evictione stipulationem in Titium dari und hieraus wiederum insbesondere der Begriff utilem. Kupisch ist der Ansicht, dass für Seius nur eine analoge Klage gegen Titius in Frage kam, „weil er das Grundstück in einem Restitutionsverfahren verloren hatte, für das formelmäßig eine actio in personam kennzeichnend war.“ 414 Die direkte Eviktionsklage gegen Titius hätte dagegen eine Entziehung der Sache mittels dinglicher Klage vorausgesetzt.415 Gegen diese Sichtweise Kupischs wendet sich Ankum in seinem Aufsatz „L’actio de auctoritate et la restitutio in integrum dans le droit romain classique.“ 416 Ankum geht im Gegensatz zu Kupisch davon aus, dass die Restitution des Minderjährigen gegen den Sachinhaber Seius durch die Erteilung und Durchführung einer dinglichen Klage vorgenommen worden ist.417 Die analoge und nicht direkte Anwendung der Eviktionshaftung des Titius erklärt sich Ankum damit, dass die rei vindicatio utilis auf der freien Ermessensausübung („jugement 411
Kaser/Knütel, RP, 147. Auch Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 134 mit En. 19, geht davon aus, dass die Erteilung einer Revindikation gegen den nicht mehr Besitzenden „regelmäßig nicht mehr möglich“ war. 413 Die Restitutionsklausel könnte auch in dieser Klage als letzte Chance, sich die Sache wiederzubeschaffen, enthalten gewesen sein, oder aber weggelassen worden sein, wenn eine Wiederbeschaffung der Sache unmöglich erschien. 414 Kupisch, I. i. r., 94. 415 Kupisch, I. i. r., 94. 416 s. im Literaturverzeichnis unter Ankum, L’actio de auctoritate. 417 Ankum, L’actio de auctoriate, 13 unten. 412
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libre“) des Prätors beruhe und weder zum Zeitpunkt der mancipatio noch der solutio (im Sinne der Leistung) bereits existiert habe.418 Weil die Situation des Zweitkäufers aber nach dem Entzug der Sache aufgrund der vindicatio utilis die gleiche sei wie nach einer regulären Eviktion, werde ihm die analoge actio de auctoritate gegen seinen Verkäufer eröffnet.419 Ankum beruft sich zur Stützung seiner These auf Paul. D. 46,3,98 pr.–2 (15 quaest.)420, eine Quelle, die sich mit der Frage auseinandersetzt, in welchen Fällen die Leistung einer Sache an den Gläubiger bereits als Erfüllung (solutio) angesehen werden kann, wenn die Sache dem Gläubiger später von einem Dritten wieder entzogen wird: Qui res suas obligavit, postea aliquam possessionem ex his pro filia sua dotem promittendo obligavit et solvit. si ea res a creditore evicta est, dicendum est maritum ex dotis promissione agere posse, ac si statuliberum remve sub condicione legatam dotis nomine pro filia pater solvisset: harum enim rerum solutio non potest nisi ex eventu liberare, scilicet quo casu certum erit remanere eas. 1. Diversum respondetur in ea pecunia sive re, quam patronus post mortem liberti per Fabianam aufert: haec enim actio cum sit nova, partam liberationem non potest revocare. 2. Huic applicatur minor viginti quinque annis, qui a creditore circumscriptus in rem ex causa debiti solutam restituitur.
Nach Paulus tritt die Erfüllungswirkung in manchen Fällen erst ein, wenn sicher sei, dass die Sache auch bei demjenigen, an den sie geleistet wurde, verbleiben werde. Wenn der Schwiegervater ein zuvor verpfändetes Grundstück dem Schwiegersohn als Mitgift übereignet habe, dem Schwiegersohn dieses aber später durch eine Klage des Pfandgläubigers wieder entzogen worden sei, dann stehe dem Schwiegersohn mangels solutio weiterhin die Klage gegen den Vater aus der promissio dotis zu. Entsprechend entscheidet Paulus, wenn ein unter einer Bedingung freigelassener Sklave oder eine unter einer Bedingung vermachte Sache geleistet wurden: Erfüllung tritt erst ein, wenn klar ist, dass der Sklave oder die vermachte Sache dem Leistungsempfänger nicht wieder entzogen werden können. Anders beurteilt Paulus jedoch (im § 1 der Quelle) die Rechtslage, wenn ein Freigelassener einem seiner Gläubiger etwas geleistet hatte und der erbberechtigte Patron des Freigelassenen nach dessen Tod gegen den Gläubiger des Freigelassenen mit der actio Fabiana421 vorging: Dies ändere nichts an der Erfüllungswirkung der Leistung des Freigelassenen an seinen Gläubiger. Dasselbe gelte schließlich auch (siehe § 2 der Quelle), wenn ein Minderjähriger an seinen Gläubiger geleistet habe und dann wegen der Benachteiligung durch das Geschäft in den vorigen Stand wiedereingesetzt worden sei.
418 419 420 421
Ankum, L’actio de auctoritate, 16. Ankum, L’actio de auctoritate, 16. s. Ankum, L’actio de auctoritate, 13 ff. s. Gai Inst. 3,41; Inst. 3,7,3; Kaser, RP I, 252.
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Ankums Argumentation knüpft an die auf die actio Fabiana bezogene Formulierung des Paulus an: [. . .] haec enim actio cum sit nova, partam liberationem non potest revocare. Die Klage sei „neu“, weil sie auf prätorischer cognitio beruhe.422 Hier liege auch die Parallele zu der ebenfalls nur nach prätorischer Ermessensausübung erteilten vindicatio utilis im Rahmen der i. i. r. des Minderjährigen.423 Und, um auf Jul. D. 21,2,39 pr. zurückzukommen, weil die vindicatio utilis des Minderjährigen gegen Seius eine solche actio nova sei, stehe dem Seius gegen den Titius die actio de auctoritate wie oben bereits erwähnt, nur analog zu.424 Man beachte, dass diese Argumentation Ankums der These Kupischs, die vindicatio utilis des Minderjährigen sei gerade keine typische auf der cognitio des Prätors beruhende Klage gewesen, klar widerspricht. Kupisch, gegen den sich Ankum wendet, zieht aus der Quelle Paul. D. 46,3,98425 ein weiteres Argument für seine These des Restitutionsverfahrens mit actio in personam: Auch Kupisch versteht die Bezeichnung der actio Fabiana als actio nova zwar in dem Sinne, dass sie im Gegensatz zu den zuvor in der Quelle behandelten Klagen zum Zeitpunkt der „Erfüllungsleistung“ noch nicht existierte.426 Er geht aber in seiner Argumentation insoweit über die Ankums hinaus, als er es gerade als ausschlaggebend für diese actio nova ansieht, dass es sich bei ihr um eine actio in personam handele, die in ihrem Verfahren gerade nicht an die Rechtslage vor der Veräußerung, sondern an diejenige nach der Veräußerung anknüpfe und die Rückabwicklung derselben auf die Parteien übertrage.427 Kupisch schließt so von dem zeitlichen Aussagegehalt des Terminus actio nova auf einen formalen Aussagehalt.428 Ausgehend von dieser Interpretation des Ausdrucks nova actio und der Gleichbehandlung von actio Fabiana und i. i. r. des Minderjährigen durch Paulus in D. 46,3,98,2 schließt Kupisch dann auch auf die Durchführung der in der Quelle erwähnten i. i. r. des Minderjährigen ebenfalls mittels einer actio in personam.429 Allerdings liegt gerade in der von Kupisch vorgenommenen sehr formellen Interpretation der Beschreibung der actio Fabiana als actio nova der Schwachpunkt seiner Sichtweise. Ein unbefangener Leser würde die Beschreibung einer Klage als nova wie Ankum rein zeitlich auffas-
422
Ankum, L’actio de auctoritate, 15. Ankum, L’actio de auctoritate, 16. 424 Ankum, L’actio de auctoritate, 16. 425 s. Kupisch, I. i. r., 78 ff., mit ausführlicher Darstellung der zu dieser Quelle vertretenen Meinungen. 426 Kupisch, I. i. r., 85. 427 Kupisch, I. i. r., 86. Dass es sich bei der actio Fabiana um eine actio in personam handelte, ergibt sich aus Paul. D. 22,1,38 pr. mit 4, s. auch Kupisch, I. i. r., 85 f. Fn. 113. Auch Ankum setzt dies voraus, s. L’actio de auctoritate, 13. 428 s. Kupisch, I. i. r., 85. 429 s. Kupisch, I. i. r., 87–88. 423
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Teil 2: Einzelne Fallkonstellationen
sen und nicht darauf kommen, dass hiermit auch eine Aussage über die „formelle Natur“ 430 der Klage getroffen werden sollte. Nach der bisherigen Erörterung erscheint hinsichtlich Jul D. 21,2,39 pr. der eine i. i. r. des Minderjährigen gegen den Sachinhaber mittels vindicatio utilis voraussetzende Lösungsansatz Ankums überzeugender als der auf der Annahme einer i. i. r. mittels actio in personam beruhende Ansatz Kupischs. Auch hinsichtlich Ulp. D. 4,4,13,1 überzeugt von den von Kupisch vorgebrachten Argumenten für eine in dieser Quelle dokumentierte Alternative von einem Restitutionsverfahren mit actio in personam und actio in rem allein das Argument, eine actio in personam sei eben auch gegen den Erstkäufer möglich gewesen, der die Kaufsache nicht mehr im Besitz hatte. An dieser Stelle sei daher eine weitere Möglichkeit der Interpretation von Ulp. D. 4,4,13,1 und Jul. D. 21,2,39 pr. eingeführt, die davon ausgeht, dass es für die tatsächliche Rückabwicklung eines Geschäfts durch die i. i. r. nicht immer zu der Einsetzung eines Urteilsgerichts kam, sondern dass der Restitutionsgegner und der Restitutionsberechtigte oftmals auf einfache Anordnung des Prätors die Rückgewähr vornahmen.431 Nach dieser Ansicht ist mit der cognitio des Prätors, wie sie sowohl in Ulp. D. 4,4,13,1 als auch in Jul. D. 21,2,39 pr. erwähnt wird, gerade (noch) nicht die Erteilung einer Klage gemeint, sondern eine prätorische Äußerung, durch die der Prätor die Parteien von seiner Einschätzung der Rechtslage in Kenntnis setzte und die nach seiner Ansicht für die Wiederherstellung des früheren Zustandes notwendigen Anordnungen traf.432. Die in Ulp. D. 4,4,13,1 festgehaltene Alternative für eine Möglichkeit, die Restitution gegen jeden Inhaber der von dem Minderjährigen veräußerten Sache zu erreichen (hoc vel cognitione praetoria vel rescissa alienatione dato in rem iudicio) wäre dann eine Alternative zwischen einem ausschließlich prätorischen Verfahren, das ohne die Einsetzung eines Urteilsgerichts auskommt und einem Verfahren mit einer gegen den Sachinhaber gewährten rei vindicatio utilis. Carrelli legt Wert darauf, dass es sich bei der geschilderten Restitution ohne Einsetzung eines Urteilsgerichts gerade nicht um ein von dem Verfahren mit reszissorischer Klage verschiedenes Verfahren handele, sondern dass die beiden Möglichkeiten gleichsam eine Durchführung der Restitution zu zwei verschiedenen Zeitpunkten desselben Verfahrens darstellten.433 Da430
Kupisch, I. i. r., 85. Diese Überlegung ist uns schon bei § 2, B. III. begegnet. s. Carrelli, Decretum, 166 ff. zu Ulp. D. 4,4,13,1 und 171 ff. zu Jul. D. 21,2,39 pr.; Cervenca, Restitutio, 216, und Studi vari sulla i. i. r., 23 ff. mit Fn. 54. Casinos-Mora, Zu Jul. D. 21,2,39 pr., Rn. 11 m. En. 13. s. auch Burchardi, Wiedereinsetzung, 439 ff.; Savigny, System, Bd. VII, 231 ff. 432 s. Carrelli, Decretum, 166 ff.; 171 ff. 433 Carrelli, Decretum, 170; s. zu dieser Diskussion auch Kupisch, I. i. r., 61, 62. s. auch D’Ors, Acción del menor restituido, 325. 431
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mit ist gemeint, dass es im Rahmen der ausschließlich vor dem Prätor durchgeführten Restitution nur deshalb nicht zu der Erteilung der vindicatio utilis gegen den Sachinhaber komme, weil der Restitutionsgegner die Sache bereits freiwillig herausgegeben hatte.434 Der Zeitpunkt der Rückgewähr der Sache liegt daher entweder vor oder nach der Erteilung eines Urteilsgerichts. Für ihn stellt damit das Verfahren ohne iudicium gewissermaßen ein minus und kein aliud zu dem Verfahren mit iudicium dar.435 Letztlich macht es in der Sache keinen Unterschied, ob die in Ulp. D. 4,4,13,1 enthaltene Alternative zwischen actio in rem und Herausgabe der Sache cognitione praetoria als eine Alternative zwischen zwei Zeitpunkten desselben Verfahrens oder als eine Alternative zwischen zwei Verfahren verstanden wird. Entscheidend ist lediglich, dass es in vielen der in den Quellen diskutierten Fälle der i. i. r. zu keinem Verfahren vor dem iudex zwischen den Parteien gekommen sein wird, sondern im Vertrauen auf die Autorität des Prätors die jeweils erbrachten Leistungen zurückgegeben wurden. Carrelli beschreibt diesen Vorgang treffend mit den Worten „una restituzione materiale effettivamente avvenuta“ auf Aufforderung des Prätors hin.436 Der entscheidende Vorteil dieser Sichtweise ist, dass sie dem billigkeitsrechtlichen, außerordentlichen und vor allem auf ein bestimmtes Ergebnis hin gedachten Charakter437 der i. i. r. entspricht. Weiterhin erklärt sie plausibel das Schweigen der meisten Quellen zum Thema des Restitutionsverfahrens und schützt vor nicht zielführenden Überlegungen über die Konstruktion der Klagformeln.438 Häufig wird eine solche Klagformel nicht existiert und letztlich
434 s. Carrelli, Decretum 168 ff. Anders als Savigny, System, Bd. VII, 231 ff. insb. Fn. (m) auf S. 232 und wohl auch Burchardi, Wiedereinsetzung, 439, geht Carrelli davon aus, dass die prätorische Anordnung nicht erzwungen werden konnte. Er argumentiert (Decretum, 165 ff., insb. 168), dass dies dem Grundsatz der Geldkondemnation widerspräche. Seiner Ansicht nach wird die Schätzung des Wertes der herauszugebenden Sache dem Richter vorbehalten sein. Zum einen sei die Zuständigkeit des Richters und eben nicht des Prätors für die condemnatio ein Grundsatz des Formularprozesses, zum anderen enthielten auch die Quellen keine Anhaltspunkte für die Bestimmung eines Sachwertes und damit die Möglichkeit einer Verurteilung auf einen bestimmten Geldbetrag direkt durch den Prätor. 435 Wie Savigny, System, Bd. VII, 235 Fn. (r) ganz richtig feststellt, würde diese Lesart der in Ulp. D. 4,4,13,1 enthaltenen Alternative die gedankliche Ergänzung eines „sola“ vor cognitione nötig machen, weil (entgegen der Ansicht Kupischs, I. i. r, 64) davon auszugehen ist, dass auch die actio in rem eine nicht unbedeutende Ausübung des prätorischen Ermessens voraussetzte. Kupisch lehnt die Ansicht Savignys, wie nicht überrascht, gerade aufgrund dieser gedanklichen Ergänzung ab. Er stimmt Savigny nur insoweit zu, als dieser überhaupt von zwei verschiedenen Verfahren ausgeht, I. i. r., 63 f. 436 Carrelli, Decretum, 169. 437 s. Kaser, Zur i. i. r., 108. 438 Welche Probleme solche Überlegungen bereiten können, wurde bereits im Zusammenhang mit der Rückabwicklung eines einfachen Kaufvertrags mit anschließender Übereignung der Kaufsache und der als Preis gezahlten Münzen deutlich, s. § 2, B. III.
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auch weder die Parteien, noch den Prätor, noch die kommentierenden Juristen interessiert haben. Diese Sichtweise wird auch nicht durch die Verwendung des Verbs auferre (wegtragen, entziehen)439 durch Julian in D. 21,2,39 pr. konterkariert.440 Wenn Julian schreibt, dem Seius sei das Grundstück durch prätorische Ermessensentscheidung entzogen worden (fundus praetoria cognitione ablatus fuerit), dann muss dies nicht heißen, dass dem Seius das Grundstück tatsächlich durch die konkrete Androhung der Verurteilung in den Schätzwert des Grundstücks durch den Urteilsrichter abgenötigt wurde.441 Auch wenn Seius gerade diese Situation, die sonst nach seiner Einschätzung der Rechts- und Beweislage im Falle eines richterlichen Verfahrens ohnehin eingetreten wäre, durch die Herausgabe des Grundstücks vermeiden wollte, weil der Prätor ihn dazu angewiesen hatte, passt der Ausdruck auferre sehr gut.442 Zusammenfassend bleibt zu konstatieren, dass auch die Fragmente Ulp. D. 4,4,13,1 und Jul. D. 21,2,39 pr. Aussagen über das Verfahren der Minderjährigenrestitution nur unter Vorbehalt zulassen. Kupischs Argumentation für die Erteilung einer actio in personam lässt sich jedenfalls nicht sicher durch die Formulierung in Ulp. D. 4,4,13,1 et hoc vel cognitione praetoria vel rescissa alienatione dato in rem iudicio belegen. Im Zusammenhang mit den beiden hier diskutierten Quellen überzeugt noch am ehesten das Argument Kupischs, dass das Verfahren mit actio in personam den Vorteil hat, auch gegen einen Erstkäufer möglich zu sein, der die Sache nicht dolos weiterveräußert hat. Kupischs auf Paul. D. 46,3,98 gestützte Argumentation für eine Parallelwertung der als actio in personam ausgestalteten actio Fabiana und der i. i. r. des Minderjährigen erscheint sehr konstruiert. Die Ausführungen Ankums zu Jul. D. 21,2,39 pr. und Paul. D. 46,3,98 basieren letztlich gerade auf der von Kupisch abgelehnten Verankerung der vindicatio utilis in der prätorischen cognitio, sodass die „Biegsamkeit“ der Quellen je nach dem Vorverständnis des Betrachters deutlich hervortritt. Insgesamt erscheint insbesondere die nach Kupischs Theorie nicht befriedigend erklärte, in Ulp. D. 4,4,13,1443 erwähnte Alternative et hoc vel cognitione praetoria vel rescissa alienatione dato in rem iudicio für die Möglichkeit der rechtlichen und tatsächlichen Restitution allein durch den Prätor, also ohne die 439
s. Heumann/Seckel, Handl. 44. So aber Ankum, L’actio de auctoritate, 13. 441 So aber Ankum, L’actio de auctoritate, 13. 442 In diesem Sinne wiederum Carrelli, Decretum, 169, 172. 443 Es ist zu beachten, dass keinerlei allgemeine negative Aussage über die These Kupischs (s. nur I. i. r., 9) getroffen wird, dem Prätor habe zur Durchführung der i. i. r. auch die judiziale Restitution offengestanden. Es geht hier allein darum, die Belegbarkeit dieser These gerade durch die Quellen Ulp. D. 4,4,13,1 und Jul. D. 21,2,39 pr. zu hinterfragen. 440
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Einsetzung eines Urteilsgerichts zu sprechen, wobei mit Carrelli444 von einer faktischen Beachtung der prätorischen Entscheidung zur Vermeidung unnötiger Prozesse ausgegangen wird. IV. Pfandverkauf und Drittwirkung Auch dem Käufer und Inhaber einer Sache, die der Minderjährige zuvor zur Sicherung einer Verbindlichkeit verpfändet hatte, oder die durch richterliche Entscheidung zur Erfüllung einer Urteilsschuld gepfändet worden war, konnte die Sache aufgrund der i. i. r. des Minderjährigen wieder entzogen werden. Es wird in den Quellen nicht explizit erwähnt, dass einem gutgläubigen Pfandkäufer die Sache nur im Falle der Insolvenz des Pfandgläubigers (bzw. des Prozessgegners des Minderjährigen für den Fall des Pfändungspfandrechts) durch Wiedereinsetzung des Minderjährigen entzogen werden konnte. Stattdessen taucht in den Quellen wiederholt, wenn auch nicht durchgängig, die Formulierung auf, die Sache könne dem Pfandkäufer nur dann zu Gunsten des Minderjährigen wieder entzogen werden, wenn letzterer ansonsten einen großen Schaden (grande/enorme damnum) erleide. Dabei wird manchmal, aber nicht immer, das Erfordernis des grande damnum spezifisch auf den gutgläubigen Pfandkäufer bezogen. Hartkamp ist der Ansicht, dass diese Hervorhebung des besonderen Schadens des Minderjährigen die Anwendung der Insolvenznuance auch für die Fälle des Pfandverkaufs „sehr wahrscheinlich“ mache.445 Er geht also davon aus, dass die i. i. r. des Minderjährigen gegen einen bösgläubigen Pfandkäufer stets, gegen einen gutgläubigen aber nur dann möglich war, wenn der Minderjährige zuvor vergeblich versucht hatte, einen Schadensausgleich durch den Pfandgläubiger oder – im Fall der Veräußerung eines zur Befriedigung einer Urteilsschuld gepfändeten Sache – durch den Prozessgegner, zu erreichen.446 Bevor wir zu dieser Sichtweise Stellung nehmen, seien hier zunächst die einschlägigen Quellen447 vorgestellt: Ulp. D. 4,4,9 pr. (11 ad ed.) Si ex causa iudicati pignora minoris capta sint et distracta, mox restitutus sit adversus sententiam praesidis vel procuratoris Caesaris, videndum, an ea revocari debeant, quae distracta sunt: nam illud certum est pecuniam ex causa iudicati solutam ei restituendam. sed interest ipsius corpora potius habere: et puto interdum permittendum, id est si grande damnum sit minoris.
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s. Carrelli, Decretum, 166 ff., insb. 169, 170. Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 144. Auch Kroppenberg, Insolvenz, 450, Fn. 82, ist der Ansicht, dass die Ausdrücke grande und enorme damnum auf die „fehlende Regressmöglichkeit beim Gläubiger“ hinweisen. 446 s. Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 143 f. 447 s. auch Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 142 f. 445
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Teil 2: Einzelne Fallkonstellationen
Ulpian wirft die Frage auf, ob ein Minderjähriger die Sachen, die aufgrund eines Urteils gepfändet und veräußert wurden, nach seiner Wiedereinsetzung gegen die gerichtliche Entscheidung zurückfordern könne. Sicher sei, dass der Minderjährige einen Geldbetrag, den er zur Begleichung der Urteilsschuld geleistet hat, zurückfordern könne.448 Der Minderjährige habe aber ein größeres Interesse an der Rückgabe des Gegenstandes selbst. Ulpian meint, dies sei ihm auch bisweilen zu gewähren, nämlich dann, wenn der Minderjährige einen großen Schaden habe. Ulpian äußert sich nicht dazu, ob die Kenntnis des Pfandkäufers von der Herkunft der Sache aus dem Vermögen des Minderjährigen Voraussetzung für seine Inanspruchnahme war. C. 5,71,1 (Antonin.,449 212 n. Chr.) Venditio quidem praedii, quod iure pignoris vel in causa iudicati captum et distractum est, ad senatus consultum, quod de alienandis praediis pupillorum vel adulescentium auctore praetore vel praeside provinciae factum est, non pertinet. 1. Sed si etiam nunc in ea aetate es, cui subveniri solet, aditus competens iudex, an te in integrum restituere debeat, praesente diversa parte causa cognita dispiciet.
Caracalla (Marcus Aurelius Severus Antoninus) stellt hier zunächst fest, dass der auf die Rede seines Vaters Septimius Severus (oratio Severi) hin ergangene Senatsbeschluss aus dem Jahr 195 n. Chr., der die Verpfändung und Veräußerung von ländlichen und stadtnahen Grundstücken des Mündels oder des mündigen Minderjährigen durch den Tutor oder den Kurator ohne besondere Genehmigung des Prätors verbot,450 für bestimmte Fälle keine Anwendung fand. Und zwar für den Fall, dass an dem Grundstück bereits ein Pfandrecht bestand451 oder dass es aufgrund einer richterlichen Entscheidung zur Befriedigung einer Urteilsschuld gepfändet worden war452. Die aufgrund der genannten Pfandrechte erfolgte Veräußerung sei nicht verboten. Allerdings könne ein Minderjähriger hinsichtlich dieser Geschäfte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen. Der zuständige Richter werde dann im Beisein der Gegenpartei über die Sache entscheiden. Caracalla hebt also allein die Möglichkeit der i. i. r. des Minderjährigen gegen den Pfandverkauf hervor und betont, dass die Gegenpartei bei der Untersuchung der Sache anwesend zu sein habe. Er geht nicht auf besondere Voraussetzungen der Restitution des Minderjährigen ein.
448 Insofern wäre ja auch nur der direkte Prozessgegner des Minderjährigen von den Konsequenzen der Restitution betroffen. 449 Bei Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 143, wohl versehentlich zitiert als Alex. 450 s. Ulp. D. 27,9 pr.–2. 451 Wahrscheinlich ist der in Ulp. D. 27,9,1,2 am Ende aufgeführte Fall gemeint: Wenn der Erblasser des Mündels das Grundstück bereits verpfändet hat, steht dies nicht im Widerspruch zu der Neuregelung. 452 s. Ulp. D. 27,9,3,1: Eine Pfändung und Veräußerung auf Anordnung eines Amtsträgers ist gestattet.
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C. 5,71,2,1 (Gord., 239 n. Chr.) Quod si creditores id fecerint, ita demum iuxta formam edicti beneficium tibi impertietur, si fraudulenter venditione, participante consilium emptore, damnum tibi inflictum esse doceatur.
Diese an der Grenze von der Klassik zur Nachklassik erlassene Konstitution Gordians überrascht, weil sie ungewöhnlich hohe subjektive Hürden für die Rückabwicklung eines Pfandverkaufs durch i. i. r. des Minderjährigen aufstellt: Der Kaiser spricht von einem „betrügerischen Handeln beim Verkauf“ (fraudulenter venditione), die Bösgläubigkeit des Pfandkäufers (participante consilium emptore) wird zur Voraussetzung der Gewährung der i. i. r. gegen ihn gemacht. C. 2,28,1 (Diocl./Max., 290 n. Chr.) Etiam adversus venditiones pignorum, quae a creditoribus fiunt, minoribus subveniri, si tamen magno detrimento adficiantur, iam pridem placuit. si igitur pignori captis praediis ac distractis enorme damnum ex huiusmodi venditione passos vos ostenderitis, praesertim cum hodieque vos minores esse adfirmetis, auxilium restitutionis vobis impertietur.
Diokletian und Maximinian halten in dieser (nachklassischen) Konstitution fest, dass die Wiedereinsetzung des Minderjährigen gegen einen Pfandverkauf möglich ist, wenn dem Minderjährigen durch ihn ein sehr großer Schaden (magno detrimento, enorme damnum) entstanden sei. Dies gelte sowohl für den Verkauf von Pfändern durch die Gläubiger, denen die Sache zuvor verpfändet wurde, als auch für die Veräußerung des auf richterlichen Beschluss gepfändeten Gegenstands. Auch in dieser Konstitution wird die Bös- oder Gutgläubigkeit des Pfandkäufers nicht thematisiert. Marc. D. 20,5,7,1 (ad form. hyp.) Illud inspiciendum est, an liceat debitori, si hypotheca venierit, pecunia soluta eam reciperare. et si quidem ita venierit, ut, si intra certum tempus a debitore pecunia soluta fuerit, emptio rescindatur, intra illud tempus pecunia soluta recipit hypothecam: si vero tempus praeteriit aut si non eo pacto res venierit, non potest rescindi venditio, nisi minor sit annis viginti quinque debitor aut pupillus aut rei publicae causa absens vel in aliqua earum causarum erit, ex quibus edicto succurritur.
Marcellus beschäftigt sich hier mit der Frage, unter welchen Umständen der Schuldner einen Gegenstand, der aufgrund eines besitzlosen Pfandes (hypotheca)453 verkauft wurde, durch Geldzahlung zurückerlangen kann. Grundsätzlich sei dies nur möglich, wenn dies beim Verkauf des Pfandes vereinbart worden und die Zahlung innerhalb der vereinbarten Frist erfolgt sei. Anders liege die 453 Dass an dieser Stelle nur das besitzlose Pfand erwähnt wird, ist wohl Zufall, jedenfalls wirft Marcian im principium des Fragments D. 20,5,7 sowohl für das pignus als auch für die hypotheca die Frage auf, ob auch der Verpfänder die von dem Pfandgläubiger verkaufte Pfandsache gegen Zahlung eines dem Kaufpreis entsprechenden Betrags an den Pfandkäufer herausverlangen könne, wenn der Pfandgläubiger sich ein solches Rückkaufrecht gegenüber dem Pfandkäufer vorbehalten habe.
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Sache jedoch, wenn der Schuldner minderjährig sei oder ein Mündel oder in Staatsangelegenheiten abwesend gewesen sei oder ihm aus einem sonstigen im Edikt vorgesehenen Grund zu helfen sei. Der Jurist stellt hier für den Minderjährigen jedenfalls fest, dass dieser die von ihm verpfändete Sache durch die i. i. r. propter aetatem zurückerlangen kann. Nicht klar ist, ob dies nur unter der Bedingung erfolgen soll, dass der Minderjährige tatsächlich einen Geldbetrag (in Höhe des Kaufpreises) an den Pfandkäufer zahlt, so wie es der eingangs aufgeworfenen Frage entsprechen würde. Dass Marcellus hier nicht näher auf die Voraussetzung der Wiedereinsetzung des Minderjährigen gegen den Pfandkäufer eingeht, überrascht nicht, weil der Fokus der Quelle ein anderer ist. Es geht dem Juristen primär um die generelle Beschränkung des „Rückkaufs“ des Pfandes durch den Schuldner, am Ende der Quelle stellt er dann nur kurz fest, dass diese Beschränkungen für die Fälle der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gelten, ohne sich mit den Voraussetzungen der einzelnen Restitutionsgründe näher beschäftigen zu wollen. Schließlich sei noch Ulp. D. 4,4,49 (35 ad ed.) erwähnt: Si res pupillaris vel adulescentis distracta fuerit, quam lex distrahi non prohibet, venditio quidem valet, verumtamen si grande damnum pupilli vel adulescentis versatur, etiamsi collusio non intercessit, distractio per in integrum restitutionem revocatur.
Dass es sich bei dem hier kommentierten Fall um die Veräußerung eines zuvor verpfändeten oder gepfändeten Grundstücks handelt,454 wird in der Quelle nicht ausdrücklich gesagt. Theoretisch könnte es sich um die einfache Veräußerung irgendeines Gegenstands des Mündels oder des Minderjährigen, der eben nicht unter die oratio Severi fiel (also gerade nicht um ein ländliches oder stadtnahes Grundstück), durch dessen Tutor oder Kurator gehandelt haben. Dass es sich aber um den Verkauf eines Pfandes handelte, wird gerade durch die typische Anforderung des grande damnum indiziert. Außerdem sah die oratio Severi bestimmte, bereits im Zusammenhang mit C. 5,71,1 (Antonin., 212 n. Chr.) angesprochene Ausnahmen455 vor, auf die sich die Erläuterung quam lex distrahi non prohibet beziehen könnte. Geht man davon aus, dass sich das Fragment mit einer Pfandveräußerung beschäftigt, differenziert Ulpian folgendermaßen: Ein Durchgriff auf den Pfandkäufer, der sich nicht eines heimlichen Einverständnisses456 mit dem Verkäufer schuldig gemacht hat (etiamsi collusio non intercessit), mittels der Minderjährigenrestitution soll nur unter der Bedingung des grande damnum des Minderjährigen möglich sein. Ob Ulpian eine collusio des Pfandgläubigers und des Pfand454 So neben Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r, 142, auch Musumeci, Quod cum minore, 523, Fn. 39 und Protezione pretoria, 43, Fn. 41, nicht jedoch Cervenca, Cura minorum e i. i. r, 251 ff., insb. Fn. 67. 455 s. weiter oben in diesem Unterkapitel. 456 s. Heumann/Seckel, Handl. 77 f.
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käufers bereits bejaht hätte, wenn sich beide darüber im Klaren waren, dass ein Gegenstand des Minderjährigen veräußert wurde, oder ob er eine darüber hinaus bestehende Schädigungsabsicht voraussetzte, geht aus der Quelle nicht hervor. Entscheidend für die hier geführte Diskussion ist jedoch vor allem, dass nach Ulp. D. 4,4,49 jedenfalls ein Pfandkäufer, der noch nicht einmal wusste, dass die Kaufsache von einem Minderjährigen stammte, sich nur dann der i. i. r. ausgesetzt sehen sollte, wenn der Minderjährige einen „großen Schaden“ erlitten hatte. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass von den hier vorgestellten Quellen allein Ulp. D. 4,4,49 die Voraussetzung des grande damnum für die Ausweitung der i. i. r. explizit auf den Fall des gutgläubigen Pfandkäufers bezieht. Die Quellen, die ansonsten noch einen qualifizierten Schaden des Minderjährigen erwähnen, nämlich C. 2,28,1 (Diocl./Max., 290 n. Chr.) und Ulp. D. 4,4,9 pr., gehen auf die Gut- oder Bösgläubigkeit des Pfandkäufers nicht ein. Dieses Schweigen der Quellen steht der These Hartkamps, dass nur für die i. i. r. des Minderjährigen gegen den gutgläubigen Pfandkäufer ein besonders großer Schaden des minor gefordert wurde,457 noch nicht zwingend entgegen. Vielleicht war es für Ulpian in D. 4,4,9 pr. und für die Kaiser Diokletian und Maximinian in C. 2,28,1 zu selbstverständlich, dass ein Pfandkäufer, der wusste, dass die Kaufsache aus dem Vermögen eines Minderjährigen stammte, die Sache wieder herausgeben musste, wenn der Minderjährige in den vorigen Stand zurückversetzt wurde. Allerdings kann der Annahme Hartkamps, das Erfordernis des grande damnum sei sehr wahrscheinlich bedeutungsidentisch mit der für die Fälle des Zweitverkaufs explizit erwähnten Insolvenznuance, nur teilweise gefolgt werden. Und zwar in dem Sinne, dass es durchaus plausibel erscheint, dass die Insolvenz des Geschäftspartners des Minderjährigen auch für die Wiedereinsetzung des Minderjährigen gegen den gutgläubigen Pfandkäufer im Zusammenhang mit der Bewertung des grande damnum eine Rolle spielte. Allerdings sind die Quellen zu uneindeutig, um diesbezüglich von einer ähnlich gefestigten Billigkeitspraxis wie in den Fällen der Ausweitung der i. i. r. gegen den Zweitkäufer auszugehen. Gegen die exakte Gleichsetzung des grande damnum mit der Insolvenznuance lassen sich die folgenden Bedenken erheben. Der offensichtlichste Einwand ist freilich dieser: Wenn für die Einbeziehung des Pfandkäufers in die Minderjährigenrestitution die gleiche Praxis vorherrschend war wie für die Einbeziehung des Zweitkäufers, nämlich: der bösgläubige Pfandkäufer musste das Pfand immer herausgeben, der gutgläubige nur unter der Bedingung der Insolvenz des Vertragspartners – wieso wurde das dann nicht in den Schriften der Juristen auch so festgehalten und stattdessen ein so unspezifischer Begriff wie grande damnum verwendet? Außerdem ist anzumerken, dass die Quellen zur Ausweitung der Minderjährigenrestitution auf den Pfandkäufer keinerlei Aussagen enthalten zu 457
s. Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 143 f.
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einer eventuellen Rückgriffsmöglichkeit des letzteren gegen den Pfandverkäufer. Dies überrascht nicht übermäßig, weil in den Fällen des Pfandverkaufs anders als bei einem „gewöhnlichen“ Verkauf die Eviktionshaftung des Verkäufers durchaus nicht selbstverständlich war.458 Diese fehlende „Sorge“ um die Situation des Pfandkäufers nach dem Entzug der Sache durch die i. i. r. des Minderjährigen könnte als Indiz für eine geringere Schutzwürdigkeit des Pfandkäufers im Verhältnis zu dem Zweitkäufer gewertet werden: Der Pfandkauf könnte strukturell als ein risikoreicheres Geschäft angesehen worden sein.459 Daher ist davon auszugehen, dass die Insolvenz des Pfandveräußerers nur einen (wenn auch sehr häufigen) Fall des wiederholt geforderten „großen Schadens“ darstellte. Wahrscheinlich wurde dem Minderjährigen auch dann der Direktzugriff auf die Sache selbst unabhängig von der Solvenz des Veräußerers gewährt, wenn der Verlust derselben aus den Umständen heraus als nicht durch Geld ersetzbar angesehen werden musste.460 Im Ergebnis ist Hartkamp teilweise zuzustimmen: Die „Insolvenzprüfung“ wurde wahrscheinlich auch in Fällen der i. i. r. des Minderjährigen gegen den Pfandverkauf durchgeführt. Allerdings legen die geschilderten Bedenken nahe, dass teilweise auch ohne diese Prüfung dem Minderjährigen eine Restitution gegen den gutgläubigen Pfandkäufer gewährt wurde, weil der Pfandkäufer als etwas weniger schutzwürdig als der Zweitkäufer angesehen wurde.
C. Die negative Drittwirkung der Minderjährigenrestitution in Fällen der Rückgängigmachung einer von dem Minderjährigen vorgenommenen Schuldbefreiung Der Minderjährige konnte die i. i. r. auch hinsichtlich eines Geschäfts beantragen, welches eine ihm zustehende Forderung zum Erlöschen brachte. In solchen 458 Laut Kaser/Knütel, RP, 169 verzichtete der Pfandkäufer üblicherweise auf die Gewährleistung des Verkäufers für Rechtsmängel, konnte sich aber mit einer actio utilis an den befreiten Schuldner halten. Nach Tryph. D. 20,5,12,1 muss der Pfandgläubiger beim Pfandverkauf die Eviktionshaftung ausschließen, damit der Schuldner von seiner Verpflichtung befreit wird, weil ansonsten nicht klar ist, ob der Pfandgläubiger den Kaufpreis behalten können wird. Nach C. 8,45,2 (Gord. 240 n. Chr.) muss die Pfandverkäuferin die Eviktionshaftung extra versprechen, obwohl es sich um ein Grundstücksgeschäft handelte. Jedenfalls war die Eviktionshaftung beim Pfandkauf keine Selbstverständlichkeit. 459 Die Konstitution C. 5,71,2,1 (Gord. 239 n. Chr.) welche für die i. i. r. gegen den Pfandkäufer sehr hohe Hürden aufstellt, wird insoweit als Zeugnis einer relativ extremen Einzelentscheidung gewertet, die der Gesamttendenz entgegensteht. 460 Diese erweiterte Ansicht zur Einbeziehung Dritter in die Restitution vertritt allgemein (also nicht nur auf den Pfandkauf und nicht nur auf die Minderjährigenrestitution bezogen) Burchardi, Wiedereinsetzung, 419.
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Fällen hatte der Minderjährige nicht die Position des Schuldners, sondern die des Gläubigers inne, der sich durch das Erlöschen einer ihm zunächst zustehenden Forderung benachteiligt sieht. In den Quellen finden sich Drittwirkungskonstellationen auf der Grundlage eines von dem minderjährigen Gläubiger vorgenommenen förmlichen Erlasses (acceptilatio) oder einer Novation (novatio) aufgrund einer Passivdelegation („passive Novation“ laut Hartkamp)461. Bei der acceptilatio quittiert der Gläubiger durch bestimmte Worte den Empfang der geschuldeten Leistung, obwohl die Leistung tatsächlich nicht erbracht wurde.462 Eine novatio (wörtlich: Erneuerung) ist die „Umwandlung einer Obligation in eine neue, indem die bisherige Verbindlichkeit dadurch getilgt wird, dass eine solche aus stipulatio [. . .] an ihre Stelle tritt.“ 463 Die Novation kommt durch Stipulation zwischen dem Gläubiger und dem Neuschuldner zu Stande, wobei beide übereinstimmen müssen, dass die neue Verpflichtung die alte ersetzen soll.464 Wenn dem minderjährigen Gläubiger nun hinsichtlich der novatio oder acceptilatio die i. i. r. propter aetatem gewährt wurde, führte dies dann dazu, dass im Falle der Rückgängigmachung der acceptilatio nicht nur der ehemalige Schuldner, sondern auch dessen Sicherungsgeber erneut verpflichtet wurden und im Falle der Rückgängigmachung der Novation die Verpflichtung des Altschuldners wieder auflebte? Wenn dies der Fall war, wären hierin nach der dieser Arbeit zugrundegelegten Definition Fälle der negativen Drittwirkung der i. i. r. des Minderjährigen im Verhältnis zu den Sicherungsgebern des ehemaligen Schuldners durch die Rückgängigmachung der acceptilatio und im Verhältnis zum Altschuldner durch die Rückgängigmachung der Novation zu erblicken. Denn die Sicherungsgeber des ehemaligen Schuldners hatten an der acceptilatio nicht mitgewirkt und der Altschuldner war an der ihn begünstigenden Novation, die ja von dem Gläubiger und dem Neuschuldner vorgenommen wurde, nicht beteiligt, auch wenn er von ihr unmittelbar begünstigt wurde. Weiterhin ist zu fragen, inwiefern die von Hartkamp entwickelten Kriterien für die Drittbenachteiligung der i. i. r. für die Fälle der Rückgängigmachung einer Schuldbefreiung zutreffen oder überhaupt von Relevanz sind.
461
Drittwirkung der i. i. r., 132. s. Gai Inst. 3,169. In dieser Quelle wird die acceptilatio als eine imaginaria solutio, also als Scheinerfüllung, bezeichnet. Durch acceptilatio können nur durch Verbalvertrag begründete Obligationen aufgehoben werden. Soll die acceptilatio zur Aufhebung einer sonstigen Schuld verwendet werden, muss diese zunächst in eine Stipulationsschuld umgewandelt werden, Gai Inst. 3,170. Allerdings wurde laut Kaser, RP I, 641 mit Fn. 6, die acceptilatio primär als Quittung nach tatsächlich erbrachter Leistung verwendet. 463 Kaser/Knütel, RP, 291. Definition in den Digesten: Ulp. D. 46,2,1 pr. 464 s. Kaser/Knütel, RP, 294. Der Altschuldner ist Delegant, der Neuschuldner Delegat und der Gläubiger Delegatar. s. auch Ulp. D. 16,1,8,3. Zum Thema des Novationswillens s. ausführlich Apathy, Animus novandi, insb. 253 ff. 462
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I. Die materiellen Voraussetzungen der Drittbenachteiligung im Falle der Rückgängigmachung von acceptilatio und Novation Die vorhandenen Quellen465 geben auf Fragen nach den Auswirkungen der i. i. r. in den soeben skizzierten Fällen eindeutige Antworten: Laut Gai. D. 4,4,27,2 ist einem Minderjährigen, der ohne Grund eine Schuld durch acceptilatio erlassen hat, auch hinsichtlich der Bürgen und bezüglich der zur Sicherung der Forderung bestellten Pfänder das Klagerecht wiederherzustellen. Auch wenn der Minderjährige einem von zwei Gesamtschuldnern die Forderung erlassen hat (was dann auch zum Erlöschen der Forderung gegen den anderen Gesamtschuldner führte)466, ist das Klagerecht im Falle der i. i. r. gegenüber beiden Schuldnern wiederherzustellen: Gai. D. 4,4,27,2 (4 ad ed. prov.) Si minor annis viginti quinque sine causa debitori acceptum tulerit, non solum in ipsum, sed et in fideiussores et in pignora actio restitui debet. et si ex duobus reis alteri acceptum tulerit, in utrumque restituenda est actio.
Es werden für die Einbeziehung der Sicherungsgeber und der Mitschuldner keinerlei Einschränkungen genannt oder Bedingungen aufgestellt. Gleiches gilt für die Novationsfälle: Hat ein minderjähriger Gläubiger durch Novation der Übertragung einer Verbindlichkeit von einem zahlungsfähigen auf einen weniger solventen Schuldner zugestimmt, kann er (mittels i. i. r.) die Klagemöglichkeit gegen den Altschuldner zurückerlangen. Diesen Fall schildert das an die soeben zitierte Textstelle unmittelbar anschließende Fragment: Gai. D. 4,4,27,3 (4 ad ed. prov.) Ex hoc intellegimus, si damnosam sibi novationem fecerit, forte si ab idoneo debitore ad inopem novandi causa transtulerit obligationem, oportere eum in priorem debitorem restitui.
Gaius unterstreicht die aus seiner Sicht vorliegende Parallelität der beiden in D. 4,4,27,2 und 3 geschilderten Fälle durch die Überleitung ex hoc intellegimus (daraus schließen wir). Hartkamps Ausführungen zu den angeführten Digestenfragmenten sind nicht ganz eindeutig. Einerseits nennt er auf S. 155 seines Aufsatzes zur Drittwirkung der i. i. r. gerade die acceptilatio und die passive novatio als Beispiele für Rechtsvorgänge, die zu einer unmittelbaren und ausschließlichen Bevorteilung des Dritten führten und somit auch bei Gutgläubigkeit des Dritten dessen Einbeziehung in die negativen Wirkungen der i. i. r. nach sich zögen. Andererseits weist er an anderer Stelle desselben Aufsatzes darauf hin, dass es in den Novationsfällen 465
s. Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 137 f. s. Ulp. D. 46,4,16 pr.; Kaser, RP I, 657 f. Ulp. D. 46,4,16,1 bestätigt die Gesamtwirkung der acceptilatio für Bürge und Hauptschuldner. 466
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(Gai. D. 4,4,27,3 und Pomp. D. 4,4,50467) für die Einbeziehung der Altschuldner in die i. i. r. gerade nicht darauf ankomme, ob dieser durch die Novation ausschließlich bevorteilt wurde.468 Dies sei nicht zwangsläufig der Fall, „da die Passivnovation auf Delegation beruht und mit zur Schuldtilgung im Deckungsverhältnis geführt haben kann.“ 469 Dies wäre immer dann der Fall, wenn der Altschuldner gegen den Neuschuldner eine Forderung innehatte.470 Hartkamp schreibt: „Für den Schutz des minor ist das aber ebenso irrelevant als die Frage, ob der bisherige Schuldner die Übervorteilung wohl oder nicht gekannt hat.“ 471 Diese Äußerung kann nicht anders verstanden werden, als dass Hartkamp jedenfalls für die Novationsfälle die von ihm aufgestellten entscheidungsleitenden Prinzipien für nicht anwendbar erklärt. Für die Fälle der (sine causa) durch den Minderjährigen vorgenommenen acceptilatio geht Hartkamp dagegen immer von einer ausschließlichen Bevorteilung der Sicherungsgeber und Mitschuldner aus.472 Sie sind also nach seinem Kriterienkatalog immer in die negativen Wirkungen der i. i. r. einzubeziehen, was ja auch der Quellenlage entspricht. Allerdings bleibt zu überlegen, warum in den Novationsfällen, anders als in den Veräußerungskonstellationen (Zweitveräuße-
467 Das Fragment behandelt die Konsequenzen der Wiedereinsetzung eines Minderjährigen, der zuvor die Schuld eines anderen übernommen hatte, also nicht als Gläubiger, sondern als Neuschuldner an der Novation mitwirkt. Es würde zu seiner Restitution genügen, dass die von ihm eingegangene Verpflichtung rückgängig gemacht wird. Indem der Prätor dem Gläubiger dennoch seine Klage gegen den früheren Schuldner wieder einräumt, geht er somit zu Lasten des Altschuldners und zu Gunsten des Gläubigers über das zur Wiedereinsetzung des Minderjährigen Notwendige hinaus. Dieses Ergebnis entspricht in seiner Wertung dem Anspruch des Restitutionsgegners auf Kaufpreisrückzahlung gegen den Minderjährigen, z. B. in D. Paul. D. 4,4,24,4 (. . . unusquisque ius suum recipiat). 468 Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 138. 469 Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 138. 470 Der Neuschuldner übernimmt die Verpflichtung des Altschuldners gegenüber dem Gläubiger auf Anweisung des Altschuldners. Der angewiesene Neuschuldner (Delegat) bringt durch die Vornahme der Novation mit dem Gläubiger (Anweisungsempfänger/Delegatar) eine Forderung des Gläubigers gegen den Altschuldner (Anweisender/Delegant) und gleichzeitig die Forderung des Altschuldners gegen ihn (den Neuschuldner) zum Erlöschen. Der Altschuldner wird dann zwar durch die Novation von seiner gegenüber dem Gläubiger (im Valutaverhältnis) bestehenden Verbindlichkeit befreit, gleichzeitig verliert er aber (im Deckungsverhältnis) seine Forderung gegen den Neuschuldner (Delegat) und ist insofern nicht ausschließlich begünstigt. Hartkamp führt nicht aus, in welchen Fällen der Passivdelegation diese den Altschuldner doch einmal ausschließlich begünstigt haben könnte: Möglicherweise dachte er an den Fall, dass die Schuld von dem Neuschuldner schenkweise übernommen wurde, also, um dem Altschuldner einen Gefallen zu tun. Wenn dagegen durch die Schuldübernahme eine Forderung des Neuschuldners gegen den Altschuldner begründet werden sollte, wurde der Altschuldner durch die Novation erst recht nicht ausschließlich bevorteilt. 471 Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 138. 472 Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 138.
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rung, Pfandkauf), in den Quellen keine Bedingungen473 für die negative Drittwirkung der i. i. r. wegen Minderjährigkeit aufgestellt werden, obwohl der Altschuldner durch die Novation (nicht zwangsläufig) ausschließlich begünstigt wurde. Denkbar wäre, dass die Juristen Gaius und Pomponius sich bei der Bewertung der Novation auf deren (eindeutig gegebene) Auswirkungen im Verhältnis von Altschuldner und Gläubiger beschränkt haben. Der Altschuldner wird in dieser Hinsicht jedenfalls von einer Forderung befreit; wird die Novation dann durch i. i. r. revidiert, muss er dementsprechend unabhängig von der Kenntnis des Restitutionsgrundes wieder haften. Diese Argumentation, die den Altschuldner dann eben doch als ausschließlich durch die Novation begünstigt bewertet, würde Hartkamps Kriterium, nach dem auch der gutgläubige Dritte immer in die negativen Wirkungen der i. i. r. einbezogen wird, wenn er durch den rückabzuwickelnden Vorgang ausschließlich begünstigt wurde,474 mit der Quellenlage vereinbar machen. Das Zwischenergebnis lautet also: Bei der Rückgängigmachung eines förmlichen Erlasses oder einer Novation durch Minderjährigenrestitution werden Dritte (Sicherungsgeber und Mitschuldner des ehemaligen Schuldners, demgegenüber der Minderjährige einen Erlass erklärt hat, sowie der nicht unmittelbar an einer Novationsstipulation beteiligte Altschuldner) stets wiederverpflichtet. An dieser Stelle sei nun kurz darüber reflektiert, ob das hier erzielte klare Ergebnis nicht in logischem Gegensatz zu den differenzierten Ergebnissen des Abschnitts II zur Begünstigung des Bürgen des Minderjährigen sowie dessen pater familias durch die i. i. r. wegen Minderjährigkeit steht. Führt man sich erneut diejenigen Erwägungen vor Augen, welche bei der Frage nach der Begünstigung Dritter im Vordergrund standen, zeigt sich, dass diese für den entgegengesetzten Fall der Drittbenachteiligung durch die i. i. r. inhaltlich nicht passen. Bei der Drittbevorteilung ging es primär um die Frage nach dem Schutzzweckzusammenhang zwischen der Verpflichtung des Minderjährigen selbst und der zusätzlichen Haftung des Bürgen oder pater familias. Die Kernfrage war: Dient die Dritthaftung (auch) dazu, für den Gläubiger das Risiko abzusichern, dass sich der Minderjährige aufgrund seines Alters in den vorigen Stand versetzen lässt? Für den Bürgen auf Seiten des Minderjährigen wurde diese Frage, kurz gefasst, dann bejaht, wenn der Bürge nach dem Inhalt und den Umständen der mit dem Gläu-
473 Wie die Kenntnis der Minderjährigkeit des Gläubigers oder, im Falle der Wiederverpflichtung von Sicherungsgebern die Insolvenz des Hauptschuldners. 474 Der Gedanke hinter dieser Formulierung ist wohl, dass eine Restitution zu Lasten Dritter immer dann möglich sein soll, wenn die „Benachteiligung“ lediglich in dem Wegfall eines Vorteils besteht. Wäre der rückabzuwickelnde Vorgang nachteilig für den Dritten, käme lediglich eine positive Drittwirkung der i. i. r. in Frage. Hartkamp äußert sich nicht dazu, was gelten soll, wenn der rückabzuwickelnde Vorgang den Dritten sowohl begünstigt als auch benachteiligt hat.
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biger getroffenen Absprache auch das Risiko der Minderjährigenrestitution absichern wollte. War dies nicht der Fall, wurde der Bürge bei der Wiedereinsetzung des Minderjährigen automatisch von seiner Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger befreit. Für den pater familias dagegen wurde unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks der adjektizischen Haftung für die Verbindlichkeiten des Sohnes davon ausgegangen, dass die Haftung des Vaters streng akzessorisch an die Verbindlichkeiten des Sohnes gekoppelt war, sodass eine i. i. r. des Sohnes auch immer zu einer Befreiung des Hausvaters von seiner Haftung führte. Dieses Ergebnis wurde im Anschluss aus Billigkeitsgründen prozessrechtlich korrigiert, indem eine Wiedereinsetzung des Sohnes nur dann gestattet wurde, wenn dieser bereits verklagt war. Auf diese Weise wurde die Position des pater familias, der schließlich, anders als der Bürge, von dem Geschäft des Minderjährigen profitiert, an den prätorischen Anspruch, nicht regelmäßig Volljährige durch die Minderjährigenrestitution zu bevorteilen, angepasst. Diese Erwägungen spielen für die Frage nach der Beteiligung Dritter auf Seiten des volljährigen Geschäftspartners und Schuldners des Minderjährigen ersichtlich keine Rolle. Es steht also nicht im Widerspruch zu den differenzierten Lösungen bei der Drittbegünstigung, wenn für die Fälle der durch Minderjährigenrestitution rückgängig gemachten novatio und acceptilatio die Quellen eine eindeutige Einbindung der zuvor durch eine für den Minderjährigen nachteilige Rechtshandlung befreiten Dritten in die negativen Wirkungen der i. i. r. befürworten. Dass den Römern ein durch eine für den Minderjährigen nachteilige Handlung automatisch befreiter Dritter nicht besonders schutzwürdig erschien und in die negativen Wirkungen der i. i. r. ohne weiteres einbezogen wurde, erscheint plausibel.475 Darüber hinaus ist anzuführen, dass eine Wiedereinsetzung des minderjährigen Gläubigers gegen einen nachteiligen Schuldnerwechsel gar nicht anders gedacht werden kann als durch eine Wiederherstellung der zuvor erloschenen Verpflichtung des Altschuldners, selbst wenn der Altschuldner an der aufzuhebenden Novation selbst nicht unmittelbar beteiligt war: Nur durch das Wiederaufleben dieser Verpflichtung konnte die frühere Rechtslage des Minderjährigen wiederhergestellt werden.
475 Kroppenberg, Insolvenz, 455, geht davon aus, dass im Falle der Rückgängigmachung der acceptilatio durch i. i. r. der Minderjährige deshalb unmittelbar auch gegenüber den Bürgen und Pfandgebern des Hauptschuldners restituiert werde, weil „jeder der potentiellen Restitutionsgegner mit dem Minderjährigen selbst gleichrangig rechtsgeschäftlich verbunden“ sei. Dem ist zuzustimmen: Ein Sicherungsgeber, der eine Forderung des minderjährigen Gläubigers gegen den volljährigen Hauptschuldner absichert, hat selbst mit dem Minderjährigen kontrahiert und hat im Ergebnis auch die negativen Folgen der Restitution mitzutragen, auch wenn das spezifisch rückabzuwickelnde Befreiungsgeschäft, welches unmittelbar zu seinen Gunsten wirkte, nicht unmittelbar von ihm vorgenommen wurde.
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II. Die rechtstechnische Umsetzung der Drittbenachteiligung im Sinne eines Wiederauflebens der Verpflichtung der Sicherungsgeber im Fall der Rückgängigmachung einer acceptilatio sowie des Altschuldners im Fall der Rückgängigmachung einer Novation Weder in Gai. D. 4,4,27,2 noch in Gai. D. 4,4,27,3 werden Aussagen über die Art und Weise der Wiederherstellung der actiones gegen die Sicherungsgeber des Hauptschuldners nach der Rückgängigmachung der acceptilatio und gegen den Altschuldner nach der Rückgängigmachung der Novation getroffen. Im Fokus der Darstellungen steht lediglich, dass die Klagen wiederhergestellt werden sollen, nicht, mit welchen rechtstechnischen Mitteln der Prätor dieses Ziel erreichte. Denkbar sind theoretisch beide Formen der Restitution, die prätorische und die judiziale: Der Prätor könnte selbst die rechtliche Situation, die vor der acceptilatio oder der Novation bestand, im Wege der Fiktion wiederhergestellt haben und auf Antrag des Minderjährigen/des begünstigten Gläubigers die begehrte Klage als actio utilis gegen den zunächst Verpflichteten unmittelbar erteilt haben. Alternativ könnte er dem Minderjährigen eine arbiträre actio in factum gegen seinen ehemaligen Schuldner erteilt haben, sodass dieser die Verpflichtung erneut begründen musste, wenn er nicht auf einen in der Klagformel benannten Betrag (z. B. das duplum der streitigen Forderung) verurteilt werden wollte. Die in den Quellen fehlenden Informationen zu diesen Fragen bestärken tendenziell die These, dass der Prätor bei der Umsetzung der Restitution große Freiheit genoss und je nach seiner Einschätzung der Lage und unter Beachtung der Praktikabilität die eine oder andere Form der Restitution wählen konnte. Selbst, wenn man davon ausgeht, dass die Verpflichtung durch die Parteien neu begründet werden musste, ist jedoch anzunehmen, dass der Prätor dem Minderjährigen die auf diese Neubegründung gerichtete Klage ohne weiteres erteilte, sofern nachgewiesen wurde, dass der zuvor verpflichtete Dritte durch die acceptilatio oder novatio befreit wurde. III. Zur Reihenfolge der Kriterien Hartkamps für die Fälle der Drittwirkung bei der Aufhebung von Schuldbefreiungen durch die i. i. r. des Minderjährigen Wie oben gezeigt,476 strukturiert Hartkamp sein Gesamtergebnis zu der (negativen) Drittwirkung der i. i. r. aus diversen Restitutionsgründen zunächst nach dem Kriterium der Gut- oder Bösgläubigkeit des Restitutionsgegners. Gegen bösgläubige Dritte sei die i. i. r. stets zu gewähren, gegen gutgläubige unter anderem immer dann, wenn diese von dem rückgängig zu machenden Geschäft unmittelbar bevorteilt wurden.477 476
s. § 4, A. s. Hartkamp, Drittwirkung der i. i. r., 155. Zu der Verwendung des Begriffs der unmittelbaren Bevorteilung bei Hartkamp s. Fn. 349, s. auch § 4, C. I. 477
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Diese Struktur führt zwar zu dem richtigen Ergebnis, dass nämlich die Wiedereinsetzung des Minderjährigen gegen die Sicherungsgeber des ehemaligen Hauptschuldners im Falle der acceptilatio und gegen den Altschuldner im Falle des Schuldnerwechsels durch Novation immer gewährt wird. Die Ausführungen Hartkamps sind aber insofern irreführend, als sie suggerieren, dass auch für diese Fälle zunächst immer nach der Gut- oder Bösgläubigkeit des Dritten gefragt worden sei. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Gut- oder Bösgläubigkeit der Dritten ist völlig irrelevant.478 Allerdings ist diese Unschärfe der Gesamtergebnisse Hartkamps wahrscheinlich auf die Schwierigkeit des problematischen Unterfangens zurückzuführen, viele verschiedene Fallgruppen unter ein einheitliches Schema fassen zu wollen.
D. Die negative Drittwirkung gegen den Hausvater oder Herrn, wenn dessen Haussohn oder Sklave Vertragspartner des Minderjährigen ist Paul. D. 4,4,24,3 (1 sent.)479: Si servus vel filius familias minorem circumscripserit, pater dominusve quod ad eum pervenerit restituere iubendus est, quod non pervenerit ex peculio eorum praestare: si ex neutro satisfiet et dolus servi intervenerit, aut verberibus castigandus aut noxae dedendus erit. Sed et si filius familias hoc fecit, ob dolum suum condemnabitur.
Paulus behandelt hier gewissermaßen den „Umkehrfall“ zu Ulp. D. 4,4,3,4480: Nicht der geschädigte Minderjährige ist der Gewalt des Vaters unterworfen, sondern der Vertragspartner des Minderjährigen ist entweder ein filius familias oder ein Sklave. Der Vater oder Herr haftet für die Verbindlichkeiten seines Sohnes oder Sklaven adjektizisch. Paulus schreibt: Wenn ein Haussohn oder Sklave den Minderjährigen benachteiligt habe, müsse der Vater oder Herr des Handelnden angewiesen werden, dasjenige aus seinem (Eigen)vermögen zurückzugewähren, was an ihn selbst gelangt sei. Das, was nicht an ihn gelangt sei, sei aus dem Sondervermögen des Haussohnes oder des Sklaven zu leisten. Wenn der Vater weder auf die eine noch auf die andere Weise den Schaden des Minderjährigen ausgleichen könne, dann sei der Sklave, sofern dieser vorsätzlich gehandelt habe, entweder mit Schlägen zu bestrafen oder dem Minderjährigen auszuliefern. Auch der Haussohn solle, wenn er so gehandelt habe (also dolos), wegen seines Vorsatzes verurteilt werden. Es ist folgerichtig, dass der für die Verpflichtungen seines Sohnes oder Sklaven adjektizisch haftende Vater oder Herr auch für diejenigen Verpflichtungen 478 Wie Hartkamp an anderer Stelle (Drittwirkung der i. i. r., 138) selbst feststellt, s. hierzu bereits § 4, C. I. 479 Zur Herkunft dieser Quelle aus dem Ediktskommentar des Paulus s. § 3, C. IV. 3. c). 480 s. § 3, C.
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des Sohnes oder Sklaven einstehen muss, die aus der Wiedereinsetzung der Minderjährigen entstanden sind. Ist der Vater selbst bereichert worden, haftet er (de in rem verso) bis zur Höhe dieser Bereicherung, ansonsten bis zur Höhe eines eventuell bestehenden peculium des Sohnes oder Sklaven. Denn wenn der rechtlich vermögenslose Haussohn oder Sklave die dem Minderjährigen nach dessen Wiedereinsetzung geschuldete Summe nicht freiwillig aus seinem peculium auszahlte, konnte der Minderjährige seine Forderung im Falle des Sklaven gar nicht und im Falle des Haussohnes nicht vollstreckbar einklagen.481 Der in Paul. D. 4,4,24,3 geschilderte Fall hat eher klarstellenden Charakter; diese Form der negativen Drittwirkung ist unproblematisch, sie folgt der gängigen Logik der adjektizischen Haftung des Gewalthabers.
E. Zusammenfassung der Ergebnisse zur negativen Drittwirkung der Minderjährigenrestitution Die negative Drittwirkung der Minderjährigenrestitution erweist sich als insgesamt weniger problematisch als deren zuvor diskutierte positive Drittwirkung: Die durch einen Erlass (acceptilatio) oder eine Schuldersetzung (novatio) zunächst befreiten Dritten werden in die Wiedereinsetzung des Minderjährigen ohne Diskussion eingebunden. Selbst gegen einen gutgläubigen Zweitkäufer und Inhaber der aus dem Vermögen des Minderjährigen stammenden Sache wird die Wiedereinsetzung gewährt, wenn der Erstkäufer dem Minderjährigen seinen Schaden nicht ersetzen kann. Gegen den gutgläubigen Pfandkäufer wird der Minderjährige wahrscheinlich noch etwas leichter die Wiedereinsetzung erlangt haben, sofern er ein besonderes Interesse an dem Rückerhalt der Sache selbst hatte. Die Ausweitung der Minderjährigenrestitution auch auf eine Person, die an dem mit der i. i. r. angegriffenen Vorgang nicht unmittelbar beteiligt war, wird hier weder als Selbstverständlichkeit angesehen noch als außerordentlich kühne Erweiterung der Möglichkeiten des Prätors im Restitutionsverfahren. Vielmehr wird diese Erweiterung wegen der ediktalen Formulierung des cum minore [. . .] gestum durchaus eines gewissen Begründungsaufwands bedurft haben. Allerdings wird diese Begründung angesichts der generell weiten Auslegung des Ediktswortlautes nicht sehr schwergefallen sein. Die Möglichkeit einer Restitution mittels actio in personam („judiziale“ Restitution) als Alternative zu dem Verfahren mit auf prätorischer Fiktion beruhender actio in rem („prätorische“ Restitution) ist aus den hier analysierten Quellen nur eingeschränkt herzuleiten. Sie bietet sich vor allem dann an, wenn das Ziel der Restitution nicht der Rückerhalt eines Gegenstands, sondern die Zahlung einer 481 Freilich war eine Verurteilung dennoch möglich, da sie die Möglichkeit eröffnete, in das Vermögen des Haussohnes zu vollstrecken, nachdem dieser die rechtliche Selbständigkeit erlangt hatte, s. oben, § 3, C. (Einf.).
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Geldsumme ist, wie in dem Fall des gegen den nicht mehr besitzenden Erstkäufer gerichteten Verfahrens. Insbesondere der Wortlaut von Ulp. D. 4,4,13,1 stützt die Lehre von der Möglichkeit einer rechtlichen und tatsächlichen Restitution des Minderjährigen ganz ohne Einsetzung eines iudicium unmittelbar vor dem Prätor, wann immer die Parteien es als sinnlos ansahen, ein Gerichtsverfahren abzuwarten, das nach ihrer Einschätzung zu demselben Ergebnis geführt hätte.482
§ 5 Sonstige Fälle der Drittwirkung im weitesten Sinne durch die Möglichkeit, Gewährung oder Verweigerung der Minderjährigenrestitution Dieses Kapitel widmet sich einigen in den Digesten dargestellten Fällen, die sich zwar mit dem Thema der Minderjährigenrestitution in komplexen, mehrere Personen betreffenden Situationen befassen, sich aber strukturell nicht eindeutig oder ohne dass es nötig würde, die Texte in ihre Einzelteile zu zerschlagen, den in den §§ 3 und 4 analysierten Fallgruppen der positiven oder negativen Drittwirkung zuordnen lassen. Die hier untersuchten Konstellationen beinhalten also weder (ausschließlich) eine durch die Wiedereinsetzung des Minderjährigen herbeigeführte Begünstigung Dritter zu Lasten des Restitutionsgegners des Minderjährigen (wie z. B. im Fall der Mitbefreiung des Hausvaters durch die i. i. r. des Sohnes) noch (ausschließlich) eine durch die Wiedereinsetzung des Minderjährigen bewirkte Benachteiligung Dritter zu Gunsten des Minderjährigen selbst (wie z. B. in den Fällen der Wiedereinsetzung des Minderjährigen gegen den Zweitkäufer). Stattdessen sind entweder Mischungen dieser beiden Drittwirkungsvarianten oder aber gänzlich andere Arten der direkten oder indirekten Auswirkungen der Restitution auf Dritte zu verzeichnen.
A. Paul. D. 4,4,23: Drittbenachteiligung durch die Wiedereinsetzung des Minderjährigen im Mandatsverhältnis In dem Fragment D. 4,4,23 geht Paulus auf die Frage der Wiedereinsetzung minderjähriger Auftragnehmer und Auftraggeber ein. Es wird sich zeigen, dass sich in den geschilderten Konstellationen Aspekte der positiven und der negativen Drittwirkung mischen. Hier zunächst der Quellentext: Paul. D. 4,4,23 (11 ad ed.) Cum mandato patris filius familias res administraret, non habet beneficium restitutionis: nam et si alius ei mandasset, non succurreretur, cum eo modo maiori potius consuleretur, cuius damno res sit cessura. sed si eventu damnum minor passurus sit, quia 482
s. § 4, B. III.
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quod praestiterit servare ab eo cuius negotia gessit non potest, quia is non erit solvendo, sine dubio praetor interveniet. si autem ipse dominus minor sit, procurator vero maioris aetatis, non potest facile dominus audiri, nisi si mandatu eius gestum erit nec a procuratore servari res possit. ergo et si procuratorio nomine minor circumscriptus sit, imputari debet hoc domino, qui tali commisit sua negotia. idque et Marcello placet.
Der erste Teil der Quelle (bis interveniet) wurde bereits im Zusammenhang mit der Wiedereinsetzung minderjähriger Haussöhne auf sein Verhältnis zu Ulp. D. 4,4,3,4 hin untersucht.483 An dieser Stelle soll jedoch die gesamte Quelle hinsichtlich ihrer allgemeinen Aussagen über die i. i. r. des Minderjährigen in Mandatsverhältnissen analysiert werden, sodass auch der erste Teil der Quelle der Vollständigkeit halber nochmals paraphrasiert wird: Der Jurist beginnt seine Ausführungen mit der Feststellung, dass einem Haussohn, der im Auftrag des Vaters (mandatu patris) mit der Verwaltung von Vermögen betraut sei, die Möglichkeit der Wiedereinsetzung nicht zustehe. Als Begründung für diese Entscheidung führt der Jurist unter Bildung eines Parallelfalls an, dass schließlich der Minderjährige auch dann nicht wiedereingesetzt würde, wenn er im Auftrag einer anderen Person, also nicht seines Vaters, gehandelt hätte. Der Grund wiederum, warum der beauftragte Minderjährige in dem Parallelfall nicht wiedereingesetzt werde, liege darin, dass man durch dessen Wiedereinsetzung eher dem Volljährigen (also dem Auftraggeber) helfen würde, zu dessen Nachteil die Angelegenheit aber gehen sollte (non succurreretur, cum eo modo maiori potius consuleretur, cuius damno res sit cessura).484 Allerdings werde der Prätor immer dann einschreiten, wenn der Minderjährige bereits versucht habe, die von ihm bei der Führung des Geschäfts getätigten Auslagen von 483
s. oben: § 3, C. IV. 3. d). Diese Argumentation legt nahe, dass dem Minderjährigen die i. i. r. nicht deshalb (zunächst) pauschal verweigert wurde, weil ihm überhaupt irgendeine Klagemöglichkeit gegen eine andere Person zustand, um den aus dem Geschäft entstandenen Nachteil auszugleichen, sondern eben deshalb, weil der Auftraggeber als der für das Geschäft tatsächlich Verantwortliche galt und er nicht dadurch entlastet werden sollte, dass der Minderjährige sich gegenüber seinem Geschäftspartner in den vorigen Stand wiedereinsetzen ließ. Die in Ulp. D. 4,4,16 pr.–3 diskutierte Subsidiarität der i. i. r. gegenüber Rechtsbehelfen des einfachen Zivilrechts ist wohl lediglich so zu verstehen, dass eine i. i. r. immer dann ausscheiden sollte, wenn der Minderjährige sich gegen Forderungen seines potentiellen Restitutionsgegners mit Mitteln des Zivilrechts verteidigen oder gegen ihn auch ohne einer i. i. r. zu bedürfen mit einem „gewöhnlichen“ Rechtsmittel vorgehen konnte. Diese Aussage beschränkt sich auf das Verhältnis zwischen dem Minderjährigen und seinem (potentiellen) Restitutionsgegner. Es wäre nicht im Sinne der Billigkeit, wenn aus dieser Quelle abgeleitet würde, dass jede Möglichkeit des Minderjährigen, gegen einen Dritten vorzugehen, die Restitutionsmöglichkeit ausschließen sollte. Vielmehr wird die Entscheidung nach der Interessenlage der jeweiligen Situation getroffen worden sein. Im Einzelfall konnte dann natürlich auch abgelehnt werden, wie z. B. in Scaev. D. 4,4,39,1. s. zu dieser Problematik auch § 5, B.; Nishimura, Freie Wahl, 125 f.; spezifisch zu Scaev. D. 4,4,39,1 s. Kroppenberg, Insolvenz, 447 ff. 484
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seinem Geschäftsherrn (mittels actio mandati contraria) ersetzt zu bekommen, letzterer aber wegen eigener Zahlungsunfähigkeit den Minderjährigen nicht befriedigen konnte. An dieser Stelle ist eine geistige Zäsur zu setzen, weil Paulus nun von den Fällen, in denen der Minderjährige als Beauftragter handelt, zu einer Situation überwechselt, in welcher der Minderjährige die Rolle des Geschäftsherrn innehat und ein volljähriger Verwalter (procurator) für ihn tätig wird. Paulus sagt, dass der Minderjährige hinsichtlich des von dem Verwalter vorgenommenen Geschäfts nur dann wiedereingesetzt werden könne, wenn der procurator auf besonderen Auftrag485 des Minderjährigen (mandatu eius) hin gehandelt habe und selbst den durch sein Verhalten verursachten Schaden dem Minderjährigen nicht ersetzen könne. Am Ende der Quelle kommt Paulus dann nochmals auf den Fall des minderjährigen Beauftragten zurück und betont, dass also (ergo, wohl bezugnehmend auf die vorrangige Haftung des volljährigen Verwalters für den dem minderjährigen Auftraggeber entstanden Schaden) auch der volljährige Geschäftsherr den Nachteil auf sich nehmen müsse, der entstanden sei, weil der minderjährige Geschäftsführer übervorteilt worden sei. Schließlich habe der Geschäftsherr seine Angelegenheiten einer so jungen Person (tali) anvertraut. So sehe es auch Marcellus. Der Inhalt dieser wortreichen Quelle lässt sich in wenigen Worten folgendermaßen zusammenfassen: Ein Minderjähriger, der entweder als Beauftragter (erster Fall) oder als Auftraggeber (zweiter Fall) durch das von ihm selbst als Beauftragtem vorgenommene oder durch das von seinem volljährigen Beauftragten vorgenommene Geschäft einen Nachteil erlitten hat, kann nur dann gegenüber seinem Geschäftspartner (im ersten Fall) oder gegenüber dem Geschäftspartner des procurator (im zweiten Fall) wiedereingesetzt werden, wenn er zuvor erfolglos versucht hat, seinen Nachteil von dem volljährigen Auftraggeber (im ersten Fall) oder dem volljährigen Beauftragten (im zweiten Fall) erstattet zu erhalten. Die Entscheidung, dass ein Minderjähriger in der Rolle des Beauftragten grundsätzlich nur gegen seinen Geschäftspartner die Wiedereinsetzung verlangen können sollte, wenn der volljährige Auftraggeber (der technisch gesehen an dem rückgängig zu machenden Geschäft nicht beteiligt ist) den Schaden des Minderjährigen nicht ersetzen konnte, stellt eine Einschränkung der Minderjährigenrestitution zur Vermeidung der Drittbegünstigung des im Ergebnis zur Verantwortung zu ziehenden Auftraggebers dar.
485 Der Prokurator im eigentlichen Sinne ist Generalmandatar (Heumann/Seckel, Handl, 463). Mandatu eius muss daher heißen, dass für das fragliche Geschäft eine spezielle Vollmacht erteilt worden sein musste, in der sich der Wille des Minderjährigen konkretisierte.
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Die Entscheidung hingegen, dass der minderjährige Auftraggeber die i. i. r. unter der Bedingung der Insolvenz des volljährigen Beauftragten auch gegen den Geschäftspartner des Beauftragten verlangen können soll, stellt einen Fall der negativen Drittwirkung der i. i. r. des Minderjährigen unter Verwendung der Insolvenznuance486 dar. Dem Minderjährigen wird so zu seiner eigenen Absicherung eine Restitutionsmöglichkeit jenseits seiner unmittelbaren vertraglichen Beziehungen ermöglicht. In der Kombination zeigen die Entscheidungen des Paulus zu der Wiedereinsetzung Minderjähriger in Mandatsverhältnissen, dass der Jurist auf der einen Seite sicherstellen will, dass der Volljährige, sei es in der Rolle des Auftraggebers, sei es in der Rolle des Beauftragten, stets die primäre Verantwortung dafür trägt, dass der Minderjährige, den er beauftragt hat oder von dem er beauftragt wurde, keine Nachteile davonträgt. Nur wenn dem volljährigen Auftraggeber oder Beauftragten der Ausgleich der Forderungen des Minderjährigen nicht möglich ist, kann der Minderjährige sich, wenn er Beauftragter ist, gegen seinen Geschäftspartner oder, wenn er Auftraggeber ist, gegen den Vertragspartner des volljährigen Beauftragten wiedereinsetzen lassen.
B. Das Verhältnis der Wiedereinsetzung des Minderjährigen und die Haftung der Pfleger in Paul. D. 4,4,32 und Ulp. D. 26,7,25 in Verbindung mit Pap. D. 27,3,20,1 I. Die Benachteiligung der Pfleger durch die Verweigerung der Wiedereinsetzung des Minderjährigen gegen seine Schuldner in Paul. D. 4,4,32 Paul. D. 4,4,32487 ist kein Beispiel für die Benachteiligung Dritter durch die Gewährung der Minderjährigenrestitution. Allerdings behandelt die Digestenstelle eine negative Konsequenz, die gerade die Verweigerung der Wiedereinsetzung des Minderjährigen gegen seinen Geschäftspartner für Dritte (hier die Pfleger) nach sich ziehen konnte. Paul. D. 4,4,32 (1 quaest.) Minor viginti quinque annis adito praeside ex aspectu corporis falso probavit perfectam aetatem: curatores cum intellexissent esse minorem perseveraverunt in administratione: medio tempore post probatam aetatem ante impletum vicensimum quintum annum solutae sunt adulescenti pecuniae debitae easque male consumpsit. quaero cuius sit periculum: et quid si curatores quoque in eodem errore perseverassent, ut putarent maiorem esse et abstinuissent se ab administratione, curationem etiam restituissent, an periculum temporis, quod post probatam aetatem cessit, ad eos pertineat? respondi: hi qui debita exsoluerunt liberati iure ipso non debent iterum con486
s. § 4, B., II. und IV. Ausführliche Verweise auf Literatur zu dieser Digestenstelle finden sich bei Nishimura, Haftung der Kuratoren, 814, Fn. 5. 487
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veniri. plane curatores, qui scientes eum minorem esse perseveraverunt in eodem officio, non debuerunt eum pati accipere pecunias debitas et debebunt hoc nomine conveniri. quod si et ipsi decreto praesidis crediderunt et administrare cessaverunt vel etiam rationem reddiderunt, similes sunt ceteris debitoribus, ideoque non conveniuntur.
Ein Minderjähriger hatte arglistig488 vor dem Provinzstatthalter den Beweis erbracht, dass er volljährig sei. Seine Pfleger setzten jedoch die Verwaltung seiner Angelegenheiten fort, nachdem sie erkannt hatten, dass er noch minderjährig war. Nach dem von dem Minderjährigen herbeigeführten Nachweis seiner Volljährigkeit beglichen einige Schuldner des Minderjährigen ihre Schulden bei diesem. Der Minderjährige verschwendete das Geld. Die Frage sei, zu wessen Nachteil dies gehen solle. Paulus ist der Ansicht, dass jedenfalls von den Schuldnern eine erneute Zahlung nicht verlangt werden könne (was bedeutet, dass eine i. i. r. des Minderjährigen gegen sie ausgeschlossen sein soll). Gegen die Pfleger, die in Kenntnis seines Alters ihre Tätigkeit fortgesetzt hatten, könne der Minderjährige jedoch vorgehen, weil sie nicht hätten dulden dürfen, dass der Minderjährige das Geld (selbst und ohne ihre Kontrolle) entgegennahm. Soweit der Grundfall. Paulus führt nun abwandelnd aus, dass die Pfleger den übrigen Schuldnern gleichstünden und eine Klage gegen sie ausgeschlossen sei, wenn auch sie aufgrund der Entscheidung des Statthalters glaubten, der tatsächlich Minderjährige sei volljährig, und sie in diesem Glauben die Verwaltung bereits eingestellt hatten. Um bestimmen zu können, welche Auswirkungen die Verweigerung der Restitution des Minderjährigen gegen seine Schuldner für die Pfleger in dem von Paulus geschilderten Grundfall hat, muss zunächst die folgende Frage gestellt werden: Wie wäre die Lage der Pfleger, die pflichtwidrig die Zahlung der geschuldeten Summe an den Minderjährigen zuließen, wenn der Minderjährige nicht arglistig über sein Alter getäuscht hätte? Wenn die Schuldner unter gewöhnlichen Umständen, also ohne die auf der Täuschung des Minderjährigen beruhende Feststellung der Volljährigkeit durch den Provinzstatthalter, den geschuldeten Geldbetrag an den Minderjährigen ohne die Mitwirkung der Pfleger ausgezahlt hätten, so wäre gemäß Ulp. D. 4,4,7,2 (11 ad ed.) nach der Verschwendung des Geldes eine Wiedereinsetzung des Minderjährigen gegen seine Schuldner grundsätzlich möglich gewesen: Sed et si ei pecunia a debitore paterno soluta sit vel proprio et hanc perdidit, dicendum est ei subveniri, quasi gestum sit cum eo. [. . .].
Dem verschwenderischen Minderjährigen, der nicht über sein Alter getäuscht hatte, eröffneten sich rechtlich demnach zwei verschiedene Möglichkeiten,489 488
s. hierzu Nishimura, Haftung der Kuratoren, 818, 820, 823. Die Wahlmöglichkeit ist angesprochen in: C. 2,24,5 (Diocl./Maxim., 294 n. Chr.) und impliziert in C. 2,24,3 (Diocl./Maxim., 286 n. Chr.) Auch Nishimura, der in seinem Aufsatz „Zur sog. freien Wahl zwischen in integrum restitutio wegen Minderjährigkeit 489
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sich die verschwendete Summe erneut zu beschaffen: Entweder konnte er gegen den Schuldner die i. i. r. beantragen und von diesem die erneute Leistung fordern, oder er verklagte seine unaufmerksamen Pfleger mit der Klage aus Geschäftsführung ohne Auftrag (actio negotiorum gestorum)490. Der Ausschluss der i. i. r. des Minderjährigen aufgrund dessen arglistiger Täuschung führt nun dazu, dass der Minderjährige in jedem Fall versuchen wird, von seinen Pflegern die verschwendete Summe ersetzt zu verlangen, weil ihm nur diese Möglichkeit offensteht. Insofern wirkt sich in dem von Paulus in D. 4,4,32 geschilderten Grundfall der Ausschluss der Minderjährigenrestitution zu Lasten der Pfleger aus. Nicht zuzustimmen ist jedoch der von Nishimura geäußerten Ansicht, dass Paul. D. 4,4,32 als ein Beispiel für einen de-facto-Vorrang der Haftung der Pfleger gegenüber der Inanspruchnahme des Vertragspartners des Minderjährigen mittels der i. i. r. angeführt werden könne.491 Als Argument für diese Bewertung von Paul. D. 4,4,32 führt der Verfasser an, dass der Pfleger, der sein Amt sorgfältig ausführen solle, von seiner Haftung eben nicht aufgrund des bösgläubigen Verhaltens des Minderjährigen, welches die Versagung der i. i. r. begründet, befreit werde.492 Dies ist zwar richtig. Zu bedenken ist jedoch, dass Paulus die Frage nach der Verweigerung der i. i. r. und die Frage nach dem Ausschluss der Klage des Minderjährigen gegen die Pfleger genau parallel beantwortet: Eine Wiedereinsetzung des Minderjährigen gegen die Schuldner wird verwehrt, weil der Minderjährige arglistig täuschte und die Schuldner dieser Täuschung glauben schenkten.493 In und der Haftung des curator in Diocl. C. 2,24,3 und 5“ nachzuweisen versucht, dass in der Praxis (de facto) die Haftung des Kurators der i. i. r. vorgezogen wurde (dazu auch sogleich im Text), geht davon aus, dass der rechtliche Grundsatz der freien Wahl zwischen der Inanspruchnahme des Kurators und der Beantragung der i. i. r. sowohl in klassischer Zeit bestand als auch in nachklassischer Zeit bestehen blieb, s. Freie Wahl, 129. Literaturverweise zu dem Thema des Verhältnisses von i. i. r. und der Haftung der Pfleger finden sich ebenfalls bei Nishimura, Freie Wahl, 102 f., Fn. 4. 490 s. Kaser/Knütel, RP, 343; Kaser, RP II, 236 mit Literaturverweisen in Fn. 20. 491 Nishimura, Freie Wahl, 104 mit Fn. 7 i.V. m. 129. 492 Nishimura, Freie Wahl, s. 104 mit Fn. 7 i.V. m. 129. Zur Klarstellung eine Anmerkung zu den von Nishimura verwendeten Begriffen: Der Autor bezeichnet den Vorrang der Inanspruchnahme der Pfleger vor der Inanspruchnahme des Vertragspartners als einen „Vorrang des Innenverhältnisses“. Der Restitutionsgegner wird als „außenstehender Dritter“ bezeichnet. Nach der hier verwendeten Terminologie ist Dritter immer derjenige, der an dem jeweiligen rückgängig zu machenden Vorgang nicht unmittelbar beteiligt war, sodass in Paul. D. 4,4,32 die Pfleger als Dritte bezeichnet werden und nicht die Schuldner des Minderjährigen. In der Sache ändern diese verschiedenen terminologischen Ansatzpunkte jedoch nichts. 493 Somit geht es weder um einen reinen Vertrauensschutz, noch um eine reine Ahndung der Arglist der Minderjährigen, sondern gerade um die Kombination dieser beiden Faktoren, die zu einem Ausschluss der Restitutionsmöglichkeit führt und die auch zu einem Ausschluss der Klage gegen die Pfleger führen würde, wenn denn auch diese auf
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der Fallabwandlung bleiben die Pfleger in demselben Irrtum wie die Schuldner befangen (curatores quoque in eodem errore perseverassent). Für diesen Fall lehnt Paulus am Ende des Fragments auch eine Klage gegen die Pfleger ab. Dies ist konsequent, weil bei dieser Sachlage den Pflegern keinerlei Fehlverhalten vorgehalten werden könnte. Die Möglichkeit der Klage gegen die Pfleger in dem von Paulus konstruierten Grundfall ist nicht mit der direkteren Verantwortung der Pfleger für das Verhalten des Minderjährigen begründet, sondern beruht allein auf dem Umstand, dass die Pfleger anders als die Schuldner das wahre Alter des Minderjährigen kannten. Paul. D. 4,4,32 eignet sich folglich nicht als Beleg für eine allgemein vorrangige Inanspruchnahme der Pfleger des Minderjährigen gegenüber der Wiedereinsetzung des Minderjährigen gegen seinen Vertragspartner. Vielmehr tragen die Pfleger in der in Ulp. D. 4,4,32 geschilderten Grundkonstellation den Nachteil der Verweigerung der i. i. r. des Minderjährigen gegenüber den Schuldnern nur deshalb, weil sie das wahre Alter der Minderjährigen erkannt hatten. II. Die Durchsetzung der Rückgriffsmöglichkeit der Pfleger gegen den Restitutionsgegner des Minderjährigen in Ulp. D. 26,7,25 und Pap. D. 27,3,20,1 Ulp. D. 26,7,25 und Pap. D. 27,3,20,1 beschäftigen sich ebenfalls mit dem Verhältnis der Kuratorenhaftung zu der Wiedereinsetzungsmöglichkeit des Minderjährigen. Die beiden Quellen ergänzen Paul. D. 4,4,32 gewissermaßen spiegelbildlich, weil sie nicht die Benachteiligung der Pfleger durch die Verweigerung der i. i. r. des Minderjährigen thematisieren, sondern den Fokus darauf richten, dass trotz der Verurteilung der Pfleger des Minderjährigen eine Wiedereinsetzung desselben noch nicht ausgeschlossen ist und dass die Pfleger gerade von der noch bestehenden Wiedereinsetzungsmöglichkeit des Minderjährigen profitieren können. Die Quellen wurden nicht unmittelbar der positiven Drittwirkung der Minderjährigenrestitution zugeordnet, weil sie sich primär mit einer Frage beschäftigen, die der positiven Drittwirkung als solcher vorgelagert ist, eben mit dem Verhältnis der Wiedereinsetzungsmöglichkeit des Minderjährigen gegen seine Prozessgegner (hier: die ehemaligen Tutoren) zu der Verurteilung der Pfleger in einem gegen sie gerichteten Haftungsprozess. Die Texte betreffen jedoch auch Aspekte der positiven Drittwirkung, auf die später noch näher einzugehen ist. Es wird zunächst der Inhalt der Quellen wiedergegeben. Ulp. D. 26,7,25 (13 ad ed.) Si minoris actum fuerit cum tutoribus adsistentibus curatoribus et pupillus ob hoc egerit cum curatoribus et ei sint condemnati in id quod sua intererat minoris tutores die Volljährigkeit des arglistigen Minderjährigen vertraut hätten. s. zu dieser Problematik Nishimura, Freie Wahl, 820 ff.
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culpa eorum condemnatos non esse: an restitutio adversus tutores cesset? et Papinianus responsorum libro secundo ait nihilo minus posse restitui et idcirco curatores, si nondum iudicatum fecerunt, posse provocantes per exceptionem doli consequi, ut eis mandentur adversus tutores actiones. quid tamen si iam fecerunt iudicatum curatores? proderit hoc tutoribus, quoniam nihil minori abest, qui de praeda magis quam de damno sollicitus est, nisi forte mandare actiones paratus sit curatoribus.
Ein ehemaliges Mündel ist mit der Unterstützung seiner Pfleger gerichtlich gegen seine ehemaligen Tutoren vorgegangen (wohl mit der actio tutelae)494. Durch Fahrlässigkeit der Pfleger werden die Tutoren auf einen zu geringen Betrag verurteilt. Aus diesem Grunde verklagt der Minderjährige nun seine Pfleger (mit der actio negotiorum gestorum), die auch dazu verurteilt werden, dem Minderjährigen die Differenz zwischen der tatsächlichen Urteilssumme und der Urteilssumme, die der Minderjährige ohne das Verschulden der Pfleger von den Tutoren erlangt hätte, zu zahlen. Ulpian fragt nun, ob aus diesem Grunde eine Wiedereinsetzung des Minderjährigen gegen die Tutoren ausgeschlossen sei und verneint die Frage sogleich unter Berufung auf Papinian (Papinianus responsorum libro secundo ait): Eine Wiedereinsetzung sei weiterhin möglich und deshalb könnten die Pfleger, wenn sie die Urteilssumme noch nicht gezahlt hätten, gegen das gegen sie ergangene Urteil Berufung einlegen495 und innerhalb des erneuten Verfahrens mittels der Arglisteinrede erreichen, dass ihnen die Klagen gegen die Tutoren (von dem Minderjährigen) abgetreten würden. Ulpian fragt weiter, was gelten solle, wenn die Pfleger die Urteilssumme bereits gezahlt haben. Dies nütze den Tutoren, weil dem Minderjährigen nichts fehle und dieser eher von dem Streben nach Gewinn als von dem Wunsch nach Schadensersatz getrieben sei, wenn nicht der Minderjährige zufällig doch bereit sei, den Pflegern die Klagen abzutreten. Die Papinianstelle, auf die sich Ulpian beruft, ist die folgende: Pap. D. 27,3,20,1 (2 resp.) 1. Non idcirco actio, quae post viginti quinque annos aetatis intra restitutionis tempus adversus tutorem minore pecunia tutelae iudicio condemnatum redditur, inutilis erit, quod adulescenti curatores ob eam culpam condemnati sunt: itaque si non iudicatum a curatoribus factum est, per doli exceptionem curatores consequi poterunt eam actionem praestari sibi.
Bemerkenswert ist, dass Papinian die Möglichkeit der Abtretung der Klage des Minderjährigen an die Pfleger nur für die Situation anspricht, dass diese die Urteilssumme noch nicht gezahlt haben. Die Möglichkeit einer freiwilligen Abtre-
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Zu dieser Klage s. Kaser, RP I, 365. Die provocatio oder appellatio hat das Ziel, die angegriffene Entscheidung durch eine neue zu ersetzen. Sie wurde auch gegen im Formularverfahren ergangene Urteile zugelassen, gehört aber selbst zum Kognitionsverfahren, Kaser/Hackl, RZ, 375 und 501 ff. 495
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tung der Klage nach erfolgter Zahlung der Urteilssumme wird – anders als in Ulpian in D. 26,7,25 – nicht diskutiert. Wenden wir uns zunächst dem von Ulpian und Papinian parallel behandelten Grundfall zu: Die im Prozess des Mündels gegen die Tutoren nachlässig agierenden Pfleger werden nunmehr ihrerseits zur Leistung des dem Minderjährigen entgangenen Betrags verurteilt, können dann aber vor der Zahlung der Urteilssumme mittels der Arglisteinrede durchsetzen, dass der Minderjährige ihnen die Klagen gegen seine (ehemaligen) Tutoren abtritt. Ulpian formuliert: [. . .] posse [. . .] per exceptionem doli consequi, ut eis mandentur496 adversus tutores actiones, Papinian schreibt: [. . .] per doli exceptionem curatores consequi poterunt eam actionem praestari sibi. Es fällt auf, dass Ulpian und Papinian von einer Abtretung der Klage(n), nicht von einer Abtretung des Rechtsbehelfs der i. i. r. spricht, eine Formulierung, die in der an anderer Stelle bereits erwähnten497 Quelle Paul. D. 4,4,24 pr. vorkommt: [. . .] compellendus est sic ei cedere auxilio in integrum restitutionis, ut procuratorem eum in rem suam faciat [. . .]. Burchardi geht trotz der begrifflichen Abweichung davon aus, dass in den drei Quellen Paul. D. 4,4,24 pr., Ulp. D. 26,7,25 und Pap. D. 27,3,20,1 einheitlich die Abtretung der Restitutionsmöglichkeit gemeint sei.498 Inhaltlich ist dem sicher zuzustimmen: Weil die Wiedereinsetzung des Minderjährigen, die eine erneute Prozessführung gegen die Tutoren ermöglicht, trotz der Verurteilung der Pfleger jedenfalls vor der Zahlung der Urteilssumme noch möglich ist, kann die Wiedereinsetzungmöglichkeit des Minderjährigen gegen den Tutor oder die Tutoren auch noch (unproblematisch) an die Pfleger abgetreten werden. Die Verwendung des Wortes „Klage“ statt „i. i. r.“ beruht wohl darauf, dass letztlich die Gewährung der i. i. r. durch den Prätor auf Antrag der Pfleger als procuratores in rem suam499 durch die Aufhebung des ersten Urteils und die erneute Zulassung der actio tutelae gegen die ehemaligen Tutoren des Minderjährigen gewährt würde. 496 Mandare actionem ist gleichbedeutend mit cedere actionem, beides bezeichnet die Übertragung oder Abtretung des Klagerechts, s. Heumann/Seckel, Handl., 331. 497 s. § 3, C. IV. 3. c). 498 Burchardi, Wiedereinsetzung, 406 mit Fn. 48. 499 Eine einfache Abtretung von Forderungen im heutigen Sinne war im römischen Recht nicht möglich, weil die Forderung als mit ihrem Träger untrennbar verknüpft galt. Dem Bedürfnis nach einer Forderungsübertragung wurde daher entweder mittels Aktivdelegation (Ersatz der alten Schuld durch eine inhaltsgleiche neue gegenüber einem anderen Gläubiger) oder mittels Einsetzung des neuen Gläubigers als Prozessvertreter in eigener Sache (procurator – bei förmlicher Einsetzung vor dem Prozessgegner auch cognitor – in rem suam) vollzogen. (s. zu den Konsequenzen der gewählten Form: Kaser/Knütel, RP, 295.) Der procurator in rem suam konnte aufgrund des iussum des Ermächtigenden nun dessen Forderung in eigenem Namen einklagen und auch vollstrecken. Das Erlangte konnte er dann in seinem Vermögen behalten. (Kaser, RP I, 652 f.; s. auch Kaser/Hackl, RZ, 212, 215).
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Nishimura spricht von der Abtretung der „auf der in integrum restitutio beruhenden“ Klagen.500 Inhaltlich wertet Musumeci sowohl Ulp. D. 26,7,25 als auch Pap. D. 27,3,20,1, ohne den Inhalt der Quellen im Einzelnen zu erörtern, als Beispiele für eine ausschließliche Drittbegünstigung durch die Minderjährigenrestitution. Er schreibt unter Verweis auf diese beiden Quellen (und auf die zuvor erörterte Quelle Gai. D. 4,4,27 pr.)501: „[. . .] e adirittura si trova pure attestata la possibiltà per il minore di ottenere la tutela pretoria anche in assenza di un reale pregiudizio a suo carico e nell’interesse di altre persone.“ 502 Dem Autor ist freilich insofern zuzustimmen, als in beiden Quellen die i. i. r. des Minderjährigen im Ergebnis den Pflegern zugute kommen soll. Hinsichtlich Pap. D. 27,3,20,1 und dem von Ulp. in D. 26,7,25 geschilderten Grundfall ist es jedoch nicht ganz richtig, von einer Möglichkeit der Wiedereinsetzung des Minderjährigen allein im Interesse Dritter zu sprechen. Solange die Kuratoren ihre Urteilsschuld noch nicht beglichen haben, ist der Minderjährige noch in Gefahr, das ihm Geschuldete nicht zu erhalten. Hierin ist durchaus ein eigener Nachteil des Minderjährigen zu erblicken. Allerdings liegt eine interessante Verschränkung von Minderjährigeninteresse und Drittinteresse an der i. i. r. vor: Bevor die Kuratoren gezahlt haben, eröffnet die Möglichkeit der i. i. r. des Minderjährigen gegen die Tutoren für diesen eine zusätzliche Sicherheit für den Fall der Insolvenz der Kuratoren. Gleichzeitig versetzt die Möglichkeit der i. i. r. des minor die Kuratoren in die Lage, eine Regressmöglichkeit gegen die Tutoren durchzusetzen.503 Die Kuratoren haben so ein Druckmittel gegen ihren minderjährigen Gläubiger in der Hand, das ihnen ohne dessen Restitutionsmöglichkeit nicht zustünde. Insofern dient die Restitutionsmöglichkeit des Minderjährigen (nicht die Restitution selbst) in Pap. D. 27,3,20,1 und in dem in Ulp. D. 26,7,25 zunächst dargestellten Grundfall sowohl dem Minderjährigen als auch seinen Kuratoren. Gleichzeitig führt die für den Minderjährigen an sich positive Restitutionsmöglichkeit dazu, dass die Kuratoren ihm ein bestimmtes Handeln (die Abtretung) abnötigen können. Anders liegen die Dinge jedoch in der in Ulp. D. 26,7,25 a. E. eingeführten Fallvariante: [. . .] quid tamen si iam fecerunt iudicatum curatores? proderit hoc tutoribus, quoniam nihil minori abest, qui de praeda magis quam de damno sollicitus est, nisi forte mandare actiones paratus sit curatoribus.
Unmittelbar nachvollziehbar ist noch die grundsätzliche Aussage, dass es den Tutoren nütze, wenn die Pfleger ihre Urteilsschuld bereits gezahlt hätten. Dann 500
Nishimura, Freie Wahl, 112 mit Fn. 18. s. § 3, C. IV. 3. b). 502 Musumeci, Interpretazione dell’editto, 44 mit Fn. 16. Zu Ulp. D. 26,7,25 als auch Pap. D. 27,3,20,1, s. auch Nishimura, Freie Wahl, 111 f. 503 So auch Nishimura, Freie Wahl, 112. 501
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nämlich ist der Schaden des Minderjährigen bereits ausgeglichen und eine i. i. r. nach den allgemeinen Grundsätzen ausgeschlossen.504 Wenn dies aber so ist, überrascht zunächst, dass es dem Minderjährigen dennoch möglich sein soll, den Pflegern die Klagen gegen die Tutoren zwar nicht erzwungenermaßen, aber doch freiwillig abzutreten (nisi forte mandare actiones paratus sit curatoribus). Man fragt sich, was er denn abtreten solle, wenn das Recht auf Wiedereinsetzung und damit auf Rückgängigmachung des bereits ergangenen zu milden Urteils gegen die Tutoren nicht mehr besteht. Eine Lösungsmöglichkeit bestünde darin, den letzten Teilsatz der Quelle (ab nisi) als interpoliert anzusehen, so wie es in der Vergangenheit wiederholt vertreten wurde.505 Denkbar wäre allerdings auch, dass in der soeben dargestellten Fallvariante tatsächlich ein Beispiel für die Gewährung der Minderjährigenrestitution ausschließlich im Interesse Dritter zu erblicken ist.506 Ulpian könnte gemeint haben: Zwar nützt es den Vormündern, wenn die Pfleger bereits die Urteilsschuld beglichen haben, weil in diesem Fall die Pfleger den Minderjährigen nicht mehr mittels der Arglisteinrede dazu bestimmen können, den Regress gegen die Vormünder zu ermöglichen. Allerdings soll es in das Ermessen des Minderjährigen gestellt sein, ob er den Pflegern den Rückgriff auf die Vormünder dennoch ermöglichen möchte. Entscheidet sich der Minderjährige dafür, unterstützt der Prätor ihn darin, indem er die Zahlung der Pfleger nicht als Ausgleich des Nachteils, den der Minderjährige durch die zu geringe Verurteilung der Vormünder erlitten hat, ansieht. Auf diese Weise bleibt eine i. i. r. des Minderjährigen gegen die Vormünder möglich, sodass der Minderjährige die Wiedereinsetzungmöglichkeit auf die Pfleger übertragen kann. Wahrscheinlich ermöglicht der Prätor diesen Weg der Kompensation zu Gunsten der Pfleger, weil in der Abwägung die Versäumnisse der Vormünder bei der Durchführung der Vormundschaft als schwerwiegender erscheinen als die Versäumnisse der Pfleger, die allein darin bestanden, dass diese nicht dafür sorgten, dass die Vormünder in vollem Umfang zur Verantwortung gezogen wurden. Die Fallvariante stünde nach dieser Interpretation nicht im Widerspruch zu der Begründung des Grundfalls, sodass es der Annahme einer textlichen Manipulation nicht mehr bedürfte: Im Grundfall wäre die i. i. r. nach den allgemeinen Regeln unproblematisch gegeben, weil der Schaden des Minderjährigen ganz sicher noch nicht ausgeglichen ist. In der Fallvariante wäre sie nur ausnahmsweise gegeben, weil die Zahlung der Pfleger durch den Prätor so behandelt wurde, als habe sie den 504
So auch Nishimura, Freie Wahl, 112. So Schulz, Klagen-Cession, 98, Fn. 2; Beseler III, 188; Biondi, Appunti intorno alla sentenza, 97, Fn. 269. Diese Texte sind jedoch insoweit sehr unbefriedigend, als sie keinerlei sachliche Erklärung für die Interpolationsannahme liefern. Nishimura, Freie Wahl, 111 f. mit Fn. 18, geht auf diese Problematik der Fallvariante nicht ein. Er erwähnt und verwirft lediglich den Interpolationsverdacht hinsichtlich des Satzes „ut eis mandentur adversus tutores actiones“. 506 Bezüglich der Fallvariante wäre Musumecis Einschätzung der Quelle Ulp. D. 26,7,25 dann zuzustimmen, s. Interpretazione dell’editto, 44 mit Fn. 16. 505
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Teil 2: Einzelne Fallkonstellationen
Nachteil des Minderjährigen nicht ausgeglichen, auch wenn dies faktisch natürlich geschehen war. Im Gegensatz zum Grundfall könnten die Pfleger den Regressweg dann jedoch nicht prozessual durchsetzen, sondern wären von der Entscheidung des Minderjährigen abhängig. Diese sinnvolle Interpretation ist der Annahme einer Interpolation des letzten Teilsatzes des Fragments Ulp. D. 26,7,25 vorzuziehen.
C. Gai. D. 4,4,27,1: Die Wiedereinsetzung des Minderjährigen sui iuris, der nicht mehr über die Darlehenssumme verfügt Der hier wiedergegebene Teil der Quelle Gai. D. 4,4,27,1 beschäftigt sich mit der Problematik der Wiedereinsetzung eines rechtlich selbständigen507 Minderjährigen, der ein Darlehen aufgenommen hat. Ausgehend von dem Fall der Wiedereinsetzung des verschwenderischen Minderjährigen gegenüber seinem Darlehensgeber (a.) beschreibt Gaius im Anschluss die Konsequenzen für die i. i. r., wenn der Minderjährige die Darlehenssumme entweder selbst erneut als Darlehen vergeben (b.) oder mit der Darlehenssumme ein Grundstück gekauft hat (c). Gai. D. 4,4,27,1 (4 ad ed. prov.) Si pecuniam, quam mutuam minor accepit, dissipavit, denegare debet proconsul creditori adversus eum actionem. quod si egenti minor crediderit, ulterius procedendum non est, quam ut iubeatur iuvenis actionibus suis, quas habet adversus eum cui ipse credidisset, cedere creditori suo. praedium quoque si ex ea pecunia pluris quam oporteret emit, ita temperanda res erit, ut iubeatur venditor reddito pretio reciperare praedium, ita ut sine alterius damno etiam creditor a iuvene suum consequatur. [. . .].
I. Ausgangsfall im Zweipersonenverhältnis: Der Minderjährige verschwendet die Darlehensvaluta Der Ausgangsfall, für dessen Darstellung Gaius nur einen Satz benötigt, fand bereits im Grundlagenteil dieser Arbeit kurz Erwähnung als ein Beispiel für die Möglichkeit der Wiedereinsetzung des Minderjährigen nach einer allein von ihm vorgenommenen Handlung.508 Gaius stellt kurz und bündig fest, dass der Prokonsul509 eine Klage des Darlehensgebers gegen den Minderjährigen abweisen 507 Wie Musumeci, Quod cum minore, 519 Fn. 28, ganz richtig feststellt, muss wegen der fehlenden Problematisierung der Vermögensfähigkeit des minor in dieser Quelle von einem rechtlich selbständigen Minderjährigen die Rede sein, sodass das SCM in den in Gai. D. 4,4,27,1 beschriebenen Konstellationen nicht zur Anwendung kommt. s. zu Gai. D. 4,4,27,1 nun auch id., Protezione pretoria, 194 ff. 508 s. § 2, A. I. 2., Fn. 35. 509 Die Erwähnung des Prokonsuls als des für die i. i. r. zuständigen Magistrats rührt daher, dass die Quelle aus dem Kommentar des Gaius zum Provinzialedikt stammt. In der römischen Provinz war in der Kaiserzeit die Bezeichnung proconsul der allgemeine Titel der Statthalter der nicht dem Kaiser direkt zugeordneten Provinzen. Die Statthalter
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müsse, wenn der Minderjährige die Darlehenssumme verschwendet habe. Mit dem Ausdruck dissipare muss genauer gemeint sein, wie sich in Abgrenzung zu den sogleich erläuterten Fallvarianten ergibt, dass der Verbleib des Geldes nicht mehr nachvollzogen werden kann, weil das Geld durch zahlreiche kleinere Barkäufe vergeudet wurde oder auch im Spiel verloren ging. Zu Gunsten eines besseren Verständnisses dieser für den Darlehensgeber freilich bitteren Enscheidung lohnt ein Blick auf die folgende Quelle: Paul. D. 4,4,24,4 (1 sent.)510 Restitutio autem ita facienda est, ut unusquisque integrum ius suum recipiat. itaque si in vendendo fundo circumscriptus restituetur, iubeat praetor emptorem fundum cum fructibus reddere et pretium recipere, nisi si tunc dederit, cum eum perditurum non ignoraret: sicuti facit in ea pecunia, quae ei consumpturo creditur, sed parcius in venditione, quia aes alienum ei solvitur, quod facere necesse est, credere autem non est necesse. nam et si origo contractus ita constitit, ut infirmanda sit, si tamen necesse fuit pretium solvi, non omnimodo emptor damno adficiendus est.
Paulus liefert hier eine Begründung dafür, warum es richtig ist, dass der Darlehensgeber des Minderjährigen im Falle der Wiedereinsetzung desselben leer ausgeht, während bei der Rückabwicklung eines vollzogenen Kaufs mittels der i. i. r. der Minderjährige den Preis an seinen Käufer (normalerweise) zurückzahlen muss. Der Unterschied liege darin, dass der Käufer dem Minderjährigen geschuldetes Geld gezahlt habe, der Darlehensgeber jedoch freiwillig, ohne dass eine Notwendigkeit dafür bestünde, eine Summe an den Minderjährigen ausgezahlt habe, von deren Verbrauch auszugehen war. Bei der Zahlung des geschuldeten Kaufpreises sei die Verschwendung des Geldes seltener vorhersehbar. II. Fallvariante 1: Der Minderjährige gibt die Darlehensvaluta seinerseits als Darlehen weiter Im Gegensatz zu dem Ausgangsfall ist nun die Darlehenssumme von dem Minderjährigen nicht in zahlreichen kleineren Geschäften verschleudert, sondern en bloc (oder zumindest zu einem wesentlichen Teil) von dem Minderjährigen an einen Bedürftigen als Darlehen ausgezahlt worden. Gaius schreibt, in dieser Situation sei nichts weiter zu tun, als den Minderjährigen anzuweisen, seinem Gläubiger die Klagen, die ihm gegen seinen Darlehensnehmer zustehen (also die condictio oder actio ex stipulatu)511, abzutreten. Auf welche Art und Weise die Abtretung geschehen soll, ob durch Aktivdelegation oder durch Einsetzung des Darlehensgebers als cognitor oder procuraübten auch die Gerichtsherrschaft aus. s. Mommsen, Abriss StR, 125, 228. s. auch Wieacker I, 483 ff.; Kaser/Hackl, RZ, 181. 510 Zur Herkunft dieser Quelle aus dem 11. Buch des Ediktskommentars des Paulus s. § 3, C. IV. 3. c). 511 s. Fn. 237.
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tor,512 wird in der Quelle nicht erwähnt. Es ist aber davon auszugehen, dass der Weg der Einsetzung des Darlehensgebers des Minderjährigen als dessen Prozessvertreter gewählt wurde, damit der Darlehensnehmer die Abtretung nicht durch die Weigerung, mit dem Neugläubiger eine Novationsstipulation vorzunehmen, wie sie im Rahmen der Abtretung durch Aktivdelegation nötig war,513 verhindern konnte. Die Entscheidung des Gaius ist folgendermaßen zu verstehen: Der Prätor befiehlt dem Minderjährigen, die Klagen gegen seinen Darlehensnehmer seinem Darlehensgeber abzutreten. Der Minderjährige wird diesem Befehl Folge leisten, weil er weiß, dass der Prätor ihm andernfalls die i. i. r. gegen seinen Darlehensgeber nicht gewähren wird. Diesen Zusammenhang zwischen der Wiedereinsetzung des Minderjährigen gegen den eigenen Gläubiger und der Abtretung der gegen den Schuldner des Minderjährigen bestehenden Klagen an den Gläubiger des Minderjährigen stellt Gaius zwar nicht dar. Es ist aber überaus plausibel, dass dieser Zusammenhang bestand, denn er erklärt, auf welche Weise der Prätor den Minderjährigen dazu bringen konnte, die Klage aus der erneuten Darlehensvergabe an seinen Gläubiger abzutreten. Dieser Konnex ähnelt strukturell der hier vertretenen Interpretation von Paul. D. 4,4,24 pr.514: In beiden Konstellationen, also in der hier behandelten ersten Fallvariante von Gai. D. 4,4,27,1 als auch in Paul D. 4,4,24 pr., wird dem Minderjährigen gegenüber seinem Gläubiger die Wiedereinsetzung verweigert, wenn er diesem nicht den Rückgriff gegen den eigenen Schuldner ermöglicht. Der Unterschied zwischen den beiden Fragmenten besteht jedoch darin, dass in Paul. D. 4,4,24 pr. die Wiedereinsetzung des Minderjährigen gegen seinen Vertragspartner notwendig ist, damit der durch die eigenmächtige Geschäftsführung des Minderjährigen benachteiligte volljährige Geschäftsherr einen Ersatz seiner Einbußen erreichen kann. Aus diesem Grunde verschafft ihm der Minderjährige das Recht, die i. i. r. als procurator in rem suam zu beantragen. In der hier behandelten Fallvariante 1 von Gai. D. 4,4,27,1 dagegen besteht der Anspruch des Minderjährigen gegen seinen Darlehensnehmer bereits unabhängig von seiner Wiedereinsetzung gegen diesen. Der Minderjährige kann daher seinem Darlehensgeber die Klage direkt abtreten, ohne ihm auch die Befugnis einräumen zu müssen, als Prozessvertreter des minor die Wiedereinsetzung propter aetatem zu beantragen. Im Ergebnis sorgt die von Gaius für die doppelte Darlehensvergabe vorgeschlagene Lösung für ein der Billigkeit entsprechendes Ergebnis: Der Darlehensgeber erhält anstatt einer glatten Abweisung seiner Klage gegen den Minderjährigen, die im Falle der nicht mehr im Einzelnen nachvollziehbaren Verschwendung der Darlehenssumme gedroht hätte, immerhin eine gegen den Darlehensnehmer des Minderjährigen gerichtete Befriedigungsmöglichkeit, wenn auch freilich eine 512 513 514
s. Fn. 499. s. Kaser/Knütel, RP, 295. s. § 3, C. IV. 3. c).
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Insolvenz des zweiten Darlehensnehmers möglich war. Der Minderjährige seinerseits erlangt die Aufhebung seiner gegenüber dem Darlehensgeber bestehenden Verpflichtung, wenn er die Klage gegen seinen Darlehensnehmer dem Darlehensgeber abtritt. Der Schuldner des Minderjährigen (der hinsichtlich des primären Darlehensvertrags Dritter ist) wird insoweit belastet, als er sich nach der Abtretung durch das Mittel der Prozessvertretung einem anderen (wahrscheinlich ungnädigeren und durchsetzungsstärkeren)515 Gläubiger als dem Minderjährigen gegenübergestellt sieht. Im Ergebnis könnte man sagen, dass die in der Fallvariante 1 von Gai. D. 4,4,27,1 behandelte Konstellation einen Fall der leichten negativen Drittwirkung im Sinne eines dem Schuldner des Minderjährigen aufgedrängten Gläubigerwechsels überwiegend zu Gunsten des Darlehensgebers und Restitutionsgegners des Minderjährigen darstellt. III. Fallvariante 2: Der Minderjährige kauft mit der Darlehensvaluta ein überteuertes Grundstück In der zweiten Abwandlung des Falls hat der Minderjährige die ausgezahlte Darlehenssumme nicht erneut als Darlehen vergeben, sondern sie in den Kauf eines Grundstücks investiert. Für das Grundstück zahlte er aus nicht näher erläuterten Gründen einen zu hohen Preis (praedium [. . .] ex ea pecunia pluris quam oporteret emit). Gaius schreibt, dass in dieser Situation der Verkäufer des Grundstücks anzuweisen sei, nach der Rückzahlung des Kaufpreises das Grundstück wieder zurückzunehmen (Restitution hinsichtlich des Grundstücksgeschäfts). Auf diese Weise werde sichergestellt, dass auch der Darlehensgeber von dem Minderjährigen das ihm Zustehende zurückerhalte, ohne dass ein anderer deshalb Schaden nehme (ita ut sine alterius damno etiam creditor a iuvene suum consequatur). Im Ergebnis soll erreicht werden, dass der Minderjährige die ausgegebene Darlehenssumme von dem Verkäufer wieder zurückerhält, damit er in die Lage versetzt wird, seine Schulden gegenüber dem Darlehensgeber zu begleichen. Die Rückabwicklung der Grundstücksveräußerung dient damit der Vermeidung der Wiedereinsetzung des Minderjährigen gegen den Darlehensgeber, der hinsichtlich des Grundstücksgeschäfts Dritter ist. Der Prätor kann die Rückabwicklung der Grundstücksveräußerung jedoch nur dann anordnen, wenn zuvor ein Restitutionsantrag gestellt wurde. Der Minderjährige hat keinen Anreiz, den Antrag zu stellen, weil er die durch die Rückabwicklung des Grundstücksgeschäfts erhaltene Summe sofort wieder an seinen Darle-
515 Für die Milde des Minderjährigen spricht, dass er Geld, welches er selbst nur als Darlehen ausgezahlt bekommen hat, sogleich an einen Bedürftigen weitergibt.
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Teil 2: Einzelne Fallkonstellationen
hensgeber weitergeben muss. Im Zusammenhang mit dem principium der Quelle Gai. D. 4,4,27, in der Gaius dem adjektizisch haftendenden pater familias das Recht zuspricht, die Wiedereinsetzung des Haussohnes zu beantragen,516 erscheint es plausibel, dass Gaius entsprechend für den hier behandelten Fall der Ansicht war, der Darlehensgeber müsse auch gegen den Willen des Minderjährigen dessen Wiedereinsetzung hinsichtlich des Grundstücksgeschäfts beantragen können. Der Minderjährige wird, auch wenn er die Restitution selbst nicht wünscht, letztlich von einem objektiv nachteiligen Geschäft befreit und in die an sich begrüßenswerte Situation versetzt, seine Schulden begleichen zu können. Allerdings wäre er von gerade dieser Schuld, hätte er das Geld sinnlos vergeudet, ohnehin befreit worden (s. o.), sodass hier der Darlehensgeber und nicht der Minderjährige selbst bei ökonomischer Betrachtungsweise als der primär Begünstigte erscheint. Ebenfalls denkbar wäre es, dass der Prätor dieses Ergebnis nicht dadurch erreichte, dass er dem Darlehensgeber ein Recht auf die Beantragung der Rückabwicklung des Grundstücksgeschäfts einräumte, sondern lediglich dem Minderjährigen die Wiedereinsetzung gegen den Darlehensgeber verweigerte und ihn so dazu brachte, sich hinsichtlich des Grundstücksgeschäfts wiedereinsetzen zu lassen, um seine Schulden bei dem Darlehensgeber begleichen zu können. Musumeci bemerkt völlig richtig, dass in der Fallvariante 1 der Darlehensgeber des Minderjährigen sich unmittelbar an den Empfänger des Zweitdarlehens halten muss, während in der Fallvariante 2 der Darlehensgeber nicht direkt gegen den Verkäufer des Grundstücks vorgehen können soll, der von dem Minderjährigen die Darlehenssumme als Kaufpreis erhalten hat.517 Dieser Unterschied wird darauf zurückzuführen sein, dass eine Rückabwicklung der Grundstücksveräußerung eine Rückübertragung des Grundstücks an den Veräußerer gerade durch den Minderjährigen, bei dem sich das Grundstück nun einmal befindet, voraussetzt. Es wird sich daher allein schon aus praktischen Gründen angeboten haben, zunächst den Rückaustausch der Leistungen innerhalb der sekundären Leistungsbeziehung (mittels Wiedereinsetzung des Minderjährigen hinsichtlich des Grundstücksgeschäfts) sicherzustellen, um anschließend die ordnungsgemäße Erfüllung der Schuld des Minderjährigen innerhalb der primären Leistungsbeziehung (der Darlehensvergabe) sicherzustellen. Für die in der ersten Fallvariante gegebene Situation der jeweils nur einseitig bestehenden Verpflichtung aus dem primären und dem sekundären mutuum war dagegen die Lösung über einen Direktdurchgriff des ersten Darlehensgebers auf den zweiten Darlehensnehmer einfach zu bewerkstelligen.
516
s. § 3, C. IV. 3. b). Musumeci, Quod cum minore, 518 Fn. 27. s. nun auch id., Protezione pretoria, 37, Fn. 27. 517
§ 5 Sonstige Fälle der Drittwirkung
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Zu dem Satz ut sine alterius damno etiam creditor a iuvene suum consequatur ist folgendes anzumerken: Es ist zwar richtig, dass dem hier gemeinten Dritten (dem Verkäufer des Grundstücks, der hinsichtlich des Darlehensgeschäfts Dritter ist) durch die Rückabwicklung des Geschäfts keine schwerwiegende Einbuße entsteht. Allerdings wird ihm zugemutet, ein für ihn günstiges und für den Minderjährigen ungünstiges Geschäft rückabzuwickeln, indem er das Grundstück nach Rückzahlung des recht hohen Kaufpreises zurücknimmt. Vielleicht wird er das Grundstück nicht noch einmal so günstig an den Mann bringen können. Das ist aber von dem Gedanken der i. i. r. gedeckt, denn letztlich wird ein für den Minderjährigen ungünstiges Geschäft rückabgewickelt. Dass der Kaufpreis kreditfinanziert war, ist rein zufällig und soll nicht dem Grundstücksverkäufer zugute kommen. Der Nachteil des Verkäufers erscheint außerdem gegenüber dem Nachteil, der dem Darlehensgeber droht, nämlich gegenüber dem Komplettausfall der ihm zustehenden Rückzahlung der Darlehensvaluta, als vernachlässigenswert und daher hinnehmbar. Die i. i. r. wandelt sich hier von einer Abwägungsentscheidung zwischen dem Schutzinteresse des Minderjährigen und dem Bestandsinteresse des Geschäftspartners zu einer Abwägung zwischen dem Bestandsinteresse des primären Geschäftspartners (hier: des Darlehensgebers) und dem Bestandsinteresse des sekundären Geschäftspartners (hier: des Verkäufers des Grundstücks) des Minderjährigen. Die Entscheidung geht zu Lasten des sekundären Geschäftspartners. Im Ergebnis liegt ein Fall der (überwiegenden) Drittbegünstigung durch die i. i. r. vor, wobei Dritter hier der Darlehensgeber und primäre Vertragspartner des Minderjährigen ist (denn das durch i. i. r. rückabgewickelte Geschäft ist die Grundstücksveräußerung).518 Die Entscheidung des Prätors geht zu Lasten des sekundären Vertragspartners des Minderjährigen (des Verkäufers des Grundstücks), welcher hier wahrscheinlich auf Antrag des Darlehensgebers oder auch auf einen dem Minderjährigen gewissermaßen abgenötigten eigenen Antrag zum Restitutionsgegner des Minderjährigen wird.
D. Zusammenfassung der Ergebnisse zu den atypischen oder komplexen Fällen der Drittwirkung der Minderjährigenrestitution Die Analyse der in diesem Teilkapitel untersuchten Digestenfragmente hat gezeigt, dass das Rechtsmittel der Minderjährigenrestitution jenseits der einfachen und eindeutigen Drittbegünstigung oder -benachteiligung unterschiedlich gestaltete Auswirkungen auf Dritte haben konnte.
518 Die Begünstigung des Darlehensgebers kann als zufällige Drittbegünstigung bezeichnet werden, weil der Minderjährige, wenn er das Grundstücksgeschäft nicht mittels eines Kredites finanziert hätte, wahrscheinlich aus eigenem Interesse heraus die Rückabwicklung dieses Geschäfts beantragt hätte.
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Teil 2: Einzelne Fallkonstellationen
Paulus kombiniert in D. 4,4,23 bei der Behandlung der Wiedereinsetzung des Minderjährigen in Mandatsverhältnissen Aspekte der positiven und der negativen Drittwirkung, um eine grundsätzliche Primärhaftung des an dem Auftragsverhältnis beteiligten Volljährigen zu ermöglichen. Aus der Quelle Paul. D. 4,4,32 geht hervor, dass auch die Verweigerung der Minderjährigenrestitution negative Konsequenzen für Dritte (in dem konkreten Fall für die Pfleger) nach sich ziehen konnte. In Ulp. D. 26,7,25 und Pap. D. 27,3,20,1 wird eine komplexe Interessenlage geschildert, in welcher sich ein durchaus bestehendes Interesse des Minderjährigen an seiner Restitutionsmöglichkeit mit einem Interesse der Pfleger daran verschränkt, aufgrund dieser Restitutionsmöglichkeit eine Regressmöglichkeit gegen die ehemaligen Tutoren des Minderjährigen prozessual erzwingen zu können. Gaius legt in den zwei Fallvarianten des Fragments D. 4,4,27,1 dar, wie zu verfahren war, wenn ein minderjähriger Darlehensgeber die Darlehensvaluta für ein Folgegeschäft verwandt hatte. Im Fall der Vergabe eines Folgedarlehens durch den Minderjährigen wird der Minderjährige – wahrscheinlich durch die Androhung der Verweigerung der Restitution gegenüber seinem Darlehensgeber – dazu genötigt, diesem einen Direktzugriff auf den sekundären Darlehensschuldner zu ermöglichen. Hat der Minderjährige mit der Darlehensvaluta ein überteuertes Grundstück gekauft, wird der Prätor entweder dem Darlehensgeber die Beantragung der Rückabwicklung des Grundstücksgeschäfts ermöglicht haben, oder den Minderjährigen durch die Verweigerung seiner Wiedereinsetzung gegen den Darlehensgeber zu der Beantragung der Rückabwicklung des Grundstücksgeschäfts gebracht haben, um so die Solvenz des Minderjährigen wiederherzustellen.
Teil 3
Die aktuelle Gestaltung des zivilrechtlichen Minderjährigenschutzes in Deutschland und Italien Das Ziel dieses rechtsvergleichenden Teils ist nicht die ausführliche Diskussion einzelner Fragen des Minderjährigenschutzes im aktuellen Recht Deutschlands und Italiens. Vielmehr geht es darum, mit so wenigen Worten wie möglich einen strukturellen Brückenschlag in das heutige Recht zu erreichen. Das Problem, dass junge unerfahrene Menschen am Rechtsverkehr teilnehmen und dabei der Gefahr ausgesetzt sind, aufgrund eigener Unerfahrenheit oder der Gerissenheit ihrer Geschäftspartner benachteiligt zu werden, stellte sich selbstverständlich nicht nur den Römern, sondern stellt sich nach wie vor. Allerdings existiert heute weder in Deutschland noch in Italien die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Minderjährigkeit nach römischem Vorbild. Vielmehr werden die Funktionen dieses außerordentlichen Rechtsbehelfs, welcher in Rom ja einstmals aus der Notwendigkeit heraus geschaffen wurde, die Folgen einer bereits mit der Pubertät eintretenden Mündigkeit zu relativieren, im materiellen Zivilrecht Deutschlands und Italiens durch andere Schutzmechanismen übernommen.519
519 Der außerordentliche Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand existiert noch in der deutschen und der italienischen Zivilprozessordnung (§§ 233 ff. der Zivilprozessordnung [ZPO] und §§ 294 und 153 des (codice di procedura civile [c.p.c.]). Die §§ 233 ff. ZPO sehen die Wiedereinsetzung gegen die schuldlose Nichteinhaltung bestimmter prozessualer Fristen vor. Die Vorschriften kommen jeder Prozesspartei zugute, die schuldlos eine prozessuale Frist versäumt, unabhängig von ihrem Alter. Die nach heutigem Recht Minderjährigen sind allerdings grundsätzlich nicht prozessfähig und müssen sich im Prozess von ihrem gesetzlichen Vertreter vertreten lassen, §§ 52, 51 I ZPO i.V. m. §§ 107 ff. BGB. Kann der Minderjährige keine Prozesshandlungen vornehmen, so kommt es für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur auf das Verhalten des Vertreters an (MüKo, ZPO/Gehrlein, § 233, Rn. 24). In den Bereichen, in denen Minderjährige unbeschränkt geschäftsfähig sind (§§ 112, 113 BGB), sind sie jedoch wegen der Koppelung der Prozessfähigkeit an die Geschäftsfähigkeit auch prozessfähig. Der § 294 c.p.c. normiert die „rimessione in termini“ des Klägers oder Beklagten, der sich aus ihm nicht zurechenbaren Gründen nicht oder nicht ordnungsgemäß auf den Prozess eingelassen hat; § 153 c.p.c. verweist auf den zweiten und dritten Absatz des § 294 c.p.c. und ermöglicht so die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei schuldloser Nichteinhaltung zwingender Fristen.
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Teil 3: Aktuelle Gestaltung des zivilrechtlichen Minderjährigenschutzes
§ 6 Der Minderjährigenschutz in Deutschland A. Minderjährigenschutz durch die Verhinderung der vollwirksamen Entstehung als unerwünscht erachteter Verbindlichkeiten des Minderjährigen Das deutsche Zivilrecht unterscheidet im Hinblick auf die Geschäftsfähigkeit innerhalb der Kategorie der Minderjährigen zwischen den geschäftsunfähigen Kindern unter sieben Jahren, deren Willenserklärungen nichtig sind (§ 104 Nr. 1 i.V. m. § 105 I BGB), und den beschränkt geschäftsfähigen Kindern und Jugendlichen zwischen sieben und achtzehn Jahren (§106 i.V. m. § 2 BGB), für welche die Regeln der §§ 107–113 BGB gelten.520 Die beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen bedürfen zur Abgabe nicht lediglich rechtsvorteilhafter Willenserklärungen gemäß § 107 BGB der Einwilligung, also der vorherigen Zustimmung (§ 183 S.1 BGB), des gesetzlichen Vertreters. Nicht lediglich rechtlich rechtsvorteilhaft ist jede Willenserklärung, die eine persönliche Verpflichtung des Minderjährigen begründet oder durch die er in seiner Rechtsstellung beschränkt wird.521 Ein einseitiges Rechtsgeschäft, welches ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vorgenommen wurde, ist nach § 111 S. 1 BGB unwirksam. Hat der Minderjährige eine auf den Abschluss eines Vertrags gerichtete Willenserklärung ohne die nach § 107 BGB erforderliche Einwilligung des Vertreters abgegeben, ist der Vertrag zunächst nach § 108 I BGB schwebend unwirksam. Während dieses Schwebezustands522 können aus dem Vertrag zwar keine Rechte und Pflichten abgeleitet werden.523 Allerdings wird im Falle der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters oder nach dem Erreichen der Volljährigkeit durch die Genehmigung des ehemaligen Minderjährigen (§ 108 I und III BGB) der Vertrag rückwirkend wirksam (§ 184 I BGB). Durch die Verweigerung der Genehmigung wird der Vertrag endgültig unwirksam. Dem Vertragspartner des Minderjährigen stehen zwei Möglichkeiten offen, die Beendigung des Schwebezustands herbeizuführen, wenn der gesetzliche Vertreter nicht von selbst aktiv wird. Zum einen kann der Vertragspartner den Vertreter gemäß § 108 II S. 1 BGB zur Erklärung über die Genehmigung auffordern. Erklärt sich der Vertreter dann innerhalb von zwei Wochen nach dieser Aufforderung nicht, gilt die Genehmigung laut § 108 II S. 2 BGB als verweigert. Zum anderen eröffnet § 109 I BGB 520 Die historische Entwicklung des zivilrechtlichen Minderjährigenschutzes ist sehr detailliert dargestellt bei Knothe, Geschäftsfähigkeit Minderjähriger, s. insb. 48 ff.; 133 f.; 142; 188 f., 204 ff.; 233 f.; 241 ff.; 260 ff. 521 s. bereits Planck’s Kommentar zum BGB, Bd. I, § 107, I, Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, 2. Halbb., § 151; s. auch Palandt/Ellenberger, § 107, Rn. 2; Köhler, BGB AT, 141 ff. 522 s. bereits Planck’s Kommentar zum BGB, Bd. I, § 108, 3; Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, 2. Halbb., § 152, II. 2. 523 s. MüKo, BGB/Schmitt, § 108, Rn. 4.
§ 6 Der Minderjährigenschutz in Deutschland
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dem Geschäftspartner des Minderjährigen die Möglichkeit, während der Fortdauer des Schwebezustands seine Willenserklärung zu widerrufen und so die Unwirksamkeit des Vertrags herbeizuführen. Das Widerrufsrecht des Geschäftspartners ist gemäß § 109 II BGB ausgeschlossen, wenn dem Geschäftspartner bekannt war, dass er mit einem Minderjährigen kontrahiert hat, außer wenn der Minderjährige ihn über das Vorliegen der Einwilligung des Vertreters getäuscht hat. Die Kenntnis der Minderjährigkeit des Vertragspartners ist, wie aus § 109 II BGB deutlich hervorgeht, keine Voraussetzung für die Anwendung der §§ 107 ff. BGB. Vielmehr führt die tatsächlich vorliegende Kenntnis lediglich zu einer Einschränkung der Widerrufsmöglichkeit des Vertragspartners. Der gute Glaube an die Geschäftsfähigkeit wird nicht geschützt,524 auch nicht, wenn der Minderjährige arglistig über sein Alter täuscht525. Allerdings kommt in diesem Fall ein Schadensersatzanspruch des volljährigen Geschäftspartners gegen den Minderjährigen aus unerlaubter Handlung (z. B. aus § 823 II BGB i.V. m. § 263 StGB) in Betracht.526 Die §§ 110, 112 und 113 BGB enthalten Sonderregeln für die Wirksamkeit von Verträgen, die der Minderjährige mit ihm zu diesem Zweck zur Verfügung gestellten Mitteln erfüllt hat (§ 110 BGB), sowie zur partiellen Geschäftsfähigkeit des Minderjährigen, der mit Genehmigung des Familiengerichts ein Erwerbsgeschäft betreibt (§ 112 BGB) oder mit Zustimmung des Vertreters ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis eingegangen ist (§ 113 BGB).527 Die Leistung an einen beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen führt nur zur Erfüllung und damit zum Erlöschen der Forderung nach § 362 I BGB, wenn der gesetzliche Vertreter der Annahme der Leistung durch den Minderjährigen ausdrücklich oder konkludent zustimmt.528
B. Die nach römischem Recht analysierten Fälle der Drittwirkung der Minderjährigenrestitution im Licht des heutigen deutschen Rechts Nachdem der zivilrechtliche Minderjährigenschutz in seinen Grundzügen vorgestellt wurde, wird nun die Frage aufgeworfen, wie die im Hauptteil der Arbeit analysierten Situationen der Drittwirkung der i. i. r. propter aetatem nach heuti524 s. BGH NJW 77, 622; ZIP 88, 831; Palandt/Ellenberger, Einf. v. § 104, Rn. 3; MüKo, BGB/Schmitt, § 106, Rn. 15. 525 s. MüKo, BGB/Schmitt, § 106, Rn. 15; Soergel/Hefermehl, §106, Rn. 3. 526 s. MüKo, BGB/Schmitt, § 106, Rn. 16 f. 527 Die §§ 112 und 113 BGB ergänzen einander, s. MüKo BGB/Schmitt, § 113, Rn. 9; zu den Begriffen des Arbeits- und des Dienstverhältnisses s. Palandt/Weidenkaff, Einf. v. § 611, Rn. 1 ff. 528 s. MüKo, BGB/Fetzer, § 362, Rn. 12. Dieses Erfordernis dient – in Ergänzung des Wortlauts des § 362 I BGB – dem effektiven Minderjährigenschutz. s. zu dem Erfordernis der „Empfangszuständigkeit“ Larenz, Schuldrecht, Bd. I, § 18 I.
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gem Recht zu beurteilen wären. Dabei ist es nicht das Ziel, jede einzelne Unterkonstellation detailliert nach heutigem Recht aufzuschlüsseln, sondern grob darzulegen, ob die wichtigsten im römischen Recht behandelten Drittwirkungskonstellationen im aktuellen deutschen Recht überhaupt noch angelegt sind. Jeglichem Vergleich mit dem heutigen Recht entzieht sich dabei freilich die im römischen Recht bedeutsame Frage nach dem Verhältnis zwischen der Restitution des minderjährigen Hauskindes und der adjektizischen Haftung des pater familias.529 Das heutige Recht kennt weder das Institut des vermögenslosen Hauskindes noch das des für die Verbindlichkeiten des Hauskindes zusätzlich haftenden „Hausvaters“. Ein Vergleich ist dagegen möglich im Hinblick auf das Rechtsinstitut der Bürgschaft, das in den §§ 765 ff. BGB geregelt ist. Für das römische Recht wurde differenzierend diskutiert, ob die Wiedereinsetzung des minderjährigen Hauptschuldners dazu führt, dass auch der volljährige Bürge von seiner zunächst wirksam entstandenen Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger des Minderjährigen befreit wird.530 Die Rechtslage nach aktuellem deutschen Recht ist dagegen eindeutig: Gemäß §§ 765 I, 767 I S. 1 BGB ist die Bürgschaft gegenüber der Hauptverbindlichkeit akzessorisch. Entsteht keine wirksame Hauptverbindlichkeit, kann der Bürge auch nicht in Anspruch genommen werden. Die Eingehung einer Verbindlichkeit stellt für einen beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen ein nicht lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft gemäß § 107 BGB dar, sodass ohne die vorherige Einwilligung oder die nachträgliche Genehmigung des gesetzlichen Vertreters eine Verbindlichkeit des Minderjährigen nicht wirksam zustande kommt und damit auch der Bürge von vornherein nicht verpflichtet wird. Weiterhin wurde der Frage nachgegangen, auf welche Weise ein Minderjähriger, der unberechtigt die Geschäfte eines anderen geführt hat, dazu gebracht werden kann, hinsichtlich dieser Geschäftsführung letztlich zu Gunsten des Geschäftsherrn die eigene Wiedereinsetzung zu beantragen oder den Geschäftsherrn zumindest als Prozessvertreter einzusetzen und ihm so die Beantragung der i. i. r. hinsichtlich der Geschäftsführung zu ermöglichen.531 Im BGB ist die Geschäftsführung ohne Auftrag in den §§ 677 ff. geregelt. Die Anwendung der §§ 104 ff. BGB und damit auch der Vorschriften über die beschränkte Geschäftsfähigkeit auf die Geschäftsführung ohne Auftrag wird teilweise gänzlich, teilweise jedenfalls für die rein tatsächliche, also nicht rechtsgeschäftliche, Geschäftsübernahme ausgeschlossen.532 Dies kann z. B. für den Minderjährigen, der ohne Zustimmung 529
s. § 3, C. s. § 3, B. und § 3, C. IV. 3. a). 531 s. § 3, C. IV. 3. c). 532 Zur Diskussion: s. Klatt, Auftraglose Fremdgeschäftsführung durch Minderj., insb. 66 ff.; 92 ff.; 98 ff.; MüKo, BGB/Seiler, § 682, Rn. 2 ff.; Palandt/Sprau, Einf. v. § 677, Rn. 2; § 682, Rn. 1. 530
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seiner Eltern rein tatsächliche Hilfsmaßnahmen vornimmt, den Vorteil haben, dass ihm gegen den Geschäftsherrn der Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 683 S. 1, 670 BGB zusteht.533 Laut § 682 BGB haftet der geschäftsunfähige und auch der beschränkt geschäftsfähige Geschäftsführer dem Geschäftsherrn nur aus den Vorschriften über den Schadensersatz wegen unerlaubter Handlung oder aus den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Dies bedeutet, dass der Geschäftsführer von dem Geschäftsherrn nicht aus §§ 677, 678 BGB Schadensersatz oder aus § 681 S. 2 i.V. m. §§ 666– 668 BGB Auskunft, Herausgabe des aus der Geschäftsführung Erlangten oder Verzinsung des herauszugebenden Geldes verlangen kann. Für die Vertreter der Ansicht, dass die §§ 104 ff. BGB für die rechtgeschäftliche Geschäftsführung ohne Auftrag zur Anwendung kommen, greift die Haftungsprivilegierung des § 682 BGB nicht, wenn der Minderjährige mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters rechtsgeschäftlich tätig geworden ist.534 Für das römische Recht wurde ferner diskutiert, ob und unter welchen Umständen der Minderjährige, der eine Sache entweder veräußert oder verpfändet hatte oder dessen Sache gepfändet worden war, auch einen Restitutionsantrag unmittelbar gegen den Zweiterwerber oder Pfandkäufer stellen und so seine Sache zurückerhalten konnte.535 Nach heutigem Recht kann der Zweiterwerber unter den in §§ 932 ff. BGB festgelegten Voraussetzungen das Eigentum erwerben, wenn der Ersterwerber wegen der Minderjährigkeit des Erstveräußerers nicht Eigentümer der Sache geworden ist. Die wichtigste Voraussetzung ist die Gutgläubigkeit des Zweiterwerbers an die Eigentümerstellung des Zweitveräußerers. Nach § 932 II BGB ist der Erwerber nicht gutgläubig (also bösgläubig), wenn er entweder weiß oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht weiß, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Das einmal gutgläubig erworbene Eigentum kann dem Erwerber nicht mehr entzogen werden. Allerdings ist der Erwerb des Eigentums aufgrund der §§ 932 bis 934 BGB gemäß § 935 I S. 1 BGB ausgeschlossen, wenn die Sache dem Eigentümer abhanden gekommen ist, der Eigentümer also den unmittelbaren Besitz ohne seinen Willen verloren hat. Für beschränkt Geschäftsfähige wird teilweise vertreten, dass die Weggabe des Gegenstandes freiwillig sei, sofern der beschränkt Geschäftsfähige über hinreichende Urteilsfähigkeit verfüge, um die Bedeutung seines Handelns zu verstehen; teilweise werden auch die §§ 104 ff. BGB auf die Weggabe analog angewandt; nach einer dritten Ansicht ist die Weggabe der Sache durch einen beschränkt Geschäftsfähigen stets freiwillig536. 533 534 535 536
s. MüKo, BGB/Seiler, § 682, Rn. 4. s. MüKo, BGB/Seiler, § 682, Rn. 5 m.w. N. s. § 4, B. s. Palandt/Bassenge, § 935, Rn. 5 m.w. N.
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Teil 3: Aktuelle Gestaltung des zivilrechtlichen Minderjährigenschutzes
Wenn der Minderjährige an einer in seinem Eigentum stehenden Sache nach § 1205 BGB ein Pfand bestellt und mangels Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters kein Pfandrecht des Gläubigers entsteht, finden gemäß § 1244 BGB die §§ 932–934 und § 936 ensprechende Anwendung. Derjenige Pfanderwerber, der hinsichtlich des Bestehens des Pfandrechts des Pfandveräußerers gutgläubig ist, kann von diesem die Sache übereignet erhalten, unter der Bedingung, dass auch der Pfandverkauf in einer der vom Gesetz vorgesehenen Formen durchgeführt wurde.537 Schließlich wurde dargestellt, dass nach römischem Recht ein minderjähriger Gläubiger, der hinsichtlich eines von ihm vorgenommenen Erlasses oder eines Schuldnerwechsels durch Novation aufgrund einer Passivdelegation restituiert wird, in jedem Fall auch seine Forderungen gegen die Sicherungsgeber des ehemaligen Schuldners (im Falle der acceptilatio) oder gegen den Altschuldner, der an der novierenden Stipulation nicht unmittelbar beteiligt war, zurückerhält.538 Der Erlassvertrag ist heute in § 397 BGB geregelt, die Schuldübernahme in den §§ 414 ff. BGB. Erneut greift der aktuelle Minderjährigenschutz bereits früher ein als die römischrechtliche i. i. r. propter aetatem: Ein beschränkt geschäftsfähiger Minderjähriger kann ohne die Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters nach §§ 107 ff. BGB weder seinem Schuldner eine Schuld nach § 397 BGB erlassen, noch eine Schuldübernahme mit dem Neuschuldner nach § 414 BGB selbst vereinbaren oder einer zwischen dem Alt- und dem Neuschuldner vereinbarten Schuldübernahme nach § 415 I S. 1 BGB zustimmen. Dass der Erlass einer Forderung als Verfügungsvertrag für den Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne des § 107 BGB ist, liegt auf der Hand. Aber auch durch den Schuldnerwechsel verliert der Minderjährige seine Forderung gegen den Altschuldner, und erleidet insofern einen rechtlichen Nachteil, wenn auch gleichzeitig eine neue Forderung gegen den Neuschuldner begründet wird.539 Daher ist auch der Schuldnerwechsel zustimmungspflichtig. Stimmt der gesetzliche Vertreter dem Geschäft nicht zu, erlangt das Geschäft keine Wirksamkeit. Wenn aber die Hauptschuld, die der Minderjährige erlassen wollte, nicht erlischt, werden auch die Sicherungsgeber gar nicht erst befreit, sodass sich die Frage nach ihrer erneuten Verpflichtung nicht stellt. Ebenso kommt es im Falle des Schuldnerwechsels ohne die notwendige Zustimmung des Vertreters gar nicht erst zum Forderungsübergang. Dem ex-post-Schutz des Minderjährigen durch die i. i. r. propter aetatem setzt das BGB also den ex-ante-Schutz der Zustimmungspflichtigkeit entgegen, den das römische Recht nur für die dem Kindesalter entwachsenen Unmündigen (impuberes infantia maiores) vorsah. 537 s. MüKo, BGB/Damrau, § 1244, Rn. 2 ff.; zur Pfandverwertung allgemein: s. MüKo BGB/Damrau, § 1228, Rn. 2 ff. 538 s. § 4, C. 539 s. Palandt/Grüneberg, § 414, Rn. 1; § 415, Rn.1; MüKo BGB/Bydlinski, § 414, Rn. 2.
§ 7 Der Minderjährigenschutz in Italien
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§ 7 Der Minderjährigenschutz in Italien A. Minderjährigenschutz durch Annullierbarkeit (annullabilità) Der italienische Codice civile (c.c.) enthält – anders als das BGB – kein gesondertes Regelsystem, welches ausschließlich für den Abschluss von Rechtsgeschäften540 durch Minderjährige gilt. Gemäß Art. 2 c.c. wird die Geschäftsfähigkeit erst mit Vollendung des achtzehnten Lebensjahres erlangt. Jüngere Menschen sind geschäftsunfähig (incapaci di agire).541 Die Geschäftsunfähigkeit wird nun in den Artt. 1425 und 1426 c.c. neben den Willensmängeln Irrtum, Zwang und Arglist (errore, violenza und dolo, Artt. 1427–1440 c.c.) als einer der Gründe aufgeführt, deren Vorliegen die Annullierbarkeit, also die Möglichkeit der Nichtigerklärung eines Vertrags, begründet. Nach Torrente/Schlesinger ist die Annullierbarkeit als Rechtsfolge für Verstöße gegen solche Regeln vorgesehen, die darauf gerichtet sind, eine der beiden Vertragsparteien besonders zu schützen.542 Bemerkenswert ist, dass eine von der Nichtigkeit (nullità)543 unterschiedene Kategorie der annullabilità noch nicht in der stark vom französischen Code Napoléon beinflussten Version des Codice civile von 1865 enthalten war.544 Die italienische Rechtswissenschaft entwickelte den Begriff der annullabilità erst unter dem Einfluss der deutschen Pandektistik; das Konzept fand dann Eingang in den Codice civile von 1942.545 Die Parallele der italienischen annullabilità zur deutschen Anfechtbarkeit im Sinne des BGB546 liegt darin, dass sowohl ein anfechtbares als auch ein annul-
540 Die gegenüber dem Vertrag allgemeinere Kategorie des Rechtsgeschäfts ist im codice civile nicht enthalten, Cendon, Codice civile, Art. 1321, Nozione. Die explizit in Artt. 1425–1440 c.c. zu der Annullierbarkeit von Verträgen getroffenen Regelungen finden auf sonstige Rechtsgeschäfte grundsätzlich analoge Anwendung, Cian/Trabucchi, Codice civile, Vor Art. 1425, Rn. 2. s. zum Begriff des Rechtsgeschäfts auch Torrente/ Schlesinger, Diritto privato, 201 ff. 541 Zu den gesetzlich vorgesehenen Sonderregeln für die Vornahme bestimmter Geschäfte s. Cian/Trabucchi, Codice civile, Art. 2, III, Rn. 2 ff. Darüber hinaus wird dem Minderjährigen generell die Fähigkeit zugestanden, Geschäfte des täglichen Lebens im Rahmen seiner allgemeinen geistigen Reife vollwirksam abzuschließen, s. Cian/Trabucchi, Codice civile, Art. 2, IV, Rn. 3; Torrente/Schlesinger, Diritto privato, 101. 542 s. Torrente/Schlesinger, Diritto privato, 635. 543 s. Artt. 1418 ff. c.c. Die Nichtigkeit wird durch richterliche Erklärung festgestellt (Art. 1421 c.c.). Im Gegensatz zu einem annullierbaren Geschäft kann ein nichtiges Geschäft grundsätzlich nicht geheilt werden (Art.1423 c.c.). 544 s. Sacco, Il contratto, 520 f. 545 s. Sacco, Il contratto, 527. 546 Nicht zu verwechseln mit der Insolvenzanfechtung (§§ 129–147 InsO) und der Anfechtung nach den Vorschriften des Anfechtungsgesetzes. Diese beiden Formen der Anfechtung haben keine rechtsgestaltende Wirkung. s. zu diesem Thema: Benöhr, AcP 176, 249 f.; Braun, InsO, de Bra, § 129, Rn. 5. MüKo, AnfG, Kirchhof, Einf., Rn. 15 ff. i.V. m. Rn. 29.
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Teil 3: Aktuelle Gestaltung des zivilrechtlichen Minderjährigenschutzes
lierbares Rechtsgeschäft zwar Rechtswirkungen entfalten, aber bis zu dem Ablauf einer bestimmten Frist (siehe Art. 1442 c.c., §§ 121 und 124 BGB) auf Initiative der durch die Vorschriften zur Anfechtbarkeit und zur annullabilità geschützten Partei zu Fall gebracht werden können. Der für das deutsche Recht in § 142 I BGB allgemein normierten Rechtsfolge der Fiktion rückwirkender Nichtigkeit des angefochtenen Rechtsgeschäfts steht differenzierender § 1445 c.c. gegenüber. Nach dieser Vorschrift ist ein aufgrund der Geschäftsunfähigkeit einer Partei annullierter Vertrag auch gegenüber Dritten rückwirkend nichtig. In den Fällen der Annullierung aus anderen Gründen werden gutgläubig und entgeltlich erworbene Rechte Dritter grundsätzlich nicht berührt.547 Ein weiterer Unterschied zwischen der Anfechtung des BGB und dem annullamento des Codice civile liegt darin, dass die Anfechtungserklärung als solche (§ 143 BGB) die Rechtsfolge des § 142 I BGB herbeiführt. Der Codice civile sieht dagegen vor, dass nicht die Partei selbst die Nichtigkeit des Vertrags durch Gestaltungserklärung herbeiführen kann. Vielmehr muss die Partei die Klage auf Nichtigerklärung (azione di annullamento) erheben (Art. 1441 c.c.).548 Die Nichtigerklärung erfolgt dann durch konstitutive richterliche Entscheidung (pronunzia giudiziale costitutiva).549 Die azione di annullamento ist damit eine Gestaltungsklage (azione costitutiva).550 Laut Art. 1442 I c.c. verjährt die Klage auf Nichtigerklärung wegen Minderjährigkeit in fünf Jahren. Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn der Minderjährige volljährig geworden ist. Allerdings kann gemäß Art. 1442 IV c.c. gegen die Leistungsklage des Vertragspartners die Annullierbarkeit des Vertrags auch noch eingewandt werden, wenn die Klage auf Nichtigerklärung verjährt ist. Im Falle der Annullierung des Vertrags ist der Geschäftsunfähige nach Art. 1443 c.c. nur insoweit zur Herausgabe der empfangenen Leistungen verpflichtet, wie diese zu seinem Vorteil verwendet wurden.551 547
s. auch Torrente/Schlesinger, Diritto privato, 638. Die Klage auf Nichtigerklärung kann, während die Minderjährigkeit fortdauert, von den gesetzlichen Vertretern (s. Art. 320 c.c.) oder von dem Minderjährigen selbst unter Mitwirkung der gesetzlichen Vertreter erhoben werden, s. Cian/Trabucchi, Codice civile, Art. 1441, I, Rn. 2. Nach Erreichen der Volljährigkeit kann der Minderjährige die Klage selbst erheben. 549 s. Sacco, Il contratto, 522. 550 s. Torrente/Schlesinger, Diritto privato, 636. 551 Art. 1443 c.c. steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zu Art. 2039 c.c.: Während Art. 2039 c.c. die Haftung des Geschäftsunfähigen auf den erlangten Vorteil für den Fall begrenzt, dass die Geschäftsunfähigkeit gerade in dem Zeitpunkt des Empfangs der Leistung vorlag, soll es für die Anwendung des Art. 1443 c.c. nur darauf ankommen, dass der Vertrag aufgrund der Geschäftsunfähigkeit eines Vertragspartners annulliert wurde. Nicht entscheidend soll sein, ob die Geschäftsunfähigkeit noch zu dem Zeitpunkt des Empfangs der Leistungen vorlag. s. zu dem Gesagten: Pescatore/Ruperto, Codice civile, 1443, Nr. 2; Cendon, Codice civile, Art. 2039, Nr. 1. 548
§ 7 Der Minderjährigenschutz in Italien
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Der annullierbare Vertrag kann nach Art. 1444 c.c. durch urkundliche Erklärung oder durch Erfüllung in Kenntnis der Annullierbarkeit geheilt werden.552 Gemäß Art. 1426 c.c. ist die Annullierung des Vertrags ausgeschlossen, wenn der Minderjährige seine Minderjährigkeit durch Täuschungshandlungen verheimlicht hat. Die einfache Erklärung, dass er volljährig sei, genüge jedoch noch nicht für den Ausschluss der Annullierbarkeit. Eine Täuschungshandlung im Sinne des Art. 1426 c.c. ist z. B. zu bejahen, wenn der Minderjährige in seinem Ausweis sein Geburtsdatum verändert.553 Laut Art. 1190 c.c. wird der Leistung an einen geschäftsunfähigen Gläubiger nur dann befreiende Wirkung zuerkannt, wenn der Schuldner beweisen kann, dass das Gezahlte zum Vorteil des Gläubigers verwendet wurde. Im Zusammenhang mit der Annullierbarkeit von Geschäften Minderjähriger ist noch Art. 2900 c.c. zu erwähnen, der die Voraussetzungen einer Klage des Gläubigers zur Geltendmachung der gegen Dritte bestehenden Rechte des Schuldners (azione surrogatoria) festlegt. Gemäß Art. 2900 c.c. ist der Gläubiger berechtigt, die dem Schuldner gegen Dritte zustehenden Rechte auszuüben und Klagen zu erheben, wenn es sich um Rechte oder Klagen vermögensrechtlichen Inhalts handelt, der Schuldner die ihm zustehenden Rechte nicht geltend macht, die Untätigkeit des Schuldners dazu führen kann, dass die Befriedigung der Ansprüche des Gläubigers gegen den Schuldner gefährdet wird und die Ausübung der Rechte oder Erhebung der Klagen nicht grundsätzlich nur vom Schuldner selbst vorgenommen werden kann. Die Erhebung der Klage auf Nichtigerklärung gilt nicht als ihrer Natur nach dem Schuldner selbst vorbehalten.554 Der Gläubiger könnte daher zur Sicherung seiner Ansprüche die Nichtigerklärung eines Geschäfts des Minderjährigen selbst herbeiführen, sofern die sonstigen soeben genannten Voraussetzungen des Art. 2900 c.c. vorliegen. Beispielsweise könnte es für einen Gläubiger des Minderjährigen, dem der Minderjährige die Übereignung einer bestimmten Sache schuldete, von Interesse sein, gemäß Art. 2900 c.c. die Nichtigerklärung einer Veräußerung dieser Sache durch den Minderjährigen an einen Dritten zu verlangen, wenn der nun volljährige Minderjährige sich weigert, die Veräußerung der Sache an den Dritten annullieren zu lassen.
552 Während der Dauer der Minderjährigkeit bedarf die Heilung der Mitwirkung der gesetzlichen Vertreter, s. Torrente/Schlesinger, Diritto privato, 639. 553 s. Torrente/Schlesinger, Diritto privato, 100. 554 s. Cian/Trabucchi, Codice civile, Art. 2900, V, Rn. 10.
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B. Die nach römischem Recht analysierten Fälle der Drittwirkung der Minderjährigenrestitution im Licht des heutigen italienischen Rechts Auch im italienischen Recht existiert die besondere Machtstellung des pater familias gegenüber den in seinem Haushalt lebenden Kindern nicht mehr, sodass ein Vergleich mit dem römischen Recht nicht möglich ist. Die Bürgschaft (fideiussione) ist in den Artt. 1936 ff. c.c. geregelt. Zwar gilt gemäß Art. 1939 c.c. auch im italienischen Recht der Grundsatz der Akzessorietät der Bürgschaft, also deren Abhängigkeit von dem Bestehen einer wirksamen Hauptverbindlichkeit. Allerdings bestimmt derselbe Artikel ausdrücklich, dass ein Bürgschaftsvertrag wirksam sein soll, wenn die Hauptverbindlichkeit von einem Geschäftsunfähigen eingegangen wurde. Der Wortlaut der Norm überrascht auf den ersten Blick, weil die von einem Geschäftsunfähigen abgeschlossene Verbindlichkeit, wie bereits erläutert wurde, nur annullierbar und nicht nichtig ist, sodass bereits aus diesem Grund die Bürgschaft nicht unwirksam wäre.555 Es ist jedoch zu beachten, dass der Bürge in den Fällen, in denen die Annullierbarkeit der Hauptverbindlichkeit auf anderen Gründen als der Geschäftsunfähigkeit des Hauptschuldners beruht,556 dem Gläubiger eben diese Annullierbarkeit gemäß Artt. 1442 IV, 1945 c.c. dauerhaft einredeweise entgegenhalten kann: Art. 1442 IV c.c. normiert die dauerhafte Einrede der Annullierbarkeit des Vertrags. Diese Einrede umfasst als solche freilich auch die auf der Geschäftsunfähigkeit beruhende Annullierbarkeit. Art. 1945 c.c. bestimmt, dass der Bürge dem Gläubiger sämtliche Einreden des Hauptschuldners entgegenhalten kann, nicht jedoch die Einrede der Geschäftsunfähigkeit. In der Zusammenschau mit Art. 1945 c.c. bedeutet die in Art. 1939 c.c. enthaltene Regelung, dass eine für die Hauptverbindlichkeit eines Geschäftsunfähigen übernomme Bürgschaft gültig sei, folgendes: Zum einen kann der Bürge gegenüber dem Hauptschuldner nicht die Einrede der Annullierbarkeit der Hauptverbindlichkeit erheben, wenn die Annullierbarkeit gerade auf der Geschäftsunfähigkeit des Hauptschuldners beruht. Weiterhin führt auch die tatsächlich vorgenommene Annullierung der Hauptverbindlichkeit aufgrund der Geschäftsunfähigkeit des Hauptschuldners nicht zu einer Befreiung des Bürgen. Der im römischen Recht je nach dem Inhalt und den Umständen des Bürgschaftsvertrags gegebenen möglichen Durchbrechung der Koppelung von Bürgschaft und Hauptschuld im Falle der Wiedereinsetzung des minderjährigen Hauptschuldners557 steht damit im aktuellen italienischen Recht die ausdrückliche Anordnung einer Akzessorietätsdurchbrechung gegenüber. Teil555
s. Cian/Trabucchi, Codice civile, Art. 1939, I., Rn. 1. Also z. B. auf dem Vorliegen eines Irrtums, der Ausübung von Zwang oder auf einer arglistigen Täuschung. 557 s. § 3, B. und § 3, C. IV. 3. a). 556
§ 7 Der Minderjährigenschutz in Italien
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weise wird in der Rechtslehre eine Bürgschaft, die für eine Verbindlichkeit eines Geschäftsunfähigen übernommen wurde, wegen dieser vom Gesetz vorgesehenen Akzessorietätsdurchbrechung nicht mehr als Bürgschaft, sondern als atypisches Sicherungsgeschäft eingestuft: Es handele sich nicht mehr um ein Garantiegeschäft im eigentlichen Sinne, weil ein solches eine tatsächlich bestehende Verbindlichkeit voraussetze.558 Die Geschäftsführung ohne Auftrag (gestione di affari) ist in den Artt. 2028 ff. c.c. geregelt. Die Pflichten des Geschäftsführers entsprechen nach Art. 2030 I c.c. grundsätzlich denjenigen des Beauftragten (Artt. 1710 ff. c.c.). Allerdings kann der Richter nach Art. 2030 II c.c. einen eventuell bestehenden Schadensersatzanspruch des Geschäftsherrn gegen den Geschäftsführer unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Falls mindern. Art. 2029 c.c. ordnet an, dass der Geschäftsführer geschäftsfähig sein muss, sodass die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag nach dem Gesetzeswortlaut auf Minderjährige keine Anwendung finden und insoweit die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers und des Geschäftsherrn sich nur aus den Vorschriften über die unerlaubten Handlungen und über die rechtsgrundlose Bereicherung ergeben. Art. 2029 c.c. wird jedoch von Teilen der Literatur dahingehend einschränkend ausgelegt, dass bei einer nicht rechtsgeschäftlichen, sondern rein faktischen Geschäftsübernahme die natürliche Handlungsfähigkeit des Geschäftsführers für die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag genügen solle.559 Weiterhin wird der Wortlaut des Art. 2029 unter Berücksichtigung des Zwecks, den Minderjährigen vor Nachteilen durch die Geschäftsführung zu schützen, dahingehend eingeschränkt, dass die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag nur nicht zur Anwendung kommen sollen, soweit aus ihnen Verpflichtungen des Minderjährigen erwachsen (z. B. aus Art. 2028 c.c. oder aus Art. 2030 I c.c.); sofern sie den Minderjährigen begünstigen (siehe z. B. Art. 2031 I c.c. a. E.), sollen sie angewandt werden.560 Dem Geschäftsherrn steht es frei, sich gegenüber Dritten auf die Geschäftsunfähigkeit des Minderjährigen zu berufen oder das Geschäft zu genehmigen.561 Die Frage nach der Wirkung der Annullierung eines Rechtsgeschäfts für Folgeerwerber ist in Art. 1445 c.c. geregelt. Nach dieser Vorschrift entfaltet die Annullierung eines Vertrags, wenn diese auf der Geschäftsunfähigkeit einer Partei beruht, auch gegenüber Dritten Wirkung. Wenn also ein Minderjähriger (oder 558
s. Cian/Trabucchi, Codice civile, Art. 1939, II, Rn. 1; Ravazzoni, Fideiussione,
282 f. 559
s. Cian/Trabucchi, Codice civile, Art. 2029, I., Rn. 2 m.w. N. s. Cendon, Codice civile, Art. 2029, 1; Cian/Trabucchi, Codice civile, Art. 2029, I., Rn. 1. 561 s. Cendon, Codice civile, Art. 2029, 1. 560
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eine aus anderen Gründen geschäftsunfähige Person) eine Sache veräußert und dieses Geschäft für nichtig erklärt wird, wird automatisch auch jede Folgeveräußerung nichtig, ohne dass es grundsätzlich auf die Gutgläubigkeit des Zweiterwerbers oder die Entgeltlichkeit des Erwerbs ankäme.562 Im Falle der Annullierung des Geschäfts aus anderen Gründen (siehe Artt. 1427 ff. c.c.) bleiben Rechte Dritter dagegen gemäß Art. 1445 c.c. unberührt, wenn diese bei dem Erwerb des Rechts gutgläubig waren und das Recht entgeltlich erworben haben. Jedoch ist es auch im Falle der Annullierung der Erstveräußerung aufgrund der Geschäftsunfähigkeit des Veräußerers nach den allgemeinen Regeln über den gutgläubigen Erwerb möglich, dass der Zweiterwerber von dem durch die Annullierung der Erstveräußerung zum Nichtberechtigten gewordenen Ersterwerber das Eigentum an einer beweglichen Sache erwirbt; dies setzt gemäß Art. 1153 i.V. m. Art. 1147 c.c. neben dem Vorliegen eines Erwerbstitels voraus, dass der Ersterwerber dem Zweiterwerber den Besitz an der Sache verschafft und der Zweiterwerber zu dem Zeitpunkt des Besitzerwerbs hinsichtlich der Berechtigung des Veräußerers in gutem Glauben ist.563 Auch die Ersitzung des Gegenstandes gemäß Art. 1161 c.c. ist möglich.564 Für das römische Recht wurde untersucht, ob der minderjährige Erstveräußerer die Sache auch von dem im Besitz der Sache befindlichen Zweiterwerber zurückfordern konnte.565 Für diese Situation wäre nach dem aktuellen Recht die Rückforderung der Sache durch den Minderjährigen ausgeschlossen, sofern das Eigentum an der Sache gemäß Art. 1153 c.c. i.V. m. Art. 1147 c.c. auf den Zweiterwerber übergegangen ist oder dieser das Eigentum gemäß Art. 1161 c.c. ersessen hat. Wenn der Zweiterwerber kein Eigentum an der Sache erlangt und der Minderjährige ihm diese daraufhin aufgrund seiner Eigentümerstellung entzogen hat, ist der Ersterwerber, der die Sache weiterveräußert hat, verpflichtet, den Schaden des Zweiterwerbers gemäß Artt. 1483, 1479 c.c. auszugleichen, also ihm insbesondere den Kaufpreis zu erstatten und die auf die Sache gemachten Verwendungen und die Kosten der Streitverkündung zu ersetzen.566 Die Bestellung eines Pfandes567 durch einen Minderjährigen gemäß Art. 2786 c.c. ist nach Art. 1425 c.c. annullierbar. Für den Pfandverkauf im Rahmen der 562
s. Torrente/Schlesinger, Diritto privato, 638. s. Cendon, Codice civile, Art. 1157, 1; Gazzoni, Diritto privato, 1000. 564 s. Gazzoni, Diritto privato, 1000. 565 Zum römischen Recht s. § 4, 2. B. II. 566 s. Torrente/Schlesinger, Diritto privato, 692. Die Gewährleistung kann gemäß Art. 1487 c.c. modifiziert oder ausgeschlossen werden. Die Eviktionshaftung des Veräußerers besteht auch gegenüber dem bösgläubigen Erwerber, s. Cian/Trabucchi, Codice civile, Art. 1483 I, 1. 567 Zu den Voraussetzungen der Pfandbestellung s. Cian/Trabucchi, Codice civile, Art. 2786. 563
§ 7 Der Minderjährigenschutz in Italien
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Zwangsvollstreckung nach den Artt. 2910 ff. c.c., 502 ff. c.p.c.568 bestätigt Art. 2920 c.c. die allgemeine Regel des Art. 1153 c.c., dass demjenigen Erwerber, der gutgläubig den Besitz an der Sache erhalten hat, die Sache nicht mehr entzogen werden kann.569 Ist ein gutgläubiger Erwerb der Pfandsache nicht erfolgt und wird dem Käufer die Sache mittels der Klage aus dem Eigentum entzogen, kann der Käufer gemäß Art. 2921 c.c. die Herausgabe des noch nicht verteilten Erlöses abzüglich der Kosten verlangen.570 Schließlich bleibt noch die Frage nach dem Wiederaufleben der Forderung des Minderjährigen gegen die Sicherungsgeber des Hauptschuldners nach der Aufhebung eines Erlasses oder nach dem Wiederaufleben der Forderung gegen den ehemaligen Schuldner aufgrund der Aufhebung eines von dem Minderjährigen vorgenommenen Schuldnerwechsels.571 Der von einem Minderjährigen vorgenommene Erlass ist unabhängig von seiner rechtlichen Ausgestaltung als Vertrag oder als einseitige Rechtshandlung572 jedenfalls nach den allgemeinen Regeln annullierbar (Art. 1425 c.c.).573 Hinsichtlich der Wirkung der Annullierung auf die für die Hauptverbindlichkeit abgegebenen Sicherheiten ist unter Heranziehung des Gedankens des Art. 2881 c.c. vertreten worden, dass mit dem Wegfall des Erlöschensgrundes der Hauptverbindlichkeit auch die Bürgschaft oder sonstige Personalsicherheiten wiederaufleben.574 Gegen diese Sichtweise lässt sich der Rechtsgedanke des Art. 1276 c.c. ins Feld führen. Nach dieser Vorschrift lebt im Fall der Unwirksamkeit einer mit befreiender Wirkung vorgenommenen Schuldübernahme (nach Art. 1272 oder 1273 c.c.) zwar die Verbindlichkeit des Altschuldners gegenüber dem Gläubiger wieder auf, nicht jedoch die von Dritten für diese Verbindlichkeit geleisteten Sicherheiten. Entsprechendes könnte für den Fall der Annullierung eines Erlasses angenommen werden.
568 Der Gläubiger kann sich für den Verkauf des Pfandes der Form des Art. 2797 c.c. oder derjenigen der Artt. 2910 c.c., 502 c.p.c. bedienen, s. Cian/Trabucchi, Codice civile, 2797, I, 1. 569 s. Cian/Trabucchi, Codice civile, 2920, II, 1. 570 s. Cian/Trabucchi, Codice civile, 2797 I, 2 und III, 4. 571 s. § 4, C. 572 s. dazu Cian/Trabucchi, Codice civile, 1236 I, 1 Laut Cendon, Codice civile, Art. 1236, 2 stellt der Erlass nach mittlerweile überwiegender Ansicht ein einseitiges empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft dar, die Gegenansicht wird als Minderheitsmeinung dargestellt, Cendon, Codice civile, Art. 1236, 4 c). 573 Zur Anwendung auf alle Arten von Rechtsgeschäften s. Cian/Trabucchi, Codice civile, Vor Art. 1425, Rn. 2. 574 Fragali, Fideiussione, 382.
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Teil 3: Aktuelle Gestaltung des zivilrechtlichen Minderjährigenschutzes
§ 8 Zwischenergebnis zu dem Thema des aktuellen Minderjährigenschutzes in Deutschland und Italien Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Problematik der Beteiligung Minderjähriger am Rechtsverkehr in Deutschland und Italien zwar rechtstechnisch unterschiedlich gelöst wurde, dass aber sowohl die deutsche als auch die italienische Regelung wegen ihrer größeren Klarheit der römischrechtlichen i. i. r. propter minorem aetatem überlegen ist. Während das deutsche Recht die Rechtsgestaltungsmacht unmittelbar in die Hände des gesetzlichen Vertreters des Minderjährigen und – nach dessen Volljährigkeit – in die Hände des ehemaligen Minderjährigen selbst legt, behält das italienische Recht die konstitutive Nichtigerklärung des Geschäfts des Minderjährigen dem Richter vor. Dieser konstruktive Unterschied ist aber in der Praxis von geringerer Relevanz als es scheinen mag. Zum einen liegt im italienischen Recht die Zuständigkeit für die Erhebung der auf die Nichtigerklärung gerichteten Klage ebenfalls zunächst bei dem gesetzlichen Vertreter, dann bei dem ehemaligen Minderjährigen selbst. Im deutschen Recht wird dagegen immer dann, wenn es zwischen den Vertragsparteien zu Streitigkeiten über die Wirksamkeit des von dem Minderjährigen geschlossenen Vertrags kommt, letzlich doch die Richter darüber zu entscheiden haben, ob der Vertrag aufgrund der Minderjährigkeit des einen Vertragspartners unwirksam ist. Das italienische Recht kommt insofern der römischrechtlichen i. i. r. wegen Minderjährigkeit näher als das deutsche Recht, als im Falle der völligen Untätigkeit des Berechtigten die Klage auf Nichtigerklärung des Geschäfts nach Art. 1442 I c.c. verjährt.575 Im deutschen Recht führt dagegen die Untätigkeit des gesetzlichen Vertreters oder später des ehemaligen Minderjährigen selbst zum Fortbestehen der schwebenden Unwirksamkeit, oder, falls der Vertragspartner seine Erklärung widerruft oder auf eine Klärung drängt, zur endgültigen Unwirksamkeit des Vertrags576. Vielleicht ließe sich also sagen, dass die italienische Rechtsordnung eine schwebende Wirksamkeit und keine schwebende Unwirksamkeit des Minderjährigengeschäfts anordnet. Aber auch dieser Unterschied zwischen der deutschen und der italienischen Lösung wird durch die nach Art. 1442 IV c.c. auch nach Verjährung des Anspruchs auf Nichtigerklärung fortbestehende Einrede der Annullierbarkeit des Vertrags relativiert. Das Fehlen des für die i. i. r. kennzeichnenden Ermessenselements bei der Entscheidung über die Wirksamkeit eines Geschäfts des Minderjährigen577 sorgt in
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s. § 7, A. s. § 6, A.
§ 8 Zwischenergebnis
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beiden Rechtsordnungen, wie oben dargelegt,578 zumeist für klare rechtliche Verhältnisse, auch in mehr als zwei Personen umfassenden Konstellationen. Wo dies nicht gegeben war, ist der Gesetzgeber teilweise klärend eingeschritten.579
577 Zu der in ihr angelegten Gefahr der Willkür als einem der i. i. r. innewohnenden Nachteil s. schon Savigny, System, Bd. VII, 108 ff.; s. hierzu auch Benöhr, AcP 176, 248. Savigny sah diese Gefahr jedoch teilweise ausgeglichen durch Zuständigkeit allein der Prätoren für die Gewährung der i. i. r., ibid., 109 f. 578 s. § 6, B. und § 7, B. 579 s. Artt. 1939, 1945, 1276, 1153 c.c.; 932, 1244 BGB.
Teil 4
Schlussbetrachtungen Die Untersuchung der römischrechtlichen Quellen, die sich mit verschiedenen Aspekten der Drittwirkung der Minderjährigenrestitution beschäftigen, hat gezeigt, dass die römischen Juristen bei der Behandlung dieser Thematik insgesamt eine beachtliche Flexibilität an den Tag legten. Die Schwierigkeit, mit der sich die klassischen Juristen konfrontiert sahen, lag darin, dass das Minderjährigenedikt als solches wegen seiner sehr knappen und offenen Formulierung keinerlei Bewertungsgrundlage für die Einbeziehung Dritter in die Restitution bereitstellte und die Juristen daher auf ihre eigenen Überlegungen zu Sinn und Zweck des Wiedereinsetzungsverfahrens angewiesen waren. Es ist davon auszugehen, dass die Frage nach der Bejahung oder Verneinung der positiven Drittwirkung der Minderjährigenrestitution für größere Meinungsverschiedenheiten zwischen den Juristen sorgte als die Frage nach deren negativer Drittwirkung. Dass die Restitution des vom Prätor als schutzwürdig eingestuften Minderjährigen grundsätzlich auch Dritte, die nicht unmittelbar mit dem Minderjährigen kontrahiert hatten, nachteilig betreffen konnte, war wohl in klassischer Zeit weithin anerkannt, wenn auch die genaue Ausgestaltung dieser Drittbenachteiligung nicht immer einheitlich gewesen sein wird. Dagegen sorgte die Frage danach, inwiefern Dritte von der Wiedereinsetzung des Minderjährigen profitieren konnten, für einige Verunsicherung, weil die Begünstigung Dritter einerseits für die Realisierung des eigentlichen Schutzzwecks der i. i. r. propter aetatem nicht notwendig war, andererseits aber unter bestimmten Umständen als entweder rechtlich unvermeidbar oder aus Gründen der Billigkeit gar als erstrebenswert angesehen wurde. Diejenigen Quellen, die sich den für diese Arbeit definierten Kategorien der positiven oder negativen Drittwirkung der Restitution nicht eindeutig zuordnen lassen, enthalten differenzierte Lösungen für komplexe, mehrere Personen betreffende Fälle. Teilaspekte dieser differenzierten Lösungen reflektieren aber die für die rein positive oder rein negative Drittwirkung vorhandenen Lösungsansätze. Der Aussagegehalt der hier untersuchten Quellen hinsichtlich des gewählten Restitutionsverfahrens ist weithin eher gering, die verfahrenstechnische Umsetzung der Wiedereinsetzung wird selten thematisiert. Allerdings enthalten die untersuchten Fragmente einige Anzeichen dafür, dass eine komplette Rückabwick-
Teil 4: Schlussbetrachtungen
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lung von Geschäften auch nach bereits erfolgtem Leistungsaustausch allein vor dem Prätor – also ohne dass es zur Einsetzung eines Urteilsgerichts kam – durchgeführt werden konnte.580 Dabei ist jedoch davon auszugehen, dass diese Durchführung der Restitution nicht auf erzwingbaren Anordnungen des Prätors beruhte, sondern vielmehr auf dem Bestreben der Parteien, ein aus ihrer Sicht voraussehbar keinen Erfolg versprechendes Gerichtsverfahren zu vermeiden. Für das richtige Verständnis der Quellen ist es wichtig, diese tatsächliche Umsetzungsoder Erledigungsform der Restitution bei der Untersuchung der Wiedereinsetzungsfälle stets im Hinterkopf zu behalten, damit nicht in jedem dargelegten Fall, der eine tatsächliche Rückgewähr von Leistungen umfasst, ein iudicium mitgedacht wird, wo eventuell keines mitzudenken ist. Die i. i. r. propter aetatem stellt sich aus der römischrechtlichen Perspektive als eine Kompromisslösung dar, welche unter Beibehaltung der respektierten überlieferten Regelungen (der niedrigen Altersgrenze für die Mündigkeit) dem aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung empfundenen Schutzbedürfnis der jungen Menschen Rechnung trug. Der Ersatz des von der Ermessensausübung des Prätors geprägten Rechtsmittels der Minderjährigenrestitution durch andere Regelungsmodelle sowohl im aktuellen deutschen als auch im aktuellen italienischen Recht ist aus Gründen der Rechtssicherheit jedoch zu begrüßen.
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s. § 2, B. III.; § 4, B. III.
Anhang
Die für diese Untersuchung wichtigsten Vorschriften des italienischen Zivilgesetzbuches (Codice civile italiano) Art. 2 Maggiore età. Capacità di agire. (1) La maggiore età è fissata al compimento del diciottesimo anno. Con la maggiore età si acquista la capacità di compiere tutti gli atti per i quali non sia stabilita una età diversa. (2) Sono salve le leggi speciali che stabiliscono un’età inferiore in materia di capacità a prestare il proprio lavoro. In tal caso il minore è abilitato all’esercizio dei diritti e delle azioni che dipendono dal contratto di lavoro. Art. 2 Volljährigkeit. Geschäftsfähigkeit.581 (1) Die Volljährigkeit tritt mit der Vollendung des achtzehnten Lebensjahres ein. Mit der Volljährigkeit erwirbt man die Fähigkeit, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, für die kein anderes Alter vorgeschrieben ist. (2) Unbeschadet bleiben die Sonderbestimmungen, die für die Fähigkeit zur Erbringung von Arbeitsleistungen ein geringeres Alter vorschreiben. In diesem Fall kann der Minderjährige seine sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Rechte ausüben und Klage erheben. Art. 1147 Possesso di buona fede. (1) E’ possessore di buona fede chi possiede ignorando di ledere l’altrui diritto. (2) La buona fede non giova se l’ignoranza dipende da colpa grave. (3) La buona fede è presunta e basta che vi sia stata al tempo dell’acquisto. Art. 1147 Gutgläubiger Besitz. (1) Gutgläubiger Besitzer ist, wer ohne zu wissen, dass er ein fremdes Recht verletzt, besitzt. (2) Der gute Glaube nützt nicht, wenn die Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht. 581
Sämtliche Artikel und deren Übersetzung sind Patti, Codice Civile entnommen.
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(3) Der gute Glaube wird vermutet; es genügt, dass er zur Zeit des Erwerbs vorhanden war. Art. 1153 Effetti dell’acquisto del possesso. (1) Colui al quale sono alienati beni mobili da parte di chi non ne è proprietario, ne acquista la proprietà mediante il possesso, purché sia in buona fede al momento della consegna e sussista un titolo idoneo al trasferimento della proprietà. (2) La proprietà si acquista libera da diritti altrui sulla cosa, se questi non risultano dal titolo e vi è la buona fede dell’acquirente. (3) Nello stesso modo si acquistano i diritti di usufrutto, di uso e di pegno. Art. 1153 Wirkungen des Besitzerwerbs. (1) Derjenige, dem bewegliche Sachen durch jemanden veräußert werden, der nicht Eigentümer ist, erwirbt daran durch den Besitz das Eigentum, wenn er zur Zeit der Übergabe in gutem Glauben ist und ein zur Übertragung des Eigentums geeigneter Rechtstitel vorliegt. (2) Der Eigentumserwerb erfolgt frei von fremden Rechten an der Sache, soweit sich diese nicht aus dem Rechtstitel ergeben und der Erwerber gutgläubig ist. (3) Auf die gleiche Art werden das Nießbrauchsrecht, das dingliche Nutzungsrecht und das Pfandrecht erworben. Art. 1190 Pagamento al creditore incapace. Il pagamento fatto al creditore incapace di riceverlo non libera il debitore, se questi non prova che ciò che fu pagato è stato rivolto a vantaggio dell’incapace. Art. 1190 Zahlung an einen geschäftsunfähigen Gläubiger. Die gegenüber einem zum Empfang unfähigen Gläubiger geleistete Zahlung befreit den Schuldner nicht, wenn er nicht beweist, dass das Gezahlte zum Vorteil des Geschäftsunfähigen verwendet worden ist. Art. 1272 Espromissione. (1) Il terzo che, senza delegazione del debitore, ne assume verso il creditore il debito, è obbligato in solido col debitore originario, se il creditore non dichiara espressamente di liberare quest’ultimo. (2) Se non si è convenuto diversamente, il terzo non può opporre al creditore le eccezioni relative ai suoi rapporti col debitore originario.
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(3) Può opporgli invece le eccezioni che al creditore avrebbe potuto opporre il debitore originario, se non sono personali a quest’ultimo e non derivano da fatti successivi all’espromissione. Non può opporgli la compensazione che avrebbe potuto opporre il debitore originario, quantunque si sia verificata prima dell’espromissione. Art. 1272 Schuldübernahme durch Vertrag mit dem Gläubiger. (1) Ein Dritter, der ohne Anweisung seitens des Schuldners gegenüber dem Gläubiger die Schuld übernimmt, ist mit dem ursprünglichen Schuldner gesamtschuldnerisch verpflichtet, wenn der Gläubiger nicht ausdrücklich erklärt, letzteren zu befreien. (2) Ist nichts anderes vereinbart worden, so kann der Dritte dem Gläubiger die sich aus seinem Rechtsverhältnis mit dem ursprünglichen Schuldner ergebenden Einwendungen nicht entgegensetzen. (3) Hingegen kann er ihm die Einwendungen entgegensetzen, die der ursprüngliche Schuldner gegen den Gläubiger hätte geltend machen können, wenn sie nicht in der Person des Schuldners oder in Tatsachen begründet sind, die nach der Schuldübernahme eingetreten sind. Eine Aufrechnung, die der ursprüngliche Schuldner gegenüber dem Gläubiger hätte geltend machen können, kann er diesem nicht entgegenhalten, selbst wenn die Aufrechnungslage vor der Schuldübernahme eingetreten war. Art. 1273 Accollo. (1) Se il debitore e un terzo convengono che questi assuma il debito dell’altro, il creditore può aderire alla convenzione, rendendo irrevocabile la stipulazione a suo favore. (2) L’adesione del creditore importa liberazione del debitore originario solo se ciò costituisce condizione espressa della stipulazione o se il creditore dichiara espressamente di liberarlo. (3) Se non vi è liberazione del debitore, questi rimane obbligato in solido col terzo. (4) In ogni caso il terzo è obbligato verso il creditore che ha aderito alla stipulazione nei limiti in cui ha assunto il debito, e può opporre al creditore le eccezioni fondate sul contratto in base al quale l’assunzione è avvenuta. Art. 1273 Schuldübernahme durch Vertrag mit dem Schuldner. (1) Vereinbart der Schuldner mit einem Dritten, dass dieser seine Schuld übernimmt, kann der Gläubiger der Vereinbarung beitreten und diese dadurch unwiderruflich zu seinen Gunsten machen. (2) Der Beitritt des Gläubigers hat nur dann die Befreiung des ursprünglichen Schuldners zur Folge, wenn die Vereinbarung diesbezüglich eine ausdrückliche Bedingung enthält oder wenn der Gläubiger ausdrücklich erklärt, ihn zu befreien. (3) Erfolgt keine Befreiung des Schuldners, so bleibt dieser zusammen mit dem Dritten gesamtschuldnerisch verpflichtet.
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(4) In jedem Fall ist der Dritte gegenüber dem beigetretenen Gläubiger in den Grenzen verpflichtet, in denen er die Schuld übernommen hat, und kann dem Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen, die in dem Vertrag begründet sind, auf Grund dessen die Übernahme erfolgt ist. Art. 1276 Invalidità della nuova obbligazione. Se l’obbligazione assunta dal nuovo debitore verso il creditore è dichiarata nulla o annullata, e il creditore aveva liberato il debitore originario, l’obbligazione di questo rivive, ma il creditore non può valersi delle garanzie prestate da terzi. Art. 1276 Unwirksamkeit der neuen Verbindlichkeit. Wird die vom neuen Schuldner dem Gläubiger gegenüber übernommene Verbindlichkeit für nichtig erklärt oder aufgehoben und hatte der Gläubiger den ursprünglichen Schuldner befreit, so lebt dessen Verbindlichkeit wieder auf. Der Gläubiger kann jedoch auf von Dritten bestellte Sicherheiten nicht mehr zurückgreifen. Art. 1425 Incapacità delle parti. (1) Il contratto è annullabile se una delle parti era legalmente incapace di contrattare. (2) E’ parimenti annullabile, quando ricorrono le condizioni stabilite dall’articolo 428, il contratto stipulato da persona incapace d’intendere o di volere. Art. 1425 Geschäftsunfähigkeit der Parteien. (1) Der Vertrag ist anfechtbar, wenn eine der Parteien nach dem Gesetz unfähig war, einen Vertrag abzuschließen. (2) Ebenso ist der von einer einsichts- oder willensunfähigen Person geschlossene Vertrag anfechtbar, wenn die in Art. 428 festgesetzten Voraussetzungen vorliegen. Art. 1426 Raggiri usati dal minore. Il contratto non è annullabile, se il minore ha con raggiri occultato la sua minore età; ma la semplice dichiarazione da lui fatta di essere maggiorenne non è di ostacolo all’impugnazione del contratto. Art. 1426 Täuschungen eines Minderjährigen. Der Vertrag ist nicht anfechtbar, wenn der Minderjährige seine Minderjährigkeit mittels Täuschung verheimlicht hat; seine bloße Erklärung, volljährig zu sein, ist jedoch kein Hindernis für die Anfechtung des Vertrags.
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Art. 1441 Legittimazione. (1) L’annullamento del contratto può essere domandato solo dalla parte nel cui interesse è stabilito dalla legge. (2) L’incapacità del condannato in istato di interdizione legale può essere fatta valere da chiunque vi ha interesse. Art. 1441 Klagebefugnis. (1) Die Nichtigerklärung des Vertrags kann nur die Partei beantragen, in deren Interesse sie gesetzlich vorgesehen ist. (2) Ist der Verurteilte kraft Gesetzes entmündigt, kann jeder, der daran ein Interesse hat, dessen Geschäftsunfähigkeit geltend machen. Art. 1442 Prescrizione. (1) L’azione di annullamento si prescrive in cinque anni. (2) Quando l’annullabilità dipende da vizio del consenso o da incapacità legale, il termine decorre dal giorno in cui è cessata la violenza, è stato scoperto l’errore o il dolo, è cessato lo stato d’interdizione o d’inabilitazione, ovvero il minore ha raggiunto la maggiore età. (3) Negli altri casi il termine decorre dal giorno della conclusione del contratto. (4) L’annullabilità può essere opposta dalla parte convenuta per l’esecuzione del contratto, anche se è prescritta l’azione per farla valere. Art. 1442 Verjährung. (1) Der Klageanspruch auf Nichtigerklärung verjährt in fünf Jahren. (2) Hängt die Anfechtbarkeit von einem Mangel der Einigung oder von der gesetzlichen Geschäftsunfähigkeit ab, beginnt die Frist mit dem Tag, an dem die Drohung aufhörte, der Irrtum oder die Arglist entdeckt wurde, der Zustand der Entmündigung oder der Beschränkung der Geschäftsfähigkeit endete oder der Minderjährige volljährig wurde. (3) In den übrigen Fällen beginnt die Frist mit dem Tag des Vertragsschlusses. (4) Die Anfechtbarkeit kann von der auf Durchführung des Vertrags beklagten Partei auch dann eingewendet werden, wenn der Anspruch für ihre Geltendmachung verjährt ist. Art. 1443 Ripetizione contro il contraente incapace. Se il contratto è annullato per incapacità di uno dei contraenti, questi non è tenuto a restituire all’altro la prestazione ricevuta se non nei limiti in cui è stata rivolta a suo vantaggio.
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Art. 1443 Rückforderung gegenüber der geschäftsunfähigen Partei. Wird der Vertrag wegen Geschäftsunfähigkeit einer der Parteien für nichtig erklärt, ist diese zur Erstattung der empfangenen Leistung an die andere nur in dem Maße verpflichtet, in dem sie zu ihrem Vorteil verwendet wurde.
Art. 1444 Convalida. (1) Il contratto annullabile può essere convalidato dal contraente al quale spetta l’azione di annullamento, mediante un atto che contenga la menzione del contratto e del motivo di annullabilità, e la dichiarazione che s’intende convalidarlo. (2) Il contratto è pure convalidato, se il contraente al quale spettava l’azione di annullamento vi ha dato volontariamente esecuzione conoscendo il motivo di annullabilità. (3) La convalida non ha effetto, se chi l’esegue non è in condizione di concludere validamente il contratto.
Art. 1444 Bestätigung. (1) Ein anfechtbarer Vertrag kann von der zur Erhebung der Klage auf Nichtigerklärung berechtigten Vertragspartei durch Urkunde bestätigt werden, welche die Bezeichnung des Vertrags, des Grundes der Anfechtbarkeit sowie die Erklärung, dass die Bestätigung beabsichtigt ist, zu enthalten hat. (2) Ein Vertrag ist auch dann bestätigt, wenn die Partei, der die Klage auf Nichtigerklärung zustand, ihn in Kenntnis des Grundes der Anfechtbarkeit freiwillig durchgeführt hat. (3) Die Bestätigung ist wirkungslos, wenn derjenige, der sie vornimmt, nicht in der Lage ist, den Vertrag gültig zu schließen.
Art. 1445 Effetti dell’annullamento nei confronti dei terzi. L’annullamento che non dipende da incapacità legale non pregiudica i diritti acquistati a titolo oneroso dai terzi di buona fede, salvi gli effetti della trascrizione della domanda di annullamento.
Art. 1445 Wirkungen der Nichtigerklärung gegenüber Dritten. Die nicht auf gesetzlicher Geschäftsunfähigkeit beruhende Nichtigerklärung beeinträchtigt nicht die von gutgläubigen Dritten entgeltlich erworbenen Rechte, unbeschadet der Wirkungen der Eintragung der Klage auf Nichtigerklärung.
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Art. 1479 Buona fede del compratore. (1) Il compratore può chiedere la risoluzione del contratto, se, quando l’ha concluso, ignorava che la cosa non era di proprietà del venditore, e se frattanto il venditore non gliene ha fatto acquistare la proprietà. (2) Salvo il disposto dell’articolo 1223, il venditore è tenuto a restituire all’acquirente il prezzo pagato, anche se la cosa è diminuita di valore o è deteriorata; deve inoltre rimborsargli le spese e i pagamenti legittimamente fatti per il contratto. Se la diminuzione di valore o il deterioramento derivano da un fatto del compratore, dall’ammontare suddetto si deve detrarre l’utile che il compratore ne ha ricavato. (3) Il venditore è inoltre tenuto a rimborsare al compratore le spese necessarie e utili fatte per la cosa, e, se era in mala fede, anche quelle voluttuarie.
Art. 1479 Guter Glaube des Käufers. (1) Der Käufer kann die Auflösung des Vertrags verlangen, wenn ihm bei Vertragsschluss nicht bekannt war, dass der Verkäufer nicht Eigentümer der Sache war und wenn dieser ihm nicht in der Zwischenzeit das Eigentum verschafft hat. (2) Unbeschadet der Vorschrift des Art. 1223 ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer den bezahlten Kaufpreis auch zu erstatten, wenn die Sache eine Wertminderung oder Verschlechterung erfahren hat. Er muss ihm außerdem die für den Vertrag berechtigterweise geleisteten Zahlungen ersetzen. Geht die Wertminderung oder Verschlechterung auf ein Verhalten des Käufers zurück, ist von dem oben bezeichneten Gesamtbetrag der Nutzen abzuziehen, den der Käufer gezogen hat. (3) Der Verkäufer ist ferner verpflichtet, dem Käufer die auf die Sache gemachten notwendigen und nützlichen Verwendungen, und, wenn er in bösem Glauben war, auch die Luxusverwendungen zu ersetzen.
Art. 1483 Evizione totale della cosa. (1) Se il compratore subisce l’evizione totale della cosa per effetto di diritti che un terzo ha fatti valere su di essa, il venditore è tenuto a risarcirlo del danno a norma dell’articolo 1479. (2) Egli deve inoltre corrispondere al compratore il valore dei frutti che questi sia tenuto a restituire a colui dal quale è evitto, le spese che egli abbia fatte per la denunzia della lite e quelle che abbia dovuto rimborsare all’attore.
Art. 1483 Vollständige Entziehung der Sache. (1) Erleidet der Käufer infolge der Rechte, die ein Dritter hinsichtlich der Sache geltend gemacht hat, deren vollständige Entziehung durch den Dritten, so ist der Verkäufer verpflichtet, ihm seinen Schaden gemäß Art. 1479 zu ersetzen.
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(2) Er hat darüber hinaus dem Käufer den Wert der Früchte zu ersetzen, die dieser dem Dritten herauszugeben hat. Ferner hat er dem Käufer die durch die Streitverkündung entstandenen sowie diejenigen Kosten ersetzen, die dieser dem Kläger erstatten musste. Art. 1939 Validità della fideiussione. La fideiussione non è valida se non è valida l’obbligazione principale, salvo che sia prestata per un’obbligazione assunta da un incapace. Art. 1939 Gültigkeit der Bürgschaft. Die Bürgschaft ist nicht gültig, wenn die Hauptschuld nicht gültig ist, es sei denn, sie wurde für die Verpflichtung eines Geschäftsunfähigen übernommen. Art. 1945 Eccezioni opponibili dal fideiussore. Il fideiussore può opporre contro il creditore tutte le eccezioni che spettano al debitore principale, salva quella derivante dall’incapacità. Art. 1945 Dem Bürgen zustehende Einwendungen. Der Bürge kann dem Gläubiger alle Einwendungen entgegenhalten, die dem Hauptschuldner zustehen, mit Ausnahme derjenigen der Geschäftsunfähigkeit. Art. 2028 Obbligo di continuare la gestione. (1) Chi, senza esservi obbligato, assume scientemente la gestione di un affare altrui, è tenuto a continuarla e a condurla a termine finché l’interessato non sia in grado di provvedervi da se stesso. (2) L’obbligo di continuare la gestione sussiste anche se l’interessato muore prima che l’affare sia terminato, finché l’erede possa provvedere direttamente. Art. 2028 Verpflichtung zur Weiterführung des Geschäfts. (1) Wer, ohne dazu verpflichtet zu sein, wissentlich die Besorgung eines fremden Geschäfts übernimmt, muss die Geschäftsführung fortsetzen und sie zu Ende führen, solange der Geschäftsherr nicht in der Lage ist, selber dafür zu sorgen. (2) Auch wenn der Geschäftsherr stirbt, bevor das Geschäft zu Ende geführt wird, besteht die Verpflichtung zur Fortsetzung der Geschäftsführung so lange weiter, bis der Erbe unmittelbar dafür sorgen kann.
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Art. 2029 Capacità del gestore. Il gestore deve avere la capacità di contrattare. Art. 2029 Geschäftsfähigkeit des Geschäftsführers. Der Geschäftsführer muss die Fähigkeit besitzen, Verträge abzuschließen. Art. 2030 Obbligazioni del gestore. (1) Il gestore è soggetto alle stesse obbligazioni che deriverebbero da un mandato. (2) Tuttavia il giudice, in considerazione delle circostanze che hanno indotto il gestore ad assumere la gestione, può moderare il risarcimento dei danni ai quali questi sarebbe tenuto per effetto della sua colpa. Art. 2030 Verpflichtungen des Geschäftsführers. (1) Der Geschäftsführer unterliegt den gleichen Verpflichtungen wie denen, die sich aus dem Auftrag ergeben würden. (2) Unter Berücksichtigung der Umstände, die den Geschäftsführer zur Übernahme des Geschäfts bewogen haben, kann das Gericht jedoch den Schadensersatz, zu dem der Geschäftsführer infolge seines Verschuldens verpflichtet wäre, herabsetzen. Art. 2031 Obblighi dell’interessato. (1) Qualora la gestione sia stata utilmente iniziata, l’interessato deve adempiere le obbligazioni che il gestore ha assunte in nome di lui, deve tenere indenne il gestore di quelle assunte dal medesimo in nome proprio e rimborsargli tutte le spese necessarie o utili con gli interessi dal giorno in cui le spese stesse sono state fatte. (2) Questa disposizione non si applica agli atti di gestione eseguiti contro il divieto dell’interessato, eccetto che tale divieto sia contrario alla legge, all’ordine pubblico o al buon costume. Art. 2031 Pflichten des Geschäftsherrn. (1) Wurde die Geschäftsführung in nützlicher Weise begonnen, muss der Geschäftsherr die Verbindlichkeiten erfüllen, die der Geschäftsführer in seinem Namen übernommen hat, den Geschäftsführer wegen der in eigenem Namen eingegangenen Verbindlichkeiten schadlos halten und ihm alle notwendigen oder nützlichen Aufwendungen nebst Zinsen seit dem Tag erstatten, an dem sie gemacht wurden. (2) Diese Vorschrift findet keine Anwendung auf Geschäftsführungshandlungen, die der Geschäftsführer entgegen dem Verbot des Geschäftsherrn vornimmt, es sei denn, das Verbot verstößt gegen das Gesetz, die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten.
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Art. 2881 Nuova iscrizione dell’ipoteca. Salvo diversa disposizione di legge se la causa estintiva dell’obbligazione è dichiarata nulla o altrimenti non sussiste ovvero è dichiarata nulla la rinunzia fatta dal creditore all’ipoteca, e la iscrizione non è stata conservata, si può procedere a nuova iscrizione e questa prende grado dalla sua data. Art. 2881 Neue Eintragung der Hypothek. Unbeschadet einer abweichenden gesetzlichen Bestimmung kann eine neue Eintragung mit dem Rang ihres Datums erwirkt werden, wenn der Erlöschungsgrund der Verbindlichkeit für nichtig erklärt wird oder sonst nicht zu Recht besteht oder wenn der von dem Gläubiger geleistete Verzicht auf die Hypothek für nichtig erklärt und die Eintragung nicht bestehen geblieben ist. Art. 2900 Condizioni, modalità ed effetti. (1) Il creditore, per assicurare che siano soddisfatte o conservate le sue ragioni, può esercitare i diritti e le azioni che spettano verso i terzi al proprio debitore e che questi trascura di esercitare, purché i diritti e le azioni abbiano contenuto patrimoniale e non si tratti di diritti o di azioni che, per loro natura o per disposizione di legge, non possono essere esercitati se non dal loro titolare. (2) Il creditore, qualora agisca giudizialmente, deve citare anche il debitore al quale intende surrogarsi. Art. 2900 Bedingungen, Modalitäten und Wirkungen. (1) Der Gläubiger kann zur Sicherung der Befriedigung oder der Erhaltung seiner Ansprüche die Rechte ausüben und die Klagen erheben, die seinem Schuldner gegen Dritte zustehen und die dieser geltend zu machen versäumt, sofern diese Rechte und Klagen vermögensrechtlichen Inhalt haben und es sich um Rechte oder Klagen handelt, die ihrem Wesen nach oder kraft gesetzlicher Bestimmung nur der Berechtigte geltend machen kann. (2) Geht der Gläubiger gerichtlich vor, muss er auch den Schuldner, in dessen Rechte er einzutreten beabsichtigt, laden. Art. 2910 Oggetto dell’espropriazione. (1) Il creditore, per conseguire quanto gli è dovuto, può fare espropriare i beni del debitore, secondo le regole stabilite dal Codice di procedura civile. (2) Possono essere espropriati anche i beni di un terzo quando sono vincolati a garanzia del credito o quando sono oggetto di un atto che è stato revocato perché compiuto in pregiudizio del creditore.
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Art. 2910 Gegenstand der Enteignung. (1) Um das, was ihm geschuldet wird, zu erlangen, kann der Gläubiger Sachen des Schuldners nach den von der Zivilprozessordnung festgesetzten Normen enteignen lassen. (2) Es können auch Sachen eines Dritten enteignet werden, wenn sie zur Sicherung der Forderung haften oder wenn sie Gegenstand einer Rechtshandlung sind, die für wirksam erklärt wurde, weil sie unter Benachteiligung des Gläubigers vorgenommen wurde. Art. 2920 Diritti di terzi sulla cosa mobile venduta. Se oggetto della vendita è una cosa mobile, coloro che avevano la proprietà o altri diritti reali su di essa, ma non hanno fatto valere le loro ragioni sulla somma ricavata dall’esecuzione, non possono farle valere nei confronti dell’acquirente di buona fede, né possono ripetere dai creditori la somma distribuita. Resta ferma la responsabilità del creditore procedente di mala fede per i danni e per le spese. Art. 2920 Rechte Dritter an der verkauften beweglichen Sache. Ist eine bewegliche Sache Gegenstand des Verkaufs, können diejenigen, die das Eigentum oder andere dingliche Rechte an ihr hatten, aber ihre Ansprüche auf den aus der Zwangsvollstreckung erlösten Betrag nicht geltend gemacht haben, weder diese Ansprüche gegenüber dem gutgläubigen Erwerber geltend machen, noch von den Gläubigern den verteilten Betrag zurückfordern. Die Haftung des bösgläubigen betreibenden Gläubigers für Schaden und Kosten bleibt unberührt. Art. 2921 Evizione. (1) L’acquirente della cosa espropriata, se ne subisce l’evizione, può ripetere il prezzo non ancora distribuito, dedotte le spese, e, se la distribuzione è già avvenuta, può ripeterne da ciascun creditore la parte che ha riscossa e dal debitore l’eventuale residuo, salva la responsabilità del creditore procedente per i danni e per le spese. (2) Se l’evizione è soltanto parziale, l’acquirente ha diritto di ripetere una parte proporzionale del prezzo. La ripetizione ha luogo anche se l’aggiudicatario, per evitare l’evizione, ha pagato una somma di danaro. (3) In ogni caso l’acquirente non può ripetere il prezzo nei confronti dei creditori privilegiati o ipotecari ai quali la causa di evizione non era opponibile. Art. 2921 Inanspruchnahme durch Dritte. (1) Verliert der Erwerber der enteigneten Sache diese aufgrund einer Inanspruchnahme durch Dritte, kann er den noch nicht verteilten Erlös, abzüglich der Kosten, zu-
Anhang: Wichtigste Vorschriften des italienischen Zivilgesetzbuches
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rückfordern. Ist die Verteilung bereits erfolgt, kann er von jedem Gläubiger den von diesem erhaltenen Teil und vom Schuldner den etwaigen Überrest zurückfordern, unbeschadet der Haftung des betreibenden Gläubigers für Schaden und Kosten. (2) Erfolgt nur eine teilweise Inanspruchnahme durch Dritte, hat der Erwerber das Recht, einen verhältnismäßigen Teil des Erlöses zurückzufordern. Die Rückforderung findet auch dann statt, wenn der Ersteher, um die Inanspruchnahme durch Dritte abzuwenden, einen Geldbetrag bezahlt hat. (3) In keinem Fall kann der Erwerber den Erlös gegenüber Gläubigern mit Vorzugsrechten oder Hypothekengläubigern zurückfordern, denen gegenüber der Rechtsgrund der Inanspruchnahme durch Dritte nicht eingewendet werden konnte.
Quellenverzeichnis Bas. 10,4,3,4 55 C. 2,21,5 pr. 22 C. 2,22 53 C. 2,22,1 55, 97–98 C. 2,23,1 44 C. 2,24,2 20, 30 C. 2,24,3 149 C. 2,24,5 149 C. 2,28,1 133, 135 C. 2,42,1 26 C. 2,42,2 26 C. 2,42,3 pr. 26 C. 2,42,4 26 C. 2,43,1 20 C. 2,47,1 pr.–2. 32 C. 2,52,7 28 C. 4,7,2 31 C. 4,28,2 96 C. 4,28,4 96 C. 4,28,5,2 87 C. 4,28,7 pr. 96 C. 5,12,30,1 62 C. 5,31,1 30 C. 5,71,1 20, 132, 134 C. 5,71,2,1 133, 136 C. 6,26,11,1 86 C. 8,45,2 136 D. 1,2,2,47 120 D. 1,6,4 24 D. 1,7,34 57 D. 1,7,44 57 D. 3,3,51 44 D. 3,5,10 80 D. 4,1,1 17
D. 4,1,2 17 D. 4,1,3 17 D. 4,1,6 24, 28 D. 4,2,9,8 34 D. 4,3,38 22 D. 4,4,1 pr. 20, 39 D. 4,4,1,1 17, 39, 121 D. 4,4,1,2 18 D. 4,4,1,4 27 D. 4,4,3,1 19, 22, 34 D. 4,4,3,4 25, 34, 42–44, 48, 50–53, 55–60, 62–66, 69, 74–75, 77–79, 81– 84, 87–88, 90–93, 96–103, 107–111, 143, 146 D. 4,4,3,5 19, 57, 60–62 D. 4,4,3,7 57–59 D. 4,4,3,7–8 57–58 D. 4,4,3,8 20, 60 D. 4,4,3,10 49 D. 4,4,3,11 89 D. 4,4,6 21 D. 4,4,7 pr. 19 D. 4,4,7,2 19, 30, 34, 149 D. 4,4,7,4 20 D. 4,4,7,5 19 D. 4,4,7,7 21–22 D. 4,4,7,11 20 D. 4,4,9 pr. 131, 135 D. 4,4,9,2 20, 26, 30 D. 4,4,9,4 26–27 D. 4,4,9,6 26 D. 4,4,11 17, 20, 23–24, 30–31, 100 D. 4,4,11,3 17 D. 4,4,11,4–5 23 D. 4,4,11,5 24 D. 4,4,11,7 99–100
Quellenverzeichnis D. 4,4,13 pr. 42, 44–45, 47, 65 D. 4,4,13,1 19, 38, 112, 115–117, 119– 120, 122–124, 128–130, 145 D. 4,4,13,4 121 D. 4,4,14 116–117, 119–120 D. 4,4,15 20, 116, 118–119 D. 4,4,16 pr. 17, 20, 25, 146 D. 4,4,16,1 14, 22, 25 D. 4,4,16,4 21 D. 4,4,16,5 20 D. 4,4,18,5 28 D. 4,4,19 pr. 28 D. 4,4,23 79, 81–83, 145, 162 D. 4,4,24 17, 19, 21–22, 27, 29, 32, 36– 39, 42, 78–80, 83, 123, 139, 143–144 D. 4,4,24 pr. 27, 78, 82, 153, 158 D. 4,4,24,1 17, 22, 29 D. 4,4,24,2 19 D. 4,4,24,4 19, 21, 32, 36–39, 139, 157 D. 4,4,24,5 39, 123 D. 4,4,25,1 27 D. 4,4,27 pr. 20, 42, 44, 74–78, 83, 109–110, 154 D. 4,4,27,1 19, 21, 36, 95, 156, 158– 159, 162 D. 4,4,27,2 34, 138, 142 D. 4,4,27,3 34, 138–139, 142 D. 4,4,29 pr. 18 D. 4,4,32 26, 148, 150–151, 162 D. 4,4,36 20 D. 4,4,38 pr. 20 D. 4,4,38,1 21 D. 4,4,39,1 146 D. 4,4,41 24, 35–40 D. 4,4,42 20 D. 4,4,44 17, 20, 22 D. 4,4,45 20 D. 4,4,47,1 36, 38 D. 4,4,48,1 26 D. 4,4,49 20, 134–135 D. 4,4,50 139 D. 4,5,2 pr. 26 D. 4,6,1,1 17, 34
D. 5,1,4 82–83 D. 5,1,57 49 D. 6,1,27,1 124 D. 6,1,27,3 124 D. 6,1,58 40 D. 12,1,18 34 D. 12,1,24 73 D. 12,1,29 89 D. 12,6,38,1 82–83 D. 13,6,3,4 101 D. 14,1,1,24 68 D. 14,1,5,1 70 D. 14,5,2 50, 107 D. 14,5,2 pr. 50 D. 14,5,2,1 50 D. 14,5,4 107 D. 14,5,5 50, 107 D. 14,5,5, pr. 50 D. 14,6,1 49, 85, 94 D. 14,6,1 pr. 85–86, 94, 104 D. 14,6,1,1 86 D. 14,6,1,3 49 D. 14,6,2 49 D. 14,6,3 pr. 99 D. 14,6,3,2 99–100 D. 14,6,7 pr. 86 D. 14,6,7,6 86 D. 14,6,7,11 96 D. 14,6,7,15 96 D. 14,6,9,2 101, 104, 106–107 D. 14,6,9,3 96, 105 D. 14,6,9,4 96 D. 14,6,12 55, 87, 96 D. 14,6,16 96 D. 14,6,19 98–99 D. 15,3,1 pr. 63 D. 15,4,1,1 95 D. 15,4,1,3 83 D. 15,4,2 pr. 91 D. 15,4,2,1 91 D. 15,4,5 pr. 89 D. 15,5,7 107
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Quellenverzeichnis
D. 16,1,8,2 34 D. 16,1,8,3 137 D. 16,1,32,1 113 D. 17,1,1 pr. 83 D. 17,1,12,7 und 9 83 D. 17,1,20 pr. 83 D. 19,1,13,29 17 D. 19,2,22,3 21 D. 20,5,7 133 D. 20,5,7,1 133 D. 20,5,12,1 136 D. 21,2,39 pr. 20, 24, 116, 118–119, 122, 124–125, 127–128, 130 D. 22,1,38 pr. 127 D. 22,6,9 pr. 99 D. 23,3,1 62 D. 24,3,1 62 D. 24,3,2,1 62 D. 24,3,29 pr. 61–62 D. 26,7,1,2 17 D. 26,7,25 20, 27, 148, 151, 153–156, 162 D. 26,7,32,4 36 D. 27,3,20,1 20, 148, 151–154, 162 D. 27,9,1,2 132 D. 27,9,3,1 132 D. 27,9 pr.–2 132 D. 29,2,8 44 D. 29,2,79 49 D. 37,6,1,2 20 D. 41,1,36 34 D. 42,8,9 113 D. 44,1,7,1 22, 44 D. 44,7,39 49 D. 45,1,45 pr. 49 D. 45,1,141,2 18, 101 D. 46,1,25 44 D. 46,2,1 pr. 137 D. 46,3,98 126–127, 130
D. 46,3,98 pr.–2 126 D. 46,3,98,2 127 D. 46,4,16 pr. 138 D. 46,4,16,1 138 D. 50,16,239 pr. 18 D. 50,17,107 89 D. 50,17,131 125 Gai Inst. 1,190 13 Gai Inst. 1,192 13 Gai Inst. 1,196 13 Gai Inst. 2,87 49 Gai Inst. 3,41 126 Gai Inst. 3,119 45 Gai Inst. 3,169 137 Gai Inst. 3,170 137 Gai Inst. 3,90 85 Gai Inst. 3,104 89, 101 Gai Inst. 3,106 17 Gai Inst. 3,109 17 Gai Inst. 3,110–114 61 Gai Inst. 4,72a) 63 Gai Inst. 4,118 108 Inst. 1,3,4 27 Inst. 1,21 pr. 17, 45 Inst. 1,21 pr.–2 17 Inst. 1,22 pr. 13 Inst. 1,23,2 30 Inst. 3,7,3 126 Inst. 3,15 pr. 73 Inst. 3,19,6 89 Inst. 4,7,7 86, 105–106 Inst. 4,7,8 89 Pauli sent. 1,9,6 46 Pauli sent. 1,18(9),2 78
Schrifttumsverzeichnis I. Quellenangaben Basilicorum libri LX, Bd. 2: IX–XVI, Scheltema, H.J./Van der Wal, N. (Hrsg.), Groningen, 1956 (zitiert: Bas.). Behrends, Okko/Knütel, Rolf/Kupisch, Berthold/Seiler, Hans Hermann (Hrsg.): Corpus Iuris Civilis, Text und Übersetzung auf der Grundlage der von Theodor Mommsen und Paul Krüger besorgten Textausgaben, Bd. II: Digesten 1–10, Heidelberg 1995 (zitiert: C.I.C., Text und Übersetzung, Bd. II). – (Hrsg.): Corpus Iuris Civilis, Text und Übersetzung auf der Grundlage der von Theodor Mommsen und Paul Krüger besorgten Textausgaben, Bd. III: Digesten 11– 20, Heidelberg 1999 (zitiert: C.I.C., Text und Übersetzung, Bd. III). Codex Iustinianus von Paul Krüger, in: 100 Jahre Bürgerliches Gesetzbuch, Pandektenrecht (62), Nachdruck der Ausg. Berlin 1877, Goldbach (bei Aschaffenburg) 1998 (zitiert: C.). Digesta, Institutiones (Iustiniani), in: Corpus Iuris Civilis, Bd. 1: Institutiones, bearb. von Paul Krüger, Digesta, bearb. von Theodor Mommsen, 22. Aufl., Dublin/Zürich 1973, Nachdruck der 11. Aufl., Berlin 1908 (zitiert: D., Inst.). Manthe, Ulrich (Hrsg.): Gaius institutiones, die Institutionen des Gaius. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Ulrich Manthe, 2. Aufl., Darmstadt 2010 (zitiert: Gai Inst.). Liebs, Detlef: Die pseudopaulinischen Sentenzen II, Versuch einer neuen Palingenesie, Ausführung, in: SZ 113 (1996), 132–242 (zitiert: Pauli sent.). Otto, Carl Eduard/Schilling, Bruno/Sintenis, Carl Friedrich Ferdinand (Hrsg.): Das Corpus Juris Civilis in’s Deutsche übersetzt von einem Vereine Rechtsgelehrter, erster Band, 2. Aufl., Leipzig 1839 (zitiert: Otto/Schilling/Sintenis, Bd. I). – (Hrsg.): Das Corpus Juris Civilis in’s Deutsche übersetzt von einem Vereine Rechtsgelehrter, zweiter Band, Leipzig 1831 (zitiert: Otto/Schilling/Sintenis, Bd. II). – (Hrsg.): Das Corpus Juris Civilis in’s Deutsche übersetzt von einem Vereine Rechtsgelehrter, vierter Band, Leipzig 1832 (zitiert: Otto/Schilling/Sintenis, Bd. IV). Spruit, Johannes Emil u. a. (Hrsg.): Corpus Iuris Civilis: Tekst en Vertaling, Bd. II, Digesten 1–10, Zutphen 1994 (zitiert: Spruit, C.I.C., Bd. II). Watson, Alan: The digest of Justinian, translation edited by Alan Watson, Band I, überarbeitete Neuauflage, Philadelphia 1998 (zitiert: Watson, Digest, Bd. I).
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Schrifttumsverzeichnis
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Kränzlein, Arnold: Zur cura minorum in klassischer Zeit, in: Aktuelle Fragen aus modernem Recht und Rechtsgeschichte, Gedächtnisschrift für Rudolf Schmidt, Berlin 1966 (zitiert: Kränzlein, Cura minorum). Kreller, Hans: Das Edikt de negotiis gestis in der klassischen Praxis, SZ 59 (1939), 390–431 (zitiert: Kreller, Edikt de negotiis gestis). Kroppenberg, Inge: Die Insolvenz im klassischen römischen Recht, Tatbestände und Wirkungen außerhalb des Konkursverfahrens, Mainz 2000 (zitiert: Kroppenberg, Insolvenz). Kunkel, Wolfgang: Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. Aufl., Köln u. a. 1967 (zitiert: Kunkel, Stellung der Juristen). Kupisch, Berthold: In integrum restitutio und vindicatio utilis bei Eigentumsübertragungen im klassischen römischen Recht, Berlin 1974 (zitiert: Kupisch, I. i. r.). Laborenz, Martin: Solutio als causa. Die Frage des Abstraktionsprinzips im römischen Recht, Köln 2014 (zitiert: Laborenz, Solutio als causa). Larenz, Karl: Lehrbuch des Schuldrechts, Erster Band, Allgemeiner Teil, 14. Aufl., München 1987 (zitiert: Larenz, Schuldrecht, Bd. I). Lenel, Otto: Das Edictum Perpetuum, 3. Aufl., Leipzig 1927 (zitiert: Lenel, EP). – Palingenesia iuris civilis, Bd. 1, Nachdruck der in Leipzig im Jahre 1889 erschienenen Ausgabe, vermehrt um das Supplementum von L.E.Sierl, Graz 1960 (zitiert: Lenel, Palingenesia, Bd. I). Levy, Ernst: Zur Lehre von den sog. actiones arbitrariae, SZ 36 (1915), 1–82 (zitiert: Levy, Actiones arbitrariae). – Die Konkurrenz der Aktionen und Personen im klassischen römischen Recht, Bd. 1, Aalen 1964, Neudruck der Ausgabe Berlin 1918 (zitiert: Levy, Konkurrenz). – Zur nachklassischen in integrum restitutio, SZ 68 (1951), 360–434 (zitiert: Levy, Zur nachklassischen i. i. r.). Liebs, Detlef: Römische Provinzialjurisprudenz, in: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt, Geschichte und Kultur Roms im Spiegel der neueren Forschung, 2. Principat, Bd. 15, hrsg. von Hildegard Temporini, Berlin 1976, 288–362 (zitiert: Liebs, Römische Provinzialjurisprudenz). – Römische Jurisprudenz in Afrika; mit Studien zu den pseudopaulinischen Sentenzen, 2. Aufl., Berlin 2005 (zitiert: Liebs, Römische Jurisprudenz in Afrika). Longo, Sara: Filius familias se obligat? Il problema della capacità patrimoniale dei filii familias, Mailand 2003 (zitiert: Longo, Filius familias se obligat?). Lucrezi, Francesco: Il problema del mutuo di denaro erogato al filius familias, Neapel 1993 (zitiert: Lucrezi, Mutuo). – Senatusconsultum Macedonianum, Neapel 1992 (zitiert: Lucrezi, SCM). Martini, Remo: Il problema della causae cognitio praetoria, Mailand 1960 (zitiert: Martini, Causae cognitio). Mommsen, Theodor: Abriss des römischen Staatsrechts, Nachdruck der 2. Aufl. von 1907, Darmstadt 1982 (zitiert: Mommsen, Abriss StR).
200
Schrifttumsverzeichnis
Münchener Kommentar zum Anfechtungsgesetz, herausgegeben und bearbeitet von Hans-Peter Kirchhof, München 2012 (zitiert: MüKo, AnfG). Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 1, allgemeiner Teil, §§ 1– 240, ProstG, AGG, Redakteur: Säcker, Franz Jürgen, 6. Aufl., München 2012; Band 2, Schuldrecht, allgemeiner Teil, §§ 241–432, Redakteur: Krüger, Wolfgang, 6.Aufl., München 2012; Band 4, Schuldrecht, besonderer Teil II, §§ 611–704, Redakteur: Henssler, Martin, 6. Aufl., München 2012; Band 6, Sachenrecht, §§ 854– 1296, Redakteur: Gaier, Reinhard, 5.Aufl., München 2009 (zitiert: MüKo, BGB). Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, Band 1, §§ 1–354, Rauscher, Thomas u. a. (Hrsg.), 4. Aufl., München 2013; Band 2, §§ 355–1024, Rauscher, Thomas u. a. (Hrsg.), 4. Aufl., München 2012 (zitiert: MüKo, ZPO). Musumeci, Francesco: L’interpretazione dell’editto sui minori di 25 anni secondo Ofilio e Labeone, in: Nozione formazione e interpretazione del diritto dall’età romana alle esperienze moderne. Richerche dedicate al Professor Filippo Gallo II, Neapel 1997, 39–58 (zitiert: Musumeci, Interpretazione dell’editto). – Editto sui minori di 25 anni e ,ius controversum‘ nell’età dei Severi, in: Iuris vincula, Studi in onore di Mario Talamanca, Bd. 6, Neapel 2001, 33–72 (zitiert: Musumeci, Editto sui minori). – Protezione Pretoria dei minori di 25 anni e ius controversum in età imperiale, Turin 2013 (zitiert: Musumeci, Protezione pretoria). – „Quod cum minore . . . gestum esse dicetur“. Formulazione edittale e sua concreta attuazione in età imperiale, in: RHD 84 (2006), 513–531 (zitiert: Musumeci, Quod cum minore). Nicosia, Giovanni: Exceptio utilis, SZ 75 (1958), 251–301 (zitiert: Nicosia, Exceptio utilis). Nishimura, Shigeo: Ein vergessenes Beispiel für die Haftung der Kuratoren des Minderjährigen: D. 4,4,32 (Paul. 1 quaest.), in: Festschrift für Rolf Knütel zum 70. Geburtstag, hrsg. von Altmeppen, Holger u. a., Heidelberg u. a. 2009, 813–831 (zitiert: Nishimura, Haftung der Kuratoren). – Zur sog. freien Wahl zwischen in integrum restitutio wegen Minderjährigkeit und der Haftung des curator in Diocl. C. 2, 24, 3 und 5, in: Byoung Jo Choe (Hrsg.), Law, Peace, and Justice: A Historical Survey, Seoul 2007, 101–129 (zitiert: Nishimura, Freie Wahl). Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Auflage, München 2014 (zitiert: Palandt). Patti, Salvatore (Hrsg.): Italienisches Zivilgesetzbuch, Verbrauchergesetzbuch, Codice Civile Italiano, Codice del Consumo, 2. Aufl., München 2012 (zitiert: Patti, Codice civile). Perozzi, Silvio: Istituzioni di diritto romano, Bd. 1, Nachdruck der Ausgabe von 1928, Rom 2002 (zitiert: Perozzi, Istitutioni, Bd. I). Pescatore, Gabriele/Ruperto, Cesare (Hrsg.): Codice civile annotato con la giurisprudenza della Corte Costituzionale, della Corte di Cassazione e delle giurisdizioni amministrative superiori, Bd. I, Artt. 1–1469 bis, 14. Aufl., Mailand 2007 (zitiert: Pescatore/Ruperto, Codice civile).
Schrifttumsverzeichnis
201
Planck, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, I. Band, Allgemeiner Teil (§§ 1– 240) 4. Aufl., Berlin 1913 (zitiert: Planck’s Kommentar zum BGB, Bd. I). Puchta, Georg Friedrich: Cursus der Institutionen, zweiter Band, System und Geschichte des römischen Privatrechts, 9. Aufl., Leipzig 1881 (zitiert: Puchta, Cursus der Institutionen, Bd. II.). Pringsheim, Fritz: Subsidiarität und Insolvenz, SZ 41 (1920) (zitiert: Pringsheim, Subsidiarität und Insolvenz). Ravazzoni, Alberto: Fideiussione (diritto civile), Novissimo Digesto Italiano VII, Turin 1961 (zitierte: Ravazzoni, Fideiussione). Sacco, Rodolfo: Il contratto, Band 2, 3. Aufl., Turin 2004 (zitiert: Sacco, Il contratto). Salomone, Annamaria: Iudicati velut obligatio, storia di un dovere giuridico, Neapel 2007 (zitiert: Salomone, Iudicati velut obligatio). Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen römischen Rechts, Band 7, Berlin 1848 (zitiert: Savigny, System, Bd. VII). – Von dem Schutz der Minderjährigen im römischen Recht, und insbesondere von der Lex Plaetoria, in: Vermischte Schriften, zweiter Band, Berlin 1850, 321–395 (zitiert: Savigny, Plaetoria). Schleppinghoff, Andrea Monika Maria: Actio quod iussu: die Geheißklage und ihre Bedeutung für die Entwicklung des Stellvertretungsgedankens im 19. Jahrhundert, Köln 1996 (zitiert: Schleppinghoff, Actio quod iussu). Schulz, Fritz: Klagen-Cession im Interesse des Cessionars oder des Cedenten im klassischen römischen Recht, SZ 27 (1906), 82–150 (zitiert: Schulz, Klagen-Cession). Soergel: Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen; Kohlhammer-Kommentar, begr. von Hs. Th. Soergel, neu hrsg. von W. Siebert u. a., Band 2, Allgemeiner Teil, §§ 104–240, wiss. ReD. Manfred Wolf, Stuttgart 1999 (zitiert: Soergel, BGB). Solazzi, Siro: La minore età nel diritto romano, Rom 1912 (zitiert: Solazzi, Minore età). Spaltenstein, Michael: Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, ein römischrechtlicher Versuch, Berlin 1873 (zitiert: Spaltenstein, Wiedereinsetzung). Talamanca, Mario: Istituzioni di diritto romano, Mailand 1990 (zitiert: Talamanca, Istituzioni). Torrente, Andrea/Schlesinger, Piero: Manuale di diritto privato, 20. Aufl., Mailand 2011 (zitiert: Torrente/Schlesinger, Diritto privato). Wacke, Andreas: Circumscribere, gerechter Preis und die Arten der List, SZ 94 (1977), 184–246 (zitiert: Wacke, Circumscribere). – Die Notbedarfseinrede des enterbten Haussohns. Wirkungen der Erbschaftsausschlagung für das peculium und Abwicklung der Pekuliarschulden bei Beendigung der Hausgewalt, in: Studia et documenta historiae et iuris, 60 (1994), 469–497 (zitiert: Wacke, Notbedarfseinrede).
202
Schrifttumsverzeichnis
– Das Verbot der Darlehensgewährung an Hauskinder und die Gebote wirtschaftlicher Vernunft. Der Macedonianische Senatsbeschluss in Theorie und Praxis, SZ 112 (1995), 239–329 (zitiert: Wacke, Darlehensgewährung an Hauskinder). – Die adjektizischen Klagen im Überblick. Erster Teil: Von der Reeder- und der Betriebsleiterklage zur direkten Stellvertretung, SZ 111 (1994), 280–362 (zitiert: Wacke, Adjektizische Klagen). – Peculium non ademptum videtur tacite donatum, IURA 42 (1991), 43–95 (zitiert: Wacke, Peculium non ademptum). – Zum Rechtsschutz Minderjähriger gegen geschäftliche Übervorteilung – besonders durch die exceptio legis Plaetoriae, TR 48 (1980), 203 (zitiert: Wacke, Minderj.). Wesener, Gunter: Rezension zu Kupisch, I. i. r. (siehe dort), TR 44 (1976), 169–172 (zitiert: Wesener, Rez. Kupisch). Wieacker, Franz: Römische Rechtsgeschichte: Quellenkunde, Rechtsbildung, Jurisprudenz und Rechtsliteratur; erster Abschnitt: Einleitung, Quellenkunde, Frühzeit und Republik, München 1988 (zitiert: Wieacker I). Zimmermann, Reinhard: The Law of Obligations, Roman Foundations of the Civilian Tradition, Nachdruck der Erstausgabe von 1990, Cape Town 2006 (zitiert: Zimmermann, Law of Obligations).
Stichwortverzeichnis acceptilatio 137–139, 141–144, 168 actio de in rem verso 63, 69
Geschäftsführung ohne Auftrag 42, 150, 166–167, 173
actio de peculio 63, 69, 75–76, 87, 94– 96, 105–107
grande damnum 115, 131, 134–135
actio Fabiana 126–127, 130
Haussohn 32, 52–55, 58–60, 62–63, 65, 68–73, 76, 81–86, 88–89, 91–102, 104–106, 110, 143–144, 146
actio in personam 122–125, 127–128, 130, 144 actio in rem 122–123, 125, 128–129, 144 actio legis Plaetoriae 14, 21 actio mandati contraria 46, 83, 147 actio negotiorum gestorum 79–80, 150, 152 actio quod iussu 63–64, 67, 73, 90–91, 95–96 actio tutelae 152
Haustochter 19, 57–58, 60–62, 91, 101, 105–108 Hausvater 28, 42–44, 48–51, 56, 62–66, 69–71, 73–77, 80, 84, 87–89, 94, 99, 102–104, 106, 109–110, 141, 143, 145, 166 iussum 35, 38, 54–55, 69, 82–83, 87–91, 93, 95–98, 100, 110, 153
Akzessorietät 45, 64, 69, 172 Akzessorietätsdurchbrechung 172
Kreditauftrag 46
Altschuldner 111–112, 137–143, 168 Annullierbarkeit 169–172, 176
litis contestatio 46, 68, 74
beneficium competentiae 50, 107
Mitgift 61–62, 126
Bürge 40, 42–48, 52, 56, 66, 68, 70, 73– 74, 80, 83, 108–110, 112, 138, 140– 141, 166, 172, 187
Novation 112, 137–143, 168 Pauli sententiae 78
condictio 31, 38, 73, 86, 89–91, 94, 157
peculium 18, 28, 49, 51–54, 62–63, 69, 104, 106, 110, 144
Darlehen 31, 46, 49, 53–57, 85, 87–91, 93–94, 97–100, 104–107, 111, 156– 157, 159
Pfandkäufer 111, 113–115, 131, 133– 136, 144, 167 Pfleger 30, 148–154, 162 pupillus 18, 91, 133, 151
Eviktionshaftung 119, 125, 136, 174 Fideikommiss 59
Restitutionsverfahren 41, 43, 108, 122, 125, 128, 144
204
Stichwortverzeichnis
Schuldbefreiung 115, 136–137 Schutzzweckzusammenhang 46, 140 SCM 85–88, 92–107, 111, 156
Verpflichtungsfähigkeit 49, 85, 101, 103–104 vindicatio utilis 37–38, 40, 122, 124– 125, 127–128, 130
Sicherungsgeber 111, 137–143, 168, 175 Vermögensfähigkeit 49–50, 102, 156
Zweitkäufer 114–124, 135–136, 144– 145