Ex causa furtiva condicere im klassischen römischen Recht.: Dissertationsschrift. Dissertationsschrift 3428063236, 9783428063239


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Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
A. Allgemeine Begriffsbestimmungen
I. Die condictio im klassischen römischen Recht
1. Begriff und Rechtsnatur der condictio
2. Die Formel der condictio
3. Tatbestandsmerkmale
II. Das furtum
1. Begriff und Inhalt
2. Abgrenzung zu anderen Delikten
III. Fälle, in denen bei Vorliegen eines furtum die condictio gewährt wird
B. Ex causa furtiva condicere
I. Historische Grundlagen
II. Dogmatische Grundlagen
1. Rechtsnatur der condictio im furtum-Fall
2. Die condictio als actio in personam
3. Die condictio als sachverfolgende Klage
4. Verzugshaftung des Diebes und Grundsatz der perpetuatio obligationis
III. Die Aktivlegitimation zur condictio
1. Die Aktivlegitimation des Eigentümers
a) Grundsätzliches zur Aktivlegitimation des Eigentümers zur condictio
b) Die Aktivlegitimation des Verkäufers
c) Die Aktivlegitimation des Verleihers
d) Die Aktivlegitimation des Verpächters
e) Die Aktivlegitimation des Eigentümers im Rahmen von Drittbeteiligungsverhältnissen
(aa) Die Aktivlegitimation zur condictio, wenn der Gläubiger seinen Schuldner anweist, an einen Dritten zu zahlen
(bb) Die Aktivlegitimation zur condictio, wenn ein procurator für seinen Geschäftsherrn an den Gläubiger zahlt
(cc) Die Aktivlegitimation zur condictio, wenn der Schuldner an einen falsus procurator des Gläubigers zahlt
f) Die Aktivlegitimation des Eigentümers im Falle des Nießbrauchs
2. Die Aktivlegitimation des Erben des bestohlenen Eigentümers
3. Die Aktivlegitimation der Miteigentümer
4. Die Aktivlegitimation der Personen domini loco
5. Die Aktivlegitimation des Pfandgläubigers
6. Die Aktivlegitimation des Grundstücksbesitzers zur sog. condictio possessionis
IV. Die Passivlegitimation zur condictio
1. Die Passivlegitimation des Diebes
a) Die Passivlegitimation des fur
b) Die Passivlegitimation des filius familias
c) Die Haftung des Sklaven
d) Die Haftung des gesetzlichen Vertreters
2. Die Passivlegitimation der Ehefrau, die ihren Ehemann bestohlen hat
a) Die actio rerum amotarum
b) Die grundsätzliche Haftung der Ehefrau
c) Die Haftung der Ehefrau für einen vor der Ehe begangenen Diebstahl
d) Die Haftung der Ehefrau für einen während der Ehe begangenen Diebstahl
3. Die Passivlegitimation des „gesetzlichen Vertreters“ des Diebes oder unmündiger Diebeserben
4. Die Passivlegitimation des Erben des Diebes
5. Die Passivlegitimation des dominus eines diebischen Sklaven oder Gewaltunterworfenen
a) Grundsätzliches zur Haftung des dominus eines diebischen Sklaven
b) Haftung des Herrn, wenn er einen diebischen Sklaven gekauft hat
c) Haftung des Gewalthabers für den Diebstahl eines Hauskindes
6. Die Passivlegitimation des Diebesgehilfen
V. Die Rechtsfolgen des condicere ex causa furtiva
1. Der Grundsatz der condemnatio pecuniaria
2. Die Schadensersatzverpflichtung des Beklagten
VI. Konkurrenzfragen
1. Condictio und actio furti
2. Condictio und rei vindicatio
3. Condictio und actio legis Aquiliae
4. Condictio und actio vi bonorum raptorum
5. Condictio und Vertragsklagen
VII. Zusammenfassung: Thesen
Literaturverzeichnis
Quellenverzeichnis
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Ex causa furtiva condicere im klassischen römischen Recht.: Dissertationsschrift. Dissertationsschrift
 3428063236, 9783428063239

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WOLFRAM PIKA

Ex causa furtiva condicere im klassischen römischen Recht

Berliner Juristische Abhandlungen unter Mitwirkung von Manfred Harder und Georg Thielmann herausgegeben von

Ulrich von Lübtow

Band 32

Ex causa furtiva condicere im klassischen römischen Recht

Von Dr. Wolfram Pika

Duncker & Humblot / Berlin

Gedruckt mit Unterstützung der Professor Dr. Dietrich Lang-Hinrichsen-Stiftung in Mainz

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Pika, Wolfram: Ex causa furtiva condicere im klassischen römischen Recht·/ von Wolfram Pika. - Berlin : Duncker u. Humblot, 1988 (Berliner juristische Abhandlungen ; Bd. 32) Zugl.: Mainz, Univ., Diss., 1986 ISBN 3-428-06323-6 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten

© 1988 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Irma Grininger, Berlin 62 Druck: Werner Hildebrand, Berlin 6S Printed in Germany ISBN 3-428-06323-6

Meinen Eltern

Vorwort Diese Arbeit ist die leicht überarbeitete und ergänzte Fassung der im Sommersemester 1986 vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz angenommenen Dissertation. Bei der Durchsicht ergab sich die Gelegenheit, einige nach Abschluß der Arbeit publizierte Werke einzubeziehen. Besonders hervorgehoben sei hier das nunmehr in 4. Auflage vorliegende Lehrbuch zum Römischen Recht, begründet von Paul Jörs, Wolfgang Kunkel und Leopold Wenger, jetzt neu bearbeitet von Heinrich Honsell, Theo Mayer-Maly und Walter Selb. An dieser Stelle richte ich meinen besonderen Dank an Herrn Professor Dr. Manfred Harder, der mir zu jeder Zeit mit Rat und Hilfe bei der Erstellung dieser Arbeit zur Seite gestanden hat. Für die Aufnahme meiner Dissertation in die Reihe der "Berliner Juristischen Abhandlungen" bin ich Herrn Professor Dr. Ulrich von Lübtow außerordentlich dankbar. Mainz, im Dezember 1987

Wolfram Pika

Inhaltsverzeichnis Einleitung

9

A. Allgemeine Begriffsbestimmungen

11

I. Die condictio im klassischen römischen Recht .................. . ....

11

1. Begriff und Rechtsnatur der condictio .................•........

11

2. Die Formel der conCllctio ....................................

11

3. Tatbestandsmerkmale

12

11. Das Jurtum .......................•...........................

15

1. Begriff und Inhalt ..............................•............

15

2. Abgrenzung zu anderen Delikten ...•..........................

18

III. Fälle, in denen bei Vorliegen eines Jurtum die condictio gewährt wird ..•.

19

B. Ex causa furtiva condicere

21

I. Historische Grundlagen ...........•.............................

21

11. Dogmatische Grundlagen ...........•...............•............

26

1. Rechtsnatur der condictio im furtum-Fall .......................

26

2. Die condictio als actio in personam ............................

26

3. Die condictio als sachverfolgende Klage ...•.•...........•......

28

4. Verzugshaftung des Diebes und Grundsatz der perpetuatio obligationis

30

III. Die Aktivlegitimation zur condictio ..........................•.....

35

1. Die Aktivlegitimation des Eigentümers ........•................

35

a) Grundsätzliches zur Aktivlegitimation des Eigentümers zur condictio ....•.....•....... ........•..•.......... '" .. . .. .... 35 b) Die Aktivlegitimation des Verkäufers .....•.....•.........•..

43

6

Inhaltsverzeichnis c) Die Aktivlegitimation des Verleihers .........................

46

d) Die Aktivlegitimation des Verpächters .......................

50

e) Die Aktivlegitimation des Eigentümers im Rahmen von Drittbeteiligungsverhältnissen ......................................

50

(aa) Die Aktivlegitimation zur condictio, wenn der Gläubiger seinen Schuldner anweist, an einen Dritten zu zahlen ........

50

(bb) Die Aktivlegitimation zur condictio, wenn ein procurator für seinen Geschäftsherrn an den Gläubiger zahlt ............

53

(cc) Die Aktivlegitimation zur condictio, wenn der Schuldner an einen falsus procurator des Gläubigers zahlt .............

56

f) Die Aktivlegitimation des Eigentümers im Falle des Nießbrauchs

62

2. Die Aktivlegitimation des Erben des bestohlenen Eigentümers .....

64

3. Die Aktivlegitimation der Miteigentümer .......................

68

4. Die Aktivlegitimation der Personen domini loco .................

70

5. Die Aktivlegitimation des Pfandgläubigers ......................

71

6. Die Aktivlegitimation des Grundstücksbesitzers zur sog. condictio possessionis ................................................

73

IV. Die Passiv[egitimation zur condictio ...............................

75

1. Die Passivlegitimation des Diebes .............................

75

a) Die Passiv legitimation des fur ..............................

75

b) Die Passivlegitimation des filius familias .....................

76

c) Die Haftung des Sklaven ..•...............................

76

d) Die Haftung des gesetzlichen Vertreters ......................

78

2. Die Passivlegitimation der Ehefrau, die ihren Ehemann bestohlen hat

79

a) Die actio rerum amotarum ................................

79

b) Die grundsätzliche Haftung der Ehefrau .....................

80

c) Die Haftung der Ehefrau für einen vor der Ehe begangenen Diebstahl ...................................................

82

d) Die Haftung der Ehefrau für einen während der Ehe begangenen Diebstahl ...............................................

83

3. Die Passivlegitimation des "gesetzlichen Vertreters" des Diebes oder unmündiger Diebeserben ........••.....•..................•....

87

4. Die Passivlegitimation des Erben des Diebes ....................

88

5. Die Passivlegitimation des dominus eines diebischen Sklaven oder Gewaltunterworfenen ..........................................

89

Inhaltsverzeichnis

7

a) Grundsätzliches zur Haftung des dominus eines diebischen Sklaven

89

b) Haftung des Herrn, wenn er einen diebischen Sklaven gekauft hat

93

c) Haftung des Gewalthabers für den Diebstahl eines Hauskindes ..

96

6. Die Passivlegitimation des Diebesgehilfen ....................... 100 V. Die Rechtsjolgen des condicere ex causa jurtiva

102

1. Der Grundsatz der condemnatio pecuniaria ..................... 102

2. Die Schadensersatzverpflichtung des Beklagten .........•..•..•.. 102 VI. Konkurrenzjragen .•..................................•...•..•.. 108 1. Condictio und actio furti ..................................... 108

2. Condictio und rei vindicatio .........................•.....•.. 109 3. Condictio und actio legis Aquiliae ....................•.....••. 112 4. Condictio und actio vi bonorum raptorum .............•........ 114 5. Condictio und Vertragsklagen ......•.......................... 116 VII. Zusammenfassung: Thesen ..............................•........ 117

Literaturverzeichnis ...................................•.....•........ 120 QueUenverzeichnis .........•.....••...........•.............•........ 143

Einleitung Beim Studium der Literatur zum klassischen römischen Kondiktionenrecht fällt auf, daß man anscheinend neben den verschiedenen Kondiktionsformen eine besondere "condictio ex causa furtiva" annimmt, die nicht bloß einen speziellen Anwendungsfall der condictio darstellt, sondern offenbar eine eigenständige condictio ist I. Nach ganz überwiegender Meinung steht diese "condictio ex causa furtiva" zu den allgemeinen Grundsätzen des Kondiktionensystems des klassischen römischen Rechts in einem, wie Girard 2 sagt; schwer wegzuleugnenden Widerspruch. Sie wird als systemwidrig3, "illogical"4 oder singulär5 bezeichnet. Kreller6 verweist in seinem Lehrbuch zum römischen Recht auf "die bekannten Skrupel bei der condictio furtiva". Claus bezeichnet sie als "spezielle condictio" 7. Einig ist man sich jedenfalls über die Eigentümlichkeit 8 der condictio ex causa furtiva und findet sich damit ab, daß sie eine Anomalie darstelle9 • Dies beruhe darauf, daß dem aus der "condictio ex causa jurtiva" Verpflichteten eine dareVerpflichtung oblag, die nicht auf Übereignung gerichtet war; denn der dem Anspruch zugrunde liegende Diebstahl machte den Dieb ja nicht zum Eigentümer. Dare bedeute im klassischen Recht eine Verpflichtung zur Übertragung des Eigentums 10. Gleichwohl hätten die "Bedürfnisse des Lebens die condictio furtiva zur Notwendigkeit" gemachtlI. Nach einhelliger Ansicht kommt daher der "condictio ex causafurtiva" eine Sonderstellung ZU12. Hierbei spielen materielle und prozessuale Fragen eine Rolle. 1 Buckland, S. 582; Schwind, S. 343; Rabel. S.119;Biondi, S. 527; Claus, S. 297; Kaser I, S. 593 ( .. gewisse Sonderstellung"). 2 Girard I, S. 446. 3 Schwind, S. 343. 4 Buckland, S. 582; Nicholas, S. 215; Thomas, Textbook, S. 360. 5 Rabel, S. 119; Biondi, S. 527; Guarino, S. 896. 6 Kreller, S. 322 mit Anm. 5. 7 Claus, S. 297. 8 Wendt, S. 687; Crome, S. 198. 9 Sa1ligny V, S. 566; Lee, S. 375; HU1lelin I, S. 279 Anm. 1; Pflüger, Eigentum, S.130 Anm. I; Kaser, Al, S. 288; Donatuti, St. Parmensi, S. 41; dOrs, AHDE 31, S. 629; BucklandlMcNair, S. 215; Sturm, St. Sanfilippo 111, S. 634; Schulz, CRL, S. 618 ("irregular"). 10 Wendt, S. 687; Roby 11, S. 125; Schwind, S. 343; Kreller, S. 322 mit Anm. 5. II Wendt, S. 687. 12 11. Mayr, S. 399; 11. Koschembahr-Lyskowski 11, S. 183; Le1lY I, S. 279; Schwarz, S. 291; Marrone, APal. 26, S. 569 Anm. 384; Scharr, S. 1202 Anm. I; dOrs, AHDE 31, S. 632, 633; ders., RIDA 12, S. 457; Watson, S. 233; 11. Lübtow, Aquilia, S. 114; Liebs, Konk., S. 132 f.; KaserI, S. 501,593; HausmaningerlSelb, S. 325.

10

Einleitung

Die bisher wohl als herrschende Meinung zu bezeichnende Ansicht zur condictio im }Urtum-Fall bedarf der kritischen Überprüfung. Anhand der Grundsätze zum römischen Kondiktionenrecht soll gezeigt werden, daß die sog. "condictio ex causa !urtiva" bloß ein Anwendungsfall der condictio ist und durchaus mit den allgemeinen Kondiktionsregeln vereinbar ist.

A. Allgemeine Begriffsbestimmungen I. Die condictio im klassischen römischen Recht 1. Begriff und Rechtsnatur der condictio

Condictio war im klassischen römischen Recht ein prozessualer terminus technicus 1• Sie steht im Gegensatz zu allen honorariae actiones, allen Klagen in rem, allen Pönalklagen sowie allen bonae-jidei-actioneJ. Sie ist eine strengrechtliche Klage (actio stricti iuris)3 und als zivile actio in personam4 auf certam pecuniam dari oder aliam certam rem dari gerichtet. Außerdem wird man bereits in klassischer Zeit mit einer condictio incerti zu rechnen habens.

Die condictio als abstrakte Klage 6 hat einen vielseitigen Anwendungsbereich 7 und dient - allgemein gesagt - dazu, die fehlende Rechtfertigung einer Vermögensverschiebung auszugleichen 8 • 2. Die Formel der condictio

Die intentio der condictio ist abstrakt gefaßt, d.h., sie nennt den der Klage zugrunde liegenden Verpflichtungsgrund nicht 9 • Die Worte "ex stipulatu" oder "ex mutuo" tauchen ebensowenig auf wie "ex causajurtiva". Sie ist eine Klage mit je einer Formel für certa pecunia und für alia (certa) res lO • Schwarz, S. 291. Savigny V, S. 503. 3 Savigny V, S. 107,503; Baron, S. 165; Heilfron. S. 390 Anm. 14; Girard 1, S. 662; Kreller, S. 322; Buckland, S. 682; Scharr, S. 828, 1190 Anm. 2; Nicholas, S. 229; Kaser I, S. 593; ders., Kurzlehrbuch, S. 193; Thomas, Textbook, S. 326; Hausmaninger / Selb, S. 324. 4 Baron, S. 165; Heilfron, S. 390 Anm. 14; Girard I, S. 662; Endemann, S. 82; Kreller, S. 322; Buckland, S. 682; Lee, S. 449; Scharr, S. 828 mit Anm. 2; Nicholas, S. 215; Kaser I, S. 593; ders., Kurzlehrbuch, S. 193; Thomas, Textbook, S. 326; Feenstra, S. 213; Sturm, St. Sanfilippo, S. 630; Hausmaninger/ Selb, S. 324. S Vgl. Marci. D. 8, 2, 35; Iul. D. 12, 7, 3; Iul. D. 23,3,46 pr.; u.a.; Koser I, S. 598 tT. mit weiteren ausflihrlichen Hinweisen; so jetzt auch Kunkel! Honsell. S. 352. 6 Girard I, S. 662; Dernburg I, S. 302/303; Crome, S. 198 Anm. 10; Schwarz, S. 281, 291. 7 Kaser I, S. 594. 8 Savigny V, S. 564; Buckland/McNair, S. 335; Hausmaninger/Selb, S. 324; Sturm, St. Sanfilippo, S. 630. 9 Girard I, S. 662; Kreller, S. 322; Buckland, S. 682; Rabel IV, S. 470; Nicholas, S. 229; Buckland/ McNair, S. 245; Kaser, RZ, S. 80, 256; ders., Kurzlehrbuch, S. 193; Feenstra, S.284. I

2

12

A. Allgemeine Begriffsbestimmungen

Die Formel für certa pecunia lautet: Si paret NmNm AoAo sestertium X mi/ia dare oportere. iudex NmNm AoAo sestertium X mi/ia condemnato. si non paret absolvito ll •

Die Formel für certa res lautet: Si paret NmNm AoAo tritici Africi modios centum dare oportere. quanti ea res est. tantam pecuniam iudex NmNm AoAo condemnato. si non paret absolvito l2 •

Gegenstand der condictio ist daher regelmäßig eine certa res oder certa pecunia. ohne daß es darauf ankommt, ob der Beklagte im Zeitpunkt der fitis contestatio noch bereichert war oder nicht 13. Die condictio wurde jedoch wohl schon in klassischer Zeit auf Fälle erweitert, in denen der Inhalt der Leistungspflicht nicht als ein certum erfaßt werden konnte l4 • Die Formel für diese Klage auf ein incertum. die wohl erst in nachklassischer Zeit technisch .. condictio incerti" genannt wurde ls , lautete vermutlich: Quidquid paret NmNm AoAo dare facere oportere. eius iudex NmNm AoAo dumtaxat decem mi/ia sestertium condemnato. si non paret. absolvito.

Die Existenz einer condictio incerti ist für die klassische Zeit zwar in der Literatur umstritten l6 , aber aus den von Kaser angegebenen Gründen für wahrscheinlich zu halten 17. Einen wichtigen Beleg bildet Ulp. D. 13,1,12,2 im Zusammenhang mit dem Diebstahl einer verpfändeten Sache l8 • 3. Tatbestandsmerkmale

Ist ein Vermögenswert ohne rechtlich anerkannten Grund in ein fremdes Vermögen gelangt, so muß die Rechtsordnung demjenigen wieder zu seinem Gut verhelfen, der den Vermögenswert eingebüßt hae 9 • 10 Girard I, S. 663; Dernburg I, S. 303; Crome. S. 193 Anm. 10; Jörs/ Kunkel/ Wenger. S. 249, 250; Schwarz. S. 281; Nicholas. S. 229; Kaser I, S. 594; ders.• Kurzlehrbuch, S. 193; ders. RZ, S. 80; Ankum. S. 69. 11 GaL 4, 41, 51; Savigny V, S. 515,609; v. Mayr. S. 75; v. Koschembahr-LyskowskilI,S. 322; Lenel. Ed. perp., S. 237; Arangio-Ruiz. Cours, S. 37; JÖrs/KunkeI/Wenger. S. 249; Kaser I, S. 492 Anrn. 36; ders.• Kurzlehrbuch, S. 328; ders.• RZ, S. 256; Olde Kalter. TR 38, S. 130; Sturm. AquiJiana, S. 323 Anm. 31; Liebs. S. 201. 12 GaL 4, 4; vgl. Paul. D. 8,3, 19; Ulp. D. 45, 1,75,8; Savigny V, S. 612; Lenel. Ed. perp., S. 240; JÖrs/KunkeI/Wenger. S. 250; Buckland. S. 682; tlOrs. AHDE 31, S. 632; Kaser I, S. 492 Anm. 42; ders.• Kurzlehrbuch, S. 328; ders.• RZ, S. 256; Liebs. S. 201. 13 Schwind. S. 336; Kaser I, S. 598; ders.. Kurzlehrbuch, S. 195. 14 Girard I, S. 663; Koser I, S. 598; ders.• Kurzlehrbuch, S. 195. 15 Kaser I, S. 599. 16 Die Einzelheiten sind sehr umstritten; Belege bei Kaser I, S. 599 mit Anm. 61 m.w.N. 17 Ausfiihrlich Koser I, S. 598 f. Vgl. auch Kunkel/Honsell. S. 352. 18 Hierm siehe S. 71 f. 19 Kaser I, S. 595; ders.• Kurzlehrbuch, S. 194; Hausmaninger/ Selb. S. 325.

I. Die condictio im klassischen römischen Recht

13

Für den Fall, daß der Kläger das Eigentum einer Sache verloren hat 20 und der Beklagte ihm dies ungerechtfertigterweise vorenthält 21 , kommt grundsätzlich die condictio auf Rückübereignung zur Anwendunl2• Ist der Kläger Eigentümer geblieben, kann er auf die rei vindicatio zurückgreifen23 • Der Verlust dieser Sache muß ohne rechtfertigenden Grund (sine causa) erfolgt sein24 • Dabei spielt nach heute vorherrschender Meinung der Zweck, den der Leistende mit einer Zuwendung verfolgt hat, eine entscheidene Rolle. Wird er nicht erreicht, enthält der Erwerber das Erworbene grundlos vor. Dies gilt insbesondere für den Fall, daß die Beteiligten eine Zweckvereinbarung getroffen haben, die entgegen den Vorstellungen der Beteiligten mit der Leistung nicht verwirklicht wird 25. Der Vermögensverschiebung muß Julian zufolge (mindestens) ein negotium contractum (gestum) zugrundeliegen, also ein vom gültigen Geschäftswillen getragenes erlaubtes Zusammenwirken26 • Ausweislieh der Formel (dare) ist für die condictio eine datio des Beklagten erforderlich. Nach ganz überwiegender Ansicht ist dabei der Begriff "dare oportere" als Verpflichtung zur Übertragung des Eigentums zu verstehen27 • Diese Ansicht ist allerdings nicht unbestritten. Einige Autoren geben dem Begriff "datio" nicht diese ausschließliche Bedeutung; vielmehr meine "dare" bloß "abliefern" oder auch "übergeben"28. Einen Begriffswandel im Laufe der Zeit im Sinne der oben genannten herrschenden Meinung halten sie für wenig wahrscheinlich. 20 Lab. D. 18, 1,80,3; Ulp. D. 39, 6, 3,4; Ulp. D. 12, I, 14; auch U1p. D. 50,17,54; Crome. S. 199; Kaser. Kurzlehrbuch, S. 193. 21 Kaser I, S. 596; ders.• Kurzlehrbuch, S. 193. 22 Daß die Kondemnation auf Geld und nicht auf (Rück-)Übereignung lautet, steht auf einem anderen Blatt. 23 U1p. D. 7, 9, 12; U1p. D. 12,6,29; U1p. D. 12, I, 11,2; Koschembahr-Lyskowsld I, S. 38; v. Lübtow, Beiträge, S. 145; Kaser, Kurzlehrbuch, S. 193. 24 Kaser. Kurzlehrbuch, S. 192. 25 Schwarz, Condictio, S. 212; Kaser I, S. 595, 596; ders.• Kurzlehrbuch, S. 194. 26 v. Lübtow, Beiträge, S. 146; Schwarz, Condictio, S. 10; Santoro. APal. 32, S. 185 mit Anm. 5; Kaser I, S. 594; ders., Kurzlehrbuch, S. 194. Dieses Erfordernis wurde aber nicht streng eingehalten; es wurde stellenweise für entbehrlich gehalten; vgl. Iul. D. 12, 6, 33 (hierzu vgl. Schwarz. S. 192 f.); Iul. D. 26, 3, 18; Iul. D. 12, I, 19, I (hierzu Pflüger. Condictio, S. 23 f.; Schwarz. S. 240 ff.; Kunkel/Mayer-Maly. S. 170 Anm. 66); U1p. D. 12, I, ll, 2. 27 Savigny V, S. 515; Blume. SZ 19, S. 5; Koschembahr-LyskowskiII; S. 151, 195,303; Crome. S. 199; Hägerström 11, S. 106; Jörsl Kunkel! Wenger. S. 249; Donatuti. St. Parmensi, S. 41, 42; Kreller. S. 322; Schwind. S. 343; Schwarz. Condictio, S. 194; ders.• IURA 3, S. 297; van Oven. TR 22, S. 291 ff., 294; Heumannl Seckel. S. 120; t! ars. AHDE 31, S. 632; Santoro. St. Scaduto, S. 594 Anm. 4, S. 578;ders., APal. 32,S. 185; Sturm. Aquiliana,S.96 Anm. 160; Kaser I,S. 594; ders.• Kurzlehrbuch, S. 193; HausmaningerlSelb, S. 247, 324. 28 Schloßmann. SZ 29, S. 290; Stone. SZ 83, S. 357. 363 (dare = "deliver up" oder "hand over"); Cannata. IURA 21, S. 58; aIde Kalter, TR 38, S. 130; Liebs, Konk., S. 97; t! Ors. IURA 25, S. 1, 3.

A. Allgemeine Begriffsbestimmungen

14

Eine vermittelnde Meinung geht davon aus, daß sich der Begriff "datio" erst allmählich im Laufe der Rechtsentwicklung durch eine exaktere Fassung rechtlicher termini technici im Sinne einer Verpflichtung zur Eigentumsverschaffung herausgebildet habe 29 • Diese dritte - vermittelnde - Ansicht wird der Quellenlage wohl am ehesten gerecht. Es ist zwar richtig, daß in einer Vielzahl von Fällen dem Begriff "datio" die Bedeutung der Übertragung von Eigentum zukommt, und zwar etwa beim Darlehen (mutuum) und bei rechtsgrundloser Zahlung (indebitum solutum):lO. Bei der Entwendung im Rahmen einer Ehe stand dem Ehemann aber auch eine condictio zu, obgleich er Eigentümer blieb3l • Dies gilt auch für die übrigen Diebstahlsfälle32 • Daher liegt es nahe, daß "dare" von Hause aus nicht bloß "übereignen" bedeutete. Zwar hat der Begriff "dare oportere", sofern er in einem engeren rechtstechnischen Sinne gebraucht wird, (mindestens in klassischer Zeit) tatsächlich die Bedeutung, eine Übereignungsverpflichtung auszudrücken. Damit meinen die Klassiker aber nur, daß es in der Regel - etwa bei Stipulation, mutuum oder indebitum solutum - mit bloßer Besitzverschaffung nicht getan sei. Nicht aber sollen die Fälle ausgeschlossen werden, in -denen der Kläger schon oder noch Eigentümer ist 33 • Dies läßt sich aus Gai. 4,4 folgern: Sic itaque discretis actionibus certum est non posse nos rem nostram ab alio ita petere: si paret eum dare oportere; nec enim quod nostrum est, nobis dari potest, cum scilicet id dari nobis intellegatur, quod ita datur, ut nostrum jiat; nec res, quae nostra iam est, nostra amplius jieri po test. plane odio forum, quo magis plurtbus actionibus teneantur, receptum est, ut extra poenam dupli aut quadrupli rei recipiendae nomine fores etiam hac actione teneantur: si paret eos dare oportere, quamvis sit etiam adversus eos haec actio, qua rem nostram esse petimus. Es steht daher bei der Unterscheidung dieser Klagen fest, daß wir unsere eigene Sache nicht so beanspruchen können: si paret eum dare oportere. Denn eine Sache, die uns bereits gehört, kann uns nicht zum Zwecke des Eigentumserwerbs übergeben werden, weil nämlich das, was uns übergeben wird, so angesehen wird, als werde es uns zum Zwecke der Übereignung gegeben. Auch können wir an einer Sache, die uns bereits gehört, keine über das Eigentum hinausgehende weitergehende Rechtsposition erlangen. Damit aber die Diebe mit möglichst vielen Klagen haften, wurde es aus Abscheu gegen sie zugelassen, daß sie außer den Klagen, die auf das Zwei- oder Vierfache gerichtet waren, auch mit den Klagen, die auf die Wiedererlangung der Sache zielten und deren Formel lautete "si paret eos dare oportere", hafteten. Gleichwohl bleibt gegen sie die Klage, mit der wir geltend machen, die Sache gehöre uns, weiterhin bestehen.

29 30

31

32 33

Bekker I~ S. 105; Schwind, S. 343; v. LiJbtow, Beitrage, S. 114; Santoro, St. Scaduto, S. 578. Gai. 3, 90; Paul. D. 12, 1, 2 pr.; Kaser I, S. 530, 594 Anm. 6. Liebs, Konk., S. 150. Kaser I, S. 594 Anm. 6. Hitzig, RE VIIII, Sp. 398; Liebs, Konk., S. 150; ([Ors, JURA 25, S. 1, 3.

11. Das furtum

15

Zwar scheint Gai. 4,4 die Ansicht der überwiegenden Meinung zu stützen; denn nach Gaius kann der Eigentümer nicht mit einer actio klagen, deren Formel auf "dare oportere" lautet. Gaius muß freilich einräumen, daß im Falle des Jurtum gleichwohl eine Klage auf "dare opartere" zulässig war. Gaius begründet dies aber nicht mit dogmatischen Erwägungen, sondern mit dem rechtspolitischen Argument, daß dies "aus Abscheu gegen Diebe" in das ius civile aufgenommen sei (receptum est). Aus dieser Begründung läßt sich schließen, daß zwar wohl zur Zeit des Gaius, also im zweiten Jahrhundert n. ehr., der Begriff "datio" rechtstechnisch im Sinne von Verpflichtung zur Eigentumsübertragung einschränkend gebraucht wurde, daß aber eine Klage auf "dare oportere" gegen den Dieb längst zulässig war und auch weiterhin anerkannt wurde. Das "dare oportere" der Formel führt daher nicht dazu, daß der bestohlene Eigentümer von der condictio ausgeschlossen ist.

11. Das furtum 1. Begriff und Inhalt

Der Begriff ,Jurtum"leitet sich ab vom Verb ,Jerre" , und bedeJ.1tet soviel wie "wegtragen, tragen, rauben"2. Eine exakte, alle Erscheinungsformen desfurtum enthaltende Definition haben die Klassiker nicht aufgestellt. Erst die Kasuistik liefert ein geschlossenes Bild 3• Für die klassische Zeitläßt sich folgende Umschreibung aufstellen: Ein Jurtum liegt dann vor, wenn sich jemand vorsätzlich zum eigenen Vorteil und (für den Regelfall) heimlich eine bewegliche Sache4 aus fremdem Rechtsbereich oder eine unter fremder Gewalt stehende Person zueig-

nee,6.

1 Paul. D. 47,2,1 pr.; Mommsen, Strafrecht, S. 773 Anm. I; Hitzig. RE VII/I, Sp. 384; Tabera. SDHI 8, S. 37; Liebs. S. 280; Kunkel/Honsell, S. 358 Anm. 5. 2

3

Aber auch ..ertragen, erdulden, verbleiben", Langenscheidt, S. 295 rechte Spalte.

Hitzig. SZ 23, S. 318; Hausmaninger/Selb. S. 331.

4 Für eine unbewegliche Sache vgl. Ulp. D. 47,2,25 pr.; Jolowicz. S. XVI, XVII; Kunkel/ Honsell. S. 358 Anm. 4. l Rein, S. 295; Burchardi III, S. 902; Wendt, S. 658; Baron, S. 556; Mommsen. Strafrecht, S. 241,734; Hitzig. Schw. Ztschr. f. StR 13, S. 217; Roby 11, S. 201; Heilfron. S. 656; Windscheid/ Kipp 11, S. 963; Girard I, S. 438; Crome. S. 20112; Endemann, S. 188; Buckland. S. 576; Schulz. CRL, S. 575 f.; Buckland/ McNair. S. 352; Curzon. S. 169; Guarino. S. 893; Koser I, S. 614, 615; ders.• Kurzlehrbuch, S. 203; Ankum. S. 71; Thomas. Textbook, S. 353; Feenstra.

S.192. 6 Die Umschreibung deckt sich,da weitergehend, nicht mit dem Diebstahlsbegriff des § 242 StGB. Heilfron, S. 656 Anm. 5; JÖrs/Kunkel/Wenger. S. 252.

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A. AlIgemeine Begriffsbestimmungen

Paulus erläutert den Begriff in D. 47,2,1,3 (lib. 39 ad ed.): Furtum est contrectatio reifraudulosa lucri fadend; gratia vel ipsius rei vel etiam usus eius possessionisve7 •

Furtum ist die betlÜgerische Zueignung einer Sache in gewinnsüchtiger Absicht, und zwar der Sache selbst, ihres Gebrauchs oder ihres Besitzes.

EinJurtum setzt danach zunächst eine contrectatio voraus. Unter contrectatio versteht man einen "Zugriff" zum Zwecke der unrechtmäßigen AneignungB• Dies kann geschehen durch Wegnahme, durch Vorenthalten von Sachen, die man bereits in Gewahrsam hat, durch Verheimlichen des Täters oder seiner Beute oder auch durch betrügerisches Ausnutzen eines fremden Irrtums. Darüber hinaus schließt das Jurtum auch die Entwendung zum Zwecke des bloßen Gebrauchs ein sowie die Wegnahme der eigenen Sache aus fremdem Ersitzungs- oder Pfandbesitz. Furtum erfaßt. schließlich auch solche Handlungen, die auf einem Vertrauensbruch beruhen, indem der Täter in einer Weise mit der Sache verfahrt, wie sie eigentlich nur dem Eigentümer zusteht 9 •

Der Täter begeht ein furtum, wenn er einen Gegenstand wegnimmt, unterschlägt oder veruntreut 10. Auch Begünstigung und Hehlerei werden vom Begriff desfortum umfaßt ll . Einfurtum liegt ebenfalls vor, wenn jemand wissentlich ein indebitum annimmt'2. Auch in einem Anweisungsverhältnis werden die Voraussetzungen einesfurtum anerkannt. Weist nämlich der Gläubiger seinen Schuldner an, an einen Dritten zu zahlen, und verbietet der Gläubiger anschließend dem Dritten, das Geld anzunehmen, ohne den Schuldner hiervon in Kenntnis zu 7 Inst. 4,1,1; Kaser, Kurzlehrbuch, S. 203, hält diese Defmition für zweifelhaft; ebenso schon Pampaloni, St. senesi 11, S. 167 ff., 171 f. (Hehe existe nel diritto romano la categoria dei ,furto di possesso' e dimostrato dalle particolarita svolte nel cap. I di questo studio: che non esista invece, almenD nel diritto c1assico, quella de1 furto di uso ho dimostrato nel cap. precedente. E verissimo pero, come e riconosciuto dai piu, che i giureconsulti c1assici non hanno espressioni tecniche particolari per distinguere il furto di cosa dal furto di possesso. L'espressione furtum possessionis occorre una sola volta e in un significato affatto diverso."); Huvelin 11, S. 499 Anm. 1 (H' .. la fameuse definition inseree au Digeste est probablement interpolee. '" "); ders., NRH 42, S. 73; Albertario, Animus, S. 8 Anm. 1; ders.,Rend. Lomb. 57, S. 174 Anm. 2; Donatut~ Rend. Lomb. 56, S. 33516 Anm. 1; Bon/ame, Istituzioni, S. 522 Anm. 1. Nicht beanstanden das Fragment Baron, S. 556; Heilfron, S. 656; Hitzig, RE VII/I, Sp. 384; Rotondi 11, S. 70, 202 Anm. 2. 8 Wendt, S. 658; Mommsen, Strafrecht, S. 734; Heilfron, S. 656 Anm. 5;Hitzig, RE VIII 1 Sp. 385; Endemann, S. 188; Tabera, SDHI 8, S. 25, 37; Jolowicz, S. XVII;Cohen, RIDA2,S. 143/5; Buckland, S. 577; Schwind. S. 341; Gaudemet, Labeo 7, S. 12; Thomas, JURA 13, S. 80; ders., JURA 14, S. 183; ders., JURA 19, S. 27; ders., Textbook, S. 354; Bucklandl McNair, S.352; Guarino, S. 893; Vegh, RE Supp!. 12, Sp. 188; Kaser, Kurzlehrbuch, S. 203. 9 Mommsen, Strafrecht, S. 734; Girard I, S. 439; Endemann, S. 188; Buckland. S. 577, 578; Schwind, S. 341; Guarino, S. 893; Bucklandl McNair, S. 352; Thomas, Textbook, S. 354. 10 Pau!. D. 41,2,3,18; Pau!. D. 44,7,34,2; mp. D. 19,5,17,5; mp. D. 27,3,9,7; Baron, S. 556; Heilfron, S. 656 Anm. 5; Crome, S. 202; Koser I, S. 615; ders., Kurzlebrbuch, S. 203. 11 mp. D. 47,2,48,1. Hierzu KunkellHonsel/, S. 361 Anrn. 18. 12 Scaev. D. 13,1,18; Baron, S. 556; Windscheidl Kipp 11, S. 309 Anm. 8; Girard I, S. 439; Jolowicz,S. XXV; Schwind. S. 341; Rabe/, S. 96; Hausmaninger, S. 47; Kaser, Kurzlehrbuch, S. W3;HausmaningerlSelb, S. 331; KunkellHonsel1. S. 361.

11. Das Curtum

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setzen, begeht der gleichwohl annehmende Dritte ein jUrtum 13 • Dies gilt auch dann, wenn einjalsus procurator an der Übergabe des Geldes beteiligt ist; in der wissentlichen Annahme des indebitum durch einen jalsus procurator liegt ein

jUrtum l4 •

Unter Ehegatten ist einjurtum nicht ausgeschlossen l5 • Selbst bei der Ehefrau ist eine Haftung für die von ihr begangenen Delikte anerkannt, obwohl sie in der sozialen Gemeinschaft eine besondere Stellung einnimmt l6 • Auch das sog. jUrtum usus ist ein Anwendungsfall des jurtum l7 • Es liegt vor, wenn beispielsweise der Kommodatar die ihm eingeräumte Gebrauchsberechtigung an der Sache überschreitd 8 • Die Voraussetzungen eines jUrtum werden auch dann bejaht, wenn der Täter eine eigene Sache einem zum Besitz Berechtigten wegnimmt 19. Der Tatbestand des jurtum ist daher nicht nur dann erfüllt, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen, sondern auch dann, wenn sie einem Dritten auf andere Weise "entwendet" wird. Dies gilt selbst dann, wenn der Dieb seinerseits von einem weiteren Dieb bestohlen wird 20 • Eine andere Frage ist allerdings, ob diesen dritten Personen, wie etwa dem Pfandgläubiger, dem Mieter oder Entleiher21 , dem gutgläubigen Besitzer22 oder demjenigen, der ein Retentionsrecht an der Sache hatte, die condictio gegen den Dieb zustand 23 • Man muß jedoch beachten, daß nicht injedemjurtum-Fall stets eine condictio ausgelöst wurde. Ulpian 24 macht nämlich unter Berufung auf Pomponius die ein13 ACr. D. 46,3,38,1; Paul. D. 12,4,14; Pap. D. 47,2,81,5; Hägerström I,S. 99; Bretone, Labeo I, S. 282/3 Anm. 13; Albanese, APal. 25, S. 89,90 Anm. 9; Haeberlin, SZ 74, S. 130; v. Lübtow, Entwicklung, S. 44. 14 Paul. D. 12,4,14; Pap. D. 47,2,81,5; Levy I, S. 39; ders., Nachträge, S. 13; Jolowicz, S. XXVII. 11 Tryph. D. 25,2,29; Paul. D. 25,2,3,2. 16 VIp. D. 24,1,32,13; Koser I, S. 322. 17 Gai. 3,196; Paul. D. 47,2,1,3; Pomp. D. 13,1,16; Ulp. D. 13,6,14; Rein, S. 295; Landsberg, S. 205; Wendt, S. 658; Baron, S. 556; Heilfron, S. 656 Anm. 5; Girard I, S. 438, 440; Hitzig, RE VII/I, Sp. 388; Dernburg I, S. 674;Endemann, S.188;Jolowicz, S. XVIII Anm. l;JörslKunkel/ Wenger, S. 252; Buckland, S. 578; Rabel, S. 96; Bucklandl McNair, S. 353; Guarino, S. 893; Thomas, St. Grosso 2, S. 409/10; des., Textbook, S. 105,355; Liebs, S. 281; Ankum, S. 71; Feenstra, S. 192; Kaser, Kurzlehrbuch, S. 203; HausmaningerlSelb, S. 351. 18 Gai. 3,196; Pomp. D. 47,2,77 pr.; VIp. D. 13,6,14;Levy I, S. 33 Anm. I;KunkeI/Honsell, S. 302 mit Anm. 5. 19 Gai. 3,200; Jav. D. 47,2,75; Rein. S. 295; Landsberg, S. 204; Wendt, S. 658; Baron, S. 556; Heilfron, S. 656 Anm. 5; Girard I, S. 438,440; Hitzig, RE VII/I, Sp. 388; Buckland, S.577; Schwind, S. 341; Curzon, S. 170; Ankum, S. 71; Thomas, Textbook, S. 130, 355; Feenstra, S. 192; Kaser, Kurzlehrbuch, S. 203; Kunkell Honsell, S. 361 mit Anm. 26. 20 Pomp. D.47,2,77,1. 21 Gai. 3,203-206. 22 Gai. 3,200. 23 Zur Aktivlegitimation in diesen Fällen s. unten S. 46 ff., 71 ff. 24 Nicht Paulus. Vgl. Jolowicz, S. 29.

2 Pika

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A. Allgemeine Begriffsbestimmungen

leuchtende Einschränkung, daß die Kondiktionshaftung entfallt, wenn der Täter die resfurtiva nicht fortgeschafft hatte (D. 47,2,21,10). Vereinzelt wird angenommen, es könne einfurtum auch durch Entwendung eines Grundstückes bzw. durch Vertreibung von einem Grundstück begangen werden 25 . Die überwiegende Meinung geht jedoch davon aus, daß Jurtum an Immobilien nicht möglich war26 . Ihr ist zuzustimmen, wie sich aus VIp. D. 47,2,25,1 sowie VIp. D. 13,3,2 ergibt. Beide Quellen sprechen nicht von einem furtum, sondern von einem "de fundo deicere". Vlpian hätte aber sicherlich die Tat a1sfurtum bezeichnet, wenn sie tatsächlich a1sjUrtum aufgefaßt worden wäre. Schließlich ist auf VIp. D. 47,2,25 pr. hinzuweisen; danach ist ein ,Jundi furti agere" nicht möglich. Eine andere Frage ist es jedoch, ob die gewaltsame Vertreibung von einem Grundstück eine condictio nach sich zog27. Die contrectatio muß "fraudulos" geschehen28 . Der Täter muß in gewinnsüchtiger Absicht (Iucri faciendi gratia) handeln und sich der Widerrechtlichkeit bewußt sein29 . Der Täter begeht daher dann keinjUrtum, wenn sein Vorsatz fehlt; er muß dolo malo gehandelt haben3o • Die Entziehung muß schließlich gegen den Willen des Berechtigten (invito domino) erfolgt sein31 • Die Voraussetzungen desfurtum tragen hiernach sowohl objektive als auch subjektive Elemente. Der Täter eines jUrtum ist daher immer, um mit einer modernrechtlichen Terminologie zu sprechen, unrechtmäßiger, bösgläubiger Eigenbesitzer. 2. Abgrenzung zu anderen Delikten

Das Deliktfurtum ist von den anderen Delikten wie rapina, iniuria, dolus malus oder damnum iniuria datum abzugrenzen. 2' Trampedach, SZ 17, S. 98. VgI. aber Gai. 2,51; Gai. D. 41,3,38 = Inst. 2,6,7. Hierzu Kunkel/Honself, S. 358 Anm. 4. 26 Baron, S. 556; Mommsen, Strafrecht, S. 739, 741; Hitzig, Schw. Ztschr. f. StR 13, S. 217; ders., RE VII/I, Sp. 385; Pflüger, Roscius, S. 56; Jolowicz, S. XVI, XVII; JörslKunkeil Wenger, S. 252 Anm. 3; Albanese, APal. 25, S. 226, 274 Anm. 439, S. 285 Anm. 451; Kaser, Eigentum, S. 227, 271; Thomos, Textbook, S. 130,355. 27 Siehe dazu unten S. 73 ff. 28 Heilfron, S. 656; Girardl, S. 438; Hitzig, RE VIIII, Sp. 387; Tabera, SDHI 8, S. 25, 38; Jolowicz, S. LV; JörslKunkellWenger, S. 252 Anm. 4; Buckland, S. 578; Thomos, Textbook, S.354. 29 Nach Heil/ron, S. 656 Anm. 5; Girardl, S. 438; Hitzig, RE VIIII, Sp. 386; Vegh, RE Suppl. 12, Sp. 188 muß der Täter .animusfurandr besiW=n. Schulz, CRL, S. 578, hält diesen Terminus ftIr nachldassisch, dies sei jedoch in den meisten Texten unschädlich, da damit lediglich die dolose Handlungsweise des Täters umschrieben werden soUte. VgI. tnp. D. 47,2,33 und hierzu Jolowicz, S. 45. Siehe auch unten S. 78 mit Anm. 12. 30 VIp. D. 47,2,46,7; Lange. S. 82; Jolowicz. S. LV; Kreller. S. 395; Schulz. CRL, S. 578. 31 Gai. 3, 195; Paul. D. 16,3,29 pr.; Tryph. D. 13,1,20; Tryph. D. 26,7,55,1 (vgI. hierzu auch Betti. lit. aest., S. 52 Anm. 77); Tryph. D. 50,16,22S;Hitzig. RE VlIIl, Sp. 384; Tabera. SDHI8,

III. Anwendungsbeispiele der condictio im furtum-Fall

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Unter rapina versteht man die vorsätzliche, gewaltsame Entziehung von Vermögensgütem 32 • Es handelt sich daher um einen Diebstahl unter Gewaltanwendung 33 •

Iniuria liegt vor bei jedem Verhalten, das eine bewußte Mißachtung einer fremden Persönlichkeit enthält 34 • Dieser absichtliche Angriff auf eine Person kann sowohl in der Form einer körperlichen Mißhandlung als auch in der Form von wörtlichen Beleidigungen begangen werden35 • Der Täter begeht einen dolus (malus), wenn er unter Anwendung betrügerischer Mittel jemanden zu einem Verhalten veranlaße6 und ihm hierbei absichtlich und widerrechtlich eine Vermögensschädigung zufügt. Der Täter haftet schließlich nach den Grundsätzen der lex Aquilia37 bei widerrechtlicher Tötung fremder Sklaven oder Haustiere oder für sonstige rechtswidrige Beschädigung fremder Güter, begangen durch ein urere, rumpere oder

jrangere38 (damnum iniuria datum).

III. Fälle, in denen bei VorHegen eines Curtum die condictio gewährt wird Hat der Täter eine bewegliche Sache entwendet, wird gegen ihn die condictio gewährt I. Hat der Dieb beispielsweise reife, noch am Baum hängende Früchte abgeschnitten, steht dem Anspruchsberechtigten gegen ihn die condictio ZU2. In einem anderen Fall kann gegen den für, der einen fremden Baum gefällt und

s. 42,44; Jolowicz. S. LV; Schwind. S. 341; Schulz, CRL, S. 578; Vegh. RE Suppl. 12, Sp. 183; Liebs. S. 281. 32 Ulp. D. 47,8,2 pr.; Crome. S. 202; Schwind. S. 344; Curzon. S. 171; Kaser I, S. 626; ders.• Kurzlehrbuch, S. 207. 33 Wächter 11, S. 489; Heilfron, S. 659; Windscheid/ Kipp 11, S. 968; GirardI, S. 452; Jolowicz. S. XI Anm. I; Vegh. RE Suppl. 12, S. 181; Thomas. Textbook, S. 360; Hausmaninger/Selb. S.34O. 34 Mommsen, Strafrecht, S. 785; Heilfron. S. 664; GirardI, S. 436; Crome. S. 204; Rabel. S. 96; Buckland/ McNair. S. 342; Jolowicz. S. XI; Curzon, S. 165/6; Gwrino. S. 886; Kaser I, S. 624; ders.• Kurzlehrbuch, S. 206; Hausmaninger/Selb. S. 338. 35 Ulp. D. 47,10,15,2; Gai. 3,220; Crome. S. 204; Schwind. S. 346. 36 Girard I, S. 458; Curzon, S. 172; Hausmaninger/ Selb. S. 340. 37 D. 9,2. Hierzu Kunkel/ Honseo, S. 363 ff. 38 Hierzu die Übersicht bei Kaser I, S. 619 ff. m.w.N. I Ulp. D. 13,1,1; Ulp. D. 13,1,7 pr.; Ulp. D. 13,1,8 pr.; Ulp. D. 13,1,12 pr.; Iul. D. 13,1,14,2; Iul. D. 13,1,14,3; Ulp. D. 47,2,14 pr.; Ulp. D. 12,1,9,1. Das Ulpianfragment D. 12,1,9,1 wird verschiedentlich für interpoliert angesehen, so v. Mayr. S. 277; Pflüger. Roscius, S. 17,69; ders.• Condictio, S. 91; Wlassak. SZ 31, S. 229; v. Lübtow. Beiträge, S.137 Anm. 451; Kaser 11, S. 424; Cannata. Labeo 20, S. 117. Dies wird damit begründet, daß das Fragment die (später unrömisch) sog. condictio generalis enthalte. Freilich hat Ulpian der condictio keine besondere Bezeichnung gegeben; er weist lediglich darauf hin, daß die condictio gewährt wurde ex causa jiJrtiva; dies ist unbedenklich. Zur condictio generalis noch Kunkel/Honsell. S. 355. 2 Ulp. D. 7,1,12,5. 2'

A. Allgemeine Begriffsbestimmungen

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entwendet hat, mit der condictio geklagt werden 3• Gleiches gilt gegen den Täter, der einen Ochsen entwendet und anschließend getötet hat 4 • Die condictio kommt auch dann zur Anwendung, wenn die gestohlene Sache untergegangen ist 5 • Auch bei Diebstahl eines Sklaven steht dem Bestohlenen die condictio zur Verfügung6 • Hat der Täter durch wissentliche Annahme nichtgeschuldeten Geldes ein furtum begangen, kann der irrtümlich Leistende gegen ihn die Kondiktion erheben 7 • Diese Regelung gilt auch im sog. Anweisungsverhältnis. Dem leistenden Schuldner wird die Kondiktion gegen den Zahlungsempfänger gewährt, wenn er in Unkenntnis eines durch den Gläubiger gegenüber dem Zahlungsempfänger erklärten Annahmeverbotes an diesen Dritten zahlt 8 • Da auch der falsus procurator bei wissentlicher Annahme eines indebitum einfurtum verübt, kann gegen ihn mit der condictio geklagt werden9 • Begeht der Täter einfurtum usus, haftet er mit der condictio lO • Auch im Falle des furtum possessionis steht dem Bestohlenen die condictio zu 11. Dies gilt auch dann, wenn dem Dieb seinerseits die Sache von einem Dritten gestohlen wird l2 • Entwendet schließlich die Ehefrau ihrem Ehemann einen Gegenstand, haftet sie ebenfalls mit der condictio 13 •

VIp. D. 47,7,8,2. Iul. D. 13,1,14,2. l Beispielsweise durch Verarbeitung, Gai. 2,79; VIp. D. 47,2,52,14. 6 VIp. D. 11,3,11,2; Paul. D. 13,1,3; VIp. D. 47,2,52,28; Iul. D. 13,1,14 pr.; Marcell. D. 46,3,72,3; Koser, Quanti, S. 122; Below, S. 47; Bund S. 184; Thomos, IURA 20, S. 309. 7 Scaev. D. 13,1,18; Afr. D. 46,3,38,1. 8 Afr. D. 46,3,38,1. 9 Pap. D. 47,2,81,5; Paul. D. 12,4,14. 10 Pomp. D. 13,1,16; VIp. D. 13,6,14. 11 VIp. D. 13,1,12,2. 12 Pomp. D. 47,2,77,1. 13 Paul. D. 25,2,3,2; VIp. D. 25,2,24; Mare. D. 25,2,25. 3

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B. Ex causa furtiva condicere I. Historische Grundlagen Verschiedentlich wird angenommen, die Bezeichnung "condictio jurtiva" sei klassisch I. Andere sind der Auffassung, die actio sei "condictio ex causa jurtiva" benannt worden2 • Beide Ansichten sind für die klassische Zeit fraglich. Denn in den Quellen taucht einheitlich oder zumindest überwiegend weder der eine3 noch der andere4 substantivische Ausdruck auf. Überhaupt ist eine einheitliche Bezeichnung dieser actio den Quellen nicht zu entnehmen. Zuweilen wird sie verbal mit "condicere remjurtivam"S oder auch mit "condicere ex causafurtiva"6 umschrieben. In anderen Fällen ist von einer "condictio reijurtivae,,7 die Rede. Ganz überwiegend kommt die condictio jedoch auch infurtum-Fällen ohne einen entsprechenden Zusatz vor8 • Dabei ergibt sich nur aus dem jeweiligen Zusammenhang, daß ex causajurtiva kondiziert wird. Der terminus technicus "condictio ex causa jurtiva" wäre in der klassischen Zeit auch nicht zu erwarten gewesen, zumal die Klageformel den Verpflichtungsgrund nicht nennt 9 • Daher wird eine terminologische Fixierung dieser actio als condictio unter Hinzufügung eines typisierenden Zusatzes wie ,jurtiva" oder "ex causa furtiva" erst in justinianischer Zeit erfolgt seinlO,ll. Ruck/anti. S. 682; Levy, Nachträge, S. 15. Schwind, S. 343; Schwarz, S. 53; Sturm, Aquiliana, S. 114; Kaser I, S. 618 Anm. 49. l Die "condictio furtiva" wird behandelt in Paul D. 25,2,3,2; Paul. D. 25,2,21,5; Afr. D. 46,3,38,1; Pap. D. 47,2,81,5. 4 Die "condictio ex causafurtiva" wird ausdrücklich genannt in Pomp. D. 13,1,2; Ulp. D. 13,1,9; Pomp. D. 13,1,16; Vip. D. 13,6,14; Paul. D. 25,2,6,3; Paul. D. 27,3,2,1; Pomp. D. 44,7,56. 5 Tryph. D. 25,2,29; Iul. D. 47,2,57,4. 6 Paul. D. 13,1,3; Paul. D. 13,1,5; Vip. D. 13,1,8,1; Ulp. D.15,I,3,12; Ulp. D.16,2,IO,2; Vip. D. 18,1,29; Ulp. D. 47,1,2,3. 7 Vip. D. 13,1,7,2; Ulp. D. 13,1,8 pr. 8 Vip. D. 7,1,12,5; Paul. D. 12,4,14; Ulp. D. 13,1,1; Ulp. D. 13,1,4; Ulp. D. 13,1,6; Ulp. D. 13,1,7 pr.; Ulp. D. 13,1,7,1; Ulp. D. 13,1,10 pr.; Ulp. D. 13,1,10,2; Ulp. D. 13,1,10,3; Paul. D. 13,1,11; Ulp. D. 13,1,12 pr.; Vip. D. 13,1,12,1; Paul. D. 13,1,13; Iul. D. 13,1,14 pr.; Iul. D. 13,1,14,2,3; Cel. D. 13,1,15; Pap. D. 13,1,17; Paul. D. 13,1,19; Tryph. D. 13,1,20; Gai. D. 18,1,35,4; Ulp. D. 25,2,24; Tryph. D. 25,2,29; Ulp. D. 27,3,9,7; Paul. D.44,7,34,2; Marcell. D. 46,3,72,3; Ulp. D. 47,1,1 pr.; Pomp. D.47,2,9,1; VIp. D. 47,2,14 pr.; Ulp. D.47,2,14,16; VIp. D. 47,2,52,14; VIp. D. 47,2,52,28; Pomp. D. 47,2,77,I;Iul. D.47,3,57,4; VIp. D.47,8,2,26; Paul. D. 50,16,53,2; Gai. 2,79; Gai. 4,8. 9 v. Lübtow, Beiträge, S. 137. Vgl. auch S. 11 f. 10 Crome, S. 198; Schwind, S. 343; Schwarz, S. 53. I

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B. Ex causa furtiva condicere

Einige Autoren nehmen an, die "condictio ex causa furtiva" sei erst in der Hochklassik entwickelt worden 12. Gerade Gai. 4,4 13 spreche gegen die Annahme, die "condictio ex causafurtiva" sei alt. Sie sei jedenfalls nicht in der republikanischen Zeit entstanden l4 • Demgegenüber wird überwiegend angenommen, die "condictio ex causa furtiva" stamme aus "ältester Zeit" IS. Zum Teil ist man der Auffassung, die condictio habe ursprünglich deliktsähnlichen Charakter gehabt. Denn die Anfange der condictio werden vermutlich bei der Haftung aus Vorenthaltung unterschlagenen Geldes liegen 16. Ihre älteste Anwendungsform war möglicherweise die Darlehensklage, wenn der Darlehensnehmer seiner Rückzahlungsverpflichtung nicht nachkam und damit das erhaltene Geld sozusagen unterschlug 17 • Dabei habe es sich um die "condictio furtiva" gehandelt. In der Folgezeit sei die condictio dann auf die übrigen bekannten Fälle ausgedehnt worden l8 • Aufgekommen sei die "condictio ex causafurtiva" erstmals unter den republikanischen Juristen l9 • Vielfach wird ZUm Beweis Gai. 4,4 angeführeo. v. Mayr ist der Auffassung, entscheidend seien in Gai. 4,4 die Worte "receptum es'" 21. Hieraus schließt er, daß die condictio furtiva erst durch die rechtsbildende Tätigkeit des Prätors oder der Juristen Eingang in das Zivilrecht gefunden habe. Hieraus erkläre sich auch, daß die Formel "si paret eos dare oportere" auf den furtum-Fall nicht recht passen wolle. Nach seiner Ansicht scheine es daher natürlicher, daß die ältere formenstrenge Zeit mit bestimmten Worten bestimmte, eng umgrenzte Bedeutungen verbunden habe, und man nicht damals, sondern eher später solchen Unterschieden keine Bedeutung beigemessen habe. Die Verwunderung des Gaius und seine Bemerkung, daß diese über die Bedeutung des dare als Verpflichtung zur Übertragung des Eigentums hinausgreifende Anwendbarkeit der Kondiktionsformel rezipiert worden sei, scheine in diesem Sinne begreiflich, legten sie dann doch Zeugnis dafür ab, daß in dieser Anwendungsform der condictio eine Neuerung gegenüber dem hergebrachten Rechte zu er blicken sei 22. 11 Schwarz, s. 293, nimmt allerdings an, Ende des 2. Jahrhunderts habe man angefangen, die condictio im Diebstahlsfalle mit dem Zusatz .. ex causa furtiva" zu versehen. 12 v. Mayr, S. 92; Hägersträm 11, S. 100, 106; Liebs, Konk., S. 96 f. 13 Text und Übersetzung S. 14. 14 v. Mayr, S. 92; so aber Hitzig, RE VII/I, Sp. 398. 15 Bekker 11, S. 105; Pernice III, S. 233; v. Mayr, S. 144; Krüger, SZ 21, S. 420; Bossowski, APal. 13, S. 348/49; Hägersträm 11, S. 106; Donatuti, St. Parm. I, S. 41; v. Lübtow, Beiträge, S. 114; Schwarz, S. 277, 278; ders., JURA 3, S. 297; Marrone, APal. 26, S. 556Anm.344;d'Ors, RIDA 12, S. 455, 458; Kaser I, S. 594 Anm. 6; ders., Kurzlehrbuch, S. 204. 16 Koser, Kurz1ehrbuch, S. 204. 17 Koser, Kurz1ehrbuch, S. 193. 18 Sturm, St. Sanfilippo III, S. 634. 19 Hitzig, RE VIVl, Sp. 398; Donatuti, St. Parm. I, S. 40; Schwarz, S. 277; Rabe/, S. 199; Santoro, St. Scaduto, S. 549, 568, 570. 20 Siehe oben S. 14 f. 21 v. Mal', S. 74.

I. Historische Grundlagen

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Demgegenüber hält es Liebs für bedenklich, Gai. 4,4 zur Altersbestimmung heranzuziehen 23 • Gai. 4,4 spreche eigentlich gegen die Annahme, die condictio furtiva sei alt. Das grobe "odio furum receptum est" des Gaius verdiene aber gerade wegen seiner unverblümten Sprache mehr Glauben, als ihm gewöhnlich geschenkt werde. Gaius selbst referiere bloß, und zwar über die für die Einführung der condictio furtiva maßgeblichen Gründe, die also zu seiner Zeit, der Hochklassik, angeblich zwar noch fortgalten, aber doch nicht erst von ihr entwickelt worden, sondern jedenfalls ein bis zwei Generationen älter seien. Schwarz glaubt, aus Gai. 4,4 und der dort gegebenen "hilflosen" Begründung ein Zeugnis für eine frühe Entwicklungsstufe der condictio furtiva herleiten zu können 24 • Nach Pernice müsse sie aus ältester Zeit stammen und so fest verwurzelt gewesen sein, daß die theoretischen Vorstellungen der Juristen vom "dare oportere" sie nicht zu beseitigen vermochten 2S •

Aus alledem kann entnommen werden, daß nach wohl überwiegender Meinung eine "condictio furtiva" als eigenständiger Klagetyp existiert habe26 • Die sodann untersuchte Frage nach der Herkunft dieses Klagetyps ist dann nur folgerichtig. Gegen diese Annahme spricht allerdings, daß eine durchgängige Bezeichnung dieser - angeblich eigenständigen - actio als "condictio ex causa furtiva" oder als "condictio furtiva" in den Quellen nicht auftaucht. Vielmehr ist in den überwiegenden Fällen lediglich von der "condictio" die Rede. Dies legt nahe, daß die sog. "condictio furtiva" lediglich ein Anwendungsfall der condictio ist 27 • Daher erscheint die gesamte Fragestellung der herrschenden Meinung irreführend. Fraglich ist nicht, ob es überhaupt jemals "die condictio ex causafurtiva" gab. Vielmehr ist die Frage zu stellen, seit wann die condictio auf diefurtum-FäIle angewendet wurde. Eine exakte Altersbestimmung für ein condicere ex causa furtiva wird man aus Gai. 4,4 wohl nicht herleiten können. Denn zum einen beruft sich Gaius weder auf einen bestimmten früheren Juristen oder auf eine frühere Quelle noch bezeichnet er einen konkreten Anlaß. Zum anderen können aus der im Fragment enthaltenen Begründung nur wenig Rückschlüsse gezogen werden. Außerdem wurde der Ausdruck "dare", wie oben bereits gezeigt wurde 28 , nicht nur im v. Mayr, S. 75. Liebs, Konk., S. 96 f. 24 Schwarz, S. 278. 25 Pernice 111, S. 233. 26 Siehe oben S. 9 f. Eindeutig abweichend Schulz, CRL, S. 618: "A special formuIa did not exist." 27 So zutreffend Schulz, CRL, S. 618: "The generai formulae, condictio certae pecuniae, certae rei and certae quantitatis, were also used in this case." 21 Vgl. S. 13 ff. 22

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B. Ex causa furtiva condicere

Sinne von "Übereignung" gebraucht 29 • Allerdings wird man gerade aus der so "hilflosen Begründung" mit odio furum schließen können, daß die Anwendung der condictio auf jürtum-Fälle so althergebracht war, daß Gaius die "wahren" Gründe nicht mehr geläufig waren. Einen etwas deutlicheren Hinweis auf die Herkunft der condictio injürtumFällen dürfte sich aus Tryph. D. 13,1,20 (lib. 15 disp.) ergeben: Licet fur paratus excipere condictionem et per me steterit, dum in rebus humanis res juerat, condicere eam, postea autem perempta est, tamen durare condictionem veteres voluerunt, quia videtur, qui prima invito domino rem contrectaverit, semper in restituenda ea, quam nec debuit aujerre, moram jacere. Obgleich der Dieb bereit war, sich dem Kondiktionsprozeß auszusetzen, und es an mir lag, die Sache zu kondizieren, solange sie noch nicht untergegangen war, haben die veteres trotz Vernichtung der Sache entschieden, daß die Kondiktion fortbesteht, weil detjenige, der zunächst gegen den Willen des Eigentümers die Sache an sich genommen hat, immer mit der Rückgabe der Sache, die er nicht wegnehmen durfte, im Verzug zu sein scheint.

Danach haben also bereits die veteres im Falle des Diebstahls die condictio gewährt. Da Tryphoninus zur Zeit Papinians gelebt hat 30 , schließt v. Mayr hieraus, bei den veteres in fr. 20 handele es sich um Sabinus, Julian, Marcellus und Scaevola31 • Wäre dies tatsächlich der Fall, so hätte Tryphoninus sie aber sicher namentlich genannt und sich auf sie berufen. Tatsächlich verweist er jedoch pauschal auf die veteres. Auch Paulus bezieht sich in D. 50,16,53,2 auf die veteres. Dies legt nahe, daß sowohl Tryphoninus als auch Paulus nicht bestimmte Juristen im Auge hatten, sondern" veteres" als Begriff auffaßten. Verschiedene Autoren meinen, eine genaue Umschreibung oder eine genaue Bezeichnung für Juristen einer bestimmten Epoche könne dem Begriff" veteres" nicht entnommen werden32 • Die überwiegende Meinung nimmt dagegen an, daß die Juristen der hochklassischen Zeit hiermit die republikanischen Juristen bezeichnen wollen 33 • Allerdings gehört Tryphoninus der spätklassischen Zeit an, so daß diese Aussage hier unmittelbar nicht weiterhilft. 29 Paul. D. 12,6,15,1 (hierzu Pflüger, Condictio, S. 96; Schwarz, S. 48; Kunkel/Honsell, S.352 mit Anm. 10); Iul D. 12,1,19,1 (siehe oben S. 13 Anm. 26); Ulp. D. 16,1,8,3 (vgl. Schwarz, S. 41 f.; Pflüger, Condictio, S. 68 ff.; Kunkell Honsell S. 272 mit Anm. 33); Iav. D. 12,4,10 (Pflüger, Condictio, S. 25, 69, 80; Schwarz, S. 196; Kunkell Honsell, S. 352 mit Anm. 11); Paul D. 12,6,12 (siehe hierzu Schwarz, S. 72). 30 Krüger, S. 225; HeumannlSeckel, S. 596; Wenger, S. 511; Kunkel, S. 123; Dulckeitl Schwarzl WaldsteIn, S. 239. 31 v. Mayr, S. 92. 32 Huvelin 11, S. 359/60; Hägerström II,S. 101; Levy I, S. 280f. Anm. 6; Wieacker. JURA 13, S. 10 Anm. 22 a; Thomas. JURA 14, S. 182; Voci. JURA 16, S. 211; Liebs. Konk., S. 43. 33 Kann. S. 37; Jolowicz. S. XXI; Donatuti. St. Parm. I, S. 40; Pernice. Labeo 8, S. 386 Anm. 52; Santoro. St. Scaduto III, S. 549, 568, 570; Dulckeitl SchwarzlWaldstein, S. 149.

I. Historische Grundlagen

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Für die hochklassische Zeit findet sich bei Ulp. D. 12,5,6 (lib. 18 ad Sab.) folgendes Fragment: Perpetuo Sabinus probavit veterum opinionem existimantium id, quod ex iniusta causa apud aliquem est, posse condici: in qua sententia eliam Celsus est. Dem folgend hat Sabinus dargelegt, daß nach Meinung der veteres das, was sich ex

iniusta causa bei jemandem befmde, kondiziert werden kann. Celsus ist der gleichen Ansicht.

Danach kann von demjenigen, der ex iniusta causa besitzt, kondiziert werden. So die Ansicht des Sabinus und auch des Celsus unter Berufung auf die veteres. Auch hier wird veteres wohl als Begriff zu verstehen sein. Anderenfalls hätte Ulpian, zumal er Celsus und Sabinus namentlich nennt, weitere Juristen mit Namen genannt. Hieraus läßt sich entnehmen, daß er auf eine vor Sabinus34 und Celsus 3S liegende Epoche hinweisen wollte. Allerdings ist zu fragen, ob fr. 6 für die Beantwortung der vorliegenden Frage überhaupt herangezogen werden kann. Denn immerhin spricht das Fragment nicht von einem/urtum. sondern sagt bloß, es könne ex iniusta causa kondiziert werden. In der Literatur wird jedoch angenommen, "ex iniusta causa" müsse durch "ex/urtiva causa" ersetzt werden 36 • Dem kann zugestimmt werden, folgt fr. 6 doch im Anschluß an Ulp. D. 7,9,12 37 , wo am Ende ausdrücklich derjürtumFall genannt wird. Durch das mit "perpetuo" beginnende fr. 6 stellt Ulpian den Anschluß an die letzte Aussage in fr. 12 her. Daher kann angenommen werden, daß Sabinus und Celsus die Kondiktion imjürtum-Fall zugelassen haben. Insoweit kann der oben zitierten wohl herrschenden Meinung zugestimmt werden: Die Quellen belegen, daß das Wort" veteres" als Begriff, ja gleichsam als terminus technicus verwandt wurde 38 • Die Juristen der hochklassischen Zeit wollten damit auf die Autoritäten der Vorklassik verweisen. Dies legt nahe, daß im Falle einesjürtum bereits in vorklassischer Zeit, also zur Zeit der republikanischen Juristen kondiziert werden konnte 39 • Eine sichere Erkenntnis läßt sich den Quellen (insbesondere über eventuell noch früher liegende Entwicklungsstufen) allerdings nicht entnehmen.

34 Sabinus lebte im I. Jh. n. Chr., er ist zu den Frühklassikem zu rechnen; vgl. Dulckeitl SchwarzlWaldstein. S. 223. 35 Celsus lebte Ende des 1./Anfang des 2. Jh. in der hochklassischen Zeit; vgl. Dulckeitl SchwarzlWaldstein. S. 224/5. 36 Pflüger, Roscius, S. 58 f.; v. Lübtow. Beiträge, S. 145; zurückhaltend Santoro, APal. 32, S. 219 ff., 222, 226, 252, 304/5. Nach Kunkell Honsell. S. 353 Anm. 16, sind Zweifel an der Echtheit von fr. 6 kaum möglich. 37 Lenel, Pal. 1I; Sp. 1075. 31 Ulp. D. 2,4,4,2; Gai. 1,165; Gai. 1,188; HeumannlSeckel. S. 621 m.w. Quellennachweisen. Zu Gai. 1,165 vgl. jetzt auch KunkellHonsel1, S. 421 mit Anm. 4. 39 Krüger. SZ 21, S. 421; Huvelin 11, S. 363.

B. Ex causa furtiva condicere

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11. Dogmatische Grundlagen 1. Rechtsnatur der condictio im furtum-FaD

Die Rechtsnatur der condictio ist umstritten. Verschiedene Autoren nehmen an, bei der "condictio ex causa furtiva" handele es sich um eine DeliktSklagei. Sie sei allerdin~ keine Strafldage im eigentlichen Sinne. Nur ihre Natur als Deliktsklage rechtfertige ihre eigenartige intentio auf dare oportere. Windscheid 2 hält die "condictio ex causa jurtiva" für einen "Deliktsanspruch im Gewande eines Anspruches aus ungerechtfertigter Bereicherung". Andere sind der Auffassung, die condictio besitze keinen Deliktscharakter3 • Dies wird damit begründet, daß sie in geradem Gegensatz zur actio furti gesetzt werde4 • Auch Savigny hält sie nicht für eine Deliktsklage~; dies beruhe darauf, daß sie nicht - wie die actio furti - aus einem Delikt entstehe; sie habe ihren Ursprung vielmehr, "ebenso wie jede andere condictio sine causa, aus des Gegners grundloser Bereicherung durch unser Eigentum". Baron 6 bezeichnet sie als Eigentumsanspruch. Zum Teil wird sie umschrieben als zivilrechtliche Rückforderun~klage, deren letzter Ursprung im Unrechtsgedanken der begangenen Tat zu suchen sei 7• Den Literaturmeinungen, die vertreten, die condictio ex causa jurtiva sei eine Deliktsklage, ist zu entgegnen, daß das römische Recht keine actiones ex delicto, sondern nur obligationes ex delicto kennt. Die Frage nach dem Deliktscharakter der condictio ([urtiva) ist daher verfehlt. Die condictio ist vielmehr eine abstrakte Klage und jedenfalls keine actio poenalis. Sie gehört zu den reipersekutorischen Klagen 8• Daß aber auch aus einem Delikt ([urtum) eine condictio hervorgehen kann, ist doch eine historische Selbstverständlichkeit, wenn man mit Kaser der Meinung ist, die condictio habe ihre Wurzeln bei der deliktischen Vorenthaltung von Geld. 2. Die condictio als actio in personam

Da die condictio eine actio in personam ist 9 , gilt dies auch für ihren Anwenauf einfurtum. Das ergibt sich aus Ulp. D. 44,7,25 pr. (lib. sing. reg.):

dun~fall

1 Pampaloni. St. Senesi 16, S. 222; van Oven. IURA 1, S. 29; Rabel. S. 119; d'Ors. AHDE31, S. 633; Sturm. Aquiliana, S. 114. 2 Windscheidl Kipp 11, S. 966 Anm. I. ) Krüger. SZ 16, S. 2; v. Mayr. S. 145; Bossowski. APal. 13, S. 409; Casavola. S. 20; Kaser I, S.502, 627; Liebs. Konk., S. 94 Anm. 37 und S. 162. 4 v. Mayr. S. 145; Casavola. S. 20. S Savigny V, S. 556. 6 Baron. S. 558. 7 Levy I, S. 282; Schwarz. S. 277. 8 Gai. 4,8; Carl. S. 61; Damerow. S. 63. 9 Levy I, S. 282. Vgl. S. 11 mit Anm. 4.

11. Dogmatische Grundlagen

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Actionum genera sunt duo, in rem. quae dicitur vindicatio, et in personam. quae condictio appellatur. in rem actio est, per quam rem nostram. quae ab alio possidetur, petimus: et semper adversus eum est qui rem possidet. in personam actio est, qua cum eo agimus, qui obligatus est nobis ad faciendum aliquid vel dandum: et semper adversus eundem locum habet. Es gibt zwei Arten von Klagen: die actio in rem, die als vindicatio, und die actio in personam, die als condictio bezeichnet wird. Bei der actio in rem handelt es sich um eine Klage, mittels derer man eine eigene Sache, die ein anderer in Besitz hat, herausverlangen kann: sie richtet sich immer gegen den, der die Sache besitzt. Bei der actio in personam handelt es sich um eine Klage, mit der man gegen denjenigen klagt, der verpflichtet ist, etwas zu tun oder zu leisten. Sie ist immer gegen eben diese Person statthaft.

Danach werden die actiones in Vindikationen und Kondiktionen eingeteilt. Vindikationen sind dingliche Klagen, die sich gegen den Besitzer richten und nur Eigentümer zustehen. Demgegenüber handelt es sich bei den Kondiktionen um persönliche Ansprüche, die sich gegen den richten, der verpflichtet ist, etwas zu tun, insbesondere etwas zu leisten ifacere vel dare). Entstehungsgrund für eine solche Klage kann auch ein/urtum sein.

dem

Die Gleichsetzung von condictio und actio in personam wird stellenweise für interpoliert gehalten 10. Diese Interpolationsannahme ist jedoch verfehlt 11. Fr. 25 pr. ist inhaltlich nicht zu beanstanden und entspricht der gaianischen Definition in Gai. 4,5 12 • Auch die Gegenüberstellung von vindicatio und condictio ist nicht anzuzweifeln; sie ist allgemein üblich 13.

Actio in personam und actio in rem unterscheiden sich u.a. dadurch, daß der Beklagte bei der actio in personam unter dem Einlassungszwang stand. Er war verpflichtet, sich zur Klage des Klägers zu äußern. Dieser Einlassungszwang bestand bei den dinglichen Klagen nicht 14. Die Einlassungsfreiheit ist nach Liebs der wahre Grund, weshalb es bei den dinglichen Klagen kein "dare oportere", sondern nur ein "rem meam esse" gegeben habeis . Mit diesem Prinzip der Ein10 Baron, Cond., S. 238; Pflüger, Condictio, S. 10, 12 (nMit dem, was wir sonst vom classischen Recht der condictio wissen, ist das nun einmal schlechterdings nicht zu vereinen .... condictio ist damit ... (in justinianischer Zeit) ... ein allgemeiner Name fiir actio in personam überhaupt."); ders., SZ 43, S. 159 Anm. I (nGaius hat nicht geschrieben: darifierive, sondern nur dari, oder wenn wir der Handschrift folgen dare, und hat damit sagen wollen, daß nicht alle actiones in personam, sondern nur die auf dare Kondiktionen genannt werden. Erst in nachklassischer Zeit hat man Gaius mißverstanden, als habe er wie allen actiones in personam den Namen Kondiktionen beilegen wollen .... Fr. 25 pr. ist im Sinne der falschen Lehre: condictio gleich actio in personam interpoliert."); Betti, Bull. 25, S. 72 Anm. 2; Albertario, delictum, S. 47; ders., Rend. Lomb. 59, S. 552 f.; Bossowski, APal. 13, S. 380; Pacchioni, obbl., S. 234, 235; Wieacker, Labeo 15, S. 100 Anm. 44 (nFr. 25 ist ein epiklassischer Traktat."). 11 Savigny V, S. 593; v. Mayr, S. 140; ders., SZ 25, S. 203; Koschembahr-Lyskowski I, S. 289; Partseh, SZ 32, S. 448; Sotty, Labeo 25, S. 154 mit Anm. 53. 12 v. Mayr, SZ 25, S. 203; Koschembahr-Lyskowski I, S. 289. 13 v. Mayr, SZ 26, S. 120. 14 Liebs, S. 97. IS Liebs, S. 97.

B. Ex causa furtiva condicere

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lassungsfreiheit gegenüber dinglichen Ansprüchen stehe aber eine persönliche Rückgabeklage gegen den Dieb nicht in Widerspruch. Das "odio jurum" des Gai. 4,4 durchbreche also in Wahrheit kein Prinzip - was bedenklich wäre -, sondern verweigere Dieben die Einlassungsfreiheit. Der Dieb solle sich nicht nur auf die - vermeintlich bessere - Beklagtenrolle der rei vindicatio zurückziehen können (und damit die Einlassung verweigern können), sondern einer persönlichen Klage ausgesetzt sein, eben aus dem Grund, weil ein Dieb verschärft (mindestens wie ein Vertragsschuldner) haften solle l6 • Ob freilich der Gesichtspunkt der Einlassungsfreiheit bei dinglichen Klagen maßgeblich war, die condictio im Falle desjurtum zuzulassen, erscheint nach den bisherigen Feststellungen zweifelhaft. Ob der Hinweis des Gaius in 4,4 so zu verstehen ist, ist fraglich. Denn Gaius geht von den dogmatischen Grundsätzen seiner Zeit aus und vermag daher diesen Anwendungsfall nicht recht einzuordnen. Hätte er auf diesen Gesichtspunkt abgestellt, hätte er lediglich feststellen müssen, daß auch im Falle des jurtum die condictio möglich war. Der "odio jUrum"-Begründung hätte es nicht bedurft. Mit "odium jurum" will Gaius vielmehr den Unrechtsgedanken, der dem der condictio zugrundeliegenden jurtum entspringt, in den Vordergrund rücken l7 • Festzuhalten bleibt, daß auch im Falle eines jUrtum die condictio den Regeln der actio in personam folgt. Daraus läßt sich ohne weiteres entnehmen, daß es keine "besondere" Formel für "die condictio ex causajurtiva" gibt. Auch für das condicere ex causa jurtiva gilt die bereits oben 18 wiedergegebene Formel der condictio, in deren intentio der Verpflichtungsgrund nicht genannt wird 19. Hieraus ergibt sich, daß die Formel der condictio für alle Anwendungsfälle gleich ist 20• Da Grundlage der condictio dasjurtum an einer res ist, ist sie eine condictio certae rei 21 • 3. Die condictio als sachverfolgende Klage

Wird ein Sklave gestohlen, steht nach dem Zeugnis Julians im Ulpianfragment D. 11,3,11,2 dem Bestohlenen die condictio zur Verfügung. Julian sagt: "quamvis enim condictione hominem, poenam autem jurti actione consecutus sit". Er weist Cannata, Labeo 20, S. 114. Pemice III, S. 233; Bossowski, APal. 13, S. 348/9; Hägerström 11, S. 106; Donatuti, St. Parm. I, S. 41; Schwarz, S. 277; Marrone, APal. 26, S. 556 Anm. 344; cl Ors, RIDA 12, S. 455, 458. 18 Siehe S. 11 f. 19 Savlgny V, S. 614; Mommsen. Strafrecht, S. 757; Nicho/as, S. 230. ~ Nicholas, S. 230. 21 Gai. 4,4; 41;43; 49; SavignyV, S. 614; Mommsen. Strafrecht,S. 757; v. Mayr. S.400;Huvelin 11, S. 410, 591; Hägerström I, S. 254; II,S. 100; Siber. St. Riccobono 111, S. 245; Schulz. CRL, S. 618; v. Lübtow. Beiträge, S. 82; Niederländer. S. 36; Lenel. Ed. perp., S. 237; Nicholas. S. 230; Kaser I, S. 599; ders., Kurzlehrbuch, S. 328. 16

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11. Dogmatische Grundlagen

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darauf hin, daß dem Herrn neben der pönalen Klage (actio furti) die condictio zusteht. Er begründet dies damit, daß der Kläger mit der actiofurti nur die Strafsumme erhalte, mit der condictio aber den gestohlenen Sklaven22 • Aus diesem Fragment läßt sich zwanglos die sachverfolgende Natur der condictio auch ex causafurtiva entnehmen 23 • Sie ergibt sich zudem mittelbar aus VIp. (Paul.) D. 47,2,21,10, wonach die condictio entfallt, wenn der Täter die res furtiva nicht mit sich genommen hatte. Denn wenn dem Verletzten kein Verlust entstanden ist, der wiedergutgemacht werden kann, kommt eine reipersekutorische Klage einleuchtenderweise nicht in Betrache4 • Verschiedene Autoren meinen, die condictio gehe als actio rem persequens auf Herausgabe der gestohlenen Sache und für den Fall der Nichtherausgabe auf Wertersatz 25 • Sollte hiermit gemeint sein, der Beklagte könne auf Herausgabe verurteilt werden, so widerspräche dies dem im römischen Zivilprozeß durchweg anerkannten Grundsatz der condemnatio pecuniaria 26 • Der der condictio auch im Falle eines furtum zuerkannte Sachverfolgungsgedanke will nur klarstellen, daß Grundlage des Anspruches die gestohlene Sache ist und demnach die condictio in furtum-Fällen keinen pönalen Charakter besitzt. Pönale Funktion besitzt vielmehr nur die actio furti. Die mit ihr einklagbare Buße sollte Strafe für die Tat und Genugtuung für das erlittene Unrecht sein 27 • Daher werden auch condictio und actio furti in den Quellen des klassischen Rechts scharf voneinander getrennt. Dies bestätigt Gai. 4,8: Poenam tantum persequimur velut actione /urti et iniurarum et secundum quorundam opinionem actione vi bonorum raptorum; nam ipsius rei et vindicatio et condictio nobis conpetit. Nur die Strafe verfolgt man z.B. mit der actio furti, der actio iniurarum und nach der Meinung einiger mit der actio vi bonorum raptorum; denn in Bezug auf die Sache selbst steht uns sowohl die Vindikation als auch die Kondiktion zu. 28

Verschiedene Autoren halten es für bemerkenswert, daß eine "condictio ex causa furtiva" als solche nicht bezeichnet wird; gleichwohl müßte sie gemeint sein 29 • Da aber die condictio beimfurtum ohnehin nur ein Anwendungsfall der condictio ist und der Verpflichtungsgrund in der Formel nicht genannt wird, ist es völlig einleuchtend, daß Gaius nur schlechthin von condictio spricht, auch wenn es um ein furtum geht. Ferner Gai. D. 47,2,55,3 (hierzu Betti. lit. aest., S. 17 (18) Anm. 36); Ulp. D. 13,1,7,1. Rein. S. 312; Burchardi 111, S. 904; v. Wächter II, S. 489; Roby 11, S. 84; Heilfron. S. 659; Arangio-Ruiz. Cours, S. 160; Nicholas. S. 215; Guarino. S. 895; Sturm. Aquiliana, S. 114; Feenstra. S. 1%,209; Hausmaninger/Selb. S. 333. 24 Jolowicz. S. 35 Anm. 10. 25 Burchardi 111, S. 904; Heilfron. S. 659; Sturm. Aquiliana, S. 114. 26 Hierzu unten S. 102. 27 Hausmaninger / Selb. S. 333. 28 Lammeyer. S. 169; ferner Gai. D. 47,2,55,3. 29 v. Mayr. S. 144; Hägerström I, S. 478; 11, S. 106. 22

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B. Ex causa furtiva condicere

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Einen weiteren Beleg für die sachverfolgende Natur der condictio liefert Ulp. D. 13,1,10 pr. (lib 30 ad ed.): Sive manifestus fur sive nec manifestus sit. poterit ei condici. ita demum autem manifestus fur condictione tenebitur. si deprehensa nonfuerit a domino possessio eius: ceterum nemo furum condictione tenetur. posteaquam dominus possessionem adprehendit. . .. Die condictio ist sowohl gegen den auf frischer Tat ertappten als auch gegen den erst später überführten Dieb möglich. Der ertappte Dieb haftet jedoch nur dann mit der condictio, wenn der Eigentümer den Besitz der Sache nicht wiedererlangt hat. Im übrigen haftet kein Dieb mit der condictio. nachdem der Eigentümer wieder den Besitz ergriffen hat. . ..

Die Haftung des Diebes aufgrund der condictio tritt also nur dann ein, wenn der Kläger die possessio der gestohlenen Sache noch nicht wiedererlangt hat 30• Possessio meint hier die tatsächliche Innehabung der Herrschaftsmacht. Die condictio ist daher auch dann ausgeschlossen, wenn der Dieb die gestohlene Sache freiwillig an den Bestohlenen zurückgibt oder wenn die Sache auf andere Weise in den Besitz des Bestohlenen zuruckgelange 1• Denn es fehlt dann am "dare oportere"; ein Sachverfolgungsinteresse hat der Kläger insoweit nicht (mehr).

4. Verzugshaftung des Diebes und Grundsatz der perpetuatio obligationis

Aus Tryph. D. 13,1,20 32 ist zu schließen, daß die Tat des Diebes nach den Regeln des Schuldnerverzuges behandelt wird 33. Der Dieb ist von Anfang an, d.h. seit Begehung desfurtum. mit der Rückgabe im Verzug. Einer besonderen Mahnung auf Rückgabe der Sache bedurfte es nicht 34 • Er ist bösgläubig. Da der Dieb bereits mit der Entwendung im Rückgabeverzug ist, haftet er auch dann, wenn der gestohlene Gegenstand ohne sein Verschulden, also zufällig, untergegangen ises. 30

Bossowski. APal. 13, S. 414; Hägerström 11, S. 107.

Pomp. D. 47,2,9,1 (s. S. 109 ff.); Gai. 0.47,2,55,3; Ulp. 0.13,1,8 pr. (s. S. 105); v. Mayr. S. 193 Anm. 5; v. Koschembahr-Lyskowski I, S. 41; Hitzig. RE VII/I, Sp. 397; Hägerström 11, S. 107; vgl. allerdings Lenel. Pal. I, Sp. 377, der in fr. 10 pr. das Wörtchen [eius] fiir interpoliert hält. 32 Text und Übersetzung S. 24. 33 Ebenso Ulp. O. 13,1,8,1; Ulp. D. 13,1,7,2;Pampaloni. St. senesi 16, S. 218; Crome. S. 198; Jolowicz. S. LXII; Scha". S. 1204 Anm. 2; Santoro. APal. 32, S. 345 mit Anm. 44; Kunkel/ Honsell. S. 24!5, 362. :M Koser. SOHl 46, S. 115 und Anm. 117; Kunkel/ Honsell. S. 245. lS Savigny V, S. 522; Mommsen. Obligationenrecht III, S. 76, 211; Puchta. S. 409; v. WächterII, S. 489; Wendt. S. 546; Baron. Pandekten, S. 430; Windscheid/Kipp 11, S. 98 Anm. 13,966 mit Anm. 3; Girard I, S. 446; Crome. S. 134, 139; Schwind, S. 343; Kaser. Rest., S. 23, 85, 156; ders .• SOHl 46, S. 139 ff.; Ankum. S. 52. 31

11. Dogmatische Grundlagen

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Felgentraeger will den Satz ,j'ur semper moram facere videtur" für nicht echt erklären36 • Fr. 20 lasse jedenfalls erheblich Echtheitszweifel zu. Genzmer ist der Ansicht, der Satz mache eine rechtsinstitutionelle Festlegung des subjektiven Tatbestandes bei der condictio überflüssig, ja unmöglich 37 . Dies ist auch nicht erforderlich; der Satz stellt eine Rechtsregel dar, die es erlaubt, ohne weitere Prüfung der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen des Verzuges von dessen Vorliegen auszugehen 38 . Außerdem ist zu beachten, daß einfurtum immer dolus malus voraussetzt. Durch den Eintritt des Verzuges ist der Dieb von Anfang der Tat an einer strengeren Haftung ausgesetzt. Dies folgt aus dem Grundsatz der perpetuatio obligationis. Die Obligation wird gerade in dem Stand, in dem sie sich befindet, "eingefroren"39. Der Kläger war mit seiner Klage daher auch dann nicht ausgeschlossen, wenn der Leistungsgegenstand untergegangen war. So ist aus Ulp. D. 13,1,7;l (Iib. 42 ad Sab.) zu entnehmen, daß es wegen der Verzugshaftung des Diebes unerheblich ist, ob die Rückerlangung der possessio durch Untergang objektiv unmöglich geworden ist. Ist beispielsweise der gestohlene Sklave gestorben, haftet der Dieb gleichwohl aufgrund der condictio lrO • U/p. D. 13,}, 7,2 (/ib. 42 ad Sab.): Condictio rei !urtivae, quia rei habet persecutionem, heredem quoque foris obligat, nec tontum si vivat servusjurtivus, sed etiam si decesserit: sed et si apud foris heredem diem suum obiit servus fortivus vel non apud ipsum, post mortem tamenforis, dicendum est condictionem adversus heredem durare, quae in herede diximus, eadem erum et in ceteris successoribus. Da die condictio einer res furtiva eine reipersekutorische Klage ist, haftet auch der Erbe des Diebes, und zwar nicht nur, wenn der gestohlene Sklave noch lebt, sondern auch dann, wenn er gestorben ist. Die condictio steht gegen den Erben auch dann zu, gleichgültig, ob der gestohlene Sklave beim Erben des Diebes gestorben sein sollte oder bei einem Dritten. Was rur den Erben gilt, gilt auch rur die übrigen Rechtsnachfolger. 4l

Aufgrund der Verzugshaftung konnte, ja mußte der Umstand des Untergangs unberücksichtigt bleiben42 • Paulus sagt in D. 45,1,91,3: "veteres constituerunt, 36 Felgentraeger, SZ 51, S. 524. Ebenso schon bereits Levy, SZ 36, S. 37 mit Anm. 7; Albertario, Animus, S. 11. 37 Genzmer, SZ 44, S. 87. 38 Iul. D. 50,17,63; Mod. D. 40,5,13; Hitzig, RE VII/I, Sp. 384; Huvelin I,S. 361 mit Anm.3; Kaser, Rest., S. 85. 39 Wendt, S. 546; Windscheid/Kipp 11, S. 98 Anm. 13; Crome, S. 134, 139; Arangio-Ruiz, Cours, S.387; Kaser, Quanti, S. 92; ders., Rest., S. 66; Buckland, S. 550; Biondi, S. 365/6; Ankum, S. 52; Feenstra, S. 253; Hausmaninger/Selb, S. 328. 40 Savigny I, S. 561; Krüger, SZ 28, S. 468; Girard I, S. 446; Lotmar. SZ 31, S. 117 f. Anm. 5; Huvelin 11, S. 340, 348, 585; Olde Kalter. TR 38, S. 128/9. 41 Longo. BuH. 14, S. 151 Anm. 2, verdächtigt die Stelle. Hiergegen Hitzig. RE VIVI, Sp. 397; Lotmar. SZ 31, S. 117/8 Anm. 5; Levy, Privatstrafe, S. 22 Anm. 5. 42 v. Wächter 11, S. 399; Amdts v. Amesberg. S. 481; Heiifron. S. 465; Betti, ATor. 51, S. 1030; Arangio-Ruiz. Cours, S. 387; Kaser. Quanti, S. 92; tiers., Rest., S. 66; Buckland, S. 550; Schwind. S. 275; Biondi. S. 365/6; Feenstra. S. 253; Hausmaninger/Selb. S. 328.

32

B. Ex causa furtiva condicere

quotiens cu/pa intervenit debitoris, perpetuari obligationem." Die perpetuatio obligationis bildet daher eine Fiktion des "rem dare oportere" der Formel und unterstellt im Zeitpunkt der Litiskontestation das Vorhandensein des Schuldgegenstandes, so daß das Fortbestehen der Klage trotz Untergangs der Sache möglich ist 43 • Nicht zu verwechseln ist dies mit dem Grundsatz dercondemnatio pecuniaria 44 , wonach die Verurteilung nie auf Sach-, sondern immer auf Geldleistung ging45 •

Diese allgemeinen Verzugsregeln gelten ohne weiteres auch im Falle des Diebstahls. Der Untergang der gestohlenen Sache befreite den Dieb daher nicht von der Haftung mit der condictio46. Es gilt der Satz ,jur semper moram facere videtur"47, wobei dolus immer vorliegt 48. Dies bringt dem bestohlenen Eigentümer beträcht1iche Vorteile gegenüber der rei vindicatio. Als actio in rem unterliegt die rei vindicatio - wie schon gesagt - nicht dem Einlassungszwang der actio in personam. Läßt sich der Beklagte nicht ein, d.h. verweigert er die Mitwirkung in der Streiteinsetzung (litis contestatio), dann findet ein Verfahren nicht statt, eine Entscheidung über die der rei vindicatio zugrundeliegenden Fragen kann nicht getroffen werden49. Der Kläger kann sich die Sache dann nur mit der actio ad exhibendum verschaffen so. Sie ist eine actio in personam. Dabei richtet sich die Klage gegen jeden, der exhibieren kann und gegen den, der die tatsächliche Gewalt arglistig aufgegeben hat 51. Die rei vindicatio versagt also dann, wenn der Besitz beim Beklagten nicht mehr vorhanden ist. Insoweit geht die condictio weiter. Auch die zur rei vindicatio konnexe actio ad exhibendum versagt, wenn die Sache ohne dolus malus nicht mehr im Besitz des Beklagten ist 52 • Auch hier hilft die condictio, da der Beklagte als im Verzug befindlich angesehen wird und die Verzugsvoraussetzungen unterstellt werden. Liebs 53 weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß der Kläger bei der rei vindicatio in der schwierigen Lage war, sein Eigentum beweisen zu müssen. Man habe deshalb dem Bestohlenen die Stellung im Prozeß erleichtert, indem man ihm für diesen Fall ausnahmsweise zugestand, statt derrei vindicatio diecondictio 43 Koser, Quanti, S. 92; ders., Rest., S. 66. Nach Kunkel! Honsell, S. 245 handelt es sich bei D. 45,1,91,3 um die Hauptstelle teco perpetuatio obligationis. 44 Hierm S. 102. 4l v. Wächter 111, S. 399; Heilfron. S. 465; Schwind. S. 275. 46 Savigny V, S. 552; VI, S. 213; Mommsen. Obligationenrecht 111, S. 76, 211; Puchta. S. 409; v. Wächter 11, S. 489; Baron. S. 430; Windscheidl Kipp 11, S. 966 mit Anm. 3; Crome. S. 139; Schwind. S. 343; Kaser. Rest., S. 23, 156; HausmaningerlSelb. S. 333. 47 Ulp. D. 13,1,8,1 (S. 106); Tryph. D. 13,1,20 (S. 24); hierzu auch Kaser. SDHl46, S. 116. ~ Vgl. Ulp. D. 47,2,50,2. 49 Ulp. D. SO, 17, 156 pr. so D. 10,4; Koser I, S. 434 mit ausführlicher Literaturübersicht. II Ulp. D. 10,4,9 pr. 4; Ulp. D. 10,4,7,5; Pomp. D. 10,4,14. l2 Ulp. D. 47,1,1 pr. l3 Liebs. S. 283.

H. Dogmatische Grundlagen

33

zu erheben 54 • Das klingt zunächst einleuchtend. Allerdings ist zu bedenken, ob zwischen rei vindicatio und condictio im Falle desfurtum wirklich ein RegelAusnahme-Verhältnis besteht 55 • Der Dieb wurde von der condictio daher nur dann befreit, wenn die Voraussetzungen des Verzuges nicht mehr vorlagen 56 • Marcellus D. 46,3,72,3 (lib. 20 dig.) sagt hierzu: [dem responsum est, si quis, eum subreptus sibi servus esset, sub condicione stipu/atus fuerit quidquid furem dare facere oportet: nam et fur condictione liberatur, si dominus oblatum sibi accipere no/uit. si tamen, eum in provincia forte servus esset, intercesserit stipu/atio (et finge prius quam faeu/tatem eius nancisceretur fur ve/ promissor, decessisse servum), non poterit rationi, quam supra reddidimus, /oeus esse: non enim optu/isse eum propter absentiam intellegi potest.

Ebenso hat man den Fall entschieden, wenn sich jemand, dem ein Sklave gestohlen worden war, unter einer Bedingung alles das habe stipulieren lassen, was der Dieb geben oder leisten müsse. Auch der Dieb wird von der condictio befreit, wenn der Herr den ihm angebotenen Sklaven nicht annimmt. Wenn jedoch die Stipulation eingegangen ist, als der Sklave etwa in der Provinz war - man denke sich, der Sklave ist eher verloren, als der Dieb oder der Promissor seiner habhaft werden konnte -, dann wird die Annahme, welche wir oben angegeben haben, nicht eingreifen: wegen der Abwesenheit (des Sklaven) kann man den Fall nicht so beurteilen, als habe der Täter ihn angeboten. Im vorliegenden Falle geht der Kläger als der Bestohlene eine stipulatio über das ex causafurtiva aufgrund der condictio Geschuldete ein. Fraglich ist, ob hierdurch die condictio getilgt wird. Marcellus bejaht dies mit der Begründung, der Dieb sei nun nicht mehr im Verzug. Marcellus vergleicht dies mit dem Fall, daß der Dieb den gestohlenen Sklaven angeboten hat und der bestohlene dominus ihn nicht annimmt. Entscheidend ist insoweit der Satz: "nam et fur condictione liberatur, si dominus oblatum sibi accipere noluit". Das Erlöschen der Kondiktionshaftung beruht darauf, daß der Schuldnerverzug endet, wenn der Schuldner die geschuldete Leistung anbietet, auch wenn der Gläubiger sie nicht annimmt 57. Damit hört die Sache auf, furtiv zu sein 58 • Teilweise wird jedoch angenommen, dieser nam-Satz sei interpoliert. Denn eine ipso-iure-Befreiung des Diebes bei Nichtannahme des gestohlenen Gegenstandes sei nicht mÖglich 59 • Dem ist zu entgegnen, daß diese Regel exakt den 54 Liebs, S. 283, bezeichnet sie als den "Hauptfall einer Eingriffskondiktion im römischen Recht". 55 Siehe hierzu unten S. 109 ff. 56 Beispielsweise dann, wenn der Dieb die Sache zurückgegeben hat; Roby 11, S. 83. 57 Dazu Koser I, S. 516 mit Anm. 28. 58 Koschaker, FS Hanausek, S. 134,135 Anm. 2; Bossowski, APa!. 13, S. 423/4; Masi, S. 186. Ebenso, wenn der Eigentümer den gestohlenen Sklaven verkauft oder den gestohlenen Sklaven freiläßt, vgl. Pomp. D. 44,7,56 (hierzu S. 38 f.). 59 Guarneri Cilali, APa!. 11, S. 201,292, 294/5; Thorens, S. 59; Segre, Stud. Bonfante 3, S. 556 Anm. 163; Ebrard, SZ 47, S. 421.

3 Pika

B. Ex eausa furtiva eondicere

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allgemeinen Verzugsregeln entspricht 60. Da die condictio keine Pönalklage ist 61 , ist auch nicht ersichtlich, daß für den vorliegenden Fall etwas anderes gegolten haben sollte. Nach Papinian ist für die Versagung der condictio einzig entscheidend, daß der Verzug, der durch den Diebstahl entstanden ist, beendet wird. In D. 13,1,17 (lib. 10 quaest.) schreibt er: Parvi refert ad tollendam condictionem offeratur servus furtivus an in aliud nomen aliumque statum obligationis transferatur: nec me movet. praesens homo fuerit nec ne, cum mora, quae eveniebat ex furto, veluti quadam delegatione jiniatur. Für die Aufhebung der condictio ist es ohne Bedeutung, ob der gestohlene Sklave angeboten oder die Verpflichtung in eine andere Schuldforderung übertragen wird. Weiterhin ist unerheblich, ob der Sklave gegenwärtig war oder nicht, da der Verzug, der aus dem Diebstahl entstand, gleichsam durch eine Delegation beendet wird.

Papinian beschränkt die Beantwortung der Frage, wann die condictio nicht mehr möglich ist, nicht auf den Hinweis, es genüge das Anbieten des gestohlenen Gegenstandes, sondern geht über den Fall des Anbietens hinaus, um die Lösung zu verallgemeinern. Die gegen das Fragment vorgebrachten Interpolationsannahmen 62 sind unbegründet. Denn das Anbieten der Sache ist nur eine Möglichkeit, den Verzug zu beenden. Entscheidend ist vielmehr nach Papinian, daß der Verzug, unerheblich auf welche Weise, beendet wird. Papinian bestätigt auch, daß der Untergang der gestohlenen Sache für diese Frage nicht von Bedeutung ist 63 • Ais weiterer Hinweis ist Tryph. D. 13,1,20 zu nennen 64 • Danach wird die

condictio fortbestehen, wenn sich der Dieb lediglich bereit erklärt hat, sich auf die condictio einzulassen. Denn dies beendet noch nicht seinen Rückgabeverzug. Er

wird erst dann frei, wenn er die Sache auch tatsächlich anbietet.

Afr. D. 17,1,37; Cels. D. 19,1,38,1; Ulp. D. 46,3,9,1. Vgl. Kunkel/Hansell, S. 245, 309. Siehe hierzu S. 26. 62 Bahacek, APal. 11, S. 356-358; Guarneri Citati, APal. 11, S. 201/2; Kaden, SZ 44, S. 19617; Thorens. S. 60. 63 Wieacker, JURA 13, S. 10. 64 Pflüger, Rose., S. 18, 46; Watson, S. 13/14. 60

61

III. Die Aktivlegitimation zur condictio

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111. Die Aktivlegitimation zur condictio 1. Die Aktivlegitimation des Eigentümers

a) Grundsätzliches zur Aktivlegitimation des Eigentümers zur condictio Aus Ulpian D. 13,1,1 (lib. 18 adSab.) folgt, daß diecondictio im Falle einesfurtum ausschließlich dem Eigentümer zusteht 1• In furtiva re soli domino condictio competit.

Dieses Ergebnis widerspricht zwar allen übrigen Anwendungsfällen der condictio. in denen sie gerade nicht dem Eigentümer zusteht. Fr. 1 ist aber schon wegen seiner Prägnanz wohl nicht zu beanstanden und darf deshalb auch nicht durch Interpolationsannahmen beseitigt werden 2• Aus dieser - angeblichen - Eigentümlichkeit leitet Levy den Grundsatz ab, daß die condictio im Falle eines furtum. so tief auch der Ausgangspunkt ihrer Entwicklung im Kondiktionenrecht wurzele, im klassischen Recht die Natur einer wirklichen Schadensersatzklage habe 3• Zwar scheint zunächst der Wortlaut von D. 13,1,1 diese Ansicht zu bestätigen. In der Tat ist der Eigentümer als der dinglich Berechtigte aktivlegitimiert. Freilich sind auch Fälle denkbar, in denen andere dinglich Berechtigte ex causa furtiva zur condictio berufen sein könnten. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, daß der Begriff .. condictio furtiva" justinianischen Ursprungs ist. "Die condictio furtiva" als speziellen Klagetyp gibt es sicher nicht. Es ist hingegen davon auszugehen, daß auch im Falle desfurtum die condictio bestimmten Berechtigten zuerkannt wird. Hier ist etwa an die Personen zu denken, die ein besonderes Besitzrecht für den Eigentümer ausüben oder sogar dieses Besitzrecht vom Eigentümer ableiten (z.B. Personen domini loco und der Pfandgläubigert D. 13,1,1 wird vielmehr eine Verkürzung des klassischen Grundsatzes darstellen und darauf beruhen, daß die Kompilatoren darauf bedacht waren, sämtliche Kondiktionsfälle voneinander abzugrenzen und ihnen besondere Bezeichnungen zu geben. I Vgl. auch Ulp. D. 7,1,12,5 (S. 62); Ulp. D. 47,2,14,16 (S. 49); Burchardi 1II, S. 905; Carl. S. 61; Hitzig. Schw. Ztschr. f. StR. 13, S. 219 Anm. 1; ders.• RE VlIIl, Sp. 397; v. Mayr. S. 401; HeilJron. S. 659; Windscheid/ Kipp I1, S. 906; Koschembahr-Lyskowski 11, S. 183; Girard I, S.447; Damerow. S. 64; Buckland. NRH 41, S. 43 Anm. 4; Bossowski. APal. 13, S. 354; Högerström I, S. 252; Bonfante. Istituzioni, S. 269 Anm. 1; v. Lübtow. Beiträge, S. 145; Schwarz. S. 291; Olde Kalter. TR 38, S. 124; KaserI, S. 618; Santoro. APal. 32, S. 231; Liebs. Konk.,S. 47; Sturm. Aquiliana, S. 79; Thomas. Textbook, S. 359/360. 2 v. Mayr. S. 401; Koschembahr-Lyskowski 11, S. 183; Bossowski. APal. 13, S. 354; Högerström l, S. 252; v. Lübtow. Beiträge, S. 145; Schwarz. S. 291; Olde Kalter. TR 38, S. 124, 131, 133; Kaser I, S. 618 Anm. 50; Liebs. Konk., S. 47 f. Anm. 52. 3 Levy I, S. 392. 4 Iul. D. 47,2,57,4 (tUr Personen domini loeo); Ulp.-Neratius D. 13,1,12,2 (tUr den Pfandgläubiger).



36

B. Ex causa furtiva condicere

Aus Ulp. D. 13,1,12,2 5 läßt sich entnehmen, daß es - entgegen Ulp. D. 13,1,1 - für die condictio infurtum-Fällen nicht begrifflich und ausnahmslos auf das Eigentum des Klägers ankam. Der Formelwortlaut der condictio (dare = "herausgeben,,)6 verlangt eben weder Eigentum des Klägers noch des Beklagten. Ulp. D. 13,1,1 enthält kein Dogma, sondern stellt wohl eine griffige Schulregel dar, um die Aktivlegitimation zur condictio lehrsatzartig und einprägsam von derjenigen zur actio furti abzugrenzen. Logisch notwendig war die Aktivlegitimation des Eigentümers zur condictio ebensowenig wie bei der actio furti'. Daß dem Eigentümer als einem dinglich Berechtigten an der gestohlenen Sache die condictio zusteht, steht zweifelsfrei fest. Dies bezeugt auch Ulp. D. 13,1,12 pr. (lib. 38 ad ed.): Et ideo eleganter Mareellus definit libro septimo: ait enim: si res mihi subrepta tua remaneat, eondiees. sed et si dominium non tuo faeto amiseris, aeque eondiees. Deshalb erklärt Marcellus im siebten Buch auf elegante Weise: wenn deine Sache, die mir gestohlen wurde, dein Eigentum bleiben sollte, wirst du kondizieren können. Aber auch wenn du das Eigentum nicht durch eine eigene Handlung verloren haben solltest, wirst du kondizieren.

Im ersten Satz des Fragments8 wird die Sache des tu bei ego gestohlen. Dem tu als dem Eigentümer der gestohlenen Sache steht daher die condictio zu 9• Auch wenn dem Dieb seinerseits die Sache von einem Dritten gestohlen wird, bleibt der Eigentümer zur condictio aktivlegitimiert. Dies belegt Pomp. D. 47,2,77,1 (lib. 38 ad Q. Muc.): Si quis alteri furtum feeerit et id quod subripuit alius ad eo subripuit, cum posteriore fure dominus eius rei furti agere potest. fur prior non potest, ideo quod domini interfuit non prioris furis, ut id quod subreptum est salvum esset. Haee Quintus Mucius refert et vera sunt: nam lieet intersit furis rem salvam esse, quia eondietione tenetur, tamen cum eo is cuius interest furti habet actionem, si honesta ex eausa interest, nee utimur Servii sententia, quiputabat, si rei subreptae dominus nemo exstaret nee exstaturus esset, furem habere furti aetionem: non magis enim tune eius esse intellegitur, qui luerum faeturus sit. dominus igitur habebit cum utroque furti aetionem, ita ut, si cum altero furti actionem inehoat, adversus a/terum nihilo minus duret: sed et eondietionem, quia ex diversis faetis tenentur.

Hierzu S. 71. Siehe hierzu oben S. 13 ff. 7 Hierzu Gai. 3, 203 ff. S Zum zweiten Satz siehe S. 39. 9 Ulp. D. 11,5,1,3; Ulp. D. 19,5,17,5; Pap. D.46,3,94,2;Hitzig, RE VlIIl, Sp. 397;Huve/inIl, S. 543 Anm. 2; Beseler, SZ 45, S. 485; Rosenthol, SZ 68, S. 244; Gaudemet, Labeo 7, S. 12; Kaser, TR 29, S. 195 Anm. 85; ders., FG V. Lübtow, S. 310/311; Thomas, IURA 14, S. 183; ders., IURA 19, S. 27. Die gegen das Fragment vorgebrachten Interpolationsannahmen sind überwiegend rein formellsprachlicher Natur (vgl. Lenel, Pa!. I, Sp. 607; Beseler, SZ 45, S. 463); diese Bedenken lassen jedoch keine Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit des Fragmentes aufkommen. 5

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III. Die Aktivlegitimation zur condictio

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Hat der Täter einen Diebstahl begangen, und wird ihm das, was er gestohlen hat, von einem Dritten gestohlen, kann der Eigentümer dieser Sache gegen den letzten Dieb die actio furti erheben. Dem ersten Dieb steht sie deshalb nicht zu, weil nicht ihm, sondern dem Eigentümer daran gelegen ist, das gestohlene Gut wiederzuerhalten. Dies hat Quintus Mucius zu Recht festgestellt. Denn wenn auch der (erste) Dieb ein Interesse an der Wiedererlangung der Sache darum hat, weil er mit der Kondiktion haftet, so hat doch gegen den (Dieb) nur derjenige die actio furti, dessen Interesse auf einem anständigen Grund beruht. Wir befolgen daher die Meinung des Servius nicht, welcher glaubte, daß, wenn kein Eigentümer einer gestohlenen Sache vorhanden sei, noch einer auftreten würde, der Dieb die actio furti haben würde; denn er, der ansonsten einen Gewinn machen würde, wird ebenso wenig als Eigentümer (des gestohlenen Gutes) angesehen. Es wird also der Eigentümer wider beide die actio furti haben, so daß, wenn er gegen den einen Dieb die actio furti erhebt, sie nichtsdestoweniger wider den anderen fortdauert, so auch die Kondiktion, weil sie aus zwei verschiedenen Tatsachen haften.

Das Fragment behandelt im wesentlichen die Frage, wem die actio furti zusteht, dem Eigentümer oder dem ersten Dieb. Pomponius führt aus, daß sie dem Eigentümer zusteht, und zwar gegen beide Diebe lO • Bezüglich der condictio stellt er fest, daß sie dem Eigentümer vorbehalten bleibt. Schirmer hat angemerkt, daß der zweite Dieb mit seiner Entwendung ein furtum gegenüber dem Sacheigentümer verübe, indem er dessen Vindikationsrecht verletzelI. Daher steht die condictio dem bestohlenen Eigentümer zu. Es überrascht daher auch nicht, daß sie gegen beide Diebe angestrengt werden kann 12 •

Nach Liebs handelt es sich hier um einen Fall der passiven Personenkonkurrenz J3 • Die doppelte Zuständigkeit sei auch deshalb nicht zu beanstanden, weil die Klagen "odio furum" gegeben würden 14 • Dies kann man für die actio furti gewiß unterstreichen. Aus "odio jurum" lassen sich für die condictio jedoch keine Rückschlüsse auf eine mögliche passive Personenkonkurrenz ziehen. "Odio jurum" meint nur die Häufung von Klagen gegenüber einem einzigen Dieb; natürlich müssen die Tatbestandsvoraussetzungen jeweils vorliegen. Die condictio ist aber dann nicht mehr möglich, wenn der Watson, S. 228. Schirmer, SZ 5, S. 214; ebenso Albanese, APal. 25, S. 142 Anm. 145. 12 Liebs, Konk., S. 133. Levy, Konk. I, S. 481, hält allerdings den Nachsatz mit [sedet ... ]für interpoliert ("Er macht ganz den Eindruck eines hinterher hinkenden Glossems oder Emblems, und was er besagen soll, bleibt im unklaren."); ebenso bereits Pampaloni, St. senesi 10, S. 117 f. (" ... e la ragione vera della decisione e in so stanza quella soggiunta in fine: ,non magis enim tunc eius esse intellegitur'. Le parole ,si honesta ex causa interest' sono probabJimente attinte alla 47.2.11 di Paolo."); Bossowski, APal. 13, S. 417/8. Dies trifft jedoch nicht zu; "discretis factis" bedeutet nur, daß die Delikte der Diebe jeweils allein für sich zu betrachten sind; insoweit ist die im Fragment getroffene Feststellung durchaus zutreffend Eine Lösung der Konkurrenzfrage will fr. 77,1 sicher nicht liefern. Ebenso Huvelin 11, S. 338/9 ("Le fragment est correct et ne donne pas de prise serieuse au sou~on d'interpolatibn"); ders., NRH 42, S. 86 Anm.4. . 13 Liebs, Konk., S. 133 . .. G~i. 4,4; Kaser I, S. 612; Liebs, Konk., S. 136. IO

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B. Ex causa furtiva condicere

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Kläger die gestohlene Sache bereits wiedererlangt hat. Dies widerspräche der sachverfolgenden Natur dieser Klage. Pomponius will vielmehr klarstellen, daß die condictio aus dem erstenjürtum durch den zweiten Diebstahl weder übergegangen (auf den ersten Dieb) noch untergegangen ist. Hierfür spricht auch der Wortlaut des Fragmentes: Bezüglich der actio furti wird gestritten, ob nach dem zweiten Diebstahl die actio furti auf den ersten Dieb übergegangen sein könnteIs. Dies mag immerhin möglich gewesen sein. Die condictio wird in diesen Streit nicht miteinbezogen. Die condictio steht dem Eigentümer allerdings nur solange zu, solange er Eigentümer der gestohlenen Sache ist. Seine Aktivlegitimation entfällt, wenn er die Sache veräußert hat l6 • Dies bestätigt Ulp. D. 13,1,10,2 (lib. 38 ad ed.): Tamdiu autem condictioni [oeus erit, donec domini/acto dominium eius rei ab eo recedat: et ideo si eam rem alienaverit, condicere non poterit. Die condictio wird solange möglich sein, bis der Eigentümer durch eine eigene Handlung das Eigentum an der Sache verliert. Er wird daher nicht mehr kondizieren können, wenn er die Sache veräußert haben sollte.

Nach OIde Kalter liegt die klassische Bedeutung von fr. 10,2 darin, daß der Veräußerer die Verfügung über die condictio ohne Rücksicht darauf verliert, ob die Veräußerung den Erwerber zum dominus ex iure Quiritium oder zum in bonis habens mache 17 • Seiner Ansicht nach bedeutet fr. 10,2, daß dem Kläger, der nur das nudum ius Quiritium habe, die condictio nicht zustehe. In der Tat kommt es für die Aktivlegitimation zur condictio allein darauf an, ob der Kläger für den vorliegenden Fall noch Eigentümer der gestohlenen Sache ist oder nicht. Denn ist die Übereignung bereits vollzogen, dann ist das Eigentum auf den Erwerber übergegangen mit der Folge, daß der Veräußerer zurcondictio nicht mehr aktivlegitimiert ist. Unklar ist allerdings, inwieweit dem Kläger ein nudum ius Quiritium nach Veräußerung verbleiben kann. Als weiterer Beleg kann Pomp. D. 44,7,56 (lib. 20 ad Q. Muc.) genannt werden: Quaeeumque action es servi mei nomine mihi coeperunt competere vel ex duodecim tabulis vel ex lege Aquilia vel iniuriarum vel /urt~ eadem durant, etiamsi servus postea vel manumissus vel alienatus vel mortuusjüerit. sed et condictio ex/urtiva causa competit, nisi si nactus possessionem servi aut alienavero aut manumisero eum. Alle diejenigen Klagen, die mir aufgrund von Taten, die gegen meinen Sklaven verübt wurden, zustehen (Ansprüche aus dem Zwölftafelgesetz, actio legis Aquiliae, actio 15 16

Watson, S.228. Koschembahr-Lyskowski 11, S. 183 Anm. 2; Hägerström I, S. 252; Liebs, Konk., S. 477

Anm.52.

17 Olde Kalter, TR 38, S. 132. Beseler, SZ 45, S. 463, hält fr. 10,2 für interpoliert. Inhaltlich ist die Quellenstelle allerdings nicht zu beanstanden. Die von Beseler erhobenen Interpolationsannahmen sind wohl nur formal-sprachlicher Art. Diese können daher wegen der inhaltlichen Richtigkeit des Fragmentes unberücksichtigt bleiben; ebenso Hitzig, RE VII/I, SP. 397.

111. Die Aktivlegitimation zur condictio

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iniuriarum, actio furti), kann ich auch dann noch geltend machen, wenn ich den Sklaven nachher freigelassen oder veräußert habe, oder der Sklave gestorben ist. Auch die condictio kann ex causa furtiva geltend gemacht werden, außer wenn ich den Besitz des Sklaven wiedererlangt, ihn veräußert oder freigelassen habe.

Der Eigentümer kann die condictio nur dann anstrengen, wenn er den gestohlenen Sklaven nicht veräußert oder freigelassen hat. Aus fr. 56 und fr. 10,2 folgt daher, daß die condictio dann nicht mehr möglich ist, wenn der Eigentümer freiwillig das Eigentum am gestohlenen Gegenstand aufgibt. Dann besteht auch kein Bedürfnis, den bestohlenen Eigentümer zu schützen. Ein Sachverfolgungsinteresse kann er nicht mehr vortragen. Hat der Eigentümer dagegen sein Eigentum nach dem Diebstahl unfreiwillig verloren, berührt das seine Aktivlegitimation zur condictio nicht. Dies bezeugt VIp. D. 13,1,12 pr. IB • Im zweiten Fall vonfr. 12pr. verliert tu sein Eigentum ohne sein Zutun. Dennoch wird dem tu die condictio belassen. Obwohl tu nun nicht mehr Eigentümer der Sache ist, wird ihm die condictio gewährt. Zum Teil wird fr. 12 pr. für insgesamt interpoliert gehalten, da die keine Definitionen im logischen Sinne enthaltenden Stellen mit "eleganter dejinire" schon im Hinblick auf diese Vokabel als wahrscheinlich glossematisch anzusehen seien l9 . Diese Interpolationsannahmen sind unbegründet. Denn sowohl im ersten wie auch im zweiten Fall in fr. 12 pr. kann der Kläger (tu) kondizieren, ja sogar dann, wenn er das Eigentum nach dem Diebstahl unfreiwillig verloren hat. Auch im zweiten Fall dürfte der Kondiktion des Eigentümers ein/urtum zugrundeliegen 20 • Entscheidend ist also, daß der bestohlene Eigentümer im Zeitpunkt desfUrtum Rechtsinhaber ist; ein späterer unfreiwilliger Verlust, d.h. Verlust des Eigentums ohne eigene Tat, schadet nichel . Diese Regel bestätigt auch Gai. 2,79. Hat der Eigentümer das Eigentum am gestohlenen Gegenstand durch Verarbeitung der Sache verloren, berührt dieser unfreiwillige Eigentumsverlust nicht seine Aktivlegitimation zur condictio. In aliis quoque speciebus naturalis ratio requiritur: proinde si ex uvis aut olivis aut spicis meis vinum aut oleum aut frumentum feceris, quaeritur. utrum meum sit id vinum aut oleum aut frumentum an tuum. item si ex auro aut argento meo vas aliquodfeceris vel ex tabulis meis navem aut armarium aut subsel/ium fabricaveris. item si ex lana mea vestimentum feceris vel si ex vino et meile meo mu/sum feceris sive ex medicamentis meis emplastrum aut collyrium feceris. quaeritur. utrum tuum sit id, quod ex meo ejJiceris. an meum. quidam materiam et substantiam spectandam esse putant. id est. ut cuius materia sit. illius et res. quae facta sit. videatur esse. idque maxime placuit Sabino et Cassio; alii vero eius rem esse putant. quifecerit. idque maxime diversae scholae auctoribus visum est: sed eum quoque. cuius materia et substantia tuerit. furti adversus eum. qui subripuerit. 18

Text und Übersetzung oben S. 36.

Behrens. SZ 74, S. 361; Martini. S. 80. 20 Lenel. Pa!. 11, S. 679/80, Nr. 1058. Hiernach gehört fr. 12 pr. in Ulpians Ediktskommentar in den Abschnitt "De Jurtis", Untertitel "De condictione furtiva". 21 Hägerström I, S. 252; 11, S. 102 Anm. 1. 19

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B. Ex causa furtiva condicere habere actionem; nec minus adversus eundem condictionem ei competere. quia extinctae res. licet vindicari non possint. condici tamen furibus et quibusdam aliis possessoribus possunt.

Auch in anderen Fällen findet sich die naturalis ratio. Wenn du daher aus meinen Trauben oder aus meinen Oliven oder Ähren Wein, Öl oder Getreide gemacht hast, fragt es sich, wem dieser Wein, dieses Öl oder dieses Getreide gehört. Ebenso, wenn du aus meinem Gold oder Silber irgendein Gefäß machst oder aus meinen Brettern ein Schiff oder einen Schrank oder eine Bank gefertigt hast, oder wenn du aus meiner Wolle ein Kleidungsstück, oder aus meinem Wein und Honig Met gemacht hast, oder aus meinen Medikamenten ein Wundpflaster oder Salbe. Es fragt sich, ob das, was du aus meinen Stoffen gemacht hast, in dein oder mein Eigentum fallt. Einige glauben, man müsse auf Stoff und Substanz sehen, d.h. die neue Sache gehöre demjenigen, dem der Anfangsstoff gehöre; dies nahmen Sabinus und Cassius an. Andere dagegen glauben, die Sache gehöre demjenigen, der sie angefertigt hat. So hat die andere Schule entschieden. Es habe auch der frühere Eigentümer des Stoffes und der Substanz die actio furti gegen den Entwender. Ebenso stehe ihm gegen dieselbe Person die Kondiktion zu, weil untergegangene Sachen, wenn auch nicht vindiziert, doch gegen Diebe und gewisse andere Besitzer kondiziert werden können.

Nach Ansicht der Sabinianischen Rechtsschule gehört demjenigen die neue Sache, dem der Ausgangsstoff gehört. Nach prokulianischer Lehre wird der Hersteller der neuen Sache Eigentümer 22 • Gaius erörtert nun im folgenden, welche Ansprüche der Eigentümer der gestohlenen Sache gegen den Dieb hat. Hierzu stehen die actio furti und die condictio zur Verfügung. Die rei vindicatio muß nach Gaius' Ansicht versagen, da die gestohlene Anfangssache untergegangen ist. Bemerkenswert ist hierbei das Wort "quoque". Anscheinend soll "auch" der frühere Eigentümer die actio furti 23 und die condictio haben. Nach dem Wortlaut könnte man meinen, auch der neue Eigentümer habe die Ansprüche. Levy hat jedoch bereits festgestellt, daß das Wort "quoque" bei Gaius oft, ohne Einzelheiten gleichzusetzen, lediglich "die ähnliche Artung eines weiteren Phänomens" andeute24 • Das bedeutet, daß das Wort "quoque" nicht wörtlich zu verstehen ist. Es sollen vielmehr vergleichbare Fälle gegenübergestellt und verglichen werden. Deshalb sollte das Wort "quoque" auch nicht zu Bedenken an dieser Stelle führen. Entscheidend ist vielmehr der Inhalt: Der frühere Eigentümer kann mit der condictio gegen den Entwender vorgehen 25 • 22 Pflüger. Rose., S. 44; Hägerström I, S. 239 mit Anm. 3, 245 f., 248, 252; Biondi, Bull. 38, S. 257; Thomas. Mel. Meylan I, S. 342 Anm. 5, 351; Santalucia. Bull. 72, S. 96/7;Plescia. JURA 24, S. 219. Nach Kunkel! Mayer-Maly. S. 170 mit Anm. 73, handelt es sich bei Gai. 2,79 um eines der wichtigsten Beispiele für einen Gegensatz von prokulianischer und sabinianischer Lepre. 23 Watson. S. 108 Anm. 1. 24 Levy. SZ 54, S. 288 Anm. 2. 25 Hier handelt es sich um ein condicere ex causa !urtiva. Biondi. Bull. 38, S. 257; Hägerström 11, S. 100/101; Bossowski. APal. 13, S. 343/4; van Oven. JURA I, S. 28; Longo. St. Albertario I, S. 695; Thomas. Mel. Meylan I, S. 351; Santalucia. Bull. 72, S. 97; Plescia. JURA 24, S. 219 Anm. 25; Thielmann. FG v. Lübtow, S. 203. Zur Passivlegitimation der "alii possessores": Pflüger. Rose., S. 44: Auch gegen sie wird die condictio gewährt. Pflüger, a.a.O., nimmt an, gegen sie werde eine condictio sine causa gewährt. Zu berücksichtigen bleibt freilich,

111. Die Aktivlegitimation zur condictio

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Da in der neuen Sache die Materie als vernichtet erscheint, können die mit ihr verbundenen rechtlichen Beziehungen nicht fortbestehen 26 • Durch die Spezifikation erlischt daher das Eigentum an der gestohlenen Sache27 • Die neue Sache erhält dann eine andere Bezeichnung, eine andere appellatio. Diese kann deshalb vom bisherigen Eigentümer nicht mehr vindiziert werden28 • Es gilt die Regel: extincta res vindicari non potest 29 • In der Vindikationsformel muß aber vor allem die zu vindizierende Sache genannt werden, und der Eigentümer des Ausgangsstoffes dringt hier mit derjenigen Bezeichnung nicht durch, welche der Stoff trug, als er noch seine unveränderte Gestalt bewahrte. Dies war ebenso beim Diebstahl: Der Dieb wird zwar nicht Eigentümer der gestohlenen Sache, wohl aber der umgeformte~ (neuen) Sache30• Daher stehen dem Eigentümer des gestohlenen Materials die actio furti und die condictio gegen den Dieb zu. Denn daß der Dieb das Eigentum an der neuen Sache unwiderruflich behält, erscheint, so Sokolowski, als eine jedes Rechtsgefühl beleidigende Konsequenz und muß deshalb vermieden werden. Die rei vindicatio ist jedoch nicht verwertbar, da ihre Formel nicht mehr paßt; ihre Voraussetzungen sind mit der Verarbeitung entfallen. Gai. 2,79 belegt insoweit, daß dem Eigentümer nachträglicher Eigentumsverlust dann nicht schadete, wenn dieser Verlust unfreiwillig geschah. Für diese Annahme spricht auch Ulp. D. 47,2,52,14 (lib. 37 ad ed.): Si quis massam meam argenteam subripuerit et pocu/afecerit, possum vel poculorum vel massae furti agere vel condictione. idem est et in uvis et in musto et in vinaceis: nam et uvarum et musti et vinaceorum nomine fort; agere potest. sed et condici. Wenn mir jemand mein Silber gestohlen und hieraus Becher gemacht hat, kann ich sowohl wegen der Becher als auch wegen des Silbers actio furti und condictio erheben. Dasselbe gilt bei Trauben, Most und Weinbeerkernen. Wegen dieser Sachen kann aufgrund der actio furti und der condictio geklagt werden.

Zunächst fallt auf, daß der Kläger ,furti agere vel condictione possit". Man könnte zunächst meinen, Ulpian wolle die actio furti und die condictio (ex causa furtiva) alternativ gewähren. In diesem Sinne wird das Wörtchen "ver in der Regel gebraucht. Es ist jedoch auch zulässig, das Wörtchen" ver mit "auch, sogar" zu übersetzen 3!. Und diese Übersetzung ist auch geboten; anderenfalls daß zwischen der condictio gegen den Dieb und gegen die alii possessores keine materiellrechtlichen Unterschiede bestehen. Bei der Klassifikation in eine condictio ex causafurtiva und eine condictio sine causa handelt es sich um nachklassische Kategorien. Im klassischen römischen Recht gibt es nur die condictio. Für Interpolation der Passage [et quibusdam aliis possessoribus] Bossowski, APal. 13, S. 383,400; van Oven. IURA I, S. 27 Anm. 12. 26 Sokolowski. SZ 17, S. 262. 27 v. Mayr. SZ 26, S. 90 f. 28 Santalucia, Bull. 72, S. 97; Olde Kalter. TR 38, S. 129. 29 Gai. 2, 79; Sokolowski. SZ 17, S. 262. 30 Sokolowski, SZ 17, S. 263; v. Mayr, S. 146. Nach Kunkell Honsell, S. 353 Anm. 16 spiele die Lösung in Gai. 2,79 auf die perpetuatio obligationis an; bei Gutgläubigkeit des Verarbeitenden sei die condictio aber wohl ausgeschlossen gewesen.

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B. Ex causa furtiva condicere

wäre dieses Fragment mit allen anderen Quellen nicht zu vereinen 32 • Der Bestohlene kann daher sowohl mit der actio furti als auch mit der condictio vorgehen 33. Die Klagemöglichkeit beruht darauf, daß der Dieb mit der Rückgabe in Verzug ist und daher - auch vermöge seiner Bösgläubigkeit - durch die Verarbeitung der gestohlenen Sache nicht von der Inanspruchnahme mit der condictio befreit wird. Es kommt daher auch nicht darauf an, daß dem Kläger der Rückerwerb der possessio der gestohlenen Sache objektiv unmöglich wird. Auch hier gilt, daß der unfreiwillige Eigentumsverlust des Eigentümers aufgrund der erfolgten Verarbeitung für die condictio nicht ins Gewicht fällt. In einem gleichgelagerten Fall referiert Paulus in D. 13,1,13 (lib. 39 ad ed.) die Lösung des Fulcinius: Ex argento subrepto pocula facta condici posse Fulcinius ait: ergo in condictione poculorum etiam caelaturare aestimatio fiet, quae impensafurisfacta est, quemadmodum si infans subreptus adoleverit, aestimatio fit aduleseentis, quamvis eura et sumptibus foris ereverit. Fulcinius sagt, daß die aus gestohlenem Silber hergestellten Becher kondiziert werden können. Bei der Kondiktion der Becher wird auch der Wert der Reliefarbeit geschätzt werden müssen, die auf Kosten des Diebes angefertigt wurde. Dies gilt auch, wenn ein entwendetes Kind zum jungen Mann geworden ist. Dann muß der Wert dieses jungen Mannes geschätzt werden, obwohl er in der Obhut und auf Kosten des Diebes herangewachsen ist.

Nach Fulcinius 34 steht dem Bestohlenen die condictio -auf die neu hergestellten Becher ZU3S. Insoweit teilt er die Meinung illpians. Darüber hinaus findet nach Fulcinius Ansicht eine Ästimation auch des Wertes statt 36, den der gestohlene Gegenstand erst beim Dieb erlangt hat. Hierbei ist der Zeitpunkt des höchsten Wertes der gestohlenen Sache maßgeblich 37 • Für die eigenen wertsteigemden Aufwendungen erhält der Dieb keinen Ersatz, da er mit der Rückgabe der Sache im Verzug ist. 31 Bossowski, APa!. 13, S. 439; Heumann/ Seckel. S. 615; Langenscheidt, S. 788 (rechte Spalte). 32 Insoweit ist die Übersetzung in Schilling/ Sintenis. Band 4, S. 839/840 unter fr. 54,14, die "vel" mit "oder" übersetzen, falsch. II Hägerström I, S. 25213; Thomas. Me!. Meylan I, S. 353 Anm. 41; Bund, S. 13 Anm. 30; Plescia. IURA 24, S. 219 Anm. 29. Bonjante, Istituzioni, S. 269 Anm. I, hält fr. 52,14 allerdings für interpoliert. 34 Wenger. S. 504; Fuicinius Priscus stammt wohl aus vortrajanischer Zeit; er war ein Spezialist im Ehegüterrecht. Lenel. Pal. I, S. 179/180: Wörtliche Überlieferungen des Fulcinius sind nicht vorhanden; es wird immer nur indirekt auf ihn Bezug genommen (insgesamt in zehn Fällen). 35 Ferner Gai. 2,79 (S. 39 f.); lui. D. 13,1,14,2 (S. 104); earl. S. 63;Hitzig, RE VII/I, Sp. 397; Bossowski, APaI. 13, S. 344,400; ders., actio ad exh., S. 67; Albanese, Labeo I, S. 166; Thomas, Me!. Meylan I, S. 253 mit Anm. 41; Santalucia, Bull. 72, S. 90, 128, 129; Thielmann. FG v. Lübtow, S. 221. 36 Pflüger. Rose., S. 27; Santalucia. Bul!. 72, S. 129; Plescia. IURA 24, S. 219/220; Thielmann. FG v. Lübtow, S. 221. 37 Ulp. D. 13,1,8,1.

111. Die Aktivlegitimation zur condictio

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Auch für fr. 13 gilt, daß der Kläger unfreiwillig das Eigentum am gestohlenen Silber verloren hat. Darüber hinaus trägt der Bestohlene aufgrund der Verzugshaftung des Beklagten nicht die Gefahr dafür, daß der gestohlene Gegenstand untergeht und damit die Wiedererlangung der possessio unmöglich wird 38 • Dies belegen auch Ulp. D. 47,2,46 pr., Ulp. D. 13,1,12 pr., Marci. D. 46,3,72,3 und Pap. D. 13,1,17. Hieraus folgt also zwanglos, daß die condictio ausscheidet, wenn der Eigentümer die Sache veräußert hae9 • Denn damit hat er freiwillig auf die Rückerlangung der possessio verzichtet. b) Die Aktiv!egitimation des Verkäufers

In Ulp. D. 47,2,14 pr. (lib. 29 ad Sab.) erörtert Celsus den Fall, daß vor der Übergabe (traditio) der verkauften Sache an den Käufer diese beim Verkäufer gestohlen wird. Eum qui emit, si non tradita est ei res, furti actionem non habere, sed adhuc venditoris esse hanc actionem Celsus scripsit. mandare eum plane oportebit emptori furti actionem et condictionem et vindicationem, et si quid ex his actionibus fuerit consecutus, id praestare eum emptori oportebit: quae sententia vera est, et ita et Iulianus. et sane periculum rei ad emptorem pertinet, dummodo custodiam venditor ante traditionem praestet. Wenn dem Käufer die Sache nicht übergeben worden ist, so habe er, schreibt Ce1sus, die actio furti nicht, sondern sie gebühre noch dem Verkäufer. Allerdings muß er dem Käufer die actio furti ebenso wie die condictio und die rei vindicatio abtreten. Wenn er durch die Klagen etwas erlangt haben sollte, muß er es dem Käufer herausgeben. Diese Ansicht ist richtig und wird auch von Julian vertreten. Tatsächlich trifft den Käufer die Gefahr, sofern der Verkäufer vor der Übergabe für custodia haftet.

Nach dieser Stelle stehen dem Verkäufer sowohl die pönalen wie die sachverfolgenden Klagen zu. Nach der QueUenstelle ist dies wohl herrschende Meinung unter den römischen Juristen gewesen. Zur Begründung trägt Celsus vor, die actio furti stehe deshalb dem Verkäufer zu, weil er dem Käufer wegen seiner custodia-Verpflichtung hafte40• Zu den sachverfolgenden Klagen gibt Celsus keine Begründung. Da der Verkäufer noch Eigentümer der Sache ist, ist er sowohl zur condictio als auch zur rei vindicatio aktivlegitimiert. Denn eine tramtio, die den Eigenturnsübergang vollzogen hätte, ist noch nicht erfolgt41. Der Verkäufer ist nach Celsus und den anderen Juristen jedoch verpflichtet, diese Klagen an den Käufer abzutreten. Diese Abtretungspflicht wird stellenweise für interpoliert gehalten. VIp. D. 13,1,10,2; Pomp. D. 44,7,56. VIp. D. 13,1,10,2; Pomp. D. 44,7,56. 40 Levy, sponsio, S. 204 Anm. 2; Betti, ATor. 51, S. 1029 Anm. 3; ders., Istituzioni, S. 417 Anm. 23; Hoetink, S. 62 Anm. 1; Vazny, APal. 12, S. 140; MacCormack, SZ 89, S. 189/190; Kaser, SZ 96, S. 119. Konstantinovitch. S. 118, 183 Anm. 1, hält das Fragment wegen der custodia-Verpflichtung des Verkäufers allerdings für interpoliert. 41 Jolowicz, S. 10; Kaser I, S. 416. 38

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B. Ex causa furtiva condicere

Einige Autoren nehmen an, fr. 14 pr. sei insgesamt interpoliert 42 • Die Zessionspflicht entspreche nicht dem klassischen Standpunkt. Vor Tradition stehe nur dem Verkäufer die actio furti ZU43. Das und nicht mehr habe Ulpian geschrieben. Was sich dazwischen schiebe, daß der Verkäufer, wenn er sich die verkaufte Sache habe stehlen lassen, dem Käufer nicht nur seine rei vindicatio und condictio abtreten müsse, sondern daß er seine actio jurti nur dazu habe, um sie dem Käufer abzutreten, das könne nicht von Ulpian sein. Die Diebstahlsstrafe, die der Verkäufer eingezogen habe, gehe nach klassischem Recht den Käufer nichts an, und mit seinen Klagen könne der Verkäufer den Käufer nur dann abfinden, wenn er nicht für den Diebstahl verantwortlich gemacht werden könne. Demgegenüber halten Seckel/Levy die Abtretungspflicht für klassisch44 • Dem Recht des Verkäufers auf den Preis entspreche ex jide bona nämlich die Pflicht zur Abtretung der ihm in Ansehung des Sklaven zustehenden Aktionen. Das sei immer die Vindikation gegen den dritten Besitzer, regelmäßig ferner die condictio und die actio jurti. Würde dieses sog. stellvertretende commodum nicht zur Ausgleichung des periculum emptoris verwendet, so zöge der Verkäufer aus dem Verschwinden eines Sklaven einen Gewinn, der der formularenjides bona aufs schärfste widerstreite 45 • 42 Schulz. Krit. Viert. 50, S. 66; Stella Maranca, Celso, S. 74; Buckland, NRH 41, S. 28/9; ders.. TR 10, S. 139 ("In fact the aUusion [et sane periculum ... fin] is ineptbythe compilers .... In the principium we are told that the vendor has to hand over the damages to the buyer, and this is inconsistent with the basis of the action."); Haymann. SZ 40, S. 217, 302 f. ("Gegen die Echtheit der Stelle spricht ... der Umstand, daß Ulpian zwar sich auf Celsus und Julian beruft, aber jeden Versuch einer sachlichen Rechtfertigung flir seine Entscheidung unterläßt. ... In dem nächsten Satz, dessen Subjekt eum nicht mehr wie im ersten Satz auf den Käufer, sondern plötzlich auf den Verkäufer bezogen werden muß, mit seinem doppelten Machtspruch oportebit, wird in der uns bekannten Manier der unglückliche Käufer auf den Umweg über die ihm zu präsentierenden Ansprüche des Verkäufers oder die von diesem beigetriebenen Beträge verwiesen. Die Regelung ist ebenso unausgedacht wie verwickelt wie die entsprechende im Fall der Haftung eines Dritten aus dem interdictum aut vi aut clam oder der cautio damni infecti. " Zur Abtretungspflicht der actio furti S. 303 f.); Konstantinovitch. S. 258; Paris. S. 226 ff. ("Dans ce texte, a notre sens, seule la premiere phrase est l'oeuvre dujurisconsulte classique .... Mais ... la phrase suivante fait serieusement soupconner une intervention des compilateurs. Quant la forme d'abord: dans la premiere phrase, eum designait l'acheteur, dans laseconde, il indique le vendeur; puis que penser de la repetition si rapprochi:e du verbe oportebit? Quand au fond, les developpements du texte manquent absolument le logique. L'attribution de I'actio furti au vendeur ne peut guere avoir pour motif le fait que l'acheteur supporte les risques. "); Appleton. RH 6, S. 238 Anm. 1; Bossowski. APal. 13, S. 360, 386; Beseler. TR8,S. 309/310; Arangio-Ruiz. Responsabilita, S. 154 ("Ed anche si potra riconoscere interpolato I'accenno aIl' ipotesti che il venditore abbia intentato lui queste ultime azioni: ipotesti che e in contraddizione cob l'obbligo, fattogli un momento primo, di cederle. "); zurückhaltend MacCormack, SZ 96, S. 135 mit Anm. 31. 43 Schulz. SZ 32, S. 72-74; Pflüger, SZ 65, S. 214. 44 Seckel/Levy. SZ 47, S. 147/8. 45 Krückmann. SZ 60, S. 46; ders.• SZ 64, S. 6; Betti. Istituzioni, S. 417; Olde Kalter. TR 38, S. 127 Anm. 74; Kaser, SZ 96, S. 115, 118, 119.

111. Die Aktivlegitimation zur condictio

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Die Abtretungspflicht des Verkäufers ist hier aus zwei Gründen zu bejahen: Der Käufer konnte zur condictio nicht aktivlegitimiert sein, da er im Zeitpunkt des Diebstahls weder die possessio noch eine dingliche Berechtigung an der gekauften Sache besaß. Andererseits war er aber verpflichtet, den Kaufpreis zu zahlen 46, da "perfeeta emptione periculum ad emptorem respicit". Diesen Nachteil für den Käufer galt es, durch Abtretung der Ansprüche des Verkäufers gegen den Dieb auszugleichen47. Auch Gai. D. 18,1,35,4 (lib. 10 ad ed. prov.) bestätigt dieses Ergebnis: Si res vendita per furtum perierit, prius animadvertendum erit, quid inter eos de custodia rei convenerat: si nihil appareat convenisse, talis custodia desideranda est a venditore, qualem bonus paterfamilias suis rebus adhibet: quam si praestiterit et tamen rem perdidit, securus esse debet, ut tamen scilicet vindicationem rei et condictionem exhibeat emptori. unde videbimus in personam eius qui alienam rem vendiderit: cum is nullam vindicationem aut condictionem habere passit, ob id ipsum damnandus est, quia, si suam rem vendidisset, potuisset eas actiones ad emptorem transfe"e. Wenn eine verkaufte Sache durch Diebstahl verloren gegangen ist, so muß man in erster Linie darauf achten, welche Übereinkunft hinsichtlich der Überwachun~ der Sache zwischen den Parteien getroffen worden ist. Mangelt es an einer solchen Ubereinkunft, so kann eine solche Überwachung (Beaufsichtigung) vom Verkäufer verlangt werden, wie sie ein guter Vater in seinen Angelegenheiten anzuwenden pflegt; wenn er diese geleistet und dennoch die Sache verloren hat, so ist er sicher gegen jeden Anspruch, doch muß er dem Käufer die rei vindicatio sowie die condictio abtreten; hieraus ergibt sich auch die Entscheidung in dem Fall, in dem jemand eine fremde Sache verkauft hat. Da demselben keine Eigentumsklage oder Kondiktion zustehen kann, so muß eben deshalb eine Verurteilung erfolgen; denn hätte er eine eigene Sache verkauft, so wäre er im Stande gewesen, jene Klagen auf den Käufer zu übertragen.

Danach ist der Eigentümer zur condictio aktivlegitimiert 48 • Nach klassischem Recht ist der Verkäufer nicht verpflichtet, dem Käufer das Eigentum an dem Kaufgegenstand zu verschaffen. Er ist lediglich gehalten, den Besitz zu übertragen, und zwar in der Weise, daß der Käufer von allen faktischen und rechtlichen Eingriffsbefugnissen des Verkäufers selbst oder dritter Personen frei ist 49 • Vor traditio jedenfalls steht die condictio dem Verkäufer zuso. Bis zur traditio ist er weiterhin der Eigentümer. Er ist jedoch - hierauf weist Gaius eindeutig hin verpflichtet, rei vindicatio und condictio auf den Käufer zu übertragens,.