Der Direktanspruch im deutschen und englischen Haftpflichtversicherungsrecht: Dissertationsschrift 9783161563539, 9783161563546, 3161563530

Die konkrete rechtliche Ausgestaltung des Direktanspruchs des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer hat maßgebli

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German Pages 479 [512] Year 2018

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Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Teil: Einleitung
A. Gegenstand und Anlass der Arbeit
B. Ziele des Rechtsvergleichs
C. Gang der Untersuchung
2. Teil: Allgemeine Grundlagen des Direktanspruchs in der Haftpflichtversicherung
A. Haftpflichtversicherung und zugrundeliegende Rechtsbeziehungen
I. Haftpflichtversicherung
1. Rechtliche Grundlagen
a) Gesetzliche Rahmenbedingungen
b) Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB)
2. Versicherungssystematische Einordnung der Haftpflichtversicherung
3. Arten der Haftpflichtversicherung
a) Produktvielfalt aufgrund des Grundsatzes der Spezialität der versicherten Gefahr
b) Fakultative und obligatorische Haftpflichtversicherungen
4. Wesentlicher Inhalt des Haftpflichtversicherungsvertrags
a) Leistungspflichten des Haftpflichtversicherers
b) Leistungspflichten und Obliegenheiten des Versicherungsnehmers
aa) Pflicht zur Leistung der Versicherungsprämie
bb) Obliegenheiten des Versicherungsnehmers
5. Zwischenergebnis
II. Rechtsbeziehungen
1. Haftpflichtverhältnis
a) Haftungsrecht
b) Auswirkungen der Haftpflichtversicherung auf die Haftung
2. Deckungsverhältnis
3. Rechtsstellung des Geschädigten in der Haftpflichtversicherung
a) Grundsatz
b) Berücksichtigung der Interessen des Geschädigten
aa) Einräumung gesetzlicher Direktansprüche
bb) Anderweitiger Schutz der Interessen des Geschädigten
4. Zwischenergebnis
B. Grundlagen des Direktanspruchs
I. Begriffsklärung und Darlegung der verschiedenen Arten eines Direktanspruchs
1. Begriff des „Direktanspruchs“
2. Arten eines Direktanspruchs
a) Rechtsgeschäftlich begründete Direktansprüche
aa) Vertrag zugunsten Dritter
bb) Abtretung des Versicherungsanspruchs
cc) Vereinbarung zwischen Geschädigtem und Haftpflichtversicherer
b) Gesetzlich begründete Direktansprüche
3. Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes
II. Gesetzlicher Direktanspruch und „Direktklage“
1. Ablehnung des Begriffs „action directe“
2. Differenzierung zwischen gesetzlichem Direktanspruch und Direktklage
3. Einstufiges oder zweistufiges Vorgehen gegen den Haftpflichtversicherer
III. Zielrichtung und Rechtfertigung des gesetzlichen Direktanspruchs
1. Allgemeine Zielrichtung und divergierendes Schutzniveau
2. Kritik und Rechtfertigung
a) Bedenken gegen einen gesetzlichen Direktanspruch
aa) Verfassungsrechtliche Bedenken
bb) Verstoß gegen das Trennungsprinzip
cc) Fehlende Notwendigkeit für gesetzliche Direktansprüche
dd) Beeinträchtigung der präventiven Funktion des Haftungsrechts
ee) Negative Auswirkungen auf die Reputation der Versicherungswirtschaft
ff) Erhöhung der Haftpflichtversicherungsprämien
gg) Gefährdung der Interessen des Versicherungsnehmers
hh) Informationsdefizit beim Haftpflichtversicherer
ii) Prozessuale Bedenken
b) Rechtfertigende Argumente für einen gesetzlichen Direktanspruch
aa) Stärkung der wirtschaftlichen und rechtlichen Stellung des Geschädigten
bb) Beschleunigung der Schadensabwicklung und Steigerung der Prozessökonomie
cc) Kodifizierung der Lebenswirklichkeit
dd) Vorteile für den schädigenden Versicherungsnehmer
ee) Vorteile für den Haftpflichtversicherer
ff) Weitere Vorteile
c) Fazit
IV. Rechtskonstruktive Gestaltungsmöglichkeiten des gesetzlichen Direktanspruchs
1. Anknüpfung an Haftpflichtversicherungsvertrag
2. Konzeption als Versicherungsanspruch
3. Anknüpfung an Haftpflichtverhältnis
V. Typische Erscheinungsformen des gesetzlichen Direktanspruchs und Auswirkungen auf die Werthaltigkeit für den Geschädigtenschutz
1. Kriterium: Anwendungsbereich
2. Kriterium: Entstehungsvoraussetzungen
3. Kriterium: Zulässigkeit versicherungsrechtlicher Einwendungen
C. Historische Entwicklung des gesetzlichen Direktanspruchs
I. Deutschland
1. Ausgangssituation: Kein Direktanspruch
2. Direktanspruch in der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung
3. VVG-Reform 2008
II. England
1. Ausgangssituation: Kein Direktanspruch
2. Die Anfänge des gesetzlichen Direktanspruchs
a) Workmen’s Compensation Act 1906
b) Third Parties (Rights against Insurers Act) 1930
aa) Hintergrund
bb) Ausgestaltung des Direktanspruchs
(1) Gesetzlicher Übergang der Versicherungsforderung
(2) Schutzvorschriften zugunsten des Geschädigten
(3) Einwendungsdurchgriff und geschädigtenunfreundliche Rechtsprechung
(4) Auskunftsrechte des Geschädigten
cc) Bedeutungswandel
dd) Kritik
(1) Erfordernis der vorherigen Feststellung der Schadensersatzpflicht
(2) Ausgestaltung und gerichtliche Handhabung des Auskunftsrechts
(3) Durchgriff bestimmter versicherungsrechtlicher Einwendungen
3. Besondere Direktansprüche, insbesondere in der Kfz-Haftpflichtversicherung
4. Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010
a) Erste Reformüberlegungen und Vorarbeiten durch die Law Commission
b) Defizite in der ursprünglichen Gesetzesfassung
c) Korrektur durch den Gesetzgeber und (verspätetes) Inkrafttreten
III. Vergleichende Betrachtung
3. Teil: Rechtliche Ausgestaltung des gesetzlichen Direktanspruchs im deutschen und englischen Haftpflichtversicherungsrecht
A. Überblick über die gesetzlichen Direktansprüche und rechtskonstruktive Ausgestaltung
I. Deutschland
1. Rechtsgrundlagen
2. Rechtskonstruktive Ausgestaltung
II. England
1. Rechtsgrundlagen
a) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010
b) Direktansprüche in der Kfz-Haftpflichtversicherung
c) Sonstige gesetzliche Direktansprüche
2. Rechtskonstruktive Ausgestaltung
a) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010
b) Direktansprüche in der Kfz-Haftpflichtversicherung
aa) S. 151 Road Traffic Act 1988
bb) Reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002
c) Sonstige gesetzliche Direktansprüche
III. Vergleichende Betrachtung
1. Rechtsgrundlagen
2. Rechtskonstruktive Ausgestaltung
3. Würdigung
B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen
I. Deutschland
1. Anwendungsbereich des Direktanspruchs aus § 115 VVG
a) Sachlicher Anwendungsbereich und analoge Anwendung
b) Zeitlicher und persönlicher Anwendungsbereich
2. Voraussetzungen für einen Direktanspruch aus § 115 VVG
a) Allgemeiner Direktanspruch in der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung (§ 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG)
b) Begrenzter Direktanspruch bei sonstigen Pflichthaftpflichtversicherungen
aa) Direktanspruch in der Insolvenz des Versicherungsnehmers (§ 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VVG)
bb) Direktanspruch bei unbekanntem Aufenthalt des Versicherungsnehmers (§ 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 VVG)
cc) Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen
c) Analogieerwägungen
aa) Analoge Anwendung des § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG
bb) Analoge Anwendung des § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VVG
3. Auswirkungen eines bestehenden Direktanspruchs auf Schadensersatz- und Haftpflichtversicherungsforderung
II. England
1. Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010
a) Anwendungsbereich
aa) Sachlicher Anwendungsbereich
bb) Anwendung auf andere Versicherungssparten
cc) Zeitlicher und territorialer Anwendungsbereich
b) Voraussetzungen
aa) Überblick
bb) Natürliche Personen als Versicherungsnehmer
(1) Erlass einer administration order nach dem County Courts Act 1984
(2) Erlass einer enforcement restriction order nach dem County Courts Act 1984
(3) Anordnung eines Schuldbefreiungsverfahrens nach s. 251A ff. Insolvency Act 1986
(4) Außergerichtlicher Vergleich nach s. 252 ff. Insolvency Act 1986 (Individual Voluntary Arrangement)
(5) Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (bankruptcy)
(6) Auswirkungen des Todes des Versicherungsnehmers
cc) Gesellschaften als Versicherungsnehmer
(1) Außergerichtliche Vergleichsverfahren
(a) Vergleich nach dem Companies Act 2006 (scheme of arrangement)
(b) Vergleich nach s. 1 ff. Insolvency Act 1986 (Company Voluntary Arrangement)
(2) Durchführung eines administration-Verfahrens
(3) Durchführung eines administrative-receivership-Verfahrens
(4) Abwicklung der Gesellschaft (winding-up)
(a) Voluntary winding-up
(b) Compulsory winding-up
(5) Sektorspezifische Insolvenzverfahren
(6) Auflösung der Gesellschaft (dissolution)
dd) Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen
c) Auswirkungen eines bestehenden Direktanspruchs auf Schadensersatz- und Haftpflichtversicherungsforderung
2. Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988
a) Anwendungsbereich
b) Voraussetzungen
aa) Existenz eines Schadensersatzurteils
bb) Aushändigung eines certificate of insurance an den Versicherungsnehmer
cc) Abstrakte Haftpflichtversicherungspflicht für konkrete Schadensersatzschuld
dd) Vorliegen von Deckungsschutz für konkrete Schadensersatzschuld
c) Auswirkungen eines bestehenden Direktanspruchs auf Schadensersatz- und Haftpflichtversicherungsforderung
3. Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002
a) Anwendungsbereich
b) Voraussetzungen
c) Auswirkungen eines bestehenden Direktanspruchs auf Schadensersatz- und Haftpflichtversicherungsforderung
III. Vergleichende Betrachtung
1. Anwendungsbereich
2. Entstehungsvoraussetzungen
3. Würdigung und Stellungnahme
C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche
I. Leitlinien aus völkerrechtlichen Vereinbarungen und aus dem Unionsrecht
1. Völkerrechtliche Vorgaben
2. Unionsrechtliche Vorgaben
a) Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien
b) Rechtsprechung des EuGH
II. Deutschland
1. Schadensrechtliche Einwendungen
a) Allgemeiner Grundsatz
b) Rechtliche Veränderungen des Schadensersatzanspruchs im Haftpflichtverhältnis
aa) Grundsatz der Einzelwirkung
bb) Gesamtwirkende Umstände
c) Maßgeblichkeit gerichtlicher Entscheidungen aus einem Haftpflichtprozess
aa) Gesetzliche Grundkonzeption
bb) Maßgeblichkeit eines klageabweisenden Urteils
cc) Maßgeblichkeit eines klagestattgebenden Urteils
(1) Grundsatz der Bindungswirkung
(2) Anwendbarkeit des Grundsatzes der Bindungswirkung im Direktanspruchsverhältnis
(a) Ablehnung durch die herrschende Meinung
(b) Plädoyer für eine Erstreckung der Bindungswirkung
2. Versicherungsrechtliche Einwendungen
a) Grundlagen
aa) Ursprung der „versicherungsrechtlichen Einwendungen“
bb) Versicherungsrechtliche Einwendungen gegen den gesetzlichen Direktanspruch – Grundkonzeption des deutschen Rechts
b) Einwendungsdurchgriff
aa) Primäre Risikobeschreibungen und Risikoausschlüsse
bb) Insbesondere: Vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls (§ 103 VVG)
c) Einwendungsausschluss
aa) Selbstbehalt (§ 114 Abs. 2 S. 2 VVG)
bb) Sonstige versicherungsrechtliche Einwendungen (§ 117 VVG)
(1) „Krankes Versicherungsverhältnis“ (§ 117 Abs. 1 VVG)
(2) Nachhaftung (§ 117 Abs. 2 VVG)
(3) Begrenzung der Einstandspflicht
cc) Ergänzung durch Aufrechnungsverbot (§ 121 VVG)
3. Einwendungen aus dem Direktanspruchsverhältnis
a) Obliegenheitsverletzungen (§§ 119, 120 VVG)
aa) Gesetzliche Obliegenheiten des Geschädigten
bb) Rechtsfolgen von Obliegenheitsverletzungen
b) Verjährung des Direktanspruchs
4. Die Rolle des Entschädigungsfonds in der Kfz-Haftpflichtversicherung (§§ 12 ff. PflVG)
a) Hintergrund und Grundlagen
b) Allgemeine Voraussetzungen der Leistungspflicht des Entschädigungsfonds
c) Begrenzung der Leistungspflicht
aa) Subsidiarität
bb) Weitergehende Leistungseinschränkungen
d) Schadensregulierung
III. England
1. Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010
a) Schadensrechtliche Einwendungen
aa) Feststellung des Schadensersatzanspruchs im Verhältnis zum Schädiger
(1) Maßgeblichkeit eines Anerkenntnisses sowie vergleichsweiser Regelungen
(2) Maßgeblichkeit einer gerichtlichen Entscheidung aus einem Haftpflichtprozess
bb) Feststellung des Schadensersatzanspruchs im Verhältnis zum Versicherer
(1) Grundsatz
(2) Ausnahme
b) Versicherungsrechtliche Einwendungen
aa) Ursprung der „versicherungsrechtlichen Einwendungen“
bb) Grundsatz des Einwendungsdurchgriffes
(1) Vorgängergesetz und Reformüberlegungen
(2) Geltende Rechtslage: Umfassender Einwendungsdurchgriff
(3) Ergänzung durch Aufrechnungsmöglichkeit (s 10 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010)
cc) Ausnahmen
(1) Arbeitgeberhaftpflichtversicherung (employers’ liability insurance)
(2) Ausnahmen nach s. 9 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010
(a) Vornahme von Obliegenheiten durch den Geschädigten
(b) Anzeige- und Mitwirkungsobliegenheiten verstorbener oder aufgelöster Versicherungsnehmer
(c) Pay-to-be-paid-Klauseln
(3) Ausnahme nach s. 17 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010
(4) Vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls
c) Verjährung des Direktanspruchs
2. Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988
a) Schadensrechtliche Einwendungen
b) Versicherungsrechtliche Einwendungen
aa) Gesetzliche Grundkonzeption
bb) Einwendungsausschlüsse
(1) Einwendungen aufgrund originärer Begrenzung des Versicherungsschutzes
(a) Inhaltliche Beschränkung des Versicherungsschutzes
(b) Persönliche Beschränkung des Versicherungsschutzes
(c) Quantitative Beschränkung des Versicherungsschutzes
(2) Einwendungen resultierend aus dem Verhalten des Versicherungsnehmers
(a) Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten
(b) Verletzung von Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalls
(c) Vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls
(3) Nachhaftung
(a) Bisherige Rechtslage
(b) Änderung durch den Deregulation Act 2015
c) Einwendungen aus dem Direktanspruchsverhältnis
aa) Anzeigeobliegenheit
bb) Verjährung des Direktanspruchs
3. Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002
a) Schadensrechtliche Einwendungen
b) Versicherungsrechtliche Einwendungen
c) Verjährung des Direktanspruchs
4. Die Rolle des Entschädigungsfonds in der Kfz-Haftpflichtversicherung
a) Grundlagen
b) Uninsured Drivers Agreement
aa) Anwendungsbereich und Voraussetzungen der Leistungspflicht
bb) Begrenzung der Leistungspflicht
(1) Subsidiarität
(2) Weitergehende Leistungseinschränkungen
cc) Schadensregulierung
c) Untraced Drivers Agreement
aa) Anwendungsbereich und Voraussetzungen der Leistungspflicht
bb) Begrenzung der Leistungspflicht
(1) Subsidiarität
(2) Weitergehende Leistungseinschränkungen
cc) Schadensregulierung
5. Unvereinbarkeit mit unionsrechtlichen Vorgaben im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung
a) Befund der Unionsrechtswidrigkeit
aa) Unzulässige Einwendungsdurchgriffe
bb) Stellung des Geschädigten-Entschädigungsfonds
b) Bedenkliche Entscheidungen des Court of Appeal
aa) Silverton v. Goodall
bb) Delaney v. Pickett
cc) EUI Ltd v. Bristol Alliance Limited Partnership
dd) Fazit
c) Wandel in der Rechtsprechung und erste Reformen
aa) Delaney v. Secretary of State for Transport
bb) Auswirkungen der Entscheidung
IV. Vergleichende Betrachtung
1. Schadensrechtliche Einwendungen
2. Versicherungsrechtliche Einwendungen
a) Ursprung „versicherungsrechtlicher Einwendungen“
b) Völker- und unionsrechtliche Vorgaben
c) Grundkonzeption: Vollumfängliche Drittwirkung versicherungsrechtlicher Einwendungen
d) Einwendungsausschlüsse
e) Würdigung
3. Einwendungen aus dem Direktanspruchsverhältnis
a) Obliegenheiten des Geschädigten gegenüber dem Haftpflichtversicherer
b) Verjährung des Direktanspruchs
4. Die Rolle des Entschädigungsfonds in der Kfz-Haftpflichtversicherung
a) Zweck, Organisation und Bedeutung des Entschädigungsfonds
b) Leistungspflicht des Entschädigungsfonds
c) Vervollkommnung des Geschädigtenschutzes durch Fondslösung bei sämtlichen Pflichthaftpflichtversicherungen?
5. Gesamtwürdigung
D. Regressrechte des Haftpflichtversicherers
I. Deutschland
1. Grundlegende Differenzierung
2. Regressrechte im Anwendungsbereich des gesetzlichen Direktanspruchs
a) Dogmatische Grundlagen und Überblick
b) Regressansprüche
aa) Anspruchsgrundlagen
bb) Umfang der Regressansprüche
cc) Verjährung
c) Aufwendungsersatzanspruch (§ 116 Abs. 1 S. 3 VVG)
3. Regressrechte außerhalb des Anwendungsbereichs des gesetzlichen Direktanspruchs
a) Legalzession nach § 117 Abs. 5 VVG
b) Situation beim Selbstbehalt
II. England
1. Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010
a) Ablehnung eines gesetzlichen Regressrechts im Gesetzgebungsverfahren
b) Ausdrückliche gesetzliche Billigung vertraglicher Regressrechte in der Arbeitgeberhaftpflichtversicherung
c) Regressrecht aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen
2. Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988
a) Gesetzliche Regressansprüche
aa) S. 148 (4) Road Traffic Act 1988
bb) S. 151 (7) Road Traffic Act 1988
cc) S. 151 (8) Road Traffic Act 1988
b) Ausdrückliche gesetzliche Billigung vertraglicher Regressrechte
c) Regressanspruch aus dem Bereicherungsrecht (law of restitution)
3. Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002
III. Vergleichende Betrachtung
E. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten
I. Deutschland
1. Spezialgesetzliche Auskunftsansprüche
a) Kfz-Haftpflichtversicherung
aa) Registerauskunft beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA)und bei den örtlichen Zulassungsbehörden
bb) Zentralruf der Autoversicherer
cc) Fazit: Duales Auskunftssystem
b) Sonstige (Pflicht-) Haftpflichtversicherungen
aa) Bereichsspezifische Auskunftsansprüche
bb) Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und der Länder
cc) Zwischenergebnis
2. Allgemeiner Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben (§ 242 BGB)
a) Grundlagen
b) Auskunftsanspruch gegen Schädiger
c) Auskunftsanspruch gegen Haftpflichtversicherer
d) Auskunftsanspruch gegen sonstige Personen
II. England
1. Kfz-Haftpflichtversicherung
a) Abfrage aus der Motor Insurance Database (MID)
b) Auskunftsanspruch gegen Schädiger (s. 154 Road Traffic Act 1988)
2. Arbeitgeberhaftpflichtversicherung
a) Hintergrund und Code of Practice for Tracing Employers’ Liability Insurance Policies (ELCOP)
b) Employers’ Liability Tracing Office (ELTO)
3. Auskunftsanspruch aus s. 11 iVm Schedule 1 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010
a) Hintergrund
b) Auskunftsverpflichtete Personen und Anspruchsvoraussetzungen
aa) Auskunftsanspruch gegen Schädiger
bb) Auskunftsanspruch gegen sonstige Personen
c) Inhalt und Umfang der Auskunftspflicht
d) Auskunftsverfahren
4. Sonstige Auskunftsmöglichkeiten
a) Informationsgewinnung auf Grundlage des Prozessrechts
aa) Der „cards on the table approach“ des englischen Zivilprozesses
bb) Vorprozessuale Informationsgewinnung
(1) Pre-Action Protocols
(2) Pre-Action Disclosure (r. 31.16 CPR)
cc) Informationsgewinnung nach Einleitung eines Verfahrens
(1) Documentary disclosure (r. 31 CPR)
(2) Request for information (r. 18 CPR)
b) Einsichtnahme in Geschäftsunterlagen
III. Vergleichende Betrachtung
1. Haftpflichtversicherungsregister
2. Individuelle Auskunftsansprüche
3. Sonstige Auskunftsmöglichkeiten
4. Würdigung und Schlussfolgerungen für das deutsche Recht
4. Teil: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und Reformvorschläge
A. Allgemeine Grundlagen des Direktanspruchs in der Haftpflichtversicherung
I. Haftpflichtversicherung und zugrundeliegende Rechtsbeziehungen
II. Grundlagen des Direktanspruchs
III. Historische Entwicklung des gesetzlichen Direktanspruchs
B. Rechtliche Ausgestaltung des gesetzlichen Direktanspruchs im deutschen und englischen Haftpflichtversicherungsrecht
I. Überblick über die gesetzlichen Direktansprüche und rechtskonstruktive Ausgestaltung
II. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen
III. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche
IV. Regressrechte des Haftpflichtversicherers
V. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten
C. Konkrete Reformvorschläge für das deutsche Recht im Überblick
Literaturverzeichnis
Sachregister
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Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung Herausgegeben von der Gesellschaft für Rechtsvergleichung e.V.

58

Simon Herbert Bangert

Der Direktanspruch im deutschen und englischen Haftpflichtversicherungsrecht

Mohr Siebeck

Simon Herbert Bangert, geboren 1988; Studium der Rechtswissenschaften an der AlbertLudwigs-Universität Freiburg; Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Basel; 2012 Erste Juristische Staatsprüfung; 2014 Zweite Juristische Staatsprüfung; 2018 Promotion (Freiburg); seit 2014 Rechtsanwalt in Frankfurt am Main.

ISBN  978-3-16-156353-9 / eISBN  978-3-16-156354-6 DOI 10.1828/978-3-16-156354-6 ISSN  1861-5449 / eISSN  2569-426X (Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ biblio­g raphie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen gesetzt, auf alterungs­beständiges Werkdruck­ papier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2017/2018 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde im Februar 2017 fertiggestellt. Mein herzlicher und aufrichtiger Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Alexander Bruns, LL.M. (Duke Univ.), für die Betreuung und die fortwährende Unterstützung meines Promotionsvorhabens sowie für die inhaltlichen Freiheiten, die er mir bei der Bearbeitung des Themas gewährt hat. Frau Prof. Dr. Katharina von Koppenfels-Spies danke ich herzlich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Besonderen Dank schulde ich zudem Herrn Prof. Dr. Peter Jung, der mich stets mit Rat und Tat unterstützt hat und der mir an seinem Lehrstuhl an der Universität in Basel spannende und lehrreiche Einblicke in das Handels- und Gesellschaftsrecht ermöglichte. Die Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. hat die Entstehung dieser Arbeit durch ein großzügiges Promotionsstipendium gefördert, wofür ich dankbar bin. Der Gesellschaft für Rechtsvergleichung e.V. danke ich für die Aufnahme dieser Arbeit in die Schriftenreihe „Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung“. Der größte Dank gebührt indes meinen Eltern Herbert Ludwig und Elfriede Bangert, deren uneingeschränkter und selbstloser Unterstützung ich mir in allen Lebenslagen stets gewiss sein konnte. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Frankfurt am Main, im Juli 2018

Simon Herbert Bangert

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIII

1. Teil:  Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Gegenstand und Anlass der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 B. Ziele des Rechtsvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2. Teil:  Allgemeine Grundlagen des Direktanspruchs in der Haftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 A. Haftpflichtversicherung und zugrundeliegende Rechtsbeziehungen . . . . . 11 I. Haftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 II. Rechtsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 B. Grundlagen des Direktanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 I. Begriffsklärung und Darlegung der verschiedenen Arten eines Direktanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 II. Gesetzlicher Direktanspruch und „Direktklage“ . . . . . . . . . . . . 74 III. Zielrichtung und Rechtfertigung des gesetzlichen Direktanspruchs . . 77 IV. Rechtskonstruktive Gestaltungsmöglichkeiten des gesetzlichen Direktanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 V. Typische Erscheinungsformen des gesetzlichen Direktanspruchs und Auswirkungen auf die Werthaltigkeit für den Geschädigtenschutz . . . 106 C. Historische Entwicklung des gesetzlichen Direktanspruchs . . . . . . . . . 111 I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 II. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 III. Vergleichende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

3. Teil:  Rechtliche Ausgestaltung des gesetzlichen Direktanspruchs im deutschen und englischen Haftpflichtversicherungsrecht . . . . . . . 141 A. Überblick über die gesetzlichen Direktansprüche und rechtskonstruktive Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

X

B.

C.

D.

E.

Inhaltsübersicht

I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 II. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 III. Vergleichende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . 165 I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 II. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 III. Vergleichende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche . . . . . . . . . . . 225 I. Leitlinien aus völkerrechtlichen Vereinbarungen und aus dem Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 II. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 III. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 IV. Vergleichende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 Regressrechte des Haftpflichtversicherers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 II. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 III. Vergleichende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten . . . . . . . . . . . . 393 I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 II. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 III. Vergleichende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425

4. Teil:  Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 A. Allgemeine Grundlagen des Direktanspruchs in der Haftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 I. Haftpflichtversicherung und zugrundeliegende Rechtsbeziehungen . . 437 II. Grundlagen des Direktanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 III. Historische Entwicklung des gesetzlichen Direktanspruchs . . . . . . 441 B. Rechtliche Ausgestaltung des gesetzlichen Direktanspruchs im deutschen und englischen Haftpflichtversicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 445 I. Überblick über die gesetzlichen Direktansprüche und rechtskonstruktive Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 II. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen . . . . . . . . . 446 III. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche . . . . . . . . 448 IV. Regressrechte des Haftpflichtversicherers . . . . . . . . . . . . . . . . 452 V. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten . . . . . . . . . 454 C. Konkrete Reformvorschläge für das deutsche Recht im Überblick . . . . . 457

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIII

1. Teil:  Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Gegenstand und Anlass der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 B. Ziele des Rechtsvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2. Teil:  Allgemeine Grundlagen des Direktanspruchs in der Haftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 A. Haftpflichtversicherung und zugrundeliegende Rechtsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 I. Haftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

1. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 a) Gesetzliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 b) Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) . . . . . . . . . . 15 2. Versicherungssystematische Einordnung der Haftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3. Arten der Haftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 a) Produktvielfalt aufgrund des Grundsatzes der Spezialität der versicherten Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 b) Fakultative und obligatorische Haftpflichtversicherungen . . . . 22 4. Wesentlicher Inhalt des Haftpflichtversicherungsvertrags . . . . . . 27 a) Leistungspflichten des Haftpflichtversicherers . . . . . . . . . . 27 b) Leistungspflichten und Obliegenheiten des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 aa) Pflicht zur Leistung der Versicherungsprämie . . . . . . . . 33 bb) Obliegenheiten des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . 34

XII

Inhaltsverzeichnis

5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

II. Rechtsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

1. Haftpflichtverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 a) Haftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 b) Auswirkungen der Haftpflichtversicherung auf die Haftung . . . 45 2. Deckungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3. Rechtsstellung des Geschädigten in der Haftpflichtversicherung . . 52 a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 b) Berücksichtigung der Interessen des Geschädigten . . . . . . . . 54 aa) Einräumung gesetzlicher Direktansprüche . . . . . . . . . . 54 bb) Anderweitiger Schutz der Interessen des Geschädigten . . . 55 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

B. Grundlagen des Direktanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 I. Begriffsklärung und Darlegung der verschiedenen Arten eines Direktanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

1. Begriff des „Direktanspruchs“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2. Arten eines Direktanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 a) Rechtsgeschäftlich begründete Direktansprüche . . . . . . . . . 63 aa) Vertrag zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 bb) Abtretung des Versicherungsanspruchs . . . . . . . . . . . . 65 cc) Vereinbarung zwischen Geschädigtem und Haftpflichtversicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 b) Gesetzlich begründete Direktansprüche . . . . . . . . . . . . . . 72 3. Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . . . 74

II. Gesetzlicher Direktanspruch und „Direktklage“ . . . . . . . . . . 74

1. Ablehnung des Begriffs „action directe“ . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Differenzierung zwischen gesetzlichem Direktanspruch und Direktklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 3. Einstufiges oder zweistufiges Vorgehen gegen den Haftpflichtversicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

III. Zielrichtung und Rechtfertigung des gesetzlichen Direktanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

1. Allgemeine Zielrichtung und divergierendes Schutzniveau . . . . . 77 2. Kritik und Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 a) Bedenken gegen einen gesetzlichen Direktanspruch . . . . . . . 80 aa) Verfassungsrechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . 80 bb) Verstoß gegen das Trennungsprinzip . . . . . . . . . . . . . 80 cc) Fehlende Notwendigkeit für gesetzliche Direktansprüche . . 83 dd) Beeinträchtigung der präventiven Funktion des Haftungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

Inhaltsverzeichnis

XIII

ee) Negative Auswirkungen auf die Reputation der Versicherungswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 ff) Erhöhung der Haftpflichtversicherungsprämien . . . . . . . 86 gg) Gefährdung der Interessen des Versicherungsnehmers . . . . 88 hh) Informationsdefizit beim Haftpflichtversicherer . . . . . . . 89 ii) Prozessuale Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 b) Rechtfertigende Argumente für einen gesetzlichen Direktanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 aa) Stärkung der wirtschaftlichen und rechtlichen Stellung des Geschädigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 bb) Beschleunigung der Schadensabwicklung und Steigerung der Prozessökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 cc) Kodifizierung der Lebenswirklichkeit . . . . . . . . . . . . 95 dd) Vorteile für den schädigenden Versicherungsnehmer . . . . . 96 ee) Vorteile für den Haftpflichtversicherer . . . . . . . . . . . . 97 ff) Weitere Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

IV. Rechtskonstruktive Gestaltungsmöglichkeiten des gesetzlichen Direktanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

1. Anknüpfung an Haftpflichtversicherungsvertrag . . . . . . . . . . 100 2. Konzeption als Versicherungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Anknüpfung an Haftpflichtverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

V. Typische Erscheinungsformen des gesetzlichen Direktanspruchs und Auswirkungen auf die Werthaltigkeit für den Geschädigtenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

1. Kriterium: Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2. Kriterium: Entstehungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . 107 3. Kriterium: Zulässigkeit versicherungsrechtlicher Einwendungen . . 108

C. Historische Entwicklung des gesetzlichen Direktanspruchs . . 111 I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

1. Ausgangssituation: Kein Direktanspruch . . . . . . . . . . . . . . . 111 2. Direktanspruch in der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung . . . . . . 113 3. VVG-Reform 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

II. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

1. Ausgangssituation: Kein Direktanspruch . . . . . . . . . . . . . . . 116 2. Die Anfänge des gesetzlichen Direktanspruchs . . . . . . . . . . . 118 a) Workmen’s Compensation Act 1906 . . . . . . . . . . . . . . . . 119 b) Third Parties (Rights against Insurers Act) 1930 . . . . . . . . . 120 aa) Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 bb) Ausgestaltung des Direktanspruchs . . . . . . . . . . . . . . 122

XIV

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(1) Gesetzlicher Übergang der Versicherungsforderung . . . 122 (2) Schutzvorschriften zugunsten des Geschädigten . . . . . 122 (3) Einwendungsdurchgriff und geschädigtenunfreundliche Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . 124 (4) Auskunftsrechte des Geschädigten . . . . . . . . . . . . 127 cc) Bedeutungswandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 dd) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (1) Erfordernis der vorherigen Feststellung der Schadensersatzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (2) Ausgestaltung und gerichtliche Handhabung des Auskunftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 (3) Durchgriff bestimmter versicherungsrechtlicher Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 3. Besondere Direktansprüche, insbesondere in der Kfz-Haftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 4. Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 . . . . . . . . . . . 135 a) Erste Reformüberlegungen und Vorarbeiten durch die Law Commission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 b) Defizite in der ursprünglichen Gesetzesfassung . . . . . . . . . 137 c) Korrektur durch den Gesetzgeber und (verspätetes) Inkrafttreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

III. Vergleichende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

3. Teil:  Rechtliche Ausgestaltung des gesetzlichen Direktanspruchs im deutschen und englischen Haftpflichtversicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . 141

A. Überblick über die gesetzlichen Direktansprüche und rechtskonstruktive Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . 143 I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 2. Rechtskonstruktive Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

II. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 a) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 . . . . . . . . . 147 b) Direktansprüche in der Kfz-Haftpflichtversicherung . . . . . . . 148 c) Sonstige gesetzliche Direktansprüche . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Rechtskonstruktive Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 a) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 . . . . . . . . . 153 b) Direktansprüche in der Kfz-Haftpflichtversicherung . . . . . . . 154 aa) S.  151 Road Traffic Act 1988 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

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XV

bb) Reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 c) Sonstige gesetzliche Direktansprüche . . . . . . . . . . . . . . . 156

III. Vergleichende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 2. Rechtskonstruktive Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 3. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162

B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen . . . . . . 165 I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

1. Anwendungsbereich des Direktanspruchs aus §  115 VVG . . . . . . 165 a) Sachlicher Anwendungsbereich und analoge Anwendung . . . . 166 b) Zeitlicher und persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . 167 2. Voraussetzungen für einen Direktanspruch aus §  115 VVG . . . . . 169 a) Allgemeiner Direktanspruch in der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung (§  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  1 VVG) . . . . . . . . . . . . 169 b) Begrenzter Direktanspruch bei sonstigen Pflichthaftpflichtversicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 aa) Direktanspruch in der Insolvenz des Versicherungsnehmers (§  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  2 VVG) . . . . 171 bb) Direktanspruch bei unbekanntem Aufenthalt des Versicherungsnehmers (§  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  3 VVG) . . . . 172 cc) Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 c) Analogieerwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 aa) Analoge Anwendung des §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  1 VVG . . . . 176 bb) Analoge Anwendung des §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  2 VVG . . . . 177 3. Auswirkungen eines bestehenden Direktanspruchs auf Schadensersatz- und Haftpflichtversicherungsforderung . . . . . . 178

II. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179

1. Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 aa) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . 180 bb) Anwendung auf andere Versicherungssparten . . . . . . . . 181 cc) Zeitlicher und territorialer Anwendungsbereich . . . . . . . 182 b) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 bb) Natürliche Personen als Versicherungsnehmer . . . . . . . . 185 (1) Erlass einer administration order nach dem County Courts Act 1984 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

XVI

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(2) Erlass einer enforcement restriction order nach dem County Courts Act 1984 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 (3) Anordnung eines Schuldbefreiungsverfahrens nach s. 251A ff. Insolvency Act 1986 . . . . . . . . . . . . . . 188 (4) Außergerichtlicher Vergleich nach s. 252 ff. Insolvency Act 1986 (Individual Voluntary Arrangement) 189 (5) Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (bankruptcy) . . . 190 (6) Auswirkungen des Todes des Versicherungsnehmers . . 191 cc) Gesellschaften als Versicherungsnehmer . . . . . . . . . . . 192 (1) Außergerichtliche Vergleichsverfahren . . . . . . . . . . 192 (a) Vergleich nach dem Companies Act 2006 (scheme of arrangement) . . . . . . . . . . . . . . . 193 (b) Vergleich nach s. 1 ff. Insolvency Act 1986 (Company Voluntary Arrangement) . . . . . . . . . . 195 (2) Durchführung eines administration-Verfahrens . . . . . 196 (3) Durchführung eines administrative-receivershipVerfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (4) Abwicklung der Gesellschaft (winding-up) . . . . . . . . 198 (a) Voluntary winding-up . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (b) Compulsory winding-up . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (5) Sektorspezifische Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . 200 (6) Auflösung der Gesellschaft (dissolution) . . . . . . . . . 201 dd) Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 c) Auswirkungen eines bestehenden Direktanspruchs auf Schadensersatz- und Haftpflichtversicherungsforderung . . . . . 203 2. Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 . . . . . . . . . . . 204 a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 b) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 aa) Existenz eines Schadensersatzurteils . . . . . . . . . . . . . 206 bb) Aushändigung eines certificate of insurance an den Versicherungsnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 cc) Abstrakte Haftpflichtversicherungspflicht für konkrete Schadensersatzschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 dd) Vorliegen von Deckungsschutz für konkrete Schadensersatzschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 c) Auswirkungen eines bestehenden Direktanspruchs auf Schadensersatz- und Haftpflichtversicherungsforderung . . . . . 211 3. Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 . . . . . . . . . . . . . 212 a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 b) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 c) Auswirkungen eines bestehenden Direktanspruchs auf Schadensersatz- und Haftpflichtversicherungsforderung . . . . . 215

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XVII

III. Vergleichende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 2. Entstehungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 3. Würdigung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223

C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche . . . . . 225 I. Leitlinien aus völkerrechtlichen Vereinbarungen und aus dem Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

1. Völkerrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 2. Unionsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 a) Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . 230 b) Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

II. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

1. Schadensrechtliche Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 a) Allgemeiner Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 b) Rechtliche Veränderungen des Schadensersatzanspruchs im Haftpflichtverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 aa) Grundsatz der Einzelwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 bb) Gesamtwirkende Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 c) Maßgeblichkeit gerichtlicher Entscheidungen aus einem Haftpflichtprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 aa) Gesetzliche Grundkonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 bb) Maßgeblichkeit eines klageabweisenden Urteils . . . . . . . 241 cc) Maßgeblichkeit eines klagestattgebenden Urteils . . . . . . . 241 (1) Grundsatz der Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . 242 (2) Anwendbarkeit des Grundsatzes der Bindungswirkung im Direktanspruchsverhältnis . . . . . . . . . . 243 (a) Ablehnung durch die herrschende Meinung . . . . . 244 (b) Plädoyer für eine Erstreckung der Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 2. Versicherungsrechtliche Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . . 247 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 aa) Ursprung der „versicherungsrechtlichen Einwendungen“ . . 247 bb) Versicherungsrechtliche Einwendungen gegen den gesetzlichen Direktanspruch – Grundkonzeption des deutschen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 b) Einwendungsdurchgriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 aa) Primäre Risikobeschreibungen und Risikoausschlüsse . . . . 250 bb) Insbesondere: Vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls (§  103 VVG) . . . . . . . . . . . . . . . . 252 c) Einwendungsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 aa) Selbstbehalt (§  114 Abs.  2 S.  2 VVG) . . . . . . . . . . . . . 256

XVIII

Inhaltsverzeichnis

bb) Sonstige versicherungsrechtliche Einwendungen (§  117 VVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 (1) „Krankes Versicherungsverhältnis“ (§  117 Abs.  1 VVG) . 257 (2) Nachhaftung (§  117 Abs.  2 VVG) . . . . . . . . . . . . . 258 (3) Begrenzung der Einstandspflicht . . . . . . . . . . . . . 261 cc) Ergänzung durch Aufrechnungsverbot (§  121 VVG) . . . . . 262 3. Einwendungen aus dem Direktanspruchsverhältnis . . . . . . . . . 263 a) Obliegenheitsverletzungen (§§  119, 120 VVG) . . . . . . . . . . 263 aa) Gesetzliche Obliegenheiten des Geschädigten . . . . . . . . 263 bb) Rechtsfolgen von Obliegenheitsverletzungen . . . . . . . . . 265 b) Verjährung des Direktanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 4. Die Rolle des Entschädigungsfonds in der Kfz-Haftpflichtversicherung (§§  12 ff. PflVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 a) Hintergrund und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 b) Allgemeine Voraussetzungen der Leistungspflicht des Entschädigungsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 c) Begrenzung der Leistungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 aa) Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 bb) Weitergehende Leistungseinschränkungen . . . . . . . . . . 273 d) Schadensregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274

III. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274

1. Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 a) Schadensrechtliche Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . 275 aa) Feststellung des Schadensersatzanspruchs im Verhältnis zum Schädiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 (1) Maßgeblichkeit eines Anerkenntnisses sowie vergleichsweiser Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . 276 (2) Maßgeblichkeit einer gerichtlichen Entscheidung aus einem Haftpflichtprozess . . . . . . . . . . . . . . . 277 bb) Feststellung des Schadensersatzanspruchs im Verhältnis zum Versicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 (1) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 (2) Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 b) Versicherungsrechtliche Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . 281 aa) Ursprung der „versicherungsrechtlichen Einwendungen“ . . 281 bb) Grundsatz des Einwendungsdurchgriffes . . . . . . . . . . . 283 (1) Vorgängergesetz und Reformüberlegungen . . . . . . . . 283 (2) Geltende Rechtslage: Umfassender Einwendungsdurchgriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 (3) Ergänzung durch Aufrechnungsmöglichkeit (s. 10 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010) . . . . 285 cc) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286

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XIX

(1) Arbeitgeberhaftpflichtversicherung (employers’ liability insurance) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 (2) Ausnahmen nach s. 9 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 (a) Vornahme von Obliegenheiten durch den Geschädigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 (b) Anzeige- und Mitwirkungsobliegenheiten verstorbener oder aufgelöster Versicherungsnehmer . . . 290 (c) Pay-to-be-paid-Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . 291 (3) Ausnahme nach s. 17 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 (4) Vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls . . . 293 c) Verjährung des Direktanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 2. Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 . . . . . . . . . . . 295 a) Schadensrechtliche Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . 295 b) Versicherungsrechtliche Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . 296 aa) Gesetzliche Grundkonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 bb) Einwendungsausschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 (1) Einwendungen aufgrund originärer Begrenzung des Versicherungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . 298 (a) Inhaltliche Beschränkung des Versicherungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 (b) Persönliche Beschränkung des Versicherungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 (c) Quantitative Beschränkung des Versicherungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 (2) Einwendungen resultierend aus dem Verhalten des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . 302 (a) Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten . . . . 302 (b) Verletzung von Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 (c) Vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls . 304 (3) Nachhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 (a) Bisherige Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 (b) Änderung durch den Deregulation Act 2015 . . . . . 307 c) Einwendungen aus dem Direktanspruchsverhältnis . . . . . . . 308 aa) Anzeigeobliegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 bb) Verjährung des Direktanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . 310 3. Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 . . . . . . . . . . . . . 310 a) Schadensrechtliche Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . 310 b) Versicherungsrechtliche Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . 311 c) Verjährung des Direktanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . 313

XX

Inhaltsverzeichnis

4. Die Rolle des Entschädigungsfonds in der Kfz-Haftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 b) Uninsured Drivers Agreement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 aa) Anwendungsbereich und Voraussetzungen der Leistungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 bb) Begrenzung der Leistungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 318 (1) Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 (2) Weitergehende Leistungseinschränkungen . . . . . . . . 318 cc) Schadensregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 c) Untraced Drivers Agreement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 aa) Anwendungsbereich und Voraussetzungen der Leistungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 bb) Begrenzung der Leistungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 324 (1) Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 (2) Weitergehende Leistungseinschränkungen . . . . . . . . 324 cc) Schadensregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 5. Unvereinbarkeit mit unionsrechtlichen Vorgaben im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 a) Befund der Unionsrechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 328 aa) Unzulässige Einwendungsdurchgriffe . . . . . . . . . . . . . 328 bb) Stellung des Geschädigten-Entschädigungsfonds . . . . . . . 329 b) Bedenkliche Entscheidungen des Court of Appeal . . . . . . . . 331 aa) Silverton v. Goodall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 bb) Delaney v. Pickett . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 cc) EUI Ltd v. Bristol Alliance Limited Partnership . . . . . . . 335 dd) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 c) Wandel in der Rechtsprechung und erste Reformen . . . . . . . . 338 aa) Delaney v. Secretary of State for Transport . . . . . . . . . . 338 bb) Auswirkungen der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . 340

IV. Vergleichende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342

1. Schadensrechtliche Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 2. Versicherungsrechtliche Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . . 344 a) Ursprung „versicherungsrechtlicher Einwendungen“ . . . . . . . 345 b) Völker- und unionsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . 346 c) Grundkonzeption: Vollumfängliche Drittwirkung versicherungsrechtlicher Einwendungen . . . . . . . . . . . . . 347 d) Einwendungsausschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 e) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 3. Einwendungen aus dem Direktanspruchsverhältnis . . . . . . . . . 356 a) Obliegenheiten des Geschädigten gegenüber dem Haftpflichtversicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 b) Verjährung des Direktanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . 358

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XXI

4. Die Rolle des Entschädigungsfonds in der Kfz-Haftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 a) Zweck, Organisation und Bedeutung des Entschädigungsfonds . 360 b) Leistungspflicht des Entschädigungsfonds . . . . . . . . . . . . 362 c) Vervollkommnung des Geschädigtenschutzes durch Fondslösung bei sämtlichen Pflichthaftpflichtversicherungen? . . . . . 363 5. Gesamtwürdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364

D. Regressrechte des Haftpflichtversicherers . . . . . . . . . . . . . . 367 I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368

1. Grundlegende Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 2. Regressrechte im Anwendungsbereich des gesetzlichen Direktanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 a) Dogmatische Grundlagen und Überblick . . . . . . . . . . . . . 369 b) Regressansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 aa) Anspruchsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 bb) Umfang der Regressansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . 371 cc) Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 c) Aufwendungsersatzanspruch (§  116 Abs.  1 S.  3 VVG) . . . . . . 373 3. Regressrechte außerhalb des Anwendungsbereichs des gesetzlichen Direktanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 a) Legalzession nach §  117 Abs.  5 VVG . . . . . . . . . . . . . . . 375 b) Situation beim Selbstbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376

II. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377

1. Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 a) Ablehnung eines gesetzlichen Regressrechts im Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 b) Ausdrückliche gesetzliche Billigung vertraglicher Regressrechte in der Arbeitgeberhaftpflichtversicherung . . . . . . . . . 379 c) Regressrecht aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen . . . . . . . . 380 2. Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 . . . . . . . . . . . 383 a) Gesetzliche Regressansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 aa) S.  148 (4) Road Traffic Act 1988 . . . . . . . . . . . . . . . . 383 bb) S.  151 (7) Road Traffic Act 1988 . . . . . . . . . . . . . . . . 384 cc) S.  151 (8) Road Traffic Act 1988 . . . . . . . . . . . . . . . . 385 b) Ausdrückliche gesetzliche Billigung vertraglicher Regressrechte 387 c) Regressanspruch aus dem Bereicherungsrecht (law of restitution) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 3. Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 . . . . . . . . . . . . . 388

III. Vergleichende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388

XXII

Inhaltsverzeichnis

E. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten . . . . . . 393 I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394

1. Spezialgesetzliche Auskunftsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . 395 a) Kfz-Haftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 aa) Registerauskunft beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) und bei den örtlichen Zulassungsbehörden . . . . . . . . . . 396 bb) Zentralruf der Autoversicherer . . . . . . . . . . . . . . . . 397 cc) Fazit: Duales Auskunftssystem . . . . . . . . . . . . . . . . 398 b) Sonstige (Pflicht-) Haftpflichtversicherungen . . . . . . . . . . . 398 aa) Bereichsspezifische Auskunftsansprüche . . . . . . . . . . . 399 bb) Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und der Länder . . 400 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 2. Allgemeiner Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben (§  242 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 b) Auskunftsanspruch gegen Schädiger . . . . . . . . . . . . . . . 402 c) Auskunftsanspruch gegen Haftpflichtversicherer . . . . . . . . . 403 d) Auskunftsanspruch gegen sonstige Personen . . . . . . . . . . . 404

II. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405

1. Kfz-Haftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 a) Abfrage aus der Motor Insurance Database (MID) . . . . . . . . 406 b) Auskunftsanspruch gegen Schädiger (s. 154 Road Traffic Act 1988) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 2. Arbeitgeberhaftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 a) Hintergrund und Code of Practice for Tracing Employers’ Liability Insurance Policies (ELCOP) . . . . . . . . . . . . . . . 409 b) Employers’ Liability Tracing Office (ELTO) . . . . . . . . . . . 410 3. Auskunftsanspruch aus s. 11 iVm Schedule 1 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 a) Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 b) Auskunftsverpflichtete Personen und Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 aa) Auskunftsanspruch gegen Schädiger . . . . . . . . . . . . . 414 bb) Auskunftsanspruch gegen sonstige Personen . . . . . . . . . 414 c) Inhalt und Umfang der Auskunftspflicht . . . . . . . . . . . . . 415 d) Auskunftsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 4. Sonstige Auskunftsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 a) Informationsgewinnung auf Grundlage des Prozessrechts . . . . 417 aa) Der „cards on the table approach“ des englischen Zivilprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 bb) Vorprozessuale Informationsgewinnung . . . . . . . . . . . 419 (1) Pre-Action Protocols . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 (2) Pre-Action Disclosure (r. 31.16 CPR) . . . . . . . . . . . 420

Inhaltsverzeichnis

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cc) Informationsgewinnung nach Einleitung eines Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 (1) Documentary disclosure (r. 31 CPR) . . . . . . . . . . . 422 (2) Request for information (r. 18 CPR) . . . . . . . . . . . . 422 b) Einsichtnahme in Geschäftsunterlagen . . . . . . . . . . . . . . 424

III. Vergleichende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425

1. Haftpflichtversicherungsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 2. Individuelle Auskunftsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 3. Sonstige Auskunftsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 4. Würdigung und Schlussfolgerungen für das deutsche Recht . . . . . 431

4. Teil:  Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 A. Allgemeine Grundlagen des Direktanspruchs in der Haftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 I. Haftpflichtversicherung und zugrundeliegende Rechtsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 II. Grundlagen des Direktanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 III. Historische Entwicklung des gesetzlichen Direktanspruchs . . . 441

B. Rechtliche Ausgestaltung des gesetzlichen Direktanspruchs im deutschen und englischen Haftpflichtversicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 I. Überblick über die gesetzlichen Direktansprüche und rechtskonstruktive Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . 445 II. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen . . . . . . 446 III. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche . . . . . 448 IV. Regressrechte des Haftpflichtversicherers . . . . . . . . . . . . . . 452 V. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten . . . . . . 454

C. Konkrete Reformvorschläge für das deutsche Recht im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473

Abkürzungsverzeichnis a. A. ABI ABl. Abs. A.C. AcP a. E. AEUV a. F. AG AGB AGG AGH AHB

andere Ansicht / anderer Ansicht Association of British Insurers Amtsblatt Absatz Appeal Cases (Entscheidungssammlung) Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Anwaltsgerichtshof Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung AKB Allgemeine Bedingungen für die Kfz-Versicherung Alt. Alternative AMG Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittel­ gesetz) Anm. Anmerkung ArchG Architektengesetz Art. Artikel Asia Pac. L. Rev. Asia Pacific Law Review (Zeitschrift) AtG Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) AuslPflVG Gesetz über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger AVB Allgemeine Versicherungsbedingungen AVB-AVG Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführern AVB BauherrenHV Allgemeine Versicherungsbedingungen für die private Bauherrenhaftpflichtversicherung AVB BHV Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung AVB GewässerschadenHV Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Gewässer­ schadenhaftpflichtversicherung AVB PHV Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Privathaftpflichtversicherung

XXVI

Abkürzungsverzeichnis

BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BauKaG Baukammerngesetz B.C.C. British Company Cases (Entscheidungssammlung) Bd. Band Begr. Begründer BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BJagdG Bundesjagdgesetz BNotO Bundesnotarordnung BRAO Bundesrechtsanwaltsordnung B. & S. Best and Smith (Entscheidungssammlung) bspw. beispielsweise BT-Drs. Drucksache des Deutschen Bundestages BUNKER International Convention on Civil Liability for Bunker Oil Pollution Damage / Internationales Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Bunkerölverschmutzungsschäden BVerwG Bundesverwaltungsgericht bzw. beziehungsweise ca. circa CfiLR Company, Financial and Insolvency Law Review (Zeitschrift) Ch. / Ch.D. Chancery Division (Entscheidungssammlung) cl. clause (= Klausel) CLC International Convention on Civil Liability for Oil Pollution Damage / Internationales Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden C.L.C. Commercial Law Cases (Entscheidungssammlung) Cmnd. Command Paper Co. Compagnie col. column (= Druckspalte) Colum. L. Rev. Columbia Law Review (Zeitschrift) CPR Civil Procedure Rules CVA Company Voluntary Arrangement DAR Deutsches Autorecht (Zeitschrift) d. h. das heißt Diss. Dissertation DJ Deutsche Justiz (Zeitschrift) D&O Directors and Officers (D&O-Versicherung: Organ- und Managerhaftpflichtversicherung) DÖV Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) DStR Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) EC European Communities (= Europäische Gemeinschaft) ECLI European Case Law Identifier EGVVG Einführungsgesetz zum Versicherungsvertragsgesetz EhfG Entwicklungshelfer-Gesetz EJRR European Journal of Risk Regulation (Zeitschrift) ELCOP Code of Practice for Tracing Employers’ Liability Insurance Policies

Abkürzungsverzeichnis ELD ELIB ELTO E.R. ERN etc. EU EuGH EUR EUV e.V. EWCA Civ EWG EWHC (Comm) EWHC (QB) EWHC (TCC) EWR Ex. f. / ff. F. & F. FDP FG Fn. FS FZV GA GDV GG ggf. GmbH GoA GVG HansRGZ HC HGB HL hM HNS Convention Hrsg. / hrsg.

XXVII

Employers’ Liability Database Employers’ Liability Insurance Bureau Employers’ Liability Tracing Office English Reports (Entscheidungssammlung) Employers’ Reference Number et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof Euro Vertrag über die Europäische Union (EU-Vertrag) eingetragener Verein England and Wales Court of Appeal (Civil Division) (Entscheidungssammlung) Europäische Wirtschaftsgemeinschaft England and Wales High Court of Justice (Queen’s Bench Division – Commercial Court) (Entscheidungssammlung) England and Wales High Court of Justice (Queen’s Bench Division) (Entscheidungssammlung) England and Wales High Court of Justice (Queen’s Bench Division – Technology & Construction Court) (Entscheidungssammlung) Europäischer Wirtschaftsraum Exchequer Cases (Entscheidungssammlung) folgende Foster and Finlayson’s Reports (Entscheidungssammlung) Freie Demokratische Partei Festgabe Fußnote Festschrift Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr (Fahrzeug-Zulassungsverordnung) Generalanwalt Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Geschäftsführung ohne Auftrag Gerichtsverfassungsgesetz Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitschrift (Zeitschrift) House of Commons Handelsgesetzbuch House of Lords herrschende Meinung International Convention on Liability and Compensation for Damage in Connection with the Carriage of Hazardous and Noxious Substances by Sea Herausgeber / herausgegeben

XXVIII HS. i.e. IEHC IFG Indus. L.J. InsO Int.I.L.R. IPR iSd IVA iVm J.B.L. J.P.I.L. JR J.S.S.L. JW K.B. KBA Kfz KfzPflVV KG 1. KH-Richtlinie

2. KH-Richtlinie

4. KH-Richtlinie

5. KH-Richtlinie

6. KH-Richtlinie

Abkürzungsverzeichnis Halbsatz id est (= das heißt) High Court of Ireland (Entscheidungssammlung) Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz) Industrial Law Journal (Zeitschrift) Insolvenzordnung International Insurance Law Review (Zeitschrift) Internationales Privatrecht im Sinne des / im Sinne der Individual Voluntary Arrangement in Verbindung mit Journal of Business Law (Zeitschrift) Journal of Personal Injury Law (Zeitschrift) Juristische Rundschau (Zeitschrift) Journal of Social Security Law (Zeitschrift) Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) King’s Bench (Entscheidungssammlung) Kraftfahrt-Bundesamt Kraftfahrzeug Verordnung über den Versicherungsschutz in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (Kraftfahrzeug-Pflichtversicherungsverordnung) Kammergericht / Kommanditgesellschaft Richtlinie des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (RL 72/166/ EWG), ABl. L 103 vom 02. Mai 1972, S.  1 ff. Zweite Richtlinie des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (RL 84/5/ EWG), ABl. L 8 vom 11. Januar 1984, S.  17 ff. Richtlinie 2000/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Mai 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, und zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/257/EWG, ABl. L 181 vom 20. Juli 2000, S.  65 ff. Richtlinie 2005/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 zur Änderung der Richtlinien 72/166/ EWG, 84/5/EWG, 88/257/EWG und 90/232/EWG des Rates sowie der Richtlinie 2000/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, ABl. L 149 vom 11. Juni 2005, S.  14 ff. Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht, ABl. L 263 vom 07. Oktober 2009, S.  11 ff.

Abkürzungsverzeichnis KVO Law Com LC Legal Stud. LG lit. LJ Ll.L.Rep. Lloyd’s Rep Lloyd’s Rep I.R. LMA L.M.C.L.Q. L.R. LuftVG LZ MIB MIBI MID MIIC Mio. Mod. L. Rev. MR n. F. NJW NJW-RR NJW-Spezial N.L.J. NMA No. Nr. NZG NZI NZV OLG PAO para. PD PEICL PflVG

XXIX

Kraftverkehrsordnung für den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen; aufgehoben durch das Transportrechtsreformgesetz vom 25. Juni 1998 (BGBl. I 1998, S.  1588 ff.) Law Commission for England and Wales Lord Chancellor Legal Studies (Zeitschrift) Landgericht litera (= Buchstabe) Lord Justice of Appeal Lloyd’s List Law Reports (1919–1950) (Entscheidungssammlung) Lloyd’s Law Reports (seit 1951) (Entscheidungssammlung) Lloyds’s Law Reports – Insurance & Reinsurance (Entscheidungssammlung) Lloyd’s Market Association Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly (Zeitschrift) Law Report (Entscheidungssammlung) Luftverkehrsgesetz Leipziger Zeitschrift für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht (1907–1913) / Leipziger Zeitschrift für deutsches Recht (1914–1933) Motor Insurers’ Bureau Motor Insurers’ Bureau of Ireland Motor Insurance Database Motor Insurers’ Information Centre Million / Millionen Modern Law Review (Zeitschrift) Master of the Rolls neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenschrift – Spezial (Zeitschrift) New Law Journal (Zeitschrift) Lloyd’s Non-Marine Association Number (= Nummer) Nummer Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und der Sanierung (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (Zeitschrift) Oberlandesgericht Patentanwaltsordnung paragraph (= Absatz) Practice Direction / Practice Directions Principles of European Insurance Contract Law Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter (Pflichtversicherungsgesetz)

XXX P&I P.I.Q.R. PKW ProdHaftG Q.B. Q.B.D. r. RabelsZ RDG RDV reg. RG RGBl. RGZ RIW RL Rn. Rs. r+s RSC R.T.R. S. / s. S. Afr. Mercantile L. J. SGB XI Slg. S.L.T. sog. Sp. StBerG StPO str. st. Rspr. StVG SVR T.M. Cool. L. Rev. TranspR u. a. UAbs. UK

Abkürzungsverzeichnis Protection and Indemnity Personal Injury and Quantum Reports (Entscheidungssammlung) Personenkraftwagen Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz) Queen’s Bench (Entscheidungssammlung) Queen’s Bench Divison (Entscheidungssammlung) rule (= Regel, Vorschrift) Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Zeitschrift) Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (Rechtsdienstleistungsgesetz) Verordnung zum Rechtsdienstleistungsgesetz (Rechtsdienstleistungsverordnung) regulation Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (Band) (Entscheidungssammlung) Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Richtlinie Randnummer Rechtssache Recht und Schaden (Zeitschrift) Rules of the Supreme Court Road Traffic Reports (Entscheidungssammlung) Satz / Seite / section (= Paragraph) South African Mercantile Law Journal (Zeitschrift) Sozialgesetzbuch (SGB) – Elftes Buch (XI) – Soziale Pflegeversicherung Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts Erster Instanz (Entscheidungssammlung) Scots Law Times (Entscheidungssammlung) sogenannte / sogenannter / sogenanntes Spalte Steuerberatungsgesetz Strafprozessordnung streitig / strittig ständige Rechtsprechung Straßenverkehrsgesetz Straßenverkehrsrecht (Zeitschrift) Thomas M. Cooley Law Review (Zeitschrift) Transportrecht (Zeitschrift) und andere Unterabsatz United Kingdom (Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland)

Abkürzungsverzeichnis usw. v. v. a. VAG VersR VG vgl. VOEntschFonds VOH vol. VP VVG VVGEG VW WaffG WiPrO WL W.L.R. WM z. B. ZEuP ZfV Ziff. ZIP zit. ZPO ZVersWiss ZVglRWiss

XXXI

und so weiter versus (= gegen) / vom vor allem Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz) Juristische Rundschau für die Individualversicherung (Zeitschrift, 1950–1997) / Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (Zeitschrift, seit 1998) Verwaltungsgericht vergleiche Verordnung über den Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen vom 14. Dezember 1965 (BGBl. I 1965, S.  2093 f.) Verkehrsopferhilfe e.V. volume (= Band) Die Versicherungspraxis (Zeitschrift) Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz) Einführungsgesetz zum Versicherungsvertragsgesetz Versicherungswirtschaft (Zeitschrift) Waffengesetz Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer (Wirtschaftsprüferordnung) Westlaw Weekly Law Reports (Entscheidungssammlung) Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift) zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für Versicherungswesen – Unabhängiges Fachorgan für die Versicherungspraxis und für den Versicherungsaußendienst (Zeitschrift) Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) zitiert Zivilprozessordnung Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft (Zeitschrift) Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft (Zeitschrift)

1. Teil

Einleitung Schadensfälle sind in der heutigen Gesellschaft ein alltägliches Phänomen. In einer hochtechnisierten Welt, in welcher wie selbstverständlich hochkomplexe Maschinen bedient und risikoreiche Tätigkeiten ausgeübt werden, ist die Gefahr eines Schadenseintritts allgegenwärtig. Erleidet eine Person Schäden an ihren Rechten oder Rechtsgütern, für die nach dem geltenden Haftungsrecht ein anderes Rechtssubjekt einzustehen hat, erhebt sich verständlicherweise der Wunsch nach einer raschen, unkomplizierten und vor allem vollständigen Schadenskompensation. Die vollständige Realisierung eines Schadensersatzanspruchs ist jedoch vielfach gefährdet, weil die zu erbringende Schadensersatzleistung leicht das finanzielle Leistungsvermögen des Schädigers übersteigen kann. Dem Geschädigten muss es daher wie ein Glücksfall erscheinen, wenn sein Schädiger haftpflichtversichert ist. Zwar war die Haftpflichtversicherung in ihren Anfangstagen im Ausgang des 19. Jahrhunderts als reine „Schädigerversicherung“ konzipiert, welche ausschließlich den Schutz des Haftpflichtigen vor den wirtschaftlich nachteiligen Folgen einer Schadensersatzhaftung im Blick hatte.1 Rein faktisch profitierte ein Geschädigter jedoch seit jeher von einer bestehenden Haftpflichtversicherung bei seinem Schädiger, weil sie die Vermögenslage des Schädigers verbesserte und dadurch auch die Aussicht auf die Befriedigung des Schadensersatzanspruchs erhöhte. Diese positive Wirkung für den Geschädigten wird heutzutage freilich nicht mehr nur als bloß unbedeutender Reflex der Haftpflichtversicherung verstanden, vielmehr hat dieser geschädigtenschützende Effekt mittlerweile eine rechtliche Absicherung erfahren.2 Der Haftpflichtversicherung moderner Prägung, die letzten Endes eine tatsächliche Schadenskompensation beim Geschädigten sicherzustellen intendiert, wohnt mithin eine rechtlich anerkannte und geschützte soziale Funktion inne.3 Eine prominente Ausprägung dieses „Charakterwandels der Haftpflichtversicherung“4 ist der gesetzliche Direktanspruch des Geschädigten gegen den HaftBauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  740; Bar, AcP 181 (1981), 289, 303 f. Bar, AcP 181 (1981), 289, 303. 3  Allgemein zur Entwicklung der sozialen Funktion in der Haftpflichtversicherung: Sieg, Ausstrahlungen, S.  61 ff.; Jannott, FG Samwer, 167, 167 ff. 4  Bar, AcP 181 (1981), 289, 322. 1  2 

2

A. Gegenstand und Anlass der Arbeit

pflichtversicherer. Hierbei wird dem Geschädigten zum Zwecke des Ausgleichs des erlittenen Schadens ex lege ein direkter Anspruch gegen ein regelmäßig solventes Versicherungsunternehmen gewährt, wobei die direkte Auseinandersetzung mit dem Haftpflichtversicherer zugleich eine Beschleunigung der Schadensabwicklung verspricht. Ein gesetzlicher Direktanspruch kann durchaus ein wirkungsvolles Instrument des Geschädigtenschutzes in der Haftpflichtversicherung darstellen. Der Grad des durch einen gesetzlichen Direktanspruch vermittelten Geschädigtenschutzes ist freilich abhängig von dessen konkreter Ausgestaltung durch den Gesetzgeber.

A. Gegenstand und Anlass der Arbeit Die vorliegende Abhandlung ist einer funktional-rechtsvergleichenden Untersuchung5 des gesetzlichen Direktanspruchs gegen den Haftpflichtversicherer sowie der damit verbundenen Sachprobleme in den Rechtsordnungen Deutschlands und Englands gewidmet. Nach einer Erörterung der allgemeinen Grundlagen des Direktanspruchs in der Haftpflichtversicherung soll ergründet werden, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen einem Geschädigten in den beiden Rechtsordnungen kraft Gesetzes ein direkter Anspruch gegen den Haftpflichtversicherer seines Schädigers eingeräumt wird. Die Betrachtung erfolgt dabei losgelöst von einer bestimmten rechtskonstruktiven Gestaltungsform des gesetzlichen Direktanspruchs. Darüber hinaus soll beleuchtet werden, welche Verteidigungsmöglichkeiten dem Haftpflichtversicherer in den Vergleichsrechtsordnungen gegen einen gesetzlichen Direktanspruch zugestanden werden. Rechtsvergleichende Ausführungen zu den Regressrechten des Haftpflichtversicherers für den Fall der Außenhaftung gegenüber dem Geschädigten trotz Leistungsfreiheit im Versicherungsvertragsverhältnis sowie zu den Auskunfts- und Informationsrechten des Geschädigten runden letztlich die Untersuchung ab. Der Rechtsvergleich erfolgt dabei vor dem Hintergrund und anlässlich jüngerer Gesetzesreformen in Deutschland und England, die sich jeweils mit dem Direktanspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer befassten. In Deutschland wurde im Zuge der umfassenden Reform des privaten Versicherungsvertragsrechts im Jahre 2008 auch der anhin geltende und auf den Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung beschränkte gesetzliche Direktanspruch (§  3 PflVG a. F.) einer kritischen Überprüfung unterzogen. Mit der Neufassung des gesetzlichen Direktanspruchs in der Vorschrift des §  115 VVG ging letztlich 5  Instruktiv zur Methode der (funktionalen) Rechtsvergleichung: Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S.  31 ff.

B. Ziele des Rechtsvergleichs

3

eine Erweiterung des Anwendungsbereichs einher – wenngleich man im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens von einer zunächst proponierten noch weitgehenderen Öffnung des gesetzlichen Direktanspruchs Abstand nahm. In England wiederum stand bereits seit Ende des 20. Jahrhunderts eine Reform des Third Parties (Rights against Insurers) Act zur Diskussion, welcher den zentralen gesetzlichen Direktanspruch des englischen Rechts beinhaltet. Nach umfangreichen Reformkonsultationen sowie nach Durchführung eines fehlerbehafteten Gesetzgebungsverfahrens6 trat der novellierte Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 schließlich mit einiger Verzögerung zum 01. August 2016 in Kraft. Auch in England kommt dem gesetzlichen Direktanspruch nach der Reform eine größere Bedeutung zu.

B. Ziele des Rechtsvergleichs Die Rechtsvergleichung soll freilich nicht um ihrer selbst willen erfolgen, sondern als Anknüpfungspunkt für eine kritische Überprüfung der seit der VVG-Reform 2008 geltenden deutschen Regelungen zum gesetzlichen Direktanspruch fungieren. Denn so sehr das durch die grundlegende Reform des Jahres 2008 novellierte VVG im Allgemeinen positiven Anklang in der deutschen Rechtswissenschaft fand,7 so wenig vermochte die Ausgestaltung des gesetzlichen Direktanspruchs in der Haftpflichtversicherung das Wohlwollen der Rechtsgelehrten zu erregen.8 Vorrangig wurde dabei die Rückführung des Direktanspruchs „auf die unter Verbraucherschutzgesichtspunkten wesentlichen Problembereiche“9 im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens kritisiert. Auch das Fehlen eines auf Preisgabe der Identität des Haftpflichtversicherers gerichteten speziellen Auskunftsanspruchs des Geschädigten gegen den Schädiger wurde bemängelt.10 Der allgemeine Grundtenor ging dahin, dass der deutsche Re6 

Hierzu noch ausführlich unten unter 2. Teil C.II.4. Lorenz in MüKoVVG, Einleitung, Rn.  44 („Das VVG ist ein zeitgemäßes Gesetz. Der von ihm als wichtigste Reformaufgabe verwirklichte Verbraucherschutz ist bestechend; er wird sobald nicht übertroffen werden“); Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  1a, Rn.  1 („(…) kann sich das Ergebnis doch sicher sehen lassen.“); Franz, DStR 2008, 303, 309 („großer Wurf“); kritisch jedoch Funck, VersR 2008, 163, 163 ff. 8  Vgl. nur Heidl, VVG-Reform, S.  4 49 f.; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  84 („nicht überzeugend“); Abram, VP 2008, 77, 80 („Steine statt Brot“); Baumann, VersR 2010, 984, 988 („rudimentäre Erweiterung“); Bruns, FS Blaurock, 59, 74 („etwas engherzig“); Deutsch, VersR 2008, 993, 995. 9  So BT-Drs. 16/5862, S.  99; hierzu ausführlich unten unter 2. Teil C.I.3. 10  Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  95 ff.; siehe auch Franck, Direktanspruch, S.  57 f. 7 

4

B. Ziele des Rechtsvergleichs

formgesetzgeber im Hinblick auf den gesetzlichen Direktanspruch denjenigen Mut zur Veränderung vermissen ließ, mit welchem er im übrigen Versicherungsvertragsrecht Überkommenes bisweilen radikal reformierte. Es wird zu beleuchten sein, ob diese Kritik ihre Rechtfertigung besitzt und ob sich der englische Gesetzgeber bei seiner Reform des Third Parties (Rights against Insurers) Act als mutiger erwiesen und den gesetzlichen Direktanspruch letztlich überzeugender ausgestaltet hat – insbesondere aus der Perspektive des Geschädigtenschutzes als maßgeblichem und grundsätzlich begrüßenswertem Ziel eines gesetzlichen Direktanspruchs. Sodann soll eruiert werden, ob sich gegebenenfalls Ideen des englischen Rechts für das deutsche Haftpflichtversicherungsrecht fruchtbar machen lassen, um schlussendlich eine Verbesserung der Rechtsstellung der Geschädigten in Deutschland zu erreichen. Ein besonderes Augenmerk gilt hierbei denjenigen Aspekten, welche sich für den Geschädigtenschutz als neuralgisch erweisen. Maßgebliche Bedeutung fällt insoweit dem generellen Anwendungsbereich des gesetzlichen Direktanspruchs und dessen konkreten Anspruchsvoraussetzungen zu. Zudem haben die potentiellen Einwendungen des Haftpflichtversicherers gegen den Direktanspruch einen signifikanten Einfluss auf die Wirksamkeit des intendierten Drittschutzes.11 Insbesondere etwaige aus dem Haftpflichtversicherungsverhältnis abgeleiteten Gegenrechte (sog. versicherungsrechtliche Einwendungen) können den direkten Anspruch des Geschädigten sehr weitgehend entwerten, so dass die Frage nach dem Umfang von Einwendungsausschlüssen bisweilen gar als „wirtschaftlich bedeutsamste Frage des Direktanspruchs“12 bezeichnet wird. Die tatsächliche Realisierbarkeit des Direktanspruchs ist fernerhin dadurch bedingt, dass der Geschädigte um die Existenz einer Haftpflichtversicherung und um die Identität des Haftpflichtversicherers weiß. Insofern ist der Geschädigte auf wirksame Auskunfts- und Informationsrechte angewiesen. Fördert der Rechtsvergleich im Hinblick auf die genannten Aspekte eine größere Geschädigtenfreundlichkeit des englischen Rechts zutage, so kann hieraus ein deutlicher Handlungsauftrag für den deutschen Gesetzgeber abgeleitet werden. Denkbar ist freilich auch, dass sich als Resultat des Rechtsvergleichs die Erkenntnis der Überlegenheit der deutschen Regelungen zum gesetzlichen Direktanspruch ergibt. Das Ziel, Verbesserungsvorschläge für das nationale deutsche Haftpflichtversicherungsrecht zu gewinnen, behält seine Rechtfertigung auch vor dem Hintergrund der in jüngerer Zeit erneut in den Mittelpunkt des Interesses gerückten 11  Zu differenzieren ist hierbei zwischen „schadensrechtlichen Einwendungen“ (resultierend aus dem Haftungsverhältnis), „versicherungsrechtlichen Einwendungen“ (resultierend aus dem Haftpflichtversicherungsverhältnis) sowie Einwendungen unmittelbar aus dem Direktanspruchsverhältnis. 12  Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  172.

B. Ziele des Rechtsvergleichs

5

Europäisierung des Privatversicherungsrechts.13 Denn obgleich die Europäische Kommission erst im Jahre 2013 im Interesse einer umfassenden Verwirklichung des Versicherungsbinnenmarktes vorbereitende Maßnahmen zur weitergehenden Harmonisierung des Versicherungsvertragsrechts ergriffen hat14 und mit den von einer privaten Projektgruppe geschaffenen Principles of European Insurance Contract Law (PEICL) erstmals ein Vorschlag eines in sich geschlossenen gemeineuropäischen Regelungswerkes für das Privatversicherungsrecht existiert,15 werden die nationalen Versicherungsvertragsgesetze jedenfalls in absehbarer Zeit kaum ihrer Bedeutung verlustig gehen. Zum einen dürfte nicht mit einer baldigen Vollharmonisierung des Versicherungsvertragsrechts durch den EU-Gesetzgeber zu rechnen sein. Angesichts erheblicher rechtlicher Differenzen in den nationalen Regelungen über den Versicherungsvertrag mit gewachsenen Rechtsüberzeugungen ist nämlich ein tragfähiger Konsens der Mitgliedstaaten über ein gemeineuropäisches Versicherungsvertragsrecht nur schwer und allenfalls nach langwierigen Vorarbeiten herzustellen – was nicht zuletzt dadurch bestätigt wird, dass sich bereits die Realisierung bisheriger punktueller Harmonisierungsvorhaben als überaus mühselig erwiesen hat.16 Zum anderen bleibt zu berücksichtigen, dass die PEICL lediglich als optionales Regelungswerk ausgestaltet sind, welches alleine bei einer entsprechenden Entscheidung der Vertragsparteien an die Stelle der sonst auf das Vertragsverhältnis anwendbaren nationalen versicherungsrechtlichen Vorschriften tritt (opt in-Modell).17 Nach alldem ist die Fortentwicklung und Verbesserung des nationalen Versicherungsvertragsrechts weiterhin von eminenter Wichtigkeit, auch um sich – bis zu einer wünschenswerten umfassenden europäischen Rechtsvereinheitlichung – im „Wettbewerb der Rechtsordnungen“ behaupten zu können.18 Hierzu allgemein Mönnich in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  2 Rn.  1 ff. Beschluss der Kommission vom 17. Januar 2013 zur Einsetzung einer Expertengruppe der Kommission für europäisches Versicherungsvertragsrecht, ABl. C 16 vom 19. Januar 2013, S.  6 ff. Im Februar 2014 hat die Expertenkommission ihren Abschlussbericht „Final Report of the Commission Expert Group on European Insurance Contract Law“ vorgelegt, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/justice/contract/files/expert_groups/insurance/final_ report.pdf (abgerufen am: 28. Februar 2017; im Folgenden zitiert als: Final Report of the Commission Expert Group). 15  Basedow u. a. (Hrsg.), Principles of European Insurance Contract Law (PEICL), 2. Auflage, Köln, 2016. Allgemein zu den PEICL auch Bruns, PVR, §  36 Rn.  12 ff. 16  Basedow/Fock in Basedow/Fock, S.  4. Zu früheren Harmonisierungsbestrebungen in Europa ferner: Armbrüster, PVR, Rn.  2033; Wandt, VR, Rn.  207. 17  Art.  1:102 PEICL; Mönnich in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  2 Rn.  21; Bruns, PVR, §  36 Rn.  12; Armbrüster, 20 Conn. Ins. L.J. 2013, 119, 121 f. 18  Armbrüster, 20 Conn. Ins. L.J. 2013, 119, 121 weist insbesondere auch auf eine Konkurrenz zu den PEICL hin. 13  14 

6

C. Gang der Untersuchung

Zugleich mag diese rechtsvergleichende Untersuchung aber auch einen Beitrag zur Überwindung des versicherungsvertragsrechtlichen „Provinzialismus“ in Europa leisten und späteren gesamteuropäischen Harmonisierungsprojekten auf dem Gebiete des (Haftpflicht-) Versicherungsrechts als wissenschaftliche Grundlage dienen. Die auf die Beseitigung der – den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr behindernden – Heterogenität nationaler Rechtsordnungen ausgehende Rechtsharmonisierung bedarf stets umfassender rechtsvergleichender Vorarbeiten. Neben allgemein akzeptierten Rechtsgrundsätzen sollen hierdurch vor allem divergierende rechtstechnische Lösungen spezifischer Sachprobleme in den beteiligten Rechtsordnungen aufgedeckt werden, um letztlich die gelungenste Regelung oder auch ein aus dem Vergleich gewonnenes rechtliches Novum in das vereinheitlichte Recht übernehmen zu können.19 Vorliegend werden mit dem deutschen und dem englischen Recht zwei europäische Rechtsordnungen vergleichend in den Blick genommen, welche gänzlich unterschiedlichen Rechtskreisen zuzuordnen sind 20 und insoweit das Spannungsfeld kennzeichnen, in welchem sich eine europäische Rechtsvereinheitlichung zwangsläufig zu bewegen hat. Vor diesem Hintergrund kann es nicht wundernehmen, dass die Frage nach der konkreten Ausgestaltung des gesetzlichen Direktanspruchs im kontinentaleuropäisch geprägten deutschen Recht einerseits und im – dem anglo-amerikanischen Rechtskreis zugehörigen – englischen Recht andererseits für eine gesamteuropäische Harmonisierung des Rechtsinstituts „Direktanspruch“ von ganz besonderem Interesse ist.21

C. Gang der Untersuchung Die nachfolgende Abhandlung gliedert sich insgesamt in drei Teile. Dem eigentlichen Rechtsvergleich wird dabei zunächst ein Grundlagenteil vorangestellt (2. Teil), welcher gewisse Kenntnisse vermitteln soll, die einem besseren Verständnis der sich anschließenden Ausführungen zur rechtlichen Ausgestaltung Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S.  23 f. Allgemein zur „Lehre von den Rechtskreisen“: Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S.  62 ff. 21  Die Idee der gesamteuropäischen Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiete des Versicherungsvertragsrechts wird grundsätzlich auch nicht durch den EU-Austritt des Vereinigten Königreichs in Frage gestellt, der aufgrund des Ausgangs des EU-Mitgliedschaftsreferendums vom 23. Juni 2016 in näherer Zukunft zu erwarten steht („Brexit“). Die britische Regierung dürfte auch künftig ein volkswirtschaftliches Interesse an einem funktionierenden europäischen Versicherungsbinnenmarkt haben und wird sich hierfür erforderlichen Rechtsharmonisierungen wohl nicht verschließen, die dann freilich durch ein völkerrechtliches Abkommen mit der EU oder den EU-Mitgliedstaaten zu realisieren wären. 19 

20 

C. Gang der Untersuchung

7

des gesetzlichen Direktanspruchs in Deutschland und England dienen. Hierzu werden in einem ersten Schritt die rechtlichen Rahmenbedingungen und Grundstrukturen der Haftpflichtversicherung in den Vergleichsrechtsordnungen dargelegt sowie die zugrundeliegenden Rechtsbeziehungen skizziert (A.). Sodann erfolgt eine nähere Beschreibung der Rechtsfigur des „Direktanspruchs“, wobei zuvorderst eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Direktanspruchsarten vorgenommen wird. Im Hinblick auf den gesetzlichen Direktanspruch sollen sodann die um diese Rechtsfigur geführten rechtspolitischen Diskussionen nachgezeichnet sowie die verschiedenen Wege dargelegt werden, auf denen ein solcher Anspruch rechtskonstruktiv begründet werden kann (B.). Ein historischer Abriss über den gesetzlichen Direktanspruch in den betrachteten Ländern soll den Grundlagenteil abschließen (C.). Der sich anschließende zentrale Teil der Dissertation (3. Teil) widmet sich der ausführlichen rechtsvergleichenden Untersuchung des gesetzlichen Direktanspruchs sowie spezieller Aspekte, die mit diesem Anspruch thematisch verbunden sind. Nach einem Überblick über die gegenwärtig in den Vergleichsrechtsordnungen bestehenden gesetzlichen Direktansprüche sowie deren rechtskonstruktiver Ausgestaltung (A.) werden der Anwendungsbereich sowie die Entstehungsvoraussetzungen der gesetzlichen Direktansprüche vergleichend in den Blick genommen (B.). Ein Schwerpunkt liegt in der Untersuchung, auf welcher Grundlage und in welchem Umfang die Vergleichsrechtsordnungen dem Haftpflichtversicherer Einwendungen gegen den gesetzlichen Direktanspruch zugestehen (C.). Hieran anknüpfend wird eruiert, welche Regressmöglichkeiten zugunsten des Haftpflichtversicherers für den Fall bestehen, dass er trotz Leistungsfreiheit im Versicherungsvertragsverhältnis gegenüber dem Geschädigten zur Leistung verpflichtet bleibt (D.). Zum Abschluss des rechtsvergleichenden Teils werden die Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten in den Blick genommen, mit deren Hilfe sich dieser die zur Geltendmachung des gesetzlichen Direktanspruchs notwendigen Informationen über die Haftpflichtversicherung seines Schädigers beschaffen kann (E.). Die Abhandlung wird schließlich mit einer konzisen Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse sowie einem Überblick über die im Verlaufe der Dissertation unterbreiteten Reformvorschläge für das deutsche Recht beschlossen (4. Teil).

2. Teil

Allgemeine Grundlagen des Direktanspruchs in der Haftpflichtversicherung In diesem Teil der Abhandlung sollen zunächst die allgemeinen Grundlagen des Direktanspruchs in der Haftpflichtversicherung dargelegt werden. Diese Ausführungen dienen als unerlässliches Fundament für das Verständnis der sich im dritten Teil anschließenden Erörterung der konkreten Ausgestaltung des gesetzlichen Direktanspruchs in den Rechtsordnungen Deutschlands und Englands sowie der Untersuchung weiterer rechtlicher Aspekte, die mit dem gesetzlichen Direktanspruch in unmittelbarem thematischen Zusammenhang stehen.1 In einem ersten Schritt soll dabei ein allgemeiner Überblick über das Rechtskonstrukt der Haftpflichtversicherung gegeben werden, in welches sich ein Direktanspruch notwendigerweise einzufügen hat. Insoweit werden insbesondere die rechtlichen Grundlagen und die Funktionsweise der Haftpflichtversicherung sowie die maßgeblichen Rechtsbeziehungen – unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsstellung des Geschädigten – dargestellt (hierzu A.). In einem zweiten Schritt wird das Rechtsinstitut des Direktanspruchs als solches in den Blick genommen. Insofern soll zunächst eine begriffliche Umschreibung des nebulösen Begriffs „Direktanspruch“ erfolgen, bevor verschiedene Wege aufgezeigt werden, auf denen ein Direktanspruch begründet werden kann. Nach Darlegung der mit einem gesetzlichen Direktanspruch verfolgten Zwecke sowie Nachzeichnung der um das unmittelbare Forderungsrecht geführten rechtspolitischen Diskussion werden sodann dessen rechtskonstruktiven Gestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt (hierzu B.). Abschließend soll in gebotener Kürze die historische Entwicklung des gesetzlichen Direktanspruchs in der Haftpflichtversicherung sowohl für Deutschland als auch für England beleuchtet werden (hierzu C.).

1 

Z. B. Regressrechte des Haftpflichtversicherers, Auskunftsansprüche des Geschädigten.

A. Haftpflichtversicherung und zugrundeliegende Rechtsbeziehungen I. Haftpflichtversicherung Die grundsätzliche Bedeutung und Zweckrichtung einer Haftpflichtversicherung (liability insurance) dürfte auch dem juristischen Laien geläufig sein.1 Vor dem Hintergrund allgegenwärtiger gesetzlicher Haftungsrisiken, derer sich das Individuum in der Gesellschaft ausgesetzt sieht,2 besteht das Bedürfnis nach Absicherung des eigenen Vermögens, wobei der Rückgriff auf das Produkt der Haftpflichtversicherung nahe liegt und heutzutage zumeist als selbstverständlich erscheint. Die wirtschaftlich nachteiligen, gegebenenfalls sogar existenzbedrohenden Folgen, die aus einer Haftpflicht gegenüber Dritten resultieren können, sollen durch eine Haftpflichtversicherung möglichst vermieden werden.3 Durch eine feste Prämienzahlung erwirbt der Versicherungsnehmer die Gewissheit der finanziellen Schadloshaltung durch den Versicherer für den Fall seiner rechtlichen Inanspruchnahme durch den Geschädigten, gleichgültig ob diese im Einzelfall berechtigt oder unberechtigt erfolgt.4 Der Abschluss einer Haftpflichtversicherung liegt daher primär im Interesse des potentiell Haftpflichtigen. Neben der individuellen Absicherung des Versicherungsnehmers dient die Haftpflichtversicherung moderner Prägung darüber hinaus allerdings auch dem Schutze des geschädigten Dritten und weist insofern eine soziale Funktion auf (sog. „Sozialbindung der Haftpflichtversicherung“).5 Der gesetzliWandt, VR, Rn.  1044. Vgl. unter anderem die Beispiele bei Wandt, VR, Rn.  1044: Verursachung eines Verkehrsunfalls als Autofahrer, Radfahrer oder Fußgänger; Nichtbeachtung der einem Grundstückseigentümer oder Mieter obliegenden Verkehrssicherungspflichten (z. B. Streuen bei Eis­glätte); Haftung als Tierhalter; Haftung als Betriebsunternehmer. 3  Heinrichs in FAKomm-VersR, Vorb. §§  100 bis 112 VVG Rn.  1; Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  1; Armbrüster, PVR, Rn.  1647; Bruns, PVR, §  22 Rn.  2; Wandt, VR, Rn.  1044. Für das englische Recht: Clarke, Insurance Contracts, Rn.  174A1, S.  501; Lowry/Rawlings, Insurance Law – Doctrines and Principles, S.  269. 4  Makowsky, Einfluss von Versicherungsschutz, S.  118. 5  Vgl. nur BGH, VersR 2009, 1485, 1485; BGH, VersR 2001, 90, 91; Armbrüster, PVR, Rn.  1648; Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  740 ff.; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  211  2 

12

A. Haftpflichtversicherung und zugrundeliegende Rechtsbeziehungen

che Direktanspruch in der Haftpflichtversicherung, dessen rechtliche Ausgestaltung und praktische Handhabung im deutschen und englischen Recht nachfolgend näher erörtert werden soll,6 ist ein elementarer Bestandteil ebendieser Sozialbindung.

1. Rechtliche Grundlagen a) Gesetzliche Rahmenbedingungen Ihre gesetzliche Grundlage findet die Haftpflichtversicherung in Deutschland im bereits 1908 erlassenen7 und zu Beginn des 21. Jahrhunderts umfassend reformierten Gesetz über den Versicherungsvertrag (VVG).8 Die Haftpflichtversicherung hat dabei in den §§  100–124 VVG im Besonderen Teil des Versicherungsvertragsgesetzes eine detaillierte Ausgestaltung erfahren, wobei zu differenzieren ist zwischen den für sämtliche Haftpflichtversicherungen geltenden Vorschriften (§§  100–112 VVG) und solchen Regelungen, deren Anwendungsbereich sich auf obligatorische Haftpflichtversicherungen beschränkt (§§  113– 124 VVG). Ergänzend finden auf die Haftpflichtversicherung die Regelungen des Allgemeinen Teils des VVG (§§  1–99 VVG) mit Ausnahme der Bestimmungen über die Sachversicherung (§§  88–99 VVG) Anwendung, sofern diese allgemeinen Vorschriften nicht durch Wertungen der speziellen haftpflichtversicherungsrechtlichen Normen überlagert werden. Markantes Beispiel einer derartigen Überlagerung ist der Umstand, dass in der Schadensversicherung im Allgemeinen sowohl die vorsätzliche als auch die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls zur (teilweisen) Leistungsfreiheit des Versicherers führen kann (§  81 VVG), wohingegen der Versicherungsnehmer seines Versicherungsanspruchs in der Haftpflichtversicherung gemäß §  103 VVG alleine 012: „(…) the true beneficiary of a liability insurance is frequently the third party who has suffered loss at the hands of the assured“; Wandt, VR, Rn.  1046; Makowsky, Einfluss von Versicherungsschutz, S.  119 ff.; Armbrüster, r+s 2010, 441, 447; The Law Commission and the Scottish Law Commisison, „Third Parties – Rights against Insurers (Consultation Paper)“, Law Com No.  152, 1998, Rn.  1.11 abrufbar unter: http://www.lawcom.gov.uk/wp-content/ uploads/2015/03/cp152_Third_Parties_Rights_Against_Insurers_Consultation.pdf (abgerufen am: 28. Februar 2017; im Folgenden zitiert als: Law Commission, Law Com No.  152 (1998)). 6  Hierzu ausführlich der 3. Teil. 7  Gesetz über Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 (VVG a. F.; RGBl. 1908, S.  263 ff.). 8  Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 23. November 2007 (sog. Versicherungsvertragsgesetz, VVG; BGBl. I 2007, S.  2631 ff.), das zum 01. Januar 2008 in Kraft trat (für die Übergangsregelungen siehe das Einführungsgesetz zum Versicherungsvertragsgesetz, Art.  1 ff. VVGEG). Allgemein zur VVG-Reform 2008: Schneider in Beckmann/MatuscheBeck­mann, §  1a Rn.  1 ff.

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bei vorsätzlichem Verhalten verlustig geht. Weiteren zivilrechtlichen Kodifikationen (z. B. BGB, HGB, AGG) wohnt eine Komplementärfunktion zum Gesetz über den Versicherungsvertrag inne.9 Relevanz im Zusammenhang mit der Haftpflichtversicherung kann darüber hinaus einer Vielzahl weiterer formeller und materieller Bundes- oder Landesgesetze zukommen, soweit sie eine Pflicht zum Abschluss eines Haftpflichtversicherungsvertrages vorsehen.10 Eine besondere Praxisrelevanz weist insofern das Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter (PflVG)11 auf. Das moderne englische Versicherungsvertragsrecht ist – der Tradition des Common Law folgend – im Wesentlichen das Ergebnis einer kontinuierlichen richterlichen Rechtsfortbildung.12 Es basiert mithin vorrangig auf Gerichtsentscheidungen (case law), denen eine Bindungswirkung für ähnlich gelagerte Fälle zukommt (Grundsatz des stare decisis).13 Folglich kann es sich des Eindrucks einer gewissen Unübersichtlichkeit schwerlich erwehren. Eine umfassende Kodifikation des Privatversicherungsrechts, wie sie der deutsche Gesetzgeber mit dem VVG geschaffen hat, existiert in England nicht. Lediglich im Teilbereich des Seeversicherungsrechts hat die englische Legislative mit dem Marine Insurance Act 1906 schon frühzeitig die diesen Versicherungszweig beherrschenden rechtlichen Grundsätze erschöpfend niedergelegt.14 Im Übrigen erließ der englische Gesetzgeber nur punktuell Regelungen mit versicherungsrechtlicher Relevanz, wenn er Unklarheiten und Lücken oder auch Wertungswidersprüche Armbrüster, PVR, Rn.  444, 449. Vgl. die Übersicht bei Brand in MüKoVVG, Vor §§  113–124 Rn.  19 f. 11  Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter vom 05. April 1965 (Pflichtversicherungsgesetz, PflVG), BGBl. I 1965, S.  213 ff. 12  Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  16; Goretzky, Leistungspflicht des Versicherers, S.  94; Rühl, Obliegenheiten im Versicherungsvertragsrecht, S.  16. Allgemein zur Geschichte der Versicherung in England: Benson, 23 T.M. Cooley L. Rev. 2006, 503, 504 ff. sowie Holdsworth, 17 Colum. L. Rev. 1917, 85, 96 ff. 13  Daneben unterliegen Versicherungsverträge in England auch Regelwerken, die von der englischen Versicherungswirtschaft im Wege der Selbstverpflichtung entwickelt wurden. Ein verbindlicher Normcharakter kommt diesen Vorschriften freilich nicht zu (hierzu Rühl, Obliegenheiten im Versicherungsvertragsrecht, S.  17 ff.). 14  Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  16; Bruns, PVR, §  35 Rn.  45; Rühl, Obliegenheiten im Versicherungsvertragsrecht, S.  16. Nach anerkannter Auffassung finden bestimmte Regelungen des Marine Insurance Act 1906 zumindest dem jeweiligen Rechtsgedanken nach auch im allgemeinen, nicht die Seeversicherung betreffenden Versicherungsvertragsrecht Anwendung, siehe hierzu Schnepp/Spallino, VersR 2015, 145, 147 [Fn.  12]; The Law Commission and the Scottish Law Commission, „Insurance Contract Law: Business Disclosure; Warranties; Insurers’ Remedies for Fraudulent Claims; and Late Payment“, Law Com No.  353, 2014, Rn.  1.16, abrufbar unter: http://www.lawcom.gov.uk/wp-content/uploads/2015/11/ReportInsurance-contract-law.pdf (abgerufen am: 28. Februar 2017; im Folgenden zitiert als: Law Commission, Law Com No.  353 (2014)); Insurance Act 2015, Explanatory Notes, Rn.  6. 9 

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mit unbilligen Ergebnissen im case law erkannte.15 In letzter Zeit sind freilich – ob der erkannten Unzulänglichkeiten des geltenden Rechts für die moderne Versicherungswirtschaft im 21. Jahrhundert –16 Tendenzen zur verstärkten gesetzlichen Regulierung des allgemeinen Versicherungsvertragsrechts erkennbar. Exemplarisch sei hierbei insbesondere auf den Consumer Insurance (Disclosure and Representations) Act 201217 sowie den Insurance Act 201518 hingewiesen. Zudem verlangten zuletzt unionsrechtliche Vorgaben zunehmend eine legislative Intervention im Bereich des Versicherungsvertragsrechts.19 Von einem Gesetz, welches sich neben der Normierung der allgemeinen Grundsätze des Privatversicherungsrechts der regulativen Ausgestaltung sämtlicher Versicherungszweige widmet, ist man in England gleichwohl noch immer weit entfernt. Dementsprechend hat auch die Haftpflichtversicherung keine umfassende gesetzliche Regelung erfahren. Lediglich vereinzelte Vorschriften in unterschiedlichen Gesetzen weisen eine punktuelle haftpflichtversicherungsrechtliche Bedeutung auf, wobei es sich zuvorderst um Normen über Pflichthaftpflichtversicherungen handelt. Zu nennen ist dabei insbesondere der Road Traffic Act 1988, welcher Vorschriften zur äußerst praxisrelevanten Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung beinhaltet.20 Im Zusammenhang mit der Kfz-Haftpflichtversicherung erlangen zudem die European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 Relevanz, welche ursprünglich der Umsetzung der 4. KH-Richtlinie der EU sowie der antizipierten Umsetzung der 5. KH-Richtlinie ins englische 15  Vgl. auch Chorley, 2 Mod. L. Rev. 1938, 36, 36: „The conditions of modern society have long passed beyond the stage where the relationship which it entails can be satisfactorily adjusted on the basis of the Common Law alone“. 16  Law Commission, Law Com No.  353 (2014), Rn.  1.3; Insurance Act 2015, Explanatory Notes, Rn.  7. 17 Der Consumer Insurance (Disclosure and Representations) Act 2012 befasst sich mit der vorvertraglichen Anzeigepflicht in Versicherungsverträgen mit Verbrauchern (consumer). Wesentlicher Inhalt ist die Abschaffung der spontanen Anzeigepflicht (spontaneous disclosure) des Versicherungsnehmers hinsichtlich aller potentiell gefahrerheblichen Umstände (material facts). 18 Der Insurance Act 2015 enthält zunächst Regelungen zu den versicherungsrechtlichen Obliegenheiten in Versicherungsverträgen mit Unternehmern. Neben der vorvertraglichen Anzeigepflicht wird dabei das Recht der warranties einer Reform unterzogen, wobei im Ergebnis die Anforderungen an den Versicherungsnehmer abgesenkt bzw. die Folgen einer Obliegenheitsverletzung entschärft werden. Auch zur rechtlichen Behandlung von fraudulent claims werden neue Regelungen aufgestellt. Für diese Abhandlung von besonderer Bedeutung ist letzlich der Umstand, dass der Insurance Act 2015 wichtige Änderungen des Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 herbeigeführt hat, vgl. hierzu ausführlich unten unter 2. Teil C.II.4.c). 19  Bruns, PVR, §  35 Rn.  45. 20  S.  143 ff. Road Traffic Act 1988.

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Recht dienten und die einen speziellen gesetzlichen Direktanspruch gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer vorsehen.21 Fernerhin von erheblichem wirtschaftlichen Stellenwert ist der Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Act 1969, der den in England tätigen Arbeitgebern die Verpflichtung auferlegt, sich gegen Haftpflichtansprüche ihrer Arbeitnehmer zu versichern. Im Hinblick auf die Thematik dieser Abhandlung ist letztlich noch der Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 zu erwähnen, welcher den geschädigten Dritten unter gewissen Voraussetzungen mittels Legalzession des Haftpflichtversicherungsanspruchs in eine direkte Beziehung zum Haftpflichtversicherer setzt und dabei weitreichende Änderungen gegenüber der aus den 1930er Jahren stammenden Vorgängerregelung22 aufweist. b) Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) In beiden untersuchten Rechtsordnungen zeigt sich die Besonderheit, dass privatrechtliche Versicherungsverträge nicht selten ausschließlich aus Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), mithin aus vom Versicherer vorformulierten Vertragsklauseln bestehen, auf deren inhaltliche Gestaltung der Versicherungsnehmer keinen Einfluss hat.23 Die standardisierten Versicherungsbedingungen begnügen sich folglich nicht mit der Regelung simpler Nebenfragen des Vertragsverhältnisses, vielmehr normieren sie auch die wesentlichen Hauptpflichten des Versicherungsvertrages (essentialia negotii) und konkretisieren damit nicht zuletzt Gegenstand und Umfang des Versicherungsschutzes. Den AVB wohnt dementsprechend ganz allgemein eine das Produkt der Versicherung konstituierende Funktion inne.24 In Deutschland werden die AVB gemeinhin als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) charakterisiert und folglich im Streitfall durch die Gerichte zum Schutze des Versicherungsnehmers einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle (§§  307 ff. BGB) unterzogen.25 Sie sind demnach unwirksam, wenn sie den Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen Reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002. Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930. 23  Schmidt, Beweis des Versicherungsfalls, S.  77. 24  Beckmann in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  10 Rn.  2; Schulze Schwienhorst in Looschelders/Pohlmann, Vor §§  100 ff. Rn.  1; Franck, Direktanspruch, S.  8. 25  Beckmann in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  10 Rn.  1, 199; Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  26; Bruns, PVR, §  10 Rn.  21 ff. Die AVB unterliegen zudem der nachträglichen Missstandsaufsicht durch die Versicherungsaufsichtsbehörde (§§  294 Abs.  2, 298 Abs.  1 VAG bzw. §  81 VAG a. F.); in diesem Rahmen kann den Versicherungsunternehmen die Verwendung unwirksamer AVB ganz generell untersagt werden, vgl. Schmidt, Beweis des Versicherungsfalls, S.  79; Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  28; Wandt, VR, Rn.  221. 21 

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benachteiligen, was im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung zu ermitteln ist.26 Hierbei sind insbesondere auch die besonderen Klauselverbote der §§  308, 309 BGB zu berücksichtigen. In England unterliegen die AVB einem fairness test, der bislang auf Grundlage der Unfair Terms in Consumer Contracts Regulations 199927 erfolgte und nunmehr nahezu inhaltsgleich – zumindest für alle nach dem 01. Oktober 2015 abgeschlossenen Verträge – 28 im Consumer Rights Act 201529 normiert ist. Im Rahmen der auf dem fairness test basierenden Inhaltskontrolle wird unter anderem geprüft, ob ein erhebliches Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung zum Nachteil des Versicherungsnehmers gegeben ist (significant imbalance in the parties’ rights and obligations under the contract to the detriment of the consumer).30 Auch das Kriterium von Treu und Glauben (good faith) wird bei der Prüfung der ausreichenden

Beckmann in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  10 Rn.  218; Wurmnest in MüKoBGB, §  307 Rn.  33. In der Rechtsprechung hat sich insoweit eine beachtliche Kasuistik zur Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs entwickelt, vgl. Schmidt, Beweis des Versicherungsfalls, S.  79. 27 Die Unfair Terms in Consumer Contracts Regulations 1999 (bzw. die Vorgänger-Regulations aus dem Jahre 1994) dienten einst der Umsetzung der Richtlinie 93/13/EWG vom 05. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. Zuvor war – in Anerkennung der im englischen Recht seit jeher besonders bedeutsamen Vertragsfreiheit – eine Inhaltskontrolle der AVB nicht vorgesehen; insbesondere fand der Unfair Contract Terms Act 1977 auf Versicherungsverträge keine Anwendung (vgl. s. 1 (2) iVm Schedule 1 Unfair Contract Terms Act 1977). Einer Benachteiligung des Versicherungsnehmers sollte vielmehr durch eine strenge Auslegung der AVB begegnet werden, die im Zweifel zulasten des Versicherers durchzuführen war. 28  Vgl. article 6 (1), (4) Consumer Rights Act 2015 (Commencement No.  3, Transitional Provisions, Savings and Consequential Amendments) Order 2015. Für Altverträge bleibt es hingegen bei der Anwendbarkeit der Unfair Terms in Consumer Contracts Regulations 1999, die somit einstweilen rechtspraktische Relevanz behalten werden. 29  Mit dem Consumer Rights Act 2015 wollte der englische Gesetzgeber aus Gründen der Rechtsklarheit die wichtigsten Rechte eines Verbrauchers (Consumer Rights Act 2015, Explanatory Notes, Rn.  3: „key consumer rights“) im Rahmen von Verträgen mit Unternehmern (sog. Verbraucherverträge) in einer zentralen Kodifikation bündeln. Bislang waren die maßgeblichen Verbraucherrechte in unterschiedlichen Gesetzen und Verordnungen normiert und die Rechtslage gestaltete sich demzufolge unübersichtlich. Mit der Zusammenführung der wichtigsten Verbraucherschutzvorschriften in einem Gesetz war zugleich die gesetzgeberische Hoffnung verbunden, dass sich Verbraucher ihrer in einem Vertragsverhältnis mit einem Unternehmer bestehenden Rechte künftig eher und leichter bewusst werden und strikter auf deren Einhaltung dringen. Ein wesentlicher Bestandteil des neuen Consumer Rights Act 2015 ist nunmehr auch der Schutz des Verbrauchers vor unangemessen benachteiligenden Vertragsbedingungen (unfair terms; s. 61 ff. Consumer Rights Act 2015). 30  Schmidt, Beweis des Versicherungsfalls, S.  81 f.; MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-087. 26 

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Fairness der Vertragsklauseln berücksichtigt.31 Zudem beinhalten sowohl die Unfair Terms in Consumer Contracts Regulations 1999 als auch der Consumer Rights Act 2015 eine nicht abschließende (non-exhaustive), allein indizielle Wirkung entfaltende Auflistung solcher Vertragsbedingungen, die für gewöhnlich als unfair zu erachten sind.32 Zu beachten ist freilich, dass sich der Anwendungsbereich des fairness test – wie bereits unschwer der Überschrift der beiden maßgeblichen Gesetze zu entnehmen ist (vgl. insoweit die Verwendung des Begriffes „consumer“) – im Unterschied zur deutschen AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle (vgl. §  310 Abs.  1 S.  1, 2 BGB) auf Verträge mit Verbrauchern beschränkt.33 Bei Versicherungsverträgen, die von einem Unternehmer gezeichnet wurden, wird der Asymmetrie der Verhandlungsposition bei Abschluss des Versicherungsvertrages alleine durch eine im Zweifel zu Lasten des Versicherers erfolgenden, strengen Auslegung der Vertragsklauseln Rechnung getragen und der Versicherungsnehmer auf diese Weise geschützt (contra proferentem-Doktrin).34 Vergleichbar der behördlichen Missstandsaufsicht nach §§  294 Abs.  2, 298 Abs.  1 VAG (bzw. §  81 VAG a. F.)35 kann auch in England über die individuelle gerichtliche Klauselkontrolle hinaus die Verwendung von unzulässigen AVB behördlich untersagt werden.36 Wenngleich den deutschen Versicherern seit der EU-rechtlich bedingten Deregulierung des Versicherungsvertragsrechts im Jahre 1994 – verbunden mit dem Wegfall des aufsichtsbehördlichen Vorabgenehmigungserfordernisses hinsichtlich der AVB –37 grundsätzlich die Befugnis zur individuellen Gestaltung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und somit auch zur Produktdiffe-

31  Lacey’s Footwear (Wholesale) Ltd v Bowler International Freight Ltd [1997] 2 Lloyd’s Rep.  369, 385. 32  Reg. 5 (5) iVm Schedule 2 Unfair Terms in Consumer Contracts Regulations 1999; s. 63 iVm Schedule 2 Consumer Rights Act 2015. 33  Reg. 4 (1) Unfair Terms in Consumer Contracts Regulations 1999; s. 61 (1) Consumer Rights Act 2015; MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-087; Rühl in Basedow/Fock, S.  1421. 34  Bruns, PVR, §  35 Rn.  58. Vgl. zur contra proferentem-Doktrin auch folgende Entscheidungen: Hollier v. Rambler Motors (A.M.C.) Ltd [1972] 2 Q.B. 71, 78 ff.; Baldry v. Marshall [1925] 1 K.B. 260, 265 f. 35  Das VAG wurde mit Wirkung zum 01. Januar 2016 vollständig neu gefasst, vgl. hierzu das Gesetz zur Modernisierung der Finanzaufsicht über Versicherungen vom 01. April 2015, BGBl. I 2015, S.  434 ff. 36  Schmidt, Beweis des Versicherungsfalls, S.  81. 37  Vgl. Art.  6 Abs.  3 UAbs.  2 RL 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG (Dritte Richtlinie Schadensversicherung), ABl. L 228 vom 11. August 1992, S.  1 ff.

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renzierung zusteht,38 orientieren sie sich in der Praxis regelmäßig in weitem Umfang an den vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV)39 erarbeiteten unverbindlichen Musterbedingungen oder legen diese ihren Versicherungsverträgen gar unverändert zugrunde.40 Im Bereich der Haftpflichtversicherung hat der GDV die Muster-Versicherungsbedingungen – um der besseren Übersichtlichkeit und einer verbesserten sprachlichen Genauigkeit willen – im Jahre 2014 einer grundlegenden Neustrukturierung unterzogen.41 Die Regelungsinhalte der bisherigen Muster-Versicherungsbedingungen sollten dabei aber im Wesentlichen beibehalten und in die neu strukturierten Klauseln überführt werden.42 Eine wesentliche Neuerung in den neugefassten AVB der Haftpflichtversicherung stellt der Umstand dar, dass fortan kein allen Spielarten der Haftpflichtversicherung zugrundeliegendes Grundbedingungswerk mehr existiert – wie dies bislang grundsätzlich43 durch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) der Fall war und welches jeweils durch separat geregelte besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für einzelne Haftpflichtversicherungsarten ergänzt wurde. Vielmehr sieht der GDV nunmehr für einzelne Arten der Haftpflichtversicherung jeweils in sich geschlossene und „durchgeschriebene“ Versicherungsbedingungswerke44 vor.45 Die neuen Musterbedingungen gliedern sich jeweils in zwei Teile. Während im sog. Teil A spezifische Bestimmungen für die jeweilige Haftpflichtversicherungsart enthalten sind (v. a. Umschreibung des versicherten Littbarski in MüKoVVG, Vor §§  100–112 Rn.  32; Wandt, VR, Rn.  216. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) mit Sitz in Berlin ist die Dachorganisation der privaten Versicherungsunternehmen in Deutschland und hat gegenwärtig ungefähr 450 Mitglieder, vgl. http://www.gdv.de/ueber-uns/ (abgerufen am: 28. Februar 2017). 40  Littbarski in MüKoVVG, Vor §§  100–112 Rn.  32; Schneider in Beckmann/MatuscheBeck­mann, §  24 Rn.  10; Armbrüster, PVR, Rn.  118; Wandt, VR, Rn.  217. Soweit AVB in dieser Abhandlung von Bedeutung sind, werden daher die Musterbedingungen des GDV herangezogen. 41  Hierzu allgemein: GDV, Erläuterungen zur Strukturreform und zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung (AVB BHV), August 2014, abrufbar unter: http://www.gdv.de/wp-content/uploads/2015/10/Erl% C3%A4uterungen-Strukturreform-und-AVB-BHV_2014-08.pdf (abgerufen am: 28. Februar 2017; im Folgenden zitiert als: GDV, Erläuterungen zur Strukturreform). 42  GDV, Erläuterungen zur Strukturreform, S.  3. 43  Ausnahmen bestanden bisher für die Kfz-Haftpflichtversicherung sowie für die D&O-Versicherung, wo jeweils ein eigenständiges und abschließendes Bedingungswerk existierte (AKB / AVB-AVG). 44  Z. B. Privathaftpflichtversicherung: AVB PHV; Bauherrenhaftpflichtversicherung: AVB BauherrenHV; Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung: AVB BHV; Gewässerschadenhaftpflichtversicherung: AVB GewässerschadenHV. 45  GDV, Erläuterungen zur Strukturreform, S.  2 f. 38  39 

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Risikos), werden im Teil B allgemeine Rechte und Pflichten der Vertragsparteien sowie andere wichtige Vertragsmodalitäten geregelt, die nicht an eine bestimmte Haftpflichtversicherungsart anknüpfen.46 Ungeachtet der Reform der Musterbedingungen ist allerdings zu erwarten, dass die bisherigen AHB auch zukünftig enorme Relevanz besitzen werden, zumal sie noch immer zahlreichen bestehenden Haftpflichtversicherungsverträgen zugrundeliegen und der GDV diese Bedingungen auch weiterhin parallel zu pflegen beabsichtigt.47

2. Versicherungssystematische Einordnung der Haftpflichtversicherung Prägend für das Rechtsprodukt der Haftpflichtversicherung ist der Schutz des Versicherungsnehmers vor Vermögensnachteilen, die aus einer rechtlichen Inanspruchnahme durch Dritte resultieren können.48 Wenn die Haftpflichtversicherung demnach der Absicherung gegen einen finanziellen Nachteil dient, dessen Umfang und Höhe mit einem konkret geltend gemachten Schadensersatzanspruch korreliert, und der Versicherer somit primär die Übernahme einer ganz bestimmten Belastung schuldet, so lässt sie sich – dem Prinzip der konkreten Bedarfsdeckung folgend – unschwer als Schadensversicherung klassifizieren.49 Im englischen Recht wird insoweit von einer indemnity insurance gesprochen.50 46 

GDV, Erläuterungen zur Strukturreform, S.  3. Hinweis auf der Internetseite des GDV im Zusammenhang mit den Versicherungs­ bedingungen zur Haftpflichtversicherung, abrufbar unter: http://www.gdv.de/downloads/ versicherungsbedingungen/ (abgerufen am: 28. Februar 2017). 48  Heinrichs in FAKomm-VersR, Vorb. §§  100 bis 112 VVG Rn.  1; Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  1; Wandt, VR, Rn.  1044; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  9; Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  4. 49  Vgl. RGZ 70, 257, 260; BGH, NJW 1955, 101, 102; Baumann in Berliner Kommentar, Vorbem. §§  149–158k Rn.  6; Langheid in Langheid/Rixecker, §  100 Rn.  8; Littbarski in MüKo­V VG, Vor §§  100–112 Rn.  148; Lücke in Prölss/Martin, §  100 Rn.  71; Armbrüster, PVR, Rn.  1649; Wandt, VR, Rn.  1050; Ecke, Trennungsprinzip, S.  45; Georgii, Haftpflichtversicherung, S.  37 („in erster Linie Rechtsschutzversicherung“); Hartung, Allgemeine Haftpflichtversicherung, S.  34; Senger, Stellung des geschädigten Dritten, S.  7. Von der Schadensversicherung ist die sog. Summenversicherung abzugrenzen, bei welcher der Versicherer nach Eintritt des Versicherungsfalls eine bereits im Versicherungsvertrag fest fixierte Geldsumme zu leisten hat (Prinzip der abstrakten Bedarfsdeckung; z. B. Lebensversicherung), vgl. Armbrüster, PVR, Rn.  412. 50  British Cash and Parcel Conveyors Ltd v. Lamson Store Service Co Ltd [1908] 1 K.B. 1006, 1014 f.; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  21-006. Abzugrenzen hiervon ist die contingency insurance, bei welcher dem Versicherungsnehmer im Versicherungsfall losgelöst vom faktischen Bedarf eine bestimmte Geldsumme ausgezahlt wird (z. B. life insurance, accident insurance), was der Summenversicherung des deutschen Rechts entspricht; vgl. hierzu MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-004. 47 

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Im Unterschied zu anderen, klassischen Schadensversicherungen51 dient die Haftpflichtversicherung jedoch nicht dem Ausgleich des Verlustes eines zuvor im Vermögen des Versicherungsnehmers vorhandenen Interesses, sondern vielmehr dem Schutz vor Vermögensschäden, die sich aus der bloßen Entstehung einer wertnegativen Rechtsbeziehung ergeben (sog. Passivenversicherung).52 Konsequenz der Klassifizierung als Passivenversicherung ist die Unanwendbarkeit gewisser allgemeiner Vorschriften über die Schadensversicherung. Betroffen sind hiervon namentlich solche Normen, welche an den Versicherungswert und somit an eine Wertbeziehung zu einem bestimmten Rechtsgut (Aktivum) anknüpfen (§§  74–76 VVG).53 Demgegenüber war dem Common Law der Gedanke einer Passivenversicherung zunächst fremd. Es galt als unverrückbares Wesensmerkmal einer indemnity insurance, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer nur für tatsächlich erlittene Einbußen am aktiven Vermögen zu entschädigen hat.54 Für die Haftpflichtversicherung folgte daraus, dass die Leistungspflicht des Versicherers zwingend durch die vorherige Befriedigung des Geschädigten durch den Versicherungsnehmer bedingt war.55 Mittlerweile folgen die englischen Gerichte indes dem weniger engherzigen Standpunkt, wonach die Leistungspflicht des Haftpflichtversicherers bereits dann zur Entstehung gelangen kann, wenn die Schadensersatzpflicht des Versicherungsnehmers gegenüber dem Geschädigten einwandfrei festgestellt ist – gleichgültig ob aufgrund eines gerichtlichen Urteils, eines Schiedsspruchs oder auch aufgrund einer außergerichtlichen Einigung.56 Da zu diesem Zeitpunkt freilich noch keine tatsächliche Einbuße am aktiven Vermögen gegeben ist, der Schaden vielmehr in der Belastung des Vermögens mit einer – nunmehr hinreichend konkretisierten – rechtlichen Verbindlichkeit besteht, kann auch die Haftpflichtversicherung 51 

Z. B. Elementarschadenversicherung, Hausratversicherung. Koch in Bruck/Möller, Vor §§  100–112 Rn.  5; Rintelen in Späte/Schimikowski, Einl. Rn.  15; Wandt, VR, Rn.  1050; Büchner, Theorie, S.  3 f. 53  Koch in Bruck/Möller, Vor §§  100–112 Rn.  6; Littbarski in MüKoVVG, Vor §§  100–112 Rn.  154; Schimikowski in Späte/Schimikowski, Einl. Rn.  153. 54  Henry v. Gladstone [1935] A.C. 1, 10; Collinge v. Heywood (1839) 112 E.R. 1352, 1352 ff.; Clarke, Insurance Contracts, Rn.  17-4A2, S.  502. 55  MacGillivray on Insurance Law, Rn.  30-002. 56  Post Office v. Norwich Union Fire Insurance Society Ltd [1967] 2 Q.B. 363, 373 f., per Lord Denning MR: „(…) the insured only acquires a right to sue for the money when his liability to the injured person has been established so as to give rise to a right of indemnity. His liability to the injured person must be ascertained and determined to exist, either by judgment of the court or by an award in arbitration or by agreement. (…) The assured cannot recover anything under the main indemnity clause or make any claim against the underwriters until they have been found liable and so sustained a loss“ (kursive Hervorhebung durch Verfasser); West Wake Price & Co v. Ching [1957] 1 W.L.R. 45, 49; Mance/Goldrein/Merkin, Insurance Disputes, Rn.  13.2. 52 

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des englischen Rechts als Schadensversicherung in Form der Passivenversicherung klassifiziert werden.

3. Arten der Haftpflichtversicherung a) Produktvielfalt aufgrund des Grundsatzes der Spezialität der versicherten Gefahr Auch wenn sich grundsätzlich alle Menschen potentiellen Haftungsrisiken ausgesetzt sehen, mag kaum überraschen, dass das individuelle Haftpflichtrisiko von einzelnen Personen doch recht unterschiedlich bemessen sein kann. Die Gefahr, Schäden zu verursachen und infolgedessen von Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden, steht in unmittelbarer Abhängigkeit zu den persönlichen Lebensumständen. Naturgemäß sind die Haftungsrisiken eines Unternehmers aufgrund seiner gewerblichen oder selbständig beruflichen Betätigung größer als diejenigen eines Privatiers. Auch die privaten Lebens­ verhältnisse – wie beispielsweise besondere Freizeitaktivitäten oder auch die Eigenschaft als privater Bauherr – haben Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit einer Schadensverursachung und somit die Gefahr einer rechtlichen Inanspruchnahme.57 Unmittelbare Folge dessen ist eine Vielzahl unterschiedlicher Produktangebote auf dem Haftpflichtversicherungsmarkt in Deutschland und England. Eine Haftpflichtversicherung, welche Versicherungsschutz ganz allgemein gegen Haftpflichtansprüche jeglicher Fasson gewährt, existiert in beiden untersuchten Rechtsordnungen nicht.58 Um eine risikogerechte Prämie tarifieren zu können, bieten die Versicherer vielmehr nach dem Grundsatz der Spezialität der versicherten Gefahr Haftpflichtversicherungsprodukte isoliert für verschiedene Tätigkeits- und Lebensbereiche des Versicherungsnehmers an.59 Ob ein bestimmtes Risiko dem Schutz eines Haftpflichtversicherungsvertrages unterfällt (sog. versicherte Gefahr / insured risk), ist – notfalls im Wege der Auslegung – dessen primären Risikoabgrenzungen (clauses descriptive of the risk) zu entnehmen.60 Einen numerus clausus zulässiger Haftpflichtversicherungsarten Vgl. Wandt, VR, Rn.  1052. BGH, VersR 1957, 385, 385; Ecke, Trennungsprinzip, S.  46; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  30-078 ff. 59  Lücke in Prölss/Martin, Vorbemerkung zu den §§  100–112 Rn.  1; Schimikowski in ­Späte/Schimikowski, Einl. Rn.  63; Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  745; Wandt, VR, Rn.  1052; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  21-035. 60  Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  34 f.; Lücke in Prölss/Martin, Vorbemerkung zu den §§  100–112 Rn.  1 f.; Rühl in Basedow/Fock, S.  1460 ff.; Ecke, Trennungsprinzip, S.  46 ff.; Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  221. Allgemein zu Risikoabgrenzungen: Armbrüster, PVR, Rn.  1116 ff.; Schimikowski, Versicherungsvertragsrecht, Rn.  291 ff. 57 

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A. Haftpflichtversicherung und zugrundeliegende Rechtsbeziehungen

gibt es nicht, so dass durchaus Raum für Produktinnovationen der Versicherer besteht.61 In Deutschland kommt vor allem der Privathaftpflichtversicherung zur Absicherung von Haftpflichtrisiken einer Privatperson aus Situationen des täglichen Lebens besondere Bedeutung zu. Ein enormer Stellenwert ist zudem der Kfz-Haftpflichtversicherung beizumessen, welche Schutz vor den Folgen eines Schadensersatzanspruchs resultierend aus dem Gebrauch eines Kfz gewährt.62 Bedeutsam sind letztlich auch die zahlreichen Berufs- und Betriebshaftpflichtversicherungen, welche den Berufstätigen vor den Haftungsrisiken aus seiner beruflichen Betätigung respektive seiner betrieblichen Tätigkeit schützen sollen.63 In England zeigt sich das Phänomen, dass die Versicherung gegen Haftpflichtgefahren des täglichen Lebens regelmäßig in Kombination mit einer normalen Sachschadensversicherung – für gewöhnlich der sog. Home Insurance – 64 angeboten wird und „bloße“ Privathaftpflichtversicherungen selten sind.65 Gleiches gilt für Kfz-Haftpflichtversicherungen, deren Leistungen zumeist Bestandteil einer umfassenden Car Insurance sind, die auch Beschädigungen am Fahrzeug des Versicherungsnehmers absichert.66 Daneben gibt es freilich auch in England separate Haftpflichtversicherungsverträge, deren alleinige Aufgabe im Schutz des Versicherungsnehmers vor den wirtschaftlichen Folgen einer rechtlichen Inanspruchnahme liegt.67 b) Fakultative und obligatorische Haftpflichtversicherungen Die insoweit existierenden mannigfaltigen Haftpflichtversicherungsarten lassen sich in den untersuchten Rechtsordnungen zwei grundlegenden Kategorien Franck, Direktanspruch, S.  18. Weitere klassische Haftpflichtversicherungsarten: Bauherrenhaftpflichtversicherung, Berufshaftpflichtversicherungen, D&O-Versicherung, Gewässerschadenhaftpflichtversicherung, Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung, Hundehalterhaftpflichtversicherung, Jagdhaftpflichtversicherung, Wasserfahrzeughaftpflichtversicherung. 63  Insoweit existieren z. B. Berufshaftpflichtversicherungen für Architekten und Bauingenieure, Ärzte, Notare, Rechtsanwälte, Steuerberater, Versicherungsvermittler und Wirtschaftsprüfer. 64 Die Home Insurance deckt im Wesentlichen Schäden am Wohngebäude (buildings insurance) und/oder am Hausrat (contents insurance) des Versicherungsnehmers ab. 65  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  21-006. 66  Vgl. Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  256; Birds’ Modern Insurance Law, S.  405 f.; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  31-001. 67  Enorme Bedeutung kommt dabei der – im englischen Recht obligatorischen – Arbeitgeberhaftpflichtversicherung (employers’ liability insurance) sowie den Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherungen (public liability insurance bzw. professional indemnity insurance) zu. 61 

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der Haftpflichtversicherung zuordnen. Zu differenzieren ist zwischen Haftpflichtversicherungen, deren Abschluss der freien Entscheidung der potentiell Haftpflichtigen anheimgestellt ist,68 und sog. Pflichthaftpflichtversicherungen (compulsory liability insurance),69 deren Abschluss in Durchbrechung der privatautonomen Vertragsfreiheit für bestimmte Personen gesetzlich zwingend vorgeschrieben ist.70 In Deutschland knüpft an diese Unterscheidung unmittelbar eine Rechtsfolgenfunktion an. Während die allgemeinen Haftpflichtversicherungsvorschriften der §§  100–112 VVG für sämtliche Haftpflichtversicherungen gelten, kommen die speziellen Normen der §§  113–124 VVG nur bei Pflichthaftpflichtversicherungen im Sinne des §  113 Abs.  1 VVG71 zur Anwendung. In England existieren zwar keine allgemeinen Vorschriften für sämtliche obligatorischen Haftpflichtversicherungen, häufig finden sich jedoch unmittelbar im Zusammenhang mit der Anordnung der Versicherungspflicht spezifische Regelungen zur rechtlichen Behandlung der jeweiligen Pflichthaftpflichtversicherung.72 Die Anordnung einer Haftpflichtversicherungspflicht stellt einen grundsätzlich rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Vertragsfreiheit ( freedom of

68  Purves, CfiLR 1998, 98, 106: „Absent compulsory schemes (…) which impose the obligation to purchase cover, the decision as to whether or not to purchase insurance is a matter of personal preference“ (kursive Hervorhebung durch Verfasser). 69  Übersicht über die derzeit existierenden Pflichthaftpflichtversicherungen in Deutschland: Brand in MüKoVVG, Vor §§  113–124 Rn.  19 ff.; siehe ferner die Auflistung der BaFin, abrufbar unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Merkblatt/dl_mb_zulas sung_eu_pflichtvers.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (abgerufen am: 28. Februar 2017). Übersicht über compulsory liability insurances in England: Rühl in Basedow/Fock, S.  1384 ff. 70  Zu beachten ist, dass die Abschlusspflicht grundsätzlich alleine dem Versicherungsnehmer obliegt und die Versicherungspflicht nicht mit entsprechenden Kontrahierungszwängen für die Haftpflichtversicherer flankiert wird, vgl. Büchner, Theorie, S.  29; Makowsky, Einfluss von Versicherungsschutz, S.  115; Brand in MüKoVVG, §  113 Rn.  16 f.; Schwartze in Looschelders/Pohlmann, §  113 Rn.  4 (für das englische Recht: Hedderich, Pflichtversicherung, S.  74; Rühl in Basedow/Fock, S.  1391 f.). Lediglich im Bereich der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung korrespondiert in Deutschland mit der Abschlusspflicht des potentiell Haftpflichtigen ein Kontrahierungszwang des Haftpflichtversicherers (§  5 Abs.  2 PflVG). 71  Das Gesetz spricht in §  113 VVG ganz allgemein von „Pflichtversicherung“, was jedoch außer Acht lässt, dass auch außerhalb des Bereichs der Haftpflichtversicherung gesetzliche Verpflichtungen zum Abschluss eines privaten Versicherungsvertrages existieren (z. B. §  193 Abs.  3 VVG: private Krankenversicherung; §  23 SGB XI: private Pflegeversicherung); im Folgenden soll daher im Zusammenhang mit §  113 VVG der treffendere Begriff der „Pflichthaftpflichtversicherung“ verwendet werden. Hierzu auch: Brand in MüKoVVG, Vor §§  113– 124 Rn.  1; Wandt, VR, Rn.  1099. 72  Z. B. s. 143 ff. Road Traffic Act 1988; s. 1 ff. Employers’ Liability (Compulsory Insur­ ance) Act 1969 iVm reg. 1 ff. Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Regulations 1998.

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contract) der Rechtssubjekte als Bestandteil der Privatautonomie dar.73 Ihre Legitimation findet die Haftpflichtversicherungspflicht – neben unzweifelhaft gegebenen sekundären Schutztendenzen –74 zuvorderst in dem Gedanken des sozial relevanten Drittschutzes.75 Sowohl in Deutschland als auch in England soll durch eine obligatorische Haftpflichtversicherung im Ergebnis eine tatsächliche Entschädigung des Opfers sichergestellt werden. Dementsprechend sind die deutschen Vorschriften über die Pflichthaftpflichtversicherung (§§  113–124 VVG) erkennbar von dem Bestreben geprägt, dem geschädigten Dritten mithilfe der für den potentiellen Schädiger pflichtigen Haftpflichtversicherung einen effektiven und unkomplizierten Ausgleich seiner erlittenen Schäden zu garantieren. Zu diesem Zwecke ist unter anderem ein weitgehender Einwendungsausschluss vorgesehen, so dass sich der Versicherer gegenüber dem Geschädigten grundsätzlich nicht auf eine Leistungsfreiheit im Versicherungsverhältnis berufen kann (vgl. §§  114 Abs.  2 S.  2, 117 VVG).76 Ergänzt wird der Ausschluss versicherungsrechtlicher Einwendungen durch die Norm des §  121 VVG, welche dem Versicherer entgegen der Wertung des §  35 VVG gegenüber dem Dritten die Aufrechnung mit aus dem Versicherungsvertrag resultierenden Forderungen versagt.77 Daneben wird die Rechtsstellung des Dritten sowohl durch Mindestversicherungssummen als auch durch Beschränkungen hinsichtlich der Zulässigkeit von Risikoausschlüssen gestärkt (§  114 Abs.  1, 2 S.  1 VVG).78 Abgerundet wird der Geschädigtenschutz in bestimmten Fällen durch einen gesetzlichen Direktanspruch (§  115 VVG). Auch im englischen Recht lässt sich die den Pflichthaftpflichtversicherungen zugrunde liegende Motivation des Opferschutzes an der konkreten Ausgestaltung der einzelnen VersicherungspflichSchwartze in Looschelders/Pohlmann, §  113 Rn.  3; Bruns, PVR, §  22 Rn.  40. Z. B. Schutz des Schädigers vor Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz und damit einhergehend Vermeidung von Sozialhilfefällen; Schutz des Ansehens eines Berufsstandes in den Fällen der Berufshaftpflichtversicherungen; vgl. Rühl in Basedow/Fock, S.  1384 f. sowie Reiff, TranspR 2006, 15, 19 ff. 75  Bar, AcP 181 (1981), 289, 314; Thees, DJ 1939, 1763, 1766; Büchner, Theorie, S.  35; Franck, Direktanspruch, S.  19; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  148. Für das englische Recht: Purves, CfiLR 1998, 98, 106; Hedderich, Pflichtversicherung, S.  74; Rühl in Basedow/Fock, S.  1384. Vgl. zudem Final Report of the Commission Expert Group, S.  61. 76  Hierzu noch ausführlich unten unter 3. Teil C.II.2.c). Der Einwendungsausschluss greift dabei nicht nur bei einem gesetzlichen Direktanspruchs iSd §  115 VVG, sondern insbesondere auch bei anderweitig begründeten Forderungsrechten gegen den Haftpflichtversicherer (z. B. bei rechtsgeschäftlich begründeten Direktansprüchen oder nach Pfändung und Überweisung des Haftpflichtversicherungsanspruchs). 77  Brand in MüKoVVG, §  121 Rn.  1; Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  192. 78  Brand in MüKoVVG, Vor §§  113–124 Rn.  6. 73  74 

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ten erkennen.79 Besonders deutlich wird dies beispielsweise in der praxisrelevanten Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung, wo Regelungen im Road Traffic Act 1988 die tatsächliche Entschädigung des Unfallopfers in weitem Umfang sicherstellen sollen.80 Hier gewährt zunächst die Vorschrift des s. 151 (1), (5) Road Traffic Act 1988 dem Unfallopfer die Möglichkeit, nach Erwirkung eines Haftpflichturteils gegen den Unfallfahrer den Versicherer unmittelbar auf Zahlung der Urteilssumme in Anspruch zu nehmen. Dabei ist dem Haftpflichtversicherer die Berufung auf versicherungsrechtliche Einwendungen nur in begrenztem Umfang möglich (vgl. die Einwendungsausschlüsse in s. 148 (1), (2), (5), 151 (2) (b) sowie (3), 152 (2) – (4) Road Traffic Act 1988).81 Ähnliche Einwendungsausschlüsse finden sich auch bei der pflichtigen Arbeitgeberhaftpflichtversicherung.82 Verglichen mit anderen Staaten ist die Anzahl der durch Rechtsvorschrift angeordneten Haftpflichtversicherungspflichten in Deutschland relativ hoch und zudem in stetigem Anstieg begriffen, so dass bisweilen gar von einer „Unzahl“83 gesprochen wird.84 Während sich die Anordnung von Haftpflichtversicherungspflichten zunächst auf Bereiche mit einem unverkennbar erhöhten Haftungs- und Gefährdungspotential und mit besonders schutzwürdigen Geschädigten beschränkte, drängt sich heutzutage vermehrt der Eindruck auf, dass der Gesetzgeber häufig gleichsam reflexartig mit einem neuen Haftungstatbestand zugleich eine korrespondierende Versicherungspflicht normiert.85 Die Pflichthaftpflichtversicherung hat daher zwischenzeitlich in zahlreiche Lebensbereiche Eingang gefunden,86 wobei der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung (vgl. §  1 Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  21-001. Vgl. Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-001; Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  33. 81  Es wird freilich zu zeigen sein, dass die Einwendungsausschlüsse im englischen Recht – insbesondere im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung – Defizite aufweisen und letztlich sogar mit unionsrechtlichen Vorgaben konfligieren; hierzu ausführlich unten unter 3. Teil C.III.5. 82  Vgl. reg. 2 Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Regulations 1998. 83 So Lorenz in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  1 Rn.  104; siehe auch Reiff, TranspR 2006, 15, 16. 84  Brand in MüKoVVG, Vor §§  113–124 Rn.  17; Franck, Direktanspruch, S.  20; Sieg, VersR 1980, 1085, 1088. Kritisch: Hellberg, VW 2006, 711, 711 der hierin einen „problematischen Trend“ sieht, welcher auf einen „oft übersteigerten Verbraucherschutzgedanken des Gesetzgebers“ zurückzuführen sei; kritisch auch Deiters, FS R. Schmidt, 379, 394, der die Auffassung vertritt, dass die Deutschen nicht zu einem „Volk von Pflichtversicherten“ werden dürfen. 85  So auch Bar, AcP 181 (1981), 289, 318; Hellberg, VW 2006, 711, 711. 86  Beispiele für Pflichthaftpflichtversicherungen: Arzneimittelhaftpflichtversicherung (§  94 AMG); Haftpflichtversicherung für Halter von Luftfahrzeugen (§  43 Abs.  2 LuftVG); 79 

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PflVG) unzweifelhaft die größte Relevanz zukommt.87 Nicht zuletzt aufgrund der Vielzahl existierender Pflichthaftpflichtversicherungen und der insoweit maßgeblichen unterschiedlichen – mitunter auch nur schwer auffindbaren – Rechtsquellen kann man sich des Eindrucks einer gewissen Unübersichtlichkeit im deutschen Pflichthaftpflichtversicherungsrecht nicht erwehren.88 Freilich schwerer wiegt der Umstand, dass sich durchaus die Logik bei der Anordnung der Versicherungspflichten in Zweifel ziehen lässt.89 Mitunter bleibt es ein gesetzgeberisches Geheimnis, weshalb bestimmte – durchaus schadenträchtige – Gefahren unversichert bleiben dürfen, während in anderen im Zweifel ungefährlicheren Lebensbereichen eine Haftpflichtversicherungspflicht angeordnet ist. Von Bar bezeichnet den Bestand an Pflichthaftpflichtversicherungen daher als „unorganisches, zusammenhangloses Sammelsurium von Einzelvorschriften“.90 Nicht zu leugnen ist jedenfalls, dass der Bestand obligatorischer Haftpflichtversicherungen in Deutschland ein stimmiges Gesamtkonzept vermissen lässt.91 Berücksichtigt man indes die durchaus beachtlichen Unterschiede im Schutzniveau für den geschädigten Dritten bei der freiwilligen Haftpflichtversicherung einerseits und bei der Pflichthaftpflichtversicherung andererseits,92 so sind Unbilligkeiten vorprogrammiert. An dieser Stelle ist der Gesetzgeber zur Entwicklung klarer Kriterien für die Notwendigkeit der Anordnung von Haftpflichtversicherungspflichten berufen. Nur auf diese Weise lassen sich zukünftig unbillige Ergebnisse sowie Wertungswidersprüche vermeiden. Im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland nimmt sich die Anzahl der in England existierenden Pflichthaftpflichtversicherungen eher bescheiden aus.93 Haftpflichtversicherung für Betreiber kerntechnischer Anlagen (§§  13 f. AtG); Jagdhaftpflichtversicherung (§  17 Abs.  1 Nr.  4 BJagdG); Haftpflichtversicherung für Waffenbesitzer (§  27 Abs.  1 WaffG); Berufshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte (§  51 BRAO), Steuerberater (§  67 StBerG) und Wirtschaftsprüfer (§  54 WiPrO); Kfz-Haftpflichtversicherung (§  1 PflVG). 87  In der Bundesrepublik Deutschland bestanden im Jahre 2015 sage und schreibe 62,0 Mio. Kfz-Haftpflichtversicherungsverträge, vgl. Statistik des GDV, abrufbar unter: http:// www.gdv.de/zahlen-fakten/kfz-versicherung/ueberblick/#anzahl-der-vertraege (abgerufen am: 28. Februar 2017). 88  Brand in MüKoVVG, Vor §§  113–124 Rn.  17; Büchner, Theorie, S.  28 spricht von einem „verwirrenden Bild“. 89  Brand in MüKoVVG, Vor §§  113–124 Rn.  17; Makowsky, Einfluss von Versicherungsschutz, S.  156 f.; Bar, AcP 181 (1981), 289, 318 f. 90  Bar, AcP 181 (1981), 289, 318. 91  So auch Brand in MüKoVVG, Vor §§  113–124 Rn.  17. 92  Hierzu unten unter 2. Teil A.II.3.b). 93  Hedderich, Pflichtversicherung, S.  93. Eine Übersicht über die Haftpflichtversicherungspflichten in England geben Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  21-001 ff. sowie Rühl in Basedow/Fock, S.  1384 ff.

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Dies mag darin begründet liegen, dass der Pflichtversicherungsgedanke dem Common Law im Ausgangspunkt fremd ist94 und der Vertragsfreiheit in England seit jeher ein größerer Stellenwert eingeräumt wird.95 In England bei Weitem am Bedeutsamsten sind die Haftpflichtversicherungspflichten für KfzFührer (s. 143 (1), 145 Road Traffic Act 1988) sowie für Arbeitgeber (s. 1 (1) Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Act 1969). Während die KfzPflichthaftpflichtversicherung dem deutschen Juristen wohlbekannt ist, kommt der Arbeitgeberhaftpflichtversicherung in Deutschland seit der Bismarck’schen Sozialgesetzgebung verbunden mit der Ablösung der Unternehmerhaftung durch die gesetzliche Unfallversicherung96 keine Relevanz mehr zu. In England besitzt die Versicherung des Arbeitgebers gegen Haftpflichtansprüche seiner Arbeitnehmer dagegen eine enorme volkswirtschaftliche Bedeutung.97 Weitere Haftpflichtversicherungspflichten bestehen in England unter anderem für Luftfahrzeughalter (Civil Aviation (Insurance) Regulations 2005 iVm Regulation (EC) No.  785/2004), für Betreiber von Kernkraftwerken (s. 19 Nuclear Installations Act 1965) sowie für Eigentümer von mit mehr als 2.000 Tonnen Öl beladenen Schiffen (s. 163 Merchant Shipping Act 1995). Zudem sind die Angehörigen bestimmter Berufe zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung verpflichtet.98 Auch für das englische Recht wird bisweilen – unter Berücksichtigung der individuellen Schutzbedürftigkeit der potentiellen Opfer – die Kohärenz der angeordneten Haftpflichtversicherungspflichten kritisiert.99

4. Wesentlicher Inhalt des Haftpflichtversicherungsvertrags a) Leistungspflichten des Haftpflichtversicherers Die den Haftpflichtversicherer bei Eintritt des Versicherungsfalls100 treffenden Leistungspflichten sind in Deutschland gesetzlich festgelegt. Die vom HaftColinvaux’s Law of Insurance, Rn.  21-001 [Fn.  1]. Allgemein zur Vertragsfreiheit in England: Lauber, Paritätische Vertragsfreiheit, S.  66 ff. 96  Siehe hierzu das Unfallversicherungsgesetz vom 06. Juli 1884 (RGBl. 1884, S.  69 ff.). 97  Obgleich auch in England mit dem National Insurance (Industrial Injuries) Act 1965 ein staatliches Unfallversicherungssystem für Arbeitnehmer existiert, kann der Arbeitnehmer daneben auf Tort Law gestützte Haftpflichtansprüche gegen den Arbeitgeber geltend machen, vgl. Lewis in Oliphant/Wagner, Employers’ Liability and Workers’ Compensation: England and Wales, 137, 137, 140. 98  Z. B. Solicitor (s. 37 Solicitors Act 1974 iVm Solicitors Indemnity Insurance Rules 2013); Osteopathen (s. 37 Osteopaths Act 1993); Chiropraktiker (s. 37 Chiropractors Act 1994); Zahnärzte (s. 26A Dentists Act 1984). 99  Hedderich, Pflichtversicherung, S.  74, 93 [Fn.  317]. 100  Der deutsche Gesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, den Versicherungsfall in der 94  95 

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pflichtversicherer zu erbringende Leistung umschreibt der deutsche Gesetzgeber in der Vorschrift des §  100 VVG dahingehend, dass „der Versicherer verpflichtet [ist], den Versicherungsnehmer von Ansprüchen freizustellen, die von einem Dritten auf Grund der Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache geltend gemacht werden, und unbegründete Ansprüche abzuwehren“. Ergänzend stellt §  101 VVG klar, dass von der Haftpflichtversicherung auch die gerichtlichen sowie außergerichtlichen Kosten der Rechtsverteidigung gegen den von dem Dritten erhobenen Anspruch gedeckt sind.101 Die den haftpflichtversicherungsrechtlichen Deckungsanspruch charakterisierenden §§  100, 101 VVG erlegen dem Versicherer mithin sowohl eine Freistellungs- als auch eine Rechtsschutzverpflichtung auf. Dabei stehen diese beiden Pflichten nicht in einem Rang- respektive Exklusivitätsverhältnis, vielmehr stellen sie nach herrschender Auffassung gleichrangige Komponenten eines einheitlichen Haftpflichtversicherungsanspruchs dar.102 Die Freistellungskomponente verpflichtet den Haftpflichtversicherer, seinen Versicherungsnehmer im Rahmen der versicherten Gefahr von begründeten Schadensersatzansprüchen eines Dritten zu befreien.103 Für die Erfüllung (§  362 Abs.  1 BGB) des versicherungsvertraglichen Befreiungsanspruchs stehen dem Haftpflichtversicherer vielfältige Möglichkeiten offen, derer er sich nach freiem Belieben bedienen kann.104 In der Praxis am relevantesten ist sicherlich die unHaftpflichtversicherung gesetzlich exakt zu definieren, vielmehr hat er sich mit dessen Präformierung durch gewisse Parameter begnügt; die endgültige Festlegung der den Versicherungsfall auslösenden Tatsachen liegt somit in den Händen der Versicherungsvertragsparteien, vgl. BT-Drs. 16/3945, S.  85 sowie Bruns, PVR, §  22 Rn.  9 (zu denkbaren Anknüpfungspunkten für den Eintritt des Versicherungsfalls in der Haftpflichtversicherung: Armbrüster, PVR, Rn.  1697 ff.). Entscheidend für die Leistungspflicht des Versicherers ist jedoch stets, dass der Versicherungsfall „während der Versicherungszeit“ eingetreten ist (§  100 VVG), vgl. Bruns, PVR, §  22 Rn.  10. 101  Allgemein zum Inhalt des Versicherungsanspruchs in der Haftpflichtversicherung: Kassing/Richters, VersR 2015, 293, 293 ff. 102  RGZ 150, 227, 229; BGH, NJW 2007, 2258, 2259; OLG Düsseldorf, VersR 1981, 1072, 1073; Baumann in Berliner Kommentar, §  149 Rn.  8; Heinrichs in FAKomm-VersR, §  100 VVG Rn.  22; Koch in Bruck/Möller, §  100 Rn.  84; Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  757; Büchner, Theorie, S.  13; Kramer, r+s 2008, 1, 2. 103  Bruns, PVR, §  22 Rn.  13. Zur sog. Schuldbefreiungstheorie, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts gegenüber der bis dahin vorherrschenden Geldzahlungstheorie durchgesetzt hat: Sieg, Ausstrahlungen, S.  72 ff.; Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  17 ff.; Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  9 f.; Flechtheim, LZ 1908, 801, 801 ff.; Flechtheim, LZ 1910, 896, 896 ff. 104  RGZ 81, 250, 251; Koch in Bruck/Möller, §  100 Rn.  121; Armbrüster, PVR, Rn.  1650; Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  751; Rintelen, r+s 2010, 133, 136. Eine Übersicht über die

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mittelbare Befriedigung des Schadensersatzanspruchs des geschädigten Dritten (Fall des §  267 BGB).105 Denkbar ist indes auch, dass der Versicherer im Wege der privativen Schuldübernahme anstelle des Versicherungsnehmers in die Schuldnerstellung eintritt (§§  414, 415 BGB) oder den Dritten zu einem Erlass bewegt. Entscheidend ist alleine, dass dem geschädigten Dritten sodann keinerlei Ansprüche gegen den Versicherungsnehmer aufgrund des den Versicherungsfall auslösenden Haftpflichtfalles mehr zustehen.106 Hat der Versicherungsnehmer den Dritten bereits mit für den Versicherer bindender Wirkung befriedigt, so wandelt sich sein versicherungsvertraglicher Freistellungsanspruch in einen Geldzahlungsanspruch um (vgl. §  106 S.  2 VVG).107 Entsprechend der den §  14 VVG überlagernden Spezialvorschrift des §  106 S.  1 VVG (lex specialis) wird der Freistellungsanspruch grundsätzlich erst innerhalb von zwei Wochen von dem Zeitpunkt an fällig, zu welchem der Haftpflichtanspruch des Dritten mit für den Versicherer bindender Wirkung durch rechtskräftiges Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt worden ist. Sollte sich der Freistellungsanspruch ausnahmsweise in einen Geldzahlungsanspruch umgewandelt haben, muss der Versicherer die Entschädigung innerhalb von zwei Wochen nach der Befriedigung des Dritten durch den Versicherungsnehmer zahlen (§  106 S.  2 VVG). Neben die Freistellungsverpflichtung in Bezug auf begründete Haftpflichtansprüche tritt die Pflicht des Haftpflichtversicherers zur Rechtsschutzgewährung gegenüber unbegründeten Ansprüchen.108 Der Versicherer ist dabei nicht nur zur bloßen Übernahme der zur Anspruchsabwehr erforderlichen Kosten,109 sondern vielmehr auch zur aktiven Abwehr des Anspruchs in eigener Verantwortung verpflichtet. Dies entsprach schon bislang der ständigen Rechtverschiedenen Möglichkeiten zur Erfüllung des Befreiungsanspruchs geben Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  20 ff. sowie Senger, Stellung des geschädigten Dritten, S.  28 f. 105  Aufgrund einer aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag erwachsenden leistungssichernden Nebenpflicht iSd §  241 Abs.  2 BGB ist es dem Versicherungsnehmer untersagt, der Drittleistung des Versicherers zu widersprechen (§  267 Abs.  2 BGB), vgl. auch Bruns, PVR, §  22 Rn.  13. 106  Armbrüster, PVR, Rn.  1650. 107  RGZ 158, 6, 8; BGH, VersR 1966, 625, 626; OLG Koblenz, r+s 1994, 9, 9; Wandt, VR, Rn.  1074; Büchner, Theorie, S.  5; Ecke, Trennungsprinzip, S.  44; Flechtheim, LZ 1910, 896, 904. Im Falle eines tatbestandlich einschlägigen Direktanspruchs tritt neben diesen Zahlungsanspruch des Versicherungsnehmers ein gesamtschuldnerischer Ausgleichsanspruch nach §  426 BGB, vgl. Langheid in Langheid/Rixecker, §  116 Rn.  2 sowie Heidl, VVG-Reform, S.  301. 108  Armbrüster, PVR, Rn.  1653; Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  15. 109  Vgl. hierzu §  101 VVG.

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sprechung des BGH110 und kommt seit der VVG-Reform 2008 nunmehr auch in der Gesetzesvorschrift des §  100 VVG eindeutig zum Ausdruck.111 Mithin obliegt dem Haftpflichtversicherer die außergerichtliche Verhandlung mit dem Drittgeschädigten ebenso wie die gegebenenfalls erforderliche Führung eines Haftpflichtprozesses einschließlich Auswahl und Bezahlung eines Rechtsanwalts.112 Der Versicherer kann die aus seiner Sicht zweckmäßigsten Mittel und Wege zur Anspruchsabwehr ergreifen, wobei er sich durchaus auch von Wirtschaftlichkeitsaspekten leiten lassen darf.113 Um seiner Rechtsschutzverpflichtung effektiv nachkommen zu können, lässt sich der Haftpflichtversicherer in den Versicherungsbedingungen regelmäßig eine umfassende gerichtliche sowie außergerichtliche Regulierungsvollmacht einräumen.114 Bei Ausübung der – im Außenverhältnis für gewöhnlich nicht beschränkten – Regulierungsvollmacht ist der Haftpflichtversicherer indes zur vorrangigen Berücksichtigung der Interessen des mit ihm vertraglich verbundenen Versicherungsnehmers verpflichtet.115 Bei einer Missachtung der Interessen des Versicherungsnehmers kann den Versicherer eine Schadensersatzpflicht nach §  280 Abs.  1 BGB treffen.116 Der haftpflichtversicherungsrechtliche Rechtsschutzanspruch wird bereits dann fällig, wenn ein Dritter Ansprüche geltend macht, die aus einem unter die konkrete Haftpflichtversicherung fallenden Ereignis resultieren.117 Unschädlich ist

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BGH, NJW 2007, 2258, 2259; BGH, NJW 1993, 68, 69; BGH NJW 1956, 826, 827. BT-Drs. 16/3945, S.  85; Littbarski in MüKoVVG, Vor §§  100–112 Rn.  64 sowie §  101 Rn.  7; Armbrüster, PVR, Rn.  1653. Im bisherigen §  149 VVG a. F. fand die Rechtsschutzkomponente mit der Pflicht zur aktiven Anspruchsabwehr keine gesonderte Erwähnung, was Jannott, Vervollkommnung, S.  24 bereits im Jahre 1940 (!) aufs Schärfste kritisierte; vgl. hierzu den Wortlaut des §  149 VVG a. F.: „Bei der Haftpflichtversicherung ist der Versicherer verpflichtet, dem Versicherungsnehmer die Leistung zu ersetzen, die dieser auf Grund seiner Verantwortlichkeit für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache an einen Dritten zu bewirken hat“. 112  Littbarski in MüKoVVG, Vor §§  100–112 Rn.  6 4; Büchner, Theorie, S.  9. 113  Wandt, VR, Rn.  1076. 114  Ziff.  5.2 AHB (Stand: Februar 2016) / Teil A Abschnitt 1 Ziff.  4.2 AVB PHV (Stand: April 2016). Auch ohne ausdrückliche Normierung dürfte diese Regulierungsvollmacht jedem Haftpflichtversicherungsvertrag immanent und jedenfalls durch ergänzende Vertragsauslegung (§§  133, 157 BGB) zu entnehmen sein, vgl. auch Franck, Direktanspruch, S.  14. 115  BGH, NJW 1993, 68, 69; Heinrichs in FAKomm-VersR, §  100 VVG Rn.  23; Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  131a; Wandt, VR, Rn.  1077. 116  Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  131a. 117  RGZ 150, 227, 229 f.; RGZ 154, 340, 341; BGH, NJW 1961, 2304, 2305; KG, r+s 2000, 61, 62; Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  159; Lücke in Prölss/Martin, §  100 Rn.  14; Bruns, PVR, §  22 Rn.  18; Wandt, VR, Rn.  1080; Büchner, Theorie, S.  13; Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  11. 111 

I. Haftpflichtversicherung

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es dagegen, wenn der Dritte seine Ansprüche zusätzlich auf weitere Grundlagen stützt, die nicht von der Haftpflichtversicherungsdeckung umfasst sind.118 Im englischen Recht haben die vom Haftpflichtversicherer bei Eintritt des Versicherungsfalls zu erbringenden Leistungen keine gesetzliche Regelung erfahren. Demnach obliegt es grundsätzlich den Parteien des Versicherungsvertrages, die konkreten Leistungspflichten des Versicherers privatautonom festzulegen. Entsprechend der allgemeinen Zielsetzung der Haftpflichtversicherung (liability insurance) – namentlich den Versicherungsnehmer vor den wirtschaftlichen Folgen einer Haftpflicht gegenüber Dritten zu schützen – ist jedem Haftpflichtversicherungsvertrag zunächst die Verpflichtung des Versicherers zur Schadloshaltung bzw. Entschädigung des Versicherungsnehmers immanent (duty to indemnify), sollte letzterer von einem Dritten berechtigt auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden.119 Nach Auffassung der englischen Rechtsprechung korrespondiert hiermit jedoch nicht zugleich ein fälliger Geldzahlungsanspruch des Versicherungsnehmers. Wenn sich ein Haftpflichtversicherer in einem Haftpflichtversicherungsvertag zur Schadloshaltung des Versicherungsnehmers verpflichte, könne dem nämlich nicht ohne weiteres das Versprechen entnommen werden, dem Versicherungsnehmer die zur Befriedigung des Schadensersatzanspruchs notwendige Geldsumme auszuzahlen. Vielmehr dürfe der Haftpflichtversicherer seiner allgemeinen Pflicht zur Schadloshaltung des Versicherungsnehmers auch durch unmittelbare Befriedigung des geschädigten Dritten genügen.120 Im Unterschied zur Situation in Deutschland bleibt es dem englischen Versicherer jedoch unbenommen, seiner Verpflichtung aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag auch durch Zahlung an den Versicherungsnehmer in wirksamer Weise nachzukommen.121 Für gewöhnlich beinhalten englische Haftpflichtversicherungsverträge überdies eine Regelung, welche dem Haftpflichtversicherer die Verpflichtung zur Tragung der zur Anspruchsabwehr erforderlichen Kosten auferlegt.122 Fehlt es 118  RGZ 154, 340, 341; KG, r+s 2000, 61, 62; Heinrichs in FAKomm-VersR, §  100 VVG Rn.  26; Lücke in Prölss/Martin, §  100 Rn.  16. 119  Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  633. 120  Israelson v. Dawson (Port of Manchester Insurance Co Ltd) [1933] 1 K.B. 301, 306, per Greer LJ: „Have the Insurance Company promised by this policy to pay the defendant in the action the 150l. for which judgment has been given? After full consideration I have come to the conclusion that they have not so promised, but that what they have promised is to indemnify him against such payment as he may have to make, and they may do that, not by paying him anything, but by paying to some other persons the amount the insured has to pay them“. 121  In Deutschland steht einer derartigen Praxis jedenfalls die Vorschrift des §  108 Abs.  1 VVG entgegen. 122  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  21-084; Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  645; MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-119.

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A. Haftpflichtversicherung und zugrundeliegende Rechtsbeziehungen

hingegen im Einzelfall an einer solchen Vereinbarung, ist der Haftpflichtversicherer anders als in Deutschland in keinem Fall zur Übernahme der Rechtsverteidigungskosten verpflichtet.123 Auch besteht in England nicht ohne weiteres die Verpflichtung des Haftpflichtversicherers zur aktiven Abwehr der von einem Dritten geltend gemachten (unbegründeten) Schadensersatzansprüche im Namen des Versicherungsnehmers.124 In Ermangelung entsprechender gesetzlicher Vorgaben steht es vielmehr der privatautonomen Entscheidung der Versicherungsvertragsparteien anheim, ob sie eine entsprechende aktive Abwehrpflicht des Haftpflichtversicherers (duty to defend) in den Versicherungsvertrag aufnehmen.125 Alleine der für englische Haftpflichtversicherungsverträge gewöhnliche Umstand, dass dem Versicherer vertraglich eine umfassende gerichtliche und außergerichtliche Regulierungsvollmacht eingeräumt wird,126 genügt allerdings noch nicht zur Annahme einer erzwingbaren Abwehrpflicht. Insofern korrespondiert mit der aus der Regulierungsvollmacht zugunsten des Versicherers erwachsenden Verteidigungsbefugnis nicht zugleich eine entsprechende Verteidigungspflicht.127 In der Rechtspraxis ist es freilich unabhängig von einer explizit vereinbarten Abwehrpflicht üblich, dass der Versicherer den Schädiger in einem etwaigen Haftpflichtprozess unterstützt oder aber auf Grundlage der Regulierungsvollmacht die Anspruchsabwehr vollumfänglich übernimmt. Sofern dem Versicherer die Anspruchsabwehr obliegt (conduct of defence),128 ist er zur sachgemäßen Verteidigung unter Berücksichtigung der Interessen des Versicherungsnehmers verpflichtet.129 Bei zumindest fahrlässiger Missachtung dieser Interessen kann sich eine Schadensersatzverpflichtung des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer ergeben.130 Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  21-084. Brice v. Wackerbarth (Australasia) Pty Ltd [1974] 2 Lloyd’s Rep 274, 277; Clarke, Insurance Contracts, Rn.  17-4E, S.  531; Birds’ Modern Insurance Law, S.  398. 125  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  21-074; Clarke, Insurance Contracts, Rn.  17-4E, S.  531. 126  Hierzu: Cheltenham & Gloucester plc v. Royal & Sun Alliance Insurance Co plc 2001 S.L.T. 347, 349 f.; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  21-074; MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-119; Mance/Goldrein/Merkin, Insurance Disputes, Rn.  13.33. 127  Clarke, Insurance Contracts, Rn.  17-4E, S.  531. 128  Dies gilt unabhängig davon, ob der Haftpflichtversicherer hierzu aufgrund einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung verpflichtet war (by duty) oder ob er die Anspruchs­ abwehr freiwillig übernommen hat (by choice), vgl. Clarke, Insurance Contracts, Rn.  17-4E1, S.  534. 129  Zu berücksichtigen sein kann beispielsweise das Interesse des Versicherungsnehmers an seinem geschäftlichen Ansehen, das durch einen öffentlichkeitswirksamen Haftpflichtprozess anstelle einer gütlichen Einigung Schaden nehmen könnte. 130  Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  6 48; Clarke, Insurance Contracts, Rn.  17123 

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I. Haftpflichtversicherung

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b) Leistungspflichten und Obliegenheiten des Versicherungsnehmers aa) Pflicht zur Leistung der Versicherungsprämie Entsprechend dem allgemeinen Wesen der Versicherung als entgeltlichem Risikotransfer ist der Versicherungsnehmer naturgemäß auch bei der Haftpflichtversicherung zur Leistung der vertraglich vereinbarten Versicherungsprämie verpflichtet.131 Kommt der Versicherungsnehmer seiner Pflicht zur Prämienzahlung nicht nach, so kann dies in beiden untersuchten Rechtsordnungen zum Verlust des Versicherungsschutzes und/oder zur Beendigung des Versicherungsverhältnisses führen. In Deutschland sind die potentiellen Sanktionen für die Verletzung der Prämienzahlungspflicht in den §§  37, 38 VVG132 gesetzlich normiert. Insoweit sieht der Gesetzgeber unter bestimmten additiven Voraussetzungen – wie beispielsweise einer vorherigen Belehrung des Versicherungsnehmers über die Folgen der Versäumung einer (rechtzeitigen) Prämienzahlung – das Recht des Versicherers vor, sich vom Versicherungsvertrag zu lösen (§§  37 Abs.  1, 38 Abs.  3 VVG) oder aber den Einwand der Leistungsfreiheit geltend zu machen (§§  37 Abs.  2, 38 Abs.  2 VVG). In England sind die Rechtsfolgen einer verspäteten oder gar unterlassenen Leistung der Versicherungsprämie mangels gesetzlicher Regelung alleine dem Versicherungsvertrag zu entnehmen.133 Für gewöhnlich erheben die Versicherer die rechtzeitige Zahlung der Erstprämie zur Bedingung für ihre Leistungspflicht, wobei die Wirksamkeit derartiger Klauseln in England keinen Bedenken begegnet.134 Für den Fall der verspäteten Zahlung einer Folgeprämie sehen die Versicherungsverträge als Rechtsfolge regelmäßig den Verlust aller aus dem Versicherungsvertrag entstehender Rechte vor, womit nach herrschender Meinung zugleich die Beendigung des Versicherungsvertrages einhergeht.135

4E1, S.  534; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  30-050; Mance/Goldrein/Merkin, Insur­ ance Disputes, Rn.  13.34. 131  Vgl. in Deutschland: §  1 S.  2 VVG. 132  Während §  37 VVG die Folgen des Zahlungsverzuges bei Erst- und Einmalprämien regelt, behandelt §  38 VVG die Sanktionen für den Zahlungsverzug bei Folgeprämien. 133  Rühl in Basedow/Fock, S.  1464 f.; MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-075. 134  MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-075; Roberts v. Security Co Ltd [1897] 1 Q.B. 111, 114 ff.; Equitable Fire and Accident Office Ltd v. The Ching Wo Hong [1907] A.C. 96, 97 ff.; Rühl in Basedow/Fock, S.  1464. 135  Rühl in Basedow/Fock, S.  1465.

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A. Haftpflichtversicherung und zugrundeliegende Rechtsbeziehungen

bb) Obliegenheiten des Versicherungsnehmers Neben die Prämienzahlungspflicht treten im deutschen wie im englischen Versicherungsvertragsrecht Verhaltensanforderungen, deren Befolgung durch den Versicherungsnehmer für den Erhalt des (uneingeschränkten) Versicherungsschutzes von elementarer Bedeutung ist.136 Diese speziellen Verhaltensanforderungen prägen in beiden Ländern ganz wesentlich die Charakteristik des privaten Versicherungsvertragsrechts.137 Im deutschen Recht wird insoweit von sog. „versicherungsrechtlichen Obliegenheiten“ gesprochen, wobei die Rechtsnatur dieser „Obliegenheiten“ Gegenstand kontroverser rechtswissenschaftlicher Diskussionen ist.138 Nach der als herrschend einzustufenden Voraussetzungstheorie ist das obliegenheitskonforme Verhalten zwar nicht einklagbar und eine Verletzung der Obliegenheiten begründet – im Unterschied zur Verletzung klassischer Nebenpflichten (§  241 Abs.  2 BGB) – keine Schadensersatzansprüche. Das mit den Obliegenheiten konforme Verhalten ist jedoch grundsätzlich eine Voraussetzung für den Erhalt des uneingeschränkten Versicherungsanspruchs.139 Im Falle der Missachtung der – entweder gesetzlich statuierten oder aber vertraglich vereinbarten140 – Obliegenheiten kann der Versicherer gänzlich leistungsfrei oder zumindest zur Kürzung seiner Leistung berechtigt sein.141 Zudem besteht für den Versicherer unter Umständen die Möglichkeit, sich durch Rücktritt oder Kündigung vom Versicherungsvertrag zu lösen.142 Im deutschen Recht verfolgen Obliegenheiten 136  Ausführlich hierzu die rechtsvergleichende Studie: Rühl, Obliegenheiten im Versicherungsvertragsrecht, Tübingen, 2004. 137  Bruns, PVR, §  15 Rn.  1. 138  Franck, Direktanspruch, S.  14 f.; Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  327 f.; Wandt, VR, Rn.  556, 566 ff. Einen ausführlichen Überblick über den Diskussionsstand gibt Bruns, PVR, §  16 Rn.  6 ff. 139  Felsch in Rüffer/Halbach/Schimikowski, §  28 Rn.  5; Marlow in Beckmann/MatuscheBeck­mann, §  13 Rn.  4; Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  327; Franck, Direktanspruch, S.  15. 140  Die Möglichkeit zur Vereinbarung vertraglicher Obliegenheiten kann im Einzelfall gesetzlichen Grenzen unterliegen (z. B. §  5 Abs.  1 KfzPflVV). 141  Für die Rechtsfolgen der Verletzung vertraglicher Obliegenheiten siehe die Vorschrift des §  28 VVG. Bei den gesetzlichen Obliegenheiten enthalten regelmäßig die Normen, welche die Obliegenheit statuieren (z. B. §§  19 ff., 23 ff., 82 VVG), zugleich die Rechtsfolgen für den Fall ihrer Verletzung, vgl. Armbrüster, PVR, Rn.  1538. Fehlt es bei den gesetzlichen Obliegenheiten ausnahmsweise an einer normierten Verletzungsfolge, so bleibt die Festlegung der Rechtsfolge den Parteien überlassen (sog. leges imperfectae), vgl. Armbrüster, PVR, Rn.  1490. 142  Marlow in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  13 Rn.  56 ff.; Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  361 ff.; Schimikowski, Versicherungsvertragsrecht, Rn.  176; Wandt, VR, Rn.  566.

I. Haftpflichtversicherung

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freilich keinen Selbstzweck, so dass nicht allein der Obliegenheitsverstoß als solcher sanktioniert wird. Eine Sanktion greift regelmäßig nur insoweit, als der Obliegenheitsverstoß für den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich geworden ist (Kausalitätserfordernis).143 Für den Versicherungsnehmer nachteilige Rechtsfolgen zeitigen Obliegenheitsverstöße im Übrigen grundsätzlich allein im Falle ihrer schuldhaften Verwirklichung (Verschuldenserfordernis). Im englischen Recht können sich besondere Verhaltensanforderungen an den Versicherungsnehmer einerseits aus der – jedem Versicherungsvertrag immanenten – Pflicht zur äußersten Redlichkeit (duty of utmost good faith)144 sowie andererseits unmittelbar aus dem Versicherungsvertrag in Form von sog. warranties, conditions precedent oder simplen conditions ergeben.145 All diese Rechtsfiguren sind zumindest funktional mit den versicherungsrechtlichen Obliegenheiten des deutschen Rechts vergleichbar und begründen bei ihrer Nichtbefolgung Rechtsnachteile für den Versicherungsnehmer. Für sie soll daher im Folgenden ebenfalls der Oberbegriff der „Obliegenheit“ verwendet werden. Die Abgrenzung zwischen den unterschiedlichen Typen vertraglicher Obliegenheiten146 – welche aufgrund divergierender Verletzungsfolgen unerlässlich ist – erfolgt im Wege der Auslegung, bei welcher den verwendeten Begrifflichkeiten alleine indizielle Bedeutung zukommt.147 Bei den warranties verspricht der Versicherungsnehmer die Vornahme oder Unterlassung bestimmter Handlungen (promissory warranties) oder er sichert das Vorhandensein oder die Abwesenheit gewisser Umstände zu (affirmative warranties).148 Sofern der Versicherungsnehmer den promissory warranties zuwiderhandelt oder sich die getätigten Zusicherungen als unzutreffend erweisen, ist der Versicherer ab dem Verletzungszeitpunkt von jeglicher Leistungspflicht befreit; nach herrschender Meinung geht damit die automatische Auflösung des Versicherungsvertrages

143  Vgl. z. B. §  26 Abs.  3 Nr.  1 VVG, §  28 Abs.  3 S.  1 VVG; Harsdorf-Gebhardt in Späte/ Schimikowski, Ziff.  26 AHB Rn.  23 ff.; Armbrüster, PVR, Rn.  1494 ff. 144  Hierzu: MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-033; Boulton v. Houlder Brothers & Co. [1904] 1 K.B. 784, 791 f.; Leon v. Casey [1932] 2. K.B. 576, 579 f. 145  Rühl in Basedow/Fock, S.  1454; Schnepp/Spallino, VersR 2015, 145, 149 f. 146  Namentlich zwischen warranties, conditions precedent und conditions. 147  Mance/Goldrein/Merkin, Insurance Disputes, Rn.  4.84; Schnepp/Spallino, VersR 2015, 145, 149 f.; Hellwege, RabelsZ 76 (2012), 864, 870. Allgemein zur Auslegung (construction bzw. interpretation) von Verträgen im englischen Recht: Bernstorff, Einführung, S.  57 ff.; McKendrick in Chitty on Contracts, Vol. I, Rn.  13-041 ff. 148  MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-080; Mance/Goldrein/Merkin, Insurance Disputes, Rn.  4.83; Beyer, Vorvertragliche Anzeigepflicht, S.  58; Rühl in Basedow/Fock, S.  1456.

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A. Haftpflichtversicherung und zugrundeliegende Rechtsbeziehungen

mit ex nunc-Wirkung einher.149 Besondere Verhaltensobliegenheiten können dem Versicherungsnehmer darüber hinaus durch sog. conditions precedent auferlegt werden. Für gewöhnlich beinhalten diese Klauseln Verhaltensanforderungen, welche den Versicherungsnehmer unmittelbar bei sowie nach dem Eintritt des Versicherungsfalls treffen.150 Ein Verstoß gegen conditions precedent berechtigt den Versicherer zur Leistungsverweigerung hinsichtlich desjenigen Versicherungsfalls, in Ansehung dessen die Verhaltensanforderung verletzt wurde.151 Im Unterschied zu dem Fall der Missachtung von warranties lässt jedoch der Verstoß gegen conditions precedent den Versicherungsvertrag als solchen unberührt.152 Die Zuwiderhandlung gegen einfache conditions, welche dem Versicherungsnehmer ebenfalls bestimmte Verhaltensanforderungen aufbürden, ändert demgegenüber nichts an der grundsätzlichen Leistungspflicht des Versicherers. Allerdings erlangt der Versicherer in diesem Falle einen Schadensersatzanspruch gegen den Versicherungsnehmer, mit welchem er gegebenenfalls gegen die zu erbringende Versicherungsleistung aufrechnen kann.153 Anders als im deutschen Recht greifen die bei den Obliegenheiten vorgesehenen Sanktionen prinzipiell unabhängig davon, ob die Verletzung der Verhaltensanforderung konkrete Auswirkungen auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistungspflicht entfaltet hat. Ein striktes Kausalitätserfordernis ist dem englischen Versicherungsrecht mithin fremd. Gleiches gilt für das aus dem deutschen Recht bekannte Verschuldenserfordernis.154 Gemein ist den betrachteten Rechtsordnungen, dass Obliegenheiten in sämtlichen Phasen des geschäftlichen Kontakts zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer bestehen – angefangen bei der Vertragsanbahnung bis hin zur Schadensregulierung nach Eintritt des Versicherungsfalls. Um dem Versicherer eine adäquate Risikoeinschätzung zu ermöglichen, bestehen zunächst vorvertragliche Anzeigepflichten (duty of disclosure / duty not to misrepresent).155 Während der Versicherungszeit besteht unter anderem die Pflicht, uner149  Rühl in Basedow/Fock, S.  1458; Hellwege, RabelsZ 76 (2012), 864, 870; MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-080. 150  Hellwege, RabelsZ 76 (2012), 864, 870. 151  Rühl in Basedow/Fock, S.  1459. 152  MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-061; Beyer, Vorvertragliche Anzeigepflicht, S.  62; Schnepp/Spallino, VersR 2015, 145, 150. 153  Schnepp/Spallino, VersR 2015, 145, 150; The Law Commission and the Scottish Law Commission, „Third Parties – Rights against Insurers“, Law Com No.  272, 2001, Rn.  5.4, abrufbar unter: http://www.lawcom.gov.uk/wp-content/uploads/2015/03/lc272_Third_Par ties_Rights_Against_Insurers.pdf (abgerufen am: 28. Februar 2017; im Folgenden zitiert als: Law Commission, Law Com No.  272 (2001)). 154  Hellwege, RabelsZ 76 (2012), 864, 871. 155  §§  19 ff. VVG, Ziff.  23 AHB (Stand: Februar 2016) / Teil B Abschnitt 3 Ziff.  1 AVB

I. Haftpflichtversicherung

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laubte Gefahrerhöhungen zu vermeiden und eine Änderung gefahrrelevanter Umstände unverzüglich mitzuteilen.156 Nachdem der Versicherungsfall eingetreten ist, trifft den Versicherungsnehmer primär eine Pflicht zur Anzeige des Schadensereignisses (duty to give notice of loss).157 Zudem ist dem Versicherer mitzuteilen, wenn der Geschädigte einen Schadensersatzanspruch erhebt oder gar gerichtlich geltend macht. Daneben existiert die Obliegenheit, dem Versicherer weitergehende Informationen über den Schadensfall zu gewähren (duty to give particulars of loss) und den eingetretenen Schaden so gering wie möglich zu halten (sog. Rettungsobliegenheit / duty to cut and mitigate loss).158 In der Tendenz sind die Obliegenheiten für den Versicherungsnehmer in England strenger ausgestaltet. Dies zeigt sich beispielsweise in der den potentiellen Versicherungsnehmer in England im Rahmen der duty of disclosure treffenden spontanen Anzeigepflicht (spontaneous disclosure), die ihn zur ungefragten Offenbarung aller gefahrerheblichen Umstände (material facts) bei Vertragsabschluss oder Vertragsverlängerung (renewal) verpflichtet.159 In Deutschland setzt eine Anzeigepflichtverletzung hingegen zwingend voraus, dass der Versicherer nach dem jeweiligen – vom Versicherungsnehmer letztlich verschwiegenen – Gefahrumstand in Textform gefragt hat (§  19 Abs.  1 S.  1 VVG). Überdies offenbart sich die strengere Handhabung der Obliegenheiten im englischen Versicherungsvertragsrecht darin, dass in weitem Umfang auf das Kausalitätserfordernis verzichtet wird. Die Rechtsfolgen der Obliegenheitsverletzungen treten mithin zumeist unabhängig davon ein, ob diese tatsächlich Einfluss auf den Abschluss des Versicherungsvertrages und/oder den Eintritt des Versicherungsfalls bzw. den Umfang der Leistungspflicht genommen haben.160 Gleiches gilt hinsichtlich des Verschuldenserfordernisses, auf welches in England anders als in Deutschland weitestgehend verzichtet wird. In letzter Zeit schickt sich freiPHV (Stand: April 2016). Im englischen Recht gründet sich die duty of disclosure auf eine im Versicherungsrecht bestehende erhöhte Treuepflicht der Vertragsparteien (duty of utmost good faith), vgl. Beyer, Vorvertragliche Anzeigepflicht, S.  14 f.; Hellwege, RabelsZ 76 (2012), 864, 868. 156  §§  23 ff. VVG; für das englische Recht: Rühl, Obliegenheiten im Versicherungsvertragsrecht, S.  142 f. 157  §  104 VVG, Ziff.  25.1 und 25.3 AHB (Stand: Februar 2016) / Teil B Abschnitt 3 Ziff.  3.2.3 (1), (3) AVB PHV (Stand: April 2016); für das englische Recht: Rühl in Basedow/ Fock, S.  1468 ff. 158  §§  31, 82 VVG, Ziff.  25.2 AHB (Stand: Februar 2016) / Teil B Abschnitt 3 Ziff.  3.2.1, 3.2.3 (2) AVB PHV (Stand: April 2016); für das englische Recht: Bruns, PVR, §  35 Rn.  64; Rühl in Basedow/Fock, S.  1471. 159  Wainwright, Executor of Abercromby, Deceased v. Bland (1836) 150. E.R. 334, 335; MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-034; Schnepp/Spallino, VersR 2015, 145, 148. 160  Vgl. Schnepp/Spallino, VersR 2015, 145, 149.

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A. Haftpflichtversicherung und zugrundeliegende Rechtsbeziehungen

lich der englische Gesetzgeber an, das Recht der versicherungsrechtlichen Obliegenheiten ein wenig zugunsten der Versicherungsnehmer zu entschärfen.161

5. Zwischenergebnis Der Haftpflichtversicherung (liability insurance) wohnt in beiden untersuchten Rechtsordnungen ein doppelter Zweck inne. In erster Linie dient die Haftpflichtversicherung dem Schutz des Versicherungsnehmers vor den wirtschaftlichen und möglicherweise gar existenzbedrohenden Folgen einer Schadensersatzhaftung gegenüber Dritten. Diese individuelle Schutzfunktion der Haftpflichtversicherung bildet regelmäßig den maßgeblichen Beweggrund für die Zeichnung einer Haftpflichtversicherungspolice durch den Versicherungsnehmer. Daneben dient die Haftpflichtversicherung jedoch auch dem Schutz des geschädigten Dritten, dessen Entschädigung vielfach erst aufgrund des Umstandes sichergestellt ist, dass sein Schädiger gegen Haftpflichtgefahren versichert ist. In beiden Ländern wird dem Interesse des Geschädigten an der Haftpflichtversicherung – wenngleich in unterschiedlichem Umfang – auch rechtlich Rechnung getragen (Sozialbindung der Haftpflichtversicherung). Ungeachtet dieser im Ausgangspunkt identischen Zielrichtung sieht sich der individuelle Haftpflichtversicherungsvertrag in Deutschland und in England jeweils grundlegend anderen gesetzlichen Rahmenbedingungen gegenüber. Während das Haftpflichtversicherungsrecht in Deutschland im Rahmen der umfassenden Kodifikation des Privatversicherungsrechts durch das VVG eine detaillierte Regelung erfahren hat, finden sich in England nur vereinzelt Gesetze mit haftpflichtversicherungsrechtlicher Relevanz. Die Grundlage des englischen (Haftpflicht-) Versicherungsrechts bilden vielmehr historisch bedingt im Wesentlichen Gerichtsentscheidungen (case law), denen für gleichgelagerte Sachverhalte eine Bindungswirkung zukommt (Grundsatz des stare decisis). In letzter Zeit zeigen sich indes auch in England Tendenzen zu einer stärkeren gesetzlichen Reglementierung des Versicherungsvertragsrechts. Unmittelbare Folge dieser divergierenden Ausgangslage ist, dass dem individuellen Versicherungs161  Z. B. Consumer Insurance (Disclosure and Representations) Act 2012: Abschaffung der spontanen Anzeigepflicht in Versicherungsverträgen mit Verbrauchern (consumers); auch hier muss der Versicherer nunmehr die gewünschten Informationen ausdrücklich abfragen. Durch den Insurance Act 2015 wurde das Obliegenheitsrecht auch in Versicherungsverträgen mit Unternehmern entschärft (z. B. Möglichkeit der Heilung der Verletzung von warranties verbunden mit dem Wiederaufleben der Leistungspflicht des Versicherers). Für die Reform der Obliegenheiten im deutschen Recht (insbesondere durch die VVG-Reform 2008): Marlow in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  13 Rn.  1; Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  393 ff.

I. Haftpflichtversicherung

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vertrag in England eine ungleich größere Bedeutung zukommt. Insoweit müssen in England Sachfragen einer vertraglichen Regelung zugeführt werden, für deren Lösung in Deutschland im Zweifel auf gesetzliche Normen zurückgegriffen werden kann. Ähnlich bedeutsam sind in beiden Rechtsordnungen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), welche im Ergebnis – vor allem durch Beschreibung der versicherten Gefahr (insured risk) – das konkrete Haftpflichtversicherungsprodukt konstituieren. Sowohl in Deutschland als auch in England existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Haftpflichtversicherungsprodukte. Nach dem Grundsatz der Spezialität der versicherten Gefahr werden Haftpflichtversicherungen jeweils für verschiedene Tätigkeits- und Lebensbereiche des Versicherungsnehmers angeboten. Diese Produktvielfalt wurzelt letztlich in der Notwendigkeit der risikoadäquaten Prämienkalkulation. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen fakultativen Haftpflichtversicherungen einerseits sowie gesetzlich angeordneten Pflichthaftpflichtversicherungen (compulsory liability insurance) andererseits. Die Anordnung einer Haftpflichtversicherungspflicht, welche einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in den Grundsatz der privatautonomen Vertragsfreiheit darstellt, wird in beiden Rechtsordnungen zuvorderst mit dem Gedanken des Opferschutzes begründet. Die gesetzgeberische Intention des Geschädigtenschutzes spiegelt sich nicht zuletzt auch in den jeweiligen gesetzlichen Regelungen zur Pflichthaftpflichtversicherung wider. Die Leistungspflichten des Haftpflichtversicherers bei Eintritt des Versicherungsfalls sind in Deutschland gesetzlich umschrieben (§§  100, 101 VVG). Der einheitliche Haftpflichtversicherungsanspruch beinhaltet danach sowohl eine Freistellungs- als auch eine Rechtsschutzkomponente. Letztere beschränkt sich nicht alleine auf die Pflicht zur Übernahme der Rechtsverteidigungskosten (vgl. hierzu §  101 VVG), sondern verpflichtet den Haftpflichtversicherer zudem, den Haftpflichtanspruch aktiv in eigener Verantwortung für den Versicherungsnehmer abzuwehren. In England ergeben sich die Pflichten des Haftpflichtversicherers in Ermangelung einer gesetzlichen Regelung alleine aus den Vereinbarungen des Versicherungsvertrages. Ein nennenswerter Unterschied im Vergleich zu Deutschland liegt insbesondere darin, dass zwar regelmäßig die Übernahme der Rechtsverteidigungskosten, nicht hingegen die aktive Anspruchsabwehr als Leistungspflicht des Versicherers vereinbart wird.162 Der Versicherungsnehmer wiederum unterliegt in beiden Ländern primär der Pflicht zur Prämienzahlung und daneben einer Vielzahl weiterer Obliegenheiten, deren Einhaltung für den 162  Für gewöhnlich lassen sich die Versicherer allerdings das Recht zur Prozessführung einräumen (Regulierungsvollmacht), von dem sie sodann häufig Gebrauch machen. Hieraus kann jedoch nach allgemeiner Ansicht keine entsprechende Pflicht des Haftpflichtversicherers zur Anspruchsabwehr abgeleitet werden.

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A. Haftpflichtversicherung und zugrundeliegende Rechtsbeziehungen

Erhalt des uneingeschränkten Versicherungsschutzes unerlässlich ist. Dabei ist das Recht der versicherungsrechtlichen Obliegenheiten in England tendenziell schärfer ausgestaltet.

II. Rechtsbeziehungen Ein wesentliches Kennzeichen der Haftpflichtversicherung ist das Dreipersonenverhältnis.163 Neben die Parteien des Versicherungsvertrages – namentlich den Versicherungsnehmer und den Haftpflichtversicherer – tritt zwangsläufig ein geschädigter Dritter. Der Versicherungsfall (insured event) als das die Leistungspflicht des Versicherers auslösende Ereignis ist in der Haftpflichtversicherung nämlich stets und notwendigerweise dadurch geprägt, dass der Versicherungsnehmer von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird oder eine derartige Inanspruchnahme zumindest droht.164 Anders ausgedrückt wird das Haftungsverhältnis zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten durch das Faktum einer bestehenden Haftpflichtversicherung strukturell zu einer dreipoligen Personenkonstellation ergänzt.165 In einer sich mit Direktansprüchen des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer befassenden Abhandlung sollte man sich zunächst einen ganz allgemeinen Überblick über die zwischen den Beteiligten existierenden Rechtsbeziehungen verschaffen. Ein besonderes Augenmerk verdient dabei freilich die Rechtstellung des geschädigten Dritten. In dem dreipoligen Verhältnis der Haftpflichtversicherung bestehen unmittelbare Rechtsbeziehungen zunächst nur zwischen dem geschädigten Dritten und dem Schädiger bzw. Versicherungsnehmer einerseits (sog. Haftpflichtverhältnis) sowie zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Haftpflichtversicherer andererseits (sog. Deckungsverhältnis).166 Eine direkte Rechtsbeziehung zwischen dem Geschädigten und dem Haftpflichtversicherer existiert in beiden untersuchten Rechtsordnungen hingegen grundsätzlich nicht.167 163  Baumann in Berliner Kommentar, Vorbem. §§  149–158k Rn.  38; Heinrichs in FAKomm-VersR, Vorb. §§  100 bis 112 VVG Rn.  14; Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  3; Armbrüster, PVR, Rn.  1659; Meixner/Steinbeck, Versicherungsvertragsrecht, §  3 Rn.  2; Ecke, Trennungsprinzip, S.  50. 164  Rintelen in Späte/Schimikowski, Ziff.  1 AHB Rn.  329; vgl. auch §  100 VVG sowie Ziff.  1 1 AHB (Stand: Februar 2016) / Teil A Abschnitt 1 Ziff.  3.1 AVB PHV (Stand: April 2016), wo explizit auf einen „Dritten“ Bezug genommen wird. 165  Makowsky, Einfluss von Versicherungsschutz, S.  133. 166  Hierzu unter 2. Teil A.II.1. und 2. Teil A.II.2. 167  Hierzu sodann unter 2. Teil A.II.3.

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1. Haftpflichtverhältnis a) Haftungsrecht Erleidet eine Person an ihren Rechtsgütern und Interessen Einbußen materieller oder immaterieller Art, so kann dies auf den unterschiedlichsten Gründen beruhen. Soweit sich erkennbar eigene Unzulänglichkeiten oder auch höhere Gewalten168 für den Eintritt des Schadens verantwortlich zeichnen, wird die betreffende Person die Beeinträchtigung ihrer Rechte und Rechtsgüter als individuelles Schicksal ohne weiteres zu akzeptieren bereit sein. Dies steht im Einklang mit dem römischen „casum sentit dominus“-Grundsatz, wonach ein Schaden grundsätzlich stets von dem Inhaber des verletzten Rechts bzw. Rechtsguts zu tragen ist.169 Die Bereitschaft, eine Schädigung als persönliches Fatum hinzunehmen, schwindet jedoch, wenn und soweit ein anderes Individuum den Schaden verursacht hat. Dies schlägt sich regelmäßig in dem – in diesen Fällen zumeist reflexartig erhobenen – Ruf nach Wiedergutmachung des Schadens nieder.170 Sowohl die deutsche als auch die englische Rechtsordnung verleihen diesem Wiedergutmachungsinteresse des Geschädigten gegenüber Dritten indes keine uneingeschränkte Anerkennung. Im Spannungsverhältnis zwischen dem effektiven Rechtsgüterschutz auf der einen sowie der Handlungs- und Entfaltungsfreiheit eines Individuums auf der anderen Seite knüpft der deutsche Gesetzgeber das Entstehen eines Schadensersatzanspruchs an das Vorliegen besonderer Schadenszurechnungsgründe, welche den mit der Auferlegung einer Schadensersatzpflicht zwangsläufig verbundenen Eingriff in die Vermögenssphäre des Schädigers legitimieren sollen.171 Als primäres und historisch älteres Zurechnungskriterium fungiert dabei das Verschulden des Schadensverursachers (sog. Verschuldenshaftung).172 Daneben kann sich eine Zurechnung jedoch auch unter dem Gesichtspunkt der 168 

Z. B. Naturkatastrophen jeglicher Art (Blitzschlag, Erdbeben, Starkregen, Vulkanausbrüche, usw.). 169  Siehe hierzu Makowsky, Einfluss von Versicherungsschutz, S.  12. 170  Vgl. insoweit auch ein Zitat aus Wallmanns Zeitschrift (1898/1899), zitiert nach Köhler, Haftpflichtversicherung, S.  10: „(…) dass sich in neuerer Zeit die allgemeine Tendenz entwickelt hat, bei jedem Unfall oder Sachschaden jemanden zu suchen, den man dafür verantwortlich oder haftpflichtig machen kann“; ähnlich Möller, ZVersWiss 1963, 409, 457: „(…) man hat schon oft bemerkt, dass ein überspanntes Sicherungsstreben heute viele dazu verführt, keine Selbstverantwortung mehr zu tragen und für jeden Schaden unbedingt einen Ersatzpflichtigen zu suchen“. 171  Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn.  5; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S.  350 f. 172  Grundsätzlich ist das Verschulden des Schadensverursachers vom Anspruchsteller nachzuweisen, bisweilen wird das Verschulden aber auch vermutet und dem Schadensverursacher obliegt sodann die Exkulpation, vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S.  353.

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schlichten Gefahrveranlassung respektive Gefahrenbeherrschung ergeben, wenn sich im Einzelfall die spezifischen Gefahren einer gefahrgeneigten, legislativ jedoch nicht verbotenen Betätigung realisieren (sog. Gefährdungshaftung).173 Dem deutschen Haftungsrecht sind zuvorderst die Funktionen der Schadenskompensation sowie der Schadensprävention beigelegt; der Gedanke der Pönalisierung des zum Schaden führenden Verhaltens ist der deutschen Zivilrechtsordnung indes fremd.174 Vor diesem Hintergrund hat der deutsche Gesetzgeber zahlreiche Haftpflichtbestimmungen geschaffen, welche einem Schadensverursacher bei Vorliegen gewisser, über die kausale Schadensherbeiführung hinausgehender Tatbestandsvoraussetzungen die Verpflichtung zum Ausgleich des Schadens auferlegen. Gesetzliche Schadensersatzansprüche können sich dabei nicht nur infolge einer unerlaubten Handlung außerhalb eines Schuldverhältnisses ergeben (§§  823 ff. BGB). Auch bei der Verletzung von Pflichten im Rahmen eines bereits existierenden Schuldverhältnisses175 kann eine Partei aufgrund gesetzlicher Anordnung zum Ausgleich der infolgedessen entstehenden Schäden verpflichtet sein. Insofern dient die Vorschrift des §  280 Abs.  1 BGB als zentrale, wenngleich nicht alleinige Anspruchsgrundlage.176 Eine Verletzung von Nebenpflichten im Sinne des §  241 Abs.  2 BGB kann zudem in sog. vorvertraglichen Schuldverhältnissen (vgl. §  311 Abs.  2 BGB) eine gesetzliche Schadensersatzpflicht nach §  280 Abs.  1 BGB auslösen (culpa in contrahendo). Sämtliche Haftpflichttatbestände setzen zwingend einen tatsächlich existierenden Schaden voraus, der im Zweifel vom geschädigten Anspruchsteller nachzuweisen ist. Wie das englische Recht im Allgemeinen ist auch das englische Haftungsrecht in besonderer Weise ein Produkt historischer, überwiegend richterrechtlich geprägter Rechtsentwicklung, die im Mittelalter ihren Anfang genommen hat.177 Grundlegend ist die Differenzierung zwischen der Schadensersatzhaftung im Zusammenhang mit Verträgen (contractual liability) auf der einen sowie der außervertraglichen Haftung für unerlaubte Handlungen (tortious liabi173  Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn.  8; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S.  605; Looschelders, Schuldrecht BT, Rn.  1439; Makowsky, Einfluss von Versicherungsschutz, S.  16 f. 174  Makowsky, Einfluss von Versicherungsschutz, S.  26 ff.; Looschelders, Schuldrecht BT, Rn.  1167. Anders im englischen Recht, wo es – unter bestimmten Voraussetzungen – mit den sog. exemplary damages (auch: punitive damages) einen Strafschadensersatz gibt, vgl. dazu Salmond and Heuston on the Law of Torts, S.  517 ff. sowie den Präzedenzfall Rookes v. Barnard [1964] A.C. 1129, 1164 ff. 175  Hierbei ist gleichgültig, ob es sich um ein vertragliches oder um ein gesetzlich begründetes Schuldverhältnis handelt, vgl. Ecke, Trennungsprinzip, S.  42. 176  Die Vorschrift des §  280 Abs.  1 BGB kann dabei sowohl unmittelbar als auch infolge einer Verweisung (z. B. §§  437 Nr.  3, 634 Nr.  4 BGB) zur Anwendung gelangen. 177  Henrich/Huber, Einführung in das englische Privatrecht, S.  79.

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lity) auf der anderen Seite.178 Haftungsansprüche im Zusammenhang mit Verträgen können sich in England in sehr weitem Umfang ergeben, da im Common Law die regelmäßige Rechtsfolge jedweder Vertragsverletzung (breach of contract) ein Schadensersatzanspruch ist179 – und zwar aufgrund der Charakterisierung der meisten Verträge als Garantieversprechen unabhängig von einem Verschulden.180 Allerdings nehmen englische Haftpflichtversicherungsverträge für gewöhnlich derartige vertragliche Schadensersatzansprüche vom Versicherungsschutz aus.181 Von ungleich größerer haftpflichtversicherungsrechtlicher Relevanz ist demnach die außervertragliche Schadensersatzhaftung, die dem Bereich des Law of Torts zuzuordnen ist182 und welche man wiederum in die Bereiche der Verschuldenshaftung ( fault liability) und der Gefährdungshaftung (strict liability) unterteilen kann.183 Während sich die Gefährdungshaftungstatbestände im Wesentlichen aus Gesetzesrecht184 jüngeren Datums ergeben,185 finden die Verschuldenshaftungstatbestände ihren Ursprung grundsätzlich im Fallrecht (case law). Das klassische englische Deliktsrecht ist durch eine ungeheure Vielzahl sog. torts geprägt, welche im Ausgangspunkt jeweils ein bestimmtes für schutzwürdig erachtetes Einzelinteresse gegen eine ganz bestimmte Verletzungsform schützen186 und dabei – bedingt durch die sukzessive 178  Salmond and Heuston on the Law of Torts, S.  11; Ausführlich zu den schwierigen Fragen der Abgrenzung: Whittaker in Chitty on Contracts, Vol. I, Rn.  1-145 ff. 179  Zimmermann, Law of Obligations, S.  814; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S.  501 f.; Henrich/Huber, Einführung in das englische Privatrecht, S.  68 f. 180  Vgl. Raineri v. Miles [1981] A.C. 1050, 1086, per Lord Edmund-Davies: „It is axiomatic that, in relation to claims for damages for breach of contract, it is, in general, immaterial why the defendant failed to fulfill his obligation, and certainly no defence to plead that he had done his best“. Bernstorff, Einführung, S.  72; Henrich/Huber, Einführung in das englische Privatrecht, S.  69. 181  Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  222; Birds’ Modern Insurance Law, S.  385; MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-119; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  21-014. 182  Streng genommen geht das englische Law of Torts über den Bereich hinaus, den man in Deutschland als Recht der unerlaubten Handlungen (§§  823 ff. BGB) bezeichnet. Insoweit können sich aus dem Law of Torts nämlich auch Herausgabe-, Unterlassungs- oder Besitzstörungsansprüche ergeben, vgl. Henrich/Huber, Einführung in das englische Privatrecht, S.  79. 183  Shaw in Bar, Deliktsrecht in Europa, Landesbericht England und Wales, S.  11 f. 184  Z. B. s. 1 ff. Animals Act 1971; Consumer Protections Act 1987. 185  Die englische Rechtsprechung hat nur einen einzigen Gefährdungshaftungstatbestand entwickelt (Rylands v. Flechter (1866) L.R. 1 Ex. 265 und (1868) L.R. 3 HL 330), aus dem sich jedoch aufgrund restriktiver Handhabung kein allgemeines Gefährdungshaftungsprinzip für das englische Recht entwickelte, vgl. Shaw in Bar, Deliktsrecht in Europa, Landesbericht England und Wales, S.  42 f. 186  Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S.  625; Zimmermann, Law of Obligations, S.  907.

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historische Entwicklung durch die Gerichte – einer strengeren Systematik entbehren.187 Eine deliktsrechtliche Generalklausel war dem englischen Recht hingegen über lange Zeit fremd.188 Zu den in der Praxis bedeutsamsten Deliktstatbeständen (torts) gehören trespass, nuisance und negligence.189 Eine deliktische Klage wegen trespass kommt in Betracht, wenn ein direkter und ungerechtfertigter Eingriff in fremden Besitz an einem Grundstück (trespass to land) bzw. in fremden Besitz an beweglichen Gütern (trespass to goods) vorliegt oder aber eine direkte und vorsätzliche Bedrohung oder tatsächliche Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit eines anderen gegeben ist (trespass to the person).190 Die torts of trespass, welche historisch den allerersten torts zuzurechnen sind, dienten ursprünglich vor allem der Sicherung des Rechtsfriedens und der öffentlichen Ordnung.191 Aus dieser generalpräventiven Zielrichtung erklärt sich die wesentliche Besonderheit, dass trespass-Klagen unabhängig vom Vorliegen eines materiellen oder immateriellen Schadens begründet sind. Noch heute bedarf es daher bei trespass-Klagen keines Schadensnachweises durch den Anspruchsteller. Man sagt, die torts of trespass sind actionable per se.192 Ohne einen konkreten Schadensnachweis beschränkt sich der dem Kläger zustehende Schadensersatzanspruch allerdings auf einen geringen, eher symbolischen Betrag (sog. nominal damages).193 Der Deliktstatbestand der nuisance wiederum besitzt zwei Ausprägungen. Zum einen schützt er den ungestörten Gebrauch eines privaten Grundstücks, welcher beispielsweise durch die Einwirkung von Ponderabilien oder auch Imponderabilien beeinträchtigt sein kann (private nuisance).194 Im Unterschied zur trespass to land werden durch die private nuisance keine direkten, sondern vielmehr indirekte Beeinträchtigungen von Grundeigentum erfasst, Zimmermann, Law of Obligations, S.  907: “’Tort’ does not constitute a coherent body of law, definable in general and abstract terms, but is more than the sum of a variety of individual torts that have developed, under the writ system, in characteristically casuistic and haphazard fashion. Each of these specific torts is still regarded as an independent cause of liability, each has its own constituent elements, and each protects a special interest from being interfered with.”. 188  Shaw in Bar, Deliktsrecht in Europe, Landesbericht England und Wales, S.  13. 189  Als weitere torts existieren z. B.: defamation (Rufschädigung / Ehrverletzung); conversion (rechtswidrige Inbesitznahme fremden Gutes); business and economic torts, welche im Wirtschaftsleben Bedeutung erlangen (deceit, injurious falsehood, intimidation). 190  Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S.  607 f.; Shaw in Bar, Deliktsrecht in Europa, Landesbericht England und Wales, S.  46 ff. 191  Bernstorff, Einführung, S.  92; Shaw in Bar, Deliktsrecht in Europa, Landesbericht England und Wales, S.  12. 192  Bernstorff, Einführung, S.  102. 193  Bernstorff, Einführung, S.  102; Salmond and Heuston on the Law of Torts, S.  515 f. 194  Salmond and Heuston on the Law of Torts, S.  57. 187 

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sofern diese ernsthaft und unzumutbar sind.195 In seiner zweiten Ausprägung schützt der tort of nuisance Personen, welche durch solche Handlungen oder Unterlassungen einen Schaden erleiden, die potentiell die gesamte Öffentlichkeit gefährden (public nuisance).196 Den heutzutage mit Abstand wichtigsten Deliktstatbestand stellt indes der tort of negligence dar. Dieser von der Rechtsprechung erst im Verlaufe des 19. Jahrhunderts entwickelte tort ähnelt einer deliktsrechtlichen Generalklausel.197 Er gewährt einen Schadensersatzanspruch, sofern eine gegenüber einer anderen Person bestehende Sorgfaltspflicht (duty of care) in fahrlässiger Weise verletzt wurde (breach of duty) und hieraus ein in der Sache vorhersehbarer Schaden entstanden ist (damage).198 Da der tort of negligence stets den Nachweis eines tatsächlichen Schadens voraussetzt, wird er als not actionable per se bezeichnet. Unter diesen Deliktstatbestand fällt insbesondere auch die praxisrelevante Haftung des Kfz-Führers.199 b) Auswirkungen der Haftpflichtversicherung auf die Haftung Nach traditioneller Vorstellung in den untersuchten Rechtsordnungen darf das Faktum einer bestehenden Haftpflichtversicherung mit der Verlagerung der wirtschaftlichen Folgen einer Haftpflicht auf einen zumeist finanzkräftigen Versicherer bei der Prüfung der Haftungsfrage keine Berücksichtigung finden.200 Der Haftpflichtversicherungsumstand soll sich im Haftpflichtverhältnis demnach weder haftungsbegründend noch haftungsverschärfend auswirken. Diese Unabhängigkeit der Haftung von der Haftpflichtversicherung wird in Deutschland gemeinhin als „materielles Trennungsprinzip“ bezeichnet.201 Als schlagwortartige Umschreibung jenes Prinzips hat sich der Ausspruch eingeKaiser, Haftung für Gefahrguttransporte, S.  270; Shaw in Bar, Deliktsrecht in Europa, Landesbericht England und Wales, S.  52 f.; Henrich/Huber, Einführung in das englische Privatrecht, S.  84 f. 196  Z. B. Verkauf verunreinigter Lebensmittel, Verunreinigung des öffentlichen Straßenraums. Zugleich stellt die public nuisance eine Straftat dar, vgl. Shaw in Bar, Deliktsrecht in Europa, Landesbericht England und Wales, S.  55. 197  Zimmermann, Law of Obligations, S.  910 f.; Bernstorff, Einführung, S.  97 f.; Zweigert/ Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S.  627. 198  Ausführlich zu den Voraussetzungen des tort of negligence sowie der zu diesem Deliktstatbestand ergangenen Rechtsprechung: Salmond and Heuston on the Law of Torts, S.  200 ff.; Shaw in Bar, Deliktsrecht in Europa, Landesbericht England und Wales, S.  17 ff. 199  Kaiser, Haftung für Gefahrguttransporte, S.  263 f. 200  Ausführlich zum deutschen Recht: Makowsky, Einfluss von Versicherungsschutz, S.  139 ff.; für das englische Recht: Lewis, 25 Legal Stud. 2005, 85, 93 ff.; Stapleton, 58 Mod. L. Rev. 1995, 820, 823 f. 201  Armbrüster, r+s 2010, 441, 442; Wandt, VR, Rn.  1088; Makowsky, Einfluss von Versicherungsschutz, S.  139. 195 

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bürgert, dass zwar die Versicherung der Haftung, nicht hingegen die Haftung der Versicherung folge.202 Das materielle Trennungsprinzip findet seinen maßgeblichen Begründungsansatz im „Wesen“ der Haftpflichtversicherung.203 Charakteristisch für die Entstehung der Leistungspflicht des Versicherers im Bereich der Haftpflichtversicherung sei eine bestehende Haftpflichtverbindlichkeit des Versicherungsnehmers.204 Es gleiche jedoch einem der Logik zuwiderlaufenden Zirkelschluss, wenn die – für die Entstehung der Leistungspflicht des Versicherers maßgeblichen – Schadensersatzansprüche ihre Existenz respektive Höhe wiederum dem bloßen Umstand verdanken würden, dass der Schädiger Haftpflichtversicherungsschutz genießt.205 Im Übrigen mute es paradox an, wenn alleine aufgrund des – außerhalb des Bereichs der Pflichthaftpflichtversicherungen zudem eher zufälligen – Vorhandenseins einer Haftpflichtversicherung eine Schadensersatzpflicht bestehe, wenn andernfalls eine Haftung abgelehnt worden wäre.206 Besonders misslich sei diese haftungsbegründende Wirkung einer Haftpflichtversicherung für den Schädiger, wenn der Versicherer letztlich im Deckungsverhältnis leistungsfrei sei (z. B. wegen einer Obliegenheitsverletzung oder wegen eines Prämienzahlungsverzuges) und der Versicherungsnehmer den Schaden in der Folge allein zu tragen habe.207 Hier schwingt ersichtlich der Gedanke mit, dass sich das Bestehen einer Haftpflichtversicherung, mit welcher seitens des Versicherungsnehmers im Wesentlichen die eigene wirtschaftliche Absicherung angestrebt wird, letztlich nicht nachteilig auf dessen Interessen auswirken darf. Auch nach der traditionellen Sichtweise der englischen Gerichte darf die Existenz von Haftpflichtversicherungsschutz keinen Einfluss auf die allgemei202  BGH, NJW 2010, 537, 539; BGH, NJW 1992, 900, 902; OLG Schleswig, NJW-RR 2010, 957, 959; Baumann in Berliner Kommentar, Vorbem. §§  149–158k Rn.  40; Lücke in Prölss/Martin, §  100 Rn.  77; Schulte, Einfluss, S.  11; Makowsky, Einfluss von Versicherungsschutz, S.  139; Bar, AcP 181 (1981), 289, 290. 203  Insoweit wurde unter anderem die Besorgnis geäußert, die Berücksichtigung des Bestehens von Versicherungsschutz bei der Haftpflichtfrage denaturiere die Haftpflichtversicherung zu einer Unfallversicherung zugunsten Dritter, vgl. hierzu Makowsky, Einfluss von Versicherungsschutz, S.  141 f. 204  RGZ 136, 60, 61. 205  BGH, NJW 1979, 983, 983; Sieg, Ausstrahlungen, S.  104 f. („circulus vitiosus“); Weyers, Unfallschäden, S.  122 („hysteron proteron“); Makowsky, Einfluss von Versicherungsschutz, S.  142; in diese Richtung auch Seybold/Wendt, VersR 2009, 455, 461; Hanau, VersR 1969, 291, 293 weist darauf hin, dass „der freiwillig geschlossene Haftpflichtversicherungsvertrag Ansprüche, die ihre Entstehung oder Höhe ihm selbst verdankten, gar nicht einschließt“. 206 Hierzu Schulte, Einfluss, S.  12. 207  Hanau, VersR 1969, 291, 294; ähnlich Littbarski in MüKoVVG, Vor §§  100–112 Rn.  145.

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nen Haftungsgrundsätze nehmen.208 Die Entscheidung über einen Schadensersatzanspruch dürfe weder dem Grunde noch der Höhe nach von dem in der Regel bloß zufälligen Umstand abhängig gemacht werden, dass der Schädiger Haftpflichtversicherungsschutz genießt – ein sich bereits in der deutschen Diskussion zum materiellen Trennungsprinzip widerspiegelnder Begründungsansatz.209 Eine haftungsrechtliche Relevanz von Versicherungsschutz verbiete sich im Übrigen aber auch deshalb, weil ein Gericht schwerlich den Einfluss seiner Entscheidung auf die englische Versicherungswirtschaft im Allgemeinen abschätzen könne. Aufgrund der Komplexität der Versicherungswirtschaft sei es „gefährlich“ und „unverantwortlich“, wenn die Gerichte ohne nähere Kenntnis über die potentiellen Auswirkungen dem Faktum des Versicherungsschutzes bei der Beurteilung der Haftungsfrage maßgebliche Bedeutung beimessen würden.210 Der Gedanke der Trennung von Haftung und Versicherung hat auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur in England Anklang gefunden.211 Von dem „Ideal“ der strikten Trennung von Haftung und Versicherung ist man freilich sowohl in England als auch in Deutschland zwischenzeitlich in mehr oder weniger großem Umfang abgerückt.212 So wird in Deutschland nunmehr unter anderem bei der Bemessung von Schmerzensgeld (§  253 BGB) der Umstand bestehenden Haftpflichtversicherungsschutzes berücksichtigt.213 Ein Einfluss des Versicherungsschutzes wird gleichfalls auf die Billigkeitshaftung nach §  829 BGB bejaht, wobei sich die Existenz einer Haftpflichtversicherung hier sogar haftungsbegründend auswirken kann.214 Letztlich kann sich ein schädigender Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber bei bestehendem Haftpflichtversicherungsschutz nicht auf die Haftungsprivilegierung nach den Stapleton, 58 Mod. L. Rev. 1995, 820, 823 f. Siehe nur: Lister v. Romford Ice and Cold Storage Co Ltd [1957] A.C. 555; Davie v. New Merton Board Mills Ltd [1959] A.C. 604; Morgans v. Launchbury [1973] A.C.127; Hunt v. Severs [1994] 2 A.C. 350. 209  Davie v. New Merton Board Mills Ltd [1959] A.C. 604, 627, per Viscount Simonds: „It is not the function of a court of law to fasten upon the fortuitous circumstance of insurance to impose a greater burden on the employer than would otherwise lie upon him“. 210  Launchbury v. Morgans [1973] A.C. 127, 137, per Lord Wilberforce: „Liability and insurance are so intermixed that judicially to alter the basis of liability without adequate knowledge (which we have not the means to obtain) as to the impact this might make on the insurance system would be dangerous and, in my opinion, irresponsible“; Shaw in Bar, Deliktsrecht in Europa, Landesbericht England und Wales, S.  69. 211  Vgl. Stapleton, 58 Mod. L. Rev. 1995, 820, 820 ff. 212  Makowsky, Einfluss von Versicherungsschutz, S.  154; Lewis, 25 Legal Stud. 2005, 85, 94 f. 213  BGH, VersR 1966, 561, 561; BGH (Großer Senat), NJW 1955, 1675, 1675 ff.; anders noch: RGZ 63, 104, 105; BGH, NJW 1953, 99, 100 f. 214  BGH, NJW 1958, 1630, 1631; BGH, NJW 1957, 674, 675. 208 

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Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs berufen.215 In der englischen Rechtsprechung wird der Umstand einer bestehenden Haftpflichtversicherung insbesondere zur Legitimation eines strengeren Sorgfaltsmaßstabs216 bzw. zur Annahme einer duty of care herangezogen 217 oder aber allgemein als Aspekt bei der richterlichen Meinungsbildung gewürdigt.218 Inwieweit die Existenz von Haftpflichtversicherungsschutz über die von der Gerichtspraxis offen kommunizierten Fälle hinaus im jeweiligen Einzelfall zumindest unterschwellig Einfluss auf die gerichtliche Entscheidung über einen Haftpflichtanspruch nimmt, lässt sich allenfalls mutmaßen. Der Einfluss dürfte jedoch nicht zu unterschätzen sein.219

2. Deckungsverhältnis Zwischen dem schädigenden Versicherungsnehmer und dem Haftpflichtversicherer besteht das sog. Deckungsverhältnis, welches durch den Haftpflichtversicherungsvertrag konstituiert wird. Im Versicherungsvertrag finden sich insbesondere Regelungen über Art und Umfang der versicherten Gefahr (insured risk), über die gegenseitigen Leistungspflichten der Vertragsparteien und über Obliegenheiten des Versicherungsnehmers. Darüber hinaus werden darin regelmäßig die Dauer des durch den Versicherungsvertrag vermittelten Schutzes festgelegt und Fragen der Vertragsbeendigung geregelt. Mitunter mag es zwischen den Parteien des Haftpflichtversicherungsvertrages zu Meinungsverschiedenheiten kommen, ob respektive inwieweit den Versicherer im konkreten Einzelfall eine versicherungsvertragliche Leistungspflicht trifft. Soweit sich Streitigkeiten über die generelle Eintrittspflicht des Versicherers oder über den Umfang der zu erbringenden Versicherungsleistung keiner einvernehmlichen Lösung zuführen lassen, sind diese grundsätzlich im BGH, NJW 1972, 440, 441; BGH, NJW 1958, 1086, 1087 f.; Littbarski in MüKoVVG, Vor §§  100–112 Rn.  133. 216  Nettleship v. Weston [1971] 2 Q.B. 691. Vgl. ferner Morris v. Ford Motor Co Ltd [1973] Q.B. 792; White v. Blackmore [1972] 2 Q.B. 651. 217  R. Vowles v. D. Evans and the Welsh Rugby Union Limited [2003] EWCA Civ 318 [Rn.  12]:, per Lord Phillips MR „We accept that the availability of insurance, both to players against the risk of injury and to referees against the risk of third party liability could bear on the policy question of whether it is fair, just and reasonable to impose a duty of care on referees“. 218  Shaw in Bar, Deliktsrecht in Europa, Landesbericht England und Wales S.  69 f.; Lewis, 25 Legal Stud. 2005, 85, 95. 219  Vgl. auch Bar, AcP 181 (1981), 289, 292 f. Weyers, Unfallschäden, S.  122 weist darauf hin, dass einer genaueren Eruierung des tatsächlichen Einflusses freilich der „Schleier des Beratungsgeheimnisses“ entgegenstehen dürfte. 215 

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sog. Deckungsprozess zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Haftpflichtversicherer auszutragen.220 In Deutschland kann die auf Klärung der Leistungspflicht des Versicherers gerichtete Klage sowohl vor als auch nach der verbindlichen Feststellung des Schadensersatzanspruchs im Haftpflichtverhältnis angestrengt werden. Erfolgt die entsprechende Klage vor der Feststellung des Schadensersatzanspruchs, spricht man von einem vorweggenommenen Deckungsprozess.221 Da dem Haftpflichtversicherer in dieser Phase grundsätzlich ein Wahlrecht zusteht, wie er seiner versicherungsvertraglichen Leistungspflicht nachkommen möchte,222 sollte der Versicherungsnehmer seinen Klageantrag ganz allgemein auf Feststellung der versicherungsvertraglichen Leistungspflicht des Versicherers richten. Einer entweder auf Gewährung von Abwehrdeckung oder aber auf Freistellung von einer Haftpflichtverbindlichkeit gerichteten Leistungsklage droht nämlich jeweils bereits wegen schlichter Missachtung des dem Haftpflichtversicherer zustehenden Erfüllungswahlrechts die Abweisung.223 Das für die Zulässigkeit der Feststellungsklage erforderliche besondere Feststellungsinteresse im Sinne des §  256 Abs.  1 ZPO ist gegeben, wenn der Haftpflichtversicherer die Gewährung von Versicherungsschutz bereits vor einer Entscheidung über den Haftpflichtanspruch ablehnt oder aber auf einen angemeldeten Deckungsanspruch nicht reagiert.224 Nach verbindlicher Feststellung des Schadensersatzanspruchs im Haftpflichtverhältnis kann der Versicherungsnehmer im nunmehr nachfolgenden Deckungsprozess Leistungsklage auf Befreiung von ebendieser Haftpflichtverbindlichkeit erheben. Sofern und soweit der Versicherungsnehmer den Geschädigten bereits befriedigt hat, ist auch eine auf Zahlung gerichtete Leistungsklage möglich.225 Dem Haftpflichtversicherer ist es in einem nachfolgenden Deckungsprozess aufgrund der im Wege der Auslegung (§§  133, 157 BGB) aus dem versicherungsvertraglichen Leistungsversprechen zu entnehmenden sog. Bindungswirkung versagt, die Richtigkeit einer im Haftpflichtprozess getroffenen Entscheidung in Abrede zu 220  BGH, NJW 2006, 289, 291; BGH, NJW-RR 2001, 1311, 1312; Harsdorf-Gebhardt in Späte/Schimikowski, Ziff.  5 AHB Rn.  66; Armbrüster, r+s 2010, 441, 442 f. 221  Ecke, Trennungsprinzip, S.  51; Lücke in Prölss/Martin, §  100 Rn.  47 ff. 222  D.h. entweder durch Gewährung von Abwehrdeckung oder aber durch Freistellung des Versicherungsnehmers. 223  BGH, NJW 1981, 870, 871; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 1245, 1246; Baumann in Berliner Kommentar, §  149 Rn.  180; Lücke in Prölss/Martin, §  100 Rn.  19; Bruns, PVR, §  22 Rn.  16; Armbrüster, r+s 2010, 441, 447. 224  OLG Hamm, VersR 1970, 729, 729 f.; Baumann in Berliner Kommentar, §  149 Rn.  181; Betz in Veith/Gräfe/Gebert, §  14 Rn.  94; Harsdorf-Gebhardt in Späte/Schimikowski, Ziff.  5 AHB Rn.  61; Langheid in Langheid/Rixecker, §  100 Rn.  53; Lücke in Prölss/Martin, §  100 Rn.  20. 225  Ecke, Trennungsprinzip, S.  51 f.

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stellen.226 Vielmehr sind Feststellungen aus dem Haftpflichtprozess im Falle der Voraussetzungsidentität auch für den Deckungsprozess bindend und können nicht erneut überprüft werden.227 Entsprechend der grundsätzlichen zivilprozessualen Feststellungsfähigkeit von Drittrechtsverhältnissen 228 steht in Deutschland auch einem geschädigten Dritten die Möglichkeit zu, in einer Klage gegen den Haftpflichtversicherer dessen versicherungsvertragliche Leistungspflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer feststellen zu lassen. Insbesondere wenn die tatsächliche Befriedigung des Schadensersatzanspruchs erkennbar vom Bestehen des Versicherungsschutzes abhängig ist, weil die Versicherungsleistung den einzigen potentiellen Wert im Vermögen des Schädigers darstellt, hat der Geschädigte ein erhebliches Interesse an dieser Feststellung. Die Feststellungsklage kann dabei bereits vor der Einleitung eines Haftpflichtprozesses angestrengt werden.229 Das auch im Rahmen dieser Drittfeststellungsklage unabdingbare Feststellungsinteresse (§  256 Abs.  1 ZPO) folgt aus der Sozialbindung der Haftpflichtversicherung und ist vorrangig in Konstellationen gegeben, wo der Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers – beispielsweise wegen potentieller Verjährung – gefährdet erscheint.230 Das rechtliche Interesse im Sinne des §  256 Abs.  1 ZPO dürfte allerdings dann zu verneinen sein, wenn der Geschädigte angesichts ausreichender Solvenz des Schädigers noch nicht einmal möglicherweise der Versicherungsforderung als Befriedigungsobjekt bedarf.231 Auch in England kann der Versicherungsnehmer bereits vor der verbindlichen Entscheidung über den Schadensersatzanspruch eine Klage gegen den Haftpflichtversicherer anstrengen, um eine Feststellung der Leistungspflicht des Versicherers für den Fall zu erreichen, dass sich der Schadensersatzanspruch letztlich als begründet erweist (declaratory judgment).232 Eine Besonderheit des 226  Harsdorf-Gebhardt in Späte/Schimikowski, Ziff.  5 AHB Rn.  67; Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  5 ff.; Armbrüster, PVR, Rn.  1663. Zur Bindungswirkung noch ausführlich unten unter 3. Teil C.II.1.c).cc).(1). 227  BGH, NJW 1992, 1509, 1510; BGH, NJW 1958, 1872, 1872 f. 228  St. Rspr.: BGH, NJW 2011, 2195, 2196; BGH, NJW 1993, 2539, 2540; BGH, NJW-RR 1992, 593, 595; BGH, NJW 1982, 1703, 1704. 229  BGH, VersR 2009, 1485; BGH, NJW-RR 2001, 316; Rintelen in Späte/Schimikowski, Ziff.  1 AHB Rn.  351 f.; Wandt, VR, Rn.  1091; Armbrüster, r+s 2010, 441, 447. 230  BGH, VersR 2009, 1485, 1485; Beckmann in Bruck/Möller, §  115 Rn.  19; Wandt, VR, Rn.  1091; Übersicht über die Fallgruppen bei Rintelen in Späte/Schimikowski, Ziff.  1 AHB Rn.  352. 231  OLG Stuttgart, VersR 1991, 766, 766; Rintelen in Späte/Schimikowski, Ziff.  1 AHB Rn.  352. 232  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  10-099 und Rn.  22-010; Brice v. Wackerbarth (Australasia) Pty Ltd [1974] 2 Lloyd’s Rep 274, 276; Burns v. Shuttlehurst Ltd [1999] 1 W.L.R. 1449, 1459; Post Office v. Norwich Union Fire Insurance Society Ltd [1967] 2 Q.B. 363, 374.

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englischen Zivilprozessrechts liegt indes darin, dass die Zulassung einer Feststellungsklage grundsätzlich in das Ermessen (discretion) des Gerichts gestellt ist.233 Die gesetzlich nicht geregelten und daher dem case law zu entnehmenden maßgeblichen Ermessenerwägungen der Gerichte weisen im Ergebnis eine gewisse Ähnlichkeit mit den Merkmalen des besonderen Feststellungsinteresses im Sinne des §  256 ZPO auf.234 Eine Feststellungsklage scheidet demnach regelmäßig aus, wenn sich das Feststellungsbegehren alleine auf rein akademische oder theoretische Fragestellungen bezieht, denen keinerlei Praxisbezug nachzuweisen ist.235 Insofern entspricht es dem Selbstverständnis der englischen Gerichte, nicht zu einer Gutachterstelle in Bezug auf abstrakte Rechtsfragen zu avancieren. Darüber hinaus verlangen die Gerichte in der Regel, dass der Gegenstand des Feststellungsverfahrens zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit für die weiteren Rechtsbeziehungen der Prozessparteien relevant wird, so dass einem Feststellungsurteil auch eine künftige Nützlichkeit (utility) zufällt.236 Im Rahmen der Feststellungsklage des Haftpflichtversicherungsnehmers ist insoweit vonnöten, dass die Geltendmachung eines Schadensersatz­ anspruchs durch den Geschädigten und somit letztlich der Eintritt des Versicherungsfalls nicht gänzlich ausgeschlossen erscheint und eine entsprechende Annahme nicht jedweder Grundlage entbehrt.237 Nach der verbindlichen Feststellung des Schadensersatzanspruchs steht dem Versicherungsnehmer eine Leistungsklage gegen den Haftpflichtversicherer offen. In England besteht in einem nachfolgenden Deckungsprozess jedoch grundsätzlich keine Bindung an die Ergebnisse des Haftpflichtprozesses.238 Anders als in Deutschland ist es einem Geschädigten in England grundsätzlich nicht möglich, gegen den Haftpflichtversicherer eine Drittfeststellungskla233 

Vgl. r. 40.20 CPR: „The court may make binding declarations whether or not any other remedy is claimed“ (früher: RSC Order 15, r. 16); Bunge, Zivilprozess und Zwangsvollstreckung in England, S.  111; Bernstorff, Einführung, S.  156; Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  3.26. Für bestimmte Fälle hat der Gesetzgeber das gerichtliche Ermessen beseitigt und festgelegt, dass die Zulassung einer Feststellungsklage verpflichtend ist, vgl. z. B. s. 58 (1) Family Law Act 1986, s. 61 (1) Leasehold Reform, Housing and Urban Development Act 1993 sowie nunmehr auch s. 2 (3) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. 234  Vgl. hierzu insbesondere Padden v. Arbuthnot Pensions & Investments Ltd [2004] EWCA Civ 582. 235  Padden v. Arbuthnot Pensions & Investments Ltd [2004] EWCA Civ 582 [Rn.  31]; Zuckerman on Civil Procedure, Rn.  23.11; Landbrecht, Teil-Sachentscheidungen und Ökonomie der Streitbeilegung, S.  170 f. 236  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  10-099; Padden v. Arbuthnot Pensions & Investments Ltd [2004] EWCA Civ 582 [Rn.  32]. Zum Aspekt der Nützlichkeit: Landbrecht, Teil-Sachentscheidungen und Ökonomie der Streitbeilegung, S.  171 f. 237  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  10-099. 238  Hierzu noch ausführlich unten unter 3. Teil C.III.1.a).aa).(2).

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ge zu erheben, um dessen Leistungspflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer in Ansehung eines bestimmten Schadensersatzanspruchs feststellen zu lassen. Die englischen Gerichte verneinen insoweit ein genügendes Interesse (sufficient interest) des Geschädigten an einer derartigen, ein fremdes Vertragsverhältnis betreffenden Drittfeststellungsklage.239

3. Rechtsstellung des Geschädigten in der Haftpflichtversicherung a) Grundsatz Nach der Grundkonzeption sowohl des deutschen als auch des englischen Rechts bestehen zwischen dem Geschädigten und dem Haftpflichtversicherer keinerlei unmittelbaren Rechtsbeziehungen.240 Die sich aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag nach Eintritt des Versicherungsfalls ergebenden Rechte stehen alleine dem Versicherungsnehmer als Vertragspartner des Versicherers zu, nicht hingegen dem vertragsfremden Geschädigten. Auch aus haftungsrechtlicher Perspektive ergibt sich dem Grunde nach keine direkte Rechtsbeziehung zwischen Geschädigtem und Haftpflichtversicherer. Die durch die Erfüllung des Haftpflichttatbestandes zur Entstehung gelangende rechtliche Sonderbeziehung verbindet alleine den Geschädigten und den schädigenden Versicherungsnehmer. Folgerichtig steht dem Geschädigten grundsätzlich kein eigenes Forderungsrecht gegen den zumeist in besonderem Maße solventen Haftpflichtversicherer zu. Prinzipiell kann sich der Geschädigte in beiden Rechtsordnungen zum Zwecke des Ausgleichs des erlittenen Schadens nur an seinen Schädiger halten. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit dem Grundsatz der Relativität von Schuldverhältnissen bzw. der englischen Doktrin der privity of contract.241 In Deutschland wird das Dogma fehlender unmittelbarer Rechtsbeziehungen zwischen Geschädigtem und Haftpflichtversicherer bisweilen als „charakteris-

D.G. Finance Ltd v. Scott and Eagle Star Insurance Co Ltd 1995 WL 1085285; Jess, L.M.C.L.Q. 2000, 192, 195. 240  RGZ 93, 209, 211; RGZ 70, 257, 261; BGH, NJW 1952, 1333, 1333; Langheid in Langheid/Rixecker, §  100 Rn.  32; Rintelen in Späte/Schimikowski, Ziff.  1 AHB Rn.  342; ­Bruns, PVR, §  22 Rn.  28; Sieg, Ausstrahlungen, S.  85; Vogt, Direktansprüche, S.  2. Für das englische Recht: Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  21-012; Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  649; Mance/Goldrein/Merkin, Insurance Disputes, Rn.  13.48; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  30-011; Cane, Atiyah’s Accidents, Compensation and the Law, S.  233. 241  Zur Doktrin der privity of contract: Treitel in Chitty on Contracts, Vol. I, Rn.  18003 ff.; Tweddle v. Atkinson (1861) 1 B. & S.  393; Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v. Selfridge & Co Ltd [1915] A.C. 847; Jackson v. Horizon Holidays Ltd [1975] 1 W.L.R. 1468. 239 

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tische[s] Merkmal“242 oder auch als „fester Grundsatz“243 des Haftpflichtversicherungsrechts bezeichnet. Ein anderes ergibt sich auch nicht aus der – in England freilich erst vor wenigen Jahren erfolgten – 244 rechtlichen Anerkennung von Verträgen zugunsten Dritter. Bei einem Haftpflichtversicherungsvertrag handelt es sich nämlich für gewöhnlich nicht um einen drittbegünstigenden Vertrag.245 Im deutschen Recht ist im Zweifel im Wege der Auslegung zu bestimmen, ob die Vertragsparteien einer vertragsfremden Person ein originäres Forderungsrecht auf die vertragliche Leistung zukommen lassen wollen.246 Entscheidend ist, ob das Interesse der Vertragsparteien dahin geht, dem Dritten eine eigene und damit im Zweifel auch einklagbare Rechtsposition zu verschaffen.247 Nach der gesetzlichen Auslegungsregel des §  328 Abs.  2 BGB ist dabei vor allem der Vertragszweck zu berücksichtigen. Indes handelt der potentiell Haftpflichtige beim Abschluss eines Haftpflichtversicherungsvertrages in erster Linie aus egoistischen Motiven, namentlich um seine eigene wirtschaftliche Existenz abzusichern. Dem Haftpflichtversicherungsnehmer zu unterstellen, dass er bei Abschluss des Versicherungsvertrages zuvorderst die Interessen des potentiell Geschädigten sowie dessen Schutz im Blick hat und dass er sich primär aus altruistischen Erwägungen gegen Haftpflichtgefahren versichert, wird der Realität ganz sicher nicht gerecht. Dementsprechend geht der Wille der Vertragsparteien wohl auch regelmäßig nicht dahin, dem Geschädigten ein vertragliches Forderungsrecht gegen den Haftpflichtversicherer zu verschaffen.248 Im englischen Recht steht der Annahme eines Vertrages zugunsten Dritter bei der Haftpflichtversicherung insbesondere das in s. 1 (3) Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 vorgesehene Erfordernis entgegen, wonach der begünstigte Dritte aus den vertraglichen Bestimmungen identifizierbar sein muss.249 Insofern ist zu bedenken, dass HaftSieg, Ausstrahlungen, S.  85. Johannsen in Bruck/Möller, Bd.  I V (8.  Aufl.), Anm. B 79, S.  113. 244  Vgl. hierzu den Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999. 245  Für das deutsche Recht: Franck, Direktanspruch, S.  24 f.; Makowsky, Einfluss von Versicherungsschutz, S.  111 f.; für das englische Recht: Clarke, Liability Insurance, Rn.  12.7, S.  136 f.; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  21-013; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  30038; Mance/Goldrein/Merkin, Insurance Disputes, Rn.  13.48; Merkin/Steele, Insurance and the Law of Obligations, S.  395. 246  Stadler in Jauernig, §  328 Rn.  5; Franck, Direktanspruch, S.  24. 247  Franck, Direktanspruch, S.  24. 248  So auch Heidl, VVG-Reform, S.  274 sowie Goltermann, JW 1937, 443, 444. Vgl. aber §  6 Abs.  3 EhfG, wo den Versicherungsvertragsparteien gesetzlich aufgegeben wird, dem Geschädigten im Wege des Vertrages zugunsten Dritter ein vertragliches Forderungsrecht einzuräumen. 249  S.  1 (3) Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999: „The third party must be expressly identified in the contract by name, as a member of a class or as answering a particular de242  243 

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pflichtversicherungsverträge in der Regel vor Schadensersatzansprüchen beliebiger Dritter und nicht lediglich vor Ansprüchen einer im Vertrag genauer bezeichneten Person oder Gruppe schützen sollen.250 Im Übrigen schließen die englischen Versicherer häufig vorsorglich die Anwendbarkeit des Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 durch eine ausdrückliche Bestimmung im Haftpflichtversicherungsvertrag aus.251 b) Berücksichtigung der Interessen des Geschädigten aa) Einräumung gesetzlicher Direktansprüche Der Grundsatz fehlender unmittelbarer Rechtsbeziehungen zwischen dem Geschädigten und dem Haftpflichtversicherer galt in Deutschland vor dem Hintergrund des Trennungsprinzips252 lange Zeit als axiomatische und unabänderliche Selbstverständlichkeit. Geschuldet der allmählichen Rezeption des sozialen Gedankens in das Haftpflichtversicherungsrecht253 wird dem Geschädigten heutzutage freilich im Bereich der obligatorischen Haftpflichtversicherung unter den in §  115 Abs.  1 VVG normierten Voraussetzungen ausnahmsweise ein gesetzlicher Direktanspruch gegen den regelmäßig solventen Haftpflichtversicherer zum Zwecke der Schadenskompensation eingeräumt. Auch in England sind mittlerweile in bestimmten Fällen gesetzlich begründete Forderungsrechte des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer bekannt – und dies sogar über den Bereich der pflichtigen Haftpflichtversicherung hinaus.254 Ihre Begründung finden diese direkten Forderungsrechte gegen den Haftpflichtversicherer in beiscription (…)“; vgl. auch Merkin/Steele, Insurance and the Law of Obligations, S.  395 [Fn.  56]. 250  Die Ausgestaltung einer Haftpflichtversicherung (liability insurance) als Vertrag zugunsten des Geschädigten ist freilich nicht undenkbar, worauf unter anderem die Law Commission hinweist: Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  1.8; so auch MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-120 [Fn.  848]. 251  Lowry/Rawlings, Insurance Law – Cases and Materials, Rn.  11.4; Hjalmarsson, 18 Asia Pac. L. Rev. 2010, 259, 261 (für die Seehaftpflichtversicherung). 252  Zum Trennungsprinzip allgemein: Makowsky, Einfluss von Versicherungsschutz, S.  132 ff.; Wandt, VR, Rn.  1087 ff. Zum historischen Ursprung des Trennungsprinzips, das primär der Abgrenzung der Haftpflichtversicherung zum Produkt der Unfallversicherung diente: Felsch, Münsteraner Reihe, Bd.  113, 1, 1 ff. 253  Ausführlich dazu: Sieg, Ausstrahlungen, S.  61 ff.; vgl. auch Jannott, FG Samwer, 167, 167 ff. („Der soziale Gedanke in der Haftpflicht-Versicherung“); Chorley, 2 Mod. L. Rev. 1938, 36, 36 ff. 254  Insbesondere ist der sachliche Anwendungsbereich des Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 nicht auf Pflichthaftpflichtversicherungen beschränkt, vielmehr gelten seine Vorschriften auch für freiwillige Haftpflichtversicherungen, hierzu näher unten unter 3. Teil B.II.1.a).aa).

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den Ländern primär im Schutz des Geschädigten, der nicht auf ein möglicherweise erfolgloses oder doch zumindest umständliches Vorgehen gegen den Schädiger verwiesen sein soll.255 Bei den gesetzlichen Direktansprüchen wird die Haftpflichtversicherung mithin ganz offen in den Dienst des Geschädigten gestellt. Dies gilt umso mehr, wenn der Direktanspruch von Einwendungsausschlüssen zulasten des Haftpflichtversicherers flankiert ist, wie sie auch in den untersuchten Rechtsordnungen – wenngleich in unterschiedlich starker Ausprägung – existieren.256 bb) Anderweitiger Schutz der Interessen des Geschädigten Die Existenz einer Haftpflichtversicherung kann dem Geschädigten freilich nicht nur im Falle der Einräumung eines gesetzlichen Direktanspruchs gegen den Haftpflichtversicherer zum Vorteil gereichen. Alleine der bloße Umstand einer bestehenden Haftpflichtversicherung vermittelt dem Geschädigten den rein faktischen Vorteil der Verbesserung der Vermögenslage seines Schädigers, denn schließlich stellt dessen Anspruch auf die Haftpflichtversicherungsleistung einen Vermögensbestandteil dar. Vielfach ist der Schädiger gar nur deshalb zum Ersatz des von ihm verursachten Schadens imstande, weil er Haftpflichtversicherungsschutz genießt.257 Der faktische Schutz des Geschädigten durch eine bestehende Haftpflichtversicherung ist indes gefährdet, wenn der Versicherungsnehmer nach Belieben über den Versicherungsanspruch verfügen könnte oder wenn es anderen Gläubigern des Schädigers gestattet wäre, zur Befriedigung ihrer Forderungen auf die Haftpflichtversicherungsleistung zuzugreifen. Durch gesetzliche Regelungen kann jedoch die Haftpflichtversicherungsleistung letztlich dem Geschädigten vorbehalten werden. Im deutschen Recht wird das Interesse des Geschädigten an der Versicherungsleistung – als möglichem Befriedigungsobjekt für den Schadensersatzanspruch – gesetzlich sehr weitgehend geschützt. Eine Gesamtbetrachtung der 255  Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  3; Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  1.3. Ausführlich noch unten unter 2. Teil B.III.1. 256  Vgl. §§  114 Abs.  2 S.  2 , 117 VVG; s. 9 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010; s. 148 (1), (2), (5), 151 (2) (b), (3), 152 (2) – (4) Road Traffic Act 1988; reg. 2 Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Regulations 1998. Hierzu ausführlich unten unter 3. Teil C. 257  Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  3; Armbrüster, PVR, Rn.  1648; VVG-Kommission, Abschlussbericht, S.  82; Purves, CfiLR 1998, 98, 106; Lewis, 25 Legal Stud. 2005, 85, 86: „Liability insurance is not merely an ancillary device to protect the insured, but is the ‘primary medium for the payment of compensation’ (…)“; Cane, Atiyah’s Accidents, Compensation and the Law, S.  233 f.: „(…) from the claimant’s point of view, it [Anm.: liability insurance] is a vital means of ensuring that people injured by others’ torts obtain compensation“.

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haftpflichtversicherungsrechtlichen Vorschriften des VVG fördert insoweit eine umfangreiche gesetzliche „Zweckbindung der Versicherungsleistung“258 zutage – und zwar im Ausgangspunkt unabhängig davon, ob eine freiwillige oder eine obligatorische Haftpflichtversicherung zugrunde liegt. Die Intention des deutschen Gesetzgebers geht ganz allgemein dahin, die Versicherungssumme letztlich dem Geschädigten zugute kommen zu lassen. Freilich hat die Absicherung des Geschädigten bei den Pflichthaftpflichtversicherungen eine stärkere Ausprägung erfahren, was im Einklang mit deren primär opferschutzorientierter Zwecksetzung steht.259 Während die Versicherungsleistung im Bereich der freiwilligen Haftpflichtversicherung lediglich gegen eine missbräuchliche oder andere Personen unbillig bevorzugende Verwendung zulasten des Geschädigten abgesichert wird – ohne den erfolgreichen Zugriff des Geschädigten auf die Haftpflichtversicherungsforderung unter allen Umständen sicherzustellen –, dienen die Vorschriften über die Pflichthaftpflichtversicherung nicht weniger als der Garantie, dass die Versicherungssumme letztlich zur Kompensation des Schadens des Geschädigten zur Verfügung steht.260 Diese umfassende gesetzliche Drittwidmung der Versicherungsleistung ist freilich das Ergebnis einer sukzessiven rechtshistorischen Entwicklung, die mitunter durchaus von wertungsmäßigen Inkongruenzen begleitet war.261 Die rechtliche Anerkennung des wirtschaftlichen Interesses des Geschädigten an der Haftpflichtversicherungsforderung zeigt sich im deutschen Haftpflichtversicherungsrecht zunächst darin, dass Verfügungen über den Freistellungsanspruch mit dem Verdikt der relativen Unwirksamkeit belegt sind (§  108 Abs.  1 S.  1 VVG), wodurch eine zweckwidrige, nicht der Befriedigung des Schadensersatzanspruchs dienende Verwendung der Versicherungsleistung durch den Versicherungsnehmer in weitem Umfang verhindert wird. Durch §  108 Abs.  1 S.  2 VVG wird zudem ein Vollstreckungszugriff anderer Gläubiger des Versicherungsnehmers auf den Freistellungsanspruch ausgeschlossen. Praktische Bedeutung kommt dem Verfügungsverbot des §  108 Abs.  1 S.  1 VVG indes alleine für aufhebende sowie inhaltsändernde Verfügungen zu. Übertragende Verfügungen wie die Abtretung (§§  398 ff. BGB) sind dagegen regelmäßig bereits aufgrund der Charakterisierung der Haftpflichtversicherungsforderung als Schuldbefreiungsanspruch nach §  399 Alt.  1 BGB ausgeBott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  9. Makowsky, Einfluss von Versicherungsschutz, S.  122; Rintelen in Späte/Schimikowski, Ziff.  1 AHB Rn.  345; Armbrüster, PVR, Rn.  1669; Wandt, VR, Rn.  1106; Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  80. 260  Franck, Direktanspruch, S.  28 f. 261  Vgl. Möller, ZVersWiss 1963, 409, 410 f. Ausführlich zu dieser Entwicklung: Sieg, Ausstrahlungen, S.  61 ff. 258  259 

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schlossen und dabei sogar absolut, d. h. gegenüber jedermann unwirksam.262 Auch für Vollstreckungen anderer Gläubiger des Versicherungsnehmers erlangt die Regelung des §  108 Abs.  1 S.  2 VVG wegen der Vorschriften der §§  851 Abs.  2 ZPO, 399 Alt.  1 BGB überwiegend nur deklaratorische Bedeutung.263 In der Insolvenz des haftpflichtversicherten Schädigers gewährt die Vorschrift des §  110 VVG dem Geschädigten in Durchbrechung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung (par est conditio omnium creditorum)264 ein Absonderungsrecht am haftpflichtversicherungsrechtlichen Freistellungsanspruch. Folglich kann der geschädigte Dritte im Insolvenzfalle seines Schädigers in entsprechender Anwendung des §  1282 BGB dessen Versicherungsanspruch in eigener Person vom Haftpflichtversicherer einziehen, ohne dass es einer vorherigen Pfändung und Überweisung bedürfte.265 Voraussetzung für die erfolgreiche Ausübung der Einziehungsbefugnis ist freilich die Fälligkeit des Freistellungsanspruchs, was wiederum die vorherige verbindliche Feststellung des Schadensersatzanspruchs im Haftpflichtverhältnis bedingt.266 Wenn die aus dem Absonderungsrecht resultierende Einziehungsbefugnis im Ergebnis ein unmittelbares Vorgehen des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer ermöglicht, mag zumindest auf den ersten Blick die Assoziation mit einem gesetzlichen Direktanspruch naheliegen. Allerdings vermittelt das in §  110 VVG normierte Absonderungsrecht nach herrschender Auffassung lediglich die Befugnis, ein fremdes Recht in eigenem Namen geltend zu machen, es verschafft dem Geschädigten aber gerade nicht die materiell-rechtliche Inhaberschaft an der Versicherungsforderung und somit keinen eigenen Anspruch.267 Zudem ist der Geschädigte – anders als beim Direktanspruch aus §  115 VVG – Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  10 f.; Sieg, Ausstrahlungen, S.  146. Die Vorschrift des §  108 Abs.  1 S.  2 VVG erlangt demnach nur bei Vollstreckungen durch andere „Dritte“ im Sinne der §§  100 ff. VVG Relevanz, vgl. hierzu ausführlich Wandt in MüKoVVG, §  108 Rn.  48. 264  Allgemein zu diesem Grundsatz: Becker, Insolvenzrecht, Rn.  210 ff. 265  HM: RGZ 93, 209, 212; BGH, NJW-RR 2004, 829, 830; BGH, NJW-RR 1993, 1306, 1306; BGH, NJW-RR 1987, 1106, 1106 f.; OLG Nürnberg, VersR 2013, 711, 712; Heinrichs in FAKomm-VersR, §  110 VVG Rn.  5; Koch in Bruck/Möller, §  110 Rn.  8; Lücke in Prölss/Martin, §  110 Rn.  5; Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  10; Senger, Stellung des geschädigten Dritten, S.  50; Seuffert, LZ 1909, 97, 107; Armbrüster, r+s 2010, 441, 453; a. A.: Sieg, Ausstrahlungen, S.  209 f.; Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  31 f. 266  BGH, NJW-RR 2004, 829, 830; OLG Nürnberg, VersR 2013, 711, 712; Baumann in Berliner Kommentar, §  157 Rn.  5, 7 f.; Rintelen in Späte/Schimikowski, Ziff.  1 AHB Rn.  382; Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  158; Schulze Schwienhorst in Looschelders/Pohlmann, §  110 Rn.  9; Senger, Stellung des geschädigten Dritten, S.  50 f.; Armbrüster, r+s 2010, 441, 453. 267 Siehe hierzu Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  77; vgl. auch Heidl, VVG-Reform, S.  273. 262 

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gehalten, vor der Inanspruchnahme des Versicherers im Einklang mit dem prozessualen Trennungsprinzip268 seine Schadensersatzforderung gegen den schädigenden Versicherungsnehmer in einem gesonderten Verfahren verbindlich feststellen zu lassen. Gegenwärtig kommt dem Absonderungsrecht nach §  110 VVG daher ausschließlich im Bereich der freiwilligen Haftpflichtversicherung praktische Bedeutung zu. Bei Pflichthaftpflichtversicherungen ziehen Geschädigte nämlich im Falle der Insolvenz des Schädigers die Geltendmachung des gesetzlichen Direktanspruchs nach §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  2 VVG vor, wo unter Überwindung des prozessualen Trennungsprinzips die Möglichkeit des einstufigen Vorgehens gegen den Haftpflichtversicherer eröffnet ist. Generell wird der Geschädigte im Bereich der Pflichthaftpflichtversicherung durch eine Reihe weitergehender Vorschriften geschützt. So schreibt beispielsweise die Vorschrift des §  114 VVG unter Einschränkung der vertraglichen Inhaltsfreiheit gewisse Mindeststandards im Hinblick auf Inhalt und Umfang des Pflichthaftpflichtversicherungsschutzes vor, damit „die Erreichung des jeweiligen Zwecks der Pflichtversicherung nicht gefährdet wird“.269 Eine weitreichende Schadenskompensation vermag die Pflichthaftpflichtversicherung nämlich nur zu garantieren, wenn im Versicherungsfall ein ausreichender Deckungsumfang existiert. Daneben soll dem Geschädigten ein umfangreicher Ausschluss versicherungsrechtlicher Einwendungen (§§  114 Abs.  2 S.  2, 117 VVG) den Ausgleich des erlittenen Schadens sicherstellen. Insofern ist es dem Pflichthaftpflichtversicherer im Verhältnis zum Geschädigten untersagt, sich auf eine im Innenverhältnis zum Versicherungsnehmer bestehende Leistungsfreiheit zu berufen.270 Auch in England existieren über die bloße Einräumung eines Direktanspruchs hinausgehende gesetzliche Regelungen zum Schutze des Geschädigten, der letzten Endes von den finanziellen Vorteilen einer Haftpflichtversicherung profitieren soll. Dabei sind die geschädigtenschützenden Elemente im Bereich der Pflichthaftpflichtversicherung (compulsory liability insurance) stärker ausgeprägt. Da es in England in Ermangelung eines einheitlich kodifizierten Haftpflichtversicherungsrechts an Vorschriften fehlt, die allen freiwilligen oder auch obligatorischen Haftpflichtversicherungen gemein sind und die ein einheitliches Schutzniveau festlegen würden, ist die Rechtslage jedoch ungleich verworrener als in Deutschland. Insoweit knüpfen die Schutzvorschriften für den Geschädigten vielmehr häufig an ganz bestimmte Haftpflichtversicherungen an – beispielsweise an die Kfz-Haftpflichtversicherung oder an die Arbeitgeberhaft268  Rintelen in Späte/Schimikowski, Ziff.  1 AHB Rn.  382; Thole, NZI 2013, 665, 665; a. A. wohl Bar, AcP 181 (1981), 289, 308. 269  So §  114 Abs.  2 S.  1 VVG. 270  Vgl. hierzu ausführlich unten unter 3. Teil C.II.2.c).

II. Rechtsbeziehungen

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pflichtversicherung – 271 und lassen eine systematische Behandlung des Drittschutzes vermissen. Auffällig ist freilich, dass sich das englische Recht zum Schutze des Geschädigten ähnlichen Mitteln bedient wie das Haftpflichtversicherungsrecht in Deutschland. Zu nennen sind insbesondere Einwendungsausschlüsse, welche dem Versicherer gegenüber dem Geschädigten die Berufung auf eine im Versicherungsverhältnis bestehende Leistungsfreiheit oder zumindest Leistungsbegrenzung versagen.272 Dabei ist dem englischen Recht allerdings ein einheitliches und umfassendes Konzept eines Einwendungsverlustes – wie es in Deutschland in der Norm des §  117 VVG für sämtliche Pflichthaftpflichtversicherungen verankert ist – fremd. Anstelle eines generellen Ausschlusses sämtlicher Einwendungen, die aus dem Versicherungsvertrag im Innenverhältnis erwachsen können, knüpfen die Einwendungsausschlüsse des englischen Rechts regelmäßig an ganz bestimmte Tatbestände an.273 Im Übrigen wird teilweise auch im englischen Recht zum Schutze des Geschädigten die vertragliche Inhaltsfreiheit beschränkt, indem bestimmte Mindestdeckungssummen gesetzlich vorgeschrieben werden.274 In der Zusammenschau fällt freilich auf, dass das deutsche Recht dem „sozialen Gehalt“ der Haftpflichtversicherung – jenseits der gesetzlichen Direktansprüche – in deutlich stärkerem Umfang Rechnung trägt. Das englische Recht zeigt sich hinsichtlich des sozialen Drittschutzes zurückhaltender.275 Eine so weitreichende „Zweckbindung der Versicherungsleistung“, wie sie im Laufe der Zeit im deutschen Recht verwirklicht wurde, existiert in England nicht.276

4. Zwischenergebnis Ein charakteristisches Merkmal der Haftpflichtversicherung ist das zugrundeliegende Dreipersonenverhältnis, welches neben den Parteien des VersicheBirds, Insurance Law in the UK, Rn.  33. Vgl. s. 9 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010; s. 148 (1), (2), (5), 151 (2) (b) sowie (3), 152 (2) – (4) Road Traffic Act 1988; reg. 2 Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Regulations 1998. 273  Goretzky, Leistungspflicht des Versicherers, S.  102: „(…) eingeschränkter numerus clausus von Einwendungsverlusten (…)“. Z. B. s. 148 (5) Road Traffic Act 1988, wonach die Drittwirkung eines Leistungsverweigerungsrechts des Versicherers wegen Missachtung einer Obliegenheit nach (!) Eintritt des Versicherungsfalls ausgeschlossen wird. 274  Vgl. z. B. s. 1 (2) Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Act 1969 iVm reg. 3 (1) Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Regulations 1998. 275  Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  51. 276  Z. B. fehlt es in England insbesondere an einem umfassenden Verfügungsverbot hinsichtlich der Haftpflichtversicherungsforderung, wie es in Deutschland in der Vorschrift des §  108 Abs.  1 S.  1 VVG zu finden ist. 271 

272 

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A. Haftpflichtversicherung und zugrundeliegende Rechtsbeziehungen

rungsvertrages den geschädigten Dritten umfasst. Der Eintritt des Versicherungsfalls (insured event) als das die Leistungspflicht des Versicherers auslösende Ereignis setzt in der Haftpflichtversicherung regelmäßig voraus, dass der Versicherungsnehmer von einer dritten Person auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird oder mit einer derartigen Inanspruchnahme zumindest ernstlich zu rechnen ist. In diesem Dreiecksverhältnis differenzieren beide untersuchten Rechtsordnungen dem Grunde nach streng zwischen dem Haftpflichtverhältnis auf der einen sowie dem – durch den Haftpflichtversicherungsvertrag konstituierten – Deckungsverhältnis auf der anderen Seite. Ob dem Geschädigten ein Schadensersatzanspruch zusteht, darf dabei prinzipiell nur im Haftpflichtverhältnis zwischen geschädigtem Dritten und Schädiger einer Klärung zugeführt werden, wobei dem Haftpflichtversicherungsumstand keine haftungsrechtliche Relevanz zukommen soll (materielles Trennungsprinzip). Sowohl in Deutschland als auch in England wird freilich in bestimmten Ausnahmefällen eine haftungsverschärfende oder gar haftungsbegründende Wirkung des Haftpflichtversicherungsschutzes diskutiert und auch angenommen. Entsprechend dem Grundsatz der Relativität von Schuldverhältnissen bzw. der privity of contract-Doktrin existiert zwischen dem Geschädigten und dem regelmäßig solventen Haftpflichtversicherer in beiden Ländern prinzipiell keine unmittelbare Rechtsbeziehung. Der Geschädigte ist mithin darauf angewiesen, zum Zwecke der Schadenskompensation gegen seinen Schädiger vorzugehen. Dessen ungeachtet erfährt die Stellung des Geschädigten durch den bloßen Umstand, dass sein Schädiger haftpflichtversichert ist, eine Aufwertung. Primär äußert sich dies in dem rein faktischen Vorteil der Verbesserung der Vermögenssituation des Schädigers, was die Erfolgsaussichten hinsichtlich der Realisierung des Schadensersatzanspruchs erhöht. Mithin hat der Geschädigte ein wirtschaftliches Interesse an der Versicherungsleistung. Beide untersuchten Rechtsordnungen sehen gesetzliche Regelungen vor, welche diesem wirtschaftlichen Interesse des Geschädigten auch rechtliche Anerkennung verleihen. Dabei tritt der Drittschutz jeweils bei Pflichthaftpflichtversicherungen (compulsory liability insurance) entsprechend deren primären Zwecksetzung besonders deutlich zu Tage. Generell ist der soziale Drittschutz in Deutschland klarer geregelt und stärker ausgeprägt als in England. In besonderen Fällen räumen beide untersuchten Rechtsordnungen dem Geschädigten zudem einen gesetzlichen Direktanspruch ein und eröffnen damit die Möglichkeit einer direkten Inanspruchnahme des meist solventen Haftpflichtversicherers.

B. Grundlagen des Direktanspruchs Bevor die konkrete rechtliche Ausgestaltung der gesetzlichen Direktansprüche in den Rechtsordnungen Deutschlands und Englands untersucht wird und thematisch im Zusammenhang stehende rechtliche Aspekte Erörterung finden,1 soll in diesem Abschnitt ein allgemeiner Überblick über das Rechtsinstitut des Direktanspruchs gegeben werden. Nach einer kurzen Definition des Begriffes „Direktanspruch“ erfolgt zunächst eine ganz grundlegende Darstellung, auf welche Weise ein Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer begründet werden kann (hierzu I.). Anschließend werden begriffliche Ungenauigkeiten zwischen den häufig verwandten Termini „Direktanspruch“, „Direktklage“ sowie „action directe“ ausgeräumt (hierzu II.). Sodann werden die mit Einräumung eines gesetzlichen Direktanspruchs verfolgten Ziele beleuchtet, bevor die rechtspolitische Diskussion um diese Rechtsfigur skizziert wird (hierzu III.) In einem weiteren Schritt sollen die verschiedenen rechtskonstruktiven Gestaltungsmöglichkeiten für einen gesetzlichen Direktanspruch ergründet werden (hierzu IV.). Abschließend werden – orientiert an bestimmten Kriterien – 2 typische Erscheinungsformen gesetzlicher Direktansprüche aufgezeigt und die Auswirkungen auf die Werthaltigkeit für den Geschädigtenschutz eruiert (hierzu V.).

I. Begriffsklärung und Darlegung der verschiedenen Arten eines Direktanspruchs 1. Begriff des „Direktanspruchs“ Der Begriff des Direktanspruchs wird vielfach schlagwortartig verwendet und dabei zumeist mit einer ganz bestimmten Rechtskonstruktion assoziiert. So wird beispielsweise in Deutschland unter einem „Direktanspruch“ gemeinhin das gesetzlich eingeräumte Recht des Geschädigten verstanden, seinen Scha1 

Vgl. hierzu den 3. Teil. Namentlich: Anwendungsbereich, Entstehungsvoraussetzungen, Zulässigkeit versicherungsrechtlicher Einwendungen. 2 

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B. Grundlagen des Direktanspruchs

densersatzanspruch unmittelbar gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers geltend machen zu können.3 Die mit dem Begriff des Direktanspruchs verbundenen rechtlichen Vorstellungen können allerdings in den verschiedenen Rechtsordnungen der Welt durchaus voneinander abweichen. Das in den diversen Ländern geltende Recht ist vielfach das Resultat einer lebhaften Entwicklung, wobei auf vergleichbare Sachprobleme häufig auch mit unterschiedlichen Rechtskonstruktionen und dogmatischen Lösungsansätzen geantwortet wurde.4 Dies gilt im besonderen Maße in hochgradig praxisnahen Rechtsgebieten wie dem Versicherungsvertragsrecht. Folgerichtig ist auch der direkte Anspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer keinesfalls überall in gleicher Art und Weise konstruiert oder gar rechtlich anerkannt.5 Insofern wäre es verfehlt, diese – dem funktionalen Rechtsvergleich gewidmete – Untersuchung schlicht mit dem Hinweis auf ein ganz bestimmtes Verständnis des Direktanspruchs zu beginnen und den Blick von vornherein alleine auf eine rechtliche Konstruktionsmöglichkeit zu verengen.6 Dies schließt freilich nicht aus, dass im weiteren Verlaufe der Abhandlung das Hauptaugenmerk auf eine bestimmte Art von Direktansprüchen gerichtet wird.7 Eine unvoreingenommene Würdigung des Begriffs „Direktanspruch“ weist indes den Weg, dass es in einem ersten Schritt ganz allgemein Situationen zu ergründen gilt, in welchen dem Geschädigten – entgegen der oben dargestellten Grundkonzeption der beiden untersuchten Rechtsordnungen mit fehlenden unmittelbaren Rechtsbeziehungen – 8 ein direkter Anspruch und somit ein subjektives Recht gegen den Haftpflichtversicherer zusteht. Dieser Anspruch muss dabei nicht zwangsläufig gesetzlichen Ursprungs sein, sondern kann durchaus auch auf einer rechtsgeschäftlichen Grundlage beruhen.

Vgl. Franck, Direktanspruch, S.  30 f.; Vogt, Direktansprüche, S.  2. Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  55; Mansel, Direktansprüche, S.  6 f. Allgemein zu diesem Phänomen: Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S.  33 ff. 5  Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  55; Möller, ZVersWiss 1963, 409, 419 spricht vielmehr von einer „buntschillernde[n] Vielfalt“. 6  So aber Vogt, Direktansprüche, S.  2 , der unter einem Direktanspruch von Beginn an allein die Möglichkeit des Geschädigten versteht, „im gesetzlich normierten Umfang seinen Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger auch direkt gegenüber dessen Haftpflichtversicherer geltend [zu] machen (…)“. 7  Zu den verschiedenen Arten von Direktansprüchen sogleich unter 2. Teil B.I.2. Im weiteren Verlaufe der Abhandlung sollen die gesetzlichen Direktansprüche in den zu vergleichenden Rechtsordnungen in den Blick genommen werden, vgl. 2. Teil B.I.3. 8  Vgl. hierzu oben unter 2. Teil A.II.3.a). 3  4 

I. Begriffsklärung und Darlegung der verschiedenen Arten eines Direktanspruchs 63

2. Arten eines Direktanspruchs Ausgehend von diesem weiten Begriffsverständnis lassen sich verschiedene Arten von Direktansprüchen im Haftpflichtversicherungsrecht unterscheiden. Ganz grundlegend bedarf es dabei zunächst der Differenzierung zwischen rechtsgeschäftlich begründeten Direktansprüchen auf der einen sowie gesetzlich begründeten Direktansprüchen auf der anderen Seite.9 In beiden Fällen kommt für die konkrete rechtskonstruktive Herleitung des Direktanspruchs sowohl eine Anknüpfung an die Schadensersatzforderung als auch eine Anknüpfung an den Haftpflichtversicherungsvertrag respektive die Haftpflichtversicherungsforderung in Betracht.10 a) Rechtsgeschäftlich begründete Direktansprüche Charakteristisch für rechtsgeschäftlich begründete Direktansprüche ist der Umstand, dass die Einräumung des direkten Anspruchs zugunsten des Geschädigten auf einer freien Willensübereinkunft zweier Rechtssubjekte beruht. Denkbar ist die Begründung eines rechtsgeschäftlichen Direktanspruchs dabei zum einen aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung zwischen den Parteien des Haftpflichtversicherungsvertrages (Vertrag zugunsten Dritter). Zum anderen kann ein rechtsgeschäftlicher Direktanspruch auch durch eine Zession des Versicherungsanspruchs zur Entstehung gelangen, die zwischen dem Versicherungsnehmer und dem geschädigten Dritten vereinbart wird. Zu guter Letzt können zudem der Geschädigte und der Haftpflichtversicherer durch rechtsgeschäftliche Abrede einen Direktanspruch begründen. aa) Vertrag zugunsten Dritter Die Begründung eines rechtsgeschäftlichen Direktanspruchs kommt zunächst durch die Ausgestaltung des Haftpflichtversicherungsvertrages als Vertrag zugunsten Dritter in Betracht.11 Auch wenn ein Haftpflichtversicherungsvertrag in beiden untersuchten Rechtsordnungen unter Berücksichtigung der regelmäßigen Motivationslage der Vertragsparteien typischerweise nicht als echter Vertrag zugunsten Dritter zu charakterisieren ist,12 bleibt es den Parteien des Versicherungsvertrages unbenommen, dem potentiellen Geschädigten durch ausdrückliMöller, ZVersWiss 1963, 409, 432 weist zudem auf die Möglichkeit richterrechtlich entwickelter Direktansprüche zugunsten des Geschädigten hin. 10  Für die rechtskonstruktiven Gestaltungsmöglichkeiten des gesetzlichen Direktanspruchs siehe noch ausführlich unten unter 2. Teil B.IV. 11  Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  55 ff.; Franck, Direktanspruch, S.  36. 12  Vgl. hierzu bereits ausführlich oben unter 2. Teil A.II.3.a). 9 

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B. Grundlagen des Direktanspruchs

che Vereinbarung einen vertraglichen Anspruch auf die Versicherungsleistung einzuräumen.13 Freilich müssen die Vertragsparteien im Rahmen dieser Vereinbarung den sich aus den §§  328 ff. BGB bzw. aus den Vorschriften des Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 ergebenden Voraussetzungen an eine wirksame Drittbegünstigungsabrede genügen. Der aus einem Vertrag zugunsten Dritter resultierende Direktanspruch des Geschädigten tritt neben die fortbestehenden versicherungsvertraglichen Ansprüche des Versicherungsnehmers.14 Der Haftpflichtversicherer sieht sich daher in der Folge hinsichtlich des Versicherungsanspruchs mehreren Gläubigern ausgesetzt. In der Rechtswirklichkeit spielt diese Form des rechtsgeschäftlichen Direktanspruchs freilich eine eher untergeordnete Rolle. In Deutschland wird einem Geschädigten allenfalls in Spezialbereichen der Haftpflichtversicherung auf diesem Wege ein Direktanspruch gegen den Versicherer eingeräumt.15 Auch in England machen die Parteien des Haftpflichtversicherungsvertrages kaum von den Möglichkeiten des Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 Gebrauch.16 Eine größere Bedeutung gewinnt der Vertrag zugunsten Dritter alleine bei der nach deutschem Recht obligatorisch vorgeschriebenen Haftpflichtversicherung für Entwicklungshelfer (vgl. §  6 Abs.  1 EhfG)17 – denn dort sind die Parteien des Haftpflichtversicherungsvertrages nach §  6 Abs.  3 EhfG gesetzlich verpflichtet, dem Geschädigten vertraglich einen direkten Anspruch gegen den Versicherer einzuräumen.18 An dieser Stelle erscheint es daher passend, von einem gesetzlich erzwungenen rechtsgeschäftlichen Direktanspruch zu sprechen. Die Vorschrift des §  6 Abs.  3 EhfG dient allerdings nicht primär dem Schutz des Geschädigten, sondern vorrangig den Interessen des Entwicklungshelfers, dem eine Rechtsstreitigkeit im Ausland erspart werden soll.19 Franck, Direktanspruch, S.  36; Hjalmarsson, 18 Asia Pac. L. Rev. 2010, 259, 261. Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  55. 15  Z. B. in den Innenhaftungsfällen der D&O-Versicherung: Armbrüster, PVR, Rn.  1763; Säcker, VersR 2005, 10, 11. 16  Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  1.8: „It is possible that, in England, third parties may in the future derive some benefit from the Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999. If the insurance contract (…) is drafted so that it complies with the requirements of that Act, the third party may be able to enforce some of its terms. But there is no obvious reason for insurers to draft third party liability contracts in this way and we are not aware of any cases in which this has been done“ (kursive Hervorhebung durch Verfasser). 17  Allgemein zur Pflichthaftpflichtversicherung nach §  6 EhfG: Hedderich, Pflichtversicherung, S.  384 ff. 18  §  6 Abs.  3 EhfG: „Im Versicherungsvertrag ist vorzusehen, dass dem Geschädigten ein unmittelbarer Anspruch gegen den Versicherer eingeräumt wird“. 19  Rintelen in Späte/Schimikowski, Ziff.  1 AHB Rn.  369; Hedderich, Pflichtversicherung, S.  390. 13  14 

I. Begriffsklärung und Darlegung der verschiedenen Arten eines Direktanspruchs 65

bb) Abtretung des Versicherungsanspruchs Ein rechtsgeschäftlicher Direktanspruch kann ferner durch die Abtretung (assignment)20 des Haftpflichtversicherungsanspruchs an den Geschädigten begründet werden.21 Hierdurch tritt der geschädigte Dritte an die Stelle des Versicherungsnehmers und kann den Haftpflichtversicherer fortan aus der Versicherungsforderung direkt in Anspruch nehmen. Bei dieser Form des rechtsgeschäftlichen Direktanspruchs handelt es sich um eine derivative Rechtsposition. Es entspricht einer gefestigten Rechtsüberzeugung in den untersuchten Ländern, dass sich der abtretungsbedingte Gläubigerwechsel nicht zulasten des an der Abtretung nicht beteiligten Forderungsschuldners auswirken darf.22 Folgerichtig kann der Haftpflichtversicherer auch dem Geschädigten sämtliche Einwendungen aus dem Versicherungsverhältnis entgegenhalten (vgl. auch §  404 BGB).23 In Deutschland bezieht sich die Abtretung (§§  398 ff. BGB) streng genommen nicht auf den Haftpflichtversicherungsanspruch als solchen, sondern alleine auf den diesem immanenten Freistellungsanspruch. In der Hand des Geschädigten wandelt sich der Freistellungsanspruch sodann in einen Zahlungsanspruch um.24 Nach dem Willen des Gesetzgebers ist der Haftpflichtversicherungsanspruch, der aus der Freistellungs- und Rechtsschutzkomponente besteht, gerade kein untrennbarer Gesamtanspruch des Versicherungsnehmers, was eine iso20  Abzugrenzen ist die schlichte Abtretung des Versicherungsanspruchs von dem Eintritt eines Dritten in den Versicherungsvertrag (Vertragsübernahme), wofür in England ebenfalls der Begriff „assignment“ verwendet wird. Zur Klarstellung wird bei der Vertragsübernahme jedoch häufig auch von „assignment of the insurance contract“ bzw. von „assignment of the policy“ gesprochen, vgl. Rühl in Basedow/Fock, S.  1494 [Fn.  745]. 21  Allgemein zur Abtretung von Versicherungsansprüchen: Armbrüster, PVR, Rn.  1403 ff.; MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-089 ff.; Rühl in Basedow/Fock, S.  1494 ff. 22  Für das deutsche Recht: Roth/Kieninger in MüKoBGB, §  404 Rn.  1; für das englische Recht: MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-091; Klein, WM 1978, 390, 396. 23  Für das deutsche Recht: Franck, Direktanspruch, S.  36, 202; Lücke in Prölss/Martin, §  108 Rn.  26; ein anderes gilt jedoch im Bereich von Pflichthaftpflichtversicherungen, weil die dort vorgesehenen Einwendungsausschlüsse (§§  114 Abs.  2 S.  2, 117 VVG) auch nach einer rechtsgeschäftlichen Zession des Versicherungsanspruchs greifen, vgl. Franck, Direktanspruch, S.  202. Für das englische Recht: Clarke, Insurance Contracts, Rn.  6 -6, S.  239; MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-091; Rühl in Basedow/Fock, S.  1496. 24  RGZ 140, 373, 378; RGZ 128, 365, 370; RGZ 121, 303, 305; RGZ 80, 183, 184; Bar, AcP 181 (1981), 289, 309 f.; Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  10; Brauckmann, Rechtsstellung, S.  23; Wandt in MüKoVVG, §  108 Rn.  84, 118. Kritisch: Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  23 f.

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B. Grundlagen des Direktanspruchs

lierte Abtretung des Freistellungsanspruchs ausschließen würde.25 Der Zulässigkeit der Abtretung steht im Übrigen nicht die Vorschrift des §  399 Alt.  1 BGB entgegen, obgleich durch die abtretungsbedingte Umwandlung in einen Zahlungsanspruch faktisch eine Inhaltsänderung des Freistellungsanspruchs gegeben ist. Nach allgemeiner Auffassung ist eine teleologische Reduktion des §  399 Alt.  1 BGB geboten, wenn die Zession unmittelbar an den Gläubiger des Schadensersatzanspruchs erfolgt, von dem freizustellen wäre.26 Überdies wurde im Rahmen der VVG-Reform 2008 der in Deutschland über lange Jahre üblichen Praxis, dem Versicherungsnehmer durch AVB-Regelungen die Abtretung des Freistellungsanspruchs an den Geschädigten zu untersagen (vgl. §  399 Alt.  2 BGB), die Grundlage entzogen. Nach §  108 Abs.  2 VVG ist nunmehr die formularmäßige Vereinbarung eines Verbots der Abtretung des Freistellungsanspruchs an den Dritten unzulässig. Unberührt bleibt allerdings die Möglichkeit eines individualvertraglich vereinbarten Abtretungsverbots.27 Angesichts des Massengeschäftscharakters von Haftpflichtversicherungen dürften solche individualvertraglichen Vereinbarungen aber zweifelsohne Seltenheitswert besitzen.28 An der Zulässigkeit der Abtretung des Freistellungsanspruchs an den geschädigten Dritten bestehen nach alledem keine ernsthaften Bedenken. Nach einer Abtretung des Freistellungsanspruchs stellt sich indes die noch immer kontrovers diskutierte Frage, ob damit zugleich eine Überwindung des prozessualen Trennungsprinzips einhergeht und der Geschädigte auch vor einer verbindlichen Feststellung des Schadensersatzanspruchs eine Zahlungsklage gegen den Versicherer erheben kann oder ob er im Zweifel zunächst einen Haftpflichtprozess gegen den Schädiger führen muss.29 Nach der Zustimmung verdienenden herrschenden Meinung ist dem Geschädigten nach der Abtretung des Freistellungsanspruchs ein einstufiges Vorgehen gegen den Haftpflichtversiche25  Wandt in MüKoVVG, §  108 Rn.  89; Armbrüster, r+s 2010, 441, 448 f.; kritisch: Baumann, VersR 2010, 984, 986; Schramm/Wolf, r+s 2009, 358, 358. 26  BGH, NJW 2011, 2351, 2352; BGH, NJW 2010, 2197, 2197 f.; BGH, NJW 1954, 795, 795; Roth/Kieninger in MüKoBGB, §  399 Rn.  16; Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  10; Franck, Direktanspruch, S.  201; Ebel, JR 1981, 485, 489 f. Diese Ansicht entspricht ganz offensichtlich auch dem Willen des Gesetzgebers, wie sich unschwer der Vorschrift des §  108 Abs.  2 VVG entnehmen lässt. 27  BT-Drs. 16/3945, S.  87; Heinrichs in FAKomm-VersR, §  108 VVG Rn.  8; Langheid in Langheid/Rixecker, §  108 Rn.  18; Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  47; Schulze Schwienhorst in Looschelders/Pohlmann, §  108 Rn.  5; Vogt, Direktansprüche, S.  28. 28  Heinrichs in FAKomm-VersR, §  108 VVG Rn.  8; Schulze Schwienhorst in Looschelders/Pohlmann, §  108 Rn.  5; Wandt in MüKoVVG, §  108 Rn.  91. 29  Allgemein zum Streitstand: Armbrüster, PVR, Rn.  1666; Armbrüster, r+s 2010, 441, 449; Lange, VersR 2008, 713, 713 ff.

I. Begriffsklärung und Darlegung der verschiedenen Arten eines Direktanspruchs 67

rer möglich.30 Das Erfordernis einer vorherigen Feststellung des Schadensersatzanspruchs in einem gesonderten Verfahren stünde nämlich in diametralem Gegensatz zum Willen des Reformgesetzgebers. Ausweislich der Gesetzesbegründung wollte der Gesetzgeber durch die grundlegende Gestattung der Abtretung des Freistellungsanspruchs (vgl. §  108 Abs.  2 VVG) dem Geschädigten perspektivisch die Möglichkeit der direkten – nicht durch eine vorherige Auseinandersetzung mit dem Schädiger erschwerten – Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers eröffnen.31 Folgerichtig ist über die Frage der haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit des schädigenden Versicherungsnehmers, sofern diese nicht bereits vor der Abtretung geklärt wurde, im Rahmen der Zahlungsklage des Geschädigten gegen den Versicherer zu befinden. Demgegenüber dürfte dem Geschädigten eine parallele Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers aus dem Schadensersatzanspruch regelmäßig verwehrt sein – jedenfalls solange das Vorgehen aus dem abgetretenen Freistellungsanspruch nicht endgültig gescheitert ist. Insofern ist der Zessionsvereinbarung zwischen Versicherungsnehmer und Geschädigtem für gewöhnlich ein entsprechendes Stillhalteabkommen beigelegt (pactum de non petendo).32 Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die rechtliche Stellung des Geschädigten nach erfolgter Abtretung des Freistellungsanspruchs stark derjenigen Rechtsstellung ähnelt, die bei dem Direktanspruch aus §  115 VVG ex lege besteht. Bisweilen wird daher im Zusammenhang mit der Abtretung des Versicherungsanspruchs auch von einem „Direktanspruch durch die Hintertür“33 respektive einem „Quasi-Direktanspruch“34 gesprochen.35 Ein wesentlicher Unterschied zum gesetzlichen Direktanspruch aus §  115 VVG besteht freilich darin, dass der Geschädigte nach der Abtretung nicht seinen Schadensersatzanspruch, sondern vielmehr den abgeleiteten Versicherungsanspruch geltend macht.36 30  HM: Rintelen in Späte/Schimikowski, Ziff.  1 AHB Rn.  359; Schneider in Beckmann/ Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  46; Wandt in MüKoVVG, §  108 Rn.  84; Hösker, VersR 2013, 952, 953; Lange, r+s 2007, 401, 404; Langheid, NJW 2007, 3745, 3746; Rintelen, r+s 2010, 133, 135. So bereits zu den Fällen der KVO-Haftpflichtversicherung: BGH, NJW 1980, 2021, 2021; BGH, NJW 1975, 1276, 1277. 31  BT-Drs. 16/3945, S.  87. 32  Langheid in Langheid/Rixecker, §  108 Rn.  17; Lücke in Prölss/Martin, §  108 Rn.  27; Böttcher, NZG 2008, 645, 649 f.; Hösker, VersR 2013, 952, 956. 33  Vogt, Direktansprüche, S.  27. 34  Böttcher, NZG 2008, 645, 646. 35  Eine derartige Aussage lässt sich indes nur vor dem Hintergrund einer „verengten“ Definition des Begriffs „Direktanspruch“ treffen, die durch das in §  115 VVG niedergelegte Rechtsinstitut beeinflusst ist. Bei entsprechend weitem Begriffsverständnis lässt sich diese Fallkonstellation unproblematisch als selbständiger (rechtsgeschäftlicher) Direktanspruch charakterisieren (vgl. hierzu oben unter 2. Teil B.I.1.). 36  Vogt, Direktansprüche, S.  30 f. Anders nach einer Mindermeinung, wonach die Abtre-

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B. Grundlagen des Direktanspruchs

Das englische Recht differenziert – historisch bedingt durch die Trennung von Common Law und Equity – zwischen zwei verschiedenen Arten der Forderungsabtretung, welche sich sowohl in ihren Voraussetzungen als auch in ihren Wirkungen unterscheiden. Während die Voraussetzungen und Wirkungen des sog. legal assignment in s. 136 Law of Property Act 1925 gesetzlich niedergelegt sind, beruht das sog. equitable assignment auf den ungeschriebenen Grundsätzen und Regeln der Equity.37 Da zwischen diesen beiden anerkannten Formen der Abtretung kein Exklusivitätsverhältnis besteht, können heutzutage sämtliche Forderungen (choses in action)38 wahlweise nach dem strengeren Gesetzesrecht (legal assignment) oder aber nach Billigkeitsrecht (equitable assignment) abgetreten werden. Genügt eine Abtretung nicht den strikteren Anforderungen des s. 136 Law of Property Act 1925, so kann folglich noch immer ein wirksames equitable assignment vorliegen.39 Für ein rechtswirksames legal assignment nach s. 136 Law of Property Act 1925 ist vonnöten,40 dass die Abtretung schriftlich erklärt und dem Schuldner – ebenfalls in Schriftform – zur Kenntnis gebracht wird (notice to the debtor). Des Weiteren darf die abzutretende Forderung keinem vertraglich vereinbarten Abtretungsverbot unterliegen (contractual prohibition on assignment).41 Darüber hinaus ist es grundsätzlich erforderlich, dass der Anspruch, der abgetreten werden soll, im Zeitpunkt der Abtretung besteht. Künftige Ansprüche ( future choses in action) können mithin nicht im Wege eines legal assignment abgetreten werden. Jedoch ist es nach Auffassung der Rechtsprechung ausreichend und nicht als Abtretung eines künftigen Anspruchs anzusehen, wenn im Zeitpunkt der Abtretung zumindest die Rechtsgrundlage besteht, aus welcher nachfolgend tung des Freistellungsanspruchs den Versicherer zugleich zum Schuldner des Haftpflichtanspruchs mache, vgl. Langheid, VersR 2007, 865, 866 f. („Konfusion von Haftpflicht- und Deckungsanspruch“). 37  Klein, WM 1978, 390, 391; Bernstorff, Einführung, S.  125; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S.  449. 38  Für eine Definition des Rechtsterminus „chose in action“ vgl. die Entscheidung Torkington v. Magee [1902] 2 K.B. 427, 430, per Channell J: „‚Chose in action‘ is a known legal expression used to describe all personal rights of property which can only be claimed or enforced by action, and not by taking physical possession“. 39  William Brandt’s Sons & Co v. Dunlop Rubber Co [1905] A.C. 454, 454 ff.; Burrows in Chitty on Contracts, Vol. I, Rn.  19-004; Carl in Hadding/Schneider, Forderungsabtretung, 119, 123; Bernstorff, Einführung, S.  125; Klein, WM 1978, 390, 394. 40  Allgemein zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Abtretung nach s. 136 Law of Property Act 1925: Carl in Hadding/Schneider, Forderungsabtretung, 119, 122 f.; Clarke, Insurance Contracts, Rn.  6 -3, S.  231 ff.; Burrows in Chitty on Contracts, Vol. I, Rn.  19-007 ff. 41  Linden Gardens Trust Ltd v. Lenesta Sludge Disposals Ltd [1994] 1 A.C. 85; Clarke, Insurance Contracts, Rn.  6 -4D, S.  237.

I. Begriffsklärung und Darlegung der verschiedenen Arten eines Direktanspruchs 69

der Anspruch erwachsen wird.42 Im Bereich des Versicherungsvertragsrechts führt dies dazu, dass ein „Versicherungsanspruch“ bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls nach s. 136 Law of Property Act 1925 abgetreten werden kann, sofern nur im Abtretungszeitpunkt der zugrundeliegende Versicherungsvertrag bestanden hat.43 Liegen die Voraussetzungen für eine Abtretung nach s. 136 Law of Property Act 1925 vor, wird der Zessionar Vollrechtsinhaber der abgetretenen Forderung. Er ist fortan berechtigt, den Anspruch im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen.44 Gleichwohl ist einem Geschädigten, dem der Anspruch aus der Haftpflichtversicherung abgetreten wurde, dessen Schadensersatzanspruch jedoch noch nicht verbindlich festgestellt ist, ein einstufiges Vorgehen gegen den Versicherer versagt. Eine Zahlungspflicht des Haftpflichtversicherers existiert erst, wenn die Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers gegenüber dem Geschädigten einwandfrei festgestellt wurde – und zwar entweder durch ein gerichtliches Urteil, einen Schiedsspruch oder eine entsprechende verbindliche Vereinbarung. Anders als in Deutschland steht dem Geschädigten in England nach der Abtretung dabei nicht die Möglichkeit offen, die Haftpflicht des Versicherungsnehmers in einem Prozess gegen den Versicherer als Vorfrage klären zu lassen. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus dem neuen Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, wo dem Geschädigten alleine in dessen eingeschränktem Anwendungsbereich45 erstmals46 – und nach durchaus kontroverser Diskussion – 47 die Möglichkeit eines einstufigen Vorgehens gegen den Haftpflichtversicherer eingeräumt wurde. Diese gesetzgeberische Wertung darf nicht einfach durch ein legal assignment des Haftpflichtversicherungsanspruchs umgangen werden. Anders als die deutsche Legislative hat der englische Gesetzgeber nämlich in keiner Weise zum Ausdruck gebracht, dass er über das Rechtsinstitut der Abtretung (assignment) einen dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 ähnlichen Direktanspruch ermöglichen möchte. 42  Buck v. Robson (1878) 3 Q.B.D. 686; Walker v. The Bradford Old Bank Ltd (1884) L.R. 12 Q.B.D. 511; Jones v. Humphreys [1902] 1 K.B. 10; Burrows in Chitty on Contracts, Vol. I, Rn.  19-009; Carl in Hadding/Schneider, Forderungsabtretung, 119, 122; Rühl in Basedow/ Fock, S.  1495 [Fn.  750]. 43  Clarke, Insurance Contracts, Rn.  6 -3, S.  231; Rühl in Basedow/Fock, S.  1495 [Fn.  750]. 44  Carl in Hadding/Schneider, Forderungsabtretung, 119, 123; Rühl in Basedow/Fock, S.  1496; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S.  449. 45  Hierzu unten unter 3. Teil B.II.1.a). 46  Eine Ausnahme bildet alleine der unionsrechtlich vorgegebene Direktanspruch gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer aus reg. 3 (2) European Communities (Right against Insurers) Regulations 2002, welcher in seinem begrenzten Anwendungsbereich bereits seit dem 19. Januar 2003 ein einstufiges Vorgehen gegen den Versicherer ermöglicht. 47  Vgl. hierzu unter anderem Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  3.13 ff.

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B. Grundlagen des Direktanspruchs

Das der englischen Billigkeitsrechtsprechung entstammende equitable assignment unterliegt weniger strengen Voraussetzungen als die Abtretung nach s. 136 Law of Property Act 1925. Die Abtretung ist prinzipiell formlos möglich; es genügt, wenn sich in irgendeiner beliebigen Form erkennbar der Wille der Parteien zur Abtretung einer Forderung manifestiert.48 In Ermangelung einer Anzeigepflicht an den Schuldner ist beim equitable assignment zudem eine stille Zession möglich. Im Übrigen vermag ein vertraglich vereinbartes Abtretungsverbot zwar ein legal assignment, keinesfalls aber eine billigkeitsrechtliche Abtretung auszuschließen.49 Auf Rechtsfolgenseite ist es eine wesentliche Besonderheit der Abtretung nach Billigkeitsrecht, dass dem Zessionar nicht ohne Weiteres die selbständige Geltendmachung der abgetretenen Forderung möglich ist. Vielmehr ist der Zessionar regelmäßig auch nach der Abtretung auf eine Mitwirkung des Zedenten bei der Anspruchsgeltendmachung angewiesen.50 Zur Begründung eines rechtsgeschäftlichen „Direktanspruchs“ ist diese Form der Abtretung mithin gänzlich ungeeignet, da sie keine eigenständige Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers durch den Geschädigten ermöglicht. cc) Vereinbarung zwischen Geschädigtem und Haftpflichtversicherer Ein rechtsgeschäftlicher Direktanspruch kann sich letztlich auch aus einer Vereinbarung zwischen dem geschädigten Dritten und dem Haftpflichtversicherer ergeben. In Deutschland bietet sich hierzu insbesondere die Vereinbarung einer privativen Schuldübernahme hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs zwischen dem Geschädigten und dem Haftpflichtversicherer an (vgl. §  414 BGB).51 Hierdurch wird der Haftpflichtversicherer neuer Schuldner des Schadensersatzanspruchs, wohingegen der schädigende Versicherungsnehmer von seiner Verantwortlichkeit gegenüber dem Geschädigten befreit wird.52 Die Mitwirkung des Schuldners (d. h. des schädigenden Versicherungsnehmers) ist bei einer solchen privativen Schuldübernahme nicht erforderlich und auch ein Recht zur Zurückweisung der Schuldbefreiung besteht für den Schuldner nach herrschender

Rühl in Basedow/Fock, S.  1496; Klein, WM 1978, 390, 394. Clarke, Insurance Contracts, Rn.  6 -4D, S.  237. 50  Burrows in Chitty on Contracts, Vol. I, Rn.  19-006; Clarke, Insurance Contracts, Rn.  6 -6, S.  238; Rühl in Basedow/Fock, S.  1496; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S.  449. 51  Goltermann, JW 1937, 443, 444. 52  Hierin liegt eine – kraft gesetzlicher Anordnung ausnahmsweise zulässige – Verfügung zugunsten eines Dritten (namentlich des Versicherungsnehmers), vgl. Bydlinski in MüKo­ BGB, §  414 Rn.  2. 48  49 

I. Begriffsklärung und Darlegung der verschiedenen Arten eines Direktanspruchs 71

Meinung nicht.53 Durch die Übernahme der Schuld erfüllt der Versicherer zugleich die ihm aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag obliegende Freistellungsverpflichtung gegenüber dem Versicherungsnehmer. Als Folge der privativen Schuldübernahme kann der Geschädigte seinen Schadensersatzanspruch fortan unmittelbar gegen den Haftpflichtversicherer geltend machen und erforderlichenfalls einklagen. Der Versicherer wiederum kann dem Geschädigten grundsätzlich sämtliche Einwendungen entgegensetzen, welche im Zeitpunkt der Schuldübernahme zugunsten des schädigenden Versicherungsnehmers begründet waren (vgl. §  417 Abs.  1 BGB).54 Allerdings stehen dem Versicherer keine Einwendungen zu, sofern und soweit der Schadensersatzanspruch im Zeitpunkt der Schuldübernahme bereits endgültig festgestellt war.55 Im Übrigen ist es dem Versicherer aufgrund der Vorschrift des §  417 Abs.  2 BGB vollumfänglich versagt, sich zur Abwendung der Leistungspflicht auf versicherungsrechtliche Einwendungen zu berufen.56 Hierin liegt eine ganz erhebliche Verbesserung der Rechtsstellung des geschädigten Dritten. Ähnliche Rechtsfolgen ergeben sich bei einer sog. kumulativen Schuldübernahme (Schuldbeitritt), welche einer gesetzlichen Grundlage entbehrt.57 Der ebenfalls zwischen Geschädigtem und Haftpflichtversicherer zu vereinbarende Schuldbeitritt dürfte jedoch – jedenfalls auf freiwilliger Basis – keine praktische Relevanz besitzen, da der Versicherungsnehmer noch immer gegenüber dem Geschädigten verantwortlich wäre und der haftpflichtversicherungsvertragliche Freistellungsanspruch somit unerfüllt bliebe. Im englischen Recht wird das Phänomen einer Schuldübertragung soweit ersichtlich alleine im Bereich des Vertragsrechts (law of contract) diskutiert.58 Dabei fällt auf, dass dem englischen Recht das Rechtsinstitut der „Schuldübernahme“ mit einer identitätswahrenden Sukzession in eine Verbindlichkeit unbe-

Bydlinski in MüKoBGB, §  414 Rn.  6; Schulze in HK-BGB, §  414 Rn.  2; a. A. Stürner in Jauernig, Anmerkungen zu den §§  414, 415 Rn.  1 (analoge Anwendung des §  333 BGB). 54  Vgl. Bydlinski in MüKoBGB, §  417 Rn.  4; Schulze in HK-BGB, §  417 Rn.  2; Stürner in Jauernig, §  417 Rn.  1; Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  62 f. 55  Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  62 f. 56  Heidl, VVG-Reform, S.  273; Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  67; Sieg, ZVersWiss 1965, 357, 378. Es wird allerdings diskutiert, ob nicht jeder Schuldübernahmevereinbarung zwischen Geschädigtem und Haftpflichtversicherer – jedenfalls im Wege der Auslegung (§§  133, 157 BGB) – die Abrede zu entnehmen ist, dass der Haftpflichtversicherer nur bei einer bestehenden versicherungsvertraglichen Leistungspflicht zur Befriedigung des Schadensersatzanspruchs verpflichtet ist, vgl. hierzu Rintelen in Späte/Schimikowski, Ziff.  1 AHB Rn.  362. 57  Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  73 f. 58  Maurer, Schuldübernahme, S.  113. 53 

72

B. Grundlagen des Direktanspruchs

kannt ist.59 Ein Schuldnerwechsel ist vielmehr alleine über die Rechtsfigur der novation denkbar.60 Dabei handelt es sich um einen dreiseitigen Vertrag, der zur Wirksamkeit – neben der Willensübereinkunft des Gläubigers und des neuen Schuldners – zwingend auch der Mitwirkung des Altschuldners bedarf.61 Im Unterschied zur klassischen Schuldübernahme nach deutschem Verständnis bewirkt die novation gerade keinen Schuldtransfer, sondern vielmehr eine rechtliche Neubegründung einer Schuld bei gleichzeitiger Aufhebung der Altschuld.62 Im englischen Recht ist folglich die „Übertragung einer Schuld“ alleine durch Handlungen des Gläubigers sowie des neuen Schuldners nicht denkbar, vielmehr wird die Mitwirkung des Altschuldners für unabdingbar erachtet. In der Konsequenz kann in England – anders als in Deutschland – ein rechtsgeschäftlicher Direktanspruch durch Übernahme der Haftpflichtschuld jedenfalls nicht alleine durch eine Vereinbarung zwischen dem Geschädigten und dem Versicherer begründet werden. In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird freilich darauf hingewiesen, dass der geschädigte Dritte und der Haftpflichtversicherer eine eigenständige privatautonome Vereinbarung treffen können, in welcher sich letzterer zur Kompensation der entstandenen Schäden verpflichtet.63 Das auf diese Weise begründete selbständige Forderungsrecht stellt einen rechtsgeschäftlichen Direktanspruch dar. b) Gesetzlich begründete Direktansprüche Von den rechtsgeschäftlich begründeten Direktansprüchen des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer streng abzugrenzen sind Direktansprüche, die ihre Existenz einer gesetzgeberischen Maßnahme verdanken. Während die rechtsgeschäftlichen Direktansprüche aufgrund der privatautonomen Vereinbarung zweier Rechtssubjekte entstehen, wird die rechtliche Sonderverbindung zwischen dem Geschädigten und dem Haftpflichtversicherer bei den gesetzlichen Direktansprüchen ex lege hergestellt, sofern bestimmte vom Gesetzgeber normierte Voraussetzungen gegeben sind.64 Prägendes Leitmotiv des Gesetzge-

Fülbier, Vertrags- und Wirtschaftsrecht, S.  160; Maurer, Schuldübernahme, S.  113. Linden Gardens Trust Ltd v. Lenesta Sludge Disposals [1994] 1 A.C. 85, 103; Maurer, Schuldübernahme, S.  113. Allgemein zur novation: Burrows in Chitty on Contracts, Vol. I, Rn.  19-087 ff. 61  Burrows in Chitty on Contracts, Vol. I, Rn.  19-087; Fülbier, Vertrags- und Wirtschaftsrecht, S.  160. 62  Burrows in Chitty on Contracts, Vol. I, Rn.  19-089; Fülbier, Vertrags- und Wirtschaftsrecht, S.  160. 63  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  21-013. 64  Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  109. 59 

60 

I. Begriffsklärung und Darlegung der verschiedenen Arten eines Direktanspruchs 73

bers bei der Anordnung und Ausgestaltung der gesetzlichen Direktansprüche ist dabei länderübergreifend stets der Schutz des geschädigten Dritten.65 Ein in der Erscheinungsform einheitliches Rechtsinstitut „gesetzlicher Direktanspruch“ existiert in den verschiedenen Rechtsordnungen dieser Welt freilich nicht.66 Sowohl hinsichtlich der rechtskonstruktiven Ausgestaltung als auch hinsichtlich des Anwendungsbereichs und der Entstehungsvoraussetzungen des Direktanspruchs sowie im Hinblick auf die für den Versicherer gegen den Direktanspruch verfügbaren Einwendungen zeigt sich in den einzelnen Ländern vielmehr eine „buntschillernde Vielfalt“.67 Während der gesetzliche Direktanspruch rechtskonstruktiv bisweilen unmittelbar aus der Haftpflichtversicherungsforderung hergeleitet wird (z. B. durch Anordnung einer Legalzession), wird er in anderen Ländern beispielsweise durch legislative Anordnung eines Schuldbeitritts des Versicherers zur Schadensersatzforderung begründet.68 In manchen Ländern ist ein gesetzlicher Direktanspruch bei sämtlichen Haftpflichtversicherungen anerkannt, wohingegen dem Geschädigten in anderen Staaten beispielsweise alleine im Bereich von obligatorischen Haftpflichtversicherungen oder gar nur bei der pflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung ein direkter Anspruch zugestanden wird. Mitunter wird ein gesetzlicher Direktanspruch dem Geschädigten voraussetzungslos in jedem Schadensfalle gewährt, während die Entstehung des gesetzlichen Direktanspruchs in anderen Rechtsordnungen an den Eintritt besonderer Bedingungen – exempli causa die Insolvenz des schädigenden Versicherungsnehmers – geknüpft ist.69 Bisweilen ist der Haftpflichtversicherer in weitem Umfang berechtigt, sich der Inanspruchnahme aus dem Direktanspruch unter Berufung auf versicherungsrechtliche Einwendungen zu erwehren, häufig finden sich in den nationalen Rechten aber auch umfangreiche Einwendungsausschlüsse. Die Ursachen für diese heterogenen Erscheinungsformen des gesetzlichen Direktanspruchs liegen zum einen in den Eigenheiten der jeweiligen Rechtsordnungen begründet, denen bestimmte dogmatische Konstruktionen zuweilen als wesensfremd und praktisch ungangbar 65  Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  79; Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  55. 66  Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  48; Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  55; Möller, ZVersWiss 1963, 409, 419, 423; Final Report of the Commission Expert Group, S.  70. 67 So Möller, ZVersWiss 1963, 409, 419. Vgl. auch Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  44, 48; Heidl, VVG-Reform, S.  384; Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  81. 68  Zu den rechtskonstruktiven Gestaltungsmöglichkeiten eines gesetzlichen Direktanspruchs siehe ausführlich unten unter 2. Teil B.IV. 69  Übersicht hierzu unter anderem bei: Möller, ZVersWiss 1963, 409, 418 ff.; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  42 ff.; Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  160 f. Hierzu auch näher unten unter 2. Teil B.V.

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B. Grundlagen des Direktanspruchs

gelten. Zum anderen mögen aber auch die tangierten Interessen der Beteiligten sowie das individuelle Schutzbedürfnis des Geschädigten in den verschiedenen Rechtsordnungen eine unterschiedliche Gewichtung durch den jeweiligen Gesetzgeber erfahren, was sich in der Folge in der divergierenden Ausgestaltung des gesetzlichen Direktanspruchs widerspiegeln kann.

3. Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes In der vorliegenden rechtsvergleichenden Abhandlung soll alleine der gesetzliche Direktanspruch Gegenstand der Erörterung sein. Vor dem Hintergrund der kürzlich sowohl in England als auch in Deutschland durchgeführten Gesetzesreformen,70 welche sich entweder primär oder zumindest peripher mit der Frage befasst haben, inwieweit dem Geschädigten von Gesetzes wegen ein Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer einzuräumen ist, soll im Folgenden untersucht werden, welcher Gesetzgeber im Ergebnis die überzeugendere Lösung gefunden hat. Dabei soll auch überprüft werden, ob möglicherweise Ideen des englischen Rechts in Deutschland fruchtbar gemacht werden können, um die deutschen Vorschriften zum gesetzlichen Direktanspruch im Interesse des Geschädigtenschutzes sinnvoll zu modifizieren.71

II. Gesetzlicher Direktanspruch und „Direktklage“ 1. Ablehnung des Begriffs „action directe“ Bislang wurde in dieser Abhandlung ganz bewusst der Gebrauch des Begriffs „action directe“ vermieden. Dieser ursprünglich dem französischen Recht entstammende Ausdruck erfreut sich zwar auch in Deutschland einer breiten Verwendung, er wird dabei jedoch ganz offensichtlich nicht einheitlich verstanden. Während die Wendung „action directe“ bisweilen synonym für den Begriff des gesetzlichen Direktanspruchs gebraucht wird,72 wird an anderer Stelle eine begriffliche Differenzierung beider Termini angemahnt und die eher prozessuale Konnotation des Terminus „action directe“ hervorgehoben.73 Im römischen 70 

Dazu noch ausführlich im Rahmen der Erörterung der historischen Entwicklung des gesetzlichen Direktanspruchs in Deutschland und England unten unter 2. Teil C. 71  Ausführlich zu den Zielen dieser Abhandlung oben unter 1. Teil B. 72  So z. B. Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  1; Jacobsen in Feyock/Jacobsen/Lemor, §  115 VVG Rn.  1; Mahnke, Anspruch des Drittgeschädigten, S.  30; Mansel, Direktansprüche, S.  2; Möller, DAR 1962, 313, 320. 73  Sieg, ZVersWiss 1965, 357, 358; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  39; Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  13.

II. Gesetzlicher Direktanspruch und „Direktklage“

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Recht beschrieb der Ausdruck „actio“ eine Rechtshandlung, mit welcher der Kläger ein auf Herbeiführung eines bestimmten Rechtszustandes gerichtetes Gerichtsverfahren anstrengte und welcher gleichsam als Reflex ein privatrechtlicher Anspruch angehängt war. Insofern kannte das römische Recht keine klare Differenzierung zwischen dem materiellen Privatrecht auf der einen und dem im Vordergrund stehenden Prozessrecht auf der anderen Seite.74 Vor diesem Hintergrund erscheint die begriffliche Gleichsetzung von „action directe“ und „Direktanspruch“ plausibel. Für das moderne deutsche wie englische Recht, das eine strikte Trennung zwischen materiellem Privatrecht und Prozessrecht kennt,75 ist jedoch Sieg beizupflichten, dem das Wort „action directe“ als allzu nebulös und schillernd erscheint, weil es „ähnlich wie der römisch-rechtliche Begriff der actio nicht genügend den Unterschied zwischen materiellem Anspruch und daraus fließender Klage hervortreten [lässt]“.76 Um Missverständnisse bereits im Ansatz auszuschließen, verzichtet man daher in Deutschland besser gänzlich auf die Verwendung des Begriffs „action directe“.

2. Differenzierung zwischen gesetzlichem Direktanspruch und Direktklage Entsprechend der strikten Trennung zwischen materiellem und formellem Recht ist streng zu differenzieren zwischen dem ein subjektives Recht vermittelnden gesetzlichen Direktanspruch auf der einen sowie der zur Durchsetzung dieses Anspruchs angestrengten Klage auf der anderen Seite. Die prozessuale Möglichkeit, den materiellen Direktanspruch einzuklagen und gegebenenfalls im Vollstreckungsverfahren zwangsweise durchzusetzen, folgt dabei zwingend aus dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch.77 Eine vom Geschädigten zur Durchsetzung seines gesetzlichen Direktanspruchs gegen den Haftpflichtversicherer angestrengte Klage mag man als „Direktklage“ bezeichnen. Dies darf freilich nicht zu der unrichtigen Annahme führen, dass es sich hierbei um eine besondere Klageform mit spezifischen Eigenheiten handeln würde. Vielmehr stellt diese Klage eine gewöhnliche Leistungsklage zur Realisierung eines bestimmten subjektiven Rechts – namentlich des Direktanspruchs gegen den Haftpflichtversicherer – dar.

Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht, §  4 Rn.  6 f. Für das englische Recht: Landbrecht, Teil-Sachentscheidungen und Ökonomie der Streitbeilegung, S.  139. 76  Sieg, ZVersWiss 1965, 357, 358. 77  Saenger in Saenger, ZPO, Einführung, Rn.  3. 74 

75 

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B. Grundlagen des Direktanspruchs

3. Einstufiges oder zweistufiges Vorgehen gegen den Haftpflichtversicherer Man sollte keinesfalls der Fehlvorstellung anheimfallen, dass ein gesetzlicher Direktanspruch und die hieraus resultierende Direktklagemöglichkeit dem Geschädigten stets das Recht zu einem „einstufigen Vorgehen“ gegen den Haftpflichtversicherer vermittelt, bei welchem die vorherige Inanspruchnahme des Schädigers zwecks verbindlicher Feststellung des Schadensersatzanspruchs nicht vonnöten ist. Zwar ist die Ausgestaltung des gesetzlichen Direktanspruchs durchaus dergestalt denkbar, dass sich der Geschädigte zum Zwecke des Schadensausgleichs sogleich an den Haftpflichtversicherer wenden kann, ohne zuvor auf die Feststellung des Schadensersatzanspruchs im Haftpflichtverhältnis angewiesen zu sein.78 In einem etwaigen Direktprozess sind sodann sowohl haftungs- als auch deckungsrechtliche Fragen zu erörtern. Möglich ist aber auch, dass der gesetzliche Direktanspruch in seinen Voraussetzungen unter Anerkennung des prozessualen Trennungsprinzips die vorherige verbindliche Feststellung des Schadensersatzanspruchs gegenüber dem Schädiger vorsieht.79 In diesem Falle muss der Geschädigte im Zweifel zwei aufeinanderfolgende Prozesse führen, um letztlich vom Haftpflichtversicherer einen Ausgleich für seinen Schaden zu erlangen – nämlich zunächst den Haftpflichtprozess gegen den Schädiger und nachfolgend zur Durchsetzung des nunmehr tatbestandlich vorliegenden Direktanspruchs den Direktprozess gegen den Haftpflichtversicherer (zweistufiges Vorgehen). Vor diesem Hintergrund ergibt sich im Übrigen zwangsläufig die Erkenntnis, dass der „gesetzliche Direktanspruch“ nicht notwendigerweise mit dem prozessualen Trennungsprinzip in Widerspruch geraten muss.80 Müßig erscheint an dieser Stelle der Hinweis, dass ein Direktanspruch, der ein einstufiges Vorgehen gegen den Haftpflichtversicherer ermöglicht, aufgrund des regelmäßig reduzierten Zeit-, Kosten- und Arbeitsaufwandes bei seiner Realisierung für den geschädigten Dritten vorteilhafter ist.81 Ob dem Geschädigten der Weg des einstufigen Vorgehens gegen den Versicherer eröffnet werden soll, ist letztlich eine gesetzgeberische Wertentscheidung. Im Folgenden sollen Direktansprüche, bei denen der Geschädigte zur vorherigen Feststellung des 78 

So unter anderem beim gesetzlichen Direktanspruch des deutschen Haftpflichtversicherungsrechts (§  115 VVG); ferner im englischen Recht beim Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 sowie beim Direktanspruch aus dem neuen Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. 79  So beim Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 sowie bislang beim Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930. 80  So auch Büchner, Theorie, S.  79 f. 81  So auch Merkin/Steele, Insurance and the Law of Obligations, S.  272.

III. Zielrichtung und Rechtfertigung des gesetzlichen Direktanspruchs

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Schadensersatzanspruchs im Haftpflichtverhältnis verpflichtet ist, als Direktansprüche im weiteren Sinne bezeichnet werden. Demgegenüber werden Direktansprüche, welche ein einstufiges Vorgehen gegen den Haftpflichtversicherer ermöglichen, nachfolgend auch Direktansprüche im engeren Sinne genannt.

III. Zielrichtung und Rechtfertigung des gesetzlichen Direktanspruchs 1. Allgemeine Zielrichtung und divergierendes Schutzniveau Es fand bereits Erwähnung, dass der gesetzliche Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer eine gewichtige Ausprägung der „Sozialbindung der Haftpflichtversicherung“ darstellt, mithin des Phänomens der Nutzbarmachung der ursprünglich kapitalistischen Haftpflichtversicherung zum Zwecke des Geschädigtenschutzes.82 Die primäre Zielrichtung eines gesetzlichen Direktanspruchs liegt denn auch länderübergreifend im Schutze des geschädigten Dritten.83 Insofern hat bei der Schaffung eines gesetzlichen Direktanspruchs stets der Wunsch des Gesetzgebers Pate gestanden, die wirtschaftliche und rechtliche Stellung des Geschädigten zu verbessern und letztlich dessen Entschädigung für den erlittenen Schaden sicherzustellen.84 Mit dem Haftpflichtversicherer soll dem Geschädigten ein regelmäßig finanzkräftiger sowie verhandlungsbereiter Schuldner gegeben werden, der insbesondere in der Insolvenz des schädigenden Versicherungsnehmers als Garant dafür dient, dass der Geschädigte einen hinreichenden Schadensausgleich erhält.85 Zudem ist mit der Schaffung eines gesetzlichen Direktanspruchs in aller Regel die gesetzgeberische Intention verbunden, dem geschädigten Dritten eine unkomplizierte sowie rasche Abwicklung des Schadensfalles im Direktverhältnis zum Haftpflichtversicherer zu ermöglichen.86 Die geschädigtenschützende Zielrichtung des gesetzli82 

Siehe oben unter 2. Teil A.II.3.b).aa). Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  55; Mansel, Direktansprüche, S.  21 f.; Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  79. 84  Vgl. BT-Drs. IV/2252, S.  11: „(…) um die rechtliche Stellung der Verkehrsopfer zu verbessern (…)“; Jowitt, Hansard (HC) 29 October 1929, Vol. 231, col.  129 f.: „(…) it is proposed by this Bill to confer a direct right in favour of the third party so that the third party may deal directly with the insurance company and that the money which comes into being by reason of the fact that the third party has been injured shall be money allocated to that third party and not taken away from him and utilised for the benefit of other persons“. 85  BT-Drs. 16/3945, S.  88; Franck, Direktanspruch, S.  4 4; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  39. 86  Siehe unter anderem Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  1.3: „The 1930 83 

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B. Grundlagen des Direktanspruchs

chen Direktanspruchs tritt auch im Bereich der gesamteuropäischen Harmonisierungsbestrebungen deutlich zutage, welche sich bislang freilich auf den Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung beschränken. So findet die unionsrechtliche Vorgabe zur Schaffung eines gesetzlichen Direktanspruchs gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer87 ihre Begründung in der mit einem solchen direkten Anspruch einhergehenden „Erleichterung einer effizienten und raschen Regulierung von Schadensfällen“ sowie in der „weitestmöglichen Vermeidung kostenaufwändiger Rechtsverfahren“; allgemein wird dem Direktanspruch in der 6. KH-Richtlinie eine entscheidende Bedeutung für den Opferschutz beigemessen.88 Das in allen Rechtsordnungen bei der Schaffung der Direktansprüche zugrundeliegende Leitmotiv des Geschädigtenschutzes schließt indes nicht aus, dass das Niveau des durch die jeweiligen Direktansprüche vermittelten Geschädigtenschutzes in den einzelnen Ländern divergiert. Inwieweit die wirtschaftliche und rechtliche Stellung des geschädigten Dritten mithilfe eines gesetzlichen Direktanspruchs tatsächlich verbessert und die Schadensabwicklung erleichtert wird, ist eine Frage der konkreten rechtlichen Ausgestaltung des Direktanspruchs. Dem Gesetzgeber stehen insoweit vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten offen, wobei der Weite des Anwendungsbereichs, der Strenge der Anspruchsvoraussetzungen sowie des Umfangs zulässiger (versicherungsrechtlicher) Einwendungen entscheidende Bedeutung für den Grad der Drittbegünstigung zufällt.89 Entscheidend ist zudem, ob dem Geschädigten die Möglichkeit des verfahrensökonomischeren einstufigen Vorgehens gegen den Haftpflichtversicherer eröffnet wird (Direktanspruch im engeren Sinne) oder ob der Geschädigte zunächst den Schadensersatzanspruch im Haftpflichtverhältnis verbindlich feststellen lassen muss (Direktanspruch im weiteren Sinne). Welchen Grad die Begünstigung des Geschädigten durch einen gesetzlichen Direktanspruch erreichen soll, ist eine in hohem Maße rechtspolitische Frage, deren Beantwortung international unterschiedlich ausfällt.

Act [Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930] aims to relieve the third party of the potentially serious delay and expense involved in dealing with such an insured by effecting a statutory transfer“. 87  Vgl. hierzu Art.  18 6. KH-Richtlinie. 88  Erwägungsgrund (30) der 6. KH-Richtlinie: „Das Recht, sich auf den Versicherungsvertrag berufen und seinen Anspruch gegenüber dem Versicherungsunternehmen direkt geltend machen zu können, ist für den Schutz des Opfers eines Kraftfahrzeugunfalls von großer Bedeutung. (…)“. 89  Hierzu näher unten unter 2. Teil B.V.

III. Zielrichtung und Rechtfertigung des gesetzlichen Direktanspruchs

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2. Kritik und Rechtfertigung Das Rechtsinstitut des gesetzlichen Direktanspruchs gegen den Haftpflichtversicherer blieb freilich zunächst von vielfältigen Anfeindungen nicht verschont. Als Ausnahmeerscheinung in den jeweiligen Rechtsordnungen sah sich der gesetzliche Direktanspruch von Beginn an einer Rechtfertigungslast ausgesetzt, der jedenfalls alleine mit dem schlichten Hinweis auf den intendierten Geschädigtenschutz nicht genügt werden konnte. Vor allem in Deutschland wurde die Kritik gegen den Direktanspruch nicht ohne Leidenschaftlichkeit und Vehemenz vorgetragen – und zwar zunächst im Zuge der Umsetzung des Straßburger Übereinkommens aus dem Jahre 1959 und neuerlich bei der Diskussion um die Erweiterung des gesetzlichen Direktanspruchs im Rahmen der VVG-Reform 2008.90 Insbesondere die Versicherungswirtschaft wandte sich gegen den gesetzlichen Direktanspruch.91 Eine vergleichbar scharfe Diskussion findet sich in England nicht, wenngleich sich auch dort kritische Stimmen zum Direktanspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer erhoben.92 Neben Kritikpunkten in rein rechtlicher Hinsicht wurden gegen den Direktanspruch insbesondere Argumente wirtschaftlicher sowie rechtspolitischer Art vorgetragen. Es fällt auf, dass sich Kritik vor allem dann entzündete, wenn der gesetzliche Direktanspruch mit dem prozessualen Trennungsprinzip in Konflikt geriet oder zumindest zu geraten drohte. Dies ist namentlich bei Direktansprüchen im engeren Sinne der Fall, wenn im Prozess gegen den Haftpflichtversicherer sowohl über haftungs- als auch über deckungsrechtliche Fragen zu befinden ist. Im Folgenden sollen überblicksartig sowohl die hauptsächlichen Kritikpunkte am gesetzlichen Direktanspruch als auch die zu seiner Rechtfertigung vorgetragenen Argumente dargelegt und gegebenenfalls kritisch bewertet werden.

90  Vgl. nur Möller, ZVersWiss 1963, 409, 409 ff.; Möller, DAR 1962, 313, 313 ff.; Sievers, VersR 1962, 683, 683 ff., nach dem ein gesetzlicher Direktanspruch die Haftpflichtversicherung „ihres inneren Charakters weitestgehend entkleidet“ (S.  686); Sievers, ZfV 1963, 49, 49 ff.; Rudolph, VersR 1963, 15, 15 ff., nach dem ein gesetzlicher Direktanspruch nur „auf den Trümmern der Haftpflichtversicherung“ (S.  20) denkbar ist. Ausführlicher Überblick über die vorgetragenen Argumente bei Franck, Direktanspruch, S.  53 ff. 91  Vgl. GDV, Stellungnahme zum Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 19. April 2004, Berlin, Juni 2004, S.  71 ff., abrufbar unter: http://www.hzv-uhh.de/fileadmin/Versicherungsrecht/VVG_Reform/GDV_Stellungnahme_ zum_Abschlussbericht.pdf (abgerufen am: 28. Februar 2017; im Folgenden zitiert als: GDV, Stellungnahme zum Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts). 92 Hierzu Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  3.14 ff.

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a) Bedenken gegen einen gesetzlichen Direktanspruch aa) Verfassungsrechtliche Bedenken In Deutschland wurden gegen den gesetzlichen Direktanspruch zuvorderst verfassungsrechtliche Bedenken geäußert.93 Es verstoße schlechthin „gegen unsere Rechtsordnung“, ein privatrechtlich organisiertes Versicherungsunternehmen kraft Gesetzes zu verpflichten, für eine Verbindlichkeit aus einem fremden Schuldverhältnis einstehen zu müssen.94 Bott indes hat überzeugend dargelegt, dass Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit (Art.  12 Abs.  1 GG) bzw. in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art.  2 Abs.  1 GG), die mit der Einführung eines gesetzlichen Direktanspruchs einhergehen können, jedenfalls in dem als Staatszielbestimmung ausgewiesenen Sozialstaatsprinzip nach Art.  20 Abs.  1 GG ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung finden dürften, welches dem Gesetzgeber unter anderem die Gewährleistung eines wirksamen Schutzes von Schädigungsopfern zur Aufgabe macht.95 Sofern der Gesetzgeber zu diesem Zwecke die Einräumung eines gesetzlichen Direktanspruchs für notwendig erachtet, so liegt dies – auch unter Berücksichtigung der damit einhergehenden Eingriffe in die Freiheitsrechte der Versicherer und der in der Folge notwendigen Interessenabwägung – im Bereich des zulässigen legislativen Gestaltungsermessens.96 bb) Verstoß gegen das Trennungsprinzip Jenseits der verfassungsrechtlichen Kritik sah sich der gesetzliche Direktanspruch mit dem Vorwurf der Unvereinbarkeit mit dem sog. Trennungsprinzip97 konfrontiert. Da es sich bei diesem Prinzip um ein unabdingbares Wesensmerkmal der Haftpflichtversicherung handele, sei ein Direktanspruch mit der Natur der Haftpflichtversicherung schlechthin nicht in Einklang zu bringen98 – ein Gedanke, der sich bereits in der einen Direktanspruch noch ablehnenden Gesetzesbegründung zum Pflichtversicherungsgesetz aus dem Jahre 1939 wiederfin-

Hierzu ausführlich Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  107 f. Sievers, ZfV 1963, 49, 50. Verständlich wird diese Kritik vor dem Wissen um die rechtskonstruktive Herleitung des gesetzlichen Direktanspruchs in Deutschland, der sich aus einem gesetzlichen angeordneten Schuldbeitritt des Haftpflichtversicherers zur Schadensersatzforderung des Geschädigten gegen den schädigenden Versicherungsnehmer ergibt (vgl. hierzu ausführlich unten unter 3. Teil A.I.2.). 95  Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  107 f. 96  So auch Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  107. 97  Hierzu: Littbarski in MüKoVVG, Vor §§  100–112 Rn.  102 ff. 98  Möller, DAR 1962, 313, 320; Möller, ZVersWiss 1963, 409, 457 f. Vgl. ferner MüllerStüler, Direktanspruch, S.  53. 93 

94 So

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det (vgl. §  158c Abs.  5 VVG a. F.).99 Die gemeinsame Erörterung von haftungsund deckungsrechtlichen Aspekten in einem Gerichtsverfahren gegen den Haftpflichtversicherer widerspreche zunächst der prozessualen Ausprägung des Trennungsprinzips, wonach die Haftungsfrage im Zweifel in einem Prozess zwischen Geschädigtem und schädigendem Versicherungsnehmer, die Frage der versicherungsvertraglichen Leistungspflicht wiederum in einem Prozess zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer zu klären ist. Zudem stehe zu befürchten, dass es infolge von gesetzlichen Direktansprüchen zu einer verstärkten Reflexwirkung der Haftpflichtversicherung komme und der Grundsatz, dass die Versicherung der Haftung, keinesfalls aber die Haftung der Versicherung folge (materielles Trennungsprinzip), letztlich pervertiert werde.100 Es konnte jedoch bereits gezeigt werden, dass gesetzliche Direktansprüche nicht per se mit dem haftpflichtversicherungsrechtlichen Trennungsprinzip konfligieren, da diese nicht zwangsläufig ein einstufiges Vorgehen gegen den Haftpflichtversicherer mit gemeinsamer Erörterung von haftungs- und deckungsrechtlichen Aspekten ermöglichen, sondern bisweilen die vorherige gesonderte Feststellung des Schadensersatzanspruchs im Haftpflichtverhältnis bedingen.101 Es ist daher nicht zulässig, aus dem Trennungsprinzip schlechthin die Unzulässigkeit „gesetzlicher Direktansprüche“ abzuleiten. Im Übrigen ist es mittlerweile eine anerkannte Faktizität in den untersuchten Rechtsordnungen, dass gewisse Interdependenzen zwischen der Haftung einerseits sowie der Haftpflichtversicherung andererseits bestehen.102 Die Existenz des Versicherungszweiges der Haftpflichtversicherung wurde hierdurch nicht in Frage gestellt, was die fortwährende immense volkswirtschaftliche Bedeutung der Haftpflichtversicherung in beiden Ländern belegt. Dies verdeutlicht, dass die strikte Durchführung der Trennung kein unerlässliches Wesensmerkmal der Haftpflichtversicherung darstellt, sondern im Zweifel hinter anderen Belangen – wie beispielsweise dem Opferschutz – zurückstehen kann.103 Entsinnt man sich letztlich des Ursprungs sowie der originären Begründung des haftpflichtversicherungsrechtlichen Trennungsprinzips, so stellt sich überdies die Erkenntnis 99 

Amtliche Begründung zum Gesetz über die Einführung der Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter und zur Änderung des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen sowie des Gesetzes über den Versicherungsvertrag vom 07. November 1939 (RGBl. I, S.  2223), abgedruckt in DJ 1939, 1771, 1774. 100  Sieg, ZVersWiss 1965, 357, 364 f.; Möller, ZVersWiss 1963, 409, 465; Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  112. Hierzu auch: Franck, Direktanspruch, S.  54; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  66; Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  53. 101  Siehe hierzu ausführlich oben unter 2. Teil B.II.3. 102  Vgl. hierzu unter anderem oben unter 2. Teil A.II.1.b); ferner Franck, Direktanspruch, S.  54 f.; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  64 f. 103  So auch Makowsky, Einfluss von Versicherungsschutz, S.  136.

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ein, dass dieses Prinzip heutzutage ohnehin keine tiefergehende Rechtfertigung mehr besitzt. Der rechtshistorische Ursprung des Trennungsprinzips in Deutschland liegt in der Anfangszeit des Versicherungszweiges der Haftpflichtversicherung.104 Die Anfänge der Haftpflichtversicherung105 in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren geprägt durch eine mehr oder minder feste Verbindung zur Unfallversicherung, was nicht zuletzt dem Umstand geschuldet war, dass Versicherungsunternehmen sehr häufig das Geschäft mit Haftpflicht- und Unfallversicherungen gemeinsam betrieben oder gar kombinierte Haftpflicht- und Unfallversicherungspolicen106 anboten.107 Um jedoch der neuartigen Haftpflichtversicherung eine Daseinsberechtigung in der Versicherungslandschaft zu verschaffen, bedurfte es der Betonung der Eigenständigkeit der Haftpflichtversicherung und somit insbesondere auch der Abgrenzung zur Unfallversicherung zugunsten Dritter. Im Gegensatz zu dieser Form der Unfallversicherung sollte die Haftpflichtversicherung gerade nicht als Versicherung zugunsten Dritter erscheinen. Aus diesem Grunde vermied man jeglichen Anschein einer direkten Beziehung des geschädigten Dritten zum Haftpflichtversicherer sowie zur Haftpflichtversicherungsleistung, was mit einer strikten Trennung des Haftpflicht- und Deckungsverhältnisses einherging.108 Heutzutage hat die Haftpflichtversicherung indes ihren festen Platz in der Versicherungslandschaft gefunden und einer besonderen Betonung des Unterschiedes zur Unfallversicherung bedarf es nicht mehr. Dies gilt umso mehr, weil sich Haftpflicht- und Unfallversicherung – ungeachtet einer etwaigen funktionellen Annäherung – in konzeptioneller Hinsicht klar unterscheiden lassen.109 Von einer Denaturierung der Haftpflichtversicherung bei Anerkennung von gesetzlichen Direktansprüchen kann daher in keinster Weise die Rede sein.

104  Zu restriktiv Felsch, Münsteraner Reihe, Bd.  113, 1, 1 ff., der die Ursprünge des Trennungsprinzip unzutreffenderweise erst in der Rechtsprechung des RG erblickt. 105  Allgemein zur Geschichte der Haftpflichtversicherung: Sieg, Ausstrahlungen, S.  17 ff.; Littbarski in MüKoVVG, Vor §§  100–112 Rn.  3 ff. 106  Vgl. beispielhaft die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Magdeburger Allgemeinen Versicherungs-AG aus dem Jahre 1872, abgedruckt bei Jannott, Vervollkommnung, S.  51 ff. 107  Bar, AcP 181 (1981), 289, 299; vgl. auch Sieg, Ausstrahlungen, S.  42. 108  Sieg, Ausstrahlungen, S.  67; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  26; Franke, LZ 1910, 675, 679. 109  Hierzu eingehend Makowsky, Einfluss von Versicherungsschutz, S.  109 ff.: Während die Haftpflichtversicherung an einen Haftpflichtanspruch anknüpft und somit die Existenz eines Haftungsrechts voraussetzt, ist der Versicherungsfall in der Unfallversicherung alleine vom Vorliegen eines „Unfalls“ abhängig – gänzlich losgelöst von etwaigen zivilrechtlichen Haftungen.

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cc) Fehlende Notwendigkeit für gesetzliche Direktansprüche Bisweilen wurde die Auffassung vertreten, dass es eines gesetzlichen Direktanspruchs des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer – jedenfalls aus Opferschutzgesichtspunkten – gar nicht bedürfe.110 Zur Begründung wurde auf den Umstand verwiesen, dass Haftpflichtversicherer nach einer im Haftpflichtverhältnis erfolgten Feststellung der haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers in aller Regel bereits freiwillig an den Geschädigten leisten und dessen Schaden ersetzen.111 Des Weiteren wurde vorgebracht, dass auch auf gesetzlicher Ebene bereits ausreichende anderweitige Schutzmechanismen zugunsten eines geschädigten Dritten bestehen, welche diesem die Haftpflichtversicherungsleistung zum Zwecke der tatsächlichen Schadenskompensation reservieren.112 Zuzugeben ist sicherlich, dass das deutsche Haftpflichtversicherungsrecht auch jenseits eines gesetzlichen Direktanspruchs einen grundsätzlich vorbildlichen Grad des Geschädigtenschutzes erreicht hat – insbesondere im Bereich der Pflichthaftpflichtversicherung.113 Dessen ungeachtet bringt die Einführung eines Direktanspruchs dem Geschädigten weitergehende Vorteile und gewährleistet dessen Schutz letztlich in „vollkommenerer Weise“.114 Zu nennen ist hier beispielsweise die mit einem Direktanspruch regelmäßig einhergehende beschleunigte Schadensabwicklung. Meint man es mit dem Ziel des umfassenden Geschädigtenschutzes ernst, stellt die grundsätzliche Anerkennung von gesetzlichen Direktansprüchen daher eine logische Konsequenz dar. 110  GDV, Stellungnahme zum Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Ver­ sicherungsvertragsrechts, S.  71, 73; GDV, Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 13. März 2006, Berlin, Mai 2006, S.  4, abrufbar unter: http://www.gesmat.bundesgerichtshof.de/gesetzesmaterialien/16_wp/ versvertrg/stellung_gdv.pdf (abgerufen am: 28. Februar 2017; im Folgenden zitiert als: GDV, Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts). 111  Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  110; Johannsen, r+s 1997, 309, 309; Möller, ZVersWiss 1963, 409, 458. 112  GDV, Stellungnahme zum Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, S.  73, nach dessen Auffassung gar „die Rechtsposition des Dritten einem Direktanspruch bereits stark angenähert“ ist. Wenig zu verwundern vermag die Tatsache, dass dieses Argument in England nicht vorgebracht wird, schließlich ist dem eher liberalen englischen Recht eine so umfassende gesetzliche Zweckbindung der Versicherungsleistung jenseits eines Direktanspruchs fremd. 113  Hierzu bereits oben unter 2. Teil A.II.3.b).bb). Zur Entwicklung der „Sozialbindung der Haftpflichtversicherung“: Sieg, Ausstrahlungen, S.  57 ff.; Bar, AcP 181 (1981), 289, 303 ff. 114 So Fleischmann, FG Prölss, 71, 85; zu den Vorteilen sogleich ausführlich unter 2. Teil B.III.2.b).

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dd) Beeinträchtigung der präventiven Funktion des Haftungsrechts Bedenken gegen den gesetzlichen Direktanspruch wurden auch wegen einer vermeintlichen Unvereinbarkeit mit der Präventivfunktion des Haftungsrechts erhoben.115 Da dem Schädiger infolge der Direktregulierung die Mühen und Kosten der Schadensabwicklung erspart blieben, mindere sich der Anreiz zur Vermeidung von nachlässigem, potentiell schadensträchtigem Verhalten. Durch die Ausklammerung des Schädigers aus der Schadensabwicklung entferne sich jener letztlich sehr weitgehend von dem durch sein Verhalten verursachten Schaden.116 Hinsichtlich dieses Einwandes ist jedoch zunächst zu bedenken, dass die potentielle Beeinträchtigung der präventiven Funktion des Haftungsrechts kein besonderes Phänomen eines gesetzlichen Direktanspruchs darstellt, sondern bereits der Haftpflichtversicherung als solcher immanent ist.117 Wenn die Haftpflichtversicherung ein Individuum vor den wirtschaftlichen Folgen eigener Nachlässigkeiten schützt und dieses von fühlbaren Nachteilen für ein Fehlverhalten befreit, ist ein fehlender Anreiz zu sorgfältigem Verhalten bei bestehendem Haftpflichtversicherungsschutz nicht von der Hand zu weisen – ganz getreu dem Motto: „Don’t worry, I carry insurance.“118 Bekanntermaßen haben die nationalen Gesetzgeber den aufgeworfenen Zielkonflikt zwischen der durch die Haftpflichtversicherung beeinträchtigten Präventivfunktion des Haftungsrechts und der mit der Haftpflichtversicherung verfolgten Kompensationsfunktion zugunsten der Sicherstellung eines möglichst umfassenden Ausgleichs erlittener Schäden entschieden – und somit auch zugunsten der Haftpflichtversicherung.119 Die Präventivfunktion des Haftungsrechts hat folglich keineswegs absoluten Charakter und kann im Interesse der Gewährleistung einer umfassenBott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  110; Franck, Direktanspruch, S.  58 ff.; Sieg, Ausstrahlungen, S.  266; Rudolph, VersR 1963, 15, 19. 116  Vgl. Franck, Direktanspruch, S.  59. 117  Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  110; Wandt, VR, Rn.  1045; Salmond and Heuston on the Law of Torts, S.  27; vgl. hierzu ausführlich Hedderich, Pflichtversicherung, S.  262 ff. 118  Diesen Ausspruch soll ein U.S.-amerikanischer Autofahrer getätigt haben, als man ihn auf seine rasante und achtlose Fahrweise ansprach, vgl. Schulte, Einfluss, S.  66; siehe ferner Wandt, VR, Rn.  1045: „Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass dies mitunter einen Schlendrian befördert, nach dem Motto ‚Das ist zwar gefährlich; aber das macht nichts, ich bin ja versichert‘“. 119  Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der unmittelbar nach Entstehung des Versicherungszweigs der „Haftpflichtversicherung“ erhobenen Forderung nach einem Verbot dieser Versicherungssparte, die im Wesentlichen auf die mit der Haftpflichtversicherung verbundenen „Vereitelung“ der Präventivfunktion des Haftungsrechts gestützt wurde, der Erfolg versagt blieb, vgl. Hedderich, Pflichtversicherung, S.  264 [Fn.  37]; Bar, AcP 181 (1981), 289, 312. 115 

III. Zielrichtung und Rechtfertigung des gesetzlichen Direktanspruchs

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den und effizienten – letztlich ebenfalls dem Geschädigten zugute kommenden – Schadenskompensation durchbrochen werden. Gegen die Einführung eines gesetzlichen, die effiziente Schadensabwicklung begünstigenden Direktanspruchs kann daher schwerlich der Einwand eines nicht zu rechtfertigenden Verstoßes gegen die Präventivfunktion des Haftungsrechts erhoben werden. In diesem Zusammenhang ist außerdem zu berücksichtigen, dass heutzutage auch ohne einen im konkreten Fall einschlägigen Direktanspruch die direkte Schadensabwicklung zwischen Geschädigtem und Versicherer unter Aussparung des Schädigers vielfach gelebte Rechtspraxis ist, ohne dass ein signifikanter Anstieg der Schadenszahlen empirisch nachweisbar wäre. Im Übrigen kann auch von Seiten des Straf- und Verwaltungsrechts sowie durch versicherungsvertragliche Maßnahmen (z. B. Vereinbarung eines Selbstbehalts / Sanktionen bei Obliegenheitsverletzungen) präventiv einer allzu gravierenden Nachlässigkeit des Versicherungsnehmers entgegengewirkt werden.120 ee) Negative Auswirkungen auf die Reputation der Versicherungswirtschaft Ein weiterer Aspekt, der gegen den gesetzlichen Direktanspruch ins Feld geführt wurde, waren dessen vermeintlich negativen Auswirkungen auf die Reputa­tion der Versicherungswirtschaft. Der Umstand, dass Versicherungsunternehmen infolge des Direktanspruchs vermehrt vor Gerichten in Anspruch genommen würden, lasse zunächst eine allgemeine Diskreditierung der Versicherungswirtschaft in der Bevölkerung befürchten.121 Insofern könne leicht der Eindruck entstehen, dass sich Versicherer unter allen Umständen und mit allen erdenklichen Mitteln ihrer versicherungsvertraglich begründeten Leistungspflicht zu entziehen versuchen. Ein juristischer Laie erkenne häufig nicht, dass Versicherer im Rahmen einer Direktklage zumeist die Haftpflicht ihres Versicherungsnehmers bestreiten und eher selten ihre Leistungspflicht aus dem Versicherungsvertrag in Abrede stellen.122 Es sei infolgedessen nicht auszuschließen, dass die Bevölkerung die Zweckmäßigkeit von Versicherungen vermehrt in Frage stelle und ein allgemeiner Rückgang des Versicherungsgeschäfts in sämtlichen Versicherungssparten eintrete. Versicherer könnten sich daher zwecks Vermeidung einer negativen Werbung bemüßigt fühlen, von Geschä120  Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  110; Franck, Direktanspruch, S.  59; Sieg, Ausstrahlungen, S.  266; Wandt, VR, Rn.  1045. 121  Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  111 f.; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  66 ff.; Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  53; Sieg, Ausstrahlungen, S.  266; Möller, ZVersWiss 1963, 409, 464 f.; Post Office v. Norwich Union Fire Insurance Society Ltd [1967] 2 Q.B. 363, 378; Birds’ Modern Insurance Law, S.  389. 122  Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  67 f.; Möller, ZVersWiss 1963, 409, 464.

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digten erhobene und gegebenenfalls auch unbegründete Ansprüche großzügig zu erfüllen.123 Es darf jedoch bezweifelt werden, dass dieses von den Kritikern des Direktanspruchs entworfene Szenario zutreffend ist. Diesem liegt ersichtlich die fälschliche Annahme zugrunde, dass der Umstand stattfindender Direktprozesse stets einer breiten Öffentlichkeit zur Kenntnis gelangt. Mit Ausnahme einiger weniger spektakulärer, das mediale Interesse erweckender Haftungsfälle dürften etwaige Direktklagen indes kaum nennenswerte Beachtung finden oder gar in das Bewusstsein einer größeren Öffentlichkeit dringen. Die tägliche Gerichts­ praxis lehrt, dass Zivilprozesse trotz des vorherrschenden Grundsatzes der Verfahrensöffentlichkeit124 selten eine große Zahl von unbeteiligten Prozessbe­ obachtern auf den Plan rufen. ff) Erhöhung der Haftpflichtversicherungsprämien Gegen gesetzliche Direktansprüche wurde ferner eingewandt, dass sie zwangsläufig zu einer Erhöhung der Haftpflichtversicherungsprämien führen.125 Es stehe daher zu befürchten, dass sich zahlreiche Personen Haftpflichtversicherungsschutz schlicht nicht mehr leisten können. Bei freiberuflich Tätigen, die einer Haftpflichtversicherungspflicht unterliegen, müsse gar mit Berufsaufgaben gerechnet werden, wenn die gestiegenen Versicherungsprämien zur Unrentabilität der Geschäfte führen.126 Als Ursache einer Prämienerhöhung wurde zum einen ein erhöhter Schadenaufwand ins Feld geführt, der mit der Gewährung eines Direktanspruchs verknüpft sei.127 Daneben wurde auf eine Steigerung des VerMöller, ZVersWiss 1963, 409, 458. In Deutschland: §  169 GVG; in England: r. 39.2 (1) CPR. 125  GDV, Stellungnahme zum Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, S.  71, 73 f.; GDV, Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, S.  45; Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  112; Vogt, Direktansprüche, S.  124; Möller, ZVersWiss 1963, 409, 465; Thalmair, ZVersWiss Supplement 2006, 459, 466; vgl. auch Rintelen, r+s 2010, 133, 133. 126  Kernpunkte des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zur Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) – für die Anhörung im Rechtsausschuss am 28. März 2007, S.  21, abrufbar unter: http://www.hzv-uhh.de/fileadmin/Versicherungs recht/VVG_Reform/Stellungnahme_Wehling.pdf (abgerufen am: 28. Februar 2017; im Folgenden zitiert als: Kernpunkte des GDV zur Reform des VVG). Heidl, VVG-Reform, S.  364 weist zudem auf die Möglichkeit hin, dass sich auch Versicherungsunternehmen aufgrund „Unrentabilität der Versicherungsprodukte infolge Prämienverteuerung“ aus dem Markt zurückziehen könnten. 127  Dieser erhöhte Schadenaufwand ergebe sich z. B. aus den zu erwartenden haftungsbegründenden bzw. haftungserhöhenden Reflexwirkungen der Haftpflichtversicherung auf die Haftung oder auch aufgrund gesteigerter Begehrlichkeiten der Geschädigten im Zusammen123 

124 

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waltungsaufwands im Zusammenhang mit der Regulierung von Direktansprüchen hingewiesen.128 Der gegen gesetzliche Direktansprüche erhobene Einwand der Prämienerhöhung ist jedoch insgesamt wenig stichhaltig. Es ist bereits mehr als fraglich, ob es infolge eines Direktanspruchs tatsächlich zu einem signifikanten finanziellen Mehraufwand bei den Haftpflichtversicherern kommt, der eine Prämienerhöhung erfordert. Die bloße Einräumung eines gesetzlichen Direktanspruchs hat nämlich zunächst rein rechtlich weder Auswirkungen auf das Bestehen des Schadensersatzanspruchs noch auf das Bestehen des Versicherungsanspruchs. Sofern und solange sich der Haftpflichtversicherer gegen den gesetzlichen Direktanspruch mit sämtlichen schadens- sowie versicherungsrechtlichen Einwendungen verteidigen darf, wird seine wirtschaftliche Position durch den Direktanspruch in keiner Weise nachteilig verändert.129 Eine wirtschaftliche Belastung des Versicherers tritt erst durch etwaige Einwendungsausschlüsse ein, die jedoch nicht zwingend nur bei gesetzlichen Direktansprüchen eingreifen. Als bestes Beispiel fungiert insoweit das deutsche Recht, wo der Ausschluss versicherungsrechtlicher Einwendungen (vgl. §§  114 Abs.  2 S.  2, 117 VVG) gerade nicht an die tatbestandliche Einschlägigkeit des Direktanspruchs iSd §  115 VVG geknüpft ist, sondern dem Geschädigten beispielsweise auch im Rahmen einer Drittschuldnerklage nach Pfändung und Überweisung des Versicherungsanspruchs zugute kommt.130 Zu konstatieren ist daher, dass jedenfalls die bloße Einräumung eines gesetzlichen Direktanspruchs grundsätzlich keinen erhöhten finanziellen Aufwand für die Haftpflichtversicherer begründet, der eine Prämiensteigerung gebietet. Doch selbst wenn mit der Einführung des Direktanspruchs ein höherer Aufwand für die Versicherungsunternehmen einherginge, der mittels Prämienerhöhung auf die Versichertengemeinschaft umgelegt würde, spricht dies nicht generell gegen die Zulässigkeit von gesetzlichen Direktansprüchen. Für den einzelnen Versicherungsnehmer dürfte sich der Prämienanstieg eher moderat spiel mit einer verringerten Hemmschwelle zur Klage gegenüber einem „unpersönlichen“ Versicherungsunternehmen, vgl. Möller, ZVersWiss 1963, 409, 464 f. 128  Z. B. weil es künftig zur Eruierung des Sachverhalts einer Nachfrage beim Versicherungsnehmer bedarf, während früher eine Stellungnahme des Versicherungsnehmers mit der Schadenmeldung verknüpft war, vgl. GDV, Stellungnahme zum Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, S.  72 f. 129  Beckmann in Bruck/Möller, §  115 Rn.  2; Vogt, Direktansprüche, S.  124 f. Der von den Kritikern vorgebrachte gestiegene Verwaltungsaufwand dürfte keine nennenswerte Größe darstellen, gleiches gilt für etwaige Reflexwirkungen der Haftpflichtversicherung oder vermeintlich größere Begehrlichkeiten des Geschädigten. 130  Vgl. BT-Drs. 16/6627, S.  7; Schneider in MüKoVVG, §  117 Rn.  8.

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ausnehmen und in der Regel keine wirtschaftlichen Engpässe bewirken.131 Insofern ist es jedenfalls nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber das Interesse der Geschädigten mit ihren individuellen Einzelschicksalen für schutzwürdiger erachtet als das allenfalls geringfügig tangierte Interesse der einzelnen Versicherungsnehmer einer großen Versichertengemeinschaft. gg) Gefährdung der Interessen des Versicherungsnehmers Ein weiterer Kritikpunkt lag darin, dass die Existenz eines gesetzlichen Direktanspruchs zu einem „Kontrollverlust des Versicherungsnehmers“132 im Hinblick auf die Schadensabwicklung führe und daher mit dessen berechtigten Interessen kollidieren könne. So dürfe sich der Geschädigte aufgrund des Direktanspruchs stets und in jedem Falle unmittelbar an den Haftpflichtversicherer wenden, ohne dass der Schädiger beteiligt werden müsse. In gewissen Fallkonstellationen habe der Schädiger jedoch ein schutzwürdiges Interesse daran, den Schadensfall in eigener Verantwortung ohne Hinzuziehung des Haftpflichtversicherers abzuwickeln – beispielsweise um den Verlust eines Schadensfreiheitsrabattes zu vermeiden oder auch um einer Kündigung bei einem ohnehin bereits schadensauffälligen Versicherungsvertrag zu entgehen.133 Die Möglichkeit der Selbstregulierung des Schadensfalles werde dem schädigenden Versicherungsnehmer durch einen primären gesetzlichen Direktanspruch jedoch genommen, schließlich wohne diesem Anspruch zwangsläufig die Gefahr der voreiligen Einschaltung des Haftpflichtversicherers inne.134 Darüber hinaus bestünde die Gefahr, dass sich der Haftpflichtversicherer im Rahmen der Direktregulierung mit dem Geschädigten in Widerspruch zu den wohlverstandenen Interessen seines Versicherungsnehmers setze.135 Beispielsweise könne der Versicherer geneigt sein, zur Abwehr des Direktanspruchs – anstatt eine Schadensersatzhaftung seines Versicherungsnehmers in Abrede zu stellen – gar ein vorsätzliches, die versicherungsvertragliche Leistungspflicht ausschließendes Verhalten seines Versicherungsnehmers zu behaupten.136 Möglicherweise anerkenne der Versicherer auch ein wenig vorschnell einen geringen, jedoch unbegründeten Schadensersatzanspruch, um teure Prozess-, VerSo auch Franck, Direktanspruch, S.  60. Franck, Direktanspruch, S.  57. 133  Franck, Direktanspruch, S.  57; Heidl, VVG-Reform, S.  369 ff.; für das englische Recht: Law Commission, Law Com No.  152 (1998), Rn.  12.7. 134  Kernpunkte des GDV zur Reform des VVG, S.  21 f.; Heidl, VVG-Reform, S.  371. 135  Franck, Direktanspruch, S.  57. 136  Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  3.16; vgl. auch Franck, Direktanspruch, S.  48 f. 131 

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waltungs- oder andere Schadensregulierungskosten zu vermeiden.137 Für den schädigenden Versicherungsnehmer werde dies dann gefährlich, wenn der potentielle Schaden die Haftpflichtversicherungssumme übersteige und der Schädiger daher mit einer weitergehenden Inanspruchnahme durch den Geschädigten rechnen müsse oder wenn eine Regressforderung des Haftpflichtversicherers im Raum stehe. In diesen Fällen drohe dem Versicherungsnehmer unter Umständen eine negative präjudizielle Wirkung der Regulierungsentscheidung des Versicherers.138 Insofern ist allerdings zunächst zu vergegenwärtigen, dass der Haftpflichtversicherer aufgrund des im Innenverhältnis bestehenden Versicherungsvertrages zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen seines Versicherungsnehmers verpflichtet ist. Dies ist im Rahmen der gewöhnlichen Abwehrdeckung allgemein anerkannt,139 dürfte jedoch in Anbetracht einer vergleichbaren Interessenlage auch im Falle der Inanspruchnahme des Versicherers aus dem gesetzlichen Direktanspruch gelten. Bei Missachtung der berechtigten Interessen des Versicherungsnehmers kann sich der Versicherer daher gegebenenfalls schadensersatzpflichtig machen.140 Überdies ist der Versicherungsnehmer weder in Deutschland noch in England zwangsläufig an die Regulierungsentscheidung seines Haftpflichtversicherers gebunden.141 Unter Berücksichtigung dessen stehen berechtigte Interessen des Versicherungsnehmers einem gesetzlichen Direktanspruch nicht entgegen. hh) Informationsdefizit beim Haftpflichtversicherer Durch die Ausschaltung des Versicherungsnehmers aus der Schadensabwicklung sahen Kritiker des gesetzlichen Direktanspruchs überdies auch berechtigte Belange des Haftpflichtversicherers gefährdet. Für den Haftpflichtversicherer bestehe das Risiko, im Rahmen des Direktprozesses in Ermangelung ausreichender Kenntnisse über den haftungsrelevanten Sachverhalt keiner adäquaten Verteidigung fähig zu sein. Um dem Vortrag des Geschädigten substantiiert Vogt, Direktansprüche, S.  112 f. Vogt, Direktansprüche, S.  113. 139  Für das deutsche Recht: Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  131a; für das englische Recht: MacGillivray on Insurance Law, Rn.  30-050; Clarke, Insurance Contracts, Rn.  17-4E4, S.  536 ff.; Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  648. Vgl. hierzu bereits oben unter 2. Teil A.I.4.a). 140  Für das deutsche Recht: Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  131a; für das englische Recht: MacGillivray on Insurance Law, Rn.  30-050; Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  648. 141  Vgl. Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  3.21; Franck, Direktanspruch, S.  57. 137 

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B. Grundlagen des Direktanspruchs

begegnen zu können, sei der Versicherer regelmäßig auf Informationen seines Versicherungsnehmers angewiesen. Dies gelte umso mehr, wenn ein Schaden aufgrund eines lange zurückliegenden Fehlverhaltens geltend gemacht werde oder wenn ein technisch komplexer und überaus anspruchsvoller Sachverhalt im Raum stehe, der vertiefte Kenntnisse eines vom schädigenden Versicherungsnehmer angewandten Produktionsverfahrens erfordere.142 Eine etwaig erforderliche zusätzliche Korrespondenz des Versicherers mit dem schädigenden Versicherungsnehmer zur Eruierung des Sachverhalts laufe wiederum der mit dem Direktanspruch grundsätzlich intendierten Beschleunigung des Verfahrens zuwider und sei im Übrigen auch nicht immer erfolgreich.143 Insofern erweise sich als problematisch, dass das Aufklärungsinteresse des aus der Regulierung entfernten schädigenden Versicherungsnehmers regelmäßig erlahme.144 ii) Prozessuale Bedenken Gegen einen gesetzlichen Direktanspruch erhoben sich letztlich Bedenken aus prozessualen Gesichtspunkten. In Deutschland erregte zunächst Anstoß, dass dem schädigenden Versicherungsnehmer in einem etwaigen Direktprozess keine Parteirolle zufalle und er mithin bei der Klärung der Haftungsfrage als Zeuge auftreten könne.145 Eine gewisse Ambivalenz dieses Kritikpunktes zeigt sich freilich darin, dass aus der potentiellen Zeugenstellung des Schädigers bisweilen eine Gefahr für den Haftpflichtversicherer, zuweilen aber auch eine Gefährdung der Rechtsstellung des Geschädigten abgeleitet wurde. Während auf der einen Seite Betonung fand, der mit dem Verlust der Beklagtenstellung regelmäßig schwindende Selbstverteidigungswille des Schädigers leiste in Kombination mit seiner Zeugenstellung einer Kollusionsgefahr zulasten des Haftpflichtversicherers Vorschub,146 wurde auf der anderen Seite die Befürchtung geäußert, dass der Schädiger – dessen Sachdarstellung wegen des ihm möglicherweise drohenden Regresses durch den Versicherer nicht selten von den objektiven Umständen abweiche – aufgrund der formalen Zeugenstellung eine höhere Glaubwürdigkeit genieße, was sich im Endeffekt negativ auf die Beweissituati142  GDV, Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, S.  54; vgl. auch Heidl, VVG-Reform, S.  368. 143  Heidl, VVG-Reform, S.  374. 144  Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  109; Vogt, Direktansprüche, S.  115 f. 145  Vgl. Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  109; Rudolph, VersR 1963, 15, 19. Allgemein hierzu Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  57 ff. 146 So Möller, ZVersWiss 1963, 409, 465; Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  53; ähnlich GDV, Stellungnahme zum Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, S.  74 f. unter Betonung des schwindenden Selbstverteidigungswillens des Schädigers. Zur Kollusionsgefahr allgemein Franck, Direktanspruch, S.  60 f.

III. Zielrichtung und Rechtfertigung des gesetzlichen Direktanspruchs

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on des Geschädigten auswirke.147 Jedenfalls werde dem Gericht durch die Zeugenstellung des Schädigers die Wahrheitsfindung unnötigerweise erschwert.148 Es hieße allerdings die Richter zu unterschätzen, wollte man ihnen nicht die Fähigkeit zusprechen, die Glaubwürdigkeit des schädigenden Versicherungsnehmers sowie die Glaubhaftigkeit seiner Aussage im Rahmen der umfassenden Beweiswürdigung unabhängig von seiner Rolle im Prozess adäquat zu bewerten.149 Der Umstand der potentiellen Zeugeneigenschaft des schädigenden Versicherungsnehmers im Direktprozess dürfte daher letzten Endes neutral zu bewerten sein, so dass hieraus nichts gegen die Zulässigkeit eines gesetzlichen Direktanspruchs herzuleiten ist.150 Im englischen Zivilprozessrecht wiederum erscheint dies als Selbstverständlichkeit, schließlich handelt es sich bei Parteiaussage und Zeugenvernehmung nach allgemeiner englischer Rechtsauffassung um voll- und gleichwertige Beweismittel.151 Die einer Parteivernehmung von Seiten des deutschen Zivilprozessrechts entgegengebrachte Skepsis, die sich insbesondere in deren grundsätzlicher Subsidiarität widerspiegelt,152 ist dem englischen Recht mithin fremd. Insofern ist es seit jeher englische Gerichtspraxis, alleine die Aussage einer Person ohne Rücksicht auf ihre prozessuale Rolle zu bewerten. Es darf daher den englischen Richtern im besonderen Maße das Vertrauen entgegengebracht werden, dass sie die Ausführungen des schädigenden Versicherungsnehmers unabhängig von seiner konkreten Prozessrolle angemessen einzuschätzen wissen. Im Übrigen bleibt zu berücksichtigen, dass derartige Erwägungen ohnehin alleine beim Direktanspruch im engeren Sinne Relevanz erlangen und keinesfalls dem „gesetzlichen Direktanspruch“ schlechthin entgegenstehen können. Als weiteres Argument gegen einen gesetzlichen Direktanspruch wurde vorgebracht, dass mit diesem faktisch eine Vermehrung und Verkomplizierung von Rudolph, VersR 1963, 15, 19. Rudolph, VersR 1963, 15, 19. 149  Vgl. insoweit auch BGH, NJW 1975, 1276, 1277: „Dass der Versicherungsnehmer in dem Prozess zwischen dem Haftpflichtgläubiger und dem Versicherer als Zeuge über die Haftpflichtfrage vernommen werden kann, rechtfertigt für sich allein die Aufrechterhaltung des Trennungsprinzips (…) nicht. (…). Die Möglichkeit der richterlichen Beweiswürdigung erscheint in den Betracht kommenden Fällen als genügender Ausgleich. Es ist nicht ersichtlich, dass sonstige schutzwürdige Belange beeinträchtigt werden könnten (…)“. 150  So auch Baumann, VersR 2010, 984, 988 f. sowie Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  60 f., der in dem Ausscheiden des Versicherungsnehmers aus der Parteirolle gar eine Verbesserung der Rechtslage des Versicherers erblickt (Wegfall der Möglichkeit des Schädigers, im Haftpflichtprozess vom Geschädigten vorgetragene Tatsachen nach §  288 ZPO mit bindender Wirkung zuzugestehen). 151  Vgl. Schmidt, Beweis des Versicherungsfalls, S.  25 f. 152 Hierzu Pukall in Saenger, ZPO, Vor §§  4 45–455 Rn.  1. 147 So 148 

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B. Grundlagen des Direktanspruchs

Prozessen einhergehe – was zugleich in diametralem Gegensatz zur mit einem Direktanspruch ursprünglich intendierten Steigerung der Prozessökonomie stehe.153 Zum einen bliebe zu bedenken, dass der Geschädigte den Direktanspruch nur bei Kenntnis der Identität des Haftpflichtversicherers geltend machen könne. Mithin sei künftig mit einer steigenden Anzahl von Auskunftsklagen gegen den schädigenden Versicherungsnehmer oder gegen andere Auskunftspersonen zu rechnen.154 Zum anderen sei nicht zuletzt auch deshalb ein massiver Anstieg der Prozesszahlen zu erwarten, weil ein Direktanspruch gegen einen solventen Haftpflichtversicherer vermehrt Begehrlichkeiten der Geschädigten wecke. Sehr wahrscheinlich würden Geschädigte gegen Haftpflichtversicherer Ansprüche erheben und einklagen, von deren Geltendmachung sie gegenüber dem Schädiger mangels hinreichender Befriedigungsaussichten Abstand genommen hätten.155 Ferner gestalte sich ein Rechtsstreit im Falle der gemeinsamen Erörterung von haftungs- und deckungsrechtlichen Aspekten als unübersichtlich, was der Prozessökonomie ebenfalls wenig zuträglich sei.156 Verwandt mit letztgenanntem Einwand ist das aus der Rechtslehre stammende Argument, dass infolge der Konzentration haftungs- und deckungsrechtlicher Fragestellungen vor ein- und demselben gerichtlichen Spruchkörper zwangsläufig zumindest teilweise die spezielle Sachkunde etwaiger bei den Gerichten bestehender Spezialkammern für Versicherungssachen respektive für bestimmte Haftungsangelegenheiten verloren gehe.157 Hier schwingt erkennbar die Sorge um die Qualität der gerichtlichen Entscheidung bzw. die Angst vor einer zeitlichen Verzögerung bei der Klärung von Spezialfragen durch nicht spezialisierte Kammern mit. Zugleich ist ein derartiges Argument erneut Ausdruck erheblichen, jedoch kaum nachvollziehbaren Misstrauens gegenüber juristisch vollumfänglich geschulten Richtern.

Möller, ZVersWiss 1963, 409, 458 f. Vgl. GDV, Stellungnahme zum Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, S.  73. 155  Johannsen, r+s 1997, 309, 309; Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  112; Vogt, Direktansprüche, S.  124, der überdies darauf hinweist, dass die „Hemmschwelle“ zu einer Klage gegen eine „unpersönliche“ Versicherungsgesellschaft in der Regel geringer ist. Dem ist freilich entgegenzuhalten, dass es ganz allgemein wünschenswert ist, wenn begründete Ansprüche letztlich auch tatsächlich realisiert werden. Zudem ist jedenfalls in Deutschland vor dem Hintergrund der umfassenden Drittwidmung der Versicherungsleistung nicht davon auszugehen, dass sich ein Geschädigter wegen mangelnder Solvenz des Schädigers von der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs abhalten lassen würde, schließlich kann er stets auf die Möglichkeit des Vollstreckungszugriffs auf die Versicherungsleistung bauen. 156  Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  110. 157  Langheid, VersR 2009, 1043, 1045; Baumann, VersR 2010, 984, 989. 153 

154 

III. Zielrichtung und Rechtfertigung des gesetzlichen Direktanspruchs

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In England wiederum wurde letztlich auf eine potentielle Erhöhung der Prozesskosten hingewiesen, die durch eine gemeinsame Erörterung haftungs- sowie deckungsrechtlicher Aspekte in einem Verfahren drohe. Insofern bestünde nämlich die Gefahr, dass die Prozessparteien komplexe Rechtsfragen entweder aus dem Haftpflichtverhältnis oder aus dem Deckungsverhältnis umfassend diskutieren, obgleich ein Anspruch aufgrund eindeutiger Einwendungen aus dem jeweils anderen Rechtsverhältnis ersichtlich nicht gegeben ist. Hiermit gehe eine signifikante, jedoch vor allem unnötige Erhöhung der sich regelmäßig nach individuellen Stundensätzen bemessenden Anwaltskosten einher.158 b) Rechtfertigende Argumente für einen gesetzlichen Direktanspruch Die Analyse der gegen einen gesetzlichen Direktanspruch vorgebrachten Bedenken hat vielfach eine mangelnde Stichhaltigkeit in der Argumentation zu Tage gefördert. Jedenfalls hat sich im Rahmen der Auseinandersetzung mit den Einwänden kein evidenter, nicht zu rechtfertigender Verstoß des gesetzlichen Direktanspruchs gegen unabdingbare Rechtsgrundsätze gezeigt, welcher jeder weitergehenden Diskussion schlechthin die Grundlage entzogen hätte. Die rechtspolitisch sowohl in Deutschland als auch in England getroffene Entscheidung zugunsten eines gesetzlichen Direktanspruchs bliebe jedoch zugegebenermaßen zumindest zweifelhaft, wenn es zu deren Begründung bei der bloßen Leerformel des „Geschädigtenschutzes“ verbliebe. Das hehre Ziel des Geschädigtenschutzes muss in der Rechtswirklichkeit vielmehr faktische Umsetzung finden. Es würde das Rechtsinstitut des gesetzlichen Direktanspruchs im Übrigen zusätzlich stärken, wenn mit diesem weitere positive – nicht allein geschädigtenschützende – Effekte verbunden wären. Vor diesem Hintergrund gilt es nunmehr, etwaige Vorteile des gesetzlichen Direktanspruchs zu eruieren. aa) Stärkung der wirtschaftlichen und rechtlichen Stellung des Geschädigten Mit der Einräumung eines gesetzlichen Direktanspruchs geht zunächst eine Stärkung der wirtschaftlichen und rechtlichen Stellung des Geschädigten einher. Mit dem Versicherungsunternehmen erhält der geschädigte Dritte einen (zusätzlichen) Schuldner, der im Wesentlichen verhandlungs- und zahlungsfähig sowie im Übrigen weitestgehend insolvenzsicher ist.159 Dem Geschädigten wird hierdurch die Erlangung eines vollständigen Schadensausgleichs erhebLaw Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  3.14. Franck, Direktanspruch, S.  44; Heidl, VVG-Reform, S.  360; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  39; VVG-Kommission, Abschlussbericht, S.  82; Abram, VP 2008, 77, 78. 158  159 

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B. Grundlagen des Direktanspruchs

lich erleichtert, wenn nicht sogar „garantiert“.160 Ein gesetzlicher Direktanspruch ist daher ein bedeutsamer wirtschaftlicher Trumpf in den Händen des Geschädigten. Die wirtschaftliche Bedeutung eines gesetzlichen Direktanspruchs ist freilich in England ungleich größer als in Deutschland. Denn während der Geschädigte in Deutschland aufgrund einer umfassenden gesetzlichen „Drittwidmung der Haftpflichtversicherung“ auch jenseits eines Direktanspruchs darauf hoffen darf, zum Zwecke der Schadenskompensation von der Versicherungsleistung zu profitieren – und der Direktanspruch quasi als konsequente und verstärkende Fortführung dieser Entwicklung begriffen werden kann –161, ist der gesetzliche Direktanspruch in England für einen Geschädigten vor allem in der Insolvenz des Schädigers oftmals der einzige Garant dafür, letztlich einen Ausgleich für den erlittenen Schaden zu erlangen. Als subjektives Recht vermittelt der gesetzliche Direktanspruch dem Geschädigten zugleich eine entsprechende Klagebefugnis, so dass die wirtschaftliche Begünstigung auch zwangsweise realisierbar ist. bb) Beschleunigung der Schadensabwicklung und Steigerung der Prozessökonomie Mit einem gesetzlichen Direktanspruch geht regelmäßig auch eine beschleunigte und effizientere Schadensabwicklung einher.162 Besonders deutlich zeigen sich die Beschleunigungseffekte bei einem Direktanspruch, der ein einstufiges Vorgehen gegen den Haftpflichtversicherer ermöglicht. Anders als bei der Abwicklung im Dreiecksverhältnis „Geschädigter – schädigender Versicherungsnehmer – Haftpflichtversicherer“, wo es im Zweifel zweier Prozesse bedarf, werden dort sämtliche relevanten Aspekte verfahrensökonomisch unmittelbar zwischen Geschädigtem und Versicherer geklärt. Sollte eine gütliche Einigung nicht erzielt werden können, bedarf es sodann nur eines einzigen Prozesses, in welchem sowohl Haftungs- als auch Deckungsfragen geklärt werden.163 Da auch Prozesskosten allenfalls für ein Verfahren anfallen, folgt hieraus zudem eine Kostenreduktion.164 Beschleunigend auf die Abwicklung des Schadensfalles dürfte sich ferner auswirken, dass die Schadensregulierung das übliche „Tagesgeschäft“ der Haftpflichtversicherungsunternehmen darstellt und die Versicherer in der Regel die zur sachgemäßen und vor allem raschen Schadensabwicklung erforderlichen Franck, Direktanspruch, S.  44; BT-Drs. 16/3945, S.  88. Franck, Direktanspruch, S.  44 f. 162  Law Commission, Law Com No.  152 (1998), Rn.  12.11; Franck, Direktanspruch, S.  46. 163  Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  111; Heidl, VVG-Reform, S.  359. 164  Vgl. auch Law Commission, Law Com No.  152 (1998), Rn.  12.11. 160 

161 Ähnlich

III. Zielrichtung und Rechtfertigung des gesetzlichen Direktanspruchs

95

Sach- und Personalressourcen mit den notwendigen Kenntnissen vorhalten.165 Die direkte Schadensabwicklung zwischen Geschädigtem und Versicherer ohne Beteiligung des Schädigers führt des Weiteren zu einer „Entemotionalisierung“ des Verfahrens. Auch dies dürfte letztlich zu einer schnelleren Schadensabwicklung beitragen, da die Verhandlungen über den Schadensausgleich nicht mehr durch etwaige persönliche – durch das Schädigungsereignis hervorgerufene – Differenzen zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger belastet werden.166 Profiteur einer beschleunigten Schadensabwicklung ist in erster Linie der Geschädigte, der rascher einen Ersatz für die erlittenen Schäden erhält. Hierdurch werden die mit einer Schädigung verbundenen Unannehmlichkeiten zumindest in zeitlicher Hinsicht auf ein erträglicheres Maß reduziert. Daneben gereicht die effizientere und raschere Abwicklung des Schadensfalles aber auch den Versicherungsunternehmen zum Vorteil. Die Abwicklung eines Schadens „übers Eck“ mit gegebenenfalls zwei Prozessen verursacht – da die Haftpflichtversicherer regelmäßig bereits im Haftungsprozess als Regulierungsvertreter auftreten – einen gesteigerten Zeit- und Verwaltungsaufwand für die Versicherer. Eine Direktregulierung verhindert demgegenüber, dass Versicherer über einen längeren Zeitraum mit einem Schadensfall „belästigt“ und dabei wertvolle Sach- und Personalressourcen gebunden werden. Zu guter Letzt profitiert – jedenfalls beim Direktanspruch im engeren Sinne – auch die staatliche Rechtspflege von der effizienteren und beschleunigten Schadensabwicklung, da eine konzentrierte Verhandlung der streitigen Aspekte in einem Prozess gerichtliche Ressourcen in geringerem Umfang in Anspruch nimmt. cc) Kodifizierung der Lebenswirklichkeit Die Einführung eines gesetzlichen Direktanspruchs trägt überdies dem Umstand Rechnung, dass bereits seit jeher das wirtschaftliche Interesse am Ausgang eines Schadensersatzprozesses weniger beim schädigenden Versicherungsnehmer als vielmehr beim Haftpflichtversicherer lag, den de facto die wirtschaftliche Letztverantwortung für einen Schadensfall traf. Angesichts dieses originären Interesses der Versicherer an der Klärung der Haftung entsprach es sowohl in Deutschland als auch in England gängiger Praxis, dass sich die Haftpflichtversicherer eine umfassende Regulierungsvollmacht und somit sehr weitgehend die Herrschaft über den Schadensersatzprozess sowie über vorherige außergerichtliche Schadensverhandlungen einräumen ließen.167 Insoweit fielen zumeist die Person des rechtlichen sowie die Person des „wirtschaftFranck, Direktanspruch, S.  46. Franck, Direktanspruch, S.  46; Vogt, Direktansprüche, S.  125. 167  Für das deutsche Recht: Wandt, VR, Rn.  1077; Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, 165 

166 

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B. Grundlagen des Direktanspruchs

lichen“ – faktisch mit der Anspruchsabwehr befassten – Anspruchsgegners auseinander.168 Wenn der Direktanspruch nunmehr rechtlich eine Passivlegitimation des Haftpflichtversicherers begründet, gleicht er erfreulicherweise die Rechtslage an die bisherige faktische Regulierungspraxis an169 und sorgt im Übrigen für Transparenz hinsichtlich der zugrundeliegenden wirtschaftlichen Interessenlage. dd) Vorteile für den schädigenden Versicherungsnehmer Bei Existenz eines gesetzlichen Direktanspruchs (im engeren Sinne) findet die Schadensabwicklung in der Regel ausschließlich zwischen dem Geschädigten und dem Haftpflichtversicherer statt,170 was den Schädiger von den Mühen der Schadensregulierung befreit. Ein gesetzlicher Direktanspruch erweist sich somit auch für den schädigenden Versicherungsnehmer als vorteilhaft. Dem ­Befund der Vorteilhaftigkeit eines gesetzlichen Direktanspruchs für den Versicherungsnehmer steht dabei nicht entgegen, dass es auch ohne einen Direktanspruch aufgrund der regelmäßig umfassenden Regulierungsvollmacht des Versicherers oftmals zu einer Direktregulierung zwischen dem Geschädigten und dem Haftpflichtversicherer kommt. Denn während dem Schädiger in diesem Falle zumindest formal die Parteirolle zufällt, muss er sich bei einer prozessualen Geltendmachung des Direktanspruchs allenfalls noch peripher als Zeuge mit dem Schadensfall befassen. Hierin liegt auch in rechtspsychologischer Hinsicht ein gravierender Unterschied.171 Darüber hinaus kann sich ein gesetzlicher Direktanspruch positiv auf etwaige Geschäftsbeziehungen zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten auswirken. Schadensersatzprozesse im Haftpflichtverhältnis führen nicht selten zu erheblichen Verstimmungen zwischen den Prozessparteien, wodurch laufende Geschäftsbeziehungen Schaden nehmen oder gar in die Brüche gehen können.172 Die mit der Verlagerung der Schadensregulierung ins Direktverhältnis verbundene Entemotionalisierung des Verfahrens kann insoweit zu einer SchoS.  111; für das englische Recht: MacGillivray on Insurance Law, Rn.  30-042; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  21-074. 168  Siehe auch Franck, Direktanspruch, S.  45. 169  Die gilt jedenfalls für den Direktanspruch im engeren Sinne, wenn in einem Prozess gegen den Versicherer auch haftungsrechtliche Fragen geklärt werden; vgl. auch Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  111; Vogt, Direktansprüche, S.  8 f. 170  Heidl, VVG-Reform, S.  361. 171  So auch Heidl, VVG-Reform, S.  361. 172  Dies gilt in besonderem Maße, wenn die Geschäftsbeziehung durch ein persönliches Vertrauensverhältnis geprägt ist (z. B. zwischen Rechtsanwalt und Mandant oder zwischen Arzt und Patient).

III. Zielrichtung und Rechtfertigung des gesetzlichen Direktanspruchs

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nung des Geschäfts- und Vertrauensverhältnisses beitragen,173 was sich für den Versicherungsnehmer als segensreich erweist, wenn er an der Fortsetzung des Geschäftsverhältnisses interessiert ist. ee) Vorteile für den Haftpflichtversicherer Zugunsten eines gesetzlichen Direktanspruchs lassen sich überdies auch Interessen der Haftpflichtversicherer ins Feld führen. Denn während die Versicherer bei einer Schadensabwicklung im Dreiecksverhältnis unter Umständen zwei Prozesse zu führen haben,174 geht mit einem Direktanspruch (im engeren Sinne) insoweit ein „Rationalisierungseffekt“ einher, als dass es fortan allenfalls noch eines einzigen Direktprozesses bedarf, in welchem die Versicherer als Beklagte agieren. Hierdurch werden personelle und zeitliche Ressourcen der Versicherer geschont.175 Im Übrigen wertet ein gesetzlicher Direktanspruch ganz allgemein die Regulierungsposition eines Haftpflichtversicherers auf, da dieser nicht mehr länger bloßer Regulierungsvertreter des Versicherungsnehmers, sondern vielmehr originärer Verhandlungspartner des Geschädigten mit einem größeren Handlungsspielraum ist.176 ff) Weitere Vorteile Für die Gewährung eines gesetzlichen Direktanspruchs lässt sich letztlich auch eine ganz praktische Erwägung anführen. In Haftungsprozessen ist es keine Seltenheit, dass Rechtsanwälte unüberlegt und gleichsam reflexartig stets auch den Haftpflichtversicherer des Schädigers mitverklagen, obgleich ein gesetzlicher Direktanspruch bereits vom Anwendungsbereich her nicht gegeben ist. Für den Geschädigten kann sich hieraus die missliche Folge des kostenrelevanten Teilunterliegens ergeben. Durch die Einräumung eines umfassenden gesetzlichen Direktanspruchs bei allen Arten der Haftpflichtversicherung könnte dieser – dem Geschädigtenschutz zuwiderlaufenden – Gefahr wirksam begegnet werden. BT-Drs. 16/3945, S.  89; Vogt, Direktansprüche, S.  125; Franck, Direktanspruch, S.  47; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  63; Langheid in Langheid/Rixecker, §  115 Rn.  3. Anders Heidl, VVG-Reform, S.  371 f., der in der Verlagerung der Schadensabwicklung in das Direktverhältnis vielmehr eine Gefahr für das Vertrauensverhältnis erblickt, weil dem Schädiger die Möglichkeit genommen werde, sich zu rechtfertigen, Missverständnissen entgegenzuwirken und das Vertrauensverhältnis wieder „zurechtzurücken“. 174  Nämlich zunächst den Schadensersatzprozess als Regulierungsvertreter des Schädigers sowie nachfolgend den Deckungsprozess. 175  Heidl, VVG-Reform, S.  359. 176  Heidl, VVG-Reform, S.  358 f.; Law Commission, Law Com No.  152 (1998), Rn.  12.13; ähnlich Franck, Direktanspruch, S.  48. 173 

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B. Grundlagen des Direktanspruchs

Überdies ist der gesetzliche Direktanspruch in der Haftpflichtversicherung längst eine gesamteuropäische Erscheinung, wenngleich eine harmonisierte Rechtslage alleine im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung gegeben ist.177 Die neuere Tendenz im Versicherungsvertragsrecht der Mitgliedstaaten der Europäischen Union geht insoweit auf eine Ausweitung des gesetzlichen Direktanspruchs und eine Umkehr dieses „Trends“ ist kaum zu erwarten.178 Die Einführung eines – über den Bereich der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung hinausgehenden – gesetzlichen Direktanspruchs kann daher zumindest in Deutschland als vorweggenommener Beitrag zur Rechtsharmonisierung in der Europäischen Union verstanden werden.179 c) Fazit Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass es sich bei einem gesetzlichen Direktanspruch um ein Rechtsinstitut handelt, welches für die beteiligten Rechtssubjekte180 und auch für die Rechtspflege vorteilhaft ist. Dabei wird der gesetzliche Direktanspruch den an ihn gestellten Erwartungen hinsichtlich des ­Geschädigtenschutzes sehr weitgehend gerecht. Neben die Stärkung der wirtschaftlichen Stellung des Geschädigten durch Gewährung eines in der Regel zahlungsbereiten und weitestgehend insolvenzsicheren Schuldners tritt die mit einem gesetzlichen Direktanspruch regelmäßig einhergehende beschleunigte Schadensabwicklung, welche die mit einer Schädigung verbundenen Unannehmlichkeiten für den Geschädigten zumindest in zeitlicher Perspektive auf ein geringes Maß reduziert. Es hat sich zudem gezeigt, dass die gegen einen „gesetzlichen Direktanspruch“ vorgebrachten Bedenken größtenteils alleine gegen Direktansprüche im engeren Sinne gerichtet und somit von vornherein nicht geeignet sind, schlechthin die Zulässigkeit gesetzlicher Direktansprüche in Frage zu stellen. Im Übrigen besitzen die Bedenken ohnehin keine Überzeugungskraft. Bei wertender Betrachtung überwiegen in jedem Falle die mit gesetzlichen Direktansprüchen verbundenen und letztlich allen Beteiligten zugutekommenden Vorteile. Im Ergebnis lässt sich daher festhalten, dass ein gesetzlicher Direktan177  178 

Basedow/Fock in Basedow/Fock, S.  108 f. Vgl. Basedow/Fock in Basedow/Fock, S.  108; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung,

S.  49. 179  Vgl. VVG-Kommission, Abschlussbericht, S.  83. Inwieweit der englische Gesetzgeber nach dem zu erwartenden EU-Austritt des Vereinigten Königreichs gesamteuropäischen Entwicklungen Beachtung schenkt und eine Rechtsharmonisierung anstrebt, bleibt hingegen erst einmal abzuwarten. 180  D.h. für den Geschädigten, den schädigenden Versicherungsnehmer und den Haftpflichtversicherer.

IV. Rechtskonstruktive Gestaltungsmöglichkeiten des gesetzlichen Direktanspruchs 99

spruch mit der Durchbrechung des Relativitätsgrundsatzes bzw. der privity of contract-Doktrin seine Rechtfertigung besitzt und darüber hinaus sogar ein wünschenswertes – weil effizientes und zeitsparendes – Schadensabwicklungsinstrument darstellt.

IV. Rechtskonstruktive Gestaltungsmöglichkeiten des gesetzlichen Direktanspruchs An Vorschlägen zur rechtlichen Konstruktion eines gesetzlichen Direktanspruchs des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer mangelt es nicht.181 So wie das Haftpflichtversicherungsrecht im Allgemeinen, erregte auch der haftpflichtversicherungsrechtliche Direktanspruch im Besonderen wiederholt das Interesse von Rechtswissenschaftlern und weckte deren Eifer sowie Scharfsinn. Aufgrund des beständigen wissenschaftlichen Diskurses entwickelte sich „eine kaum noch übersehbare Zahl von Theorien“182 , deren Ziel die möglichst ideale Einordnung des gesetzlichen Direktanspruchs in das geltende Rechtssystem war und welche von einem immensen Ideenreichtum zeugen. Ergründet man die einschlägige Literatur, so zeigen sich mannigfaltige Wege, auf welchen dem Geschädigten legislativ ein direkter Anspruch gegen den Haftpflichtversicherer gewährt werden kann. Umfangreiche Abhandlungen183 sind dabei allerdings in erster Linie in der deutschen und nicht in der englischen Lehre zu finden, was dem ohne Zweifel pragmatischeren Ansatz des englischen Rechts geschuldet sein dürfte.184 Schwierigkeiten bei der rechtssystematischen Einordnung und idealen Konstruktion des gesetzlichen Direktanspruchs ergeben sich vor allem aus dessen grundsätzlicher „Bipolarität“185. Der Direktanspruch des Geschädigten gegen Vgl. hierzu die Übersichten bei Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  55 ff.; Heidl, VVGRe­form, S.  270 ff.; Möller, ZVersWiss 1963, 409, 432 ff.; Johannsen in Bruck/Möller, Bd.  V/1 (8.  Aufl.), Anm. B 6 ff., S.  9 ff. 182  Sieg, ZVersWiss 1965, 357, 376. 183  Vgl. insbesondere: Bott, Der Schutz des Unfallgeschädigten durch die Kraftfahrzeug-Pflichtversicherung, Karlsruhe, 1964; Müller-Stüler, Der Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer, Karlsruhe, 1966. 184  Siehe auch Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  55. Freilich wurden auch in England – insbesondere im Zuge der Reform des Third Parties (Rights against Insurers) Act – unterschiedliche Konstruktionsmöglichkeiten des gesetzlichen Direktanspruchs diskutiert, vgl. hierzu Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  3.11 f. sowie Rn.  3.22. 185  Heidl, VVG-Reform, S.  268; Keilbar, Rechtsstellung des Drittgeschädigten, S.  141; Seidel, Struktur, S.  46; vgl. ferner Möller, ZVersWiss 1963, 409, 432; Johannsen in Bruck/ Möller, Bd.  V/1 (8.  Aufl.), Anm. B 6, S.  9. 181 

100

B. Grundlagen des Direktanspruchs

den Haftpflichtversicherer bewegt sich nämlich zwangsläufig in einem Spannungsfeld zwischen dem Haftpflichtverhältnis auf der einen und dem Deckungsverhältnis auf der anderen Seite. Treffend formuliert Möller: „Wie das Versicherungsverhältnis zumindest wirtschaftlich die Quelle ist, aus der die Entschädigung des Dritten fließt, so ist es die Haftpflichtforderung, um deren Befriedigung es geht.“186 Die in hohem Maße rechtspolitische Frage, inwieweit der gesetzliche Direktanspruch von dem einen oder dem anderen Rechtsverhältnis abhängig sein soll, tangiert zwingend die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten und hat nicht zuletzt Auswirkungen auf die konkrete Ausgestaltung des Direkt­ anspruchs.187 Die vorgeschlagenen Konstruktionen zur Begründung eines gesetzlichen Direktanspruchs knüpfen denn auch in unterschiedlicher Intensität mal an das eine, mal an das andere Rechtsverhältnis an. Dabei tragen sie mal mehr den Interessen des Geschädigten Rechnung, mal nehmen sie stärker die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Haftpflichtversicherer in den Blick. Insoweit kommt der konkreten Konstruktion eines Direktanspruchs auch für die Frage der Wirksamkeit des durch den direkten Anspruch vermittelten Drittschutzes eine gewisse Bedeutung zu. Ungeachtet der enormen Diversität der vertretenen Konstruktionstheorien lassen sich im Wesentlichen drei Hauptkategorien von Konstruktionen unterscheiden, denen wiederum vielfältige Ausgestaltungsformen untergeordnet sind. Bei dieser Einteilung spiegelt sich deutlich die unterschiedlich starke Anknüpfung an das Deckungs- respektive an das Haftpflichtverhältnis wider.

1. Anknüpfung an Haftpflichtversicherungsvertrag Ein gesetzlicher Direktanspruch zugunsten des Geschädigten kann zunächst durch Anknüpfung an den Haftpflichtversicherungsvertrag begründet werden, wobei sowohl die Einräumung eines originären Forderungsrechts als auch die Gewährung einer derivativen – unmittelbar auf der Haftpflichtversicherungsforderung basierenden – Rechtsposition denkbar ist. Im Ergebnis soll der Geschädigte jeweils direkt auf die Versicherungsleistung Zugriff nehmen können. Am deutlichsten tritt die Anknüpfung an den Haftpflichtversicherungsvertrag zutage, wenn der Direktanspruch mithilfe einer kraft Gesetzes erfolgenden Übertragung der Haftpflichtversicherungsforderung vom Versicherungsnehmer auf den Geschädigten konstruiert wird.188 Durch eine solche Legalzession (statutory assignment) tritt der Geschädigte an die Stelle des VersicherungsnehMöller, ZVersWiss 1963, 409, 432. Vgl. auch Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  79 f. 188  Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  56; Möller, ZVersWiss 1963, 409, 433. 186  187 

IV. Rechtskonstruktive Gestaltungsmöglichkeiten des gesetzlichen Direktanspruchs 101

mers und kann diejenigen Rechte geltend machen, die sich nach Eintritt des Versicherungsfalls aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag ergeben.189 Sofern die Haftpflichtversicherungsforderung – wie in Deutschland – als Befreiungsanspruch ausgestaltet ist, wandelt sich diese im Zuge der Legalzession in der Hand des Geschädigten in einen Zahlungsanspruch um.190 Der Geschädigte sieht sich nach der Zession prinzipiell sämtlichen Einwendungen aus dem Versicherungsverhältnis ausgesetzt. Die Herleitung eines gesetzlichen Direktanspruchs im Wege der Legalzession des Versicherungsanspruchs kann für sich gewiss das Attribut einer recht einfachen sowie anschaulichen Konstruktion in Anspruch nehmen.191 Gleichwohl werden gegen eine derartige Begründung des gesetzlichen Direktanspruchs zumindest in Deutschland erhebliche Bedenken angemeldet. Insbesondere sei es befremdlich, wenn der Versicherungsnehmer als Partei des Haftpflichtversicherungsvertrages durch die gesetzliche Forderungsübertragung seines Versicherungsanspruchs verlustig gehe und fortan keinerlei Rechte mehr gegen seinen Versicherer innehabe.192 Es läge daher nach erfolgter Legalzession eine Versicherung vor, aus welcher der Versicherungsnehmer nichts verlangen könne, und Bott spricht in diesem Zusammenhang in drastischer Wortwahl gar von einer „verstümmelten Haftpflichtversicherung“.193 Des Mittels der Legalzession (statutory assignment) bedient sich insbesondere der englische Gesetzgeber in seinem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010.194 Anstelle einer derivativen Herleitung des Direktanspruchs aus der Haftpflichtversicherungsforderung kommt auch die gesetzliche Einräumung eines 189  Dem Versicherungsnehmer stehen hingegen in Ansehung des konkreten Versicherungsfalls keine Rechte aus dem Versicherungsvertrag mehr zu, obgleich sich an seiner Stellung als Vertragspartner des Haftpflichtversicherers nichts ändert, vgl. Keilbar, Rechtsstellung des Drittgeschädigten, S.  158 f.; Möller, ZVersWiss 1963, 409, 433. 190  RGZ 140, 373, 378; RGZ 128, 365, 370; RGZ 121, 303, 305; RGZ 80, 183, 184; Heidl, VVG-Reform, S.  271; Keilbar, Rechtsstellung des Drittgeschädigten, S.  159. 191 So Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  56 f.; Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  3.11.: „The aim of the draft Bill is to assist the third party to recover from the insurer (…). The mechanism of transfer (…) is the natural way to achieve this“ (kursive Hervorhebung durch Verfasser). 192  Keilbar, Rechtsstellung des Drittgeschädigten, S.  159; Heidl, VVG-Reform, S.  272 f.; Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  58. Zu bedenken bleibt freilich, dass der Rechtsverlust nur in Ansehung eines ganz bestimmten Versicherungsfalls eintritt und übrige Rechte aus dem Versicherungsvertrag unberührt bleiben. 193  Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  58. 194  S.  1 (2) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010: „The rights of the relevant person under the contract against the insurer (…) are transferred to and vest in the person to whom the liability is or was incurred (the ‘third party’)“. Hierzu ausführlich unten unter 3. Teil A.II.2.a).

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B. Grundlagen des Direktanspruchs

originären Anspruchs auf die Versicherungsleistung in Betracht.195 Durch die Bezugnahme auf die Versicherungsleistung ist auch hier die Anknüpfung an den Haftpflichtversicherungsvertrag evident. Ein solches originäres Forderungsrecht könnte sich beispielsweise aus einem gesetzlich fingierten haftpflichtversicherungsvertraglichen Leistungsversprechen zugunsten des geschädigten Dritten ergeben.196 Insbesondere in Frankreich hat es auch die Auffassung zu einer gewissen Blüte gebracht, dass bestimmten geschädigtenschützenden Gesetzesvorschriften – wie beispielsweise dem Verbot der Auszahlung der Versicherungsleistung an den Versicherungsnehmer vor erfolgter Befriedigung des Geschädigten – im Wege der Auslegung ein Direktanspruch auf die Versicherungsleistung zu entnehmen sei.197 In allen Fällen tritt dabei der selbständige Direktanspruch des Geschädigten neben den grundsätzlich fortbestehenden Anspruch des Versicherungsnehmers aus dem Versicherungsvertrag, so dass sich der Versicherer nunmehr mehreren Gläubigern gegenübersieht.198 Die Durchsetzbarkeit des Direktanspruchs auf die Versicherungsleistung steht unter dem Vorbehalt etwaiger versicherungsrechtlicher Einwendungen. Trifft den Versicherer keine versicherungsvertragliche Leistungspflicht, so mangelt es an einer geschuldeten Versicherungsentschädigung, auf welche der Geschädigte mit seinem Direktanspruch zugreifen könnte.199 Auch gegen die gesetzliche Einräumung eines originären Anspruchs auf die Versicherungsleistung werden Bedenken geäußert. Kritisiert wird insbesondere, dass dem Geschädigten faktisch die Stellung eines Versicherten eingeräumt werde, was dem Wesen der Haftpflichtversicherung zuwiderlaufe.200 Den gesetzlichen Direktansprüchen, welche konstruktiv an den Haftpflichtversicherungsvertrag anknüpfen, ist gemein, dass sie im Ausgangspunkt eher den Interessen und Bedürfnissen der Haftpflichtversicherer Rechnung tragen. Dieser Befund ergibt sich vor allem daraus, dass dem Versicherer bei diesen Konstruktionsvarianten grundsätzlich die versicherungsrechtlichen Einwendungen erhalten bleiben und ein Einwendungsausschluss zugunsten des Geschädigten einer speziellen Rechtfertigung bedarf.201 Es steht zu erwarten, dass Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  58 ff.; Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  55 ff.; Möller, ZVersWiss 1963, 409, 433 f. 196  Vgl. Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  62; Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  55 ff. 197  Möller, ZVersWiss 1963, 409, 433 f.; Sievers, VersR 1962, 683, 684 f. 198  Keilbar, Rechtsstellung des Drittgeschädigten, S.  162 ff.; Sieg, Ausstrahlungen, S.  183 lehnt eine solche Gläubigerdopplung strikt ab und spricht in diesem Zusammenhang von einer „Anomalie der doppelten Gläubigerschaft“. 199  Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  6 4; Möller, ZVersWiss 1963, 409, 434. 200  Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  57; Möller, ZVersWiss 1963, 409, 434. 201  Vgl. auch Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  178 f. 195 

IV. Rechtskonstruktive Gestaltungsmöglichkeiten des gesetzlichen Direktanspruchs 103

ein durch Anknüpfung an den Haftpflichtversicherungsvertrag konstruierter Direktanspruch eher in solchen Rechtsordnungen zu finden sein wird, welche einer liberalen Wirtschaftsordnung anhängen und dem gesetzlichen Geschädigtenschutz distanzierter gegenüberstehen.

2. Konzeption als Versicherungsanspruch Als Anknüpfungspunkt für einen gesetzlichen Direktanspruch kann auch eine eigenständige Versicherung zugunsten des Geschädigten fungieren, die kraft gesetzlicher Anordnung neben die Haftpflichtversicherung tritt.202 Das der eigenständigen Versicherung immanente Forderungsrecht begründet in diesem Falle den Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer. Eine solche direktanspruchskonstituierende Versicherung kann dabei entweder – gleichsam einer kombinierten Unfall- und Schadensversicherung – unmittelbar auf die Deckung der Personen-, Sach- oder Vermögensschäden des Dritten gerichtet sein, für welche der Schädiger haftpflichtig ist,203 oder aber – als Kautions- bzw. Forderungsversicherung – den Geschädigten gegen den Ausfall seiner Schadensersatzforderung absichern.204 Anders als bei den an den Haftpflichtversicherungsvertrag anknüpfenden Konstruktionsvarianten hat der gesetzliche Direktanspruch seinen Ursprung gerade nicht in der Haftpflichtversicherung, sondern in einem separaten Versicherungsverhältnis, was dem Vorwurf einer Denaturierung der Haftpflichtversicherung entgegenwirken soll.205 Die Herleitung des gesetzlichen Direktanspruchs aus einem eigenständigen Versicherungsverhältnis führt gleichzeitig zu einer Dopplung der zwischen dem Schädiger und dem Haftpflichtversicherer bestehenden Rechtsverhältnisse, da zwischen diesen Parteien zusätzlich zum Haftpflichtversicherungsvertrag nunmehr auch eine Fremdversicherung zugunsten des Geschädigten existiert. Bei näherer Betrachtung zeigt sich dabei eine enge Verknüpfung zwischen Haftpflicht- und Fremdversicherung.206 Über die rein äußerliche Tatsache der gemeinsamen Prämie für 202 

Diese eigenständige Versicherung besteht dabei – wie auch die Haftpflichtversicherung – zwischen dem Schädiger und dem Haftpflichtversicherungsunternehmen. 203  Vgl. Möller, ZVersWiss 1963, 409, 436; Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  76 ff.; Landwehr, VersR 1965, 1113, 1115. 204  Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  103 ff. („Kautionsversicherung“); Landwehr, VersR 1965, 1113, 1115 f. („Forderungsversicherung“). Nach Auffassung von Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  79 f. ist der Eintritt des Versicherungsfalls nicht einmal zwingend von einer „Gefährdung des Forderungsinteresses“ abhängig, vielmehr kann der Versicherungsfall „auf das Entstehen der Haftpflichtforderung reduziert sein“. 205  Landwehr, VersR 1965, 1113, 1115; Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  102 f. 206  So ausdrücklich Seidel, Struktur, S.  66 f.

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B. Grundlagen des Direktanspruchs

beide Versicherungen hinaus207 sind die Versicherungsverhältnisse dergestalt miteinander verbunden, dass das Zustandekommen der gesetzlich angeordneten Fremdversicherung zunächst einen wirksamen Haftpflichtversicherungsvertrag bedingt. Überdies zeigt sich der bestimmende Einfluss der Haftpflichtversicherung darin, dass diese für den Umfang des durch die Fremdversicherung vermittelten Versicherungsschutzes entscheidend ist. Hieraus resultiert eine sehr weitgehende Maßgeblichkeit haftpflichtversicherungsrechtlicher Einwendungen auch für den aus dem separaten Versicherungsverhältnis erwachsenden Direktanspruch.208 Die Konzeption des gesetzlichen Direktanspruchs als eigenständigem Versicherungsanspruch sieht sich in der rechtswissenschaftlichen Literatur ebenfalls zahlreichen Einwänden ausgesetzt.209 Durch die weitreichende Akzessorietät zum Haftpflichtversicherungsvertrag erweist sich der aus einer eigenständigen Versicherung hergeleitete Direktanspruch in der Grundtendenz als eher wenig geschädigtenfreundlich. Ein Einwendungsausschluss bedarf auch bei diesem konzeptionellen Ansatz einer speziellen Begründung.

3. Anknüpfung an Haftpflichtverhältnis Schließlich kann ein gesetzlicher Direktanspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer auch an das Haftpflichtverhältnis anknüpfen. Anders als bei den bisher dargelegten Konstruktionsvarianten soll dem Geschädigten dabei kein unmittelbarer Zugriff auf eine Versicherungsleistung ermöglicht werden – gleichgültig ob sich diese aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag oder aber aus einem eigenständigen Versicherungsverhältnis ergibt. Charakteristisch für derartige Direktansprüche ist vielmehr die – zumindest mittelbare – Haftung des Haftpflichtversicherers für den gegen seinen Versicherungsnehmer gerichteten Schadensersatzanspruch.210 Zur Begründung einer derartigen Haftung bieten sich wiederum diverse Konstruktionsmöglichkeiten an. Zuweilen wurde eine bürgschaftsähnliche Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  79 muss die für die Fremdversicherung zu leistende Prämie „als in der Haftpflichtversicherungsprämie enthalten gedacht werden“. So auch: Landwehr, VersR 1965, 1113, 1116 [Fn.  25]; Seidel, Struktur, S.  63. 208  Seidel, Struktur, S.  66 f.; einschränkend Landwehr, VersR 1965, 1113, 1116. 209  Vgl. hierzu nur Heidl, VVG-Reform, S.  275, 277 f.; Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  102 f., 108; Keilbar, Rechtsstellung des Drittgeschädigten, S.  153 f., 156 ff.; Möller, ZVersWiss 1963, 409, 437; Johannsen in Bruck/Möller, Bd.  V/1 (8.  Aufl.), Anm. B 9, S.  12: „Dagegen ist die Konstruktion eines eigenen Versicherungsverhältnisses (…) in allen Varianten als gekünstelt zurückzuweisen“. 210  Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  65 („Gesetzliches Einstehen-Müssen für den Ersatz des Unfallschadens“). 207 Nach

IV. Rechtskonstruktive Gestaltungsmöglichkeiten des gesetzlichen Direktanspruchs 105

Konstruktion vorgeschlagen, wonach zwischen dem Geschädigten und dem Haftpflichtversicherer mit Eintritt des Schadens ein gesetzliches Bürgschaftsverhältnis zur Entstehung gelangen soll, welches der Sicherung des Schadensersatzanspruchs zu dienen bestimmt ist.211 Denkbar ist überdies die gesetzliche Anordnung einer kumulativen Schuldübernahme (Schuldbeitritt) hinsichtlich der Schadensersatzforderung, so dass der Geschädigte mit dem Haftpflichtversicherer einen weiteren Schuldner für seinen Schadensersatzanspruch erhält. Nach herrschender Meinung liegt diese Konstruktionsform dem gesetzlichen Direktanspruch des deutschen Rechts (§  115 VVG) zugrunde.212 Die hierdurch begründete „quasi-deliktische Haftung“213 des Versicherers findet ihre Rechtfertigung hierbei nicht in einer etwaigen unrechtmäßigen Handlung, sondern vielmehr in der sozialpolitischen Notwendigkeit, dem Geschädigten einen solventen Schuldner zu verschaffen.214 Eine Anknüpfung des gesetzlichen Direktanspruchs an das Haftpflichtverhältnis ist im Übrigen auch dem englischen Recht bekannt. Insofern statuiert s. 151 Road Traffic Act 1988 die Verpflichtung des Kfz-Haftpflichtversicherers, eine im Haftpflichtprozess ausgeurteilte Schadensersatzsumme an das geschädigte Unfallopfer auszuzahlen.215 Charakteristische Besonderheit der durch Anknüpfung an das Haftpflichtverhältnis begründeten Direktansprüche ist die prinzipielle Unabhängigkeit vom Haftpflichtversicherungsvertrag, so dass sich der Haftpflichtversicherer im Ausgangspunkt nicht mit versicherungsrechtlichen Einwendungen verteidigen kann.216 Freilich darf man nicht der Fehlvorstellung anheimfallen, dass die Haftpflichtversicherung für einen unter Anknüpfung an das Haftpflichtverhältnis hergeleiteten gesetzlichen Direktanspruch gänzlich bedeutungslos wäre. In Anerkennung berechtigter Interessen der Versicherer werden diesem Direktanspruch in den einzelnen Rechtsordnungen regelmäßig in mehr oder weniger großem Umfang versicherungsrechtliche Grenzen beigelegt und dem Haftpflichtversicherer die Berufung auf versicherungsrechtliche Einwendungen gestattet.217 Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  114. Hierzu noch ausführlich unten unter 3. Teil A.I.2. 213  So BGH, NJW 1979, 1046, 1047; BGH, NJW 1972, 387, 388; Möller, ZVersWiss 1963, 409, 435. 214  Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  113; Sieg, ZVersWiss 1965, 357, 377; A.A. Landwehr, VersR 1965, 1113, 1114, nach dem solche sozialen Argumente „jedoch nicht aus[reichen], um den Direktanspruch dogmatisch als Schuldbeitritt einzuordnen, zumal dem sozialen Schutz der Verkehrsopfer bereits durch Einführung der obligatorischen Haftpflichtversicherung vollauf Genüge getan ist“. 215  Hierzu noch ausführlich unten unter 3. Teil A.II.2.b).aa). 216  Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  110, 117. 217  Vgl. in Deutschland §  115 Abs.  1 S.  2 VVG: „Der Anspruch besteht im Rahmen der 211 

212 

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B. Grundlagen des Direktanspruchs

Aufgrund ihrer grundsätzlichen Unabhängigkeit vom Haftpflichtversicherungsvertrag berücksichtigen Direktansprüche, die an das Haftpflichtverhältnis anknüpfen, tendenziell eher die Interessen des geschädigten Dritten. Denn anders als bei den bislang dargelegten Konstruktionsvarianten stellt der Ausschluss versicherungsrechtlicher Einwendungen hier weniger eine rechtfertigungsbedürftige Ausnahme als vielmehr die Grundsituation dar. Es ist zu vermuten, dass der gesetzliche Direktanspruch aus dem Haftpflichtverhältnis hergeleitet wird, wenn ein stärkerer Schutz des Geschädigten gewünscht ist.

V. Typische Erscheinungsformen des gesetzlichen Direktanspruchs und Auswirkungen auf die Werthaltigkeit für den Geschädigtenschutz Ein Geschädigter kann selbstredend nur dann von den Vorzügen eines gesetzlichen Direktanspruchs profitieren, wenn in Ansehung eines bestimmten Schadensereignisses dessen Anwendungsbereich eröffnet ist und zudem die vom Gesetzgeber statuierten Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Der Weite des Anwendungsbereichs sowie der Strenge der Entstehungsvoraussetzungen kommt mithin eine essentielle Bedeutung für die Werthaltigkeit eines gesetzlich vorgesehenen Direktanspruchs zu. Auch die Frage, in welchem Umfang sich der Haftpflichtversicherer zur Verteidigung gegen den Direktanspruch auf versicherungsrechtliche Einwendungen berufen kann, ist von enormer wirtschaftlicher Bedeutsamkeit und elementar für den Grad des durch den Direktanspruch vermittelten Geschädigtenschutzes.218 Dem Gesetzgeber bietet sich insofern die Möglichkeit, den gesetzlichen Direktanspruch mithilfe der Parameter des Anwendungsbereichs, der Direktanspruchsvoraussetzungen sowie des Umfangs zulässiger versicherungsrechtlicher Einwendungen entweder zu einer gewichtigen geschädigtenschützenden Institution des nationalen Haftpflichtversicherungsrechts zu erheben oder aber diesem ein Schattendasein zuzuweisen. Wenngleich sich dem Gesetzgeber im Hinblick auf die genannten Aspekte vielfältigste Gestaltungsoptionen auftun, lassen sich – orientiert an den Merkmalen „Anwendungsbereich“, „Entstehungsvoraussetzungen“ und „versicherungsrechtliche Einwendungen“ – typische Erscheinungsformen von gesetzliLeistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis (…)“ (kursive Hervorhebung durch Verfasser). Keilbar, Rechtsstellung des Drittgeschädigten, S.  150 erblickt hierin eine Widersprüchlichkeit, welche ihn zur strikten Ablehnung der an den Haftpflichtanspruch anknüpfenden Konstruktionsoptionen veranlasst; ähnlich Seidel, Struktur, S.  53 f. 218  Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  172; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  48.

V. Typische Erscheinungsformen des gesetzlichen Direktanspruchs

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chen Direktansprüchen ausmachen, welche sich jeweils durch einen unterschiedlichen Grad der Begünstigung des Geschädigten auszeichnen.

1. Kriterium: Anwendungsbereich Im Hinblick auf das Kriterium des Anwendungsbereichs sind solche Direktansprüche denkbar weitgehend und unter dem Aspekt des Geschädigtenschutzes am Vorbildlichsten, welche bei sämtlichen Arten der Haftpflichtversicherung gewährt werden. Hiervon abzugrenzen sind Direktansprüche, deren Anwendungsbereich allgemein auf Pflichthaftpflichtversicherungen oder gar nur auf ganz spezielle Haftpflichtversicherungen – wie beispielsweise die obligatorische Kfz-Haftpflichtversicherung – begrenzt ist.219 Aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben 220 ist zumindest das direkte Forderungsrecht des Unfallopfers gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer in sämtlichen EU-Mitgliedstaaten vorgesehen und bildet somit den kleinsten gemeinsamen Nenner hinsichtlich der gesetzlichen Direktansprüche in Europa. Im Bereich der harmonisierten Kfz-Haftpflichtversicherung kann daher im Hinblick auf den gesetzlichen Direktanspruch bereits von einem „gesamteuropäischen Rechtsinstitut“ gesprochen werden.221 Vorstellbar ist es letztlich auch, einen gesetzlichen Direktanspruch lediglich für eine bestimmte Schadensart – wie beispielsweise für die oft besonders gravierenden Personenschäden – vorzusehen.222

2. Kriterium: Entstehungsvoraussetzungen Für die materiell-rechtliche Entstehung eines gesetzlichen Direktanspruchs gibt es mit der Existenz eines Schadensersatzanspruchs sowie dem Vorliegen eines wirksamen Haftpflichtversicherungsvertrages gewisse Mindestvoraussetzungen.223 Die grundsätzliche Akzessorietät des Direktanspruchs zum Schadensersatzanspruch erklärt sich dadurch, dass es dem Geschädigten letzten Endes um die Befriedigung seiner Schadensersatzforderung geht. Der gesetzliche Direktanspruch soll den Geschädigten vor der Gefahr der Nicht-RealisierbarVgl. auch Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  161. Art.  18 6. KH-Richtlinie. 221 So Basedow/Fock in Basedow/Fock, S.  108; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  44. 222  Basedow/Fock in Basedow/Fock, S.  109; Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  161. 223  Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  163. Von diesen Mindestvoraussetzungen kann es jedoch im Einzelfall Ausnahmen geben (für nähere Einzelheiten siehe unten unter 3. Teil B.). 219 

220 

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B. Grundlagen des Direktanspruchs

keit berechtigter Schadensersatzforderungen schützen, ihm aber keinesfalls einen darüber hinausgehenden ungerechtfertigten Vorteil zulasten eines Haftpflichtversicherers verschaffen. Mithin kann der Haftpflichtversicherer seiner Inanspruchnahme aus dem Direktanspruch prinzipiell sämtliche schadensrechtlichen Einwendungen entgegenhalten. Das Erfordernis eines wirksamen Haftpflichtversicherungsvertrages wiederum ist nicht alleine der Notwendigkeit der Namhaftmachung des Direktanspruchsschuldners geschuldet, sondern dient auch der Vermeidung einer gänzlich abstrakten und daher auch verfassungsrechtlich bedenklichen Haftung eines Versicherers. Ein Direktanspruch, der alleine diesen Mindestvoraussetzungen unterliegt und im Übrigen an keine weiteren Bedingungen geknüpft ist, wird üblicherweise als „allgemeiner Direktanspruch“ bezeichnet.224 Einem Gesetzgeber bleibt es freilich unbenommen, zusätzliche Merkmale und Umstände zu definieren, deren Vorliegen für die Entstehung eines gesetzlichen Direktanspruchs erforderlich ist. Als typische Zusatzvoraussetzungen fungieren beispielsweise die Insolvenz des Schädigers,225 dessen unbekannter Aufenthalt,226 die Ausstellung eines Versicherungsscheins oder auch eine bereits erfolgte gerichtliche Feststellung der Schadensersatzpflicht des Schädigers.227 Bereits diese Beispiele verdeutlichen, dass dem Gesetzgeber insoweit ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet ist und folgerichtig zeigt sich in den unterschiedlichen Rechtsordnungen ein vielgestaltiges Bild hinsichtlich der Entstehungsvoraussetzungen. Gesetzliche Direktansprüche, welche zusätzlichen Bedingungen unterliegen, werden als begrenzte bzw. beschränkte Direktansprüche bezeichnet.228 Müßig erscheint der Hinweis, dass ein allgemeiner Direktanspruch aus der Perspektive des Geschädigtenschutzes einem begrenzten Direktanspruch überlegen ist.

3. Kriterium: Zulässigkeit versicherungsrechtlicher Einwendungen Der wichtigsten Bewährungsprobe im Hinblick auf den Grad des vermittelten Geschädigtenschutzes unterliegt der gesetzliche Direktanspruch indes bei der Frage, ob und inwieweit Einwendungen des Versicherers aus dem Haftpflichtversicherungsverhältnis auf den Direktanspruch durchschlagen sollen. Könnte Vgl. Heidl, VVG-Reform, S.  288. Anders Franck, Direktanspruch, S.  34, der zur Annahme eines „allgemeinen Direktanspruchs“ zusätzlich einen eingeschränkten Anwendungsbereich verlangt (im Unterschied zu einem „generellen Direktanspruch“). 225  Im deutschen Recht: §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  2 VVG; im englischen Recht z. B.: s. 4 (1) (f), 6 (2) (f) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. 226  Im deutschen Recht: §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  3 VVG. 227  Im englischen Recht: s. 151 Road Traffic Act 1988. 228  Vgl. Heidl, VVG-Reform, S.  289. 224 

V. Typische Erscheinungsformen des gesetzlichen Direktanspruchs

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sich der Versicherer gegen einen Direktanspruch mit dem Einwand verteidigen, im Haftpflichtversicherungsverhältnis vollständig oder zumindest teilweise leistungsfrei zu sein, so würde es nicht selten an dessen Realisierbarkeit mangeln. Ein weitreichender Durchgriff versicherungsrechtlicher Einwendungen steht mithin in grober Diskrepanz zur dem Direktanspruch zugrundeliegenden Intention des Geschädigtenschutzes. Dies gilt umso mehr, weil die Leistungsfreiheit des Versicherers im Versicherungsverhältnis oftmals auf den Umstand wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Versicherungsnehmers zurückzuführen ist.229 Der Geschädigte droht daher seines Direktanspruchs gerade in Situationen mit einer erhöhten Schutzbedürftigkeit verlustig zu gehen.230 Auf der anderen Seite wirkt sich ein umfangreicher Ausschluss versicherungsrechtlicher Einwendungen im Direktanspruchsverhältnis zwangsläufig nachteilig auf die wirtschaftlichen Interessen der Haftpflichtversicherer aus. Die Versicherer sehen sich dadurch mit einem signifikant höheren Risiko konfrontiert, was sich denklogisch in der Prämienkalkulation niederschlagen muss.231 Es ist letztlich eine Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers, in welchem Umfang er Geschädigte schützen und in welchem Maße er die Interessen der Haftpflichtversicherer berücksichtigen möchte. Zwar ist die Frage nach dem Durchgriff versicherungsrechtlicher Einwendungen im Ausgangspunkt durch die zur Begründung eines gesetzlichen Direktanspruchs gewählte Rechtskonstruktion determiniert.232 Jedoch ist die konkrete Reichweite des Einwendungsdurchgriffs unabhängig von der zugrundeliegenden Rechtskonstruktion einer umfassenden Modifikation durch den Gesetzgeber zugänglich. Je nach gesetzgeberischer Wertentscheidung werden daher versicherungsrechtliche Einwendungen gegen den Direktanspruch entweder weitreichend beschnitten oder aber großzügig zugestanden. Im Hinblick auf die Maßgeblichkeit versicherungsrechtlicher Einwendungen im Direktanspruchsverhältnis lassen sich im Wesentlichen drei typische Erscheinungsformen von Direktansprüchen differenzieren. Einen absolut vorbildlichen Geschädigtenschutz gewähren zunächst Direktansprüche, die sich durch eine vollständige Loslösung vom Versicherungsverhältnis auszeichnen und denen somit keinerlei versicherungsrechtlichen Einwendungen entgegengesetzt werden können. Dem diametral gegenüber stehen Direktansprüche, die durch eine vollumfängliche Akzessorietät zum Deckungsverhältnis geprägt sind. Der damit einhergehende uneingeschränkte Durchgriff versicherungsrechtlicher 229  Z. B. weil der Versicherungsnehmer seiner Prämienzahlungsverpflichtung nicht mehr nachzukommen vermag. 230 So Schneider in MüKoVVG, §  117 Rn.  6. 231  Vgl. auch Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  172. 232  Hierzuzu bereits oben unter 2. Teil B.IV.

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B. Grundlagen des Direktanspruchs

Einwendungen berücksichtigt erkennbar ausschließlich die Interessen der Haftpflichtversicherer. Zuletzt existieren Direktansprüche, die von einem teilweisen Einwendungsausschluss flankiert sind. Dort kann der Versicherer zum Zwecke der Anspruchsabwehr lediglich ausgewählte versicherungsrechtliche Einwendungen geltend machen. Vielfach darf sich der Versicherer im Direktanspruchsverhältnis dabei auf solche Einwendungen berufen, die auf vor dem Schadensereignis begangenen Pflicht- oder Obliegenheitsverletzungen des Versicherungsnehmers beruhen. Versicherungsrechtliche Einwendungen, die aus der Zeit nach dem Schadensereignis resultieren, schlagen hingegen regelmäßig nicht auf den Direktanspruch durch.233

233  Siehe hierzu auch Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  78. Vgl. beispielsweise die Vorschrift des s. 148 (5) Road Traffic Act 1988 im englischen Recht (Einwendungsausschluss hinsichtlich Obliegenheitsverletzungen nach Eintritt des Kfz-Haftpflichtversicherungsfalls).

C. Historische Entwicklung des gesetzlichen Direktanspruchs Wenngleich diese Abhandlung im Wesentlichen der Untersuchung der gegenwärtigen Regelungen zum gesetzlichen Direktanspruch in Deutschland und England gewidmet ist,1 soll an dieser Stelle zunächst Rückschau gehalten und die historische Entwicklung des gesetzlichen Direktanspruchs in den beiden Ländern dargestellt werden. Die gesetzlichen Direktansprüche der untersuchten Rechtsordnungen sind in ihrer heutigen Gestalt das Produkt einer evolutiven Rechtsentwicklung. Dabei sind gegenwärtige Regelungen des Direktanspruchs häufig die Antwort auf erkannte Unzulänglichkeiten früherer Rechtszustände und folglich erst vor dem historischen Hintergrund zu verstehen. Die Befassung mit den Ursprüngen des gesetzlichen Direktanspruchs in Deutschland und England und die Nachzeichnung der Entwicklungslinien ist daher keine bloß idealistische Reminiszenz, sondern vielmehr eine hilfreiche Notwendigkeit im Rahmen dieser Arbeit.

I. Deutschland 1. Ausgangssituation: Kein Direktanspruch In Deutschland galt es nach der Etablierung des Versicherungszweiges der Haftpflichtversicherung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lange Zeit als axiomatische Selbstverständlichkeit, dass zwischen dem geschädigten Dritten und dem Haftpflichtversicherer keinerlei unmittelbaren Rechtsbeziehungen bestehen und eine direkte Inanspruchnahme des Versicherungsunternehmens durch den Geschädigten ausscheiden muss. Ein gesetzlich begründeter Direktanspruch bestand nicht.2 Zwischenzeitlichen Versuchen, dem Dritten auf verschiedenen Wegen ein direktes Forderungsrecht gegen den Versicherer einzu1 

Hierzu ausführlich der 3. Teil der Abhandlung. Sieg, ZVersWiss 1965, 357, 359 f.; Beckmann in Bruck/Möller, §  115 Rn.  1; Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  52. 2 

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C. Historische Entwicklung des gesetzlichen Direktanspruchs

räumen, blieb der Erfolg versagt.3 Sofern nicht ausnahmsweise ein rechtsgeschäftlich begründeter Direktanspruch bestand,4 war dem Geschädigten ein Vorgehen gegen den Versicherer mithin allenfalls aus einer abgeleiteten Rechtsposition möglich, namentlich nach Vollstreckung in den haftpflichtversicherungsvertraglichen Freistellungsanspruch durch Pfändung und Überweisung (§§  829, 835 ZPO).5 Im Zweifel musste der Geschädigte daher zwei aufeinanderfolgende Prozesse führen, um letztlich einen Ausgleich für den erlittenen Schaden zu erlangen. Nach einem Schadensersatzprozess gegen den Schädiger mit Klärung der haftungsrechtlich relevanten Aspekte bedurfte es – sofern der Haftpflichtversicherer sodann nicht für die festgestellte Haftpflicht des Versicherungsnehmers einzustehen bereit war – nach Pfändung und Überweisung der Versicherungsforderung der Durchführung einer Drittschuldnerklage, wo nunmehr deckungsrechtliche Gesichtspunkte zu erörtern waren.6 Bedenken, die im Hinblick auf die Prozessökonomie eines derartigen sukzessiven Vorgehens geäußert wurden,7 mussten hinter dem Trennungsprinzip zurückstehen, dem nicht zuletzt das Prädikat „Wesensmerkmal des Haftpflichtversicherungsschutzes“8 beigelegt wurde und das in seiner prozessualen Ausprägung nun einmal eine Trennung zwischen Haftpflicht- und Deckungsprozess vorsah.9 Die gegenüber einem gesetzlichen Direktanspruch ablehnende Haltung manifestierte sich im Zuge der Einführung der Haftpflichtversicherungspflicht für Kfz-Halter im Jahre 1940.10 In der Vorschrift des §  158c Abs.  5 VVG a. F. wurde insofern ausdrücklich betont, dass durch die novellierten, primär dem Opferschutz dienenden Vorschriften kein direkter Anspruch zugunsten des Geschädigten begründet werde.11 Zur Begründung rekurrierte der Gesetzgeber dabei 3  Vgl. hierzu Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  47 f.; Krückmann, HansRGZ A 1935, 417, 421 f. wollte einen allgemeinen Direktanspruch bspw. im Wege der Auslegung aus dem insolvenzrechtlichen Absonderungsrecht nach §  157 VVG a. F. herleiten. 4  Hierzu ausführlich oben unter 2. Teil B.I.2.a). 5  Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  48; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  87. 6  Dabei kam dem Geschädigten im Rahmen der Drittschuldnerklage nach hM der Grundsatz der Bindungswirkung zugute, vgl. hierzu auch unten unter 3. Teil C.II.1.c).cc).(2).(a). Allgemein zum Grundsatz der Bindungswirkung: Ecke, Trennungsprinzip und Bindungswirkung, Bonn, 2012; Koch in Bruck/Möller, §  106 Rn.  12 ff. 7  Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  49; Sieg, Ausstrahlungen, S.  267. 8  Johannsen in Bruck/Möller, Bd.  I V (8.  Aufl.), Anm. B 57, S.  91; vgl. auch Makowsky, Einfluss von Versicherungsschutz, S.  134. 9  Vgl. auch: Rudolph, VersR 1963, 15, 18 ff.; Möller, DAR 1962, 313, 320. 10  Gesetz über die Einführung der Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter und zur Änderung des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen sowie des Gesetzes über den Versicherungsvertrag vom 07. November 1939 (RGBl. I 1939, S.  2223 ff.). 11  §  158c Abs.  5 VVG a. F.: „Ein Recht des Dritten, den Versicherer unmittelbar in Anspruch zu nehmen, wird durch diese Vorschriften nicht begründet“.

I. Deutschland

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vornehmlich auf die „Natur des Haftpflichtversicherungsverhältnisses“, welche es zu wahren gelte, und somit auch auf das haftpflichtversicherungsrechtliche Trennungsprinzip.12 Alleine das bereits zum 01. Januar 1910 bei sämtlichen Haftpflichtversicherungsarten eingeführte Absonderungsrecht an dem versicherungsvertraglichen Freistellungsanspruch13 ermöglichte es dem Geschädigten – zumindest im Falle der Insolvenz des Schädigers – recht frühzeitig, die Versicherungsforderung direkt vom Haftpflichtversicherer einzuziehen, ohne dass es einer vorherigen Pfändung und Überweisung bedurft hätte. Gleichwohl begründete dieses Absonderungsrecht keinen gesetzlichen Direktanspruch. Das in §  157 VVG a. F. normierte Absonderungsrecht gewährte dem Geschädigten nämlich alleine ein Einziehungsrecht, es räumte ihm jedoch keine materiell-rechtliche Inhaberschaft an der Versicherungsforderung und somit keinen eigenen Anspruch gegen den Haftpflichtversicherer ein.14 Zudem musste der Geschädigte vor der Einziehung der Versicherungsforderung zwingend seinen Schadensersatzanspruch verbindlich feststellen lassen, so dass das Absonderungsrecht – anders als heutzutage der gesetzliche Direktanspruch des deutschen Rechts (§  115 VVG) – auch kein einstufiges Vorgehen gegen den Haftpflichtversicherer ermöglichte. Auf diese Weise blieb das prozessuale Trennungsprinzip gewahrt.15

2. Direktanspruch in der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung Den Anstoß für eine grundlegende Neuerung im deutschen Haftpflichtversicherungsrecht gab das am 20. April 1959 auch von Deutschland unterzeichnete Europäische Übereinkommen über die obligatorische Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge,16 das es den Vertragsstaaten in Art.  6 Abs.  1 Anhang I auftrug, zugunsten der geschädigten Person einen eigenen Anspruch gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer vorzusehen. Zur Umsetzung dieser völkervertraglichen Pflicht schuf der deutsche Gesetzgeber im Jahre 1965 – gegen erbitterten Widerstand zahlreicher Rechtsgelehrter –17 einen allgemeinen Direktanspruch 12 

Amtliche Begründung zum Gesetz über die Einführung der Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter und zur Änderung des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen sowie des Gesetzes über den Versicherungsvertrag vom 07. November 1939 (RGBl. I, S.  2223), abgedruckt in DJ 1939, 1771, 1774. 13  §  157 VVG a. F. (nunmehr: §  110 VVG). 14  Hierzu bereits oben unter 2. Teil A.II.3.b).bb). 15  Sieg, ZVersWiss 1965, 357, 360. 16  Sog. „Straßburger Übereinkommen von 1959“. Für den Text des Abkommens siehe BGBl. II 1965, S.  281 ff. 17  Siehe nur Möller, DAR 1962, 313, 320; Möller, ZVersWiss 1963, 409, 409 ff.; Sievers, ZfV 1963, 49, 49 ff.; Rudolph, VersR 1963, 15, 15 ff.

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C. Historische Entwicklung des gesetzlichen Direktanspruchs

im Bereich der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung (vgl. §  3 Nr.  1 PflVG a. F.),18 indem er einen gesetzlichen Schuldbeitritt des Haftpflichtversicherers zum Schadensersatzanspruch anordnete. Der gesetzliche Direktanspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer stellt mithin eine verhältnismäßig junge Erscheinung des deutschen Haftpflichtversicherungsrechts dar. Durch die Regelung des §  3 Nr.  1 PflVG a. F. war dem Geschädigten fortan die Möglichkeit eröffnet, den Kfz-Haftpflichtversicherer seines Schädigers unmittelbar in Anspruch zu nehmen. Der Geschädigte konnte nunmehr mit Aussicht auf Erfolg Klage gegen den Versicherer erheben, ohne zuvor auf die gesonderte Feststellung des Schadensersatzanspruchs sowie auf die Pfändung und Überweisung des Versicherungsanspruchs angewiesen zu sein. Im Rahmen der Direktklage gegen den Versicherer bedurften alsdann sowohl haftungs- als auch deckungsrechtliche19 Aspekte einer Klärung.20 Der nach Ratifizierung des Straßburger Übereinkommens geschaffene Direktanspruch genügte im Übrigen auch den späteren in den Kraftfahrzeughaftpflichtrichtlinien der EU statuierten unionsrechtlichen Vorgaben zur Einführung eines gesetzlichen Direktanspruchs (vgl. nunmehr Art.  18 6. KH-Richtlinie), so dass insoweit kein Anpassungsbedarf für den deutschen Gesetzgeber bestand.21 Die Zubilligung eines gesetzlichen Direktanspruchs blieb zunächst eine auf das Gebiet der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung beschränkte Besonderheit.22 Bei allen anderen Haftpflichtversicherungen stand dem geschädigten Dritten auch weiterhin kein Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer zu und er musste im Zweifel den traditionellen Weg mit Pfändung und Überweisung des Freistellungsanspruchs beschreiten.

3. VVG-Reform 2008 Als zu Beginn des 21. Jahrhunderts das bislang geltende Gesetz über den Versicherungsvertrag zunehmend für unzulänglich erachtet wurde und die Reform des Versicherungsvertragsrechts in den Mittelpunkt des rechtswissenschaftli18  Gesetz zur Änderung von Vorschriften über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter vom 05. April 1965 (BGBl. I 1965, S.  213 ff.). Für die Bundesrepublik Deutschland hätte alternativ auch die Möglichkeit bestanden, hinsichtlich des Direktanspruchs von dem in Nr.  12 Anhang II des Übereinkommens vorgesehenen Vorbehalt Gebrauch zu machen und von einer Einführung in Deutschland abzusehen, vgl. Möller, ZVersWiss 1963, 409, 409. 19  Vgl. §  3 Nr.  1 PflVG a. F.: „(…) im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis (…)“. 20  Prölss, NJW 1965, 1737, 1738. 21  Franck, Direktanspruch, S.  78. 22  Bar, AcP 181 (1981), 289, 324.

I. Deutschland

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chen Interesses rückte,23 befasste sich die vom Bundesjustizministerium mit der Ausarbeitung von Verbesserungsvorschlägen betraute VVG-Reformkommission unter anderem auch mit dem Rechtsinstitut des „Direktanspruchs“ in der Haftpflichtversicherung.24 In ihrem Abschlussbericht aus dem Jahre 2004 empfahl die Reformkommission, den Anwendungsbereich des aus der Kfz-Haftpflichtversicherung bekannten und „bewährten“ allgemeinen Direktanspruchs auf sämtliche obligatorischen Haftpflichtversicherungen zu erweitern.25 Ein gesetzlicher Direktanspruch sichere dem Geschädigten einen „verhandlungs- und zahlungsbereiten, weitgehend insolvenzsicheren Schuldner“, was sich insbesondere als segensreich erweise, wenn sich der Schädiger seinen Verpflichtungen – beispielsweise durch Verschleierung seines Aufenthaltes – zu entziehen versuche. Insoweit sei der gesetzliche Direktanspruch eine wesentliche Säule des bei allen Pflichthaftpflichtversicherungen im Vordergrund stehenden Geschädigtenschutzes.26 Nachdem dieser Reformvorschlag zunächst Anklang bei der Bundesregierung gefunden hatte und mit nahezu gleichlautender Begründung in den Regierungsentwurf für ein neues VVG integriert wurde,27 erhob sich jedoch heftiger Widerstand von Seiten der Versicherungswirtschaft, als deren Repräsentant insbesondere der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) fungierte.28 Die Versicherer warnten vornehmlich davor, dass es infolge der Ausweitung des gesetzlichen Direktanspruchs zu drastisch steigenden Prämien bei den Pflichthaftpflichtversicherungen kommen werde.29 Zudem bezweifelten die Versicherer, dass die proponierte Reform des Direktanspruchs tatsächlich zu einer Verbesserung der Rechtsstellung der Geschädigten führe – schließlich sähen sich die Geschädigten regelmäßig mit dem praktischen Problem konfrontiert, den Haftpflichtversicherer des Schädigers zunächst erst auf-

Allgemein zur VVG-Reform 2008: Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  1a Rn.  1 ff. 24  Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  5; VVG-Kommission, Abschlussbericht, S.  82 f., 240 f., 371. 25  VVG-Kommission, Abschlussbericht, S.  83. 26  VVG-Kommission, Abschlussbericht, S.  82 f. 27  BT-Drs. 16/3945, S.  50, 88. 28  GDV, Stellungnahme zum Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, S.  71 ff.; GDV, Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, S.  53 f.; Kernpunkte des GDV zur Reform des VVG, S.  20 ff. Vgl. hierzu auch Franck, Direktanspruch, S.  80 f. 29  GDV, Stellungnahme zum Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, S.  73; GDV, Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, S.  53 f. 23 

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C. Historische Entwicklung des gesetzlichen Direktanspruchs

wendig ermitteln zu müssen (z. B. durch eine Auskunftsklage).30 Ein Geschädigter genieße im Übrigen auch ohne gesetzlichen Direktanspruch bereits einen adäquaten gesetzlichen Schutz.31 Die Intervention der Versicherungswirtschaft hatte letztlich in weitem Umfang Erfolg und bewirkte, dass sich der Vorschlag zur Einführung eines allgemeinen, an keine weiteren Bedingungen geknüpften Direktanspruchs bei sämtlichen Pflichthaftpflichtversicherungen politisch nicht durchzusetzen vermochte. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wurde der im Regierungsentwurf präferierte allgemeine Direktanspruch durch den Deutschen Bundestag auf „die unter Verbraucherschutzgesichtspunkten wesentlichen Problembereiche“32 zurückgeführt.33 Zur Begründung rekurrierte der Gesetzgeber im Wesentlichen auf die Bedenken der Versicherungswirtschaft und verwies dabei mit beson­ derem Nachdruck auf die Gefahr steigender Versicherungsprämien.34 Das novellierte Versicherungsvertragsgesetz gewährt einen allgemeinen, voraussetzungslosen Direktanspruch daher auch weiterhin nur im Bereich der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung (§  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  1 VVG). Bei allen anderen obligatorischen Haftpflichtversicherungen besteht ein gesetzlicher Direktanspruch nur im Falle der Insolvenz des Schädigers (§  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  2 VVG) oder bei dessen unbekanntem Aufenthalt (§  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  3 VVG).35

II. England 1. Ausgangssituation: Kein Direktanspruch Auch im englischen Recht existierte zunächst kein gesetzlicher Direktanspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer.36 Dem Geschädigten war es überdies nicht möglich, nach Erwirkung eines Schadensersatzurteils gegen den 30 

GDV, Stellungnahme zum Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, S.  71, 73. 31  GDV, Stellungnahme zum Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, S.  71, 73. 32  BT-Drs. 16/5862, S.  99. 33  Langheid in Langheid/Rixecker, §  115 Rn.  4; Jacobsen in Feyock/Jacobsen/Lemor, §  115 VVG Rn.  4; Wandt, VR, Rn.  1114. 34  BT-Drs. 16/5862, S.  95; Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  62. 35  Knappmann in Prölss/Martin, §  115 Rn.  6 ff.; Armbrüster, PVR, Rn.  1690; Wandt, VR, Rn.  1115. 36  Merkin/Steele, Insurance and the Law of Obligations, S.  395; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  30-011; Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  649; Jess, L.M.C.L.Q. 2000, 192, 192; Jacobs, 22 S. Afr. Mercantile L. J. 2010, 608, 609, 612; Goodliffe, J.B.L. 1993, 590, 590; Hedderich, Pflichtversicherung, S.  77.

II. England

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Schädiger im Wege der Zwangsvollstreckung (execution) auf dessen Haftpflichtversicherungsforderung zuzugreifen, um somit zumindest mittelbar aus einer derivativen Rechtsposition gegen den Versicherer vorgehen zu können. Zwar kannte das englische Zwangsvollstreckungsrecht mit den sog. garnishee proceedings (heute: third party debt order)37 ein Verfahren der Forderungspfändung (attachment of debts).38 Tauglicher Vollstreckungsgegenstand bei der Forderungspfändung war jedoch alleine eine fällige bzw. eine zukünftig fällig werdende Geldforderung (debt). Nach Auffassung der englischen Rechtsprechung schuldet ein Haftpflichtversicherer seinem Versicherungsnehmer indes weniger eine bestimmte Geldsumme, als vielmehr die Schadloshaltung im Hinblick auf einen bestimmten Schadensersatzanspruch, die auch im Wege der unmittelbaren Befriedigung des Geschädigten zu erreichen sei.39 Die Haftpflichtversicherungsforderung stellte mithin keinen tauglichen Vollstreckungsgegenstand der Forderungspfändung dar.40 In der Konsequenz war der Geschädigte darauf angewiesen, ein unerfülltes Schadensersatzurteil durch Vollstreckung in andere Vermögenswerte seines Schädigers durchzusetzen.41 Freilich konnte der Geschädigte dabei auf die Haftpflichtversicherungssumme zugreifen, sofern diese durch Auszahlung an den Versicherungsnehmer in dessen Vermögen überge-

37  Die sog. garnishee proceedings wurden zum 25. März 2002 durch die third party debt order nach Part 72 Civil Procedure Rules abgelöst, ohne dass hiermit eine nennenswerte inhaltliche Veränderung einhergegangen wäre, vgl. Weinert, Vollstreckungsbegleitender einstweiliger Rechtsschutz, S.  294. 38  Allgemein zur Forderungspfändung in England: Bernstorff, Einführung, S.  170; Weinert, Vollstreckungsbegleitender einstweiliger Rechtsschutz, S.  294 ff. 39  Israelson v. Dawson (Port of Manchester Insurance Co Ltd) [1933] 1 K.B. 301, 306, per Greer LJ: „(…) but that what they [the insurer] have promised is to indemnify him [the insured] against such payment as he may have to make, and they may do that, not by paying him anything, but by paying to some other persons the amount the insured has to pay them“. Vgl. hierzu auch oben unter 2. Teil A.I.4.a). 40  Israelson v. Dawson (Port of Manchester Insurance Co Ltd) [1933] 1 K.B. 301; France v. Piddington (Cooperative Insurance Society Ltd) (1932) 43 Ll.L.Rep.  491; Loftus v. Port of Manchester Insurance Co Ltd (1933) 45 Ll.L.Rep.  252; Mance/Goldrein/Merkin, Insurance Disputes, Rn.  13.48; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  30-012; Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  1-17 [Fn.  93]; Jess, L.M.C.L.Q. 2000, 192, 192; Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  5. A.A. noch Adams v. London General Insurance Co (1932) 42 Ll.L.Rep.  56; ebenfalls a. A. wohl Hughes, 1 Mod. L. Rev. 1938, 258, 263. 41  Auch heute noch ist einem Geschädigten die Pfändung der Haftpflichtversicherungsforderung seines Schädigers versagt, denn eine final third party debt order setzt gemäß r. 72.2 (1) (a) CPR ebenfalls einen fälligen bzw. zukünftig fälligen Geldanspruch voraus: „(…) the court may make an order (a ‘final third party debt order’) requiring a third party to pay to the judgment creditor the amount of any debt due or accruing due to the judgment debtor from the third party“ (kursive Hervorhebung durch Verfasser).

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C. Historische Entwicklung des gesetzlichen Direktanspruchs

gangen war.42 Als nunmehr gewöhnlicher Vermögensbestandteil des Schädigers unterlag die Versicherungssumme allerdings dem konkurrierenden Zugriff sämtlicher seiner Gläubiger, denn das englische Recht kannte keine Zweckbindung der Haftpflichtversicherungsleistung zugunsten des Geschädigten.

2. Die Anfänge des gesetzlichen Direktanspruchs Obgleich der Geschädigte nicht in die Haftpflichtversicherungsforderung vollstrecken konnte und die Haftpflichtversicherungsleistung auch im Übrigen nicht durch entsprechende gesetzliche Regelungen zum Zwecke seiner Befriedigung reserviert war, profitierte der Geschädigte faktisch doch recht häufig von der Haftpflichtversicherung seines Schädigers. Ungeachtet der nach dem Prioritätsprinzip43 aufzulösenden Gläubigerkonkurrenz in der Einzelzwangsvollstreckung bestand für den geschädigten Dritten zumindest die berechtigte Hoffnung, auf die Versicherungsleistung zugreifen zu können, wenn diese in das Vermögen des Schädigers übergegangen war und dort nunmehr dem Vollstreckungszugriff unterlag. Gänzlich anders verhielt es sich jedoch in der Insolvenz des Schädigers. Denn während die Haftpflichtversicherungsleistung in voller Höhe der Insolvenzmasse gutzubringen war, schrieb man dem Geschädigten hinsichtlich seines Schadensersatzanspruchs alleine den Status eines ungesicherten Insolvenzgläubigers zu und verwies ihn demzufolge auf eine meist recht geringe Insolvenzquote.44 Die bei einem solventen Schädiger berechtigte Hoffnung des Geschädigten, letztlich von der Haftpflichtversicherungsleistung zu profitieren, konnte somit in der Insolvenz des Versicherungsnehmers von vornherein keinen Platz greifen.

42  Z. B. durch einen writ of execution / warrant of execution, sofern die Haftpflichtversicherungssumme als Bargeld vorliegt, oder aber durch eine Pfändung des Kontos, welchem die Versicherungssumme gutgeschrieben wurde (und zwar mittels third party debt order). Allgemein zu den Arten der Zwangsvollstreckung in England: Bunge, Zivilprozess und Zwangsvollstreckung in England, S.  211 ff.; Bernstorff, Einführung, S.  168 ff. 43 Dazu Bitter, Vollstreckbarerklärung, S.  94. 44  Merkin/Steele, Insurance and the Law of Obligations, S.  395; Mance/Goldrein/Merkin, Insurance Disputes, Rn.  13.48; Lowry/Rawlings, Insurance Law – Doctrines and Principles, S.  279; Law Commission, Law Com No.  152 (1998), Rn.  1.2; Birds’ Modern Insurance Law, S.  386; Goretzky, Leistungspflicht des Versicherers, S.  95. Aus der Rechtsprechung vgl. insbesondere: Re Harrington Motor Co Ltd, Ex parte Chaplin [1928] Ch.  105, 105 ff.; Hood’s Trustees v. Southern Union General Insurance Co of Australasia Ltd [1928] Ch.  793, 793 ff.

II. England

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a) Workmen’s Compensation Act 1906 Es mutete indes sozial ungerecht an, dass der Geschädigte in der Insolvenz des Schädigers nahezu leer ausgehen sollte, während die Haftpflichtversicherungsleistung, die erst infolge seiner Schädigung fällig wurde, ganz allgemein die Insolvenzmasse anreicherte und somit die Befriedigungsaussichten aller Gläubiger des Schädigers verbesserte.45 Abhilfe schuf der Gesetzgeber zunächst im Bereich der bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts weit verbreiteten Arbeitgeberhaftpflichtversicherung (employers’ liability insurance), bei welcher sich diese Ungerechtigkeit bereits sehr frühzeitig gezeigt hatte. Hierzu sah der Gesetzgeber in s. 5 Workmen’s Compensation Act 190646 für den Fall der Insolvenz des haftpflichtversicherten Arbeitgebers einen gesetzlichen Übergang der Haftpflichtversicherungsforderung auf den geschädigten Arbeitnehmer vor (Legalzession, statutory assignment).47 Die auf diese Weise der Insolvenzmasse entzogene Versicherungsforderung begründete in der Folge einen eigenen Anspruch des geschädigten Arbeitnehmers gegen den Haftpflichtversicherer,48 wobei dieser Direktanspruch unter dem Vorbehalt sämtlicher versicherungsrechtlicher Einwendungen stand.49 Der Anwendungsbereich des gesetzlichen Direktanspruchs aus s. 5 Workmen’s Compensation Act 1906 war allerdings auf solche Haftpflichtversicherungen begrenzt, welche den Arbeitgeber vor den Folgen der Inanspruchnahme aus dem im Workmen’s Compensation Act 1906 geregelten verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch schützen sollten. Bei Haftpflichtversicherungen, welche der Absicherung gegen Ersatzansprüche aus dem Merkin/Steele, Insurance and the Law of Obligations, S.  395. Workmen’s Compensation Act bildete neben dem Employers’ Liability Act 1888 sowie neben den Regeln des Common Law einen Bestandteil des Schutzes von Arbeitnehmern im Falle eines Arbeitsunfalls; wesentliches Merkmal des Workmen’s Compensation Act war dabei die verschuldensunabhängige Haftung des Arbeitgebers. Der Workmen’s Compensation Act wurde im Jahre 1946 durch eine staatliche Unfallversicherung ersetzt (National Insurance (Industrial Injuries) Act 1946), so dass auch der darin normierte Direktanspruch wegfiel, vgl. MacGillivray on Insurance Law, Rn.  30-112. 47  S.  5 (1) Workmen’s Compensation Act 1906: „Where any employer has entered into a contract with any insurers in respect of any liability under this Act to any workman, then, in the event of the employer becoming bankrupt, or making a composition or arrangement with his creditors, or if the employer is a company in the event of having commenced to be wound up, the rights of the employer against the insurers as respects that liability shall (…) be transferred to and vest in the workman“. 48  Die Vorgängerregelung des s. 5 Workmen’s Compensation Act 1897 gewährte dem Arbeitnehmer hingegen keinen eigenen Anspruch, sondern lediglich eine „first charge“ an der Versicherungsleistung, vgl. hierzu Merkin/Steele, Insurance and the Law of Obligations, S.  395 f. 49  King v. Phoenix Assurance Co [1910] 2 K.B. 666, 670 f.; Merkin/Steele, Insurance and the Law of Obligations, S.  396. 45 

46 Der

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C. Historische Entwicklung des gesetzlichen Direktanspruchs

Employers’ Liability Act 1888 bzw. aus den Regeln des Common Law dienten, war der Anwendungsbereich des Direktanspruchs dagegen nicht eröffnet.50 b) Third Parties (Rights against Insurers Act) 1930 aa) Hintergrund Die sich im Insolvenzfalle des haftpflichtversicherten Schädigers einstellende und für den Geschädigten äußerst missliche Rechtslage drang erst durch eine auf das Jahr 1927 datierende Gerichtsentscheidung des Court of Appeal einer breiteren Öffentlichkeit ins Bewusstsein.51 Dieses als überaus unbillig empfundene und gar als „skandalös“52 bezeichnete Urteil gab letztlich den Anstoß zu einer weitergehenden gesetzgeberischen Aktivität, welche den gesetzlichen Direktanspruch aus dem engen Anwendungsbereich der Arbeitgeberhaftpflichtversicherung löste.53 Der in der Folge geschaffene Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 ist ein wesentlicher Markstein in der Historie des gesetzlichen Direktanspruchs in England. In der Rechtssache Re Harrington Motor Co Ltd, Ex parte Chaplin54 be­gehrte ein Fußgänger, der bei einem durch einen Taxifahrer verursachten Verkehrsunfall erhebliche Verletzungen erlitten hatte, die Auszahlung der an den Insolvenzverwalter des mittlerweile zahlungsunfähigen Taxiunternehmens ausgekehrten Haftpflichtversicherungsleistung. Noch bevor der geschädigte Fußgänger sein gegen das Taxiunternehmen erwirkte Schadensersatzurteil hatte vollstrecken können, war über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden. In der Folge hatte der Haftpflichtversicherer die anlässlich des Unfalls geschuldete Haftpflichtversicherungsleistung an den Insolvenzverwalter ausgekehrt, welcher die Summe für die gleichmäßige Gläubigerbefriedigung zu verwenden gedachte. Dem Gericht oblag nunmehr die Entscheidung, ob dem Geschädigten im Falle der Insolvenz seines haftpflichtversicherten Schädigers ein Vorrecht an der Haftpflichtversicherungsleistung zustand oder ob diese einen gewöhnlichen Bestandteil der Insolvenzmasse bildete. In seinem Urteil hob Vgl. den Wortlaut des s. 5 Workmen’s Compensation Act 1906: „(…) in respect of any liability under this Act (…)“ (kursive Hervorhebung durch Verfasser). 51  Vgl. Re Harrington Motor Co Ltd, Ex parte Chaplin [1928] Ch.  105, 105 ff. 52 So Wood, Hansard (HC) 29 October 1929, Vol. 231, col.  130. 53  Goldsmith, Int.I.L.R. 1995, 378, 378; Hughes, 1 Mod. L. Rev. 1938, 258, 259; Jacobs, 22 S. Afr. Mercantile L. J. 2010, 608, 612; Clarke, Insurance Contracts, Rn.  5-8, S.  199; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  30-013; Birds’ Modern Insurance Law, S.  386; Lowry/Rawlings, Insurance Law – Doctrines and Principles, S.  279; Post Office v. Norwich Union Fire Insurance Society Ltd [1967] 2 Q.B. 363, 373; Bradley v. Eagle Star Insurance Co Ltd [1989] 1 A.C. 957, 967. 54  Re Harrington Motor Co Ltd, Ex parte Chaplin [1928] Ch.  105, 105 ff. 50 

II. England

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das Gericht die privity of contract-Doktrin hervor und sah sich – trotz geäußerter Sympathien für den Kläger – 55 gezwungen, ein Recht des Geschädigten an der Haftpflichtversicherungsleistung zu verneinen und diese als allgemeinen, allen Gläubigern zugutekommenden Bestandteil der Insolvenzmasse zu betrachten. Der Umstand, dass sein Schädiger Haftpflichtversicherungsschutz genoss, schlug sich zugunsten des Geschädigten mithin allenfalls in einer marginalen Erhöhung der Insolvenzquote nieder. Während sich daher der geschädigte Dritte in der Insolvenz seines Schädigers kaum Hoffnung auf einen umfassenden Ersatz der erlittenen Schäden machen durfte und die Situation daher als überaus unbefriedigend empfinden musste, dürften andere Gläubiger des Versicherungsnehmers ob des eingetretenen Versicherungsfalls und der damit einhergehenden Anreicherung der Insolvenzmasse Begeisterung gehegt haben. Die zufällige Besserstellung der anderen Gläubiger infolge eines einem Dritten widerfahrenen Unheils erregte freilich erhebliches Missfallen bei den englischen Juristen.56 Gleichwohl wurden die in der Rechtssache Re Harrington Motor Co Ltd, Ex parte Chaplin postulierten Grundsätze nur wenige Monate später in einem weiteren Urteil bestätigt,57 dem erneut der Sachverhalt eines Verkehrsunfalls zugrundelag. In Anbetracht des beständig zunehmenden Straßenverkehrs und der erwarteten Häufung derartiger Fallkonstellationen wuchs verstärkt der Ruf nach Reformen.58 Um zukünftig unbillige Ergebnisse zu vermeiden, erließ der englische Gesetzgeber schließlich den Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930,59 wobei er sich der Regelung des s. 5 Workmen’s Compensation Act 1906 als Vorbild bediente.60 55  Re Harrington Motor Co Ltd, Ex parte Chaplin [1928] Ch.  105, 116, per Lord Hanworth MR: „(…) it appears to me that this appeal must be dismissed, even though one may regret that it is not possible to earmark this sum and to say that the liquidator ought to be allowed to receive it and to pay it over, inasmuch as it was the misfortune of Mr. Chaplin which caused this sum to be received (…)“; Re Harrington Motor Co Ltd, Ex parte Chaplin [1928] Ch.  105, 116, per Atkin LJ: „In this case I am of the opinion that the applicant has a real grievance, and if it were possible to decide for him I should very willingly do so“. 56  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-001 f. 57  Hood’s Trustees v. Southern Union General Insurance Co of Australasia Ltd [1928] Ch.  793, 793 ff. 58  Hughes, 1 Mod. L. Rev. 1938, 258, 258; Law Commission, Law Com No.  152 (1998), Rn.  2.3. 59  Eingehend zum Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930: Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-004 ff.; MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-121. 60  Merkin/Steele, Insurance and the Law of Obligations, S.  397; Jowitt, Hansard (HC) 29 October 1929, Vol. 231, col.  130: „(…) in the Workmen’s Compensation Act of 1925 there is already an exactly similar provision which as a matter of practice has worked very well. The terms of this Bill are borrowed from that Act“ (Hinweis: Die Regelung des s. 5 Workmen’s

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C. Historische Entwicklung des gesetzlichen Direktanspruchs

bb) Ausgestaltung des Direktanspruchs (1) Gesetzlicher Übergang der Versicherungsforderung Maßgeblicher Effekt des neuen Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 war der gesetzliche Übergang der Haftpflichtversicherungsforderung auf den Geschädigten (statutory assignment), sofern beim schädigenden Versicherungsnehmer eine krisenhafte, die Befriedigung des Geschädigten gefährdende Vermögenssituation eintrat.61 Neben der Insolvenzeröffnung über das Vermögen einer natürlichen Person (bankruptcy) respektive der gerichtlichen Anordnung einer Gesellschaftsliquidation (winding-up by the court) sollten dabei auch die Durchführung bestimmter außergerichtlicher Vergleichsverfahren sowie die freiwillig beschlossene Gesellschaftsliquidation (voluntary winding-up) einen Rechtsübergang auslösen.62 Bei Kapitalgesellschaften (companies) bewirkte zudem die Ernennung eines Zwangsverwalters (receiver) sowie die Inbesitznahme einer mit einer floating charge belasteten Sache durch deren Gläubiger eine Legalzession des Haftpflichtversicherungsanspruchs. Wie beim Workmen’s Compensation Act erwuchs dem Geschädigten infolge des Übergangs der Versicherungsforderung ein eigener Anspruch gegen den Haftpflichtversicherer. (2) Schutzvorschriften zugunsten des Geschädigten Im Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 waren zwei zwingende Schutzvorschriften zugunsten des Geschädigten vorgesehen, deren Aufgabe in der Absicherung des gesetzlich begründeten Direktanspruchs vor Beeinträchtigungen durch rechtsgeschäftliche Abreden lag. Dabei befasste sich eine Vorschrift mit Abreden, die bereits im Haftpflichtversicherungsvertrag und somit zeitlich vor dem Eintritt des den Forderungsübergang auslösenden Umstandes getroffen wurden.63 Die andere Schutzvorschrift wiederum knüpfte an rechtsgeschäftliche Vereinbarungen an, die dem Eintritt der krisenhaften Vermögenssituation zeitlich nachfolgten.64 Compensation Act 1906 wurde als s. 7 in den Workmen’s Compensation Act 1925 übernommen.). 61  S.  1 (1) Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930. 62  Seit dem Erlass im Jahre 1930 wurde der Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 hinsichtlich der den Forderungsübergang auslösenden Umstände von Zeit zu Zeit novelliert, um rechtlichen Veränderungen auf dem Gebiet des Insolvenzrechts Rechnung zu tragen (z. B. Einführung des auf den Unternehmenserhalt abzielenden Administrations-Verfahrens durch den Insolvency Act 1986). Vgl. hierzu Merkin/Steele, Insurance and the Law of Obligations, S.  397; Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  1.7. 63  S.  1 (3) Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930. 64  S.  3 Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930.

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Zunächst erklärte die Regelung des s. 1 (3) Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 Bestimmungen im Haftpflichtversicherungsvertrag für unwirksam, welche für den Fall, dass ein die Legalzession auslösender Umstand eintreten sollte, eine Änderung der Rechte der Vertragsparteien vorsahen oder gar die Nichtigkeit des Haftpflichtversicherungsvertrages anordneten. Entgegen dem sehr weitgehenden Wortlaut65 unterfielen nach herrschender, auf den Schutzzweck der Norm gestützter Meinung allerdings nur solche vertragsmodifizierenden Bestimmungen der Unwirksamkeitssanktion des s. 1 (3) Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930, welche die Rechte des Geschädigten nachteilig beeinträchtigten. Vertragsmodifizierende Klauseln, welche sich gegenüber dem Geschädigten neutral verhielten oder gar dessen Rechtsstellung verbesserten, blieben hingegen auch dann zulässig, wenn sie an eine Insolvenzsituation anknüpften.66 Eine weitere dem Schutz des Geschädigten dienende Vorschrift fand sich in s. 3 Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930. Danach konnte der mittels Übergang der Haftpflichtversicherungsforderung begründete Direktanspruch weder durch etwaige Abtretungen (assignment), Verzichtserklärungen (waiver) oder andere Verfügungen (disposition), welche der Versicherungsnehmer nach Eintritt der krisenhaften Vermögenssituation vornahm, noch durch sonstige den Versicherungsvertrag betreffende Vereinbarungen des Versicherungsnehmers mit dem Versicherer (agreement) beeinträchtigt werden. Auch Zahlungen, die der Versicherer nach Eintritt der Insolvenzsituation an den Versicherungsnehmer getätigt hatte, ließen den Direktanspruch des Geschädigten unberührt.67 Da die Regelung des s. 3 Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 allerdings nur sog. „post-insolvency settlements“68 verbot, war der Geschädigte nicht davor gefeit, dass die Entstehung des Direktanspruchs durch rechtsgeschäftliche Abreden des Versicherungsnehmers vor Eintritt der krisenhaften VermögenssiDie Vorschrift des s. 1 (3) Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 erklärte nach ihrem Wortlaut schlechthin alle vertragsändernden Klauseln für unwirksam, sofern sie nur an den Eintritt eines die Legalzession auslösenden Umstandes anknüpften – ohne dabei die Auswirkungen der Vertragsänderung auf die Rechtsstellung des Geschädigten zu berücksichtigen. 66  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-034. 67  S.  3 Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 vermochte den Geschädigten jedoch nicht vor der Drittwirkung versicherungsrechtlicher Einwendungen zu schützen, die aus der Verletzung versicherungsvertraglicher Pflichten oder Obliegenheiten durch den Versicherungsnehmer resultierten; die schlichte Nichteinhaltung von Vorgaben des Versicherungsvertrages konnte nämlich nicht unter die Begriffe „waiver“ bzw. „disposition“ subsumiert werden, vgl. hierzu Mance, L.M.C.L.Q. 1995, 34, 43 f. 68  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-038; Merkin/Steele, Insurance and the Law of Obligations, S.  403. 65 

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tuation vereitelt wurde – und zwar selbst dann, wenn die Zahlungsunfähigkeit zu diesem Zeitpunkt bereits absehbar war.69 (3) Einwendungsdurchgriff und geschädigtenunfreundliche Rechtsprechung Ungeachtet dieser Schutzvorschriften wies der gesetzliche Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 gewisse Defizite beim Geschädigtenschutz auf. Eine Schwachstelle des Direktanspruchs lag zunächst in dem vollumfänglichen Durchgriff versicherungsrechtlicher Einwendungen.70 Darüber hinaus wirkte sich auch die konkrete Handhabung des Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 durch die englischen Gerichte nachteilig auf die rechtliche Stellung des Geschädigten aus. Der gesetzliche Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 war zunächst durch einen umfassenden Einwendungsdurchgriff geprägt. Ein Geschädigter hatte die auf ihn übergegangene Versicherungsforderung schlicht so zu nehmen, wie sie sich im Versicherungsinnenverhältnis darstellte71 und der Haftpflichtversicherer konnte sich gegen den Direktanspruch mit sämtlichen aus dem Versicherungsverhältnis resultierenden Einwendungen verteidigen.72 Als für den Geschädigten besonders gefährlich erwies sich hier69  Dies galt vorbehaltlich der Vorschrift des s. 1 (3) Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930, die allerdings nur ursprüngliche Abreden im Haftpflichtversicherungsvertrag erfasste, nicht jedoch etwaige Abtretungen des Versicherungsanspruchs oder Verzichtserklärungen vor Eintritt der Voraussetzungen für den Forderungsübergang. 70  S.  1 (4) Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930: „Upon a transfer under subsection (1) or subsection (2) of this section, the insurer shall (…) be under the same liability to the third party as he would have been under to the insured (…)“. Im Grunde genommen kam dieser gesetzlichen Vorschrift lediglich deklaratorische Bedeutung zu, da der umfassende Einwendungsdurchgriff bereits eine logische Konsequenz der Herleitung des Direktanspruchs im Wege der Legalzession der Versicherungsforderung war (Verbot der zessionsbedingten Schlechterstellung des Schuldners). 71  Vgl. auch die einprägsame Formulierung in Post Office v. Norwich Union Fire Insur­ ance Society Ltd [1967] 2 Q.B. 363, 376, per Harman LJ, wonach der Geschädigte „cannot pick out the plums and leave the duff behind.“; ferner Firma C-Trade S.A. v. Newcastle Protection and Indemnity Association (“The Fanti and The Padre Island”) [1991] 2 A.C. 1, 29, per Lord Brandon of Oakbrook: „It is abundantly clear from the express terms of the Act of 1930 that the legislature never intended (…) to put a third party in any better position as against an insurer than that of the insured himself.“; MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-121; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  30-020; Mance/Goldrein/ Merkin, Insur­ance Disputes, Rn.  13.55. 72  Lediglich in Teilbereichen wurde im Laufe der Zeit ein beschränkter Ausschluss versicherungsrechtlicher Einwendungen für das Direktanspruchsverhältnis normiert, so z. B. in reg. 2 Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Regulations 1998. Allgemein hierzu: Law Commission, Law Com No.  152 (1998), Rn.  5.10 ff.

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bei eine Einwendung, welche der Versicherer aus einer sog. pay-to-be-paidKlausel herleitete.73 Mit einer pay-to-be-paid-Klausel macht der Haftpflichtversicherer seine Leistungspflicht davon abhängig, dass der Versicherungsnehmer den Geschädigten bereits vollumfänglich befriedigt hat (pre-payment requirement). Naturgemäß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein wirtschaftlich angeschlagener Versicherungsnehmer dieses pre-payment requirement erfüllt, eher gering. Da der Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 eine Legalzession jedoch vornehmlich in der Krise bzw. in der Insolvenz des Versicherungsnehmers vorsah, drohte der Geschädigte gerade in Fällen erhöhter Schutzbedürftigkeit leer auszugehen. Sofern der Versicherungsnehmer dagegen tatsächlich vorgeleistet hatte, war der Geschädigte ohnehin nicht mehr auf den Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 angewiesen. Streng genommen konnten pay-to-be-paid-Klauseln somit den Schutz­ zweck des Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 vereiteln.74 Gleichwohl hat das House of Lords in der Entscheidung „The Fanti and The Padre Island“ die Wirksamkeit der pay-to-be-paid-Klauseln auch im Verhältnis zum geschädigten Dritten bestätigt.75 Weitere Schwachstellen im Hinblick auf den Geschädigtenschutz ergaben sich durch die Handhabung des Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 seitens der englischen Gerichte. So war nach der in der Entscheidung Post Office v. Norwich Union Fire Insurance Society Ltd76 zum Ausdruck gebrachten Auffassung des Court of Appeal die Inanspruchnahme des Versicherers aus der legalzedierten Versicherungsforderung erst nach der Feststellung und Quantifizierung der Schadensersatzhaftung im Haftpflichtverhältnis möglich (establi­ shing and quantifying the liability of the insured). Sofern nicht eine – den Versicherer bindende – Einigung über die Schadensersatzpflicht erzielt wurde,77 73  Zwar lag der Ursprung und gewöhnliche Anwendungsbereich der pay-to-be-paidKlausel in den Regeln der Protection and Indemnity-Clubs, jedoch war deren Verwendung potentiell bei allen Haftpflichtversicherungsverträgen denkbar, vgl. Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-024; Law Commission, Law Com No.  152 (1998), Rn.  5.58. 74  Firma C-Trade S.A. v. Newcastle Protection and Indemnity Association („The Fanti“) [1989] 1 Lloyd’s Rep 239, 250, per Stuart-Smith LJ: „(…) that any liability insurer could drive a coach and horses through the Act [Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930] by the simple device of incorporating a pay to be paid clause (…)“. 75  Firma C-Trade S.A. v. Newcastle Protection and Indemnity Association („The Fanti and The Padre Island”) [1991] 2 A.C. 1, 1 ff. Das Gericht verneinte insbesondere einen Verstoß gegen die Vorschrift des s. 1 (3) Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 und lehnte zudem eine Korrektur aus Billigkeitsgründen ab. 76  Post Office v. Norwich Union Fire Insurance Society Ltd [1967] 2 Q.B. 363, 363 ff. 77  Diese Alternative bildete eher eine theoretische Möglichkeit, da die Mehrzahl der englischen Haftpflichtversicherungsverträge in zulässiger Weise das Verbot eines (autonomen)

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war der Geschädigte somit zunächst zur Führung eines separaten Schadensersatzprozesses gegen den Schädiger gezwungen. Dies sollte insbesondere auch dann gelten, wenn es hierfür der Einleitung eines Gerichtsverfahrens gegen eine bereits insolvente Person bedurfte – was wiederum die vorherige Einholung einer besonderen gerichtlichen Erlaubnis (leave) bedingte (vgl. s. 130 (2), (3) sowie s. 285 (3) (b) Insolvency Act 1986). Freilich war dies mit einem zusätzlichen Zeitund Kostenaufwand verbunden, was aus Geschädigtenschutzperspektive bedauerlich war. Begründet wurde das Erfordernis der vorherigen Feststellung der Schadensersatzpflicht damit, dass auch der Versicherungsnehmer erst nach einer solchen Feststellung eine Leistungsklage gegen den Versicherer hätte erheben können und dem Geschädigten nach der Legalzession keine bessere Rechtsstellung zukommen dürfe. Ohne eine vorherige Klärung der Haftpflichtfrage müssten überdies schadensrechtliche Aspekte zwangsläufig im Direktprozess gegen den Versicherer geklärt werden. Dies widerspreche jedoch der zur Zeit des Erlasses des Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 gelebten Rechtspraxis,78 wonach dem mit der Feststellung einer Schadensersatzpflicht befassten Gericht der Umstand einer existierenden Haftpflichtversicherung nicht zur Kenntnis gebracht werden dürfe. Ein mit dieser Praxis brechender Regelungswille dürfe dem historischen Gesetzgeber nicht unterstellt werden.79 Besonders missliche Folgen für den Geschädigten zeitigte das Erfordernis der vorherigen Feststellung und Quantifizierung der Schadensersatzpflicht, wenn eine zwischenzeitlich aufgelöste Kapitalgesellschaft (dissolved company) für die Schädigung verantwortlich war und es der Geschädigte versäumt hatte, noch vor der Gesellschaftsauflösung ein Schadensersatzurteil zu erwirken. Sofern dem geschädigten Dritten nicht ausnahmsweise die – freilich zeitlich begrenzte – Möglichkeit der Wiederherstellung (restoration) der Gesellschaft nach den Vorschriften des Companies Act offenstand, fehlte es nämlich in Ermangelung einer Rechtssubjektivität des Schädigers nunmehr an einem tauglichen Prozessgegner. War dem Geschädigten jedoch infolgedessen die verbindliche Feststellung der Haftung des schädigenden Versicherungsnehmers unmöglich, konnte er nach Auffassung der Rechtsprechung auch keine Rechte aus dem übergegangenen Versicherungsanspruch geltend machen.80 Begrenzte Abhilfe für den Geschädigten schuf der englische Gesetzgeber in der Folge daAnerkenntnisses durch den Schädiger vorsahen, vgl. Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22010. 78 Hierzu Gowar v. Hales [1928] 1 K.B. 191, 194 f.; vgl. auch Brice v. Wackerbarth (Aus­ tralasia) Pty Ltd [1974] 2 Lloyd’s Rep 274, 276. 79  Post Office v. Norwich Union Fire Insurance Society Ltd [1967] 2 Q.B. 363, 375. 80  Vgl. hierzu die Leitentscheidung Bradley v. Eagle Star Insurance Co Ltd [1989] A.C. 957, 957 ff. mit abweichendem Minderheitsvotum von Lord Templeman.

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durch, dass er die Wiederherstellung von Kapitalgesellschaften zeitlich unbeschränkt ermöglichte.81 Allerdings galt dies nur für den Fall, dass der Geschädigte gegen die wiederhergestellte Gesellschaft Ersatz für Personenschäden (personal injuries) einzuklagen beabsichtigte. Demgegenüber verblieb es bei den engen zeitlichen Schranken für die Wiederherstellung, wenn gegen die Gesellschaft Ersatzansprüche wegen Sach- oder Vermögensbeschädigungen geltend gemacht werden sollten.82 Generell war mit dem auf Wiederherstellung der Gesellschaft gerichteten Verfahren ein nicht zu unterschätzender Zeit- und Kostenaufwand verbunden, was dem Geschädigtenschutz nicht zuträglich war.83 (4) Auskunftsrechte des Geschädigten Ergänzend zum Übergang der Haftpflichtversicherungsforderung sah s. 2 Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 einen Auskunftsanspruch zugunsten des Geschädigten vor. Die Einführung des Auskunftsanspruchs war der Erkenntnis geschuldet, dass dem Geschädigten alleine mit der gesetzlichen Zession der Haftpflichtversicherungsforderung nicht geholfen war, solange er nichts von der Haftpflichtversicherung seines Schädigers wusste und/oder er sich in Unkenntnis über die Identität des Haftpflichtversicherers befand. Mithilfe des Auskunftsanspruchs sollte der Geschädigte diejenigen Informationen in Erfahrung bringen können, welche für die Durchsetzung seiner Rechte aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 unerlässlich waren.84 Der Anspruch auf Preisgabe der notwendigen Informationen richtete sich primär gegen den schädigenden Versicherungsnehmer. Erst wenn die vom Schädiger gewährten Informationen Hinweise auf einen bestimmten Haftpflichtversicherer enthielten, konnte der Geschädigte in gleicher Weise Auskunft von diesem Versicherer verlangen.85 Der Auskunftsanspruch entstand frühestens mit dem Eintritt einer krisenhaften Vermögenssituation beim Schädiger. In Anlehnung an die Entscheidung Post Office v. Norwich Union Fire Insurance Society Ltd verlangte die englische Vgl. s. 651 (5) (a) Companies Act 1985 iVm s. 141 (4) Companies Act 1989; ersetzt durch: s. 1030 (1) Companies Act 2006. Ferner: Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-014; Mance/Goldrein/Merkin, Insurance Disputes, Rn.  13.51; Goldsmith, Int.I.L.R. 1995, 378, 379. 82  Jess, L.M.C.L.Q. 2000, 192, 194. 83  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-014. 84  S.  2 (1) Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930: „(…) to give (…) such information as may reasonably be required by him for the purpose of ascertaining whether any rights have been transferred to and vested in him by this Act and for the purpose of enforcing such rights (…)“. 85  S.  2 (2) Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930. 81 

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Rechtsprechung für die Entstehung des Auskunftsanspruchs zudem die vorherige Feststellung und Quantifizierung der Schadensersatzhaftung.86 Dies konnte freilich dazu führen, dass sich der Geschädigte erst nach einem zeitaufwendigen und kostenintensiven Schadensersatzprozess gegen einen möglicherweise bereits insolventen Schädiger mit der Erkenntnis konfrontiert sah, nicht von einem gesetzlichen Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 profitieren zu können.87 cc) Bedeutungswandel Vergegenwärtigt man sich die Gerichtsentscheidungen, welche Anlass zur Schaffung des Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 gaben,88 mag kaum verwundern, dass mit der Einführung dieses Gesetzes primär die Verbesserung der Rechtsstellung von Verkehrsopfern intendiert wurde.89 Erst als für Verkehrsunfallgeschädigte im novellierten Road Traffic Act 1934 ein eigenständiger, keine krisenhafte Vermögenssituation des Versicherungsnehmers bedingender Direktanspruch gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer geschaffen wurde,90 offenbarte sich die weitergehende Bedeutung des Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930, welcher aufgrund des nicht beschränkten Anwendungsbereichs alle erdenklichen Geschädigten schützte, sofern ihre insolventen Schädiger haftpflichtversichert waren.91 Mit der beständigen Ausweitung der angebotenen Haftpflichtversicherungsprodukte ging zugleich ein stetiger Bedeutungsgewinn des Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 einher. Nigel Upchurch Associates v. Aldridge Estates Investment Co [1993] 1 Lloyd’s Rep 535; Woolwich Building Society v. Taylor [1994] C.L.C. 516; Merkin/Steele, Insurance and the Law of Obligations, S.  398; Goodliffe, J.B.L. 1993, 590, 592. 87  Faber, Int.I.L.R. 1998, 35, 36; Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  4.6. Nachdem die Law Commission im Rahmen ihrer Vorarbeiten zum Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 (hierzu näher unten unter 2. Teil C.II.4.a)) hieran heftige Kritik geäußert hatte, nahm die Rechtsprechung freiwillig von dem Erfordernis der vorherigen Feststellung der Schadensersatzhaftung Abstand, vgl. Re OT Computers Ltd [2004] Ch.  317, 317 ff. 88  Re Harrington Motor Co Ltd, Ex parte Chaplin [1928] Ch.  105, 105 ff.; Hood’s Trustees v. Southern Union General Insurance Co of Australasia Ltd [1928] Ch.  793, 793 ff. Vgl. hierzu ausführlich oben unter 2. Teil C.II.2.b).aa). 89  Law Commission, Law Com No.  152 (1998), Rn.  2.2; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-002; Birds’ Modern Insurance Law, S.  387 [Fn.  7]; Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  1-16. 90  S.  10 Road Traffic Act 1934 (heute: s. 151 Road Traffic Act 1988). 91  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-002; Mance/Goldrein/Merkin, Insurance Disputes, Rn.  13.49. Vom Anwendungsbereich ausgenommen war lediglich die im Workmen’s Compensation Act sondergesetzlich geregelte Arbeitgeberhaftpflichtversicherung, vgl. s. 1 (6) (b) Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930. 86 

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dd) Kritik Der Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 und die zu diesem Gesetz ergangene Rechtsprechung sahen sich recht bald erheblicher Kritik ausgesetzt, die sich im Wesentlichen auf drei Kernaspekte konzentrierte.92 Der Tenor der Kritiker ging dahin, dass der mit dem Gesetz intendierte Geschädigtenschutz letztlich nur unzureichend gewährleistet werde. Im Interesse eines effektiveren Geschädigtenschutzes wurde daher im Laufe der Zeit eine Reform des Gesetzes angemahnt.93 (1) Erfordernis der vorherigen Feststellung der Schadensersatzpflicht Besonderen Anstoß erregte zunächst, dass die Rechtsprechung die Inanspruchnahme des Versicherers aus der legalzedierten Versicherungsforderung erst nach der verbindlichen Feststellung der Schadensersatzhaftung im Haftpflichtverhältnis gestattete.94 Hierdurch werde der Geschädigte zu zeitraubenden und kostenintensiven Schadensersatzprozessen gezwungen, denen im Zweifel sogar noch ein aufwendiges und „gekünsteltes“95 Verfahren zur Wiederherstellung einer bereits aufgelösten Kapitalgesellschaft (restoration) oder aber die Einholung einer gerichtlichen Erlaubnis (leave) für die Prozessführung gegen eine insolvente Person vorauszugehen habe. Der Geschädigte habe jedoch regelmäßig kein Interesse an einem Schadensersatzurteil, weil er angesichts der fehlenden Solvenz des Schädigers nicht mit dessen Befriedigung rechnen dürfe.96 Nach Auffassung der Kritiker wäre es daher aus Effizienzgründen wünschenswert, wenn dem Geschädigten stattdessen ein einstufiges Vorgehen gegen den solventen Versicherer ermöglicht werde, wo in dem Direktprozess inzident haftungsrechtliche Fragen zu klären wären. Die Notwendigkeit der vorherigen Feststellung der Schadensersatzpflicht im Haftpflichtverhältnis sei auch deshalb nicht mehr zeitgemäß, weil die Haftpflichtversicherer in der Praxis vielfach ohnehin die Verteidigung des Schädigers im Schadensersatzprozess übernähmen und bei Prozessverlust zumeist anstandslos zahlten. Dies spreche dafür, dem

Faber, Int.I.L.R. 1998, 35, 36. Vgl. für eine Übersicht über sämtliche Kritikpunkte: Law Commission, Law Com No.  152 (1998), Rn.  3.5. 93 Pointiert Mance, L.M.C.L.Q. 1995, 34, 56: „It is time for the legislature to revisit the area covered by the Third Party (Rights against Insurers) Act 1930“. 94  Goldsmith, Int.I.L.R. 1995, 378, 379; Faber, Int.I.L.R. 1998, 35, 36; Law Commission, Law Com No.  152 (1998), Rn.  3.5. 95 So Jacobs, 22 S. Afr. Mercantile L. J. 2010, 608, 612 f.: „artificial proceedings“. 96  Jacobs, 22 S. Afr. Mercantile L. J. 2010, 608, 612. 92 

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Geschädigten von vornherein die Direktregulierung in einem Prozess gegen den Haftpflichtversicherer zu gestatten.97 (2) Ausgestaltung und gerichtliche Handhabung des Auskunftsrechts Kritik erhob sich zudem gegen den in s. 2 Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 normierten Auskunftsanspruch und dessen Handhabung durch die Gerichte. Auch hier missfiel, dass der Auskunftsanspruch erst nach der verbindlichen Feststellung der Schadensersatzhaftung im Haftpflichtverhältnis entstehen sollte.98 Gegebenenfalls sehe sich der Geschädigte daher erst nach einem langwierigen und kostenintensiven Schadensersatzprozess mit der Erkenntnis konfrontiert, dass sein vermögensloser Schädiger entweder gar keinen Haftpflichtversicherungsschutz besitze oder aber der Haftpflichtversicherer erfolgreich Einwendungen gegen den Direktanspruch erheben könne. Dies widerspreche freilich dem Willen des Gesetzgebers, der den Geschädigten mithilfe des Auskunftsanspruchs gerade vor dem Risiko unnötiger Schadensersatzprozesse gegen vermögenslose Schädiger schützen wollte.99 Des Weiteren wurde der begrenzte Kreis der auskunftspflichtigen Personen kritisiert, welcher sich de lege lata auf den schädigenden Versicherungsnehmer sowie – subsidiär – den Versicherer beschränkte. Im Interesse einer effektiven Informationsgewinnung sei es vorteilhaft, wenn auch andere Personen mit einer Auskunftspflicht belegt würden. So seien beispielsweise auch Versicherungsvermittler (insurance intermediaries)100 vielfach ohne Weiteres in der Lage, Birds’ Modern Insurance Law, S.  389. Goldsmith, Int.I.L.R. 1995, 378, 380 f.; Jacobs, 22 S. Afr. Mercantile L. J. 2010, 608, 613; Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  4.6. 99  Vgl. Taylor, Hansard (HC) 10 April 1930, Vol. 237, col.  2507: „I regard it as of great importance that the injured poor person should have the right to demand from the insurance company, before they resort to the expensive and uncertain processes of the law, all the relative facts disclosed to them in order to enable them to make up their minds as to whether they have a substantial claim or not“ (kursive Hervorhebung durch Verfasser). Ähnlich Richter Phillips in einer Zwischenentscheidung (interlocutory decision) im Verfahren Banque Bruxelles Lambert S.A. v. Eagle Star Insurance Co Ltd (unreported), zitiert nach Law Commission, Law Com No.  272 (2001), para. 4.6 [Fn.  9]: „One might have expected in a situation such as this the [1930 Act] to enable a plaintiff to ascertain the extent of insurance cover before incurring costs of litigation, because the rationale of that Act is to afford to those who can establish a good claim the protection of insurance of the insolvent company against that liability“ (kursive Hervorhebung durch Verfasser). 100  Instruktiv zur Versicherungsvermittlung in England: Rühl in Basedow/Fock, S.  1423 ff. Grundsätzlich ist in England zwischen den unabhängigen Versicherungsvermittlern (independent intermediaries) sowie den gebundenen Versicherungsvermittlern (tied intermediaries, auch company representatives genannt) zu unterscheiden; während erstere regelmäßig als Stellvertreter des Versicherungsnehmers agieren und Versicherungen verschiedener Versi97  98 

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über die Existenz einer Haftpflichtversicherung und die genauen Vertragsmodalitäten Auskunft zu geben, und daher für die Schuldnerstellung bei einem Auskunftsanspruch prädestiniert.101 (3) Durchgriff bestimmter versicherungsrechtlicher Einwendungen Ein dritter Hauptkritikpunkt am Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 betraf den Durchgriff bestimmter versicherungsrechtlicher Einwendungen. Zwar erachtete man es grundsätzlich für angemessen, dass sich der Versicherer gegen den gesetzlich übergegangenen Versicherungsanspruch mit Einwendungen verteidigen kann, die aus dem Versicherungsverhältnis resultieren – schließlich sollte der Versicherer durch die krisenhafte Vermögenssituation seines Versicherungsnehmers und die dadurch ausgelöste Legalzession des Haftpflichtversicherungsanspruchs keine Rechtsnachteile erleiden. Anstoß erregte der Einwendungsdurchgriff jedoch bei wenigen, ganz speziellen Einwendungen.102 Besonders kritischer Betrachtung unterlag dabei die vom Versicherer aus einer sog. pay-to-be-paid-Klausel hergeleitete Einwendung. In deren Drittwirkung wurde bisweilen gar ein Verstoß gegen public policy gesehen.103

3. Besondere Direktansprüche, insbesondere in der Kfz-Haftpflichtversicherung Es fand bereits Erwähnung,104 dass der englische Gesetzgeber nur vier Jahre nach dem Erlass des Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 einen besonderen gesetzlichen Direktanspruch gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer einführte.105 Der durch den Road Traffic Act 1930 vermittelte Schutz zugunsten der Verkehrsunfallgeschädigten hatte sich in der Praxis als lückenhaft erwiesen, so dass der Gesetzgeber mit dem novellierten Road Traffic Act 1934 die Schutzdefizite des Vorgängergesetzes zu beseitigen und die Rechtsstellung der Unfallopfer zu verbessern beabsichtigte.106 Eine Maßnahme zur Verbesserung des cherungsunternehmen vermitteln, beschränkt sich die Tätigkeit der letztgenannten Versicherungsvermittler auf den Vertrieb von Versicherungsprodukten ganz bestimmter Versicherungsunternehmen, wobei der Vermittler hier in der Regel Stellvertreter des Versicherers ist. 101  Vgl. Law Commission, Law Com No.  152 (1998), Rn.  6.7 f.; Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  4.8.; Jacobs, 22 S. Afr. Mercantile L. J. 2010, 608, 613. 102  Faber, Int.I.L.R. 1998, 35, 37 f. 103  Goretzky, Leistungspflicht des Versicherers, S.  100. 104  Vgl. oben unter 2. Teil C.II.2.b).cc). 105  S.  10 Road Traffic Act 1934 (später: s. 207 Road Traffic Act 1960; heute: s. 151 Road Traffic Act 1988). 106  Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  727; Kämmer, Stellung des Verkehrsopfers, S.  78 f. Ausführlich: Hughes, 1 Mod. L. Rev. 1938, 258, 262 ff.

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C. Historische Entwicklung des gesetzlichen Direktanspruchs

Verkehrsopferschutzes lag dabei in der Einführung eines speziellen Direktanspruchs in s. 10 Road Traffic Act 1934, der – anders als der im Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 normierte Direktanspruch – von der Vermögenssituation des Schädigers unabhängig war.107 In seiner rechtskonstruktiven Ausgestaltung unterschied sich dieser Kfz-haftpflichtversicherungsrechtliche Direktanspruch ganz erheblich von dem bislang im englischen Recht bekannten direkten Forderungsrecht gegen den Haftpflichtversicherer. Während es sich bei dem Direktanspruch aus s. 1 Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 um die legalzedierte Versicherungsforderung handelte, statuierte der Gesetzgeber in s. 10 Road Traffic Act 1934 die Pflicht des Versicherers, dem Geschädigten die im Haftpflichtprozess ausgeurteilte Schadensersatzsumme zu bezahlen, und knüpfte somit zur Begründung des Direktanspruchs an den Schadensersatzanspruch an. Streng genommen bot sich der im Road Traffic Act 1934 vorgesehene Direktanspruch als ein besonderer Durchsetzungsmechanismus (enforcement mechanism) im Hinblick auf das Schadensersatzurteil dar –108 freilich mit der Besonderheit, dass mit dem Haftpflichtversicherer ein Nicht-Urteilsschuldner in Anspruch genommen werden konnte. Ein bedeutsames Ereignis in der Historie der gesetzlichen Direktansprüche im englischen Haftpflichtversicherungsrecht stellt der Erlass des Merchant Shipping (Oil Pollution) Act 1971 dar, mit welchem der englische Gesetzgeber Vorgaben aus der 1969 unterzeichneten International Convention on Civil Liability for Oil Pollution Damage (CLC) in nationales Recht überführte. Im Bewusstsein der sich aus der Beförderung von Öl zur See ergebenden Verschmutzungsgefahren sowie in der Überzeugung, dass durch Ölverschmutzungen geschädigte Personen einen umfassenden Schadensausgleich erlangen sollen, sah das besagte internationale Übereinkommen neben der Schaffung einer Gefährdungshaftung für durch Ölaustritt verursachte Schäden die Einführung einer Haftpflichtversicherungspflicht für die Schiffseigentümer vor und gab den Vertragsstaaten auf, zugunsten der Geschädigten einen Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer vorzusehen (Art. VII CLC). Hierzu sollte einem Geschädigten das Recht eingeräumt werden, seinen Schadensersatzanspruch unmittelbar gegen den Haftpflichtversicherer geltend machen zu können (Art. VII Abs.  8 CLC).109 Im Einklang mit dieser Vorgabe knüpfte denn auch der englische Ge107  Gleichwohl blieb der Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 neben dem Direktanspruch aus s. 10 Road Traffic Act 1934 anwendbar, vgl. Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  1-17. 108  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-074: „Section 151 (1) [Road Traffic Act 1988] is an enforcement mechanism only, allowing the victim to bring a direct action against the insurers to satisfy a judgment left unsatisfied by the user“. 109  Art. VII Abs.  8 International Convention on Civil Liability for Oil Pollution Damage

II. England

133

setzgeber den Direktanspruch in s. 12 Merchant Shipping (Oil Pollution) Act 1971 rechtskonstruktiv an den Schadensersatzanspruch an und statuierte insoweit eine Mithaftung des Versicherers.110 In der Konsequenz konnte der Geschädigte sogleich gegen den Versicherer vorgehen und musste nicht erst im Haftpflichtverhältnis die Schadensersatzhaftung feststellen lassen.111 Dies begründete eine revolutionäre Neuerung im Vergleich zu den bisherigen gesetzlichen Direktansprüchen des englischen Rechts. Selbstverständlich war dem Versicherer die Berufung auf schadensrechtliche Einwendungen in gleicher Weise gestattet wie dem Schädiger (s. 12 (2) Merchant Shipping (Oil Pollution) Act 1971). Der Direktanspruch aus s. 12 Merchant Shipping (Oil Pollution) Act 1971 wurde schließlich in inhaltlich unveränderter Weise in die Vorschrift des s. 165 (1) Merchant Shipping Act 1995 überführt. In Umsetzung der International Convention on Civil Liability for Bunker Oil Pollution Damage (BUNKER)112 aus dem Jahre 2001 führte der englische Gesetzgeber später einen gleichermaßen gestalteten gesetzlichen Direktanspruch gegen solche Haftpflichtversicherer ein, welche Versicherungsschutz gegen Haftpflichtansprüche resultierend aus Verschmutzungen durch sog. Bunkeröl gewährten (s. 165 (1A) Merchant Shipping Act 1995).113 Insgesamt haben die nunmehr in s. 165 Merchant Shipping Act 1995 verorteten gesetzlichen Direktansprüche jedoch keine nennenswerte rechtspraktische Bedeutung erlangt.114 Zum 19. Januar 2003 schuf der englische Gesetzgeber schließlich im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung einen weiteren besonderen Direktanspruch,115 (CLC): „Any claim for compensation for pollution damage may be brought directly against the insurer or other person providing financial security for the owner’s liability for pollution damage. (…)“. 110  S.  12 (1) Merchant Shipping (Oil Pollution) Act 1971: „Where it is alleged that the owner of a ship has incurred a liability under Section 1 of this Act as a result of any discharge or escape of oil (…) proceedings to enforce a claim in respect of the liability may be brought against the person who provided the insurance (…)“ (kursive Hervorhebung durch Verfasser). Im Anwendungsbereich dieses Direktanspruchs war ein Rückgriff auf den Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 ausgeschlossen, vgl. s. 12 (5) Merchant Shipping (Oil Pollution) Act 1971. 111  Hjalmarsson, 18 Asia Pac. L. Rev. 2010, 259, 266. 112  Während sich das CLC-Übereinkommen mit Verschmutzungsschäden befasst, die durch in Öltankern transportiertes Öl verursacht werden, nimmt sich das BUNKER-Übereinkommen inhaltlich solcher Verschmutzungsschäden an, die durch Öle verursacht werden, die dem Betrieb oder Antrieb von Schiffen oder der Schmierung mechanischer Teile dienen (sog. Bunkeröl). 113  Eingefügt durch reg. 19 Merchant Shipping (Oil Pollution) (Bunkers Convention) Regulations 2006. 114  Hjalmarsson, 18 Asia Pac. L. Rev. 2010, 259, 263. 115  Reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002.

134

C. Historische Entwicklung des gesetzlichen Direktanspruchs

der auf unionsrechtliche Vorgaben zurückzuführen ist.116 Das Gebiet des KfzHaftpflichtversicherungsrechts ist angesichts des zunehmenden grenzüberschreitenden Straßenverkehrs als Folge einer stetig wachsenden Mobilität in der Bevölkerung bereits seit geraumer Zeit von gesamteuropäischen Harmonisierungsbestrebungen geprägt,117 nicht zuletzt um einen europaweit einheitlichen Mindestschutz für Verkehrsunfallopfer sicherzustellen und unbillige Folgen für Geschädigte bei Unfällen mit Auslandsbezug zu vermeiden.118 Ihren Anfang nahmen diese Harmonisierungsbemühungen in dem – von England allerdings nicht unterzeichneten – völkerrechtlichen Straßburger Übereinkommen aus dem Jahre 1959, wo bereits die Einführung eines Direktanspruchs zugunsten der Unfallgeschädigten vorgeschrieben wurde.119 Auf unionsrechtlicher Ebene befassten sich ab dem Jahre 1972 wiederholt Richtlinien mit der Vereinheitlichung des Kfz-Haftpflichtversicherungsrechts in den Mitgliedstaaten. Die ersten drei Richtlinien legten ihr Augenmerk dabei vornehmlich auf die Schaffung einer unionsweiten Haftpflichtversicherungspflicht sowie auf die Sicherstellung eines gewissen Mindestumfangs des Haftpflichtversicherungsschutzes.120 Der Thematik des gesetzlichen Direktanspruchs gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer nahm sich erst die 4. KH-Richtlinie aus dem Jahre 2000 an, die bis zum 20. Januar 2003 in nationales Recht zu überführen war. Nach Art.  3 4. KH-Richtlinie musste einem Unionsbürger, der in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Wohnsitzmitgliedstaat durch einen Verkehrsunfall geschädigt wurde, ein Direktanspruch gegen den Versicherer des haftpflichtigen Schädigers eingeräumt werden. Die als Kompromiss zu verstehende Begrenzung des gesetzlichen Direktanspruchs auf sog. Reisefälle121 wurde schließlich durch die 5. KH-Richtlinie (2005) aufgehoben, so dass nunmehr jedem Unionsbürger unab116 

Dieser Direktanspruch trat neben die schon bislang im Kfz-Haftpflichtversicherungsbereich geltenden gesetzlichen Direktansprüche aus s. 151 Road Traffic Act 1988 sowie s. 1 Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930. 117  Allgemein zur Entwicklung der europaweiten Harmonisierung des Kfz-Haftpflichtversicherungsrechts: Lemor in Feyock/Jacobsen/Lemor, Europarechtliche Grundlagen Rn.  5 ff.; Franck, Direktanspruch, S.  63 ff.; Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  1–25 ff. 118  Franck, Direktanspruch, S.  63. 119  Vgl. zu den bedeutsamen Auswirkungen des Straßburger Übereinkommens von 1959 auf das deutsche Haftpflichtversicherungsrecht oben unter 2. Teil C.I.2. 120  Hierzu: Lemor in Feyock/Jacobsen/Lemor, Europarechtliche Grundlagen Rn.  6 ff.; Franck, Direktanspruch, S.  66. 121  Der ursprüngliche Entwurf der 4. KH-Richtlinie hatte bereits einen Direktanspruch für alle Unionsbürger unabhängig vom Unfallort vorgesehen; im Zuge der Beratungen konnte sich aber letztlich nur der Direktanspruch zugunsten des außerhalb seines Wohnsitzmitgliedstaates geschädigten Unfallopfers durchsetzen, vgl. Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  1–54; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-089.

II. England

135

hängig vom Unfallort ein gesetzlicher Direktanspruch gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer zu gewähren war (Art.  4 Nr.  4 5. KH-Richtlinie).122 Der gesetzliche Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 diente insoweit der Umsetzung der 4. KH-Richtlinie sowie der antizipierten Umsetzung der – bereits im September 2002 als Entwurf veröffentlichten – 5. KH-Richtlinie.123 Der wesentliche Unterschied zum bisherigen Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruch (s. 151 Road Traffic Act 1988) liegt darin, dass der Geschädigte den Haftpflichtversicherer nunmehr in Anspruch nehmen kann, ohne zuvor ein Schadensersatzurteil gegen den Schädiger erwirken zu müssen. Dieses Erfordernis konfligiert nämlich mit der durch die 4. bzw. 5. KH-Richtlinie intendierten Erleichterung der Unfallregulierung.124

4. Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 a) Erste Reformüberlegungen und Vorarbeiten durch die Law Commission Als im ausgehenden 20. Jahrhundert die Doktrin der privity of contract, welche bis dahin als „fundamentales Prinzip“ des englischen Vertragsrechts nahezu unangefochten Geltung beanspruchte,125 in Anbetracht erkannter wirtschaftlicher Notwendigkeiten für vertragliche Drittbegünstigungen einer eingehenden und kritischen Prüfung unterzogen wurde,126 geriet auch der Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 in den Fokus der Reformbemühungen.127 Hintergrund waren die zwischenzeitlich offenbar gewordenen Defizite des dort normierten Direktanspruchs im Hinblick auf den Geschädigtenschutz, welche 122 

Nunmehr Art.  18 6. KH-Richtlinie. Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-090; Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-226 f.; Hedderich, Pflichtversicherung, S.  78. 124  Lenzing in Basedow/Fock, S.  204. 125  Dunlop Pneumatic Tyre Co Ltd v. Selfridge & Co Ltd [1915] A.C. 847, 853, per Viscount Haldane LC: „My Lords, in the law of England certain principles are fundamental. One is that only a person who is a party to a contract can sue on it“. 126  Vgl. hierzu: The Law Commission, „Privity of Contract: Contracts for the Benefit of Third Parties (Consultation Paper)“, Law Com No.  121, 1991, abrufbar unter: http://www. lawcom.gov.uk/wp-content/uploads/2016/08/No.121-Privity-of-Contract-Contracts-for-theBenefit-of-Third-Parties.pdf (abgerufen am: 28. Februar 2017; im Folgenden zitiert als: Law Commission, Law Com No.  121 (1991)) sowie The Law Commission, „Privity of Contract: Contracts for the Benefit of Third Parties“, Law Com No.  242, 1996, abrufbar unter: http:// www.lawcom.gov.uk/wp-content/uploads/2017/02/lc242_privity-of-contract-contracts-forthe-benefit-of-third-parties.pdf (abgerufen am: 28. Februar 2017). 127  Law Commission, Law Com No.  121 (1991), Rn.  5.38; Merkin/Steele, Insurance and the Law of Obligations, S.  397; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-003. 123 

136

C. Historische Entwicklung des gesetzlichen Direktanspruchs

zunehmend Kritik in der englischen Rechtswissenschaft hervorgerufen hatten.128 Die Law Commission129 veröffentlichte in der Folge im Jahre 1998 ein die Novellierung des Gesetzes vorbereitendes Consultation Paper,130 dem 2001 – unter Berücksichtigung der zum Consultation Paper eingegangenen Stellungnahmen von Rechtsexperten und Interessenvertretern – ein abschließender Bericht einschließlich eines Gesetzesentwurfes (draft bill) folgte.131 Entsprechend der Hauptkritikpunkte am Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930132 sah der Vorschlag der Law Commission eine Abkehr vom Erfordernis der vorherigen Feststellung der Schadensersatzpflicht im Haftpflichtverhältnis sowie eine Verbesserung der Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten vor. Überdies versagte der Gesetzesentwurf den Haftpflichtversicherern die Berufung auf ganz bestimmte versicherungsrechtliche Einwendungen. Zu guter Letzt trug der von der Law Commission publizierte draft bill zwischenzeitlichen Änderungen im englischen Gesellschafts- und Insolvenzrecht Rechnung.133 Bemerkenswert ist freilich, dass sich die Reformaktivität der Law Commis­ sion alleine auf den Third Parties (Rights against Insurers) Act beschränkte. Anstatt sich auch der weiteren gesetzlichen Direktansprüche des englischen Rechts134 anzunehmen und die durch deren Einführung entstandene unübersichtliche Rechtslage zu ordnen, wies die Law Commission explizit darauf hin, dass die anvisierte Reform die gesetzlichen Direktansprüche jenseits des Third Parties (Rights against Insurers) Act unberührt lassen soll.135 Es mag daher kaum verwundern, dass der Vorschlag der Law Commission bisweilen als zu zaghaft kritisiert wurde.136

Hierzu bereits ausführlich oben unter 2. Teil C.II.2.b).dd). Vgl. auch Birds’ Modern Insurance Law (5. Auflage 2001), S.  348: „It seems clear that no one with an interest in the operation of the Act is totally content with it.“; Jacobs, 22 S. Afr. Mercantile L. J. 2010, 608, 609: „The English 1930 Act cannot address the needs of liability insurance today, which differ from those in 1930“. 129  Der durch den Law Commissions Act 1965 ins Leben gerufenen Law Commission for England and Wales obliegt die gesetzliche Aufgabe, fortlaufend die Rechtsentwicklung zu beobachten sowie bei Bedarf Reformvorschläge zur Vereinfachung sowie Modernisierung des englischen Rechts zu unterbreiten. 130  Law Commission, Law Com No.  152 (1998). 131  Law Commission, Law Com No.  272 (2001). 132  Vgl. hierzu oben unter 2. Teil C.II.2.b).dd). 133  Allgemein zu den wesentlichen Reformanliegen: Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  1.9 ff. 134  Zu diesen oben unter 2. Teil C.II.3. 135  Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  7.34. 136  Jess, L.M.C.L.Q. 2000, 192, 192; Purves, CfiLR 1998, 98, 110. 128 

II. England

137

b) Defizite in der ursprünglichen Gesetzesfassung In Anbetracht des allgemeinen Grundkonsenses über die Reformbedürftigkeit mag es ein wenig überraschen, dass die Regierung den Entwurf eines novellierten Third Parties (Rights against Insurers) Act erst im November 2009 – mithin ganze acht Jahre nach Vollendung der Vorarbeiten durch die Law Commission – in das House of Lords einbrachte.137 Mit nur geringfügigen Veränderungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf der Law Commission138 erlangte der Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 schließlich am 25. März 2010 die notwendige königliche Zustimmung (Royal Assent). Gleichwohl verzögerte sich nachfolgend das – ursprünglich für das Frühjahr 2011 vorgesehene – Inkrafttreten des Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. Die nach s. 21 (2) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 für das Inkrafttreten des Gesetzes erforderliche commencement order des zuständigen Ministers unterblieb, weil eine kritische Überprüfung des verabschiedeten Gesetzes durch das Regulatory Policy Committee139 offenbart hatte, dass nicht alle nach englischem Recht denkbaren Insolvenzsituationen von dem neuen Gesetz erfasst waren. Entgegen der gesetzgeberischen Intention, den Geschädigtenschutz zu verbessern, blieb der Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 – zumindest soweit die Entstehungsvoraussetzungen betroffen waren – im Schutzniveau daher sogar hinter dem Vorgängergesetz aus dem Jahre 1930 zurück.140 Grund 137  Merkin/Steele, Insurance and the Law of Obligations, S.  398. Zwischenzeitlich hatte man zwar erwogen, die Vorschläge der Law Commission im Wege einer Regulatory Reform Order (siehe hierzu den Regulatory Reform Act 2001) umzusetzen, vgl. Lord Chancellor’s Department, „A Consultation Paper on the implementation of the Joint Law Commission and Scottish Law Commission Report ‚Third Parties – Rights against Insurers’ by way of a Regulatory Reform Order“, September 2002, abrufbar unter: http://webarchive.nationalarchives. gov.uk/+/http://www.dca.gov.uk/consult/rro/tparties.htm (abgerufen am: 28. Februar 2017); nach Durchführung einer Expertenanhörung gelangte man jedoch letzten Endes zu dem Schluss, dass die Materie für eine Umsetzung mittels Regulatory Reform Order (delegated legislation) ungeeignet ist und es daher eines Act of Parliament (primary legislation) bedarf. 138  Vgl. Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, Explanatory Notes, Rn.  3. 139  Bei dem Regulatory Policy Committee handelt es sich um eine vom Department for Business, Innovation & Skills finanzierte öffentliche Körperschaft (non-departmental public body), deren vorrangige Aufgabe in der Überprüfung der Auswirkungen eines Gesetzes unter Kosten-Nutzen-Erwägungen sowie in der Kontrolle von Gesetzesfolgenabschätzungen des Gesetzgebers (sog. Impact Assessments) liegt. Für nähere Informationen zum Regulatory Policy Committee vgl. die Internetpräsenz unter https://www.gov.uk/government/organisa tions/regulatory-policy-committee (abgerufen am: 28. Februar 2017). 140  Third Parties (Rights against Insurers) Regulations 2016, Explanatory Memorandum, Rn.  7.2; Insurance Act 2015, Explanatory Notes, Rn.  13, 27; Lord Faulks, Hansard (HL) 22 March 2016, Vol. 769, col. GC331: „Unfortunately, following the enactment of the 2010 Act it was found, in some respects, to have a narrower scope than the 1930 Act“.

138

C. Historische Entwicklung des gesetzlichen Direktanspruchs

hierfür war das Versäumnis des parlamentarischen Gesetzgebers, den im Wesentlichen an die Vorschläge der Law Commission aus dem Jahre 2001 anknüpfenden Gesetzesentwurf an zwischenzeitliche rechtliche Änderungen auf dem Gebiete des Insolvenzrechts anzupassen, die sich insbesondere als Folge der internationalen Finanzkrise ab dem Jahr 2007 ergeben hatten.141 Der Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 bedurfte bizarrer Weise einer gesetzgeberischen Korrektur, noch bevor er überhaupt in Kraft getreten war. c) Korrektur durch den Gesetzgeber und (verspätetes) Inkrafttreten Die notwendige gesetzgeberische Korrektur ließ wiederum geraume Zeit auf sich warten, was unter anderem dem Regierungswechsel im Mai 2010 sowie damit einhergehend einer anderweitigen wirtschaftspolitischen Prioritätensetzung geschuldet war.142 Letztlich bot jedoch der Erlass des Insurance Act 2015 dem Gesetzgeber die Gelegenheit, seine ursprünglichen Versäumnisse aufzuarbeiten. Hierzu fügte man eine Ermächtigungsklausel in den Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 ein, die es dem zuständigen Minister ermöglicht, fortan im Wege der delegated legislation143 die den Übergang der Versicherungsforderung auslösenden Insolvenzereignisse festzulegen und jederzeit abzuändern (regulation making power).144 Diese Verordnungsermächtigung soll im Interesse des Geschädigtenschutzes eine flexible und rasche Reaktion auf Änderungen des englischen Gesellschafts- oder Insolvenzrechts ermöglichen.145 Auf der Grundlage dieser Ermächtigungsklausel ergingen nunmehr die Lord Faulks, Hansard (HL) 22 March 2016, Vol. 769, col. GC331. Vgl. auch unten unter 3. Teil B.II.1.b).cc).(5). 142  Bei den Wahlen zum britischen Unterhaus (House of Commons) am 06. Mai 2010 verlor die regierende Labour Party mit ihrem Premierminister Gordon Brown die Mehrheit; neue stärkste Kraft wurde die Conservative Party, die sodann mit der liberaldemokratischen Partei (Liberal Democrats) eine Koalitionsregierung unter Premierminister David Cameron bildete. 143  Und hierbei in Form von Regulations. 144  Vgl. s. 19 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 („Power to change the meaning of ‚relevant person‘“) in der durch s. 19 Insurance Act 2015 geänderten Fassung. Nach s. 19 (11) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 erlangen die Regulations des Secretary of State jedoch erst nach Billigung (approval) beider Kammern des englischen Parlaments Wirksamkeit, wodurch eine parlamentarische Kontrolle sichergestellt wird (sog. affirmative resolution procedure). 145  Third Parties (Rights against Insurers) Regulations 2016, Explanatory Memorandum, Rn.  7.2. Bemerkenswert ist, dass eine solche regulation making power bereits im ursprünglichen Gesetzesentwurf durch die Law Commission vorgesehen war (s. 18 des damaligen draft Bill), die maßgebliche Vorschrift jedoch im Gesetzgebungsverfahren 2009/2010 mit der Begründung gestrichen wurde, notwendige Änderungen des Third Parties (Rights against Insurers) Act könnten einfacher als Annex in den Gesetzen geregelt werden, welche die Modifi141 

III. Vergleichende Betrachtung

139

Third Parties (Rights against Insurers) Regulations 2016, welche die bislang fehlenden Insolvenzereignisse in den Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 einfügten und damit den Weg für dessen Inkrafttreten zum 01. August 2016 ebneten,146 nahezu zwanzig Jahre nach den ersten Reformbemühungen.

III. Vergleichende Betrachtung Weder im deutschen noch im englischen Recht existierte anfänglich ein gesetzlich begründeter Direktanspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer. Zumindest in Deutschland konnte der Geschädigte jedoch in den Haftpflichtversicherungsversicherungsanspruch vollstrecken und nach der Pfändung und Überweisung der Versicherungsforderung (§§  829, 835 ZPO) mittelbar gegen den Haftpflichtversicherer vorgehen. In England hingegen war dem Geschädigten auch eine Vollstreckung in den Versicherungsanspruch versagt. Nach Auffassung der englischen Gerichte war die Haftpflichtversicherungsforderung kein tauglicher Gegenstand der Forderungspfändung (attachment of debts), auf die im Wege der sog. garnishee proceedings (heute: third party debt order) hätte zugegriffen werden können. Der „gesetzliche Direktanspruch“ fand zuerst in das englische Recht Eingang, indem dort zunächst im Bereich der Arbeitgeberhaftpflichtversicherung147 und im Jahre 1930 ganz allgemein bei sämtlichen Haftpflichtversicherungen148 für den Fall der Insolvenz des Schädigers eine Legalzession (statutory assignment) der Haftpflichtversicherungsforderung auf den Geschädigten vorgesehen wurde. Es fällt auf, dass diese gesetzlichen Direktansprüche des englischen Rechts eine gewisse Ähnlichkeit mit dem insolvenzrechtlichen Absonderungsrecht des §  157 VVG a. F. (nunmehr: §  110 VVG) im deutschen Recht besitzen. Hier wie dort wird dem Geschädigten im Falle der Zahlungsunfähigkeit seines Schädigers ein Zugriff auf die Versicherungsleistung ermöglicht. Frappierend ist zudem, dass es in beiden Fällen zunächst der vorherigen verbindlichen Feststellung der Schadensersatzhaftung im Haftpflichtverhältnis bedarf. Während jedoch das deutsche Absonderungsrecht dem Geschädigten in kationen des Gesellschafts- oder Insolvenzrechts bewirken, vgl. House of Lords, Special Public Bill Committee, „Third Parties (Rights against Insurers) Bill [HL]“, Februar 2010, S.  4, abrufbar unter: http://www.publications.parliament.uk/pa/ld200910/ldpublic/third/58/ 58.pdf (abgerufen am: 28. Februar 2017). 146  Vgl. article 2 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 (Commencement) Order 2016. 147  S.  5 Workmen’s Compensation Act 1906. 148  S.  1 Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930.

140

C. Historische Entwicklung des gesetzlichen Direktanspruchs

entsprechender Anwendung des §  1282 BGB lediglich eine Einziehungsbefugnis an einer fremden – weiterhin dem Schädiger zustehenden – Versicherungsforderung vermittelt, wird dem Geschädigten im englischen Recht durch die Legalzession der Haftpflichtversicherungsforderung ein eigener Anspruch gegen den Versicherer gewährt, was die Charakterisierung als gesetzlichem Direktanspruch rechtfertigt. Sowohl in Deutschland als auch in England fungierten letztlich völker- respektive unionsrechtliche Einflüsse als Katalysatoren für die Entwicklung der gesetzlichen Direktansprüche, wobei die internationalen Vorgaben für die deutsche Rechtsentwicklung von größerer Bedeutsamkeit waren. Galt das Fehlen eines direkten Forderungsrechts des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer über Jahrzehnte als scheinbar unumstößlicher Grundsatz des deutschen Haftpflichtversicherungsrechts, so erfuhr das Rechtsinstitut des „gesetzlichen Direktanspruchs“ nämlich überhaupt erst infolge der Umsetzung des völkerrechtlichen Straßburger Übereinkommens aus dem Jahre 1959 – wenn auch zunächst von Widerständen begleitet – Anerkennung im deutschen Recht und empfahl sich sodann für eine weitergehende, über das Kfz-Haftpflichtversicherungsrecht hinausgehende Verwendung. In England hingegen war die Einführung eines gesetzlichen Direktanspruchs eine originäre Leistung des nationalen Gesetzgebers. Der Einfluss inter- sowie supranationaler Vorgaben zeigt sich in England vielmehr erst darin, dass sie für den englischen Gesetzgeber erstmals die Notwendigkeit begründet haben, dem Geschädigten einen effizienteren Direktanspruch im engeren Sinne zu gewähren, wo in einem Direktprozess im Zweifel sowohl haftungs- als auch deckungsrechtliche Fragen zu erörtern sind.

3. Teil

Rechtliche Ausgestaltung des gesetzlichen Direktanspruchs im deutschen und englischen Haftpflichtversicherungsrecht Nachdem nunmehr ein allgemeiner Überblick über die Haftpflichtversicherung sowie über den „Direktanspruch“ gegen den Haftpflichtversicherer gegeben und eine thematische Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes1 vorgenommen wurde, soll in der Folge dargelegt werden, welche rechtliche Ausgestaltung der gesetzliche Direktanspruch im deutschen und englischen Haftpflichtversicherungsrecht gefunden hat. Dabei werden nicht zuletzt auch rechtliche Aspekte in den Blick genommen, die mit dem gesetzlichen Direktanspruch in unmittelbarem thematischen Zusammenhang stehen.2 Im Ergebnis sollen etwaige Gemeinsamkeiten oder Unterschiede herausgearbeitet und umfassend gewürdigt werden. Im Folgenden werden zunächst die in Deutschland und England gegenwärtig existierenden gesetzlichen Direktansprüche überblicksartig skizziert. Hierbei soll auch eruiert werden, welche rechtliche Konstruktion zur Begründung der jeweiligen Direktansprüche gewählt wurde (hierzu A.). Danach wird untersucht, welchen Anwendungsbereich die gesetzlichen Direktansprüche haben und unter welchen konkreten Voraussetzungen sie zur Entstehung gelangen (hierzu B.). Im Anschluss wird der für die Werthaltigkeit des Geschädigtenschutzes bedeutsamen Frage nachgegangen, welche Einwendungen der Haftpflichtversicherer den gesetzlichen Direktansprüchen entgegenhalten kann (hierzu C.). Hieran anknüpfend werden etwaige Regressmöglichkeiten des Haftpflichtversicherers gegen seinen Versicherungsnehmer für den Fall untersucht, dass er dem Geschädigten trotz (teilweiser) Leistungsfreiheit im Versicherungsinnenverhältnis im Direktanspruchsverhältnis verpflichtet bleibt (hierzu D.). Abschließend wird analysiert, ob und inwieweit dem Geschädigten in den untersuchten Rechtsordnungen Auskunfts- und Informationsansprüche zustehen, mit deren Hilfe er Kenntnis über Existenz und Inhalt einer Haftpflichtversicherung seines Schädigers erlangen kann (hierzu E.). 1  2 

Siehe oben unter 2. Teil B.I.3. Z. B. Regressrechte des Haftpflichtversicherers; Auskunftsansprüche des Geschädigten.

A. Überblick über die gesetzlichen Direktansprüche und rechtskonstruktive Ausgestaltung Im folgenden Abschnitt soll zunächst ein Überblick über die derzeit im deutschen und englischen Recht existierenden gesetzlichen Direktansprüche sowie deren Rechtsgrundlagen gegeben werden. Insofern ist zu berücksichtigen, dass es in einer Rechtsordnung mitunter nicht nur den „einen“ gesetzlichen Direktanspruch gibt. Vielmehr können innerhalb einer Rechtsordnung durchaus mehrere gesetzliche, in unterschiedlichen Rechtsnormen enthaltene Direktansprüche bestehen, die zumeist hinsichtlich des Anwendungsbereichs und/oder der Entstehungsvoraussetzungen divergieren. Des Weiteren wird in diesem Abschnitt untersucht, auf welche Weise die in Deutschland und England vorgesehenen gesetzlichen Direktansprüche rechtlich konstruiert sind.1 Die Frage nach der rechtskonstruktiven Ausgestaltung eines gesetzlichen Direktanspruchs ist insbesondere deshalb von Interesse, weil sich hieraus zumindest im Ausgangspunkt gewisse Rückschlüsse auf den Grad des durch diesen Anspruch vermittelten Geschädigtenschutzes gewinnen lassen.

I. Deutschland 1. Rechtsgrundlagen Im deutschen Recht ist der gesetzliche Direktanspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer in der Vorschrift des §  115 VVG normiert. Danach kann der geschädigte Dritte „seinen Anspruch auf Schadensersatz auch gegen den Versicherer geltend machen“.2 Zuletzt hat der gesetzliche Direktanspruch in Deutschland im Rahmen der VVG-Reform 2008 weitreichende Änderungen er1  Zu den Möglichkeiten der rechtskonstruktiven Ausgestaltung des gesetzlichen Direktanspruchs bereits ausführlich oben unter 2. Teil B.IV. 2  Erforderlich ist freilich, dass der Anwendungsbereich der Norm des §  115 VVG eröffnet und zusätzlich eine der dort enumerativ aufgezählten Fallgruppen einschlägig ist, vgl. hierzu noch ausführlich unten unter 3. Teil B.I.

144

A. Überblick über die gesetzlichen Direktansprüche

fahren.3 Nach dem Willen des Reformgesetzgebers begründet die Regelung des §  115 VVG heutzutage den einzigen gesetzlichen Direktanspruch im deutschen Recht. Weitere gesetzliche Direktansprüche aus anderen Rechtsnormen existieren mithin nicht.4 Insbesondere ist der bislang in §  3 Nr.  1 PflVG a. F. normierte gesetzliche Direktanspruch gegen den Kfz-Pflichthaftpflichtversicherer in der Norm des §  115 VVG aufgegangen.5 Für den Bereich der Pflichthaftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger enthält §  6 Abs.  1 AuslPflVG einen Verweis auf den gesetzlichen Direktanspruch aus §  115 VVG.6 Im Zusammenhang mit dem gesetzlichen Direktanspruch von Relevanz sind im Übrigen weitere Vorschriften aus dem Gesetzesabschnitt über Pflichtversicherungen (§§  113–124 VVG), welche sich beispielsweise mit Einwendungsausschlüssen (§§  114 Abs.  2 S.  2, 117 VVG), mit Obliegenheiten resultierend aus dem Direktanspruchsverhältnis (§§  119, 120 VVG) oder auch mit prozessualen Fragen der Rechtskrafterstreckung (§  124 VVG) befassen. Hingewiesen sei an dieser Stelle zudem auf eine besondere Regelung im Entwicklungshelfergesetz (EhfG). Das EhfG statuiert für den Träger des Entwicklungsdienstes die Pflicht zum Abschluss eines Haftpflichtversicherungsvertrages, welcher Schadensersatzansprüche deckt, die von einem Entwicklungshelfer im Ausland im Rahmen einer dienstlichen oder privaten Tätigkeit verursacht wurden (§  6 Abs.  1 EhfG). Nach §  6 Abs.  3 EhfG ist in dem abzuschließenden Haftpflichtversicherungsvertrag zugleich eine Bestimmung aufzunehmen, wonach dem Geschädigten „ein unmittelbarer Anspruch gegen den Versicherer eingeräumt wird“. Vordergründig könnte man mit dieser Regelung einen gesetzlichen Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer jenseits der Norm des §  115 VVG assoziieren. Eine solche Sichtweise verkennt jedoch, dass das direkte Forderungsrecht des Geschädigten letztlich aber auf einer privatautonomen Willensübereinkunft der Versicherungsvertragsparteien beruht, welche den Haftpflichtversicherungsvertrag aufgrund gesetzlicher Anordnung als Vertrag zugunsten des Geschädigten (§  328 BGB) auszugestalten haben. Richtigerweise liegt daher in der Vorschrift des §  6 Abs.  3 EhfG alleine die gesetzliche 3 

Hierzu bereits oben unter 2. Teil C.I.3. Franck, Direktanspruch, S.  89; Vogt, Direktansprüche, S.  25. 5  Jacobsen in Feyock/Jacobsen/Lemor, §  115 VVG Rn.  1; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  53. 6  Bis in das Jahr 2013 enthielt §  6 Abs.  1 AuslPflVG eine Verweisung auf §  3 Nr.  1 PflVG a. F., weil der Gesetzgeber im Rahmen der VVG-Reform 2008 eine entsprechende redaktionelle Anpassung versäumt hatte; nach hM war jedoch der unrichtige Verweis in einen Verweis auf §  115 VVG umzudeuten, vgl. Vogt, Direktansprüche, S.  10 f. Der Gesetzgeber hat nunmehr mit Wirkung zum 01. Mai 2013 die notwendige Korrektur vorgenommen, so dass fortan ausdrücklich auf §  115 VVG verwiesen wird. 4 

I. Deutschland

145

Erzwingung eines rechtsgeschäftlichen Direktanspruchs gegen den Haftpflichtversicherer.

2. Rechtskonstruktive Ausgestaltung Die Frage nach der idealen Einordnung eines gesetzlichen Direktanspruchs in das geltende Rechtssystem war in Deutschland lange Zeit höchst umstritten. Im Zuge der Umsetzung des Straßburger Übereinkommens von 19597 wurden vielfältige Vorschläge unterbreitet, die für sich jeweils in Anspruch nahmen, den besten Weg für die rechtliche Konstruktion eines „eigenen Anspruch[s]“8 des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer aufzuzeigen.9 So wurde bisweilen empfohlen, dem Haftpflichtversicherungsvertrag kraft Gesetzes einen drittbegünstigenden Charakter beizulegen. Dieser gesetzlich begründete Vertrag zugunsten Dritter ermögliche es dem Geschädigten, zum Zwecke der Schadenskompensation auf die Versicherungsleistung zuzugreifen.10 Ein anderer Vorschlag präferierte eine gesetzliche Parallele zu einer selbstschuldnerischen Bürgschaft, wobei der Haftpflichtversicherer für den Schadensersatzanspruch bürgen sollte.11 Darüber hinaus wurde auch eine Konzeption des Direktanspruchs als Versicherungsanspruch aus einer eigenständigen, neben die Haftpflichtversicherung tretenden Versicherung zugunsten des geschädigten Dritten proponiert.12 Der deutsche Gesetzgeber hat sich letztlich dazu entschieden, den gesetzlichen Direktanspruch durch Anknüpfung an das Haftpflichtverhältnis zu begründen. Insoweit hat er in der Vorschrift des §  115 Abs.  1 S.  1 VVG ausdrücklich festgelegt, dass der Geschädigte „seinen Anspruch auf Schadensersatz auch gegen den Versicherer geltend machen [kann]“.13 Hiermit ordnet der Gesetzgeber in relativ unzweideutiger Diktion die Einstandspflicht des Versicherers für den Schadensersatzanspruch an, welcher dem Geschädigten gegen den schädigenden Versicherungsnehmer zusteht – womit zugleich eine zwingende Ablehnung der an das Haftpflichtversicherungsverhältnis anknüpfenden Rechtskon­ 7 

Hierzu oben unter 2. Teil C.I.2. So der Wortlaut von Art.  6 Abs.  1 Anhang I des Straßburger Übereinkommens. 9  Allgemeiner Überblick zu den Vorschlägen: Johannsen in Bruck/Möller, Bd.  V/1 (8.  Aufl.), Anm. B. 6 ff., S.  9 ff.; Büchner, Theorie, S.  94 ff.; Sieg, ZVersWiss 1965, 357, 376 ff. 10  Keilbar, Rechtsstellung des Drittgeschädigten, S.  162 ff. 11 Hierzu Müller-Stüler, Direktanspruch, S.  114. 12  Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  76 ff. („Gesetzliche Forderungsversicherung zugunsten des Dritten“); Landwehr, VersR 1965, 1113, 1115 ff.; Seidel, Struktur, S.  59 ff. 13  §  115 Abs.  1 S.  1 VVG; nahezu identisch bereits §  3 Nr.  1 PflVG a. F.: „Der Dritte kann (…) seinen Anspruch auf Ersatz des Schadens auch gegen den Versicherer geltend machen“. 8 

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A. Überblick über die gesetzlichen Direktansprüche

struktionen einhergeht.14 Konkret beinhaltet die Vorschrift des §  115 Abs.  1 VVG die Anordnung eines gesetzlichen Schuldbeitritts des Versicherers zum Schadensersatzanspruch.15 Mittlerweile haben sowohl die Rechtsprechung16 als auch die Literatur17 die Begründung des gesetzlichen Direktanspruchs über eine gesetzlich angeordnete kumulative Schuldübernahme des Schadensersatzanspruchs bereitwillig akzeptiert. Der in der Anfangszeit geführte Streit über die ideale Konstruktion des gesetzlichen Direktanspruchs muss daher als überholt gelten. Aus der rechtskonstruktiven Anknüpfung an das Haftpflichtverhältnis resultiert zugleich eine grundsätzliche Unabhängigkeit des gesetzlichen Direktanspruchs vom Versicherungsverhältnis und den daraus resultierenden versicherungsrechtlichen Einwendungen. Jedoch stellt der deutsche Gesetzgeber – in Anerkennung der einem gesetzlichen Direktanspruch zwangsläufig innewohnenden Bipolarität – eine Verknüpfung des Direktanspruchs zum Versicherungsverhältnis dadurch her, dass die durch den gesetzlichen Schuldbeitritt herbeigeführte Einstandspflicht des Versicherers für den Schadensersatzanspruch prinzipiell nur im Rahmen der Leistungspflicht aus dem Versicherungsverhältnis bestehen soll.18

14  Vgl. auch die Gesetzesbegründung zu §  3 Nr.  1 PflVG a. F.: „Dieser Anspruch gegen den Versicherer ist kein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag, vielmehr gewährt das Gesetz dem Geschädigten das Recht, seinen aus den allgemeinen haftungsrechtlichen Vorschriften folgenden Schadensersatzanspruch auch gegen den Versicherer geltend zu machen“ (BT-Drs. IV/2252, S.  15; kursive Hervorhebung durch Verfasser). 15  BT-Drs. IV/2252, S.  15: „Das Gesetz gibt somit dem Geschädigten auf Grund eines gesetzlich angeordneten Schuldbeitritts in der Person des Versicherers einen weiteren Schuldner für seinen Schadensersatzanspruch“. 16  BGH, NJW 1981, 681, 681; BGH, NJW 1979, 271, 272; BGH, NJW 1978, 2030, 2031; BGH, NJW 1977, 2163, 2164; BGH, NJW 1972, 387, 388. 17  Beckmann in Bruck/Möller, §  115 Rn.  8; Dallwig in FAKomm-VersR, §  115 VVG Rn.  1; Jacobsen in Feyock/Jacobsen/Lemor, §  115 VVG Rn.  10; Rintelen in Späte/Schimikowski, Ziff.  1 AHB Rn.  344; Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  1; Schwartze in Looschelders/Pohlmann, §  115 Rn.  3; Armbrüster, PVR, Rn.  1691; Franck, Direktanspruch, S.  31; Heidl, VVGRe­form, S.  284 f.; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  41; Schneider, VersR 2008, 859, 861; Sieg, ZVersWiss 1965, 357, 378. 18  Siehe §  115 Abs.  1 S.  2 VVG: „Der Anspruch besteht im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis (…)“. Mithin kann der Versicherer in Abweichung von der Vorschrift des §  417 Abs.  2 BGB auch gewisse Einwendungen aus dem der Schuldübernahme zugrundeliegenden Schuldverhältnis – namentlich dem Haftpflichtversicherungsvertrag – geltend machen (§  115 Abs.  1 S.  2 VVG als lex specialis). Nähere Einzelheiten hierzu unten unter 3. Teil C.II.2.

II. England

147

II. England 1. Rechtsgrundlagen Anders als in Deutschland, wo einzig in der Vorschrift des §  115 VVG ein gesetzlicher Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer normiert ist, existieren in England mehrere gesetzliche Direktansprüche, die in unterschiedlichen Gesetzeswerken niedergelegt sind. Diese Vielzahl gesetzlicher Direktansprüche in England ist letztlich das Produkt einer lebhaften historischen Entwicklung, in deren Verlauf der englische Gesetzgeber wiederholt Direktansprüche schuf, um auf erkannte Schutzlücken zu reagieren oder um entsprechende völker- bzw. unionsrechtliche Pflichten umzusetzen.19 In seiner eher pragmatischen denn rechtsdogmatisch orientierten Grundhaltung war der englische Gesetzgeber hierbei mehr auf eine praxisorientierte Lösung denn auf eine rechtlich stringente sowie übersichtliche Ausgestaltung der gesetzlichen Direktansprüche fixiert. Bedauerlicherweise versäumte der Gesetzgeber bislang eine Vereinheitlichung und ordnende Zusammenfassung der derzeit existierenden gesetzlichen Direktansprüche, obgleich sich anlässlich der jüngsten Reform des Third Parties (Rights against Insurers) Act sicherlich eine adäquate Gelegenheit hierzu geboten hätte.20 a) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 Ein gesetzlicher Direktanspruch ist zunächst in dem für alle Haftpflichtversicherungen geltenden Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 normiert.21 Von den gegenwärtig im englischen Recht existierenden gesetzlichen Direktansprüchen ist derjenige aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 von historisch frühestem Ursprung.22 Zur Begründung des Direktanspruchs gegen den Haftpflichtversicherer sieht s. 1 (2) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 einen Übergang der Haftpflichtversicherungsforderung auf den Geschädigten vor, sofern es sich bei dem schädigenden Versiche19 

Ausführlich zur historischen Entwicklung des gesetzlichen Direktanspruchs in England oben unter 2. Teil C.II. 20  Kritisch hierzu: Jess, L.M.C.L.Q. 2000, 192, 207; vgl. ferner Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  50. 21  Zur Erweiterung des Anwendungsbereichs auf andere Versicherungssparten siehe unten unter 3. Teil B.II.1.a).bb). 22 Der Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 ist in seiner jetzigen Gestalt das Ergebnis einer überaus langwierigen Reform des bereits aus dem Jahre 1930 stammenden Vorgängergesetzes, dessen grundsätzliche Konzeption jedoch beibehalten wurde. Zur historischen Entwicklung des Third Parties (Rights against Insurers) Act ausführlich oben unter 2. Teil C.II.2.b) sowie 2. Teil C.II.4.

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A. Überblick über die gesetzlichen Direktansprüche

rungsnehmer um eine sog. „relevant person“ handelt.23 Der Status einer „relevant person“ kommt einem Rechtssubjekt insbesondere in einer krisenhaften Vermögenssituation zu.24 Dies korrespondiert mit dem primären Ziel des Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, den Geschädigten im Falle der Insolvenz des schädigenden Versicherungsnehmers zu schützen. Insoweit soll verhindert werden, dass die Versicherungsleistung zum Nachteil des Geschädigten in die allgemeine, der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung dienenden Insolvenzmasse fällt. Der Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 ist daher vorrangig eine insolvency measure. Der Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 verhält sich nicht nur dazu, unter welchen konkreten Voraussetzungen der gesetzliche Direktanspruch zur Entstehung gelangt. Er enthält zudem Regelungen zur Frage des Durchgriffs versicherungsrechtlicher Einwendungen 25 sowie zu Auskunfts- und Informationsrechten des Geschädigten.26 Darüber hinaus finden sich im Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 Bestimmungen, die sich eingehend mit Art und Weise der prozessualen Durchsetzung des gesetzlichen Direktanspruchs befassen.27 Soweit nicht spezialgesetzlich ein anderes bestimmt ist,28 ist der Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 neben den anderen gesetzlichen Direktansprüchen des englischen Rechts anwendbar.29 Im Falle der tatbestandlichen Einschlägigkeit mehrerer gesetzlicher Direktansprüche besteht für den Geschädigten somit grundsätzlich ein Wahlrecht, auf welchen Anspruch er zum Zwecke der Schadenskompensation zurückgreifen möchte. b) Direktansprüche in der Kfz-Haftpflichtversicherung Im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung sieht das englische Recht gleich zwei verschiedene gesetzliche Direktansprüche zugunsten eines geschädigten Unfallopfers vor – nämlich zum einen in s. 151 (1), (5) Road Traffic Act 1988 und zum anderen in reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) ReS.  1 (2) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010: „The rights of the relevant person under the contract against the insurer in respect of the liability are transferred to and vest in the person to whom the liability is or was incurred (the ‘third party’)“. Ausführlich zu den Direktanspruchsvoraussetzungen unten unter 3. Teil B.II.1.b). 24  Vgl. s. 4 ff. Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. 25  S.  9 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. 26  S.  11 iVm Schedule 1 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. 27  S.  2 f., 13 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. 28  Z. B. s. 165 (5) Merchant Shipping Act 1995; s. 255P (7) (c) Merchant Shipping Act 1995. 29  Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  7.15; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  31-037. 23 

II. England

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gulations 2002.30 Eine wesentliche Gemeinsamkeit dieser Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktansprüche liegt darin, dass deren Entstehung von der finanziellen Situation des Schädigers gänzlich unabhängig ist.31 Insoweit unterscheiden sich diese direkten Forderungsrechte deutlich vom Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, der für gewöhnlich eine krisenhafte Vermögenslage beim schädigenden Versicherungsnehmer voraussetzt. Der Kfz-haftpflichtversicherungsrechtliche Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 geht auf die bereits im Jahre 1934 eingeführte Vorschrift des s. 10 Road Traffic Act 1934 zurück 32 und gibt dem Haftpflichtversicherer die im Zweifel einklagbare Verpflichtung auf, ein vom Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer erwirktes Schadensersatzurteil zu erfüllen.33 Mit reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 existiert mittlerweile ein zweiter gesetzlicher Direktanspruch gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer, welcher der Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinienvorgaben34 dient und in seinem Anwendungsbereich den Verkehrsopferschutz weiter ausbauen soll. Hierzu ist vorgesehen, dass der Direktanspruch sogleich nach dem Unfallereignis zur Entstehung gelangt und der Geschädigte unmittelbar einen Prozess gegen den Versicherer anstrengen kann, wobei der Versicherer dem Geschädigten in gleicher Weise verantwortlich sein soll wie seinem Versicherungsnehmer.35 An dieser Stelle zeigt sich freilich ein gravierender Unterschied zwischen den beiden Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen DirektColinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-073; Merkin, Insurance Law, S.  294; Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  727. In der Entscheidung Charlton v. Fisher [2002] Q.B. 578, 578 ff. wurde überdies diskutiert, ob auch der Vorschrift des s. 148 (7) Road Traffic Act 1988 ein gesetzlicher Direktanspruch zugunsten des Geschädigten entnommen werden kann; die Richter wiesen jedoch derartige Erwägungen entschieden zurück und stellten klar, dass in dieser Vorschrift alleine ein unmittelbares Forderungsrecht einer versicherten Person gegen den Versicherer normiert ist (vor dem Inkrafttreten des Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 statuierte s. 148 (7) Road Traffic Act 1988 eine explizite Ausnahme vom strikten privity of contract-Prinzip), vgl. auch Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-054 sowie Rn.  23-074. 31  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-073; Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  46. 32  Hierzu bereits oben unter 2. Teil C.II.3. 33  Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5 -193; Colinvaux’s Law of Insur­ ance, Rn.  23-073 f. 34  Siehe hierzu Art.  18 6. KH-Richtlinie. 35  Reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002: „Where this paragraph applies, the entitled party may (…) issue proceedings against the insurer which issued the policy of insurance relating to the insured vehicle, and that insurer shall be direct­ ly liable to the entitled party to the extent that he is liable to the insured person“. 30 

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A. Überblick über die gesetzlichen Direktansprüche

ansprüchen des englischen Rechts. Denn während es sich bei s. 151 Road Traffic Act 1988 um einen Direktanspruch im weiteren Sinne handelt, der einer vorherigen verbindlichen Feststellung der Schadensersatzhaftung im Haftpflichtverhältnis bedarf, begründet reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 aufgrund der Möglichkeit des einstufigen Vorgehens gegen den Versicherer einen Direktanspruch im engeren Sinne. Die beiden Direktansprüche im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung stehen grundsätzlich unabhängig nebeneinander, so dass sich der Geschädigte derer alternativ bedienen kann.36 Aufgrund des engeren persönlichen Anwendungsbereichs des unionsrechtlich vorgegebenen Direktanspruchs können bestimmte Geschädigte jedoch von vornherein alleine auf den Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 zurückgreifen.37 Zudem können einem Geschädigten im Rahmen der European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 nach herrschender Meinung gewisse versicherungsrechtliche Einwendungen entgegengehalten werden, die beim gesetzlichen Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 ausgeschlossen sind.38 Auch in diesen Fällen kann ein Geschädigter faktisch zu einem Rückgriff auf den ursprünglichen Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 gezwungen sein. c) Sonstige gesetzliche Direktansprüche Gesetzliche Direktansprüche gegen Haftpflichtversicherer sind im Übrigen in bestimmten spezialgesetzlichen Regelungen zu finden, die auf entsprechende Vorgaben in völkerrechtlichen Vereinbarungen zurückgehen und primär im Bereich der Schifffahrt sowie der maritimen Verschmutzung angesiedelt sind. So räumt beispielsweise s. 165 (1), (1A) Merchant Shipping Act 1995 einem Dritten, welcher durch auslaufendes Öl eines Schiffes Schäden erlitten hat, das Recht ein, seinen gegen den Schiffseigentümer gerichteten Schadensersatzanspruch direkt gegen dessen Pflichthaftpflichtversicherer geltend zu machen.39 Nach s. 183 (1) iVm Schedule 6 Part I Article 4bis (10) Merchant Shipping Act 199540 Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-234. Bei reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 ist der Kreis tauglicher Anspruchsteller auf Personen mit Wohnsitz innerhalb eines EU- bzw. EWR-Staates beschränkt; vgl. hierzu unten unter 3. Teil B.II.3.a). 38  Z. B. der Einwand der vorsätzlichen Unfallherbeiführung (deliberate running down case), vgl. Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  727; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-096. Hierzu näher unten unter 3. Teil C.III.3.b). 39  Hierzu bereits oben unter 2. Teil C.II.3. 40  Eingefügt durch The Merchant Shipping (Convention Relating to the Carriage of Passengers and their Luggage by Sea) Order 2014 in Umsetzung des zum 23. April 2014 verbind36  37 

II. England

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wiederum haftet der Haftpflichtversicherer eines Schiffstransportunternehmens unmittelbar für Schadensersatzansprüche, die einem Schiffspassagier infolge einer Verletzung der Rechtsgüter des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit gegen den Transporteur zustehen. Letztlich gewährt auch der zum 14. April 2015 – in Umsetzung der Vorgaben aus der Nairobi International Convention on the Removal of Wrecks aus dem Jahre 2007 – eingeführte s. 255P Merchant Shipping Act 199541 einen gesetzlichen Direktanspruch.42 Im Übrigen sind weitere völkerrechtliche Übereinkommen, welche von England bereits unterzeichnet wurden und durch deren Umsetzung weitere Direktansprüche Eingang ins englische Recht finden würden, in Ermangelung einer genügenden Anzahl von Ratifikationen bislang (noch) nicht in Kraft getreten.43 Generell kommt den genannten spezialgesetzlichen Direktansprüchen in der englischen Rechtspraxis eine eher untergeordnete Rolle zu.44 Keinen gesetzlichen Direktanspruch begründet hingegen – entgegen teilweise geäußerter Auffassung – 45 die Regelung des s. 83 Fires Prevention (Metropolis) Act 1774. Diese vorrangig auf die Verhinderung von Brandstiftungen zwecks Erlangung der Feuerversicherungssumme abzielende Norm sieht vor, dass ein Dritter von der Feuerversicherungsgesellschaft die Verwendung der Versicherungssumme zur Wiederrichtung der durch Feuer beschädigten oder zerstörten Gebäude verlangen kann. Dadurch soll verhindert werden, dass die Feuerversicherungssumme letztlich an den brandstiftenden Versicherungsnehmer fällt.46 Ungeklärt ist dabei bislang, ob der Dritte vom Feuerversicherer unmittelbar den Wiederaufbau fordern kann oder ob er lediglich verlangen darf, dass die Versicherungssumme bis zur Sicherstellung der Wiedererrichtung des Gebäudes nicht an den Versicherungsnehmer ausgezahlt wird. In keinem Falle kann jelich gewordenen Protocol of 2002 to the Athens Convention relating to the Carriage of Passengers and their Luggage by Sea, 1974 (Athens Protocol 2002). 41  Eingefügt durch s. 1 (2) Wreck Removal Convention Act 2011 iVm article 3 Wreck Removal Convention Act 2011 (Commencement) Order 2015. 42  Auch hier ist ein Rückgriff auf den Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 ausdrücklich ausgeschlossen, vgl. s. 255P (7) (c) Merchant Shipping Act 1995. 43  Z. B. Basel Protocol on Liability and Compensation for Damage Resulting from Transboundary Movements of Hazardous Wastes and their Disposal (Basel Protocol 1999); International Convention on Liability and Compensation for Damage in Connection with the Carriage of Hazardous and Noxious Substances by Sea (HNS Convention 1996); vgl. Hjalmarsson, 18 Asia Pac. L. Rev. 2010, 259, 262 f. 44  Hjalmarsson, 18 Asia Pac. L. Rev. 2010, 259, 263. 45  Rühl in Basedow/Fock, S.  1492; Heidl, VVG-Reform, S.  381. 46  Vgl. The Law Commission, „Reforming Insurance Contract Law, Introductory Paper: ‚Section 83 of the Fires Prevention (Metropolis) Act 1774: should it be reformed?‘”, März 2009, Rn.  1.13 f., abrufbar unter: http://www.lawcom.gov.uk/wp-content/uploads/2015/03/ ICL_s83_Fires_Prevention_Act.pdf (abgerufen am: 28. Februar 2017).

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A. Überblick über die gesetzlichen Direktansprüche

doch der Dritte die Auszahlung der Versicherungssumme an sich begehren.47 Stets setzt ein auf s. 83 Fires Prevention (Metropolis) Act 1774 gestütztes Verlangen des Dritten ein berechtigtes Interesse voraus, was unzweifelhaft der Fall ist, wenn der Dritte durch das Feuer und die damit einhergehende Gebäudezerstörung geschädigt wurde.48 Daneben wird als berechtigtes Interesse jedoch auch – entsprechend dem originären Zweck des Gesetzes – das allgemeine Abschreckungsinteresse einer Person anerkannt.49 Die Norm des s. 83 Fires Prevention (Metropolis) Act 1774 weist in der Zusammenschau Charakteristika auf, welche der Annahme eines gesetzlichen Direktanspruchs entgegenstehen. Gegen einen gesetzlichen Direktanspruch spricht in erster Linie, dass s. 83 Fires Prevention (Metropolis) Act 1774 keinesfalls zwingend die Existenz eines Anspruchs des Dritten gegen den Versicherungsnehmer voraussetzt, dessen Realisierung durch Gewährung eines direkten Forderungsrechts gegen den Versicherer abgesichert oder zumindest erleichtert werden soll. Zudem kann der Dritte auf der Grundlage des s. 83 Fires Prevention (Metropolis) Act 1774 keine Leistung an sich selbst verlangen, was jedoch bei den klassischen Direktansprüchen üblich ist. Insoweit profitiert der Dritte allenfalls mittelbar von der Wiederherstellung der Gebäude. Letztlich bleibt auch zu berücksichtigen, dass diese Vorschrift nicht primär dem sozialen Drittschutz zu dienen bestimmt ist, sondern präventiv der Brandstiftung durch Versicherungsnehmer entgegenwirken soll.

2. Rechtskonstruktive Ausgestaltung Der bei Betrachtung der gegenwärtig existierenden gesetzlichen Direktansprüche gewonnene Eindruck der latenten Unübersichtlichkeit des englischen Rechts setzt sich bei der Frage der rechtskonstruktiven Ausgestaltung dieser Direktansprüche fort. Hier offenbart sich letztlich eine buntschillernde Vielfalt. Umso verwunderlicher mag dem deutschen Juristen der Umstand erscheinen, dass in England keine kontroverse Diskussion über eine zutreffende oder doch zumindest vorzugswürdige Konstruktionsform entbrannt ist – abzielend auf eine Vereinheitlichung der gesetzlichen Direktansprüche im Hinblick auf ihre rechtskonstruktive Ausgestaltung. Rühl in Basedow/Fock, S.  1492 [Fn.  732]. Z. B. als Mieter, Hypothekar oder Vorkaufsberechtigter. Entscheidend ist jedoch, dass der Schaden unmittelbar auf die Beschädigung bzw. Zerstörung des Gebäudes zurückzuführen ist, die Beschädigung anderer Gegenstände des Dritten (z. B. Inventar des Mieters) ist dagegen nicht ausreichend, vgl. Clarke, Insurance Contracts, Rn.  5-7A, S.  197; Rühl in Basedow/Fock, S.  1492. 49  Clarke, Insurance Contracts, Rn.  5 -7C, S.  198: „(…) a person interested is anyone who might have a public interest in deterrence“. 47 

48 

II. England

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a) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 Der gesetzliche Direktanspruch gegen den Versicherer wird im Rahmen des Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 durch Anknüpfung an den Versicherungsvertrag begründet. In der maßgeblichen Vorschrift des s. 1 (2) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 heißt es, dass im Falle der Eröffnung des Anwendungsbereichs und des Vorliegens der Direktanspruchsvoraussetzungen50 „the rights of the relevant person under the contract against the insurer in respect of the liability are transferred to and vest in the person to whom the liability is or was incurred“. Demnach gehen kraft Gesetzes die Rechte des Versicherungsnehmers aus dem Versicherungsvertrag auf den Dritten über, soweit sie sich im Hinblick auf einen ganz bestimmten Haftungsfall („in respect of the liability“) ergeben. Gegenstand der Legalzession (statutory assignment) ist alleine der konkrete Versicherungsanspruch, dessen neuer Gläubiger der Geschädigte wird. Ein weitergehender Eintritt des geschädigten Dritten in sonstige Rechte oder auch Pflichten des Versicherungsvertrages erfolgt hingegen nicht.51 Seine betragsmäßige Begrenzung findet der Übergang des Versicherungsanspruchs dabei in jedem Falle in der Höhe des Schadensersatzanspruchs.52 Bei dem aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 resultierenden gesetzlichen Direktanspruch handelt es sich demzufolge um eine derivative Rechtsposition. Hiermit geht im Grundsatz eine vollständige Abhängigkeit (Akzessorietät) des Direktanspruchs vom Versicherungsverhältnis einher. Die englischen Gerichte bedienen sich zur Umschreibung des anschaulichen Bildes, wonach der Geschädigte in die Fußstapfen des Versicherungsnehmers trete.53 Nicht unerwähnt bleiben soll, dass sich im Zuge der Reform des Third Parties (Rights against Insurers) Act auch Stimmen erhoben hatten, die für eine Abkehr von der derivativen Herleitung des gesetzlichen Direktanspruchs plädierten und die stattdessen die Gewährung eines originären Anspruch präferierten, der an das Haftpflichtverhältnis anknüpfen sollte.54 Der Gesetzgeber erteilte diesem Reformvorschlag jedoch eine deutliche Absage und verweigerte in konservati-

50 

Hierzu ausführlich unten unter 3. Teil B.II.1. Mahnke, Anspruch des Drittgeschädigten, S.  49 f.; Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  45. 52  S.  8 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010; vgl. hierzu auch Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, Explanatory Notes, Rn.  41. 53  Socony Mobil Oil Co Inc v. West of England Ship Owners Mutual Insurance Association (London) Ltd (The Padre Island) No.  1 [1984] 2 Lloyd’s Rep 408, 414; Post Office v. Norwich Union Fire Insurance Society Ltd [1967] 2 Q.B. 363, 373 (jeweils zur rechtskonstruktiv identischen Vorgängerregelung im Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930). 54 Hierzu Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  3.11 f. 51 

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A. Überblick über die gesetzlichen Direktansprüche

ver Tradition eine solch radikale Lossagung von der bisherigen Rechtslage.55 Vielmehr bekundete er seine Überzeugung, wonach die Legalzession des Versicherungsanspruchs den natürlichen Weg („natural way“) zur Realisierung der mit dem Direktanspruch verfolgten Ziele darstelle.56 b) Direktansprüche in der Kfz-Haftpflichtversicherung aa) S.  151 Road Traffic Act 1988 Dem Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 liegt eine gänzlich andere Konstruktionsform zugrunde als dem Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010.57 Die Vorschrift des s. 151 Road Traffic Act 1988 statuiert die originäre Verpflichtung des Haftpflichtversicherers, dem Geschädigten die in einem Schadensersatzprozess gegen den Schädiger zugesprochene Schadensersatzsumme nebst Kosten und Zinsen auszuzahlen.58 Inhaltlich ist der Direktanspruch daher nicht auf die Leistung einer Versicherungsentschädigung, sondern vielmehr auf die Erfüllung eines Schadensersatzurteils gerichtet.59 Der Versicherer muss aufgrund gesetzlicher Anordnung unmittelbar für den im Haftpflichturteil titulierten Schadensersatzanspruch einstehen, worin sich die rechtskonstruktive Anknüpfung an das Haftpflichtverhältnis offenbart. Vom Haftpflichtversicherungsvertrag ist der Direktanspruch hingegen im Ausgangspunkt unabhängig.60 Sofern der Haftpflichtversicherer seiner Verpflichtung zur Begleichung der Urteilssumme nicht freiwillig nachkommt, kann der Geschädigte den aus s. 151 Road Traffic Act 1988 resultierenden Anspruch nunmehr gegen den Versicherer 55  Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  3.12: „We do not support such a radical departure from the existing law“. 56  Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  3.11. 57  Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  46 (noch mit Vergleich zum Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930). 58  S.  151 (5) Road Traffic Act 1988: „(…) he [the insurer] must, subject to the provisions of this section, pay to the persons entitled to the benefit of the judgment (…) any sum payable under the judgment in respect of the liability“. Eine Begrenzung der Einstandspflicht des Versicherers gilt im Hinblick auf ausgeurteilte Sachschäden, vgl. s. 151 (5) (b), (6) Road Traffic Act 1988. Allgemein: Clarke, Insurance Contracts, Rn.  5-9D, S.  222; Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-199 ff. 59  Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  69. 60  Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  69. Allerdings legt der englische Gesetzgeber dem Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 versicherungsrechtliche Grenzen bei, indem er – vorbehaltlich etwaiger Einwendungsausschlüsse – fordert, dass der Schadensersatzanspruch von der Haftpflichtversicherung gedeckt sein muss (s. 151 (2) (a) Road Traffic Act 1988: „(…) liability covered by the terms of the policy (…)“); hierzu noch ausführlich unten unter 3. Teil C.III.2.b).

II. England

155

einklagen und notfalls zwangsweise durchsetzen.61 Streng genommen handelt es sich bei dem gesetzlichen Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 um einen besonderen Durchsetzungsmechanismus hinsichtlich des Schadensersatzurteils jenseits der klassischen Zwangsvollstreckung gegen den Urteilsschuldner.62 Der Anspruch gegen den Versicherer ist dabei keineswegs subsidiär und steht insbesondere nicht unter dem Vorbehalt eines vorherigen erfolglosen Vollstreckungsversuches gegen den Schädiger.63 Der Geschädigte hat vielmehr nach Erwirkung des Schadensersatzurteils ein freies Wahlrecht, ob er eine gewöhnliche Durchsetzung des Urteils gegen den Schädiger favorisiert oder ob er lieber von der Vorschrift des s. 151 Road Traffic Act 1988 Gebrauch macht. bb) Reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 Schwieriger gestaltet sich die Bestimmung der zugrundeliegenden Rechtskon­ struktion beim gesetzlichen Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002, der dort in folgender Weise umschrieben wird: „(…) the entitled party may, without prejudice to his right to issue proceedings against the insured person, issue proceedings against the insurer which issued the policy of insurance relating to the insured vehicle, and that insurer shall be directly liable to the entitled party to the extent that he is liable to the insured person.“64 Ein deutliches Bekenntnis des englischen Gesetzgebers zu einer bestimmten Rechtskonstruktion offenbart sich hierin nicht. Der Wortlaut des Gesetzes hinsichtlich des Haftungsgrundes („that insurer shall be directly liable to the entitled party“) bietet vielmehr Raum für verschiedene Konstruktionsvarianten. Denkbar ist zunächst, dass hierdurch – unter Anknüpfung an den Haftpflichtversicherungsvertrag – ein originärer Anspruch auf die Versicherungsleistung eingeräumt wird. Unter die Norm lässt sich indes auch problemlos die Anordnung einer Haftung für den Schadensersatzanspruch subsumieren.65 Lediglich hinsichtlich des Umfanges der Haftung enthält das Gesetz die klare Aussage, dass dieser durch den Inhalt des Versicherungsvertrages 61  Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  47; Kämmer, Stellung des Verkehrsopfers, S.  81. 62  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-074: „Section 151 (1) is an enforcement mechanism only, allowing the victim to bring a direct action against the insurers to satisfy a judgment left unsatisfied by the user“. 63  Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5 -193. 64  Zum Begriff der „entitled party“ siehe reg. 2 (1) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002; hierbei handelt es sich um Geschädigte mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR. 65  So auch Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  50.

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A. Überblick über die gesetzlichen Direktansprüche

begrenzt wird („to the extent that he is liable to the insured person“) – was freilich auch bei rechtskonstruktiv an das Haftpflichtverhältnis angelehnten Direktansprüchen nicht unüblich ist.66 Auffällig ist in jedem Falle die besondere Akzentuierung der unmittelbaren Klagemöglichkeit des Geschädigten („the entitled party may (…) issue proceedings against the insurer“), woraus mitunter sogar der Schluss gezogen wird, dass der Norm eine primär prozedurale Bedeutung beizumessen sei.67 Die verfügbaren englischen Quellen sind hinsichtlich der Konstruktionsfrage nicht sonderlich ergiebig. Lediglich vereinzelt bediente man sich auch hier der Umschreibung, dass der Geschädigte in die Fußstapfen des schädigenden Versicherungsnehmers trete.68 Diese Wortwahl ist indes ein Indiz dafür, dass man die Grundlage des gesetzlichen Direktanspruchs im Versicherungsverhältnis erblickte. Zwischenzeitlich hatte nunmehr auch der Court of Appeal Gelegenheit, sich zum gesetzlichen Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 zu äußern. Dessen Ausführungen legen den Schluss nahe, dass er eine Herleitung aus dem Haftpflichtverhältnis ablehnt und im Direktanspruch letztlich einen gesetzlichen Anspruch sui generis erblickt.69 c) Sonstige gesetzliche Direktansprüche Ein vergleichsweise homogenes und klares Bild zeigt sich bei Betrachtung der rechtskonstruktiven Ausgestaltung der sonstigen gesetzlichen Direktansprüche des englischen Rechts. Gemeinsames Charakteristikum dieser Direktansprüche ist eine Anknüpfung an das Haftpflichtverhältnis. Dem Versicherer wird jeweils die Verpflichtung auferlegt, für den Schadensersatzanspruch einzustehen, welcher dem Geschädigten gegen den schädigenden Versicherungsnehmer zusteht. So heißt es beispielsweise in s. 165 (1) Merchant Shipping Act 1995: „Where it is alleged that the registered owner of a ship has incurred a liability (…) while there was in force a contract of insurance (…) proceedings to enforce a claim in respect of the liability may be brought against the person who provided the in66 

Hierzu siehe oben unter 2. Teil B.IV.3. Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-233. 68 So Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-090: „In such proceedings the victim steps into the shoes of the driver“. 69  Nemeti v. Sabre Insurance Co Ltd [2013] EWCA Civ 1555 [Rn.  42], per Hallett LJ, wo im Hinblick auf den Direktanspruch aus reg. 3 European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 ausgeführt wird: „The (…) claim was not, therefore, a claim for damages for personal injury against the Respondents [i.e. the insurers] (…). It was not a claim in negligence. It was effectively a claim for an indemnity under statute (…) limited to the Respondents’ liability to their insured“. 67 

III. Vergleichende Betrachtung

157

surance (…)“.70 Die Vorschrift des s. 183 (1) Merchant Shipping Act 1995 iVm Schedule 6 Part I Article 4bis (10) Merchant Shipping Act 1995 wiederum bestimmt mit nur geringfügig abweichender Diktion: „Any claim for compensa­ tion covered by insurance (…) pursuant to this Article may be brought directly against the insurer (…)“.71 Freilich bleibt zu berücksichtigen, dass jene gesetzlichen Direktansprüche unmittelbar auf völkerrechtliche Vorgaben zurückgehen und somit auch die konkrete Art und Weise der rechtskonstruktiven Ausgestaltung faktisch determiniert ist. In diesen Direktansprüchen offenbart sich daher nicht zwangsläufig die Überzeugung des englischen Gesetzgebers von der allgemeinen Vorzugswürdigkeit der an das Haftpflichtverhältnis angelehnten Konstruktionsform. In Anbetracht des Festhaltens an der derivativen Herleitung des Direktanspruchs aus der Versicherungsforderung im Rahmen des Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 mag dies vielmehr bezweifelt werden.

III. Vergleichende Betrachtung 1. Rechtsgrundlagen Die Rechtsfigur des gesetzlichen Direktanspruchs ist mittlerweile in beiden untersuchten Rechtsordnungen – jeweils in Abweichung von deren historischer Grundkonzeption – 72 allgemein anerkannt. Der soeben gewonnene Überblick über die gegenwärtig bestehenden gesetzlichen Direktansprüche lässt jedoch sogleich einen signifikanten Unterschied zwischen den betrachteten Ländern hervortreten. Während es in Deutschland nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers mit der Regelung des §  115 VVG lediglich einen zentralen gesetzlichen Direktanspruch gibt, finden sich im englischen Recht mehrere gesetzliche Vorschriften, die zugunsten eines Geschädigten einen Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer vorsehen. Auffällig ist dabei, dass sich die Direktansprüche des englischen Rechts in ihrer Erscheinungsform durchaus stark voneinander unterscheiden. Die Existenz einer Vielzahl von gesetzlichen Direktansprüchen in England ist in erster Linie historisch bedingt und führt unter anderem zu dem bizarren Ergebnis, dass im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung gleich zwei verschiedene gesetzlich begründete Forderungsrechte des Unfallgeschädigten gegen den Haftpflichtversicherer bestehen, derer sich der Geschä70  Hervorhebende Unterstreichung durch Verfasser. Einen identischen Wortlaut weist der gesetzliche Direktanspruch aus s. 165 (1A) Merchant Shipping Act 1995 auf. 71  Hervorhebende Unterstreichung durch Verfasser. 72  Siehe hierzu oben unter 2. Teil C.I.1. sowie 2. Teil C.II.1.

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A. Überblick über die gesetzlichen Direktansprüche

digte bei tatbestandlicher Einschlägigkeit wahlweise bedienen kann.73 Bislang hat der englische Gesetzgeber keine Anstalten erkennen lassen, dieser zweifelsohne wenig übersichtlichen Situation durch Schaffung einer einzigen zentralen Direktanspruchsregelung entgegenzuwirken – und dies obgleich die Reform des Third Parties (Rights against Insurers) Act einen adäquaten Anlass hierzu geboten hätte.74 Wichtig ist die Erkenntnis, dass nicht alle gesetzlichen Direktansprüche des englischen Rechts ein einstufiges Vorgehen gegen den Haftpflichtversicherer ermöglichen. Die aktuelle englische Rechtslage ist vielmehr noch immer geprägt durch die Koexistenz von Direktansprüchen im engeren75 und von Direktansprüchen im weiteren Sinne, bei welchen der Geschädigten vor der Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers auf eine verbindliche Feststellung des Schadensersatzanspruchs im Haftpflichtverhältnis angewiesen ist.76 In letzter Zeit ist in England freilich die geschädigtenfreundliche Tendenz zur Normierung von Direktansprüchen erkennbar, die ein einstufiges Vorgehen gegen den Haftpflichtversicherer ermöglichen. Prominentes Beispiel hierfür ist der Direktanspruch aus dem jüngst reformierten Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, bei welchem es fortan nicht mehr der vorherigen Feststellung der Schadensersatzhaftung des Schädigers im Haftpflichtverhältnis bedarf. In Deutschland hingegen war der gesetzliche Direktanspruch seit jeher als Direktanspruch im engeren Sinne konzipiert, so dass im Direktprozess sowohl haftungs- als auch deckungsrechtliche Fragen zu erörtern sind.77 Eine Divergenz zwischen den Vergleichsrechtsordnungen ergibt sich überdies im Hinblick auf den Regelungsstandort der gesetzlichen Direktansprüche, welcher allgemein ganz praktische Auswirkungen auf die Rechtsanwendung zeitigen kann. Dies äußert sich zunächst recht banal darin, dass die Rechtsanwender die maßgebliche Rechtsquelle ausfindig machen müssen, was möglicherweise schwierig ist, wenn die Regelung eines Rechtsinstituts in einem Spezialgesetz „versteckt“ ist. Daneben spielt die gesetzliche Verortung eines Anspruchs auch für eine etwaige systematische Auslegung eine gewichtige Rolle. In Deutschland ist der gesetzliche Direktanspruch im nationalen Versicherungsvertragsgesetz (VVG) normiert, wo er an zentraler Stelle die umfassenden Re73  Dem originären Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988, dessen Ursprünge bis in das Jahr 1934 zurückzuverfolgen sind, wurde im Jahre 2003 zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben der gesetzliche Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 zur Seite gestellt. 74  Hierzu auch bereits oben unter 2. Teil C.II.4.a). 75  Vgl. hierzu die Direktansprüche aus s. 1 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 und aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002. 76  Vgl. hierzu den Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988. 77  Dies gilt sowohl für §  3 Nr.  1 PflVG a. F. als auch für §  115 VVG n. F.

III. Vergleichende Betrachtung

159

gelungen zum Versicherungszweig der Haftpflichtversicherung komplettiert. Demgegenüber sind die gesetzlichen Direktansprüche in England in verschiedenen Regelungswerken zu finden. Dabei ist das direkte Forderungsrecht gegen den Haftpflichtversicherer bisweilen als bloßer Annex zu einer bestimmten Rechtsmaterie – wie beispielsweise der im englischen Straßenverkehrsgesetz statuierten Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung – geregelt,78 bisweilen ist dem Direktanspruch und den thematisch verbundenen Aspekten aber auch ein gänzlich eigenständiges Gesetz gewidmet.79 Einem juristischen Laien dürfte das Auffinden der einschlägigen Direktanspruchsregelung daher vielfach Schwierigkeiten bereiten. Freilich bleibt zu berücksichtigen, dass es in England – aufgrund der Tradition des primär fallbasierten und der Kodifikationsidee reserviert gegenüberstehenden Common Law – generell an einer geschlossenen Kodifikation des privaten Versicherungsvertragsrechts fehlt,80 in welcher etwaige Direktansprüche des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer übersichtlich geregelt werden könnten. Neben dem auf Gerichtsentscheidungen basierenden Fallrecht (Case Law) ist das englische Recht ganz allgemein durch eine ungeheure Vielzahl von Spezial- und Einzelgesetzen geprägt, welche zumeist lediglich Teilaspekte regeln und vielfach nur auf erkannte Defizite und Unbilligkeiten des Fallrechts reagieren (Statute Law).81 Die Schwierigkeiten beim Auffinden der maßgeblichen Rechtsgrundlagen aufgrund einer Vielzahl bestehender Rechtsquellen sind mithin keine Besonderheit, die sich alleine bei der Materie des gesetzlichen Direktanspruchs zeigen würde, sie sind vielmehr dem gesamten englischen Recht immanent. Gemein ist den untersuchten Rechtsordnungen indes, dass es der jeweilige Gesetzgeber nicht bei der schlichten Einräumung eines direkten Forderungsrechts gegen den Haftpflichtversicherer belassen, sondern dass er in den einschlägigen Rechtsgrundlagen weitergehende Aspekte geregelt hat, die mit dem Direktanspruch in unmittelbarem thematischen Zusammenhang stehen. Zu nennen sind insbesondere die Regelungen zur Maßgeblichkeit versicherungsrechtlicher Einwendungen im Direktanspruchsverhältnis,82 zu etwaigen Obliegenheiten, die den Geschädigten unmittelbar gegenüber dem HaftpflichtversiSo beim Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988. So bei den Direktansprüchen aus s. 1 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 und aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002. 80  Bruns, PVR, §  35 Rn.  75. 81  Bernstorff, Einführung, S.  11; Henrich/Huber, Einführung in das englische Privatrecht, S.  11. 82  §§  114 Abs.  2 S.  2 , 117 VVG; s. 9 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010; s. 148 (1), (2), (5), 151 (2) (b), 152 (2) – (4) Road Traffic Act 1988; reg. 2 Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Regulations 1998. 78 

79 

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A. Überblick über die gesetzlichen Direktansprüche

cherer treffen,83 sowie zu prozessualen Gesichtspunkten, welche mit der gerichtlichen Realisierung des Direktanspruchs verbunden sind.84

2. Rechtskonstruktive Ausgestaltung Im Rahmen der vergleichenden Analyse der rechtskonstruktiven Ausgestaltung der gesetzlichen Direktansprüche offenbart sich zunächst ein grundlegender Unterschied im Hinblick auf die Bedeutung, welche der Konstruktionsfrage in den untersuchten Rechtsordnungen beigemessen wird. In Deutschland entbrannte nach der Ratifikation des Straßburger Übereinkommens eine ausführliche und leidenschaftliche Diskussion darüber, welche Form der rechtskonstruktiven Herleitung eines gesetzlichen Direktanspruchs vorzugswürdig sei und sich am besten in das geltende Rechtssystem einfüge. Der deutsche Gesetzgeber konnte daher auf einer fundierten wissenschaftlichen Grundlage eine bewusste Entscheidung für eine bestimmte Konstruktionsform treffen. Das eher sachbezogene und weniger der dogmatischen Diskussion verhaftete englische Recht misst der Konstruktionsfrage demgegenüber erwartungsgemäß geringere Bedeutung bei. Die gesetzlichen Direktanspruchsregelungen sind in England zuvorderst von dem gesetzgeberischen Willen einer lebensnahen Lösung offenbar gewordener Probleme und Unbilligkeiten getragen, ohne dass eine tiefere Reflexion über die gewählte Rechtskonstruktion stattgefunden hätte. Auch die englische Literatur ist im Hinblick auf den Aspekt der rechtskonstruktiven Ausgestaltung von Direktansprüchen wenig ergiebig und eine kontroverse Diskussion stellte sich – anders als in Deutschland – nicht ein. Insbesondere erregte in England das Nebeneinander gänzlich verschiedener rechtskonstruktiver Erscheinungsformen bei den unterschiedlichen gesetzlichen Direktansprüchen keinen oder allenfalls sehr geringen Anstoß. Das deutsche Recht besticht im Hinblick auf die rechtskonstruktive Herleitung des gesetzlichen Direktanspruchs durch eine erfrischende Eindeutigkeit. Der deutsche Gesetzgeber hat in §  115 VVG dezidiert Stellung bezogen und zur Begründung eines direkten Forderungsrechts einen gesetzlichen Schuldbeitritt des Haftpflichtversicherers zum Schadensersatzanspruch des Geschädigten angeordnet. Die hierin offenbar werdende Anknüpfung des gesetzlichen Direktanspruchs an das Haftpflichtverhältnis weist zumindest im Ausgangspunkt eine geschädigtenfreundliche Tendenz auf, weil sie mit einer grundsätzlichen Unabhängigkeit vom Haftpflichtversicherungsvertrag einhergeht und sich somit der Durchgriff versicherungsrechtlicher Einwendungen als prinzipiell rechtferti83 

84 

§§  119, 120 VVG; s. 152 (1) (a) Road Traffic Act 1988. §  124 VVG, s. 2 f., 13 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010.

III. Vergleichende Betrachtung

161

gungsbedürftige Ausnahme darstellt.85 Ein deutlich divergenteres Bild zeigt sich hingegen im englischen Recht, wo sich der Gesetzgeber für die verschiedenen gesetzlichen Direktansprüche unterschiedlicher Konstruktionsvarianten bedient und dabei einmal an den Haftpflichtversicherungsvertrag und ein anderes Mal an das Haftpflichtverhältnis anknüpft. Bisweilen lässt die Direktanspruchsregelung aber auch ein Bekenntnis des englischen Gesetzgebers zu einer bestimmten Rechtskonstruktion gänzlich vermissen, so dass die Rechtsprechung einen Anspruch sui generis annimmt.86 Die historisch ursprüngliche Konstruktionsform von gesetzlichen Direktansprüchen in England, die bereits den ersten direkten Forderungsrechten aus dem Workmen’s Compensation Act 1906 sowie dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 zugrundelag,87 findet noch heute im Rahmen des Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 Verwendung. Danach besteht der Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer aus der legalzedierten Haftpflichtversicherungsforderung. Aus der Anknüpfung dieses derivativen Direktanspruchs an den Haftpflichtversicherungsvertrag resultiert im Ausgangspunkt eine wenig geschädigtenfreundliche Maßgeblichkeit versicherungsrechtlicher Einwendungen im Direktanspruchsverhältnis. Hierin liegt ein flagranter Unterschied zur Rechtslage in Deutschland. Einen gänzlich anderen und dem deutschen Recht ähnlicheren Ansatz verfolgt der englische Gesetzgeber hingegen beim Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988, der sich durch eine Anknüpfung an das Haftpflichtverhältnis auszeichnet. Anders als der deutsche Gesetzgeber beim Direktanspruch aus §  115 VVG hat der englische Gesetzgeber allerdings nicht die Haftung des Versicherers für den ursprünglichen Schadensersatzanspruch angeordnet, sondern vielmehr dessen Einstandspflicht für das im Haftpflichtprozess ergangene Schadensersatzurteil statuiert. Streng genommen ist der Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 daher als ein besonderer Durchsetzungsmechanismus für das Haftpflichturteil jenseits der klassischen Zwangsvollstreckung gegen den Urteilsschuldner zu charakterisieren. Geprägt ist dieser Direktanspruch im Wesentlichen durch eine Unabhängigkeit vom Haftpflichtversicherungsverhältnis, was den Durchgriff versicherungsrechtlicher Einwendungen zu einer begründungsbedürftigen Ausnahmeerscheinung werden lässt. Bemerkenswert ist, dass dieser in der Grundtendenz geschädigtenfreundliche Konstruktionsansatz gerade im Bereich der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung gewählt wird, wo der Gedanke des 85 

Hierzu bereits oben unter 2. Teil B.IV.3. So beim Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002. 87  Zur historischen Entwicklung des gesetzlichen Direktanspruchs in England ausführlich oben unter 2. Teil C.II. 86 

162

A. Überblick über die gesetzlichen Direktansprüche

Geschädigtenschutzes bekanntermaßen eine besondere Rolle spielt. In rechtskonstruktiver Hinsicht die größte Ähnlichkeit mit dem deutschen Recht weisen indes die gesetzlichen Direktansprüche auf, die auf völkerrechtlichen Vereinbarungen im Bereich der Schifffahrt sowie der maritimen Verschmutzung basieren.88 Hier ordnet der englische Gesetzgeber in den maßgeblichen Vorschriften explizit an, dass der Haftpflichtversicherer für den Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen den Versicherungsnehmer einzustehen hat. Die Begründung des gesetzlichen Direktanspruchs durch legislative Anordnung einer Mithaftung des Versicherers für den Schadensersatzanspruch ist freilich aus dem deutschen Recht hinlänglich bekannt.

3. Würdigung Der Vergleich führt zu dem erfreulichen Befund, dass sich die Situation in Deutschland sowohl hinsichtlich der maßgeblichen Rechtsgrundlagen als auch im Hinblick auf die rechtskonstruktive Ausgestaltung der gesetzlichen Direktansprüche übersichtlicher und im Ergebnis überzeugender gestaltet als in England. So ist es zunächst im Interesse der Rechtsklarheit zu begrüßen, dass der deutsche Gesetzgeber mit der Vorschrift des §  115 VVG lediglich eine einzige Direktanspruchsregelung geschaffen hat, die an zentraler Stelle im nationalen Versicherungsvertragsgesetz verankert ist. Demgegenüber leistet in England die Existenz mehrerer gesetzlicher Direktansprüche, die hierbei noch in unterschiedlichen Regelungswerken normiert sind, der Rechtsunsicherheit Vorschub. Insofern stellen sich nicht zuletzt schwierige Konkurrenzfragen zwischen den verschiedenen Direktansprüchen, die erst einmal befriedigend gelöst werden wollen. Im ungünstigsten Falle bleibt es für einen Geschädigten weitgehend unklar, auf welchen Anspruch er sich nunmehr stützen kann. Es ist sicherlich zu kritisieren, dass der englische Gesetzgeber die jüngste Reform des Third Parties (Rights against Insurers) Act nicht zum Anlass genommen hat, die bestehenden gesetzlichen Direktansprüche in einer zentralen Direktanspruchsregelung übersichtlich zu bündeln. Gelungener erweist sich das deutsche Recht auch im Hinblick auf die rechtskonstruktive Ausgestaltung des gesetzlichen Direktanspruchs. Während das englische Recht hier ein reichlich konfuses Bild abgibt und bei den verschiedenen Direktansprüchen mit unterschiedlichen Konstruktionsansätzen aufwartet, hat der deutsche Gesetzgeber mit der legislativen Anordnung eines Schuldbeitritts des Versicherers zum Schadensersatzanspruch des Geschädigten eine klare Regelung getroffen. Durchaus positiv besticht hierbei die rechtskonstruk88 

Hierzu oben unter 3. Teil A.II.1.c).

III. Vergleichende Betrachtung

163

tive Anknüpfung des deutschen Direktanspruchs an das Haftpflichtverhältnis. Die hierin zum Ausdruck kommende geschädigtenfreundliche Grundtendenz steht dem gesetzlichen Direktanspruch als elementarem Bestandteil der „Sozialbindung der Haftpflichtversicherung“ gut zu Gesicht. Demgegenüber wählt der für alle Haftpflichtversicherungen geltende und daher umfassendste gesetzliche Direktanspruch des englischen Rechts aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 die im Ausgangspunkt weniger geschädigtenfreundliche Anknüpfung an den Haftpflichtversicherungsvertrag (Legalzession des Versicherungsanspruchs). Es steht daher zumindest zu erwarten, dass die englische Rechtsordnung dem Gedanken des Geschädigtenschutzes insgesamt etwas reservierter gegenübersteht. Freilich bleiben hier die näheren Erkenntnisse aus dem weiteren Verlauf der Arbeit abzuwarten.

B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen Nachdem im vorangegangenen Abschnitt ein erster Überblick über die in Deutschland und England existierenden gesetzlichen Direktansprüche und die Art und Weise ihrer rechtskonstruktiven Ausgestaltung gegeben wurde, soll nunmehr detailliert dargelegt werden, in welchen Bereichen des Haftpflichtversicherungsrechts und unter welchen konkreten Voraussetzungen Geschädigte von diesen Direktansprüchen profitieren können. Durch die Merkmale des Anwendungsbereichs und der Entstehungsvoraussetzungen werden die ersten Weichen für das Niveau des durch einen gesetzlichen Direktanspruch vermittelten Geschädigtenschutzes gestellt.1 Zugleich lässt sich an diesen Kriterien erkennen, welche generelle Bedeutung eine Rechtsordnung dem Rechtsinstitut des „gesetzlichen Direktanspruchs“ für das nationale Haftpflichtversicherungsrecht beimisst. Freilich bleibt zu vergegenwärtigen, dass sich ein endgültiger Befund über den tatsächlichen Grad des Geschädigtenschutzes erst stellen lässt, wenn man sich Kenntnis über die zulässigen Einwendungen des Versicherers gegen den jeweiligen Direktanspruch verschafft hat.2

I. Deutschland 1. Anwendungsbereich des Direktanspruchs aus §  115 VVG In Deutschland ist der Anwendungsbereich des gesetzlichen Direktanspruchs aus §  115 VVG sowohl in sachlicher als auch in zeitlicher sowie persönlicher Hinsicht Beschränkungen unterworfen.3 Mithin kann ein Geschädigter, obschon dessen Schädiger haftpflichtversichert ist, keineswegs in jedem Schadensfalle von den Vorzügen des Direktanspruchs profitieren.

1 

Hierzu schon oben unter 2. Teil B.V. Zur Einwendungsthematik noch ausführlich unten unter 3. Teil C. 3  Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  7. 2 

166

B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

a) Sachlicher Anwendungsbereich und analoge Anwendung Entsprechend der gesetzessystematischen Stellung in den §§  113–124 VVG kann ein gesetzlicher Direktanspruch aus §  115 VVG von vornherein nur im Bereich von Pflichthaftpflichtversicherungen entstehen.4 Verschiedentlich vorgetragenen Vorschlägen zur Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs auf freiwillige Haftpflichtversicherungen5 hat der Reformgesetzgeber eine klare Absage erteilt und dies durch die gesetzessystematische Verortung des Direktanspruchs in den Vorschriften über die obligatorische Haftpflichtversicherung hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht. Unschädlich ist dabei, dass der Gesetzeswortlaut lediglich in §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  1 VVG von einer „Versicherungspflicht“ spricht, wohingegen bei den anderen Alternativen des Direktanspruchs (Nr.  2, 3) eine derartige Wendung mit der Klarstellung der Restriktion des Anwendungsbereichs fehlt.6 Eine analoge Anwendung des Direktanspruchs aus §  115 VVG auf andere Versicherungssparten, in welchen die Leistung des Versicherers den Versicherungsnehmer vor den finanziellen Folgen freiwillig eingegangener Verpflichtungen gegenüber Dritten schützen soll, kommt nicht in Betracht. Dies gilt zunächst für die Rückversicherung,7 mit welcher ein Versicherungsunternehmen (sog. Erstversicherer) die von ihm übernommenen Gefahren seinerseits versichert.8 Der Gesetzgeber hat im Zuge der VVG-Reform 2008 explizit festgestellt, dass bei der Rückversicherung keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen zwischen dem Erstversicherungsnehmer und dem Rückversicherer bestehen, ohne diesbezüglich ein legislatives Korrekturbedürfnis zu bejahen.9 Für eine analoge Anwendung des §  115 VVG fehlt es somit bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Denkbar ist hier allenfalls die Begründung eines rechtsgeschäftlichen Direktanspruchs zugunsten des Erstversicherungsnehmers. Üblicherweise geschieht dies in Form einer sog. „cut-through-Klausel“ im Rückversicherungsvertrag, welche diesem den Charakter eines echten Vertrages zugunsten Dritter 4  OLG Bremen, VersR 2012, 171, 172; Beckmann in Bruck/Möller, §  115 Rn.  11; Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  7; Schimikowski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, §  115 Rn.  1; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  49 f.; Vogt, Direktansprüche, S.  8; Abram, VP 2008, 77, 77. 5  So z. B. Johannsen, r+s 1997, 309, 309. 6  So ausdrücklich OLG Bremen, VersR 2012, 171, 172; ebenso Dallwig in FAKommVersR, §  115 VVG Rn.  5. 7  Allgemein zur Rückversicherung: Lüer/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, 1. Auflage, München, 2013. 8  Vgl. insoweit die Legaldefinition der Rückversicherung in §  779 Abs.  1 HGB a. F.: „Versicherung der vom Versicherer übernommenen Gefahr“. 9  BT-Drs. 16/3945, S.  115. Vgl. auch Lorenz in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  1 Rn.  108; Klimke in Prölss/Martin, §  209 Rn.  3a; Bruns, PVR, §  32 Rn.  3.

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(§  328 BGB) verleiht. Dabei wird die Entstehung des direkten Forderungsrechts regelmäßig von der Insolvenz des Erstversicherers abhängig gemacht.10 Eine analoge Anwendung des §  115 VVG scheidet darüber hinaus aber beispielsweise auch im Rahmen von Rechtsschutz- respektive privaten Krankenversicherungen in Ermangelung einer planwidrigen Regelungslücke aus. Folglich können weder der Rechtsanwalt noch der Leistungserbringer einer Heilbehandlung als Gläubiger des Versicherungsnehmers ihren vertraglich begründeten Vergütungsanspruch direkt gegen den Versicherer geltend machen.11 Ein wesentlicher Unterschied zur Situation bei der Rückversicherung liegt jedoch darin, dass diese Leistungserbringer in der Insolvenz des Versicherungsnehmers nicht auf einen besonderen Schutzmechanismus (z. B. Insolvenzsicherungsfonds) zurückgreifen können. Insbesondere besteht zu deren Gunsten kein Absonderungsrecht an der Versicherungsforderung und ein solches kann nach herrschender Meinung auch nicht im Wege eines Analogieschlusses aus §  110 VVG hergeleitet werden. Mithin sind die Leistungserbringer auf eine schlichte Insolvenzforderung verwiesen und können allenfalls mit einer quotalen Befriedigung rechnen.12 b) Zeitlicher und persönlicher Anwendungsbereich In zeitlicher Hinsicht findet der gesetzliche Direktanspruch aus §  115 VVG nur dann Anwendung, wenn das maßgebliche Schadensereignis nach dem 01. Januar 2008 stattgefunden hat (Art.  12 Abs.  1 S.  3 des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts13). Demgegenüber kann sich bei Schadensereignissen vor diesem Stichtag ein Direktanspruch allenfalls aus §  3 Nr.  1 PflVG a. F. und somit nur zugunsten von Verkehrsunfallopfern ergeben. Soweit §  115 Abs.  1 S.  2 VVG für den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers auf das Haftpflichtversicherungsverhältnis verweist, bestimmt sich das auf dieses VertragsLooschelders in MüKoVVG, §  209 Rn.  33; Bruns, PVR, §  32 Rn.  3. Freilich wird der Insolvenz von Versicherungsunternehmen bislang recht erfolgreich durch die Instrumentarien des deutschen Versicherungsaufsichtsrechts entgegengewirkt. In der Insolvenz eines Erstversicherers kann der Erstversicherungsnehmer unter Umständen auch von einem Schutz durch den Insolvenzsicherungsfonds profitieren (§§  221 ff. VAG bzw. §§  124 ff. VAG a. F.), so dass es keiner Inanspruchnahme des Rückversicherers mehr bedarf. 11  Für die Rechtsschutzversicherung: Obarowski in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  37 Rn.  600; Bruns, PVR, §  23 Rn.  24. Für die private Krankenversicherung: OLG Köln, r+s 2014, 133, 134; Bruns, PVR, §  29 Rn.  72; eine Ausnahme gilt nach §  192 Abs.  7 VVG allerdings im brancheneinheitlichen Basistarif der privaten Krankenversicherung, wo explizit ein gesetzlicher Direktanspruch vorgesehen ist. 12  Obarowski in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  37 Rn.  611. 13  Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007, BGBl. I 2007, S.  2631 ff. 10 

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B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

verhältnis anzuwendende Recht nach den allgemeinen Grundsätzen der Art.  1 ff. EGVVG.14 Ein vom Direktanspruch begünstigter „Dritter“ im Sinne des §  115 VVG ist jeder, dem ein von der Pflichthaftpflichtversicherung gedeckter Schadensersatzanspruch gegen den Versicherungsnehmer respektive den Versicherten15 zusteht.16 Möglich ist dabei eine Personenidentität zwischen dem direktanspruchsberechtigten Dritten und dem Versicherungsnehmer, wenn diesem ein von der Haftpflichtversicherung gedeckter Schadensersatzanspruch gegen einen Mitversicherten zusteht.17 In diesen Fällen kann der Versicherer seiner Inanspruchnahme allerdings die auf §  242 BGB gestützte dolo-agit-Einrede entgegenhalten, wenn ihm im Innenverhältnis ein Regressanspruch zustünde.18 Kein zur Geltendmachung des Direktanspruchs berechtigter „Dritter“ ist hingegen ein Schädiger, welcher Ausgleichsansprüche gegen haftpflichtversicherte Mitschädiger zu haben vorgibt.19 Vereinzelt wurde im Hinblick auf den persönlichen Anwendungsbereich eine weitergehende Beschränkung im Wege einer teleologischen Reduktion des §  115 Abs.  1 VVG vorgeschlagen. Namentlich wenn der geschädigte Dritte ein staatlicher Hoheitsträger sei, fehle es nämlich an einem besonderen, einen Direktanspruch legitimierenden Schutzbedürfnis.20 Der BGH ist einer solchen Sichtweise indes ganz offen entgegengetreten, indem er unlängst einer Gemeinde als Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts einen Direktanspruch nach §  115 VVG zugesprochen hat.21 Schneider, VersR 2008, 859, 861. Nach hM sind dem explizit genannten „Versicherungsnehmer“ in der gesamten Vorschrift des §  115 VVG mitversicherte Personen gleichzustellen, vgl. BT-Drs. 16/3945, S.  89; Beckmann in Bruck/Möller, §  115 Rn.  17; Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  16; Franck, Direktanspruch, S.  90 f. Kritisch zur erweiternden Auslegung jedoch Jacobsen in Feyock/ Jacobsen/Lemor, §  115 VVG Rn.  3. 16  Beckmann in Bruck/Möller, §  115 Rn.  14; Knappmann in Prölss/Martin, §  115 Rn.  3; Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  9; Heidl, VVG-Reform, S.  288. 17  BGH, NJW-RR 1986, 1402, 1403; Beckmann in Bruck/Möller, §  115 Rn.  14; Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  10; Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  874. In der Praxis werden Schadensersatzansprüche des Versicherungsnehmers gegen Mitversicherte allerdings sehr häufig in zulässiger Weise von der Deckung ausgenommen, vgl. Dallwig in FAKomm-VersR, §  115 VVG Rn.  2. 18  BGH, NJW-RR 1986, 1402, 1403. 19  BGH, NJW 2008, 2642, 2642; Beckmann in Bruck/Möller, §  115 Rn.  16; Knappmann in Prölss/Martin, §  115 Rn.  4; Langheid in Langheid/Rixecker, §  115 Rn.  9 (mit Nachweisen zu abweichenden Auffassungen); Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  11; Armbrüster, r+s 2010, 441, 453. 20  Schwab, DAR 2010, 347, 348 f.; vgl. auch Dallwig in FAKomm-VersR, §  115 VVG Rn.  3. 21  BGH, r+s 2011, 442, 443. 14 

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2. Voraussetzungen für einen Direktanspruch aus §  115 VVG Im Grundlagenteil dieser Abhandlung wurde bereits aufgezeigt, dass mit der Existenz eines Schadensersatzanspruchs sowie mit dem Vorliegen eines wirksamen Haftpflichtversicherungsvertrages im Normalfall gewisse Mindestvoraussetzungen für die materiell-rechtliche Entstehung eines gesetzlichen Direktanspruchs gegeben sind.22 Während es im Rahmen des §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  1 VVG hiermit sein Bewenden hat, sofern nur eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz (PflVG) bestehenden Versicherungspflicht zugrundeliegt, bedarf es für das Entstehen eines gesetzlichen Direktanspruchs in den Fällen des §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  2, 3 VVG des Vorliegens zusätzlicher Umstände. Demnach ist im ersten Katalogtatbestand des §  115 Abs.  1 VVG ein – lediglich an die Art der Haftpflichtversicherung gebundener – allgemeiner Direktanspruch normiert, während es sich in den anderen beiden Varianten um einen sog. begrenzten Direktanspruch handelt.23 a) Allgemeiner Direktanspruch in der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung (§  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  1 VVG) Nach der Vorschrift des §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  1 VVG besteht zugunsten eines Geschädigten ein Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer, „wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt“.24 Mithin hat derjenige, der durch den Gebrauch 25 eines motorbetriebenen Fahrzeuges mit regelmäßigem Standort im Inland Schäden erlitten hat (vgl. §  1 PflVG), stets einen allgemeinen Direktanspruch gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer, welcher zeitgleich mit dem Schadensersatzanspruch gegen den schädigenden Versicherungsnehmer zur Entstehung gelangt. Der in §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  1 VVG nor22 

Hierzu oben unter 2. Teil B.V.2. Zur Abgrenzung von allgemeinem und begrenztem Direktanspruch siehe ebenfalls oben unter 2. Teil B.V.2. 24  Nach hM steht dem Geschädigten jedoch auch dann ein Direktanspruch gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer zu, wenn Kfz-Halter, welche nach §  2 PflVG ausnahmsweise keiner Versicherungspflicht unterliegen (v. a. Bund, Länder, größere Gemeinden), freiwillig einen Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag abgeschlossen haben – und dass, obwohl es sich in diesen Fällen eben gerade nicht um eine „Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht“ handelt, vgl. BGH, NJW 1987, 2375, 2377; Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  880 (anders in England, wo in diesen Fällen kein Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlicher Direktanspruchs existiert, vgl. hierzu unten unter 3. Teil B.II.2.b).cc)). 25  Zum Begriff des „Gebrauchs“ iSd §  1 PflVG, der über den „Betrieb“ des Kfz iSd §  7 StVG hinausgeht, vgl. BGH, NJW 2012, 1951, 1952 f. 23 

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B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

mierte allgemeine Direktanspruch ist identisch mit dem bereits bisher in §  3 Nr.  1 PflVG a. F. vorgesehenen und mittlerweile europarechtlich zwingend vorgegebenen 26 direkten Forderungsrecht des Unfallgeschädigten gegen den KfzHaft­pflichtversicherer.27 Aufgrund des Verweises in §  6 Abs.  1 AuslPflVG steht einem Unfallopfer auch dann ein allgemeiner Direktanspruch nach §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  1 VVG zu, wenn seine Schäden durch den Gebrauch eines nicht regelmäßig im Inland stationierten Kraftfahrzeuges verursacht wurden.28 b) Begrenzter Direktanspruch bei sonstigen Pflichthaftpflichtversicherungen Jenseits des Bereichs der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung existiert in Deutschland kein allgemeiner Direktanspruch, der nach dem Schädigungsereignis automatisch und ohne weitere Voraussetzungen neben den Schadensersatzanspruch gegen den schädigenden Versicherungsnehmer tritt. Bei sonstigen Pflichthaftpflichtversicherungen ist ein Direktanspruch gegen den Versicherer vielmehr vom Vorliegen zusätzlicher Umstände abhängig, die in §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  2 und 3 VVG abschließend 29 aufgelistet sind. Die anfänglichen Bestrebungen im Rahmen der VVG-Reform 2008, einen allgemeinen Direktanspruch bei sämtlichen Pflichthaftpflichtversicherungen zu schaffen, überdauerten den Gesetzgebungsprozess nicht.30 Mit der letztlich realisierten Fassung des gesetzlichen Direktanspruchs in §  115 VVG wollte der Reformgesetzgeber Fallkon­ stellationen erfassen, in welchen die Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs gegen den Schädiger mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist (Rückführung auf „unter Verbraucherschutzgesichtspunkten wesentliche Problembereiche“).31

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Siehe Art.  18 6. KH-Richtlinie. Knappmann in Prölss/Martin, §  115 Rn.  1, 7; Franck, Direktanspruch, S.  90; Vogt, Direktansprüche, S.  10. 28  Nach §§  1, 2 AuslPflVG dürfen Kraftfahrzeuge ohne regelmäßigen Standort im Inland nur dann in Deutschland betrieben werden, wenn bei einem inländischen Versicherungsunternehmen Haftpflichtversicherungsschutz für das Fahrzeug besteht oder wenn zumindest ein deutscher Versicherer – ggf. neben einem ausländischen Versicherer – für die aus dem AuslPflVG resultierenden Pflichten einsteht. 29  Zu – im Ergebnis abzulehnenden – Analogieerwägungen siehe noch unten unter 3. Teil B.I.2.c). 30  Hierzu bereits ausführlich oben unter 2. Teil C.I.3. 31  BT-Drs. 16/5862, S.  99; Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  176 f. 27 

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aa) Direktanspruch in der Insolvenz des Versicherungsnehmers (§  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  2 VVG) Zunächst besteht nach §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  2 VVG ein gesetzlicher Direktanspruch des Geschädigten, „wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist“. Hier erscheint dem Gesetzgeber die erfolgreiche Realisierung des Schadensersatzanspruchs im Haftpflichtverhältnis wegen der Vermögenslosigkeit des schädigenden Versicherungsnehmers mit Recht aussichtslos.32 Anders als bei den fakultativen Haftpflichtversicherungen begnügt sich das Gesetz im gesamten Bereich der Pflichthaftpflichtversicherung nicht damit, dem Geschädigten in der Insolvenz des Versicherungsnehmers ein Absonderungsrecht an der Versicherungsforderung einzuräumen (vgl. §  110 VVG), vielmehr gewährt es dem Geschädigten zugleich einen Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer, bei dem es insbesondere keiner vorherigen Feststellung des Schadensersatzanspruchs im Haftpflichtverhältnis bedarf. Anstelle eines bloßen Einziehungsrechts an der Haftpflichtversicherungsforderung erhält der Geschädigte einen eigenen materiell-rechtlichen Anspruch gegen den Haftpflichtversicherer. Angesichts des höheren Schutzniveaus des gesetzlichen Direktanspruchs ist das Absonderungsrecht nach §  110 VVG im Bereich der Pflichthaftpflichtversicherung gegenstandslos.33 Die Entstehung des gesetzlichen Direktanspruchs ist im Rahmen des §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  2 VVG stets an eine förmliche Entscheidung des Insolvenzgerichts geknüpft, in welcher entweder das Insolvenzverfahren eröffnet (§  27 InsO), der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen (§  26 InsO) oder aber – als einstweilige Sicherungsmaßnahme im Insolvenzeröffnungsverfahren – ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird (§  21 Abs.  2 S.  1 Nr.  1 InsO).34 Nicht ausreichend ist hingegen das bloß objektive Vorliegen von Insolvenzeröffnungsgründen35 oder auch ein bloßer Insolvenzantrag (§  13 InsO).36 Die Anknüpfung an eine förmliche insolvenzgerichtliche Entscheidung dient in erster Linie der Rechtssicherheit und erleichtert dem Geschädigten die Feststellung,

So auch Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  16. Dallwig in FAKomm-VersR, §  115 VVG Rn.  7. 34  Hierbei ist irrelevant, ob die insolvenzgerichtliche Entscheidung in einem Regel- oder in einem Verbraucherinsolvenzverfahren ergeht, vgl. Franck, Direktanspruch, S.  91. 35  Z. B. Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (§§  17 ff. InsO). 36  Knappmann in Prölss/Martin, §  115 Rn.  8; Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  16; Heidl, VVG-Reform, S.  290; Armbrüster, r+s 2010, 441, 453 f. 32  33 

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B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

ob die Voraussetzungen eines Direktanspruchs vorliegen.37 Da nach §  13 InsO grundsätzlich auch Gläubiger eines Schuldners insolvenzantragsberechtigt sind,38 kann der Geschädigte durch die Stellung eines Insolvenzantrages eine insolvenzgerichtliche Entscheidung erzwingen und somit selbst auf die Entstehung des ihn begünstigenden Direktanspruchs aus §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  2 VVG hinwirken.39 bb) Direktanspruch bei unbekanntem Aufenthalt des Versicherungsnehmers (§  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  3 VVG) Ein Direktanspruch besteht des Weiteren dann, „wenn der Aufenthalt des Versicherungsnehmers unbekannt ist“ (§  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  3 VVG).40 Weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesbegründung verhalten sich indes zu der Frage, was im Rahmen des §  115 VVG unter einem „unbekannten Aufenthalt“ des Versicherungsnehmers zu verstehen und welche Perspektive insoweit maßgeblich ist. In der rechtswissenschaftlichen Literatur hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass aus Gründen der Einheit der Rechtsordnung für die Auslegung auf die zu §  185 ZPO entwickelten Grundsätze zurückzugreifen ist, wo sich im Zusammenhang mit der öffentlichen Zustellung ebenfalls der Terminus des „unbekannten Aufenthaltsortes“ findet.41 Mithin genügt es nicht, wenn der Aufenthalt des schädigenden Versicherungsnehmers lediglich dem Geschädigten unbekannt ist. Vielmehr darf der gegenwärtige Aufenthaltsort ganz allgemein nicht

37  Dallwig in FAKomm-VersR, §  115 VVG Rn.  6; Vogt, Direktansprüche, S.  14; Armbrüster, r+s 2010, 441, 454. 38  Allgemein zur Insolvenzantragsbefugnis: Becker, Insolvenzrecht, Rn.  429 ff. 39  Näher zur Insolvenzantragsbefugnis des Geschädigten siehe unten unter 3. Teil B.I.2.c). bb). 40  Auch in dieser Fallgruppe erachtete der Gesetzgeber die Einräumung eines Direktanspruchs aus Geschädigtenschutzgründen ausnahmsweise für geboten, weil er die Realisierung des Schadensersatzanspruchs im Haftpflichtverhältnis für gefährdet erachtete. Zwar wäre bei Kenntnis der Identität des Schädigers aufgrund der zivilprozessualen Möglichkeiten einer öffentlichen Zustellung (vgl. §§  185 ff. ZPO) auch in diesen Fällen die Erhebung einer Schadensersatzklage zur Realisierung des Schadensersatzanspruchs denkbar, jedoch wäre dies unzweifelhaft mit zusätzlichen Schwierigkeiten und nicht zuletzt mit zeitraubenden Verzögerungen verbunden. Im Übrigen bestünden bei fortdauernder Unauffindbarkeit des Schädigers erhebliche Bedenken an der späteren erfolgreichen Vollstreckbarkeit eines Schadensersatzurteils. 41  Beckmann in Bruck/Möller, §  115 Rn.  31; Dallwig in FAKomm-VersR, §  115 VVG Rn.  8; Knappmann in Prölss/Martin, §  115 Rn.  9; Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  17; Heidl, VVG-Reform, S.  291; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  54; Armbrüster, r+s 2010, 441, 454.

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bekannt sein,42 was im Zweifel durch eine ergebnislos verlaufene Anfrage beim Einwohnermeldeamt des letzten bekannten Wohnortes des Schädigers zu belegen ist.43 Anders als bei §  185 ZPO sind dem Geschädigten im Rahmen des §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  3 VVG jedoch keine weitergehenden Nachforschungsbemühungen abzuverlangen. Während nämlich die öffentliche Zustellung unmittelbar mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch des potentiellen Zustellungsempfängers auf rechtliches Gehör (Art.  103 Abs.  1 GG) kollidiert und daher eine grundsätzlich restriktive Auslegung des §  185 ZPO geboten ist, werden durch einen gesetzlichen Direktanspruch alleine die Interessen des Geschädigten geschützt, ohne dabei berechtigte Interessen anderer Beteiligter zu verletzen.44 Insofern spricht das Telos des §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  3 VVG dafür, dem Geschädigten weitere zeitintensive, die rasche Schadenskompensation gefährdende Nachforschungen zu ersparen.45 Die Praxistauglichkeit des gesetzlichen Direktanspruchs aus §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  3 VVG begegnet jedoch gewissen Zweifeln. Um einen Direktanspruch geltend machen zu können, muss der Geschädigte die Identität des Haftpflichtversicherers kennen, nicht zuletzt weil dieser in einer etwaigen Direktklage explizit zu benennen ist (vgl. §  253 Abs.  2 Nr.  1 ZPO). Im Normalfall wird der Schädiger dem Geschädigten freiwillig mitteilen, bei welchem Haftpflichtversicherungsunternehmen er versichert ist. Notfalls steht dem Geschädigten nach derzeit geltendem Recht auch ein aus Treu und Glauben (§  242 BGB) hergeleiteter allgemeiner Auskunftsanspruch gegen den Schädiger zu.46 Im Falle des unbekannten Aufenthalts des Schädigers kann der Geschädigte jedoch regelmäßig weder auf eine freiwillige Benennung des Haftpflichtversicherers hoffen noch nützt ihm ein etwaiger Auskunftsanspruch, weil dieser aufgrund der Höchstpersönlich42 

Vgl. RGZ 59, 259, 263; BGH, NJW 2002, 827, 828; KG, NJW-RR 2006, 1380, 1381; Wandt, VR, Rn.  1115; Heidl, VVG-Reform, S.  291. 43  Vgl. BGH, NJW 2003, 1530, 1530 f.; Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  17. 44  Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf den Haftpflichtversicherer, gegen den sich der Direktanspruch in der Folge richtet. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass der Versicherer auch im Rahmen des gesetzlichen Direktanspruchs aufgrund der Akzessorietät zum Haftpflichtverhältnis nur begründete Ansprüche erfüllen muss; etwaige Ausschlüsse versicherungsrechtlicher Einwendungen wiederum sind kein alleiniges Phänomen eines Direktanspruchs, vielmehr gelten diese auch im Falle einer mittelbaren Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers (z. B. im Rahmen einer Drittschuldnerklage nach Pfändung und Überweisung des Versicherungsanspruchs). Allgemein zur Vereinbarkeit eines gesetzlichen Direktanspruchs mit den Interessen des Versicherers und des schädigenden Versicherungsnehmers oben unter 2. Teil B.III.2.b). 45  Ebenso: Beckmann in Bruck/Möller, §  115 Rn.  31; Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  17; Franck, Direktanspruch, S.  94 f. A.A. wohl Heidl, VVG-Reform, S.  291 f.; Wandt, VR, Rn.  1115. 46  Hierzu näher unten unter 3. Teil E.I.2.b).

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B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

keit der Auskunftspflicht jedenfalls nicht zu vollstrecken sein dürfte.47 Auch mit dem gegen den tatsächlichen Haftpflichtversicherer des Schädigers bestehenden Auskunftsanspruch aus §  242 BGB, bei welchem der Direktanspruch als notwendige Sonderrechtsbeziehung fungiert,48 ist dem Geschädigten bei Unkenntnis über den wahren Versicherer denklogisch wenig gedient.49 Mithin droht die Durchsetzbarkeit des Direktanspruchs aus §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  3 VVG bei unbekanntem Aufenthalt des schädigenden Versicherungsnehmers an einem Informationsdefizit des Geschädigten zu scheitern. Insoweit kann der Geschädigte nur darauf hoffen, dass der Schädiger noch vor seinem Verschwinden die Identität des Haftpflichtversicherers wahrheitsgemäß preisgibt bzw. preisgegeben hat.50 cc) Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen Aus dem Wortlaut des §  115 Abs.  1 S.  1 VVG erschließt sich nicht, zu welchem Zeitpunkt die besonderen Voraussetzungen für die Entstehung des Direktanspruchs vorliegen und ob diese insbesondere bereits im Schädigungszeitpunkt gegeben sein müssen. Beim allgemeinen Direktanspruch in der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung (Nr.  1) ist die Situation unproblematisch, weil das Vorliegen einer Pflichthaftpflichtversicherung nach dem PflVG von vornherein „unverrückbar feststeht“.51 Hier entsteht der Direktanspruch stets zeitgleich mit dem Schadensersatzanspruch gegen den schädigenden Versicherungsnehmer – was letztlich ein Charakteristikum des „allgemeinen Direktanspruchs“ darstellt. Anders verhält es sich jedoch bei den begrenzten Direktansprüchen aus §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  2 und 3 VVG, denen mit der Insolvenz des Versicherungsnehmers sowie 47 

Eine entsprechende Auskunftsklage dürfte hingegen trotz Unauffindbarkeit des Schädigers noch möglich sein, vgl. §§  185 ff. ZPO. 48  Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  113. Vgl. hierzu noch unten unter 3. Teil E.I.2.c). 49  Auch der von Franck, Direktanspruch, S.  128 vorgeschlagene Anspruch auf Vorprüfung gegen sämtliche in Deutschland tätigen Haftpflichtversicherer (gerichtet auf Auskunft, ob eine bestimmte Person eine Pflichthaftpflichtversicherung bei dem jeweiligen Versicherungsunternehmen abgeschlossen hat) ist wenig praxistauglich; der hiermit verbundene Zeitund Arbeitsaufwand läuft nämlich der Intention des Direktanspruchs zuwider, dem Geschädigten eine rasche Schadenskompensation zu ermöglichen. 50  Auch aus diesem Grunde ist letztlich die Einführung eines zentralen nationalen Haftpflichtversicherungsregisters wünschenswert, welches eine Auflistung aller in Deutschland existierenden Haftpflichtversicherungsverträge enthält. Hier könnte der Geschädigte durch eine schlichte Registerabfrage in Erfahrung bringen, ob und bei wem der Schädiger haftpflichtversichert ist – ganz ohne auf dessen Mitwirkung angewiesen zu sein; vgl. hierzu ausführlich unten unter 3. Teil E.III.4. 51  Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  18.

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dessen unbekanntem Aufenthalt wandelbare Umstände zugrundeliegen, welche im Laufe der Zeit Veränderungen unterworfen sein können. Es entspricht der herrschenden Meinung, dass diese besonderen Direktanspruchsvoraussetzungen nicht zwingend schon im Zeitpunkt der Entstehung des Schadensersatzanspruchs vorliegen müssen, sondern vielmehr auch nach dem Schädigungsereignis eintreten dürfen.52 Je nachdem, zu welchem Zeitpunkt die direktanspruchsbegründenden Merkmale der §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  2 und 3 VVG erstmals auftreten, kann der Direktanspruch entweder unmittelbar mit dem Schadensersatzanspruch entstehen oder diesem in der Entstehung zeitlich nachfolgen.53 Darüber hinaus stellt sich die Frage, welche Folgen ein nachträglicher Wegfall der besonderen Direktanspruchsvoraussetzungen zeitigt. Denkbar ist beispielsweise, dass noch vor einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung über den Direktanspruch das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Versicherungsnehmers aufgehoben bzw. eingestellt oder aber auch der Aufenthalt des zwischenzeitlich untergetauchten Schädigers wieder bekannt wird. Weitgehende Einigkeit herrscht zunächst darin, dass durch den Wegfall der Voraussetzungen sogleich die Passivlegitimation des Haftpflichtversicherers entfällt und einer zeitlich nachfolgend angestrengten Direktklage gegen den Versicherer keine Erfolgsaussichten beschieden sind. Gegenstand kontroverser Diskussion ist jedoch die Frage, welche Auswirkungen das Entfallen der Passivlegitimation des Versicherers während eines bereits laufenden Direktprozesses hat. In der Rechtslehre wird bisweilen die Auffassung vertreten, dass die Direktklage in diesem Falle als unbegründet abzuweisen sei und der Geschädigte – wolle er ein kostenrelevantes Unterliegen vermeiden – eine Erledigungserklärung abzugeben habe.54 Diese Auffassung kann sicherlich für sich beanspruchen, mit der allgemeinen prozessualen Grundregel in Einklang zu stehen, wonach für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist.55 Richtigerweise sollte jedoch der Wegfall der besonderen Direktanspruchsvoraussetzungen während eines Direktprozesses die Erfolgsaussichten der Klage unberührt lassen. Hierin ist dogmatisch eine Ausnahme von dem Grundsatz zu erblicken, dass die Anspruchsvoraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen müssen.56 Ihre Rechtfertigung findet diese Sichtweise in dem GedanVgl. Vogt, Direktansprüche, S.  14 ff. Heidl, VVG-Reform, S.  289. 54  Schwartze in Looschelders/Pohlmann, §  115 Rn.  11; Thume, VersR 2010, 849, 855. 55  Hierzu: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, §  132 Rn.  38; Schilken, Zivilprozessrecht, Rn.  597. 56  So auch Beckmann in Bruck/Möller, §  115 Rn.  32; Knappmann in Prölss/Martin, §  115 Rn.  10a; Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  18; Armbrüster, r+s 2010, 441, 454. 52  53 

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B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

ken des Geschädigtenschutzes. Die Gegenansicht führt für den Geschädigten zu einer Reihe von praktischen Problemen, welche die Attraktivität des gesetzlichen Direktanspruchs aus §  115 VVG erheblich mindern würden. Ungeklärt ist beispielsweise, wie Situationen des wiederholten „Ab- und Wiederauftauchens“ des Schädigers während des Prozesses befriedigend zu lösen und wie das Wiederauftauchen des Schädigers in der Berufungsinstanz prozessual zu handhaben wäre.57 c) Analogieerwägungen Die Vorschrift des §  115 Abs.  1 VVG ist als Katalogtatbestand konzipiert, wonach ein gesetzlicher Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer grundsätzlich nur bei Vorliegen ganz bestimmter Umstände existiert. Im Zuge der Kritik an der engen Fassung des gesetzlichen Direktanspruchs58 wurden vereinzelt auch Analogien vorgeschlagen, um dem direkten Forderungsrecht im Interesse des Geschädigtenschutzes mehr Raum zu verschaffen. Im Endeffekt erweisen sich die Analogieerwägungen jedoch nicht als tragfähig. Insofern fehlt es jeweils an der für eine Analogie unabdingbaren planwidrigen Regelungslücke. aa) Analoge Anwendung des §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  1 VVG Geradezu abwegig erscheint zunächst die bisweilen vorgeschlagene analoge Anwendung des §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  1 VVG auf sämtliche Pflichthaftpflichtversicherungen oder gar auf alle freiwilligen Haftpflichtversicherungen.59 Erkennbares Ziel ist hier de facto die Einführung eines allgemeinen, nicht an weitere Bedingungen geknüpften gesetzlichen Direktanspruchs – und zwar entweder im Bereich des gesamten Haftpflichtversicherungsrechts oder aber zumindest im Bereich sämtlicher Pflichthaftpflichtversicherungen. Vergegenwärtigt man sich freilich den Gesetzgebungsprozess zum reformierten VVG mit der expliziten Ablehnung des zunächst für alle Pflichthaftpflichtversicherungen vorgesehenen allgemeinen Direktanspruchs, so ist die mangelnde Planwidrigkeit einer Regelungslücke evident. Der Gesetzgeber hat den an keine weiteren Voraussetzungen geknüpften Direktanspruch vielmehr bewusst alleine für die Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung vorgesehen.60 Diese legislative Grundsatzentscheidung darf nicht über eine Analogie ausgehöhlt werden. Armbrüster, r+s 2010, 441, 454. Vgl. hierzu bereits oben unter 1. Teil B. 59  Vgl. hierzu Vogt, Direktansprüche, S.  12 f. 60  BT-Drs. 16/5862, S.  99; Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  5. Hierzu auch bereits oben unter 2. Teil C.I.3. 57 

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bb) Analoge Anwendung des §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  2 VVG Ferner wird eine analoge Anwendung des §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  2 VVG auf Situationen diskutiert, in welchen eine ähnliche Schutzbedürftigkeit des Geschädigten gegeben ist wie im Falle einer durch gerichtliche Entscheidung festgestellten Insolvenz des schädigenden Versicherungsnehmers.61 Als denkbare Anknüpfungspunkte für eine Analogie werden dabei beispielsweise das schlichte Vorliegen eines Insolvenzgrundes (§§  17 ff. InsO) ohne Existenz eines förmlichen Insolvenzeröffnungsbeschlusses, bloße Zahlungsschwierigkeiten des schädigenden Versicherungsnehmers oder auch die schlichte Nichtzahlung des Schadensersatzes durch den Schädiger genannt.62 Argumentativ gestützt werden diese Analogieerwägungen auf den Gedanken eines möglichst umfassenden Geschädigtenschutzes. Für den Geschädigten mache es vielfach keinen Unterschied, ob sich der Schädiger lediglich in gravierenden Zahlungsschwierigkeiten bzw. in der „Krise“ befinde oder ob dieser bereits durch eine insolvenzgerichtliche Entscheidung förmlich die „Schwelle zur Insolvenz“ überschritten habe.63 Auch in der Krise komme der Schädiger seinen Verbindlichkeiten häufig nur schleppend oder gar überhaupt nicht nach. Eine analoge Anwendung des §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  2 VVG sei daher geboten, um letzten Endes „der Regelung einen von Sinn und Zweck geprägten angemessenen Anwendungsbereich zu verleihen“.64 Wenngleich diese Überlegungen sicherlich eine gewisse Plausibilität für sich beanspruchen können, scheidet eine analoge Anwendung des §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  2 VVG in Ermangelung einer planwidrigen Regelungslücke aus.65 Der Gesetzgeber hat im Rahmen des §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  2 VVG mit der Bezugnahme auf eine förmliche insolvenzgerichtliche Entscheidung ganz bewusst einen unschwer feststellbaren Tatbestand normiert. Wesentliches Leitmotiv des Gesetzgebers war dabei die Schaffung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit.66 Diesem gesetzgeberischen Willen liefe es zuwider, wenn man die Vorschrift des §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  2 VVG nunmehr analog auf den Fall des schlichten VorlieBeckmann in Bruck/Möller, §  115 Rn.  30; Franck, Direktanspruch, S.  92. Ein Überblick über die denkbaren Anknüpfungspunkte findet sich bei Franck, Direktanspruch, S.  92 sowie Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  16. 63  Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  177; Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  16. 64 So Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  16. 65  Ebenso: Beckmann in Bruck/Möller, §  115 Rn.  30; Dallwig in FAKomm-VersR, §  115 VVG Rn.  6; Knappmann in Prölss/Martin, §  115 Rn.  8; Wandt, VR, Rn.  1115 [Fn.  153]; Franck, Direktanspruch, S.  93; Armbrüster, r+s 2010, 441, 454. 66  Dallwig in FAKomm-VersR, §  115 VVG Rn.  6; Franck, Direktanspruch, S.  93; Armbrüster, r+s 2010, 441, 454. 61 

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B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

gens von Insolvenzgründen oder auch auf den Fall bloßer Zahlungsschwierigkeiten im Vorfeld der Insolvenzreife anwenden würde. Insoweit sprechen gewichtige Gründe dafür, die Regelung des §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  2 VVG als bewusst abschließend anzusehen, was eine Analogie zwangsläufig ausschließt. Bisweilen besteht aber auch gar kein Bedürfnis für einen Analogieschluss, da der Geschädigte bereits anderweitig geschützt ist. Dies gilt namentlich dann, wenn eine Analogie für den Fall des schlichten Vorliegens eines Insolvenzgrundes proponiert wird. Aufgrund des zugunsten von Gläubigern bestehenden Insolvenzantragsrechts (§§  13, 14 InsO) kann der Geschädigte jederzeit durch einen entsprechenden Antrag eine insolvenzgerichtliche Entscheidung herbeiführen und sich auf diese Weise durch eigene Initiative einen Direktanspruch verschaffen.67 Das nach §  14 Abs.  1 S.  1 InsO für die Zulässigkeit des Insolvenz­ antrages notwendige „rechtliche Interesse“ an einer Insolvenzeröffnung liegt – obgleich eigentlich ein verfahrensfremder Zweck – gerade in der Schaffung eines gesetzlichen Direktanspruchs.68

3. Auswirkungen eines bestehenden Direktanspruchs auf Schadensersatz- und Haftpflichtversicherungsforderung Unmittelbare Folge eines bestehenden Direktanspruchs nach §  115 VVG ist, dass dem Geschädigten nunmehr zwei Schuldner für seinen Schadensersatzanspruch zur Verfügung stehen, wobei der schädigende Versicherungsnehmer und der Haftpflichtversicherer dem Geschädigten als Gesamtschuldner haften (§  115 Abs.  1 S.  4 VVG). Der Geschädigte kann demzufolge nach seinem Belieben entweder alleine den Schädiger bzw. alleine den Versicherer oder aber beide Schuldner gemeinsam in Anspruch nehmen, ohne dass hierbei irgendeine Rangfolge einzuhalten wäre. Freilich wird sich der Geschädigte in der Regel zuvorderst an den solventen und auf Schadensabwicklungen spezialisierten Haftpflichtversicherer wenden. In inhaltlicher Hinsicht sind die beiden „Schadensersatzansprüche“ nahezu deckungsgleich. Insbesondere beschränkt sich die Ersatzpflicht des Versicherers nicht auf materielle Schadenspositionen, vielmehr muss der Versicherer auch etwaig ersatzfähige immaterielle Schäden ersetzen.69 Eine inhaltliche Modifizierung des Direktanspruchs enthält alleine die Vorschrift des §  115 Abs.  1 S.  3 VVG, wonach der Haftpflichtversicherer den Schadensersatz lediglich „in Geld zu leisten [hat]“. Entgegen des Grundsatzes der Naturalrestitution kann vom Haftpflichtversicherer demnach keine WiederBeckmann in Bruck/Möller, §  115 Rn.  30. Franck, Direktanspruch, S.  94. 69  Franck, Direktanspruch, S.  111 f.; Vogt, Direktansprüche, S.  35 ff. 67 

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II. England

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herstellung des ursprünglichen Zustandes gefordert werden.70 Dem liegt primär die Erwägung zugrunde, dass einem vorrangig auf schlichten Zahlungsverkehr ausgerichteten Versicherungsunternehmen die Durchführung einer Naturalrestitution vielfach nicht zumutbar ist.71 Der Haftpflichtversicherungsanspruch des schädigenden Versicherungsnehmers gegen den Haftpflichtversicherer bleibt durch den Direktanspruch aus §  115 VVG unberührt. Freilich liegt in der Leistung des Versicherers auf den Direktanspruch zugleich die Erfüllung seiner aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag resultierenden Verpflichtungen gegenüber dem Versicherungsnehmer.72

II. England Für die verschiedenen gesetzlichen Direktansprüche des englischen Rechts73 wird nachfolgend jeweils gesondert geprüft, welchen Anwendungsbereich sie aufweisen und unter welchen konkreten Voraussetzungen sie zur Entstehung gelangen.

1. Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 a) Anwendungsbereich Der Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 weist insgesamt einen sehr weiten Anwendungsbereich auf, der bemerkenswerterweise sogar über den Bereich der Haftpflichtversicherung hinausreicht und sich auch auf andere Versicherungssparten erstreckt, bei welchen die Leistung des Versicherers den Versicherungsnehmer vor den finanziellen Folgen freiwillig eingegangener Verpflichtungen schützen soll.

70  Beckmann in Bruck/Möller, §  115 Rn.  9; Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  19; Franck, Direktanspruch, S.  112; Heidl, VVG-Reform, S.  295 f. 71  Heidl, VVG-Reform, S.  296. 72  Beckmann in Bruck/Möller, §  115 Rn.  50; Knappmann in Prölss/Martin, §  115 Rn.  25; Bruns, PVR, §  22 Rn.  52. 73  Zu den verschiedenen gesetzlichen Direktansprüchen des englischen Rechts ausführlich oben unter 3. Teil A.II.1.

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B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

aa) Sachlicher Anwendungsbereich Vom sachlichen Anwendungsbereich des Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 sind zunächst sämtliche Haftpflichtversicherungen erfasst. Ein gesetzlicher Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 kann sich daher nicht nur bei Pflichthaftpflichtversicherungen, sondern insbesondere auch bei freiwilligen Haftpflichtversicherungen ergeben. Dies entspricht der Rechtslage, wie sie bereits unter dem Vorgängergesetz aus dem Jahre 1930 galt. Im Zuge der Reform des Third Parties (Rights against Insurers) Act74 waren indes noch verschiedene Vorschläge zur Restriktion des sachlichen Anwendungsbereichs diskutiert worden.75 Zunächst wurde angedacht, einen gesetzlichen Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 alleine im Bereich von Pflichthaftpflichtversicherungen zu gewähren. Ein anderer restriktiver Ansatz knüpfte zur Begrenzung des Anwendungsbereichs an die Art der Schädigung an und wollte einen Direktanspruch nur dann einräumen, wenn der Geschädigte einen Personenschaden erlitten hatte. Als weiteres potentielles Merkmal zur Beschränkung des Anwendungsbereichs wurde die Verbrauchereigenschaft (capacity of consumer) des Geschädigten genannt. Im Endeffekt konnte sich jedoch keiner der restriktiven Vorschläge durchsetzen – wenngleich zumindest die Beschränkung des Anwendungsbereichs auf den Bereich der Pflichthaftpflichtversicherungen vereinzelt Zuspruch erfuhr. Der Gesetzgeber vertrat den Standpunkt, dass der dem Direktanspruch des Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 immanente Schutzgedanke bei sämtlichen Haftpflichtversicherungen gleichermaßen Geltung beanspruche. Zudem würde eine Restriktion des sachlichen Anwendungsbereichs ganz allgemein eine unübersichtliche Rechtslage entstehen lassen.76 Bei der Rückversicherung findet der Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 hingegen keine Anwendung,77 so dass einem Versicherungsnehmer in der Insolvenz seines Versicherers kein gesetzlicher Direktanspruch gegen dessen Rückversicherer zusteht. Insofern erachtete der englische Gesetzgeber die Auswirkungen der Gewährung eines Direktanspruchs auf den versicherungswirtschaftlich enorm bedeutsamen und hochkomplexen Rückversicherungsmarkt für nicht kalkulierbar.78 Denkbar ist somit allenfalls die Vereinbarung 74 

Hierzu ausführlich oben unter 2. Teil C.II.4. Vgl. hierzu allgemein Law Commission, Law Com No.  152 (1998), Rn.  11.9 ff. 76  Zu diesen Argumenten: Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  2.38. 77  So explizit s. 15 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010; siehe bereits s. 1 (5) Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930. 78  Law Commission, Law Com No.  152 (1998), Rn.  11.6 ff.; Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  2.45. 75 

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einer rechtsgeschäftlichen cut-through-Klausel zugunsten des Erstversicherungsnehmers im Rückversicherungsvertrag.79 Erstversicherungsnehmer sind freilich auch über den Financial Services Compensation Scheme gegen den insolvenzbedingten Ausfall ihrer Versicherungsforderung abgesichert,80 was das Bedürfnis, den Rückversicherer direkt in Anspruch nehmen zu können, erheblich mindert. bb) Anwendung auf andere Versicherungssparten Eine wesentliche Besonderheit des neuen Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 liegt in der Erweiterung des Anwendungsbereichs auf Versicherungssparten jenseits der Haftpflichtversicherung. Wie der Vorschrift des s. 16 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 zu entnehmen ist, kommt ein Direktanspruch gegen den Versicherer auch bei solchen Versicherungen in Betracht, welche den Versicherungsnehmer von den finanziellen Folgen einer freiwillig begründeten vertraglichen Verbindlichkeit entlasten sollen (sog. voluntarily-incurred liabilities).81 Dies ist beispielsweise bei Rechtsschutzversicherungen (legal expenses insurance), bei privaten Krankenversicherungen (health insurance) oder auch bei Kfz-Kaskoversicherungen (car repair insurance) der Fall.82 Somit profitieren auch Rechtsanwälte, Leistungserbringer von Heilbehandlungen oder aber Autoreparaturbetriebe als vertragliche Gläubiger von dem in s. 1 (2) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 statuierten Übergang des Versicherungsanspruchs, sofern ihr entsprechend versicherter Schuldner in eine krisenhafte Vermögenssituation gerät. Durch diese Erweiterung des Anwendungsbereichs brach der Reformgesetzgeber mit der bisherigen englischen Rechtsprechung. Nach Auffassung der englischen Gerichte ließen sich nämlich unter Geltung des Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 freiwillig eingegangene Verbindlichkeiten nicht unter den Gesetzesterminus „liabilites to third parties“83 subsumieren, so dass ein Übergang der Versicherungsforderung in jenen Versicherungssparten von vornherein nicht in Betracht kam.84 In der Konsequenz fiel eine etwaige Versiche79  Stahl/Meyenburg, Englisches Rückversicherungsrecht, S.  33 f.; Law Commission, Law Com No.  152 (1998), Rn.  11.7. 80  Hierzu ausführlich Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  17-027 ff. 81  Die Haftpflichtversicherung dient hingegen der Absicherung vor den finanziellen Folgen von liabilites imposed on an insured by operation of law (wheter for breach of contract or in tort), vgl. Tarbuck v. Avon Insurance plc [2002] Q.B. 571, 577. 82  Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, Explanatory Notes, Rn.  12. 83  Vgl. s. 1 (1) Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930. 84  Tarbuck v. Avon Insurance plc [2002] Q.B. 571, 576 f.; vgl. auch Mance/Goldrein/Merkin, Insurance Disputes, Rn.  13.50.

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B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

rungsleistung aus dem Rechtsschutz- oder Krankenversicherungsvertrag in der Insolvenz des Versicherungsnehmers in die Insolvenzmasse, an welcher die Rechtsanwälte respektive die Leistungserbringer von Heilbehandlungen als schlichte Insolvenzgläubiger partizipierten. Diese Rechtslage empfand der Gesetzgeber als unbefriedigend und daher korrekturbedürftig. Insbesondere erregte Anstoß, dass auch andere Gläubiger des Versicherungsnehmers von den Versicherungsleistungen profitieren sollten, welche doch überhaupt erst durch die individuelle Tätigkeit des vertraglichen Dienstleisters fällig wurden.85 Im Übrigen wurde zu bedenken gegeben, dass eine rechtliche Vertretung oder ärztliche Behandlung oftmals nur wegen der Erwartung vorgenommen würde, dass eine Versicherung besteht, die letztlich die Vergütung sicherstellt; dieses berechtigte Interesse hieße es jedoch unbilligerweise zu missachten, würde man jenen Gläubigern in der Insolvenz ihrer Schuldner letztlich keinen Zugriff auf die Versicherungsleistung mittels Direktanspruch ermöglichen.86 Gewiss mag bei Schaffung des s. 16 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 auch die Befürchtung des Gesetzgebers eine Rolle gespielt haben, dass andernfalls die angestrebte Ausweitung der Prozessfinanzierung ( funding of litigation) durch Rechtsschutzversicherungen zumindest behindert würde.87 Zutreffend ist sicherlich, dass Rechtsanwälte ohne Aussicht auf einen Direktanspruch gegen den Rechtsschutzversicherer bei wenig solventen Personen trotz vorhandener Rechtsschutzversicherung von einer Mandatsübernahme absehen könnten. cc) Zeitlicher und territorialer Anwendungsbereich Die Übergangsregelungen (transitional provisions) in s. 20 (2) iVm Schedule 3 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 sind von der gesetzgeberischen Motivation getragen, möglichst viele „third parties“ von dem neuen Gesetz profitieren zu lassen.88 Auf den bisherigen Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 wird daher lediglich in Fällen zurückgegriffen, in denen kumulativ sowohl die Verbindlichkeit (liability) als auch der Status des VersicherungsnehLaw Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  2.41. Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  2.42. 87  Zur Rolle der Rechtsschutzversicherung für die Prozessfinanzierung vgl. Hoon (The Parliamentary Secretary, Lord Chancellor’s Department), Hansard (HC) 21 November 1997, Vol. 301, col.  536: „The great majority of the population are not eligible for legal aid. They are effectively excluded from obtaining access to justice in our courts. That cannot be right and it must change. In Future, legal actions brought by ordinary working people will usually be paid for by way of one of two routes: conditional fees and legal expenses insurance“ (kursive Hervorhebung durch Verfasser). 88  Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  3.37: „We were concerned to ensure that as many third parties benefit from a new Act as possible“. 85 

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mers als relevant person vor dem Inkrafttreten (commencement) des neuen Gesetzes begründet wurde.89 In allen übrigen Konstellationen90 findet hingegen der Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 Anwendung. In territorialer Hinsicht gilt der Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 nicht alleine in England und Wales, sondern auch in Schottland und Nord­ irland und somit im gesamten Vereinigten Königreich – wenngleich mitunter spezielle Regelungen im Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 bestimmten Besonderheiten des schottischen oder nordirischen Rechts Rechnung tragen.91 Entsprechend der Beschränkung dieser Abhandlung auf das englische Haftpflichtversicherungsrecht sollen im Folgenden alleine die sich auf England beziehenden Rechtsvorschriften des Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 erörtert werden. b) Voraussetzungen aa) Überblick Der Direktanspruch zugunsten des Geschädigten besteht im Rahmen des Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 aus dem legalzedierten Versicherungsanspruch.92 Maßgeblich für die Entstehung des Direktanspruchs ist daher, dass die vom Gesetzgeber statuierten Voraussetzungen für den gesetzlichen Übergang der Versicherungsforderung vorliegen. Nach s. 1 (1), (2) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 wird die Legalzession ausgelöst, sofern und sobald es sich beim schädigenden Versicherungsnehmer um eine sog. relevant person handelt.93 Unter welchen Umständen Versicherungsnehmer als relevant person zu klassifizieren sind, ist dabei den in s. 4 ff. Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 abschließend aufgelisteten Fallgruppen zu entnehmen.94 Die89  S.  20 (2) iVm Schedule 3 para. 3 (a) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010; Lawson, J.P.I.L. 2015, 65, 69. 90  D.h. wenn zumindest die Begründung der Verbindlichkeit bzw. das „Insolvenzereignis“ oder aber auch beide Ereignisse nach dem Inkrafttreten des Gesetzes stattgefunden haben. 91  Z. B. s. 3, 4 (2) und (3), 7 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. 92  Hierzu bereits oben unter 3. Teil A.II.2.a). 93  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-042. Nicht erforderlich ist, dass zu diesem Zeitpunkt bereits die Haftung des Versicherungsnehmers sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach verbindlich festgestellt wurde; fehlt es an einer Feststellung der Schadensersatzhaftung im Haftpflichtverhältnis erwirbt der Geschädigte zunächst einen bedingten Versicherungsanspruch (contingent right to an indemnity). Nachfolgend kann die Haftungsfrage dann entweder in einer Schadensersatzklage gegen den Schädiger oder aber auch in einer Direktklage gegen den Versicherer geklärt werden. 94  Hierzu sogleich ausführlich unter 3. Teil B.II.1.b).bb). und cc).

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B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

se knüpfen im Wesentlichen an förmliche insolvenzrechtliche Ereignisse (insolvency events) an.95 Entsprechend der in England gebräuchlichen – historisch bedingten – Unterscheidung von Insolvenzen natürlicher Personen (individuals) auf der einen und von Gesellschaftsinsolvenzen auf der anderen Seite96 differenziert der Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 dabei streng zwischen diesen beiden Formen von Rechtssubjekten.97 Bedeutsam ist ferner, dass das englische Recht einem sich in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen Schuldner bestimmte Vergleichsverfahren anbietet, mit deren Hilfe ein förmliches Insolvenzverfahren (bankruptcy / winding-up by the court) gänzlich vermieden oder zumindest zeitlich verzögert werden soll.98 Grundlage sind dabei stets private Verhandlungen zwischen einem Schuldner und dessen Gläubigern, welche regelmäßig auf einen teilweisen Erlass der Schulden abzielen.99 Da hierdurch die Stellung eines Geschädigten nachteilig tangiert werden kann, sieht der Gesetzgeber auch hier regelmäßig eine Legalzession des Versicherungsanspruchs vor. In wenigen Ausnahmefällen ist der Status als relevant person schließlich gänzlich unabhängig von der finanziellen Situation des schädigenden Versicherungsnehmers. Abstand nahm der englische Reformgesetzgeber indes von einer generalklauselartigen Umschreibung der an eine relevant person zu stellenden Voraussetzungen. Zwar war zwischenzeitlich erwogen worden, den Versicherungsnehmer bereits dann als relevant person einzustufen, wenn er sich ganz allgemein in „finanziellen Schwierigkeiten“ ( financial difficulties) befindet.100 Diesen Vorschlag verwarf der Gesetzgeber jedoch aus Gründen der Rechtssicherheit, welche er durch die Verwendung eines solch unbestimmten Tatbestandsmerkmals für gefährdet erachtete. Überdies wies der Gesetzgeber darauf hin, dass auch finanziell kriselnde Schuldner häufig noch zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten willens und in der Lage seien. Ein gesteigertes Bedürfnis des Geschädigten, den Versicherer direkt in Anspruch nehmen zu können, bestehe daher regelmäLaw Commission, Law Com No.  152 (1998), Rn.  12.2. Hierzu: Bernstorff, Einführung, S.  176 f.; Genske, Insolvenzverfahren englischen Rechts, S.  10 ff.; Vach, Insolvenzrechtsreform von 1986, S.  10 ff. Allgemeiner Überblick über das englische Insolvenzrecht: Ringe/Otte in Triebel/Illmer/Ringe/Vogenauer/Ziegler, S.  307 ff.; Bernstorff, Einführung, S.  176 ff. 97  S.  4 f. Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010: „Individuals“; s. 6 f. Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010: „Corporate bodies etc.“, worunter grundsätzlich sämtliche in England bekannten Gesellschaftsformen fallen, vgl. Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  2.25 ff. sowie insbesondere Rn.  2.35. 98  Vgl. z. B. Individual Voluntary Arrangement (IVA) nach s. 252 ff. Insolvency Act 1986 / Company Voluntary Arrangement (CVA) nach s. 1 ff. Insolvency Act 1986. 99  Bernstorff, Einführung, S.  181; Genske, Insolvenzverfahren englischen Rechts, S.  22 f. 100  Law Commission, Law Com No.  152 (1998), Rn.  12.9 f. 95 

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II. England

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ßig nicht.101 Wiederum aus Gründen der Rechtssicherheit lehnte der Gesetzgeber zudem Vorschläge ab, welche die Gewährung eines Direktanspruchs in Fällen der „Unauffindbarkeit“ bzw. des „Verschwindens“ des Schädigers (disappea­ rance) empfahlen. Auch diese Begriffe hielt man im Ergebnis für nicht rechtssicher handhabbar. Zu beachten ist, dass der gesetzlich übergegangene Versicherungsanspruch letztlich nur dann gegen den Versicherer durchsetzbar, wenn zuvor die Existenz eines in den Deckungsbereich des Versicherungsvertrages fallenden Schadensersatzanspruchs festgestellt wurde. Anders als unter dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 muss diese Feststellung jedoch nicht mehr zwingend im Haftpflichtverhältnis zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger stattfinden, vielmehr kann diese nach neuer Rechtslage unmittelbar im Rahmen eines Direktprozesses zwischen dem Geschädigten und dem Haftpflichtversicherer erfolgen.102 bb) Natürliche Personen als Versicherungsnehmer Ist der Versicherungsnehmer eine natürliche Person (individual), sieht der Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 in insgesamt fünf verschiedenen Fallkonstellationen die Entstehung eines Direktanspruchs zugunsten des Geschädigten vor. Ursprünglich sollte ein gesetzlicher Direktanspruch zudem in einer weiteren, sechsten Situation zur Entstehung gelangen – namentlich wenn der schädigende Versicherungsnehmer zumindest mit Teilen seiner Gläubiger einen außergerichtlichen Vergleich nach dem Deeds of Arrangement Act 1914 abgeschlossen hatte und in der Folge ein sog. deed of arrangement (Vergleichsurkunde) beim zuständigen Board of Trade registriert wurde (vgl. hierzu s. 4 (1) (a) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 a. F.).103 Allerdings fand das Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  2.5. Vgl. s. 1 (3) iVm s. 2 (2) (a) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. Hierzu: Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, Explanatory Notes, Rn.  17; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-049; MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42122; Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  228; Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  658; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  30-026. 103  Das Vergleichsverfahren nach dem Deeds of Arrangement Act 1914 zeichnete sich im Wesentlichen dadurch aus, dass der Schuldner – im Gegenzug zum teilweisen Forderungsverzicht seiner Gläubiger – seine (verwertbaren) Vermögensgegenstände auf einen trustee übertrug, der diese im Interesse der Gläubiger verwaltete und zum Zwecke der Befriedigung verwendete respektive veräußerte, vgl. Ringe/Otte in Triebel/Illmer/Ringe/Vogenauer/Ziegler, S.  310. Zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung eines Vergleichs nach dem Deeds of Arrangement Act 1914 war dessen urkundliche Registrierung, wobei der Vergleichsvorschlag zuvor der Billigung durch die Mehrheit aller Gläubiger bedurfte – dabei mussten die zustimmenden Gläubiger zugleich die summenmäßige Mehrheit aller Forderungen auf sich vereini101 

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B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

Vergleichsverfahren nach dem Deeds of Arrangement Act 1914 in der englischen Rechtspraxis aufgrund seiner relativen Umständlichkeit bereits von Anfang an nahezu keine Anwendung.104 Nach Einführung eines alternativen außergerichtlichen Vergleichsverfahrens durch den Insolvency Act 1986,105 welches im Ergebnis auf eine Korrektur der im Rahmen des Vergleichsverfahrens nach dem Deeds of Arrangement Act 1914 erkannten Defizite ausging, verlor der Deeds of Arrangement Act 1914 noch mehr an rechtspraktischer Bedeutung und wurde schlussendlich durch s. 19 iVm Schedule 6 para. 1 (1) Deregulation Act 2015 gänzlich aufgehoben.106 In der Konsequenz wurde auch s. 4 (1) (a) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 ersatzlos gestrichen.107 (1) Erlass einer administration order nach dem County Courts Act 1984 Eine Legalzession des Versicherungsanspruchs findet nach s. 4 (1) (b) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 zunächst dann statt, wenn im Hinblick auf den schädigenden Versicherungsnehmer eine administration order nach dem County Courts Act 1984 ergeht.108 Das administration order-Verfahren109 bietet einem Schuldner, der sich zur sofortigen Erfüllung seiner fälligen Verbindlichkeiten außerstande sieht, eine Alternative zu einem klassischen Ingen („majority in number and value“), vgl. s. 2, 3 Deeds of Arrangement Act 1914. An den Vergleich gebunden waren allein diejenigen Gläubiger, welche explizit ihre Zustimmung erteilt hatten. Nicht zustimmende und somit nicht am Vergleich partizipierende Gläubiger konnten hingegen ihre Forderungen weiterhin uneingeschränkt geltend machen und gegebenenfalls einen Insolvenzantrag (bankruptcy petition) stellen. Dies änderte freilich nichts an der für diese Gläubiger nachteiligen Vergleichsfolge, dass aufgrund der Rechtsübertragung auf den trustee Haftungsmasse für die übrigen Forderungen verloren ging. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für den gesetzlichen Übergang des Versicherungsanspruchs war der Vorgang der – für die Wirksamkeit des Vergleichs unerlässlichen – Registrierung der Vergleichsurkunde (deed of arrangement). 104  Deregulation Act 2015, Explanatory Notes, Rn.  557. 105 Sog. Individual Voluntary Agreement (IVA) nach s. 252 ff. Insolvency Act 1986. Hierzu näher unten unter 3. Teil B.II.1.b).bb).(4). 106  Deregulation Act 2015, Explanatory Notes, Rn.  558. 107  S.  19 iVm Schedule 6 para. 2 (22) Deregulation Act 2015. Die Nummerierung der übrigen Fallgruppen des s. 4 (1) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 blieb hiervon jedoch unberührt. 108  Vgl. s. 112 ff. County Courts Act 1984. 109  Von diesem speziell auf natürliche Personen (individuals) ausgerichteten Verfahren ist die administration von Kapitalgesellschaften (companies) nach s. 8 iVm Schedule B1 Insolvency Act 1986 abzugrenzen. Eine bereits beschlossene Reform des administration order-Verfahrens, die freilich nichts an dessen wesentlichen Grundzügen ändert (s. 112A ff. County Courts Act 1984 n. F.; vgl. s. 106 Tribunals, Courts and Enforcement Act 2007), ist bislang noch nicht in Kraft getreten.

II. England

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solvenzverfahren, sofern sich die Schulden insgesamt in einem eher geringen, überschaubaren Rahmen halten und aufgrund einer regelmäßigen Einnahmequelle (v. a. Arbeitslohn) mit einer zumindest teilweisen Schuldtilgung über einen gewissen Zeitraum zu rechnen ist.110 In diesem Falle kann das Gericht auf Antrag des Schuldners111 eine sog. administration order erlassen, die einen Schuldenbereinigungsplan beinhaltet und dem Schuldner in der Regel bestimmte Rückzahlungsverpflichtungen in Raten (repayment requirement) auferlegt. Zugleich bewirkt der Erlass einer administration order eine Vollstreckungshemmung, so dass die betroffenen Gläubiger ihre Forderungen ohne Zustimmung des Gerichts nicht mehr anderweitig geltend machen und zwangsweise durchsetzen können; laufende Gerichts- oder Vollstreckungsverfahren werden vorübergehend ausgesetzt.112 Auch ein Insolvenzantrag (bankruptcy petition) darf nicht mehr gestellt werden. Sofern die im Schuldenbereinigungsplan statuierten Bedingungen vom Schuldner ausnahmslos erfüllt werden, ist damit eine Schuldbefreiung im Übrigen verbunden.113 Es ist evident, dass infolge einer administration order die zeitnahe und vollständige Realisierbarkeit des Schadensersatzanspruchs des Geschädigten gefährdet ist, was die Gewährung eines direkten Forderungsrechts gegen den Versicherer erklärt. (2) Erlass einer enforcement restriction order nach dem County Courts Act 1984 In s. 4 (1) (c) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 ist eine Legalzession der Versicherungsforderung für den Fall vorgesehen, dass auf Antrag des schädigenden Versicherungsnehmers eine sog. enforcement restriction order auf der Grundlage des County Courts Act 1984 erlassen wird. Bislang ist das mit dem Tribunals, Courts and Enforcement Act 2007 beschlossene enforcement restriction order-Verfahren114 jedoch noch gar nicht in Kraft gesetzt worden. Insofern kann sich zumindest gegenwärtig kein Direktanspruch aus dieser Fallgruppe ergeben. Die nachfolgenden Ausführungen stehen mithin unter dem Vorbehalt einer zukünftigen commencement order, mit welcher die Vorschrift des s. 107 Tribunals, Courts and Enforcement Act 2007 und somit das enforcement restriction order-Verfahren Rechtsverbindlichkeit erlangt. Schulte, Europäische Restschuldbefreiung, S.  40. Nach einer erfolglosen Zwangsvollstreckungsmaßnahme gegen einen Schuldner steht ausnahmsweise auch dem Gericht ein Initiativrecht für das administration order-Verfahren zu, vgl. s. 4 Attachment of Earnings Act 1971. 112  Finke, Minderung der Schadensersatzpflicht, Rn.  540. 113  Finke, Minderung der Schadensersatzpflicht, Rn.  541. 114  Vgl. s. 107 Tribunals, Courts and Enforcement Act 2007. 110  111 

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B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

Das enforcement restriction order-Verfahren weist eine gewisse Ähnlichkeit mit dem administration order-Verfahren auf. Ein Schuldner kann eine enforcement restriction order beantragen, wenn er aufgrund einer plötzlichen und nicht vorhersehbaren Verschlechterung seiner Vermögenssituation augenblicklich nicht zur Erfüllung seiner fälligen Verbindlichkeiten imstande ist und zugleich die berechtigte Erwartung besteht, dass sich die finanzielle Situation binnen sechs Monaten bessert.115 Die zeitlich auf maximal zwölf Monate begrenzte enforcement restriction order entfaltet in erster Linie eine vollstreckungshemmende Wirkung und steht überdies Insolvenzanträgen (bankruptcy petitions) der Gläubiger entgegen.116 Der maßgebliche Unterschied zum administration order-Verfahren liegt darin, dass ein Schuldenbereinigungsplan mit Rückzahlungsverpflichtungen kein unabdingbarer, sondern lediglich ein fakultativer Bestandteil der enforcement restriction order darstellt. Mit dem enforcement restriction oder-Verfahren geht daher auch nicht zwangsläufig eine weitergehende Schuldbefreiung einher.117 Freilich begründet bereits die temporäre Vollstreckungshemmung eine empfindliche Benachteiligung von Geschädigten, die den Gesetzgeber zur Gewährung eines Direktanspruchs gegen den Versicherer veranlasst hat. (3) Anordnung eines Schuldbefreiungsverfahrens nach s. 251A ff. Insolvency Act 1986 Ein weiterer Auslöser für den gesetzlichen Übergang der Versicherungsforderung liegt in der Anordnung des im Jahre 2009 eingeführten Schuldbefreiungsverfahrens nach s. 251A ff. Insolvency Act 1986.118 Dieses Verfahren bietet einem privaten Schuldner mit verhältnismäßig geringen Schulden (maximal 20.000 £) sowie niedrigem monatlichen Einkommen (maximal 50 £) und keinem nennenswerten eigenen Vermögen (maximal 1.000 £) die Möglichkeit, auf einfachem und raschem Wege eine Schuldbefreiung zu erreichen.119 Voraussetzung ist, dass der Schuldner während der regelmäßig einjährigen Wohlverhaltensperiode seinen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten genügt (hierzu s. 251J Insolvency Act 1986) und dass dessen finanzielle Situation keine Besserung erS.  117B (5), (6), (7) County Courts Act 1984. S.  117C, 117D County Courts Act 1984. 117  S.  117F (1) County Courts Act 1984: „An enforcement restriction order may impose a repayment requirement on the debtor“ (kursive Hervorhebung durch Verfasser). 118  Siehe s. 4 (1) (d) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. 119  Ringe/Otte in Triebel/Illmer/Ringe/Vogenauer/Ziegler, S.  311. Für die Wertgrenzen siehe Schedule Part 2 The Insolvency Proceedings (Monetary Limits) Order 1986 iVm article 3 The Insolvency Proceedings (Monetary Limits) (Amendment) Order 2009 und article 2 The Insolvency Proceedings (Monetary Limits) (Amendment) Order 2015. 115  116 

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fährt. Während des Wohlverhaltensjahres sind die dem Schuldbefreiungsverfahren unterliegenden Forderungen nicht durchsetzbar, ein Insolvenzantrag (bankruptcy petition) ist unstatthaft.120 Allerdings unterliegen dem Schuldbefreiungsverfahren von vornherein nur solche Verbindlichkeiten, welche bereits im Zeitpunkt von dessen Anordnung begründet waren. Mithin findet auch eine Legalzession des Versicherungsanspruchs alleine in den Fällen statt, in welchen die debt relief order nach dem schädigenden Ereignis und somit nach der Entstehung des Schadensersatzanspruchs erlassen wurde.121 Ein zum Zeitpunkt der Schädigung bereits laufendes Schuldbefreiungsverfahren lässt hingegen den Schadensersatzanspruch des Geschädigten und die Möglichkeit seiner Durchsetzung unberührt, so dass vorbehaltlich der Einschlägigkeit einer anderen Fallgruppe kein Direktanspruch gegeben ist. (4) Außergerichtlicher Vergleich nach s. 252 ff. Insolvency Act 1986 (Individual Voluntary Arrangement) Nach der Vorschrift des s. 4 (1) (e) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 gelangt ein Direktanspruch zur Entstehung, wenn der schädigende Versicherungsnehmer mit einer qualifizierten Mehrheit der Gläubiger122 einen außergerichtlichen Vergleich nach s. 252 ff. Insolvency Act 1986 vereinbart hat (sog. Individual Voluntary Arrangement, IVA) –123 und zwar gleichgültig ob in der Form einer composition oder in der Form eines scheme of arrangement. Während die composition zumeist einen schlichten Teilerlass der Forderungen beinhaltet, kann das scheme of arrangement sehr vielfältige Formen annehmen. Häufig werden hierbei – im Gegenzug zum teilweisen Forderungsverzicht – verwertbare schuldnerische Vermögensgegenstände auf einen trustee übertragen, welcher diese zwecks Befriedigung der Gläubiger verwaltet und gegebenenfalls verwertet.124 Das scheme of arrangement kann dem Schuldner freilich auch die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über seine Vermögensgegenstände belassen und andere Maßnahmen zur Abwendung der Insolvenz der natürlichen Person vorsehen. Wesentliche Wirkung eines IVA ist regelmäßig die S.  251G Insolvency Act 1986. S.  4 (4) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. 122  Zu den Anforderungen an eine ausreichende Gläubigermehrheit vgl. r. 5.18 Insolvency Rules 1986, wonach die zustimmenden Gläubiger mindestens 75 % der gesamten Forderungssumme auf sich vereinigen müssen. 123  Seit der Aufhebung des Deeds of Arrangement Act 1914 durch den Deregulation Act 2015 handelt es sich hierbei um die einzige dem englischen Recht bekannte Form eines außergerichtlichen Vergleichs zum Zwecke der Abwendung eines förmlichen Insolvenzverfahrens natürlicher Personen (individuals). 124  Schulte, Europäische Restschuldbefreiung, S.  38. 120  121 

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B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

Neugestaltung der Forderungslage sowie der Ausschluss eines regulären Insolvenzverfahrens.125 Zu beachten ist, dass das mit der notwendigen Mehrheit angenommene IVA grundsätzlich für sämtliche Gläubiger des Schuldners gilt – mithin auch für solche, die dem Vergleich nicht zugestimmt haben. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diesen Gläubigern potentiell Stimmrecht in der den Vergleichsvorschlag beratenden Gläubigerversammlung zugestanden hätte. Tatsächliche Kenntnis von der stattfindenden Gläubigerversammlung ist hingegen nicht erforderlich.126 Der Schuldner kann bereits im Vorfeld zur Absicherung der Vergleichsverhandlungen eine einstweilige Anordnung (interim order) des Gerichts herbeiführen, wonach Vollstreckungsmaßnahmen oder Insolvenzanträge während einer gewissen Zeitspanne ausgeschlossen sind.127 Auch hierin offenbaren sich die für einen Geschädigten mit einem IVA verbundenen Nachteile, die Anknüpfungspunkt für die Gewährung des Direktanspruchs gegen den Versicherer sind. (5) Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (bankruptcy) Letztlich ist in s. 4 (1) (f) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 eine Legalzession des Versicherungsanspruchs für den Fall vorgesehen, dass über das Vermögen des schädigenden Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet wird (bankruptcy). Das Regelinsolvenzverfahren für natürliche Personen (individuals) ist in den Vorschriften der s. 264 ff. Insolvency Act 1986 normiert und auf eine quotale Befriedigung der Gläubiger ausgerichtet. Das Insolvenzverfahren wird in England alleine auf entsprechenden Antrag (bankruptcy petition) eingeleitet, der in der Regel entweder vom Schuldner selbst (debtor’s petition) oder von dessen Gläubigern (creditor’s petition) gestellt wird.128 Der Insolvenzantrag eines Gläubigers ist jedoch nur dann zulässig, wenn diesem gegen den potentiellen Insolvenzschuldner eine ungesicherte und unbedingte Forderung zusteht, deren Nennwert mindestens 5.000 £ betragen muss (sog. bankruptcy level). Als Insolvenzeröffnungsgrund fungiert im englischen Recht die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (inability to pay debts).129 Im Falle eines Insolvenzantrags durch einen Gläubiger wird die Zahlungsunfähigkeit widerleglich vermutet, wenn der Schuldner entweder einer entsprechenVgl. s. 276 (1) Insolvency Act 1986. S.  260 (2) Insolvency Act 1986. Allerdings besteht für diese Gläubiger unter gewissen Voraussetzungen ein Recht zur Anfechtung des Vergleichs (s. 262 Insolvency Act 1986). 127  Ringe/Otte in Triebel/Illmer/Ringe/Vogenauer/Ziegler, S.  309. 128  Bernstorff, Einführung, S.  178; siehe hierzu auch s. 264 (1) Insolvency Act 1986. 129  Schulte, Europäische Restschuldbefreiung, S.  45. Vgl. auch Lyall, Introduction, S.  293: „Insolvency is an inability to pay one’s debts. It need not mean that one’s total assets are smaller than one’s debts“. 125 

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den Zahlungsaufforderung des Gläubigers nicht innerhalb von drei Wochen nach der Zustellung Folge leistet oder aber ein Zwangsvollstreckungsversuch zumindest teilweise ohne Erfolg geblieben ist (vgl. s. 268 (1) Insolvency Act 1986).130 Die Insolvenzeröffnung selbst erfolgt durch einen gerichtlichen Beschluss (sog. bankruptcy order), der im Rahmen des Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 den maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die Legalzession des Versicherungsanspruchs darstellt. Auch in England kann das Insolvenzgericht für die Zeit zwischen Insolvenzantragstellung und Entscheidung über den Insolvenzantrag zur Sicherung der Insolvenzmasse einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen;131 anders als in Deutschland führt die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters in England nicht zur Entstehung eines gesetzlichen Direktanspruchs. (6) Auswirkungen des Todes des Versicherungsnehmers Der Tod des schädigenden Versicherungsnehmers hat grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Anwendbarkeit des Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 und den dort normierten Übergang des Versicherungsanspruchs. Unproblematisch ist zunächst die Konstellation, dass im Todeszeitpunkt bereits ein Insolvenzantrag (bankruptcy petition) gestellt war. Wie sich aus s. 421 Insolvency Act 1986 iVm article 5 (1) sowie Schedule 2 Administration of Insolvent Estates of Deceased Persons Order 1986 ergibt, ist das Insolvenzverfahren in diesen Fällen mit nur geringfügigen Modifikationen fortzuführen, so dass weiterhin eine den Forderungsübergang auslösende bankruptcy order ergehen kann. Anders gestaltet sich die Situation, sofern im Todeszeitpunkt noch kein Insolvenzantrag gestellt war. Hier kommen die Fortführung eines gewöhnlichen Insolvenzverfahrens und der Erlass einer bankruptcy order nicht mehr in Betracht. Nach Übergang des Vermögens des Verstorbenen auf den personal representative132 können die Gläubiger jedoch eine sog. Insolvency Administration Order beantragen, wenn der Nachlass nicht zur Befriedigung aller Verbindlichkeiten des Erblassers ausreicht (sog. insolvent estate).133 In der Folge schließt sich ein Ringe/Otte in Triebel/Illmer/Ringe/Vogenauer/Ziegler, S.  312. Ringe/Otte in Triebel/Illmer/Ringe/Vogenauer/Ziegler, S.  313. 132  Eine Besonderheit des englischen Erbrechts liegt darin, dass der Nachlass nicht automatisch auf die Erben (sog. beneficiaries), sondern vielmehr zunächst auf einen personal representative übergeht, welcher den Nachlass sichtet, etwaige Verbindlichkeiten begleicht und erst anschließend den Überschuss an die Erben auskehrt. Vgl. hierzu allgemein: Berns­ torff, Einführung, S.  135, 137; Henrich/Huber, Einführung in das englische Privatrecht, S.  115 f. 133  Vgl. s. 421 Insolvency Act 1986 iVm article 3, 4 sowie Schedule 1 Administration of Insolvent Estates of Deceased Persons Order 1986. 130  131 

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B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

der Regelinsolvenz vergleichbares Verfahren mit regelmäßig quotaler Befriedigung der Gläubiger an (Nachlassinsolvenzverfahren). Wird dem Antrag auf Erlass einer Insolvency Administration Order stattgegeben, löst dies nach s. 5 (2) (a) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 ebenfalls einen Übergang des Versicherungsanspruchs auf den Geschädigten aus. cc) Gesellschaften als Versicherungsnehmer Ist der Versicherungsnehmer eine Gesellschaft, so regelt s. 6, 6A Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, wann eine Legalzession des Versicherungsanspruchs stattfindet und dem Geschädigten in der Folge ein Direktanspruch zusteht. Dabei ist die Gesellschaftsform des Versicherungsnehmers134 für die Anwendbarkeit des Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 grundsätzlich irrelevant, was auch in der weiten Formulierung „a body corporate or an unincorporated body“ Ausdruck findet.135 Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass das Schutzbedürfnis des Geschädigten von der konkreten Rechtsform (legal form) der Gesellschaft unabhängig ist.136 Voraussetzung ist freilich, dass die in s. 6, 6A Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 in Bezug genommenen Vorschriften und insolvenzrechtlichen Verfahren – gegebenenfalls auf Grundlage einer Verweisung –137 auf die jeweilige Gesellschaftsform Anwendung finden. (1) Außergerichtliche Vergleichsverfahren Ebenso wie für natürliche Personen (individuals)138 besteht auch für companies die Möglichkeit, mit ihren Gläubigern einen außergerichtlichen Vergleich zum Zwecke der Unternehmenssanierung und Insolvenzvermeidung abzuschließen. Wesentliches Charakteristikum der im englischen Recht vorgesehenen außergerichtlichen Vergleichsverfahren ist die Möglichkeit, eine dissentierende Minderheit der Gläubiger aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses in eine vertragliche 134  Z. B. companies (Kapitalgesellschaft), Limited Liability Partnerships, (limited) partnerships (Personengesellschaft). Einen Überblick über die Gesellschaftsformen des englischen Rechts gibt Bernstorff, Einführung, S.  197 ff. 135  Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, Explanatory Notes, Rn.  36; Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  2.35. Unter den Terminus „body corporate“ fallen companies sowie Limited Liability Partnerships, während partnerships bzw. limited partnerships vom Terminus „unincorporated body“ umfasst sind. 136  Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  2.35. 137  Vgl. z. B. Insolvent Partnerships Order 1994; reg. 5, 10 Limited Liability Partnerships Regulations 2001. 138  Siehe insofern das Individual Voluntary Arrangement (IVA) nach s. 252 ff. Insolvency Act 1986; hierzu ausführlich oben unter 3. Teil B.II.1.b).bb).(4).

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Vergleichsregelung einzubinden.139 Für den Fall des Abschlusses derartiger außergerichtlicher Vergleiche sind gesetzliche Direktansprüche zugunsten eines Geschädigten vorgesehen. (a) Vergleich nach dem Companies Act 2006 (scheme of arrangement) Ein erstes außergerichtliches Vergleichsverfahren stellt zunächst das in s. 895 ff. Companies Act 2006 normierte sog. scheme of arrangement dar.140 Das Verfahren des scheme of arrangement selbst hat ein breites Anwendungsspektrum, das weit über bloß vergleichsweise Regelungen mit Gesellschaftsgläubigern hinausgeht. So kann ein scheme of arrangement beispielsweise auch als Grundlage von gesellschaftsinternen Restrukturierungsmaßnahmen dienen.141 Im Rahmen des Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 sind freilich nur solche schemes of arrangement von Relevanz, die mit Gesellschaftsgläubigern vereinbart wurden142 und denen für gewöhnlich Stundungen sowie Forderungserlasse immanent sind. Für das wirksame Zustandekommen eines allgemeinverbindlichen scheme of arrangement ist ein dreistufiges Verfahren vorgesehen.143 Das Verfahren wird zunächst durch einen Antrag bei Gericht auf Einberufung der Gläubigerversammlungen eingeleitet, in denen über den Vergleich abgestimmt wird. Eine Antragsberechtigung kommt nach s. 896 (2) Companies Act 2006 nicht nur dem Unternehmen und den Unternehmensbeteiligten, sondern vielmehr auch jedem einzelnen Gläubiger zu. Dem Antrag ist bereits ein ausführlicher Vergleichsvorschlag beizufügen. In einem zweiten Schritt bedarf es der Abstimmung über den Vergleichsvorschlag durch die Gläubiger. Das Verfahren des scheme of arVgl. Freund, Sanierung der Kapitalgesellschaft, S.  95. Die Ursprünge des scheme of arrangement-Verfahrens gehen zurück auf den Joint Stock Companies Arrangement Act 1870, vgl. hierzu auch ausführlich Payne, Schemes of Arrangement, S.  7 ff. Insgesamt hat das im Companies Act 2006 niedergelegte scheme of arrangement-Verfahren nur eine geringe rechtspraktische Bedeutung erlangt. Verglichen mit dem Company Voluntary Arrangement (hierzu sogleich unter 3. Teil B.II.1.b).cc).(1).(b)) wird es für zu kompliziert und zeitaufwendig erachtet – insbesondere aufgrund des Erfordernisses unterschiedlicher Gläubigerversammlungen für unterschiedliche Gläubigerklassen, vgl. Steffek, Gläubigerschutz, S.  133, 135 sowie Vach, Insolvenzrechtsreform von 1986, S.  118 f. 141  Ringe/Otte in Triebel/Illmer/Ringe/Vogenauer/Ziegler, S.  283; Freund, Sanierung der Kapitalgesellschaft, S.  96 („Unternehmensübernahmen, Squeeze-outs, Verschmelzungen oder Spaltungen“). 142  S.  6 (1) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010: „(…) a compromise or arrangement between the body and its creditors (or a class of them) (…)“ (kursive Hervorhebung durch Verfasser); vgl. auch Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  6.7 [Fn.  7]. 143  Hierzu ausführlich: Payne, Schemes of Arrangement, S.  18 ff.; Freund, Sanierung der Kapitalgesellschaft, S.  97 ff. 139 

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B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

rangement ist dadurch geprägt, dass eine Abstimmung über den Vergleichsvorschlag in verschiedenen Gläubigerklassen144 stattzufinden hat, für die jeweils getrennte Versammlungen abgehalten werden. Die Einteilung der Gesellschaftsgläubiger in die einzelnen Klassen obliegt alleine dem Antragsteller. Nach Annahme des scheme of arrangement in sämtlichen Gläubigerversammlungen145 ist in einem abschließenden dritten Schritt eine gerichtliche Zustimmung (court sanction) einzuholen.146 Das Gericht erteilt die Zustimmung, sofern die maßgeblichen Verfahrensvorschriften beachtet wurden,147 der Mehrheitsbeschluss in den einzelnen Gläubigerklassen in gutem Glauben und nicht mit einer ausbeuterischen Absicht gegenüber der Minderheit der die Zustimmung versagenden Gläubiger erfolgte und das Gericht letztlich befindet, dass das scheme of arrangement ein billiges sowie sachgerechtes Ergebnis darstellt, dem ein intelligenter und redlicher Geschäftsmann vernünftigerweise die Zustimmung erteilen würde.148 Ein gerichtlich gebilligtes scheme of arrangement entfaltet nach s. 899 (3) Companies Act 2006 allgemeine Bindungswirkung – insbesondere auch gegenüber dissentierenden Gläubigern. Die gerichtliche Billigung (court sanction) des Vergleichs ist in s. 6 (1) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 maßgeblicher Anknüpfungspunkt für den gesetzlichen Übergang des Versicherungsanspruchs. Das scheme of arrangement-Verfahren ist von der Vermögenssituation der Gesellschaft schlechthin unabhängig, so dass es nicht nur bei einer eingetretenen oder drohenden Insolvenz eingesetzt werden kann.149 Hierdurch eröffnet sich einer company die Möglichkeit, bereits frühzeitig und fernab jeglicher Insolvenzreife ihre wirtschaftliche und finanzielle Bewegungsfreiheit vollständig Üblich ist die Differenzierung zwischen ungesicherten Gläubigern (unsecured creditors), Inhabern einer floating charge, diversen Gruppen gesicherter Gläubiger (secured creditors) sowie vorrangiger Gläubiger (preferential creditors), vgl. Steffek, Gläubigerschutz, S.  135; Vach, Insolvenzrechtsreform von 1986, S.  111 f.; Freund, Sanierung der Kapitalgesellschaft, S.  105. Allgemein zum Aspekt der Einteilung der Gläubigerklassen: Payne, Schemes of Arrangement, S.  40 ff. 145  In jeder Gläubigerklasse muss hierzu zunächst eine einfache Gläubigermehrheit vorliegen; zugleich müssen die zustimmenden Gläubiger mindestens 75 % aller Forderungen in der jeweiligen Gläubigerklasse auf sich vereinigen (s. 899 (1) Companies Act 2006). 146  S.  899 Companies Act 2006. 147  Auch die Richtigkeit der Einteilung der Gesellschaftsgläubiger in die einzelnen Gläubigerklassen durch den Antragsteller gehört zu den Voraussetzungen für die gerichtliche Genehmigung des Vergleichs, vgl. Steffek, Gläubigerschutz, S.  135. 148  Hierzu: Re Equitable Life Assurance Society [2002] B.C.C. 319, 321 ff.; Re Anglo-Continental Supply Co Ltd [1922] 2 Ch.  723, 736; Steffek, Gläubigerschutz, S.  136. 149  Scottish Lion Insurance Co Ltd v. (First) Goodrich Corp [2010] B.C.C. 650, 663 ff.; Eidenmüller/Frobenius, WM 2011, 1210, 1211; Mankowski, WM 2011, 1201, 1201. 144 

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wiederzuerlangen.150 Insgesamt ist das scheme of arrangement somit weniger als insolvenzrechtliches denn vielmehr als gesellschaftsrechtliches Verfahren einzustufen, was nicht zuletzt auch in der gesetzessystematischen Verortung im Companies Act 2006 zum Ausdruck kommt. Dessen ungeachtet kann das scheme of arrangement-Verfahren selbstverständlich auch in unmittelbarer Insolvenznähe angestrengt werden; hier liegt im Übrigen sogar der vorrangige Anwendungsbereich.151 (b) Vergleich nach s. 1 ff. Insolvency Act 1986 (Company Voluntary Arrangement) Die Vorschrift des s. 6 (2) (a) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 widmet sich einer weiteren Form des außergerichtlichen Vergleichs für Gesellschaften im englischen Recht – namentlich dem auf den Empfehlungen des Cork-Reports152 beruhenden und im Jahre 1986 eingeführten Company Voluntary Arrangement (CVA) nach s. 1 ff. Insolvency Act 1986. Dieses Vergleichsverfahren wird regelmäßig von den directors einer notleidenden Gesellschaft initiiert und soll die Rettung der Gesellschaft sowie die Abwendung eines förmlichen Insolvenzverfahrens ermöglichen.153 Hierzu kann eine Gesellschaft mit ihren Gläubigern aufgrund eines Mehrheitsentscheides154 einen allgemeinverbindlichen155 Sanierungsplan beschließen, der entweder einen schlichten Teilerlass von Forderungen oder aber vielfältige unterschiedliche Sanierungsmaßnahmen (z. B. Stundungen, Freigabe von Sicherheiten, Vereinbarung von Moratorien, Schulderlass, Eigenkapitalzufuhr) beinhalten kann.156 Einer gerichtlichen Bestätigung des geschlossenen Vergleiches bedarf es nicht. Der gesetzliche Direktanspruch gegen den Versicherer entsteht, sobald die für die Allgemeinverbindlichkeit des Vergleichs erforderliche Zustimmung der Gläubiger vorliegt. 150  Paulus, ZIP 2011, 1077, 1077 f. Fraglich ist allerdings, ob Gläubiger ohne erkennbare Not bereits in einer derartig frühen Phase einem Vergleich zustimmen werden. 151  Paulus, ZIP 2011, 1077, 1078; Steffek, Gläubigerschutz, S.  138. 152  Report of the Review Committee – Insolvency Law and Practice, Cmnd. 8558 (1982). 153  Bernstorff, Einführung, S.  184; Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  6.4. 154  Erforderlich ist, dass die zustimmenden Gläubiger mindestens 75 % aller Forderungen gegen die schuldnerische Gesellschaft auf sich vereinigen, vgl. r. 1.19 (1) Insolvency Rules 1986; zudem dürfen mindestens 50 % der zustimmenden Gläubiger in keiner „besonderen Beziehung“ zur Gesellschaft stehen (wie z. B. directors, Gesellschafter, Konzerngesellschaften), vgl. r. 1.19 (4) Insolvency Rules 1986. 155  An einen mit ordnungsgemäßer Mehrheit beschlossenen CVA sind alle (stimmberechtigten) Gläubiger gebunden, auch wenn sie an der Gläubigerversammlung, in welcher der CVA zur Abstimmung stand, nicht teilgenommen haben, vgl. Ringe/Otte in Triebel/Illmer/ Ringe/Vogenauer/Ziegler, S.  319. 156  Freund, Sanierung der Kapitalgesellschaft, S.  79 f.

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B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

(2) Durchführung eines administration-Verfahrens Eine Legalzession des Versicherungsanspruchs ist auch für den Fall vorgesehen, dass die Gesellschaft einem administration-Verfahren nach s. 8 iVm Schedule B1 Insolvency Act 1986 unterliegt.157 Bei diesem Verfahren handelt es sich um ein Instrument der Unternehmenssanierung, welchem sich Gesellschaften bedienen können, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden. Erste Priorität hat dabei die Überwindung der Krise bei gleichzeitiger Unternehmensfortführung,158 wodurch gesamtvolkswirtschaftlich wenig sinnvolle Zerschlagungen von langfristig überlebensfähigen Unternehmen verhindert werden sollen.159 Die Einleitung des administration-Verfahrens erfolgt für gewöhnlich durch das Gericht (sog. court-route), das auf entsprechenden Antrag160 einen administrator ernennt, sofern der Gesellschaft Zahlungsunfähigkeit droht und die Erreichung der Zwecke des administration-Verfahrens wahrscheinlich erscheint.161 Daneben steht einem begrenzten Personenkreis die Befugnis zur Einleitung des Verfahrens zu, ohne dass es der gerichtlichen Beteiligung bedürfte (sog. out-of-court-route). Das Initiativrecht im Rahmen der out-of-courtroute ist dabei den Gesellschaftern und directors der company sowie den Inhabern einer qualifying floating charge vorbehalten.162 Unmittelbare Folge der Verfahrenseinleitung ist zunächst ein umfassendes Moratorium, so dass während der gesamten Dauer des administration-Verfahrens Insolvenzanträge zurückzuweisen sind (moratorium on insolvency proceedings) und die Gesellschaft auch vor anderweitiger Rechtsdurchsetzung geschützt ist, welche Sanierungsbemühungen konterkarieren könnte (moratorium on other legal pro­ S.  6 (2) (b) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. Vgl. Schedule B1 para. 3 (1) (a) Insolvency Act 1986. 159  Freund, Sanierung der Kapitalgesellschaft, S.  122, 124. Erst wenn dieses vorrangige Verfahrensziel des Unternehmenserhalts nicht erreichbar ist, darf der administrator das Verfahren auf eine Verwertung des Gesellschaftsvermögens ausrichten, Schedule B1 para. 3 (1) (b), (c) Insolvency Act 1986. 160  Für den Kreis der Antragsberechtigten siehe Schedule B1 para. 12 Insolvency Act 1986. 161  Schedule B1 para. 11 Insolvency Act 1986. Ursprünglich war alleine für diese Form der Einleitung eines administration-Verfahrens ein gesetzlicher Direktanspruch vorgesehen. Erst durch den Insurance Act 2015 (s. 20 iVm Schedule 2 para. 3 (2)) wurde der Direktanspruch dahingehend erweitert, dass nunmehr alle Formen des administration-Verfahrens unabhängig von der Art der Einleitung erfasst sind, vgl. Insurance Act 2015, Explanatory Notes, Rn.  169. 162  Schedule B1 para. 14, 22 Insolvency Act 1986. Die wirksame Verfahrenseinleitung durch die Gesellschafter / directors ist durch eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft bedingt, die Verfahrenseinleitung durch die floating charge-Inhaber setzt den Eintritt des Sicherungsfalls voraus. Der wesentliche Vorteil der out-of-court-route liegt darin, dass die Person des administrators selbst ausgewählt werden kann. 157 

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cess).163 In der Folge entwirft der administrator ein Sanierungskonzept,164 welches er anschließend – die Zustimmung der Gläubiger vorausgesetzt – praktisch umsetzt. Das Verfahren der Administration endet mit der Erreichung des Sanierungszieles, jedoch spätestens nach Ablauf eines Jahres.165 Wenngleich Geschädigte alleine durch das administration-Verfahren nicht ihrer Schadensersatzansprüche verlustig gehen, so sind sie zumindest vorübergehend an deren Durchsetzung gehindert. Dies ist der maßgebliche Grund für die Gewährung des gesetzlichen Direktanspruchs. (3) Durchführung eines administrative-receivership-Verfahrens Gemäß s. 6 (2) (c) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 gelangt ein gesetzlicher Direktanspruch fernerhin zur Entstehung, wenn sich die schädigende Gesellschaft in administrative receivership befindet. Das administrative-receivership-Verfahren166 kann durch den Inhaber einer sog. floating charge – einer speziellen Kreditsicherheit des englischen Rechts ohne vergleichbares Äquivalent in Deutschland –167 nach Eintritt des privatautonom vereinbarten Sicherungsfalls initiiert werden, um Befriedigung aus den von der Sicherheit erfassten Gegenständen zu erlangen.168 Hierzu ernennt der gesicherte Gläubiger einen (administrative) receiver, der faktisch die Geschäftsführung der Gesellschaft übernimmt, in der Folge die im Zeitpunkt des Sicherungsfalls von der floating charge umfassten Gegenstände verwaltet oder verwertet und den Erlös – gegebenenfalls nach Befriedigung höherrangiger Gläubiger – an den SicheB1 para. 42, 43 Insolvency Act 1986. Vgl. auch Steffek, Gläubigerschutz, S.  163; Freund, Sanierung der Kapitalgesellschaft, S.  131 f. 164  Hierbei darf sich der administrator durchaus ergänzender Verfahren – wie beispielsweise dem Company Voluntary Arrangement nach dem Insolvency Act 1986 oder dem Scheme of Arrangement nach dem Companies Act 2006 – bedienen. 165  Freund, Sanierung der Kapitalgesellschaft, S.  135. 166  S.  28 ff. Insolvency Act 1986. 167  Bei der floating charge handelt es sich um ein richterrechtlich entwickeltes Kreditsicherungsinstrument. Mit diesem kann umfassend sowohl das gegenwärtige als auch das künftige bewegliche oder auch unbewegliche Vermögen einer Gesellschaft als Sicherheit bestellt werden (Globalpfandrecht), wobei die Haftungsmasse im Laufe der Zeit variieren kann (der Sicherungsgeber bleibt nämlich zunächst voll verfügungsbefugt). Mit Eintritt des Sicherungsfalls „kristallisiert“ sich die Haftung (crystallisation), die floating charge wird zum endgültigen dinglichen Sicherungsrecht und der Sicherungsgeber verliert sein Verfügungsrecht über die zu diesem Zeitpunkt von der floating charge umfassten Gegenstände; vgl. hierzu Freund, Sanierung der Kapitalgesellschaft, S.  122 f.; Steffek, Gläubigerschutz, S.  145 ff. 168  Somit handelt es sich bei der administrative receivership im Grunde um ein außergerichtliches Verwertungsverfahren einer bestimmten Kreditsicherheit, vgl. Bernstorff, Einführung, S.  185. 163 Schedule

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B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

rungsnehmer auskehrt. Der receiver führt seine Tätigkeit so lange fort, bis die gesicherten Forderungen erfüllt sind.169 Sofern die Gesellschaft nach Abschluss der Tätigkeit des receiver weiterhin lebensfähig sein sollte, kann sie ihre Geschäfte fortführen. Andernfalls schließt sich eine Abwicklung der Gesellschaft an (winding-up).170 Da das administrative receivership-Verfahren in der Praxis sehr häufig zu einer Zerschlagung der Gesellschaft führte,171 schränkte der englische Gesetzgeber zwischenzeitlich – ganz im Interesse der „rescue culture“ – das Recht der floating charge-Inhaber zur Initiierung eines administrative receivership-Verfahrens stark ein.172 Der gesetzliche Direktanspruch aus s. 6 (2) (c) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 wird daher allenfalls für Altfälle (d. h. Einräumung der floating charge vor dem 15. September 2003) nennenswerte Bedeutung erlangen. (4) Abwicklung der Gesellschaft (winding-up) Der Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 sieht gesetzliche Direktansprüche überdies im Zusammenhang mit der Abwicklung (winding-up) einer Gesellschaft vor.173 Im englischen Recht existieren verschiedene Formen der Gesellschaftsabwicklung, die jeweils eine geordnete Realisierung und Aufteilung des Gesellschaftsvermögens bezwecken. Hierzu wird stets ein sog. liquidator bestellt, dem die Aufgabe zufällt, Verbindlichkeiten der Gesellschaft festzustellen, Aktiva zu realisieren, die Gesellschaftsgläubiger entsprechend ihrem Rang zu befriedigen und letztlich einen etwaigen Übererlös an die Gesellschafter auszukehren.174 Gemeinsame Endstufe aller Abwicklungsverfahren ist stets die Löschung der Gesellschaft aus dem Handelsregister verbunden mit deren Vollbeendigung (dissolution). Ganz grundsätzlich ist die freiwillig beschlossene (voluntary winding-up) von der gerichtlich zwangsweise angeordneten Ge-

169  Steffek, Gläubigerschutz, S.  150.; Ringe/Otte in Triebel/Illmer/Ringe/Vogenauer/Ziegler, S.  325. 170  Bernstorff, Einführung, S.  186; Steffek, Gläubigerschutz, S.  150. 171  Hintergrund dessen ist, dass der receiver in erster Linie dem Interesse des floating charge-Inhabers an einer möglichst schnellen Realisierung der Sicherheiten verpflichtet ist und sich die schlichte Veräußerung der Unternehmenswerte insoweit oftmals als effektivster Weg darstellt. Es mag nicht verwundern, dass hiermit nicht selten auch die Zerschlagung an und für sich fortführungsfähiger Unternehmen einhergeht. 172  Vgl. hierzu s. 72A ff. Insolvency Act 1986. 173  S.  6 (2) (d) – (f) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. 174  Steffek, Gläubigerschutz, S.  182, 184 f.; Ringe/Otte in Triebel/Illmer/Ringe/Vogenauer/ Ziegler, S.  326.

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sellschaftsabwicklung (compulsory winding-up) zu unterscheiden. Gesetzliche Direktansprüche sind in beiden Konstellationen vorgesehen. (a) Voluntary winding-up Ausgangspunkt eines voluntary winding-up ist entweder die Erreichung des Gesellschaftszweckes respektive der Eintritt eines satzungsmäßig bestimmten Stichtages oder aber – wie in den weitaus meisten Fällen – ein entsprechender, mit Dreiviertel-Mehrheit gefasster Abwicklungsbeschluss der Gesellschafter.175 Mit Eintritt in die Abwicklungsphase endet die werbende Teilnahme der Gesellschaft am Wirtschaftsverkehr.176 Bestätigen die directors der Gesellschaft in der Folge, dass die Gesellschaft im Rahmen der Abwicklung innerhalb eines Jahres sämtliche offenen Verbindlichkeiten wird bedienen können (sog. declaration of solvency), liegt die Bestellung und Überwachung des liquidators im eigenen Verantwortungsbereich der Gesellschafter.177 Die Abwicklung einer solchen solventen Gesellschaft auf Gesellschafterinitiative – gesetzessystematisch unsauber im Insolvenzrecht geregelt – wird als members’ voluntary winding-up bezeichnet. Wird hingegen die Gesellschaft ihre Schulden voraussichtlich nicht binnen Jahresfrist begleichen können und unterbleibt demzufolge die Solvenzerklärung der directors, obliegt die liquidator-Bestellung einer Gläubigerversammlung und man spricht vom creditors’ voluntary winding-up. Hierbei handelt es sich faktisch um ein Gesamtverfahren, das auf eine bestmögliche Befriedigung sämtlicher Gläubiger durch Verwertung des Gesellschaftsvermögens abzielt. S.  6 (2) (d) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 sieht einen gesetzlichen Übergang der Versicherungsforderung in beiden Unterfällen des voluntary winding-up vor. Zumindest im Hinblick auf das members’ voluntary winding-up mag das verwundern, da hier auch ohne Direktanspruch mit einer vollständigen und durchaus auch zeitnahen Befriedigung der Geschädigten zu rechnen wäre und ein gesteigertes Schutzbedürfnis nicht besteht. (b) Compulsory winding-up Die Abwicklung einer Gesellschaft kann auch von einem Gericht zwangsweise angeordnet werden (compulsory winding-up). Die gerichtliche Anordnung der Gesellschaftsabwicklung setzt stets einen entsprechenden Antrag voraus (petition for compulsory winding-up), welchen die Gesellschafter, die directors der Gesellschaft und auch sämtliche Gesellschaftsgläubiger stellen können178 – S.  84 Insolvency Act 1986 iVm s. 282 f. Companies Act 2006. S.  87 Insolvency Act 1986. 177  Ringe/Otte in Triebel/Illmer/Ringe/Vogenauer/Ziegler, S.  291. 178  S.  124, 124A Insolvency Act 1986. 175 

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B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

wenngleich die Antragsberechtigung der Gläubiger unter der einschränkenden Voraussetzung steht, dass sie gegen die Gesellschaft jeweils eine Forderung über mindestens 750 £ besitzen.179 Zur Sicherung der Insolvenzmasse kann das Gericht nach Eingang des Antrags auf Zwangsabwicklung für den Zeitraum bis zur Entscheidung über den Antrag einen sog. provisional liquidator bestellen.180 Dem Antrag auf zwangsweise Abwicklung wird vom Gericht entsprochen, wenn ein Abwicklungsgrund im Sinne des s. 122 (1) Insolvency Act 1986 gegeben ist. Als praktisch bedeutsamster Grund erweist sich dabei die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft (inability to pay debts).181 Von einer solchen Zahlungsunfähigkeit ist nach s. 123 Insolvency Act 1986 auszugehen, wenn die schuldnerische Gesellschaft eine qualifizierte Mahnung unbeachtet lässt, wenn ein Zwangsvollstreckungsversuch gegen die Gesellschaft nicht zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt hat oder wenn die Verbindlichkeiten der Gesellschaft deren Aktiva übersteigen, d. h. im Falle der Überschuldung. Mit einer Abwicklungsanordnung gehen die Geschäftsführungsbefugnisse zunächst auf den sog. official receiver – einen beim zuständigen Gericht angestellten Beamten – über, der bis auf weiteres als liquidator tätig wird.182 Der einzuberufenden Gläubigerversammlung steht es jedoch frei, einen anderen privaten liquidator zu ernennen.183 Für den Fall, dass das Gericht einen provisional liquidator bestellt bzw. die Zwangsabwicklung beschließt, ordnen s. 6 (2) (e) und (f) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 einen Übergang der Versicherungsforderung auf den Geschädigten an. (5) Sektorspezifische Insolvenzverfahren In bestimmten Geschäfts- und Wirtschaftsbereichen (business sectors) sieht das englische Recht spezielle Vorschriften für die insolvenzbedingte Abwicklung (winding-up) bzw. für die – primär auf Insolvenzvermeidung und Unternehmensfortführung ausgerichtete – administration von finanziell angeschlagenen Gesellschaften vor, welche die allgemeinen insolvenzrechtlichen Regelungen entweder modifizieren oder ersetzen. Vor allem in dem gesamtwirtschaftlich enorm bedeutsamen Finanz- und Bankensektor finden sich solche sektorspezi179  Das zusätzliche Erfordernis der Inhaberschaft einer Forderung von mindestens 750 £ beim Antrag eines Gläubigers ist zwar nicht gesetzlich vorgesehen, hat sich jedoch im case law herausgebildet (vgl. Re Milford Docks Co (1883) 23 Ch.D. 292, 295). 180  S.  135 Insolvency Act 1986. 181  S.  122 (1) (f) Insolvency Act 1986. 182  S.  136 Insolvency Act 1986. 183  S.  139 Insolvency Act 1986. In der Praxis wird sich ein privater liquidator freilich nur dann zur Übernahme der Tätigkeit bereit erklären, wenn seine Entlohnung aus der Insolvenzmasse sichergestellt ist.

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fischen Insolvenzverfahren. In der internationalen Finanzkrise ab dem Jahr 2007 hatten sich die herkömmlichen Verfahren zur Sanierung oder Liquidation einer Gesellschaft vielfach als ungeeignet erwiesen, der Systemrelevanz von Kreditinstituten angemessen Rechnung zu tragen und einen Ansteckungseffekt (contagion effect) in der Finanzbranche zu vermeiden. Die gesetzgeberischen Interventionen führten zu detaillierteren Regelungen für den Fall der finanziellen Krise von (Investment-) Banken.184 Auch in anderen Wirtschaftsbereichen finden sich mitunter spezialgesetzliche Insolvenzregelungen, wenn durch die Anwendung der herkömmlichen insolvenzrechtlichen Vorschriften Interessen der Allgemeinheit (public interests) beeinträchtigt oder zumindest gefährdet würden.185 Dies gilt unter anderem im Bereich der Energie- und Wasserversorgung,186 im Transportsektor187 oder auch im Postwesen.188 Für den Fall der Einleitung dieser sektorspezifischen Insolvenz- bzw. administration-Verfahren ist nunmehr in den Regelungen der s. 6 (4A), (4B) iVm Schedule A1 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010189 ein gesetzlicher Übergang der Versicherungsforderung auf den geschädigten Dritten vorgesehen. (6) Auflösung der Gesellschaft (dissolution) Letztlich räumt s. 6A Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 dem Geschädigten einen gesetzlichen Direktanspruch ein, sofern die schädigende Gesellschaft „has been dissolved“.190 Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für den Status als relevant person und folgerichtig für den Übergang der Versicherungsforderung ist somit schlicht der Umstand der Gesellschaftsauflösung (dissolu­ Z. B. Banking Act 2009; Investment Bank Special Administration Regulations 2011. Vgl. Lord Faulks, Hansard (HL) 22 March 2016, Vol. 769, col. GC331. 186  Z. B. s. 154 ff. Energy Act 2004; s. 94 ff. Energy Act 2011; s. 18 ff. Water Industry Act 1991. 187  Z. B. s. 26 ff. Transport Act 2000; s. 59 ff. Railways Act 1993. 188  Z. B. s. 68 ff. Postal Services Act 2011. 189  Diese Fallgruppen fanden erst durch die Third Parties (Rights against Insurers) Regulations 2016 nachträglich Eingang in den Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, vgl. hierzu auch oben unter 2. Teil C.II.4.c). 190  Ausgeschlossen ist ein Direktanspruch hingegen, sofern die aufgelöste Gesellschaft aufgrund nachträglich eingetretener Umstände (subsequent events) – wie beispielsweise aufgrund der (temporären) Wiederherstellung der Gesellschaft (restoration) – ausnahmsweise als nicht oder nicht mehr länger aufgelöst gilt, vgl. s. 6A (2) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. Auch die Auflösung nicht-eingetragener partnerships begründet ausnahmsweise keinen gesetzlichen Direktanspruch (s. 6A (3) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010); zu den Gründen für diese Ausnahme: Lord Faulks, Hansard (HL) 22 March 2016, Vol. 769, col. GC332; Third Parties (Rights against Insurers) Regulations 2016, Explanatory Memorandum, Rn.  7.9. 184  185 

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B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

tion)191 – und zwar unabhängig von den Gründen, die zur Auflösung geführt haben.192 Die Gewährung eines direkten Forderungsrechts gegen den Haftpflichtversicherer im Falle der Auflösung der schädigenden Gesellschaft trägt dem Umstand Rechnung, dass dem Geschädigten die Geltendmachung und Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs in diesen Situationen aufgrund mangelnder Rechtssubjektivität des Schädigers regelmäßig überhaupt nicht oder allenfalls nach einem zeitaufwendigen Wiederherstellungsverfahren (restoration to the register) möglich wäre.193 dd) Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen In der Vorschrift des s. 1 (1) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 ist explizit geregelt, zu welchem Zeitpunkt die besonderen Umstände vorliegen müssen, welche den Versicherungsnehmer zu einer relevant person werden lassen und somit den Übergang des Versicherungsanspruchs auslösen. Das englische Recht verfolgt hierbei einen weiten Ansatz. Ein Forderungsübergang findet demnach nicht nur dann statt, wenn der Versicherungsnehmer bereits im Schädigungszeitpunkt den Status einer relevant person innehat (s. 1 (1) (a) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010), sondern vielmehr auch dann, wenn die Eigenschaft als relevant person zeitlich erst nach dem Schädigungsereignis und der Entstehung des Schadensersatzanspruchs begründet wird (s. 1 (1) (b) 191  Unberührt bleiben freilich andere Fallgruppen des gesetzlichen Direktanspruchs, die an Umstände anknüpfen, die einer Gesellschaftsauflösung (dissolution) zeitlich vorausgehen (z. B. voluntary bzw. compulsory winding-up einer Gesellschaft; hier entsteht der Direktanspruch aus s. 6 (2) (d) – (f) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 bereits mit dem Eintritt in die Liquidationsphase, vgl. hierzu oben unter 3. Teil B.II.1.b).cc).(4)). 192  In der ursprünglichen Originalversion des Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 war dies noch anders. Dort war ein Direktanspruch alleine für den Fall vorgesehen, dass eine Kapitalgesellschaft (company) auf der Grundlage der s. 1000, 1001, 1003 Companies Act 2006 durch Streichung aus dem Handelsregister (striking off the register) aufgelöst und zwischenzeitlich nicht wiederhergestellt (restored) worden war (s. 6 (1) (b) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 a. F.). Ein potentieller Grund für die Streichung aus dem Handelsregister war dabei die auf nachvollziehbaren Anhaltspunkten beruhende Überzeugung des Registerführers (registrar), dass die Gesellschaft ihre Geschäfte eingestellt habe oder ein zwischenzeitlich eingeleitetes Abwicklungsverfahren nicht weiter betrieben werde. Daneben kam auch ein Eigenantrag der Gesellschaft auf Streichung aus dem Handelsregister in Betracht, dem stattgegeben wurde, sofern hiergegen von dritter Seite (z. B. von Gläubigern) keine Einwendungen erhoben wurden. Erst durch die Third Parties (Rights against Insurers) Regulations 2016 wurde der gesetzliche Direktanspruch auf alle erdenklichen Fälle einer Gesellschaftsauflösung (dissolution) erweitert. 193  Zu dieser Problematik im Rahmen des Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 siehe oben unter 2. Teil C.II.2.b).bb).(3).

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Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010).194 Zu einer Legalzession des Versicherungsanspruchs kommt es hingegen nicht, wenn die in den s. 4 ff. Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 aufgelisteten Verfahren im Schädigungszeitpunkt bereits ihren endgültigen Abschluss gefunden haben.195 Grundsätzlich ohne Einfluss auf den Direktanspruch des Geschädigten ist es, wenn die besonderen Direktanspruchsvoraussetzungen nachträglich wieder entfallen – d. h. wenn der Status des Versicherungsnehmers als relevant person endet, noch bevor der Geschädigte den übergegangenen Versicherungsanspruch vollständig realisiert hat. Der Geschädigte ist in diesem Falle weiterhin berechtigt, den zedierten Versicherungsanspruch geltend zu machen. Eine Rückübertragung der Versicherungsforderung auf den Versicherungsnehmer findet nicht statt – und zwar unabhängig davon, ob der Geschädigte bereits (gerichtliche) Maßnahmen zur Durchsetzung des Direktanspruchs ergriffen hatte oder nicht.196 Neuerdings eröffnet jedoch die durch den Insurance Act 2015 eingeführte Vorschrift des s. 19 (3) (b) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 die Möglichkeit, im Wege der delegated legislation eine Rückübertragung der Versicherungsforderung für den Fall des Wegfalls einer besonderen Direktanspruchsvoraussetzung zu normieren.197 Von dieser Möglichkeit wurde jedoch bislang kein Gebrauch gemacht. c) Auswirkungen eines bestehenden Direktanspruchs auf Schadensersatzund Haftpflichtversicherungsforderung Soweit der Geschädigte aufgrund des gesetzlichen Direktanspruchs zwecks Schadenskompensation gegen den Versicherer vorgehen kann, greift hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs gegen den schädigenden Versicherungsnehmer eine Durchsetzungssperre (s. 14 (1) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010).198 Die Durchsetzungssperre entfällt nur dann, wenn der Versicherer Vgl. auch MacGillivray on Insurance Law, Rn.  30-025. Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  2.24. 196  Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  2.21 ff. So schon zum Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930: Law Society of England and Wales v. Shah [2009] Ch.  223, 229 ff. 197  S.  19 (3) (b) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010: „Regulations under this section may make provision about (…) the re-transfer of rights transferred under section 1 [Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010] where the affected circumstances change (…)“. 198  Hierzu allgemein: Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  7.5 ff.; Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, Explanatory Notes, Rn.  73 ff. Im Vorgängergesetz des Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 fand sich noch keine ausdrückliche Durchsetzungssperre und die Frage war in der rechtswissenschaftlichen Literatur umstritten, vgl. Clarke, Insurance Contracts, Rn.  5-8F1, S.  213. 194  195 

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B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

seinerseits insolvent ist und der Geschädigte im Einzelfall auch nicht vom Insolvenzsicherungssystem der Versicherungswirtschaft (Financial Services Compensation Scheme) profitiert.199 Unbenommen bleibt es dem Geschädigten, solche Schäden gegen den schädigenden Versicherungsnehmer geltend zu machen, welche von vornherein nicht von der konkreten Haftpflichtversicherung gedeckt sind.200 Der Durchsetzungssperre liegt die Erwägung des Gesetzgebers zugrunde, dass es unbillig wäre, wenn sich der Schädiger gegen einen Schadensersatzanspruch verteidigen müsste, hinsichtlich dessen er seinen Haftpflichtversicherungsschutz verloren hat. Im Übrigen schmälerten die vom Schädiger in Ermangelung von Versicherungsschutz nunmehr alleine aufzubringenden Rechtsverteidigungskosten die Befriedigungsaussichten weiterer konkurrierender Gläubiger des Schädigers, was eine unangemessene und nicht zu rechtfertigende Benachteiligung dieser Personen begründe.201 Die Legalzession des Versicherungsanspruchs bewirkt zugleich, dass dem Versicherungsnehmer in Ansehung des konkreten Schadensereignisses grundsätzlich keine Rechte aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag mehr zustehen. Hiervon ausgenommen sind lediglich Rechte, die sich zwar anlässlich des Schadensereignisses ergeben, die jedoch nicht unmittelbar auf Schadloshaltung hinsichtlich des gegen den Versicherungsnehmer bestehenden Schadensersatzanspruchs gerichtet sind. So kann der schädigende Versicherungsnehmer beispielsweise weiterhin die bei ihm angefallenen Rechtsberatungskosten zur anfänglichen Eruierung der Begründetheit des Schadensersatzanspruchs vom Haftpflichtversicherer ersetzt verlangen.202

2. Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 a) Anwendungsbereich Wie nicht zuletzt in der Verortung im Straßenverkehrsgesetz zum Ausdruck kommt, ist der gesetzliche Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 in sachlicher Hinsicht auf den Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung beschränkt und steht somit exklusiv Verkehrsunfallopfern zur Verfügung. Eine Einschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs ist dabei nicht vorgesehen, so dass S.  14 (6), (7) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010; MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-122; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  30-037. 200  Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  7.4; Kämmer, Stellung des Verkehrsopfers, S.  75. 201  Vgl. Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  7.6 f. Im Ergebnis ähnlich In re Pethick, Dix & Co Burrows [1915] 1 Ch.  26, 28 f. sowie In re Renishaw Iron Co Ltd [1917] 1 Ch.  199, 201 f. (jeweils hinsichtlich s. 5 Workmen’s Compensation Act 1906). 202 Hierzu Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  7.37. 199 

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grundsätzlich alle Unfallgeschädigten von der Möglichkeit der direkten Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers profitieren. Der räumliche Geltungsbereich des Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruchs aus s. 151 Road Traffic Act 1988 ist begrenzt auf Großbritannien, d. h. England, Wales und Schottland.203 Freilich gilt auch für Geschädigte in Nordirland mit article 98 Road Traffic (Northern Ireland) Order 1981 eine nahezu inhaltsgleiche Direktanspruchsregelung. b) Voraussetzungen Grundlegende Voraussetzung für die Entstehung des Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruchs aus s. 151 Road Traffic Act 1988 ist zunächst, dass das geschädigte Unfallopfer bereits ein Schadensersatzurteil gegen den schädigenden Versicherungsnehmer erstritten hat. Der nach dem Urteil zu kompensierende Schaden muss dabei zu denjenigen Schäden zählen, für die nach s. 143 (1), 145 Road Traffic Act 1988 ganz grundsätzlich eine Haftpflichtversicherungspflicht besteht.204 Des Weiteren setzte der Direktanspruch zumindest bislang voraus, dass dem Versicherungsnehmer vom Kfz-Haftpflichtversicherer entsprechend der Vorschrift des s. 147 Road Traffic Act 1988 ein sog. certificate of insurance ausgehändigt wurde.205 Die englische Rechtswissenschaft entnimmt dem s. 151 Road Traffic Act 1988 gemeinhin noch die weitere Voraussetzung, dass der gerichtlich festgestellte Schadensersatzanspruch auch tatsächlich von der konkreten Haftpflichtversicherung gedeckt sein muss (vgl. s. 151 (2) (a) Road Traffic Act 1988).206 Richtigerweise handelt es sich hierbei jedoch nicht um eine echte Direktanspruchsvoraussetzung. Vielmehr wird durch die Vorschrift des s. 151 (2) (a) Road Traffic Act 1988 der gesetzliche Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988, der rechtskonstruktiv an das Haftpflichtverhältnis anknüpft,207 mit dem Haftpflichtversicherungsverhältnis verquickt und die Frage angesprochen, inwieweit sich der Haftpflichtversicherer im Direktanspruchsverhältnis auf versicherungsrechtliche Einwendungen berufen kann.208 Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus s. 197 (3) Road Traffic Act 1988. Rühl in Basedow/Fock, S.  1489 f. 205  Diese Voraussetzung ist jedoch zwischenzeitlich durch den Deregulation Act 2015 entfallen, hierzu sogleich ausführlich unter 3. Teil B.II.2.b).bb). 206  Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5 -195; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-074; Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  729; EUI Ltd v. Bristol Alliance Limited Partnership [2012] EWCA Civ 1267 [Rn.  34]; AXN v. Worboys [2012] EWHC 1730 (QB) [Rn.  12]. 207  Siehe hierzu bereits oben unter 3. Teil A.II.2.b).aa). 208  Die Thematik der versicherungsrechtlichen Einwendungen wird jedoch erst an späterer Stelle ausführlich untersucht, vgl. dazu unten unter 3. Teil C.III.2.b). 203 

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B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

Das geschädigte Unfallopfer kann den Direktanspruch gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer unmittelbar nach Erwirkung des Schadensersatzurteils geltend machen, ohne dass es einer vorherigen Zahlungsaufforderung gegenüber dem Urteilsschuldner oder gar eines erfolglosen Zwangsvollstreckungsversuches bedürfte. S.  151 Road Traffic Act 1988 statuiert mithin eine direkte und nicht lediglich eine subsidiäre Eintrittspflicht des Versicherers für den ausgeurteilten Schadensersatzanspruch.209 Im Rahmen des Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruchs ist die allgemeine finanzielle Situation des Schädigers unerheblich.210 aa) Existenz eines Schadensersatzurteils Elementare Grundvoraussetzung für den Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 ist die Existenz eines Schadensersatzurteils, welches das Unfallopfer im Haftpflichtverhältnis erwirkt hat.211 Die hierin ausgeurteilte Schadensersatzsumme ist Anknüpfungspunkt für die Direkthaftung des Haftpflichtversicherers, der für im Urteil festgestellte Personenschäden unbegrenzt (s. 151 (5) (a) Road Traffic Act 1988; sog. illimité-Haftung) und für Sachschäden bis zu einem Betrag von insgesamt 1.200.000 £ (s. 151 (5) (b), (6) Road Traffic Act 1988) einzustehen hat. Eines Schadensersatzurteils bedarf es insbesondere auch dann, wenn der Schadensersatzanspruch des Unfallopfers zwischen den Parteien im Grunde unstreitig ist und eine gütliche Einigung denkbar wäre.212 Aufgrund der Notwendigkeit der Erwirkung eines Schadensersatzurteils im Haftpflichtverhältnis ist evident, dass es sich bei dem direkten Forderungsrecht aus s. 151 Road Traffic Act 1988 um einen Direktanspruch im weiteren Sinne handelt.213

Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-193. Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-073; Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  46. 211  Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  729; Merkin/Steele, Insurance and the Law of Obligations, S.  271; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  31-024. Unschädlich ist es dabei, wenn das Schadensersatzurteil in einem Versäumnisverfahren ergangen ist ( judgment by default); nach Auffassung der englischen Rechtsprechung ist jedoch der Versicherer, der durch das Versäumnisurteil mittelbar belastet ist, in diesen Fällen berechtigt, einen Antrag auf Aufhebung des Versäumnisurteils (setting aside judgment by default) zu stellen und anschließend eine Verteidigung im Namen des schädigenden Versicherungsnehmers vorzunehmen, vgl. Windsor v. Chalcraft [1939] 1 K.B. 279, 285 ff. (mit Minderheitsvotum von Slesser LJ); ferner: Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-203 sowie Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  646. 212  Rühl in Basedow/Fock, S.  1490 [Fn.  718]. 213  Nach hM kann der Geschädigte auch keine Klage auf Feststellung der künftigen Eintrittspflicht des Versicherers für den Fall der Erwirkung des Schadensersatzurteils erheben: 209 

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Da erstinstanzliche Urteile in England grundsätzlich ohne weiteres und ungeachtet etwaiger Rechtsmittel vollstreckbar sind,214 ist es auch für die Entstehung des Direktanspruchs aus s. 151 Road Traffic Act 1988 zunächst unschädlich, wenn gegen das Schadensersatzurteil ein Rechtsmittel eingelegt wurde. Nur wenn auf Antrag des Rechtsmittelführers die Vollstreckbarkeit des Schadensersatzurteils für die Dauer des Rechtsmittelverfahrens einstweilen ausgeschlossen wurde (stay of execution pending an appeal), mangelt es ausnahmsweise an der Durchsetzbarkeit des Direktanspruchs.215 bb) Aushändigung eines certificate of insurance an den Versicherungsnehmer Bislang konnte der Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 nur dann zur Entstehung gelangen, wenn der Haftpflichtversicherer dem Versicherungsnehmer ein sog. certificate of insurance ausgehändigt hatte. Bei dem certificate of insurance handelt es sich um ein Dokument, welches den wesentlichen Inhalt und Umfang des Haftpflichtversicherungsschutzes prägnant zusammenfasst. Es ist vom eigentlichen Haftpflichtversicherungsvertrag zu unterscheiden 216 und dem Versicherungsnehmer nach Abschluss des Haftpflichtversicherungsvertrages zwingend zu übergeben (s. 147 (1) Road Traffic Act 1988 iVm Motor Vehicles (Third Party Risks) Regulations 1972).217 Das Zertifikat dient dem Versicherungsnehmer vor allem als Nachweis der Einhaltung der gesetzlichen Versicherungspflicht. Auf polizeiliches Verlangen – insbesondere nach einem Verkehrsunfall – ist der Versicherungsnehmer zur Vorlage des certificate of insurance verpflichtet.218 Die gewichtigste Bedeutung des certificate of insurance lag bislang jedoch darin, dass dessen Aushändigung unerlässliche Voraussetzung für die Wirk-

Carpenter v. Ebblewhite [1939] 1 K.B. 347, 356 ff.; Halsbury’s Laws of England, Vol 60, Rn.  729 [Fn.  3]. 214  Bunge, Zivilprozess und Zwangsvollstreckung in England, S.  206. 215  S.  152 (1) (b) Road Traffic Act 1988: „No sum is payable by an insurer under section 151 of this Act (…) in respect of any judgment so long as execution on the judgment is stayed pending an appeal“. 216 Bei inhaltlichen Widersprüchen zwischen dem certificate of insurance und dem (schriftlichen) Haftpflichtversicherungsvertrag kommt letzterem in jedem Fall der Vorrang zu, vgl. Biddle v. Johnston [1965] 2 Lloyd’s Rep 121; Lowry/Rawlings, Insurance Law – Doctrines and Principles, S.  258; Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  260; Birds’ Modern Insurance Law, S.  413. 217  Hieran hat sich auch nach der Reform durch den Deregulation Act 2015 nichts geändert, vgl. Deregulation Act 2015, Explanatory Notes, Rn.  51. 218  Hierzu und zu weiteren Funktionen des certificate of insurance: Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-025; Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-31 ff.

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B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

samkeit des abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrages war.219 In der Konsequenz wurde auch die Entstehung des Direktanspruchs aus s. 151 Road Traffic Act 1988 von der Zertifikatsübergabe abhängig gemacht.220 Nach herrschender Meinung genügte es jedoch, wenn die Übergabe des Versicherungszertifikats in zeitlicher Hinsicht zwischen dem Unfallereignis und der Erwirkung des Schadensersatzurteils erfolgte221 – d. h. im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses bedurfte es zwar bereits der Einigung über den Abschluss des Haftpflichtversicherungsvertrages, der Versicherungsnehmer musste jedoch noch nicht im Besitz des certificate of insurance gewesen sein. Dies ist insofern bemerkenswert, weil es ohne die Aushändigung des Versicherungszertifikats im Unfallzeitpunkt ja gerade an einem vollwirksamen Haftpflichtversicherungsvertrag fehlte. Zwischenzeitlich hat der englische Gesetzgeber die Aushändigung eines certificate of insurance durch den Deregulation Act 2015 zum 30. Juni 2015222 als Kriterium für die Wirksamkeit des Versicherungsvertrages abgeschafft.223 Zugleich wurde die Übergabe des certificate of insurance auch als Direktanspruchsvoraussetzung aus der Vorschrift des s. 151 Road Traffic Act 1988 gestrichen. Mithin ist es für die Entstehung des Direktanspruchs fortan nicht mehr vonnöten, dass der schädigende Versicherungsnehmer im Besitz eines certificate of insurance ist. Ausreichend ist vielmehr, dass das Unfallereignis während der Laufzeit eines wirksamen Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrages stattgefunden hat.224

219  S.  147 (1) Road Traffic Act 1988 a. F.: „A policy of insurance shall be of no effect (…) unless and until there is delivered by the insurer to the person by whom the policy is effected a certificate (in this Part of this Act referred to as a ‘certificate of insurance’) (…)“. 220  S.  151 (1) Road Traffic Act 1988 a. F.: „This section applies where, after a certificate of insurance (…) has been delivered under section 147 of this Act to the person by whom a policy has been effected (…)“. 221  Motor & General Insurance Co Ltd v. Cox [1990] 1 W.L.R. 1443, 1444 ff.; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-074; Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-35 und Rn.  5-195. 222  Vgl. s. 9 (5), Schedule 3 para. 4 (2) Deregulation Act 2015 iVm article 9, 13, Schedule Part 3A Deregulation Act 2015 (Commencement No.  1 and Transitional and Saving Provi­ sions) Order 2015 sowie article 2 Deregulation Act 2015 (Commencement No.  1 and Transitional and Saving Provisions) (Amendment) Order 2015. 223  Deregulation Act 2015, Explanatory Notes, Rn.  49. 224  Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5 -35. Zum Aspekt der Nachhaftung des Haftpflichtversicherers siehe unten unter 3. Teil C.III.2.b).bb).(3).

II. England

209

cc) Abstrakte Haftpflichtversicherungspflicht für konkrete Schadensersatzschuld Der geschädigte Dritte soll nur hinsichtlich solcher Schäden vom gesetzlichen Direktanspruch profitieren, deren Deckung durch eine Kfz-Haftpflichtversicherung der Gesetzgeber unter Anerkennung eines besonderen Geschädigtenschutzbedürfnisses verpflichtend vorgeschrieben hat.225 Dementsprechend existiert der Kfz-haftpflichtversicherungsrechtliche Direktanspruch nur unter der in s. 151 (2) Road Traffic Act 1988 normierten weiteren Voraussetzung, dass der gerichtlich festgestellte Schadensersatzanspruch nach den gesetzlichen Vorgaben abstrakt von einer Kfz-Haftpflichtversicherung gedeckt sein muss.226 Dies ist nach s. 143 (1), 145 Road Traffic Act 1988 dann der Fall, wenn der zugesprochene Schadensersatzanspruch aus dem Gebrauch (use) eines Kraftfahrzeuges (motor vehicle)227 auf einer Straße oder einem anderen öffentlichen Platz (on a road or other public place) in Großbritannien 228 resultiert und dabei auf den Ersatz von Personen- oder Sachschäden (liability in respect of the death of or bodily injury to any person or damage to property) gerichtet ist.229 In Ermangelung einer gesetzlichen Haftpflichtversicherungspflicht ausgeschlossen ist der Direktanspruch, wenn dem Geschädigten ausschließlich ein vertraglicher Schadensersatzanspruch (contractual liability) zugesprochen wurde oder wenn es sich bei dem Geschädigten um einen Arbeitnehmer handelt, der im Rahmen seiner Erwerbstätigkeit (employment) durch nachlässiges Verhalten seines Arbeitgebers oder eines Kollegen eine Schädigung erfahren hat (vgl. s. 145 (4) Road Traffic Act 1988).230 Ob für den ausgeurteilten Schadensersatzanspruch im

Vgl. Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-074. S.  151 (2) Road Traffic Act 1988: „[S.  151 Road Traffic Act 1988] applies to judgments relating to a liability with respect to any matter where liability with respect to that matter is required to be covered by a policy of insurance under section 145 of this Act (…)“. 227  Vgl. die Legaldefinition in s. 185 (1) Road Traffic Act 1988. Der Begriff des motor vehicle in den s. 143 ff. Road Traffic Act 1988 weicht geringfügig von dem – auf EU-rechtliche Vorgaben zurückgehenden – vehicle-Begriff im Rahmen der European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 ab (hierzu auch unten unter 3. Teil B.II.3.b)). Insbesondere kommt es im Rahmen der s. 143 ff. Road Traffic Act 1988 nicht auf den gewöhnlichen Standort des Fahrzeuges an, vgl. s. 145 (3) (a) sowie s. 145 (3) (aa) Road Traffic Act 1988. 228  D.h. in England, Wales oder Schottland. 229  Allgemein hierzu: Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-007 ff.; Lowry/Rawlings, Insurance Law – Doctrines and Principles, S.  255 ff. 230  Hat der Schädiger für diese Fälle freiwillig eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen, kommt allenfalls ein Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 in Betracht, vgl. auch Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  47. 225 

226 

210

B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

Einzelfall tatsächlich Haftpflichtversicherungsschutz besteht, ist an dieser Stelle noch irrelevant.231 dd) Vorliegen von Deckungsschutz für konkrete Schadensersatzschuld Die englischen Rechtswissenschaftler entnehmen der Vorschrift des s. 151 Road Traffic Act 1988 gemeinhin eine weitere Direktanspruchsvoraussetzung. Die Entstehung des gesetzlichen Direktanspruchs setze letztlich voraus, dass der ausgeurteilte Schadensersatzanspruch in den Deckungsbereich eines wirksamen Haftpflichtversicherungsvertrages falle und der Versicherungsschutz in Ansehung dieses Anspruchs auch nicht anderweitig ausgeschlossen sei.232 Zugleich betont man jedoch, dass dieser dem s. 151 (2) (a) Road Traffic Act 1988 entnommene Grundsatz gesetzlich modifiziert werde und mannigfaltigen Ausnahmen unterliege – beispielsweise weil bestimmte Ausschlussklauseln des Haftpflichtversicherungsvertrages für unwirksam erklärt würden oder auch weil der Versicherer dem Geschädigten bestimmte Obliegenheitsverletzungen nicht entgegenhalten könne. Eine Einstandspflicht des Versicherers für den ausgeurteilten Schadensersatzanspruch könne sich sogar in Fällen eines nicht existenten Haftpflichtversicherungsvertrages ergeben, ebenso wenn der Fahrzeugführer nicht zum versicherten Personenkreis gehöre.233 Im Ausgangspunkt ist sicherlich zutreffend, dass der Kfz-Haftpflichtversicherer nach der gesetzlichen Grundkonzeption nur im Rahmen seiner Leistungspflicht aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag zur Zahlung der ausgeurteilten Schadensersatzsumme an den Geschädigten verpflichtet sein soll. S.  151 (2) (a) Road Traffic Act 1988 umschreibt dies dahingehend, dass es sich bei dem gerichtlich festgestellten Schadensersatzanspruch, der rechtskonstruktiver Anknüpfungspunkt für den Direktanspruch ist, um eine „liability covered by the terms of the policy“ handeln und sich das Schadensersatzurteil gegen eine Person richten muss „who is insured by the policy“. Zuzugeben ist sicherlich auch, dass der englische Gesetzgeber von diesem Grundsatz im Interesse eines effektiven Geschädigtenschutzes zahlreiche Ausnahmen vorgesehen hat. Richtigerweise ist jedoch die tatsächliche Deckung des ausgeurteilten Schadensersatzanspruchs durch einen wirksamen Haftpflichtversicherungsvertrag nicht als „Entstehungsvoraussetzung“ des Direktanspruchs aus s. 151 Road Traffic Act 1988 231 

Hierzu sogleich unter 3. Teil B.II.2.b).dd). Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-074; Lowry/Rawlings, Insurance Law – Doctrines and Principles, S.  263; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  31-025; vgl. ferner auch Rühl in Basedow/Fock, S.  1490 sowie Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  46. 233  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-074; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  31025; vgl. ferner Rühl in Basedow/Fock, S.  1490. 232 

II. England

211

zu charakterisieren. Vielmehr dient die Vorschrift des s. 151 (2) (a) Road Traffic Act 1988 der Herstellung einer Verknüpfung zwischen dem an das Haftpflichtverhältnis anknüpfenden Direktanspruch und dem Haftpflichtversicherungsverhältnis, mit welcher dem Direktanspruch versicherungsrechtliche Grenzen beigelegt werden. Thematisch handelt es sich hierbei um die Frage, inwieweit der Haftpflichtversicherer im Direktanspruchsverhältnis versicherungsrechtliche Einwendungen geltend machen kann. Die Materie der versicherungsrechtlichen Einwendungen gegen den gesetzlichen Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 soll indes erst an späterer Stelle eingehend untersucht werden.234 c) Auswirkungen eines bestehenden Direktanspruchs auf Schadensersatzund Haftpflichtversicherungsforderung Die Existenz des gesetzlichen Direktanspruchs aus s. 151 Road Traffic Act 1988 hat zunächst keine Auswirkungen auf den im Haftpflichtverhältnis titulierten Schadensersatzanspruch. Dem Geschädigten steht es weiterhin offen, das Schadensersatzurteil auf gewohntem Wege gegen den Schädiger zu vollstrecken. Mithin gewährt s. 151 Road Traffic Act 1988 dem geschädigten Unfallopfer lediglich eine weitere Option zur Durchsetzung des Schadensersatzurteils, von der er nach freiem Belieben Gebrauch machen kann.235 Der Direktanspruch lässt im Übrigen auch die Rechte des schädigenden Versicherungsnehmers aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag unberührt. Faktisch wird der Haftpflichtversicherer seiner Verpflichtung aus dem Versicherungsvertrag – anstatt durch Auskehr der Versicherungssumme an den Versicherungsnehmer – stets durch Auszahlung der ausgeurteilten Schadensersatzsumme an den Geschädigten nachkommen, durch welche der Versicherungsnehmer von seiner Haftpflichtverbindlichkeit befreit wird. Andernfalls drohte dem Versicherungsunternehmen nämlich weiterhin eine Inanspruchnahme durch den Geschädigten auf der Grundlage des s. 151 Road Traffic Act 1988, wenn die Weiterleitung der zunächst an den Versicherungsnehmer ausgekehrten Versicherungssumme an den Geschädigten unterbliebe.236

234 

Hierzu unten unter 3. Teil C.III.2.b). Vgl. hierzu schon oben unter 3. Teil A.II.2.b).aa). 236  Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5 -193. 235 

212

B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

3. Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 a) Anwendungsbereich Der Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 dient ausschließlich der Umsetzung von Vorgaben aus unionsrechtlichen Richtlinien, die auf die Harmonisierung des Kfz-Haftpflichtversicherungsrechts abzielen.237 Demzufolge ist der sachliche Anwendungsbereich dieses Direktanspruchs alleine auf den Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung beschränkt. Die Vorschriften der European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 gelten dabei im gesamten Vereinigten Königreich. Von dem europarechtlich vorgegebenen Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 profitieren in persönlicher Hinsicht nur solche Verkehrsunfallopfer, die ihren Wohnsitz (residence) in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) haben.238 Der englische Gesetzgeber bezeichnet diese Personengruppe als entitled parties.239 Anderen Verkehrsopfern – beispielsweise Touristen aus Übersee – bleibt für eine direkte Inanspruchnahme des Kfz-Haftpflichtversicherers allenfalls der Weg über s. 151 Road Traffic Act 1988.240 In dieser Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs liegt gerade ein wesentlicher Unterschied zu den anderen gesetzlichen Direktansprüchen des englischen Rechts, von denen potentiell alle Geschädigten profitieren. In zeitlicher Hinsicht wiederum ist der Anwendungsbereich des Direktanspruchs aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 eher großzügig. Völlig unabhängig vom Zeitpunkt des Schadensereignisses können sich Verkehrsunfallgeschädigte unmittelbar seit dem Inkrafttreten dieser Vorschrift zum 19. Januar 2003241 auf das dort normierte direkte Forderungsrecht gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer berufen.242 237 

Vgl. hierzu bereits oben unter 2. Teil C.II.3 sowie 3. Teil A.II.1.b). Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-231; Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  277; Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  49. 239  Siehe reg. 2 (1) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002. 240  Denkbar ist im Übrigen auch die Geltendmachung eines Direktanspruchs aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, sofern dessen spezielle Voraussetzungen vorliegen. 241  Vgl. reg. 1 European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002. 242  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-090; Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  277 [Fn.  972]; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  31-038. 238 

II. England

213

b) Voraussetzungen Ein Direktanspruch gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 gelangt zur Entstehung, wenn „[the] entitled party has a cause of action against an insured person in tort or (as the case may be) delict,243 and that cause of action arises out of an accident.“244 Hierbei muss der Verkehrsunfall (accident), aus welchem der Schadensersatzanspruch des Geschädigten resultiert, durch den Gebrauch (use) eines motorbetriebenen Fahrzeuges oder eines Anhängers mit regelmäßigem Standort innerhalb des Vereinigten Königreichs verursacht worden sein 245 und auf einer Straße oder an einem anderen öffentlichen Ort (public place) im Geltungsbereich des Gesetzes stattgefunden haben.246 Fraglich erscheint, ob unter den accident-Begriff auch Fälle der vorsätzlichen Unfallherbeiführung (deliberate running down cases) subsumiert werden können.247 Zweifel bestehen zumindest deshalb, weil unter einem Unfall nach allgemeinem Sprachgebrauch eher ein plötzliches und unvorhergesehenes Ereignis verstanden wird. Bei einer vorsätzlichen Unfallherbeiführung kann jedoch allenfalls aus Sicht des geschädigten Opfers, keinesfalls jedoch aus der Sicht des Schädigers von einem überraschenden Vorfall gesprochen werden. In einer sich 243 Maßgebliche Bedeutung dürfte insbesondere dem Deliktstatbestand der tort of neglicence zufallen. Ausführlich zum Haftungsrecht des Straßenverkehrs in England: Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  4 -01 ff. 244  Reg. 3 (1) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002. 245  Der in den European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 Anwendung findende Fahrzeugbegriff ist den Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien der EU entnommen (vgl. Art.  1 Nr.  1 6. KH-Richtlinie) und divergiert geringfügig von dem Fahrzeugbegriff, der in s. 143 ff. Road Traffic Act 1988 gebraucht wird (vgl. hierzu die Legaldefinition s. 185 (1) Road Traffic Act 1988). Bedeutsam ist insbesondere, dass in den European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 auch bloße Anhänger (trailer) – unabhängig von der Kopplung an eine Zugmaschine – unter den Fahrzeugbegriff zu subsumieren sind. Darüber hinaus muss das Fahrzeug seinen regelmäßigen Standort im Vereinigten Königreich haben. Für die Bestimmung des regelmäßigen Standortes eines Kfz ist nach reg. 2 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 zuvorderst dessen amtliches Kennzeichen (registration plate) heranzuziehen. Insoweit befindet sich der regelmäßige Standort eines Fahrzeuges im Territorium des das Kennzeichen ausstellenden Staates. Fehlt es ausnahmsweise an einem amtlichen Kennzeichen, so bestimmt sich der gewöhnliche Standort subsidiär nach dem dauerhaften Wohnsitz (permanently residence) des Fahrzeughalters. 246  Allgemein zu den Voraussetzungen des Direktanspruchs aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002: Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-228 ff.; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-089 ff. 247  Hierzu: Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5 -229; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-094; Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  277; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  31-038.

214

B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

mit dem Unfallbegriff auseinandersetzenden – wenn auch zu s. 151 Road Traffic Act 1988 ergangenen – Entscheidung haben die englischen Gerichte den Standpunkt eingenommen, dass aus Opferschutzgründen grundsätzlich auch eine vorsätzliche Unfallherbeiführung als accident eingestuft werden kann.248 Auf einem anderen Blatt steht jedoch, ob der Versicherer eine versicherungsrechtliche Einwendung, die sich infolge der vorsätzlichen Herbeiführung des Unfalls ergibt,249 im Direktanspruchsverhältnis geltend machen kann.250 Dies wird von der herrschenden Meinung beim gesetzlichen Direktanspruch aus den Euro­ pean Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 bejaht.251 Das Recht zur direkten Inanspruchnahme des Versicherers entsteht unmittelbar im Zeitpunkt des Verkehrsunfalls.252 Der Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 setzt nicht voraus, dass der Geschädigte bereits ein Schadensersatzurteil gegen den schädigenden Versicherungsnehmer erwirkt hat, welches dessen Haftung dem Grunde und der Höhe nach feststellt.253 Bei dem unionsrechtlich vorgegebenen Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 handelt es sich mithin um einen Direktanspruch im engeren Sinne, der die Möglichkeit eines einstufigen Vorgehens gegen den Haftpflichtversicherer einräumt.254

248  Vgl. Charlton v. Fisher [2002] Q.B. 578, 581 ff. mit abweichender Meinung des Richters Rix LJ; der in der dortigen Entscheidung maßgebliche Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag sah in seinen primären Risikobeschreibungen eine Beschränkung des Versicherungsschutzes auf „accidents“ vor. 249  Die vorsätzliche Unfallherbeiführung durch den Versicherungsnehmer verstößt jedenfalls gegen public policy, woraus unmittelbar eine Leistungsfreiheit des Versicherers im Versicherungsverhältnis resultiert, vgl. Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-056; Merkin, Insurance Law, S.  296 f. Allgemein zur Thematik der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls und dem damit verbundenden Ausschluss der Leistungspflicht des Versicherers: Samuel & Co Ltd v. Dumas [1924] A.C. 431; Beresford v. Royal Insurance Co Ltd [1938] A.C. 586; Rühl in Basedow/Fock, S.  1479 f. 250  Ausführlich zu dieser Thematik noch unten unter 3. Teil C.III.1.b).cc).(4) sowie 3. Teil C.III.2.b).bb).(2).(c). 251  Anders verhält es sich im Rahmen des Direktanspruchs aus s. 151 Road Traffic Act 1988, wo die hM davon ausgeht, dass der Versicherer im Direktanspruchsverhältnis mit einer derartigen versicherungsrechtlichen Einwendung ausgeschlossen ist. Vgl. zu der gesamten Thematik: Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-056 ff.; Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-229 und Rn.  5-234; Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  277; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  31-038. 252  Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  50. 253  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-073; Merkin, Insurance Law, S.  294. 254  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-090.

III. Vergleichende Betrachtung

215

c) Auswirkungen eines bestehenden Direktanspruchs auf Schadensersatzund Haftpflichtversicherungsforderung Der gesetzliche Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 lässt das Recht des Geschädigten zur Inanspruchnahme des Unfallverursachers unberührt, wie der Gesetzgeber explizit klargestellt hat („without prejudice to his right to issue proceedings against the insured person“). Insofern tritt der Direktanspruch gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer neben den fortbestehenden Schadensersatzanspruch aus dem Haftpflichtverhältnis. Für das geschädigte Unfallopfer besteht folglich ein Wahlrecht, wen er in Anspruch nimmt.255 Leistet der Versicherer auf den Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002, so liegt darin zugleich eine Erfüllung seiner Pflichten aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag, weil er den schädigenden Versicherungsnehmer dadurch von seiner Verbindlichkeit gegenüber dem Geschädigten befreit.

III. Vergleichende Betrachtung 1. Anwendungsbereich Im Hinblick auf den Anwendungsbereich der gesetzlichen Direktansprüche offenbart sich bereits auf den ersten Blick ein substantieller Unterschied zwischen den untersuchten Rechtsordnungen. Das englische Recht gewährt einen gesetzlichen Direktanspruch dem Grunde nach bei sämtlichen Arten der Haftpflichtversicherung. Die Einschlägigkeit der speziellen Direktanspruchsvoraussetzungen vorausgesetzt, kann ein Geschädigter mithin sowohl im Bereich der obligatorischen als auch im Rahmen der fakultativen Haftpflichtversicherung von einem direkten Forderungsrecht gegen den Haftpflichtversicherer profitieren. Neben den beiden Direktansprüchen, deren sachlicher Anwendungsbereich sich alleine auf den Bereich der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung beschränkt,256 existiert mit s. 1 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 ein Direktanspruch, der in der gesamten Haftpflichtversicherung Anwendung findet. Bemerkenswert ist dabei, dass der englische Gesetzgeber Vorschläge zur Restriktion des Anwendungsbereichs, die im Zuge der Reform des Third Parties (Rights Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-233; Colinvaux’s Law of Insur­ ance, Rn.  23-090. 256  S.  151 Road Traffic Act 1988 sowie reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002. Vgl. im Übrigen auch die gesetzlichen Direktansprüche, die sich auf den Bereich des Seehandels und der maritimen Verschmutzung beschränken (hierzu oben unter 3. Teil A.II.1.c)). 255 

216

B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

against Insurers) Act diskutiert wurden und welche unter anderem eine Beschränkung des gesetzlichen Direktanspruchs auf den Bereich der Pflichthaftpflichtversicherung vorsahen, explizit abgelehnt hat. Der deutsche Gesetzgeber war demgegenüber im Hinblick auf den Anwendungsbereich des gesetzlichen Direktanspruchs deutlich zurückhaltender und hat lediglich für das Gebiet der Pflichthaftpflichtversicherungen ein direktes Forderungsrecht des Geschädigten gegen den Versicherer statuiert. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der in England im Bereich der freiwilligen Haftpflichtversicherung gewährte Direktanspruch in erster Linie dazu dient, den Geschädigten in der Insolvenz des Schädigers zu schützen. Diese Schutzfunktion fällt in Deutschland in der freiwilligen Haftpflichtversicherung dem Absonderungsrecht an der Haftpflichtversicherungsforderung zu (§  110 VVG).257 Zwar vermittelt dieses Absonderungsrecht dem Geschädigten kein eigenes Forderungsrecht gegen den Versicherer, es räumt ihm jedoch in entsprechender Anwendung des §  1282 BGB zumindest eine Einziehungsbefugnis an der – weiterhin dem Schädiger zustehenden – Haftpflichtversicherungsforderung ein. Gleichwohl liegt im Absonderungsrecht nach §  110 VVG kein gleichwertiges Äquivalent zum Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. Vielmehr stellt sich die Situation für einen Geschädigten, der sich im Bereich der freiwilligen Haftpflichtversicherung mit einem insolventen Schädiger konfrontiert sieht, in England de lege lata günstiger dar. Denn während in Deutschland die Realisierung des insolvenzrechtlichen Absonderungsrechts gegenüber dem Versicherer zwingend die vorherige Feststellung des Schadensersatzanspruchs im Haftpflichtverhältnis voraussetzt, wird dem Geschädigten in England mit dem Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 die Möglichkeit des unkomplizierten einstufigen Vorgehens gegen den Haftpflichtversicherer eröffnet.258 Sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede zeigen sich in den Vergleichsrechtsordnungen im Hinblick auf die Beantwortung der Frage, ob ein gesetzlicher Direktanspruch gegen den Versicherer auch in anderen Versicherungssparten zu gewähren ist, in denen der Versicherungsnehmer mit dem Ver257  Streng genommen besteht das insolvenzrechtliche Absonderungsrecht nach §  110 VVG auch im Bereich der Pflichthaftpflichtversicherung, dort erlangt es aber regelmäßig keinerlei rechtspraktische Bedeutung, weil dem Geschädigten zugleich ein gesetzlicher Direktanspruch nach §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  2 VVG zusteht (vgl. auch Littbarski in MüKoVVG, §  110 Rn.  11). 258  Anders war dies bislang unter Geltung des Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930, der einen Direktanspruch im weiteren Sinne beinhaltete, dessen Durchsetzbarkeit ebenfalls durch eine vorherige verbindliche Feststellung des Schadensersatzanspruchs im Haftpflichtverhältnis bedingt war.

III. Vergleichende Betrachtung

217

sicherungsvertrag die Absicherung gegen finanzielle Belastungen erstrebt, welche aus freiwillig eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen und gerade nicht aus einem Schadensersatzanspruch resultieren.259 Gemein ist den untersuchten Rechtsordnungen zunächst, dass jedenfalls im Bereich der Rückversicherung (reinsurance) kein gesetzlicher Direktanspruch besteht und der Erstversicherungsnehmer nicht direkt gegen den Rückversicherer vorgehen kann. Den Parteien des Rückversicherungsvertrages bleibt es allerdings unbenommen, dem Erstversicherungsnehmer im Wege eines Vertrages zugunsten Dritter einen rechtsgeschäftlichen Direktanspruch einzuräumen (sog. cut-throughKlau­sel). Jenseits des Bereichs der Rückversicherung zeigt sich indes ein elementarer Unterschied in den betrachteten Rechtsordnungen. Der englische Gesetzgeber hat insoweit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass der Anwendungsbereich des Direktanspruchs aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 eine Ausdehnung auf andere Versicherungssparten erfährt.260 Mithin gehen in England auch die Ansprüche aus solchen Versicherungsverträgen kraft Gesetzes auf einen vertraglichen Gläubiger über, welche den nunmehr insolventen Versicherungsnehmer vor den finanziellen Folgen einer freiwillig begründeten vertraglichen Verbindlichkeit schützen sollen (voluntarily-incurred liabilities). Die konkrete Versicherungsforderung wird hierdurch der allgemeinen Insolvenzmasse des Versicherungsnehmers entzogen und dient im Ergebnis der bevorzugten Befriedigung eines vertraglichen Gläubigers. In Deutschland hingegen ist der gesetzliche Direktanspruch aus §  115 VVG strikt auf den Versicherungszweig der Haftpflichtversicherung beschränkt und auch dessen analoge Anwendung auf andere Versicherungssparten wird in Ermangelung einer planwidrigen Regelungslücke zutreffenderweise abgelehnt.261 Nach in Deutschland geltender Rechtslage tragen vertragliche Gläubiger somit auch dann das allgemeine Insolvenzrisiko ihrer Schuldner, wenn diese hinsichtlich der Forderungen Versicherungsschutz genießen sollten. Im Insolvenzfalle müssen sich die Gläubiger daher im Zweifel mit einer bloß quotalen Befriedigung ihrer Forderungen begnügen.262 Vor diesem Hintergrund eröffnet sich freilich zwangsläufig die rechtspolitische Frage, ob die in England vorgesehene Ausweitung des Anwendungsbe259 

Z. B. Rechtsschutzversicherung, private Krankenversicherung, Kfz-Kaskoversicherung, Rückversicherung. 260  S.  16 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. 261  Alleine bei der Krankheitskostenversicherung im Basistarif der privaten Krankenversicherer ist nach §  192 Abs.  7 VVG ein eigenständiger spezialgesetzlicher Direktanspruch zugunsten des Leistungserbringers einer Heilbehandlung vorgesehen. 262  Auch ein – dem §  110 VVG vergleichbares – insolvenzrechtliches Absonderungsrecht an der Versicherungsforderung zugunsten des Gläubigers existiert de lege lata nicht.

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B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

reichs des gesetzlichen Direktanspruchs auf andere Versicherungssparten – zumindest im Falle der Insolvenz des Versicherungsnehmers – als Modell für das deutsche Recht dienen könnte. Abstrakter formuliert geht es um die Frage, ob dem vertraglichen Gläubiger des Versicherungsnehmers in dessen Insolvenz eine Bevorrechtigung an der Versicherungsleistung zugestanden werden sollte. Eine solche Bevorrechtigung ließe sich dabei entweder durch Einräumung eines – dem §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  2 VVG nachempfundenen – gesetzlichen Direktanspruchs gegen den Versicherer oder aber auch durch Gewährung eines insolvenzrechtlichen Absonderungsrechts am Versicherungsanspruch realisieren. Im Ergebnis sprechen die besseren Argumente gegen eine Vorbildfunktion des englischen Rechts. Die für den Fall der Insolvenz des Versicherungsnehmers erfolgende Einräumung eines gesetzlichen Direktanspruchs respektive die Gewährung eines insolvenzrechtlichen Absonderungsrechts tritt stets in ein Spannungsverhältnis zur insolvenzrechtlichen Maxime der Gläubigergleichbehandlung (par conditio creditorum). Im Rahmen der Haftpflichtversicherung findet die Durchbrechung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes ihre Rechtfertigung in der besonderen Schutzbedürftigkeit des Dritten, der eine Schädigung durch eine nicht selten unbekannte Person erlitten hat (Sozialbindung der Haftpflichtversicherung). Einem vertraglichen Gläubiger des Versicherungsnehmers ist demgegenüber kein gesteigertes Schutzbedürfnis zu attestieren, welches eine Ausnahme vom Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung legitimieren würde. Eine geringere Schutzbedürftigkeit vertraglicher Gläubiger zeigt sich zunächst darin, dass deren Forderungen in der Höhe regelmäßig überschaubar sind, wohingegen Schadensersatzansprüche sehr leicht exorbitante Größenordnungen annehmen können. Mitunter ist ohne einen umfassenden Schadensausgleich gar die wirtschaftliche Existenz des Geschädigten gefährdet. Des Weiteren bleibt zu berücksichtigen, dass ein vertraglicher Gläubiger regelmäßig aus freien Stücken mit dem Versicherungsnehmer kontrahiert hat, über dessen Bonität er sich vor dem Vertragsschluss hätte vergewissern können. Generell entspricht es in Vertragsverhältnissen der Billigkeit, jede Vertragspartei das allgemeine Insolvenzrisiko des selbst ausgewählten Vertragspartners tragen zu lassen. Dahingegen erschließt sich nicht, weshalb der vertragliche Leistungserbringer von dem eher zufälligen Umstand bestehenden Versicherungsschutzes bei seinem Schuldner profitieren sollte, zumal die entsprechenden Versicherungen im Unterschied zur „sozialen Haftpflichtversicherung“ regelmäßig keine explizit drittschützende Dimension aufweisen. Soweit dagegen eingewandt wird, es sei ungerecht, andere Gläubiger des Versicherungsnehmers von den Versicherungsleistungen profitieren zu lassen, welche doch überhaupt erst durch die Tätigkeit

III. Vergleichende Betrachtung

219

des Rechtsanwalts bzw. des Heilbehandelnden fällig wurden,263 so ist dem zu entgegnen, dass in der quotenmäßigen Beteiligung sämtlicher Gläubiger an der Versicherungsleistung lediglich ein adäquater Ausgleich dafür liegt, dass die Versicherungsprämien ihrerseits aus dem allgemeinen Vermögen des Versicherungsnehmers und somit potentiell zulasten aller seiner Gläubiger bestritten wurden. Zu guter Letzt war die Ausweitung des Anwendungsbereichs des gesetzlichen Direktanspruchs in England auch der Besorgnis geschuldet, dass andernfalls wirtschaftlich bedürftige oder gar mittellose Personen, denen im Einzelfall keine Prozesskostenhilfe (legal aid) nach den eher restriktiven Vorschriften des Access to Justice Act 1999264 zusteht, die Rechtsschutzversicherung als taugliches Instrument der Prozessfinanzierung verlieren könnten. Der englische Gesetzgeber wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich bei solchen Personen trotz bestehender Rechtsschutzversicherung kaum ein Rechtsanwalt zur Mandatsübernahme bereiterklären werde, wenn er im Insolvenzfalle allenfalls mit einer quotalen Befriedigung seiner Honorarforderung rechnen dürfe. Ungünstigenfalls drohe mittellosen Personen gar eine Vereitelung des Rechtsschutzes. Eine solche Argumentationsweise verfängt in Deutschland freilich von vornherein nicht, da bedürftigen Personen hier bereits durch das System der Prozesskostenhilfe (§§  114 ff. ZPO) der Zugang zu den Gerichten effektiv gewährleistet wird. Jedenfalls bedarf es in Deutschland keiner Bevorrechtigung eines Rechtsanwalts an einer Rechtsschutzversicherungsforderung, um mittellosen Personen die Rechtsschutzversicherung als Mittel der Prozessfinanzierung zu erhalten und einer Zugangsvereitelung zu den Gerichten entgegenzuwirken.

2. Entstehungsvoraussetzungen In beiden untersuchten Rechtsordnungen wird ein gesetzlicher Direktanspruch prinzipiell nur unter einschränkenden Voraussetzungen gewährt. Insofern begegnet das direkte Forderungsrecht des Geschädigten gegen den Versicherer in Deutschland wie in England vorrangig in der Gestalt eines sog. begrenzten Direktanspruchs,265 was dessen Ausnahmecharakter unterstreicht. Die Situationen, in welchen ein gesetzlicher Direktanspruch eingeräumt wird, sind dabei jeweils erschöpfend in Katalogtatbeständen niedergelegt, die einer analogen Anwendung nicht zugänglich sind. Sie zeichnen sich im Wesentlichen durch eine besondere Schutzbedürftigkeit des Geschädigten aus, wobei als prominen263 

So die Argumentation in England, hierzu oben unter 3. Teil B.II.1.a).bb). Siehe nunmehr den Legal Aid, Sentencing and Punishment of Offenders Act 2012. 265  Zum Begriff des „begrenzten Direktanspruchs“ – insbesondere in Abgrenzung zum „allgemeinen Direktanspruch“ – siehe oben unter 2. Teil B.V.2. 264 

220

B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

tes Beispiel länderübergreifend die Insolvenz des schädigenden Versicherungsnehmers genannt werden kann. Demgegenüber hat man im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit in beiden Ländern von einer bloß generalklauselartigen Umschreibung der Entstehungsvoraussetzungen Abstand genommen. Ganz allgemein waren die Gesetzgeber darum bemüht, den Direktanspruch tatbestandlich möglichst an hinreichend klare und rechtssicher handhabbare Merkmale anzuknüpfen. Einen „allgemeinen Direktanspruch“, der unmittelbar nach dem Schädigungsereignis ohne weitere Voraussetzungen zur Entstehung gelangt und welcher die Direktabwicklung als gesetzliches Leitbild der Schadensregulierung ausweist, kennen sowohl das deutsche als auch das englische Recht lediglich im Bereich der unionsrechtlich präformierten Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung. In England ergibt sich jedoch die historisch gewachsene Besonderheit, dass im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung – neben dem auf den unionsrechtlichen Vorgaben basierenden allgemeinen Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 – zusätzlich ein begrenzter, an zusätzliche Bedingungen geknüpfter Direktanspruch gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer existiert.266 Beleuchtet man näher die konkreten Situationen, in welchen dem Geschädigten in den Vergleichsrechtsordnungen ein begrenzter gesetzlicher Direktanspruch eingeräumt wird, so offenbart sich als zentrale Gemeinsamkeit die tatbestandliche Anknüpfung an die Insolvenz des schädigenden Versicherungsnehmers, welche eine umfassende Schadenskompensation des Geschädigten durch seinen Schädiger als erheblich gefährdet erscheinen lässt und nach Auffassung der nationalen Gesetzgeber eine besondere Schutzbedürftigkeit des Schädigungsopfers begründet.267 Als entscheidender Faktor für die Entstehung des gesetzlichen Direktanspruchs fungiert dabei jeweils eine unschwer feststellbare förmliche Entscheidung des Insolvenzgerichts (z. B. Insolvenzeröffnungsbeschluss / bankruptcy order / winding-up order), nicht ausreichend ist hingegen das bloß objektive Vorliegen der Insolvenzeröffnungsvoraussetzungen.268 Frei266  Siehe s. 151 Road Traffic Act 1988, wo für die Entstehung des Direktanspruchs unter anderem die Existenz eines Schadensersatzurteils im Haftpflichtverhältnis gefordert wird. 267  Aufgrund der speziellen Charakteristik des englischen Insolvenzrechts bedarf es hierbei in England – insbesondere wegen der Einschlägigkeit unterschiedlicher Rechtsgrundlagen – einer strengen Differenzierung zwischen der Insolvenz natürlicher Personen (individuals) auf der einen sowie der Insolvenz von Gesellschaften auf der anderen Seite. In Deutschland sind hingegen die Vorschriften der Insolvenzordnung (InsO) für beide Arten von Rechtsubjekten anwendbar, so dass es insoweit auch im Rahmen des gesetzlichen Direktanspruchs keiner Differenzierung bedarf. 268  In Deutschland lässt zudem auch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters den gesetzlichen Direktanspruch entstehen. Das englische Recht hingegen differenziert an dieser Stelle wenig überzeugend zwischen der Insolvenz natürlicher Personen und der Insol-

III. Vergleichende Betrachtung

221

lich steht es Geschädigten in beiden Rechtsordnungen grundsätzlich offen, durch Stellung eines Insolvenzantrags (bankruptcy petition / winding-up peti­ tion) eine insolvenzgerichtliche Entscheidung zu erzwingen und somit durch eigene Initiative die Direktanspruchsvoraussetzungen herbeizuführen. In England begründen darüber hinaus auch gewisse Situationen im Vorfeld einer förmlichen Insolvenz einen gesetzlichen Direktanspruch. Für die Entstehung des Direktanspruchs ist es dabei allerdings nicht ausreichend, dass sich der schädigende Versicherungsnehmer schlicht in einer wirtschaftlich schlechten Lage befindet oder seine Zahlungsverpflichtungen nicht bzw. nicht mehr rechtzeitig bedienen kann, vielmehr knüpft der englische Gesetzgeber für die Direkt­ anspruchsbegründung an bestimmte, gesetzlich genau umschriebene Verfahren an, mit denen das englische Recht – ganz im Sinne der das englische Insolvenzrecht prädominierenden rescue culture – finanziell angeschlagenen Rechtssubjekten die Abwendung oder zumindest zeitliche Hinauszögerung eines förmlichen Insolvenzverfahrens ermöglichen möchte.269 Diese in England vorgesehene Vorverlagerung des gesetzlichen Direktanspruchs in eine vorinsolvenzliche Phase findet in Deutschland keine Entsprechung, insbesondere wird eine analoge Anwendung des §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  2 VVG auf die Fälle einer „wirtschaftlichen Krise“ beim Versicherungsnehmer abgelehnt. In beiden Rechtsordnungen wird ein gesetzlicher Direktanspruch darüber hinaus auch in ausgewählten Situationen gewährt, die keinerlei insolvenzrechtlichen Bezüge aufweisen – und dies sogar jenseits des Bereichs der Kfz-Haftpflichtversicherung. Für das diesbezüglich großzügigere englische Recht kann exemplarisch die Abwicklung einer solventen Gesellschaft im Wege des members’ voluntary winding-up oder auch der schlichte Umstand der Auflösung (dissolution) einer Gesellschaft ohne vorangegangenes Insolvenzverfahren genannt werden.270 In Deutschland ist eine Lösung des gesetzlichen Direktanspruchs von der finanziellen Situation des Versicherungsnehmers alleine in der Vorschrift des §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  3 VVG vorgesehen, wonach eine direkte Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers bei unbekanntem Aufenthalt des schädigenden Versicherungsnehmers möglich ist. Es konnte jedoch gezeigt wervenz von Gesellschaften; während die Bestellung eines provisional liquidator im Vorfeld des compulsory winding-up einer Gesellschaft (vgl. s. 135 Insolvency Act 1986) ebenfalls einen gesetzlichen Direktanspruch begründet, ist für den Fall der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters bei der Insolvenz natürlicher Personen kein gesetzlicher Übergang der Haftpflichtversicherungsforderung auf den Geschädigten vorgesehen. 269  Z. B. Individual Voluntary Arrangement (IVA), Company Voluntary Arrangement (CVA). 270  Ein weiteres Beispiel liegt in der Vereinbarung eines außergerichtlichen Vergleichs nach dem Companies Act 2006, sofern der Vergleich dabei als primär gesellschaftsrechtliche Maßnahme fernab jeglicher Insolvenzreife geschlossen wird.

222

B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

den, dass an der Praxistauglichkeit dieser Fallgruppe nicht unerhebliche Bedenken bestehen. Bezeichnenderweise hat der englische Gesetzgeber seinerseits in bewusster Entscheidung davon abgesehen, die Unauffindbarkeit des Versicherungsnehmers als tatbestandlichen Anknüpfungspunkt eines gesetzlichen Direktanspruchs zu wählen. Die begrenzten Direktansprüche in den untersuchten Rechtsordnungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie tatbestandlich an mutable Umstände anknüpfen, die grundsätzlich jederzeit Veränderungen erfahren können.271 Beide Gesetzgeber waren daher zwangsläufig mit der Frage des maßgeblichen Zeitpunkts für das Vorliegen der Direktanspruchsvoraussetzungen sowie mit der Problematik des Wegfalls der Voraussetzungen vor der endgültigen Realisierung des Direktanspruchs konfrontiert. Erstaunlicherweise hat jedoch nur der englische Gesetzgeber hierauf eine ausdrückliche gesetzliche Antwort gegeben. In Deutschland blieb die Beantwortung der Frage hingegen der Rechtslehre vorbehalten. Hinsichtlich des Zeitpunkts, zu welchem die Direktanspruchsvoraussetzungen erstmals vorliegen müssen, verfolgt man in Deutschland wie auch in England einen denkbar weiten Ansatz. Danach ist es in beiden Ländern irrelevant, ob die speziellen Voraussetzungen des gesetzlichen Direktanspruchs bereits im Zeitpunkt des Schädigungsereignisses vorliegen oder ob diese erst nachträglich eintreten. Entweder gelangt der Direktanspruch zeitgleich mit dem Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger zur Entstehung oder er folgt diesem in der Entstehung zeitlich nach. Unterschiedliche Ansätze existieren in den betrachteten Ländern, soweit es um die rechtliche Behandlung des späteren Wegfalls der Direktanspruchsvoraussetzungen vor der endgültigen Realisierung des Direktanspruchs geht. Während ein Wegfall der speziellen Direktanspruchsvoraussetzungen in Deutschland zum Erlöschen des Direktanspruchs führt und folgerichtig die Passivlegitimation des Haftpflichtversicherers entfallen lässt, zeitigt ein Wegfall der Voraussetzungen in England zunächst einmal keine Auswirkungen auf die erfolgte Legalzession der Haftpflichtversicherungsforderung, so dass der Direktanspruch einstweilen fortbesteht.272 Abgemildert wird das Ergebnis für einen Geschädigten in Deutschland freilich dadurch, dass das Entfallen der Passivlegitimation des Haftpflichtversicherers 271 

Z. B. Aufhebung eines eröffneten Insolvenzverfahrens; Wiederherstellung einer aufgelösten Gesellschaft; Wiederauftauchen eines zwischenzeitlich unauffindbaren Versicherungsnehmers. 272  Allerdings eröffnet nunmehr s. 19 (3) (b) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 die Möglichkeit, im Wege der delegated legislation die Rückübertragung (re-transfer) der Versicherungsforderung für den Fall vorzusehen, dass die speziellen Direktanspruchsvoraussetzungen nachträglich wieder wegfallen. Von dieser Möglichkeit wurde jedoch bislang kein Gebrauch gemacht.

III. Vergleichende Betrachtung

223

keine Auswirkungen auf die Erfolgsaussichten solcher Direktprozesse hat, die zum Zeitpunkt des Wegfalls der Voraussetzungen bereits rechtshängig waren (§§  253 Abs.  1, 261 Abs.  1 ZPO).

3. Würdigung und Stellungnahme Der hinsichtlich des Anwendungsbereichs und der Entstehungsvoraussetzungen der gesetzlichen Direktansprüche durchgeführte Rechtsvergleich führt zu dem Befund, dass sich der englische Gesetzgeber aus Geschädigtenperspektive insgesamt weitherziger zeigt und in größerem Umfang einen direkten Anspruch gegen den Versicherer gewährt.273 Besonders deutlich zeigt sich dies zunächst darin, dass das englische Recht einen gesetzlichen Direktanspruch nicht nur im Bereich der Pflichthaftpflichtversicherungen, sondern vielmehr im gesamten Haftpflichtversicherungsbereich vorsieht. In Deutschland beschränkt sich der sachliche Anwendungsbereich des gesetzlichen Direktanspruchs hingegen alleine auf die obligatorischen Haftpflichtversicherungen. Im Hinblick auf die Entstehungsvoraussetzungen eines gesetzlichen Direktanspruchs kann wiederum konstatiert werden, dass zwar beide Rechtsordnungen aus Geschädigtensicht nicht sonderlich großzügig verfahren, was – jenseits des Bereichs der unionsrechtlich beeinflussten Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung – in der Dominanz der begrenzten Direktansprüche deutlich wird. Allein in der Tendenz räumt jedoch auch hier das englische Recht in zahlreicheren Fallkonstellationen einen gesetzlichen Direktanspruch zugunsten des Geschädigten ein, wobei sicherlich die Vorverlagerung des Direktanspruchs in eine vorinsolvenzliche Phase besondere Beachtung verdient. De lege ferenda wäre es in Anbetracht der mit einem gesetzlichen Direktanspruch für alle Beteiligten verbundenden Vorteile274 wünschenswert, wenn auch der deutsche Gesetzgeber seine Zurückhaltung ablegen und dem gesetzlichen Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer insgesamt mehr Raum zugestehen würde. In erster Linie sollte insofern die im Zuge der VVG-Reform 2008 bedauerlicherweise auf Druck der Versicherungslobby vorgenommene Rückführung des Direktanspruchs auf „die unter Verbraucherschutzgesichtspunkten wesentlichen Problembereiche“ korrigiert und zumindest bei sämtlichen Pflichthaftpflichtversicherungen ein allgemeiner, nicht an weitere Bedingungen geknüpfter Direktanspruch gewährt werden. Hierdurch würde man sich 273  Freilich sei an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine endgültige Aussage über den Grad des Geschädigtenschutzes, welcher durch einen gesetzlichen Direktanspruch vermittelt wird, erst nach Erörterung des Umfangs zulässiger Einwendungen des Versicherers getroffen werden kann; hierzu sogleich unter 3. Teil C. 274  Zu diesen Vorteilen ausführlich oben unter 2. Teil B.III.2.b).

224

B. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

sodann wohltuend vom englischen Recht abheben, wo bei Pflichthaftpflichtversicherungen bislang grundsätzlich nur ein begrenzter Direktanspruch normiert ist.275 Daneben bliebe ganz generell zu erwägen, die regelmäßig zeit- und kostenschonende Direktabwicklung von Schadensfällen zwischen Geschädigtem und Haftpflichtversicherer zum gesetzlichen Leitbild zu erheben und dementsprechend für den gesamten Haftpflichtversicherungsbereich einen allgemeinen Direktanspruch zu normieren. Im Mindesten sollte jedoch der für den Fall der Insolvenz des Versicherungsnehmers vorgesehene gesetzliche Direktanspruch (vgl. §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  2 VVG) eine Ausweitung auf den Bereich der freiwilligen Haftpflichtversicherung erfahren. Hiermit ginge zugleich ein Bedeutungsverlust des insolvenzrechtlichen Absonderungsrechts nach §  110 VVG einher, welches dem Geschädigten im Zweifel ein umständlicheres zweistufiges Vorgehen abverlangt. Dadurch würde das deutsche Recht hinsichtlich des Geschädigtenschutzniveaus mit dem englischen Recht gleichziehen, wo einem geschädigten Dritten seit der Novellierung des Third Parties (Rights against Insurers) Act im Bereich der freiwilligen Haftpflichtversicherung ein Direktanspruch im engeren Sinne zugestanden wird, sollte sich der schädigende Versicherungsnehmer als insolvent erweisen. Keine Vorbildfunktion für das deutsche Recht ist indes der in England vorgesehenen Ausdehnung des Anwendungsbereichs des gesetzlichen Direktanspruchs auf andere Versicherungssparten beizumessen.

275 

Einen allgemeinen Direktanspruch kennt das englische Recht lediglich ausnahmsweise im Rahmen der pflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung (reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002).

C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche Im nachfolgenden Abschnitt soll herausgearbeitet werden, ob und inwieweit sich der Haftpflichtversicherer in den untersuchten Rechtsordnungen seiner Inanspruchnahme aus dem gesetzlichen Direktanspruch durch Berufung auf Einwendungen erwehren kann. Es mag hierbei kaum verwundern, dass die Werthaltigkeit eines gesetzlichen Direktanspruchs für den geschädigten Dritten umso geringer ausfällt, je umfangreicher eine Rechtsordnung dem Versicherer die Geltendmachung von Einwendungen zur Abwendung seiner Leistungspflicht gegenüber dem Geschädigten gestattet. Sehr umfassende Einwendungsmöglichkeiten konfligieren insoweit mit dem durch den Direktanspruch intendierten sozialen Drittschutz. Auf der anderen Seite ist das berechtigte Interesse des Haftpflichtversicherers zu berücksichtigen, nicht grenzenlos für die Folgen des von seinem Versicherungsnehmer verursachten Schadensereignisses einstehen zu müssen. Ein besonderes Anliegen ist dem Haftpflichtversicherer regelmäßig die Berufung auf die Grenzen des Versicherungsvertragsverhältnisses mit der dort zugesagten Haftungsübernahme, welche nicht zuletzt die Grundlage für die betriebswirtschaftlich bedeutsame Prämienkalkulation bildete.1 Das skizzierte Spannungsfeld im Hinblick auf mögliche Einwendungen gegen den gesetzlichen Direktanspruch gilt es von den nationalen Gesetzgebern im Wege einer Interessenabwägung aufzulösen. Hierbei unterliegen die Gesetzgeber im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung aufgrund völker- und unionsrechtlicher Vorgaben gewissen Gestaltungsgrenzen.2 Ganz allgemein lassen sich drei verschiedene Arten potentieller Einwendungen des Haftpflichtversicherers unterscheiden.3 Denkbar ist zunächst, dass der 1  Virulent wird dies, soweit das Haftungs- und das Versicherungsvertragsverhältnis auseinanderlaufen – und zwar entweder weil der Versicherer nach den Bestimmungen des Versicherungsvertrages in Ansehung des konkreten Schadensfalles nicht zur Erbringung der Versicherungsleistung verpflichtet ist oder aber weil überhaupt kein wirksamer Haftpflichtversicherungsvertrag existiert, vgl. Franck, Direktanspruch, S.  140. 2  Hierzu sogleich unter 3. Teil C.I. 3  Vgl. auch Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  169 f.; Vogt, Direktansprüche, S.  33 f.

226

C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

Versicherer dem Geschädigten sog. schadensrechtliche Einwendungen entgegenhält. Hierbei handelt es sich um Einwendungen, die dem Haftpflichtverhältnis zwischen dem geschädigten Dritten und dem Schädiger entspringen und welche sich gegen die Schadensersatzhaftung als solche richten.4 Des Weiteren kommen sog. versicherungsrechtliche Einwendungen in Betracht, die sich aus dem Versicherungsverhältnis zwischen dem Haftpflichtversicherer und dem schädigenden Versicherungsnehmer ergeben. Vorstellbar ist dabei unter anderem der Einwand, dass der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch nicht der versicherten Gefahr unterfällt, fernerhin der Einwand der Leistungsfreiheit aufgrund der Nichtzahlung der Versicherungsprämie oder auch aufgrund einer Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers.5 Letztlich können Einwendungen zugunsten des Haftpflichtversicherers auch originär aus dem gesetzlichen Direktanspruchsverhältnis zum geschädigten Dritten herzuleiten sein – insbesondere wenn der Gesetzgeber dem Geschädigten eigenständige Informations- oder Mitwirkungsobliegenheiten gegenüber dem Versicherer auferlegt hat und deren Verletzung mit einer Leistungsfreiheit des Versicherers im Hinblick auf den Direktanspruch sanktioniert.6 Als für den Geschädigten ausnehmend gefährlich erweisen sich insbesondere die sog. versicherungsrechtlichen Einwendungen – schließlich entspringen diese einer Rechtsbeziehung, an welcher der Geschädigte nicht selbst beteiligt ist und auf welche er somit keinen Einfluss nehmen kann. Stehen dem Versicherer auch im Direktanspruchsverhältnis versicherungsrechtliche Einwendungen zu, so ist der Drittgeschädigte letztlich auf ein Wohlverhalten des schädigenden Versicherungsnehmers im Haftpflichtversicherungsverhältnis angewiesen. Insbesondere bei finanziell angeschlagenen Versicherungsnehmern ist jedoch die Erfüllung der versicherungsvertraglichen Pflichten und Obliegenheiten oftmals nur unzulänglich.7 Der Geschädigte droht seinen Direktanspruch daher gerade in Fällen einer erhöhten Schutzbedürftigkeit zu verlieren. Die Frage, ob versicherungsrechtliche Einwendungen gegenüber dem Geschädigten Wirkung entfalten, wird daher mitunter auch als „wirtschaftlich bedeutsamste Frage des Direktanspruchs“8 bezeichnet.

Franck, Direktanspruch, S.  182; Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  169. Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  169. 6  Vogt, Direktansprüche, S.  47. 7  Hedderich, Pflichtversicherung, S.  280 f. weist überdies auf den Umstand hin, dass die mangelnde unmittelbare und damit „sichtbare“ Teilhabe an der Haftpflichtversicherungs­ leistung die Nachlässigkeit des Versicherungsnehmers im Deckungsverhältnis befördern könnte. 8 So Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  172. 4  5 

I. Leitlinien aus völkerrechtlichen Vereinbarungen und aus dem Unionsrecht

227

I. Leitlinien aus völkerrechtlichen Vereinbarungen und aus dem Unionsrecht Die von den nationalen Gesetzgebern zu treffende Entscheidung, ob und inwieweit Einwendungen des Haftpflichtversicherers gegen den gesetzlichen Direktanspruch gestattet sein sollen, ist partiell durch inter- bzw. supranationales Recht determiniert. Sollen die nationalen Regelungen nicht dem Verdikt der Völker- respektive Unionsrechtswidrigkeit unterfallen, dürfen die nationalen Gesetzgeber alleine in dem ihnen durch diese übergeordneten Rechtsvorschriften belassenen Regulierungsspielraum rechtsgestaltend tätig werden.9 Im Folgenden soll daher zunächst ein konziser Überblick über die maßgeblichen Vorgaben des Völker- und Unionsrechts gegeben werden. Bislang beschränken sich die inter- und supranationalen Vorgaben hinsichtlich der Zulässigkeit von Einwendungen auf den Bereich der obligatorischen Kfz-Haftpflichtversicherung. Zudem beschäftigen sie sich alleine mit der Frage, inwieweit versicherungsrechtliche Einwendungen auf den Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruch durchschlagen dürfen.

1. Völkerrechtliche Vorgaben Auf völkerrechtlicher Ebene von Bedeutung ist das auf die Initiative des Europarates zurückgehende Europäische Übereinkommen über die obligatorische Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge vom 20. April 1959 (sog. Straßburger Übereinkommen), dessen maßgebliche Zielsetzung in der Gewährleistung eines grenzüberschreitenden Mindestschutzes für Kfz-Unfallgeschädigte liegt.10 Von den im Rahmen dieser Abhandlung in den Blick genommenen Ländern ist das Straßburger Übereinkommen alleine für Deutschland rechtsverbindlich geworden. England hingegen hat das Übereinkommen nicht ratifiziert.11 Inhaltlich gibt das Straßburger Übereinkommen den Vertragsstaaten die Einführung einer Kfz-Haftpflichtversicherungspflicht für durch den Fahrzeuggebrauch verursachte Personen- und Sachschäden auf (Art.  1 Abs.  1 iVm Art.  3 Franck, Direktanspruch, S.  62. Lemor in Feyock/Jacobsen/Lemor, Europarechtliche Grundlagen Rn.  9; Franck, Direktanspruch, S.  63. 11  Ganz allgemein wurde das Straßburger Übereinkommen nur von wenigen europäischen Staaten unterzeichnet. Angesichts der gesamteuropäisch betrachtet geringeren rechtspraktischen Relevanz liegt die eigentliche Leistung des Straßburger Übereinkommens denn auch eher die Wegbereitung späterer Harmonisierungsmaßnahmen im Bereich der KfzPflicht­haftpflichtversicherung auf der Ebene der Europäischen Union, vgl. Franck, Direktanspruch, S.  63; Lemor in Feyock/Jacobsen/Lemor, Europarechtliche Grundlagen Rn.  5, 10; Lenzing in Basedow/Fock, S.  149 f. 9 

10 

228

C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

Anhang I), ebenso die Einführung eines gesetzlichen Direktanspruchs zugunsten des Unfallgeschädigten (Art.  6 Abs.  1 Anhang I). Zur Frage der zulässigen Einwendungen gegen den Direktanspruch verhält sich das Straßburger Übereinkommen in Art.  9 Anhang I. Dort ist zunächst normiert, dass der Versicherer etwaige vertraglich oder auch gesetzlich begründete Rechte zur Verweigerung oder Herabsetzung seiner Leistungen, die ihm gegenüber seinem Versicherungsnehmer zustehen, der geschädigten Person grundsätzlich nicht entgegenhalten kann (Art.  9 Abs.  1 Anhang I).12 Insoweit ordnet das Straßburger Übereinkommen im Ausgangspunkt einen aus Sicht des Geschädigtenschutzes überaus vorbildlichen umfassenden Ausschluss versicherungsrechtlicher Einwendungen an. Fernerhin sieht Art.  9 Abs.  2 Anhang I des Übereinkommens eine 16-tägige Nachhaftung des Versicherers für den Fall der Nichtigkeit oder zwischenzeitlichen Beendigung des Haftpflichtversicherungsvertrages vor. Letztlich ist den Vertragsstaaten nach Art.  9 Abs.  1 des Übereinkommens die Errichtung eines Geschädigten-Entschädigungsfonds aufgegeben, welcher die Schadenskompensation beim Unfallgeschädigten auch in solchen Fällen sicherstellen soll, in welchen es trotz bestehender Versicherungspflicht an einer Kfz-Haftpflichtversicherung mangelt oder aber der Haftpflichtige nicht ausfindig zu machen ist.13 Zu beachten ist jedoch, dass Deutschland im Hinblick auf den Einwendungsausschluss mehrere nach Art.  3 Abs.  1 iVm Anhang II zulässige Vorbehalte erklärt hat und insoweit keiner Bindung durch das völkerrechtliche Straßburger Übereinkommen unterliegt.14 In der Konsequenz kann im deutschen Recht unter anderem vorgesehen werden,15 dass sich der Versicherer im Falle der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls auch dem Geschädigten gegenüber auf Leistungsfreiheit berufen kann (Nr.  3 Anhang II). Der deutsche Gesetzgeber darf ferner die Haftung des Versicherers gegenüber solchen Geschädigten vollumfänglich ausschließen, die sich trotz Kenntnis um die unerlaubte Benutzung des Kfz durch den Fahrer in diesem haben transportieren lassen (Nr.  8 Anhang II). Weitergehend darf die unerlaubte Nutzung eines Kfz auch generell als zulässiger Einwendungstatbestand des Versicherers gegenüber dem geschädigten Dritten vorgesehen werden – jedenfalls soweit nicht der Ersatz von Personenschäden in Rede steht (Nr.  5 Anhang II). Lemor in Feyock/Jacobsen/Lemor, Europarechtliche Grundlagen Rn.  21. Vgl. Lemor in Feyock/Jacobsen/Lemor, Europarechtliche Grundlagen Rn.  15 f. 14  Eine Übersicht über sämtliche von Deutschland erklärten Vorbehalte ist abrufbar unter http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/ListeDeclarations.asp?NT=029&CM=8&DF =12/09/2015&CL=ENG&VL=1 (abgerufen am: 28. Februar 2017); hierbei handelt es sich um Nr.  1, 3, 4, 5, 7, 8, 10, 15, 16 Anhang II. 15  Dies gilt selbstverständlich vorbehaltlich etwaiger unionsrechtlicher Vorgaben; hierzu sogleich unter 3. Teil C.I.2. 12  13 

I. Leitlinien aus völkerrechtlichen Vereinbarungen und aus dem Unionsrecht

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2. Unionsrechtliche Vorgaben Eine umfassendere europäische Harmonisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung wurde ab dem Jahre 1972 durch mehrere europarechtliche Richtlinien in Angriff genommen. Den inzwischen sechs Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien16 wohnt dabei eine doppelte Zielrichtung inne. Neben der Sicherstellung eines grenzüberschreitenden Mindestschutzes für Unfallgeschädigte intendiert der europäische Gesetzgeber mit den Richtlinien die Gewährleistung eines freien Kfz-Personen- und Güterverkehrs im europäischen Binnenmarkt.17 Maßgebliche Regelungsinhalte der Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien sind unter anderem die Abschaffung der Kontrolle der als Versicherungsnachweis fungierenden „Grünen Karte“ an den innereuropäischen Grenzen, die gesamteuropäische Etablierung einer Kfz-Haftpflichtversicherungspflicht mit einem verbindlichen Mindestschutzniveau sowie nicht zuletzt die Einräumung eines gesetzlichen Direktanspruchs zugunsten der Unfallopfer.18 Für diesen Abschnitt von Interesse ist der Umstand, dass die Richtlinien auch Aussagen über die Zulässigkeit von (versicherungsrechtlichen) Einwendungen gegen den Direktanspruch treffen und für den Fall der Schädigung durch eine nicht zu ermittelnde oder nicht versicherte Person die Einführung eines Geschädigten-Entschädigungsfonds verpflichtend vorschreiben. Zwischenzeitlich hat auch der EuGH wiederholt zu den Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien im Allgemeinen sowie zur Frage der Zulässigkeit von versicherungsrechtlichen Einwendungen im Besonderen Stellung genommen. Die durch die Richtlinien sowie die Rechtsprechung des EuGH statuierten Vorgaben sind sowohl für Deutschland als auch für das Vereinigte Königreich als Mitgliedstaaten der EU rechtlich verbindlich.19 16  Streng genommen existiert heute mit der 6. KH-Richtlinie nur noch eine Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie, da durch Art.  29 6. KH-Richtlinie die fünf vorangegangenen Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien aufgehoben wurden. Allerdings sind die inhaltlichen Vorgaben der bisherigen Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien nahezu unverändert in die neue 6. KH-Richtlinie übernommen worden. Um die sukzessive Harmonisierung nachvollziehbar zu machen, sollen an dieser Stelle auch die ehemaligen Richtlinien in die Betrachtung miteinbezogen werden. 17  EuGH, NJW 2014, 3631, 3633 (Vnuk / Zavarovalnica Triglav d.d.); EuGH v. 11. Juli 2013, Rs. C-409/11 (Csonka u. a. / Állam), ECLI:EU:C:2013:512, Rn.  26; EuGH v. 01. Dezember 2011, Rs. C-442/10 (Churchill), Slg. 2011, I-12639, 12672 [Rn.  27]; EuGH v. 30. Juni 2005, Rs. C-537/03 (Candolin), Slg. 2005, I-5745, 5774 [Rn.  17]; EuGH v. 28. März 1996, Rs. C-129/94 (Bernáldez), Slg. 1996, I-1829, 1854 [Rn.  13]; Mantrov, EJRR 2014, 115, 116; Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  68 f. 18  Vgl. zu allem Lemor in Feyock/Jacobsen/Lemor, Europarechtliche Grundlagen Rn.  6 ff.; Heß/Höke in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  29 Rn.  11 ff. 19  Als Folge des EU-Mitgliedschaftsreferendums vom 23. Juni 2016 ist jedoch in näherer

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

a) Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien Erstmals befasste sich die 2. KH-Richtlinie aus dem Jahre 1983 mit der Thematik der Zulässigkeit versicherungsrechtlicher Einwendungen gegen den Direktanspruch. Der europäische Gesetzgeber war zu der Überzeugung gelangt, dass es „im Interesse des Geschädigten [liegt], dass die Wirkungen bestimmter Ausschlussklauseln auf die Beziehungen zwischen dem Versicherer und dem für den Unfall Verantwortlichen beschränkt bleiben“.20 Demzufolge gab Art.  2 Abs.  1 UAbs.  1 2. KH-Richtlinie den Mitgliedstaaten die Ergreifung zweckdienlicher Maßnahmen auf, damit jede versicherungsvertragliche oder auch gesetzliche Regelung in Ansehung des Direktanspruchs als wirkungslos gilt, welche den Versicherungsschutz wegen der Nutzung oder Führung eines Kfz durch Unbefugte, durch Fahrer ohne Fahrerlaubnis oder durch solche Personen ausschließt, „die ihren gesetzlichen Verpflichtungen in Bezug auf Zustand und Sicherheit des betreffenden Fahrzeugs nicht nachgekommen sind“. Der Grundsatz der Unwirksamkeit derartiger Haftungsausschlussklauseln im Direktanspruchsverhältnis sollte allerdings nicht unbegrenzt gelten.21 Die Berufung auf die genannten versicherungsrechtlichen Einwendungen durfte dem Versicherer vielmehr gegenüber solchen geschädigten Fahrzeuginsassen gestattet werden, welche positiv um den Umstand des Fahrzeugdiebstahls und somit die unbefugte Fahrzeugnutzung wussten, jedoch gleichwohl freiwillig das Kfz bestiegen hatten.22 Darüber hinaus konnte der nationale Gesetzgeber einen vollen Einwendungsdurchgriff vorsehen, sofern und soweit das Unfallopfer Schadensersatz von einem Sozialversicherungsträger erlangen konnte (Art.  2 Abs.  1 UAbs.  3 2. KH-Richtlinie). Zwecks Vervollständigung des Geschädigtenschutzes gab Art.  1 Abs.  4 2. KH-Richtlinie den Mitgliedstaaten zudem die Einrichtung oder staatliche Anerkennung einer Stelle auf, welche das Unfallopfer entschädigt, sofern die Schädigung durch ein nicht ermitteltes oder durch ein nicht versichertes Fahrzeug erfolgt ist (Geschädigten-Entschädigungsfonds).23 Den nationalen Gesetzgebern blieb es jedoch unbenommen, die Leistungspflicht dieses Entschädigungsfonds in bestimmten, in der Richtlinie detailliert umschriebenen Konstellationen auszuschließen – so beispielsweise wenn ein geschädigter Fahrzeuginsasse den späteren Unfallwagen trotz positiver Kenntnis um den fehZukunft mit einem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU zu rechnen, so dass für den englischen Gesetzgeber die Bindung an die Richtlinien sowie die hierzu ergangene EuGH-Rechtsprechung entfallen wird. 20  Erwägungsgrund (7) 2. KH-Richtlinie (kursive Hervorhebung durch Verfasser); nunmehr Erwägungsgrund (15) 6. KH-Richtlinie. 21  Lenzing in Basedow/Fock, S.  205. 22  Art.  2 Abs.  1 UAbs.  2 2. KH-Richtlinie. 23  Lemor in Feyock/Jacobsen/Lemor, Europarechtliche Grundlagen Rn.  4 4 ff.

I. Leitlinien aus völkerrechtlichen Vereinbarungen und aus dem Unionsrecht

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lenden Haftpflichtversicherungsschutz freiwillig bestiegen hatte (Art.  1 Abs.  4 UAbs.  3 2. KH-Richtlinie). Im Übrigen durfte dem Entschädigungsfonds generell ein subsidiärer Charakter verliehen werden (Art.  1 Abs.  4 UAbs.  1 2. KHRicht­linie). Die Funktion des Geschädigten-Entschädigungsfonds übernimmt in Deutschland der Verein „Verkehrsopferhilfe e.V.“ (VOH),24 in England wiederum das Motor Insurers’ Bureau (MIB).25 In der 5. KH-Richtlinie aus dem Jahre 2005 befasste sich der europäische Gesetzgeber unter anderem mit der Thematik des Selbstbehaltes (deductible / excess). Nach Art.  4 Nr.  4 („Artikel 4c“) 5. KH-Richtlinie sollte der Versicherer künftig nicht mehr berechtigt sein, sich im Direktanspruchsverhältnis auf eine versicherungsvertraglich vereinbarte Selbstbeteiligung des Versicherungsnehmers zu berufen. Insofern hatte sich die Einsicht eingestellt, dass die Drittwirkung eines Selbstbehaltes „ungerechtfertigterweise den Versicherungsschutz der Unfallopfer [verringert] und (…) diskriminierend gegenüber den Opfern anderer Unfälle [wirkt]“ und daher nicht beibehalten werden sollte.26 Fernerhin versagte Art.  4 Nr.  1 5. KH-Richtlinie die Drittwirkung von Gesetzesvorschriften oder Vertragsklauseln, welche den Versicherungsschutz für Schadensersatzansprüche von solchen Fahrzeuginsassen versagte, die wussten oder hätten wissen müssen, dass der Unfallfahrer im Unfallzeitpunkt unter dem Einfluss von Alkohol oder anderer Rauschmittel stand. Bis in das Jahr 2009 bestand ein Nebeneinander der fünf bis dahin erlassenen Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien, die jeweils spezielle Teilfragen der KfzHaftpflicht­versicherung thematisierten. Da faktisch keine Richtlinie alleine für sich genommen lesbar war, gestaltete sich die Rechtslage äußerst unübersichtlich.27 Um Rechtsklarheit zu schaffen, entschied sich der europäische Gesetzgeber schließlich dazu, die Regelungen der bisherigen KraftfahrzeughaftpflichtRicht­linien in einer neuen sechsten Richtlinie zusammenzuführen. Die 6. KH-Richtlinie wurde letztlich am 16. September 2009 erlassen, womit gleichzeitig die Aufhebung der ersten fünf Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien einherging.28 Soweit die Frage der Zulässigkeit versicherungsrechtlicher Einwen24 

Vgl. §  13 Abs.  2, 3 PflVG iVm §  1 Verordnung über den Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen vom 14. Dezember 1965 (BGBl. I 1965, S.  2093 f.). Der Verein „Verkehrsopferhilfe e.V.“ (VOH) untersteht dabei der Rechtsaufsicht des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, vgl. §  13a Abs.  1 PflVG. Zum VOH näher unten unter 3. Teil C.II.4. 25  Hierzu näher Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-097 ff. sowie unten unter 3. Teil C.III.4. 26  Erwägungsgrund (13) 5. KH-Richtlinie; vgl. ferner Erwägungsgrund (20) 5. KH-Richtlinie. Nunmehr: Erwägungsgrund (29) 6. KH-Richtlinie. 27  Lemor in Feyock/Jacobsen/Lemor, AuslUnf D. Rn.  33. 28  Siehe Art.  29 6. KH-Richtlinie.

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

dungen gegen den Direktanspruch betroffen ist, sieht die 6. KH-Richtlinie keinerlei inhaltlichen Änderungen gegenüber den bisherigen Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien vor. In der Zusammenschau fällt auf, dass die Frage der Zulässigkeit versicherungsrechtlicher Einwendungen gegen den Direktanspruch in den Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien – anders als im Rahmen des Straßburger Übereinkommens mit dem umfassenden Einwendungsausschluss – 29 keine einfache Beantwortung gefunden hat. Die Richtlinien zeichnen sich vielmehr dadurch aus, dass sie einen Einwendungsausschluss lediglich für ganz bestimmte Fallkonstellationen verpflichtend vorgeben. Gleichzeitig statuieren die Richtlinien für gewisse Sonderkonstellationen Gegenausnahmen und gestatten den Mitgliedstaaten die Normierung eines Einwendungsdurchgriffs.30 Ursache für den insgesamt eher zaghaften Einwendungsausschluss in den Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien ist sicherlich ein mangelnder Konsens unter den Mitgliedstaaten über dessen optimale Reichweite. b) Rechtsprechung des EuGH Die Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten bei der gesetzlichen Festlegung der zulässigen versicherungsrechtlichen Einwendungen im Direktanspruchsverhältnis findet jedoch durch die Rechtsprechung des EuGH eine weitergehende Begrenzung. Der EuGH hat den Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien erstmals in der Rechtssache Bernáldez31 im Wege der Auslegung das Gebot eines umfassenden Ausschlusses versicherungsrechtlicher Einwendungen bis zur Höhe der Mindestversicherungssumme entnommen.32 Argumentativ stützt der EuGH seine Sichtweise auf den richtlinienimmanenten Zweck des effektiven Opferschutzes. Dieser gebiete die Auslegung des Art.  3 Abs.  1 1. KH-Richtlinie dahingehend, „dass die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung Dritten, die Opfer eines von einem Fahrzeug verursachten Unfalls sind, den Ersatz aller ihnen entstandenen Personen- und Sachschäden bis zu der in Artikel 1 Absatz 2 der Zweiten Richtlinie festgelegten Höhe ermöglichen muss.“33 Die potentielle Möglichkeit der Mitgliedstaaten, rechtsgültige Einwendungsdurchgriffe zu29 

Hierzu oben unter 3. Teil C.I.1. Z. B. weil der um den Fahrzeugdiebstahl und die damit einhergehende unbefugte Kfz-Nutzung wissende geschädigte Fahrzeuginsasse nicht schutzwürdig erscheint. 31  EuGH v. 28. März 1996, Rs. C-129/94 (Bernáldez), Slg. 1996, I-1829, 1847 ff. 32  Franck, Direktanspruch, S.  69 f.; Lenzing in Basedow/Fock, S.  205 f.; Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  72; Mantrov, EJRR 2014, 115, 116; Bevan, N.L.J. 2013, 94, 95; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-070. 33  EuGH v. 28. März 1996, Rs. C-129/94 (Bernáldez), Slg. 1996, I-1829, 1855 [Rn.  18] (kursive Hervorhebung durch Verfasser). 30 

I. Leitlinien aus völkerrechtlichen Vereinbarungen und aus dem Unionsrecht

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gunsten der Haftpflichtversicherer vorzusehen, trete jedoch in diametralen Gegensatz zu dieser Zielrichtung der Richtlinien und müsse folglich gänzlich ausgeschlossen sein. Seine Auffassung hat der EuGH zwischenzeitlich wiederholt bekräftigt, wenngleich sich die bisherigen Entscheidungen alleine zur Rechtslage unter den ersten fünf Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien verhalten.34 Angesichts des fortbestehenden Opferschutzgedankens und der inhaltlichen Kontinuität ist jedoch nicht von einer Rechtsprechungsänderung unter Geltung der 6. KH-Richtlinie auszugehen.35 Mit der dargelegten EuGH-Rechtsprechung geht freilich ein Bedeutungswandel der Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien einher. Als Konsequenz des vom EuGH vorgegebenen allgemeinen Einwendungsausschlusses entfalten die in den Richtlinien für bestimmte Fallgruppen ausdrücklich normierten Einwendungsausschlüsse nunmehr lediglich deklaratorische Bedeutung.36 Die Relevanz der Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien liegt fortan darin, abschließend die Ausnahmefälle vorzugeben, in welchen die Mitgliedstaaten – entgegen dem richterrechtlich entwickelten Gebot des allgemeinen Einwendungsausschlusses – dem Versicherer im Direktanspruchsverhältnis die Berufung auf versicherungsrechtliche Einwendungen gestatten dürfen.37 Hierbei handelt es sich um die einstmals als Gegenausnahmen zu den situationsbezogenen Einwendungsausschlüssen konzipierten Tatbestände.38 Entsprechend ihrem Ausnahmecharakter bedürfen die in der Richtlinie explizit zugelassenen Einwendungsdurchgriffe einer restriktiven Auslegung.39 Anders gesprochen: Im Lichte der Rechtsprechung des EuGH liegt die Bedeutung der Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien nicht mehr in der Normierung von Einwendungsausschlüssen, sondern vielmehr in der Statuierung der ausnahmsweise zulässigen Einwendungsdurchgriffe. 34  EuGH v. 30. Juni 2005, Rs. C-537/03 (Candolin), Slg. 2005, I-5745, 5762 ff.; EuGH v. 19. April 2007, Rs. 356/05 (Farrell), Slg. 2007, I-3067, 3093 ff.; EuGH v. 01. Dezember 2011, Rs. C-442/10 (Churchill), Slg. 2011, I-12639, 12657 ff. 35  So auch Franck, Direktanspruch, S.  70; Franck, VersR 2014, 13, 16. 36  Bevan, J.P.I.L. 2013, 151, 153; Looschelders, VersR 2008, 1, 3. 37  EuGH v. 01. Dezember 2011, Rs. C-442/10 (Churchill), Slg. 2011, I-12639, 12675 [Rn.  38]; EuGH v. 19. April 2007, Rs. 356/05 (Farrell), Slg. 2007, I-3067, 3108 f. [Rn.  27 ff.]; Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  72 f.; Franck, VersR 2014, 13, 16. 38  Z. B. Kenntnis des geschädigten Fahrzeuginsassen um den Fahrzeugdiebstahl und die unerlaubte Fahrzeugnutzung des schädigenden Fahrers (Art.  13 Abs.  1 UAbs.  2 6. KH-Richtlinie); Gewährleistung einer Entschädigung des Unfallopfers durch Sozialversicherungsträger (Art.  13 Abs.  1 UAbs.  3 6. KH-Richtlinie); Verweisung auf Geschädigten-Entschädigungsfonds bei Schädigung durch gestohlenes oder gewaltsam erlangtes Kfz (Art.  13 Abs.  2 6. KH-Richtlinie). 39  EuGH v. 30. Juni 2005, Rs. C-537/03 (Candolin), Slg. 2005, I-5745, 5775 [Rn.  21]; Bevan, J.P.I.L. 2013, 151, 157.

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

Der EuGH hat darüber hinaus auch zur Rolle des Geschädigten-Entschädigungsfonds Stellung genommen.40 Die wesentliche Kernaussage des EuGH liegt darin, dass die Mitgliedstaaten die Einschaltung des Entschädigungsfonds lediglich als „allerletzte Maßnahme“ (last resort)41 vorsehen dürfen.42 Die nationalen Gesetzgeber haben mithin kein Wahlrecht, ob sie das den Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien vorschwebende Ziel der umfassenden Entschädigung eines Unfallopfers durch die Gewährung eines Direktanspruchs gegen einen Haftpflichtversicherer oder aber mittels einer Verweisung des Geschädigten an einen Entschädigungsfonds sicherstellen wollen. Insofern ist insbesondere auch in Fällen eines bloß „kranken“, jedoch existenten Versicherungsverhältnisses vorrangig zu gewährleisten, dass sich der Geschädigte an den – im Verhältnis zum Versicherungsnehmer leistungsfreien – Haftpflichtversicherer wenden kann. So hat der EuGH bereits in der Rechtssache Bernáldez darauf hingewiesen, dass sich „der Versicherer [nicht] auf Rechtsvorschriften oder Vertragsklauseln berufen kann, um Dritten (…) eine Entschädigung zu verweigern“.43 In diesem Ausspruch kommt erkennbar zum Ausdruck, dass auch in einem „kranken“ Versicherungsverhältnis gerade der Haftpflichtversicherer und nicht lediglich ein Entschädigungsfonds eintrittspflichtig sein soll.44 Die Normierung eines umfassenden Ausschlusses versicherungsrechtlicher Einwendungen im Direktanspruchsverhältnis darf demnach nicht mit dem schlichten Hinweis des Gesetzgebers unterbleiben, dass der Geschädigte alternativ auf 40  Vgl. zum Geschädigten-Entschädigungsfonds: Art.  1 Abs.  4 2. KH-Richtlinie (nunmehr: Art.  10 6. KH-Richtlinie). 41  Dass der Gesetzgeber die Entschädigung des Unfallopfers durch den Fonds lediglich als ultima ratio vorsehen darf, ergibt sich im Übrigen auch im Umkehrschluss (argumentum e contrario) aus der Richtlinienvorschrift in Art.  2 Abs.  2 UAbs.  1 2. KH-Richtlinie (nunmehr: Art.  13 Abs.  2 UAbs.  1 6. KH-Richtlinie). Diese Vorschrift gestattet es den Mitgliedstaaten, in den Fällen gestohlener oder unter Anwendung von Gewalt erlangter Fahrzeuge vorzusehen, dass anstelle des Versicherers der Entschädigungsfonds für den entstandenen Schaden eintritt. Diese ausdrückliche Gestattung wäre jedoch nicht vonnöten, wenn der nationale Gesetzgeber einen Geschädigten stets ohne weiteres an den Entschädigungsfonds verweisen könnte. 42  So explizit EuGH v. 01. Dezember 2011, Rs. C-442/10 (Churchill), Slg. 2011, I-12639, 12676 [Rn.  41]; ferner EuGH v. 11. Juli 2013, Rs. C-409/11 (Csonka u. a. / Állam), ECLI:EU:C: 2013:512, Rn.  30. Hierzu auch Bevan, J.P.I.L. 2014, 136, 146 f. 43  EuGH v. 28. März 1996, Rs. C-129/94 (Bernáldez), Slg. 1996, I-1829, 1855 [Rn.  20] (kursive Hervorhebung durch Verfasser). 44  Vgl. insoweit auch Bevan, J.P.I.L. 2014, 136, 146 f.; ferner Schlussanträge GA Mengozzi v. 06. September 2011, Rs. C-442/10 (Churchill), Slg. 2011, 12639, 12649 [Rn.  27]: „Folglich lehrt uns die Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass das Unfallopfer, falls nicht eine der in der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen vorliegt, immer die Entschädigung durch die Versicherung beanspruchen könne“ (unterstreichende Hervorhebung durch den Verfasser).

II. Deutschland

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den Entschädigungsfonds zurückgreifen könne und ihm dadurch ein ausreichender Schutz zuteil werde. Unter die Wendung des „nicht versicherten Fahrzeugs“ iSd Art.  1 Abs.  4 2. KH-Richtlinie45 sind demnach nur die Fälle zu subsumieren, in denen es schlechthin an einer Haftpflichtversicherung fehlt oder aber ausnahmsweise ein nach den Richtlinien zulässiger Einwendungsdurchgriff gegeben ist.46 Zugleich hat der EuGH klargestellt, dass die zulässigen Einwendungen des Entschädigungsfonds gegenüber dem Geschädigten in den Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien abschließend aufgelistet sind.47 Zulässig ist ein vollständiger Leistungsausschluss des Entschädigungsfonds demnach grundsätzlich nur gegenüber einem geschädigten Passagier, der trotz positiver Kenntnis um den fehlenden Versicherungsschutz das spätere Unfallfahrzeug freiwillig bestiegen hat (Art.  10 Abs.  2 UAbs.  2 6. KH-Richtlinie). Darüber hinaus kann der Ersatz von Sachschäden beschränkt oder auch ausgeschlossen werden, sofern diese Schäden durch ein nicht ermitteltes Fahrzeug hervorgerufen wurden (Art.  10 Abs.  3 UAbs.  1 6. KH-Richtlinie). Ein anderes gilt nur dann, wenn durch das nicht ermittelte Fahrzeug zugleich „beträchtliche“ Personenschäden verursacht wurden; in diesen Fällen kann auch hinsichtlich des Sachschadens allenfalls eine Selbstbeteiligung des Geschädigten bis zu einem Betrag von 500 EUR vorgesehen werden (Art.  10 Abs.  3 UAbs.  2 6. KH-Richtlinie).

II. Deutschland Nach Darlegung der inter- sowie supranationalen Rahmenbedingungen wird nunmehr zunächst für das deutsche Recht untersucht, welche Verteidigungsmöglichkeiten sich einem Haftpflichtversicherer gegen die Inanspruchnahme aus dem gesetzlichen Direktanspruch (§  115 VVG) bieten.

45 

Nunmehr: Art.  10 Abs.  1 6. KH-Richtlinie. Bevan, J.P.I.L. 2015, 138, 143 f.; Bevan, J.P.I.L. 2014, 136, 147; vgl. ferner EuGH v. 11. Juli 2013, Rs. C-409/11 (Csonka u. a. / Állam), ECLI:EU:C:2013:512, Rn.  31: „(…) der Unionsgesetzgeber (…) hat klargestellt, dass dies [d. h. die Einschaltung des Entschädigungsfonds] nur für Schäden der Fall sein muss, die von einem Fahrzeug verursacht wurden, das nicht im Sinne von Art.  3 Abs.  1 der Ersten Richtlinie versichert ist, d. h. von einem Fahrzeug, für das es keinen Versicherungsvertrag gibt“ (kursive Hervorhebung durch Verfasser). 47  So EuGH v. 19. April 2007, Rs. 356/05 (Farrell), Slg. 2007, I-3067, 3108 ff. [Rn.  27 ff.]. 46 

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

1. Schadensrechtliche Einwendungen a) Allgemeiner Grundsatz Die Vorschrift des §  115 Abs.  1 VVG sieht einen gesetzlichen Schuldbeitritt des Haftpflichtversicherers zum Schadensersatzanspruch des Geschädigten vor und ordnet zugleich dessen gesamtschuldnerische Haftung mit dem schädigenden Versicherungsnehmer an (§  115 Abs.  1 S.  4 VVG).48 Es ist dabei eine denklogische Notwendigkeit, dass der Versicherer im Falle seiner Inanspruchnahme grundsätzlich sämtliche Einwendungen gegen Grund und Höhe des Schadensersatzanspruchs erheben kann, die auch dem Schädiger im Haftpflichtverhältnis zustünden.49 Schließlich soll der Geschädigte durch den Direktanspruch alleine gegen die Nicht-Realisierbarkeit berechtigter Schadensersatzforderungen abgesichert werden, jedoch keinen weitergehenden ungerechtfertigten Vorteil auf Kosten eines Versicherungsunternehmens erlangen. Zumindest in der Entstehung offenbart sich damit eine grundsätzliche Akzessorietät des Direktanspruchs zum Schadensersatzanspruch,50 die lediglich in eng umgrenzten Ausnahmefällen aus Gründen des Opferschutzes durchbrochen wird.51 b) Rechtliche Veränderungen des Schadensersatzanspruchs im Haftpflichtverhältnis Es stellt sich die Frage, ob sich die in der Entstehung des Direktanspruchs zeigende Akzessorietät auch im Hinblick auf spätere rechtliche Veränderungen fortsetzt, die der Schadensersatzanspruch im Haftpflichtverhältnis erfährt. Solche Veränderungen können sich beispielsweise durch privatautonome Vereinbarungen zwischen dem Geschädigten und dem schädigenden Versicherungsnehmer (z. B. Erlass, Anerkenntnis, Vergleich), durch Ausübung von Gestaltungsrechten (z. B. Aufrechnung) oder auch schlicht durch den Umstand der Erfüllung seitens des Schädigers ergeben. 48 

Hierzu bereits oben unter 3. Teil A.I.2. Jacobsen in Feyock/Jacobsen/Lemor, §  116 VVG Rn.  1; Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  25; Vogt, Direktansprüche, S.  34; vgl. auch Sieg, ZVersWiss 1965, 357, 380. Z. B. Fehlen des haftungsbegründenden Tatbestandes, Einwendungen gegen den haftungsausfüllenden Tatbestand, Mitverschulden des Geschädigten. 50  Heidl, VVG-Reform, S.  288 f.; Sieg, ZVersWiss 1965, 357, 379 ff. 51  Schwartze in Looschelders/Pohlmann, §  115 Rn.  14; Bruns, PVR, §  22 Rn.  52 [v. a. Fn.  91]. Eine Durchbrechung der Akzessorietät ist unter anderem im Falle der Konfusion des Schadensersatzanspruchs anerkannt, sobald sich Schuldner- und Gläubigerposition hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs in der Person des Geschädigten vereinigen (z. B. bei Beerbung des Schädigers durch den Gläubiger); hier besteht der Direktanspruch fort, vgl. OLG Hamm, VersR 1995, 454, 455; Knappmann in Prölss/Martin, §  115 Rn.  3; Schwartze in Looschelders/Pohlmann, §  115 Rn.  14; Heidl, VVG-Reform, S.  289. 49 

II. Deutschland

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aa) Grundsatz der Einzelwirkung Das rechtliche Schicksal der verschiedenen Forderungen gegen die einzelnen Gesamtschuldner bei Eintritt nachträglicher Tatsachen bestimmt sich auch beim Direktanspruch aus §  115 VVG grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften der §§  421 ff. BGB. Im Einzelfall können sich allerdings aus §§  100 ff. VVG sowie aus der Charakteristik des haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruchs Besonderheiten und Abweichungen ergeben.52 Dem deutschen Recht liegt prinzipiell der Grundsatz der Einzelwirkung zugrunde (vgl. §  425 Abs.  1 BGB), wonach nachträgliche Tatsachen oder rechtliche Umstände ausschließlich für und gegen denjenigen Gesamtschuldner wirken, in dessen Person sie sich verwirklichen.53 Nach dieser Grundregel wäre der Direktanspruch nach seiner Entstehung im Fortbestand vollkommen unabhängig von dem originären Schadensersatzanspruch und der Versicherer könnte aus den rechtlichen Veränderungen im Haftpflichtverhältnis keine Einwendungen gegen den Direktanspruch herleiten. Jedoch sieht das Gesetz insoweit zahlreiche Ausnahmen vor und ordnet eine Gesamtwirkung gewisser Umstände an (v. a. §§  422–424 BGB). Auch aus dem Schuldverhältnis selbst kann sich ein anderes ergeben. Es wird zu zeigen sein, dass beim Direktanspruch aus §  115 VVG letztlich wenig vom Grundsatz des §  425 Abs.  1 BGB und der dort normierten Eigenständigkeit der Verpflichtungen bleibt. Treffend erscheint hier vielmehr der von Sieg gewählte Begriff der „akzessorische[n] Gesamtschuldnerschaft“.54 bb) Gesamtwirkende Umstände Abweichend vom Grundsatz der Einzelwirkung legt das Gesetz zunächst der Erfüllung einen gesamtwirkenden Charakter bei (§  422 Abs.  1 S.  1 BGB). Die Erfüllung des Schadensersatzanspruchs im Haftpflichtverhältnis (§  362 Abs.  1 BGB) führt danach automatisch zum Erlöschen des Direktanspruchs. Gleichfalls Gesamtwirkung entfalten die Erfüllungssurrogate der Hinterlegung sowie der Leistung an Erfüllungs statt. Dem Haftpflichtversicherer kommt es schließlich ebenfalls zugute, wenn der schädigende Versicherungsnehmer mit etwaigen eigenen Ansprüchen gegen den Schadensersatzanspruch des Geschädigten aufgerechnet und diesen damit zum Erlöschen gebracht hat (§  422 Abs.  1 S.  2 BGB).55 In Ermangelung der notwendigen Gegenseitigkeit der Forderungen Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  25 f.; Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  881 f. Heidl, VVG-Reform, S.  297 f. 54  Sieg, ZVersWiss 1965, 357, 379. Vgl. zum Phänomen der „akzessorischen Gesamtschuldnerschaft“ auch Looschelders in Staudinger, BGB, §  421 Rn.  35 f. 55  Bei einer Aufrechnung des schädigenden Versicherungsnehmers ist freilich in besonderem Maße auf das Aufrechnungsverbot des §  393 BGB zu achten, wonach dem Täter im 52  53 

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

kann der Haftpflichtversicherer allerdings nicht selbst mit einem Anspruch des Schädigers gegen den Direktanspruch aufrechnen (vgl. klarstellend §  422 Abs.  2 BGB). Zudem kann der Versicherer seinen Versicherungsnehmer auch nicht auf Grundlage des Versicherungsvertrages dazu verpflichten, mit einem existierenden Gegenanspruch gegen den Schadensersatzanspruch aufzurechnen. Dies würde mit der Freistellungskomponente der Haftpflichtversicherung kollidieren.56 Gleichermaßen Gesamtwirkung entfaltet es, wenn der Geschädigte seinem Schädiger den Schadensersatzanspruch erlässt (§  397 BGB). Entgegen der Vorschrift des §  423 BGB wirkt der Erlass dabei immer zugunsten des Haftpflichtversicherers, ohne dass es darauf ankäme, ob die Erlassparteien den Willen zur Aufhebung des ganzen Gesamtschuldverhältnisses hatten oder ob sie lediglich eine Schuldbefreiung für den schädigenden Versicherungsnehmer anstrebten. Die Existenz eines Schadensersatzanspruchs ist nämlich grundlegende Voraussetzung des gesetzlichen Direktanspruchs aus §  115 VVG. Entfällt der Schadensersatzanspruch aufgrund eines dinglich wirkenden Erlasses, so erlischt automatisch auch der Direktanspruch. Insoweit gebietet hier die besondere Charakteristik des gesetzlichen Direktanspruchs eine Außerachtlassung des §  423 BGB.57 Alternativ können der Geschädigte und der Schädiger ein lediglich relativ wirkendes pactum de non petendo vereinbaren, durch welches die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs im Haftpflichtverhältnis vorübergehend oder auch dauerhaft ausgeschlossen wird. Ein solches schuldrechtliches Stillhalteabkommen lässt den Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer unberührt.58 Den bislang dargestellten gesamtwirkenden Umständen war gemein, dass sie sich für den Haftpflichtversicherer günstig auswirkten und eine Einwendung gegen den Direktanspruch begründeten. Nunmehr soll mit dem Anerkenntnis respektive mit dem Vergleich der gleichsam umgekehrte Fall beleuchtet werden. Es stellt sich die Frage, ob der Haftpflichtversicherer im Rahmen des Direktanspruchs an ein vom Schädiger erklärtes Anerkenntnis bzw. an die Vereinbarungen eines Vergleichs gebunden ist, der zwischen dem Schädiger und dem GeFalle einer vorsätzlichen Schädigung eine Aufrechnung gegen den Schadensersatzanspruch versagt ist. 56  Franck, Direktanspruch, S.  185. 57  OLG Köln, VersR 1969, 1027, 1027; Knappmann in Prölss/Martin, §  115 Rn.  23; Langheid in Langheid/Rixecker, §  115 Rn.  20; Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  26; Franck, Direktanspruch, S: 183 f. 58  Vgl. Franck, Direktanspruch, S.  184, der zugleich darauf hinweist, dass die Vereinbarung eines „Erlasses“ unter Umständen in ein solches Stillhalteabkommen uminterpretiert werden kann, wenn die Intention der Parteien ganz ersichtlich darauf ausging, den Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer unberührt zu lassen.

II. Deutschland

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schädigten in Ansehung des Schadensersatzanspruchs abgeschlossen wurde. Die Annahme einer Bindung erweist sich für den Haftpflichtversicherer vor allem dann gefährlich, wenn der vom vermeintlichen Schädiger anerkannte „Schadensersatzanspruch“ in Wirklichkeit gar nicht existiert. Mangels spezialgesetzlicher Ausnahme vom Einzelwirkungsgrundsatz können Anerkenntnis und Vergleich allenfalls dann Gesamtwirkung entfalten, sofern sich dies aus dem zugrundeliegenden Schuldverhältnis ergibt (vgl. §  425 Abs.  1 BGB). Entsprechend den Wertungen des Haftpflichtversicherungsvertrages ist eine Bindung des Haftpflichtversicherers zunächst anzunehmen, wenn der Versicherer dem Anerkenntnis bzw. dem Vergleichsabschluss zugestimmt hat. Fehlt es hingegen an einer solchen Zustimmung, kann eine Bindung nur dann bejaht werden, wenn der Schadensersatzanspruch ohnehin in der anerkannten oder vergleichsweise festgelegten Höhe bestanden hätte.59 Andernfalls verbleibt es beim Grundsatz der Einzelwirkung und dem Versicherer steht es frei, im Direktanspruchsverhältnis die Existenz des Schadensersatzanspruchs ungeachtet des Anerkenntnisses oder Vergleichsabschlusses zu negieren. c) Maßgeblichkeit gerichtlicher Entscheidungen aus einem Haftpflichtprozess Letztendlich stellt sich die Frage, welchen Einfluss eine gerichtliche Entscheidung über den Schadensersatzanspruch, die in einem Haftpflichtprozess zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger getroffen wurde, auf die Möglichkeit des Haftpflichtversicherers hat, im Direktanspruchsverhältnis schadensrechtliche Einwendungen geltend zu machen. Diese Thematik erlangt denklogisch nur dann Relevanz, wenn der Geschädigte vor oder auch zeitgleich mit der Geltendmachung des Direktanspruchs gerichtliche Maßnahmen zur Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs gegen den Schädiger ergriffen hat. Zwar wird sich ein Geschädigter bei tatbestandlicher Einschlägigkeit des gesetzlichen Direktanspruchs vielfach ausschließlich an den Haftpflichtversicherer wenden, verspricht dies doch regelmäßig eine unkompliziertere und letztlich raschere Schadensabwicklung.60 Gegebenenfalls verleiten den Geschädigten jedoch (prozess-) taktische Erwägungen im Einzelfall dazu, den Schädiger zunächst alleine oder gemeinsam mit dem Haftpflichtversicherer in Anspruch zu nehmen. Insbesondere in Verkehrsunfallprozessen entspricht es noch immer einer weit verbreiteten anwaltlichen Praxis, den schädigenden Unfallfahrer aus 59  Vgl. Ziff.  5.1 Abs.  2 S.  2 AHB (Stand: Februar 2016) / Teil A Abschnitt 1 Ziff.  4.1 Abs.  2 S.  2 AVB PHV (Stand: April 2016); Franck, Direktanspruch, S.  185; Wandt, VR, Rn.  1071. Zu beachten ist, dass dem Haftpflichtversicherer in diesen Fällen die Möglichkeit der Abwehrdeckung genommen wird, vgl. Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  130. 60  Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  25.

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

prozesstaktischen Gründen (Ausschaltung als Zeuge) stets neben dem Haftpflichtversicherer zu verklagen.61 Gerade in diesen Fällen gewinnen daher die nachfolgenden Ausführungen an Bedeutung. aa) Gesetzliche Grundkonzeption Nach der gesetzlichen Grundkonzeption des §  325 Abs.  1 ZPO beschränkt sich die subjektive Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung stets auf die unmittelbaren Prozessparteien sowie deren Rechtsnachfolger (sog. inter-partes-Wirkung). Auf diese Weise soll verhindert werden, dass Personen an die Ergebnisse von Prozessen gebunden werden, auf deren Verlauf und Ausgang sie keinen Einfluss nehmen konnten. Die Begrenzung der subjektiven Rechtskraftwirkung eines Urteils steht daher in einem engen Zusammenhang mit dem verfassungsrechtlich verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl. Art.  103 Abs.  1 GG).62 Im Einklang hiermit sieht §  425 Abs.  2 BGB vor, dass ein rechtskräftiges Urteil grundsätzlich nur für denjenigen Gesamtschuldner wirkt, gegenüber dem das Urteil ergangen ist.63 Das Faktum der Gesamtschuldnerschaft bewirkt mithin keine materiell-rechtliche Erstreckung der Urteilswirkungen auf die übrigen, nicht am Prozess beteiligten Gesamtschuldner.64 Nach den allgemeinen Grundsätzen des Zivilprozess- sowie des Gesamtschuldnerrechts würde demnach eine im Haftpflichtprozess ergangene gerichtliche Entscheidung keine Relevanz für das Direktanspruchsverhältnis besitzen.65 Weder sähe sich der Haftpflichtversicherer im Falle der Stattgabe der Haftpflichtklage mit einem Ausschluss schadensrechtlicher Einwendungen konfrontiert noch könnte er sich im umgekehrten Falle zum Zwecke der Abwehr des Direktanspruchs auf den Umstand der Klageabweisung im Haftpflichtprozess berufen. Allerdings erfährt dieser Grundsatz zumindest teilweise eine Durchbrechung.

Schneider in MüKoVVG, §  124 Rn.  1. BGH, NJW 1996, 395, 396; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, §  325 Rn.  1; Ecke, Trennungsprinzip, S.  36; Stürner, FS Schütze, 913, 918. 63  Schneider in MüKoVVG, §  124 Rn.  2. 64  Bydlinski in MüKoBGB, §  425 Rn.  29; Looschelders in Staudinger, BGB, §  425 Rn.  70. 65  Ein anderes ergibt sich auch nicht, wenn Schädiger und Haftpflichtversicherer gemeinsam in einem Verfahren verklagt werden, da diese lediglich eine einfache Streitgenossenschaft bilden (vgl. nur BGH, NJW 1982, 996, 997; BGH, NJW 1974, 2124, 2124 f.; Beckmann in Bruck/Möller, §  115 Rn.  83; Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  915; Armbrüster, r+s 2010, 441, 455) und für einfache Streitgenossen zivilprozessual keine Rechtskrafterstreckung vorgesehen ist (Leipold in Stein/Jonas, ZPO, §  325 Rn.  12). 61 Hierzu 62 

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bb) Maßgeblichkeit eines klageabweisenden Urteils Eine Ausnahme findet sich zunächst in der Vorschrift des §  124 Abs.  1 VVG, die explizit die Rechtskrafterstreckung eines klageabweisenden Urteils anordnet.66 Wird demnach durch rechtskräftiges Urteil im Haftpflichtprozess festgestellt, dass dem Dritten ein Anspruch auf Ersatz des Schadens nicht zusteht, so wirkt dieses Urteil auch zugunsten des Haftpflichtversicherers. Voraussetzung für das Eingreifen der Rechtskrafterstreckung ist freilich, dass sich das Gericht in seinem Urteil auch tatsächlich inhaltlich zum Schadensersatzanspruch verhalten und dessen Existenz bzw. Durchsetzbarkeit negiert hat. Eine wegen Unzulässigkeit erfolgende Klageabweisung ohne Sachentscheidung fällt hingegen nicht unter §  124 Abs.  1 VVG.67 Durch die Anordnung der Rechtskrafterstreckung möchte der Gesetzgeber in erster Linie verhindern, dass der Geschädigte eine für ihn nachteilhafte Beurteilung der Haftungsfrage in einem zweiten Prozess zu korrigieren versucht.68 Zugleich soll sichergestellt werden, dass dem Geschädigten keine Ansprüche gegen den Haftpflichtversicherer erwachsen, die über das materielle Haftungsrecht hinausgehen.69 cc) Maßgeblichkeit eines klagestattgebenden Urteils Ausweislich des eindeutigen Gesetzeswortlauts greift die Rechtskrafterstreckung des §  124 Abs.  1 VVG alleine bei klageabweisenden Urteilen. Demgegenüber findet keine Rechtskrafterstreckung statt, wenn und soweit im Haftpflichtprozess eine zusprechende Entscheidung ergeht. Auch eine analoge Anwendung des §  124 Abs.  1 VVG scheidet in diesen Fällen aus.70 Zum einen fehlt es hierfür bereits an einer planwidrigen Regelungslücke,71 zum anderen scheitert die Analogie auch an dem Ausnahmecharakter der Rechtskrafterstreckung Armbrüster, r+s 2010, 441, 454; Franck, Direktanspruch, S.  186. Beckmann in Bruck/Möller, §  124 Rn.  12, 18; Dallwig in FAKomm-VersR, §  124 VVG Rn.  2; Huber in Schwintowski/Brömmelmeyer, §  124 Rn.  12; Schneider in MüKoVVG, §  124 Rn.  7; Schwartze in Looschelders/Pohlmann, §  124 Rn.  5; Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  918; Liebscher, NZV 1994, 215, 217; Keilbar, ZVersWiss 1970, 441, 444. 68  BT-Drs. IV/2252, S.  18 (zur Vorgängervorschrift des §  3 Nr.  8 PflVG a. F.); Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  181; Heidl, VVG-Reform, S.  348; Schirmer/ Clauß, FS Lorenz, 775, 782. 69  So BGH, NJW-RR 2008, 803, 804; Beckmann in Bruck/Möller, §  124 Rn.  4; Schwartze in Looschelders/Pohlmann, §  124 Rn.  2; Liebscher, NZV 1994, 215, 217. 70  OLG Düsseldorf, VersR 1972, 1015, 1015; Liebscher, NZV 1994, 215, 217. 71  Vgl. insoweit BT-Drs. IV/2252, S.  18, wo der Gesetzgeber ganz bewusst von der Normierung einer Rechtskrafterstreckung für klagestattgebende Urteile Abstand genommen hat: „Bei Urteilen zugunsten des Geschädigten ist eine Erstreckung der Urteilswirkung schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht möglich, denn sie würde bedeuten, einen am Verfahren nicht beteiligten Dritten zur Erfüllung eines Anspruchs zu zwingen, gegen den er 66  67 

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

und der damit einhergehenden grundsätzlichen Analogiefeindlichkeit des §  124 Abs.  1 VVG. Möglicherweise kann sich jedoch unter dem Aspekt der Bindungswirkung eine Maßgeblichkeit des stattgebenden Schadensersatzurteils für das Direktanspruchsverhältnis ergeben – denklogisch verbunden mit einem Ausschluss schadensrechtlicher Einwendungen zulasten des Haftpflichtversicherers. (1) Grundsatz der Bindungswirkung Nach in Rechtsprechung und Literatur einhellig vertretener Auffassung ist ein Haftpflichtversicherer jedenfalls im Deckungsverhältnis72 an eine klagestattgebende Entscheidung aus dem Haftpflichtprozess gebunden (sog. Grundsatz der Bindungswirkung).73 Demnach ist es dem Versicherer in einem etwaigen Deckungsprozess versagt, die im Haftpflichtprozess ausgesprochene Entscheidung über den Schadensersatzanspruch sowie die zugrundeliegenden gerichtlichen Feststellungen in Frage zu stellen.74 Eine Einschränkung ergibt sich lediglich aus dem Erfordernis der Voraussetzungsidentität, so dass eine Bindung nur hinsichtlich solcher Feststellungen eingreift, die sich sowohl im Deckungs- als auch im Haftpflichtprozess als entscheidungserheblich erweisen.75 In Rechtsprechung und Literatur wird besonders prononciert, dass die Grundlage der Bindungswirkung gerade nicht in einer Rechtskrafterstreckung bzw. in einer prozessualen Interventionswirkung liegt, sondern dass die Bindung im Wege der – notfalls ergänzenden – Auslegung (§§  133, 157 BGB) dem Haftpflichtversicherungsvertrag und im Speziellen dem Leistungsversprechen des Versicherers zu entnehmen ist.76 Auf diese Weise soll einer unangemessen Verkürzung des Haftpflichtversicherungsschutzes begegnet werden. Es wäre nämlich kaum mit dem vom Haftpflichtversicherer abgegebenen Versprechen vereinbar, den Versiseine Verteidigungsmittel überhaupt nicht vorbringen konnte“ (Gesetzesbegründung zur inhaltlich identischen Vorgängervorschrift des §  3 Nr.  8 PflVG a. F.). 72  Zur Anwendbarkeit des Grundsatzes der Bindungswirkung auf den Direktanspruch unten unter 3. Teil C.II.1.c).cc).(2). 73  Vgl. nur BGH, NJW 2011, 610, 611; BGH, NJW 2006, 289, 291; BGH, NJW-RR 2004, 676, 676 f.; BGH, NJW 1993, 68, 68 f.; OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 2014, 1376, 1377; Harsdorf-Gebhardt in Späte/Schimikowski, Ziff.  5 AHB Rn.  67 ff.; Littbarski in MüKoVVG, Vor §§  100–112 Rn.  103 ff.; Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  5 ff.; ­Bruns, PVR, §  22 Rn.  5; Ecke, Trennungsprinzip, S.  53. 74  Harsdorf-Gebhardt in Späte/Schimikowski, Ziff.  5 AHB Rn.  67; Littbarski in MüKoVVG, Vor §§  100–112 Rn.  103; Ecke, Trennungsprinzip, S.  53. 75  BGH, NJW 2011, 610, 611; BGH, NJW-RR 2004, 676, 676 f.; Armbrüster, r+s 2010, 441, 445 f.; Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  6; Bruns, PVR, §  22 Rn.  5. 76  Littbarski in MüKoVVG, Vor §§  100–112 Rn.  104; Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  764; Bruns, PVR, §  22 Rn.  5; Wandt, VR, Rn.  1089.

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cherungsnehmer von Schadensersatzansprüchen freizustellen, könnte der Versicherer nachträglich eine rechtskräftig festgestellte Schadensersatzverbindlichkeit im Deckungsverhältnis in Frage stellen.77 Die gerichtliche Feststellung des Schadensersatzanspruchs zeitigt – unabhängig davon, ob berechtigt oder unberechtigt erfolgt – beim Schädiger unmittelbar eine vermögensbelastende Wirkung, welche mittels der Haftpflichtversicherung gerade beseitigt werden soll.78 Die Bindungswirkung dient somit letzten Endes der Sicherstellung der „Funktionsfähigkeit der Haftpflichtversicherung“.79 (2) Anwendbarkeit des Grundsatzes der Bindungswirkung im Direktanspruchsverhältnis Seinen ursprünglichen Platz hat der Grundsatz der Bindungswirkung in einem dem Haftpflichtprozess nachfolgenden Deckungsrechtsstreit zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Haftpflichtversicherer. Vergegenwärtigt man sich das primäre Ziel des Grundsatzes der Bindungswirkung, einer unangemessenen Verkürzung des Haftpflichtversicherungsschutzes zu begegnen,80 so ist dessen originäre Verortung im Deckungsverhältnis evident. Zudem bleibt zu berücksichtigen, dass die Bindungswirkung bereits in reichsgerichtlicher Rechtsprechung Erwähnung findet,81 mithin zu einer Zeit, in welcher ein haftpflichtversicherungsrechtlicher Direktanspruch noch die Vorstellungskraft der Juristen überstieg und als mit dem Wesen der Haftpflichtversicherung unvereinbar angesehen wurde.82 Vor diesem Hintergrund ist es keineswegs selbstverständlich, dass die Beurteilung der Haftungslage im Rahmen des Direktprozesses unter Anwendung des Grundsatzes der Bindungswirkung das Schicksal der Beurteilung im Schadensersatzprozess teilt.83 Mit der Anerkennung eines gesetzlichen Direktanspruchs im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung im JahEcke, Trennungsprinzip, S.  73. Ecke, Trennungsprinzip, S.  73. 79  Bruns, PVR, §  22 Rn.  5. Als weiterer Begründungsansatz für die Bindung wird angeführt, dass dem Haftpflichtversicherer regelmäßig eine gerichtliche Regulierungsvollmacht und somit eine Dispositions- und Mitwirkungsbefugnis hinsichtlich des Haftpflichtprozesses zustehe. Es wiederspreche jedoch Treu und Glaube (§  242 BGB), wenn der Haftpflichtversicherer die Ergebnisse eines Prozesses in Frage stelle, auf welchen er Einfluss genommen hat oder zumindest potentiell hätte Einfluss nehmen können, vgl. hierzu allgemein Ecke, Trennungsprinzip, S.  74 ff.; ferner BGH, NJW 2013, 1163, 1164. 80  Vgl. hierzu oben unter 3. Teil C.II.1.c).cc).(1). 81  Vgl. nur RGZ 167, 243, 245 ff. 82  Hierzu oben unter 2. Teil C.I.1. 83  So aber wohl Franck, Direktanspruch, S.  187 f., der abweichende Ansichten noch nicht einmal erwähnt. 77  78 

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

re 196584 erhob sich jedoch über kurz oder lang die Frage, ob auch in einem Direktprozess zwischen dem Geschädigten und dem Haftpflichtversicherer eine Bindung an ein zuvor ergangenes stattgebendes Schadensersatzurteil anzunehmen ist.85 (a) Ablehnung durch die herrschende Meinung Von der herrschenden Meinung wird es abgelehnt, dem stattgebenden Schadensersatzurteil auch im Direktprozess gegen den Haftpflichtversicherer Bindungswirkung beizulegen.86 Zur Begründung verweisen die Vertreter dieser Auffassung primär auf die dogmatische Herleitung des Grundsatzes der Bindungswirkung. Die dem Haftpflichtversicherungsvertrag im Wege der Auslegung entnommene Bindung könne – im Einklang mit dem Grundsatz der Relativität von Schuldverhältnissen – allenfalls dem Versicherungsnehmer als Versicherungsvertragspartei, keinesfalls aber dem vertragsfremden Geschädigten zugute kommen. Dies gelte umso mehr, als der Direktanspruch aufgrund des angeordneten Schuldbeitritts zum Schadensersatzanspruch rechtskonstruktiv an das Haftpflichtverhältnis anknüpfe und daher im Ausgangspunkt keinerlei Verbindung zum Haftpflichtversicherungsverhältnis aufweise.87 Im Übrigen bliebe es dem geschädigten Dritten zwecks Ausnutzung einer günstigen Entscheidung aus dem Haftpflichtprozess unbenommen, nach Erwirkung des Schadensersatzurteils den konventionellen Weg der Vollstreckung in den Haftpflichtversicherungsanspruch zu beschreiten. Nach Pfändung und Überweisung des Haftpflichtversicherungsanspruchs komme dem Geschädigten im Rahmen einer etwaigen Drittschuldnerklage unzweifelhaft die Bindungswirkung zugute, weil er faktisch in die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers eintrete und einen Deckungsprozess führe. Für eine Erstreckung der Bindungswirkung auf das Direktanspruchsverhältnis bestehe mithin keine zwingende Notwendigkeit.88 Auch der BGH hat erst kürzlich dafürgehalten, dass der Geschädigte in einem Direktprozess nicht von einer Bindungswirkung profitiere.89 In seiner Urteilsbegründung betonte der BGH ebenfalls, dass es im Direktprozess gerade 84 

§  3 Nr.  1 PflVG a. F. (hierzu oben unter 2. Teil C.I.2). Allgemein zur Diskussion: Schirmer/Clauß, FS Lorenz, 775, 779 ff. 86  Beckmann in Bruck/Möller, §  124 Rn.  22; Huber in Schwintowski/Brömmelmeyer, §  124 Rn.  42 f.; Schwartze in Looschelders/Pohlmann, §  124 Rn.  5; Hoegen, VersR 1978, 1081, 1081 ff.; Keilbar, ZVersWiss 1970, 441, 447 ff.; Schirmer/Clauß, FS Lorenz, 775, 781 f. 87  Hoegen, VersR 1978, 1081, 1082; Schirmer/Clauß, FS Lorenz, 775, 781 f. 88  Beckmann in Bruck/Möller, §  124 Rn.  22; Huber in Schwintowski/Brömmelmeyer, §  124 Rn.  43; Hoegen, VersR 1978, 1081, 1082 f. 89  BGH, NJW 2013, 1163, 1163 ff. 85 

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nicht um versicherungsvertragliche Ansprüche, sondern um die „Außenhaftung des Haftpflichtversicherers gegenüber einem Dritten (dem Geschädigten)“ gehe, wodurch die dem „Wesen der Haftpflichtversicherung“ entnommene Bindungswirkung von der Interessenlage her nicht passe und daher keine Anwendung finden könne.90 Zugleich gab der BGH zu bedenken, dass die Erstreckung der Bindungswirkung auf den Direktprozess die in §  124 Abs.  1 VVG getroffene gesetzgeberische Wertentscheidung, wonach erkennbar alleine ein klageabweisendes Haftpflichturteil Wirkungen im Direktanspruchsverhältnis zeitigen solle, zum Nachteil des Versicherers unterlaufen würde.91 Der vom BGH entschiedene Fall wies allerdings die Besonderheit auf, dass die Schadensersatzhaftung des Schädigers nicht in einem gewöhnlichen Zivilprozess, sondern vielmehr in einem strafprozessualen Adhäsionsverfahren (§§  403 ff. StPO) festgestellt wurde.92 (b) Plädoyer für eine Erstreckung der Bindungswirkung In der rechtswissenschaftlichen Literatur finden sich freilich auch Stimmen, die im Rahmen des Direktprozesses für eine Bindung des Gerichts an eine stattgebende Entscheidung aus dem Schadensersatzprozess plädieren.93 Dieser Ansicht ist im Ergebnis beizupflichten. Sie trägt einerseits zu einer wünschenswerten Vervollkommnung des durch die Einführung des Direktanspruchs intendierten verbesserten Geschädigtenschutzes bei und verhindert zum anderen eine unnötige Inanspruchnahme der Rechtspflege. Perspektivisch wäre zu wünschen, dass der Gesetzgeber auch für klagestattgebende Schadensersatzurteile ausdrücklich eine Rechtskrafterstreckung normiert. Zunächst sollte man sich in diesem Zusammenhang vergegenwärtigen, dass dem Geschädigten die Bindungswirkung ganz unstreitig zugute kommt, wenn er nach Pfändung und Überweisung des Versicherungsanspruchs eine Drittschuldnerklage gegen den Haftpflichtversicherer erhebt.94 Verneint man nun aber eine Bindungswirkung im Rahmen des Direktprozesses, so zwingt man den Geschädigten, welcher eine im Schadensersatzprozess erstrittene Feststellung der Haftung des Schädigers verständlicherweise auch gegen den Versiche90 

BGH, NJW 2013, 1163, 1163 f. BGH, NJW 2013, 1163, 1164. 92  Dies ist insofern bedeutsam, weil eine Beteiligung des Haftpflichtversicherers am Adhäsionsverfahren per se ausgeschlossen ist; anders als im Rahmen eines gewöhnlichen Zivilprozesses kann der Versicherer daher weder als Prozessvertreter des Schädigers noch als Nebenintervenient auf das Verfahren Einfluss nehmen. 93  Denk, VersR 1980, 704, 704 ff.; Johannsen in Bruck/Möller, Bd.  V/1 (8.  Aufl.), Anm. B 39, S.  68 f.; Franck, Direktanspruch, S.  187 f. 94  Hierzu bereits oben unter 3. Teil C.II.1.c).cc).(2).(a). 91 

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

rer ausnutzen möchte, faktisch zur Beschreitung des konventionellen Weges mit der Vollstreckung in den Haftpflichtversicherungsanspruch. Die hierbei notwendige Erwirkung eines förmlichen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses führt freilich zu einem zusätzlichen Zeit- und Kostenaufwand und nimmt nicht zuletzt auch gerichtliche Ressourcen in Anspruch. Die Erstreckung der Bindungswirkung auf das Direktanspruchsverhältnis würde hier zweifellos eine deutliche Vereinfachung bewirken. Andererseits ginge hiermit auch keine Schlechterstellung des Versicherers einher, weil er sich einer Bindung an die Ergebnisse aus dem Haftpflichtprozess letztlich ohnehin nicht entziehen kann.95 Es bliebe freilich zu überlegen, ob durch die gesetzgeberische Entscheidung, eine Rechtskrafterstreckung ganz bewusst nur für klageabweisende, nicht jedoch für klagestattgebende Schadensersatzurteile zu normieren (vgl. §  124 Abs.  1 VVG), der Annahme einer Erstreckung der Bindungswirkung klagestattgebender Entscheidungen auf den Direktprozess die Grundlage entzogen ist – schließlich ähneln sich Rechtskrafterstreckung und Bindungswirkung in ihren Auswirkungen.96 Dieser Gedanke mag zumindest auf den ersten Blick einiges für sich haben, allerdings ist zu bedenken, dass die Argumente, welche der Gesetzgeber zur Ablehnung der Rechtskrafterstreckung klagestattgebender Entscheidungen vorgebracht hat, ihrerseits nicht überzeugen können. Der Gesetzgeber führt in erster Linie an, dass der Haftpflichtversicherer bei Annahme einer Rechtskrafterstreckung klagestattgebender Haftpflichturteile zur Erfüllung eines Anspruchs gezwungen würde, gegen den er sich nicht verteidigen konnte.97 Diese Sichtweise ist im Ergebnis verfehlt. Sie lässt außer Acht, dass die Haftpflichtversicherer regelmäßig die Verteidigung im Schadensersatzprozess übernehmen, um die nach dem Haftpflichtversicherungsvertrag geschuldete Abwehrdeckung zu erbringen. Aufgrund der den Versicherern für gewöhnlich zustehenden umfassenden Regulierungsvollmacht besteht zumindest theoretisch die Möglichkeit der Einflussnahme auf den Schadensersatzprozess und dessen Entscheidung. Es wäre demnach sicherlich wünschenswert, wenn der Gesetzgeber eine Kurskorrektur einleiten und auch bei stattgebenden Schadensersatzurteilen eine Rechtskrafterstreckung gesetzlich vorsehen würde. Bis dahin kann durch die Erstreckung der Bindungswirkung auf das Direktanspruchsverhältnis Abhilfe geschaffen werden. Von der Erstreckung der Bindungswirkung ist allenfalls 95 

Verneint man eine Bindungswirkung im Direktprozess, so bliebe ja immer noch die Bindungswirkung im Rahmen der Drittschuldnerklage. 96  In diese Richtung BGH, NJW 2013, 1163, 1164. 97  Hierzu BT-Drs. IV/2252, S.  18 (noch zur Vorgängervorschrift des §  3 Nr.  8 PflVG a. F.; diese Vorschrift wurde jedoch inhaltlich unverändert in §  124 Abs.  1 VVG übernommen, so explizit BT-Drs. 16/3945, S.  91).

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dann Abstand zu nehmen, wenn für die Haftpflichtversicherer von vornherein keine Möglichkeit besteht, im Schadensersatzprozess zu intervenieren – wie dies beispielsweise im Rahmen eines strafprozessualen Adhäsionsverfahrens der Fall ist.

2. Versicherungsrechtliche Einwendungen Nunmehr soll eruiert werden, welche versicherungsrechtlichen Einwendungen der Haftpflichtversicherer nach deutschem Recht gegen den Direktanspruch geltend machen kann – eine für die Werthaltigkeit des gesetzlichen Direktanspruchs besonders bedeutsame Frage. Dabei soll zunächst überblicksartig skizziert werden, woraus sich „versicherungsrechtliche Einwendungen“ ganz generell ergeben können und welche allgemeine Grundkonzeption dem deutschen Recht hinsichtlich der Maßgeblichkeit versicherungsrechtlicher Einwendungen im Direktanspruchsverhältnis zugrundeliegt. a) Grundlagen aa) Ursprung der „versicherungsrechtlichen Einwendungen“ „Versicherungsrechtliche Einwendungen“ haben ihren Ursprung im Haftpflichtversicherungsverhältnis zwischen dem schädigenden Versicherungsnehmer und dem Haftpflichtversicherer. Nach deutschem Recht kann es zahlreiche Gründe geben, aufgrund derer der Haftpflichtversicherer gegenüber seinem Versicherungsnehmer in Ansehung eines konkreten Schadensfalles zur vollständigen oder teilweisen Leistungsverweigerung berechtigt ist. Des besseren Verständnisses wegen sollte man sich zunächst einen genaueren Überblick über diese Gründe verschaffen.98 Dies gilt umso mehr, als dass sich hinsichtlich der verschiedenen denkbaren Einwendungen durchaus unterschiedliche Ergebnisse im Hinblick auf die Frage der Drittwirkung ergeben können. Denkbar ist zuvorderst der Einwand des Versicherers, der vom Geschädigten gegen den Versicherungsnehmer geltend gemachte Schadensersatzanspruch falle nicht unter das versicherte Risiko. Aus wirtschaftlichen Gründen kann ein Haftpflichtversicherer keinesfalls jede erdenkliche Haftpflichtgefahr unbegrenzt in Deckung nehmen – sei es weil es im Falle der tatsächlichen Gefahrenrealisierung zu exorbitanten Schäden und damit zu versicherungsvertraglichen Leistungspflichten käme, welche die wirtschaftliche Existenz des Versicherers bedrohen, oder weil zumindest eine abschreckend hohe Versicherungsprämie 98  Vgl. auch die Übersicht über die maßgeblichen Fallgruppen bei Hübner/Schneider, r+s 2002, 89, 91 f.

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

aufgerufen werden müsste und sich in der Folge mangels Bereitschaft zur Versicherungsnahme keine hinreichend große Gefahrengemeinschaft99 mehr bilden ließe. Daher beschränken Versicherer den Versicherungsschutz in inhaltlicher Hinsicht durch primäre Risikobeschreibungen sowie vertragliche Risikoausschlüsse regelmäßig auf ganz bestimmte und kalkulierbare Risiken (Grundsatz der Spezialität der versicherten Gefahr).100 Realisiert sich nunmehr ein Risiko, welches gerade nicht vom konkreten Haftpflichtversicherungsvertrag gedeckt ist, so liegt bereits kein Versicherungsfall vor und den Versicherer trifft von vornherein keine Leistungspflicht.101 In bestimmten Konstellationen sind auch gesetzliche Risikoausschlüsse vorgesehen (z. B. vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls, §  103 VVG).102 Das übernommene Risiko kann zudem durch die Limitierung der Versicherungssumme oder durch die Vereinbarung eines Selbstbehaltes in quantitativer Hinsicht beschränkt werden, woraus dem Versicherer ebenfalls eine Einwendung erwachsen kann. Des Weiteren kann eine Einwendung des Haftpflichtversicherers aus einer Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers resultieren. Obliegenheiten geben dem Versicherungsnehmer regelmäßig bestimmte risikooffenbarende sowie risikominimierende Verhaltensweisen auf, durch deren Befolgung dem Versicherer zunächst eine adäquate Risikoeinschätzung und Prämienkalkulation ermöglicht und sodann ganz allgemein eine Reduzierung oder zumindest Konstanthaltung des versicherten Risikos bewirkt werden soll.103 Eine Missachtung der versicherungsvertraglich vereinbarten oder auch gesetzlich vorgegebenen Obliegenheiten kann zu einer vollständigen oder teilweisen Leistungsfreiheit des Versicherers führen oder diesen zur Lösung vom Versicherungsvertrag berechtigen.104 Demgegenüber ändert eine Obliegenheitsverletzung zunächst nichts am Vorliegen eines Versicherungsfalls.105 Einwendungen des Versicherers können ferner aus dem Prämienzahlungsverzug des Versicherungsnehmers erwachsen106 oder sich aus allgemeinen zivilrechtlichen Rechtsinstituten ergeben (z. B. peremptorische Einrede der Verjäh99  Zum Prinzip der Gefahrengemeinschaft im Versicherungsrecht: Scherpe, Das Prinzip der Gefahrengemeinschaft im Privatversicherungsrecht, Tübingen, 2011; Armbrüster, PVR, Rn.  220 ff. 100  Hierzu bereits oben unter 2. Teil A.I.3.a). 101  Looschelders/Paffenholz, VR, Rn.  305. 102  Regelmäßig sehen auch die AVB für den Fall der vorsätzlichen Versicherungsfallherbeiführung (deklaratorische) vertragliche Risikoausschlüsse vor, vgl. Ziff.  7.1 AHB (Stand: Februar 2016) oder auch Teil A Abschnitt 1 Ziff.  7.1 AVB PHV (Stand: April 2016). 103  Franck, Direktanspruch, S.  147; Hedderich, Pflichtversicherung, S.  279. 104  Hierzu bereits ausführlich oben unter 2. Teil A.I.4.b).bb). 105  Looschelders/Paffenholz, VR, Rn.  305. 106  Vgl. hierzu auch oben unter 2. Teil A.I.4.b).aa).

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rung, §  214 Abs.  1 BGB). Denkbar ist letztlich die Einwendung des Versicherers, zum Zeitpunkt des vermeintlichen Versicherungsfalls habe überhaupt kein wirksamer Haftpflichtversicherungsvertrag vorgelegen – und zwar entweder weil ein solcher von Anfang an (ex tunc) nicht entstanden oder aber zu einem späteren Zeitpunkt vor dem Schadensereignis (ex nunc) wieder weggefallen sei. Einer Entstehung des Haftpflichtversicherungsvertrages können dabei insbesondere die Nichtigkeitsgründe des allgemeinen Zivilrechts (§§  104 ff., 142, 154 f. BGB) entgegenstehen.107 Zu einem späteren Wegfall des Versicherungsvertrages kann es wiederum durch dessen Kündigung infolge eines Prämienzahlungsverzuges oder infolge einer Obliegenheitsverletzung, gleichfalls durch den Widerruf des Versicherungsvertrages nach §§  8 f. VVG sowie durch einen wirksamen Rücktritt kommen. bb) Versicherungsrechtliche Einwendungen gegen den gesetzlichen Direktanspruch – Grundkonzeption des deutschen Rechts Der Direktanspruch aus §  115 VVG ist als gesetzlicher Schuldbeitritt (kumulative Schuldübernahme) des Versicherers zum Schadensersatzanspruch des Geschädigten konzipiert,108 womit im Ausgangspunkt eine prinzipielle Unabhängigkeit des gesetzlichen Direktanspruchs vom Haftpflichtversicherungsverhältnis einhergeht. Nach der allgemeinen Grundregel des §  417 Abs.  2 BGB kann ein Schuldübernehmer dem Gläubiger keine Einwendungen aus dem der Schuld­ übernahme zugrundeliegenden Rechtsverhältnis (d. h. vorliegend dem Haftpflichtversicherungsvertrag) entgegenhalten.109 Demzufolge wäre dem Haftpflichtversicherer die Berufung auf versicherungsrechtliche Einwendungen im Direktanspruchsverhältnis schlechthin versagt – was zwar als in höchstem Maße geschädigtenfreundlich einzustufen ist, gleichzeitig jedoch die Belange des Haftpflichtversicherers gänzlich außer Acht lässt.110 In grundsätzlicher Anerkennung der berechtigten Interessen des Haftpflichtversicherers löst der deutsche Gesetzgeber daher die strikte Versicherungsvertragsunabhängigkeit des gesetzlichen Direktanspruchs dadurch auf, dass er den Direktanspruch gemäß §  115 Abs.  1 S.  2 VVG nur „im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis“ entstehen lässt. Durch die versicherungsvertragsgesetzliche Spezialvorschrift des §  115 Abs.  1 S.  2 VVG (lex specialis zu §  417 Abs.  2 BGB) eröffnet der Gesetzgeber dem Schneider in MüKoVVG, §  117 Rn.  15. Vgl. hierzu oben unter 3. Teil A.I.2. 109  Die Vorschrift des §  417 BGB findet nicht nur bei der privativen, sondern auch bei der kumulativen Schuldübernahme Anwendung, vgl. Grüneberg in Palandt, Überbl v §  414 Rn.  7. 110  Vgl. hierzu auch oben unter 2. Teil B.V.3. 107 

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

Haftpflichtversicherer potentiell die Möglichkeit, einem Direktanspruch sämtliche versicherungsrechtlichen Einwendungen entgegenzusetzen. Der Haftpflichtversicherer soll demnach „im Grundsatz nicht über das hinaus haftbar [sein], wozu er sich vertraglich verpflichtet hat“.111 Dieser Befund wird allerdings sogleich dadurch relativiert, dass wiederum bestimmten versicherungsrechtlichen Einwendungen aus Gründen des sozialen Drittschutzes kraft gesetzlicher Anordnung explizit die Drittwirkung gegenüber einem Geschädigten versagt wird (vgl. §§  114 Abs.  2 S.  2, 117 VVG). Die Situation im deutschen Recht zeichnet sich zusammenfassend dadurch aus, dass der deutsche Gesetzgeber in einem ersten Schritt den mit der rechtskonstruktiven Ausgestaltung des Direktanspruchs verknüpften umfassenden Einwendungsausschluss durchbrochen und eine grundsätzliche Maßgeblichkeit sämtlicher versicherungsrechtlicher Einwendungen für den Direktanspruch normiert hat (§  115 Abs.  1 S.  2 VVG), hiervon jedoch in einem zweiten Schritt sogleich wieder gewisse Abweichungen vorsieht. Im Einzelnen ergibt sich daher das nachfolgend skizzierte Bild. b) Einwendungsdurchgriff aa) Primäre Risikobeschreibungen und Risikoausschlüsse Der Haftpflichtversicherer kann sich gegenüber dem Geschädigten zunächst darauf berufen, dass für den Schadensersatzanspruch, der dem Direktanspruch zugrundeliegt, nach den einschlägigen Risikobeschreibungen und Risikoausschlüssen kein Versicherungsschutz besteht.112 Die Berufung auf die durch Risikobeschreibungen und Risikoausschlüsse festgelegten Grenzen des Versicherungsschutzes wird dem Versicherer insbesondere nicht durch die Vorschrift des §  117 Abs.  1, 2 VVG versagt, die in Abweichung zur Grundregel des §  115 Abs.  1 S.  2 VVG für gewisse Konstellationen Ausschlüsse versicherungsrechtlicher Einwendungen normiert.113 Wie nämlich §  117 Abs.  3 S.  1 VVG explizit klarstellt, begründet die vom Haftpflichtversicherer „übernommene Gefahr“ auch bei der durch §  117 Abs.  1, 2 VVG bewirkten Fiktion bestehenden Versicherungsschutzes eine absolute Grenze der Einstandspflicht. Die Charakterisierung einer Versicherungsvertragsklausel als Risikobeschreibung bzw. Risiko111  Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  185; vgl. auch Franck, Direktanspruch, S.  108. 112  BT-Drs. 16/3945, S.  89; Schimikowski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, §  117 Rn.  2 f.; Langheid in Langheid/Rixecker, §  117 Rn.  27; Knappmann in Prölss/Martin, §  117 Rn.  23; Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  178; Armbrüster, PVR, Rn.  1674; Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  65. 113  Hierzu sogleich ausführlich unter 3. Teil C.II.2.c).bb).

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ausschluss – insbesondere in Abgrenzung zu einer Obliegenheit,114 bei deren Verletzung §  117 VVG einschlägig sein kann – ist daher für den Geschädigten von essentieller Bedeutsamkeit.115 Um (Dritt-) Wirkung entfalten zu können, müssen die vertraglichen Risikobeschreibungen und Risikoausschlüsse freilich in rechtswirksamer Weise vereinbart worden sein.116 Insofern ist jedoch zu berücksichtigen, dass die vertragliche Inhaltsfreiheit der Versicherungsvertragsparteien im Bereich der Pflichthaftpflichtversicherung gewissen Beschränkungen unterliegt. Diesen Beschränkungen liegt die Erwägung zugrunde, dass die mit einer Haftpflichtversicherungspflicht verfolgten Ziele oftmals gefährdet wären, wenn die zum Versicherungsabschluss gezwungenen Versicherungsvertragsparteien nach freiem Belieben Inhalt und Umfang des Versicherungsschutzes bestimmen könnten.117 Vertragliche Abreden der Parteien über Inhalt und Umfang der Pflichthaftpflichtversicherung müssen sich folglich an der Vorschrift des §  114 Abs.  2 S.  1 VVG messen lassen. Dementsprechend dürfen Deckungsbegrenzungen weder im Widerspruch zu anderen zwingenden Rechtsvorschriften stehen, die ausdrücklich ein bestimmtes Mindestschutzniveau vorschreiben, noch dürfen sie ganz allgemein die Erreichung des Zwecks gefährden, der mit der jeweiligen Pflichthaftpflichtversicherung verfolgt wird. Bedauerlich ist das Versäumnis des Gesetzgebers, der Generalklausel des §  114 Abs.  2 S.  1 VVG rechtssicher handhabbare Kriterien für die durchzuführende Zweckgefährdungskontrolle beizugeben. Nach Ansicht der Literatur ist nach Herausarbeitung der mit der konkreten Versicherungspflicht verfolgten Ziele eine umfassende Abwägung der Interessen von Versicherungsnehmer, Haftpflichtversicherer sowie geschädigtem Dritten vorzunehmen.118 Die Rechtsfolgen der Unvereinbarkeit einer vertraglichen Abrede mit §  114 Abs.  2 S.  1 VVG sind umstritten. Einig ist man sich nur insoweit, dass ein Rückgriff auf die in §  114 Abs.  2 S.  2 VVG im Zusammenhang mit Selbstbehalten vorgesehene Rechtsfolge aus gesetzessystematischen Gründen nicht in Betracht kommt.119 Nach überwiegender Auffassung begründet ein Verstoß gegen §  114 Abs.  2 S.  1 VVG – jedenfalls wenn die Deckungsbegrenzung wie ganz regelmäßig in AVB des 114  Zu den maßgeblichen Abgrenzungskriterien – insbesondere bei sog. „verhüllten Obliegenheiten“ – Wandt, VR, Rn.  570 ff. 115  Knappmann in Prölss/Martin, §  117 Rn.  24; Schwartze in Looschelders/Pohlmann, §  117 Rn.  17; Franck, Direktanspruch, S.  163. 116  Schneider in MüKoVVG, §  117 Rn.  33. 117  Armbrüster, PVR, Rn.  1683; Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  28. 118  Franck, Direktanspruch, S.  109; Brand in MüKoVVG, §  114 Rn.  14; Knappmann in Prölss/Martin, §  114 Rn.  2; Armbrüster, PVR, Rn.  1685. 119  Brand in MüKoVVG, §  114 Rn.  18; Armbrüster/Dallwig, VersR 2009, 150, 150.

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

Versicherers vereinbart wird – eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers iSd §  307 Abs.  1 S.  1, Abs.  2 Nr.  2 BGB. Hintergrund dessen ist die Überlegung, dass dem Versicherungsnehmer durch eine übermäßige Deckungsbegrenzung die Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung zum Abschluss eines einen gewissen Mindestschutz gewährenden Haftpflichtversicherungsvertrages unmöglich gemacht wird.120 An die Stelle einer unwirksamen Deckungsbegrenzung tritt entweder die gesetzlich vorgesehene Mindestdeckung (vgl. §  306 Abs.  2 BGB) oder – in Ermangelung einer solchen gesetzlichen Regelung – eine im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§  133, 157 BGB) zu ermittelnde Vertragsbestimmung. Regelmäßig wird eine solche Vertragsregelung dem hypothetischen Parteiwillen entsprechen, welche die gesetzlichen Vorgaben an die Pflichthaftpflichtversicherung gerade so erfüllt.121 Selbstredend kann eine nach §  114 Abs.  2 S.  1 VVG iVm §  307 Abs.  1 S.  1, Abs.  2 Nr.  2 BGB allgemein unwirksame Deckungsbegrenzung auch dem geschädigten Dritten nicht entgegengehalten werden. bb) Insbesondere: Vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls (§  103 VVG) Besondere Beachtung verdient der Fall der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls (§  103 VVG). Nach herrschender Meinung kann sich der Haftpflichtversicherer auch gegenüber dem Geschädigten auf die Leistungsfreiheit berufen, die sich im Versicherungsinnenverhältnis als Folge der vorsätzlichen und widerrechtlichen Schadensherbeiführung einstellt. Es wird jedoch zu zeigen sein, dass diese Auffassung rechtspolitisch bedenklich und im Bereich der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung mit Unionsrecht unvereinbar ist. Es ist ein fester Grundsatz des deutschen Versicherungsrechts, dass der Versicherungsnehmer keine Leistungen aus einer Versicherung beanspruchen kann, wenn er vorsätzlich für den Eintritt des Versicherungsfalls gesorgt hat (vgl. §§  81, 103, 137, 161, 162, 183, 201 VVG). Abgesehen davon, dass es im Falle der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls an der Realisierung eines „ungewissen Ereignisses“ als klassischem Wesensmerkmal einer Versicherung fehlt,122 wäre ein Leistungsverlangen des Versicherungsnehmers Brand in MüKoVVG, §  114 Rn.  20 ff.; Feyock in Feyock/Jacobsen/Lemor, §  114 VVG Rn.  2; Knappmann in Prölss/Martin, §  114 Rn.  2; Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  166a; Armbrüster, PVR, Rn.  1689; Armbrüster/Dallwig, VersR 2009, 150, 152 f. A.A. Franck, Direktanspruch, S.  110 f., welcher der Vorschrift des §  114 Abs.  2 S.  1 VVG den Charakter eines Verbotsgesetzes iSd §  134 BGB beilegt und im Falle des Verstoßes eine Nichtigkeit des Vertrages oder zumindest der Deckungsbegrenzung annehmen will. 121  Brand in MüKoVVG, §  114 Rn.  21; Armbrüster/Dallwig, VersR 2009, 150, 152 f. 122  Vgl. die Definition des Begriffs der Versicherung durch das BVerwG, NJW 1992, 120 

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kaum mit den Grundsätzen von Treu und Glauben (§  242 BGB) zu vereinbaren. Die Gewährung von Versicherungsschutz ungeachtet einer vorsätzlichen Versicherungsfallherbeiführung würde zudem ein „Anreiz zu unredlichem Verhalten“123 schaffen und Fällen von Versicherungsmissbrauch zu Lasten des Kollektivs der Versicherten Vorschub leisten.124 Für den Versicherungszweig der Haftpflichtversicherung normiert die Spezialvorschrift des §  103 VVG, dass der Versicherer „nicht zur Leistung verpflichtet [ist], wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich und widerrechtlich den bei dem Dritten eingetretenen Schaden herbeigeführt hat“. Für die Leistungsfreiheit des Versicherers bedarf es demnach des zumindest bedingten Vorsatzes hinsichtlich der Schädigungshandlung und des eingetretenen Schadens auf der einen sowie der Widerrechtlichkeit der schadensbegründenden Handlung auf der anderen Seite.125 Anders als bei der Vorgängerregelung des §  152 VVG a. F. bringt der Gesetzeswortlaut nunmehr deutlich zum Ausdruck, dass sich der Vorsatz des Versicherungsnehmers nicht nur auf die schädigende Handlung beschränken darf, sondern zwingend auch die Schadensfolge umfassen muss.126 Beweispflichtig für das Vorliegen der Voraussetzungen des §  103 VVG ist der Versicherer, wobei diesem hinsichtlich der Schuldform des Vorsatzes regelmäßig kein Anscheinsbeweis (prima-facie-Beweis) zugutekommt.127 Nach ganz herrschender Meinung ist die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls iSd §  103 VVG rechtsdogmatisch als subjektiver Risikoausschluss einzuordnen. Ein vorsätzlich herbeigeführtes Schadensereignis liegt somit außerhalb des versicherten Risikos und ist bereits von vornherein nicht vom Haftpflichtversicherungsschutz umfasst.128 2978, 2978: „(…) liegt ein Versicherungsgeschäft vor, wenn gegen Entgelt für den Fall eines ungewissen Ereignisses bestimmte Leistungen übernommen werden, wobei das übernommene Risiko auf eine Vielzahl durch die gleiche Gefahr bedrohter Personen verteilt wird und der Risikoübernahme eine auf dem Gesetz der großen Zahl beruhende Kalkulation zugrunde liegt“ (kursive Hervorhebung durch Verfasser). 123  BT-Drs. 16/3945, S.  79. 124  Allgemein zu Sinn und Zweck des Ausschlusses der Leistungspflicht bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls: Looschelders in MüKoVVG, §  81 Rn.  1; Wandt, VR, Rn.  932 ff. 125  An der Widerrechtlichkeit der schadensbegründenden Handlung fehlt es dabei beispielsweise in den Fällen der §§  228, 229, 904 BGB. 126  BT-Drs. 16/3945, S.  85; VVG-Kommission, Abschlussbericht, S.  364; Schulze Schwienhorst in Looschelders/Pohlmann, §  103 Rn.  4; Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  843. Dies entsprach freilich auch schon bislang unter §  152 VVG a. F. der herrschenden Meinung, vgl. BGH, NJW-RR 1998, 1321, 1322 sowie Lücke in Prölss/Martin, §  103 Rn.  4. 127  BGH, NJW-RR 2005, 1051, 1051 f.; BGH, NJW 1988, 2040, 2041; Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  841. 128  BGH, NJW 2013, 1163, 1164; BGH, NJW 2011, 3718, 3720; BGH, NJW 1971, 459, 459;

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

Aus der Klassifizierung der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls als subjektivem Risikoausschluss folgt zugleich die grundsätzliche Berechtigung des Haftpflichtversicherers, die sich aus §  103 VVG ergebende Leistungsfreiheit auch gegenüber dem Geschädigten geltend machen zu dürfen.129 Insoweit liegen vorsätzlich verursachte Schadensfälle gerade außerhalb der „übernommenen Gefahr“ (vgl. §  117 Abs.  3 S.  1 VVG). Es erscheint allerdings unbillig, dass sich der Geschädigte eine Einwendung entgegenhalten lassen muss, die aus einer besonders gravierenden Verfehlung des schädigenden Versicherungsnehmers resultiert (vorsätzliche Schadensherbeiführung), während bei einer auf einem geringeren Fehlverhalten (z. B. schlichte Obliegenheitsverletzung) beruhenden Leistungsfreiheit ein Einwendungsausschluss eingreift und eine direkte Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers Erfolg verspricht (vgl. §  117 Abs.  1, 2 VVG).130 Der Befund der Unbilligkeit entfällt auch nicht dadurch, dass dem Geschädigten bei ausgewählten Pflichthaftpflichtversicherungen im Falle der vorsätzlichen Versicherungsfallherbeiführung anderweitige Schutzmechanismen zur Verfügung stehen.131 Unabhängig davon, ob diese Schutzmechanismen tatsächlich gleichwertige Alternativen zu einem Direktanspruch darstellen,132 leuchtet es nicht ein, weshalb lediglich bestimmte Geschädigte bei vorsätzlicher Versicherungsfallherbeiführung in den Genuss einer Alternative zur Einstandspflicht des Haftpflichtversicherers kommen sollen. Hierin liegt im Ausgangspunkt eine neuerliche Ungerechtigkeit begründet. Richtigerweise sollte daher die Drittwirkung der sich infolge der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls ergebenden Leistungsfreiheit des Haftpflichtversicherers ganz generell in Frage gestellt werden. Heinrichs in FAKomm-VersR, §  103 VVG Rn.  1; Langheid in Langheid/Rixecker, §  103 Rn.  2; Bruns, PVR, §  22 Rn.  23; Vogt, Direktansprüche, S.  43 f.; Franck, VersR 2014, 13, 15. 129  BGH, NJW 2013, 1163, 1164; Beckmann in Bruck/Möller, §  115 Rn.  40; Langheid in Langheid/Rixecker, §  117 Rn.  27; Schneider in MüKoVVG, §  117 Rn.  32; Armbrüster, PVR, Rn.  1674; Looschelders/Paffenholz, VR, Rn.  431; Franck, Direktanspruch, S.  159; Heidl, VVG-Reform, S.  315; vgl. ferner BT-Drs. 16/3945, S.  89. Anders: OLG Frankfurt am Main, r+s 1996, 472, 472; kritisch auch Heitmann, VersR 1997, 941, 941 f. (zur Vorgängerregelung des §  152 VVG a. F.). 130 Ähnlich Franck, VersR 2014, 13, 15. 131  Z. B. Geschädigten-Entschädigungsfonds in der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung (§§  12 ff. PflVG); Vertrauensschadensversicherung in der pflichtigen Berufshaftpflichtversicherung für Notare, die von der Notarkammer abgeschlossen wird (§  67 Abs.  3 S.  1 Nr.  3 BNotO). 132  Dies erscheint beim Geschädigten-Entschädigungsfonds angesichts dessen lediglich subsidiärer Eintrittspflicht (§  12 Abs.  1 S.  1 Nr.  3, S.  2 PflVG) mehr als zweifelhaft. Skeptisch auch: Looschelders, VersR 2008, 1, 3; Franck, VersR 2014, 13, 16 f.; Heitmann, VersR 1997, 941, 941.

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Als noch bedenklicher erweist sich die Berechtigung des Versicherers, sich im Direktanspruchsverhältnis auf die aus einer vorsätzlichen Versicherungsfallherbeiführung resultierende Leistungsfreiheit berufen zu können, vor unionsrechtlichem Hintergrund.133 Für den Bereich der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung geben die Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien der EU im Lichte der Rechtsprechung des EuGH einen umfassenden Ausschluss versicherungsrechtlicher Einwendungen zulasten des Haftpflichtversicherers vor. Abweichungen hiervon sind nur in wenigen Ausnahmefällen statthaft, die in den Richtlinien enumerativ und abschließend aufgelistet sind.134 Die Leistungsfreiheit des Versicherers infolge einer vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls gehört jedoch nicht zu den in der Richtlinie aufgeführten Fallgruppen, bei denen ausnahmsweise ein Einwendungsdurchgriff gestattet wird. Die sich vor diesem Hintergrund ergebende Unionsrechtswidrigkeit der deutschen Rechtslage135 wird insbesondere auch nicht durch die dem Geschädigten eröffnete alternative Möglichkeit des Vorgehens gegen den Geschädigten-Entschädigungsfonds ausgeräumt (vgl. §  12 Abs.  1 S.  1 Nr.  3 PflVG). Die Verweisung des Geschädigten auf den Geschädigten-Entschädigungsfonds ist jedenfalls unvereinbar mit der vom EuGH postulierten absoluten Nachrangigkeit des Entschädigungsfonds für den Geschädigtenschutz.136 Vor diesem Hintergrund erscheint es daher dringend angezeigt, die Drittwirkung der sich infolge der vorsätzlichen Versicherungsfallherbeiführung ergebenden Leistungsfreiheit de lege ferenda ganz allgemein auszuschließen. Insoweit bietet sich – in bewusster Abkehr von der bislang herrschenden Meinung – eine explizite Klarstellung im Rahmen des §  117 VVG an, dass auch der Einwand der Leistungsfreiheit wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls vom dort normierten Einwendungsausschluss umfasst ist. Denkbar ist insofern die Ergänzung des §  117 Abs.  1 VVG um den Satz: „Dies gilt insbesondere auch, wenn die Leistungsfreiheit des Versicherers auf einer vorsätzlichen und widerrechtlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls beruht.“137 In diesem Falle wäre zugleich die Vorschrift des §  12 Abs.  1 S.  1 Nr.  3 PflVG aufzuheben. 133 

Demgegenüber steht keine Unvereinbarkeit mit dem völkerrechtlichen Straßburger Übereinkommen von 1959 im Raum, weil Deutschland insoweit hinsichtlich der vorsätzlichen Versicherungsfallherbeiführung einen zulässigen Vorbehalt erklärt hat, vgl. hierzu oben unter 3. Teil C.I.1. 134  Vgl. hierzu oben unter 3. Teil C.I.2. 135  So auch Looschelders, VersR 2008, 1, 3; Franck, VersR 2014, 13, 16 sowie Heitmann, VersR 1997, 941, 942 (für die Vorgängerregelung des §  152 VVG a. F.). 136  Vgl. hierzu ausführlich oben unter 3. Teil C.I.2.b). 137 Restriktiver Franck, Direktanspruch, S.  174, der alleine im Bereich der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung eine richtlinienkonforme Auslegung des §  117 VVG vornehmen möchte.

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

c) Einwendungsausschluss aa) Selbstbehalt (§  114 Abs.  2 S.  2 VVG) In deutschen Haftpflichtversicherungsverträgen wird häufig ein Selbstbehalt des Versicherungsnehmers vereinbart. Danach hat sich der Versicherungsnehmer bei jedem Schadensereignis mit einer zuvor im Versicherungsvertrag betragsmäßig oder prozentual festgelegten Summe an der Schadensersatzleistung zu beteiligen, der Haftpflichtversicherungsanspruch reduziert sich entsprechend.138 Einem Selbstbehalt wird in erster Linie eine disziplinierende Wirkung zugesprochen, weil der Versicherungsnehmer in Anbetracht der drohenden finanziellen Belastung fortan ein originäres Interesse an der Schadensvermeidung hat. Daneben wird dem Versicherer zugleich die überproportional verwaltungsaufwendige Regulierung von Kleinschäden erspart, wovon der Versicherungsnehmer regelmäßig durch einen geringen Prämiennachlass profitiert.139 Ebenso wie vertragliche Risikoausschlüsse dürfen Selbstbehalte im Bereich der Pflichthaftpflichtversicherung den mit der jeweiligen Pflichtversicherung verfolgten Zweck nicht gefährden. Zur Frage der Drittwirkung eines Selbstbehaltes hat der Gesetzgeber ausdrücklich Stellung bezogen. Nach §  114 Abs.  2 S.  2 VVG ist der Versicherer nicht berechtigt, dem Geschädigten einen versicherungsvertraglich vereinbarten Selbstbehalt des Versicherungsnehmers entgegenzuhalten. Ungeachtet einer etwaigen Regressmöglichkeit gegen den Versicherungsnehmer haftet der Versicherer daher im Außenverhältnis zum Geschädigten trotz Selbstbehalt in voller Höhe.140 bb) Sonstige versicherungsrechtliche Einwendungen (§  117 VVG) Zur Drittwirkung der bislang nicht erörterten versicherungsrechtlichen Einwendungen verhält sich das deutsche Recht umfassend in der Vorschrift des §  117 VVG, welche im Ergebnis eine sehr weitgehende Ausnahme zu dem in §  115 Abs.  1 S.  2 VVG statuierten Grundsatz des Einwendungsdurchgriffs beinhaltet.141 Die Norm des §  117 VVG ist Ausfluss des der obligatorischen HaftpflichtHarsdorf-Gebhardt in Späte/Schimikowski, Ziff.  6 AHB Rn.  27. Allgemein zu Sinn und Zweck von Selbstbehalten: Brand in MüKoVVG, §  114 Rn.  24; Harsdorf-Gebhardt in Späte/Schimikowski, Ziff.  6 AHB Rn.  28; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  23 f. 140 Einschränkend Dallwig, Deckungsbegrenzungen, S.  77 ff., der bestimmten spezialgesetzlichen Vorschriften (z. B. §  51 Abs.  5 BRAO, §  19a Abs.  4 BNotO) eine Drittwirkung vereinbarter Selbstbehalte entnehmen möchte; dagegen überzeugend Brand in MüKoVVG, §  114 Rn.  28. 141  Der Einwendungsausschluss nach §  117 VVG kommt dem Geschädigten allerdings 138  139 

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versicherung immanenten „Leitbildes des Geschädigtenschutzes“142 und soll einer im Bereich der Pflichthaftpflichtversicherung für unangemessen erachteten Verkürzung der Geschädigtenrechte entgegenwirken.143 Hierzu wird in Fällen, in welchen der Versicherer im Versicherungsinnenverhältnis vollständig oder teilweise leistungsfrei ist, „in Ansehung des Dritten“ das (Fort-) Bestehen eines durchsetzbaren Versicherungsanspruchs fingiert144 – mit der logischen Folge, dass der Geschädigte auch keine versicherungsrechtlichen Einwendungen gegen den Geschädigten erheben kann („Einwendungsausschluss“). Im Rahmen des §  117 VVG bedarf es der Differenzierung zwischen den Konstellationen des sog. „kranken Versicherungsverhältnisses“ (§  117 Abs.  1 VVG) und der „Nachhaftung“ (§  117 Abs.  2 VVG). Aus Verhältnismäßigkeitserwägungen wird die durch §  117 Abs.  1, 2 VVG bewirkte Fiktion des Versicherungsanspruchs und somit die Haftung des Versicherers gegenüber dem Geschädigten auf das aus Opferschutzgesichtspunkten unerlässliche Maß begrenzt (§  117 Abs.  3, 4 VVG). (1) „Krankes Versicherungsverhältnis“ (§  117 Abs.  1 VVG) Die Vorschrift des §  117 Abs.  1 VVG befasst sich zunächst mit den Fällen des sog. „kranken Versicherungsverhältnisses“. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass zwar ein wirksamer Haftpflichtversicherungsvertrag besteht und in Ansehung eines bestimmten Schadensereignisses grundsätzlich auch ein Versicherungsfall eingetreten ist, der Versicherer jedoch im konkreten Einzelfall aufgrund gewisser Umstände „von der Verpflichtung zur Leistung dem Versicherungsnehmer gegenüber ganz oder teilweise frei [ist]“.145 Eine vollständige oder nicht nur im Rahmen eines gesetzlichen Direktanspruchs aus §  115 VVG zugute, sondern auch im Zuge der Geltendmachung des derivativ erworbenen Freistellungsanspruchs (z. B. durch Abtretung oder durch Pfändung und Überweisung), vgl. BT-Drs. 16/6627, S.  6; Beckmann in Bruck/Möller, §  115 Rn.  19; Knappmann in Prölss/Martin, §  117 Rn.  1; Langheid in Langheid/Rixecker, §  117 Rn.  4. 142  Goretzky, Leistungspflicht des Versicherers, S.  29 (zur inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des §  158c VVG a. F.). 143  Vgl. Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  169. 144  Einen Überblick über den – freilich nicht praxisrelevanten – Streitstand zur korrekten rechtsdogmatischen Einordnung der Regelung des §  117 VVG geben Heidl, VVG-Reform, S.  311 ff. und Beckmann in Berliner Kommentar, §  158c Rn.  5. Die hM vertritt die sog. Fiktionstheorie: BGH, NJW 1957, 1230, 1232 f.; Knappmann in Prölss/Martin, §  117 Rn.  1; Bruns, PVR, §  22 Rn.  47. Im Rahmen des §  117 Abs.  1 VVG wird dabei das „Fortbestehen“ eines Versicherungsanspruchs fingiert, wohingegen sich die Fiktion im Rahmen des §  117 Abs.  2 VVG bereits auf das „Bestehen“ des Versicherungsanspruchs bezieht. 145  §  117 Abs.  1 VVG. Siehe auch: Beckmann in Berliner Kommentar, §  158c Rn.  8; Schneider in MüKoVVG, §  117 Rn.  5, 9; Heidl, VVG-Reform, S.  316.

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers kann sich insbesondere aus einem Prämienzahlungsverzug sowie als Folge einer Obliegenheitsverletzung durch den Versicherungsnehmer ergeben.146 Neben der Verletzung vertraglicher Obliegenheiten (§  28 VVG) kommt dabei vorrangig die Missachtung der Vorschriften über die vorvertraglichen Anzeigepflichten (§§  19 ff. VVG) sowie der Gefahrerhöhung (§§  23 ff. VVG) in Betracht.147 Für die Anwendbarkeit des §  117 Abs.  1 VVG ist es ohne Belang, ob die verletzten Obliegenheiten vor oder nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllen waren.148 Umstritten war hingegen, ob auch die Verjährung des haftpflichtversicherungsrechtlichen Freistellungsanspruchs unter §  117 Abs.  1 VVG subsumiert werden kann. Dies wurde von Teilen der Literatur mit der Begründung verneint, dass die Vorschrift des §  117 VVG alleine solche Fälle umfasse, in welchen die Leistungsfreiheit des Versicherers auf der Verletzung typischer versicherungsrechtlicher Bestimmungen beruhe.149 Der BGH hat sich indes in ständiger Rechtsprechung für eine zumindest analoge Anwendung des §  117 Abs.  1 VVG ausgesprochen.150 Die Sichtweise des BGH erscheint angesichts des dem Einwendungsausschluss nach §  117 VVG immanenten Anliegens eines möglichst lückenlosen Geschädigtenschutzes im Bereich der obligatorischen Haftpflichtversicherung zutreffend. Für die von der Gegenansicht angenommene Restriktion des Anwendungsbereichs auf klassisch versicherungsrechtliche Fallkon­ stellationen lässt sich ein gesetzgeberischer Wille nicht erkennen. (2) Nachhaftung (§  117 Abs.  2 VVG) Der intendierte Schutz des Geschädigten bliebe freilich unvollkommen, wenn man es im Rahmen des §  117 VVG bei der Fiktion des Versicherungsanspruchs in Fällen des „kranken Versicherungsverhältnisses“ beließe. Die Rechtsstellung des Geschädigten ist nämlich nicht nur durch den Umstand der Leistungsfreiheit des Versicherers in einem an und für sich bestehenden Haftpflichtversiche146  Angesichts der Abkehr vom Alles-oder-nichts-Prinzip und der Einführung des Quotelungsmodells als Rechtsfolge einer grob fahrlässigen Verletzung versicherungsrechtlicher Obliegenheiten im Zuge der VVG-Reform 2008 haben hierbei die Fälle der lediglich teilweisen Leistungsfreiheit massiv an Bedeutung gewonnen, vgl. BT-Drs. 16/3945, S.  89; Heidl, VVG-Reform, S.  317. 147  Knappmann in Prölss/Martin, §  117 Rn.  6; Schneider in MüKoVVG, §  117 Rn.  9; Heidl, VVG-Reform, S.  316 f.; Vogt, Direktansprüche, S.  44. 148  Beckmann in Berliner Kommentar, §  158c Rn.  9. 149  Sieg, Ausstrahlungen, S.  153. Vgl. hierzu auch Heidl, VVG-Reform, S.  317 f. 150  Siehe nur: BGH, NJW-RR 2003, 1572, 1573 f.; BGH, NJW 1971, 657, 658. Zustimmend: Knappmann in Prölss/Martin, §  117 Rn.  6; Schneider in MüKoVVG, §  117 Rn.  9; zweifelnd jedoch: Langheid in Langheid/Rixecker, §  117 Rn.  8.

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rungsverhältnis gefährdet, sondern vor allem auch dann, wenn es im Zeitpunkt des Schadensereignisses schlichtweg an einem wirksamen Haftpflichtversicherungsvertrag fehlt.151 Hierzu kann es nicht zuletzt auch deshalb häufiger kommen, weil der Versicherer auf Verfehlungen des Versicherungsnehmers im Deckungsverhältnis vielfach nicht nur mit der Versagung der Versicherungsleistung, sondern auch mit der Beendigung des Versicherungsvertrages reagieren kann,152 so dass für die Zukunft kein Versicherungsschutz mehr besteht.153 Gerade im Bereich der obligatorischen Haftpflichtversicherungen besteht jedoch die berechtigte Erwartung der Allgemeinheit, dass entsprechend der rechtlichen Verpflichtung die – in der Regel besonders gefahrgeneigte – Betätigung des potentiellen Schädigers zumindest von einem wirksamen Haftpflichtversicherungsvertrag gedeckt ist. Dies gilt jedenfalls, solange die Einhaltung der Versicherungspflicht der Überwachung durch eine autorisierte Stelle unterliegt und dementsprechend mit einer Untersagung der jeweiligen Betätigung gerechnet werden kann, falls der notwendige Haftpflichtversicherungsschutz fehlt.154 Die Vorschrift des §  117 Abs.  2 VVG nimmt sich dieser geschädigtenschutzrelevanten Problematik an und fingiert im Verhältnis zum Geschädigten in ausgewählten Fällen, in denen ein Haftpflichtversicherungsverhältnis nicht oder nicht mehr existiert, zumindest zeitweilig das (Fort-) Bestehen des Versicherungsschutzes.155 Danach wirkt „ein Umstand, der das Nichtbestehen oder die Beendigung des Versicherungsverhältnisses zur Folge hat, (…) in Ansehung des Dritten erst mit dem Ablauf eines Monats, nachdem der Versicherer diesen Umstand der hierfür zuständigen Stelle angezeigt hat“,156 In der Konsequenz kann sich der Versicherer erst nach Ablauf einer bestimmten Frist gegenüber dem Geschädigten auf die Nichtexistenz eines Haftpflichtversicherungsvertrages berufen (sog. Nachhaftung).157 Dem Versicherer wird insofern im Interesse des Drittschutzes die Obliegenheit auferlegt, den ihm bekannten oder jedenfalls bekannt gewordenen Umstand fehlenden Haftpflichtversicherungsschutzes seines Schneiderin MüKoVVG, §  117 Rn.  13. Hedderich, Pflichtversicherung, S.  284. Vgl. die Rücktritts- und Kündigungsrechte bei Prämienzahlungsverzug (§§  37 Abs.  1, 38 Abs.  3 VVG) oder auch die Rücktritts- und Kündigungsrechte bei Obliegenheitsverletzungen (z. B. §§  19 Abs.  2, 24, 28 Abs.  1 VVG). 153  Die Nichtexistenz von Haftpflichtversicherungsschutz kann selbstverständlich auch andere Ursachen haben (z. B. Nichtigkeit des Haftpflichtversicherungsvertrages aus allgemein-zivilrechtlichen Gründen; schlichte Missachtung einer Versicherungspflicht seitens des Schädigers). 154  Schneider in MüKoVVG, §  117 Rn.  13. 155  Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  171. 156  §  117 Abs.  2 S.  1 VVG. Dies gilt auch, wenn das Versicherungsverhältnis durch Zeitablauf endet (§  117 Abs.  2 S.  2 VVG). 157  Wandt, VR, Rn.  1110. 151 

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

„Versicherungsnehmers“ der zuständigen Stelle zu offenbaren. Diese soll dadurch in die Lage versetzt werden, alsbald die notwendigen Maßnahmen158 zur Beseitigung der von einem unversicherten Rechtssubjekt ausgehenden Gefahr zu ergreifen.159 Die Missachtung der im ureigenen Interesse des Versicherers liegenden Anzeigeobliegenheit führt zu einer bis auf weiteres fortdauernden Nachhaftung gegenüber dem Geschädigten.160 Den Versicherer trifft die Beweislast für den Zugang der – nicht formbedürftigen – Anzeige bei der richtigen Stelle.161 Lediglich wenn es an einer zur Entgegennahme derartiger Anzeigen zuständigen Stelle fehlt, scheidet eine Nachhaftung gemäß §  117 Abs.  2 S.  5 VVG von vornherein aus. Zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich bedenklichen, gänzlich anlasslosen Haftung des Versicherers ist als essentielle Grundvoraussetzung einer Nachhaftung jedoch zwingend der äußere Rechtsschein eines wirksamen Haftpflichtversicherungsvertrages zu fordern162 , der dabei entsprechend der ratio des §  117 Abs.  2 VVG gerade gegenüber der zuständigen Stelle gegeben sein muss.163 Denn nur wenn der Haftpflichtversicherer aufgrund des bestehenden Rechtsscheins die Befürchtung hegen muss, dass die für die Überwachung der Einhaltung der Versicherungspflicht zuständige Stelle von bestehendem Versicherungsschutz ausgeht und daher keine Veranlassung zum Einschreiten sieht, ist der Rechtsverkehr besonders gefährdet und es kann vom Versicherer eine entsprechende Anzeige des nicht bestehenden Haftpflichtversicherungsschutzes erwartet werden.164 Andernfalls darf der Versicherer berechtigterweise davon 158 

Z. B. Aufforderung zum Abschluss eines wirksamen Haftpflichtversicherungsvertrages, Versagung der versicherungspflichtigen Betätigung. 159  Unterlässt die zuständige Behörde nach der Anzeige des Versicherers die notwendigen Maßnahmen und verursacht der unversicherte Schädiger nach Ablauf der Nachhaftungsfrist einen Schaden, so kann für den Drittgeschädigten ein Amtshaftungsanspruch (Art.  34 GG, §  839 BGB) gegen die Behörde in Betracht kommen, vgl. BGH, NJW 1990, 2615, 2615 f.; BGH, NJW 1956, 867, 867 f.; Knappmann in Prölss/Martin, §  117 Rn.  18; Hübner/Schneider, r+s 2002, 89, 92. 160  BGH, NJW 2003, 514, 515; Schneider in MüKoVVG, §  117 Rn.  21; Armbrüster, PVR, Rn.  1677; Vogt, Direktansprüche, S.  46; Rebler, SVR 2010, 206, 207. 161  Beckmann in Berliner Kommentar, §  158c Rn.  21; Schneider in MüKoVVG, §  117 Rn.  20; Schimikowski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, §  117 Rn.  6. 162  KG, VersR 1971, 613, 613; Schimikowski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, §  117 Rn.  8; Knappmann in Prölss/Martin, §  117 Rn.  10; Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  171; Langheid in Langheid/Rixecker, §  117 Rn.  20; Armbrüster, PVR, Rn.  1676. 163  Beckmann in Berliner Kommentar, §  158c Rn.  18; Hedderich, Pflichtversicherung, S.  285 [Fn.  99]. 164  Beckmann in Berliner Kommentar, §  158c Rn.  18; Knappmann in Prölss/Martin, §  117 Rn.  10.

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ausgehen, dass die Behörde auch ohne entsprechende Anzeige von sich aus tätig wird, um die unversicherte Betätigung zu verhindern. Bei einer nachträglichen Beendigung eines Haftpflichtversicherungsvertrages ist ein tauglicher Rechtsschein regelmäßig bereits durch den ursprünglich gültigen Versicherungsvertrag gegeben. In den Fällen eines von vornherein nicht wirksam zur Entstehung gelangten Haftpflichtversicherungsvertrages bedarf es hingegen genauerer Prüfung, ob zumindest nach außen hin der Rechtsschein eines wirksamen Versicherungsvertrages vorliegt. Dies ist allenfalls dann anzunehmen, wenn die Unwirksamkeitsgründe nicht evident zutage treten (z. B. Nichtigkeit wegen nachträglicher Anfechtung, §  142 Abs.  1 BGB; versteckter Dissens, §  155 BGB). An einem Rechtsschein fehlt es hingegen, wenn das Nicht-Zustandekommen des Versicherungsvertrages ohne weiteres erkennbar ist (z. B. offener Dissens, §  154 BGB; Ablehnung eines Antrages).165 (3) Begrenzung der Einstandspflicht Aus Verhältnismäßigkeitsgründen ist die durch §  117 Abs.  1, 2 VVG bewirkte Leistungsverpflichtung des Haftpflichtversicherers gegenüber dem geschädigten Dritten begrenzt. Die Belastung des Haftpflichtversicherers durch die im Interesse des Opferschutzes angeordneten Einwendungsausschlüsse soll nicht weiter gehen, als dies für den Schutz des Geschädigten zwingend geboten ist.166 Dies äußert sich zum einen in einer betragsmäßigen Beschränkung des Haftungsumfangs und zum anderen in einem Verweisungsprivileg zugunsten des Haftpflichtversicherers.167 Die sich infolge einer Anwendung des §  117 Abs.  1, 2 VVG ergebende Leistungspflicht des Haftpflichtversicherers gegenüber dem Geschädigten ist zunächst in der Höhe auf die für die konkrete Pflichthaftpflichtversicherung gesetzlich vorgegebene Mindestversicherungssumme beschränkt – auch wenn Versicherer und Versicherungsnehmer im Rahmen des „gestörten Versicherungsverhältnisses“ eine höhere Versicherungssumme vereinbart haben sollten (§  117 Abs.  3 S.  1 VVG). In einer gesetzlich normierten Mindestversicherungssumme spiegelt sich nämlich der vom Gesetzgeber zum Schutze des Geschädigten für notwendig aber auch ausreichend erachtete Haftungsbetrag wider. Des Weiteren offenbart sich in dem in §  117 Abs.  3 S.  2 VVG vorgesehenen Verweisungsprivileg eine eingeschränkte Subsidiarität der Einstandspflicht des Haftpflichtversicherers. Der Versicherer ist gegenüber dem Geschädigten ungeVgl. hierzu auch Schneider in MüKoVVG, §  117 Rn.  16; Armbrüster, PVR, Rn.  1676 f. Schneider in MüKoVVG, §  117 Rn.  25. 167  Schimikowski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, §  117 Rn.  10; Schneider in MüKo­ VVG, §  117 Rn.  25. 165 

166 

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

achtet des Einwendungsausschlusses leistungsfrei, wenn und soweit der Geschädigte Ersatz seines Schadens von einem anderen Schadensversicherer168 oder von einem Sozialversicherungsträger erlangen kann. Dem liegt die Erwägung des Gesetzgebers zugrunde, dass die regelmäßig solventen Schadensversicherer und Sozialversicherungsträger eine hinreichende Gewähr für die tatsächliche Schadenskompensation beim Geschädigten bieten, so dass dieser nicht des besonderen Schutzes durch die Vorschrift des §  117 VVG bedarf. Für die Leistungsfreiheit des Haftpflichtversicherers genügt dabei die schlichte Existenz eines anderweitigen Ersatzanspruchs gegen Schadensversicherer oder Sozialversicherungsträger, dessen tatsächlicher Realisierung bedarf es hingegen nicht.169 Nach herrschender Meinung ist das Verweisungsprivileg des §  117 Abs.  3 S.  2 VVG hinsichtlich des Personenkreises abschließend. Der Vorschrift kann mithin kein allgemeiner Subsidiaritätsgrundsatz entnommen werden.170 cc) Ergänzung durch Aufrechnungsverbot (§  121 VVG) Eine notwendige Ergänzung erfährt der Einwendungsausschluss nach §  117 VVG durch das in §  121 VVG normierte Aufrechnungsverbot. Hiernach ist es dem Haftpflichtversicherer entgegen der Grundregel des §  35 VVG versagt, gegenüber dem gesetzlichen Direktanspruch des Geschädigten mit Ansprüchen aufzurechnen, welche ihm aus dem Versicherungsvertrag gegen den Versicherungsnehmer zustehen (v. a. bislang nicht erfüllte Prämienforderungen).171 Es wäre zweifellos ein innerer Widerspruch, wenn der Haftpflichtversicherer dem Dritten den Umstand des Prämienzahlungsverzugs zwar nicht als versicherungsrechtliche Einwendung entgegenhalten könnte (§  117 VVG), ihm aber auf der anderen Seite die Möglichkeit offenstünde, den Direktanspruch im Wege der Aufrechnung mit einer offenen Prämienforderung zu schmälern.172 Diesem widersinnigen Ergebnis begegnet der Gesetzgeber mit der Vorschrift des §  121 VVG. Möglich bleibt dem Versicherer allerdings die Aufrechnung mit eigenen Ansprüchen gegen den Dritten (z. B. Prämienforderungen aus einem eigen­

168 

Z. B. Krankenversicherer, Unfallversicherer, Kfz-Kaskoversicherer. Schneider in MüKoVVG, §  117 Rn.  35. Dies wird aus dem Wortlaut des §  117 Abs.  3 S.  2 VVG abgeleitet („erlangen kann“; kursive Hervorhebung durch Verfasser). 170  BGH, NJW 1957, 1874, 1874 ff.; BGH, NJW 1956, 1068, 1069. 171  Jacobsen in Feyock/Jacobsen/Lemor, §  121 VVG Rn.  1; Schimikowski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, §  121 Rn.  1. Das Aufrechnungsverbot gilt darüber hinaus auch bei rechtsgeschäftlich begründeten Direktansprüchen (z. B. nach Abtretung des Freistellungsanspruchs) sowie nach Pfändung und Überweisung des Freistellungsanspruchs, vgl. Brand in MüKoVVG, §  121 Rn.  2. 172  Brand in MüKoVVG, §  121 Rn.  1. 169 

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ständigen Versicherungsvertrag zwischen Geschädigtem und Haftpflichtversicherer).173

3. Einwendungen aus dem Direktanspruchsverhältnis Durch den Direktanspruch aus §  115 VVG wird zwischen dem Geschädigten und dem Haftpflichtversicherer ein eigenständiges gesetzliches Schuldverhältnis begründet, aus welchem ebenfalls Einwendungen zugunsten des Haftpflichtversicherers erwachsen können. Hierbei handelt es sich gerade nicht um „abgeleitete“ Einwendungen aus einem fremden Rechtsverhältnis, an welchem entweder der Haftpflichtversicherer oder aber der Geschädigte nicht beteiligt ist, sondern um originäre Einwendungen gegen den Direktanspruch aus dem gesetzlichen Rechtsverhältnis zwischen Geschädigtem und Versicherer. Eine solche originäre Einwendung kann sich zum einen aus der Verletzung bestimmter Verhaltensanforderungen ergeben, welche dem Geschädigten unmittelbar gegenüber dem Haftpflichtversicherer obliegen (§§  119, 120 VVG). Denkbar ist zum anderen auch die Einrede der Verjährung des Direktanspruchs. a) Obliegenheitsverletzungen (§§  119, 120 VVG) aa) Gesetzliche Obliegenheiten des Geschädigten Gleichsam als Kehrseite des besonderen Opferschutzes bei obligatorischen Haftpflichtversicherungen werden einem Geschädigten bestimmte gesetzliche Obliegenheiten gegenüber dem Pflichthaftpflichtversicherer auferlegt.174 Zunächst hat der Geschädigte dem Pflichthaftpflichtversicherer ein Schadensereignis, aus welchem er „einen Anspruch gegen den Versicherungsnehmer oder nach §  115 Abs.  1 gegen den Versicherer herleiten will“, innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung vom Schadensereignis in Textform anzuzeigen, wobei zur Fristwahrung die rechtzeitige Absendung der Anzeige genügt (§  119 Abs.  1 VVG).175 Leitet der Geschädigte gerichtliche Maßnahmen gegen den schädigenden Versicherungsnehmer ein, so muss er auch dies dem Versicherer unverzüglich176 zur Anzeige bringen (§  119 Abs.  2 VVG). Die in §  119 Abs.  1, 2 VVG normierten Anzeigeobliegenheiten bestehen nach dem in den Gesetzesbegründungen zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers grundsätzBT-Drs. 16/3945, S.  90; Schimikowski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, §  121 Rn.  2. Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  184; Armbrüster, PVR, Rn.  1694. 175  Für die vollständige Erfüllung der Anzeigeobliegenheit ist freilich der tatsächliche Zugang der Anzeige unverzichtbar, vgl. Dallwig in FAKomm-VersR, §  119 VVG Rn.  3. 176  D.h. ohne schuldhaftes Zögern (vgl. §  121 Abs.  1 S.  1 BGB). 173  174 

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

lich auch dann, wenn dem Geschädigten die Identität des Pflichthaftpflichtversicherers unbekannt ist. Unterbleibt die notwendige Anzeige infolge der Unkenntnis über die Identität des Versicherers, kann der hierin liegende Obliegenheitsverstoß allerdings nur dann sanktioniert werden, wenn die Unkenntnis verschuldet177 ist.178 Die Vorschrift des §  119 Abs.  3 VVG bestimmt schließlich, dass der Versicherer vom Geschädigten Auskunft verlangen darf, soweit eine solche Auskunft „zur Feststellung des Schadensereignisses und der Höhe des Schadens erforderlich ist“. Ferner muss der Geschädigte dem Versicherer auf entsprechendes Verlangen Belege zur Verfügung stellen, deren Beschaffung ihm billigerweise zugemutet werden kann (sog. Auskunfts- und Belegobliegenheit). Die dem Geschädigten auferlegten Obliegenheiten sollen dem Haftpflicht­ versicherer eine möglichst frühzeitige Kenntnis vom Versicherungsfall garantieren. Der Versicherer soll sich in der Folge rechtzeitig die für die Schadens­ regulierung notwendigen Informationen beschaffen sowie sich alsbald der Anspruchs­abwehr annehmen können.179 Die genannten Obliegenheiten des Geschädigten bestehen dabei stets neben den Anzeige- und Auskunftsobliegenheiten des Versicherungsnehmers (vgl. §§  30, 31, 104 VVG). In der Literatur wird zwar bisweilen befürwortet, die Vorschrift des §  119 VVG alleine in Fällen des „kranken“ oder nicht existenten Versicherungsverhältnisses anzuwenden, weil alleine in diesen Konstellationen ein auszugleichendes strukturelles Informationsdefizit des Haftpflichtversicherers bestehe.180 Hiergegen spricht jedoch zunächst der allgemein gehaltene Wortlaut des §  119 VVG, der für die empfohlene Einschränkung des Anwendungsbereichs nichts hergibt.181 Im Übrigen besitzen die Obliegenheiten des Geschädigten auch in gesunden Versicherungsverhältnissen durchaus ihre Berechtigung. Für eine adäquate Wahrnehmung sowohl der eigenen als auch der Interessen seines Versicherungsnehmers ist der HaftZu den maßgeblichen Kriterien und etwaigen Nachforschungspflichten vgl. Franck, Direktanspruch, S.  134 f. 178  BT-Drs. 16/3945, S.  90. Kritisch Franck, Direktanspruch, S.  134, der es zu Recht für fragwürdig erachtet, wenn das Gesetz dem Geschädigten eine Obliegenheit auferlegt, deren Erfüllung ihm vielfach unmöglich oder zumindest unzumutbar ist. 179  Hübsch in Berliner Kommentar, §  158d Rn.  2 f.; Schneider in MüKoVVG, §  119 Rn.  1; Heidl, VVG-Reform, S.  335. 180  Dallwig in FAKomm-VersR, §  119 VVG Rn.  2; Langheid in Langheid/Rixecker, §  119 Rn.  4; Armbrüster, PVR, Rn.  1694. Dem liegt ersichtlich die Erwägung zugrunde, dass der Haftpflichtversicherer in einem ungestörten Versicherungsverhältnis regelmäßig bereits durch seinen Versicherungsnehmer vom Schadensfall in Kenntnis gesetzt und über die näheren Einzelheiten informiert wird. 181  Heidl, VVG-Reform, S.  336; zur Vorgängervorschrift bereits Hübsch in Berliner Kommentar, §  158d Rn.  5. 177 

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pflichtversicherer auf möglichst detaillierte sowie rechtzeitige Informationen hinsichtlich des Schadensereignisses angewiesen.182 Insofern ist es durchaus von Vorteil, wenn dem Versicherer mit dem Geschädigten eine zweite Informationsquelle zur Verfügung steht, zumal jener über den konkreten Schaden und dessen Ausmaß als unmittelbar Betroffener naturgemäß am besten Auskunft geben kann. bb) Rechtsfolgen von Obliegenheitsverletzungen Aus einer Verletzung der dem Geschädigten auferlegten Obliegenheiten können für den Haftpflichtversicherer Einwendungen gegen den Direktanspruch erwachsen. Nach §  120 VVG beschränkt sich die Leistungspflicht des Versicherers im Falle eines schuldhaften Verstoßes gegen die in §  119 Abs.  2, 3 VVG niedergelegte Anzeige- und Auskunftsobliegenheiten auf den Betrag, den er auch bei gehöriger Erfüllung der Obliegenheit zu leisten gehabt hätte. Denkbar ist beispielsweise, dass der Versicherer auf kostenintensive Schadensermittlungsmaßnahmen verzichtet hätte. Möglicherweise sind infolge der Obliegenheitsmissachtung auch dem Geschädigten selbst Mehrkosten entstanden (z. B. Gerichts- oder Rechtsanwaltskosten), die zwar grundsätzlich vom Haftpflichtversicherer zu ersetzen wären, gegen deren Übernahme sich der Versicherer jedoch nunmehr aufgrund der Vorschrift des §  120 VVG erwehren kann.183 Ob den Geschädigten hinsichtlich der Obliegenheitsverletzung das nach §  120 VVG notwendige Verschulden trifft, ist anhand des Maßstabs des §  276 BGB zu beurteilen, so dass bereits einfache Fahrlässigkeit ausreichend ist.184 Für das Eingreifen der Sanktionswirkung ist zudem erforderlich, dass der Geschädigte zuvor in Textform über die möglichen Folgen einer Obliegenheitsverletzung belehrt wurde. Im Übrigen muss zwischen dem Obliegenheitsverstoß und der höheren Haftungssumme des Versicherers ein Kausalzusammenhang bestehen.185 Gemäß ihrem eindeutigen Wortlaut beinhaltet die Norm des §  120 VVG Sanktionen alleine für die Verletzung der in §  119 Abs.  2, 3 VVG statuierten Vgl. Franck, Direktanspruch, S.  132 f.; Schwartze in Looschelders/Pohlmann, §  119 Rn.  3. 183  Vgl. Langheid in Langheid/Rixecker, §  120 Rn.  4; Schneider in MüKoVVG, §  120 Rn.  14; Armbrüster, PVR, Rn.  1695; kritisch hinsichtlich eigener Schadensermittlungskosten des Versicherers: Knappmann in Prölss/Martin, §  120 Rn.  4. 184  Schneider in MüKoVVG, §  120 Rn.  4; Schwartze in Looschelders/Pohlmann, §  120 Rn.  5; kritisch zu diesem Maßstab Franck, Direktanspruch, S.  139 f. 185  An einem Kausalzusammenhang fehlt es beispielsweise, wenn der Versicherer die entsprechenden Informationen und/oder Unterlagen bereits von dritter Seite (v. a. auch durch den Versicherungsnehmer) erhalten hat und infolgedessen durchaus hätte reagieren können, vgl. Schneider in MüKoVVG, §  120 Rn.  10. 182 

266

C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

Obliegenheiten.186 Ein Verstoß gegen die in §  119 Abs.  1 VVG normierte Obliegenheit zur Anzeige eines Schadensereignisses kann daher unzweifelhaft nicht nach §  120 VVG geahndet werden. Es ist jedoch Gegenstand lebhafter juristischer Diskussion, ob nicht auf anderem Wege eine Sanktionierung dieser Obliegenheitsverletzung versucht werden sollte. Teilweise wird dem Versicherer im Falle der Verletzung des §  119 Abs.  1 VVG – einen entsprechenden Schadensnachweis vorausgesetzt – ein Schadensersatzanspruch gegen den Geschädigten zugesprochen (§  280 Abs.  1 BGB).187 Dies hieße allerdings der in §  119 Abs.  1 VVG normierten Verhaltensanforderung den Charakter einer echten Rechtspflicht beizulegen. Wie eine solche Sichtweise mit dem Gesetzeswortlaut in Einklang zu bringen ist, der ausdrücklich von einer „Obliegenheit“ spricht, erschließt sich in keiner Weise und bleibt auch von den Vertretern dieser Ansicht bezeichnenderweise unbeantwortet. Nach anderer Auffassung ist die in §  119 Abs.  1 VVG vorgesehene Anzeigeobliegenheit Ausfluss einer ganz grundsätzlichen Schadensminderungsobliegenheit, so dass dem Versicherer aus deren Missachtung zumindest ein Mitverschuldenseinwand nach §  254 Abs.  2 BGB mit der Möglichkeit der Kürzung des Direktanspruchs erwachsen könne.188 Es erscheint jedoch generell bedenklich, an einen Verstoß gegen die Anzeigeobliegenheit des §  119 Abs.  1 VVG Sanktionen zulasten des Geschädigten zu knüpfen. Im Ergebnis bewirken die dargelegten Ansichten, dass eine Verletzung dieser Anzeigeobliegenheit ähnliche Rechtsfolgen zeitigt wie ein Verstoß gegen die anderen in §  119 VVG normierten Obliegenheiten. Dadurch würde freilich die vom Gesetzgeber in §  120 VVG offensichtlich bewusst getroffene differenzierende Entscheidung nivelliert werden. Wäre eine Sanktion vom Gesetzgeber tatsächlich gewollt gewesen, so hätte er auch unschwer den §  120 VVG um einen Verweis auf §  119 Abs.  1 VVG ergänzen können.189 b) Verjährung des Direktanspruchs Als originäre Einwendung des Haftpflichtversicherers gegen den gesetzlichen Direktanspruch kommt ferner die peremptorische Einrede der Verjährung in Betracht (vgl. §  214 Abs.  1 BGB). Der Direktanspruch unterliegt im Ausgangs186  Obliegenheit zur Anzeige der gerichtlichen Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs gegen den Versicherungsnehmer (§  119 Abs.  2 VVG); Auskunfts- und Belegobliegenheit (§  119 Abs.  3 VVG). 187  Armbrüster, PVR, Rn.  1696; Langheid in Langheid/Rixecker, §  119 Rn.  8, der jedoch zugleich darauf hinweist, dass „kaum ein Fall denkbar ist, in dem dem Versicherer tatsächlich ein entsprechender Schaden erwachsen könnte“. 188  Schneider in MüKoVVG, §  119 Rn.  25; Schwartze in Looschelders/Pohlmann, §  119 Rn.  14; Franck, Direktanspruch, S.  137; Heidl, VVG-Reform, S.  340. 189  So im Ergebnis auch Dallwig in FAKomm-VersR, §  120 VVG Rn.  1.

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punkt der gleichen Verjährung wie der Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen den schädigenden Versicherungsnehmer, was bereits aus der rechtskonstruktiven Charakterisierung des Direktanspruchs als gesetzlich angeordnetem Schuldbeitritt folgt und durch die Vorschrift des §  115 Abs.  2 S.  1 VVG noch einmal explizit klargestellt wird.190 Die danach im Hinblick auf die Verjährung bestehende grundsätzliche Akzessorietät des Direktanspruchs zum Schadensersatzanspruch wird jedoch teilweise wieder eingeschränkt (vgl. §  115 Abs.  2 S.  2 HS.  2 VVG).191 Für den gesetzlichen Direktanspruch ist für gewöhnlich die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§  195 BGB) maßgeblich. Dies gilt insbesondere auch für die besonders praxisrelevante Situation, dass dem Direktanspruch ein straßenverkehrsrechtlicher Schadensersatzanspruch zugrundeliegt (vgl. §  14 StVG). Nach §  115 Abs.  2 S.  2 HS.  1 VVG knüpft der Gesetzgeber den Beginn der Verjährungsfrist des Direktanspruchs unmittelbar an den Beginn der Verjährung des Schadensersatzanspruchs. Maßgeblich für den Verjährungsbeginn ist daher gemäß §  199 Abs.  1 BGB der Schluss des Jahres, in welchem der Schadensersatzanspruch entstanden ist und der geschädigte Dritte von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schädigers Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (sog. kenntnis­ abhängige bzw. subjektive Verjährung). Bei den gesetzlichen Direktansprüchen aus §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  2 und 3 VVG kann es dazu kommen, dass die speziellen Direktanspruchsvoraussetzungen (z. B. Insolvenz des Schädigers) erstmalig zu einem Zeitpunkt vorliegen, in welchem der zugrundeliegende Schadensersatzanspruch bereits verjährt ist. In diesem Falle ist der Direktanspruch aufgrund der verjährungsrechtlichen Parallelität quasi bereits bei seiner Entstehung verjährt und kann nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden. In Durchbrechung der verjährungsrechtlichen Akzessorietät zum Schadensersatzanspruch hat der Gesetzgeber in §  115 Abs.  2 S.  2 HS.  2 VVG für den gesetzlichen Direktanspruch eine eigenständige kenntnisunabhängige Höchstverjährungsfrist normiert. Diese weicht von der in §  199 Abs.  2, 3 BGB statuierten objektiven Verjährung ab, die für die Schadensersatzansprüche des Geschädigten gegen den schädigenden Versicherungsnehmer maßgeblich werden kann. Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  28. Streng abzugrenzen von der Thematik der Verjährung des Direktanspruchs ist die Frage der Verjährung des haftpflichtversicherungsrechtlichen Deckungsanspruchs, die gänzlich autonom und keinesfalls nach §  115 Abs.  2 VVG zu beurteilen ist (BGH, NJW-RR 1987, 407, 408; BGH, NJW 1977, 532, 533; OLG Hamm, r+s 2000, 142, 142 f.; Langheid in Langheid/ Rixecker, §  115 Rn.  22). Auf die Verjährung des versicherungsvertraglichen Deckungsanspruchs darf sich der Versicherer im Direktanspruchsverhältnis in analoger Anwendung des §  117 Abs.  1 VVG nicht berufen (hierzu bereits oben unter 3. Teil C.II.2.c).bb).(1)). 190  191 

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

Der gesetzliche Direktanspruch aus §  115 VVG verjährt danach spätestens zehn Jahre nach dem Eintritt des Schadens. Im Zuge der VVG-Reform hat der Gesetzgeber dabei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es für den Beginn dieser zehnjährigen objektiven Verjährungsfrist gerade nicht auf das – oftmals unerkannte – Schädigungsereignis ankommt, sondern vielmehr auf den Zeitpunkt, in welchem sich die Schäden tatsächlich offenbaren.192 Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass der Geschädigte seinen Direktanspruch nicht bereits zu einer Zeit verlieren soll, zu welcher es noch gar nicht zu erkennbaren Schadensfolgen gekommen ist und demnach auch noch gar kein Bedürfnis für die Geltendmachung eines Direktanspruchs bestand.193 Da bei Schadensersatzansprüchen im Haftpflichtverhältnis gemäß §  199 Abs.  2, 3 BGB bisweilen erst nach 30 Jahren eine objektive Verjährung eintritt, kann es zu der Konstellation kommen, dass zwar weiterhin ein durchsetzbarer Schadensersatzanspruch gegen den schädigenden Versicherungsnehmer existiert, dieser aber nicht von einem durchsetzbaren gesetzlichen Direktanspruch flankiert wird – und das obwohl die Direktanspruchsvoraussetzungen (z. B. Insolvenz des Schädigers) verbunden mit dem anerkannten Schutzbedürfnis des Geschädigten dem Grunde nach vorliegen. An dieser Stelle ist dem Geschädigten dringend anzuraten, nach Eintritt der Verjährung von einer gerichtlichen Geltendmachung des Direktanspruchs Abstand zu nehmen. Andernfalls droht nämlich nicht nur die kostenrelevante Abweisung der Direktklage, sondern aufgrund der in §  124 Abs.  1 VVG normierten Rechtskrafterstreckung auch die Erfolglosigkeit einer nachfolgend erhobenen Schadensersatzklage gegen den schädigenden Versicherungsnehmer. Entgegen vereinzelter Kritik aus der Literatur194 genügt es nach Ansicht des BGH für die Anwendbarkeit des §  124 Abs.  1 VVG, wenn die Klageabweisung des Direktanspruchs inhaltlich auf den Verjährungseinwand gestützt ist.195 Für die Hemmung bzw. Ablaufhemmung der Verjährung des gesetzlichen Direktanspruchs sowie für einen etwaigen Verjährungsneubeginn gelten zunächst die Vorschriften aus dem Allgemeinen Teil des BGB (§§  203 ff. BGB).196 Daneben existiert mit der Vorschrift des §  115 Abs.  2 S.  3 VVG ein spezieller Hemmungstatbestand, welcher den Rechtsgedanken des §  15 VVG für den gesetzlichen Direktanspruch übernimmt.197 Sofern der Geschädigte den gesetzli192 

BT-Drs. 16/5862, S.  99. BT-Drs. 16/5862, S.  99; Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  179. 194  Schirmer/Clauß, FS Lorenz, 775, 793 ff.; kritisch auch Dallwig in FAKomm-VersR, §  124 VVG Rn.  4; Knappmann in Prölss/Martin, §  124 Rn.  4. 195  BGH, NJW-RR 2003, 1327, 1328; OLG Hamm, NZV 2003, 384, 385; zustimmend Jacobsen in Feyock/Jacobsen/Lemor, §  124 VVG Rn.  3. 196  Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  32; Franck, Direktanspruch, S.  118. 197  Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  32. 193 

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chen Direktanspruch beim Versicherer angemeldet hat,198 ist dessen Verjährung solange gehemmt, bis sich der Haftpflichtversicherer gegenüber dem Geschädigten in Textform (§  126b BGB) eindeutig und erschöpfend über seine Regulierungsbereitschaft erklärt hat. Die Hemmungswirkung des §  115 Abs.  2 S.  3 VVG tritt allerdings allein bei der erstmaligen Anmeldung des Direktanspruchs ein. Eine erneute Anspruchsanmeldung kann allenfalls nach der allgemeinen Regelung des §  203 BGB eine (erneute) Verjährungshemmung herbeiführen.199 Nach §  115 Abs.  2 S.  4 VVG bewirkt eine Hemmung der Verjährung des gesetzlichen Direktanspruchs zugleich eine Verjährungshemmung hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs gegen den schädigenden Versicherungsnehmer.

4. Die Rolle des Entschädigungsfonds in der KfzHaftpflichtversicherung (§§  12 ff. PflVG) a) Hintergrund und Grundlagen Ein tatsächlicher Schutz des Geschädigten durch das Haftpflichtversicherungsrecht ist auch bei Existenz eines – gegebenenfalls sogar mit (partiellen) Einwendungsausschlüssen flankierten – Direktanspruchs keinesfalls in sämtlichen Fällen gewährleistet. Der Schutz geht unter anderem dann fehl, wenn der Schädiger von vornherein den Abschluss eines Haftpflichtversicherungsvertrages unterlassen hat. Gleiches gilt, wenn der Haftpflichtige unbekannt und somit auch der dahinter stehende Haftpflichtversicherer nicht zu ermitteln ist oder wenn der Haftpflichtversicherer gegenüber dem Geschädigten aufgrund eines gesetzlich zulässigen Einwendungsdurchgriffs nicht zur Leistung verpflichtet ist.200 Zurückgehend auf entsprechende inter- bzw. supranationale Vorgaben 201 ist in Deutschland jedenfalls im Bereich der pflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung zwecks Schließung der Lücken im Geschädigtenschutz ein Entschädigungsfonds eingerichtet worden, welcher das Unfallopfer auch in solchen Situationen schadlos hält, in denen ein Vorgehen gegen einen Haftpflichtversiche-

198  Nach hM ist die Anmeldung des Anspruchs formlos möglich: BGH, NJW 1979, 2155, 2155; a. A.: Jacobsen in Feyock/Jacobsen/Lemor, §  115 VVG Rn.  20; Knappmann in Prölss/ Martin, §  115 Rn.  32; Schneider in MüKoVVG, §  115 Rn.  33 (die jeweils aus §  119 Abs.  1 VVG ein Textformerfordernis für die Anmeldung ableiten wollen). Alleine aus Beweisgründen wird eine förmliche Anspruchsanmeldung in jedem Falle zweckdienlich sein. 199  BGH, NJW 2003, 895, 896 f.; KG, VersR 2007, 1507, 1508 f.; Beckmann in Bruck/ Möller, §  115 Rn.  61; Knappmann in Prölss/Martin, §  115 Rn.  31. 200  Wandt, VR, Rn.  1149; Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  113. 201  Vgl. hierzu oben unter 3. Teil C.I.

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

rer aus den genannten Gründen nicht möglich oder nicht erfolgversprechend ist (vgl. §§  12 ff. PflVG).202 Als Entschädigungsfonds für Straßenverkehrsgeschädigte fungiert in Deutschland der in Berlin ansässige rechtsfähige Verein „Verkehrsopferhilfe e.V.“ (VOH),203 einem gemeinnützigen Zusammenschluss der in Deutschland tätigen Kfz-Haftpflichtversicherer.204 Diesem Verein wurde im Dezember 1965 – seinerzeit zur Umsetzung des Straßburger Übereinkommens – im Wege einer Rechtsverordnung offiziell der Status als „Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen“ zugewiesen und zugleich die Erfüllung derjenigen Verpflichtungen aufgetragen, die sich aus den neu geschaffenen §§  12 ff. PflVG gegenüber den Unfallopfern ergaben.205 Die finanziellen Mittel, derer der Verein zur Erfüllung der gegen den Entschädigungsfonds gerichteten Ansprüche bedarf, werden von den am VOH beteiligten Kfz-Haftpflichtversicherern und somit mittelbar vom Kollektiv der Kfz-Haftpflichtversicherten aufgebracht.206 Der privatrechtliche Charakter des VOH ändert nichts daran, dass es sich bei den gegen den VOH gerichteten Ansprüchen der Unfallopfer um gesetzliche Ansprüche handelt und der VOH unmittelbar auf Grundlage der §§  12 ff. PflVG gegenüber den Geschädigten verpflichtet ist.207 Die Bedeutung des Entschädigungsfonds in der deutschen Rechts- und Schadenspraxis sollte indes nicht überschätzt werden. So wurde beispielsweise im Jahr 2014 in lediglich 139 Fällen auf den Entschädigungsfonds zurückgegriffen, was sich angesichts der ca. 2,4 Mio. polizeilich registrierten Verkehrsunfälle als verschwindend gering ausnimmt.208

202  BT-Drs. IV/2252, S.  24; BGH, NJW 1978, 164, 165; Böhme/Biela, Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden, S.  416. Bei ausländischen Unfallopfern gilt dies jedoch nur, soweit die Gegenseitigkeit mit dem betreffenden Staat verbürgt ist, vgl. §  14 Nr.  2 PflVG iVm §  11 VOEntschFonds. 203  Allgemein zum VOH sowie dessen historischer Entwicklung: Eckermann, FS Helmrich, 903, 903 ff. 204  Wandt, VR, Rn.  1150. Gemäß §  8 Abs.  1 PflVG müssen sich alle in Deutschland zum Betrieb der Kfz-Haftpflichtversicherung befugten Versicherungsunternehmen an dem Entschädigungsfonds beteiligen. 205  Vgl. §  13 Abs.  2 , 3 PflVG iVm §  1 VOEntschFonds. Hierzu auch: Eckermann, FS Helmrich, 903, 907 f.; Baumann, Entschädigungsfonds, S.  4. 206  Böhme/Biela, Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden, S.  415; Hedderich, Pflichtversi­ cherung, S.  359. Vgl. ferner §  4 der Satzung des Vereins „Verkehrsopferhilfe e.V.“ vom 17. Februar 2011, abrufbar unter: http://www.verkehrsopferhilfe.de/wp-content/uploads/2016/06/ Satzung-Verkehrsopferhilfe_2011-03-15.pdf (abgerufen am: 28. Februar 2017; im Folgenden zitiert als: Satzung des Vereins „Verkehrsopferhilfe e.V.“ vom 17. Februar 2011). 207  Elvers in Feyock/Jacobsen/Lemor, §  12 PflVG Rn.  5. 208  Statistik des GDV, abrufbar unter: http://www.gdv.de/2015/03/das-leistet-die-verkehrs opferhilfe/ (abgerufen am: 28. Februar 2017).

II. Deutschland

271

b) Allgemeine Voraussetzungen der Leistungspflicht des Entschädigungsfonds Den VOH trifft eine Leistungspflicht, wenn einer der in §  12 Abs.  1 S.  1 PflVG enumerativ und abschließend aufgelisteten Tatbestände einschlägig ist. Diese Tatbestände betreffen ausschließlich Konstellationen, in welchen das direkte Vorgehen des Unfallgeschädigten gegen einen Haftpflichtversicherer an unüberwindbaren tatsächlichen oder rechtlichen Hindernissen scheitert. Danach kann ein Verkehrsunfallopfer, welches durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeuges oder eines Anhängers innerhalb der Bundesrepublik Deutschland geschädigt wurde,209 seinen Schadensersatzanspruch auch gegen den VOH geltend machen, wenn entweder das unfallverursachende Fahrzeug und folglich die dahinter stehende Haftpflichtversicherung nicht ermittelt werden kann (Nr.  1), wenn entgegen der gesetzlichen Verpflichtung kein Haftpflichtversicherungsschutz bestanden hat (Nr.  2) oder wenn der Versicherer aufgrund einer vorsätzlichen Versicherungsfallherbeiführung auch dem Dritten gegenüber leistungsfrei ist (Nr.  3). Letztlich kann der Geschädigte auch in der Insolvenz des Haftpflichtversicherers und der damit verbundenen Nicht-Realisierbarkeit eines Direktanspruchs auf den Entschädigungsfonds zugreifen (Nr.  4). Freilich fand bereits Erwähnung, dass die Verweisung des Geschädigten an den Entschädigungsfonds jedenfalls in den Fällen der vorsätzlichen Versicherungsfallherbeiführung aus unionsrechtlicher Perspektive ernsthaften Bedenken begegnet und die Fallgruppe des §  12 Abs.  1 S.  1 Nr.  3 PflVG – nach korrespondierender Novellierung des §  117 VVG – gestrichen werden sollte.210 Bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen wird der VOH zusätzlicher Schuldner des Schadensersatzanspruchs. Wenn das Gesetz bestimmt, dass das Unfallopfer seine „Ersatzansprüche auch gegen den ‚Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen‘ (…) geltend machen“211 kann, so handelt es sich erkennbar um einen gesetzlich angeordneten Schuldbeitritt.212 Entsprechend der auch im Rahmen der §§  12 ff. PflVG vorherrschenden Zielsetzung, dem Geschädigten allein die Realisierung berechtigter Schadensersatzansprüche abzusichern, besteht eine grundsätzliche Akzessorietät des Anspruchs gegen den Entschädigungsfonds zum Schadensersatzanspruch gegen den Halter, 209  Zu diesen Merkmalen ausführlich Elvers in Feyock/Jacobsen/Lemor, §  12 PflVG Rn.  12b ff. 210  Vgl. hierzu oben unter 3. Teil C.II.2.b).bb). 211  §  12 Abs.  1 S.  1 PflVG. 212  Vgl. auch BT-Drs. IV/2252, S.  25: „Da es sich bei dem Anspruch, den der Geschädigte in den Fällen des §  12 auch gegen den Entschädigungsfonds geltend machen kann, um den zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch nach den allgemeinen haftungsrechtlichen Vorschriften handelt, (…)“; a. A. aber wohl Baumann, Entschädigungsfonds, S.  111 ff. (gesetzliche Ausfallbürgschaft für die Schadensersatzverbindlichkeit).

272

C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

Eigentümer oder Fahrer des Kfz. Unerlässliche Voraussetzung für die erfolgreiche Inanspruchnahme des Entschädigungsfonds ist mithin – neben der Einschlägigkeit einer der enumerativ aufgelisteten Fallgruppen – der vom Geschädigten zu erbringende Nachweis eines tatsächlich existierenden Schadens­er­ satz­anspruchs.213 c) Begrenzung der Leistungspflicht aa) Subsidiarität Die Leistungspflicht des VOH ist indes durch eine sehr weitgehende Subsidiarität geprägt (vgl. §  12 Abs.  1 S.  2–4 PflVG).214 Ein Rückgriff auf den Entschädigungsfonds scheidet danach von vornherein aus, wenn das Unfallopfer von einem Schadensversicherer oder von einem Verband von im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Haftpflichtversicherern 215 Ersatz seines Schadens zu erlangen vermag. Gleiches gilt, sofern der beim Unfallopfer eingetretene Schaden mithilfe eines Amtshaftungsanspruchs kompensiert werden kann 216 oder aber durch Leistungen eines Sozialversicherungsträgers respektive durch eine Lohnfortzahlung sowie die Gewährung von Versorgungsbezügen ausgeglichen wird. Eine weitergehende Subsidiarität besteht, wenn die Leistungspflicht des VOH auf einem der in §  12 Abs.  1 S.  1 Nr.  1–3 PflVG aufgelisteten Umstände beruht. In diesen Fällen scheidet eine Inanspruchnahme des VOH auch dann aus, wenn und soweit der Geschädigte Schadensersatz vom Halter, Eigentümer oder Fahrer erlangen kann. Seine allgemeine Rechtfertigung findet der in §  12 213  BT-Drs. IV/2252, S.  24 f.; Elvers in Feyock/Jacobsen/Lemor, §  12 PflVG Rn.  35; Baumann, Entschädigungsfonds, S.  12. 214  Die Subsidiarität der Eintrittspflicht des VOH weist gewisse Parallelen zur subsidiären Leistungsverpflichtung eines Haftpflichtversicherers in „gestörten Versicherungsverhältnissen“ auf (vgl. dazu §  117 Abs.  3 S.  2 VVG), geht im Ergebnis aber noch deutlich darüber hinaus, vgl. Böhme/Biela, Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden, S.  420. Die in §  12 Abs.  1 S.  2–4 PflVG aufgelisteten Subsidiaritätstatbestände sind abschließend und keiner erweiternden Auslegung zugänglich, vgl. Elvers in Feyock/Jacobsen/Lemor, §  12 PflVG Rn.  62. 215  Hierunter fällt insbesondere der Verein „Deutsches Büro Grüne Karte e.V.“, der bei im Inland erfolgten Schädigungen durch ein ausländisches Kfz eintrittspflichtig ist, vgl. Elvers in Feyock/Jacobsen/Lemor, §  12 PflVG Rn.  69 f.; Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  1028 [Fn.  316a]. Ausführlich zum sog. „Grüne-Karte-System“: Lemor in Feyock/Jacobsen/Lemor, AuslUnf A.I. Rn.  10 ff. 216  Amtshaftungsansprüche eines Unfallopfers kommen charakteristischerweise dann in Betracht, wenn die Zulassungsbehörde ihrer nach §  25 Abs.  4 FZV obliegenden Pflicht zur Außerbetriebsetzung eines nicht haftpflichtversicherten Kfz nicht rechtzeitig (d. h. spätestens innerhalb der Nachhaftungsfrist des §  117 Abs.  2 VVG von einem Monat) nachgekommen und das betreffende Fahrzeug nachfolgend in einen Unfall verwickelt ist (BGH, VersR 1976, 885, 886; LG Dortmund, VersR 1986, 1221, 1221 f.; ferner BT-Drs. IV/2252, S.  24.).

II. Deutschland

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Abs.  1 S.  2–4 PflVG niedergelegte – und europarechtskonforme (vgl. Art.  10 Abs.  1 UAbs.  2 6. KH-Richtlinie) – Subsidiaritätsgedanke in der Erwägung, dass der Entschädigungsfonds nach seinem Sinn und Zweck alleine verbleibende Lücken im Geschädigtenschutz schließen soll. An einer solchen Lücke fehlt es jedoch, wenn der Geschädigte seinen Schaden von einem anderen Rechtssubjekt ersetzt bekommt.217 bb) Weitergehende Leistungseinschränkungen Da der Entschädigungsfonds gemäß §  12 Abs.  4 PflVG wie ein leistungsfreier Haftpflichtversicherer haftet, beschränkt sich der Umfang seiner Leistungspflicht zunächst ganz allgemein auf die für die Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung gesetzlich vorgeschriebenen Mindestversicherungssummen.218 Weitergehende Leistungseinschränkungen gelten darüber hinaus im Falle der Schädigung durch ein nicht ermitteltes Fahrzeug (vgl. §  12 Abs.  2 PflVG).219 Zum einen bedarf es dort nur dann der Zahlung eines Schmerzensgeldes (§  253 Abs.  2 BGB), wenn dies aufgrund der Schwere der Verletzung zur Vermeidung einer groben Unbilligkeit erforderlich ist.220 Zum anderen ist der Entschädigungsfonds lediglich dann für Schäden am Fahrzeug des Unfallopfers eintrittspflichtig, wenn zugleich eine erhebliche Körper- und Gesundheitsschädigung beim Ersatzberechtigten oder einem Fahrzeuginsassen eingetreten ist. Überdies ist bei Sachschäden ganz allgemein eine Selbstbeteiligung des Geschädigten in Höhe von 500 EUR vorgesehen. Die besonderen Leistungseinschränkungen im Falle der Schädigung durch ein nicht ermitteltes Fahrzeug sind europarechtlich nicht zu beanstanden und im Übrigen verfassungskonform.221 Sie sollen im Wesentlichen einer finanziellen und verwaltungsmäßigen Überlastung sowie einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Entschädigungsfonds entgegenwirken und somit im übergeordneten Geschädigtenschutzinteresse dessen allgemeine Funktionsfähigkeit sicherstellen.222 Elvers in Feyock/Jacobsen/Lemor, §  12 PflVG Rn.  62. Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  1032; Böhme/Biela, Kraftverkehrs-HaftpflichtSchä­den, S.  422; BT-Drs. IV/2252, S.  25; vgl. zu den maßgeblichen Mindestversicherungssummen die Anlage zu §  4 Abs.  2 PflVG. 219  Die anderen Fallgruppen des §  12 Abs.  1 PflVG – namentlich Nr.  2 –4 – sind von diesen weitergehenden Leistungseinschränkungen hingegen nicht berührt. 220  Zu den insoweit zu stellenden Anforderungen: LG Darmstadt, VersR 1980, 365, 365; LG Hamburg, VersR 1977, 581, 581 f.; Elvers in Feyock/Jacobsen/Lemor, §  12 PflVG Rn.  91 ff.; Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  1036. 221  So auch Elvers in Feyock/Jacobsen/Lemor, §  12 PflVG Rn.  90 mit Nachweisen zu abweichenden Auffassungen; hierzu ausführlich Deiters, VersR 1986, 213, 213 f. 222  BT-Drs. IV/2252, S.  25; Baumann, Entschädigungsfonds, S.  65. 217 

218 

274

C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

d) Schadensregulierung Ein Verkehrsunfallopfer hat seinen Anspruch grundsätzlich innerhalb von drei Jahren beim VOH anzumelden. Die Drei-Jahres-Frist beginnt, sobald der Geschädigte sowohl vom Schaden als auch von den Umständen Kenntnis hat, welche die Inanspruchnahme des Entschädigungsfonds legitimieren (§  12 Abs.  3 PflVG). Sofern die Geschäftsstelle des VOH den geltend gemachten Anspruch nicht sogleich befriedigt oder aufgrund seiner offenbaren Unbegründetheit sofort zurückweist, wird der Vorgang zwecks Weiterbearbeitung an ein dem VOH angeschlossenes Versicherungsunternehmen weitergeleitet.223 Das jeweilige Versicherungsunternehmen ist dann – jedenfalls bis zu einem vom Vorstand des VOH festgelegten Betrag – zur endgültigen Regulierung der Angelegenheit bevollmächtigt.224 Übersteigt die Angelegenheit die betragsmäßigen Grenzen der Bevollmächtigung oder kommt eine Einigung zwischen dem Geschädigtem und dem regulierungsbeauftragten Versicherungsunternehmen nicht zustande, so trifft die sog. Regulierungskommission des VOH eine Entscheidung für oder wider einer Entschädigung des Unfallopfers.225 Diese Entscheidung kann der Geschädigte wiederum durch eine Schiedsstelle überprüfen lassen (§  7 VOEntschFonds).226 Erst im Anschluss an einen Einigungsvorschlag der Schiedsstelle wäre eine zivilrechtliche Klage des Geschädigten gegen den VOH zulässig (§  14 Nr.  3 c) PflVG iVm §  9 VOEntschFonds).

III. England Die Frage, welche Einwendungen dem Haftpflichtversicherer im Falle einer direkten Inanspruchnahme durch den Geschädigten zustehen, ist im englischen Recht keiner generellen Beantwortung zugänglich. Die für den Haftpflichtversicherer bestehenden Verteidigungsmöglichkeiten unterscheiden sich vielmehr bei den verschiedenen gesetzlichen Direktansprüchen des englischen Rechts.227 Besonders ausgeprägt sind die Unterschiede bei den versicherungsrechtlichen Einwendungen, da es im englischen Haftpflichtversicherungsrecht an einem einheitlichen Konzept hinsichtlich der Behandlung versicherungsrechtlicher Einwendungen im Direktanspruchsverhältnis fehlt. Mithin ist es angezeigt, sich 223  §  11 Abs.  1 der Satzung des Vereins „Verkehrsopferhilfe e.V.“ vom 17. Februar 2011; Böhme/Biela, Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden, S.  423. 224  §  11 Abs.  2 der Satzung des Vereins „Verkehrsopferhilfe e.V.“ vom 17. Februar 2011. 225  §  11 Abs.  3, 4 der Satzung des Vereins „Verkehrsopferhilfe e.V.“ vom 17. Februar 2011. 226  Zu Zusammensetzung und Verfahren der Schiedsstelle vgl. §§  6 ff. VOEntschFonds. 227  Vgl. zu den verschiedenen gesetzlichen Direktansprüchen in England oben unter 3. Teil A.II.

III. England

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der Thematik der Einwendungen für jeden gesetzlichen Direktanspruch des englischen Rechts separat anzunehmen.

1. Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 a) Schadensrechtliche Einwendungen Da es sich bei dem gesetzlichen Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 um den legalzedierten Haftpflichtversicherungsanspruch handelt,228 weist dieser vordergründig eine Unabhängigkeit vom Haftpflichtverhältnis auf. Freilich bleibt zu berücksichtigen, dass ein Haftpflichtversicherungsanspruch grundsätzlich erst dann durchsetzbar ist, wenn der Schadensersatzanspruch des Geschädigten dem Grunde und der Höhe nach festgestellt wurde.229 In logischer Konsequenz bedingt auch die Realisierung des Direktanspruchs aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, der durch den gesetzlichen Übergang der Haftpflichtversicherungsforderung begründet wurde, die vorherige Feststellung der Schadensersatzverpflichtung des schädigenden Versicherungsnehmers.230 Für die erforderliche Feststellung des Schadensersatzanspruchs bieten sich dem Geschädigten zwei verschiedene Wege.231 Zum einen steht es dem Geschädigten offen, die Haftpflichtfrage unmittelbar im Haftpflichtverhältnis zu klären, wobei sich hierzu die Durchführung eines Gerichts- oder Schiedsverfahrens ebenso anbietet wie eine vergleichsweise Vereinbarung oder ein Anerkenntnis des Schädigers (s. 1 (4) (b) – (d) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010). Zum anderen kann die erforderliche Feststellung des Schadensersatzanspruchs neuerdings auch unmittelbar zwischen dem Geschädigten und dem Versicherer im Rahmen eines Direktprozesses im engeren Sinne erfolgen (s. 1 (4) (a) iVm s. 2 (2) (a) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010). Für die Beantwortung der Frage, inwieweit dem Haftpflichtversicherer schadensrechtliche Einwendungen gestattet sind, bedarf es denklogisch einer Differenzierung zwischen den beiden aufgezeigten Alternativen. Sollte die Haft228 

Hierzu ausführlich oben unter 3. Teil A.II.2.a). Post Office v. Norwich Union Fire Insurance Society Ltd [1967] 2 Q.B. 363, 373 f.; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  21-047; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  30-002; MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-119. 230  Vgl. s. 1 (3) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. Ferner: Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, Explanatory Notes, Rn.  17; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-049. 231  Allgemein Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-049. 229 

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

pflichtfrage bereits im Haftpflichtverhältnis geklärt worden sein,232 ist vorrangig zu eruieren, ob der Haftpflichtversicherer an diese Entscheidung gebunden ist oder ob er gleichwohl die Existenz eines Schadensersatzanspruchs in Abrede stellen und den Geschädigten zum neuerlichen Nachweis der Haftung des schädigenden Versicherungsnehmers zwingen kann. Bedient sich der Geschädigte hingegen der neuartigen Möglichkeit der Feststellung des Schadensersatzanspruchs im Prozess gegen den Haftpflichtversicherer, stellt sich bereits ganz grundlegend die Frage, ob und in welchem Umfang dem Versicherer schadensrechtliche Einwendungen zustehen. aa) Feststellung des Schadensersatzanspruchs im Verhältnis zum Schädiger (1) Maßgeblichkeit eines Anerkenntnisses sowie vergleichsweiser Regelungen Im Hinblick auf ein Anerkenntnis bzw. einen Vergleich tritt eine Bindung ein, wenn der Haftpflichtversicherer dem Anerkenntnis respektive dem Vergleichsabschluss seine Zustimmung erteilt hat (approval).233 Im Übrigen ist der Versicherer nur dann gebunden, wenn die anerkannte oder dem Geschädigten vergleichsweise versprochene Summe auch im Rahmen eines hypothetischen gerichtlichen Verfahrens zugesprochen worden wäre.234 Liegt im Einzelfall keine Bindung an das Anerkenntnis bzw. an den Vergleich vor, kann der Versicherer die Haftpflichtverbindlichkeit des Versicherungsnehmers und somit seine haftpflichtversicherungsvertragliche Einstandspflicht bestreiten und folgerichtig den geschädigten Dritten zum Nachweis der Existenz eines unter den Deckungsschutz des Haftpflichtversicherungsvertrages fallenden Schadensersatzanspruchs zwingen. Anders als im novellierten deutschen Versicherungsvertragsrecht235 ist es im englischen Recht darüber hinaus zulässig und in der englischen Versicherungspraxis auch durchaus üblich, dem Versicherungsnehmer im Haftpflichtversicherungsvertrag schlechthin ein Anerkenntnis- und Vergleichsverbot aufzuerlegen, dessen Missachtung regelmäßig mit der Leistungsfreiheit des Versicherers im Deckungsverhältnis sanktioniert wird.236 Nach herrschender Meinung genügt 232  Z. B. im Rahmen eines Schadensersatzprozesses oder durch ein Anerkenntnis des Schädigers bzw. durch eine vergleichsweise Regelung zwischen Geschädigtem und Schädiger. 233  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  21-112. 234  Enterprise Oil Ltd v. Strand Insurance Co Ltd [2006] 1 C.L.C 33, 44; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  21-107 sowie Rn.  22-049. 235  Siehe hierzu §  105 VVG. 236  Vgl. z. B. Terry v. Trafalgar Insurance Co Ltd [1970] 1 Lloyd’s Rep 524; Gan Insurance Co Ltd v. Tai Ping Insurance Co Ltd [2001] C.L.C. 776; Horwood v. Land of Leather Ltd [2010] 1 C.L.C. 423; ferner Birds’ Modern Insurance Law, S.  388 f., 396; Colinvaux’s Law of

III. England

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für das Eingreifen der Sanktionswirkung bereits der schlichte Verstoß gegen das Anerkenntnis- bzw. Vergleichsverbot, ohne dass es zwingend einer weitergehenden Beeinträchtigung der Interessen des Versicherers bedarf.237 Die auf dem Verstoß gegen ein Anerkenntnis- oder Vergleichsverbot basierende Leistungsfreiheit im Versicherungsvertragsverhältnis entfaltet nach der Konzeption des englischen Rechts auch Drittwirkung gegenüber dem Geschädigten.238 (2) Maßgeblichkeit einer gerichtlichen Entscheidung aus einem Haftpflichtprozess Die Frage nach der Maßgeblichkeit einer im Haftpflichtprozess getroffenen gerichtlichen Entscheidung für das Direktanspruchsverhältnis kohäriert zunächst zwangsläufig mit der Rechtskraftthematik. Insofern sollte man sich zuvorderst vergegenwärtigen, dass den beiden untersuchten Rechtsordnungen zwar gleichermaßen der Gedanke der Endgültigkeit einer gerichtlichen Entscheidung immanent ist, das der Sicherung des abschließenden Charakters eines Urteils dienende Institut der Rechtskraft jedoch in beiden Ländern unterschiedlich ausgestaltet ist. Der eher restriktiven Rechtskraftlehre des deutschen Zivilprozesses steht dabei die – hinsichtlich Gegenstand und Umfang der Rechtskraft – sehr umfassende res iudicata-Doktrin 239 des englischen Rechts gegenüber.240 Zumindest hinsichtlich der subjektiven Rechtskraftgrenzen lässt sich jedoch eine weitgehende Konvergenz in den Rechtsordnungen konstatieren.241 In beiden Rechtsordnungen wirken gerichtliche Entscheidungen alleine zwischen den unmittelbaren Prozessparteien sowie deren Rechtsnachfolgern (privies and successors), nicht hingegen für und gegen Dritte.242 Das Wissen um die relative Insurance, Rn.  21-083; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  30-067; Lowry/Rawlings, Insurance Law – Doctrines and Principles, S.  269 f. 237  Terry v. Trafalgar Insurance Co Ltd [1970] 1 Lloyd’s Rep 524; Birds’ Modern Insur­ ance Law, S.  396; Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  232. 238  Zur Frage der Maßgeblichkeit versicherungsrechtlicher Einwendungen ausführlich unten unter 3. Teil C.III.1.b). 239  Allgemein zur Rechtskraftlehre des englischen Rechts: Zuckerman on Civil Proce­ dure, Rn.  25.83 ff.; Andrews, English Civil Procedure, Rn.  40.01 f.; Germelmann, Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen in der EU, S.  215 ff. 240  Siehe auch Stürner, FS Schütze, 913, 915. 241  Stürner, FS Schütze, 913, 933. 242  Für das deutsche Recht vgl. bereits oben unter 3. Teil C.II.1.c).aa). Für das englische Recht: C (a minor) v. Hackney London Borough Council [1996] 1 W.L.R. 789, 793; Zuckerman on Civil Procedure, Rn.  25.66 sowie Rn.  25.91 f.; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  21048; Stürner, FS Schütze, 913, 923. Auch in England dient die inter-partes-Wirkung gerichtlicher Entscheidungen vorrangig der Gewährleistung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, hierzu Zuckerman on Civil Procedure, Rn.  25.66.

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

Wirkung der Rechtskraft führt zu der Erkenntnis, dass auch im englischen Recht Feststellungen aus dem Haftpflichtprozess grundsätzlich keine Relevanz im Verhältnis des Geschädigten zum – am Schadensersatzprozess regelmäßig nicht beteiligten – 243 Versicherer entfalten können. Ein anderes könnte sich allerdings aus dem Umstand ergeben, dass der Geschädigte infolge der im Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 vorgesehenen Legalzession des Haftpflichtversicherungsanspruchs an die Stelle des Versicherungsnehmers tritt und faktisch einen Deckungsprozess führt. Würde dem Versicherungsnehmer in einem etwaigen Deckungsrechtsstreit – wie dies bekanntermaßen in Deutschland der Fall ist – 244 eine wie auch immer geartete Bindungswirkung zugute kommen, so dass der Versicherer die im Haftpflichtprozess hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs getroffene gerichtliche Entscheidung gegenüber dem Versicherungsnehmer nicht mehr in Abrede stellen könnte, so würde hiervon nach der gesetzlichen Übertragung des Versicherungsanspruchs auch der in die Fußstapfen des Versicherungsnehmers getretene Geschädigte profitieren.245 Indes ist dem englischen Recht der Gedanke einer Bindung des Haftpflichtversicherers an das Ergebnis des Haftpflichtprozesses grundsätzlich fremd. Die englischen Gerichte haben vielmehr wiederholt judiziert, dass es dem Haftpflichtversicherer unabhängig von der Entscheidung im Haftpflichtprozess freisteht, im Deckungsprozess das Vorliegen einer Schadensersatzhaftung des Versicherungsnehmers und somit den Eintritt eines Versicherungsfalls zu kontestieren.246 Dies ergebe sich zwangsläufig aus der strikten Beachtung der subjektiven Rechtskraftgrenzen, denn schließlich sei der Versicherer am Haftpflichtprozess nicht als Partei beteiligt. In der Konsequenz kann ein Haftpflichtversicherungsnehmer dazu gehalten sein, im Deckungsprozess den Nachweis der rechtlichen Existenz einer vom Haftpflichtversiche243  Irrelevant ist an dieser Stelle, dass die Haftpflichtversicherer auch in England im Rahmen des Haftpflichtprozesses vielfach die Verteidigung des schädigenden Versicherungsnehmers übernehmen, weil hiermit keine Parteistellung einhergeht. 244  Vgl. hierzu oben unter 3. Teil C.II.1.c).cc).(1). 245  Zu dieser Überlegung insbesondere Cheltenham & Gloucester plc v. Sun Alliance and London Insurance plc 2001 S.L.T. 1151, 1154. Ähnlich verhält es sich im deutschen Recht, wo dem Geschädigten im Rahmen einer Drittschuldnerklage nach Pfändung und Überweisung des Versicherungsanspruchs (§§  829, 835 ZPO) der Grundsatz der Bindungswirkung zugute kommt, hierzu bereits eingehend oben unter 3. Teil C.II.1.c).cc).(2).(a). 246  Brice v. Wackerbarth (Australasia) Pty Ltd [1974] 2 Lloyd’s Rep 274, 276; Cheltenham & Gloucester plc v. Sun Alliance and London Insurance plc 2001 S.L.T. 1151, 1154 f.; Enterprise Oil Ltd v. Strand Insurance Co Ltd [2006] EWHC 58 (Comm) [Rn.  167]; Omega Proteins Ltd v. Aspen Insurance UK Ltd [2010] 2 C.L.C. 370, 386 [Rn.  62]; Astrazeneca Insurance Co Ltd v. XL Insurance (Bermuda) Ltd [2013] EWHC 349 (Comm) [Rn.  65]; Astrazeneca Insurance Co Ltd v. XL Insurance (Bermuda) Ltd [2013] EWCA Civ 1660 [Rn.  17 f.]. Vgl. ferner MacGillivray on Insurance Law, Rn.  30-006.

III. England

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rungsvertrag gedeckten Schadensersatzverbindlichkeit zu erbringen. Unter Umständen erfährt dabei die haftungsrechtliche Situation eine andere rechtliche Beurteilung als noch im Schadensersatzprozess.247 Die englischen Gerichte betonen jedoch, dass die Parteien des Haftpflichtversicherungsvertrages in privatautonomer Entscheidung der Beurteilung der Haftpflichtlage im Schadensersatzprozess auch für ihr Vertragsverhältnis verbindliche Wirkung beilegen dürfen.248 Anders als in Deutschland weigert man sich in England allerdings, sämtlichen Haftpflichtversicherungsverträgen zumindest stillschweigend eine solche Bindungsabrede zu entnehmen. Folglich kann auch der geschädigte Dritte allenfalls bei Existenz einer ausdrücklichen Bindungsvereinbarung von den Ergebnissen des Haftpflichtprozesses profitieren. Die in dem Verfahren Cheltenham & Gloucester plc v. Sun Alliance and London Insurance plc249 von seiten des Geschädigten geäußerte Besorgnis, dass diese Sichtweise letztlich die Wirksamkeit des Third Parties (Rights against Insurers) Act unterlaufe,250 wurde von dem zur Entscheidung berufenen Gericht zurückgewiesen.251 Mithin besteht die abstrakte Gefahr einer divergierenden Beurteilung der Haftungslage im Schadensersatzprozess auf der einen und im Direktprozess auf der anderen Seite. Dessen ungeachtet dürfte einer klagestattgebenden Entscheidung im Haftpflichtprozess vielfach eine rein faktische Präjudizialität zukommen und den Versicherer von der Negierung der Haftung des Versicherungsnehmers im Deckungs- bzw. Direktklageprozess abhalten, weil er eine gleichartige Einschätzung der Haftungslage im Deckungs- respektive Direktklageprozess zumindest ernstlich fürchten muss.252

Brice v. Wackerbarth (Australasia) Pty Ltd [1974] 2 Lloyd’s Rep 274, 276. Astrazeneca Insurance Co Ltd v. XL Insurance (Bermuda) Ltd [2013] EWCA Civ 1660 [Rn.  19]; Omega Proteins Ltd v. Aspen Insurance UK Ltd [2010] 2 C.L.C. 370, 386 [Rn.  62]. 249  Cheltenham & Gloucester plc v. Sun Alliance and London Insurance plc 2001 S.L.T. 1151, 1151 ff. 250  Cheltenham & Gloucester plc v. Sun Alliance and London Insurance plc 2001 S.L.T. 1151, 1154, per Lord President Rodger: „The solicitor advocate for the pursuers argued that (…) it would be destructive of this scheme, and in particular of the requirement for the third party to establish the insured’s liability at the first stage, if it were open to the insurer at the second stage to challenge the decree establishing the insured’s liability to the third party“. 251  Cheltenham & Gloucester plc v. Sun Alliance and London Insurance plc 2001 S.L.T. 1151, 1154 f. 252  Omega Proteins Ltd v. Aspen Insurance UK Ltd [2010] 2 C.L.C. 370, 383 [Rn.  49]; Astrazeneca Insurance Co Ltd v. XL Insurance (Bermuda) Ltd [2013] EWCA Civ 1660 [Rn.  17]. 247 

248 So

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

bb) Feststellung des Schadensersatzanspruchs im Verhältnis zum Versicherer (1) Grundsatz Wird die Feststellung des Schadensersatzanspruchs in den Direktprozess zwischen dem Geschädigten und dem Haftpflichtversicherer verlagert,253 so ist der Versicherer nach s. 2 (4) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 zur Erhebung sämtlicher Einwendungen berechtigt, welche auch dem Versicherungsnehmer zustünden, würde es sich bei dem konkreten Prozess um ein gegen ihn angestrengtes Gerichtsverfahren zur Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs handeln.254 Hierbei ist gleichgültig, ob es sich um eine materielle, unmittelbar auf den Schadensersatzanspruch bezogene Einwendung oder aber um eine prozessuale Einrede handelt. Infolgedessen kann der Versicherer beispielsweise das Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen in Abrede stellen, die Höhe der geltend gemachten Schäden bestreiten oder auch den Einwand des Mitverschuldens (contributory negligence) des Geschädigten erheben. Dem Haftpflichtversicherer steht aber auch die Berufung auf den Verjährungseinwand (limitation) offen.255 Darüber hinaus kann der Versicherer einwenden, dass der Schadensersatzanspruch zwischenzeitlich durch Erlass oder Erfüllung erloschen ist oder ein Erfüllungssurrogat vorliegt. In der Konsequenz kann einer Direktklage des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer grundsätzlich kein Erfolg beschieden sein, solange und soweit es zur gleichen Zeit an der gerichtlichen Realisierbarkeit des Schadensersatzanspruchs im Haftpflichtverhältnis mangeln würde.256 (2) Ausnahme Die prinzipielle Berechtigung des Haftpflichtversicherers zur Geltendmachung schadensrechtlicher Einwendungen unterliegt jedoch einer Begrenzung im HinVgl. s. 1 (4) (a) iVm s. 2 (2) (a) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. S.  2 (4) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010: „Where proceedings are brought under subsection (2) (a) the insurer may rely on any defence on which the insured could rely if those proceedings were proceedings brought against the insured in respect of the insured’s liability (…)“. Vgl. ferner MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-122; Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, Explanatory Notes, Rn.  23. 255  MacGillivray on Insurance Law, Rn.  30-029; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22052. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass die Verjährung in der englischen Rechtsordnung ausschließlich prozessrechtlicher Natur ist und alleine die Frage beantwortet, bis zu welchem Zeitpunkt ein Anspruch klageweise geltend gemacht werden kann (vgl. Law Society v. Shah [2009] Ch.  223, 236, per Floyd J: „A limitation defence normally bars the remedy and not the right.“; Bernstorff, Einführung, S.  75); dies ergibt sich aus der Möglichkeit zur Berufung auf prozessuale Einreden. 256  Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  5.46. 253 

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blick auf den Verjährungseinwand (limitation). Nach s. 2 (5) iVm s. 12 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 kann sich der Haftpflichtversicherer nicht darauf berufen, dass im Zeitpunkt der Direktklage einer Schadensersatzklage der prozessuale Verjährungseinwand entgegenstünde, sofern der Geschädigte bereits zuvor rechtzeitig (d. h. innerhalb der Verjährungsfrist) eine noch nicht beschiedene Schadensersatzklage gegen den schädigenden Versicherungsnehmer angestrengt hat.257 b) Versicherungsrechtliche Einwendungen aa) Ursprung der „versicherungsrechtlichen Einwendungen“ Auch im englischen Haftpflichtversicherungsrecht kann der Haftpflichtversicherer aus zahlreichen Gründen in Ansehung eines bestimmten Schadensfalles gegenüber seinem Versicherungsnehmer vollständig oder teilweise leistungsfrei sein.258 So kann der Haftpflichtversicherer einwenden, das konkrete Schadens­ ereignis unterfalle nicht dem versicherten Risiko (insured risk) und ein Versicherungsfall sei daher von vornherein nicht gegeben. Zur Festlegung des versicherten Risikos bedienen sich die Versicherungsvertragsparteien regelmäßig sowohl primären Risikobeschreibungen (clauses descriptive of the risk) als auch vertraglichen Risikoausschlüssen (exceptions). Neben privatautonom vereinbarten exceptions sind im englischen Recht zudem Risikoausschlüsse zu finden, die gesetzlich normiert sind oder aber allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Common Law entspringen.259 Der Versicherer kann sich überdies auf vertraglich vereinbarte quantitative Beschränkungen des Versicherungsschutzes berufen.260 Einwendungen zugunsten des Haftpflichtversicherers können sich darüber hinaus als Folge eines Fehlverhaltens des Versicherungsnehmers ergeben (z. B. Obliegenheitsverstöße261, Prämienzahlungsverzug262). Im Übrigen kann der Haftpflichtversicherer die Verjährung (limitation) des Versicherungsanspruchs geltend machen oder auch schlicht einwenden, dass kein wirksamer Versicherungsvertrag existiert. Letztlich kann sich eine Leistungsfreiheit des Versicherers auch infolge einer vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls einstellen. Zwar entbehrt 257  Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, Explanatory Notes, Rn.  69 f.; siehe auch MacGillivray on Insurance Law, Rn.  30-030; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-052. 258  Allgemein zu möglichen Einwendungen des Versicherers gegen den Versicherungsanspruch: Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  5.3 ff. 259  Schmidt, Beweis des Versicherungsfalls, S.  43. 260  Z. B. Versicherungssumme (sum insured) als Obergrenze der Leistungspflicht; Selbstbehalt (deductible / excess). 261  Hierzu oben unter 2. Teil A.I.4.b).bb). 262  Hierzu oben unter 2. Teil A.I.4.b).aa).

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das englische Recht einer gesetzlichen Regelung, welche sich der rechtlichen Behandlung der vorsätzlichen Versicherungsfallherbeiführung annehmen würde.263 In der englischen Rechtsprechung ist es jedoch ein allgemein anerkannter Grundsatz, dass ein Versicherungsnehmer grundsätzlich keine Versicherungsleistung beanspruchen kann, wenn die Realisierung der versicherten Gefahr auf dessen vorsätzliches Verhalten zurückzuführen und auch der Schadenseintritt vom Vorsatz umfasst ist.264 Im Falle der bewussten Herbeiführung des Versicherungsfalls fehle es gerade an dem für eine Versicherung notwendigen Zu­ falls­element mit dem Eintritt eines ungewissen Ereignisses ( fortuitous bzw. uncertain event).265 Ein uneinheitliches Bild zeigt sich allerdings hinsichtlich der dogmatischen Begründung der Leistungsfreiheit des Versicherers.266 Teilweise scheinen die Gerichte der Auffassung zuzusprechen, jeder Versicherungsvertrag beinhalte zumindest konkludent einen Risikoausschluss für die Situation der vorsätzlichen Versicherungsfallherbeiführung (implied excep­ tion). Es könne nämlich regelmäßig nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Versicherer auch für diese Fälle zur Leistung verpflichten wollte.267 Überwiegend sieht man die Leistungsfreiheit des Versicherers jedoch auf den Grundsätzen von public policy gegründet.268 Die von public policy umfasste Maxime ex turpi causi non oritur actio schließe es aus, dass der Versicherungsnehmer letztlich von seinem vorsätzlichen (Fehl-) Verhalten profitiere.269 Freilich steht Clarke, Insurance Contracts, Rn.  19-2E1, S.  603. Eine Ausnahme gilt im Bereich der Seeversicherung (marine insurance), vgl. s. 55 (2) (a) Marine Insurance Act 1906. 264  Britton v. The Royal Insurance Co (1866) 4 F. & F. 905, 908; Samuel v. Dumas [1924] A.C. 431, 464; Beresford v. Royal Insurance Co [1938] A.C. 586, 595; Hardy v. Motor Insurers’ Bureau [1964] 2 Q.B. 745, 760 f.; Gray v. Barr [1971] 2 Q.B. 554, 569, 587 f.; Charlton v. Fisher [2002] Q.B. 578, 585; Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  68; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  14-029 ff.; MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-022; Clarke, Insurance Contracts, Rn.  19-2E1, S.  603; Rühl in Basedow/Fock, S.  1479. 265  Clarke, Insurance Contracts, Rn.  19-2E1, S.  603. 266  Vgl. Clarke, Insurance Contracts, Rn.  19-2E1, S.  603. 267  Beresford v. Royal Insurance Co [1938] A.C. 586, 595, per Lord Atkin: „On ordinary principles of insurance law an assured cannot by his own deliberate act cause the event upon which the insurance money is payable. The insurers have not agreed to pay on that happening. (…) This is not the result of public policy, but of the correct construction of the contract.“; so auch MacGillivray on Insurance Law, Rn.  14-030. 268  Hardy v. Motor Insurers’ Bureau [1964] 2 Q.B. 745, 760, per Lord Denning MR: „(…) no person can claim reparation or indemnity for the consequences of a criminal offence where his own wicked and deliberate intent is an essential ingredient in it. (…) This rule is not rested on an implied exception in the policy of insurance. It is based on the broad rule of public policy that no person can claim indemnity or reparation for his own willful and culpable crime.“; Gray v. Barr [1971] 2 Q.B. 554, 587 f.; so auch Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  68; Clarke, Insurance Contracts, Rn.  19-2E1, S.  603 f. 269  Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  68. 263 

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es den Versicherungsvertragsparteien frei, für den Fall der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls ausdrücklich eine versicherungsvertragliche Ausschlussklausel (exception) vorzusehen.270 bb) Grundsatz des Einwendungsdurchgriffes (1) Vorgängergesetz und Reformüberlegungen Unter dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 galt es als unverrückbares Axiom, dass der Haftpflichtversicherer dem Direktanspruch des Geschädigten sämtliche versicherungsrechtlichen Einwendungen entgegenhalten kann.271 Dies war zunächst eine logische Konsequenz aus der rechtskonstruktiven Anknüpfung des Direktanspruchs an das Haftpflichtversicherungsverhältnis. Im Einklang mit dem auch im englischen Recht vorherrschenden Verbot der zessionsbedingten Schlechterstellung des Schuldners272 entsprach es der Überzeugung der englischen Gerichte, dass der geschädigte Dritte den legalzedierten Versicherungsanspruch so zu nehmen hat, wie er sich im Versicherungsverhältnis zwischen Schädiger und Haftpflichtversicherer darstellte.273 Dieser Grundsatz fand Umschreibung in den prägnanten Worten, dass der Geschädigte „cannot (…) pick out the plums and leave the duff behind“.274 Vom Einwendungsdurchgriff ausgenommen waren lediglich solche Versicherungsvertragsklauseln,275 welche erkennbar auf eine Benachteiligung des Geschädigten abzielten (vgl. s. 1 (3), 3 Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930; sog. anti-avoidance-provision).276 Diesen Klauseln wurde schlechthin die Wirksamkeit versagt („shall be of no effect“). Es fand bereits Erwähnung, dass sich der weitreichende Einwendungsdurchgriff vor dem Hintergrund des mit dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 intendierten Geschädigtenschutzes zumindest partieller Kritik ausgesetzt sah (z. B. pay-to-be-paid-Klauseln).277 Es verwundert daher nicht, dass auch der Aspekt des Durchgriffs versicherungsrechtlicher Einwendungen im Zuge der Reform des Third Parties (Rights against Insurers) Act auf den PrüfColinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-022. Hierzu schon ausführlich oben unter 2. Teil C.II.2.b).bb).(3). 272  Vgl. Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S.  450. 273  Clarke, Insurance Contracts, Rn.  5-8E, S.  205. 274  Post Office v. Norwich Union Fire Insurance Society Ltd [1967] 2 Q.B. 363, 376, per Harman LJ. 275  Eine weitere Ausnahme wurde erst später im Bereich der Arbeitgeberhaftpflichtversicherung (employers’ liability insurance) eingeführt; vgl. zu dieser noch immer fortgeltenden Ausnahme sogleich unter 3. Teil C.III.1.b).cc).(1). 276  Hierzu bereits oben unter 2. Teil C.II.2.b).bb).(2). 277  Hierzu ausführlich oben unter 2. Teil C.II.2.b).dd).(3). 270  271 

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stand gestellt wurde. Dabei wurden neben sehr weitgehenden Änderungen der bisherigen Rechtspraxis mit einer grundsätzlichen Lossagung vom umfassenden Einwendungsdurchgriff zumindest in Teilbereichen der Haftpflichtversicherung (general restrictions to rely on policy defences) auch lediglich punktuelle Durchbrechungen des Einwendungsdurchgriffes im Hinblick auf ganz bestimmte versicherungsrechtliche Einwendungen (specific restrictions to rely on policy defences) diskutiert.278 Ein sehr weitreichender Änderungsvorschlag sah vor, dem Versicherer im gesamten Bereich der Pflichthaftpflichtversicherungen (compulsory liability insurance) die Berufung auf versicherungsrechtliche Einwendungen zu versagen. Alternativ wurde erwogen, einen umfassenden Einwendungsausschluss für Fälle zu normieren, in welchen der Dritte einen Schaden an besonders schutzwürdigen höchstpersönlichen Rechtsgütern (z. B. Körper, Leben) erlitten hatte. Als specific restrictions wiederum wurden beispielsweise der Ausschluss der Drittwirkung von versicherungsrechtlichen Einwendungen erörtert, die aus pay-to-be-paid-clauses, aus arbitration clauses oder auch aus der Verletzung von Anzeige- und Mitwirkungsobliegenheiten resultieren. Im Rahmen der Reformkonsultationen zeigte sich jedoch rasch, dass keiner der zur Diskussion gestellten Änderungsvorschläge nennenswerte Unterstützung erfuhr. Lediglich bei den specific restrictions zeichnete sich teilweise eine Zustimmung ab.279 Diese reservierte Haltung spiegelt sich nunmehr in der geltenden Rechtslage wider. (2) Geltende Rechtslage: Umfassender Einwendungsdurchgriff In Kontinuität zur Rechtslage unter dem Vorgängergesetz ist auch der Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 im Ausgangspunkt durch den Grundsatz des Einwendungsdurchgriffs geprägt.280 Demnach kann sich der Versicherer gegen den Direktanspruch des Geschädigten prinzipiell mit sämtlichen versicherungsrechtlichen Einwendungen verteidigen – gleichgültig worauf die versicherungsrechtlichen Einwendungen im Einzelfall beruhen.281 Der Versicherer kann folglich Leistungsfreiheit infolge einer Nichtzahlung der Versicherungsprämie oder infolge eines Obliegenheitsverstoßes ebenso geltend machen wie den Umstand, dass der Schadensfall überhaupt nicht vom versicherten Risiko umfasst ist oder dass ein wirksamer Haftpflichtversiche278  Übersicht über die diskutierten Reformvorschläge: Law Commission, Law Com No.  152 (1998), Rn.  14.7 ff. 279  Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  5.11 f. und Rn.  5.53. 280  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-057; Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  229; Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  5.14; Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, Explanatory Notes, Rn.  10. 281  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-057.

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rungsvertrag nicht bzw. nicht mehr existiert. Auch die in der Versicherungssumme (sum insured) niedergelegte Haftungshöchstgrenze sowie ein Selbstbehalt (deductible / excess) können dem geschädigten Dritten uneingeschränkt entgegengesetzt werden.282 Entgegen den diskutierten Vorschlägen zum generellen Ausschluss versicherungsrechtlicher Einwendungen hat sich der Reformgesetzgeber mithin dazu entschieden, dem Haftpflichtversicherer weiterhin sehr umfangreich eine Berufung auf versicherungsrechtliche Einwendungen zu gestatten, was naturgemäß dem Geschädigtenschutz wenig zuträglich ist. Es mag freilich bezweifelt werden, ob die Entscheidung zugunsten des Einwendungsdurchgriffs aus voller Überzeugung getroffen wurde oder ob man den Einwendungsdurchgriff nicht vielmehr als notwendige Konsequenz der Beibehaltung der rechtskonstruktiven Herleitung des gesetzlichen Direktanspruchs erachtete.283 Wie bereits dargelegt wurde, zeichnen sich die durch Anknüpfung an das Haftpflichtversicherungsverhältnis begründeten Direktansprüche nun einmal durch eine grundsätzliche Maßgeblichkeit versicherungsrechtlicher Einwendungen aus.284 Jedenfalls sah sich der englische Gesetzgeber sogleich veranlasst, im Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 verschiedene Einwendungsausschlüsse zur Vermeidung besonderer Ungerechtigkeiten zu normieren.285 (3) Ergänzung durch Aufrechnungsmöglichkeit (s. 10 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010) Ergänzt wird der umfassende Einwendungsdurchgriff durch die zugunsten des Haftpflichtversicherers bestehende Möglichkeit, gegenüber dem Direktanspruch mit sämtlichen Ansprüchen aufrechnen zu können, die ihm aus dem Versicherungsvertrag gegen den Versicherungsnehmer zustehen.286 Diese beBirds, Insurance Law in the UK, Rn.  229. spricht eine Äußerung der Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  5.14: „As a result of the retention of the concept of statutory transfer in the draft Bill, the insurer defending a claim from a third party will, as under the 1930 Act, generally be entitled to rely on any defence it would have been entitled to rely on as against the insured“ (kursive Hervorhebung durch Verfasser). 284  Hierzu oben unter 2. Teil B.IV.1. 285  Vgl. s. 9 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010; hierzu sogleich unter 3. Teil C.III.1.b).cc).(2). 286  Die Aufrechnungsforderung muss sich zwingend aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag ergeben, Forderungen aus einem anderen Rechtsgrund (z. B. ein separates Versicherungsverhältnis zwischen schädigendem Versicherungsnehmer und Haftpflichtversicherer) sind hingegen nicht zur Aufrechnung geeignet (s. 10 (1) (b) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010), vgl. Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-061; Merkin/Steele, Insurance and the Law of Obligations, S.  403. 282 

283 Hierfür

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reits unter dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 durch die Rechtsprechung anerkannte Befugnis287 findet nunmehr in s. 10 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 ihren gesetzlichen Niederschlag.288 Als Aufrechnungsforderung am bedeutsamsten sind sicherlich offene Prämienforderungen des Versicherers.289 cc) Ausnahmen Der dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 immanente Grundsatz des Einwendungsdurchgriffs gilt jedoch – wie bereits angedeutet – nicht schrankenlos. Für ausgewählte versicherungsrechtliche Einwendungen schließen einzelne Gesetzesvorschriften die Drittwirkung explizit aus. Nicht weiter verwundern mag, dass maßgebliches Leitmotiv des Gesetzgebers bei der Normierung der Einwendungsausschlüsse stets der Geschädigtenschutz war. Während manche Einwendungsausschlüsse bereits früheren Ursprungs sind und schon unter dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 galten, fanden andere erstmals mit dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 Eingang in die englische Rechtsordnung. Es entspricht hierbei dem erklärten Willen des Reformgesetzgebers, dass die bereits bestehenden Einwendungsausschlüsse auch unter dem neuen Gesetz fortgelten.290 Auffällig ist, dass es in England – anders als in Deutschland (vgl. §  117 VVG) – an einer zentralen Norm fehlt, welche die Einwendungsausschlüsse des englischen Rechts abschließend vorgeben würde. (1) Arbeitgeberhaftpflichtversicherung (employers’ liability insurance) Der Grundsatz des Einwendungsdurchgriffs wird bereits seit geraumer Zeit im Bereich der obligatorischen Arbeitgeberhaftpflichtversicherung (employers’ liability insurance) durchbrochen. Nach reg. 2 Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Regulations 1998291 kann sich der Haftpflichtversicherer gegenüber einem geschädigten Arbeitnehmer nicht auf Klauseln des HaftpflichtversicheCox v. Bankside Members Agency Ltd [1995] C.L.C. 180, 200; anders noch Murray v. Legal and General Assurance Society Ltd [1970] 2 Q.B. 495, 500 ff. 288  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-061. 289 Dies gilt jedenfalls, sofern eine rechtzeitige und ordnungsgemäße Prämienzahlung nicht ohnehin versicherungsvertraglich zu einer unerlässlichen Voraussetzung der Leistungspflicht des Versicherers erhoben wurde (condition precedent), so dass ein Prämienzahlungsverzug als drittwirkende versicherungsrechtliche Einwendung den Direktanspruch schlechthin ausschließen würde. 290  Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  7.34 f. 291  Identisch bereits die Vorgängervorschrift des reg. 2 Employers’ Liability (Compulsory Insurance) General Regulations 1971. 287 

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rungsvertrages berufen, welche für ganz bestimmte Situationen oder Umstände eine (teilweise) Leistungsfreiheit vorsehen.292 Wichtig ist die Erkenntnis, dass die Vorschrift des reg. 2 Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Regulations 1998 keineswegs einen generellen Ausschluss aller denkbaren versicherungsrechtlichen Einwendungen vorsieht, sondern Einwendungsausschlüsse lediglich für eng umgrenzte, enumerativ aufgelistete Tatbestände normiert.293 Nach reg. 2 (1) (a) – (d) Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Regulations 1998 kann der Haftpflichtversicherer dem geschädigten Arbeitnehmer zunächst keine versicherungsrechtlichen Einwendungen entgegenhalten, welche sich entweder aus der Verletzung von Obliegenheiten oder Verhaltensanforderungen nach Eintritt des Versicherungsfalls ergeben 294 oder aber auf den Umstand zurückzuführen sind, dass der Arbeitgeber allgemeine Sorgfaltspflichten oder bestimmte gesetzliche Anforderungen im Zusammenhang mit seiner gewerblichen Betätigung (z. B. betriebliche Unfallverhütungsvorschriften) missachtet hat. Reg. 2 (2) Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Regulations 1998 wiederum untersagt dem Versicherer gegenüber dem Geschädigten die Geltendmachung eines versicherungsvertraglich vereinbarten Selbstbehaltes. Dem Versicherer steht es jedoch frei, sich im Versicherungsvertrag explizit den Regress gegen seinen Versicherungsnehmer vorzubehalten, sollte er alleine aufgrund des Einwendungsausschlusses gegenüber dem Geschädigten verantwortlich sein (sog. claw-back clauses).295 Dies stellt die Vorschrift des reg. 2 (3) Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Regulations 1998 ausdrücklich klar.296 Ist eine versicherungsrechtliche Einwendung nicht unter einen der Tatbestände des reg. 2 (1), (2) Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Regulations 1998 subsumierbar, verbleibt es hingegen bei deren Drittwirkung gegenüber 292  Allgemeine Übersicht hierzu: Mance/Goldrein/Merkin, Insurance Disputes, Rn.  17.19 ff.; Merkin, Insurance Law, S.  303 f.; Hasson, 3 Indus. L.J. 1974, 79, 83 ff. 293  Goretzky, Leistungspflicht des Versicherers, S.  101 f. 294  Z. B. Verletzung von Anzeige- und Mitwirkungsobliegenheiten; Verstoß gegen vertraglich vereinbartes Anerkenntnisverbot. Vgl. auch Mance/Goldrein/Merkin, Insurance Disputes, Rn.  17.21; Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  288. 295 Hierzu Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  5.23 ff. Näher zu den Regressrechten des Haftpflichtversicherers in England unten unter 3. Teil D.II. 296  Die Existenz der Vorschrift des reg. 2 (3) Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Regulations 1998 verdeutlicht im Übrigen, dass derartige leistungsausschließende Klauseln im Versicherungsinnenverhältnis ohne weiteres wirksam vereinbart werden können. Hieran könnte man angesichts des Wortlauts der Rechtsfolgenanordnung in reg. 2 (1), (2) Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Regulations 1998 zweifeln, da die dort verwandte Formulierung („is prohibited“) ein allgemeines und absolut wirkendes Verbot der betreffenden Versicherungsvertragsklausel vorzugeben scheint.

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dem geschädigten Arbeitnehmer.297 Aus Geschädigtenschutzperspektive besonders misslich ist dabei sicherlich die Möglichkeit des Haftpflichtversicherers, Versäumnisse des Arbeitgebers im Zusammenhang mit Gefahrerhöhungen (increase of risk) geltend machen zu können. Insofern ist zu bedenken, dass Gefahrerhöhungen beispielsweise durch die schlichte Inbetriebnahme weiterer oder modernerer Arbeitsmaschinen sehr leicht eintreten können.298 Insgesamt wird der Umfang der Einwendungsausschlüsse im Bereich der obligatorischen Arbeitgeberhaftpflichtversicherung von Vertretern der Literatur als allzu restriktiv kritisiert und bisweilen mit drastischen Worten als „armselig und unzulänglich“ gebrandmarkt.299 Anders als bei der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung existiert im Bereich der employers’ liability insurance auch kein Entschädigungsfonds, der dem geschädigten Arbeitnehmer eine Schadenskompensation in Fällen garantieren würde, in welchen ein Vorgehen gegen den Haftpflichtversicherer keinen Erfolg verspricht.300 Lediglich für Arbeitnehmer, die infolge ihrer Berufsausübung an einem Mesotheliom leiden, besteht mit dem Diffuse Mesothelioma Payment Scheme seit dem Jahre 2014 eine Entschädigungseinrichtung, sofern die Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers an der Unkenntnis über dessen Identität scheitert.301

Vorbehaltlich s. 9, 17 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. Hasson, 3 Indus. L.J. 1974, 79, 85. 299 So Birds’ Modern Insurance Law, S.  4 46: „When compared with the Road Traffic Act provisions relating to third party motor insurance, the 1969 Act and the associated regulations appear paltry and inadequate“ (kursive Hervorhebung durch Verfasser). 300  Kritisch zum Fehlen eines Entschädigungsfonds: Hasson, 3 Indus. L.J. 1974, 79, 85 f., der im Ergebnis die Errichtung eines „Employers’ Insurers Bureau“ anregt. Im Jahre 2010 griff das englische Arbeits- und Pensionsministerium (Department for Work and Pensions) im Rahmen einer public consultation das Thema eines Entschädigungsfonds in der Arbeitgeberhaftpflichtversicherung auf und bat um Stellungnahmen der betroffenen Interessensgruppen, ob und in welchem Umfang ein Employers’ Liability Insurance Bureau (ELIB) sinnvoll bzw. wünschenswert sei, vgl. hierzu Department for Work and Pensions, „Accessing Compensation – Supporting people who need to trace Employers’ Liability Insurance“, Februar 2010, S.  15 ff., abrufbar unter: https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/ attachment_data/file/185024/elci-compensation-consultation.pdf (abgerufen am: 28. Februar 2017; im Folgenden zitiert als: Department for Work and Pensions, Accessing Compensation). Aufgrund des Widerstandes der Versicherungswirtschaft wurde die Idee eines umfassenden – dem MIB vergleichbaren – Entschädigungsfonds in der Arbeitgeberhaftpflichtversicherung („universal ELIB“) verworfen. Ein Entschädigungsfonds wurde vielmehr lediglich für solche Opfer eingeführt, die an einem Mesotheliom (einer speziellen Tumorform) leiden, das durch Asbest an der Arbeitsstätte verursacht wurde; hierzu Wikeley, J.S.S.L. 2014, 65, 69 f.; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  21-126. 301  Vgl. Mesothelioma Act 2014 iVm Diffuse Mesothelioma Payment Scheme Regulations 2014. Ausführlich hierzu Wikeley, J.S.S.L. 2014, 65, 70 ff. 297  298 

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(2) Ausnahmen nach s. 9 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 Neu eingeführte Einwendungsausschlüsse ohne Entsprechung im bisherigen Recht – d. h. unter Geltung des Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 – finden sich in der Vorschrift des s. 9 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. Maßgebliches Anliegen des Reformgesetzgebers bei Schaffung dieser neuartigen Einwendungsausschlüsse war die Beseitigung besonderer Ungerechtigkeiten („particular injustices“) zulasten der Geschädigten, die sich durch den Grundsatz des Einwendungsdurchgriffs eingestellt hatten.302 Gemein ist sämtlichen in s. 9 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 aufgeführten Einwendungsausschlüssen, dass sie an Konstellationen anknüpfen, in welchen die Leistungspflicht des Versicherers versicherungsvertraglich von einer Handlung des Versicherungsnehmers abhängig gemacht wird. Die Vorschrift des s. 9 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 sieht in diesem Zusammenhang vor, dass entweder die Missachtung des versicherungsvertraglich vorgegebenen Handlungsgebotes durch den Versicherungsnehmer im Verhältnis zum Geschädigten unbeachtlich ist oder aber dass der Geschädigte selbst die geforderte Handlung erbringen kann. Die Ausschlusstatbestände haben dabei einen umfassenden Anwendungsbereich und können potentiell bei allen erdenklichen fakultativen oder obligatorischen Haftpflichtversicherungen zugunsten des Geschädigten wirken.303 (a) Vornahme von Obliegenheiten durch den Geschädigten Zunächst kann sich der Versicherer nach s. 9 (2) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 gegen einen Direktanspruch nicht alleine mit der Begründung verteidigen, eine Obliegenheit sei – obgleich vertraglich vorgeschrieben – nicht durch den Versicherungsnehmer in eigener Person erfüllt worden.304 Dies gilt jedenfalls dann, wenn den maßgeblichen Obliegenheiten durch den Geschädigten in gleicher Weise genügt werden kann und auch tatsächlich ordnungsgemäß genügt wurde.305 Dem Geschädigten ist es daher beispielsweise möglich, den Versicherer selbst von einem Schadensereignis in Kenntnis zu setzen und die notwendigen Auskünfte über den Schadensfall zu erteilen. Eine Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  5.14. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn für eine bestimmte Haftpflichtversicherung bereits spezialgesetzliche Ausnahmen vom Grundsatz des Einwendungsdurchgriffs bestehen (z. B. Arbeitgeberpflichthaftpflichtversicherung). 304  So aber beispielsweise noch in Barrett Bros (Taxis) Ltd v. Davies [1966] 1 W.L.R. 1334, 1340. 305  Law Commission, Law Com No.  152 (1998), Rn.  14.30. So schon der Vorschlag von Mance, L.M.C.L.Q. 1995, 34, 44. 302  303 

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

Missachtung etwaiger Anzeige- und Auskunftsobliegenheiten durch den Versicherungsnehmer ist in diesen Fällen ohne Relevanz für den Direktanspruch, d. h. der Versicherer kann nicht auf einer persönlichen Erfüllung (personal performance) durch den Versicherungsnehmer beharren und andernfalls die Leistung an den geschädigten Dritten verweigern.306 (b) Anzeige- und Mitwirkungsobliegenheiten verstorbener oder aufgelöster Versicherungsnehmer Fernerhin sind im Verhältnis zum Geschädigten Verstöße gegen versicherungsvertragliche Auskunfts- und Mitwirkungsobliegenheiten, die den Versicherungsnehmer im Zusammenhang mit der Schadensregulierung fortlaufend treffen („conditions requiring the insured to provide information or assistance“), ohne Bedeutung, wenn deren ordnungsgemäße Erfüllung schlicht an dem Umstand scheitert, dass der Versicherungsnehmer zwischenzeitlich verstorben oder – bei Gesellschaften –307 aufgelöst worden ist (s. 9 (3) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010). Da die Erfüllung der Obliegenheiten hier bereits von vornherein ganz offenkundig unmöglich ist, wäre es nach Ansicht des englischen Gesetzgebers „anomalous“, könnte der Versicherer deren Verletzung dem schutzbedürftigen Geschädigten als Einwendung entgegenhalten.308 In der Vorschrift des s. 9 (4) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 wird wiederum klargestellt, dass die Obliegenheit zur Anzeige des Schadensereignisses gerade nicht als „condition requiring the insured to provide information or assistance“ einzustufen ist.309 Mithin ist dem Versicherer die Berufung auf eine Verletzung der Anzeigeobliegenheit gegenüber dem Geschädigten auch dann gestattet, wenn der Verstoß auf den Umstand der Nichtexistenz des Versicherungsnehmers zurückzuführen ist. Freilich ist der Geschädigte in diesen

Vgl. Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  229. Ursprünglich bezog sich s. 9 (3) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 alleine auf im Handelsregister eingetragene Gesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit (body corporate); durch die Third Parties (Rights against Insurers) Regulations 2016 (reg. 5 (2)) wurde dies dahingehend abgeändert, dass die Vorschrift nunmehr bei sämtlichen aufgelösten Gesellschaften unabhängig von ihrer Rechtsform greift. 308  Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  5.19. Im Umkehrschluss ergibt sich jedoch auch, dass die Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungsobliegenheiten durch existente Versicherungsnehmer im Einklang mit dem Grundsatz des Einwendungsdurchgriffs potentiell als drittwirkende versicherungsrechtliche Einwendung in Betracht kommt. 309  Hintergrund dieser Klarstellung ist, dass sich vereinzelt Stimmen erhoben hatten, wonach die Anzeige des Schadensereignisses gegenüber dem Versicherer unter die Wendung „providing information“ subsumiert werden könne. 306  307 

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Fällen durch die Möglichkeit geschützt, die erforderliche Anzeige in eigener Person vornehmen zu können.310 (c) Pay-to-be-paid-Klauseln Ein letzter Einwendungsausschluss im Rahmen des s. 9 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 widmet sich der Problematik der sog. pay-to-bepaid-Klauseln.311 Wesentliches Charakteristikum dieser Klauseln ist, dass sie die Entstehung des Haftpflichtversicherungsanspruchs von der vorherigen tatsächlichen Erfüllung des Schadensersatzanspruchs durch den Versicherungsnehmer abhängig machen (pre-payment requirement).312 Spricht man den payto-be-paid-Klauseln Drittwirkung gegenüber dem Geschädigten zu,313 eröffnet dies dem Haftpflichtversicherer grundsätzlich die Möglichkeit, „[to] drive a coach and horses through the Act [Third Parties (Rights against Insurers) Act] by simple device of incorporating a pay to be paid clause.“314 Die pay-to-bepaid-Klauseln weisen mithin ein enormes Gefahrenpotential für einen effektiven Geschädigtenschutz auf. Bislang haben pay-to-be-paid-Klauseln alleine Eingang in die Regeln der P&I-Clubs gefunden, in gewöhnlichen Haftpflichtversicherungsverträgen finden sie sich hingegen regelmäßig nicht. Überdies haben die P&I-Clubs zwischenzeitlich auf freiwilliger Basis zugesichert, sich im Außenverhältnis zum Geschädigten nicht auf eine im Versicherungsvertrag vereinbarte pay-to-bepaid-Klausel zu berufen, sofern der zugrundeliegende Schadensersatzanspruch auf der Verletzung von höchstpersönlichen Rechtsgütern (death or personal in-

310  Vgl. s. 9 (2) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010; hierzu soeben unter 3. Teil C.III.1.b).cc).(2).(a). Die Erfüllung von Mitwirkungsobliegenheiten ist dem Geschädigten hingegen oftmals nicht in gleicher Weise möglich wie dem Versicherungsnehmer, so dass hier kein adäquater Schutz nach s. 9 (2) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 gewährleistet ist. 311  Hierzu bereits ausführlich oben unter 2. Teil C.II.2.b).bb).(3). 312  Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, Explanatory Notes, Rn.  46. In der Folge richtet sich der Haftpflichtversicherungsanspruch inhaltlich auf Rückerstattung der bereits verauslagten Schadensersatzkosten. 313  So ausdrücklich das House of Lords in der Leitentscheidung „The Fanti and the Padre Islands“: Firma C-Trade S.A. v. Newcastle Protection and Indemnity Association („The Fanti and The Padre Island“) [1991] 2 A.C. 1, 1 ff. 314 So Firma C-Trade S.A. v. Newcastle Protection and Indemnity Association („The Fanti“) [1989] 1 Lloyd’s Rep 239, 250, per Stuart-Smith LJ; Mahnke, Anspruch des Drittgeschädigten, S.  65: „(…) ‚Schlupfloch‘ für die P&I Clubs, um einer direkten Inanspruchnahme durch einen geschädigten Dritten über den 1930 Act aus dem Weg zu gehen“.

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

jury) beruht.315 Da freilich nicht auszuschließen ist, dass pay-to-be-paid-Klauseln zukünftig auch in gewöhnlichen Haftpflichtversicherungsverträgen vereinbart werden und auch ein mit der freiwilligen Zusicherung konformes Verhalten der P&I-Clubs keineswegs gesichert ist, sah sich der Gesetzgeber im Zuge der Reform des Third Parties (Rights against Insurers) Act zu einer präventiven Intervention veranlasst, um die Gefahr durch pay-to-be-paid-Klauseln für den geschädigten Dritten ganz sicher auszuschließen.316 Hierzu sieht s. 9 (5) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 nunmehr ausdrücklich vor, dass der legalzedierte Versicherungsanspruch in keinem Falle unter dem Vorbehalt der Befolgung einer pay-to-be-paid-Klausel steht. Ein anderes gilt alleine im Bereich der Seehaftpflichtversicherung (marine liability insurance), wo der Ausschluss der Drittwirkung einer pay-to-be-paid-Klausel nicht generell, sondern nur dann greift, wenn ein Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter zugrundeliegt (vgl. s. 9 (6) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010). Diese Einschränkung des Einwendungsausschlusses mag als Zugeständnis an die in diesem Gebiet tätigen P&I-Clubs gewertet werden, nach deren Auffassung die grundsätzliche Vorleistungspflicht ihrer Mitglieder eine essentielle Voraussetzung ihrer wirtschaftlichen Funktionsfähigkeit darstellt.317 (3) Ausnahme nach s. 17 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 In s. 17 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 ist schließlich zum Schutze des Geschädigten eine sog. anti-avoidance-provision vorgesehen, welche nahezu inhaltsgleich bereits im Vorgängergesetz zu finden ist.318 Danach sind solche Bestimmungen des Versicherungsvertrages schlechthin unwirksam („of no effect“) und können dem Geschädigten folgerichtig nicht entgegengehalten werden, welche für den Fall, dass ein den Übergang der Haftpflichtversicherungsforderung auslösender Umstand eintritt (vgl. s. 4 ff. Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010), eine Aufhebung des Versicherungsvertrages oder aber eine Änderung der Rechte der Vertragsparteien vorsehen. Entsprechend dem Schutzzweck der Norm unterfallen jedoch nur solche vertragsmodifizierenden Klauseln der Unwirksamkeitssanktion des s. 17 Third Parties (Rights Law Commission, Law Com No.  152 (1998), Rn.  5.62; Mahnke, Anspruch des Drittgeschädigten, S.  79. 316  Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, Explanatory Notes, Rn.  46; Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  5.34 ff.; Law Commision, Law Com No.  152 (1998), Rn.  5.62. 317  Vgl. Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  5.33. 318  Siehe s. 1 (3) Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930; hierzu bereits oben unter 2. Teil C.II.2.b).bb).(2). 315 

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against Insurers) Act 2010, welche die Rechtsstellung des Geschädigten nachteilig verändern können. Klauseln, welche die Rechte des Geschädigten unberührt lassen oder diese gar verbessern, sind hingegen ohne weiteres zulässig. Entscheidend für die Anwendbarkeit des s. 17 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 ist mithin, ob die entsprechende Vertragsbestimmung im Endeffekt darauf ausgeht, die Zession des Versicherungsanspruchs auf den Geschädigten zu verhindern.319 (4) Vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls In der englischen Rechtsprechung und Literatur wird darüber hinaus ein ungeschriebener Einwendungsausschluss im Zusammenhang mit der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls diskutiert,320 ohne dass sich jedoch bereits eine eindeutige Rechtsansicht herauskristallisiert hätte. Es wird insofern uneinheitlich beurteilt, ob der Haftpflichtversicherer dem Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 die versicherungsvertragliche Leistungsfreiheit entgegenhalten kann, die sich infolge der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls einstellt. Einigkeit herrscht nur insoweit, als dass ein Einwendungsausschluss ausscheiden muss, wenn für die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls ein vertraglicher Risikoausschluss (exception) vereinbart ist.321 Zu einer anderen Einschätzung gelangen Teile von Rechtsprechung und Literatur jedoch, sofern die vorsätzliche Versicherungsfallherbeiführung lediglich einen public policy-Einwand begründet. Orientiert an der zur Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung ergangenen Rechtsprechung322 wird die Auffassung vertreten, public policy fungiere lediglich als persönliche Schranke (personal bar) für den Versicherungsnehmer und hindere allein diesen an der erfolgreichen Geltendmachung des Versicherungsanspruchs. Dem Geschädigten könne der Einwand nach der Legalzession hingegen nicht entgegengesetzt werden.323 Einer solchen Sichtweise treten andere Teile der Rechtsprechung und der Literatur unter Betonung des Umstandes entgegen, dass der geschädigte Dritte durch die Legalzession in die Fußstapfen des Versicherungsnehmers trete und der Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 mit dem Versicherungsanspruch des Versicherungsnehmers identisch sei. Dieser Versicherungsanspruch sei jedoch stets mit dem public poMacGillivray on Insurance Law, Rn.  30-034. Allgemein zur vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls im englischen Versicherungsvertragsrecht oben unter 3. Teil C.III.1.b).aa). 321  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-022. 322  Hierzu noch näher unten unter 3. Teil C.III.2.b).bb).(2).(c). 323  Total Graphics Ltd v. AGF Insurance Ltd [1997] 1 Lloyd’s Rep 599; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-062; offen hierfür auch Merkin, Insurance Law, S.  282 f. 319 

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licy-Einwand „belastet“ – und zwar selbst dann, wenn man diesen Einwand nur als personal bar ansehe.324 Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung der englischen Gerichte in diesem Punkt entwickelt. c) Verjährung des Direktanspruchs Die Verjährung des gesetzlichen Direktanspruchs aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 ist identisch mit der Verjährung des zugrundeliegenden, legalzedierten Versicherungsanspruchs. Dies ist in erster Linie eine Konsequenz aus dem Grundsatz des Durchgriffs versicherungsrechtlicher Einwendungen.325 Der Direktanspruch verjährt somit gemäß s. 5 Limitation Act 1980 nach sechs Jahren, wobei die Frist mit der verbindlichen Feststellung des Schadensersatzanspruchs und somit mit der Fälligkeit der Versicherungsleistung zu laufen beginnt.326 Insofern kann sich allerdings das paradox anmutende Ergebnis einstellen, dass der Direktanspruch faktisch bereits vor seiner Entstehung „verjährt“. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn die Voraussetzungen für die Legalzession des Versicherungsanspruchs327 erst nach Ablauf der sechsjährigen Verjährungsfrist eintreten.328 Zur Vermeidung dieses für den Geschädigten zweifelsohne misslichen Ergebnisses wurde während der Reform des Third Parties (Rights against Insurers) Act vorgeschlagen, für den Direktanspruch eine eigenständige – vom Versicherungsanspruch unabhängige – Verjährungsfrist zu normieren („fresh limitation period“). Diese sollte erst mit Eintritt der Voraussetzungen für die Zession des Versicherungsanspruchs zu laufen beginnen, mithin zu dem Zeitpunkt, in welchem für den Geschädigten erstmals die Möglichkeit bestand, den Haftpflichtversicherer direkt in Anspruch zu nehmen.329 Argumentativ knüpfte dieser Vorschlag an den prozessualen Rechtscharakter des Verjährungseinwandes an, wonach die Verjährung ein Klagerecht ausschließt, jedoch keine Auswirkungen auf den materiellen Anspruch entfaltet. Insofern sei zu 324 So ausdrücklich Charlton v. Fisher [2002] Q.B. 578, 610 f.; MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-023. 325  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-063; so bereits zum Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930: Lefevre v. White [1990] 1 Lloyd’s Rep 569. 326  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  10-078 sowie Rn.  22-063; Law Commission, Law Com No.  152 (1998), Rn.  9.2; Rühl in Basedow/Fock, S.  1513; Lefevre v. White [1990] 1 ­Lloyd’s Rep 569. 327  Vgl. s. 4 ff. Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. Dazu ausführlich oben unter 3. Teil B.II.1.b). 328  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-063; Law Commission, Law Com No.  152 (1998), Rn.  9.17 sowie Rn.  17.4. 329  Law Commission, Law Com No.  152 (1998), Rn.  17.4.

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berücksichtigen, dass der Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 dem Geschädigten ein eigenständiges Klagerecht vermittele, so dass hierfür auch die Verjährung separat zu bestimmen sei. Der Vorschlag zur Einführung einer eigenständigen Verjährungsfrist für den Direktanspruch konnte sich indes nicht durchsetzen. Gerügt wurde insbesondere, dass sich hierdurch im Zweifel eine für den Versicherer „unfaire“ Kumulierung der Verjährungsfristen mit einer unangemessen langen Haftung ergeben könne. Überdies entspreche die Maßgeblichkeit der Verjährung des Versicherungsanspruchs dem im Allgemeinen für richtig erachteten Grundsatz des Einwendungsdurchgriffs, wonach der geschädigte Dritte denselben Einwendungen ausgesetzt ist wie der Versicherungsnehmer selbst. Hierzu gehöre jedoch auch der prozessuale Verjährungseinwand.330

2. Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 a) Schadensrechtliche Einwendungen Es ist ein wesentliches Charakteristikum des Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruchs aus s. 151 Road Traffic Act 1988, dass die Existenz eines Schadensersatzanspruchs bereits gerichtlich festgestellt worden sein muss.331 S.  151 Road Traffic Act 1988 verpflichtet den Versicherer dazu, die ausgeurteilte Schadensersatzsumme an das geschädigte Unfallopfer auszuzahlen. Von entscheidender Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass der Versicherer an die gerichtliche Feststellung der Schadensersatzverpflichtung seines Versicherungsnehmers gebunden ist. Es ist dem Haftpflichtversicherer nicht gestattet, nachträglich die Richtigkeit des Schadensersatzurteils in Frage zu stellen und Einwendungen schadensrechtlicher Art zu erheben.332 Er ist vielmehr schlicht gehalten, die Urteilssumme zu begleichen.333 Dies folgt bereits aus dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut, wonach der Versicherer „must (…) pay to the persons entitled to the benefit of the judgment (…) any sum payable under the judgment“.334 Die fehlende Berechtigung des Versicherers, die Korrektheit des ergangenen Schadensersatzurteils in Frage stellen zu dürfen, ist Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  5.53. Vgl. hierzu oben unter 3. Teil B.II.2.b).aa). 332  Ein anderes gilt allenfalls dann, wenn das Schadensersatzurteil im Wege des Versäumnisverfahrens ( judgment by default) ergangen oder wenn es durch Arglist ( fraud) bzw. durch Kollusion erwirkt worden ist, vgl. auch Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  90. 333  Dies gilt vorbehaltlich etwaiger versicherungsrechtlicher Einwendungen sowie vorbehaltlich etwaiger Einwendungen unmittelbar aus dem Direktanspruchsverhältnis; hierzu sogleich unter 3. Teil C.III.2.b) sowie 3. Teil C.III.2.c). 334  S.  151 (5) Road Traffic Act 1988. 330  331 

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

auch nicht per se unbillig. Insofern ist zu berücksichtigen, dass eine Haftung aus s. 151 Road Traffic Act 1988 überhaupt nur dann in Betracht kommt, wenn der Versicherer spätestens sieben Tage nach Einleitung des Schadensersatzprozesses zwischen Geschädigtem und Schädiger über den anhängigen Rechtsstreit in Kenntnis gesetzt wurde (s. 152 (1) (a) Road Traffic Act 1988).335 Hierdurch soll der Versicherer in die Lage versetzt werden, seinen Versicherungsnehmer bei der Verteidigung zu unterstützen oder die Anspruchsabwehr – sofern versicherungsvertraglich zulässig – gleich vollständig in eigener Verantwortung zu übernehmen.336 Bestand jedoch durch die Wahrung der Anzeigeobliegenheit nach s. 152 (1) (a) Road Traffic Act 1988 potentiell die Möglichkeit zur Einflussnahme auf den Schadensersatzprozess, so erscheint eine Bindung des Versicherers an dessen Ausgang nicht unbillig. Dem Versicherer bleibt es freilich unbenommen, dem Geschädigten ein nach Urteilserlass eingetretenes Erlöschen des Schadensersatzanspruchs entgegenzuhalten, beispielsweise wenn der Schädiger den Schaden nach der Verurteilung bereits in eigener Person beglichen hat.337 b) Versicherungsrechtliche Einwendungen aa) Gesetzliche Grundkonzeption Die sich für den gesetzlichen Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 aufgrund der rechtskonstruktiven Anknüpfung an das Haftpflichtverhältnis ergebende grundsätzliche Unabhängigkeit vom Haftpflichtversicherungsvertrag338 – mit welcher in der Konsequenz ein umfassender Ausschluss versicherungsrechtlicher Einwendungen im Verhältnis zum geschädigten Unfallopfer einherginge – wird vom englischen Gesetzgeber durch die Vorschrift des s. 151 (2) (a) Road Traffic Act 1988 sogleich wieder durchbrochen. Danach hat der Haftpflichtversicherer nur dann für einen ausgeurteilten Schadensersatzanspruch einzustehen, wenn der Verurteilte zum versicherten Personenkreis gehört und es sich überdies bei dem zugesprochenen Schadensersatzanspruch um eine „liability covered by the terms of the policy“ handelt. Aufgrund dieser gesetzgeberischen Entscheidung ist dem Versicherer im Ausgangspunkt umfassend das Recht zur Geltendmachung versicherungsrechtlicher Einwendungen eröffnet. Hierbei ließ es der englische Gesetzgeber indes nicht bewenden, vielZur Anzeigeobliegenheit nach s. 152 (1) (a) Road Traffic Act 1988 noch ausführlich unten unter 3. Teil C.III.2.c).aa). 336  Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5 -205; Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  730. 337  Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  92 f. 338  Hierzu oben unter 3. Teil A.II.2.b).aa). 335 

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mehr statuierte er wiederum – geleitet von Geschädigtenschutzerwägungen – gewisse Ausnahmen von diesem Einwendungsdurchgriff. Die sich hierin offenbarende Grundkonzeption im Hinblick auf die Maßgeblichkeit versicherungsrechtlicher Einwendungen beim Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 weist erkennbar eine Parallele zur Situation beim gesetzlichen Direktanspruch des deutschen Rechts auf. Einer umfassenden Durchbrechung des – sich als Folge der rechtskonstruktiven Ausgestaltung ergebenden – Einwendungsausschlusses (vgl. s. 151 (2) (a) Road Traffic Act 1988)339 folgt unmittelbar eine Relativierung durch die Normierung von Tatbeständen und Situationen, in welchen versicherungsrechtlichen Einwendungen ausnahmsweise doch keine Drittwirkung zukommt340. bb) Einwendungsausschlüsse Die verschiedenen Vorschriften des Road Traffic Act 1988 zur ausnahmsweisen Überwindung der in s. 151 (2) (a) Road Traffic Act 1988 niedergelegten grundsätzlichen Drittwirkung versicherungsrechtlicher Einwendungen sind insgesamt wenig systematisch aufgebaut und können getrost als unübersichtlich bezeichnet werden.341 Auch im Bereich des Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruchs sieht das englische Recht keinen umfassenden Ausschluss versicherungsrechtlicher Einwendungen vor. Einwendungsausschlüsse sind vielmehr allein für ganz bestimmte Fälle vorgesehen, während es im Übrigen beim Durchgriff versicherungsrechtlicher Einwendungen verbleibt.342 Immerhin sind die Einwendungsausschlüsse beim Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 zahlreicher als beim Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. Möchte man zumindest den Versuch einer Systematisierung der beim Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 vorgesehenen Einwendungsausschlüsse unternehmen, so bietet sich eine Differenzierung nach der Art der zugrundeliegenden versicherungsrechtlichen Einwendung an, deren Drittwirkung durch die jeweiligen Ausnahmetatbestände ausgeschlossen werden soll. Insoweit beziehen sich die gesetzlich normierten Ausschlusstatbestände zum einen auf versicherungsrechtliche Einwendungen, die auf einer originären inhaltlichen, persönlichen oder quantitativen Beschränkung des Deckungsschutzes ba339 

Im deutschen Recht: §  115 Abs.  1 S.  2 VVG. Im deutschen Recht: §§  114 Abs.  2, 117 VVG. 341  So schon Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  47 zum Vorgängergesetz (Road Traffic Act 1960). 342  Goretzky, Leistungspflicht des Versicherers, S.  101. Zur Unvereinbarkeit der Rechtslage mit unionsrechtlichen Vorgaben siehe unten unter 3. Teil C.III.5. 340 

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sieren, und zum anderen auf versicherungsrechtliche Einwendungen, welche ihre Grundlage in einem – nicht versicherungsvertragskonformen – Fehlverhalten des Versicherungsnehmers haben. Im Übrigen stellt sich die Frage der Nachhaftung des Versicherers, wenn ein Haftpflichtversicherungsvertrag nicht oder nicht mehr existiert. (1) Einwendungen aufgrund originärer Begrenzung des Versicherungsschutzes (a) Inhaltliche Beschränkung des Versicherungsschutzes Ein erster Einwendungsausschluss nimmt sich der Leistungsfreiheit des Versicherers an, die auf einer vertraglich vereinbarten inhaltlichen Beschränkung des Versicherungsschutzes beruht. Nach s. 148 (1) Road Traffic Act 1988 kann sich der Haftpflichtversicherer gegenüber dem Geschädigten nicht auf leistungsbeschränkende oder leistungsausschließende Versicherungsvertragsklauseln berufen, sofern die darin enthaltene Begrenzung der Leistungspflicht inhaltlich an einen der in s. 148 (2) (a) – (h) Road Traffic Act 1988 enumerativ aufgelisteten objektiven Umstände anknüpft. Gegenstand der Aufzählung in s. 148 (2) Road Traffic Act 1988 sind dabei im Wesentlichen Eigenschaften des Fahrzeuges sowie des Fahrzeugführers.343 Demnach ist es im Verhältnis zum Geschädigten ohne Belang, wenn der Versicherer seine Leistungspflicht von dem objektiven Zustand des Fahrzeuges,344 von einer bestimmten Motorleistung bzw. dem Fahrzeugwert oder auch von der Anzahl der beförderten Personen respektive vom Gewicht oder der Beschaffenheit der transportierten Güter abhängig macht und diese Merkmale beim konkreten Schadensereignis nicht erfüllt sind. Gleichfalls keine Drittwirkung entfaltet eine Leistungsfreiheit, die der Versicherer aus einer an das Alter oder die physische und mentale Konstitution des Fahrzeugführers anknüpfenden Versicherungsvertragsklausel herleitet – worunter insbesondere auch ein Leistungsausschluss für den Fall der Nutzung des Kfz durch eine alkoholisierte oder anderweitig berauschte Person fällt.345 Für die Anwendbarkeit des s. 148 (1), (2) Road Traffic Act 1988 ist dabei völlig unerheblich, ob die leistungsbegrenzende Versicherungsvertragsklausel als Risikoausschluss (exception) oder als Obliegenheit konzipiert ist.346 Entgegen dem Wortlaut des s. 148 (1) Road Traffic Act 1988, der eine absolute Unwirksamkeit 343  MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-124; Goretzky, Leistungspflicht des Versicherers, S.  101 f. Ausführliche Übersicht über die Fallgruppen: Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-067; Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-171 ff. 344  Z. B. dessen Straßenverkehrstauglichkeit (roadworthiness). 345  Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5 -171; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-067. 346  Birds’ Modern Insurance Law, S.  423: „Section 148 (1) (…) invalidates certain terms in

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der betreffenden Versicherungsvertragsklauseln vorzugeben scheint („shall be of no effect“), beschränkt sich die Bedeutung der Vorschrift jedoch allein auf das Verhältnis zum geschädigten Dritten. Im Versicherungsinnenverhältnis behalten derartige Klauseln ihre Wirksamkeit und der Versicherer kann die daraus resultierende Leistungsfreiheit in vollem Umfang gegenüber dem Versicherungsnehmer geltend machen.347 Der Aufzählung in s. 148 (2) Road Traffic Act 1988 wird gemeinhin ein abschließender Charakter beigemessen. Versicherungsvertragsklauseln, welche zur Beschränkung des Versicherungsschutzes auf einen anderen, nicht in der Liste benannten Umstand rekurrieren, können demzufolge auch dem geschädigten Unfallopfer entgegengehalten werden.348 Bemerkenswerterweise soll dies nach Auffassung der englischen Rechtsprechung selbst dann gelten, wenn hiermit die Nichteinhaltung des nach s. 143, 145 Road Traffic Act 1988 für Kfz-Haftpflichtversicherungen geforderten Mindestschutzniveaus einhergeht.349 Ein prominentes und praxisrelevantes Beispiel für eine Leistungsbegrenzung mit Drittwirkung ist die Beschränkung des Versicherungsschutzes auf die Fälle der Nutzung des Fahrzeuges für „social, domestic or pleasure purposes“.350 In der englischen Literatur wird bisweilen die inhaltliche Kohärenz der in s. 148 (2) Road Traffic Act 1988 aufgelisteten Umstände hinterfragt und auf wertungsmäßige Inkongruenzen aufmerksam gemacht.351 Dabei wird auch darauf hingewiesen, dass es den Haftpflichtversicherern durch eine „findige“ Vertragsgestaltung durchaus möglich ist, eine leistungsausschließende Klausel „gerade so“ dem Anwendungsbereich des s. 148 (1), (2) Road Traffic Act 1988 zu entziehen.352 Streng genommen stellt die Vorschrift des s. 148 (2) Road Traffic Act 1988 mit ihrer abschließenden Enumeration verbotener Anknüpfungspunkte für eine Deckungsbegrenzung ein Relikt aus der Anfangszeit der Gesetzgebung zur Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung dar, die inhaltlich mit der bereits im Jahpolicies regardless of their exact legal status, i.e. whether they are warranties, conditions or exceptions.“; Clarke, Insurance Contracts, Rn.  5-9B, S.  220. 347  Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5 -167; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  31-033; Merkin, Insurance Law, S.  293 f. 348  EUI Ltd v. Bristol Alliance Limited Partnership [2012] EWCA Civ 1267 [Rn.  42]; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-068; Lowry/Rawlings, Insurance Law – Doctrines and Principles, S.  259 f.; Merkin/Steele, Insurance and the Law of Obligations, S.  273; Clarke, Insurance Contracts, Rn.  5-9B, S.  220; Bevan, N.L.J. 2013, 94, 95. 349  EUI Ltd v. Bristol Alliance Limited Partnership [2012] EWCA Civ 1267 [Rn.  51]. 350  Hierzu allgemein: Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  3 -66 ff.; Lowry/ Rawlings, Insurance Law – Doctrines and Principles, S.  261. 351  Vgl. Birds’ Modern Insurance Law, S.  424. 352  Clarke, Insurance Contracts, Rn.  5 -9B, S.  220 f.

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re 1934 eingeführten Norm des s. 12 Road Traffic Act 1934 übereinstimmt.353 Mit Schaffung des s. 12 Road Traffic Act 1934 reagierte der historische Gesetzgeber dereinst auf in der damaligen Kfz-Haftpflichtversicherungspraxis besonders häufig verwendete Versicherungsbedingungen, derer sich die Haftpflichtversicherer oftmals auch zur Verteidigung gegen die Unfallopfer bedienten und durch deren Maßgeblichkeit im Direktanspruchsverhältnis der Gesetzgeber den mit der Einführung der Versicherungspflicht intendierten Geschädigtenschutz ernsthaft gefährdet sah.354 Müßig erscheint der Hinweis, dass der englische Gesetzgeber mit der Vorschrift des s. 12 Road Traffic Act 1934 und den dortigen Katalogtatbeständen eher an den Symptomen herumdokterte anstatt sich der grundlegenden und gegebenenfalls durch Normierung einer Generalklausel zu lösenden Frage anzunehmen, inwieweit ganz allgemein privatautonom vereinbarte Leistungsausschlüsse Drittwirkung sollen entfalten können.355 Umso verwunderlicher nimmt es sich aus, dass der englische Gesetzgeber auch heute noch an der lückenhaften Regelung des s. 148 (1), (2) Road Traffic Act 1988 scheinbar unbeirrt festhält. (b) Persönliche Beschränkung des Versicherungsschutzes Im Einklang mit der Doktrin der privity of contract umfasst der persönliche Deckungsbereich englischer Kfz-Haftpflichtversicherungsverträge grundsätzlich alleine den Versicherungsnehmer.356 Es ist in der englischen Kfz-Haftpflichtversicherungspraxis gleichwohl üblich, den Versicherungsschutz ausBirds, Insurance Law in the UK, Rn.  272 („relic from the original legislation“). Hughes, 1 Mod. L. Rev. 1938, 258, 262 f.; Bevan, N.L.J. 2013, 130, 131; Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  1-17; vgl. ferner EUI Ltd v. Bristol Alliance Limited Partnership [2012] EWCA Civ 1267 [Rn.  43]. 355  Dies kritisierte bereits recht frühzeitig – nämlich im Jahre 1937 – das sog. Cassel Comittee, das zugleich die Empfehlung aussprach, Leistungsausschlüssen im Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag schlechthin die Drittwirkung gegenüber einem Unfallopfer zu versagen, vgl. hierzu Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-166 [Fn.  586] sowie Hughes, 1 Mod. L. Rev. 1938, 258, 265 ff. 356  In England ist der Besitzer eines Kraftfahrzeuges lediglich dazu verpflichtet, für seine eigene Fahrzeugnutzung eine Kfz-Haftpflichtversicherung zu unterhalten; es ist ihm hingegen nicht verpflichtend aufgegeben, zugunsten anderer Nutzer seines Fahrzeuges eine Kfz-Haftpflichtversicherung für fremde Rechnung abzuschließen. Freilich darf der Fahrzeugbesitzer sein Kfz keiner Person überlassen, von der er weiß, dass sie ihrerseits keine eigene Kfz-Haftpflichtversicherung besitzt (vgl. s. 143 (1) (b) Road Traffic Act 1988). Anders ist die Rechtslage in Deutschland, wo der Kfz-Halter zwingend weitere Personen mitversichern muss (vgl. §  1 PflVG: „Der Halter eines Kraftfahrzeuges (…) ist verpflichtet, für sich, den Eigentümer und den Fahrer eine Haftpflichtversicherung zur Deckung der durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursachten Personenschäden, Sachschäden und sonstigen Vermögensschäden (…) abzuschließen“; kursive Hervorhebung durch Verfasser). 353 

354 

III. England

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drücklich auf solche Personen zu erstrecken, welche das Kfz des Versicherungsnehmers mit dessen Einverständnis (consent) nutzen.357 Diesen mitversicherten Personen ist sodann nach s. 148 (7) Road Traffic Act 1988 die selbständige Geltendmachung eines Versicherungsanspruchs gegen den Haftpflichtversicherer gestattet. Auf der anderen Seite schließen Haftpflichtversicherer für gewöhnlich den Versicherungsschutz für sämtliche Personen aus, welche nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis für das jeweilige Fahrzeug sind. Indes ist für ein Unfallopfer die Frage, ob sein Schädiger vom persönlichen Deckungsbereich der Kfz-Haftpflichtversicherung des Fahrzeugbesitzers umfasst ist, von keiner allzu großen praktischen Relevanz. Denn wie sich aus der Vorschrift des s. 151 (2) (b) Road Traffic Act 1988 ergibt, kann der Haftpflichtversicherer gegenüber dem Geschädigten grundsätzlich nicht einwenden, der das Fahrzeug seines Versicherungsnehmers nutzende Unfallverursacher genieße persönlich keinen Versicherungsschutz unter dem Haftpflichtversicherungsvertrag. Im Verhältnis zum Unfallgeschädigten muss ein Versicherer daher auch für Schadensereignisse resultierend aus einer unbefugten Fahrzeugnutzung – insbesondere auch der eines Diebes – einstehen. Klarstellend schließt s. 151 (3) Road Traffic Act 1988 den Versicherer mit dem Einwand aus, dass der Fahrer nicht im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis gewesen und daher nicht versichert sei. Dem Versicherer ist es jedoch ausnahmsweise gestattet, die Leistung gegenüber einem geschädigten Passagier zu verweigern, wenn dieser ein gestohlenes Fahrzeug freiwillig bestiegen hat, obgleich er um den Umstand des Diebstahls wusste oder sich dieser hätte aufdrängen müssen. Gleiches gilt bei anfänglicher Unkenntnis, wenn der Geschädigte trotz Ausstiegsmöglichkeit im Fahrzeug verbleibt, nachdem er nach Fahrtantritt vom Umstand des Diebstahls Kenntnis erlangt hat (s. 151 (4) Road Traffic Act 1988).358 (c) Quantitative Beschränkung des Versicherungsschutzes Eine quantitative Beschränkung des Versicherungsschutzes (z. B. durch Vereinbarung einer Höchstversicherungssumme oder eines Selbstbehaltes) entfaltet im Direktanspruchsverhältnis keine Wirkung. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus s. 151 (5), (6) Road Traffic Act 1988, wonach der Versicherer bei Personenschäden vollumfänglich und bei Sachschäden zumindest bis zu einem Betrag von 1.200.000 £ ohne Einschränkung für die Urteilssumme nebst Zinsen 357 Hierzu ausführlich Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-055; Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  3-06 ff. 358  Zur einschränkenden Auslegung des s. 151 (4) Road Traffic Act 1988 im Lichte von Art.  2 Abs.  1 UAbs.  2 2. KH-Richtlinie bzw. Art.  13 Abs.  1 UAbs.  2 6. KH-Richtlinie: Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  274 sowie Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-076.

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

und Kosten einzustehen hat. Die Befugnis zur Geltendmachung einer versicherungsvertraglich vereinbarten niedrigeren Haftungshöchstgrenze respektive die Möglichkeit, sich auf eine vertraglich vorgesehene Selbstbeteiligung des Versicherungsnehmers zu berufen, würde hiermit zwingend konfligieren.359 (2) Einwendungen resultierend aus dem Verhalten des Versicherungsnehmers (a) Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten Eine recht eigenartige Rechtslage hinsichtlich der Drittwirkung zeigt sich bei versicherungsrechtlichen Einwendungen, welche aus der Verletzung der dem Versicherungsnehmer obliegenden vorvertraglichen Anzeigepflicht resultieren. Hat der Versicherungsnehmer im Rahmen des Vertragsabschlusses wesentliche Gefahrumstände (material facts) verschwiegen (non-disclosure) oder in Bezug auf solche Umstände Falschangaben getätigt (misrepresentation), so berechtigt dies den Versicherer, den Versicherungsvertrag mit Wirkung von Anfang an (ab initio) aufzulösen, womit zugleich das Recht zur Verweigerung jedweder Versicherungsleistung gegenüber dem Versicherungsnehmer einhergeht.360 Als material facts gelten dabei alle Umstände, welche die Entscheidung eines verständigen Versicherers bezüglich der Übernahme eines Risikos als solcher oder aber bezüglich der Konditionen der Risikoübernahme und der Prämiengestaltung beeinflussen können (sog. prudent-insurer-test).361 Der allgemeine Sinn und Zweck der vorvertraglichen Anzeigepflicht liegt darin, dem Versicherer eine sachgerechte Einschätzung des angetragenen Risikos zu ermöglichen und spätere „böse Überraschungen“ zulasten des Versichertenkollektivs durch ein überhöhtes Risiko bei zu niedrigen Prämieneinnahmen zu vermeiden. Im Hinblick auf das Direktanspruchsverhältnis ist für den Fall der Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten weder ein bedingungsloser Einwendungsdurchgriff noch ein vollumfänglicher Einwendungsausschluss vorgesehen. Der Gesetzgeber hat sich an dieser Stelle vielmehr für eine Art „limitierten Einwen359  Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5 -199; Colinvaux’s Law of Insur­ ance, Rn.  23-077 [Fn.  420]; Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  47 f.; Kämmer, Stellung des Verkehrsopfers, S.  66 f. 360  Rühl in Basedow/Fock, S.  1451 f.; Beyer, Vorvertragliche Anzeigepflicht, S.  111; MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-042. 361  Pan Atlantic Insurance Co Ltd v. Pine Top Insurance Co Ltd [1995] 1 A.C. 501, 514 ff.; Lambert v. Cooperative Insurance Society Ltd [1975] 2 Lloyd’s Rep 485; MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-034; Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  731; Beyer, Vorvertragliche Anzeigepflicht, S.  31 ff.; Bruns, PVR, §  35 Rn.  53; Hellwege, RabelsZ 76 (2012), 864, 868. Zahlreiche Beispiele aus der Rechtsprechung bei Lowry/Rawlings, Insurance Law – Doctrines and Principles, S.  264 sowie bei Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-220.

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dungsdurchgriff“ entschieden (s. 152 (2) – (5) Road Traffic Act 1988).362 Der Vorschrift des s. 152 (2) Road Traffic Act 1988 ist zunächst zu entnehmen, dass sich ein Versicherer prinzipiell auch gegenüber dem Geschädigten auf die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht und das damit einhergehende – zur Leistungsfreiheit führende – Recht zur Vertragsaufhebung berufen kann. Der Einwendungsdurchgriff steht allerdings unter der einschränkenden Voraussetzung, dass der Versicherer zuvor sein Recht zur Vertragsaufhebung als Folge der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht in einem separaten Verfahren gerichtlich hat feststellen lassen.363 In diesem Verfahren muss der Versicherer den Nachweis erbringen, dass der Verstoß gegen die vorvertragliche Anzeigepflicht für seine Entscheidung zum Abschluss des Haftpflichtversicherungsvertrages kausal war.364 In zeitlicher Hinsicht ist das Feststellungsverfahren spätestens drei Monate nach dem Beginn des Schadensersatzprozesses zwischen dem Unfallopfer und dem schädigenden Versicherungsnehmer einzuleiten.365 Zugleich muss der Versicherer dem Geschädigten die Einleitung des Feststellungsverfahrens mitteilen366 und diesem dadurch die Möglichkeit eröffnen, an dem Verfahren teilzunehmen (vgl. s. 152 (3), (4) Road Traffic Act 1988).367 Dieses reichlich artifizielle Verfahren wird in England als fairer Kompromiss („fair compromise“) zwischen den Interessen von Versicherer und Geschädigtem gepriesen.368 362 

363 

Vgl. Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  275. Clarke, Insurance Contracts, Rn.  5-9C2, S.  222; Bott, Schutz des Unfallgeschädigten,

S.  48. 364  Zurich General Accident and Liability Insurance Co Ltd v. Morrison [1942] 2 K.B. 53, 60; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-087. Zu beachten ist, dass für eine Leistungsfreiheit im Versicherungsinnenverhältnis eine derartige Kausalität gerade nicht erforderlich, vgl. Rühl in Basedow/Fock, S.  1450. 365  Clarke, Insurance Contracts, Rn.  5-9C2, S.  222. Hintergrund dieser Einleitungsfrist ist, dass der Geschädigte relativ bald Gewissheit darüber haben soll, ob er ein im Schadensersatzprozess erwirktes Urteil gegen den Haftpflichtversicherer wird durchsetzen können, vgl. Zurich General Accident and Liability Insurance Co Ltd v. Morrison [1942] 2 K.B. 53, 62. 366  Diese Anzeige muss wiederum binnen sieben Tagen nach Einleitung des Feststellungsverfahrens erfolgen (s. 152 (3) Road Traffic Act 1988). 367  Mit der Anzeige der Verfahrenseinleitung hat der Versicherer zugleich offenzulegen, auf welche Gründe er sein Vorbringen der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht stützen will; ein späteres Nachschieben weiterer Gründe im Feststellungsverfahren ist unzulässig, vgl. Zurich General Accident and Liability Insurance Co Ltd v. Morrison [1942] 2 K.B. 53, 62 f.; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-087. 368  So ausdrücklich Merchants and Manufacturers Insurance Co Ltd v. Hunt [1941] 1 K.B. 295, 308; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-087; Merkin/Steele, Insurance and the Law of Obligations, S.  274.

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(b) Verletzung von Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalls Weniger kompliziert gestaltet sich die Rechtslage im Hinblick auf die Verletzung von Obliegenheiten, die vom Versicherungsnehmer nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllen gewesen wären („post-loss matters“369). Für diesen Fall normiert s. 148 (5) Road Traffic Act 1988 unmissverständlich, dass sich der Versicherer gegenüber dem Geschädigten nicht auf eine hieraus resultierende Leistungsfreiheit berufen kann. Für das Unfallopfer ist es mithin unschädlich, wenn sein Schädiger gegenüber dem Versicherer die Anzeige des Schadensereignisses versäumt oder keine versicherungsvertraglich vorgeschriebene Mitwirkung bei der Schadensregulierung an den Tag gelegt hat. Auch ein Verstoß des schädigenden Versicherungsnehmers gegen ein im Haftpflichtversicherungsvertrag vereinbartes Anerkenntnis- oder Vergleichsverbot tangiert den Direktanspruch des Geschädigten nicht.370 Gegenstand einer gewissen Diskussion ist alleine, ob auch eine im Haftpflichtversicherungsvertrag vereinbarte Schiedsgerichtsklausel in „Scott v. Avery“-Form – bei welcher die Leistungspflicht des Versicherers von der vorherigen Erwirkung eines Schiedsspruchs (arbitration award) abhängig gemacht wird – von der Vorschrift des s. 148 (5) Road Traffic Act 1988 umfasst wird. Nach wohl überwiegender Auffassung findet auch insoweit der Einwendungsausschluss zulasten des Versicherers Anwendung.371 (c) Vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls Der Versicherungspflicht nach s. 143, 145 Road Traffic Act 1988 ist nach Auffassung von Rechtsprechung und Literatur nur dann genüge getan, wenn der abgeschlossene Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag Deckungsschutz auch für Schadensersatzansprüche gewährt, die aus einem vorsätzlichen Verhalten des Versicherungsnehmers resultieren (wilful misconduct / intentional act).372 Entnommen wird dies vorrangig dem weiten Wortlaut des s. 145 (3) (a) Road Traffic Act 1988, wonach die Haftpflichtversicherung den Versicherungsnehmer versichern muss „in respect of any liability which may be incurred by him (…) in Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-180. Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-072; Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  273. Eine Übersicht über die wichtigsten von s. 148 (5) Road Traffic Act 1988 umfassten Obliegenheiten geben Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-180. 371  Hierzu: Jones v. Birch Brothers Ltd [1933] 2 K.B. 597, 597 ff.; Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-183; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-072. 372  Hardy v. Motor Insurers’ Bureau [1964] 2 Q.B. 745, 760 f.; Charlton v. Fisher [2002] Q.B. 578, 592; EUI Ltd v. Bristol Alliance Limited Partnership [2012] EWCA Civ 1267 [Rn.  37]; AXN v. Worboys [2012] EWHC 1730 (QB) [Rn.  72]; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-056; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  14-078; Merkin, Insurance Law, S.  296. 369  370 

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respect of the death of or bodily injury to any person or damage to property caused by, or arising out of, the use of the vehicle on a road or other public ­place”.373 Die Verpflichtung zum Abschluss eines Haftpflichtversicherungsvertrages, der Deckung auch für Schadensersatzansprüche resultierend aus einem vorsätzlichen Verhalten gewährt, ändert allerdings nichts daran, dass der Versicherungsnehmer im Falle der vorsätzlichen Versicherungsfallherbeiführung in eigener Person einen Versicherungsanspruch nicht erfolgreich geltend machen kann.374 Einem derartigen Leistungsbegehren stehen nach herrschender Meinung Erwägungen von public policy entgegen.375 Jedoch entspricht es beim Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 der prävalierenden Auffassung, dass public policy lediglich als persönliche Schranke (personal bar) für den Versicherungsnehmer fungiert und dem Unfallgeschädigten die aus dem Verstoß gegen public policy erwachsende Leistungsfreiheit des Versicherers nicht entgegengehalten werden kann.376 Es stellt sich jedoch die Frage, ob sich dem Haftpflichtversicherer Möglichkeiten der Vertragsgestaltung bieten, um im Falle der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls auch gegenüber dem Unfallopfer eine taugliche drittwirkende Einwendung zu besitzen. Als untauglich erwiesen hat sich jedenfalls die im Wege der primären Risikobeschreibung erfolgende Beschränkung des Versicherungsschutzes auf „accidents“, weil nach Auffassung der englischen Gerichte grundsätzlich auch die willentliche Unfallherbeiführung unter den Begriff des accident subsumiert werden kann.377 Für den Versicherer erfolgversprechender erscheint es nach gegenwärtiger englischer Rechtsprechung, für den Fall der vorsätzlichen Versicherungsfallherbeiführung explizit einen Risikoausschluss (exception) im Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag vorzusehen. Erst kürzlich hat der Court of Appeal in der Entscheidung EUI Ltd v. Bristol Alliance Limited Partnership378 dafürgehalten, dass ein derartiger AusS.  145 (3) (a) Road Traffic Act 1988 (hervorhebende Unterstreichung durch Verfasser); vgl. auch EUI Ltd v. Bristol Alliance Limited Partnership [2012] EWCA Civ 1267 [Rn.  37]. 374  Hardy v. Motor Insurers’ Bureau [1964] 2 Q.B. 745, 761; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-056; Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-127. 375  Allgemein zur Rechtsfolge der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalles siehe bereits oben unter 3. Teil C.III.1.b).aa). 376  Charlton v. Fisher [2002] Q.B. 578, 592 f.; Hardy v. Motor Insurers’ Bureau [1964] 2 Q.B. 745, 761, per Lord Denning MR: „The injured third party is not affected by the disability which attached to the motorist himself.“; Gardner v. Moore [1984] 1 A.C. 548, 554 ff.; Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-129; Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  742; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-057; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  14-078; Merkin, Insurance Law, S.  297. 377  Charlton v. Fisher [2002] Q.B. 578, 59, 593. 378  EUI Ltd v. Bristol Alliance Limited Partnership [2012] EWCA Civ 1267. In dem dort 373 

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schlusstatbestand trotz der bestehenden Versicherungspflicht nach s. 143, 145 Road Traffic Act 1988 in wirksamer Weise vereinbart werden kann und auch gegenüber dem geschädigten Unfallopfer Wirkung entfaltet.379 Das Gericht betonte zunächst, dass es alleine im Verantwortungsbereich des Fahrers liege, für die Existenz eines den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrages zu sorgen. Demgegenüber treffe die Kfz-Haftpflichtversicherer keine Pflicht, nur Versicherungen im Einklang mit den gesetzlichen Mindestvorgaben anzubieten.380 Mithin sei auch die Normierung eines Risikoausschlusses für den Fall der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls grundsätzlich möglich – wenngleich den Fahrer in der Konsequenz in Ermangelung einer hinreichenden Kfz-Haftpflichtversicherung eine Strafbarkeit nach s. 143 (2) Road Traffic Act 1988 treffe. Der hiernach für zulässig erachtete Risikoausschluss kann nach Auffassung des Court of Appeal auch dem Drittgeschädigten entgegengehalten werden. Dies ergebe sich nicht zuletzt im Umkehrschluss aus s. 148 (2) Road Traffic Act 1988, wo die im Verhältnis zum Geschädigten unzulässigen Risikoausschlüsse abschließend vorgegeben seien und wo die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls gerade keine Erwähnung finde.381 Bemerkenswert ist, dass der Court of Appeal die vom Richter der Vorinstanz geäußerten Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des englischen Rechts mit den Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien der EU382 zurückgewiesen und eine richtlinienkonforme Auslegung abgelehnt hat. Während der High Court of Justice den Richtlinien im Lichte der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Bernáldez383 zutreffend den Grundsatz entnommen hatte, dass ein Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlicher Direktanspruch mit einem umfassenden Ausschluss versicherungsrechtlicher Einwendungen zu flankieren sei und demzufolge auch der Risikoausschluss bei der vorsätzlichen Versicheentschiedenen Fall hieß es in den Kfz-Haftpflichtversicherungsbedingungen unter anderem: „We will not pay: (…) any loss, damage, death or injury arising as a result of ‚road rage‘ incident or deliberate act caused by you or any driver insured to drive your car“. 379  Anders noch der High Court of Justice in der Vorinstanz: EUI Ltd v. Bristol Alliance Limited Partnership [2011] EWHC 1657 (QB); näher hierzu unten unter 3. Teil C.III.5.b).cc). 380  EUI Ltd v. Bristol Alliance Limited Partnership [2012] EWCA Civ 1267 [Rn.  38]; so schon Charlton v. Fisher [2002] Q.B. 578, 600 f.; vgl. auch Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-057. Anders ist dies in Deutschland, wo eine übermäßige, die jeweiligen Zwecke der Pflichthaftpflichtversicherung gefährdende Deckungsbegrenzung nach hM eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers darstellt und demnach nach §  307 Abs.  1 BGB unwirksam ist, vgl. hierzu oben unter 3. Teil C.II.2.b).aa). 381  EUI Ltd v. Bristol Alliance Limited Partnership [2012] EWCA Civ 1267 [Rn.  42 ff.]; vgl. auch Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-073. 382  Siehe hierzu EUI Ltd v. Bristol Alliance Limited Partnership [2011] EWHC 1657 (QB) [Rn.  58 ff.]. 383  Hierzu ganz allgemein oben unter 3. Teil C.I.2.

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rungsfallherbeiführung keine Drittwirkung entfalten dürfe, erblickte der Court of Appeal im Verfahren Bernáldez – freilich ohne eingehendere Begründung – eine nicht verallgemeinerungsfähige Einzelfallentscheidung.384 (3) Nachhaftung (a) Bisherige Rechtslage Nach der bisherigen Gesetzeslage konnte der Haftpflichtversicherer nach s. 151 Road Traffic Act 1988 haftbar sein, obgleich der Haftpflichtversicherungsvertrag bereits vor dem maßgeblichen Unfallereignis einverständlich aufgehoben oder auf Grundlage einer Vertragsbestimmung ersatzlos beendet wurde (sog. Nachhaftung). Zwingende Voraussetzung für die Nachhaftung des Versicherers war dabei, dass der Versicherungsnehmer im Zeitpunkt des Unfallereignisses trotz der zwischenzeitlichen Vertragsbeendigung noch im Besitz des certificate of insurance385 war. Eine Nachhaftung schied lediglich dann aus, wenn das Versicherungszertifikat nach dem Unfallereignis – aber noch binnen 14 Tagen nach der Beendigung des Versicherungsvertrages – an den Versicherer zurückgegeben worden war oder wenn der Versicherer innerhalb von 14 Tagen nach Vertragsbeendigung Maßnahmen ergriffen hatte, um die Rückgabe des certificate zu erzwingen (vgl. insoweit die Rückgabepflicht nach s. 147 (4) Road Traffic Act 1988 a. F.).386 In jedem Falle setzte die in s. 152 (1) (c) Road Traffic Act 1988 a. F. vorgesehene Nachhaftung voraus, dass ein Haftpflichtversicherungsvertrag zumindest einmal existiert hatte.387 (b) Änderung durch den Deregulation Act 2015 Eine elementare Neuerung im Zusammenhang mit der Nachhaftung bewirkte der Deregulation Act 2015. Einhergehend mit der Abschaffung der den Versicherungsnehmer treffenden Pflicht zur Rückgabe (surrender) des certificate of insurance nach Beendigung des Haftpflichtversicherungsvertrages eliminierte der Gesetzgeber auch die an das certificate of insurance anknüpfende Nachhaftung

384  EUI Ltd v. Bristol Alliance Limited Partnership [2012] EWCA Civ 1267 [Rn.  57 ff.]; vgl. Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-071. Ausführlich hierzu unten unter 3. Teil C. III.5.b).cc). 385  Vgl. zum certificate of insurance bereits oben unter 3. Teil B.II.2.b).bb). 386 Hierzu Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-085; Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-215. 387  Anders in Deutschland, wo eine „Nachhaftung“ des Versicherers nach §  117 Abs.  2 VVG auch in Fällen des originären Nichtbestehens eines Haftpflichtversicherungsvertrages in Betracht kommt, vgl. hierzu oben unter 3. Teil C.II.2.c).bb).(2).

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des Haftpflichtversicherers.388 Nunmehr kann sich der Kfz-Haftpflichtversicherer gegenüber dem Unfallgeschädigten problemlos auf eine vor dem Unfallereignis erfolgte Beendigung des Haftpflichtversicherungsvertrages berufen und die Erfüllung des Direktanspruchs verweigern (s. 152 (1) (c) Road Traffic Act 1988 n. F.). Nach der maßgeblichen Übergangsvorschrift (transitional provision) findet die neue Rechtslage mit der weggefallenen Nachhaftung Anwendung, soweit die Beendigung des Haftpflichtversicherungsvertrages nach dem 30. Juni 2015 erfolgt ist.389 Es ist durchaus bemerkenswert, dass der englische Gesetzgeber im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung, die eigentlich im besonderen Maße dem Gedanken des Geschädigtenschutzes verhaftet ist, somit erst kürzlich durch die Abschaffung der Nachhaftung die Interessen der Kfz-Haftpflichtversicherer auf Kosten der geschädigten Unfallopfer gestärkt hat. c) Einwendungen aus dem Direktanspruchsverhältnis Dem Kfz-Haftpflichtversicherer können gegenüber dem Geschädigten auch Einwendungen zustehen, die originär dem Direktanspruchsverhältnis entspringen. Eine Einwendung kann sich dabei zum einen als Folge der Verletzung einer den Geschädigten treffenden Anzeigeobliegenheit ergeben, daneben ist auch schlicht der Verjährungseinwand (limitation) hinsichtlich des Direktanspruchs denkbar. aa) Anzeigeobliegenheit Nach s. 152 (1) (a) Road Traffic Act 1988 obliegt es dem Geschädigten, den Kfz-Haftpflichtversicherer über einen konkret beabsichtigten390 oder bereits begonnenen Schadensersatzprozess im Haftpflichtverhältnis in Kenntnis zu setzen.391 Die hiernach notwendige, nicht formbedürftige Mitteilung muss – sofern Siehe s. 9 (5) iVm Schedule 3 para. 5 Deregulation Act 2015; hierzu auch Merkin/ Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-215. 389  Schedule Part 3A Deregulation Act 2015 (Commencement No.  1 and Transitional and Saving Provisions) Order 2015 in der durch article 2 Deregulation Act 2015 (Commencement No.  1 and Transitional and Saving Provisions) (Amendment) Order 2015 geänderten Fassung. 390  Die Mitteilung darf nicht in der Schwebe lassen, ob es tatsächlich zu einem Prozess gegen den Schädiger kommen wird, vielmehr muss hierin die ernsthafte Absicht zur Klageeinreichung erkennbar werden, vgl. MacGillivray on Insurance Law, Rn.  31-028; Wake v. Wylie [2001] R.T.R. 20. Allerdings existiert grundsätzlich kein Zeitlimit, innerhalb dessen nach der entsprechenden Mitteilung die Schadensersatzklage tatsächlich einzureichen wäre, vgl. Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-081; kritisch bei einer 18-monatigen Zeitspanne jedoch: Stinton v. Stinton [1995] R.T.R. 167, 174. 391  Allgemein zu den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Erfüllung der Anzeigeobliegenheit: Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-207 ff. 388 

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sie nicht bereits im Vorfeld des Schadensersatzprozesses erfolgt ist – spätestens sieben Tage nach Erhebung der Schadensersatzklage392 erfolgen. Maßgeblich für den Beginn der Sieben-Tage-Frist ist dabei die Einreichung der claim form393 bei Gericht, wohingegen der Zeitpunkt der Zustellung der Klageschrift (service) irrelevant ist.394 Die Anzeigeobliegenheit soll sicherstellen, dass der Haftpflichtversicherer frühzeitig über die gerichtliche Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gegen seinen Versicherungsnehmer informiert ist, und ihm dadurch die Möglichkeit eröffnen, alsbald effektive Rechtsverteidigungsmaßnahmen zu ergreifen.395 Unmittelbare Rechtsfolge einer Missachtung der Anzeigeobliegenheit ist – ohne dass es hierbei auf ein Verschulden des Geschädigten ankäme – die vollständige Leistungsfreiheit des Haftpflichtversicherers im Hinblick auf den Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988.396 Die Verletzung der Anzeigeobliegenheit ist nur ausnahmsweise unbeachtlich, wenn der Versicherer im Vorfeld eines Schadensersatzprozesses zumindest konkludent auf die Benachrichtigung über die Klageerhebung verzichtet hat (waiver).397 Dem Geschädigten bleibt es im Übrigen unbenommen, eine unter Verstoß gegen die Anzeigeobliegenheit eingeleitete Schadensersatzklage vor Urteilserlass zurückzunehmen und im Anschluss einen neuen, diesmal dem Haftpflichtversicherer ordnungsgemäß zur Anzeige gebrachten Schadensersatzprozess anzustrengen (reissue of proceedings). Dieser „Heilungstaktik“ ist allerdings nur dann Erfolg beschieden, wenn der neuerlichen Schadensersatzklage nunmehr nicht der limitation-Einwand entgegensteht.398

392  Die Anzeigeobliegenheit greift auch dann ein, wenn der Schadensersatzanspruch im Wege einer Widerklage (counterclaim) geltend gemacht wird, vgl. Cross v. British Oak Insurance Co Ltd [1938] 2 K.B. 167, 170 ff.; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  31-029; Birds’ Modern Insurance Law, S.  427 [Fn.  142]. 393  Hierzu siehe r. 7.2 CPR. 394  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-081; Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  730; Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-206. 395  Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  730; Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-205; Desouza v. Waterlow [1999] R.T.R. 71, 82. 396  Vgl. s. 152 (1) (a) Road Traffic Act 1988: „No sum is payable by an insurer under section 151 of this Act in respect of any judgment unless, before or within seven days after the commencement of the proceedings in which the judgment was given, the insurer had notice of the bringing of the proceedings (…)“ (kursive Hervorhebung durch Verfasser). 397  Vgl. McBlain v. Dolan [2001] Lloyd’s Rep I.R. 309; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-083; Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-212. 398  Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5 -213.

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

bb) Verjährung des Direktanspruchs Entsprechend der Anknüpfung des Direktanspruchs aus s. 151 Road Traffic Act 1988 an das Schadensersatzurteil und den darin ausgeurteilten Schadensersatzanspruch richtet sich die Verjährung nach der Vorschrift des s. 24 Limitation Act 1980.399 Mithin verjährt der gesetzliche Direktanspruch binnen sechs Jahren, wobei die Frist mit dem Erlass des Schadensersatzurteils gegen den schädigenden Versicherungsnehmer zu laufen beginnt.

3. Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 a) Schadensrechtliche Einwendungen Der Direktanspruch aus den European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 weist eine umfassende Akzessorietät zum Schadensersatzanspruch auf. Dies findet seinen gesetzlichen Niederschlag in reg. 3 (1) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002, wonach ein direktes Forderungsrecht gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer nur besteht, wenn der Geschädigte „has a cause of action against an insured person in tort or (as the case may be) delict“. Wie für einen Direktanspruch im engeren Sinne wesenstypisch wird die schadensersatzrechtliche Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers im Direktprozess zwischen dem Geschädigten und dem Haftpflichtversicherer überprüft.400 Hierbei ist der Haftpflichtversicherer berechtigt, sämtliche Einwendungen zu erheben, die auch dem Versicherungsnehmer gegenüber dem Geschädigten zustünden.401

399  Anders offenbar Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  46, welche die für den Haftpflichtversicherungsanspruch maßgebliche Verjährungsfrist nach s. 5 Limitation Act 1980 für einschlägig erachtet; dies steht jedoch erkennbar im Widerspruch zur zugrundeliegenden Rechtskonstruktion. Wie hier: Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  94 f. 400 Demgegenüber kommt einer etwaigen gerichtlichen Entscheidung aus einem Haftpflichtprozess zwischen Geschädigtem und Schädiger keine Rechtskraft- respektive Bindungswirkung für das Direktanspruchsverhältnis zu. 401  Vgl. nur MacGillivray on Insurance Law, Rn.  31-038: „(…) the insurers will be able to defend the claim on the basis that the driver was not in fact liable in tort.“; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-090: „The insurers faced with such an action have the right to defend the proceedings on the basis that the driver was not liable to the victim (…)“; Birds’ Modern Insurance Law, S.  428.

III. England

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b) Versicherungsrechtliche Einwendungen Zur Frage der Maßgeblichkeit versicherungsrechtlicher Einwendungen im Direktanspruchsverhältnis hat der englische Gesetzgeber dezidiert Stellung bezogen. Insoweit bestimmt reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002, dass der Versicherer dem Geschädigten verantwortlich ist „to the extent that he is liable to the insured person“. Mithin kann der Haftpflichtversicherer dem Direktanspruch alle denkbaren versicherungsrechtlichen Einwendungen entgegenhalten.402 Dem Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 liegt folglich der Grundsatz des Einwendungsdurchgriffs zugrunde. Ähnlich wie beim Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act findet man daher auch hier die bildliche Umschreibung, dass der Geschädigte lediglich in die Fußstapfen des versicherten Fahrers trete.403 Anders als im Road Traffic Act 1988404 finden sich in den European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 keine Regelungen, welche die Drittwirkung bestimmter versicherungsrechtlicher Einwendungen ausschließen oder deren Geltendmachung gegenüber dem Geschädigten einschränkenden Voraussetzungen unterwerfen.405 Auch eine Übertragung von Einwendungsausschlüssen des Road Traffic Act 1988 auf den neueren Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruch kommt grundsätzlich nicht in Betracht.406 Dem stehen sowohl gesetzessystematische Erwägungen als auch der mitunter eindeutig auf s. 151 Road Traffic Act 1988 Bezug nehmende Wortlaut der Ausschlusstatbestände entgegen. Eine Ausnahme gilt nach herrschender Meinung lediglich für die Vorschrift des s. 148 (1), (2) Road Traffic Act 1988,407 die auch beim Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 Anwendung finden soll.408 Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-090: „The insurers (…) have the right to defend the proceedings (…) on the basis that, for whatever reason, the policy did not respond to the claim.“ (kursive Hervorhebung durch Verfasser); MacGillivray on Insurance Law, Rn.  31038. 403  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-090: „The victim of a driver may (…) proceed directly against the driver’s insurers. In such proceedings the victim steps into the shoes of the driver (…)“. 404  Vgl. hierzu ausführlich oben unter 3. Teil C.III.2.b).bb). 405  Bevan, N.L.J. 2013, 130, 131; Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  277. 406  Gleiches gilt im Übrigen für die auf den Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 Anwendung findenden Einwendungsausschlüsse; vgl. zu diesen oben unter 3. Teil C.III.1.b).cc). 407  Hierzu oben unter 3. Teil C.III.2.b).bb).(1).(a). 408  Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5 -233 (hier findet sich auch ein Hin402 

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

Im Hinblick auf die Maßgeblichkeit versicherungsrechtlicher Einwendungen offenbaren sich danach paradoxerweise gravierende Unterschiede zwischen den zwei verschiedenen Direktansprüchen des englischen Kfz-Haftpflichtversicherungsrechts. Zumindest partiellen Einwendungsausschlüssen beim Direkt­ anspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 steht ein nahezu ausnahmsloser Einwendungsdurchgriff beim direkten Forderungsrecht aus den European Com­ munities (Rights against Insurers) Regulations 2002 gegenüber.409 Ist der Haftpflichtversicherer im Deckungsverhältnis vollständig oder teilweise leistungsfrei, kann es daher für den Geschädigten gegebenenfalls angezeigt sein, auf die durch die European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 eingeräumte Möglichkeit des einstufigen Vorgehens gegen den Versicherer zu verzichten und auf den altherkömmlichen, die vorherige Erwirkung eines Schadensersatzurteils erfordernden Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 zurückzugreifen – in dessen Rahmen die versicherungsrechtliche Einwendung möglicherweise gerade keine Drittwirkung entfaltet.410 Exemplarisch genannt seien etwa die Fälle der vorsätzlichen Unfallherbeiführung durch den Versicherungsnehmer – jedenfalls sofern es an einem vertraglich vereinbarten Risikoausschluss (exception) fehlt und die Leistungsfreiheit im Versicherungsinnenverhältnis schlicht auf public policy-Erwägungen gestützt wird. Nach wohl herrschender Meinung kann der Einwand des Verstoßes gegen public policy einem Direktanspruch aus den Regulations entgegengehalten werden.411 Demgegenüber wäre in diesem Falle ein Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 durchsetzbar.412 Ähnlich verhält es sich, wenn der Unfallverursacher das Fahrzeug des Versicherungsnehmers unbefugt genutzt hat. Hier kann der weis auf eine nicht in einer Entscheidungssammlung veröffentlichte Entscheidung des Central London County Court vom 5. Februar 2014 (Bayraz v. Acromas Insurance Co Ltd), in welcher diese Sichtweise geteilt wird); MacGillivray on Insurance Law, Rn.  31-038; Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  277; a. A. Bevan, N.L.J. 2013, 130, 131. 409  Es erschließt sich freilich nicht, weshalb der auf die Stärkung des Geschädigtenschutzes abzielende Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 bei der wirtschaftlich so bedeutsamen Frage des Durchgriffs versicherungsrechtlicher Einwendungen deutlich hinter dem bisherigen Schutzniveau des s. 151 Road Traffic Act 1988 zurückbleibt. Zur Unvereinbarkeit der geltenden Rechtslage mit unionsrechtlichen Vorgaben siehe noch unten unter 3. Teil C.III.5. 410  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-096; Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  277; Merkin, Insurance Law, S.  296; Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  727. 411  Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  277; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-094 sowie Rn.  23-096; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  31-038; Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-234; Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  727. Vgl. auch die Paralleldiskussion beim Third Parties (Rights against Insurers) Act, hierzu oben unter 3. Teil C.III.1.b).cc).(4). 412  Hierzu bereits oben unter 3. Teil C.III.2.b).bb).(2).(c).

III. England

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Versicherer im Rahmen des Direktanspruchs aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 – anders als bei s. 151 Road Traffic Act 1988 – gegenüber dem Unfallgeschädigten geltend machen, dass der haftpflichtige Unfallverursacher nicht vom persönlichen Deckungsbereich der Kfz-Haftpflichtversicherung erfasst ist. c) Verjährung des Direktanspruchs Eine eigenständige Verjährungsregelung für den Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 existiert nicht. Vielmehr unterliegt der Direktanspruch der gleichen Verjährung wie der zugrundeliegende Schadensersatzanspruch, für den regelmäßig die sechsjährige Verjährungsfrist nach s. 2 Limitation Act 1980 maßgeblich ist. Die Verjährung beginnt dabei zu dem Zeitpunkt, zu welchem „the cause of action ac­crued“.413 Ein anderes gilt ausnahmsweise bei Ersatzansprüchen wegen Personenschäden (personal injuries), wo eine kürzere dreijährige Verjährungsfrist gilt (s. 11 Limitation Act 1980). In diesem Falle beginnt die Verjährungsfrist dafür jedoch frühestens zu laufen, wenn der Geschädigte tatsächliche Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen hat (vgl. s. 11 (4) (b) Limitation Act 1980).

4. Die Rolle des Entschädigungsfonds in der Kfz-Haftpflichtversicherung a) Grundlagen Zwecks Schließung von Lücken im System des haftpflichtversicherungsrechtlichen Geschädigtenschutzes gibt es auch in England zumindest im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung eine Schutzeinrichtung zugunsten der Verkehrsunfallopfer. Auch hier soll ein Entschädigungsfonds den Verkehrsopfern einen Ersatz der erlittenen Schäden in Fallkonstellationen sicherstellen, in welchen der Schädiger entweder nicht zu ermitteln ist oder aber keinen Haftpflichtversicherungsschutz genießt. Der englische Entschädigungsfonds für Straßenverkehrs413 Bei Schadensersatzansprüchen, die keinen konkreten Schadensnachweis erfordern (actionable per se), soll dies unmittelbar im Zeitpunkt der schädigenden Handlung, bei Schadensersatzansprüchen mit der Notwendigkeit eines tatsächlichen Schadensnachweises (not actionable per se) erst mit dem Schadenseintritt der Fall sein, vgl. The Law Commission, „Limitation of Actions – Item 2 of the Seventh Programme of Law Reform: Limitation of Actions“, Law Com No.  270, 2001, Rn.  2.4, abrufbar unter: http://www.lawcom.gov.uk/ wp-content/uploads/2015/03/lc270_Limitation_of_Actions.pdf (abgerufen am: 28. Februar 2017). Der Verjährungsbeginn ist hierbei unabhängig von einer Kenntnis des Geschädigten über die anspruchsbegründenden Umstände.

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

geschädigte weist eine lange Tradition auf und seine Ursprünge liegen in einer Zeit, zu welcher die verbindlichen Vorgaben zur Schaffung einer Entschädigungsstelle durch europäische Richtlinien noch in sehr weiter Ferne waren. Bereits im Jahre 1937 hatte das sog. Cassel Committee414 empfohlen, beim Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruch einen umfassenden Ausschluss versicherungsrechtlicher Einwendungen vorzusehen und im Übrigen einen aus Beiträgen der Kfz-Haftpflichtversicherer finanzierten Entschädigungsfonds („Central Fund“) zu errichten. An diesen Fonds sollten sich Verkehrsopfer wenden können, wenn sie durch einen unversicherten Fahrer geschädigt wurden.415 Während sich die Idee des umfassenden Einwendungsausschlusses letztlich nicht durchzusetzen vermochte, kam es unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg zumindest zur Umsetzung der Vorschläge betreffend den GeschädigtenEnt­schädigungs­fonds.416 Träger des englischen Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen ist das im Jahre 1946 in Form einer privatrechtlichen Körperschaft (company limited by guarantee) gegründete Motor Insurers’ Bureau (MIB), an welchem die im Vereinigten Königreich tätigen Kfz-Haftpflichtversicherer beteiligt sind.417 Nach s. 145 (5) iVm s. 95 Road Traffic Act 1988 ist die Mitgliedschaft im MIB für ein Versicherungsunternehmen unerlässliche Voraussetzung, um das Kfz-Haftpflichtversicherungsgeschäft betreiben zu dürfen. Finanziert wird der Entschädigungsfonds durch sämtliche am MIB beteiligten englischen Kfz-Haftpflichtversicherer und somit mittelbar durch die Gemeinschaft der ordnungsgemäß Kfz-Haftpflichtversicherten.418 Das MIB hat sich in zwei verschie414  Bei dem Cassel Committee handelte es sich um eine von der englischen Regierung eingesetzte Kommission, die mit der Ausarbeitung von rechtlichen Verbesserungsvorschlägen im Bereich der Pflichthaftpflichtversicherungen betraut war und unter der Leitung des Juristen Sir Felix Cassel stand. 415  Bevan, J.P.I.L. 2011, 39, 40; Hughes, 1 Mod. L. Rev. 1938, 258, 265; Merkin/Steele, Insurance and the Law of Obligations, S.  265 f.; Lowry/Rawlings, Insurance Law – Doctrines and Principles, S.  264; Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  120 f. Der Vorschlag des Cassel Committee sah die Einführung eines Entschädigungsfonds allein für die Fälle der Schädigung durch einen unversicherten Fahrer vor; in den Fällen der Schädigung durch einen nicht zu ermittelnden Unfallverursacher wollte das Committee hingegen aufgrund befürchteter Missbrauchsgefahr durch den Geschädigten keinen Anspruch gegen den Entschädigungsfonds gewähren, vgl. Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  279. 416  Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  7-01; Bevan, J.P.I.L. 2011, 39, 40. 417  McCall v. Poulton [2008] EWCA Civ 1313 [Rn.  14]; Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  738; Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  7-01; Bevan, J.P.I.L. 2011, 39, 40. 418  Bevan, J.P.I.L. 2011, 39, 40 f.; Campbell, J.P.I.L. 2007, 134, 134; Bott, Schutz des Unfallgeschädigten, S.  121; Carswell v. Secretary of State for Transport [2010] EWHC 3230 (QB) [Rn.  30]; Delaney v. Pickett [2012] 1 W.L.R. 2149, 2174 [Rn.  74].

III. England

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denen mit der englischen Regierung geschlossenen Verträgen verpflichtet, eine Entschädigung von Straßenverkehrsteilnehmern zu gewährleisten, welche entweder durch eine nicht versicherte oder aber durch eine nicht zu ermittelnde Person geschädigt wurden. Während sich das Uninsured Drivers Agreement mit der Situation des nicht haftpflichtversicherten Unfallverursachers befasst, regelt das Untraced Drivers Agreement die Entschädigung von Unfallopfern, die durch einen nicht zu ermittelnden Fahrer geschädigt wurden.419 Bei den beiden Vereinbarungen handelt es sich rechtstechnisch um privatrechtliche Verträge zugunsten der Verkehrsgeschädigten – 420 was angesichts des in England über Jahrzehnte vorherrschenden privity of contract-Prinzips durchaus bemerkenswert ist.421 Zugleich ergibt sich hieraus als wesentliches Charakteristikum des englischen Geschädigten-Entschädigungsfonds, dass dieser gerade nicht auf einer gesetzlichen Grundlage basiert, sondern dass dessen rechtliches Fundament vielmehr durch eine freiwillige privatrechtliche Vereinbarung zwischen MIB und englischer Regierung gebildet wird.422 Folgerichtig handelt es sich bei den Forderungen der Geschädigten gegen das MIB auch weniger um gesetzliche, als vielmehr um vertragliche Ansprüche. Als im Jahre 1983 die 2. KH-Richtlinie der EWG den Mitgliedstaaten verbindlich die Errichtung oder Anerkennung eines Geschädigten-Entschädigungsfonds aufgab.423 sah der englische Gesetzgeber keine Veranlassung zur legislativen Intervention, um den bereits bestehenden Entschädigungsfonds fortan auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Vielmehr erachtete der Gesetzgeber das Konzept der mit dem MIB abgeschlossenen privatrechtlichen Verträge zugunsten der Verkehrsopfer für richtlinienkompatibel.424 Zwischenzeitlich hat der 419  Die derzeit gültigen Vertragsfassungen stammen aus dem Jahre 2015 (hinsichtlich des Uninsured Drivers Agreement) bzw. aus dem Jahr 2003 (hinsichtlich des Untraced Drivers Agreement). 420  Hardy v. Motor Insurers’ Bureau [1964] 2 Q.B. 745, 757. 421  Allgemein zur Zulässigkeit dieser Vereinbarungen und deren Durchsetzbarkeit durch die Geschädigten vor dem Hintergrund der privity of contract-Doktrin des englischen Rechts (v. a. auch zu den Auswirkungen des neuen Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999): Carswell v. Secretary of State for Transport [2010] EWHC 3230 (QB) [Rn.  57 ff.]; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-098 f.; Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  7-09 f.; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  31-053; Mance/Goldrein/Merkin, Insurance Disputes, Rn.  8.163 f.; Peter, Verträge zugunsten Dritter, S.  60 f. 422  Merkin, Insurance Law, S.  297. Ursprünglich dürfte die Bereitschaft der Kfz-Haftpflichtversicherer zur Gründung des MIB und zum Abschluss der Agreements der Sorge geschuldet gewesen sein, dass der Gesetzgeber den Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung andernfalls verstaatlichen und somit ein wirtschaftliches Betätigungsfeld fortfallen könnte, vgl. Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  279; Bevan, J.P.I.L. 2011, 39, 40. 423  Zu den maßgeblichen Richtlinienvorgaben siehe oben unter 3. Teil C.I.2.a). 424  Quigley, J.P.I.L. 2001, 422, 423 f.; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  31-039. Vgl.

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

EuGH geurteilt, dass die mitgliedstaatliche Anerkennung einer Entschädigungsstelle, deren Verpflichtung gegenüber den Geschädigten sich alleine aus einer privatrechtlichen Vereinbarung der Stelle mit den Behörden des Mitgliedstaates ergibt, tatsächlich eine zulässige Umsetzung der Richtlinienvorgaben darstellen kann. Voraussetzung ist jedoch, dass die maßgebliche „Vereinbarung dahin ausgelegt und angewandt wird, dass sie die Stelle verpflichtet, den Geschädigten den Ausgleich zu gewähren, den ihnen die Zweite Richtlinie [nunmehr: 6. KHRicht­linie] garantiert, und dass sich die Geschädigten unmittelbar an diese Stelle wenden können.“425 Vor diesem Hintergrund bestehen jedoch erhebliche Zweifel an der Unionsrechtsverträglichkeit der englischen Rechtslage.426 Anders als in Deutschland, wo lediglich in seltenen Ausnahmefällen auf den Entschädigungsfonds zurückgegriffen wird, werden gegen das MIB alljährlich mehrere tausend Ansprüche erhoben. Die enorme Bedeutung des MIB ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die unversicherte Nutzung eines Kraftfahrzeuges im Vereinigten Königreich ein sehr weit verbreitetes Phänomen darstellt. Schätzungen gehen davon aus, dass dort derzeit ca. 1 Mio. Autofahrer keinen Versicherungsschutz besitzen – was freilich nicht für eine effektive staatliche Kontrolle der Versicherungspflicht spricht.427 Zudem bleibt zu berücksichtigen, dass Kfz-Haftpflichtversicherer nach der aktuellen englischen Rechtslage noch immer zahlreiche versicherungsrechtliche Einwendungen gegen den gesetzlichen Direktanspruch eines Unfallgeschädigten geltend machen können. Die sich danach mit einer versicherungsrechtlichen Einwendung konfrontiert sehenden Unfallopfer können sich jedoch potentiell an das MIB halten, was dessen Bedeutung weiter stärkt. b) Uninsured Drivers Agreement aa) Anwendungsbereich und Voraussetzungen der Leistungspflicht Von den beiden Verträgen, die zwischen dem MIB und der englischen Regierung zugunsten der Unfallgeschädigten abgeschlossen wurden, ist das Uninsured Drivers Agreement von historisch früherem Ursprung. Vorrangiges Bestrenunmehr auch reg. 10 Motor Vehicles (Compulsory Insurance) (Information Centre and Compensation Body) Regulations 2003: „MIB is approved as the compensation body for the United Kingdom for the purposes of the motor insurance directive“. 425  EuGH v. 04. Dezember 2003, Rs. C-63/01 (Evans / Secretary of State for Environment, Transport and the Regions), Slg. 2003, I-14447, 14492 ff. (insbesondere 14511 [Rn.  37]); ferner Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  280. 426  Vgl. hierzu ausführlich Bevan, J.P.I.L. 2011, 123, 123 ff.; Bevan, N.L.J. 2013, 193, 193 ff.; Bevan, J.P.I.L. 2015, 138, 146 ff. Eingehend hierzu auch unten unter 3. Teil C.III.5. 427  Statistik des GDV, abrufbar unter: http://www.gdv.de/2015/03/das-leistet-die-verkehrsopferhilfe/ (abgerufen am: 28. Februar 2017).

III. England

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ben dieses – erstmals im Jahre 1946 unmittelbar nach Gründung des MIB vereinbarten – Uninsured Drivers Agreement ist der Schutz eines Verkehrsopfers, wenn der Unfallverursacher im konkreten Einzelfall keinen Haftpflichtversicherungsschutz genießt und infolgedessen die Geltendmachung eines gesetzlichen Direktanspruchs keine Aussicht auf Erfolg bietet. Irrelevant ist hierbei, ob es bereits ganz grundlegend an einem Haftpflichtversicherungsvertrag fehlt oder ob dem Haftpflichtversicherer lediglich eine Drittwirkung entfaltende versicherungsrechtliche Einwendung gegen den Direktanspruch zusteht.428 In Anbetracht des allenfalls partiellen Ausschlusses versicherungsrechtlicher Einwendungen im Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruchsverhältnis429 fällt vor allem auch der letztgenannten Fallkonstellation eine gewichtige Rolle zu. Das gegenwärtig geltende Uninsured Drivers Agreement 2015 geht jedoch deutlich über diese primäre Zielrichtung hinaus. Losgelöst von dem Faktum der unversicherten Fahrzeugnutzung hat sich das MIB im Uninsured Drivers Agreement 2015 ganz allgemein dazu verpflichtet, einem Geschädigten die im Haftpflichtprozess gegen den schädigenden Unfallfahrer ausgeurteilte Schadensersatzsumme nebst Zinsen und Kosten auszuzahlen, sofern nur das entsprechende Schadensersatzurteil nicht innerhalb von sieben Tagen nach Eintritt der Vollstreckbarkeit befriedigt wurde.430 Alleine im Hinblick auf gerichtlich zugesprochene Sachschäden (property damages) ist eine summenmäßige Begrenzung der Leistungspflicht des MIB auf den Betrag von 1 Mio. £ vorgesehen.431 Die Leistungsverpflichtung des MIB nach Ablauf der Sieben-Tage-Frist existiert unabhängig davon, ob für das zugrundeliegende Schadensereignis Haftpflichtversicherungsschutz besteht oder nicht,432 und auch unabhängig von den Gründen der bisherigen Nichterfüllung des Schadensersatzurteils.433 Auffällig ist, dass der Rückgriff auf den Geschädigten-Entschädigungsfonds unter Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-097; Merkin/Steele, Insurance and the Law of Obligations, S.  275. 429  Hierzu oben unter 3. Teil C.III.2.b) (für den Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988) sowie 3. Teil C.III.3.b) (für den Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002). 430  Cl. 3 Uninsured Drivers Agreement 2015. 431  Cl. 11 Uninsured Drivers Agreement 2015. Im Umkehrschluss gilt im Hinblick auf Personenschäden (personal injuries) eine unbegrenzte Haftung des MIB für die Urteilssumme (sog. illimité-Haftung). 432  Allerdings können sich für das MIB Regressrechte ergeben, wenn ein Kfz-Haftpflichtversicherer an und für sich eintrittspflichtig gewesen wäre, vgl. Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  7-20. 433  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-104; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  31040; Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  741. 428 

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

dem Uninsured Drivers Agreement in jedem Falle durch die vorherige Erwirkung eines Schadensersatzurteils im Haftpflichtverhältnis bedingt ist. In der Konsequenz kann ein Unfallopfer nur dann von dem Uninsured Drivers Agreement profitieren, wenn er die Identität des in der Schadensersatzklage namhaft zu machenden Schädigers kennt. Ist der Schädiger hingegen unbekannt, kann das Unfallopfer allenfalls auf eine Entschädigung über das Untraced Drivers Agreement hoffen.434 bb) Begrenzung der Leistungspflicht (1) Subsidiarität Jenseits der bereits erwähnten summenmäßigen Begrenzung der Haftung im Hinblick auf ausgeurteilte Sachschäden (property damages)435 unterliegt die Leistungspflicht des MIB unter dem Uninsured Drivers Agreement weitergehenden Beschränkungen. In erster Linie ist insofern die allgemeine Subsidiarität der Eintrittspflicht des MIB zu berücksichtigen. So ist ein Anspruch gegen das MIB nach cl. 6 (1) Uninsured Drivers Agreement 2015 ausgeschlossen, sofern und soweit der Geschädigte Ersatz seines Schadens von irgendeiner anderen Person („any other person“) – einschließlich anderen Versicherern – erlangt hat oder zumindest erlangen könnte. Zu denken ist insbesondere an Ansprüche des Geschädigten aus eigenen Versicherungsverträgen (z. B. Unfallversicherung, Kfz-Kaskoversicherung) oder auch an Leistungen, die dem Unfallopfer unter dem Financial Services Compensation Scheme im Falle der Insolvenz des grundsätzlich leistungspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherers zustehen.436 (2) Weitergehende Leistungseinschränkungen Neben dem allgemeinen Subsidiaritätseinwand sieht das Uninsured Drivers Agreement 2015 eine größere Anzahl weiterer Einwendungen vor, derer sich das MIB zur Abwehr des Anspruchs eines Unfallgeschädigten bedienen kann. Die maßgeblichen Einwendungsregelungen waren dabei erst im Jahre 2015 im Zuge der Neufassung des Uninsured Drivers Agreement größeren Veränderungen unterworfen. Im Vergleich zur Vorgängervereinbarung aus dem Jahre 1999 wurde die Situation der Geschädigten durch Streichung verschiedener Einwendungstatbestände verbessert – wenngleich auch nur für Unfallereignisse nach dem 01. August 2015 (cl. 2 (1) Uninsured Drivers Agreement 2015).437 Die EliZum Untraced Drivers Agreement sogleich unter 3. Teil C.III.4.c). Hierzu soeben unter 3. Teil C.III.4.b).aa). 436  Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  7-25. 437  Vgl. Bevan, J.P.I.L. 2015, 138, 147, welcher sich kritisch zur fehlenden Rückwirkung 434  435 

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minierung von Einwendungen war in manchen Fällen eine unmittelbare Reaktion auf eine die Unionsrechtswidrigkeit der betreffenden Klausel feststellende Rechtsprechung.438 Unter dem Uninsured Drivers Agreement 2015 sind zwei Kategorien von Einwendungen zu unterscheiden. Teilweise sind die Einwendungen dergestalt konzipiert, dass sie bei Vorliegen bestimmter sachlicher Merkmale bereits von vornherein die Entstehung einer Leistungspflicht des MIB ausschließen (cl. 4 ff. Uninsured Drviers Agreement 2015). Teilweise ergeben sich die Einwendungen aber auch erst als Folge der Missachtung bestimmter Pflichten und Obliegenheiten, welche das geschädigte Unfallopfer im Verhältnis zum MIB treffen (cl. 12 ff. Uninsured Drivers Agreement 2015). Zunächst ist das MIB nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der zugrundeliegende Verkehrsunfall durch ein Fahrzeug verursacht wurde, welches entweder der englischen Krone gehört (crown vehicle) oder aber gemäß s. 144 Road Traffic Act 1988 ausnahmsweise von der Haftpflichtversicherungspflicht befreit ist (cl. 4, 5 Uninsured Drivers Agreement 2015). Nach cl. 7 Uninsured Drivers Agreement 2015 wiederum kann sich ein Fahrzeugeigentümer nicht wegen Schäden an seinem Kfz an das MIB wenden, wenn die Nutzung dieses Fahrzeuges seinerseits unversichert war und der Eigentümer um diesen Umstand wusste oder er zumindest Grund zu der Annahme hatte, dass es an dem notwendigen Versicherungsschutz fehlt. Keinen Anspruch gegen das MIB hat fernerhin ein geschädigter Passagier, welcher den Unfallwagen freiwillig bestiegen hat, obgleich er wusste oder Grund zu der Annahme hatte, dass das Fahrzeug entweder gestohlen war oder dass für dessen konkrete Nutzung kein Haftpflichtversicherungsschutz besteht (cl. 8 Uninsured Drivers Agreement 2015). Dem steht es gleich, wenn der Passagier nach Fahrtantritt von diesen Umständen Kenntnis erlangt und in der Folge das Fahrzeug nicht verlässt, obgleich ihm das möglich gewesen wäre. Einen bislang gänzlich unbekannten Einwendungstatbestand normiert cl. 9 Uninsured Drivers Agreement 2015. Danach besteht keine Leistungspflicht des MIB, sofern die Schädigung auf einer Fahrzeugnutzung beruht, die mit einem Akt des Terrorismus in Zusammenhang steht.439 Die praktische der Reform auf Unfälle vor dem Stichtag am 01. August 2015 äußert. Zu den bisherigen Einwendungstatbeständen unter dem Uninsured Drivers Agreement 1999 ausführlich Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-108 ff. 438  So beispielsweise bei den Einwendungen aus cl. 6 (1) (e) (iii) und (iv) Uninsured Drivers Agreement 1999, die im Uninsured Drivers Agreement 2015 kein Äquivalent besitzen. Hier hatte der Court of Appeal in einer auf die Francovich-Grundsätze gestützten Schadensersatzklage die Unvereinbarkeit dieser Vorschriften mit unionsrechtlichen Vorgaben festgestellt, vgl. Delaney v. Secretary of State for Tranpsort [2015] EWCA Civ 172. 439  Kritisch hierzu Bevan, J.P.I.L. 2015, 138, 147 („flagrant introduction of the terrorism exlusion in cl. 9 [Uninsured Drivers Agreement 2015]“).

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

Relevanz dieser Einwendung erscheint indes mehr als fragwürdig, weil für Schäden aus einem terroristischen Akt (z. B. eine in einem Kfz platzierte Bombe) für gewöhnlich ohnehin keine Kfz-Haftpflichtversicherungspflicht existiert. Derartige Schäden lassen sich nämlich kaum dahingehend subsumieren, dass sie „caused by, or arising out of, the use of the vehicle“440 sind. Eine Einwendung zugunsten des MIB kann sich überdies aus der Verletzung bestimmter Verhaltensanforderungen ergeben, welche dem Geschädigten durch das Uninsured Drivers Agreement 2015 aufgegeben werden und deren Beachtung regelmäßig condition precedent für die Leistungspflicht des MIB ist.441 Thematisch befassen sich diese Verhaltensanforderungen primär mit der Art und Weise der Anspruchsgeltendmachung sowie mit prozessualen Aspekten.442 Nach cl. 12 Uninsured Drivers Agreement 2015 ist das geschädigte Unfallopfer zunächst gehalten, den Anspruch gegen den Entschädigungsfonds unter ausschließlicher Verwendung eines vom MIB ausgearbeiteten Formulars (claim form) zu erheben und auf entsprechendes Ersuchen weitergehende Informationen über den Schadensfall zu geben. Tritt der fehlende Versicherungsschutz des Unfallverursachers von Anfang an offen zutage, so ist das MIB notwendigerweise bereits am Haftpflichtprozess zu beteiligen (cl. 13 Uninsured Drivers Agreement 2015).443 Titulierte Schadensersatzansprüche oder Ansprüche aus vergleichsweisen Vereinbarungen mit dem Schädiger sind zwingend an das MIB abzutreten, um diesem den Regress zu ermöglichen (cl. 15 Uninsured Drivers Agreement 2015). Bedeutsam ist, dass grundsätzlich jeder noch so geringe Verstoß gegen die dargelegten Verhaltensanforderungen zum vollständigen Ausschluss der Leistungspflicht des MIB führt. cc) Schadensregulierung Zur Anspruchsgeltendmachung muss sich das Verkehrsopfer zwingend des vom MIB zu diesem Zwecke zur Verfügung gestellten Formulars (claim form) bedienen.444 Wer seitens des Entschädigungsfonds mit der sich anschließenden SchaSo der Wortlaut von s. 145 (3) (a) Road Traffic Act 1988. Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  7-40. 442  Gerade in diesem Bereich haben sich durch die Neufassung des Uninsured Drivers Agreement im Jahre 2015 bedeutsame Änderungen ergeben, welche im Ergebnis die Anforderungen an das vom Geschädigten zu beachtende Verfahren deutlich abgesenkt haben, vgl. hierzu Bevan, J.P.I.L. 2015, 138, 147. 443  Erlangt der Geschädigte erst nachträglich (d. h. nach Einleitung eines Schadensersatzverfahrens) davon Kenntnis, dass sein Schädiger nicht haftpflichtversichert ist, so muss er das MIB unmittelbar nach Kenntniserlangung über den laufenden Prozess informieren und ggf. seine Zustimmung zur Prozessbeteiligung des MIB erteilen. 444  Das entsprechende Formular wird auf der Internetseite des MIB zum Download ange440  441 

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densregulierung betraut ist, richtet sich nach Art.  79 Articles of Association of Motor Insurers’ Bureau445 und der dort niedergelegten internen Zuständigkeitsverteilung. Danach obliegt die Schadensregulierung entweder unmittelbar dem MIB und dessen Mitarbeitern oder aber einem dem MIB angeschlossenen Kfz-Haftpflichtversicherer, der dabei als Stellvertreter namens und im Auftrag des MIB, wenngleich auf eigene Kosten agiert (sog. „Art.  79 Insurer“).446 Während das MIB immer dann in eigener Verantwortung für die Schadensregulierung zuständig ist, wenn das Unfallfahrzeug von vornherein unversichert ist und es schlichtweg an einem Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag fehlt,447 ist in den übrigen Fällen ein sog. „Art.  79 Insurer“ mit der Regulierung der Schadensangelegenheit befasst. Als „Art.  79 Insurer“ fungiert dabei stets derjenige Kfz-Haftpflichtversicherer, welcher dem Unfallverursacher ganz grundsätzlich Kfz-Haftpflichtversicherungsschutz gewährt hat und sich lediglich im konkreten Einzelfall aufgrund einer drittwirkenden versicherungsrechtlichen Einwendung einer Inanspruchnahme aus dem gesetzlichen Direktanspruch erwehren konnte.448 Für den sog. „Art.  79 Insurer“ bliebe freilich kein Raum, wenn die unionsrechtlichen Richtlinienvorgaben in England ordnungsgemäß umgesetzt worden wären – schließlich dürften einem Kfz-Haftpflichtversicherer dann überhaupt keine versicherungsrechtlichen Einwendungen gegen den gesetzlichen Direktanspruch mehr zustehen.449 Eines Rückgriffs des Geschädigten auf den Entschädigungsfonds bedürfte es dann folgerichtig ohnehin nur in Fällen eines gänzlich unversicherten Fahrzeuges. Auf die Art und Weise der Anspruchsgeltendmachung durch den Geschädigten hat die interne Zuständigkeitsverteilung keine Auswirkungen.450 Eine etwaige Klage des Geschädigten zur Durchsetzung eines Anspruchs aus dem Uninsured Drivers Agreement ist boten, abrufbar unter: https://www.mib.org.uk/media/186494/mib_claim_form_v0915.pdf (abgerufen am: 28. Februar 2017). 445  Vgl. die Articles of Association of Motor Insurers’ Bureau in der Fassung vom 29. Juni 2016, abrufbar unter: https://www.mib.org.uk/media/310534/mib-articles-of-association290616.pdf (abgerufen am: 28. Februar 2017; im Folgenden zitiert als: Articles of Associa­ tion). Die Articles of Association bilden gemeinsam mit dem Memorandum of Association of Motor Insurers’ Bureau die Satzung des MIB. 446  Die Befugnis des MIB zur Einschaltung von Stellvertretern ergibt sich aus cl. 1 (3) Uninsured Drivers Agreement 2015 („MIB may perform its obligations under this Agreement by agents.“). 447  Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  281. 448  Vgl. Art.  79 (2) (a) Articles of Association; siehe ferner Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-119; Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  738; Merkin, Insurance Law, S.  299. 449  So explizit Bevan, J.P.I.L. 2014, 136, 151 („A proper application of EU law has no role for an Article 75 insurer. [nunmehr: Article 79 insurer]“). Hierzu noch ausführlich unten unter 3. Teil C.III.5. 450  Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  7-66.

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

– unabhängig davon, wer intern mit der Schadensregulierung betraut ist – stets gegen das MIB als solches zu richten. c) Untraced Drivers Agreement aa) Anwendungsbereich und Voraussetzungen der Leistungspflicht Ursprünglich schützte der englische Geschädigten-Entschädigungsfonds ein Unfallopfer lediglich im Falle der Schädigung durch einen unversicherten, jedoch namentlich bekannten Fahrer, gegen den zunächst ein Schadensersatzurteil zu erwirken war. Angesichts einer befürchteten Missbrauchsgefahr hatte man zunächst bewusst davon Abstand genommen, einem Geschädigten auch bei einer Schädigung durch einen nicht zu ermittelnden Fahrer einen Anspruch gegen das MIB zu gewähren.451 So wurde insbesondere die Besorgnis geäußert, ein Fahrzeugeigentümer könne andernfalls versucht sein, sich durch den Vortrag unrichtiger – jedoch schwerlich nachprüfbarer – Tatsachen452 auf einfache Weise eine kostenlose Reparatur eines eigenverantwortlich beschädigten Kfz zu erschleichen.453 Diese strikte Haltung geriet jedoch im Laufe der Zeit zunehmend in die Kritik, weil sie die berechtigten Interessen aufrichtiger Unfallopfer, die tatsächlich durch einen untraced driver geschädigt wurden, über Gebühr hintanstellte. Die Kritik kulminierte schlussendlich in der Entscheidung Adam v. Andrews aus dem Jahre 1964 in der konkreten Forderung, auch diesen Unfall­ opfern ein Vorgehen gegen das MIB zu ermöglichen.454 Abhilfe schuf schließlich das im Jahre 1969 zwischen dem MIB und der englischen Regierung vereinbarte Untraced Drivers Agreement,455 welches die Entschädigung eines Unfallopfers in Fällen der Schädigung durch einen nicht zu ermittelnden Fahrer garantiert.456 Anders als beim Uninsured Drivers Agreement bedarf es im Rah451  Dies entsprach im Übrigen auch den Empfehlungen des Cassel Committee, vgl. hierzu oben unter 3. Teil C.III.4.a). 452  Z. B. die Beschädigung des eigenen Kfz durch einen Unfallfluchtfahrer (hit-and-run driver). 453  Vgl. Merkin/Steele, Insurance and the Law of Obligations, S.  277. 454  Adams v. Andrews [1964] 2 Lloyd’s Rep 347, 351 f. 455  Die aktuell gültige Vertragsfassung wurde im Jahre 2003 zwischen MIB und englischer Regierung vereinbart und mittlerweile durch mehrere Zusatzvereinbarungen geändert bzw. ergänzt, vgl. hierzu die Supplementary Untraced Drivers Agreements aus den Jahren 2008, 2011, 2013, Juni 2015 sowie Juli 2015. 456  Ursprünglich stellte das Untraced Drivers Agreement eine Entschädigung alleine im Hinblick auf Personenschäden sicher; erst im Untraced Drivers Agreement aus dem Jahre 2003 war erstmals eine (begrenzte) Leistungspflicht des MIB auch für Sachschäden vorgesehen, vgl. Merkin/Steele, Insurance and the Law of Obligations, S.  277; Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  284.

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men des Untraced Drivers Agreement gerade keiner vorherigen Erwirkung eines Schadensersatzurteils im Haftpflichtverhältnis. Essentielle Grundvoraussetzung für einen Anspruch aus dem Untraced Drivers Agreement ist zunächst, dass die Identität des Schädigers tatsächlich unbekannt und zudem auch nicht ermittelbar ist (cl. 4 (1) (d) Untraced Drivers Agreement 2003).457 Die Unkenntnis kann beispielsweise darauf beruhen, dass der Unfallverursacher Fahrerflucht (hit-and-run) begangen oder am Unfallort falsche Personalien angegeben hat.458 Nicht ausreichend ist hingegen die bloße Unkenntnis über den Aufenthaltsort (whereabouts) eines namentlich bekannten Unfallverursachers.459 Weitere Voraussetzung für die Leistungspflicht des MIB ist, dass der Schadenseintritt „has been caused by, or arisen out of, the use of a motor vehicle on a road or other public place in Great Britain“ (cl. 4 (1) (a) Untraced Drivers Agreement 2003). Zudem muss eine fiktive Prüfung der Haftpflichtsituation ergeben, dass der Unfallverursacher – wäre dieser bekannt – dem Geschädigten nach dem englischen Haftungsrecht (Tort Law)460 für den aus der Nutzung des Kfz resultierenden Schaden tatsächlich ersatzpflichtig wäre (cl. 4 (1) (c) Untraced Drivers Agreement 2003).461 In formaler Hinsicht ist schließlich vonnöten, dass der Anspruch gegen das MIB schriftlich (in writing) geltend gemacht wird (cl. 4 (1) (e) Untraced Drivers Agreement 2003) – wobei es im Hinblick auf Personenschäden eine Drei-Jahres- und im Hinblick auf Sachschäden eine Sechs-Jahres-Frist zu beachten gilt, jeweils beginnend mit dem Tag des Unfallereignisses (cl. 4 (1) (f), (3) (a) Untraced Drivers Agreement 2003 iVm s. 11 Limitation Act 1980). Zudem muss der Geschädigte das Unfall­ ereignis innerhalb einer bestimmten Frist der Polizei zur Kenntnis gebracht haben (cl. 4 (1) (f), (3) (c) – (e) Untraced Drivers Agreement 2003). Unter dem Untraced Drivers Agreement 2003 hat das MIB Personenschäden grundsätzlich in vollem Umfang zu ersetzen, während im Hinblick auf Sachschäden eine Haftungshöchstgrenze zu berücksichtigen ist, welche gegenwärtig 1 Mio. £ beträgt. Zudem trifft den Geschädigten bei Sachschäden in jedem Falle ein Selbstbehalt in Höhe von 300 £.462 Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-102. Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-097; Clarke v. Vedel [1979] R.T.R. 26, 28 ff. (Angabe falscher Personalien am Unfallort); weitere Beispiele bei Campbell, J.P.I.L. 2007, 134, 135 ff. 459  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-102. 460  Zum englischen Haftungsrecht siehe oben unter 2. Teil A.II.1.a). 461  MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-125. 462  Cl. 8 (3) iVm cl. 1 (1) Untraced Drivers Agreement 2003. Zu weitergehenden Einschränkungen bezüglich des Ersatzes von Sachschäden siehe sogleich unter 3. Teil C.III.4.c). bb).(2). 457 

458 

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

bb) Begrenzung der Leistungspflicht Die sich aus dem Untraced Drivers Agreement 2003 ergebende Leistungspflicht des MIB erfährt gewisse Beschränkungen. Auffällig sind dabei verstärkte Einwendungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit Sachschäden, welche der Besorgnis um die missbräuchliche Indienstnahme des Untraced Drivers Agreement begegnen sollen.463 (1) Subsidiarität Dem Untraced Drivers Agreement ist zuvorderst eine Subsidiarität der Leistungspflicht des MIB zu entnehmen. Der Subsidiaritätsgedanke findet zunächst darin Ausdruck, dass das MIB den Geschädigten vorrangig an andere – namentlich bekannte – Personen verweisen darf, welche nach den Grundsätzen des englischen Haftungsrechts (Tort Law) neben dem untraced driver für den in Rede stehenden Schaden verantwortlich sind (z. B. weitere Unfallbeteiligte). Eine Leistungspflicht des MIB besteht nicht, sofern und soweit der Unfallgeschädigte von diesen Rechtssubjekten Ersatz seines Schadens erlangen kann (cl. 11 (4), 12 ff. Untraced Drivers Agreement 2003).464 Nach cl. 8 (2) Untraced Drivers Agreement 2003 entfällt der Anspruch gegen das MIB zudem dann, wenn der Schaden des Unfallopfers durch eine Fortzahlung von Lohn und Gehalt ausgeglichen wird. Seit Juli 2015 enthält das Untraced Drivers Agreement neben diesen – weiterhin fortgeltenden – speziellen Subsidiaritätstatbeständen auch eine ganz allgemeine Subsidiaritätsklausel. Danach ist ein Anspruch gegen das MIB ausgeschlossen, sofern und soweit das Verkehrsopfer Ersatz für die erlittenen Schäden von irgendeiner anderen Person („any other person“) erlangt hat oder erlagen könnte (cl. 5 (1) (e) Untraced Drivers Agreement 2003). (2) Weitergehende Leistungseinschränkungen Auch im Rahmen des Untraced Drivers Agreement bestehen jenseits des Subsidiaritätseinwandes weitere Einwendungen zugunsten des MIB,465 welche in weiten Teilen mit den Einwendungstatbeständen des Uninsured Drivers Agreement identisch sind.466 Beschränkungen der Leistungspflicht des MIB, welche Merkin, Insurance Law, S.  300; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-135. Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-139. 465  Vgl. cl. 5, 11 Untraced Drivers Agreement 2003. 466  Merkin/Steele, Insurance and the Law of Obligations, S.  277 f. Z. B. Leistungsausschluss für Schäden resultierend aus einer Fahrzeugnutzung, die mit einem terroristischen Akt in Zusammenhang steht (cl. 5 (1) (d) Untraced Drivers Agreement 2003); Leistungsausschluss für Schäden an einem Kfz des Anspruchstellers, welches zum Unfallzeitpunkt seinerseits unversichert war (cl. 5 (1) (f) Untraced Drivers Agreement 2003). 463 

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im Uninsured Drivers Agreement keine Entsprechung finden, beziehen sich insbesondere auf den Ersatz von Sachschäden, welche das Unfallopfer geltend gemacht hat. So ist ein Anspruch auf Ersatz von Sachschäden von vornherein nur dann gegeben, wenn das MIB aufgrund desselben Unfallereignisses, aus welchem der Sachschaden resultiert, zugleich gegenüber irgendeiner Person zur Ersatzleistung wegen beträchtlicher Personenschäden verpflichtet ist (cl. 5 (1) (a) Untraced Drivers Agreement 2003). Ein beträchtlicher Personenschaden ist dabei jedenfalls dann anzunehmen, wenn für die verletzte Person ein mindestens viertägiger stationärer Klinikaufenthalt erforderlich wird.467 Seit dem Jahr 2013 ist für eine Leistungspflicht des MIB ergänzend erforderlich, dass der Geschädigte satisfactory evidence sowohl für die Tatsache der Sachbeschädigung als auch für die Höhe des Sachschadens erbracht hat (cl. 4 (3) (f) Untraced Drivers Agreement 2003). Für den adäquaten Nachweis der Schadenshöhe ist dabei entweder die Vorlage der Reparaturrechnung (invoice) oder aber die Einreichung eines sich zum Schadensumfang verhaltenen Sachverständigengutachtens (report from a suitably qualified expert) unerlässlich. cc) Schadensregulierung Auch im Rahmen des Untraced Drivers Agreement 2003 muss sich der Geschädigte für die Anspruchsgeltendmachung eines vom MIB veröffentlichten Formblattes bedienen. Die Bearbeitung des Schadensfalles erfolgt sodann stets durch das MIB und dessen Mitarbeiter in eigener Verantwortung.468 Gelangt das MIB nach einer ersten Voruntersuchung der Schadensangelegenheit (preliminary investigation) zu der Überzeugung, dass sich aus dem Untraced Drivers Agreement 2003 kein Anspruch ergibt, so hat es dies dem Geschädigten mitzuteilen und im Übrigen nichts weiter zu veranlassen (cl. 7 (1) (a) Untraced Drivers Agreement 2003).469 Alternativ kann das MIB dem Geschädigten im Anschluss an die preliminary investigation ein Vergleichsangebot (offer to settle the claim) unterbreiten, welches im Interesse der Verfahrensökonomie der möglichst raschen und endgültigen Erledigung der Schadensangelegenheit dienen soll.470 Erklärt der Geschädigte binnen sechs Wochen sein Einverständnis mit dem Vergleichsvorschlag, so ist die Vergleichssumme spätestens 14 Tage später an diesen auszuzahlen. Zugleich sind weitergehende Ansprüche des Geschädigten Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-135. Anders als im Rahmen des Uninsured Drivers Agreement kommt eine Delegation der Schadensregulierung an angeschlossene Kfz-Haftpflichtversicherer nicht in Betracht. 469  Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  740; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23143. 470  Cl. 26, 27 Untraced Drivers Agreement 2003 (sog. accelerated procedure). 467 

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

gegen das MIB im Zusammenhang mit dem konkreten Unfallereignis ausgeschlossen (cl. 27 (2) Untraced Drivers Agreement 2003). Kommt es nach der Vorprüfung hingegen weder zu einer unmittelbaren Zurückweisung des Entschädigungsantrags noch zu einem Vergleichsabschluss, so ist das MIB gehalten, auf eigene Kosten eine vollständige Untersuchung ( full investigation) des angezeigten Schadensereignisses durchzuführen und abschließend unter Berücksichtigung aller verfügbaren Beweise einen umfassenden und ausführlich begründeten Bericht (report) über die potentiellen Ansprüche des geschädigten Unfallopfers anzufertigen (cl. 7 (1) (b) Untraced Drivers Agreement 2003). Auf dessen Grundlage ist dem Entschädigungsantrag des Geschädigten entweder mit einem ablehnenden Bescheid entgegenzutreten oder aber mit einem award zu entsprechen, welcher die exakte Entschädigungssumme ausweist (cl. 7 (2) Untraced Drivers Agreement 2003). Der Geschädigte kann grundsätzlich jede Entscheidung des MIB durch einen Schiedsrichter (arbitrator) überprüfen lassen (cl. 18 ff. Untraced Drivers Agreement 2003) – gleichgültig ob es sich bei der Maßnahme des MIB um die Zurückweisung des Entschädigungsantrags nach der Vorprüfung (preliminary investigation) oder beispielsweise um die abschließende Festsetzung der konkreten Entschädigungssumme in einem award handelt.471 Eine unmittelbare gerichtliche Überprüfung der Entscheidungen des MIB ist hingegen nicht möglich.472 Zur Einleitung des Schiedsverfahrens bedarf es der Einreichung einer begründeten Beschwerde (appeal), die binnen sechs Wochen nach Erlass des für unrichtig erachteten Beschlusses beim MIB eingehen muss. Der jeweils zuständige Schiedsrichter wird vom Secretary of State for Transport im Rotationsprinzip aus den Reihen der Kronanwälte (Queen’s Counsels)473 ernannt. Das Schiedsverfahren selbst wird regelmäßig schriftlich durchgeführt, jedoch haben die Parteien das Recht zur Beantragung einer mündlichen Verhandlung vor dem Schiedsrichter.474 Die abschließende Entscheidung des Schiedsrichters können sowohl der Unfallgeschädigte als auch das MIB entsprechend den Regelungen des Arbitration Act 1996 gerichtlich überprüfen lassen. Jedoch beschränkt sich die Prüfungskompetenz des Gerichts darauf, ob die schiedsrichterliche Ent471  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-145; Merkin, Insurance Law, S.  300 f.; Merkin/ Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  7-96 f. In der Praxis werden regelmäßig nur ungefähr drei Prozent der Entscheidungen des MIB angegriffen, wobei wiederum nur in der Hälfte der Fälle ein abhelfender Schiedsspruch ergeht, vgl. Campbell, J.P.I.L. 2007, 134, 138. 472  Persson v. London Country Buses [1974] 1 W.L.R. 569, 571 ff. 473  Bei den Kronanwälten (Queen’s Counsels bzw. King’s Counsels) handelt es sich regelmäßig um Barristers mit einer besonders hohen Qualifikation, welche vom jeweiligen Monarchen auf Vorschlag des Lord Chancellor explizit in den Rang eines Counsel erhoben werden, vgl. Bernstorff, Einführung, S.  26. 474  Cl. 22 (7) Untraced Drivers Agreement 2003; Merkin, Insurance Law, S.  301.

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scheidung ernsthafte Verstöße (serious irregularities) im Verfahren oder eine fehlerhafte Rechtsanwendung aufweist.475 Etwaige Tatsachenfeststellungen kann das Gericht hingegen nicht in Zweifel ziehen.476 Nach s. 66 Arbitration Act 1996 kann der Schiedsspruch wie ein gerichtliches Urteil vollstreckt werden.

5. Unvereinbarkeit mit unionsrechtlichen Vorgaben im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung Wie eingangs dieses Abschnittes dargelegt, hat man seitens des Europarates sowie der EU sehr weitgehend verbindliche Vorgaben über den zulässigen Umfang versicherungsrechtlicher Einwendungen im Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruchsverhältnis formuliert und insoweit die nationalen Regelungen der Vertrags- respektive Mitgliedstaaten im Interesse des sozialen Drittschutzes präformiert.477 Im deutschen Recht sind die inter- und supranationalen Vorgaben weithin in nicht zu beanstandender Weise umgesetzt.478 Ein konträres Bild zeigt sich hingegen im englischen Recht. Die Umsetzung der – mangels Ratifikation des Straßburger Übereinkommens – alleine maßgeblichen Vorgaben des Unionsrechts in das nationale englische Kfz-Haftpflichtversicherungsrecht ist wenig geglückt und der Befund der Unionsrechtswidrigkeit drängt sich bereits bei flüchtiger Betrachtung nachgerade auf. Angesichts dieses deutlichen Befundes ist es bemerkenswert, dass sich bei den englischen Rechtswissenschaftlern bislang noch kein kollektives Bewusstsein hinsichtlich der Unvereinbarkeit der nationalen Vorschriften mit den EU-Richtlinien eingestellt hat. Im Gegenteil: Noch in jüngerer Vergangenheit haben englische Gerichte – unter fragwürdiger Behandlung und Auslegung von Urteilen des EuGH – den Einwand der Unvereinbarkeit der englischen Rechtslage mit EU-Recht zurückgewiesen.479 Es erscheint ersprießlich, sich im Folgenden – ausgehend vom Befund der Unionsrechtswidrigkeit – eingehender mit der einschlägigen Rechtsprechung und der allgemeinen rechtswissenschaftlichen Diskussion auseinanderzusetzen. Hierdurch lassen sich erhellende und zugleich bedenkliche Vgl. z. B. Elizabeth v. Motor Insurers’ Bureau [1981] R.T.R. 405 (fehlerhafte Rechtsanwendung). 476  Siehe hierzu s. 67 ff. Arbitration Act 1996; ferner Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-145. 477  Hierzu oben unter 3. Teil C.I. 478  Siehe allerdings die unionsrechtlich unzulässige Drittwirkung der Leistungsfreiheit, die sich infolge der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls ergibt (hierzu ausführlich oben unter 3. Teil C.II.2.b).bb)). 479  Näher zu dieser Rechtsprechung unten unter 3. Teil C.III.5.b). Erst in jüngster Zeit zeigen sich Zeichen des Wandels in der Rechtsprechung und damit erste zaghafte Anzeichen von Reformen im englischen Recht, hierzu unten unter 3. Teil C.III.5.c). 475 

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

Rückschlüsse auf den Stellenwert gewinnen, welcher dem Unionsrecht im Vereinigten Königreich ganz offenkundig beigemessen wird. a) Befund der Unionsrechtswidrigkeit Die beiden Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktansprüche des englischen Rechts weisen – ungeachtet der Heterogenität in den Einzelheiten – eine wesentliche Gemeinsamkeit auf. Bei beiden Direktansprüchen ist der Versicherer jeweils in mehr oder weniger großem Umfang berechtigt, sich gegenüber dem Verkehrsopfer auf versicherungsrechtliche Einwendungen zu berufen. Ein vollständiger Ausschluss versicherungsrechtlicher Einwendungen im Direktanspruchsverhältnis existiert jeweils nicht.480 Besonders beachtlich ist dabei der nahezu illimitierte Grundsatz des Einwendungsdurchgriffs im Rahmen des Direktanspruchs aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 – nicht zuletzt, weil dieser Direktanspruch eigentlich gerade der Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben ins englische Recht dienen soll. Dem Unfallgeschädigten steht bei fehlender Durchsetzbarkeit der Direktansprüche infolge einer drittwirkenden versicherungsrechtlichen Einwendung allenfalls ein Anspruch gegen das MIB unter dem Uninsured Drivers Agreement zu, dem jedoch seinerseits diverse und noch umfassendere Einwendungstatbestände entgegengesetzt werden können. Insgesamt ist zu konstatieren, dass das englische Kfz-Haftpflichtversicherungsrecht tendenziell eher die Interessen der Versicherungswirtschaft in den Vordergrund stellt.481 Hierbei konfligiert es mit den verbindlichen Vorgaben des europäischen Richtlinienrechts, welches in stärkerer Weise dem Anliegen des Geschädigten verhaftet ist. Im Wesentlichen lassen sich zwei Anknüpfungspunkte für die Unionsrechtswidrigkeit der englischen Rechtslage ausmachen – nämlich zum einen der allzu große Umfang der einem Haftpflichtversicherer bzw. dem MIB gegenüber dem Unfallopfer zustehenden Einwendungen und zum anderen die Annahme eines falschen Rangverhältnisses zwischen der Haftung des Kfz-Haftpflichtversicherers auf der einen und der Haftung des MIB auf der anderen Seite. aa) Unzulässige Einwendungsdurchgriffe Zunächst sind englische Kfz-Haftpflichtversicherer im Direktanspruchsverhältnis zur Geltendmachung versicherungsrechtlicher Einwendungen berechtigt, denen in den Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien, welche die zulässigen Ein480 

Hierzu ausführlich oben unter 3. Teil C.III.2.b) sowie 3. Teil C.III.3.b). Maßgeblicher Grund hierfür dürfte eine starke und erfolgreiche Lobbyarbeit der englischen Versicherungsbranche sein, vgl. Bevan, J.P.I.L. 2015, 138, 139. 481 

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wendungsdurchgriffe abschließend vorgeben,482 gerade keine Drittwirkung gegenüber den Unfallgeschädigten zugestanden wird. Evident ist dies bei dem in völliger Akzessorietät zum Versicherungsinnenverhältnis stehenden Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002,483 zutreffend jedoch auch beim Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988.484 Auch die privatrechtlichen Vereinbarungen zwischen dem MIB und der englischen Regierung,485 welche in England die Grundlage des Geschädigten-Entschädigungsfonds bilden, beinhalten Einwendungstatbestände zulasten des Unfallopfers, die deutlich über das nach den Richtlinienvorgaben zulässige Maß hinausgehen.486 Bei den Vereinbarungen zwischen MIB und englischer Regierung kommt erschwerend hinzu, dass diese als privatrechtliche Verträge einer richtlinienkonformen Auslegung nach den vom EuGH entwickelten Grundsätzen487 von vornherein nicht zugänglich sein dürften.488 bb) Stellung des Geschädigten-Entschädigungsfonds Aus unionsrechtlicher Warte ist zudem die Bedeutung und Stellung zu monieren, welche dem Geschädigten-Entschädigungsfonds in England im Zusammenhang mit der Gewährleistung des Schutzes von Unfallgeschädigten beigemessen wird. Insoweit wird ganz offensichtlich der Auffassung zugesprochen, 482 

Vgl. hierzu oben unter 3. Teil C.I.2. So auch Bevan, N.L.J. 2013, 130, 131: „Where Regulation 3 [European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002] qualifies the direct right, by restricting it to the assured’s contractual entitlement, this is clearly not permitted by the Directives (…)“ (kursive Hervorhebung durch Verfasser). 484  Vgl. z. B. nur die Möglichkeit des Versicherers, dem Geschädigten die sich aus der Verletzung einer vorvertraglichen Anzeigepflicht ergebende Leistungsfreiheit entgegenzuhalten (s. 152 (2) – (5) Road Traffic Act 1988). 485 D.h. Uninsured Drivers Agreement 2015 sowie Untraced Drivers Agreement 2003. 486  Hierzu ausführlich Bevan, J.P.I.L. 2015, 138, 147; Bevan, N.L.J. 2013, 193, 193 ff. 487  EuGH v. 13. November 1990, Rs. C-106/89 (Marleasing), Slg. 1990, I-4156, 4156 ff.; EuGH v. 05. Oktober 2004, Verbundene Rs. C-397/01 bis 403/01 (Pfeiffer u. a. / Deutsches Rotes Kreuz), Slg. 2004, I-8878, 8917 [Rn.  113]. 488  So jedenfalls White v. White [2001] 1 W.L.R. 481, 487 f.; a. A. Quigley, J.P.I.L. 2001, 422, 426 f. Auch eine unmittelbare Wirkung (direct effect) der Richtlinie gegenüber dem MIB kommt nicht in Betracht, weil es sich bei dem MIB als privatrechtlichem Rechtssubjekt nach herrschender Auffassung nicht um ein „emanation of the state“ („Verkörperung des Staates“) handelt, was jedoch eine essentielle Voraussetzung für eine Direktwirkung darstellt: Byrne v. Motor Insurers’s Bureau [2008] EWCA Civ 574; MacDonald Eggers in Chitty on Contracts, Vol. II, Rn.  42-125 [Fn.  894]; anders jedoch in der Republik Irland, wo die Gerichte dem dortigen Träger des Entschädigungsfonds (MIBI), der mit dem englischen MIB vergleichbar ist, den Charakter eines „emanation of the state“ beilegen, vgl. Farrell v. Whitty and MIBI [2008] IEHC 124. 483 

330

C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

den Anforderungen des EU-Normgebers sei unabhängig davon entsprochen, ob die Entschädigung des Unfallopfers über einen Direktanspruch gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer oder aber über einen Anspruch gegen das MIB gewährleistet werde. Die gesetzlichen Direktansprüche sowie die privatrechtlichen Vereinbarungen zwischen MIB und englischer Regierung werden als eine sich ergänzende Einheit verstanden, welche erst gemeinsam den Anforderungen der Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien entsprechen. Mithin wird es für unschädlich erachtet, wenn einem Direktanspruch versicherungsrechtliche Einwendungen entgegengehalten werden können, sofern der Geschädigte in diesem Falle das MIB in Anspruch nehmen kann.489 Zwar ist zuzugeben, dass der europäische Rechtsakt der Richtlinie in erster Linie alleine hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlicher Natur ist, wohingegen den Mitgliedstaaten grundsätzlich die Wahl der Formen und Mittel zur Erreichung des intendierten Zwecks zusteht (vgl. insoweit Art.  288 Abs.  3 AEUV). Dem prinzipiell rahmenartigen Charakter einer Richtlinie steht indes eine punktuelle normative Verdichtung durch den EU-Gesetzgeber hinsichtlich der konkret von den Mitgliedstaaten zu ergreifenden Maßnahmen nicht entgegen.490 In den maßgeblichen Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien wird freilich der Verweisung des Geschädigten an den Entschädigungsfonds zwingend der Charakter einer allerletzten Maßnahme (measure of last resort) beigelegt und somit auch der von den Mitgliedstaaten zu beschreitende Weg zur Erreichung des den Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien immanenten Ziels unionsrechtlich vorbestimmt.491 Hiermit steht jedoch die – in England prädominierende – Annahme einer Gleichwertigkeit der Haftung von Kfz-Haftpflichtversicherern im Rahmen eines Direktanspruchs sowie der Haftung des MIB auf Grundlage der vertraglichen Vereinbarungen mit der englischen Regierung492 in diametralem

Vgl. EUI Ltd v. Bristol Alliance Limited Partnership [2012] EWCA Civ 1267 [Rn.  68], per Ward LJ: „Thus in my judgment the scheme of the Act [Road Traffic Act 1988] coupled with the MIB arrangements satisfy the aim and the spirit of the Directive to ‚enable third party victims of accidents caused by vehicles to be compensated for all damage to property and personal injuries sustained by them‘ (…)“ (kursive Hervorhebung durch Verfasser); so bereits Silverton v. Goodall [1997] P.I.Q.R. 451, 463, per Sir Ralph Gibson: „The structure of our statute law under the Act of 1988 [Road Traffic Act 1988], together with the terms of the MIB Agreements, provide, in my judgment, laws, regulations and administrative provisions which satisfy the requirements of the Directives“ (kursive Hervorhebung durch Verfasser). Selbst in der jüngsten Entscheidung Delaney v. Secretary of State for Transport [2015] EWCA Civ 172 [Rn.  33] scheint diesem Verständnis (noch) zugesprochen zu werden. 490  Ruffert in Callies/Ruffert, Art.  288 AEUV Rn.  25. 491  Hierzu oben unter 3. Teil C.I.2. 492  Uninsured Drivers Agreement 2015 / Untraced Drivers Agreement 2003. 489 

III. England

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Gegensatz.493 Den Richtlinienvorgaben wäre somit nur genügt, wenn durch geeignete Maßnahmen (v. a. umfassender Einwendungsausschluss im Direktanspruchsverhältnis) sichergestellt wäre, dass es eines Rückgriffs auf das MIB lediglich in den Fällen bedarf, in welchen es von vornherein an einem Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag fehlt. b) Bedenkliche Entscheidungen des Court of Appeal In Anbetracht der deutlichen Evidenz der Unionsrechtswidrigkeit ist es überaus verwunderlich, dass der englische Court of Appeal in drei bemerkenswerten – zeitlich nicht allzu lange zurückliegenden – Entscheidungen den Einwand der Unvereinbarkeit der englischen Rechtslage mit dem Recht der Europäischen Union zurückgewiesen und die derzeitige englische Rechtspraxis gebilligt hat.494 aa) Silverton v. Goodall495 Im Jahre 1997 hatte sich der Court of Appeal in einem Berufungsverfahren mit dem Einwand der Berufungsklägerin auseinanderzusetzen, die im Uninsured Drivers Agreement als condition precedent ausgestaltete Obliegenheit des Geschädigten zur Anzeige der Einleitung eines Schadensersatzprozesses verstoße gegen die Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien, so dass das MIB aus deren Verletzung keine Leistungsfreiheit herleiten könne.496 Der Court of Appeal wies diesen Einwand energisch zurück.497 Aus dem maßgeblichen Unionsrecht und den daraus zu derivierenden Prinzipien könne unmöglich auf die Unwirksamkeit der betreffenden Klausel geschlossen werden. Das Gericht blieb freilich eine nähere Begründung schuldig. Bemerkenswert ist insofern, dass sich der Court of Appeal argumentativ auf den schlichten Hinweis beschränkte, dass das englische Kfz-Haftpflichtversicherungsrecht in seiner Gesamtheit (d. h. mit den Regelungen des Road Traffic Act sowie den Vereinbarungen des MIB mit der englischen Regierung) den Anforderungen der Richtlinien genüge. Die Überzeugungskraft dieses Arguments wurde bereits hinlänglich erörtert und konnte widerlegt werden.498 So auch Bevan, J.P.I.L. 2013, 151, 160; Bevan, J.P.I.L. 2014, 136, 146 f., 151. Vgl. aber auch die Entscheidung Churchill Insurance Co Ltd v. Wilkinson and Evans v. Equity Claims Ltd [2010] EWCA Civ 556, wo Zweifel des Gerichts an der Vereinbarkeit mit Unionsrecht zu einem Vorabentscheidungsverfahren nach Art.  267 AEUV geführt haben. 495  Silverton v. Goodall [1997] P.I.Q.R. 451, 451 ff. 496  Zur Argumentation der Berufungsklägerin siehe Silverton v. Goodall [1997] P.I.Q.R. 451, 457 ff. 497  Silverton v. Goodall [1997] P.I.Q.R. 451, 462 f. 498  Hierzu oben unter 3. Teil C.III.5.a).bb). 493 

494 

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

bb) Delaney v. Pickett499 In der Rechtssache Delaney v. Pickett aus dem Jahre 2011 hatte der Court of Appeal über einen Anspruch zu befinden, den der geschädigte Insasse eines von einem Bekannten gesteuerten Unfallfahrzeuges gegen das MIB unter dem Uninsured Drivers Agreement 1999 geltend machte. Es stand dabei außer Streit, dass der Unfall auf einem fahrlässigen Verhalten des Bekannten beruhte, der bei überhöhter Geschwindigkeit einen riskanten und letztlich misslungenen Überholvorgang eingeleitet hatte. Der zugrundeliegende Sachverhalt wies jedoch zwei Besonderheiten auf. Zum einen hatte es der Unfallfahrer bei Abschluss des Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrages versäumt, auf seinen regelmäßigen Cannabiskonsum hinzuweisen,500 so dass der Kfz-Haftpflichtversicherer den Versicherungsvertrag in der Folge wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht rückwirkend (ex tunc) aufgelöst hatte.501 Zum anderen fand man in der Kleidung beider Fahrzeuginsassen Cannabis in nicht geringer Menge und das Gericht erachtete es für überwiegend wahrscheinlich, dass die Unfallfahrt von beiden Insassen zum Zwecke der Auslieferung der Droge und somit im Zusammenhang mit strafbarem Drogenhandel (drug trafficking) unternommen worden war. Während der Kfz-Haftpflichtversicherer dem Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 den Einwand der rückwirkenden Auflösung des Haftpflichtversicherungsvertrages entgegensetzte, negierte das MIB seine Leistungspflicht unter Berufung auf cl. 6 (1) (e) (iii) Uninsured Drivers Agreement 1999. Nach dieser Vertragsbestimmung war das MIB nicht zur Entschädigung eines geschädigten Passagiers verpflichtet, wenn das Fahrzeug im Unfallzeitpunkt zum Zwecke der Ausführung oder Förderung einer Straftat genutzt wurde und der Passagier um diesen Umstand wusste oder zumindest hätte wissen können.502 In der Ausgangsinstanz (County Court) hatte der Richter die Klage des Geschädigten unter schlichter Subsumtion unter cl. 6 (1) (e) (iii) Uninsured Delaney v. Pickett [2012] 1 W.L.R. 2149, 2149 ff. Daneben hatte der Unfallverursacher bei Abschluss des Haftpflichtversicherungsvertrages auch nicht darauf aufmerksam gemacht, dass er sowohl an Diabetes als auch an Depressionen litt. 501  Seine Berechtigung zur Vertragsaufhebung infolge der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht hatte der Kfz-Haftpflichtversicherer in einem separaten gerichtlichen Verfahren feststellen lassen (vgl. s. 152 (2) – (5) Road Traffic Act 1988). 502  Cl. 6 (1) (e) (iii) Uninsured Drivers Agreement 1999: „Clause 5 does not apply in the case of an application made in respect of a claim of any of the following descriptions: (…) a claim which is made in respect of a relevant liability described in paragraph (2) by a claimant who, at the time of the use giving rise to the relevant liability was voluntarily allowing himself to be carried in the vehicle and (…) knew or ought to have known that (…) the vehicle was being used in the course or furtherance of a crime“ (kursive Hervorhebung durch Verfasser). 499 

500 

III. England

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Drivers Agreement 1999 abgewiesen – ohne dabei europarechtliche Aspekte auch nur zu erwähnen. In einer Mehrheitsentscheidung bestätigte der Court of Appeal das erstin­ stanzliche Urteil. Anders als die Ausgangsentscheidung verhält sich das Berufungsurteil jedoch auch zu europarechtlichen Gesichtspunkten – wenngleich die insoweit getätigten Ausführungen in keiner Weise überzeugen können. Zu kritisieren ist zunächst, dass das Gericht offensichtlich keinerlei Anstoß daran nahm, dass der Kfz-Haftpflichtversicherer die Erfüllung des Direktanspruchs unter Berufung darauf verweigerte, dass er den Haftpflichtversicherungsvertrag infolge der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht rückwirkend aufgelöst hatte.503 Der Court of Appeal begnügte sich vielmehr mit der schlichten Feststellung: „He [the driver] did have an insurance policy but this was avoided by the insurers for material non-disclosure. That is why the claimant needs to fall back on the MIB agreement.“504 Hier verkennt der Court of Appeal, dass der gesetzliche Direktanspruch gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer notwendigerweise mit einem umfassenden Einwendungsausschluss zu flankieren ist und der Rückgriff auf den Entschädigungsfonds lediglich als „measure of last resort“ in Betracht kommt.505 Aus europarechtlicher Perspektive bedenklich sind ferner die Ausführungen, welche das Berufungsgericht sodann im Hinblick auf den Einwendungstatbestand des cl. 6 (1) (e) (iii) Uninsured Drivers Agreement 1999 getätigt hat. Zwar erkennt das Gericht bei Erörterung der tatbestandlichen Einschlägigkeit dieser Klausel zunächst zutreffend, dass die Regelungen des Uninsured Drivers Agreement allgemein der Umsetzung der Vorgaben dienen, welche die Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien in Bezug auf den Geschädigten-Entschädigungsfonds aufstellen. Es vertritt jedoch irrtümlich die Auffassung, den Richtlinien keine Hinweise für die Lösung des konkreten Falles entnehmen zu können – denn schließlich verhielten sich die EU-Richtlinien nun einmal nicht zu einem etwaigen Leistungsausschluss des Entschädigungsfonds bei einer Fahrzeugnutzung im Zusammenhang mit einer Straftat.506 Anstatt aus dieser Feststellung vor dem Hintergrund der – leider nicht erörterten – Rechtsprechung des EuGH richtigerweise die Unzulässigkeit des besagten So auch Bevan, J.P.I.L. 2014, 136, 138. Delaney v. Pickett [2012] 1 W.L.R. 2149, 2172 [Rn.  65]. 505  Bevan, J.P.I.L. 2012, C91, C93; Bevan, J.P.I.L. 2014, 136, 142 f. 506  Vgl. Delaney v. Pickett [2012] 1 W.L.R. 2149, 2172 [Rn.  67], per Richards LJ: „Although in general terms the MIB Agreement is intended to give effect to EC Directives on motor insurance, currently Directive 2009/103/EC, the Directives give only limited assistance in this case. That is because they contain no provision corresponding even broadly to clause 6 (1) (e) or allowing on the face of it for an exclusion of the kind it contains. No point ist taken as to the compatibility of clause 6 (1) (e) with the Directives, and for the purposes of these proceedings it falls to be applied as a valid exclusion“. 503 

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

Einwendungstatbestandes zu konkludieren,507 bescheidet sich der Court of Appeal sodann mit dem fragwürdigen Hinweis, die Vereinbarkeit des Einwendungstatbestandes mit den unionsrechtlichen Vorgaben sei von den Prozessparteien ohnehin nicht gerügt worden, und geht in der Folge von der Wirksamkeit der Klausel aus.508 Dieses gerichtliche Verhalten ist angesichts des – aus der allgemeinen Loyalitätspflicht des Art.  4 Abs.  3 EUV abzuleitenden – unionsrechtlichen Gebotes an die mitgliedstaatlichen Rechtsanwender, dem Gemeinschaftsrecht in den nationalen Rechtsordnungen in effektiver Weise Geltung zu verschaffen, nicht zu rechtfertigen. Glücklicherweise sollte mit der fehlerhaften Entscheidung des Court of Ap­ peal noch nicht das letzte Wort in dieser Angelegenheit gesprochen sein. In einem durch den Unfallgeschädigten nach Konsultierung einer neuen Anwaltssozietät im November 2012 angestrengten Prozess gegen den Secretary of State for Transport, in welchem der Geschädigte Schadensersatz nach den in der Francovich-Entscheidung des EuGH509 entwickelten Grundsätzen begehrte, wurde letztlich doch noch die Unvereinbarkeit des Einwendungstatbestandes mit dem Unionsrecht festgestellt und die englische Regierung folgerichtig – nach Bejahung eines hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen EU-Recht – zum Schadensersatz verurteilt.510 Der Entscheidung in der Rechtssache Delaney v. Secretary of State for Transport511 wird bisweilen der Charakter eines „game changer“ bei der Beurteilung der geschädigtenschützenden Vorschriften des englischen Kfz-Haftpflichtversicherungsrechts zugeschrieben, welcher zukünftig tausenden unfallgeschädigten Klägern – im Einklang mit der Zielsetzung der EU-Richtlinien – eine angemessene Entschädigung verheißen könne.512

507  Oder zumindest ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art.  267 AEUV zwecks Eruierung der Vereinbarkeit der englischen Rechtslage mit dem Unionsrecht anzustrengen. 508  Allein Richter Ward plädierte in einem Minderheitsvotum vor dem Hintergrund der Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien zumindest für eine restriktive Auslegung des Einwendungstatbestandes (Erfordernis eines „serious crime“), so dass er in der Konsequenz dessen tatbestandliche Einschlägigkeit verneinte. Die Wirksamkeit der Klausel als solche stellte jedoch auch Ward nicht in Frage, vgl. Delaney v. Pickett [2012] 1 W.L.R. 2149, 2151 ff. 509  EuGH v. 19. November 1991, Verbundene Rs. C-6/90 und C-9/90 (Andrea Francovich u. a. / Italienische Republik), Slg. 1991, I-5403, 5403 ff. 510  Hierzu noch ausführlich unten unter 3. Teil C.III.5.c).aa). 511  High Court of Justice: Delaney v. Secretary of State for Transport [2014] EWHC 1785 (QB); Court of Appeal: Delaney v. Secretary of State for Transport [2015] EWCA Civ 172. 512 So Bevan, J.P.I.L. 2014, 136, 137; hierzu näher unten unter 3. Teil C.III.5.c).bb).

III. England

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cc) EUI Ltd v. Bristol Alliance Limited Partnership513 Eine weitere europarechtlich bedenkliche Entscheidung traf der Court of Ap­ peal – ebenfalls im Jahr 2011 – in dem Verfahren EUI Ltd v. Bristol Alliance Limited Partnership. Unglücklicherweise hat das Berufungsgericht dabei ein erfreulich richtiges Urteil des Ausgangsgerichts (High Court of Justice) abgeändert und den Sachverhalt erst dadurch einer rechtlich unhaltbaren Lösung zugeführt. Gegenstand des Falles war ein Unfallereignis, welches ein depressiver PKW-Fahrer in suizidaler Absicht vorsätzlich herbeigeführt und das einen erheblichen Sachschaden an der Glasfassade eines Geschäftshauses bewirkt hatte. Nachdem der Sachversicherer des Gebäudeeigentümers – die Bristol Alliance Limited Partnership – die Reparaturkosten beglichen hatte, wollte das Sachversicherungsunternehmen den zum Zwecke des Regresses übergegangenen Schadensersatzanspruch realisieren. Nach Erwirkung eines Schadensersatzurteils gegen den überlebenden, jedoch mittellosen Unfallfahrer kam es zwischen dem Sachversicherer und dem Kfz-Haftpflichtversicherer zum Disput, ob für letzteren eine Verpflichtung aus s. 151 Road Traffic Act 1988 zur Begleichung der ausgeurteilten Schadensersatzsumme bestand. Der Kfz-Haftpflichtversicherer widersetzte sich dem Leistungsbegehren unter Berufung auf eine Versicherungsvertragsklausel, welche Schadensersatzansprüche resultierend aus einem vorsätzlich herbeigeführten Unfallereignis explizit vom Deckungsschutz ausnahm. Das Gericht hatte folgerichtig – als preliminary issue – die rechtliche Wirksamkeit der Vertragsklausel im Verhältnis zu Dritten zu eruieren.514 Der High Court of Justice gelangte zu dem Ergebnis, dass der versicherungsvertraglich für den Fall der vorsätzlichen Unfallherbeiführung vereinbarte Risikoausschluss keine Drittwirkung entfalte und einem auf s. 151 Road Traffic Act 1988 gestützten Leistungsbegehren nicht entgegengehalten werden könne. Insofern maß der High Court of Justice der Auflistung unzulässiger Versicherungsvertragsklauseln in s. 148 (2) Road Traffic Act 1988 keine erschöpfende Bedeutung bei. Zur Begründung rekurrierte das Gericht in erster Linie auf das englische Recht und die hierzu ergangene Rechtsprechung. Der Ausschluss der Drittwirkung trage dem – den Vorschriften der s. 143 ff. Road Traffic Act 1988 513  High Court of Justice: EUI Ltd v. Bristol Alliance Limited Partnership [2011] EWHC 1657 (QB); Court of Appeal: EUI Ltd v. Bristol Alliance Limited Partnership [2012] EWCA Civ 1267. 514  Für den Sachversicherer war die Frage der Leistungspflicht des Kfz-Haftpflichtversicherers von essentieller Bedeutsamkeit, weil auch ein Rückgriff auf das MIB für den aus übergegangenem Recht vorgehenden Sachversicherer wegen cl. 6 (1) (c) (ii) Uninsured Drivers Agreement 1999 keinen Erfolg versprach. Freilich dürfte auch diese Klausel des Uninsured Drivers Agreement mit den Richtlinienvorgaben nicht vereinbar sein, vgl. hierzu Bevan, J.P.I.L. 2013, 151, 160.

336

C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

zugrundeliegenden – gesetzgeberischen Ziel des Geschädigtenschutzes am besten und effektivsten Rechnung.515 Lediglich hilfsweise stützte der High Court of Justice sein Urteil auf Erwägungen zum Unionsrecht,516 die freilich uneingeschränkt zu überzeugen wissen. Der High Court of Justice kam dabei zunächst zu der erfrischend klaren Feststellung, dass die Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien im Lichte der Rechtsprechung des EuGH (v. a. Bernáldez) im Interesse des Opferschutzes einen umfassenden Ausschluss versicherungsrechtlicher Einwendungen vorschreiben. Überdies ging der High Court zutreffend davon aus, bei der Rechtsanwendung und Auslegung nationaler Gesetze, welche der Umsetzung einer europäischen Richtlinie dienen, dazu verpflichtet zu sein, den Zwecken der Richtlinie möglichst weitgehend Geltung zu verschaffen. Folgerichtig konkludierte das Gericht, dass die nationalen Vorschriften über den Direktanspruch richtlinienkonform dahingehend auszulegen sind, dass sie einer Versicherungsvertragsklausel, welche für den Fall der vorsätzlichen Versicherungsfallherbeiführung Leistungsfreiheit vorsieht, die Drittwirkung versagen. Auf die Berufung des Kfz-Haftpflichtversicherers hob der Court of Appeal die Entscheidung der Ausgangsinstanz bedauerlicherweise auf und plädierte für die Wirksamkeit der exception auch im Direktanspruchsverhältnis – wobei er sich insbesondere gegen die hilfsweisen Ausführungen des Ausgangsgerichts zum EU-Recht wandte.517 In einer überaus aufschlussreichen Bemerkung wies der Court of Appeal zwar zunächst darauf hin, dass der englischen Rechtslage und der bisherigen englischen Rechtspraxis in der Tat eine Unionsrechtswidrigkeit zu attestieren sei, wolle man dem EuGH-Urteil in der Rechtssache Bernáldez tatsächlich das allgemeine Gebot eines umfassenden Ausschlusses versicherungsrechtlicher Einwendungen entnehmen. Jedoch negierte der Court of Ap­ peal mit höchst fragwürdigen und letztlich eher bemüht wirkenden Argumenten einen solchen allgemeinen Charakter der EuGH-Entscheidung. So machte das Berufungsgericht zunächst darauf aufmerksam, dass bei bestimmten versicherungsrechtlichen Einwendungen – wie beispielsweise die Beschränkung des Haftpflichtversicherungsschutzes auf die Fahrzeugnutzung zu „social, domestic or pleasure purposes“ – die Zulässigkeit einer Drittwirkung im englischen Recht zu keiner Zeit bezweifelt wurde. Durch ein verallgemeinertes Verständnis der Bernáldez-Entscheidung sei eine Drittwirkung dieser Einwendungen jedoch plötzlich unverständlicherweise unzulässig.518 Es gleicht indes einem circulus vitiosus, wenn man zum Nachweis einer Vereinbarkeit des englischen Rechts EUI Ltd v. Bristol Alliance Limited Partnership [2011] EWHC 1657 (QB) [Rn.  52 ff.]. EUI Ltd v. Bristol Alliance Limited Partnership [2011] EWHC 1657 (QB) [Rn.  58 ff.]. 517  EUI Ltd v. Bristol Alliance Limited Partnership [2012] EWCA Civ 1267 [Rn.  57 ff.]. 518  EUI Ltd v. Bristol Alliance Limited Partnership [2012] EWCA Civ 1267 [Rn.  65]. 515  516 

III. England

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mit Unionsrecht eine zweifellos mit den Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien unvereinbare englische Rechtspraxis heranzieht. Ferner führte der Court of Appeal zu Argumentationszwecken an, den Zielen der Richtlinie werde in England – ohne dass dies rechtlich zu beanstanden wäre – erst durch die Kombination des Direktanspruchs gegen den Haftpflichtversicherer einerseits und den MIB-Agreements andererseits Rechnung getragen. Mithin bestünde aber auch kein Bedürfnis, die Entscheidung in der Rechtssache Bernáldez dahingehend zu verstehen, dass sie dem Kfz-Haftpflichtversicherer gegenüber dem Geschädigten schlechthin die Berufung auf versicherungsrechtliche Einwendungen versagt – schließlich könne sich jener ja immer noch an den Geschädigten-Entschädigungsfonds wenden.519 Freilich wurde die Unzulässigkeit einer solchen Argumentation bereits sehr ausführlich dargelegt.520 Auf die Urteile des EuGH, welche die in der Rechtssache Bernáldez statuierten Grundsätze wiederholt bekräftigten,521 ging der Court of Appeal schon gar nicht mehr ein. Insgesamt kann man sich kaum des Eindrucks erwehren, dass das Berufungsgericht gewillt war, die Feststellung der Unvereinbarkeit der englischen Regelungen mit unionsrechtlichen Vorgaben unter allen Umständen zu vermeiden. Hierbei mag sicherlich auch das Bewusstsein eine Rolle gespielt haben, dass andernfalls eine große Vielzahl von Fällen falsch entschieden wurde und die praktischen Konsequenzen dessen faktisch nicht kalkulierbar erschienen. dd) Fazit Lässt man die soeben dargelegten Gerichtsentscheidungen Revue passieren, so ist nicht zu leugnen, dass die Bedeutung des Unionsrechts mit seinem grundsätzlichen Anwendungsvorrang gegenüber dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten keineswegs in wünschenswertem Umfang im Bewusstsein der englischen Richterschaft verankert ist. Die Fälle haben vielmehr gezeigt, dass dem Unionsrecht oftmals lediglich beiläufig Beachtung geschenkt wird, ohne es als integralen und zwingenden Bestandteil des nationalen englischen Rechts anzuerkennen, dem möglichst weitgehend Geltung zu verschaffen ist. Insoweit liegt die Vermutung einer mangelnden Vertrautheit mit der Rechtsmaterie des Europarechts durchaus nahe. Zudem drängt sich bisweilen der Eindruck auf, die Gerichte scheuten ganz bewusst davor zurück, den Befund der Unvereinbarkeit des englischen Kfz-Haftpflichtversicherungsrechts mit den Vorgaben der Kraft519  EUI Ltd v. Bristol Alliance Limited Partnership [2012] EWCA Civ 1267 [Rn.  68]; eine ähnliche Argumentation zeigte sich bereits in der Entscheidung Silverton v. Goodall [1997] P.I.Q.R. 451, 451 ff., 451 ff., vgl. dazu oben unter 3. Teil C.III.5.b).aa). 520  Siehe hierzu oben unter 3. Teil C.III.5.a).bb). 521  Zu diesen siehe oben unter 3. Teil C.I.2.b).

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

fahrzeughaftpflicht-Richtlinien der EU zu stellen. Auch eine gewisse Skepsis gegenüber den Vorgaben aus Brüssel mag hierin mitschwingen. c) Wandel in der Rechtsprechung und erste Reformen aa) Delaney v. Secretary of State for Transport Erfreulicherweise finden sich in der englischen Literatur Autoren, welche den soeben dargelegten Gerichtsentscheidungen mit der zweifelsfrei gebotenen Skepsis begegnen.522 Dabei wird teilweise auch mit deutlichen Worten die Unionsrechtswidrigkeit der englischen Rechtslage sowie der hierzu ergangenen Rechtsprechung konstatiert und die Notwendigkeit einer raschen und radikalen Gesetzesreform offen und vehement angemahnt.523 Möglicherweise hat diese Kritik nunmehr erste Wirkung gezeitigt. Jedenfalls lässt ein unlängst ergangenes Urteil des Court of Appeal Zeichen des Wandels in der judikativen Beurteilung der europäischen Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien sowie der dazugehörigen EuGH-Rechtsprechung und damit einhergehend in der Würdigung der Unionsrechtsverträglichkeit der englischen Rechtslage erkennen. In der bereits erwähnten Rechtssache Delaney v. Secretary of State for Transport ist der Court of Appeal zumindest in Teilen von seinen bisherigen Überzeugungen abgerückt. Nunmehr erkennt der Court of Appeal den allgemeinen Charakter der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Bernáldez vollumfänglich an. Folgerichtig gelangt das Gericht zu der korrekten Einsicht, dass die gegenüber dem geschädigten Unfallopfer zulässigen Einwendungstatbestände in den Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien abschließend vorgegeben werden.524 Bedauerlicherweise hat es der Court of Appeal jedoch versäumt, darüber hinaus mit der in England prädominierenden, jedoch zweifellos unzutreffenden Sichtweise über die Stellung des Geschädigten-Entschädigungsfonds aufzuräumen. Auch weiterhin hängt das Gericht ersichtlich der irrigen Auffassung525 an, die Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie stelle es dem freien Belieben Siehe z. B. Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  1-17 und Rn.  5-187. In konstruktiver Kritik besonders hervorgetan hat sich Bevan, der mit Beharrlichkeit auf die Unvereinbarkeit der englischen Vorschriften mit EU-Recht aufmerksam macht und die staatlichen Organe auf ihre aus der Loyalitätspflicht gegenüber der EU (Art.  4 Abs.  3 EUV) erwachsende Pflicht zur effektiven Umsetzung und Gewährleistung des Unionsrechts hinweist, vgl. nur Bevan, J.P.I.L. 2011, 39 ff., 123 ff.; Bevan, J.P.I.L. 2013, 151, 151 ff. Siehe ferner Tomkins, J.P.I.L. 2015, C169, C174. 524  Delaney v. Secretary of State for Transport [2015] EWCA Civ 172 [Rn.  33 unter (iv)]; Bevan, N.L.J. 2015, 7, 7: „In essence, Delaney [d. h. Delaney v. Secretary of State for Transport] confirms the general applicability of the Bernáldez ratio. This is fairly sensational (…)“; Bevan, J.P.I.L. 2015, 138, 143. 525  Hierzu ausführlich oben unter 3. Teil C.III.5.a).bb). 522 

523 

III. England

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des nationalen Gesetzgebers anheim, ob der Geschädigtenschutz durch Gewährung eines Direktanspruchs gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer oder durch Verweisung an den Entschädigungsfonds verwirklicht werden solle.526 Der Versuch des Court of Appeal, die Zulässigkeit einer solchen Sichtweise aus Äußerungen des Generalanwalts in der Rechtssache Bernáldez abzuleiten, kann nicht überzeugen. Zum einen bleibt zu berücksichtigen, dass nicht der Schlussantrag des Generalanwalts, sondern alleine die Entscheidung des EuGH verbindliche Aussagen zum Verständnis des Unionsrechts trifft. Zum anderen waren die Ausführungen des Generalanwalts im Schlussantrag, auf welche der Court of Appeal Bezug nimmt, ohnehin lediglich für den hypothetischen Fall getätigt, dass der Gerichtshof zugunsten der Kfz-Haftpflichtversicherer Einwendungsdurchgriffe jenseits der in den Richtlinien vorgesehenen Fallgruppen billigen würde.527 Bekanntermaßen hat der EuGH anders entschieden und nun einmal den Vorrang der Leistungspflicht des Kfz-Haftpflichtversicherers statuiert, der durch einen umfassenden Einwendungsausschluss abzusichern ist.528 Mithin ist der Court of Appeal in Delaney v. Secretary of State for Transport in seinen Schlussfolgerungen zur Unionsrechtswidrigkeit des englischen Kfz-Haftpflichtversicherungsrechts auf halbem Wege stehen geblieben. Bislang beschränkt sich die judikative Einsicht der Unionsrechtswidrigkeit auf die weitreichenden Einwendungstatbestände im Road Traffic Act 1988 sowie in den Vereinbarungen zwischen dem MIB und der englischen Regierung, welche über die in der Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie abschließend aufgelisteten Fallgruppen hinausgehen. Dies ändert freilich nichts daran, dass die Entscheidung eine enorme Brisanz besitzt und angesichts der potentiellen Auswirkungen auf die englische Rechtslage529 durchaus als Wendepunkt bezeichnet werden kann.

526  Delaney v. Secretary of State for Transport [2015] EWCA Civ 172 [Rn.  33 unter (viii)]; ausführlich bereits der High Court of Justice, der dies aus Ausführungen des GA Lenz in der Entscheidung „Bernáldez“ ableitet, vgl. Delaney v. Secretary of State for Transport [2014] EWHC 1785 (QB) [Rn.  39], per Jay J: „The third point I derive from these paragraphs of Advocate General Lenz’s opinion is that, although the scheme of the Second Directive is such that the insurer (if it exists) and not the national body should pay compensation, provided that the system as a whole ensures complete protection for victims there may be no objection in principle to the national body having an enhanced role. This is exactly the position which obtains in this jurisdiction on account of s. 152 (2) of the Road Traffic Act 1988“. 527  Schlussanträge des GA Lenz v. 25. Januar 1996, Rs. C-129/94 (Bernáldez), Slg. 1996, 1831, 1831 ff. [Rn.  43 ff., v. a. Rn.  44]. 528  Hierzu ausführlich oben unter 3. Teil C.I.2. 529  Hierzu sogleich unter 3. Teil C.III.5.c).bb).

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

bb) Auswirkungen der Entscheidung Zweifelsohne wohnt der Entscheidung des Court of Appeal im Verfahren Delaney v. Secretary of State for Transport das Potential inne, im Bereich des englischen Kfz-Haftpflichtversicherungsrechts weitreichende gesetzgeberische Änderungen herbeizuführen.530 Diese könnten letztlich zu einer deutlichen Verbesserung der Rechtsstellung von Straßenverkehrsgeschädigten führen.531 Der englische Gesetzgeber sieht sich infolge der Entscheidung des Court of Appeal in einer misslichen Situation. Entweder er vollzieht – unter dem Einbekenntnis bisheriger eklatanter Versäumnisse – umfangreiche gesetzliche Reformen mit der Beseitigung einer Vielzahl von richtlinienrechtlich unstatthaften Einwendungstatbeständen, wobei er sich sicherlich eines massiven Widerstandes der Versicherungslobby erwehren muss, oder er wird sich zukünftig vermehrt „Francovich-Klagen“ von Verkehrsgeschädigten ausgesetzt sehen.532 Die Erfolgsaussichten derartiger Klagen stehen nach der Delaney-Entscheidung überaus gut,533 was mittelfristig zu einer enormen finanziellen Belastung des Fiskus 530 

Siehe aber zu den Auswirkungen des EU-Mitgliedschaftsreferendums im Vereinigten Königreich vom 23. Juni 2016 die weiteren Ausführungen. 531  Umso erstaunlicher nimmt es sich aus, dass die Entscheidung im Verfahren Delaney v. Secretary of State for Transport sowohl in den englischen Medien als auch in der breiten englischen Öffentlichkeit im besten Falle Verwunderung ausgelöst, zumeist jedoch Ablehnung erfahren hat, vgl. Bevan, J.P.I.L. 2014, 136, 136. Anstoß nahm dabei insbesondere der Umstand, dass die englische Regierung und somit indirekt der Steuerzahler (taxpayer) nunmehr einem Drogendealer Schadensersatz für einen im Zuge einer Straftatverwirklichung erlittenen Verkehrsunfall zahlen müsse. Die Entscheidung wurde als ein weiterer Beleg dafür gewertet, dass das EU-Recht absurde Ergebnisse hervorbringt (siehe nur „The Sun“: „Millions for dealer in hash stash crash – thanks to barmy EU laws“, abrufbar unter: http://www. thesun.co.uk/sol/homepage/news/5669484/Millions-for-dealer-in-hash-stash-crash-thanksto-barmy-EU-laws.html (abgerufen am: 28. Februar 2017). Dass der Steuerzahler erst aufgrund eines gravierenden Versäumnisses des englischen Gesetzgebers indirekt eintrittspflichtig wurde, geriet dabei freilich allzu leicht in Vergessenheit. 532  Bevan, N.L.J. 2015, 7, 7. 533  Das Gericht hat in dieser Entscheidung dezidiert dargelegt, dass die Versäumnisse des englischen Gesetzgebers bei der Umsetzung der Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen Unionsrecht darstellen (serious breach), vgl. Delaney v. Secretary of State for Transport [2014] EWHC 1785 (QB) [Rn.  117], per Jay J: „ I therefore conclude that the defendant [Secretary of State for Transport] is guilty of a serious breach of Community law in circumstances where its room for manoeuvre under the Direc­ tives was closely circumscribed. It did not have a wide discretion. Its obligations under the Directives, and their relevant confines, were quite clear, and – in the absence of knowing the actual reason for this policy decision – the best that may be said is that the defendant decided to run the risk, which was significant, knowing of its existence. (…) I conclude with little hesitation that the defendant’s breach is so serious that (…) it must pay compensation to the claimant under the Francovich principle.“; vgl. auch Bevan, J.P.I.L. 2015, 138, 143.

III. England

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führen dürfte. Bislang konnte man sich im Vereinigten Königreich jedoch noch nicht zu einer umfassenden Reform ermannen, welche der gesamten Tragweite der Delaney-Entscheidung vollumfänglich Rechnung tragen würde.534 Unmittelbare Konsequenz des Urteils in der Rechtssache Delaney v. Secretary of S­ tate for Transport war alleine die Streichung der dort explizit für unwirksam befundenen Klausel535 im Zuge der Neuvereinbarung des Uninsured Drivers Agreement zwischen der englischen Regierung und dem MIB im Sommer 2015 – eine Maßnahme, die ruhigen Gewissens als Flickwerk bezeichnet werden kann.536 Somit verbleiben in den MIB-Agreements noch immer zahlreiche unionsrechtlich unzulässige Einwendungen. Auch für eine baldige Novellierung des Road Traffic Act 1988 mit den dort gegenwärtig normierten unstatthaften Einwendungstatbeständen ergeben sich aktuell keine Anhaltspunkte. Bis zum EU-Mitgliedschaftsreferendum im Vereinigten Königreich, das am 23. Juni 2016 stattfand und in dem die Bevölkerung mehrheitlich für einen EU-Austritt votierte, bestand gleichwohl die berechtigte Hoffnung, dass die englische Regierung langfristig nicht umhinkommen würde, die Einwendungstatbestände auf das richtlinienrechtlich zulässige Maß zu begrenzen.537 Neben einer Flut von Francovich-Klagen stand bei fortdauernder Missachtung der Richtlinienvorgaben nicht zuletzt ein Eingreifen der EU-Kommission und die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art.  258 ff. AEUV zu erwarten. Ob sich jedoch der englische Gesetzgeber auch nach einem EU-Austritt des Vereinigten Königreichs bemüßigt fühlt, die nationale Rechtslage inhaltlich an das Unionsrecht anzugleichen und die Rechtsstellung geschädigter Unfallopfer zu verbessern, bleibt abzuwarten. Bedenkt man die bisherige zögerliche Haltung des Gesetzgebers bei der Umsetzung der europäischen Richtlinienvorgaben und den dominanten Einfluss der Versicherungswirtschaft, so sind daran zumindest erhebliche Zweifel angebracht.

Bevan, J.P.I.L. 2014, 136, 149 f. sieht die Ursache hierfür in einer massiven und noch immer erfolgreichen Einflussnahme der Versicherungsbranche auf Regierung und Gesetzgebung. 535  Namentlich cl. 6 (1) (e) (iii) Uninsured Drivers Agreement 1999. 536  So auch Bevan, J.P.I.L. 2015, 138, 145: „If the Minister [Secretary of State for Transport] confines his reforms to the immediate and obvious implications of (…) Delaney, he will simply be tinkering at the edges of the problem“ (kursive Hervorhebung durch Verfasser). 537  Vgl. auch Bevan, J.P.I.L. 2015, 138, 142, 144 f. 534 

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

IV. Vergleichende Betrachtung 1. Schadensrechtliche Einwendungen Elementares Merkmal der gesetzlichen Direktansprüche in den untersuchten Ländern ist eine weitgehende Akzessorietät zum zugrundeliegenden Schadensersatzanspruch. Diese Akzessorietät zeigt sich zunächst in der Entstehung des Direktanspruchs.538 Folgerichtig kann der Versicherer seiner Inanspruchnahme aus dem Direktanspruch in beiden Rechtsordnungen Einwendungen gegen Grund und Höhe des Schadensersatzanspruchs entgegenhalten.539 Hintergrund des Akzessorietätsgedankens ist die allgemeine Zielrichtung eines gesetzlichen Direktanspruchs, dem Geschädigten letztlich wirtschaftlich die Realisierung berechtigter Schadensersatzansprüche zu sichern. Die Akzessorietät beschränkt sich allerdings nicht alleine auf die Phase der Entstehung, sie besteht vielmehr auch danach fort, so dass der Direktanspruch insbesondere auch im Hinblick auf die Beendigung das Schicksal des Schadensersatzanspruchs teilt. Mithin kann der Haftpflichtversicherer in Deutschland wie in England gegenüber dem Geschädigten einwenden, der zugrundeliegende Schadensersatzanspruch sei zwischenzeitlich – beispielsweise durch Erfüllung, durch Erlass oder auch durch das Vorliegen eines Erfüllungssurrogates – erloschen. Ausnahmen von der Maßgeblichkeit des Haftpflichtverhältnisses für den Direktanspruch können sich in beiden Rechtsordnungen jedoch hinsichtlich eines vom Schädiger erklärten Anerkenntnisses respektive im Hinblick auf eine zwischen den Parteien des Haftpflichtverhältnisses getroffene vergleichsweise Regelung der Haftungsfrage ergeben. Hier tritt nämlich sowohl in Deutschland als auch in England nur dann eine Bindung des Haftpflichtversicherers ein, sofern dieser dem Anerkenntnis bzw. dem Vergleichsabschluss seine Zustimmung (approval) erteilt hat oder aber der Schadensersatzanspruch tatsächlich in der anerkannten oder vergleichsweise versprochenen Höhe besteht. Teilweise unterschiedlich fällt in den betrachteten Rechtsordnungen demgegenüber die Beant538 

Allerdings kann der Akzessorietätsgrundsatz in beiden Rechtsordnungen aus Gründen des Opferschutzes ausnahmsweise durchbrochen werden und der gesetzliche Direktanspruch eine Verselbständigung erfahren (z. B. im Falle der Konfusion des Schadensersatzanspruchs nach Beerbung des Schädigers durch den Geschädigten). 539  Dies gilt allerdings vorbehaltlich einer Bindung des Versicherers an eine bereits erfolgte Feststellung der Schadensersatzhaftung im Haftpflichtverhältnis (z. B. durch Anerkenntnis, Vergleich oder Schadensersatzurteil), wie sie besonders drastisch in England beim gesetzlichen Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 Platz greift. Zur Bindung des Versicherers an die bereits erfolgte Feststellung der Schadensersatzhaftung des Versicherungsnehmers in den untersuchten Rechtsordnungen vgl. noch die nachfolgenden Ausführungen.

IV. Vergleichende Betrachtung

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wortung der Frage aus, ob und inwieweit eine gerichtliche Entscheidung aus einem Haftpflichtprozess zwischen Geschädigtem und schädigendem Versicherungsnehmer zur Wahrung eines Beurteilungsgleichklangs Bindungswirkung für das Direktanspruchsverhältnis entfalten soll. Nach der zivilprozessualen Grundkonzeption in beiden Ländern kann jedenfalls keine automatische Rechtskrafterstreckung angenommen werden. Die Wirkungen der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung sind in subjektiver Hinsicht nämlich jeweils ganz generell auf die Prozessparteien sowie deren unmittelbare Rechtsnachfolger beschränkt (iudicium ius facit inter partes), was in beiden Staaten mit dem Ziel der Gewährleistung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kohäriert. In Deutschland werden jedoch ausnahmsweise die subjektiven Wirkungen der Rechtskraft eines Schadensersatzurteils kraft gesetzlicher Anordnung dahingehend erweitert, dass zumindest eine klageabweisende Gerichtsentscheidung für das Direktanspruchsverhältnis maßgeblich ist und zum Vorteil des Haftpflichtversicherers gereicht (§  124 Abs.  1 VVG).540 Für klagestattgebende Schadensersatzurteile sieht das deutsche Recht hingegen keine spezialgesetzlich angeordnete Rechtskrafterstreckung vor. Die herrschende Meinung weigert sich zudem, den für das Deckungsverhältnis entwickelten „Grundsatz der Bindungswirkung“ auf das Direktanspruchsverhältnis zu übertragen, so dass der Haftpflichtversicherer trotz einer im Haftpflichtprozess festgestellten Schadensersatzhaftung weiterhin schadensrechtliche Einwendungen erheben darf und die Schadensersatzpflicht des Versicherungsnehmers einer eigenständigen Beurteilung durch das Gericht des Direktprozesses unterliegt. Es wäre freilich zur Vervollkommnung des mit dem Direktanspruch intendierten Geschädigtenschutzes desiderabel, wenn der deutsche Gesetzgeber auch für stattgebende Schadensersatzurteile explizit eine Rechtskrafterstreckung anordnen würde, so dass der Geschädigte im Zweifel nicht zum zweimaligen Nachweis der Haftung des Versicherungsnehmers gezwungen ist. In der Zwischenzeit sollte man zumindest den Grundsatz der Bindungswirkung auf das Direktanspruchsverhältnis erstrecken. In England verbleibt es demgegenüber in weiten Teilen541 bei der zivilprozessualen Grundkonzeption und eine gerichtliche Entscheidung im Haftpflichtprozess entfaltet keinerlei rechtliche Bindungswirkung im Direktanspruchsverhält540 

Zwingende Voraussetzung für die Rechtskrafterstreckung ist freilich, dass sich das Gericht in der Sache mit dem Schadensersatzanspruch auseinandergesetzt und dessen Existenz im Rahmen eines Sachurteils verneint hat. Demgegenüber scheidet eine Rechtskrafterstreckung aus, wenn eine Klageabweisung wegen Unzulässigkeit durch Prozessurteil erfolgt ist. 541  Genau genommen beim Direktanspruch aus s. 1 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 sowie beim Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002.

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

nis.542 Von Seiten der englischen Gerichte wird jedoch zumindest auf die Tatsache einer rein faktischen Präjudizialität eines (stattgebenden) Schadensersatzurteils hingewiesen, die aus Sicht des Geschädigten freilich auf einem überaus schwachen Fundament steht. Ein anderes gilt im englischen Recht ausnahmsweise beim gesetzlichen Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988, bei welchem der Haftpflichtversicherer schlicht gehalten ist, ein Schadensersatzurteil zu befriedigen, ohne dessen inhaltliche Richtigkeit in Frage stellen zu dürfen. Da die Existenz eines Schadensersatzurteils eine essentielle Voraussetzung des Direktanspruchs aus s. 151 Road Traffic Act 1988 darstellt, ist dem Versicherer an dieser Stelle die Geltendmachung schadensrechtlicher Einwendungen faktisch gänzlich versagt.543 Hierin offenbart sich einmal mehr, dass es sich bei diesem Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruch im Grunde genommen bloß um einen besonderen Durchsetzungsmechanismus hinsichtlich eines Schadensersatzurteils handelt.

2. Versicherungsrechtliche Einwendungen Der Aspekt der Maßgeblichkeit versicherungsrechtlicher Einwendungen im Direktanspruchsverhältnis konnte als neuralgischer Punkt für den Geschädigtenschutz identifiziert werden. Dem nunmehr im Hinblick auf die Frage erfolgenden Vergleich, ob und wenn ja in welchem Umfang einem Versicherer gegenüber dem Geschädigten die Berufung auf die Grenzen des Haftpflichtversicherungsvertrages gestattet ist, kommt daher eine herausragende Bedeutung für die Beurteilung zu, welche der beiden untersuchten Rechtsordnungen sich hinsichtlich des Geschädigtenschutzes als überlegen erweist. Es sei schon an dieser Stelle vorweggenommen, dass sich insoweit gravierende Unterschiede zwischen den untersuchten Rechtsordnungen offenbaren.

542  Im Rahmen des Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, bei welchem der Geschädigte den legalzedierten Versicherungsanspruch geltend macht und somit im Grunde einen Deckungsprozess führt, wäre eine Maßgeblichkeit der gerichtlichen Entscheidung aus dem Haftpflichtprozess im Direktanspruchsverhältnis somit allenfalls dann denkbar, wenn die Haftpflichtversicherungsvertragsparteien ausdrücklich eine Bindungsabrede getroffen haben; anders als in Deutschland wird dem Haftpflichtversicherungsvertrag in England eine solche Bindungsabrede nicht automatisch im Wege der Auslegung entnommen. 543  Ein anderes gilt allenfalls dann, wenn das Schadensersatzurteil im Wege des Versäumnisverfahrens ergangen ( judgment by default) oder wenn es durch Arglist oder durch Kollusion erwirkt worden ist.

IV. Vergleichende Betrachtung

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a) Ursprung „versicherungsrechtlicher Einwendungen“ Die „versicherungsrechtlichen Einwendungen“ resultieren aus dem zwischen dem schädigenden Versicherungsnehmer und dem Haftpflichtversicherer bestehenden Deckungsverhältnis. Die mannigfaltigen Umstände, welche einen Haftpflichtversicherer zur vollständigen oder zumindest teilweisen Versagung des Versicherungsschutzes in Ansehung eines Schadensfalles berechtigen können, weisen dabei in den Vergleichsrechtsordnungen starke Ähnlichkeiten auf. Zuvorderst kann der Versicherer in beiden Ländern einwenden, ein konkretes Schadensereignis falle schon gar nicht unter das versicherte Risiko (insured risk). Die Festlegung des versicherten Risikos in einem (Haftpflicht-) Versicherungsvertrag folgt dabei in beiden Staaten einem identischen Muster: In einem ersten Schritt wird das versicherte Risiko ganz allgemein positiv umschrieben (primäre Risikobeschreibung / clauses descriptive of the risk), bevor sodann in einem zweiten Schritt bestimmte Risiken vom Versicherungsschutz explizit ausgenommen werden (Risikoausschluss / exception).544 In beiden Ländern sind zudem mit dem Selbstbehalt (deductible / excess) sowie der Versicherungssumme als Höchstentschädigungsgrenze (sum insured) Instrumente zur quantitativen Beschränkung der versicherungsvertraglichen Leistungspflicht bekannt. Denkbar ist des Weiteren der Einwand des Versicherers, zum Zeitpunkt des Schadensereignisses habe überhaupt kein wirksamer Haftpflichtversicherungsvertrag (mehr) vorgelegen. Eine Gemeinsamkeit stellt überdies der Umstand dar, dass sich eine vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers aus der Verletzung bestimmter – regelmäßig risikooffenbarender oder risikominimierender – Verhaltensanforderungen ergeben kann, welche dem Versicherungsnehmer entweder versicherungsvertraglich aufgegeben oder aber gesetzlich auferlegt werden. Die Verletzung derartiger versicherungsrechtlicher Obliegenheiten wird dabei in England tendenziell stärker sanktioniert als in Deutschland. Auch ein Prämienzahlungsverzug kann für den Versicherungsnehmer in beiden Ländern mit einem Verlust des Versicherungsanspruchs verbunden sein – wobei sich diese Sanktion in Deutschland aus dem Gesetz (§§  37, 38 VVG) und in England regelmäßig aus einer entsprechenden versicherungsvertraglichen Abrede ergibt. Einigkeit herrscht in beiden Rechtsordnungen zudem dahingehend, dass die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls die Leistungspflicht des Versicherers entfallen lässt. Divergierend ist jedoch die Begründung dieser Leistungsfreiheit des Versicherers. In Deutschland folgt die Leistungsfreiheit unmittelbar aus dem Gesetz (§  103 VVG) – wobei diese Regelung durch die 544  Unter Umständen sind dann wiederum auf einer dritten Ebene Rückeinschlüsse bestimmter Risiken vorgesehen.

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

herrschende Meinung als subjektiver Risikoausschluss charakterisiert wird –, in England sind die Rechtsfolgen einer vorsätzlichen Versicherungsfallherbeiführung von der Rechtsprechung entwickelt worden. Überwiegend sieht man dabei die Leistungsfreiheit des Versicherers auf den ungeschriebenen Grundsätzen von public policy gegründet. Lediglich vereinzelt findet man auch die gerichtliche Auffassung, wonach einem Versicherungsvertrag für den Fall der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls zumindest konkludent ein Risikoausschluss zu entnehmen ist (implied exception). In beiden Ländern steht es den Versicherungsvertragsparteien frei, für den Fall der vorsätzlichen Versicherungsfallherbeiführung ausdrücklich einen vertraglichen Risikoausschluss (exception) zu vereinbaren. b) Völker- und unionsrechtliche Vorgaben Aufgrund völker- und/oder unionsrechtlicher Vorgaben unterliegen – zumindest derzeit – sowohl der deutsche als auch der englische Gesetzgeber im Bereich der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung gewissen Gestaltungsgrenzen bei der Regelung der Frage, inwieweit versicherungsrechtlichen Einwendungen im Direktanspruchsverhältnis Drittwirkung zukommen soll. Zunächst schreibt das völkerrechtliche „Straßburger Übereinkommen“ aus dem Jahre 1959545 seinen Vertragsstaaten vor, einen umfassenden Ausschluss versicherungsrechtlicher Einwendungen beim Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruch vorzusehen – jedenfalls sofern ein Vertragsstaat im Zuge der Ratifikation nicht ausnahmsweise hinsichtlich bestimmter versicherungsrechtlicher Einwendungen einen Vorbehalt gegen das Übereinkommen erklärt hat. Von den untersuchten Rechtsordnungen ist das „Straßburger Übereinkommen“ indes alleine für Deutschland rechtsverbindlich geworden, wobei hinsichtlich der Thematik des Einwendungsausschlusses mehrere zulässig erklärte Vorbehalte zu berücksichtigen sind. Das Vereinigte Königreich hingegen hat seinerzeit von der Unterzeichnung des Übereinkommens Abstand genommen. In Deutschland wie im Vereinigten Königreich gleichermaßen verbindlich sind demgegenüber diejenigen Vorgaben, welche sich aus den Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien der EU sowie der dazugehörigen Rechtsprechung des EuGH ergeben. Danach haben die Mitgliedstaaten der Europäischen Union in ihrem nationalen Recht zwingend dafür Sorge zu tragen, dass versicherungsrechtliche Einwendungen einem geschädigten Unfallopfer und dessen Direktanspruch unter keinen Umständen entgegengehalten werden können. In Anbetracht des Ausgangs des EU-Mitgliedschaftsreferendums vom 23. Juni 2016 545  Europäisches Übereinkommen über die obligatorische Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge vom 20. April 1959.

IV. Vergleichende Betrachtung

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steht freilich in absehbarer Zeit der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union zu erwarten (sog. „Brexit“), wodurch das Unionsrecht in England als übergeordnete Rechtsquelle wegfällt und der englische Gesetzgeber seine vollständige Autonomie zur Regelung der Frage der Drittwirkung versicherungsrechtlicher Einwendungen im Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruchsverhältnis wiederlangt. c) Grundkonzeption: Vollumfängliche Drittwirkung versicherungsrechtlicher Einwendungen Sämtliche gesetzlichen Direktansprüche in den untersuchten Ländern weisen jedenfalls im Ausgangspunkt eine Abhängigkeit vom Haftpflichtversicherungsverhältnis auf, so dass der Versicherungsvertrag mit der dort vom Versicherer zugesagten Haftungsübernahme grundsätzlich die Grenze des jeweiligen Direktanspruchs bildet. Nach der Grundkonzeption beider Rechtsordnungen entfalten versicherungsrechtliche Einwendungen somit uneingeschränkt Drittwirkung gegenüber dem Geschädigten. Die prinzipielle Maßgeblichkeit versicherungsrechtlicher Einwendungen im Direktanspruchsverhältnis ist mitunter eine logische Folge der rechtskonstruktiven Ausgestaltung des gesetzlichen Direktanspruchs – insbesondere im Falle der Anknüpfung an den Haftpflichtversicherungsvertrag.546 Doch auch wenn sich ein gesetzlicher Direktanspruch nach der vom Gesetzgeber gewählten Konstruktionsform im Wesentlichen durch eine Unabhängigkeit vom Haftpflichtversicherungsvertrag auszeichnet,547 ist in den Vergleichsrechtsordnungen der Durchgriff versicherungsrechtlicher Einwendungen im Ausgangspunkt sichergestellt. Die Verquickung des Direktanspruchs mit dem Haftpflichtversicherungsverhältnis beruht in diesen Fällen auf einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung.548 Der grundsätzliche Durchgriff versicherungsrechtlicher Einwendungen ist zuvorderst der Erkenntnis geschuldet, dass auch im Rahmen des Direktanspruchs der Haftpflichtversicherungsvertrag wirtschaftlich die Quelle der Entschädigung darstellt und eine Haftung des Versicherers über die im Versicherungsvertrag zugesagte Haftungsübernahme hinaus für diesen erhebliche negative wirtschaftliche Auswirkungen zeitigen würde. Der prinzipielle Einwendungsdurchgriff trägt daher zunächst einmal verständigen Interessen des Haftpflichtversicherers Rechnung. 546  So beim gesetzlichen Direktanspruch aus s. 1 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. 547  So beim Direktanspruch des deutschen Rechts (§  115 VVG) sowie bei manchen gesetzlichen Direktansprüchen in England (s. 151 Road Traffic Act 1988 / reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002). 548  Siehe §  115 Abs.  1 S.  2 VVG; s. 151 (2) (a) Road Traffic Act 1988; reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002.

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

In beiden betrachteten Rechtsordnungen ist indes anerkannt, dass der Grundsatz des Durchgriffs versicherungsrechtlicher Einwendungen in bestimmten Fällen im Interesse des Geschädigtenschutzes zu durchbrechen ist. Andernfalls drohe nämlich unter Umständen eine bedenkliche Aushöhlung des mit dem gesetzlichen Direktanspruch zuvorderst verfolgten Opferschutzes. Uneinigkeit herrscht jedoch ganz offensichtlich über die optimale Reichweite der Einwendungsausschlüsse, die freilich von der rechtspolitischen Frage beeinflusst wird, in welchem Umfang der Gesetzgeber dem Schutzinteresse des Geschädigten dem gegenläufigen Interesse des Versicherers, nur im Rahmen der Leistungspflicht aus dem Versicherungsverhältnis zu haften, den Vorzug geben möchte. Insoweit zeigen sich gegenwärtig doch recht starke Unterschiede in den betrachteten Ländern. d) Einwendungsausschlüsse Die Drittwirkung versicherungsrechtlicher Einwendungen gegenüber dem Geschädigten wird sowohl in Deutschland als auch in England in bestimmten Fällen ausgeschlossen. Während jedoch die Einwendungsausschlüsse in Deutschland übersichtlich geregelt sind, zeigt sich in England ein äußerst unsystematisches und letztlich verwirrendes Bild. Im Hinblick auf den Grad des Geschädigtenschutzes erweist sich dabei letztlich das deutsche Recht als überlegen. In Deutschland nimmt sich der Gesetzgeber der Thematik der Einwendungsausschlüsse umfassend und abschließend in den Vorschriften der §§  114 Abs.  2 S.  2, 117 VVG an. Deren gesetzessystematische Verortung im Abschnitt über die Pflichthaftpflichtversicherung verdeutlicht, dass die Einwendungsausschlüsse im deutschen Recht ein alleiniges Phänomen der obligatorischen Haftpflichtversicherungen darstellen, was mit dem sachlichen Anwendungsbereich des gesetzlichen Direktanspruchs aus §  115 VVG übereinstimmt. Dessen ungeachtet setzen die Einwendungsausschlusstatbestände der §§  114 Abs.  2 S.  2, 117 VVG jedoch nicht zwingend einen tatbestandlich einschlägigen gesetzlichen Direktanspruch iSd §  115 VVG voraus. Vielmehr kommen dem Geschädigten die Einwendungsausschlüsse auch im Rahmen der Geltendmachung eines rechtsgeschäftlichen Direktanspruchs (z. B. nach Abtretung des Freistellungsanspruchs) bzw. im Rahmen einer Drittschuldnerklage nach Pfändung und Überweisung des Haftpflichtversicherungsanspruchs zugute, sofern nur eine Pflichthaftpflichtversicherung zugrundeliegt. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt der Einwendungsausschlüsse ist daher weniger der gesetzliche Direktanspruch als vielmehr die Pflichthaftpflichtversicherung, aus deren „besonderen Schutzrichtung“ gegenüber dem Geschädigten heraus die Einwendungsaus-

IV. Vergleichende Betrachtung

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schlüsse zu erklären sind.549 In inhaltlicher Hinsicht sind die Einwendungsausschlüsse des deutschen Rechts denkbar weitgehend. Mit Ausnahme des Einwandes, das konkrete Schadensereignis falle nicht unter das versicherte Risiko (vgl. §  117 Abs.  3 S.  1 VVG: „im Rahmen (…) der von ihm übernommenen Gefahr“),550 kann der Haftpflichtversicherer dem Geschädigten bei Pflichthaftpflichtversicherungen keine versicherungsrechtlichen Einwendungen entgegenhalten – ohne dass es hierbei einer näheren Differenzierung zwischen den verschiedenen Arten von versicherungsrechtlichen Einwendungen bedürfte. Dem Versicherer ist demnach die Berufung auf einen versicherungsvertraglich vereinbarten Selbstbehalt (§  114 Abs.  2 S.  2 VVG) ebenso versagt wie die Geltendmachung einer (teilweisen) Leistungsfreiheit, die auf einem Prämienzahlungsverzug bzw. einer Obliegenheitsverletzung beruht (§  117 Abs.  1 VVG). Ergänzt wird der umfassende Einwendungsausschluss im Bereich der Pflichthaftpflichtversicherung durch das in §  121 VVG statuierte Aufrechnungsverbot, wonach es dem Versicherer versagt ist, gegenüber dem Dritten mit Ansprüchen aufzurechnen, die ihm aus dem Versicherungsvertragsverhältnis gegen den Versicherungsnehmer zustehen (v. a. Prämienzahlungsansprüche). Eine Besonderheit ergibt sich im deutschen Recht jedoch hinsichtlich der Leistungsfreiheit des Versicherers, die aus einer vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls resultiert (§  103 VVG). Aufgrund der von der herrschenden Meinung präferierten rechtsdogmatischen Charakterisierung als subjektivem Risikoausschluss bleibt dem Versicherer dieser Einwand gegenüber dem geschädigten Dritten erhalten, schließlich sind vorsätzlich herbeigeführte Versicherungsfälle danach schon nicht vom Deckungsumfang der Haftpflichtversicherung umfasst (vgl. §  117 Abs.  3 S.  1 VVG). Vergegenwärtigt man sich indes, dass dem Geschädigten bereits bei einer schlichten Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers – und somit im Falle eines deutlich weniger gravierenden Fehlverhaltens seines Schädigers – ein Einwendungsausschluss zugutekommt, so sind an diesem Ergebnis starke rechtspolitische Zweifel angezeigt.551 Im Bereich der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung erweist sich die in diesem Falle angenommene Drittwirkung gar als unionsrechtswidrig, so dass de lege ferenda eine Korrektur zwingend erforderlich ist.552 Insofern wäre eine gesetzliche Klarstellung wünschenswert, dass auch der aus einer vorsätzlichen VersicherungsfallFranck, Direktanspruch, S.  176. Voraussetzung ist freilich, dass die vertraglichen Risikobeschreibungen und Risikoausschlüsse ihrerseits wirksam sind, d. h. insbesondere nicht die Zweckerreichung der jeweiligen Pflichthaftpflichtversicherung gefährden (§  114 Abs.  2 S.  1 VVG). 551  So auch Franck, Direktanspruch, S.  180. 552  Wie aufgezeigt werden konnte, genügt auch die für die Fälle der vorsätzlichen Versicherungsfallherbeiführung zugunsten des Unfallgeschädigten vorgesehene Möglichkeit der 549 So 550 

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

herbeiführung resultierende Einwand der Leistungsfreiheit vom Einwendungsausschluss des §  117 Abs.  1 VVG umfasst ist. Ein besonderes Schutzinstrument zugunsten des Geschädigten stellt im Übrigen die sog. Nachhaftung des Versicherers dar (§  117 Abs.  2 VVG). Danach wirkt die Beendigung eines Haftpflichtversicherungsvertrags in Ansehung des Geschädigten erst nach Ablauf einer einmonatigen Übergangsfrist, welche mit der Anzeige der Vertragsbeendigung gegenüber der „zuständigen Stelle“ zu laufen beginnt. Bei der zuständigen Stelle handelt es sich regelmäßig um die mit der Überwachung der Ein­ haltung der Versicherungspflicht betraute Behörde bzw. Körperschaft. Für Schadensereignisse, welche während der Übergangsfrist eintreten, hat der Versicherer dem Geschädigten trotz faktisch nicht bestehendem Versicherungsvertrag Ersatz zu leisten. Allerdings unterliegt die Leistungspflicht des Versicherers, die sich gegenüber dem Geschädigten alleine aufgrund der Einwendungsausschlüsse bzw. der Nachhaftung einstellt, aus Verhältnismäßigkeitsgründen einer Begrenzung. So ist die Haftung zum einen höhenmäßig auf die für die jeweilige Pflichthaftpflichtversicherung angeordnete Mindestversicherungssumme beschränkt (§  117 Abs.  3 S.  1 VVG: „In den Fällen der Absätze 1 und 2 ist der Versicherer nur im Rahmen der vorgeschriebenen Mindestversicherungssumme (…) zur Leistung verpflichtet.“), zum anderen weist die Eintrittspflicht des Haftpflichtversicherers einen subsidiären Charakter auf. Dies manifestiert sich darin, dass der Versicherer den Geschädigten vorrangig an einen anderen Schadensversicherer oder einen Sozialversicherungsträger verweisen kann, von dem anlässlich des Schadensereignisses Ersatz zu erlangen ist (§  117 Abs.  3 S.  2 VVG). Anders als in Deutschland fehlt es in England an einer zentralen Norm, welche sich der Thematik der Einwendungsausschlüsse in ganz allgemeiner Form abschließend annehmen würde. Die Einwendungsausschlüsse sind in England vielmehr einer Vielzahl von Vorschriften aus unterschiedlichen Gesetzeswerken zu entnehmen, die dabei insgesamt wenig systematisch aufgebaut sind. Als wesentlicher Unterschied zum deutschen Recht sticht in erster Linie hervor, dass die Einwendungsausschlusstatbestände des englischen Rechts einen anderen Anknüpfungspunkt aufweisen. Anstatt allgemein auf „Pflichthaftpflichtversicherungen“ sind die Einwendungsausschlüsse jeweils auf eine ganz bestimmte Haftpflichtversicherungsart (z. B. Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung, Arbeitgeberhaftpflichtversicherung) bezogen und/oder sie knüpfen exklusiv an einen der verschiedenen gesetzlichen Direktansprüche an. Darüber hinaus beziehen sich die verschiedenen Ausschlusstatbestände stets nur auf bestimmte EinwenInanspruchnahme des Vereins „Verkehrsopferhilfe e.V.“ (§  12 Abs.  1 S.  1 Nr.  3 PflVG) nicht, um den Befund der Unionsrechtswidrigkeit auszuräumen.

IV. Vergleichende Betrachtung

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dungsarten.553 Einen umfassenden Ausschluss aller denkbaren versicherungsrechtlichen Einwendungen gegenüber dem Geschädigten – und sei es auch nur im Bereich einer ganz bestimmten Haftpflichtversicherungsart – findet man im englischen Recht demgegenüber nicht.554 Potentiell bei allen Arten von Haftpflichtversicherungen555 greifen zunächst die im Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 geregelten Einwendungsausschlüsse, deren Anwendungsbereich jedoch zugleich auf denjenigen Direktanspruch beschränkt ist, der diesem Gesetz entspringt.556 Inhaltlich erfassen die in s. 9, 17 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 normierten Ausschlusstatbestände nur wenige, eng umgrenzte Fallkonstellationen. Sie versagen es dem Haftpflichtversicherer unter anderem, sich gegenüber dem Geschädigten auf eine versicherungsvertragliche Leistungsfreiheit infolge einer Obliegenheitsverletzung seitens des Versicherungsnehmers zu berufen, sofern entweder die maßgebliche Obliegenheit stellvertretend durch den Geschädigten erfüllt wurde oder aber die Obliegenheitsverletzung allein auf den Umstand zurückzuführen ist, dass der Versicherungsnehmer zwischenzeitlich verstorben oder aufgelöst worden ist. Darüber hinaus kann der Versicherer gegenüber dem geschädigten Dritten nicht geltend machen, eine pay-to-be-paid-Klausel sei missachtet worden. Insgesamt geht mit diesen Einwendungsausschlüssen nur eine marginale Beschränkung des dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 immanenten Grundsatzes des Einwendungsdurchgriffs einher, die eher von geringer rechtspraktischer Relevanz sein dürfte. Konsequenterweise flankiert der englische Gesetzgeber den weiten Einwendungsdurchgriff mit einer umfassenden Aufrechnungsbefugnis. Der Versicherer kann folglich gegenüber dem Direktanspruch des Geschädigten mit sämtlichen Ansprüchen aufrechnen, die ihm aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag gegen den Versicherungsnehmer zustehen (s. 10 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010). Hierin liegt ein deutlicher Unterschied zum deutschen Recht, in welchem gera553  Z. B. Einwand der Leistungsfreiheit, die sich als Folge der Verletzung von Obliegenheiten ergibt, die nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllen sind; Einwand eines versicherungsvertraglich vereinbarten Selbstbehaltes. 554  Dies gilt insbesondere auch im Bereich der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung, was sich vor dem Hintergrund unionsrechtlicher Vorgaben sehr erstaunlich ausnimmt (vgl. hierzu noch sogleich). 555  Anders als in Deutschland sind Einwendungsausschlüsse in England demnach auch bei freiwilligen Haftpflichtversicherungen bekannt und kein alleiniges Phänomen der Pflichthaftpflichtversicherungen. 556  Mithin verbietet sich insbesondere eine Anwendung bzw. Übertragung der im Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 normierten Einwendungsausschlüsse auf die speziellen Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktansprüche (s. 151 Road Traffic Act 1988; reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002).

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

de ein Aufrechnungsverbot statuiert ist. Das mit der Normierung der Einwendungsausschlüsse im Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 verfolgte Ziel des englischen Gesetzgebers lag darin, „besondere Ungerechtigkeiten“ (particular injustices) für den Geschädigten auszuräumen, welche sich bei der Anwendung des Vorgängergesetzes mit seinem allumfassenden Einwendungsdurchgriff gezeigt hatten. Die im Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 vorgesehenen Einwendungsausschlüsse muten jedoch aus Geschädigtensicht willkürlich an und können nicht überzeugen. Weshalb beispielsweise dem Versicherer im Direktanspruchsverhältnis der Einwand der Leistungsfreiheit infolge einer Obliegenheitsverletzung nur dann verwehrt sein soll, wenn die Verletzung ihre Ursache darin hat, dass der Versicherungsnehmer verstorben oder aufgelöst worden ist, wohingegen der Einwand bei solchen Obliegenheitsverletzungen erhalten bleibt, die auf einer schlichten Nachlässigkeit des Versicherungsnehmers beruhen, ist aus Geschädigtenperspektive wenig plausibel. Einen stärker ausgeprägten Einwendungsausschluss kennt das englische Recht alleine bei der obligatorischen Arbeitgeberhaftpflichtversicherung (employers’ liability insurance) sowie bei der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung557 – wenngleich auch dort mitnichten ein umfassender Ausschluss aller versicherungsrechtlichen Einwendungen vorgesehen ist und sich die maßgeblichen Ausschlusstatbestände folglich alleine auf bestimmte Einwendungsarten beziehen. Im Bereich der Arbeitgeberhaftpflichtversicherung kann der Haftpflichtversicherer dem geschädigten Arbeitnehmer beispielsweise nicht entgegenhalten, dass der Arbeitgeber bestimmte Verhaltensanforderungen im Vorfeld des Schadensereignisses558 missachtet oder aber ganz allgemein Obliegenheiten verletzt hat, die nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllen gewesen wären (reg. 2 (1) Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Regulations 1998). Auch ein versicherungsvertraglich vereinbarter Selbstbehalt kann den gesetzlichen Di557 

Bemerkenswert und im Ergebnis wenig nachvollziehbar ist dabei der Umstand, dass sich die beiden Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktansprüche des englischen Rechts im Hinblick auf die Maßgeblichkeit versicherungsrechtlicher Einwendungen sehr weitgehend unterscheiden. Wichtig ist insoweit die Erkenntnis, dass die für den Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung vorgesehenen Einwendungsausschlüsse untrennbar mit dem gesetzlichen Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 verbunden sind; beim Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 zeigt sich hingegen ein nahezu vollständiger Einwendungsdurchgriff. Für den Geschädigten ist dies insofern misslich, weil er unter Umständen gezwungen ist, auf den – die vorherige Erwirkung eines Schadensersatzurteils erfordernden – Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 zurückzugreifen, möchte er einer Drittwirkung bestimmter versicherungsrechtlicher Einwendungen entgehen. 558  Z. B. spezielle Sorgfaltspflichten, die der Gesetzgeber einem Arbeitgeber zum Schutze seiner Arbeitnehmer vor Verletzungen oder Krankheiten aufgegeben hat.

IV. Vergleichende Betrachtung

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rektanspruch des Arbeitnehmers nicht schmälern (reg. 2 (2) Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Regulations 1998). Erhalten bleibt dem Haftpflichtversicherer hingegen unter anderem der Einwand der Leistungsfreiheit, welcher aus der Verletzung einer vorvertraglichen Anzeigepflicht resultiert. Ebenfalls Drittwirkung entfalten versicherungsrechtliche Einwendungen, die sich aus Versäumnissen des Arbeitgebers im Zusammenhang mit Gefahrerhöhungen (increase of risk) ergeben.559 Die im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung vorgesehenen Einwendungsausschlüsse decken sich zunächst im Wesentlichen mit den Ausschlusstatbeständen im Rahmen der Arbeitgeberhaftpflichtversicherung. Insoweit ist es auch dem Kfz-Haftpflichtversicherer versagt, sich gegenüber dem Unfallgeschädigten auf einen versicherungsvertraglich vereinbarten Selbstbehalt zu berufen oder aber eine Leistungsfreiheit geltend zu machen, die aus der Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllenden Obliegenheit resultiert. Ein weitergehender Schutz des Geschädigten wird sodann dadurch gewährleistet, dass der Kfz-Haftpflichtversicherer die sich aus der Verletzung einer vorvertraglichen Anzeigepflicht ergebende Leistungsfreiheit dem Direktanspruch nur unter einschränkenden Voraussetzungen entgegensetzen darf („limitierter Einwendungsdurchgriff“). Darüber hinaus ist der Versicherer nicht befugt, im Direktanspruchsverhältnis Beschränkungen des Versicherungsschutzes geltend zu machen, sofern diese an gewisse objektive Umstände (z. B. Zustand des Fahrzeugs) anknüpfen. Letztlich ist dem Versicherer gegenüber dem Geschädigten auch der Einwand verwehrt, der Unfallfahrer sei nicht vom persönlichen Deckungsbereich der Kfz-Haftpflichtversicherung des Fahrzeugbesitzers umfasst. Elementar ist freilich die Erkenntnis, dass ein Geschädigter in England selbst im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung nicht vollständig vor einem Durchgriff versicherungsrechtlicher Einwendungen auf den Direktanspruch gefeit ist. Unter Vergegenwärtigung der – derzeit noch für das Vereinigte Königreich verbindlichen – Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie (6. KH-Richtlinie) und der dazugehörigen EuGH-Rechtsprechung lässt sich mithin unschwer eine Unionsrechtswidrigkeit der englischen Rechtslage konstatieren. Gleichermaßen bemerkenswert wie bedenklich ist daher, dass die englischen Gerichte dessen ungeachtet lange Zeit von einer Vereinbarkeit des englischen Kfz-Haftpflichtversicherungsrechts mit den unionsrechtlichen Vorgaben ausgegangen sind und sich erst neuerdings Zeichen des Wandels in der Rechtsprechung erkennen lassen. In den einschlägigen Entscheidungen des Court of Appeal offenbart sich dabei ein mehr als fragwürdiger Umgang mit 559 

Z. B. Vornahme einer Gefahrerhöhung (beispielsweise durch Inbetriebnahme weiterer Arbeitsmaschinen) ohne vorherige Einholung einer Einwilligung des Haftpflichtversicherers.

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

dem Unionsrecht. Immerhin: Anders als in Deutschland ist ein Verkehrsunfallgeschädigter in England grundsätzlich vor dem Einwand der Leistungsfreiheit geschützt, die sich für den Versicherer als Folge der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls einstellt. Nach Auffassung der englischen Gerichte fungiert der mit der vorsätzlichen Versicherungsfallherbeiführung einhergehende Verstoß gegen public policy nämlich lediglich als „persönliche Schranke“ (personal bar) für den Versicherungsnehmer.560 Ein anderes gilt allerdings auch in England dann, wenn für die Situation der vorsätzlichen Versicherungsfallherbeiführung versicherungsvertraglich explizit ein Risikoausschluss (exception) vereinbart wurde. In diesem Falle schlägt die Leistungsfreiheit des Versicherers nach Auffassung der Gerichte auf das Direktanspruchsverhältnis durch. Ein weiterer Unterschied zum deutschen Recht liegt im Übrigen darin, dass in England keine Nachhaftung des Haftpflichtversicherers existiert. Ein englischer Haftpflichtversicherer kann folglich bei sämtlichen gesetzlichen Direktansprüchen einwenden, zum Zeitpunkt des Schadensereignisses sei der Haftpflichtversicherungsvertrag bereits beendet gewesen. Allerdings war noch bis in das Jahr 2015 zumindest beim Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 eine Nachhaftung vorgesehen. Solange der Versicherungsnehmer im Unfallzeitpunkt – trotz zwischenzeitlicher Beendigung des Versicherungsvertrages – noch im Besitz des certificate of insurance war, hatte der Versicherer für den Unfallschaden einzustehen, ohne sich zur Verteidigung auf den Umstand eines fehlenden Haftpflichtversicherungsvertrages berufen zu können.561 Es ist bedauerlich, dass der englische Gesetzgeber die geschädigtenfreundliche Nachhaftung des Kfz-Haftpflichtversicherers nunmehr ersatzlos gestrichen und damit das Geschädigtenschutzniveau reduziert hat (vgl. s. 9 (5) iVm Schedule 3 para. 5 Deregulation Act 2015). In der Zusammenschau lässt sich feststellen, dass das englische Recht dem Haftpflichtversicherer im Direktanspruchsverhältnis eher großzügig die Berufung auf versicherungsrechtliche Einwendungen gestattet. Die tatsächliche Realisierbarkeit eines tatbestandlich einschlägigen gesetzlichen Direktanspruchs ist daher in England in besonderem Maße von den Gegebenheiten des zugrun560  Dies gilt jedenfalls im Rahmen des Direktanspruchs aus s. 151 Road Traffic Act 1988. Bei den anderen Direktansprüchen des englischen Rechts begründet die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls hingegen nach wohl hM stets eine auf das Direktanspruchsverhältnis durchschlagende versicherungsrechtliche Einwendung (sehr str.). 561  Im Unterschied zur Nachhaftung in Deutschland, die unter gewissen Umständen auch dann eingreifen kann, wenn ein wirksamer Haftpflichtversicherungsvertrag von vornherein nicht zur Entstehung gelangt ist, setzte die Nachhaftung des Kfz-Haftpflichtversicherers im Rahmen des s. 151 Road Traffic Act 1988 allerdings zwingend voraus, dass ein Haftpflichtversicherungsvertrag zumindest einmal existiert hatte und zwischenzeitlich beendet wurde.

IV. Vergleichende Betrachtung

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deliegenden Versicherungsverhältnisses abhängig, was für den an diesem Verhältnis nicht beteiligten Geschädigten zweifelsohne misslich ist. Zumindest nach Eintritt des Schadensereignisses scheint der englische Gesetzgeber jedoch ein gesteigertes Schutzbedürfnis des Geschädigten anzuerkennen. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass er jedenfalls in der Kfz- und Arbeitgeberhaftpflichtversicherung die Verletzung von nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllenden Obliegenheiten für im Direktanspruchsverhältnis schlechthin unbeachtlich erklärt. e) Würdigung Die Direktansprüche des englischen Rechts zeichnen sich insgesamt durch einen eher zurückhaltenden Ausschluss versicherungsrechtlicher Einwendungen aus, während der gesetzliche Direktanspruch in Deutschland sehr weitgehend vor Einwendungen des Haftpflichtversicherers geschützt ist, die dem Deckungsverhältnis entspringen. Auffällig ist insbesondere, dass in Deutschland bei sämtlichen Pflichthaftpflichtversicherungen ein nahezu vollständiger Einwendungsausschluss zu finden ist, wohingegen das englische Recht noch nicht einmal im Bereich der obligatorischen Kfz-Haftpflichtversicherung einen umfassenden Ausschluss versicherungsrechtlicher Einwendungen vorsieht.562 Soweit der Aspekt der Maßgeblichkeit versicherungsrechtlicher Einwendungen im Direktanspruchsverhältnis betroffen ist, kann daher das deutsche Recht summa summarum mehr überzeugen. Insofern ist zunächst zu berücksichtigen, dass mit der Anordnung einer Haftpflichtversicherungspflicht in beiden Rechtsordnungen das Ziel verbunden ist, letzten Endes eine tatsächliche Entschädigung des für besonders schutzwürdig erachteten Opfers sicherzustellen. Nimmt man es mit dem Anliegen des Geschädigtenschutzes ernst, so ist daher zumindest im Bereich von Pflichthaftpflichtversicherungen ein vollständiger Einwendungsausschluss wünschenswert. Einen solchen umfassenden Ausschluss versicherungsrechtlicher Einwendungen normiert jedoch alleine das deutsche, nicht aber das englische Haftpflichtversicherungsrecht. Zur Überlegenheit des deutschen Rechts trägt überdies der Umstand bei, dass die Einwendungsausschlüsse dort eine übersichtliche Regelung an zentraler Stelle des VVG erfahren haben. Demgegenüber sind die – ohnehin recht spärlichen – Einwendungsausschlüsse in England in wenig systematischer Weise in verschiedenen Vorschriften unterschiedlicher Gesetzeswerke geregelt, was die Rechtslage für einen Geschädigten wenig transparent gestaltet. Im schlimmsten Falle sieht ein Geschädigter von der Erhebung eines Direktanspruchs gegen den Haftpflichtversicherer ab, 562 Die Inakzeptabilität dessen vor unionsrechtlichem Hintergrund wurde bereits ausführlich erörtert.

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

weil er sich eines bestehenden Einwendungsausschlusses nicht bewusst ist und er die Anspruchsgeltendmachung zu Unrecht für aussichtslos erachtet. Einer Rechtsordnung sollte es jedoch generell am Herzen liegen, mit einer transparenten Ausgestaltung der Rechtslage dazu beizutragen, dass bestehende Rechte von den Begünstigten auch tatsächlich realisiert werden.

3. Einwendungen aus dem Direktanspruchsverhältnis In beiden Rechtsordnungen können sich Einwendungen des Versicherers gegen den Direktanspruch auch unmittelbar aus dem gesetzlich begründeten Rechtsverhältnis zum Geschädigten ergeben. Als Anknüpfungspunkt für ein Leistungsverweigerungsrecht des Versicherers kommt hierbei zunächst die Verletzung von gesetzlichen Obliegenheiten in Betracht, welche den Geschädigten in beiden untersuchten Ländern – wenngleich in stark divergierendem Umfang – im Verhältnis zum Haftpflichtversicherer treffen. Daneben ist auch der Einwand der Verjährung des gesetzlichen Direktanspruchs denkbar. a) Obliegenheiten des Geschädigten gegenüber dem Haftpflichtversicherer In Deutschland hat der Gesetzgeber dem Geschädigten im gesamten Bereich der Pflichthaftpflichtversicherung eigenständige Anzeige-, Auskunfts- sowie Be­ leg­obliegenheiten unmittelbar gegenüber dem Haftpflichtversicherer auferlegt (§  119 VVG). Danach muss der Geschädigte dem Versicherer sowohl das Schadensereignis, aus welchem er Ansprüche gegen den Versicherungsnehmer oder nach §  115 VVG gegen den Versicherer herleiten möchte, als auch den Umstand einer gerichtlichen Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs im Haftpflichtverhältnis zur Anzeige bringen. Überdies hat der Geschädigte auf Verlangen des Versicherers umfassend Auskunft über das maßgebliche Schadensereignis zu erteilen sowie Belege mit unmittelbarem Bezug zum Schadensfall auszuhändigen. Die dem Geschädigten gesetzlich auferlegten Verhaltensregeln finden ihre Rechtfertigung in dem besonderen Schutz, welcher dem Geschädigten im Bereich der Pflichthaftpflichtversicherungen gemeinhin zuteil wird. Dem Versicherer soll hierdurch eine adäquate Mitwirkung an der Schadensabwicklung ermöglicht und Gelegenheit zur Anspruchsabwehr gegeben werden. Eine zumindest fahrlässige Verletzung der dem Geschädigten auferlegten Obliegenheiten kann die Haftung des Versicherers gegenüber dem geschädigten Dritten mindern, jedoch in den seltensten Fällen ausschließen (§  120 VVG). Bei der bloßen Nichtanzeige des Schadensereignisses (§  119 Abs.  1 VVG) bleibt der Verstoß des Geschädigten nach zutreffender – wenngleich bestrittener – Auffassung gar gänzlich unsanktioniert.

IV. Vergleichende Betrachtung

357

Gesetzliche Obliegenheiten des Geschädigten gegenüber dem Haftpflichtversicherer sind dem englischen Recht nur in einem deutlich restriktiveren Umfang bekannt. Während das deutsche Recht Verhaltensregeln für den Geschädigten pauschal bei sämtlichen Pflichthaftpflichtversicherungen statuiert, sieht das englische Recht eine eigenständige Obliegenheit des Geschädigten genau genommen nur im Rahmen des Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruchs aus s. 151 Road Traffic Act 1988 vor. Nach s. 152 (1) (a) Road Traffic Act 1988 ist der Unfallgeschädigte gehalten, dem Versicherer einen konkret beabsichtigten oder bereits begonnenen Schadensersatzprozess gegen den schädigenden Versicherungsnehmer anzuzeigen. Hierdurch soll der Haftpflichtversicherer in die Lage versetzt werden, die Verteidigung des Versicherungsnehmers zu übernehmen und alsbald effektive Maßnahmen zur Anspruchsabwehr zu ergreifen – eine auch der deutschen Regelung (§  119 VVG) immanente Zielrichtung. Im Rahmen des s. 151 Road Traffic Act 1988 ist der Kfz-Haftpflichtversicherer freilich in besonderem Maße an einer sachgerechten Anspruchsabwehr interessiert, weil er die Richtigkeit der Entscheidung des Haftpflichtgerichts nachträglich prinzipiell nicht mehr in Abrede stellen darf. Weitergehende Pflichten – wie sie einen Geschädigten in Deutschland beispielsweise mit der Auskunfts- und Belegobliegenheit treffen – sind in England demgegenüber nicht vorgesehen. Die verhaltene Auferlegung von Obliegenheiten im Direktanspruchsverhältnis darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Verletzung der in England beim Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruch vorgesehenen Anzeigeobliegenheit eine wesentlich drastischere Sanktion erfährt als ein Verstoß gegen eine Obliegenheit nach §  119 VVG. Mit einer Missachtung der in s. 152 (1) (a) Road Traffic Act 1988 normierten Anzeigeobliegenheit geht nämlich stets ein vollständiger Verlust des gesetzlichen Direktanspruchs aus s. 151 Road Traffic Act 1988 einher. Anders als in Deutschland, wo die Sanktion des §  120 VVG unter dem Vorbehalt der schuldhaften Verletzung der Obliegenheit steht, genügt dabei sogar schlicht der objektive Obliegenheitsverstoß zum Auslösen der Sanktionswirkung. Vor dem Hintergrund der mit einem gesetzlichen Direktanspruch einhergehenden rechtlichen und wirtschaftlichen Besserstellung des Geschädigten erscheint es nicht unbillig, den Geschädigten im Gegenzug mit gewissen Ob­ liegenheiten gegenüber dem Haftpflichtversicherer zu belegen, um letzterem frühzeitig eine informierte und sachgerechte Interessenwahrnehmung zu ermöglichen. Insofern beinhaltet das deutsche Recht trotz seiner recht umfangreichen Verhaltensanforderungen an den Geschädigten (v. a. Auskunftsobliegenheit) in der Zusammenschau einen angemessenen Interesseausgleich, der insgesamt nicht zu beanstanden ist. Dies gilt umso mehr, weil das deutsche Recht nur moderate Sanktionen für etwaige Obliegenheitsverstöße vorsieht. Zu kritisieren

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

wäre allenfalls, dass die Sanktionswirkung zulasten des Geschädigten in Deutschland bereits bei einfacher Fahrlässigkeit eingreift, wohingegen die Verletzung versicherungsrechtlicher Obliegenheiten durch den Versicherungsnehmer für gewöhnlich erst bei grober Fahrlässigkeit sanktioniert wird.563 b) Verjährung des Direktanspruchs Im Hinblick auf die Verjährung zeigt sich in den untersuchten Ländern bereits im Ausgangspunkt ein wesentlicher Unterschied. Denn während die Verjährung in Deutschland als materiell-rechtliche (peremptorische) Einrede qualifiziert wird, kommt ihr in England eine prozessrechtliche Natur zu. Ungeachtet dieser divergierenden rechtlichen Einordnung des Verjährungseinwandes sind dessen faktischen Wirkungen in beiden Ländern identisch. Der trotz des Verjährungsumstandes als solcher fortbestehende Anspruch kann jeweils nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg gerichtlich geltend gemacht und somit nicht mehr zwangsweise durchgesetzt werden. In Deutschland unterliegt der gesetzliche Direktanspruch der gleichen Verjährung wie der Schadensersatzanspruch gegen den schädigenden Versicherungsnehmer (§  115 Abs.  2 S.  1 VVG). Für gewöhnlich verjährt der Direktanspruch daher innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§  195 BGB), wobei die Frist mit dem Schluss des Jahres beginnt, in welchem der Schadensersatzanspruch entstanden ist und der Geschädigte Kenntnis vom Schaden sowie der Person des Schädigers erlangt hat (§  199 Abs.  1 BGB). Die Parallelität der Verjährung des Direkt- und des Schadensersatzanspruchs wird alleine dadurch durchbrochen, dass der Direktanspruch stets einer kenntnisunabhängigen objektiven Höchstverjährungsfrist von zehn Jahren – beginnend mit dem Zeitpunkt des Schadenseintritts – unterworfen ist (§  115 Abs.  2 S.  2 HS.  2 VVG).564 In Deutschland kann sich im Übrigen die Situation einstellen, dass ein Direktanspruch im Zeitpunkt seines Entstehens bereits verjährt ist. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn die besonderen Direktanspruchsvoraussetzungen des §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  2, 3 VVG erst nach der Verjährung des zugrundeliegenden Schadensersatzanspruchs eintreten. Die Verjährung der verschiedenen gesetzlichen Direktansprüche in England weist demgegenüber ganz unterschiedliche Anknüpfungspunkte auf, was nicht zuletzt in deren differenten rechtskonstruktiven Herleitung begründet liegt. Beim Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, der bekanntermaßen aus der legalzedierten Haftpflichtversicherungsforderung So auch Franck, Direktanspruch, S.  139 f. kann bei den Schadensersatzansprüchen eine kenntnisunabhängige Verjährung mitunter auch erst nach 30 Jahren eintreten, vgl. §  199 Abs.  2, 3 BGB. 563 

564 Demgegenüber

IV. Vergleichende Betrachtung

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besteht,565 ist der Versicherer berechtigt, dem Geschädigten einen etwaigen Verjährungseinwand aus dem Versicherungsverhältnis entgegenzuhalten.566 Die Verjährungsfrist für Ansprüche aus einem Versicherungsvertrag beträgt sechs Jahre, wobei die Frist mit Fälligkeit des Versicherungsanspruchs zu laufen beginnt (s. 5 Limitation Act 1980). Auch in England kann sich dabei die für den Geschädigten unglückliche Situation ergeben, dass der Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 bereits verjährt ist, bevor dessen Entstehungsvoraussetzungen vorliegen und der Geschädigte erstmals die Chance zu dessen Geltendmachung hatte. Eine eigenständige Verjährungsfrist für den Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 wurde zwar im Gesetzgebungsverfahren diskutiert, fand dort jedoch letztlich keine Fürsprecher. Einen anderen verjährungsrechtlichen Ansatz wählt das englische Recht beim Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988. Da es sich hierbei um einen besonderen Durchsetzungsmechanismus für ein Schadensersatzurteil handelt, ist die sechsjährige Verjährungsfrist nach s. 24 Limitation Act 1980 für durch Urteil festgestellte Ansprüche maßgeblich, die mit dem Zeitpunkt des Urteilserlasses zu laufen beginnt. Die größte Ähnlichkeit zum deutschen Recht weist die Verjährung des auf Unionsrecht zurückgehenden Direktanspruchs aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 auf – schließlich richtet sich die Verjährung des Direktanspruchs hier ebenfalls nach dem Schadensersatzanspruch. Mit sechs Jahren ist die Verjährungsfrist deliktischer Ansprüche in England etwas großzügiger bemessen als in Deutschland, was allerdings sogleich wieder durch den grundsätzlich kenntnisunabhängigen und damit geschädigtenunfreundlichen Verjährungsbeginn relativiert wird. Alleine bei Schadensersatzansprüchen wegen der Verletzung einer Person (personal injuries) ergibt sich sowohl hinsichtlich der Länge der Verjährungsfrist als auch hinsichtlich des Verjährungsbeginns im Wesentlichen ein Gleichlauf mit der deutschen Rechtslage.567 Anders als in Deutschland ist der Geschädigte bei den beiden Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktansprüchen des englischen Rechts in Ermangelung eines entsprechenden Einwendungsausschlusses 565 

Hierzu bereits ausführlich oben unter 3. Teil A.II.2.a). genommen ist dies eine zwingende Folge des diesem Direktanspruch immanenten Grundsatzes des Durchgriffs versicherungsrechtlicher Einwendungen. In Deutschland hingegen ist der Einwand der Verjährung des Versicherungsanspruchs im Direktanspruchsverhältnis in analoger Anwendung des §  117 Abs.  1 VVG ausgeschlossen. 567  Allerdings gibt es in England an dieser Stelle keine objektive Höchstverjährungsfrist (long-stop), die in Deutschland in §  115 Abs.  2 S.  2 HS.  2 VVG (10 Jahre) vorgesehen ist. Somit kann sich die Verjährung zeitlich unbegrenzt hinauszögern, was zwar als geschädigtenfreundlich anzusehen ist, jedoch zugleich außer Acht lässt, dass lange zurückliegende Schadensereignisse oftmals nur noch schwer aufzuklären sind. 566  Streng

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

allerdings nicht davor gefeit, dass der Versicherer überdies den Einwand der Verjährung des zugrundeliegenden Haftpflichtversicherungsanspruchs erhebt. Dies ist jedoch ein Problem der bereits erörterten Thematik des Durchgriffs versicherungsrechtlicher Einwendungen.

4. Die Rolle des Entschädigungsfonds in der Kfz-Haftpflichtversicherung a) Zweck, Organisation und Bedeutung des Entschädigungsfonds Sowohl in Deutschland als auch in England existiert im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung ein Geschädigten-Entschädigungsfonds, welcher das Verkehrsopfer in Situationen entschädigen soll, in denen mit einem Schadensausgleich durch einen Kfz-Haftpflichtversicherer nicht zu rechnen ist. Dies ist der Erkenntnis geschuldet, dass der mit einer Kfz-Haftpflichtversicherungspflicht primär verfolgte Zweck des Geschädigtenschutzes letztlich unvollendet bliebe, wenn keine ergänzende Hilfseinrichtung existieren würde, auf welche der Geschädigte im Falle der Nicht-Realisierbarkeit eines Direktanspruchs zurückgreifen könnte.568 Die Einrichtung eines Entschädigungsfonds für Verkehrsunfallopfer ist dabei sowohl durch das – alleine für Deutschland verbindliche – Straßburger Übereinkommen als auch durch die gegenwärtig noch für beide untersuchten Länder geltende Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie der EU569 verbindlich vorgeschrieben.570 Der EuGH hat dabei klargestellt, dass ein Unfallgeschädigter lediglich als ultima ratio an den Entschädigungsfonds verwiesen werden darf. Durch geeignete gesetzgeberische Maßnahmen wie einen umfassenden Einwendungsausschluss ist vorrangig zu gewährleisten, dass das Unfallopfer seine Schäden durch den Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers ersetzt bekommt. Während diese Vorgabe in Deutschland – auch dank des vorbildlichen Einwendungsausschlusses – weithin beanstandungsfrei umgesetzt ist, wird dem Entschädigungsfonds in England eine gesteigerte Bedeutung 568 

Die Nicht-Realisierbarkeit eines Direktanspruchs kann in beiden Ländern sowohl rechtliche als auch tatsächliche Ursachen haben (z. B. unversicherte Fahrzeugnutzung, nicht ermittelbares Unfallfahrzeug, Insolvenz des Kfz-Haftpflichtversicherers, Drittwirkung versicherungsrechtlicher Einwendungen gegenüber dem Geschädigten). 569  Art.  10 6. KH-Richtlinie. 570  Während die Errichtung des Geschädigten-Entschädigungsfonds in Deutschland erst unter dem zwingenden Einfluss des Straßburger Übereinkommens erfolgte, existierte der englische Entschädigungsfonds bereits zu einer Zeit, zu welcher noch keine entsprechenden supranationalen Vorgaben bestanden (erste Überlegungen zu einem solchen Fonds datieren auf das Jahr 1937, umgesetzt wurden diese Überlegungen unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg).

IV. Vergleichende Betrachtung

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zugesprochen, die mit dieser unionsrechtlichen Vorgabe in Widerspruch steht. Insofern wird in England die Auffassung vertreten, dass der richtlinienrechtlich geforderte Geschädigtenschutz mittels des Entschädigungsfonds in gleicher Weise gewährleistet werden kann wie durch einen Direktanspruch gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer. Auf diese Weise möchte man die durchaus umfangreichen Einwendungsdurchgriffe rechtfertigen, die im Rahmen der Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktansprüche bestehen. Diese Argumentation verkennt jedoch zweifellos den unionsrechtlich geforderten Vorrang der Haftung eines Haftpflichtversicherers gegenüber der Haftung des Entschädigungsfonds. Die Geschädigten-Entschädigungsfonds in Deutschland und England ähneln sich in ihrer Organisationsform. Träger des Entschädigungsfonds sind in beiden Staaten privatrechtliche Zusammenschlüsse derjenigen Versicherungsunternehmen, die das Kfz-Haftpflichtversicherungsgeschäft betreiben. In Deutschland wird für den Zusammenschluss die Rechtsform des eingetragenen Vereins gewählt („Verkehrsopferhilfe e.V.“), in England ist das sog. „Motor Insurers’ Bureau“ als Kapitalgesellschaft (company limited by guarantee) organisiert. In beiden Fällen werden die finanziellen Mittel für die Entschädigung der Unfallopfer von den beteiligten Kfz-Haftpflichtversicherern erbracht, welche die anfallenden Kosten durch entsprechende Prämienkalkulation regelmäßig auf die Gemeinschaft aller ordnungsgemäß Kfz-Haftpflichtversicherten umlegen. Unterschiede zeigen sich in den untersuchten Ländern im Hinblick auf die Grundlage der Haftung gegenüber den Unfallgeschädigten. In Deutschland basiert die Leistungspflicht des Entschädigungsfonds auf einem gesetzlichen Anspruch (§  12 PflVG), dessen Erfüllung dem VOH übertragen wurde. Demgegenüber ergibt sich die Leistungspflicht in England aus zwei rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen, die das MIB auf der Ebene der Gleichordnung mit der englischen Regierung geschlossen hat571 und die als Verträge zugunsten der Verkehrsgeschädigten konzipiert sind. Die Ansprüche der Verkehrsopfer gegen den Entschädigungsfonds sind daher in England nicht gesetzlicher, sondern vielmehr vertraglicher Natur. In Deutschland kommt dem Geschädigten-Entschädigungsfonds insgesamt eine eher geringe Bedeutung zu und es werden jährlich – jedenfalls verglichen mit den offiziellen Unfallzahlen – nur eine verschwindend geringe Anzahl von Ansprüchen gegen den VOH erhoben. Gänzlich anders verhält es sich indes in England, wo alljährlich mehrere tausend Ansprüche gegen das MIB geltend gemacht werden. Eine Ursache für diese divergierende Bedeutung liegt sicher571  Hierbei handelt es sich um das Uninsured Drivers Agreement sowie um das Untraced Drivers Agreement.

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C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

lich darin, dass die Einhaltung der Kfz-Haftpflichtversicherungspflicht in Deutschland effektiv kontrolliert wird und demnach nur wenige unversicherte Fahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs sind, wohingegen die unversicherte Fahrzeugnutzung in England bedauerlicherweise noch immer ein weit verbreitetes Phänomen darstellt. Darüber hinaus trägt auch der recht weitgehende Durchgriff versicherungsrechtlicher Einwendungen bei den Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktansprüchen des englischen Rechts dazu bei, dass ein Geschädigter in England vermehrt auf den Entschädigungsfonds zurückgreifen muss. b) Leistungspflicht des Entschädigungsfonds Die Regelungen zur Leistungspflicht des Entschädigungsfonds haben in den untersuchten Rechtsordnungen eine gänzlich unterschiedliche Ausgestaltung erfahren. Das deutsche Recht greift insofern auf die Enumerationsmethode zurück und normiert in §  12 Abs.  1 PflVG abschließende Fallgruppen, in welchen Unfallgeschädigten ein Anspruch gegen den VOH zusteht. Die Tatbestände des §  12 Abs.  1 PflVG beschränken sich dabei auf Fälle, in welchen das Vorgehen eines Geschädigten gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer an unüberwindbaren Hindernissen scheitert – wobei diese teilweise in tatsächlichen und mitunter in rechtlichen Aspekten begründet liegen. Eine Eintrittspflicht des Entschädigungsfonds ist unter anderem vorgesehen, wenn das Unfallfahrzeug nicht zu ermitteln ist oder sich als unversichert herausstellt, wenn der Versicherer aufgrund einer vorsätzlichen Versicherungsfallherbeiführung nicht zu leisten braucht oder auch wenn eine Insolvenz des Haftpflichtversicherers eingetreten ist. In England findet man demgegenüber keine enumerative Aufzählung von Einzeltatbeständen, in denen eine Leistungspflicht des MIB gegeben ist. Das Uninsured Drivers Agreement 2015 enthält vielmehr eine generalklauselartige Bestimmung, wonach sich das MIB ganz allgemein zur Erfüllung eines vom Geschädigten gegen den Schädiger erwirkten Schadensersatzurteils verpflichtet, sofern dieses nicht innerhalb von sieben Tagen nach Eintritt der Vollstreckbarkeit befriedigt wurde (cl. 3 Uninsured Drivers Agreement 2015). Anders als in Deutschland gilt dies insbesondere auch dann, wenn der Geschädigte einen Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruch erfolgreich geltend machen könnte. Ist der schädigende Unfallfahrer unbekannt und kann ein Schadensersatzurteil daher nicht erstritten werden, schafft das Untraced Drivers Agreement 2003 Abhilfe und ermöglicht dem Geschädigten eine Inanspruchnahme des MIB. Die Leistungspflicht des Entschädigungsfonds unterliegt in beiden betrachteten Rechtsordnungen Beschränkungen. Gemeinsames Phänomen ist dabei zu-

IV. Vergleichende Betrachtung

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nächst die Subsidiarität der Haftung des Entschädigungsfonds, so dass der Geschädigte unter Umständen an ein anderes – vorrangig haftendes – Rechtssubjekt verwiesen werden kann. Ein Unterschied besteht jedoch insoweit, als dass der Kreis der vom Geschädigten vorrangig in Anspruch zu nehmenden Personen in der deutschen Subsidiaritätsvorschrift (§  12 Abs.  1 S.  2–4 PflVG) abschließend umschrieben und enger gefasst ist, wohingegen in England ganz allgemeine Subsidiaritätsklauseln Verwendung finden und das MIB die Leistung verweigern kann, wenn der Geschädigte Ersatz seines Schadens nur von irgendeiner anderen Person („any other person“) erlangen könnte. Neben der Subsidiarität finden sich sowohl in Deutschland als auch in England weitere Begrenzungen der Leistungspflicht des Entschädigungsfonds (z. B. Haftungshöchstsummen, Beschränkungen beim Ersatz von Sachschäden im Falle der Schädigung durch ein nicht zu ermittelndes Fahrzeug). Insgesamt stehen dem Entschädigungsfonds in England größere Einwendungsmöglichkeiten gegenüber dem Geschädigten zu (z. B. „Terrorklausel“, Leistungsfreiheit bei Missachtung spezieller Formvorschriften im Zusammenhang mit der Anspruchsgeltendmachung). Leider tritt das englische Recht auch an dieser Stelle in Widerspruch zu den unionsrechtlichen Vorgaben. c) Vervollkommnung des Geschädigtenschutzes durch Fondslösung bei sämtlichen Pflichthaftpflichtversicherungen? Über lange Zeit gab es einen Entschädigungsfonds in den Vergleichsrechtsordnungen ausschließlich im Bereich der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung. Mit dem Diffuse Mesothelioma Payment Scheme hat man in England jedoch kürzlich in einem weiteren Bereich einen Entschädigungsfonds geschaffen, welcher dem Schutz von Arbeitnehmern dient, die berufsbedingt an einem Mesotheliom leiden und über die Identität des Haftpflichtversicherers ihres (ehemaligen) Arbeitgebers im Unklaren sind.572 Es stellt sich daher durchaus auch für das deutsche Recht die allgemeine Frage, ob eine dem Geschädigten-Entschädigungsfonds für Kraftfahrzeugunfälle vergleichbare Einrichtung zur Vervollkommnung des Geschädigtenschutzes bei sämtlichen Pflichthaftpflichtversicherungen anzuraten ist. Zuzugeben ist zwar, dass grundsätzlich alle Pflichthaftpflichtversicherungen dem Gedanken des Geschädigtenschutzes in besonderer Weise verhaftet sind, und die Idee einer umfassenden Fondslösung zur Vervollständigung des Geschädigtenschutzes durchaus einen gewissen Reiz ausstrahlt. Eine pauschale Einrichtung von Entschädigungsfonds bei sämtlichen Pflichthaftpflichtversicherungen ist indes nicht zu befürworten. Zu vergegenwärtigen ist insofern, dass die durch einen Entschädigungsfonds anfallenden Kosten regelmäßig 572 

Hierzu oben unter 3. Teil C.III.1.b).cc).(1).

364

C. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

im Wege der Prämienerhöhung auf die Gemeinschaft aller ordnungsgemäß Versicherten umgelegt werden. Vor der Einrichtung eines Entschädigungsfonds bedarf es daher stets einer intensiven Abwägung zwischen dem Geschädigtenschutzinteresse einerseits und dem Interesse des – sich tadellos verhaltenden – Versichertenkollektivs andererseits. Auf der Seite des Geschädigtenschutzinteresses sind dabei insbesondere die potentiellen Schadenssummen in Ansatz zu bringen, die aus der versicherungspflichtigen Tätigkeit entstehen können. Nur wenn im Rahmen der Abwägung das Schutzinteresse des Geschädigten überwiegt, ist die Schaffung eines Entschädigungsfonds angezeigt.

5. Gesamtwürdigung Der gesetzliche Direktanspruch dient in beiden Ländern primär dazu, einem Geschädigten die Realisierung berechtigter Schadensersatzansprüche abzusichern. Vor diesem Hintergrund kann es denn auch kaum überraschen, dass sich die gesetzlichen Direktansprüche in den Vergleichsrechtsordnungen übereinstimmend durch eine grundsätzliche Akzessorietät zum zugrundeliegenden Schadensersatzanspruch auszeichnen, die lediglich in eng umgrenzten Ausnahmefällen im Interesse des Geschädigtenschutzes durchbrochen wird. Der Schadensersatzanspruch, um dessen Absicherung es geht, bildet denklogisch die Grenze eines gesetzlichen Direktanspruchs. Gravierende Unterschiede zwischen den Vergleichsrechtsordnungen bestehen indes im Hinblick auf die Maßgeblichkeit versicherungsrechtlicher Einwendungen im Direktanspruchsverhältnis. Gerade bei dieser für den Geschädigten „bedeutsamste[n] Frage des Direktanspruchs“573 erweist sich das englische Recht als höchst defizitär, weil es überwiegend vom Grundsatz des Einwendungsdurchgriffs beherrscht ist und dadurch insbesondere im Bereich der Pflichthaftpflichtversicherungen, deren primärer Zweck gerade im sozial relevanten Drittschutz liegt, die berechtigten Interessen des Geschädigten über Gebühr hintanstellt. Dies kulminiert im Bereich der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung gar in einem evident unionsrechtswidrigen Zustand. Die sich im Hinblick auf den Anwendungsbereich und die Entstehungsvoraussetzungen der gesetzlichen Direktansprüche in England zeigende verhältnismäßige Weitherzigkeit findet auf dieser Ebene somit keine Fortführung. Insofern erweist sich das deutsche Recht mit seinem konsequenten Einwendungsausschluss bei sämtlichen obligatorischen Haftpflichtversicherungen als überlegen. Andererseits belegt das deutsche Recht den Geschädigten in stärkerem Umfang mit gesetzlichen Obliegenheiten gegenüber dem Haftpflichtversicherer, 573 So

Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  172.

IV. Vergleichende Betrachtung

365

aus denen Einwendungen gegen den Direktanspruch erwachsen können und die in diesem Umfang in England keine Entsprechung finden. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass dem deutschen Recht hier durchaus ein angemessener Interessenausgleich zwischen den Belangen des Geschädigten und denen des Haftpflichtversicherers gelingt.

D. Regressrechte des Haftpflichtversicherers Im vorangegangenen Abschnitt haben sich in beiden betrachteten Rechtsordnungen Fallkonstellationen gezeigt, in welchen der Haftpflichtversicherer – vornehmlich aus Gründen des sozialen Drittschutzes – im Außenverhältnis zum geschädigten Dritten zur Leistung verpflichtet ist, obgleich er gegenüber seinem Versicherungsnehmer im Innenverhältnis die Versicherungsleistung vollständig oder zumindest teilweise hätte verweigern können (Ausschluss versicherungsrechtlicher Einwendungen). Es leuchtet ein, dass der Versicherer in diesen Situationen ein originäres Interesse daran besitzt, bei seinem Versicherungsnehmer Rückgriff zu nehmen, um diesen letzten Endes die finanziellen Belastungen der Schädigung tragen zu lassen. Die Intention des Versicherers geht insofern dahin, keinesfalls über das versicherungsvertraglich vereinbarte Maß hinaus für die wirtschaftlichen Folgen eines von seinem Versicherungsnehmer verursachten Schadensereignisses zu haften.1 Es nimmt dabei nicht wunder, dass etwaigen Regressrechten eine umso größere Relevanz zukommt, je weitreichender ein Gesetzgeber zulasten des Haftpflichtversicherers Einwendungsausschlüsse im Verhältnis zum geschädigten Dritten normiert hat. Dementsprechend wohnt der Regressthematik in Deutschland – mit seinen sehr umfassenden Einwendungsausschlüssen – tendenziell eine größere Bedeutung inne als in England, wo der Haftpflichtversicherer versicherungsrechtliche Einwendungen bereits in größerem Umfang gegenüber dem Geschädigten geltend machen kann. Im nun folgenden Abschnitt wird untersucht, inwieweit die deutsche und englische Rechtsordnung dem deskribierten Interesse des Versicherers durch Einräumung von Regressrechten zur Geltung verhelfen. Rechtskonstruktiv kann ein derartiges (gesetzliches) Rückgriffsrecht einerseits derivativ aus der Forderung des Geschädigten gegen den schädigenden Versicherungsnehmer hergeleitet werden. Denkbar ist indes auch die originäre Einräumung einer selbständigen Regressforderung.2 In jedem Falle trägt der Versicherer das Risiko der Einbringlichkeit der Rückgriffsforderung. Das Insolvenzrisiko des Schädigers wird Vgl. auch Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  213. Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  209 f. Daneben bleibt es den Versicherungsvertragsparteien grundsätzlich unbenommen, ein vertragliches Regressrecht zugunsten des Haftpflichtversicherers zu vereinbaren. 1  2 

368

D. Regressrechte des Haftpflichtversicherers

mithin vom Geschädigten auf den Haftpflichtversicherer verlagert3 und der Versicherer wird sich vielfach mit einer bloß quotalen Befriedigung des Regressanspruchs nach Partizipation in einem Insolvenzverfahren begnügen müssen.4 Gleichwohl kann ein effektives Regressmanagement – neben einer sorgfältigen Schadensbearbeitung – einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Schadensquote leisten und somit letztlich zu einer höheren Wirtschaftlichkeit des Haftpflichtversicherungsgeschäftes führen.5

I. Deutschland 1. Grundlegende Differenzierung In Deutschland ist ein Ausschluss versicherungsrechtlicher Einwendungen nicht alleine im gesetzlich begründeten Direktanspruchsverhältnis vorgesehen. Dem Pflichthaftpflichtversicherer ist die Berufung auf Einwendungen aus dem Versicherungsvertragsverhältnis vielmehr auch dann nach den maßgeblichen Vorschriften der §§  114 Abs.  2 S.  2, 117 VVG versagt, wenn der Geschädigte rechtsgeschäftlich begründete Direktansprüche6 geltend macht oder den Versicherer nach Pfändung und Überweisung des Versicherungsanspruchs (§§  829, 835 ZPO) im Wege einer Drittschuldnerklage in Anspruch nimmt.7 Folgerichtig wird die Regressthematik auch außerhalb des Anwendungsbereichs des gesetzlichen Direktanspruchs iSd §  115 VVG virulent. Je nachdem, ob der Haftpflichtversicherer aus dem gesetzlichen Direktanspruch in Anspruch genommen wurde oder sich der Geschädigte eines alternativen Weges der Inanspruchnahme bediente, sieht das deutsche Recht unterschiedliche Regressregelungen vor. Nachfolgend sollen zuvorderst die Regressrechte im Anwendungsbereich des gesetzlichen Direktanspruchs beleuchtet werden, bevor der Vollständigkeit halber eine Analyse der Regressmöglichkeiten erfolgt, die außerhalb von dessen Anwendungsbereich bestehen. Micha, Direktanspruch im europäischen IPR, S.  213. Vgl. Wandt, VR, Rn.  1127; Heidl, VVG-Reform, S.  302 f.; Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  7.20. Auf der anderen Seite kann der Rückgriff des Versicherers für den Versicherungsnehmer zu einer ernsthaften Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz werden, welcher gegebenenfalls durch Regresshöchstbeträge begegnet werden kann (so z. B. §  5 Abs.  3 S.  1 KfzPflVV). 5  Vgl. auch Höld, VersR 2012, 284, 284 f. 6  Ausführlich zu rechtsgeschäftlich begründeten Direktansprüchen oben unter 2. Teil B.I.2.a). 7  BT-Drs. 16/6627, S.  7; Huber in Schwintowski/Brömmelmeyer, §  115 Rn.  2; Knapp­ mann in Prölss/Martin, §  114 Rn.  4 sowie §  117 Rn.  1; Franck, Direktanspruch, S.  141. 3  4 

I. Deutschland

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2. Regressrechte im Anwendungsbereich des gesetzlichen Direktanspruchs a) Dogmatische Grundlagen und Überblick Im Anwendungsbereich des gesetzlichen Direktanspruchs haften Haftpflichtversicherer und schädigender Versicherungsnehmer gesamtschuldnerisch für den Schadensersatzanspruch des Geschädigten (§  115 Abs.  1 S.  4 VVG).8 Ein ganz allgemeines Charakteristikum des deutschen Gesamtschuldrechts liegt indes darin, dass der vom Gläubiger in Anspruch genommene Gesamtschuldner gegen seine Mitschuldner einen Ausgleichsanspruch erwirbt, sofern und soweit die von ihm im Außenverhältnis erbrachte Leistung die Verpflichtung übersteigt, welche ihm nach den Grundsätzen der internen Lastenverteilung im Hinblick auf die betreffende Schuld obliegt (vgl. §  426 BGB).9 Nach Leistung auf den Direktanspruch kann der Haftpflichtversicherer daher zumindest dem Grunde nach Ausgleich von seinem Versicherungsnehmer verlangen. In Abweichung von der in §  426 Abs.  1 S.  1 BGB statuierten Regel, wonach Gesamtschuldner im Zweifel zu gleichen Anteilen verpflichtet sind, richtet sich die interne Verteilungsquote zwischen Haftpflichtversicherer und schädigendem Versicherungsnehmer jedoch nach der haftpflichtversicherungsrechtlichen Spezialvorschrift des §  116 VVG, welche an den Inhalt des Deckungsverhältnisses anknüpft.10 Folglich scheidet ein Regress des Haftpflichtversicherers gegen seinen Versicherungsnehmer von vornherein aus, soweit er nach den Bestimmungen des Versicherungsvertrages in Ansehung des konkreten Schadensereignisses zur Gewährung von Versicherungsschutz verpflichtet ist (§  116 Abs.  1 S.  1 VVG). Dies ist unmittelbarer Ausfluss der Freistellungskomponente der Haftpflichtversicherung.11 Demgegenüber ist der Haftpflichtversicherer zum Regress berechtigt, wenn und soweit er zur Freistellung des Versicherungsnehmers von dem konkreten Schadensersatzanspruch versicherungsvertraglich nicht verpflichtet 8 

Hierzu bereits ausführlich oben unter 3. Teil A.I.2. BGH, NJW 1986, 1097, 1097; Bydlinski in MüKoBGB, §  421 Rn.  58. Das deutsche Gesamtschuldrecht bietet dem leistenden Gesamtschuldner nach seiner Grundkonzeption gleich zwei verschiedene Regresswege: Zum einen räumt es ihm einen originären Ausgleichsanspruch ein (§  426 Abs.  1 BGB), zum anderen eröffnet es ihm dank Anordnung einer „bestärkenden“ Legalzession (cessio legis) die Möglichkeit, aus der nunmehr anteilig auf ihn übergangenen Gesamtschuldforderung gegen den Mitschuldner vorzugehen (§  426 Abs.  2 BGB), vgl. Bydlinski in MüKoBGB, §  426 Rn.  1 sowie Schulze in HK-BGB, §  426 Rn.  1. 10  Schneider in MüKoVVG, §  116 Rn.  1 f.; Bruns, PVR, §  22 Rn.  52; Heidl, VVG-Reform, S.  300. 11  Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  962; Franck, Direktanspruch, S.  192; Vogt, Direktansprüche, S.  51. 9 

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D. Regressrechte des Haftpflichtversicherers

gewesen wäre und allein aufgrund einer gesetzgeberischen Wertentscheidung dem Geschädigten im Außenverhältnis haftbar bleibt (§  116 Abs.  1 S.  2 VVG). Als klassische Regresssituationen kommen somit die Fälle des „kranken“ Versicherungsverhältnisses sowie der Umstand der Nachhaftung in Betracht (§  117 Abs.  1, 2 VVG) und auch bei Einschlägigkeit des §  114 Abs.  2 S.  2 VVG ist dem Versicherer regelmäßig ein Rückgriff eröffnet.12 Nach §  116 Abs.  1 S.  3 VVG steht dem Haftpflichtversicherer im Falle der Leistungsfreiheit im Versicherungsinnenverhältnis zudem ein Ersatzanspruch hinsichtlich der Aufwendungen zu, die im Zusammenhang mit der Schadensregulierung im Direktanspruchsverhältnis anfallen. b) Regressansprüche aa) Anspruchsgrundlagen Einem Haftpflichtversicherer, der einen gesetzlichen Direktanspruch des Geschädigten trotz Leistungsfreiheit im Versicherungsverhältnis befriedigt hat, stehen zwei verschiedene Regresswege gegen den Versicherungsnehmer offen, wobei diese „inhaltlich identisch“13 sind. Einerseits kann sich der Haftpflichtversicherer eines gesetzlich eingeräumten originären Ausgleichsanspruchs bedienen (sog. originärer Regress), daneben ist aber auch die Geltendmachung des im Wege der Legalzession übergegangenen Schadensersatzanspruchs möglich (sog. derivativer Regress). Während sich die cessio legis des Schadensersatzanspruchs dabei unstreitig aus §  426 Abs.  2 BGB ergibt,14 ist die korrekte Anspruchsgrundlage des originären Ausgleichsanspruchs Gegenstand einer gewissen Diskussion.15 Teilweise wird die Grundlage des originären Ausgleichsanspruchs unmittelbar dem §  426 Abs.  1 BGB entnommen,16 andere Rechtswissenschaftler sprechen hingegen der Auffassung zu, §  426 Abs.  1 BGB werde durch die Spezialregelung des §  116 Abs.  1 S.  2 VVG als Anspruchsgrundlage verdrängt.17 Betrachtet man die Vorschrift des §  5 ProdHaftG, welche ebenfalls der Regelung einer internen Verteilungsquote mehrerer Gesamtschuldner in Abweichung vom Grundsatz des §  426 Abs.  1 BGB gewidmet ist, 12  Franck, Direktanspruch, S.  192 f.; Huber in Schwintowski/Brömmelmeyer, §  116 Rn.  4 f. 13  Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  965. 14  Vgl. nur statt vieler Bruns, PVR, §  22 Rn.  52. 15  Ausführlich zum Streitstand: Lorenz, VersR 1991, 505, 506 (noch zum Verhältnis von §  426 BGB und §  3 Nr.  9 PflVG a. F.). 16  Lorenz, VersR 1991, 505, 506; Franck, Direktanspruch, S.  193; wohl auch Heidl, VVGRe­form, S.  302 und Schneider in MüKoVVG, §  116 Rn.  7. 17  Vogt, Direktansprüche, S.  51; Wandt, VR, Rn.  1126; Höld, VersR 2012, 284, 285.

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so ist man geneigt, die erste Ansicht zu favorisieren. Während nämlich in §  5 ProdHaftG die Geltung des §  426 Abs.  1 S.  1 BGB explizit ausgeschlossen wird, fehlt es im Rahmen des §  116 Abs.  1 S.  2 VVG an einer solchen Anordnung. Mithin spricht einiges dafür, dass der Gesetzgeber mit §  116 Abs.  1 VVG keine eigenständige Anspruchsgrundlage normieren, sondern alleine die Höhe der sich weiterhin aus §  426 Abs.  1 BGB ergebenden Ausgleichsansprüche festlegen wollte.18 Den dargelegten gesamtschuldnerischen Regressansprüchen des Haftpflichtversicherers wohnt nach herrschender Meinung ein abschließender Charakter inne. Etwaige Ausgleichsansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus Bereicherungsrecht kommen daneben nicht in Betracht.19 bb) Umfang der Regressansprüche Die den Versicherungsnehmer treffende Ausgleichspflicht findet ihre absolute Grenze selbstverständlich in der vom Haftpflichtversicherer an den Geschädigten ausgezahlten Schadensersatzsumme. Nach §  124 Abs.  2 VVG muss der Versicherungsnehmer dabei die im Direktanspruchsverhältnis über den Schadensersatzanspruch getroffene Entscheidung gegen sich gelten lassen – auch wenn sie mit der wirklichen Rechtslage nicht übereinstimmen sollte. Er kann in der Regresssituation daher nicht einwenden, die Schadensersatzfrage sei im Direktprozess falsch entschieden worden.20 Die Bindungswirkung entfällt lediglich dann, wenn dem Versicherungsnehmer der schwierige Nachweis gelingen sollte, dass der Haftpflichtversicherer seine Pflicht zur Abwehr unbegründeter Entschädigungsansprüche sowie zur Minderung oder zur sachgemäßen Feststellung des Schadens schuldhaft verletzt hat (§  124 Abs.  2 VVG a. E.). Im Übrigen wird die Höhe des Regressanspruchs durch die spezielle Regelung des §  116 Abs.  1 S.  2 VVG näher konkretisiert. Danach kann der Versicherer Ausgleich lediglich in der Höhe verlangen, in welcher er hinsichtlich des in Rede stehenden Schadensersatzanspruchs versicherungsvertraglich leistungsfrei war.21 Bekanntermaßen kann es im Deckungsverhältnis neben einer vollständigen auch nur zu einer teilweisen Leistungsfreiheit des Versicherers kommen – beispielsweise wenn der Haftpflichtversicherer infolge einer grob fahrlässigen Verletzung einer vertraglich vereinbarten Obliegenheit lediglich zur anteiligen Leistungskürzung berechtigt ist (vgl. §  28 Abs.  2 S.  2 VVG). AufSo auch Lorenz, VersR 1991, 505, 506. BGH, NJW-RR 2008, 344, 345; OLG Karlsruhe, VersR 1979, 77, 78; Huber in Schwintowski/Brömmelmeyer, §  116 Rn.  23; Schimikowski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, §  116 Rn.  5; Schneider in MüKoVVG, §  116 Rn.  3. 20  Dallwig in FAKomm-VersR, §  124 VVG Rn.  6. 21  Franck, Direktanspruch, S.  193; Schimikowski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, §  116 Rn.  5. 18 

19 

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D. Regressrechte des Haftpflichtversicherers

grund des im Übrigen fortbestehenden Versicherungsschutzes hat der Haftpflichtversicherer den weiteren Schaden selbst zu tragen.22 Insbesondere bei Schadensfällen größeren Ausmaßes (z. B. Straßenverkehrsunfälle mit mehreren Unfallbeteiligten und schwerwiegenden Personenschäden) kann der Umfang der den Versicherungsnehmer treffenden Ausgleichspflicht rasch exorbitante Höhen erreichen und dessen wirtschaftliche Existenz ernstlich bedrohen. Nicht immer erscheint ein solches Ergebnis vor dem Hintergrund der dem Versicherungsnehmer zur Last fallenden und zur Leistungsfreiheit des Haftpflichtversicherers führenden Verfehlung verhältnismäßig.23 Im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung, wo regelmäßig besonders große Schäden aufzutreten pflegen, erfährt daher der Umfang der Regressansprüche des Haftpflichtversicherers zumindest teilweise eine gesetzliche Limitierung, indem gewisse Regresshöchstbeträge normiert werden (§§  5 f. KfzPflVV).24 Entscheidend ist dabei, worauf die (teilweise) Leistungsfreiheit des Versicherers im Deckungsverhältnis beruht. So ist beispielsweise der Regress des Kfz-Haftpflichtversicherers auf den Betrag von 5.000 EUR beschränkt, wenn die Leistungsfreiheit auf eine Verletzung von Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalls zurückzuführen ist (§  5 Abs.  3 KfzPflVV). Bei der Verletzung von Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall gilt nach §  6 Abs.  1 KfzPflVV wiederum ein Regresshöchstbetrag von 2.500 EUR.25 Eine Addition der Regressgrenzen für die Verletzung von vor respektive nach Eintritt des Versicherungsfalls zu beachtender Obliegenheiten ist möglich.26 Demgegenüber existiert auch im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung ein unbeschränkter Regressanspruch, sofern die Leistungsfreiheit des Versicherers auf einem Prämienzahlungsverzug (§§  37, 38 VVG) beruht oder aber zum Unfallzeitpunkt überhaupt kein Versicherungsschutz mehr bestanden hat (Fälle der Nachhaftung).27

Schneider in MüKoVVG, §  116 Rn.  8. Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  970; Wandt, VR, Rn.  1143. 24  Ein ähnliches Ergebnis wurde bereits vor der gesetzlichen Reglementierung durch eine Regressverzichts-Absichtserklärung der Kfz-Haftpflichtversicherer erreicht (Regressbegrenzung aufgrund geschäftsplanmäßiger Erklärung), vgl. Wandt, VR, Rn.  1144 [Fn.  189]; Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  970 f. 25  In beiden Fällen (§§  5, 6 KfzPflVV) greift ausnahmsweise keine Regressbeschränkung, wenn die Obliegenheitsverletzung in der Absicht begangen wurde, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen (§  7 KfzPflVV); erfasst werden hierdurch insbesondere manipulierte Verkehrsunfälle, vgl. Kreuter-Lange in FAKomm-VersR, §  7 KfzPflVV Rn.  1. 26  BGH, NJW 2006, 147, 148; OLG Celle, r+s 2014, 59, 60. 27  Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  975 ff. 22  23 

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cc) Verjährung Sowohl der originäre als auch der derivative Regressanspruch des Haftpflichtversicherers unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§  195 BGB).28 Nach der den §  199 BGB überlagernden Spezialregelung des §  116 Abs.  2 VVG beginnt die Verjährung beider Rückgriffsansprüche29 erst mit dem Schluss des Jahres, in welchem der Versicherer den Direktanspruch des Geschädigten erfüllt hat. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass der – ggf. schon vorher als Befreiungsanspruch entstandene – Ausgleichsanspruch bereits verjährt ist, bevor überhaupt der Haftpflichtversicherer an den Geschädigten geleistet hat.30 Werden durch den Versicherer lediglich Teilleistungen erbracht, so beginnt die Verjährung des Regressanspruchs gesondert für jede erbrachte Teilzahlung.31 Da jedoch die Verjährung der Regressansprüche für alle innerhalb eines Jahres getätigten Teilzahlungen einheitlich am Ende des jeweiligen Jahres zu laufen beginnt, tritt zumindest keine völlige „Zersplitterung der Verjährung“ ein.32 c) Aufwendungsersatzanspruch (§  116 Abs.  1 S.  3 VVG) Reguliert der Haftpflichtversicherer eine Schadensangelegenheit seines (vermeintlichen) Versicherungsnehmers, obgleich ihn im Versicherungsinnenverhältnis keine Leistungspflicht trifft, so liegt hierin die Besorgung eines faktisch dem Versicherungsnehmer obliegenden Geschäfts.33 Nach §  116 Abs.  1 S.  3 VVG wird dem Haftpflichtversicherer daher neben den Regressansprüchen ein Anspruch auf Ersatz der mit Wahrnehmung dieses Geschäfts entstandenen Aufwendungen eingeräumt, sofern und soweit der Versicherer diese den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Als erstattungsfähige Aufwendungen kommen insbesondere Kosten für die Erstellung von Sachverständigengutachten, für die Anforderung von Aktenauszügen, für die Einholung amtlicher Auskünfte oder auch für die Mandatierung eines externen Rechtsanwalts in Knappmann in Prölss/Martin, §  116 Rn.  15; Schimikowski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, §  116 Rn.  9; Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  968. 29  Vgl. insoweit BGH, NJW-RR 2008, 344, 345; Schneider in MüKoVVG, §  116 Rn.  16. 30  BT-Drs. IV/2252, S.  19 (zur insoweit identischen Vorgängerregelung des §  3 Nr.  11 S.  2 PflVG a. F.); vgl. zu Sinn und Zweck der Regelung ferner Schneider in MüKoVVG, §  116 Rn.  16. 31  OLG Bamberg, NJW-RR 2006, 1406, 1408; OLG Hamm, VersR 1981, 645, 645; Schneider in MüKoVVG, §  116 Rn.  17; Huber in Schwintowski/Brömmelmeyer, §  116 Rn.  36; Heintzmann, VersR 1980, 593, 594 f.; anders noch LG Verden, VersR 1978, 657, 657. 32  Vgl. auch Huber in Schwintowski/Brömmelmeyer, §  116 Rn.  36. 33  Schneider in MüKoVVG, §  116 Rn.  13. 28 

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D. Regressrechte des Haftpflichtversicherers

Betracht.34 Keinesfalls ersatzfähig sind indes die allgemeinen Regiekosten des Versicherers (Verwaltungs- und Personalkosten).35 So sind beim Haftpflichtversicherer anfallende Personalkosten selbst dann nicht erstattungsfähig, wenn ein Mitarbeiter alleine für die Regulierung eines ganz bestimmten Schadensfalles abgestellt oder auch neu eingestellt wird. Freilich mag dies den Versicherer dazu veranlassen, die Schadensregulierung von vornherein an einen externen Rechtsanwalt zu delegieren anstatt zunächst eigenes Personal einzusetzen.36 Für die Verjährung des Aufwendungsersatzanspruchs gilt ebenfalls §  116 Abs.  2 VVG.37

3. Regressrechte außerhalb des Anwendungsbereichs des gesetzlichen Direktanspruchs Auch außerhalb des Anwendungsbereichs des gesetzlichen Direktanspruchs kann ein Bedürfnis des Haftpflichtversicherers bestehen, gegen seinen Versicherungsnehmer zu regressieren. Hintergrund dessen ist, dass die gesetzlich vorgesehenen Einwendungsausschlüsse auch bei alternativen Formen der Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers durch den Geschädigten Wirkung entfalten.38 In Ermangelung eines Gesamtschuldverhältnisses ist in diesen Fällen allerdings kein Raum für eine Anwendung der §§  426 BGB, 116 VVG und einen hierauf gestützten Regress des Versicherers. Der Gesetzgeber hat dem in diesen Situationen bestehenden Regressinteresse des Haftpflichtversicherers zumindest teilweise anderweitig Rechnung getragen. Insofern bedarf es jedoch der – im Ergebnis freilich wenig nachvollziehbaren und de lege ferenda zu korrigierenden – Differenzierung, ob der das Regressbedürfnis auslösende Einwendungsausschluss den versicherungsvertraglich vereinbarten Selbstbehalt betrifft (§  114 Abs.  2 S.  2 VVG) oder ob er sich aus §  117 Abs.  1, 2 VVG ergibt. Während es nämlich im erstgenannten Fall de lege lata an einer gesetzlich eingeräumten Rückgriffsmöglichkeit fehlt, kommt dem Haftpflichtversicherer im Übrigen zu Zwecken des Regresses eine Legalzession des gegen den schädigenden Versicherungsnehmer gerichteten Schadensersatzanspruchs zugute (§  117 Abs.  5 VVG). In Anbetracht der identischen Interessenlage beim Haftpflichtversicherer mutet diese Unterscheidung willkürlich an. Sie ist wohl einem ge34  Jacobsen in Feyock/Jacobsen/Lemor, §  116 VVG Rn.  12; Knappmann in Prölss/Martin, §  116 Rn.  13; Schneider in MüKoVVG, §  116 Rn.  14; Heidl, VVG-Reform, S.  305. 35  Schimikowski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, §  116 Rn.  8; Schneider in MüKoVVG, §  116 Rn.  14; Schwartze in Looschelders/Pohlmann, §  116 Rn.  8. 36  Kritisch daher Huber in Schwintowski/Brömmelmeyer, §  116 Rn.  33. 37  Hierzu soeben unter 3. Teil D. I.2.b).cc). 38  Siehe hierzu bereits oben unter 3. Teil D.I.1.

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setzgeberischen Versehen im Rahmen der VVG-Reform 2008 geschuldet, als erst durch Rückführung des gesetzlichen Direktanspruchs auf „die unter Verbraucherschutzgesichtspunkten wesentlichen Problembereiche“39 das Bedürfnis nach einem Regress jenseits der §§  426 BGB, 116 VVG entstand.40 Der Gesetzgeber hat schlicht das Regressbedürfnis des Haftpflichtversicherers in dem Falle übersehen, dass der Einwendungsausschluss den vertraglich vereinbarten Selbstbehalt betrifft. a) Legalzession nach §  117 Abs.  5 VVG War der Haftpflichtversicherer außerhalb des gesetzlichen Direktanspruchs – trotz Leistungsfreiheit im Deckungsverhältnis – aufgrund der in §  117 Abs.  1, 2 VVG normierten Einwendungsausschlüsse zur Leistung gegenüber dem Geschädigten verpflichtet, so geht nach §  117 Abs.  5 S.  1 VVG zu Ausgleichszwecken der Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen den schädigenden Versicherungsnehmer auf den Versicherer über (Legalzession).41 Nach wohl herrschender Meinung setzt der gesetzliche Forderungsübergang allerdings zusätzlich voraus, dass der Haftpflichtversicherer seine Leistung an den Geschädigten subjektiv in Kenntnis der Leistungsfreiheit im Deckungsverhältnis und zugleich im Bewusstsein seiner gesetzlichen Verpflichtung aus §  117 Abs.  1, 2 VVG erbracht hat.42 Auf die Legalzession finden über §  412 BGB die Vorschriften der §§  399 bis 404 BGB sowie der §§  406 bis 410 BGB entsprechende Anwendung. Wurde der Geschädigte vom Haftpflichtversicherer nur teilweise befriedigt, so darf der daraus resultierende Teilübergang der Schadensersatzforderung auf den Versicherer allerdings nicht zum Nachteil des geschädigten Dritten geltend gemacht werden (§  117 Abs.  5 S.  2 VVG). Mithin kommt der Restforderung des Geschädigten in Zwangsvollstreckung und Insolvenz Vorrang gegenüber dem Regressanspruch des Haftpflichtversicherers zu (sog. Befriedigungsvorrecht des Geschädigten).43 Dem Rechtsgedanken des §  117 Abs.  5 S.  2 VVG ist zudem zu entnehmen, dass etwaige Sicherungsrechte entgegen der gesetzlichen Grundkonzeption (§§  412, 401 BGB) beim Geschädigten verbleiben.44 Der 39 

BT-Drs. 16/5862, S.  99; hierzu bereits ausführlich oben unter 2. Teil C.I.3. Schimikowski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, §  117 Rn.  14. 41  §  117 Abs.  5 VVG begründet lediglich einen derivativen Regressanspruch; ein originärer Regressanspruch ist außerhalb des gesetzlichen Direktanspruchs hingegen nicht vorgesehen. 42  Dallwig in FAKomm-VersR, §  117 VVG Rn.  13; Knappmann in Prölss/Martin, §  117 Rn.  38; Langheid in Langheid/Rixecker, §  117 Rn.  43; Schneider in MüKoVVG, §  117 Rn.  51. 43  Huber in Schwintowski/Brömmelmeyer, §  117 Rn.  98; Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  175. 44  Knappmann in Prölss/Martin, §  117 Rn.  50; Schneider in MüKoVVG, §  117 Rn.  58. 40 

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D. Regressrechte des Haftpflichtversicherers

Rückgriffsanspruch verjährt nach den für den zedierten Schadensersatzanspruch maßgeblichen Vorschriften.45 Soweit die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Legalzession nach §  117 Abs.  5 VVG vorliegen, ist ein Rückgriff auf andere Anspruchsgrundlagen ausgeschlossen, die ebenfalls einen Regress des Haftpflichtversicherers ermöglichen könnten (z. B. GoA, Bereicherungsrecht).46 Etwaige vom Haftpflichtversicherer zu Zwecken der Schadensregulierung getätigte Aufwendungen (z. B. Mandatierung eines Rechtsanwalts) sind nach §§  675, 670 BGB bzw. §§  683, 670 BGB erstattungsfähig, sofern die notwendige Erforderlichkeit zu bejahen ist.47 b) Situation beim Selbstbehalt Ausweislich des eindeutigen Gesetzeswortlauts kommt eine Legalzession nach §  117 Abs.  5 S.  1 VVG nur dann in Betracht, wenn sich der Ausschluss versicherungsrechtlicher Einwendungen im Außenverhältnis zum Geschädigten aus §  117 Abs.  1, 2 VVG ergibt. Folglich scheidet ein auf §  117 Abs.  5 VVG gestützter Regress von vornherein aus, sofern der Einwendungsausschluss einen versicherungsvertraglich vereinbarten Selbstbehalt betrifft (§  114 Abs.  2 S.  2 VVG).48 Auch eine dem §  117 Abs.  5 VVG vergleichbare gesetzliche Regelung existiert für diese Konstellation bislang nicht. Mithin steht dem Haftpflichtversicherer nach geltender Rechtslage kein gesetzliches Rückgriffsrecht zu, sofern und soweit er dem Geschädigten wegen der Vorschrift des §  114 Abs.  2 S.  2 VVG Leistungen erbringen muss.49 Es wäre indes wünschenswert, wenn der Gesetzgeber auch in diesem Falle ein dem §  117 Abs.  5 VVG nachempfundenes Regressrecht zugunsten des Haftpflichtversicherers einführen oder zumindest die Norm des §  117 Abs.  5 VVG für entsprechend anwendbar erklären würde. Dies würde letztlich auf eine Korrektur des im Zuge der VVG-Reform begangenen Fehlers hinauslaufen.50

Knappmann in Prölss/Martin, §  117 Rn.  44; Schneider in MüKoVVG, §  117 Rn.  59. Huber in Schwintowski/Brömmelmeyer, §  117 Rn.  98; Hübsch in Berliner Kommentar, §  158f Rn.  39 (zur Vorgängervorschrift des §  158f VVG a. F.); Schneider in MüKoVVG, §  117 Rn.  50; Schwartze in Looschelders/Pohlmann, §  117 Rn.  27. 47  BGH, VersR 1976, 480, 481 f.; Dallwig in FAKomm-VersR, §  117 VVG Rn.  14; Knappmann in Prölss/Martin, §  117 Rn.  39; Schwartze in Looschelders/Pohlmann, §  117 Rn.  29; Bruns, PVR, §  22 Rn.  49. 48  Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  167. 49  Für den Vorschlag, jedem Haftpflichtversicherungsvertrag im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§  133, 157 BGB) ein entsprechendes Regressrecht zu entnehmen, siehe Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, §  24 Rn.  167. 50  Vgl. zu diesem Fehler bereits oben in der Einleitung zu 3. Teil D.I.3. 45 

46 

II. England

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II. England Im englischen Haftpflichtversicherungsrecht kommt der Regressthematik von vornherein eine geringere Relevanz zu. Dies ist unmittelbare Folge der nach englischem Recht sehr weitgehenden Berechtigung des Haftpflichtversicherers, die Leistung gegenüber dem Geschädigten unter Berufung auf versicherungsrechtliche Einwendungen zu verweigern.51 Insgesamt lassen es die in England existierenden gesetzlichen Regressregelungen an Übersichtlichkeit und Stringenz vermissen. Anders als das deutsche Recht52 sieht das englische Gesetzesrecht keine universelle Regressvorschrift vor, welche einem Haftpflichtver­ sicherer einen Rückgriff auf den Versicherungsnehmer in sämtlichen Fällen ermög­lichen würde, in welchen er trotz Leistungsfreiheit im Versicherungsinnenverhältnis dem Geschädigten zur Leistung verpflichtet bleibt. Das englische Recht ist vielmehr geprägt durch eine größere Anzahl von Vorschriften, die sich in wenig systematischer Weise zu einem etwaigen Rückgriff des Haftpflichtversicherers verhalten. Dabei zeigt sich gar das Phänomen, dass innerhalb eines einzigen gesetzlichen Direktanspruchs verschiedene Regressvorschriften existieren, die jeweils an bestimmte Einwendungsausschlüsse anknüpfen. Die bestehenden gesetzlichen „Regressklauseln“ des englischen Rechts weisen sehr unterschiedliche Erscheinungsformen auf. Nicht immer wird dem Haftpflichtversicherer ein originärer oder auch derivativer gesetzlicher Rückgriffsanspruch (statutory right of recourse) eingeräumt, bisweilen beschränkt sich der Gesetzgeber auch lediglich auf die explizite gesetzliche Billigung versicherungsvertraglich vereinbarter Rückgriffsregelungen. An anderer Stelle hat die Legislative wiederum ganz bewusst von der Normierung eines Regressrechts Abstand genommen. Jenseits gesetzlicher Regelungen kann sich ein Rückgriffsanspruch des Haftpflichtversicherers im Einzelfall auch aus allgemeinen, nicht kodifizierten englischen Rechtsgrundsätzen ergeben (v. a. unjust enrichment).

1. Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 Beim gesetzlichen Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, der – von wenigen Ausnahmen abgesehen – vom Grundsatz des 51 

Hierzu ausführlich oben unter 3. Teil C.III. Streng genommen ist in Deutschland zwischen dem Regress im Anwendungsbereich des gesetzlichen Direktanspruchs und dem Regress außerhalb des gesetzlichen Direktanspruchs zu differenzieren, wobei der Regress aber in beiden Fällen jeweils durch eine zentrale Rückgriffsregelung geprägt ist (§  426 BGB bzw. §  117 Abs.  5 VVG). 52 

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D. Regressrechte des Haftpflichtversicherers

Einwendungsdurchgriffs geprägt ist,53 stellt sich die Regressfrage nur sehr eingeschränkt.54 Ein Regressbedürfnis des Haftpflichtversicherers besteht danach alleine im Bereich der Arbeitgeberhaftpflichtversicherung (employers’ liability insurance) mit seinen partiellen Einwendungsausschlüssen, sowie neuerdings auch bei anderen Haftpflichtversicherungsarten, sofern ein der Vermeidung besonderer Ungerechtigkeiten (particular injustices) dienender Einwendungsausschluss nach s. 9 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 eingreift. a) Ablehnung eines gesetzlichen Regressrechts im Gesetzgebungsverfahren Als im Zuge der Reform des Third Parties (Rights against Insurers) Act eine mehr oder weniger umfangreiche Abkehr vom Grundsatz des Einwendungsdurchgriffs diskutiert wurde,55 griff man in den Reformkonsultationen zugleich auch die komplementäre Regressthematik auf – wenngleich man dieser eine eher geringe rechtspraktische Bedeutung beimaß. Die Geltendmachung eines Regressanspruchs durch den Haftpflichtversicherer gegen einen im Anwendungsbereich des Third Parties (Rights against Insurers) Act regelmäßig mittellosen Versicherungsnehmer56 erachtete man nämlich für wenig wahrscheinlich.57 Gleichwohl ging die ursprüngliche Empfehlung der Law Commission dahin, dem Haftpflichtversicherer einen gesetzlichen Regressanspruch (statutory right of recourse) für den Fall einzuräumen, dass dieser trotz versicherungsvertraglicher Leistungsfreiheit im Außenverhältnis zum Geschädigten haftete. Dem Versicherer sollte zumindest die Möglichkeit zum Regress eröffnet werden, von welcher er nach freiem Belieben Gebrauch machen könne. Die mit der Begutachtung des Reformvorschlags beauftragten Rechtswissenschaftler begrüßten mehrheitlich die Idee eines gesetzlichen Regressrechts zugunsten des Haftpflichtversicherers.58 Freilich war zu diesem Zeitpunkt noch keine Entscheidung über den tatsächlichen Umfang etwaiger Einwendungsausschlüsse im neuen Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 getroffen. 53 

Vgl. hierzu oben unter 3. Teil C.III.1.b).bb) und cc). Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  7.21: „(…) in the usual case, the issue [d. h. die Regressfrage] does not arise: the insurer will only have to pay the third party in circumstances in which, in the absence of a statutory transfer, he would have had to pay the insured“. 55  Hierzu ausführlich oben unter 3. Teil C.III.1.b).bb).(1). 56  Zu berücksichtigen ist insoweit, dass die tatbestandliche Einschlägigkeit des Direktanspruchs aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act überwiegend durch eine krisenhafte Vermögenslage bzw. durch eine Insolvenzsituation beim schädigenden Versicherungsnehmer bedingt ist, hierzu näher oben unter 3. Teil B.II.1.b). 57  Law Commission, Law Com No.  152 (1998), Rn.  14.42. 58  Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  7.20. 54 

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Nachdem man sich jedoch letztlich dazu entschieden hatte, dem Versicherer im Direktanspruchsverhältnis lediglich in eng begrenzten Fallgruppen die Berufung auf versicherungsrechtliche Einwendungen zu versagen,59 nahm man auch von dem anfänglichen Vorschlag zur Gewährung eines gesetzlichen Regressanspruchs Abstand. Die Law Commission gelangte zu der – im Ergebnis sehr zweifelhaften – Überzeugung, dass ein gesetzliches Regressrecht zugunsten des Haftpflichtversicherers bei jedem einzelnen der konkret vorgesehenen Einwendungsausschlüsse unpassend bzw. unangemessen („inappropriate“) wäre.60 Der abschließenden Empfehlung der Law Commission folgend hat auch das englische Parlament ganz bewusst davon abgesehen, im Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 einen gesetzlichen Regressanspruch zugunsten des Haftpflichtversicherers zu normieren. Dem Haftpflichtversicherer steht es allerdings frei, sich vertraglich ein Regressrecht für den Fall auszubedingen, dass er trotz Leistungsfreiheit im Deckungsverhältnis aufgrund s. 9 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 dem Geschädigten verpflichtet bleibt.61 b) Ausdrückliche gesetzliche Billigung vertraglicher Regressrechte in der Arbeitgeberhaftpflichtversicherung Eine regressrechtlich relevante Rechtsnorm findet man im Zusammenhang mit den im Bereich der Arbeitgeberhaftpflichtversicherung (employers’ liability insurance) vorgesehenen Einwendungsausschlüssen.62 Die insoweit maßgebliche Vorschrift der reg. 2 (3) Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Regulations 1998 räumt dem Haftpflichtversicherer indes keinen gesetzlichen Regress­ anspruch gegen den schädigenden Arbeitgeber ein. Vielmehr beschränkt sich der Normgeber dort auf die ausdrückliche gesetzliche Billigung etwaiger versicherungsvertraglich verabredeter Regressrechte. Freilich dürfte der Vorschrift hinsichtlich der Zulässigkeit einer vertraglichen Regressklausel63 alleine ein klarstellender Charakter zufallen. Die Berechtigung der Versicherungsvertrags59  Vgl. nunmehr s. 9 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010; hierzu auch oben unter 3. Teil C.III.1.b).cc).(2). 60  Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  7.21. 61  Vgl. in diese Richtung nur Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  7.19: „(…) the insurer may have this right [i.e. right of recourse] under the insurance contract (…)“. Der Statthaftigkeit einer solchen vertraglichen Abrede steht somit ganz offenkundig nicht entgegen, dass es der Gesetzgeber – anders als beispielsweise bei der Arbeitgeberhaftpflichtversicherung (hierzu sogleich) – versäumt hat, diese gesetzlich ausdrücklich für zulässig zu erklären. 62  Vgl. zu diesen, bereits unter dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 geltenden Einwendungsausschlüssen ausführlich oben unter 3. Teil C.III.1.b).cc).(1). 63  Ein Beispiel für eine typische Regressklausel in einem Arbeitgeberhaftpflichtversicherungsvertrag geben Mance/Goldrein/Merkin, Insurance Disputes, Rn.  17.32.

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D. Regressrechte des Haftpflichtversicherers

parteien zur Vereinbarung eines rechtsgeschäftlichen Regressanspruchs zugunsten des Haftpflichtversicherers folgt nämlich bereits aus dem Grundsatz der Privatautonomie, dem in England bekanntermaßen ein besonders hoher Stellenwert beigemessen wird. c) Regressrecht aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen Es hat sich gezeigt, dass dem Haftpflichtversicherer im Anwendungsbereich des Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 kein gesetzlicher Regressanspruch zugutekommt, sollte er trotz Leistungsfreiheit im Deckungsverhältnis aufgrund eines gesetzlichen Einwendungsausschlusses zur Befriedigung des geschädigten Dritten verpflichtet gewesen sein.64 Der Versicherer kann sich demnach grundsätzlich nur dann bei seinem Versicherungsnehmer erholen, wenn er sich versicherungsvertraglich ein Rückgriffsrecht vorbehalten hat. Es stellt sich jedoch die Frage, ob dem Versicherer nicht möglicherweise auch aus ungeschriebenen englischen Rechtsgrundsätzen ein Regressanspruch gegen den Versicherungsnehmer erwachsen kann. Ein Rückgriffsanspruch des Haftpflichtversicherers gegen den Versicherungsnehmer könnte unter Umständen aus dem Bereicherungsrecht (law of restitution) herzuleiten sein. Das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung (unjust enrichment) ist – zumindest als eigenständiges Rechtsgebiet – ein recht junges Kind des englischen Rechtssystems.65 Noch bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts verortete man bereicherungsrechtliche Fragestellungen im Bereich des Vertragsrechts66 und stützte Rückabwicklungen ungerechtfertigter Vermögensverlagerungen auf (quasi-) vertragliche Ansprüche.67 Ein allgemeiner Bereicherungstatbestand existierte dabei nicht; die der Abstraktion im Allgemeinen wenig zugeneigte englische Rechtsprechung hatte vielmehr zahlreiche, an typischen Lebenssachverhalten orientierte Klagekategorien und Ansprüche entwickelt, derer sich ein Bereicherungsgläubiger zur Abschöpfung eines unge-

64 

Hierbei ist gleichgültig, ob sich der maßgebliche Einwendungsausschluss unmittelbar aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 oder aber – im Bereich der Arbeitgeberhaftpflichtversicherung – aus den Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Regulations 1998 ergibt. 65  Allgemein zur historischen Entwicklung des Bereicherungsrechts in England: Virgo in Chitty on Contracts, Vol. I, Rn.  29-005 ff.; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S.  553 ff. 66  Meier, ZEuP 1998, 716, 716; Henrich/Huber, Einführung in das englische Privatrecht, S.  76. 67  Henrich/Huber, Einführung in das englische Privatrecht, S.  76; Kuhlmann, Rückgriffsgrundlagen, S.  141.

II. England

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rechtfertigten Vermögensvorteils bei einem Dritten bedienen konnte.68 Nach umfangreichen Vorarbeiten in der Literatur69 löste die Rechtsprechung70 erst im Jahre 1991 die Verbindung mit dem Vertragsrecht auf und erkannte die eigenständige Existenz des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung an.71 Neben der restitution for wrongs, welche ähnlich der Eingriffskondiktion des deutschen Rechts der Abschöpfung solcher Vermögensvorteile dient, welche auf einem rechtswidrigen Handeln des Bereicherungsschuldners beruhen, kennt das moderne englische Bereicherungsrecht die sog. restitution for unjust enrichment als zentrale Kondiktionsart. Mit dieser sollen ganz allgemein solche Vermögensverschiebungen rückabgewickelt werden, die als unjust erscheinen.72 Ein Bereicherungsanspruch aufgrund unjust enrichment setzt nach allgemeiner Auffassung voraus, dass der Anspruchsgegner tatsächlich bereichert ist (enrichment), wobei die Bereicherung gerade auf Kosten des Anspruchstellers eingetreten sein muss (at the claimant’s expense), und dass die Bereicherung ungerechtfertigt (unjust)73 geschah. Zudem dürfen dem Begehren des Anspruchstellers im Einzelfall keine Einwendungen (defences) – wie beispielsweise der Wegfall der Bereicherung (change of position) – entgegenstehen.74 Im Hinblick auf die vorliegend zu erörternde Thematik des Regresses des Haftpflichtversicherers gegen den schädigenden Versicherungsnehmer sind insbesondere folgende bereicherungsrechtliche Erwägungen von Interesse: Die restitution for unjust enrichment ermöglicht es grundsätzlich auch, im Falle der Tilgung einer fremden Schuld (discharge of another’s liability) beim Schuldner der maßgeblichen Verbindlichkeit Rückgriff zu nehmen, sofern der Leistende Henrich/Huber, Einführung in das englische Privatrecht, S.  76. Zu erwähnen ist hier insbesondere das wegweisende Werk Goff/Jones, The Law of ­Restitution, London, 1966; ferner auch Birks, An Introduction to the Law of Restitution, Oxford, 1985. 70  Vgl. hierzu die bahnbrechende Entscheidung Lipkin Gorman v. Karpnale [1991] 2 A.C. 548, 548 ff. 71  Tettenborn, Law of Restitution, Rn.  1-4; Busse, Internationales Bereicherungsrecht, S.  14; Henrich/Huber, Einführung in das englische Privatrecht, S.  77; Meier, ZEuP 1998, 716, 716. 72  Birks, ZEuP 1993, 554, 555 f.; Henrich/Huber, Einführung in das englische Privatrecht, S.  77 f. 73  Im englischen Recht sind zahlreiche Umstände anerkannt, welche eine Bereicherung als ungerechtfertigt erscheinen lassen (sog. unjust factors), z. B. Zweckverfehlung ( failure of consideration), Nötigung (duress), Irrtum (mistake), (rechtliche) Zwangslage (legal compulsion). Die bislang anerkannten unjust factors sind dabei keinesfalls abschließend, im Rahmen der unjust-Prüfung spielen Wertungsgesichtspunkte des Einzelfalls eine maßgebliche Rolle, vgl. Henrich/Huber, Einführung in das englische Privatrecht, S.  77. 74  Tettenborn, Law of Restitution, Rn.  1-5; Virgo in Chitty on Contracts, Vol. I, Rn.  29017; Kuhlmann, Rückgriffsgrundlagen, S.  150 f. 68  69 

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D. Regressrechte des Haftpflichtversicherers

nicht ausnahmsweise aufgrund des Innenverhältnisses zur Tilgung verpflichtet war.75 Für die zunächst notwendige Bereicherung (enrichment) ist vonnöten, dass es durch die Drittleistung tatsächlich zur Schuldbefreiung gekommen ist und dem Schuldner insoweit eigene Aufwendungen (expenses) für die Befriedigung der entsprechenden Verbindlichkeit erspart bleiben.76 Die Bereicherung ist dabei als unjust anzusehen, wenn der Leistende – ohne korrespondierende Verpflichtung im Innenverhältnis zum Forderungsschuldner – seinerseits zur Begleichung der Schuld gegenüber dem Dritten rechtlich gezwungen war (legal compulsion).77 Vor diesem Hintergrund erscheint es jedoch überaus zweifelhaft, dass dem Haftpflichtversicherer, welcher den Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 trotz Vorliegen versicherungsrechtlicher Einwendungen befriedigen muss, zum Zwecke des Regresses ein Bereicherungsanspruch gegen den Versicherungsnehmer zusteht.78 Gegen das Vorliegen eines Bereicherungsanspruchs spricht, dass es sich bei dem Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 rechtskonstruktiv um den legalzedierten Haftpflichtversicherungsanspruch handelt,79 bei welchem der Haftpflichtversicherer nun einmal höchstselbst passivlegitimiert ist. Befriedigt der Versicherer diesen Anspruch, so erfüllt er eine ureigene Verbindlichkeit. Demgegenüber wird der schädigende Versicherungsnehmer hierdurch gerade nicht von seiner Schuld gegenüber dem Drittgeschädigten befreit. Nach s. 14 (1) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 wird lediglich die Durchsetzbarkeit des Schadensersatzanspruchs ausgeschlossen, soweit der Geschädigte vom Haftpflichtversicherer Ersatz zu erlangen vermag.80 Der bloße Ausschluss der Durchsetzbarkeit eines Anspruchs wurde bislang aber noch nicht als bereicherungsrechtlich relevante enrichment anerkannt. 75  Allgemein hierzu: Tettenborn, Law of Restitution, Rn.  8 -1 ff.; Virgo in Chitty on Contracts, Vol. I, Rn.  29-105 ff. 76  Moule v. Garrett (1872) L.R. 7 Ex. 101, 103 f.; Tettenborn, Law of Restitution, Rn.  8 -4 ff.; Virgo in Chitty on Contracts, Vol. I, Rn.  29-105. 77  Tettenborn, Law of Restitution, Rn.  8 -7; Virgo in Chitty on Contracts, Vol. I, Rn.  29105. 78  In der englischen Literatur wird ein bereicherungsrechtlicher Rückgriff im Anwendungsbereich des Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 nicht einmal diskutiert. Auf die Möglichkeit eines bereicherungsrechtlichen Rückgriffs wird vielmehr lediglich im Rahmen des Direktanspruchs aus s. 151 Road Traffic Act 1988 hingewiesen, vgl. unter anderem Birds’ Modern Insurance Law, S.  425 sowie Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  725 (hierzu noch unten unter 3. Teil D.II.2.c)). 79  Hierzu ausführlich oben unter 3. Teil A.II.2.a). 80  Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  7.8; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-056.

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2. Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 Das sich beim Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 hinsichtlich der Einwendungsausschlüsse zeigende unsystematische und unübersichtliche Bild81 setzt sich bei den Regelungen zum Regressrecht des Kfz-Haftpflichtversicherers fort. Insoweit existieren mehrere Normen, die sich zur Thematik des Regresses des Kfz-Haftpflichtversicherers verhalten. Dabei zeichnen sich diese Regelungen durch ein eigenartiges Nebeneinander von gesetzlichen Regressansprüchen (statutory rights of recourse) auf der einen sowie von Gesetzesbestimmungen mit bloßer Billigung vertraglicher Regressabreden auf der anderen Seite aus. Anders als beim Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 201082 kann sich ein Regressanspruch des Kfz-Haftpflichtversicherers zudem stets auch aus dem nicht kodifizierten Bereicherungsrecht (law of restitution) ergeben.83 a) Gesetzliche Regressansprüche aa) S.  148 (4) Road Traffic Act 1988 Einen ersten gesetzlichen Regressanspruch (statutory right of recourse) normiert die Vorschrift des s. 148 (4) Road Traffic Act 1988 für den Fall, dass dem Kfz-Haftpflichtversicherer im Verhältnis zum Geschädigten die Berufung auf bestimmte inhaltliche Beschränkungen des Versicherungsschutzes nach s. 148 (1), (2) Road Traffic Act 198884 versagt ist.85 Bei dem sich aus s. 148 (4) Road Traffic Act 1988 ergebenden gesetzlichen Regressanspruch handelt es sich um ein selbständiges Rückgriffsrecht (sog. originärer Regress), dessen historischer Ursprung in der nahezu inhaltsgleichen Norm des s. 12 Road Traffic Act 193486 zu finden ist. Der Regress des Haftpflichtversicherers erfährt keine höhenmäßige Begrenzung, so dass potentiell die gesamte an den Geschädigten ausgezahlte Schadensersatzsumme vom Versicherungsnehmer zurückgefordert werden kann.87 In Extremfällen kann daher durch die Geltendmachung des Regressan81 

Dazu oben unter 3. Teil C.III.2.b).bb). Hierzu siehe oben unter 3. Teil D.II.1.c). 83  Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  273; hierzu näher unten unter 3. Teil D.II.2.c). 84  Zu diesem Einwendungsausschluss siehe eingehend oben unter 3. Teil C.III.2.b).bb).(1). (a). 85  S.  148 (4) Road Traffic Act 1988: „Any sum paid by an insurer or the giver of a security in or towards the discharge of any liability of any person which is covered by the policy or security by virtue only of subsection (1) above is recoverable by the insurer or giver of the security from that person“. 86  Später s. 206 (1) Road Traffic Act 1960 bzw. s. 148 (1) Road Traffic Act 1972. 87  Dies folgt unmittelbar aus dem Wortlaut des s. 148 (4) Road Traffic Act 1988: „Any sum 82 

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D. Regressrechte des Haftpflichtversicherers

spruchs die wirtschaftliche Existenz des Versicherungsnehmers ernstlich bedroht sein. Die Verjährung des Regressanspruchs richtet sich mangels spezialgesetzlicher Vorschriften nach den allgemeinen Regeln des Limitation Act 1980. bb) S.  151 (7) Road Traffic Act 1988 Ein weiterer gesetzlicher Regressanspruch findet sich in der Vorschrift des s. 151 (7) Road Traffic Act 1988, welcher im Ergebnis den weitesten Anwendungsbereich aller Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Regressrechte aufweist. Diese Regressvorschrift ermöglicht einen Rückgriff gleich bei mehreren Einwendungsausschlusstatbeständen, aufgrund derer der Kfz-Haftpflichtversicherer trotz Leistungsfreiheit im Versicherungsverhältnis dem Geschädigten zur Befriedigung des Direktanspruchs verpflichtet bleibt. S.  151 (7) Road Traffic Act 1988 gewährt dem Haftpflichtversicherer dabei einen originären Regressanspruch, dessen Umfang grundsätzlich keiner Begrenzung unterliegt.88 Zunächst gibt s. 151 (7) (a) Road Traffic Act 1988 dem Haftpflichtversicherer ein Rückgriffsrecht, wenn er gegenüber dem Unfallgeschädigten nach s. 151 (3) Road Traffic Act 1988 mit dem Einwand ausgeschlossen ist, der Unfallfahrer sei nicht im Besitz einer gültigen öffentlich-rechtlichen Fahrerlaubnis gewesen und genieße infolgedessen gar keinen Haftpflichtversicherungsschutz. Da es sich bei s. 151 (3) Road Traffic Act 1988 streng genommen um einen Einwendungsausschluss im Hinblick auf eine persönliche Beschränkung des Versicherungsschutzes handelt,89 hätte es der speziellen Regressvorschrift nach s. 151 (7) (a) Road Traffic Act 1988 indes gar nicht bedurft. Vielmehr wird diese Konstellation bereits ganz allgemein von der Regressvorschrift des s. 151 (8) Road Traffic Act 1988 erfasst.90 Nach s. 151 (7) (b) Road Traffic Act 1988 wiederum kann der Kfz-Haftpflichtversicherer beim Versicherungsnehmer Rückgriff nehmen, soweit die aufgrund der „provisions of this section“ an den Geschädigten auszuzahlende Summe den versicherungsvertraglich geschuldeten Betrag übersteigt. Eine strenge Orientierung am Gesetzeswortlaut könnte freilich den Eindruck entstehen lassen, dass die Vorschrift des s. 151 (7) (b) Road Traffic Act 1988 einen Regress des Haftpflichtversicherers nur dann trägt, wenn sich der maßgebliche Einwendungsausschluss ebenfalls aus „section 151“ des Road Traffic Act 1988 ergibt. Bei einem paid by an insurer (…) in or towards the discharge of any liability of any person (…) is recoverable (…) from that person“ (kursive Hervorhebung durch Verfasser). 88  MacGillivray on Insurance Law, Rn.  31-026; Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5-194. 89  Hierzu oben unter 3. Teil C.III.2.b).bb).(1).(b). 90  Zu dieser sogleich unter 3. Teil D.II.2.a).cc).

II. England

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solchen Verständnis würde sich der auf diese Norm stützbare Regress jedoch alleine auf Fälle einer im Direktanspruchsverhältnis unbeachtlichen quantitativen Begrenzung des Versicherungsschutzes beschränken (z. B. Obergrenze bei Versicherungssumme, Selbstbehalt).91 Indes entspricht es ganz herrschender Meinung, dass sich Kfz-Haftpflichtversicherer auch dann zum Zwecke des Regresses auf s. 151 (7) (b) Road Traffic Act 1988 berufen können, soweit sie im Falle der Verletzung einer vorvertraglichen Anzeigepflicht seitens des Versicherungsnehmers mangels rechtzeitiger Erwirkung eines die Zulässigkeit der Vertragsaufhebung feststellenden Urteils im Direktanspruchsverhältnis zur Leistung verpflichtet bleiben – 92 und das obgleich die maßgeblichen Vorschriften nicht dem s. 151 Road Traffic Act 1988, sondern dem s. 152 (2) – (5) Road Traffic Act 1988 zu entnehmen sind.93 Nachvollziehbar wird diese Sichtweise unter Vergegenwärtigung der Gesetzesgenese. In den Vorgängergesetzen des Road Traffic Act 1988 war der nunmehr in s. 151 (7) (b) Road Traffic Act 1988 verortete Regressanspruch nämlich in nahezu wortgleicher Formulierung in demselben Gesetzesparagraphen zu finden wie die Regelungen zur Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht,94 so dass dem Haftpflichtversicherer dort in Fällen der Leistungspflicht gegenüber dem Geschädigten trotz Verletzung einer vorvertraglichen Anzeigepflicht durch den Versicherungsnehmer unproblematisch der Regress eröffnet war. Es ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber hieran im Rahmen der Neustrukturierung des Gesetzes etwas ändern wollte. cc) S.  151 (8) Road Traffic Act 1988 Einen letzten gesetzlichen Regressanspruch normiert s. 151 (8) Road Traffic Act 1988. Diese Vorschrift ermöglicht dem Kfz-Haftpflichtversicherer einen Regress, sofern und soweit95 er im Direktanspruchsverhältnis aufgrund der Vorschrift des s. 151 (2) (b) Road Traffic Act 1988 für einen Schaden einzustehen 91 

Hierzu oben unter 3. Teil C.III.2.b).bb).(1).(c). Für die Regressberechtigung des Haftpflichtversicherers ist es dabei ohne Belang, aus welchen Gründen die Erwirkung eines derartigen Feststellungsurteils unterblieben ist; insbesondere muss sich der Haftpflichtversicherer noch nicht einmal ernstlich um die Anstrengung eines Feststellungsverfahrens iSd s. 152 (2) – (5) Road Traffic Act 1988 bemüht haben, vgl. Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  733. 93  Merkin/Hemsworth, Law of Motor Insurance, Rn.  5 -194; Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  733; Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  275; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-078. 94  Siehe s. 149 Road Traffic Act 1972, s. 207 Road Traffic Act 1960 sowie s. 10 Road Traffic Act 1934. 95  Der originäre Regressanspruch nach s. 151 (8) Road Traffic Act 1988 unterliegt dabei – wie bereits die anderen gesetzlichen Regressansprüche des Road Traffic Act 1988 – vom Umfang her keiner Beschränkung. 92 

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D. Regressrechte des Haftpflichtversicherers

hat, der durch einen Fahrer verursacht wurde, welcher nicht zum versicherten Personenkreis des konkreten Haftpflichtversicherungsvertrages gehört. Als potentieller Regressschuldner kommt in diesen Fällen selbstverständlich der unversicherte Unfallverursacher in Betracht, daneben aber auch der Versicherungsnehmer, sofern dieser die unversicherte Fahrzeugnutzung verursacht oder gestattet („caused or permitted“) hat.96 Für die Beantwortung der Frage, ob eine causation bzw. permission der unversicherten Nutzung des Unfallfahrzeuges durch den Versicherungsnehmer vorliegt, sind die von der Rechtsprechung zur Vorschrift des s. 143 (1) (b) Road Traffic Act 1988 entwickelten Grundsätze heranzuziehen.97 Demzufolge sieht sich der Versicherungsnehmer dann einem Regressanspruch ausgesetzt, wenn er sein Fahrzeug einem anderen vorbehaltlos zur Nutzung überlassen hat, ohne den Fahrzeuggebrauch ausdrücklich unter die Bedingung (condition) eines existierenden Haftpflichtversicherungsschutzes zugunsten des Fahrers zu stellen.98 Nicht ausreichend zur Abwehr eines Regress­ anspruchs ist jedenfalls die Behauptung des Versicherungsnehmers, hinsichtlich des Bestehens einer den Fahrer deckenden Kfz-Haftpflichtversicherung in gutem Glauben gewesen zu sein.99 Ein auf s. 151 (8) Road Traffic Act 1988 gestützter Regress gegen den Versicherungsnehmer ist jedoch ausnahmsweise ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer höchstselbst dem Personenkreis angehört, der durch den unversicherten Fahrer geschädigt wurde. Andernfalls würde nämlich der durch die s. 143 ff. Road Traffic Act 1988 bezweckte und durch das europäische Richtlinienrecht abgesicherte umfassende Schutz der Verkehrsunfallopfer vereitelt werden.100 Dies gilt selbst dann, wenn der geschädigte Versicherungsnehmer positiv wusste, dass die Person, welcher er das Fahrzeug zur Nutzung überlassen hat, keinen Haftpflichtversicherungsschutz besitzt.101

Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  274; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  31-026. Lloyd-Wolper v. Moore [2004] EWCA Civ 766 [Rn.  26]; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-078 [Fn.  428]; MacGillivray on Insurance Law, Rn.  31-026. 98  Newbury v. Davis [1974] R.T.R. 367, 370 f.; Lloyd-Wolper v. Moore [2004] EWCA Civ 766 [Rn.  27 f.]; Merkin, Insurance Law, S.  289. 99  Baugh v. Crago [1975] R.T.R. 453, 455; Ferrymasters Ltd v. Adams [1980] R.T.R. 139, 142 ff.; Lowry/Rawlings, Insurance Law – Doctrines and Principles, S.  256. 100  Churchill Insurance Co Ltd v. Wilkinson and Evans v. Equity Claims Ltd [2012] EWCA Civ 1166; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-079; Birds, Insurance Law in the UK, Rn.  274; Merkin/Steele, Insurance and the Law of Obligations, S.  272. 101  Vgl. EuGH v. 01. Dezember 2011, Rs. C-442/10 (Churchill), Slg. 2011, I-12639, 12680. 96 

97 

II. England

387

b) Ausdrückliche gesetzliche Billigung vertraglicher Regressrechte Einen anderen regressrechtlichen Ansatz hat der englische Gesetzgeber mit der Vorschrift des s. 148 (6) Road Traffic Act 1988102 gewählt. Rechtshistorisch handelt es sich dabei sogar um die älteste gesetzliche Regressregelung im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung.103 Für den Fall, dass der Kfz-Haftpflichtversicherer im Direktanspruchsverhältnis zur Leistung verpflichtet bleibt, obgleich der Versicherungsnehmer eine für die Zeit nach Eintritt des Versicherungsfalls vorgesehene Obliegenheit missachtet hat, begnügt sich der Gesetzgeber in s. 148 (6) Road Traffic Act 1988 mit der ausdrücklichen Billigung rechtsgeschäftlicher Regressvereinbarungen. Der Haftpflichtversicherer kann danach grundsätzlich nur dann bei seinem Versicherungsnehmer Rückgriff nehmen, wenn er sich für diese Situation den Regress im Haftpflichtversicherungsvertrag ausdrücklich vorbehalten hat.104 Ob es vor dem Hintergrund des dem englischen Zivilrecht zugrundeliegenden Grundsatzes der Privatautonomie einer derartigen gesetzlichen Vorschrift bedarf, mag freilich bezweifelt werden. Wie bereits bei der vergleichbaren Regelung im Rahmen der obligatorischen Arbeitgeberhaftpflichtversicherung105 dürfte dem Gesetz insoweit alleine klarstellende Bedeutung hinsichtlich der Zulässigkeit einer vertraglichen Regressabrede zukommen. c) Regressanspruch aus dem Bereicherungsrecht (law of restitution) Ein Regressanspruch zugunsten eines Kfz-Haftpflichtversicherers, der trotz Leistungsfreiheit im Deckungsverhältnis zur Erfüllung des im Haftpflichtverhältnis ausgeurteilten Schadensersatzanspruchs verpflichtet ist, kann sich letztlich auch aus dem Bereicherungsrecht (law of restitution) ergeben.106 Mit der S.  148 (6) Road Traffic Act 1988: „Nothing in subsection (5) above shall be taken to render void any provision in a policy or security requiring the person insured or secured to pay the insurer or the giver of the security any sums which the latter may have become liable to pay under the policy or security and which have been applied to the satisfaction of the claims of third parties“. 103  Die jetzige Regressregelung des s. 148 (6) Road Traffic Act 1988 geht zurück auf die (nahezu) identische Vorschrift des s. 38 Road Traffic Act 1930. Die weiteren Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Regressvorschriften, die nunmehr ein statutory right of recourse zugunsten des Haftpflichtversicherers vorsehen, datieren erst auf die Jahre 1934 (die jetzigen s. 148 (4), 151 (7) (b) Road Traffic Act 1988) bzw. 1988 (die jetzigen s. 151 (7) (a), (8) Road Traffic Act 1988). 104  Vgl. aber zu einem möglichen bereicherungsrechtlichen Rückgriffsanspruch sogleich unter 3. Teil D.II.2.c). 105  Reg. 2 (3) Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Regulations 1998 (hierzu oben unter 3. Teil D.II.1.b)). 106  Birds’ Modern Insurance Law, S.  425; Halsbury’s Laws of England, Vol. 60, Rn.  725. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zur Situation beim Direktanspruch aus dem Third 102 

388

D. Regressrechte des Haftpflichtversicherers

Leistung auf den ausgeurteilten Schadensersatzanspruch tilgt der Haftpflichtversicherer aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung (s. 151 Road Traffic Act 1988 in Verbindung mit dem maßgeblichen Einwendungsausschluss; legal compulsion) eine fremde Schuld (discharge of another’s liability), was im Falle der gleichzeitigen Leistungsfreiheit im Deckungsverhältnis einen tauglichen Anknüpfungspunkt für eine restitution for unjust enrichment darstellt.107 Auch der bereicherungsrechtliche Rückgriffsanspruch ist dabei höhenmäßig nicht begrenzt.

3. Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 Von lediglich sehr geringer Bedeutung ist die Regressthematik im Anwendungsbereich des Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruchs aus den European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002, weil dort nach derzeit geltendem Recht ein nahezu unbeschränkter Einwendungsdurchgriff vorherrscht und der Haftpflichtversicherer eine etwaige versicherungsvertragliche Leistungsfreiheit bereits unmittelbar dem Direktanspruchsbegehren des Unfallgeschädigten entgegensetzen kann.108 Alleine der nach herrschender Auffassung auch beim Direktanspruch aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 anwendbare Einwendungsausschluss des s. 148 (1), (2) Road Traffic Act 1988 lässt partiell ein Regressbedürfnis des Haftpflichtversicherers entstehen, welchem in der englischen Rechtswissenschaft jedoch merkwürdigerweise keine nähere Beachtung geschenkt wird. Plädiert man indes für die Anwendung dieses Einwendungsausschlusses im Rahmen der European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002, so sollte dem Haftpflichtversicherer konsequenterweise auch der hiermit korrespondierende gesetzliche Regressanspruch aus s. 148 (4) Road Traffic Act 1988 zugestanden werden.

III. Vergleichende Betrachtung Vor der näheren Eruierung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Regressrechten des Haftpflichtversicherers in Deutschland und England, sollte man sich zunächst einer abweichenden Ausgangslage in den VergleichsrechtsParties (Rights against Insurers) Act 2010, wo ein auf Bereicherungsrecht gestützter Regress­ anspruch nicht existiert (hierzu ausführlich oben unter 3. Teil D.II.1.c)). 107  Dazu ebenfalls oben unter 3. Teil D.II.1.c). 108  Hierzu eingehend oben unter 3. Teil C.III.3.b).

III. Vergleichende Betrachtung

389

ordnungen gewahr werden. In Anbetracht der unterschiedlich stark ausgeprägten Einwendungsdurchgriffe kommt der Regressthematik in den beiden Ländern eine sehr unterschiedliche Relevanz zu. In England entfalten versicherungsrechtliche Einwendungen sowohl bei der freiwilligen als auch bei der obligatorischen Haftpflichtversicherung in weitem Umfang Drittwirkung, so dass der Versicherer bereits gegenüber dem Geschädigten die Haftungsgrenzen aus dem Deckungsverhältnis geltend machen kann und vielfach nicht auf einen Regress gegen seinen Versicherungsnehmer angewiesen ist. In Deutschland hingegen kann sich der Haftpflichtversicherer zumindest im Bereich der Pflichthaftpflichtversicherung gegenüber dem Geschädigten regelmäßig nicht auf versicherungsrechtliche Einwendungen berufen und die Frage nach einem Regress stellt sich mit einer weitaus größeren Häufigkeit. In beiden untersuchten Staaten trägt der Versicherer das Insolvenzrisiko des schädigenden Versicherungsnehmers und somit das Risiko der Uneinbringlichkeit gesetzlich eingeräumter Regressforderungen. Vor allem bei Schäden größeren Ausmaßes erscheint die vollumfängliche Realisierbarkeit eines Regressanspruchs überaus zweifelhaft. Gleichwohl kann ein effektives Regressmanagement seitens der Versicherungsunternehmen in Deutschland wie in England die Schadenquote verbessern und einen bedeutsamen Beitrag zu einer besseren Wirtschaftlichkeit des Haftpflichtversicherungsgeschäfts leisten. Von daher sind gesetzlich zugebilligte Regressforderungen in beiden untersuchten Ländern von einer keinesfalls zu unterschätzenden Wichtigkeit. In Deutschland kann sich ein Regressbedürfnis des Haftpflichtversicherers nicht nur im Rahmen des gesetzlichen Direktanspruchs, sondern auch bei dessen tatbestandlicher Uneinschlägigkeit ergeben, weil die Einwendungsausschlüsse in Deutschland an den übergeordneten Aspekt der Pflichthaftpflichtversicherung anknüpfen und dem Geschädigten auch bei einem rechtsgeschäftlichen Direktanspruch oder nach Pfändung und Überweisung der Haftpflichtversicherungsforderung in einer Drittschuldnerklage zugute kommen können. Der deutsche Gesetzgeber trägt dem Regressbedürfnis grundsätzlich in beiden Konstellationen Rechnung. Dabei sieht das deutsche Recht für jede der beiden Konstellationen eine eigenständige zentrale Regressvorschrift vor.109 In England hingegen existiert ein Regressbedürfnis von vornherein nur im Zusammenhang mit gesetzlichen Direktansprüchen, weil die Einwendungsausschlüsse dort ausschließlich im Rahmen eines gesetzlichen Direktanspruchs greifen. Die beste109  Bei tatbestandlicher Einschlägigkeit des Direktanspruchs aus §  115 VVG ist der Regress aufgrund der Gesamtschuldneranordnung (§  115 Abs.  1 S.  4 VVG) dogmatisch vorgezeichnet und §  426 BGB fungiert als zentrale Regressvorschrift. Bei Uneinschlägigkeit des gesetzlichen Direktanspruchs dient §  117 Abs.  5 VVG als zentrale, wenngleich leider unvollständige Regressnorm.

390

D. Regressrechte des Haftpflichtversicherers

henden gesetzlichen Regressregelungen des englischen Rechts befinden sich gleichwohl in einem Zustand unbefriedigender Unordnung. Hierzu trägt nicht zuletzt der Umstand bei, dass bisweilen sogar innerhalb eines gesetzlichen Direktanspruchs verschiedene Regressvorschriften für unterschiedliche Einwendungsausschlusstatbestände existieren.110 Eine zentrale Regressvorschrift kennt das englische Recht nicht. Im Grunde genommen ist es ein „Gebot der Gerechtigkeit“,111 dass ein Haftpflichtversicherer im Falle der gesetzlich angeordneten Außenhaftung gegenüber dem Geschädigten trotz Leistungsfreiheit im Versicherungsverhältnis bei seinem Versicherungsnehmer Rückgriff nehmen kann. Die Einwendungsausschlüsse dienen nämlich alleine dem sozialen Drittschutz, sie sollen jedoch keinesfalls den schädigenden Versicherungsnehmer privilegieren und dessen Verfehlungen im Versicherungsverhältnis (z. B. Obliegenheitsverletzung) faktisch sanktionslos stellen. Mit der Normierung eines Einwendungsausschlusses sollte daher stets die Einräumung eines gesetzlichen Regressanspruchs einhergehen. Allerdings wird dem Regressbedürfnis des Versicherers in beiden untersuchten Rechtsordnungen nicht immer durch die Gewährung eines gesetzlichen Regress­ anspruchs Rechnung getragen. In Deutschland fehlt ein gesetzlicher Regressanspruch immerhin nur in der Konstellation, dass dem Versicherer außerhalb des gesetzlichen Direktanspruchs die Berufung auf einen versicherungsvertraglich vereinbarten Selbstbehalt versagt ist – wobei dies mutmaßlich auf eine gesetzgeberische Unachtsamkeit im Zuge der VVG-Reform 2008 und weniger auf eine absichtsvolle Entscheidung zurückzuführen ist. In England hingegen ist das Fehlen gesetzlicher Regressansprüche ein verbreiteteres Phänomen. Im Zuge der Reform des Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 hat der englische Gesetzgeber gar ganz bewusst davon Abstand genommen, die dort neu eingeführten Einwendungsausschlüsse112 mit einem gesetzlichen Rückgriffsanspruch zu flankieren. Gleichermaßen an einem gesetzlichen Regressanspruch fehlt es im Zusammenhang mit den Einwendungsausschlüssen bei der pflichtigen Arbeitgeberhaftpflichtversicherung (employers’ liability insurance) und in Teilen auch bei der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung.113 Indes bleibt es 110  So namentlich beim Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988. 111  So zutreffend Franck, Direktanspruch, S.  198. 112  S.  9 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. 113  In England kann der Geschädigte zumindest beim Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 stets auch auf die Grundsätze des Bereicherungsrechts (law of restitution) zurückgreifen, um von seinem Versicherungsnehmer Ausgleich für die an den Geschädigten ausgezahlte Entschädigung zu erlangen. In Deutschland hingegen ist ein Rückgriff auf das Bereicherungsrecht ebenso wie auf die

III. Vergleichende Betrachtung

391

dem Haftpflichtversicherer in beiden Ländern unbenommen, sich zumindest versicherungsvertraglich ein Regressrecht gegen seinen Versicherungsnehmer für den Fall auszubedingen, dass er trotz Leistungsfreiheit im Versicherungsverhältnis dem Geschädigten aufgrund eines gesetzlichen Einwendungsausschlusses zur Leistung verpflichtet bleibt. Die Zulässigkeit derartiger rechtsgeschäftlicher Regressabreden ergibt sich in beiden Staaten bereits aus dem Grundsatz der Privatautonomie. Gleichwohl fühlte sich der englische Gesetzgeber an mehreren Stellen bemüßigt, die vertraglichen Regressvereinbarungen gesetzlich ausdrücklich zu billigen.114 In der – vor allem bei älteren Einwendungsausschlüssen anzutreffenden – Zurückhaltung bei der Normierung gesetzlicher Regressansprüche in England zeigt sich das im englischen Recht vorherrschende Vertrauen in die Vorzugswürdigkeit einer privatautonomen Regelung der Rechtsbeziehungen zwischen Vertragsparteien.115 Wenn jedoch der Gesetzgeber durch Anordnung eines Einwendungsausschlusses unmittelbar nachteilhaft in die Rechtssphäre des Versicherers eingreift, ist es angebracht, dass er sich zu dessen Gunsten auch der komplementären Regressthematik annimmt und einen gesetzlichen Rückgriffsanspruch einräumt. Die Schaffung einer Regressmöglichkeit sollte insofern nicht dem grundsätzlich unbeteiligten und lediglich im Interesse des Drittschutzes mit einer Haftung belegten Haftpflichtversicherer aktiv überantwortet werden. Vor diesem Hintergrund vermag denn auch im Ergebnis die deutsche Rechtslage mehr zu überzeugen.116 In Deutschland begegnen die gesetzlichen Regressansprüche in zweierlei Gestalt. Neben einem selbständigen Rückgriffsrecht des Haftpflichtversicherers (sog. originärer Regress) kennt das deutsche Recht einen Regressanspruch, der aus einer abgeleiteten Forderung – namentlich der Schadensersatzforderung des geschädigten Dritten gegen den schädigenden Versicherungsnehmer – besteht (sog. derivativer Regress). Sofern die Befriedigung des Geschädigten auf der Grundlage des gesetzlichen Direktanspruchs (§  115 VVG) erfolgte, kann der Haftpflichtversicherer sich sowohl eines originären als auch eines derivativen Regresses bedienen, um sich bei seinem Versicherungsnehmer zu erholen. AnGrundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) nach herrschender Meinung ausgeschlossen. 114  So im Rahmen der Arbeitgeberhaftpflichtversicherung (reg. 2 (3) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002) sowie teilweise in der Kfz-Haftpflichtversicherung (s. 148 (6) Road Traffic Act 1988). Diesen Vorschriften kommt im Hinblick auf die Zulässigkeit der vertraglichen Regressabrede freilich allein deklaratorische Wirkung zu. 115  Siehe zu diesem Aspekt Bruns, PVR, §  35 Rn.  75. 116 Wenngleich de lege ferenda ein gesetzlicher Regressanspruch noch für den Fall vorgesehen werden sollte, dass dem Versicherer außerhalb des gesetzlichen Direktanspruchs gegenüber dem Geschädigten die Berufung auf einen versicherungsvertraglich vereinbarten Selbstbehalt verwehrt ist.

392

D. Regressrechte des Haftpflichtversicherers

dernfalls117 steht dem Versicherer lediglich ein derivativer Regress zur Verfügung. In England sind hingegen alle gesetzlichen Regressansprüche als selbständige Forderungen konzipiert (originärer Regress). Im Hinblick auf den Umfang der gesetzlichen Regressansprüche ergeben sich zunächst die denklogischen Gemeinsamkeiten, dass einerseits die an den Geschädigten ausgezahlte Entschädigungssumme die Regressobergrenze bildet und dass andererseits der Versicherer den Versicherungsnehmer immer nur insoweit in Regress nehmen kann, als die Leistungsfreiheit im Versicherungsverhältnis reicht. Ein nicht unwesentlicher Unterschied liegt jedoch in der Existenz weitergehender Regresshöchstbeträge. In Deutschland kann der Regressanspruch zumindest im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung (§§  5 f. KfzPflVV) einer höhenmäßigen Begrenzung unterliegen, welche dem Schutz des Versicherungsnehmers vor einer Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz durch exorbitant hohe Regressforderungen dient. Dem englischen Recht sind derartige Regresshöchstbeträge generell fremd, was freilich dazu führen kann, dass der Versicherer mitunter bereits aufgrund einer geringfügigen Verfehlung des Versicherungsnehmers enorme Regressforderungen zu erheben berechtigt ist. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit erscheinen Regresshöchstbeträge daher im Einzelfall durchaus sinnvoll.

117 D.h.

wenn der Geschädigte einen rechtsgeschäftlichen Direktanspruch geltend gemacht oder nach Pfändung und Überweisung der Haftpflichtversicherungsforderung eine Drittschuldnerklage erhoben hat.

E. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten Nimmt es der Gesetzgeber mit dem Ziel des Geschädigtenschutzes ernst, so kann es mit der schlichten Gewährung eines gesetzlichen Direktanspruchs regelmäßig nicht sein Bewenden haben – selbst wenn dieser von umfassenden Einwendungsausschlüssen flankiert sein sollte. Für die Realisierbarkeit eines gesetzlich normierten Direktanspruchs ist es nämlich essentiell, dass dem Geschädigten zum einen überhaupt bekannt ist, dass sein Schädiger Haftpflichtversicherungsschutz genießt,1 und er zum anderen Kenntnis von der Identität des konkreten Versicherers hat, welcher in einer Direktklage zwingend namhaft zu machen ist.2 Überdies besitzt der geschädigte Dritte ein verständiges Interesse an näheren Informationen über die inhaltlichen Aspekte des Haftpflichtversicherungsvertrages – nicht zuletzt um die Gefahr etwaiger auch auf das Direktanspruchsverhältnis durchschlagender versicherungsrechtlicher Einwendungen frühzeitig einschätzen zu können. Andernfalls drohen dem Geschädigten zeitund kostenintensive, letztlich aber erfolglose und daher unnötige Direktprozesse.3 Dem Geschädigten, welcher naturgemäß nicht am Deckungsverhältnis beteiligt ist, sind all diese Informationen jedoch verständlicherweise nicht ohne Weiteres bekannt oder zugänglich. Als geeignete Informationsquelle für die genannten Aspekte kommt selbstverständlich zuvorderst der Schädiger in Betracht, der dem Geschädigten die notwendigen Auskünfte zumeist auch freiwillig erteilen wird. Zeigt sich der Schädiger im Einzelfall jedoch ausnahmsweise wenig kooperativ, so muss eine 1  Ein Informationsbedürfnis hinsichtlich der Existenz einer Haftpflichtversicherung besteht dabei in erster Linie außerhalb des Bereichs von Pflichthaftpflichtversicherungen. Bei Bestehen einer gesetzlichen Haftpflichtversicherungspflicht darf der Geschädigte hingegen regelmäßig davon ausgehen, das sein Schädiger haftpflichtversichert ist. Dies gilt jedenfalls bei Existenz eines adäquaten gesetzlichen Kontroll- und Sanktionsmechanismus, welcher die Befolgung der Versicherungspflicht hinreichend sicherstellt; vgl. zu diesem Gesichtspunkt Hedderich, Pflichtversicherung, S.  317 ff. 2  Vgl. nur §  253 Abs.  2 Nr.  1 ZPO. 3  Franck, Direktanspruch, S.  123; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  104; vgl. ferner Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  4.2.

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E. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten

Rechtsordnung adäquate und rechtssichere Möglichkeiten zur Beseitigung des beim Geschädigten bestehenden Informationsdefizits vorsehen, damit die Durchsetzbarkeit des gesetzlichen Direktanspruchs letztlich nicht allein vom bloßen „Wohlwollen des Schädigers“4 abhängt. Zur Lösung der Problematik kann es sich beispielsweise anbieten, dem Geschädigten einen Auskunftsanspruch gegen eine Behörde oder eine andere Auskunftsstelle einzuräumen, sofern bei dieser Informationen über abgeschlossene Haftpflichtversicherungsverträge hinterlegt sind.5 Zudem kann der Gesetzgeber auch private Rechtssubjekte (z. B. Schädiger, Haftpflichtversicherer, Versicherungsvermittler) mit einer entsprechenden, gegebenenfalls zwangsweise durchsetzbaren Auskunftsverpflichtung belegen.6 Bei der Normierung gesetzlicher Auskunftsansprüche ist stets etwaigen berechtigten Geheimhaltungsinteressen des Schädigers bzw. des Haftpflichtversicherers angemessen Rechnung zu tragen. Im Bereich der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung gibt Art.  23 6. KH-Richtlinie den EU-Mitgliedstaaten verbindlich auf, eine sog. „Auskunftsstelle“ einzurichten oder anzuerkennen, die ein Kfz-Haftpflichtversicherungsregister führt und bei welcher der Geschädigte binnen eines Zeitraums von sieben Jahren nach dem Unfall Auskunft über das zuständige Haftpflichtversicherungsunternehmen sowie die Nummer der Versicherungspolice erlangen kann, welche zu dem Unfallfahrzeug respektive dem Unfallfahrer gehört.7

I. Deutschland Das sich in Deutschland hinsichtlich der Auskunfts- und Informationsrechte eines Geschädigten zeigende Bild ist insgesamt eher unübersichtlich. De lege lata existiert jedenfalls kein spezieller haftpflichtversicherungsrechtlicher Auskunftsanspruch, welcher dem Geschädigten bei sämtlichen Haftpflichtversicherungen zur Verfügung stünde und der beispielsweise ein Auskunftsverlangen gegen den Schädiger oder auch gegen den Versicherungsnehmer rechtfertigen würde. Auch ein zentrales und umfassendes Haftpflichtversicherungsregister, in welchem alle in Deutschland bestehenden Haftpflichtversicherungsverträge aufgelistet wären und wo ein Geschädigter die zur Realisierung des Direktanspruchs benötigten Informationen unschwer abfragen könnte, besteht nicht. LeKeppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  96, der diese Situation zugleich als „Nagelprobe für den Direktanspruch“ bezeichnet. 5  Hier bieten sich insbesondere diejenigen Behörden bzw. Stellen an, die mit Überwachung der Einhaltung der Versicherungspflicht betraut sind. 6  Franck, Direktanspruch, S.  58, 123. 7  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-146; Franck, Direktanspruch, S.  124. 4 

I. Deutschland

395

diglich in Teilbereichen – wie beispielsweise der äußerst praxisrelevanten Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung – werden entsprechende Register geführt.8 In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion im Zuge der VVG-Reform 2008 hat die damalige großkoalitionäre Bundesregierung der Einführung eines zentralen Haftpflichtversicherungsregisters eine klare Absage erteilt und vielmehr für eine dezentrale Lösung der Informationsproblematik plädiert. Danach sollten etwaige Auskunftsrechte unmittelbar in denjenigen Gesetzen vorgesehen werden, welche eine Haftpflichtversicherungspflicht anordnen.9 Folglich finden sich Auskunftsansprüche gegenwärtig alleine vereinzelt in Spezialgesetzen, wo Behörden bzw. anderen Stellen die gesetzliche Verpflichtung auferlegt wird, dem Geschädigten Informationen über den Haftpflichtversicherer des Schädigers mitzuteilen.10 Jenseits dessen kann der geschädigte Dritte zur Befriedigung seines Informationsinteresses allenfalls auf den aus dem Grundsatz von Treu und Glaube (§  242 BGB) hergeleiteten allgemeinen privatrechtlichen Auskunftsanspruch zurückgreifen.11

1. Spezialgesetzliche Auskunftsansprüche In einem ersten Schritt soll nunmehr dargelegt werden, in welchem Umfang der deutsche Gesetzgeber einem Geschädigten spezialgesetzliche Auskunftsansprüche eingeräumt hat, mit deren Hilfe er Details über eine Haftpflichtversicherung seines Schädigers in Erfahrung bringen kann. Entsprechend dem in Deutschland priorisierten Ansatz zur dezentralen Lösung der Informationsproblematik sind die insoweit existierenden spezialgesetzlichen Auskunftsansprüche immer auf eine bestimmte Haftpflichtversicherungsart bezogen und finden in verschiedenen Gesetzen ihre rechtliche Grundlage. Der auskunftsverpflichtete Personenkreis ist bei diesen Ansprüchen eng begrenzt und vorrangig auf Behörden sowie öffentlich-rechtliche Körperschaften beschränkt. Besondere Beachtung verdient die Auskunftsthematik im hochgradig praxisrelevanten und unionsrechtlich präformierten Bereich der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung.

8 

Freilich handelt es sich hierbei nicht um reine „Haftpflichtversicherungsregister“, die Informationen über Haftpflichtversicherungsverträge sind vielmehr lediglich eine Komponente des jeweiligen Registerinhalts. 9  BT-Drs. 16/5497, S.  4 (zur Kleinen Anfrage siehe BT-Drs. 16/5298). 10  Hierzu sogleich unter 3. Teil E.I.1. 11  Hierzu sogleich unter 3. Teil E.I.2.

396

E. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten

a) Kfz-Haftpflichtversicherung aa) Registerauskunft beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) und bei den örtlichen Zulassungsbehörden Über die in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Kraftfahrzeuge werden sowohl bei den örtlichen Zulassungsbehörden als auch übergeordnet beim Kraftfahrt-Bundesamt Register geführt (§  31 Abs.  1, 2 StVG).12 Neben Angaben zum Fahrzeughalter sowie allgemeinen Fahrzeugdaten werden in diesen Registern vor allem auch Informationen „über technische und rechtliche Verhältnisse in Bezug auf das Fahrzeug, insbesondere auch über die Haftpflichtversicherung“ abgespeichert.13 Hieran anknüpfend räumt der Gesetzgeber dem Unfallgeschädigten die Möglichkeit ein, unmittelbar bei der Zulassungsbehörde respektive beim Kraftfahrt-Bundesamt gegen Nennung des Kfz-Kennzeichens oder der Fahrzeug-Identifizierungsnummer die bezüglich der Haftpflichtversicherung hinterlegten Informationen abzufragen (§  39 Abs.  1 Nr.  6 –9 StVG).14 Der öffentlich-rechtliche Anspruch auf Erteilung der sog. einfachen Registerauskunft15 ist dabei bereits dann begründet, wenn der Geschädigte darlegt, die Daten „zur Geltendmachung, Sicherung oder Vollstreckung oder zur Befriedigung oder Abwehr von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr“16 zu benötigen. Eine über die bloße „Darlegung“ hinausgehende Glaubhaftmachung der genannten Umstände ist hingegen nicht vonnöten, weil dies zu einem unverhältnismäßig hohen und zeitintensiven Prüf­ aufwand bei der Behörde führen und damit letztlich auch der gesetzgeberischen Intention einer schnellen und zuverlässigen Auskunftserteilung zuwiderlaufen würde.17 Für die Auskunft durch die örtliche Zulassungsbehörde bzw. das Kraftfahrt-Bundesamt ist regelmäßig eine geringe Gebühr zu entrichten.

12  Die bei den Zulassungsbehörden geführten Register werden „örtliche Fahrzeugregister“ genannt (§  31 Abs.  1 StVG), beim Register des Kraftfahrt-Bundesamtes spricht man vom „zentralen Fahrzeugregister“ (§  31 Abs.  2 StVG). 13  So §  33 Abs.  1 Nr.  1 StVG (kursive Hervorhebung durch Verfasser). 14  Hierbei handelt es sich konkret um Name und Anschrift des Versicherers (Nr.  6), um die Nummer des Versicherungsscheins (Nr.  7) sowie gegebenenfalls um Informationen über den Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses bzw. die Befreiung von der gesetzlichen Versicherungspflicht (Nr.  8, 9). 15  Zur Anspruchsqualität der Regelung des §  39 Abs.  1 StVG siehe BT-Drs. 10/5343, S.  75 sowie Dauer in Hentschel/König/Dauer, §  39 StVG Rn.  2. 16  So §  39 Abs.  1 StVG. 17  BT-Drs. 10/5343, S.  74.

I. Deutschland

397

bb) Zentralruf der Autoversicherer Einem Verkehrsopfer bietet sich alternativ die Möglichkeit, den Kfz-Haftpflichtversicherer seines Schädigers beim sog. „Zentralruf der Autoversicherer“ in Erfahrung zu bringen.18 Bei dem Zentralruf handelt es sich um eine privatrechtlich organisierte Institution der Versicherungswirtschaft (GDV Dienstleistungs-GmbH & Co. KG), an welcher die in Deutschland geschäftstätigen Autoversicherer sowie der GDV beteiligt sind19 und welcher nach §  8a PflVG der Status einer offiziellen Auskunftsstelle zugewiesen ist. Den Unfallgeschädigten steht gegen diese Stelle ein gesetzlicher Anspruch auf Auskunft über Name und Anschrift des Kfz-Haftpflichtversicherers des Schädigers sowie über die Nummer des Versicherungsscheins zu. Regelmäßig fragt der Zentralruf die benötigten Informationen seinerseits aus dem zentralen Fahrzeugregister ab.20 Die Auskunftserteilung durch den Zentralruf steht unter der Bedingung, dass die begehrten Informationen für den Geschädigten „zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr erforderlich“ sind (§  8a Abs.  1 S.  1 PflVG). Die Auskunft des Zentralrufs ist für den Geschädigten kostenfrei. Der Zentralruf der Autoversicherer bietet es dem Geschädigten zudem regelmäßig an, direkt den Kontakt zur Schadensabteilung der gegnerischen Versicherung herzustellen und somit die Schadensregulierung im Interesse einer beschleunigten Schadenskompensation anzustoßen (aktives Schadenmanagement). Der mit diesem aktiven Schadenmanagement verbundene „erste Zugriff“ der Versicherungswirtschaft auf den mit der Schadensregulierung häufig überforderten Geschädigten ist jedoch durchaus kritisch zu sehen, da in diesem Fall berechtigte Zweifel an einer neutralen Aufklärung des Geschädigten über die ihm zustehenden Rechte bestehen.21 Insofern entspricht es nämlich dem ureigenen Interesse der Versicherungswirtschaft, den an den Geschädigten auszuzahlenden Betrag so gering wie möglich zu halten. Freilich untersteht der Zentralruf der Autoversicherer bei der Wahrnehmung der Aufgaben als Auskunftsstelle der staatlichen Aufsicht des Bundesministeriums der Justiz,22 so dass auf diesem Wege einer unangemessenen Benachteiligung des Unfallopfers im Rahmen des aktiven Schadenmanagement zu begegnen ist.

Bauer, Kraftfahrtversicherung, Rn.  1014; Zilkens, DÖV 2008, 670, 678. Franck, Direktanspruch, S.  124; Keppel, ZVersWiss Supplement 2007, 109, 112. 20  Dauer in Hentschel/König/Dauer, §  39 StVG Rn.  4. 21  So auch Kuhn, NZV 1999, 229, 229 ff. 22  Castellvi in Rüffer/Halbach/Schimikowski, §  8a PflVG Rn.  1; Lemor in Feyock/Jacobsen/Lemor, §  8a PflVG Rn.  5. 18 

19 

398

E. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten

cc) Fazit: Duales Auskunftssystem Im Bereich der obligatorischen Kfz-Haftpflichtversicherung ist in Deutschland mithin ein duales Auskunftssystem etabliert.23 Zwischen den beiden aufgezeigten Wegen zur Informationsgewinnung kann der Geschädigte frei wählen, wenngleich in der Praxis zumeist auf den Zentralruf der Autoversicherer zurückgegriffen wird. Hinsichtlich der konkreten Voraussetzungen für die Auskunftserteilung sowie beim Inhalt der erlangbaren Informationen entsprechen sich beide Auskunftsarten.24 Auskünfte über den konkreten Inhalt der Kfz-Haftpflichtversicherungsverträge und deren Klauseln werden jedoch in keinem Fall erteilt. b) Sonstige (Pflicht-) Haftpflichtversicherungen Dass eine staatliche Einrichtung Kenntnis über abgeschlossene Haftpflichtversicherungsverträge besitzt, ist freilich kein alleiniges Phänomen der – in besonderem Maße praxisrelevanten und daher auch separat erörterten – Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung. Auch in anderen Bereichen können Behörden oder berufsständische Kammern in den Besitz von Informationen über bestehende Haftpflichtversicherungsverträge gelangen. Dies ist namentlich bei anderen obligatorischen Haftpflichtversicherungen der Fall, sofern eine staatliche Aufsichtsbehörde mit der Überwachung der Einhaltung der Versicherungspflicht betraut ist.25 Im Rahmen der Wahrnehmung ihrer Kontrollaufgabe erlangt die zuständige Aufsichtsstelle nämlich regelmäßig zumindest Kenntnis von Name und Anschrift des Haftpflichtversicherers. Bei Nennung der Personalien des Schädigers könnten die Behörden daher in der Regel problemlos Auskunft über die Identität von dessen Pflichthaftpflichtversicherer geben.26 Es stellt sich nunmehr die Frage, ob und inwieweit dem Geschädigten die Möglichkeit eröffnet ist, diese bei den zuständigen Stellen verfügbaren Informationen abzufragen.27

23  Unzutreffend Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  99, der unverständlicherweise davon ausgeht, dass die Möglichkeit der Informationsgewinnung von den Zulassungsstellen seit dem Jahre 2007 nicht mehr besteht. 24  Zilkens, DÖV 2008, 670, 678. 25  Die Kontrolle der Einhaltung der Versicherungspflicht durch eine staatliche Behörde ist zwar in der Vielzahl, keineswegs jedoch in allen Fällen einer obligatorischen Haftpflichtversicherung vorgesehen, was nicht zuletzt auch der Vorschrift des §  117 Abs.  2 S.  5 VVG zu entnehmen ist. 26  Franck, Direktanspruch, S.  124. 27  Dies setzt freilich voraus, dass dem Geschädigten die Person des Schädigers bekannt ist; fehlt es hingegen an der Kenntnis darüber, wer den Schaden verursacht hat, ist dieser Weg von vornherein nicht gangbar (v. a. weil es außerhalb der Kfz-Haftpflichtversicherung regel-

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aa) Bereichsspezifische Auskunftsansprüche Traditionell existierte kein Anspruch des geschädigten Dritten gegen die staatlichen Aufsichtsbehörden auf Nennung des Haftpflichtversicherers des Schädigers.28 Gleichwohl gestellte Auskunftsanfragen wurden vielfach mit Hinweis auf datenschutzrechtliche Gesichtspunkte sowie standesrechtliche Verschwiegenheitspflichten zurückgewiesen.29 Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber zumindest partiell mit diesem traditionellen Verständnis gebrochen und dem Geschädigten in bestimmten Teilbereichen einen gesetzlichen Anspruch gegen die jeweiligen Aufsichtsstellen auf Nennung des Pflichthaftpflichtversicherers eingeräumt.30 Auskunftsansprüche finden sich dabei insbesondere gegen die öffentlich-rechtlich organisierten berufsständischen Kammern, denen die Überwachung der Einhaltung der Versicherungspflichten durch die Träger freier Berufe obliegt.31 Nach den allenfalls sprachlich, nicht jedoch inhaltlich divergierenden Auskunftsvorschriften32 ist ein Auskunftsanspruch begründet, wenn die begehrten Informationen zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen erforderlich sind und überdies kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Berufsträgers (Geheimhaltungsinteresse) einer Auskunftserteilung entgegensteht.33 Wie der BGH zwischenzeitlich klargestellt hat, setzen die Ausmäßig an einem anderen Identifizierungsmerkmal – vergleichbar einem Kfz-Kennzeichen – fehlen wird). 28  Mutschler, DStR 2009, 1665, 1666. 29  Thume, VersR 2006, 1318, 1323; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  100. 30  Dallwig in FAKomm-VersR, §  115 VVG Rn.  16; Franck, Direktanspruch, S.  125. 31  Im Einzelnen handelt es sich um folgende Vorschriften: §  51 Abs.  6 S.  2 BRAO (Rechtsanwälte); §  45 Abs.  6 S.  2 PAO (Patentanwälte); §  67 Abs.  4 StBerG (Steuerberater); §  54 Abs.  5 WiPrO (Wirtschaftsprüfer); §  19a Abs.  6 BNotO (Notare); §  26 Abs.  5 S.  1 ArchG Baden-Württemberg bzw. §  24 Abs.  5 S.  3 BauKaG Nordrhein-Westfalen (Architekten). Siehe im Übrigen auch §  5 Abs.  6 S.  2 RDV iVm §  19 RDG (Rechtdienstleister nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz), wenngleich sich der Anspruch dort nicht gegen eine Kammer, sondern gegen die Landesjustizverwaltungen richtet. 32  Zuletzt wurde im Jahre 2013 der früher lediglich als Ermessensvorschrift ausgestaltete §  54 Abs.  5 WiPrO an die übrigen Auskunftsansprüche angeglichen und dem Geschädigten fortan auch hier ein gebundener Anspruch auf Auskunftserteilung zugestanden, vgl. hierzu Art.  6 Nr.  1 b) Gesetz zur Einführung einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung und zur Änderung des Berufsrechts der Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer vom 15. Juli 2013, BGBl. I 2013, S.  2386 ff. 33  Mithin muss die jeweilige Kammer vor Erteilung der begehrten Auskunft dem betroffenen Berufsträger denklogisch die Gelegenheit zur Stellungnahme geben, wo dieser sein mögliches überwiegendes Geheimhaltungsinteresse darstellen kann, vgl. Dahns, NJW-Spezial 2011, 382, 382. In der Regel überwiegt jedoch das Informationsinteresse des Geschädigten das Geheimhaltungsinteresse des Berufsträgers, vgl. Franck, Direktanspruch, S.  125 [Fn.  539].

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E. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten

kunftsansprüche jedoch nicht zwingend das Bestehen eines gesetzlichen Direktanspruchs iSd §  115 VVG voraus.34 Im Rahmen der Auskunft wird neben dem Namen und der Adresse des Haftpflichtversicherungsunternehmens auch die jeweilige Versicherungsnummer mitgeteilt, dem Geschädigten werden jedoch keine Details über den konkreten Inhalt des Versicherungsvertrages offenbart. bb) Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und der Länder Neuerdings eröffnen auch die Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und der Länder35 dem Geschädigten eine weitergehende, wenngleich subsidiäre Möglichkeit (vgl. §  1 Abs.  3 IFG36), von den Aufsichtsbehörden den Haftpflichtversicherer seines Schädigers in Erfahrung zu bringen.37 Allgemeine Zielrichtung der Informationsfreiheitsgesetze ist es, dem Bürger gegenüber Bundes- respektive Landesbehörden einen grundsätzlich voraussetzungslosen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen zu geben (§  1 Abs.  1 IFG).38 Unter den Begriff der „amtlichen Informationen“ sind grundsätzlich auch etwaige Angaben über abgeschlossene Haftpflichtversicherungsverträge zu subsumieren, von denen die Behörde im Rahmen ihrer amtlichen Tätigkeit Kenntnis erlangt hat. Eine Einschränkung erfährt der auf das IFG gestützte Auskunftsanspruch des Geschädigten allerdings aufgrund des Umstandes, dass im Falle der Mitteilung von Informationen über Haftpflichtversicherungsverträge zwangsläufig Daten Dritter – namentlich des Schädigers sowie des Haftpflichtversicherers – tangiert werden. Aus datenschutzrechtlichen Gründen dürfen diese Daten nur dann von der Behörde preisgegeben werden, wenn sich bei einer umfassenden Interessenabwägung ein Überwiegen des Informationsinteresses des auskunftbegehrenden Geschädigten gegenüber dem Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs ergibt (siehe hierzu §  5 IFG).39 34  BGH, NJW 2013, 234, 235 f.; siehe ferner: AGH Baden-Württemberg, DStR 2012, 149, 150; Dallwig in FAKomm-VersR, §  115 VVG Rn.  16; Dahns, NJW-Spezial 2011, 382, 382. A.A. noch VG Hamburg, DStR 2011, 383, 383 f. 35  Zu berücksichtigen ist jedoch, dass bislang noch nicht in allen Bundesländern Informationsfreiheitsgesetze erlassen wurden. So fehlt es gegenwärtig in Bayern, Hessen, Niedersachsen und Sachsen an einem landesrechtlichen Informationsfreiheitsgesetz. 36  Vorliegend wird auf die Vorschriften des IFG des Bundes abgestellt. Die Informationsfreiheitsgesetze der Bundesländer sind jedoch – soweit solche existieren – inhaltlich ähnlich. 37  Vgl. hierzu auch Franck, Direktanspruch, S.  125 f. 38  Schoch, IFG, §  1 Rn.  3. 39  Franck, Direktanspruch, S.  126 geht von einem regelmäßigen Überwiegen des Informationsinteresses des Geschädigten aus, sofern dieser die Existenz eines Schadensersatzanspruchs glaubhaft macht.

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cc) Zwischenergebnis Weitere spezialgesetzliche Auskunftsansprüche zugunsten des Geschädigten sind nicht vorgesehen. Auch ein dem „Zentralruf der Autoversicherer“ vergleichbares Institut der Versicherungswirtschaft existiert in anderen Haftpflichtversicherungsbereichen jenseits der Kfz-Haftpflichtversicherung nicht.40 Mithin erweisen sich die zur Auflösung des Informationsdefizits des Geschädigten existierenden gesetzlichen Auskunftsregelungen insgesamt als fragmentarisch. Es fällt auf, dass die bislang dargelegten gesetzlichen Auskunftsansprüche ausnahmslos gegen Behörden bzw. berufsständische Kammern respektive staatlich anerkannte Auskunftsstellen gerichtet sind, nicht jedoch den schädigenden Versicherungsnehmer oder den Haftpflichtversicherer als Auskunftsverpflichteten vorsehen.

2. Allgemeiner Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben (§  242 BGB) a) Grundlagen Aus dem Umstand, dass lediglich bei bestimmten Haftpflichtversicherungsarten Auskunftsansprüche gesetzlich normiert sind,41 darf nicht der Schluss gezogen werden, dass für den Geschädigten im Übrigen keine Möglichkeiten zur Informationsgewinnung bestehen.42 Es genießt mittlerweile gewohnheitsrechtliche Anerkennung im deutschen Recht, dass – jenseits ausdrücklicher gesetzlicher oder vertraglicher Auskunftsregelungen – auch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§  242 BGB) Auskunft über bestimmte Tatsachen und Umstände geschuldet sein kann.43 Dieser allgemeine zivilrechtliche, auf Treu und Glauben basierende Auskunftsanspruch kann dem Geschädigten sowohl bei der Ermittlung des Haftpflichtversicherers seines Schädigers als auch bei der Eruierung weiterer Einzelheiten hinsichtlich des Haftpflichtversicherungsverhältnisses zur Hilfe gereichen – 44 ohne dass hierbei eine Beschränkung auf bestimmte Haftpflichtversicherungsarten bestünde.45 Keppel, ZVersWiss Supplement 2007, 109, 112. Hierzu soeben unter 3. Teil E.I.1. 42  Rintelen in Späte/Schimikowski, Ziff.  1 AHB Rn.  355. 43  Instruktiv dazu: BGH, NJW 2002, 2475, 2476; BGH, NJW 1971, 656, 656; Grüneberg in Palandt, §  260 Rn.  4 ff.; Krüger in MüKoBGB, §  260 Rn.  12 ff. 44  Hierzu allgemein Keppel, ZVersWiss Supplement 2007, 109, 115 ff. 45  Ein Auskunftsanspruch aus §  242 BGB kommt daher grundsätzlich auch außerhalb des Bereichs der Pflichthaftpflichtversicherungen in Betracht, was vor allem für die Erwirkung eines etwaigen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (§§  829, 835 ZPO) hinsichtlich der Haftpflichtversicherungsforderung einer freiwilligen Haftpflichtversicherung wichtig ist, vgl. hierzu auch Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  108. 40  41 

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E. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten

Allerdings ist dem deutschen Recht eine generelle Auskunftspflicht fremd, so dass nicht allein die bloße Kenntnis von Tatsachen, die für einen anderen bedeutsam sein könnten, eine Person zu einer Auskunftserteilung nach §  242 BGB verpflichtet.46 Ein auf Treu und Glauben gestützter allgemeiner Auskunftsanspruch kann sich vielmehr nur innerhalb einer bereits bestehenden rechtlichen Sonderverbindung zwischen zwei Personen ergeben, wobei allerdings die Art der konkreten Sonderrechtsbeziehung grundsätzlich ohne Belang ist und sowohl in einer vertraglichen als auch einer gesetzlichen Rechtsbeziehung begründet liegen kann.47 Zudem bedarf es für einen Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben (§  242 BGB), dass die auskunftsbegehrende Partei hinsichtlich eines bestimmten Umstandes in entschuldbarer Unkenntnis ist, dass sie sich über diesen nicht in zumutbarer Weise eigenständig Kenntnis verschaffen kann48 und dass die andere Partei die notwendige Auskunft unschwer und ohne Hintanstellung eigener berechtigter Interessen erteilen könnte.49 Art und Umfang der Auskunftsverpflichtung richten sich grundsätzlich nach dem konkreten Informationsbedürfnis des Anspruchstellers, wobei zugleich auf berechtigte Geheimhaltungsinteressen des Anspruchsgegners Rücksicht zu nehmen ist.50 b) Auskunftsanspruch gegen Schädiger Der allgemeine Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben (§  242 BGB) legitimiert zunächst ein Auskunftsverlangen des Geschädigten gegen den Schädiger, der als Versicherungsnehmer im Haftpflichtversicherungsverhältnis als Informationsquelle in besonderer Weise prädestiniert ist.51 Die zwingend notwendige 46  St. Rspr.: BGH, NJW 1981, 1733, 1733; BGH, NJW 1980, 2463, 2463 f.; BGH, NJW 1978, 1002, 1002; BGH, NJW 1957, 669, 669; OLG Köln, NJW 2010, 1676, 1678; siehe ferner: Krüger in MüKoBGB, §  260 Rn.  13; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  101; Lorenz, NJW 1994, 173, 173. 47  BGH, NJW 1986, 1244, 1245; BGH, NJW 1978, 1002, 1002; Grüneberg in Palandt, §  260 Rn.  5; Krüger in MüKoBGB, §  260 Rn.  13. 48  Hierin kommt eine grundsätzliche Subsidiarität des allgemeinen Auskunftsanspruchs aus Treu und Glauben (§  242 BGB) zum Ausdruck. Vor Rückgriff auf den allgemeinen Auskunftsanspruch muss der Auskunftsbegehrende folgerichtig alle anderen ihm zur Verfügung stehenden Auskunftsmöglichkeiten (z. B. „Zentralruf der Autoversicherer“; gesetzlicher Auskunftsanspruch gegen zuständige Aufsichtsbehörde) vollständig ausschöpfen. 49  St. Rspr.: BGH, NJW 2014, 381, 382; BGH, NJW 2007, 1806, 1807; BGH, NJW 1995, 386, 387; OLG Köln, NJW 2010, 1676, 1678, OLG Celle, NJW-RR 2003, 1715, 1715 f.; siehe ferner: Grüneberg in Palandt, §  260 Rn.  4; Rintelen in Späte/Schimikowski, Ziff.  1 AHB Rn.  353; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  102; Lorenz, NJW 1994, 173, 173 f. 50  BGH, NJW 2014, 381, 382; Grüneberg in Palandt, §  260 Rn.  14. 51  Franck, Direktanspruch, S.  126 f.; Abram, VP 2008, 77, 78; Thume, VersR 2006, 1318, 1323. Kritisch – wenngleich ohne nähere Begründung – Schirmer, ZVersWiss Supplement

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rechtliche Sonderverbindung liegt dabei in dem zwischen Geschädigtem und Schädiger bestehenden Haftpflichtverhältnis. Aufgrund des dem Auskunftsanspruch nach §  242 BGB immanenten Subsidiaritätsgedankens steht die Inanspruchnahme des Schädigers jedoch unter dem Vorbehalt, dass der Geschädigte nicht anderweitig in zumutbarer Weise Auskunft über den Haftpflichtversicherer und den Inhalt des Haftpflichtversicherungsvertrags erlangen kann (z. B. Anfrage beim „Zentralruf der Autoversicherer“; Geltendmachung spezialgesetzlicher Auskunftsansprüche). Entsprechend dem Informationsbedürfnis des geschädigten Dritten ist der Auskunftsanspruch inhaltlich auf Preisgabe der Identität des Haftpflichtversicherers sowie auf Mitteilung näherer Einzelheiten zum Haftpflichtversicherungsverhältnis gerichtet, die für den Geschädigten zur Einschätzung der Werthaltigkeit des Direktanspruchs erforderlich sind.52 Sollte sich der Schädiger dem Auskunftsbegehren widersetzen, kann der Geschädigte eine Auskunftsklage anstrengen und im Zweifel die Zwangsvollstreckung betreiben (§  888 ZPO). Gangbar ist dieser Weg freilich nur, solange die Person des Schädigers und dessen Aufenthaltsort bekannt sind.53 c) Auskunftsanspruch gegen Haftpflichtversicherer Neben dem schädigenden Versicherungsnehmer kommt selbstverständlich dessen Haftpflichtversicherer als taugliche Informationsquelle im Hinblick auf das Haftpflichtversicherungsverhältnis in Betracht. Auch den Haftpflichtversicherer trifft die auf Treu und Glaube (§  242 BGB) basierende Pflicht, dem Geschädigten Auskunft über das Versicherungsverhältnis zu erteilen.54 Das notwendige Sonderrechtsverhältnis kann sich dabei in erster Linie aus dem gesetzlichen Direktanspruch aus §  115 VVG ergeben.55 Darüber hinaus ist es anerkannt, dass die besondere rechtliche Beziehung auch alleine durch die Vorschriften der §§  108–110 VVG und der darin zum Ausdruck kommenden Drittwidmung der Haftpflichtversicherung vermittelt werden kann.56 Folglich kann ein Auskunftsanspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer durchaus

2006, 427, 446 („Ein Auskunftsanspruch lässt sich insoweit dem gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen Geschädigtem und Schädiger kaum entnehmen.“). 52  Z. B. Versicherungsbedingungen, Deckungssummen, Prämienzahlungsverzug. 53  Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  113. 54  Retter in Schwintowski/Brömmelmeyer, §  110 Rn.  19 Rintelen in Späte/Schimikowski, Ziff.  1 AHB Rn.  353; Wandt in MüKoVVG, §  108 Rn.  29; Franck, Direktanspruch, S.  127 f. 55  Franck, Direktanspruch, S.  127; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  113. 56  OLG Düsseldorf, r+s 2002, 106, 106 f.; Baumann in Berliner Kommentar, §  149 Rn.  133 (noch zur Rechtslage vor der VVG-Reform 2008); Rintelen in Späte/Schimikowski, Ziff.  1 AHB Rn.  353.

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E. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten

auch außerhalb des Anwendungsbereichs des gesetzlichen Direktanspruchs begründet sein. Der aus Treu und Glaube hergeleitete allgemeine Auskunftsanspruch gegen den Haftpflichtversicherer nützt dem Geschädigten vor allem dann, wenn er bereits Kenntnis von der Identität des Haftpflichtversicherers des Schädigers hat und er lediglich nähere Informationen über den Inhalt des Haftpflichtversicherungsvertrages oder über etwaige Leistungsverweigerungsrechte des Versicherers im Deckungsverhältnis begehrt. Der praktische Nutzen des allgemeinen Auskunftsanspruchs gegen den Versicherer ist hingegen mehr als zweifelhaft, wenn dem Geschädigten unbekannt ist, bei welchem Haftpflichtversicherungsunternehmen sein Schädiger versichert ist und somit die Feststellung der Identität des Haftpflichtversicherers im Vordergrund des Interesses steht. Da der Auskunftsanspruch aus §  242 BGB ausschließlich gegen den tatsächlichen Haftpflichtversicherer begründet ist – denn allein dieser steht mit dem Geschädigten in der notwendigen Sonderrechtsbeziehung –,57 setzt dessen erfolgreiche Geltendmachung nämlich streng genommen bereits die sichere Kenntnis der Identität des Haftpflichtversicherers des Schädigers voraus. Abhilfe könnte man dadurch schaffen, dass man dem Geschädigten gegen alle in Deutschland geschäftstätigen Haftpflichtversicherer zumindest einen Anspruch auf Auskunft darüber einräumt, ob eine bestimmte Person – namentlich sein Schädiger – zum Kundenkreis gehört. Auf eine bestehende rechtliche Sonderbeziehung dürfte es hierbei gerade nicht ankommen. Vereinzelt wird denn auch vorgeschlagen, dem Geschädigten gegen sämtliche in Deutschland tätigen Haftpflichtversicherer einen „aus dem Sinn und Zweck des Direktanspruches“ hergeleiteten sog. Vorprüfungsanspruch einzuräumen, so dass die Versicherer zumindest prüfen und mitteilen müssen, ob der Schädiger bei ihnen gegen Haftpflichtgefahren versichert ist.58 Besondere Praxisrelevanz würde ein solcher Vorprüfungsanspruch in den Fällen des §  115 Abs.  1 S.  1 Nr.  3 VVG erlangen, wo dem Geschädigten bereits der Schädiger wegen unbekanntem Aufenthalt als Informationsquelle abhanden gekommen ist. d) Auskunftsanspruch gegen sonstige Personen Neben dem Schädiger und dem Haftpflichtversicherer kommen im Rahmen des allgemeinen zivilrechtlichen Auskunftsanspruchs keine weiteren Rechtssubjekte als Auskunftsverpflichtete in Betracht – auch wenn sie Informationen über Franck, Direktanspruch, S.  127; Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  113. Franck, Direktanspruch, S.  127 f., der einen solchen Anspruch gegen all solche Haftpflichtversicherer gewähren will, gegen die ein Direktanspruch iSd §  115 Abs.  1 VVG „glaubhafterweise in Betracht kommen könnte“. 57 

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die in Rede stehende Haftpflichtversicherung besitzen sollten. Insbesondere wenn der Haftpflichtversicherungsvertrag nicht im Wege des Direktvertriebs, sondern unter Beteiligung eines Versicherungsvermittlers abgeschlossen wurde, stehen mit dem Versicherungsvertreter59 respektive dem Versicherungsmak­ ler Personen zur Verfügung, welche unter Umständen nützliche Erkenntnisse über das konkrete Versicherungsvertragsverhältnis liefern könnten. Das dem allgemeinen Auskunftsanspruch immanente Erfordernis der Sonderrechtsbeziehung zwischen den Auskunftsparteien verhindert jedoch, dass der Geschädigte bei solchen Personen Informationen abfragen kann. Zwischen dem Geschädigten und einem Versicherungsvermittler existieren naturgemäß keinerlei Rechtsbeziehungen.

II. England Auch in England bieten sich einem Geschädigten unterschiedliche Möglichkeiten, um einerseits die Frage zu klären, ob und gegebenenfalls bei welchem Versicherungsunternehmen sein Schädiger Haftpflichtversicherungsschutz genießt, und um andererseits inhaltliche Details eines etwaigen Haftpflichtversicherungsvertrages in Erfahrung zu bringen. Entsprechend der speziellen Charakteristik des englischen Zivilverfahrensrechts können insbesondere auch prozessuale Instrumente bei der Informationsgewinnung helfen. Manche Auskunftsmechanismen des englischen Rechts sind von vornherein auf bestimmte Haftpflichtversicherungsarten begrenzt (v. a. Kfz-Haftpflichtversicherung, Arbeitgeberhaftpflichtversicherung). Unbekannt ist dem englischen Recht ein allgemeines nationales Haftpflichtversicherungsregister, welches allen Geschädigten als zentrale Anlaufstelle zur Abfrage derjenigen Informationen dienen könnte, die zur Realisierung des Direktanspruchs sowie zur Einschätzung seiner Werthaltigkeit benötigt werden. Zwar erhoben sich noch im Vorfeld der Reform des Third Parties (Rights against Insurers) Act Stimmen, welche explizit für die Schaffung eines zentralen Haftpflichtversicherungsregisters in England plädierten, in welchem zumindest Name und Adresse des Haftpflichtversicherers, die Versicherungsnummer sowie die konkrete Versicherungssumme abgespeichert werden sollten.60 Der Gesetzgeber hat diesen Vorschlag bislang allerdings nicht aufgegriffen, obgleich er 59  Bis zum 22. Mai 2007 als „Versicherungsagent“ bezeichnet, vgl. Reiff in MüKoVVG, §  59 Rn.  2; Armbrüster, PVR, Rn.  648. 60  Woolf, Access to Justice (Final Report), S.  110; Jess, L.M.C.L.Q. 2000, 192, 203. Das Register sollte nach diesen Vorschlägen für alle Arten von Haftpflichtversicherungen eingeführt werden.

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E. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten

hierzu im Rahmen der Novellierung des Third Parties (Rights against Insurers) Act Gelegenheit gehabt hätte. Ebenso wie in Deutschland bestehen daher gegenwärtig alleine bei ausgewählten Haftpflichtversicherungsarten Register über die abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsverträge.61

1. Kfz-Haftpflichtversicherung a) Abfrage aus der Motor Insurance Database (MID) Der Auskunftsthematik im Bereich der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung hat man sich in England – zwecks Umsetzung der entsprechenden Vorgaben aus den Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien der EU62 – in den Vorschriften der reg. 3–9 Motor Vehicles (Compulsory Insurance) (Information Centre and Compensation Body) Regulations 2003 angenommen. Als nationale Auskunftsstelle wurde darin das sog. Motor Insurers’ Information Centre (MIIC) bestimmt,63 einer von der englischen Versicherungswirtschaft gegründeten private company limited by guarantee.64 Das MIIC war ursprünglich eine eigenständige Tochtergesellschaft (subsidiary company) des Motor Insurers’ Bureau (MIB). Aus Rationalisierungszwecken überantwortete man die Aufgaben des MIIC zwischenzeitlich65 jedoch unmittelbar dem MIB und überführte das MIIC in den Zustand einer sog. dormant company.66 Nunmehr ist eine spezielle Abteilung (division) des MIB mit der Wahrnehmung der Aufgaben betraut, die der nationalen Auskunftsstelle nach den Bestimmungen der Motor Vehicles (Compulsory Insurance) (Information Centre and Compensation Body) Regulations 2003 obliegen.67 Nach reg. 3, 4 Motor Vehicles (Compulsory Insurance) (Information Centre and Compensation Body) Regulations 2003 obliegt es der nationalen Aus61  So in der Kfz-Haftpflichtversicherung (Motor Insurance Database, MID) und in der Arbeitgeberhaftpflichtversicherung (Employers’ Liability Database, ELD). 62  Siehe Art.  23 6. KH-Richtlinie. 63  Reg. 3 (1) Motor Vehicles (Compulsory Insurance) (Information Centre and Compensation Body) Regulations 2003. 64  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  23-154. 65  Genauer gesagt zum 01. Juli 2006. 66  Vgl. Motor Insurers’ Information Centre, Full Accounts made up to 31 December 2006, Financial Statements for the year ended 31 December 2006, S.  2, abrufbar unter: https://beta. companieshouse.gov.uk/ mit dem Suchbegriff „Motor Insurers’ Information Centre“ (abgerufen am: 28. Februar 2017). 67  Bedauerlicherweise ist bislang eine entsprechende gesetzliche Klarstellung unterblieben, so dass reg. 3 (1) Motor Vehicles (Compulsory Insurance) (Information Centre and Compensation Body) Regulations 2003 irreführend weiterhin vom MIIC als nationaler Auskunftsstelle spricht.

II. England

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kunftsstelle zunächst, bestimmte Informationen über sämtliche im Vereinigten Königreich abgeschlossenen Kfz-Haftpflichtversicherungsverträge abzuspeichern und für eine Abfrage durch potentielle Verkehrsunfallopfer vorzuhalten. Bei den abzuspeichernden Informationen handelt es sich namentlich um den jeweiligen Versicherungsnehmer, um Name und Adresse des Kfz-Haftpflichtversicherers, um die Nummer der Versicherungspolice sowie um den Zeitraum des durch den jeweiligen Vertrag vermittelten Versicherungsschutzes.68 Die notwendigen Informationen sind der Auskunftsstelle von den einzelnen Versicherungsunternehmen respektive von den jeweiligen Kfz-Haftpflichtversicherungsnehmern zur Verfügung zu stellen, die nach reg. 5, 6 Motor Vehicles (Compulsory Insurance) (Information Centre and Compensation Body) Regulations 2003 eine entsprechende Mitteilungspflicht gegenüber der Auskunftsstelle trifft.69 Verkehrsunfallopfer haben nach reg. 9 Motor Vehicles (Compulsory Insurance) (Information Centre and Compensation Body) Regulations 2003 einen gesetzlichen Auskunftsanspruch gegen die Auskunftsstelle, der inhaltlich auf Mitteilung der Identität des Kfz-Haftpflichtversicherers sowie auf Übermittlung der Nummer des Versicherungsvertrags gerichtet ist. Zur Umsetzung der dargelegten Pflichten einer nationalen Auskunftsstelle hat bereits das MIIC die sog. Motor Insurance Database (MID) eingerichtet, die als zentrales Register aller im Vereinigten Königreich abgeschlossenen KfzHaft­pflichtversicherungsverträge fungiert und in welcher die notwendigen Informationen niedergelegt sind. Bei der MID handelt es sich dabei gerade nicht um ein staatliches Register, sondern um die Datenbank einer privatrechtlichen Gesellschaft. Um Verkehrsunfallopfern die Abfrage der relevanten Informationen aus der MID zu ermöglichen, hat man zwischenzeitlich das Internetportal „askMID.com“ geschaffen.70 Gegen eine Gebühr von derzeit 4 £ kann sich das Unfallopfer durch schlichtes Ausfüllen eines Online-Formulars71 die in der Datenbank hinterlegten Informationen beschaffen. b) Auskunftsanspruch gegen Schädiger (s. 154 Road Traffic Act 1988) Dem Unfallgeschädigten steht im Übrigen auch ein spezieller Auskunftsanspruch gegen den schädigenden Unfallfahrer zu,72 mit dessen Hilfe er den Reg. 4 (b) Motor Vehicles (Compulsory Insurance) (Information Centre and Compensation Body) Regulations 2003. 69  Eine Missachtung dieser Pflicht ist nach reg. 17 Motor Vehicles (Compulsory Insurance) (Information Centre and Compensation Body) Regulations 2003 strafbewehrt. 70  Vgl. http://www.askmid.com (abgerufen am: 28. Februar 2017). 71  Dieses Online-Formular ist abrufbar unter http://www.askmid.com/askmidenquiry. aspx (abgerufen am: 28. Februar 2017). 72  Eine Auskunftsverpflichtung nach s. 154 Road Traffic Act 1988 trifft alleine den Fahrer 68 

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E. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten

Kfz-Haftpflichtversicherer und weitere Einzelheiten des Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrages in Erfahrung bringen kann. Die Vorschrift des s. 154 Road Traffic Act 1988 verpflichtet den Unfallfahrer zunächst dazu, dem Geschädigten Auskunft darüber zu erteilen, ob überhaupt eine Kfz-Haftpflichtversicherung besteht oder ob ein Fall der unversicherten Fahrzeugnutzung gegeben ist (s. 154 (1) (a) Road Traffic Act 1988). Sodann ist der Schädiger zur Bekanntgabe der Identität des Haftpflichtversicherers sowie insbesondere zur Darlegung spezifischer Details des Versicherungsvertrages verpflichtet (s. 154 (1) (b) Road Traffic Act 1988). Anders als mit der Abfrage aus der MID kann der Geschädigte mithilfe des Auskunftsanspruchs aus s. 154 Road Traffic Act 1988 somit auch inhaltliche Aspekte des Haftpflichtversicherungsvertrages in Erfahrung bringen. Eine völlige Missachtung der Auskunftspflicht durch den Unfallfahrer ist ebenso wie die vorsätzliche Falschauskunft strafbewehrt (s. 154 (2) Road Traffic Act 1988).

2. Arbeitgeberhaftpflichtversicherung Im Bereich der obligatorischen Arbeitgeberhaftpflichtversicherung (employers’ liability insurance) können geschädigte Arbeitnehmer heutzutage die kostenfreien Dienste des privatrechtlich organisierten und dem Motor Insurers’ Bureau (MIB) angegliederten73 Employers’ Liability Tracing Office (ELTO) in Anspruch nehmen, wollen sie den Haftpflichtversicherer ihres Arbeitgebers in Erfahrung bringen.74 Das ELTO hat mit Wirkung zum 01. April 2011 den auf einer Selbstverpflichtung der Versicherungswirtschaft beruhenden und seit dem Jahre 1999 geltenden Code of Practice for Tracing Employers’ Liability Insurance Policies (ELCOP) abgelöst. Mit der Employers’ Liability Database (ELD) führt das ELTO unter anderem ein zentrales Register mit den in England seit April 2011 neu abgeschlossenen oder verlängerten (renewed) Arbeitgeberhaftpflichtversicherungsverträgen.75

des Unfallfahrzeuges, einen Auskunftsanspruch gegen Eigentümer oder Halter (keeper) des Fahrzeuges gewährt die Vorschrift hingegen nicht, vgl. Lemor in Feyock/Jacobsen/Lemor, AuslUnf C.IX. (Großbritannien) Rn.  8. 73  Bevan, J.P.I.L. 2011, 39, 43. 74  Andere Auskunftsrechte des geschädigten Arbeitnehmers – wie beispielsweise nach s. 11 iVm Schedule 1 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 – bleiben hiervon freilich unberührt. 75  Wikeley, J.S.S.L. 2014, 65, 69; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  21-130. Näher hierzu sogleich unter 3. Teil E.II.2.b).

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a) Hintergrund und Code of Practice for Tracing Employers’ Liability Insurance Policies (ELCOP) Im Rahmen der Arbeitgeberhaftpflichtversicherung hatte sich in der Rechtspraxis vermehrt die Situation ergeben, dass die Realisierbarkeit eines Direktanspruchs aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act schlicht an der Unkenntnis des Arbeitnehmers über die Identität des Haftpflichtversicherers scheiterte. Als besonders problematisch erwiesen sich dabei vor allem die recht häufigen Fälle der sog. long-tail diseases,76 bei denen die spürbaren Rechtsgutbeeinträchtigungen beim Arbeitnehmer erst mit – teilweise jahrzehntelanger – zeitlicher Verzögerung zur schädigenden Handlung bzw. zu der dem Arbeitgeber zurechenbaren Schadensursache eintraten.77 Mitunter war der Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt schon gar nicht mehr existent und stand somit als Informationsquelle von vornherein nicht zur Verfügung oder er konnte zumindest deshalb keine Auskunft mehr über den zum Schädigungszeitpunkt Haftpflichtversicherungsschutz gewährenden Versicherer geben, weil die entsprechenden Geschäftsunterlagen zwischenzeitlich vernichtet wurden oder schlicht verlorengegangen waren.78 Der mit Einführung der Haftpflichtversicherungspflicht für Arbeitgeber intendierte Arbeitnehmerschutz drohte somit immer wieder leerzulaufen. Eine erste Reaktion des Gesetzgebers lag darin, den Arbeitgeber zur vierzigjährigen Aufbewahrung der Versicherungsunterlagen zu verpflichten.79 Diese gesetzgeberische Maßnahme blieb freilich wirkungslos, wenn der Arbeitgeber zwischenzeitlich – z. B. durch Gesellschaftsauflösung – aufgehört hatte zu existieren.80 Weitergehende gesetzgeberische Interventionen zum Schutze des geschädigten Arbeitnehmers wusste die englische Versicherungswirtschaft zunächst durch eine im Code of Practice for Tracing Employers’ Liability Insurance PoCharakteristisches Beispiel für long-tail diseases sind Lungenkrankheiten, welche durch die Exposition mit karzinogenen Asbestfeinstäuben oder anderen Glasfaserstäuben ausgelöst werden (z. B. Lungenfibrose, Asbestose, Lungenkrebs, Mesotheliom). 77  Easton, J.P.I.L. 2013, 131, 131; Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  21-129. 78  Wikeley, J.S.S.L. 2014, 65, 68 f. 79  Reg. 4 (4) Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Regulations 1998 a. F. Mittlerweile wurde diese Pflicht jedoch wieder aufgehoben (vgl. reg. 2 (2) Employers’ Liability (Compulsory Insurance) (Amendment) Regulations 2008), wobei zur Begründung für die Aufhebung der Aufbewahrungspflicht das – durchaus zweifelhafte – Argument herangezogen wurde, dass die Einhaltung der Aufbewahrungspflicht derzeit nicht effektiv kontrolliert werden könne und die Unterhaltung eines entsprechenden Kontroll- und Sanktionssystem unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen würde, vgl. Employers’ Liability (Compulsory Insurance) (Amendment) Regulations 2008, Explanatory Memorandum, Rn.  7.1. 80  Easton, J.P.I.L. 2013, 131, 131. 76 

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E. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten

licies (ELCOP) niedergelegte Selbstverpflichtung81 zu verhindern.82 In dem im Jahre 1999 zwischen der Association of British Insurers (ABI), der Lloyd’s Non-Marine Association (NMA)83 sowie der englischen Regierung vereinbarten ELCOP verpflichteten sich die englischen Versicherer84 – sofern sie Arbeitgeberhaftpflichtversicherungen anboten oder in früheren Jahren angeboten hatten – zunächst dazu, einen geschädigten Arbeitnehmer nach besten Kräften bei der Ermittlung historischer Arbeitgeberhaftpflichtversicherungen zu unterstützen. Zudem sagten die Versicherer auf freiwilliger Basis zu, die aktuell laufenden sowie die künftigen Arbeitgeberhaftpflichtversicherungsverträge für mindestens 60 Jahre jeweils in ein dezentrales, versicherungsinternes Register aufzunehmen.85 Hieran anknüpfend versprachen die Versicherungsunternehmen, entsprechende Anfragen (enquiries) von geschädigten Arbeitnehmern mit ihren Datenbanken abzugleichen und innerhalb von 20 Werktagen Auskunft darüber zu geben, ob ein bestimmter Arbeitgeber bei ihnen Haftpflichtversicherungsschutz genoss. Das ELCOP-System funktionierte jedoch bestenfalls leidlich und konnte in der praktischen Anwendung kaum überzeugen. Ungeachtet teilweiser Erfolge bei der Ermittlung von Haftpflichtversicherern blieben noch immer zahlreiche Arbeitnehmer trotz entsprechendem Auskunftsersuchen letzten Endes in Unkenntnis über die Identität des Haftpflichtversicherers ihres (ehemaligen) Arbeitgebers.86 b) Employers’ Liability Tracing Office (ELTO) Getragen von dem Willen, die Situation der geschädigten Arbeitnehmer zu verbessern und die höchst unbefriedigende Vielzahl erfolgloser Auskunftsersuchen zu minimieren, initiierte die englische Regierung Anfang 2010 ein öffentliches Konsultationsverfahren (public consultation) über von ihr unterbreite 81  Allgemein zur Bedeutung von Selbstverpflichtungen der Versicherungswirtschaft im englischen Versicherungsrecht: Rühl, Obliegenheiten im Versicherungsvertragsrecht, S.  17 ff. 82  Vgl. insbesondere Code of Practice for Tracing Employers’ Liability Insurance Policies, Ministerial foreword of Lord Whitty, S.  3: „I know that some would have liked the Government to take a more regulatory approach. But I believe that the industry deserves a chance to show what it can do to solve this problem.“, abrufbar unter: https://www.gov.uk/government/ uploads/system/uploads/attachment_data/file/214605/codedocument.pdf (abgerufen am: 28. Februar 2017). 83  Nunmehr: Lloyd’s Market Association (LMA). 84  Bei der ABI sowie der NMA handelt es sich um Interessenverbände bzw. Dachorganisationen (trade association) der englischen Versicherungsunternehmen. 85  Wikeley, J.S.S.L. 2014, 65, 69. 86  Vgl. Wikeley, J.S.S.L. 2014, 65, 69, der auf offizielle Schätzungen verweist, wonach ungefähr die Hälfte der Arbeitnehmer auch mithilfe des ELCOP-Mechanismus nicht den Versicherer ihres (früheren) Arbeitgebers zu ermitteln vermochten.

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Reformvorschläge.87 Eine wesentliche Empfehlung der Regierung war dabei die Gründung eines sog. Employers’ Liability Tracing Office (ELTO). Dessen vornehmliche Aufgabe sollte in der Unterhaltung eines zentralen elektronischen Registers (electronic database) liegen, in welchem sämtliche im Vereinigten Königreich existierenden Arbeitgeberhaftpflichtversicherungen einschließlich der wesentlichen Vertragsdetails88 verzeichnet werden.89 Geschädigten Arbeitnehmern sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, diese Informationen unkompliziert abzufragen. Noch vor dem offiziellen Abschluss des Konsultationsverfahrens mit der Stellungnahme der Regierung90 antizipierte die englische Versicherungswirtschaft durch die freiwillige Gründung eines Employers’ Liability Tracing Office (ELTO) eine entsprechende gesetzliche Maßnahme. Bei dem nunmehr existierenden ELTO handelt es sich um eine privatrechtliche company limited by guarantee,91 an welcher gegenwärtig die überwältigende Mehrzahl der im Vereinigten Königreich im Bereich der Arbeitgeberhaftpflichtversicherung tätigen Versicherungsunternehmen beteiligt ist (ca. 99 %).92 Herzstück des neuen vom ELTO getragenen Auskunftssystems ist die sog. Employers’ Liability Database (ELD). Sämtliche am ELTO beteiligten Versicherer sind seit April 2011 verpflichtet, die wesentlichen Eckdaten der von ihnen gewährten Arbeitgeberhaftpflichtversicherungen an dieses zentrale elektronische Register zu übermitteln.93 Geschädigte Arbeitnehmer können nunmehr beim ELTO mittels eines Online-Formulars unter Angabe der Personalien des Arbeitgebers94 die in der ELD hinterlegten Daten abfragen und auf diesem Wege dessen (früheren) Haft-

87 

Department for Work and Pensions, Accessing Compensation, S.  1 ff. Z. B. Versicherungsnummer (policy number), Beginn und Ende des Versicherungsschutzes (policy inception and end date). 89  Wikeley, J.S.S.L. 2014, 65, 69. 90  Vgl. hierzu Department for Work and Pensions, „Accessing Compensation – Supporting people who need to trace Employers’ Liability Insurance (Government response to consultation)“, Juli 2012, abrufbar unter: https://www.gov.uk/government/uploads/system/ uploads/attachment_data/file/185022/elci-compensation-consultation-response.pdf (abgerufen am: 28 Februar 2017; im Folgenden zitiert als: Department for Work and Pensions, Accessing Compensation (Govern­ment response to consultation)). 91  Das ELTO ist eine Tochtergesellschaft (subsidiary company) des Motor Insurers’ Bureau (MIB), vgl. Bevan, J.P.I.L. 2011, 39, 43. 92  Wikeley, J.S.S.L. 2014, 65, 70 [Fn.  20]. 93  Daten historischer Versicherungsverträge sind in die ELD einzutragen, sobald auf ihrer Grundlage seit April 2011 Leistungen zu erbringen waren. 94  Alternativ kommt auch die Angabe der jedem Arbeitgeber im Vereinigten Königreich zugewiesenen Employers’ Reference Number (ERN) in Betracht. 88 

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E. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten

pflichtversicherer ermitteln.95 Seit der Gründung des ELTO und der damit einhergehenden Einführung der zentralen elektronischen Datenbank (ELD) ist die Zahl erfolgreicher Auskunftsersuchen signifikant gestiegen. In der den Konsultationsprozess abschließenden Stellungnahme der Regierung goutierte man das proaktive Bemühen der Versicherungswirtschaft um eine Verbesserung der Auskunftssituation für den geschädigten Arbeitnehmer. In der Folge nahm man zumindest einstweilen davon Abstand, das ELTO auf eine gesetzliche und allgemein verpflichtende Grundlage zu stellen.96

3. Auskunftsanspruch aus s. 11 iVm Schedule 1 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 a) Hintergrund Ein spezialgesetzlicher Auskunftsanspruch zugunsten des geschädigten Dritten bestand bereits seit jeher im Anwendungsbereich des Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930.97 Dessen Begründetheit setzte – neben einer krisenhaften Vermögenssituation beim schädigenden Versicherungsnehmer – zwingend voraus, dass bereits der Schadensersatzanspruch im Haftpflichtverhältnis festgestellt wurde. Primär auskunftsverpflichtet war allein der schädigende Versicherungsnehmer, eine subsidiäre Auskunftspflicht traf den Haftpflichtversicherer des Schädigers. Inhalt und Umfang der Auskunftspflicht waren lediglich generalklauselartig umschrieben. Da auch die Auskunftskomponente des Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 im Laufe der Zeit nicht von Kritik verschont blieb,98 wurde sie im Rahmen des Ende des 20. Jahrhunderts eingeleiteten Gesetzesreformprozesses99 einer kritischen Überprüfung unterzogen.100

95  Vgl. http://www.elto.org.uk/ (abgerufen am: 28. Februar 2017); hierzu: Easton, J.P.I.L. 2013, 131, 133. 96  Department for Work and Pensions, Accessing Compensation (Government response to consultation), S.  6 f.; Wikeley, J.S.S.L. 2014, 65, 70. 97  S.  2 Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930. Zu diesem Auskunftsanspruch bereits ausführlich oben unter 2. Teil C.II.2.b).bb).(4). 98  Zu dieser Kritik eingehend oben unter 2. Teil C.II.2.b).dd). 99  Hierzu ausführlich oben unter 2. Teil C.II.4. 100  Bemerkenswert ist sicherlich, dass sich im Rahmen des Reformprozesses vereinzelt auch Stimmen erhoben, welche für eine gänzliche Abschaffung des gesetzlichen Auskunftsrechts plädierten (vgl. hierzu Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  4.22). Es bedarf keines allzu großen Fantasieaufwandes, um die Urheber dieses Vorschlags im Bereich der Versicherungsbranche zu verorten. Im Ergebnis blieb dieser Vorschlag freilich nichts weiter als ein unbedeutendes Störfeuer. Die Einsicht von der generellen Notwendigkeit eines Auskunftsanspruchs sowie der Unzulänglichkeit des bisherigen Auskunftssystems überwog

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Kernaspekte der Reform des Auskunftsrechts waren vor allem die zeitliche Vorverlagerung der Entstehung des Auskunftsanspruchs, die Erweiterung des Kreises der auskunftsverpflichteten Personen sowie letztlich die exakte Umschreibung derjenigen Informationen, über die Auskunft geschuldet ist.101 Das reformierte Auskunftsregime ist nunmehr in einem separaten Gesetzesanhang102 niedergelegt, den s. 11 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 zu einem integralen Gesetzesbestandteil erklärt. Während der auskunftsverpflichtete Personenkreis, die exakten Anspruchsvoraussetzungen sowie die Umschreibung der geschuldeten Informationen in Schedule 1 para. 1 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 normiert sind, regelt Schedule 1 para. 2 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 die exakten Modalitäten der Auskunftserteilung. b) Auskunftsverpflichtete Personen und Anspruchsvoraussetzungen Das Gesetz sieht in Schedule 1 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 im Grunde zwei verschiedene Auskunftsansprüche vor, die unterschiedliche Anspruchsvoraussetzungen aufweisen.103 Abzugrenzen ist danach der Auskunftsanspruch gegen den Schädiger104 von dem – nur unter strengeren Voraussetzungen begründeten – Auskunftsanspruch gegen sonstige Personen.105 Die beiden Auskunftsansprüche stehen dabei im Falle ihrer tatbestandlichen Einschlägigkeit unabhängig und gleichrangig nebeneinander und der Geschädigte kann sich ihrer wahlweise bedienen. Das dem Vorgängergesetz aus dem Jahre 1930 immanente Stufenverhältnis, wonach der Geschädigte vorrangig seinen Schädiger um Auskunft ersuchen musste bevor ein Auskunftsgesuch gegen einen Versicherer in Betracht kam, wurde mithin im Zuge der Reform eliminiert. und führte zu einer grundlegenden Neugestaltung des Auskunftsrechts im Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. 101  Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  1.15. 102  Schedule 1 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 („Information and disclosure for third parties“). 103  Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, Explanatory Notes, Rn.  50. 104  Schedule 1 para. 1 (1) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. 105  Schedule 1 para. 1 (2) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. Anders als noch unter dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930, wo Auskunftsansprüche allenfalls gegen den Schädiger oder (subsidiär) gegen ein Versicherungsunternehmen in Betracht kamen, kann nunmehr jede erdenkliche Person auf Auskunft in Anspruch genommen werden, sofern vernünftige Gründe dafür sprechen, dass sie Auskunft über ein konkretes Haftpflichtversicherungsverhältnis geben kann; näher hierzu sogleich unter 3. Teil E.II.3.b). bb).

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E. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten

aa) Auskunftsanspruch gegen Schädiger Schedule 1 para. 1 (1) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 normiert zunächst einen Auskunftsanspruch gegen den Schädiger. Hiernach darf der Geschädigten von seinem Schädiger Auskunft über die Existenz sowie über die näheren Einzelheiten eines etwaigen Haftpflichtversicherungsvertrages106 verlangen, sofern er begründeten Anlass zu der Annahme hat (reasonably believes), dass zu seinen Gunsten ein Schadensersatzanspruch besteht und es sich bei dem Schädiger um eine sog. relevant person iSd s. 4 ff. Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 handelt.107 Das Auskunftsersuchen muss der Geschädigte dem Schädiger schriftlich (in writing) übermitteln, wobei er darin zugleich darzulegen hat, auf welchen Tatsachen seine Annahmen von der Existenz eines Schadensersatzanspruchs sowie vom Status des Versicherungsnehmers als relevant person basieren (Schedule 1 para. 1 (6) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010). Zudem muss der Geschädigte exakt spezifizieren, worüber er Auskunft begehrt. Dies ist insofern bedeutsam, weil sich die Auskunftspflicht des Schädigers fortan allein auf diejenigen Tatsachen und Aspekte beschränkt, um deren Klärung der Geschädigte ausdrücklich gebeten hat.108 Freilich hat der Geschädigte hierbei den numerus clausus der abfragbaren Informationen nach Schedule 1 para. 1 (3), (4) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 zu beachten.109 bb) Auskunftsanspruch gegen sonstige Personen Ein alternativer Auskunftsanspruch zugunsten des Geschädigten ergibt sich aus Schedule 1 para. 1 (2) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. Dieser Auskunftsanspruch richtet sich potentiell gegen alle Personen, die im Besitz von Informationen über eine Haftpflichtversicherung des Schädigers sein und daher zur Beseitigung des Informationsdefizits beim Geschädigten beitragen könnten. Bedeutsam ist dabei der Umstand, dass sich eine Auskunftsverpflichtung auch für eine gänzlich unbeteiligte Person ergeben kann, die bislang in keiner Verbindung zum auskunftsbegehrenden Geschädigten stand.110 Als mög106  107 

cc).

Näher zu Inhalt und Umfang des Auskunftsanspruchs sogleich unter 3. Teil E.II.3.c). Ausführlich zum Merkmal der „relevant person“ oben unter 3. Teil B.II.1.b).bb) und

108  Vgl. Schedule 1 para. 2 (1) (a) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010: „A person (R) who receives a notice under paragraph 1 must (…) provide to the person who gave the notice any information specified in it (…)“ (kursive Hervorhebung durch Verfasser); vgl. hierzu noch unten unter 3. Teil E.II.3.c). 109  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-067. 110  Hierin liegt ein deutlicher Unterschied zum deutschen Recht, wo der allgemeine Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben bekanntermaßen eine bereits existierende rechtliche

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liche Auskunftspersonen schwebten dem englischen Gesetzgeber neben den Haftpflichtversicherern insbesondere Versicherungsvermittler (insurance intermediaries) vor, die am Abschluss des Haftpflichtversicherungsvertrages beteiligt waren.111 Freilich war dem Gesetzgeber bei der konkreten Ausgestaltung des Auskunftsanspruchs an einem angemessen Ausgleich zwischen dem Informationsinteresse des Geschädigten und dem Interesse dritter Personen gelegen, von lediglich spekulativen Anfragen und dem damit verbundenen Aufwand verschont zu werden.112 Aus diesem Grund steht der Auskunftsanspruch aus Schedule 1 para. 1 (2) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 unter einschränkenden Voraussetzungen. Der Auskunftsanspruch gegen sonstige Personen aus Schedule 1 (2) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 setzt voraus, dass der Geschädigte berechtigten Grund zu der Annahme hat (reasonably believes), dass ihm ein Schadensersatzanspruch gegen eine dritte Person zusteht, dass diese Person hinsichtlich des Haftpflichtanspruchs tatsächlich Haftpflichtversicherungsschutz genießt und dass letztlich die Voraussetzungen für die Legalzession des Haftpflichtversicherungsanspruchs gegeben sind. Zudem müssen vernünftige Gründe die Annahme des Geschädigten rechtfertigen, dass die auf Auskunft in Anspruch genommene Person die gewünschten Informationen besitzt und daher zur Auskunftserteilung imstande ist. Auch hier hat der Geschädigte im Rahmen des – zwingend schriftlichen – Auskunftsersuchens die Gründe darzulegen, auf denen seine Annahmen beruhen.113 c) Inhalt und Umfang der Auskunftspflicht Das Gesetz listet erschöpfend auf, worüber eine auskunftsverpflichtete Person bei tatbestandlicher Einschlägigkeit des Auskunftsanspruchs Auskunft zu erteilen hat.114 Die in Schedule 1 para. 1 (3), (4) Third Parties (Rights against InSonderbeziehung zwischen den Auskunftsparteien voraussetzt (hierzu oben unter 3. Teil E.I.2) 111  Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, Explanatory Notes, Rn.  50; Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  4.38. Daneben kommen als potentielle Auskunftspersonen auch Vorstandsmitglieder/Geschäftsführer einer schädigenden Gesellschaft, Buchhalter (accountants), Steuerberater (tax adviser) oder Wirtschaftsprüfer (auditors) in Betracht, vgl. Easton, J.P.I.L. 2013, 131, 134. 112  Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, Explanatory Notes, Rn.  50. 113  Schedule 1 para. 1 (6) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. 114  Zu beachten ist, dass das Gesetz dabei nicht zwischen den verschiedenen potentiellen Auskunftsschuldnern differenziert. Die im Hinblick auf Inhalt und Umfang der Auskunftspflicht maßgebliche Vorschrift des Schedule 1 para. 1 (3), (4) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 gilt gleicherweise für den Schädiger, für den Haftpflichtversicherer und für jede andere auskunftsverpflichtete Person.

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E. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten

surers) Act 2010 vorgenommene exakte Umschreibung der zu offenbarenden Informationen bildet einen deutlichen Kontrast zu der bisherigen Vorschrift des s. 2 Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930, welche den geschuldeten Auskunftsinhalt lediglich vage umschrieb. Auf diesem Wege wollte der Gesetzgeber insbesondere die Rechtssicherheit sowie Rechtsklarheit erhöhen. Nach gegenwärtig geltender Rechtslage muss der Auskunftsschuldner zuvorderst mitteilen, ob überhaupt ein Haftpflichtversicherungsvertrag existiert, der den vom Geschädigten behaupteten Schadensersatzanspruch grundsätzlich decken könnte.115 Im Falle einer bestehenden Haftpflichtversicherung muss die auskunftsverpflichtete Person den Geschädigten sodann über die Identität des Haftpflichtversicherers sowie die konkreten Bedingungen bzw. Klauseln des Versicherungsvertrages (terms of the contract) unterrichten. Sollte der Haftpflichtversicherer seine versicherungsvertragliche Leistungspflicht in Ansehung des Schadensersatzanspruchs des Geschädigten negiert haben oder sollte gar bereits ein Deckungsprozess zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer anhängig sein, so ist der Geschädigte auch hierüber zu informieren (einschließlich näherer Details zum Deckungsprozess, z. B. Bezeichnung des Gerichts, Aktenzeichen).116 Die Auskunftspflicht erfährt allerdings insoweit eine Begrenzung, als dass der Auskunftsschuldner nur solche Informationen mitteilen muss, über welche der Geschädigte in seinem schriftlichen Auskunftsersuchen ausdrücklich Auskunft erbeten hat.117 d) Auskunftsverfahren In Schedule 1 para. 2 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 skizziert der englische Gesetzgeber die Modalitäten der Auskunftserteilung (provision of information). Demnach hat ein Rechtssubjekt, welches sich mit einem Auskunftsbegehren des Geschädigten konfrontiert sieht, spätestens binnen 28 Tagen entweder die gewünschte Auskunft zu erteilen118 oder aber – unter Darlegung der Gründe – mitzuteilen, dass es zur Auskunftserteilung nicht in der Lage ist.119 Eine Besonderheit ergibt sich, sofern die Auskunftserteilung gerade deshalb nicht möglich ist, weil die notwendigen Informationen in einem Dokument enthalten sind, welches der Auskunftsschuldner zwar früher einmal sein Eigen nannte, das sich jedoch gegenwärtig nicht mehr in seinem Besitz befindet. Schedule 1 para. 1 (3) (a) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. Schedule 1 para. 1 (3) (b), (4) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. 117  Vgl. Schedule 1 para. 2 (1) (a) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 sowie bereits oben unter 3. Teil E.II.3.b).aa). 118  Das Gesetz schreibt dabei keine spezielle Form für die Erteilung der Auskunft vor, so dass diese durchaus auch mündlich erfolgen kann. 119  Schedule 1 para. 2 (1) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. 115  116 

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Sofern die auskunftsverpflichtete Person weiß oder zumindest glaubt zu wissen, dass sich das betreffende Dokument nunmehr bei einer bestimmten anderen Person befindet, so hat sie ebenfalls innerhalb von 28 Tagen dem Geschädigten alle ihr bekannten Informationen über diese Person zur Verfügung zu stellen.120 Kommt der Auskunftsschuldner seiner Pflicht zur Informationsgewährung nicht nach, kann der Geschädigte seinen Auskunftsanspruch gerichtlich geltend machen.121

4. Sonstige Auskunftsmöglichkeiten a) Informationsgewinnung auf Grundlage des Prozessrechts Entsprechend dem funktionalen Ansatz der Rechtsvergleichung122 darf sich die Untersuchung von potentiellen Auskunftsmöglichkeiten für den Geschädigten nicht alleine auf das materielle englische Recht beschränken. Vielmehr müssen auch etwaige Mechanismen des Prozessrechts berücksichtigt werden, sofern sie dem Geschädigten bei der Informationsgewinnung über die Haftpflichtversicherung seines Schädigers helfen können. Aus dem Umstand, dass dem Informationsbedürfnis des Geschädigten in Deutschland durch materiell-rechtliche Ansprüche Rechnung getragen wird, ist nämlich nicht zwingend zu konkludieren, dass die englische Lösung der Informationsproblematik ebenfalls ausschließlich dem materiell-rechtlichen Bereich zu entnehmen ist. Spezifische Attribute des englischen Zivilverfahrensrechts123 geben berechtigten Anlass zu der Hoffnung, bei der Suche nach Funktionsäquivalenten auf prozessualem Gebiet fündig zu werden. aa) Der „cards on the table approach“ des englischen Zivilprozesses Es ist ein bedeutsames Charakteristikum des englischen Zivilprozesses, dass die Parteien im Wesentlichen „mit offenen Karten spielen [müssen]“124 und demgemäß im weiten Umfang zum gegenseitigen Informationsaustausch verpflichtet sind.125 Nach englischem Zivilverfahrensrecht kann eine Prozesspartei Schedule 1 para. 2 (2) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. Schedule 1 para. 2 (3) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. 122  Vgl. hierzu oben unter 1. Teil A. 123  Hierzu sogleich unter 3. Teil E.II.4.a).aa). 124  Weiß, RIW 2014, 340, 340. 125  Weiß, RIW 2014, 340, 340; vgl. auch Andrews, English Civil Procedure, Rn.  26.09 ff. („cards on the table”-philosophy); Zuckerman on Civil Procedure, Rn.  15.1 ff. („cards on the table approach“, Rn.  15.3); Davies v. Eli Lilly & Co [1987] 1 W.L.R. 428, 431, per Donaldson MR: „(…) litigation in this country is conducted ‚cards face up on the table‘“. 120  121 

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E. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten

ihren Prozessgegner zur Bereitstellung von Informationen und Dokumenten mit potentieller Bedeutung für das Gerichtsverfahren zwingen,126 was insbesondere durch die Verfahrensvorschriften der r. 18 CPR (request for informa­ tion) sowie r. 31 CPR (documentary disclosure) sichergestellt wird.127 Ein auf die Regeln des Prozessrechts gestützter Informationsaustausch kann unter Umständen sogar bereits in einer vorprozessualen Phase zwischen mutmaßlich künftigen Prozessparteien stattfinden.128 In diesem sog. „cards on the tableapproach“ spiegelt sich die stärkere Orientierung des englischen Zivilprozesses am Grundsatz der materiellen Wahrheit (truth) wider, von dem man sich gerechtere Verfahrensergebnisse129 und folgerichtig eine größere Akzeptanz gerichtlicher Entscheidungen sowohl in der allgemeinen Öffentlichkeit als auch bei den Prozessparteien verspricht. Zugleich kann eine frühzeitige umfassende Tatsachenkenntnis der Parteien eine bessere Einschätzung der prozessualen Erfolgschancen ermöglichen und damit potentiell auch die anfängliche Vergleichsbereitschaft befördern.130 Vor diesem Hintergrund ist nachfolgend zu eruieren, inwieweit dem Geschädigten als (künftiger) Prozesspartei131 Informationen über die Haftpflichtversicherung seines Schädigers mittels prozessualer Instrumente zugänglich gemacht werden können. Ganz grundlegend ist dabei zu differenzieren zwischen der vorprozessualen Informationsgewinnung auf der einen132 und der Informationsgewinnung nach Einleitung eines Gerichtsverfahrens auf der anderen Seite.133

126  Besonders bemerkenswert ist, dass eine englische Prozesspartei vor allem auch zur Offenlegung von ihr ungünstigen, mit der eigenen Prozesstaktik möglicherweise unvereinbaren Informationen verpflichtet sein kann, vgl. Brandt, Disclosure-Verfahren, S.  2 sowie Weiß, RIW 2014, 340, 340. 127  Ganz allgemein zu den Möglichkeiten des Informationsaustauschs im englischen Zivilprozess Brandt, Disclosure-Verfahren, S.  41 ff.; Zuckerman on Civil Procedure, Rn.  15.1 ff., v. a. auch Rn.  15.14. 128  Mögliche Instrumente einer vorprozessualen Informationsgewinnung sind die pre-action protocols sowie die pre-action disclosure (r. 31.16 CPR); hierzu ausführlich Brandt, Disclosure-Verfahren, S.  55 ff. sowie Andrews, English Civil Procedure, Rn.  26.57 ff. 129  Zu diesem Aspekt Weiß, RIW 2014, 340, 340. 130  Zuckerman on Civil Procedure, Rn.  15.2. 131  Eine Informationsgewinnung ist sowohl im Haftpflichtprozess gegen den Schädiger als auch im Direktprozess gegen den Haftpflichtversicherer denkbar. 132  Hierzu 3. Teil E.II.4.a).bb). 133  Hierzu 3. Teil E.II.4.a).cc).

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bb) Vorprozessuale Informationsgewinnung (1) Pre-Action Protocols Ein erstes Instrument zur vorprozessualen Informationsgewinnung sind die mit der englischen Zivilprozessrechtsreform des Jahres 1999134 eingeführten pre-action protocols. Bei den pre-action protocols handelt es sich um von der Rechtspraxis entwickelte Verhaltenskodizes für die vorprozessuale Phase, deren Befolgung durch die mutmaßlichen Prozessparteien von den Gerichten grundsätzlich erwartet wird.135 Die Protokolle zielen auf einen möglichst frühzeitigen und umfassenden Austausch von relevanten Informationen zwischen den potentiellen Prozessgegnern ab.136 Hierzu legen sie die von den Parteien in der außerprozessualen Korrespondenz aufzugreifenden inhaltlichen Gesichtspunkte in standardisierter Form fest. Der durch die protocols intendierte umfangreiche Informationsaustausch soll in erster Linie den Weg zu einem – möglichst vorprozessualen und damit prozessvermeidenden – Vergleichsabschluss auf einer fundierten Tatsachengrundlage ebnen.137 Bislang existieren pre-action protocols jedoch lediglich in ausgewählten Teilbereichen, in denen man eine geordnete Prozessvorbereitung für in besonderem Maße geboten erachtete.138 Vorliegend von Interesse dürften vor allem die pre-action protocols sein, die für die Geltendmachung von Ansprüchen wegen Körperverletzungen (personal injury claims), von geringwertigen Ansprüchen wegen Körperverletzungen resultierend aus Verkehrsunfällen (low value personal injury claims in road traffic accidents) bzw. gegenüber dem Arbeitgeber (low value personal injury (employers’ liability and public liability) claims) oder von Ansprüchen aus dem Arzthaftungsrecht (clinical disputes) vorgesehen sind. Nach diesen Verfahrensprotokollen soll der mutmaßliche Schädiger nämlich im Rahmen des vorgerichtlichen Schriftverkehrs mitteilen, ob an dem Fall eine Versicherung beteiligt sein wird. Die entscheidende Schwäche der pre-action protocols liegt indes darin, dass deren Befolgung letztlich nicht erzwingbar ist. Bei Missachtung der Vorgaben 134  Ausführlich zur Reform des englischen Zivilprozessrechts im ausgehenden 20. Jahrhundert: Stürner, ZVglRWiss 99 (2000), 310, 310 ff. 135  Brandt, Disclosure-Verfahren, S.  55; Bernstorff, Einführung, S.  155. 136  Bunge, Zivilprozess und Zwangsvollstreckung in England, S.  110; Stürner, ZVglRWiss 99 (2000), 310, 322. 137  PD (Pre-Action Conduct and Protocols) para. 3. Ferner: Brandt, Disclosure-Verfahren, S.  55 f.; Bunge, Zivilprozess und Zwangsvollstreckung in England, S.  110; Zuckerman on Civil Procedure, Rn.  15.109. 138  Einen Überblick über die aktuell existierenden pre-action protocols findet man unter https://www.justice.gov.uk/courts/procedure-rules/civil/protocol (abgerufen am: 28. Februar 2017). Auf die Einführung eines general pre-action protocol hat man demgegenüber bewusst verzichtet, vgl. Brandt, Disclosure-Verfahren, S.  57.

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E. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten

aus den Verfahrensprotokollen drohen allenfalls Kostennachteile, sollte es später zu einem Prozess kommen.139 Für den Geschädigten ist es somit keinesfalls sicher, auf Grundlage der pre-action protocols an Informationen über die Haftpflichtversicherung seines Schädigers gelangen zu können.140 (2) Pre-Action Disclosure (r. 31.16 CPR) Als für den Geschädigten nützlicher könnte sich daher das zweite Instrument des englischen Zivilprozessrechts zur vorprozessualen Informationsgewinnung erweisen. Insoweit eröffnet die in r. 31.16 CPR normierte pre-action disclo­ sure141 die Möglichkeit, mit gerichtlicher Unterstützung bereits vor Einleitung eines förmlichen Klageverfahrens verbindlich die Offenlegung bestimmter Dokumente und der darin verkörperten Informationen durch die Gegenpartei zu erreichen.142 Die vorprozessuale disclosure ist für den Geschädigten insbesondere dann von Interesse, wenn der potentielle Prozessgegner ein mit den pre-action protocols konformes Verhalten vermissen lässt.143 Das Gericht gibt einem entsprechenden Offenlegungsantrag (application for pre-action disclosure) statt und verfügt die Informationsgewährung, sofern Antragsteller und Antragsgegner der pre-action disclosure voraussichtlich Parteien eines nachfolgenden Rechtsstreits sein werden („likely to be“ parties to subsequent proceedings),144 soweit die begehrten Unterlagen mit den darin verkörperten Informationen nach Prozessbeginn der sog. standard disclosure145 unterfallen würden146 und wenn eine vorprozessuale Offenlegung der Informationen letztlich der Förderung eines fairen Verfahrens dient oder zumindest zwecks Prozessvermei139  Daejan Investments Ltd v. The Park West Club Ltd [2003] EWHC 2872 (TCC); Zuckerman on Civil Procedure, Rn.  15.109; Stürner, ZVglRWiss 99 (2000), 310, 322; Brandt, Disclosure-Verfahren, S.  56; Bunge, Zivilprozess und Zwangsvollstreckung in England, S.  111. 140  Vgl. auch Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  4.12: „In certain circumstances it appears that a third party may be able to obtain some information without issuing proceedings, as a result of pre-action protocols. In our view, however, this is by no means clear“. 141  Hierzu allgemein Zuckerman on Civil Procedure, Rn.  15.108 ff. 142  Anders als die pre-action protocols, die wie dargelegt lediglich für bestimmte Arten von Ansprüchen vorgesehen sind, findet die pre-action disclosure unabhängig von der Art des potentiellen Anspruchs des Antragstellers statt, vgl. auch Brandt, Disclosure-Verfahren, S.  62. 143  Zuckerman on Civil Procedure, Rn.  15.109. 144  R. 31.16 (3) (a), (b) CPR. Siehe zur Auslegung dieses Merkmals insbesondere die Entscheidung Black v. Sumitomo Corp [2002] 1 W.L.R. 1562, 1584 f. 145  Hierzu ausführlich Zuckerman on Civil Procedure, Rn.  15.45 ff. sowie sogleich unter 3. Teil E.II.4.a).cc).(1). 146  R. 31.16 (3) (c) CPR.

II. England

421

dung oder Kostenreduktion wünschenswert (desirable) wäre.147 Durch die explizite Bezugnahme auf die standard disclosure beschränkt sich die vorprozessuale Offenlegungspflicht vom Umfang her auf solche Dokumente, welche eine unmittelbare Relevanz für den potentiellen Rechtsstreit aufweisen und für die Streitentscheidung vonnöten sind.148 Soweit die englische Rechtsprechung noch unter Geltung des Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 den Antrag eines Geschädigten auf pre-ac­ tion disclosure durch den Haftpflichtversicherer mit der Begründung verworfen hat, solange die Schadensersatzhaftung des schädigenden Versicherungsnehmers noch nicht im Haftpflichtverhältnis festgestellt sei, könne mangels Existenz eines Direktanspruchs nicht von einem „wahrscheinlichen Prozess“ zwischen Geschädigtem und Haftpflichtversicherer ausgegangen werden,149 dürfte diese Argumentation nunmehr nach der Gesetzesnovellierung mit der eingeführten Möglichkeit der sofortigen, einstufigen Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers ins Leere laufen. Mithin kann der Geschädigte nicht nur den Schädiger, sondern durchaus auch den Haftpflichtversicherer mittels pre-action disclosure nach r. 31.16 CPR zur frühzeitigen Offenlegung des Haftpflichtversicherungsvertrages oder anderer Dokumente mit Informationen über diesen Vertrag zwingen.150 Schützenswerte Geheimhaltungsinteressen, die einer Offenlegung der Details über die Haftpflichtversicherung entgegenstünden (claim of privilege),151 sind dabei nicht ersichtlich.

147 

R. 31.16 (3) (d) CPR. Näher zum Relevanzkriterium noch unten unter 3. Teil E.II.4.a).cc).(1). 149  Burns v. Shuttlehurst Ltd [1999] 1 W.L.R. 1449, 1457 ff. (vgl. v. a. auf S.  1459, per ­Stuart-Smith LJ: „Accordingly, since the plaintiff’s claim has not yet been quantified, at the time that the application [for pre-action disclosure] was made he had no cause of action against the insurers. And in those circumstances I do not see how it can be said that a claim [under the Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930] is likely.“); vgl. auch Bradley v. Eagle Star Insurance Co Ltd [1989] A.C. 957, 961 ff. 150  Gegen andere Personen, die Auskunft über die Haftpflichtversicherung geben könnten (z. B. Versicherungsvermittler, Steuerberater, Buchhalter), kommt eine pre-action disclosure hingegen nicht Betracht, weil diese regelmäßig keine künftigen Prozessgegner des Geschädigten sind, vgl. Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  4.11. 151  Zu den Grenzen der Offenlegungspflicht allgemein Zuckerman on Civil Procedure, Rn.  15.73 ff. sowie Brandt, Disclosure-Verfahren, S.  65 ff. (z. B. privilege against self-incrimination, legal profession privilege, „without prejudice” privilege). 148 

422

E. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten

cc) Informationsgewinnung nach Einleitung eines Verfahrens (1) Documentary disclosure (r. 31 CPR) Nach Prozessbeginn kommt für den Geschädigten zum Zwecke der Informationsgewinnung zunächst die sog. documentary disclosure (r. 31 CPR) in Betracht.152 Nach r. 31 CPR ist eine Prozesspartei auf entsprechende gerichtliche Anordnung (order) verpflichtet, all jene in ihrem Besitz befindlichen Dokumente153 vorzulegen, auf welche sie sich in ihrem Prozessvortrag stützt oder welche anderweitig von unmittelbarer Relevanz für die gerichtliche Sachentscheidung sind – und zwar entweder weil sie die Position des Prozessgegners stützen oder aber weil sie sich nachteilig auf die eigene oder gegnerische Argumentation auswirken (sog. standard disclosure, r. 31.6 CPR).154 Bemerkenswert ist, dass eine disclosure-Anordnung ausnahmsweise auch gegenüber einer dritten Person ergehen kann, welche nicht selbst am Prozess beteiligt ist (orders for disclosure against a person not a party, r. 31.17 CPR). Mithin kann beispielsweise auch ein Versicherungsvermittler zur disclosure verpflichtet werden, sofern dieser noch Aufzeichnungen über den Haftpflichtversicherungsvertrag besitzt und diese Aufzeichnungen für den Rechtsstreit von Bedeutung sind.155 (2) Request for information (r. 18 CPR) Eine weitere prozessuale Möglichkeit zur Informationsgewinnung bieten die information requests (r. 18 CPR), welche die sog. interrogatories bzw. die sog. requests for further and better particulars des früheren englischen Zivilverfahrensrechts substituiert haben.156 Nach r. 18.1 CPR kann eine Prozesspartei in jedem Verfahrensstadium eine gerichtliche Verfügung (order) beantragen, welche der Gegenpartei die Klarstellung einer im Prozess streitigen Angelegenheit (clarify any matter which is in dispute in the proceedings)157 oder aber die Mitteilung ergänzender Informationen mit Bezug zu dieser Angelegenheit (additi152 Eine documentary disclosure scheidet jedoch von vornherein aus, wenn der Prozess ausnahmsweise wegen geringem Streitwert im Verfahrenspfad des small claims track iSd r. 26.6 (1), 27 CPR verhandelt wird (r. 31.1 (2) CPR). Zu den verschiedenen Verfahrenspfaden des englischen Zivilprozesses siehe Bernstorff, Einführung, S.  156. 153  Nach r. 31.4 CPR ist der Begriff des „document“ sehr weitgehend und umfasst alle erdenklichen Aufzeichnungen (records) von Informationen, die dabei nicht zwangsläufig in physischer Form vorliegen müssen (z. B. auch E-Mails, Audio- oder Videodateien, elektronische Speichermedien), vgl. Zuckerman on Civil Procedure, Rn.  15.16 sowie PD 31B (Disclosure of Electronic Documents). 154  Hierzu ausführlich Zuckerman on Civil Procedure, Rn.  15.45 ff. 155  Siehe hierzu auch Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  4.13. 156  Matthews/Malek, Disclosure, Rn.  20.01 f. 157  R. 18.1 (1) (a) CPR.

II. England

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onal information in relation to any such matter)158 aufgibt.159 Dem information request wird vom Gericht allerdings nur dann stattgegeben, wenn eine vorherige unmittelbar an den Prozessgegner gerichtete schriftliche Anfrage erfolglos geblieben ist (preliminary request for further information or clarification) und der Auskunftserteilung keine schutzwürdigen Interessen entgegenstehen.160 Die schriftlich zu verfassende Antwort auf den information request muss ein statement of truth iSd r. 22 CPR beinhalten161 und ist sowohl dem Prozessgegner als auch dem Gericht zuzuleiten. Unzweifelhaft kann der Geschädigte in einem etwaigen Direktprozess gegen den Haftpflichtversicherer auf r. 18 CPR zurückgreifen, um weitere Informationen über den maßgeblichen Haftpflichtversicherungsvertrag zu erbitten – schließlich ist hier der Bezug zum Streitgegenstand unzweifelhaft gegeben.162 Ob der Geschädigte jedoch auch im Rahmen eines Haftpflichtprozesses gegen den Schädiger von r. 18 CPR Gebrauch machen kann, um eine Offenlegung von Informationen über dessen Haftpflichtversicherung zu erreichen, wurde in der englischen Rechtsprechung bislang unterschiedlich beurteilt. Kontrovers diskutiert wurde vor allem die Frage, ob die begehrten Informationen über die Haftpflichtversicherung den im Rahmen von r. 18 CPR notwendigen Bezug zu einer „matter which is in dispute in the proceedings“ aufweisen. In der Entscheidung Harcourt v. FEF Griffin163 wies das Gericht zwar zunächst darauf hin, dass Aspekte der Haftpflichtversicherung aufgrund des materiellen Trennungsprinzips grundsätzlich keinen Einfluss auf die Entscheidung im Haftpflichtprozess haben. Jedoch plädierte das Gericht für eine teleologisch motivierte großzügige Auslegung von r. 18 CPR164 und gab dem Schädiger auf Antrag des Geschädigten die Offenlegung von Informationen über den Umfang des Haftpflichtversicherungsschutzes auf. Im Lichte der Zielrichtung (thrust) des in den Civil Pro158 

R. 18.1 (1) (b) CPR. Allerdings findet r. 18 CPR von vornherein keine Anwendung, sofern die Streitigkeit wegen eines niedrigen Streitwerts auf dem Verfahrenspfad des small claim track verhandelt wird, vgl. r. 27.2 (1) (f) CPR. 160  PD 18 (Further Information) para. 1.1; Matthews/Malek, Disclosure, Rn.  20.04; Brandt, Disclosure-Verfahren, S.  53. 161  R. 22.1 (1) (b) CPR sowie PD 18 (Further Information) para. 3. 162  Insofern ist zu berücksichtigen, dass der Haftpflichtversicherungsvertrag für die Frage etwaiger versicherungsrechtlicher Einwendungen gegen den gesetzlichen Direktanspruch von elementarer Bedeutung ist. 163  Harcourt v. FEF Griffin [2007] EWHC 1500 (QB). 164  Harcourt v. FEF Griffin [2007] EWHC 1500 (QB) [Rn.  10]: „However, it appears to me that the wording of CPR r. 18 requires to be interpreted reasonably liberally. (…) Therefore, I have no hesitation in finding that (…) the wording of CPR r. 18 is broad enough to cover information of this kind“. 159 

424

E. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten

cedure Rules normierten neuen englischen Zivilprozessrechts, die Verfahrensdauer und die Verfahrenskosten zu senken sowie allgemein ein ökonomisches Gerichtsverfahren zu ermöglichen, sei es wünschenswert, wenn der Geschädigte bereits im Rahmen des Haftpflichtprozesses Informationen über eine Haftpflichtversicherung seines Schädigers erlangen könnte. Dies gelte umso mehr, wenn die Durchsetzbarkeit eines Schadensersatzanspruchs in Anbetracht der Vermögenssituation des Schädigers nicht zu erwarten und allenfalls bei Existenz einer Haftpflichtversicherung mit einer Kompensation des erlittenen Schadens zu rechnen sei. Der Geschädigte könne nämlich nur bei Kenntnis gewisser Haftpflichtversicherungsdetails adäquat einschätzen, ob die Fortführung eines zeit- und kostenintensiven Haftpflichtprozesses sinnvoll oder letztlich überflüssig sei.165 Dieser Sichtweise ist der in der Rechtssache West London Pipeline and Storage Ltd v. Total UK Ltd166 zur Entscheidung berufene Richter entschieden entgegengetreten. Zur Begründung rekurrierte der Richter unter anderem auf die in den Practice Directions zu r. 18 CPR niedergelegte Leitlinie, wonach sich ein information request strengstens auf solche Aspekte beschränken sollte, die zur Vorbereitung der eigenen Argumentation oder zur sachgerechten Reaktion auf das gegnerische Vorbringen notwendig seien.167 Angesichts des hierin zum Ausdruck kommenden restriktiven Charakters von r. 18 CPR verböte sich eine großzügige Auslegung.168 Da die bisherigen Entscheidungen zu dieser Thematik ausschließlich auf der Ebene des High Court of Justice ergingen, bleibt freilich abzuwarten, wie sich der Court of Appeal respektive der Supreme Court positionieren werden. b) Einsichtnahme in Geschäftsunterlagen Zur Informationsbeschaffung kann es sich für den Geschädigten letztlich anbieten, Einsicht in Geschäftsunterlagen seines Schädigers zu nehmen.169 MitHarcourt v. FEF Griffin [2007] EWHC 1500 (QB) [Rn.  10]. West London Pipeline and Storage Ltd v. Total UK Ltd [2008] EWHC 1296 (Comm). 167  Vgl. PD 18 (Further Information) para. 1.2: „A Request should be concise and strictly confined to matters which are reasonably necessary and proportionate to enable the first party to prepare his own case or to understand the case he has to meet“. 168  West London Pipeline and Storage Ltd v. Total UK Ltd [2008] EWHC 1296 (Comm) [Rn.  22 ff.]; ebenso Re PIP Breast Implant Litigation [2013] EWHC 3643 (QB). Wiederum abweichend aber die jüngste Entscheidung in Senior v. Rock UK Adventure Centres [2015] EWHC 1447 (QB). 169  Zu denken wäre überdies an eine Abfrage der beim Companies House über eine Kapitalgesellschaft (company) hinterlegten Informationen, die bisweilen Angaben über Versicherungen enthalten können, vgl. Easton, J.P.I.L. 2013, 131, 134. Für eine stets tagesaktuelle Abfrage bietet sich dabei die Online-Plattform unter https://beta.companieshouse.gov.uk/ an (abgerufen am: 28. Februar 2017). Allerdings sind companies – entgegen entsprechender 165 

166 

III. Vergleichende Betrachtung

425

unter lassen sich diesen Unterlagen zumindest Hinweise auf die Existenz eines Haftpflichtversicherungsvertrages entnehmen,170 bisweilen enthalten sie gar eine Ausfertigung des maßgeblichen Versicherungsvertragsdokumentes. Ein Recht zur Einsichtnahme (inspection) in die Geschäftsaufzeichnungen seines Schädigers ergibt sich für den Geschädigten aus s. 155 Insolvency Act 1986. Nach dieser Vorschrift kann der Geschädigte im Rahmen eines compulsory winding-up einer Kapitalgesellschaft171 um gerichtliche Erlaubnis für die Durchsicht der Bücher und Aufzeichnungen der Insolvenzschuldnerin bitten. Leider fehlt es bei anderen Formen der Gesellschaftsliquidation oder auch in der Insolvenz einer natürlichen Person an einer entsprechenden Vorschrift,172 so dass dieser Option der Informationsgewinnung sicherlich eine begrenzte Relevanz zukommt.173

III. Vergleichende Betrachtung In beiden untersuchten Rechtsordnungen existieren für einen Geschädigten Möglichkeiten zur Beschaffung von Informationen, welche für die erfolgreiche Realisierung eines gesetzlichen Direktanspruchs essentiell sind.174 Die der Befriedigung des Auskunfts- und Informationsbedürfnisses des Geschädigten dienenden nationalen Regelungen sind dabei teilweise auf unionsrechtliche VorgaÜberlegungen im Zuge der Reform des englischen Gesellschaftsrechts zu Beginn der 2000erJahre (hierzu Company Law Review Steering Group, „Modern Company Law for a Com­ petitive Economy – Completing the Structure“, 2000, para. 8.26, abrufbar unter: http://web archive.nationalarchives.gov.uk/20121029131934/http://www.berr.gov.uk/files/file23220.pdf (abgerufen am: 28. Februar 2017)) – nicht zur Übermittlung solcher Informationen an das Companies House verpflichtet, die ihren Versicherungsschutz betreffen. Die Erfahrung lehrt daher, dass die Einsicht in die Register des Companies House dem Geschädigten nur selten bei der Ermittlung des Haftpflichtversicherers hilft, Easton, J.P.I.L. 2013, 131, 134. 170  Z. B. Buchungsposten im Jahresabschluss, Position auf dem Kontoauszug. 171  Hierzu oben unter 3. Teil B.II.1.b).cc).(4).(b). 172  Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  4.16. 173  Colinvaux’s Law of Insurance, Rn.  22-040, S.  1160; Law Commission, Law Com No.  272 (2001), Rn.  4.16. 174  Um einen gesetzlichen Direktanspruch realisieren zu können, bedarf es in beiden Staaten zunächst einmal der Kenntnis über das Bestehen einer Haftpflichtversicherung sowie der Kenntnis über die Identität des konkreten Haftpflichtversicherers. Zur Vermeidung erfolgloser Direktprozesse sind überdies nähere Informationen über das Haftpflichtversicherungsverhältnis von Vorteil, um die Gefahr durch etwaige drittwirkende versicherungsrechtliche Einwendungen einschätzen zu können; in Anbetracht des sehr weitgehenden Einwendungsdurchgriffs sind diese Informationen in England freilich von einer größeren Wichtigkeit als in Deutschland.

426

E. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten

ben zurückzuführen.175 Die gegenwärtige deutsche Rechtslage erweist sich in der Zusammenschau keineswegs als zufriedenstellend und es offenbart sich durchaus Verbesserungspotential. Die jüngsten Reformen in England176 haben hierbei sicherlich interessante Ansätze aufgezeigt, die möglicherweise auch in Deutschland fruchtbar gemacht werden können, um dem Geschädigten die Beseitigung seines strukturell bedingten Informationsdefizits über das Haftpflichtversicherungsverhältnis zu erleichtern.

1. Haftpflichtversicherungsregister Der idealste Weg zur Ausräumung etwaiger Informationsdefizite eines Geschädigten ist sicherlich die Errichtung eines zentralen nationalen Haftpflichtversicherungsregisters, in welchem nähere Einzelheiten über sämtliche in einem Land bestehenden Haftpflichtversicherungsverträge abgespeichert sind und aus welchem ein Geschädigter bei Bedarf die zur Geltendmachung eines Direktanspruchs notwendigen Informationen abfragen könnte – und zwar ohne hierbei auf die Mitwirkung eines anderen Rechtssubjekts (v. a. Schädiger, Versicherungsunternehmen) angewiesen zu sein. Für eine erfolgreiche Abfrage wäre allein die Kenntnis der Person des Schädigers oder eines anderen Merkmals erforderlich, das zu dessen Identifizierung beitragen kann (z. B. Kfz-Kennzeichen). Von der Errichtung eines solchen umfassenden Haftpflichtversicherungsregisters hat man bislang allerdings sowohl in Deutschland als auch in England bewusst abgesehen, wofür nicht zuletzt eine erfolgreiche Lobbyarbeit der einem zentralen Register ablehnend gegenüberstehenden Versicherungswirtschaft verantwortlich gezeichnet werden kann. Register über Haftpflichtversicherungsverträge bestehen in den Vergleichsrechtsordnungen gegenwärtig allein in Teilbereichen der Haftpflichtversicherung. Entsprechend der Vorgabe aus der 6. KH-Richtlinie der EU177 wird in beiden Ländern zunächst ein Register über die abgeschlossenen Kfz-Haftpflichtversicherungen geführt. Das deutsche Kfz-Haftpflichtversicherungsregister liegt dabei in den Händen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) respektive der örtlichen Zulassungsbehörden und ist somit staatlich verwaltet, die englische Motor Insurance Database (MID) wird hingegen von einer privatrechtlichen Organisation der Versicherungswirtschaft – namentlich dem Motor Insu175 

So im Bereich der obligatorischen Kfz-Haftpflichtversicherung (Art.  23 6. KH-Richtlinie). 176  Z. B. Einführung eines Haftpflichtversicherungsregisters jenseits des Bereichs der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung; Neufassung der Auskunftsansprüche im Rahmen des Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. 177  Art.  23 Abs.  1 lit.  a) 6. KH-Richtlinie.

III. Vergleichende Betrachtung

427

rers’ Bureau (MIB) – unterhalten. In Deutschland kann das Verkehrsopfer die im Register hinterlegten Informationen entweder unmittelbar bei den Behörden (Kraftfahrt-Bundesamt; örtliche Zulassungsbehörden)178 oder aber auch beim von der Versicherungswirtschaft betriebenen „Zentralruf der Autoversicherer“ abfragen.179 In England erteilt lediglich das MIB Auskunft über die in der MID abgespeicherten Informationen, wobei sich der Geschädigte unter anderem einer unkomplizierten Online-Abfrage auf der Internetseite „askMID.com“ bedienen kann. Die aus dem Kfz-Haftpflichtversicherungsregister abfragbaren Informationen sind in beiden Ländern durch die europäische Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie determiniert und daher deckungsgleich. Auffällig ist insoweit, dass der Geschädigte auf diesem Wege zwar Kenntnis über die Identität des Kfz-Haftpflichtversicherers sowie über die maßgebliche Versicherungsnummer erhält, keinesfalls jedoch nähere Informationen über den konkreten Inhalt des Versicherungsvertrages bzw. über Besonderheiten im Versicherungsverhältnis (z. B. Prämienzahlungsverzug) erlangen kann.180 In England hat die Idee eines Haftpflichtversicherungsregisters erst kürzlich in einem weiteren Haftpflichtversicherungsbereich Eingang gefunden. Das dem MIB angegliederte und ebenfalls privatrechtlich organisierte Employers’ Liability Tracing Office (ELTO) unterhält mit der Employers’ Liability Database (ELD) nunmehr auch für den Bereich der Arbeitgeberhaftpflichtversicherung eine zentrale Datenbank, in welcher Name und Anschrift des Haftpflichtversicherers eines jeden englischen Arbeitgebers sowie die jeweilige Versicherungsnummer verzeichnet sind.181 Bemerkenswert ist dabei die Tatsache, dass die Gründung des ELTO und die Errichtung der ELD auf einer freiwilligen Initiative der Versicherungswirtschaft beruhte, wenn auch in Antizipation einer – seitens des Gesetzgebers bereits angedachten – entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung. Die Schaf178 

§  39 Abs.  1 StVG. Der „Zentralruf der Autoversicherer“ bezieht die notwendigen Informationen seinerseits aus den Registern der Zulassungsbehörden. Eine Besonderheit liegt darin, dass der „Zentralruf“ regelmäßig über die bloße Auskunftserteilung hinaus die Herstellung eines direkten Kontakts zur Schadensabteilung der gegnerischen Versicherung anbietet (sog. aktives Schadenmanagement). Dieses aktive Schadenmanagement mag für den Geschädigten auf den ersten Blick bequem erscheinen und einen gewissen Reiz besitzen, indes ist der damit einhergehende „erste Zugriff“ der Versicherungswirtschaft auf den Unfallgeschädigten durchaus kritisch zu sehen. 180  Hier ist der Geschädigte im Zweifel auf die zusätzliche Geltendmachung von Auskunftsansprüchen gegen den Schädiger, den Haftpflichtversicherer oder ggf. eine dritte Person mit Informationen über das Versicherungsverhältnis angewiesen. 181  Auch hier wird dem Geschädigten die Möglichkeit geboten, die in der ELD hinterlegten Informationen ganz einfach online abzufragen (http://www.elto.org.uk/, abgerufen am: 28. Februar 2017). 179 

428

E. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten

fung der ELD hat sich durchaus bewährt und die Situation für geschädigte Arbeitnehmer bei der Aufspürung des Haftpflichtversicherers ihres Arbeitgebers erheblich verbessert. Dies offenbart zweifellos das enorme Potential eines Haftpflichtversicherungsregisters für die Lösung der Informationsproblematik beim Geschädigten.

2. Individuelle Auskunftsansprüche Eine ergänzende Alternative zum Instrument des Haftpflichtversicherungsregisters stellt die Gewährung individueller Auskunftsansprüche gegen Rechtssubjekte dar, welche sich im Besitz der vom Geschädigten benötigten Informationen über die Haftpflichtversicherung des Schädigers befinden. Als taugliche Informationsquellen kommen in beiden Ländern naturgemäß der Schädiger oder das jeweilige Haftpflichtversicherungsunternehmen in Betracht, daneben aber durchaus auch Behörden oder andere private Personen (z. B. Versicherungsvermittler, Buchhalter, Steuerberater), sofern diese Kenntnis von Einzelheiten des Haftpflichtversicherungsverhältnisses erlangt haben. Individuelle Auskunftsansprüche weisen dabei generell den Nachteil auf, dass der Geschädigte zwingend auf die Mitwirkung des Auskunftsschuldners angewiesen ist und diesen im Zweifel auf Auskunft verklagen muss. Sowohl dem deutschen als auch dem englischen Recht sind solche individuellen Auskunftsansprüche bekannt. Jedoch lässt sich schon auf den ersten Blick ein zentraler Unterschied zwischen den beiden untersuchten Rechtsordnungen konstatieren. Denn während der Geschädigte in England stets auf Auskunftsansprüche zurückgreifen kann, die vom Gesetzgeber speziell zur Befriedigung seines Informationsinteresses geschaffen wurden,182 ist er in Deutschland im Wesentlichen auf den allgemeinen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch angewiesen, der aus den Grundsätzen von Treu und Glauben (§  242 BGB) hergeleitet wird und der nicht primär die Situation des auskunftsbegehrenden Geschädigten in der Haftpflichtversicherung im Blick hat. Der ungeschriebene allgemeine Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben weist indes gewisse Defizite auf. Eine besondere Schwäche liegt dabei in seiner relativen Unbestimmtheit, welche sich vor allem auf der Rechtsfolgenebene hinsichtlich des Umfangs der Auskunftspflicht zeigt und worunter ganz allgemein die Transparenz und Rechtssicherheit leidet. Hier zeichnen sich die Auskunftsansprüche des englischen Rechts durch eine größere und der Rechtssicherheit zuträglichere Regelungsdichte aus. Erst in jüngerer Zeit hat man auch in Deutschland bei einzelnen 182  Siehe s. 154 Road Traffic Act 1988, s. 11 iVm Schedule 1 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010.

III. Vergleichende Betrachtung

429

Pflichthaftpflichtversicherungen spezielle Auskunftsansprüche normiert, die sich ausschließlich dem Informationsbedürfnis des Geschädigten widmen.183 Diese bereichsspezifischen Auskunftsansprüche sind dabei jeweils gegen die Behörde bzw. berufsständische Kammer gerichtet, welche über die Einhaltung der jeweiligen Versicherungspflicht wacht. Das englische Recht ist seit der Reform des Third Parties (Rights against Insurers) Act im Rahmen seines zentralen Auskunftsanspruchs184 erkennbar von der Absicht geprägt, dem Geschädigten möglichst alle potentiellen Informationsquellen zu erschließen. Neben einem unter erleichterten Voraussetzungen stehenden Auskunftsanspruch gegen den Schädiger185 wird dem Geschädigten ein Auskunftsanspruch gegen sämtliche Personen eingeräumt, von denen vernünftigerweise sachdienliche Informationen über Existenz und Inhalt einer Haftpflichtversicherung des Schädigers zu erwarten sind.186 Dem englischen Gesetzgeber schwebten hier insbesondere Versicherungsvermittler (insurance intermediaries) als mögliche Auskunftspersonen vor, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit am Abschluss des jeweiligen Haftpflichtversicherungsvertrages mitgewirkt haben. Die Besonderheit dieses Auskunftsanspruchs des englischen Rechts liegt mithin darin, dass er eine Auskunftspflicht auch für eine vollkommen unbeteiligte Person begründen kann, die bislang in keiner rechtlichen Verbindung zum Geschädigten stand. Um diese Personen vor rein spekulativen Anfragen zu schützen, fordert das Gesetz einschränkend, dass vernünftige und im Rahmen des Auskunftsersuchens darzulegende Gründe die Annahme des Geschädigten rechtfertigen müssen, dass die in Anspruch genommene Person die begehrten Informationen tatsächlich besitzt. In Deutschland hingegen kann der Geschädigte – sofern nicht ausnahmsweise ein bereichsspezifischer Auskunftsanspruch gegen eine Behörde respektive berufsständische Kammer besteht – aufgrund des dem allgemeinen Auskunftsanspruch aus §  242 BGB immanenten Erfordernisses einer bereits bestehenden rechtlichen Sonderverbindung von vornherein nur seinen Schädiger sowie dessen Haftpflichtversicherer auf Auskunft in Anspruch nehmen. Nur im Verhältnis zu diesen Rechtssubjekten liegen mit dem Haftpflichtverhältnis respektive mit dem gesetzlichen Direktanspruch bzw. der durch §§  108–110 VVG vermittelten Sozialbindung der Haftpflichtversicherung die notwendigen Sonderrechtsverhältnisse vor.

183 

Siehe z. B. §  51 Abs.  6 S.  2 BRAO, §  67 Abs.  4 StBerG, §  19a Abs.  6 BNotO. Daneben sieht das englische Recht noch einen speziellen Auskunftsanspruch für einen Verkehrsunfallgeschädigten vor, der sich jedoch ausschließlich gegen den Unfallfahrer richtet (vgl. s. 154 Road Traffic Act 1988). 185  S.  11 iVm Schedule 1 para. 1 (1) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. 186  S.  11 iVm Schedule 1 para. 1 (2) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. 184 

430

E. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten

Mithin erweist sich der Kreis der potentiell auskunftspflichtigen Personen in England als deutlich weitgehender. Auf der Rechtsfolgenebene der Auskunftsansprüche sticht zunächst als Unterschied hervor, dass es beim allgemeinen Auskunftsanspruch des deutschen Rechts – anders als bei den Auskunftsansprüchen in England – an einer exakten Festlegung derjenigen Informationen fehlt, über die dem Geschädigten Auskunft zu erteilen ist. Der geschuldete Auskunftsinhalt richtet sich beim deutschen Auskunftsanspruch aus §  242 BGB ganz allgemein nach dem Zweck, der mit der Auskunft verfolgt wird. Dementsprechend sind dem Geschädigten diejenigen Informationen zu gewähren, welche zur Geltendmachung und genaueren Einschätzung des gesetzlichen Direktanspruchs unabdingbar sind. Demgegenüber sind in England die Aspekte, die der Auskunftsschuldner mitzuteilen hat, in einer enumerativen Auflistung präzise festgeschrieben.187 Ungeachtet dessen lässt sich konstatieren, dass Inhalt und Umfang der Auskunftspflicht in beiden untersuchten Rechtsordnungen letztlich starke Ähnlichkeiten aufweisen, was freilich angesichts der kongruenten Zielsetzung der Auskunftsansprüche wenig zu verwundern vermag. So verpflichten die Auskunftsansprüche beider Länder zunächst zur Mitteilung von Name und Anschrift des konkreten Haftpflichtversicherers. In Deutschland wie in England sind daneben grundsätzlich auch nähere Einzelheiten des Haftpflichtversicherungsverhältnisses offenzulegen, welche dem Geschädigten Erkenntnisse über etwaige drittwirkende Einwendungen liefern können und somit eine Einschätzung der Erfolgsaussichten für die Geltendmachung des gesetzlichen Direktanspruchs ermöglichen. Eine Beschränkung der Auskunftspflicht auf die Nennung von Name und Anschrift des Versicherers sowie der maßgeblichen Versicherungsnummer findet sich hingegen bei den wenigen bereichsspezifischen Auskunftsansprüchen des deutschen Rechts, welche gegen Behörden respektive berufsständische Kammern gerichtet sind. Dies ist der Einsicht geschuldet, dass die Stellen, welche über die Einhaltung der Versicherungspflichten wachen, regelmäßig nur um die Existenz eines Haftpflichtversicherungsvertrages wissen, jedoch keine näheren Einblicke in das Haftpflichtversicherungsverhältnis haben.188 187  Dies gilt gleichermaßen für den Auskunftsanspruch aus s. 154 Road Traffic Act 1988 wie für den Auskunftsanspruch aus s. 11 iVm Schedule 1 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. Bemerkenswert ist dabei, dass der englische Gesetzgeber erst kürzlich im Rahmen der Reform des Third Parties (Rights against Insurers) Act bewusst von einer generalklauselartigen Umschreibung des geschuldeten Auskunftsinhalts abgerückt und zu einer erschöpfenden Auflistung derjenigen Informationen übergegangen ist, die vom Auskunftsschuldner mitzuteilen sind. 188  So ist es beispielsweise zunächst der Kenntnis der Behörde entzogen, wenn im Haftpflichtversicherungsverhältnis ein Prämienzahlungsverzug eingetreten ist. Regelmäßig er-

III. Vergleichende Betrachtung

431

3. Sonstige Auskunftsmöglichkeiten Anders als in Deutschland stehen einem Geschädigten in England auch prozessuale Mechanismen zur Verfügung, mit deren Hilfe er sich Informationen über eine Haftpflichtversicherung seines Schädigers beschaffen kann. Hintergrund dessen ist der im englischen Zivilprozess praktizierte „cards on the table-ap­ proach“, welcher die (künftigen) Prozessparteien in weitem Umfang zum gegenseitigen Informationsaustausch zwingt. Neben der documentary disclosure (r. 31 CPR) sowie den information requests (r. 18 CPR) in einem bereits rechtshängigen Zivilprozess sind dabei insbesondere die pre-action protocols sowie die pre-action disclosure (r. 31.16 CPR) als Möglichkeiten der vorprozessualen Informationsgewinnung zu beachten. Freilich kommen hier allenfalls der Schädiger respektive der Haftpflichtversicherer als Auskunftspersonen in Betracht, gegen die der Geschädigte entweder einen Haftpflichtprozess oder aber einen Direktprozess anstrengen könnte.

4. Würdigung und Schlussfolgerungen für das deutsche Recht Der Vergleich der zugunsten eines Geschädigten bestehenden Auskunfts- und Informationsrechte im deutschen und englischen Recht führt zu dem Befund, dass in beiden Rechtsordnungen ähnliche Ansätze zur Beseitigung des strukturell bedingten Informationsdefizits gewählt werden, das für den Geschädigten hinsichtlich des Haftpflichtversicherungsverhältnisses besteht. Neben Haftpflichtversicherungsregistern in bestimmten Teilbereichen der Haftpflichtversicherung, aus denen der Geschädigte Informationen abfragen kann, kennen beide Staaten individuelle Auskunftsansprüche zugunsten des Geschädigten. Im englischen Recht können darüber hinaus prozessuale Instrumente zum Zwecke der Behebung des Informationsdefizits herangezogen werden. Betrachtet man die nähere Ausgestaltung der Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten, kann die englische Rechtslage tendenziell mehr überzeugen. In England ragt zunächst positiv heraus, dass das Instrument des Haftpflichtversicherungsregisters, welches einem Geschädigten in der Regel eine unkomplizierte und von der Mitwirkung Dritter unabhängige Abfrage der wesentlichen Informationen ermöglicht, mittlerweile über den Bereich der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung hinaus Verwendung findet. Die Abfrage aus einem Haftpflichtversicherungsregister ist für einen Geschädigten regelmäßig der schnellste und einfachste Weg, den Haftpflichtversicherer seines Schädigers ausfindig zu machen. Die hehre Absicht des englischen Gesetzgebers, dem Gefährt die Behörde erst von einer etwaigen Auflösung des Haftpflichtversicherungsvertrages infolge eines derartigen Verzuges.

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E. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten

schädigten im Rahmen des zentralen Auskunftsanspruchs aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 möglichst alle verfügbaren Informationsquellen zu erschließen, ist im Ausgangspunkt ebenfalls zu begrüßen. Letztlich kann das englische Recht im Rahmen der Auskunftsansprüche auch durch einen höheren Kodifikationsgrad als das deutsche Recht überzeugen, was der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zuträglich ist und einem Geschädigten seine Rechte transparent vor Augen führt. Dieses Faktum ist freilich umso bemerkenswerter, weil das englische Recht im Allgemeinen eher durch einen geringeren Kodifikationsgrad geprägt ist. Perspektivisch ist in Deutschland im Interesse des Geschädigtenschutzes die Schaffung eines zentralen nationalen Haftpflichtversicherungsregisters deside­ rabel, in welchem sämtliche in Deutschland abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsverträge verzeichnet sind. In Anbetracht der heutigen technischen Möglichkeiten wäre die Einrichtung und Unterhaltung eines solchen Verzeichnisses auch ohne größeren Aufwand realisierbar. Die Datenbank sollte dabei sowohl die freiwilligen als auch die obligatorischen Haftpflichtversicherungen enthalten, was mit der Erkenntnis korrespondiert, dass nicht nur die pflichtige, sondern auch die freiwillige Haftpflichtversicherung einen „sozialen Gehalt“ aufweist.189 Das englische Recht zeigt an dieser Stelle, dass das Instrument des Haftpflichtversicherungsregisters auch über den Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung hinaus einen sinnvollen Beitrag zur Beseitigung des Informationsdefizits des Geschädigten leisten kann.190 Die Führung des Registers kann dabei entweder einer staatlichen Behörde anvertraut oder zum Zwecke der Reduzierung der behördlichen Aufgabenbelastung einer privatrechtlichen Organisation der Versicherungswirtschaft übertragen werden, sofern sichergestellt ist, dass der Geschädigte die im Register gespeicherten Informationen gegen Nennung des Namens des Schädigers unkompliziert abfragen kann. Im Falle der Führung des Registers durch die Versicherungswirtschaft ist damit zu rechnen, dass die durch dessen Verwaltung anfallenden Kosten im Wege der Prämienerhöhung auf das Versichertenkollektiv umgelegt werden. Die damit einhergehende finanzielle Mehrbelastung der einzelnen Versicherungsnehmer dürfte indes allenfalls marginal sein und findet in dem mit dem Auskunftssystem verfolgten Zweck des Geschädigtenschutzes eine hinreichende Rechtfertigung. Neben dem zentralen Haftpflichtversicherungsregister sollte zugunsten des Geschä189 

Insofern bleibt zu bedenken, dass ein Geschädigter auch im Rahmen der freiwilligen Haftpflichtversicherung von einem entsprechenden Register profitieren kann, namentlich wenn er die Pfändung und Überweisung eines etwaigen Haftpflichtversicherungsanspruchs seines Schädigers in Erwägung zieht. 190  Die deutsche Lösung sollte freilich sogleich über die englische Rechtslage hinausgehen und ein Haftpflichtversicherungsregister für alle Haftpflichtversicherungen vorsehen.

III. Vergleichende Betrachtung

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digten de lege ferenda an zentraler Stelle im VVG ein spezieller und abschließender Auskunftsanspruch geschaffen werden, welcher die derzeitige fragmentarische Lösung mit den bereichsspezifischen Auskunftsansprüchen gegen Behörden auf der einen sowie dem allgemeinen Auskunftsanspruch aus §  242 BGB auf der anderen Seite ersetzt. Als Auskunftsverpflichtete sind dabei in jedem Fall die Behörden vorzusehen, welche über die Einhaltung der Versicherungspflichten wachen, darüber hinaus auch der schädigende Versicherungsnehmer sowie der Haftpflichtversicherer.191 Wünschenswert wäre im Übrigen die – im englischen Recht bereits vollzogene – Ausweitung der Auskunftspflicht auf alle anderen Personen, von denen vernünftigerweise Informationen über Existenz und Inhalt einer Haftpflichtversicherung des Schädigers zu erwarten sind. Aus Gründen der Rechtsklarheit empfiehlt sich auf der Rechtsfolgenebene des Auskunftsanspruchs anstatt einer generalklauselartigen Umschreibung die detaillierte Auflistung derjenigen Informationen, über die dem Geschädigten Auskunft zu erteilen ist.

engherzig nimmt sich hier der von Keppel, Pflichthaftpflichtversicherung, S.  113 unterbreitete Vorschlag für einen Auskunftsanspruch aus, der allein den schädigenden Versicherungsnehmer mit einer Auskunftspflicht belegt. 191 Etwas

4. Teil

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und Reformvorschläge Abschließend sollen nunmehr die wichtigsten Untersuchungsergebnisse zusammengefasst werden, bevor zu guter Letzt ein konziser Überblick über die Reformvorschläge gegeben wird, die im Rahmen dieser Abhandlung unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Rechtsvergleichs für das deutsche Recht unterbreitet wurden.

A. Allgemeine Grundlagen des Direktanspruchs in der Haftpflichtversicherung I. Haftpflichtversicherung und zugrundeliegende Rechtsbeziehungen 1. In beiden untersuchten Rechtsordnungen verspricht das Produkt der Haftpflichtversicherung (liability insurance) effektiven Schutz vor den wirtschaftlich nachteiligen und mitunter existenzbedrohenden Folgen einer Schadensersatzhaftung gegenüber Dritten. Der individuelle Schutz des Versicherungsnehmers vor einer Belastung mit Passiva infolge einer Schädigungshandlung ist der ursprüngliche Zweck einer Haftpflichtversicherung. Daneben hat sich in beiden untersuchten Ländern die Erkenntnis von einer sozialen, geschädigtenschützenden Funktion der Haftpflichtversicherung eingestellt. Sowohl in Deutschland als auch in England kommt diese „Sozialbindung der Haftpflichtversicherung“ in bestimmten Gesetzesvorschriften zum Ausdruck, welche dem wirtschaftlichen Interesse des Geschädigten an der Haftpflichtversicherungsleistung rechtliche Anerkennung verleihen. 2. Deutliche Unterschiede zwischen den Vergleichsrechtsordnungen zeigen sich im Hinblick auf die gesetzliche Regelungsdichte. Wie das englische Versicherungsrecht im Allgemeinen ist auch das englische Haftpflichtversicherungsrecht im Besonderen durch einen eher geringen Kodifikationsgrad gekennzeichnet. Die bestehenden haftpflichtversicherungsrechtlichen Gesetzesregelungen bilden lediglich eine Ergänzung zum von der englischen Rechtsprechung entwickelten Fallrecht (case law). Demgegenüber finden sich im nationalen deutschen Versicherungsvertragsgesetz umfassende Vorschriften über den Versicherungszweig der Haftpflichtversicherung (§§  100–124 VVG), die den rechtlichen Rahmen dieser Versicherungsart detailliert abstecken. Das konkrete Haftpflichtversicherungsprodukt wird in beiden Staaten gleichermaßen durch Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) konstituiert. 3. Die vom Haftpflichtversicherer bei Eintritt des Versicherungsfalles geschuldeten Leistungen sind in Deutschland gesetzlich normiert (§§  100, 101 VVG), in England ergeben sie sich allein aus den privatautonomen Vereinbarungen im Haftpflichtversicherungsvertrag. Entsprechend dem originären

438 A. Allgemeine Grundlagen des Direktanspruchs in der Haftpflichtversicherung Zweck der Haftpflichtversicherung ist der Versicherer in beiden Staaten verpflichtet, den Versicherungsnehmer finanziell schadlos zu halten, sollte ein Dritter berechtigte Schadensersatzansprüche gegen diesen erheben. In Deutschland ist zudem die aktive Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche eine allgemeine Hauptleistungspflicht des Versicherers (Rechtsschutzkomponente). Auch die englischen Haftpflichtversicherungsverträge beinhalten zuweilen eine solche duty to defend, welche den Versicherer zur aktiven Übernahme der Rechtsverteidigung verpflichtet. Für gewöhnlich sehen die englischen Haftpflichtversicherungsverträge jedoch lediglich die Pflicht des Versicherers zur Tragung der zur Anspruchsabwehr notwendigen Kosten vor. Der Versicherungsnehmer wiederum ist zur Leistung der vertraglich vereinbarten Versicherungsprämie verpflichtet. Daneben bestehen in beiden Ländern versicherungsrechtliche Obliegenheiten, deren Beachtung durch den Versicherungsnehmer für den Erhalt des uneingeschränkten Versicherungsschutzes unerlässlich ist. 4. Versicherungssystematisch ist die Haftpflichtversicherung als Schadensversicherung (indemnity insurance) in Form der Passivenversicherung einzuordnen. In beiden Ländern bieten die Haftpflichtversicherungsunternehmen mehrere verschiedene Haftpflichtversicherungsprodukte an, die den Versicherungsnehmer jeweils nur vor den Folgen solcher Schadensersatzansprüche schützen, die aus einem ganz bestimmten Tätigkeits- oder Lebensbereich resultieren (Grundsatz der Spezialität der versicherten Gefahr). Bedeutsam ist dabei die Differenzierung zwischen freiwilligen Haftpflichtversicherungen auf der einen und Pflichthaftpflichtversicherungen auf der anderen Seite, deren Abschluss vom Gesetzgeber zwingend vorgeschrieben wird (compulsory liability insurance). Die mit der Anordnung einer Versicherungspflicht einhergehende Beschränkung der Privatautonomie (vertragliche Abschlussfreiheit) findet ihre Rechtfertigung primär in dem Gedanken des sozialen Drittschutzes. Der Geschädigtenschutz ist somit in beiden Staaten ein zentraler und dem individuellen Schutz des Versicherungsnehmers mindestens ebenbürtiger Zweck von Pflichthaftpflichtversicherungen. Dementsprechend weisen die Vorschriften über die obligatorischen Haftpflichtversicherungen einen verstärkt drittschützenden Charakter auf. Sie sollen sicherstellen, dass der Geschädigte letztlich in jedem Fall von der Haftpflichtversicherung profitiert. 5. Wesentliches Charakteristikum einer Haftpflichtversicherung ist die zugrundeliegende Dreipersonenkonstellation. Der Versicherungsfall in der Haftpflichtversicherung ist stets durch das Hinzutreten eines geschädigten Dritten geprägt, welcher den Haftpflichtversicherungsnehmer auf Schadensersatz in Anspruch nimmt. Unmittelbare Rechtsbeziehungen bestehen hier zunächst nur zwischen dem Geschädigten und dem schädigenden Versicherungsnehmer einerseits (sog. Haftpflichtverhältnis) sowie zwischen dem Versicherungsnehmer

II. Grundlagen des Direktanspruchs

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und dem Haftpflichtversicherer andererseits (sog. Deckungsverhältnis). Dabei soll nach der in beiden Ländern gehegten Idealvorstellung der Haftpflichtversicherungsumstand keine Auswirkungen auf die Haftungsfrage zeitigen (materielles Trennungsprinzip). Der Geschädigte und der Haftpflichtversicherer wiederum stehen in beiden Rechtsordnungen grundsätzlich in keinerlei rechtlichen Beziehung. Indes hat das wirtschaftliche Interesse des geschädigten Dritten an der Haftpflichtversicherungsleistung in beiden Ländern gesetzliche Absicherung erfahren, wobei das Schutzniveau für den Geschädigten in der Pflichthaftpflichtversicherung (compulsory liability insurance) – entsprechend ihrer primären Zielrichtung – grundsätzlich höher ist. Als eine besondere Ausprägung der Indienstnahme der Haftpflichtversicherung für den Geschädigtenschutz kennen beide Länder in ausgewählten Situationen einen gesetzlichen Direktanspruch, welcher ausnahmsweise eine unmittelbare rechtliche Verbindung zwischen Geschädigtem und Haftpflichtversicherer entstehen lässt.

II. Grundlagen des Direktanspruchs 1. Im Ausgangspunkt bedarf es einer grundlegenden Unterscheidung zwischen zwei verschiedenen Arten von Direktansprüchen in der Haftpflichtversicherung, wobei als maßgebliches Differenzierungsmerkmal die Art ihrer Entstehung fungiert. Ein Direktanspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer kann zunächst rechtsgeschäftlich begründet werden (sog. rechtsgeschäftlicher Direktanspruch). In diesem Falle verdankt der Direktanspruch seine Existenz der freien Willensübereinkunft zweier Rechtssubjekte. Denkbar ist insofern unter anderem die Ausgestaltung des Haftpflichtversicherungsvertrages als Vertrag zugunsten des geschädigten Dritten, daneben auch die rechtsgeschäftliche Zession des Haftpflichtversicherungsanspruchs vom schädigenden Versicherungsnehmer an den Geschädigten. Von den rechtsgeschäftlichen Direktansprüchen abzugrenzen sind die gesetzlichen Direktansprüche, bei welchen dem Geschädigten ex lege ein direkter Anspruch gegen den Haftpflichtversicherer seines Schädigers eingeräumt wird. Das leitende Motiv des Gesetzgebers bei der Einführung eines gesetzlichen Direktanspruchs ist länderübergreifend stets der Schutz des Geschädigten. Bei der konkreten Ausgestaltung der gesetzlichen Direktansprüche zeigt sich in den Rechtsordnungen der Welt freilich eine „buntschillernde Vielfalt“,1 wobei mit den heterogenen Erscheinungsformen häufig ein divergierendes Schutzniveau für den Geschädigten einhergeht. 1 So

Möller, ZVersWiss 1963, 409, 419.

440 A. Allgemeine Grundlagen des Direktanspruchs in der Haftpflichtversicherung 2. Wichtig ist die Erkenntnis, dass die Existenz eines gesetzlichen Direktanspruchs nicht zwangsläufig zur Entbehrlichkeit eines separaten Schadensersatzprozesses im Haftpflichtverhältnis führt. Neben sog. Direktansprüchen im engeren Sinne, welche dem Geschädigten ein einstufiges Vorgehen gegen den Haftpflichtversicherer mit Klärung der Haftungsfrage im Direktanspruchsverhältnis ermöglichen, existieren nämlich gesetzliche Direktansprüche, welche als zwingende Tatbestandsvoraussetzung die vorherige verbindliche Feststellung der Schadensersatzhaftung des Versicherungsnehmers im Haftpflichtverhältnis vorsehen (sog. Direktansprüche im weiteren Sinne). In diesem Falle bedarf es daher im Zweifel zweier aufeinanderfolgender Prozesse des Geschädigten zur Realisierung des Direktanspruchs gegen den Haftpflichtversicherer – namentlich zunächst den Schadensersatzprozess zur Feststellung der Haftung des Versicherungsnehmers und sodann den Direktprozess. Logische Konsequenz dessen ist, dass die Rechtsfigur des „gesetzlichen Direktanspruchs“ nicht zwingend mit dem prozessualen Trennungsprinzip konfligiert – ein leider allzu oft übersehener Aspekt. 3. Die gegen einen gesetzlichen Direktanspruch vorgebrachten Argumente rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch rechtspolitischer Art2 haben sich insgesamt als wenig überzeugend erwiesen und konnten größtenteils widerlegt werden. Vielmehr hat sich gezeigt, dass mit einem gesetzlichen Direktanspruch multiple Vorteile einhergehen, von denen nicht nur der Geschädigte, sondern letztlich auch der schädigende Versicherungsnehmer und sogar der Haftpflichtversicherer profitieren. Diese Vorteile sind geeignet, etwaig verbliebene Bedenken gegen den Direktanspruch auszuräumen und führen zu dem Befund, dass die mit dem gesetzlichen Direktanspruch regelmäßig korrespondierende direkte Schadensabwicklung ganz grundsätzlich vorzugswürdig ist. 4. Für einen gesetzlichen Direktanspruch bieten sich einem Gesetzgeber unterschiedliche rechtskonstruktive Gestaltungsmöglichkeiten, wobei sich im Wesentlichen drei Konstruktionskategorien voneinander abgrenzen lassen. Die verschiedenen Konstruktionsansätze spiegeln dabei das Spannungsfeld wider, in welchem sich ein gesetzlicher Direktanspruch mit dem Haftpflichtverhältnis auf der einen und dem Deckungsverhältnis auf der anderen Seite zwangsläufig bewegt. Zunächst kann ein Direktanspruch durch Anknüpfung an den Haftpflichtversicherungsvertrag begründet werden, indem entweder eine Legalzession des Haftpflichtversicherungsanspruchs angeordnet oder auch ein originärer Anspruch auf die Versicherungsleistung eingeräumt wird. Fernerhin ist eine 2  Z. B. Unvereinbarkeit mit dem Wesen der Versicherung und Verstoß gegen das haftpflichtversicherungsrechtliche Trennungsprinzip; Beeinträchtigung der Präventivfunktion des Haftungsrechts; negative Auswirkungen auf die Reputation der Versicherungswirtschaft; Erhöhung der Haftpflichtversicherungsprämien.

III. Historische Entwicklung des gesetzlichen Direktanspruchs

441

Anknüpfung des Direktanspruchs an das Haftpflichtverhältnis denkbar, welche insbesondere in Gestalt der gesetzlichen Anordnung einer (kumulativen) Schuld­über­nahme begegnet. Vorstellbar ist letztlich auch die Konzeption des gesetzlichen Direktanspruchs als eigenständigem Versicherungsanspruch. In der Grundtendenz erweisen sich die an das Haftpflichtverhältnis angeknüpften Direktansprüche als geschädigtenfreundlicher, weil die damit einhergehende Unabhängigkeit vom Haftpflichtversicherungsvertrag im Ausgangspunkt einen Ausschluss versicherungsrechtlicher Einwendungen im Direktanspruchsverhältnis verspricht. 5. Der Gesetzgeber kann einen gesetzlichen Direktanspruch vom Anwendungsbereich her bei allen Haftpflichtversicherungen vorsehen, er kann ein direktes Forderungsrecht gegen den Versicherer aber auch nur im Bereich der Pflichthaftpflichtversicherung oder bei ganz bestimmten Haftpflichtversicherungsarten (z. B. Kfz-Haftpflichtversicherung) gewähren. Vorbehaltlich übernationaler Vorgaben steht es ferner der freien Entscheidung des Gesetzgebers anheim, ob der Direktanspruch einschränkenden Voraussetzungen unterliegen (sog. „begrenzter Direktanspruch“) oder ob er ohne weitere Voraussetzungen unmittelbar nach dem Schädigungsereignis zur Entstehung gelangen soll (sog. „allgemeiner Direktanspruch“). Darüber hinaus obliegt dem Gesetzgeber im Rahmen der Normierung eines gesetzlichen Direktanspruchs die Entscheidung darüber, inwieweit versicherungsrechtliche Einwendungen im Direktanspruchsverhältnis Maßgeblichkeit besitzen sollen – wobei die möglichen Lösungsansätze von einem vollständigen Einwendungsausschluss bis zu einem umfassenden Einwendungsdurchgriff reichen. In Abhängigkeit von der konkreten Ausgestaltung der genannten Parameter kann sich der gesetzliche Direktanspruch entweder als wirksames Instrument des Geschädigtenschutzes oder aber als „stumpfe Waffe“ des Geschädigten darstellen.

III. Historische Entwicklung des gesetzlichen Direktanspruchs 1. Beiden untersuchten Rechtsordnungen war ein gesetzlicher Direktanspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer im Ausgangspunkt fremd. In Deutschland stand es dem Geschädigten jedoch offen, im Wege der Zwangsvollstreckung durch Pfändung und Überweisung auf den Haftpflichtversicherungsanspruch seines Schädigers zuzugreifen (§§  829, 835 ZPO), wodurch er sich mittelbar einen Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer verschaffen konnte.3 Einem solchen Vorgehen des Geschädigten musste in England der 3 

Dies galt jedenfalls dann, wenn die Überweisung nicht nur zur Einziehung, sondern

442 A. Allgemeine Grundlagen des Direktanspruchs in der Haftpflichtversicherung Erfolg versagt bleiben, weil die Haftpflichtversicherungsforderung nach Auffassung der englischen Gerichte kein tauglicher Gegenstand der Forderungspfändung (attachment of debts) war. 2. Zuerst öffnete sich das englische Recht für die Idee eines direkten Forderungsrechts des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer – und zwar zunächst bei der Arbeitgeberhaftpflichtversicherung (employers’ liability insurance) und sodann mit dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 auch bei allen übrigen Haftpflichtversicherungen. Ursprünglich war der gesetzliche Direktanspruch des englischen Rechts eine bloße „insolvency measure“, die gewährleisten sollte, dass die Leistung des Haftpflichtversicherers in der Insolvenz des schädigenden Versicherungsnehmers nicht der Insolvenzmasse gutgebracht, sondern vielmehr an den Geschädigten ausgekehrt wird.4 Im Bereich der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung entstand in England jedoch noch in den 1930er Jahren ein eigenständiger, nunmehr insolvenzunabhängiger gesetzlicher Direktanspruch zugunsten des Verkehrsopfers. Diese ersten Direktansprüche des englischen Rechts waren freilich alle durch eine vorherige Feststellung der Schadensersatzhaftung im Haftpflichtverhältnis bedingt (Direktanspruch im weiteren Sinne). 3. Das deutsche Recht zeigte noch geraume Zeit größere Vorbehalte gegen einen direkten Anspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer. Die erstmalige Einführung eines gesetzlichen Direktanspruchs datiert in Deutschland verhältnismäßig spät auf das Jahr 1965, wobei das vom Europarat initiierte Straßburger Übereinkommen den entscheidenden Impuls gab. Anders als in England war der Direktanspruch in Deutschland sonach keine „originäre Erfindung“ des nationalen Gesetzgebers und er beschränkte sich zudem über Jahrzehnte auf den Bereich der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung. Im Unterschied zu den ursprünglichen Direktansprüchen des englischen Rechts ermöglichte der Direktanspruch aus §  3 Nr.  1 PflVG a. F. jedoch sogleich ein einstufiges Vorgehen gegen den Versicherer, ohne dass es zuvor einer Feststellung der Schadensersatzhaftung im Haftpflichtverhältnis bedurft hätte. Indes haben solche sog. Direktansprüche im engeren Sinne mittlerweile auch in das englische Recht Eingang gefunden. 4. Sowohl in Deutschland als auch in England haben die Regelungen zum gesetzlichen Direktanspruch erst kürzlich eine Reform erfahren. Übereinstimvielmehr an Zahlungs statt zum Nennwert erfolgte, weil mit dieser Überweisungsform ein Forderungsübergang einhergeht. 4  In Deutschland erreichte man dieses Ergebnis über das insolvenzrechtliche Abson­ derungsrecht nach §  157 VVG a. F. (jetzt: §  110 VVG), welches allerdings nur ein Einziehungsrecht an der Haftpflichtversicherungsforderung und gerade keinen Direktanspruch vermittelte.

III. Historische Entwicklung des gesetzlichen Direktanspruchs

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mend ist dabei die Tendenz zu einer Ausweitung bzw. Stärkung des gesetzlichen Direktanspruchs zu erkennen. Dies darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass insbesondere in Deutschland die letztlich erfolgte Reform deutlich hinter den ursprünglichen Erwartungen und Novellierungsvorschlägen zurückblieb. Auch in England wurden die Gesetzesänderungen bisweilen als zu zaghaft kritisiert, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, dass sich der englische Gesetzgeber mit dem Third Parties (Rights against Insurers) Act nur einem Teilbereich der gesetzlichen Direktansprüche zum Zwecke der Neuregelung annahm.

B. Rechtliche Ausgestaltung des gesetzlichen Direktanspruchs im deutschen und englischen Haftpflichtversicherungsrecht I. Überblick über die gesetzlichen Direktansprüche und rechtskonstruktive Ausgestaltung 1. In Deutschland existiert nur ein einziger gesetzlicher Direktanspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer, der in der Vorschrift des §  115 VVG und somit an zentraler Stelle im nationalen Versicherungsvertragsgesetz geregelt ist. Demgegenüber kennt das englische Recht gegenwärtig mehrere gesetzliche Direktansprüche, die in unterschiedlichen Gesetzeswerken normiert sind.1 Diese Koexistenz verschiedener Direktansprüche im englischen Recht hat historische Ursachen und ist nicht zuletzt Ausfluss des Umstandes, dass der englische Gesetzgeber mit seiner ihm eigenen Pragmatik eher auf eine praxisorientierte Lösung denn auf eine übersichtliche und rechtsdogmatisch stringente Ausgestaltung der gesetzlichen Direktansprüche Wert gelegt hat. Bizarr mutet an, dass im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung gleich zwei gesetzliche Direktansprüche zugunsten der Unfallgeschädigten vorgesehen sind. Müßig erscheint der Hinweis, dass unter einer Vielzahl von nebeneinander bestehenden gesetzlichen Direktansprüchen die Übersichtlichkeit der Rechtslage leidet. 2. Dem gesetzlichen Direktanspruch des deutschen Rechts liegt eine legislativ angeordnete kumulative Schuldübernahme hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs als rechtliche Konstruktion zugrunde. Die damit einhergehende Anknüpfung an das Haftpflichtverhältnis weist aufgrund der Unabhängigkeit vom Deckungsverhältnis und der daraus resultierenden prinzipiellen Unmaßgeblich1  Der Umstand, dass die gesetzlichen Direktansprüche des englischen Rechts auf verschiedene Regelungswerke verteilt sind, ist vor allem dem Fehlen einer umfassenden Kodifikation des Versicherungsvertragsrechts und der Praxis des englischen Gesetzgebers geschuldet, erkannte Widersprüche oder Unzulänglichkeiten im Case Law alleine durch punktuelle gesetzliche Regelungen zu beseitigen. Der Regelungsstandort eines gesetzlichen Anspruchs ist aber schon deshalb nicht ganz unbedeutend, weil er von den Rechtsanwendern „ausfindig“ gemacht werden muss und im Übrigen auch für eine etwaige systematische Auslegung bedeutsam ist.

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B. Rechtliche Ausgestaltung des gesetzlichen Direktanspruchs

keit versicherungsrechtlicher Einwendungen eine geschädigtenfreundliche Grundtendenz auf und steht dem gesetzlichen Direktanspruch als Element der „Sozialbindung der Haftpflichtversicherung“ durchaus gut zu Gesicht. In England wiederum stellt sich die derzeitige Rechtslage auch im Hinblick auf die rechtskonstruktive Herleitung der Direktansprüche als deutlich weniger übersichtlich dar. Anstelle einer einheitlichen rechtskonstruktiven Erscheinungsform weisen die verschiedenen gesetzlichen Direktansprüche des englischen Rechts unterschiedlichste Konstruktionsansätze auf. Neben einer Legalzession der Haftpflichtversicherungsforderung beim zentralen Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 finden sich zur Begründung eines Direktanspruchs gegen den Haftpflichtversicherer auch eine gesetzlich normierte Einstandspflicht für ein im Haftpflichtprozess ergangenes Schadensersatzurteil sowie die legislative Anordnung einer Schuldmitübernahme hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs. Auffällig ist sicherlich, dass der englische Gesetzgeber zumindest im Bereich der dem Geschädigtenschutz besonders verhafteten Kfz-Haftpflichtversicherung einen Direktanspruch vorgesehen hat, der an das Haftpflichtverhältnis anknüpft – was als eine im Ausgangspunkt geschädigtenfreundliche Konstruktionsvariante charakterisiert werden konnte.

II. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen 1. Hinsichtlich des Anwendungsbereichs der gesetzlichen Direktansprüche zeigt sich bereits bei flüchtiger Betrachtung ein signifikanter Unterschied zwischen den Vergleichsrechtsordnungen. Während das englische Recht einen direkten Anspruch des Geschädigten gegen den Versicherer bei allen Haftpflichtversicherungsarten und somit unabhängig davon kennt, ob der Abschluss des zugrundeliegenden Haftpflichtversicherungsvertrages auf einer freiwilligen Entscheidung des Versicherungsnehmers beruhte oder diesem verpflichtend vorgegeben war, findet man das Rechtsinstitut des gesetzlichen Direktanspruchs in Deutschland bislang lediglich im Bereich der Pflichthaftpflichtversicherung. 2. Bemerkenswert ist, dass der englische Gesetzgeber den Anwendungsbereich des Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010, welcher den zentralen Direktanspruch des englischen Rechts beinhaltet, sogar über die Haftpflichtversicherung hinaus auf solche Versicherungssparten ausgedehnt hat, in welchen der Versicherungsnehmer mit dem Versicherungsprodukt die Absicherung gegen finanzielle Belastungen aus freiwillig eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Dritten erstrebt (z. B. Private Krankenversicherung, Rechtsschutzversicherung, Kfz-Kaskoversicherung). In der Konsequenz kann in England auch ein vertraglicher Gläubiger direkt gegen den Versicherer seines

II. Anwendungsbereich und Entstehungsvoraussetzungen

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Schuldners vorgehen, sofern der Schuldner als sog. relevant person im Sinne des Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 einzustufen ist. Es konnte indes gezeigt werden, dass der in England vorgesehenen Ausdehnung des Anwendungsbereichs des – primär insolvenzbedingten – Direktanspruchs auf andere Versicherungssparten keine Vorbildfunktion für das deutsche Recht zuzusprechen ist. In Vertragsverhältnissen ist es grundsätzlich üblich, dass eine Vertragspartei das allgemeine Insolvenzrisiko ihres Schuldners trägt. Anders als im Rahmen der drittschutzorientierten Haftpflichtversicherung ist bei anderen Versicherungssparten eine Durchbrechung des insolvenzrechtlichen Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung (par conditio creditorum) auch nicht zu rechtfertigen. 3. Ähnlichkeiten weisen die Vergleichsrechtsordnungen im Hinblick auf die Voraussetzungen auf, unter denen ein gesetzlicher Direktanspruch gewährt wird. Abgesehen von dem Bereich der obligatorischen Kfz-Haftpflichtversicherung, wo dem Geschädigten der direkte Anspruch gegen den Versicherer jeweils unmittelbar nach dem Schädigungsereignis ohne weitere Voraussetzungen zur Verfügung steht („allgemeiner Direktanspruch“),2 dominieren in beiden Ländern begrenzte Direktansprüche, die nur unter einschränkenden Voraussetzungen zur Entstehung gelangen. Die Fallkonstellationen, in welchen ein Direktanspruch eingeräumt wird, sind dabei jeweils enumerativ und abschließend in Katalogtatbeständen niedergelegt. Aus Gründen der Rechtssicherheit hat man in beiden Ländern bewusst von einer generalklauselartigen Umschreibung der Entstehungsvoraussetzungen Abstand genommen. Die einen Direktanspruch begründenden Situationen zeichnen sich in beiden Staaten letztlich durch eine erhöhte Schutzbedürftigkeit des Geschädigten aus. Zentraler Entstehungsgrund des gesetzlichen Direktanspruchs – jenseits der Kfz-Haftpflichtversicherung – ist länderübergreifend die Insolvenz des schädigenden Versicherungsnehmers. Entsprechend dem gesetzgeberischen Wunsch nach Rechtssicherheit knüpfen die Direktansprüche dabei primär an förmliche insolvenzrechtliche Ereignisse an, deren Vorliegen unschwer feststellbar ist. Anders als in Deutschland ist ein gesetzlicher Direktanspruch in England darüber hinaus auch für gewisse Situationen im Vorfeld einer förmlichen Insolvenz vorgesehen, in welchen sich der Versicherungsnehmer bereits in einer wirtschaftlichen Krise befindet. Andererseits findet der in Deutschland für den Fall des unbekannten Aufenthalts des Versicherungsnehmers normierte Direktanspruch in England keine Entsprechung. Eine wichtige Annäherung haben die gesetzlichen Direktansprüche der 2  In England gilt dies zumindest hinsichtlich des Direktanspruchs aus reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002, daneben besteht mit s. 151 Road Traffic Act 1988 auch im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung ein begrenzter Direktanspruch.

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B. Rechtliche Ausgestaltung des gesetzlichen Direktanspruchs

untersuchten Länder durch die Reform des Third Parties (Rights against Insurers) Act erfahren, weil die direkten Ansprüche des Geschädigten nunmehr auch in England ganz überwiegend nicht mehr unter der Voraussetzung der vorherigen verbindlichen Feststellung der Schadensersatzhaftung im Haftpflichtverhältnis stehen.3 4. Im Ergebnis ist zu konstatieren, dass der englische Gesetzgeber dem gesetzlichen Direktanspruch vom Anwendungsbereich her einen größeren Raum zugesteht (v. a. auch in der freiwilligen Haftpflichtversicherung) und einen Direktanspruch zudem in zahlreicheren Fallkonstellationen vorsieht (v. a. im Vorfeld einer förmlichen Insolvenz). Besonders notabel ist dabei, dass der englische Gesetzgeber dem Geschädigten im Falle der Insolvenz des schädigenden Versicherungsnehmers im gesamten Haftpflichtversicherungsbereich einen gesetzlichen Direktanspruch im engeren Sinne einräumt. Vor diesem Hintergrund wäre es wünschenswert, wenn der deutsche Gesetzgeber dem gesetzlichen Direktanspruch in der Haftpflichtversicherung ebenfalls eine größere Bedeutung zukommen lassen würde (allgemeiner Direktanspruch bei allen Pflichthaftpflichtversicherungen / Direktanspruch in der Insolvenz des schädigenden Versicherungsnehmers im gesamten Bereich der Haftpflichtversicherung).

III. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche 1. Einwendungen des Haftpflichtversicherers gegen einen gesetzlichen Direktanspruch können potentiell aus drei unterschiedlichen Rechtsbeziehungen erwachsen. Sog. schadensrechtliche Einwendungen entspringen dabei dem Haftpflichtverhältnis und richten sich gegen den vom Geschädigten geltend gemachten Schadensersatzanspruch, um dessen Befriedigung es bei dem gesetzlichen Direktanspruch letzten Endes geht. Versicherungsrechtliche Einwendungen wiederum ergeben sich aus dem Deckungsverhältnis zwischen dem schädigenden Versicherungsnehmer und dem Haftpflichtversicherer. Denkbar sind letztlich Einwendungen, die originär dem durch den gesetzlichen Direktanspruch vermittelten Rechtsverhältnis zwischen dem Geschädigten und dem Versicherer entstammen. Als für den Geschädigten besonders gefährlich erweisen sich die versicherungsrechtlichen Einwendungen, da sie aus einem Rechtsverhältnis resultieren, an dem der Geschädigte selbst nicht beteiligt ist. Misst man diesen Einwendungen Maßgeblichkeit im Direktanspruchsverhältnis bei, so ist der Geschädigte letztlich auf ein Wohlverhalten des schädigenden Versicherungsneh3  Die vorherige Feststellung der Schadensersatzhaftung des Versicherungsnehmers ist vielmehr nur noch beim Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 erforderlich.

III. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

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mers im Deckungsverhältnis angewiesen. Vor allem bei wirtschaftlich wenig soliden oder schlecht organisierten Versicherungsnehmern kann mit einem versicherungsvertragskonformen Verhalten jedoch nicht zwangsläufig gerechnet werden. 2. Bei der Normierung der einem Haftpflichtversicherer gegen einen gesetzlichen Direktanspruch zustehenden Einwendungen unterliegen die nationalen Gesetzgeber zumindest im Bereich der obligatorischen Kfz-Haftpflichtversicherung gewissen Vorgaben aus völkerrechtlichen Vereinbarungen bzw. aus dem Unionsrecht. So gebietet zunächst das alleine für Deutschland rechtsverbindliche Straßburger Übereinkommen einen umfassenden Ausschluss versicherungsrechtlicher Einwendungen gegenüber Unfallgeschädigten.4 Im Lichte der Rechtsprechung des EuGH verpflichtet zudem auch die 6. KH-Richtlinie der EU die mitgliedstaatlichen Gesetzgeber, dem Kfz-Haftpflichtversicherer gegenüber dem Geschädigten die Berufung auf jedwede versicherungsrechtliche Einwendung zu versagen. Diese unionsrechtliche Vorgabe ist – zumindest noch gegenwärtig – sowohl für den deutschen als auch den englischen Gesetzgeber verbindlich. Durch den aufgrund des EU-Mitgliedschaftsreferendums vom 23. Juni 2016 zu erwartenden EU-Austritt des Vereinigten Königreichs wird indes in absehbarer Zeit die Bindung des englischen Gesetzgebers an das Unionsrecht entfallen und dieser die vollständige Regelungsautonomie über die Materie der versicherungsrechtlichen Einwendungen wiedererlangen. 3. Die gesetzlichen Direktansprüche sind in beiden Staaten durch eine sehr weitgehende Akzessorietät zum Schadensersatzanspruch geprägt, was der Zielrichtung von gesetzlichen Direktansprüchen entspricht, dem Geschädigten wirtschaftlich die Realisierung berechtigter Schadensersatzansprüche abzusichern. Demnach ist der Haftpflichtversicherer grundsätzlich berechtigt, sämtliche schadensrechtlichen Einwendungen zu erheben, die auch dem schädigenden Versicherungsnehmer gegenüber dem Geschädigten zustünden. Die Akzessorietät zeigt sich dabei nicht nur in der Entstehung, sondern auch bezüglich des Fortbestandes des Anspruchs (z. B. Erfüllung, Erlass). Ein im Haftpflichtverhältnis erklärtes Anerkenntnis bzw. eine vergleichsweise Regelung der Haftungsfrage zwischen Geschädigtem und Schädiger ist für den Versicherer allerdings nur dann bindend, wenn er dem Anerkenntnis bzw. dem Abschluss des Vergleichs zugestimmt hat (approval) oder der Haftpflichtanspruch tatsächlich in der anerkannten oder vergleichsweise zugesprochenen Höhe besteht. Eine bereits im Haftpflichtverhältnis über den Schadensersatzanspruch ergangene 4  Zu berücksichtigen sind freilich diverse Vorbehalte, die seitens der Bundesrepublik Deutschland im Zuge der Ratifikation des Übereinkommens erklärt wurden. Dies ermöglicht es dem deutschen Gesetzgeber, bestimmten versicherungsrechtlichen Einwendungen ohne Verletzung völkervertraglicher Pflichten Drittwirkung zu verleihen.

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B. Rechtliche Ausgestaltung des gesetzlichen Direktanspruchs

gerichtliche Entscheidung entfaltet nach der zivilprozessualen Grundkonzeption beider Länder keine Wirkungen im Direktanspruchsverhältnis. Die Rechtskraft der Entscheidung beschränkt sich in subjektiver Hinsicht vielmehr auf die Prozessparteien sowie deren unmittelbaren Rechtsnachfolger. Eine Ausnahme sieht das deutsche Recht jedoch für klageabweisende Urteile vor, so dass der Versicherer die im Haftpflichtprozess festgestellte Nicht-Existenz eines Schadensersatzanspruchs gegenüber dem Geschädigten geltend machen darf (vgl. §  124 Abs.  1 VVG). Andererseits kann sich der Geschädigte gegenüber dem Versicherer de lege lata nicht auf die gerichtliche Bejahung einer Schadensersatzhaftung im Haftpflichtprozess berufen. Auch eine Anwendung des Grundsatzes der Bindungswirkung wird hier mehrheitlich abgelehnt. In England wiederum wird von vornherein alleine auf eine rein faktische Präjudizialität von Schadensersatzurteilen für das Direktanspruchsverhältnis hingewiesen. Ein anderes gilt lediglich beim Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988, wo der Versicherer ein Schadensersatzurteil zu befriedigen hat, dessen Richtigkeit er grundsätzlich nicht mehr in Frage stellen darf. Wünschenswert wäre, wenn der deutsche Gesetzgeber auch für klagestattgebende Schadensersatzurteile eine Erstreckung der subjektiven Rechtskraft anordnen würde. 4. Hinsichtlich der Maßgeblichkeit versicherungsrechtlicher Einwendungen im Direktanspruchsverhältnis zeigen sich eklatante Unterschiede zwischen den Vergleichsrechtsordnungen. In Deutschland gilt bei sämtlichen Pflichthaftpflichtversicherungen ein nahezu umfassender Ausschluss versicherungsrechtlicher Einwendungen, welcher übersichtlich in den zentralen Vorschriften der §§  114 Abs.  2 S.  2, 117 VVG geregelt ist. Dieser in höchstem Maße geschädigtenfreundliche Einwendungsausschluss entspricht dem Telos der Pflichthaftpflichtversicherung, einen verbesserten Opferschutz zu gewährleisten und dem Geschädigten letztlich den Ausgleich der erlittenen Schäden sicherzustellen. Im englischen Recht prädominiert demgegenüber sowohl bei der fakultativen als auch bei der obligatorischen Haftpflichtversicherung der Grundsatz des Einwendungsdurchgriffs. Der Versicherer ist daher zumeist berechtigt, die Leistung gegenüber dem Geschädigten unter Berufung auf seine Leistungsfreiheit im Deckungsverhältnis zu verweigern. Allein bei ausgewählten Pflichthaftpflichtversicherungen – namentlich bei der obligatorischen Arbeitgeber- sowie bei der pflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung – finden sich partielle, jeweils an bestimmte Einwendungsarten anknüpfende Einwendungsausschlüsse, die dabei leider eine logische Kohärenz vermissen lassen. Seit Inkrafttreten des Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 kennt das englische Recht weitere Einwendungsausschlusstatbestände, die entsprechend dem Anwendungsbereich des dort eingeräumten Direktanspruchs nunmehr bei allen Haftpflicht-

III. Einwendungen gegen die gesetzlichen Direktansprüche

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versicherungsarten Platz greifen. Mit diesen neuen Einwendungsausschlüssen geht jedoch letztlich nur eine marginale Einschränkung des Grundsatzes der Drittwirkung einher. Auch eine Nachhaftung des Haftpflichtversicherers existiert in England – anders als in Deutschland (vgl. §  117 Abs.  2 VVG) – nicht bzw. nicht mehr. Soweit der Aspekt der Drittwirkung versicherungsrechtlicher Einwendungen betroffen ist, gestaltet sich daher die deutsche Rechtslage im Ergebnis als signifikant geschädigtenfreundlicher. 5. In Deutschland sind die übernationalen Vorgaben zur Zulässigkeit der Drittwirkung versicherungsrechtlicher Einwendungen, die für den Bereich der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung aufgestellt wurden, weithin beanstandungsfrei umgesetzt. Unionsrechtlich unhaltbar und daher de lege ferenda zu korrigieren ist allein, dass der Haftpflichtversicherer dem Geschädigten die aus einer vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls resultierende Leistungsfreiheit (§  103 VVG) entgegenhalten kann.5 Als sehr viel schwerwiegender erweist sich die Unionsrechtswidrigkeit des englischen Kfz-Haftpflichtversicherungsrechts. Anstatt von einem umfassenden Einwendungsausschluss zu profitieren, sieht sich der Unfallgeschädigte dort in durchaus nennenswertem Umfang mit einer Drittwirkung versicherungsrechtlicher Einwendungen im Direktanspruchsverhältnis konfrontiert.6 Das in England vorgebrachte Argument, der Unfallgeschädigte könne im Falle einer drittwirkenden Einwendung zum Zwecke der Schadloshaltung auf das Motor Insurers’ Bureau (MIB) zurückgreifen, wodurch dem richtlinienrechtlich geforderten Geschädigtenschutz genügt werde, überzeugt nicht. Diese Argumentation verkennt, dass die Verweisung des Geschädigten an den Geschädigten-Entschädigungsfonds nach der Rechtsprechung des EuGH lediglich als ultima ratio in Betracht kommt. 6. Beide untersuchten Rechtsordnungen kennen – wenngleich in stark divergierendem Umfang – gesetzliche Obliegenheiten, die den Geschädigten unmittelbar im Verhältnis zum Haftpflichtversicherer treffen und deren Missachtung den Versicherer zur (teilweisen) Leistungsverweigerung im Direktanspruchsverhältnis berechtigen kann. In Deutschland wird der Geschädigte im gesamten Bereich der Pflichthaftpflichtversicherung mit einer sehr weitgehenden Anzei5  An der Möglichkeit des Versicherers, dem Geschädigten die Leistungsfreiheit infolge einer vorsätzlichen Versicherungsfallherbeiführung entgegenhalten zu können, sind aber auch bei allen übrigen Pflichthaftpflichtversicherungen rechtspolitische Zweifel angezeigt, so dass die Drittwirkung dieser Einwendung nicht nur bei der obligatorischen Kfz-Haftpflichtversicherung, sondern bei sämtlichen Pflichthaftpflichtversicherungen ausgeschlossen werden sollte. 6  Dies gilt im Ergebnis bei beiden Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktansprüchen des englischen Rechts (d. h. bei s. 151 Road Traffic Act 1988 sowie bei reg. 3 (2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002).

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B. Rechtliche Ausgestaltung des gesetzlichen Direktanspruchs

ge- und Auskunftsobliegenheit belegt (§  119 VVG), wobei er zur Anzeige des Schadensereignisses und einer etwaigen gerichtlichen Anspruchsgeltendmachung sowie – auf entsprechendes Verlangen des Versicherers – zur Mitteilung von näheren Einzelheiten über das Schadensereignis angehalten ist. Derart umfangreiche Obliegenheiten des Geschädigten gegenüber dem Haftpflichtversicherer sind dem englischen Recht nicht bekannt. Alleine um sich den Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988 zu erhalten, ist der Geschädigte verpflichtet, dem Versicherer einen konkret beabsichtigten oder bereits begonnenen Schadensersatzprozess gegen den schädigenden Versicherungsnehmer anzuzeigen. In Anbetracht der mit einem gesetzlichen Direktanspruch einhergehenden rechtlichen Besserstellung erscheint es durchaus gerechtfertigt, den Geschädigten im Gegenzug mit umfangreichen Obliegenheiten gegenüber dem Haftpflichtversicherer zu belegen, bei welchem naturgemäß ein strukturell bedingtes Informationsdefizit hinsichtlich des Schadensereignisses besteht. Hierin ist im Endeffekt ein angemessener Interessenausgleich zu sehen.

IV. Regressrechte des Haftpflichtversicherers 1. Sofern ein Haftpflichtversicherer in Ansehung eines bestimmten Schadensfalles nur im Außenverhältnis zum Geschädigten, nicht jedoch im Deckungsverhältnis zur Leistung verpflichtet ist, hat er nach der Entschädigung des geschädigten Dritten ein Interesse daran, bei seinem Versicherungsnehmer Rückgriff zu nehmen. Entsprechend der Unterschiede bei der Reichweite der Drittwirkung versicherungsrechtlicher Einwendungen kommt der Regressthematik in den untersuchten Rechtsordnungen eine unterschiedlich große Bedeutung zu. Insoweit ist das Regressbedürfnis des Haftpflichtversicherers in Deutschland mit dem dort vorgesehenen umfassenden Einwendungsausschluss wesentlich größer als in England, wo es dem Haftpflichtversicherer bereits sehr weitgehend gestattet ist, die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit im Versicherungsverhältnis auch dem geschädigten Dritten und dessen Direktanspruch entgegenzuhalten. 2. Unerachtet der Tatsache, dass an der vollständigen Realisierbarkeit von Regressansprüchen – insbesondere bei Schäden größeren Ausmaßes – durchaus Zweifel angebracht sind und der Haftpflichtversicherer das allgemeine Insolvenzrisiko des schädigenden Versicherungsnehmers trägt, kommt etwaigen Regressrechten ein wichtiger wirtschaftlicher Stellenwert zu. Durch ein effektives Regressmanagement können die Versicherungsunternehmen nämlich eine Verbesserung der Schadenquote erreichen und die Wirtschaftlichkeit des Haftpflichtversicherungsgeschäfts erhöhen.

IV. Regressrechte des Haftpflichtversicherers

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3. Die gesetzlich vorgesehenen Einwendungsausschlüsse sollen – als Ausprägung der Sozialbindung der Haftpflichtversicherung – alleine den Geschädigten schützen, nicht jedoch zu einer Privilegierung des schädigenden Versicherungsnehmers auf Kosten des Haftpflichtversicherers führen. Muss der Haftpflichtversicherer dem Geschädigten aufgrund eines gesetzlichen Einwendungsausschlusses Leistungen erbringen, obgleich er gegenüber dem Versicherungsnehmer in Ansehung des betreffenden Schadensereignisses versicherungsvertraglich nicht zur Leistung verpflichtet ist, so entspricht es folglich einem „Gebot der Gerechtigkeit“7, dass er gegen seinen Versicherungsnehmer regressieren kann. Mit der Normierung eines gesetzlichen Einwendungsausschlusses sollte daher stets zugleich die Einräumung eines gesetzlichen Regressanspruchs einhergehen, welches dem Versicherer die Schadloshaltung bei seinem Versicherungsnehmer ermöglicht. Nicht überzeugen kann daher, dass in England – anders als in Deutschland – ein gesetzliches Regressrecht nur bei bestimmten Einwendungsausschlüssen vorgesehen ist und der englische Gesetzgeber im Übrigen ganz bewusst von der Einräumung eines gesetzlichen Regressanspruchs Abstand genommen oder sich auf die (deklaratorische) Billigung vertraglicher Regressabreden beschränkt hat. 4. Den Versicherungsvertragsparteien bleibt es in beiden untersuchten Rechts­ ordnungen unbenommen, im Versicherungsvertrag ein Regressrecht zugunsten des Haftpflichtversicherers zu vereinbaren. Die Zulässigkeit einer vertraglichen Regressabrede folgt in beiden Ländern bereits aus dem Grundsatz der Privatautonomie. Die Möglichkeit des Haftpflichtversicherers, sich versicherungsvertraglich ein Regressrecht auszubedingen, ändert jedoch nichts daran, dass ein gesetzlicher Einwendungsausschluss aus Gerechtigkeitsgründen stets von einem gesetzlichen Regressanspruch flankiert sein sollte. Es wäre unbillig, wenn der Gesetzgeber dem grundsätzlich unbeteiligten Versicherer, der lediglich im Interesse des Drittschutzes mit einer Haftung belegt wird, die Schaffung einer Regressmöglichkeit aktiv überantworten würde. 5. Zumindest bei den Kfz-haftpflichtversicherungsrechtlichen Direktan­ sprüchen kann sich in England ein Regressrecht des Haftpflichtversicherers gegen den Versicherungsnehmer auch aus den ungeschriebenen Regeln des Bereicherungsrechts (law of restitution) ergeben. Demgegenüber sind in Deutschland die Regressregelungen des VVG abschließend und eine Anwendung des Rechts der GoA oder des Bereicherungsrechts ist nach herrschender Meinung ausgeschlossen.

7 

Franck, Direktanspruch, S.  198.

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B. Rechtliche Ausgestaltung des gesetzlichen Direktanspruchs

V. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten 1. Zur erfolgreichen Geltendmachung eines gesetzlichen Direktanspruchs benötigt ein Geschädigter zwangsläufig gewisse Informationen. Zwingend ist zunächst das Wissen darüber, ob der Schädiger überhaupt haftpflichtversichert ist. Sodann ist die Kenntnis von der Identität des – in einer Direktklage namhaft zu machenden – Haftpflichtversicherers unerlässlich. Darüber hinaus besitzt der Geschädigte ein verständiges Interesse an näheren Informationen über die Modalitäten des Versicherungsvertrages sowie über etwaige Besonderheiten im Rahmen der Abwicklung des Versicherungsverhältnisses (z. B. Prämienzahlungsverzug) – nicht zuletzt um die Gefahr des Bestehens drittwirkender versicherungsrechtlicher Einwendungen einschätzen zu können. Mangels Beteiligung am Versicherungsvertragsverhältnis sind einem Geschädigten die genannten Aspekte freilich nicht ohne weiteres bekannt. Soll die Durchsetzbarkeit eines gesetzlichen Direktanspruchs letztlich nicht an einem schlichten Informationsmangel scheitern, muss eine Rechtsordnung effektive Mechanismen zur Beseitigung des strukturell bedingten Informationsdefizits beim Geschädigten vorsehen. 2. Der für einen Geschädigten einfachste Weg zur Gewinnung der wichtigsten Informationen ist sicherlich die Abfrage aus einem zentralen Haftpflichtversicherungsregister, in welchem Einzelheiten über alle in einem Land existierenden Haftpflichtversicherungsverträge abgespeichert sind.8 Der wesentliche Vorteil eines solchen Registers liegt darin, dass der Geschädigte nicht auf die Mitwirkung einer anderen – womöglich wenig kooperationsbereiten – Person angewiesen ist, um die begehrten Auskünfte zu erlangen. Für eine erfolgreiche Abfrage bedarf es regelmäßig allein der Kenntnis von der Person des Schädigers.9 Weder in Deutschland noch in England existiert jedoch gegenwärtig ein umfassendes nationales Haftpflichtversicherungsregister. Register über abgeschlossene Versicherungsverträge bestehen vielmehr lediglich in bestimmten Teilbereichen der Haftpflichtversicherung (v. a. Kfz-Haftpflichtversicherung). 8 

Mithilfe eines Haftpflichtversicherungsregisters lässt sich zunächst unproblematisch ermitteln, ob der Schädiger eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat und wenn ja, bei welchem Versicherungsunternehmen diese besteht. Sofern – was wünschenswert ist – inhaltliche Details des Versicherungsvertrags im Register abgespeichert sind (z. B. Versicherungssumme), lassen sich auch diese über eine Registerabfrage in Erfahrung bringen. Lediglich etwaige Besonderheiten im Rahmen der Abwicklung des Versicherungsverhältnisses dürften mittels eines Haftpflichtversicherungsregisters nicht zu eruieren sein. Zur Ermittlung dieser Umstände ist der Geschädigte regelmäßig auf andere Auskunftswege angewiesen (v. a. Auskunftsanspruch gegen Versicherungsnehmer bzw. Haftpflichtversicherer). 9  Alternativ genügt auch die Kenntnis von einem anderen Merkmal, mit dessen Hilfe der Schädiger eindeutig identifiziert werden kann (z. B. Kfz-Kennzeichen).

V. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten

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In England hat das Instrument des Haftpflichtversicherungsregisters erst kürzlich in einem weiteren Bereich der Haftpflichtversicherung Eingang gefunden – namentlich bei der obligatorischen Arbeitgeberhaftpflichtversicherung (employers’ liability insurance) – und hat sich dort als effektives Mittel zur Beseitigung des Informationsdefizits geschädigter Arbeitnehmer bewährt. In Deutschland wäre die Einrichtung eines zentralen nationalen Haftpflichtversicherungsregisters wünschenswert, welches sämtliche in Deutschland abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsverträge beinhaltet. 3. Zur Auflösung des Informationsdefizits bietet sich fernerhin die Gewährung von im Zweifel einklagbaren Auskunftsansprüchen gegen Rechtssubjekte an, die Informationen über die konkrete Haftpflichtversicherung besitzen. Beiden untersuchten Ländern sind derartige Auskunftsansprüche zugunsten des Geschädigten bekannt. Ein wesentlicher Unterschied besteht allerdings darin, dass der englische Gesetzgeber Auskunftsansprüche geschaffen hat, die speziell der Befriedigung des Informationsbedürfnisses eines Geschädigten dienen. In Deutschland muss der Geschädigte demgegenüber zur Informationsgewinnung im Wesentlichen auf den allgemeinen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch (§  242 BGB) zurückgreifen, der nicht primär die Situation des auskunftsbegehrenden Geschädigten im Blick hat. Es kann nicht verwundern, dass der sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen als auch hinsichtlich der Rechtsfolgen reichlich unbestimmte Auskunftsanspruch aus §  242 BGB der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit deutlich weniger zuträglich ist als es die speziellen englischen Auskunftsregelungen sind, welche dem Geschädigten seine Auskunftsrechte transparent vor Augen führen. Gefallen kann bei den englischen Auskunftsansprüchen insbesondere die enumerative Auflistung derjenigen Informationen, über die letztlich Auskunft zu gewähren ist. Im Rahmen des zentralen Auskunftsanspruchs aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 ist das englische Recht überdies erfreulicherweise bemüht, dem Geschädigten möglichst alle denkbaren Informationsquellen zu erschließen (z. B. Versicherungsvermittler, Steuerberater). In Deutschland hingegen kann der Geschädigte – sofern nicht ausnahmsweise ein spezialgesetzlicher Auskunftsanspruch gegen eine die Einhaltung der Versicherungspflicht überwachende Behörde besteht (z. B. §  51 Abs.  6 S.  2 BRAO) – aufgrund des dem Auskunftsanspruch aus §  242 BGB immanenten Erfordernisses der bestehenden Sonderrechtsbeziehung alleine vom Schädiger bzw. dem Haftpflichtversicherer Auskunft verlangen. Es wäre desiderabel, wenn der deutsche Gesetzgeber einen abschließenden Auskunftsanspruch des Geschädigten an zentraler Stelle im VVG normieren würde, welcher den Kreis der auskunftsverpflichtenden Personen auf all solche Rechtssubjekte erweitert, von denen vernünftigerweise anzunehmen ist, dass sie im Besitz von Informationen über das Haftpflichtversicherungsverhältnis

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B. Rechtliche Ausgestaltung des gesetzlichen Direktanspruchs

sind. Zugleich sollten im Interesse der Rechtsklarheit die Informationen, über die Auskunft zu gewähren ist, detailliert aufgelistet werden.

C. Konkrete Reformvorschläge für das deutsche Recht im Überblick Ein wesentliches Ziel dieser Arbeit lag darin, vor dem Hintergrund einer rechtsvergleichenden Analyse der deutschen und englischen Rechtslage etwaige Möglich­keiten zur Modifikation der deutschen Regelungen zum gesetzlichen Direktanspruch zu eruieren, um letzten Endes eine Verbesserung der Rechtsstellung eines geschädigten Dritten zu erreichen. Die im Rechtsvergleich gewonnenen Ergebnisse mündeten zum Teil in konkrete Reformvorschläge für das deutsche Recht, welche an dieser Stelle der besseren Übersicht halber noch einmal zusammenfassend skizziert werden: 1. In Korrektur der bedauerlichen Rückführung des gesetzlichen Direktanspruchs auf die „unter Verbraucherschutzgesichtspunkten wesentlichen Pro­ blembereiche“1 im Zuge der VVG-Reform 2008 sollte zuvorderst im gesamten Bereich der Pflichthaftpflichtversicherung ein allgemeiner gesetzlicher Direktanspruch normiert werden, der an keine weiteren Bedingungen geknüpft ist. 2. Jedenfalls für den Fall der Insolvenz des schädigenden Versicherungsnehmers sollte eine Ausweitung des gesetzlichen Direktanspruchs auf den Bereich der freiwilligen Haftpflichtversicherung erfolgen. Die proponierte Ausweitung des Direktanspruchs führt automatisch zur Gegenstandslosigkeit des insolvenzrechtlichen Absonderungsrechts aus §  110 VVG, welches folgerichtig ersatzlos gestrichen werden kann. Perspektivisch wäre zudem zu erwägen, ob nicht generell ein allgemeiner Direktanspruch im gesamten Haftpflichtversicherungsbereich gewährt werden sollte, wodurch die Schadensabwicklung im Direktverhältnis zum gesetzlichen Leitbild erhoben würde. 3. Die in der Vorschrift des §  124 Abs.  1 VVG vorgesehene und bislang auf klageabweisende Urteile begrenzte Erstreckung der subjektiven Rechtskraftwirkungen sollte auf stattgebende Schadensersatzurteile ausgedehnt werden, sofern der Haftpflichtversicherer potentiell die Möglichkeit hatte, sich am Schadensersatzprozess zu beteiligen. In einem solchen Falle wäre es unbillig, wenn der Geschädigte eine im Schadensersatzprozess festgestellte Schadensersatz1 

So BT-Drs. 16/5862, S.  99.

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C. Konkrete Reformvorschläge für das deutsche Recht im Überblick

haftung des Versicherungsnehmers im Direktprozess mit dem Haftpflichtversicherer im Zweifel ein weiteres Mal nachweisen müsste. 4. Nicht zuletzt um eine gegenwärtige Unionsrechtswidrigkeit im Bereich der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung zu beheben, bedarf es der – mit der derzeit herrschenden Meinung brechenden – gesetzlichen Klarstellung, dass der Einwand der Leistungsfreiheit, welcher sich aus einer vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls ergibt (§  103 VVG), vom Einwendungsausschluss des §  117 Abs.  1 VVG umfasst ist. Die in der Vorschrift des §  12 Abs.  1 S.  1 Nr.  3 PflVG für die Situation der vorsätzlichen Versicherungsfallherbeiführung vorgesehene Verweisung eines Unfallgeschädigten an den Verein „Verkehrsopferhilfe e.V.“ ist folgerichtig aufzuheben. 5. In Deutschland besteht de lege lata kein gesetzlicher Regressanspruch zugunsten des Haftpflichtversicherers, sollte er sich außerhalb des gesetzlichen Direktanspruchs aufgrund der Vorschrift des §  114 Abs.  2 S.  2 VVG gegenüber dem Geschädigten nicht auf einen mit dem Versicherungsnehmer vereinbarten Selbstbehalt berufen können.2 Zurückzuführen ist das Fehlen eines gesetzlichen Regressanspruchs in dieser Konstellation auf ein gesetzgeberisches Versehen während der VVG-Reform 2008. Dieses Versehen sollte nunmehr korrigiert werden, indem dem Versicherer auch in dieser Konstellation ein dem §  117 Abs.  5 VVG vergleichbares Regressrecht gesetzlich eingeräumt wird. 6. Wünschenswert wäre letztlich die Einführung eines zentralen nationalen Haftpflichtversicherungsregisters, in welchem sämtliche in Deutschland abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsverträge verzeichnet werden – wobei die Registerführung entweder einer staatlichen Behörde oder auch einer privatrechtlichen Organisation der Versicherungswirtschaft überantwortet werden kann. Mithilfe einer Registerabfrage könnte der Geschädigte nach einem Schadensereignis unkompliziert in Erfahrung bringen, ob und bei wem sein Schädiger haftpflichtversichert ist, und somit sein strukturell bedingtes Informationsdefizit beseitigen. Überdies sollte Geschädigten im VVG ein abschließender spezialgesetzlicher Auskunftsanspruch gegen all solche Personen eingeräumt werden, von denen vernünftigerweise Informationen über Existenz und Inhalt einer Haftpflichtversicherung respektive über Besonderheiten im Rahmen der Abwicklung des Versicherungsverhältnisses zu erwarten sind.

2  Hintergrund dessen ist, dass die Einwendungsausschlüsse des deutschen Rechts nicht an den gesetzlichen Direktanspruch, sondern an die „Pflichthaftpflichtversicherung“ anknüpfen und dem Geschädigten auch bei einem rechtsgeschäftlich begründeten Direktanspruch oder nach Pfändung und Überweisung des Haftpflichtversicherungsanspruchs in einer Drittschuldnerklage zugute kommen.

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Sachregister Absonderungsrecht  57 f., 112 f., 139, 167, 171, 216 ff., 442, 457 Abtretung des Haftpflichtversicherungs­ anspruchs  65 ff., 257, 262, 348 Action directe  61, 74 f. Administration-order-Verfahren  186 f., 188 Administration-Verfahren  196 f., 201 Administrative-receivership-Verfahren  197 f. Alles-oder-nichts-Prinzip  258 Allgemeine Versicherungsbedingungen  15 ff., 437 – Contra proferentem-Doktrin  17 – Fairness test  16 f. – Inhaltskontrolle  15 ff. – Musterbedingungen des GDV  18 f. – Vorabgenehmigungserfordernis  17 Anerkenntnis des Versicherungsnehmers  342, 449 – Deutschland  238 f. – England  276 f. Anzeigepflicht – des Geschädigten  263 ff., 308 f., 331, 356 f., 451 f. – des Versicherers  260 f. – nach Eintritt des Versicherungsfalls  37, 290 f., 304 – vorvertragliche  14, 36 f., 38, 258, 302 f., 329, 332 f., 353, 385 Arbeitgeberhaftpflichtversicherung  15, 22, 25, 27, 119, 120, 128, 139, 283, 286 ff., 350, 352 f., 355, 378, 379 f., 387, 390 f., 405, 408 ff., 427, 442, 455 Aufrechnung durch Versicherer  24, 262 f., 285 f., 349, 351 f. Auskunfts- und Informationsrechte des Geschädigten – Deutschland

– Allgemeiner Auskunftsanspruch  401 ff. – Registerabfrage beim KraftfahrtBundes­amt und den Zulassungsbehörden  396 – spezialgesetzliche Auskunftsansprüche  395 ff. – Zentralruf der Autoversicherer  397 f., 401, 402 f., 427 – England – Anspruch aus dem Road Traffic Act 1988  407 f. – Anspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010  412 ff. – Employers’ Liability Database (ELD)  406, 408, 411 f., 427 f. – Employers’ Liability Tracing Office (ELTO)  408, 410 ff., 427 – Motor Insurance Database (MID)  406 ff., 426 f. – sonstige Auskunftsmöglichkeiten  417 ff., 431 Auskunftsstelle  394, 397, 401, 406 f. Berufshaftpflichtversicherung  18, 22, 24, 26, 27, 254 Billigkeitshaftung  47 Bindungswirkung  49 f., 112, 242 ff., 278, 310, 342 ff., 450 – Anwendung im Direktanspruchsverhältnis  243 ff. – Ursprung und Herkunft  243 f. Brexit  6, 347 Cards on the table-approach  417 f., 431 Case law  13 f., 38, 43, 51, 159, 437, 445 Cassel Committee  314, 322

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Sachregister

Certificate of insurance  205, 207 f., 307 f., 354 Cessio legis  siehe Legalzession Code of Practice for Tracing Employers’ Liability Insurance Policies (ELCOP)  408, 409 f. Company Voluntary Arrangement  184, 193, 195, 197, 221 Compulsory liability insurance  siehe Pflichthaftpflichtversicherung Contingency insurance  siehe Summen­ versicherung Cork-Report  195 Cut-through-Klausel  166, 181, 217 Deckungsbegrenzung  251 f., 299 f., 306 Deckungsprozess  49 ff., 112, 242, 244, 278, 344, 416 Deckungsverhältnis  40, 48 ff., 60, 82, 93, 100, 242 f., 259, 276, 312, 343, 369, 371 f., 375, 393, 404, 438 f., 448 f. De lege ferenda  223, 255, 349, 374, 391, 433, 451 Deregulierung des Versicherungsvertragsrechts  17 f. Direktanspruch – Arten  63 ff. – Begriff  61 f. Direktanspruch, aus § 115 VVG – analoge Anwendung  166 f., 176 ff., 217, 221 – Anwendungsbereich  165 ff. – Auswirkung auf Schadensersatz- und Haftpflichtversicherungsforderung  178 f. – Einwendungen, aus dem Direkt­ anspruchsverhältnis  263 ff. – Einwendungen, schadensrechtliche  236 ff. – Einwendungen, versicherungsrechtliche  247 ff. – Einwendungsausschluss  256 ff. – Einwendungsdurchgriff  250 ff. – Entstehungsvoraussetzungen  169 ff. – Rechtsgrundlagen  143 ff. – Rechtskonstruktive Ausgestaltung  145 f. – Verjährung  266 ff. – Zeitpunkt für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen  174 ff.

Direktanspruch, aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 – Auskunftsrechte des Geschädigten  127 f. – Bedeutungswandel  128 – Einwendungsdurchgriff  124 ff. – Hintergrund für Erlass  120 f. – Kritik und Reformüberlegungen  129 ff., 135 f. – Schutzvorschriften zugunsten des Geschädigten  122 ff. – Übergang der Versicherungsforderung  122 Direktanspruch, aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 – Anwendung auf andere Versicherungssparten  181 f. – Anwendungsbereich  179 ff. – Auskunftsanspruch  412 ff. – Ausnahmen vom Einwendungsdurchgriff  286 ff. – Auswirkung auf Schadensersatz- und Haftpflichtversicherungsforderung  203 f. – Defizite in der ursprünglichen Gesetzesfassung  137 f. – Einwendungen, schadensrechtliche  275 ff. – Einwendungen, versicherungsrechtliche  281 ff. – Entstehungsvoraussetzungen  183 ff. – Gesetzgebungsverfahren  135 ff. – Grundsatz des Einwendungsdurchgriffs  283 ff. – Konkurrenz zu anderen Direktan­ sprüchen  148 – rechtskonstruktive Ausgestaltung  153 f. – Verjährung  294 f. – Zeitpunkt für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen  202 f. Direktanspruch, aus reg. 3 European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002 – Anwendungsbereich  212 – Auswirkung auf Schadensersatz- und Haftpflichtversicherungsforderung  215 – Einwendungen, schadensrechtliche  310 – Einwendungen, versicherungsrechtliche  311 ff. – Entstehungsvoraussetzungen  213 f.

Sachregister – Konkurrenz zu anderen Direktan­ sprüchen  150 – rechtskonstruktive Ausgestaltung  155 f. – Verjährung  313 Direktanspruch, aus s. 151 Road Traffic Act 1988 – Anwendungsbereich  204 f. – Auswirkung auf Schadensersatz- und Haftpflichtversicherungsforderung  211 – Einwendungen, aus dem Direktanspruchsverhältnis  308 ff. – Einwendungen, schadensrechtliche  295 f. – Einwendungen, versicherungsrechtliche  296 ff. – Entstehungsvoraussetzungen  205 ff. – Konkurrenz zu anderen Direktan­ sprüchen  150 – rechtskonstruktive Ausgestaltung  154 f. – Verjährung  310 Direktanspruch, gesetzlicher – einstufiges Vorgehen  69, 76 f., 81, 94, 113, 129, 158, 440, 442 – historische Entwicklung in Deutschland und England  111 ff. – im engeren Sinne  77, 78 f., 91, 95 ff., 140, 150, 158, 214, 224, 310, 440, 442, 448 – im weiteren Sinne  77, 78, 150, 158, 206, 216, 440, 442 – Kritik und Rechtfertigung  79 ff. – Rechtsgrundlagen in Deutschland und England  143 ff., 147 ff., 157 ff. – rechtskonstruktive Ausgestaltung in Deutschland und England  145 f., 152 ff., 160 ff. – rechtskonstruktive Gestaltungsmöglichkeiten  99 ff., 440 f. – typische Erscheinungsformen  106 ff. – Zielrichtung  77 f., 342, 449 – zweistufiges Vorgehen  76 f., 224 Direktklage  61, 75 f., 85 f., 89 ff., 97, 114, 126, 129, 140, 158, 173, 175, 183, 185, 223, 243 ff., 268, 275, 279 ff., 310, 343, 371, 393, 423, 431, 440, 454, 458 Direktprozess  siehe Direktklage Documentary disclosure  418, 422, 431 Drittschuldnerklage  87, 112, 173, 244 ff., 278, 348, 368, 389, 392, 458

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Einsichtnahme in Geschäftsunterlagen  424 f. Einwendungen gegen den Direktanspruch – Arten potentieller Einwendungen  4, 225 f. – unions- und völkerrechtliche Vorgaben  227 ff. Einwendungen, aus dem Direktanspruchsverhältnis – beim Direktanspruch aus § 115 VVG  263 ff. – beim Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988  308 ff. Einwendungen, schadensrechtliche – beim Direktanspruch aus § 115 VVG  236 ff. – beim Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010  275 ff. – beim Direktanspruch aus reg. 3 European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002  310 – beim Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988  295 f. Einwendungen, versicherungsrechtliche – beim Direktanspruch aus § 115 VVG  247 ff. – beim Direktanspruch aus dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010  281 ff. – beim Direktanspruch aus reg. 3 European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002  311 ff. – beim Direktanspruch aus s. 151 Road Traffic Act 1988  296 ff. – Einwendungsausschluss  4, 24 f., 55, 59, 65, 73, 87, 102, 104, 110, 144, 154, 228, 232, 233, 250, 254 f., 256 ff., 262, 269, 284, 285, 286 ff., 297 ff., 311 f., 314, 331, 333, 339, 346, 348 ff., 355 f., 359, 360, 364, 367, 374 f., 376, 377 ff., 383 f., 388, 389 ff., 393, 441, 450 f., 452 f., 458 – Einwendungsdurchgriff  109, 124 ff., 131, 230, 232 f., 235, 250 ff., 256, 269, 283 ff., 286, 289, 295, 297, 302 f., 311 f., 328 f., 347, 351 ff., 361, 364, 378, 388 f., 441, 450 – Ursprung versicherungsrechtlicher Einwendungen  247 ff., 281 ff., 345 f.

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Sachregister

Employers‘ Liability Database (ELD)  406, 408, 411 f., 427 f. Employers’ liability insurance  siehe Arbeitgeberhaftpflichtversicherung Employers’ Liability Tracing Office (ELTO)  408, 410 ff., 427 Enforcement restriction order  187 f. Entschädigungsfonds in der Kfz-Haftpflichtversicherung  228, 229 ff., 255, 360 ff. – Deutschland  269 ff. – England  313 ff., 329 ff., 333, 337, 338 f., 451 Entschädigungsfonds in Deutschland – Begrenzung der Leistungspflicht  272 f. – Hintergrund und Grundlagen  269 f. – Verfahren der Schadensregulierung  274 – Voraussetzungen der Leistungspflicht  271 f. Entwicklungshelfergesetz (EhfG)  64, 144 f. Equity, Regeln der  68, 70 EU  siehe Europäische Union EU-Austritt  6, 98, 341, 449 EuGH  siehe Europäischer Gerichtshof EU-Mitgliedschaftsreferendum  6, 229, 340 f., 346, 449 Europäischer Gerichtshof  229, 232 ff., 255, 306, 315 f., 327, 329, 333 f., 336 ff., 346, 353, 360, 449, 451 Europäische Union  114, 155, 212 f., 229 f., 255, 306, 327, 338, 346, 360, 406, 426, 449 Europäischer Wirtschaftsraum  150, 155, 212 Europäisches Übereinkommen über die obligatorische Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge  siehe Straßburger Übereinkommen EWR  siehe Europäischer Wirtschaftsraum Financial Services Compensation Scheme  181, 204, 318 Francovich-Entscheidung/Klage  319, 334, 340 f. Freedom of contract  siehe Vertragsfreiheit Freiwillige Haftpflichtversicherung  22 ff., 54, 56, 58, 166, 176, 180, 215 f., 224, 289, 351, 389, 401, 432, 438, 448, 457

Funktionale Rechtsvergleichung  2, 417 GDV  siehe Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Gefahr, versicherte  21, 28, 39, 48, 226, 250, 254, 282, 349 Gefahrerhöhung  36 f., 258, 288, 353 Geheimhaltungsinteresse  394, 399, 402, 421 Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.  18 f., 115 f., 397 Gläubigergleichbehandlung  57, 218, 447 Grundsatz des stare decisis  13, 38 Grüne-Karte-System  272 Haftpflichtverhältnis  4, 41 ff., 49, 57, 60, 76 f., 78, 81, 83, 93, 96, 100, 104 ff., 125, 129, 130, 133, 136, 139, 145 f., 150, 153, 154, 156 f., 158, 160 f., 163, 171, 185, 205, 206, 211, 215 f., 226, 236 ff., 244, 268, 275 f., 280, 296, 308, 318, 323, 342, 356, 387, 403, 412, 421, 429, 438, 440 f., 442, 445 f., 448 f. Haftpflichtversicherung – Arten  18, 21 ff., 97, 107, 215 – fakultative und obligatorische  22 ff., 39 – Freistellungskomponente  28 f., 39, 65 ff., 238, 369 – Inhalt des Versicherungsvertrages  27 ff. – Leistungspflichten des Haftpflichtversicherers  27 ff. – Obliegenheiten des Versicherungsnehmers  14, 34 ff., 39 f., 48, 110, 248 f., 251, 258, 281, 345 f., 438 – Prämienleistungspflicht  33 – rechtliche Grundlagen  12 ff. – Rechtsschutzkomponente  29 f., 31 f., 39, 65 f., 438 – Sozialbindung  11 f., 38, 50, 77, 113, 163, 218, 429, 437, 446, 453 – versicherungssystematische Einordnung  19 ff., 438 – Zweck  11 – Zweckbindung der Versicherungsleistung  56, 59, 83, 118 Haftpflichtversicherungsregister  174, 394 f., 405, 426 ff., 431 f., 454 f., 458 Haftungsrecht  1, 41 ff., 82, 84 f., 213, 241, 323 f.

Sachregister – Auswirkungen der Haftpflichtversicherung auf die Haftung  45 ff. – Gefährdungshaftung / strict liability  41 f., 43, 132 – Kompensationsfunktion  42 – Präventivfunktion  42, 84 f., 440 – Verschuldenshaftung / fault liability  41 f., 43 (Rechts-) Harmonisierung  siehe Rechtsvereinheitlichung Indemnity insurance  siehe Schadensversicherung Individual Voluntary Arrangement  184, 189 f., 192, 221 Informationsdefizit – beim Geschädigten  174, 394, 401, 414, 426, 431 f., 452, 454 f., 458 – beim Haftpflichtversicherer  89 f., 264 Informationsfreiheitsgesetz  400 Informationsquelle  393, 402, 403 f., 409, 428 f., 432, 455 Insolvenz des Haftpflichtversicherers  271, 362 Insolvenzverfahren – nach dem Insolvency Act 1986  190 f. – nach der InsO  171 f. – sektorspezifische  200 f. Insured risk  siehe versicherte Gefahr Kammer, berufsständische  398, 399, 401, 429 f. Kfz-Haftpflichtversicherung  2, 14, 22, 58, 73, 78, 98, 107, 115, 131 ff., 140, 148 ff., 154 ff., 157, 161, 204 ff., 212 ff., 220 f., 225, 227 ff., 243 f., 269 ff., 295 ff., 310 ff., 313 ff., 327 ff., 344, 346 f., 353 f., 355, 357, 359, 360 ff., 372, 383 ff., 388, 392, 396 ff., 401, 405, 406 ff., 426 f., 432, 441, 445 f., 447, 449 ff., 454 Kraftfahrt-Bundesamt  396, 426 f. Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie (KH-Richtlinie)  213, 229, 230 ff., 255, 306, 328 ff., 346 f., 353, 360, 406, 427 – 1. KH-Richtlinie  232 – 2. KH-Richtlinie  230 f., 234 f., 315 – 4. KH-Richtlinie  14, 134 f. – 5. KH-Richtlinie  14 f., 134 f., 231

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– 6. KH-Richtlinie  78, 107, 114, 135, 149, 170, 213, 229, 231 ff., 273, 301, 353, 360, 394, 406, 426, 449 „Krankes“ Versicherungsverhältnis  257 f. Law Commission  54, 128, 135 ff., 378 f. Law of restitution  380, 383, 387 f., 390, 453 Legalzession  15, 73, 100 f., 119, 122 f., 125 f., 129, 131 f., 139 f., 153 f., 161, 163, 183 f., 186, 187, 189, 190 f., 192, 196, 203 f., 222, 275, 278, 283, 292, 293, 294, 344, 358, 369, 370, 374, 375 f., 382, 415, 440, 446 Massengeschäft  66 Mindestversicherungssumme  24, 59, 232, 261, 273, 350 Missstandsaufsicht  15, 17 Motor Insurance Database (MID)  406 ff., 426 f. Motor Insurers’ Bureau (MIB)  231, 314 ff., 322 ff., 328 ff., 337, 339, 341, 361 ff., 406, 408, 411, 427, 451 Motor Insurers’ Information Centre (MIIC)  406 f. Nachhaftung des Versicherers  208, 228, 257, 258 ff., 272, 298, 307 f., 350, 354, 370, 372, 451 Obliegenheiten des Geschädigten  144, 159 f., 226, 263 ff., 308 f., 356 ff., 364 f., 451 f. Obliegenheiten des Versicherungsnehmers  14, 34 ff., 39 f., 48, 110, 248 f., 251, 258, 281, 345 f., 438 – Abgrenzung zu Risikobeschreibungen  251 – Änderungen durch VVG-Reform  258 – Arten von Obliegenheiten  36 f. – Rechtsnatur von Obliegenheiten  34 – Zweck von Obliegenheiten  34 f., 248 Par conditio creditorum  siehe Gläubigergleichbehandlung Passivenversicherung  20 f., 438 Pay-to-be-paid-Klausel  125, 131, 283 f., 291 f., 351

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Sachregister

Pfändung und Überweisung des Versicherungsanspruchs  24, 57, 87, 112 f., 114, 139, 173, 244, 245, 257, 262, 278, 348, 368, 389, 432, 441, 458 Pflichthaftpflichtversicherung  14, 22 ff., 39, 46, 54, 56, 58 f., 60, 65, 73, 83, 98, 105, 107, 113 f., 115 f., 166, 171, 176, 215, 223, 227, 251 f., 254 f., 256 f., 263 f., 284, 286, 289, 306, 314, 346, 348 ff., 355, 356 f., 363 f., 387, 389, 398, 408, 432, 438 f., 441, 446 ff., 450 ff., 457 f. Prämienerhöhung  86 ff., 364, 432 Prämienzahlungsverzug  33, 46, 248 f., 258, 262, 281, 286, 345, 349, 372, 427, 430, 454 Pre-action disclosure  418, 420 f., 431 Pre-action protocols  418, 419 f., 431 Principles of European Insurance Contract Law (PEICL)  5 Privity of contract  siehe Relativität von Schuldverhältnissen Prozesskostenhilfe  219 Prozessökonomie  91 f., 94 f., 112 Public policy  131, 214, 282, 293, 305, 312, 346 Rechtsbeziehungen  40 ff. – Haftpflichtverhältnis  siehe Haftpflichtverhältnis – Deckungsverhältnis  4, 48 ff., 60, 82, 93, 100, 109, 226, 242 f., 259, 276, 312, 343, 345, 355, 369, 371 f., 375, 379 f., 387 f., 389, 393, 404, 438 f., 440, 445, 448 f., 450, 452 – Rechtsstellung des Geschädigten  24, 52 ff., 71, 90, 258, 293 Rechtskonstruktive Gestaltungsmöglichkeiten eines gesetzlichen Direktanspruchs – Anknüpfung an Haftpflichtverhältnis  104 ff. – Anknüpfung an Haftpflichtversicherungsvertrag  100 ff. – Konzeption als Versicherungsanspruch  103 f. Rechtskrafterstreckung  144, 239 ff., 268, 343 Rechtssicherheit  171, 177, 184 f., 220, 416, 428, 432, 447, 455

Rechtsstellung des Geschädigten  24, 52 ff., 71, 90, 258, 293 – Grundsatz  52 ff. – Einräumung von gesetzlichen Direktansprüchen  54 f. – anderweitiger Schutz der Interessen des Geschädigten  55 ff. Rechtsvereinheitlichung  5 f., 78, 98, 134, 212, 227, 229 Regressmanagement  368, 389, 452 Regressmöglichkeiten des Haftpflichtversicherers – Deutschland – Anspruchsgrundlagen  370 f. – Aufwendungsersatzanspruch  373 f. – grundlegende Differenzierung  368 – Legalzession nach § 117 Abs. 5 VVG  375 f. – Umfang der Regressansprüche  371 f. – Verjährung der Regressansprüche  373 – England – Ablehnung eines gesetzlichen Regressrechts  378 f. – gesetzliche Billigung vertraglicher Regressrechte  379 f., 387 – gesetzliche Regressansprüche  383 ff. – Regressrechte aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen  381 ff., 387 f. Regulierung durch Haftpflichtversicherer – Regulierungsvertreter  95, 97 – Regulierungsvollmacht  30, 32, 39, 95, 96, 243, 246 Reisefälle 134 Relativität von Schuldverhältnissen  52, 60, 98 f., 121, 135, 244, 300, 315 Relevant person  148, 182 ff., 202 f., 414, 447 – natürliche Personen als Versicherungsnehmer  185 ff. – Gesellschaften als Versicherungsnehmer  192 ff. Reputation der Versicherungswirtschaft  85 f., 440 Request for information  418, 422 ff. Richtlinie  siehe KraftfahrzeughaftpflichtRichtlinie Risikoausschluss  24, 248, 250 ff., 253 f., 256, 281 f., 293, 298, 305 f., 312, 335, 345 f., 349, 354

Sachregister Risikobeschreibung  18, 214, 248, 250 ff., 281, 305, 345, 349 Rückversicherung  166 f., 180 f., 217 Schadenmanagement, aktives  397, 427 Schadensersatzurteil  116 f., 120, 126, 129, 132, 135, 149, 154 f., 161, 172, 205 ff., 210, 211, 214, 220, 242, 244 ff., 295, 310, 312, 317 f., 322 f., 335, 342 ff., 352, 359, 362, 446, 450, 457 Schadensversicherung  12, 19 ff., 22, 103, 438 Scheme of arrangement  189, 193 ff., 197 Schuldbefreiungsverfahren nach Insolvency Act 1986  188 f. Schuldbeitritt, gesetzlicher  73, 80, 105, 114, 146, 160, 162, 236, 244, 249, 267, 271, 441, 445 f. Schuldübernhame, kumulative  siehe Schuldbeitritt Selbstbehalt  85, 231, 248, 251, 256, 281, 285, 287, 301, 323, 345, 349, 351 ff., 374 f., 376, 385, 390, 391, 458 Sonderrechtsbeziehung/-verhältnis  174, 402, 403 f., 405, 429, 455 Spezialität der versicherten Gefahr  21, 39, 248, 438 Straßburger Übereinkommen  79, 113 f., 134, 140, 145, 160, 227 f., 232, 255, 270, 327, 346, 360, 442, 449 Summenversicherung  19 Trennungsprinzip  80 ff., 112 f. – materielles  45 ff., 60, 81, 423, 439 – prozessuales  57 f., 76, 79, 112, 440 – Ursprung  54, 81 f. Ultima ratio  234, 360, 451 Unbekannter Aufenthalt des Versicherungsnehmers  108, 116, 172 ff., 175, 185, 221, 323, 404, 447 Uninsured Drivers Agreement  316 ff., 322, 324 f., 328, 331, 332 f., 341, 362 – Anwendungsbereich und Voraussetzungen der Leistungspflicht  316 ff. – Begrenzung der Leistungspflicht  318 ff. – Verfahren der Schadensregulierung  320 ff.

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Unionsrecht – unionsrechtliche Vorgaben  14, 78, 107, 114, 133 f., 140, 147, 149 f., 212, 214, 220, 225, 229 ff., 346 f., 425 f., 449 – Unvereinbarkeit mit Unionsrecht  252, 255, 297, 312, 319, 327 ff., 349, 353, 364, 451, 458 Untraced Drivers Agreement  315, 318, 322 ff., 362 – Anwendungsbereich und Voraussetzungen der Leistungspflicht  322 f. – Begrenzung der Leistungspflicht  324 f. – Verfahren der Schadensregulierung  325 ff. Verein Verkehrsopferhilfe e.V.  231, 270 ff., 349 f., 361 f., 458 Versicherungsbedingungen  siehe Allgemeine Versicherungsbedingungen Versicherungslobby  223, 340 Versicherungswirtschaft  13 f., 47, 79, 85 f., 115 f., 204, 288, 328, 341, 397, 401, 406, 408, 409 f., 411 f., 426 f., 432, 440, 458 Vertragsfreiheit  16, 23 f., 27, 39, 438 Vertragsverletzungsverfahren  341 Vertrag zugunsten Dritter  53 f., 63 f., 145, 166, 217 Völkerrechtliche Vorgaben  227 f. Vorprüfungsanspruch  404 Vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles  12 f., 214, 228, 248, 252 ff., 281 ff., 293 f., 304 ff., 345, 349, 354, 451, 458 VVG-Reform 2008  3 f., 30, 66, 79, 114 ff., 143 f., 166, 170, 223, 258, 268, 374 f., 376, 390, 395, 457 f. Winding-up  198 ff., 220 f. – compulsory  122, 184, 199 f., 202, 425 – voluntary  122, 199, 202 Workmen’s Compensation Act  119 f., 121, 122, 161 Zentralruf der Autoversicherer  397 f., 401, 402 f., 427 Zulassungsbehörde  272, 396, 426 f. Zwangsvollstreckung  117, 118, 155, 161, 187, 191, 200, 206, 375, 403, 441