Der Begriff der Friedensbedrohung in Satzung und Praxis der Vereinten Nationen [1 ed.] 9783428434794, 9783428034796


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Der Begriff der Friedensbedrohung in Satzung und Praxis der Vereinten Nationen [1 ed.]
 9783428434794, 9783428034796

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Schriften zum Völkerrecht Band 46

Der Begriff der Friedensbedrohung in Satzung und Praxis der Vereinten Nationen Von

Joachim Arntz

Duncker & Humblot · Berlin

JOACHIM

ARNTZ

Der Begriff der Friedensbedrohung i n Satzung und Praxis der Vereinten Nationen

Schriften

zum

Völkerrecht

B a n d 46

Der Begriff der Friedensbedrohung i n Satzung u n d Praxis der Vereinten Nationen

Von Dr. Joachim Arntz

D U N C K E R

&

H U M B L O T

/

B E R L I N

Alle Rechte vorbehalten © 1975 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1975 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3 428 03479 1

Vorwort Die vorliegende Untersuchung, die der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn als Dissertation vorgelegen hat, wurde von Herrn Prof. Dr. Ulrich Scheuner angeregt, dem ich auch für die wissenschaftliche Betreuung zu großem Dank verpflichtet bin. Dank für manchen Hinweis schulde ich auch den Herren Prof. Dr. Mössner (Hamburg) und Prof. Dr. Meessen (Bonn) sowie dem Zweitkorrektor meiner Arbeit, Herrn Prof. Dr. Tomuschat (Bonn). Mein Dank gilt ferner den Mitarbeitern der Institute für Völkerrecht der Universitäten K ö l n und Bonn für ihre Hilfsbereitschaft bei der Materialbeschaffung und Herrn Senator E. h. Ministerialrat a. D. Dr. Johannes Broermann für die Aufnahme i n diese Schriftenreihe. Bonn, i m A p r i l 1975

Joachim Arntz

Inhalts verzei chnis Einleitung

15

ERSTER T E I L

Der Begriff der Friedensbedrohung in der Satzung Erstes

18

Kapitel

Wörtliche Auslegung

18

1. Abschnitt: Der Begriff des Friedens

18

2. Abschnitt: Der Begriff der Bedrohung

21

3. Abschnitt: Ergebnis der wörtlichen Auslegung

21

Zweites

Kapitel

Systematische Auslegung 1. Abschnitt: Der Friedensbegriff der Satzung

22 22

A. Identität der Ziele — A r t . 1 Z. 1, Präambel Abs. 1 SVN

22

B. Andere Gründe f ü r einen engen Friedensbegriff der S V N

23

2. Abschnitt: Der Begriff „Friedensbedrohung" i m System der Satzung 1. Unterabschnitt: Das Verhältnis von Gewaltverbot (Art. 2 Z. 4 SVN) u n d Friedensbedrohung

24 24

A. Friedensbedrohung — Handlung oder Zustand?

24

B. Entsprechung von A r t . 2 Z. 4 und A r t . 39 S V N 1. Der Sanktionscharakter der Zwangsmaßnahmen nach A r t . 41 ff. SVN a) Der Charakter der Maßnahmen des SR b) Die Verletzung einer Verpflichtung c) Das „freie Ermessen" des SR bei der Bestimmung des Adressaten der Zwangsmaßnahmen α) Die Bestimmung des Sanktionsempfängers 2. Die Beschränkung der Sanktionen auf Verletzungen des Gewaltverbots a) Systematische Argumente f ü r eine Entsprechung b) Die Fragwürdigkeit der Gegenargumente α) Die „erkennbar verschiedene" Reichweite der A r t . 2 Z. 4 und 39 S V N ß) Das „schrankenlose Ermessen" des SR bei der Feststellung nach A r t . 39 S V N 3. Zwischenergebnis

26 29 29 30 31 33 34 34 36 36 37 42

8

nsverzeichnis C. Das Gewaltverbot des A r t . 2 Z. 4 SVN

42

D. Die Bedeutung des engen Gewaltbegriffs für die Auslegung des A r t . 39 SVN

44

2. Unterabschnitt: Stufenverhältnis zwischen K a p i t e l V I u n d K a p i t e l V I I der SVN A . Die Eingriffsbefugnisse des SR nach dem V I . u n d dem V I I . Kapitel B. Die Voraussetzungen des Eingreifens 1. Die Erörterung der spanischen Frage 2. Die terminologischen Unterschiede i n der Fassung des V I . u n d des V I I . Kapitels der Satzung 3. Die Bedeutung der unterschiedlichen Terminologie

47 48

3. Abschnitt: Ergebnis der systematischen Auslegung

49

Drittes

44 44 45 45

Kapitel

Teleologische Auslegung

51

1. Abschnitt: Argumente für einen weiten Begriff der Friedensbedrohung

51

2. Abschnitt: Argumente gegen einen weiten Begriff

52

3. Abschnitt: Ergebnis der teleologischen Auslegung

54

Viertes

Kapitel

Historische Auslegung

55

1. Abschnitt: Frieden A. Die Materialien von San Francisco B. Die Zeit vor 1945

55 55 56

2. Abschnitt: Bedrohung des Friedens A. Die Materialien von San Francisco B. Völkerbund

57 57 59

3. Abschnitt: Der Sanktionscharakter der Maßnahmen nach A r t . 41 ff. SVN

60

4. Abschnitt: Ergebnis der historischen Auslegung

60

Fünftes

Kapitel

Bedrohung des nationalen oder des internationalen Friedens

61

Sechstes Kapitel Der Begriff der Friedensbedrohung aufgrund der herkömmlichen Auslegungsgrundsätze — Abgrenzung gegenüber anderen Tatbeständen

64

1. Abschnitt: Der Begriff der Friedensbedrohung

64

2. Abschnitt: Friedensbedrohung u n d Bürgerkrieg

65

nsverzeichnis

9

3. Abschnitt: Friedensbedrohung — Friedensbruch — Aggressionshandlung

69

4. Abschnitt: Friedensbedrohung u n d Intervention

70

5. Abschnitt: Friedensbedrohung u n d Selbstverteidigung

71

6. Abschnitt: Überleitung

74 ZWEITER T E I L

Der Begriff der Friedensbedrohung in den Resolutionen von SR und GV

75

Einleitung Ziele und Grenzen der Untersuchung Erstes

75

Kapitel

Die Praxis des SR und ihre Vereinbarkeit mit der Charta der V N

77

1. Abschnitt: Palästina A. Die Tätigkeit des SR B. Die Verwendung des Begriffes Friedensbedrohung

77 77 80

2. Abschnitt: Kongo A. Die Resolutionen des SR zur Kongofrage B. Die rechtliche Einordnung der Resolutionen i m Kongo-Fall 1. Friedensstreitmacht u n d Zwangsmaßnahmen 2. Die Resolution aus dem Jahre 1961 3. Die „Feststellung" nach A r t . 39 SVN 4. Zusammenfassung

81 81 82 83 86 86 87

3. Abschnitt: Portugiesisch beherrschte Gebiete i n A f r i k a A. Die Tätigkeit des SR B. Die Verwendung des Begriffes Friedensbedrohung

87 87 91

4. Abschnitt: Südafrika A . Die Tätigkeit des SR B. Die Verwendung des Begriffes Friedensbedrohung

94 94 97

5. Abschnitt: Südrhodesien A. Die Tätigkeit des SR B. Die Verwendung des Begriffs Friedensbedrohung

98 98 102

6. Abschnitt: Der israelisch-arabische Konflikt seit 1967 A. Die Tätigkeit des SR B. Rechtliche Grundlagen der Tätigkeit des SR

106 106 107

7. Abschnitt: Der indisch-pakistanische Konflikt u m Bangla-Desh A. Die Tätigkeit des SR

107 107

B. Die Verwendung des Begriffes Friedensbedrohung

108

10

nsverzeichnis

8

Abschnitt: Zypern 1974 A. Die Tätigkeit des SR B. Die Verwendung des Begriffes Friedensbedrohung

9

Abschnitt: Ergebnis — Die Resolutionen des SR Zweites

Kapitel

Die Praxis der G V und ihre Vereinbarkeit mit der Charta der V N 1, Abschnitt: Die Problematik der Tätigkeit der GV i m Rahmen des V I I . Kapitels unter besonderer Berücksichtigung der Resolution „ U n i t i n g for Peace"

2.

Abschnitt: Die spanische Frage A . Die Tätigkeit der G V B. Die rechtliche Einordnung der Resolution 39 (I)

3. Abschnitt: Die griechische Frage A . Die Tätigkeit der G V B. Die rechtliche Einordnung der Resolutionen der G V 4. Abschnitt: Die Palästinafrage A. Die Resolution 181 (II) der GV B. Die Verwendung des Begriffes Friedensbedrohung 5. Abschnitt: Korea

6.

Abschnitt: 3 Krisen: Suez—Ungarn—Libanon

Abschnitt: Die algerische Frage A. Die Tätigkeit der GV 7. B. Die rechtliche Einordnung der Resolution 1573 (XV) Abschnitt: Die Kongofrage A. Die Resolutionen der GV 8. B. Die Verwendung des Begriffes Friedensbedrohung Abschnitt: Die Fälle des südlichen A f r i k a 9.

Unterabschnitt:

Südafrika

Unterabschnitt: Portugiesisch beherrschte Gebiete i n A f r i k a

1. Unterabschnitt: Südrhodesien

2.

Unterabschnitt: Namibia (Südwestafrika) 3. Unterabschnitt: Gemeinsamkeiten der Resolutionen der G V zu den 4. Fragen des südlichen A f r i k a , ihre Unterschiede zur Praxis des SR u n d ihre Vereinbarkeit m i t der Charta der V N 5. A . Die gleichzeitige Befassung von GV u n d SR B. Die Empfehlung von Zwangsmaßnahmen C. Die Betonung der Rechtmäßigkeit des Kampfes gegen die Unterdrückung D. Die Aufforderung zur Hilfeleistung an die unterdrückten Völker E. Behandlung als Kriegsgefangene

nsverzeichnis

11

F. Die Befreiungsbewegungen als „rechtmäßige Vertreter der wahren Bestrebungen der unterdrückten Völker" 151 G. Die Verwendung des Begriffes Friedensbedrohung H. Die Vereinbarkeit der Bezeichnung interner Zustände i m südlichen A f r i k a als Friedensbedrohung m i t dem Begriff der Satzung 1. „Potentielle Gefahren" und „freies Ermessen" bei der Bestimmung des Sanktionsempfängers 2. Die Besonderheit der Fälle des südlichen A f r i k a : Friedensbedrohung durch Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts 3. Die Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts — eine Gewaltanwendung i n den internationalen Beziehungen? a) Der nationale Zuständigkeitsbereich der Staaten (Art. 2 Z. 7 SVN) b) Das Selbstbestimmungsrecht der Völker als Grundlage der Auffassungen von der Internationalität der Konflikte u n d der Rechtmäßigkeit des Befreiungskampfes α) Die Auffassung i n der VR-Lehre der kommunistischen Welt αα) Die Rechtmäßigkeit des Befreiungskrieges nach kommunistischer Völkerrechtslehre ß) Die Auffassung der Staaten der „ D r i t t e n W e l t " unter besonderer Berücksichtigung ihrer H a l t u n g i n den V N .. γ) Der Einfluß dieser Auffassungen auf die H a l t u n g der GV c) Die Vereinbarkeit dieser Auffassungen m i t dem geltenden Völkerrecht, insbesondere m i t der Satzung der V N α) Das Selbstbestimmungsrecht i n der westlichen Lehre und Praxis ß) Die Kernfrage: Der Rechtscharakter des Selbstbestimmungsrechts i m VR der Gegenwart αα) Das Selbstbestimmungsrecht als Völkerrechtsnorm m i t universalem Geltungsbereich ßß) Das Selbstbestimmungsrecht als N o r m i m kolonialen Bereich d) Der Rechtscharakter des Selbstbestimmungsrechts — Folgen f ü r die A r t der Beziehungen e) Exkurs: Die Rechtmäßigkeit des Befreiungskrieges

152 153 153 155 158 160 164 164 167 168 170 172 172 173 174 175 176 177

6. Unterabschnitt: Die Praxis der GV i n den Fällen des südlichen Afrika

180

10. Abschnitt: Der indisch-pakistanische Konflikt u m Bangla-Desh

181

11. Abschnitt: Der israelisch-arabische K o n f l i k t seit dem Jahre 1967

182

12. Abschnitt: Zypern 1974

184

13. Abschnitt: Ergebnis — Die Resolutionen der G V

184

Literaturverzeichnis

188

Abkürzungsverzeichnis A AcP AFDI AJIL Annuaire ArchVR A/RES/2396 ( X X I I I ) A/RES/997 (ES-I)

= = = = = = = =

BVerfG BYBIL Del. bzw. Deleg. Doc. Document S/785 Document A/212 DVB1. EA FAZ Frelimo

= = = = = = = = = =

GAOR X V GV ICJ — reports

= — = •=

i. d. R. i. e. IGH ILM ILQ IO JIR JZ m. MR m. w. N. N. OAU ONUC

= = = = = = = = = = = = = =

OVN

=

General Assembly Archiv für civilistische Praxis Annuaire Frangais de Droit International American Journal of International L a w Annuaire de T l n s t i t u t de Droit International Archiv des Völkerrechts General Assembly, 2&ά session, Resolution 2396 General Assembly, 1st Emergency Special session, Resolution 997 Bundesverfassungsgericht The B r i t i s h Yearbook of International L a w Delegierte(r) Document Security Council Document 785 General Assembly Document 212 Deutsches Verwaltungsblatt Europa Archiv Frankfurter Allgemeine Zeitung Frente de Libertagao de Mogambique (Befreiungsbewegung i n Mosambik) General Assembly Official Records, 15th Session Generalversammlung International Court of Justice —, Reports of Judgements, Advisory Opinions and Orders i n der Regel i m einzelnen Internationaler Gerichtshof International Legal Materials The International L a w Quarterly International Organization (Zeitschrift) Jahrbuch für Internationales Recht Juristenzeitung meeting Menschenrechte m i t weiteren Nachweisen Nachweise Organization of A f r i c a n U n i t y Opération des Nations Unies au Congo = United Nations Operation i n the Congo Organisation der Vereinten Nationen

Abkürzungsverzeichnis ÖZÖR PAIGC Pr. Proceedings RdC RGDIP Rz. SCOR SR S/RES/ StIGH SU SVN UK UN UNCIO UNMO VAR VBS VN V N 1962 S. . . . VR WbVR w. N. YUN YWA Z. ZaöRV

13

österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht Partido Africano da Independencia da Guinea e Cabo Verde (Befreiungsbewegung i n Guinea) = Präambel Proceedings of the American Society of International — Law = Recueil des Cours = Revue Générale de Droit International Public = Randzeichen = Security Council Official Records = Sicherheitsrat = Security Council, Resolution . . . = Ständiger Internationaler Gerichtshof = Sowjetunion = Satzung der Vereinten Nationen = United K i n g d o m (Großbritannien) = United Nations = United Nations Conference on International Organisation (Documents) = United Nations M o n t h l y Chronicle = Vereinigte Arabische Republik = Satzung des Völkerbundes = Vereinte Nationen = Vereinte Nationen (Zeitschrift) = Völkerrecht = Wörterbuch des Völkerrechts = weitere Nachweise = Yearbook of the United Nations = Yearbook of W o r l d Affairs = Ziffer = Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht u n d Völkerrecht

=

=

Einleitung D i e S a t z u n g der V N , d i e a n z a h l r e i c h e n S t e l l e n v o n G e f ä h r d u n g e n des W e l t f r i e d e n s spricht, v e r w e n d e t d e n B e g r i f f der F r i e d e n s b e d r o h u n g oder B e d r o h u n g des F r i e d e n s 1 — englisch „ t h r e a t t o t h e p e a c e " 2 — n u r in zwei Artikeln. A r t . 1 Ζ . 1 S V N n e n n t u n t e r d e n Z i e l e n d e r V N a n erster Stelle, „ d e n Weltfrieden u n d die internationale Sicherheit zu w a h r e n u n d zu diesem Z w e c k w i r k s a m e K o l l e k t i v m a ß n a h m e n z u t r e f f e n , u m B e d r o h u n g e n des F r i e d e n s z u v e r h ü t e n u n d z u beseitigen, A n g r i f f s h a n d l u n g e n u n d andere F r i e d e n s b r ü c h e z u u n t e r d r ü c k e n . . . " 3 . N a c h A r t . 39 S V N s t e l l t d e r SR fest, „ o b eine B e d r o h u n g oder e i n B r u c h des F r i e d e n s oder eine A n g r i f f s h a n d l u n g v o r l i e g t ; er g i b t E m p f e h l u n g e n ab oder beschließt, welche M a ß n a h m e n auf G r u n d d e r A r t . 41 u n d 42 z u t r e f f e n sind, u m d e n W e l t f r i e d e n u n d d i e i n t e r n a t i o n a l e S i c h e r h e i t z u w a h r e n oder w i e d e r herzustellen"4. 1 Beide Begriffe werden i n den deutschen Übersetzungen der Satzung nebeneinander gebraucht; vgl. Kaufmann / Kor dt, Schätzel, Grewe / Truckenbrodt sowie nunmehr die amtliche deutsche Übersetzung (Bundestagsdrucksache 7/154 [7. Wahlperiode]). 2 Französisch: „menace à la p a i x " (Art. 1 Ζ. 1 SVN) bzw. „menace contre la p a i x " (Art. 39 SVN); spanisch: „amenaza a la paz". 3 Amtliche deutsche Übersetzung (vgl. Anm. 1) ; ebenso bereits Schätzel. Die zitierte Stelle lautet i m englischen Originaltext, der bei der Abfassung der Satzung als Arbeitsgrundlage (working language; s. Seidl-Hohenveidern VR Rz. 272) diente u n d daher nach dem Grundsatz der führenden Sprache ( Verdross VR S. 174) eine gewisse Sonderstellung (a. A. Mössner ArchVR 1972 S. 289 f.) unter den ansonsten gleichermaßen authentischen (Art. 111 SVN) französischen, russischen, spanischen u n d chinesischen Fassungen e i n n i m m t : The Purposes of the United Nations are: 1. To maintain international peace and security, and to that end: to take effective collective measures for the prevention and removal of threats to the peace, and for the supression of acts of aggression or other breaches of the peace, . . . 4 Amtliche deutsche Übersetzung (s. Anm. 1), die auch hier m i t der Übersetzung von Schätzel übereinstimmt. A r t . 39 lautet i m englischen Originaltext: The Security Council shall determine the existence of any threat to the peace, breach of the peace, or act of aggression and shall make recommendations, or decide what measures shall be taken i n accordance w i t h Articles 41 and 42, to maintain or restore international peace and security.

16

Einleitung

Sowohl Art. 1 Ζ. 1 SVN als auch Art. 39 SVN zählen zu den wichtigsten Bestimmungen der Charta. Art. 1 Z. 1, weil er den Grundsatz der kollektiven Sicherung des Friedens als oberstes Ziel der V N aufstellt 5 , Art. 39, weil er die engen 6 Voraussetzungen für ein derartiges kollektives Vorgehen festlegt 7 und somit erstmalig i n der Geschichte die auf der bindenden 8 Feststellung eines Organs der Staatengemeinschaft beruhende Verpflichtung aller Mitgliedstaaten schafft, kollektive Zwangsmaßnahmen gegen den Friedensbrecher zu ergreifen 9 . Obwohl Art. 39 SVN diese Maßnahmen auch bei einer Friedensbedrohung oder einem Friedensbruch zuläßt, kreiste die Diskussion i n den V N — wie bereits zuvor i n dem hiermit betrauten Gremium des Völkerbundes — ausschließlich um eine Definition der Aggression 10 . Nachdem dieser Begriff nunmehr — wenigstens was die juristischdefinitorische Seite anbelangt — durch die von der GV i m Herbst 1974 verabschiedete „Definition of Aggression" 1 1 weitgehend geklärt und damit auch der unübersehbaren Flut wissenschaftlicher Veröffentlichungen 12 zu diesem Problem ein Ende bereitet sein dürfte, erscheint es an der Zeit, auch den beiden anderen Begriffen des A r t . 39 SVN eine etwas größere Aufmerksamkeit als bisher zuteil werden zu lassen. Birgt doch gerade die Definition der Aggression die Gefahr, daß nunmehr diese Begriffe und hier besonders der weitere Begriff der Friedensbedrohung die Stelle des Aggressionsbegriffes bei der Bezeichnung politisch mißliebiger Verhaltensweisen einnehmen könnten. 5 β 7 8

Berber I I S. 43. Kraus, Sanktionen S. 570. Bowett, Institutions S. 35. Vgl. A r t . 25 SVN. 9 Vgl. zu der Bedeutung, die man dieser Vorschrift auf der Konferenz von San Francisco beigemessen hat, die Äußerung des Secretary of State der U S A i n „Report to the President" S. 90 f.: „ I f any single provision of the Charter has more substance than the others, it is surely this one sentence, i n which are concentrated the most important powers of the Security Council"; s. ferner den Bericht Paul Boncour des Komitee I I I 3 (UNCIO Bd. 12 S. 530: . . . ce qu'on peut justement considérer comme le point central de la construction de paix que nous sommes en t r a i n d'édifier." (Hervorhebungen i m Originaltext.) 10 Z u den Definitionsbemühungen i m Rahmen der V N vgl. Wittig S. 3 6 - 4 0 ; Ferencz A J I L 66 (1972) S. 492 ff.; ferner die i n Anm. 12 genannten Autoren. u A/RES/3314 ( X X I X ) v. 14.12. 1974 (vgl. U N M O 1975/1 S. 104, U N M O 1974/5 S. 86 - 88). Der Verfasser hat sich bemüht, diese Resolution, die nach Fertigstellung der Arbeit verabschiedet wurde, i m Text noch zu berücksichtigen. ι 2 Z u den älteren Untersuchungen s. bes. Stone, Aggression S. 1 9 - 7 7 ; Me Doug al / F elidano, L a w S. 121 -260; vgl. ferner Aroneanu, L'agression; Klein, A n g r i f f S. 163; Derpa S. 82 f.; Hambro S. 153 - 167; Meier, Der bewaffnete A n g r i f f ; Menzel VR S. 344-350; Komarnicki RdC 75 (1949 I I ) S. 1 ff. (alle m i t weiterführenden Nachweisen).

Einleitung

Angesichts der großen Anstrengungen, die die V N auf eine Definition der Aggression verwendet haben, muß es überhaupt als erstaunlich bezeichnet werden, daß die Begriffe „Friedensbruch" und „Friedensbedrohung" keine vergleichbare Aufmerksamkeit erfahren haben. Dies ist um so bemerkenswerter, als Anregungen hierzu bereits frühzeitig i n den V N 1 3 und auch i m anglo-amerikanischen Schrifttum 1 4 aufgetaucht sind. Die Frage nach dem Inhalt gerade des Begriffes ,Friedensbedrohung' hat eine besondere Bedeutung durch die Praxis der GV gewonnen, die seit Beginn der sechziger Jahre i n steigendem Ausmaße und besonders in Resolutionen zu Kolonialfragen von einer Friedensbedrohung gesprochen und kollektive Zwangsmaßnahmen empfohlen hat. Da die vorliegende Untersuchung bereits Ende 1973 abgeschlossen wurde, ist das Schrifttum m i t wenigen Ausnahmen auch nur bis zu diesem Zeitpunkt berücksichtigt. Dagegen hat sich der Verfasser bemüht, den Teil der Arbeit, der sich m i t der Praxis von SR und GV befaßt, i m wesentlichen auf den Stand von Ende 1974 zu bringen. Hierbei waren insbesondere die i m Jahre 1974 erfolgten gravierenden Veränderungen i m südlichen Afrika und die Definition der Aggression durch die GV zu berücksichtigen. Der folgende erste Teil der Arbeit versucht m i t Hilfe der i m Völkerrecht anerkannten Auslegungsregeln 15 festzustellen, welchen Inhalt der Begriff der Friedensbedrohung i n der Satzung der V N hat. Daran anschließend soll i m zweiten Teil der Arbeit geprüft werden, inwieweit die Praxis der V N den Begriff i m gefundenen Sinn verwendet, ob und gegebenenfalls welche Abweichungen bestehen und welche Bedeutung dieser Praxis für die zukünftige Arbeit der Weltorganisation zukommt.

13 Vgl. die Ausführungen des amerikanischen Delegierten Maktos GAOR V I 6th Committee, 282 m./10.1.1952 bes. S. 175: „ T h e Soviet Union had not suggested defining threats to the peace or breaches of the peace, which under A r t i c l e 39 of the Charter were grounds of action by the Security Council equally w i t h acts of aggression"; ähnlich auch der peruanische Delegierte Riveira Schreiber ebd. 289 m./17.1.1952 S. 218 f. 14 So D.W.Bowett, Self-Defence S.252; Q.Wright A J I L 50 (1956) S.532; zustimmend R. Higgins, Development S. 173 Anm. 27 ; Stone, Aggression S. 22 ; ähnlich bereits W. Komarnicki HdC 75 (1949 I I ) S. 85; Kelsen U N S. 727. is Vgl. Verdross V R S. 173 ff.; Berber I S. 441 - 448; Menzel VR S. 262 - 265; Derpa S. 27; ausführlich neuerdings auch Mössner ArchVR 1972 S. 273 ff.

2 Arntz

ERSTER T E I L

Der Begriff der Friedensbedrohung i n der Satzung Erstes Kapitel Wörtliche Auslegung Die Satzung der Vereinten Nationen, die das Wort Krieg bewußt meidet 1 , verwendet den Begriff Frieden an mehr als dreißig Stellen. Zur Wahrung des Friedens und nötigenfalls zu seiner Wiederherstellung ist das System der kollektiven Sicherheit geschaffen worden, auf dem die Organisation der V N fußt 2 . Frieden ist der zentrale Begriff i m System der Satzung, die ihn jedoch nicht definiert. Bei der Auslegung eines Begriffs ist vom natürlichen Wortsinn auszugehen 3 , wie er i m normalen Sprachgebrauch seinen Niederschlag findet. Der Inhalt des Begriffs „Friedensbedrohung" ist abhängig von der Reichweite des Begriffs „Frieden".

1. Abschnitt DER B E G R I F F DES FRIEDENS

Frieden, auf das Verhältnis zwischen Staaten bezogen, bedeutet i m normalen Sprachgebrauch zunächst das Gegenteil von Krieg. Friede ist i n erster Linie die „situation d'une nation, d'un état qui n'est pas en guerre" 4 , ist „freedom from w a r " 5 . Die Nichtanwendung von Waffengewalt ist danach zumindest eine wesentliche Voraussetzung des Zu1 Klinghoffer, ÖZÖR 2 (1950) S. 54; s. auch Klein , A n g r i f f S. 165. Der Begriff „ K r i e g " findet sich n u r i n Bestimmungen, die auf den 2. Weltkrieg Bezug nehmen (Art. 53 Abs. 2., A r t . 77 Abs. 1 b, A r t . 107) sowie i n der Metapher „Geißel des Krieges" (scourge of war) i n der Präambel Abs. 1. 2 Derpa S. 72 m. w. N. 3 Berber I S. 441, 443. 4 Le Robert S. 831. 5 Skeat S. 436.

1. Abschn.: Der Begriff des Friedens

19

standes Frieden. Nach der Auffassung der meisten Völkerrechtler 0 erschöpft sich der Friedensbegriff der Satzung i n dieser „Antithese des Krieges" 7 . Ob diese restriktive Auslegung indes allein aus dem Wortsinn hergeleitet werden kann, ist zweifelhaft. I n der völkerrechtlichen Literatur hat vor allem Schwarzenberger 8 auf die positive Bedeutung des Wortes Frieden und darauf hingewiesen, daß auch gewisse Formen des politischen oder wirtschaftlichen Drucks derart anomale Beziehungen zwischen Staaten hervorrufen können, daß eine Bezeichnung solcher Zustände als Frieden wie ein schlechter Scherz anmute. Einen noch erheblich umfassenderen Begriff des Friedens verwendet die moderne Friedensforschung. Ausgehend von der These, daß angesichts der internationalen Verflechtung auf allen Gebieten und der Entwicklung der Waffentechnik Friede nur noch als unteilbarer Weltfriede verstanden werden könne, verwirft sie die herkömmliche Territorialität des Friedensbegriffes als unzeitgemäßen Anachronismus. Der heutige Zustand der Staatenwelt ist nach dieser Ansicht ein Zustand der „institutionalisierten Friedlosigkeit" 9 , Frieden nicht mehr der Friedenszustand zwischen einzelnen Staaten 10 , sondern eine „Kategorie der sozialen Gerechtigkeit" 1 1 . Jede Verletzung der M R durch soziale Ungerechtigkeit oder Unterdrückung beeinträchtige als sog. strukturelle Gewalt 1 2 den Frieden. Die Definitionsversuche der Friedensforschung gehen auch dann sehr weit, wenn von einer negativen Definition des Friedens ausgegangen wird. So hat Huber 1 3 i n Anlehnung an Galtung 1 4 vorgeschlagen, Frieden zu definieren als „einen Zustand innerhalb eines Systems größerer Gruppen von Menschen, besonders von Nationen, bei denen keine organisierte, kollektive Anwendung oder Androhung von Gewalt stattfindet". Da er unter Gewalt auch die strukturelle Gewalt verstanden wissen w i l l 1 5 , ist auch nach dieser Auffassung jede soziale Ungerechtigkeit, jede Unterdrückungsmaßnahme selbst innerhalb eines Staates zumindest eine Beeinträchtigung des Friedens. 6 Zahlreiche Nachweise bei Derpa S. 74 A n m . 355 ; dort auch Nachweise für die Gegenmeinung. 7 s. Derpa S. 71; gegen eine derartige Interpretation Jessup S. 171. 8 Schwarzenberger I L S. 53. 9 Picht S. 28. 10 Picht S. 30. n Picht S. 27 f.; Galtung, Journal of Peace Research 1969 S. 189 f.; Huber S. 40 f.; 43 f. 12 Picht S. 27; Huber S. 43 f. is Huber S. 43. ι 4 Galtung, Friedensforschung S. 531. is Hub er S. 37, 43 f.

2*

20

. . Kap.:

t i c h e Auslegung

So begrüßenswert und i n die Zukunft weisend diese Definierungsversuche der Friedensforschung auch sind, so sehr liegt doch auf der Hand, daß dies nicht der Begriff einer Charta ist, die vor allem zur Aufrechterhaltung des internationalen Friedens geschaffen wurde und die die innerstaatliche Gerechtigkeit nur als ein M i t t e l zur Erreichung dieses Zieles ansieht. Die Gleichsetzung von innergesellschaftlichem und internationalem Frieden — so berechtigt sie auch sein mag — ist aber nicht nur der SVN fremd. Sie hat sich — soweit dies feststellbar ist — bisher auch i m allgemeinen Sprachgebrauch nicht durchsetzen können. Dies w i r d auch von Picht 1 6 ausdrücklich anerkannt, der zu Eingang seiner Untersuchung feststellt, Frieden als wissenschaftlich-politischer Begriff des Völkerrechts werde durch den Gegensatz zum Krieg, der bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Staaten, definiert. Kann somit festgestellt werden, daß der weite Begriff des Friedens, wie ihn die Friedensforschung versteht, weder dem Begriff der Satzung noch dem heutigen Sprachgebrauch entspricht, so kann doch auf der anderen Seite nicht geleugnet werden, daß der allgemeine Sprachgebrauch auch nicht immer der restriktiven Auslegung folgt. Ausdrücke wie „Kalter Krieg" oder „Handelskrieg" bezeugen, daß nicht jeder Zustand, i n dem nicht geschossen wird, deshalb bereits als Frieden bezeichnet wird. A u f die hier entscheidende Frage, ob Frieden nur das Fehlen von Waffengewalt oder auch jedes sonstigen Unrechts — also etwa auch die Abwesenheit nichtmilitärischer Gewalt 1 7 i n der Form wirtschaftlichen, politischen oder finanziellen Drucks 18 — bedeutet, gibt der Sprachgebrauch keine eindeutige A n t w o r t 1 9 . Man kann allenfalls sagen, daß dieser Begriff, wenn auf die Beziehungen zweier oder mehrerer Staaten angewendet, i n erster Linie das Fehlen von Waffengewalt meint und daher eine gewisse Vermutung dafür spricht, daß er auch i n diesem Sinne i n der SVN verwendet wurde 2 0 .

iß Picht S. 16 f. 17 Z u m I n h a l t dieses Begriffs s. Derpa S. 25 f. 18 s. Schwarzenberger I L S. 53. 1 9 So i m Ergebnis auch Derpa S. 74. 20 s. Kelsen U N S. 19.

3. Abschn.: Ergebnis der wörtlichen Auslegung

21

2. Abschnitt DER B E G R I F F DER B E D R O H U N G

Auch der Begriff der Bedrohung ist — geht man allein vom allgemeinen Sprachgebrauch aus — nicht eindeutig gegenüber ähnlichen Begriffen wie Gefahr, Gefährdung, Störung abzugrenzen. Er läßt sich allgemein lediglich als das Vorliegen einer irgendwie gearteten Gefahr für den Frieden umschreiben, ohne daß etwas Genaues über Intensität oder zeitliche Nähe dieser Gefahr ausgesagt werden könnte.

3. Abschnitt ERGEBNIS DER W Ö R T L I C H E N A U S L E G U N G

Aufgrund der wörtlichen Auslegung läßt sich somit nur sagen, daß eine Friedensbedrohung jedenfalls bei der unmittelbaren Gefahr eines Krieges vorliegt. Ob eine Bedrohung des Friedens auch schon i n anderen Fällen bestehen kann und ob die Charta Anhaltspunkte für den Grad der Intensität und das Ausmaß dieser Gefahr enthält, ist durch weitere Auslegung zu klären, da der Begriff insoweit unklar geblieben ist.

Zweites Kapitel Systematische A u s l e g u n g Der Begriff der Friedensbedrohung ist nunmehr auf seine Verwendung i n der Satzung der V N zu untersuchen. Hierbei soll festgestellt werden, ob die A r t der Verwendung i m System der Charta, also i m Zusammenhang der übrigen Vorschriften 1 , Rückschlüsse auf einen bestimmten Bedeutungsinhalt dieses Begriffes i n der SVN zuläßt.

1. Abschnitt DER FRIEDENSBEGRIFF DER S A T Z U N G A. Identität der Ziele — Art. 1 Z. 1, Präambel Abs. 1 S V N

Während Pr. Abs. 1 SVN es als Ziel der V N bezeichnet „künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren" 2 , nennt A r t . 1 Ζ. 1 SVN als erstes und oberstes Ziel 3 der V N die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Es fragt sich, ob aus dieser augenfälligen Übereinstimmung i n der Zielrichtung — hier Verhinderung des Krieges 4 , dort Aufrechterhaltung des Friedens — auf einen engen Begriff des Friedens geschlossen werden kann. Hierbei ist von der Überlegung auszugehen, daß eine Präambel zu einem Vertragswerk von der Bedeutung der Charta nicht andere Ziele aufstellen kann als dieses Vertragswerk selbst 5 . Auch wenn man berücksichtigt, daß sie naturgemäß nicht alle Einzelheiten enthalten kann 6 , w i r d man dennoch sagen können, daß es ihr Zweck ist, wenigstens die ι Vgl. Menzel V R S. 264. So die Übersetzung von Schätzel S. 19. 3 Berber I I S. 43. 4 Das Wort „ K r i e g " ist i n der Metapher „Geißel des Krieges" freilich nicht i m rechtstechnischen Sinne, sondern zur Bezeichnung der militärischen Gew a l t verwendet; vgl. etwa Goodrich / Hambro (2. Auflage) S. 90; Klein, A n griff S. 165; Derpa S. 42. 5 Klimmeck S. 90. β Kelsen U N S. 10; Klimmeck S. 91. 2

1. Abschn.: Der Friedensbegriff der Satzung

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Hauptziele des Vertrages herauszustellen, und daß es nicht Aufgabe einzelner Bestimmungen des Vertrages sein kann, eine über die Präambel hinausgehende Zielsetzung festzulegen. Genau dies wäre aber -der Fall, wenn der Begriff Frieden i n der Charta i m positiven Sinn, also auch als Fehlen allen sonstigen Unrechts, insbesondere etwa der nichtmilitärischen Gewaltanwendung, verwendet würde 7 . B. Andere Gründe für einen engen Friedensbegriff der S V N

Der hiernach naheliegenden Annahme einer Identität der i n Pr. Abs. 1 und A r t . 1 Ζ. 1 SVN genannten Ziele steht nicht entgegen, daß die OVN auch die freundschaftlichen Beziehungen ihrer Mitglieder fördern w i l l (Art. 1 Z. 2 SVN). Denn freundschaftliche Beziehungen stärken (Art. 1 Z. 2 SVN) den Frieden, ohne daß deshalb bei unfreundlichen Beziehungen — und sie sind die zwangsläufige Folge der Anwendung nichtmilitärischer Gewalt oder der Begehung völkerrechtlichen Unrechts i n den Beziehungen zwischen Staaten — der Frieden gebrochen wäre. So spricht gerade auch die gesonderte Erwähnung der Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zur Stärkung des Friedens dafür, daß der Begriff „Frieden" i n der Satzung i m engen Sinne verwendet worden ist. Ein weiteres Argument für den „engen" Friedensbegriff ist die Fassung des Absatzes 5 der Präambel. Danach sollen die Völker der V N Toleranz üben „und als gute Nachbarn in Frieden" miteinander leben. Gute Nachbarschaft setzt also zwar den Frieden voraus, ist aber nicht gleichbedeutend m i t ihm. Friede kann auch dann bestehen, wenn es an der guten Nachbarschaft fehlt. Wäre es anders, so wären die Worte „as good neighbours" überflüssig. Auch die Wortverbindung „Internationaler Friede und Sicherheit", die i n der Satzung nicht weniger als elfmal vorkommt 8 , scheint darauf hinzudeuten, daß Friede i. S. der Satzung der Zustand ist, in dem keine Gewalt angewendet w i r d 9 . Gegen einen weiten Friedensbegriff spricht weiterhin die Tatsache, daß Kapitel V I der Charta zwischen Streitigkeiten und Streitigkeiten, 7 I m Ergebnis übereinstimmend: Derpa S. 74, Kelsen U N S. 13. Entgegen der Ansicht von Kelsen (UN S. 11) ist es auch durchaus logisch, wenn die Präambel die gemeinsame Aufrechterhaltung des Friedens nicht als Ziel neben der Verhinderung eines Krieges, sondern als „ M i t t e l " zur Erreichung dieses Zieles bezeichnet. Die Verhinderung des Krieges beruht auf der gemeinsamen Aufrechterhaltung des Friedens; K r i e g u n d Frieden werden i n der Satzung antithetisch behandelt. 8 Verosta S. 533. » So Frowein, Friedenssicherung S. 45; Derpa S. 72 f.; Kelsen U N S. 13 hält den Zusatz „and security" f ü r „rather superfluous"; dagegen Verosta S. 534 ff., bes. S. 546.

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I. 2. Kap.: Systematische Auslegung

deren Fortdauer den Weltfrieden gefährden kann, unterscheidet. Diese Formulierung läßt den Schluß zu, daß nach Auffassung der Satzungsväter einerseits nicht jede Streitigkeit den Frieden gefährdet und zum anderen selbst ernstere Streitigkeiten den Zustand „Frieden" nicht etwa beseitigen, sondern allenfalls gefährden. Wenn aber bereits bei anderen Völkerrechtsverletzungen als dem Verstoß gegen das Gewaltverbot kein „Friede" mehr herrschen soll, dann lassen sich ernste Streitigkeiten, die den Frieden nur gefährden, kaum vorstellen, ganz zu schweigen von Streitigkeiten, die nicht einmal eine Gefährdung des so verstandenen Friedens darstellen. Auch die Fassung des V I . Kapitels spricht somit dafür, daß die Satzung i n Präambel Abs. 1 und A r t . 1 Ζ. 1 SVN das gleiche Ziel m i t unterschiedlichen Begriffen beschreibt und somit Frieden i n der Satzung das Gegenteil von Krieg, m i t h i n die Nichtanwendung militärischer Gewalt 1 0 , nicht aber jedes sonstigen Unrechts meint 1 1 .

2. Abschnitt DER B E G R I F F „FRIEDENSBEDROHTJNG" I M S Y S T E M DER S A T Z U N G

1. Unterabschnitt: Das Verhältnis von Gewaltverbot (Art. 2 Z. 4 SVN) und Friedensbedrohung Da der Umfang des i n A r t . 2 Z. 4 SVN niedergelegten Gewaltverbots durch neuere Untersuchungen 12 weitgehend geklärt ist, fragt es sich, ob der hierbei nachgewiesene enge 15 Gewaltbegriff der Satzung zur systematischen Auslegung der i n A r t . 39 SVN verwendeten Begriffe, insbesondere des Begriffes „Friedensbedrohung" herangezogen werden kann. A. Friedensbedrohung — Handlung oder Zustand?

Bevor auf das Verhältnis von Gewaltverbot und Friedensbedrohung i. e. eingegangen werden kann, ist zur Verdeutlichung der FrageVgl. Präambel Abs. 7. So ohne nähere Begründung Derpa S. 74; i m Ergebnis übereinstimmend Röling S. 110 f., Frowein, Friedenssicherung S. 47; Reuter V N 1973 S. 22; w o h l auch Kelsen U N S. 13. 12 Vgl. u. a. Rolf M. Derpa, Das Gewaltverbot der Satzung der V N ; Georg Dahm, Verbot der Gewaltanwendung; Wilhelm Wengler, Das völkerrechtliche Gewaltverbot; Wilhelm Kewenig, Gewaltverbot u n d noch zulässige Machteinwirkung u n d Interventionsmittel. Vgl. i m folgenden unter C. 11

2. Abschn. : „Friedensbedrohung" i m System der Satzung

25

S t e l l u n g kurz zu erörtern, ob der Begriff der Friedensbedrohung i n Art. 39 SVN zur Bezeichnung einer Situation i. S. des gespannten Verhältnisses mehrerer Staaten zueinander dient oder des Verhaltens eines Staates, das eine Friedensbedrohung darstellt.

I n der Völkerrechtslehre w i r d diese Frage unterschiedlich beantwortet 1 4 . Sieht man i m Begriff „act of aggression" i n Anlehnung an den Sprachgebrauch des A r t . 1 Ζ. 1 S V N 1 5 m i t der i m Schrifttum überwiegenden Meinung einen Unterfall des Friedensbruchs 16 , bei dem der Angreifer feststeht 17 , so liegt die Vermutung nahe, daß der Begriff der Friedensbedrohung diese beiden Komponenten der anderen Begriffe vereinigt 1 8 und somit sowohl zur Bezeichnung des Verhaltens eines Staates, als auch zur Bezeichnung eines Zustandes dienen kann 1 9 . I n der Praxis läßt sich diese Doppelfunktion einleuchtend m i t der Schwierigkeit begründen, i n normalerweise äußerst verwickelten internationalen Situationen ohne Zeitverlust auch nur halbwegs zuverlässig zu ermitteln, auf wessen Verhalten die Bedrohung oder der Bruch des Friedens beruht. Auch i n solchen Situationen soll der SR — wie dies Art. 40 SVN deutlich zeigt — nicht handlungsunfähig dem Geschehen zuschauen, sondern durch die Anordnung eines Waffenstillstandes, die Einsetzung von Untersuchungskommissionen zur Klärung der Vorgänge und natürlich auch durch die Drohfunktion einer Feststellung nach Art. 39 SVN zur Wahrung bzw. Wiederherstellung des Friedens beitragen. Sprechen somit ernstzunehmende Anzeichen dafür, daß Staa14 Vgl. etwa Bothe S. 17; Aréchaga, Derecho Constitucional S. 81, 374; Wengler, Gewaltverbot S. 31. 15 A r t . 1 Z. 1 S V N spricht von Angriffshandlungen u n d anderen Friedensbrüchen. Dem steht die Fassung des A r t . 39 SVN, der von Friedensbruch oder Angriffshandlung spricht, nicht zwingend entgegen; vgl. i. e. Klein, A n g r i f f S. 186; Derpa S. 80 m. w . N. iß s. Derpa S. 80 m i t zahlreichen Nachweisen (Anm. 394) ; ferner Klinghoff er ÖZÖR 2 (1950) S. 51 f.; KeZsen U N S. 727. s. Derpa S. 81 m. w. N.; vgl. nunmehr auch die „Definition of Aggression" (A/RES/3314 [ X X I X ] v. 14.12.1974); ferner die Ausführungen des australischen Delegierten Hodgson i n der indonesischen Frage (SCOR I I 147 m.S. 1623/31. 7.1947), die nach Goodrich / Hambro / Simons S. 297 indes nicht akzeptiert wurden. Während der Debatten i n der Palästinafrage i m Jahre 1948 ist diese Unterscheidung dagegen weitgehend verwendet worden, hierzu Goodrich / Simons, Maintenance S. 357. 18 Der naheliegende Gedanke, „act of aggression" als Unterfall sowohl der Friedensbedrohung als auch des Friedensbruchs anzusehen (Wittig S. 69; Waldock RdC 81 [1952 I I ] S. 507; Q. Wright A J I L 50 [1956] S.527; R.Higgins, Development S. 176; w o h l auch J. Stone, Aggression S. 21) dürfte m i t dem Wortlaut des A r t . 1 Z. 1 S V N nicht vereinbar sein. So auch v.d.Heydte V R I I S. 166; ähnlich ferner Scheuner, Friedensbedrohung S. 571, der einerseits von der Gefahr eines Krieges oder einer Gewalthandlung, andererseits v o n dem „ V o r w u r f der Friedensbedrohung durch Gewalt" spricht, der dem anwendenden Staat nicht gemacht werden könne, w e n n er Maßregeln ohne Einsatz bewaffneter Kräfte treffe.

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I. 2. Kap.: Systematische Auslegung

ten friedensbedrohende Handlungen vorgenommen haben, so kann der SR eine friedensbedrohende Situation feststellen, ohne daß vorher ermittelt werden müßte, wem die Friedensbedrohung zur Last fällt 2 0 . Davon zu unterscheiden ist die an dieser Stelle nicht zu erörternde Frage, wer der Adressat der i n A r t . 41 ff. SVN vorgesehenen Zwangsmaßnahmen und inwieweit hierfür die Feststellung eines Schuldigen erforderlich ist 2 1 . Die vorstehenden Ausführungen lassen erkennen, daß die Feststellung einer Friedensbedrohung i. S. eines „objektiven Tatbestandes" 22 auch dann zulässig ist, wenn noch keinem der beteiligten Staaten der Vorwurf einer friedensbedrohenden Handlung i. S. eines Völkerrechtsverstoßes gemacht werden kann 2 3 . Dies bedeutet nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen aber keine Freiheit zur W i l l k ü r 2 4 . Vielmehr müssen ernstzunehmende Anzeichen dafür vorliegen, daß einer oder mehrere Beteiligte friedensbedrohende Handlungen begangen haben. Sowohl bei der Feststellung, eine bestimmte Situation bedrohe den Frieden, als auch bei der Feststellung, ein bestimmter Staat habe eine Friedensbedrohung begangen, muß sich der SR also darüber i m klaren sein, welches Verhalten eines Staates eine Friedensbedrohung darstellt. Zu untersuchen ist somit i m folgenden, welche Handlung eine Friedensbedrohung ist, oder — falls man nicht der hier vertretenen Auffassung von der Doppelfunktion des Begriffes Friedensbedrohung folgt — welche Handlung eine Friedensbedrohung auslöst. B. Entsprechung von Art. 2 Z. 4 und Art. 39 S V N

Die Heranziehung des Gewaltbegriffes zur Definition der Friedensbedrohung kommt vor allem dann i n Betracht, wenn sich Art. 2 Z. 4 SVN und Art. 39 SVN i n ihren Voraussetzungen entsprechen, Art. 39 also eine nicht über den Umfang des Gewaltverbots hinausgehende Aufgliederung 2 5 oder Klassifizierung 26 der den Einzelstaaten nach Art. 2 Z. 4 SVN verbotenen Gewalt enthält.

20 Ähnlich auch Bowett, Self-Defence S. 176. 21 s. hierzu i m folgenden unter B. 22 v. Schenck ZaöRV 29 (1969) S. 262. 23 N u r insoweit t r i f f t also die Behauptung zu, daß der „ F a l l der Bedrohung des Friedens als »objektiver Tatbestand' gegeben sein (kann), ohne daß das V R bereits von irgendeiner Seite verletzt wäre" (so ohne nähere Begründung v. Schenck, ZaöRV 29 [1969] S. 262 i m Anschluß an Dahm I I S. 389). 24 Hierzu i. e. nachfolgend unter B. 25 Wengler, Gewaltverbot S. 23 u n d S. 23 Anm. 31. 26 Derpa S. 78; R.Higgins, Development S. 174.

2. Abschn. : „Friedensbedrohung" i m System der Satzung

27

Dies ist die Ansicht einer ganzen Reihe von Völkerrechtlern, die eine Friedensbedrohung bzw. einen Friedensbruch oder eine Aggressionshandlung nur dann annehmen, wenn das umfassende Gewaltverbot des A r t . 2 Z . 4 SVN verletzt wurde 2 7 . Andere Handlungen, die — wie wirtschaftliche Repressalien oder politischer Druck — keine physische Gewaltanwendung oder -androhung m i t sich bringen und daher — obwohl eventuell völkerrechtswidrig — nicht dem engen Gewaltbegriff der Charta unterfallen, stellen nach dieser Auffassung keine Friedensbedrohung i m Sinne der Satzung dar 2 8 . Es fragt sich, ob eine derartige enge Beziehung zwischen A r t . 2 Z. 4 SVN und A r t . 39 SVN unabhängig von dem vorstehend aufgezeigten engen Friedensbegriff und unabhängig von Erwägungen anderer A r t allein aus dem System der Satzung hergeleitet werden kann. Obwohl der Text der Satzung keine ausdrückliche Beziehung zwischen A r t . 2 Z. 4 SVN und A r t . 39 SVN herstellt und auch der Wortlaut der beiden A r t i k e l nur geringe Ähnlichkeit aufweist 2 9 , w i r d eine enge Beziehung zwischen diesen beiden A r t i k e l n auch von zahlreichen Völkerrechtlern betont, die eine Begrenzung der Friedensbedrohung — und damit der kollektiven Reaktion der Art. 39 ff. SVN — auf Verletzungen des Gewaltverbots ablehnen 30 . Versucht man, diese Auffassung aus der Systematik der Satzung und nicht ganz einfach m i t der offenkundigen Bedeutung gerade des Gewaltverbotes für die Wahrung des Weltfriedens zu begründen, so bietet 27 Wengler, Gewaltverbot S. 23 u n d S. 23 Anm. 31; Scheuner, Friedensbedrohung S. 571 f., derselbe, K o l l e k t i v e Sicherheit S. 244; Bindschedler ZaöRV 28 (1968) S. 10; ähnlich derselbe RdC 108 (1963 I) S.314; offensichtlich anderer Ansicht derselbe S. 385 i n Anlehnung an Bowett, Self-Defence S. 147, 176; widersprüchlich auch derselbe i n Grundfragen S. 70; Q. Wright A J I L 50 (1956) S. 524-527; T.Komarnicki R G D I P I X (1956) S. 544; Aréchaga, Derecho Constitucional S. 94, 373; s. aber auch ders. S. 81; am. Delegierter Jessup während der Berlin-Blockade (SCOR III/363 m./6.10.1948/S. 4); lourek RdC 92 (1957 I I ) S. 814, 817 (vom Boden des „weiten" Gewaltbegriffs, vgl. S. 814); s. auch Klinghoff er ÖZÖR 2 (1950) S. 55, der eine derartige Auslegung zwar f ü r möglich, wegen der damit verbundenen Festlegung auf den negativen Friedensbegriff aber nicht f ü r wünschenswert hält; ähnlich ferner Derpa S. 77 bis 79, 81, 93; Klein, A n g r i f f S. 165, s. aber auch denselben S. 187; Stone, Aggression S. 43; derselbe, Legal Controls S. 189; Soubeyrol R G D I P 69 (1965) S.368. 28 So besonders deutlich Scheuner, Friedensbedrohung S. 571; a. A. etwa Mc Dougal / Feliciano, L a w S. 125, 162. 29 Kelsen U N S. 727; R.Higgins, Development S. 173 f. 30 R. Higgins, Development S. 173 f., 176; dieselbe B Y B I L 37 (1961) S. 274; W.Komarnicki RdC 75 (1949 I I ) S. 85 f.; Verdross V R S. 649; Kewenig, Gewaltverbot S. 191; Bowett, Self-Defense S. 176; Bothe S. 25, 29; Dahm I I S. 389; Kelsen / Tucker S. 295, 511; a. A. besonders Kelsen U N S. 727 - 731, der jede Verbindung zwischen A r t . 2 Z. 4 u n d A r t . 39 S V N bestreitet; s. auch denselben i n RdC 84 (1953 I I I ) S. 52.

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.2. Kap.: Systematische Auslegung

sich als ein Ausgangspunkt der Einleitungssatz von A r t . 2 der Satzung an 3 1 . Er stellt zwischen der Pflicht und dem Recht der Organisation zur Wahrung des Weltfriedens (Art. 1 Ζ. 1 SVN) und dem Grundsatz des Gewaltverbots (Art. 2 Z. 4 SVN) einen Zusammenhang her 3 2 . Da A r t . 39 ff. SVN lediglich der Durchführung der i n A r t . 1 Ζ. 1 SVN enthaltenen Zielsetzung dient 3 3 , liegt es nahe, bereits hieraus auf eine enge Verbindung zwischen A r t . 2 Z. 4 SVN und A r t . 39 SVN zu schließen. Einen weiteren Anhaltspunkt für eine besonders enge Beziehung zwischen A r t . 2 Z. 4 SVN und A r t . 39 SVN bietet Abs. 7 der Präambel der Satzung. Er lautet: „Grundsätze anzunehmen und Verfahren einzuführen, die gewährleisten, daß Waffengewalt nur noch i m gemeinsamen Interesse angewendet wird." Es spricht vieles dafür, einen der Grundsätze, die gewährleisten sollen, daß bewaffnete Gewalt nur noch i m gemeinsamen Interesse angewendet wird, i n A r t . 2 Z. 4 SVN 3 4 und das zu diesem Zweck einzuführende Verfahren i n den Art. 39, 42 ff. SVN zu sehen 35 . Die i n A r t . 39, 42 ff. SVN geregelte Gewaltanwendung durch die Organisation ist dann „identisch" 3 6 mit der deliktischen Gewalt, die den Mitgliedern nach A r t . 2 Z. 4 SVN verboten ist und der i n Präambel Abs. 7 erwähnten Waffengewalt. Es erscheint nicht abwegig, aus dieser Entsprechung 37 von Verbot und Erlaubnis auf die Voraussetzungen der Erlaubnis zu schließen und die Ausübung des Gewaltmonopols 38 — wenn nicht ausschließlich, so doch zumindest i n erster Linie — als Reaktion auf die Verletzung des Gewaltverbots anzusehen. Dieser Gedanke liegt u m so näher, als die Satzung ein anderes Verfahren, das i m Sinne der Präambel Abs. 7 der Durchsetzung des Gewaltverbotes dienen könnte, nicht enthält. T r i f f t diese Auffassung zu, so müßten die Maßnahmen der A r t . 41 und 42 SVN echte Sanktionen gegen einen Bruch des Gewaltverbotes darstellen 39 , 31 Er lautet i n der deutschen Übersetzung (Schätzel S. 20): „Die Organisation u n d ihre Mitglieder handeln i n Verfolg der i n A r t i k e l 1 dargelegten Ziele nach folgenden Grundsätzen." 32 Derpa S. 77 m. w. N. (Anm. 374). 33 Klinghoffer ÖZÖR 2 (1950) S. 51. 34 Ebd. S. 38. 3'» So auch Derpa S. 38 i m Hinblick auf A r t . 42 ff. m. w. N.; ferner Bothe S. 15. 36 Derpa S. 38. 37 Kunz A J I L 54 (1960) S. 331; Kelsen RdC 84 (1953 I I I ) S. 51. 38 s. Klinghoffer S. 38; Kunz A J I L 54 (1960) S.330f.; W.Komarnicki RdC 75 (1949 I I ) S. 80; Kelsen / Tucker S. 295.

2. Abschn. : „Friedensbedrohung" i m System der Satzung

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1. Der Sanktionscharakter der Zwangsmaßnahmen nach Art. 41 ff. SVN Die Frage, ob die Zwangsmaßnahmen 40 der A r t . 41 ff. Sanktionscharakter haben, w i r d i m Schrifttum unterschiedlich beantwortet. Es ist zwar allgemein anerkannt, daß der Anwendung von Zwangsmaßnahmen die Entscheidung vorangehen muß, daß eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens bzw. eine Aggressionshandlung vorliegt 4 1 . Da die Reaktion des SR jedoch nach dem Wortlaut des A r t . 39 nicht die Verletzung einer Verpflichtung außerhalb dieses Artikels voraussetzt 42 , w i r d vertreten, die Maßnahmen des SR trügen keinen Sanktionscharakter 43 und könnten auch gegen „nicht verbotenes Handeln" ergriffen werden 4 4 . Es handele sich um „rein politische Maßnahmen", die der SR nach seinem Ermessen zum Zwecke der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des internationalen Friedens anwenden könne 45 . a) Der Charakter der Maßnahmen des SR Bedenken gegen diese Ansicht weckt bereits der Charakter der i n A r t . 41 SVN beispielsweise aufgezählten Maßnahmen. Repressalien 46 wie der wirtschaftliche Boykott 4 7 sind nach allgemeinen Völkerrechtsgrundsätzen nur i n Erwiderung rechtswidriger Handlungen 4 8 , m i t h i n s« Derpa S. 78. 40 Daß die Maßnahmen der A r t . 41 u n d 42 S V N die „enforcement action" des A r t . 2 Z. 6 bzw. die „enforcement measures" der A r t . 2 Z. 7, 50 SVN darstellen, ist unbestritten; vgl. Bothe S. 15 A n m . 19. 41 Statt vieler Goodrich / Simons, Maintenance S. 347; Scheuner, K o l l e k t i v e Sicherheit S. 247 f. ; zur Frage, ob diese Entscheidung der ausdrücklichen Feststellung bedarf oder auch implizit getroffen werden kann, s. I I , 1. Kap., 2. Abschn., B. 3. 42 R.Higgins, Development S. 174; Verdross V R S. 649; Derpa S. 79. 43 Oppenheim / Lauterpacht I I S. 163 Anm. 1; Kelsen U N S. 733 (1. A l t e r native); Ross U N S. 81, 196. 44 So R.Higgins, Development S. 173 f.; ferner Bothe S. 18, der jedoch an anderer Stelle (S. 25, 29) die Zwangsmaßnahmen des SR bei friedensbedrohenden Streitsituationen als hauptsächliche Sanktionen des Gewaltverbots bezeichnet; ähnlich auch Franzke S. 136. 45 So Kelsen U N S. 733; anders derselbe RdC 84 (1953 I I I ) S.52; ähnlich wie Kelsen U N auch Goodrich / Hambro / Simons S. 46 ; gegen diese A u f fassung Bindschedler, Grundfragen S. 70. 46 Z u m Begriff Partsch, Repressalie S. 104. 47 Vgl. i. e. Klimmeck S. 32 f. 48 s. die Definition der Friedensrepressalie durch das I n s t i t u t de Droit International „mesures de contrainte, dérogatoires aux règles ordinaires du droit des gens, prises par u n Etat à la suite d'actes illicites, commis à son préjudice par u n autre Etat et ay ant pour but d'imposer à celui-ci, au moyen d'un dommage, le respect d u d r o i t " (Annuaire 38 [1934] S. 708); s. auch Partsch, Repressalie S. 104; Klimmeck S. 20; Berber I I I S. 89.

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I. 2. Kap. : Systematische Auslegung

als Sanktion des offenbar 49 unrechtmäßigen Verhaltens eines Völkerrechtssubjekts 50 zulässig. Sie dürfen auch nur durch das Völkerrechtssubjekt ergriffen werden, gegen das sich das Delikt gerichtet hat 5 1 . I h r Ziel ist nicht — zumindest nicht i n erster Linie — die Vergeltung, sondern die Durchsetzung des Rechts 52 , der Zwang zur „Achtung des Rechts" 53 . Der Erwähnung des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen, die nach allgemeinem Völkerrecht keine Repressalie, sondern eine Retorsion darstellt 5 4 , kommt i n diesem Zusammenhang nur eine erweiternde Funktion zu. Diese Maßnahme w i r d hierdurch ausnahmsweise i n die „Kategorie der sanktionsgleichen Zwangsmaßnahmen aufgenommen" 55 , was nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen indes nicht den Rückschluß erlaubt, die i n A r t . 41 SVN vorgesehenen Maßnahmen trügen generell keinen Repressaliencharakter. Daß das geltende Völkerrecht militärische Gewaltanwendung i m Sinne des A r t . 42 SVN überhaupt nur als Notwehr und zur Selbstverteidigung gegen den seinerseits militärische Gewalt anwendenden Rechtsbrecher zuläßt 56 , bedarf keiner besonderen Betonung 5 7 . b) Die Verletzung einer Verpflichtung Angesichts dieser klaren Regeln des allgemeinen Völkerrechts muß die Behauptung, die Zwangsmaßnahmen des SR setzten die Verletzung 49

Partsch, Repressalie S. 104. so Delbrück SR u n d GV S. 52. si Partsch, Repressalie S. 104; Klimmeck S. 21 f. m. w. N. Dies ist freilich nicht unbestritten, s. i. e. Akehurst B Y B I L 1970 S. 1 ff. 52 Klimmeck S. 21. 53 So die Formulierung des Institut de Droit International (s. A n m . 48). 54 Eine Gesandtschaftspflicht besteht nicht, so daß ein Abbruch der diplomatischen Beziehungen auch ohne vorhergehende Verletzung des V R zulässig ist; vgl. i.e. Delbrück SR u n d GV S. 53 m. w. N.; v. Schenck ZaöRV 29 (1969) S. 264. 55 Delbrück SR u n d GV S. 53. 56 Z u r Frage, ob diese Selbstverteidigung auf den F a l l des bewaffneten Angriffs (Art. 51 SVN) beschränkt ist oder ob das allgemeine Völkerrecht ein umfassenderes Selbstverteidigungsrecht gewährt, vgl. unten I , 6. Kap. unter E. 57 Das Völkerrecht verbietet also insbesondere auch die bewaffnete Repressalie; hierzu i. e. Bowett A J I L 66 (1972) S. 1 ff.; Partsch, Repressalie S. 104 sowie neuerdings A r t . 5 der »Definition of Aggression' (A/RES/3314 [ X X I X ] ) . Vgl. ferner auch die Deklaration über freundschaftliche Beziehungen (A/RES/ 2625 [ X X V ] v. 24.10.1970): „States have a duty to refrain from acts of reprisal involving the use of force" (UNMO 1970/10 S. 101; zur Deklaration u n d ihrer Vorgeschichte s. i. e. unten I I , 2. Kap., 9. Abschn., 5. U-Abschn., Η 3 b). Z u der tatsächlichen Nichtbefolgung dieser N o r m i n der Praxis, die zu großer Besorgnis Anlaß geben muß, s. Bowett ebd. S. 2 - 36, bes. S. 33 - 36.

2. Abschn.: „Friedensbedrohung" i m System der Satzung

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einer Verpflichtung nicht voraus, mehr als problematisch erscheinen. Sie läßt sich auch kaum mit dem Wortlaut der Satzung vereinbaren, die den Mitgliedern j a nicht nur die Anwendung oder Androhung von Gewalt untersagt, sondern ihnen auch die — freilich sehr allgemeingehaltene — Verpflichtung auferlegt, ihre Streitigkeiten auf friedlichem Wege so zu lösen, daß keine Gefährdung des Friedens eintritt (Art. 2 Z. 3, 33 SVN) 5 8 . Selbst bei einer sehr weiten Auslegung des A r t . 39 SVN dürfte es stets wenigstens diese Pflicht sein, deren Verletzung festgestellt werden kann 5 9 . Letztlich bleibt immer noch die von Kelsen erwogene Möglichkeit, eine zusätzliche Verpflichtung aus A r t . 39 SVN selbst herzuleiten 60 . Die Charakterisierung der Zwangsmaßnahmen als Sanktionen kann somit nicht schon mit dem Argument abgelehnt werden, ihre Anordnung setze nicht den Bruch irgendeiner Verpflichtung voraus. c) Das „freie Ermessen" des SR bei der Bestimmung des Adressaten der Zwangsmaßnahmen Schwerwiegender erscheint dagegen das andere Argument gegen den Sanktionscharakter zu sein. Denn wenn es dem SR völlig freigestellt ist, gegen wen er die Zwangsmaßnahmen richten w i l l 6 1 , so kann diese A n wendung nicht als A n t w o r t auf den Bruch einer wie auch immer gearteten Verpflichtung bzw. als Unrechtsreaktion 62 bezeichnet werden. Die von diesen Völkerrechtlern behauptete Freiheit des SR folgt nicht notwendigerweise aus der vorstehend abgelehnten Auffassung, die Anwendung von Zwangsmaßnahmen setze nicht den Bruch einer Verpflichtung voraus. Die Frage nach dem Adressaten der Zwangsmaßnahmen stellt sich auch für diese Autoren spätestens dann, wenn der Bruch einer bestimmten Verpflichtung — etwa des A r t . 2 Z. 4 SVN — eingetreten ist. I n der Völkerrechtslehre finden sich aber auch Stimmen, die eine derartige Entscheidungsfreiheit vom Boden der hier verse Bindschedler, Grundfragen S. 70. So auch Bindschedler, Grundfragen S. 70. 60 Kelsen U N S. 736; derselbe RdC 84 (1953 I I I ) S.52f.; ähnlich w o h l auch Mc Dougal / Reisman A J I L 62 (1968) S. 11. ei So Kelsen U N S. 729, 733; s. aber denselben S. 735; Bindschedler, Grundfragen S. 72; ders. RdC 108 (1963 I) S.384f., 395, 401 f.: „ L e Conseil de Sécurité est libre de prendre également des mesures contre la victime de l'agression; la designation de l'agresseur est soumise à sa libre appréciation." Ders. ZaöRV 28 (1968) S. 10 A n m . 17 („stoßende Ungerechtigkeit"); Ross S. 81; ähnlich auch: Bowett, Self-Defense S. 195-197; Stone, Aggression S. 21: v i r t u a l l y unlimited power of the Security under A r t . 39 . . . to determine which State is an aggressor; Seyersted B Y B I L 1961 S. 446; Franzke S. 136 (beide unter Berufung auf Kelsen) ; R. Higgins, International action S. 89. 62 Vgl. Klimmeck S. 12 f. 59

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I. 2. Kap. : Systematische Auslegung

tretenen Ansicht aus bejahen 63 . Beiden Gruppen ist danach gemeinsam, daß sie die Verletzung bestimmter Verpflichtungen allenfalls als Anlaß bzw. formale Voraussetzung des Einschreitens ansehen, dem SR i m weiteren Verlauf aber sowohl hinsichtlich der zu treffenden Maßnahmen als auch hinsichtlich des Staates, gegen den er sie anwendet, völlig freie Hand lassen. Gegen eine derartige Interpretation der Befugnisse des SR bestehen trotz ihrer häufigen Wiederholung i m Völkerrechtsschrifttum gewichtige Bedenken. Bevor auf diese i m einzelnen eingegangen wird, erscheint es zur Verdeutlichung der Problemstellung jedoch geboten, einen kurzen Blick auf die verschiedenen Entscheidungen des SR bei seiner Tätigkeit nach A r t . 39 SVN zu werfen. Hat der SR die i n diesem A r t i k e l vorgesehene Feststellung 64 über das Vorliegen einer Friedensbedrohung, eines Friedensbruches oder einer Angriffshandlung getroffen, so muß er sich über die weiteren Maßnahmen klar werden. Hierbei unterscheidet Art. 39 zwischen Empfehlungen und der Anordnung bindender Maßnahmen nach A r t . 41 ff. SVN, denen A r t . 40 SVN sogenannte provisorische Maßnahmen hinzufügt 6 5 . Der letzte Satz dieses Artikels 6 5 bringt hierbei deutlich zum Ausdruck, daß sich der SR bei der Anordnung dieser vorläufigen Maßnahmen noch nicht i m klaren darüber zu sein braucht, gegen welche Partei er gegebenenfalls Zwangsmaßnahmen verhängen w i l l . Erst bei der Anordnung der i n Art. 41 ff. SVN vorgesehenen Zwangsmaßnahmen muß der SR weitere Entscheidungen treffen. Sie lassen sich wie folgt unterteilen: — Entscheidung, ob überhaupt Zwangsmaßnahmen angewendet werden sollen. Diese Entscheidung ist unbestritten i n das Ermessen des SR gestellt und muß von diesem je nach Einschätzung der Lage getroffen werden 6 6 . — Entscheidung, welche Maßnahmen angewendet werden sollen. Für sie gilt sinngemäß das vorstehend Gesagte. — Entscheidung, gegen wen Sanktionen angewendet werden sollen. Sie soll hier — ohne dem Ergebnis damit vorgreifen zu wollen — als „Bestimmung des Sanktionsempfängers" bezeichnet werden. 63 Bindschedler ZaöRV 28, 1968 S. 10 u n d S. 10 A n m . 17; ders. Grundfragen S. 70. 64 Vgl. i m folgenden unter Β 2 b) sowie I I , 1. Kap., 2. Abschn. unter Β 3. 65 Er lautet i n deutscher Übersetzung (Schätzel S. 29) : „ W i r d den v o r läufigen Maßnahmen nicht Folge geleistet, so trägt der SR diesem Versagen gebührend Rechnung." 66 Vgl. hierzu nunmehr auch A r t . 2 der ,Definition of Aggression' A/RES/ 3314 [ X X I X ] ) ; s. ferner T.Komarnicki R G D I P 60 (1956) S. 544; Stone, Legal Controls S. 195, 197; Aréchaga, Security Council S. 159.

2. Abschn.: „Friedensbedrohung" i m System der Satzung

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a) Die Bestimmung des Sanktionsempfängers Ist bei der Bestimmung des Sanktionsempfängers nach den A r t . 41 ff. SVN nun tatsächlich „der Weg für den Opportunismus offen" 6 7 und dem SR insoweit ein völlig freies Ermessen eingeräumt? Hier ist zunächst darauf hinzuweisen, daß das Vorgehen gegenüber einem rechtmäßigen Verhalten, eine Befugnis dort zu strafen, wo keine Verpflichtung verletzt wurde, nicht nur einen „logischen Widerspruch i n der Rechtsordnung" 68 , sondern als krasse W i l l k ü r auch einen eklatanten Verstoß gegen das Verbot des Rechtsmißbrauchs (abus de droit 6 9 ) darstellen würde, das auch für den SR gilt 7 0 . Hätte dieser Grundsatz des allgemeinen Völkerrechts i m Bereich der Anwendung von Zwangsmaßnahmen durch den SR ausnahmsweise keine Anwendung finden sollen, so hätte es bei einer derart gegen jedes Rechtsgefühl verstoßenden Regelung der ausdrücklichen Festlegung durch die SVN bedurft. Eine völlige Freiheit des SR allein aus der Tatsache abzuleiten, daß A r t . 39 nicht vorschreibt, gegen wen die Sanktionen zu richten sind, erscheint mehr als fragwürdig 7 1 . So wie i m Rechtsstaat von jeder Ermächtigung zum Verwaltungshandeln nur i m Sinne des Gesetzeszwecks und i m Geiste der Verfassung Gebrauch gemacht werden darf 7 2 , so ist auch der SR jedenfalls an die Ziele und Grundsätze der V N (Art. 24 Abs. 3 SVN) 7 3 sowie an den Zweck der i h n ermächtigenden Normen der Charta gebunden. Da zu diesen Grundsätzen der Charta aber auch die Beachtung des Völkerrechts zählt 7 4 , kann der Ausdruck „freies" oder gar „völlig freies" Ermessen i m Zusammenhang mit den Befugnissen des SR nur als irreführend bezeichnet werden. So hat denn auch Kelsen i n seiner Alter67 Bindschedler RdC 108 (1963 I) S. 395, 384 f. 68 Bindschedler, Grundfragen S. 70. 69 Hier i n der besonderen F o r m des Ermessensmißbrauchs (détournement de pouvoir). Vgl. hierzu Verdross V R S. 132; Berber I S. 386; Scelle, Précis I I S. 107; grundlegend Leibholz, W i l l k ü r v e r b o t bes. S. 4 1 - 4 3 ; a. A. Schule, Rechtsmißbrauch S. 70, der i m Ermessensmißbrauch keinen U n t e r f a l l des „abus de droit" sieht. 70 Verdross V R S. 132; I G H , Advisory Opinion i m Falle „Admission of a State to the U N " , I C J Reports 1947/48 S. 57 ff. (65); Bindschedler ZaöRV 28 (1968) S. 10. 71 So aber Bindschedler RdC (1963 I) S.3841, 395; Kelsen U N S. 729 („erster Lösungsvorschlag"). 72 Vgl. für das Recht der Bundesrepublik Deutschland die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 9, 137 (147); 14, 105 (114); ferner B V e r f G i n DVB1.1965 S. 361. 73 Dies hebt Brownlie, Force S. 335 f. zu Recht hervor. 74 v g l . A r t . 1 Z. 1 SVN; ebenso w o h l Bindschedler RdC 108 (1963 I) S.366; Goodrich / Hambro 1. Auflage (franz.) S. 241; a . A . Kelsen U N S. 729 f. u. S. 16 ff. 3 Arntz

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. 2 . K a p . : Systematische Auslegung

nativlösung — die er bezüglich Art. 41 SVN sogar als die einzig mögliche bezeichnet — eingeräumt, daß das allgemeine Völkerrecht hier eine Korrektur der wörtlichen Auslegung erfordere und Aktionen des SR gegen den verantwortlichen Staat zu lenken seien 75 . Für diese Annahme spricht i m übrigen auch der bereits erwähnte 7 6 letzte Satz von A r t . 40 SVN. Nach dieser „Richtlinie" sind die Zwangsmaßnahmen nicht willkürlich gegen irgendeinen Staat zu richten, sondern i n erster Linie gegen den, der die angeordneten provisorischen Maßnahmen nicht befolgt hat. Da es häufig schwierig sein wird, genau festzustellen, welcher Staat überhaupt oder welcher Staat zuerst eine friedensbedrohende Handlung vorgenommen hat, dürfte die Nichtbefolgung der provisorischen Maßnahmen — etwa der Anordnung eines Waffenstillstandes — oft der einzig eindeutige Hinweis auf den „schuldigen" Staat sein 77 . Sind die Maßnahmen aber i n diesem Fall gegen den Schuldigen zu richten, so spricht alles dafür, daß diese Regelung für das gesamte Gebiet der Anwendung von Zwangsmaßnahmen Gültigkeit besitzt. Die Bestimmung des Sanktionsempfängers ist somit nicht i n das „freie" Ermessen des SR gestellt. Vielmehr sind Zwangsmaßnahmen nach A r t . 41 ff. SVN als echte Sanktionen gegen den Staat anzuwenden, dessen Verhalten eine Aggressionshandlung oder eine Friedensbedrohung darstellt. 2. Die Beschränkung der Sanktionen auf Verletzungen des Gewaltverbots a) Systematische Argumente für eine Entsprechung Unabhängig von allen Auffassungen über den Charakter der Maßnahmen des SR dürfte unbestritten sein, daß die Tatbestände des Art. 39 SVN zumindest auch die Anwendung von Gewalt i n den Beziehungen zwischen Staaten umfassen 78 . Sowohl A r t . 2 Z. 4 SVN als auch A r t . 39 SVN schaffen somit Voraussetzungen für die Ausübung des Gewaltmonopols: Art. 2 Z. 4 SVN, indem er die Gewaltanwendung generell untersagt, A r t . 39 SVN, indem er einzelne Verbotstatbestände aufzählt, die jedenfalls auch Verstöße gegen Art. 2 Z. 4 SVN umfassen 75 Kelsen U N S. 735; ähnlich ders. I L Q 2 (1948) S. 213. s. oben A n m . 65. 77 So auch Leibholz, Aggression S. 169; ähnlich Q. Wright A J I L 51 (1957) S. 268; ders. A J I L 50 (1956) S. 530. 78 So auch Klinghoffer ÖZÖR 2 (1950) S. 54; Skubiszewski S. 779; Wehberg RdC 78 (1951 I) S. 75; Klein, A n g r i f f S. 165; Bothe S. 15; Oppermann, Gewaltanwendung S. 128; s. ferner die oben A n m . 30 Genannten. 76

2. Abschn.: „Friedensbedrohung" i m System der Satzung

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und deren Verletzung Voraussetzung 79 für die kollektive Reaktion der Organisation ist 8 0 . A r t . 39 dient also — zumindest auch — der Durchsetzung des in Art. 2 Z. 4 normierten Verbots 81 . Angesichts dieser weitgehend unbestrittenen Überschneidung und angesichts der offenkundig herausragenden Bedeutung, die dem Gewaltverbot bei der Wahrung des Friedens 82 und als klar abgrenzbarer Verpflichtung der Mitglieder zukommt, erscheint es nicht abwegig, eine weitergehendere Übereinstimmung zwischen A r t . 39 SVN und A r t . 2 Z. 4 SVN zu vermuten und i n den Begriffen des A r t . 39 SVN eine A u f gliederung der verbotenen Gewalt zu sehen 83 . Für diese Annahme spricht als weiteres Indiz auch die Formulierung des A r t . 2 Z. 3 SVN 8 4 . Neben der Betonung der Verpflichtung der M i t glieder zur friedlichen Streitbeilegung, die i m Grunde bereits aus Art. 2 Z. 4 SVN folgt, w i r d man diesem A r t i k e l die Auffassung der Satzungsväter entnehmen können, daß auch bestimmte friedliche Mittel, die zur Streitbeilegung eingesetzt werden, zu einer Gefährdung des Weltfriedens führen können. Ohne bereits hier auf den Unterschied zwischen dem VI. und dem V I I . Kapitel eingehen zu wollen, kann dennoch festgestellt werden, daß das Verb „gefährden" ein Kernbegriff des VI. Kapitels ist. Danach liegt es nahe, dieses Kapitel als eine A r t Ausführungsbestimmung zu A r t . 2 Z. 3 SVN 8 5 und das V I I . Kapitel als eine solche zu A r t . 2 Z. 4 SVN anzusehen. Diese Vermutung w i r d durch die Wiederholung der Verpflichtung zur friedlichen Streitbeilegung i n A r t . 33 SVN bekräftigt. Ein weiteres, wenn auch schwächeres Indiz ist die bereits erwähnte sprachliche Ähnlichkeit zwischen A r t . 2 Z. 4 SVN und A r t . 39 SVN, die trotz der ansonsten unterschiedlichen Terminologie — Gewaltterminologie i n A r t . 2 Z. 4 SVN und Friedensterminologie 86 i n Art. 39 79 Wengler, Gewaltverbot S. 22; W. Komarnicki RdC 75 (1949 I I ) S. 83. 80 Hierbei ist es systematisch unerheblich, daß die Reaktion nicht automatisch eintritt u n d daß die V N nicht über Regelungsbefugnisse verfügen, die den staatlichen Zwangsmaßnahmen entsprechen; vgl. Bindschedler RdC 108 (1963 I) S. 314, 383: „lacune considérable". 81 Oppermann, Gewaltanwendung S. 128. 8 2 Waldock RdC 81 (1952 I I ) S. 492 bezeichnet A r t . 2 Z. 4 S V N als „corner stone of peace i n the Charter". S3 Vgl. die oben A n m . 2 5 - 2 7 Genannten. 84 Er lautet i n dt. Übersetzung (Schätzel S. 20): „ A l l e Mitglieder legen ihre internationalen Streitigkeiten durch friedliche M i t t e l so bei, daß der W e l t friede, die internationale Sicherheit u n d die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden." ss So auch Waldock RdC 81 (1952 I I ) S.489; Kelsen / Tucker S.511. 86 Hierzu i. e. Klinghoff er ÖZÖR 2 (1950) S. 38, 54 f. 3*

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.2. Kap. : Systematische Auslegung

SVN — auf dem i n beiden Vorschriften verwendeten Begriff „threat" bzw. „menace" beruht. Diese Ähnlichkeit w i r d noch augenfälliger, wenn man „act of aggression" als Unterfall des Friedensbruches ansieht 87 . Dem Begriff „Friedensbruch" als der eingetretenen Gewaltanwendung steht dann der Begriff „Friedensbedrohung" als die drohende, aber noch nicht eingetretene Gewaltanwendung gegenüber. Natürlich ist dieser Schluß auf eine Übereinstimmung nicht zwingend. Wenn die Anwendung oder Androhung von Gewalt auch mit Sicherheit ein wesentliches Element 8 8 der i n A r t . 39 SVN verwendeten Begriffe darstellt, so kann hieraus nicht unbedingt abgeleitet werden, daß sie das ausschließliche Element ist. Dennoch w i r d man sagen können, daß die hier angeführten systematischen Gesichtspunkte wenn auch nicht den Beweis, so doch eine sehr starke Vermutung für eine Entsprechung von Gewaltbegriff und Reichweite der i n A r t . 39 SVN genannten Begriffe darstellen. Es bleibt aber denkbar, daß die Reaktion des SR zwar primär eine A n t w o r t auf die Verletzung des Gewaltverbotes darstellt, dem SR aber daneben das Recht zugestanden werden sollte, auch auf solche Handlungen zu reagieren, die nicht i n der Androhung von Gewalt bestehen. b) Die Fragwürdigkeit der Gegenargumente a) Die „erkennbar verschiedene" Reichweite der Art. 2 Z. 4 und 39 SVN Gegen die Beschränkung der kollektiven Reaktion auf Verstöße gegen das Gewaltverbot w i r d u. a. angeführt, die i n A r t . 39 SVN enthaltenen Begriffe reichten erkennbar weiter als die Anwendung oder Androhung von Gewalt, so daß eine Entsprechung i. S. einer Ubereinstimmung offensichtlich nicht i n Betracht komme 8 9 . Bei Kelsen 90 , auf den sich zahlreiche andere Autoren berufen 91 , heißt es: "For there can be little doubt that the formula: 'threat to the 87

s. vorstehend unter Α. ss Klinghoffer ÖZÖR 2 (1950) S. 54. 89 Vgl. etwa W.Komarnicki RdC 75 (1949 I I ) S. 85: „rupture de la paix . . . à notre avis . . . atteinte à la paix sans le recours à la force" ; Klein , A n g r i f f S. 186 f.: „Angriffshandlung k a n n auch m i t ideologischen u n d propagandistischen M i t t e l n vorgetragen werden" (186) ; „Verboten nach A r t . 2 Z. 4 demnach nicht jede Angriffshandlung i. S. von A r t . 39 . . . u n d nicht notwendig jeder sonstige Friedensbruch" (187); Bindschedler RdC 108 (1963 I) S. 385; Dahm, Gewaltanwendung S. 49; ders. VR I I S. 389; Kewenig, Gewaltverbot S. 191; w o h l auch R.Higgins, Development S. 176. 90 U N S. 727. 91 So etwa Bowett, Self-Defense S. 176; Verdross V R S. 649; Kewenig, Gewaltverbot S. 191 A n m . 42; Dahm I I S. 389.

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peace, breach of the peace, or act of aggression' as used i n Article 39, has not the same meaning as the formula 'threat or use of force' adopted i n A r t . 2, paragraph 4. As 'act of aggression' an act may be considered which is not a 'threat or use of force'." Kelsen geht also von klaren Vorstellungen über die Reichweite des Begriffes „Gewalt" und die Reichweite der Begriffe „act of aggression 4', Friedensbruch oder Friedensbedrohung aus 92 und stellt dann aufgrund eines Vergleiches fest, daß sie nicht übereinstimmen. Dieses Verfahren wäre zweifellos richtig, wenn es sich bei den i n Art. 39 und A r t . 2 Z. 4 SVN verwendeten Begriffen um eindeutige, allein anhand des Wortlauts zweifelsfrei i n ihrem Inhalt und Umfang zu bestimmende Ausdrücke handeln würde. Dies ist aber — wie die Fülle verschiedener Auffassungen 93 zeigt — augenscheinlich nicht der Fall. Es erscheint somit angebracht, zunächst allgemein festzustellen, ob eine Entsprechung besteht und sodann die für einen Begriff gewonnenen Erkenntnisse auf ihre Anwendbarkeit hinsichtlich der anderen Begriffe zu untersuchen. Da Kelsen wie auch die meisten anderen Gegner einer Entsprechung weitgehend ohne eine derartige Analyse von festen Vorstellungen ausgeht, sind diese Ausführungen nicht geeignet, die sich aus der Systematik der SVN ergebende Vermutung zu widerlegen. ß) Das „schrankenlose Ermessen" des SR bei der Feststellung nach Art. 39 SVN Nicht nur bei Kelsen taucht ein weiteres Argument gegen eine Entsprechung auf. Es liege, so heißt es bei Kelsen 9 4 , völlig i m Ermessen des SR, festzustellen, was eine Friedensbedrohung oder ein Friedensbruch sei. Ja der SR könne, indem er irgendein Verhalten eines Staates zu einer Bedrohung oder einem Bruch des Friedens erkläre, neues Recht schaffen 95 . Da — so Kelsen — die Mitgliedstaaten nun aber nie i m voraus wüßten, welches Verhalten der SR zur Friedensbedrohung erkläre, hätten die Mitglieder der V N nicht nur die i n der Charta aus-

92 U N S. 727 ff.; ähnlich Verdross V R S.649; Klein, A n g r i f f S. 186 f.; W. Komarnicki RdC 75 (1949 I I ) S. 85; Bindschedler RdC (1963 I) S. 384 f.; Goodrich / Hambro / Simons S. 46. 93 Vgl. zum Begriff der Gewalt den Überblick bei Derpa S. 26; zum Begriff der Aggression den Überblick bei Klein, A n g r i f f S. 163 f. sowie die oben Einleitung A n m . 10, 12 genannten Autoren; zu den Begriffen Friedensbedrohung oder Friedensbruch etwa Komarnicki RdC 75 (1949 I I ) S. 85 u n d Q. Wright A J I L 54 (1960) S. 529. 94 U N S. 727 - 731. 95 Kelsen U N S. 736 („may create new l a w " ) ; ähnlich ders. I L Q 2 (1948) S. 213; offensichtlich zustimmend R.Higgins, Development S. 174.

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I. 2. Kap. : Systematische Auslegung

drücklich formulierten Verpflichtungen, sondern auch die Verpflichtung „to refrain from any conduct which the Security Council under A r t . 39 declares to be a threat to or breach of the peace" 96 , was zu einer „höchst unerfreulichen Unsicherheit über die Verpflichtungen der Mitglieder" führen könne 9 7 . I n ähnlicher Weise hat auch Bindschedler 98 früher ausgeführt, es stehe völlig i m Belieben des SR, konkret festzustellen, welcher Tatbestand einen Friedensbruch oder einen Angriff darstelle. Die Gefahr des Kompetenzmißbrauchs liege somit auf der Hand 9 9 . Auch zahlreiche andere Autoren sprechen von einem „freien" 1 0 0 oder sogar „völlig freien" 1 0 1 Ermessen des SR bei der Entscheidung, welche Sachverhalte er als Friedensbedrohung bzw. Friedensbruch ansehen wolle. Wäre dies richtig, könnte der SR also tatsächlich nach seinem Belieben alle Handlungen und Situationen zu einer Friedensbedrohung erklären und umgekehrt feststellen, daß selbst die Anwendung militärischer Gewalt zwischen Staaten weder eine Friedensbedrohung noch einen Friedensbruch darstellt 1 0 2 , so wäre allerdings nicht nur das Ermessen völlig frei, sondern auch der Umfang der i n A r t . 39 verwendeten Begriffe völlig schrankenlos. Von einer Ubereinstimmung m i t dem inhaltsmäßig relativ geklärten Begriff der Gewalt könnte dann sicher keine Rede sein. Die Befürworter eines völlig freien, allenfalls durch die weiten Ziele der V N 1 0 3 begrenzten Ermessens berufen sich 1 0 4 häufig auf den Bericht 9 6 Kelsen U N S. 736; i n diesem Zusammenhang nennt Kelsen besonders die Empfehlungen der GV, deren Nichtbefolgung v o m SR als Friedensbedrohung gewertet werden könne (vgl. a.a.O. S. 459, 736) ; zustimmend Steiger, Der Staat 9 (1970) S.446; Dahm I I S. 27. 97 Kelsen U N S. 737 ; Kelsen bedauert i n diesem Zusammenhang, daß A r t . 39 nicht die Terminologie des A r t . 2 Z. 4 S V N verwendet, da dann derartige Unsicherheiten vermieden worden wären. 98 Bindschedler, Grundfragen (1956) S. 72; ganz anders ders. ZaöRV 28 (1968) S. 10. 99 Bindschedler, Grundfragen a.a.O. 100 Kipp, Friedensbruch S. 585; engl. L o r d Chancelor Gardiner (zit. n. Rousseau R G D I P 71 [1967] S.480); Fawcett B Y B I L 41 (1965/66) S. 117; R. Higgins, Development S. 173; Röling S. 103; Goodrich / Hambro / Simons S. 46; Mc Dougal ! Reismann A J I L 62 (1968) S. 6 f.; w o h l auch Klein, A n g r i f f s . 164; ähnlich ferner ΜcDougal / Felidano, L a w S. 161 f.; Franzke S. 136; w. N. bei Derpa S. 83 (Anm. 415). ιοί W. Komarnicki RdC 75 (1949 I I ) S. 82. 102 So Kelsen U N S. 730. 103 So W. Komarnicki RdC 75 (1949 I I ) S. 85; Mc Dougal / Reisman A J I L 62 (1968) S. 9; Goodrich / Hambro / Simons S. 46; a. A. Kelsen U N S. 729 f. u n d S. 16 ff., der A r t . 24 Abs. 2 i m Bereich des V I I . Kapitels f ü r nicht anwendbar erklärt; s. hierzu auch Goodrich / Hambro / Simons S. 292. 104 So etwa Kelsen U N S. 728 f. Anm. 7; R.Higgins, Development S. 173.

2. Abschn.: „Friedensbedrohung" i m System der Satzung

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Paul-Boncour des Committee I I I / 3 1 0 5 auf der Konferenz von San Francisco, i n dem es heißt: "The Committee therefore decided to adhere to the text drawn up at Dumbarton Oaks and to leave to the Council the entire decision as to what constitutes a breach of the peace, or an act of aggression 106 . ,, Zum Teil w i r d die Annahme eines freien Ermessens des SR auch m i t der Tatsache begründet, daß die SVN eine nähere Definition der Begriffe nicht enthalte 1 0 7 . Zweifel an der Richtigkeit dieser Aussagen weckt allein schon die zitierte — und von seinem Standpunkt aus folgerichtige — Behauptung von Kelsen, der SR könne aufgrund seines freien Ermessens neues Recht schaffen 108 . Sollten die Mitglieder der V N tatsächlich einem Organ, i n dem sie nicht einmal alle ständig vertreten sind, die Schaffung neuer und i. e. gar nicht voraussehbarer, aber gegebenenfalls m i t Zwangsmaßnahmen durchsetzbarer Verpflichtungen übertragen haben? Gegen eine derartige Annahme sprechen neben dem vorstehend begründeten Sanktionscharakter der Zwangsmaßnahmen nach A r t . 41 ff. SVN auch die bereits erwähnten Argumente gegen ein vorgeblich völlig freies Ermessen des SR. Allerdings besteht bereits Anlaß zu Zweifeln an der Richtigkeit der Behauptung, dem SR sei bei der Entscheidung, welche Sachverhalte dem A r t . 39 SVN unterfallen, irgendein Ermessen eingeräumt. Die in Art. 39 SVN vorgesehene Feststellung setzt logischerweise drei Schritte voraus. Grundlage jeder Entscheidung muß die Feststellung der Tatsachen sein. Der SR muß also i m Rahmen seiner Möglichkeiten versuchen, alle verfügbaren Fakten über eine Situation zu erhalten 1 0 9 , wobei — wie oben gezeigt 110 — die Anforderungen an diese Aufklärung bei der Bezeichnung einer Situation als Friedensbedrohung geringer sein können, als bei der Bezeichnung einer bestimmten Handlung, die los U N C I O Band 12 S. 502 ff. 106 Ebd. S. 505 (engl.) u n d S. 519 f. (franz.). 107 So etwa Kipp, Friedensbruch S. 585. i ° 8 Ob diese Ausführungen freilich die tatsächliche Auffassung des Autors Kelsen darstellen, ist fraglich; vgl. zu der Schwierigkeit, das Werk Kelsens m i t der Auffassung seines Autors gleichzusetzen, Mössner, ArchVR 1972 S. 274 f. M i t Recht weist Mössner darauf hin, daß die Aufgabe der I n t e r pretation rechtlicher Normen sich nicht auf die analysierende Tätigkeit des reinen Erkennens möglicher Bedeutungen beschränken kann (so aber Kelsen, Reine Rechtslehre S. 74 f.). Ziel jeder Auslegung muß vielmehr sein, die richtige Bedeutung dieser Normen festzustellen, da sich anderenfalls niemand nach ihnen zu richten vermag. ι 0 9 Goodrich / Simons, Maintenance S. 351. no Vgl. vorstehend unter A.

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.2. Kap.: Systematische Auslegung

als Anlaß für den Einsatz von Zwangsmaßnahmen dienen kann. A r t . 40 SVN gewährt dem SR hier weitgehende Untersuchungs- und A u f klärungsmöglichkeiten. I m Rahmen dieser Feststellung der Tatsachen ist dem SR unbestreitbar ein gewisses Ermessen eingeräumt 1 1 1 , d. h. er muß pflichtgemäß entscheiden, welche der oft gegensätzlichen Behauptungen und Beschuldigungen er für glaubhaft erachtet und auf welche Quelle er sich hinsichtlich des Sachverhalts zu stützen gedenkt. Als weitere Schritte muß der SR prüfen, ob die von i h m als gegeben angenommenen Fakten eine Friedensbedrohung, einen Friedensbruch oder eine Aggressionshandlung i. S. des A r t . 39 darstellen und — bejahendenfalls — ob er die i n Art. 39 SVN vorgesehene Feststellung 112 treffen w i l l . Bezüglich der letzten Entscheidung legt der Wortlaut des A r t . 39 SVN nahe, daß dem SR insoweit ein Ermessen nicht zugebilligt werden sollte, was auch — soweit ersichtlich — einhellige Meinung i n der Völkerrechtsliteratur ist 1 1 3 . Fraglich ist somit allein, ob dem SR auch bei der Feststellung, ob ein als gegeben angenommener Sachverhalt eine Friedensbedrohung etc. darstellt, ein Ermessen eingeräumt ist. Feststehen dürfte zunächst, daß auch die Vereinbarkeit m i t den Grundsätzen der V N nicht die einzige Schranke der Tätigkeit des SR nach den Art. 39 ff. SVN darstellt. Anderenfalls hätte sich die Satzung i n A r t . 39 SVN darauf beschränken können, dem SR das Recht zuzugestehen, die i n den folgenden A r t i k e l n aufgeführten Maßnahmen zur Sicherung des Weltfriedens zu ergreifen. Sie hat aber einzelne Tatbestände angegeben und damit Kriterien für die Auslegung durch das zuständige Organ geschaffen 114 . Zwar ist richtig, daß diese Begriffe i n der Satzung nicht näher definiert werden 1 1 6 . Die Anwendung nicht definierter Rechtsbegriffe auf einen konkreten Sachverhalt ist jedoch keine Ausübung eines „freien 111 So auch Goodrich / Simons, Maintenance S. 352; T. Komarnicki RGDIP 60 (1956) S. 544. 112 Ob der SR auch ohne formelle Feststellung Maßnahmen nach den A r t . 39 ff. ergreifen kann, ist fraglich; s. unten I I , 1. Kap., 2. Absch. unter Β 3. us Delbrück S. 26; daß die Praxis ganz anders aussieht, soll indes nicht verschwiegen werden; vgl. hierzu ausführlich R. Higgins A J I L 64 (1970) S. 1 ff. bes. S. 17 f.; ferner Aréchaga, Security Council S. 159 - 162. Die Feststellung unterliegt als Sachentscheidung dem sog. „Vetorecht"; s. Delbrück SR und GV S. 26; Stone, Legal Controls S. 195. I i 4 Winiarski S. 340; I G H , Advisory Opinion i m Falle „Admission of a State to the U N " I C J Reports 1947/48 S. 57 ff. (64). Auch A r t . 4 der »Definition of Aggression' erwähnt als Schranke des SR bei der Bezeichnung anderer als der i n A r t . 3 der Definition aufgezählten Verhaltensweisen als Aggression ausdrücklich die „provisions of the Charter". us Kipp, Friedensbruch S. 585; R.Higgins, Development S. 173.

2. Abschn.: „Friedensbedrohung" i m System der Satzung

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Ermessens", sondern Auslegung, bei der der Rechtsgedanke und nicht politische Erwägungen an der Spitze stehen muß 1 1 6 . Das dem SR als dem zuständigen Organ 1 1 7 eingeräumte Recht zur Auslegung 1 1 8 der i n A r t . 39 SVN verwendeten Begriffe ist somit keine Ermessensausübung, sondern i n vollem Umfang juristisch nachvollziehbare und unter den Voraussetzungen des A r t . 96 SVN auch durch den I G H überprüfbare Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs 119 oder — wie Wengler 1 2 0 es formuliert hat — eines „Begriffes m i t unscharfem Rand". Auch der bereits erwähnte Bericht Paul Boncour 1 2 1 spricht nicht etwa vom freien Ermessen des SR, sondern von der „entire decision", was i m Zusammenhang m i t der zuvor i n dem Bericht erwähnten Unmöglichkeit einer umfassenden Liste aller Angriffshandlungen sinngemäß nichts anderes als die Bekräftigung der Auslegungsbefugnis des SR, jedenfalls aber nicht die Zubilligung eines völlig freien Ermessens bedeuten dürfte. I m Gegensatz zu der i n San Francisco zunächst angestrebten Lösung 1 2 2 ist der SR nicht auf bestimmte fest umschriebene Sachverhalte festgelegt, sondern hat einen gewissen Beurteilungsspielraum, der auch Platz für Erwägungen politischer Zweckmäßigkeit 1 2 3 läßt. Der politische Charakter 1 2 4 des „quasi-judiziellen" 1 2 5 Organs SR ändert aber nichts an der Tatsache, daß es bei der Auslegung an den Sinngehalt der Vertragsbestimmungen gebunden ist, die Kriterien für sein Urteil enthalten 1 2 6 . Die Befugnis des SR zur Feststellung, ob ein von i h m als gegeben angenommener Sachverhalt eine Friedensbedrohung, einen Friedensbruch oder eine Aggressionshandlung darstellt, ist somit keine der rechtlichen Durchdringung weitgehend entzogene freie Ermessensaus116 Wehberg ArchVR 1950 S. 285 f. H7 Es ist heute w e i t h i n anerkannt, daß Organe internationaler Organisationen die Kompetenz zur Auslegung jener Normen besitzen, die sich auf ihren eigenen Wirkungsbereich beziehen; s. hierzu Köck ÖZÖR 22 (1971) S. 330 f. A n m . 13. ne Vgl. Wehberg ArchVR S. 285; Aréchaga , Derecho constitucional S. 126 f.; Preuss RdC 74 (1949 I) S. 620; Bindschedler ZaöRV 28 (1968) S. 10. ne So auch Meier S. 106 Anm. 30; Dahm I I S. 389. 120 S. 23 A n m . 31; s. auch Derpa S. 84, der i n Anlehnung an die bei Wolff I (§311 S. 180) zitierte Terminologie von Heck (AcP 112 S. 173) von einem auslegbaren Begriffskern u n d einem i n seinen Grenzen zerfließenden Begriffshof spricht. 121 s. oben Anm. 105. 122 s. den Bericht des Committee I I I / 3 a.a.O. (oben Anm. 105) S. 502 ff. (505). 123 Derpa S. 84. 124 Winiarski S. 340. 125 G. Meier S. 104 ff.; Derpa S. 84. 126 I C J Reports 1947/48 S. 64 (Admission of a State to the UN).

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I. 2. Kap.: Systematische Auslegung

Übung des SR, sondern Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, die zumindest i n ihrem Begriffskern aufgrund der Satzung bestimm- und auslegbar sind 1 2 7 . 3. Zwischenergebnis Weder die auf den Wortlaut des A r t . 39 SVN noch die auf die A n nahme eines völlig freien Ermessens des SR bei der Bezeichnung einer Handlung oder einer Situation als Friedensbedrohung gestützten Bedenken gegen eine Entsprechung von A r t . 2 Z. 4 SVN und A r t . 39 SVN sind somit begründet. Eine starke Vermutung spricht daher dafür, daß die i n A r t . 39 SVN enthaltenen Begriffe Friedensbedrohung, Friedensbruch und „act of aggression" eine Aufgliederung des Gewaltverbots darstellen und somit i n ihrer Reichweite der des A r t . 2 Z. 4 SVN entsprechen. C. Das Gewaltverbot des Art. 2 Z. 4 S V N

Trotz zahlreicher gegenläufiger Tendenzen i m Völkerrecht haben neuere Untersuchungen überzeugend nachgewiesen, daß das Gewaltverbot der Satzung der V N nicht alle Formen der Gewalt, sondern in erster Linie militärische, daneben auch physische nichtmilitärische Gewalt umfaßt 1 2 8 . Verboten 1 2 9 sind also vor allem die Invasion, d. h. der Einfall bewaffneter Streitkräfte i n das Gebiet eines anderen Staates und das Bombardement 1 3 0 , beide auch i n der Form der nichtkriegerischen militärischen Repressalie 131 . Daneben verbietet A r t . 2 Z. 4 SVN nach heute h. M . 1 3 2 auch die sog. indirekte militärische Gewalt. Hierzu zählt als Hauptfall die Unterstützung bewaffneter Banden, aber wohl auch die Entsendung sog. „Freiwilliger" in Spannungsgebiete 133 . Als Fälle indirekter Gewalt können weiterhin die Anstiftung oder Unterstützung 127

I m Ergebnis übereinstimmend Wengler, Gewaltverbot S. 23 A n m . 31; G.Meier S. 106 A n m . 30; Dahm I I S. 389; Derpa S. 84 (für den Begriff d. Aggression); w o h l auch Scheuner, Friedensbedrohung S. 572. 128 Derpa S. 26, 136 u n d die dort (S. 26 A n m . 71) genannten zahlreichen Autoren; ferner Kewenig, Gewaltverbot S. 193. Diese Auffassung hat n u n mehr eine starke Stütze durch die ,Definition of Aggression' erhalten, die i n A r t . 1 ausdrücklich von „armed force" spricht (vgl. A/RES/3314 [ X X I X ] ) . ι 2 9 Die folgende Aufgliederung der verbotenen Gewalt erfolgt weitgehend i n Anlehnung an die begriffsklärende Untersuchung von Derpa (S. 18 - 27), der auch die meisten Beispiele entnommen sind. 130 Vgl. i.e. Kruse, Bombardement S. 222 f.; Derpa S. 24 m. w. N. 131 Z u m Begriff s. Partsch, Repressalie S. 103 ff.; zum Verbot: Derpa S. 23 m. w. N. 132 Derpa S. 20 m. zahllosen N. 133 Dahm I I S. 357.

2. Abschn.: „Friedensbedrohung" i m System der Satzung

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bewaffneter Terrorakte, etwa die Ermordung führender Politiker eines fremden Landes, angesehen werden. Einen besonders aktuellen Fall der Unterstützung stellt die Nichtverhinderung bewaffneter Terrorakte dar, die vom eigenen Staatsgebiet ausgehen und auf fremdem Territorium ausgeführt werden. Hierzu gehören beispielsweise die bewaffneten Aktionen palästinensischer Freischärler auf israelischem Boden, die von Basen i n den umliegenden arabischen Staaten geführt und von den Regierungen dieser Länder mehr oder minder freiwillig unterstützt werden. Dagegen zählen die Gegenaktionen israelischer Verbände — wie etwa der Uberfall auf den Beiruter Flughafen i m Jahre 1968 oder die Entführung einer libanesischen Verkehrsmaschine i m August 1973 — zu den Fällen der verbotenen direkten Gewaltanwendung. Die Verpflichtung zur Unterbindung indirekter Gewaltakte w i r d aus der Gebietshoheit des souveränen Staates abgeleitet, die eine A r t Garantenstellung begründet 1 3 4 . Als Verstoß gegen das Gewaltverbot des Art. 2 Z. 4 SVN w i r d man dieses Unterlassen aber wohl nur dann werten können, wenn der betreffende Staat auch die faktische Möglichkeit der Verhinderung hat 1 3 5 . Verboten nach A r t . 2 Z. 4 SVN ist weiterhin auch die nichtmilitärische physische Gewalt 1 3 6 , soweit sie ähnliche Auswirkungen wie die militärische Gewaltanwendung hat. Hierhin gehören etwa die massenhafte Austreibung fremder Zivilpersonen unter gewaltsamer Aneignung ihres Vermögens 137 und gezielte, aber nichtmilitärische Einwirkungen i n die Gebietshoheit eines fremden Staates 138 . Derpa 1 3 9 rechnet hierzu außerdem die die Interessen eines Unterliegerstaates empfindlich beeinträchtigende 140 Abgrabung eines Flusses, das plötzliche Ablassen großer Wassermengen aus einer Talsperre, das zu verheerenden Überschwemmungen führt oder die Verbreitung von Feuer über die Grenze. Nicht durch das Gewaltverbot erfaßt werden dagegen alle Formen nichtmilitärischer, nichtphysischer Gewalt 1 4 1 , insbesondere also inter134 So Derpa S. 22 m. w. N. 135 Was etwa i m Libanon u n d früher i n Jordanien fraglich sein kann. Auch i m innerstaatlichen Strafrecht setzt die durch Unterlassen begründete V e r antwortlichkeit für das T u n eines anderen die Möglichkeit der Verhinderung voraus; vgl. zum Recht der Bundesrepublik Deutschland Schänke / Schröder Vorbem. 81-84. Z u derartigen Fällen des „ u l t r a posse" i m Völkerrecht s. auch Kewenig, Gewaltverbot S. 187. 136 Derpa m. w. N. (S. 25). 137 Wengler, Gewaltverbot S. 7. 138 Derpa S. 25. 139 S. 25. 140 Dieses von Derpa nicht erwähnte Erfordernis dürfte m i t Verdross VR S.293 zu fordern sein. 141 Z u m Begriff s. Derpa S. 25.

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I. 2. Kap. : Systematische Auslegung

ventionistischer 142 , wirtschaftlicher, politischer oder psychologischer Zwang oder Druck. Handlungen wie der Abbruch wirtschaftlicher oder diplomatischer Beziehungen oder die Verbreitung von Propagandaschriften und Rundfunksendungen ideologischen Inhalts mögen somit unter dem Gesichtspunkt eines modernen Interventionsverbotes 143 zwar eine Völkerrechtsverletzung darstellen 1 4 4 , fallen aber nicht unter das Gewaltverbot 1 4 5 . D. Die Bedeutung des engen Gewaltbegriffs für die Auslegung des Art. 39 S V N

T r i f f t die vorstehend begründete Vermutung zu, daß sich Gewaltverbot und Friedensbedrohung i n ihrer Reichweite entsprechen, so kann einem Staat nur dann der V o r w u r f einer Friedensbedrohung gemacht werden, wenn er gegen Art. 2 Z. 4 verstößt und zur Androhung oder Anwendung der vorstehend skizzierten Gewalt schreitet. Eine friedensbedrohende Situation läge dann nicht schon bei sonstigen Völkerrechtsverletzungen, der Androhung oder Anwendung w i r t schaftlichen Druckes oder politisch psychologischen Zwanges, sondern nur bei der Gefahr eines Krieges oder einer psychischen 146 Gewaltanwendung vor. Danach würde der Begriff der Friedensbedrohung von den zahlreichen möglichen Stadien eines Konflikts nur die umfassen, die dem Ausbruch eines Krieges unmittelbar vorauszugehen pflegen: die Androhung oder Anwendung physischer Gewalt. Es fragt sich, ob für diese Annahme i n der Systematik der Charta eine weitere Stütze gefunden werden kann. 2. Unterabschnitt: Stufenverhältnis 147 zwischen Kapitel V I und Kapitel V I I der SVN A. Die Eingriffsbefugnisse des SR nach dem V I . und dem V I I . Kapitel

Die dem SR nach den Kapiteln V I und V I I der SVN verliehenen Befugnisse dienen der Wahrung des Weltfriedens, für die der SR gem. 142 Z u m Begriff s. Gerlach S. 142, 158; Derpa S. 59 f. 143 Derpa S. 58, 136; Gerlach S. 213. 144 So Dahm I I S. 357; Gerlach S. 213; Derpa S. 66. 145 So auch Dahm I I S. 357; Derpa S. 136; Gerlach S. 111, 117 f. ι 4 6 Also militärische u n d nichtmilitärische physische Gewalt, i m folgenden i m Anschluß an Kewenig, Gewaltverbot S. 182 „physische Gewalt" genannt. 147 Gegen diese Bezeichnung Kelsen I L Q 2 (1948) S. 173/174 Anm. 1; Kelsen / Tucker S. 512 A n m . 92; die Annahme eines Stufenverhältnisses hat entgegen der Ansicht von Kelsen nicht zur Folge, daß der SR immer chronologisch vorgehen u n d zunächst stets m i t Kap. V I beginnen müsse.

2. Abschn.: „Friedensbedrohung" i m System der Satzung

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Art. 24 Abs. 1 SVN die Hauptverantwortung trägt. I h r Umfang ist unterschiedlich: während Kapitel V I dem SR lediglich das Recht einräumt, Empfehlungen an die Mitglieder zu richten 1 4 8 , sieht Kapitel V I I daneben auch die Anordnung bindender Maßnahmen zur Wahrung oder Wiederherstellung des Friedens vor.

B. Die Voraussetzungen des Eingreifens

Ob diesen unterschiedlichen Eingriffsbefugnissen des SR auch unterschiedliche Voraussetzungen i m Hinblick auf die Gefährlichkeit der Situation oder Streitigkeit entsprechen, ist wegen der Verwendung des Wortes „Friedensbedrohung" i n A r t . 39 zweifelhaft. I n der Praxis der V N ist dieses Problem vor allem i m Zusammenhang mit der spanischen Frage 1 4 9 i m SR erörtert worden. 1. Die Erörterung

der spanischen Frage

I m Jahre 1946 brachte Polen einen Resolutionsentwurf 150 i m SR ein, i n dem u. a. festgestellt („declares") wurde, die Existenz und die A k t i v i täten des Franco-Regimes hätten zu internationalen Spannungen geführt und gefährdeten („endangered") den internationalen Frieden. Der SR solle deshalb nach A r t . 39 und 41 der Charta alle Mitglieder zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Spanien auffordern. Dieser Vorschlag wurde nicht nur von der UdSSR 1 5 1 , sondern auch von Frankreich 1 5 2 und M e x i k o 1 5 3 unterstützt. Demgegenüber waren besonders die Vertreter Großbritanniens 1 5 4 und der Niederlande 1 5 5 der A n sicht, das Franco-Regime stelle keine Gefährdung des internationalen Friedens dar, da es nicht so „närrisch" sein werde, offensive Aktionen zu unternehmen 1 5 6 . Angesichts dieser unterschiedlichen Auffassungen beschloß der SR auf Vorschlag Australiens, ein Unterkomitee m i t der Prüfung der Frage zu 148 Z u den Befugnissen des SR nach dem V I . K a p i t e l s. ausführlich Stone, Legal Controls S. 186 - 192. Vgl. hierzu d. Uberblick i n Y U N 1946/47 S. 345 - 351 sowie i. e. SCOR I Meetings 34, 35, 37 - 39, 4 4 - 4 9 ; außerdem Preuss RdC 74 (1949 I) S. 634 - 636; Goodrich / Hambro / Simons S. 296. 150 Text i n Y U N 1946/47 S. 345. 151 Del. Gromyko (UdSSR) SCOR I 37 m./17. 4.1946 S. 223. 152 Del. Bonnet (Frankreich) SCOR I 34 m./17. 4.1946 S. 170 f. 153 Del. Näjera (Mexiko), loc. cit. (oben A n m . 152) S. 172. 154 Del. Cadogan (UK) SCOR I 35 m./18. 4.1946 S. 183 - 185. 155 Del. v a n Kleffens (Holland), loc. cit. (oben A n m . 152) S. 176. 156 Del. v a n K l e f f ens (oben A n m . 155).

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I. 2. Kap. : Systematische Auslegung

betrauen, ob die Situation i n Spanien den internationalen Frieden gefährde 157 . Der sowjetische Delegierte Gromyko enthielt sich hierbei der Stimme, da nach seiner Ansicht die Diskussion i m SR klar bestätigt habe, daß das „faschistische Regime i n Spanien eine ernste Bedrohung (,serious threat') für die Aufrechterhaltung des internationalen Friedens darstelle" 1 5 8 . Das Unterkomitee kam i n seinem Bericht zu der Auffassung, die Situation i n Spanien sei keine Bedrohung des Friedens i. S. von A r t . 39 SVN, ihre Fortdauer aber geeignet, die Aufrechterhaltung des internationalen Friedens zu gefährden 159 . Das Unterkomitee stellte ausdrücklich fest, daß dem SR somit kein Recht zu Zwangsmaßnahmen nach Art. 41 oder 42 SVN zustehe, er vielmehr auf die i m VI. Kapitel vorgesehenen Empfehlungen beschränkt sei 1 6 0 . Der Bericht begegnete i m SR starken Bedenken, vor allem des nicht i m Unterkomitee vertretenen Delegierten der Sowjetunion. Gromyko rügte die restriktive Interpretation des Begriffes „threat" und. erklärte, eine „wirkliche" Bedrohung liege nur vor, wenn bereits militärische Aktionen angelaufen seien 161 . I n ähnlicher Weise äußerte der Delegierte Polens, jede Bedrohung sei von Natur aus potentiell. Sie könne morgen, übermorgen oder i n 5 Jahren reifen („mature"). Wenn eine Bedrohung nicht mehr potentiell sei, liege eine wirkliche Aggression vor 1 6 2 . Die A r t der i n A r t . 41 SVN vorgesehenen Sanktionen zeige aber eindeutig, daß der Begriff der Friedensbedrohung i n A r t . 39 SVN nicht nur bereits begangene Aggressionshandlungen oder aber nur Bedrohungen meine, die sich erst i n einigen Wochen oder Monaten realisieren könnten, sondern jede Bedrohung — wie potentiell auch immer — erfasse 163 . Auch der Delegierte Frankreichs lehnte eine Unterscheidung zwischen einer „potentiellen" oder latenten und einer kurz vor der Realisierung stehenden Bedrohung ab. Das Wort Bedrohung bezeichne notwendigerweise eine bloße Möglichkeit und habe stets nur einen „caractère éventuel" 1 6 4 .

157 Vgl. Y U N 1946/47 S. 346 f. iss Y U N 1946/47 S. 347. 159 v g l . die Ausführungen des Berichterstatters Evatt (Australien) SCOR I 44 m./6. 6. 1946 S. 315; Y U N 1946/47 S. 347 f. 160 Y U N 1946/47 S. 347/48; das Komitee schlug aber u. a. vor, der SR solle der GV die Verabschiedung einer Resolution empfehlen, durch die die M i t glieder zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen aufgefordert werden sollten. lei Del. 162 Del. 163 Del. 164 Del. fernerhin

Gromyko (UdSSR) SCOR I 45 m./13. 6.1946 S. 337. Lange (Polen) SCOR I 47 m./18. 6.1946 S. 370. Lange (Polen) (oben A n m . 162) S. 371. Chatenent (Frankreich) SCOR I 44 m./6.6. 1946 S.322; ähnlich Del. Castillo Näjera (Mexiko) SCOR I 48 m./24. 6.1946 S. 387.

2. Abschn. : „Friedensbedrohung" i m System der Satzung

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2. Die terminologischen Unterschiede in der Fassung des VI. und des VII. Kapitels der Satzung Die Schwäche dieser Argumentation liegt zweifellos darin, daß sie den Wortlaut des A r t . 39 SVN über- und die Systematik der Satzung unterbewertet. Sie dürfte zudem nicht unwesentlich von einer vorgefaßten und sehr weiten Meinung über den Inhalt des Begriffes „Aggression" geprägt sein 165 , deren Vereinbarkeit m i t dem Aggressionsbegriff der Charta äußerst fraglich ist 1 6 6 . Natürlich ist es richtig, daß das Wort „Bedrohung" sowohl eng als auch weit verstanden werden kann, weshalb eine rein wörtliche Auslegung — wie oben ausgeführt 1 6 7 — auch zu keinem eindeutigen Ergebnis führt. A u f der anderen Seite kann man aber die terminologischen Unterschiede i n der Fassung des V I . und des V I I . Kapitels nicht einfach ignorieren und — wie der französische Delegierte Chatenent 1 6 8 — behaupten, die in A r t . 34 SVN geschilderte Situation sei ebenfalls eine „menace", ein Unterschied zwischen der Friedensbedrohung des Art. 39 SVN und den i m VI.Kapitel gemeinten Situationen und Streitigkeiten somit nicht existent 1 6 9 . Zwar verwendet der französische Text der Satzung i m Gegensatz zum englischen 170 i m VI. Kapitel tatsächlich das Verb „menacer", dessen substantivische Bildung „menace" i n Art. 39 SVN wiederkehrt. Nur spricht auch der französische Text — wie sinngemäß alle anderen authentischen Texte der U N Charta — i m VI. Kapitel nicht von „différend" oder „situation qui menace", sondern von „situation" bzw. „différend" „dont la prolongation est susceptible de menacer le maintien de la paix . . . " . Nicht von einer Situation, die den Frieden bedroht oder gefährdet, ist hier die Rede, sondern von einer Situation, deren Fortdauer geeignet ist, die Aufrechterhaltung des Friedens zu gefährden, eine Tatsache, die der französische Delegierte bei seiner Zitierung des Art. 34 SVN bezeichnenderweise zu erwähnen vergaß 171 . Diese umständliche und vorsichtige Formulierung, die i m Rahmen des kurzen VI. Kapitels nicht weniger als dreimal wiederkehrt 1 7 2 , kontrastiert auffallend zu der kurzen Wendung „Bedrohung des Friedens" in Art. 39 SVN. 165 v g l . Komarnicki RdC 75 (1949 I I ) S. 86. 166 Z u r Auslegung des Aggressionsbegriffs der Satzung s. besonders Derpa S. 82 - 93, dessen Ergebnis n u r beigepflichtet werden kann. 167 s. oben I, 1. Kap., 3. Abschn. 168 Del. Chatenent SCOR I 44 m./6. 6.1946 S. 322. 169 Chatenent (oben A n m . 164) hält die Unterscheidung allenfalls hinsichtlich der zu ergreifenden Maßnahmen für bedeutsam; vgl. hierzu auch Goodrich / Simons, Maintenance S. 355. 170 „endangers" (Kap. VI) — „threat" (Kap. V I I ) . 171 Chatenent (oben A n m . 168).

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I. 2. Kap. : Systematische Auslegung

3. Die Bedeutung der unterschiedlichen

Terminologie

Bei der Untersuchung, welche Bedeutung dieser unterschiedlichen Formulierung zukommt, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß der SR auch nach A r t . 39 SVN keinesfalls auf Zwangsmaßnahmen beschränkt ist, sondern ihm auch i m V I I . Kapitel das Recht zugestanden wird, Empfehlungen aller A r t zur Streitbeilegung abzugeben. Eine Auslegung, die eine Friedensbedrohung wenn nicht i n allen, so doch i n den meisten der i m VI. Kapitel angesprochenen Situationen annimmt, muß somit zwangsläufig dazu führen, Kapitel V I i n weiten Teilen für überflüssig zu erklären. Daß dies nicht als systematisch befriedigende Lösung angesehen werden kann, bedarf keiner näheren Erläuterung. U m zu einer sinnvollen Interpretation der unterschiedlichen Formulierung in Kapitel V I und Kapitel V I I zu gelangen, ist von der Überlegung auszugehen, daß nicht jede Streitigkeit zwischen Staaten den Weltfrieden gefährdet. Viele werden auf gütlichem Wege etwa durch Vergleich oder durch gemeinsame Anrufung des I G H entschieden. Manche anderen Streitigkeiten tragen den K e i m eines militärischen Konflikts, manche Situationen den Keim einer Streitigkeit i n sich. Sie stellen potentielle, latente 1 7 3 Gefahrenherde besonders dann dar, wenn sie über eine längere Zeit h i n andauern, ohne daß ihre Lösung gelingt. I n einem sehr weiten Sinne sind auch sie — wie jedes halbwegs bedeutende Problem 1 7 4 — eine Gefahr für den Weltfrieden. Dies sind die Situationen und Streitigkeiten des V I . Kapitels. Die Empfehlungen des SR sollen verhindern, daß sich eine Situation zur wirklichen, zur unmittelbaren Gefahr für den Frieden entwickelt. Daneben stehen die Konflikte, bei denen es nicht erst der Fortdauer bedarf, um aus ihnen eine Gefahr für den Weltfrieden zu machen. Die Gefährdung ist unmittelbar, ist offensichtlich und durch drohende Worte oder Handlungen einer oder beider Seiten gekennzeichnet. Der Frieden ist unmittelbar bedroht, unabhängig davon, ob und wann eine Partei zur Realisierung zu schreiten gedenkt. Kapitel V I und V I I bezeichnen somit zwei grundverschiedene Situationen: Kapitel V I die latente, potentielle, bloß mögliche Gefährdung, aus der eines Tages vielleicht eine Bedrohung des Friedens erwachsen kann 1 7 5 , Kapitel V I I die aktuelle, unmittelbare drohende Ge172 I n A r t . 33 Abs. 1, 34, 37 Abs. 2; hinzu kommen die Verweisungen i n A r t . 35 Abs. 1, 36 Abs. 1, 37 Abs. 1 SVN. 173 W. Komarnicki RdC 75 (1949 I I ) S. 85. i™ Bindschedler RdC 108 (1963 I) S. 387. i™ So auch Bustamente S.386; Deleg. L o u t f i (VAR) SCOR X V I 950 m./6. 6. 1961 S. 14; Wengler, Gewaltverbot S.32; Q. Wright A J I L 50 (1956) S. 526; Andrassy A J I L 50 (1956) S. 572.

3. Abschn. : Ergebnis

49

fahr 1 7 6 . Dem entspricht die A r t der Eingriffsmittel: i n Kapitel V I die vorsichtige Empfehlung, der Verweis auf die Streitschlichtung durch den I G H oder auf andere Verfahren, i n Kapitel V I I darüber hinaus die Aufforderung, vorläufige Maßnahmen zur schnellen Beseitigung der Gefahr zu ergreifen, deren Nichtbefolgung die Verhängung von Sanktionen nach sich ziehen kann, weiterhin die Anordnung friedlicher und — als letztes M i t t e l — militärischer Sanktionsmaßnahmen. Der unterschiedlichen Formulierung entspricht also eine sehr sinnvolle systematische Aufteilung. Je nach Größe der Gefahr verfügt der SR über unterschiedliche Eingriffsmittel zur Verhinderung der Eskalation bzw. zur Beseitigung eines Konflikts. Der Begriff der Bedrohung des Friedens i n A r t . 39 SVN erfaßt somit nicht die entfernten, potentiellen Gefährdungen des Friedens, sondern nur die unmittelbaren Gefahren 177 .

3. Abschnitt ERGEBNIS DER S Y S T E M A T I S C H E N A U S L E G U N G

Die systematische Auslegung bekräftigt die aufgrund der wörtlichen Auslegung bestehende Vermutung, daß die Satzung unter Frieden nur die Abwesenheit physischer Gewalt versteht. Bezüglich des Begriffes „Bedrohung" läßt die Systematik der Charta eine gegenüber der theoretisch möglichen Wortbedeutung eingeschränkte, enge Verwendung erkennen. Der enge negative Friedensbegriff der Satzung und die Beschränkung auf ernste Gefahren für den so verstandenen Frieden stützen die auf der Systematik der Charta fußende Vermutung, daß eine Friedensbedrohung nicht schon dann entsteht, wenn lediglich interventionistischer Druck — gleich welcher Intensität — ausgeübt oder die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Mitgliedern auf andere Weise getrübt werden. So bedenklich derartige Methoden oder sonstige Völkerrechtsverletzungen für den „positiven" Frieden sind und so unbedenklich derartige Methoden oder sonstige Völkerrechtsverletzungen 176 Q. Wright A J I L 50 (1956) S. 526; a. A . w o h l Schlochauer ZaöRV 19 (1953) S. 443. 177 I m Ergebnis übereinstimmend Bindschedler RdC 108 (1963 I) S. 394 f.; Q. Wright A J I L 50 (1956) S. 526; Fenwick A J I L 61 (1967) S.754; Dahm I I S. 389; derselbe I S. 222; Waldock RdC 81 (1952 I I ) S.4881; W. Komarnicki RdC 75 (1949 I I ) S.85f.; Goodrich / Hambro (1. Auflage) S. 244; Del. Evatt (Australien) SCOR I 46 m./17. 6.1946 S. 350; ähnlich auch Wengler, Gewaltverbot S. 31 f.; a. A. w o h l Kelsen I L Q 2 (1948) S. 173 f. A n m . 1. 4 Arntz

50

.2. Kap. : Systematische Auslegung

für den „positiven" Frieden sind und unbedenklich es erscheint, i n ihnen Ursachen einer möglichen Gefährdung des Friedens i. S. des VI. Kapitels zu sehen, so sehr liegt andererseits auf der Hand, daß durch derartige Handlungen allein der negative Frieden solange nicht i n Gefahr geraten kann, als die Mitglieder der grundlegenden Verpflichtung des A r t . 2 Z. 4 SVN nachkommen 178 . Eine starke Vermutung spricht somit dafür, daß eine Bedrohung des Friedens i m Sinne des A r t . 39 SVN erst dann entsteht, wenn eine Seite Anstalten macht, das „basic principle" 1 7 9 des physischen Gewaltverbots zu brechen.

178 So auch Seidl-Hohenveldern VR Rz 1294 (S. 294). H i e r f ü r spricht auch die Erwägung, daß Opfer derartigen Drucks meist kleinere, zudem w i r t schaftlich schwächere Länder sein werden, bei denen eine bewaffnete „Reaktion" ohnedies ausgeschlossen ist. Der größere Staat aber, der interventionistischen Druck ausübt, zeigt j a gerade durch die Tatsache, daß er dieses M i t t e l — und nicht die Androhung oder Anwendung von Gewalt — wählt, daß er — zumindest vorläufig — das Gewaltverbot respektieren w i l l . M a n w i r d deshalb auch nicht sagen können, daß interventionistischer Druck zwangsläufig oder auch n u r i n der Regel zur Anwendung physischer Gewalt führt. 179 Goodrich / Hambro / Simons S. 44.

Drittes

Kapitel

Teleologische A u s l e g u n g Da die Beschränkung des Begriffs Friedensbedrohung auf Verletzungen des Gewaltverbots aus der Systematik der SVN nicht logisch zwingend folgt, ist festzustellen, ob die Verwendung eines engen Begriffs der Friedensbedrohung sinnvoll ist, d. h. ob sie der Erzielung der angestrebten Vertragszwecke gerecht w i r d (funktionelle oder teleologische Auslegung) 1 .

1. Abschnitt ARGUMENTE FÜR EINEN W E I T E N BEGRIFF DER FRIEDENSBEDROHUNG

Ein weiter Begriff der Friedensbedrohung würde die Befugnisse des SR nicht unerheblich erweitern. Die i n den Art. 40 - 42 SVN aufgeführten Maßnahmen könnten dann nicht nur gegen Verletzungen des physischen Gewaltverbots, sondern i n allen Situationen und Streitigkeiten angeordnet werden, die den Keim zu einer späteren Bedrohung des Friedens i n sich tragen. Hierzu rechnen nahezu alle Völkerrechtsverletzungen, vor allem aber die vielfältigen Formen des sog. interventionistischen Druckes 2 , durch die ein Staat m i t wirtschaftlichen, politischen oder psychologischen Mitteln die Entscheidungsfreiheit 3 eines anderen Staates zu beeinflussen sucht. Sie stellen unzweifelhaft eine sehr ernstzunehmende Ursache späterer Konflikte dar und können i m Einzelfall — man denke an Entwicklungsländer — größeren Schaden anrichten als die „bloße Drohung" mit Gewalt 4 .

1

s. oben Einleitung A n m . 15. Vgl. zum Begriff der Intervention Derpa S. 54 ff., bes. S. 58 u n d S. 61 - 66 sowie grundsätzlich Gerlach , Die Intervention. 3 Gerlach S. 138, 144. 4 Kewenig , Gewaltverbot S. 192. 2

4*

52

I . . Kap. :

e i s c h e

Auslegung

2. Abschnitt A R G U M E N T E GEGEN E I N E N W E I T E N B E G R I F F

Zweifel an der Praktikabilität eines solchen weiten Begriffs werden zunächst durch die einer Nichtdefinierbarkeit gleichkommende offensichtliche Verschwommenheit von Ausdrücken wie wirtschaftlicher, politischer oder psychologischer Druck geweckt, ganz zu schweigen vom umstrittenen und allenfalls durch wertende Kriterien bestimmbaren Begriff der Intervention. Eine klare Abgrenzung von erlaubter Einflußnahme und verbotenem wirtschaftlichen oder politischen Druck ist nahezu unmöglich 5 . Demgegenüber verleiht die Beschränkung des Umfangs auf Verletzungen des Gewaltverbots dem Begriff nicht nur klare Konturen 6 , sondern stellt auch eine eindeutige Richtlinie sowohl für die Anwendung durch den SR als auch für das Verhalten der M i t glieder dar 7 . Diese Voraussehbarkeit der Konsequenzen des eigenen Verhaltens ist i m Zweifel als von allen Vertragspartnern gewollt anzusehen. Es kann nicht ernstlich angenommen werden, die Parteien eines m u l t i lateralen Vertrages wie der SVN hätten von vornherein der Anwendung eventuell auch gegen sie gerichteter Zwangsmaßnahmen zugestimmt, deren Voraussetzungen weder bestimmt noch auch nur halbwegs eindeutig bestimmbar sind 8 . Nun mag freilich die Anwendung verschwommener Begriffe für denjenigen ein leicht zu verschmerzender Nachteil sein, der es als „ratio" des Art. 39 SVN ansieht, dem SR die Bereinigung grundsätzlich jedes Spannungsfalles zu ermöglichen 9 . Daß gegen diese Ansicht indes nicht nur systematische Bedenken sprechen, w i r d deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die vorzeitige Verhängung der i n Art. 41 SVN vorgesehenen Zwangsmaßnahmen die Gefahr eines Krieges oft noch steigern w i r d 1 0 und daß Zwangsmaßnahmen generell nur die ultima ratio eines zur Friedenssicherung bestimmten Systems sein können. Die Möglichkeit, daß ein Staat, der durch kollektive Maßnahmen der V N von allen Ressourcen abgeschnitten wird, zu einer Verzweiflungstat schreitet, ist nicht von der Hand zu weisen. Z u einer Entspannung der 5 Vgl. hierzu ausführlich Derpa S. 51 - 53 u n d S. 121; Kewenig, Gewaltverbot S. 192; Oppermann ArchVR 1970 S. 331 -337, 340. β So Klinghoffer ÖZÖR 2 (1950) S.55; s. auch Kelsen U N S. 737. 7 s. Derpa S. 121. 8 Vgl. auch Menzel V R S.265: „ I m Zweifelsfall g i l t die Verpflichtung als gewollt, die eine geringere Belastung darstellt (in dubio pro mitius)." 9 Wittig S. 69. 10 Ä h n l i c h auch Bowett A J I L 66 (1972) S. 32: " B u t the judgement is that reprisals have proved to be productive of greater violence rather than a deterrent to violence. , ,

2. Abschn. : Enger Begriff der Friedensbedrohung?

53

Situation und zur Erleichterung einer gütlichen Regelung dürfte ein solches Vorgehen j edenfall nur selten führen, zumal die Bereitschaft, militärische Zwangsmaßnahmen der i n A r t . 42 SVN vorgesehenen A r t zu verhängen, auch weiterhin mehr als gering sein dürfte. Die Gefahr, daß durch eine frühzeitige Anwendung der Art. 39 ff. SVN Konflikte eher verschärft als bereinigt werden, ist auch dann nicht gering zu achten, wenn man als potentielle „Opfer" der bindenden Anordnungen des SR nur jene wenigen Staaten vermuten darf, die nicht zur Schutzsphäre einer der Vetomächte gehören. Seitdem die GV für sich das Recht i n Anspruch nimmt, über das Vorliegen einer Friedensbedrohung oder eines Friedensbruches zu befinden und aufgrund einer solchen Feststellung Sanktionen zu empfehlen 11 , kommt aber ohnedies wieder jeder Staat als potentieller Adressat i n Betracht. Die Gefahr, einen Krieg durch Zwangsmaßnahmen etwa nach Art. 41 SVN auszulösen, kann die OVN allenfalls dann auf sich nehmen, wenn die Anwendung physischer Gewalt ohnehin als nahe bevorstehend anzusehen ist. Gegen eine zu frühzeitige Anwendung von Zwangsmaßnahmen spricht auch der i m Völkerrecht wie i m innerstaatlichen Recht gleichermaßen anerkannte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 1 2 . Sanktionen sind die schärfste Waffe der VN. Der Proportionalitätsgrundsatz erfordert daher, sie nur als letztes M i t t e l 1 3 gegen ernstliche Gefährdungen des Friedens einzusetzen 14 . Hiermit wäre es nicht vereinbar, wenn der SR diese Eingriffsrechte praktisch i n jeder Situation ausüben könnte. Nimmt man dagegen an, dieser Grundsatz beschränke bei einem an sich weiten Begriff der Friedensbedrohung die Anwendung von Zwangsmaßnahmen auf das Vorgehen gegen ernstliche, unmittelbare Gefahren, so ist die weite Auslegung ohne Sinn, da sie dem SR dann keine über das V I . Kapitel hinausgehenden Befugnisse verleiht. Der SR könnte dann auf die potentiellen Gefährdungen trotz Vorliegens einer Friedensbedrohung nur m i t Empfehlungen — also mit dem ohnehin i m VI. Kapitel als Reaktion vorgesehenen Mittel — reagieren 15 . n Vgl. zur Praxis der G V I I , 2. Kap. Hierzu i.e. Klimmeck S. 24 f. m. zahlreichen N. !3 Klimmeck S. 25, 174 („ultima ratio" — i m Hinblick auf einzelstaatliche Sanktionsmaßnahmen). 14 So auch Q. Wright A J I L 50 (1956) S. 527. is Z u einer anderen Einschätzung gelangt m a n nicht einmal dann, wenn man den Hauptunterschied zwischen den Empfehlungen des V I . u n d des V I I . Kapitels i n der Drohfunktion der Feststellung sieht (vgl. Goodrich ! Hambro / Simons S. 291). Denn die Drohfunktion erstreckt sich ja gerade auf die bei Nichtbefolgung mögliche Anwendung von Zwangsmaßnahmen, die nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht angewendet werden dürfen. 12

54

. . Kap.:

e i s c h e

Auslegung

Ein weiteres Argument gegen einen weiten Begriff der Friedensbedrohung dürfte die fehlende Bereitschaft der meisten Mitglieder sein, sich mit der Klassifizierung einer Situation oder einer Handlung als Friedensbedrohung oder Friedensbruch auf den Weg der Zwangsmaßnahmen zu begeben 16 . Die Befürchtung ist nicht von der Hand zu weisen, daß eine derartige Bezeichnung bei vielen Mitgliedern die Angst wachrufen könnte, bereits mit Empfehlungen zur Streitschlichtung auf die spätere Anwendung von Zwangsmaßnahmen festgelegt zu werden und sie veranlaßt, bereits diesen Empfehlungen ihre Zustimmung zu versagen. Das Ergebnis wäre dann genau das Gegenteil dessen, was die Anwendung eines weiten Begriffs zunächst erwarten läßt: statt wirksamerer Eingriffsrechte i n einem früheren Stadium eine noch stärkere Zurückhaltung nun auch bei der Ausübung der Empfehlungsbefugnisse. Ein zu frühes Eingreifen des SR m i t zu massiven Mitteln wäre i m übrigen auch kaum geeignet, die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zu fördern, die Art. 1 Z. 2 SVN unter den Zielen der V N an zweiter Stelle nach der Wahrung des Weltfriedens nennt. Die Verwendung eines weiten und — wie gezeigt — unscharfen Begriffs, der praktisch auf alle Situationen angewendet werden kann, stellt zudem eine nicht zu unterschätzende Versuchung dar, sich der Zwangsmittel der V N als eines Kampfmittels zur Durchsetzung eigener politischer Zielsetzungen zu bedienen.

3. Abschnitt ERGEBNIS DER T E L E O L O G I S C H E N A U S L E G U N G

Lediglich die Verwendung eines engen, klar umrissenen Begriffs der Friedensbedrohung entspricht somit den Zielen der V N und den Interessen der Organisation und aller Mitglieder 1 7 . Damit bestätigt die teleologische Auslegung den engen Begriff der Friedensbedrohung.

16 Vgl. hierzu Goodrich / Hambro / Simons S. 294; engl. Del. Cadogan w ä h rend des Palästinakonflikts SCOR I I I 286 m./19. 5.1948 S. 4. 17 Z u den Vorteilen eines k l a r umgrenzbaren Begriffs s. Derpa S. 121.

Viertes

Kapitel

Historische A u s l e g u n g Nur hilfsweise 1 soll geprüft werden, ob eine historische Auslegung Anhaltspunkte gegen den gefundenen engen Begriff der Friedensbedrohung ergibt. 1. Abschnitt FRIEDEN A. Die Materialien von San Francisco

Für einen weiten Begriff des Friedensbruches und damit auch des Friedens scheint der folgende Absatz in dem Bericht 2 des 1. Unterkomitees an Komitee 1/1 vom 1. 6. 1945 zu sprechen: "(c) A suggestion was made to consider 'other breaches of the peace' coming after 'aggression' as superfluous. But the subcommittee held that there may be breaches of the peace other than those qualified by present connotation as aggression and the subcommittee decided to keep 'other breaches of the peace' as an all-inclusive term which implies the use of any means of coercion or undue external influence, which through exertion or threat to security of a state, amounts to a breach of the peace 3 ." Die Wendung „all-inclusive" i n Verbindung mit der Erwähnung „aller Zwangsmittel oder unerlaubter äußerer Einflußnahme" legt in der Tat die Annahme nahe, daß hier ein weiter Begriff des Friedens zugrundegelegt w i r d 4 . Die Aussagekraft des Zitats ist aber schon deshalb nicht überzubewerten, weil letztlich zur Erklärung des Begriffs „breach of the peace" wieder der Begriff „breach of the peace" verwendet wird. Zudem läßt der Zusammenhang auch eine andere Deutung zu. Die vorstehend ebenfalls zitierte Auffassung des Unter1 Verdross VR S. 174, 535; A r t . 32 Convention on the L a w of Treaties. 2 U N C I O Band 6 S. 696 ff.; Berichterstatter w a r der syrische Delegierte Zeineddine. 3 U N C I O Band 6 S. 703. 4 Vgl. etwa Zourek RdC 92 (1957 I I ) S. 815.

56

. . Kap.:

s t i s c h e Auslegung

komitees, die zusätzliche Erwähnung von „breaches of the peace" sei deshalb nicht überflüssig, weil es andere Friedensbrüche geben möge als die, die gegenwärtig als „aggression" bezeichnet würden, weist auf den Zusammenhang mit den erfolglos gebliebenen Bestrebungen auf der Konferenz von San Francisco hin, eine erschöpfende Aufzählung der dem Begriff „aggression" unterfallenden Handlungen i n die Satzung aufzunehmen 5 . Der weite Anwendungsbereich (all-inclusive) kann somit auch betont worden sein, um das Verbot möglicher physischer Gewaltanwendung lückenlos zu machen 6 , m. a. W. u m der Erfindung neuer Aggressionsarten einen Riegel vorzuschieben. Berücksichtigt man weiterhin, daß andere Abschnitte des endgültigen Berichts von Komitee 1/1 den Begriff „ w a r " offensichtlich als Synonym für „breach of the peace" verwenden 7 und daß i n dieser endgültigen Fassung des Berichts der vorstehend zitierte Satz hinter „aggression" endet 8 , so w i r d man in der Wendung „all-inclusive" wohl eher eine verunglückte Formulierung des Berichterstatters Zeineddine aus Syrien als einen Beweis für einen weiten Friedensbegriff der SVN sehen können. Daß die Verfasser der SVN Frieden als Antithese des Krieges und somit eng verstanden haben, hat auch i n anderen Kommissionsberichten seinen Niederschlag gefunden. So verwendet der bereits erwähnte Bericht Paul-Boncour von Komitee III/3 mehrfach „menace de guerre" 9 bzw. „threat of w a r " 1 0 als Synonym für „threat to the peace". Β. Die Zeit vor 1945

Nimmt man hinzu, daß auch i n Vertragswerken, die unmittelbar vor Schaffung der SVN entstanden sind, das Wort „peace" als Gegenteil militärischer Gewaltanwendung verstanden wurde 1 1 und daß die Verfasser der Satzung das Problem des „kalten Krieges" m i t „Feinheiten" wie ideologischem und wirtschaftlichem Druck etc. angesichts des noch 5 Vgl. die Beratungen i m Komitee I I I / 3 9. Sitzung/18. 5.1945 U N C I O Bd. 12 S. 341 f.; 10. Sitzung/21. 5.1945 ebd. S. 3481; ferner den Bericht Paul Boncour des gleichen Komitees ebd. S. 505 (engl.) bzw. S. 519/20 (franz.); Überblick bei Rüssel / Muther S. 670 - 672. 6 Derpa S. 75. 7 U N C I O Bd. 6 S. 453. 8 U N C I O Bd. 6 S. 454; dies übersieht Zourek RdC 92 (1957 I I ) S. 815. 9 U N C I O Bd. 12 S. 522 f. 10 U N C I O Bd. 12 S. 507. 11 Vgl. P. 8 der Atlantic Charta von 1941: „Since no future peace can be maintained if land, sea or air armaments continue to be employed . . . " ( A J I L 35 [1941]), Supplement S. 192, deutsche Übersetzung u. a. bei Kaufmann / Kor dt S. 134 - 136; Zieger S. 93 - 95.

2. Abschn.: Bedrohung des Friedens

57

tobenden 2. Weltkrieges kaum bewegt haben dürfte 1 2 , so spricht auch die historische Betrachtung dafür, daß Frieden i n der Satzung der V N eng, m i t h i n als Abwesenheit militärischer Gewalt zu verstehen ist.

2. Abschnitt B E D R O H U N G DES FRIEDENS A. Die Materialien von San Francisco

I m Bericht Paul Boncour 1 3 findet sich eine von dem belgischen Delegierten Rolin stammende und vom Komitee III/3 einstimmig angenommene Feststellung, die mit dem gefundenen Verhältnis von Kapitel V I und Kapitel V I I nicht übereinzustimmen scheint. M i t der Verwendung des Wortes „Empfehlung" i n der Sektion Β ( = Kapitel V I I , Art. 39), so heißt es dort 1 4 , habe das Komitee zeigen wollen, daß die Aktionen des SR, soweit sie sich auf die friedliche Regelung der Streitigkeit oder Situation bezögen, die „ayant donné naissance à la menace de guerre, devrait ètre considérée comme réglée par les dispositions de la Section A " 1 5 ( = Kapitel V I SVN). Der SR führe dann i n Wirklichkeit zwei verschiedene Aktionen gleichzeitig durch: eine, deren Gegenstand die Beilegung der Streitigkeit oder „Schwierigkeit", eine andere, deren Gegenstand provisorische und Zwangsmaßnahmen seien, „chacune d'elles règie par une section propre du chapitre V I I I " 1 6 . A u f den ersten Blick scheint es, als wolle der Bericht hiermit sagen, der SR könne in den Fällen der Friedensbedrohung wahlweise nach Kapitel V I oder Kapitel V I I tätig werden, was für den aufgrund der systematischen und teleologischen Auslegung als nicht zutreffend abgelehnten „weiten" Begriff der Bedrohung sprechen würde. Andererseits unterscheidet der Bericht an der zitierten Stelle zwischen der Friedensbedrohung — hier bezeichnenderweise Kriegsdrohung genannt — und den Situationen und Streitigkeiten, die zu ihrer Entstehung geführt haben, eine Unterscheidung, die für den gefundenen engen Begriff spricht. 12

Dahm, Verbot der Gewaltanwendung S. 49; Derpa S. 76. is U N C I O Bd. 12 S. 502 ff. (engl.) u n d S. 515 ff. (franz.). 14 U N C I O Bd. 12 S. 507 (engl.); S. 522 (franz.). ι 5 Hier ist der französische Text zugrundezulegen, da der engl. Text eine Ubersetzung des französischen darstellt u n d — w i e schon i n San Francisco beklagt — teilweise unkorrekt ist; vgl. die Ausführungen des Chairman von Komitee I I I / 3 19. Sitzung/8. 6. 1945 U N C I O Bd. 12 S. 488. 16 K a p i t e l V I I I der Dumbarton Oaks Proposals wurde zu Kap. V I (früher Teil A) u n d Kap. V I I (früher Teil B) der Satzung.

58

I. . Kap. :

s t i s c h e Auslegung

Der scheinbare Widerspruch löst sich teilweise, wenn man berücksichtigt, daß der Bericht an der zitierten Stelle offensichtlich von der Existenz einer Friedensbedrohung ausgeht, sich also nicht mit ihren Voraussetzungen, sondern nur mit ihren Folgen — und hier besonders mit dem Empfehlungsrecht des SR — beschäftigt. Welche Bedeutung hat aber die merkwürdige Formulierung, die Empfehlungen des SR würden durch die Sektion A ( = Kap. VI) regiert? Sinn dieser Worte dürfte zunächst die Klarstellung sein, daß Empfehlungen nach Kapitel V I I nichts anderes sind als Empfehlungen nach Kapitel V I 1 7 , nämlich nichtbindende 18 Vorschläge zur Streitbeilegung die, wie sich aus dem Nachsatz des Art. 2 Z. 7 SVN ergibt, die Schranke der „domestic jurisdiction" respektieren müssen 19 . Daneben liegt es nahe, diesem Teil des Berichts noch eine weitere klarstellende Funktion beizumessen. Da mit den i m Zitat erwähnten Streitigkeiten i m Zusammenhang des Textes nur jene gemeint sein können, die zur Entstehung der Friedensbedrohung geführt haben, scheint es nicht abwegig, hier den Willen des Komitees zu sehen, Empfehlungen auf die zugrundeliegende Streitigkeit zu beschränken und zur Bekämpfung der akuten Gefahr, d. h. der Friedensbedrohung nur die provisorischen und Zwangsmaßnahmen zuzulassen 20 . Dies würde der in San Francisco erkennbaren Tendenz zur Einschränkung des Empfehlungsrechts des SR in Situationen nach Art. 39 SVN entsprechen, die sich besonders deutlich in der Änderung der vorgeschlagenen Fassung des Prinzips der „domestic jurisdiction" (Art. 2 Ζ. 7 SVN) niedergeschlagen hat 2 1 . Da sich somit Reichweite und A r t der Empfehlungen i n Kap. V I und i n A r t . 39 (Kap. VII) entsprechen, läßt sich die Formulierung des Berichts, Kapitel V I „regiere" die Empfehlungen des Art. 39 SVN, einleuchtend mit dieser Gleichartigkeit der Folgen erklären, ohne daß hieraus auf eine Gleichartigkeit der Voraussetzungen geschlossen werden könnte. I m Gegenteil: die klare Unterscheidung des Berichts zwischen Streitigkeiten einerseits und hierdurch hervorgerufenen Friedensbe17 So der belgische Delegierte Rodin auf der 14. Sitzung v. Komitee I I I / 3 am 26. 5.1945 (UNCIO Bd. 12 S. 381). Goodrich / Hambro / Simons S. 292, 300; Rüssel / Muther S. 670. 19 s. auch Preuss RdC 74 (1949 I) S. 589 - 591, bes. S. 590 A n m . 1. 20 Preuss RdC 74 (1949 I) S. 591 und Kopelmanas S. 229 sehen hierin den Beweis, daß die Verfasser der Satzung es f ü r möglich gehalten hätten, Konflikte „anzuhalten", ohne ihre Lösung zu gewährleisten. Denn der SR sei aller wirksamen M i t t e l zur Beseitigung der zugrundeliegenden Ursachen beraubt. 21 Vgl. auch Preuss RdC 74 (1949 I) S. 588 - 591 sowie unten I, 6. Kap., 2. Abschn.

2. Abschn. : Bedrohung des Friedens

59

drohungen andererseits spricht i m Sinne der systematischen und teleologischen Auslegung dafür, daß nicht jede entfernte Gefahr nach dem Sprachgebrauch der SVN bereits eine Bedrohung ist. Dies w i r d durch allgemein akzeptierte Äußerungen während der Beratungen bestätigt 22 . B. Völkerbund

Auch unter der Geltung des Völkerbundes wurde der Begriff „menace" eng verstanden 23 . I n A r t . 10 der Völkerbundssatzung 24 , der zwischen „menace d'agression" und „danger d'agression" unterschied, wurde die Bedrohung („menace") als die ernstere Gefahr etwa i m Sinne sehr fortgeschrittener militärischer Vorbereitungshandlungen oder der Mobilmachung begriffen 25 . Als „danger d'agression" sah man dagegen die unfreundliche Haltung eines Staates, Kriegspropaganda oder militärische Vorbereitungshandlungen i m weiteren Sinne an 2 6 . Die i n A r t . 11 der Satzung des Völkerbundes vorgenommene Unterscheidung zwischen drohendem Krieg („menace de guerre") in Abs. 1 und einem „Umstand, der von Einfluß auf die internationalen Beziehungen sein kann und daher den Frieden . . . zu stören droht" i n Abs. 2 wurde ebenfalls so interpretiert, daß Abs. 1 die „unmittelbare" Gefahr für den Frieden der Welt meine, während Abs. 2 andere Gefährdungen i m Auge habe 27 . 22 Vgl. etwa die Ausführungen des chinesischen Delegierten i n der 14. Sitzung von Komitee I I I / 3 am 26.5.1945 (UNCIO Bd. 12 S. 380 Ziff. 2): „ I n Section Β the question was not one merely of a dispute but of a threat to the peace which had gone beyond the stage of a dispute"; weiterhin die Ausführungen des amerikanischen Delegierten i n Komitee I I I / 2 , 5. Sitzung, 15.5.1945 (UNCIO Bd. 12 S. 32); s. auch Rüssel / Muther S. 670: „deteriorated beyond the point encompassed i n Section A." 2 3 W. Komarnicki RdC 75 (1949 I I ) S. 21; auf S. 85 sind dort die Begriffe vertauscht. 24 Text bei Schätzel S. 10; die Abgrenzung hat bei weitem nicht die Bedeutung, die der Abgrenzung zwischen Situationen des V I . u n d V I I . Kapitels angesichts der massiven Eingriffsbefugnisse des SR zukommt; vgl. zu A r t . 10 VBS i.e. Guggenheim S. 134 f.; Komarnicki RdC 75 (1949 I I ) S. 2 0 - 2 2 ; Wehberg / Schucking S. 449 f. 25 Vgl. W. Komarnicki RdC 75 (1949 I I ) S. 85 (die Begriffe „menace d'agression" u n d „danger d'agression" sind vertauscht, s. Anm. 23); A r t . 8 des Genfer Protokolls von 1924 bei Ray S. 367; es ist i n diesem Zusammenhang nicht uninteressant, daß A r t . 7/1 dieses Protokolls als Synonym für den Ausdruck „menace d'agression", den es i n A r t . 8 m i t „préparatifs de guerre" u m schreibt, den Ausdruck „situation q u i menace la paix du monde" verwendet; auch hierzu Ray ebd. 2 6 Komarnicki RdC 75 (1949 I I ) S. 21. 2 ? Wehberg / Schücking S. 468; n u r i n den Fällen des Abs. 1 w a r der Rat gem. Art. 11 Abs. 1 Satz 2 unverzüglich einzuberufen.

60

. . Kap.:

s t i s c h e Auslegung

Die Schöpfer der SVN haben sich zwar bewußt von dem Sprachgebrauch der Völkerbundssatzung entfernt, wo es um die Verwendung des Wortes Krieg ging 2 8 . Es lag aber kein Grund vor, auch i n anderer Hinsicht von der Terminologie der Satzung der Vorgängerin abzuweichen und etwa den Begriff der „Bedrohung" nunmehr als Synonym für alle Gefährdungen zu benutzen.

3. Abschnitt DER S A N K T I O N S C H A R A K T E R DER M A S S N A H M E N N A C H ART. 41 ff. S V N

Den Materialien der Konferenz von San Francisco kann auch entnommen werden, daß die Mitglieder der 3. Kommission auch die nichtmilitärischen Zwangsmaßnahmen nach Kapitel V I I I , Abschnitt Β 3 der Dumbarton Oaks Proposals ( = A r t . 41 SVN) übereinstimmend als Reaktion auf einen völkerrechtswidrigen Angriff oder auf ein entsprechendes Verhalten eines Staates auffaßten 29 .

4. Abschnitt ERGEBNIS DER H I S T O R I S C H E N A U S L E G U N G

Die historische Auslegung unterstützt somit den gefundenen engen Begriff der Friedensbedrohung.

28 Klinghoffer ÖZÖR 2 (1950) S. 54. 29 Vgl. etwa U N C I O Bd. 12 S. 450; wie hier auch Delbrück A n m . 50.

SR u. GV S. 52

Fünftes Kapitel B e d r o h u n g des n a t i o n a l e n oder des i n t e r n a t i o n a l e n Friedens Während die einschlägigen Bestimmungen 1 des V I . Kapitels stets ausdrücklich von der Aufrechterhaltung des internationalen Friedens 2 sprechen, soll der SR nach A r t . 39 SVN lediglich eine Bedrohung oder einen Bruch des Friedens feststellen. Es fragt sich, ob hieraus auf einen unterschiedlichen Anwendungsbereich geschlossen werden und der SR nach A r t . 39 bereits bei einer Bedrohung des innerstaatlichen Friedens eingreifen kann 3 . Diese Frage ist für die Reichweite der Befugnisse des SR keineswegs unerheblich. Wenn A r t . 39 SVN den nationalen Frieden meint, so sind die Befugnisse des SR fühlbar weiter, als wenn ein Eingreifen nur bei einer Bedrohung des internationalen Friedens möglich ist. Bedenken gegen eine derartige Auslegung weckt bereits A r t . 2 Ζ. 1 der Satzung, i n dem das Prinzip der Souveränität der Mitgliedstaaten seinen Ausdruck gefunden hat. M i t dieser Souveränität scheint es nur schwerlich vereinbar, wenn der SR bereits bei der unmittelbaren Gefahr, daß in einem Staat militärische Gewalt angewendet wird, eingreifen und evtl. sogar Zwangsmaßnahmen verhängen kann. Nun sieht es freilich auf den ersten Blick so aus, als ob gerade A r t . 2 Z. 7 SVN, der das Souveränitätsprinzip i m Hinblick auf die Eingriffsrechte der OVN konkretisiert, i n seinem letzten Halbsatz 4 eine Einschränkung ι A r t . 33 Abs. 1; A r t . 34; A r t . 37 Abs. 2. Die Ubersetzung der Ausdrücke „maintenance of international peace and security" bzw. „le maintien de la paix et de la sécurité internationales" i n A r t . 33 ff. m i t „ W a h r u n g des Weltfriedens u n d der internationalen Sicherheit" (so aber Schätzel S. 28 u n d nunmehr auch die amtliche deutsche Übersetzung [vgl. Einleitung A n m . 1]) erscheint fragwürdig. Zutreffend GreweTruckenbrodt S. 59: „Aufrechterhaltung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit." 3 Dieses Problem ist nicht zu verwechseln m i t der Frage, ob Verhältnisse i n einem Staatswesen eine Bedrohung des internationalen Friedens darstellen können; vgl. hierzu I, 6. Kap., 2. Abschn. 4 Art. 2 Z. 7 der Charta lautet i n deutscher Übersetzung (Schätzel S. 21): „ A u s dieser Charta k a n n eine Befugnis der Vereinten Nationen zum E i n greifen i n Angelegenheiten, die ihrem Wesen nach zur inneren Zuständigkeit gehören, oder eine Verpflichtung der Mitglieder, solche Angelegenheiten einer Regelung aufgrund dieser Charta zu unterwerfen, nicht abgeleitet werden; die Anwendung von Zwangsmaßnahmen gemäß K a p i t e l V I I w i r d durch diesen Grundsatz nicht berührt." 2

62

I. 5. Kap. : Bedrohung des internationalen Friedens

dieses Prinzips zugunsten einer derart weiten Befugnis des SR enthält. Liest man diesen Satzteil aber genauer, so stellt sich heraus, daß sich die Ausnahme — zumindest ihrem Wortlaut nach — lediglich auf die Anwendung („application") von Zwangsmaßnahmen, nicht aber auf die Voraussetzungen ihrer Anordnungen erstreckt 5 . Eine andere Begründung hat während der ersten Tage des Palästinakonflikts 6 der amerikanische Delegierte Austin aus der Verwendung des Wortes ,.any" i n A r t . 39 SVN herzuleiten versucht 7 . Der SR solle nach A r t . 39 SVN bei jeder Bedrohung des Friedens tätig werden. „ A n y " sei an die Stelle von „international" getreten und schließe auch alle anderen Arten von Friedensbedrohungen, Friedensbrüchen und Aggressionshandlungen mit ein. Dem hat der syrische Delegierte El-Khouri zu Recht entgegengehalten, „any" in A r t . 39 beziehe sich auf „threat", nicht auf „peace" 8 . I n der Tat spricht für die Annahme, daß Art. 39 nur Bedrohungen des internationalen Friedens meint, i n erster Linie der Wortlaut dieses Artikels selbst. Als Zweck und Ziel des Eingreifens des SR nennt A r t . 39 — wie auch bereits A r t . 1 Abs. 1 SVN — die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung nicht irgend eines nationalen, sondern des internationalen Friedens. Ein Eingreifen i n einen m i t Waffengewalt ausgetragenen nationalen Konflikt könnte somit nicht der Wiederherstellung oder Aufrechterhaltung des nationalen Friedens, sondern nur der des internationalen Friedens dienen 9 . Nach den Gesetzen der Logik folgt hieraus aber zwingend, daß A r t . 39 nur Bedrohungen des internationalen Friedens meint, da anderenfalls kein Anlaß zu dessen Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung bestände 10 . Auch insoweit stimmen die in A r t . 39 SVN verwendeten Begriffe daher mit dem Umfang des i n A r t . 2 Z. 4 niedergelegten völkerrechtlichen Gewaltverbots überein, das die Anwendung und Androhung von Gewalt ebenfalls nur i n den internationalen Beziehungen untersagt. Da 5 Ä h n l i c h auch Piradow / Staruschenko S. 190. Hierzu i. e. I, 6. Kap., 2. A b schnitt. 6 A m 19. 5.1948, vier Tage nach der israelischen Unabhängigkeitserklärung; s. unten I I , 1. Kap., 1. Abschn. 7 SCOR I I I 296 m./19. 5. 1948 S. 7; ähnlich auch der Delegierte der Ukraine Tarassenko (SCOR I I I 297 m./20. 5.1948 S. 8). 8 SCOR I I I 297 m./20. 5.1948 S. 8 1 : „ I f one says any room i n the house, that does not mean any house"; vgl. auch Goodrich-Simons, Maintenance S. 355 f. 9 So auch Aréchaga, Derecho constitucional S. 373 f., der i m übrigen die hier abgelehnte Auffassung vertritt, A r t . 39 S V N meine Bedrohungen auch des innerstaatlichen Friedens. 10 So w o h l auch Frowein, de facto-Regime S. 55; derselbe Friedenssicherung S. 45; a. A. offensichtlich Aréchaga, Derecho constitucional S. 373.

I. 5. Kap. : Bedrohung des internationalen Friedens

die Aufnahme i n die V N die Entstehung eines Staates bereits voraussetzt (Art. 4 SVN), kann aus der Nennung der Mitglieder als Adressaten i n Art. 2 Abs. 4 SVN der Schluß gezogen werden, daß unter internationalen Beziehungen zumindest i n erster Linie die Beziehungen zwischen Staaten zu verstehen sind 1 1 , die Gewaltanwendung somit über die Grenzen eines Staates hinausreichen muß 1 2 . Z u Recht hat Frowein die Geltung des völkerrechtlichen Gewaltverbots aber auch i n den Fällen angenommen, i n denen verfaßte Gemeinwesen ein Territorium über längere Zeit effektiv beherrschen, ohne daß ihr Anspruch, ein Staat zu sein, von den anderen Staaten anerkannt w i r d 1 3 (sog. befriedetes de facto-Regime 14 ). Art. 39 SVN erfaßt somit nur Bedrohungen des internationalen Friedens 15 , d. h. des Friedens zwischen Staaten 16 oder befriedeten de facto-Regimen 17 .

11

Rauschning S. 76; Wengler, Gewaltverbot S. 29. 12 Frowein, de facto-Regime S. 39; vgl. auch Wengler, Gewaltverbot S. 34. 13 Frowein, de facto-Regime S. 69; ders., Friedenssicherung S. 46 f.; Rauschning, Gewaltverbot S. 75, 77 - 83. ι 4 Z u m Begriff s. Frowein, de facto-Regime S. 5 - 8 ; 5 1 - 5 4 ; ähnlich schon Q. Wright A J I L 50 (1956) S. 524 f., 527 f ü r die Begriffe des A r t . 39 SVN. M a n w i r d deshalb der sowjetischen Auffassung, i m Koreafall habe es sich n u r u m einen Bruch des nationalen Friedens gehandelt (s. i. e. Q. Wright ebd. S. 523 f.) nicht zustimmen können. is Deleg. Parodi (Frankreich) SCOR I I I 298 m./20. 5.1948 S. 17; Del. Cadogan SCOR I I I 296 m./19. 5.1948 S. 2; Dahm I I S.388f.; T. Komarnicki R G D I P 60 (1956) S. 544; Wengler, Gewaltverbot S. 23; Ballaloud S. 133 f.; Bindschedler ZaöRV 28 (1968) S. 10 f.; Bowett, Institutions S. 35; Frowein, Friedenssicherung S. 45; vgl. ferner vorstehend A n m . 8; a. A. s. vorstehend A n m . 7 sowie Aréchaga, Derecho constitucional S. 373 f. iß Kelsen U N S. 19; T. Komarnicki (Anm. 15) S. 544; Bindschedler RdC 108 (1963 I) S. 395. 17 Frowein, de facto-Regime S. 69; ders., Friedenssicherung S. 46 f.

Sechstes

Kapitel

D e r Begriff der F r i e d e n s b e d r o h u n g a u f g r u n d der h e r k ö m m l i c h e n Auslegungsgrundsätze A b g r e n z u n g gegenüber anderen Tatbeständen 1. Abschnitt DER B E G R I F F DER FRIEDENSBEDROHUNG

Als Ergebnis der Auslegung ist somit festzuhalten, daß der Begriff der Friedensbedrohung i n A r t . 39 SVN und Art. 1 Ζ. 1 SVN eng auszulegen ist. Eine Situation stellt dann eine Friedensbedrohung dar, wenn ernstzunehmende Anzeichen darauf hindeuten, daß eine Verletzung des völkerrechtlichen Gewaltverbots durch einen oder mehrere Staaten droht oder bereits erfolgt ist. Jede Androhung oder Anwendung 1 von Gewalt i n den internationalen Beziehungen kann vom SR als Anlaß für die Feststellung einer Friedensbedrohung genommen werden. Von den zahlreichen möglichen Gefahren für den Weltfrieden erfaßt der Begriff der Friedensbedrohung also nur das letzte Stadium: die akute Gefahr, daß physische Gewalt i. S. des A r t . 2 Z. 4 SVN i n den internationalen Beziehungen angewendet wird. Die Feststellung, das Verhalten eines bestimmten Staates stelle eine Friedensbedrohung dar, setzt die vom SR aufgrund des verfügbaren Tatsachenmaterials zu treffende Entscheidung voraus, dieser Staat habe gegen das Gebot des Art. 2 Z. 4 SVN verstoßen, sich i n seinen internationalen Beziehungen der — ausdrücklichen oder konkludenten — Androhung oder Anwendung von Gewalt zu erhalten. Als historisch charakteristische Fälle einer Friedensbedrohung dürften danach die Mobilmachung 2 oder die Kriegserklärung 3 anzusehen * Z u r Abgrenzung der Friedensbedrohung gegenüber den anderen Begriffen des A r t . 39 S V N s. nachfolgend 3. Abschn. 2 Vgl. hierzu den russischen Vorschlag f ü r eine Definition des Angreifers v o m 18.10.1954 (Document A/C. 6/L. 332/Rev. 1 i n GAOR I X , Annexes, agenda item 51 S. 6 f.; Text auch bei Berber I I [Dokumente] S. 1680 - 1682), der die Mobilisierung u n d die Massierung beträchtlicher Truppenmassen nahe der Grenze zwar ausdrücklich erwähnt, sie aber nicht zu den Fällen der

2. Abschn. : Friedensbedrohung u n d Bürgerkrieg

65

sein. I h r müssen d i e a u f f ä l l i g e M a s s i e r u n g v o n T r u p p e n i n G r e n z n ä h e 4 — z u m i n d e s t i n S p a n n u n g s z e i t e n — s o w i e häufige G r e n z v e r l e t z u n g e n d u r c h b e w a f f n e t e E i n h e i t e n , b e i d e i. d. R. v e r b u n d e n m i t v e r b a l e n D r o h u n g e n , gleichgesetzt w e r d e n . Z u m i n d e s t eine F r i e d e n s b e d r o h u n g l i e g t auch d a n n v o r , w e n n e i n S t a a t b e w a f f n e t e B a n d e n u n t e r s t ü t z t , d i e a u f d e m T e r r i t o r i u m eines a n d e r e n Staates m i l i t ä r i s c h e G e w a l t t a t e n begehen ( i n d i r e k t e G e w a l t a n w e n d u n g ) 5 . D e m d ü r f t e es gleichzuachten sein, w e n n eine R e g i e r u n g sich t r o t z d e r B i t t e n des b e t r o f f e n e n Staates w e i g e r t , M a ß n a h m e n gegen solche B a n d e n a u f i h r e m eigenen G e b i e t z u e r g r e i f e n 6 . A l s F r i e d e n s b e d r o h u n g k ö n n e n v o m SR f e r n e r alle A k t e d e r n i c h t m i l i t ä r i s c h e n physischen G e w a l t angesehen w e r d e n , d u r c h die e i n

2. A b s c h n i t t FRIEDENSBEDROHUNG U N D B Ü R G E R K R I E G D i e g e f u n d e n e D e f i n i t i o n l ä ß t w e i t e r h i n d e n Schluß zu, daß — u n a b hängig v o n einer möglichen Kompetenzbeschränkung der V N durch Aggression zählt u n d dem bedrohten Staat auch ausdrücklich das Recht abspricht, seinerseits militärische Gewalt über die Grenze hinweg anzuwenden. Schon die Politis-Definition zählte dagegen die Kriegserklärung unter den Begriff der Aggression; s. i. e. Aroneanu S. 95, 281 f. 3 Q. Wright A J I L 50 (1956) S. 525. 4 s. A n m . 2; vgl. ferner v.d.Heydte V R I I S. 105 f. 5 Die Unterstützung bewaffneter Banden als F a l l einer verbotenen Aggression findet sich erstmalig i n der Politis-Definition aus dem Jahre 1933 (Aroneanu S. 281 f.) u n d w i r d seither als F a l l der verbotenen Gewaltanwendung anerkannt; s. Derpa S. 19 f.; Kewenig, Gewaltverbot S. 186 f.; vgl. ferner auch die Londoner Konvention über die Bestimmung des Angreifers v o m 3./4. J u l i 1933 (Übersetzung bei Berber I I [Dokumente] S. 1678 - 1680). I m Griechenlandfall hat die v o m SR eingesetzte Untersuchungskommission v o r geschlagen, die Unterstützung von bewaffneten Banden ebenso wie die Weigerung der kommunistischen Staaten, alle möglichen Maßnahmen gegen solche Banden zu ergreifen, als Friedensbedrohung i. S. der Satzung zu betrachten; vgl. i. e. Y U N 1946/47 S. 371, bes. K a p i t e l 1 T e i l A der „proposals" der Kommission sowie Goodrich / Simons, Maintenance S. 355. Dieses Verbot ist i n neuerer Zeit durch die Deklaration über freundschaftliche Beziehungen bekräftigt worden: „Every State has the duty to refrain from organizing or encouraging the organization of irregular forces or armed bands, including mercenaries, for incursion into the territory of another State" (A/RES/2625 [ X X V ] v. 24.10.1970, U N M O 1970/10 S. 99 ff. [101]); zur Deklaration s. i.e. unten I I , 2. Kap., 9. Abschn., 5. U-Abschn., Η 3 b γ). 6 Eine andere Beurteilung scheint dagegen geboten, w e n n ein Staat sich darauf beschränkt, Waffen zu liefern oder reine Nachschubbasen zu tolerieren. Derartige Fälle, deren Abgrenzung zu den hier genannten freilich nicht einfach ist, dürften besser durch das Interventionsrecht zu erfassen sein, s. hierzu Kewenig, Gewalt verbot S. 187 f.

5 Arntz

66

I. 6. Kap.: Abgrenzung gegen andere Begriffe

Staat ähnlich betroffen w i r d wie durch militärische Gewaltmaßnahmen 7 . A r t . 2 Z. 7 SVN 8 — der klassische, auf das Gebiet eines Staates beschränkte Bürgerkrieg 9 grundsätzlich keine Friedensbedrohung darstellt 1 0 . Dies entspricht der bis heute i m Völkerrecht allgemein vertretenen Ansicht, daß die Gewaltanwendung in derartigen Konflikten nicht dem völkerrechtlichen Gewaltverbot unterfällt, da sie nicht i n den internationalen Beziehungen erfolgt 1 1 . Die so oft i m Schrifttum aufgestellte Behauptung, Bürgerkriege könnten vom SR als Friedensbedrohung oder Friedensbruch bezeichnet werden 1 2 , t r i f f t somit i n dieser Allgemeinheit nicht zu. Zwar lehrt die Erfahrung, daß Bürgerkriege heutzutage nur selten ohne mehr oder minder offene Einmischung ausländischer Staaten stattfinden, so daß i n den meisten Fällen auch eine Gewaltanwendung i n den internationalen Beziehungen vorliegen w i r d 1 3 . Dies rechtfertigt jedoch nicht die schematische Gleichsetzung von Bürgerkrieg und Friedensbedrohung, zumal diese weniger auf den internationalen Berührungspunkten des Konflikts, sondern zu einem nicht unerheblichen Teil auf der Annahme eines völlig freien Ermessens des SR 1 4 oder aber auf der hier ebenfalls als nicht zutreffend abgelehnten Vorstellung, A r t . 39 SVN erfasse auch Bedrohungen des nationalen Friedens 15 , basieren dürfte. Bedenken bestehen aber auch gegen die zurückhaltendere Formulierung von Frowein 1 6 , Bürgerkriege könnten durchaus zu einer Be7 Vgl. i. e. oben 1, 2. Kap., 2. Abschn., 1. U-Abschn. unter C. Hierzu unten I I , 2. Kap., 9. Abschn., 5. U-Abschn., Η 3 a. 9 Z u r Definition vgl. Castrén S. 28; Rauschning S. 75: „offen m i t Gewalt ausgetragener K o n f l i k t zwischen sich bekämpfenden Organen eines Staates oder Bevölkerungsgruppen innerhalb eines Staates". 10 I m Ergebnis übereinstimmend Wengler, Gewaltverbot S. 30, 32; w o h l auch Dahm I I S. 389; derselbe I S. 222; s. ferner Schroeder S. 217 f. 11 Frowein, de facto-Regime S. 47; Rauschning S. 76 m. w. N. 12 Bowett, Self-Defence S. 149; Kelsen U N S. 19; Kunz A J I L 45 (1951) S. 140; Goodrich / Hambro / Simons S. 51; Kelsen / Tucker S. 515; L.Miller S. 210, 213; Aréchaga, Derecho constitucional S. 373; einschränkend (nur Bürgerkriege „of considerable magnitude") Q. Wright A J I L 50 (1956) S. 525. ι 3 Vgl. auch Kewenig, Gewaltverbot S. 179. I n dem von Q. Wright A J I L 50 (1956) S. 525 angeführten F a l l des spanischen Bürgerkriegs dürfte danach die Bedrohung des internationalen Friedens nicht aus dem Umfang der Gewalthandlungen, sondern aus der mehr oder minder offenen Verwicklung aller europäischen Großmächte, insbesondere aber aus der Entsendung sog. Freiwilliger herzuleiten sein. Z u r Bestimmung des Sanktionsempfängers i n diesen Fällen s. i m folgenden Anm. 20. 14 s. oben I, 2. Kap., 2. Absch., 1. U-Abschn. unter Β 2 b. is Vgl. i. e. vorstehend I, 5. Kap.; besonders deutlich w i r d dies bei Aréchaga oben, Derecho constitucional S. 374. 16 Frowein, de facto-Regime S. 47. 8

2. Abschn.: Friedensbedrohung u n d Bürgerkrieg

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drohung des Friedens führen, wenn sie internationale Rückwirkungen hätten. Dies ist nur dann richtig, wenn unter internationalen Rückwirkungen die akute Gefahr einer grenzüberschreitenden 17 Gewaltanwendung verstanden w i r d — sei es infolge der Einmischung eines anderen Staates, sei es infolge von Kampfhandlungen, die das Gebiet eines anderen Staates oder de facto-Regimes verletzen. Uberhaupt scheint der Behauptung, Bürgerkriege könnten vom SR als Friedensbedrohung angesehen werden, neben den vorstehend erwähnten Gründen häufig auch die Überlegung zugrundezuliegen, die Kampfhandlungen könnten über die Grenzen des betreffenden Staates hinausgreifen oder andere Staaten könnten sich zu einem Eingreifen bewogen fühlen 1 8 . Hier w i r d verkannt, daß A r t . 39 SVN nur die unmittelbaren Gefahren für den internationalen Frieden erfaßt, der Bürgerkrieg als solcher aber allenfal]s eine potentielle Ursache der z. B. durch das Eingreifen eines anderen Staates ausgelösten Bedrohung des internationalen Friedens darstellt. Diese Unterscheidung ist — wie oben i. e. ausgeführt wurde 1 9 — vor allem für die Frage des Sanktionsempfängers von großer Bedeutung 20 . Die Gegenansicht kann sich weder auf die Behandlung des indonesischen Falles i m SR 2 1 noch auf den letzen Halbsatz von A r t . 2 Z. 7 SVN berufen 22 . I m indonesischen F a l l 2 3 war zumindest zweifelhaft, ob das Abkommen von Linggadjati 2 4 nicht eine de facto-Anerkennung der Republik Indonesien durch Holland enthielt. Der Delegierte Australiens, das 17 Hierzu Q. Wright A J I L 50 (1956) S. 525 f. 18 Dies w i r d besonders bei Aréchaga (Derecho constitucional S. 373 f.) deutlich, der — ausgehend von der These, A r t . 39 S V N erfasse auch Bedrohungen des internen Friedens — dennoch ein Eingreifen n u r „gegen die ausländischen Staaten für zulässig hält, die i n diesen Bürgerkrieg intervenieren". A. folgert dies aus der Tatsache, daß Ziel der A k t i o n des SR nach dem W o r t laut des A r t . 39 SVN die Wiederherstellung oder Aufrechterhaltung des internationalen Friedens ist. Es erscheint folgerichtiger, die Friedensbedrohung nicht i n dem Bürgerkrieg selbst, sondern i n dem Eingreifen der ausländischen Staaten zu sehen. 1 9 s. oben 2. Kap., 2. Abschn., 1. U-Abschn. unter Β 1 c. 20 Vgl. auch Wengler, Gewaltverbot S. 31 f., der zu Recht darauf hinweist, daß i m Falle der Einmischung eines anderen Staates dem Staat, i n dem der Bürgerkrieg ausgebrochen ist, nicht der V o r w u r f gemacht werden kann, es liege eine von i h m veranlaßte Bedrohung des internationalen Friedens vor und er — bzw. die Parteien des Bürgerkriegs — sei deshalb Zwangsmaßnahmen nach K a p i t e l V I I S V N unterworfen. 21 So aber Goodrich / Hambro / Simons S. 50 f. 22 a. A. Frowein, de facto-Regime S. 47 unter Hinweis auf eine Reihe anderer Völkerrechtler. 23 Hierzu i.e. Y U N 1947/48 S. 362 -387; Y U N 1948/49 S. 212 - 237. 24 Es sah die Verbindung der geplanten Vereinigten Staaten von Indonesien u n d Hollands i n einer Union vor; vgl. i. e. Y U N 1947/48 S. 363. 5*

68

I. 6. Kap.: Abgrenzung gegen andere Begriffe

diese Angelegenheit vor den SR gebracht hatte 2 5 , hat zu Beginn der Beratungen unter Bezugnahme auf dieses Abkommen erklärt, nach seiner Auffassung liege ein bewaffneter Konflikt zwischen zwei Staaten vor, der nach internationalem Recht zu behandeln sei 26 — eine A u f fassung, der sich eine ganze Reihe von Delegierten i n der Folge angeschlossen hat 2 7 . Auch dem Wortlaut des A r t . 2 Z. 7 SVN läßt sich entgegen einer verbreiteten Meinung i m Schrifttum keinerlei Hinweis auf friedensbedrohende innere Zustände 28 entnehmen. Die Tatsache, daß die Anwendung von Zwangsmaßnahmen nach Kapitel V I I SVN nicht der Schranke der inneren Zuständigkeit unterliegt, sagt über die Voraussetzungen der Anwendung, m i t h i n über die Frage, wann eine Friedensbedrohung etc. vorliegt, nichts aus 29 . Auch i n den Protokollen der Konferenz von San Francisco fehlt jeder Hinweis, daß die Satzungsväter m i t dieser Formulierung ausschließlich oder auch nur i n erster Linie eine „Situation i m Auge" gehabt hätten, „bei der innere Angelegenheiten eines Staates sich i n einer solchen Richtung entwickeln würden, daß sie eine Bedrohung des Friedens darstellten" 3 0 . I m Gegenteil: die Annahme eines australischen Ergänzungsvorschlages, der diesem Halbsatz durch die Einfügung der Worte „vorgesehene Zwangsmaßnahmen" seine heutige Fassung verlieh 3 1 , macht die Sorge zahlreicher Delegierter nur allzu deutlich, der SR werde nicht zwischen den mittelbaren und den unmittelbaren Ursachen einer Friedensbedrohung unterscheiden und sich i n einer Situation des V I I . Kapitels statt der Anordnung von Zwangsmaßnahmen gegen den unmittelbaren Verursacher darauf beschränken, Empfehlungen an den Staat auszusprechen, der — etwa durch die Gestaltung seiner inneren Verhältnisse — vorgeblich Anlaß zur Gewaltanwendung oder Gewaltandrohung durch einen anderen Staat 25 Document S/449 v o m 30. 7.1947. 26 Y U N 1947/48 S. 363. 27 So etwa Indien, Kolumbien, Polen u n d die UdSSR; die USA u n d China behielten sich ihre Stellungnahme zur Rechtsfrage des Status der Republik Indonesien vor; vgl. i.e. Y U N 1947/48 S. 365. 28 a. A. etwa Köck ÖZÖR 22 (1971) S. 332; Frowein, de facto-Regime S. 47 m. w. Nachweisen. 29 s. oben I, 5.,Kap.; ähnlich Piradow / Staruschenko S. 190; vgl. ferner auch Köck ÖZÖR 22 (1971) S. 329: „Erlaubt sind n u r die i n K a p i t e l V I I vorgesehenen Zwangsmaßnahmen, also w o h l jene, die der SR unter gewissen V o r aussetzungen nach A r t . 41 u n d 42 S V N ergreifen kann" ; s. aber auch denselben S. 332; auch Wehberg ArchVR 2 (1950) S. 282 f. unterscheidet zwischen der zugrundeliegenden inneren Angelegenheit u n d der Kriegsdrohung, die durch diese Angelegenheit hervorgerufen wird. so So aber Köck ÖZÖR 22 (1971) S. 332. 3i Vgl. i. e. U N C I O Bd. 6 S. 436 - 440 (Document 969, 1/1/39).

3. Abschn.: Friedensbedrohung — Friedensbruch — Aggressionshandlung

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gegeben hat 3 2 . Neben diesem Ausschluß von Empfehlungen zu lediglich mittelbaren Ursachen einer Friedensbedrohung läßt sich der Sinn dieses Nachsatzes einleuchtend i n der Klarstellung sehen, daß ein Staat, der eine Friedensbedrohung, einen Friedensbruch oder eine Aggressionshandlung begangen bzw. hervorgerufen hat, sich gegenüber den daraufhin eingeleiteten Zwangsmaßnahmen nicht auf A r t . 2 Z. 7 SVN berufen kann 3 3 . Weder der Wortlaut noch die Entstehungsgeschichte des A r t . 2 Z. 7 SVN lassen somit den Schluß zu, daß die Schöpfer der Satzung auch interne Auseinandersetzungen wie Bürgerkriege als Friedensbedrohung i. S. des A r t . 39 SVN angesehen haben. Andererseits lehrt — wie bereits eingangs betont — gerade die jüngere Geschichte, daß Bürgerkriege nur selten ganz ohne Einmischung ausländischer Staaten stattfinden, so daß in den meisten Fällen auch eine Gewaltanwendung oder doch zumindest -androhung i n den internationalen Beziehungen vorliegen w i r d 3 4 . A u f die speziellen Fragen, die sich hierbei i m Zusammenhang mit der allmählichen Entstehung staatsähnlicher de facto-Regime auf dem Gebiet eines bislang einheitlichen Staatswesens bzw. mit dem Selbstbestimmungsrecht ergeben, soll bei der Untersuchung der Praxis der V N näher eingegangen werden 3 5 .

3. Abschnitt FRIEDENSBEDROHUNG — FRIEDENSBRUCH — AGGRESSIONSHANDLUNG

Die Abgrenzung der Friedensbedrohung von den anderen i n Art. 39 SVN genannten Begriffen wurde bei der Auslegung vor allem wegen der Verwendung des so lange umstrittenen Aggressionsbegriffes nur beiläufig angesprochen. Ihre praktische Bedeutung ist äußerst gering, da der SR Sanktionsmaßnahmen auch dann anordnen kann, wenn nur eine Friedensbedrohung vorliegt. Dieses „ n u r " impliziert bereits eine aus dem Wortsinn eindeutig abzuleitende Feststellung: daß nämlich 32 Vgl. die Ausführungen des Deleg. Evatt (Australien) U N C I O Bd. 6 S. 438 f.; ferner Goodrich / Hambro / Simons S. 62 f.; L.Preuss RdC 74 (19491) S. 593; s. auch Köck ÖZÖR 22 (1971) S. 339; gegen diesen Ausschluß des Empfehlungsrechts Wehberg ArchVR 2 (1950) S. 282 f. 33 So sah es auch Evatt ebd. S. 440 selbst, der zu Recht darauf hinwies, eigentlich bedürfe es dieser Ausnahme gar nicht, da „to take enforcement action for the restraint of aggression is not intervening i n any w a y at all i n a matter of domestic jurisdiction"; wie hier auch Waldock RdC 81 (1952 I I ) S. 491. 34 Vgl. vorstehend A n m . 13. 35 Vgl. unten I I , 2. Kap., 9. Abschn., A.

70

I. 6. Kap.: Abgrenzung gegen andere Begriffe

ein Friedensbruch jedenfalls eine ernstere Beeinträchtigung des Friedens darstellt als eine Friedensbedrohung 36 . Man w i r d den Friedensbruch und seinen Unterfall, die Aggressionshandlung 37 als realisierte Friedensbedrohung bezeichnen können 3 8 , wobei die aufgezeigte Beziehung zwischen A r t . 2 Z. 4 und A r t . 39 SVN es nahelegt, vornehmlich an Fälle der massiven Anwendung verbotener Gewalt bis hin zum Kriege zu denken 39 . Unter den Begriff der Friedensbedrohung würden dann besonders die Fälle der —ausdrücklichen oder konkludenten — Androhung von Gewalt, daneben eventuell auch leichtere Fälle der Gewaltanwendung fallen 4 0 , bei denen i m Einzelfall aber durchaus zweifelhaft sein kann, ob sie überhaupt Verstöße gegen das völkerrechtliche Gewaltverbot darstellen 41 .

4. Abschnitt FRIEDENSBEDROHUNG U N D I N T E R V E N T I O N

Soweit das Interventionsverbot auf Eingriffe unter Androhung oder Anwendung militärischer Gewalt 4 2 beschränkt wird, ist es i m Gewaltverbot des Art. 2 Z. 4 SVN als dem eindeutigsten Interventionsfall 4 3 aufgegangen. Die nicht durch das Gewaltverbot erfaßten 44 Formen des wirtschaftlichen oder politischen Drucks, die nach der heute überwiegenden Meinung 4 5 ebenfalls unter das Interventionsverbot fallen, können dagegen allein grundsätzlich keine Friedensbedrohung auslösen 46 , wenn sie auch unter dem Gesichtspunkt eines modernen völker36 Q. Wright A J I L 50 (1956) S. 514, 524 - 526; zweifelnd Mc Dougal / Felidano, L a w S. 162. 37 Vgl. i. e. oben 2. Kap., 2. Abschn., 1. U-Abschn., A. 38 Ähnlich Goodrich / Hambro /Simons S. 298. 39 Diese Auffassung w i r d nunmehr durch die ,Definition of Aggression 4 (A/RES/3314 [ X X I X ] v. 14.12.1974) gestützt, die diese klassischen Fälle schwerer Gewaltanwendung i n A r t . 3 aufzählt. 40 Daß derartige Fälle geringfügiger Gewaltanwendung nicht immer „acts of aggression" darstellen, hebt nunmehr auch A r t . 2 der »Definition of Aggression' (Anm. 39) ausdrücklich hervor. 41 Hierzu bes. Wildhaber S. 156, der Grenzzwischenfälle u. ä. vom Gewaltverbot des A r t . 2 Z. 4 ausnimmt, was nicht ganz unbedenklich erscheint; s. auch Kewenig, Gewaltverbot S. 182 - 184. 42 Vgl. Gerlach S. 84 - 88 m. w. N. 4 3 s. Derpa S. 58. 44 Derpa S. 136. 45 Vgl. Derpa S. 58 Anm. 254 m. zahlreichen Nachweisen. Z u r Begründung dieser Ansicht bes. Gerlach, Die Intervention (bes. S. 90 - 104, 213 f.). 46 Ähnlich w o h l auch Gerlach S. 117 f., der — ausgehend von der Abgrenzung zwischen Aggression u n d Intervention — die Anwendung von Gewalt

5. Abschn.: Friedensbedrohung u n d Selbstverteidigung

71

rechtlichen Interventionsverbotes und unter bestimmten Voraussetzungen 4 7 völkerrechtswidrig sein mögen 48 .

5. Abschnitt FRIEDENSBEDROHUNG U N D S E L B S T V E R T E I D I G U N G

Eine wesentlich größere Bedeutung als dem Unterschied zwischen den i n Art. 39 SVN verwendeten Begriffen und dem Verhältnis zwischen Friedensbedrohung und Interventionsverbot kommt dem Verhältnis von Friedensbedrohung und Selbstverteidigung zu. Die entscheidende Frage, ob bereits das Vorliegen einer Friedensbedrohung ein Recht zur aktiven bewaffneten Abwehr gibt, hängt nicht zuletzt davon ab, ob man der Erwähnung des bewaffneten Angriffs i n Art. 51 SVN einen abschließenden oder einen nur beispielhaften Charakter beimißt 4 9 , m. a.W. ob eine militärische Selbstverteidigung nur i m Falle eines bewaffneten Angriffs oder auch bei anderen Völkerrechtsverletzungen zulässig ist. Der bewaffnete Angriff des Art. 51 SVN — diese Deutung lassen Entstehungsgeschichte 50 und Wortlaut 5 1 der Vorschrift zu — ist mehr als eine Friedensbedrohung 52 . Er ist der typische Fall des Friedensbruches, m i t h i n eine bereits stattfindende Gewaltanwendung größeren Umfangs 53 , „die von den verantwortlichen Organen eines Staates geplant und organisiert" 5 4 ist. Nimmt man mit der heute i m VR überwiegenden Meinung 5 5 an, Art. 51 SVN beschränke das Selbstverteidigungsrecht i m Gegensatz zu unter die Aggression, die Androhung von Gewalt dagegen bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen unter die Intervention rechnet. Er hält eine Friedensbedrohung auch bei „besonders schweren Interventionen" für möglich, worunter i m Zusammenhang n u r die Androhung von Gewalt verstanden werden kann. 4 7 Wozu nach Gerlach (S. 177 ff., 214) besonders die Sozialadäquanz zählt. 48 s. Derpa S. 136; Gerlach S. 213 f. 49 Vgl. i.e. Bothe S. 21 f.; Derpa S. 96. so Vgl. i. e. Klein, A n g r i f f S. 174 - 176. 51 Z u den verschiedenen Sprachfassungen ausführlich Klein S. 181 - 185. 52 So auch Brownlie, Force S. 367. 53 Daß nicht jede F o r m der Gewaltanwendung i n den internationalen Beziehungen, also nicht jeder Grenzzwischenfall oder jeder A n g r i f f auf ein fremdes Flugzeug oder Schiff einen bewaffneten A n g r i f f i. S. des A r t . 51 SVN darstellt, w i r d allgemein angenommen; Wildhaber S. 156; R.Higgins, Development S. 200; Klein, S. 179- 185; Wengler, Gewaltverbot S. 1, 14; Wittig, S. 45. 54 Dohm I I S. 413 f. 55 Vgl. die zahlreichen Nachweise bei Derpa S. 97 f. (Anm. 500), der diese Ansicht auf den Seiten 98-119 überzeugend begründet; s. nunmehr auch

72

I. 6. Kap. : Abgrenzung gegen andere Begriffe

d e r Rechtslage u n t e r d e m V ö l k e r b u n d 5 6 a u f d e n F a l l des b e w a f f n e t e n A n g r i f f s 5 7 — e i n E r g e b n i s , das a l l e i n d e r umfassenden G e l t u n g des G e w a l t v e r b o t s u n d der Ü b e r t r a g u n g des G e w a l t m o n o p o l s a u f d i e V N gerecht w i r d 5 8 — so ist eine F r i e d e n s b e d r o h u n g k e i n G r u n d , d e r die A n w e n d u n g militärischer Gewalt rechtfertigen könnte59. Freilich hält eine ganze R e i h e v o n A u t o r e n 6 0 , die g r u n d s ä t z l i c h dieser engen A u s l e g u n g des A r t . 51 S V N f o l g e n u n d d i e verschiedenen F o r m e n w i r t schaftlicher, p o l i t i s c h e r oder psychologischer G e w a l t a n w e n d u n g n i c h t als genügende V o r a u s s e t z u n g d e r b e w a f f n e t e n S e l b s t v e r t e i d i g u n g a n sehen, eine p r ä v e n t i v e S e l b s t v e r t e i d i g u n g i n „ F ä l l e n g r o ß e r u n m i t t e l b a r e r G e f a h r u n d d r i n g e n d e r N o t w e n d i g k e i t " 6 1 ausnahmsweise f ü r gerechtfertigt. A u c h die Beschränkung durch den Proportionalitätsg r u n d s a t z 6 2 v e r m a g dieser F o r m u l i e r u n g , die w o h l n i c h t ohne G r u n d a n die „instant and overwhelming necessity"63 erinnert, n u r wenig von A r t . 5 der ,Definition of Aggression 4 (A/RES/3314 [ X X I X ] ; a. A . eine Reihe anglo-amerikanischer Autoren [Nachweise bei Derpa S. 99 A n m . 501]. Z u dem gleichen Fragenkreis s. auch Skubiszewski S. 781, Oppermann, Gewaltanwendung S. 129; Wildhaber S. 149- 154; Brownlie, Force S. 275 - 278. Es ist nicht uninteressant, daß Mc Dougal / Reisman ( A J I L 62 [1968] S. 8) die extensive Auslegung des Begriffes „threat to the peace" u. a. auch m i t dem „ererbten Gewohnheitsrecht" begründen, welches Staaten, die durch einen „ i m m i n e n t threat" bedroht seien, ermächtige, militärische Gewalt anzuwenden. se A r t . 15 Abs. 7 V B S gewährte den Mitgliedern nach einem ergebnislosen Verfahren vor dem Völkerbundsrat u n d dem A b l a u f der vorgeschriebenen Frist von 3 Monaten das ius ad bellum zur Wahrung von Recht u n d Gerechtigkeit; vgl. i.e. Verdross V R S. 436, 551; Bothe S. 13 f. Erst der B r i a n d Kellog-Pakt implizierte nach freilich sehr bestrittener Ansicht (a. A. etwa Derpa S. 102) die Rechtswidrigkeit eines solchen Krieges zumindest f ü r die Vertragspartner, indem er den Verzicht auf den „ K r i e g als M i t t e l nationaler P o l i t i k " zur Verpflichtung erhob. Auch er ließ freilich noch andere Maßnahmen der gewaltsamen Selbsthilfe zu, die zumindest das Recht auf Notwehr gegen einen gegenwärtigen oder unmittelbar bevorstehenden A n g r i f f erfaßten; vgl. hierzu i.e. Seidl-Hohenv eidern V R S. 28 Rz. 103; Verdross V R S. 438 f., 551. 57 Vgl. A r t . 5 der »Definition of Aggression' (A/RES/3314 [ X X I X ] ) . 58 Derpa S. 115. 59 Ebenso Baginjan S. 267; s. auch vorstehend Anm. 2. 60 Dahm I I S. 415-417; W. Friedmann S. 260; R.Higgins, Development S. 201; Wengler, Gewaltverbot S. 4 - 7, 13 f., 17 f.; Wildhaber, Gewaltverbot S. 153 f.; w o h l auch Klein, Angriff, S. 184; Röling S. 102; a. A. etwa SeidlHohenveldern V R Rz 1225 f., 1296; Skubiszewski S. 767; L. Henkln, Proocedings 1963 S. 150 f. ei So Wildhaber S. 153; Bindschedler RdC 108 (1963 I) S.400; ähnlich auch Dahm I I S. 415 f.; vgl. ferner Bowett, Self-Defence S. 188 f., der von der Fortgeltung eines weiterreichenden Selbstverteidigungsrechts nach allgemeinem V R ausgeht, das von A r t . 2 Z. 4 S V N nicht berührt werde. 62 Wildhaber S. 153; R.Higgins, Development S. 201. 63 So die „traditionelle Auffassung des Selbst Verteidigungsrechts" (Q. Wright A J I L 50 [1956] S. 529), die auf einer 1842 von Staatssekretär Webster i m „Caroline Incident" verwendeten Formulierung basierte. S. i.e. Moore, Digest of International L a w Vol. 2 S. 412.

5. Abschn.: Friedensbedrohung u n d Selbstverteidigung

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i h r e r V i e l d e u t i g k e i t , u m n i c h t z u sagen V e r s c h w o m m e n h e i t z u n e h m e n . D i e V e r m u t u n g l i e g t nahe, daß d i e auch v o n diesen A u t o r e n a b g e l e h n t e n 6 4 R e c h t f e r t i g u n g s g r ü n d e d e r S e l b s t e r h a l t u n g u n d des a l l g e m e i n e n Notstandes, d e r e n s c h i l l e r n d e V o r a u s s e t z u n g e n es e r m ö g l i c h t e n , „ d a s gesamte V ö l k e r r e c h t aus d e n A n g e l n zu h e b e n " 6 5 , n u r z u b a l d ü b e r die „ d r i n g e n d e N o t w e n d i g k e i t " i n das V ö l k e r r e c h t z u r ü c k k e h r e n u n d j e d e U n t e r s c h e i d u n g zwischen A n g r i f f u n d S e l b s t v e r t e i d i g u n g u n m ö g l i c h machen w ü r d e n 6 6 . So p o l i t i s c h v e r s t ä n d l i c h u n d m o r a l i s c h e n t s c h u l d b a r P r ä v e n t i v s c h l ä g e 6 7 w i e der israelische A n g r i f f i m Sechstagekrieg des Jahres 1967 6 8 auch sein mögen, so b e d e n k l i c h m u ß die A n e r k e n n u n g d e r B e r e c h t i g u n g d e r a r t i g e r A k t i o n e n i m H i n b l i c k auf d e n W e l t f r i e d e n s t i m m e n 6 9 . M i t d e m W o r t l a u t des A r t . 51 S V N i s t eine d e r a r t i g e A u f fassung j e d e n f a l l s n i c h t z u v e r e i n b a r e n 7 0 , u n d i h r e g e w o h n h e i t s r e c h t liche G e l t u n g i m V R d ü r f t e m e h r als z w e i f e l h a f t sein. D i e V N selbst h a b e n sich z u dieser F r a g e i n i h r e n R e s o l u t i o n e n aus d e m J a h r e 1967 n i c h t geäußert. O b eine solche E r w e i t e r u n g des S e l b s t v e r t e i d i g u n g s rechts i m H i n b l i c k auf d i e umfassende G e l t u n g des m i l i t ä r i s c h e n G e w a l t v e r b o t s de lege f e r e n d a w ü n s c h b a r ist, m u ß angesichts d e r v o r stehend geschilderten B e d e n k e n ebenfalls b e z w e i f e l t w e r d e n 7 1 . 64 Vgl. etwa Wildhaber S. 152. 65 Seidl-Hohenveldern V R Rz 1224. 66 s. auch Brownlie, Force S. 274, 276 f. 67 Wobei hier dahingestellt bleiben soll, ob die Sperrung des Golfes von Akaba m i t militärischen M i t t e l n nicht eventuell als „armed attack" anzusehen ist. Bejahend für ähnliche Fälle Dahm I I S. 414. Auch i n diesem F a l l dürfte das israelische Vorgehen aber rechtswidrig, da i n jedem F a l l nicht proportional gewesen sein. 68 Z u den präventivkriegsähnlichen Maßnahmen w i e der Kuba-Blockade i m Herbst 1962 s. Seidl-Hohenveldern V R Rz 1225, 1226, 1306; ferner R. Higgins, Development S. 202 f.; Wildhaber S. 1521; L. Henkln, Proceedings 1963 S. 151 f. 69 Vgl. L. Henkin, Proceedings 1963 S. 151. 70 Skubiszewski S. 767; Seidl-Hohenveldern V R Rz 1225; Henkin, Proceedings 1963 S. 151; G.Meier S. 85 f.; vgl. ferner Scheuner, K o l l e k t i v e Sicherheit S. 245, 246; Brownlie, Force S. 275 - 278 m. zahllosen Nachweisen aus Schriftt u m und Praxis; Q. Wright A J I L 50 (1956) S. 529; Menzel V R S. 343. Auch Friedmann räumt ein, daß die Sprache des A r t . 51 S V N einer derartigen Erweiterung entgegenstehe (S. 260). Die Auffassung von Wengler, Gewaltverbot S. 5 f., der einen präventiven A n g r i f f offensichtlich dann zulassen w i l l , w e n n ein Staat ausdrücklich einem anderen Staat m i t einem bewaffneten A n g r i f f droht, falls bestimmte Verlangen nicht erfüllt werden, überzeugt ebenfalls nicht. M i t ähnlicher Begründung k a n n man auch die von Wengler ausdrücklich ausgeschlossenen militärischen Vorbereitungshandlungen (konkludente Drohungen) f ü r eine genügende Voraussetzung erklären. 71 Skeptisch auch Wittig S. 62 f.; Oppermann S. 129; G.Meier S. 85 f. Eine andere Ausnahme w i l l ein Teil der L i t e r a t u r unter strengen Voraussetzungen bei der Intervention zum Schutz von Leib u n d Leben der eigenen Staatsangehörigen zulassen (vgl. neuerdings etwa Kewenig, Gewaltverbot S. 204 bis 206; umfassend Franzke, Schutzaktion zugunsten der Staatsangehörigen

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I. 6. Kap.: Abgrenzung gegen andere Begriffe

6. Abschnitt ÜBERLEITUNG

Daß Zweifelsfragen durch die gefundene Definition nicht von vornherein und restlos ausgeschlossen werden, liegt i n der Komplexität internationaler Verhältnisse und in der großen Schwierigkeit begründet, die Intentionen und Handlungen von Staaten aus oft mehr als dürftigem Faktenmaterial herauszulesen. Ziel dieses ersten Teils der vorliegenden Untersuchung war daher auch nicht, einen umfassenden oder gar erschöpfenden Katalog aller möglichen Fälle einer Friedensbedrohung zu erstellen, sondern lediglich die Kriterien herauszuarbeiten, die nach der Konzeption der Satzung verwirklicht sein müssen, damit irgendeine Handlung oder irgendeine Situation als Friedensbedrohung gekennzeichnet werden kann. I m nun folgenden zweiten Hauptteil der Arbeit soll kritisch geprüft werden, inwieweit die Resolutionen von SR und GV den Begriff der Fristenbedrohung i m gefundenen Sinn verwenden, wo Abweichungen bestehen sowie ob und gegebenenfalls welche Entwicklungstendenzen in der Praxis der V N feststellbar sind. Die Beschränkung auf die Resolutionen der Hauptorgane der V N erscheint nicht nur aus Gründen des Umfangs der Untersuchung angebracht. Die große M i t gliederzahl dieser Organe bzw. das Vetorecht i m SR scheinen noch am ehesten Gewähr dafür zu bieten, daß die Verwendung des Begriffes Friedensbedrohung i n derartigen Resolutionen einen Minimalkonsens der Mitglieder und nicht extreme, rein politisch motivierte Ansichten einzelner Mitglieder zum Ausdruck bringt 7 2 .

i m Ausland als Ausfluß des Rechtes auf Selbstverteidigung). Abenteuer wie die A k t i o n e n Großbritanniens u n d Frankreichs i n der Suezaffaire u n d der USA i n Santo Domingo, die vornehmlich den wirtschaftlichen u n d politischen Machtinteressen dieser Staaten dienten, aber m i t dem Schutz der eigenen Staatsangehörigen verbrämt wurden, sprechen gegen die Anerkennung eines derartigen Interventionsrechts, das zudem faktisch auf Großmächte beschränkt wäre. 72 Ob diese Annahme für die GV noch uneingeschränkt zutrifft, ist fraglich; s. hierzu i m folgenden I I , 2. Kap., 9. Abschn., 6. U-Abschn. und 13. A b schnitt.

ZWEITER T E I L

Der Begriff der Friedensbedrohung i n den Resolutionen von SR u n d GV EINLEITUNG: ZIELE U N D G R E N Z E N DER U N T E R S U C H U N G

Daß die Neigung der Mitglieder der VN, sich mit der Feststellung einer Friedensbedrohung auf den Weg der Zwangsmaßnahmen zu begeben, mehr als gering ist, wurde bereits i m ersten Teil erwähnt. Einer Vielzahl von Behauptungen, eine Situation oder eine Handlung bedrohe den Frieden, steht eine verschwindend geringe Anzahl von Ereignissen gegenüber, in denen eine explizite Feststellung nach Art. 39 SVN getroffen wurde. Um ein möglichst umfassendes B i l d von der Praxis der Organe der V N zu gewinnen, werden i n die folgende Untersuchung nicht nur Fälle einbezogen, i n denen SR oder GV i n Resolutionen förmlich oder beiläufig die Existenz einer Friedensbedrohung festgestellt haben. Vielmehr sollen auch die Aktivitäten dieser beiden Organe beleuchtet werden, bei denen Anzeichen dafür sprechen, daß sie — ohne Erwähnung einer Friedensbedrohung, eines Friedensbruches oder einer Aggressionshandlung — von den Befugnissen der A r t . 39 ff. SVN, besonders aber der Art. 41 ff. SVN Gebrauch gemacht haben. Da jede Anordnung oder Empfehlung der Art. 41 ff. SVN eine Situation oder voraussetzt 1 , müßte in allen Fällen, in nahmen angewendet wurden, zumindest gelegen haben.

von Zwangsmaßnahmen i. S. Handlung nach A r t . 39 SVN denen derartige Zwangsmaßeine Friedensbedrohung vor-

1 Dies gilt auch nach der „advisory opinion" des I G H i m Falle Südwestafrika v o m 21.6.1971 („Legal consequences for States of the continued presence of South Africa i n Namibia [South West Africa] notwithstanding Security Council Resolution 276 [1970]", I C J Reports 1971 S. 4ff.). Dort hat der I G H zwar festgestellt (S. 52) : "The reference i n paragraph 2 of this Article ( = A r t . 24 SVN, der Verf.) to specific powers of the Security Council under certain chapters of the Charter does not exclude the existence of general powers to discharge the responsibilites i n paragraph 1. Reference may be made i n this respect to the Secretary General's Statement, . . . to the effect, that "the powers of authority contained under A r t . 24 are not restricted by to the specific grants of authority contained i n Chapters V I ,

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I I . Teil: Der Begriff i n den Resolutionen von SR u n d G V

Nicht i n diese Untersuchung einbezogen werden sollen dagegen jene Fälle, i n denen der SR — ohne Erwähnung einer Friedensbedrohung — sich lediglich m i t der Entsendung von Beobachterkommissionen oder ähnlichem begnügt hat. Hier kann i m Einzelfall durchaus fraglich sein, ob der SR unter Kapitel V I oder unter Kapitel V I I tätig werden wollte, so daß verläßliche Rückschlüsse auf die stillschweigende A n nahme einer Friedensbedrohung kaum gezogen werden können 2 . Besondere Aufmerksamkeit soll i n der folgenden Untersuchung der Tätigkeit der GV auf diesem Gebiet gewidmet werden, deren Rechtsgrundlagen und Voraussetzungen weitgehend i m Dunkeln liegen. Hierbei soll soweit wie möglich auch ein Blick auf das Verhältnis von SR und GV bei der Behandlung bestimmter Konflikte, besonders aber hinsichtlich der Verwendung des Begriffes Friedensbedrohung geworfen werden.

V I I , V I I I and X I I . . . " . Diese Äußerung k a n n i m Zusammenhang des Textes lediglich als Bestätigung der „ i m p l i e d powers" Lehre m i t Relevanz n u r h i n sichtlich der Gegenstände verstanden werden, die i n der Charta nicht ausdrücklich geregelt sind. Dazu gehört die Bekämpfung friedensbedrohender Zustände m i t kollektiven Zwangsmaßnahmen aber nicht. 2 Z u diesen Fällen eingehend Menzel, J I R Bd. 15 S. 1 ff. s. auch Bowett, Institutions S. 35 f.

Erstes

Kapitel

D i e P r a x i s des S R u n d i h r e V e r e i n b a r k e i t m i t der Charta der V N 1. A b s c h n i t t PALÄSTINA A. Die Tätigkeit des SR Es ist g e w i ß k e i n gutes Zeichen f ü r d i e E f f e k t i v i t ä t d e r M a ß n a h m e n des SR, daß ausgerechnet d e r gefährlichste K o n f l i k t d e r G e g e n w a r t bereits A n l a ß z u r ersten F e s t s t e l l u n g des Rates nach A r t . 39 S V N i m J a h r e 1948 w a r . N u r w e n i g e M o n a t e nach V e r a b s c h i e d u n g der T e i l u n g s r e s o l u t i o n 181 (II) A 1 d u r c h d i e G V sah sich d e r SR v o r d i e F r a g e gestellt, ob er d e m d a r i n ausgesprochenen V e r l a n g e n , n o t f a l l s Z w a n g s m a ß n a h m e n nach A r t . 39, 41 S V N z u e r g r e i f e n 2 , n a c h k o m m e n solle. W e d e r die A p p e l l e des S R 3 noch die B i l d u n g e i n e r W a f f e n s t i l l s t a n d s 1 V o m 29.11.1947; die Vereinbarkeit dieser Resolution m i t der Satzung der V N ist nicht unbestritten (s. hierzu Klinghoffer, Palästina-Mandat S. 723 ; Delbrück SR u n d GV S. 60 - 65). Z u r Vorgeschichte des Palästina-Konflikts s. i.e. Y U N 1946/47 S. 276-303; Y U N 1947/48 S. 227 - 281 sowie Klinghoffer, Palästina-Mandat S. 721 f.; Holdheim S. 19 - 22, 3 5 - 3 9 (zur Balfour-Deklaration); Heinhard Steiger, Der Staat 9 (1970) S. 433 ff. 2 Wörtlich ( Y U N 1947/48 S.247): The General Assembly "Requests that "(a) The Security Council take the necessary measures as provided for i n the plan for its implementation; "(b) The Security Council consider, i f circumstances during the transitional period require such consideration, whether the situation i n Palestine constitutes a threat to the peace. I f i t decides that such a threat exists, and i n order to maintain international peace and security, the Security Council should supplement the authorization of the General Assembly by t a k i n g measures under A r t . 39 and 41 of the Charter, to empower the United Nations Commission, as provided i n this resolution, to exercise i n Palestine the functions which are assigned to i t by this resolution. "(c) The Security Council determine as a threat to the peace, breach of the peace or act of aggression i n accordance w i t h A r t . 39 of the Charter, any attempt to alter by force the settlement envisaged by this resolution." ( = A/RES/181 [ I I ] A.) 3 Vgl. etwa S/RES/704 u n d 705 v o m 30.3.1947; S/RES/723 v o m 17.4.1947.

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I I . 1. Kap.: Praxis des SR

kommission 4 hatten die explosive Situation, die durch eine langsame Zersplitterung des Landes i n jüdisch und arabisch besetzte Gebietsteile gekennzeichnet war 5 , zu entschärfen vermocht. Während der SR i n endlosen Debatten über die hoffnungslose Lage i n Palästina diskutierte, schufen der Abzug der Reste der britischen Verwaltung i n der Nacht vom 14. zum 15. Mai 1948 und die gleichzeitig erfolgende Proklamation des Staates Israel neue Tatsachen. Die Lage spitzte sich weiter zu, als nur wenige Stunden später Truppen verschiedener arabischer Nachbarstaaten i n das Gebiet des soeben von den Vereinigten Staaten anerkannten 6 „Staates Israel" einmarschierten. Die Regierungen mehrerer arabischer Staaten informierten den SR von diesem Vorgehen 7 , und der Generalsekretär der Arabischen Liga verlieh seiner Zuversicht Ausdruck, daß die A k t i o n der arabischen Staaten die Unterstützung der V N finden werde 8 . Als der SR am 17. 5.1948 erneut zusammentrat, u m die neue Lage zu beraten, forderte der amerikanische Delegierte Austin 9 als erster Redner die förmliche Feststellung durch den SR, daß i n Palästina ein Bruch oder eine Bedrohung des Friedens i. S. von Art. 39 SVN vorliege. Als provisorische Maßnahme gemäß A r t . 40 SVN sollten alle Beteiligten zur sofortigen Waffenruhe aufgefordert werden. Der amerikanische Entwurf sah weiterhin eine Reihe von Fragen vor, die an die kämpfenden Parteien gerichtet werden sollten. Während dieser Fragenkatalog weitgehende Zustimmung fand, begegnete der Gedanke einer Feststellung großen Bedenken. Eine Reihe von Delegierten äußerte Zweifel, ob der Konflikt i n Palästina tatsächlich eine Bedrohung des internationalen Friedens darstelle und empfahlen, ein Vorgehen auf das VI. Kapitel zu beschränken 10 . Trotz der Replik des amerikanischen Delegierten, die Stellungnahmen der arabischen Staaten hätten klargemacht, daß sie einen Bruch des internationalen Friedens i. S. von A r t . 39 SVN begangen hätten, erhielt der amerikanische Vorschlag mit nur 5 Jastimmen nicht 4 S/RES/727 v o m 23. 4.1947. 5 Klinghoff er, Palästina-Mandat S. 723. β Holdheim S. 54. 7 Ägypten Doc S/743 (Telegramm v o m 15. 5.1948; i n SCOR I I I 292 m./15. 5. 1948/No 66 S. 2 f.); Jordanien Doc S/748 (Telegramm v o m 16. 5.1948; SCOR I I I , Supplement M a i 1948 S. 90). β S/745 (SCOR I I I , Supplement M a i 1948 S. 83 - 88). 9 SCOR I I I 293 m./17. 5.1948 S. 2. 10 Deleg. Cadogan (UK) SCOR I I I 296 m./19.5.1948 S . 2 f . ; Deleg. van Langenhove (Belgien) 296 m. S. 11; vgl. auch den Überblick i n Y U N 1947/48 S. 419.

1. Abschn.: Palästina

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die erforderliche Mehrheit 1 1 . Die erste Erwähnung des V I I . Kapitels findet sich daher erst i n der Resolution 801 vom 29. 5.1948, i n der der SR in Abs. 12 "Decides that if the present resolution is rejected by either party or by both, or if, having been accepted i t is subsequentely repudiated or violated, the situation w i l l be reconsidered w i t h a view to action under Chapter V I I of the Charter." Schon bald sollte der SR Gelegenheit haben, sich erneut m i t der Frage der Anwendung des V I I . Kapitels zu befassen. Nach einem kurzen Waffenstillstand vom 10. Juni 1948 bis zum 9. J u l i 1948, den die arabischen Staaten nicht verlängern wollten, flammten die Kämpfe erneut auf 1 2 . Inzwischen hatte sich die Position Israels jedoch nicht nur militärisch erheblich verbessert: am 18. 5.1948 war es auch von der Sowjetunion anerkannt 1 3 und auf der 330. Sitzung gegen den Widerstand des Vereinigten Königreichs, Belgiens, Kanadas, Chinas und Syriens von der Mehrheit der Mitglieder des SR als Staat Israel akzeptiert worden 1 4 . So begegnete der erneute Vorschlag der USA, die Situation jetzt nach Kap. V I I zu behandeln, nurmehr dem Widerstand der arabischen Staaten, die nicht über ein Vetorecht verfügen 15 . M i t geringfügigen Änderungen wurde er als Resolution S/902 am 15. J u l i 1948 angenommen 16 . Die Resolution enthält nach dem einleitenden Hinweis auf die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten die förmliche Feststellung, daß die Situation in Palästina eine Bedrohung des Friedens i m Sinne des Art. 39 SVN darstelle und — unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Art. 40 SVN — die Aufforderung an die Beteiligten, die Feindseligkeiten einzustellen. Der SR erklärte, daß die Nichtbefolgung dieser Anordnung das Vorliegen eines Friedensbruches i. S. von A r t . 39 SVN beweisen und die unverzügliche Beratung weiterer Maßnahmen nach dem V I I . Kapitel erfordern werde 1 7 . n Vgl. Y U N 1947/48 S. 421 f. 12 s. i. e. Y U N 1947/48 S. 435. 13 Holdheim S. 54. 14 Y U N 1947/48 S. 433. 15 Y U N 1947/48 S. 436 f. 16 Vgl. i. e. Y U N 1947/48 S. 436, 441. 17 Die hier sinngemäß wiedergegebenen Stellen der Resolution S/RES/902 lauten i m englischen Originaltext ( Y U N 1947/48 S. 436): "The Security Council Taking into consideration . . . and that there has recently developed a renewal of hostilities i n Palestine; "Determines that the situation i n Palestine constitutes a threat to the peace w i t h i n the meaning of Art. 39 of the Charter;

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I I . 1. Kap.: Praxis des SR

A u f diese Resolution ist i m Zusammenhang m i t der Palästinafrage noch mehrfach Bezug genommen worden 1 8 . B. Die Verwendung des Begriffes Friedensbedrohung

Schon der Hinweis auf die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten i n der Präambel der Res. 902 macht deutlich, daß zumindest das Merkmal der Androhung oder Anwendung physischer Gewalt erfüllt ist. Tatsächlich fanden am 15. 7.1948 Kampfhandlungen i n Palästina bereits statt, ohne daß es bisher zu dem erwarteten großen Zusammenstoß zwischen israelischen Einheiten und den Truppen der arabischen Länder gekommen war 1 9 . Der erneute Vormarsch arabischer Verbände i n Verbindung m i t der Weigerung, den Waffenstillstand zu verlängern, ließ indes das Schlimmste befürchten 20 . Anlaß zu Zweifeln an der Vereinbarkeit dieser Resolution m i t der gefundenen Definition könnte daher allenfalls das Merkmal „ i n den internationalen Beziehungen" geben. I n der Tat haben sich die Gegner der Resolution hierauf auch i n erster Linie berufen 21 . Bezeichnenderweise haben jedoch sowohl Großbritannien als auch Belgien und Kanada, die noch zwei Monate zuvor dem nahezu gleichlautenden amerikanischen Vorschlag aus eben diesem Grund ihre Zustimmung verweigert hatten 2 2 , keine derartigen Bedenken geltend gemacht. Dies trägt der veränderten Situation Rechnung. Unmittelbar nach der Proklamation waren Zweifel an der „Staatsqualität" Israels schon desOrders the Governments and authorities concerned pursuant to Art. 40 of the Charter of the UN to desist from further military action and to this end to issue ceasefire orders to their military and para-military forces, . . .

Declares that failure by any of the Governments or authorities concerned to comply w i t h the preceding paragraph of this resolution w o u l d demonstrate the existence of a breach of the peace w i t h i n the meaning of A r t . 39 of the Charter requiring immediate consideration by the Security Council w i t h a view to such further action under Chapter V I I of the Charter as may be decided upon by the Council." is S/RES/981 v o m 19. 8.1948; S/RES/1045 v o m 19.10.1948; S/RES/1080 v o m 16.11.1948; S/RES/1376 I I v o m 11. 8.1949. 19 I m südlichen Palästina w a r es bereits zu ersten Gefechten gekommen; vgl. das israelische Telegramm an den SR v o m 8.7.1947 (Doc. S/871 ; SCOR I I I 332 m./8. 7.1948 S. 2). 20 Noch deutlicheren Ausdruck hat der Zusammenhang zwischen Friedensbedrohung u n d bevorstehender Gewaltanwendung i n der Resolution S/RES/ 1070 v o m 16.11.1947 gefunden, i n der es u. a. heißt: "Decides that i n order to eliminate the threat to the peace i n Palestine . . . an armistice shall be established i n a l l sectors of Palestine" ( Y U N 1948/49 S. 183). 21 Vgl. Y U N 1947/48 S. 436 f., bes. die Ausführungen des syrischen u n d des chinesischen Delegierten ( Y U N 1947/48 S. 437) sowie des ägyptischen Delegierten (ebd. S. 438). 22 s. vorstehend unter A. u n d zusammenfassend Y U N 1947/48 S. 419 f.

. Abschn.: Kong

81

halb angebracht, weil es nicht ausgeschlossen schien, daß die damals noch überwiegend arabische Bevölkerung Palästinas aus eigener Kraft den Fortbestand des soeben proklamierten Staates verhindern könne. Zwei Monate später aber war jedem objektiven Beobachter klar, daß der offensichtlich effektive Staat Israel eine nicht hinwegzudiskutierende und allenfalls um den Preis eines Krieges zwischen i h m und seinen arabischen Nachbarn zum Verschwinden zu bringende Realität war. Hinzu kam die Anerkennung durch eine ganze Reihe von Staaten, darunter durch die beiden Weltmächte USA und UdSSR. Dieser veränderten Sachlage trägt auch die Resolution Rechnung, wenn sie i n ihrem ersten Abschnitt ausdrücklich von der provisorischen Regierung Israels spricht 23 . Lediglich am Rande sei erwähnt, daß Abs. 4 der Resolution offensichtlich den Friedensbruch als ausgebrochenen militärischen Konflikt und somit als realisierte Friedensbedrohung versteht. Die Verwendung des Begriffes Friedensbedrohung i n der Palästinafrage bewegt sich also i m Rahmen der gefundenen Definition.

2. Abschnitt KONGO A. Die Resolutionen des SR zur Kongofrage

Während der fünfziger Jahre blieb Kapitel V I I weitgehend „toter Buchstabe" 24 . Abgesehen von der durch die zeitweilige Abwesenheit des Vertreters der UdSSR 2 5 ermöglichten förmlichen Feststellung eines Friedensbruches i n der Koreafrage 26 am 25. 6.1950 hat der SR bis 1960 keine Situation und kein Verhalten eines Staates als Friedensbedrohung oder Friedensbruch bezeichnet. 23 " T a k i n g into consideration that the Provisional Government of Israel has indicated its acceptance i n principle of the truce i n Palestine; . . . " ( Y U N 1947/48 S. 436); der Versuch des Vereinigten Königreichs, diese direkte E r wähnung zu vermeiden und sie durch „die andere Partei" zu ersetzen, schlug fehl (vgl. Y U N 1947/48 S. 440). 24 Goodrich I O 19 (1965) S. 433. 25 Vgl. i. e. Hyong-Kon Hau i n V N 1972 S. 159 ff. bes. S. 162 f. 26 S/RES/1501: "The Security Council" "Determines that this action constitutes a breach of the peace." Eine Bezugnahme auf diese Resolution findet sich i n S/RES/1511 v o m 27. 6.1950. Dennoch trugen die Maßnahmen des SR n u r Empfehlungscharakter; vgl. i. e. Seidl-Hohenveidern, Intern. Organisation Rz 2029, ferner auch Scheuner, Wandlungen S. 26. Z u der umstrittenen Frage, ob die V N i n Korea i n einen Bürgerkrieg eingegriffen haben, s. Friedmann S. 269 und oben I , 5. Kap. Anm. 14. 6 Arntz

82

I I . 1. Kap.: Praxis des SR

Eine eher beiläufige Erwähnung einer Friedensbedrohung findet sich erst wieder i n einer Resolution des SR zur Kongofrage 27 aus dem Jahre 1961. Obwohl der SR die A k t i o n der V N i m Kongo bereits i m J u l i 1960 mit der Ermächtigung des Generalsekretärs zur Entsendung einer VN-Streitmacht eingeleitet hatte 2 8 , enthielten die Resolutionen des SR, die dieser bis zu seiner Blockierung durch das sowjetische Veto 2 9 i m September 1960 verabschiedete, keine Erwähnung einer Friedensbedrohung oder eines Friedensbruchs 30 . Erst die unmittelbar nach der Ermordung einer Reihe von kongolesischen Politikern, darunter des früheren Premierministers Patrice Lumumba, verabschiedete Resolution 4741 (A + B ) 3 1 bezeichnet in der Präambel des Teiles A die Situation i m Kongo als Bedrohung des internationalen Friedens, über die sich der SR ebenso tief besorgt zeigte, wie über die ernsten Auswirkungen des Verbrechens und die Gefahr eines ausgedehnten Bürgerkriegs und Blutvergießens i m Kongo 3 2 . Er forderte u. a. den Rückzug aller belgischen und sonstigen ausländischen Truppen, Berater usw. und beschloß, eine Untersuchung über den Tod Lumumbas durchzuführen. Von Umständen, die den internationalen Frieden bedrohen, sprach der SR auch in der Präambel zu Teil Β der Resolution 33 . B. Die rechtliche Einordnung der Resolutionen i m Kongo-Fall

Gegen die Tätigkeit der V N in der Kongofrage sind zahlreiche Bedenken laut geworden, die sich besonders auf die Frage bezogen, ob SR oder GV i n unerlaubter Weise i n die inneren Verhältnisse des Kongo eingegriffen haben 34 . 27 Z u r Kongofrage allgemein u n d zu den Aktionen von SR u n d GV s. Ballaloud S . 3 7 - 4 6 ; Y U N 1960 S. 52 - 129; Y U N 1961 S. 5 7 - 8 9 ; Y U N 1962 S. 6 9 - 8 8 ; Y U N 1963 S. 3 - 13. 28 S/RES/4387 v o m 13. 7.1960. 29 Entgegen d. Ausführungen des sowjetischen Delegierten Kuznetsov (SCOR X V 888 m./21. 8.1960 S. 13 Z. 52) dürfte dieses Veto vornehmlich durch finanzielle Erwägungen daneben auch durch die steigende Feindseligkeit der SU gegenüber dem Generalsekretär (so Ballaloud S. 43) ausgelöst worden sein. so Vgl. neben Resolution S/RES/4387 die Resolutionen S/RES/4405 v o m 22.7.1960 u n d S/RES/4426 v o m 9.8.1960. E i n sowjetischer Vorschlag, das belgische Vorgehen als „armed aggression" zu bezeichnen, scheiterte i m J u l i 1960 (vgl. Y U N 1960 S. 53). 31 S/RES/4741 (A + B) v o m 21. 2.1961. 82 Wörtlich: "The Security Council " H a v i n g considered the situation i n the Congo. H a v i n g learnt w i t h deep regret the announcement of the k i l l i n g of the Congolese leaders, M r . Patrice Lumumba, Mr. Maurice Mpolo and M r . Joseph Okito. "Deeply concerned at the grave repercussions and the danger of w i d e spread c i v i l w a r and bloodshed i n the Congo and the threat to international peace and security" ( Y U N 1960 S. 104). 33 S. i. e. S/RES/4741 (A + B).

2. Abschn. : Kongo

83

Hierauf i. e. einzugehen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Es soll deshalb i m folgenden lediglich untersucht werden, ob bereits die Entsendung der Friedensstreitmacht die — stillschweigende — A n nahme einer Friedensbedrohung durch den SR voraussetzte und inwieweit die Kennzeichnung der Situation als Friedensbedrohung i m Februar 1961 sich i m Rahmen der gefundenen Definition bewegt. 1. Friedensstreitmacht

und

Zwangsmaßnahmen

Ob die Entsendung einer Friedensstreitmacht der V N eine Situation i. S. des A r t . 39 SVN, also zumindest eine Friedensbedrohung voraussetzt, ist fraglich 35 . Für diese Annahme scheint der unbestreitbare Kollektivcharakter der Maßnahme zu sprechen. Angesichts der offenkundigen sprachlichen Ubereinstimmung von A r t . 1 Ζ. 1 SVN und Art. 39 SVN liegt es nahe, alle kollektiven Maßnahmen, die die V N zur Wahrung des Weltfriedens treffen, nur unter den Voraussetzungen des A r t . 39 für zulässig zu halten 3 6 . Der Hinweis auf Art. 1 Ζ. 1 oder gar auf A r t . 99 37 SVN ist indes keinesfalls zwingend. A r t . 1 Ζ. 1 erwähnt neben der Beseitigung von Friedensbedrohungen auch deren Verhütung („prevention"), woraus mit der gebotenen Vorsicht auf den Willen der Schöpfer der SVN geschlossen werden kann, kollektive Maßnahmen auch i n anderen Situationen als denen des V I I . Kapitels zuzulassen. A r t . 99 SVN spricht lediglich von Gefährdungen des Weltfriedens und es dürfte ganz unbestritten sein, daß der Generalsekretär den SR auch auf Situationen hinweisen kann, die noch keine Friedensbedrohung darstellen. Überdies haben sich die Schöpfer der Charta keineswegs darauf beschränkt, dem SR i n A r t . 39 SVN allgemein die Anordnung kollektiver Maßnahmen zuzugestehen, sondern i m Gegenteil i n den A r t . 41 ff. SVN sehr detaillierte Vorschriften hinsichtlich A r t und Einsatz dieser kollektiven Maßnahmen getroffen. I h r gemeinsames Kennzeichen ist die Ausübung von Zwang zur Durchsetzung der Beschlüsse des SR 38 , Zwang, der sich nach der hier vertretenen Ansicht gegen den Staat richtet, der das Gewaltverbot des Art. 2 Z. 4 SVN nicht beachtet hat. I m Gegensatz zu diesen Sanktionsmaßnahmen richten sich die sog. Polizeiaktionen der V N nicht gegen einen Staat. Sie werden zur Ver34 v g l . hierzu Ballaloud S. 98; Brunner S. 435; Friedmann S. 269; Bustamente S. 388 f. ss Bejahend w o h l Ballaloud S. 40 f.; Haidermann A J I L 56 (1962) S. 972 - 974; verneinend etwa Scheuner ZaöRV 19 (1958) S. 395 f.; Bustamente S. 390. 36 So Ballaloud S.40f.; Haidermann A J I L 56 (1962) S. 972 - 974. 37 So aber Ballaloud S. 38, 40 f. 38 I G H "Certain expenses of the United Nations", I C J Reports 1962 S. 163 f. 6*

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I I . 1. Kap.: Praxis des SR

hütung von Konflikten und m i t ausdrücklicher Zustimmung des Staates durchgeführt, auf dessen Territorium die Truppen stationiert werden. Eine „Zwangswirkung" kann diese Maßnahme allenfalls insofern haben, als ein potentieller Angreifer zunächst gegen die Truppen der V N vorgehen und sich damit eindeutig als Angreifer entlarven müßte 3 9 . Zumindest i n der Suez- und der Libanonkrise 4 0 , aber auch i n Zypern erschöpfte sich die Aufgabe der Friedenstruppe weitgehend i n einer Beobachter- und Pufferfunktion. Offensive Aktionen, die offensichtlich gegen einen anderen Staat gerichtet waren, hat die Friedenstruppe i n keinem Fall unternommen 4 1 . So haben die V N i m Kongo die Basen der dort gelandeten belgischen Truppen i m Einvernehmen m i t der belgischen Regierung übernommen 42 . Die Wiederherstellung von Recht und Ordnung trug — da auf Ersuchen der legalen kongolesischen Regierung durchgeführt — keinen Zwangscharakter gegen die Kongorepublik, so bedenklich sie aus anderen Gründen auch gewesen sein mag. Vor allem Dag Hammarskjold, i n dessen Händen mangels genauer Anweisungen von SR und GV nahezu die gesamte Durchführung von ONUC lag, hat durch die häufige Wiederholung des Prinzips der Nichteinmischung 43 klargemacht, daß die Entsendung keinerlei Zwangscharakter trage 4 4 . Dieser Ansicht ist der I G H i n seinem Gutachten vom 20. 7.1962 gefolgt 45 . Auch der Nachfolger Dag Hammarskjolds, U Thant, hat durch seine häufig kritisierte Entscheidung, die Truppen der V N 1967 aus dem Gaza-Streifen abzuziehen 46 , klar zum Ausdruck gebracht, daß eine Stationierung derartiger Truppen von der Zustimmung des Gastlandes abhängig bleibt, die 39 Hierauf stützt Moreno Quintana S. 353 u. a. die Ansicht, daß es sich doch u m Zwangsmaßnahmen handele. 40 Hierzu i. e. unten I I , 2. Kap., 6. Absch. 41 Zweifel bestehen insofern einzig hinsichtlich der A k t i o n e n gegen Katanga i n den Jahren 1961 u n d 1963; vgl. hierzu Moreno Quintana S. 352; Seidl-Hohenveldern V R Rz. 1262; Intern. Organisationen Rz. 2027. 42 Vgl. Y U N 1960 S. 53. 43 Vgl. etwa SCOR X V 887 m./21. 8. 1960 S. 3 u n d S. 7. 44 So auch Ballaloud S. 39; ob dieses Prinzip i n den verfassungsrechtlichen W i r r e n des Kongo, i n dem eine verantwortliche Regierung zeitweise nicht mehr vorhanden war, i n vollem Umfang durchgehalten worden ist oder überhaupt durchgehalten werden konnte, mag m i t Recht bezweifelt werden. Auch hier ist aber das Bestreben von SR u n d GV nicht zu verkennen, sich aus diesem Machtstreit innerhalb der Zentralregierung herauszuhalten, ohne von dem auf B i t t e n der urprünglichen u n d unzweifelhaft rechtmäßigen Regierung getroffenen Entschluß abzugehen, Recht u n d Ordnung i m Kongo wiederherzustellen; vgl. hierzu auch Brunner S. 434; Friedmann S. 269. 45 „Advisory Opinion" zu A r t . 17 Abs. 2 der Satzung v o m 20.7.1962 („Certain expenses of the United Nations"), I C J Reports 1962 S. 151 ff., bes. S. 171 f. 4 6 Vgl. Y U N 1967 S. 162- 165; hierzu Garvey A J I L 64 (1970) S. 241 f f.; s. auch Seidl-Hohenveldern , Intern. Organisationen Rz. 2026.

. Abschn. :

85

Ägypten i n diesem Fall widerrufen hatte. Die Entsendung einer Friedenstruppe ist somit — ganz abgesehen von den Modalitäten ihres Zustandekommens usw. — keine kollektive Zwangsmaßnahme i. S. der Art. 41 ff. SVN 4 7 . Höchst fraglich muß auch scheinen, ob sie als provisorische Maßnahme i. S. von A r t . 40 SVN bezeichnet werden kann 4 8 . Nach dieser Vorschrift kann der SR „die beteiligten Parteien auffordern, den von i h m für notwendig oder erwünscht erachteten vorläufigen Maßnahmen Folge zu leisten" 4 9 . Tun die Parteien dies nicht, so soll der SR nach dem letzten Satz dieses Artikels „diesem Versagen gebührend Rechnung" 50 tragen. Auch bei einer sehr großherzigen Auslegung dieses Wortlauts w i r d man kaum sagen können, daß hier Kollektivmaßnahmen erfaßt werden sollten, die auf Ersuchen der betreffenden Partei durchgeführt werden 5 1 . Die hiernach naheliegende Vermutung, daß die Entsendung einer Friedensstreitmacht der V N i n der Satzung nicht geregelt ist, w i r d durch die Protokolle der Beratungen i n San Francisco bestätigt 52 , wo offensichtlich an eine derartige A k t i o n nicht gedacht wurde. Ebenso wie bei der Entsendung von Untersuchungskommissonen durch die G V 5 3 dürfte es sich um einen Fall der „implied powers" handeln 5 4 , wobei die Kompetenz des SR sich aus A r t . 24 i n Verbindung m i t A r t . 1 Ζ. 1 S V N 5 5 ergibt, ohne daß es der speziellen Voraussetzungen des A r t . 39 SVN bedürfte. 47 So auch Fitzmaurice S. 321; Scheuner ZaöRV 19 (1958) S. 395; 401, 410 f.; I G H , „Certain expenses", I C J Reports 1962 S. 171, 177; Bustamente S. 385 bis 388; Seidl-Hohenveldern V R Rz. 1262, 1301; U Thant Y U N 1967 S. 165; a. A. Moreno Quintana S. 352 f.; Koretsky S. 361. 48 a. A. Bovoett, Institutions S. 35 f.: „probably acted under A r t . 40"; u n k l a r Ballaloud S. 39 - 41, der einerseits A r t . 40 für anwendbar zu halten scheint, andererseits aber von „ i m p l i e d powers" spricht; auch die von Ballaloud an anderer Stelle (S. 78) betonte Bindungswirkung der provisorischen Maßnahmen des SR nach A r t . 40 S V N spricht gegen eine derartige Annahme, da die Stationierung der Friedenstruppe, w i e allgemein anerkannt ist, von der Zustimmung des Gastlandes abhängig ist und bleibt. 49 Deutsche Ubersetzung nach Schätzel S. 29. so s. A n m . 49. si Daß die Aufforderung an Belgien, seine Truppen aus dem Kongo zurückzuziehen (so bereits S/RES/4387 v o m 13. 7.1960), eine provisorische Maßnahme nach A r t . 40 S V N sein kann, ist dagegen unzweifelhaft (s. Ballaloud S. 39) ; sie k a n n aber ebenso unzweifelhaft auch eine Empfehlung i m Rahmen des V I . Kapitels darstellen. 5 2 Vgl. U N C I O Band 12 S. 334 - 336, 580 f.; Ballaloud S. 39. 53 Vgl. Delbrück SR u n d GV S. 57. 54 So auch Ballaloud S. 3 9 - 4 1 ; vgl. ferner Seyersted B Y B I L 1961 S. 460 bis 471. 55 Haidermann A J I L 1962 S. 972 f.

86

I I . 1. Kap.: Praxis des SR

Ob der SR — wie Ballaloud annimmt 5 6 — i m Jahre 1960 dennoch nach Art. 39 ff. SVN tätig werden wollte, ist zweifelhaft 5 7 . Keinem Zweifel kann angesichts des belgischen Vorgehens indes unterliegen, daß bereits i m J u l i 1960 eine Friedensbedrohung i. S. der gefundenen Definition und damit die Voraussetzungen eines Eingreifens nach Kap. V I I SVN vorgelegen haben 58 . 2. Die Resolution aus dem Jahre 1961 Bedenken gegen die Erwähnung einer Friedensbedrohung i m Jahre 1961 könnten sich vor allem aus der unmittelbaren Verbindung von Bürgerkrieg und Friedensbedrohung ergeben. Indes zeigt gerade die Präambel der Resolution 4741 A 5 9 sehr deutlich, daß der SR die Bedrohung des internationalen Friedens nicht aus der Bürgerkriegsgefahr i m Kongo, sondern — wie die Erwähnung der ausländischen Truppen und Berater i n weiteren Teilen der Resolution nahelegt — offensichtlich aus der Gefahr eines internationalen militärischen Zusammenstoßes hergeleitet hat 6 0 . Auch diese Erwähnung einer Friedensbedrohung ist somit i n vollem Umfang mit der gefundenen Definition vereinbar 6 1 . 3. Die „Feststellung"

nach Art. 39 SVN

Ob der SR i m Jahre 1961 tatsächlich nach Kapitel V I I tätig werden wollte, ist mehr als fraglich. I n früheren Fällen 6 2 , aber auch in einem 56

S. 38, 40; ebenso w o h l Bowett, Institutions S.35f. Während der Beratungen i m SR äußerten Frankreich u n d Italien Bedenken hinsichtlich der Internationalität des Konflikts (vgl. SCOR X V 873 m./13. 7.1960 S. 23, 28) u n d ein sowjetischer Antrag, Belgien als Aggressor zu verurteilen, w u r d e von der Mehrheit i m SR abgelehnt ( Y U N 1960 S. 53). Andererseits hat der Generalsekretär i m August u n d Dezember 1960 vor dem SR als Basis der A k t i o n die A r t . 39 u n d 40 S V N bezeichnet (SCOR X V 884 m./8. 8.1960 S. 4; 920 m./13./14.12.1960 S. 19), ohne daß hiergegen Einwände laut geworden wären; s. auch Seyersted B Y B I L 1961 S. 442 - 446. ss So auch Koretsky S. 368; Ballaloud S. 41. 59 Wörtlich zitiert vorstehend A n m . 32. 60 So auch Ballaloud S. 133. 61 Neben den verbliebenen belgischen Truppen i n Katanga, denen die Sowjetunion noch am 30.1.1961 neue Aggressionshandlungen vorgeworfen hatte (s. Y U N 1960 S. 80), hielten sich auch zahlreiche ausländische Söldner, Militärberater u n d „Fachleute" i m Kongo auf. Auch das Verhältnis der kongolesischen Zentralregierung zur V A R u n d zu den afrikanischen Staaten w a r äußerst gespannt, w i e die Beschwerde des kongolesischen Präsidenten über Einmischungen der V A R v o m 24. 1.1961 ( Y U N 1960 S. 79) u n d die Proteste zahlreicher afrikanischer Staaten gegen die Behandlung Lumumbas vor dessen Tod ( Y U N 1960 S. 80) zeigen. 62 Palästina (s. vorstehend A n m . 17) ; Korea (s. vorstehend Anm. 26). 57

. Abschn.:

risische

e

87

späteren F a l l 6 3 hat er dies erheblich eindeutiger zum Ausdruck gebracht. Zwangsmaßnahmen hat er i n der Resolution 4741 A und Β ebensowenig empfohlen wie i m Vorjahr. Diese unterschiedliche Handhabung w i r f t die Frage auf, ob A r t . 39 SVN nicht überhaupt eine förmliche Feststellung wie etwa i n den Fällen Palästina, Korea oder Südrhodesien verlangt. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß eine derartige Feststellung schon i m Hinblick auf eine eindeutige Rechtslage besonders dann wünschenswert ist, wenn der SR tatsächlich zur Anordnung von Zwangsmaßnahmen schreitet. Andererseits kann das Fehlen einer i m übrigen auch nach dem Wortlaut des A r t . 39 SVN nicht erforderlichen förmlichen Feststellung nicht zur Rechtswidrigkeit einer Resolution führen, wenn die Voraussetzungen einer Friedensbedrohung tatsächlich vorliegen. Ob i n gleicher Weise zu entscheiden ist, wenn der Resolution des SR überhaupt kein H i n weis auf die Gefährlichkeit der Situation bzw. auf eine Friedensbedrohung zu entnehmen ist, kann dagegen zweifelhaft sein 64 . 4. Zusammenfassung Die Bezeichnung der Situation i m Kongo als Bedrohung des internationalen Friedens ist mit der gefundenen Definition i n vollem Umfang vereinbar. Trotz der Verwendung dieses Begriffes bleibt aber zweifelhaft, ob der SR i n der Kongofrage tatsächlich nach A r t . 39 ff. SVN tätig werden wollte. Die Entsendung einer Friedensstreitmacht ist weder eine Zwangsmaßnahme i. S. der A r t . 41 ff. SVN noch eine provisorische Maßnahme i. S. des Art. 40 SVN und setzt daher die Existenz einer Friedensbedrohung nicht voraus.

3. Abschnitt PORTUGIESISCH BEHERRSCHTE GEBIETE I N A F R I K A A. Die Tätigkeit des SR

M i t der Frage der portugiesischen Besitzungen i n Afrika, deren Status — portugiesische Überseeprovinzen oder abhängige Gebiete i. S. der UN-Charta — seit dem Eintritt Portugals i n die Weltorganisation 63

Südrhodesien (s. nachstehend unter I I , 1. Kap., 5. Abschn., Α.). Während der Diskussion u m die Maßnahmen des SR i m Falle Südrhodesiens haben die meisten Delegierten eine eindeutige Feststellung für erforderlich gehalten; vgl. etwa die Ausführungen der Deleg. Matsui (Japan) SCOR X X I 1333 m./12.12.1966 S. 11; E l - F a r r a (Jordanien) ebd. 1340 m./16. 12.1966 S. 3; Berrò (Uruguay) ebd. 1340 m./16.12.1966 S. 8. 64

88

I I . 1. Kap.: Praxis des SR

streitig war 6 5 , haben sich die V N seit den Unruhen i n Angola i n den Jahren 1960 und 1961 ständig beschäftigt. N u r zwei Monate nach A n nahme der „Magna Charta des Selbstbestimmungsrechts 66 der kolonialen Völker", der „Declaration on the granting of independence to colonial countries and peoples" 67 verlangte Liberia am 20. Februar 1961 eine Sitzung des SR über diese Frage 68 . Sie wurde gegen den heftigen Widerstand Portugals, das sich auf das Prinzip der „domestic jurisdiction" (Art. 2 Ζ. 7 SVN) berief, auf die Tagesordnung des SR gesetzt 69 . Ein Resolutionsentwurf Ceylons, Liberias und der V A R 7 0 , der u. a. die Aufforderung an Portugal enthielt, unverzüglich der Deklaration A/RES/1514 ( X V ) 7 1 nachzukommen und die Situation i n der Sprache des VI. Kapitels als geeignet bezeichnete, den Weltfrieden zu gefährden, fand i m SR nicht die erforderliche Mehrheit. Während i n dieser Debatte lediglich der Vertreter der Sowjetunion behauptete, durch den Einsatz militärischer Gewalt habe Portugal eine ernste Bedrohung des Friedens in ganz A f r i k a geschaffen 72 , enthielt der nur wenige Monate später — am 26. Mai 1961 — an den SR gerichtete Antrag von nicht weniger als 42 Mitgliedern der V N 7 3 bereits die Feststellung, „die fortgesetzten Massaker i n Angola und die fortwährende Unterdrückung der Menschenrechte i n Verbindung mit der bewaffneten Unterdrückung des Rechtes auf Selbstbestimmung" seien „nicht nur eine Verletzung der UN-Charta und der Resolutionen der GV über Angola", sondern „stellten auch eine ernste Bedrohung des internationalen Friedens dar" 7 4 . Ein ähnlich lautender Resolutionsentwurf Ceylons, Liberias und der V A R 7 5 wurde auf Antrag Chiles 76 mit 9 Stimmen, bei 2 Enthaltungen, dahingehend abgeändert, daß die Fortdauer geeignet sei, die Aufrechterhaltung des internationalen Friedens zu gefährden 77 . Knapp zwei Jahre später befaßte sich der SR erneut mit der Frage der Gebiete unter portugiesischer Herrschaft. A m 31. J u l i 1963 nahm es Vgl. hierzu R. Arntz S. 2 - 7. 66 Köck ÖZÖR 22 (1971) S. 345. 67 A/RES/1514 (XV) v o m 14.12.1960; die Ausführungsresolution A/RES/ 1542 (XV) erklärte die portugiesischen Gebiete ausdrücklich zu abhängigen Gebieten i. S. des A r t . 73 SVN. 68 Document S/4738.

6» YUN 1960 S. 136 f.; s. auch Pfeiffenberger

S. 485.

70 Document S/4769. 71 Vgl. oben A n m . 67. 72 Y U N 1960 S. 138. 73 Document S/4816 (SCOR X V I Supplement A p r i l , Mai, J u n i S. 57). 74 s. A n m . 73. 75 Document S/4828 (SCOR X V I 950 m./6. 6.1961 S. 9). 76 Vgl. i. e. SCOR X V I 956 m./9. 6.1961 S. 28 - 30. 77 S/RES/4835 v o m 9. 6.1961.

3. Abschn.: Portugiesische Gebiete

89

er bei Stimmenthaltung der USA, Frankreichs und Großbritanniens 78 die Resolution 5380 an, i n der er u. a. feststellte 79 , die Situation in den Gebieten unter portugiesischer Verwaltung „störe" („disturbs") ernstlich den Frieden und die Sicherheit in Afrika. Diese merkwürdige Formulierung, die noch i n zahlreichen Resolutionen des SR auftauchen sollte, war das Ergebnis eines venezolanischen Vermittlungsvorschlags 80 , der die i n dem ursprünglichen Resolutionsentwurf 81 enthaltene Bezeichnung der Situation als Friedensbedrohung (in der Präambel) bzw. Gefährdung (Absatz 4) i n Fortfall brachte. Damit entsprach Venezuela der Auffassung der westlichen und südamerikanischen Ratsmitglieder, die während der Beratungen i m SR 8 2 unmißverständlich zum Ausdruck gebracht hatten, daß sie einer Anwendung des V I I . Kapitels nicht zustimmen würden 8 3 . Die Bezeichnung der Situation als friedensstörend hat der amerikanische Delegierte Stevenson nach der Abstimmung m i t den Worten kommentiert, nunmehr sei eindeutig klargestellt, daß keine Situation vorliege, die die Anwendung des V I I . Kapitels rechtfertige 84 . I m übrigen habe der ghanaische Delegierte Quaison-Sackey versichert, auch der ursprüngliche Entwurf Ghanas, Marokkos und der Philippinen 8 5 habe nicht die Anwendung des V I I . Kapitels zum Ziel gehabt 86 . Daß die drei Westmächte sich dennoch der Stimme enthielten, beruhte vor allem auf der Erwähnung der Resolution 1514 (XV) 8 7 der G V 8 8 . Bedenken wurden auch gegen die in Ziffer 6 der Resolution enthaltene Aufforderung an alle Staaten laut, Portugal keine Waffen mehr zu liefern, die es zur Unterdrückung der Völker in den Kolonien benutzen könne 8 9 . Sowohl die Feststellung, daß die Situation in den portugiesischen Gebieten ernstlich den Frieden „störe" als auch die Aufforderung zu 78 Vgl. SCOR X V I I I 1049 m./31. 7.1963 S. 4 Z. 17. 7» Absatz 4. 8° Document S/5379 (SCOR X V I I I 1048 m./30. 7.1963 S. 6 Z. 21). 81 Document S/5372 (Ghana, Marokko, Philippinen, SCOR X V I I I 1044 m./26. 7. 1963 S. 3 f.). 82 SCOR X V I I I 1040 - 1049 m. 83 Deleg. Carvalho Silos (Brasilien) SCOR X V I I I 1043 m./24.7.1963 S.4; Deleg. Seydoux (Frankreich) 1045 m./26. 7.1963 S. 6; Deleg. Sir Patrick Dean (UK) 1045 m. S. 1 5 - 1 7 ; w o h l auch Deleg. Nielsen (Norwegen) 1049 m./31. 7. 1963 S.3. 84 Del. Stevenson (USA) SCOR X V I I I 1049 m./31. 7. 1963 S. 6; ebenso der brasilianische Deleg. Silos 1349 m. S. 10. 85 Document S/5372; s. A n m . 81. 86 Deleg. Stevenson (oben Anm. 84). 87 s. vorstehend Anm. 67. 88 So der englische Deleg. Dean SCOR X V I I I 1049 m./31. 7.1963 S. 9. 89 Deleg. Carvalho Silos (Brasilien) SCOR X V I I I 1049 m. S. 2, S. 10; ähnlich Deleg. Nielsen 1049 m. S.4.

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I I . 1. Kap.: Praxis des SR

einem begrenzten Waffenembargo, finden sich wieder i n der Resolution 218 (1965) des SR vom 23.11. 196590. Dagegen taucht der hier untersuchte Begriff der „Friedensbedrohung" i m Zusammenhang m i t den portugiesischen Gebieten i n A f r i k a erst i n einer Resolution des SR aus dem Jahre 1970 auf. M i t Resolution 290 (1970) übernahm der SR die Ergebnisse der von ihm m i t Resolution 289 (1970) eingesetzten Untersuchungskommission 91 . Er stellte fest, die Invasion der Republik Guinea am 22. und 23. sowie am 27. und 28. November 1970 sei von portugiesischen Streitkräften durchgeführt worden. Der SR zeigte sich „tief besorgt über solche bewaffneten Angriffe gegen unabhängige afrikanische Staaten, die eine ernste Bedrohung des Friedens und der Sicherheit dieser unabhängigen afrikanischen Staaten darstellten" 9 2 . Die Resolution bekräftigte das „unveräußerliche Recht der Völker von Angola, Mosambik und Guinea (Bissau) auf Freiheit und Unabhängigkeit i n Übereinstimmung mit der Satzung der V N und der Resolution 1514 (XV) vom 14. 12. 1960". Eine scharfe Verurteilung Portugals wegen dieser Übergriffe verband der SR m i t der Forderung nach voller Entschädigung und stellte schließlich unter Punkt 5 fest: „Declares that the presence of Portuguese colonialism on the African continent is a serious threat to the peace and security of independent African States 93 ." I n ähnlicher Weise hat der SR mehrfach auch zu Verletzungen der senegalesischen Grenze durch portugiesische Streitkräfte Stellung genommen. Während er i n Resolution 294 (1971) am 19. 7.1971 von einer Situation sprach, die den internationalen Frieden gefährden könne („might endanger"), heißt es i n der Resolution 302 (1971), das K l i m a der Unsicherheit und Instabilität sei „bedrohlich für Frieden und Sicherheit i n dieser Region" 9 4 . Resolution 312 (1972), die sich allgemein mit der Lage in den portugiesisch beherrschten Gebieten beschäftigte und zum erstenmal die Rechtmäßigkeit des Kampfes der Völker Angolas. Mosambiks und Guineas (Bissau) für Unabhängigkeit und Selbstbestimmung anerkannte 95 , verwendet dann wieder die alte 90

Nicht zutreffend also Delbrück, Dekolonisation S. 90. * Vgl. i. e. U N M O 1971/1 S. 3 - 5. 92 Wörtlich: "Gravely concerned that such armed attacks directed against independent African States pose a serious threat to the peace and security of independent A f r i c a n States"; vgl. auch S/RES/275 (1969), die ebenfalls Grenzverletzungen durch portugiesische Kolonialtruppen rügt u n d erklärt, Vorfälle dieser A r t könnten den internationalen Frieden gefährden („jeopardize"). 93 S/RES/290 (1970) Abs. 5. 94 Wörtlich: . . . "fraught w i t h a threat to peace and security i n the region." 9

9 5 s. S/RES/312 (1972) Abs. 1 (op. part); Wiederholung i n S/RES/322 (1972) v o m 22.11.1972.

3. Abschn.: Portugiesische Gebiete

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Formulierung, die Politik Portugals in seinen Kolonien ebenso wie die häufigen Provokationen gegen benachbarte Staaten „störe" („disturbs") ernstlich den Frieden auf dem afrikanischen Kontinent 9 6 . Eine vorsichtige Formulierung findet sich auch i n Resolution 321 (1972), die der SR als Reaktion auf eine Verletzung der senegalesischen Grenze und einen Angriff auf einen senegalesischen Grenzposten am 23. Oktober 1972 verabschiedete 97 . Sie erklärt, die Häufung von Zwischenfällen „berge das Risiko einer Bedrohung des internationalen Friedens" 9 8 . Die letzte Resolution des SR zu diesem Fragenkamplex aus dem Jahre 19 7 2 9 9 vermeidet jeden Hinweis auf eine mögliche Bedrohung oder Gefährdung des Friedens. Sie zieht in Betracht („considering"), daß die O A U die Befreiungsbewegungen i n diesen Gebieten als rechtmäßige Repräsentanten der Völker dieser Gebiete anerkannt habe 1 0 0 und „zeigt sich der dringenden Notwendigkeit bewußt, . . . eine Lösung der bewaffneten Konfrontation i n diesen Gebieten auf dem Verhandlungswege zu erreichen" 101 . Die Resolution forderte Portugal weiterhin auf, seine militärischen Operationen und alle Unterdrückungsmaßnahmen gegen die betroffenen Völker einzustellen. B. Die Verwendung des Begriffes Friedensbedrohung

Die einzige Resolution des SR, in der i m Zusammenhang mit den portugiesisch beherrschten Gebieten ohne Umschweife von einer Friedensbedrohung die Rede ist, ist somit die Resolution 290 (1970) anläßlich des guineischen Zwischenfalls. Wie i n den Resolutionen zur Kongofrage 1 0 2 , so muß indes auch hier fraglich scheinen, ob der SR mit dieser Formulierung eine Feststellung treffen und nach Kapitel V I I SVN tätig werden wollte. Die Qualifizierung des portugiesischen Vorgehens erfolgt eher beiläufig und auch die allgemein gehaltene Aussage über den Kolonialismus Portugals 1 0 3 kann angesichts ihrer Stellung unter 96 Eine Bezugnahme auf diese Resolution findet sich i n S/RES/322 (1972). 97 Z u r Vorgeschichte s. U N M O 1972/10 S. 3 f. 98 Wörtlich: "Deeply concerned about the multiplication of incidents which entail the risk of a threat to international peace and security" (UNMO 1972/10 S. 11). 99 S/RES/322 (1972) v o m 22. 11. 1972. 100 Unrichtig somit V N 1973 S. 58. Der SR hat — i m Gegensatz zur GV — die P A I G C eben nicht als die „einzige rechtmäßige Vertretung der Bevölkerung dieses Gebiets anerkannt"; allgemein zum Verhältnis der V N zu den Befreiungsbewegungen Tomuschat V N 1974 S. 65 ff., 110 ff. 101 Präambel Abs. 7: "Concious of the urgent need to avert . . . and to achieve a negotiated solution to the armed confrontation that exists i n those Territories" (UNMO 1972/11 S. 20). i°2 s. oben I I , 1. Kap., 2. Abschn., Β 3. 103 s. vorstehend unter Α.

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I I . 1. Kap.: Praxis des SR

Punkt 5 und der Wortwahl — „Declares" anstelle von „Determines" — kaum als Feststellung i. S. von Art. 39 SVN angesehen werden. Auch die Tatsache, daß hier nicht von einer Bedrohung des internationalen Friedens, sondern von einer Bedrohung des Friedens und der Sicherheit der unabhängigen afrikanischen Staaten die Rede ist, weist i n diese Richtung. Gestützt w i r d diese Annahme schließlich auch durch die Äußerung des amerikanischen Delegierten Yost, der schon während der Beratungen i m SR erklärt hatte, der — später angenommene — Resolutionsentwurf enthalte weder eine förmliche Feststellung, daß eine Situation nach Kap. V I I bestehe, noch könne die Resolution den SR i n irgendeiner künftigen Situation zu einem Vorgehen nach Kap. V I I SVN verpflichten 104 . Hier w i r d das Bestreben vornehmlich der westlichen Delegierten sichtbar, die Anwendung des V I I . Kapitels und vor allem die Anordnung von Zwangsmaßnahmen gegen Portugal zu vermeiden. Dem gleichen Ziel dient die Einführung des in der Charta nicht verwendeten Begriffes der Friedensstörung, der — wie sich aus den Beratungen des Jahres 1963 ergibt 1 0 5 — jedenfalls kein Synonym für den Begriff der Friedensbedrohung ist und auch nicht als Basis einer Tätigkeit nach dem V I I . Kapitel dient. Zweifel an der hiernach angebrachten Vermutung, der SR sei i m Falle der portugiesischen Gebiete nicht nach Kapitel V I I tätig geworden, weckt freilich die bereits i n der Resolution 5380 aus dem Jahre 1963 enthaltene Aufforderung an alle Staaten, Portugal keine Waffen mehr zu liefern, die es zur Unterdrückung der Völker i n den Kolonien benutzen könne 1 0 6 . Es liegt nahe, diese Maßnahme als teilweise Unterbrechung der Wirtschaftsbeziehungen i. S. des Art. 41 SVN anzusehen und nur unter den Voraussetzungen des Art. 39 SVN für zulässig zu halten. Diese Einordnung ist jedoch nicht zwingend. N i m m t man an, der SR sei unter Kapitel V I der Satzung tätig geworden, so könnte diese Maßnahme auch eine „Methode zur Bereinigung der gespannten Situation" (Art. 36 Abs. 1 SVN) darstellen, die im Zusammenhang mit der Empfehlung nach Art. 37 Abs. 2 SVN steht, den Konflikt friedlich zu bereinigen. Für diese Annahme spricht auch, daß die Empfehlung, keine Waffen in akute Spannungsgebiete zu liefern, weniger eine Reaktion auf begangenes Unrecht als vielmehr eine präventive Maßnahme zur Verhinderung einer weiteren Eskalation darstellt und daher ihrem ganzen Charakter nach weniger den Sanktionsbefugnissen der 104 Deleg. Yost (USA) U N M O 1971/1 S. 15. 105 s. vorstehend unter A . 106 s. vorstehend unter A.

3. Abschn.: Portugiesische Gebiete

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A r t . 41 ff. SVN als den präventiven Befugnissen des SR nach dem VI. Kapitel zuzurechnen ist 1 0 7 . Da somit auch die Empfehlung eines derart beschränkten Waffenembargos nicht der Voraussetzungen des A r t . 39 SVN bedarf, spricht vieles dafür, daß der SR i n der Frage der portugiesisch beherrschten Gebiete nicht unter Art. 39 ff. SVN tätig geworden ist. Daß andererseits Bedenken gegen die Resolution 290 (1970) zumindest aus der Verwendung des Begriffes „Friedensbedrohung" nicht hergeleitet werden können, zeigt ein Blick auf die vom SR aufgrund des Kommissionsberichtes als feststehend angenommenen Tatsachen 108 . Danach waren portugiesische Streitkräfte — offensichtlich u m einen Schlag gegen das Hauptquartier der PAIGC zu führen und gleichzeitig portugiesische Gefangene zu befreien — zweimal tief in das Staatsgebiet Guineas eingedrungen, wobei es auch eine ganze Reihe von Toten auf beiden Seiten gegeben hatte. Gerade die von der Untersuchungskommission bestätigte Wiederholung des Vorfalls während der Anwesenheit dieser Kommission machte die Tatsache, daß hier eine Gewaltanwendung i n den internationalen Beziehungen stattgefunden hatte, ebenso augenscheinlich wie die Aktualität der Wiederholungsgefahr. Dies um so mehr, als es sich nicht um die erste derartige Beschwerde Guineas an den Rat handelte und dieser Portugal bereits in einer früheren Resolution 109 aufgefordert hatte, derartige Aktionen in Zukunft zu unterlassen. Daß es sich einwandfrei um eine drohende Gewaltanwendung i n den internationalen Beziehungen handelt, w i r d von der Resolution gleich mehrfach hervorgehoben, indem sie von der Drohung spricht, die der portugiesische Kolonialismus für die unabhängigen Staaten Afrikas sei. Man braucht kein Hellseher zu sein, um zu vermuten, daß nur diese Formulierung die Resolution für die westlichen Staaten akzeptabel gemacht hat, deren Sträuben, Kolonialismus generell mit Aggression oder Friedensbedrohung gleichzusetzen, i m Zusammenhang m i t den Resolutionen der GV noch zu erörtern sein wird.

107 Ä h n l i c h auch R.Higgins, Development S. 126: "can hardly be classified as sanction." los Ob diese dem wirklichen Geschehensablauf entsprechen, w i r d man bei den eigenartigen Untersuchungsmethoden der Kommission — vgl. hierzu i. e. U N M O 1971/1 S. 3 - 5 — nicht m i t Sicherheit sagen können. Andererseits k a n n es keinem Zweifel unterliegen, daß die portugiesischen Kolonialtruppen bei ihren Aktionen nicht stets die Grenzen anderer Staaten respektiert haben, io» S/RES/275 (1969).

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I I . 1. Kap.: Praxis des SR

4. Abschnitt SÜDAFRIKA A. Die Tätigkeit des SR

Kein Staat hat die V N mehr beschäftigt als Südafrika. Bereits 1946 befaßte sich die Weltorganisation mit der Behandlung der südafrikanischen Bürger indischer Herkunft 1 1 0 , seit 1952 m i t der Diskriminierung aller Bürger nichtweißer Hautfarbe durch die Apartheidspolitik der südafrikanischen Regierung. Obwohl Jugoslawien schon 1951 111 und Indien bereits 1952 112 diese Politik als Friedensbedrohung bezeichnet hatten, befaßte sich der SR erstmalig i m Jahre 1960 mit Südafrika. Auslösender Faktor war auch hier nicht die Apartheidspolitik als solche, sondern die Unruhen in Sharpeville 1 1 3 . A m 25. 3. 1960 verlangten die Repräsentanten von 29 afrikanischen und asiatischen Mitgliedsstaaten 114 eine Sitzung des SR, um „die durch die massenhafte Tötung 1 1 5 unbewaffneter und friedlicher Demonstranten gegen rassische Diskriminierung und Segregation i n der Republik Südafrika entstandene Lage zu erörtern" 1 1 6 . Während der Beratungen i m SR erklärten England und Frankreich, trotz der Tragik des Vorfalls seien die V N an einem Eingreifen durch A r t . 2 Z. 7 SVN gehindert 1 1 7 . Jede Regierung habe das unbestreitbare Recht, mit den ihr zur Verfügung stehenden Kräften Gesetz und Ordnung aufrechtzuerhalten 1 1 8 . Die nach langen Debatten angenommene Resolution 119 bezeichnete die Lage i n Südafrika in der Sprache des VI. Kapitels als — durch die Rassenpolitik verursachte — Situation, deren Fortdauer geeignet sei, den internationalen Frieden zu gefährden 120 . no in us S. 96

Vgl. Y U N 1946/47 S. 144 ff. Y U N 1951 S. 352. Deleg. Pathak GAOR V I I / A d hoc Political Committee 18 m./17.11.1952 Z. 10 und 16. 113 Die Bantustadt Sharpeville i n der Nähe von Johannisburg w a r am 21. 3.1960 Schauplatz der Demonstrationen gegen die Paßgesetze Südafrikas. 114 s. i. e. Y U N 1960 S. 147. ιΐδ „large scale k i l l i n g " ; bei den Demonstrationen i n Sharpeville wurden nach Angaben des tunesischen Delegierten ( Y U N 1960 S. 144) 74 Demonstranten gegen die Apartheidspolitik von der südafrikanischen Polizei erschossen. no Document S/4279 (SCOR X V , Supplement Januar, Februar, März 1960 S. 58). 117 Y U N 1960 S. 143. us Vgl. die Ausführungen des Delegierten Großbritanniens ( Y U N 1960 S. 144). no S/RES/4300 v o m 1. 4.1960. 120 S/RES/4300.

. Abschn. : S

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Erst 1963 beschäftigte sich der SR erneut mit Südafrika. 32 afrikanische Staaten bezeichneten in ihrem Antrag auf Einberufung des Rates „die bestehende explosive Situation in Südafrika" als „ernste Bedrohung des internationalen Friedens" 1 2 1 . Zusätzlich forderten der äthiopische Kaiser Haile Selassie 122 und der Präsident Ghanas, Kwame Nkrumah 1 2 3 , den SR auf, scharfe Sanktionsmaßnahmen gegen Südafrika zu ergreifen, dessen Apartheidspolitik sie ebenfalls als Bedrohung des internationalen Friedens ansahen. Diese Behauptung wies Südafrika i n einem Schreiben an den Präsidenten des SR entschieden zurück und erklärte, es handele sich um die interne Politik Südafrikas, mit der sich der SR gem. Art. 2 Z. 7 SVN nicht zu befassen habe. Nach ausgiebigen Beratungen nahm der SR am 7. 8. 1963 die Resolution 5386 an, in der er seiner Uberzeugung Ausdruck verlieh, daß die Lage in Südafrika ernstlich den internationalen Frieden störe („disturbs"). Er zeigte sich tief besorgt über die südafrikanische Rüstungspolitik und rief alle Staaten „feierlich" auf, i n Zukunft keine Waffen und Militärfahrzeuge mehr an Südafrika zu liefern. Gleichzeitig verurteilte er die Apartheid und forderte die Freilassung verhafteter Gegner dieser P o l i t i k 1 2 4 . Während der Debatte i m SR, die der Abstimmung über diese Resolution vorausging, aber auch nach dieser Abstimmung betonten die Vertreter Großbritanniens, Sir Patrick Dean 1 2 5 , Frankreichs, Seydoux 1 2 6 , und der Vereinigten Staaten, Stevenson 127 und Yost 1 2 8 , eine Anwendung des V I I . Kapitels komme nicht i n Betracht. Der amerikanische Delegierte Yost erklärte nach der Abstimmung expressis verbis, die Vereinigten Staaten hätten nur deshalb für die Resolution gestimmt, weil der ursprüngliche Vorschlag, die Situation als Gefährdung des Friedens zu bezeichnen, abgeändert 129 und damit klargestellt worden sei, daß der SR unter Kap. V I tätig werden wolle 1 3 0 . Denn Kapitel V I I spreche nicht von Störungen („disturbances"), sondern nur von w i r k lichen Bedrohungen des Friedens. Die Bezeichnung der Situation als friedensstörend beziehe sich auf jene zugrundeliegenden Elemente 121 Y U N 1960 S. 15 (Document S/5348). 122 Document S/5358. 123 Document S/5366. 124 Vgl. i.e. Y U N 1963 S. 20 ( = S/RES/5386 v o m 7.8.1963). 125 Deleg. Dean (UK) SCOR X V I I I 1054 m./6. 8.1963 S. 20 Z.90; 1056 m./7. 8. 1963 S. 8 Z. 36, S. 9 Z. 37. 126 Deleg. Seydoux (Frankreich) SCOR X V I I I 1054 m./6. 8.1963 S. 21 Z. 97 und S. 23 Z. 105. 127 Deleg. Stevenson (USA) SCOR X V I I I 1052 m./2. 8.1963 S. 16 Z. 65 und Z. 66. 128 Deleg. Yost (USA) SCOR X V I I I 1056 m. S. 6 f. Z. 26 - 28. 129 Deleg. Yost (USA) SCOR X V I I I 1054 m. S. 7 Z. 27. 130 Ebd. S. 6 Z. 26.

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I I . 1. Kap.: Praxis des SR

dieser sicherlich ernsten Frage, deren Fortdauer geeignet sei, die Aufrechterhaltung des internationalen Friedens zu gefährden 131 . Auch die Aufforderungen an Südafrika, seine Politik zu ändern und an alle Staaten, keine Waffen mehr an Südafrika zu liefern, hätten selbstverständlich keinen bindenden Charakter. Denn die Worte „Calls upon", die sich sowohl in Kap. V I als auch in Kap. V I I fänden, trügen auch nach der üblichen Praxis von GV und SR keinerlei Bindungswirkung 1 3 2 . Diese Ausführungen wurden von der Mehrheit der Mitglieder des SR kommentarlos hingenommen, vom britischen Vertreter dagegen ausdrücklich bekräftigt 1 3 3 . Die Aussage, daß die Situation in Südafrika den Frieden störe, hat der SR i n den Jahren 1963 134 , 1964 135 und 1972 136 trotz des Drängens der afro-asiatischen und der osteuropäischen Staaten, eine Friedensbedrohung förmlich festzustellen und Zwangsmaßnahmen nach Kapitel V I I gegen Südafrika zu verhängen 1 3 7 , wiederholt. Dagegen findet sich in der Resolution 282 (1970) vom 23.7.1970 gleich zweimal das Wort „Bedrohung". Der SR zeigte sich i n Abschnitt 7 der Präambel dieser Resolution davon überzeugt, daß die Situation, „die aus der fortwährenden Anwendung der Apartheidspolitik und dem durch Rüstungskäufe und Rüstungsproduktion ermöglichten fortgesetzten Aufbau der südafrikanischen M i l i t ä r - und Polizeikräfte resultiere", eine „potentielle („potential") Bedrohung des internationalen Friedens" sei. Er erkannte weiterhin in Abschnitt 8 der Präambel die Tatsache an, daß die umfangreiche Aufrüstung der südafrikanischen Streitkräfte eine „wirkliche Bedrohung für die Sicherheit und Souveränität derjenigen unabhängigen afrikanischen Staaten" bedeute, „die Gegner der Rassenpolitik der südafrikanischen Regierung seien, besonders der angrenzenden Staaten" 1 3 8 . Zum erstenmal betonte der SR in dieser Resolution (S/RES/282 (1970)) die Legitimität des Kampfes des unterdrückten Volkes i n Süd131 Ebd. S. 6 Z. 26. 132 Ebd. S. 7 Z. 28. 133 Deleg. Dean (UK) SCOR X V I I I 1056 m. S. 8 Z.36; S. 9 Z. 37. 134 S/RES/5384 v o m 7.8. 1963; S/RES/5741 vom 4.12.1963. 135 S/RES/191 (1964). 136 S/RES/311 (1972) v o m 4.2.1972. 137 v g l . hierzu i.e. die Zusammenfassungen i n Y U N : 1963 S. 13 - 19; 1964 S. 106 - 118, bes. 109, 113 - 116; 1965 S. 101 - 109; 1966 S. 79 - 87; 1967 S. 81 - 90; 1968 S. 99 - 112; 1969 S. 92 - 105. U N M O : 1970/8 S. 6 - 22, 25; 1972/3 S. 5 - 50. 138 "Recognizing that the extensive arms b u i l d - u p of the m i l i t a r y forces of South Africa poses a real threat to the security and sovereignty of independent A f r i c a n States opposed to the racial policies of the Government of South Africa, i n particular the neighbouring States" (UNMO 1970/8 S. 27).

4. Abschn. : Südafrika

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afrika, den dieses um seine in der Satzung und i n den Menschenrechtsdeklarationen der V N verankerten Menschenrechte und Grundfreiheiten führe 1 3 9 . Die Legitimität dieses Kampfes hat der SR auch i n der Resolution 311 (1972) unterstrichen und erneut alle Staaten zur strikten Einhaltung des Waffenembargos aufgefordert. B. Die Verwendung des Begriffes Friedensbedrohung

Alle Resolutionen i m Falle Südafrika spiegeln den Unwillen der westlichen Staaten wider, die Politik der Apartheid zur Friedensbedrohung zu erklären oder gar Zwangsmaßnahmen nach Kap. V I I der Satzung gegen Südafrika zu ergreifen. Nur i n der Resolution 282 (1970) hat der SR beiläufig von einer Friedensbedrohung gesprochen und hierbei noch sehr genau zwischen der Situation i n Südafrika, die nur eine potentielle Bedrohung des internationalen Friedens sei, und der w i r k lichen „Bedrohung" i m Verhältnis zu den umliegenden schwarzafrikanischen Staaten unterschieden 140 . Wie i m Falle der portugiesischen Gebiete hat er aber auch hinsichtlich dieser „wirklichen Bedrohung" weder eine förmliche Feststellung getroffen noch genau die Terminologie des A r t . 39 SVN verwendet, sondern vielmehr von einer Bedrohung der Sicherheit und Souveränität der umliegenden Staaten gesprochen. Auch dieser Resolution kann daher — wie der britische Delegierte Warner zu Recht festgestellt h a t 1 4 1 — nur schwerlich ein einheitlicher Wille des SR entnommen werden, unter Kapitel V I I der Satzung tätig zu werden. So w i r d man den Resolutionen des SR und den voraufgegangenen Debatten i n diesem Organ Einigkeit nur dahingehend entnehmen können, daß die Lage in Südafrika zumindest eine potentielle Bedrohung des Friedens und mithin i n der Sprache des V I . Kapitels eine Situation darstellt, deren Fortdauer geeignet ist, den internationalen Frieden zu gefährden. Die Verwendung des Begriffes Friedensstörung stellt — hier wie i m Falle der portugiesisch verwalteten Gebiete 1 4 2 — einen sprachlichen, nicht aber einen Kompromiß i n der Sache dar und hat nicht die Anwendung des V I I . Kapitels zur Folge 1 4 3 . 139 Wörtlich: "Recognizing the legitimacy of the struggle of the oppressed people of South Africa i n pursuance of their h u m a n and political rights as set forth i n the Charter of the United Nations and of the Universal Declaration of H u m a n Rights" (UNMO 1970/8 S. 26). 140 Nicht zutreffend also Frowein , Friedenssicherung S. 47. Der SR hat die Verhältnisse i n Südafrika bis heute nicht als Friedensbedrohung bezeichnet. i « Deleg. Warner (UK) U N M O 1970/8 S. 25. i 4 2 s. oben I I , 1. Kap., 3. Abschn., A. i « Nicht zutreffend somit Soubeyrol R G D I P 69 (1965) S. 331, der behauptet, der SR habe m i t der Resolution v o m 7. 8.1963 ( = S/RES/5384) den „sowje7 Arntz

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I I . 1. Kap.: Praxis des SR

Hinsichtlich des Verhältnisses Südafrikas zu den unabhängigen afrikanischen Nachbarstaaten ist der SR i n Resolution 282 (1970) zwar mit der Formel von der „wirklichen Bedrohung der Souveränität und Unabhängigkeit" dieser Staaten weiter gegangen, ohne indes bis heute den entscheidenden Schritt zur Anwendung des V I I . Kapitels zu t u n 1 4 4 .

5. Abschnitt SUDRHODESIEN A. Die Tätigkeit des SR

Der SR befaßt sich seit 1963 mit dem Problem Südrhodesien. I m August dieses Jahres hatte eine Reihe afrikanischer Staaten 1 4 5 i n einem Memorandum 1 4 6 die Gründe dargelegt, die nach ihrer Ansicht die Situation als mögliche Gefährdung, ja Bedrohung des internationalen Friedens erscheinen ließen. Als besonders ernste Gefahr hoben sie die angeblich von Großbritannien beabsichtigte Übertragung der Befehlsgewalt über Heer und Luftwaffe an das Minderheitsregime i n Salisbury hervor 1 4 7 , eine Argumentation, die sich auch der sowjetische Vertreter Fedorenko zu eigen machte 148 . Ein Resolutionsentwurf Ghanas, Marokkos und der Philippinen, der u. a. die Aufforderung an Großbritannien enthielt, der rhodesischen Regierung keine Truppen zu übergeben, scheiterte an der Ablehnung durch Großbritannien 1 4 9 . Erst nach der Unabhängigkeitserklärung Südrhodesiens gab das Vereinigte Königreich seinen Widerstand gegen eine Befassung des SR mit der Rhodesienfrage auf 1 5 0 . tischen Standpunkt akzeptiert, daß jede rassistische H a l t u n g eine Friedensbedrohung („menace contre la paix") darstelle". Auch i n der von Soubeyrol zit. französischen Fassung der Resolution heißt es . . . „troubler gravement la paix". 144 I m Ergebnis übereinstimmend Brownlie, Principles S. 288 Anm. 3. 145 Ghana, Guinea, V A R u n d Marokko. 146 Memorandum v o m 2.8.1963; Doc. S/5382. 147 Vgl. hierzu das Memorandum sowie besonders die Ausführungen des Delegierten Quaison-Sackey (Ghana), SCOR X V I I I 1068 m./12.9.1963 S.8: "the threat which Central Africa and, indeed the whole of Africa, faces as a result of the proposed transfer of the gigantic army and air force into the hands of a w h i t e m i n o r i t y government i n Southern Rhodesia . . . " . 1« SCOR X V I I I 1068 m./12. 9.1963 S. 15: " T h e actions of the United K i n g dom and of the racist regime of Southern Rhodesia undoubtedly represent a threat to a l l african peoples." " β Vgl. i.e. Y U N 1963 S. 473/474; Stimm Verhältnis 8 : 1 bei 2 Enthaltungen (Frankreich u n d USA). ΐδο Die — inhaltlich sehr zurückhaltende — Resolution 202 (1965) vom 6.5.1965 wurde zwar ohne Gegenstimmen, aber bei Stimmenthaltung des Vereinigten Königreichs, Frankreichs, der Sowjetunion u n d der USA gefaßt.

5. Abschn. : Südrhodesien

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Es brachte diese Frage nunmehr sogar selbst vor den SR, freilich nur um diesen über die Schritte zu unterrichten, die es gegen die rebellische Kolonie ergreifen werde 1 5 1 . Die Vertreter von 35 afrikanischen bzw. 22 asiatischen und afrikanischen Staaten 1 5 2 forderten dagegen i n zwei Anträgen 1 5 3 eine weitergehende Einschaltung des SR. Sie bezeichneten die einseitige Unabhängigkeitserklärung als Bedrohung des internationalen Friedens 154 , die die ohnedies schon explosive Situation noch verschlimmert habe 1 5 5 . I n der Debatte vor dem SR erklärte der britische Vertreter, Außenminister Stewart 1 5 6 , es sei allein die Aufgabe Großbritanniens, die Herrschaft des Rechts i n Rhodesien wiederherzustellen. N u n da die illegale 1 5 7 Unabhängigkeitserklärung verkündet worden sei, sei die Regierung des U K die einzige rechtmäßige Regierung Rhodesiens 158 . Dennoch habe es die britische Regierung für richtig gehalten, die A n gelegenheit vor den SR zu bringen, und zwar weil einerseits der Versuch, i n A f r i k a eine illegale Regierung auf Minderheitsbasis zu errichten, eine Angelegenheit sei, die die ganze Welt angehe 159 und andererseits, weil das Vereinigte Königreich bei der Anwendung der von ihm geplanten Maßnahmen auf die Zusammenarbeit und den guten Willen aller Staaten angewiesen sei. Durch die Anwendung militärischer Gewalt könne das Problem aber auf jeden Fall nicht gelöst werden 1 6 0 . Gerade dies verlangten indes die afrikanischen Staaten. Ein am 13. 11. 1965 von der Elfenbeinküste „ i m Namen der afrikanischen Gruppe" eingebrachter Resolutionsentwurf 1 6 1 sah neben der förmlichen Feststellung, daß die Situation i n Rhodesien infolge der Unabhängigkeitserklärung eine Bedrohung des Friedens darstelle 1 6 2 , die Anordnung aller i n den A r t . 41 bis 43 SVN vorgesehenen Zwangsmaßnahmen 151 Document S/6896; s. auch Y U N 1965 S. 124. Noch am 6. M a i 1965 hatte der britische Vertreter erklärt, Rhodesien sei seit Jahrzehnten eine Kolonie mit Selbstregierung u n d die A b h a l t u n g von Wahlen falle i n seine innere Zuständigkeit, s. Y U N 1965 S. 121. ι 5 2 9 Staaten unterzeichneten beide Anträge. 153 Document S/6902 (35 afrikanische Staaten); Document S/6903 (22 afro/ asiatische Staaten). 154 Document S/6902. iss Document S/6903. 156 v i . hierzu i. e. die Zusammenfassung i n Y U N 1965 S. 125. 157 Illegal deshalb, w e i l „ n u r das britische Parlament das Recht habe, Südrhodesien die Unabhängigkeit zu gewähren" (Außenminister Stewart SCOR X X 1257 m./12.11.1965 S. 3). 158 SCOR (oben A n m . 157) S. 5. 159 s. oben Anm. 158. 16° SCOR (oben A n m . 158) S. 5. lei S/6929. 162 Ebd. Abs. 1. 7»

100

I I . 1. Kap.: Praxis des SR

gegen das rassistische Regime vor 1 6 3 . Grundlage der schließlich ohne Gegenstimmen und bei Enthaltung Frankreichs verabschiedeten Resolution 217 (1965) 164 war jedoch ein wesentlich zurückhaltenderer bolivianischer Entwurf, i n dem die Situation i n Südrhodesien als äußerst ernst und ihre Fortdauer (continuance in time) als Bedrohung des internationalen Friedens bezeichnet wurde. Die Resolution forderte Großbritannien zur Niederschlagung der Rebellion und alle Staaten zur Verhängung eines Waffen- und Ölembargos gegen Rhodesien auf 1 6 5 . Die drohende Umgehung dieses Ölembargos veranlaßte den SR, i m A p r i l des nächsten Jahres (1966) erneut zusammenzutreten. Anlaß war das Eintreffen eines Öltankers i n Beira (Mosambik), dessen Ladung offensichtlich für Südrhodesien bestimmt war. Die A n k u n f t eines weiteren Tankers i m gleichen Hafen schien unmittelbar bevorzustehen 166 . Ein englischer E n t w u r f 1 6 7 , der u. a. auf die Gefahr verwies, daß dieses ö l mit Billigung der portugiesischen Behörden nach Südrhodesien gepumpt und so dem dortigen Regime ermöglichen werde, länger am Ruder zu bleiben, wurde als Resolution 221 (1966) 168 vom SR angenommen. Entwurf und Resolution enthielten die ausdrückliche Feststellung, daß die hieraus resultierende Situation („the resulting situation") eine Bedrohung des Friedens darstelle. Ein Antrag der afrikanischen Staaten Mali, Nigeria und Uganda, diese Formulierung i n „die i n Südrhodesien herrschende Situation" („the situation prevailing i n Southern Rhodesia") umzuändern, erhielt ebenso wie weitere Änderungsanträge nicht die notwendige Stimmenzahl 1 6 9 . Nur Frankreich enthielt sich, als 8 Monate später, am 16.12. 1966, über einen nahezu gleichlautenden Ergänzungsvorschlag 170 dieser afrikanischen Staaten zu einem britischen Resolutionsentwurf abgestimmt wurde. M i t 14 : 0 Stimmen akzeptierte der SR die Feststellung: „Determines that the present situation i n Southern Rhodesia constitutes a threat to international peace and security" 1 7 1 (S/RES/232 (1966)). Der 163 Ebd. Abs. 8 und 9. 164 S/RES/217 (1965) v o m 20.11.1965; die Zitierweise von Wengler, Gewaltverbot (S. 40 Anm. 61) ist zumindest mißverständlich. Danach sieht es so aus, als ob S/RES/217 (1965) die Resolution v o m 16.12. 1966 ( = S/RES/232 [1966]) wäre. Entgegen Wengler spricht S/RES/217 (1965) auch nicht von einer Gefährdung des Friedens. ι 6 5 Dieses Embargo w a r nach der ganz übereinstimmenden Meinung n u r eine Empfehlung, vgl. George Brown SCOR X X I 1331 m. S. 3. 166 Y U N 1966 S. 94; vgl. i.e. Rousseau R G D I P 71 (1967) S. 472 -475. 167 Document S/7236/Rev. 1. 168 A m 9. 4.1966. 169 Vgl. i. e. Y U N 1966 S. 95/96. 170 Document S/7630. 171 Y U N 1966 S. 109/110; die Resolution selbst wurde m i t 1 1 : 0 Stimmen, bei 4 Enthaltungen (Frankreich, Mali, UdSSR, Bulgarien) angenommen.

. Abschn.:

dsien

101

Kontrast zu den Resolutionen des SR zu Südafrika und zu den portugiesischen Gebieten ist augenfällig. Fragt man nach den Ursachen dieser unterschiedlichen Haltung vor allem der Westmächte, so ist ganz gewiß ein wesentlicher Faktor in der Tatsache zu suchen, daß der Vorschlag zur Anwendung des V I I . Kapitels von Großbritannien ausging 172 . Daß diese veränderte Haltung des Vereinigten Königreichs nicht zuletzt durch die störrische Haltung der rhodesischen Regierung ausgelöst worden war, die den in Gibraltar von Premierminister Wilson und Ian Smith ausgehandelten Kompromiß in Bausch und Bogen verworfen hatte, liegt auf der Hand 1 7 3 . Eine weitere Ursache dürfte die mit zunehmender Schärfe vorgetragene Forderung nach einer gewaltsamen Lösung durch Großbritannien gewesen sein. Angesichts dieses Drucks vor allem asiatischer und afrikanischer Länder mag die Verhängung schärferer und obligatorischer Sanktionen und die damit notwendigerweise verbundene Bezeichnung der Situation als Friedensbedrohung i m Londoner Foreign office als ein tragbarer, jedenfalls aber der gewaltsamen Lösung vorzuziehender Kompromiß erschienen sein. So entschied der SR 1 7 4 über von allen Mitgliedsstaaten zu befolgende Sanktionsmaßnahmen 175 — darunter ein Ausfuhrverbot für Waffen und Munition sowie ein weitgehendes Einfuhrverbot für rhodesische Waren — und erkannte außerdem die Rechtmäßigkeit des Kampfes des rhodesischen Volkes um seine unveräußerlichen Menschenrechte an 1 7 6 . Die Feststellung, daß die Situation i n Rhodesien eine Bedrohung des internationalen Friedens sei, hat der SR in einer Reihe von Resolutionen wiederholt 1 7 7 und die i n der Resolution 232 (1966) angeordneten Sanktionsmaßnahmen noch erheblich erweitert 1 7 8 . 172 Document S/7621/Rev. 1. Es ist also nicht richtig, wenn Wengler S. 40 behauptet, die britische Regierung habe keinen der Tatbestände des A r t . 39 für v e r w i r k l i c h t gehalten. Vielmehr hat Außenminister George B r o w n den Willen zur Anwendung des V I I . Kapitels ausdrücklich betont (SCOR X X I 1331 m./8.12.1966 S. 5 f.) und der englische Delegierte, L o r d Cadogan, hat der Feststellung einer Friedensbedrohung zugestimmt (vgl. SCOR X X I 1340 m./16. 12.1966 S. 14). 173 Außenminister George B r o w n bezeichnete dies vor dem SR als u n mittelbaren Anlaß für die erneute Inanspruchnahme des SR durch Großbritannien; vgl. SCOR X X I 1331 m. S. 4 f. 174 S/RES/232 (1966) v o m 16. 12.1966. 175 Auch die Nichtmitgliedstaaten w u r d e n zur Einhaltung der Sanktionsmaßnahmen aufgefordert. 176 Vgl. i. e. S/RES/232 (1966). 177 Vgl. S/RES/253 (1968) v o m 29.5.1968; S/RES/277 (1970) v o m 18.3.1970; S/RES/288 (1970) v o m 17.11.1970; S/RES/314 (1972) v o m 28.2.1972 (ohne ausdrückliche Feststellung); S/RES/318 (1972) v o m 28.7.1972 (ohne ausdrückliche Feststellung); S/RES/320 (1972) v o m 29.9.1972 (ohne ausdrückliche Feststellung); S/RES/326 (1973) v o m 2.2.1973; S/RES/327 (1973) v o m 2.2.1973; S/RES/328 (1973) v o m 10. 3. 1973.

102

I I . 1.Kap.: Praxis des SR B. Die Verwendung des Begriffes Friedensbedrohung

Die Bezeichnung der Situation in Rhodesien als Friedensbedrohung stößt auf eine ganze Reihe von Bedenken. Diese w i r d man nicht mit jenem Argument ausräumen können, das i n der Rhodesienfrage von überraschend vielen Delegierten offensichtlich als ausreichend angesehen wurde. Der SR, so hieß es da i n vielen Reden 179 , habe i n der Resolution 217 (1965) festgestellt, daß die Fortdauer der Situation eine Friedensbedrohung darstelle. Nun sei über ein Jahr vergangen, ohne daß eine nennenswerte Besserung der Situation eingetreten sei, so daß die Existenz einer Friedensbedrohung außer Zweifel 1 8 0 stehe. Wäre dies richtig, so würde jede Situation des VI. Kapitels allein durch Zeitablauf und ohne jede Veränderung zu einer Friedensbedrohung. Diese Auffassung ist m i t dem oben aufgezeigten graduellen Unterschied zwischen den Situationen des V I . und denen des V I I . Kapitels nicht vereinbar. Bedenken gegen die Übereinstimmung mit der gefundenen Definition ergeben sich vor allem unter zwei Gesichtspunkten. Zum einen w i r f t das Merkmal der „internationalen Beziehungen" die Frage auf, wer denn eigentlich die potentiellen Kontrahenten einer Auseinandersetzung sind. Zum anderen scheint fraglich, aus welchen Anzeichen der SR auf einen Bruch des Gewaltverbots geschlossen hat. Die Beantwortung der ersten Frage ist eng verbunden m i t der Frage nach dem völkerrechtlichen Status Süd-Rhodesiens, einem äußerst schwierigen Problem, auf das hier nur andeutungsweise eingegangen werden kann. Vor dem SR haben sich alle Staaten bemüht, das Rhodesienproblem als ein weitgehend „innerbritisches" zu kennzeichnen. Charakteristisch hierfür ist etwa die folgende Aussage des Vertreters Malis, K e i t a 1 8 1 : „Nous avons souligné que le problème de la Rhodésie est un problème intérieur, un problème colonial britannique." Wenn dies zutraf, wenn Südrhodesien — zumindest 1966 — noch „unter der Souveränität Großbritanniens" 1 8 2 stand, so kann eine 178 V o r allem durch S/RES/253 (1968); S/RES/277 (1970) u n d S/RES/333 (1973) v o m 22. 5.1973. Z u den Auswirkungen dieser Sanktionen auf die BRD s. υ. Schenck, ZaöRV 29 (1969) S. 257 ff. 179 Deleg. Matsui (Japan) SCOR X X I 1333 m. S.10; Deleg. A m j a d A l i (Pakistan) SCOR X X I 1335 m. S. 18; Deleg. L i n Chieh (China) a.a.O. 1339 m. S. 10. 180 A m j a d A l i (Pakistan) s. oben A n m . 179. 181 SCOR X X I 1335 m. S. 15; ähnlich etwa Deleg. Parthasarathi (Indien) 1336 m. S. 2; Deleg. L i u Chich (China) 1339 m. S. 10; Deleg. Fedorenko (UdSSR) 1337 m. S. 6, 15; Deleg. de Beus (Niederlande) 1337 m. S. 8. 182 So wörtlich der Vertreter Frankreichs, Seydoux (SCOR X X I 1339 m. S. 3), der hieraus als einziger die — richtige — Konsequenz zog u n d eine

5. Abschn.: Südrhodesien m ö g l i c h e G e w a l t a n w e n d u n g G r o ß b r i t a n n i e n s gegen K o l o n i e w o h l k a u m als G e w a l t a n w e n d u n g i n d e n B e z i e h u n g e n bezeichnet w e r d e n 1 8 3 .

103 die rebellische internationalen

Es m a g h i e r d a h i n g e s t e l l t b l e i b e n , ob diese A u f f a s s u n g v o m V e r h ä l t n i s Südrhodesiens z u G r o ß b r i t a n n i e n i n d e n 60er J a h r e n j e m a l s h a l t b a r gewesen ist. H i e r g e g e n s p r i c h t d e r i n t e r n a t i o n a l e S t a t u s 1 8 4 S ü d r h o d e s i e n s 1 8 5 , das als „ s e i f g o v e r n i n g c o l o n y " auch seine i n t e r nationalen Beziehungen weitgehend selbständig gestalten k o n n t e 1 8 6 . A u c h d i e sicher v o r l i e g e n d e I l l e g a l i t ä t des rhodesischen V o r g e h e n s nach b r i t i s c h e m R e c h t 1 8 7 ä n d e r t aber nichts a n d e r Tatsache, daß spätestens seit d e r e i n d e u t i g e n E r k l ä r u n g G r o ß b r i t a n n i e n s 1 8 8 , k e i n e W a f f e n g e w a l t gegen das offensichtlich e f f e k t i v e ö r t l i c h e R e g i m e 1 8 9 a n w e n d e n z u wollen, Südrhodesien i n einer „befriedeten U n a b h ä n g i g k e i t " 1 9 0 existiert u n d d a m i t — w e n n schon k e i n S t a a t 1 9 1 — so doch z u m i n d e s t e i n de Anwendung des V I I . Kapitels ablehnte. Bei der Abstimmung i m SR enthielt sich Frankreich als einziger Staat; hierzu Rousseau R G D I P 71 (1967) S. 477 f. !83 Vgl. hierzu Frowein, de facto-Regime S. 67 f.; Fenwick A J I L 61 (1967) S. 753 sowie unten I I , 2. Kap., 9. Abschn., 5. U-Abschn., H. 3. Es ist deshalb problematisch, wenn Mc Dougal / Reisman A J I L 62 (1968) S. 10 behaupten, die rhodesische A k t i o n könne als „act of aggression" gegen das Vereinigte Königreich bezeichnet werden. Hier wäre w o h l zumindest zu klären, was denn ein „act of aggression" eigentlich ist. 184 So Frowein, de facto-Regime R. 67 f. Anm. 149. 185 seit 1923 (Dahm I I S. 316 A n m . 12). 186 So Frowein a.a.O.; Dahm a.a.O. bezeichnete Südrhodesien dagegen noch als „eigenartiges Gebilde ohne eigene völkerrechtliche Rechtspersönlichkeit; s. auch Zemanek (ZaöRV 28 [1968] S. 24), der von begrenzter Völkerrechtssubjektivität spricht. 187 Fawcett B Y B I L 41 (1965/66) S. 107; Zemanek ZaöRV 28 (1968) S.24; s. auch die Ausführungen des britischen Außenministers George B r o w n vor dem SR (SCOR X X I 1331 m./S. 9). 188 Die H a l t u n g Großbritanniens w a r i n dieser Frage zunächst nicht ganz eindeutig; vgl. einerseits die Äußerungen des (konservativen) Außenministers Stewart vor dem SR (SCOR X X 1257 m./12.11.1965 S.5) (s. auch v o r stehend Anm. 157) u n d des (Labour-) Außenministers George B r o w n (SCOR X X I 1331 m./S. 6) u n d andererseits die von Frowein (de facto-Regime S. 67 Anm. 148) zitierte Äußerung des Premierministers Wilson vor dem U n t e r haus. Spätestens seit M i t t e 1966 w a r aber ganz offensichtlich, daß Großbritannien Waffengewalt nicht anwenden werde; vgl. auch die K r i t i k des Deleg. Kapwepwe (Sambia) an dieser Haltung (SCOR X X I 1332 m./S. 10). 189 Wobei Kewenig (Gewaltverbot S. 199 A n m . 73) zu Recht darauf h i n weist, daß die ganze Frage i m wesentlichen ein Problem des Zeitablaufs darstellt. 190 Frowein, de facto-Regime S. 67. 191 Daß Rhodesien nach den heute i m V R vorherrschenden deklaratorischen Anerkennungstheorien u n d v o m „Standpunkt einer objektiven vernünftigen Beurteilung" (Dahm I S. 136) ein Staat m i t einem effektiv beherrschten Staatsvolk u n d Staatsgebiet ist, k a n n w o h l nicht mehr ernsthaft bezweifelt werden; so bereits Fawcett B Y B I L 41 (1965/66) S. 110. Vgl. zur Rolle der Anerkennung ausführlich Dahm I S. 132 - 138, bes. 134- 136; dort auch eine

104

I I . 1. Kap.: Praxis des SR

facto-Regime 192 des Völkerrechts darstellt, auf das das völkerrechtliche Gewaltverbot Anwendung findet 193. Als Kontrahenten einer Auseinandersetzung kommen somit Südrhodesien einerseits und Großbritannien oder die umliegenden afrikanischen Staaten andererseits i n Betracht. Weder 1966 noch in den folgenden Jahren haben indes Kämpfe größeren Ausmaßes in oder um Rhodesien stattgefunden 194 , eine Situation, die sich — abgesehen von einigen spektakulären Guerillaaktionen — bis heute nicht geändert hat. Die Gefahr einer direkten militärischen Auseinandersetzung zwischen Rhodesien und seinen afrikanischen Nachbarn konnte jedenfalls 1966 — wie überhaupt bis zum Machtwechsel i n Portugal und der dadurch bedingten Machtverschiebung i m südlichen Afrika i m Frühsommer 1974 — als relativ fernliegend bezeichnet werden 1 9 5 , obwohl die afrikanischen Delegierten — hier wie i n den Fällen Südafrika und portugiesische Territorien — seit Beginn der Beratungen i n den V N die Gefahr eines großen Rassenkrieges i m ganzen südlichen Afrika beschworen haben 1 9 6 . Nicht umsonst versuchten sie, Großbritannien zu einem militärischen Eingreifen zu bewegen und beschränkten sich selbst auf verbale, allgemein gehaltene Drohungen. Eine andere Begründung für das Vorliegen einer Friedensbedrohung hat Fawcett 1 9 7 aus der rhodesischen Drohung, Gastarbeiter aus Malawi nach Hause zu schicken oder aus der Infiltration bewaffneter Aufständischer herzuleiten versucht. Ganz abgesehen davon, daß zumindest die Infiltration von Aufständischen keine Maßnahmen gegen den hiervon betroffenen Staat rechtfertigen kann 1 9 8 , muß es bedenklich erscheinen, wenn Argumente, die in der Diskussion vor dem SR nicht einmal aufgetaucht sind, nun plötzlich als Basis seiner Entscheidung bezeichnet werden. Auseinandersetzung m i t den Gegenmeinungen; ferner denselben I I S. 358 f. s. aber auch Zemanek ZaöRV 28 (1968) S. 24 f. u n d Brownlie, Principles S. 101. 192 Z u m Begriff des de facto-Regimes s. Frowein, de facto-Regime S. 5 - 8; i m Hinblick auf Südrhodesien s. dens. S. 67. im Frowein, de facto-Regime S. 67. 194 So auch Wengler, Gewaltverbot S. 39; Bindschedler ZaöRV 28 (1968) S. 8, 10. 195 So auch Bindschedler ZaöRV 28 (1968) S. 10; vgl. aber auch Röling S. 103. «β So etwa Del. Kapwepwe (Sambia) SCOR XXI/1332 m./9.12.1966 S. 4,11: Del. Keita (Mali) 1335 m./13.12.1966 S. 13; Del. Bouattoura (Algerien) 1337 m./14.12.1966 S. 4. 19 ^ Fawcett B Y B I L 41 (1965/66) S. 117. 198 Vgl. hierzu i.e. oben I, 6. Kap., 2. Abschn.; ebenso Fenwick A J I L 61 (1967) S. 754.

5. Abschn.: Südrhodesien

105

I n der Tat scheint es denn auch weniger eine drohende Anwendung von Gewalt über die Grenzen hinweg gewesen zu sein, aus der ein Großteil der Mitglieder des SR das Vorliegen einer Friedensbedrohung hergeleitet hat. Zahlreiche Delegierte haben allein die inneren 1 9 9 Verhältnisse in Südrhodesien als Friedensbedrohung bezeichnet 200 , wobei auf die Existenz einer auf rassischer Ungleichbehandlung basierenden Minderheitsregierung 2 0 1 oder die Verweigerung von Unabhängigkeit und Selbstbestimmungsrecht 202 , teilweise aber auch ganz einfach auf „das illegale Regime" 2 0 3 verwiesen wurde. Es braucht nach den oben wiedergegebenen Äußerungen afro-afrikanischer und kommunistischer Staaten in den Fragen Südafrika und portugiesisch beherrschte Gebiete nicht besonders darauf hingewiesen werden, daß dies genau die gleiche Auffassung vom Begriff der Friedensbedrohung ist, die sich dort wegen des Widerstandes der westlichen Staaten nicht durchsetzen konnte. Die Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts, die Beherrschung einer schwarzen Mehrheit durch eine weiße Minderheit oder schlicht die Fortdauer des Kolonialismus werden zur Bedrohung des internationalen Friedens, ihre Beseitigung durch Zwangsmaßnahmen zur Aufgabe der V N erklärt. Man w i r d nicht leugnen können, daß der Wortlaut der Resolutionen des SR diese Deutung zumindest zuläßt. Mehr als fraglich — auch angesichts des bis heute unveränderten Verhaltens der Westmächte i n ähnlichen Situationen — muß jedoch scheinen, ob diese Begründung für das Vorliegen einer Friedensbedrohung i m Falle Rhodesien allgemein akzeptiert wurde. Es scheint vielmehr, als ob vor allem Großbritannien i n dem Bestreben, eine friedliche Lösung durch wirksame, also vor allem weltweit befolgte Zwangsmaßnahmen herbeizuführen und damit den Befürwortern einer radikalen Lösung den Wind aus den Segeln zu nehmen, mehr oder minder bewußt rechtliche Bedenken politischen Zweckmäßigkeitserwägungen untergeordnet h a t 2 0 4 Die Annahme einer Friedensbedrohung innerhalb international anerkannter Grenzen oder gar innerhalb eines Staates w i r f t große 199

Innere Verhältnisse hier i m geographischen u n d nicht i m Sinne von „domestic jurisdiction" (Art. 2 Ζ. 7 SVN) gemeint. 200 Der holländische Delegierte de Beus erklärte hierzu, der SR könne ja n u r die Lage i n Rhodesien meinen. Denn w e n n er feststelle, daß „Südrhodesien den internationalen Frieden bedrohe", impliziere dies die von keinem gewollte Anerkennung Südrhodesiens als Völkerrechtssubjekt (SCOR X X I 1337 m./14.12.1966 S. 18). 201 Deleg. Ruda (Argentinien) SCOR X X I 1332 m./3.12.1966 S. 12. 202 Deleg. Kapwepwe (Sambia) SCOR X X I 1332 m. S. 4. 203 Deleg. Adebo (Nigeria) 1335 m./13.12.1966 S. 12; Deleg. Berrò (Uruguay) 1340 m./16.12.1966 S. 7; A m j a d A l i (Pakistan) 1335 m. S. 18. 204 v g l . die verschwommenen Äußerungen von Außenminister George B r o w n zur Frage der Friedensbedrohung SCOR X X I 1331 m. S. 6; eine ähnliche Vermutung äußert auch Fenwick A J I L 61 (1967) S. 755.

106

I I . 1. Kap.: Praxis des SR

Probleme — vor allem i m Hinblick auf das Merkmal der „internationalen Beziehungen" — auf. Hierauf soll i m Zusammenhang m i t den Resolutionen der GV zu den Fällen des südlichen Afrika eingegangen werden. Da es jedenfalls in den Jahren 1966 bis 1973 ernsthafte Anzeichen für einen größeren militärischen Konflikt innerhalb Südrhodesiens nicht gegeben hat, erscheint die Annahme einer Friedensbedrohung auch unabhängig von der Frage ,internationaler' Beziehungen zwischen farbiger Bevölkerung und weißer Bevölkerung oder Regierung fragwürdig. Geht man von dem militärischen Gewaltbegriff aus, der A r t . 2 Z. 2 SVN und — wie gezeigt — auch Art. 39 SVN zugrundeliegt, so w i r d man dieses Merkmal auch innerhalb Südrhodesiens kaum als gegeben ansehen können 2 0 5 .

6. Abschnitt DER I S R A E L I S C H - A R A B I S C H E K O N F L I K T SEIT 1967 A. Die Tätigkeit des SR

Obwohl der Sechstagekrieg des Jahres 1967 den klassischen Fall eines Friedensbruches darstellt, hat sich der SR aus politischen Gründen weder 1967 noch zu einem späteren Zeitpunkt auf die förmliche Feststellung eines Friedensbruches oder einer Friedensbedrohung einigen können. Die beiden unmittelbar nach dem Ausbruch der Feindseligkeiten verabschiedeten Resolutionen 206 sprechen lediglich von der bedrohlichen („menacing") Situation i m Nahen Osten und fordern die beteiligten Parteien zur Feuereinstellung auf. Die berühmte Resolution 242 (1967) 207 , die einerseits den Rückzug aus den während des jüngsten Konflikts besetzten Gebieten, andererseits die Achtung der territorialen Integrität Israels durch die arabischen Staaten forderte, vermied sogar jede nähere Bezeichnung der Situation. I n den folgenden Jahren beschäftigten sich die Resolutionen des SR zu dieser Frage vornehmlich mit den wiederholten Verletzungen des 205 Bedenken gegen die Entscheidungen des SR i n dieser Frage auch bei Scheuner, Wandlungen S. 26. Eine v ö l l i g andere Beurteilung der Rhodesienaktion der V N findet sich bei Mc Dougal / Reisman A J I L 62 (1968) S. 1 ff., die indes nicht n u r einen sehr weiten Begriff der Friedensbedrohung vertreten (vgl. S. 6 - 9), sondern aus deren Ausführungen auch nicht k l a r w i r d , wer denn eigentlich die Parteien der möglicherweise zu erwartenden Gewalttätigkeiten (S. 11) sein sollen. 2 06 S/RES/233 (1967) v o m 6.6.1967; S/RES/234 (1967) v o m 7.6.1967. 2 07 V o m 22.11.1967.

7. Abschn.: Der indisch-pakistanische K o n f l i k t u m Bangla-Desh

107

Waffenstillstands durch israelische Aktionen gegen Freischärler auf jordanischem oder libanesischem Gebiet. Der SR brachte hierbei seine Auffassung zum Ausdruck, daß die vorsätzlichen und „wiederholten Gewalttaten der Israelis die Aufrechterhaltung des Friedens gefährden" 2 0 8 . I m Falle des israelischen Angriffs auf den Beiruter Flughafen stellte er zudem ausdrücklich fest, daß Israel zum Ersatz des angerichteten Schadens verpflichtet sei 2 0 9 . Spätere Resolutionen des SR zu entsprechenden Vorfällen vermeiden dagegen jede Bezeichnung der Situation 2 1 0 . Dies gilt auch für die vier Resolutionen des SR während des sog. ,Jom-Kippur'-Krieges i m Herbst 1973, i n denen sich der SR auf allgemeine Waffenstillstandsappelle an die Parteien beschränkte 211 . B. Rechtliche Grundlagen der Tätigkeit des SR

Da der SR i m israelisch-arabischen Konflikt Zwangsmaßnahmen nicht empfohlen oder angeordnet hat, kann hier dahingestellt bleiben, ob er — etwa bei der Aufforderung zur Feuereinstellung i m Jahre 1967 oder i n den folgenden Jahren — unter Kapitel V I I SVN tätig geworden ist. Die Vorgänge, zu denen er in seinen Resolutionen Stellung genommen hat, betrafen jeweils gravierende Verletzungen des Gewaltverbotes, so daß Bedenken gegen eine möglicherweise stillschweigend erfolgte A n nahme einer Friedensbedrohung oder eines Friedensbruches jedenfalls aus der gefundenen Definition nicht hergeleitet werden können.

7. Abschnitt DER I N D I S C H - P A K I S T A N I S C H E K O N F L I K T U M BANGLA-DESH A. Die Tätigkeit des SR

Auch i n dem Konflikt zwischen Indien und Pakistan um Bangla-Desh i m Jahre 1971 sah sich der SR zunächst durch die Uneinigkeit seiner ständigen Mitglieder an einem wirksamen Eingreifen gehindert. M i t Resolution 303 (1971) verwies er daher die Angelegenheit unter aus208 „endanger the maintenance of peace"; vgl. S/RES/256 (1968); S/RES/262 (1968), ähnlich auch S/RES/265 (1969). 209 s. S/RES/262 (1968). 210 Vgl. etwa S/RES/270 (1969); S/RES/280 (1970); S/RES/285 (1970); S/RES/ 313 (1972); S/RES/316 (1972); S/RES/332 (1973) v. 21.4.1973; S/RES/337 (1973) v. 15.8.1973; S/RES/347 (1974) v. 24.4.1974. 211 Vgl. S/RES/338 (1973) v. 21.10.1973; S/RES/339 (1973 v. 23.10.1973; S/RES/340 (1973) v. 25.10.1973; S/RES/341 (1973) v. 27.10.1973.

108

I I . 1. Kap.: Praxis des SR

drücklicher Bezugnahme auf die Resolution „Uniting for Peace" an die G V 2 1 2 . Bereits 6 Tage später — am 12. Dezember 1971 — setzte der SR jedoch seine Beratungen fort und verabschiedete am 21.12.1971 eine weitere Resolution zu dieser Frage 2 1 3 . I n ihr stellte er fest, daß die Parteien des Konflikts den Aufruf der GV zur Feuereinstellung 214 hinsichtlich des westlichen Kampfschauplatzes 215 positiv beantwortet hätten und folglich insoweit ein Waffenstillstand bestehe. Die Situation bleibe indes eine Bedrohung des internationalen Friedens 216 . I n weiteren Absätzen der Resolution forderte der SR zur Ausdehnung des Waffenstillstandes auf alle Kampfschauplätze, zur Rettung von Menschenleben und zur Beachtung der Genfer Konventionen von 1949 auf. B. Die Verwendung des Begriffes Friedensbedrohung

Eine Anordnung oder Empfehlung von Zwangsmaßnahmen hat der SR in dieser Frage weder gegen Indien noch gegen Pakistan ausgesprochen, so daß der Charakterisierung des pakistanischen Delegierten Shahi, die Resolution sei „as weak as the situation was grave" 2 1 7 nur zugestimmt werden kann. Daß gegen die Bezeichnung der Situation auf dem indischen Subkontinent als Friedensbedrohung angesichts der völligen Ungewißheit, ob und wie lange der partielle Waffenstillstand befolgt werde und angesichts der noch fortdauernden Kämpfe auf dem anderen Kriegsschauplatz Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit m i t der gefundenen Definition nicht bestehen, bedarf keiner näheren Erläuterung. 8. Abschnitt Z Y P E R N 1974 A. Die Tätigkeit des Sicherheitsrates

Obwohl sich der SR auch bereits i n früheren Jahren m i t der zyprischen Frage befaßt und hierzu auch bereits eine Reihe von Resolutionen 212 A m 6.12. 1971; die UdSSR, Frankreich, Polen u n d Großbritannien enthielten sich der Stimme (vgl. U N M O 1972/1 S. 3). 213 S/RES/307 (1971). 214 I n Resolution A/RES/2793 ( X X V ) v o m 7.12.1971; s. unten I I , 2. Kap., 10. Abschn. 215 Wörtlich: . . . "the western theatre." 216 Wörtlich: " H a v i n g discussed the grave situation i n the subcontinent which remains a threat to international peace and security" (— Präambel Abs. 1, U N M O 1972/1 S. 45). 217 U N M O 1972/1 S. 44.

9. Abschn. : Die Resolutionen des SR

109

verabschiedet hatte, kam es erst i m Zusammenhang m i t dem Putsch griechischer Offiziere gegen Präsident Makarios und der hierdurch ausgelösten Intervention türkischer Truppen auf der Mittelmeerinsel zur Erwähnung einer Friedensbedrohung. A m 20. J u l i 1974 verabschiedete der SR einstimmig die Resolution 353 (1974), i n der er sich tief besorgt über die Situation zeigte, die zu einer ernsten Bedrohung des internationalen Friedens 2 1 8 geführt habe. Der SR forderte alle Staaten zur Respektierung der Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Integrität Zyperns und die Beteiligten zur sofortigen Feuereinstellung auf. Der Begriff der Friedensbedrohung findet sich auch i n Resolution 360 (1974) des SR vom 16. August 1974. I n dieser Resolution zeigte sich der SR erneut tief besorgt über die Verschlechterung der Lage auf Zypern infolge weiterer militärischer Operationen, „which constituted a most serious threat to peace and security in the Eastern Mediterranean area" 2 1 9 . B. Die Verwendung des Begriffes Friedensbedrohung

Daß gegen die Verwendung des Begriffes Friedensbedrohung in der zyprischen Frage schon angesichts der akuten Gefahr eines Krieges zwischen Griechenland und der Türkei keine Bedenken bestehen, liegt auf der Hand. Bemerkenswert an den Resolutionen des SR ist daher nur, daß der SR hier — i n Ubereinstimmung mit der oben vertretenen Auffassung 2 2 0 — sowohl die Situation (S/RES/353 (1974)) als auch die Handlung eines Staates (S/RES/360 (1974)) zur Friedensbedrohung erklärt hat.

9. Abschnitt ERGEBNIS — D I E RESOLUTIONEN DES SR

Als Ergebnis der Untersuchungen über die Resolutionen des SR läßt sich somit feststellen, daß die Verwendung des Begriffes „Friedensbedrohung" der gefundenen Definition entspricht. Weder die Ausübung wirtschaftlichen, politischen oder ideologischen Drucks noch sonstige Völkerrechtsverletzungen haben Anlaß zur Fest218 Wörtlich: . . . "which led to a serious threat to international peace and security" (UNMO 1974/8 S. 24). 219 S/RES/360 (1974) i n U N M O 1974/8 S.68; die deutsche Übersetzung i n V N 1974 S. 159 ist fehlerhaft, da sie die Bezeichnung als Friedensbedrohung auf „die Lage i n Zypern" u n d nicht auf „die militärischen Operationen" bezieht. 220 v g l . oben I, 2. Kap., 2. Abschn., l.U-Abschn., A.

110

I I . 1. Kap.: Praxis des SR

Stellung oder auch nur Erwähnung einer Friedensbedrohung gegeben. M i t Ausnahme des Sonderfalles Rhodesien hat der SR nur dort Situationen förmlich oder beiläufig als Friedensbedrohung bezeichnet, in denen bereits eine physische und über die Grenzen eines Staates hinausgehende Gewaltanwendung größeren Umfangs stattgefunden hatte und erkennbar die akute Gefahr weiterer militärischer Auseinandersetzungen bestand. Z u einer gleichartigen Bezeichnung auch der gespannten Situation innerhalb eines Staatswesens oder i m Verhältnis zwischen Kolonialmacht und Teilen der Kolonialbevölkerung bzw. zwischen herrschender Minderheit und andersrassiger unterdrückter Mehrheit ist es dagegen infolge der Haltung der Westmächte bisher nicht gekommen. Zahllose Versuche der Staaten der 3. Welt und des Ostblocks, auch den SR i n die Entkolonialisierungskampagne m i t einzubeziehen, haben somit einen auf die Anwendung des V I . Kapitels der Satzung beschränkten Erfolg gehabt. Südrhodesien bedeutet insofern einen wenig aussagekräftigen Sonderfall, als Großbritannien selbst und vermutlich aus den oben 2 2 1 näher dargelegten Gründen um ein Tätigwerden der V N nach Kap. V I I ersucht und damit den Wünschen vor allem afrikanischer Staaten entgegengekommen ist, ohne daß hieraus auf eine generell veränderte Haltung der Westmächte geschlossen werden könnte 2 2 2 . Zahllose Konflikte der vergangenen zwanzig Jahre, die den Weltfrieden zumindest i n gleichem Ausmaße bedroht haben, fehlen i n der vorangegangenen Aufzählung. Die Untersuchung bestätigt somit die inzwischen zum Allgemeingut gewordene Erkenntnis, daß das so kunstvoll erdachte System des V I I . Kapitels, vor allem aber die i n den A r t . 41 ff. vorgesehenen Zwangsmaßnahmen i n der Praxis des SR nur eine völlig untergeordnete Rolle gespielt haben. Es stimmt nicht froher, daß der einzige 2 2 3 Fall, i n dem der SR aufgrund der förmlichen Feststellung einer Friedensbedrohung ganz eindeutig bindende Sanktionen nach Kapitel V I I der Satzung angeordnet hat — Südrhodesien —, A n laß zu Bedenken hinsichtlich der Satzungsmäßigkeit dieser Aktivitäten gibt. Freilich w i r d man der Tätigkeit des SR auf dem Gebiet der Friedenswahrung nicht gerecht, wenn man sie nur an den hier untersuchten Konflikten mißt. I n zahlreichen Fällen hat der SR durch eine Vermittlerrolle, durch Beobachterkommissionen oder nur als schlichtes Diskus221 s. oben I I , l . K a p . , 5. Abschn. 222 Ebenso auch Virally, L'organisation S. 252. 223 Scheuner, Wandlungen S. 26; vgl. auch die Presseverlautbarung des »Security Council's Sanction Committee concerning Southern Rhodesia 4 v. 4.9.1973 (UNMO 1973/9 S. 17): " . . . the first time i n the history of the U N that mandatory economic sanctions were imposed by the Security Council."

. Abschn.: D e

s t i o n e s

111

sionsforum zur Milderung, wenn nicht Beseitigung gefährlicher Konflikte beigetragen 224 , wobei i m Einzelfall durchaus zweifelhaft sein kann, ob manche Konflikte durch Zwangsmaßnahmen eher oder gerechter gelöst worden wären.

224 Vgl. zu diesem Aspekt der Tätigkeit des SR ausführlich Menzel, Die militärischen Einsätze der U N O zur Friedenssicherung J I R 15 (1971) S. 1 ff. sowie Pfeifenberg er, Die Vereinten Nationen.

Zweites Kapitel D i e Praxis der G V u n d i h r e V e r e i n b a r k e i t m i t der Charta der Y N 1. Abschnitt D I E P R O B L E M A T I K DER T Ä T I G K E I T DER G V I M R A H M E N DES V I I . K A P I T E L S U N T E R BESONDERER B E R Ü C K S I C H T I G U N G DER R E S O L U T I O N „ U N I T I N G FOR PEACE"

Mehr Anlaß zur Verwunderung als die relativ geringfügige A k t i v i t ä t des SR auf diesem Gebiet muß angesichts des Wortlauts der Charta die Tatsache bieten, daß auch die GV Situationen als Friedensbedrohung bezeichnet und aufgrund dieser Bezeichnung teilweise auch Sanktionen empfohlen hat. Ihren formellen Höhepunkt 1 hat diese Entwicklung bereits 1950 i n der Resolution „Uniting for Peace" 2 erreicht, i n der die GV ihre subsidiäre Zuständigkeit betonte, falls der SR mangels Einstimmigkeit seiner ständigen Mitglieder in einer Situation des V I I . Kapitels handlungsunfähig ist. Die GV sprach sich ausdrücklich das Recht zu, i n diesem Fall geeignete Kollektivmaßnahmen, bei einem Friedensbruch oder einer Aggressionshandlung auch den Einsatz bewaffneter Streitkräfte zu empfehlen 3 . Die Satzungsmäßigkeit dieser Resolution ist bis heute umstritten 4 . ι Goodrich I O 19 (1965) S. 435. 2 A/RES/377 (V) v o m 3.11.1950; dt. Ubersetzung u.a. i n Schätzel S. 66 ff. 3 Dies verkennt Bowett , Self-Defence S. 251, der behauptet, die Empfehlung von Kollektivmaßnahmen setze nach der Resolution „ U n i t i n g for Peace" einen Friedensbruch oder eine Aggressionshandlung voraus. 4 F ü r die Vereinbarkeit m i t der Satzung etwa Delbrück SR und GV S. 98; Prößdorf S. 84 m . w . N . ; Q. Wright A J I L 50 (1956) S. 523; Andrassy A J I L 50 (1956) S. 581; Köck ÖZÖR 22 (1971) S. 357 A n m . 98; w o h l auch Scheuner , Friedensbedrohung S. 572. Grundsätzlich gegen die Vereinbarkeit: Brugière R G D I P 57 (1953) S. 468 bis 470, 475 f.; ders. Les Pouvoirs S. 406-410; Rossignol R G D I P 58 (1954) S. 115, 117 f., 127- 129; Tunkin I I (1972) S. 376 - 379, 393; skeptisch auch Soubeyrol R G D I P 69 (1965) S.368; Reuter (VN 1973 S. 20) hält die Resolution für ursprünglich satzungswidrig, n i m m t aber ihre völkergewohnheitsrechtliche Geltung an. Er begründet dies u. a. m i t der Zustimmung der Sowjetunion i n der Suezfrage (hiergegen ausführlich Tunkin I I S. 377 f.). Die

1. Abschn.: Problematik der Tätigkeit

113

Geht man vom Text der Charta aus, so w i r d man feststellen müssen, daß die Schöpfer der Satzung die i m V I I . Kapitel genannten Befugnisse nur dem SR übertragen wollten 5 . Dies folgt nicht nur aus der ausschließlichen Nennung des SR als des feststellenden und gegebenenfalls Zwangsmaßnahmen empfehlenden Organs i n den A r t . 39 ff., 5 und 50 SVN 6 , sondern auch aus den Vorschriften der Satzung, die sich mit den Befugnissen der GV bei der Wahrung des Weltfriedens befassen. A r t . 14 SVN spricht nur von Maßnahmen der GV zur friedlichen Bereinigung von Situationen, die nach ihrer Auffassung geeignet sind, das allgemeine Wohl oder die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Nationen zu beeinträchtigen. Er dient also der Entwicklung dieser i n A r t . 1 Abs. 2 SVN erwähnten Beziehungen und allenfalls mittelbar der Wahrung des Weltfriedens (Art. 1 Abs. 1 SVN) 7 , zu dessen Sicherung allein kollektive Maßnahmen eingesetzt werden dürfen 8 . Art. 11 Abs. 2 SVN gibt der Vollversammlung ausdrücklich auf, Angelegenheiten, i n denen Maßnahmen („action") erforderlich sind, an den SR zu verweisen. So umstritten auf der einen Seite ist, was i m einzelnen unter dem Begriff „action" zu verstehen ist 9 , so unumstritten ist auf der anderen Seite, daß hierunter jedenfalls und i n erster Linie die Zwangsmaßnahmen nach A r t . 41 ff. SVN fallen 1 0 . Selbst wenn man Art. 11 Abs. 2 Satz 2 SVN nur als einfache Verfahrensnorm 11 ansieht gewohnheitsrechtliche Geltung der Resolution „ U n i t i n g for Peace" kann jedoch allenfalls hinsichtlich der „peace-keeping operations" u n d der E i n berufung von Sondersitzungen der GV, nicht aber hinsichtlich der bis 1962 n u r i n der Koreafrage gegen den Widerstand zahlreicher Staaten p r a k t i zierten Empfehlung von Zwangsmaßnahmen gelten. Ob die Praxis der GV zu neueren Fällen eine andere Beurteilung zuläßt, ist mehr als fraglich; vgl. unten 13. Abschn. 5 So auch Delbrück, SR u n d GV S. 35. β s. hierzu i.e. Delbrück SR u n d GV S. 90; Prößdorf S. 51 f. 7 Mißverständlich deshalb Delbrück, SR u n d G V S. 90: „ A r t . 14, der eine spezielle Umschreibung von Funktionen der Vollversammlung auf dem Gebiet der Friedenswahrung enthält . . . " 8 Richtig deshalb Koretsky S. 361 : A r t . 14 S V N betrifft nicht die Aufrechterhaltung des internationalen Friedens, anderenfalls A r t . 11 u n d 12 der Charta überflüssig wären. 9 Vgl. zu den unterschiedlichen Ansichten die Zusammenstellungen bei Prößdorf S. 38 f. m . w . N . ; Delbrück SR u n d G V S.32f. m. w. N. 10 s. Anm. 9; ferner I G H „Certain expenses of the United Nations" (1962) S. 294; Moreno Quintana S. 356; Fitzmaurice S. 321; Bustamente S. 386; s. auch Soubeyrol R G D I P 69 (1965) S. 368; Aréchaga , Derecho constitucional S.184. n So Prößdorf S. 3 4 - 3 8 ; Delbrück SR u n d G V S. 93; a. Α. Kelsen, Recent Trends S. 962; Rossignol R G D I P 58 (1954) S. 116 f.; gegen diese Ansicht von Prößdorf, der dieses Ergebnis weitgehend m i t der sonst angeblich vorliegenden Überflüssigkeit des A r t . 11 Abs. 4 S V N begründet, sind jedoch Zweifel angebracht. V o n der — auch von Prößdorf (S. 35) akzeptierten — „ l e x specialis" Stellung des A r t . 11 ausgehend, der durch die Schranke des Abs. 2 8 Arntz

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I I . . Kap.: Praxis de

und berücksichtigt, daß Art. 12 SVN nur eine zeitliche Schranke 12 errichtet, läßt sich hieraus ein Hecht der GV, Zwangsmaßnahmen zu empfehlen, ebensowenig herleiten wie aus den A r t . 10 und 24 der Satzung. Zwar enthält der Wortlaut des Art. 10 SVN — anders als Art. 11 SVN — keine Einschränkung der Empfehlungsbefugnis der GV. Da A r t . 11 indes die speziellere Norm auf dem Gebiet der Friedenswahrung darstellt 1 3 , muß die dort für die Tätigkeit der GV aufgestellte Schranke zumindest auch für A r t . 10 gelten 14 , es sei denn, man wollte Art. 11 SVN i n toto für überflüssig erklären. Auch Art. 24 SVN kann angesichts der Schwierigkeiten bei der sprachlichen Deutung des Wortes „ p r i m a r y " 1 5 zumindest nicht eindeutig i m Sinne einer — subsidiären — Zuständigkeit der GV ausgelegt wTerden. Die nach dem Text der Charta begründeten Bedenken gegen eine auch nur subsidiäre Zuständigkeit der GV auf diesem Gebiet werden sowohl durch die in der Satzung erkennbare angestrebte Grundstruktur der V N 1 6 als auch durch die historische Auslegung 17 bestätigt. Eine subsidiäre Befugnis der GV, Zwangsmaßnahmen zu empfehlen, ist denn auch weniger mit dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der Satzung oder mit der historisch belegbaren Grundstruktur der VN, sondern mit Erwägungen der Zweckmäßigkeit, der Auslegung nach dem „effet utile" begründet worden 1 8 . Hierbei wurde besonders auf die in diesem Ausmaß in San Francisco nicht vorhergesehene Blockierung eine deutliche Einschränkung der Empfehlungsbefugnis gegenüber der allgemeinen Befugnis des A r t . 10 enthält, läßt sich nämlich die F u n k t i o n des Abs. 4 einleuchtend damit begründen, daß die Satzung hier klarstellen wollte, daß die GV Maßnahmen n u r dann empfehlen kann, wenn es sich nicht u m die Wahrung des Weltfriedens handelt. M. a. W.: n u r auf diesem Gebiet sollte — wegen der besonderen Befugnisse des SR — eine Einschränk u n g des Rechts der GV erfolgen, notfalls auch Maßnahmen zu empfehlen. 12 Prößdorf S.37; Delbrück SR u n d G V S. 93. ι 3 So zu Recht Prößdorf S. 35, der darauf hinweist, daß A r t . 10 ursprünglich m i t den Worten „ I n particular . . . " zu A r t i k e l 10 überleiten sollte; a. A. offensichtlich Delbrück SR u n d GV S. 91, bes. Anm. 138. 14 So Prößdorf S. 35; Delbrück SR und G V S. 91, der dieses Ergebnis zu Recht auch m i t der Grundstruktur der Ο V N begründet; a. A. Scheuner, Vereinte Nationen u n d Nichtmitglieder S. 386 A n m . 45. is s. hierzu i. e. Delbrück SR u n d G V S. 36 f.; Koretsky S. 372; die Bejahung der subsidiären Zuständigkeit durch Prößdorf dürfte nicht unerheblich von seiner Übersetzung des Begriffes „ p r i m a r y " m i t „primärer Verantwortung" (S. 28, 47) beeinflußt worden sein; richtig („Hauptverantwortung") derselbe i n V N 1962 S. 15. 16 Delbrück SR u n d GV S. 37, 92. 17 s. i. e. Delbrück SR u n d GV S. 34, 37 unter Hinweis auf Evatt, The Task of Nations S. 51; Prößdorf S. 2 6 - 2 8 ; Brugière, Les Pouvoirs S. 408 f. iß So besonders deutlich Delbrück SR u n d GV S. 92; Prößdorf S. 32.

1. Abschn.: Problematik der Tätigkeit

115

des SR durch das „Vetorecht" 1 9 , die hierdurch mit hervorgerufene Schwergewichtsverlagerung zwischen Rat und Versammlung i n der Ο V N 2 0 und auf die Notwendigkeit verwiesen, daß die Ο V N i n Krisensituationen wirksam, d. h. notfalls auch durch die Empfehlung von Zwangsmaßnahmen tätig werden müsse. Einer solchen Auslegung stehe auch der Wortlaut der Satzung nicht entgegen, der die Annahme einer subsidiären Befugnis der GV, notfalls auch Zwangsmaßnahmen zu empfehlen, zumindest nicht ausschließe21. Ohne daß hier i m einzelnen auf diese Argumente eingegangen werden soll, sei doch bemerkt, daß derartige Zweckmäßigkeitserwägungen keineswegs unproblematisch sind. I n einem so kunstvollen Gebäude wie den V N kann man nicht einfach ein Organ gegen das andere austauschen. Die Funktionen dieser Organe sind nicht nur das Ergebnis vielfältiger Erfahrungen und Kompromisse, sondern auch einer sorgfältigen Berücksichtigung ihrer Zusammensetzung 22 . Zu Recht ist darauf hingewiesen worden 2 3 , daß die Feststellung einer Friedensbedrohung etc. durch den SR, ja überhaupt die i n der Charta vorgenommene Verlagerung der politischen Entscheidungsmacht auf den Rat 2 4 , eine bedeutende Neuerung gegenüber dem System des V B darstellt, in dem Rat und Versammlung die gleiche Verantwortung trugen und jedes M i t glied selbst entschied, ob es eine Kriegshandlung — und damit die Voraussetzung des A r t . 16 VBS — als gegeben ansehen wollte 2 5 . Die Abkehr von dem weitgehend unwirksamen Sanktionsempfehlungssystem des V B 2 6 und seine Ersetzung durch die Befugnisse des SR nach Kap. V I I SVN wären indes angesichts der unterschiedlichen Gesellschaftssysteme und der fortbestehenden Differenzen i n der Staatenwelt kaum möglich gewesen, wenn den Großmächten eine ihrer starken Stellung entsprechende Beteiligung an dieser Entscheidung nicht eingeräumt worden wäre 2 7 . Daß Zwangsmaßnahmen, die gegen den Willen auch nur einer w i r k lichen Großmacht empfohlen werden, nicht allzu wirksam sein können, « Delbrück SR u n d GV S. 92. 20 Delbrück SR u n d GV S. 96. 21 So Delbrück SR u n d GV S. 93 - 9 6 ; Prößdorf S. 84. 22 v g l . i n diesem Sinne auch Fitzmaurice S. 321; Winiarski S. 341 „carefully created organs" u n d Koretsky S. 371 " I t has been said that you cannot leave one w o r d out of a song." 23 Bentwich / Martin S. 88; Prößdorf S. 77; Scheuner, K o l l e k t i v e Sicherung des Friedens S. 8. 24 Scheuner (Anm. 23) S. 8. 25 Vgl. i.e. Stone, Legal Controls S. 178 f.; Bindschedler, Grundfragen S. 71. 26 Vgl. hierzu i.e. Scheuner, K o l l e k t i v e Sicherung des Friedens S. 4 - 6 ; Bindschedler (Anm. 25) S. 78. 27 Vgl. auch Goodrich I O 19 (1965) S. 433, 443. 8*

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I I . . Kap.: Praxis de

ist eine Erfahrung, die nicht erst unter dem Völkerbund gemacht worden ist 2 8 . Gerade die traurigen Erfahrungen des letzteren — vor allem i n der äthiopischen Frage 2 9 — haben aber i n besonderem Maße die Struktur der OVN beeinflußt 30 . Spätestens die Koreaaktion der V N hat zudem gelehrt 3 1 , daß Sanktionen, die gegen eine Großmacht verhängt werden, zumindest dann die Gefahr eines Weltkrieges i n sich bergen, wenn sie unter Einsatz bewaffneter Kräfte durchgeführt werden. So betrachtet scheint das Vetorecht nicht nur conditio sine qua non der V N Gründung 3 2 gewesen, sondern als Ausprägung und letztlich Konsequenz bestehender Machtstrukturen ein nicht zu unterschätzendes Element der Verhütung großer Konflikte zu sein 33 . Daß hierbei die i n der Charta angelegte Möglichkeit einer Blockierung des SR durch die Ausübung des sog. Vetorechts von den Schöpfern der Satzung nicht einkalkuliert worden sein soll, erscheint angesichts der auch damals schon erkennbaren Spannungen zwischen den Großmächten 34 mehr als zweifelhaft 3 5 . Die Übertragung der Machtbefugnisse des V I I . Kapitels auf einen kleinen Kreis von Staaten dürfte somit nicht nur, ja nicht einmal i n erster Linie dem Wunsch nach einer „schnellen und gezielten A k t i o n " 3 6 des beweglicheren und in Permanenz tagenden Organs SR, sondern 28 Skeptisch hinsichtlich der Wirksamkeit empfohlener Zwangsmaßnahmen auch Scheuner, K o l l e k t i v e Sicherung des Friedens S. 21 f.; vgl. auch denselben ZaöRV 19 (1958) S. 410; Bindschedler, Grundfragen S. 78; Goodrich I O 19 (1965) S. 430; Doxey, Y W A 1971 S. 160 - 162. 29 s. hierzu besonders Scheuner, K o l l e k t i v e Sicherung des Friedens S. 5 f. ; Bindschedler, Grundfragen S. 78. 30 So auch Goodrich I O 19 (1965) S. 430; vgl. ferner den Bericht Paul Boncour U N C I O Bd. 12 S. 531. ai s. hierzu i. e. Goodrich I O 19 (1965) S. 436. 32 Reuter V N 1973 S. 20; Goodrich I O 19 (1965) S. 433. 33 Ä h n l i c h auch Reuter V N 1973 S. 20 - 22, der zu Recht darauf hinweist, daß die formelle Beseitigung des Vetorechts die Veto macht nicht ausschaltet, eine friedliche Konfliktbeilegung dagegen erschwert, s. ferner auch Stettinius, Report to the President S. 68, i n dem die Einigkeit der Großmächte als Eckstein der Weltsicherheit bezeichnet w i r d . 34 Z u Recht weist Klimmeck S. 123 darauf hin, daß den führenden Männern der gegen Japan u n d Deutschland gerichteten Allianz bewußt gewesen sein dürfte, daß ihre Meinungsverschiedenheiten sich nach dem Kriege nicht mehr würden unterdrücken lassen. 35 Gegen die K r i t i k an der Ausübung des Vetorechts auch Goodrich I O 19 (1965) S. 432 f., 440, 443. Z u Recht hat Goodrich ebd. S. 432 f. auch darauf h i n gewiesen, daß die V o r w ü r f e bezüglich eines exzessiven Vetogebrauchs (vgl. etwa Prößdorf V N 1962 S. 14) auch unter dem Aspekt des kalten Krieges gesehen werden müssen, der die Westmächte häufig nicht nach dem — schwierigeren — Kompromiß, sondern — durch für die SU inakzeptable Vorschläge — nach einer erneuten Bestätigung für den Vetomißbrauch durch die SU suchen ließ. Z u m „stillen Veto" der Westmächte s. Seidl-Hohenveldern, Intern. Organisationen Rz 1151 S. 132; zu diesem Fragenkomplex auch Tunkin I I S. 391 - 393. 36 Delbrück SR u n d GV S.36; ähnlich auch S. 95.

1. Abschn.: Problematik der Tätigkeit

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— zumindest auch — den realen Machtverhältnissen i n der Welt entsprochen haben 37 . Eine Betrachtungsweise, die den SR lediglich als Beauftragten der GV versteht und bei seinem „Ausfall" die Verantwortung auf die Vollversammlung „zurücküberträgt" 3 8 , w i r d dieser besonderen Stellung des SR, vor allem aber der in ihm vertretenen Vetomächte, nicht gerecht. Anders als die keinen Zwangscharakter tragende 39 Entsendung einer Friedensstreitmacht, die in der Charta nicht geregelt worden ist 4 0 , ist die Empfehlung von Zwangsmaßnahmen i. S. der Art. 41 ff. SVN untrennbar mit dieser besonderen Stellung des SR verknüpft. Dem hat auch der I G H i n seinem Gutachten zu Art. 17 Abs. 2 SVN („Certain expenses of the United Nations") 4 1 Rechnung getragen, indem er die Rechtmäßigkeit der Entsendung einer Friedenstruppe nicht aus einer allgemeinen subsidiären Zuständigkeit der GV, sondern ausdrücklich aus der Tatsache ableitete, daß es sich nicht um eine Zwangsmaßnahme handele 42 , „which is solely w i t h i n the province of the Security Council" 4 3 . Die angeführten Gründe sprechen auch dann gegen eine derartige Tätigkeit der GV, wenn man berücksichtigt, daß sie Zwangsmaßnahmen nur empfehlen 44 , der SR diese dagegen verbindlich anordnen kann. Hierbei ist von geringerer Bedeutung, daß sich auch der SR nach Art. 39 ff. darauf beschränken kann, Zwangsmaßnahmen lediglich zu empfehlen 45 , und daß die Zwangswirkung empfohlener kollektiver Sanktionen — unterstellt, sie werden kollektiv befolgt 4 6 — nicht sehr 37 Ebenso Goodrich I O 19 (1965) S. 443. 3» So etwa Delbrück SR und G V S. 95. 39 s. i. e. oben I I , 1. Kap., 2. Abschn., Β 1. 40 Bustamente S. 385; s. auch oben I I , l . K a p . , 2. Abschn. Β 1. 41 I G H (Certain expenses of the United Nations, 1962) I C J Reports 1962 S. 152 ff. 42 I G H ebd. S. 165 f., 176 f.; zu Recht weist deshalb Kewenig, Gewaltverbot S. 197 darauf hin, daß eine entsprechende Feststellung der Satzungskonformität hinsichtlich möglicher A k t i o n e n nach Abschnitt A der Resolution Uniting for Peace nicht vorliegt. 43 I G H ebd. S. 165; es ist deshalb Soubeyrol R G D I P 69 (1965) S. 368 zuzustimmen, der schreibt, daß die Resolution „ U n i t i n g for Peace" seit dieser Äußerung des I G H „fort contestable" sei. 44 So die allgemeine Ansicht. Vgl. etwa Scheuner ZaöRV 19 (1958) S. 395; Prößdorf S. 85; Delbrück SR u n d GV S. 98; Bindschedler, Grundfragen S. 74; Bowett, Self-Defence S. 178. 45 Prößdorf S. 32; a. A. Pfeiffenberger S. 557; i m Koreafall hat der SR Maßnahmen nur empfohlen; s. hierzu i. e. Seidl-Hohenveldern, Internat. Organisationen Rz 2029; Kelsen, Recent Trends S. 971 sowie oben I I , l . K a p . . Anm. 26. 46 Was bei einer Empfehlung durch den SR eher der F a l l sein w i r d als bei einer Empfehlung durch die GV.

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I I . . Kap.: Praxis de

von der verbindlich angeordneter verschieden sein dürfte 4 7 . Entscheidend für die weitgehende Gleichsetzung muß vielmehr sein, daß eine Anerkennung der Rechtmäßigkeit der Resolution „Uniting for Peace" die weitgehende Legitimierung, wenn nicht gar Legalisierung 48 der auf Grund der Empfehlung erfolgenden Aktionen der Mitglieder beinhaltet. Die Empfehlung der GV gewinnt somit, wenn nicht de jure, so doch de facto 49 den Charakter eines Rechtfertigungsgrundes 50 für Maßnahmen, die — wie die Anwendung physischer Gewalt außerhalb der individuellen und kollektiven Selbstverteidigung 51 oder die Repressalienhilfe durch einen selbst nicht in seinen Rechten verletzten Staat 5 2 — nach dem geltenden Völkerrecht nur als Völkerrechtsverletzungen gekennzeichnet werden können. Gegen eine subsidiäre Zuständigkeit der GV in den Situationen des A r t . 39 SVN bestehen somit schwerwiegende Bedenken. Hält man sie — m i t welcher Begründung auch immer — dennoch für gegeben, so muß man aber verlangen, daß die GV die verfahrensrechtlichen Schranken 53 der A r t . 12 I, 11 I I 2 SVN wenigstens so lange respektiert 5 4 , als noch keine echte Funktionsfähigkeit 5 5 des SR vorliegt. Aus der Tatsache, daß die Versammlung andere als Völker- und satzungsrechtlich zulässige Zwangsmaßnahmen nicht empfehlen kann 5 6 , folgt eine weitere Schranke, die auch i n der Resolution „Uniting for Peace" 47 Delbrück SR u n d GV S. 98 A n m . 156. 48 Z u m Unterschied s. Kewenig, Gewaltverbot S. 198 A n m . 68. 49 s. Kewenig, Gewaltverbot S. 195, 197, 198, ferner S. 198 Anm. 68. 50 Hierzu ausführlich Kewenig, Gewaltverbot S. 194 - 198, 216; seinem E r gebnis — n u r der SR k a n n eine „Unbedenklichkeitsbescheinigung m i t eigener völkerrechtlicher Relevanz für den Einsatz bewaffneter Gewalt ausstellen" — ist m i t dem Zusatz beizupflichten, daß gleiches auch für die Empfehlung der i n A r t . 41 S V N genannten Zwangsmaßnahmen gelten muß. Z u r Frage der rechtlichen Bedeutung von Resolutionen u. a. Beschlüssen der GV s. Michael Bohn S. 166, 169. 51 Hierzu i. e. oben I, 6. Kap., 5. Abschn. 52 Klimmeck S. 21; vgl. auch oben I, 2. Kap., 2. Abschn., 1. U-Abschn. Β 1 a). R. Higgins (International action S. 88) geht davon aus, daß "States are at liberty to engage upon i n d i v i d u a l trade boycotts i f they w i s h " u n d zieht hieraus den Schluß: "There seems no reason w h y the General Assembly should not recommend Members to do w h a t they may already do i n d i v i d u ally." Diese Auffassung verkennt nicht n u r das besondere Gewicht kollektiver Zwangsmaßnahmen, sondern geht auch von einer Voraussetzung aus, die man — zumindest — nicht als geltendes Völkerrecht bezeichnen k a n n ; s. hierzu auch Johnson S. 84, der davor warnt, bestehende Verträge m i t Südafrika zu verletzen u n d den Staaten „appropriate legal advice before acting" empfiehlt. 53 s. hierzu oben I I , 2. Kap., 1. Abschn. 54 So auch Delbrück SR u n d GV S. 96. 55 Z u r Bedeutung dieser Einschränkung s. Delbrück SR u n d GV S. 97. 56 Delbrück SR u n d GV S. 98.

. Abschn.: D e spanische

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ihren Niederschlag gefunden hat. Voraussetzung jeder Empfehlung von Zwangsmaßnahmen bleibt danach das Vorliegen zumindest einer Friedensbedrohung 57 . Der von Kelsen erwogenen gegenteiligen A n sicht 58 kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil anderenfalls das primär zuständige Organ SR an engere Voraussetzungen gebunden wäre als die subsidiär zuständige G V 5 9 . Nimmt man eine subsidiäre Befugnis der GV zur Empfehlung von Zwangsmaßnahmen an, so w i r d man ihr nach dem Grundsatz „a maiore ad minus" auch das Recht einräumen müssen, eine Situation förmlich oder beiläufig als Friedensbedrohung zu bezeichnen 60 . I n jedem Fall müßte eine Situation — oder das Verhalten eines Staates —, die die GV zur Friedensbedrohung erklärt oder die sie, ohne eine derartige Bezeichnung, als Anlaß für die Empfehlung von Zwangsmaßnahmen nimmt, sich als Friedensbedrohung i. S. des Art. 39 SVN darstellen und daher mit der gefundenen Definition übereinstimmen. I n den folgenden Teilen soll geprüft werden, inwieweit die GV i n der Praxis von einer subsidiären Zuständigkeit ausgegangen ist und ob sie hierbei die aufgezeigten Schranken beachtet, vor allem aber den Begriff der Friedensbedrohung i m Sinne der gefundenen Definition verwendet hat. 2. Abschnitt D I E SPANISCHE F R A G E A. Die Tätigkeit der G V

Bereits i m Jahre 1946 sah sich die GV m i t einer Situation konfrontiert, die nach Ansicht einiger Mitgliedstaaten 6 1 eine Bedrohung des Friedens darstellte. Nachdem i m SR sowohl der bereits erwähnte 6 2 Resolutionsentwurf Polens 63 , alle Mitglieder der V N gem. A r t . 39 und 41 der Charta zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen aufzufordern als auch ein gemäßigterer Entwurf gescheitert waren 6 4 , beschloß 57 So auch Delbrück SR und GV S. 101; Prößdorf S. 79. 58 Recent Trends S. 978 f. so So zu Recht Prößdorf S. 78. co Prößdorf S. 79; Delbrück SR u n d G V S. 101 m. w. N.; Kelsen erwägt eine unmittelbare Ausübung der Befugnis d. SR nach A r t . 39 durch die GV (Recent Trends S. 988). ei Vgl. i. e. oben I, 2. Kap., 2. Abschn., 2. U-Abschn., Β 1. β 2 s. A n m . 61. 63 Text Y U N 1946/47 S. 345. 64 Der gemäßigte Res. E n t w u r f (Text i n Y U N 1946/47 S. 348) scheiterte an der H a l t u n g der SU, die ein schärferes Vorgehen wünschte (vgl. Y U N ebd. S. 349).

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I I . . Kap.: Praxis de

der SR am 30.10.1946 einstimmig, die Spanienfrage von seiner TO abzusetzen und so gem. A r t . 12 SVN den Weg für eine Behandlung dieses Problems i n der Vollversammlung freizumachen 65 . Diese verabschiedete am 12. Dezember 1946 die Resolution 39 (I), in der sie den Mitgliedern der V N u. a. 66 empfahl 6 7 , unverzüglich ihre diplomatischen Vertreter aus Madrid abzuberufen 68 . Die Resolution enthielt ferner das Ersuchen an den SR, über die Anwendung angemessener Maßnahmen zu beraten, falls innerhalb einer vernünftigen Zeitspanne keine demokratische Regierung in Spanien errichtet worden sei 69 . Da die Resolution eine ausdrückliche Feststellung, daß die Situation den Frieden bedrohe, nicht enthält, fragt es sich, ob die GV stillschweigend von dieser Annahme ausgegangen ist. B. Die rechtliche Einordnung der Resolution 39 (I)

Vergleicht man die erwähnte Empfehlung der GV m i t dem ursprünglich von Polen vor dem SR eingebrachten Resolutionsentwurf, so fällt auf, daß die GV nicht die dort und i n Art. 41 SVN vorgesehene Maßnahme des Abbruchs der Beziehungen, sondern lediglich die A b berufung der diplomatischen Vertreter empfohlen hat, bei der die diplomatischen Beziehungen bestehen bleiben. Da die Aufzählung i n A r t . 41 SVN nur exemplarischen Charakter besitzt 70 , stellt sich die Frage, ob hierzu auch die von der GV empfohlene Maßnahme zu zählen ist. Die Maßnahmen des A r t . 41 SVN tragen den Charakter echter Sanktionen gegen eine Verletzung des Gewaltverbots 71 . A r t . 41 SVN erfaßt also grundsätzlich nur solche nichtmilitärischen Zwangsmaßnahmen, die — wie etwa der wirtschaftliche Boykott — nach allgemeinem Völkerrecht als Sanktionen gegenüber dem unrechtmäßigen Verhalten eines Völkerrechtssubjektes angeordnet werden können 7 2 . Da hierzu der i n A r t . 41 SVN erwähnte Abbruch der diplomatischen Beziehungen ebensowenig gehört wie die Abberufung es Vgl. Y U N 1946/47 S. 351. 66 Die GV „empfahl" („recommends") außerdem die Nichtzulassung Spaniens zu den V N u n d ihren Nebenorganisationen. 67 "Recommends . . . " 68 Wörtlich: "Recommends that a l l Members of the United Nations immediately recall from M a d r i d their ambassadors and ministers plenipotentiary accredited there." ( Y U N 1946/47 S. 130.) 69 70 71 72

Wörtliches Zitat s. unten Anm. 77. Delbrück SR u n d GV S. 52. s. oben I, 2. Kap., 2. Abschn., 1. U-Abschn., Β 2 a). Delbrück SR u n d GV S. 52.

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der diplomatischen Vertreter 7 3 , kommt der Erwähnung des Abbruchs in Art. 41 SVN eine erweiternde Funktion zu 7 4 . Nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen bedeutet dies aber nicht, daß auch wesentlich schwächere Maßnahmen — wie die hier von der GV empfohlene — deshalb als Zwangsmaßnahmen i. S. des Art. 41 SVN anzusehen sind. Da die Abberufung diplomatischer Vertreter somit — trotz ihrer unbestreitbaren moralischen Wirkung — keine Zwangsmaßnahme i. S. des Art. 41 SVN darstellt 7 5 , kann von ihrer Empfehlung auch nicht auf die implizite Annahme einer Friedensbedrohung durch die GV geschlossen werden 7 6 . Die hiernach begründete Vermutung, daß die GV in Res. 39 (I) nicht unter A r t . 39 SVN tätig geworden ist, erfährt eine weitere Stütze durch die Empfehlung an den SR, gegebenenfalls angemessene Maßnahmen zu ergreifen 77 . Hierunter können i m Zusammenhang nur Zwangsmaßnahmen nach Art. 39 ff. SVN verstanden werden. Indem die GV diese Aufgabe nicht selbst übernimmt, sondern die Prüfung ihrer zukünftigen Anwendung lediglich dem zuständigen Organ empfiehlt — wobei der SR in seiner Entscheidung freibleibt — hält sie sich i m Rahmen der Kompetenzverteilung der Satzung 78 . Problematisch ist somit allein die in diesem Abschnitt zum Ausdruck kommende Auffassung der GV, der SR könne Zwangsmaßnahmen ergreifen, um eine Demokratisierung der Situation in Spanien herbeizuführen. Da die Anwendung dieser Zwangsmaßnahmen das Bestehen wenigstens einer Friedensbedrohung voraussetzt, war die GV offensichtlich der Ansicht, daß die Fortdauer, wenn nicht schon die gegenwärtige Situation i n Spanien eine Friedensbedrohung darstelle 79 . Der 73 Vgl. oben I, 2. Kap., 2. Abschn., 1. U-Abschn., Β 1 a). 74 a. A. Bentwich / Martin S. 94, der zwischen wirtschaftlichen u n d diplomatischen Sanktionen unterscheidet. 75 So auch Delbrück SR u n d GV S. 53; a. A. Prößdorf S. 58. 76 Dies bedeutet — entgegen Delbrück SR u n d GV S. 53 — freilich nicht, daß alle satzungsrechtlichen Bedenken, etwa aus Art. 2 Z. 7 SVN, hiermit ausgeräumt wären. I m m e r h i n haben die Bedenken zu dem i n den V N bis heute einmaligen Ergebnis geführt daß Empfehlungen der GV i n einer anderen Resolution (A/RES/386 [V]) widerrufen worden sind (vgl. hierzu i. e. Y U N 1950 S. 341 - 344, bes. S. 342). 77 Wörtlich: "Recommends that, i f w i t h i n a reasonable time, there is not established a government which derives its authority from the consent of the governed, committed to respect freedom of speech, religion and assembly and to the prompt holding of an election i n which Spanish people, free from force and intimidation and regardless of party, may express their w i l l , the Security Council consider the adequate measures to be taken i n order to remedy the situation." ( Y U N 1946/47 S. 130.) 78 I m Ergebnis übereinstimmend Delbrück SR u n d GV S. 51. 7 9 Daß dies 1946 tatsächlich die Auffassung zahlreicher, wenn nicht gar der meisten Delegierten i n der GV gewesen ist, wurde auch i n der Debatte

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I I . . Kap.: Praxis de

klare Zusammenhang, in dem diese Aussage mit der mangelnden demokratischen Legitimation des Franco-Regimes und der Verweigerung wichtiger Freiheitsrechte wie Meinungs-, Religions- und Versammlungsfreiheit steht 80 , zeigt ihre Unvereinbarkeit mit der gefundenen Definition. A u f internationale Implikationen der Lage in Spanien — die bei den Beratungen immerhin noch eine Rolle spielten — ist nicht einmal mehr beiläufig hingewiesen. I n militärische Feindseligkeiten war Spanien 1946 nicht verwickelt. Es hatte auch keinem Staat mit der Anwendung von Gewalt gedroht, noch sprachen ernstzunehmende A n zeichen dafür, daß es in absehbarer Zeit zur Anwendung militärischer Gewalt in den internationalen Beziehungen kommen werde. Zusammenfassend kann somit festgestellt werden, daß die Resolution 39 (I) eine nicht zutreffende Auffassung über die Voraussetzungen erkennen läßt, unter denen Zwangsmaßnahmen i. S. der Art. 41 ff. SVN angeordnet werden dürfen. Da die GV aber selbst keine derartigen Maßnahmen empfiehlt, sondern ihre Anordnung oder Empfehlung der freien Entscheidung des SR überläßt, ergeben sich unter den Gesichtspunkten Kompetenzverteilung und Anwendung des V I I . Kapitels der Satzung keine Bedenken gegen die Resolution A/39 (I) 8 1 .

3. Abschnitt D I E GRIECHISCHE F R A G E A. Die Tätigkeit der G V

Bereits 1946 hatte Griechenland um die Hilfe der V N gegen kommunistische Gruppen i n Nordgriechenland ersucht, die von den Nachbarstaaten Albanien, Bulgarien und Jugoslawien unterstützt würden 8 2 . Die Mehrheit i n der daraufhin vom SR eingesetzten Untersuchungskommission 83 erklärte diese Anschuldigungen für gerechtfertigt 84 und schlug u. a. vor, der Rat möge zukünftige Fälle der Unterstützung dieser bewaffneten Banden oder die Weigerung, mit allen möglichen Mitteln gegen sie vorzugehen, zur Friedensbedrohung im Sinne der Charta u m die Aufhebung der Resolution A/RES/39 (I) i m Jahre 1950 betont; vgl. i. e. Y U N 1950 S. 342, 344. 80 Vgl. das Zitat oben Anm. 77. 81 I m Ergebnis übereinstimmend Delbrück SR u n d GV S. 51, 53. 82 Y U N 1946/47 S. 360; zur Griechenlandfrage s. auch Delbrück SR und GV 65 - 70; Pfeifenberger S. 130 - 136. 83 Vgl. Y U N 1946/47 S. 361. 84 Vgl. Y U N 1946/47 S. 366 f.

. Abschn. : Die

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erklären 8 5 . Da die Resolutionsentwürfe Australiens 8 6 und der U S A 8 7 am sowjetischen Veto scheiterten 88 , wurde die griechische Frage am 15. 9.1947 formell von der TO des SR abgesetzt 89 und der Generalsekretär ersucht, alle Unterlagen der GV zur Verfügung zu stellen 90 . Diese verabschiedete in den Jahren 1948 bis 1950 eine Reihe von Resolutionen 91 , in denen die fortgesetzte Hilfe der Balkanstaaten an die Aufständischen als Gefährdung („endangered") 92 oder als „Verstoß gegen Grundsätze und Ziele der V N " 9 3 , die Situation als „Gefahr" für den „Frieden" 9 4 oder als „Bedrohung der politischen Unabhängigkeit und der territorialen Integrität Griechenlands" 95 bezeichnet wurden. Die GV forderte die Balkanstaaten auf, in Zukunft jegliche Hilfeleistung an die Guerilleros zu unterlassen 96 , Verhandlungen über die Beilegung des Konflikts zuzustimmen 97 und diplomatische Beziehungen mit Griechenland aufzunehmen 98 . B. Die rechtliche Einordnung der Resolutionen der G V

Trotz unverkennbarer Anklänge hat die GV i n der Griechenlandfrage die Terminologie des A r t . 39 nicht benutzt. Daß diese terminologischen Feinheiten nicht zufälliger Natur sind, w i r d deutlich, wenn man die getroffenen Maßnahmen betrachtet, denen jeder Zwangscharakter fehlt. Da die GV formell durch den SR mit der Angelegenheit

85 Vorschläge (Proposais) K a p i t e l I, T e i l A ; wörtlich i n Y U N 1946/47 S. 371. 86 Document S/471 ( Y U N 1947/48 S. 348); enthielt die förmliche Feststellung, daß die Situation eine Friedensbedrohung darstelle. 87 Document S/P.V. 1970 ( Y U N 1947/48 S.344f.); abgefaßt i n der Sprache der A r t . 36, 33 SVN; Document S/486 ( Y U N 1947/48 S. 348 f.): enthielt die förmliche Feststellung, daß die fortgesetzte Hilfe an die Guerilleros eine Friedensbedrohung darstelle. 88 Vgl. Y U N 1947/48 S. 346, 350. 89 Y U N 1947/48 S. 352 (Resolution S/RES/555). 90 E i n Resolutionsentwurf, der eine förmliche Verweisung an die GV v o r sah (Document S/552; Y U N 1947/48 S. 351) w a r an der negativen H a l t u n g des sowjetischen Vertreters u n d amtierenden Präsidenten des SR, Gromyko, gescheitert, der diese Resolution nicht als Verfahrensfrage betrachtete; vgl. i. e. SCOR I I 202 m. S. 2400. 91 A/RES/109 (II) v o m 21.10.1947; A/RES/193 (III) v o m 27. 11. 1948; A/RES/ 288 (IV) v o m 18. 11. 1949; A/RES/382 (V) vom 1.12. 1950. 92 A/RES/193 A (III). 93 A/RES/288 A (IV). 94 A/RES/288 (IV). 95 A/RES/382 (V). 96 A/RES/193 A (III). 97 A/RES/288 A (IV). 98 A/RES/193 Β (III).

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I I . . Kap.: Praxis de

befaßt war, dürfte die Basis ihrer Resolutionen in diesem Fall in den Art. 11 Abs. 2 und 14 S V N " und nicht i m V I I . Kapitel zu suchen sein.

4. Abschnitt Die P A L Ä S T I N A F R A G E A. Die Resolution 181 (II) der G V

Die erste Erwähnung einer möglichen Friedensbedrohung i n einer Resolution der GV findet sich i n der Palästinafrage i m Jahre 1947. I n der bereits erwähnten 1 0 0 Teilungsresolution 181 (II) A vom 29. 11. 1947 forderte 1 0 1 die GV den SR auf, die Situation in Palästina i m Auge zu behalten und gegebenenfalls eine Friedensbedrohung festzustellen 102 . Insbesondere sollte der SR jeden Versuch, die in der Resolution angestrebte Lösung des Konflikts mit Gewalt zu ändern, als Friedensbedrohung, Friedensbruch oder Aggressionshandlung kennzeichnen 103 . Die augenblickliche Situation i n Palästina bezeichnete die GV dagegen in der Sprache des Art. 14 SVN lediglich als geeignet, das allgemeine Wohl und die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Nationen zu beeinträchtigen 104 . B. Die Verwendung des Begriffes Friedensbedrohung

Hier zeigt sich jene Aufgabenverteilung auf dem Gebiet der Wahrung des Weltfriedens, wie sie den Schöpfern der SVN vorgeschwebt haben dürfte 1 0 5 . Die GV lenkt lediglich die Aufmerksamkeit des SR auf eine Situation, die nach ihrer Ansicht zu einer Friedensbedrohung werden könnte 1 0 6 . Sie t r i f f t keine eigene Feststellung, sondern über99

So auch Delbrück SR u n d GV S. 67. 100 Oben I I , 1. Kap., 1. Abschn., A. 101 Z u r Bedeutung des Begriffes „request", der hier — wie stets — nur als Empfehlung zu verstehen ist, s. Kelsen U N S. 197 Anm. 9; Delbrück SR und GV S. 61. 102 Text wörtlich zitiert oben I I , 1. Kap., Anm. 2. 103

s. Anm. 102. 104 s. oben I I , 1. Kap., 1. Abschn., A. los Dies bedeutet freilich nicht, daß die Resolution 181 (II) A auch i n ihren anderen Teilen vollkommen unbedenklich ist; vgl. hierzu i.e. Delbrück SR und GV S. 6 2 - 6 4 ; Kelsen U N S. 195 f. (Anm. 7). 106 Vgl. A r t . 11 Abs. 3 SVN: „Die Generalversammlung k a n n die A u f m e r k samkeit des Sicherheitsrates auf Situationen lenken, die geeignet sind, den Weltfrieden u n d die internationale Sicherheit zu gefährden." (Übersetzung nach Schätzel S. 23.)

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läßt die Bewertung dem zuständigen Organ SR 1 0 7 . Dem steht nicht entgegen, daß die GV nachdrücklich auf ihre Auffassung verweist, daß jeder Versuch einer gewaltsamen Änderung der angestrebten Lösung 1 0 8 zumindest eine Friedensbedrohung sei. Auch insoweit soll die Festste] lung nach Art. 39 SVN nicht durch die GV, sondern durch den SR getroffen werden 1 0 9 . Daß jeder Versuch einer gewaltsamen Änderung der angestrebten Regelung — nämlich der Bildung zweier souveräner Staaten — eine Friedensbedrohung i. S. der gefundenen Definition sein mußte, ist kaum zu bezweifeln. Welche Bedenken somit auch immer gegen die Rechtmäßigkeit der Teilungsresolution 181 (II) A vorgebracht werden mögen 1 1 1 — auf die Erwähnung einer in der Zukunft möglichen Friedensbedrohung lassen sie sich auf jeden Fall nicht stützen.

5. Abschnitt KOREA

Auch i m Falle Korea 1 1 2 hat die GV den Begriff „Friedensbedrohung" nicht verwendet. Dennoch soll diese A k t i o n hier kurz erwähnt werden, da sie den ersten Fall i n der Geschichte der V N darstellt, i n dem die GV klar ihren Willen zum Ausdruck gebracht hat, nach Kap. V I I tätig zu werden. Die Tätigkeit der GV begann i m November 1950, als der SR, der die Aktion der V N durch die förmliche Feststellung eines Friedensbruches durch Nordkorea 1 1 3 eingeleitet hatte, sich an einer Fortführung durch das sowjetische Veto 1 1 4 gehindert sah. Man vermeint, das Zögern der Mehrheit der Mitglieder der GV i n der ersten Resolution 115 zu erkennen, die — eher beiläufig — von der Aggression („aggression") der nordkoreanischen Streitkräfte spricht 1 1 6 und sich auf die Organisierung der materiellen und finanziellen Hilfe für das koreanische Volk beschränkt. 107 s. auch Steiger, Der Staat 9 (1970) S. 446 f. s. oben I I , 1. Kap., A n m . 2 unter c). 109 «The Security Council determine . . . " ; s. oben I I , l . K a p . , Anm. 2. no U n k l a r Steiger, Der Staat 9 (1970) S. 447. i n Hierzu Delbrück SR u n d GV S. 60 - 65; vgl. ferner besonders die Ausführungen der arabischen Delegierten vor SR und GV, Y U N 1947/48 S. 404 f. us Z u m Koreafall vgl. ausführlich Pfeifenberger S. 189-209; Kelsen, Recent Trends 927 - 990. us S/RES/1501 vom 25.6.1950; S/RES/1511 vom 27.6.1950; die Feststellung ist wörtlich zitiert oben I I , 1. Kap., Anm. 26. 114 s. i. e. Y U N 1950 S. 243 f. us A/RES/410 A + Β (V) vom 1. 12. 1950. 108

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I I . . Kap.: Praxis de

Erst als die Verhandlungen mit der chinesischen Volksrepublik über einen Rückzug ihrer Truppen erfolglos geblieben waren, übernahm die GV auch formell die Leitung der A k t i o n der V N i n Korea. Nachdem zur Beseitigung aller möglichen technischen Zweifel 1 1 7 an der Gültigkeit von Resolutionen der GV der Punkt Korea auch formell von der TO des SR abgesetzt worden w a r 1 1 8 , verabschiedete die GV am 1. Februar 1951 die Resolution 498 (V). Sie brachte die Auffassung der GV zum Ausdruck, daß die Regierung der Volksrepublik China durch ihre Unterstützung Nordkoreas und die Eröffnung von Feindseligkeiten gegen die Streitkräfte der Vereinten Nationen eine Aggression begangen habe 1 1 9 . Die GV bekräftigte ihre Entschlossenheit, die A k t i o n der V N in Korea fortzusetzen und forderte alle Staaten auf, den V N weiterhin jede mögliche Unterstützung zu gewähren. Die weitere Aufforderung, den Aggressoren in Korea keinerlei Unterstützung zukommen zu lassen, hat die GV i n einer späteren Resolution 120 durch die Empfehlung eines umfassenden Waffenembargos gegen China und Nordkorea präzisiert. Zumindest die in diesen Resolutionen enthaltene Empfehlung zur Fortsetzung und weiteren Unterstützung der A k t i o n der V N stellt angesichts der bereits stattfindenden militärischen Auseinandersetzungen in Korea eine Empfehlung kollektiver Zwangsmaßnahmen durch die GV dar 1 2 1 . Die Delegierten der Ostblockstaaten, an ihrer Spitze der sowjetische Vertreter, haben darüber hinaus auch das Waffenembargo als Zwangsmaßnahme i. S. des V I I . Kapitels bezeichnet, zu dessen Anordnung oder Empfehlung lediglich der SR befugt sei 1 2 2 . Obwohl die GV — anders als der SR — eine förmliche Feststellung vermieden und anstelle des i n Art. 39 SVN verwendeten Ausdrucks lie Wörtlich: " M i n d f u l that the aggression by N o r t h Korean forces and their warfare against the United Nations seeking to restore peace i n the area has resulted i n great devastation and destruction which the Korean people cannot themselves repair." (A/RES/410 A [V], Y U N 1950 S. 280.) 117 Prößdorf S. 66. Ii« SCOR V I 531 m./S. 11 f. il» Wörtlich: "The General Assembly "Finds that the Central People's Government of the People's Republic of China, by giving direct aid and assistance to those who were already comm i t t i n g aggression i n Korea and by engaging i n hostilities against U N forces there has itself engaged i n aggression i n Korea" ( Y U N 1951 S. 224). 120 A/RES/500 (V). 121 So a u d i Prößdorf S. 87. 122 sie haben sich deshalb demonstrativ nicht an der Abstimmung über die Resolution 500 (V) beteiligt; vgl. i.e. Y U N 1951 S. 226 f. Anders als bei dem Waffenembargo, das der SR i n den Fällen des südlichen A f r i k a verhängt hat (vgl. oben I I , l . K a p . , 3. Abschn., B.), steht hier eindeutig der Zwangscharakter der Maßnahmen i m Vordergrund, was für die Auffassung der Vertreter der Ostblockstaaten spricht.

6. Abschn.: 3 Krisen: Suez — Ungarn — Libanon

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„act of aggression" das allgemeinere „aggression" verwendet hat 1 2 3 , kann es keinem Zweifel unterliegen, daß sie i n Ausübung ihrer subsidiären Verantwortung i. S. der Resolution „Uniting for Peace" und im Rahmen des V I I . Kapitels tätig werden wollte. Hierbei hat sie sich einer spürbaren Zurückhaltung befleißigt. Zwar konnte sie sich nach dem Eingreifen rotchinesischer Truppen nicht einfach auf eine Wiederholung früherer Resolutionen des SR beschränken 1 2 4 , sondern war zu einer Anpassung der Maßnahmen an die veränderte Lage gezwungen. Unverkennbar ist aber ihr Bemühen, den Rahmen der vom SR eingeleiteten A k t i o n nicht zu sprengen und — unter Verzicht auf offensive Zwangsmaßnahmen gegen China und Nordkorea — lediglich die Beseitigung der akuten Notlage Südkoreas anzustreben. Hierzu gehören der Verzicht auf die Empfehlung offensiver militärischer Aktionen vor allem gegen die chinesische Volksrepublik ebenso wie die Beschränkung des Embargos auf Waffen und militärische Ausrüstungsgegenstände. Daß die Situation in Korea Maßnahmen nach Kap. V I I der Satzung rechtfertigte, bedarf keiner näheren Erläuterung. Hält man die Resolution „Uniting for Peace" für satzungskonform 125 , so dürften rechtliche Bedenken gegen die zurückhaltende und ihren subsidiären Charakter betonende Aktion der GV in Korea nicht bestehen.

6. Abschnitt 3 KRISEN: SUEZ — U N G A R N — L I B A N O N

Noch dreimal trat die GV in den 50er Jahren zusammen, um getreu der Resolution „Uniting for Peace" die Stelle des handlungsunfähigen SR einzunehmen. Zwei Ereignisse — Suez und Ungarn — beschäftigten die GV im Jahre 1956. Beide Angelegenheiten wurden durch Verfahrensbeschluß von der TO des SR abgesetzt und unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Resolution „Uniting for Peace" der GV zur weiteren Behandlung überwiesen 126 . Während die Versammlung in der Ungarnfrage über eine scharfe Verurteilung der sowjetischen Inter123 Es ist deshalb nicht ganz korrekt, wenn Prößdorf (S. 87) „aggression" m i t „Angriffshandlung" übersetzt und Delbrück (SR und GV S. 100) von einer „Feststellung gemäß A r t . 39" spricht; richtig Wengler VR I S. 759 f. (Anm. 4). 124 So zutreffend Prößdorf S. 88. 125 s. hierzu i. e. oben I, 2. Kap., 1. Abschn. 126 Vgl. S/RES/3721 v o m 31.10.1956 (Suez); S/RES/3733 v o m 4.11.1956 (Ungarn).

128

I I . 2. Kap.: Praxis der GV

vention nicht hinauskam 1 2 7 , entstandte sie i n der Suezfrage eine Polizeitruppe in das Krisengebiet, die mit Zustimmung Ägyptens auf ägyptischem Boden stationiert wurde 1 2 8 . Die von der GV zwischen dem 2. und dem 7. November 1956 angenommenen Resolutionen 129 forderten darüber hinaus den Rückzug der Truppen Israels, Englands und Frankreichs und den sofortigen Abschluß eines Waffenstillstandsabkommens. Sowohl in der Ungarn- als auch i n der Suezkrise vermied die GV aber jede Qualifizierung der Situation bzw. des russischen oder englischfranzösisch-israelischen Vorgehens. Ebenso wie in der Libanonkrise des Jahres 1958 130 , i n der die 3. Notstandssondersitzung einberufen wurde 1 3 1 , verzichtete sie auch auf die Empfehlung von Maßnahmen mit Zwangscharakter 1 3 2 .

7. Abschnitt D I E ALGERISCHE F R A G E A. Die Tätigkeit der G V

Bereits seit 1955 hatte sich die GV m i t den Unruhen i n Algerien befaßt 1 3 3 und i m Jahre 1957 auch zwei Resolutionen zu dieser Frage verabschiedet 134 . Nachdem i n den Jahren 1958 und 1959 verschiedene Resolutionsentwürfe nicht die notwendige 2/3 Mehrheit erreicht hatten 1 3 5 , verabschiedete die GV am 19. 12. 1960 die Resolution 1573 (XV), in deren Präambel die gegenwärtige Lage i n Algerien als Bedrohung des internationalen Friedens bezeichnet und u. a. das Recht des algerischen Volkes auf Selbstbestimmung unter Wahrung der Einheit 127 v g l . i. e . Prößdorf S. 90 - 92 sowie A/RES/1004 — A/RES/1007 (ES-II) ( Y U N 1956 S. 84 f., 94). 128 Israel hatte seine Zustimmung zur Stationierung versagt. 129 A/RES/997 (ES-I) bis A/RES/1003 (ES-I) i n Y U N 1956 S.35 - 3 9 ; da die GV keine Maßnahmen m i t Zwangscharakter traf, ist es irreführend, wenn Delbrück i m Zusammenhang m i t den vorstehend aufgeführten Resolutionen von „Zwangsmaßnahmen" u n d v o m „Gebrauch militärischer Gewalt" spricht (SR u n d GV S. 102). 130 Vgl. hierzu i.e. Prößdorf S. 92 - 94 sowie Y U N 1958 S . 3 6 - 5 1 . 131 S/RES/4083 v o m 7.8.1958; sie enthält i m Gegensatz zu den Resolutionen i n den Fällen Ungarn u n d Suez keine ausdrückliche Bezugnahme auf die Resolution „ U n i t i n g for Peace". 132 v g l . zur Suezkrise die vorstehend (Anm. 129) genannten Resolutionen sowie Prößdorf S. 88 - 90; Delbrück SR u n d GV S. 101 f.; zur Libanonkrise s. besonders die Resolution A/RES/1237 (ES-III) vom 21. 8.1958. 133 Vgl. Y U N 1955 S. 65 - 68. 134 A/RES/1012 (XI) v o m 15.2.1957; A/RES/1184 ( X I I ) v o m 10.12.1957. 135 Vgl. i.e. Y U N 1958 S. 79 - 82; Y U N 1959 S. 51 - 56.

7. Abschn.: Die algerische Frage

129

und der territorialen Integrität Algeriens anerkannt wurde 1 3 6 . Die Bezeichnung der Situation i n Algerien als „Friedensbedrohung", die hier zum ersten Mal i n einer Resolution der GV auftaucht, findet sich bereits seit 1956 i n Anträgen und Resolutionsentwürfen vornehmlich afro-asiatischer Mitglieder der V N 1 3 7 . Die späteren Resolutionen der GV i n der Algerienfrage sind nicht i n der Sprache des A r t . 39 SVN abgefaßt 138 . B. Die rechtliche Einordnung der Resolution 1573 ( X V )

Nicht nur die spätere Behandlung der Algerienfrage durch die GV läßt vermuten, daß die Bezeichnung der Situation i n Algerien als Friedensbedrohung nicht als Basis für die Empfehlung von Zwangsmaßnahmen dienen sollte. Für diese Vermutung spricht auch die Berufung auf A r t . 1 Abs. 2 S V N 1 3 9 und nicht — wie es anderenfalls wohl nahegelegen hätte — auf A r t . 1 Abs. 1 SVN, sowie die Erwähnung der Friedensbedrohung i n der Präambel und nicht i m „operative part" der Resolution. Die vorangegangenen Beratungen i m First Committee 1 4 0 und i n der GV bestätigen diesen Eindruck 1 4 1 . Alle Delegierten waren peinlich darauf bedacht, den Anschein zu vermeiden, als sollten Zwangsmaßnahmen gegen die französische Regierung ergriffen werden. Gegen die Bezeichnung der Situation i n Algerien als Friedensbedrohung dürften Bedenken aus der gefundenen Definition kaum herzuleiten sein. I n den Beratungen i m First Committee und i n der GV hat 136 Wörtlich: "The G A Recalling A r t . 1 para 2 of the Charter Considering that the present situation i n Algeria also constitutes a threat to international peace and security "1. Recognizes the right of the Algerian people to self-determination and independence; "2. Recognizes the imperative need for adequate and effective guarantees to ensure the successful and just implementation of the right of selfdetermination on the basis of respect for the u n i t y and territorial integr i t y of Algeria; "3. Recognizes further that the United Nations has a responsibility to contribute towards the successful and just implementation of this right." ( Y U N 1960 S. 136.) 137 Vgl. etwa den Brief 17 afro-asiatischer Mitgliedstaaten an den Präsidenten des SR aus dem Jahre 1956 (Document S/3589, s. Y U N 1956 S. 115); ferner den v o m 1. Kommittee angenommenen Res. E 22 afro-asiatischer Länder aus dem Jahre 1959 (A/C. 1/L.246; s. Y U N 1959 S. 53 f.). 138 Vgl. i.e. A/RES/1650 (XVI) v o m 15.11.1961; A/RES/1724 (XVI) vom 20.12.1961. 139

s. vorstehend A n m . 136. 140 GAOR X V (1st Committee) 1121 - 1133 m./S. 207 - 288. ι « GAOR X V 956 m./S. 1415 - 1431.

9 Arntz

130

I I . 2. Kap.: Praxis der G V

diese Frage denn auch gar keine Rolle gespielt, zumal sogar die Delegierten der arabischen Staaten die Bedrohung des internationalen Friedens nicht mit dem Konflikt zwischen algerischen Aufständischen und französischer Armee oder dem Bürgerkrieg i n Algerien, sondern mit der Gefahr erneuter militärischer Zusammenstöße zwischen Frankreich auf der einen, Tunesien, Libyen und Marokko auf der anderen Seite begründet haben 1 4 2 . Es kann somit dahingestellt bleiben, ob die Kämpfe innerhalb Algeriens eine Anwendung von Waffengewalt in den internationalen Beziehungen darstellten, was von Frankreich unter Berufung auf A r t . 2 Z. 7 SVN stets bestritten worden w a r 1 4 3 . Dennoch ist die Resolution 1573 (XV) in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen dokumentierte sie — deutlicher noch als die 5 Tage zuvor angenommene „Deklaration über die Gewährung der Unabhängigkeit an Kolonialvölker und Kolonialgebiete" (A/RES/1514 (XV)) 1 4 4 — das Ende der westlichen Vorherrschaft i n der GV. Die westlichen Staaten, die aus ihrer Ablehnung des Resolutionsentwurfs i n der Beratung keinen Hehl gemacht hatten, enthielten sich nahezu geschlossen der Stimme, während Portugal und Südafrika zusammen mit einer Reihe afrikanischer Staaten aus der „Union Frangaise" dagegen stimmten 1 4 5 . Wie groß die Wandlung des Stimmverhaltens i m Laufe des Jahres 1960 i n der GV war, läßt sich gerade in der Algerienfrage besonders deutlich zeigen. Hierbei zeigt sich auch, daß dieser Umschwung keineswegs allein auf die 17 afrikanischen Staaten zurückzuführen war, die 1960 den V N beigetreten waren. Von den 26 Staaten, die 1959 i m First Committee gegen den Entwurf gestimmt hatten, stimmten nun (1960) 6 Staaten für einen nahezu gleichlautenden Entwurf, nicht weniger als 18 enthielten sich der Stimme 1 4 6 . Von den 17 Mitgliedern, die sich 1959 der Stimme enthalten hatten, stimmten nunmehr 12 für den Entwurf. Nur 8 der 63 Stimmen, die für die Resolution 1573 (XV) abgegeben wurden, entfielen auf neue Mitglieder der V N 1 4 7 . 142 Vgl. die Ausführungen des Deleg. Elkhatib (Jemen) GAOR X V (1st Committee) 1133 m. S. 269. 143 v g l . etwa Y U N 1956 S. 116. 144 "Declaration on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples" = A/RES/1514 (XV) vom 14.12.1960 ( Y U N 1960 S.49f.); A b stimmungsverhältnis 89 :0 bei 9 Enthaltungen (Australien, Belgien, D o m i n i kanische Republik, Frankreich, Großbritannien, USA, Portugal, Spanien, Südafrika); vgl. zum Rechtscharakter dieser Resolution Seidl-Hohenveidern VR Rz. 1096, 337 a. 145

Abstimmungsverhältnis 63 :8 bei 27 Enthaltungen, s. Y U N 1960 S. 135. *46 Vgl. hierzu i. e. Y U N 1959 S. 56 u n d Y U N 1960 S. 135. 147 Y U N 1960 S. 135.

8. Abschn. : Die Kongofrage

131

Resolution 1573 (XV) stellt weiterhin die erste A k t i o n der GV in der mit Resolution 1514 ( X V ) 1 4 8 eingeleiteten Entkolonialisierungskampagne der GV dar. Obwohl wegen der starken Stellung Frankreichs und der erklärten Politik Staatspräsident de Gaulies, Algerien die Unabhängigkeit zu gewähren, Zwangsmaßnahmen gegen Frankreich nicht einmal erwogen wurden, deutet die aus dem V I I . Kapitel entlehnte Bezeichnung der Situation als Friedensbedrohung den Weg an, den die Mehrheit i n der GV bei der Lösung der letzten Kolonialprobleme einzuschlagen gedachte. Eine weitere Besonderheit liegt ferner darin, daß die afro-asiatischen Staaten 1960 nicht einmal mehr den Versuch machten, die algerische Frage vor den SR zu bringen. 1959 hatten immerhin noch 21 Mitgliedei den SR auf diese Situation hingewiesen 149 .

8. Abschnitt DIE KONGOFRAGE A. Die Resolutionen der G V

Die Tätigkeit der GV i n der Kongofrage 1 5 0 begann erst am 17. September I960, als die Friedenstruppe der Vereinten Nationen dort bereits mehrere Monate stationiert w a r 1 5 1 . Der SR selbst hatte, als er sich an der weiteren Beschlußfassung durch das Veto der SU gehindert sah 1 5 2 , auf amerikanischen Vorschlag und unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Resolution „Uniting for Peace" die 4. Notstandssondersitzung der GV einberufen 153 , allerdings ohne die Kongofrage ausdrücklich von seiner TO abzusetzen 154 . Wie der SR, so vermied auch die GV i m Jahre 1960 jede nähere Bezeichnung der Vorgänge i m Kongo 1 5 5 . Früher als der SR 1 5 6 und anders als der Generalsekretär 157 ergriff sie aber i m 148 Declaration on the Granting . . . , s. vorstehend Anm. 144. 149 Y U N 1959 S. 51.

1 5 0 Z u r Entwicklung der Kongofrage vgl. i.e. Ballaloud S. 37 - 4 6 ; Brunner S. 430 ff. 151 Z u r Tätigkeit des SR i n dieser Frage vgl. oben I I , 1. Kap., 2. Abschn., A. 1 5 2 s. hierzu i. e. oben I I , 1. Kap., 2. Abschn., A. 153 S/RES/4526; Text i n Y U N 1960 S. 99. 154 Ballaloud S. 44. 155 Vgl. A/RES/1474 (ES-IV) v o m 20. 9.1960. 156 v g l . einerseits S/RES/4426 v o m 9.8.1960 Abs. 4: "Reaffirms that the United Nations Force i n the Congo w i l l not be a party to or i n any w a y intervene i n or be used to influence the outcome of any internal conflict, constitutional or otherwise ( Y U N 1960 S. 98) u n d andererseits S/RES/5002 vom 24.11.1961, i n der es heißt: 9*

132

I I . 2. Kap.: Praxis der GV

internen Verfassungskonflikt die Partei der Zentralregierung und erklärte es zur Aufgabe der UN-Truppen, die territoriale Einheit des Kongo i m Interesse des internationalen Friedens zu wahren 1 5 8 . Die Resolutionen der GV zu diesem Thema aus dem Jahre 1961 sind vor allem deshalb interessant, weil sie verabschiedet wurden, obwohl der SR zwischenzeitlich die Beratungen wieder aufgenommen und sogar eine Resolution 1 5 9 verabschiedet hatte. Während Resolution 1599 (XV) vom 15. 4.1961 eine genauere Bezeichnung der Situation nicht enthielt, zeigte sich die GV i n Resolution 1600 (XV) vom gleichen Tage tief bestürzt über die Gefahr eines Bürgerkrieges und einer ausländischen Intervention und die Bedrohung des internationalen Friedens 160. Sachlich gingen beide Resolutionen dagegen nicht weiter als die Resolution aus dem Jahre 1960. Resolution 1599 (XV) ersuchte Belgien i n relativ scharfer Form, endlich den Resolutionen der V N nachzukommen und seine Truppen aus dem Kongo abzuziehen. Resolution 1600 bezog — anders als Resolution 1474 (ES IV) — keine Stellung i n den inneren Wirren des Kongo, sondern forderte lediglich die beteiligten Parteien auf, eine friedliche Lösung zu suchen. B. Die Verwendung des Begriffes Friedensbedrohung

Klarer als der SR hat die GV die Bedrohung des internationalen Friedens mit der Gefahr einer ausländischen Intervention verbunden und damit den internationalen Aspekt dieses vordergründig nationalen Konflikts herausgestellt. Daß gegen diese Bezeichnung vom Standpunkt der gefundenen Definition keine Bedenken bestehen, wurde bereits i m Zusammenhang mit den Resolutionen des SR zur Kongofrage ausgeführt 1 6 1 . " " Deploring a l l armed action i n opposition to the authority of the Government of the Republic of the Congo, specifically secessionist activities and armed action now being carried on by the Provincial administration of Katanga w i t h the aid of external sources and foreign mercenaries, and completely rejecting the claim that Katanga is a "sovereign independent nation" ( Y U N 1961 S. 81). !57 Vor allem i n seinen Ausführungen vor der SR; s. SCOR X V 887 m./21. 8.1960 S. 3 u n d S. 7; s. auch oben I I , 1. Kap., Anm. 43. iss A/RES/1474 (ES-IV) v o m 20.9.1960 Abs. 2 ( Y U N 1960 S. 100); der SR hat dagegen noch i n der Resolution 4741 v o m 21. 2.1961 die Verhinderung des Bürgerkrieges gefordert, was angesichts der Haltung Katangas n u r die Festigung des status quo bedeuten konnte (so auch Brunner S. 435) ; anders indes S/RES/5002 vom 24.11.1962 (s. Anm. 156). 159 S/RES/4741. 160 Wörtlich: "Gravely concerned at the danger of c i v i l w a r and foreign intervention and at the threat to international peace and security" ( Y U N 1960 S. 107). 161 s. oben I I , 1. Kap., 2. Abschn., Β.

8. Abschn.: Die Kongofrage

133

Auch bei der GV kann aber durchaus zweifelhaft sein, ob sie tatsächlich i m Rahmen des V I I . Kapitels tätig werden wollte. Da die Entsendung einer Friedensstreitmacht — wie oben 1 6 2 gezeigt — keine Zwangsmaßnahme i. S. der A r t . 41 ff. SVN darstellt und auch die GV Maßnahmen m i t eindeutigem Sanktionscharakter — etwa gegen Belgien — nicht empfohlen hat, spricht vieles dafür, als Basis der Resolutionen nicht das V I I . Kapitel oder dessen analoge Anwendung durch die GV anzusehen. Daß Zweifel hinsichtlich des Charakters der von der GV empfohlenen Maßnahmen und damit auch hinsichtlich der Rechtsgrundlage ihrer A k t i o n i n der Kongofrage — anders als etwa i n der Suez- oder Libanonfrage — nicht ganz auszuräumen sind, dürfte i n erster Linie an der Erwähnung der Erhaltung der territorialen Einheit des Kongo unter den Aufgaben der Friedenstruppe liegen 1 6 3 . Zwar entsprach dies den Wünschen der Zentralregierung, die die Truppen der V N ins Land gerufen hatte. Angesichts der ungeklärten Stellung Katangas nach der Erklärung der Sezession und angesichts der dort noch stationierten belgischen Truppen wäre der offensiven Durchführimg dieser Wahrung der Einheit zumindest i m Jahre 1960 ein gewisser Zwangscharakter — auch gegen Belgien — nicht abzusprechen gewesen. Andererseits hat die GV Belgien nicht als Adressaten genannt und die Durchführung dieser Maßnahmen ausdrücklich dem Generalsekretär übertragen, dessen Haltung der Nichteinmischung allgemein bekannt w a r 1 6 4 . Neben dieser Formulierung, die als Empfehlung von Zwangsmaßnahmen aufgefaßt werden könnte, hat die Kongo-Aktion noch ein weiteres Novum i n der Tätigkeit der GV auf dem Gebiet der Wahrung des Weltfriedens gebracht. Zum erstenmal in der Geschichte der V N blieb die GV i n vollem Umfang i n einer Angelegenheit tätig, i n der der SR seine satzungsmäßigen Befugnisse ausübte und seine Handlungsfähigkeit sogar durch die Verabschiedung einer Resolution unter Beweis gestellt hatte 1 6 5 . Wie i n der algerischen Frage 1 6 6 , so zeichnet sich auch hier iß 2 s. oben I I , 1. Kap., 2. Abschn., B. 163 v g l . vorstehend unter A. (A/RES/1474 [ES-IV]); angesichts der T a t sache, daß Einheiten der U N - T r u p p e dort bereits m i t dem Einverständnis der katangesischen Regierung stationiert waren (so der Generalsekretär vor dem SR SCOR X V 887 m. ebd., s. vorstehend A n m . 157) f ä l l t es schwer, hierin n u r eine unverbindliche Wiederholung der Forderung des SR zu sehen, den Geltungsbereich der U N - A k t i o n auf Katanga auszudehnen (S/RES/4426 v o m 9. 8.1960 Abs. 3). 164 Vgl. oben I I , l . K a p . , 2. Abschn., Α.; es ist zweifelhaft, ob offensiven Aktionen gegen Katanga m i t Billigung, j a überhaupt des Generalsekretärs erfolgten; vgl. Ballaloud S. 99. 165 Hierzu Ballaloud S. 45, der zu Recht darauf hinweist, daß weder m i t dem Geist noch m i t dem Buchstaben des A r t . 12 vereinbar ist.

die späteren m i t Wissen diese Praxis Abs. 1 SVN

134

I I . 2. Kap.: Praxis der GV

eine Tendenz der GV ab, ihre Zuständigkeit nicht nur bei Handlungsunfähigkeit des SR, sondern generell zu bejahen. Diese Entwicklung ist um so bemerkenswerter, als ihr Beginn in eine Phase gesteigerter A k t i v i t ä t des SR fällt.

9. Abschnitt D I E F Ä L L E DES S Ü D L I C H E N A F R I K A

1. Unterabschnitt: Südafrika I n den fünfziger Jahren hatte sich die GV darauf beschränkt, die Apartheidspolitik 1 6 7 Südafrikas als unvereinbar m i t den Zielen der Charta und der Erklärung der Menschenrechte zu bezeichnen und Südafrika i n langsam schärfer werdendem Ton aufgefordert, seine Politik i m Sinne dieser Bestimmungen zu ändern. Der gemäßigte Wortlaut dieser Resolutionen läßt nichts von den scharfen Debatten ahnen, die vor allem um zwei Fragen geführt wurden: ob die Politik der Apartheid eine innere Angelegenheit Südafrikas sei und — damit i m Zusammenhang — ob sie als Bedrohung des internationalen Friedens angesehen werden könne. Von Beginn an sah eine Mehrheit unter den Mitgliedsstaaten in der Apartheidspolitik kein inneres Problem Südafrikas. Sie bejahten die Befugnis der GV, diese Situation nicht zu diskutieren, sondern auch Empfehlungen zu ihrer Veränderung abzugeben. Während ein Teil der Delegierten erklärte, die Kompetenz der GV sei i n allen Fragen gegeben, die sich i n irgendeiner Weise auf die Menschenrechte bezögen 168 , meinten andere, der Begriff der „intervention" i n A r t . 2 Z. 7 SVN sei eng auszulegen und erfasse nur die Androhung oder Anwendung von Zwangsmaßnahmen 169 . Eine einschränkende Begründung hatte bereits 1953 der Vertreter Indiens gegeben 170 . Er erklärte, die Besonderheit des südafrikanischen Problems liege nicht i n der Tatsache, daß Menschen wegen ihrer Hautfarbe diskriminiert würden, sondern daß die Diskriminierung eine Norm des sozialen Verhaltens und die offizielle Regierungspolitik darstelle. 166 s. oben I I , 2. Kap., 7. Abschn., B. 167 A/RES/616 Α + Β ( V I I ) ; A/RES/721 ( V i l i ) ; A/RES/820 ( I X ) ; A/RES/917 (X); A/RES/1016 ( X I ) ; A/RES/1178 ( X I I ) ; A/RES/1248 ( X I I I ) ; A/RES/1375 (XIV). 168 So etwa die Deleg. Chiles u n d des I r a k ( Y U N 1952 S. 298) u n d m i t E i n schränkungen auch der Deleg. der U S A ( Y U N 1952 S. 303). 169 So etwa der Deleg. Indiens Y U N 1952 S. 301. 170 Y U N 1953 S. 192.

9. Abschn. : Südliches A f r i k a —

S d r i

135

Diesen Standpunkt übernahmen gegen Ende des Jahrzehnts auch zahlreiche westliche Staaten 1 7 1 und leiteten hieraus die Kompetenz der GV ab, sich m i t den Zuständen i n Südafrika zu befassen. Während sich so eine seit Beginn der Beratungen ständig wachsende Mehrheit für ein Diskussions- und Empfehlungsrecht der GV entschied, stieß die schon frühzeitig vom Ostblock und den meisten „blockfreien" Staaten vertretene Auf fassung, die Apartheidspolitik stelle eine Bedrohung des internationalen Friedens dar 1 7 2 , zunächst überwiewiegend auf Ablehnung. Eine Wende zeichnete sich auch hier erst nach dem Eintritt zahlreicher junger Staaten i n die Weltorganisation i m Jahre 1960 ab. Die bereits vorher vertretene Auffassung von der Apartheidspolitik als einer Form des Kolonialismus 1 7 3 führte zur Einbeziehung des Kampfes gegen diese Politik i n die Entkolonialisierungskampagne der VN. Etwas mehr als ein Jahr, nach dem der SR i m Anschluß an das Massaker von Sharpeville 1 7 4 die Lage i n Südafrika i n der Sprache des V I . Kapitels als Situation bezeichnet hatte, deren Fortdauer geeignet sei, den internationalen Frieden zu gefährden 175 , brachten 26 afrikanische Staaten i n der GV einen Resolutionsentwurf ein 1 7 6 , der neben der Feststellung, daß die Apartheidspolitik den Frieden gefährde, auch die Empfehlung einer ganzen Reihe von Zwangsmaßnahmen vorsah. Der Entwurf — auch von seinen Befürwortern als das Äußerste bezeichnet, was man gegen Südafrika unternehmen könne 1 7 7 — erhielt i m Special Committe nicht weniger als 47 Jastimmen 1 7 8 . Da Abs. 5, der die vom Delegierten Ghanas als Zähne des Entwurfs bezeichnete Sanktionsempfehlung aussprach, i n der GV nicht die notwendige 2/3 Mehrheit erreichte, verzichteten die Befürworter auf eine Abstimmung über die restlichen Teile 1 7 9 .

So Neuseeland, USA, Guatemala, China; ebenso auch der Deleg. der UdSSR; vgl. Y U N 1959 S. 58. 172 v g l . bereits Y U N 1952 S. 297, Document A/2183: "both a threat to international peace and a flagrant violation of the basic principles of human rights." 173 vgl. etwa die Ausführungen der Deleg. Indiens u n d Pakistans i n Y U N 1952 S. 301 f.; ferner die Ausführungen der Vertreter der Ostblockstaaten am gleichen Ort. 174

Vgl. i. e. oben I I , 1. Kap., 4. Abschn. S/RES/4300; s. i.e. oben I I , l . K a p . , 4. Abschn., A . i?6 Document A/SPC/L 60; zum I n h a l t vgl. auch Y U N 1960 S. 149. 1 7 7 So der Delegierte des Congo (Leopoldville), Y U N 1960 S. 149. 17 ® Abstimmungsverhältnis 47 :29 bei 18 Enthaltungen (vgl. Y U N S. 151). 179 Y U N 1960 S. 150. 175

1960

136

I I . 2. Kap.: Praxis der GV

Die statt dessen von der GV i m A p r i l 1961 verabschiedete Resolution 1598 ( X V ) 1 8 0 erklärte i n ähnlicher Weise wie die Resolution des SR lediglich die Fortdauer der Situation zur Friedensgefährdung, eine Beurteilung die sich i n der Resolution 1663 ( X V I ) 1 8 1 vom November des gleichen Jahres wiederfindet. Auch i m November war ein wesentlich schärferer Resolutionsentwurf 182 , der u. a. die Empfehlung von Sanktionen vorsah, i n der GV gescheitert, obwohl i m Special Committee nunmehr bereits 55 Delegierte für ihn gestimmt hatten 1 8 3 . Besonders die Delegierten der westlichen Staaten hatten i n den Beratungen darauf hingewiesen, daß eine Empfehlung von Zwangsmaßnahmen nicht nur politisch unklug, sondern auch rechtlich nicht zulässig sei, da eine „Friedensbedrohung" nicht vorliege 1 8 4 . Die Kräfteverhältnisse i n der GV verschoben sich indes weiter zuungunsten der westlichen Staatengruppe. A m 6.11.1962 nahm die GV gegen die Stimmen zahlreicher westeuropäischer Staaten 185 , der USA, Japans und Kanadas m i t 67 :16 Stimmen, bei 23 Enthaltungen die Resolution 1761 (XVII) an, i n der sie nicht nur erneut „versicherte", die Fortdauer der Apartheidspolitik gefährde ernstlich den Frieden, sondern darüber hinaus alle Mitglieder aufforderte, allein oder gemeinsam die folgenden Maßnahmen zu ergreifen, „ u m die Aufgabe der Apartheidspolitik herbeizuführen" 1 8 6 : 180 A m 13. 4.1961. 181 A/RES/1663 (XVI) v o m 28. 11. 1961. 182 Document A/SPC/L 71, Corr. 1, Add. 1 - 6 ; s. auch Report des Special Political Committee; draft resolution A ( = Document A/4968); zum I n h a l t vgl. Y U N 1961 S. 111. 183 Vgl. zu den Abstimmungsergebnissen i.e. Y U N 1961 S. 112 - 114. 184 Y U N 1961 S. 112. ι 8 5 Belgien, Irland. Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Großbritannien; außerdem stimmten Griechenland, Australien, Neuseeland, Türkei, Spanien, Portugal u n d Südafrika gegen die Resolution, während sich zahlreiche südamerikanische u n d die skandinavischen Staaten, ferner Italien, Österreich. Island u n d Thailand der Stimme enthielten; s. i.e. Y U N 1962 S. 100. 186 Wörtlich: "The General Assembly, "1. Deplores . . . "2. Strongly deprecates . . . "3. Reaffirms that the continuance of those policies seriously endangers international peace and security; "4. Requests Member States to take the following measures, separately or collectively, i n conformity w i t h the Charter, to bring about the abandonment of those policies: "(a) Breaking off diplomatic relations w i t h the Government of the Republic of South Africa or refraining from establishing such relations; "(b) Closing their ports to a l l vessels f l y i n g the South African flag; "(c) Enacting legislation prohibiting their ships from entering South African ports; "(d) Boycotting a l l South African goods and refraining from exporting goods, including a l l arms and ammunition, to South Africa;

9. Abschn. : Südliches A f r i k a —

S d r i

137

— Abbruch der diplomatischen Beziehungen — Schließung ihrer Häfen für Flagge

alle Schiffe unter

südafrikanischer

— gesetzliches Verbot an ihre eigenen Schiffe, südafrikanische Häfen anzulaufen — Boykott aller südafrikanischen Waren und Unterlassen aller Exporte nach Südafrika, einschließlich des Exports von Waffen und Munition — Verweigerung von Lande- und Überflugrechten für alle südafrikanischen Flugzeuge 187 . Bemerkenswert i n dieser Resolution ist weiterhin des Ersuchen an den SR, „angemessene" Maßnahmen einschließlich von Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, um die Befolgung der Resolutionen von GV und SR sicherzustellen, sowie gegebenenfalls einen Ausschluß Südafrikas aus der Weltorganisation i n Erwägung zu ziehen 188 . M i t dieser Resolution hatte die GV trotz der von zahlreichen Delegierten geäußerten Bedenken 1 8 9 den Weg i n das V I I . Kapitel angetreten. Dennoch vermied sie es zunächst, von einer Friedensbedrohung zu sprechen. I m Jahre 1963 verwendete sie zur Bezeichnung der Situation i n Südafrika den Ausdruck der Friedensstörung („disturbing") 1 9 0 , den auch der SR kurz zuvor gebraucht hatte 1 9 1 und der dort — wie oben 1 9 2 gezeigt — nicht als Auftakt für die Anwendung des V I I . Kapitels dienen sollte. Erst i m Jahre 1965 taucht der Begriff der Friedensbedrohung i m Zusammenhang m i t Südafrika i n einer Resolution der GV auf. I n Resolution 2054 A ( X X ) 1 9 3 lenkte sie die Aufmerksamkeit des SR auf die Tatsache, daß die Situation i n Südafrika eine Bedrohung des internationalen Friedens darstelle, die Maßnahmen nach Kapitel V I I erfordere 194 . "(e) Refusing landing and passage facilities to a l l aircraft belonging to the Government of South Africa and companies registered under the laws of Sout Africa. "8. Requests the Security Council to take appropriate measures, including sanctions, to secure South Africa's compliance w i t h the resolutions of the General Assembly and of the Security Council on this subject and, if necessary, to consider action under Article 6 of the Charter." ( Y U N 1962 S. 100.) 187 s. vorstehend Anm. 186. 188 s. vorstehend Anm. 186. is» Vgl. i. e. Y U N 1962 S. 95, 97. 190 A/RES/1881 ( X V I I I ) v o m 11.10.1963. 191 I n S/RES/5386 vom 7. 8. 1963. 192 s. oben I I , l . K a p . , 4. Absch. 193 V o m 15.12.1965.

138

I I . 2. Kap.: Praxis der GV

Diese Beurteilung der Situation hat die GV seitdem ständig ebenso wiederholt 1 9 5 wie die Empfehlung von Zwangsmaßnahmen 196 und die Aufforderung an den SR, bindende Sanktionen nach Kapitel V I I zu ergreifen 197 . Nur noch ganz vereinzelt finden sich daneben andere Ausdrücke wie „menace" (1966) 198 oder „may jeopardize" (1968) 199 i m Zusammenhang mit der Apartheidspolitik. Trotz dieser gleichbleibenden Bezeichnung lassen die Resolutionen der GV eine Tendenz erkennen, die Existenz einer Friedensbedrohung nicht nur aus der Apartheidspolitik herzuleiten. Während die Resolution aus dem Jahre 1965 200 noch allein von der Lage i n Südafrika spricht, die den Frieden bedrohe, erwähnen bereits die Resolutionen aus den Jahren 1966 bis 1968 201 daneben auch die hieraus resultierende „explosive" oder „ernste" Situation i m ganzen südlichen Afrika und die Bedrohung der „Integrität und Souveränität der benachbarten unabhängigen Staaten" 2 9 2 . Nach dem verstärkten militärischen Engagement Südafrikas i n Süd-Rhodesien und den portugiesisch beherrschten Gebieten, das die GV schon 1968 verurteilt hatte 2 0 3 , erklärte sie ab 1969 nicht nur die Politik Südafrikas, sondern auch diese Handlungen zur Friedensbedrohung 204 . Die anderen Entwicklungen i n der Haltung der GV zu Südafrika lassen sich schlagwortartig wie folgt zusammenfassen: Seit 1965 wies die GV die Mitgliedstaaten jeweils ausdrücklich auf das vom SR 1963 beschlossene205 Waffenembargo 206 h i n 2 0 7 . 194 Wörtlich: "6. Draws the attention of the Security Council to the fact that the situation i n South Africa consitutes a threat to international peace and security, that action under Chapter V I I of the Charter is essential i n order to solve the problem of apartheid and that universally applied economic sanctions are the only means of achieving a peaceful solution" ( Y U N 1965 S. 112.) iss Vgl. A/RES/2202 A ( X X I ) v o m 16.12.1966; A/RES/2307 ( X X I I ) vom 13.12.1967; A/RES/2396 ( X X I I I ) v o m 2.12.1968; A/RES/2465 ( X X I I I ) v o m 25.12.1968; A/RES/2506 Β ( X X I V ) v o m 21.11.1969; A/RES/2671 F ( X X V ) v o m 8.12.1970; A/RES/2923 E ( X X V I I ) v o m 15.11.1972; A/RES/3151 G ( X X V I I I ) v o m 14.12.1973. 196 vgl. vor allem A/RES/2054 A ; A/RES/2202 A ( X X I ) ; A/RES/2506 Β ( X X I V ) ; A/RES/2671 F ( X X V ) ; A/RES/2923 E ( X X V I I ) ; A/RES/3151 G (XXVIII). 197 A/RES/2202 A ( X X I ) ; A/RES/2307 ( X X I I ) ; A/RES/2396 ( X X I I I ) ; A/RES/ 2506 Β ( X X I V ) ; A/RES/2671 F ( X X V ) ; A/RES/2923 E ( X X V I I ) ; A/RES/ 3151 G ( X X V I I I ) . 198 A/RES/2144 Β ( X X I ) v o m 26. 10.1966. 199 A/RES/2438 ( X X I I I ) . 200 A/RES/2054 A (XX). 201 A/RES/2202 A ( X X I ) ; A/RES/2307 ( X X I I ) ; A/RES/2396 ( X X I I I ) . 202 so etwa A/RES/2202 A ( X X I ) Präambel Abs. V I . 203 A/RES/2465 ( X X I I I ) . 204 A/RES/2506 Β ( X X I V ) .

9. Abschn. : Südliches A f r i k a —

tugie

e i e

139

Seit 1966 bezeichnete die GV die Apartheidspolitik zusätzlich als Verbrechen gegen die Menschlichkeit 208 . Seit 1967 hat die GV i n Resolutionen förmlich die Legitimität des Kampfes des südafrikanischen Volkes für Menschenrechte und Grundfreiheiten ohne Rücksicht auf Rasse, Farbe und Glauben anerkannt und alle Staaten aufgefordert, dem Volk von Südafrika politische, moralische und materielle Hilfe i n diesem Kampf zuteil werden zu lassen 209 . Seit 1968 verlangt die GV unter ausdrücklicher Betonung des Selbstbestimmungsrechts von Südafrika, Freiheitskämpfer gegen Apartheid als Kriegsgefangene nach der Genfer Konvention vom 12. 8.1949 zu behandeln 210 . 1970 erkannte die GV das Recht des südafrikanischen Volkes an, mit allen i h m zur Verfügung stehenden Mitteln Apartheid und Rassendiskriminierung auszurotten 211 . Seit 1973 schließlich bezeichnet die GV die Befreiungsbewegungen als authentische Vertreter der überragenden Mehrheit des Volkes von Südafrika 2 1 2 . Die häufige Bezugnahme auf die Situation i m ganzen südlichen Afrika, die Bezeichnung der Apartheidspolitik als Form des Kolonialismus und die Verurteilung des südafrikanischen Engagements i n den anderen von Weißen beherrschten Gebieten des südlichen Afrika machen deutlich, daß das Problem der Apartheid i n einem größeren Rahmen gesehen werden muß. Ehe deshalb i m einzelnen auf die Vereinbarkeit der Resolutionen in der Südafrikafrage m i t der Charta eingegangen werden soll, erscheint ein Blick auf die Haltung der GV i n den anderen Fragen des südlichen Afrika angebracht. 2. Unterabschnitt: Portugiesisch beherrschte Gebiete in Afrika Auch i n der Frage der portugiesisch beherrschten Gebiete 213 wurde die GV von vornherein neben dem SR tätig. Ein Resolutions205

Z u r Bedeutung der Worte „ c a l l upon" s. oben I I , 1. Kap., 4. Abschn., A. s. hierzu i. e. oben I I , 1. Kap., 3. Abschn., B. 2 07 A/RES/2054 A (XX). 2 08 A/RES/2202 A ( X X I ) . 2 9 A/RES/2307 ( X X I I ) . 2 ™ A/RES/2396 ( X X I I I ) . A/RES/2671 F ( X X V ) ; ebenso A/RES/2923 E ( X X V I I ) : „ b y a l l available means"; A/RES/ 2775 F ( X X V I ) ; A/RES/3151 G ( X X V I I ) . 212 Wörtlich: "authentic representatives of the overwhelming m a j o r i t y of the South African people" (A/RES/3151 G X X V I I I ) v o m 14.12.1973. 213 Zur Vorgeschichte s. i. e. oben I I , 1. Kap., 3. Abschn. 206

140

I I . 2. Kap.: Praxis der GV

entwurf 2 1 4 zu den Unruhen i n Angola, der 1961 i m SR nur 5 Jastimmen erhalten hatte 2 1 5 und deshalb gescheitert war, wurde nur wenige Wochen später i n der GV eingebracht und von dieser als Resolution 1603 ( X V ) 2 1 6 verabschiedet, ohne daß diese Frage auch nur von der TO des SR abgesetzt worden wäre. Während diese Resolution aber noch i n der Sprache des V I . Kapitels lediglich die Fortdauer des Konflikts für geeignet erklärte, den internationalen Frieden zu gefährden, hieß es bereits i n der ersten Resolution der GV aus dem Jahre 1962, die Weigerung Portugals, die legitimen Bestrebungen des angolanischen Volkes nach Selbstbestimmung anzuerkennen, bedrohe („threatens") den internationalen Frieden 2 1 7 . I m weiteren Verlauf dieses Jahres (1962) taucht dann auch der Begriff der „Bedrohung des internationalen Friedens" i n zwei Resolutionen 218 der GV auf, wobei konkret auf den Kolonialkrieg Portugals i n Angola 2 1 9 oder allgemein auf die Situation verwiesen wurde, die „infolge der Politik und der Maßnahmen der portugiesischen Regierung gegenüber den von ihr verwalteten Gebieten" entstanden sei 2 2 0 . I n allen Resolutionen des Jahres 1962 beschränkte sich die GV auf die Aufforderung an die Mitgliedstaaten, Portugal keine Hilfe zuteil werden zu lassen, die es i n den besetzten Gebieten verwenden könne und auf das Ersuchen an den SR, Maßnahmen gegen Portugal zu ergreifen. Zu einer umfassenden Empfehlung von Zwangsmaßnahmen durch die GV kam es erst i m Jahre 1965. Wenig mehr als einen Monat, nachdem der SR festgestellt hatte, die Politik Portugals sowohl gegenüber der afrikanischen Bevölkerung seiner Kolonien als auch gegenüber den benachbarten Staaten „störe" ernstlich den Frieden 2 2 1 , verabschiedete auch die GV eine Resolution zu diesen Fragen 2 2 2 . I n ihr erklärte sie sich überzeugt, daß die Haltung Portugals gegenüber der afrikanischen Bevölkerung seiner Gebiete und gegenüber den Nachbarstaaten eine Friedensbedrohung darstelle 223 . Während der SR nur ein begrenztes 214 Document S/4769. 215 Vgl. Y U N 1960 S. 138; das Abstimmungsverhältnis betrug 5 :0 Stimmen, bei 6 Enthaltungen. 216 A m 20.4.1961; der einzige Unterschied zu der Resolution des SR lag darin, daß das m i t der Untersuchung beauftragte Unterkommittee der GV und nicht dem SR berichten sollte. 217 A/RES/1742 (XVI) vom 30. 1. 1962, Präambel Abs. 6. 218 A/RES/1807 ( X V I I ) vom 14. 12.1962; A/RES/1819 ( X V I I ) v o m 18.12.1962. 219 A/RES/1819 ( X V I I ) . 220 A/RES/1807 ( X V I I ) . 221 S/RES/218 (1965); vgl. i.e. oben I I , 1. Kap., 3. Abschn. 222 A/RES/2107 (XX) v o m 21. 12. 1965. 223 Wörtlich: "convinced that the attitude of Portugal towards the African population of its colonies and of the neighbouring States constitutes a threat to international peace and security" ( = Präambel Abs. 8) ( Y U N 1965 S. 615).

9. Abschn.: Südliches A f r i k a — Portugies. Gebiete

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Waffenembargo — begrenzt, da auf Waffen zur Verwendung i n den Überseegebieten beschränkt — empfohlen hatte 2 2 4 , empfahl die GV den Abbruch der diplomatischen Beziehungen, einen totalen Handelsboykott und die Verweigerung von Überflug- und Landerechten für portugiesische Flugzeuge und Schiffe, sowie ein Verbot für alle Schiffe, portugiesische Häfen anzulaufen. Die Verbündeten Portugals i n der Nato ersuchte die GV, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, u m den Verkauf von Waffen an Portugal zu verhindern. Die Sonderorganisationen der V N wurden aufgefordert, Portugal so lange keine finanzielle, wirtschaftliche oder technische Hilfe zu gewähren, bis Portugal der Resolution der GV über die Gewährung der Unabhängigkeit an koloniale V ö l k e r 2 2 5 nachgekommen sei 2 2 6 . Zum erstenmal i n der Geschichte der V N verwendete die GV hierbei die Formel von der Rechtmäßigkeit des Kampfes zur Erlangung der i n der Charta verbrieften Rechte 227 , die i n der Zukunft zu einer Standardformel i n den Stellungnahmen der GV zu den Zuständen i m südlichen Afrika werden sollte. Die Resolution enthielt weiterhin die Aufforderung an den SR, angemessene Maßnahmen gegen Portugal zu ergreifen. Den eigentlichen Grund für diese äußerst weitreichende Empfehlung von Zwangsmaßnahmen 228 hatte der indische Delegierte während der Debatte i m 4. Komitee genannt, als er Zweifel daran äußerte, ob die 224 v g l . i. e . oben I I , 1. Kap., 3. Abschn. 225 Declaration on the Granting of Independence . . . (A/RES/1514 [XV]); s. i. e. oben I I , 1. Kap., A n m . 67. 226 Wörtlich: "7. Urges Member States to take the following measures, separately or collectively "a) To break off diplomatic and consular relations w i t h the Government of Portugal or refrain from establishing such relations; "b) To close their ports to a l l vessels f l y i n g the Portuguese flag or i n the service of Portugal; "c) To prohibit their ships from entering any ports i n Portugal and its colonial territories; "d) To refuse landing and transit facilities to a l l aircraft belonging to or i n the service of the Government of Portugal and to companies registered under the laws of Portugal; "e) To boycott all trade w i t h Portugal; " f) . . . u g ) Appeals to all the specialized agencies, i n particular to the International Bank for Reconstruction and Development and the International Monetary Fund, to refrain from granting Portugal any financial, economic or technical assistance so long as the Government of Portugal fails to implement General Assembly resolution 1514 (XV) ( Y U N 1965 S. 615). 227 Wörtlich: " . . . and recognizes the legitimacy of their struggle to achieve the rights laid down i n the Charter of the United Nations, the Universal Declaration of H u m a n Rights and the Declaration on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples" ( Y U N 1965 S. 615). 228 s. auch Virally, L'organisation S. 480: „et qui relevaient manifestement de l'article 41."

142

I I . 2. Kap.: Praxis der G V

Resolution des SR ausreichen werde, die rassistische Herrschaft Portugals zu beseitigen 229 . Die hierin zum Ausdruck kommende Auffassung von der Stellung der GV wurde vor allem von den westlichen Staaten abgelehnt, die i n erster Linie auf die Hauptverantwortung (primary responsibility) des SR für die Aufrechterhaltung des Friedens verwiesen. Wenn das zuständige Organ zu dem Ergebnis komme, daß die Situation keinem der Fälle des A r t . 39 SVN unterfalle und deshalb keine Sanktion anordne, so sei es mit der Charta nicht vereinbar, wenn die GV kurz danach eine abweichende Feststellung treffe und ihrerseits Sanktionen empfehle 230 . Der Delegierte Portugals erklärte, weder sei die GV befugt, Sanktionen zu empfehlen, noch sehe die Charta Sanktionen zur Lösung rein politischer, nationaler Probleme vor 2 3 1 . Die begrenzte Wirkung dieser Resolution (A/RES/2107 [XX]) kündigte sich freilich schon m i t der hohen Zahl von Gegenstimmen (26) und Enthaltungen (15) an 2 3 2 , unter denen sich sämtliche bedeutenden westlichen Industriestaaten befanden. Trotz oder gerade wegen der weitgehenden Nichtbefolgung der von ihr empfohlenen Zwangsmaßnahmen wurden sie von der GV auch i n den folgenden Jahren bekräftigt 2 3 3 , freilich i n allgemein gehaltener Form und ohne den detaillierten Sanktionskatalog des Jahres 1965 zu wiederholen. Auch die Bezeichnung der Situation als „Friedensbedrohung" findet sich i n einigen Resolutionen wieder 2 3 4 , daneben auch Umschreibungen wie „ernste Störung des internationalen Friedens" 2 3 5 , sowie Resolutionen, i n denen jede Kennzeichnung der Situation fehlt 2 3 6 . Ständig wiederholt wurde die Aufforderung an den SR, den Sanktionsempfehlungen der GV und auch den eigenen Empfehlungen 2 3 7 bindende Kraft zu verleihen 2 3 8 . Ähnlich wie i n der südafrikanischen Frage bezeichnete die GV seit 1966 auch die Politik Portugals als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit 2 3 9 und forderte Portugal seit 1968 auf, gefangene Freiheits229 V g l . 230

Y U N 1965 S. 610.

So etwa der nordamerikanische Delegierte Anderson, GAOR X X (4th Committee) 1592 m. S. 488. 2»i Deleg. de Miranda, GAOR X X (4th Committee) 1590 m. S. 478 f. 232 Abstimmungsverhältnis 66 :26 bei 15 Enthaltungen ( Y U N 1965 S. 614). 233 Vgl. A/RES/2184 ( X X I ) v o m 12.12. 1966; A/RES/2270 ( X X I I ) v o m 17.11. 1967; A/RES/2395 ( X X I I I ) v o m 29.11.1968; A/RES/2507 ( X X I V ) v o m 21.11. 1969; A/RES/2707 ( X X V ) v o m 14.12.1970; A/RES/2795 ( X X V I ) v o m 10.12. 1971; A/RES/2918 ( X X V I I ) v o m 14.11.1972. 234 So etwa A/RES/2270 ( X X I I ) ; A/RES/2707 (XXV). 235 So A/RES/2395 ( X X I I I ) ; A/RES/2795 ( X X V I ) ; A/RES/2918 ( X X V I I ) . 236 vgl. etwa A/RES/2507 ( X X I V ) . 237 vgl. zum Charakter der Maßnahmen des SR aus dem Jahre 1965 oben I I , 1. Kap., 3. Abschn. 238 So etwa A/RES/2184 ( X X I ) ; A/RES/2270 ( X X I I ) ; A/RES/2707 (XXV). 239 Erstmalig i n Resolution A/2184 ( X X I ) .

9. Abschn. : Südliches A f r i k a — S d r e s i e n

143

kämpfer als Kriegsgefangene zu behandeln 240 . Stärker als i n früheren Jahren wurde seit 1970 die Sicherheit und territoriale Integrität der unabhängigen Nachbarstaaten betont, die die GV durch die Politik Portugals bedroht sah 2 4 1 . Keineswegs allgemein akzeptiert wurde eine weitere Entwicklung, die ihren Niederschlag i n der Resolution aus dem Jahre 19 7 2 2 4 2 fand. Zum erstenmal erkannte die GV nicht nur die Legitimität des Kampfes der unterdrückten Völker an, sondern bestätigte 243 , daß die Freiheitsbewegungen i n den von Portugal beherrschten Gebieten die „rechtmäßigen Vertreter der wahren Bestrebungen der Völker dieser Gebiete" seien 244 . Die Zahl von nur 6 Gegenstimmen und 8 Enthaltungen bei der Abstimmung über diese Resolution scheint zunächst äußerst gering. Richtige Relationen werden aber erst hergestellt, wenn man auch die Zahl der abwesenden Mitglieder berücksichtigt: es waren die Vertreter von nicht weniger als 20 Staaten 245 . 3. Unterabschnitt: Südrhodesien Als die GV am 5. 11. 1965 die zunehmende Zusammenarbeit zwischen Südafrika, Portugal und Südrhodesien als Bedrohung der Freiheit und des Friedens i n Afrika bezeichnete und die Politik der Rassendiskriminierung und Segregation i n Südrhodesien als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilte 2 4 6 , hatte sie bereits 3 wesentlich zurückhaltendere Resolutionen zu dieser Frage verabschiedet 247 . Von Anfang an war sie neben dem SR i n dieser Angelegenheit tätig geworden 248 . 240 Erstmalig i n A/RES/2395 ( X X I I I ) . 241 Vgl. etwa A/RES/2707 ( X X V ) Abs. 2: " . . . which also threatens the security and violates the territorial integrity and sovereignty of the independent African States, i n particular those States bordering the Territories" (YUN 1970 S. 771); ähnlich auch A/RES/2795 ( X X V I ) . 242 A/RES/2918 ( X X V I I ) . 243 "affirms". 244 Ubersetzung nach V N 1973 S. 30. 245 s. V N 1973 S. 31. 246 A/RES/2022 (XX). 247 A/RES/1883 ( X V I I I ) v o m 14.10.1963; A/RES/1889 ( X V I I I ) v o m 6.11. 1963; A/RES/2012 (XX) v o m 12.10.1965. I n den Beratungen des Jahres 1963 hatten freilich bereits eine große Anzahl afrikanischer Staaten, aber auch die UdSSR vor dem 4. Komitee behauptet, die Situation i n Südrhodesien stelle eine Bedrohung des Friedens i n A f r i k a dar, vgl. hierzu i. e. Y U N 1963 5. 474. Zur Verabschiedung einer entsprechenden Resolution k a m es aber nicht. 248 Auch 1963 w a r der SR m i t der Südrhodesienfrage befaßt. Eine Resolution w a r am Widerstand Großbritanniens gescheitert, eine Verweisung an die GV hatte nicht stattgefunden; vgl. Y U N 1963 S. 474 u n d oben I I , l . K a p . , 6. Abschn.

144

I I . 2. Kap.: Praxis der GV

Besonders deutlich wurde dies i m Jahre 1965, als der SR i m M a i 2 4 9 und erneut i m November 2 5 0 je eine Resolution, die GV i m Oktober 2 5 1 und November 2 5 2 insgesamt drei Resolutionen zu dieser Frage verabschiedete. Die erwähnte Resolution vom 5. November 196 5 2 5 3 ersuchte alle Staaten, dem Volk von Zimbabwe 2 5 4 moralische und materielle Hilfe i n seinem rechtmäßigen Kampf für Freiheit und Unabhängigkeit zuteil werden zu lassen, einem Kampf, als dessen Ziel eine spätere Resolution der G V 2 5 5 den Sturz des „illegalen rassistischen Regimes" nannte. Die GV forderte Großbritannien auf, zur Gewährleistung der Gleichstellung der schwarzen Rhodesier alle notwendigen Maßnahmen einschließlich der Anwendung militärischer Gewalt zu ergreifen 256 . Schließlich lenkte sie die Aufmerksamkeit des SR auf die explosive Situation i n Südrhodesien, die den internationalen Frieden bedrohe 257 . Obwohl der SR sich Ende 1965 und i m Laufe des Jahres 1966 ausgiebig mit Südrhodesien befaßte und seine Handlungsfähigkeit durch die Verabschiedung mehrerer Resolutionen 258 unter Beweis stellte, nahm die GV die Beratungen auch i n ihrer 21. Sitzungsperiode wieder auf und verabschiedete zwei Resolutionen 259 zu dieser Frage. Sie wiederholte i m wesentlichen die bereits bekannte Aufforderung an Großbritannien, Gewalt anzuwenden und bekräftigte die Rechte des Volkes von Zimbabwe. Erstmalig verurteilte die GV auch die ausländischen Interessen — vornehmlich finanzieller A r t — in Südrhodesien, die das illegale Regime stützten und ersuchte die betroffenen Staaten, alle notwendigen Maßnahmen zur Beendigung dieser Aktivitäten zu treffen 2 6 0 . Wohl auch eingedenk der Erfahrungen m i t von ihr empfohlenen Zwangsmaßnahmen i n den Fragen Südafrika und portugiesisch beherrschte Gebiete forderte die GV den SR zur Anwendung der notwendigen Zwangsmaßnahmen nach Kapitel V I I SVN auf 2 6 1 . 249 S/RES/202 (1965); s. oben I I , l.Kap., 6. Abschn. 250 S/RES/217 (1965); s. oben I I , l . K a p . , 6. Abschn. 251 A/RES/2012 (XX). 252 A/RES/2022 ( X X ) ; A/RES/2024 (XX) vom 11. 11. 1965. 253 A/RES/2022 (XX). 254 So der von der Mehrheit i n der GV verwendete Name für Südrhodesien. 255 A/RES/2151 ( X X I ) v o m 17. 11.1966. 256 So A/RES/2022 ( X X ) ; ähnlich bereits A/RES/2012 ( X X ) ; zu Recht weist Kewenig, Gewaltverbot S. 199, darauf hin, daß dieser Aufforderung nach dem eigenen Verständnis der GV keine konstitutive, sondern nur deklaratorische Bedeutung zukommt. 257 A/RES/2022 (XX) Abs. 13. 258 S/RES/217 (1965); S/RES/221 (1966); S/RES/232 (1966). 259 A/RES/2151 ( X X I ) ; A/RES/2138 ( X X I ) vom 22.10.1966. 260 A/RES/2151 ( X X I ) Abs. 5. 261 A/RES/2151 ( X X I ) Abs. 6.

9. Abschn.: Südliches A f r i k a —

Sdresien

145

Diese Aufforderung — präzisiert durch die ausdrückliche Bezugnahme auf A r t . 41 S V N 2 6 2 und erweitert durch das Ersuchen, Sanktionen auch gegen Südafrika und Portugal zu verhängen, die es i n „dreister Weise" abgelehnt hätten, den bindenden Entscheidungen des SR nachzukommen 263 , hat die GV seither i n zahllosen Resolutionen wiederholt 2 6 4 , ohne daß der SR Neigung gezeigt hätte, diesem Verlangen über die i n den Jahren 1968 265 und 1970 266 beschlossene Ausweitung der i m Dezember 196 6 2 6 7 angeordneten Zwangsmaßnahmen hinaus nachzukommen. Mehrfach 2 6 8 bezog sich die GV i n den folgenden Jahren auf die förmliche Feststellung einer Friedensbedrohung durch den SR 2 6 9 und ersuchte Großbritannien i n immer eindringlicherer Form, militärische Gewalt gegen seine Kolonie anzuwenden 270 . I n stärkerem Maße als der SR selbst nahm die GV auch zu Verstößen gegen die Embargoanordnungen des SR Stellung. Als der amerikanische Kongreß sich 1971 für die Wiederaufnahme der Chromimporte aus Rhodesien entschied, verlieh die GV ihrer tiefen Besorgnis über diese Entscheidung Ausdruck und forderte die Regierung der USA auf, ihren Verpflichtungen nach A r t . 25 SVN nachzukommen 271 . Erst drei Monate später nahm auch der SR hierzu Stellung 2 7 2 , freilich i n äußerst verklausulierter Form und ohne die Vereinigten Staaten namentlich zu erwähnen. Wesentlich später als in den anderen Konfliktsituationen i m südlichen Afrika hat die GV i m Falle Südrhodesien die Behandlung der Freiheitskämpfer gemäß der Genfer Konventionen von 1949 gefordert 2 7 3 . U m jeden Anschein einer Anerkennung des rhodesischen Regimes zu ver262 A/RES/2383 ( X X I I I ) v o m 7.11.1968; u.a. wiederholt i n A/RES/3116 ( X X V I I I ) v o m 12.12.1973. 263 A/RES/2383 ( X X I I I ) Abs. 9 b. 264 A/RES/2383 ( X X I I I ) ; A/RES/2508 ( X X I V ) v o m 21.11.1969; A/RES/2652 ( X X V ) v o m 3.12.1970; A/RES/2796 ( X X V I ) v o m 10.12.1971; A/RES/2946 ( X X V I I ) v o m 7.12.1972; A/RES/3116 ( X X V I I I ) v o m 12.12.1973. 265 S/RES/253 (1968). 266 S/RES/277 (1970). 267 S/RES/232 (1966); vgl. i.e. oben I I , l . K a p . , 5. Abschn. 268 v g l . A/RES/2262 ( X X I I ) v o m 3.11.1967; A/RES/2383 ( X X I I I ) ; A/RES/ 2508 ( X X I V ) ; A/RES/2946 ( X X V I I ) ; A/RES/3115 ( X X V I I I ) v o m 12.12.1973; A/RES/3116 ( X X V I I I ) . 269 I n S/RES/232 (1966) u n d S/RES/277 (1970). 270 v g l . A/RES/2151 ( X X I ) ; A/RES/2262 ( X X I I ) ; A/RES/2383 ( X X I I I ) ; A/RES/2508 ( X X I V ) ; A/RES/2796 ( X X V I ) ; A/RES/2945 ( X X V I I ) ; A/RES/3115 ( X X V I I I ) v o m 12.12.1973. 271 A/RES/2765 ( X X V I ) ; vgl. auch A/RES/2946 ( X X V I I ) sowie A/RES/3116 (XXVIII). 272 S/RES/314 (1972) v o m 28. 2.1972. 273 A/RES/2652 ( X X V ) . 10 Arntz

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I I . 2. Kap.: Praxis der G V

meiden, ist diese Aufforderung i n die Form eines Ersuchens an Großbritannien gekleidet, die Anwendung der entsprechenden Bestimmungen sicherzustellen. 4. Unterabschnitt: Namibia (Südwestafrika) Daß dieses Problem i m Zusammenhang m i t den Resolutionen des SR nicht erörtert worden ist, ist nicht darauf zurückzuführen, daß dieser sich nicht mit Namibia, wie Südwestafrika seit seiner Umbenennung durch die G V 2 7 4 offiziell heißt, beschäftigt hätte.Im Gegenteil: seit 1968 ist der SR permanent mit dieser Angelegenheit befaßt und hat seit diesem Jahr auch eine ganze Reihe von Resolutionen 275 verabschiedet. Hierbei hat er das Verhalten Südafrikas zwar als aggressiven Eingriff i n die Autorität der V N 2 7 6 und als Verletzung der territorialen Integrität 2 7 7 Namibias bezeichnet und die Rechtmäßigkeit des Kampfes des Volkes von Namibia gegen die illegale Anwesenheit der südafrikanischen Behörden ausdrücklich anerkannt 2 7 8 . Einen Hinweis auf eine mögliche Friedensgefährdung hat der SR indes zunächst vermieden und seine Tätigkeit auch nicht mit der Gefährdung oder Bedrohung des internationalen Friedens, sondern mit dem internationalen Status des Gebietes und der besonderen Verantwortung der V N gegenüber Namibia begründet 2 7 9 . Erst Ende 1971 wies der SR i n äußerst zurückhaltender Form auf eventuelle nachteilige Folgen einer weiteren Weigerung Südafrikas für die Aufrechterhaltung des Friedens i n dieser Gegend h i n 2 8 0 . Bis heute hat der SR die Terminologie des Art. 39 SVN aber nicht verwendet. Getreu der Auffassung von SR und GV, daß Südafrika zur Vertretung Namibias nicht mehr befugt sei, sind auch die vom SR empfohlenen Maßnahmen i n erster Linie darauf gerichtet, jede Handlung der Staatenwelt auszuschließen, die als Anerkennung einer Vertretungsbefugnis Südafrikas ausgelegt werden könnte 2 8 1 . So hat der 274 Vgl. A/RES/2372 ( X X V I I ) vom 12. 6.1968. 275 Vgl. S/RES/245 (1968) v o m 25.1.1968; S/RES/246 (1968) vom 14.3.1968: S/RES/264 (1969) v o m 20.3.1969; S/RES/269 (1969) v o m 12.8.1969; S/RES/276 (1970) v o m 30.1.1970; S/RES/283 (1970) v o m 29.7.1970; S/RES/284 (1970) v o m 29.7.1970; S/RES/301 (1971) v o m 20.10.1971; S/RES/309 (1972) u n d 310 (1972) v o m 4.2.1972; S/RES/319 (1972) v o m 1.8.1972; S/RES/323 (1972) v o m 6.12. 1972; S/RES/342 (1973) v o m 11.12.1973. 276 S/RES/269 (1969). 277 S/RES/269 (1969). 278 v g l . u. a. S/RES/269 (1969) Abs. 4. 279 So etwa S/RES/245 (1968) Präambel Abs. 7; S/RES/264 (1969) Präambel Abs. 6. 280 S/RES/301 (1971); i n etwas schärferer Form wiederholt i n S/RES/310 (1972). 281 Besonders deutlich: S/RES/269 (1969) Abs. 7 u n d S/RES/283 (1970) Abs. 1.

9. Abschn. : Südliches A f r i k a — Namibia

147

SR bisher lediglich zum Verzicht auf Investitionen i n Namibia und nicht i n Südafrika aufgerufen 282 . Die Staaten, die diplomatische Beziehungen mit Südafrika unterhalten, sind nicht zum Abbruch dieser Beziehungen, sondern lediglich zu einer Erklärung aufgefordert worden, daß sie die Autorität Südafrikas über Namibia nicht anerkennen 283 . Diese Reihe, die sich noch fortsetzen ließe, zeigt deutlich, daß der SR auf jeden Fall nicht i m Rahmen des V I I . Kapitels tätig werden wollte. Diese Zurückhaltung steht i n einem nicht zu übersehenden Gegensatz zur Haltung der GV, die sich seit 1946 allgemein 2 8 4 und seit 1960 auch unter dem Gesichtspunkt der Gefährdung des Weltfriedens 2 8 5 mit dieser Frage befaßt hat. Bereits i m Dezember I960 2 8 6 zog die GV — bei Stimmenthaltung fast aller westlichen Staaten — i n Betracht, daß die gegenwärtige Situation i n Südwestafrika eine ernste Bedrohung des internationalen Friedens darstelle 287 , eine Beurteilung, die sie auch i m Frühjahr 196 1 2 8 8 wiederholte. I m Herbst des gleichen Jahres (1961) wies sie auf die zunehmend „explosive" Situation infolge der Ausdehnung der Apartheidspolitik auf Südwestafrika und der Bewaffnung der weißen Bevölkerung hin, „which, if allowed to continue, w i l l endanger international peace and security" 2 8 9 . Diese, verglichen mit den zitierten früheren Resolutionen eher zurückhaltende Bezeichnung der Situation findet sich i n ähnlicher Weise auch i n Resolutionen aus den Jahren 196 2 2 9 0 und 1963 291 . Gleichzeitig bezeichnete die GV jeden Annexionsversuch als Aggressionshandlung 292 und forderte alle Staaten dringend auf, i n Zukunft keine Waffen oder Treibstoffe mehr an Südafrika zu liefern. Ende 1963 findet sich auch i m Hinblick auf Südwestafrika die Wendung von der ernsten Friedens282 Vgl. vor allem S/RES/269 (1969) Abs. 7 u n d S/RES/283 (1970) Abs. 1. 283 s. Anm. 282. 284 s. Pfeifenberger S. 457. 285 vgl. A/RES/1568 (XV) vom 18.12.1960 (Abstimmungsverhältnis 78 :0 :15; Südafrika nahm an der A b s t i m m u n g nicht teil). 286 A/RES/1568 (XV). 287 Wörtlich: "Considering w i t h concern that the present situation i n South West Africa constitutes a serious threat to international peace and security" ( = A/RES/1568 [ X V ] Präambel Abs. 6, Y U N 1960 S. 497). 288 A/RES/1596 (XV) v o m 7. 4. 1961. 289 A/RES/1702 (XVI) v o m 19. 12.1961. 290 A/RES/1805 ( X V I I ) v o m 14.12.1962: "that the continuation of the critical situation i n South West Africa constitutes a serious threat to international peace and security." 291 A/RES/1899 ( X V I I I ) v o m 13.11. 1963. 292 A/RES/1899 ( X V I I I ) Abs. 4; ebenso auch A/RES/2074 (XX) v o m 17.12. 1965. io*

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I I . 2. Kap.: Praxis der GV

Störung 293 , durch die — auf Vorschlag der U S A 2 9 4 — die Bezeichnung Friedensbedrohung ersetzt wurde. Nur wenige Monate, nachdem der Internationale Gerichtshof die Parteifähigkeit Äthiopiens und Liberias verneint und deshalb eine Sachentscheidung hinsichtlich des Status Südwestafrikas abgelehnt hatte 2 9 5 , erklärte die GV 1966 das von Südafrika verwaltete Mandat über Südwestafrika für beendet 296 . Die Weigerung Südafrikas, seine Verwaltung daraufhin aus Südwestafrika abzuziehen, bezeichnete die GV 1967 als flagrante Verletzung der territorialen Integrität und des internationalen Status Südwestafrikas 297 , 1968 als „fremde Besetzung Namibias" und als schwere Bedrohung des internationalen Friedens 298 . I m selben Jahr (1968) taucht auch die Formel von der „Legitimität des Kampfes des Volkes von Namibia gegen die fremde Besetzung" zum erstenmal auf 2 9 9 , die i n den folgenden Jahren ebenso wiederholt w u r d e 3 0 0 wie die Bezeichnung der Situation in Namibia als Friedensbedrohung 301 . Seit 1969 forderte die GV die Mitgliedstaaten zu verstärkter Hilfeleistung für den Kampf des Volkes von Namibia 3 0 2 und seit 1970 Südafrika zur Behandlung namibischer Freiheitskämpfer als Kriegsgefangene nach den Genfer Konventionen 3 0 3 auf. Gleichzeitig ersuchte sie den SR, effektive Maßnahmen nach Kapitel V I I der Satzung zu ergreifen. Sie verurteilte die Unterstützung Südafrikas durch seine Verbündeten und rief die Betroffenen auf, unverzüglich jede Hilfeleistung an und jede Zusammenarbeit m i t Südafrika einzustellen 304 . War schon diese Aufforderung weitergehend als alle ähnlichen Aufforderungen des SR, die stets auf Namibia beschränkt blieben, so ging die GV i m folgenden Jahr (1971) hierüber noch hinaus. Nunmehr forderte sie alle Staaten auf, wirksame wirtschaftliche oder andere Maßnahmen zu treffen, u m den Abzug der südafrikanischen Verwaltung sicherzustellen 305 . 293 A/RES/1979 ( X V I I I ) v o m 17.12.1963: "seriously disturbing international peace and security." 294 s. Y U N 1963 S. 464. 295 v g l . Pfeifenberger S. 457, 463. 296 A/RES/2145 ( X X I ) v o m 27. 10. 1966. 297 A/RES/2325 ( X X I I ) v o m 16. 12.1967. 298 A/RES/2372 ( X X I I ) v o m 12. 6.1968 (Abs. 11). 299 A/RES/2372 ( X X I I ) ; A/RES/2403 ( X X I I I ) v o m 16.12.1968. 300 vgl. etwa A/RES/2498 ( X X I V ) vom 31.10.1969; A/RES/2517 ( X X I V ) vom 1.12.1969; A/RES/2678 ( X X V ) v o m 9. 12.1970; A/RES/2871 ( X X V I ) v o m 20.12. 1971; A/RES/3111 ( X X V I I I ) v o m 12.12.1973. 301 A/RES/2517 ( X X I V ) ; A/RES/2678 ( X X V ) . 302 A/RES/2678 ( X X V ) . 303 A/RES/2517 ( X X I V ) . 304 A/RES/2678 (XXV). 305 A/RES/2871 ( X X V I ) ; diese Aufforderung hat die GV i n A/RES/3031 ( X X V I I ) v o m 18.12. 1972 u n d A/RES/3111 ( X X V I I I ) v o m 12.12.1973 wiederholt.

9. Abschn.: Südliches A f r i k a —

nsmkeit

der Resolutionen

149

Gleichzeitig wiederholte sie ihre Aufforderung an den SR, wirksame Maßnahmen zu ergreifen und bekräftigte die Legitimität des Befreiungskampfes. Anders als i n früheren Jahren und anders als der SR stellte sie nun aber durch die Wendung „ m i t allen M i t t e l n " 3 0 6 eindeutig klar, daß ihre Billigung auch den bewaffneten Kampf gegen Südafrika einschließt. Ende 1973 schließlich erkannte die GV ausdrücklich die nationale Befreiungsbewegung SWAPO 3 0 7 als die „authentische Vertreterin des Volkes von Namibia" 3 0 8 an. 5. Unterabschnitt: Gemeinsamkeiten der Resolutionen der GV zu den Fragen des südlichen Afrika, ihre Unterschiede zur Praxis des SR und ihre Vereinbarkeit mit der Charta der V N A. Die gleichzeitige Befassung von G V und SR

Zu allen Fragen des südlichen Afrika hat die GV Empfehlungen auch dann abgegeben, wenn der SR m i t der Angelegenheit befaßt war und seine Handlungsfähigkeit durch die Verabschiedung von Resolutionen unter Beweis gestellt hatte. Die GV hat somit i n diesen Fällen die i n der Algerien-, besonders aber in der Kongofrage begonnene Übung fortgesetzt und ist i n vollem Umfang neben dem SR tätig geblieben. Es bedarf nach den oben 3 0 9 geschilderten Bedenken gegen die Annahme einer auch nur subsidiären Zuständigkeit der GV auf dem Gebiet der Friedenswahrung i. S. der Resolution „Uniting for Peace" keiner Betonung, wie fragwürdig diese Praxis nicht nur i m Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des A r t . 12 Abs. 1 SVN ist 3 1 0 . Ob die gelegentliche Bezugnahme auf derartige Resolutionen i n Entschließungen des SR an dieser Beurteilung etwas zu ändern vermag, muß ebenfalls problematisch erscheinen. Art. 12 SVN dient dem Schutz der primären Verantwortlichkeit des SR für die Wahrung des Weltfriedens 311 , die nicht durch eine bloße Erwähnung womöglich satzungswidriger Resolutionen der GV, sondern allenfalls durch eine Satzungsänderung (Art. 108 SVN) beseitigt werden kann 3 1 2 . 306 Wörtlich: " b y a l l means" (A/RES/2871 ( X X V I ) ; ebenso A/RES/3111 (XXVIII). 307 'South West Africa People's Organization.' 308 Wörtlich: "the authentic representative of the Namibian people" A/RES/ 3111 ( X X V I I I ) . 309 v g l . oben I I , 2. Kap., 1. Abschn. 310 U m die Abgabe einer Empfehlung hat der SR die GV i n keinem der hier geschilderten Fälle ersucht. su Prößdorf S. 46. 312 Ablehnend gegenüber einer derartigen „Genehmigungsbefugnis" des SR auch Moreno Quintana S. 356.

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I I . 2. Kap.: Praxis der GV B. Die Empfehlung von Zwangsmaßnahmen

Ist schon die Kompetenz der GV höchst zweifelhaft, i n diesen Fällen überhaupt Empfehlungen abzugeben, so müssen die geschilderten Bedenken erst recht durchgreifen, wenn die GV Zwangsmaßnahmen empfiehlt und damit auf einem Gebiet tätig wird, das nach der Charta dem SR wenn nicht allein, so doch zumindest i n erster Linie zugewiesen ist. Dennoch hat die GV i n allen Fällen des südlichen Afrika Zwangsmaßnahmen früher und wesentlich weitergehend als der SR empfohlen, wobei sich die etwas zurückhaltendere Tätigkeit i m Rhodesienkonflikt leicht mit der schärferen Haltung des SR i n dieser Frage begründen läßt. C. Die Betonung der Rechtmäßigkeit des Kampfes gegen die Unterdrückung

Wesentlich früher als der SR hat die GV i n allen Fällen auch die Rechtmäßigkeit des Kampfes der unterdrückten Völker i m südlichen Afrika zur Erlangung ihrer i n der Charta verbrieften Rechte anerkannt 3 1 3 . Hierbei war von vornherein umstritten, ob diese Formulierung auch den bewaffneten Freiheitskampf einschließe. Vor allem die Westmächte vertraten die Ansicht, diese Anerkennung erfasse nur den Kampf mit friedlichen M i t t e l n und i m Einklang m i t den Bestimmungen der Charta 3 1 4 . I n der GV setzten sich indes seit 1970 die Befürworter der Gegenansicht auch optisch durch und stellten — zumindest i m Hinblick auf Südafrika und Namibia — durch den Zusatz „ m i t allen Mitteln" klar, daß auch der bewaffnete Befreiungskampf anerkannt werden solle 3 1 5 . Eine ähnliche Entwicklung i m SR wurde durch die starke Stellung der Westmächte verhindert, so daß bis heute nicht davon gesprochen werden kann, der SR habe den bewaffneten Befreiungskampf als rechtmäßig anerkannt. D. Die Aufforderung zur Hilfeleistung an die unterdrückten Völker

I n allen Fällen hat die GV zur „moralischen und materiellen Hilfeleistung für die unterdrückten Völker" aufgerufen 316 , eine Aufforderung, 313 Südafrika: G V 1967 (A/RES/2307 [ X X I I ] ) ; SR 1970 (S/RES/282 [1970]) port. Gebiete: GV 1965 (A/RES/2107 [ X X ] ) ; SR 1972 (S/RES/312 [1972]) Namibia (Südwestafrika): GV 1968 (A/RES/2372 [ X X I I ] ) ; SR 1969 (S/RES/269 [1969]); Südrhodesien: GV 1965 (A/RES/2022 [ X X ] ) ; SR 1968 (S/RES/253 [1968]). 314 Vgl. hierzu die Ausführungen des britischen Delegierten Sir Colin Crowe (UNMO 1972/11 S. 19/20): "The United Kingdom w o u l d have preferred it to have made explicit that this struggle should be pursued only by peaceful means and i n accordance w i t h Charter provisions." 315 v g l . die Resolution i n A/RES/2671 F ( X X V ) i m Falle Südafrika und A/RES/2871 ( X X V I ) i m Falle Namibia.

9. Abschn.: Südliches A f r i k a —

nsmkeit

der Resolutionen

151

die der SR lediglich einmal (1968 317 ) i m Falle Südrhodesiens ausgesprochen und seither weder i n diesem noch i n einem anderen Falle wiederholt hat. E. Behandlung als Kriegsgefangene

Eine noch stärkere Sonderstellung nimmt eine weitere Aufforderung der GV ein, die sich seit 1968 i n einer ganzen Reihe von Resolutionen zu den Problemen des südlichen Afrika findet. I n allen Fällen hat die GV die betroffenen weißen Machthaber aufgefordert, die Freiheitskämpfer als Kriegsgefangene nach den Genfer Konventionen von 1949 zu behandeln. Der Unterschied zu den Resolutionen des SR, i n denen eine ähnliche Aufforderung bis heute i n keinem Fall erfolgt ist, ist unübersehbar. F. Die Befreiungsbewegungen als „rechtmäßige Vertreter der wahren Bestrebungen der unterdrückten Völker"

Eine neue Phase der Entwicklung kündigte sich mit der Resolution der GV zu den portugiesischen Gebieten vom November 1972 an 3 1 8 . I n dieser Resolution „bestätigte" die GV, „daß die nationalen Befreiungsbewegungen von Angola, Guinea (Bissau) und Kap Verde sowie von Mosambik die rechtmäßigen Vertreter der wahren Bestrebungen der Völker dieser Gebiete" seien und empfahl allen Regierungen und Organisationen, „die Vertretung dieser Gebiete durch die entsprechenden Befreiungsbewegungen i n angemessenem Umfang und i n Beratung m i t der O A U sicherzustellen" 319 . Wesentlich zurückhaltender formulierte auch hier der SR, der nur 8 Tage später 3 2 0 „ i n Betracht zog, daß die O A U die Befreiungsbewegungen als rechtmäßige Vertreter dieser Gebiete anerkannt habe" und hieraus die dringende Notwendigkeit ableitete, „eine Lösung der bewaffneten Konfrontation i n diesen Gebieten auf dem Verhandlungswege 321 zu erreichen 322 . Die Wendung von den Befreiungsbewegungen als den rechtmäßigen Vertretern oder „authentic representatives" der betreffenden Bevölke316 Südafrika: 1967 (A/RES/2307 [ X X I I ] ) ; portug. Gebiete: 1965 (A/RES/ 2107 [ X X ] ) ; Namibia (Südwestafrika): 1969 (A/RES/2517 [ X X I V ] ) ; Südrhodesien: 1965 (A/RES/2022 [ X X ] ) . 317 S/RES/253 (1968). 318 A/RES/2918 ( X X V I I ) . 319 Deutsche Ubersetzung nach V N 1973 S. 30. 320 S/RES/322 (1972). 321 Hervorhebung durch den Verfasser. 322 v g l . i. e . oben I I , 1. Kap., 3. Abschn.

152

I I . 2. Kap.: Praxis der GV

rung findet sich i n den folgenden Jahren auch i n Resolutionen zu den anderen Fragen des südlichen A f r i k a 3 2 3 . G. Die Verwendung des Begriffes Friedensbedrohung

Obwohl gerade neuere Entschließungen der GV häufig auch auf das gespannte Verhältnis Südafrikas, Portugals und Südrhodesiens zu den umliegenden unabhängigen schwarz-afrikanischen Staaten hinweisen, läßt sich aus den vorstehend untersuchten Resolutionen einwandfrei ableiten, daß die GV — unabhängig vom Bestehen solcher internationaler Spannungen — auch die Situation innerhalb dieser Gebiete bereits als Friedensbedrohung angesehen hat 3 2 4 . Diese Praxis steht i n einem nicht zu übersehenden Gegensatz zu der Haltung des SR, der sich — wie oben i m einzelnen gezeigt w u r d e 3 2 5 — bis heute jeder Feststellung enthalten hat, daß die innere Lage eine Friedensbedrohung darstelle und sie allenfalls als „Störung" oder als „potentielle" Bedrohung des Friedens bezeichnet hat. Wo der SR ohne Einschränkungen von einer Friedensbedrohung gesprochen hat, handelte es sich — mit Ausnahme des Sonderfalles Süd-Rhodesiens 326 — u m militärische Zwischenfälle, an denen unabhängige schwarzafrikanische Staaten beteiligt waren. Fragt man nach den Ursachen der divergierenden A k t i v i t ä t von SR und GV, so scheint die A n t w o r t zunächst sehr einfach. Ein Blick auf das Stimmverhalten der Mitgliedstaaten läßt „die Schuldigen" erkennen. Es sind die westlichen Staaten, die aufgrund ihrer starken Stellung i m SR dort alle weitergehenden Vorschläge blockiert haben und die i n der GV von der Mehrheit der afroasiatischen und der OstblockStaaten überstimmt wurden. Auch der Grund für dieses Stimmverhalten — die nicht zu leugnenden starken Kapitalinteressen der westlichen Länder i m südlichen Afrika — scheint schnell gefunden. Nicht nur die Tatsache, daß auch bei der Gegenseite derartige politische Motive keineswegs ausgeschlossen scheinen, läßt an der Richtigkeit dieser allzu einfachen Erklärung zweifeln. Neben den bereits erwähnten rechtlichen Bedenken gegen die gleichzeitige Befassung von 323 Südafrika: A/RES/3151 G ( X X V I I I ) v o m 14.12.1973. Namibia: A/RES/ 3111 ( X X V I I I ) v o m 12. 12.1973. Südrhodesien: A/RES/3115 ( X X V I I I ) v. 12.12. 1973. Daß es sich bei der Anerkennung der Befreiungsbewegungen nicht u m eine ausschließlich auf das südliche A f r i k a begrenzte Entwicklung, sondern offensichtlich u m einen ganz neuen Aspekt der internationalen Beziehungen handelt, hat spätestens der spektakuläre A u f t r i t t des Palästinensers Arafat vor der GV deutlich gemacht. Vgl. zu dieser Entwicklung bes. Tomuschat V N 1974 S. 65 ff., 110 ff. 324 s. auch Röling S. 117 (Diskussion). 325 v g l . oben I I , 1. Kap., 9. Abschn. 326 v g l . hierzu i.e. oben I I , l . K a p . , 5. Abschn.; 9. Abschn.

9. Abschn. : Südliches A f r i k a — Satzungsmäßigkeit der Resolutionen

153

SR und GV und gegen die Empfehlung von Zwangsmaßnahmen durch die GV gibt auch die gefundene Definition der „Friedensbedrohung" hinsichtlich nahezu aller Merkmale Anlaß zu Zweifeln an der Zulässigkeit dieser Praxis. M i t der friedenswahrenden Funktion der V N nur schwer vereinbar scheint auch die Anerkennung des bewaffneten Befreiungskampfes und die Aufforderung zur Hilfeleistung an bestimmte Freiheitsbewegungen. Vor allem der Verwendung des Begriffes „Friedensbedrohung" durch die GV soll i m folgenden nachgegangen werden, da — unabhängig von allen Bedenken, die sich aus der Kompetenzverteilung ergeben — die Tätigkeit der GV sich nur dann i m Rahmen der Satzung bewegen kann, wenn sie i n den Situationen des südlichen Afrika zu Recht eine Friedensbedrohung angenommen hat. H. Die Vereinbarkeit der Bezeichnung interner Zustände im südlichen Afrika als Friedensbedrohung mit dem Begriff der Satzung

Wenn i m folgenden von der Auffassung der GV die Rede ist, die der Annahme einer Friedensbedrohung zugrundeliegt, so ist sich der Verfasser darüber i m klaren, daß die Gründe, die die einzelnen M i t gliedstaaten dazu bewogen haben, von einer Friedensbedrohung zu sprechen, durchaus unterschiedlicher Natur sind. Zahlreiche Stellungnahmen gerade der afro-asiatischen Mitgliedsstaaten spiegeln zudem mehr die durchaus verständliche Empörung über die Zustände i m südlichen Afrika als rechtliche Überlegungen über den Inhalt des so häufig verwendeten Begriffes Friedensbedrohung wieder. 1. „Potentielle Gefahren" und „freies Ermessen" bei der Bestimmung des Sanktionsempfängers Sieht man von der reichlich verwendeten Propaganda m i t ihren „verbalen Exzessen" 327 ab, so kommen als Grundlage der Auffassung der GV zunächst einige jener Vorstellungen über den Inhalt des Begriffes Friedensbedrohung i n Betracht, die bereits i m ersten Teil dieser Untersuchung als m i t der Charta unvereinbar abgelehnt wurden. Hier ist i n erster Linie an die Einbeziehung auch potentieller Gefahren für den internationalen Frieden zu denken. Wie die häufige Beschwörung des großen Rassenkrieges i m ganzen südlichen Afrika zeigt, der eine unvermeidliche Folge der Politik der weißen Macht327 virally, L'organisation S. 246: „ E n particulier, les excès de verbalisme et le radicalisme d u Comité des 24 l u i ont fait perdre progressivement tout prestige auprès des Occidentaux."

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I I . 2. Kap.: Praxis der GV

haber sei 328 , sehen offensichtlich eine ganze Reihe von Staaten i n der Apartheidspolitik oder i n der portugiesischen Kolonialpolitik auch deshalb eine Friedensbedrohung, weil die Unterdrückung der farbigen Bevölkerung eines Tages andere Staaten zu einem bewaffneten Eingreifen veranlassen könnte 3 2 9 . Diese Auffassung verkennt nicht nur, daß der Begriff der Friedensbedrohung potentielle Gefahren nicht erfaßt 3 3 0 , sondern läßt darüber hinaus auch eine höchst bedenkliche Einstellung zur Bedeutung des Gewaltverbotes erkennen. Einerseits werden Akte der verbotenen Gewalt als „unabwendbar ins K a l k ü l " 3 3 1 gezogen, obwohl sie nach der Satzung völlig, also auch zur Rechtsdurchsetzung verboten sind 3 3 2 . Andererseits werden diese Gewalthandlungen faktisch a priori gutgeheißen, indem gegen das potentielle Opfer, welches sie — tatsächlich oder vorgeblich — herausgefordert hat, vorbeugende Zwangsmaßnahmen verhängt werden. I n diesem Zusammenhang scheint auch die Auffassung eine Rolle zu spielen, den Organen der V N sei bei der Bestimmung des Sanktionsempfängers ein freies Ermessen eingeräumt 3 3 3 . Alle diese Ansichten sind — wie i m interpretatorischen Teil i. e. dargelegt — mit der Satzung der V N nicht zu vereinbaren. Zwangsmaßnahmen nach Art. 41 ff. SVN sind gegen den Staat zu richten, dessen Verhalten eine Friedensbedrohung darstellt bzw. hervorgerufen hat 3 3 4 . Aus dem großen Kreis der möglichen Verursacher kommt als Sanktionsempfänger somit nur der Staat in Betracht, der als erster 3 3 5 Gewalt 328 s. oben I I , 1. Kap., 5. Abschn., B. 329 So auch Köck ÖZÖR 22 (1971) S. 333 f. Dieser Gedanke fand besonders deutlichen Ausdruck i m Bericht der Kommissionen I V u n d V der „ I n t e r national Conference on Economic Sanctions against South Africa" (1964), an der vornehmlich Delegierte aus der D r i t t e n Welt u n d dem Ostblock teilnahmen: " A l l peoples neighbouring on a State which systematically oppresses people like them and which refuses to negotiate about, or even to discuss, its oppressive policies are bound to resent this situation intensely and, i f a l l other recourse is exhausted, to consider m i l i t a r y means'" (in: Ronald Segal S. 263). 330 s. oben I, 2. Kap., 3. Abschn. 331 Köck ÖZÖR 22 (1971) S. 334. 332 Ablehnend auch Köck ebd. S. 334. 333 s. oben I, 2. Kap., 2. Abschn. 1. U-Abschn. B. 1. c). 334 s. A n m . 332 sowie oben I, 6. Kap., 2. Abschn. ; ähnlich w i e hier auch Fenwick A J I L 61 (1967) S. 755. 335 Gerade dieses M e r k m a l ist freilich i m Zusammenhang m i t den V e r suchen zur Definition der Aggression i n der GV äußerst umstritten gewesen. Die ablehnende H a l t u n g besonders der U S A gegenüber ähnlichen sowjetischen Vorschlägen w a r offensichtlich zu einem nicht unerheblichen Teil von Vorstellungen über vorbeugende Selbstverteidigung u n d Zulässigkeit von Gewaltmaßnahmen zur Verteidigung von Rechten u n d Interessen geprägt (s. Stone, Aggression S.70 f.), deren Vereinbarkeit m i t dem Wortlaut der Art. 2 Z. 4 S V N u n d 51 S V N mehr als problematisch erscheint u n d die zudem auch die Bedeutung des physischen Gewaltverbots verkennen dürften. Durch

9. Abschn.: Südliches A f r i k a — Satzungsmäßigkeit der Resolutionen

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anwendet oder androht, und zwar unabhängig davon, wie haarsträubend und völkerrechtswidrig das Verhalten des anderen Staates auch sein mag, das i h n zu diesem Eingreifen bewogen hat 3 3 6 . Nur so w i r d der besonderen Bedeutung des Gewaltverbots i m System der Satzung und bei der Wahrung des Weltfriedens Rechnung getragen. Jede andere Lösung würde die A r t . 41 ff. SVN nicht nur ihres Charakters als Reaktion auf eine Verletzung des Gewaltverbots entkleiden und auf dem Umweg über die verbotene Gewaltanwendung durch einen anderen Staat auch die Sanktionierung anderer Völkerrechtsverletzungen als des Gewaltverbots gestatten, sondern i m Ergebnis auch auf eine weitere Ausnahme vom Gewaltverbot bis hin zur Anerkennung „gerechter Kriege" 3 3 7 hinauslaufen. Es würde geradezu einen Anreiz dafür bieten, die Begrenztheit der nach der Charta und dem modernen Völkerrecht möglichen Sanktionen durch Säbelrasseln zu überspielen, wenn als „Belohnung" einer derart halsbrecherischen Politik die mögliche Erfüllung von auf friedlichem Wege nicht durchsetzbaren Forderungen winkte. Zu Recht w i r d deshalb als Aufgabe des SR — und dies muß gegebenenfalls auch für die GV gelten — nicht die Lösung des zugrundeliegenden Konflikts, sondern die Beseitigung der Friedensbedrohung angesehen 338 . Da die Friedensbedrohung aber erst durch die Androhung von Gewalt entsteht — vorher liegt allenfalls eine potentielle Gefahr i. S. des V I . Kapitels vor — kann auch ihre Beseitigung nur durch ein — notfalls durch Sanktionen unterstütztes — Vorgehen gegen die Partei bzw. die Parteien erfolgen, die das Gewaltverbot verletzen. So verständlich daher die starken Empfindungen der afrikanischen Völker gegenüber der Fortdauer kolonialer Positionen auch sind, so sehr bleibt doch zu bedenken, daß nach der bestehenden Ordnung — wie auch hinsichtlich des Befreiungskrieges noch auszuführen sein w i r d — eine Verwirklichung des angestrebten Zieles der Entkolonialisierung m i t Gewalt von der Charta nicht gutgeheißen wird. 2. Die Besonderheit der Fälle des südlichen Afrika: Friedensbedrohung durch Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts Die häufige Erwähnung der Freiheitskämpfer, die Forderung, sie als Kriegsgefangene zu behandeln sowie die Tatsache, daß die GV das die Aufnahme dieses Merkmals i n die ,Definition of Aggression' dürfte die Diskussion nunmehr zugunsten der hier vertretenen Ansicht abgeschlossen sein; vgl. noch Frowein, Friedenssicherung S. 54 f.; Baginjan S. 265 - 267. 336 Ebenso Köck ÖZÖR 22 (1971) S.334; Verdross V R S. 551, 556 f.; ähnlich auch Seidl-Hohenveldern V R Rz. 1294 (S. 294). 337 s. Köck ÖZÖR 22 (1971) S. 334. 338 Aréchaga , Derecho constitucional S. 374.

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Vorliegen einer akuten Spannungslage — etwa zwischen Südafrika und seinen Nachbarn — allenfalls als Verschlimmerung der Situation, nicht aber als konstitutives Element einer Friedensbedrohung gewertet hat, läßt indes vermuten, daß die Erwähnung eines möglichen Konflikts zwischen unabhängigen Staaten — sei es aufgrund eines militärischen Vorgehens Südafrikas, sei es aufgrund eines Eingreifens der umliegenden afrikanischen Staaten oder der O A U — nur ein zusätzliches Argument für das Vorliegen einer Friedensbedrohung darstellt. Offensichtlich ist die Mehrheit i n der GV der Ansicht, daß allein die Zustände in diesen Gebieten ohne Berücksichtigung ihrer Rückwirkungen auf das Verhältnis Südrhodesiens, Südafrikas und früher Portugals zu anderen unabhängigen Staaten die Annahme einer Friedensbedrohung rechtfertigen. Es liegt nahe, in diesem Zusammenhang zunächst an jene Auffassung zu denken, die auch Bedrohungen des internen Friedens i n einem Staat als Friedensbedrohung i. S. d. Art. 39 SVN ansieht und die — wie oben 3 3 9 i. e. dargelegt wurde — mit dem Sprachgebrauch der Satzung nicht vereinbar ist. Indes vermögen weder die Annahme einer derartigen Bedrohung des inneren Friedens noch die Existenz gewisser potentieller Gefahren für den internationalen Frieden die außergewöhnliche A k t i v i t ä t der GV gerade i n den Fragen des südlichen Afrika zu erklären. Sowohl potentielle Gefahren für den Weltfriedens als auch Bedrohungen des internen Friedens gibt es auch an anderen Stellen der Welt, ohne daß die GV sich zur Feststellung einer Friedensbedrohung oder gar zur Empfehlung von Zwangsmaßnahmen veranlaßt gesehen hätte. Der Schlüssel für die Auffassung der GV ist demnach i n einer Besonderheit zu suchen, die allen Gebieten des südlichen Afrika gemeinsam ist: in der Beherrschung einer farbigen Mehrheit der Bevölkerung durch die weiße Minderheit und i n der Entschlossenheit der weißen Machthaber, diese Position auch weiterhin und notfalls unter Einsatz physischer Gewalt zu behaupten. Zwei Begriffe kennzeichnen diese Politik: Kolonialismus und Rassismus bzw. Apartheid — beide i n zahllosen Resolutionen der GV zu Fragen des südlichen Afrika angeprangert und beide auch expressis verbis als Friedensbedrohung gekennzeichnet 340 .

339 s. I, 5. Kap. 340 Kolonialismus: Vgl. aus neuerer Zeit die Resolution A/RES/2902 ( X X V I I ) v o m 18.12.1972; entgegen Köck (ÖZÖR 22 [1971] S.333 A n m . 20) bezeichnet die Resolution A/RES/1514 (XV) dagegen nicht den fortdauernden Kolonialismus als Friedensbedrohung, sondern n u r die hieraus resultierenden „ i n creasing conflicts"; anders aber schon A/RES/2105 (XX) v o m 20.12.1965 u n d A/RES/2326 ( X X I I ) v o m 16. 12.1967, die jeweils ausdrücklich betonen, die Fortsetzung der Kolonialherrschaft bedrohe den internationalen Frieden. Rassismus: Vgl. die vorstehend zitierten Resolutionen zur Apartheidfrage (oben I I , 2. Kap., 9. Abschn., 1. U-Abschn.).

9. Abschn.: Südliches A f r i k a — Satzungsmäßigkeit der Resolutionen

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Beide Begriffe werden i n der Praxis der GV bereits frühzeitig nahezu synonym gebraucht 341 . So spricht bereits die „Declaration on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples" 342 davon, daß zur Vermeidung ernster Krisen „an end must be put to colonialism and all practices of segregation and discrimination associated therew i t h " . Und wenn es i n dieser Resolution an anderer Stelle heißt, die Völker der Welt wünschten „ardently the end of colonialism i n all its manifestations", so fällt es nicht schwer, bei den „manifestations" i n erster Linie an Rassismus bzw. Apartheid zu denken — eine Vermutung, die durch spätere Resolutionen der GV bestätigt w i r d 3 4 3 . Häufig w i r d auch die Aufrechterhaltung der weißen Herrschaft mit Hilfe des Rassismus als neuer, als „Neokolonialismus" bezeichnet 344 — ein Ausdruck, der u m so näher liegt, als alle Systeme des südlichen Afrika ihre Existenz dem Kolonialismus verdanken. Die der Annahme einer Friedensbedrohung zugrundeliegende Auffassung der Mehrheit i n der GV w i r d man danach etwa mit den folgenden Sätzen kennzeichnen können, die für Rassismus und Kolonialismus i m südlichen Afrika gleichermaßen gelten: Die Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts durch die weißen Machthaber, der Versuch, durch administrative (Apartheid) oder militärische Unterdrückung die Herrschaft der Minderheit oder der Kolonialmacht zu verewigen, bedroht den Frieden, da sie früher oder später zu einem bewaffneten Konflikt mit der farbigen Mehrheit dieser Gebiete führen muß 3 4 5 . Hieraus folgt das Recht der VN, notfalls mit Zwangsmaßnahmen eine Änderung dieser Politik zu erzwingen. Die gemeinsame Wurzel der Bezeichnung ansonsten doch recht unterschiedlicher Situationen i n den Gebieten des südlichen Afrika 341 Kritisch hierzu m i t Recht Virally, L'organisation S. 234. 342 A/RES/1514 (XV) v o m 14.12.1960. 343 Vgl. etwa A/RES/2326 ( X X I I ) u n d A/RES/2465 ( X X I I I ) , i n denen es übereinstimmend heißt: "Bearing i n m i n d that the continuation of colonialism and its manifestations, including racism and apartheid . . " 344 v g l . statt vieler n u r die Ausführungen der Delegierten der Ostblockstaaten u n d der Entwicklungsländer vor dem 24er Ausschuß i n U N M O 1970/7 S. 59 - 69, i n denen an Ausführungen wie „neo-colonialist forces" (Jugoslawien), „colonialist racist regimes i n southern A f r i c a " (UdSSR), „colonialism i n each territory" (Afghanistan), „the most recalcitrant and the most oppressive colonial system w i t h a l l its degrading forms of racial policies" (Äthiopien) kein Mangel herrscht. 345 v g l . hierzu den Bericht der Kommissionen I V u n d V der „International Conference on Economic Sanctions against Sörth A f r i c a " (1964), i n Ronald Segal S. 263 : "The threat to the peace arises i n the first instance from the policies and practices which the South African Government imposes by the threat and use of force on the m a j o r i t y of the population over which i t has control."

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I I . 2. Kap.: Praxis der GV

ist danach die Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts 346 , die von der GV bereits i m Jahre 1960 ausdrücklich als Bedrohung des internationalen Friedens bezeichnet worden ist 3 4 7 . Die Besonderheit dieser Auffassung liegt somit darin, daß hier nicht auf aggressive Handlungen gegenüber oder durch unabhängige Staaten, sondern auf eine Politik abgestellt wird, die i n ihrer Zielrichtung — wenn auch nicht i n ihren Auswirkungen — auf die Bevölkerung des beherrschten Gebietes beschränkt ist. Die Bedenken, die sich hinsichtlich der Vereinbarkeit dieser Auffassung mit der gefundenen Definition ergeben, sind offensichtlich. U m zu einer Übereinstimmung zu gelangen, müßte zunächst eine militärische Gewaltanwendung oder Gewaltandrohung vorgelegen haben, was i n den portugiesisch beherrschten Territorien unzweifelhaft, i n Südrhodesien i n sehr begrenztem Umfange und i n Südafrika und Namibia kaum der Fall war. Noch fraglicher aber muß die zweite Voraussetzung erscheinen: die Annahme internationaler Beziehungen zwischen weißen Machthabern und farbiger Bevölkerung. Der Frage, ob diese nach dem geltenden Völkerrecht unerläßliche Voraussetzung i n den Gebieten des südlichen Afrika erfüllt ist bzw. — portugiesisch beherrschte Territorien — war, soll i m folgenden Teil nachgegangen werden. Ihre positive Beantwortung ist für die Vereinbarkeit der Praxis der GV hinsichtlich der Gebiete des südlichen Afrika mit der Charta der V N von ausschlaggebender Bedeutung. 3. Die Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts — eine Gewaltanwendung in den internationalen Beziehungen? Internationale Beziehungen — diese Aussage läßt die wörtliche Auslegung zu — sind nicht Beziehungen zwischen Staaten und innerhalb ihrer Grenzen lebenden Einzelmenschen, sondern zwischen Gemeinwesen i. S. von sozialen Verbänden 3 4 8 , m i t h i n zwischen einer organisierten Vielzahl von Menschen auf beiden Seiten. Grundsätzlich sind aber auch die Beziehungen organisierter, klar abgrenzbarer Gruppen innerhalb völkerrechtlich etablierter Grenzen bzw. innerhalb eines 346 Emerson A J I L 65 (1971) S. 467; vgl. auch Brownlie, Principles S. 551. Rassismus w i r d also dort zum Unterfall der Verletzung des Selbstbestimmungsrechts, wo die Herrschaft von einer rassistischen Minderheit ausgeübt w i r d . Die enge Verbindung der Bekämpfung der rassischen Diskriminierung u n d des Prinzips der Selbstbestimmung i n der Praxis der V N hebt auch Scheuner (Wandlungen S. 23) hervor. 347 A/RES/1542 (XV) v o m 15.12.1960 (Präambel Abs. 3): "Recognizing . . . that the denial of their ( = peoples) right to self-determination constitutes a threat to the wellbeing of humanity and to international peace." 348 Dahm I S. 70.

9. Abschn.: Südliches A f r i k a — Satzungsmäßigkeit der Resolutionen

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Staates zu diesem Staat oder untereinander nationaler und nicht internationaler Natur. Selbst die schärfste Auseinandersetzung zwischen derartigen Gruppen — der echte Bürgerkrieg — w i r d i m Völkerrecht ganz überwiegend als nationaler Konflikt angesehen, auf den das völkerrechtliche Gewaltverbot des A r t . 2 Z. 4 SVN keine Anwendung finde 3 4 9 . Die gleiche Ansicht vertrat zumindest die herkömmliche Völkerrechtslehre auch i m Hinblick auf die Gewaltanwendung i n Kolonien oder Protektoraten 3 5 0 . Wie sich aus A r t i k e l 2 Z. 4 ergibt, versteht auch die Satzung der V N — ebenso wie westliche 3 5 1 und östliche 352 Völkerrechtslehrer — unter internationalen Beziehungen zumindest i n erster Linie die Beziehungen unter den Mitgliedern, m. a. W. zwischen Staaten. Da selbst die relativ erfolgreichsten Freiheitsbewegungen i n den portugiesisch beherrschten Gebieten mit Sicherheit noch keine Staaten waren, fragt es sich, ob die Beziehungen der Kolonial- oder Minderheitsregime i m südlichen Afrika zu Teilen der von ihnen beherrschten Bevölkerung deshalb als internationale Beziehungen bezeichnet werden können, weil dieser Mehrheit der Bevölkerung die — innere oder äußere — Selbstbestimmung verweigert wird. Hierfür könnte folgende Überlegung sprechen: Wenn das Selbstbestimmungsrecht 353 eine geltende Völkerrechtsnorm darstellt, die sowohl die Staaten zu seiner Berücksichtigung verpflichtet als auch bestimmten Gruppen ein völkerrechtliches Recht auf Selbstbestimmung einräumt, so wäre zu prüfen, ob diese Gruppe nicht wenigstens insoweit als Völkerrechtssubjekt und ihre Beziehungen zu dem Staat i n dem oder unter dessen Herrschaft sie lebt, als „internationale" anzusehen sind, als es um die Verwirklichung dieses Rechts geht 3 5 4 . Diese Auffassung w i r d seit langem von der Völkerrechtslehre der kommunistischen Welt vertreten.

349 s. i. e. Rauschning S. 76 m. w. N., ferner Frowein S. 47 m. w. N., Verdross V R S. 552. S50 So etwa Wehberg RdC 78 (1951 I) S. 73: „ I I est inutile de se demander ici si la répression d'un soulèvement aux colonies constituera u n j o u r une guerre „internationale". Ce n'est pas le cas en droit actuel"; Bowett , SelfDefence S. 149; Q. Wright A J I L 50 (1956) S. 525 (im Hinblick auf den Begriff des Friedensbruchs); Virally, L'organisation S. 445; Rauschning S. 80, 83; s. auch unten A n m . 447. 351 Oppenheim / Lauterpacht I I S. 153. 352 Tunkin I I S. 57: „die internationalen Beziehungen sind j a Beziehungen zwischen Staaten"; Arzinger S. 271. 353 Der Begriff „Selbstbestimmungsrecht" w i r d hier wie i m folgenden i m untechnischen Sinne verwendet. 354 s.Berber I S. 178; ähnliche Erwägungen ohne direkten Bezug auf das Selbstbestimmungsrecht finden sich auch bei Bowett, Self-Defence S. 149 f.

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I I . 2. Kap.: Praxis der GV

a) Der nationale Zuständigkeitsbereich der Staaten (Art. 2 Z. 7 SVN) Bevor i m einzelnen auf die kommunistische Argumentation eingegangen und bevor die Frage untersucht werden soll, ob und inwieweit die Mehrheit i n der GV dieser Argumentation der kommunistischen Völkerrechtslehre folgt, ist eine andere Frage zu erörtern. Ist nicht die auf dem Selbstbestimmungsrecht fußende Annahme internationaler Beziehungen zwischen verschiedenen Gruppen innerhalb eines Staates, eines de facto-Regimes oder innerhalb internationaler Grenzen schon deshalb fragwürdig, weil derartige Fragen der Rechte von Menschen oder Gruppen grundsätzlich zur inneren Zuständigkeit der jeweils effektiven örtlichen Herrschaftsgewalt gehören, so daß — überspitzt ausgedrückt — jedes Regime m i t seinen Staatsangehörigen oder Gewaltunterworfenen, die nicht Bürger eines anderen Staates sind, nach Belieben verfahren kann? Gehört die Politik der weißen Machthaber, wie diese es seit Beginn der Beratungen i n den V N behauptet haben, zum „domaine réservé" Südafrikas oder Portugals und sind die V N somit von Rechts wegen an einer Befassung mit diesen Problemen durch A r t . 2 Z. 7 SVN gehindert? Da von internationalen Beziehungen gewiß nicht die Rede sein kann, wenn es sich u m Fragen der wesensmäßig inneren Zuständigkeit i. S. des A r t . 2 Z. 7 SVN handelt, ist diese Frage vorrangig zu erörtern. Die aktuelle Reichweite des i n Art. 2 Abs. 7 SVN verankerten Prinzips der „domestic jurisdiction" gehört zu den umstrittensten Fragen des modernen Völkerrechts. Erst kürzlich hat Köck den Weg nachgezeichnet 3 5 5 , den die Auslegung dieses ursprünglich so umfassend konzipierten 3 5 6 Verbotes i n der Praxis der Weltorganisation, vornehmlich der GV, genommen hat. Er unterscheidet 357 drei verschiedene Stoßrichtungen des „Angriffs" auf den „domaine réservé" der Staaten, die schrittweise zur weitgehenden Einschränkung des Art. 2 Z. 7 SVN geführt haben. Zunächst hat man i m Wege einer einschränkenden Auslegung des Verbs „to intervene" ein Diskussions- und Empfehlungsrecht der Organisation auch hinsichtlich innerer Angelegenheiten bejaht 3 5 8 , ja sogar versucht, das Verbot des Eingreifens auf Interventionen i m tech355 i n ÖZÖR 22 (1971) 327 ff. 356 Z u den Intentionen der Satzungsväter vgl. ausführlich Köck ÖZÖR 22 (1971) S. 337 -340; L. Preuss RdC 74 (1949 I) S. 573 -604; Bindschedler RdC 108 (1963 I) S. 391 - 394. 357 Köck ÖZÖR 22 (1971) S. 331 - 337. 358 Dies dürfte heute als gesicherte Praxis gelten; s. i. e. Köck ÖZÖR 22 (1971) S. 329, 336 f.; Verdross V R S. 513-516; Oppermann ArchVR Bd. 14 (1969/70) S. 339.

9. Abschn.: Südliches A f r i k a — Satzungsmäßigkeit der Resolutionen

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nischen Sinne zu beschränken 359 , obwohl der letzte Halbsatz von A r t . 2 Z. 7 S V N 3 6 0 gerade diese ausdrücklich für zulässig erklärt hat 3 6 1 . Während diese Auslegung den Kreis der inneren Angelegenheiten noch weitgehend unangetastet ließ und lediglich die Eingriffsbefugnisse der Organisation auszuweiten trachtete, hat man i n der Folgezeit versucht, auch diesen i n einer den Intentionen der Satzungsväter wohl widerlaufenden Weise einzuschränken. Hierbei lassen sich nach Köck zwei Argumentationen unterscheiden. Die erste erkennt i n deutlicher Anlehnung an das unter der Geltung der VBS erstellte Gutachten des StIGH i n der Frage der Staatsbürgerschaftsdekrete i n Tunesien und Marokko 3 6 2 als innere Angelegenheiten nur solche an, bei denen kein internationaler Anknüpfungspunkt besteht 363 . Ein solcher Anknüpfungspunkt w i r d hierbei zunächst dann bejaht, wenn die betreffende Materie i n völkerrechtlich relevanter Weise — vornehmlich also durch bi- oder multilaterale Verträge oder durch völkerrechtliches Gewohnheitsrecht — geregelt wird. Diese Argumentation findet sich i n der OVN bereits i m Zusammenhang mit der Behandlung der Bürger indischer Herkunft i n Südafrika 3 6 4 . Wegen der von Indien behaupteten vertraglichen Bindung Südafrikas ist diese Frage bis i n das Jahr 1961 hinein von dem Problem der Behandlung der farbigen Bürger getrennt worden 3 6 5 . Schon frühzeitig lassen sich freilich Bestrebungen i n den V N nachweisen, das Erfordernis der Regelung sehr großzügig auszulegen und etwa bereits die Erwähnung der Menschenrechte i n der Satzung der VN, zumindest aber die nachfolgenden Resolutionen und Kodifikationen der GV als ausreichenden völkerrechtlichen Anknüpfungspunkt anzusehen 366 . Eine noch weitergehende Auffassung läßt bereits die Besorgnis der internationalen Gemeinschaft über bestimmte Vorgänge genügen, um aufgrund dieses „international concern" i n interne Vorgänge einzugreifen 3 6 7 . 359 So besonders Lauterpacht RdC 70 (1947 I) S. 1 9 - 2 3 ; s. auch oben I I , 2. Kap., 9. Abschn., l . U - A b s c h n . 360 Er lautet i n deutscher Ubersetzung (Schätzel S. 21): „ ; die Anwendung von Zwangsmaßnahmen gemäß K a p i t e l V I I w i r d durch diesen Grundsatz nicht berührt." 361 Gegen diese Auffassung zutreffend auch Verdross V R S. 513; Köck ÖZÖR 22 (1971) S. 329; Bindschedler RdC 108 (1963 I) S. 391. 362 C P J I Sèrie Β Nr. 4 S. 16 ff. (24); s. hierzu i.e. Köck ÖZÖR 22 (1971) S. 331 f. Anm. 17. 363 s. hierzu i. e. Köck ÖZÖR 22 (1971) S. 331 f. 364 Vgl. etwa Y U N 1946/47 S. 146; Y U N 1950 S. 398; Y U N 1956 S. 140; Y U N 1957 S. 103; Y U N 1958 S. 87. 365 vgl. Y U N 1962 S. 93. 366 s. bereits Y U N 1946/47 S. 146 (Inder i n Südafrika). 11 Arntz

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I I . 2. Kap.: Praxis der GV

Oft mit der vorstehend skizzierten vermischt findet sich i n der Praxis der V N eine weitere Argumentation, die — wie Köck richtig bem e r k t 3 6 8 — zumindest formal vom letzten Halbsatz des Art. 2 Z. 7 SVN ausgeht, der die Anwendung von Zwangsmaßnahmen nach dem V I I . Kapitel ausdrücklich vom Interventionsverbot ausnimmt 3 6 9 . Sie ist für die vorliegende Untersuchung von besonderem Interesse, da sie einerseits den letzten Halbsatz von A r t . 2 Z. 7 SVN zur Auslegung des Begriffs „Friedensbedrohung" heranzieht, andererseits über die i m interpretatorischen Teil i. e. geschilderte ausdehnende Auslegung dieses Begriffes den „domaine réservé" der Staaten einschränkt. Ausgangspunkt dieser Argumentation ist die Behauptung, die Gründungsväter der Satzung hätten mit dieser Formulierung eine Eingriffsmöglichkeit i n innere Zustände schaffen wollen, hierbei aber offensichtlich übersehen, daß diese Ausnahme nur für die Friedensbedrohung Bedeutung besitze, da Friedensbrüche und Aggressionshandlungen schon eine Wirkung „inter ceteros" hervorgerufen hätten und daher sinnvollerweise nicht mehr unter die internen Angelegenheiten eines Staates gerechnet werden könnten 3 7 0 . Handlungen eines Staates oder Situationen innerhalb eines Staates, die den Frieden bedrohen, gehören — so schloß man — nicht zu den wesensmäßig inneren Zuständen und fallen daher auch nicht unter das Interventionsverbot des Art. 2 Z. 7 SVN 3 7 1 . Daß weder der Wortlaut noch die Entstehungsgeschichte des Nachsatzes von A r t . 2 Z. 7 SVN die dieser Argumentation zugrundeliegende These tragen, es gebe wesensmäßig innere Zustände, die den Frieden bedrohen, ist bereits i n anderem Zusammenhang ausgeführt worden 3 7 2 . Wesensmäßig innere Angelegenheiten i m Sinne des A r t . 2 Z. 7 SVN können allenfalls mittelbare, potentielle, nie aber unmittelbare, auslösende Ursache einer Friedensbedrohung sein. Es ist i m Rahmen einer Arbeit über den Begriff der Friedensbedrohung nicht möglich, sich ausführlich mit dem heutigen Verhältnis von Menschen- oder Gruppenrechten und innerer Zuständigkeit der Staaten auseinanderzusetzen. Dies ist an anderer Stelle und von kompetenterer Seite geschehen 373 . 367 s. i.e. Köck ÖZÖR 22 (1971) S.337; Howell , Proceedings 48 (1954) S.92; gegen diese das Verbot des A r t . 2 Z. 7 S V N völlig aushöhlenden Tendenzen bereits Wehberg, ArchVR 1950 I I , S. 263. 368 S. 332. 369 s. vorstehend A n m . 360 (wörtliches Zitat). 370 So etwa Köck ÖZÖR (1971) S. 332. 371 s. i. e. Köck ÖZÖR (1971) S. 332 f. 372 Oben I, 6. Kap., 2. Abschn.

9. Abschn.: Südliches A f r i k a — Satzungsmäßigkeit der Resolutionen

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Keine Untersuchung kann indes an der Tatsache vorbeigehen, daß alle Organe der V N und fast alle Mitgliedstaaten heute davon ausgehen, daß systematische Verletzungen des Diskriminierungsverbotes wie die Politik der Apartheid ebenso wie eine Fortsetzung der Kolonialpolitik mit anderer Etikettierung heute nicht mehr zu den von Art. 2 Z. 7 SVN erfaßten inneren Angelegenheiten gehören 374 . Diese A u f fassung w i r d heute auch von den westlichen Staaten vertreten, die — wie etwa die U S A 3 7 5 — die Bezeichnung dieser Politik als Friedensbedrohung i. S. der Satzung ablehnen. Man w i r d daher sagen können, daß zumindest schwere Verletzungen der Menschenrechte — und zu ihnen zählt die rassische Diskriminierung — heute in immer stärkerem Maße als eine internationale Angelegenheit empfunden werden. Eine rechtliche Begründung dieser von den Intentionen der Verfasser der Satzung wohl abweichenden Behandlung w i r d durch die Praxis der V N und ihrer Mitgliedsstaaten nicht gerade erleichtert, die zwar zu den Ereignissen i m südlichen Afrika und neuerdings auch i n Israel entschieden Stellung beziehen, andere und wohl nicht minder gravierende Verletzungen der Menschenrechte 376 dagegen weitgehend unbeachtet lassen. Dieser Mangel an Konsequenz, der die Haltung zahlreicher Mitgliedsstaaten kennzeichnet, ist um so bedauerlicher, als er auch die Praxis der V N dem Vorwurf des ,double standard 4 aussetzt und sich damit letztlich auch schädlich auf das Ziel — die universale Durchsetzung der Menschenrechte — auswirkt. Trotz dieser Bedenken und trotz der verschwommenen Konturen des Prinzips der „domestic jurisdiction" w i r d man angesichts der Praxis von GV und SR und der hierin zum Ausdruck kommenden Auffassung nahezu aller Mitgliedstaaten weder die Politik der Apartheid noch die frühere portugiesische Kolonialpolitik als innere Angelegenheiten ansehen können, zu denen die V N von Rechts wegen nicht einmal detailliert Stellung nehmen dürfen 3 7 7 . Hieraus läßt sich indes nicht der gegenteilige Schluß ableiten, daß nun auch die Beziehungen der Bevölkerungsgruppen innerhalb dieser Gebiete internationale Beziehungen i. S. des A r t . 2 Z. 4 SVN und der hier gefundenen Definition der Friedensbedrohung sind. Die Bejahung der internationalen Zu373

Vgl. aus neuerer Zeit bes. die Arbeiten von v. Münch S. 27 ff.; Ermacora RdC 124 (1968 II) S. 371 ff., bes. S. 435 -444; Verdross , Les affaires S. 45 ff.; Köck ÖZÖR 22 (1971) S. 327-361. 3 74 Brownlie, Principles S. 287. 375 Vgl. oben I I , 2. Kap., 9. Abschn., 1. U-Abschn. 376 M a n denke etwa an gewisse Stammesfehden i n A f r i k a oder die K u r d e n frage. 377 Delbrück, Rassenfrage S. 106. 1*

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ständigkeit bedeutet zunächst nur, daß die OVN an einer Befassung m i t dieser Materie nicht durch Art. 2 Z. 7 SVN gehindert ist. International ist die Angelegenheit, weil Aktivitäten der Staaten auf diesem Gebiet nunmehr gewissen Beschränkungen durch das internationale Recht unterliegen 3 7 8 und somit jeder Verstoß gegen dieses internationale Recht zwangsläufig das Verhältnis zwischen dem Verletzerstaat und anderen betroffenen Staaten bzw. der zur Wahrung bestimmten Rechte berufenen Organisation berührt. A u f den Charakter der Auseinandersetzung in dem betreffenden Staat kann hieraus aber nicht geschlossen werden. Aus Art. 2 Z. 7 SVN läßt sich somit ein brauchbares K r i t e r i u m für die hier entscheidende Frage, ob die Beziehungen der verschiedenen Gruppen i n diesen Gebieten als internationale bezeichnet werden können, nicht herleiten. Da die Resolutionen der V N eine Begründung für die Annahme der Internationalität des drohenden oder stattfindenden Konflikts nicht enthalten und auch die Delegierten der afro-asiatischen und der Ostblockstaaten diese zumeist ohne nähere Begründung unterstellen, soll i m folgenden zunächst die bejahende Auffassung der kommunistischen Völkerrechtslehre dargestellt und anschließend untersucht werden, inwieweit diese Auffassung über Rechtscharakter und Rechtsfolgen des Selbstbestimmungsrechts m i t der Haltung der Staaten der Dritten Welt und letztlich auch der Haltung der GV übereinstimmt. b) Das Selbstbestimmungsrecht der Völker als Grundlage der Auffassungen von der Internationalität der Konflikte und der Rechtmäßigkeit des Befreiungskampfes a) Die Auffassung in der VR-Lehre

der kommunistischen Welt

Der „Kampf um die Grundsätze der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Nationen und Völker" gehört nach T u n k i n 3 7 9 neben dem Grundsatz des sozialistischen Internationalismus und den Grundsätzen der friedlichen Koexistenz bereits zu den drei Hauptgruppen der völkerrechtlichen Prinzipien der Oktoberrevolution. Seither hat die sowjetische Völkerrechtslehre m i t wechselnder Argumentation 3 8 0 vor a]lem die Internationalität des Konflikts zwischen Kolonialmacht und abhängiger Bevölkerung sowie die völkerrechtliche Rechtmäßigkeit des kolonialen Befreiungskrieges zu begründen versucht.

378 Brownlie, Principles S. 284 f. 379 Tunkin I I S. 21. 380 v g l . hierzu i.e. Schroeder S. 216 f.; Rauschning

S. 81.

9. Abschn.: Südliches A f r i k a — Satzungsmäßigkeit der Resolutionen

165

Für die heute herrschende Auffassung 3 8 1 ist die folgende Stelle aus dem 1972 i n deutscher Sprache erschienenen Lehrbuch von Gregorij T u n k i n 3 8 2 typisch: „Der Widerstand einer Kolonialmacht gegen die Verwirklichung des Unabhängigkeitsstrebens des Volkes eines kolonialen oder abhängigen Landes stellt eine grobe Verletzung des VR dar. Aus diesem Grunde muß eine Nation, die für die Unabhängigkeit und die Schaffung eines eigenen Staates kämpft, nach dem modernen Völkerrecht als Völkerrechtssubjekt angesehen werden, obwohl sie infolge des Widerstandes der Kolonialisten noch keinen selbständigen Staat bilden konnte und sich erst auf dem Wege seiner Bildung befindet." Obwohl Tunkin nicht — wie andere russische Autoren 3 8 3 — den Ausdruck „internationale Beziehungen" verwendet, w i r d auch bei ihm das Bestreben sichtbar, den Kampf zwischen Kolonialmacht und abhängiger Bevölkerung auf die internationale Ebene zu verlagern. Als rechtlicher Anknüpfungspunkt dient das Selbstbestimmungsrecht der Völker 3 8 4 , von Tunkin an anderer Stelle als „Grundsatz des modernen Völkerrechts" 3 8 5 , ja als dessen „wichtigstes P r i n z i p " 5 8 6 überhaupt bezeichnet. Während Tunkin hier aber noch vom Kampf um die Unabhängigkeit spricht, also wohl zumindest eine gewisse Organisation und einen erkennbaren Willen des Volkes voraussetzt 387 , vertreten andere kommunistische Autoren die Ansicht, jede kolonial unterdrückte Nation sei als Träger des Selbstbestimmungsrechts eo ipso Völkerrechtssubjekt 3 8 8 . Die Beschränkung auf kolonial unterdrückte Völker — wobei eine klare Definition dessen, was Kolonialismus eigentlich ist, vermieden, andererseits aber auch von den Kolonialherren i n der Südafrikanischen Republik gesprochen w i r d 3 8 9 — macht die ideologische Herkunft und Zielrichtung dieser Argumentation besonders deutlich. Niemand w i r d bestreiten können, daß Kolonialismus häufig, vor allem i n früheren Jahrhunderten, aber — wie die Berichte über Massaker der portugiesischen Kolonialtruppen kurz vor dem Machtwechsel i n Portugal 381 Vgl. Bracht S. 174 m. w. N. aus dem russisch-sprachigen Schrifttum; Tunkin I I S. 93; I 43 f. m. w. N. 582 Tunkin I I S. 93; ebenso schon I S. 44. 383 Lewin / Kaljushnaja S. 148; vgl. ferner Schroeder S. 217 m. w. N. aus dem russisch-sprachigen Schrifttum; Rauschning S. 81. 384 Besonders deutlich bei Lewin / Kaljushnaja S. 147 „Völkerrechtssubjektivität der Nationen hängt untrennbar m i t der Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts der Nationen zusammen." 385 Tunkin I I S. 85; ähnlich derselbe I S.36, 41. 3S6 Tunkin I I S. 59; a. A. Arzinger S. 234, 240. 387 Ebenso Lewin / Kaljushnaja S. 148; Starushenko S. 91. 388 Arzinger S. 268/269, 275; N. A. Usakov, zit. nach T u n k i n I I S. 93 Anm. 40. 38 ® Lewin / Kaljushnaja S. 147.

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I I . 2. Kap.: Praxis der G V

zeigen — auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch m i t der Mißachtung fundamentaler Menschenrechte der eingeborenen Bevölkerungen und teilweise brutaler Unterdrückung Hand i n Hand geht. Aber Unterdrückung und Mißachtung von Menschenrechten und Selbstbestimmungsgrundsatz sind nie auf den afrikanischen und asiatischen Kontinent und nicht auf das Zeitalter des Kolonialismus beschränkt gewesen. Wie problematisch diese Beschränkung auf die kolonial unterdrückten Völker ist, w i r d deutlich, wenn man die Aussagen der kommunistischen Autoren zur Bedeutung dieser „universalen Norm" für die sozialistischen Staaten liest. Ausgehend vom Verständnis des Selbstbestimmungsrechts als eines „hervorragenden Kampfmittels der Arbeiterklasse" 3 9 0 auf dem Weg zur „sozialistischen Revolution" 3 9 1 findet das Selbstbestimmungsrecht seine „endgültige Lösung" 3 9 2 erst i m Sozialismus 393 .In den sozialistischen Ländern, den „Nationen neuer Qualität" 3 9 4 , ist die „höchste Stufe der Befreiung und Selbstbestimmung der Völker erreicht" 3 9 5 , das Selbstbestimmungsrecht „konsequent v e r w i r k l i c h t " 3 9 6 und „natürlich das Recht auf freie Entscheidung über die gesellschaftliche und politische Ordnung, etwa im Sinne einer Wahl zwischen verschiedenen Gesellschaftsordnungen, gegenstandslos geworden, weil es (das Selbstbestimmungsrecht, Verf.) historisch unwiderruflich ausgeübt w u r d e " 3 9 7 . Trotz seiner Bedeutung als „Prinzip der sozialistischen Revolution" 3 9 8 ist es hinsichtlich der Beziehungen des Proletariats zur Arbeiterklasse anderer Länder . . . unbedingt dem Prinzip des proletarischen Internationalismus untergeordnet" 3 9 9 . Die Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts i m VR des „sozialistischen" oder „proletarischen Internationalismus" 4 0 0 kann somit nur als minimal bezeichnet werden 4 0 1 . 390 Arzinger S. 239. 391 Arzinger S. 225. 392 Arzinger S. 225. 393 Es überrascht danach nicht, daß Korowin i m Jahre 1923 auch Klassen als Völkerrechtssubjekte bezeichnete, eine Auffassung, die nach der H i n wendung der kommunistischen Völkerrechtslehre zu den kolonialen Aspekten des Selbstbestimmungsrechts i n den Hintergrund getreten ist; vgl. i. e. Grzybowski S. 42 f. 394 Arzinger S. 113. 395 Arzinger S. 100. 396 Arzinger S. 123. 397 Arzinger S. 124; vgl. auch Grzybowski S. 43. 398 Arzinger S. 240. 399 Arzinger S. 240. 400 s. hierzu Tunkin I I S. 21.

9. Abschn.: Südliches A f r i k a — Satzungsmäßigkeit der Resolutionen

167

oca) Die Rechtmäßigkeit des Befreiungskrieges nach kommunistischer Völkerrechtslehre Ausgehend von dem internationalen Charakter der Beziehungen zwischen Kolonialmacht und abhängiger Bevölkerung versuchen die kommunistischen Autoren 4 0 2 , die völkerrechtliche Rechtmäßigkeit des Befreiungskrieges aus den allgemeinen Prinzipien des Völkerrechts 4 0 3 , vor allem aber aus der Charta der V N abzuleiten. Angelpunkte dieser Argumentation sind die A r t . 2 Z. 4 SVN und 51 SVN. Bewaffnete Maßnahmen der Kolonialmacht werden als verbotene Gewalt i m Sinne von Art. 2 Z. 4 SVN bezeichnet, da sie dem von den sowjetischen Autoren aus den Art. 1, 55, 73 und 76 SVN hergeleiteten 404 Ziel der V N widersprechen, die Selbständigkeit der Kolonialvölker herbeizuführen. Dagegen werden die bewaffneten Aktionen der Befreiungsbewegungen nicht als verbotene Gewaltanwendung i. S. d. Charta, sondern als — zulässige — Selbstverteidigung bezeichnet 405 , wobei teilweise sogar ausdrücklich auf das individuelle und kollektive Selbstverteidigungsrecht des A r t . 51 SVN verwiesen w i r d 4 0 6 . Die Rechtfertigung dieser Selbstverteidigung m i t allen, auch militärischen 407 , Mitteln sehen diese Autoren i n der bewaffneten Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts, die sie nicht nur — wie Tunkin an der zitierten Stelle — als „grobe Verletzung des Völkerrechts" 4 0 8 , sondern auch konkret als „Aggression" 4 0 9 oder „bewaffneten A n g r i f f " 4 1 0 bezeichnen. Arzinger erklärt allein die Stationierung oder Unterhaltung von Streitkräften auf dem Territorium des unterdrückten Volkes zwecks Aufrechterhaltung der Kolonialherrschaft zur „permanenten militärischen Aggression" 4 1 1 . Der nationale Befreiungskrieg ist nach dieser Auffassung das klassische Beispiel eines „gerechten Krieges" 4 1 2 401 Schweitzer S. 233. 402 v g l . Schroeder S. 217; dort auch zahlreiche Nachweise zum russisch prachigen Schrifttum. 403 Lewin / Kaljushnaja S. 145. 404 vgl. Schroeder S. 217. 405 Tunkin I I S. 78; Lewin / Kaljushnaja S. 146; Starushenko S. 91. 406 v g l . Bracht S. 174 m. w . N. 407 Tunkin I I S. 59; s. auch Wittig S. 59. 408 Ebenso auch Arzinger S. 274. 409 Starushenko S. 95; Tuzmuchamedov, Die nationale Souveränität S. 184 (russisch; zit. nach Bracht S. 174 A n m . 13; vgl. dort auch Anm. 14). 410 s. Schroeder S. 217 m. w. N. aus dem russ. Schrifttum. 411 Arzinger S. 274 m. w. N. 412 Tuzmuchamedov, Die nat. Souveränität 1963 S. 193 (zit. nach Bracht S. 174 f.; dort auch weitere Nachweise aus d. russisch-sprachigen Schrifttum). Daß es sich hierbei keineswegs u m eine neuere Entwicklung handelt, macht

168

I I . 2. Kap.: Praxis der GV

(bellum justum), da er der Durchsetzung des Rechtes auf Selbstbestimmung dient. Auch Unterstützungshandlungen anderer Staaten, ja selbst ein Krieg, den ein anderer Staat zur Unterstützung der Aufständischen führt, werden als Kollektivschutzmaßnahme nach Art. 51 SVN gerechtfertigt 4 1 3 . Folgerichtig nimmt die sowjetische Lehre den Kampf der „Kolonialvölker" um ihre Rechte ausdrücklich vom Prinzip der friedlichen Koexistenz aus 414 . ß) Die Auffassung der Staaten der „Dritten Welt" unter besonderer Berücksichtigung ihrer Haltung in den VN Sofern man von einer einheitlichen Völkerrechtsauffassung der Entwicklungsländer überhaupt sprechen kann, w i r d man sagen müssen, daß sie i n der Frage des Selbstbestimmungsrechts, vor allem aber hinsichtlich der hieraus abgeleiteten Rechte der unterdrückten Völker und der Pflichten der Kolonialmacht weitgehend der russischen Argumentation folgt 4 1 5 . Das Selbstbestimmungsrecht w i r d faktisch auf koloniale Verhältnisse beschränkt 416 , wobei auch hier eine klare Definition dieser Begriffe vermieden wird. Die Haltung der Entwicklungsländer ist angesichts des ungeheuren Sprengstoffes, den die Idee des Selbstbestimmungsrechts gerade für diese Staaten bildet, verständlich. Die Kolonialgrenzen — oft entlang geographischer Linien und zumeist ohne jede Beachtung der ethnologischen Gegebenheiten gezogen — haben als Staatsgrenzen der j u n das Parteiprogramm der K P d S U aus dem Jahre 1961 deutlich, welches „gerechte Befreiungskriege der unterdrückten Völker gegen den Imperialismus" ausdrücklich unterstützt; vgl. hierzu B. Meissner, Parteiprogramm der K P d S U 1903 bis 1961 S. 185; ebenso schon das Akademie Lehrbuch d. V R (deutsch 1960) S. 417; Tunkin I I S. 59 u n d Arzinger S. 274 betonen zwar die Rechtmäßigkeit des nationalen Befreiungskrieges, vermeiden aber die Formel v o m „gerechten Krieg". 413 Starushenko S. 95; Tuzmuchamedov, Die nat. Souveränität 1963 S. 193; vgl. auch Oppermann, Gewaltanwendung S. 131. 4 14 Tunkin I I S. 21, 59. 415 Rauschning S. 81; Skubiszewski S. 771; s. auch Oppermann, Gewaltanwendung S. 130, der Krishna Menon zitiert: "Colonialism is permanent aggression." Stellvertretend f ü r zahllose Äußerungen dieser A r t i n den Gremien der V N möge hier n u r die des lybischen Delegierten Wahbi el Bouri anläßlich der Erörterung einer Beschwerde Guineas über portugiesische Grenzverletzungen stehen, m i t der er den Vorschlag Portugals, eine genaue Untersuchung durchzuführen, zurückwies. Er w a r der Meinung, daß „the Portuguese presence b y itself constituted a permanent act of aggression against Africa and the universal conscience that had rejected colonialism" und erklärte: "The United Nations had conceded that a l l the acts Portugal w o u l d like to t e r m insubordination or subversion were acts of self-defence by oppressed peoples." (UNMO 1970/1 S. 37.) 416 So auch Köck ÖZÖR 22 (1971) S.345; Delbrück, Dekolonisation S. 105 f.

9. Abschn.: Südliches A f r i k a — Satzungsmäßigkeit der Resolutionen

169

gen Staaten nichts von ihrer Willkürlichkeit eingebüßt 417 . Volksstämme sind geteilt, Stämme m i t verschiedener Sprache, Geschichte und K u l t u r und ohne Zusammengehörigkeitsgefühl zu neuen Staaten zusammengefaßt worden. Es ist somit begreiflich — wenn auch mit der behaupteten Geltung des Selbstbestimmungsrechts als universaler Völkerrechtsnorm nur schwer vereinbar —, daß die Staaten der O A U bereits i m Jahre 1960 übereinkamen, die Respektierung der zur Zeit der Erlangung der Unabhängigkeit geltenden Grenzen als „geheiligte Sache" anzusehen 418 . Ereignisse wie die Bürgerkriege i n Biafra oder im Sudan oder die Wirren in Burundi und neuerdings i n Äthiopien, die i m Zweifel nicht die letzten ihrer A r t auf dem afrikanischen Kontinent gewesen sein dürften, haben die Fragwürdigkeit dieses Übereinkommens — gerade i m Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht — deutlich gemacht 419 . Das Bemühen der Staaten der „Dritten Welt", die Geltung des Selbstbestimmungsrechts faktisch auf die Kolonialgebiete zu beschränken, wurde besonders auch i n den Beratungen der GV und ihres Sonderausschusses über die „Grundsätze der freundschaftlichen Beziehungen" 4 2 0 deutlich, die sich auch m i t dem Selbstbestimmungsrecht befaßten. Die Vertreter der Dritten Welt bejahten hier nicht nur die Internationalität der Beziehungen zwischen Koloniammacht und abhängiger Bevölkerung 4 2 1 , sondern schlossen sich auch der These an, es gebe ein völkerrechtliches Selbstverteidigungsrecht von Völkern, denen die Selbstbestimmung durch Kolonialismus oder Rassismus vorenthalten werde 4 2 2 . 417 s. auch Kewenig E A 1973 S. 42; Delbrück, Dekolonisation S. 81. 418 v g l . E A 1961 D 115; ebenso auch die Charta der OAU. Daß diesem Passus der OAU-Charta nicht n u r theoretische Bedeutung zukommt, hat i n neuerer Zeit die Jubiläumskonferenz i n Addis Abeba gezeigt. Dort hat Äthiopien alle Ansprüche Somalias auf das ostäthiopische T e r r i t o r i u m von Ogaden unter Hinweis auf die Festschreibung der Kolonialgrenzen i n der OAU-Charta abgelehnt u n d dabei offensichtlich auch die Unterstützung der Mehrzahl der afrikanischen Staaten erhalten; vgl. „Die Zeit" Nr. 23 vom 1. 6. 1973 S. 12. 419 s. auch Delbrück, Dekolonisation S. 81 f. 420 Grundsätze des Völkerrechts bezüglich freundschaftlicher Beziehungen u n d Zusammenarbeit unter den Staaten (Principles of International L a w concerning Friendly Relations and Co-operation among States). Z u r Arbeit des Ausschusses s. i.e. Robert Rosenstock A J I L 65 (1971) S. 713 ff. m. w. N.; s. auch Keioenig, Gewaltverbot S. 177 ff. und die dort (S. 177 Anm. 4) zit. Autoren. 421 Vgl. etwa den 2. Absatz des 1966 von Chile vorgelegten Vorschlags (Document A/6230 Z. 28); zit. bei Kewenig, Gewaltverbot S. 180 A n m . 10), der ohne jede Schwierigkeit auch auf den F a l l Südafrika angewendet werden kann. 422 Typisch hierfür sind die folgenden Absätze aus dem 1966 von 13 blockfreien Staaten eingebrachten Vorschlag für die Formulierung des Prinzips der Gleichberechtigung u n d der Selbstbestimmung der Völker:

170 γ) Der Einfluß

I I . 2. Kap.: Praxis der GV dieser Auffassungen

auf die Haltung

der

GV

M a n w i r d n i c h t l e u g n e n k ö n n e n , daß e i n i g e dieser V o r s t e l l u n g e n — w e n n auch i n recht v e r s c h w o m m e n e r F o r m — i n die D e k l a r a t i o n ü b e r freundschaftliche B e z i e h u n g e n 4 2 3 aus d e m J a h r e 1970 E i n g a n g g e f u n d e n h a b e n 4 2 4 . So betont die D e k l a r a t i o n d e n eigenen r e c h t l i c h e n Status, d e n K o l o n i e n oder sonstige Gebiete ohne S e l b s t r e g i e r u n g als A u s f l u ß des S e l b s t b e s t i m m u n g s r e c h t s bis z u r A u s ü b u n g dieses Rechtes h a b e n 4 2 5 , f r e i l i c h ohne die B e z i e h u n g e n zwischen d e m v e r w a l t e n d e n S t a a t u n d der B e v ö l k e r u n g d e r K o l o n i e (oder e i n e m T e i l dieser B e v ö l k e r u n g ) als „ i n t e r n a t i o n a l e " z u b e z e i c h n e n 4 2 6 . I n t e r e s s a n t i s t auch d i e E i n s c h r ä n k u n g , daß das P r i n z i p d e r S e l b s t b e s t i m m u n g k e i n e A k t i o n decke, d i e die t e r r i t o r i a l e I n t e g r i t ä t oder p o l i t i s c h e E i n h e i t v o n S t a a t e n b e e i n t r ä c h t i g e n k ö n n t e n , die das S e l b s t b e s t i m m u n g s r e c h t b e achten u n d d e r e n R e g i e r u n g e n das eigene V o l k ohne Unterschiede nach H a u t f a r b e u n d Rasse r e p r ä s e n t i e r e n 4 2 7 . H i e r w i r d n i c h t n u r — w i e F r o w e i n r i c h t i g a n m e r k t — d e r V e r s u c h gemacht, „ i m S e l b s t b e s t i m m u n g s recht i m m e r steckende G e f a h r e n der S e p a r a t i o n u n d Sezession a b z u w e h r e n " 4 2 8 , h i e r w i r d auch d e r V e r s u c h z u r R e d u z i e r u n g des S e l b s t (a) The subjection of peoples to alien subjugation, domination and exploitation as w e l l as any other forms of colonialism, constitutes a violation of the principle of equal rights and self-determination of peoples i n accordance w i t h the Charter of the United Nations and as such, is a violation of international law. (b) Consequently peoples w h o are deprived of their legitimate right of selfdetermination and complete freedom are entitled to exercise their i n herent right of self-defence, by virtue of which they may receive assistance from other States (s. A/7616) ( = Bericht 1969) i n GAOR X X I V (1969) Supplement No. 19 para 139. Vgl. ferner i. e. Y U N 1966 S. 905 f., 908 f.; Y U N 1967 S. 740, 745; Y U N 1968 S. 825, 827 f.; Y U N 1969 S. 761 - 766 sowie die Berichte des Sonderausschusses: A/5746 (Bericht 1964); A/6230 (Bericht 1966); A/6799 (Bericht 1967); A/7326 (Bericht 1968); A/7619 (Bericht 1969). s. auch unten A n m . 477. 423 "Declaration on Principles of International L a w concerning Friendly Relations and Co-operation among States i n accordance w i t h the Charter of the United Nations" ( = A/RES/2625 ( X X V ) v o m 24.10.1970, U N M O 1970/10 S. 99 ff.); zur Bedeutung der Resolution Frowein E A 1973 S. 70 ff. 424

So auch Scheuner, Wandlungen S. 27 f. Zustimmend Frowein E A 1973 S. 75, der hierin die rechtliche Konsequenz aus A r t . 73 u n d 74 S V N sieht; trotz der eindeutigen Zielrichtung auf die portugiesisch beherrschten Gebiete u n d Rhodesien sagt die Resolution indes zu der entscheidenden Frage, nämlich ob es sich bei Angola etc. entgegen der Ansicht Portugals tatsächlich u m Gebiete ohne Selbstregierung handelte, nichts Neues aus. I m Falle Rhodesien ist aber gerade zweifelhaft, ob der Status als „Kolonie" dann erhalten bleibt, w e n n ein Teil der Bevölkerung unter Mißachtung des Selbstbestimmungsrechts eine effektive H e r r schaft begründet. 426 So auch Virally, L'organisation S. 445. 427 Die gleiche Einschränkung enthält bereits die „Magna Charta" des Selbstbestimmungsrechts, die „Declaration on the granting of independence to colonial countries and peoples" (oben I I , 1. Kap., Anm. 67). 425

9. Abschn.: Südliches A f r i k a — Satzungsmäßigkeit der Resolutionen

171

bestimmungsrechts auf die Opposition gegen rassische, „koloniale" Unterdrückung sichtbar. Dem entspricht es, wenn an anderer Stelle der Deklaration als einzig konkrete Aufgabe der V N auf diesem Gebiet die „rasche Beendigung des Kolonialismus" genannt wird. Auch der Befreiungskampf ist i n der Deklaration angesprochen. Hier wie in der Frage der Unterstützung von Freiheitsbewegungen dient freilich der Hinweis auf die Bestimmungen der Charta nur zur Kaschierung der fortbestehenden Unterschiede in den Auffassungen. Der Dissens — zumindest i n der Frage der Zulässigkeit einer bewaffneten Unterstützung — ist offenkundig 4 2 9 . Die Anwendung von Gewalt, um Völker an der Ausübung des Selbstbestimmungsrechts zu hindern, w i r d i n der Deklaration ausdrücklich verurteilt, wobei die Bezugnahme auf die „oben erwähnten V ö l k e r " 4 3 0 wohl einen universalen Charakter vortäuschen soll. I n Verbindung mit der allgemeinen Unsicherheit über den Inhalt dieses Rechts ist auch insoweit der Kolonialismus faktisch der einzige Adressat dieser Verurteilung 4 3 1 . Ist die Resolution über freundschaftliche Beziehungen als Kompromiß 4 3 2 noch eher zurückhaltend, zumindest aber in verschiedener Weise interpretierbar 4 3 3 , so reflektieren die vorstehend untersuchten Resolutionen der GV zum südlichen Afrika deutlicher die Haltung der Entwicklungsländer, der sich die kommunistischen Staaten, sei es aufgrund der geschilderten Ubereinstimmung der Auffassungen, sei es aufgrund politischer Erwägungen angeschlossen haben. Beispiele für diese Übereinstimmung sind die Bekräftigung der Rechtmäßigkeit des Kampfes der unterdrückten Völker m i t allen M i t t e l n 4 3 4 , die Bezeichnung der Apartheid oder des Kolonialismus als „Aggression" oder als „aggressiv" 4 3 5 , die Aufforderung, Freiheitskämpfer als Kriegsgefangene zu behandeln 4 3 6 , sowie neuerdings die Anerkennung der Befreiungsbewegungen als rechtmäßige Vertreter der wahren Bestrebungen der unterdrückten Völker 4 3 7 . 428 Frowein E A 1973 S. 75. 429 So auch Frowein ebd.; Virally, L'organisation S. 310, 446. 430 "referred to above." 431 i n diesem Zusammenhang ist es nicht uninteressant, daß alle Versuche der Entwicklungsländer u n d der Ostblockstaaten, eine besondere Pflicht der Staaten zur Nichtanwendung von Gewalt gegen Völker abhängiger Gebiete i n die Deklaration einzufügen, an der H a l t u n g der westlichen Staaten scheiterten; vgl. i.e. die Berichte 1964- 1968 (s. Anm. 422) sowie bes. Bericht 1969 (s. Anm. 422) Ziffer 8, 82 - 85. 432 Frowein E A 1973 S. 76. 433 W o m i t sie ein ausgezeichnetes Propagandainstrument abgeben d ü r f t e . . . 434 v g l . oben I I , 2. Kap., 9. Abschn., 5. U-Abschn., C. 435 s. A/RES/2506 Β ( X X I V ) , Präambel para 3. 436 v g l . oben I I , 2. Kap., 9. Abschn., 5. U-Abschn., D. 437 vgl. oben I I , 2. Kap., 9. Abschn., 5. U-Abschn., F.

172

I I . 2. Kap.: Praxis der GV

Die Resolutionen zu Südafrika, aber auch zu Rhodesien, zeigen hierbei eindeutig, daß das Problem der internationalen Beziehungen und des Gewaltverbots i m Rahmen der Befreiungskriege sich nicht nur für die portugiesischen Gebiete stellte, sondern auch für das übrige südliche Afrika mit Einschluß der Republik Südafrika bedeutsam ist 4 3 8 . c) Die Vereinbarkeit dieser Auffassungen mit dem geltenden Völkerrecht, insbesondere mit der Satzung der V N a) Das Selbstbestimmungsrecht in der westlichen Lehre und Praxis Die große Mehrheit der westlichen Völkerrechtslehre 439 sieht ebenso wie die Mehrzahl der westlichen Staaten 4 4 0 i m Selbstbestimmungsrecht der Völker keine unmittelbar geltende, verbindliche Norm des Völkerrechts 441 . Dies w i r d einheitlich mit der mangelnden Bestimmtheit der diesbezüglichen Normen der Satzung 4 4 2 und der Menschenrechtskonventionen 4 4 3 der VN, vor allem i m Hinblick auf den Träger, aber auch auf den Inhalt und die Formen der Verwirklichung eines derartigen subjektiven Rechts begründet 4 4 4 . Eine völkergewohnheitsrechtliche Dekolonisierungspflicht w i r d vor allem m i t dem Hinweis auf die Haltung Südafrikas und — früher — Portugals sowie auf die begrenzten Befugnisse der GV abgelehnt 445 . Ganz überwiegend ist die westliche VR438 a. A. w o h l Rauschning S. 82. 439 Wobei Delbrück, Dekolonisation S. 102 m i t Recht auf die großen regionalen Unterschiede hinweist, die — historisch-politisch bedingt — zwischen kontinental-europäischer, lateinamerikanischer u n d angloamerikanischer A u f fassung bestehen. Z u diesen Unterschieden s. ausführlich Delbrück a.a.O. S. 102 - 104 sowie bereits Menzel VRS. 182 f. zu dem Unterschied zwischen angloamerikanischer u n d kontinentaleuropäischer Auffassung. 440 v g l . hierzu die Ausführungen der westlichen Delegierten während der Beratungen über die Grundsätze der freundschaftlichen Beziehungen (vgl. oben A n m . 422). 441 a. A. w o h l n u r Q. Wright, Proceedings 48 (1954) S. 27 f., 36 f.; Scelle, Réflexions S.385, 391; R.Higgins, Development S. 101 f.; vgl. auch Fawcett RdC 132 (1971) S. 386 ff.; J. Starke (5. Auflage) S. 115 f. für den kolonialen Bereich; vorsichtiger derselbe 7. Auflage S. 135 f. Z u r südamerikanischen Literatur, die stärker zur Annahme der völkerrechtlichen Verbindlichkeit des Selbstbestimmungsprinzips neigt, s. Delbrück, Dekolonisation S. 104 m. w. N. (Anm. 101). 442 A r t . 1 Z. 2, 55, 73 b, 76 b SVN. 443

Seidl-Hohenv eidern V R Rz. 1162. Vgl. neuestens Delbrück, Dekolonisation S. 102- 104; Brownlie, Principles S. 577; ferner etwa Goodrich / Hambro ( l . A u f l . ) 1949 S. 95/96; Verdross VR S. 576; Klein, Selbstbestimmungsrecht S. 1 8 - 2 1 ; Köck ÖZÖR 22 (1971) S. 344; Emerson A J I L 65 (1971) S. 462; Seidl-Hohenveldern V R Rz. 1162; ders. Dekolonisierung J Z 1964 S. 489 ff.; Menzel V R S. 182 -184; Delbrück JIR Bd. 13, S. 206; dort S. 196 - 202 auch zahlreiche weiterführende Hinweise zu dem unübersehbaren Schrifttum. 444

9. Abschn.: Südliches A f r i k a — Satzungsmäßigkeit der Resolutionen

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Lehre auch der Ansicht, daß Kolonial ebenso wie Bürgerkriege — zumindest so lange keine Gewaltanwendung in den internationalen Beziehungen darstellen, als die Aufständischen oder Freiheitsbewegungen noch nicht in völkerrechtlich zulässiger Weise anerkannt worden sind und ihrerseits ein abgrenzbares staatsartiges oder staatsähnliches Gebilde 4 4 6 effektiv beherrschen 447 . Dem entspricht die Haltung der meisten westlichen Staaten in den VN, die sich bis heute geweigert haben, A r t . 2 Z. 4 SVN auf die Gewaltanwendung gegen die Bevölkerung eines abhängigen Gebiets oder gegen den andersfarbigen Teil der eigenen Bevölkerung anzuwenden 448 . Ohne i m einzelnen auf die Handhabung des Selbstbestimmungsgrundsatzes durch die westlichen Staaten eingehen zu wollen, w i r d man doch feststellen können, daß vornehmlich die Praxis der Vereinigten Staaten in der Einflußzone des amerikanischen Kontinents nicht nur Ansätze zur Modifizierung des Gewaltverbots 4 4 9 , sondern auch ebenso bedenkliche Tendenzen im Hinblick auf die Selbstbestimmung der betroffenen Völker und Staaten erkennen läßt 4 5 0 , die nicht gerade für eine besonders hohe Auffassung von der Rechtsnatur des Selbstbestimmungsgrundsatzes sprechen. ß) Die Kernfrage: Der Rechtscharakter des Selbstbestimmungsrechts im VR der Gegenwart Die Beantwortung der Frage, ob die Beziehungen zwischen schwarzer und weißer Bevölkerung oder zwischen Freiheitskämpfern und Kolonial445 Klein, Selbstbestimmungsrecht S. 18; Seidl-Hohenveldern JZ 1964 S. 490: a. A. Dölle / Reichert-Facilides / Zweigert S. 36 f. 446 Hierzu Wengler, Gewaltverbot S. 32 f., 37. 447 So etwa Dahm I I S.358f.; Schroeder S. 215; Rauschning S. 83; Bowett, Self-Defence S. 149; Scheuner, K o l l e k t i v e Sicherheit S. 245 ; Q. Wright A J I L 50 (1956) S. 525; Wengler, Gewaltverbot S. 37 f.; Oppenheim / Lauterpacht II S. 153; ferner — ohne besondere E r w ä h n u n g des Kolonialkrieges — B e r b e r i l S. 42; zweifelnd Kewenig, Gewaltverbot S. 181 hinsichtlich der ausnahmslosen Geltung dieser Aussage. Z u r Anerkennung von Aufständischen vgl. i. e. Seidl-Hohenveldern V R Rz. 583. Z u der Frage, ob die Beziehungen nach der Anerkennung als „internationale" anzusehen sind, s. Dahm I I S. 358 Anm. 11 sowie Rauschning S. 76. 448 Vgl. den Bericht 1969 (Ziff. 8) des Sonderausschusses über die Grundsätze der freundschaftlichen Beziehungen (oben Anm. 422) : "there was no agreement on the inclusion of a statement on the duty of states to refrain from the use of force against peoples of dependant territories . . . " ; s. ferner auch die Ziffern 165 und 168 dieses Berichts sowie Houben A J I L 61 (1967) S. 708 f., 723 - 725. Kewenig, Gewaltverbot S. 209 A n m . 104 lehnt unter Bezugnahme auf das vorstehende Zitat die Annahme einer „gesicherten Rechtsüberzeugung" ab. 449 So Schweitzer S. 241. 450 M a n denke an Guatemala (1954), die K u b a - K r i s e n der Jahre 1961 und 1962 u n d besonders an die amerikanische Intervention i n der D o m i n i k a n i schen Republik (1965); hierzu eingehend Schweitzer S. 235 - 241.

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I I . 2. Kap.: Praxis der GV

macht als internationale bezeichnet werden können, ist somit eng verknüpft mit der Frage nach dem Rechtscharakter des Selbstbestimmungsrechts. Nur wenn das Selbstbestimmungsrecht eine geltende Norm des Völkerrechts auch für diejenigen Staaten darstellt, die — wie Portugal vor dem Machtwechsel und Südafrika — den Konventionen der V N über Menschenrechte und gegen Rassendiskriminierung nicht beigetreten sind 4 5 1 , stellen sich die weiteren Fragen, wer Träger des Selbstbestimmungsrechts in diesen Gebieten und damit eventuell Völkerrechtssubjekt ist und — daran anschließend — ob die Beziehungen dieses Trägers zur Kolonialmacht oder zur herrschenden Regierung auch dann als „internationale" bezeichnet werden können, wenn er weder über eine effektive Organisation noch über ein klar abgrenzbares Herrschaftsgebiet verfügt. αα) Das Selbstbestimmungsrecht als Völkerrechtsnorm mit universalem Geltungsbereich Die Frage nach einer allgemeinen Geltung des Selbstbestimmungsrechts als Völkerrechtsnorm w i r d man angesichts der Unvereinbarkeit der vorstehend geschilderten Auffassungen auch heute noch negativ beantworten müssen 452 . Von einer einheitlichen Praxis, in der eine gewisse gemeinsame Rechtsüberzeugung zum Ausdruck kommt, kann nicht die Rede sein. Das Bestreben, das Selbstbestimmungsrecht jeweils auf Fälle außerhalb des eigenen Herrschaftsbereichs zu begrenzen, ist unverkennbar. Die unterschiedlichen Ansichten 4 5 3 über den Charakter dieses Rechts, über seinen Träger 4 5 4 , seinen Inhalt und die Formen seiner Verwirklichung bestehen auch heute noch fort 4 5 5 , so daß das Selbstbestimmungsrecht trotz seiner allgemeinen verbalen Anerkennung zwar als Maxime staatlichen Verhaltens, als politisches Ordnungsprinzip 4 5 6 , eventuell auch als werdende Völkerrechtsnorm 4 5 7 oder — wie i m englischen T e x t 4 5 8 der Satzung — als Rechtsgrundsatz 459 bezeichnet werden kann, nicht aber als geltende Völkerrechtsnorm. 451 Vgl. bezüglich der Konvention gegen Rassendiskriminierung Partsch, Bekämpfung der rassischen Diskriminierung S. 110, hinsichtlich der großen Menschenrechtsschutzpakte denselben S. 150. 452 So neuestens auch Delbrück, Dekolonisation S. 106. 45« s. i. e. Delbrück J I R Bd. 13 (1967) S. 196 - 200. 454 v g l . zu den unterschiedlichen Auffassungen i. e. Klein, Selbstbestimmungsrecht S. 19; Menzel V R S. 182 f. 4 55 So auch Köck ÖZÖR 22 (1971) S. 345. 4 56 Menzel VR (1962) S. 231; s. auch Delbrück, Dekolonisation S. 103 f. 4 57 v g l . Kraus, Selbstbestimmungsrecht S. 615. 4 58 s. i. e. Köck ÖZÖR 22 (1971) S. 344, der zu Recht darauf hinweist, daß der engl. Text von einem „principle" (Art. 1 Z. 2 SVN, 55 SVN), der französische dagegen stets von einem „droit à disposer d'eux-mémes" spricht. 459 v g l . zum I n h a l t dieses Begriffs Klein, Selbstbestimmungsrecht S. 2 2 - 2 4 ; Delbrück J I R Bd. 13 S. 203 - 206.

9. Abschn.: Südliches A f r i k a — Satzungsmäßigkeit der Resolutionen

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ßß) Das Selbstbestimmungsrecht als Norm i m kolonialen Bereich Läßt sich somit eine allgemein gültige Rechtsnorm, die alle Staaten zur Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts verpflichtet und bestimmten sozialen Verbänden ein völkerrechtliches Recht auf Selbstbestimmung einräumt, nicht feststellen, so bleibt zu untersuchen, ob eine Übereinstimmung wenigstens insoweit besteht, als es um die Relikte der Kolonialherrschaft i m südlichen Afrika geht 4 6 0 . Bei aller Divergenz der Auffassungen über den Inhalt des Selbstbestimmungsrechts dürfte doch weithin anerkannt sein, daß zumindest die Praxis in den von Weißen beherrschten Gebieten den Grundgedanken dieses Prinzips nicht entspricht 4 6 1 . Für eine stärkere Geltung des Selbstbestimmungsgrundsatzes in diesem Bereich scheint vor allem die Erwähnung des Grundsatzes der Selbstbestimmung in den A r t i k e l n der SVN zu sprechen, die sich auf die abhängigen Gebiete beziehen 462 und auf die sich zahllose Resolutionen der GV vor allem zu den Fragen des südlichen Afrika mehr oder minder deutlich gestützt haben 4 6 3 . Aber auch die Entkolonisierung Afrikas und Asiens, die sich weitgehend i m Zeichen des Selbstbestimmungsrechts vollzogen hat und in deren Verlauf mehr als eine Milliarde Menschen aus der kolonialen Abhängigkeit entlassen wurden, scheint es nahezulegen, wenigstens eine rechtliche Verpflichtung der Kolonialmächte und eine entsprechende Berechtigung der farbigen Bevölkerung anzunehmen. Der Ausdruck Kolonialgebiete zeigt freilich bereits die Gefahr einer derartigen Begrenzung. Denn mit Sicherheit fiel Südafrika als Gründungsmitglied der V N weder unter das X I . noch unter das X I I . Kapitel, und bis heute ist noch niemand auf die Idee verfallen, Südafrika als „non-self governing territory" zu bezeichnen. Auch für die „non-self governing territories", zu denen nach Auffassung der GV auch die 1951 formell in den portugiesischen Staatsverband eingegliederten 464 460

s. auch Virally, L'organisation S. 310. 461 J. G. Starke scheint eine derartige beschränkte Geltung des Selbstbestimmungsrechts für den kolonialen Bereich anzunehmen (5. Aufl. 1963) S. 115 f.; vorsichtiger die 7. Auflage (1972) S. 135 f.; ganz anders noch die 4. Auflage (1958) S. 102 f. Auch Starke (5. Auflage S. 116) weist indes darauf hin, daß weder über die Formen der Verwirklichung dieses Rechts noch über die Frage, wer als „peoples" anzusehen sei, Einigkeit bestehe. 462 Art. 73 b, 76 b SVN. 463 Kewenig (EA 1973 S. 42) spricht von einem „ v o r allem während des Entkolonialisierungsprozesses geformten Verständnis vom Selbstbestimmungsrecht innerhalb der V N " ; s. auch Wildhaber S. 158: „zunehmend antikolonialistische Stoßrichtung des Selbstbestimmungsrechts i m Rahmen der UNO-Satzung." 464 v g l . zu dieser verbalen Taktik, die die portugiesischen Kolonien ohne jede materielle Änderung des Status ihrer Bevölkerung i n Provinzen umbe-

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I I . 2. Kap.: Praxis der GV

sog. portugiesischen Überseeprovinzen gehörten, sahen A r t . 73 und 74 SVN — i m Gegensatz zu den Art. 75 ff. — eine Verpflichtung der Kolonialmächte zur Dekolonisierung, insbesondere aber eine hieraus abzuleitende Berechtigung der Bevölkerung nicht v o r 4 6 5 . Kann somit aus dem Wortlaut der SVN eine derartige Pflicht nicht hergeleitet werden, so muß es um so problematischer scheinen, sie auf Resolutionen der GV stützen zu wollen. Hierbei mag die Frage dahingestellt bleiben, ob die Zustimmung selbst aller Staaten zu einer Resolution der GV angesichts der dieser normalerweise zukommenden Empfehlungsbefugnisse überhaupt Völkergewohnheitsrecht schaffen kann 4 6 6 . Die Äußerungen der Delegierten w i r d man wohl nur bedingt als Ausdruck eines Bindungswillens der betroffenen Regierungen ansehen können 4 6 7 . Eine derartige Einstimmigkeit hat nämlich bei den Abstimmungen der GV ebensowenig vorgelegen wie eine Befolgung der von ihr aufgestellten Richtlinien 4 6 8 . Zumindest Portugal vor dem Machtwechsel i m Jahre 1974 und Südafrika, aber auch zahlreiche andere Staaten 4 6 9 haben konstant gegen diese Politik der Mehrheit in der GV gestimmt. Ein Gewohnheitsrecht, das Verpflichtungen faktisch nur für bestimmte Staaten vorsieht, kann gegen den erklärten Willen und die Praxis dieser Staaten aber nicht entstehen 470 . d) Der Rechtscharakter des Selbstbestimmungsrechts Folgen für die A r t der Beziehungen Man w i r d somit das Selbstbestimmungsrecht auch im Hinblick auf die von Weißen beherrschten Gebiete im südlichen Afrika noch nicht als allgemein anerkannte Völkerrechtsnorm ansehen können. Damit ist aber die Grundvoraussetzung für die Annahme internationaler Beziehungen — nämlich die Völkerrechtssubjektivität aller nannte sowie zu der tatsächlichen Entwicklung der verfassungsrechtlichen Stellung der Überseegebiete R. Arntz, bes. S. 2 u n d 78 - 102. 465 v g l . hierzu Seidl- Ηohenveidern JZ 1964 S. 489 f.; Delbrück J I R Bd. 13 (1967) S. 205; Dahm I S. 578; Köck ÖZÖR 22 (1971) S.344; Starke (5. Aufl.) S. 116 f., 300. 4ß 6 Hierzu Scheuner, Wandlungen S. 40 m. w. N. 467 Ausführlich Bohn S. 120 ff. 468 Hier ist vor allem an die bereits erwähnte „Magna Charta" des Selbstbestimmungsrechts, die „Declaration on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples" (A/RES/1514 [XV]) u n d an ihre zahllosen Ausführungsresolutionen seit 1960 zu denken. 469 s. i. e. Emerson A J I L 65 (1971) S. 462. 470 So auch Seidl-Hohenv eidern JZ 1964 S. 490; Schweitzer S. 226 m. w. N.; Scheuner, Wandlungen S. 40; zu Recht weist Seidl-Hohenv eidern a.a.O. A n m . 13 darauf hin, daß dies sonst gerade die Haltung der jungen Staaten ist.

9. Abschn.: Südliches A f r i k a — Satzungsmäßigkeit der Resolutionen

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Beteiligten — nicht erfüllt. Zumindest für die Republik Südafrika, aber wohl auch für das de facto-Regime i n Südrhodesien steht danach fest, daß die Androhung oder Anwendung von Gewalt etwa zur Durchsetzung der Apartheidspolitik, so völkerrechtswidrig sie unter anderen Gesichtspunkten auch sein mag, jedenfalls keine Gewaltanwendung i n den internationalen Beziehungen und folglich auch keine Friedensbedrohung i. S> der Satzung darstellt 4 7 1 . Nur am Rande sei darauf hingewiesen, daß gerade in Südafrika auch die Frage nach dem Träger des Selbstbestimmungsrechts nicht unerhebliche Probleme aufwirft. e) Exkurs: Die Rechtmäßigkeit des Befreiungskrieges A n dieser Stelle ist nun freilich noch ein Wort zu jenem Problem zu sagen, i n dem man wohl nicht zu Unrecht den eigentlichen Anlaß aller Bestrebungen zur Internationalisierung der Konflikte i m südlichen Afrika vermuten darf 4 7 2 : das Problem der völkerrechtlichen Rechtmäßigkeit des nationalen Befreiungskrieges. Der Frage, was das Völkerrecht und insbesondere die Satzung der V N zu diesem Problem sagt, kommt eine besondere Bedeutung zu, seit die GV die Lehre vom gerechten Befreiungskrieg in kolonialen Gebieten 4 7 3 mit der Verwendung der Formel vom „rechtmäßigen Kampf mit allen Mitteln" zumindest i m Ergebnis übernommen hat. Nach der hier vertretenen Ansicht taucht die Frage nach der völkerrechtlichen Rechtmäßigkeit eines derartigen Kampfes gar nicht auf. Es handelt sich dann um das demokratische Recht eine Volkes, sich die Regierung zu geben, die es wünscht — notfalls i m Wege der Revolution 4 7 4 . Die Lehre vom gerechten Befreiungskrieg basiert auf der Behauptung, die Aktionen der Freiheitskämpfer seien als Selbstverteidigung 471

I m Ergebnis übereinstimmend Frowein, Friedenssicherung S. 47 f. Vgl. etwa Arzinger S. 274 f.: „Gerade i m Zusammenhang m i t der Rechtmäßigkeit nationaler Befreiungskriege erweist sich auch die Richtigkeit u n d Notwendigkeit (sie!) der Auffassung von der umfassenden Völkerrechtssubjektivität der Völker u n d Nationen, die u m ihre Unabhängigkeit kämpfen." s. ferner das Z i t a t von Tunkin I I S. 59 (oben I I , 2. Kap., 9. Abschn., 5. U Abschn., H. 3 b α). 473 Daß es sich hier ganz eindeutig u m eine auf „koloniale Gebiete" beschränkte Entwicklung handelt, w i r d deutlich, w e n n man andere Fälle — Tibet, Kongo, Ungarn, CSSR, Nigeria u n d neuerdings Bangla Desh — betrachtet, i n denen die GV — sofern sie überhaupt reagiert hat, sich auf u n verbindliche Formulierungen beschränkt hat; vgl. auch Wengler, Gewaltverbot S. 39. 474 Skubiszewski S. 771. 472

12 Arntz

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I I . 2. Kap.: Praxis der G V

anzusehen, die nach A r t . 51 S V N 4 7 5 oder aufgrund des allgemeinen Völkerrechts 4 7 6 zulässig sei. Ohne ausführlich auf die ganze Problematik dieser Argumentation eingehen zu wollen, ist hierzu dennoch anzumerken, daß der bewaffnete Befreiungskrieg, der i n der Regel zumindest zu Beginn der Aktivitäten vom Ausland her geführt wird, seinem ganzen Charakter nach nicht als Selbstverteidigung angesehen werden kann. Wer sich zur Rechtfertigung einer Gewalthandlung auf eine teilweise fast 500 Jahre zurückliegende Aggression beruft, die permanent andauere 477 , muß zwangsläufig mit den Grundlagen einer Völkerrechtsordnung kollidieren, die ohne ein Mindestmaß an Stabilität lebensunfähig ist. Hier w i r d — wie Seidl-Hohenveldern zu Recht bemerkt h a t 4 7 8 — der Begriff des Angriffs aus durchsichtigen Motiven i n sein Gegenteil verkehrt, indem die Bewahrung, ja die bloße Existenz des status quo, eines zwar nicht notwendig rechtmäßigen, aber doch friedlichen 4 7 9 Zustandes 480 als verbotene Gewalt, die mit militärischer Gewalt betriebene Veränderung dagegen als rechtmäßige Verteidigung bezeichnet w i r d 4 8 1 . Nicht an die objektive Tatsache der gewaltsamen Besitzstörung 482 w i r d die Beurteilung der Gewalt geknüpft, sondern an den Zweck ihrer Anwendung 4 8 3 . I m Hintergrund steht unverkennbar die Tendenz, von dem als zu streng empfundenen Gewaltverbot der Satzung abzurücken und — ähnlich der älteren Lehre vom bellum j u s t u m 4 8 4 — zu einer mehr werten475 s. oben I I , 2. Kap., 9. Abschn., 5. U-Abschn., H. 3 b. 476 Vgl. hierzu etwa die Ausführungen afro-asiatischer u n d kommunistischer Staaten während der Beratungen des Sonderausschusses über G r u n d sätze der freundschaftlichen Beziehungen i m Jahre 1967: "Several Members . . . believed that self-defence against colonial domination should also be regarded as an exception to the general rule" ( = des Gewaltverbots, Verf.) ( Y U N 1967 S. 744). 477 Von der „permanenten Aggression der Kolonialmächte" ist i n Reden und Anträgen bes. afrikanischer Delegierter häufig die Rede; hierzu Vir ally, L'organisation S. 310. Vgl. auch oben Anm. 415. 478 Seidl-Hohenveldern JZ 1964 S. 490; ähnlich auch Wengler S. 38. 479 Friedlich i. S. der Abwesenheit bewaffneter Gewalt. 480 s. Wengler, Gewaltverbot S. 38. 481 Besonders eklatant i n dieser Hinsicht w a r die Haltung der indischen Regierung i n der Goa-Frage; vgl. Y U N 1961 S. 129-131; u. R.Higgins, Development S. 208. 482 Wengler, Gewaltverbot S. 37 f. 483 Es dürfte unbestritten sein, daß die Bejahung internationaler Beziehungen die Bindung beider Seiten an das Gewaltverbot zur Folge hat; vgl. Frowein, de facto-Regime S. 39; Wengler, Gewaltverbot S. 33. 484 Wobei Wengler, Gewaltverbot S. 38 zu Recht darauf hingewiesen hat, daß derartige Rechtfertigungsgründe gerade von der SU energisch bekämpft wurden, wenn es u m das Verhältnis zwischen unabhängigen Staaten ging. Z u m „ b e l l u m j u s t u m " s. auch Bothe S. 12 f.; Scheuner, Wandlungen S. 28; derselbe K r i e g u n d Bürgerkrieg S. 486.

9. Abschn.: Südliches A f r i k a — Satzungsmäßigkeit der Resolutionen

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den Beurteilung der Gewaltanwendung zurückzukehren. Es muß m i t Nachdruck betont werden, daß derartige Vorstellungen vom Zweck der die M i t e l heiligt, nicht dem System der Charta und nicht dem Völkerrecht der Nachkriegszeit entsprechen 485 . Es stellt gerade die große Leistung der Charta dar, daß sie erstmalig den Krieg und jede Gewaltanwendung grundsätzlich und unabhängig von ihren „guten Ursachen" ablehnte. Eine Rückkehr zum ,bellum justum' kann daher gegenüber der seit 1919 verfolgten Entwicklung nur einen Rückschlag oder aber einen Ubergang i n eine bislang nicht überschaubare neue Konzeption des Krieges und der Gewalt darstellen. Vor derartigen neuen Konzeptionen kann jedoch nicht eindringlich genug gewarnt werden. Die Anerkennung einzelner Ausnahmen vom Gewaltverbot hätte zwangsläufig die Schaffung weiterer zur Folge 4 8 6 . A n ungerechten Situationen und an berechtigten Wünschen, sie zu ändern, herrscht heute wie eh und je kein Mangel. Es kann deshalb auch nicht verwundern, daß vornehmlich die westlichen Staaten sich der Aufnahme eines derartigen Rechtfertigungsgrundes i n die Deklaration über freundschaftliche Beziehungen energisch 487 und letztlich erfolgreich 488 widersetzt 4 8 9 haben. Da der Befreiungskampf somit selbst dann nicht als rechtmäßige Selbstverteidigung i. S. des A r t . 51 SVN angesehen werden kann, wenn die Internationalität der Beziehungen zwischen Kolonialmacht oder Minderheitsregime und abhängiger Bevölkerung bejaht wird, ist auch die rechtliche Begründung für die militärische Hilfeleistung anderer 48 5 So auch Kewenig, Gewaltverbot S. 209; Wengler, Gewaltverbot S. 37 f.; Bothe S. 24; Rauschning S. 83; Scheuner, K r i e g u n d Bürgerkrieg S. 486; ablehnend auch Dölle / Reichert-Facilides / Zweigert S. 44 f.; s. ferner SeidlHohenveldern VR Rz. 1096 (S. 235) zur Völkerrechtswidrigkeit gewisser Unterstützungshandlungen. 486

Bedenken auch bei Scheuner, Wandlungen S. 28. Vgl. hierzu etwa Y U N 1967 S. 744: "However others, such as the United Kingdom, considered i t unacceptable to extend the doctrine of self-defence into the colonial field." 487

488 Die i n der Deklaration (vgl. oben A n m . 423) enthaltenen Hinweise auf die Charta können angesichts der i n den Beratungen zutage getretenen unterschiedlichen Auffassungen über die Auslegung eben dieser Charta n u r als Manifestation des Dissenses angesehen werden; s. i.e. oben I I , 2. Kap., 9. Abschn., 5. U-Abschn., H. 3 b γ ; gleiches gilt auch für die „Definition of Aggression", die i n A r t . 7 das Recht zur Befreiung von fremder Herrschaft ebenfalls n u r „ i n accordance w i t h the Principles of the Charter and i n conformity w i t h the above-mentioned Declaration" ( = Deklaration über freundschaftliche Beziehungen) gewährt. 48 » s. hierzu bes. den Bericht 1969 (Anm. 422) Ziff. 107 - 116; ferner Kewenig, Gewaltverbot S. 208 f. m. w. N.; Virally, L'organisation S. 310.

12*

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I I . 2. Kap.: Praxis der G V

Staaten an die Aufständischen — kollektive Selbstverteidigung 490 — nicht haltbar 4 9 1 . 6. Unterabschnitt: Die Praxis der GV in den Fällen des südlichen Afrika Die Vereinbarkeit der Resolutionen der GV zum südlichen A f r i k a m i t der Charta der V N und dem geltenden Völkerrecht ist somit in mehrerlei Hinsicht problematisch. Die Annahme internationaler Beziehungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsteilen i n einem Staat oder de facto-Regime bzw. zwischen Kolonialmacht und Teilen der Bevölkerung der Kolonie geht von zwei Prämissen — dem Normcharakter des Selbstbestimmungsrechts und einer hieraus abgeleiteten Völkerrechtssubjektivität i. e. nicht näher definierter Gruppen — aus, die beide jedenfalls derzeit noch nicht als Bestandteil des geltenden Völkerrechts angesehen werden können. Da der Begriff der Friedensbedrohung i. S. des A r t . 39 SVN weder Bedrohungen des nationalen Friedens noch potentielle Gefahren für den internationalen Frieden erfaßt, erscheint die Bezeichnung der nach innen gerichteten Politiker der weißen Machthaber als Bedrohung des internationalen Friedens mit dem Sprachgebrauch der Satzung nicht vereinbar. Neben den allgemeinen Bedenken, die sich gegen die Tätigkeit der GV i m Rahmen des V I I . Kapitels ergeben, ist somit auch die Basis dieser A k t i o n — die Existenz einer Friedensbedrohung — mehr als fragwürdig. Hinzu kommt, daß die GV i n den Fällen des südlichen Afrika entgegen dem klaren Wortlaut des Art. 12 Z. 1 SVN und auch entgegen der Resolution „Uniting for Peace" nicht subsidiär, sondern — als treibende und führende Kraft — neben dem SR tätig geworden ist. Der Versuch, die weißen Regierungen mit Zwangsmaßnahmen zu einer Änderung ihrer Politik gegenüber der farbigen Bevölkerungsmehrheit zwingen zu wollen, muß auch dann als rechtlich fragwürdig erscheinen, wenn die Annahme einer Friedensbedrohung mit der 490 s. oben I I , 2. Kap., 9. Abschn., H. 3 b α. 491 A u f die Frage, ob die Resolutionen der GV als völkerrechtlicher Rechtfertigungsgrund für eine derartige kollektive A k t i o n dienen können, kann hier nicht näher eingegangen werden; hiergegen aber zutreffend Kewenig, Gewaltverbot S. 194 - 198, dessen Erwägungen erst recht Platz greifen müssen, wenn die GV vermutlich u l t r a vires handelt u n d sich mit Sicherheit nicht an die Voraussetzungen für die Anordnung von Zwangsmaßnahmen hält. Z u r Frage der Völkerrechtsregeln bei der Unterstützung von A u f ständischen s. i. e. Rauschning S. 86 f.

10. Abschn.: Der indisch-pakistanische K o n f l i k t

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Gefahr eines internationalen Konflikts begründet wird. Dies gilt vornehmlich dann, wenn die Androhung oder gar Anwendung von Gewalt nicht von Südafrika oder Portugal, sondern von Staaten ausgeht, die Anstoß an der Behandlung des farbigen Bevölkerungsteils nehmen. Zum einen sind die Maßnahmen des Art. 41 SVN stets nur gegen den Staat zu richten, dessen Verhalten eine Friedensbedrohung, also eine Verletzung des völkerrechtlichen Gewaltverbots darstellt. Zum anderen dürfen Zwangsmaßnahmen nicht zur Änderung tatsächlicher oder vermeintlicher Ursachen einer Friedensbedrohung, sondern nur zur Beseitigung der Friedensbedrohung selbst, m i t h i n gegen die Androhung oder Androhung von Gewalt i n den internationalen Beziehungen ergriffen werden. Gegen fundamentale Prinzipien der Satzung verstößt die von der GV i n diesen Fällen faktisch übernommene Lehre vom gerechten Befreiungskrieg kolonialer Völker. Dies gilt auch dann, wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht die Internationalität der Beziehungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen etc. bejaht. Das völkerrechtliche Gewaltverbot hindert indes kein Volk und keinen Volksteil, notfalls auch m i t Waffengewalt gegen die etablierte Regierung vorzugehen, und sich gegen jede Unterdrückung zur Wehr zu setzen.

10. Abschnitt DER I N D I S C H - P A K I S T A N I S C H E K O N F L I K T U M BANGLA-DESH

Bereits einen Tag, nachdem der SR diese Frage unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Resolution „Uniting for Peace" an die GV überwiesen hatte 4 9 2 , verabschiedete diese die Resolution 2793 ( X X V I ) 4 9 3 , in der sie sich tief besorgt über den Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen Indien und Pakistan zeigte und sie als „unmittelbare Bedrohung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherh e i t " 4 9 4 bezeichnete. Die GV verwies ausdrücklich auf Art. 2 Z. 4 SVN und forderte die Regierungen Indiens und Pakistans auf, unverzüglich alle Maßnahmen für einen Waffenstillstand und einen Rückzug ihrer Streitkräfte auf das eigene Gebiet 4 9 5 zu ergreifen. Sie drängte auf die Verstärkung der 492 s. oben I I , 1. Kap., 7. Abschn. 493 A m 7. Dezember 1971. 494 Wörtlich: "immediate threat to international peace and security." 495 Wörtlich: " " t o their o w n side of the India-Pakistan borders."

182

I I . 2. Kap.: Praxis der GV

Bemühungen, schnell und i m Einklang mit der Charta der V N die notwendigen Voraussetzungen für die freiwillige Rückkehr der (in Indien befindlichen) Flüchtlinge nach Ostpakistan zu schaffen. Ferner ersuchte sie den Generalsekretär und die Mitglieder, alle Anstrengungen zur Linderung der Not der Flüchtlinge und zum Schutz der Z i v i l bevölkerung i n den Kampfgebieten zu unternehmen. Auffällig gerade gegenüber den vorstehend untersuchten Resolutionen zum südlichen Afrika ist die in diesen Empfehlungen deutlich spürbare Zurückhaltung, die sich die GV i n dieser Frage auferlegt. Obwohl man mit guten Gründen auch Bangla-Desh als Anwendungsfall des Selbstbestimmungsrechts ansehen kann, fehlt jeder Hinweis auf diesen Aspekt des Problems. Die GV scheint vielmehr peinlich bemüht, jede Parteinahme zu vermeiden, eine Tatsache, die auch erklärt, warum Zwangsmaßnahmen hier nicht einmal erwogen wurden 4 9 6 . Bedenken gegen die Bezeichnung der Situation als Friedensbedrohung bestehen i n dieser Frage — wie bereits i m Zusammenhang mit der Resolution des SR ausgeführt 497 — nicht, wenngleich die Bezeichnung „Friedensbruch" dem Umfang der Kampfhandlungen sicherlich angemessener gewesen wäre.

11. Abschnitt DER I S R A E L I S C H - A R A B I S C H E K O N F L I K T SEIT D E M JAHRE 1967

Eine ähnliche Zurückhaltung hinsichtlich der Empfehlung von Zwangsmaßnahmen hat die GV bisher auch i n dem wohl brisantesten Konflikt der Gegenwart an den Tag gelegt. Zwar hat sie — anders als der SR 4 9 8 — i m Dezember 1971 und i m Dezember 1972 die Lage i m Nahen Osten jeweils als ernsthafte oder gefährliche Bedrohung des internationalen Friedens bezeichnet 499 , während sie i n früheren Jahren allenfalls von der ernsten Situation i n diesem Gebiet gesprochen hat 5 0 0 . I m übrigen hat sie sich aber weitgehend i m Rahmen der vom SR mit 496 Vgl. U N M O 1972/1 S. 90 f.; i n diesem Zusammenhang ist nicht u n interessant, daß der indische Delegierte von den „pakistanischen Besatzungstruppen" i n Bangla-Desh sprach, hier also offenbar die gleiche Konstruktion w i e i n der Goa-Frage u n d i n den Fragen des südlichen A f r i k a anwendete. 497 s. oben I I , 1. Kap., 7. Abschn. 498 s. oben I I , 1. Kap., 6. Abschn. 499 A/RES/2799 ( X X V I ) v o m 13.12.1971; A/RES/2949 ( X X V I I ) v o m 8.12. 1972; A/RES/3236 ( X X I X ) v o m 22.11.1974 spricht dagegen von einer „Gefährdung" des Weltfriedens. 500 vgl. etwa A/RES/2256 (ES-V) v o m 21.7.1967; A/RES/2252 (ES-V) v o m 4. 7.1967.

11. Abschn.: Der israelisch-arabische K o n f l i k t

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der Resolution 242 (1967) 501 festgelegten Politik der V N gehalten und sich i m wesentlichen darauf beschränkt, besonders Israel zur Befolgung dieser Resolution, d. h. zum Rückzug seiner Truppen aus den besetzten Gebieten aufzufordern. Nicht nur die Abstimmungsergebnisse 502 und die Verurteilung Israels wegen der Nichtbefolgung der Resolution 2799 (XXVI), sondern auch die Erwähnung der Rechte der Palästinenser und die mehrfache Betonung der Unrechtmäßigkeit jeder gewaltsamen Gebietsaneignung 503 i n den neueren Resolutionen der GV zu diesem Thema 5 0 4 zeigen jedoch das Bestreben starker Kräfte i n der GV, die ausgewogene und den fundamentalen Interessen beider Seiten gerecht werdende Basis der Resolution 242 (1970) des SR zu verlassen und durch die starke Hervorhebung der israelischen Verpflichtungen Druck auf Tel A v i v auszuüben. Ähnliches gilt auch für die seit 1973 i n einer Reihe von Resolutionen anzutreffende Verurteilung des israelischen Kolonialismus 5 0 5 . Wesentlich weiter als alle vorangehenden Resolutionen von GV und SR geht die Resolution 3236 ( X X I X ) vom 22.11. 1974. Sie betont nicht nur das Recht der Palästinenser, „zu ihren Heimstätten zurückzukehren", sondern auch ihr Recht, die Rechte des palästinensischen Volkes „ m i t allen M i t t e l n gemäß den Zielen und Grundsätzen der Charta der V N wiederzugewinnen". Zur Erreichung dieses Zieles ruft die GV alle Staaten und internationalen Organisationen zur Unterstützung des Kampfes der Palästinenser auf. Jeder Hinweis auf das Lebensrecht Israels fehlt dagegen i n der Resolution. Solange aus dieser Bezeichnung nicht das Recht abgeleitet wird, einseitig mit Zwangsmaßnahmen gegen eine Partei vorzugehen, bestehen dagegen gegen die Bezeichnung der Situation als Friedensbedrohung schon angesichts der nahezu täglichen Androhung und Anwendung direkter oder indirekter Gewalt keine Bedenken.

sol s. oben I I , 1. Kap., 6. Abschn. 502 A/RES/2799 ( X X V I ) : 79 : 7 : 36; A/RES/2949 ( X X V I I ) : 86 : 7 : 31. 503 Hierauf weist A/RES/2949 ( X X V I I ) nicht weniger als dreimal hin. 504 A/RES/2949 ( X X V I I ) ; A/RES/3092 Β ( X X V I I I ) v o m 7.12.1973; A/RES/ 3236 ( X X I X ) v o m 22. 11.1974. 505 v g l . etwa A/RES/3092 ( X X V I I I ) v o m 7.12.1973; ferner A/RES/3151 G ( X X V I I I ) v o m 14.12.1973 (zu Südafrika), die von einer „ u n h o l y alliance between Portuguese colonialism, South African racism, Zionism and Israeli imperialism" spricht.

184

I I . 2. Kap.: Praxis der G V

12. Abschnitt Z Y P E R N 1974

Auch i n der Zypernfrage hat die GV keine Zwangsmaßnahmen empfohlen. Resolution 3212 ( X X I X ) vom 1. November 1974, die die Zypernkrise als „Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit" bezeichnet, stellt auch ansonsten i m wesentlichen nur eine Wiederholung der vorher ergangenen Resolution des SR dar. Gegen die Bezeichnung der Situation als Friedensbedrohung bestehen — wie bereits i m Zusammenhang mit den Resolutionen des SR zu dieser Frage ausgeführt 506 — keine Bedenken.

13. Abschnitt ERGEBNIS — D I E RESOLUTIONEN DER G V

Nicht zufällig liegt der Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung auf der A k t i v i t ä t der GV i n den Fällen des südlichen Afrika. M i t keinem Problem hat sich die GV so intensiv befaßt wie mit den Relikten des europäischen Kolonialismus. I n keiner anderen Frage hat sie derart häufig von einer Friedensbedrohung gesprochen oder ähnlich weitreichende Zwangsmaßnahmen empfohlen. Niemals zuvor hat die GV den gerechten Befreiungskampf mit allen M i t t e l n anerkannt, die Behandlung von Aufständischen als Kriegsgefangene verlangt 5 0 7 und zur materiellen und moralischen Unterstützung für unterdrückte Völker aufgerufen. Alle Resolutionen, i n denen die GV bis zum Jahre 1960 den Begriff der Friedensbedrohung erwähnt. Zwangsmaßnahmen empfohlen oder die sie — ohne eine derartige Bezeichnung — zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens verabschiedet hat, respektieren die Hauptverantwortung des SR auf diesem Gebiet, der sie i n den meisten Fällen sogar ausdrücklich um ein Tätigwerden ersucht hatte. Die GV beschränkt sich entweder darauf, den SR auf eine mögliche Friedensbedrohung hinzuweisen und i h m für den Fall ihres Eintretens die A n wendung des V I I . Kapitels nahezulegen oder trägt — i m Falle der Funktionsunfähigkeit des SR — mit der i n der Charta nicht vorge506 vgl. oben I I , 1. Kap., 8. Abschn. 507 Noch i m Algerienfall, i n dem sie sogar eine Resolution zur Lage der gefangenen Algerier i n Frankreich verabschiedete (A/RES/1650 [ X V I ] ) , hat die GV lediglich von gefangenen Algeriern gesprochen u n d die Genfer K o n vention m i t keinem Wort erwähnt.

13. Abschn. : Die Resolutionen der GV

185

sehenen Entsendung von Friedenstruppen oder der bloßen Aufforderung zur friedlichen Streitbeilegung zur Entschärfung des Konflikts bei. Die einzige Empfehlung von Zwangsmaßnahmen 508 , die die GV bis zum Jahre 1960 ausgesprochen hat — 1950 i m Koreakonflikt — war von ausgesprochen defensivem Charakter. Die Untersuchung läßt deutlich den Wandel erkennen, den die „Deklaration über die Gewährung der Unabhängigkeit an koloniale Gebiete und Völker" vom .14. Dezember I960 5 0 9 eingeleitet hat. Die Beseitigung des Kolonialismus und postkolonialer Minderheitsregime w i r d zur Aufgabe, ihre Durchsetzung notfalls auch m i t Hilfe der Zwangsmaßnahmen des V I I . Kapitels zum Ziel der V N erklärt. Da die Entschließungen des SR, dessen westliche Mitglieder sich der Anwendung des V I I . Kapitels erfolgreich widersetzen, der Mehrheit in der GV nicht weit genug gehen, übernimmt die Versammlung i n einer über die Resolution „Uniting for Peace" weit hinausgehenden Weise selbst die führende Rolle auf diesem Gebiet. Anders als der SR bezeichnet sie die Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts durch Rassismus oder Kolonialismus als Friedensbedrohung und leitet hieraus oder aus gelegentlichen Grenzverletzungen durch Portugal oder Südafrika die Berechtigung ab, i h r erklärtes Ziel — die Beseitigung der Kolonial- oder Minderheitsregime — mit wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen durchzusetzen. Hiermit parallel laufend und i n wohl nicht unerheblichem Ausmaß durch die weitgehende Unwirksamkeit der von ihr empfohlenen Zwangsmaßnahmen bedingt, heißt die GV neuerdings auch die gewaltsame Veränderung des status quo i n diesen Gebieten ausdrücklich gut und fordert alle Mitgliedsstaaten auf, den Kampf der betreffenden Völker i n jeder Hinsicht zu unterstützen. Die Untersuchung hat gezeigt, welchen gravierenden Bedenken diese Praxis nicht nur hinsichtlich der Kompetenzverteilung der Satzung begegnet. Besonders die Verwendung des Begriffes Friedensbedrohung — und damit die Grundlage jeder Verhängung von Zwangsmaßnahmen — durch die OVN ist i n höchstem Grade problematisch und jedenfalls m i t dem Sprachgebrauch der Satzung nicht vereinbar. Die Anerkennung „gerechter Befreiungskriege" verstößt nicht nur gegen das fundamentale Prinzip des Gewaltverbots, sondern ist darüber hinaus geeignet, die Grundlagen der modernen Völkerrechtsordnung überhaupt i n Frage zu stellen.

508 Z u r Kongofrage, i n der fraglich ist, ob die GV eine Sanktionsempfehlung aussprechen wollte, vgl. oben I I , 2. Kap., 8. Abschn. 509 A/RES/1514 (XV); s. oben I I , l . K a p . , Anm. 67.

186

I I . 2. Kap.: Praxis der GV

Schon angesichts der abweichenden Haltung des primär zuständigen Organs SR kann eine gewohnheitsrechtliche Abänderung oder Erweiterung der Charta durch die Resolutionen der GV i n Kolonialfragen nicht angenommen werden 5 1 0 . Hiergegen spricht zudem auch die Praxis der GV selbst, die sich nicht nur i n den meisten anderen der hier untersuchten Fälle i m Rahmen der gefundenen Definition bewegt hat, sondern die auch zahlreiche interne und die Menschenrechte der betroffenen Bevölkerung nicht weniger tangierende Konflikte nicht zum Anlaß für ein entsprechendes Eingreifen genommen hat. Die einzige Resolution, in der die GV offensichtlich i n ähnlicher Weise Mißstände i n einem Staat als Friedensbedrohung angesehen hat, zu deren Beseitigung der SR — und nicht sie selbst — die in Art. 41 ff. vorgesehenen kollektiven Zwangsmaßnahmen ergreifen könne, ist die Resolution 39 (I) zur spanischen Frage aus dem Jahre 1946 511 . Gerade die i n dieser Entschließung ausgesprochenen Empfehlungen hat die GV aber wenige Jahre später in einer anderen Resolution (A/RES/386 (V) vom 4. 11. 1950) ausdrücklich widerrufen. Die Beratungsprotokolle aus dem Jahre 1950 lassen keinen Zweifel daran, daß dieser Widerruf i n erster Linie auf die nunmehr von der Mehrheit als irrig empfundene Annahme einer Friedensbedrohung zurückgeht 512 . Die neueren Resolutionen der GV zum israelisch-arabischen und indisch-pakistanischen Konflikt machen die absolute Sonderstellung deutlich, die den Resolutionen der GV zu Kolonialfragen zukommt. I n beiden Fällen hat die GV trotz ausdrücklicher Bezeichnimg der Situation als Friedensbedrohung keine Zwangsmaßnahmen empfohlen. Freilich lassen gerade die neueren Resolutionen der GV zur Nahostfrage, aber auch zu den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern 5 1 3 das Bestreben starker Kräfte erkennen, die V N — und hier besonders die GV — auch nach der weitgehenden Lösung der kolonialen und postkolonialen Fragen zur Durchsetzung eigener politischer Zielvorstellungen zu verwenden. Diese Entwicklung gibt Anlaß zur Sorge. Von den Gründern der Weltorganisation als Forum der Diskussion und als Zentrum des friedlichen Ausgleichs divergierender Interessen geschaffen, ist die GV i n steigendem Maße in Gefahr, selbst zur Partei in bestimmten Auseinandersetzungen zu werden. sto Ähnlich Seidl-Hohenveldern VR Rz. 1096 (S. 235). su Vgl. i.e. oben I I , 2. Kap., 2. Abschn. 512 Vgl. oben I I , 2. Kap., A n m . 76 sowie Y U N 1950 S. 341 - 344. 513 v g l . A/RES/3201 (ES-VI); A/RES/3202 (ES-VI); vgl. hierzu V N 1974 S. 79 ff.

Menning

13. Abschn.: Die Resolutionen der G V

187

Solange das Souveränitätsprinzip regiert und solange die große Mehrzahl der Staaten nicht zu ernstgemeinten Zugeständnissen an supranationale Organisationen wie die V N bereit ist, solange birgt jeder Versuch, die V N als Instrument zur zwangsweisen Veränderung bestehender Zustände einzusetzen, die Gefahr der Überbelastung eines Systems, dem es nach wie vor an einer sachbezogen urteilenden Entscheidungsinstanz, an eindeutigen Kriterien und an M i t t e l n zur Durchsetzung von Entscheidungen gebricht 5 1 4 .

514 Vgl. die ähnliche Befürchtung, die Kewenig, Gewaltverbot S. 192 h i n sichtlich einer Ausuferung des Gewaltbegriffes äußert.

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